Das Polizeirecht als ein durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmtes System von Abwägungsentscheidungen [1 ed.] 9783428552733, 9783428152735

Es fällt auf, dass sich im Polizeirecht viele unbestimmte Rechtsbegriffe und »Regeln« finden, obwohl es zu grundrechtsei

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Das Polizeirecht als ein durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmtes System von Abwägungsentscheidungen [1 ed.]
 9783428552733, 9783428152735

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 100

Das Polizeirecht als ein durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmtes System von Abwägungsentscheidungen

Von Jan Brenz

Duncker & Humblot · Berlin

JAN BRENZ

Das Polizeirecht als ein durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmtes System von Abwägungsentscheidungen

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Christia n Sei ler in Gemeinschaft mit Jochen von Bernstor f f, Michael Droege M a r t i n He c k e l, K a r l -He r m a n n K ä s t n e r, F e r d i n a n d K i r c h h o f H a n s v o n M a n g o l d t , M a r t i n Ne t t e s h e i m, T h o m a s O p p e r m a n n G ü nt e r P ü t t n e r, B a r b a r a R e m m e r t , M i c h a e l R o n e l l e n f i t s c h J o h a n n e s S a u r e r, Wo l f g a n g G r a f V i t z t hu m sämtlich in Tübingen

Band 100

Das Polizeirecht als ein durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmtes System von Abwägungsentscheidungen Von Jan Brenz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 978-3-428-15273-5 (Print) ISBN 978-3-428-55273-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-85273-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 an der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Großen Dank schulde ich meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Barbara Remmert, an deren Lehrstuhl ich seit dem 2. Semester tätig sein darf. Von den kleinen Scheinen über das Examen bis zur Promotion konnte ich mir jederzeit eines offenen Ohrs und einer über das selbstverständliche Maß hinausgehenden Unterstützung sicher sein. Die Dissertation wurde durch sie mit einem Zeitaufwand und in einer Art und Weise betreut, die in jeder Hinsicht vorbildlich und keinesfalls selbstverständlich ist. Herrn Prof. Dr. Johannes Saurer, LL. M. (Yale) möchte ich für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens danken. Einen Dank schulde ich ebenso Herrn Prof. Dr. Christian Seiler für sein überaus großes Engagement bei der Aufnahme in die Schriftenreihe. Zudem nahm ich durch seine bereichernde Vorlesung im Rahmen des Universitätsexaminatoriums einige Ideen auf, die mich zu dieser Arbeit motiviert haben. Dank schulde ich auch den Mitarbeitern des Lehrstuhls für die überaus angenehme und motivierende Atmosphäre. Ebenso möchte ich mich bei allen Freunden bedanken, die während des Studiums und der Dissertationserstellung für Ablenkung und Bereicherung gesorgt haben. Mein Dank gilt zudem meiner Mutter und meinen beiden Großmüttern, die durch Ihre Großzügigkeit meine Ausbildung in besonderem Maße gefördert und damit auch diese Dissertation ermöglicht haben. Meiner Freundin möchte ich nicht nur für das Korrekturlesen der Dissertation und die wertvollen Anregungen danken, sondern auch für ihre Liebe und die tägliche wundervolle Bereicherung meines Lebens. Die Arbeit ist meinem Vater gewidmet, der meine universitäre Ausbildung leider nicht miterleben konnte. Tübingen, im Juni 2017

Jan Brenz

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung

13

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Begriffsdenken im Polizeirecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Unterschiedliche Gefahrbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Begriffsdenken bei der Bestimmung von Störern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. „Regeln“ bei der Ermessensausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Folgen von Begriffsdenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Untersuchungsgegenstand und These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Kapitel 2

Normativ erklärbare Begrifflichkeiten

24

A. Abstrakte und konkrete Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Definition und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Funktion der Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Zuordnung der abstrakten und konkreten Gefahr zu den polizeirechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Kriterien für die Zuordnung der Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr zu der Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG und zu der Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen nach §§ 10 Abs.1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Zuordnung der Sachverhalte der konkreten und abstrakten Gefahr zu den Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 c) Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 d) Bedeutung der Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr für die Wahrscheinlichkeitsaussagen und die Zuordnung der Begriffe zur Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 e) Zuordnung der abstrakten und konkreten Gefahr zu den Regelungen über Standardmaßnahmen nach den §§ 26 ff. PolG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

8

Inhaltsverzeichnis f) Zuordnung der abstrakten und konkreten Gefahr zur unmittelbaren Ausführung nach § 8 Abs. 1 PolG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Folgen für Normen mit qualifizierten Gefahrbegriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

B. Anscheins- und Putativgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Funktion der Begriffe der Anscheins- und Putativgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Die Begriffe der objektiven und subjektiven Sichtweise bei der Wahrscheinlichkeitsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 IV. Verzichtbarkeit der Begriffe Anscheins- und Putativgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Bedeutung der vorgenommenen Begriffsbildungen für die Anwendung von Verhältnismäßigkeitskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Kapitel 3

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Polizeirecht aus historischer Perspektive

43

A. Anknüpfungspunkte für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Allgemeinen Preußischen Landrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 I. Die „nöthigen Anstalten“ in § 10 Teil II, Titel 17 ALR als Anknüpfungspunkt bei der Auswahl der Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. „Bevorstehende[…] Gefahr“ in § 10 Teil II, Titel 17 ALR als Anknüpfungspunkt bei der Auslegung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 III. Anknüpfungspunkte bei der Bestimmung des Adressaten einer polizeilichen Maßnahme sowie bei der Adressatenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Bestimmung des Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Adressatenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B. Anknüpfungspunkte für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Preußischen Polizeiverwaltungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. § 41 Abs. 1, Abs. 2 PrPVG und „notwendige Maßnahmen“ in § 14 Abs. 1 PrPVG als Anknüpfungspunkte bei der Auswahl der Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. „Gefahren“ in § 14 Abs. 1 PrPVG als Anknüpfungspunkt bei der Auslegung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Anknüpfungspunkte bei der Bestimmung des Adressaten einer polizeilichen Maßnahme in den §§ 18 ff. PrPVG und bei der Adressatenauswahl . . . . . . . . . . . 56

Inhaltsverzeichnis

9

1. Bestimmung des Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Adressatenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Kapitel 4

Begriff und Inhalte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

58

A. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Verankerung im Polizeigesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 B. Inhalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 I. Legitimität des Zwecks und des Mittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Geeignetheit der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 III. Erforderlichkeit der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 IV. Angemessenheit der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

Kapitel 5



Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den verschiedenen Ebenen der Anforderungen an eine rechtmäßige polizeiliche Maßnahme

72

A. Ebene der Bestimmung der Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Opportunitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Entschließungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Grundsätzliche Gefahrenabwehrpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG . . . . . . . 74 2. Grenzen der Gefahrenabwehrpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3. Unterschiede zwischen der Gefahrenabwehrpflicht und dem üblicherweise vertretenen Entschließungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 III. Auswahlermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Konstellationen 1 und 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Konstellation 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Teilanforderung der Geeignetheit bei der Störerauswahl . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Teilanforderung der Erforderlichkeit bei der Störerauswahl . . . . . . . . . . . 80

10

Inhaltsverzeichnis c) Teilanforderung der Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 d) Spannungsverhältnis zur Effektivität der Gefahrenabwehr? . . . . . . . . . . . 82 e) Berücksichtigung des Verantwortungsgrades der Störer bei der Prüfung der Teilanforderung der Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Einfluss der „internen zivilrechtlichen Verantwortlichkeit“ auf die Teilanforderung der Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Keine weitergehende Berücksichtigung des Verantwortungsgrades . . 86 3. Konstellation 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

B. Ebene der Qualifikation einer Person als Störer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Irrelevanz der Trennung zwischen Verhaltens- und Zustandsstörer für die Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Defizite der herkömmlich verwendeten rechtlichen Kriterien für eine Zurechnung in Rahmen der §§ 6 Abs. 1 und 7 PolG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Verhaltensstörer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Zustandsstörer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Zurechnung als Abwägung zwischen Freiheit und Verantwortung . . . . . . . . . . . . 94 IV. Erklärung der Wertungswidersprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Zweckveranlasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Begrenzung der Zustandsstörereigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 C. Ebene des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Wahrscheinlichkeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Unergiebigkeit eines bloßen Wahrscheinlichkeitsgrads . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. „Hinreichende“ Wahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Zweck des Gefahrbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Gewicht der Schädigung eines polizeilichen Schutzgutes als maßgebliches Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Berücksichtigung des allgemeinen Lebensrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 d) Kein zusätzliches zeitliches Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Behandlung von Situationen des Gefahrenverdachts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Definition und Abgrenzungsproblematik zur Anscheins- und Putativgefahr . 113 2. Eingriffsmaßnahmen bei einem Gefahrenverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Der Begriff des Gefahrenverdachts als geringerer Wahrscheinlichkeitsgrad eines Schadenseintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Inhaltsverzeichnis

11

III. Irrelevanz der Abgrenzung zwischen bloßer Belästigung und Schaden bei der Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Ergebnis 120 A. Entbehrlichkeit der üblicherweise verwendeten Begrifflichkeiten und Fallgruppen . . 120 B. Das Polizeirecht als ein durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmtes System von Abwägungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Kapitel 1

Einleitung A. Einführung I. Begriffsdenken im Polizeirecht Es fällt auf, dass sich im Polizeirecht viele unbestimmte Rechtsbegriffe finden, obwohl es zu grundrechtseingreifenden Maßnahmen ermächtigt, die durch das Gesetz an sich hinreichend vorgezeichnet sein müssen. Das Ergreifen polizeilicher Maßnahmen steht zudem ebenso wie die Auswahl zwischen verschiedenen möglichen Maßnahmen im Ermessen der Polizei. Insgesamt ist die gesetzliche Vorordnung polizeilicher Maßnahmen jedenfalls dann, wenn sie sich auf polizeirechtliche Generalklauseln stützen (§§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG1; §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG) bemerkenswert vage. Es ist zu beobachten, dass in Literatur und Rechtsprechung versucht wird, die Rechtsanwendung durch die Bildung begrifflicher Kategorien zu systematisieren und handhabbarer zu machen. Zudem werden für die Ausübung des Ermessens Fallgruppen bzw. „Regeln“ gebildet. Sie sind allerdings im Einzelnen nicht immer nachvollziehbar, und methodisch ist diese Vorgehensweise nicht unproblematisch. Damit befasst sich folgende Arbeit. 1. Unterschiedliche Gefahrbegriffe Ein erstes Beispiel für das Arbeiten mit Begrifflichkeiten im beschriebenen Sinne findet sich im Zusammenhang mit dem Merkmal der Gefahr. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG hat die Polizei „die Aufgabe, von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist“. Diese Aufgabe ist nach § 59 PolG den Polizeibehörden und dem Polizeivollzugsdienst übertragen.2 1 Als Polizeigesetz wird exemplarisch das Polizeigesetz Baden-Württemberg in der Fassung vom 13. Januar 1992, GBl. S. 1, ber. S. 596, 1993, S. 155 zitiert. 2 Dies bedeutet allerdings nicht, dass nur den Polizeibehörden und dem Polizeivollzugsdienst als Polizeibehörden im formellen Sinn die Aufgabe der Gefahrenabwehr zugewiesen ist. Auch Verwaltungsbehörden, die nicht zur Organisation der Polizei gehören, können die Gefahrenabwehr zur Aufgabe haben (Polizei im materiellen Sinn). Ob diese allerdings dann noch

14

Kap. 1: Einleitung

Eine Hauptaufgabe3 der Polizei ist somit die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, soweit die Abwehr besonderer Gefahren nicht in den besonderen Ordnungsgesetzen anderen Verwaltungsbehörden zugewiesen ist.4 § 1 Abs.  1 Satz 1 PolG ist, wie sich schon aus dem Normtext ergibt, eine Aufgabenzuweisungsnorm.5 Die Zuweisung der Aufgabe der Gefahrenabwehr sagt allerdings noch nichts darüber aus, zu welchen Handlungen die Polizei gegenüber Dritten ermächtigt ist.6 Insofern ist zwischen der Aufgabenzuweisung und der Einräumung von Befugnissen zur Aufgabenerfüllung zu trennen.7 Ist mit der Aufgabenerfüllung eine Maßnahme8 verbunden, die einen Eingriff9 in die (Grund-) als Polizeibehörden bezeichnet werden können, ist umstritten. Dagegen mit dem sogenannten „engen Polizeibehördenbegriff“: Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 61, Rn. 2; dafür mit dem sogenannten „weiten Polizeibehördenbegriff“: Ruder, Polizeirecht BadenWürttemberg, C, Rn. 56 ff.; Stephan, VBlBW 1984, 47. 3 Nach §§ 1 Abs. 2 PolG, 1 Abs. 2 Nummer 1 Satz 1 StAErmPVO, 163 Abs. 1 StPO haben bestimmte Beamte auch die Aufgabe, bei der Strafverfolgung als Ermittlungsbeamte der Staatsanwaltschaft tätig zu werden. 4 Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 11; Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 1, Rn 3; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 2, Rn. 45. 5 Überwiegend wird die Terminologie „Aufgabenzuweisungsnorm“ verwendet, z. B. bei: Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 1, Rn.  1; Ibler, in:­ Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn.  165; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, D, Rn. 160; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5, Rn. 10. Synonym wird der Begriff der „Aufgabennorm“ verwendet: Pewestorf, in: Pe­westorf/Söllner/Tölle, Polizei- und Ordnungsrecht, § 1 ASOG, Rn. 1. Näher zur Terminologie und der gleichzeitigen Funktion als „Aufgabenabgrenzungsnorm“: Reichert/Ruder/Fröhler, Polizeirecht, G, Rn. 205. 6 Z. B.: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 36; Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn.  165; Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rn. 235. 7 Zur Trennung zwischen Aufgaben- und Befugnisnorm im Polizeirecht: Würtenberger/ Heckmann, Polizeirecht, D, Rn.  160; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, E, Rn.  169; Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 165; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn.  36 f.; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 165; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 7, Rn. 1; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 76. 8 Unter Maßnahme i. S. d. polizeirechtlichen Maßnahmenbegriffs versteht man „alle, i. d. R. nach außen in Erscheinung tretenden, aufgrund Polizeirechts getroffenen Tätigkeitsakte“; so: Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 3, Rn. 5. Zum Maßnahmenbegriff ausführlich: Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E, Rn. 7. Übersehen wird häufig, dass davon der gesetzliche Maßnahmenbegriff in § 3 PolG zu unterscheiden ist. Ausführlich dazu unten Kapitel 2 A. II. 1. a). 9 Unter den Eingriffsbegriff fällt einerseits der „klassische Eingriff“, andererseits können auch nur mittelbare oder faktische Beeinträchtigungen davon umfasst sein. Siehe dazu: Peine, in: Merten/Papier, Handbuch der der Grundrechte III, § 57, Rn. 19 ff.; Manssen, Staatsrecht II, § 7, Rn. 142 ff.; Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 24, Rn. 5 ff. Insbesondere im Bereich des „informationellen Handelns“ der Polizei kann es schwer sein, zu beurteilen, ob in einer bestimmten Maßnahme ein Eingriff liegt. Grundlegend zum „informationellen Handeln“: BVerfGE 65, 1, 41 ff. Zu den einzelnen Problemgruppen polizeilicher Maßnahmen: Vahle, VR 86, 258, 260 ff.; Nolte, NVwZ 2001, 147, 149 ff.

A. Einführung

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Rechte des Bürgers darstellt, bedarf es nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes10 einer zu dieser Maßnahme ermächtigenden Befugnisnorm.11 Bei der Maßnahme kann es sich zum einen um einen Realakt oder einen Verwaltungsakt handeln. Die zu einer solchen Maßnahme ermächtigende Befugnisnorm kann sich aus den „Standardmaßnahmen“12 des Polizeigesetzes, die in den §§ 26 ff. PolG geregelt sind, ergeben. Bei einer unmittelbaren Ausführung ist die Befugnisnorm § 8 Abs.  1 PolG. Ist keine spezielle Befugnisnorm einschlägig, so ist die polizeirechtliche Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG maßgeblich. Nach der polizeirechtlichen Generalklausel der §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG hat die Polizei „innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben“, also unter anderem zur Abwehr von Gefahren i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG, „diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßen Ermessen erforderlich erscheinen“. Zum anderen können nach § 10 Abs.  1 PolG die allgemeinen Polizeibehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz, also ebenfalls zur Abwehr von Gefahren i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG, auch polizeiliche Gebote oder Verbote erlassen, die für eine unbestimmte Anzahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind (Polizeiverordnungen). Die Aufgabenzuweisungsnorm13 des § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG, darauf verweisend die Generalklausel nach den §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG und die Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen in §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG sowie die Standardbefugnisse nach den §§ 26 ff. PolG14 setzen eine „Gefahr“ für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung voraus. Wenn fraglich ist, ob ein bestimmter Sachverhalt in den Aufgabenbereich der Polizei fällt und unter welchen

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Im Einzelnen ist sowohl die Terminologie als auch die Begründung und Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes umstritten. Zum Überblick: Krebs, Jura 1979, 304 ff. und Sachs, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, Art. 20, Rn. 113 ff. 11 OVG Lüneburg, NJW 2006, 391, 392; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 259; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6, Rn. 16; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 136. Liegt in der Maßnahme kein Eingriff, kann die Polizei schon aufgrund der Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG handeln. Dazu: Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 77; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 7, Rn. 7; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 36. Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine (polizeirechtliche) Befugnisnorm: Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 171. 12 Die Bezeichnung „Standardmaßnahmen“ entspricht der üblichen in der Literatur verwendeten Terminologie, z. B. bei: Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 281; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 179; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 114; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 304. Synonym wird die Terminologie „Spezialbefugnisse“ verwendet, z. B. bei: Pieroth/Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 12, Rn. 1. In der gesetzlichen Überschrift des Polizeigesetzes werden die §§ 26 ff. PolG als „Einzelmaßnahmen“ bezeichnet. Siehe zur Bezeichnung genauer: Mußmann, Allgemeines Polizeirecht, § 1, Rn. 174, Fn. 163a. 13 Genauer zur Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs.  1 Satz 1 PolG unten Kapitel  2 A. II. 1. d). 14 Z. B. in den §§ 26 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 1 Satz 1 PolG.

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Kap. 1: Einleitung

Voraussetzungen eine polizeiliche Maßnahme getroffen werden oder eine Rechtsverordnung erlassen werden kann, muss also geklärt werden, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegt.15 Die Begriffe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung beschreiben die Schutzgüter, für die eine Gefahr bestehen muss.16 Der genaue Gegenstand der Schutzgüter ist für die weitere Untersuchung nicht relevant. Mit Gefahr wird nach der gängigen17 Definition18 ein Sachverhalt beschrieben, der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein polizeiliches Schutzgut schädigen wird.19 Will man eine der genannten polizeirechtlichen Normen anwenden, muss man also klären, ob eine Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts vorliegt. Auffällig ist, dass je nach normativem Kontext die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts variieren sollen. Es scheint einen Unterschied zu machen, ob die Zuständigkeit der Polizei bestimmt werden oder aber ein Sachverhalt abstraktgenerell durch Rechtsverordnung20 oder durch eine konkrete Maßnahme21 geregelt werden soll. Als Folge soll es unterschiedliche Gefahrbegriffe geben. So sollen §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG eine „abstrakte Gefahr“22 und §§ 3 i. V. m. 15

Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn.  1 sprechen deshalb vom „zentrale[n] Begriff des Polizei- und Ordnungsrechts“. Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 4 spricht von „materiell-rechtliche[m] ‚Allgemeingut‘“. 16 Zu den Schutzgütern genauer: Waechter, NVwZ 1997, 729 ff; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 16; Pewestorf, in: Pewestorf/Söllner/Tölle, Polizeiund Ordnungsrecht, § 1 ASOG, Rn. 34; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 399 ff.; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, E, Rn. 196 ff. 17 Schoch, Jura 2003, 472 spricht von einer „allgemein anerkannte[n] Begriffsbestimmung“. 18 Teilweise werden einzelne Gefahrbegriffe in den Polizeigesetzen legaldefiniert: vgl. § 2 Nr. 1 u. Nr. 2 NdsSOG; § 3 Nr. 3 SOG LSA; § 2 Nr. 3 BremPolG; § 3 Abs. 3 SOG M–V. 19 Z. B. jeweils mit geringen Abwandlungen: BVerwGE 45, 51, 57; Denninger, in: Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn.  39; Pewestorf, in: Pewestorf/Söllner/Tölle, Polizei- und Ordnungsrecht, § 1 ASOG, Rn. 9; Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 1, Rn. 1; Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 83; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, E, Rn. 176; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 411; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 9; Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 133; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 5. 20 Durch eine Polizeiverordnung i. S. d. §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG. 21 Damit ist hier insbesondere die Regelung eines Sachverhalts durch einen Verwaltungsakt nach den §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG gemeint. Dazu siehe unten Kapitel 2 A. II. 1. a). 22 Zum PolG in Baden-Württemberg: Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 10, Rn. 12; Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 102 ff.; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, G, Rn. 714; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, E, Rn.  182. Allgemein: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 11, Rn.  625; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 22, Rn.  4; Pieroth/ Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 11, Rn.  14; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 17, Rn. 5. Einige PolG fordern ausdrücklich eine abstrakte Gefahr, z. B. in § 55 Abs. 1 NdsSOG und § 94 Abs. 1 SOG LSA. Siehe dazu auch unten Kapitel 2 A. I.

A. Einführung

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1 Abs. 1 Satz 1 PolG eine „konkrete Gefahr“23 voraussetzen. Damit könnte es je nach normativem Kontext unterschiedliche Anforderungen an das mit dem Gefahrbegriff verbundene Wahrscheinlichkeitsurteil geben. Dies erstaunt aber, weil es immer um denselben Begriff der „Gefahr“ geht. Es ist zu vermuten, dass dies mit dem Sinn und Zweck der jeweiligen Norm bzw. Normenketten zusammenhängt. Der Gefahrbegriff scheint sich jedoch nicht nur nach dem normativen Kontext zu verändern, sondern auch in Abhängigkeit von der tatsächlichen Situation.24 So werden in der Literatur und Rechtsprechung mit teilweise unterschiedlichen Bezeichnungen die dem Wahrscheinlichkeitsurteil zugrunde liegenden tatsächlichen Lebenssachverhalte zu jeweils eigenen Gefahrbegriffen zusammengefasst. Zu nennen sind die Anscheinsgefahr25, die Putativgefahr26 und der Gefahrenverdacht27. 23

Zum PolG in Baden-Württemberg: Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für­ Baden-Württemberg, § 3, Rn.  12; Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 102 ff.; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 411; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, E, Rn. 191. Allgemein: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 70; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 10; Pieroth/Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 13; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 5. Siehe dazu auch unten Kapitel 2 A. I. 24 Oft wird nicht auf die tatsächliche Situation, sondern auf die Prognoseentscheidung abgestellt: Pewestorf, in: Pewestorf/Söllner/Tölle, Polizei- und Ordnungsrecht, § 1 ASOG, Rn. 13 f.; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 419 ff.; wohl auch Brandt/Smeddinck, Jura 1994, 225, 229. Allerdings ist gerade nicht die Prognoseentscheidung für die Veränderung des Gefahrbegriffs relevant, sondern der ihr zugrunde liegende Sachverhalt. Somit hat die Veränderung des Gefahrbegriffs „nichts mit der Prognosesicherheit, sondern mit der Analyse des Sachverhalts […] zu tun“, vgl. Prümm/Sigrist, Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsrecht, Rn. 52. Es kann deshalb nur auf die tatsächliche Situation abgestellt werden. 25 Dazu u. a. OLG Karlsruhe, VBlBW 2000, 329; Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 1, Rn. 43; Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 108; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 424; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, G, Rn. 225. Allgemein: Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 142 ff.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 80; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 7, Rn. 38 ff.; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizeiund Ordnungsrecht, § 4, Rn. 48 f.; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 57 ff. Zu den Begrifflichkeiten und der Anscheinsgefahr genauer unten Kapitel 2 B. 26 Dazu u. a. Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 1, Rn.  45; Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 119; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 419; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, G, Rn. 224. Allgemein: Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 144; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 82; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizeiund Ordnungsrecht, § 4, Rn. 63.; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 59. Zu den Begrifflichkeiten und der Putativgefahr genauer unten Kapitel 2 B. I. 27 Dazu u. a. Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 1, Rn.  44; Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn.  109 ff.; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn.  420; Ruder, Polizeirecht BadenWürttemberg, G, Rn.  227 f.; Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2.  Kap., Rn.  145 ff.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn.  80; Götz, Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, § 7, Rn. 28 ff.; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 50 ff.; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 60 ff. Zum Gefahrenverdacht genauer unten Kapitel 5 C. II.

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Kap. 1: Einleitung

Auch das erstaunt, weil die faktische Situation den Inhalt des Gefahrbegriffs zu beeinflussen scheint. Weiterhin stellen manche polizeirechtliche Normen selbst besondere Anforderungen an die Gefahr.28 So verlangt § 31 Abs. 1 Satz 1 PolG beispielsweise eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. § 23 Abs. 1 Satz 1 PolG erfordert eine unmittelbar bevorstehende Gefahr. Es gibt also offenbar verschiedene Gefahrensituationen, die durch unterschiedliche Begriffe beschrieben und verändert werden. 2. Begriffsdenken bei der Bestimmung von Störern Ein weiteres Beispiel für das Arbeiten mit Begrifflichkeiten findet sich beim Umgang mit den §§ 6 und 7 PolG. Nach § 6 Abs. 1 PolG kann beispielsweise die Polizei denjenigen zur Beseitigung einer Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Anspruch nehmen, der die Bedrohung oder Störung verursacht hat. Zur Konkretisierung dieses Begriffs und zur Vereinfachung des Umgangs mit ihm sind verschiedene „Theorien“ und Kategorien wie die des Zweckveranlassers entwickelt worden.29 Es hat den Anschein, als sei das Tatbestandsmerkmal „verursacht“ des § 6 Abs. 1 PolG so unbestimmt, dass es ohne die Entwicklung von verschiedenen „Theorien“ und Kategorien nicht subsumtionsfähig ist. § 7 PolG normiert, dass die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder gegenüber demjenigen zu treffen hat, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand einer Sache bedroht oder gestört wird. Auch wenn das Tatbestandsmerkmal des Eigentümers oder des Inhabers der tatsächlichen Gewalt vermeintlich einfach subsumierbar ist, werden in diesem Zusammenhang ebenfalls verschiedene „Regeln“ aufgestellt. Beispielsweise soll der Verkehrswert der Sache die Grenze markieren, ab deren Überschreiten der Eigentümer nicht mehr Störer ist.30 Es scheint also auch bei § 7 PolG ein Bedürfnis zu geben, durch „Regeln“ den Umgang mit der Norm zu erleichtern.

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Diese Gefahr wird dann als „qualifizierte Gefahr“ bezeichnet, siehe u. a. bei Würtenberger/ Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 415; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 19; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 6, Rn. 26; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 66. Teilweise wird auch von einer „gesteigerten Gefahr“ gesprochen, z. B. bei Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, E, Rn. 184. 29 Dazu genauer unten Kapitel 5 B. IV. 1. 30 Z. B. BVerfGE 102, 1, 5, das die Zustandsverantwortlichkeit für Altlasten explizit aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begrenzt. Dazu: Mohr, NVwZ 2003, 686 ff. Siehe dazu genauer unten Kapitel 5 B. IV. 2.

A. Einführung

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3. „Regeln“ bei der Ermessensausübung Schließlich wird versucht, die Ausübung des Ermessens durch die Aufstellung allgemeiner „Regeln“ zu systematisieren.31 Insbesondere für die Störerauswahl32 bestehen eine Vielzahl solcher „Regeln“. Eine „Regel“, nach der das Ermessen der Polizei ausgeübt werden soll, ist die Effektivität der Gefahrenabwehr.33 Folgt man dieser „Regel“, ist beispielsweise von mehreren Störern derjenige als Adressat einer polizeilichen Maßnahme auszuwählen, der die Gefahr am schnellsten und wirksamsten bekämpfen kann.34 Eine andere „Regel“ besagt, dass bei der Störerauswahl vorrangig der Verhaltensstörer vor dem Zustandsstörer ausgewählt werden muss.35

II. Folgen von Begriffsdenken Problematisch ist an diesem Begriffsdenken, dass man für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer bestimmten Maßnahme nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage als ausschlaggebend ansieht, sondern das Vorliegen einer spezifischen Situation, die mit diesen Begrifflichkeiten bezeichnet wird.36 Es wird damit nicht unter das Tatbestandsmerkmal der jeweiligen Norm subsumiert, sondern verglichen, ob die vorliegende Situation mit einer solchen übereinstimmt, die von der jeweiligen Begrifflichkeit abgedeckt wird.37 Die damit verbundene Schwierigkeit wird beispielsweise an der Abgrenzung der „abstrakten“ und „konkreten“ Gefahr deutlich.38 Dort versagen die Begrifflich-

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VGH Mannheim, ZUR 2013, 298, 299; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, F, Rn. 257. Zur Störerauswahl siehe nur: VGH München, NJW 1993, 81; Garbe, DÖV 1998, 632 ff.; Schwerdtner, NVwZ 1992, 141. 33 VGH Mannheim, VBlBW 1995, 281 ff. 34 VGH Mannheim, VBlBW 1998, 312; VG Lüneburg, Beschl. v. 15.4.2011, Az. 2 B 4/11, juris Rn. 17. 35 So beispielsweise: OVG Koblenz, NJW 1989, 1369, 1370: „Das der Polizei eingeräumte Auswahlermessen bei der Inanspruchnahme von Polizeipflichtigen ist grundsätzlich dahin auszuüben, daß der Verhaltens- vor dem Zustandsverantwortlichen heranzuziehen ist“; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 504. 36 Als Folge sieht Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 99 die unterschiedlichen Gefahrbegriffe als Rechtfertigung an, „auch solche Situationen als Gefahren zu behandeln, die vom Begriff der Gefahr nicht erfasst sind und nicht erfasst werden sollen“. 37 Insofern ist es unpräzise, wenn Schenke/Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 58 davon sprechen, die Anscheinsgefahr „lässt sich ohne Schwierigkeiten unter den […] Gefahrbegriff subsumieren“. Man subsumiert nämlich gerade nicht die Anscheinsgefahr, sondern den ihr zugrunde liegenden Sachverhalt. 38 Siehe zusammenfassend zur Abgrenzungsproblematik: Walker, Abstrakte und konkrete Gefahr, S. 216 ff. Dieser stellt fest, dass es keine klare Linie dafür gibt, welche Elemente der abstrakten oder konkreten Gefahr zugeordnet werden können. Zu den Abgrenzungsschwierigkeiten im Polizeirecht: Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Würt 32

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Kap. 1: Einleitung

keiten dann, wenn sich Sachverhalte einem Gefahrbegriff nicht eindeutig zuordnen lassen. Das betrifft beispielsweise die Abgrenzungsproblematik zwischen der Allgemeinverfügung, die auf die §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG gestützt wird, und der Polizeiverordnung nach den §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG.39 Auch ist es im Falle der Anscheinsgefahr nicht ausschlaggebend, ob eine Sachlage vorliegt, die faktisch einer solchen ähnelt, die üblicherweise vom Begriff der Anscheinsgefahr umschrieben wird, sondern es ist einzig entscheidend, ob das Tatbestandsmerkmal „Gefahr“ der jeweiligen Norm erfüllt ist.40 Eine weitere Folge des Begriffsdenkens ist, dass Sachlagen oft zu pauschal beurteilt werden. Ordnet man beispielsweise eine Situation einem Begriff oder einer Regel zu, gelangt man zu dem Ergebnis, dass der Begriff oder die Regel entweder zutreffend für die Situation ist oder nicht. Die Konsequenz davon ist ein SchwarzWeiß-Denken, das dem Polizei- und Ordnungsrecht, das flexibel auch auf atypische Situationen reagieren muss, widerspricht.41 So wird z. B. bei der Bewertung einer Situation als gefährlich beim bloßen Abstellen auf die genannten Begriffe nicht berücksichtigt, wie hoch der Wahrscheinlichkeitsgrad des zu erwartenden Schadenseintritts ist. Ebenso können sich unterschiedliche „Regeln“ widersprechen. Beispielsweise wäre nach der „Regel“ der Effektivität der Gefahrenabwehr derjenige Störer als Adressat einer polizeilichen Maßnahme auszuwählen, der die Gefahr am schnellsten und wirksamsten bekämpfen kann. Nach der „Regel“ „Verhaltensstörer vor Zustandsstörer“ wäre immer der Verhaltensstörer als Adressat einer polizeilichen Maßnahme auszuwählen. Kann nun aber der Zustandsstörer die Gefahr am schnellsten und wirksamsten bekämpfen, widersprechen sich diese „Regeln“. Die sich widersprechenden „Regeln“ können somit zu einer widersprüchlichen Beurteilung von Situationen führen und erschweren die Rechtsanwendung. Das Begriffsdenken führt also erstens dazu, dass man nicht mehr unter die jeweiligen Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsgrundlage subsumiert, und bewirkt zweitens, dass man Situationen zu pauschal und widersprüchlich beurteilt. temberg, § 2, Rn. 204; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, G, Rn. 714; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, E, Rn.  183; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 9. Siehe dazu auch unten Kapitel 2 A. II. 1. c). 39 Siehe dazu nur: OVG Bremen, Beschluss v. 21.10.2011, Az. 1 B 162/11, juris-Rn. 22 ff.; OVG Lüneburg, Urteil v. 20.11.2012, Az. 11 KN 187/12, juris-Rn. 61; offengelassen VG Stuttgart, Urteil v. 20.12.2002, Az. 1 K 5431/02, juris-Rn. 5. VGH Mannheim, NVwZ-RR 2012, 939 betrifft auch die Abgrenzungsproblematik zwischen Polizeiverordnung und Allgemeinverfügung; siehe dazu: Berger, NVwZ 2013, 1593 ff., die allerdings die Abgrenzungsproblematik außen vor lässt. Dazu genauer unten Kapitel 2 A. II. 1. c). 40 Dass es nur auf den ggf. auslegungsbedürftigen Tatbestand der jeweiligen Normen ankommen kann, zeigt generell für Prognosetatbestände Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 11 f. 41 Nach Pewestorf, in: Pewestorf/Söllner/Tölle, Polizei- und Ordnungsrecht, § 1  ASOG, Rn. 1 muss der entsprechende Amtsträger für eine effektive Gefahrenabwehr „entscheidungsfreudig“ sein.

