Staatshaftung im Polizeirecht [1 ed.] 9783428477746, 9783428077748

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Staatshaftung im Polizeirecht [1 ed.]
 9783428477746, 9783428077748

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CHRISTIAN TREFFER

Staatshaftung im Polizeirecht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 641

Staatshaftung im Polizeirecht Von

Christian Treffer

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Treffer, Christian: Staatshaftung im Polizeirecht / von Christian Treffer. Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 641) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-07774-1 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07774-1

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 1992/93 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur wurden bis Ende 1992 berücksichtigt. Für zahlreiche Anregungen und wohlwollende Unterstützung danke ich Herrn Professor Dr. Fritz Ossenbühl. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern. Bonn, im März 1993 Christian Treffer

Inhaltsverzeichnis Α. Einführung in das Thema

11

I. Ausgangspunkt

11

II. Historische Eckdaten

11

1. Preußisches Landrecht

12

2. §§ 50 LVwO Thüringen, 70 PVG Preußen

12

3. Erweiterungstendenzen und Reformbestrebungen

16

4. Muster- und Alternativentwurf

19

III. Normbefund

23

1. Haftung für Schäden des in die Pflicht genommenen Nichtstörers ..

23

2. Haftung für Zufallschäden Unbeteiligter

24

3. Haftung für Schäden des aufgrund von § 323 c StGB Verpflichteten

24

4. Haftung für Schäden des mit behördlicher Zustimmung freiwillig handelnden Polizeihelfers

24

5. Haftung für Schäden aufgrund rechtswidriger Maßnahmen

26

6. Haftung für rechtswidrigen Umgang mit personenbezogenen Daten....

26

7. Salvatorische Entschädigungsklausel

26

IV. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

27

V. Gesetzgebungskompetenz B. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

30 33

I. Jemand

33

II. Schaden

33

III. Maßnahme

35

1. Rechtsprechungsübersicht

35

2. Kritische Würdigung

39

3. Unterlassen

41

4. Normatives Unrecht

43

8

Inhaltsverzeichnis

IV. Behördenbegriff

48

1. Rechtsprechungsübersicht

49

2. Kritische Würdigung

50

3. Prüfungsreihenfolge

56

V. Rechtswidrig

58

1. Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils; Handlungs- und Erfolgsunrecht

58

2. Materiell rechtswidrige Maßnahmen gegen einen Störer

64

3. Formelle Fehler

65

4. Beruhensfälle

68

5. Rechtsverletzung

69

VI. Zurechnungskriterien

70

1. Unmittelbarkeit und Rechtswidrigkeitszusammenhang

70

2. Rechtswidrige begünstigende Maßnahmen

72

3. Die Unbeteiligten-Fälle

73

VII. Verschulden C. Systematische Bemerkungen I. Standortbestimmung II. Offene Konkurrenzfragen

76 77 77 82

1. Rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte

82

2. Staatshaftung in den neuen Bundesländern

85

3. Sonstige Konkurrenzfragen

86

D. Die Rechtsfolge I. Normbefund und vergleichende Hinweise auf das BGB

87 87

1. Grundsatz

87

2. Schadensmodalitäten

88

3. Berechnungsmodalitäten

89

4. Erstattungsmodalitäten

91

5. Länder ohne Rechtsfolgenregelung

92

II. Ausgewählte Probleme

93

1. Die „Angemessenheit" des Ausgleichs in bezug auf Inhalt, Art und Umfang

93

2. Der Ersatz entgangenen Gewinns

96

3. Anderer Ersatz

99

4. Schutzmaßnahmen

101

5. „Mitverschulden" und Primärrechtsschutz

105

Inhaltsverzeichnis

E. Passivlegitimation und Regreß

109

I. Ausgleichspflichtiger

109

II. Rückgriffsansprüche der ausgleichspflichtigen Stelle

110

1. Regreßansprüche gegen mitverantwortliche Privatrechtssubjekte ....

110

2. Ersatzansprüche gegen mitverantwortliche Hoheitsträger

112

3. Ersatzansprüche gegen Störer

114

4. Regreßansprüche gegen den Amtswalter

119

5. Erstattungsanspruch gegen den Geschädigten

119

6. Verjährung der Regreßansprüche

120

F. Prozessuales

121

I. Rechtsweg

121

II. Vorverfahren

123

III. Klageart

124

IV. Bindungswirkung bereits vorliegender Urteile

126

V. Verjährungsunterbrechung VI. Beweislast

127 127

G. Zusammenfassende Thesen

128

H. Rechtspolitischer Ausblick

131

I. Literaturverzeichnis

134

Α. Einführung in das Thema I. Ausgangspunkt Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Staatshaftungsgesetz vom 26. Juni 1981 (BGBl. I 553) durch Urteil vom 19. Oktober 1982 (BGBl. I 1493) für mit Art. 70 GG unvereinbar und nichtig erklärt hatte, 1 blieb das Staatshaftungsrecht weiterhin eine im wesentlichen richterrechtlich geprägte Materie. 2 Allerdings existieren mit den polizeirechtlichen Ausgleichstatbeständen gesetzlich normierte Institute, die als Fall unmittelbarer Verbandshaftung rechtspolitisch und angesichts der Breite der Polizei- und Ordnungsverwaltung auch praktisch von Bedeutung sind: 3 §§ 34 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; 55 PolG Baden-Württemberg; Artt. 70 PAG Bayern; 11 LStVG Bayern; §§ 59 ASOG Berlin; 38 OBG Brandenburg; 69 PAG Brandenburg; 56 PolG Bremen; 10 Abs. 3 und 5 SOG Hamburg; 64 SOG Hessen; 72, 73 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 58 SOG Niedersachsen; 39 OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 68 PVG Rheinland-Pfalz; 68 PolG Saarland; 35 PolG Sachsen; 69 SOG Sachsen-Anhalt; 221, 222 LVwG Schleswig-Holstein; 68 PAG Thüringen. Eine eingehendere Untersuchung dieser Tatbestände fehlt. 4 Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag leisten, dieses Defizit auszugleichen.

I I . Historische Eckdaten Die Aufnahme öffentlich-rechtlicher Entschädigungsbestimmungen in die Sicherheitsgesetze des Bundes und der Länder entspricht der Tradition des modernen Polizeirechts. 5

ι BVerfGE 61, 149 (151). 2 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 3 f. 3 Götz, Die Entwicklung des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts (1984 bis 1986), NVwZ 1987, 858 (865, VII). 4 Einen ζ. T. überholten Überblick vermitteln Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 ff.; Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 ff. 5 Götz, Die Entwicklung des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts (1981 bis 1983), NVwZ 1984, 211 (216, VII); dersAllgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 278.

12

Α. Einführung in das Thema

1. Preußisches Landrecht Am Anfang der Entwicklung standen folgende, im naturrechtlichen Prinzip der Lastengleichheit aller Bürger verwurzelte preußische Bestimmungen: — § 75 Einleitung ALR vom 5. Februar 1794 (Textausgabe desselben Jahres). Er lautet: „Dagegen ist der Staat demjenigen, welcher seine besondern Rechte und Vortheile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genoethigt wird, zu entschaedigen gehalten." — § 4 des Gesetzes über die Zulässigkeit des Rechtsweges in Beziehung auf polizeiliche Verfügungen vom 11. Mai 1842 (GS 192). Er lautet: „Steht einer polizeilichen Verfügung ein besonderes Recht auf Befreiung (§ 2) nicht entgegen, es wird aber behauptet, daß durch dieselbe ein solcher Eingriff in Privatrechte geschehen sey, für welchen nach den gesetzlichen Vorschriften über Aufopferungen der Rechte und Vortheile des Einzelnen im Interesse des allgemeinen, Entschaedigung gewaehrt werden muß, so findet der Rechtsweg darüber Statt: ob ein Eingriff dieser Art vorhanden sey, und zu welchem Betrage dafuer Entschaedigung geleistet werden muesse. Eine Wiederherstellung des frueheren Zustandes kann in diesem Falle niemals verlangt werden, wenn solche nach dem Ermessen der Polizei-Behoerde unzulaessig ist." Hiernach und durch die Ausformung in Rechtsprechung und Lehre ergab sich folgendes Bild: Der Betroffene hatte gegen den Staat einen Anspruch auf Entschädigung in Geld — bei rechtmäßigen Eingriffen aufgrund einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr — in Vermögensrechte — mittels einer selbständigen, d. h. auf die Generalklausel (§ 10 I I 17 ALR Preußen) gestützten Polizeiverfügung — in Höhe des tatsächlich aufgeopferten Wertes. 6 2. §§ 50 LVwO Thüringen, 70 PVG Preußen Diese Rechtslage wurde zuerst in § 50 Abs. 1 der Thüringer Landesverwaltungsordnung vom 10. Juni 1926 (GS 177) und dann in § 70 Abs. 1 Satz 1 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931 (GS 77) kodifiziert. 6 Im einzelnen: v. Arnstedt, Das Preußische Polizeirecht, Bd. 1, 1905, S. 332 ff.; Friedrichs, Das Polizeigesetz, 1911, S. 47 ff.; Schäfer, Entschädigungsansprüche des Nichtstörers für Handlungen in Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben, 1914; Drews, Preußisches Polizeirecht. Allgemeiner Teil, 1927, S. 80 ff.; Furier, Das polizeiliche Notrecht und die Entschädigungspflicht des Staates, VerwArch 33 (1928), 340 ff.

II. Historische Eckdaten

13

§ 50 Abs. 1 LVwO Thüringen lautet: „Für den durch eine Polizeiverfügung verursachten Schaden kann der Geschädigte, soweit nicht § 839 BGB Platz greift, Ersatz nur verlangen, wenn die Gefahr, zu deren Abwendung die Polizeiverfügung erlassen ist, nicht durch sein Verhalten oder das Verhalten der Person, für die er verantwortlich ist, oder durch die Sache, für die er einzustehen hat, verursacht worden ist." § 70 Abs. 1 Satz 1 PVG Preußen lautet: „In den Fällen des § 21 7 kann, sofern die Entschädigungspflicht nicht in anderen gesetzlichen Vorschriften geregelt ist, derjenige, gegen den die polizeiliche Maßnahme getroffen ist, Ersatz des ihm durch die Maßnahme entstandenen Schadens verlangen." 8 Auch §§50 Abs. 1 LVwO Thüringen und 70 Abs. 1 Satz 1 PVG Preußen erfaßten grundsätzlich nur rechtmäßige Maßnahmen gegen einen Nichtstörer. 9 Anfangs wurde die Auffassung vertreten, daß der Zivilrichter von der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ausgehen müsse, solange diese noch nicht vor den zuständigen Stellen angefochten sei. 10 Diese als Ausfluß der Rechtswegspaltung begriffene Auffassung ist heute überholt. Das Zivilgericht hat, sofern kein verwaltungsgerichtliches Präjudiz vorliegt, auch die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahme zu beurteilen, weil diese echtes Tatbestandsmerkmal ist. Die Ansicht war auch wegen der Subsidiarität der §§50 Abs. 1 LVwO Thüringen, 70 Abs. 1 Satz 7 § 21 PVG Preußen regelt die Inanspruchnahme nichtverantwortlicher Personen im Falle eines polizeilichen Notstands (gegenwärtige erhebliche Gefahr, die nur durch die Heranziehung des Nichtstörers abgewehrt werden kann). s Die in §§ 144 Abs. 2 LVwO Thüringen, 70 Abs. 2 PVG Preußen vorgesehene und später von zahlreichen Ländern aufgegriffene Entschädigung für den Widerruf oder die inhaltliche Beschränkung einer polizeilichen Erlaubnis hat in das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht Eingang gefunden — §§48 Abs. 3, 49 Abs. 5 VwVfG — und bleibt hier unberücksichtigt. Hierzu: Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 (570 f.). 9 Amtliche Begründung zum Abschnitt XII des PVG Preußen, abgedruckt bei: Klausener / Kerstiens / Kempner, Das Polizeiverwaltungsgesetz, 1931, S. 83 f.; Knauth / Wagner, Landesverwaltungsordnung für Thüringen, 1927, § 50, Erl. 1; Löwisch, Der Ersatz des durch Polizeiverfügungen verursachten Schadens nach der Thüringer Landesverwaltungsordnung, Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt 6 (1929), 95 (97); Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, 1932, § 70, Erl. 4; Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, 1934, § 70, Erl. 2; Altmeyer ! De Clerk, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., 1956, § 65, Erl. 2, S. 136; W. Weimar, Gibt es eine öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung?, JR 1958,96, Ii. Sp.; Gobrecht, Polizeirecht des Landes Berlin, 1959, § 70, 5. Abs. der Anmerkung; Ule / Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1 : Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1965, § 70, Rn. 1. 10 BGHZ 7, 96 (98); Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, 1932, § 70, Erl. 4, S. 323; Forsthoff, Anmerkung zu BHGZ 7, 96, NJW 1953, 337 (338, Ii. Sp.); W. Weimar, Der Entschädigungsanspruch des Nichtstörers, SKV 1956, 167, re. Sp.; Ule I Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1 : Allgemeines Polizei-und Ordnungsrecht, 1965, § 73, Rn. 4. Von der Ungebundenheit der Gerichte ausgehend: Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, 1934, § 70, Erl. 2.

14

Α. Einführung in das Thema

1 PVG Preußen gegenüber § 839 BGB inkonsequent, der die zivilgerichtliche Erkenntnis über die Rechtmäßigkeit der behördlichen Maßnahme erforderte, v. a. im Hinblick auf die Folgen des Rechtsmittelversäumnisses nach Abs. 3. 1 1 Diese Subsidiarität wurde dahingehend ausgelegt, daß die Haftung für rechtswidrige Maßnahmen einzig und allein von § 839 BGB geregelt werde. 12 Als Schadenshandlungen kamen nur Anordnungen im Einzelfall, nämlich Polizeiverfügungen in Betracht. Der Wortlaut des § 50 Abs. 1 LVwO Thüringen ist insofern eindeutig. In der Amtlichen Begründung zum Abschnitt X I I des PVG Preußen heißt es: „Vorweg sei hierzu bemerkt, daß der Entwurf dem bisherigen Rechtszustand entsprechend einen Schadensersatzanspruch nur gegenüber polizeilichen Verfügungen gewährt, nicht jedoch gegenüber Polizeiverordnungen, und zwar aus dem Grunde, weil diese in der Praxis durch polizeiliche Verfügungen oder die Festsetzung von Zwangsgeld durchgeführt werden und gegebenenfalls die Möglichkeit besteht, gegen diese Einzelmaßnahmen vorzugehen."13 Es sind jedoch auch Verordnungen denkbar, die ein bestimmtes Verhalten unmittelbar („selbst-vollziehend") anordnen. Dessen ungeachtet wollte Friedrichs den Maßnahmebegriff noch weitergehend auf selbständige Verfügungen einengen, d. h. verordnungsvollziehende Verwaltungsakte ausgrenzen.14 Hingegen zählte Franzen auch Polizeiverordnungen zum Maßnahmebegriff, sprach aber gleichzeitig von einer geringen praktischen Bedeutung des Problems. 15 In der Tat: Eine Polizeiverordnung gegen einen Nichtstörer ist nicht vorstellbar. Denn jene regelt eine abstrakte Gefahrensituation, während dieser nur in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren und damit notwendigerweise konkreten Gefahrenlage herangezogen werden darf, folglich nur durch eine Maßnahme im Einzelfall. Als Eingriffsobjekt wurden für § 50 Abs. 1 LVwO Thüringen die subjektiven Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB genannt,16 für § 70 Abs. 1 Satz 1 PVG π Vgl. unten D II 5. ι 2 Siehe die Quellen in Fn. 9 sowie Mayer, Die Eigenständigkeit des bayerischen Verwaltungsrechts, dargestellt an Bayerns Polizeirecht, 1959, S. 254; Weber, Zur Tätigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden und ihrer Entschädigungspflicht, SKV 1963, 316 (317, re. Sp., IV). ι 3 Abgedruckt bei: Klausener / Kerstiens / Kempner, Das Polizeiverwaltungsgesetz,

1931, S. 83. 14 Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, 1932, § 70, Erl. 3. 15 Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, 1934, § 70, Erl. 4. 16 Löwisch, Der Ersatz des durch Polizeiverfügungen verursachten Schadens nach der Thüringer Landes Verwaltungsordnung, Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt 6 (1929), S. 95 (98 f.). Die Anlehnung an § 823 Abs. 1 BGB wird mit der Formulierung des § 50 Abs. 2 LVwO Thüringen begründet: „Der Ersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Geschädigte gegen einen Dritten, falls dieser die Handlung, deren Vornahme oder Unterlassung durch die Polizeiverfügung angeordnet worden war, ohne polizeiliches Einschreiten vorgenommen oder unterlassen hätte, keinen außervertraglichen Ersatzanspruch hätte."

II. Historische Eckdaten

15

Preußen darüber hinaus das gesamte Vermögen. 17 Der BGH forderte einen Eingriff in subjektive Rechte. 18 Sei dies nicht der Fall, liege auch dann kein Sonderopfer bzw. keine Inanspruchnahme als Nichtstörer vor, wenn der polizeiwidrige Zustand durch eine polizeiliche Maßnahme herbeigeführt worden sei. 19 Inhalt, Art und Umfang des Ersatzes waren umstritten. Wortlaut und Entstehungsgeschichte lassen die Frage offen. § 70 Abs. 1 Satz 2 PVG Preußen schließt den Anspruch lediglich für den Fall aus, daß die Maßnahme zum Schutz der Person oder des Vermögens des Nichtstörers getroffen wurde. In der ersten Lesung des Ausschusses für Verfassungsfragen des Preußischen Landtags wurde zudem nur die Begrenzung des Ersatzes auf „unmittelbare" Schäden für zu eng befunden. 20 Während die anfangs herrschende Lehre deshalb umfassenden Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. BGB gewähren wollte (Wortlautargument) 21 — bei § 50 Abs. 1 L V w O Thüringen bezog Löwisch sogar die §§ 842 ff. BGB mit ein — , 2 2 hat sich nachher vor allem in der Rechtsprechung die landrechtlich geprägte Auffassung durchgesetzt, dem Betroffenen ausschließlich eine Aufopferungsentschädigung in Geld zuzusprechen, die weder den über die Nutzungen aus vorhandenen Kapitalanlagen hinausgehenden entgangenen Gewinn noch ein Schmerzensgeld umfaßte. 23 Dies wurde u. a. damit begründet, daß Schadensersatz einer Folgenbeseitigung gleichkomme, über die allein die Verwaltungsgerichte befinden dürften. Aber der Umfang des Schadensersatzes kann nicht vom Rechtsweg, sondern nur vom gesetzlichen Tatbestand her ermittelt werden. Eigentlicher Hintergrund dieser Ansicht ist eine veraltete Zuständigkeitsaufteilung in der Tradition des preußischen Rechtswegegesetzes vom 11. Mai 1842. 24 17 Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, 1934, § 70, Erl. 7. Die Amtliche Begründung zu Abschnitt XII des PVG Preußen behandelt nur eigentumsrele-

vante Fälle. Klausener / Kerstiens / Kempner, Das Polizei Verwaltungsgesetz, 1931, S. 84.

is BGHZ 7, 96 (98); DVB1. 1953, 367 (368, re. Sp., 2. Abs.). 19 BGH, DVB1. 1953, 367 (370, Ii. Sp.): Rechtmäßiger Abriß eines Hauses und hierdurch bedingte Standunsicherheit des Nachbargebäudes, so daß dieses ebenfalls abgerissen werden muß. 20

21

Klausener I Kerstiens I Kempner, Das Polizei Verwaltungsgesetz, 1931, S. 211 f.

Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, 1932, § 70, Erl. 5; Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, 1934, § 70, Erl. 7; Altmeyer ! De Clerk, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., 1956, § 65, Erl. 2, S. 137; Gobrecht, Polizeirecht des Landes Berlin, 1959, § 70, 3. Abs. der Anmerkung; W. Weimar, Der Entschädigungsanspruch des Nichtstörers, SKV 1956,167, re. Sp. f.; ders., Gibt es eine öffentlichrechtliche Gefährdungshaftung?, JR 1958, 96, re. Sp.; Weber, Zur Tätigkeit der Polizeiund Ordnungsbehörden und ihrer Entschädigungspflicht, SKV 1963, 316 (317, re. Sp., IV). 22 Löwisch, Der Ersatz des durch Polizeiverfügungen verursachten Schadens nach der Thüringer Landesverwaltungsordnung, Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt 6 (1929), S. 95 (101). 2 3 BGHZ 7,96 (100 f.); 14,363 (366 f.); 20,61 (69); Schach, Das Entschädigungsmaß des § 70 PrPVG und der entsprechenden Bestimmungen der neuen Polizeigesetze, DVB1. 1956,669 (671, re. Sp., 1. Abs.); Ule / Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1: Allgemeines Polizei- und Ordnungs-

16

Α. Einführung in das Thema

3. Erweiterungstendenzen und Reformbestrebungen §§ 50 Abs. 1 LVwO Thüringen und 70 Abs. 1 Satz 1 PVG Preußen wurden in mehrfacher Hinsicht als zu eng empfunden. Diskutiert wurden in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Aufopferung und zum enteignungsgleichen Eingriff — die Ausdehnung des Tatbestandes auf die schuldlos rechtswidrige Inanspruchnahme des Nichtstörers (Erst-Recht-Argument), 25 — die Erstreckung auf die schuldlos rechtswidrige Inanspruchnahme des Störers (Sonderopfer durch Rechtswidrigkeit), 26 — die Erfassung auch schuldhaft rechtswidriger Eingriffe (Erst-Recht-Argument), 27 — die Einbeziehung von freiwilligen Polizeihelfern (Gleichstellung mit den durch Verwaltungsakt als Nichtstörer herangezogenen Helfern) 28 — und die Erfassung der Schäden von am Geschehen völlig unbeteiligten Personen, d. h. Zufallschäden aufgrund nichtfinaler Eingriffe (Lehre vom Erfolgsunrecht, ζ. B. bei einer abirrenden Polizeikugel). 29 recht, 1965, § 70, Rn. 6 f.; Ule, in: Mayer / Ule, Staats- und Verwaltungsrecht in Rheinland-Pfalz, 1969, S. 489; Forsthoff, Anmerkung zu BGHZ 7, 96, NJW 1953, 337, re. Sp. 24 S. oben Fn. 10. 25 OLG Celle, DVB1.1958,549 (550, Ii. Sp., 4); Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, 1932, § 70, Erl. 4, S. 323; Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, 1934, § 70, Erl. 2; Bögner, Die Entschädigungsansprüche im Polizeirecht, DVB1. 1953, 357, Ii. Sp. am Ende; Müller-Heidelberg / Clauss, Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl., 1956, § 40, Erl. 2, S. 189; W. Weimar, Gibt es eine öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung?, JR 1958, 96, re. Sp.; Ule I Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1965, §70, Rn. 16; Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 (569, re. Sp., Β II).

26 Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 222; Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 666 oben; Stephan, in: Bretzinger, Staats- und Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg, 1991, VIII/Rn. 169 (S. 422). Vgl. auch Schenke, Staatshaftung und Aufopferung — Der Anwendungsbereich des Auf Opferungsanspruchs, NJW 1991, 1777 (1789, Ii. Sp., 2. Abs.). 27 Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, 1934, § 70, Erl. 2; Bögner, Die Entschädigungsansprüche im Polizeirecht, DVB1. 1953, 357, re. Sp.; Müller-Heidelberg / Clauss, Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl., 1956, § 40, Erl. 2, S. 189. 28 Altmeyer / De Clerk, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., 1956, §65, Erl. 2, S. 136 f.; Ule I Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1965, § 70, Rn. 18. 29 W. Weimar, Der Entschädigungsanspruch des Nichtstörers, SKV 1956, 167, Ii. Sp.; Altmeyer / De Clerk, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., 1956, § 65, Erl. 2, S. 136; Müller-Heidelberg / Clauss, Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl., 1956, § 40, Erl. 2, S. 190; R. Weimar, Die Haftung

II. Historische Eckdaten

17

Impulse für eine umfassendere Gesetzgebung gaben der Entwurf eines Polizeigesetzes der Rechtskommission der Arbeitsgemeinschaft der Innenminister der Bundesländer von 1952 sowie das Frankfurter Modell eines Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Instituts zur Förderung Öffentlicher Angelegenheiten aus dem gleichen Jahr. Bei dem Institut handelte es sich um eine privatrechtliche, im weitesten Sinne staatswissenschaftliche Einrichtung, zu dessen Trägern der Deutsche Städtetag, Köln, der Deutsche Landkreistag, Frankfurt/M., der Deutsche Städtebund, Düsseldorf, der Deutsche Gemeindetag, Mühlheim, die Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitswesen, Frankfurt/M., der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung, Frankfurt / M., der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge, Frankfurt/M., die Deutsche Statistische Gesellschaft, München, und das Deutsche Volksheimstättenwerk, Bielefeld, zählten. Das Institut beauftragte eine Studienkommission aus Praktikern der Polizei und Kommunalverwaltung sowie Professoren, sich insbesondere mit der organisatorischen Trennung von Vollzugs- und Verwaltungspolizei, Standard- und Zwangsmaßnahmen sowie Polizeiverordnungen auseinanderzusetzen. Den Vorsitz führte Hans Peters. 30 § 38 Abs. 1 des Innenminister-Entwurfes lautet: „Erleidet jemand, der nach § 34 31 in Anspruch genommen wird, einen Schaden oder wird jemand, der nicht nach den §§30 bis 32 32 verantwortlich oder nach § 34 in Anspruch genommen worden ist, getötet oder verletzt oder erleidet er einen billigerweise nicht zumutbaren sonstigen Schaden, so ist der durch die polizeilichen Maßnahmen entstandene Schaden zu ersetzen, soweit der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag/' Dieser Vorschlag wurde zuerst durch Art. 56 Abs. 1 und 2 PAG Bayern vom 16. Oktober 1954 (GVB1. 237) umgesetzt. § 52 Abs. 1 Frankfurter Modell lautet: „Erleidet jemand, der nach § 24 33 in Anspruch genommen wird, durch Maßnahmen der Ordnungs- oder Polizeibehörden einen Schaden, so ist dieser Schaden zu ersetzen, soweit der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Dies gilt auch bei schuldhaft oder schuldlos rechtswidriger Inanspruchnahme."

des Staates für schuldlos-rechtswidrige Schädigungen, insbesondere für sog. Zufallschäden, SKV 1964, 8 (11, re. Sp. am Ende); Ule I Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1 : Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1965, § 70, Rn. 16; Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 210 f. 30 Zu den Entwürfen s. Bögner, Die Entschädigungsansprüche im Polizeirecht, DVB1. 1953, 357 (358, II); Peters, Ein Modell-Polizeigesetz, DOV 1953, 385 ff.; Wacke, Das

Frankfurter Modell eines Polizeigesetzes, DÖV 1953, 388 ff. 31 § 34 regelt die Inanspruchnahme des Nichtstörers (früher § 21 PVG Preußen). 32 Die §§30 bis 32 behandeln die Verantwortlichkeit für eigenes Verhalten und für den Zustand von Sachen (früher §§ 18 bis 20 PVG Preußen). 33 § 24 betrifft den polizeilichen Notstand (früher § 21 PVG Preußen). 2 Treffer

18

Α. Einführung in das Thema

Dieser Vorschlag wurde von § 40 Abs. 1 PolG Hessen vom 10. November 1954 (GVB1. 203) übernommen. § 52 Abs. 2 Frankfurter Modell geht darüber hinaus: „Erleidet jemand, der nicht nach den §§21 bis 23 34 verantwortlich ist und ohne daß die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen, durch Verletzung seiner Rechte einen Schaden, so ist dieser Schaden angemessen zu ersetzen, sofern dem Geschädigten durch die Maßnahme ein besonderes Opfer auferlegt worden ist." Das erste Land, das eine generelle, verschuldensunabhängige Unrechtshaftung einführte, war Nordrhein-Westfalen, 35 gefolgt von Bremen 36 und dem Bund 37 (Ersatz von Schäden, die durch „rechtswidrige Maßnahmen" der Polizei- oder Ordnungsbehörden entstanden sind). Die Begründung für diesen sehr weitgehenden Schritt besteht eher aus Allgemeinplätzen. Es wird auf die Rechtsprechung des BGH zum enteignungsgleichen Eingriff verwiesen (BGHZ 6, 270; 7, 296) und pauschal von rechtsstaatlichem Denken oder rechtpolitischen „Bedürfnissen" gesprochen. 38 Vermutlich wurde v. a. an die Nachteile der personal konstruierten Amtshaftung gedacht (Verschuldenserfordernis, Subsidiaritätsklausel). 39 Papier übt scharfe Kritik: „Die Sprengung des traditionellen Rahmens polizeirechtlicher Sonderhaftungstatbestände . . . war eine allzu gutgläubige Rezeption höchstrichterlicher Judikatur. Die Polizei- und Ordnungsgesetzgeber übersahen, daß sie mit dieser wohlgemeinten Gefolgschaft die allgemeine, bundesrechtliche Staatsunrechtshaftung kraft Amtshaftung unterliefen und dem BGH für den verunglückten Versuch Anerkennung zollten, die rechtspolitisch dringend erforderliche Reform der bundesrechtlichen Staatshaftungsnorm selbst in die Hand zu nehmen und sie über den untauglichsten aller möglichen Anknüpfungspunkte, nämlich den Art. 14 GG, zu bewerkstelligen."40 Diese Untersuchung wird jedoch zeigen, daß sich die polizeiliche Unrechtshaftung von Art. 14 GG, dem Sonderopfermerkmal und der Rechtsprechung zum 34 §§ 21 bis 23 entsprechen den Störervorschriften der §§ 18 bis 20 PVG Preußen. 35 § 42 Abs. 1 lit. b OBG Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 1956 (GVB1. 289). 36 § 52 Abs. 1 lit. b PolG Bremen vom 5. Juli 1960 (GBl. 73). 37 § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGSG vom 18. August 1972 (BGBL I 1834). 38 Nr. 2 der Amtlichen Begründung zu § 48 Regierungsentwurf OBG NordrheinWestfalen, der die Unrechtshaftung allerdings noch auf die Inanspruchnahme des Nichtstörers beschränkte. Landtag Nordrhein-Westfalen, Drs. III/6, S. 45. Begründung zu § 48 des Änderungsantrags der Fraktion des Zentrum, Landtag Nordrhein-Westfalen, Drs. III/273, S. 2. Innenminister Dr. Meyers, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stenographische Berichte III / 837 (C und D); Abgeordneter Dr. Flehinghaus, Landtag NordrheinWestfalen, Stenographische Berichte III/1481 (D); Amtliche Begründung zu §34 BGSG, Bundestag, Drs. VI/2886, S. 35. 39 Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567, re. Sp. (A I). 40 Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1.1975,567 (575, re. Sp., letzter Abs.).

II. Historische Eckdaten

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enteignungsgleichen Eingriff „abgekoppelt" hat. 41 Auch von einem Unterlaufen der Amtshaftung kann keine Rede sein. Nach dem Urteil des Β VerfG zum StHG 1981 42 stellen die polizeirechtlichen Ausgleichstatbestände de lege lata die einzige Möglichkeit zur Schaffung einer unmittelbaren Verbandshaftung für rechtswidriges hoheitliches Handeln dar. 43

4. Muster- und Alternativentwurf Auf eine Erweiterung der Haftung drängten schließlich auch der Muster- sowie der Alternativentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes. Im Jahr 1973 forderte die Ständige Konferenz der Innenminister und -Senatoren des Bundes und der Länder in dem „Programm für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland", einen Entwurf zu erstellen, der von den Ländern übernommen werden sollte. Die länderübergreifende Zusammenarbeit der Polizei im institutionellen Sinn sollte verbessert und ihre Befugnisse rechtsstaatlich konkretisiert werden. Gegenstand der Diskussion waren vor allem Generalklausel, Schußwaffengebrauch, Personenkontrolle und Datenverarbeitung. Die Entwürfe von 1974,1976 und 1977 wurden schrittweise und mit gewissen Modifikationen von Berlin (ASOG vom 11. Februar 1975), Baden-Württemberg (mehrere Änderungen des PolG im Jahr 1976), Bayern (PAG vom 24. August 1978), Nordrhein-Westfalen (PolG vom 25. März 1980), Rheinland-Pfalz (PVG vom 1. August 1981) und Niedersachsen (SOG vom 17. November 1981) verwirklicht. 44 Dem Musterentwurf entsprach auch das im Zuge des deutschen Einigungsprozesses erlassene PAG DDR vom 13. September 1990.45 Die Innenminister und -Senatoren des Bundes und der Länder konstatierten eine Rechtszersplitterung auf dem Gebiet der polizeirechtlichen Ersatzleistungen und wollten dieser durch einheitliche, zeitgemäße Regelungen abhelfen. 46 41 S. unten C I. 42 BVerfGE 61, 149 ff. 43 S. unten A V. 44 Rasch, Der Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes und seine Verwirklichung, DVB1. 1982, 126 ff.; Knemeyer, Mustergesetzentwürfe als Mittel der Rechts-und Verfahrensvereinheitlichung, Zeitschrift für Gesetzgebung 1987,228 ff.; Riegel, Polizeiund Ordnungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Januar 1991, E I, S. 3 f. 45 DDR-GB1. I 1489. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde Schadensersatz bei der Inanspruchnahme von Nichtstörern und bei der Unterstützung durch Polizeihelfer gemäß § 18 VPAG DDR vom 11. Juni 1968 (DDR —GBl. 1232) geleistet sowie bei rechtswidrigen Maßnahmen der Volkspolizei gemäß Art. 104 DDR-Verfassung vom 9. April 1968 (DDR — GBl. I 199) i. d. F. vom 7. Oktober 1974 (DDR — GBl. I 425) i. V. m. dem StHG DDR vom 12. Mai 1969 (DDR — GBl. I 34) i. d. F. vom 14. Dezember 1988 (DDR — GBl. I 329). S. auch unten C Π 2. 46 Nr. 3.5 der Amtlichen Begründung, abgedruckt bei: Heise / Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., 1978. 2*

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Α. Einführung in das Thema

Die §§45 ff. Musterentwurf enthalten neben dem Entschädigungsanspruch des zur Gefahrenabwehr herangezogenen Nichtstörers (§ 45 Abs. 1 Satz 1) — eine ausdrückliche Regelung des Ausgleichs für (verschuldensunabhängige) rechtswidrige Maßnahmen der Polizei (§ 45 Abs. 1 Satz 2), — ferner einen Anspruch des mit behördlicher Zustimmung handelnden freiwilligen Polizeihelfers (§ 45 Abs. 2), — die Möglichkeit des Ausgleichs für entgangenen Gewinn, allerdings nur in Härtefällen, sofern er über den gewöhnlichen Verdienst hinausgeht (§ 46 Abs. 1 Satz 2), — in Anlehnung an § 847 BGB einen Ausgleich für immaterielle Schäden im Falle einer Beeinträchtigung des Körpers, der Gesundheit oder einer Freiheitsentziehung (§ 46 Abs. 2), — in Anlehnung an § 843 BGB die Statuierung der Pflicht zur Leistung einer Geldrente bei Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit oder eines Unterhaltsrechts (§ 46 Abs. 3 Satz 2) — und in Anlehnung an §§ 844, 846 BGB die Regelung der Ansprüche mittelbar Geschädigter im Falle der Tötung (§ 47). Kritik an der Konzeption des Musterentwurfes übte der seit 1977 bestehende „Arbeitskreis Polizeirecht", eine ad-hoc-Gruppe der Professoren Denninger, Dürrkop, Hoffmann-Riem, Klug, Podlech, Rittstieg, Schneider und Seebode. Er veröffentlichte 1979 seinen Alternativentwurf, dem das Polizeigesetz Bremen vom 21. März 1983 im wesentlichen folgte. Über die dem Musterentwurf entsprechenden Regelungen47 hinaus enthält der Alternativentwurf der Universitätsprofessoren folgende Besonderheiten: — § 65 Abs. 1 Nr. 2 Alternativentwurf räumt auch dem Helfer in Unglücksfällen (§ 323 c StGB) Entschädigungsansprüche ein, weil die staatlichen Versicherungsleistungen nach der RVO als zu gering und Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in ihrer Realisierung als ungewiß beurteilt werden. 48 — Die objektive Unrechtshaftung wird in eine Haftung für die Verletzung subjektiver Rechte umgemünzt (§ 65 Abs. 1 Nr. 4 Alternativentwurf: Entschädigt wird, wer „durch eine polizeiliche Maßnahme in seinen Rechten verletzt wird."), die unter dieser Voraussetzung alle Fälle des Handlungs- und Erfolgsunrechts erfasse. 49

47 Nichtstörer: § 65 Abs. 1 Nr. 1 Alternativentwurf; Polizeihelfer: § 65 Abs. 1 Nr. 3 Alternativentwurf; immaterielle Schäden bei Körper-, Gesundheits-, Freiheitsverletzungen, Unterhalts- und Hinterbliebenenregelungen: § 66 Abs. 4 Alternativentwurf. 48 Nr. 6 der Begründung zu § 65 des Alternativentwurfs einheitlicher Polizeigesetze des Bundes und der Länder, 1979. 4 9 Nrn. 13 und 14 der Begründung zu § 65 Alternativentwurf, 1979.

II. Historische Eckdaten

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— Gemäß § 66 Abs. 1 Alternativentwurf wird grundsätzlich Geldersatz in voller Höhe geleistet einschließlich eingriffsbedingter Aufwendungen sowie des entgangenen Gewinns. — Der Anspruch entfällt gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 Alternativentwurf, wenn der Geschädigte es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines förmlichen Rechtsbehelfs abzuwenden, ohne daß der Rechtsweg erschöpft werden müsse.50 — Nach § 67 Alternativentwurf kann derjenige eine Entschädigung verlangen, dessen Rechte die Polizeibehörden durch rechtswidrigen Umgang mit personenbezogenen Daten verletzen. Damit soll das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) in Anknüpfung an die zivilrechtliche Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht 51 haftungsrechtlich sanktioniert werden, 52 was allerdings im Hinblick auf die Unrechtshaftung nach § 65 Abs. 1 Nr. 4 Alternativentwurf überflüssig ist. Entsprechende Vorschriften finden sich nunmehr in den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder (z. B. §§ 7, 8 BDSG, 20 DSG Nordrhein-Westfalen). Ζ. T. wird im geltenden Polizeirecht auf das Datenschutzrecht verwiesen (so § 76 SOG Mecklenburg-Vorpommern unter Bezugnahme auf § 23 DSG Mecklenburg-Vorpommern und § 225 LVwG Schleswig-Holstein unter Bezugnahme auf § 21 DSG Schleswig-Holstein). — § 69 Abs. 1 Alternativentwurf endlich läßt die entschädigungspflichtige Körperschaft gesamtschuldnerisch neben anderen Ersatzpflichtigen haften, während § 46 Abs. 4 Musterentwurf dem § 255 BGB nachgebildet ist (Ersatz gegen Abtretung anderweitiger Ansprüche). Hinzuweisen ist noch auf folgendes: Beide Entwürfe schließen ausweislich ihrer Begründung eine Haftung für Unterlassen unter Verletzung einer Rechtspflicht aus, um die Ermessensentscheidung der Polizei über ihr Einschreiten nicht mit einer Haftungsautomatik zu belasten, die ihrerseits Rückwirkungen auf die Kontrolldichte der Verwaltungsgerichte bei der Ermessensprüfung haben müsse.53 Die Frage einer Haftung für verordnungsbedingte Schäden stellt sich bei der Polizei im institutionellen Sinn nicht. Beide Entwürfe eilen der in den 70er Jahren in Angriff genommenen Reform des Staatshaftungsrechts in bezug auf die Unrechtshaftung bewußt voraus, weil deren Verwirklichung nicht absehbar sei. 54 so Nr. 7 der Begründung zu § 66 Alternativentwurf, 1979. 51 BGHZ 26, 349; 35, 363. 52 Begründung zu § 67 Alternativentwurf, 1979. 53 Nr. 12 der Begründung zu § 65 Alternativentwurf, 1979; Amtliche Begründung zu Abs. 1 des § 45 Musterentwurf, abgedruckt bei: Heise / Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., 1978.

22

Α. Einführung in das Thema

Warum die Unrechtshaftung dann aber nur im Polizeirecht verankert wurde, bleibt das Geheimnis der Gesetzgeber. Es mag sein, daß die polizeirechtlichen Entschädigungstatbestände eine längere Tradition haben. Die Effektivität der Gefahrenabwehr verlangte geradezu nach der Möglichkeit, auch Nichtverantwortliche in Anspruch nehmen zu können, und der oft bestehende Zwang zu eiligen Entscheidungen führte zur Erkenntnis ihrer Fehleranfälligkeit. Aber daß das Unrecht der Polizei- und Ordnungsbehörden ausgleichsbedürftiger sei als dasjenige anderer Hoheitsträger, leuchtet nicht ein. Die Bundes- und Landesgesetzgeber haben sich offenbar auf den Standpunkt gestellt, das vorhandene positive Recht den bereits ergangenen BGH-Entscheidungen anzupassen. Insofern konnte man ja nichts falsch machen. Ansonsten aber galt der Grundsatz: Nur keine Schleusen öffnen! Dies ist der Hintergrund dafür, daß gemäß § 46 Abs. 5 Satz 1 Musterentwurf und § 66 Abs. 2 Nr. 2 Alternativentwurf die fehlende Vorhersehbarkeit des Schadensausmaßes einen Minderungsgrund darstellt. Insbesondere bei Gewerbebetrieben drohten exorbitante Schäden durch relativ geringe Rechtsfehler der Polizei. Dieses Risiko könne durch Versicherungen der Unternehmer abgedeckt werden. 55 Dieser Vorschlag ist in bezug auf die Unrechtshaftung rechtspolitisch zweifelhaft. Gemäß Artt. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG trägt allein der Staat das Risiko der Rechtswidrigkeit seines Handelns, sofern der Betroffene diese nicht — etwa durch falsche Informationen — mitverursacht hat. 56 Zwar wird der Ausgleichsanspruch des Betroffenen unter dem Gesichtspunkt des „Mitverschuldens" auch dann gekürzt, wenn er sich trotz erkannter oder erkennbarer Rechtswidrigkeit einer Schadensbegrenzung verweigert (ζ. B. durch Nichtgebrauch eines Rechtsmittels). 57 Aber die Obliegenheit zur Schadensminderung ist vom Tatbestand der Rechtswidrigkeit unabhängig.58 Es sollen keine Anreize für ein künstliches Hochtreiben des Schadens bestehen. Eine Freizeichnung des Staates für rechtswidriges Handeln hingegen, die letztlich dem Verschuldenserfordernis des § 839 BGB verhaftet bleibt, relativiert den sekundären Rechtsschutz und verschiebt in unzulässiger Weise den Blickwinkel: Daß nämlich die Schutzwürdigkeit des Betroffenen proportional zur Unvorhersehbarkeit und Höhe des Schadens abnehmen soll, läßt sich — vom Fall des § 254 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB abgesehen (Warnung des Geschädigten an den Schädiger vor einem ungewöhnlich hohen Schaden) 54

Nr. 3.53 der Amtlichen Begründung zum Musterentwurf, abgedruckt bei: Heise / Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., 1978; Nrn. 1, 3 und 4 der Begründung zu § 65 Alternativentwurf, 1979. 55 Nr. 6 der Begründung zu § 66 Alternativentwurf, 1979. 56 Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 175, Fn. 28. 57 S. unten D II 5. 58 S. ζ. B. §§ 49 Abs. 5 Satz 3 BSeuchenG; 2 OEG; 5 Abs. 2 und 3, 6 Abs. 1 Satz 1 StrEG; 32 Abs. 2 BLeistungsG; 19 Abs. 2 und 6 LuftVG; 13 Abs. 2 SchutzbereichsG; 8 a Abs. 8 BFStrG; 93 Abs. 3 Satz 2, 95 Abs. 2 bis 4, 121 Abs. 3 BauGB.

III. Normbefund

23

— nicht stichhaltig begründen. Versichern muß sich der Schädiger, nicht der Geschädigte. Die von den Entwürfen vorgesehenen Abwägungsklauseln zeigen einmal mehr, daß die Idee der Rechtsstaatlichkeit bei der Ausgestaltung der Staatshaftung nur dann obsiegt, wenn die Verwirklichung „billiger" Verhältnisse nicht zu teuer ist. Finanzpolitische Widerstände gegen die Unrechtshaftung hält Ossenbühl allerdings für unbegründet und unverantwortlich. 59 In der Begründung zum Entwurf eines Staatshaftungsgesetzes der Bundesregierung von 1978 wird von einer Verdoppelung derzeitiger Haftungsverbindlichkeiten auf 15 Millionen D M pro Haushaltsjahr gesprochen. 60 Luhmann verweist die Kostenfrage jedoch in den Bereich der Spekulation.61 Letztlich ist sie mit Rücksicht auf die Gelder, die im Subventions- und Sozialbereich teilweise aus wahltaktischen Gründen verschleudert werden, geradezu grotesk. 62

I I I . Normbefund 63 Das nunmehr geltende Recht läßt sich wie folgt systematisieren:

1. Haftung für Schäden des in die Pflicht genommenen Nichtstörers Ein Ausgleich wird für Schäden gewährt, die gefahrenrechtlich nicht verantwortliche Personen durch gegen sie gerichtete polizeiliche Maßnahmen erleiden (Inanspruchnahme als Nichtstörer): §§ 34 Abs. 1 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; 55 Abs. 1 Satz 1 PolG Baden-Württemberg; Artt. 70 Abs. 1 PAG Bayern; 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern; §§ 59 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Berlin; 38 Abs. 1 lit. a OBG Brandenburg; 69 Abs. 1 Satz 1 PAG Brandenburg; 56 Abs. 1 Satz 1 PolG Bremen; 10 Abs. 3 SOG Hamburg; 64 Abs. 1 Satz 1 SOG Hessen; 72 Abs. 1 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 58 Abs. 1 Satz 1 SOG Niedersachsen; 39 Abs. 1 lit. a OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 68 Abs. 1 Satz 1 PVG Rheinland-Pfalz; 68 Abs. 1 Satz 1 PolG Saarland; 35 Abs. 1 Satz 1 PolG Sachsen; 69 Abs. 1 Satz 1 SOG Sachsen-Anhalt; 221 Abs. 1 LVwG Schleswig-Holstein; 68 Abs. 1 Satz 1 PAG Thüringen.

59 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 375. 60 Bundestag, Drs. VIII/2079, S. 2 (D). 61 Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 103. 62 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 375. 63 Hier geht es nur um die Ausgleichstatbestände. Zu den Rechtsfolgen s. unten D I.

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Α. Einführung in das Thema

2. Haftung für Zufallschäden Unbeteiligter Ein Ausgleich wird ferner für Schäden gewährt, die gefahrenrechtlich nicht verantwortliche Personen durch polizeiliche Maßnahmen erleiden, die nicht gegen sie gerichtet waren (es fehlt hier an der Eingriffsfinalität, ζ. B. im Fall eines abirrenden Polizeigeschosses): §§ 34 Abs. 2 Nr. 2 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; Artt. 70 Abs. 2 PAG Bayern; 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern; §§ 59 Abs. 1 Nr. 2 ASOG Berlin; 73 SOG MecklenburgVorpommern; 222 LVwG Schleswig-Holstein. Vgl. auch § 35 Abs. 1 Satz 1 PolG Sachsen. Die Tatbestände sprechen entweder nur von der Entschädigung eines „unbeteiligten Dritten"(Bund, Berlin, Sachsen) oder formulieren dahingehend, daß der weder als Störer noch als Nichtstörer in Anspruch Genommene einen Ausgleichsanspruch im Falle der Tötung, Körperverletzung oder sonstiger unzumutbarer Schäden hat (Bayern, Schleswig-Holstein).

3. Haftung für Schäden des aufgrund von § 323 c StGB Verpflichteten Erleidet jemand bei der Erfüllung einer ihm nach § 323 c StGB obliegenden Verpflichtung einen Schaden, so ist dieser auszugleichen: § 59 Abs. 1 Nr. 3 ASOG Berlin. Diese Vorschrift wird man auch auf jene Fallgestaltung zu erstrecken haben, bei der erst nach Erlaß eines polizeilichen Verwaltungsakts der Hilfeleistungspflicht genügt wird. Denn da der untätig Bleibende Störer ist (Verletzung der öffentlichen Sicherheit), ist die Notstandshaftung (oben 1) nicht einschlägig.64

4. Haftung für Schäden des mit behördlicher Zustimmung freiwillig handelnden Polizeihelfers Einen Ausgleichsanspruch haben Personen, die die Polizei bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit deren Zustimmung freiwillig unterstützen: §§ 34 Abs. 3 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; 59 Abs. 3 ASOG Berlin; 69 Abs. 2 PAG Brandenburg; 56 Abs. 2 PolG Bremen; 10 Abs. 5 SOG Hamburg; 64 Abs. 3 SOG Hessen; 58 Abs. 2 SOG Niedersachsen; 68 Abs. 2 PVG Rheinland-Pfalz; 68 Abs. 2 PolG Saarland; 69 Abs. 3 SOG Sachsen-Anhalt; 68 Abs. 2 PAG Thüringen. Unterstützen bedeutet dem Gesetzeswortlaut nach, daß der Betroffene eine Aufgabe der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde wahrnimmt oder eine Sache zur 64 S. unten Fn. 89.

III. Normbefund

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Verfügung stellt. Es geht aber nicht um ein Handeln anstelle der Behörde, sondern neben ihr i. S. einer Einsatzhilfe (die Gesetze sprechen von „M/fwirken" bei der Aufgabenerfüllung). 65 Die Fälle des § 323 c StGB werden hier nicht erfaßt, da der Betroffene nur seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommt und nicht eigentlich freiwillig — d. h. ohne Zwang — handelt. 66 In Anlehnung an § 684 Satz 2 BGB wird vertreten, die Zustimmung — und zwar des Einsatzleiters oder eines Bevollmächtigten, nicht aber irgendeines Beamten 67 — erfasse neben der (vorherigen) Einwilligung auch die (nachträgliche) Genehmigung.68 Letzteres ist zweifelhaft, denn diese Auffassung widerspricht dem Sinn des Zustimmungserfordernisses, der darin besteht, ungebetene Helfer fernzuhalten und die Haftungsfolgen kalkulierbar zu machen. Zu bedenken ist auch, daß dieser Ausgleichstatbestand lediglich eine Gleichstellung mit dem durch Verwaltungsakt — also vor Schadenseintritt — herangezogenen Nichtstörer bezweckt. Schließlich wäre es befremdlich, wollte man den Ersatz eines bereits eingetretenen Schadens vom Willen der Behörde abhängig machen, und Kriterien, deren Vorliegen zu einem Genehmigungsanspruch führen, sind nicht ersichtlich. 69 Dieser Streit ist allerdings ohne praktische Bedeutung. Denn die meisten Fälle lassen sich mit der Annahme einer konkludenten Einwilligung lösen, die etwa darin zu sehen ist, daß der verantwortliche Beamte den Polizeihelfer gewähren läßt. Soweit die Polizei die Hilfeleistung nicht erkennt, ist entsprechend den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag hinsichtlich des Ob und Wie der Hilfeleistung die Interessenlage ausschlaggebend (vgl. § 677 BGB). 7 0

65 Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 34, Rn 11.

66 S. unten Fn. 89. Zum Begriff der Freiwilligkeit, der das Fehlen rechtlichen oder tatsächlichen hoheitlichen Zwangs voraussetzt, s. Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 16. S. allgemein auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 113. 67 Nr. 10 der Begründung zu § 65 des Alternativentwurfs einheitlicher Polizeigesetze des Bundes und der Länder, 1979. 68 Bergt Hein, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin, 3. Aufl., 1984, Erl. 5 zu § 37; Fischer, in: Fischer / Hitz / Walter, BGSG, 1987, § 34, Rn. 12; Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 34, Rn. 11; Heesen / Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 34, Rn. 34; Würtenberger, in: Achterberg / Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7/1, Rn. 301; Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 17. 69 Hillmann / Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 173 (Rn. 271); Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1992, II/Fn. 585; Nr. 9 der Begründung zu § 65 des Alternativentwurfs einheitlicher Polizeigesetze des Bundes und der Länder, 1979. 70 Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 17.

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Α. Einführung in das Thema

5. Haftung für Schäden aufgrund rechtswidriger Maßnahmen Einen Ausgleichsanspruch haben Personen, die durch rechtswidrige Maßnahmen der Polizei- bzw. Ordnungsbehörden geschädigt wurden: §§ 34 Abs. 2 Nr. 1 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; 59 Abs. 2 ASOG Berlin; 38 Abs. 1 lit. b OBG Brandenburg; 69 Abs. 1 Satz 2 PAG Brandenburg; 56 Abs. 1 Satz 2 PolG Bremen; 64 Abs. 1 Satz 2 SOG Hessen; 58 Abs. 1 Satz 2 SOG Niedersachsen; 39 Abs. 1 lit. b OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 68 Abs. 1 Satz 2 PVG Rheinland-Pfalz; 68 Abs. 1 Satz 2 PolG Saarland; 69 Abs. 1 Satz 2 SOG SachsenAnhalt; § 68 Abs. 1 Satz 2 PAG Thüringen.

6. Haftung für rechtswidrigen Umgang mit personenbezogenen Daten §§23 DSG Mecklenburg-Vorpommern i. V. m. 76 SOG Mecklenburg-Vorpommern und 21 DSG Schleswig-Holstein i. V. m. 225 LVwG Schleswig-Holstein statuieren eine Schadensersatzpflicht bei rechtswidrigem Umgang der Polizei· bzw. Ordnungsbehörden mit personenbezogenen Daten. Die Verweisung des SOG bzw. LVwG auf das DSG ist nur deklaratorischer Natur, weil beide Länder ohnehin keine polizeiliche Unrechtshaftung kennen.

7. Salvatorische Entschädigungsklausel Der Vollständigkeit halber sei noch auf Art. 11 Abs. 2 LStVG Bayern eingegangen. Danach ist eine Entschädigung zu leisten, wenn Maßnahmen der Sicherheitsbehörden — nach Samper/Honnacker ist vor allem an Rechtsverordnungen gedacht71 — eine Enteignung darstellen. Diese salvatorische Entschädigungsklausel berührt eine äußerst schwierige verfassungsrechtliche Thematik im Bereich des Art. 14 GG, die hier nicht näher problematisiert werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht hält diese Klauseln für nichtig, 72 der Bundesgerichtshof toleriert sie, 73 das Bundesverfassungsgericht hat die Frage offengelassen, 74 die Literatur schwankt.75 Angemerkt sei jedoch: Die Norm geht nicht vom neoklassischen finalen Enteignungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts 76 aus

Samper I Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, Art. 11 LStVG, Erl. 5. 72 BVerwGE 84, 361 (364 ff.). 73 BGHZ 99, 24 (29); 105, 15 (16). 74 BVerfGE 58, 300 (346). 75 S. hierzu: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 166 f.; Pietzcker, Die salvatorische Entschädigungsklausel, JuS 1991, 369 ff. 76 Ζ. B. BVerfGE 58, 300 (330 f.).

IV. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

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(Entzug einer Rechtsposition), sondern von der Sonderopfertheorie des B G H 7 7 (Verstoß gegen den Gleichheitssatz). Ihrer Konzeption nach erfaßt sie den enteignenden und enteignungsgleichen Eingriff. 78 Konflikte mit Art. 14 Abs. 3 GG können deshalb nicht auftreten. Im Polizei- und Ordnungsrecht, in dem ja grundsätzlich nur in Störer- / Nichtstörer-Kategorien gedacht wird, sind solche Klauseln unnötig, weil die eingriffs- und entschädigungsrelevanten Fälle normativ konkretisierbar sind, und sei es nur durch Kodifizierung der sog. Unbeteiligten-Entschädigung. 79 Bei nichtfinalen, atypischen Eingriffsfolgen stößt der Gesetzgeber freilich an seine Systemgrenzen. Präzisere Konditionalprogramme als die genannten lassen sich nicht aufstellen (ultra posse nemo obligatur). 80

IV. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Die Untersuchung wird sich im wesentlichen auf die Unrechtshaftung der Polizei- und Ordnungsbehörden konzentrieren, nicht zuletzt deswegen, weil die Einführung einer allgemeinen Verbandshaftung und die Abwendung vom Verschuldenserfordernis zentrale Punkte der Staatshaftungsreform waren und bleiben. 81 Der überwiegende Teil der Rechtsprechung betrifft zudem gerade die polizeiliche Unrechtshaftung. 82 Eine personenorientierte Betrachtungsweise, wie sie beim Normbefund impliziert wurde, führte zu Wiederholungen bei der Erörterung der Tatbestandsmerkmale und ließe insbesondere unberücksichtigt, daß die Abgrenzung Störer / Nichtstörer weniger eine haftungsrechtliche Frage ist als vielmehr eine solche der Auslegung des Eingriffstatbestandes. In diesem Zusammenhang sei jedoch angemerkt, daß man den Störerbegriff im selben Gesetz nur einheitlich auslegen kann. Jedes andere Vorgehen ist methodisch unseriös. Deshalb darf etwa auch die Problematik des Anscheins- und latenten Störers sowie des Gefahrenverdachts „an sich" nicht über die Entschädigungsvorschriften — sozusagen auf der „Sekundärebene" — von hinten her aufgerollt werden, indem man die Gefahrenlage ex ante, die Störereigenschaft unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten aber ex post beurteilt. 83 Bei der Anscheinsgefahr wird zwar das 77 BGHZ 6, 270 (279 f.). 78 Vgl. Samper I Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, Art. 11 LStVG, Erl. 6. 79 S. dazu unten Β V 1, VI 3. 80 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 167. ei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 360 f., 368. 82 S. die Nachweise in den folgenden Kapiteln. 83 Zu den in Rechtsprechung und Literatur existierenden Ungereimtheiten s.: PrOVGE 77, 333 (339); BVerfGE 20, 351 (359, 361); BGHZ 5, 144 (152); 40, 355 (361); 43, 196 (204 f.); 45, 23 (25); 55, 366 (369 f.); NJW 1992, 2639 (2640, Ii. Sp., 2. Abs.); OLG Hamm, NWVB1. 1992, 110 (111, re. Sp., bb, 112, Ii. Sp., cc); OLG Stuttgart, NJW 1992, 1396; VGH BaWü, DVB1. 1990, 1047 (1049, re. Sp., 2. Abs.); Quaritsch, Eigentum und Polizei, DVB1.1959,455 ff.; Reiland, Eigentumsschutz und Störerhaftung, VerwArch 66 (1975), 255 ff.; Scholler / Broß, Entschädigungsleistungen an den Störer?,

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Α. Einführung in das Thema

behördliche Einschreiten für rechtmäßig erklärt, aber eine Entschädigung gewährt, wenn der Betroffene den Schein der Gefahrenlage nicht schuldhaft heraufbeschworen hat. Gleiches gilt für den Gefahrenverdacht, wenn sich dieser nicht bestätigt. Im Ergebnis kompensieren die Zivilgerichte die von den Verwaltungsgerichten vorgenommene Ausdehnung der Eingriffsebene. Speziell beim Gefahrenverdacht besteht diese darin, daß eine Gefahr bejaht wird, die erst ermittelt werden soll. Daß aber die polizeiliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage zur Überwindung kognitiver Defizite dienen soll, ist zweifelhaft. Es kommt vielmehr darauf an, die jeweiligen Verantwortungsbereiche abzugrenzen, und zwar im Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens. In Fällen, die nicht in die Risikosphäre einer einzelnen Person, sondern der Allgemeinheit fallen, wird man also den Störerbegriff teleologisch reduzieren müssen.84 Die Verantwortung für die richtige und vollständige Aufklärung des Sachverhalts trägt gemäß §§ 24, 26 VwVfG grundsätzlich die Behörde. Das gilt auch in den sogenannten, den Situationen des Gefahrenverdachts ähnelnden „Jedermann"-Fällen, in denen eine an einem gefährlichen oder gefährdeten Ort befindliche Person einer Kontrolle unterzogen wird (§ 9 Abs. 1 Nrn. 2 — 4 ME PolG 1977). Mag es dort auf eine konkrete Gefahr auch nicht ankommen, so sind doch die kontrollierten Personen entsprechend den für den Gefahrenverdacht geltenden Grundsätzen wie Nichtstörer zu behandeln, wenn keine gefahrenrechtliche Verantwortlichkeit des Betroffenen festgestellt werden kann. 85 DVB1. 1976, 472 ff.; Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977; Seibert, Zum Zusammenhang von Ordnungs- und Kostentragungspflicht, DVB1.1985,328 f.; Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 669; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von NordrheinWestfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (39 nw OBG), Rn. 1-9; Weyreuther, Grundlagen für Entschädigungsansprüche bei hoheitlichen Maßnahmen gegenüber dem Nichtverursacher, ZLR 1989, 577 ff.; Götz, Allgemeines Polizei-und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 288; ders.:, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12. März 1992 — III ZR 128 / 91, DVB1. 1992, 1160, re. Sp. (2 ff.); Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L / Rn. 7 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 160-162; Würtenberger, in: Achterberg / Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7/ 1, Rn. 297 f.; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1992, II/Rn. 227, 229 am Ende, 232. 84 Bachof, in: Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl., 1978, § 130, Rn. 2 („Störung ohne Störer"); Erbel, Zur Polizeipflichtigkeit des sog. „Zweckveranlassers", JuS 1985, 257 (261 f.); Seibert, Zum Zusammenhang von Ordnungs- und Kostentragungspflicht, DVB1. 1985, 328 f.; Selmer, Der Begriff der Verursachung im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, JuS 1992, 97 (101, re. Sp., III). 85 Riegel, Aktuelle eigentumsrechtliche Probleme im Polizeirecht, BayVBl. 1981,289 (296); ders., Polizei- und Ordnungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Januar 1991, A II, Rn. 108; Saipa, in: Faber / Schneider, Niedersächsisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1985, S. 389 f.; Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., 1989, Rn. 454; ; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1992, II/Rn. 48. Anderer Ansicht: Würtenberger, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992,7 / 1, Rn. 302; Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L / Rn. 11 ff.

IV. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

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Insgesamt ist die Frage „Entschädigungsleistungen an den Störer?" 86 für den Bereich des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts falsch gestellt. Aber der Appell zu dogmatischer Präzision findet kein Gehör, darf es vielleicht auch um eines effektiven Rechtsgüterschutzes willen nicht. Die Verwaltungsrechtsprechung geht jedenfalls andere Wege, indem sie das Handeln der Behörde in Anscheins- und Verdachtssituationen für rechtmäßig erklärt. A n der Verantwortungszuordnung bei der Sachverhaltsermittlung ändert sich jedoch prinzipiell nichts. Deshalb und nur deshalb ist es geboten, die Rigorosität des Polizeirechts — entweder Störer oder nicht — zugunsten einer spezifisch haftungsrechtlichen Beurteilung der Risikosphären aufzuweichen. Dann muß, wie es die Zivilrechtsprechung praktiziert, in der Tat danach differenziert werden, ob sich die zunächst vermutete Gefahr bzw. deren Verdacht bestätigt oder nicht. Verschuldensgesichtspunkte spielen allenfalls bei der Mitverantwortung eine Rolle. 8 7 Hinzuweisen bleibt freilich darauf, daß sich Lösungsansätze auch auf der „Primärebene" anbieten. D i Fabio etwa will für die Situation des Gefahrenverdachts das Institut des vorläufigen Verwaltungsaktes fruchtbar machen mit der Konsequenz, daß die Behörde eine begrenzte Handlungsbefugnis erhält, die sie bei neuen oder jetzt erst berücksichtigungsfähigen Sachverhaltserkenntnissen zu einer korrigierenden Entscheidung verpflichtet und eine Ex-post-Verantwortungsverteilung ermöglicht, 88 nämlich bei der Entscheidung über die Kosten und die Entschädigung. Hierauf näher einzugehen, sprengt den Rahmen dieser Untersuchung. Wie gesagt: Es kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, den Umfang behördlicher Befugnisse zu klären. Auch die Haftung für Schäden des aufgrund von § 323 c StGB Verpflichteten sowie des freiwilligen Polizeihelfers ist eine Billigkeitsentschädigung für die Befolgung einer allgemeinen Staatsbürgerpflicht, deren Verletzung eine Störung der öffentlichen Sicherheit begründet, bzw. für eine willkommene Hilfsbereitschaft, nicht aber eine Ausgleichsleistung für Aufopferungsfälle aufgrund polizeilichen Zwangs. Sie hat also mit dem Staatshaftungsrecht, soweit es für das Polizeirecht von Bedeutung ist, nichts zu tun. 8 9 S6 Scholler / Broß, DVB1. 1976, 472. 8

7 S. unten D II 5. Di Fabio , Vorläufiger Verwaltungsakt bei ungewissem Sachverhalt, DÖV 1991, 629 (631 ff.). Aus haftungsrechtlicher Sicht: Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung unter mehreren Störern, 1990, S. 218 ff. 88

S9 Lange / Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 135 (1.1.3); Hillmann / Fritz,

in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 172 f. (Rn. 270 f.); Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 667 f.; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1992, II / Rn. 233 und Fn. 581; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 293. Dem zustimmend, aber in bezug auf § 323 c StGßTanderer Ansicht: Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 (570, Ii. Sp., 1. Abs.); Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungsund Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, §41, Rn. 10; Berg ! Hein,

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Α. Einführung in das Thema

Hingegen läßt sich die Entschädigung der unbeabsichtigt in Mitleidenschaft gezogenen Personen schwerer einordnen. An sich verwirklicht sich im Zufall nur ein allgemeines Lebensrisiko. 90 Nicht verkannt werden darf freilich, daß es gerade die unbedachten, atypischen Folgen des Verwaltungshandelns sind, die im modernen Verwaltungsstaat vor allen anderen ausgeglichen werden müssen. Denn über den Grund planmäßig bzw. vorhersehbar herbeigeführter Belastungen kann zunächst einmal vor den Verwaltungsgerichten im Primärrechtsschutz gestritten werden. 91 Die folgende Darstellung orientiert sich an den Tatbestandsmerkmalen des § 39 Abs. 1 lit. b OBG Nordrhein-Westfalen, weil Nordrhein-Westfalen das erste Land war, das eine originäre Unrechtshaftung eingeführt hat und fast die gesamte veröffentlichte Rechtsprechung ausschließlich diesen Tatbestand bzw. seine Vorläufer betrifft. Besonderheiten anderer Gesetze werden berücksichtigt.

V. Gesetzgebungskompetenz Zuvor stellt sich die Frage, woher Bund und Länder ihre Befugnis herleiten, Haftungstatbestände auf dem Gebiet des Polizei- und Ordnungsrechts zu schaffen. Ζ. T. von einem Verfassungsgebot „angemessener" Aufopferungsentschädigung ausgehend, sprechen Rechtsprechung und Literatur von Ausgestaltungsbefugnissen der Länder (etwa in bezug auf die Verjährung) als Ausfluß einer Annexkompetenz zur Sachkompetenz im Polizei- und Ordnungsrecht. 92 Papier ist hingegen Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin, 3. Aufl., 1984, Erl. zu § 37, S. 206; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (39 nwOBG), Rn. 11 und 14; Würtenberger, in: Achterberg / Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7/1, Rn. 293; Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L / Rn. 15. Wie gesagt: Die durch § 323 c StGB statuierte Hilfeleistungspflicht basiert nicht auf einem Zwang der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde, und ihre Verletzung macht den Betroffenen zum Handlungsstörer. Der Unglückshelfer ist freilich gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 9 RVO Unfall versichert. 90 Weimar spricht von entschädigungswürdigen und -bedürftigen Gefährdungslagen. R. Weimar, Zur Problematik der Entschädigungstatbestände im nordrhein-westfälischen Ordnungsbehördengesetz (OBG), DÖV 1961, 379 (381, re. Sp. oben). Jaenicke sieht in diesen Gefahren hingegen keinen Haftungsgrund, sondern einen Kausalitätsfaktor. Jaenicke, Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht?, VVDStRL 20 (1963), S. 135 (164166). Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 188 f. Mehr zu diesen Problemen s. unten Β V 1, VI 3. 92 BGHZ 72, 273 (277); 82, 361 (363 f.); DVB1. 1979, 112 (114, re. Sp., 2. Abs.); OLG Hamm, AgrarR 1984, 138 (139, mittlere Sp., am Ende); Schack, Der Einfluß des Gesetzgebers auf den Aufopferungsanspruch, DOV 1967, 613 (614, 615, Fn. 22); Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 3; Boujong, Anmerkung zu BGHZ 72, 273, LM Nr. 29 zu Art. 14 (Ce) GG; Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1 : Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., 1982, Vorbemerkung zum 5. Abschn. des Musterentwurfs; Mußmann, Allgemei-

V. Gesetzgebungskompetenz

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der Ansicht, daß Art. 34 GG, § 839 BGB jedenfalls die staatliche Unrechtshaftung abschließend — und damit der Länderkompetenz entzogen — geregelt hätten. 93 Diese Auffassungen fordern zum Widerspruch heraus. Die Länder besitzen eine originäre Kompetenz zur Regelung staathaftungsrechtlicher Materien aus Art. 70 Abs. 1 GG und nicht etwa nur eine Annexkompetenz zur Sachkompetenz im Bereich des Polizei- und Ordnungsrechts. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Art. 34 GG verleiht als lediglich haftungsverlagernde Norm weder dem Bund noch den Ländern Gesetzgebungsbefugnisse. 94 Er steht der Einführung einer unmittelbaren Staatshaftung auch nicht entgegen. Er will den durch eine Amtspflichtverletzung Geschädigten schützen und ist insofern Mindestgarantie, er will den Staat aber nicht gegen weitergehende Konsequenzen seiner Fehler abschirmen. Eine Ausdehnung des Rechts der Entschädigung wird verfassungsrechtlich nicht blockiert. 95 Ebenso kann § 839 BGB nicht als abschließende Regelung der Unrechtshaftung verstanden werden — schon wegen Art. 77 EGBGB nicht, der landesrechtliche Bestimmungen unberührt läßt — , weil er die persönliche Haftung des Beamten und damit bürgerliches Recht im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG betrifft, nicht jedoch die öffentlich-rechtliche Verbandshaftung. Hier handelt es sich kompetenzrechtlich um verschiedene Gegenstände.96 Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß die Aufopferung grundgesetzliche Bezüge enthält (für Art. 14 Abs. 3 GG ist das selbstverständlich), folgt daraus nicht, daß der Landesgesetzgeber nicht zu ihrer gesetzlichen Konkretisierung berufen sei, wie er etwa auch den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit näher ausgestalten kann. Das Entstehen von Gewohnheitsrecht hat ebenfalls keine Verschiebung der Gesetzgebungsbefugnisse zur Folge. Wächst es auf einem Feld, das dem ausschließlichen Gesetzgebungsrecht der Länder unterliegt, so verbleibt es auch dort, unbeschadet dessen, ob es bundesweit gilt. 9 7 Sollte der Bund jemals eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die unmittelbare Staatshaftung erhalten, wie in aktuellen Reformvorhaben geplant, 98 nes Polizeirecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., 1989, Rn. 451; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 290, S. 148; Rüfner, in: Erichsen/ Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, § 53, Rn. 3; Fink, Die Anwendbarkeit von § 391 lit. b NRW OBG bei Maßnahmen der Bauaufsichtsbehörde im Bauplanungsrecht, NVwZ 1992, 1045 ff. 93 Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975,567 (571, re. Sp.). 94 BVerfGE 61, 149 (174). 95 BVerfGE 61, 149 (198 f.). 96 BVerfGE 61, 149 (201, 204). 97 BVerfGE 61, 149 (203); Zuleeg, Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes und der Länder im Recht der Enteignung und Aufopferung, DVB1. 1963, 320 (322, Ii. Sp., 3. Abs.).

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Α. Einführung in das Thema

und diese etwa im Bereich der Unrechtshaftung auch ausüben, werden entsprechende landesgesetzliche Vorschriften eo ipso ungültig (nichtig) und lassen sich auch nicht mit einer Annexkompetenz zum Polizei- und Ordnungsrecht oder im Bund-Länder-Verhältnis ohnehin irrelevanten Spezialitätsgesichtspunkten halten." Die Kompetenz des Bundes zur Schaffung von Ausgleichstatbeständen im BGSG und BKAG ist unbestritten. Dabei handelt es sich mangels zwingenden (unerläßlichen) Sachzusammenhangs aber nicht um eine Annexkompetenz zum letzten Fall des Art. 73 Nr. 5 G G 1 0 0 (nur bei bundesrechtlichen Materien paßt der Begriff Annexkompetenz überhaupt), sondern um eine solche aus der Natur der Sache, weil nur der Bund die Haftung seiner Organe regeln kann. Den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Staatshaftungsgesetz 1981, auf die hier Bezug genommen wurde, ist nichts hinzuzufügen. Sie beweisen auch die fehlende Kompetenzgrundlage für Art. 3 des Entwurfs eines Amtshaftungs- und Ersatzanspruchs-Gesetzes des Freistaates Bayern aus 1989. 101 Danach regelt ein einzufügender § 20 a StVG die Haftung des Betreibers einer Lichtzeichenanlage (Straßenverkehrs- als Sonderordnungsbehörde) im Fall ihres Versagens. Für eine Annexkompetenz zum Straßenverkehrsrecht (Art. 74 Nr. 22 GG) fehlt der zwingende Sachzusammenhang: Die Regelung der Aufstellung von Lichtzeichenanlagen ist ohne Anordnung von Haftungsfolgen bei Versagen nicht unvollständig. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf nicht durch staatshaftungsrechtliche Einzelfallregelungen, die auf angebliche Annexkompetenzen gestützt werden, umgangen werden. Bei § 20 a StVG aber handelt es sich um einen Fall unmittelbarer Staats(Gefährdungs)haftung, die im Kompetenzbereich der Länder liegt. An einem unerläßlichen, unlösbaren Sachzusammenhang fehlt es schon deshalb, weil man das Versagen von Lichtzeichenanlagen mittels der polizeilichen Unrechtshaftung erfassen kann. 102 Daß ausgerechnet der Freistaat Bayern, der den Normenkontrollantrag gegen das Staatshaftungsgesetz 1981 unterstützt hat, derartige kompetenzrechtliche Kapriolen schlägt, entbehrt nicht einer gewissen Tragikomik.

98 Schullan, Zur Reform der Staatshaftung, BayVBl. 1990, 360 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 374 f. 99 S. dazu auch unten C II 2. 100 in diese Richtung tendiert jedoch BVerfGE 61, 149 (204); vgl. auch Zuleeg, Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes und der Länder im Recht der Enteignung und Aufopferung, DVB1. 1963, 320 (321, re. Sp., 1. Abs.). ι 0 1 Bundesrat, Drs. 644 / 89, S. 4. Dieser Antrag stieß wegen der von Bayern beabsichtigten Einzelfallregelung in den zuständigen Ausschüssen des Bundesrates auf Ablehnung. Bundesrat, Drs. 644/1/89 vom 2. Februar 1990. 102 S. u. Β V 1.

Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung § 39 Abs. 1 lit. b OBG Nordrhein-Westfalen lautet: „Ein Schaden, den jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörden erleidet, ist zu ersetzen, wenn er durch rechtswidrige Maßnahmen, gleichgültig, ob die Ordnungsbehörden ein Verschulden trifft oder nicht, entstanden ist."

I. Jemand Aktivlegitimiert ist jede rechtsfähige Person. Diese Feststellung ist für das Polizei- und Ordnungsrecht so selbstverständlich, daß sie zuletzt 1929 getroffen wurde. 1 Da die Anspruchsberechtigung nicht an die Grundrechtsträgerschaft geknüpft ist (vgl. Art. 19 Abs. 3 GG), kann der Ersatzanspruch also nicht nur vom einzelnen Staatsbürger eingefordert werden, sondern auch von einer inoder ausländischen juristischen Person des privaten oder öffentlichen Rechts (ζ. B. einer Universität) bzw. von Personenvereinigungen, soweit ihnen Rechte zugestanden werden (ζ. B. § 124 Abs. 1 HGB). 2 Die ausgleichsberechtigte Person muß nicht mit dem Adressaten der polizeilichen Maßnahme übereinstimmen. 3

I I . Schaden Schaden ist der Verlust oder die Minderung von etwas Vorhandenem, das Ausbleiben von etwas Erwartetem oder der Eintritt einer Haftungslage gegenüber einem Dritten. In der Literatur wird die Ansicht vertreten, es komme beim Tatbestandsmerkmal Schaden auf eine fühlbare, sonderopferbegründende Beeinträchtigung bereits vorhandener Werte an. 4 Eine solche Einschränkung läßt sich allerdings dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften nicht entnehmen. In fast ι Löwisch, Der Ersatz des durch Polizeiverfügungen verursachten Schadens nach der Thüringer Landesverwaltungsordnung, Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt 6 (1929), S. 95 (102). 2 Vgl. Löwisch, wie vorige Fn.; ferner Schoen, in: Ein wag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 34, Rn. 4; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 222 f. 3 Zu Einzelheiten s. unten Β III 2 sowie Β VI 1 und 3. 4 Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 18; Heesen / Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 34, Rn. 9, 16. 3 Treffer

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

jedem Bundes- und Landesgesetz (außer in Baden-Württemberg und Hamburg) existieren Normen über Inhalt, Art und Umfang des Ersatzes, so daß es ungeschriebener Regularien nicht bedarf. Die Schädigung eines Nichtstörers erfüllt zudem stets den Tatbestand des Sonderopfers. Für den Bereich der Unrechtshaftung ist dieses Merkmal wiederum unangebracht. Bei Ausgleichsansprüchen, die erklärtermaßen wegen und nicht trotz der Rechtswidrigkeit einer hoheitlichen Maßnahme bestehen, läßt sich eine Ausklammerung geringfügiger Nachteile nicht begründen. Wo Duldungspflichten fehlen und staatlichen Interessen kein Vorrang zukommt, der — wie im Fall der Notstandshaftung — abgefedert werden soll, entbehren Opfergrenzen der Rechtfertigung. 5 Bei der polizeilichen Staatshaftung ist die Beeinträchtigung eines Rechtsgutes nicht erforderlich; über die klassischen Rechtsgüter wie Leben, Körper, Gesundheit, Ehre, Freiheit und Eigentum hinaus kommt das gesamte Vermögen als Eingriffsobjekt in Betracht, also alles, was in Geld meßbar ist: Gebrauchsvorteile, Nutzungsmöglichkeiten, merkantile Faktoren, wahrscheinliche Gewinnerwartungen, konkrete Expektanzen, Einkünfte und sonstige Forderungen. 6 5 Schullan, Zur Reform der Staatshaftung, BayVBl. 1990, 360 (364, re. Sp.); SchmittKammler, Das „Sonderopfer" — ein lebender Leichnam im Staatshaftungsrecht?, NJW 1990, 2515 (2518, re. Sp., d). Ob man diese Schlußfolgerung allerdings ohne weiteres für den enteignungsgleichen Eingriff ziehen kann, wie von diesen Autoren angenommen, ist fraglich. Die Anknüpfung dieses Instituts an den Aufopferungsgedanken — BGHZ 76, 375 (384); 90, 17 (30) — bedeutet, daß grundsätzlich trotz und nicht wegen, also unabhängig vom Tatbestand der Rechtswidrigkeit gehaftet wird. Bettermann, Diskussionsbeitrag auf dem 41. Deutschen Juristentag, 1955, S. C 81 (82). Daß der BGH dieses Verhältnis wirklich umgekehrt hat — so Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl., 1974, Rn. 97; Krumbiegel, Der Sonderopferbegriff in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 1975, S. 60 —, läßt sich nicht für alle Fälle belegen. Die Nagelprobe beim normativen Unrecht steht jedenfalls noch aus. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 195, 215; Schenke, Staatshaftung und Aufopferung — Der Anwendungsbereich des Aufopferungsanspruchs, NJW 1991, M i l (1789, li. Sp., 4). S. auch unten Β III 4, C I. 6 BGHZ 72, 273 (276); LG Würzburg, BayVBl. 1985, 570 (571, Ii. Sp., letzter Abs.); 1991, 187 (188, b); Begründung zu § 46 Abs. 1 Musterentwurf, abgedruckt bei: Heise / Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., 1978; Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, §41, Rn. 2; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (40 nw OBG), Rn. 2; Fischer, in: Fischer/Hitz/Walter, BGSG, 1987, § 34, Rn. 5; Schoen, in: Einwag/ Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, §34, Rn. 3; Heesen / Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 34, Rn. 15-19; Sauer, in: Mandelartz / Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, §69, Erl. 2; De Clerk, in: De Clerk/ Schmidt, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 5. Aufl., Stand: März 1990, § 69, Erl. II; Berner / Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 12. Aufl., 1991, Art. 70, Rn. 9; Boujong, Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche wegen fehlerhafter Bauleitplanung und rechtswidriger Bauverwaltungsakte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, WiVerw 1991, 59 (104); Schenke, Staatshaftung und Aufopferung — Der Anwendungsbereich des Aufopferungsanspruches, NJW 1991, 1777 (1782, re. Sp., letzter Abs.); Müller, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 1992, Erl. zu §36, S. 132; Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 31.

III. Maßnahme

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Für das Schadensmerkmal ist es begrifflich auch gleichgültig, ob das Opfer im engeren Sinne unfreiwillig oder willentlich erbracht wurde. Erfaßt werden deshalb auch Leistungen solvendi causa etwa auf eine nicht bestehende öffentlichrechtliche Forderung 7 und eingriffsbedingte Aufwendungen 8 (ζ. B. durch die Verzögerung der Baugenehmigung verursachte Baumehrkosten), 9 und zwar unabhängig davon, ob diese in einem angemessenen Verhältnis zum Schaden stehen oder nicht. Das ist vielmehr eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität bzw. der Schadensminderungsobliegenheit.10

I I I . Maßnahme 1. Rechtsprechungsübersicht Die Auslegung des Maßnahmebegriffs entscheidet darüber, welche schadenbegründenden Handlungen in Betracht kommen. In der Rechtsprechung finden sich zwar zahlreiche Beispiele. Die Breite der Polizei- und Ordnungsverwaltung hätte jedoch ein umfangreicheres Fallmaterial erwarten lassen. Wegen der für den Geschädigten günstigen Rechtsfolge eines Geldersatzes in voller Höhe (§§ 249 ff. BGB) wenden die Gerichte in erster Linie und allein die Amtshaftung an, sobald 7 VG Gelsenkirchen, DAR 1980, 94 (95, Ii. Sp.),das allerdings im konkreten Fall zu Unrecht einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch verneint; Urteil des LG Bochum vom 22. Mai 1979 — 1 Ο 143/79 —, zitiert bei: VG Gelsenkirchen a. a. O.. Unzutreffend ist die Anmerkung zum Urteil des VG Gelsenkirchen von Knöll, DAR 1980, 95 (96, Ii. Sp., 2. Abs.), insoweit, als er behauptet, eine Leistung könne keinen Schaden darstellen. Im konkreten Fall ging es um die Zahlung von Abschleppkosten. Für den Schaden ist jedoch allein die Vermögenseinbuße von Belang. Ob zwischen Abschleppmaßnahme und Begleichung der Kosten ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht — warum aber nicht, wenn dem Betroffenen sonst sein Wagen nicht herausgegeben wird? —, ist eine andere Frage. 8 BGHZ 92, 302 (304); DVB1. 1976, 714 (715, Ii. Sp.); Schiedermair, Einführung in das bayerische Polizeirecht, 1961, S. 256; Begründung zu § 45 Abs. 1 Musterentwurf, abgedruckt bei: Heise / Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., 1978; Nr. 2 der Begründung zu § 66 Alternativentwurf einheitlicher Polizeigesetze des Bundes und der Länder, 1979; Berg / Hein, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin, 3. Aufl., 1984, S. 206, 3. Abs. der Anmerkung; Kay, Zur Frage der Staatshaftung wegen rechtswidrig / schuldloser oder rechtmäßiger Verletzung der Rechte Dritter infolge hoheitlicher Handlungen (Teil II), Die Polizei 1984, 101 (102, mittlere Sp., 2.2); Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (40 nw OBG), Rn. 2; Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 34, Rn. 3; Sauer, in: Mandelartz / Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, § 68, Erl. 14; § 69, Erl. 2; De Clerk, in: De Clerk / Schmidt, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 5. Aufl., Stand: März 1990, §§ 68, 69, jeweils Erl. II 1; Meixner, Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 3. Aufl., 1991, § 64, Rn. 3. 9 Boujong, Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche wegen fehlerhafter Bauleitplanung und rechtswidriger Bauverwaltungsakte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, WiVerw 1991, 59 (73). 10 Zu undifferenziert: BGH, DVB1. 1976, 714 (715, Ii. Sp.). 3*

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

sich ein Verschulden des Amtswalters aufdrängt. 10a Außerhalb der polizeilichen Unrechtshaftung — insbesondere bei der Nichtstörer-Entschädigung — gelangen Behörde und Betroffener offensichtlich auch ohne Rechtsstreit zu einer Einigung über Grund und Höhe des Ausgleichs, v. a. in den Ländern, die — wie etwa Bayern — ein behördliches Vorverfahren kennen.11 In den gerichtlich entschiedenen Fällen ging es schwerpunktmäßig um baurechtliche Fragen. Als Maßnahmen wurden etwa bezeichnet: — verbindlich gemeinte Auskünfte, Ankündigungen und sonstige Erklärungen, ζ. B. über die Bebaubarkeit eines Grundstücks, 12 — die Zurückstellung eines Baugesuchs,13 — die negative Bescheidung einer Bauvoranfrage, 14 — die Ablehnung eines Baugesuchs,15 — die Befreiung von Festsetzungen eines Bebauungsplanes,16 — die Teilungsgenehmigung,17 — die Baugenehmigung,18 — eine hierzu ergangene Auflage 19 — und eine Abbruchverfügung. 20 Auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts wurden — die Einziehung des Führerscheines 21 — und die Ausstrahlung eines Befehls durch eine Lichtzeichenanlage (als Allgemeinverfügung) 22 zum Maßnahmebegriff gezählt. 10a Vgl. nur LG Mainz, NVwZ 1993, 603 (607, Ii. Sp., 3.). n S. dazu unten F II. 12 BGH, BayVBl. 1980, 150 (151, re. Sp., 2. Abs.); BauR 1983, 451 (452, re. Sp.); NJW 1992, 1230, re. Sp. (2 b); OLG Köln, ZMR 1984, 369, Ii. Sp. 13 BGHZ 82, 361. 14 BGHZ 72, 273; OLG Köln, VersR 1979, 360. 15 BGHZ 82, 361; 84, 292 (295). 16 BGH, DVB1. 1979, 112 (114, Ii. Sp.). π BGHZ 92, 302 (304). is BGHZ 86, 356; 109, 380 (392); DVB1. 1979, 112 (114, Ii. Sp.); VersR 1989, 594, Ii. Sp.; OLG Köln, ZMR 1984,369, Ii. Sp.; NVwZ 1989,288, re. Sp. (2); OLG Düsseldorf, NJW 1987, 1336, re. Sp. (III). 19 OLG Celle, DVB1. 1958, 549. 20 BGHZ 14, 363; DVB1. 1953, 367. 21 BGH, MDR 1984, 295. 22 BGHZ 99, 249 (251 f.); NJW 1971, 2220 (2222, Ii. Sp., 2. Abs.); vgl. auch NJW 1984,2097, wobei es dort allerdings um die unterbliebene Weitergabe einer Störungsmeldung ging; OLG Hamm, NVwZ 1986, 509 (510, Ii. Sp.).

III. Maßnahme

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Im Recht der institutionellen Polizei wurden hierunter ferner subsumiert: — die Zurückweisung eines Ausländers an der Grenze, 23 — die Sicherstellung eines Kraftfahrzeuges, 24 — das Rammen eines Kraftfahrzeuges, 25 — das Zerschießen von Fahrzeugreifen, 26 — die Einbehaltung des Kraftfahrzeugscheines, 27 — der Querschläger einer Polizeikugel, 28 — der Einsatz von CS-Gas,29 — die Anordnung, eine Gaststätte zu räumen, 30 und auf dem Gebiet des allgemeinen Ordnungsrechts etwa — die Wohnungseinweisung eines Obdachlosen,31 — die kriegsfolgenbedingte Beschlagnahme von Salz, 32 — das Abschleppen eines Kraftfahrzeuges, 33 — die Schließung eines Stollenmundloches wegen Einsturzgefahr, 34 — die Einstellung eines Zuchtbetriebes (Schweinemästerei) wegen dessen Emissionen35 — sowie die Schlachtung von angeblich mit Hormonen gespritzten Kälbern. 36

23 LG Frankfurt, NJW 1986, 2201. 24 LG Würzburg, BayVBl. 1985, 570; 1991, 187. 25 OLG Hamm, NJW 1988, 1096. 26 LG Würzburg, BayVBl. 1991, 187. 27 BGHZ 5, 144. 28 BGH, VersR 1960, 248. 29 LG Amberg, Urteil vom 12. Februar 1987 — 1.0 965 / 86, zitiert bei: Honnacker, Polizeiliche Maßnahmen als Amtspflichtverletzungen?, MDR 1987, 974 (977, Fn. 36). 30 OLG Stuttgart, NJW 1992, 1396. 31 LG Essen, Urteil vom 5. Januar 1956 — 10 S 453/55, zitiert bei: Seibt, Ersatz von Aufwendungen der Obdachlosenbehörde nach § 72 prPVG durch Minderjährige, ZMR 1956, 187 (188, Ii. Sp., 3. Abs.); ZMR 1958, 105; BGH, DVB1. 1976, 714; OLG Düsseldorf, NWVB1. 1989, 256. 32 BGHZ 7, 96. 33 VG Gelsenkirchen, DAR 1980, 94, re. Sp. (Verweisungsurteil); vgl. auch LG Bochum, Urteil vom 22. Mai 1979 — 1 Ο 143/79, zitiert bei: VG Gelsenkirchen a. a. O., S. 95, Ii. Sp., 6. Abs. 34 OLG Hamm, NWVB1. 1989, 219. 35 BGHZ 45, 23 (24). 36 BGH, NJW 1992, 2639; OLG Hamm, NWVB1. 1992, 110.

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

An sonstigen Maßnahmen sind zu nennen — das Betreten und Befahren eines Grundstückes, 37 — das Betreiben einer Hausmülldeponie, 38 — der Feuerwehreinsatz, 39 — generell der Erlaß, Widerruf und die Ablehnung einer Genehmigung, 40 — ζ. B. einer Hotelbetriebserlaubnis 41 — oder einer Berufsausübungserlaubnis. 42 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Rechtsprechung als Maßnahmen überwiegend Verwaltungsakte, gleichgültig, ob belastender oder begünstigender Natur, gelegentlich auch schlichthoheitliches Handeln eingestuft hat. Entsprechend wird man auch öffentlich-rechtliche Verträge hierzu zählen müssen. 43 Hingegen tendiert sie dazu, bloßes Unterlassen eines Hoheitsträgers nicht unter den Maßnahmebegriff zu subsumieren. 44 Nicht erfaßt wird nach der Rechtsprechung auch die falsche Begründung einer Maßnahme, 45 ebensowenig die Interna eines Genehmigungsverfahrens wie die Erteilung des Einvernehmens oder Anweisungen von Aufsichtsbehörden. 46 Daß das Handeln der Behörde Außenwirkung haben müsse 47 und welche Qualität diese aufzuweisen habe, hat der BGH in einem Fall näher dargelegt, in dem ein Sachbearbeiter des Bauamtes im Rahmen eines förmlichen Β au voranfrage Verfahrens eine mündliche Erklärung dahingehend abgegeben hat, der zuständige Beamte werde den beantragten Vorbescheid erlassen. Der Auskunft bzw. Ankündigung 37 BGH, Beschluß vom 31. Januar 1980 — III ZR 140/78, zitiert bei: BGHZ 84, 292 (294). 38 OLG Hamm, AgrarR 1984, 138 (139, Ii. Sp.). 39 OLG Hamm, NWVB1. 1989, 183. 40 OLG Düsseldorf, NJW 1987, 1336, re. Sp. (III). 41 BGH, NJW 1986, 182. 42 OLG Düsseldorf, NWVB1. 1991, 134. 43 Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (451, Ii. Sp., I); Rumpf ; Neuauflage einer generellen Staatshaftung in Hessen durch das novellierte Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung?, NVwZ 1992, 250, re. Sp., letzter Abs. 44 Offengelassen von BGH, BauR 1983, 451 (452, re. Sp.); NJW 1984, 2097, re. Sp. (1), und 2098, re. Sp., 4. Abs. (2); explizit verneinend:BGH, NJW 1985, 1287 (1289, Ii. Sp., 3); OLG Hamm, NWVB1. 1989, 219 (220, re. Sp.); Prior, Ersatzansprüche im Zusammenhang mit der Erteilung, Versagung und Verzögerung von Baugenehmigungen, BauR 1987, 157 (159, re. Sp., 3. Abs.); Engelhardt, Neue Rechtsprechung des BGH zum Staatshaftungsrecht, NVwZ 1992, 1052 (1065, Ii. Sp., 1. Abs.). 45 BGHZ 84, 292 (295). 46 OLG Hamm, NWVB1. 1992, 110 (111, Ii. Sp., 4. Abs.); Prior, Ersatzansprüche im Zusammenhang mit der Erteilung, Versagung und Verzögerung von Baugenehmigungen, BauR 1987, 157 (159, re. Sp., 3. Abs.). 47 So auch Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 34, Rn. 9, S. 6.

III. Maßnahme

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fehle es im Verhältnis zu der zu erwartenden Entscheidung an der erforderlichen Selbständigkeit und Verbindlichkeit. Sie sei keine „Verläßlichkeitsgrundlage" für finanzielle Dispositionen und deshalb auch keine Maßnahme i. S. d. polizeilichen Ausgleichstatbestände.48 Gleiches gelte für die den Schutz des Betroffenen bezweckende, verwaltungsverfahrensrechtliche Anhörung vor Erlaß einer Ordnungsverfügung. 4 9 Zu Rechtsetzungsakten (Beispiel: Bebauungssatzung) haben die Gerichte nur unter dem Aspekt Stellung genommen, ob es sich hierbei um Normen einer Ordnungsbehörde handelt (im Beispiel verneinend); am Maßnahmebegriff haben sie nicht angesetzt.50 2. Kritische Würdigung Die Rechtsprechung weist Ungereimtheiten auf. Hierzu muß man sich vorab klarmachen, daß es im Rahmen der polizeilichen Ausgleichstatbestände nicht um den Maßnahmebegriff eines Eingriffstatbestandes geht; es besteht insbesondere keine Identität zwischen dem Maßnahmebegriff der allgemeinen polizeilichen Generalklausel oder des § 35 VwVfG, die nur ein Tun im Einzelfall betreffen, und demjenigen der Unrechtshaftung. Zahlreiche sonderpolizeirechtliche Gesetze sprechen ohnehin nicht pauschal von „Maßnahmen", sondern kennen nur bestimmte, näher bezeichnete Einzelbefugnisse der Behörden. Bei der polizeirechtlichen Staatshaftung geht es vielmehr um die Erfassung ausgleichspflichtiger Schäden, ohne daß an eine einzelne Ermächtigungsnorm angeknüpft wird (eine Ausnahme ist insoweit die Entschädigung des Nichtstörers, die dessen vorherige Inanspruchnahme voraussetzt; dazu sogleich). Von daher kommen grundsätzlich alle Arten und Formen behördlichen Handelns als Maßnahmen in Betracht, nicht etwa nur Polizeiverfügungen, d. h. Ge- und Verbote. 51 Finalitätsgesichtspunkte spielen dabei grundsätzlich keine Rolle, nicht aber — wie die herrschende Meinung annimmt — weil die Opferlage des Betroffenen stets die gleiche bleibe, ob die Behörde ihn nun gerade im Auge gehabt habe oder nicht, 52 sondern weil die Unrechtshaftung tatbestandlich nicht voraussetzt, 48 BGH, NJW 1992, 1230 (1231, Ii. Sp., 1. Abs.). 49 BGH, NJW 1992, 2769 (2770, re. Sp., a, b). so BGHZ 84, 292 (294); OLG Köln, NJW 1991, 2710, re. Sp. 51 Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, Rn. 1 vor § 2 und § 45 (39 nw OBG), Rn. 25; Sauer, in: Mandelartz / Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, § 68, Erl. 8. Diesen Zusammenhang mißachten Samper I Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, § 11 LStVG, Rn. 1, in Verbindung mit § 9 LStVG, Rn. 2, und Rumpf, Neuauflage einer generellen Staatshaftung in Hessen durch das novellierte Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung?, NVwZ 1992, 250, re. Sp., 1. Abs., die nur Anordnungen im Einzelfall als Maßnahmen anerkennen. 52 BGHZ 99, 249 (253); OLG Hamm, NVwZ 1986, 509 (510, Ii. Sp.); Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

daß sich die rechtswidrige Maßnahme gerade gegen den Geschädigten gerichtet haben muß. Genauer gesagt, ist also keine Eingriffsfinalität erforderlich. Diese ist nur dort relevant, wo die Entschädigungstatbestände von der vorherigen „Inanspruchnahme" einer Person zum Zwecke der Gefahrenabwehr ausgehen, wobei aus haftungsrechtlicher Sicht durchgängig der Nichtstörer gemeint ist. Hier auch Zufallschäden erfassen zu wollen, sofern sie durch die Eigenart der hoheitlichen Maßnahme bedingt sind, ist jedenfalls mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar. 53 Begriffe wie „richten", „treffen", „heranziehen" oder „in Anspruch nehmen" — nicht aber bereits der Maßnahmebegriff — zielen auf ein bewußtes Vorgehen der Behörde gegen eine bestimmte Person mit der Maßgabe eines bereits jetzt auferlegten Tuns, Duldens oder Unterlassens ab. Es handelt sich hierbei um belastende Verwaltungsakte oder Maßnahmen im Wege des Sofortvollzuges. Aber auch Zufallsschäden und tatsächlichen Zwang i.S. eines „psychologischen Abforderns" wird man jedenfalls dem analogen Anwendungsbereich der Nichtstörerentschädigung zuordnen müssen, weil sie ein Sonderopfer begründen 54 (ζ. B. die Androhung einer Ordnungsverfügung für den Fall, daß der Betroffene die verlangte Handlung nicht vornimmt, nicht aber die schlichte Anhörung des Betroffenen, die auch niemals rechtswidrig sein kann). Im Bereich der Unrechtshaftung ist der Aspekt der Eingriffsfinalität, wie gesagt, bedeutungslos. Ebensowenig spielt dort die Verbindlichkeit der Maßnahme eine Rolle. Inwieweit der Betroffene etwa auf die Ankündigung eines Handelns oder die Auskunft über ein laufendes Verwaltungsverfahren vertrauen darf oder sein Handeln als voreilig zu bewerten ist, ist allein bei der Zurechnung des Schadens bzw. beim Mitverschulden zu problematisieren. 55 Die Reaktion des Bürgers auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln sagt nichts über die Qualität des behördlichen Verhaltens aus. Nur die konkrete Reaktion gilt es, normativ zu würdigen. Für die Rechtsnatur des hoheitlichen Handelns und den Maßnahmebegriff ist sie bedeutungslos. Außerdem ist allein bei der Nichtstörerentschädigung als Unterfall der Sonderopferhaftung das Vorliegen hoheitlichen (belastenden) Zwangs erforderlich. Die Unrechtshaftung setzt jedoch kein Sonderopfer voraus. 56

Westfalen, 2. Aufl., 1972, §41, Rn. 14; Schröer, Zum Schadensersatz des Nachbarn bei rechtswidriger Baugenehmigung, NVwZ 1984, 291 (292, Ii. Sp., 5. Abs.); Heesen! Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 34, Rn. 25. 53 OLG Hamm, NJW 1988, 1096, re. Sp. Zu der Problematik der Unbeteiligten-Fälle s. u. Β V 1 und VI 3. 54 Zu den Unbeteiligten-Fällen s. unten Β V 1 und VI 3. Zum Merkmal des hoheitlichen Zwangs s. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 16; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 113. Zur Berechtigung der Analogie im Verhältnis zum allgemeinen Aufopferunganspruch s. unten Β V 1 am Ende. 55 s. unten Β VI 2, D II 5. 56 S. unten C I.