B. Untersuchungsgegenstand und These

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B. Untersuchungsgegenstand und These Das Ziel der beschriebenen Vorgehensweise besteht zum einen in einem Bedürfnis, normative Anforderungen einfacher handhabbar zu machen. Zum anderen geht es darum, problematische faktische Situationen einfacher einordnen zu können. Allerdings ist fraglich, ob sich durch die Formulierung unterschiedlicher Begrifflichkeiten und Regeln tatsächlich eine Vereinfachung erreichen lässt. Da man sich zunehmend von den normierten tatbestandlichen und sonstigen rechtlichen Anforderungen an polizeiliche Maßnahmen entfernt, droht eine unübersichtliche Kasuistik.42 Die Arbeit geht davon aus, dass die üblicherweise verwendeten Begrifflich­ keiten, Fallgruppen und Regeln entbehrlich sind. Sie vertritt die These, dass sich der Inhalt mancher Facetten des unbestimmten Rechtsbegriffs der Gefahr allein aus ihrem normativen Kontext erschließen lässt mit der Folge, dass manche der üblicherweise verwendeten Kategorien überflüssig sind. Das betrifft beispielsweise das Begriffspaar der abstrakten und konkreten Gefahr und möglicherweise auch das der Anscheins- und Putativgefahr. Im Übrigen nimmt die Arbeit an, dass die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme und die Ausfüllung aller damit verbundenen Wertungsspielräume durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geprägt sind.43 § 28 Abs. 1 Nummer 2  PolG, der Eingriffe in die Freiheit einer Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG44) nur bei Vorliegen einer „drohenden Gefahr für Leib und Leben“ zulässt, deutet beispielsweise darauf hin, dass es bereits bei der Subsumtion eines Sachverhalts unter

42 Siehe z. B. VG Düsseldorf, Urt. v. 25.2.2013, Az. 18 K 6433/12, wo es nicht nur um die Abgrenzung Polizeiverordnung-Allgemeinverfügung geht, sondern auch um die Abgrenzung der Gefahrenabwehr zur „Gefahrenvorsorge“. In OVG Lüneburg, Urt. v. 30.11.2012, Az. 11 KN 187/12 zeigen sich die Zuordnungsschwierigkeiten zu den Begriffen der „abstrakten Gefahr“, „Gefahrenverdacht“ und „Gefahrenvorsorge“. Zuordnungsschwierigkeiten zu den Begriffen der „Anscheins- und Putativgefahr“ zeigen sich z. B. in VGH München, Urt. v. 17.4.2008, Az. 10 B 07.219. Die Zuordnungsprobleme zeigen sich auch in folgenden Falllösungen: Kötter, JuS 2011, 1016 ff. („Anscheinsgefahr“ und „Gefahrenverdacht“); Enders, Jura 1998, 365 ff. („Anscheinsgefahr“ beim Nichtstörer). 43 Zur Ausfüllung der Wertungsspielräume Schmatz, Die Grenzen des Opportunitätsprinzips im heutigen deutschen Polizeirecht, S. 34: „Gegenüber der konservativen Lehre hat die moderne klar erkannt, daß die Begriffe wie ‚Gefahr‘ und ‚öffentliches Interesse‘ nicht nach Ermessen angewandt werden können, daß sie die Verwaltung nicht ermächtigen, ein öffentliches Interesse anzunehmen oder nicht, sondern festzustellen, den unbestimmten Rechtsbegriff auszulegen und in der Subsumtion zu prüfen, ob der Sachverhalt durch den Begriff gedeckt wird oder nicht“; Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 13. 44 Siehe zur Grundrechtsrelevanz von Eingriffsakten aufgrund von Standardmaßnahmen: Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 313.

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Kap. 1: Einleitung

den Begriff der Gefahr und damit bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit einer Maßnahme auf Verhältnismäßigkeitserwägungen ankommen kann.45 § 9 PolG legt die Vermutung nahe, dass auch die Qualifikation einer Person als Störer das Ergebnis der Anwendung von Verhältnismäßigkeitskriterien sein kann. Es stellt sich damit die Frage, wie Verhältnismäßigkeitskriterien die Qualifikation einer Person als Störer determinieren und ob sich mit der Anwendung von Verhältnismäßigkeitskriterien die vorherrschenden Begrifflichkeiten überwinden lassen. Dass die Polizei bei der Ermessensentscheidung, ob sie überhaupt tätig wird, sowie bei der Auswahl, welchen Störer sie mit welcher konkreten Maßnahme in Anspruch nimmt, an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden ist, ist nicht nur allgemein anerkannt, sondern vor allem auch in § 5 PolG angeordnet. Zu untersuchen ist aber, wie genau die Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgestaltet ist und wie diese Bindung die Ermessensentscheidung beeinflusst. Die Arbeit will zeigen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur die Ermessensausübung durch die Polizei determiniert, sondern dass die rechtlichen Anforderungen an polizeiliche Maßnahmen insgesamt auf einem durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmten System von Abwägungsentscheidungen beruhen.

C. Gang der Untersuchung Die Arbeit verfährt wie folgt: In einem ersten Schritt zeigt sie, welche der üblicherweise zum Zwecke der Systematisierung verwendeten Begrifflichkeiten normativ erklärt werden können. Damit kreist sie zugleich ein, für welche sonstigen Rechtmäßigkeitsanforderungen die Ausfüllung mit Verhältnismäßigkeitskriterien in Betracht kommen kann (Kapitel  2). Im Anschluss geht die Arbeit der Frage nach, ob sich aus historischer Perspektive Anhaltspunkte dafür finden, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht nur die Ausübung polizeilichen Ermessens determiniert, sondern beispielsweise auch die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe wie den der Gefahr oder des Störers beeinflusst (Kapitel 3). Im nächsten Schritt werden die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Polizeirecht und sein genauer Inhalt betrachtet (Kapitel 4). Daran anknüpfend wird dann geklärt, an welcher Stelle der Prüfung der Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Maßnahme welche Aspekte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Tragen kommen. Dabei beginnt die Analyse mit der Untersuchung der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Auswahl der konkreten Rechtsfolge. Steht fest, wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an dieser Stelle, also als Anforderung an die rechtmäßige Ermessensausübung wirkt, kann darauf folgend geklärt werden, was er bei der Feststellung, wer 45

Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, B, Rn. 64.

C. Gang der Untersuchung

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im konkreten Fall Störer ist, leisten kann und welche Verhältnismäßigkeitskriterien hier relevant sein können. Anschließend kann festgestellt werden, welche Verhältnismäßigkeitserwägungen für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Gefahr und die Subsumtion unter ihm verbleiben. Geht man davon aus, dass sich die Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme drei Anforderungs- bzw. Prüfungsebenen zuordnen lassen, nämlich der Ebene der Tatbestandsmäßigkeit, der Ebene der Störerbestimmung und der Ebene der rechtmäßigen Ermessensausübung bzw. der Ebene der rechtmäßigen Bestimmung der Rechtsfolgen46, dann geht die Arbeit quasi in umgekehrter Reihenfolge vor. Sie versucht, auf diese Weise herauszufinden, welche Verhältnismäßigkeitserwägungen auf welcher Prüfungsebene anzustellen sind und wie die Ebenen untereinander verzahnt sind (Kapitel 5).

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Die Gliederung eines inhaltlichen Programms in verschiedene Ebenen ist zur Strukturierung juristischer Prüfungen gängig, siehe dazu z. B.: Berkemann, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 32, Rn. 192 ff. Eine schematische Darstellung der einzelnen Prüfungsebenen findet sich bei Ossenbühl, DÖV 1976, 463, 465.

Kapitel 2

Normativ erklärbare Begrifflichkeiten Die Arbeit geht davon aus, dass sich bestimmte Begrifflichkeiten schon aus ihrem normativen Kontext erklären lassen. Soweit die Begrifflichkeiten schon aus ihrem normativen Kontext erklärbar sind, kann auf sie verzichtet werden. Zugleich kommen sie nicht mehr für eine Ausfüllung mit Verhältnismäßigkeitskriterien in Betracht. Es stellt sich damit die Frage, welche Begrifflichkeiten normativ erklärbar sind.

A. Abstrakte und konkrete Gefahr I. Definition und Probleme Als konkrete Gefahr bezeichnet man die in einem einzelnen Fall bestehende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für die öffentliche Sicher­ heit und Ordnung.1 Demgegenüber bezeichnet man als abstrakte Gefahr einen Sachverhalt, bei dem typischerweise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einem Schadenseintritt für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gerechnet werden muss.2 Die Definitionen von abstrakter und konkreter Gefahr sind in der Literatur und Rechtsprechung weitestgehend deckungsgleich.3 Die Problematik der abstrakten und konkreten Gefahr liegt damit nicht in ihren Definitionen, sondern in der Arbeit mit dem Begriffspaar. Schwierigkeiten entstehen dann, wenn bestimmte Situationen der abstrakten oder konkreten Gefahr zugeordnet werden sollen. Dabei ist aufgrund der Konturenlosigkeit der Begriffe unklar, welche Bedeutung der Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter Gefahr zukommt. Die Folge ist, dass die Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr ihrer noch zu klärenden Abgrenzungstaug 1 VGH Mannheim, VBlBW 2010, 29, 31; Schoch, Jura 2003, 472; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 411; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, E, Rn. 181. In einigen Landesgesetzen finden sich auch Legaldefinitionen, z. B. in § 2 Nr. 1 a) NdsSOG und in § 54 Nr. 3 a) ThürOBG. 2 VGH Mannheim ESVGH 21, 216, 218; 28, 241, 247; BVerwG, DÖV 1970, 713, 715; Schoch, Jura 2003, 472, 473; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, G, Rn. 714; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, E, Rn. 182. In einigen Landesgesetzen finden sich auch Legal­ definitionen, z. B. in § 2 Nr. 2 NdsSOG und in § 54 Nr. 3 e) ThürOBG. 3 Hecker, NVwZ 2009, 1016, 1018: „Auch das BVerwG hat die Beachtung der anerkannten herkömmlichen Definition der abstrakten Gefahr angemahnt […]“.

A. Abstrakte und konkrete Gefahr

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lichkeit beraubt werden. Trotz weitestgehend deckungsgleicher Definitionen wird das Begriffspaar in der Rechtsanwendung unpräzise.4 Der Begriff der abstrakten Gefahr wird auch zur Lösung solcher Situationen verwendet, die mit dem ebenfalls wenig präzisen Begriff des Gefahrenvorfelds umschrieben werden. Damit sind Situationen gemeint, die im Vorfeld konkreter Gefahren liegen oder einen nicht individualisierbaren Adressatenkreis beinhalten.5 Da noch keine konkrete Gefahr vorliegt, können Maßnahmen nicht auf die herkömmlichen Ermächtigungsgrundlagen gestützt werden. Aus diesem Grund wird der Versuch unternommen, mit Hilfe des Begriffes der abstrakten Gefahr eine Möglichkeit zu schaffen, schon im Vorfeld der konkreten Gefahr Einzelmaßnahmen zu treffen.6 Der Begriff der abstrakten Gefahr soll dann die unterste Grenze markieren, ab der Einzelmaßnahmen getroffen werden können.7 Das ist aber problematisch, wenn man an sich davon ausgeht, dass Einzelmaßnahmen im Regelfall eine in einem konkreten Fall hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts erfordern. Damit wird der Begriff der abstrakten Gefahr als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Einzelmaßnahme verwendet, was er nicht ist.8 Dass der Begriff der abstrakten Gefahr überhaupt zu diesem Zweck verwendet wird, resultiert aus seiner Verwendung ohne normativen Bezug.9 Will man verhindern, dass der Begriff der abstrakten Gefahr letztlich als Sammelbegriff für all jene Situationen dient, die noch nicht oder nicht mehr vom Begriff der konkreten Gefahr erfasst sind, ist eine normative Anknüpfung unverzichtbar.10

4 „Obwohl die abstrakte Gefahr zum polizeirechtlichen Traditionsbestand gehört, wird sie häufig wenig präzise beschrieben“, so: Poscher, Die Verwaltung 2008, 345, 359. 5 Vgl.: Kral, Die polizeilichen Vorfeldbefugnisse als Herausforderung für Dogmatik und Gesetzgebung des Polizeirechts, S. 71 ff. 6 Siehe z. B. bei Möstl, DVBl 2007, 581, 583, der die Konstruktion von Eingriffsschwellen als „Unsicherheit“ ansieht. 7 So sehr missverständlich Poscher, Die Verwaltung 2008, 345, 362, der annimmt, „die abstrakte Gefahr [sei] die Eingriffsschwelle, ab der polizeiliche Maßnahmen grundsätzlich zulässig [seien]“, und der davon ausgeht, dass „Einzelmaßnahmen auf der Grundlage einer abstrakten Gefahr getroffen“ werden können. 8 Richtig ist aber, dass sich durch eine Polizeiverordnung die Gefahrengrenze nach vorne verlagern lässt, wenn abstrakt-generell eine bestimmte Situation normiert wird, „so daß die Polizei [ihre] Entstehung mit dem Mittel der Polizeiverfügung bekämpfen kann“, dazu: Kickartz, Ermittlungsmaßnahmen zur Gefahrerforschung, S. 246. 9 Ein Beispiel für die Verwendung des Begriffes der abstrakten Gefahr im sog. Gefahrenvorfeld findet sich in der Entscheidung des BayVerfGH, BayVBl 2006, 339, 343, der eine „erhöhte abstrakte Gefahr“ als Voraussetzung für eine Durchsuchung im Rahmen einer sog. „Schleierfahndung“ fordert. Siehe dazu: Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10, Rn. 91. Beispiele für von Normen losgelöste Begriffsdefinitionen finden sich bei Brandt/Smeddinck, Jura 1994, 225, 228; v. Mutius, Jura 1986, 649, 656. 10 Vgl. Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 45 allerdings zur „allgemein bestehenden Gefahr“: „‚Allgemein gefährlich‘ in diesem Sinne ist nahezu jeder Lebensbereich […]. Um so wichtiger ist die Forderung, polizeiliche Eingriffsmaßnahmen an das Vorliegen einer konkreten Gefahr zu binden“.

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Kap. 2: Normativ erklärbare Begrifflichkeiten

II. Funktion der Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr 1. Zuordnung der abstrakten und konkreten Gefahr zu den polizeirechtlichen Normen a) Kriterien für die Zuordnung der Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr zu der Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG und zu der Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen nach §§ 10 Abs.1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG Um die normative Funktion der Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr herauszuarbeiten, bedarf es einer Betrachtung derjenigen Regelungen, die diese Begriffe tatbestandlich voraussetzen. Eine Zuordnung der Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr zu den polizeirechtlichen Normen erfolgt exemplarisch nur zu solchen Normen, bei denen Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen. Das sind die Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG, die Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG und die Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen nach §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG. Zudem sollen Zuordnungskriterien für die Standardmaßnahmen nach den §§ 26 ff. PolG und für die unmittelbare Ausführung nach § 8 Abs. 1 PolG gezeigt werden. Um die Sachverhalte, die mit abstrakter und konkreter Gefahr umschrieben werden, Rechtssätzen zuordnen zu können, muss geklärt werden, welche Sachverhalte von den jeweiligen Normen erfasst werden. Das Wort „Gefahr“ des Tatbestandes der Normen führt, wie schon gezeigt, nicht weiter, da immer auf denselben Gefahrbegriff in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG verwiesen wird. Weiterhelfen könnte eine gemeinsame Betrachtung des Tatbestandes und der Rechtsfolge der einzelnen Normen. Es ist nämlich nicht bloß Aufgabe des Tatbestandes, die jeweilige Rechtsfolge eines Rechtssatzes zu implizieren.11 Tatbestand und Rechtsfolgenseite eines Rechtssatzes stehen vielmehr in einem rechtssystematischen Verhältnis zueinander.12 Die Rechtsfolge muss daher zur Tatbestandsvoraussetzung „passen“ und umgekehrt.13 Aufgrund des wechselseitigen Verhältnisses von Tatbestand und Rechtsfolge ist es für die Zuordnung der abstrakten und konkreten Gefahr zu den einzelnen Regelungen möglich, eine Rechtsfolgenbetrachtung vorzunehmen. Das bedeutet, dass ein Sachverhalt, der durch die Begriffe der abstrakten oder der konkreten Gefahr beschrieben wird, einer Norm zugeordnet werden kann, indem geprüft wird, ob der Sachverhalt zur Rechtsfolge der jeweiligen Norm „passt“. Somit ist zunächst zu betrachten, welche Rechtsfol 11

Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 65. So Krahl, Tatbestand und Rechtsfolge, S. 65, allerdings für das Strafrecht. Danach werden Tatbestand und Rechtsfolge als wertungsbezogen verstanden und normativer in ein Verhältnis zueinander gesetzt. 13 Für das Strafrecht: Schmidhäuser, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 2, Rn. 18. 12

A. Abstrakte und konkrete Gefahr

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gen die einzelnen Normen setzen, denen die Sachverhalte der abstrakten und konkreten Gefahr zugeordnet werden sollen. Die §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG ermöglichen den Erlass polizeilicher Gebote oder Verbote, die für eine unbestimmte Anzahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind (Polizeiverordnungen). Polizeiverordnungen nach §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG sind Rechtsverordnungen.14 Eine Rechtsverordnung ist eine von der Exekutive erlassene Rechtsnorm.15 Als Rechtsnorm ist die Rechtsverordnung in der Regel16 abstrakt-generell17.18 Die Rechtsfolge der Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG ist, dass „Maßnahmen“ getroffen werden können. Unter den Begriff der „Maßnahmen“ im Sinne des § 3 PolG sollen nach einer in der Literatur vorzufindenden Definition alle nur denkbaren nach außen in Erscheinung tretenden, aufgrund des Polizeirechts getroffenen „Tätigkeitsakte“ fallen.19 Danach wären also z. B. Verwaltungsakte, Rechtsverordnungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Realakte Maßnahmen im Sinne der §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG.20 Der Begriff der „Tätigkeitsakte“ ist allerdings zu weit.21 So kommen aus systematischen Gründen Polizeiverordnungen nicht als Maßnahme im Sinne der §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG in Betracht. Ansonsten würde die Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen nach §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG ihrer Funktion beraubt.22

14

Unproblematisch, siehe: Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 1, Rn. 1 15 Maurer, Staatsrecht I, § 17, Rn. 35; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 142. 16 Siehe zu den Ausnahmen: Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 80, Rn. 29; v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 239; Saurer, Die Funktionen der Rechtsverordnung, S. 225 f. 17 Zur abstrakt-generellen Regelung: Saurer, Die Funktionen der Rechtsverordnung, S. 222 m. w. N. 18 Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, S. 27: „Als Gesetz im materiellen Sinn soll jede abstrakt-generelle hoheitliche Regelung des Außenrechts verstanden werden […]. Als Rechtsverordnung ist das von der Exekutive erlassene Gesetz im materiellen Sinn anzusehen“; Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, S.  131 ff. Genauer zu den materiellen Ansätzen für eine Begriffsbestimmung der Rechtsverordnung: Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 80, Rn. 28; Saurer, Die Funktionen der Rechtsverordnung, S. 222. 19 Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 3, Rn. 5: „Polizeiliche Maßnahmen sind alle, i. d. R. nach außen in Erscheinung tretenden, aufgrund Polizeirechts getroffenen Tätigkeitsakte“; Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 3, Rn. 4. Ohne Bezug zum PolG BW z. B. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E, Rn. 8. 20 Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 3, Rn. 5; Stephan/ Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 3, Rn. 4. 21 Der in der Literatur verwendete weite Begriff der Maßnahme resultiert daraus, dass der Gesetzgeber den Begriff der „Maßnahme“ für mehrere Handlungsformen verwendet. „Das Ergebnis sind sehr inkonsistente Klassifizierungen in Literatur und Judikatur, so diese überhaupt vorgenommen werden.“, so: Beckmann, NVwZ 2011, 842. 22 Zur Funktion: Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, J, Rn. 365 ff.

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Kap. 2: Normativ erklärbare Begrifflichkeiten

Auch kann aus der Normierung von Standardbefugnissen für Realakte23 sowie aus der Ermächtigung von § 8 Abs. 1 PolG geschlossen werden, dass diese Regelungen abschließend sind, und zwar nicht nur hinsichtlich des einzelnen geregelten Sachbereiches24, also z. B. der Durchsuchung, der Beschlagnahme, der Datenfeststellung usw., sondern generell in Bezug auf Realakte.25 Das bedeutet, dass aus systematischen Gründen Realakte ebenfalls nicht unter den Maßnahmenbegriff im Sinne der §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG fallen.26 Als Maßnahme im Sinne der Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG kommen deswegen im Wesentlichen nur Verwaltungsakte nach § 35 LVwVfG in Betracht.27 b) Zuordnung der Sachverhalte der konkreten und abstrakten Gefahr zu den Rechtsfolgen Der Unterschied zwischen den Rechtsfolgen der Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen nach §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG und der Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG liegt also darin, dass die Verordnungsermächtigung zu einer abstrakt-generellen Regelung, die Generalklausel zu einer konkret-individuellen Regelung ermächtigt. Daraus folgt, dass die Gefahr bei den §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG solche Fälle erfassen muss, bei denen nur eine abstrakt-generelle Regelung Sinn macht. Unter den Begriff der Gefahr nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG fallen demgegenüber solche Fälle, auf die mit einer konkret-individuellen Regelung reagiert werden muss. Genau diese Unterscheidung liegt aber auch dem Begriffspaar der abstrakten und konkreten Gefahr zugrunde. Die abstrakte Gefahr bezieht sich auf Sachverhalte, die einer typisierten Betrachtung unterliegen. Genau solchen typisierten Betrachtungen kann man mit einer abstrakt-generellen Rechtsverordnung begegnen, die für eine unbestimmte Anzahl an Fällen an eine unbestimmte Anzahl an Personen gerichtet ist. Der Begriff der abstrakten Gefahr beschreibt mithin einen Sachverhalt, der als Gefahr für den Erlass einer Polizeiverordnung tatbestandlich vorausgesetzt wird. 23

Zur Terminologie „Realakt“: Beckmann, NVwZ 2011, 842; Remmert, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 36, Rn. 1: „Nicht regelnd sind Tathandlungen. Das sind Tätigkeiten, die einen tatsächlichen Erfolg herbeiführen, die also die Wirklichkeit faktisch verändern und sich unmittelbar in der Realität auswirken. Sie werden auch Realakte genannt“. 24 Würtenberger, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht Bd. 3, § 69, Rn. 195; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 19, Rn. 157. Siehe speziell zum Vorrang der Standardbefugnisse: Lambiris, Klassische Standardbefugnisse im Polizeirecht, S. 43. 25 Insbesondere spricht nach Möllers, NVwZ 2000, 382, 383, dass „alle erdenklichen Formen polizeilichen Handelns in speziellen Befugnisnormen als Standardmaßnahmen geregelt sind“ dafür, dass Realakte dort auch abschließend geregelt sind. In diese Richtung auch: Lambiris, Klassische Standardbefugnisse im Polizeirecht, S. 43. Dagegen: Schenke/Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 333; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 50a. 26 Dazu: Beckmann, NVwZ 2011, 842. 27 Als Maßnahmen im Sinne der Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG kommen daneben auch öffentlich-rechtliche Verträge nach den §§ 54 ff. LVwVfG in Betracht. Auf diese wird aufgrund der geringen praktischen Relevanz im Gefahrenabwehrrecht nicht ein­gegangen.

A. Abstrakte und konkrete Gefahr

29

Für eine konkret-individuelle Regelung im Sinne der §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG muss es dagegen auf der Tatbestandsebene auf einen konkreten Fall ankommen. Der Sachverhalt eines konkreten Falles wird durch die konkrete Gefahr beschrieben. c) Problemfälle Probleme ergeben sich, wenn man berücksichtigt, dass der Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz  1 LVwVfG nicht unbedingt immer eine konkret-individuelle Regelung darstellt.28 Vom Verwaltungsaktsbegriff sind nämlich auch konkret-generelle Regelungen, also adressatenbezogene Allgemeinverfügungen nach § 35 Satz 2 LVwVfG erfasst.29 Zudem sollen abstrakt-individuelle Regelungen Verwaltungsakte nach § 35 Satz 1 LVwVfG sein.30 Es stellt sich also die Frage, ob das den bisherigen Annahmen entgegensteht. Als Beispiel einer abstrakt-individuellen Regelung wird häufig die Verpflichtung eines Grundstückseigentümers genannt, immer dann, wenn es schneit, den Gehweg vor seinem Grundstück zu streuen.31 Individuell ist diese Regelung, weil sie nur an den Grundstückseigentümer gerichtet ist.32 Abstrakt soll sie sein, weil sie eine Vielzahl von Fällen, also jedes neue Schneien, betrifft.33 Allerdings ist eine solche Regelung nicht schon deshalb als abstrakt zu qualifizieren, weil sie potentiell mehrere Fälle betreffen kann.34 Die Regelung begründet eine konkrete Handlungspflicht, nämlich die, den Gehweg zu streuen.35 Die konkrete Handlungspflicht wird nur regelmäßig von neuem durch das Schneien ausgelöst. Diese Verpflichtung kann man als eine konkret-individuelle Regelung, die unter der Bedingung des Schneiens steht, begreifen. Gleichermaßen kann man sie als ein Bündel von Einzelrege 28 Siehe dazu im Überblick: Ruffert, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21, Rn. 31 ff. 29 Siehe zur adressatenbezogenen Allgemeinverfügung: Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 401 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rn. 30 ff. 30 Speziell zur abstrakt-individuellen Regelung: Heyle, NVwZ 2008, 390 ff.; Ruffert, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21, Rn. 34. 31 Ähnlich OVG Münster OVGE 16, 289. Siehe zu den Beispielen Heyle, NVwZ 2008, 390 ff. und Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 374. 32 Das Merkmal der Individualität ist nicht umstritten. Genauer zur Individualität der Regelung: v. Mutius, in: FS Wolff, 167, 196. 33 Heyle, NVwZ 2008, 390, 391: „Die individuell-abstrakte Regelung enthält konkrete Anordnungen in Bezug auf eine Vielzahl gleichgelagerter Einzelfälle“. 34 Zur Kritik an einem „fallbezogenen“ Abgrenzungskriterium: Krebs, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar I, Art. 19, Rn. 8. Für ihn ist fraglich, „ob die geregelten, zahlenmäßig bestimmten oder unbestimmten ‚Fälle‘ […] überhaupt einen rechtstheoretisch eigenständigen Abgrenzungswert besitzen“. Ebenfalls kritisch: Heyle, NVwZ 2008, 390, 391 ff. der im Ergebnis aber eine abstrakt-individuelle Regelung anerkennt. 35 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rn.  20; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 375.

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Kap. 2: Normativ erklärbare Begrifflichkeiten

lungen verstehen. Unabhängig davon, wie man verfährt, wird deutlich, dass der Begriff der abstrakt-individuellen Regelung entbehrlich ist.36 Diese ist somit kein Problemfall für die Zuordnung der Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr zu §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG bzw. zu §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG. Problematisch ist dagegen die adressatenbezogene Allgemeinverfügung. Würde sie aufgrund ihres generellen Charakters auch solche Sachverhalte erfassen, die typisiert betrachtet werden, wäre eine eindeutige Zuordnung der Sachverhalte und damit der Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr zu der Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG und zu der Polizeiverordnungsermächtigung nach §§ 10 Abs.  1 i. V. m. 1 Abs.  1 Satz 1 PolG nicht möglich.37 Es kommt also darauf an, ob der generelle Charakter der Allgemeinverfügung dazu führt, dass eine typisierte Betrachtung der von der Allgemeinverfügung erfassten Sachverhalte notwendig ist.38 Das Wort „generell“ bezieht sich nach § 35 Satz 2 LVwVfG bei einem adressatenbezogenen Verwaltungsakt auf den Personenkreis, an den die Allgemeinverfügung gerichtet ist.39 Dieser muss nach § 35 Satz 2 LVwVfG nach allgemeinen Merkmalen bestimmt oder bestimmbar sein. Genau hierin liegt allerdings der Unterschied zur generellen Regelung einer Rechtsverordnung. Während bei dieser unbestimmt viele Personen nach Erlass hinzutreten können40, muss bei einer adressatenbezogenen Allgemeinverfügung nach § 35 Satz 2 LVwVfG der Adressatenkreis abgeschlossen sein.41 Das heißt, dass der Adressatenkreis objektiv feststehen muss und nicht veränderlich sein darf.42 Eine Allgemeinverfügung ist z. B. ein Verbot, an einer geplanten Demonstration an einem bestimmten Ort teilzunehmen.43 Zwar ist nicht vorhersehbar, wel 36 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rn. 20 spricht von einer bloßen „Arabeske theoretischen Durchdeklinierens“. Emmerich-Fritsche, NVwZ 2006, 762, 764 meint sogar, „die Definitionsmerkmale ‚individuell-konkret‘ und ‚generell-abstrakt‘ sind normativ unergiebig“. Dagegen wohl: Heyle, NVwZ 2008, 390, 392. 37 Stelkens, VVDStRL 2012, 369, 383 spricht von einer „nicht endenden Diskussion über die Abgrenzung zwischen Rechtsverordnung und Allgemeinverfügung im Gefahrenabwehrrecht“. Zur Regelung abstrakter Gefahren: Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 35, Rn. 289. 38 Es geht bei dieser Frage ausschließlich darum, wie das Tatbestandsmerkmal der Gefahr zu verstehen ist. Diese Frage betrifft also nicht die allgemeine Abgrenzung zwischen Verwaltungsakt und Rechtsnorm, bei der es nach überwiegender Ansicht auf die Bezeichnung der Rechtsform ankommen soll, siehe dazu: Koch, JA 1985, 361; v. Alemann/Scheffczyk, in: Beck-OKVwVfG, § 35, Rn. 198. 39 Siehe in der Übersicht bei: Jachmann/Drüen, Allgemeines Verwaltungsrecht, E, Rn. 81. 40 Siehe zur Generalität von Gesetzen: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 735. 41 OVG Saarlouis, NVwZ 2011, 190, 191; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz Kommentar, § 35, Rn. 161; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rn. 30. 42 Nach Henneke, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 35, Rn. 197 müssen sich „alle von dieser Regelung Betroffenen durch ihre Beziehung zum geregelten räumlich und/ oder zeitlich konkreten Sachverhalt definieren lassen“. 43 Siehe zu diesem Beispiel: OLG München, NVwZ 2000, 467 f.; Gornig, Die sachbezogene hoheitliche Maßnahme, S.  222; Wittern/Baßlsperger, Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht, S. 80.

A. Abstrakte und konkrete Gefahr

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che individuellen Demonstranten von der Allgemeinverfügung erfasst werden. Der Adressatenkreis ist jedoch bei Erlass der Allgemeinverfügung abgeschlossen, weil sie sich an einen bestimmbaren Personenkreis richtet, nämlich an alle Personen, die an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit demonstrieren wollen. Das bedeutet, dass es bei einer Allgemeinverfügung keiner typisierenden Betrachtung bedarf, weil der Personenkreis bestimmbar ist.44 Daraus ergibt sich, dass trotz des generellen Charakters der Allgemeinverfügung eine Zuordnung der Sachverhalte, die von den Begriffen der abstrakten und konkreten Gefahr erfasst sind, möglich ist.45 d) Bedeutung der Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr für die Wahrscheinlichkeitsaussagen und die Zuordnung der Begriffe zur Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG Fest steht bisher: Die abstrakte Gefahr bezieht sich auf Sachverhalte, bei denen der Bezugspunkt der Beurteilungsgrundlage typisiert zu betrachtende Handlungen oder Zustände sind.46 Die konkrete Gefahr bezieht sich auf Sachverhalte, bei denen der Bezugspunkt der Beurteilungsgrundlage für einen möglichen späteren Schadensfall konkrete Handlungen oder Zustände sind.47 Die von den Begriffen der abstrakten und konkreten Gefahr erfassten Sachverhalte unterscheiden sich also nur in ihrem Bezugspunkt, der die Beurteilungsgrundlage für die Prognose der Schadenswahrscheinlichkeit ist.48 Das bedeutet, dass sich die Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr nicht in der geforderten Schadenswahrscheinlichkeit unterscheiden.49 Es ist deshalb für die Sachverhalte, die den beiden Gefahrbegriffen zugrunde liegen, stets ein hinreichender Wahrscheinlichkeitsgrad erforderlich, der sich nach

44 Deswegen kann es bei einer Allgemeinverfügung nur auf den konkreten Einzelfall ankommen. Siehe dazu: VGH Mannheim, NVwZ 2003, 115; „die rechtliche Zulässigkeit der gewählten Form der Allgemeinverfügung setzt voraus, dass inhaltlich mit ihr keine abstrakt-generelle Regelung für eine unbestimmte Vielzahl von Gefahrenlagen und Personen getroffen worden ist“. 45 Saurer, Die Funktionen der Rechtsverordnung, S.  222 m. w. N.: „Übereinstimmung besteht in der Literatur insoweit, als dass […] eine Regelung jedenfalls dann als abstrakt-generell einzuordnen ist, wenn einerseits die Zahl der Regelungsgegenstände (abstrakt-konkret), andererseits die Zahl der Regelungsadressaten (generell-individuell) unbestimmt ist“. 46 Siehe oben Kapitel 2 A. I. 47 Siehe oben Kapitel 2 A. I. 48 Köppert, Alkoholverbotsverordnungen, S. 119; Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 55 f. 49 BVerwGE 116, 347, 351. Nach Walker, Abstrakte und konkrete Gefahr, S. 117 kann „das prognostische Element aus sich heraus nicht Abgrenzungskriterium zwischen abstrakter und konkreter Gefahr sein“. Siehe auch: Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 107; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 11.

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Kap. 2: Normativ erklärbare Begrifflichkeiten

den selben Kriterien bestimmt.50 Daher ist die abstrakte Gefahr keine Zwischenstufe zwischen Zuständen ohne Gefahr und der konkreten Gefahr.51 Es ist also die Funktion des Begriffspaars der abstrakten und konkreten Gefahr, den tatsächlichen Bezugspunkt der Beurteilungsgrundlage für die Schadenswahrscheinlichkeit zum Ausdruck zu bringen.52 Legt man dieses Verständnis zu Grunde, ist es falsch, wenn dem Gefahrbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG ausschließlich die abstrakte Gefahr zugeordnet wird. § 1 Abs.  1 Satz 1 PolG ist, wie schon erwähnt, eine Aufgabenzuweisungsnorm. Der Zweck von § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG ist es, den polizeilichen Handlungsraum festzulegen.53 Darum beschreibt § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG das Betätigungsfeld („Gefahren abzuwehren“) der Polizei. Der Begriff der Gefahr hat in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG also die positive Funktion, das Betätigungsfeld der Polizei zu umschreiben. Gleichzeitig begrenzt er das Betätigungsfeld der Polizei aber auch negativ.54 Das bedeutet, dass das polizeiliche Betätigungsfeld umso größer wird, je weiter man den Gefahrbegriff in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG fasst. Vor allem ist das deshalb von Interesse, weil die Polizei alleine aufgrund dieser Aufgabenzuweisungsnorm ohne zusätzliche Befugnisnorm tätig werden darf, wenn eine solche nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes nicht erforderlich ist.55 Beispiele für ein Tätigwerden ohne Befugnisnorm sind unter anderem Streifenfahrten.56 50 Allerdings kann es als Folge der unterschiedlichen Beurteilungsgrundlagen zu „unterschiedlichen Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit“ kommen, so: Köppert, Alkoholverbotsverordnungen, S. 119. Zur Feststellung des Wahrscheinlichkeitsgrades bei der typisierenden Betrachtung: Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 101 ff. 51 Falsch ist es deshalb, wenn Winters, DÖV 1978, 293, 294 die Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr als Gefahrstadien bezeichnet und eine Einordnung allein danach vornehmen möchte, „wie hoch die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung dieses Ursachenablaufs ist“. Ebenso OVG Berlin, DÖV 1950, 406 wenn argumentiert wird, dass keine konkrete Gefahr besteht, sondern „wenn überhaupt […] eine sog. Abstrakte [sic] Gefahr“. 52 Köppert, Alkoholverbotsverordnungen, S. 119; Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 55 f. 53 So Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, D, Rn. 160; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, E, Rn. 169; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5, Rn. 10. 54 Staats, DÖV 1979, 155, 156: „Die Aufgabenzuweisungen beschreiben deswegen  – vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelung – den äußersten Kreis rechtlich zulässiger Polizeitätigkeit“. Mayer, Das Opportunitätsprinzip in der Verwaltung, S. 21: „Die Aufgabennorm des Verwaltungsgesetzes steckt nur den Rahmen ab, innerhalb dessen sich eine bestimmte Verwaltung, gestützt auf weitere Rechtsnormen (Befugnisnormen), entfalten kann“. Knemeyer, DÖV 1978, 11 spricht von einer „Raumeröffnung und Raumbegrenzung“ durch die Aufgabenzuweisungsnorm. Zu Realakten: Remmert, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 36, Rn. 3: „[…] oder dass ein Polizist für einen Realakt nur dann auf der Grundlage des einschlägigen Landespolizeigesetzes zuständig ist, wenn eine Gefahr iSd Aufgabenzuweisungsnorm des Gesetzes besteht“. 55 Siehe dazu: Peine, in: Merten/Papier, Handbuch der der Grundrechte III, § 57, Rn. 19 ff.; Manssen, Staatsrecht II, § 7, Rn.  142 ff; Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 24, Rn. 5 ff.; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 77; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 7, Rn. 7. 56 Siehe Beispiele bei: Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10, Rn. 89.