III. Maßnahme

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Schließlich sind auch die Fragen nach der Außenwirkung bzw. danach, ob begünstigendes Handeln als rechtswidrige Maßnahme in Betracht kommt (hier geht es v. a. um Schäden aufgrund der Rücknahme einer Erlaubnis), erst bei der Kausalität bzw. beim Zurechnungskriterium des Rechts Widrigkeitszusammenhangs oder der Passivlegitimation von Bedeutung.57 Der Maßnahmebegriff entpuppt sich — isoliert betrachtet — als bloßes „Füllwort". Erkenntnisse über seine haftungsrechtliche Beschaffenheit lassen sich diesem Terminus allein nicht abgewinnen. Dennoch bleiben an dieser Stelle zwei Problembereiche erörterungsbedürftig, nämlich die Haftung für Unterlassen sowie für normatives Unrecht.

3. Unterlassen In der Literatur hat man sich fast ausschließlich mit der Unterlassensfrage auseinandergesetzt. Während die einen jegliches Unterlassen von der polizeilichen Unrechtshaftung erfaßt sehen wollen, sofern nur im konkreten Fall eine Rechtspflicht zum Tun bestand,58 nehmen zahlreiche Autoren auf die Rechtsprechung zum enteignungsgleichen Eingriff Bezug, die nur das sogenannte qualifizierte Unterlassen dem Tun gleichstellt, also etwa die Versagung einer Erlaubnis durch Verwaltungsakt, deren Nichterteilung aufgrund der internen Weigerung einer zustimmungsberechtigten Stelle oder das Absehen des Bürgers von der Antragstellung aufgrund einer verbindlich gemeinten Erklärung der Behörde. 59 Auch beim qualifizierten Unterlassen knüpft die Haftung in Wahrheit an ein Tun an. Zur Begründung wird von diesen Autoren angeführt: — Die ontologische Struktur des Maßnahmebegriffs bzw. der allgemeine Sprachgebrauch: Maßnahme könne nur eine auf einen bestimmten Erfolg planvoll abzielende, zweckerfüllte Tätigkeit sein. 60

57 S. unten Β VI 2, C II 1, E I. 58 Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, § 41, Rn. 4; Hillmann I Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 176 (Rn. 283 f.); Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (451, re. Sp., II); Schoen, in: Einwag/ Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 34, Rn. 9, S. 6, 4. Abs.; Heesen / Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 34, Rn. 5; Jox, Zur Haftung bei fehlerhafter Ampelschaltung (sog. „feindlichem Grün"), NZV 1989,133 (135, Ii. Sp., 1. Abs.); Würtenberger, in: Achterberg / Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7/ 1, Rn. 303. 59 RGZ 140, 276 (286 f.); BGHZ 12, 52 (56); 15, 84 (86); 32, 208 (211); 56, 40 (42); 102, 350 (364 f.); DVB1. 1969, 209, re. Sp. (a); DVB1. 1971, 464 (465, Ii. Sp., 2 und 3); DVB1. 1972, 827, Ii. Sp. (a) und re. Sp., 2. Abs.; DVB1. 1973, 142 (143, Ii. Sp., 1. Abs.); NJW 1980, 387, Ii. Sp. (A I 2 b); NJW 1985, 1287 (1289, Ii. Sp., 3); UPR 1986, 261 (263, Ii. Sp., 1. und 2. Abs.).

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

— Schlichtes Unterlassen könne keinen Eingriff in vorhandene Vermögenswerte Rechte darstellen. 61 Hier zeigt sich deutlich, wie der allzu rasche Rückgriff auf die Rechtsprechung zum enteignungsgleichen Eingriff, der ohnehin nichts mit (finaler) Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG zu tun hat, 62 zu einer voreiligen Auslegung der polizeilichen Unrechtshaftung führen kann. Bereits innerhalb des Anwendungsbereiches des enteignungsgleichen Eingriffs ist die Ausklammerung des (schlichten) Unterlassens unverständlich. Die Begründung des BGH, Art. 14 GG garantiere Schutz gegen das Nehmen, nicht das Vorenthalten, vermengt das Tatbestandsmerkmal des Eingriffs mit dem Tatbestandsmerkmal der eigentumsgeschützten Rechtsposition.63 Was aber mit Recht begehrt werden kann, ist als vorhandener Anspruch bereits in die Rechtssphäre des Betroffenen eingegliedert. 64 Art. 14 GG gewährleistet die Nutzung eines Eigentumsrechts (ζ. B. eines Grundstücks) nicht nur dem Umfang, sondern auch der Zeit nach, nämlich rechtzeitig. 65 Die Differenzierung zwischen qualifiziertem und schlichtem Unterlassen ist bei der polizeilichen Unrechtshaftung darüber hinaus deshalb unangebracht, weil diese nicht an Art. 14 GG anknüpft. Auf eine Abgrenzung zwischen Bestandsund Erwerbsschutz kommt es ebensowenig an wie auf einen „Eingriff, an dessen Stelle der Maßnahmebegriff tritt. Im übrigen ist es ein allgemeiner Grundsatz der gesamten Rechtsordnung, das Unterlassen dem Tun dann gleichzustellen, wenn eine Rechtspflicht zu einem möglichen und zumutbaren Tun bestand.66 Sachliche Gründe, warum bei der polizeilichen Unrechtshaftung etwas anderes gelten soll als bei der Amtshaftung aus Art. 34 GG, § 839 BGB, bei der dieser Grundsatz selbstverständlich ist, 67 obwohl bei den polizeilichen Ausgleichstatbe-

60 Weimar, Zur Problematik der Entschädigungstatbestände im nordrhein-westfälischen Ordnungsbehördengesetz (OBG), DÖV 1961, 379 (380, Ii. Sp., letzter Abs. mit Fn. 8 und 9); vgl. auch Katzenstein, Die Entschädigungspflicht des Staates aus rechtwidrig-schuldloser öffentlicher Gewalt, MDR 1952, 193 (194, Ii. Sp., Fn. 5). 61 Rietdorf \ in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, §41, Rn. 15; Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 (573, re. Sp., 1. Abs.); Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 211 f.; Schieberger, Das Ordnungs- und Polizeirecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 5. Aufl., 1981, S. 179; Lange I Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 136 (1.2.1). 62 So schon Schach, Der für den Aufopferungsanspruch neben der Enteignungsentschädigung verbleibende Raum, JZ 1956, 425 (426, re. Sp.). 63 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 213. 64 Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 113; Löwer, Staatshaftung für unterlassenes Verwaltungshandeln, 1979, S. 318 f. 65 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 214. 66 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 213 f.; Schenke, Staatshaftung und Aufopferung — Der Anwendungsbereich des Aufopferungsanspruchs, NJW 1991, 1777 (1788, Ii. Sp., 2. Abs.). 67 BGHZ 30, 19 (26); DVB1. 1971, 464 (465, Ii. Sp., 1. Abs.).

III. Maßnahme

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ständen insgesamt geringere Haftungsanforderungen gestellt werden, sind nicht ersichtlich. 68 Außerdem hängt es oft von gesetzgeberischen Zufälligkeiten ab, ob die Freiheitssphäre des Bürgers durch ein rechtswidriges Verbot in Form eines Verwaltungsakts oder durch ein rechtswidriges Unterlassen der Genehmigung etwa aufgrund eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt verletzt wird. Haftungsrechtlich steht dem der Fall der rechtswidrigen Aufhebung einer Genehmigung gleich. 69 Nicht unberücksichtigt bleiben darf schließlich, daß (schlichtes) Unterlassen durchaus das Ergebnis einer Entscheidung der Behörde sein kann, und zwar umso eher, wenn sie im Rahmen eingeräumten Ermessens darüber befinden darf, ob, wann und wie sie einschreiten will. 7 0 Dabei stellt sich im allgemeinen Polizeiund Ordnungsrecht die Frage, ob eine dreifache Ermessensschrumpfung in bezug auf Einschreiten, Mittel und Person notwendig ist, bevor das Unterlassen mit haftungsrechtlichen Sanktionen belegt wird. Dies wird man bejahen müssen. Denn das Unterlassen kann man nur dann unter den Maßnahmebegriff subsumieren, wenn für die Behörde eine Rechtspflicht zu einem bestimmten, nicht irgendeinem Tun bestand. Das zeigt sich am deutlichsten, wenn die Behörde zwar eingeschritten ist, aber ihr eingesetztes Mittel zur Gefahrenabwehr nicht effektiv genug war, sie also zu wenig getan hat. Hier liegt ein Fall des Unterlassens vor, weil das erforderliche Tun unterblieben ist. Unterlassen ist folglich nicht einfach (passives) Nichtstun, sondern die Nichtvornahme einer objektiv-rechtlich gebotenen, situationsabhängig zu bestimmenden Tätigkeit; es muß jeweils geklärt werden, was genau von der Behörde gefordert wird. 7 1

4. Normatives Unrecht Die Frage nach der Haftung für normatives Unrecht stellt sich in allen Bundesländern nur auf dem Gebiet des Polizeiverwaltungs(=Sicherheits / Ordnungs)rechts. Die Polizei im institutionellen Sinn ist nämlich durchweg nicht befugt, Rechtsnormen zu erlassen. Als ordnungsbehördliche Rechtsnormen kommen Parlamentsgesetze naturgemäß nicht in Betracht. Aber auch Satzungen spielen haftungsrechtlich keine Rolle. Sie dienen rechtlich selbständigen Körperschaften zur Regelung ihrer

68 Heesen!Hörde, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 34, Rn. 5. 69 Schenke, Staatshaftung und Aufopferung — Der Anwendungsbereich des Aufopferungsanspruchs, NJW 1991, 1777 (1788, re. Sp., 2. Abs.). 70 Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 113. 71 Hillmann / Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 176 (Rn. 283 f.); Heesen / Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 34, Rn. 5.

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

eigenen Angelegenheiten, sind also typischerweise Rechtsetzungsinstrument der Selbstverwaltung. 72 Die rechtliche Selbständigkeit des Normgebers unterscheidet Satzungen von Verordnungen. 73 Zwar sind die Kommunen Körperschaften mit Selbstverwaltungsbefugnissen, und sie sind — von Besonderheiten in den Stadtstaaten abgesehen — regelmäßig auch als Körperschaften zur Gefahrenabwehr berufen. Bei der örtlichen Ordnungsverwaltung handelt es sich jedoch nicht eigentlich um eine autonome, sondern „an sich" um eine heteronome Aufgabe. Sie ist Auftragsangelegenheit bzw. — so etwa in Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein — Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung und deshalb der Fachaufsicht unterworfen. 74 Von daher sind auch im kommunalen Bereich allenfalls Verordnungen Maßnahmen i. S. d. polizeirechtlichen Staatshaftung. 75 „Notstandsverordnungen" scheiden hierbei von vornherein aus. Die Inanspruchnahme eines Nichtstörers ist nur bei einer konkret-gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr zulässig. Maßnahmen gegen einen Nichtstörer können deshalb nur im Einzelfall getroffen werden. 76 Darüber hinaus will Rumpf aber auch störerbezogene Polizeiverordnungen aus dem Anwendungsbereich der in Hessen geltenden Unrechtshaftung mit der Begründung herausnehmen, daß die polizeiliche Generalklausel nur eine Gefahr im Einzelfall betreffe und kommunale Rechtsetzungsorgane — denn diese sind in Hessen — wie in nahezu allen Flächenstaaten auch — gemäß §§73 Satz 2 Halbsatz 1,74 Satz 2 Halbsatz 1 SOG Hessen zum Erlaß von Polizeiverordnungen berufen — keine Gefahrenabwehrbehörden seien. 77 Aber das ist zweifelhaft, und zwar schon deswegen, weil auch Minister und Regierungspräsidenten Polizeiverordnungen erlassen können (ζ. B. § 72 SOG Hessen), so daß die Argumentation von Rumpf zu undifferenziert ist. Die Unrechtshaftung knüpft zudem auch in Hessen nicht an eine bestimmte Ermächtigungsgrundlage, sondern eine „rechtswidrige Maßnahme der Gefahrenabwehrbehörden" an. Daß diese „Maßnahme" nur ein Tun im Einzelfall betrifft, läßt sich dem Maßnahmebegriff, der, wie gesagt, 72 Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III: Das Handeln des Staates, 1988, § 66, Rn. 1 f., 5. 73 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., 1992, § 4, Rn. 14. 74 Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 54; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 337, 427; Friauf, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, S. 161 (Rn. 162). 75 Dessen ungeachtet ordnet etwa § 94 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt an, daß die Gemeinden und Landkreise die Gefahrenabwehrverordnungen nach den für Satzungen geltenden Vorschriften erlassen. 76 Das übersehen Müller-Heidelberg / Clauss, Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl., 1956, § 40, Erl. 2, S. 189. 77 Rumpf \ Neuauflage einer generellen Staatshaftung in Hessen durch das novellierte Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung?, NVwZ 1992, 250, re. Sp., 1. Abs.

III. Maßnahme

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nur ein „Füllwort" darstellt, nicht entnehmen. Außerdem wird die Aufgabe der Gefahrenabwehr schlechthin den Gemeinden und Landkreisen übertragen (§§1 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 3, 82 Abs. 1 SOG Hessen), nicht einzelnen Organen dieser Körperschaften. Zwar bestimmen §§66 Abs. 1 Satz 1 GO Hessen bzw. 41 Abs. 1 Satz 1 KrO Hessen den Gemeindevorstand bzw. Kreisausschuß zu „Verwaltungsbehörden" der Gemeinden bzw. Kreise. Aber das gilt nur insofern, als diese Organe im Außenverhältnis auch zuständig sind, und in bezug auf den Erlaß von Polizeiverordnungen ist dies ja gerade nicht der Fall. Die von der Gemeindeund Kreisordnung gewählte Terminologie ist im Hinblick auf die Geschäftsverteilung und Vertretung rein kommunalverfassungsrechtlich bedingt. Für das Sicherheits- und Ordnungsrecht ist jedoch ausschlaggebend, daß die Gemeinden und Kreise insgesamt als Körperschaften zur Gefahrenabwehr berufen sind. In welcher Form und durch welches Organ sie diese Aufgabe wahrnehmen, ist haftungsrechtlich ohne Bedeutung. Ebensowenig ist von Bedeutung, daß der Ortsgesetzgeber keine Behörde i. S. d. § 1 Abs. 2 VwVfG Hessen ist, der den Formulierungen in der GO Hessen bzw. KrO Hessen offensichtlich als Vorbild gedient hat. § 9 VwVfG Hessen spricht nämlich davon, daß das Verwaltungsverfahren regelmäßig mit einem Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag endet; rechtsetzende Handlungen werden nicht erfaßt. Aber auch hier handelt es sich um eine spezifisch verfahrensrechtliche Terminologie, die eher als Indiz dafür angeführt werden kann, daß es keinen einheitlichen Behördenbegriff gibt, sondern dieser nach dem Sinn und Zweck des jeweiligen Gesetzes ausgelegt werden muß. Deshalb handeln auch die Gemeindevertretungen und Kreistage als Gefahrenabwehrbehörden, wenn sie Polizeiverordnungen erlassen. 78 Scheitert die Einbeziehung normativen Unrechts folglich nicht am Behördencharakter der zuständigen Stellen, so spricht für die Subsumtion von Polizeiverordnungen unter den Maßnahmebegriff insbesondere auch, daß die Rechtsprechung seit jeher den Erlaß materieller (nicht formeller) Gesetze zu den haftungsbegründenden Handlungen beim enteignungsgleichen Eingriff zählt. 79 Ob diese Rechtsprechung allerdings ohne weiteres auf die polizeiliche Unrechtshaftung übertragbar ist, bedarf einer näheren Betrachtung. Denn die beim enteignungsgleichen Eingriff in Rede stehenden Fallgestaltungen waren jeweils singulär, gleichsam ohne Breitenwirkung und ohne weittragende finanzielle Folgen für die Staatsfinanzen, weil es nicht um eine unübersehbare Vielzahl Betroffener, sondern einen abgrenzbaren Personenkreis ging. Ist das durch eine Norm bedingte Schadensausmaß jedoch nicht mehr kalkulierbar, spricht vieles dafür, daß die Rechtsprechung eine Haftung wegen rechtswidriger Eigentumsverletzung mangels hinreichender Legitimation zur richterrechtlichen Fortbildung der Staatshaftung verneint. Eine von der Rechtsprechung begründete unübersehbare Haftung 78 Zum Behördenbegriff s. nachfolgend Β IV. 79 BGHZ 56, 40 (42); 58, 124 (127); 78, 41 (43); 81, 21 (32 f.); 90, 17 (21); 92, 34 (36); WM 1980, 658 (659, Ii. Sp., I); NJW 1990, 3260 (3261, Ii. Sp., I 1).

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

würde die Haushaltsprärogative des Parlaments beeinträchtigen. Außerdem bedeutet die Anknüpfung des enteignungsgleichen Eingriffs an den Aufopferungsgedanken, daß nur sonderopferbegründende Schäden aufgrund normativen Unrechts liquidierbar sind. 80 Ob eine Polizeiverordnung als enteignungsgleicher Eingriff zu bewerten ist, hängt also von der Abgrenzbarkeit bzw. Überschaubarkeit des Störerkreises oder — in Ermangelung dessen und vom Tatbestand der Rechtswidrigkeit unabhängig — davon ab, ob die von der Norm geforderten Opfergrenzen überschritten wurden, weil die Eingriffsfolgen nicht mehr notwendig und typischerweise mit dem hoheitlichen Zwang verbunden waren. 81 Der Aspekt fehlender Legitimation zur richterlichen Rechtsfortbildung kommt allerdings im Bereich der positivierten Unrechtshaftung ebensowenig zum tragen wie die haftungsbegrenzende Funktion des Sonderopfermerkmals. Die Argumentationslast liegt jedenfalls bei denjenigen, die die Exekutivnormen aus der Haftung ausklammern wollen, denn die Polizeigesetze lassen diesbezügliche Einschränkungen nicht erkennen. Besonders deutlich ist der Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt geworden, wo er die Polizeiverordnungen definitionsgemäß zu den gefahrenabwehrenden „Maßnahmen" zählt (§ 3 Nr. 5 SOG Sachsen-Anhalt).82 Zwar sind es auch in Sachsen-Anhalt neben den zuständigen Ministern und Bezirksregierungen die Gemeindevertretungen bzw. Kreistage, die Polizeiverordnungen erlassen (§ 94 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt). Aber wie in allen anderen Bundesländern handeln sie hierbei als Ordnungs- bzw. in der Terminologie des Gesetzes: Allgemeine Verwaltungsbehörden, weil zu solchen nicht bestimmte Organe der Gebietskörperschaften, sondern schlechthin die Gemeinden bzw. Landkreise bestimmt werden (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SOG Sachsen-Anhalt). Es ist auch gar nicht einzusehen, warum die Haftung des Staates von der Zahl der Geschädigten abhängen soll. Der Fiskus stünde besser, je weiter das Unrecht ausuferte. Es ist dezisionistisch und unpraktikabel festzustellen, wie groß die Zahl der Fälle auszufallen hat, von der an ein „Sonderopfer" verneint werden muß. 83 Die polizeirechtlichen Entschädigungstatbestände verfolgen den Zweck, die Risiken der Gefahrenabwehr gerecht zwischen Steuerzahlern und Betroffenen zu verteilen. 84 Das Risiko der Rechtswidrigkeit einer Norm aber ist eindeutig so Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 195,215 f.; Detterbeck, Staatshaftung bei normativem Unrecht, JA 1991, 7 (10, Ii. Sp., b). «ι Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 114 ff. 82 Wobei man sich allerdings fragen muß, ob nicht des Guten zu viel getan wurde, als man in § 3 SOG Sachsen-Anhalt sämtliche für das Polizei- und Ordnungsrecht relevanten Begriffe definiert hat. 83 Schenke, Entschädigungsansprüche bei legislativem Unrecht unter dem Aspekt des enteignungsgleichen Eingriffs, NJW 1988, 857 (861, re. Sp., 1. Abs). 84 Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, § 41, Rn. 1 ; Scholler / Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 1982, S. 251 ; Berg / Hein, Allgemeines Polizei-und Ordnungsrecht für Berlin, 3. Aufl., 1984, Erl. 1 zu § 37, S. 204; Müller, Polizeigesetz des Freistaates

III. Maßnahme

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der Allgemeinheit bzw. den für sie handelnden staatlichen Organen zuzuordnen. Die Überschaubarkeit der finanziellen Auswirkungen kann schon deshalb keine Rolle spielen, weil zahlreiche Eingriffsfolgen gar nicht typisierbar sind. Denn der Umfang des erforderlichen Handelns der Ordnungsbehörden ist nicht vorhersehbar und damit auch nicht das Ausmaß potentieller Schäden. Hilfsweise läßt sich argumentieren, daß sehr wohl eine Kalkulationsmöglichkeit besteht. Polizeiverordnungen haben nämlich einen bestimmten Störerkreis im Auge. Insofern betreffen sie nicht eine unübersehbare Vielzahl von Normunterworfenen. Oft bedürfen sie der Konkretisierung durch unselbständige Verfügungen. Die Fälle von Schädigungen unmittelbar durch eine Polizeiverordnung haben denn auch in der bisherigen Praxis keine Rolle gespielt. Schadensbegrenzungen sind zudem durch das Postulat vom Vorrang des Verwaltungsrechtsschutzes möglich. Dieses gewinnt in Ländern Bedeutung, die eine prinzipale Normenkontrolle von Polizeiverordnungen im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO kennen.85 Wer derartige Rechtsbehelfe schuldhaft nicht ausnutzt, muß mit einem Wegfall oder einer Minderung seines Ausgleichsanspruches rechnen. 86 Letztlich ausschlaggebend ist jedoch der bereits angesprochene Aspekt, daß das Sonderopfer als Haftungsbegrenzung auf die Unrechtshaftung gar nicht paßt. Bei rechtwidrigen Maßnahmen gibt es keine Kriterien für die Abwägung öffentlicher und privater Interessen, geschweige denn Duldungspflichten. Die Pflicht des Staates zu rechtmäßigem Handeln besteht nicht nur im Einzelfall. Der (primäre oder sekundäre) Schutz gegen Unrecht ist deshalb von der Zahl der Geschädigten unabhängig. Mag der enteignungsgleiche Eingriff auch die Initialzündung für die Einführung der polizeilichen Unrechtshaftung gewesen sein; hier erfüllt das Rechtswidrigkeitsmerkmal keine sonderopferindizierende Funktion mehr, sondern ist eine eigenständige Haftungsvoraussetzung. Es wird wegen, nicht trotz der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme gehaftet. Das steht eindeutig im Gesetz. Andernfalls hätte es der Schaffung eines speziellen Tatbestandes für den Schadensausgleich bei rechtswidrigen Maßnahmen auch nicht bedurft. Deshalb ist es nur konsequent, auch normatives Unrecht uneingeschränkt dem haftungsrechtlichen Regime des Polizei- und Ordnungsrechts zu unterwerfen.

Sachsen, 1992, Erl. zu § 35, S. 130; Friauf, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, S. 174 (Rn. 197). 85 z. B. Art. 5 AG VwGO Bayern; §§ 5 AG VwGO Baden-Württemberg; 7 AG VwGO Bremen; 11 AG VwGO Hessen; 6 a AG VwGO Niedersachen; 4 AG VwGO Rheinland-Pfalz; 10 AG VwGO Sachsen-Anhalt; 5 a AG VwGO Schleswig-Holstein. 86 S. dazu unten D II 5.

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

IV. Behördenbegriff Die Klärung des Begriffs der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde ist ausschlaggebend für den sachlichen Geltungsbereich der Unrechtshaftung. Je nachdem, wo man die Grenze zieht, ist sie von geringerer oder größerer praktischer Bedeutung. Keine Schwierigkeiten bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals bestehen in der Regel dann, wenn der BGS, das BKA oder die Polizei im institutionellen Sinn handelt. Eine von ihnen ergriffene Maßnahme ist unschwer als solche identifizierbar. Dabei geht es im ersten Fall um Maßnahmen aufgrund des BGSG (einschließlich Maßnahmen anderer Behörden aufgrund der §§ 62, 63 Abs. 3, 68, nicht jedoch im Fall des § 9 BGSG), 87 im zweiten um solche aufgrund des § 9 Abs. 1 BKAG (Personenschutz), und im letzten Fall ist es grundsätzlich belanglos, auf welche gesetzliche Grundlage sich die polizeiliche Maßnahme stützt. Ausnahmen: In Bayern ist die polizeirechtliche Staatshaftung gegenüber dem § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 2 und 4 StrEG, soweit dieser einschlägig ist, subsidiär (Art. 70 Abs. 5 PAG Bayern), und in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt werden Strafverfolgungsmaßnahmen von der polizeirechtlichen Staatshaftung überhaupt nicht erfaßt (argumentum e contrario §§3 Abs. 2 SOG Niedersachsen und 4 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt).88 Gleiches gilt für Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein, weil die Polizeigesetze dieser Länder nur eine Regelung über Ausgleichsleistungen an den Nichtstörer bzw. Unbeteiligten enthalten und damit allein auf präventives Handeln abzielen. In den übrigen Ländern besteht hingegen keine Beschränkung auf (präventive) Gefahrenabwehrmaßnahmen. Gehaftet wird für jegliches Handeln der Polizei. 89 Keine Schwierigkeiten bestehen schließlich bezüglich der Haftung der bayerischen Sicherheitsbehörden. Sie wird ausdrücklich auf Maßnahmen nach dem LStVG Bayern beschränkt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern). Auf eine nähere Qualifizierung des Behördenbegriffs verzichten auch das SOG MecklenburgVorpommern und das LVwG Schleswig-Holstein, die als Haftungsgrund schlicht „Maßnahmen zur Gefahrenabwehr" nennen (§§ 73 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 222 LVwG Schleswig-Holstein). In den Ländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen stellt sich jedoch die Frage, was die jeweiligen Gesetze unter Haftung der zur Gefahrenabwehr berufenen (Polizei-)Verwaltungs- bzw. Ordnungsbehörden verstehen. 87 Fischer, in: Fischer/Hitz/ Walter, BGSG, 1987, § 34, Rn. 1; Schoen, in: Einwag/ Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 34, Rn. 8 ff. 88 s. dazu BGH, NJW 1987, 2573 (2574, re. Sp., 5). 89 LG Würzburg, BayVBl. 1985,570, re. Sp., mit insoweit zust. Anm. Köhler. Anderer Ansicht: Württemberger, in: Achterberg / Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7/1, Fn. 592; Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 45. S. unten am Ende und C II 3.

IV. Behördenbegriff

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1. Rechtsprechungsübersicht In der staatshaftungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur herrscht diesbezüglich nahezu ein Vakuum. In den Fällen, in denen die Frage wirklich einmal entscheidungserheblich war, wurden bestehende Unsicherheiten durch Dezisionismus kaschiert. Unstrittig ist allein, daß im Hinblick auf den spezifisch hoheitlichen Charakter des Polizeirechts nur öffentlich-rechtliches, nicht aber privatrechtliches Handeln zur Debatte steht.90 Als Ordnungsbehörden wurden von der Rechtsprechung bisher ausdrücklich bezeichnet: — die Baubehörden 91 — und die Straßenverkehrsbehörden. 92 Hingegen wurde die Qualifikation als Ordnungsbehörde verneint für: — den Gemeinderat als Ortsgesetzgeber bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes,93 — die nordrhein-westfälische Feuerwehr 94 — und den nordrhein-westfälischen Regierungspräsidenten als Genehmigungsbehörde im Sinne des § 10 Abs. 1 Bundesärzteordnung (Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufes durch einen Ausländer). 95 Nur in den beiden letztgenannten Entscheidungen werden überhaupt Prüfungskriterien genannt. Das OLG Hamm stellt in materieller Hinsicht darauf ab, ob die handelnde Behörde umfassend Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme, und verneint dies bei nur eng begrenzten Eingriffsbefugnissen. 96 Das formal (und nicht etwa — wie vom Gericht behauptet — funktionell) argumentierende OLG Düsseldorf sieht allein diejenige Behörde als Ordnungsbehörde an, die durch Rechtsetzungsakt des Gesetzgebers als solche bezeichnet werde. Auf den materiellen Polizeibegriff komme es nicht an. Begründet wird dies mit der Vermeidung von Einordnungsschwierigkeiten, mit dem Schutz des Gesetzgebers, der sich der Haftungsfolgen bewußt sein müsse, und damit, daß schließlich auch die Polizei im institutionellen Sinn keine Ordnungsbehörde sei, obwohl sie allgemein zur Gefahrenabwehr berufen sei. 97 90 Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (452, Ii. Sp., 2. Abs.). 91 BGHZ 82, 361 (363); NJW 1992, 1230, re. Sp. (2); OLG Köln, ZMR 1984, 169, re. Sp.; NVwZ 1989, 288, re. Sp. (2); OLG Düsseldorf, NWVB1. 1991, 134 (135, re. Sp., 2. Abs.). 92 BGHZ 99, 249 (252); NJW 1971, 2220 (2222, Ii. Sp., 2. Abs.); OLG Hamm, NVwZ 1986, 509 (510, Ii. Sp.). 93 BGHZ 84, 292 (294); OLG Köln, NJW 1991, 2710, re. Sp. 94 OLG Hamm, NWVB1. 1989, 183, re. Sp.; anders in Berlin (§ 3 Abs. 1 ASOG Berlin) und Hamburg (§ 3 Abs. 2 lit. b SOG Hamburg). 95 OLG Düsseldorf, NWVB1. 1991, 134 (135, re. Sp., letzter Abs.). 96 OLG Hamm, NWVB1. 1989, 183, re. Sp. 97 OLG Düsseldorf, NWVB1. 1991, 134 (135, re. Sp., 4. Abs.). 4 Treffer

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

2. Kritische Würdigung Diese Rechtsprechung begegnet Bedenken. Sie beruht zu einem wesentlichen Teil auf dem MißVerständnis der Legaldefinition einer Sonderpolizei- bzw. -Ordnungsbehörde. Während einige Landesgesetze ohne Erkenntnisgewinn und eher tautologisch als besondere bzw. Sonderpolizeibehörden „alle übrigen Polizeibehörden" bezeichnen,98 bestimmen andere Gesetze — u. a. auch das nordrhein-westfälische — solche Behörden zu besonderen Verwaltungs- bzw. Sonderordnungsbehörden, denen auf einem bestimmten Sachgebiet Aufgaben der Gefahrenabwehr übertragen wurden. 99 Daß ihnen in ihrer Eigenschaft als Sonderordnungsbehörden auch andere Aufgaben zugewiesen werden können, ist nicht mehr Bestandteil der Definition. Die Gesetze lassen also für den Bereich der Gefahrenabwehr — im Gegensatz zu sonstigen Materien — keine formelle Kennzeichnungspflicht erkennen. Eine derartige formelle Kennzeichnung ist auch keineswegs notwendig. Als Gesetzestechniken, eine Behörde als Polizei- bzw. Ordnungsbehörde zu charakterisieren, kommen ebenso in Betracht, die Aufgaben dieser Behörde als solche der Gefahrenabwehr zu deklarieren (ζ. B. §§35 Abs. 2 AbfG Nordrhein-Westfalen; 57 Abs. 2 BauO Nordrhein-Westfalen; 138 Satz 2 WassG Nordrhein-Westfalen) oder auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht zu verweisen (ζ. B. § 52 Abs. 6 FischG Nordrhein-Westfalen). 100 Ist dies nicht der Fall, sind etwaige Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Aufgabentypen das tägliche Brot des Juristen. Sie werden ja auch bei der Prüfung der jeweiligen polizeilichen Ermächtigungsgrundlage nicht hinfällig, sofern diese eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung voraussetzt. Gefahrenabwehr bezweckt den Schutz des vorhandenen Bestandes an Rechten, Rechtsgütern und Verfassungsnormen vor regelwidrigen äußeren Einflüssen, nicht jedoch die Vermehrung von Gütern und Verbesserung der bestehenden Zustände.101 98 §§61 Abs. 2 PolG Baden-Württemberg; 77 Abs. 2 PVG Rheinland-Pfalz; 47 Abs. 2 PolG Sachsen; vgl. a. § 2 Abs. 3 Alt. 2 ASOG Berlin. 99 §§11 OBG Brandenburg; 66 Abs. 1 PolG Bremen; 90 SOG Hessen; 3 Abs. 1 Nr. 4 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 75 SOG Niedersachsen; 12 OBG Nordrhein-Westfalen; 75 Abs. 3 PolG Saarland; 85 SOG Sachsen-Anhalt; 164 Abs. 1 Nr. 4 LVwG Schleswig-Holstein. !oo Friesenhahn, in: Loschelder / Salzwedel, Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 1964, S. 180 f.; Böckenförde, in: Rietdorf / Heise / Bökkenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 1, Rn. 72. 101 Martens, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 233 oben; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 72; Denninger, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, E / Rn. 4. Gleichgültig ist, ob ein Aufgabentyp zur „klassischen" Gefahrenabwehr zählt oder nicht; dies gegen Prümm, in: Ley/Prümm, Staats- und Verwaltungsrecht für Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., 1990, I/Rn. 14 (S. 389 mit Fn. 28), der als Beispiel die „nichtklassische" Sozialhilfe nennt. Dazu weiter unten in diesem Kapitel.

IV. Behördenbegriff

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Allerdings sind nur solche Stellen Polizei- und Ordnungsbehörden, die schwerpunktmäßig mit der Aufgabe der Gefahrenabwehr betraut sind. Die Gefahrenabwehr muß typisch für das jeweilige Sachgebiet sein. 102 Auslegungskriterium hierfür ist die Gesetzessystematik. Insofern kann allenfalls von einer materiellen oder funktionellen Kennzeichnung die Rede sein. Nur dann, wenn die Gefahrenabwehr für die jeweilige Materie, in der sie geregelt ist, untypisch ist, kommt es für den Charakter einer Maßnahme als ordnungsbehördliches Handeln darauf an, ob der Gesetzgeber die jeweilige Aufgabe dem Bereich der Gefahrenabwehr formell zugeordnet hat. Dieser Gedanke darf jedoch nicht dazu verführen, die Qualifikation einer Behörde als Polizei- oder Ordnungsbehörde vom Umfang ihrer Eingriffsbefugnisse abhängig zu machen, wie dies offensichtlich vom OLG Hamm praktiziert wird. Dann wäre effektiv nur diejenige Behörde eine Polizei- bzw. Ordnungsbehörde, die sich auf eine Generalklausel stützen könnte, und das ist im Hinblick auf zahlreiche spezialgesetzliche Materien ersichtlich nicht richtig. Abfall-, Atom-, Gewerbe- oder Wasserbehörden und viele weitere Ämter v. a. im Umweltsektor wären unter diesem Gesichtspunkt keine Ordnungsbehörden. Darüber, ob der Behördenbegriff überhaupt vom Wirkungsbereich abhängig ist, streitet man sich auch bei § 1 Abs. 4 BVwVfG. Dort wird zum Teil im Hinblick auf § 9 BVwVfG behauptet, konstitutives Merkmal des Behördenbegriffs sei ein nach außen wirkendes Handeln. 103 Auf Eingriffsbefugnisse wird bei § 1 Abs. 4 BVwVfG jedoch nicht abgestellt. Jedenfalls zeigt die im Polizeiund Ordnungsrecht überwiegend vorgenommene Differenzierung zwischen Aufgaben und Befugnissen, 104 daß die Polizei- und Ordnungsbehörden diese Qualität auch dann behalten, wenn sie durch Eigenhandeln (Aufklärung, Beratung, Überwachung) tätig werden. 105 Die polizeilichen Befugnisse sind also nur für den Handlungsspielraum der Behörde relevant, nicht aber für ihre Natur als Polizeioder Ordnungsbehörde. Deswegen handelt es sich bei den Verfassungsschutzämtern um Polizeibehörden, obwohl diese überhaupt keine Eingriffsbefugnisse besitzen (z. B. § 8 Abs. 3 BVerfSchG). 106 102 Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1992, I I / Rn. 142 a. E. Vgl. a. Stephan, in: Bretzinger, Staats- und Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg, 1991, VII / Rn. 15; BVerwGE 47, 255 ff.; 74, 315, 324 ff. 103 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., 1992, § 21, Rn. 33; Erichsen, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, § 11, Rn. 10, S. 234. Anderer Ansicht: Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, 3. Aufl., 1990, § 1, Rn. 129; Kopp, VwVfG, 5. Aufl., 1991, § 1, Rn. 22. 104 Z. B. §§ 1 ff., 10 ff. BGSG; 1 ff., 11 ff. SOG Hessen; 1, 14 ff. OBG NordrheinWestfalen; 1, 13 ff. SOG Sachsen-Anhalt; 162, 177 ff. LVwG Schleswig-Holstein. i°5 Saipa, in: Faber / Schneider, Niedersächsisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1985, S. 354 oben. 106 Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 82. Anderer Ansicht: Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 356. 4*

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

Die Ausführungen des OLG Hamm können auch dahingehend verstanden werden, für die Natur einer Behörde als Polizei- oder Ordnungsbehörde komme es auf deren Alleinzuständigkeit auf einem bestimmten Sachgebiet der Gefahrenabwehr an. Aber dies ist kein ausschlaggebendes Kriterium. Denn je nachdem, wie weit oder eng man das Sachgebiet definiert, fallen mehr oder weniger Stellen unter den Begriff der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde. Im Gewerberecht mit seinen Bezügen zum Umweltrecht zeigt ζ. B. die genehmigungsrechtliche Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG, daß die an sich bestehende Zuständigkeitsordnung zugunsten der Immissionsbehörde durchbrochen wird, ohne daß etwa die sachnähere Baubehörde ihre ordnungsbehördliche Qualität einbüßt. Außerdem sind die Polizei im institutionellen Sinn und die Ordnungsbehörde grundsätzlich nebeneinander zur allgemeinen Gefahrenabwehr berufen. Schließlich handelt es sich auch beim nordrhein-westfälischen Landesminister, der eine Polizeiverordnung erläßt (§ 26 OBG Nordrhein-Westfalen), um eine (Sonder-) Ordnungsbehörde, obwohl er sonst keine weiteren Aufgaben nach dem OBG Nordrhein-Westfalen wahrnimmt, weil im selben Gesetz die Funktion der (allgemeinen) Landesordnungsbehörde dem Regierungspräsidenten zugewiesen wird (§ 3 Abs. 2 OBG Nordrhein-Westfalen), der ebenfalls Polizeiverordnungen erlassen darf (§ 27 OBG Nordrhein-Westfalen). Die Auffassung des OLG Hamm ist freilich insofern richtig, als auch der nordrhein-westfälische Gesetzgeber jedenfalls in haftungsrechtlicher Hinsicht davon ausgeht, daß es sich bei der Feuerwehr nicht um eine Ordnungsbehörde handelt. In § 33 FSHG Nordrhein-Westfalen hat er für erzwungene oder freiwillige Hilfeleistungen von Bürgern Ausgleichstatbestände normiert, die auf die §§39-41 OBG Nordrhein-Westfalen Bezug nehmen und diese modifizieren. Dies rechtfertigt das vom OLG Hamm vertretene Ergebnis, daß sich ein Schadensersatzanspruch aufgrund einer Maßnahme der Feuerwehr nicht unmittelbar auf § 39 Abs. 1 OBG Nordrhein-Westfalen stützen läßt. Die Polizei im institutionellen Sinn wiederum ist in den Ländern mit Trennsystem (Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen) selbstverständlich keine Ordnungsbehörde. Daraus folgt aber nur, daß man bei einer mit Gefahrenabwehr betrauten Behörde darauf achten muß, ob man sie der Polizei im institutionellen Sinn oder eben den Ordnungsbehörden zuordnen muß. Einen dritten Polizeibegriff neben dem materiellen und formell-institutionellen gibt es nicht, damit auch keine dritte Kategorie von Behörden der Gefahrenabwehr. Denn historischer Ausgangspunkt ist mit § 10 I I 17 ALR Preußen 1794 der materielle Polizeibegriff. 107 Will der Gesetzgeber hier Differenzierungen vornehmen, muß er festlegen, welche Behörde aus der allge107 In Teilen Hamburgs wurden ordnungsbehördliche Maßnahmen noch bis 1966 auf diesen Rechtssatz gestützt. Hoffmann-Riehm, in Hoffmann-Riehm / Koch, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1988, S. 226.

IV. Behördenbegriff

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meinen materiellen Polizeiverwaltung ausgegliedert werden soll, obwohl sie Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnimmt. Das ist zum Teil in bezug auf die Polizei im institutionellen Sinn geschehen. Der Gesetzgeber muß also auch bestimmen, wann eine Gefahrenabwehrbehörde keine Ordnungsbehörde sein soll, wie dies etwa in § 1 Abs. 1 Satz 1 SOG Hessen angeordnet wurde. Die dort getroffene Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehrverwaltungs-, Ordnungs- und Polizeibehörden ist jedoch haftungsrechtlich irrelevant, weil § 64 Abs. 1 Satz 2 SOG Hessen die Unrechtshaftung generell auf die Gefahrenabwehrbehörden erstreckt, zu denen als Unterart auch die Ordnungsbehörden zählen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SOG Hessen). Es stehen sich hier also auch weiterhin nur zwei Kategorien gegenüber (Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden). 108 Ungeachtet dieser historischen Entwicklungslinie vertreten Reiff / Wöhrle / Wolf für Baden-Württemberg, in dem das Mischsystem gilt, die Ansicht, daß nur solche Behörden Polizeibehörden seien, denen der Landesgesetzgeber das betreffende Aufgabengebiet in ihrer Eigenschaft als Polizeibehörde zur Erledigung zugewiesen habe, und begründen dies mit dem institutionellen Vorbehalt des Gesetzes. Auf die übrigen Behörden wenden sie die „allgemeinen Grundsätze des Gefahrenabwehrrechts" an. 1 0 9 In die gleiche Richtung tendiert Prümm für Rheinland-Pfalz, dessen PVG ebenfalls das Mischsystem zugrunde liegt. 1 1 0 Damit nähern sich diese Autoren der Auffassung des OLG Düsseldorf. Mußmann hat dem jedoch zu Recht entgegengehalten, daß die uneinheitlichen, oft konfusen Zuständigkeitsregeln des Landes- oder Bundesrechts diesen Schluß nicht zulassen. Der baden-württembergische Gesetzgeber hat gerade keine „Entpolizeilichung" des Gefahrenrechts bezweckt; er geht mangels organisatorischer Differenzierungen grundsätzlich vom materiellen Polizeibegriff aus. 111 Die Meinung von Reiff / Wöhrle / Wolf ist auch inkonsequent, wenn sie an anderer Stelle besondere Polizeibehörden kraft Tradition anerkennen (Eich- und Gewerbeaufsichtsämter). 1 1 2 Der institutionelle Vorbehalt des Gesetzes wird im übrigen nicht verletzt. Die zum Eingriff befugten Behörden — ζ. B. der Bürgermeister, Landrat, Regierungspräsident oder Landesminister — sind doch jeweils gesetzlich bestimmt. Wann sie aber in ihrer Eigenschaft als (Sonder-) Polizeibehörde tätig werden, 108

S. dazu: Rumpf \ Die Organisation der Gefahrenabwehrbehörden in Hessen, NVwZ 1990, 315 ff; der s., Neuauflage einer generellen Staatshaftung in Hessen durch das novellierte Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung?, NVwZ 1992, 250 ff. 109 Reiff! Wöhrle /Wolf Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1984, § 47, Rn. 2-11. no Prümm, in: Ley/Prümm, Staats- und Verwaltungsrecht für Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., 1990,1/Rn. 15 a. E. m Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., 1989, Rn. 37, S. 44. So auch Stephan, in: Bretzinger, Staats- und Verwaltungsrecht für BadenWürttemberg, 1991, VIII/Rn. 13 f. 112 Reiff! Wöhrle/Wolf Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1984, § 47, Rn. 15 und 16.

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

ist keine Frage der Firmierung, sondern läßt sich nur anhand der wahrgenommenen Aufgabe, nämlich funktionell klären. Wie man die innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Zuständigkeitsordnung handelnde Behörde nennt, kann sehr wohl materiell definiert werden und ist durch den institutionellen Vorbehalt des Gesetzes nicht vorgegeben. Nichts anderes gilt für Bremen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Sachsen. Die vom OLG Düsseldorf behauptete „Kennzeichnungslast" ist also genau umgekehrt. Deutlich werden muß die Ausnahme. 113 Das läßt sich etwa dadurch zum Ausdruck bringen, daß — wie im Abfallrecht die Entsorgungsleistungen der Gemeinden (ζ. B. § 5 Abs. 1 Satz 1 AbfG Nordrhein-Westfalen), die Bauleitplanung (§§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB), sofern diese überhaupt gefahrenrechtliche Bezüge aufweist (vgl. § 1 Abs. 5 Nrn. 1, 7 und 9 BauGB), oder die Gewährung von Sozialhilfe (§ 96 Abs. 1 BSHG) — eine Aufgabe der Gefahrenabwehr zur originären Selbstverwaltungsangelegenheit gemacht und nicht den fachlichen Weisungsstrukturen des Polizei- und Ordnungsrechts unterworfen wird. Mit anderen Worten: Zweites Charakteristikum der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde auf lokaler Ebene ist ihre Einbindung in eine fachliche Hierarchie. Das läßt sich aus der Systematik der einschlägigen Gesetze schlußfolgern. Denn die Polizei· bzw. Ordnungsverwaltung ist Auftragsangelegenheit oder Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung. 114 Im Ausgangspunkt bestimmt sich der Charakter einer Behörde als Polizeioder Ordnungsbehörde aber allein danach, daß sie eine Aufgabe der Gefahrenabwehr schwerpunktmäßig wahrnehmen soll. 115 Letztlich liegt das OLG Düsseldorf dennoch richtig. Denn die Entscheidung über die Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 BÄO ist keine gefahrenabwehrende, sondern eine wirtschaftslenkende, sich am Berufsbedarf orientierende Maßnahme; auf die Erteilung der Erlaubnis besteht kein Anspruch. 116

113

Dittmann, in: Maurer / Hendler, Baden-Württembergisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1990, S. 294. 114 S. oben Fn. 74. us So auch OVG NW, OVGE 25, 88 (90); VGH BaWü, VB1BW 1986, 217, re. Sp. (1); Amtliche Begründung Nr. 1 zu § 9 Regierungsentwurf OBG Nordrhein-Westfalen 1954, Landtag Nordrhein-Westfalen, Drs. III/6, S. 6; Müller-Heideiber g I Clauss, Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl., 1956, §50, Erl. 1 und 2; Bachof, in: Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl., 1978, § 123, Rn. 5 und 6; Kay / Böcking, Polizeirecht Nordrhein-Westfalen, 1992, Rn. 89 (S. 5); Müller, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 1992, S. 42 (vor 3); Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1992, II/Rn. 142 a. E.; Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., 1989, Rn. 37 (S. 44); Dittmann, in: Maurer / Hendler, Baden-Württembergisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1990, S. 294; Stephan, in: Bretzinger, Staats- und Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg, 1991, VIII/Rn. 13-15. 116 Narr, Ärztliches Berufsrecht, Bd. 1,2. Aufl., Stand: September 1989, Rn. 101,103.

IV. Behördenbegriff

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Die funktionelle Auslegung des Behördenbegriffs hat gelegentlich zu Mißverständnissen geführt. So hat etwa das OLG Köln das Negativattest einer Baubehörde über die Bebaubarkeit eines Grundstückes im Sinne des § 34 BBauG 1979 explizit nicht als ordnungsbehördliche Maßnahme qualifiziert. 117 Die Begründung hierfür liefert Kasten. Aus Gründen der Gesetzgebungskompetenz (Entschädigungsrecht als Annex zur Sachfrage) kämen als ordnungsrechtliche Maßnahmen nur solche in Betracht, die auf Landesrecht beruhten und sich als solche materieller Gefahrenabwehr erwiesen. Die organisatorische Zuordnung der Maßnahme zu einer Ordnungsbehörde reiche nicht aus. 118 Deswegen hat er die Erteilung oder Versagung einer Genehmigung im Β odenverkehrsverfahren nach §§ 19 ff. BBauG 1979 durch die Bauordnungsbehörde nicht als ordnungsbehördliche Maßnahme eingestuft. 119 Außerdem läßt er die Baubehörde im Βaugenehmigungsverfahren nicht haften, soweit ihr nur planungsrechtliche Fehler unterlaufen seien. 120 Würtenberger und Rachor sind ferner der Ansicht, daß die polizeiliche Unrechtshaftung nur präventive Maßnahmen — nicht etwa strafprozessuale — erfasse. 121 Abgesehen von der richtigen, aber selbstverständlichen Aussage, daß sich die landesrechtlichen Haftungsnormen nur auf Landesbehörden erstrecken, leidet diese Auffassung an zwei Mängeln. Erstens ist die Haftungsfrage Ausfluß originärer Gesetzgebungskompetenz der Länder (Art. 70 Abs. 1 GG) und kompetenzrechtlich nicht an die Regelung ordnungsrechtlicher Belange geknüpft. 122 Und zweitens sind auch solche Aufgaben polizei- bzw. ordnungsrechtlicher Natur, die zwar keine Gefahrenabwehr bezwecken, aber den mit der Gefahrenabwehr betrauten Verwaltungsstellen in ihrer Eigenschaft als Polizei- bzw. Ordnungsbehörden übertragen wurden, 123 und zwar durch die vom OLG Düsseldorf geforderte und gesetzlich vorgesehene formelle Kennzeichnung. Ob es sich dabei um eine AufgabenzuWeisung kraft Landes- oder Bundesrechts (so bei § 19 Abs. 3 Satz 1 Π7 OLG Köln, VersR 1979, 360, re. Sp. us Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (452, Ii. Sp., 2. Abs., und re. Sp., 1. und 2. Abs.). Im Ausgangspunkt auch Fink, Die Anwendbarkeit von § 39 I lit. b NRW OBG bei Maßnahmen der Bauaufsichtsbehörde im Bauplanungsrecht, NVwZ 1992, 1045 ff. ι· 9 Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986,450 (452, re. Sp., 1. Abs.). 120 Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986,450 (452, re. Sp., 2. Abs.). 121 Würtenberger, in: Achterberg / Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7/ 1, Fn. 592; Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 45. Diese Ansicht trifft nur für Baden-Württemberg, Hamburg, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zu. S. oben zu Beginn und unten C II 3. 122 S. oben A V. 123 Ζ. Β. §§ 1 Abs. 2 PolG Baden-Württemberg; 1 Abs. 2 ASOG Berlin; 1 Abs. 3 OBG Brandenburg; 1 Abs. 2 SOG Hessen; 2 Abs. 2 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 1 Abs. 3 OBG Nordrhein-Westfalen; 1 Abs. 4 PolG Nordrhein-Westfalen; 1 Abs. 2 PolG Sachsen; 1 Abs. 3 SOG Sachsen-Anhalt; 163 Abs. 2 LVwG Schleswig-Holstein; 2 Abs. 4 PAG Thüringen.

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

BauGB oder §§127 Abs. 2,163 b Abs. 1 Satz 1 StPO) handelt, ist gleichgültig. 124 Jedenfalls kommt es auf die Qualität der Maßnahmen hier nicht an. 125

3. Prüfungsreihenfolge Die Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Polizei" bzw. „Ordnungsbehörde" vollzieht sich in folgenden Schritten: a) Welche Stelle hat gehandelt? Ζ. B. der Oberstadtdirektor, Oberkreisdirektor, Regierungspräsident, Landesminister. b) Wo (auf welchem Sachgebiet) hat diese Stelle gehandelt? Ζ. B. auf dem Gebiet des Arzneimittel-, Atom-, Ausländer-, Bauordnungs-, Bestattungs-, Gesundheits-, Gewerbe-, Immissions-, Jagd-, Lebensmittel-, Presse-, Verkehrs-, Versammlungs-, Waffen- oder Wasserrechts. 126 c) Soll die Stelle dort (auf diesem Sachgebiet) handeln? Die Beantwortung dieser Frage orientiert sich am vom jeweiligen Gesetz vorgesehenen Behördenaufbau bzw. an der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung. d) Handelt die Stelle zur Gefahrenabwehr? Das bedarf keiner Prüfung, wenn sie als Polizei- oder Ordnungsbehörde bezeichnet bzw. die konkrete Aufgabe als solche der Gefahrenabwehr deklariert wird oder wenn der Stelle polizeiliche Befugnisse ausdrücklich zugewiesen werden. Ansonsten kommt es auf die materielle Zweckbestimmung der Vorschrift an, die die Maßnahme behördlicherseits rechtfertigen soll. Entscheidend ist, daß diese Norm einem Gesetz entstammt, dessen Regelungsgegenstand schwerpunktmäßig die Gefahrenabwehr bildet. e) Läßt sich aus der Ratio einer Norm keine gefahrenabwehrende Funktion herleiten, ist eine hierauf gestützte Maßnahme nur dann bzw. dennoch ordnungsrechtlicher Natur, wenn dies gesetzlich so bestimmt ist (ζ. B. durch 124 Vgl. BGHZ 92, 302 (304); LG Würzburg, BayVBl. 1985, 570, re. Sp.; 1991, 187, re. Sp. unten; Böckenförde, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs-und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 1, Rn. 69 und 70; Martens, in: Drews/Wacke/ Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 100, 129; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 139 und 141; Denninger, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, E/Rn. 186 ff. 125 Das übersehen auch Rumpf, Neuauflage einer generellen Staatshaftung in Hessen durch das novellierte Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung?, NVwZ 1992, 250 (251, Ii. Sp., 3. Abs.), wenn er zwischen unmittelbarer und mittelbarer Gefahrenabwehr unterscheidet, und Fink, Die Anwendbarkeit von § 39 I lit. b NRW OBG bei Maßnahmen der Bauaufsichtsbehörde im Bauplanungsrecht, NVwZ 1992, 1045 ff., der verkennt, daß als Maßnahme nur die Baugenehmigung etc., nicht aber die bloße Subsumtion unter eine Norm in Betracht kommt. 126 Götz zählt diese Materien sämtlich zum besonderen Polizei- und Ordnungsrecht. Götz, Die Entwicklung des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts (1981 bis 1983), NVwZ 1984, 211 (212, re. Sp., 2. Abs.).

IV. Behördenbegriff

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Behördennennung oder Einbettung der Vorschrift in eine überwiegend gefahrenrechtliche Materie — systematisches Argument), f) Eine Verwaltungsstelle, die Gefahrenabwehraufgaben wahrnehmen soll, ist keine Polizei- bzw. Ordnungsbehörde, wenn der Gesetzgeber deutlich macht, daß er sie nicht dem Regime des Polizei- und Ordnungsrechts unterstellen will, indem er die jeweilige Aufgabe etwa originär der kommunalen Selbstverwaltung überantwortet bzw. der Fachaufsicht entzieht, die bei der Auftragsangelegenheit oder Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung besteht, oder die Ermächtigungsgrundlage in einem Gesetz verankert, für das die Gefahrenabwehr untypisch ist. Eine ordnungsbehördliche Maßnahme ist folglich das Handeln in Wahrnehmung einer Aufgabe, die vom Gesetz einer allgemein oder auf einem bestimmten Sachgebiet zur Gefahrenabwehr berufenen Behörde übertragen wurde (gesetzlicher Schwerpunkt ist also die Gefahrenabwehr), es sei denn, das Gesetz läßt erkennen, daß die jeweilige Stelle nicht den fachlichen Weisungsstrukturen des Polizei- und Ordnungsrechts unterworfen sein soll, weil es sich bei der Aufgabe nicht um eine Auftragsangelegenheit oder Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung handelt. In den Ländern mit Trennsystem ist die Polizei im institutionellen Sinn selbstredend keine Ordnungsbehörde. Es ist klar, daß diese funktionelle Qualifikation des Ordnungsbehördenbegriffs den Anwendungsbereich der Unrechtshaftung erheblich ausdehnt. Ebenso klar ist aber auch, daß es nicht Aufgabe der Gerichte ist, den Gesetzgeber vor den Folgen seiner Legaldefinitionen und Gesetzestechniken zu bewahren. Daß die jeweiligen Landesgesetzgeber von einem nominellen Behördenbegriff ausgegangen seien, läßt sich jedenfalls auch im Hinblick auf die Unrechtshaftung mit keiner einzigen Quelle belegen. Sie können den Haftungsumfang allein dadurch eingrenzen, daß sie eine Norm schaffen, wonach nur die Behörde eine Polizeioder Ordnungsbehörde ist, die aufgrund eines Gesetzes handelt, in dem jene als Polizei- oder Ordnungsbehörde bezeichnet wird; oder man wählt eine Formulierung im Haftungstatbestand wie „Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes". Rechtspolitisch wünschenswert ist dies freilich nicht. Eine Maßnahme der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde liegt allerdings nur dann vor, wenn der jeweilige Funktionsträger (Beamter, Angestellter, Arbeiter, Verwaltungshelfer oder Beliehener) in Ausübung seines öffentlichen Amtes gehandelt hat, nicht schon dann, wenn er Mittel der Verwaltung, auf die er Zugriff hat, für Handlungen ohne Zusammenhang mit der Hoheitsaufgabe mißbraucht, und erst recht nicht bloß aufgrund seiner Anstellung bei der oder Beauftragung durch die Polizei- oder Ordnungsbehörde. 127 Der innere Zusammenhang mit einer hoheitlichen Aufgabe fehlt etwa, wenn ein Polizeibeamter seine Dienstwaffe für einen persönlichen Racheakt verwen127 Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 34, Rn. 9, S. 6, 3. Abs.; Heesen! Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 34, Rn. 26.

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

det 1 2 8 oder wenn der Sohn eines Polizeibeamten gelegentlich den Diensthund seines Vaters ausführt und das Tier auf einem dieser Spaziergänge einen Passanten beißt. 129 Er ist hingegen bei dienstlich angesetzten Sportveranstaltungen von Polizeibeamten zu bejahen, 130 ebenso bei durch einen Polizisten veranlaßten Abschleppmaßnahmen privater Unternehmer. Denn im Ergebnis handelt es sich auch hier um eine hoheitliche Vollstreckung, bei der der private Unternehmer nur Erfüllungsgehilfe ist. 1 3 1

V. Rechtswidrig Das Merkmal der Rechtswidrigkeit, welches grundsätzlich auf den Zeitpunkt des behördlichen Handelns zu beziehen ist, 1 3 2 bereitet mannigfache Schwierigkeiten. 1. Gegenstand des Rechtswidrigkeitsur teils; Handlungs- und Erfolgsunrecht Das beginnt schon bei der eher harmlosen Frage nach dem Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils. Die diesbezügliche Diskussion in der Rechtswissenschaft wurde vor allem durch zwei Fallgruppen belebt, die nach der neuen, frühere Entscheidungen ζ. T. aufgebenden Rechtsprechung entweder unter die polizeiliche Unrechts- oder wie im zweiten Fall unter die Notstandshaftung subsumiert werden. Zum einen geht es um Schäden bei sogenanntem „feindlichem Grün" von Ampelanlagen. Gemeint sind also Unfälle, die dadurch hervorgerufen wurden, daß die Lichtzeichenanlage an einer Kreuzung für jede Richtung freie Fahrt signalisierte. 133 Zum anderen bedürfen die sogenannten Unbeteiligten-Fälle (Zufallschäden) einer rechtlichen Würdigung. Paradigma: Ein an sich nicht in der Gefahrenzone befindlicher Passant wird durch ein unerwartet abirrendes Projektil, das aus einer Polizeiwaffe unter Beachtung der einschlägigen Vorschriften abgefeuert wurde, verletzt oder getötet. 134 128 BGHZ 11, 181 (185 ff.). 129 OLG Bamberg, Urteil vom 11. April 1973, NPA, Leitz. 1029 zu § 839 BGB. 130 Heesen / Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 34, Rn. 26. 131 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 21; Würtenberger, in Achterberg / Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 7/1, Rn. 312 ff. 132 Boujong, Schadensersatz- und Ersatzansprüche wegen fehlerhafter Bauleitplanung und rechtswidriger Bauverwaltungsakte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, WiVerw 1991, 59 (94 f.). 133 BGHZ 54, 332; 99, 249; NJW 1971, 2220; 1972, 1268; OLG Hamm, NVwZ 1986, 509. 134 BGHZ 20, 81; VersR 1960, 248.

V. Rechtswidrig

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Der erste Fall verliert seine Brisanz, 135 wenn der Gesetzesantrag des Freistaates Bayern im Bundesrat auf Ergänzung des StVG durch einen § 20 a Erfolg haben sollte, wonach der Betreiber einer Lichtzeichenanlage (die Straßenverkehrsbehörde) für deren Versagen haftet. 136 Freilich ist damit nur ein Teil der Schäden abgedeckt, die generell durch Fehler technischer Einrichtungen entstehen können. Die zweite Fallgruppe ist dort unproblematisch, wo gesetzliche Regelungen existieren, die einer weder als Störer noch als Nichtstörer in Anspruch genommenen, nur zufällig getroffenen Person einen Ausgleichsanspruch bei Tötung, Körperverletzung oder sonstigen unzumutbaren Schäden durch eine behördliche Maßnahme zubilligen (Bund, Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein).137 135 Diese besteht vor allem in den Ländern, die keine Unrechtshaftung kennen (gedacht ist insbesondere an Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen, in dem aber das StHG DDR greift, s. unten C II 2) und bei denen allenfalls die rechtswidrige Heranziehung des Nichtstörers von der Notstandshaftung erfaßt, also trotz, nicht wegen der Rechtswidrigkeit entschädigt wird. Dazu: Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 (572, Ii. Sp., 3 a); Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 209; Bachof, in: Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl., 1978, § 130, Rn. 4 und 9; Reiff! Wöhrle / Wolf, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1984, §41, Rn. 1; Vogel, in: Drews/Wacke/ Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 666 oben; Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., 1989, Rn. 453; Riegel, Polizei- und Ordnungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Januar 1991, A II, Rn. 107; Stephan, in: Bretzinger, Staats- und Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg, 1991, VIII/Rn. 169 (S. 422); Müller, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 1992, Erl. zu §35, S. 131. Anderer Ansicht und auf den enteignungsgleichen Eingriff zurückgreifend (weil unzutreffend von einem Analogieproblem ausgehend): Schenke, Der „verseuchte" Spargel, JuS 1989, 557 (563, Ii. Sp., 3). 136 Bundesrat, Drs. 644 / 89, S. 4. Dieser Vorschlag enthält eine abschließend gemeinte Regelung (s. unten C II 2), ist aber kompetenzrechtlich unhaltbar (s. oben A V a. E.). 137 Wobei die Unzumutbarkeit durch die materielle Rechtswidrigkeit der Maßnahme indiziert wird. Landwehrmann, Anmerkung zu BGHZ 54, 332, NJW 1971, 840, re. Sp., letzter Abs. f.; König, Bayerisches Polizeirecht, 2. Aufl., 1985, S. 189; Scholz, Bayerisches Sicherheits- und Polizeirecht, 5. Aufl., 1987, S. 155; Berner / Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 12. Aufl., 1991, Art. 70, Rn. 6. S. allgemein: LG Würzburg, BayVBl. 1985,570 (mit ablehnender Anmerkung Köhler)\ 1991, 187; Mayer, Die Eigenständigkeit des bayerischen Verwaltungsrechts, dargestellt an Bayerns Polizeirecht, 1958, S. 254 f.; Schiedermair, Einführung in das bayerische Polizeirecht, 1961, S. 253 (2); v. d. Groeben / Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, 1968, § 189, Rn. 1; Berg / Hein, Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht für Berlin, 3. Aufl., 1984, Erl. 3 zu § 37, S. 205; Kellner, Schadensersatzansprüche polizeigeschädigter Demonstranten gegen den Staat, MDR 1987, 617 (621, re. Sp., VI 1); Fischer, in: Fischer / Hitz / Walter, BGSG, 1987, § 34, Rn. 10 f.; Samper / Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, Art. 70, Erl. 7 ff.; Knemeyer, in: Maunz u. a., Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 5. Aufl., 1988, S. 365 (§ 8, A); Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 34, Rn 10.; Heesen / Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 34, Rn. 33; Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 4 ff. Diese Unbeteiligten-Entschädigung wurde zuerst in § 13 Abs. 1 UZwG Hessen vom 11. November 1950 (GVB1. 247) festgeschrieben. Dazu: Jaenicke, Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht?, VVDStRL 20 (1963), 135 (165, Fn. 22); Littmann, Hessisches

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

In den übrigen Ländern bestünden ebenfalls keine Schwierigkeiten, wenn man die Haftung erfolgsorientiert begriffe. Nach der zivilistischen Lehre vom Erfolgsunrecht wird nämlich die Rechtswidrigkeit durch die bloße Tatsache der Rechtsbeeinträchtigung indiziert. Begründet wird diese Auffassung damit, daß man die entschädigungspflichtige Opferlage allein vom Standpunkt des Betroffenen, nicht aber am Maßstab des behördlichen Handelns beurteilen könne. 138 Schon Wagner hat dem entgegengehalten, daß eine rechtmäßig abgefeuerte Polizeikugel schlechterdings nicht rechtswidrig ankommen könne. 139 Hintergrund seines Plädoyers zugunsten des Handlungsunrechts ist die Überlegung, daß sich das Rechtswidrigkeitsurteil nur auf menschliches Verhalten beziehen kann, nicht aber auf Naturereignisse, Zustände oder technische Defekte. 140 Angesichts dessen hat der BGH im ersten Ampelurteil noch auf die Ausstattung der Kreuzung mit einer Lichtzeichenanlage, nicht die Ausstrahlung der Signale selbst abgestellt141 mit der Konsequenz, daß er Anspruchsgrundlage und Passivlegitimation von der Fehlerursache abhängig machen mußte (Programmierfehler: öffentlich-rechtliche Haftung der Straßenverkehrsbehörde; technischer Defekt: in der Regel zivilrechtliche Haftung des Straßenbaulastträgers), und dem Ergebnis, daß die Betroffenen — für sie zweifellos unverständlich — mal entschädigt wurden und mal leer ausgingen.142 Diese Entscheidung verkennt, daß der MaßnahPolizeigesetz, 2. Aufl., 1963, S. 70 (1,2); Krollmann, Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl., 1970, S. 32 (3. Abs.); Denninger, in: Meyer / Stolleis, Hessisches Staats- und Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, S. 263; Rumpf, Neuauflage einer generellen Staatshaftung in Hessen durch das novellierte Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung?, NVwZ 1992, 250, Fn. 6. 138 OLG Hamm, NVwZ 1986, 509 (510, Ii. Sp.); W. Weimar, Gibt es eine öffentlichrechtliche Gefährdungshaftung?, JR 1958, 96, re. Sp., 1. Abs.; Rietdorf Die Grundsätze des neuen Nordrhein-Westfälischen Ordnungsbehördengesetzes, DÖV 1957, 7 (11, re. Sp.); ders., in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 16; Schütz, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 3. Aufl., 1982, Erl. 1.2 zu § 68; Hillmann / Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 174 (Rn. 278); Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (453, Ii. Sp., V); Sauer, in: Mandelartz / Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, § 68, Erl. 7; Meixner, Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 3. Aufl., 1991, § 64, Rn. 5. 139 Wagner, Die Abgrenzung von Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, NJW 1967,2333 (2336, re. Sp., IV). Ferner: Kay, Zur Frage der Staatshaftung wegen rechtswidrig / schuldloser oder rechtmäßiger Verletzung der Rechte Dritter infolge hoheitlicher Handlungen (Teil II), Die Polizei 1984,101 (102, Ii. Sp., 2.1); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 308. 140 Wagner, Die Abgrenzung von Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, NJW 1967, 2333 (2334, re. Sp., letzter Abs. f., 2335, re. Sp., 4); Ossenbühl, Enteignungsgleicher Eingriff und Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht — BGHZ 54, 332, JuS 1971, 575 (579, Ii. Sp., letzter Abs.). 141 BGHZ 54, 332 (338). 142 Ossenbühl, Probleme der Amtshaftung bei Versagen von Ampelanlagen — BGH, NJW 1971, 2220 und 1972, 1268, JuS 1973, 421 (425, re. Sp.).

V. Rechtswidrig

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mebegriff zwar handlungsbezogen ausgelegt werden muß, daß letztlich ausschlaggebend jedoch die Rechtmäßigkeit der jeweils getroffenen Regelung ist. Wo menschliches Handeln durch technische Einrichtungen ersetzt wird, kann das maschinell erzeugte Ergebnis ohne weiteres dem Verantwortungsbereich eines Pflichtsubjektes als Veranlasser zugerechnet werden. 143 Zu Recht rückte deshalb in den folgenden Ampelentscheidungen nicht mehr die Aufstellung der Anlage in den Mittelpunkt, sondern das einzelne Lichtzeichen als Allgemeinverfügung. 144 Angesichts einer solchen normativen Zurechnung braucht man dem Betroffenen also nicht mehr den Rat zu geben, vor einer Ampelkreuzung Halt zu machen, zurückzusetzen und sich eine Kreuzung mit einem Verkehrspolizisten zu suchen, 1 4 5 die er heute kaum noch finden dürfte. Den spitzfindigen Einwand der Revision, es sei doch nur ein „Grün" als rechtswidrig zu bewerten — selbstverständlich nicht das dem Kläger gegenüber ausgestrahlte —, hat der BGH verworfen. Denn die Ampelanlage und ihre Lichtzeichen müssen jeweils im Zusammenhang gesehen werden. Bei Widersprüchen sind alle Signale falsch, und selbst bei unterstelltem richtigem „Grün" für den Kläger war jedenfalls die Fahrtfreigabe für die andere Richtung rechtswidrig. 146 Diese Aufweichung des streng verhaltensbezogenen Rechtswidrigkeitsurteils zugunsten einer wertenden, risikoorientierten Betrachtungsweise hat die Anhänger der Lehre vom Handlungsunrecht veranlaßt, die sogenannten UnbeteiligtenFälle ebenfalls der Unrechtshaftung 147 oder doch jedenfalls der Nichtstörer-Entschädigung zuzuordnen. 148 ι « Landwehrmann, Anmerkung zu BGHZ 54, 332, NJW 1971, 840, Ii. Sp., 1. Abs., und re. Sp., 3. Abs.; Umbach, Anmerkung zu BGHZ 54, 332, DVB1. 1971, 177, re. Sp., 1. Abs.; Ossenbühl, Enteignungsgleicher Eingriff und Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht—BGHZ 54,332, JuS 1971,575 (579, Ii. Sp., letzter Abs.); Peine, Anmerkung zu BGHZ 99, 249, JZ 1987, 824, Ii. Sp., letzter Abs., und 825, Ii. Sp., 2. Abs. (3); Jox, Zur Haftung bei fehlerhafter Ampelschaltung (sog. „feindlichem Grün"), NZV 1989, 133 (135, Ii. Sp., 4. Abs.). 144 BGHZ 99, 249 (253 f.); OLG Hamm, NVwZ 1986, 509 (510, Ii. Sp. und re. Sp., 3. Abs.). 145 Umbach, Anmerkung zu BGHZ 54, 332, DVB1. 1971, 177 (180, re. Sp., 3. Abs.). 146 BGHZ 99, 249 (253); Landwehrmann, Anmerkung zu BGHZ 54, 332, NJW 1971, 840, re. Sp., 2. Abs.; Umbach, Anmerkung zu BGHZ 54, 332, DVB1. 1971, 177, re. Sp., 1. Abs.; Ossenbühl, Enteignungsgleicher Eingriff und Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht — BGHZ 54, 332, JuS 1971, 575 (579, Ii. Sp., d); Jox, Zur Haftung bei fehlerhafter Ampelschaltung (sog. „feindlichem Grün"), NZV 1989, 133 (135, Ii. Sp., letzter Abs.). 147 Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 (572, re. Sp., 3. Abs.); Schütz, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 3. Aufl., 1982, Erl. 1.2 zu § 68; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (39 nw OBG), Rn. 21 und 23; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 290, S. 148. 148 Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 210; Schieberger, Das Ordnungs- und Polizeirecht des Landes NordrheinWestfalen, 5. Aufl., 1981, S. 178 f.; Lange / Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982,

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

Andere Autoren bleiben insofern „standhaft", als sie diese Fälle aus dem Polizei- und Ordnungsrecht ausklammern wollen, soweit sie dort nicht explizit geregelt sind, und die allgemeinen Grundsätze der Aufopferungsentschädigung heranziehen. 149 Die bestechendste Rechtfertigung für die Einbeziehung der Unbeteiligten-Fälle in die Unrechtshaftung liefert Luhmann. Die behördliche Maßnahme sei nur deswegen rechtmäßig, weil und soweit der Schadenseintritt unwahrscheinlich oder schwer vorhersehbar sei. Wäre er im Einzelfall berechenbar, wäre auch das hoheitliche Handeln nicht rechtmäßig. Die hier interessierenden Fälle des Erfolgsunrechts zeichneten sich dadurch aus, daß dem Betroffenen kein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen die jeweilige Maßnahme zur Verfügung stehe, obwohl er doch von ihr nicht getroffen werden solle. Es gelte also, den bei Typisierbarkeit des Schadens bestehenden Rechtsschutz bei mangelnder Vorhersehbarkeit durch Gewährung eines Ausgleichsanspruches wiederherzustellen, der in der Unrechtshaftung gefunden werden könne. Auf das Unterlassen will Luhmann seine Überlegungen jedoch nicht ausgedehnt wissen, weil es nicht wirke und Schäden einem Subjekt nur bei Enttäuschung normativer Erwartungen zugerechnet werden könnten. 150 Die Fälle rechtswidriger Folgen rechtmäßigen Tuns seien hingegen mit denjenigen rechtswidriger Sofortschäden (bei denen S. 134; Reiff / Wöhrle / Wolf Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1984, § 41, Rn. 10; Oldiges, in: Grimm / Papier, Nordrhein-Westfälisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1986, S. 297; Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., 1989, Rn. 454; Heise I Tegtmeyer / Braun, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, 7. Aufl., 1990, § 67 (39 OBG), Rn. 5; Stephan, in: Bretzinger, Staats- und Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg, 1991, VIII/Rn. 169 (S. 422); Friauf in: v. Münch/SchmidtAßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, S. 175 (Rn. 198). Die Analogiegrundlage offenlassend: R. Weimar, Zur Problematik der Entschädigungstatbestände im nordrhein-westfälischen Ordnungsbehördengesetz (OBG), DÖV 1961, 379 (380, re. Sp., 2. Abs., und 381, Ii. Sp.); ders., Die Haftung des Staates für schuldlos / rechtswidrige Schädigungen, insbesondere sog. Zufallschäden, SKV 1964, 8 (11, re. Sp., letzter Abs.); Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., 1982, § 45, Rn. 2; Riegel, Polizei- und Ordnungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Januar 1991, A II, Rn. 109; Würtenberger, in: Achterberg / Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7 / 1 , Rn. 300; Rüfner, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, § 53, Rn. 2. 149 Jaenicke, Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht?, VVDStRL 20 (1963), 135 (166); Bachof, in: Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl., 1978, § 130, Rn. 4; Scholler l Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 1982, S. 258 f.; Kay, Zur Frage der Staatshaftung wegen rechtswidrig / schuldloser oder rechtmäßiger Verletzung der Rechte Dritte infolge hoheitlicher Handlungen (Teil II), Die Polizei 1984, 101 (102, Ii. Sp., 2.1, 106, re. Sp., Mitte, 107, mittlere Sp., 2. Abs.); Wöhrle ! Beiz ! Lang, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1985, § 41, Rn. 2; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1992, II/Rn. 231; Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 6. 150 Das übersehen Eberle / Gersdorf, Die „Barrikaden-Nacht" in der Hamburger Hafenstraße, Jura 1990, 317 (323, re. Sp., 2 a. E.).

V. Rechtswidrig

63

Rechtsmittel also nicht effektiv sind) und atypischer Folgen rechtswidrigen Handelns vergleichbar. Die bei Vorhersehbarkeit haftende Behörde wird also in ihrer Haftung belassen, obwohl man ihr das Handeln im konkreten Fall erlaubt. 151 Luhmanns Argumentation entpuppt sich als die typische Begründung für eine allgemeine öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung (d. h. Haftung für die Folgen erlaubten Risikos). 152 Sie in die Systematik des polizeilichen Entschädigungsrechts einzubeziehen, erscheint mit Rücksicht darauf, die Lasten der Gefahrenabwehr gerecht verteilen zu wollen, und im Hinblick darauf, daß ohnehin verschuldensunabhängig gehaftet wird, nur konsequent. Zwar darf nicht übersehen werden, daß man damit das Handeln der Polizei- und Ordnungsbehörden pauschal für gefährlich erklärt. Aber diese Gefahrenlage läßt sich in der Berechtigung zu hoheitlichem Handeln vor allem mittels Ge- und Verboten sowie der Anwendung von Zwang, die typisch für das Polizei- und Ordnungsrecht sind, ausmachen. Freilich bleibt das Problem, daß man ein und dieselbe Maßnahme unter Eingriffsgesichtspunkten nicht für rechtmäßig halten kann, um sie dann unter Haftungsgesichtspunkten als rechtswidrig zu qualifizieren. Will man solche Absurditäten vermeiden, bleibt nur die Analogie zur Nichtstörer-Entschädigung, wobei man dann auf die Voraussetzung des (finalen) Inanspruchnehmens verzichten müßte. Entschädigungsberechtigt ist also jeder, der nicht als Störer hätte herangezogen werden dürfen, weil er für die Gefahrenlage nicht verantwortlich war. Die entscheidende Weichenstellung für eine Haftungsbegrenzung wird somit bei der Zuordnung der Risikobereiche vorgenommen werden müssen.153 Dieses Ergebnis entspricht dem Willen auch der Gesetzgeber, die die Unbeteiligten-Fälle nicht ausdrücklich geregelt haben. 154 Mögen sie zum Teil noch von der Erfolgsunrechtslehre ausgegangen sein, 155 so sind doch die UnbeteiligtenFälle bei der Notstandshaftung besser aufgehoben, weil es sich hier um Sonderopfer-Fälle handelt. Die Analogie zur Entschädigung des Nichtstörers ist jedenfalls in den Ländern, die umfassende Rechtsfolgeregelungen kennen, sachnäher als der Rückgriff auf die allgemeinen Ausgleichsinstitute. Das Verbot einer Analogie mangels planwidriger Regelungslücke besteht nicht im Verhältnis zum ungeschriebenen Recht, weil der Wille des parlamentarischen Gesetzgebers nicht 151 Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 140-142. 152 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 310 ff. 153 S. u Β VI 3. 154 Ζ. B. Landtag Nordrhein-Westfalen, Drs. III/6, S. 45 (Begründung des Regierungsentwurfes OBG Nordrhein-Westfalen 1956); Innenminister Nordrhein-Westfalen Dr. Meyers, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stenographische Berichte III / 837 (B, C); Heise / Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., 1978, S. 23 f. (3.52 und 3.53). Vgl. a. § 35 Abs. 1 Satz 1 PolG Sachsen. 155 Rietdorf, Die Grundsätze des neuen Nordrhein-Westfälischen Ordnungsbehördengesetzes, DÖV 1957, 7 (11, re. Sp.); Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 (573,Ii. Sp., 2. Abs.).

64

Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

mißachtet zu werden droht, sondern im Kontext des Polizeirechts — auch im Hinblick auf die Verjährung (ein bzw. drei statt 30 Jahre) — 1 5 6 nur konsequent zu Ende gedacht wird. 1 5 7

2. Materiell rechtswidrige Maßnahmen gegen einen Störer Die zuletzt vorgenommene personenorientierte Betrachtungsweise des Rechtswidrigkeitsmerkmals wird durch die weitere Variante bereichert, in der sich die Maßnahme zwar gegen einen an sich Verantwortlichen richtet, diese aber etwa wegen einer Ermessensüberschreitung infolge der Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes materiell rechtswidrig ist. Fast alle Autoren halten die Unrechtshaftung 1 5 8 hier ohne weiteres für einschlägig. 159 156 s. unten D I 4. 157 Schenke, Staatshaftung und Aufopferung — der Anwendungsbereich des Aufopferungsanspruchs, NJW 1991, 1777 (1783, Ii. Sp., 2. Abs.). Anderer Ansicht: Eberle I Gersdorf\ Die „Barrikaden-Nacht" in der Hamburger Hafenstraße, Jura 1990, 317 (323, re. Sp., 2 mit Fn. 81). 158 In den Ländern, die selbige nicht kennen, wollen einige Autoren diesen Fall der Nichtstörer-Entschädigung zuordnen, weil die Rechtswidrigkeit der Maßnahme das Sonderopfer indiziere. Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 222; Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 666 oben; Schenke, Staatshaftung und Aufopferung -Der Anwendungsbereich des Aufopferungsanspruchs, NJW 1991, 1777 (1789, Ii. Sp., 2. Abs.); Stephan, in: Bretzinger, Staats- und Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg, 1991, VIII / Rn. 169 (S. 422). Das ist jedoch kaum vertretbar, denn auch der rechtswidrig getroffene Verantwortliche bleibt Störer, während der Nichtstörer weder einen Bezug zur Gefahrenquelle aufweist noch die behördliche Maßnahme ausgelöst hat. Es fehlt hier an einer vergleichbaren Interessenlage, denn nicht jede rechtswidrige Maßnahme begründet ein Sonderopfer, sondern nur solche, die auch im Falle ihrer Rechtmäßigkeit zu einer Aufopferung des Betroffenen führen. OLG Celle, DVB1. 1958, 549 (550, Ii. Sp., 4) mit insofern zustimmender Anmerkung Schrödter (S. 551, Ii. Sp., 2). S. auch oben Β II, III 4 und unten C I. 159 Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 175, Fn. 28; Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 13; Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 (572, Ii. Sp., 3 b); Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 221 f.; Scholler I Broß, Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 1982, S. 260; Kay, Zur Frage der Staatshaftung wegen rechtswidrig / schuldloser oder rechtmäßiger Verletzung der Rechte Dritter infolge hoheitlicher Handlungen (Teil II), Die Polizei 1984, 101 (102, Ii. Sp., 2.1); Hillmann I Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 175 (Rn. 281); Berg / Hein, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin, 3. Aufl., 1984, Erl. 4 zu § 37, S. 207 (b); Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (39 nw OBG), Rn. 9; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1992, II/Rn. 228; Weyreuther, Grundlagen für Entschädigungsansprüche bei hoheitlichen Maßnahmen gegenüber dem Nichtverursacher, ZLR 1989, 577 (580); Heesen / Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, §34, Rn. 32;

V. Rechtswidrig

65

Unklar sind nur die Standpunkte von Schütz 160 und Saipa, 161 die davon auszugehen scheinen, daß die Unrechtshaftung diesen Fall überhaupt nicht erfaßt. Ein solches Ergebnis läßt sich nicht halten, denn die Rechtswidrigkeit der Maßnahme hat der Störer regelmäßig nicht mitverursacht. Er wird vielmehr durch den rechtswidrigen Eingriff in einer anderen Rechtsstellung getroffen als derjenigen, die er (mißbräuchlich) ausgeübt hat. 162 Wenig hilfreich ist es jedoch, den Umfang des ersatzfähigen Schadens derart berechnen zu wollen, daß dem Betroffenen dasjenige abzuziehen sei, was er durch einen maßvollen Einsatz ohnehin hätte hinnehmen müssen.163 Es ist gar nicht bestimmbar, welcher Teil des Schadens gerade auf der Rechtswidrigkeit basiert. Hypothetische Rechtmäßigkeitserwägungen lassen die Artt. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG auch nicht zu. Die Tatsache, daß der Störer den Einsatz ausgelöst hat, läßt sich allenfalls beim „Mitverschulden" berücksichtigen, das eine nach Verursachungsbeiträgen gestaffelte, wenn auch letztlich dezisionistische Schadensteilung ermöglicht. 164 3. Formelle Fehler In diesem Zusammenhang stellt sich das gleiche Wertungsproblem wie bei der Frage, ob die Unrechtshaftung auch die formelle Rechtswidrigkeit einer Maßnahme erfaßt, d. h. Form- und Verfahrensfehler. Das wird ζ. T. unreflektiert bejaht. 165 Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl., 1991, Rn. 298; Riegel, Bundespolizeirecht, 1985, § 9 BKAG, Erl. IV 2; ders., Polizei- und Ordnungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Januar 1991, A II, Rn. 106; Meixner, Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 3. Aufl., 1991, §64, Rn. 5; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 291; Würtenberger, in: Achterberg/ Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7/1, Rn. 295. 160 Schütz, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 3. Aufl., 1982, Erl. 1.2 zu

§68.

161

Saipa, in: Faber / Schneider, Niedersächsisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1985, S. 389. 162 Jaenicke, Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht?, VVDStRL 20 (1963), 135 (161); Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 175, Fn. 28; Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 221 f. 163 Jaenicke, Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht?, VVDStRL 20 (1963), 135 (161); Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 175, Fn. 28; Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 222. 164 Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 13; Rachor, in: Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L / Rn. 34. 165 Jaenicke, Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht?, VVDStRL 20 (1963), 135 (161); Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 13; Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 219; Kay, Zur Frage der 5 Treffer

66

Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

Dabei wird jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, daß eine Entscheidung in der Sache — womöglich sogar inhaltsgleich — wiederholbar ist. Als Beispiele lassen sich Fälle nennen, in denen eine zuständige Behörde die gleiche Maßnahme ergreift, die zuvor eine unzuständige Behörde getroffen hat, in denen eine Maßnahme gegen den zuvor nicht gehörten Betroffenen nach dessen Anhörung bestätigt oder in der zuvor nicht gewahrten Form erneut eingeleitet wird. Der Inhalt der Neuentscheidung bleibt zwar zunächst hypothetisch. Er ist nur bei gebundenen Verwaltungsentscheidungen klar. Nicht zuletzt deswegen verwehrt § 46 VwVfG dem Betroffenen den Anspruch auf Aufhebung eines an den dort genannten Fehlern leidenden, formell rechtswidrigen Verwaltungsaktes, wenn keine andere Regelung des Sachverhaltes möglich war. Ist die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme kraft einer solchen Bestimmung oder etwa aufgrund sogenannter Heilungstatbestände unbeachtlich (ζ. B. § 45 VwVfG), kann auch kein Ausgleichsanspruch bestehen. In diesen und den verbleibenden Ermessensfällen kann der Entschädigungsprozeß aber nicht etwa bis zu einer Heilung oder Neubescheidung der Behörde ausgesetzt werden, denn hierfür fehlt es an einer prozessualen Befugnisnorm. Entscheidend für die Frage der Rechtmäßigkeit ist deshalb die letzte mündliche Gerichtsverhandlung. Später eintretende Umstände sind gemäß § 767 ZPO im Wege der Vollstreckungsgegenklage vom ersatzpflichtigen Hoheitsträger geltend zu machen oder, wenn eine hinreichend gesicherte Erwartung besteht, die Behörde werde ihr rechtswidriges Handeln alsbald legalisieren, als Einwand unzulässiger Rechtsausübung.166 Dem Betroffenen in den übrigen Fällen allerdings den Ersatz des ganzen Schadens zu gewähren, wäre zu viel, denn an sich bleibt ihm nur die Hoffnung auf eine andere Maßnahme der Behörde, die erst den durch die zuvor getroffene Maßnahme entstandenen Schaden zutage treten ließe und bei der die Behörde deshalb haftungsrechtlich befangen wäre; ihm überhaupt keinen Ausgleich zuzusprechen, wäre zu wenig, weil die Maßnahme nun einmal rechtswidrig war. 167 Die zum enteignungsgleichen Eingriff vertretene Auffassung, daß formelle Fehler unberücksichtigt bleiben, wenn sich die Maßnahme nur inhaltlich als zulässige Eigentumsbindung darstellt, 168 läßt sich auf die polizeiliche Unrechtshaftung nicht ohne weiteres übertragen, weil diese nicht unter dem Interpretations-

Staatshaftung wegen rechtswidrig / schuldloser oder rechtmäßiger Verletzung der Rechte Dritter infolge hoheitlicher Handlungen (Teil II), Die Polizei 1984, 101 (102, Ii. Sp., 2.1); Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986,450 (453, Ii. Sp., V); Rumpf, Neuauflage einer generellen Staatshaftung in Hessen durch das novellierte Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung?, NVwZ 1992, 250 (251, Fn. 20). 166 Vgl. BVerwGE 80, 178 (180 f.); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 263. 167 Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 119 f. 168 BGHZ 58, 124 (127); Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl., 1974, Fn. 145; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 215.

V. Rechtswidrig

67

horizont des Art. 14 Abs. 1 GG steht und keine sonderopferbegründende Eigentumsbeeinträchtigung voraussetzt. Bei der lediglich formell rechtswidrigen Inanspruchnahme des Störers wird dieser zwar durch die Maßnahme nur in die Schranken gewiesen, die ihm die Rechtsordnung ohnehin setzt 169 , zumal materiell rechtmäßig dann ja auch bedeutet, daß kein weniger schadensintensives Mittel zur Verfügung stand. Formelle Rechtsverstöße gehen nicht über die Pflichtensphäre einer nur materiell bestimmbaren Verantwortlichkeit hinaus. Es wäre aber ein Widerspruch zum Primärrechtsschutz und dem an ihn gekoppelten Folgenbeseitigungsanspruch, dem Betroffenen keinen Ausgleich zu gewähren. Dies gilt insbesondere dann, wenn die verfahrensrechtliche Norm mit einer derartigen Schutzfunktion ausgestattet ist, daß die Aufhebung einer Entscheidung unabhängig vom Inhalt oder ihrer Wiederholung beansprucht werden kann. Dies betrifft v. a. Beteiligungsrechte oder die sachliche Zuständigkeit. 170 Allerdings wird dann auch in solchen Fällen in erster Linie der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen sein, weil ein diesbezügliches Unterlassen des Geschädigten ihm als „Mitverschulden" zur Last gelegt werden könnte. 171 Überhaupt wird man in dem Spektrum zwischen dem Alles-oder-Nichts flexible Maßstäbe nur im Rahmen einer Abwägung der Verantwortungsbeiträge — Verursachung der Rechtswidrigkeit durch die Behörde einerseits, Auslösung des Eingriffs durch den Störer andererseits — gewinnen können, wobei der formellen Rechtswidrigkeit durchaus geringeres Gewicht zukommen kann als der materiellen. 172 Insofern orientiert sich die Lösung an derjenigen, die auch im vorhergehenden Kapitel gefunden wurde. Die formell rechtswidrige, aber materiell rechtmäßige Inanspruchnahme eines Nichtverantwortlichen wiederum wäre als insgesamt rechtmäßige Maßnahme ohnehin entschädigungspflichtig. Sie kann sowohl der Notstands- als auch der Unrechtshaftung zugeordnet werden, wenn jene nicht ausdrücklich eine rechtmäßige Maßnahme voraussetzt (so in Berlin, Brandenburg — PAG —, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen). Letzteres bedarf jedoch dann einer teleologischen Korrektur, wenn es dem Betroffenen etwa aufgrund von Unbeachtlichkeits- oder Heilungstatbeständen verwehrt ist, die Beseitigung der Rechtswidrigkeit zu beanspruchen, weil die Unrechtshaftung in diesem Fall versagt. Am Sonderopfer der Notstands-Inanspruchnahme ändert sich im Ergebnis nämlich nichts. 173 Entsprechend sind die Unbeteiligten-Fälle zu lösen. 169 BGHZ 40, 355 (361); 45, 23 (25); Vogel, in Drews/ Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 688; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 279. no BVerwG, NJW 1981, 239 (240); BGH, DVB1. 1992, 1089 (1090). 171 Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 120. S. auch unten D II 5. 172 Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 13. 5*

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

4. Beruhensfälle Bei der Unrechtshaftung spielen praktisch nur materielle Rechtsverstöße eine ausschlaggebende Rolle. Von besonderem Interesse sind hierbei die Fälle, in denen die Quelle staatlichen Unrechts in einer fehlerhaften Rechtsnorm liegt. Führt bereits der Erlaß der rechtswidrigen Norm den Schaden herbei — sog. Unmittelbarkeitsfall — , so kommt die Unrechtshaftung nur dann zum Zuge, wenn es sich bei der Norm um eine Polizeiverordnung handelt. 174 Manifestiert sich hingegen die Schädigung erst in dem durch einen behördlichen Rechtsakt vorgenommenen Vollzug einer rechtswidrigen Norm — sog. Beruhensfall — , 1 7 5 so hält die herrschende Meinung die Unrechtshaftung unabhängig von der Art der vollzogenen Rechtsnorm für einschlägig, wenn nur eine auf ihr beruhende polizeiliche Einzelfallmaßnahme vorliegt. Mit anderen Worten: Es ist nicht erforderlich, daß sich die polizeiliche Unrechtshaftung in diesen Beruhensfällen auch auf die vollzogene Norm selbst erstreckt. 176 Das wurde auch in § 5 Abs. 2 Satz 2 Staatshaftungsgesetz 1981 klargestellt, wird aber im Anwendungsbereich des enteignungsgleichen Eingriffs (nur) für den Vollzug verfassungswidriger Parlamentsgesetze nicht praktiziert, weil Schäden aufgrund legislativen Unrechts nach der Rechtsprechung nicht mittels richterrechtlichen Instituts liquidiert werden können. Insofern werden Erlaß und Vollzug des Gesetzes haftungsrechtlich als Einheit angesehen.177 Die Rechtsprechung will auf diese Weise die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Schaffung von Ausgleichstatbeständen und die Haushaltsprärogative des Parlaments wahren. Für die Beruhensfälle überzeugt dieser Gedanke jedoch nicht, weil auch die verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittel ohne weiteres greifen. Der Anspruch auf Aufhebung eines Verwaltungsakts etwa besteht unabhängig davon, ob seine Rechtswidrigkeit auf dem Vollzug eines rechtswidrigen Gesetzes beruht. Da aber die Unrechtshaftung letztlich nur die sekundärrechtliche Kehrseite des Primärrechtsschutzes darstellt, darf auch hier nur auf die Außenhaftungslage abgestellt werden, wenn es dem Betroffenen schuldlos nicht möglich war, das Unrecht durch Rechtsmittel abzuwehren. Daß es sich bei den Beruhensfällen nämlich durchaus auch um Verwaltungsunrecht handelt, läßt sich damit begründen, daß die Polizei- oder Ordnungsbehörde grundsätzlich die Möglichkeit zu einer verfassungskonformen Auslegung oder beamtenrechtlichen Remonstration mit dem Endziel eines abstrakten Normenkontrollantrages der Regierung beim Verfassungsgericht hat. 178 Jedenfalls darf der Streit darüber, wer intern im Organisations173 S. unten Β V 5 a. E. und C I a. E. 174 S. oben Β III 4. 175 Zur Terminologie s. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 196. 176 BGHZ 82, 361 (365); OLG Köln, ZMR 1984, 369, re. Sp. (Nichtigkeit eines Bebauungsplanes); Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungsund Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 13. 177 BGHZ 100, 136 (145); 102, 350 (359).

V. Rechtswidrig

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gefüge des Staatsapparates für einen Fehler verantwortlich ist, nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden. 179 Diese Frage muß von den jeweiligen Hoheitsträgem behandelt werden, also im Innenverhältnis bei der Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen der passivlegitimierten Behörde. 180 Als Ergebnis bleibt somit über die hier behandelte Konstellation hinaus festzuhalten, daß der Grund der Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Maßnahme für die Unrechtshaftung der Polizei oder Ordnungsbehörde ohne Belang ist, mag diese auch nicht unmittelbar für den Fehler verantwortlich sein, wie dies beim an sich korrekten Vollzug eines rechtswidrigen Gesetzes der Fall ist.

5. Rechtsverletzung Der Klärung bedarf allerdings die Frage, inwieweit eine objektive Rechtswidrigkeit der Maßnahme ausreicht. Ausgelöst wurde die Diskussion durch BGHEntscheidungen, die dem Betroffenen unter Hinweis auf die Zivilrechtsprechung zu § 823 BGB und den quasinegatorischen Ansprüchen einen Ausgleichsanspruch verwehrt haben, wenn der Rechtsverstoß auf einer Norm beruhte, der ein individuell begünstigender Schutzzweck fehlte. Könne etwa der Nachbar mangels Verletzung einer drittschützenden Baurechtsvorschrift die Aufhebung einer ihn belastenden Baugenehmigung im Verwaltungsprozeß nicht beanspruchen, könne er mangels Beeinträchtigung einer Rechtsposition — deren Relevanz der BGH an anderer Stelle leugnete - 1 8 1 auch keinen Schadensersatz geltend machen. 182 Auch der Entschädigungsanspruch wegen Vorenthaltung einer Baugenehmigung setze einen Genehmigungsanspruch voraus. 183 Die Literatur hat sich mit diesen Entscheidungen, die im Ergebnis das dem § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB bekannte Merkmal der Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht auch für die polizeiliche Unrechtshaftung fruchtbar machen wollen, kaum auseinandergesetzt. Zustimmenden Äußerungen 184 stehen nur zwei dezi178 Schenke, Entschädigungsansprüche bei legislativem Unrecht unter dem Aspekt des enteignungsgleichen Eingriffs, NJW 1988, 857 (863, Ii. Sp., 1. und 3. Abs., sowie re. Sp., letzter Abs. f.). 179 Schäfer, in: Schäfer / Bonk, Staatshaftungsgesetz, 1982, § 5, Rn. 57. 180 S. unten E II 2. 181 BGHZ 72, 273 (276). 182 BGHZ 86, 356 (361 f.); 92, 302 (304, 307); 109, 380 (393, 395); NJW 1992, 1230 (1231, re. Sp., 4. Abs.); NJW 1993, 384 (385, re. Sp., 2. Abs.); OLG Köln, NVwZ 1989, 288, re. Sp., 4. 183 BGH, BauR 1983, 451 (453, Ii. Sp., 3. Abs.). 184 Boujong, Anmerkung zu BGHZ 86,356, LM Nr. 8 zu NRW OBG; ders., Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche wegen fehlerhafter Bauleitplanung und rechtswidriger Β au Verwaltungsakte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, WiVerw 1991, 59 (99); Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (453, Ii. Sp., VI); Prior, Ersatzansprüche im Zusammenhang mit der Erteilung, Versagung und Verzö-

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

dierte Ablehnungen gegenüber, die damit begründet werden, daß es bei den Ausgleichstatbeständen nicht um die Aufhebung oder Herbeiführung behördlichen Handelns und deswegen auch nicht um die Verletzung von Schutzgesetzen gehe. Allein der Umstand, daß jemand durch eine rechtswidrige Maßnahme etwas „abbekommen" habe, sei von Bedeutung.185 Insgesamt ist die Auffassung des BGH vor allem deswegen reizvoll, weil sie für einen Teil der schädigenden Maßnahmen, vor allem Verwaltungsakte, zu einer Abstimmung zwischen dem durch Art. 19 Abs. 4 GG, § 113 VwGO garantierten Primär- und dem durch die Unrechtshaftung verbürgten Sekundärrechtsschutz führt, die als zwei Seiten derselben Medaille zu begreifen sind. Des argumentativen Umweges über die Nachbarklage hätte es allerdings nicht bedurft. Der BGH stellt hier ganz „normale" Schutzbereichsüberlegungen an, geboren aus der Erkenntnis, daß es kein Erfolgsunrecht gibt. 1 8 6 Sie haben zur Konsequenz, daß von vornherein keine Liquidierung solcher Schäden aufgrund von Maßnahmen beansprucht werden kann, die abzuwehren oder zu beanspruchen dem Betroffenen von Rechts wegen versagt sein soll, es sei denn, es liegt — etwa aufgrund einer Inanspruchnahme als Nichtstörer sowie in den Unbeteiligten-Fällen — ein Sonderopfer vor. 1 8 7 Den Betroffenen geht die rein objektive Rechtswidrigkeit der Maßnahme nichts an. Ohne ihn innerhalb des subjektiven Rechtsschutzsystems schlechter zu stellen, werden durch das Erfordernis einer Rechtsverletzung die öffentlichen Haushalte entlastet.

VI. Zurechnungskriterien 1. Unmittelbarkeit und Rechtswidrigkeitszusammenhang Die zuvor dargestellte Ansicht des BGH erweist sich systematisch als Unterfall des die Kausalität zwischen Schaden und Maßnahme voraussetzenden Zurechgerung von Baugenehmigungen, BauR 1987, 157 (159, Ii. Sp., b); Krohn, Zum Stand des Rechts der staatlichen Ersatzleistungen nach dem Scheitern des Staatshaftungsgesetzes, VersR 1991, 1085 (1087, Ii. Sp., 1. Abs.); Steinberg I Lubber ger, Aufopferung — Enteignung und Staatshaftung, 1991, S. 367 ff; Ossenbühl, Staatshaftung für Altlasten, DÖV 1992, 761 (763, Ii. Sp., a. E.); Wurm, Schadensersatzfragen bei der Beplanung sog. „Altlasten", UPR 1990, 201 (204); ders., Drittgerichtetheit und Schutzzweck der Amtspflicht als Voraussetzung für die Amtshaftung, JA 1992 , 1 (10, Ii. u. mittl. Sp.); Engelhardt, Neue Rechtsprechung des BGH zum Staatshaftungsrecht, NVwZ 1992,1052 (1065, Ii. Sp., 2. Abs.). iss Schröer, Zum Schadensersatz des Nachbarn bei rechtswidriger Baugenehmigung, NVwZ 1984, 291 (292, Ii. Sp., II); Rumpf, Neuauflage einer generellen Staatshaftung in Hessen durch das novellierte Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung?, NVwZ 1992, 250 (251, Ii. Sp., 2. Abs.). Auf die objektive Rechtswidrigkeit abstellend auch Papier, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. III, Halbbd. 2, 2. Aufl., 1986, § 839, Rn. 63, und ders., in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI: Freiheitsrechte, 1989, § 157, Rn. 69. 186 S. oben Β V 1. 187 S. oben Β V 3 a. E. und unten C I a. E.