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Es wird vielfach behauptet, die abstrakte Gefahr umreiße den Tätigkeitsbereich der Polizei, oder die abstrakte Gefahr sei die unterste Eingriffsschwelle, bei der die Polizei tätig werden darf.57 Der Hintergrund dieser Argumentation liegt wie schon erwähnt in dem Versuch, im sogenannten Gefahrenvorfeld58 Ermächtigungsgrundlagen für Fallgestaltungen zu schaffen, für die keine Ermächtigungsgrundlagen existieren.59 Setzt aber beispielsweise die Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG, wie hier gezeigt, zwingend einen Sachverhalt voraus, der mit dem Begriff der konkreten Gefahr umschrieben wird, so lässt sich aufgrund des Begriffes der abstrakten Gefahr keine niedrigere Eingriffsschwelle konstruieren. Dass der Gefahrbegriff der Aufgabenzuweisungsnorm § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG nicht ausschließlich der Begriff der abstrakten Gefahr sein kann, zeigt schließlich folgende Überlegung: Die Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr unterscheiden sich zwar in ihrem Bezugspunkt, nicht aber in den Anforderungen an ihren Wahrscheinlichkeitsgrad. Sowohl dem Begriff der abstrakten Gefahr als auch dem Begriff der konkreten Gefahr liegt zugrunde, dass man eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts benötigt. Nimmt man nun an, der Gefahrbegriff in § 1 Abs.  1 Satz 1 PolG umschreibe einen Sachverhalt, der mit abstrakter Gefahr bezeichnet wird, so müsste man bei der Prüfung dieser Aufgabenzuweisungsnorm Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen. Für die Aufgabenzuweisung der Gefahrenabwehr kommt es aber nicht auf Wahrscheinlichkeitsaussagen an.60 Es kommt darauf an, dass solche Sachverhalte der Polizei als Aufgabe zugewiesen werden, aus denen sich prognostizierbare künftige Gefahren entwickeln.61 Die Gefahr im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG ist also zeitlich vor einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts im Sinne des § 10 PolG und im Sinne des § 3 PolG anzusetzen und deshalb gerade keine abstrakte Gefahr. Zum Teil wird der Begriff der „allgemeinen Gefahr“ mit dem der abstrakten Gefahr gleichgesetzt.62 Der Begriff der allgemeinen Gefahr findet sich in Art. 2 Abs. 1 57 Missverständlich daher Poscher, Die Verwaltung 2008, 345, 362, wenn er annimmt, „die abstrakte Gefahr [sei] die Eingriffsschwelle, ab der polizeiliche Maßnahmen grundsätzlich zulässig [seien]“, oder wenn davon ausgegangen wird, dass „Einzelmaßnahmen auf der Grundlage einer abstrakten Gefahr getroffen“ werden können. 58 Siehe dazu schon oben Kapitel 2 A. I. 59 Möstl, Jura 2005, 48, 51 fordert, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlagen beachtet werden und man mittels des Begriffes der abstrakten Gefahr noch Gefahrenabwehr „und nicht andersartige Gefahrvorsorge auf Basis eines bloßen Gefahrenverdachts […] betreibt“. 60 Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 24 f. führt treffend aus, dass „‚Gefahr‘ im Sinne der Aufgabenzuweisungen […] eine (irgendwie geartete) Schlussfolgerung auf Schäden“ bezeichnet. 61 Für den Begriff der „allgemeinen Gefahr“ kommt es nach Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 6, Rn. 23 darauf an, dass „nach der Lebenserfahrung (künftige) konkrete Gefahren zu erwarten sind“. 62 BayVerfGH, NVwZ 1996, 166, 167; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 71; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 6, Rn.  23; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und

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Kap. 2: Normativ erklärbare Begrifflichkeiten

BayPAG. Nach Art. 2 Abs. 1 BayPAG hat die Polizei die Aufgabe, die allgemein oder im Einzelfall bestehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Der Begriff der „allgemeinen Gefahr“ wird in dieser Norm genau wie der Gefahrbegriff in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG aufgabenöffnend verwendet.63 Gerade weil der Begriff der „allgemeine Gefahr“ aufgabenöffnend verwendet wird, darf er nicht mit dem Begriff der abstrakten Gefahr gleichgesetzt werden. Obwohl die Funktion der allgemeinen Gefahr die gleiche wie die des Gefahrbegriffs in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG ist, sollte der Gefahrbegriff in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG nicht mit „allgemeiner Gefahr“ bezeichnet werden. Der Grund dafür ist, dass die allgemeine Gefahr vom Gesetzeswortlaut her nur im bayerischen Polizeiaufgabengesetz vorkommt. Der korrekte Gefahrbegriff für § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG für Baden-Württemberg wäre schlicht „aufgabenöffnende Gefahr“. So kann einerseits eine Verwechslung mit Begriffen in den Rechtsordnungen anderer Bundesländer ausgeschlossen werden, andererseits berücksichtigt dieser Begriff die Funktion des Gefahrbegriffs in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG. e) Zuordnung der abstrakten und konkreten Gefahr zu den Regelungen über Standardmaßnahmen nach den §§ 26 ff. PolG Ermächtigen die Regelungen über Standardmaßnahmen der §§ 26 ff. PolG zum Erlass von Verwaltungsakten, gelten die Ausführungen zur Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG entsprechend. Ermächtigen die Regelungen über Standardmaßnahmen der §§ 26 ff. PolG hingegen zu Realakten, bedarf es eines genaueren Blickes auf die Folgen der Realakte. Abgrenzungsschwierigkeiten könnten sich deshalb ergeben, weil Realakte nicht auf Einzelfälle beschränkt sein müssen.64 Allerdings gibt es bei den Standardmaßnahmen nach den §§ 26 ff. PolG keine Rechtsfolge, die mit einer abstrakt-generellen Regelung vergleichbar ist. Der Gefahrbegriff der Standardmaßnahmen ist also ein solcher, der mit konkreter Gefahr umschrieben wird. f) Zuordnung der abstrakten und konkreten Gefahr zur unmittelbaren Ausführung nach § 8 Abs. 1 PolG Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG ist die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den §§ 6 und 7 PolG bezeichneten Personen nicht oder nicht recht­zeitig erreicht werden kann. Für eine Zuordnung der Begriffe der konkreten und abstrakten Ordnungsrecht, § 4, Rn. 18 wonach der Begriff einer allgemeinen Gefahr ohne Weiteres als Synonym für den Begriff der abstrakten Gefahr verwendet werden mag. 63 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 6, Rn. 23. 64 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15, Rn. 1.

A. Abstrakte und konkrete Gefahr

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Gefahr kommt es indes nicht auf die Rechtsfolgen von § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG, also auf die (umstrittene65) Rechtsnatur der unmittelbaren Ausführung an. Wie sich aus dem Wortlaut „die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme“66 ergibt, kommt es für eine Zuordnung auf die Rechtsfolgen der tatsächlich nicht angewandten Eingriffsermächtigung an. Die tatsächlich nicht angewandte Eingriffsermächtigung ist eine solche, die zu einer Maßnahme ermächtigt. Mit Maßnahme wird ein Verwaltungsakt bezeichnet.67 Zum Erlass eines Verwaltungsaktes ermächtigt die Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG. Der Generalklausel wird der Begriff der konkreten Gefahr zugeordnet. Damit ist auch der unmittelbaren Ausführung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG der Begriff der konkreten Gefahr zuzuordnen. 2. Folgen für Normen mit qualifizierten Gefahrbegriffen Die Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr werden nicht durch andere Gefahrbegriffe verdrängt.68 Das bedeutet, dass beispielsweise die qualifizierte dringende Gefahr nach § 31 Abs. 1 PolG gleichzeitig mit dem Begriff der konkreten Gefahr bezeichnet werden kann. Aus diesem Grund lässt sich der tatbestandliche Gefahrbegriff aller Regelungen des Polizeigesetzes entweder der abstrakten oder konkreten Gefahr zuordnen, ohne dass andere möglicherweise vorliegende Qualifikationen diese Zuordnung beeinflussen.69

III. Zusammenfassung Die Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr haben nichts mit dem Prognosemaßstab einer Wahrscheinlichkeitsaussage zu tun. Sie beschreiben die Sachverhalte, auf die sich die Gefahrenprognose bezieht. Auf welche Sachverhalte sich 65

Zum Überblick: Rasch, DVBl 1992, 207, 209. Diese wird auch als „hypothetische Grundverfügung“ bezeichnet, siehe: Würtenberger/ Heckmann, Polizeirecht, H, Rn.  796, 798; Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 8, Rn. 6. 67 Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, H, Rn.  796: „Kennzeichnend für die unmittelbare Ausführung ist also, dass sich der behördliche Wille nicht in einem Polizeibefehl als Verwaltungsakt konkretisiert […]“. Dazu, dass mit Maßnahme nur ein Verwaltungsakt bezeichnet werden kann, oben Kapitel 2 A. II. 1. a). 68 So wird in der Literatur häufig zwischen den Begriffen der abstrakten und konkreten Gefahr und den anderen Gefahrbegriffen differenziert, z. B. bei: Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht § 6, Rn. 17 ff., oder auch bei Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn.  42 ff. Missverständlich ist die Differenzierung bei Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 125 ff. der die Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr bei den „Stufen der Gefahr“ einordnet. 69 Siehe Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 11. Eine Steigerung findet sich beispielsweise in der Entscheidung des BayVerfGH, BayVBl 2006, 339, 343, der eine „erhöhte abstrakte Gefahr“ als Voraussetzung für eine Durchsuchung im Rahmen einer sog. „Schleierfahndung“ fordert. Dazu: Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10, Rn. 91. 66

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Kap. 2: Normativ erklärbare Begrifflichkeiten

die Gefahrenprognose bezieht, hängt von den Rechtsfolgen der jeweiligen Norm ab. Wird zum Zwecke der Gefahrenabwehr eine abstrakt-generelle Norm erlassen, bedarf es einer typisierenden Betrachtung auf der Tatbestandsseite der Ermächtigungsgrundlage. Dies ist bei der Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen nach §§ 10 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG der Fall. Bei der Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG sowie bei den Standardmaßnahmen nach den §§ 26 ff. PolG bedarf es keiner typisierenden Betrachtung.

B. Anscheins- und Putativgefahr I. Begriffe In der Literatur wird die Anscheinsgefahr70 häufig in der Weise definiert, dass der zum Zwecke der Gefahrenabwehr handelnde Beamte ex-ante das Vorliegen einer Gefahr für sicher hält, obwohl ex-post, also objektiv, keine Gefahr vorlag.71 Diese Definition ist sprachlich falsch. Setzt man für eine Anscheinsgefahr voraus, dass ex-post, also objektiv, keine Gefahr vorlag, und bezeichnet man gleichzeitig die Anscheinsgefahr als Gefahr im Sinne der polizeilichen Generalklausel, liegt ex-post, also objektiv, eine Gefahr gerade vor. Das würde aber dazu führen, dass die Voraussetzung der Definition, dass ex-post, also objektiv, keine Gefahr vorliegen darf, nicht erfüllt wäre. Die Folge ist ein Zirkelschluss. Um das zu vermeiden, muss danach gefragt werden, ob ex-post, also objektiv, kein Schaden eintreten konnte. Verwendet man den Begriff der Anscheinsgefahr, kann dieser also nur eine Sachlage bezeichnen, bei der ein besonnener und sachkundiger Amtswalter ex-ante die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens­eintritts annimmt, obwohl sich ex-post, also objektiv, herausstellt, dass kein Schaden eintreten konnte.72

70 Der Begriff der Anscheinsgefahr wurde aus der sog. „Möbelwagenentscheidung“ (PrOVGE, 77, 333, 338) des PrOVG entwickelt. Darin heißt es: „Ist nicht ohne weiteres erkennbar, ob die den Anschein einer Gefahr erweckende Sachlage in der Tat eine polizeirechtliche Gefahr in sich birgt, so hat die Polizei die erforderlichen Ermittlungen anzustellen […]“. 71 So Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 424; ähnlich auch Schoch, Jura 2003, 472, 474; Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 1, Rn. 34; Pieroth/Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 49; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 47, 49; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, E, Rn. 191; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap., Rn. 122. 72 In diese Richtung geht die Definition von Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 57: „Ergibt sich im nachhinein (‚ex post‘), dass ein Schaden nicht eingetreten wäre […]“. Andere stellen auf das Gefährlichsein einer Sachlage ab, z. B.: Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 7, Rn. 38 und Schoch, JuS 1994, 667, 668. Setzt man das Gefährlichsein einer Sachlage mit der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts gleich, so sind diese Definitionen nicht widersprüchlich.

B. Anscheins- und Putativgefahr

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Im Gegensatz zur Anscheinsgefahr, bei der die Falscheinschätzung der Sachlage unverschuldet ist, bezeichnet der Begriff der Putativgefahr73 eine verschuldete Fehleinschätzung der Sachlage.74 Der handelnde Amtswalter geht schuldhaft davon aus, dass die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht, obwohl sich ex-post, also objektiv, herausstellt, dass kein Schaden eintreten konnte.

II. Funktion der Begriffe der Anscheins- und Putativgefahr Die Begriffe der Anscheins- und Putativgefahr betreffen die Frage, auf welche Sicht es bei der Gefahrenprognose ankommt.75 In Betracht kommt einerseits eine rein objektive Sicht.76 Das bedeutet, dass die Prognoseentscheidung sich ex-post mit der Realität decken muss. Andererseits kann auch auf eine rein subjektive Sicht abzustellen sein.77 Sie hat zur Folge, dass es nur auf die ex-ante Perspektive des prognostizierenden Amtswalters ankommt, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts vorliegt. Schließlich kann auch an einer objektivierten subjektiven Sicht anzusetzen sein. Sie stellt zwar auf die ex-ante Perspektive ab, allerdings nicht auf die Prognose des individuell handelnden Amtswalters, sondern auf die eines „objektivierten Durchschnittsamtswalters“.78 Auf diese Weise kann man differenzieren, ob der Irrtum über den ex-post, also objektiv tatsächlich nicht bestehenden Schaden verschuldet (= durchschnittlicher Amtswalter hätte nicht so prognostiziert)79 oder unverschuldet ist (= durchschnittlicher Amtswalter hätte genauso prognostiziert). 73 Die Begriffe der Scheingefahr und der scheinbaren Gefahr werden in der Literatur synonym zum Begriff der Putativgefahr verwendet, siehe z. B. bei: Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizeiund Ordnungsrecht, § 4, Rn. 47. 74 Gerhardt, Jura 1987, 521, 525; Schoch, Jura 2003, 472, 475; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap., Rn. 141; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 63. 75 Die nachfolgend beschriebene Auslegung spielt bei einem Gefahrbegriff, dessen Rechtsfolge eine abstrakt-generelle Regelung ist, keine Rolle. Bei einem auf eine abstrakt-generelle Regelung gerichteten Gefahrbegriff stellt sich die Frage nach der Weite des Einschätzungsspielraumes des Normgebers.  76 PrOVG, PrVBl 1916/1917, 360, 361, wonach die Polizei „behufs Abwendung einer Gefahr auf Grund des § 10 Titel 17 Teil II des Allgemeinen Landrechts nur dann berechtigt ist, wenn tatsächlich eine objektive Gefahr vorhanden ist. Die bloße Annahme einer Gefährdung reicht hierzu nicht aus“. Drews, Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, 1. Aufl., S.  10: „Die konkrete Gefahr muß objektiv bestehen […]“; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 6, Rn. 16 der aber größtenteils eine Deckung der Ergebnisse beider Sichtweisen sieht; Poscher, Gefahrenabwehr, S. 125 ff.; wohl auch Schlink, Jura 1999, 169, 172. 77 Soweit ersichtlich wird eine rein subjektive Sichtweise nicht vertreten. 78 Vgl. BVerwGE 45, 51, 58: Eine Gefahr liegt „auch in Fällen der sogenannten Anscheinsgefahr“ vor; BVerwGE 49, 36, 44; Steinhorst, Polizei- und Ordnungsrecht in Brandenburg, Rn. 200; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 11; Pieroth/ Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 47. 79 Der verschuldete Irrtum wird mit dem Begriff der Putativgefahr umschrieben.

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Kap. 2: Normativ erklärbare Begrifflichkeiten

Vergleicht man die Definition von Anscheins- und Putativgefahr mit den möglichen Sichtweisen für die Gefahrenprognose, wird die Funktion der Begriffe der Anscheins- und Putativgefahr deutlich. Danach dient das Begriffspaar zum einen dazu, auszudrücken, dass man einer objektivierten subjektiven Sichtweise folgt. Zum anderen dient das Begriffspaar der Abgrenzung, ob der Irrtum über den ex-post, also objektiv tatsächlich nicht bestehenden Schaden verschuldet ist (= Putativ­gefahr) oder nicht (= Anscheinsgefahr). Die Begriffe der Anscheins- und Putativgefahr werden in der Literatur größtenteils für verzichtbar gehalten.80 Das ist richtig. Allerdings trifft die in der Literatur und Rechtsprechung häufig zu findende Begründung, warum die Begriffe verzichtbar sind, nicht das eigentliche Problem. Für die Verzichtbarkeit der Begriffe wird oft angeführt, die Bezeichnung als Anscheins- und Putativgefahr sei unnötig, weil bei der Prognoseentscheidung ohnehin auf die ex-ante Perspektive des durchschnittlichen Amtswalters abzustellen sei.81 Argumentiert man so, impliziert das, dass man die objektivierte subjektive Sichtweise als für den Gefahrbegriff relevant ansieht.82 Dass es auch eine rein objektive Sichtweise geben kann, wird dann von vornherein ausgeblendet.83

III. Die Begriffe der objektiven und subjektiven Sichtweise bei der Wahrscheinlichkeitsprognose Die Frage, ob für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der mit dem Gefahrbegriff verbundenen Prognoseentscheidung eine objektive oder subjektive Sicht maßgeblich ist, wird in der Literatur unter dem Stichwort des objektiven und subjektiven Gefahrbegriffs diskutiert.84 Diese Bezeichnung ist irreführend. Die Gefahr ist im 80

Für eine Verzichtbarkeit u. a.: Gerhardt, Jura 1987, 521, 523; Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, 86 f.; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 7, Rn. 39; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 123. Gegen eine Verzichtbarkeit: Denninger, in: Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 50 mit der Begründung, dass es für die Anscheinsgefahr und den Gefahrenverdacht „aus praktischen Gründen zweckmäßig [ist], die beiden Fallgruppen begrifflich besonders zu kennzeichnen“. Ebenso anerkennt Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 143 einen „spezifischen Eigenwert“ des Begriffes der Anscheinsgefahr. 81 Siehe z. B. Gerhardt, Jura 1987, 521, 523: „Wenn aber nun in den Fällen der sog. ‚Anscheinsgefahr‘ nach der subjektiven Betrachtungsweise eine (‚echte‘) Gefahr vorliegt, so ist es nicht notwendig, den Begriff der ‚Anscheinsgefahr‘ überhaupt zu verwenden“. 82 Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 50 führt aus, dass die Kritik am Begriff der Anscheinsgefahr „auf der zutreffenden Grundlage eines ‚subjektiven‘ Gefahrbegriffs“ insofern folgerichtig ist. 83 Dies sieht Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 125, wenn er ausführt, dass „sich in solchen Fällen Unterschiede zwischen der subjektiven und der objektiven Gefahrentheorie zeigen können“. Gleichwohl hält er den Begriff der Anscheinsgefahr für „dogmatisch überflüssig“. 84 Siehe dazu die Übersicht bei Kral, Die polizeilichen Vorfeldbefugnisse als Herausforderung für Dogmatik und Gesetzgebung des Polizeirechts, S. 46. Danach soll bei einem objek-

B. Anscheins- und Putativgefahr

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mer ein objektives Tatbestandsmerkmal. Das bedeutet, dass objektiv immer eine Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts vorliegen muss. Welche Anforderungen man allerdings an die Prognose der Wahrscheinlichkeit stellt, ist Inhalt der unterschiedlichen Sichtweisen der Wahrscheinlichkeitsprognose. Betrachtet man die Normstruktur polizeirechtlicher Normen, bei denen das Problem der Anscheins- und Putativgefahr relevant werden kann, liegt eine subjektive Sicht jedenfalls nicht auf der Hand. Die Normen sind konditional aufgebaut. Ermessenserwägungen kommen nach der Normstruktur erst bei der Rechtsfolge in Betracht.85 Für Prognoseerwägungen, die auf dem individuellen Wissen des Amtswalters und seiner Einschätzung beruhen, scheint demnach bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit einer Maßnahme kein Platz zu sein.86 Das könnte dafür sprechen, dass für die Feststellung, ob der Tatbestand einer polizeilichen Norm vorliegt, allein eine objektive Sicht maßgeblich ist.87 Für eine subjektive Sicht kann möglicherweise die Normengenese der Generalklauseln herangezogen werden. So soll die Formulierung „um […]abzuwehren“ in § 14 Abs. 1 des PrPVG die konditionale Struktur und damit eine objektive Sichtweise deutlicher zum Ausdruck gebracht haben als die heutigen, eher als Zweckprogramme wirkenden Generalklauseln der Landesgesetze.88 Allerdings finden sich für eine solche Auslegung keine Anhaltspunkte im Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder.89 Vielmehr scheint eine bloße sprachliche Modernisierung der Grund für die sprachliche Abweichung der Normtexte zu sein.90 Zur Stützung einer subjektiven Sicht wird teilweise angeführt, die Polizei müsse Entscheidungen trotz zeitlicher Knappheit treffen.91 Dadurch stünde die Polizei tiven Gefahrbegriff das Prognoseurteil aus Sicht eines Amtswalters gebildet werden, der über sämtliches, erreichbares Wissen verfügt. Der subjektive Gefahrbegriff setzt hingegen lediglich eine pflichtgemäße Sachverhaltsaufklärung voraus. 85 Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rn. 206; Schlink, Jura 1999, 169, 170 wonach „die Rechtsnormen subjektive Einschätzungen mit dem Ermessen erst bei der Rechtsfolge zur Geltung bringen und beim Tatbestand, wenn sie von objektiven Gegebenheiten sprechen, auch objektive Befunden verlangen“. 86 Schenke/Ruthig, VerwArch 1996, 329, 357 meinen, dass eine „Interpretation bei welcher die Effektivität der Gefahrenabwehr unter dem Mantel teleologischer Auslegung zu einem alle anderen Auslegungsgesichtspunkte überspielenden Topos hochstilisiert wird“, nicht mit den Grundsätzen juristischer Methodenlehre in Einklang zu bringen ist. Wortgleich auch Schenke, in: FS Friauf, 455, 497 f. 87 In diese Richtung: Schlink, Jura 1999, 169, 170. 88 So: Schlink, Jura 1999, 169. 89 Abgedruckt und kommentiert ist der Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder bei Heise/Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes mit Begründung und Anmerkungen. 90 Explizit: Schlink, Jura 1999, 169, 170. 91 Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 80; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 115; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, D, Rn. 425.

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Kap. 2: Normativ erklärbare Begrifflichkeiten

unter besonderem Entscheidungsdruck.92 Eine objektive Betrachtungsweise würde häufig zu rechtswidrigem Handeln der Polizei führen, was das Ansehen der Polizei belaste.93 Dagegen spricht, dass nicht aufgrund der faktischen Situation der Polizei bestimmt werden kann, unter welchen Voraussetzungen die Polizei ermächtigt wird.94 Insofern kann man aus dem faktischen Bedürfnis, das Ansehen der Polizei nicht zu belasten, keinen Gesetzeszweck entnehmen. Dies zeigt auch ein Vergleich mit anderen Normen wie z. B. mit § 16 Abs. 1 Satz 1 IfSG, der explizit eine subjektive Sicht ausreichen lässt.95 Letztendlich spricht aber die Charakteristik der Gefahr selbst für eine subjektive Sicht. Definiert man die Gefahr als Sachverhalt, der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein polizeiliches Schutzgut schädigen wird, so ist von vornherein klar, dass der Begriff der Gefahr notwendig ein prognostisches Element enthält.96 Würde man nämlich objektives Wissen um einen Schadenseintritt verlangen, wäre es nicht notwendig, eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung vorzunehmen.97 Man könnte dann mit naturgesetzlicher98 Genauigkeit den Schadenseintritt sicher vorhersagen. Einer Prognoseentscheidung haftet also immer eine Unsicherheit an, weil der prognostizierende Amtswalter nur das in die Prognoseentscheidung einstellen kann, was ihm auch selbst an Kenntnis zur Verfügung steht.99 Für eine objektive Sicht müsste man einen allwissenden Amtswalter fordern, den es nicht gibt. Ist also die Prognoseentscheidung vom individuellen Wissenshorizont des Amtswalters geprägt, so kann es nur auf seine Sichtweise ankommen.100 Das spricht für eine subjektive Sichtweise. Damit ist aber noch nicht erklärt, warum diese subjektive Sichtweise wieder objektiviert werden soll, indem auf einen „durchschnittlichen Amtswalter“ abgestellt wird. Dafür wird angeführt, dass Irrtümer dann zu Lasten des Staates

92 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 115: „Polizeiliches Handeln steht typischerweise unter faktischem Problemdruck“. 93 Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, D, Rn.  425 sprechen von einem Drängen in die­ Illegalität. 94 Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 44 f. stellen zusätzlich darauf ab, dass „die unter Zeitknappheit und Entscheidungszwang handelnde Polizei- und Ordnungsbehörde […] prinzipiell in derselben Situation [ist] wie andere staatliche Organe“. 95 Die subjektive Sicht ergibt sich aus dem Wortlaut „ist anzunehmen“. 96 Schneider, DVBl 1980, 406, 407; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizei­rechts, D, Rn. 46; Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, § 14, Rn. 464. Zur Definition von Wahrscheinlichkeit: Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 35 ff. 97 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 115. 98 Zu naturgesetzlichen Aussagen: Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 39 f. 99 Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap., Rn. 124 spricht davon, dass nicht „die Gefahrenprognose unzutreffend war, sondern […] die im Zeitpunkt der Entscheidung vorhandenen Informationen unvollständig oder falsch waren“. Siehe zur Prognose unten Kapitel 5 C. I. 100 Siehe dazu das Beispiel bei: Schneider, DVBl 1980, 406, 407.

B. Anscheins- und Putativgefahr

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gingen.101 Teilweise wird auch argumentiert, dass man mit einer objektivierten Sichtweise dem handelnden Polizisten einen „Schuldvorwurf“ machen und damit den Staat anhalten kann, dafür Sorge zu tragen, dass seine Ausführungsorgane in der Lage sind, rechtliche Wertungen korrekt vorzunehmen.102 Diese Argumente, so sinnvoll sie sein mögen, sind allerdings keine rechtlichen Argumente. Rechtliche Anhaltspunkte könnte aber wiederum ein Blick auf das Tatbestandsmerkmal der Gefahr liefern. Zwar hat die Wahrscheinlichkeitsprognose beim Tatbestandsmerkmal der Gefahr, wie gezeigt, einen subjektiven Charakter. Dies ändert aber nichts daran, dass die Gefahr ein objektives Tatbestandsmerkmal ist. Um den widersprüchlichen Befund aufzulösen, dass für ein eigentlich objektives Tatbestandsmerkmal eine subjektive Prognose notwendig ist, muss die subjektive Prognose wiederum objektiviert werden. Somit wird einerseits den normativen Anforderungen Rechnung getragen und das objektive Tatbestandsmerkmal der Gefahr aus einer objektivierten Sichtweise betrachtet, indem man auf den „durchschnittlichen Amtswalter“ abstellt. Andererseits wird dem subjektiven Charakter der Wahrscheinlichkeitsprognose Rechnung getragen, indem man keinen rein objektiven Befund ausreichen lässt, sondern das zugrunde legt, was ein „durchschnittlicher Amtswalter“ prognostiziert hätte. Die Objektivierung der subjektiven Sichtweise ergibt sich also aus normativen Gründen.103 Somit ist eine objektivierte subjektive Sichtweise auf das Vorliegen einer Gefahr maßgeblich.

IV. Verzichtbarkeit der Begriffe Anscheins- und Putativgefahr Dass man auf die Begriffe der Anscheins- und Putativgefahr verzichten kann, ist also wie schon gesagt richtig. Allerdings liegt der Grund für die Verzichtbarkeit nicht darin, dass die Begriffe unnötig sind, weil sie sowieso nur das wiedergeben, was sich aus der objektivierten subjektiven Sichtweise der Gefahr ergibt. Der Grund für die Verzichtbarkeit liegt, wie schon angedeutet, vielmehr darin, dass nicht unter den eigentlichen Gefahrbegriff subsumiert, sondern stattdessen 101 Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5, Rn.  69: „Während das Auseinanderfallen von Schein und Wirklichkeit […] unter dem objektiven Gefahrbegriff zu Lasten des Staates geht, geht es unter dem subjektiven zu Lasten des Bürgers“. Triffterer, in: FS Mallmann, 373, 395 spricht davon, dass „durch dieses Vorrecht des Staates zu irren, der einzelne Polizeibeamte so erheblich bessergestellt wird als jede Privatperson in einer vergleichbaren Lage“. Deswegen fordert er, dass die irrtümlich angenommenen Tatsachen „objektiv auf die Gefahr eines Schadenseintritts schließen ließen“. 102 Triffterer, in: FS Mallmann, 373, 398. 103 Damit lässt sich auch das Dilemma auflösen, das Schlink, Jura 1999, 169, 172 mit „Versubjektivrechtlichung“ bezeichnet. Denn durch die objektivierte subjektive Sichtweise wird dem Gefahrbegriff als objektives Tatbestandsmerkmal und gleichzeitig dem subjektiven Charakter der Wahrscheinlichkeitsprognose Rechnung getragen.

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Kap. 2: Normativ erklärbare Begrifflichkeiten

nur noch verglichen wird, ob ein Sachverhalt vorliegt, der der Definition der Anscheins- oder Putativgefahr ähnelt.104 Ein weiterer Grund für die Verzichtbarkeit der Begriffe der Anscheins- und Putativgefahr liegt darin, dass sich die Begrifflichkeiten in Folge auch auf die Ebene der Störerbestimmung auswirken.105 Auf dieser Ebene wird dann die Verwendung der Begrifflichkeiten fortgesetzt und beispielsweise von „echten und unechten Anscheinsstören“, „Anscheinsverursachern“ oder „anscheinsbetroffene[n] Nichtstörer[n]“ gesprochen.106 Insofern wird auch hier an Begrifflichkeiten ausgerichtet geprüft, anstatt an den normativen Voraussetzungen. Für die Bestimmung der Störereigenschaft ist damit ebenfalls die objektivierte subjektive Sichtweise entscheidend, so dass es auch dort nicht auf die Begrifflichkeiten ankommt. Im Folgenden ist nur noch mit einem Gefahrbegriff zu arbeiten, der auf eine objektivierte subjektive Sicht abstellt.

C. Bedeutung der vorgenommenen Begriffsbildungen für die Anwendung von Verhältnismäßigkeitskriterien Es hat sich gezeigt, dass die Situationen, die üblicherweise mit den Begriffspaaren der abstrakten und konkreten Gefahr sowie der Anscheins- und der Putativgefahr umschrieben werden, normativ erschließbar sind. Die Begriffe der abstrakten und der konkreten Gefahr beschreiben die Sachverhalte, auf die sich die Gefahrenprognose bezieht. Die Begriffe der Anscheins- und der Putativgefahr bezeichnen die Sicht, aus der die Gefahrenprognose zu treffen ist, und befassen sich mit den Auswirkungen von Irrtümern über das objektive Vorliegen einer Gefahr. Für Verhältnismäßigkeitserwägungen ist bei diesen Fragestellungen kein Raum.

104 Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 99 sieht in den Begrifflichkeiten auch die Funktion „Rechtfertigungen zu liefern, auch solche Situationen als Gefahren zu behandeln, die vom Begriff der Gefahr nicht erfasst sind und nicht erfasst werden sollen“. 105 Di Fabio, Jura 1996, 566, 569; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 7, Rn. 40. 106 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 7, Rn. 40.

Kapitel 3

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Polizeirecht aus historischer Perspektive Die polizeiliche Aufgabe der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist das Ergebnis einer historischen Entwicklung.1 Zugleich gilt das Polizeirecht als Ausgangspunkt der Lehre vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.2 Eine Verwendung von Verhältnismäßigkeitskriterien bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme und bei der Bestimmung der Störereigenschaft könnte das Resultat eines historischen Entwicklungsprozesses sein. Im Folgenden werden Normen des ALR und des PrPVG betrachtet. Dem mag man entgegenhalten, dass das PolG keine Nachfolgekodifikation dieser Bestimmungen ist. Allerdings liegen mittelbare Einflüsse der herangezogenen Normen auf das PolG vor, die insbesondere hinsichtlich der Generalklausel deutlich werden. Am Anfang der historischen Betrachtung steht § 10 Teil II, Titel 17 ALR. Auf § 10 Teil II, Titel 17 ALR und die ihn konkretisierende Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts lässt sich § 14 Abs. 1 PrPVG zurückführen.3 §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG knüpfen zwar nicht nach ihrem Wortlaut, aber inhaltlich4 wiederum an § 14 Abs. 1 PrPVG an.5 Auch § 8 Abs. 1 des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder vom 25.11.1977 entspricht inhaltlich §  14 Abs.  1 PrPVG.6 Die historische Betrachtung preußischer 1 Knemeyer, AöR 1967, 153, 154 ff.; speziell in Bezug zur historischen Entwicklung des materiellen Polizeibegriffs: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 1, Rn.  2. Nach Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 1 ist der Gegenstand und das Verständnis des Polizeirechts „bis heute eng verknüpft mit der Entwicklung des Begriffs ‚Polizei‘“. Einen allgemeinen Überblick zur historischen Entwicklung der Polizei geben: Harnischmacher/Semerak, Deutsche Polizeigeschichte, S. 1 ff. 2 Wendt, DÖV 1968, 817: „Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit […] wurde zunächst im Polizeirecht entwickelt“; Holoubek, in: FS Rill, 99: „Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wurde zunächst im Verwaltungsrecht, konkret in einem historischen Kernbereich des Verwaltungsrechts, dem Polizeirecht, entwickelt“; Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 141, Fn. 100. 3 Nach Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 1, Rn. 18 steht die Generalklausel des § 14 Abs. 1 PrPVG „in der Tradition von“ § 10 Teil II, Titel 17 ALR. Siehe dazu auch: Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 49. 4 Das Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz wird deshalb „als Vater […] der heutigen Polizeigesetze“ beschrieben, dazu: Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 49. 5 Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 398. 6 Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 19: „Der Entwurf bekennt sich hier zur überlieferten Generalermächtigung“.