VI. Zurechnungskriterien

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nungskriteriums „Rechtswidrigkeitszusammenhang". Im Anwendungsbereich des enteignungsgleichen Eingriffs suchte man die Haftung zunächst noch durch fruchtlose naturgesetzliche Überlegungen mit dem Unmittelbarkeitsmerkmal einzugrenzen. 1 8 7 a Die meisten Polizeigesetze berücksichtigen dieses Merkmal insofern, als sie Ausgleichsansprüche bei „mittelbaren" Schäden nur in Härtefällen gewähren. 188 Was das bedeutet, ist — von den zumeist geregelten Fällen der Schäden Hinterbliebener abgesehen — unklar. Jedenfalls hat man frühzeitig erkannt, daß Verantwortungsbereiche nur wertend festgelegt werden können und insofern auf die Eigenart der hoheitlichen Maßnahme bzw. die Frage abgestellt werden muß, ob das Schadensbild typisch für das rechtlich mißbilligte Gefahrenpotential des behördlichen Verhaltens ist. 1 8 9 Ist dies der Fall, ist der Schaden prinzipiell auch in vollem Umfang zu ersetzen; ist dies nicht der Fall, entfällt ein Ausgleichsanspruch. Für eine Härteklausel ist hier kein Raum. Am deutlichsten hat sich dies bei den Ampelfällen 190 gezeigt. In seinem ersten hierzu ergangenen Urteil hatte der BGH die Unmittelbarkeit noch mit dem Argument verneint, der Sachverhalt werde nicht durch einen Eingriff der Behörde in das Eigentum des Klägers geprägt, sondern durch eine Gefahrenlage, die erst im weiteren Verlauf zu Schäden geführt habe. 191 Unter dem Druck kritischer Stellungnahmen im Schrifttum hat er diese Auffassung schließlich 16 Jahre später revidiert und erkannt, daß das grüne Signal eben nicht nur freie Fahrt bedeutet, sondern auch das Gebot zu einer zügigen, wenn auch nicht völlig unachtsamen Überquerung der Kreuzung enthält. 192 Mit einer Bestimmung des Schutzbereiches der jeweils verletzten Norm oder der Schadenstypizität lassen sich jedenfalls präzisere Wertungen erzielen, als mit dem Unmittelbarkeitskriterium, das den Blick auf die Notwendigkeit solcher normativer Abwägungen nur verstellt. Es ist im Hinblick auf die Verhaltensanforderungen der Artt. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG selbstverständlich, daß im Bereich der Unrechtshaftung ein rechtmäßii87a Engelhardt, Neue Rechtsprechung des BGH zum Staatshaftungsrecht, NVwZ 1992, 1052 (1065, Ii. Sp., 2. Abs.). iss S. unten D12. Unter D II 2 wird das Beispiel des entgangenen Gewinns behandelt. 189 BGHZ 9, 83 (87); OLG Hamm, NWVB1. 1989, 183 (184, Ii. Sp.); Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl., 1974, Rn. 101; Ossenbühl, Enteignungsgleicher Eingriff im Wandel — BGH, NJW 1987, 1945, JuS 1988, 193 (195, re. Sp.); ders. Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 209; Steinberg / Lubber ger, Aufopferung — Enteignung und Staatshaftung, 1991, S. 366 f. 190 S. oben Β V 1. 191 BGHZ 54, 332 (338). 192 BGHZ 99, 249 (255); Landwehrmann, Anmerkung zu BGHZ 54, 332, NJW 1971, 840, Ii. Sp., 2. Abs.; Bull, Ampel-Unfälle als Schicksalsschläge?, DÖV 1971, 305 (307, re. Sp Lümbach, Anmerkung zu BGHZ 54, 332, DVB1. 1971, 177, re. Sp., 2. Abs.; Ossenbühl, Enteignungsgleicher Eingriff und Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht — BGHZ 54,332, JuS 1971,575 (578, Ii. Sp., 4. Abs.); Jox, Zur Haftung bei fehlerhafter Ampelschaltung (sog. „feindlichem Grün"), NZV 1989, 133 (135, re. Sp., 3. Abs. f.).

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

ges Alternativverhalten der Behörde außer Betracht bleibt und den Ausgleichsanspruch nicht ausschließt. Im übrigen finden aber die Grundsätze der hypothetischen Kausalität Anwendung. 193 2. Rechtswidrige begünstigende Maßnahmen Das Erfordernis wertender Zurechnung gewinnt etwa bei Schäden aufgrund rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte dann an Bedeutung, wenn der Schaden allein darin besteht, daß die Begünstigung durch die Ausgangsbehörde oder eine Rechtsmittelinstanz wieder aufgehoben wird. Es handelt sich hier typischerweise um Fälle fehlgeschlagener Aufwendungen etwa infolge des Baubeginns aufgrund einer zuvor erteilten rechtswidrigen Baugenehmigung.194 Im Gegensatz dazu stehen Schäden, die unabhängig von der Aufhebung des Verwaltungsakts zutage treten, ζ. B. Gesundheitsschäden infolge des Bewohnens eines auf altlastenverseuchtem Gelände stehenden Hauses.195 Stellte man auf die kausalgesetzliche Unmittelbarkeit ab, müßte ein Anspruch des durch den Verwaltungsakt Begünstigten aus Unrechtshaftung wegen des nachfolgenden Vollzugs der Genehmigung durch den Begünstigten selbst bzw. der zwischengeschalteten Aufhebungsentscheidung verneint werden, und es bliebe, sofern nicht § 50 VwVfG greift, allenfalls ein Anspruch aus § 48 Abs. 3 VwVfG. 1 9 6 Unter dem normativen Gesichtspunkt einer Zuordnung von Risikosphären ist jedoch ausschlaggebend, daß die Rechtswidrigkeit des behördlichen Handelns — von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 1 und 2 VwVfG abgesehen — in den Verantwortungsbereich der Behörde fällt, und zwar unabhängig davon, ob der Begünstigte die Rechtswidrigkeit der Genehmigung kennt. Dies spielt erst beim Mitverschulden eine Rolle, 197 denn ein schutzunwürdiges Vertrauen ändert an der Zurechnungsfähigkeit des rechtswidrigen Verhaltens gegenüber der Behörde nichts. Mag der Aufwendungsschaden auch erst durch die Aufhebung der Begünstigung bedingt sein, so ist diese doch wegen ihrer Rechtswidrigkeit von Anfang an — einem „Zeitzünder" gleichend — mit der Möglichkeit einer Aufhebung und also auch mit dem Schadenspotential belastet. Der Grund für die Unrechtshaftung ist gelegt; ob und wann der Schaden zur Entfaltung gelangt, ist gleichgültig. 1 9 8 193 s. dazu Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 51. Aufl., 1992, Rn. 96 ff. vor § 249; Teichmann, in: Jauernig u. a., BGB, 6. Aufl., 1991, Anm. VI 2 vor §§249-253. 194 BGH, VersR 1989, 594; OLG Köln, ZMR 1984, 369; NVwZ 1989, 288, re. Sp. (2); OLG Düsseldorf, NJW 1987, 1336. 195 BGHZ 109, 380 (393). 196 Zur Konkurrenzproblematik s. unten C H I . 197 S. unten D II 5. 198 So ausdrücklich OLG Köln, NVwZ 1989, 288, re. Sp. (2).

VI. Zurechnungskriterien

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Im Ergebnis gelten diese Erwägungen auch für andere „begünstigende" Maßnahmen, ζ. B. Ankündigungen (nicht aber Anhörungen) oder Auskünfte über laufende Verwaltungsverfahren. Solchen Ankündigungen und Auskünften kommt, vor dem Hintergrund behördlicher Entscheidungsschwächen gesehen, durchaus die Funktion eines Orientierungspunktes und Verhaltensmaßstabes zu. Ist die Reaktion des Bürgers auf die Ankündigung oder Auskunft in ihrer Art und Weise nicht völlig ungewöhnlich, 199 muß man den Zurechnungszusammenhang bejahen. Ein etwaiges voreiliges Verhalten des Betroffenen wird man im übrigen nur unter dem Gesichtspunkt des „Mitverschuldens" würdigen können. 200 3. Die Unbeteiligten-Fälle Erwägungen sowohl über den Schutzbereich einer Norm als auch die Schadenstypizität werden allerdings in den Unbeteiligten-Fällen relativiert, weil die Behörde hier regelmäßig für einen nicht vorhersehbaren Erfolg verantwortlich gemacht wird, obwohl sie rechtmäßig gehandelt hat. Die Aufgabe des Finalitätsmerkmals führt, wie gesagt, dazu, daß das Handeln der Polizei- und Ordnungsbehörden pauschal für gefährlich erklärt wird, ohne daß eine Grenze erkennbar ist, jenseits derer die Staatshaftung ausscheidet. Präzisere Aussagen als diejenige, daß der Zufallschaden gerade auf der Eigenart des behördlichen Handelns beruhen muß, lassen sich nicht treffen. Sie verführen freilich dazu, nur noch auf die Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinn oder Unmittelbarkeitserwägungen abzustellen.Daß dies fruchtlos ist, liegt auf der Hand. In diesem Zusammenhang hilft der bereits vorgestellte Vorschlag Luhmanns weiter. Um zu ermitteln, welche Schäden gerade in der Risikosphäre der Behörde liegen, muß man sich fragen, wie die Lage aussähe, wenn der Schadenseintritt im Augenblick des behördlichen Handelns bekannt gewesen wäre. Wäre das Tun der Behörde in diesem Fall rechtsverletzend gewesen oder hätte der Geschädigte nur als Nichtstörer in Anspruch genommen werden können, greift auch die Haftung für Schäden Unbeteiligter. Nur dann läßt sich nämlich überhaupt ein Zurechnungszusammenhang zwischen Schaden und Handeln der Behörde feststellen. Denn dieses ist allein aufgrund der schwierigen Typisierbarkeit des Schadenspotentials erlaubt, ohne daß das Haftungsrisiko auf den Bürger verlagert werden soll. 201 Ansonsten realisiert sich ein allgemeines Lebensrisiko des Betroffenen, das durch das behördliche Tun nicht modifiziert wurde. Die Haftung für Zufallschäden erweist sich somit als salvatorische Entschädigungsklausel, wie sie bereits in § 11 Abs. 2 LStVG Bayern — dort allerdings nur mit Eigentumsbezug — enthalten ist. 2 0 2 Verfas199 Ein solcher Fall ist etwa im Baubeginn ohne Abwarten der erforderlichen Erlaubnis oder aufgrund einer durch ein Rechtsmittel bekanntermaßen suspendierten Genehmigung zu sehen. Vgl. a. BGH, NJW 1992, 1230, in dem es um den Abschluß diverser Kaufund Werkverträge nach behördlicher Vorlage des paraphierten Bauvorbescheids ging. 200 s. unten D II 5. 201 S. oben Β V 1 a. E. 202 S. oben A III 7.

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

sungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Insbesondere Art. 14 Abs. 3 GG betrifft ohnehin nur finale Eingriffe in das Eigentum. Auf eine andere Weise lassen sich die Unbeteiligten-Fälle rechtslogisch auch nicht normieren. Als Alternative kommt nur die Auflistung von Fallgruppen in Betracht, die der Gesetzgeber für gefährlich hält. Aber eine solche Auflistung bliebe notwendigerweise lückenhaft, und Lücken wiederum minderten den Rechtsschutz des Geschädigten. Deswegen wird auch hier darauf verzichtet, eine Endlos-Kette einschlägiger Beispiele zu präsentieren. Die folgenden Fälle sollen jedoch zur Veranschaulichung dienen: — Demonstranten besetzen eine Fahrbahn, so daß der Verkehr zum Erliegen kommt. Die Polizei schreitet ermessensfehlerfrei nicht ein, räumt die Straße also nicht. Eine im Stau „steckenbleibende" Person kann infolge der Verzögerung einen Geschäftstermin nicht wahrnehmen, der geplante Vertragsabschluß platzt. Mangels Verletzung einer Rechtspflicht zum Handeln kann der Polizei dieser Schadenseintritt normativ nicht zugerechnet werden. Der Unbeteiligte ist nicht zu entschädigen. — Ein Polizist schießt rechtmäßig auf einen flüchtenden Verbrecher. Die Kugel trifft einen urplötzlich aus einem Eingangsbereich heraustretenden Passanten. 203 Wäre der Passant bereits vor dem Schuß aus dem Eingangsbereich herausgetreten, wäre der Einsatz der Waffe rechtswidrig gewesen. Der Unbeteiligte ist zu entschädigen. — Wie voriges Beispiel. Ein herbeilaufender Dritter erleidet beim Anblick der Verletzungen des Passanten einen schweren Schock und muß ärztlich behandelt werden. Die Vorschriften über den Einsatz einer Schußwaffe sollen aber nicht vor Schockschäden von Unfallzeugen, sondern nur vor durch den Kugeleinschlag bedingten S ach- und Personenschäden schützen. Der Unbeteiligte ist nicht zu entschädigen. — Die Polizei setzt gegen gewalttätige Demonstranten rechtmäßig einen Wasserwerfer ein. Ein Demonstrant schützt sich mit einem gestohlenen Regenschirm, der vom Wasserstrahl zerfetzt wird. Auch bei Kenntnis der Tatsache, daß der Regenschirm einem Unbeteiligten gehört, wäre der Wasserwerfereinsatz rechtmäßig gewesen. Der Schirmeigentümer wäre als Nichtstörer in Anspruch genommen worden. Er ist folglich als Unbeteiligter zu entschädigen. — Wie voriges Beispiel. Der Regenschirm wurde dem Betroffenen von einem anderen gewalttätigen Demonstranten geliehen. Die Maßnahme bleibt auch bei Kenntnis dieser Tatsache rechtmäßig. Der andere Demonstrationsteilnehmer ist zudem Störer. Er erhält keine Entschädigung. — Ein privater Kraftfahrer wird von der Polizei rechtmäßig zu einem Kurierdienst (Transport einer Blutkonserve) herangezogen. Unterwegs tankt er, 203 BGHZ 20, 81; VersR 1960, 248.

VI. Zurechnungskriterien

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ohne zu zahlen, obwohl er dazu in der Lage ist. Der Tankwart hat keinen Entschädigungsanspruch gegen die Behörde. Denn das Nichtzahlen des Kraftfahrers steht in keinem Sachzusammenhang mit seiner Heranziehung zu einem Kurierdienst. Über dieses Anschauungsmaterial hinaus werden in Literatur und Rechtsprechung folgende Fälle der Unbeteiligten-Entschädigung zugeordnet: — Die polizeiliche Sicherstellung eines PKW zwecks kriminaltechnischer Untersuchung. 204 (Trotz Eingriffsfinalität kann dieser Fall mangels einer Gefahrenlage nicht unter die Nichtstörer-Entschädigung subsumiert werden; es handelt sich um eine Strafverfolgungsmaßnahme.) — Das Rammen eines gestohlenen Wagens bzw. das Zerschießen der Fahrzeugreifen durch die Polizei, um die Diebe zum Anhalten zu zwingen. 205 (Wegen der Eingriffsfinalität in bezug auf den Eigentümer des Wagens wohl eher ein Fall der Nichtstörer-Entschädigung.) — Das „Abräumen" der Tische eines Strafiencafés, die Zerstörung von Fensterscheiben oder Verletzung eines Passanten durch einen Wasserwerfer. 206 — Die polizeiliche Räumung eines Lokals, so daß der Gaststätteninhaber seine Ansprüche aus dem Bewirtungsvertrag nicht mehr einfordern kann. 207 — Die Verunreinigung der Kleidung friedfertiger Demonstranten durch CSGas. 208 — Die Verschmutzung der Kleidung eines Passanten durch eine bei Regen stattfindende Einsatzfahrt der Polizei. 209 — Die Beschädigung eines landwirtschaftlichen Grundstücks durch eine Einsatzfahrt der Polizei. 210 (Wegen der Eingriffsfinalität ein Fall der NichtstörerEntschädigung.) — Die durch einen Feuerwehreinsatz bedingte unbeabsichtigte Beschädigung eines im Gefahrenbereich abgestellten Motorrads. 211 204 LG Würzburg, BayVBl. 1985, 570; 1991, 187. 205 Vgl. OLG Hamm, NJW 1988, 1096; LG Würzburg, BayVBl. 1991, 187. 206 Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., 1989, Rn. 454; Sauer, in: Mandelartz / Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, § 68, Erl. 7. 207 OLG Stuttgart, NJW 1992, 1396; Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 31. 208 Vgl. LG Amberg, Urteil vom 12. Februar 1987 — 1.0 965 / 86, zitiert in: Honnakker, Polizeiliche Maßnahmen als Amtspflichtverletzungen?, MDR 1987, 974 (977, Ii. Sp., Fn. 36). 209 y . d. Groeben / Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land SchleswigHolstein, 1968, § 189, Rn. 3. 210 Vgl. Honnacker, Polizeiliche Maßnahmen als Amtspflichtverletzungen?, MDR 1987, 974 (976, re. Sp., Fn. 34). 211 Vgl. OLG Hamm, NWVB1. 1989, 183.

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Β. Der Tatbestand der Unrechtshaftung

Diese Fälle zeigen, daß sich auch durch eine hypothetische Beurteilung des Schadensverlaufs keineswegs subsumtionsscharfe Ergebnisse erzielen lassen. Letztlich kommt man ohne — ζ. T. vergröbernde — Risikoabwägungen bzw. die Abgrenzung von Verantwortungsbereichen nicht aus, und wo auch diese Zuordnung unsicher ist, wird man sich allein an der Unzumutbarkeit des Schadens orientieren können. Tötung, Körperverletzung und § 7 Abs. 2 StrEG analog (z. Z. Mindestgrenze 50,— D M ) 2 1 2 lassen sich als Sonderopfertatbestände vorab definieren.

V I I . Verschulden Ob der jeweilige Funktionsträger schuldlos oder schuldhaft gehandelt hat, ist gleichgültig: Die polizeiliche Unrechtshaftung ist in beiden Fällen einschlägig. 213

212 LG Würzburg, BayVBl. 1985, 570 (571, Ii. Sp., 2. Abs.) mit insofern ablehnender Anm. Köhler. Ablehnend auch Würtenberger, in: Achterberg / Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992,7 / 1, Fn. 592. Diese Ansicht nunmehr teilend LG Würzburg, BayVBl. 1991, 187 (188, b). Die zuletzt Genannten stellen stattdessen auf den zeitlichen oder qualitativen Umfang des Eingriffs ab, verkennen freilich, daß sich dieser Umfang gerade in der Höhe des Schadens manifestiert. 213 OLG Köln, NVwZ 1989, 288, re. Sp. (2); Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 666; Fischer, in: Fischer / Hitz / Walter, BGSG, 1987, § 34, Rn. 15; Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 34, Rn. 9; Rumpf, Neuauflage einer generellen Staatshaftung in Hessen durch das novellierte Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung?, NVwZ 1992, 250, Ii. Sp. (I a. E.); insofern eindeutig: § 39 Abs. 1 lit. b OBG Nordrhein-Westfalen. Anderer Ansicht: Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 (571, re. Sp.), und Denninger, in: Meyer / Stolleis, Hessisches Staats- und Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, S. 262. Beide Autoren verkennen, daß die „Schuldlosigkeit" kein Tatbestandsmerkmal der Unrechtshaftung ist. Zu den kompetenzrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 34 GG, § 839 BGB s. oben A V.

C. Systematische Bemerkungen I . Standortbestimmung Ihrem geschichtlichen Ursprung entsprechend wird die polizeiliche Unrechtshaftung landläufig als spezialgesetzliche Konkretisierung des ungeschriebenen Anspruches aus aufopferungs- bzw. enteignungsgleichem Eingriff charakterisiert. 1 Die Zuordnung der Unrechts- zum Modell der Gefährdungshaftung wird ausdrücklich zurückgewiesen, 2 eine Aussage, die nach Aufgabe der Eingriffsfinalität und der Relativierung des Rechtswidrigkeitsurteils bei technischen Defekten zweifelhaft geworden ist. 3 Andererseits geht es bei der Unrechtshaftung gerade nicht um die schadensrechtliche Erfassung der Folgen erlaubter Risiken. 4 Auf semantische Streitigkeiten soll hier jedoch nicht weiter eingegangen werden. Insgesamt mag zwar richtig sein, daß die jeweiligen Gesetzgeber alles das „einfangen" wollten, was aus den damaligen Tendenzen der Rechtsprechung ersichtlich war, um auch deutlich darüber hinaus zu gehen.5 Das gilt einerseits ι BGHZ 14, 363 (365); 20, 61 (69); 99, 249 (255); DVB1. 1979, 112 (114, re. Sp., 2. Abs.); VersR 1982, 582, Ii. Sp.; NJW 1984, 2097 (2098, re. Sp., 5. Abs.); NJW 1985, 1287 (1289, Ii. Sp., 3); 1986, 182 (183, Ii. Sp., 3. Abs.); VersR 1989, 594, re. Sp., 6. Abs.; OLG Köln, ZMR 1984, 369 (370, Ii. Sp., 2. Abs.); NVwZ 1989, 288, re. Sp. (2); OLG Düsseldorf, NJW 1987, 1336, re. Sp., 2. und 4. Abs.; OLG Hamm, NVwZ 1986, 509, re. Sp. (II); NJW 1988, 1096, re. Sp.; NWVB1. 1989, 219 (220, Ii. Sp.); Rietdorf\ Die Grundsätze des neuen Nordrhein-Westfälischen Ordnungsbehördengesetzes, DÖV 1957, 7 (12, re. Sp., 3. Abs.); Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (451, Ii. Sp., I); Papier, Der enteignungsgleiche und enteignende Eingriff, Jura 1981, 65 (77, 3); ders., in: Münchener Kommentar, Bd. III, Halbbd. 2, 2. Aufl., 1986, § 839, Rn. 63 f.; Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 664; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 119, 123; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 290, S. 148; Rüfner, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, § 54, Rn. 3. 2 BGHZ 99, 249 (255); Rietdorf, in: Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 15. 3 Ossenbühl, Enteignungsgleicher Eingriff und Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht, BGHZ 54, 332, JuS 1971, 575 (578, re. Sp., 1. Abs., und 579, Ii. Sp., letzter Abs., sowie 580, Ii. Sp., b); ders., Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 206 f.; Peine, Anmerkung zu BGHZ 99, 249, JZ 1987, 824, re. Sp. (2), und 825, Ii. Sp. (3); Rumpf, Neuauflage einer generellen Staatshaftung in Hessen durch das novellierte Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung?, NVwZ 1992, 250, Ii. Sp. (I a. E.). 4 S. oben Β V 1. 5 R. Weimar, Zur Problematik der Entschädigungstatbestände im nordrhein-westfälischen Ordnungsbehördengesetz (OBG), DÖV 1961, 379 (380, re. Sp., 3. Abs.); Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in NordrheinWestfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 7, S. 253; Berg ! Hein, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin, 3. Aufl., 1984, Erl. 2 zu § 37.

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C. Systematische Bemerkungen

namentlich für den teilweisen Verzicht auf das Finalitätsmerkmal und die Erhebung der Rechtswidrigkeit zur Haftungsvorausetzung, 6 andererseits für die Aufgabe des Erfordernisses einer Rechtsgutsverletzung (Leben, Körper, Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigentum),7 die Ersetzung des Terminus „Eingriff 4 durch den Maßnahmebegriff 8 und den Ausgleich entgangenen Gewinns in begrenztem Umfang. 9 Das hierauf basierende Postulat einer weiten und großzügigen Auslegung, auf das in geradezu stereotyper Weise rekurriert wird, 1 0 bringt freilich keinen unmittelbaren Erkenntnisgewinn. Fragwürdig sind vor allem auch Versuche, aus der geschichtlich bedingten Nähe der Polizeirechtstatbestände zum allgemeinen Aufopferungsrecht Vorgaben für die systematische Standortbestimmung herleiten zu wollen. Mit dem Hinweis, die allgemeinen Entschädigungsinstitute seien grundgesetzlich fundiert, ist schon mehrfach untersucht worden, ob einzelne Bestimmungen der polizeirechtlichen Staatshaftung verfassungswidrig sind, 11 oder behauptet worden, diese Normen könnten keine abschließende Funktion haben, wenn sie substantiell hinter dem Entschädigungsanspruch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zurückblieben. 1 2 Schließlich wird gesagt, daß etwaige richterliche Fortentwicklungen 6 Rietdorf\ in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, §41, Rn. 7 und 14; Papier, in: Münchener Kommentar, Bd. III, Halbbd. 2, 2. Aufl., 1986, § 839, Rn. 63; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, Rn. 11 vor § 45 (39 nw OBG); § 45 (39 nw OBG), Rn. 27. 7 BGHZ 72, 273 (276). 8 Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 7, S. 253. 9 BGH, NJW 1986, 182, re. Sp., 2. Abs. 10 BGHZ 72, 273 (275); 82, 361 (362); 92, 302 (303); 99, 249 (251); 109, 380 (393); NJW 1992,1230, re. Sp. (2 a); R. Weimar, Zur Problematik der Entschädigungstatbestände im nordrhein-westfälischen Ordnungsbehördengesetz (OBG), DÖV 1961, 379 (380, re. Sp., 3. Abs.); Rietdorf in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 7 und 11; Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (451, re. Sp., 3. Abs.). 11 Erning, Die Entschädigungsregelungen der Polizeiverwaltungsgesetze und ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, NJW 1960, 2076 ff.; Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1.1975,567 (574,4); Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 207 ff. ι2 R. Weimar, Die Haftung des Staates für schuldlos / rechtswidrige Schädigungen, insbesondere für sog. Zufallsschäden, SKV 1964,8(11); Kay, Zur Frage der Staatshaftung wegen rechtswidrig / schuldloser oder rechtmäßiger Verletzung der Rechte Dritter infolge hoheitlicher Handlungen (Teil II), Die Polizei 1984, 101 (102, mittlere Sp., 2.2); Vogel, in: Drews/ Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 665 oben; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 290, S. 148. So könnte man auch Fischer und Schoen verstehen, die die §§34 ff. BGSG als „Mindestmaß" charakterisieren und im übrigen auf einen Gesamtvergleich der Tatbestände und Rechtsfolgen konkurrierender Ansprüche abstellen. Fischer, in: Fischer / Hitz / Walter, BGSG, 1987, § 39, Rn. 1; Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 39, Rn. 4.

I. Standortbestimmung

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der allgemeinen Haftungsinstitute auch den polizeirechtlichen Entschädigungsnormen gleichsam in dynamischer Verweisung zugute kämen. 13 Diese Aussagen geben Anlaß zur Klarstellung: An ausdrücklichen staatshaftungsrechtlichen Bestimmungen kennt das Grundgesetz nur die Artt. 14 Abs. 3 und 34. Art. 14 Abs. 3 GG hat in der formalen Funktion, die ihm durch das Bundesverfassungsgericht verliehen wurde, 14 nicht einmal für die rechtmäßige Inanspruchnahme eines Nichtstörers Bedeutung.15 Denn in solchen Fällen kommt es allenfalls zu Sachbeschädigungen oder vorübergehenden Nutzungsbeschränkungen, nicht aber zum Entzug vermögenswerter Rechte. Amtshaftung und polizeirechtlicher Ausgleich wiederum stehen in Anspruchskonkurrenz, 1 6 zumal erstere nur amtspflichtwidrige, letzterer generell rechtswidrige Eingriffe erfaßt. 17 Insbesondere § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt bei Ansprüchen gegen denselben (oder einen anderen) Hoheitsträger nicht zum Zuge, weil der Staat per Saldo finanziell nicht entlastet würde. 18 Der Aufopferungsanspruch schließlich ist über das Prinzip der Lastengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) allenfalls im Sinne einer institutionellen Garantie verfassungsrechtlich abgesichert. Die Ausgestaltung der Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen liegt hingegen auf der Ebene des einfachen Rechts und bestimmt sich — auch bei gewohnheitsrechtlicher Geltung — nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes.19 Grundgesetzliche Bezüge hat zwar auch das Prinzip der Folgenbeseitigung.20 Allerdings beansprucht es keinen Vorrang vor der Entschädigung etwa unter 13

Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, Rn. 10 vor § 45. 14 Ζ. B. BVerfGE 58, 300 (330 f.). ι 5 Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 42, Rn. 2,6 ff. Anderer Ansicht: Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 208; Riegel, Aktuelle eigentumsrechtliche Probleme im Polizeirecht, BayVBl. 1981, 289, Ii. Sp. (11), und Stephan, in: Bretzinger, Staats- und Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg, 1991, VIII/Rn. 169 (S. 422), die allerdings noch von der Sonderopfertheorie des BGH ausgehen, sowie Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1992, II/Rn. 229. 16 BGHZ 72, 273 (276); OLG Hamm, NVwZ 1986, 509, re. Sp. (II); OLG Köln, NVwZ 1989, 288, Ii. Sp. (vor 1). 17 Wobei beide Aspekte allerdings durch die externe Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten verknüpft werden. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 46. is BGHZ — GrS — 13, 88 (105); 49, 267 (275); Würtenberger, in: Achterberg/ Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7/ 1, Rn. 304. 19 BGHZ 76, 373 (384); 90, 17 (30); Müller-Heidelberg / Clauss, Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl., 1956, Vorbemerkung zu § 40; Schack, Der Einfluß des Gesetzgebers auf den Aufopferungsanspruch, DÖV 1967, 613 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 108, 185, 227.

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C. Systematische Bemerkungen

dem Gesichtspunkt eines Primats des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes, das beim anspruchsmindernden Mitverschulden Berücksichtigung finden könnte. Denn die Folgenbeseitigung stellt nur den status quo ante her, wehrt die schädigende Handlung jedoch nicht ab. Insofern besteht auch hier Anspruchskonkurrenz. 2 1 Für die Unrechtshaftung der Polizei- und Ordnungsbehörden folgt hieraus: Zwingende Vorgaben des Verfassungsrechts bei ihrer Interpretation und systematischen Einordnung bestehen nicht. Historischer Kontext und Normgenese sind nur ein Auslegungsmerkmal unter mehreren. Ausgangspunkt der Subsumtion ist und bleibt jedoch allein der jeweilige positivrechtliche Tatbestand. Gelegentlich anzutreffende Vorschriften, die „weitergehende" Ersatzansprüche unberührt lassen, 22 bezwecken lediglich eine dahingehende Klarstellung, daß auch solche Ansprüche geltend gemacht werden können, die außerhalb des Polizei- und Ordnungsrechts ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben,23 wobei — wie etwa in bezug auf die vertragsähnliche Haftung der öffentlichen Hand — auch Analogien erfaßt werden. 24 Die Frage der systematischen Einordnung der polizeilichen Unrechtshaftung beurteilt sich letztlich nach anderen Gesichtspunkten. Der enteignungsgleiche Eingriff bleibt ungeachtet gegenläufiger Stimmen 25 an den Tatbestand des Sonderopfers gebunden. Richtigerweise muß in jedem Einzelfall geprüft werden, ob ein Sonderopfer auch bei unterstellter Rechtmäßigkeit der Maßnahme vorliegt. Die Abkoppelung des enteignungsgleichen Eingriffs vom Aufopferungsgedanken würde diesem jegliche Existenzberechtigung nehmen, weil es dann keinen allgemeinen Rechtsgedanken wie die §§ 74, 75 Einleitung ALR Preußen 1794 mehr gäbe, der ihn neben dem grundrechtlichen Anspruch auf Folgenbeseitigung legitimieren könnte. Insofern bestünde keine Lücke im Staatshaftungsrecht. Diese Be20 BVerwGE 69, 366 (370): Art. 20 Abs. 3 GG; Ossenbühl, Staatshaftungrecht, 4. Aufl., 1991, S. 253: status negativus der Grundrechte. 21 Ossenbühl Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 279, Fn. 36, und S. 280 f. 22 §§ 39 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; 59 Abs. 4 ASOG Berlin; 39 Abs. 5 OBG Brandenburg; 69 Abs. 3 PAG Brandenburg; 56 Abs. 3 PolG Bremen; 64 Abs. 4 SOG Hessen; 40 Abs. 5 OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 58 Abs. 3 SOG Niedersachsen; 68 Abs. 3 PVG Rheinland-Pfalz; 68 Abs. 3 PolG Saarland; 69 Abs. 4 SOG Sachsen-Anhalt; 223 Abs. 6 LVwG Schleswig-Holstein; 68 Abs. 3 PAG Thüringen. 23 Rietdorf, Die Grundsätze des neuen Nordrhein-Westfälischen Ordnungsbehördengesetzes, DOV 1957, 7 (13, Ii. Sp., 1. Abs.); Berg I Hein, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin, 3. Aufl., 1984, Erl. 6 zu § 37; De Clerk, in: De Clerk / Schmidt, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 5. Aufl., Stand: März 1990, § 68, Erl. IV. 24 Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986,450 (451, Ii. Sp., I); Würtenberger, in: Achterberg/ Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7/1, Rn. 304. 25 Schenke, Entschädigungsansprüche bei legislativem Unrecht unter dem Aspekt des enteignungsgleichen Eingriffs, NJW 1988, 857 (861, Ii. Sp., 2 a); Schullan, Zur Reform der Staatshaftung, BayVBl. 1990, 360 (364, re. Sp.); Schmitt-Kammler, Das „Sonderopfer" — ein lebender Leichnam im Staatshaftungsrecht?, NJW 1990, 2515 (2516, 2; 2518 f., 2).

I. Standortbestimmung

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grenzung besteht im Polizei- und Ordnungsrecht indessen nicht. Dort hat sich die Unrechtshaftung vom Sonderopfermerkmal gelöst. Sie stellt gerade keine Konkretisierung des enteignungsgleichen Eingriffs mehr dar, sondern eine eigenständige Säule neben dem Aufopferungsanspruch, der voraussetzt, daß öffentlichen Belangen Vorrang vor privaten Interessen zukommen kann, ungeachtet der möglichen Fehlerhaftigkeit einer Maßnahme. Schon § 15 Satz 1 des Entwurfes eines Staatshaftungsgesetzes der Staatshaftungskommission 26 hat formuliert, daß der Aufopferungsanspruch durch die Rechtswidrigkeit hoheitlichen Handelns weder begründet noch ausgeschlossen wird. Deswegen spielt es für die Entschädigung des Nichtstörers auch grundsätzlich keine Rolle, ob dessen Inanspruchnahme rechtmäßig oder rechtswidrig war. Im letzteren Fall lassen sich diesbezügliche Ansprüche sowohl aus der Notstands- als auch der Unrechtshaftung herleiten, 27 soweit nicht einzelne Gesetze die Notstandshaftung auf die rechtmäßige Inanspruchnahme des Nichtstörers beschränken (so in Berlin, Brandenburg — PAG —, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, SachsenAnhalt und Thüringen). 28 Rechtmäßig in diesem Sinne ist eine Maßnahme zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen aber auch dann, wenn ihre Rechtswidrigkeit kraft besonderer gesetzlicher Bestimmungen unbeachtlich ist und die Unrechtshaftung deshalb versagt. Entscheidend ist hier allein die Sonderopferlage, die durch die Inanspruchnahme als Nichtstörer begründet wird. 2 9 Vor diesem Hintergrund sollte man endlich aufhören, Bedeutung und Gehalt der polizeilichen Unrechtshaftung von den richterlichen Instituten her zu erschließen. Der enteignungsgleiche Eingriff bleibt grundsätzlich neben der Unrechtshaftung anwendbar, wenn — bei unterstellter Rechtmäßigkeit der Maßnahme — eine Sonderopferlage besteht, also nicht wegen, sondern trotz einer rechtswidrigen Eigentumsverletzung gehaftet wird. Soweit aber die im Polizeirecht einzig relevanten Aufopferungsfälle — rechtswidrige Inanspruchnahme des Nichtstörers, Zufallsschäden Unbeteiligter — gesetzlich geregelt sind, verbleibt dem enteignungsgleichen Eingriff aus Spezialitätsgründen kein praktisches Anwendungsfeld. 26 Abgedruckt bei: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 460. 27 Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, § 41, Rn. 4; Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 (572, Ii. Sp., 3 a); Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 209; Schütz, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 3. Aufl., 1982, Erl. 1.1 zu § 68; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von NordrheinWestfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (39 nw OBG), Rn. 10; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 280, S. 145. Anderer Ansicht: Rietdorf, in: Rietdorf /Heise/ Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 9; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1992, II/Rn. 231; Heise / Tegtmeyer /Braun, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, 7. Aufl., 1990, § 67 (39 OBG), Rn. 3. 28 Zu den unterschiedlichen Rechtsfolgen s. u. D II 1. 29 S. oben Β V 3 a. E. und 5 a. E. 6 Treffer

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C. Systematische Bemerkungen

I I . Offene Konkurrenzfragen In bezug auf die Konkurrenzen bleiben nach dem oben Gesagten nur noch zwei Problemkreise zu erörtern. Der erste betrifft § 48 Abs. 3 VwVfG, der zweite das Staatshaftungsgesetz der DDR.

1. Rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte Bei dem ersten Problemkreis geht es um die Ersatzfähigkeit von Schäden, die durch rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte (ζ. B. eine Baugenehmigung), insbesondere deren Rücknahme, entstehen. Die Rechtsprechung geht unter Hinweis auf den zweiten Halbsatz des § 48 Abs. 6 VwVfG teils von einer Anspruchskonkurrenz des § 48 Abs. 3 VwVfG mit der polizeilichen Unrechtshaftung, 30 teils von deren Spezialität aus.31 § 48 Abs. 6 Halbsatz 2 VwVfG betrifft aber nur den Fall, daß die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes und nicht schon die Begünstigung einen enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriff begründet, weil der Verwaltungsakt möglicherweise zu einer von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechtsposition geworden ist. Das ist lediglich beim Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts denkbar. 32 § 48 Abs. 6 Halbsatz 2 VwVfG regelt das hier zu behandelnde Konkurrenzproblem also überhaupt nicht. Unabhängig davon spricht vieles für eine Spezialität des § 48 Abs. 3 VwVfG als Ausdruck eines besonderen Vertrauenstatbestandes. 33 Dies liegt um so eher nahe, als der dort gemeinte Aufwendungsschaden regelmäßig erst durch die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes zutage tritt, was freilich nichts daran ändert, daß der Schaden bereits durch die Erteilung der Genehmigung heraufbeschworen wurde und der Behörde normativ zugerechnet werden kann. 34 Für die Spezialität scheinen ferner die Jahresfrist in § 48 Abs. 3 Satz 5 Halbsatz 1 VwVfG und der Haftungsausschluß durch § 50 VwVfG zu sprechen, die auf den ersten Blick durch eine Anspruchskonkurrenz ausgehebelt zu werden drohen. Außerdem ist die Entschädigung für die behördliche Aufhebung polizeilicher Erlaubnisse aus dem Polizei- ins allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht „abgewandert". 35 30 BGH, VersR 1989, 594, re. Sp., 6. Abs.; OLG Düsseldorf, NJW 1987, 1336, re. Sp., 3. Abs. So auch Hillmann / Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 180 (Rn. 295). 31 OLG Köln, ZMR 1984, 369 (370, Ii. Sp., 2. Abs); vgl. a. NVwZ 1989, 288, re. Sp. (2). 32 Amtliche Begründung zu § 44 Abs. 5 EVwVfG 1973, Bundestag, Drs. VII/910, S. 71. 33 Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (39 nw OBG), Rn. 32. 34 Zum Kausalitätsproblem s. oben Β VI 2.

II. Offene Konkurrenzfragen

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Die Lösung dieses Konkurrenzproblems erfordert eine genauere Betrachtung der in Frage kommenden Fallgruppen. Die Aufhebung des Verwaltungsaktes anläßlich eines Drittwiderspruches oder einer Drittanfechtungsklage scheidet, wie gesagt, haftungsrechtlich aus. § 50 VwVfG erfüllt jedoch insofern nur eine klarstellende Funktion, denn die Einlegung eines Rechtsmittels suspendiert die Vollzugsfähigkeit des Verwaltungsaktes (§ 80 Abs. 1 Satz 2 Fall 3 VwGO), so daß er ohnehin keinen rechtlichen Vorteil begründen kann, der durch die Aufhebung wieder verloren ginge. Für die Unrechtshaftung muß man präziser dahingehend formulieren, daß derjenige, der trotz Suspensiveffekts von einer Erlaubnis Gebrauch macht, wegen überwiegenden „Mitverschuldens" keinen Ausgleichsanspruch hat, wenn man nicht schon den Zurechnungszusammenhang verneint. 36 Das gilt aber erst, wenn das Rechtsmittel auch tatsächlich eingelegt wird, die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Begünstigten von dieser Tatsache vorausgesetzt. In der Zwischenzeit kann der Begünstigte, ohne von einem für ihn nicht vorhersehbaren, etwa von einem Dritten, dem der Verwaltungsakt nicht bekanntgegeben wurde, erst längere Zeit nach dem Erlaß des Verwaltungsakts anhängig gemachten Rechtsmittelverfahren in Kenntnis gesetzt, insbesondere beigeladen worden zu sein, im Vertrauen auf den Bestand der Begünstigung erhebliche Dispositionen getroffen, beispielsweise mit dem Bau des ihm genehmigten Hauses begonnen haben.37 Auch bei angeordnetem „Sofortvollzug" i. S. d. §§ 80 Abs. 2 Nr. 4, 80 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO soll sich der Begünstigte um ein eingelegtes Rechtsmittel grundsätzlich nicht kümmern müssen,38 denn durch den Sofortvollzug wird der Verwaltungsakt einem noch nicht angefochtenen Verwaltungsakt gleichgestellt. Es wäre auch ein Widerspruch, wollte die Behörde ein Rechtsmittel, dessen Suspensiveffekt sie durch die Anordnung des Sofortvollzuges vermeiden will, zum Anlaß nehmen, die Begünstigung eben wegen dieses Rechtsmittels wieder aufzuheben. § 50 VwVfG ist rechtsmittelakzessorisch auszulegen. Mit anderen Worten: Er findet weder bei mangels Klagebefugnis unzulässigen noch bei nichtsuspendierenden Rechtsmitteln eines Dritten Anwendung. 39 Das gilt erst recht, wenn das im Eilverfahren angerufene Gericht die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit absegnet, um dann doch im Hauptverfahren die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes festzustellen. Überhaupt finden die in §§48, 50 VwVfG enthaltenen Restriktionen keine Anwendung, wenn eine Rechtsmittelinstanz den begünstigenden Verwaltungsakt aufhebt. Es macht haftungsrechtlich aber keinen Unterschied, ob die Ausgleichs35 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 278. 36 S. oben Β VI 2 und unten D II 5. 37 Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, 2. Aufl., 1982, § 50, Rn. 19. 38 Stelkens I Sachs, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, 3. Aufl., 1990, §50, Rn. 40. Anderer Ansicht offensichtlich LG Mainz, NVwZ 1993,603 (607, Ii. Sp., 4. Abs.). 39 Büdenbender / Mutschier, Bindungs- und Präklusionswirkung von Teilentscheidungen nach BImSchG und AtG, 1979, Rn. 60 ff., 95 ff. 6*

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C. Systematische Bemerkungen

behörde anläßlich des Rechtsmittels eines Dritten oder die Rechtsmittelinstanz selbst zur Aufhebung schreitet. Beide Fallgruppen müssen einheitlich der Unrechtshaftung zugeordnet werden. In jüngerer Zeit ist die Berechtigung des § 50 VwVfG unter rechtspolitischen und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten angezweifelt worden. 40 Dies geschieht auch im Hinblick auf Fallkonstellationen, in denen die Behörde die Position des Begünstigten während eines lang andauernden Verwaltungsrechtsstreits vor ihrer Abhilfeentscheidung dadurch gestärkt hat, daß sie durch Erklärungen deutlich zum Ausdruck brachte, von der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bzw. dem Fehlen eines — begründeten — nachbarlichen Abwehrrechts überzeugt zu sein. 41 Es gibt also sehr wohl Situationen, in denen trotz eines anhängigen Rechtsstreits von einem schutzwürdigen Vertrauen des Begünstigten ausgegangen werden muß. Ist aber schon die Ratio des § 50 VwVfG fragwürdig, erscheint es vollends unangebracht, ihn als Argument für eine Spezialität des verwaltungsverfahrensrechtlichen Vertrauensschutzes anzuführen. Dies überzeugt umso weniger, als die einschlägigen Polizeigesetze die Haftung wegen der Rechtswidrigkeit

und nicht wie § 48 Abs. 3 V w V f G wegen des Erlasses des

Verwaltungsaktes eingreifen lassen. Hier handelt es sich um völlig unterschiedliche Anknüpfungspunkte (Unrechtshaftung einerseits, Veranlassungshaftung andererseits). Deswegen wird in § 48 Abs. 3 Satz 3 VwVfG das Vertrauens- durch das Bestandsinteresse begrenzt und die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auch beim Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes geprüft (§ 49 Abs. 5 Satz 1 VwVfG). Das ändert freilich nichts daran, daß die in § 48 Abs. 2 und 3 VwVfG enthaltenen Vertrauensschutzwertungen auch im Rahmen der Unrechtshaftung bei der Frage der Mitverantwortung zu berücksichtigen sind. 42 Allerdings hat sich bereits hier gezeigt, daß die Anfechtbarkeit oder tatsächliche Anfechtung eines begünstigenden Verwaltungsaktes durch einen Dritten keineswegs jegliches Vertrauen auf dessen Rechtmäßigkeit ausschließt. § 48 VwVfG erfaßt ferner solche Schäden nicht, die durch einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt ohne dessen Rücknahme beim Begünstigten entstanden und ersichtlich geworden sind, ζ. B. durch eine Genehmigung zum Bau eines Wohnhauses auf altlastenverseuchtem Gelände.43 Die Geltendmachung eines Gesundheitsschadens scheitert nicht etwa an der Bestandskraft der Bauerlaubnis oder unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens, sofern der Betroffene keinen Anlaß hatte, an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu zweifeln. 44 Auch hier ist kein sachlicher Grund ersichtlich, zwar diesen Schadenstypus der Unrechtshaftung zuzuordnen, nicht aber rücknahmebedingte Aufwendungsschäden. 40

Knoke, Rechtsfragen der Rücknahme von Verwaltungsakten, 1989, S. 287 ff. 41 Stelkens I Sachs, in : Stelkens / Βonk / Leonhardt, VwVfG, 3. Aufl., 1990, §50, Rn. 2; vgl. a. OLG Köln, ZMR 1984, 369 (370, Ii. Sp., 4). 42 S. dazu unten D II 5. 43 BGHZ 109, 380 (393). 44 S. unten D II 5.

II. Offene Konkurrenzfragen

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Insgesamt ist deshalb von einer Anspruchskonkurrenz der Vertrauens- und Unrechtshaftung auszugehen.

2. Staatshaftung in den neuen Bundesländern Der zweite Problemkreis betrifft die Konkurrenz der §§59 Abs. 2 ASOG Berlin, 38 Abs. 1 lit. b OBG Brandenburg, 69 Abs. 1 Satz 2 PAG Brandenburg, 69 Abs. 1 Satz 2 SOG Sachsen-Anhalt und 68 Abs. 1 Satz 2 PAG Thüringen einerseits sowie 1 Abs. 1 Staatshaftungsgesetz DDR andererseits. 45 Gemäß § 69 Abs. 3 PAG Brandenburg bleiben Ansprüche aus Staatshaftung ausdrücklich unberührt. §§59 Abs. 4 ASOG Berlin, 39 Abs. 5 OBG Brandenburg, 69 Abs. 4 SOG Sachsen-Anhalt und 68 Abs. 3 PAG Thüringen sprechen ungenau nur von Amtshaftung bzw. Amtspflichtverletzung, meinen im Ergebnis aber auch die Staatshaftung. 46 Es gilt also weder die lex-posterior- noch die lex-specialisRegel. 47 45 Staatshaftungsgesetz DDR vom 12. Mai 1969 (DDR-GB1. I 34), geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 1988 (DDR-GB1.1 329) in der Fassung des Art. 1 Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990 (BGBl. II 885) in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Einigungsvertrag und Anlage II, Kap. III, Sachgebiet B, Abschn. III. Es gilt in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, darüber hinaus gemäß § 2 Satz 1 des Gesetzes vom 28. September 1990 (GVB1. 2119) auch in Berlin. § 1 Abs. 1 DDR-Staatshaftungsgesetz in der Fassung des Einigungsvertrages lautet: „Für Schäden, die einer natürlichen oder einer juristischen Person hinsichtlich ihres Vermögens oder ihrer Rechte durch Mitarbeiter oder Beauftragte staatlicher oder kommunaler Organe in Ausübung staatlicher Tätigkeiten rechtswidrig zugefügt werden, haftet das jeweilige staatliche oder kommunale Organ." Zur Geschichte und gegenwärtigen Bedeutung des StHG DDR s. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 377 ff., 449 ff. 46 Solche Ungereimtheiten existierten in anderen Ländern nach Inkrafttreten des Staatshaftungsgesetzes 1981 ebenfalls. S. dazu Schütz, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 3. Aufl., 1982, Erl. 3.2 zu § 68. 47 Im Gegensatz dazu sahen §§ 32 Abs. 1 Nr. 1 (bezüglich des BGSG) und 34 Abs. 2 (bezüglich der Landesgesetze) Staatshaftungsgesetz 1981 das Außerkrafttreten der Bestimmungen über die polizeiliche Unrechtshaftung vor. S. dazu Schäfer, in: Schäfer/ Bonk, Staatshaftungsgesetz, 1982, § 34, Rn. 14; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl., 1982, S. 119; Lange I Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 142 (2.1). Unsicher Schütz, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 3. Aufl., 1982, Erl. 3.1 zu § 68, S. 113 („hauptsächlich"), und Rasch, Der Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes und seine Verwirklichung, DVB1. 1982, 126 (130, re. Sp., 2. Abs.). Rasch weist auf den Unterschied zwischen Rechtswidrigkeit und Amtspflichtwidrigkeit hin, denn nur letztere erfasse § 34 Abs. 2 Staatshaftungsgesetz 1981. Allerdings werden beide Aspekte durch die externe Amtsplicht zu rechtmäßigem Verhalten verknüpft. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 46. Von der Anwendung der lex-specialis-Regel zugunsten des Polizei- und Ordnungsrechts ausgehend: Scholler / Broß y Grundzüge des Polizei- und Ordnungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 1982, S. 255. Diese Ansicht ist falsch. Hätte der Bund kompetenzrechtlich einwandfrei gehandelt, hätten die Länder ihre Befugnis zur

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C. Systematische Bemerkungen

Die Anspruchskonkurrenz ist vor allem deswegen von Bedeutung, weil der Geldersatzanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Staatshaftungsgesetz DDR auf Schadensersatz in voller Höhe im Sinne der §§ 249 ff., 842 ff. BGB gerichtet ist (§ 3 Abs. 2 Staatshaftungsgesetz DDR). Freilich verjährt der Anspruch bereits nach einem Jahr (§ 4 Abs. 1 Staatshaftungsgesetz DDR), und vor der gerichtlichen Geltendmachung ist ein behördliches Vorverfahren durchzuführen (§§5 Abs. 1 und 4, 6 Abs. 1 Staatshaftungsgesetz DDR). Dort, wo — wie in den neuen Bundesländern — ein allgemeines Staatshaftungsgesetz existiert, bedarf es de lege ferenda keiner polizeilichen Unrechtshaftung.