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Kap. 3: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Polizeirecht 

Normen kann also Einflüsse aufzeigen und Lösungsansätze7 für die Frage liefern, ob Verhältnismäßigkeitskriterien nicht nur bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rechtsfolgen einer polizeilichen Maßnahme, sondern auch bei der Prüfung ihrer Tatbestandsmäßigkeit und bei der Bestimmung der Störereigenschaft Anwendung finden können. Zu beachten ist dabei, dass das heutige Verständnis des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes8 nicht unmittelbar auf das frühere Verständnis in Literatur und Rechtsprechung übertragen werden darf.9

A. Anknüpfungspunkte für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Allgemeinen Preußischen Landrecht I. Die „nöthigen Anstalten“ in § 10 Teil II, Titel 17 ALR als Anknüpfungspunkt bei der Auswahl der Rechtsfolgen § 10 Teil II, Titel 17 ALR lautete: „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öf­ ublico, fentlichen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung, und zur Abwendung der dem P oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey“. Ebenso wie die heutige Generalklausel war § 10 Teil  II, Titel  17 ALR konditional aufgebaut. Tatbestandsvoraussetzungen waren die „Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung“ und die „Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr“. Wenn diese Tatbestandsvoraussetzungen vorlagen, konnte die Polizei die „Anstalten“ treffen. Das Ermessen der Polizei schien aber dadurch begrenzt zu sein, dass sie nur die „nöthigen Anstalten“ treffen konnte. Ein Anknüpfungspunkt für die Anwendung von Verhältnismäßigkeitskriterien könnte deswegen bei der Frage zu finden sein, wann Anstalten „nöthig“ waren. Problematisch bei der Anknüpfung an der Formulierung „nöthig“ ist allerdings, dass Ermessensentscheidungen durch die Gerichte nach der damaligen Rechtslage nicht überprüft werden konnten.10 Das wurde insbesondere vom Preußischen 7 Zur Frage, was eine historische Arbeit leisten kann, in Bezug auf das Übermaßverbot: Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des Übermaßverbots, S. 5. Nach Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 16 wird durch eine historische Untersuchung „das Material bereitgestellt, das eine fruchtbare systematische Erörterung allererst ermöglicht“. 8 Siehe dazu unten Kapitel 4. 9 Beispielsweise wurde das, was heute als „Erforderlichkeit“ bezeichnet wird, früher z. T. unter dem Begriff der „Verhältnismäßigkeit“ diskutiert, vgl. Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des Übermaßverbots, S. 150 ff. und Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 146 f. Zu den sprachlichen Unterschieden genauer: Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 4. 10 Siehe Beispiele aus der Rechtsprechung: PrOVGE 3, 288, 291 „In den letzteren sind für die Prüfung der im Wege der Klage angefochtenen polizeilichen Verfügungen durch den Ver-

A. Anwendung im Allgemeinen Preußischen Landrecht

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Oberverwaltungsgericht aus § 17 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung11 abgeleitet12: „Die Polizeirichter haben über alle Zuwiderhandlungen gegen polizeiliche Vorschriften (§§. 5 und 11) zu erkennen, und dabei nicht die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit, sondern nur die gesetzliche Gültigkeit jener Vorschriften nach den Bestimmungen der §§. 5, 11 und 15 dieses Gesetzes in Erwägung zu ziehen“.13 Daraus könnte man schließen, dass die Begrenzung des Ermessens durch die Formulierung der „nöthigen Anstalten“ unwesentlich war und damit auch keinen Raum für die Erörterung der Frage bot, was unter „nöthig“ zu verstehen war.14 Allerdings nahm das Preußische Oberverwaltungsgericht eine solche Prüfung gleichwohl in zunehmendem Maß15 vor.16 Das Preußische Oberverwaltungsgericht knüpfte an die Auslegung des Begriffs „nöthig“ verstärkt Verhältnismäßigkeitskriterien an.17 waltungsrichter bestimmte Grenzen gezogen, welche es nicht gestatten, diese Prüfung bis zu einer freien Würdigung der polizeilichen Nothwendigkeit, Angemessenheit und Zweckmäßigkeit auszudehenen“; 8, 290, 292 f.; 8, 327, 331; 11, 233, 241 „[…] welche der Kontrolle des Verwaltungsrichters zwar auf ihre Gesetzmäßigkeit, nicht aber auf ihre Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit unterliegen“; 11, 365, 371; 13, 420, 423 f.; 22, 409, 419. Siehe Beispiele aus der Literatur: Friedrichs, Das Polizeigesetz, S.  264; Friedrichs, PrVBl 1908/1909, 320. Weiterführend: Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 141 ff.; Heuer, Die Generalklausel des preußischen Polizeirechts von 1875 bis zum Polizeiverwaltungsgesetz von 1931, S. 387 ff.; Neupert, Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit, S. 56. 11 Gesetz über die Polizeiverwaltung v. 1. März 1850; Gesetzestext abgedruckt bei: Hue De Grais, Der preußische Staat, S. 459 ff. 12 Siehe weitergehend zur Begründung des freien Ermessens der Polizei: Neupert, Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit, S. 56. 13 Zwar ist § 17 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung nach seinem Wortlaut nur auf Verordnungen anwendbar, er wurde aber auch auf Verfügungen angewendet. Siehe dazu: Friedrichs, Das Polizeigesetz, S. 264 f. 14 Dazu Goldschmidt, Das Verwaltungsstrafrecht, S. 321: „Das an die Adresse des Polizeirichters gerichtet Verbot, die ‚Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit‘ der übertretenen Polizeivorschrift ‚in Erwägung zu ziehen‘, beleuchtet die Unwesentlichkeit jenes materiellen Elements für den vom Richter festzustellenden Tatbestand“. 15 Dass das Preußische Oberverwaltungsgericht teilweise Fragen der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit prüfte, teilweise aber auch nicht, wurde als widersprüchlich beschrieben. Siehe dazu Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 176: „[…] und das Ergebnis sind, wie nicht anders zu erwarten war, starke Widersprüche“. 16 Siehe z. B. Heuer, Die Generalklausel des preußischen Polizeirechts von 1875 bis zum Polizeiverwaltungsgesetz von 1931, S. 387 wonach eine „derart strikte Ablehnung [der Überprüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit] aber schon in den Anfängen der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts die Ausnahme war“. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S.  9 spricht von einem „augenscheinlichen Schwanken[…] in der Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts“. Dazu auch: Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Fragen des Übermaßverbots, S. 127 und mit zahlreichen Nachweisen Heuer, Die Generalklausel des preußischen Polizeirechts von 1875 bis zum Polizeiverwaltungsgesetz von 1931, S. 393, der sogar von einem Überwinden der Formel, die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit nicht nachprüfen zu dürfen, spricht. 17 Dazu Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 176, der feststellt, dass das Preußische Oberverwaltungsgericht „ebenso häufig oder auch häufiger […] faktisch auf den Einwand ein[geht], dass der verlangte Eingriff zu weit gehe, es prüft nach, ob das, was die Polizei verlangte, wirklich nötig war“. v. Laun, Das freie Ermessen und seine Grenzen, S. 293 stellt fest,

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Kap. 3: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Polizeirecht 

Die heutigen Teilanforderungen der Geeignetheit18 und der Erforderlichkeit19 wurden in dieser Weise in Bezug auf das Merkmal „nöthig“ entwickelt.20 Dass das Preußische Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung des Begriffs „nöthig“ Verhältnismäßigkeitskriterien anlegte, ist auch nicht verwunderlich. So hieß es bereits in § 7 Abs. 2 der Instruktion zur Geschäftsführung der Regierungen v. 23.10.1817, dass „niemanden in dem Genuß seines Eigentums, seiner bürgerlichen Gerechtsame und Freiheit, so lange er in den gesetzlichen Grenzen bleibt, weiter einzuschränken [ist], als es zur Beförderung des allgemeinen Wohles nötig ist“. Die Literatur schloss sich der Praxis des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zur Auslegung des Begriffs „nöthig“ an21 und verband ebenfalls Verhältnismäßigkeitskriterien mit dem Begriff „nöthig“.22 Allerdings wurde der Begriff des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes23 nicht oder nur sehr diffus verwendet, und seine einzelnen dass das Preußische Oberverwaltungsgericht „wiederholt zu weit gegangen“ ist und „auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Verfügung überprüft“ hat. Siehe auch: Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 142. 18 Siehe z. B.: PrOVGE 53, 250, 254 „Die Polizei darf daher auch in ihren Anforderungen nicht weiter gehen, als dies durch ein den Voraussetzungen des § 10 aaO. entsprechendes polizeiliches Interesse gerechtfertigt ist“; PrOVGE 60, 324, 329 „[…] falls diese das geeignete und nötige Mittel ist, damit die Polizei die ihr obliegenden Aufgaben erfüllen kann“; PrOVGE 64, 466, 469 „Hieraus folgt aber, dass der Richter zu prüfen hat, ob die anzuwendende Polizeiverordnung objektiv dem Schutze landschaftlich hervorragender Gegenden dient […]“. Weitere Nachweise bei Heuer, Die Generalklausel des preußischen Polizeirechts von 1875 bis zum Polizeiverwaltungsgesetz von 1931, S. 397 mit genauerer Erläuterung zur missverständlichen Verwendung des Begriffs der Geeignetheit; Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 144; Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Fragen des Übermaßverbots, S. 141. 19 Siehe z. B. PrOVGE 53, 400, 402 „Das Verlangen der Abhilfe durch Anlegung einer Rinne mit geripptem Deckel, welche sich leicht reinigen lässt, geht über das Maß des nach objektiven polizeilichen Motiven Notwendigen und Sachdienlichen nicht hinaus“. Weitere Nachweise bei Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 144; Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Fragen des Übermaßverbots, S. 146. 20 Siehe in der Übersicht zur Entwicklung: Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 144. 21 Nach Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 183 muss „der aus den Gesetzen von 1842 und 1850 entnommene und dann erweiterte Satz von der Unüberprüfbarkeit der Notwendigkeits- und Zweckmäßigkeitsfrage bei Polizeifragen […] für Polizeiverfügungen hinter der wegen § 10 II 17 ALR gebotenen Überprüfung der Notwendigkeitsfrage zurücktreten“. Siehe dazu auch: Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 144. 22 Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 323 formuliert: „Die Polizei soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. […] [I]hr stehen zur Erreichung ihres Zweckes zunächst mildere Mittel zur Verfügung. […] Das schärfste Mittel muss stets die ultima ratio bleiben“. 23 Die Begriffsverwendung findet sich z. B. bei Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 267, der von einer „Verhältnismäßigkeit der Abwehr“ spricht. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 9 führt darauf bezogen aus: „Otto Mayer nennt dies den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Gefahrenabwehr“. Nach Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S.  323 muss der polizeiliche Eingriff „den Verhältnissen angemessen, er muss verhältnismäßig sein“. Das Preußische Oberverwaltungsgericht gebrauchte hingegen nie den Begriff Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, vgl.: Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 144.

A. Anwendung im Allgemeinen Preußischen Landrecht

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Ausprägungen waren noch nicht im heutigen Sinne herausgearbeitet. Insbesondere wurde keine Angemessenheitsprüfung24 in Gestalt einer Abwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen vorgenommen.25 Jedoch entwickelten sich die inhaltlichen Grundsätze der Geeignetheit und der Erforderlichkeit am Ende des Kaiserreichs zu einem „Allgemeingut der Lehre“.26 Damit steht fest, dass die Begrenzung des Ermessens durch den Begriff „nöthig“ in § 10 Teil II, Titel 17 ALR dazu geführt hat, dass bei der Auswahl der Rechtsfolge polizeilicher Maßnahmen Anforderungen eine Rolle gespielt haben, die den heutigen Kriterien der Geeignetheit und der Erforderlichkeit ähneln.

II. „Bevorstehende[…] Gefahr“ in § 10 Teil II, Titel 17 ALR als Anknüpfungspunkt bei der Auslegung des Tatbestandes Fraglich ist, ob sich in § 10 Teil II, Titel 17 ALR Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass Verhältnismäßigkeitskriterien auch auf der Ebene der Auslegung des Tatbestandes berücksichtigt wurden. Ein Anknüpfungspunkt könnte der Begriff der „bevorstehenden Gefahr“ in § 10 Teil II, Titel 17 ALR sein. Eine Definition des Gefahrbegriffs fehlte allerdings zunächst.27 Insbesondere wurden die Begriffe des Schadens und der Gefahr noch nicht konsequent unterschieden.28 Teilweise

24 Dazu: Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 5; Heuer, Die Generalklausel des preußischen Polizeirechts von 1875 bis zum Polizeiverwaltungsgesetz von 1931, S. 496. Zu vereinzelt zu findenden Vorläufern der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn: Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Fragen des Übermaßverbots, S. 146. Allerdings finden sich in der Literatur vereinzelt Hinweise, dass eine Abwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen vorgenommen werden soll. Siehe z. B. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 342: „Denn die Polizei verkennt ihre Aufgabe, wenn sie meint, nur das öffentliche Interesse wahren zu sollen; vielmehr hat die Polizei im staatlichen Interesse zu handeln, also wie der Staat abzuwägen zwischen Privatinteressen und öffentlichem Interesse“; Biermann, Privatrecht und Polizei in Preußen, S. 126: „Doch muß der dem Eigenthümer durch die polizeiliche Auflage zugefügte Vermögensschaden jedenfalls geringer sein, als der durch die polizeiliche Anordnung von der Allgemeinheit abgewendete“. 25 Dazu: Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Fragen des Übermaßverbots, S. 153. 26 Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 146. 27 Zur fehlenden Definition Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 146: „Auch wenn sich spezielle Abgrenzungsfragen der Aufgabenumschreibung oder eine detaillierte Diskussion über die inhaltliche Bedeutung der einzelnen Bestandteile der Generalklausel, wie ‚Gefahr, ‚Schaden‘ oder ‚öffentliche Sicherheit und Ordnung‘ erst mit zeitlicher Verzögerung gegenüber der Rechtsprechung in der Literatur ab der Jahrhundertwende wiederfanden […]“; Heuer, Die Generalklausel des preußischen Polizeirechts von 1875 bis zum Polizeiverwaltungsgesetz von 1931, S. 170. 28 Siehe z. B. PrOVGE 13, 420, 423. Dazu tiefergehend mit weiteren Nachweisen: Heuer, Die Generalklausel des preußischen Polizeirechts von 1875 bis zum Polizeiverwaltungsgesetz von 1931, S. 170.

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Kap. 3: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Polizeirecht 

meinte man auch, der Begriff der Gefahr sei nicht geeignet, die Polizeigewalt zu begrenzen.29 Trotz unterschiedlicher Bezeichnungen und einer noch fehlenden Definition herrschte aber Einigkeit, dass die Gefahr zur bloßen Belästigung abzugrenzen ist.30 Dazu wurde darauf abgestellt, „ob das Interesse stark genug ist, um nach gesellschaftlichen Anschauungen ein polizeiliches Eingreifen [hinsichtlich des störenden Verhaltens] zu rechtfertigen“.31 Um festzustellen, ob ein solches Interesse bestand, wurden beispielsweise Kriterien wie die Sozialadäquanz des störenden Verhaltens32 herangezogen, oder es wurde danach gefragt, ob sich das störende Verhalten nur unter einem derart hohen Aufwand33 beseitigen lässt, dass das Gemeinwesen dadurch vernichtet wird. Die Auswirkungen des störenden Verhaltens wurden somit als sozialadäquat oder als nicht-sozialadäquat bewertet. In dieser Bewertung des Verhaltens lassen sich auch Abwägungselemente finden. So hing die Bewertung des Verhaltens als sozialadäquat oder nicht-sozialadäquat davon ab, ob ein überwiegender Teil der Gesellschaft ein solches Verhalten tolerieren würde oder nicht. War ein Verhalten für den überwiegenden Teil der Gesellschaft nicht zu tolerieren, war das Interesse groß genug, um ein polizeiliches Eingreifen zu rechtfertigen. Betrachtet man die Frage, mit welchem Aufwand sich ein Verhalten beseitigen lässt, treten die Abwägungselemente noch deutlicher hervor. Hier wurde einerseits zwischen dem Schaden für die Gesellschaft und andererseits zwischen der Pflicht des Gemeinwesens, gewisse Schädlichkeiten hinzunehmen, abge 29

Siehe beispielsweise bei Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 258, der auf die „Störung der guten Ordnung“ abstellt. Ganz gegen die Verwendung des Gefahrbegriffs ist Thoma, Der Polizeibefehl im badischen Recht, S. 42, wonach „der Begriff der Gefahr nicht geeignet ist, einen begrenzten Umfang der Polizeigewalt scharf und unzweideutig zu umschreiben“. 30 PrOVGE 6, 349, 353; 9, 344, 352; 13, 420, 423; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 284; Rosin, Begriff und Umfang der Polizeigewalt, S. 61; Drews, Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, 1. Aufl., S. 8; Heuer, Die Generalklausel des preußischen Polizeirechts von 1875 bis zum Polizeiverwaltungsgesetz von 1931, S. 170; Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Fragen des Übermaßverbots, S. 153. 31 Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S.  284. Es ging nach Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S.  261 darum, dass das Gemeinwesen „sich in solche notwendige Störungen fügt“. Nach Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 322 „dürfen sich [die Polizeiorgane] ferner nicht als zarter beseitet aufspielen, als der Normalmensch“. 32 v. Kamptz/Delius, Rechtsprechung des Reichsgerichts und Kammergerichts I, S. 280: „Es ist allerdings denkbar, daß durch das Rauchen jugendlicher Personen an Orten mit öffentlichem Verkehr Ärgernis erregt wird und daß weiterhin dann Streitigkeiten und Verkehrsstörungen entstehen. Aber diese an sich denkbare Möglichkeit ist zu entfernt, als daß man von einer dem Publikum oder einzelnen Mitgliedern bevorstehenden Gefahr sprechen könnte“; PrOVGE 9, 344, 351: Rauchbelästigungen bei erlaubter Gewerbetätigkeit; Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 261, Fn. 3: „Das Publikum wird allerdings auch vor ruhestörendem Lärm geschützt, aber eben nur soweit der Lärm nicht gemacht wird innerhalb des anerkannten Maßes der gesellschaftlichen Freiheit“. 33 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 261, Fn. 3: „[…] wenn es nicht den Bäcker kraft der gesellschaftlichen Freiheit für berechtigt angesehen hätte, seine Mitmenschen zu belästigen […]“.

A. Anwendung im Allgemeinen Preußischen Landrecht

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wogen. Bei der für erforderlich gehaltenen Abgrenzung zwischen Gefahr im Sinne des § 10 Teil II, Titel 17 ALR und der polizeirechtlich irrelevanten bloßen Belästigung finden sich somit Abwägungselemente. Einigkeit herrschte zudem, dass dem Begriff der Gefahr ein Prognosecharakter anhaftete.34 Die Definition der Gefahr als hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts wurde allerdings erst allmählich durch die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts präzisiert.35 Zuvor wurden in Rechtsprechung und Literatur verschiedene Formulierungen zur Umschreibung einer Gefahr verwendet.36 Gleichwohl bestand zumindest eine Übereinstimmung darin, dass gewisse Anforderungen an die Prognose zu stellen sind.37 Um welche es sich handelt, wurde aber erst nach und nach herausgearbeitet.38 Allerdings zeigte sich trotz der Unklarheiten bezüglich der Anforderungen an die Prognose, dass diese nicht isoliert durchgeführt werden konnte, sondern dass sie in einem Verhältnis mit dem Schaden stand.39 Daraus lässt sich ableiten, dass der Eingriffsgrund (Schaden nach heutiger Definition) und die Prognose (Wahrscheinlichkeitsgrad nach heutiger Definition) in Relation gesetzt wurden.40 Eine Regel, der zufolge umso geringere Anforderungen an die Höhe des Wahrscheinlichkeitsgrads zu stellen sind, je schwe 34 PrOVGE 38, 356, 357; 55, 277, 286; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S.  286 „gewisse Wahrscheinlichkeit“; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 322 „Wenn bloß eine entfernte Möglichkeit vorliegt […], so ist die Behörde nicht befugt, sie polizeilich einzuschränken“; Rosin, Begriff und Umfang der Polizeigewalt, S. 61 „Dringlichkeit des Schadens“. 35 Siehe ausführlich zur Präzisierung des Gefahrbegriffs mit vielen Nachweisen aus der Rechtsprechung: Walker, Abstrakte und konkrete Gefahr, S.  27 ff. und Heuer, Die Generalklausel des preußischen Polizeirechts von 1875 bis zum Polizeiverwaltungsgesetz von 1931, S. 170 ff. 36 PrOVGE 54, 270, 276 „nur eine ungewisse Möglichkeit“; 64, 497, 500 „nicht ganz entfernte und unwahrscheinliche Möglichkeit“; Rosin, Begriff und Umfang der Polizeigewalt, S. 61 „Zustand erheblicher Bedrohung menschlicher Güter“; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 286 „Wahrscheinlichkeit von Nachteilen“. 37 Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 286. Insbesondere wurde damit eine gewisse zeitliche Nähe des Schadens gemeint. Siehe dazu: PrOVGE 16, 125, 126. Genauer zum prognostischen Element: Walker, Abstrakte und konkrete Gefahr, S. 34. 38 Noch in PrOVGE 9, 344, 352 forderte das Preußische Oberverwaltungsgericht, „dass eine [Schädigung] nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge mit Sicherheit vorauszusehen ist“. In PrOVGE 22, 303, 306 spricht es von der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“. 39 PrOVGE 22, 303, 307 stellt auf die Erheblichkeit einer Beschädigung ab: „Solche Beschädigungen sind aber zu unerheblich, als dass sie das öffentliche Interesse berühren“. Explizit auf den Schaden stellt Rosin, Begriff und Umfang der Polizeigewalt, S. 61 ab: „[…] erheblich sowohl in Bezug auf die Dringlichkeit des bevorstehenden Schadens, als auch quantitativ in Bezug auf dessen Größe“; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 286 spricht von einer „räumlichen oder zeitlichen Ausdehnung des abzuwehrenden Nachteils“; Walker, Abstrakte und konkrete Gefahr, S. 34 nennt das „die Flexibilität des prognostischen Elements“. 40 Siehe sehr deutlich bei Scholz, VerwArch 1919, 1, 28: „Es bedarf hiernach einer Abwägung einerseits des Interesses an Verhinderung der den Schaden ermöglichenden Sachlage im Hinblick auf den Wert des Gutes und den Grad der Wahrscheinlichkeit […]“.

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Kap. 3: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Polizeirecht 

rer die Schädigung eines polizeilichen Schutzgutes ist, lässt sich daraus zwar noch nicht entnehmen.41 Es wird aber deutlich, dass bei der Auslegung des Tatbestandes und bei der Subsumtion unter ihn durch Abwägungselemente die Wertigkeit bestimmter Güter und Interessen berücksichtigt wurde.42 Der Zweck dieser Beschränkungen auf Tatbestandsebene war es, der Polizeigewalt Grenzen zu ziehen.43 Es bestand also ein Bedürfnis, durch Abwägungselemente auf der Tatbestandsebene die Reichweite der polizeirechtlichen Norm zu verengen.

III. Anknüpfungspunkte bei der Bestimmung des Adressaten einer polizeilichen Maßnahme sowie bei der Adressatenauswahl Auch bei der Bestimmung der möglichen Adressaten einer polizeilichen Maßnahme und bei der Adressatenauswahl könnten Verhältnismäßigkeitselemente berücksichtigt worden sein. Regelungen dazu enthielten allerdings weder das Allgemeine Preußischen Landrecht noch andere Gesetze.44 So wurden die wesentlichen Grundsätze zur Bestimmung der möglichen Adressaten einer polizeilichen Maßnahme und der Adressatenauswahl überwiegend durch das Preußische Oberverwaltungsgericht und teilweise auch durch die Literatur entwickelt.45

41 Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Fragen des Übermaßverbots, S.  153: „Ein durchgängiger Grundsatz demzufolge öffentlicher Handlungszweck und beeinträchtige Individualposition in einem angemessenen Verhältnis zueinander zu stehen hatten, lag dem jedoch nicht zugrunde“. 42 Dass es auf die Wertigkeit des betroffenen Rechtsguts ankommt, wird deutlich bei Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 319: „[…] die Polizei habe ‚das Publikum‘ vor Störungen zu schützen. Dabei spielt eine wesentliche Rolle, welche soziale Wertung das durch die Störung angegriffene Rechtsgut genießt. Während die Polizeibehörde schon durch den leichtesten Angriff auf die geschlechtliche Sittlichkeit zum Einschreiten veranlaßt wird, ist sie gegenüber großen Belästigungen des Gehörs von einer übertriebenen Milde.“ 43 Zu diesem Zweck Wolzendorff, Die Grenzen der Polizeigewalt I, S. 80 f.: „Die im § 10, II, 17 A. L. R. gegebene Definition der Polizei bezieht sich auf die gesamte Polizeigewalt, auf das Polizeiverordnungsrecht ebenso, wie auf das Recht der Polizeiverwaltung; beiden werden daher durch die in der Definition enthaltenen Einschränkungen gesetzliche Grenzen gezogen.“ Zum Zusammenhang mit den Abwägungselementen in § 10 Teil II, Titel 17 ALR Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Fragen des Übermaßverbots, S. 153: „Abwägungselemente sind schließlich auch im Zusammenhang mit dem häufig festzustellenden Bestreben anzutreffen, gesetzlich normierte Eingriffsvoraussetzungen nicht zu weit auszulegen“. 44 Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 141. 45 Dazu: Vieth, Rechtsgrundlagen der Polizei- und Ordnungspflicht, S.  18 und Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 148. Der Einfluss der Literatur wird als gering angesehen, dazu Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflich­ tigen als Rechtsfrage, S. 11, Fn. 7: „[…] ein maßgeblicher Einfluss der Lehre ist ebenfalls nicht erkennbar.

A. Anwendung im Allgemeinen Preußischen Landrecht

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1. Bestimmung des Adressaten Bei der Frage, wer als Adressat einer polizeilichen Maßnahme in Betracht kommt, wurde zwischen der Haftung für ein Verhalten46 und der Haftung für den Zustand von Sachen47 differenziert.48 Welche Kriterien die Haftung begründen, war zunächst unklar. Erst allmählich arbeitete man haftungsbegründende Kriterien heraus.49 Insbesondere stand noch nicht fest, welche Anforderungen an die Verursachung eines polizeiwidrigen Zustands zu stellen sind. Die Entwicklung von Haftungs- und Zurechnungskriterien, die die Polizeipflichtigkeit begründeten, stand mithin im Mittelpunkt der Diskussion. Probleme bereiteten insbesondere sogenannte mittelbare Verursachungen, was der heutigen Zweckveranlasserproblematik entspricht.50 Es bestand zwar ein Bedürfnis, die Haftung des Einzelnen nicht ausufern zu lassen.51 Dieses Bedürfnis wurde dadurch zu befriedigen versucht, indem man definierte, wer der Verursacher eines polizeiwidrigen Zustandes ist.52 Explizite Versuche, die Haftung des Einzelnen zu begrenzen, bestanden aber nur vereinzelt. Sie erschöpften sich in der Heranziehung zivilrechtlichen Kriterien53,

46 PrOVGE 28, 273, 274; 34, 432, 437; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 306: „Gewaltverhältnis […] des Menschen über sich selbst“; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S.  326: „Zum Störer wird unter Umständen nicht bloß eine handelnde […] Person“; Wolzendorff, Der Polizeigedanke des modernen Staats, S. 191: „persönliche[s] Verhalten“. 47 PrOVGE 8, 327, 330; 30, 213, 216; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 307: „Gewalt über die polizeiwidrige Sache“; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 326: „Zum Störer wird unter Umständen […] auch eine nicht handelnde Person, so z. B. der Eigentümer, der es unterläßt, den polizeiwidrigen Zustand seines Eigentums zu beseitigen“; Wolzendorff, Der Polizeigedanke des modernen Staats, S. 191 „von seinem Eigentum“. 48 Zur Differenzierung genauer: Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S.  148 und Vieth, Rechtsgrundlagen der Polizei- und Ordnungspflicht, S. 18, Fn. 36. 49 Siehe dazu den Überblick bei: Vieth, Rechtsgrundlagen der Polizei- und Ordnungspflicht, S. 17 f. 50 PrOVGE 6, 370, 375: „massenhaftes Nachströmen des Publikums“; PrOVGE 45, 339 ff.; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 310 ff. 51 Wolzendorff, AöR 1909, 325, 389: „die Polizei [darf] keine ungleichmäßige Beschränkung der Bürger vornehmen“; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 305: „Denn nirgends übersieht die Polizei die ihr gesteckten Grenzen so leicht als gerade auf diesem Gebiet [der sachlichen Legitimation des Adressaten]“. 52 Nach Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 266 kommt es darauf an, welchem „Lebenskreise [die Störung] entspringt“, siehe dazu: Moser, Verursachungstheorie, S. 58. v. Arnstedt, Das Preußische Polizeirecht I, S. 54 stellt darauf ab, wer „den polizeilich nicht zu duldenden Zustand herbeigeführt hat“; Wolzendorff, Der Polizeigedanke des modernen Staats, S. 191 bezeichnet denjenigen als polizeilich Verantwortlich für Störungen „die von ihm ausgehen […]; wofür er sozial verantwortlich ist“. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 312 stellt auf die „Verursachung“ ab. 53 Zivilrechtliche Kriterien wurden analog auf das Polizeirecht übertragen. Dazu in der Übersicht: Vieth, Rechtsgrundlagen der Polizei- und Ordnungspflicht, S. 20 ff.

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Kap. 3: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Polizeirecht 

wovon insbesondere Verschuldenskriterien54 und Kriterien der Rechtswidrigkeit55 zu nennen sind. Eine Begrenzung der Polizeipflichtigkeit mit Hilfe von Verhältnismäßigkeitskriterien wurde nicht durchgeführt. Schwierigkeiten bereitete auch die Frage, ob jemand polizeipflichtig sein konnte, der nicht Verursacher des polizeiwidrigen Zustandes war. Insbesondere wurde diskutiert, unter welchen Voraussetzungen der Inhaber eines möglichen Gegenmittels56 herangezogen werden konnte.57 Grundsätzlich war das nicht möglich.58 Ausnahmen59 wurden gemacht, wenn die Polizei „gar nicht anders Herr werden [konnte] denn unter Inanspruchnahme von Unbeteiligten“.60 Es ging also darum, dass die Polizei vorrangig mit eigenen Mitteln die Gefahr abzuwehren hatte und nur nachrangig Unbeteiligte in Anspruch nehmen konnte. Die durch die Polizei zu schützenden Positionen und ihre eigene Leistungsfähigkeit wurden also mit den Interessen Unbeteiligter in ein Verhältnis gesetzt.61 Dieses Verhältnis lässt Abwägungselemente erkennen.

54 Insbesondere Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 312 ff. stellte unter Verweis auf PrOVGE 44, 418 ff. auf ein Verschulden ab. 55 Scholz-Forni, VerwArch 1925, 11 ff., der allerdings auch Adäquanzkriterien bemüht. 56 Nach heutiger Terminologie ist damit die Polizeipflichtigkeit unbeteiligter Personen nach § 9 PolG gemeint. 57 Beispiele in der Rechtsprechung: PrOVGE 11, 382 ff.; 12, 397 ff.; 27, 422 ff. Siehe zu dieser Differenzierung: Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 315 ff. 58 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 266: „[…] ihre Maßregeln können nur denjenigen treffen, der verantwortlich ist für die Störung, von dem sie ausgeht“; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 315: „Gewiß, auch wer helfend eingreifen könnte […] steht nicht ganz außerhalb des ursächlichen Zusammenhangs der Dinge. Aber daraus folgt nicht seine Polizeipflicht“; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 326: „Die Polizei hat sich an den Störer zu wenden, nicht an denjenigen, der sich in gesetzmäßiger Ausübung eines Rechtes befindet“. 59 Nach Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 266 bedarf es „dazu besonderer gesetzlicher Grundlagen“. Als gesetzliche Grundlage wurde teilweise § 360  Nr.  10 herangezogen, vgl.: Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 316. Teilweise wurde vom „Zweck auf die Mittel“ geschlossen, vgl.: Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 316. 60 Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 316. 61 Dazu: Heuer, Die Generalklausel des preußischen Polizeirechts von 1875 bis zum Polizeiverwaltungsgesetz von 1931, S. 495.

A. Anwendung im Allgemeinen Preußischen Landrecht

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2. Adressatenauswahl62 Kamen mehrere Adressaten für eine Haftung in Frage, war problematisch, wer von ihnen ausgewählt werden konnte.63 Bei der Haftung für ein Verhalten wurden überwiegend die zivilrechtlichen Regelungen über die Schadensersatzpflicht für die Adressatenauswahl herangezogen.64 Intensiver wurde die Frage diskutiert, wer als Adressat auszuwählen war, wenn eine Person für ein Verhalten und eine andere Person für den Zustand für Sachen haftbar gemacht werden konnte. Das war beispielsweise der Fall, wenn eine Auswahl zwischen dem Verursacher eines polizeiwidrigen Zustands und dem Eigentümer getroffen werden musste.65 Die Oberverwaltungsgerichte vertraten unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten.66 Die Literatur und das Preußische Oberverwaltungsgericht ließen der Polizei die freie Auswahl.67 Verhältnismäßigkeitskriterien wurden bei dieser Ermessensentscheidung nicht angewendet. Bei der Entscheidung, wer von mehreren Unbeteiligten heranzuziehen war, sind demgegenüber Verhältnismäßigkeitserwägungen zu erkennen. Die Polizei musste sich an den von einer polizeilichen Maßnahme am mildesten Betroffenen halten, was in heutiger Terminologie Ausdruck der Erforderlichkeit ist.68 Abwägungs­ elemente lassen sich also nicht bei einer Begrenzung der polizeilichen Haftung erkennen, wohl aber bei der Begrenzung der Inanspruchnahme Unbeteiligter.

62 Die Adressatenauswahl ist heute auf der Ebene der Rechtsfolgen zu verorten, weswegen sie auch in dieser Arbeit auf der Ebene der Rechtsfolgen verortet wird. In der historischen Literatur wurden die sich stellenden Fragen aber immer im Zusammenhang mit der Bestimmung der Adressaten erläutert, weswegen im Rahmen der historischen Darstellung ebenso verfahren wird. 63 Siehe dazu bei: Schultzenstein, VerwArch 1906, 1 ff., der sich insbesondere mit der Vertretung beschäftigt; v. Arnstedt, Das Preußische Polizeirecht I, S. 57; Jellinek, Gesetz, Gesetzes­ anwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S.  312 spricht in diesem Zusammenhang zwar von „Schwierigkeiten“, führt aber nichts Näheres aus; Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 149 f. Dazu im Überblick: Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S. 14 ff. 64 Schultzenstein, VerwArch 1906, S. 21 ff.; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 312: „grundsätzliche Anwendung privatrechtliche[r] Vorschriften“. 65 Schade, AöR 1909, 256, 360; Stier-Somlo, VerwArch 1911, 43, 112 ff.; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 313. 66 Beispielsweise eine vorrangige Haftung des Verursachers: vgl. Jahrbücher SächsOVG, Band 4, 248 ff. oder eine gesamtschuldnerische Haftung von Eigentümer und Verursacher: BadVGH, Zeitschrift für badische Verwaltung und Verwaltungsrechtspflege, 243 ff. 67 PrOVGE 36, 400, 403; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 313: „Die Polizei kann sich nicht mit den schwierigen Fragen abgeben, die hineinspielen in die Lehre von der Verursachung und der Verschuldung“. Siehe dazu auch: Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S. 13 f. 68 RGZ 76, 164, 165; Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 316: „Der von allen Unbeteiligten der Anlieger am mildesten von der Streuverpflichtung getroffen wird […]“.

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Kap. 3: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Polizeirecht 

IV. Zusammenfassung Anknüpfungspunkte für Verhältnismäßigkeitskriterien finden sich sowohl auf der Ebene der Bestimmung Rechtsfolgen als auch auf der Ebene der Auslegung und Subsumtion des Tatbestands des § 10 Teil II, Titel 17 ALR. Bei der Bestimmung, wer polizeipflichtig war, wurden keine Verhältnismäßigkeitserwägungen angestellt. Gleiches gilt für die Auswahl zwischen mehreren Polizeipflichtigen. Einzig die Frage, ob auch Unbeteiligte als Adressaten einer polizeilichen Maßnahme herangezogen werden können, wurde mit Hilfe von Verhältnismäßigkeitskriterien beantwortet.

B. Anknüpfungspunkte für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Preußischen Polizeiverwaltungsgesetz I. § 41 Abs. 1, Abs. 2 PrPVG und „notwendige Maßnahmen“ in § 14 Abs. 1 PrPVG als Anknüpfungspunkte bei der Auswahl der Rechtsfolgen Nach § 14 Abs. 1 PrPVG hatten die Polizeibehörden im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen. § 41 Abs. 1 PrPVG bestimmte, dass Verfügungen, sofern sie nicht auf Grund einer Polizeiverordnung oder eines besonderen Gesetzes erlassen wurden, nur gültig waren, soweit sie zur Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder zur Abwehr einer im einzelnen Falle bevorstehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich waren. Kamen zur Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder zur wirksamen Abwehr einer polizeilichen Gefahr mehrere Mittel in Frage, so genügte es nach § 41 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 PrPVG, wenn die Polizeibehörde eines dieser Mittel bestimmte. Dabei war tunlichst das den Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigende Mittel zu wählen. Dem Begriff der „notwendige[n] Maßnahmen“ nach § 14 Abs. 1 PrPVG wurde teilweise keine eigene rechtliche Bedeutung zugesprochen. Er war damit nur ein Ausdruck des Opportunitätsprinzips im Zusammenhang mit den „nach pflichtgemäßem Ermessen notwendige[n] Maßnahmen“.69 Teilweise wurde der Begriff der „notwendigen Maßnahmen“ als deckungsgleich mit § 41 Abs. 2 PrPVG angesehen.70

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Drews, Preußisches Polizeirecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl., S. 44: „Dieser Ausdruck bedeutet, daß die Polizei zwar berechtigt, aber nicht ohne weiteres verpflichtet ist, in jedem einzel­ nen Gefahrfall einzugreifen. Es soll also für die Polizei das Opportunitätsprinzip gelten […]“. 70 Schäfer, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 39 verweist direkt auf § 41 Abs. 2 PrPVG.

B. Anwendung im Preußischen Polizeiverwaltungsgesetz

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Andere hielten ihn für einen Ausdruck der Erforderlichkeit.71 Jedenfalls normierte § 41 Abs. 1 PrPVG den Begriff der Erforderlichkeit ausdrücklich. Man war sich in diesem Zusammenhang zumindest einig, dass das von der Polizei zur Gefahrenabwehr ausgewählte Mittel zur Gefahrenabwehr geeignet sein musste.72 Aus dem Wortlaut „tunlichst“ in § 41 Abs. 2 Satz 2 PrPVG könnte man aber schließen, dass die Polizei zwar ein geeignetes Mittel auszuwählen hatte, dieses aber nicht unbedingt das am wenigsten einschneidende Mittel sein musste.73 Dies könnte man als Abkehr von der Anforderung der Erforderlichkeit ansehen.74 Allerdings verkennt man mit einer solchen Auslegung, dass mit dem Begriff „tunlichst“ keine Abkehr von der Anforderung der Erforderlichkeit erfolgte. Gemeint war lediglich, dass mit der Anforderung der Erforderlichkeit „geschäftlich anders“75 umgegangen werden sollte und damit eine geringere gerichtliche Kontrolldichte verbunden war.76 § 41 Abs. 1, Abs. 2 PrPVG kann somit gleichwohl als gesetzliche Verankerung der Teilanforderung der Erforderlichkeit angesehen werden.77 Das bedeutet, dass nach den §§ 14 Abs. 1 und 41 Abs. 1, Abs. 2 PrPVG bei der Auswahl der Rechtsfolgen eine polizeiliche Maßnahme die Teilanforderungen der Geeignetheit und Erforderlich-

71 Scheer, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 161: „Die polizeiliche Verfügung muss erforderlich sein, d. h.‚ das in der polizeilichen Verfügung enthaltene Gebot oder Verbot muss gemäß § 14 PVG innerhalb der Grenzen pflichtgemäßen Ermessens eine zur Gefahrenabwehr notwendige Maßnahme sein“. 72 PrOVG 90, 270, 273; 90, 293, 295; Scheer, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 168: „Ein zur Beseitigung der Gefahr wirksames Mittel“; Schäfer, Polizeiverwaltungsgesetz, S.  75: „Das Mittel muß zur Verhütung oder Verminderung der Gefahr objektiv tauglich sein“; Drews, Preu­ßisches Polizeirecht, 5. Aufl., S. 44: „taugliches Mittel“. Dazu auch Remmert, Verfassungsund verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des Übermaßverbots, S.  176: „Auch unter dem neuem Recht hatten die von der Polizei gewählten Mittel ‚geeignet‘ bzw. ‚tauglich‘ zu sein“. 73 Drews, Preußisches Polizeirecht, 5. Aufl., S.  44: „[…] so braucht die Polizei, wie § 41 Abs. 1 PVG. in Übereinstimmung mit der in den letzten Jahren entwickelten Rechtsprechung des OVG vorschreibt nur ein taugliches Mittel zu bezeichnen; […] sie soll dabei zwar tunlichst das den Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigende Mittel wählen; es ist dies jedoch eine instruktionelle Zweckmäßigkeitsvorschrift“; Schäfer, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 75: „Sollvorschrift“. 74 Drews, Preußisches Polizeirecht, 5. Aufl., S. 44. Dazu auch: Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 309. 75 Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, 2. Aufl., S. 98: „Diese Fälle werden jetzt geschäftlich anders behandelt, aber der materielle Inhalt ist noch von Bedeutung“. Damit ist hauptsächlich die Möglichkeit des Betroffenen gemeint, nach § 41 Abs. 2 S. 3 PrPVG einen Antrag auf Gestattung der Anwendung eines von ihm angebotenen anderen Mittels zu stellen. 76 Siehe dazu die Entscheidungen des PrOVG 90, 270, 273; 90, 293, 295, die bei näherer Betrachtung die aufgrund § 41 Abs. 2 S. 2 bestehende geringere Kontrolldichte betreffen. Dazu: Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des Übermaßverbots, S. 182. 77 Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 5: „Das Preußische Polizeiverwaltungsgesetz (PVG) vom 1. Juni 1931 verankerte den Grundsatz praktisch im Gesetz“; Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des Übermaßverbots, S.  182. A. A.: Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 309.

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Kap. 3: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Polizeirecht 

keit Anwendung fanden. Angemessenheitserwägungen waren aber auch unter Geltung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes nicht vorzunehmen.78

II. „Gefahren“ in § 14 Abs. 1 PrPVG als Anknüpfungspunkt bei der Auslegung des Tatbestandes Nach § 14 Abs. 1 PrPVG hatten die Polizeibehörden im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. Aufgrund der zunehmend konturierten Definition des Begriffes der Gefahr war es nicht mehr üblich, die Gefahr von der Belästigung abzugrenzen. Stattdessen wurden der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und die Schwere der zu erwartenden Schädigung deutlich in ein Verhältnis gesetzt.

III. Anknüpfungspunkte bei der Bestimmung des Adressaten einer polizeilichen Maßnahme in den §§ 18 ff. PrPVG und bei der Adressatenauswahl 1. Bestimmung des Adressaten § 18 PrPVG bestimmte, dass Maßnahmen an diejenigen zu richten sind, die für das polizeimäßige Verhalten oder den polizeimäßigen Zustand verantwortlich sind. Die Verantwortlichkeit konnte sich nach § 19 Abs. 1 PrPVG aus der Verursachung durch das Verhalten von Personen oder nach § 20 Abs. 1 PrPVG aus der Verantwortlichkeit für den polizeigemäßen Zustand einer Sache ergeben. Die §§ 18 bis 20 PrPVG waren Kodifikationen der Grundsätze polizeirechtlicher Verantwortlichkeit, die zum Allgemeinen Preußischen Landrecht entwickelt wurden.79 Insofern wurden auch nach den §§ 18 bis 20 PrPVG bei der Bestimmung des Adressaten keine Verhältnismäßigkeitskriterien angewandt.80 § 21 PrPVG normierte die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme unbeteiligter Personen. Danach durften die Polizeibehörden Maßnahmen auch gegen Personen treffen, die nach den §§ 18 bis 20 nicht polizeipflichtig sind, falls die Beseitigung der Störung oder die Abwehr der Gefahren auf andere Weise nicht möglich ist. Die Maßnahmen durften indes nur getroffen und aufrechterhalten werden, so 78 Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 7; Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des Übermaßverbots, S. 187. 79 Siehe amtliche Begründung zu den §§ 18 bis 21: „Die Vorschriften stellen eine Kodifikation des geltenden Rechts dar […]“. Dazu: Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S. 27. 80 Siehe dazu oben Kapitel 3 A. III. 1.

C. Zusammenfassung  

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weit oder solange die Polizeibehörde nicht andere zur Beseitigung der Gefahr führende Maßnahmen treffen konnte. Wie schon vor Inkrafttreten des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes81 bestimmte § 21 PrPVG also, dass Maßnahmen auf das mildeste Mittel zu beschränken waren82 und die Polizei vorrangig eigene Mittel83 anwenden musste.84 Das in § 21 PrPVG niedergelegte Verhältnis zwischen der durch die Polizei zu schützenden Position und ihrer eigenen Leistungsfähigkeit gegenüber den Interessen Unbeteiligter lässt Abwägungselemente erkennen.85 2. Adressatenauswahl Wer von mehreren Adressaten auszuwählen ist, regelte auch das Preußischen Polizeiverwaltungsgesetz nicht. Insofern bestand keine Zäsur in der Rechtsprechung und Lehre.86 Verhältnismäßigkeitskriterien wurden bei der Adressatenauswahl nach wie vor nicht angewendet.87

C. Zusammenfassung   Die Anwendung der heutigen Teilanforderungen der Geeignetheit und der Erforderlichkeit bei der Auswahl einer im konkreten Fall zu treffenden Rechtsfolge zeigt, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus historischer Perspektive bei der Auswahl einer im konkreten Fall zu treffenden Rechtsfolge zu verorten ist. Aus der historischen Betrachtung ergibt sich aber auch, dass Verhältnismäßigkeitskriterien zudem bei der Auslegung des Begriffes der Gefahr und bei der Inanspruchnahme Unbeteiligter Anwendung fanden. Die Betrachtung der historischen Entwicklung spricht mithin dafür, dass der Gedanke, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Polizeirecht nicht nur bei der Auswahl der Rechtsfolgen anzuwenden, nicht neu ist. 81 Siehe dazu oben Kapitel 3 A. III. 1. Nach der amtlichen Begründung zu den §§ 18 bis 21 lehnt § 21 „sich an den § 74 der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht an in der Auslegung die diese Bestimmung durch die ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts erfahren hat“. 82 Drews, Preußisches Polizeirecht, 5. Aufl., S. 44: „Die Inanspruchnahme muß sich aber in allen Fällen ihrem rein subsidiären Charakter entsprechend sowohl sachlich als zeitlich auf das unbedingt Notwendige beschränken“; Scheer/Trubel, Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz, S. 54: „Kann die Polizei andere gleichwertige Maßnahmen treffen, die weniger einschneidend sind, so sind diese zu ergreifen“. 83 Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, S.  98: „Wenn die P. in die Lage kommt, andere zur Beseitigung der Gefahr führende Maßnahmen zu treffen und ihre Pflicht nicht erfüllt, so kann der Betroffene Aufhebung des Eingriffs beantragen“; Scheer/Trubel, Preußisches Polizeiverwaltungsge­setz, S. 54: „Die Polizei hat zunächst mit eigenen Mitteln die Gefahr abzuwehren zu versuchen“. 84 Insgesamt zu § 21 PrPVG: Naas, Die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, S. 314. 85 Siehe dazu schon oben Kapitel 3 A. III. 2. 86 Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S. 11. 87 Siehe dazu oben Kapitel 3 A. III. 2.

Kapitel 4

Begriff und Inhalte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Soll ermittelt werden, welche Verhältnismäßigkeitskriterien auf den einzelnen Ebenen der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme Anwendung finden, muss näher geklärt werden, welche Anforderungen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz1 stellt. Dazu sollen zunächst die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes und die einfachgesetzlichen Vorgaben des Polizeigesetzes erläutert werden (A.). Da in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Terminologien bestehen, legt die Arbeit im Anschluss die von ihr verwendeten Begriffsdefinitionen fest (B.).

A. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Vorgaben I. Verfassungsrechtliche Vorgaben Es besteht Einigkeit2, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Verfassungsrang besitzt.3 Ungewissheit herrscht hingegen über die Frage, wo der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz seinen verfassungsrechtlichen Sitz hat. Teilweise sieht man ihn in den Grundrechten4, teilweise aber auch im Rechtsstaatsprinzip5 verortet. Rela 1

Einen Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung und Literatur zum Verhältnismä­ ßig­keitsgrundsatzes gibt: Gretscher, Die „allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts“, S. 14 ff. 2 Peters, Die Verfassungsmäßigkeit des Verbots der Beförderung von Massengütern im Fernverkehr auf der Straße, S. 12 und Medicus, AcP 1992, 35, 53 f. verneinen den Verfassungsrang des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 3 Siehe z. B. BVerfGE 23, 127, 133; 35, 382, 401: „Nach diesem mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz“; Erichsen, Jura 1988, 387: „verfassungsrechtliche[r] Handlungsmaßstab“; Krebs, Jura 2001, 228: „nahezu unbestritten ist – inzwischen – auch sein Verfassungsrang“; Wendt, AöR 1979, 414, 415: „Maßstab der Verfassungsmäßigkeit staatlichen Handelns“; Wittig, DÖV 1968, 817, 818: „Einfließen von Rechtsgrundsätzen des einfachen Rechts in das Verfassungsrecht“; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 735; Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 45; Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Fragen des Übermaßverbots, S. 1; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 80; Lepsius, in: Jestaedt/Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 2; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E, Rn. 144. 4 BVerfGE 17, 108, 117; Schnapp, JuS 1983, 850, 852 f.; Hillgruber, JZ 2011, 861, 862; Huster, JZ 1994, 541, 543; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 354; Merten, in: FS Schambeck, 349, 357 ff. 5 BVerfGE 22, 180, 220; 23, 127, 133: „zwingend aus dem Rechtsstaatsprinzip“; 75, 1, 16; 80, 109, 120; Bleckmann, JuS 1994, 177, 178; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 253; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 771.

A. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Vorgaben  

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tiv häufig wird er zugleich aus den Grundrechten und aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet.6 Die genaue Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist wichtig, weil sein Inhalt durch die verfassungsrechtliche Verankerung beeinflusst wird.7 Unterschiede in der verfassungsrechtlichen Grundlegung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes können insbesondere auch Unterschiede der Inhalte der einzelnen Teilanforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedingen.8 Der Frage nach der verfassungsrechtlichen Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist daher näher nachzugehen. Das Rechtsstaatsprinzip9 verlangt, dass staatliches Handeln steuerbar, kontrollierbar und vorhersehbar ist.10 Damit ist die Anforderung verbunden, dass staatliche Mittel zweckgerichtet eingesetzt werden.11 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz trägt dazu bei, dass bei staatlichen Maßnahmen eine Verbindung zwischen den eingesetzten Mitteln und dem verfolgten Zweck hergestellt wird.12 Damit hilft der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die vom Rechtsstaatsprinzip geforderte ZweckMittel-Rationalität herzustellen.13 Das gilt insbesondere für die Teilanforderungen der Geeignetheit und der Erforderlichkeit, die zur Zweckerreichung ungeeignete Maßnahmen bzw. Maßnahmen, die nicht das mildeste Mittel darstellen, aus dem Katalog zulässiger staatlicher Maßnahmen ausscheiden sollen.14 6 BVerfGE 19, 342, 348; 61, 126, 134; 76, 1, 50; Kluth, JA 1999, 606, 607; Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S.  45: „Deshalb ist es nur folgerichtig, dem Verhältnismäßigkeitsgedanken einen aus dem Wesen der Grundrechte selbst und dem Rechtsstaatsprinzip fließenden Verfassungsrangs zuzusprechen“. 7 Dazu Krebs, Jura 2001, 228, 229: „Deshalb darf vermutet werden, dass der Zusammenhang zwischen Rechtsquelle einerseits sowie Inhalt und Anwendung andererseits auch für das Übermaßverbot gilt“. Siehe auch: Kluth, JA 1999, 606, 607. 8 Krebs, Jura 2001, 228, 229. Siehe zu den einzelnen Teilanforderungen unten Kapitel 4 B. 9 Das setzt voraus, dass man das Rechtsstaatsprinzip überhaupt als verfassungsrechtlich verbindlich versteht. Ablehnend: Schnapp, JuS 1983, 850, 852; Langheineken, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 85; Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 115 ff.; Schnapp, in: v. Münch/ Kunig, Grundgesetz Kommentar I, Art. 20, Rn. 34; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 487 f. 10 Krebs, Jura 2001, 228, 232: „Der Rechtsstaatsgedanke fordert daher die Steuerbarkeit und Kontrollierbarkeit, Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns“; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 26, Rn.  77: „Verfahrensklarheit [ist] das wichtigste rechtsstaatliche Gebot“. 11 Schlink, EuGRZ 1984, 457, 459, Fn. 14: „Was für das Staatshandeln allgemein gilt, gilt noch allgemeiner für das Handeln überhaupt: Es muß, wenn es in komplexen Situationen gesteuert und geplant, normiert und kontrolliert werden soll, als zweckgerichtete und mitteleinsetzende Struktur vorausgesetzt werden“. 12 Krebs, Jura 2001, 228, 232: „Das Übermaßverbot, das zur Herstellung einer Zweck-Mittel-Relation zwingt, schafft damit die Voraussetzung für die rechtliche Bindung und Kontrolle staatlicher Handlungen“; Schlink, EuGRZ 1984, 457, 459: „Aber wo die detaillierten rechtlichen Vorgaben wie bei den Grundrechten und für die Gesetzgebung fehlen, können Bindung und Kontrolle sich nur in Anforderungen an das Verhältnis zwischen den verfolgten Zwecken und den eingesetzten Mitteln aktualisieren“. 13 Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar II, Art. 20, Rn. 176: „rational überprüfbare Argumentation“. 14 Siehe dazu unten Kapitel 4 B. II.

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Kap. 4: Begriff und Inhalte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 

Allerdings ist der Begriff des Rechtsstaatsprinzips vorwiegend ein Sammelbegriff zur Zusammenfassung verschiedener verfassungsrechtlicher Aussagen, die sich auf ein steuerbares, kontrollierbares und vorhersehbares staatliches Handeln beziehen.15 Das Rechtsstaatsprinzip selbst ist mithin konkretisierungsbedürftig. Will man aus dem Rechtsstaatsprinzip somit ableiten, wie man staatliche Entscheidungen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen will, ist das aufgrund seines Charakters als Sammelbegriff nicht möglich.16 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt damit zwar auch im Sinne des Rechtsstaatsprinzips eine Zweck-MittelRationalität her, das bedeutet aber nicht, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz seine Verortung im Rechtsstaatsprinzip hat. Will man mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genaue Aussagen zur Zulässigkeit konkreter staatlicher Maßnahmen treffen, führt die Verortung im Rechtsstaatsprinzip auch deshalb nicht weiter, weil das Rechtsstaatsprinzip keine Vorgaben enthält, mit welchem Inhalt die einzelnen Teilanforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszufüllen sind.17 Betrachtet man die Teilanforderung der Angemessenheit, wird deutlich, dass es inhaltlich um die Bewertung von Individualpositionen18 und von öffentlichen Zwecken geht.19 Insbesondere zur

15 Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 26, Rn. 7: „Seine gründlichen Analysen zeigen, daß die Bezugnahme auf das Rechtsstaatsprinzip in Judikatur und Schrifttum vielfach nur bündelnde und allenfalls affirmative Bedeutung besitzt“; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar I, Art. 20, Rn. 34: „[…] vielmehr wird der Typus ‚Rechtsstaat‘ von einer Reihe von Einzelelementen geprägt“; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 253; Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 146: „Unter dem Oberbegriff des Rechtsstaatsprinzips werden eine ganze Reihe normativer Elemente zusammengefasst“; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 458: „Problemkennzeichnung“. 16 Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 42 zeigt auf, „daß […] in das Rechtsstaatsprinzip hineingelegt werde, was man später wieder hinauszudestillieren gedenke, so daß hier das, was zu beweisen gelte, eigentlich vorausgesetzt werde“; Krebs, Jura 2001, 228, 233. 17 Siehe Frankenberg, in: AK-GG II, Art. 20 Abs. 1–3, Rn. 21: „Sie [die Autoren, die das Rechtsstaatsprinzip als Sammelbegriff sehen] lassen sich von der Überlegung leiten, daß die Lösung rechtsstaatsrelevanter Probleme in aller Regel ‚problemnäheren Normen‘ zu entnehmen sei“. 18 Wittig, DÖV 1968, 817 sieht den Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur bei einer „hoheitliche Maßnahme, die die Rechtssphäre des Einzelnen berührt“. Nach Holoubek, in: FS Rill, 101 „geht es hier bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung um eine formal zweipolige Beziehung zwischen dem eingreifenden Staat und dem einzelnen und dessen beschnittener individueller Freiheitsposition“. Deswegen wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Merten, in: Handbuch der Grundrechte III, § 68, Rn. 41 „mitunter schon begrifflich auf hoheitliche Eingriffe in die Rechtssphäre des einzelnen verengt […] [und] kann nicht auf unvergleichbare Konstellationen im Staatsorganisationsrecht, Haushaltsrecht oder Zivilrecht übertragen werden“. Das spricht ebenfalls dafür, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht im Rechtsstaatsprinzip zu verorten, der dann bei allen staatlichen Handlungen gelten müsste, also z. B. auch im Staatsorganisationsrecht. Dagegen aber: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik I, S. 415. 19 Nach BVerfGE 81, 310, 338 kommt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz „eine die individuelle Rechts- und Freiheitssphäre verteidigende Funktion zu“.

A. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Vorgaben  

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Bewertung der Individualpositionen bedarf es zusätzlicher normativer Aussagen.20 Das bedeutet, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz normabhängig ist. Geht es bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes um den Schutz von Individualpositionen, sind die normativen Aussagen dazu in den Grundrechten als Abwehrrechten enthalten.21 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist mithin jedenfalls insoweit in den Grundrechten zu verorten.22 Dem steht nicht entgegen, dass in den Teilanforderungen der Geeignetheit und der Erforderlichkeit auch Gedanken rechtsstaatlicher Rationalität zum Ausdruck kommen. Jedes staatliche Handeln muss rational sein. Die Teilanforderungen der Geeignetheit und der Erforderlichkeit dienen mithin einer auf Rationalität gerichteten Vorstrukturierung, um die aus den Grundrechten folgende Bewertung von Individualpositionen in rationaler Weise handhabbar zu machen.23 Ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Teil der Grundrechte, ist er aufgrund von Art. 1 Abs. 3 GG für die Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung bindend.

II. Verankerung im Polizeigesetz Das Polizeigesetz bindet die Polizei zumindest nicht ausdrücklich an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insgesamt, aber an einzelne seiner Teilanforderungen. Kommen nach § 5 Abs. 1 PolG für die Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe mehrere Maßnahmen in Betracht, so hat die Polizei die Maßnahme zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Das entspricht im Wesentlichen der Teilanforderung der Erforderlichkeit. § 5 Abs. 2 PolG bestimmt, dass durch eine polizeiliche Maßnahme kein Nachteil 20

BVerfGE 92, 277, 327: „Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne enthält als solcher aber keine inhaltlichen Aussagen darüber, welche Auswirkungen und Bedingungen eines staatlichen Eingriffs in die Abwägung einzubeziehen sind und wann ein Mittel verhältnismäßig ist und wann nicht“; Merten, in: FS Schambeck, 349, 371: „Schließlich stellt sich die Frage, ob der Rechtsstaatsgrundsatz einer materialen Anreicherung bedarf, wenn die Verfassung ohnehin Ausprägung der Gerechtigkeitsidee in Einzelaussagen, insbesondere dem Gleichheitssatz, und dem Staatsziel des Sozialen sowie einzelnen Grundrechtsbestimmungen enthält […]“; Krebs, Jura 2001, 228, 233: „Das Übermaßverbot bedarf demnach normativer Sachaussagen, um wirken zu können, d. h. erst i. V. mit bestimmten Rechtsnormen verdichtet sich das modale Prinzip zu konkreten Handlungsanweisungen“. 21 Siehe speziell zur Angemessenheit, Merten, in: Handbuch der Grundrechte III, § 68, Rn. 40: „Das Verfassungsgewicht der Freiheit als Prinzip und ihre Beschränkung als Ausnahme geriete außer Balance, wenn für das Vorteilsminimum ein Freiheitsmaximum geopfert werden müsste“. 22 Hillgruber, JZ 2011, 861, 862: „Denn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich in der Tat schon aus den Grundrechten selbst“. 23 Nach Gentz, NJW 1968, 1600, 1604 geht es um „die Möglichkeit, das umfassende Verhältnismäßigkeitsprinzip durch Aufzeigen logischer Vorfragen zu objektivieren“; Krebs, Jura 2001, 228, 233 spricht von einer „rechtssatzmäßige[n] Konkretisierung aus der Verbindung des rechtsstaatlichen Gebotes rationaler Entscheidungsfindung mit den grundrechtlichen Gedanken des Freiheitsschutzes vor staatlichen Beeinträchtigungen“.

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Kap. 4: Begriff und Inhalte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 

herbeigeführt werden darf, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Dies entspricht im Wesentlichen der Teilanforderung der Angemessenheit. § 3 PolG sowie einige andere Bestimmungen verlangen darüber hinaus, dass bestimmte Maßnahmen erforderlich sein müssen. Auf den ersten Blick deutet die Verwendung des Wortes „erforderlich“ in diesem Kontext ebenfalls auf die Teilanforderung der Erforderlichkeit hin. Dagegen spricht aber zum einen, dass dann systematisch Überschneidungen mit § 5 Abs. 1 PolG bestehen. Zum anderen spricht der Sinn und Zweck des Wortes „erforderlich“ im Kontext dieser Normen dagegen, es als Ausdruck der Teilanforderung der Erforderlichkeit anzusehen. „Erforderlich“ im Sinne dieser Normen soll sicherstellen, dass dadurch nur Maßnahmen gewählt werden, die für die Zweckerreichung erforderlich sind, mithin zwecktauglich sind. Die Zwecktauglichkeit einer Maßnahme wird aber von der Teilanforderung der Geeignetheit erfasst. „Erforderlich“ im Sinne dieser Normen meint mithin geeignet im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.24

B. Inhalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Was unter dem Begriff des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes konkret zu verstehen ist und welche inhaltlichen Anforderungen aus ihm folgen, ist weder im Grundgesetz noch im Polizeigesetz ausdrücklich geregelt.25 Der Begriff des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist somit ein „Sammelbegriff“26, aus dem verschiedene inhaltliche Teilanforderungen folgen.27 Deswegen sind die einzelnen Teilanforderungen genauer zu betrachten.28

24 Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 3, Rn.  5; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 523; Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 3, Rn.  7 erkennen zwar den Unterschied zur Erforderlichkeit als Teilanforderung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nehmen aber keine Identität mit dem Begriff der Geeignetheit an. 25 Grabitz, AöR 1973, 568, 584 meint, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei zwar „wenn auch nicht Norm, so […] doch aktuell geltendes (Verfassungs-)Recht“. Siehe zur Verortung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes oben Kapitel 4 A. I. 26 Reimer, in: Jestaedt/Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 60, 62 bezeichnet den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als einen „Sammelbegriff für eine Reihe heterogener Teilanforderungen“. 27 Zur Zusammenfassung der verschiedenen Teilanforderungen zu einem Oberbegriff: Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 21. 28 Schneider, Die Güterabwägung des Bundesverfassungsgerichts bei Grundrechtskonflikten, S. 206: „Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne und die ihn tragenden Aspekte sind also auf die Bedeutungsermittlung angewiesen“. Trotz der großen Fülle an Literatur und Rechtsprechung zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind dessen konkrete Inhalte immer noch nicht klar umrissen, dazu: Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 1. Anders Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar II, Art. 20, Rn. 180: „Ungeachtet der Herleitung besteht weithin Einigkeit über die dogmatische Struktur und die drei Teilelemente“.

B. Inhalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes  

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I. Legitimität des Zwecks und des Mittels Als eine Teilanforderung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wird teilweise die Legitimität des verfolgten Zwecks29 und des eingesetzten Mittels angesehen.30 Mit Legitimität ist gemeint, dass kein (durch das Grundgesetz) verbotener Zweck verfolgt werden darf.31 Erschöpft sich allerdings die Aussage der Legitimität des verfolgten Zwecks und des eingesetzten Mittels in der Anforderung, der Staat müsse legal handeln, so folgt dies schon aus den jeweiligen Normen des Grundgesetzes bzw. des Polizeigesetzes und ist damit eine Folge des Vorrangs des Gesetzes.32 Der Anforderung kommt mithin kein eigenständiger Bedeutungsgehalt zu, weswegen sie entbehrlich ist.33

II. Geeignetheit der Maßnahme Unter der Geeignetheit der Maßnahme wird ihre Zwecktauglichkeit verstanden.34 Die Realisierung des von einer Maßnahme verfolgten Zwecks, muss mit der Maß 29 Richtigerweise stellt Hofmann, Abwägung im Recht, S. 170 f. darauf ab, dass häufig nicht nur „ein bestimmter Zweck verfolgt [werden soll], sondern ein ganzes Zielbündel erreicht werden [soll]“. 30 Hufen, Staatsrecht II, § 9, Rn.  19: „Vor der Prüfung von Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit ist es wichtig, zunächst ein legitimes Gemeinwohlziel zu benennen“; Epping, Grundrechte, Rn. 50: „Jedes staatliche Handeln muss einem legitimen Zweck dienen. Dieser Zweck ist zunächst präzise herauszuarbeiten […]“; Michael/Morlok, Grundrechte, Rn.  614: „Deshalb beginnt jede Prüfung des Übermaßverbotes mit einer isolierten Zweckbetrachtung“; Hofmann, Abwägung im Recht, S. 170: „Mit dem Gebot, an erster Stelle ein legitimes Ziel der Maßnahme zu ermitteln, weist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in überzeugender Weise auf den Beginn von Entscheidungsherstellungsvorgängen hin, der in der Bestimmung der mit der Maßnahme zu erreichende Ziele liegen muss“. 31 Merten, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte III, § 68, Rn. 54: „Der Staat darf Grundrechte nur zu verfassungserlaubten Zwecken und mit verfassungserlaubten Mitteln einschränken“; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 20 VII, Rn. 111: „Die Verwaltung einschließlich der untergesetzlichen Rechtsetzung sowie die Rechtsprechung sind dabei auf die Zwecke der jeweiligen Gesetze festgelegt“; Gentz, NJW 1968, 1600, 1602: „Alle die Mittel und Zwecke sind erlaubt, die vom Grundgesetz nicht ausdrücklich oder stillschweigend verboten sind“. 32 Reimer, in: Jestaedt/Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 60, 65: „Wenn die Zweckverfolgung schon anderweitig verboten ist, besteht keine Notwendigkeit, dieses Verbot als Teil des Verhältnismäßigkeitsgebots ein weiteres Mal auszusprechen; vielmehr verunklart diese Wiederholung die Begriffe“. 33 Reimer, in: Jestaedt/Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 60, 66: „Wie die auf den Zweck bezogene, so ist auch die auf das Mittel bezogene Legitimitätsanforderung entbehrlich“. Dagegen: Gentz, NJW 1968, 1600, 1602: „Dagegen lassen sich […] bei Grundrechtseingriffen bestimmte Zwecke ausscheiden, die ohne nähere Prüfung in jedem Falle unverhältnismäßig sind, ohne daß es auf eine Zweck-Mittel-Relation noch ankäme. Der Staat darf […] Grundrechte nur für Zwecke einschränken, die die Verfassung ihm zu verfolgen erlaubt“. 34 Schnapp, JuS 1983, 850, 852: „Gebot der Zwecktauglichkeit“; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 76: „[…] Prinzip der Zwecktauglichkeit […]“; Stern, Staatsrecht der Bundes-

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Kap. 4: Begriff und Inhalte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 

nahme zumindest näherrücken.35 Eine Maßnahme ist danach nicht geeignet, wenn sie für die Erreichung des verfolgten Zwecks unwirksam ist oder seine Verwirklichung sogar noch erschwert.36 Teilweise wird der Anforderung der Geeignetheit eine eigenständige Bedeutung neben der Erforderlichkeit abgesprochen.37 Dafür spreche, dass bei der Ungeeignetheit einer Maßnahme die mildere Variante, die Maßnahme ganz zu unterlassen, stets gleich (un)wirksam sei.38 Die Geeignetheit wäre somit nur ein Bestandteil der Erforderlichkeit.39 Bei der Feststellung der Geeignetheit polizeilicher Maßnahmen muss allerdings eine Prognose hinsichtlich der Zwecktauglichkeit vorgenommen werden, weil die Zweckerreichung denknotwendig in der Zukunft liegt.40 Für die Zwecktauglichkeit einer Maßnahme gibt es also einen gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad.41 Erst wenn für mehrere in Frage kommende Maßnahmen der Wahrscheinlichkeitsgrad hinsichtlich ihrer Zweck-

republik I, S. 866: „Bei der Geeignetheit ist namentlich die Zielkonformität und Zwecktauglichkeit einer Maßnahme zu prüfen“. 35 Schnapp, JuS 1983, 850, 852: „Zum einen müssen staatliche Maßnahme geeignet sein, dem angestrebten Zweck oder Erfolg zu fördern […]“; Gentz, NJW 1968, 1600, 1603: „Eine Maßnahme ist dann zur Zweckerreichung geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg näherrückt“; Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 59; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 20 VII, Rn. 112: „[…] es genügt, daß das Mittel die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß der angestrebte Erfolg zumindest teilweise eintritt“; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 735. 36 Gentz, NJW 1968, 1600, 1603: „Sie ist ungeeignet, wenn sie die Erreichung des beabsichtigten Ziels erschwert oder im Hinblick auf das Ziel überhaupt keine Wirkung entfaltet“; Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S.  59; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 735. 37 Aus der Rechtsprechung: BVerwGE 1, 48, 52; 2, 345, 347 – beide Entscheidungen beschreiben eine einheitliche Bedürfnisprüfung. Aus der Literatur: Reimer, in: Jestaedt/Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 60, 66 „Eine selbstständige Bedeutung gegenüber der Erforderlichkeit hat die Geeignetheit nicht“; Schneider, Die Güterabwägung des Bundesverfassungsgerichts bei Grundrechtskonflikten, S. 204 „dienende Funktion“; Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S.  59 „[…] deshalb [ist] der Grundsatz der Geeignetheit als solcher überflüssig“. 38 Reimer, in: Jestaedt/Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 60, 66; Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 59 f. 39 Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S.  59: „Die umfassende Geeignetheitsprüfung als Bestandteil des Grundsatzes der Erforderlichkeit“. 40 Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 735: „Die Prüfung der Geeignetheit ist bei noch nicht abgeschlossenen Maßnahmen in erheblicher Weise von Prognosen abhängig. Das war schon ein Kardinalproblem bei der Beurteilung polizeilicher Maßnahmen“; Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 62. Siehe allgemein zur Prognose: Seetzen, NJW 1975, 429 ff. 41 Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 62 f. formuliert negativ, dass eine Maßnahme dann nicht geeignet ist, wenn sie „bei Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Beurteilungszeitpunkt ‚eindeutig als zweckuntauglich‘ angesehen werden kann“; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 20 VII, Rn. 112: „[…] es genügt, daß das Mittel die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß der angestrebte Erfolg zumindest teilweise eintritt“. Die Geeignetheitsprognose darf nicht mit der Wahrscheinlichkeitsprognose eines Schadenseintritts verwechselt werden. Siehe dazu genauer unten Kapitel 5 C. I.

B. Inhalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes  

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tauglichkeit42 feststeht, können Erforderlichkeitsaussagen getroffen werden. Der eigenständige Gehalt der Anforderung der Geeignetheit liegt also darin, dass sie Prognosen erfordert, die vorab abgeschichtet werden sollen. Die Geeignetheit ist somit nicht Teil der Erforderlichkeit, sondern die Erforderlichkeit setzt die Geeignetheit voraus.43

III. Erforderlichkeit der Maßnahme Die Teilanforderung der Erforderlichkeit der Maßnahme beschreibt, dass von mehreren zur Zweckerreichung gleich geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen ist, die das mildeste Mittel darstellt.44 Zur Bestimmung des mildesten Mittels gelangt man also erst, wenn nach der Prüfung der Teilanforderung der Geeignetheit feststeht, dass mehrere gleich geeignete Mittel45 gegeben sind. Um festzustellen, welche von mehreren in Betracht kommenden Maßnahmen das mildeste Mittel darstellt, muss ein Vergleichsmaßstab geschaffen werden.46 Für den Vergleichsmaßstab müssen Vergleichskriterien gefunden werden.47 Bei den typischerweise im Polizeirecht vorkommenden Eingriffsmaßnahmen können sich diese nur aus den betroffenen Individualrechtspositionen ergeben.48 Ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in den Grundrechten zu verorten, so ist als Vergleichskriterium die Intensität49 des Eingriffs in die betroffenen Grundrechte des durch die Maßnahme Verpflichteten heranzuziehen. Die Schwierigkeit besteht nun darin, die einzelnen

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Die Zwecktauglichkeit ist damit der Prognosemaßstab. Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 780: „Die Erforderlichkeitsprüfung setzt die Geeignetheitskontrolle voraus“; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 76 verortet den Grundsatz der Geeignetheit „in unmittelbarer Nähe“ des Standorts der Erforderlichkeit. 44 So oder ähnlich, teils positiv, teils negativ formuliert: BVerfGE 7, 377, 405; 14, 288, 303; Gentz, NJW 1968, 1600, 1603; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 779; Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S.  66; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S.  19; v. Krauss, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 18. 45 Oder wenn mehrere Adressaten für eine Maßnahme in Betracht kommen, siehe dazu unten Kapitel 5 A. III. 2. b). 46 Gegen die Heranziehung eines Vergleichsmaßstabs ist Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 65. Nach ihm ist der Vergleich „oft unproblematisch und braucht deshalb nicht durch einen Vergleichsmaßstab rationalisiert werden“. 47 Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 779: „Entscheidend sind die Kriterien, anhand deren das am wenigsten eingreifende Mittel zu bestimmen ist“. 48 Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 69: „Primäres Kriterium für die zu ermittelnde Schwere der Beeinträchtigung sind daher bei einem belastenden Vorgehen der öffentlichen Gewalt immer Individualrechtspositionen“; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 781. Dass sich die Vergleichskriterien nur aus den betroffenen Individualrechtspositionen ergeben können, folgt aus der Verortung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in den Grundrechten. Siehe dazu oben Kapitel 4 A. I. 49 Tiefergehend zur Intensität einer Maßnahme: v. Krauss, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 97 ff. 43

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Kap. 4: Begriff und Inhalte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 

Maßnahmen zu vergleichen. Dabei sind die einzelnen Maßnahmen hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität auf einer Skala anzuordnen.50 Zur Bestimmung der Position der jeweiligen Maßnahme auf der Skala der Eingriffsintensität sind quantitative und qualitative Elemente heranzuziehen. Zu den quantitativen Elementen gehören beispielsweise die Dauer des Eingriffs oder aber auch die Anzahl der von einem Eingriff betroffenen Rechtsgüter. Qualitativ ist nach der Schwere des Eingriffs zu fragen. Der Eingriff ist einerseits umso schwerer, je stärker das betroffene Rechtsgut beeinträchtigt wird.51 Andererseits ergibt sich die Schwere schon aus der Gewichtigkeit des betroffenen Rechtsguts. Die Gewichtigkeit des betroffenen Rechtsguts bestimmt sich nach seinem Rang im Vergleich zu den jeweilig betroffenen anderen Rechtsgütern. Der Rang der jeweiligen Rechtsgüter bestimmt sich aufgrund einer Bewertung durch die Rechtsordnung insgesamt unter besonderer Berücksichtigung der grundrechtlichen Wertungen.52 Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man die Kombinationsmöglichkeiten betrachtet. Eine Maßnahme kann quantitativ kurz sein, aber das Rechtsgut qualitativ schwerer beeinträchtigen. Eine andere Maßnahme kann hingegen quantitativ länger dauern, dafür aber das Rechtsgut qualitativ leichter beeinträchtigen. Um zu entscheiden, welche Maßnahme die geringste Eingriffsintensität hat, kann in einem solchen Fall nicht mehr streng rational vorgegangen werden, sondern es sind Wertungen heranzuziehen. Es scheint also so, dass durch die Teilanforderung der Erforderlichkeit bis auf ein Mittel alle Mittel ausgeschieden werden, so dass am Ende nur ein Mittel erforderlich sein kann.53 Allerdings setzt das voraus, dass man die Anordnungsreihenfolge auf der Skala der Erforderlichkeit gewissermaßen als naturwissenschaftlich objektiv betrachtet. Dass Wertungen bei der Feststellung der Erforderlichkeit eine Rolle spielen können, zeigen aber schon die verschiedenen dargelegten Kombinationsmöglichkeiten bei der Reihung auf der zu denkenden Skala. Der Maßstab der Skala muss jedoch entsprechend der Individualschutzfunktion54 der Teilanforderung der Erforderlichkeit die Auswirkungen des Eingriffs auf den Betroffenen

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Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S.  65: „Die Minimierung des Eingriffs knüpft gedanklich an eine Skala an, auf der verschiedene (gleich geeignete) Maßnahmen geordnet werden je nach dem Grad der Belastung des Betroffenen“; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 779: „In dieser Sichtweise ist durchaus eine Skala denkbar, auf der sich der jeweilige Betroffenheitsgrad individueller Rechtspositionen ablesen läßt“. Eine mathematische Darstellung findet sich bei Yi, Das Gebot der Verhältnismäßigkeit, S. 143 ff. 51 Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 68: „Daher sind aber im Fall einer belastenden Handlungsweise der öffentlichen Gewalt primär die betroffenen Rechtsgüter des bzw. der einzelnen zur Beurteilung der Schwere der Beeinträchtigung heranzuziehen“. 52 Zum abstrakten Rang der Rechtsgüter: Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, § 34, Rn. 111 ff. 53 So Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S.  21: „Zur Erreichung eines konkreten Zwecks gibt es unter allen geeigneten Mitteln der Idee nach immer nur ein erforderliches […]“. 54 Dazu siehe oben Kapitel 4 A. I.

B. Inhalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes  

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berücksichtigen.55 Die Auswirkungen des eigentlich objektiv erforderlichen Mittels können vom Betroffenen als stärker beeinträchtigend wahrgenommen werden, als die eines eigentlich objektiv weniger erforderlichen Mittels. Berücksichtigt man die von dem Betroffenen wahrgenommene Beeinträchtigung, muss sich das objektiv erforderliche Mittel nicht unbedingte mit dem als weniger beeinträchtigend empfundenen Mittel56 decken.57 Ein Vergleich kann aber nicht nur hinsichtlich unterschiedlicher Maßnahmen, die an eine Person gerichtet sind, vorgenommen werden. Schließlich kann es auch vorkommen, dass es zwar nur eine geeignete Maßnahme gibt, diese aber an unterschiedliche Personen gerichtet werden kann. Auch ist es denkbar, dass mehrere gleich geeignete Maßnahmen in Betracht kommen, deren Eignung allerdings zwischen einzelnen Personen variiert. Ist nur eine geeignete Maßnahme hinsichtlich unterschiedlicher Personen zu vergleichen, können die Personen mit Hilfe der auf sie wirkenden Eingriffsintensität auf einer Skala angeordnet werden.58 Kommen unterschiedliche Maßnahmen in Betracht, muss für jede Person eine eigene Skala angelegt werden, auf der die unterschiedlichen Maßnahmen angeordnet werden. Die unterschiedlichen Skalen müssen dann untereinander wertungsmäßig verglichen werden. Dies spielt insbesondere bei der Störerauswahl eine Rolle, auf die noch näher einzugehen ist.59 Schließlich stellt sich bei der Erforderlichkeit noch die Frage, inwiefern die geringste Beeinträchtigung von Allgemeininteressen bei der Anordnung auf der Skala eine Rolle spielen darf.60 § 5 Abs.  1 PolG fordert die Auswahl der Maß 55 Grupp, VerwArch 1978, 125, 143: „[…] aber das objektiv mildeste Mittel entspricht dann nicht mehr dem Grundsatz der Erforderlichkeit, wenn der Betroffene ein Ersatzmittel anbietet; denn in diesem Falle enthält das von ihm gewählte Mittel den für ihn geringstmöglichen Eingriff und ist damit das allein erforderliche Mittel im Sinne des Übermaßverbots. Bei der Anwendung des Erforderlichkeitsprinzips kann dieses subjektive Element nicht unbeachtet bleiben“; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 779. 56 Zu den Schwierigkeiten, das subjektiv mildeste Mittel zu erforschen: Grupp, VerwArch 1978, 125, 143 f. 57 Aus diesem Grund ist in Polizeigesetzen anderer Länder die Möglichkeit zum sogenannten „Mittelaustausch“ normiert. Beispiele sind in Art. 5 Abs. 2 Bay PAG oder § 3 Abs. 2 PolG NRW zu finden. Siehe dazu: Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, § 16, Rn. 543. Das PolG BW sieht die Möglichkeit eines Mittelaustausches nicht vor. Es kann aber auf Antrag durch Verwaltungsakt ein Austauschmittel gestattet werden, dazu: Würtenberger/ Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 529. 58 Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 65, Fn. 102: „Eine Skalenbildung ist natürlich nach anderen Kriterien möglich, z. B. danach, wer von mehreren in Betracht kommenden Personen ‚näher dran‘ ist, das Opfer zu übernehmen“. 59 Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 68 ff. Dazu siehe unten Kapitel 5 A. III. 2. b). 60 Für die Heranziehung von Allgemeininteressen und Individualinteressen: Bender, NJW 1955, 938, der die Berücksichtigung von Allgemeininteressen insgesamt im „Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs“ verortet; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 781. Einen Überblick liefern: Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S.  68 ff. und Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 66 ff.

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Kap. 4: Begriff und Inhalte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 

nahme, die „den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt“.61 Danach könnte sich eine Maßnahme gegenüber einer anderen Maßnahme als milder darstellen, die zwar den Einzelnen schwerer belastet, die Allgemeinheit aber geringer in Anspruch nimmt, beispielsweise weil sie weniger ressourcenintensiv ist.62 Aus diesem Grund sehen manche in § 5 Abs. 1 PolG einen Regelungskonflikt angelegt.63 Zur Vermeidung dieses scheinbar bestehenden Konflikts wird beispielsweise darauf verwiesen, dass der Polizei ein Ermessen zustehen müsse, welche Maßnahme sie auswählt, wenn eine Maßnahme den Einzelnen schwerer belastet, die Allgemeinheit aber weniger in Anspruch nimmt und eine andere in Frage kommende Maßnahme die Allgemeinheit mehr in Anspruch nimmt, den Einzelnen aber weniger belastet.64 Dass ein solcher Konflikt jedoch gar nicht besteht, ergibt sich aus der Funktion der grundrechtlich fundierten Teilanforderung der Erforderlichkeit, den Einzelnen vor Handlungen des Staats zu schützen.65 In 61 Waechter, VerwArch 1997, 298, 326 sieht § 5 Abs. 1 PolG nicht als Regelung der Erforderlichkeit, sondern als Regelung der Angemessenheit an, weil die „gedankliche Struktur der Erforderlichkeitsprüfung nicht anwendbar [sei], wenn an unterschiedlichen Maßstäben (Allge­ meinheit und Einzelner) gemessen wird“. Dabei übersieht er aber zum einen, dass die Angemessenheit systematisch in § 5 Abs. 2 PolG geregelt ist und eine zweifache Regelung unnötig wäre. Zum anderen ist eine doppelte Skalenbildung durchaus möglich, so dass unterschiedliche Maßstäbe nicht gegen eine Einordnung als Erforderlichkeit sprechen. 62 OVG Münster, NJW 1980, 2210, 2211: „Was den einzelnen am wenigsten belastet, muß nicht gleichzeitig auch für die Allgemeinheit mit den geringsten Einbußen verbunden sein und umgekehrt“; Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 69: „Würde aber zum anderen die Summe der Beeinträchtigungen sowohl für den/die einzelnen als auch für die Allgemeinheit zur Beurteilung herangezogen, wäre es denkbar, daß zwei Mittel existieren, von denen eines den einzelnen gering und die Allgemeinheit stark beeinträchtigt, von denen das andere aber, obwohl es den einzelnen stark beeinträchtigt, die Allgemeinheit so gering beeinträchtigt, daß in der Gesamtschau das zweite Mittel das weniger schwere und damit erforderlich wäre“. Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 426 sieht die Polizei durch § 5 Abs. 1 PolG „auf zwei verschiedene, in der Regel nicht übereinstimmende Maßstäbe verpflichte[t]“. 63 Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 426 bezeichnet das als „Zielkonflikt“. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 67 spricht von einem „in der polizeirechtlichen Fassung enthaltenen Regelungskonflikt“. 64 OVG Münster, NJW 1980, 2210, 2211: „Abzustellen bei der Frage, welches von mehreren Mitteln das mildeste ist, ist demnach nicht nur auf den Betroffenen, sondern auch darauf, wie stark die Allgemeinheit durch die eine oder andere Maßnahme belastet wird. Was den einzelnen am wenigsten belastet, muß nicht gleichzeitig auch für die Allgemeinheit mit den geringsten Einbußen verbunden sein und umgekehrt. Vielmehr wird häufig zwischen dem Schutz der Interessen des einzelnen und denen der Allgemeinheit ein Konflikt bestehen. Diesen zu lösen ist Aufgabe der Behörde, der insoweit im Rahmen der gerechten Abwägung der widerstreitenden Interessen ein Ermessensspielraum zustehen muß, der nur hinsichtlich der Einhaltung seiner Grenzen durch die Gerichte überprüft werden kann“. Nach Vogel, in: Drews/Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 426 ergibt sich „ein Spielraum zu eigenverantwortlicher Ermessensentscheidung“. 65 Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 68: „Damit diente [der Erforderlichkeitsgrundsatz] […] vom logischen Ansatz her zunächst der Kontrolle von Eingriffen in die Individualrechtssphäre“. Siehe zur grundrechtlichen Schutzfunktion des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes oben Kapitel 4 A. I.

B. Inhalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes  

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sofern bleibt kein Spielraum für Erwägungen hinsichtlich der Belastung der Allgemeinheit. Zudem werden Allgemeininteressen bei der Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme ohnehin berücksichtigt.66 Bei grundrechtseingreifenden Maßnahmen hat der Bezug zur Allgemeinheit in § 5 Abs. 1 PolG somit keinen verfassungsmäßigen Anwendungsbereich. Eine Maßnahme darf deswegen nicht einer anderen Maßnahme vorgezogen werden, weil diese die Allgemeinheit weniger beeinträchtigt. Der volle Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 PolG besteht damit nur bei nicht-grundrechtseingreifenden Maßnahmen. Beispielsweise hat die Polizei aufgrund § 5 Abs. 1 PolG weite Streifenfahrten zu vermeiden, wenn sie eine Information in gleicher Weise telefonisch mitteilen kann.

IV. Angemessenheit der Maßnahme Mit der Teilanforderung der Angemessenheit67 der Maßnahme wird eine Verbindung zwischen dem verfolgtem Zweck und den Folgen der jeweiligen Maßnahme hergestellt.68 Es geht darum, die Folgen der jeweiligen Maßnahme, die im Polizeirecht einen Eingriff in (Grund-)Rechte des Bürgers darstellen, in ein Verhältnis zum Zweck der Maßnahme zu setzen.69 Um ein angemessenes70 Verhältnis zu finden, wird ein Abwägungsvorgang durchgeführt.71 Nach einer Abwägung dürfen damit die Folgen der Maßnahme nicht außer Verhältnis zum erstrebten Zweck stehen. Um zwischen den Folgen der Maßnahme und dem erstrebten Zweck eine

66 Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 69: „[…] führte dies nicht nur zu einer doppelten Bewertung der Position ‚Beeinträchtigung der Allgemeinheit‘, zudem würde die Funktion des Erforderlichkeitsgrundsatzes, die in dem Schutz des einzelnen und seiner Rechtssphäre vor Handlungen der öffentlichen Gewalt besteht, erheblich in Frage gestellt werden“. 67 Siehe zu den unterschiedlichen Bezeichnungen der hier als Angemessenheit bezeichneten Teilanforderung: Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar II, Art. 20, Rn. 184. 68 Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S.  782: „Gemeinsam ist allen Betrachtungen, dass durch Proportionalität eine Relation zwischen zwei Größen hergestellt werden soll“; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz I, Art. 1 Abs. 3, Rn. 278: „Proportionalität der Grundrechtsschranken“. 69 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 20 VII, Rn. 117: „Schließlich darf eine staatliche Maßnahme nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. Ziel der Maßnahme stehen“; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 782; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E, Rn. 148; Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 79: „Die Durchführung des Gebots, Mittel und Zweck gegeneinander abzuwägen […]“; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 530: „[…] dürfen die zu erwartenden Folgen polizeilicher Maßnahmen nicht schwerwiegender sein als die zu erwartenden Folgen der zu bekämpfenden Gefahr“. 70 Ein Überblick zu den vertretenen Angemessenheitsmaßstäben findet sich bei: Reimer, in: Jestaedt/Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 60, 66. 71 BVerfGE 7, 198, 210; 32, 373, 391; 34, 238, 245; Alexy, VVDStRL 2002, 7, 18; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 20 VII, Rn. 117; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar II, Art.  20, Rn.  184; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 783 f.; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 77.

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Kap. 4: Begriff und Inhalte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 

Relation herzustellen, benötigt man eine Bezugsgröße.72 Diese Bezugsgröße liegt in den grundrechtlich geschützten Gütern, die jeweils betroffen sind, ihrer verfassungsrechtlichen Gewichtung73 und der Schwere ihrer Beeinträchtigung.74 Es sind damit also grundrechtlich geschützten Güter, die von den Folgen einer Maßnahme betroffen sind, gegenüber den Schutzgütern abzuwägen, die Teil  des erstrebten Zwecks sind. Je gewichtiger die grundrechtlich geschützten Güter sind, die von den Folgen einer Maßnahme betroffen werden, und je schwerer ihre Beeinträchtigung ist, desto gewichtiger müssen auch die Schutzgüter sein, die Teil des erstrebten Zwecks sind.75 Zur Untersuchung, ob die Folgen der Maßnahme außer Verhältnis zum erstrebten Zweck stehen ist folgendermaßen vorzugehen76: (1) Es sind sämtliche Folgen der Maßnahme aufzuzeigen und die dadurch betroffenen grundrechtlich geschützten Güter festzustellen. (2) Die so ermittelten grundrechtlich geschützten Güter müssen hinsichtlich ihrer verfassungsrechtlichen Gewichtung und der Schwere ihrer Beeinträchtigung bewertet werden. (3) Anschließend sind die von dem Zweck der Maßnahme umfassten Schutzgüter festzustellen. Das sind bei einer Maßnahme, die auf die Generalklausel nach den §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG gestützt wird, die polizeilichen Schutzgüter nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG. (4) Stehen die Schutzgüter fest, sind diese ebenfalls hinsichtlich ihrer verfassungsrechtlichen Gewichtung und der Schwere ihrer (drohenden) Beeinträchtigung zu bewerten. (5) Die Bewertungen aus Nr. 2 und Nr. 4 sind gegenüberzustellen. Teilweise werden noch weitere Teilanforderungen unter den Begriff des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gefasst. Eine insbesondere in Bezug auf Maßnahmen des Polizeigesetzes relevante weitere Teilanforderung soll die sogenannte Zumutbarkeit sein.77 Danach muss eine Maßnahme für den Inanspruchgenommenen 72

Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 23; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 784 bezeichnet die Bezugsgröße als „Drittmaß“. 73 Zur verfassungsrechtlichen Gewichtung: Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, § 34, Rn. 111 ff. 74 Wendt, AöR 1979, 414, 454 f.: „[…] und das Gewicht der Beeinträchtigung und das Gewicht des auf dem Spiele stehenden öffentlichen Interesses zu vergleichen“; Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 24: „Handelte es sich aber bei den beiden zu vergleichenden Größen um grundgesetzlich zu erfassende oder sogar grundgesetzlich zu konkretisierende Größen, so kommt als Bewertungsmaßstab die grundgesetzlich vorgegebene Ordnungs- und Wertstruktur in Betracht“; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik III/2, S. 785. 75 Eine mathematische Darstellung findet sich bei Yi, Das Gebot der Verhältnismäßigkeit, S. 147 ff. 76 Siehe zu den Prüfungsschritten genauer: Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 22. 77 Siehe z. B.: BVerfGE 9, 338, 346 „Angemessenheit und Zumutbarkeit“; 31, 58, 80. Lücke, DÖV 1974, 769, 770 f. sieht den Grundsatz der Zumutbarkeit für solche Fälle als relevant an,

C. Zusammenfassung  

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zumutbar sein. Die Zumutbarkeit soll dabei eine absolute Grenze für Eingriffe in (Grund-)Rechte des Bürgers darstellen.78 Allerdings sind keine Fälle denkbar, in denen die Zumutbarkeit neben der Angemessenheit eine zusätzliche Funktion hätte.79 Zudem gibt es mit der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG und der Wesengehaltsgarantie aus Art. 19 Abs. 2 GG schon absolute Grenzen.80 Somit bedarf es keiner Teilanforderung der Zumutbarkeit.

C. Zusammenfassung Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besteht aus den Teilanforderungen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit. Er ist in den Grundrechten zu verorten und hat damit Verfassungsrang. Der einfachgesetzlichen Verankerung im Polizeigesetz kommt daher nur deklaratorische Wirkung zu.

„in denen mit einem Mittel kein (staatlicher) Zweck verfolgt wird“. Denn dann könnten mangels verfolgten Zwecks die Folgen der jeweiligen Maßnahme nicht mehr in Relation gesetzt werden. Dabei verkennt er aber zum einen, dass bei einem eingreifenden Handeln ohne Zweck die Maßnahme nie angemessen wäre, weil diese dann immer außer Verhältnis stünde. Zum anderen stellt er in seinem Beispiel zur Herstellung von Stellplätzen fälschlicherweise auf die Maßnahme an sich ab (Herstellung von Parkplätzen) und nicht auf die Folgen der Maßnahme (Kosten von 100 000 DM). 78 So in BVerfGE 67, 157, 178. Siehe die nähere Beschreibung bei: Reimer, in: Jestaedt/Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 60, 70 f. 79 Merten, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 68, Rn. 76 sieht dann eine eigenständige Bedeutung der Zumutbarkeit, wenn sie „als zusätzliches Korrektiv für eine bei genereller Abwägung noch verfassungsmäßige Relation zwischen Mittel und Zweck sieht“.­ Ossenbühl, in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 315, 318 sieht die Zumutbarkeit in diesem Zusammenhang als „Maßstab der Einzelfallgerechtigkeit“. Allerdings ist im Rahmen der Angemessenheit bei Maßnahmen der Verwaltung immer der Einzelfall zu berücksichtigen, so dass auch in diesem Bezug kein eigenständiger Anwendungsbereich der Zumutbarkeit verbleibt. Schneider, Die Güterabwägung des Bundesverfassungsgerichts bei Grundrechtskonflikten, S. 205: „Auch die Zumutbarkeit kommt nicht ohne eine Bedeutungsermittlung aus, die aber schon in zwei Richtungen erfolgen sollte, worin der Annex zu Übermaßverbot und Proportionalität zum Ausdruck kommt. Eine Grundrechtsbelastung ist umso eher zumutbar, je gewichtiger das kollidierende Schutzgut und die ihm drohenden Gefahren sind“. 80 Reimer, in: Jestaedt/Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 60, 71 f.

Kapitel 5

Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den verschiedenen Ebenen der Anforderungen an eine rechtmäßige polizeiliche Maßnahme A. Ebene der Bestimmung der Rechtsfolgen I. Opportunitätsprinzip Nach den §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG hat die Polizei zur Gefahrenabwehr diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheinen. Die Möglichkeit, nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, wird als Opportunitätsprinzip1 bezeichnet.2 Nach § 40 LVwVfG hat die Polizei ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.3 Zunächst hat die Polizei also nach § 40 LVwVfG überhaupt von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen.4 Ein Ermessensfehler liegt dementsprechend vor, wenn die Behörde ihr Ermessen gar nicht betätigt (als sogenannter Ermessensnichtgebrauch bezeichnet). Ein Überschreiten der gesetzlichen Grenzen des Ermessens5 (als sogenannte Ermessensüberschreitung bezeichnet) kann zunächst in Bezug auf die Grenzen der ermächtigenden Norm vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn die Behörde eine Rechtsfolge wählt, die von der jeweiligen Norm nicht vorgesehen ist.6 Eine Ermessensüberschreitung ist insbesondere bei Standardmaß-

1 Siehe zum Begriff des Opportunitätsprinzips: Mayer, Das Opportunitätsprinzip in der Verwaltung, S. 1 f. 2 Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E, Rn.  104: „Für das Polizeirecht ist, wie für die Eingriffsverwaltung überhaupt, die Geltung des Opportunitätsprinzips kennzeichnend“; Schoch, JuS 1994, 754. 3 Voßkuhle, JuS 2008, 117, 118; Schoch, JuS 1994, 754. 4 Deutlich kommt diese Pflicht im Wortlaut von § 40 LVwVfG „hat sie ihr Ermessen […] auszuüben“ zum Ausdruck. Dazu: Ruffert, in: Knack/Henneke, VwVfG Kommentar, § 40, Rn. 40. 5 Teilweise werden die gesetzlichen Grenzen des Ermessens auch als „äußere Ermessensgrenzen“ bezeichnet. Kritisch zur Unterscheidung von „inneren“ und „äußeren“ Ermessensgrenzen: Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rn. 62. 6 Voßkuhle, JuS 2008, 117, 118; Decker, in: Posser/Wolff, VwGO Kommentar, § 114, Rn. 20; Ruffert, in: Knack/Henneke, VwVfG Kommentar, § 40, Rn. 47; Jestaedt, in: Ehlers/ Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rn. 61.

A. Ebene der Bestimmung der Rechtsfolgen  

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nahmen7 relevant, in denen die zulässigen Rechtsfolgen jeweils detailliert geregelt sind. Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens ergeben sich aber darüber hinaus auch aus allen anderen anwendbaren Normen, also insbesondere auch aus den Grundrechten.8 Ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in den Grundrechten verortet, so ist auch dieser als gesetzliche Grenze des Ermessens zu beachten.9 Polizeiliche Ermessensentscheidungen werden mithin durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als gesetzliche Grenze begrenzt. Die Polizei macht von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise10 Gebrauch, wenn sie in ihre Ermessensentscheidung nicht alle für die Entscheidung relevanten Tatsachen einstellt, einzelne Umstände falsch gewichtet oder zweckfremde Erwägungen trifft (als sogenannter Ermessensfehlgebrauch11 bezeichnet).12 Die der Ermessensentscheidung zu Grunde gelegten Umstände hat die Behörde nach § 24 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG von Amts wegen zu ermitteln.13 Es stellt sich die Frage, auf welche Perspektive für die Beurteilung abzustellen ist, ob die Polizei die richtigen Umstände in ausreichendem Maße ermittelt hat. Da die Ermessensausübung an das Vorliegen einer Gefahr14 anknüpft, ist es denknotwendig so, dass der jeweilige Amtswalter nur die Umstände und Erwägungen in seine Ermessensentscheidung einbeziehen kann, die bei einer objektivierten ex-ante-Sicht erkennbar sind. An die Ermittlung der für die Ermessensausübung relevanten Umstände müssen mithin dieselben Anforderungen gestellt werden wie bei der Entscheidung, ob eine tatbestandliche Gefahr vorliegt.15 Danach stellt der Amtswalter in die Ermessensentscheidung alle relevanten Um 7 Zur Anwendbarkeit von § 40 LVwVfG auf Realakte: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz Kommentar, § 40, Rn. 6a; Aschke, in: Beck-OK-VwVfG, § 40, Rn. 1. 8 Schoch, JuS 1994, 754, 756: „[Die gesetzlichen Grenzen] ergeben sich aus der Verfassung (Freiheitsgrundrechte, Gleichheitssatz, Übermaßverbot) und den sog. einfachen Gesetzen (Spezialgesetze, Gesetze zum Allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht)“; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, § 114, Rn. 7 ff. Genauer zu den Grundrechten als Ermessensgrenzen: Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, § 114, Rn. 23 ff. 9 Bender, NJW 1955, 938: „Handlungsvoraussetzung“; Schoch, JuS 1994, 754, 756; Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 40, Rn. 44; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, § 114, Rn. 26. 10 Das wird teilweise mit dem Begriff „äußere Ermessensgrenzen“ bezeichnet. Kritisch zur Unterscheidung von „inneren“ und „äußeren“ Ermessensgrenzen: Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rn. 62. 11 Teilweise mit Unterkategorien wie z. B. der des Ermessensdefizits. 12 Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rn.  61 f.; Decker, in: Posser/Wolff, VwGO Kommentar, § 114, Rn. 20 f.; Ruffert, in: Knack/Henneke, VwVfG Kommentar, § 40, Rn. 51 f.; Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, § 114, Rn. 81. 13 Ruffert, in: Knack/Henneke, VwVfG Kommentar, § 40, Rn. 53: „Die Aufklärungspflicht im Rahmen der Ermessensentscheidung beruht auf dem Untersuchungsgrundsatz nach § 24 Abs. 1“; Decker, in: Posser/Wolff, VwGO Kommentar, § 114, Rn. 22. 14 Genauer zum Verhältnis zwischen dem Gefahrbegriff und der Ermessensausübung: Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 376. 15 Ossenbühl, DÖV 1976, 463, 467.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

stände ein, wenn ein durchschnittlicher Amtswalter auf Grundlage der ex-ante vorliegenden Informationen dieselben Umstände ermittelt hätte.

II. Entschließungsermessen Üblicherweise meint man, dass die Polizei ihr Ermessen in zwei Stufen ausübt. Zunächst hat sie eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob sie zur Gefahrenabwehr tätig werden will (sogenanntes Entschließungsermessen). Ist das der Fall, hat sie anschließend ermessensfehlerfrei zwischen verschiedenen in Betracht kommenden Maßnahmen auszuwählen (sogenanntes Auswahlermessen).16 Muss die Polizei also in eine ersten Schritt über das grundsätzliche Tätigwerden entscheiden, dann könnte das so zu verstehen sein, dass sie zunächst ihr Tätigwerden begründen oder rechtfertigen muss. Das sieht die Arbeit im Folgenden anders. Sie geht davon aus, dass grundsätzlich die Pflicht besteht, Gefahren abzuwehren (Gefahrenabwehrpflicht). Gründe der Verhältnismäßigkeit können dieser Gefahrenabwehrpflicht aber Grenzen setzen. 1. Grundsätzliche Gefahrenabwehrpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG Nach dem Wortlaut der Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG „hat“ die Polizei die Aufgabe, von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die polizeilichen Schutzgüter bedroht werden. Das deutet bereits sprachlich darauf hin, dass die Polizei grundsätzlich zur Gefahrenabwehr verpflichtet17 ist.18 16 Zu den Begriffen Entschließungs- und Auswahlermessen generell: Jestaedt, in: Ehlers/ Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rn. 57; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 7. Zu den Begriffen Entschließungs- und Auswahlermessen in Bezug auf das Polizeirecht: Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, § 15, Rn. 532 f.; Würtenberger/ Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 494; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 94. 17 Nicht zu verwechseln ist diese Gefahrenabwehrpflicht mit sog. „Null-Toleranz-Strategien“, die aus rechtspolitischer Perspektive ein Einschreiten bei jedem Rechtsverstoß fordern.  Dazu: Dolderer, NVwZ 2001, 130 ff., Volkmann, NVwZ 1999, 225 ff. und kritisch Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 99. 18 Einzig Knemeyer, VVDStRL 1977, 221, 233 nimmt ebenfalls eine Gefahrenabwehrpflicht an: „[…] Dabei ist sie verpflichtet, die ihr zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Nichts anderes besagt die Aufgabenzuweisungsnorm. Mit ihr hat der Gesetzgeber seine Entscheidung bekundet, daß er bestimmte Zwecke und Aufgaben als im öffentlichen Interesse liegend ansieht und von bestimmten staatlichen Stellen erfüllt wissen will […]. Geht man von dieser aus dem Verhältnis Gesetzgebung – Verwaltung bestimmten Funktion der Aufgabenzuweisung aus, so bleibt für ein sog. Entschließungsermessen im Sinne einer freien Entscheidung […] kein Raum […]“. Siehe ebenfalls: Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 14, Rn. 129. Kritisch: Breuer, VVDStRL 1977, 341; Götz, VVDStRL 1977, 342; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn.  99 „Dass der Polizei Aufgaben zugewiesen werden, bedeutet nicht, dass sie dadurch zum

A. Ebene der Bestimmung der Rechtsfolgen  

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Zu den polizeilichen Schutzgütern zählen unter anderem die Unversehrtheit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter Dritter. Jedenfalls in Bezug auf dieses Schutzgut spricht auch aus verfassungsrechtlicher Sicht viel dafür, § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG dahingehend auszulegen, dass er grundsätzlich eine Gefahrenabwehrpflicht begründet. Die Grundrechte begrenzen nicht nur das staatliche Handeln (sogenannter „status negativus“), sondern aus ihnen folgen zudem Schutzpflichten des Staates (sogenannter „status positivus“).19 Sie bewirken, dass der Staat die Unversehrtheit der grundrechtlich geschützten Handlungsmöglichkeiten und Rechtsgüter zu garantieren hat.20 Es ist anzunehmen, dass die gesetzliche Zuweisung der Aufgabe der Gefahrenabwehr an die Polizei jedenfalls auch den Zweck verfolgt, die grundrechtlichen Schutzpflichten zu erfüllen.21 Das impliziert dann aber eine Verpflichtung der Polizei, bei Vorliegen einer Gefahr für das polizeiliche Schutzgut der Unversehrtheit der subjektiven Rechte- und Rechtsgüter Dritter einzuschreiten und die Gefahr abzuwehren. Nun heißt es in den polizeirechtlichen Befugnisnormen aber häufig, dass die Polizei bestimmte Maßnahmen durchführen „kann“ (z. B. in § 26 Abs.  1 PolG) oder nach ihrem „pflichtgemäßen Ermessen“ zu treffen hat (§§ 3 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG). Das könnte der Annahme entgegenstehen, dass die Polizei nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG grundsätzlich eine Gefahrenabwehrpflicht trifft. Näher besehen ist das aber nicht der Fall. Die Befugnisnormen regeln, unter welchen Voraussetzungen die Polizei zur Erfüllung ihrer Gefahrenabwehrpflicht aus § 1 Abs.  1 Satz 1 PolG Maßnahmen ergreifen kann, durch die in Grundrechte Dritter eingegriffen wird.22 Sie befassen sich also anders als die Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs.  1 Satz 1 PolG nicht mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Polizei tätig zu werden hat, sondern regeln Anforderungen an die Rechtmäßigkeit bestimmter, nämlich grundrechtseingreifender gefahrenabwehrender Maßnahmen. Aus dem Umstand, dass das Ergreifen dieser Maßnahmen regelmäßig im Ermessen der Polizei liegt, kann nicht geschlossen werden, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG – entgegen seinem Wortlaut – auch schon die Wahrnehmung der Aufgabe der Gefahrenabwehr in das Ermessen der Polizei stellt. § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG begründet Handeln verpflichtet wird“; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 7, Rn. 7; Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, § 15, Rn.  532; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10, Rn. 33 ff. 19 Genauer zur Statuslehre: Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 10 ff. Zur Unterscheidung zwischen „status negativus“ und „status positivus“: Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, § 4, Rn. 80 ff. 20 Kirchhof, DÖV 1976, 449, 450. 21 Knemeyer, VVDStRL 1977, 221, 231 ff. 22 OVG Lüneburg, NJW 2006, 391, 392; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 259; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6, Rn. 16; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 136. Liegt in der Maßnahme kein Eingriff, kann die Polizei schon aufgrund der Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG handeln. Dazu: Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 77; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 7, Rn. 7. Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine (polizeirechtliche) Befugnisnorm: Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 171.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

damit grundsätzlich eine Gefahrenabwehrpflicht der Polizei, sobald der Tatbestand der Norm erfüllt ist. 2. Grenzen der Gefahrenabwehrpflicht Geht man davon aus, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG grundsätzlich eine Gefahrenabwehrpflicht begründet, so bedeutet das nicht, dass die Polizei ausnahmslos in jedem Fall bei Vorliegen einer Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut tätig werden muss.23 Vielmehr hat die Gefahrenabwehrpflicht Grenzen. Ist es beispielsweise so, dass entweder alle polizeirechtlichen Befugnisnormen für die Abwehr einer bestimmten, im konkreten Fall vorliegenden Gefahr keine passende Rechtsfolge bereithalten, oder ist es so, dass die Anwendung passender Ermächtigungsgrundlagen ausscheidet, weil sie bei den dadurch zur Gefahrbeseitigung in Anspruch Genommenen zu unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen führen würde, so kommen grundrechtsbeeinträchtigende gefahrenabwehrende Maßnahmen nicht in Betracht. Ist es dann zusätzlich so, dass die Polizei die Gefahr aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auch nicht mit eigenen oder sonstigen Mitteln abwehren kann, so kann sie auch nicht zum Handeln verpflichtet sein. Sie ist dann trotz grundsätzlich bestehender Gefahrenabwehrpflicht ausnahmsweise berechtigt, keine positive Maßnahme zu ergreifen. 3. Unterschiede zwischen der Gefahrenabwehrpflicht und dem üblicherweise vertretenen Entschließungsermessen Fragt man, welche Unterschiede sich ergeben, wenn man nicht wie üblicherweise vertreten davon ausgeht, dass die Polizei bei Vorliegen einer Gefahr ein Entschließungsermessen hat, das sich gegebenenfalls bei Vorliegen einer grundrechtlichen Schutzpflicht auch einmal zu einer Verpflichtung zur Gefahrenabwehr verdichten kann24, sondern wenn man wie hier meint, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG grundsätzlich eine Gefahrenabwehrpflicht begründet, die im Einzelfall auch einmal begrenzt sein kann, so fällt zweierlei auf: Zum einen wechselt die Begründungslast. Die Polizei muss nicht darlegen, warum sie im Einzelfall tätig wird, sondern sie muss rechtfertigen, warum sie trotz Vorliegens einer Gefahr im Einzelfall keine Gefahrenabwehrpflicht trifft. Zum anderen ist es so, dass sich bei der herkömmlichen Sicht das Entschließungs- und Auswahlermessen nicht präzise trennen lassen.25 Die Entscheidung, 23

Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 14, Rn. 129. Martens, DÖV 1976, 457, 460; Schmatz, Die Grenzen des Opportunitätsprinzips im heutigen deutschen Polizeirecht, S. 127; Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rn. 61; Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, § 114, Rn. 128 ff. 25 In diese Richtung: v. Mutius, VVDStRL 1977, 332; Götz, VVDStRL 1977, 342. 24

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ob in einem konkreten Fall zur Abwehr einer Gefahr eingeschritten wird, kann regelmäßig nur getroffen werden, wenn man bereits in diesem Moment Vorstellungen über die in Frage kommenden gefahrenabwehrenden Maßnahmen hat. Geht man dagegen davon aus, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG grundsätzlich eine Gefahrenabwehrpflicht begründet, so ist die Entscheidung für das Unterlassen einer Maßnahme Teil  des Auswahlermessens. Die Polizei ist zum Unterlassen einer Maßnahme verpflichtet, wenn keine positive Maßnahme in Betracht kommt.