3. Sonstige Konkurrenzfragen Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß auch die polizeiliche Unrechtshaftung und Art. 5 Abs. 5 EMRK sowie § 2 Abs. 1 und 2 Nrn. 2 und 4 StrEG in Anspruchskonkurrenz stehen. Hier geht es vor allem um freiheitsentziehende Maßnahmen. Im Gegensatz zur EMRK wird im StrEG nicht auf die Rechtswidrigkeit abgestellt, sondern den Freispruch, die Verfahrenseinstellung oder die Nichteröffnung des Hauptverfahrens. Soweit das StrEG einschlägig ist, tritt jedoch das bayerische Recht als subsidiär zurück (Art. 70 Abs. 5 PAG Bayern). In Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sind Strafverfolgungsmaßnahmen gänzlich von der polizeilichen Unrechtshaftung ausgeschlossen (§§ 3 Abs. 2 SOG Niedersachsen, 4 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt).48 Auch in Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein erfaßt die polizeirechtliche Sonderopferhaftung allein (präventive) Gefahrenabwehrmaßnahmen.

Schaffung von Ausgleichstatbeständen verloren. Die Landesgesetze wären insoweit nichtig geworden; für Spezialitätsgesichtspunkte wäre kein Raum mehr gewesen. Nebenbei sei noch auf den Gesetzesantrag des Freistaates Bayern im Bundesrat aus 1989 hingewiesen. Bundesrat, Drs. 644/89. Art. 3 des Entwurfs eines Amtshaftungsund Ersatzanspruchsgesetzes sieht die Ergänzung des StVG um einen § 20 a vor, der den Betreiber einer Lichtzeichenanlage (die Straßenverkehrsbehörde) bei deren Versagen zum Schadensersatz verpflichtet. Die allgemeine ordnungsbehördliche Unrechtshaftung würde durch diese spezielle (weil eine Sonderordnungsbehörde betreffende) Haftung verdrängt. Eine Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ist jedoch nicht ersichtlich. Für eine Annexkompetenz zum Straßenverkehrsrecht (Art. 74 Nr. 22 GG) fehlt der zwingende Sachzusammenhang. S. oben A V. 4 8 S. hierzu bereits oben Β IV vor 1 und 2 am Ende.

D. Die Rechtsfolge Wird in den meisten Gesetzen auf der Tatbestandsseite noch zwischen Sonderopfer- und Unrechtshaftung differenziert, so werden die systematischen Unterschiede dieser Haftungstypen auf der Rechtsfolgenseite zugunsten einheitlicher Regelungen eingeebnet.

I . Normbefund und vergleichende Hinweise auf das B G B 1. Grundsatz Gewährt wird grundsätzlich nur ein „angemessener" Ausgleich: §§ 34 Abs. 1 Satz 1 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; 55 Abs. 1 Satz 1 PolG Baden-Württemberg; 59 Abs. 1 ASOG Berlin; 69 Abs. 1 Satz 1 PAG Brandenburg; 56 Abs. 1 Satz 1 PolG Bremen; 10 Abs. 3 Satz 1 SOG Hamburg; 64 Abs. 1 Satz 1 SOG Hessen; 58 Abs. 1 Satz 1 SOG Niedersachsen; 68 Abs. 1 Satz 1 PVG Rheinland-Pfalz; 68 Abs. 1 Satz 1 PolG Saarland; 35 Abs. 1 Satz 1 PolG Sachsen; 69 Abs. 1 Satz 1 SOG SachsenAnhalt; 68 Abs. 1 Satz 1 PAG Thüringen. Beispiele: Bei Körperverletzungen ist die Finanzierung der Heilbehandlung, bei Sachbeschädigungen der Ersatz des zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vorhandenen Marktwertes angemessen;1 bei einer Inanspruchnahme als Nichtstörer, die gleichzeitig durch (den aus Zeitgünden nicht möglichen) Abschluß eines privatrechtlichen Vertrages mit dem Betroffenen eine Ersatzvornahme hätte sein können, die Zahlung des Entgeltes, das er bei Zustandekommen eines Vertrages erhalten hätte, soweit er im Bereich seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit in Anspruch genommen wurde; 2 bei der Einweisung eines Obdachlosen die Zahlung der ortsüblichen Vergleichsmiete, ggf. auch von Nebenkosten.3 1 Hillmann / Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 177 (Rn. 285). Bezüglich des Zeitpunkts — insbesondere unter Berücksichtigung künftiger Umstände — wird auf §§ 256 und 323 ZPO hingewiesen. S. auch Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 51. Aufl., 1992, Rn. 174 vor § 249; Teichmann, in: Jauernig u. a., BGB, 6. Aufl., 1991, Anm. VII 2 vor §§ 249253. 2 Nr. 3 der Begründung zu § 66 Alternativentwurf einheitlicher Polizeigesetze des Bundes und der Länder, 1979. 3 Renèlt / Kloweit, Der Regreßanspruch der Ordnungsbehörde gegenüber eingewiesenen Obdachlosen gemäß § 42 Abs. 2 OBG NW, NWVB1. 1992, 195 (199, Ii. Sp., IV).

88

D. Die Rechtsfolge

Lediglich Bayern, Brandenburg — OBG —, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verzichten auf die Einschränkung der „Angemessenheit". Für Bayern wird deshalb ζ. T. die Schlußfolgerung gezogen, daß ein Anspruch auf Schadensersatz in voller Höhe bestehe.4 Dies ist bei den sogenannten Unbeteiligten-Fällen des Art. 70 Abs. 2 PAG Bayern freilich nur für den „unzumutbaren" Schadensteil richtig.

2. Schadensmodalitäten Ausgeglichen wird im Regelfall nur der Vermögensschaden (so auch § 253 BGB): Artt. 70 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 PAG Bayern; 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern; §§ 60 Abs. 1 Satz 1 ASOG Berlin; 39 Abs. 1 Satz 1 OBG Brandenburg; 70 Abs. 1 Satz 1 PAG Brandenburg; 57 Abs. 1 Satz 1 PolG Bremen; 65 Abs. 1 Satz 1 SOG Hessen; 74 Abs. 1 Satz 1 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 40 Abs. 1 Satz 1 OBG NordrheinWestfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 59 Abs. 1 Satz 1 SOG Niedersachsen; 69 Abs. 1 Satz 1 PVG Rheinland-Pfalz; 69 Abs. 1 Satz 1 PolG Saarland; 36 Abs. 1 Satz 1 PolG Sachsen; 70 Abs. 1 Satz 1 SOG Sachsen-Anhalt; 223 Abs. 1 Satz 1 LVwG Schleswig-Holstein; 69 Abs. 1 Satz 1 PAG Thüringen. Entgangener Gewinn (soweit er über den gewöhnlichen Verdienst oder ein entsprechendes Nutzungsentgelt hinausgeht) und sonstige mittelbare Nachteile werden nur in Härtefällen ersetzt: §§60 Abs. 1 Satz 2 ASOG Berlin; 39 Abs. 1 Satz 2 OBG Brandenburg; 70 Abs. 1 Satz 2 PAG Brandenburg; 57 Abs. 1 Satz 1 PolG Bremen; 65 Abs. 1 Satz 2 SOG Hessen; 74 Abs. 1 Satz 2 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 40 Abs. 1 Satz 2 OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 59 Abs. 1 Satz 2 SOG Niedersachsen; 69 Abs. 1 Satz 2 PVG Rheinland-Pfalz; 69 Abs. 1 Satz 2 PolG Saarland; 36 Abs. 1 Satz 2 PolG Sachsen; 70 Abs. 1 Satz 2 SOG Sachsen-Anhalt; 223 Abs. 1 Satz 2 LVwG Schleswig-Holstein; 69 Abs. 1 Satz 2 PAG Thüringen. Zum Vermögensschaden zählen auch die Kosten für gestiegene Bedürfnisse oder der Ausgleich geminderter Erwerbsfähigkeit (so auch § 843 BGB, der allerdings im Gegensatz zum Polizeirecht nur auf Körperverletzungen und Gesundheitsschäden abhebt): §§ 37 Abs. 2 Sätze 1-3 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; 60 Abs. 3 Sätze 2-4 ASOG Berlin; 39 Abs. 2 Sätze 2, 3 OBG Brandenburg; 70 Abs. 3 Satz 2 PAG Brandenburg; 65 Abs. 3 Sätze 2-4 SOG Hessen; 74 Abs. 2 Sätze 2, 3 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 40 Abs. 2 Sätze 2, 3 OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 59 Abs. 3 Sätze 2-4 SOG Niedersachsen; 69 Abs. 3 Sätze 2-4 PVG Rheinland-Pfalz; 69 Abs. 4 LG Würzburg, BayVBl. 1985, 570 (571, Ii. Sp., letzter Abs.); König, Bayerisches Polizeirecht, 2. Aufl., 1985, S. 188; Samper / Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, Art. 70, Erl. 10; Berner I Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 12. Aufl., 1991, Art. 70, Rn. 3 und 9.

I. Normbefund und vergleichende Hinweise auf das BGB

89

3 Sätze 2-4 PolG Saarland; 36 Abs. 3 Sätze 2-4 PolG Sachsen; 70 Abs. 3 Sätze 2-4 SOG Sachsen-Anhalt; 223 Abs. 2 Sätze 2, 3 LVwG Schleswig-Holstein; 69 Abs. 3 Sätze 2-4 PAG Thüringen. Ersetzt werden ferner Beerdigungskosten (so auch §§ 844 Abs. 1, 846 BGB): §§ 36 Abs. 1 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; 61 Abs. 1 ASOG Berlin; 71 Abs. 1 PAG Brandenburg; 66 Abs. 1 SOG Hessen; 60 Abs. 1 SOG Niedersachsen; 70 Abs. 1 PVG Rheinland-Pfalz; 70 Abs. 1 PolG Saarland; 37 Abs. 1 PolG Sachsen; 71 Abs. 1 SOG Sachsen-Anhalt; 70 Abs. 1 PAG Thüringen. Ausgeglichen werden darüber hinaus Unterhaltsausfälle Dritter (so auch §§ 844 Abs. 2, 846 BGB): §§36 Abs. 2 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; Artt. 70 Abs. 4 PAG Bayern; 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern; §§61 Abs. 2 ASOG Berlin; 39 Abs. 2 Sätze 2, 3 OBG Brandenburg; 71 Abs. 2 PAG Brandenburg; 58 Abs. 3 PolG Bremen (es verweist auf das BVG); 66 Abs. 2 SOG Hessen; 60 Abs. 2 SOG Niedersachsen; 40 Abs. 2 Sätze 2,3 OBG NordrheinWestfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 70 Abs. 2 PVG Rheinland-Pfalz; 70 Abs. 2 PolG Saarland; 37 Abs. 2 PolG Sachsen; 71 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt; 223 Abs. 2 Sätze 2, 3 LVwG Schleswig-Holstein; 70 Abs. 2 PAG Thüringen. Bei Verletzung immaterieller Rechtsgüter (vor allem Körper, Gesundheit, Freiheit) besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld, der in einigen Ländern nur übertragbar ist, wenn er zuvor vertraglich anerkannt oder rechtskräftig festgestellt wurde (so auch § 847 Abs. 1 BGB, wobei der Bundesgesetzgeber jedoch diese Einschränkung der Übertragbarkeit durch Gesetz vom 14. März 1990 aufgehoben hat: BGBl. I 478): §§34 Abs. 1 Satz 2 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG (beide erfassen auch die Ehre); Artt. 70 Abs. 7 Satz 2 PAG Bayern; 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern (nur bei Freiheitsentziehung; insofern wird auf § 7 Abs. 3 StrEG verwiesen); §§60 Abs. 2 ASOG Berlin; 70 Abs. 2 PAG Brandenburg; 57 Abs. 1 Sätze 2, 3 PolG Bremen (nur bei Freiheitsentziehung; bei Gesundheitsschäden von Nichtstörern oder Unbeteiligten verweist § 58 PolG Bremen auf das BVG); 65 Abs. 2 SOG Hessen; 59 Abs. 2 SOG Niedersachsen; 69 Abs. 2 PVG Rheinland-Pfalz; 69 Abs. 2 PolG Saarland; 36 Abs. 2 PolG Sachsen; 70 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt; 69 Abs. 2 PAG Thüringen.

3. Berechnungsmodalitäten Bei der Angemessenheit der Entschädigung sind die Schwere der Verletzung, der Grad des Verschuldens, Art und Vorhersehbarkeit des Schadens, erlangte Vorteile 5 und das Ausmaß des Schutzes des Geschädigten durch die behördliche Maßnahme zu berücksichtigen:

5

Zur Vorteilsausgleichung s. allgemein: Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 51. Aufl., 1992, Rn. 119 ff. vor § 249; Teichmann, in: Jauernig u. a., BGB, 6. Aufl., 1991, Anm. VI 1 vor §§ 249-253.

90

D. Die Rechtsfolge

§§ 35 Abs. 1 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; Am. 70 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 2 PAG Bayern (dort ist nur die Vorteilsausgleichung genannt); 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern; §§60 Abs. 5 Satz 1 ASOG Berlin; 70 Abs. 5 Satz 1 PAG Brandenburg; 57 Abs. 4 Satz 1 PolG Bremen; 65 Abs. 5 Satz 1 SOG Hessen; 59 Abs. 5 Satz 1 SOG Niedersachsen; 69 Abs. 5 Satz 1 PVG Rheinland-Pfalz; 69 Abs. 5 Satz 1 PolG Saarland; 36 Abs. 5 Satz 1 PolG Sachsen; 70 Abs. 5 Satz 1 SOG Sachsen-Anhalt; 69 Abs. 5 Satz 1 PAG Thüringen. In einigen Ländern ist der Schutz der Person oder des Vermögens des Geschädigten ein genereller Haftungsausschlußgrund: § 55 Abs. 1 Satz 2 PolG Baden-Württemberg; Artt. 70 Abs. 4 PAG Bayern; 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern; §§ 38 Abs. 2 lit. b OBG Brandenburg; 10 Abs. 3 Satz 2 SOG Hamburg; 64 Abs. 2 SOG Hessen; 72 Abs. 2 Nr. 2 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 39 Abs. 2 lit. b OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 35 Abs. 1 Satz 2 PolG Sachsen; 69 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt und 221 Abs. 2 Nr. 2 LVwG Schleswig-Holstein. Kein Ausgleich wird gewährt, wenn der Betroffene bereits von anderer Seite Ersatz erlangt hat, und zwar tatsächlich und endgültig: 6 §§ 38 Abs. 2 lit. a OBG Brandenburg; 72 Abs. 2 Nr. 1 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 39 Abs. 2 lit. a OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 221 Abs. 2 Nr. 1 LVwG Schleswig-Holstein. In Bayern kommt es auf die effektive Realisierbarkeit anderweitigen Ersatzes an (so auch § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB): 7 Artt. 70 Abs. 1 Halbsatz 2 Alternative 2 PAG Bayern; 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern. Jedenfalls sind auf demselben Haftungsgrund beruhende Ersatzansprüche gegen Dritte bei Geltendmachung des gegen die Behörde gerichteten Anspruchs an diese abzutreten (so auch § 255 BGB): §§60 Abs. 4 ASOG Berlin; 38 Abs. 3 OBG Brandenburg; 70 Abs. 4 PAG Brandenburg; 57 Abs. 3 PolG Bremen; 65 Abs. 4 SOG Hessen; 74 Abs. 3 SOG MecklenburgVorpommern; 40 Abs. 3 OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 59 Abs. 4 SOG Niedersachsen; 69 Abs. 4 PVG Rheinland-Pfalz; 69 Abs. 4 PolG Saarland; 36 Abs. 4 PolG Sachsen; 70 Abs. 4 SOG Sachsen-Anhalt; 223 Abs. 3 LVwG SchleswigHolstein; 69 Abs. 4 PAG Thüringen.

6 BGHZ 99, 249 (256); NJW 1984, 2097 (2098, re. Sp., 4. Abs., 2); OLG Hamm, NVwZ 1986, 509, re. Sp. (II); OLG Köln, NVwZ 1989, 288 (290, Ii. Sp., 6). v. d. Groeben / Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, 1968, § 188, Rn. 2.1; Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, § 41,Rn. 6; Rietdorf, in: Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 24; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (39 nw OBG), Rn. 39. 7

Samper / Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, Art. 70, Erl. 6; Berner /

Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 12. Aufl., 1991, Art. 70, Rn. 4.

I. Normbefund und vergleichende Hinweise auf das BGB

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Bestehende Unterhaltsansprüche gegen Dritte schließen die Staatshaftung weder aus, noch sind diese an die Behörde abzutreten (vgl. auch § 843 Abs. 4 BGB): §§ 36 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, 37 Abs. 2 Satz 4 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; Artt. 70 Abs. 3 PAG Bayern; 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern; §§ 60 Abs. 3 Satz 5, 61 Abs. 2 Satz 2 ASOG Berlin; 70 Abs. 3 Satz 3, 71 Abs. 2 Satz 2 PAG Brandenburg; 65 Abs. 3 Satz 5, 66 Abs. 2 Satz 2 SOG Hessen; 59 Abs. 3 Satz 5, 60 Abs. 2 Satz 2 SOG Niedersachsen; 69 Abs. 3 Satz 5, 70 Abs. 2 Satz 2 PVG Rheinland-Pfalz; 69 Abs. 3 Satz 5, 70 Abs. 2 Satz 2 PolG Saarland; 36 Abs. 3 Satz 5, 37 Abs. 2 Satz 2 PolG Sachsen; 70 Abs. 3 Satz 5, 71 Abs. 2 Satz 2 SOG Sachsen-Anhalt; 69 Abs. 3 Satz 5 PAG Thüringen. Einen Minderungsgrund stellt ferner die dem Betroffenen zuzurechnende Mitverursachung des Schadens dar (so auch § 254 BGB): §§ 35 Abs. 2 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; Artt. 70 Abs. 7 Satz 3 PAG Bayern; 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern; §§60 Abs. 5 Satz 2 ASOG Berlin; 39 Abs. 4 OBG Brandenburg; 70 Abs. 5 Satz 2 PAG Brandenburg; 57 Abs. 4 Satz 2 PolG Bremen; 65 Abs. 5 Satz 2 SOG Hessen; 74 Abs. 4 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 40 Abs. 4 OBG NordrheinWestfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 59 Abs. 5 Satz 2 SOG Niedersachsen; 69 Abs. 5 Satz 2 PVG Rheinland-Pfalz; 69 Abs. 5 Satz 2 PolG Saarland; 36 Abs. 5 Satz 2 PolG Sachsen; 70 Abs. 5 Satz 2 SOG Sachsen-Anhalt; 223 Abs. 4 LVwG SchleswigHolstein; 69 Abs. 5 Satz 2 PAG Thüringen.

4. Erstattungsmodalitäten Der Ausgleichsanspruch wird in Geld gewährt: §§ 37 Abs. 1 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; Artt. 70 Abs. 7 Satz 4 PAG Bayern; 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern; §§60 Abs. 3 Satz 1 ASOG Berlin; 39 Abs. 2 Satz 1 OBG Brandenburg; 70 Abs. 3 Satz 1 PAG Brandenburg; 57 Abs. 2 PolG Bremen; 10 Abs. 3 Satz 1 SOG Hamburg; 65 Abs. 3 Satz 1 SOG Hessen; 74 Abs. 2 Satz 1 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 40 Abs. 2 Satz 1 OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 59 Abs. 3 Satz 1 SOG Niedersachsen; 69 Abs. 3 Satz 1 PVG RheinlandPfalz; 69 Abs. 3 Satz 1 PolG Saarland; 36 Abs. 3 Satz 1 PolG Sachsen; 70 Abs. 3 Satz 1 SOG Sachsen-Anhalt; 223 Abs. 2 Satz 1 LVwG Schleswig-Holstein; 69 Abs. 3 Satz 1 PAG Thüringen. Leistungen in bezug auf allgemeine Bedürfnisse, die Erwerbsfähigkeit oder den Unterhalt werden als Rente oder bei berechtigtem Interesse als Abfindung erbracht. 8 Der Ausgleichsanspruch verjährt nach drei Jahren seit Kenntnis von Schaden und Ausgleichspflichtigem, ohne diese Kenntnis nach 30 Jahren seit dem Schadensereignis (so auch § 852 Abs. 1 BGB): 9 8

S. die Nachweise oben bei D I 2. 9 Die §§ 186 ff., 194 ff. BGB sind entsprechend anzuwenden. Sauer, in: Mandelartz/ Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, § 71, Erl. 5; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl., 1991, Rn. 304; Müller, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 1992,

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D. Die Rechtsfolge

§§ 38 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; 62 ASOG Berlin; 40 OBG Brandenburg; 59 PolG Bremen; 67 SOG Hessen; 41 OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 61 SOG Niedersachsen; 71 PVG Rheinland-Pfalz; 71 PolG Saarland; 38 PolG Sachsen; 72 SOG Sachsen-Anhalt; 71 PAG Thüringen. In Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gilt eine Ausschlußfrist 10 von einem Jahr, die aber ebenfalls erst mit Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Ausgleichspflichtigem beginnt: §§74 Abs. 5 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 223 Abs. 5 LVwG Schleswig-Holstein. Diese Fristen gelten auch für (analoge) Sonderopferfälle, ζ. B. aufgrund hoheitlichen Zwangs i. S. eines „psychologischen Abforderns". So kann etwa die Inanspruchnahme eines Nichtstörers nicht anders behandelt werden als die lediglich angedrohte. 11 5. Länder ohne Rechtsfolgenregelung Fehlen Rechtsfolgenbestimmungen (vor allem in Baden-Württemberg und Hamburg), gelten die allgemeinen Grundsätze der Aufopferungsentschädigung. 12 Das bedeutet: Es wird eine angemessene Entschädigung in Geld für Vermögensschäden gewährt (einschließlich des merkantilen Minderwertes). Entgangener Gewinn wird jedoch nur in Höhe des Nutzungsausfalls vorhandener Kapitalanlagen ausgeglichen. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht nicht. 13 Analog herangezogen werden die §§ 844 (Beerdigungskosten, Unterhaltsansprüche Dritter), 845 (entgangene Dienste), 14 254 BGB (Mitverschulden) sowie die Grundsätze der Vorteilsausgleichung. Die Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre. 15 Erl. zu § 38. Die Literatur befürwortet ferner eine Analogie zu § 852 Abs. 2 BGB als Ausfluß des Grundsatzes von Treu und Glauben und zu § 852 Abs. 3 BGB. Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (41 nw OBG), Rn. 1; Fischer, in: Fischer/ Hitz/Walter, BGSG, 1987, § 38, Rn. 4; Schoen, in: Einwag/ Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, §38, Rn. 6; Heesen i Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, §38, Rn. 8; De Clerk, in: De Clerk / Schmidt, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 5. Aufl., Stand: März 1990, Erl. zu § 71; offengelassen von BGHZ 82, 361 (363). 10 Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 673; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 286, S. 147. 11 S. oben Β III 2. 12 BGHZ 7, 96 (100 f.); 9, 209 (220); 14, 363 (367 f.); 18, 286 (289 f.); 20, 61 (69); 45, 58 (77); Reiff/ Wöhrle / Wolf, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1984, §41, Rn. 15-18 und 24; Stephan, in: Bretzinger, Staats- und Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg, 1991, VII / Rn. 175; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 116-118 und 120 sowie 220-222 und 223. ι 3 Anderer Ansicht insoweit Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 116118, der diese Auffassung unter Hinweis auf die Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und § 253 BGB (BGHZ 26, 349; 35, 363; 39, 124) zu Recht für unzeitgemäß hält. ι 4 Diese Vorschriften finden sich etwa auch in Nordrhein-Westfalen nur unvollständig. Rietdorf befürwortet deswegen eine ergänzende Anwendung der §§ 844 Abs. 1, 845

II. Ausgewählte Probleme

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I I . Ausgewählte Probleme Sofern Normen der polizeirechtlichen Ausgleichstatbestände mit solchen des BGB übereinstimmen bzw. an sie angelehnt wurden, wird hier nicht weiter auf sie eingegangen. Einige spezifisch polizeirechtliche Probleme bedürfen allerdings besonderer Aufmerksamkeit.

1. Die „Angemessenheit" des Ausgleichs in bezug auf Inhalt, Art und Umfang Dazu zählt insbesondere die Frage, welche Konsequenzen sich aus der systematischen Einordnung der Unrechtshaftung als eigenständigem Tatbestand und in Abgrenzung zum Sonderopfer für die Rechtsfolge ergeben und inwieweit Zumutbarkeits- und andere Abwägungskriterien bei der Schadensberechnung gerechtfertigt sind. In diesem Zusammenhang muß man sich klarmachen, daß ein Rechtsbruch in einem Rechtsstaat annuliert, ein rechtswidriges Handeln ungeschehen gemacht werden muß. Zu diesem Zweck stehen auf der Primärebene Rechtsmittel zur Verfügung (Art. 19 Abs. 4 GG). Erweisen sich diese als ineffektiv, besteht die adäquate Reaktion auf der Sekundärebene in der Gewährung von Schadensersatz, der im herkömmlichen Sinn die Herstellung des Zustandes bezweckt, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. 16 Berechnungsmodalitäten, die auf Art, Schwere und Vorhersehbarkeit des Schadens abstellen, haben bei der Unrechtshaftung nichts zu suchen. Sie würden dazu führen, daß nur noch für Fälle evidenter Rechtswidrigkeit gehaftet würde. 17 Es gibt aber an sich weder „leichte" noch „schwere" Rechtsfehler, auch wenn etwa die §§ 44 ff. VwVfG diesbezügliche Differenzierungen vornehmen. Eklatant systemwidrig ist es auch, auf der Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen, was beim Tatbestand gerade keine BGB. Rietdorf \ in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs-und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 42, Rn. 16. Wagner lehnt diese Analogie unter Hinweis auf § 40 Abs. 2 Satz 2 Variante 3 OBG Nordrhein-Westfalen ab. Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (40 nw OBG), Rn. 2. Andernfalls würde auch die Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 OBG NordrheinWestfalen ausgehebelt, denn Beerdigungskosten und Erstattungsansprüche wegen entgangener Dienste sind mittelbare Nachteile. 15 Anderer Ansicht insoweit Riegel, Polizei- und Ordnungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Januar 1991, A II / Rn. 112. Er will § 852 Abs. 1 BGB analog anwenden. Das ist jedoch nur für die Unrechtshaftung gerechtfertigt, die mit Ansprüchen aus Amtshaftung zusammentreffen kann und dann wie diese verjähren soll. Berg I Hein, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin, 3. Aufl., 1984, Erl. zu § 40. 16 Weyreuther, Folgenbeseitigung, Folgenentschädigung, Gutachten Β für den 47. Deutschen Juristentag, 1968, S. 59 f., 154; Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1. 1975, 567 (575, Ii. Sp., I); vgl. auch Steinberg I Lubber ger, Aufopferung — Enteignung und Staatshaftung, 1991, S. 340 ff. 17 So Schütz, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 3. Aufl., 1982, Erl. 5.3 zu § 69 (unter Hinweis auf § 44 VwVfG).

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D. Die Rechtsfolge

Rolle spielen soll: nämlich den Grad des Verschuldens. Derartige Überlegungen können bei Rechtsverletzungen keine Beachtung finden. Der Betroffene steht nicht einem einzelnen Beamten gegenüber, dessen Interessen in gewissem Umfang als schutzwürdig anzusehen sind, sondern dem Staat, der generell verpflichtet ist, rechtswidrige Handlungen zu unterlassen (Artt. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG). Verschuldensmaßstäbe relativieren den Rechtsschutz.18 Anders stellt sich die Sachlage bezüglich der Sonderopferhaftung dar (Nichtstörer, Unbeteiligte). Zwar wird auch hier vereinzelt eine bündige Erklärung dafür vermißt, warum der Bürger, der zufällig Vermögenswerte aufopfern müsse, trotz des Prinzips der Lastengleichheit einen Teil der Schäden selbst verkraften solle. 19 Hinweise etwa auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums werden als Floskeln abgetan.20 Aber bei rechtmäßigen Eingriffen ist Schadensersatz nicht erforderlich, weil nichts ungeschehen, keine Tatsachenlage wiederhergestellt werden muß, denn die Auferlegung des Nachteils wird ja gerade von der Rechtsordnung gebilligt, wenn auch durch Gewährung einer Entschädigung kompensiert. Gewährung und Umfang dieser Entschädigung sind das Resultat einer Abwägung zwischen privaten Interessen und solchen der Allgemeinheit, zu der auch derjenige zählt, von dem man ein Opfer verlangt. 21 Das Prinzip der Lastengleichheit gilt nicht absolut, weder im Entschädigungs- noch im Steuerrecht oder bei der Heranziehung zur Wehrpflicht. Flexibilität und Differenzierungen bei der Bestimmung des vom einzelnen zu tragenden Nachteils sind notwendiger Bestandteil der Lösung einer Interessenkollision. Nur bei rechtswidrigen Maßnahmen kann öffentlichen Belangen von vornherein kein Vorrang zukommen. Das gilt auch dann, wenn man rechtswidrige Maßnahmen unter die Sonderopferhaftung subsumiert. 2 2 Allerdings können und müssen sie ebensogut unter die Unrechtshaftung gefaßt werden, so daß sich keine Wertungswidersprüche ergeben. Jedenfalls darf die Frage der Rechtmäßigkeit wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen nicht offengelassen werden. 23 Die Überlegungen zur Unrechtshaftung passen allerdings nicht bei den durch ihr „Erfolgsunrecht" gekennzeichneten Unbeteiligten-Fällen. Zwar ist dort das Ergebnis „unbillig", nicht aber die Maßnahme rechtswidrig, und Schadensersatz 18

Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, 1968, S. 41. 19 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 171; s. auch Steinberg I Lubber ger, Aufopferung — Enteignung und Staatshaftung, 1991, S. 371. 20 Schneider, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 6. Dezember 1965 — III ZR 172/ 64, NJW 1966, 493 (495, Ii. Sp.). 21 Weyreuther, Folgenbeseitigung, Folgenentschädigung, Gutachten Β für den 47. Deutschen Juristentag, 1968, S. 59, 154; ders., Grundlagen für Entschädigungsansprüche bei hoheitlichen Maßnahmen gegenüber dem Nichtverursacher, ZLR 1989, 577 (578). 22 Weyreuther, Folgenbeseitigung, Folgenentschädigung, Gutachten Β für den 47. Deutschen Juristentag, 1968, S. 63. 23 So aber BGH, NJW 1992, 2639, Ii. Sp. (I a. E.); OLG Hamm, NWVB1. 1992, 110 (111, Ii. Sp., 1. Abs.).

II. Ausgewählte Probleme

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knüpft nun einmal an eine rechtswidrige Handlung oder Regelung, nicht an einen unbilligen Erfolg an. 24 Freilich macht es auch in den Unbeteiligten-Fällen keinen Sinn, auf die Vorhersehbarkeit des Schadens abzustellen. Denn diese ist hier ja gerade nicht gegeben. Für die Unrechtshaftung ist zudem der Aspekt von Bedeutung, daß die Abwehr von Unrecht über den durch die Freiheitsrechte des Grundgesetzes vermittelten status negativus verfassungsrechtlich abgesichert und geboten ist. Der Staat hat die Freiheitssphäre der Grundrechtssubjekte unter allen Umständen zu wahren, rechtswidrige Eingriffe zu unterlassen und zu beseitigen. 25 Problematisch ist jedoch, welche Rechtsfolge die Beseitigungspflicht auslöst. Im Kontext des Folgenbeseitigungsanspruches wird zum Teil vertreten, daß nur der status quo ante von Verfassungs wegen herzustellen sei, d. h. der Zustand, der vor dem schädigenden Ereignis bestanden hat. 2 6 Das läßt sich insofern rechtfertigen, als dieses Institut nicht an ein rechtswidriges Handeln, sondern einen rechtsgrundlosen Zustand anknüpft, der durch die Erledigung sowohl einer rechtmäßigen als auch einer rechtswidrigen Maßnahme eintreten kann. 27 Nur diese Rechtsgrundlosigkeit gilt es zu beseitigen, und nur der vorige Zustand ist wiederherzustellen. Mit Schadensersatz hat das nichts zu tun. Bei der polizeilichen Unrechtshaftung jedoch geht es um die sekundärrechtlichen Konsequenzen eines rechtswidrigen Verhaltens. Gelingt es nicht, den rechtswidrigen Eingriff abzuwehren, muß der Betroffene wenigstens so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn das rechtswidrige Handeln hätte abgewehrt werden können. Das bedeutet aber nichts anderes, als daß er so zu stellen ist, wie er stehen würde, wenn das Unrecht unterblieben wäre. Dieses Ergebnis ist auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Denn ein sachlicher Grund, warum Privatrechtssubjekte oder persönlich haftende Beamte Schadensersatz in voller Höhe leisten müssen, wenn sie rechts- oder pflichtwidrig gehandelt haben (§§ 839, 823, 249 ff. BGB), nicht aber der Staat, ist nicht ersichtlich. Das Verschuldenserfordernis versagt als Differenzierungsgrund, und zwar nicht nur, weil es bei hoheitlichem Unrecht mit Rücksicht auf Artt. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG deplaciert ist, sondern auch im Vergleich zur zivilrechtlichen Gefährdungshaftung. Die staatliche Ersatzpflicht hat sich demnach an § 249 Satz 1 BGB zu orientieren. 28

24 S. oben Β V 1. 25 Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, 1968, S. 24 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 252 f. 26 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 253, 255 ff. 27 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 262. 28 Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, 1968, S. 25, Fn. 5; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, Fälle und Lösungen, 5. Aufl., 1984, S. 153 (5); Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (453, re. Sp., VIII); Heesen!Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 34, Rn. 27; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 33.

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D. Die Rechtsfolge

Wegen der Konkurrenz mit dem auf (verkürzte) Naturalrestitution gerichteten und vor den Verwaltungsgerichten einzufordernden Folgenbeseitigungsanspruch ist es hinnehmbar, daß der vor den Zivilgerichten geltend zu machende Ausgleichsanspruch grundsätzlich nur in Geld gewährt wird. Denn die Fälle, in denen der Folgenbeseitigungsanspruch versagt oder unangemessen ist (Unmöglichkeit, Unzumutbarkeit oder Unzulänglichkeit der Herstellung), entsprechen in der Regel denjenigen des § 251 BGB, der ebenfalls an die Stelle der Naturalrestitution den Geldersatz treten läßt. Genauer gesagt: Es kann nur, aber auch stets ein Geldausgleich beansprucht werden. Das schließt nicht aus, daß die Behörde aufgrund einer Vereinbarung mit dem Geschädigten Naturalersatz leistet, ζ. B. durch Bereitstellung eines Ersatzgrundstückes. 29 Dieser Naturalersatz darf allerdings wertmäßig nicht wesentlich über den Geldausgleich hinausgehen, denn die mit Steuergeldern erworbenen Gegenstände der öffentlichen Hand sind zweckgebunden, d. h. orientiert an der rechtlich begründeten Höhe des Ausgleichsanspruchs zu verwenden. Die Behörde hat allerdings kein dem finanzpolitisch motivierten § 4 Abs. 1 Satz 2 StHG 1981 entsprechendes Wahlrecht zwischen Geldausgleich und Folgenbeseitigung, wenn diese dem Betroffenen zuzumuten ist. Den vom Geschädigten begehrten Anspruch auf Ausgleich in Geld muß sie in jedem Fall erfüllen. Daß die oben angedeutete Doppelspurigkeit des Rechtsweges heute keinen Sinn mehr macht, steht auf einem anderen Blatt. Freilich ist sie durch § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG i. d. F. vom 17. Dezember 1990 „aufgeweicht" worden. 30 Die Bestimmungen einschlägiger Bundes- und Landesgesetze werden durch die hier vertretene Auffassung keineswegs obsolet. Bei der Unrechtshaftung ist eben nur Schadensersatz „angemessen", weil materiell rechtswidrige Maßnahmen von vornherein „unzumutbar" sind. Abwägungsvorschriften bleiben für die Sonderopferhaftung relevant. 2. Der Ersatz entgangenen Gewinns Ungeachtet der soeben gewonnenen Erkenntnis, daß sich die Rechtsfolgen der Unrechtshaftung nicht an den für die Sonderopferhaftung geltenden Grundsätzen 29 Weber, Zur Tätigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden und ihrer Entschädigungspflicht, SKV 1963, 316 (318, Ii. Sp., letzter Abs.); Rietdorf, in: Rietdorf/Heise / Β ökkenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, §42, Rn. 18; Lange ! Wilhelm,

Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 140; Hillmann I

Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 177 (Rn. 285); Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (40 nw OBG), Rn. 2; Fischer, in: Fischer / Hitz / Walter, BGSG, 1987, § 37, Rn. 1. Anderer Ansicht: Sauer, in: Mandelartz / Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, § 69, Erl. 8; Müller, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 1992, Erl. zu § 36, S. 134. 30 S. dazu unten F I.

II. Ausgewählte Probleme

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orientieren dürfen, sehen die meisten Gesetze — außer das BGSG, BKAG, PAG und LStVG Bayern — Beschränkungen beim Ersatz des entgangenen Gewinns vor. Er wird nur in Härtefällen ersetzt, soweit er über den Ausfall des gewöhnlichen Verdienstes hinausgeht. Die von den Gesetzgebern gewählte Terminologie „Ausfall" bedeutet, daß nicht eigentlich der entgangene Gewinn ersetzt wird, sondern daß es sich hier um einen Modus der Berechnung des Ausgleichs für eine entgangene Nutzung handelt (vgl. § 100 BGB). 3 1 Mit anderen Worten: Die beeinträchtigte Einkunftsquelle muß bereits existieren, damit der daraus nicht mehr erzielbare Nutzen ersatzfähig ist. Die Beschränkung auf Härtefälle lehnt sich an die Sonderopferrechtsprechung an, die Entschädigung nur in bezug auf die beeinträchtigten vorhandenen Werte gewährte, wozu neben Erträgen aus Grundstücken auch solche aus bereits errichteten Mietshäusern oder Hotels gezählt wurden. 32 In der Literatur wird darüber hinaus auf durchschnittliche Bruttoeinkünfte aus bestehenden Arbeitsverhältnissen und Gewerbebetrieben im Gegensatz etwa zu Gewinnerwartungen aus erst noch zu errichtenden Betrieben und anderen zu schaffenden Weitobjekten abgestellt.33 Als Härtefälle werden solche genannt, in denen der Nichtersatz des zu erwartenden Gewinns bzw. Ertrages aus einem geplanten Unternehmen zur Absenkung eines angemessenen Lebensstandards bis hin zur Existenzbedrohung führen würde. 34 Außer der Schonung der Staatsfinanzen läßt sich allerdings keine rechtspolitische Erklärung für eine diesbezügliche Haftungsbeschränkung finden. Befürchtungen, durch den Ersatz entgangenen Gewinns werde einem Querulantentum 31 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 1991, Rn. 281. Vgl. auch Müller, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 1992, Erl. zu § 36, S. 133. 32 RGZ 140, 276 (290); BGHZ 14, 363 (367 f.); NJW 1986, 182, re. Sp., 2. Abs. 33 v. d. Groeben / Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land SchleswigHolstein, 1968, § 190, Rn. 1.2; Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, § 42, Rn. 2; Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs-und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 42, Rn. 6-15; Lange I Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 139 (1.4.2); Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1 : Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., 1982, §46, Rn. 2 f.; Hillmann I Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 177 (Rn. 285); Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 671 f.; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (40 nw OBG), Rn. 2; Sauer, in: Mandelartz / Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, §69, Erl. 3; De Clerk, in: De Clerk / Schmidt, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 5. Aufl., Stand: März 1990, § 69, Erl. II 2; Götz, Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 281; Müller, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 1992, Erl. zu § 36, S. 133. 34 Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, § 42, Rn. 3; Hillmann I Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 177 (Rn. 285); Sauer, in: Mandelartz / Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, § 69, Erl. 3; Müller, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 1992, Erl. zu § 36, S. 134. 7 Treffer

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D. Die Rechtsfolge

Vorschub geleistet,35 sind angesichts des Erfordernisses der haftungsausfiillenden Kausalität sowie im Hinblick auf die Beweislast und die Schadensminderungsobliegenheit des Betroffenen schlichtweg abwegig. 36 Eine derartige Zurückhaltung ist jedenfalls bei der Unrechtshaftung unangemessen und als antiquiertes Fiskusprivileg aufzugeben. 37 Das „Bestandsargument" paßt nicht in den Fällen rechtswidrigen Unterlassens 38 und ist bei der Staatshaftung wegen rechtswidrigen Handelns sogar verfassungswidrig, wie oben unter D II 1 gezeigt wurde. Aber auch für die Nichtstörer- und Unbeteiligten-Fälle haben die haftungsbegrenzenden Normen des Bundes- und Landesrechts ihren Sinn verloren, weil sie auf dem für die polizeirechtlichen Ausgleichstatbestände irrelevanten Versuch basieren, in Anlehnung an Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG das Erworbene vom erst noch zu Erwerbenden zu trennen. 39 V. a. lassen die Polizeigesetze unberücksichtigt, daß die Tüchtigkeit und Schaffenskraft eines Menschen eine der wesentlichsten „Kapitalanlagen" darstellt. Eine Vernachlässigung des Schutzes der Arbeit gegenüber demjenigen des Eigentums widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz und dem Sozialstaatsprinzip. 40 Schon jetzt wird die rechtspolitisch verfehlte Härteklausel insofern eingeschränkt, als auch konkrete, lediglich in tatsächlicher Hinsicht verdichtete Expektanzen als „bereits existierende" Einkunftsquelle anerkannt werden. Diesen Weg weist Rietdorf, wenn er künftige, als gewiß einzustufende Vertragsabschlüsse zur Berechnungsgrundlage für den Ersatz entgangenen Gewinns macht. 41 Vor diesem Hintergrund sind die polizeirechtlichen Normen verfassungs- und systemkonform dahingehend auszulegen, daß sie dem § 252 BGB entsprechen.

35 So der Beauftragte des preußischen Finanzministers im Ausschuß für Verfassungsfragen des Preußischen Landtages, zitiert in: Klausener / Kerstiens / Kempner, Das Polizeiverwaltungsgesetz, 1931, S. 211. 36 So zu Recht der Beauftragte des preußischen Innenministers im Ausschuß für Verfassungsfragen des Preußischen Landtages, zitiert in: Klausener / Kerstiens / Kempner, Das Polizeiverwaltungsgesetz, 1931, S. 212. 37 So auch die Fraktion des Zentrum in ihrer Begründung zur Änderung des Regierungsentwurfs OBG Nordrhein-Westfalen 1956. Landtag Nordrhein-Westfalen, Drs. III/ 173, S. 3, zu § 48. 38 S. oben Β III 3. 39 Vgl. Rietdorf \ in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 42, Rn. 6. S. auch oben Β II. 40 Schenke, Staatshaftung und Aufopferung — Der Anwendungsbereich des Aufopferungsanspruchs, NJW 1991, 1777 (1782, Ii. Sp., 1. Abs.). 41 Rietdorf in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 42, Rn. 7-12.

II. Ausgewählte Probleme

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3. Anderer Ersatz Vorschriften, die den Anspruch in Höhe des tatsächlich erlangten ( Brandenburg — OBG —, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) oder effektiv realisierbaren (Bayern) anderweitigen Ersatzes ausschließen, haben Anlaß zu Mißverständnissen gegeben. Die bayerische Regelung lehnt sich an § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB an. Diese Vorschrift mag für die Fälle persönlicher Haftung des Beamten zwecks Erhaltung seiner Entschlußfreudigkeit noch ihre Berechtigung haben. Gedacht ist hier an den Innenregreß aufgrund von Art. 34 Satz 2 GG, § 46 Abs. 2 BRRG sowie an die Haftung gegenüber Ausländern aufgrund von § 7 RBHG, 4 2 der allerdings für die Unrechtshaftung gerade nicht gilt (so daß es bei der Verbandshaftung bleibt). 43 Das PAG Bayern begründet jedoch eine unmittelbare Staatshaftung, bei der dem Schutz des einzelnen Beamten kein Gewicht zukommt (mag er auch im Innenverhältnis nach § 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG regreßpflichtig sein). 44 Besonders problematisch wird der Haftungsausschluß zudem dann, wenn die finanziellen Lasten hoheitlichen Unrechts der Solidargemeinschaft der Versicherten aufgebürdet werden, weil die bayerische Regelung einen Übergang des polizeirechtlichen Anspruches gemäß §§67 VVG, 116 SGB X verhindert. Diese Konsequenzen werden unter anderem deshalb als unannehmbar empfunden, weil der Versicherungsanspruch des Geschädigten durch Beiträge erworben wird und die Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen zu Prämienverlusten und Rückstufungen führen kann. 45 Der BGH hat § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB deshalb dahingehend teleologisch reduziert, daß er vom Geschädigten mit eigenen Mitteln erlangte oder erarbeitete Leistungen eines Dritten, die ihrer Bestimmung nach nicht Schäden durch eine außerhalb des Leistungsverhältnisses stehende Person endgültig auffangen sollen, nicht zu den anderweitigen Ersatzmöglichkeiten zählt. 46 Geht es hingegen um das Verhältnis mehrerer Schädiger, besteht keine gleichrangige Haftungslage und ist auch kein Gesamtschuldnerausgleich möglich, denn insofern ist die Ausgleichspflicht der bayerischen Polizei- und Sicherheitsbehörden subsidiär gegenüber der Ersatzpflicht des anderen Schädigers. 47 Dieses Fiskusprivileg ist beklagenswert; allein: Es ist geltendes Recht. Der gelegentlich anzutreffende Einwand, hier bestehe unter dem Gesichtspunkt des Art. 31 GG eine Kollision zur primären (vgl. Art. 14 Abs. 3 GG) bundesrechtli42 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 64, 71 f. 43 LG Frankfurt, NJW 1986, 2201, re. Sp. am Ende. 44 S. dazu unten E II 4. 45 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 67 f. 46 BGHZ 91, 48 (54). 47 Vgl. BGH, NJW 1984,2097 f. Das gilt allerdings nicht, wenn der Dritte ein anderer Hoheitsträger ist, weil hier per Saldo keine Entlastung der öffentlichen Hand eintritt und wechselseitige Subsidiarität den Anspruch des Geschädigten entkräften würde. BGHZ — GrS — 13, 88 (105); 49, 167 (175). 7*

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D. Die Rechtsfolge

chen Aufopferungshaftung, 48 ist unzutreffend. Abgesehen davon, daß Art. 14 Abs. 3 GG im Polizeirecht keine Rolle spielt, 49 entspricht es ständiger, wenn auch womöglich korrekturbedürftiger 50 Rechtsprechung, daß die Aufopferungsentschädigung nur subsidiär zum Zuge kommt, 51 zumal Art. 70 Abs. 1 Halbsatz 2 Alternative 2 PAG Bayern ja nur dem § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nachgebildet wurde. Die Subsidiarität verstößt deshalb auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die in Brandenburg — OBG —, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein geltenden Bestimmungen enthalten hingegen keine Subsidiaritätsklausel, 52 sondern bringen lediglich das selbstverständliche Verbot einer Mehrfachliquidation des Geschädigten zum Ausdruck; der Betroffene soll am Schadensereignis nicht verdienen. 53 Denn es bleibt dem Geschädigten überlassen, welchen von mehreren Anspruchsgegnern er sich als ersten aussucht.54 Auf eine andere Ersatzmöglichkeit verweisen die Vorschriften in Brandenburg — OBG —, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gerade nicht. Die passivlegitimierte Stelle kann also ohne weiteres als erste haftbar gemacht werden. Zahlt hingegen ein anderer Schädiger vor der passivlegitimierten Stelle, kann er gegen diese Rückgriff nehmen, und nicht etwa nur diese gegen jenen. 55 Ebenso geht der staatshaftungsrechtliche Anspruch unter den Voraussetzungen der §§ 67 VVG, 116 SBG X, 4 LFZG auf den jeweils zuerst leistenden Dritten über. 56 Andernfalls hinge die Haftungs- und Regreßlage von der zufälligen Reihenfolge der Schadensabwicklung ab. 4 8 Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1.1975,567 (574, re. Sp., 2. Abs.); Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 283. 49 S. oben C I. so Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 119. 51 BGHZ 28, 81 (83); 28, 297 (300 f.); 45, 58 (80). 52 So aber BGH, NJW 1984, 2097 (2098, re. Sp., 4. Abs., 2); Schleberger, Das Ordnungs- und Polizeirecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 5. Aufl., 1981, S. 129; vgl. auch Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 42, Rn. 17. 53 Papier, Die Entschädigung für Amtshandlungen der Polizei, DVB1.1975,567 (574, re. Sp., Fn. 97); Lange / Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 138 (1.4.1); Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 672; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (39 nw OBG), Rn. 39; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 283; Friauf, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, S. 175 (Rn. 198). 54 Krämer, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, § 41, Rn. 6; Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in NordrheinWestfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 24; Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (453, re. Sp., VIII). 55 Zu Einzelheiten des Regresses s. unten E II 1. 56 Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhrein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (40 nw OBG), Rn. 3.

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4. Schutzmaßnahmen In zahlreichen Ländern führen an sich ausgleichspflichtige Maßnahmen zum Haftungsausschluß oder zur Haftungsminderung, soweit sie zum Schutz des Geschädigten getroffen wurden. Folgende — ζ. T. regelrecht absurde — Fallkonstellationen werden dieser erstmals in § 70 Abs. 1 Satz 2 PVG Preußen geregelten Bestimmung zugeordnet: — Eine Person wird zum Schutze ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit (etwa zur Abwehr von Angriffen einer sie bedrohenden Menschenmenge) in polizeilichen Gewahrsam genommen und kann deshalb einen Vertrag nicht abschließen.57 — Bei der Rettung eines Betroffenen aus einem infolge einer Explosion einsturzgefährdeten Haus wird diesem ein Arm gebrochen. 58 — Ein Verletzter wird in dessen PKW ins Krankenhaus transportiert. Das Fahrzeug wird verunreinigt. 59 — Einem Obstpächter, der zur Aberntung von Pflaumenbäumen, die eine Straße säumen, berechtigt ist, wird ein Pflückverbot erteilt, weil die Gegend durch kriegsbedingte Einwirkungen radioaktiv verseucht wurde. 60 — Nach einem Sturm werden Bäume des Eigentümers, auf dessen Wohnhaus diese zu stürzen drohen, gefällt. 61 — Die Polizei verhaftet einen auf frischer Tat ertappten Einbrecher und beschädigt hierbei Mobiliar des Hauseigentümers. 62 57 Beauftragter des preußischen Innenministers im Ausschuß für Verfassungsfragen des Preußischen Landtages, zitiert in: Klausener / Kerstiens / Kempner, Das Polizeiverwaltungsgesetz, 1931, S. 209 f.; Gobrecht, Polizeirecht des Landes Berlin, 1959, § 70, 1. Abs. der Anmerkung, am Ende. 58 Schiedermair, Einführung in das bayerische Polizeirecht, 1961, S. 254 (2).

59 Friedrichs,

Polizeiverwaltungsgesetz, 1932, § 70, Erl. 6, S. 325; W. Weimar, Der

Entschädigungsanspruch des Nichtstörers, SKV 1956, 167 (168, re. Sp., b). 60 Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, § 41, Rn. 6, S. 262. 61 v. d. Groeben / Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land SchleswigHolstein, 1968, § 188, Rn. 2.2. 62 Altmeyer l De Clerk, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., 1956, § 65, Erl. 2, S. 137; W. Weimar, Der Entschädigungsanspruch des Nichtstörers, SKV 1956, 167 (168, re. Sp., c); Schiedermair, Einführung in das bayerische Polizeirecht, 1961, S. 254 (2); Ule I Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1965, § 70, Rn. 5; Rasch in der zweiten Aufl. des Kommentars aus 1982, § 46, Rn. 9; Krollmann, Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl., 1970, S. 32 oben; Scholz, Bayerisches Sicherheits- und Polizeirecht, 5. Aufl., 1987, S. 156 (1.1.2); Samper / Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, Art. 70, Erl. 14, der diesem Beispiel den Fall gegenüberstellt, in dem ein Passant bei der Verbrecherjagd von einer abirrenden Pistolenkugel getroffen wird. Hier fehle es an einem unmittelbaren Schutzzusammenhang.

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D. Die Rechtsfolge

— Die Polizei rammt den Wagen eines zuvor bestohlenen Eigentümers oder schießt mit ihren Pistolen in die Fahrzeugreifen, um die Diebe zum Anhalten zu zwingen. 63 — Die Polizei ordnet die Räumung einer Gaststätte wegen Bombendrohung an, so daß die Gäste ihre Zeche nicht bezahlen und auch später nicht begleichen.64 — Während eines Feuers auf einem Bauernhof zerreißt der Sohn des der Feuerwehr helfenden Hofbesitzers bei Rettung des Viehs seinen Mantel. 65 — Um die Ausbreitung eines Brandes zu verhindern, wird das Nachbarhaus mit Wasser berieselt oder ein dem Nachbarn gehörender Zwischenbau eingerissen. 66 Diese Beispiele vermögen weder den Sinn des Haftungsausschlusses bei Schutzmaßnahmen zu veranschaulichen, noch den mit der Beantwortung dieser Frage zusammenhängenden Streit zu klären, ob auf die Schutzabsicht der Behörde abgestellt werden muß 67 oder den Schutzerfolg einschließlich nützlicher Nebenfolgen. 68 Während die erstgenannte Ansicht zur Begründung anführt, daß der 63 OLG Hamm, NJW 1988, 1096; LG Würzburg, BayVBl. 1991, 187. 64 Vgl. OLG Stuttgart, NJW 1992, 1396. 65 W. Weimar, Der Entschädigungsanspruch des Nichtstörers, SKV 1956, 167 (168, re. Sp., a). 66 Friedrichs,

Polizeiverwaltungsgesetz, 1932, § 70, Erl. 6, S. 325; Erning, Die Ent-

schädigungsregelungen der Polizeiverwaltungsgesetze und ihre Vereinbarkeit mit dem GG, NJW 1960, 2076 (2077, Ii. Sp., 2. Abs.); Ule I Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1 : Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, 1965, § 70, Rn. 5; Ule, in: Mayer / Ule, Staats- und Verwaltungsrecht in Rheinland-Pfalz, 1969, S. 488; Lange I Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 138 am Ende. 67 Vgl. OLG Stuttgart, NJW 1992,1396, re. Sp., a. E.; Reiff/ Wöhrle / Wolf, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1984, § 41, Rn. 23. Vogel, in: Drews/Wacke/ Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 673, spricht von einer ex ante zu beurteilenden Notwendigkeit des Schutzes. In diese Richtung scheinen die Gesetze in Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zu tendieren, die davon sprechen, daß der Betroffene geschützt werden bzw. die Maßnahme zu seinem Schutz getroffen werden soll. 68 So ein DVP-Abgeordneter im Ausschuß für Verfassungsfragen des Preußischen Landtages, zitiert in: Klausener / Kerstiens / Kempner, Das Polizeiverwaltungsgesetz, 1931, S. 209. S. ferner: LG Würzburg, BayVBl. 1991, 187 (188, Ii. Sp., a); Altmeyer / De Clerk, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., 1956, § 65, Erl. 2, S. 137 f.; W. Weimar, Der Entschädigungsanspruch des Nichtstörers, SKV 1956, 167 (168, re. Sp., c); Rietdorf, Die Grundsätze des neuen Nordrhein-Westfälischen Ordnungsbehördengesetzes, DÖV 1957, 7 (12, Ii. Sp., 1. Abs. am Ende); ders., in: Rietdorf/ Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 26 und 27; Erning, Die Entschädigungsregelungen der Polizeiverwaltungsgesetze und ihre Vereinbarkeit mit dem GG, NJW 1960, 2076 (2077, Ii. Sp., Fn. 5); Ule / Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1965, § 70, Rn. 5; Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, § 41, Rn. 6; Lange / Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 138 (1.4.1); König, Bayerisches Polizeirecht, 2. Aufl., 1985, S. 188; Scholz, Bayerisches Sicherheits- und Polizeirecht,

II. Ausgewählte Probleme

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Haftungsausschluß insofern gerechtfertigt sei, als die behördliche Maßnahme nicht den Schutz öffentlicher Belange bezwecke, sondern allein dem privaten Eigeninteresse des Betroffenen entspreche, 69 was bei rechtswidrigen Maßnahmen nie der Fall sei, 70 glaubt die Gegenmeinung den Normzweck in der — von der Tatsache der Rechtswidrigkeit unabhängigen — Vorteilsausgleichung zu erblikken. Das hätte zur Konsequenz, daß sich tatsächlich erreichter Schutz und maßnahmebedingter Schaden annähernd gleichkommen und auch Schutzobjekt und Schaden in einem angemessenen Wertverhältnis zueinander stehen müßten.71 Der Haftungsausschluß scheint jedenfalls zu bezwecken, die Initiative der zur Gefahrenabwehr berufenen Beamten zu fördern. 72 Über den Sinn und die Tragweite dieser Vorschrift herrscht also Unklarheit. Bereits in der Begründung zum Alternativentwurf einheitlicher Polizeigesetze des Bundes und der Länder aus 1979 wurde auf einen in der Diskussion oft übersehenen Aspekt aufmerksam gemacht: die Anlehnung der polizeirechtlichen Bestimmungen an § 680 BGB. 7 3 Danach hat der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckt. Es geht hier um das Übernahme- und Ausführungsverschulden im Anwendungsbereich der 5. Aufl., 1987, S. 156 (1.1.2); Samper I Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, Art. 70, Erl. 14; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, §45 (39 nw OBG), Rn. 43; Berner I Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 12. Aufl., 1991, Art. 70, Rn. 9. In diese Richtung scheinen die Gesetze in Brandenburg — OBG —, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu tendieren, die darauf abstellen, ob der Betroffene geschützt worden ist bzw. die Maßnahme seinem Schutz gedient hat. 69 OLG Stuttgart, NJW 1992, 1396, re. Sp., a. E.; Hillmann I Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 177 (Rn. 285); Reiff / Wöhrle/Wolf Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1984, § 41, Rn. 23; Wöhrle / Beiz / Lang, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1985, § 41, Rn. 6; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1992, II/Rn. 229; Gornig, Das Sicherheits-und Ordnungsrecht des Landes Sachsen-Anhalt, LKV 1992, 254 (259, Ii. Sp., a. E.). 70 Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, 1934, § 70, Erl. 8. 71 Erning, Die Entschädigungsregelungen der Polizeiverwaltungsgesetze und ihre Vereinbarkeit mit dem GG, NJW 1960, 2076 (2077, Ii. Sp., 3. Abs., und re. Sp., 1. und 2. Abs.); Ule!Rasch, in: v. Brauchitsch/Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1965, § 70, Rn. 5; Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 23 und 28; Lange I Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 139; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von NordrheinWestfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (39 nw OBG), Rn. 43. 72 Beauftragter des preußischen Finanzministers im Ausschuß für Verfassungsfragen des Preußischen Landtages, zitiert in: Klausener / Kerstiens / Kempner, Das Polizeiverwaltungsgesetz, 1931, S. 211; Schütz, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 3. Aufl., 1982, Erl. 5.2 zu § 69. 73 Nr. 5 der Begründung zu § 66 AE.

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D. Die Rechtsfolge

Geschäftsführung ohne Auftrag. Da es bei den polizeirechtlichen Ausgleichsnormen allerdings auf ein Verschulden nicht ankommt, trat an die Stelle einer Haftungserleichterung des Geschäftsführers (hier: der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde) der völlige Haftungsausschluß. Für diese Nähe zu § 680 BGB spricht zudem, daß auch fast alle übrigen Vorschriften auf der Rechtsfolgenseite Vorläufer im BGB finden und daß einige Gesetze behördliche Schutzmaßnahmen ausdrücklich in den Kontext der Vorteilsausgleichung stellen, um dennoch für den vermeintlich selben Sachverhalt zugleich einen Haftungsausschluß vorzusehen (so in Bayern, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt). Offensichtlich liegt die Ratio des Haftungsausschlusses nicht in der Vorteilsausgleichung, sondern in der Förderung der Bereitschaft zur Nothilfe. Diese wird in Anlehnung an § 229 BGB durch den Grundsatz legitimiert und limitiert, daß den Polizei- und Ordnungsbehörden der Schutz privater Rechte (nur) subsidiär obliegt, wenn nämlich gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und die Untätigkeit der Behörden zu einer Vereitelung oder Erschwerung der Rechtsverwirklichung führen würde. 74 Es geht also um die Abwehr einer dem Geschädigten drohenden gegenwärtigen Gefahr in bezug auf die Durchsetzbarkeit eines privatrechtlichen Anspruches durch einstweilige Sicherungsmaßnahmen, wobei sich die Notwendigkeit des behördlichen Einschreitens wie stets ex ante bestimmt. Ein Schutzerfolg ist irrelevant, es sei denn, die einzelnen Landesgesetze verlangen ihn (so in Brandenburg — OBG —, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein). Dies ist allerdings systemwidrig. Es kann allenfalls auf die Geeignetheit der Maßnahme ankommen, den Schutzerfolg herbeizuführen. Die Behörde muß aber primär zum Schutz des Geschädigten tätig werden; ihr Handeln darf nicht beiläufiges Nebenprodukt einer im überwiegend öffentlichen Interesse getroffenen Maßnahme (ζ. B. Unterbindung von Straftaten, Feuerbekämpfung) sein (anders Artt. 70 Abs. 4 PAG Bayern, 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern: „auch" ; hier handelt es sich ebenfalls um eine — teleologisch zu reduzierende — System Widrigkeit). Nur dann liegt nämlich keine Aufopferung für das gemeine Wohl vor, und nur dann ist es gerechtfertigt, daß der Betroffene seinen Schaden selbst trägt. Eine Maßnahme, die in erster Linie die Allgemeinheit schützen soll, darf nicht zu einem Haftungsausschluß führen, nur weil sich eine Person zufällig näher an der Gefahrenquelle befand, ohne für sie verantwortlich zu sein. Selbstverständlich muß das Einschreiten der Behörde unter Berücksichtigung der zuvor genannten Kriterien insgesamt rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig sein (Artt. 1 Abs. 3,20 Abs. 3 GG). Eine Maßnahme ist u. a. dann unverhältnis74 §§ 2 Abs. 2 PolG Baden-Württemberg; 1 Abs. 4 ASOG Berlin; 1 Abs. 2 PAG Brandenburg; 1 Abs. 2 PolG Bremen; 1 Abs. 3 SOG Hessen; 1 Abs. 2 SOG MecklenburgVorpommern; 1 Abs. 3 SOG Niedersachsen; 1 Abs. 2 PolG Nordrhein-Westfalen; 1 Abs. 2 PVG Rheinland-Pfalz; 2 Abs. 2 PolG Sachsen; 1 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt; 162 Abs. 2 LVwG Schleswig-Holstein; 2 Abs. 2 PAG Thüringen.

II. Ausgewählte Probleme

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mäßig, wenn sie zur Errreichung des Schutzerfolges untauglich ist oder die im Zeitpunkt des Handelns zu erwartenden Eingriffsfolgen wertmäßig deutlich höher zu veranschlagen sind als das Schutzobjekt. Bei der Unrechtshaftung kommt daher der Haftungsausschluß aufgrund einer Schutzmaßnahme nicht zum Zuge. Etwaige Schutzerfolge sind allein bei der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen, indem der Wert dieses Schutzerfolges vom Schaden abzuziehen ist. Vor diesem Hintergrund erweist sich die praktische Relevanz des Haftungsausschlusses als äußerst gering. In sämtlichen eingangs genannten Beispielen fehlt es an dem Schutzziel der Sicherung eines allein privatrechtlich gewährleisteten Anspruches. Dennoch sei abschließend darauf hingewiesen, daß auch in den Ländern, die diesen Haftungsausschluß positivrechtlich nicht geregelt haben, die Nichtstörerentschädigung teleologisch zu reduzieren ist — mit der Konsequenz eines Anspruchswegfalls —, wenn ausnahmsweise keine Aufopferung für das gemeine Wohl vorliegt.

5. „Mitverschulden" und Primärrechtsschutz Das „Mitverschulden" ist ein Sammelbegriff für die unterschiedlichsten Fallkonstellationen, die zu einer Kürzung oder dem Wegfall des Ausgleichsanspruches des Geschädigten führen können. Es folgen einige Beispiele aus der Rechtsprechung und Literatur zur Haftung der Polizei- und Ordnungsbehörden: — Betriebsgefahr eines Kfz; 7 5 — zum Schaden außer Verhältnis stehende Aufwendungen; 76 — Nichtkonsultation eines Arztes trotz erkennbarer Infektionsgefahr bzw. unterlassene Vorsichtsmaßnahmen gegen eine Ansteckung; 77 — Nichtentfernen von Personen von einem Ort oder aus einer Menschenmenge, gegen die eingeschritten werden soll, trotz polizeilicher Aufforderung; 78 — Auslösung des Eingriffs durch einen Störer, einschließlich desjenigen, der schuldhaft den Anschein einer Gefahr erweckt hat; 79 75 BGHZ 99, 249 (255); OLG Hamm, NVwZ 1986, 509 (511, Ii. Sp.). 76 BGH, DVB1. 1976, 714 (715, Ii. Sp.). 77 Schieberger, Das Ordnungs- und Polizeirecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 5. Aufl., 1981, S. 128; Samper ! Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, Art. 70, Erl. 19. 78 Kellner, Schadensersatzansprüche polizeigeschädigter Demonstranten gegen den Staat, MDR 1987, 617 (622, Ii. Sp., 2. Abs.) zu Art. 47 Abs. 2 PAG Bayern a. F.; Berner I Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 12. Aufl., 1991, Art. 70, Rn. 14. 79 Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 41, Rn. 13; Schieber ger, Das Ordnungs- und Polizeirecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 5. Aufl., 1981, S. 131; Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 34.

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D. Die Rechtsfolge

— finanzielle Dispositionen im Vertrauen auf die Richtigkeit einer Auskunft über eine zu erwartende positive, dann aber doch negativ ausfallende Entscheidung der Behörde (hier: Bauvorbescheid), ohne diese(n) selbst abzuwarten, wobei die bisherige Dauer des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen ist; 8 0 — Vollzug einer polizeilichen Erlaubnis trotz Suspensiveffekts aufgrund des Rechtsmittels eines belasteten Dritten. 81 Diese Auflistung ließe sich beliebig fortsetzen. Hier soll nur ein Aspekt, der auch im Polizei- und Ordnungsrecht zu berücksichtigenden Schadensabwendungs- bzw. -minderungsobliegenheit des Betroffenen (vgl. § 254 Abs. 2 BGB) 8 2 behandelt werden: die Folgen der Nichtinanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. § 839 Abs. 3 BGB). Auch im Anwendungsbereich der polizeilichen Unrechtshaftung entspricht es nämlich ständiger Rechtsprechung, daß der von einer behördlichen Maßnahme Betroffene die Rechtmäßigkeit des Eingriffs zu prüfen hat. Muß sich ihm die Rechtswidrigkeit des behördlichen Handelns aufdrängen, darf er auf ihn begünstigende Maßnahmen nicht vertrauen, 83 belastende Maßnahmen muß er anfechten bzw. die verwehrte Begünstigung einfordern; 84 ein weiterer Grund, warum die Frage der Rechtmäßigkeit der Maßnahme unabhängig von einer Sonderopferlage nicht offen bleiben darf. 85 so Vgl. BGH, NJW 1992, 1230 (1231, Ii. Sp., 1. Abs.), allerdings mit anderem Begründungsansatz. S. oben Β III 1,2 und Β VI 2. 81 Hier läßt sich aber bereits der Zurechnungszusammenhang verneinen, wenn der Bürger den Suspensiveffekt kennt. S. oben Β VI 2. 82 BGH, NJW 1986, 182 (183, Ii. Sp., 3. Abs). Die Anwendbarkeit des § 254 Abs. 2 BGB ergibt sich aus dem Vergleich mit anderen Ausprägungen verschuldensunabhängiger Haftung (ζ. B. §§ 9 StVG, 85 AMG, 4 HaftpflG). 83 BGHZ 92, 302 (304); BayVBl. 1980, 150 (151, Ii. Sp., letzter Abs., re. Sp., 2. und 3. Abs.); MDR 1984, 295, Ii. Sp.; VersR 1989, 594, re. Sp., 1. Abs.; OLG Köln, ZMR 1984, 369 (370, Ii. Sp., 4); NVwZ 1989, 288 (290, Ii. Sp., 5); OLG Düsseldorf, NJW 1987, 1336, re. Sp. (IV). 84 BGHZ 90,17 (32). Offengelassen noch von BGHZ 86,356 (365). S. ferner: Bögner, Die Entschädigungsansprüche im Polizeirecht, DVB1. 1953, 357 (359, re. Sp., 2. Abs., 3); Jaenicke, Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht?, VVDStRL 20 (1963), 135 (157); Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 97 mit Fn. 14; Rietdorf, in: Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau, 2. Aufl., 1972, § 42, Rn. 20; Thomas, Flexible Schadenszurechnung im Staatshaftungsrecht, dargestellt am Beispiel des Mitverschuldens, Diss. iur. Bonn, 1977, S. 30, 38 mit Fn. 5; Lange ! Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 140; Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1 : Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, 2. Aufl., 1982, § 46, Rn. 10; Prior, Ersatzansprüche im Zusammenhang mit der Erteilung, Versagung und Verzögerung von Baugenehmigungen, BauR 1987,157 (160, re. Sp., 2. Abs.); Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von NordrheinWestfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (40 nw OBG), Rn. 4; Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 35, Rn. 2; Heesen / Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 35, Rn. 6 f; Schenke, Staatshaftung und Aufopferung — Der Anwendungsbereich des Aufopferungsanspruchs, NJW 1991, 1777 (1783, Ii. Sp., 1. Abs.).

II. Ausgewählte Probleme

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Letzteres folgt aber nicht etwa aus einem durch Art. 19 Abs. 4 GG oder das Argument der Sachnähe vermittelten institutionellen Vorrang des Primärrechtsschutzes.86 Maßgeblich ist vielmehr die Überlegung, daß ein Verhalten, das bei Eingriffen in eine fremde Rechtssphäre eine Ersatzpflicht begründen würde, bei einem „Eingriff 4 in die eigene Rechtssphäre nicht unbeachtet bleiben darf; genauer gesagt: Für den Geschädigten dürfen keine Anreize für ein künstliches Hochtreiben des Schadens zu Lasten der Steuerzahler bestehen, er muß sich daran messen lassen, welche Maßnahmen er treffen würde, müßte er den erlittenen Nachteil selbst ausgleichen.87 In diesem Fall aber würde er einen Eingriff nicht tatenlos über sich ergehen lassen, sondern das Unrecht abzuwehren suchen.88 Unterläßt er dies, darf der Betroffene seinen Schaden nicht als Lohn für seine Untätigkeit dem Staat in Rechnung stellen,89 sein Ausgleichsanspruch mindert sich oder entfällt ganz, je nachdem, wie geeignet das Rechtsmittel zur Schadensabwendung gewesen wäre. 90 Das Maß der dem Geschädigten zuzurechnenden Mitverantwortung orientiert sich zum einen an der Vorwerfbarkeitswertung des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG (Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit), 91 wobei der Bürger nicht klüger zu sein braucht als der verantwortliche Beamte.92 Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei daraufhingewiesen, daß die Vertrauenshaftung nach § 48 Abs. 3 VwVfG bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG stets entfällt, und zwar unabhängig davon, ob der Behörde selbst ein Verschulden zur Last fällt. Bei der Unrechtshaftung hingegen führt etwa die grob fahrlässige Unkenntnis des Betroffenen dann nicht zu einem ss So aber BGH, NJW 1992, 2639, Ii. Sp., (I a. E.); OLG Hamm, NWVB1. 1992, 110 (111, Ii. Sp., 1. Abs.). 8 6 So aber Papier, in: Münchener Kommentar, Bd. III, Halbbd. 2, 2. Aufl., 1986, § 839, Rn. 285; Jaenicke, Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht?, VVDStRL 20 (1963), 135 (157); Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 97 mit Fn. 14; Thomas, Flexible Schadenszurechnung im Staatshaftungsrecht, dargestellt am Beispiel des Mitverschuldens, Diss. iur. Bonn, 1977, S. 30, 38 mit Fn. 5. 87 Vgl. Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 180 f., 185. 88 In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Folgenbeseitigung eine rechtswidrige Maßnahme nicht abwehrt, sondern nur zur Restitution führt. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 279, Fn. 36. S9 BGHZ 56, 57 (63); Konow, Zur Anwendung des § 839 Abs. 3 BGB bei den Ansprüchen wegen rechtswidriger enteignungsgleicher Eingriffe, DÖV 1966, 327 (328, Ii. Sp., 1. Abs. am Ende). 90 Zu den schwierigen hypothetischen Kausalitätserwägungen s. BGH, VersR 1985, 588 (589, re. Sp., 5. Abs.); 1985, 887, Ii. Sp., letzter Abs.; NJW 1986, 1924 (1925, Ii. Sp., 4. Abs. f.); Jaenicke, Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht?, VVDStRL 20 (1963), 135 (157). 91 So im Kontext des enteignungsgleichen Eingriffs Ossenbühl, Neuere Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, 1984, S. 26. 92 RGZ 150,323 (329); BGHZ 108,224 (230); VersR 1985,358 (359, re. Sp., 7. Abs.).

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D. Die Rechtsfolge

automatischen Anspruchsausschluß, wenn der Amtswalter seinerseits grob fahrlässig oder vorsätzlich rechtswidrig gehandelt hat. Die polizeirechtlichen Normen über das Mitverschulden ermöglichen insofern eine flexible Schadensteilung, während § 48 VwVfG dem Prinzip des Alles-oder-Nichts verhaftet bleibt. 92a Die Mitverantwortung des Geschädigten orientiert sich zum anderen an Zumutbarkeitskriterien wie Effektivität (sie fehlt ζ. B. bei Sofortschäden aufgrund von Realakten) und dem Prozeßkostenrisiko (unter Berücksichtigung der Erfolgschancen und vermutlichen Verfahrensdauer). 93 Das Vertrauen auf rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte ist etwa schutzwürdig, wenn die Behörde durch Anordnung des Sofortvollzugs oder sonstige Erklärungen die vermeintliche Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts unterstreicht oder wenn zwischen Erlaß des Verwaltungsakts und Einlegung eines Rechtsmittels durch einen belasteten Dritten, dem der Verwaltungsakt nicht bekanntgegeben worden ist, eine große Zeitspanne liegt. § 50 VwVfG findet jedenfalls im Rahmen der Unrechtshaftung keine Anwendung. 94 Bei mangelnder Vorwerfbarkeit oder Zumutbarkeit können auch Schäden aus bestandskräftigen Verwaltungsakten liquidiert werden, eine Anfechtung rechtswidriger Belastungen ins Blaue hinein ist also nicht erforderlich. Die Bestandskraft des Verwaltungsaktes, zu dessen Regelungsgegenstand die Rechtmäßigkeit ohnehin nicht gehört, steht dem nicht entgegen, weil sie im Unterschied zur Rechtskraft eines Urteils gerade nicht die materielle Wirkung des „ne bis in idem" hat. 95 Deshalb reicht es etwa aus, die Feststellung der Nichtigkeit eines Bebauungsplanes in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zu begehren. Der Betroffene braucht nicht auch noch die auf Grundlage des Planes erteilten Baugenehmigungen anzufechten. 96

92a Vgl. nur LG Mainz, NVwZ 1993, 603 (606, re. Sp., 2.8). 93 RGZ 150, 323 (329 f.); BGHZ 15, 305 (313); 91, 20 (24); 92, 34 (59 f.); Ossenbühl, Neuere Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, 1984, S. 24-26. 94 S. oben C H I . Anderer Ansicht offensichtlich LG Mainz, NVwZ 1993, 603 (607, Ii. Sp., 4. Abs.). 95 BGHZ 2, 209 (214); 9, 129 (131); 86, 356 (359); 113, 17 (18 ff.) mit zustimmender Anmerkung von Schröder, DVB1. 1991, 751 ff., und Nierhaus, JZ 1992, 209 ff.; BGH,

NJW 1979, 2097 (2098, Ii. Sp., 7. Abs.); 1983, 2823, re. Sp. (b); NVwZ 1986, 76 (77, re. Sp., 6. Abs.); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 100. Anderer Ansicht: Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965, S. 88; Wey reuther, Gutachten Β zum 47. Deutschen Juristentag, 1968, S. 105; Thomas, Flexible Schadenszurechnung im Staatshaftungsrecht, dargestellt am Beispiel des Mitverschuldens, Diss. iur. Bonn, 1977, S. 36; Papier, in: Maunz u. a., Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., Art. 34, Rn. 144 (Stand der Kommentierung: Januar 1987); Jeromin, Die Bestandskraft von Verwaltungsakten im Amtshaftungsprozeß, NVwZ 1991, 453 (454 f.). 96 BGHZ 92, 34 (50).

E. Passivlegitimation und Regreß I . Ausgleichspflichtiger Einheitliche Normen über die Passivlegitimation gibt es nicht. Entsprechend der zum Amtshaftungsanspruch entwickelten Terminologie 1 lassen sich — allerdings nur unter Anwendung eines vergröbernden Rasters — 2 drei Typen unterscheiden: — Die meisten Länder lehnen sich an die sogenannte Anvertrauenstheorie an. Danach haftet grundsätzlich der Verband, bei dem der handelnde Amtswalter angestellt ist. Nimmt er jedoch Aufgaben einer anderen Behörde wahr (aufgrund einer Weisung oder eines Ersuchens), so haftet diese: §§ 63 Abs. 1 und 2 ASOG Berlin; 60 Abs. 1 und 2 PolG Bremen; 68 Abs. 1 und 2 SOG Hessen; 62 Abs. 1 und 2 SOG Niedersachsen; 72 Abs. 1 und 2 PVG RheinlandPfalz; 72 Abs. 1 und 2 PolG Saarland; 73 Abs. 1 und 2 SOG Sachsen-Anhalt; 72 Abs. 1 und 2 PAG Thüringen. — Vereinzelt wird auf die sogenannte Funktionstheorie abgestellt. Es haftet also die Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich die wahrgenommene Aufgabe fällt: §§ 40 Abs. 1 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; 41 Abs. 1 Sätze 1 und 2 OBG Brandenburg; 73 Abs. 1 PAG Brandenburg; 42 Abs. 1 Sätze 1 und 2 OBG Nordrhein-Westfalen; 3 67 PolG Nordrhein-Westfalen. — Schließlich finden sich Ausprägungen der sogenannten Anstellungstheorie. Hier ist der Verband ersatzpflichtig, bei dem der handelnde Amtswalter angestellt ist: § 56 PolG Baden-Württemberg; Artt. 70 Abs. 6 PAG Bayern; 11 Abs. 1 Satz 2 LStVG Bayern; §§ 10 Abs. 3 Satz 3 SOG Hamburg; 75 Abs. 1 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 39 PolG Sachsen; 224 Abs. 1 LVwG Schleswig-Holstein. Nur diese Lösung ist rechtspolitisch tragbar, weil sie den Geschädigten der Gefahr enthebt, mangels näherer Kenntnis des staatlichen Organisationsgefüges und verwaltungsinterner Vorgänge den passivlegitimierten Hoheitsträger zu ver1 Dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 93-95. Die hier vorgenommene Unterscheidung ist also nur idealtypisch und ersetzt nicht das Studium der jeweiligen bundes- und landesrechtlichen Besonderheiten. 3 S. hierzu OLG Köln, Urteil vom 11. Februar 1992 — 7 U 73 / 81, zitiert bei: Prior, Ersatzansprüche im Zusammenhang mit der Erteilung, Versagung und Verzögerung von Baugenehmigungen, BauR 1987, 157 (160, Fn. 16), OLG Hamm, NWVB1. 1992, 110 (111, Ii. Sp., 2 b). 2

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E. Passivlegitimation und Regreß

fehlen. 4 Außerdem wird auch beim verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutz auf das Außenhandeln abgestellt (vgl. § 78 VwGO). Nebenbei sei darauf hingewiesen, daß § 7 RBHG (Ausschluß der Haftung gegenüber Ausländern), der bei der Amtshaftung die persönliche Schadensersatzpflicht des handelnden Bundesbeamten begründet, nicht für die Unrechtshaftung nach dem BGSG und BKAG gilt (Argument: „ . . . auf Grund dieses Gesetzes . . = RBHG). 5

II. Rückgriffsansprüche der ausgleichspflichtigen Stelle 1. Regreßansprüche gegen mitverantwortliche Privatrechtssubjekte Der ausgleichspflichtige Hoheitsträger kann einen Mitschädiger in Regreß nehmen und umgekehrt. Die letztgenannte Konstellation scheidet wegen der Subsidiarität des im PAG niedergelegten Anspruchs nur in Bayern aus.6 Allerdings gelten nicht die dem § 255 BGB entsprechenden polizeirechtlichen Vorschriften, denn es ist gar nicht einzusehen, wieso bei mehreren für einen Schaden Verantwortlichen der eine den auf ihn entfallenden Schadensteil in voller Höhe auf den anderen abwälzen können soll. § 255 BGB geht davon aus, daß im Ergebnis allein der Dritte als der dem Schaden näher stehende belastet werden soll. Dies ist beim Zusammentreffen der Unrechtshaftung etwa mit der Haftung aus unerlaubter Handlung oder vergleichbaren Haftungsinstituten aber nicht der Fall. Die Ersatzpflicht der Schädiger ist hier gleichartig und gleichwertig. 7 Beispiele: — Die Gefährdungshaftung eines LKW-Fahrers wegen eines Unfalls in einem Kreuzungsbereich trifft mit der Unrechtshaftung der Straßenverkehrsbehörde wegen Versagens der Lichtzeichenanlage zusammen.8 — Die Amtshaftung eines BGS-Beamten wegen schuldhaft rechtswidriger Zurückweisung eines Ausländers (§ 7 RBHG) trifft mit der Unrechtshaftung nach dem BGSG zusammen.9 Die dem § 255 BGB entsprechenden Vorschriften greifen also nur bei verschiedenartigen Ansprüchen. Beispiele: 4

Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 46; Rachor, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, L/Rn. 38. 5 LG Frankfurt, NJW 1986,2201, re. Sp. am Ende; Engelhardt, Neue Rechtsprechung des BGH zum Staatshaftungsrecht, NVwZ 1992, 1052 (1065, Ii. Sp., 4. Abs.) 6 S. oben D II 3. 7 Vgl. Teichmann, in: Jauernig u. a., Bürgerliches Gesetzbuch, 6. Aufl., 1991, § 255, Anm. 1; Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 51. Aufl., 1992, § 255, Rn. 1. Wie hier §§ 69 AE PolG 1979 und 10 Abs. 2 und 3 StHG 1981. 8 Abgewandelter Sachverhalt aus BGH, NJW 1984, 2097. 9 LG Frankfurt, NJW 1986, 2201.

II. Rückgriffsansprüche der ausgleichspflichtigen Stelle

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— Ein freiwilliger Nothelfer rettet durch sein Dazwischengehen ein kleines Mädchen vor den Bissen eines von Polizeibeamten verfolgten, tollwütigen Hundes und wird dabei verletzt. Der Helfer tritt seine Ansprüche gegen den Hundehalter an die ausgleichspflichtige Körperschaft ab und wird von dieser entschädigt.10 — Die Ordnungsbehörde hat den Abbruch einer Ruine veranlaßt, obwohl dies vom Standpunkt der Gefahrenabwehr noch nicht notwendig war. Mauerreste sind dabei auf das Grundstück des Nachbarn gefallen, der die Herausgabe der Mauerteile verweigert. Die Ordnungsbehörde ist nur Zug um Zug gegen Abtretung des Herausgabeanspruchs zur Entschädigung des Ruineneigentümers verpflichtet. 11 Unter § 255 fallen im übrigen alle solchen Ansprüche nicht, die auch bei einer Vorteilsausgleichung nicht berücksichtigungsfähig wären, ζ. B. Leistungen einer Versicherung des Geschädigten, die dieser selbst erarbeitet bzw. erkauft hat. 12 Das Verhältnis zwischen mehreren Schädigern jedoch bestimmt sich — ohne daß es eines Abtretungsvertrages zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten bedürfte — allein nach den Regeln über die Gesamtschuld (vgl. §§ 840, 426 BGB). Besteht die Unrechtshaftung freilich auch gegenüber dem Zweitschädiger, 13 so will der BGH diesem versagen, den ihn treffenden Schadensteil in voller Höhe auf die Behörde zu verlagern. In Bayern ist dies wegen der Subsidiarität der polizeirechtlichen Haftung selbstverständlich. Aber auch in den anderen Ländern scheint sich der Zweitschädiger seiner Mitverantwortung nicht entziehen und das Haftungsergebnis nicht von der zufälligen Reihenfolge der Schadensabwicklung abhängen zu dürfen. Wenn der Geschädigte zuerst die Behörde in Anspruch nehme, komme es nämlich zu einem gesamtschuldnerischen Ausgleich mit dem Zweitschädiger; werde erst dieser belangt, könne insofern nichts anderes gelten. Ein Anspruch aus Unrechtshaftung scheide deshalb aus. 14 Diese Rechtsprechung ist, wie gesagt, für Bayern richtig, würde aber in den anderen Ländern die Tatsache der auch gegenüber dem Zweitschädiger bestehenden Unrechtshaftung schlicht unter den Tisch fallen lassen. Zum ersatzfähigen Schaden des Dritten gehört auch das sogenannte Haftungsinteresse; er hat einen Anspruch auf Befreiung von seiner Schadensverbindlichkeit, die allein aufgrund des rechtsMeixner, Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 3. Aufl., 1991, §65, Rn. 5. h Rietdorf \ in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 42, Rn. 19. ι2 Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (40 nw OBG), Rn. 3. 13 So im oben genannten LKW-Beispiel. 14 Vgl. BGH, NJW 1974, 360 (362, Ii. Sp., 7. Abs. f.) zu § 839 Abs. 1 BGB.

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E. Passivlegitimation und Regreß

widrigen Verhaltens der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde entstanden ist. Seine Mitverantwortung bei der Entstehung des Schadens ist nur unter dem Gesichtspunkt des „Mitverschuldens" zu berücksichtigen. 15 Dessen ungeachtet hat er grundsätzlich einen Anspruch aus Unrechtshaftung in bezug auf alle Aktiv- und Passivschäden.

2. Ersatzansprüche gegen mitverantwortliche Hoheitsträger Auch zwischen Hoheitsträgern kommen Rückgriffssituationen in Betracht. Beispiel: Die Bauordnungsbehörde (Kreis) erteilt eine Baugenehmigung, die wegen der Nichtigkeit der Bebauungssatzung einer kreisangehörigen Gemeinde rechtswidrig ist. 16 Nach dem zuvor Gesagten läßt sich zwanglos ein Gesamtschuldverhältnis zwischen beiden Verwaltungsträgern (Kreis einerseits, Gemeinde andererseits) annehmen, das durch die Unrechtshaftung des Kreises und die Amtshaftung der Gemeinde bzw. ihre Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff begründet wird 1 7 (diese Rückgriffsmöglichkeit sehen auch §§69 AE PolG 1979 und 10 Abs. 1 und 3 StHG 1981 vor). Es sind aber Fälle denkbar, in denen die Außenhaftung nur die Polizei- bzw. Ordnungsbehörde trifft, nicht einen hinter ihr stehenden Hoheitsträger. So verhält es sich etwa, wenn die Behörde ihre Maßnahme auf ein verfassungswidriges Parlamentsgesetz stützt, so daß zwar die polizeiliche Unrechtshaftung greift, nicht aber die Haftung des Bundes oder eines Landes aus enteignungsgleichem Eingriff. 18 § 11 StHG 1981 begründet hier einen Regreßanspruch des für die Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht verantwortlichen Verwaltungsträgers. De lege lata ist jedoch nur die Situation geregelt, in der die weisungsgebundene oder ersuchte Behörde bzw. der bei ihr angestellte Funktionsträger für den Schaden aufgrund der Art und Weise der Durchführung der Maßnahme allein (nicht nur mit-) verantwortlich ist. Dann entfällt entweder der an sich bestehende Ersatzanspruch dieser Behörde gegen die anweisende oder ersuchende Behörde — so Art. 71 Abs. 1 PAG Bayern — 15 Die vom LKW ausgehende Betriebsgefahr wird etwa im Verhältnis zur Unrechtshaftung mit 30% angesetzt. BGHZ 99, 249 (255); OLG Hamm, NVwZ 1986, 509 (511, Ii. Sp.,3. Abs.). Das „Mitverschulden" ist sowohl beim Objekt- und Vermögensfolge- als auch beim Haftungsschaden in Ansatz zu bringen, dort allerdings unter dem Aspekt der Mitverursachung gerade dieses Schadensteils. 16 BGHZ 82, 361 (365); OLG Köln, ZMR 1984, 369, re. Sp. 17 Die Gleichartigkeit von Unrechtshaftung und enteignungsgleichem Eingriff läßt sich beim Regreß damit rechtfertigen, daß letzterer per definitionem rechtswidrig ist. Davon zu unterscheiden ist die Frage der systematischen Einordnung; s. oben C I. is S. oben Β V 4.

II. Rückgriffsansprüche der ausgleichspflichtigen Stelle

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oder letztere hat, weil sie im Außenverhältnis passivlegitimiert ist, einen Erstattungsanspruch gegen die angewiesene oder ersuchte Behörde: §§40 Abs. 3 BGSG; 63 Abs. 3 ASOG Berlin; 41 Abs. 1 Satz 3 OBG Brandenburg; 60 Abs. 3 PolG Bremen; 68 Abs. 3 SOG Hessen; 62 Abs. 3 SOG Niedersachsen; 42 Abs. 1 Satz 3 OBG Nordrhein-Westfalen; 72 Abs. 3 PVG Rheinland-Pfalz; 72 Abs. 3 PolG Saarland; 73 Abs. 3 SOG Sachsen-Anhalt; 72 Abs. 3 PAG Thüringen.19 Diese Normen können als spezialgesetzlicher Ausfluß eines öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses begriffen werden; sie regeln den Fall des sogenannten AusführungsVerschuldens. Es geht hier also um pflicht- bzw. rechtswidrige Maßnahmen der Vollzugsbehörde. 20 Unter den Tatbestand des Erstattungsanspruchs fallen — außer in Bayern — auch die sogenannten Polizeihelfer- und Unbeteiligten-Fälle.21 Zwar sind die behördlichen Maßnahmen hier jeweils rechtmäßig. Aber solange keine maßnahmenspezifische Weisung bzw. ein entsprechendes Ersuchen vorliegt, 22 beruhen Zufallschäden und die Zustimmung zur Mithilfe eines Privaten stets auf der Art und Weise der Durchführung. In den Ländern, in denen entsprechende Erstattungsnormen fehlen (für die Amtshilfe: § 8 VwVfG), ist auf die allgemeinen Institute des öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses und der positiven Forderungsverletzung zurückzugreifen. Der Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 BGB analog spielt in den Ländern eine Rolle, in denen die Anstellungskörperschaft als Vollzugsbehörde im Verhältnis zum Geschädigten passivlegitimiert ist (ζ. B. Hamburg und Schleswig-Holstein), während der Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Pflichten aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis in den Ländern von Bedeutung ist, in denen die für die Aufgabe zuständige, aber nicht handelnde Behörde im Außenverhältnis zum Ausgleich verpflichtet ist (ζ. B. Baden-Württemberg, Brandenburg — PAG —, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern). Zur Klarstellung: Für den Aufwendungsersatzanspruch ist es grundsätzlich gleichgültig, ob die „geschäftsführende" Behörde mit oder ohne Auftrag einer anderen Behörde (des „Geschäftsherrn") handelt. Im letzten Fall werden die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag angewendet, solange keine Zuständigkeitseinmischung bzw. kein voreiliger Zuständigkeitsübergriff vorliegt. 23 19 Zur Höhe des Rückgriffs s. nachfolgend Ε II 3. 20 Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, § 45, Rn. 1; Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 45, Rn. 2 f.; Lange / Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 141; Samper / Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, § 71, Erl. 5; Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 40, Rn. 5; De Clerk, in: De Clerk / Schmidt, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 5. Aufl., Stand: März 1990, § 72, Erl. IV; Berner / Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 12. Aufl., 1991, Art. 71, Rn. 3; Würtenberger, in: Achterberg/ Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7/1, Rn. 310. 21 Heesen/Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 40, Rn. 11. 22 Darauf abstellend auch Sauer, in: Mandelartz / Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, § 72, Erl. 5 8 Treffer

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E. Passivlegitimation und Regreß

Im ersten Fall muß der Anspruch erst recht bestehen. Ebenso unstreitig ist die Anwendung der Grundsätze über die Haftung für positive Forderungsverletzung. 24 Ihre Heranziehung ist die Konsequenz spiegelbildlicher Regeln über die Passivlegitimation. In den übrigen Konstellationen — z. B. den Beruhensfällen bei einem verfassungswidrigen Parlamentsgesetz — , in denen ein mitverantwortlicher Hoheitsträger im Außenverhältnis zum Geschädigten nicht haftet und auch nicht mit dem Institut des öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses gearbeitet werden kann, ist eine Rechtsgrundlage für einen Regreßanspruch der Polizei- oder Ordnungsbehörde nicht ersichtlich. Insbesondere scheiden Ansprüche aus Unrechts- oder Amtshaftung in Höhe des Haftungsinteresses aus, weil die für den Fehler verantwortliche Stelle gegenüber dem ersatzpflichtigen Hoheitsträger regelmäßig keine diesen schützende Norm bzw. drittgerichtete Amtspflicht verletzt hat. Es fehlt insofern an einer „Gegnerschaft" in der Interessenwahrnehmung. 25 Die Behörde bleibt also auf ihrer Verpflichtung zum Schadensausgleich sitzen.

3. Ersatzansprüche gegen Störer Die gegenüber dem Geschädigten passivlegitimierte (in Bayern: die im Innenverhältnis erstattungspflichtige) Behörde ist berechtigt, denjenigen in Regreß zu nehmen, gegen den — wenn es möglich gewesen wäre — die polizeiliche Maßnahme hätte rechtmäßigerweise gerichtet werden dürfen und müssen, weil er für die Gefahrenlage verantwortlich war: §§40 Abs. 2 Nr. 1 BGSG; 57 PolG Baden-Württemberg; Art. 72 PAG Bayern; §§64 ASOG Berlin; 41 Abs. 2 OBG Brandenburg; 74 PAG Brandenburg; 61 PolG Bremen; 10 Abs. 4 SOG Hamburg; 69 SOG Hessen; 75 Abs. 2 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 63 SOG Niedersachsen; 42 Abs. 2 OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG NordrheinWestfalen; 73 PVG Rheinland-Pfalz; 73 PolG Saarland; 40 PolG Sachsen; 74 SOG Sachsen-Anhalt; 224 Abs. 2 LVwG Schleswig-Holstein; 73 PAG Thüringen. Gedacht ist hier etwa an folgende Fälle: — Die Polizei zieht in einem Unglücksfall (Verursacher = Störer) eine Person (Nichtstörer) zur Beseitigung der Unfallspuren heran. 26 23 Ossenbühl Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 289. Eine Geschäftsführung ohne Auftrag insofern für unmöglich haltend: Maurer, Polizei und Geschäftsführung ohne Auftrag, JuS 1970, 561 (565, re. Sp., 3. Abs.). 24 Ossenbühl Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 298 (c), allerdings in bezug auf das Verhältnis Bürger — Staat. 25 BGHZ 87, 253 (255); NJW 1992, 972; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 56. 26 Reiff/ Wöhrle /Wolf, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1984, § 43, Rn. 1. Nicht hierher gehören die von Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 45, Rn. 5; Wöhrle / Beiz / Lang, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1985, § 42, Rn. 3,

II. Rückgriffsansprüche der ausgleichspflichtigen Stelle

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— Ein Obdachloser (Störer) wird von der Behörde in eine leerstehende Privatwohnung (der Eigentümer ist Nichtstörer) eingewiesen.27 Wichtig ist, daß auf der Sekundärebene der genaue Umfang der Polizeipflichtigkeit des Störers bestimmt wird, mag auch auf der Eingriffsebene eine Inanspruchnahme pro rata unzweckmäßig sein. Der Obdachlose etwa — und zwar auch der minderjährige — ist nur, aber auch in jedem Fall — also unabhängig von einer Unterhaltsberechtigung — für seine eigene Obdachlosigkeit polizeirechtlich verantwortlich, nicht für diejenige seiner Familienmitglieder, es sei denn, er ist diesen gegenüber unterhaltspflichtig. Deshalb kann der Obdachlose beim Rückgriff nur anteilsmäßig, d. h. bezogen auf seine Person und den Umfang seiner Wohnungsnutzung, in Anspruch genommen werden, wenn er nicht aufgrund der Verletzung einer Unterhaltspflicht auch Störer in bezug auf die Obdachlosigkeit Dritter ist. Denn dann muß er unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit vorrangig in Regreß genommen werden. 28 Einige Ländergesetze verweisen in diesem Zusammenhang auf die Geschäftsführung ohne Auftrag (Baden-Württemberg, Brandenburg — OBG —, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein). Weil die einschlägigen Gesetze sowohl die Person des Geschäftsführers (Behörde) als auch des Geschäftsherrn (Störer) festlegen und weil sie die Geschäftsführung, nämlich die Gefahrenabwehr, als solche legitimieren (Berechtigung i. S. d. § 677 BGB), handelt es sich hier um eine Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 683, 670 BGB. 2 9 und Stephan, in: Bretzinger, Staats- und Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg, 1991, VIII / Rn. 173, genannten Beispiele, die den Tatbestand des § 323 c StGB erfüllen. Denn die Verletzung der dort normierten Handlungspflicht begründet eine Störung der öffentlichen Sicherheit. 27 LG Essen, Urteil vom 5. Januar 1956 — 10 S 453/55, zitiert bei: Seiht, Ersatz von Aufwendungen der Obdachlosenbehörde nach § 72 prPVG durch Minderjährige, ZMR 1956, 187 (188, Ii. Sp., 3. Abs.); ZMR 1958, 105; Rietdorf\ in: Rietdorf/Heise/ Böckenförde/ Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 45, Rn. 5; Reiff/ Wöhrle / Wolf Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1984, § 43, Rn. 4; Wöhrle / Beiz l Lang, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1985, § 43, Rn. 3; Renèlt / Klowait, Der Regreßanspruch der Ordnungsbehörde gegenüber eingewiesenen Obdachlosen gemäß § 42 Abs. 2 OBG NW, NWVB1. 1992, 195 ff. 28 LG Essen, ZMR 1958, 105 (106, Ii. Sp., letzter Abs.); Seibt, Ersatz von Aufwendungen der Obdachlosenbehörde nach § 72 prPVG durch Minderjährige, ZMR 1956, 187 (189, Ii. Sp., 2. Abs.); Renèlt / Klowait, Der Regreßanspruch der Obdachlosenbehörde gemäß § 42 Abs. 2 OBG NW, NWVB1. 1992, 195 (196, Ii. Sp., II 1 a, und 197, Ii. Sp., 2, sowie 198, Ii. Sp., 2 Abs. f.). 29 Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, 1932, § 72, Erl. 2; Seibt, Ersatz von Aufwendungen der Obdachlosenbehörde nach § 72 prPVG durch Minderjährige, ZMR 1956, 187 (188, Ii. Sp., 2. Abs.); Ule / Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1965, Erl. zu § 72; Ule, in: Mayer/Ule, Staats- und Verwaltungsrecht in RheinlandPfalz, 1969, S. A9Q\Maurer, Polizei und Geschäftsführung ohne Auftrag, JuS 1970, 561 (563, Ii. Sp., Fn. 14); Lange / Wilhelm, Recht der Gefahrenabwehr, 1982, S. 141; Reiff!