III. Auswahlermessen Mit dem Begriff des Auswahlermessens bezeichnet man die Ausübung des Ermessens, gegenüber wem welche Maßnahme getroffen wird.26 Beim Auswahlermessen wird herkömmlich zwischen dem personellen und sachlichen Auswahlermessen unterschieden.27 Das personelle Auswahlermessen beschreibt die Entscheidung, wer von mehreren Störern als Adressat der Maßnahme heranzuziehen ist.28 Das sachliche Auswahlermessen bestimmt die Auswahlentscheidung hinsichtlich der konkreten Maßnahme.29 Eine unabhängige Betrachtung von personellem und sachlichem Auswahlermessen ist allerdings nicht möglich. Denn dann würde man nicht berücksichtigen, dass sich unterschiedliche Maßnahmen gegenüber unterschiedlichen Störern in ihrer Schwere unterscheiden können. Um zu klären, wie die Ausübung des Auswahlermessens durch die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bestimmt wird, ist festzustellen, welche unterschiedlichen Konstellationen bei der Ausübung des Auswahlermessens vorliegen können: – Konstellation 1: Es kommt nur eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr in Betracht. Nur ein Störer30 kommt als Adressat der Maßnahme in Betracht. – Konstellation 2: Es kommen mehrere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in Betracht. Nur ein Störer kommt als Adressat der Maßnahmen in Betracht. 26

Zu den Begriffen Entschließungs- und Auswahlermessen generell: Jestaedt, in: Ehlers/ Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rn. 57; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 7. Zu den Begriffen Entschließungs- und Auswahlermessen in Bezug auf das Polizeirecht: Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, § 15, Rn. 532 f.; Würtenberger/ Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 494; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 94. 27 Siehe z. B. bei: Schoch, JuS 1994, 754, 756; Poscher/Rusteberg, JuS 1982, 1082, 1086 „Maßnahmeauswahlermessen“ und „Störerauswahlermessen“; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn.  494; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10, Rn.  33 personelles Auswahlermessen als „Unterfall des Auswahlermessens“; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 102 und § 4, 284 f. 28 Oft gesondert unter Störermehrheit beschrieben: Schoch, Jura 2012, 685 ff.; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn.  127; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 190; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 86 ff. 29 Schoch, JuS 1994, 754, 756: „Wahl des Mittels“. 30 Unter den Voraussetzungen des § 9 PolG kann auch ein Nichtstörer als Adressat der Maßnahme in Betracht kommen.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

– Konstellation 3: Es kommt nur eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr in Betracht. Es kommen mehrere Störer31 als Adressaten der Maßnahme in Betracht. – Konstellation 4: Es kommen mehrere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in Betracht. Es kommen mehrere Störer als Adressaten der Maßnahmen in Betracht. 1. Konstellationen 1 und 2 Bei Konstellation 1 ist nur die in Betracht kommende Maßnahme am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Weil nur eine Maßnahme in Betracht kommt, beschränkt sich die Ausübung des Ermessens auf die Entscheidung, ob diese Maßnahme zu unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen führt und daher unterlassen werden muss. Kommen mehrere Gefahrenabwehrmaßnahmen wie in Konstellation 2 in Betracht, müssen alle am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemessen werden. Es stellt sich nun die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Polizei keine positive Maßnahme treffen darf und damit nicht zur Gefahrenabwehr verpflichtet ist.32 Diese sind dann gegeben, wenn entweder die einzige oder alle in Betracht kommenden grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahmen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und auch sonst keine Handlungsmöglichkeiten der Polizei bestehen. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann dabei in Bezug auf alle drei Teilanforderungen vorliegen: Ist die einzige oder sind alle zur Gefahrenabwehr in Betracht kommenden Maßnahmen ungeeignet, den Gefahrenabwehrerfolg herbeizuführen, müssen diese unterlassen werden. Die Ungeeignetheit der polizeilichen Maßnahme kann sich auch daraus ergeben, dass eine Maßnahme, die an sich geeignet ist, die Gefahr kurzfristig abzuwehren, dauerhaft keinen Erfolg versprechen würde. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Demonstrationen als Beispiel zu nennen. So kann durch Gewaltanwendung kurzfristig eine von einzelnen Demonstranten ausgehende Gefahr abgewehrt werden.33 Diese für sich geeignete Maßnahme kann in der konkreten Situation aber auch zu einer Intensivierung der Schutzgutsverletzung führen.34 Demonstranten könnten beispielsweise durch die Gewaltanwendung emotionalisiert oder radikalisiert werden und als Folge erst Recht polizeiliche Schutzgüter verletzen.35

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Das können sowohl Handlungs- als auch Zustandsstörer nach den §§ 6 Abs. 1 und 7 PolG sein. Es könnten zudem auch mehrere unbeteiligte Personen nach § 9 PolG in Betracht kommen. 32 Siehe zur Gefahrenabwehrpflicht der Polizei oben Kapitel 5 A. II. 1. 33 Siehe das Fallbeispiel bei: Bachof, VVDStRL 1977, 330. Dazu auch: Schlink, NVwZ 1982, 529, 532. In ähnlichem Zusammenhang steht die Frage, ob die Polizei bei repressivem Tätigwerden Rechtsbrüche dulden darf, dazu: Schreiber, in: FS Samper, 17 ff. 34 Schlink, NVwZ 1982, 529, 532. 35 Schlink, NVwZ 1982, 529, 532; Bachof, VVDStRL 1977, 330.

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Ein Verstoß gegen die Teilanforderung der Erforderlichkeit liegt vor, wenn das Unterlassen polizeilicher Maßnahmen ebenso zur Gefahrenabwehr geeignet ist wie der Erlass polizeilicher Maßnahmen. Eine gleiche Eignung eines Unterlassens polizeilicher Maßnahmen ist nur in Fällen denkbar, in denen sich die Schutzgutsverletzung ohne polizeiliche Maßnahme im selben Zeitraum von alleine, also ohne den Erlass einer Gefahrenabwehrmaßnahme erledigt. Eine geeignete und erforderliche Maßnahme ist unangemessen, wenn ihre Folgen hinsichtlich der betroffenen Grundrechte des Inanspruchgenommenen außer Verhältnis zum erstrebten Zweck stehen. Insbesondere können bei sogenannten Bagatellfällen36 die in Betracht kommenden Maßnahmen unverhältnismäßig und damit zu unterlassen sein. Das sind Fälle, in denen ein grobes Missverhältnis zwischen der Schwere der von den Folgen der Gefahrenabwehrmaßnahmen betroffenen grundrechtlich geschützten Güter des Einzelnen und der Gewichtigkeit der vom Zweck der Maßnahme umfassten polizeilichen Schutzgütern besteht.37 Ein solches grobes Missverhältnis liegt beispielsweise vor, wenn durch körperliche Gewalt verhindert werden soll, dass ein Kaugummi auf die Straße geworfen wird. Es stellt sich die Frage, ob die Polizei auch in Situationen, in denen mehrere Schutzpflichten kollidieren, Maßnahmen unterlassen darf, wenn sie aufgrund knapper Ressourcen nur eine Schutzpflicht bedienen kann und keine anderen Handlungsmöglichkeiten bestehen.38 Allerdings folgt aus der Knappheit polizeilicher Ressourcen nicht, dass sich dadurch die Gefahrenabwehrpflicht auflöst. Sofern die Gefahrenabwehrpflicht nicht durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzt ist, muss die Polizei dieser auch bei der Kollision von Schutzpflichten nachkommen. Ob sie dieser personell und sachlich nachkommen kann, ist eine tatsächliche Frage. 2. Konstellation 3 In Konstellation 3 gelten für die in Betracht kommende Maßnahme die Ausführungen zu Konstellation 1. Im Unterschied zu Konstellation 1 hat die Polizei zusätzlich zu entscheiden, welcher Störer als Adressat der Maßnahme ausgewählt werden muss. Zwar steht fest, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch die Störerauswahl begrenzt.39 Fraglich ist aber, welche Teilanforderungen des Ver 36

Diese Bagatellfälle müssen aber schon eine tatbestandliche Gefahr darstellen. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E, Rn. 126. 38 So Knemeyer, VVDStRL 1977, 221, 241: „Im Falle der Kumulation mehrerer Pflichten muß allerdings eine oder mehrere dieser Schutzpflichten unerfüllt bleiben“; Rachor, in: Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E, Rn. 126. 39 Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn.  129; Knemeyer, VVDStRL 1977, 221, 248, Fn.  81: „Daher wendet ihn [den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz] auch die Rechtsprechung und Literatur auf den Fall der Auswahl unter mehreren Störern an“; Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S.  73: „[…] der 37

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

hältnismäßigkeitsgrundsatzes auf die Störerauswahl anwendbar sind und welche Grundsätze aus ihnen für die Störerauswahl folgen. a) Teilanforderung der Geeignetheit bei der Störerauswahl Aus der Teilanforderung der Geeignetheit folgt für die Störerauswahl40, dass durch die Auswahl des jeweiligen Störers als Adressat der Maßnahme der durch die Maßnahme verfolgte Zweck zumindest näherrücken muss. Das ist nicht der Fall, wenn die Herbeiführung des verfolgten Zwecks für den zur Auswahl stehenden Störer rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist.41 b) Teilanforderung der Erforderlichkeit bei der Störerauswahl Umfassend determiniert wird die Störerauswahl von der Teilanforderung der Erforderlichkeit.42 Die Teilanforderung der Erforderlichkeit gibt für die Störerauswahl vor, dass bei mehreren Störern, die in gleicher Weise geeignet sind, die Gefahr abzuwehren, der Störer auszuwählen ist, der als Adressat der polizeilichen Maßnahme am geringsten belastet ist.43 Um festzustellen, welcher Störer am geringsten belastet ist, sind die Störer nach dem Grad ihrer Grundrechtsbeeinträchtigung in eine Reihung zu bringen. Es ist dann derjenige Störer auszuwählen, dessen grundrechtlich geschützten Güter durch die polizeiliche Maßnahme am geringsten beeinträchtigt werden.44 Somit ist zum einen erforderlich, dass man die betroffenen grundrechtlich geschützten Güter eines jeden Störers feststellt, und zum anderen ist es notwendig, Grundsatz der Erforderlichkeit muß bei jeder polizeilichen Maßnahme, also auch bei der Auswahlentscheidung im Fall des Zusammentreffens mehrerer Störer berücksichtigt werden“; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Kap., Rn. 77. Kritisch: Schoch, Jura 2012, 485, 489. 40 Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn.  130 benutzt den Ausdruck „Geeignetheit des Verantwortlichen“. 41 Allgemein: BVerwGE 31, 15, 16 f.; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 130. Die rechtliche Unmöglichkeit bei einer entgegenstehenden Rechtsposition Dritter soll unter anderem nach Schoch, Jura 2012, 485, 489 nicht zur Ungeeignetheit führen, wenn die „‚Vetoposition‘ des Dritten mittels Duldungsverfügung ausgeräumt werden“ kann. Siehe zur Duldungsverfügung genauer: Stuttmann, NVwZ 2004, 805. 42 Krampol, in: FS Samper, 153, 155; Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S.  71. Kritisch: Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5, Rn.  371. Dagegen: Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung unter mehreren Störern, S.  75. Er hält die Teilanforderung der Erforderlichkeit nur bezüglich der Auswahl unterschiedlicher Maßnahmen gegenüber einem Adressaten für anwendbar und nicht für die Auswahl unter mehreren Adressaten. 43 Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 29, Rn. 341. 44 Das setzt allerdings voraus, dass hinreichend aufgeklärt wurde, welche Störer überhaupt in Betracht kommen. Siehe zur Aufklärungspflicht unten Kapitel 5 A. III. 2. e) aa).

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dass man einen Vergleichsmaßstab findet, anhand dessen man die Schwere der Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Güter der verschiedenen Störer untereinander vergleichen kann. Die betroffenen grundrechtlich geschützten Güter und die Schwere ihrer Beeinträchtigung werden schon bei der vorangehenden Prüfung der Angemessenheit der polizeilichen Maßnahme festgestellt.45 Es ergibt sich somit eine Verzahnung der Prüfung der Teilanforderung der Erforderlichkeit bei der Störerauswahl mit der Prüfung der Angemessenheit der polizeilichen Maßnahme. Aus diesem Grund ist sinnvollerweise jeweils zuerst die Verhältnismäßigkeit der in Betracht kommenden polizeilichen Maßnahme in Bezug auf jeden Störer zu prüfen. Erst dann sind die Störer anhand der Schwere der Beeinträchtigung ihrer grundrechtlich geschützten Güter zu vergleichen. Der erforderliche Vergleichsmaßstab ist unproblematisch herzustellen, wenn die Störer in denselben grundrechtlich geschützten Gütern beeinträchtigt werden, was bei nur einer in Betracht kommenden Maßnahme der Fall ist. Die Schwere der Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Güter lässt sich dann vergleichsweise unproblematisch anhand ihrer Intensität vergleichen.46 Es hat sich zeigt, dass die Störerauswahl anhand der Beeinträchtigung der jeweiligen grundrechtlich geschützten Güter zu erfolgen hat. Das Ergebnis des hierbei vorgenommenen Vergleichs hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Dementsprechend lassen sich keine starren Regeln oder Faustformeln formulieren, welcher Störer auszuwählen ist.47 Obwohl das kaum deutlich gemacht wird, resultieren aber sämtliche in Rechtsprechung und Literatur vorzufindenden Faustformeln aus dem Bestreben, eine im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderliche Entscheidung hinsichtlich der Störerauswahl zu treffen.48 Sie können aber im Einzelfall unzutreffend sein.

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Die Schwere der Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Güter des Störers wird in Schritt 2 bei der Prüfung der Angemessenheit einer Maßnahme festgestellt. Siehe dazu oben Kapitel 4 B. IV. 46 Schoch, Jura 2012, 485, 489. 47 Dass keine starren Regeln formuliert werden können, entspricht, wenn auch teilweise mit anderer Begründung, der ganz überwiegenden Meinung: Schoch, Jura 2012, 688, 685; Poscher/ Rusteberg, JuS 2011, 1082, 1087; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 285; Pieroth/ Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 92 ff. Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5, Rn. 368 will aus den Regelungen des PolG „explizite Prioritätsregeln“ entnehmen. Teilweise werden trotzdem Faustformeln benutzt: VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 387, 390; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 504 f. 48 Knemeyer, VVDStRL 1977, 221, 248, Fn. 81: „Untersucht man diese Fülle von Kriterien auf ihren gemeinsamen Nenner, so stellt sich heraus, daß alle letztlich unter den Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu subsumieren sind“.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

c) Teilanforderung der Angemessenheit Die Prüfung der Teilanforderung der Angemessenheit hat für die Auswahl der Störer keine eigenständige Bedeutung. Diese stellt eine Verbindung zwischen dem verfolgten Zweck und den Folgen der jeweiligen Maßnahme her. Diese maßnahmenbezogenen Funktion ist für die Störerauswahl nicht relevant. d) Spannungsverhältnis zur Effektivität der Gefahrenabwehr? Hat die Polizei eine Handlungspflicht zur Gefahrenabwehr aus den §§ 3 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG, so muss sie dieser auch effektiv nachkommen können.49 Verfolgt man den Effektivitätsgedanken, ist entsprechend dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage nach § 40 Alt. 1 LVwVfG derjenige Störer als Adressat der Maßnahme auszuwählen, der die Gefahr am schnellsten und wirksamsten bekämpfen kann und nicht derjenige Störer, der am verhältnismäßigsten von der Maßnahme betroffen ist.50 Es werden aus diesem Grund Einschränkungen der Effektivität der Gefahrenabwehr befürchtet und als „lähmend“51 empfunden. Dementsprechend wird die Effektivität der Gefahrenabwehr zu einer „Leitlinie“52 bestimmt, die die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verdrängen soll.53 Eine solche Verdrängung verstößt aber gegen die zwingende verfassungsrechtliche Geltung des Verhältnismäßigkeitsrundsatzes im gesamten Polizeirecht.54 Zudem ist eine Verdrängung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht nötig, weil trotz Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Effektivität der Gefahrenabwehr nicht eingeschränkt wird. Sind die verschiedenen Störer durch eine Maßnahme in gleicher Schwere in ihren grundrechtlich geschützten Gütern beeinträchtigt, wird die Effektivität der Gefahrenabwehr als Auswahlkriterium ohnehin nicht eingeschränkt. Denn dann bestimmt die Teilanforderung der Erforderlichkeit 49 Zur Aussage und Herleitung des Effektivitätsgrundsatzes: Nitschke, Die materielle Polizeipflicht, S. 126 ff. 50 Schoch, Jura 2012, 685, 688; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 131. 51 Ossenbühl, NVwZ 1976, 463, 471. 52 Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 494. 53 Poscher/Rusteberg, JuS 2011, 1082, 1087: „Vielmehr hat die Behörde sich vom Gebot der Effektivität der Gefahrenabwehr leiten zu lassen“; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 88: „Hält sich die Behörde daran, die Störerauswahl in erster Linie an der Effektivität der Gefahrenabwehr auszurichten […]“; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 88: „Das oberste Gebot für die Auswahl unter mehreren Störern ist das Gebot der Effektivität“; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 285: „[…] dass grundsätzlich derjenige Störer in Anspruch zu nehmen ist, der die Gefahr oder Störung am schnellsten und wirksamsten beseitigen kann“. 54 Knemeyer, VVDStRL 1977, 221, 248, Fn. 81: „[…] denn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt für die gesamte Tätigkeit der Exekutive […]. Man kann ihn nicht der Effizienz zuliebe aus einem Einzelbereich gleichsam ‚herauskatapultieren‘“; Willigmann, DVBl 1965, 761, 762.

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die Störerauswahl nicht, und man kann gerade nach Effektivitätsgesichtspunkten auswählen. Sind die Störer von der Maßnahme unterschiedlich schwer in ihren grundrechtlich geschützten Gütern beeinträchtigt, entsteht ein Spannungsverhältnis nur dann, wenn nach dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr derjenige Störer ausgewählt werden müsste, der durch die Gefahrenabwehrmaßnahme schwerer in seinen grundrechtlich geschützten Gütern beeinträchtigt ist als andere zur Auswahl stehende Störer. Das kann aber nicht passieren. Kann ein Störer die Gefahr wesentlich effektiver abwehren, sind die Störer schon gar nicht gleich geeignet.55 Sie können und müssen dann im Rahmen der Teilanforderung der Erforderlichkeit auch gar nicht untereinander verglichen werden.56 Es kann also trotz Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Störerauswahl nie zu einem Fall kommen, bei dem ein Störer ausgewählt werden muss, der die Gefahr ineffizienter abwehren kann als ein anderer Störer. Somit wird deutlich, dass die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Störerauswahl die Effektivität der Gefahrenabwehr nicht beeinträchtigt.57 Die Forderung, dass die Effektivität der Gefahrenabwehr die Leitlinie bei der Störerauswahl sein soll, beruht auf dem falschen Verständnis, dass bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes immer der am geringsten betroffene Störer auszuwählen ist.58 e) Berücksichtigung des Verantwortungsgrades der Störer bei der Prüfung der Teilanforderung der Erforderlichkeit Wenn man den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Störerauswahl anwendet, bestimmt sich die Störerauswahl ausschließlich danach, welcher Störer bei gleicher Eignung am geringsten in seinen grundrechtlich geschützten Gütern durch die Gefahrenabwehrmaßnahme beeinträchtigt wird. Das kann dazu führen, dass ein Störer als Adressat der Gefahrenabwehrmaßnahme auszuwählen ist, der zwar am geringsten in seinen grundrechtlich geschützten Gütern durch die Gefahrenabwehrmaßnahme beeinträchtigt ist, dessen Verantwortungsgrad für die Gefahrverursachung aber auch wesentlich niedriger ist, als der Verantwortungsgrad anderer Störer. Es stellt sich die Frage, ob der Verantwortungsgrad für die Gefahrverursachung bei der Störerauswahl zu berücksichtigen ist.

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Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5, Rn. 369: „Hier kommt zunächst der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr in Betracht, der insoweit mit dem Gebot der Geeignetheit zusammenfallen kann“. 56 Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 229. 57 Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 89 sehen aus diesem Grund überhaupt kein Spannungsverhältnis. Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 229 sieht das Gebot der effektiven Gefahrenabwehr dem Übermaßverbot zugeordnet. 58 So aber Wehr, Examens-Repetitorium Polizeirecht, § 7, Rn.  471: „Das primär maßgebliche Auswahlkriterium bei Gefahrenabwehrmaßnahmen ist dasjenige der Effektivität“.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

aa) Einfluss der „internen zivilrechtlichen Verantwortlichkeit“ auf die Teilanforderung der Erforderlichkeit Ein Einfluss des Verantwortungsgrades einzelner Störer auf die Teilanforderung der Erforderlichkeit existiert jedenfalls dann, wenn im (polizeirechtlichen) Außenverhältnis mehrere Störer als Adressaten der Gefahrenabwehrmaßnahme mit gegebenenfalls unterschiedlichen Verantwortungsgraden in Betracht kommen, im (zivilrechtlichen) Innenverhältnis aber Ansprüche der Störer untereinander bestehen. Diese sogenannte interne zivilrechtliche Verantwortlichkeit59 hat einen direkten Einfluss auf die Schwere der Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Güter.60 Zur Verdeutlichung dient folgendes Beispiel: A als Halter und Fahrer eines Kraftfahrzeugs kommt von der Straße ab und fährt in das Haus auf dem Grundstück des B. Das Haus wird zwar nur leicht61 beschädigt, durch die Beschädigungen an der Hauswand drohen aber Mauersteine auf den Bürgersteig zu fallen. Es stellt sich die Frage, ob A als Verhaltensstörer oder B als Zustandsstörer als Adressat der Gefahrenabwehrmaßnahme auszuwählen ist. Die Gefahrenabwehrmaßnahme wäre das Wiederaufbauen der Mauer. Durch die Gefahrenabwehrmaßnahme sind sowohl A als auch B in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Die Schwere der Beeinträchtigung ist quantitativ auf den ersten Blick gleich hoch, da sowohl A als auch B denselben Zeit- bzw. Kostenaufwand für den Wiederaufbau haben. Allerdings stehen A und B als Störer nicht isoliert nebeneinander, sondern B hat zivilrechtliche Ansprüche (§§ 823 Abs. 1 BGB, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, 7 Abs. 1 StVG) gegenüber A.62 Aus diesen zivilrechtlichen Ansprüchen resultiert eine interne Verantwortlichkeit des A gegenüber B. 59 So bezeichnet bei: Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S. 82. Ossenbühl, DÖV 1976, 463, 471 verwendet die Bezeichnung „zivilrechtliche Ausgleichslage“. 60 Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 94 erkennen in Bezug auf die Verwendung von Faustformeln, dass die „zivilrechtliche Letztverantwortlichkeit“ zu berücksichtigen ist. 61 Siehe zur Begrenzung der Zustandsstörereigenschaft bei einer schwereren Beschädigung unten Kapitel 5 B. IV. 2. 62 Unter die zivilrechtlichen Ansprüche fällt allerdings kein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs.  1 BGB. Dieser würde nur entstehen, wenn die Störer gesamtschuldnerisch nach § 421 BGB haften würden. Würden die Störer gesamtschuldnerisch haften, hätte man aber immer eine interne Verantwortlichkeit und zwar durch das Entstehen des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB gegen diejenigen Störer, die nicht in Anspruch genommen würden. Zudem kann die Behörde aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gemäß § 421 BGB nach Belieben einen Störer in Anspruch nehmen. Vom Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB ist die Frage zu trennen, ob eine Gesamtschuld auf der Ebene der Kostentragung entsteht. Siehe zur Verneinung einer Gesamtschuld auf beiden Ebenen: OLG Düsseldorf, NVwZ 1989, 993, 997; Schwachheim, NVwZ 1988, 225, 226; Papier, NVwZ 1986, 256, 263. Für die zumindest entsprechende Anwendung der Regelungen über die Gesamtschuld: Finkenauer, NJW 1995, 432 ff.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 284.

A. Ebene der Bestimmung der Rechtsfolgen  

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Wird nun A als Adressat der Gefahrenabwehrmaßnahme ausgewählt, muss dieser nur das leisten, wozu er zivilrechtlich ohnehin gegenüber B verpflichtet wäre.63 Wird hingegen B als Adressat der Gefahrenabwehrmaßnahme ausgewählt, muss er anschließend für die Aufwendungen zur Gefahrenabwehr bei A Regress nehmen. Berücksichtigt man also die interne Verantwortlichkeit, so ist B als Adressat der Gefahrenabwehrmaßnahme aufgrund des Schadens an seinem Eigentum und der daraus resultierenden Regressansprüche gegen A stärker durch die Gefahrenabwehrmaßnahme in seinen grundrechtlich geschützten Gütern beeinträchtigt als A. Somit muss B nach der Teilanforderung der Erforderlichkeit als Adressat der polizeilichen Maßnahme ausgewählt werden.64 Damit ergibt sich aus der Teilanforderung der Erforderlichkeit die Pflicht der Polizei, bei ihrer Ermessensausübung die interne zivilrechtliche Verantwortlichkeit zu berücksichtigen.65 Zur Berücksichtigung der internen Verantwortlichkeit hat die Polizei einerseits die Gesamtzahl der Störer aufzuklären, andererseits muss sie zumindest in den Grundzügen ermitteln, welche zivilrechtlichen Ansprüche die Störer untereinander haben.66 Daraus könnte man schließen, dass durch die dafür notwendige Aufklärungsarbeit, die Handlungspflicht der Polizei nicht effektiv ausgeübt werden kann.67 Dementsprechend wird vertreten, dass die Polizei im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr keine derartige Aufklärungsarbeit zu leisten habe.68 Allerdings geht diese Argumentation von der falschen Prämisse aus, die Polizei habe diese Aufklärung ohne Rücksicht auf ihre Gefahrenabwehrpflicht „um jeden Preis“ zu leisten. Nach § 3 PolG übt die Polizei ihr Ermessen pflichtgemäß aus. Das bedeutet, dass die Polizei keine umfassende Pflicht zur Aufklärung hinsichtlich der Störerauswahl hat, sondern nur, soweit ihre Gefahrenabwehrpflicht nicht beeinträchtigt

63 Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S. 88: „Nimmt die Polizei den Letztverantwortlichen, d. h., den im Innenverhältnis allein oder überwiegend verantwortlichen Störer auf Beseitigung der Polizeiwidrigkeit in Anspruch, so würde dieser im wesentlichen nur das tun müssen, wozu er den übrigen Störern ohnehin verpflichtet ist“. 64 Krampol, in: FS Samper, 153, 156. 65 Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S. 91. Willigmann, DVBl 1965, 761, 762 bezeichnet es als „überraschend, daß gerade im Polizeirecht für das praktisch höchst bedeutsame Teilgebiet der Auswahl zwischen Handlungs- und Zustandsstörer dieses Prinzip der Berücksichtigung privater Interessen als Rechtsprinzip beiseite geschoben und der Polizei insofern völlige unüberprüfbare Freiheit zugebilligt wurde“. Gegen eine Pflicht zur Berücksichtigung der internen zivilrechtlichen Verantwortlichkeit: Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung, S. 118 f.; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5, Rn. 372. 66 Willigmann, DVBl 1965, 761, 763. 67 Dieser Einwand hat nichts mit der Frage zu tun, ob die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu einem Spannungsverhältnis zur Effektivität der Gefahrenabwehr führt. Es geht darum, soweit Aufklärung zu leisten, um überhaupt erst entscheiden zu können, welcher Störer entsprechend der Teilanforderung der Erforderlichkeit auszuwählen ist. Zur Gesamt­ fragestellung siehe oben Kapitel 5 A. III. 2. d). 68 Ossenbühl, DÖV 1976, 463, 471.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

wird.69 Es ergibt sich somit ein Abwägungsverhältnis zwischen dem Umfang der zu leistenden Aufklärungsarbeit und der Gefahrenabwehrpflicht der Polizei.70 Je dringender die Polizei ihrer Gefahrenabwehrpflicht durch den Einsatz von Gefahrenabwehrmaßnahmen nachkommen muss, desto geringere Anforderungen sind an den Umfang der zu leistenden Aufklärungsarbeit hinsichtlich der Störerauswahl zu stellen. Die Dringlichkeit der Gefahrenabwehrpflicht bestimmt danach, wieviel Zeit die Polizei hat, bis die in Betracht kommende Gefahrenabwehrmaßnahme keinen Erfolg mehr verspricht. Gegen die Berücksichtigung der internen Verantwortlichkeit könnte zudem sprechen, dass nach § 2 Abs. 2 PolG der Schutz privater Rechte der Polizei nur auf Antrag des Berechtigten obliegt, und zudem nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Daraus könnte man schließen, dass die Polizei die internen zivilrechtlichen Ansprüche gar nicht berücksichtigen darf, weil die Gewährleistung der Privatrechtsordnung primär den Zivilgerichten obliegt. Gegen diese Argumentation spricht aber der Sinn und Zweck von § 2 Abs. 2 PolG. § 2 Abs. 2 PolG normiert eine Zuständigkeitsanordnung im Verhältnis zu den Zivilgerichten.71 Damit kann § 2 Abs. 2 PolG aber nicht die Art und Weise der Ermessensausübung regeln, wenn bereits feststeht, dass die Polizei zuständig ist. Die Zuständigkeitsanordnung des § 2 Abs. 2 PolG steht damit der Berücksichtigung einer internen Verantwortlichkeit nicht entgegen. Allerdings bedeutet die Berücksichtigung der internen Verantwortlichkeit nicht, dass sich daraus starre Regeln72 ableiten lassen. Sofern eine interne Verantwortlichkeit vorliegt, wird es zwar häufig so sein, dass aufgrund der Teilanforderung der Erforderlichkeit der Verhaltensstörer in Anspruch zu nehmen ist. Dass der Verhaltensstörer aber nicht immer in Anspruch genommen werden muss, zeigt beispielsweise die Herabsenkung der Aufklärungspflicht bei einer dringenden Ausübung der Gefahrenabwehrpflicht. bb) Keine weitergehende Berücksichtigung des Verantwortungsgrades Besteht eine interne Verantwortlichkeit, hat diese wie gezeigt einen direkten Einfluss auf die Schwere der Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Güter. Es stellt sich die Frage, ob darüber hinaus der Verantwortungsgrad auch dann zu 69

Willigmann, DVBl 1965, 761, 763. Knemeyer, VVDStRL 1977, 221, 248, Fn. 81. 71 Pewestorf, in: Pewestorf/Söllner/Tölle, Polizei- und Ordnungsrecht, § 1 ASOG, Rn.  56; Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S. 93; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, D, Rn. 169. 72 So aber Fleischer, Die Auswahl unter mehreren Polizeipflichtigen als Rechtsfrage, S. 89: Vorrangige Heranziehung des Verhaltensverantwortlichen. 70

A. Ebene der Bestimmung der Rechtsfolgen  

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berücksichtigen ist, wenn keine Ansprüche der Störer untereinander bestehen.73 Müsste der Verantwortungsgrad berücksichtigt werden, wäre nach dem Verursacherprinzip vorrangig der Störer auszuwählen, der den höchsten Verantwortungsgrad hat. Der auszuwählende Störer müsste dann nicht unbedingt derjenige sein, der unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuwählen ist. Es können sich also bei der Berücksichtigung des Verantwortungsgrades Widersprüche zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Störerauswahl ergeben. Teilweise soll Art. 3 Abs. 1 GG eine entsprechende Verpflichtung zu entnehmen sein, jeden Störer gemäß seines Verantwortungsgrades zur Gefahrenabwehr in Anspruch zu nehmen.74 Eine solche Inanspruchnahme setzt aber zum einen voraus, dass die Gefahrenabwehrmaßnahme teilbar ist, also überhaupt von mehreren Störern umgesetzt werden kann.75 Andererseits folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG, dass wesentlich Gleiches nur dann gleich zu behandeln ist, wenn es kein Differenzierungskriterium gibt. Ein Differenzierungskriterium ist aber die aus der Teilanforderung der Erforderlichkeit folgende Pflicht, denjenigen Störer als Adressat der polizeilichen Maßnahme in Anspruch zu nehmen, dessen grundrechtlich geschützte Güter von dieser am geringsten belastet sind.76 Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt somit keine entsprechende Verpflichtung, jeden Störer gemäß seines Verantwortungsgrades zur Gefahrenabwehr in Anspruch zu nehmen.77 Im Übrigen bedeutet eine Inanspruchnahme eines Störers mit einem geringeren Verantwortungsgrad nicht, dass dieser sämtliche mit der Inanspruchnahme entstehenden Lasten zu tragen hat. Die Lösung der Frage, welcher Störer welche Lasten zu tragen hat, ist vielmehr auf der Sekundärebene zu verorten.78 Ob der Verantwortungsgrad bei der Lastentragung berücksichtigt werden muss, wird für die Sekundärebene unter dem Stichwort der gerechten Lastenverteilung diskutiert.79 73 Auch als „Inanspruchnahme pro rata“ bezeichnet. Genauer zur Bezeichnung und den Fallgruppen: Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung unter mehreren Störern, S. 79. Zu der Problematik überhaupt die Verantwortungsgrade einzelner Störer feststellen zu können: Nitschke, Die materielle Polizeipflicht, S. 202 ff. 74 OVG Münster, DÖV 1964, 559, 560; Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung unter mehreren Störern, S. 82. 75 Dagegen: Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Kap., Rn. 80. 76 VGH Mannheim, NVwZ-RR 2012, 387, 389; Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung unter mehreren Störern, S. 82; Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 508; Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 233. 77 Kloepfer/Thull, DVBl 1989, 1121; Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 233; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 137; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Kap., Rn. 80. 78 Garbe, DÖV 1998, 632, 634; Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 234; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Kap., Rn. 80: „Auf der Handlungsebene findet [der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung] keine Anwendung. Hier geht es um die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit“. 79 Schmidt-Jortzig, DÖV 1991, 753, 758; Schulz, Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, S.  183 f.; Schenke/Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht,

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

3. Konstellation 4 Stehen wie in Konstellation 4 mehrere Gefahrenabwehrmaßnahmen und mehrere Störer als Adressaten zur Auswahl, ergeben sich besondere Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten resultieren aus den unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten zwischen den unterschiedlichen in Betracht kommenden Maßnahmen und den Störern als Adressaten. Für die Auswahlentscheidung spielt es eine besondere Rolle, dass die Prüfung der Teilanforderung der Angemessenheit der Maßnahme und die Prüfung der Teilanforderung der Erforderlichkeit wie schon gezeigt bei der Störerauswahl miteinander verzahnt sind. Daher ist auch bei Konstellation 4 immer zuerst die Verhältnismäßigkeit der im Gegensatz zu Konstellation 3 unterschiedlichen in Betracht kommenden Gefahrenabwehrmaßnahmen für jeden Störer gesondert zu prüfen. Man verfährt also zunächst wie in Konstellation 2. Steht fest, welche Gefahrenabwehrmaßnahme für jeden Störer am verhältnismäßigsten ist, gelangt man zur Störerauswahl. Schwierigkeiten ergeben sich dadurch, dass durch die unterschiedlichen in Betracht kommenden Maßnahmen auch unterschiedliche grundrechtlich geschützte Güter der jeweiligen Störer beeinträchtigt werden können. Das führt zu dem Problem, deren Beeinträchtigung qualitativ vergleichen zu müssen. Insofern ähneln die Schwierigkeiten des erforderlichen qualitativen Vergleichs denen, die sich auch bei der Prüfung der Angemessenheit einer polizeilichen Maßnahme ergeben. Denn bei beiden Prüfungsvorgängen geht es darum, die unterschiedlichen betroffenen grundrechtlich geschützten Güter mittels einer Bezugsgröße zu vergleichen.80 Auch bei der Prüfung der Teilanforderung der Erforderlichkeit bei der Störerauswahl ist der Vergleich mit Hilfe der Kriterien der verfassungsrechtlichen Gewichtung der grundrechtlich geschützten Güter der einzelnen Störer und der Schwere ihrer Beeinträchtigung herzustellen.