Wöhrle / Wolf, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1984, § 43, Rn. 6; Renèlt / Klowait, Der Regreßanspruch der Ordnungsbehörde gegenüber eingewiesenen Obdachlosen gemäß § 42 Abs. 2 OBG NW, NWVB1. 1992, 195 (196, re. Sp. f.). 8*

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E. Passivlegitimation und Regreß

Aber selbst dann, wenn man von einer Rechtsgrundverweisung ausgeht,30 ist ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Störers wegen § 679 BGB unbeachtlich. Jedenfalls liegt ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis vor. 31 Hieraus folgt, daß der Störer nicht für rechtswidriges Handeln der Behörde Aufwendungsersatz leisten muß, 32 sofern sich dies nicht ohnehin schon unmittelbar aus den jeweiligen Gesetzen wegen ihrer Bezugnahme auf rechtmäßige Maßnahmen ableiten läßt (Bund, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen). Solche Aufwendungen durfte die Behörde nämlich nicht nach den Umständen für erforderlich halten (vgl. § 670 BGB). 3 3 Als ersatzpflichtige Tatbestände nennen alle Gesetze die Schäden, die aufgrund der Inanspruchnahme eines Nichtstörers entstanden sind. Einige Gesetze nennen ferner Zufallschäden Unbeteiligter (Bund, Bayern und Berlin). Darüber hinaus bürden zahlreiche Länder dem Störer im Rückgriffsverhältnis auch die Polizeihelfern entstandenen Schäden auf (Berlin, Brandenburg — PAG —, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen). Diese Fallkonstellationen sind nicht nur rechtspolitisch fragwürdig, weil sie den Störer einer von ihm nicht beeinflußbaren und womöglich unübersehbaren Haftungskette aussetzen.34 Sie sind in dieser weiten Form auch mit Artt. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG unvereinbar, weil insoweit unverhältnismäßig bzw.

30 LG Essen, ZMR 1958, 105, re. Sp., 1. und 3. Abs.; Franzen, Lehrkommentar zum Polizeiverwaltungsgesetz, 1934, § 72, Erl. 1; Altmeyer / De Clerk, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 2. Aufl., 1956, Erl. zu §67; Müller-Heidelberg I Clauss, Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl., 1956, Erl. zu § 42; Gobrecht, Polizeirecht des Landes Berlin, 1959, Anm. zu § 72; v. d. Groeben / Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, 1968, § 191, Rn. 2; Krollmann, Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl., 1970, S. 32; Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, § 45, Rn. 2; Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 45, Rn. 4; Wöhrle / Beiz / Lang, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl., 1985, § 43, Rn. 2; Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (42 nw OBG), Rn. 3. 31 Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, §45, Rn. 4; Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1: Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, 2. Aufl., 1982, § 50, Rn. 2; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl., 1991, Rn. 306. 32 Wagner, Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987, § 45 (42 nw OBG), Rn. 3. 33 Das verkennt Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung unter mehreren Störem, 1990, S. 230 f. 34 So schon die Begründung zu § 71 des Alternativentwurfes einheitlicher Polizeigesetze des Bundes und der Länder, 1979, Nrn. 2-4.

II. Rückgriffsansprüche der ausgleichspflichtigen Stelle

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nicht systemgerecht. Der pauschale Rückgriffsanspruch durchbricht das geltende Haftungssystem, das an den Verantwortungsbereich des Haftenden anknüpft. Bei unerlaubten Handlungen wird dies durch das Verschuldenserfordernis gewährleistet, und die gegenständlich umrissenen Gefährdungshaftungstatbestände des Zivilrechts sind neben dem Vor- und Nachteilsprinzip sowie der Abfederung technischer Risiken v. a. durch den Grundsatz der Beherrschbarkeit legitimiert. 35 Dieser Befund zwingt zu einer differenzierten Betrachtungsweise: Die Schäden eines Nichtstörers lassen sich dem Verantwortungsbereich des Störers deshalb zurechnen, weil die Inanspruchnahme des Nichtstörers bedeutet, daß die gegenwärtige Gefahr nicht auf andere Weise, insbesondere nicht durch Heranziehung des Störers, hätte abgewehrt werden können. Hingegen liegen rechtswidrige Maßnahmen der Behörde wegen Artt. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG sowie Schäden der Polizeihelfer gänzlich außerhalb des Verantwortungsbereiches des Störers. Das Handeln eines freiwilligen Helfers wird nämlich durch die Störung nicht zwangsläufig herausgefordert bzw. erst durch die Zustimmung der Behörde haftungsrechtlich relevant. Außerdem wird dem Störer der Ersatz von Schäden, die behördliche Funktionsträger erleiden, ja ebenfalls nicht abverlangt, sofern nicht die zivilrechtlichen Haftungsnormen greifen. Allein die durch § 323 c StGB motivierte Hilfeleistung ist dem Störer zuzurechnen (diese Regreßsituation ist allerdings nur in Berlin relevant). In Zufallsschäden wiederum verwirklicht sich eine Gefahr, die sich nur gelegentlich der Störungsbekämpfung realisiert hat und gerade auf der Art und Weise des behördlichen Vorgehens beruht, mag das Einschreiten als solches auch vom selbst nicht heranziehbaren Störer provoziert worden sein. Der Grundsatz des „versati in re illicita" ist bei Privatrechtssubjekten ohnehin nur dann gerechtfertigt, wenn diese den schadenbegründenden Kausalverlauf schuldhaft ausgelöst haben (vgl. §§ 678, 848 BGB). Sonst fehlt es an einem tragfähigen Zurechnungsgrund für Zufälle. Die polizeirechtlichen Regreßvorschriften bedürfen deshalb insofern einer verfassungskonformen Korrektur, als der Rückgriff gegen den nicht schuldhaft handelnden Störer regelmäßig nur in bezug auf dem Nichtstörer entstandene Schäden zulässig ist. Unter ersatzfähigen Aufwendungen sind die tatsächlich erbrachten Ausgleichsleistungen der passivlegitimierten (in Bayern: der im Innenverhältnis erstattungspflichtigen) Körperschaft an den Geschädigten zu verstehen, und zwar, soweit sie rechtlich begründet sind, also nicht irrtümlich oder freiwillig darüber hinausgehende Zahlungen. Die mit der Abwicklung des Schadensausgleichs zusammenhängenden Kosten (Prozeßkosten, Porto, Gebühren, Reisekosten) sind keine „Ausgleichsleistungen" und deshalb nicht ersatzfähig. Nicht hierher gehören auch 35 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 307.

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E. Passivlegitimation und Regreß

die allgemeinen Einsatzkosten der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde. 36 Das folgt aus der Bezugnahme der einzelnen Normen auf die Ausgleichstatbestände bzw. ihrem Charakter als Regreßvorschriften. Für eine darüber hinausgehende Kostenerstattung — insbesondere in bezug auf das Eigenhandeln der Behörde — bedarf es selbständiger Anspruchsgrundlagen. Mehrere Störer haften im übrigen als Gesamtschuldner: §§ 64 Abs. 2 ASOG Berlin; 61 Abs. 2 PolG Bremen; 69 Abs. 2 SOG Hessen; 63 Abs. 2 SOG Niedersachsen; 73 Abs. 2 PVG Rheinland-Pfalz; 73 Abs. 2 PolG Saarland; 40 Abs. 2 PolG Sachsen; 74 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt; 73 Abs. 2 PAG Thüringen. Für die Annahme einer Gesamtschuldnerschaft i. S. einer gleichrangigen Haftung der Störer ist dasselbe Maß an Verantwortlichkeit für die Gefahr erforderlich. Mit anderen Worten: Jeder hätte rechtmäßig statt des anderen zur Gefahrenabwehr herangezogen werden dürfen. Den Gesamtschuldnerausgleich wird man auch in den Ländern annehmen können, die keinen Hinweis auf die Gesamtschuld normiert haben. Ein gesamtschuldnerischer Ausgleich zwischen Störern wird zwar von der herrschenden Meinung unter Hinweis darauf abgelehnt, daß diese in der Regel nicht gleichrangig hafteten, also nicht in dem Maße verantwortlich seien, daß jeder von ihnen austauschweise von der Behörde hätte in Anspruch genommen werden können. Erst die Maßnahme der Behörde aktualisiere die Polizeipflichtigkeit einer Person und konstituiere deren Störereigenschaft. 37 Aber ein derartiges Pauschalurteil ist unangebracht. Die Polizeipflichtigkeit besteht unabhängig von der Inanspruchnahme durch die Polizei- oder Ordnungsbehörde (vgl. Artt. 2 Abs. 1, 14 Abs. 2 GG). Sollte tatsächlich einmal eine Situation bestehen, in der die Behörde ermes36 Seibt, Ersatz von Aufwendungen der Obdachlosenbehörde nach § 72 prPVG durch Minderjährige, ZMR 1956,187 (188, Ii. Sp., 2. Abs., a. E.); Samper / Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, Art. 73, Erl. 4, i. V. m. Art. 72, Erl. 7; Sauer, in: Mandelartz / Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, § 73, Erl. 2; Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 40, Rn. 2. Anderer Ansicht: Müller- Heidelberg / Clauss, Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl., 1956, Erl. zu § 42; Gobrecht, Polizeirecht des Landes Berlin, 1959, Anm. zu § 72; Ule / Rasch, in: v. Brauchitsch / Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III, Halbbd. 1: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1965, Erl. zu § 72; v. d. Groeben / Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein,

1968, § 191, Rn. 2. Heesen / Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 40, Rn. 4 und 5; Bernerl

Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 12. Aufl., 1991, Art. 72, Rn. 3, i. V. m. Art. 71, Rn. 4. Unklar Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 45, Rn. 4: „in erster Linie". 37 BGH, NJW 1981,2457 (2458, Ii. Sp., III 2) mit ablehnender Anmerkung Brodersen, JuS 1982, 220 f.; offengelassen von VGH Hessen, NJW 1984,1197 (1199, Ii. Sp., letzter Abs.); dem BGH zustimmend: Schwachheim, Zum Gesamtschuldnerausgleich unter mehreren Störern, NVwZ 1988, 225 (226 f.); Heesen I Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 40, Rn. 9, S. 446; Renèlt I Klowait, Der Regreßanspruch der Ordnungsbehörde gegenüber eingewiesenen Obdachlosen gemäß § 42 Abs. 2 OBG NW, NWVB1. 1992, 195 (198, re. Sp.); Giesberts, Die gerechte Lasten Verteilung unter mehreren Störern, 1990, S. 206 ff.

II. Rückgriffsansprüche der ausgleichspflichtigen Stelle

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sensfehlerfrei zwischen mehreren für eine Gefahrenlage im gleichen Umfang verantwortlichen Personen hätte wählen können, liegt doch die für eine Gesamtschuld typische, durch die gemeinsame und gleichrangige Pflicht zur Störungsbeseitigung begründete Zweckgemeinschaft vor. Sachliche Gründe gegen einen Ausgleich zwischen den Störern sind dann nicht ersichtlich. 38 Hinzuweisen ist noch darauf, daß die im Innenverhältnis erstattungspflichtige Vollzugsbehörde (in Bayern: die nicht erstattungsberechtigte Polizei) nicht befugt ist, ihrerseits den Störer in Regreß zu nehmen.39 Denn in den Fällen, in denen sie zur Erstattung verpflichtet (in Bayern: zum Regreß nicht berechtigt) ist (rechtswidrige Maßnahmen, Polizeihelfer, Unbeteiligte), scheidet nach der hier vertretenen Auffassung auch ein Rückgriff gegen den Störer aus. 4. Regreßansprüche gegen den Amtswalter Hat der Amtswalter durch sein Außenhandeln vorsätzlich oder grob fahrlässig seine internen Dienstpflichten verletzt, kann ihn der Dienstherr in Höhe des Haftungsinteresses (d. h. in Höhe des an den Geschädigten zu zahlenden Betrages) in Regreß nehmen (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG, dessen Abs. 2 eine hier nicht einschlägige und an sich überflüssige Klarstellung in bezug auf Art. 34 GG enthält). Mehrere verantwortliche Beamte haften als Gesamtschuldner (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 3 BRRG). 40

5. Erstattungsanspruch gegen den Geschädigten Hat der Geschädigte bereits von anderer Seite Ersatz erlangt und ist der Ausgleichsanspruch gegen den ersatzpflichtigen Hoheitsträger (noch) nicht an den Dritten übergegangen (wegen §§67 VVG, 116 SGB X, 4 LFZG, 426 Abs. 2 Satz 1 und 255 BGB eine praktisch kaum bzw. allenfalls in Bayern 41 vorstellbare 3S Seibert, Gesamtschuld und Gesamtschuldnerausgleich im Polizei- und Ordnungsrecht, DÖV 1983,964 (969 ff.); Kormann, Lastenverteilung bei Mehrheit von Umweltstörern, UPR 1983, 281 (285 ff.); Schwabe, Lastenverteilung bei einer Mehrheit von Umweltstörern, UPR 1984, 7 (10); Pietzcker, Die Altlast, JuS 1986, 719 (722, Ii. Sp., 2. Abs.); Kloepfer l Thull, Der Lastenausgleich unter mehreren polizei- und ordnungsrechtlich Verantwortlichen, DVB1.1989,1121 (1125 ff.); Petersen, Der gesamtschuldnerische Ausgleich bei einer Mehrheit polizeirechtlich verantwortlicher Personen, 1991, S. 73 ff.; Kohler-Gehrig, Der gesamtschuldnerische Innenausgleich zwischen Zustands- und Verhaltensstörer im Polizei- und Ordnungsrecht, NVwZ 1992, 1049 ff.; vgl. bereits Baur, Der Ersatz der Aufwendungen für präventiven Gewässerschutz, JZ 1964, 354 (357, re. Sp., 3. Abs.). 39 Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, §40, Rn. 6. Anderer Ansicht: De Clerk, in: De Clerk / Schmidt, Polizeiverwaltungsgesetz von RheinlandPfalz, 5. Aufl., Stand: März 1990, § 73, Erl. I 2. 40 Zu weiteren Regreß Vorschriften v. a. bei Angestellten und Arbeitern s. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 96 f.

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E. Passivlegitimation und Regreß

Situation), kann der Hoheitsträger die Geldsumme mittels des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs kondizieren. Das gilt auch bei Zuvielleistungen.42

6. Verjährung In bezug auf die Regreßansprüche gilt die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB. 4 3

41 Wegen der Subsidiarität der Artt. 70 Abs. 1 PAG Bayern und 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG Bayern; s. oben D II 3. 42 Krämer, in: Krämer / Müller, Ordnungsbehördengesetz NW, 2. Aufl., 1971, § 41, Rn. 6; Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (453, re. Sp., VIII). 43 Renèlt / Klowait, Der Regreßanspruch der Ordnungsbehörde gegenüber eingewiesenen Obdachlosen gemäß § 42 Abs. 2 OBG NW, NWVB1. 1992, 195 (199, Ii. Sp., V, bzw. 200, Ii. Sp., B).

F. Prozessuales I. Rechtsweg Bis auf den Regreßanspruch gegen einen nichtbeamteten Funktionsträger der Behörde und einen Mitschädiger, dessen Rechtsnatur sich nach derjenigen des Anspruchs des Geschädigten gegen den Mitschädiger bestimmt (vgl. § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB), sind alle hier behandelten Ansprüche öffentlich-rechtlicher Art. Deswegen ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO respektive § 40 Abs. 2 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 126 Abs. 2 BRRG grundsätzlich der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten bzw. — da § 58 PolG Bremen für bestimmte Ansprüche auf das BVG verweist — zu den Sozial- als Sonderverwaltungsgerichten eröffnet (§§ 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO, 51 Abs. 1 und 2 SGG). Ausnahmen: Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Zivilgerichte zuständig für Streitigkeiten über Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl. Um einen solchen Fall handelt es sich bei der Nichtstörer- und Unbeteiligten-Entschädigung. In Übereinstimmung mit der bundesrechtlichen Norm ordnen die Polizeigesetze ebenfalls den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten an: §§ 41 BGSG; 9 Abs. 4 BKAG; 58 PolG Baden-Württemberg; Art. 73 PAG Bayern; §§65 ASOG Berlin; 42 OBG Brandenburg; 62 PolG Bremen; 70 SOG Hessen; 77 SOG Mecklenburg-Vorpommern; 64 SOG Niedersachsen; 43 OBG Nordrhein-Westfalen; 67 PolG Nordrhein-Westfalen; 74 PVG Rheinland-Pfalz; 74 PolG Saarland; 41 PolG Sachsen; 75 SOG Sachsen-Anhalt; 226 LVwG Schleswig-Holstein; 74 PAG Thüringen. Wenn in diesem Zusammenhang behauptet wird, die Vorschriften seien wegen Art. 31 GG gegenstandslos,1 so ist dies schon mangels eines Kollisionsfalles zweifelhaft, 2 letztlich aber unhaltbar, sofern es um Ansprüche etwa des Polizeihelfers oder die Unrechtshaftung geht. Diese haben mit der Aufopferungsentschädigung nichts zu tun. 3 Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ergibt sich hier aus den oben genannten landesrechtlichen Vorschriften i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO. ι Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 1991, Rn. 287. Vgl. auch Hillmann / Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 182 (Rn. 302); Reiff/ Wöhrle / Wolf, Polizeigesetz für BadenWürttemberg, 3. Aufl., 1984, § 44, Rn. 1. 2 BVerfGE 36, 342 (366); Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (453, re. Sp., IX). 3 S. oben A IV, C I.

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Allerdings kann gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG auch ein Verwaltungsgericht über den Ausgleichsanspruch entscheiden, wenn es wegen eines Anspruchs auf Folgenbeseitigung angerufen wurde, dieser aber an der rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit der Herstellung scheitert. Weitere von § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO zugelassene Ausnahmen bestehen in Baden-Württemberg und Sachsen, die Streitigkeiten über Ersatzansprüche des passivlegitimierten Hoheitsträgers ebenfalls den Zivilgerichten zuweisen: §§ 58 PolG Baden-Württemberg; 41 PolG Sachsen. Sachlich zuständig ist bei der Unrechtshaftung in Analogie zu § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG das Landgericht. Die auf § 839 BGB gemünzte Norm erfaßt wegen Art. 34 Satz 1 GG nicht einmal mehr diesen Fall ( „ . . . Ansprüche gegen Richter und Beamte . .."). Da aber auch im Rahmen der Unrechtshaftung die Rechtswidrigkeit durch einzelne Amtswalter verursacht und das Rechtswidrigkeitsurteil nur einer Behörde zugerechnet wird, ist eine Analogie gerechtfertigt, zumal die Unrechts- mit der Amtshaftung zusammentreffen kann. 4 Dieses Ergebnis läßt sich auch, in allen anderen Anspruchskonstellationen einzig und allein durch eine weite Auslegung des § 71 Abs. 3 Variante 1 GVG in Verbindung mit landesrechtlichen Vorschriften 5 erreichen („Verfügung" = Maßnahme). Soweit solche Vorschriften fehlen, kommt es insbesondere für die Entschädigung des Nichtstörers, Polizeihelfers und Unbeteiligten auf den Streitwert an (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG). Bei Zweifeln über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme empfiehlt es sich, zunächst das Landgericht anzurufen. Hält sich dieses aufgrund der Rechtmäßigkeit der behördlichen Maßnahme und des zu geringen Streitwerts für sachlich unzuständig, wird die Sache auf Antrag des Klägers an das Amtsgericht verwiesen (§ 281 ZPO), widrigenfalls die Klage als unzulässig abgewiesen. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ist hier nicht einschlägig, denn er betrifft nur die Zulässigkeit des Rechtsweges, nicht die sachliche Zuständigkeit, wie sich im Umkehrschluß aus §§83 Satz 1 VwGO, 70 Satz 1 FGO, 98 Satz 1 SGG und 48 Abs. 1 ArbGG ergibt. Übersieht das Landgericht seine sachliche Unzuständigkeit und entscheidet es in der Sache, ist dies gemäß § 10 ZPO unschädlich. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach §§ 12, 17 Abs. 1,18, 19, 32 und 35 ZPO. Unter der Voraussetzung des § 39 ZPO (fehlende Rüge des Beklagten) wird eine etwaige sachliche oder örtliche Unzuständigkeit des Gerichts geheilt. 4 Kasten, Die Haftung der Ordnungsbehörden, JuS 1986, 450 (453, re. Sp., letzter Abs. f.). 5 Z. B. § 3 Nr. 1 AG GVG Baden-Württemberg; Art. 9 Nr. 1 AG GVG Bayern; § 5 AG GVG Rheinland-Pfalz.

II. Vorverfahren

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Gegen Amtsgerichtsurteile ist die Berufung zum Landgericht zulässig (§§511 ZPO, 72 GVG), gegen erstinstanzliche Landgerichtsurteile die Berufung zum Oberlandesgericht (§§511 ZPO, 119 Abs. 1 Nr. 3 GVG). Gegen Urteile des Oberlandesgerichts ist die Revision zum BGH ( §§ 545 Abs. 1 ZPO, 133 Nr. 1 GVG) nur zulässig, wenn es um die Verletzung von Bundesrecht oder solchem Landesrecht geht, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt (§§ 549 Abs. 1, 562 ZPO). Dies ist etwa in NordrheinWestfalen, nicht aber in Berlin der Fall. 6

I I . Vorverfahren Bevor der Ausgleichsanspruch vom Geschädigten gerichtlich geltend gemacht werden kann, muß er sich in einigen Ländern mit seinem Verlangen zunächst an die ersatzpflichtige Stelle oder eine übergeordnete Instanz wenden, die über Grund und Höhe des Anspruches durch Verwaltungsakt bzw. öffentlich-rechtlichen Vertrag entscheidet. Art. 22 AG GVG Bayern in Verbindung mit §§16 und 17 VertretungsVerordnung Bayern (bei Ansprüchen gegen den Freistaat); §§73 Abs. 1 PAG Brandenburg; 10 Abs. 3 Satz 3 SOG Hamburg. Eine diesbezügliche Entscheidung muß jedoch innerhalb von 6 Wochen (Bayern) bzw. 3 Monaten ergehen, sonst verliert die Behörde ihre Regelungskompetenz. Die letztgenannte Frist lehnt sich an § 75 VwGO an, ist aber nicht verbindlich. Denn im Recht der Ausgleichsleistungen finden die Normen der ZPO — nicht der VwGO — Anwendung. Bei diesem Vorverfahren handelt es sich um ein dem Widerspruchsverfahren bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach §§68 ff. VwGO vergleichbares Abhilfeverfahren. Es ist Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage. 7 Da der Bund seine Gesetzgebungskompetenz insoweit nicht ausgeübt hat (vgl. Artt. 70 Abs. 1, 72 Abs. 1, 74 Nr. 1 GG), sind diese Vorschriften verfassungsrechtlich unbedenklich. In den übrigen Ländern muß sich der Betroffene jedoch nicht an die passivlegitimierte Stelle wenden. Für eine sofortige Klage fehlt ihm auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, 8 denn nur die Klage unterbricht die Verjährung (§ 209 Abs. 1 6 BGH, NJW 1992, 2769, re. Sp. (II 1). Der BGH erwähnt dort auch eine weitere Revisionsmöglichkeit bei Landesrecht: die Übereinstimmung der an sich nicht revisiblen Norm mit einer revisiblen Vorschrift, soweit diese Übereinstimmung bewußt und gewollt zum Zwecke der Vereinheitlichung herbeigeführt worden ist (Beispiel: VwVfG). 7 König, Bayerisches Polizeirecht, 2. Aufl., 1985, S. 189 unten; Samper / Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, Art. 73, Erl. 1; Berner I Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 12. Aufl., 1991, Art. 73, Rn. 3. s So aber Reiff/ Wöhrle / Wolf, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1984, § 44, Rn. 4.

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BGB). Allerdings empfiehlt sich ein entsprechender Antrag wegen § 93 ZPO (Kostentragung des Klägers bei sofortigem Anerkenntnis durch den Beklagten).9

I I I . Klageart Richtige Klageart ist in den meisten Fällen die Leistungsklage. Das gilt auch dann, wenn die (Abhilfe-)Behörden in Bayern, Brandenburg — PAG — und Hamburg über Grund und Höhe der Entschädigung durch Verwaltungsakt entschieden haben. Denn da die ordentlichen Gerichte über den Ausgleichsanspruch zu befinden haben, kommen die Verfahrensnormen der ZPO zur Anwendung, nicht diejenigen der VwGO. Der ZPO sind sowohl eine Anfechtungs- als auch eine Verpflichtungsklage unbekannt, ferner Klage- im Gegensatz zu Rechtsmittelfristen und das Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung. 10 Bestandskräftig können diese Verwaltungsakte folglich nicht werden. Das gilt — unabhängig von der Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes (dazu sogleich) — auch dann, wenn die Streitigkeiten über Ersatzansprüche der ausgleichspflichtigen Stelle gegen Störer den ordentlichen Gerichten zugewiesen sind (so in Baden-Württemberg und Sachsen). Auch hier muß die Behörde eine Leistungsklage erheben. Im Anwendungsbereich der VwGO kommt hingegen eine Anfechtungsklage in Betracht, wenn man davon ausgeht, daß der passivlegitimierte Hoheitsträger seine Regreßansprüche durch Verwaltungsakt geltend machen darf. Dies scheidet mangels eines Subordinationsverhältnisses in den Fällen des Rückgriffs gegen einen Mitschädiger und einen anderen Hoheitsträger von vornherein aus. Kein Verwaltungsakt darf schließlich zur Durchsetzung des Erstattungsanspruches gegen den Geschädigten bei Zuvielleistungen erlassen werden. Denn nach der von der herrschenden Meinung praktizierten Kehrseitentheorie 11 folgt die Rückforderung dem gleichen materiellen Recht wie die Leistung. Der Ausgleich wird aber grundsätzlich nur durch schlichte Zahlung des erforderlichen Geldbetrages gewährt. Anders verhält es sich nur in Bayern, Brandenburg — PAG — und Hamburg, wenn dort ein Festsetzungs- bzw. Abhilfebescheid ergeht, dessen (teilweise) Aufhebung die Rückforderung bezweckt (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 8 VwVfG).

9 Würtenberger, in: Achterberg / Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, 7/1, Rn. 311. 10 Diese ist allerdings unschädlich, wenn sie auf den Rechtsweg zu den Zivilgerichten aufmerksam macht. Vgl. § 17 Abs. 4 Satz 2 Vertretungsverordnung Bayern. Mißverständlich, da auf die VwGO Bezug nehmend: Reiff! Wöhrle / Wolf \ Polizeigesetz für BadenWürttemberg, 3. Aufl., 1984, § 44, Rn. 5. h BVerwGE 25, 72 (76); 28, 1 (5); 30, 77 (79); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., 1992, § 10, Rn. 7.

III. Klageart

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Hingegen kommt der Erlaß eines Verwaltungsaktes im Fall des Rückgriffs gegen einen Beamten in Betracht. Art. 34 Satz 3 GG gilt nur für die Amtshaftung und lediglich bei Anspruchskonkurrenz auch für die Unrechtshaftung. In diesem Fall besteht ausschließlich die Möglichkeit der Leistungsklage vor dem Zivilgericht. Denn der Amtswalter darf im Innenregreß nicht schlechter gestellt werden, als wenn er dem Geschädigten gegenüber unmittelbar gehaftet hätte. 12 Ansonsten ist der Verwaltungsakt das typische Handlungsinstrument im Verhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten (Beispiele: Ernennung, Versetzung, Besoldung, Beihilfe). Deswegen ist es gerechtfertigt, diese Handlungsform auch für den Regreß zuzulassen.13 Für eine Leistungsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. 14 Gesetzlich bestimmt ist das Handeln durch Verwaltungsakt darüber hinaus für den Ersatzanspruch gegen den Störer in Hamburg und Schleswig-Holstein: §§ 10 Abs. 4 SOG Hamburg; 224 Abs. 2 LVwG Schleswig-Holstein. Im übrigen lehnt die herrschende Meinung ein Vorgehen durch Verwaltungsakt mit der Begründung ab, es handele sich bei den Regreßvorschriften um Anspruchs-, nicht um Befugnisnormen, so daß angesichts des Vorbehalts des Gesetzes für belastende Verwaltungsakte kein Raum bleibe. 15 Die Gegenmeinung führt insbesondere prozeßökonomische Gesichtspunkte an (Entlastung der Gerichte durch behördliches Vor- und Vollstreckungsverfahren). 1 6 Für sie spricht aber vor allem folgendes Argument: Die Regreßlage ist nur deswegen entstanden, weil die jeweilige Situation, die die Polizei- oder Ordnungsbehörde zum Einschreiten veranlaßte, eine Heranziehung des Störers nicht zuließ. Wäre dessen Inanspruchnahme möglich gewesen, wäre die Maßnahme selbst, spätestens jedoch die Auferlegung der Kosten in Form eines Verwaltungsaktes ergangen. Es ist nicht einzusehen, wieso die im Eingriffsverhältnis an sich vorgesehene und statthafte Handlungsform im Rückgriffsverhältnis unzu12 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 99. 13 BVerwGE 19, 243 (245); 27, 245 (248); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., 1992, § 10, Rn. 7. ι 4 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., 1992, § 10, Rn. 7 am Ende. Anderer Ansicht: BVerwGE 29, 310 (312). ι 5 Schiedermair, Einführung in das bayerische Polizeirecht, 1961, S. 262,265; Schütz, Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz, 3. Aufl., 1982, Erl. zu § 74; König, Bayerisches Polizeirecht, 2. Aufl., 1985, S. 191 oben, 192 (2); Fischer, in: Fischer/ Hitz/ Walter, BGSG, 1987, § 41, Rn. 2; Scholz, Bayerisches Sicherheits- und Polizeirecht, 5. Aufl., 1987, S. 157,158; Samper / Honnacker, Polizeiaufgabengesetz, 15. Aufl., 1992, Art. 73, Erl. 2 und 3; Schoen, in: Einwag / Schoen, BGSG, Stand: Anfang 1988, § 40, Rn. 3; § 41, Rn. 2; Berner I Köhler, Polizeiaufgabengesetz, 12. Aufl., 1991, Art. 73, Rn. 4; Meixner, Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 3. Aufl., 1991, §70, Rn. 1. i6 Heesen / Hönle, BGSG, 2. Aufl., 1989, § 40, Rn. 10; Sauer, in: Mandelartz / Sauer / Strube, Polizeigesetz Saarland, 1990, §73, Erl. 3; De Clerk, in: De Clerk / Schmidt, Polizeiverwaltüngsgesetz von Rheinland-Pfalz, 5. Aufl., Stand: März 1990, § 73, Erl. I 5; Heise / Tegtmeyer l Braun, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, 7. Aufl., 1990, §42, Rn. 3.

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lässig sein soll. Der Störer wird hier nicht schlechter gestellt, als wenn er von Anfang an zur Verantwortung gezogen worden wäre. Der passivlegitimierte Hoheitsträger ist deshalb befugt, den Störer durch Verwaltungsakt in Regreß zu nehmen. Dieser kann sich durch Widerspruch und Anfechtungsklage wehren.

IV. Bindungswirkung bereits vorliegender Urteile Ein verwaltungsgerichtliches Präjudiz über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme bindet das über den Ausgleichsanspruch entscheidende Zivilgericht. 17 Dies gilt selbst dann, wenn die verklagten Hoheitsträger im Ausgleichsprozeß und im Verwaltungsprozeß nicht identisch sind. Das läßt sich damit rechtfertigen, daß die öffentliche Hand — jedenfalls im Polizeirecht — trotz ihres durch den Föderalismus erzeugten Pluralismusses von Verwaltungsträgern als Einheit empfunden wird. 18 Zu Lasten von Privatrechtssubjekten ist eine solche Ausnahme jedoch nicht begründbar. Mangels einer materiellen Wirkung der Bestandskraft im Sinne des „ne bis in idem" tritt allerdings keine Bindung des über den Ausgleichsanspruch entscheidenden Zivilgerichts ein, wenn Streitgegenstand nur ein unanfechtbarer Verwaltungsakt ist, über dessen Rechtmäßigkeit noch kein Verwaltungsgericht entschieden hat. Das würde nämlich unberücksichtigt lassen, daß dem Primärrechtsschutz nur unter dem Gesichtspunkt des „Mitverschuldens" Vorrang vor der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen zukommt. 19 Keine ΒindungsWirkung besteht auch in den Regreßfällen: Liegt über Grund und Höhe der Entschädigung des Nichtstörers oder Unbeteiligten ein rechtskräftiges zivilgerichtliches Urteil zu Lasten der Behörde vor, kann der vermeintlich regreßpflichtige Störer im Rückgriffsprozeß nicht nur einwenden, er hätte als Verantwortlicher nicht in Anspruch genommen werden dürfen, sondern auch, das Zivilgericht habe falsch entschieden, ζ. B. weil das Handeln gegenüber dem Nichtstörer rechtswidrig gewesen sei. 20 Die Bestandskraft eines etwaigen Verwaltungsaktes steht dem nicht entgegen, weil sie nur im Verhältnis Behörde / Nichtstörer wirkt. Und soweit keine Interventionswirkung durch Streithilfe oder -verkündung (§§ 68, 74 ZPO) vorliegt, erstreckt sich auch die Rechtskraft des Entschädigungsurteils nicht auf den Dritten. Gleiches gilt übrigens im Rückgriffsverhältnis bei der Unrechtshaftung für einen von der Behörde herangezogenen Mitschädiger (vgl. § 425 Abs. 2 letzte Variante BGB). π Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 100 f. 18 Vgl. BGH, DVB1. 1962, 753 (754, Ii. Sp., 4. Abs. f.). 19 S. oben D II 5. 20 Hillmann / Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, Bd. 2: Besonderes Verwaltungsrecht, 1984, S. 181 (Rn. 300).

VI. Beweislast

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V. Verjährungsunterbrechung Die Verjährung des Ausgleichsanspruches wird grundsätzlich nur durch die Klage vor dem zuständigen Zivilgericht (§ 209 Abs. 1 BGB) bzw. in den Ländern, die ein behördliches Vorverfahren kennen (Bayern, Brandenburg — PAG —, Hamburg) durch das Abhilfeverlangen unterbrochen. Unabhängig von der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte müssen prozeßökonomische Gesichtspunkte und die Obliegenheit des Geschädigten, erst den Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, dazu führen, daß auch fristgerechter Widerspruch und verwaltungsgerichtliche Klage des klagebefugten Betroffenen die Verjährung des polizeirechtlichen Ausgleichsanspruches wegen rechtswidriger Maßnahmen unterbrechen. Der Betroffene braucht also nicht noch während des Verwaltungsrechtsstreits Klage beim Zivilgericht zu erheben (so auch § 13 Abs. 2 Satz 2 StHG 1981).21

VI. Beweislast Grundsätzlich trägt die Beweislast derjenige, der sich auf eine ihn begünstigende Tatsache beruft. Das Vorliegen und die Höhe des Schadens muß der Geschädigte nachweisen. Bei der Berücksichtigung des „Mitverschuldens" ist der Schädiger beweispflichtig für die Kausalität zwischen Nichteinlegung eines Rechtsmittels und Schadenseintritt, 22 ebenso für den Ablauf der Verjährungsfrist, während der Geschädigte in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein das Nichtverstreichen der Ausschlußfrist beweisen muß. 23 Die ausgleichspflichtige Stelle trägt auch die Beweislast für die die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns begründenden Umstände, und zwar ungeachtet dessen, daß der Tatbestand der Unrechtshaftung spiegelbildlich auf die für den Geschädigten „günstige" Rechtswidrigkeit der Maßnahme abstellt. Im Bereich der Eingriffsverwaltung hat nämlich stets die Behörde eine ermächtigungsbegründende Tatsache (ζ. B. die Störereigenschaft) zu beweisen. Das folgt aus dem grundrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes.24

21 Prior, Ersatzansprüche im Zusammenhang mit der Erteilung, Versagung und Verzögerung von Baugenehmigungen, BauR 1987, 157 (160, re. Sp., 2. Abs.) unter Bezugnahme auf BGHZ 95, 238. Engelhardt, Neue Rechtsprechung des BGH zum Staatshaftungsrecht, NVwZ 1992, 1052 (1065, Ii. Sp., 3. Abs.). Anderer Ansicht noch: BGH, VersR 1982, 582, Ii. Sp. (a). 22 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 79. 23 Rietdorf, in: Rietdorf / Heise / Böckenförde / Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1972, § 43, Rn. 2, S. 277. 24 Kellner, Schadensersatzansprüche polizeigeschädigter Demonstranten gegen den Staat, MDR 1987, 617 (622, re. Sp., 2. Abs. f.).

G. Zusammenfassende Thesen 1. Diese Arbeit untersucht die Staatshaftung im allgemeinen Polizeirecht. Die Entschädigung des Nichtstörers hat eine bis auf § 75 Einleitung ALR Preußen von 1794 zurückreichende Tradition. Sie wurde zuerst in §§ 50 LVwO Thüringen von 1926 und 70 PVG Preußen von 1931 kodifiziert. Art. 56 PAG Bayern von 1954 enthielt erstmals eine Unzumutbarkeitshaftung, die auch Schäden nichtfinal herangezogener, nur zufällig betroffener Unbeteiligter erfaßte. 1956 wurde mit § 42 Abs. 1 lit. b OBG Nordrhein-Westfalen eine generelle, verschuldensunabhängige Unrechtshaftung eingeführt. Das BGSG von 1972 sah auch einen Schadensausgleich für freiwillige Polizeihelfer vor. Diese Entwicklung führte zu zahlreichen Gesetzesnovellen in den 80er Jahren mit der Konsequenz, daß die meisten Polizeigesetze nunmehr einen haftungsrechtlichen Kanon aufweisen (Entschädigung des Nichtstörers, Polizeihelfers und Ausgleich rechtswidriger Maßnahmen; oben A I I und III). Die Gesetzgebungskompetenz der Länder zur Regelung dieser Fragen ergibt sich aus Art. 70 Abs. 1 GG, diejenige des Bundes aus der Natur der Sache (oben A V). 2. Aktivlegitimiert zur Geltendmachung eines polizeirechtlichen Ausgleichsanspruches ist jede rechtsfähige Person, ob natürliche oder juristische, ob private oder öffentlich-rechtliche (oben B I ) ; passivlegitimiert ist in der Regel die Körperschaft der handelnden oder anweisenden bzw. ersuchenden Behörde (oben E I). 3. Der Begriff der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde ist funktionell auszulegen. Entscheidend ist, ob ein Hoheitsträger schwerpunktmäßig Aufgaben der Gefahrenabwehr als Auftragsangelegenheit oder Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung wahrnehmen soll. Auf seine Bezeichnung als Polizei- bzw. Ordnungsbehörde kommt es nur an, wenn die einer Verwaltungsstelle zugewiesene Aufgabe nicht gefahrenrechtlicher Natur ist. Der Umfang der Eingriffsbefugnisse spielt hingegen keine Rolle (oben Β IV). 4. Zu den schädigenden „Maßnahmen" zählen bei der Nichtstörerentschädigung nur belastendes Tun im Einzelfall, bei der Unrechtshaftung hingegen alle Arten und Formen behördlichen Handelns (Tun oder Unterlassen, im Einzelfall oder durch Verordnung, begünstigend oder belastend). Auf eine Eingriffsfinalität kommt es ebensowenig an wie auf die Unmittelbarkeit des Schadens, wenn er nur dem Verantwortungsbereich der Behörde normativ zugerechnet werden kann (oben Β III, VI). 5. Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils bei der Unrechtshaftung ist menschliches Verhalten bzw. eine dieses Handeln ersetzende maschinell getroffene

G. Zusammenfassende Thesen

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Regelung. Die vom Handlungsunrecht nicht erfaßten Fälle des sogenannten Erfolgsunrechts (atypische Schäden aufgrund rechtmäßiger Maßnahmen) sind systematisch der Sonderopferhaftung (Entschädigung des Nichtstörers) zuzuordnen. Welche Ursache die Rechtswidrigkeit hat (formelle oder materielle Fehler, Vollzug einer rechtswidrigen Norm), spielt keine Rolle. Erforderlich ist jedoch die Verletzung einer drittschützenden Norm. Die rechtswidrige Inanspruchnahme eines Nichtstörers kann auch unter die polizeirechtliche Notstandshaftung subsumiert werden, wenn der Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich von einer rechtmäßigen Heranziehung des Betroffenen ausgeht. Rechtswidrige Maßnahmen sind hier jedoch dann einem rechtmäßigen Handeln gleichzustellen, wenn die Rechtswidrigkeit kraft gesetzlicher Bestimmungen unbeachtlich ist und die Unrechtshaftung deshalb versagt. 6. Bei nichtfinalen, atypischen Schädigungen aufgrund rechtmäßigen Handelns kommt es auf ein hypothetisches, den Fall der Kenntnis des Nachteils unterstellendes Urteil bzw. eine Abgrenzung der Risikobereiche an. Ist die Maßnahme bei unterstellter Kenntnis des Schadens im Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei rechtswidrig oder begründet sie ein (finales) Sonderopfer, besteht auch ein Ausgleichsanspruch (oben Β V, V I 3). 7. Die polizeiliche Unrechtshaftung ist kein Unterfall der Aufopferungsentschädigung, insbesondere keine Konkretisierung des enteignungsgleichen Eingriffs, sondern tritt als eigenständige Säule neben sie. Es wird wegen, nicht trotz der Rechts Widrigkeit gehaftet. Auf die Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG kommt es nicht an. Die Unrechtshaftung steht mit allen anderen staatshaftungsrechtlichen Instituten in Anspruchskonkurrenz. § 50 VwVfG findet keine Anwendung (oben C). 8. Die polizeirechtlichen Ausgleichstatbestände kommen in Bayern nur subsidiär gegenüber Verpflichtungen anderer Schädiger zum Zuge (oben D I I 3). § 7 RBHG ist im Polizeirecht des Bundes nicht anzuwenden (oben E I). 9. Als Rechtsfolge wird ein angemessener Ausgleich in Geld gewährt. Bei der Unrechtshaftung kann Angemessenheit nur Schadensersatz in voller Höhe bedeuten (oben D I I 1). Entgangener Gewinn wird entsprechend § 252 BGB ersetzt (oben D I I 2). 10. Handelt die Behörde in einer gegenwärtigen Gefahr für einen privatrechtlichen Anspruch allein zu dessen Schutz, indem sie rechtmäßig geeignete Sicherungsmaßnahmen ergreift, entfällt ein Ausgleichsanspruch, wenn die im Zeitpunkt des Einschreitens zu erwartenden Eingriffsfolgen nicht außer Wertverhältnis zum Schutzobjekt stehen (oben D I I 4). 11. Die wichtigsten Fälle des in Ansatz zu bringenden „Mitverschuldens" sind die Auslösung des Eingriffs durch einen Störer sowie die Nichtinanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes trotz Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme (oben D I I 5). 9 Treffer

G. Zusammenfassende Thesen

12. Mehrere Schädiger haften als Gesamtschuldner. Bei rechtswidrigen Maßnahmen sowie in Schadensfällen von freiwilligen Polizeihelfern und Unbeteiligten (im Gegensatz zu final herangezogenen Nichtstörern) kann die passivlegitimierte Stelle bei der angewiesenen oder ersuchten Stelle Rückgriff nehmen, nicht jedoch beim Störer, der nur in bezug auf Schäden von Nichtstörern regreßpflichtig ist (oben E II). 13. Für den Ausgleichsanspruch ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet, für die Regreßansprüche, die zum Teil durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden können, regelmäßig derjenige zu den Verwaltungsgerichten. Ein der zivilgerichtlichen Klage vorgeschaltetes Vorverfahren ist in Bayern, Brandenburg — PAG — und Hamburg erforderlich (oben F I — III). 14. An verwaltungsgerichtliche Präjudize über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme sind die Zivilgerichte gebunden. Ansonsten besteht keine Bindungswirkung, insbesondere nicht durch bestandskräftige Verwaltungsakte. Die Verjährung des Ausgleichsanspruches (i. d. R. 3-Jahres-Frist) wird auch durch Widerspruch und Klage vor den Verwaltungsgerichten, die die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme zum Gegenstand haben, unterbrochen. Die Beweislast für die Rechtmäßigkeit des Eingriffs trägt die Behörde (F I V - V I ) .

H . Rechtspolitischer Ausblick Angesichts der Stagnation bei der Reform des allgemeinen Staatshaftungsrechts muß man in den polizeirechtlichen Ausgleichstatbeständen einen positivrechtlichen Meilenstein erblicken. Allerdings ist vieles Stückwerk geblieben. Auf der Rechtsfolgenseite vermißt man systematische Konsequenz: Sonderopfer- und Unrechtshaftung werden durcheinandergebracht, eine Abwägung öffentlicher und privater Interessen verlangt, obwohl bei rechtswidrigen Maßnahmen nichts gegeneinander abgewogen werden kann. Das private Ausgleichsinteresse ist hier stets vorrangig. Hervorgehoben sei hier noch einmal, daß die polizeiliche Unrechtshaftung nichts mit dem enteignungsgleichen Eingriff zu tun hat. Im Polizeirecht wird wegen und nicht trotz der Rechtswidrigkeit gehaftet. Auf die Feststellung eines Sonderopfers kommt es ebensowenig an wie auf die Verletzung einer von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsposition. Auch fehlt es an einer klaren Bestimmung des Verhältnisses von Primärrechtsschutz, Folgenbeseitigung und Schadensausgleich. Damit hängen Fragen der Passivlegitimation (den Bürger gehen Verwaltungsinterna wie Weisungen oder Ersuchen nichts an) und des Rechtsweges zusammen (er bleibt in bezug auf Primär- und Sekundärrechtsschutz doppelspurig). Die in Bayern existierende Subsidiaritätsklausel ist schlechterdings indiskutabel. Sie konterkariert die durch die Schaffung einer originären Verbandshaftung verfolgte Absicht: dem Geschädigten einen leistungsfähigen Schuldner zu verschaffen. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, daß sich die Gesetzgeber über die Bedeutung so mancher Vorschrift selbst nicht im Klaren waren (ζ. B. beim Haftungsausschluß aufgrund von Schutzmaßnahmen, dem Ersatz des entgangenen Gewinns oder der Bestimmung des Verhältnisses zu anderen Ausgleichstatbeständen). Insofern wird auf die rechtspolitische Kritik in den einzelnen Kapiteln verwiesen. Darüber hinaus müssen die Fälle des latenten, Anscheins- und Verdachtsstörers einer gesetzlichen Lösung zugeführt werden, die Eingriffs- und Ersatzebene aufeinander abstimmt. Es ist zweifelhaft geworden, warum sie allein das Risiko dafür tragen sollen, daß die sicherheits- und ordnungsrechtlichen Aspekte in der entfalteten Leistungs- und Verkehrsgesellschaft unübersichtlich geworden sind. Gebietsentwicklungen und -Sanierungen auf Kosten desjenigen durchzuführen, der zufällig auf dem erst jetzt erkannten „Pulverfaß" sitzt, ist ohne finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand unangemessen. 9*

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H. Rechtspolitischer Ausblick

Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich für den Bereich des Polizei- und Ordnungsrechts das nachfolgende Regelungsmodell. Der Begriff der Polizei wird materiell verstanden. §1 Schadensersatz (1) Einen Anspruch auf Schadensersatz hat, wer durch ein Tun oder Unterlassen der Polizei geschädigt wird, welches rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. (2) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vor, hat einen Anspruch auf Schadensersatz, wer durch ein Tun der Polizei geschädigt wird, ohne für eine Gefahr verantwortlich zu sein. An der Verantwortlichkeit fehlt es, wenn a) der Betroffene oder eine Hilfsperson die Gefahr nicht verursacht hat, b) der Betroffene weder Eigentümer noch Besitzer der Sache ist, von der die Gefahr ausgeht, oder dem Eigentümer oder Besitzer die Sache abhanden gekommen ist oder die Sache ohne deren Zustimmung zweckentfremdet wird, c) sich der Anschein oder Verdacht der Gefahr nachträglich nicht bestätigt oder d) die Gefahr erst aufgrund der Veränderungen von Umweltbedingungen oder neuer Erkenntnisse über Tatsachen anzunehmen ist. (3) Liegen die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 nicht vor, hat einen Anspruch auf Schadensersatz, wer durch ein Tun der Polizei geschädigt wird, wenn die Polizei bei Kenntnis des Schadens im Zeitpunkt ihres Einschreitens den Tatbestand des Absatzes 1 oder 2 erfüllt hätte.

§2 Art, Inhalt und Umfang der Ersatzleistung (1) Schadensersatz wird gemäß § 249 BGB gewährt. (2) Die §§ 250 bis 252, 254, 255 bis 257, 839 Abs. 3, 840 Abs. 1, 842 bis 847 Abs. 1, 849 Fall 2, 852 BGB finden entsprechende Anwendung. (3) Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind zu berücksichtigen. Der Ersatzanspruch kann insbesondere entfallen oder in seinem Umfang gekürzt werden, wenn der Betroffene oder sein Vermögen durch das Handeln der Polizei geschützt worden ist und dies im Hinblick auf den Schutzerfolg wertmäßig angemessen ist. §3 Ersatzpflichtiger; Rückgriff (1) Ersatzpflichtig ist die Körperschaft, in deren Dienst der Amtswalter steht, der gehandelt hat. (2) Die nach § 1 Absatz 1 oder 3 ersatzpflichtige Körperschaft kann gegen einen anderen Träger hoheitlicher Gewalt Rückgriff nehmen, wenn ihr Handeln nur wegen des Verhaltens dieses Hoheitsträgers die Haftungsvoraussetzungen erfüllt.

H. Rechtspolitischer Ausblick

(3) Die nach § 1 Absatz 2 ersatzpflichtige Körperschaft kann gegen den für die Gefahr Verantwortlichen Rückgriff nehmen. Mehrere Verantwortliche haften als Gesamtschuldner. §4 Rechtsweg Für alle Streitigkeiten aufgrund dieses Gesetzes ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.

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