IV. Zusammenfassung Die Polizei hat eine Gefahrenabwehrpflicht. Diese Gefahrenabwehrpflicht kann aber aus Verhältnismäßigkeitsgründen eingeschränkt sein. Bei der Ausübung des Auswahlermessens muss die Polizei entscheiden, welche Maßnahme sie gegen welchen Störer trifft. Sie hat bei dieser Entscheidung zunächst die verhältnismäßigste Maßnahme für jeden Störer zu ermittelt. Bei der darauf folgenden Störerauswahl muss sie die Teilanforderungen der Geeignetheit und der Erforderlichkeit beachten. Im Rahmen der Erforderlichkeit hat sie die Störer nach dem Grad der Belastung ihrer grundrechtlich geschützten Güter zu reihen. Dabei hat sie die interne Verantwortlichkeit zu beachten. Grundsätzlich muss die Polizei dabei jeRn. 185; Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 233; Würtenberger/ Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 508. 80 Siehe dazu oben Kapitel 4 B. IV.

B. Ebene der Qualifikation einer Person als Störer  

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doch nicht den Verantwortungsgrad berücksichtigen. Ein Spannungsverhältnis zwischen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Effektivität der Gefahrenabwehr besteht nicht.

B. Ebene der Qualifikation einer Person als Störer Es hat sich gezeigt, dass bei der Ausübung des Auswahlermessens der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist. Zur Ausübung des personellen Auswahlermessens muss bekannt sein, welche Störer in Betracht kommen. Man muss also zunächst eine oder mehrere Personen als Störer qualifizieren. Wird eine Person als Störer qualifiziert, bedeutet das somit, dass entweder nur diese Person als Adressat der Maßnahme in Betracht kommt oder dass innerhalb der Störermehrheit nach den Grundsätzen über das personelle Auswahlermessen auszuwählen ist.81 Will man die Störereigenschaft einer Person bestimmen, benötigt man zunächst Kriterien, mit denen man eine Person als Störer qualifizieren kann.82

I. Irrelevanz der Trennung zwischen Verhaltensund Zustandsstörer für die Zurechnung Das Polizeigesetz kennt zwei Störertypen83: Nach § 6 Abs. 1 PolG ist derjenige Störer, der durch sein Verhalten die Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung verursacht hat (sogenannter Verhaltensstörer84). Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand einer Sache bedroht oder gestört, ist nach § 7 PolG der Eigentümer oder derjenige, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, Störer (sogenannter Zustandsstörer85). Schließlich 81

Nitschke, Die materielle Polizeipflicht, S. 49. Es ist umstritten, ob man die Qualifikation einer Person als Störer bei der Prüfung des Tatbestands berücksichtigt, in einer gesonderten Prüfungsebene verortet oder als Ermessensgrenze betrachtet. Siehe dazu im Überblick: Kniesel, DÖV 1997, 905 ff. Er sieht die Qualifikation einer Person als Störer als eigene Prüfungsebene an. So auch: Schenke/Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 145; Di Fabio, Jura 1996, 566, 568. 83 Abgesehen von den zwei Störertypen können aufgrund des Tatbestands einiger Standardmaßnahmen noch weitere Personen als Adressat einer polizeilichen Maßnahme in Betracht kommen. Siehe dazu: VGH Mannheim, VBlBW 1982, 338, 340. 84 Synonym werden die Begriffe Handlungsstörer und Verhaltensverantwortlichkeit benutzt. Zu den Begriffen: Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, F, Rn. 222; Würtenberger/ Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 429; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn.  5; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn.  81; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 1. 85 Synonym wird der Begriff Zustandsverantwortlichkeit verwendet. Zu den Begriffen: Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, F, Rn.  222; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 434; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 33; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 114; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 1. 82

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

können unter den Voraussetzungen des § 9 PolG Maßnahmen gegenüber unbeteiligten Personen getroffen werden (sogenannter Nichtstörer86). Bei der Bestimmung der Störereigenschaft geht es also darum, eine Person in Abgrenzung zu § 9 PolG nach § 6 Abs. 1 PolG als Verhaltensstörer oder nach § 7 PolG als Zustandsstörer zu qualifizieren.87 Der Sinn und Zweck der Normen besteht darin, eine Verbindung zwischen der Person und der Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung herzustellen.88 Diese Verbindung wird als Zurechnung bezeichnet.89 Schlüsselt man die jeweiligen Zurechnungstatbestände der §§ 6 Abs. 1 und 7 PolG auf, lassen sich diese als Zurechnungsketten90 darstellen: Verhaltensstörer nach § 6 Abs. 1 PolG: Person → Verhalten → Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Zustandsstörer nach § 7 PolG: Person  → Zustand einer Sache  → Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Es stellt sich die Frage, an welcher Verbindung der einzelnen Kettenglieder man rechtliche Kriterien anknüpfen kann, um die Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einer Person zuzurechnen. Betrachtet man die Zurechnungskette des Verhaltensstörers, wird deutlich, dass die Verbindung Person-Verhalten für eine Anknüpfung rechtlicher Kriterien nicht geeignet ist. Das Verhalten ist vom Menschen nicht trennbar – ein Mensch verhält sich immer irgendwie.91 Entscheidend ist, ob das Verhalten zu einer Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geführt hat.92 Diese Verbindung muss 86 Die Inanspruchnahme unbeteiligter Personen wird auch als polizeilicher Notstand bezeichnet. Zum Begriff: Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, F, Rn. 261 ff.; Würtenberger/ Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 473; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 74 ff.; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 130; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 10, Rn. 1 ff. Der Begriff des Nichtstörers darf nicht mit den Begriffen der unbeteiligten Personen oder der Allgemeinheit gleichgesetzt werden. Als Nichtstörer wird eine unbeteiligte Person bezeichnet, die unter den Voraussetzungen des § 9 PolG in Anspruch genommen werden kann. Dazu Kießling, Jura 2016, 483: „[…] der Begriff des Nichtstörers [sollte] ausschließlich als Rechtsbegriff für den im polizeilichen Notstand Inanspruchgenommenen verwendet werden“. 87 Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 76. 88 Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 70: „Beide setzen voraus, dass eine besondere Nähebeziehung zwischen dem (oder den) Verantwortlichen und der drohenden Gefahr besteht, welche es rechtfertigt, dem Verantwortlichen […] die Gefahr zuzurechnen und ihm die Abwehr aufzugeben“. 89 Hollands, Gefahrenzurechnung im Polizeirecht, S. 38. 90 Siehe zur Darstellung dieser Zurechnungsketten: Hollands, Gefahrenzurechnung im Polizeirecht, S. 55. 91 Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S.  225: „Der Tatbestand der Handlungshaftung knüpft an individuelle Handlungen an, also an Realakte, die vom Menschen zu verantworten sind“. Dagegen Hollands, Gefahrenzurechnung im Polizeirecht, S. 55: „Person und Verhalten sind nicht naturwüchsig miteinander verbunden. Es ist das Recht, welches der Person eine leibliche Sphäre als ‚Eigentum‘ zuweist“. 92 Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 225.

B. Ebene der Qualifikation einer Person als Störer  

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also mit Hilfe rechtliche Kriterien hergestellt werden.93 Wirft man einen Blick auf die Zurechnungskette beim Zustandsstörer, ergibt sich ein umgekehrtes Bild. Hier steht der Zustand der Sache im untrennbaren Zusammenhang mit der Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.94 Daher kann der Anknüpfungspunkt für eine Zurechnung nur in der Verbindung der Person zur Sache liegen.95 Diese Verbindung zwischen Person und Sache ist also ebenfalls mit Hilfe rechtlicher Kriterien zu bestimmen.96 Der Qualifikation als Verhaltens- und Zustandsstörer liegen somit jeweils unterschiedliche Kettenglieder zugrunde, die mit Hilfe rechtlicher Kriterien verbunden werden müssen.97 Obwohl beim Verhaltensstörer und beim Zustandsstörer unterschiedliche Glieder verbunden werden müssen, können die rechtlichen Kriterien, mit denen diese Verbindung hergestellt wird, dieselben sein.98

II. Defizite der herkömmlich verwendeten rechtlichen Kriterien für eine Zurechnung in Rahmen der §§ 6 Abs. 1 und 7 PolG Zur Herstellung einer Verbindung zwischen Verhalten und Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Rahmen des § 6 Abs. 1 PolG gibt es zahlreiche Theorien, die jeweils an unterschiedliche rechtliche Kriterien anknüpfen. Schon die Fülle an Theorien zeigt, dass es Schwierigkeiten gibt, eindeutige rechtliche Kriterien für die Zurechnung zu finden. Die Verbindung zwischen einer Person und einer Sache bei § 7 PolG scheint sich hingegen mit eindeutigen rechtlichen Kriterien herstellen zu lassen, weil § 7 PolG selbst an die Eigentümerstellung oder die Inhaberstellung der tatsächlichen Gewalt anknüpft. Betrachtet man diese rechtlichen Kriterien genauer, ergeben sich aber auch hier Begründungsdefizite. Die Defizite sollen im Folgenden näher betrachtet werden.

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Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 225. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 320. 95 Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 225. 96 Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 225: „Die Zustandsverantwortlichkeit knüpft normativ an, nämlich an eine Sachherrschaft, die faktisch relationiert werden muß (Ausgehen der Gefahr)“. 97 Aus dem Vorhandensein unterschiedlicher Kettenglieder schließt Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 224 aber, dass „der Zusammenhang von Polizeipflichtigkeit und Verursachung bei der Zustandshaftung ein grundlegend anderer als bei der Handlungshaftung“ ist. 98 Für eine Irrelevanz der Trennung von Handlungs- und Zustandsstörer Hollands, Gefahrenzurechnung im Polizeirecht, S. 37: „Wenn beide Formen der Haftung einen gemeinsamen Grund haben, liegt es nahe, auch die Grenzen gemeinsam zu bestimmen. Dagegen Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 249: „Der Rechtsgrund der Zustandsstörerhaftung hat mit jenem der Handlungsverantwortlichkeit schlicht nichts gemein“. 94

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

1. Verhaltensstörer Zwischen Verhalten und Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung muss zumindest eine Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie bestehen.99 Wer keinen logisch ursächlichen Beitrag zur Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geleistet hat, kann niemals Störer sein. Jedoch wird die Äquivalenztheorie ganz überwiegend für zu weit gehalten.100 Denn dann wäre beispielsweise der Konstrukteur eines Kraftfahrzeugs bei jedem Unfall, an dem ein von ihm konstruiertes Kraftfahrzeug beteiligt ist, Störer. Im Strafrecht wird die Äquivalenztheorie beispielsweise durch die Theorie der objektiven Zurechnung oder die Irrtumslehre eingeschränkt. Im Polizeirecht ist eine Einschränkung schwieriger, da dieses flexibel genug sein muss, um beispielsweise auch auf atypische Situationen zu reagieren.101 Teilweise wird darauf abgestellt, ob das Verhalten rechtswidrig war (sogenannte Theorie der rechtswidrigen Verursachung).102 Das führt aber dann nicht weiter, wenn Rechtsnormen fehlen, die solche Situationen regeln.103 Teilweise wird bei fehlenden Rechtsnormen auf die Sozialadäquanz abgestellt.104 Allerdings ist der Begriff der Sozialadäquanz stark wertungsabhängig und lässt sich nicht präzise definieren.105 Überwiegend wird die Theorie der unmittelbaren Verursachung vertreten.106 Danach ist Störer, wer die Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unmittelbar verursacht hat. Eine unmittelbare Verursachung soll dann vorliegen, wenn die sogenannte Gefahrenschwelle überschritten wurde.107 99 Das ist unbestritten: Schink, VerwArch 1991, 357, 369 „erforderliches […] Kriterium“; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 241: „notwendige […] Bedingung“; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, F, Rn.  224 „Ausgangspunkt aller Lösungsversuche ist die sogenannte ‚conditio-sine-qua-non-Formel‘“. Genauer zum Begriff der Kausalität: Vieth, Rechtsgrundlagen der Polizei- und Ordnungspflicht, S. 24. 100 Selmer, JuS 1992, 97; Moser, Verursachungstheorie, S. 51. 101 Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, § 15, Rn. 490. 102 Beispielsweise vertreten von Schnur, DVBl 1962, 1 ff. und Vollmuth, VerwArch 1977, 45 ff.: „Die wertende Beurteilung hat sich in erster Linie an den in der Rechtsordnung manifesten Maßstäben auszurichten. Dabei sind Normen aus allen Rechtsbereichen heranzuziehen […]“. 103 Schoch, JuS 1994, 932, 933. Siehe ausführlich: Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 123 ff. 104 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5, Rn. 339: „[Die Sozialadäquanz] erhält die Vorteile der Rechtswidrigkeitslehre und vermeidet zugleich deren Nachteile, indem auch rechtlich ungeregelte Fälle erfasst werden können“. 105 Schoch, JuS 1994, 932, 933: „Wegen ihrer Unbestimmtheit hat sich diese Lehre nicht durchsetzen können“. 106 PrOVGE 103, 139, 141; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 387, 388; Schoch, JuS 1994, 932, 933; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, F, Rn. 225; Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, § 15, Rn.  490; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 11; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 91; Götz, Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, § 9, Rn. 12. 107 Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 86; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S.  313: „[…] und damit die Gefahren-

B. Ebene der Qualifikation einer Person als Störer  

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Diese soll bei der Person überschritten sein, die in der Ursachenkette die zeitlich letzte Ursache gesetzt hat.108 Damit ist die Ursache gemeint, die als letzte Ursache zu einem Schadenseintritt geführt hat.109 Zwar mag das Unmittelbarkeitskriterium zunächst präzise klingen, eindeutige Ergebnisse liefert es aber nicht.110 An seine Grenzen gerät das Unmittelbarkeitskriterium vor allem dann, wenn mehrere Ursachen vorliegen, die zeitlich gestaffelt sind und deren Verursachungsbeitrag unterschiedlich stark ausfällt. Um diese Problemfälle handhaben zu können, wurden innerhalb der Theorie der unmittelbaren Verursachung Fallgruppen gebildet. Zu nennen ist insbesondere die Fallgruppe des sogenannten Zweck­ veranlassers.111 2. Zustandsstörer Indem § 7 PolG an die Eigentümerstellung oder die Inhaberstellung der tatsächlichen Gewalt anknüpft, scheinen die rechtlichen Kriterien für die Zurechnung zunächst klar zu sein. Wer Eigentümer einer gefährlichen Sache ist, wird nach den zivilrechtlichen Vorschriften bestimmt.112 Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist die Person, die die tatsächliche Sachherrschaft113 ausübt. Will man aber wissen, aus welchen Gründen eine Zustandshaftung existiert, stößt man auf Begründungsschwierigkeiten. Als Grund für die Zustandshaftung des Eigentümers wird die mit der wirtschaftlichen Nutzung und Verwertung des Sacheigentums korrespondierende öffentlich-rechtliche Pflicht angesehen, die sich aus der Sache ergebenden Lasten und die mit der Nutzungsmöglichkeit verbundenen Risiken zu tragen.114 Mit dieser Begründung drängt sich die Frage auf, ob eine korrespondierende öffentlich-rechtliche Pflicht auch dann besteht, wenn eine wirtschaftliche Nutzung der Sache nicht möglich ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn bei-

grenze überschreitet“; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8, Rn. 91: „[…] unmittelbar die Gefahrenschwelle überschreitet“. 108 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 12: „Es stellt dabei rechtsstaatlich restriktiv grundsätzlich auf die letzte Ursache einer Gefahr ab“. 109 Siehe beispielsweise bei: Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 12. 110 Muckel, DÖV 1998, 18, 21: „In Wahrheit handelt es sich um ein scheinformales Merkmal, das die entscheidenden Wertungen allenfalls stützt. Es ist bisher nicht gelungen, für die wertende Betrachtungsweise gemäß der Unmittelbarkeitstheorie abstrakte Kriterien zu bilden“; Vieth, Rechtsgrundlagen der Polizei- und Ordnungspflicht, S. 53. 111 Dazu noch genauer unten Kapitel 5 B. IV. 1. 112 VGH Mannheim, NJW 1998, 624, 625: „Wer Eigentümer einer Sache ist, bestimmt sich nach dem bürgerlichen Recht“; Wallerath/Strätker, JuS 1999, 127, 131; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 434, Fn. 444. 113 Der Begriff der tatsächlichen Sachherrschaft im Sinne des Polizeirechts ist nicht deckungsgleich mit dem Besitz nach §§ 854 ff. BGB. Die tatsächliche Sachherrschaft hat beispielsweise auch der Besitzdiener. 114 BVerfGE 102, 1, 18; Binder, Zustandshaftung als Gefährdungstatbestand, S. 30; Papier, NVwZ 1986, 256, 261.

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spielsweise durch Zerstörung oder Beschädigung der komplette wirtschaftliche Wert der Sache entzogen wird.115 Als Grund für die Zustandshaftung des Inhabers der tatsachlichen Gewalt wird zudem die durch die Sachherrschaft vermittelte Einwirkungsmöglichkeit116 auf die Sache angeführt.117 Eine Einwirkungsmöglichkeit kann aber auch der Nichtstörer haben. Dessen Einwirkungsmöglichkeiten auf eine gefährliche Sache können sogar weitaus besser sein, wenn er beispielsweise Spezialkenntnisse besitzt, wie eine Sache zu handhaben ist.118 Der Nichtstörer kann aufgrund dieser besseren Ein­ wirkungsmöglichkeit aber nicht plötzlich zum Zustandsstörer werden. Die bloße Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache vermag somit keine Begründung für eine Zustandshaftung zu liefern.

III. Zurechnung als Abwägung zwischen Freiheit und Verantwortung Es hat sich gezeigt, dass die üblichen Zurechnungskriterien sowohl für die Begründung einer Handlungsverantwortlichkeit als auch für die einer Zustandsverantwortlichkeit Defizite aufweisen. Diese Defizite können in bestimmten Situationen ohne Korrektur zu Wertungswidersprüchen führen. Um verstehen zu können, warum das so ist, muss man zunächst verstehen, welche Aufgabe die Zurechnungskriterien erfüllen müssen, die eine Verbindung zwischen Verhalten und Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beim Verhaltensstörer sowie zwischen Person und Zustand der Sache beim Zustandsstörer herstellen sollen. Einen Hinweis auf diese Aufgabe könnte der systematische Zusammenhang der §§ 6 Abs. 1 und 7 PolG mit § 9 PolG liefern. Nach § 9 Abs. 1 PolG kann die Polizei gegenüber anderen als den in den §§ 6 und 7 PolG bezeichneten Personen ihre Maßnahmen nur dann treffen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann, insbesondere wenn die eigenen Mittel der Polizei nicht ausreichen oder wenn durch Maßnahmen nach den 115

Im Überblick: Kniesel, BB 1997, 2009 ff.; Pischel, JA 1999, 43 ff.; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 434, Fn. 439 ff. 116 Zu den verfassungsrechtlichen Zusammenhängen: Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 128. 117 BVerwG, NJW 1986, 1626, 1627: „Wer die Sachherrschaft innehat, kann und muß dafür sorgen, daß andere – insb. die Benutzer der Sache – nicht durch ihren gefährlichen Zustand gestört oder gar geschädigt werden“; OVG Hamburg, NJW 1992, 1909, 1910: „Die Zustandshaftung des Eigentümers findet ihren tieferen Grund also gerade darin, daß der Eigentümer nicht nur rechtlich, sondern in aller Regel auch tatsächlich zur Ausübung der Gewalt über die Sache in der Lage ist oder, wenn er die Sachherrschaft vorübergehend verloren hat, wenigstens imstande ist, sie wiederherzustellen“; Schoch, JuS 1994, 932, 935. 118 Hollands, Gefahrenzurechnung im Polizeirecht, S. 46.

B. Ebene der Qualifikation einer Person als Störer  

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§§ 6 bis 8 ein Schaden herbeigeführt würde, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Zudem kann nach § 55 Abs. 1 Satz 1 PolG in den Fällen des § 9 Abs. 1 PolG derjenige, gegenüber dem die Polizei eine Maßnahme getroffen hat, eine angemessene Entschädigung für den ihm durch die Maßnahme entstandenen Schaden verlangen.119 Gegenüber unbeteiligten Personen können also nur nachrangig Maßnahmen getroffen werden, zeitlich muss die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unmittelbar bevorstehen oder bereits eingetreten sein, und an die Inanspruchnahme ist grundsätzlich ein Entschädigungsanspruch geknüpft. Im Umkehrschluss zu § 9 Abs. 1 PolG kann jeder Handlungsund Zustandsstörer entschädigungslos zur Gefahrenabwehr herangezogen werden. Die Qualifikation einer Person als Verhaltensstörer und Zustandsstörer im Sinne der §§ 6 Abs. 1 und 7 PolG dient also dazu, aus dem Kreise aller als Adressat der Maßnahme in Betracht kommenden Personen vorrangig diejenigen auszuwählen, die die Gefahr entschädigungslos abzuwehren haben.120 Es stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit Personen als Störer im Sinne der §§ 6 Abs. 1 und 7 PolG die Gefahr entschädigungslos abzuwehren haben. Diese Voraussetzungen müssen dann durch die rechtlichen Kriterien für eine Zurechnung erfasst werden. Durch die Qualifikation einer Person als Handlungs- oder Zustandsstörer nach den §§ 6 Abs.  1 und 7 PolG wird festgelegt, wer Adressat der Maßnahme sein kann und damit die durch die gefahrenabwehrende Maßnahme betroffenen grundrechtlich geschützten Güter einer Person individualisiert, die bei der Prüfung der Rechtsfolgen der Maßnahme berücksichtigt werden müssen.121 § 9 Abs. 1 PolG gibt für die Inanspruchnahme grundrechtlich geschützter Güter unbeteiligter Personen von Beginn an strengere Voraussetzungen vor. Diese erhöhten Anforderungen haben den Sinn und Zweck schon bei der Qualifikation einer Person als Störer sicherzustellen, dass eine Maßnahme gegenüber dieser Person bei der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf der Ebene der Rechtsfolgen verhältnismäßig sein kann.122 Konkret muss berücksichtigt werden, dass durch den niedrigeren Verantwortungsgrad der unbeteiligten Person für die Gefahr eine Maßnahme einerseits schnell unangemessen sein kann. Andererseits wird die un 119 Zu Kosten- und Entschädigungsansprüchen im Falle der Inanspruchnahme unbeteiligter Personen: Kießling, Jura 2016, 483, 493. 120 Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S.  11: „Dieser Grundsatz von der Entschödigungslosigkeit [sic] des Störers ist für die Auslegung der Tatbestände der Verhaltens- und der Zustandshaftung von großer Bedeutung, denn nur die Zurechnungslehre kann den gesetzgeberischen Zurechnungsvorstellungen entsprechen, welche dem einzelnen nicht mehr an Verantwortlichkeit zuordnet, als ihn (entschädigungslos) zugemutet werden kann“; Schink, VerwArch 1991, 357, 369. 121 Erichsen, VVDStRL 1977, 171, 203: „Mit der Bestimmung der ordnungs- und polizeirechtlichen Verantwortlichkeit wird festgelegt, gegen wen sich der Eingriff richtet. Damit wird das für die Güterabwägung im Einzelfall vorhandene Gegengut individualisiert und, je nach Inhalt der in Betracht kommenden Maßnahme, konkretisiert“. 122 Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 338.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

beteiligte Person geschützt, weil ihr niedriger Verantwortungsgrad nicht bei der Störerauswahl im Rahmen der Teilanforderung der Erforderlichkeit berücksichtigt wird.123 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erlangt mithin bereits mittelbar bei der Qualifikation einer Person als Störer an Bedeutung.124 Für den Handlungs- und Zustandsstörer nach den §§ 6 Abs. 1 und 7 PolG ist somit aufgrund des Zusammenhangs mit § 9 PolG ein höherer Verantwortungsgrad für die Gefahr im Gegensatz zu unbeteiligten Personen nach § 9 PolG charakterisierend. Die Zurechnungskriterien haben daher die Aufgabe, diesen erhöhten Verantwortungsgrad von Personen für die Gefahr abzubilden. Will man wissen, welche Zurechnungskriterien für die Qualifikation einer Person als Störer heranzuziehen sind, muss man deshalb danach fragen, wie man die erhöhte Verantwortung von Personen für die Gefahr rechtlich abbilden kann und welche Größen diese Abbildung beeinflussen. Abstrakt lassen sich die beeinflussenden Größen als Abwägungsvorgang zwischen der Ausübung grundrechtlicher Freiheit und der daraus resultierenden Verantwortung beschreiben.125 Mit der Ausübung von grundrechtlicher Freiheit korrespondiert notwendig die Verantwortung, Schäden, die aus der Freiheitsausübung resultieren, zu verhindern oder zu beseitigen.126 Dieser Grundsatz gilt sowohl für die Verhaltenshaftung als auch für die Zustandshaftung.127 Möchte man diesen Abwägungsvorgang mit bestimmteren rechtlichen Kriterien beschreiben, gelangt man jedoch an Grenzen. Es ist aufgrund der Vielzahl der Fallgestaltungen nicht möglich, den fließenden Prozess einer Abwägung mit vorformulierten Kriterien zu erfassen. Die Abwägung ist vielmehr eine Wertungsentscheidung.128 Damit offenbart sich das Dilemma der Zurechnungskriterien. Es ist 123

Dazu siehe oben Kapitel 5 A. III. 2. e) bb). Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn.  246 deutet die Relevanz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Qualifikation einer Person als Störer im Zusammenhang mit der Rechtsfigur des Zweckveranlassers an. 125 Diesen Abwägungsvorgang arbeitet Hollands, Gefahrenzurechnung im Polizeirecht, S. 41 heraus: „Das beschriebene Synallagma von Freiheit und Verantwortung ist universal. […] Wer Freiheit beansprucht, muss für die dabei entstehenden Gefahren haften“. Weiterhin: Fezer, JZ 1990, 657, 661. 126 Gusy, JZ 1982, 657, 661. 127 So insbesondere Hollands, Gefahrenzurechnung im Polizeirecht, S. 41: „Ob jemand für die Folgen seines eigenen Verhaltens einsteht (es geht um das Korrelat von Verhaltensfreiheit und Verhaltensverantwortung) oder für die Folgen seiner Sachen (dann ist das Synallagma von Eigentumsfreiheit und Eigentümerverantwortung angesprochen), spielt bei der Haftungsbegründung keine Rolle. Die Ratio der Haftung ist in beiden Fällen die gleiche […] “. Zur verfassungsrechtlichen Verankerung dieses Abwägungsverhältnisses mit jeweils unterschiedlichen Ansätzen: BVerfGE 30, 173, 192; 67, 213, 228; Kriele, JA 1984, 629; Dürig, AöR 1953/1954, 57, 80, Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 2, Rn. 49; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 10, Rn. 310. 128 Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn.  243: „Alle drei Theorien stimmen darin überein, dass die Bestimmung der polizeirechtlichen Verursachung ein Wertungsproblem ist“; Schink, VerwArch 1991, 357, 370 f.: „Freilich wollen auch die Vertreter der Unmittelbarkeitslehre nicht allein anhand ontologischer Kriterien, also nicht nach einem rein zeitlichen Maßstab entscheiden. Betont wird vielmehr das Erfordernis wertender Betrachtungen im Einzelfall“; 124

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unmöglich, Zurechnungskriterien zu formulieren, die für alle Situationen eindeutige Ergebnisse liefern. Deswegen muss man sich von der Vorstellung verabschieden, dass es starre Kriterien im Sinne einer einzigen Zurechnungstheorie gibt, mit denen sich diese Abwägung genau vorhersagen lässt und mit denen man immer zu eindeutigen ja/nein Ergebnissen gelangt.

IV. Erklärung der Wertungswidersprüche Begreift man die Qualifikation einer Person als Störer als Abwägungsvorgang zwischen der Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheit und der daraus resultierenden Verantwortung, ist es möglich, die bestehenden Wertungswidersprüche zu erklären.129 Wie konkret dieser Abwägungsvorgang vorzunehmen ist, soll im Folgenden an den Beispielen des Zweckveranlassers und der Begrenzung der Zustandshaftung gezeigt werden. 1. Zweckveranlasser Das klassische Beispiel für die Rechtsfigur des Zweckveranlassers ist der Schaufensterpuppenfall.130 Durch effekthascherische Schaufensterwerbung eines Ladeninhabers wurde ein Massenauflauf von Passanten herbeigeführt, der Verkehrsbehinderungen verursachte. Stellt man nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung auf die zeitliche letzte Ursache vor Eintritt des Schadens ab, sind die Passanten Verhaltensstörer. Dass der Ladeninhaber kein Störer sein soll, obwohl er durch die Schaufensterwerbung den Anreiz zum Stehenbleiben gesetzt hat, wird als wertungswidersprüchlich angesehen.131 Als Lösung wurde die Rechtsfigur des Zweckveranlassers entwickelt.132 Zur Entscheidung, ob jemand Zweckveranlasser Muckel, DÖV 1998, 18, 21: „Es besteht breite Übereinstimmung darüber, daß die Entscheidungsfindung auf ihrer Grundlage nichts anderes ist als ein Akt wertender Erkenntnis“. 129 So auch: Pietzcker, DVBl 1984, 457, 458. 130 PrOVGE 40, 216 „mechanische Puppen“; 85, 270 „Botenjunge“. Ein weiterer Schulfall ist der Borkumlied-Fall PrOVGE 80, 176. Ein Überblick findet sich bei: Widder, Polizeipflicht des Zweckveranlassers, S. 7 ff. 131 v. Mutius, Jura 1983, 298, 305. 132 Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 315. Problematisch ist zudem, dass der Begriff des Zweckveranlassers unterschiedlich verwendet wird. Manche verwenden den Begriff des Zweckveranlassers nur, wenn eine mittelbare Verursachung vorliegt, also wenn diese Person schon gar nicht die sog. Gefahrenschwelle überschreitet, z. B.: Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 26, Rn. 326. Andere verwenden den Begriff des Zweckveranlassers zur Charakterisierung einer Situation, z. B.: v. Mutius, Jura 1983, 298, 305. Die unterschiedliche Behandlung des Begriffs des Zweckveranlassers resultiert aus einer unterschiedlichen Definition der sog. Gefahrenschwelle. Sieht man diese nur hinsichtlich des Letztverursachers als überschritten an, wird der sog. mittelbare Verursacher als Zweckveranlasser bezeichnet. Kann die Gefahrenschwelle aber nicht nur vom Letztverursacher überschritten werden, so wird der Begriff des Zweckveranlassers zur Charakterisierung dieser Situation verwendet.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

ist, stellen manche darauf ab, ob das Verhalten der Passanten subjektiv133 bezweckt wurde, andere, ob das Verhalten der Passanten objektive Folge134 der Schaufensterwerbung ist, und wieder andere kombinieren135 beide Ansätze. Die Rechtsfigur des Zweckveranlassers ist im Rahmen der Theorie der unmittelbaren Verursachung allerdings nur notwendig, wenn man annimmt, dass nur die Person Störer ist, die den zeitlich letzten Verursachungsbeitrag vor dem Schadenseintritt gesetzt hat.136 Begreift man die Qualifikation einer Person als Verhaltensstörer im Sinne des § 6 Abs. 1 PolG hingegen als Abwägungsvorgang zwischen der Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheit und der daraus resultierenden Verantwortung, so kann auch jemand Verhaltensstörer sein, der nicht den zeitlich letzten Verursachungsbeitrag vor dem Schadenseintritt gesetzt hat. Die Schwierigkeit besteht beim Zweckveranlasser somit nicht in der Frage, ob ein zeitlich vorgelagerter Verursacherbeitrag überhaupt berücksichtigt werden kann, sondern in der Wertung der Gewichtigkeit des Verantwortungsbeitrages.137 Somit haben die unterschiedlichen Zweckveranlassertheorien den Sinn und Zweck, die Gewichtigkeit des Verantwortungsbeitrages des Inanspruchzunehmenden zu charakterisieren. Dazu benötigt man aber keine eigene Rechtsfigur. Es besteht damit in der beschriebenen Vorgehensweise kein Unterschied zu der Qualifikation anderer Personen als Störer. Die Rechtsfigur des Zweckveranlassers wird aber nicht nur zur Erfassung von zeitlich gestaffelten Verursachungsbeiträgen als notwendig angesehen, sondern soll auch zur Lösung solcher Fälle beitragen, in denen der Inanspruchzunehmende an sich rechtmäßig handelt.138 Fraglich ist, ob es zur Zurechnung rechtmäßigen 133 Haseloff-Grupp, VBlBW 1999, 79: „[…] daß er die Störung durch den Dritten will“; Zeitler, VBlBW 1996, 44, 47; Selmer, JuS 1992, 97, 100: „[…] nur die besonderen Anforderungen an die Verantwortlichkeit des Zweckveranlassers mit ihren subjektiven Elementen […]“. 134 OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 638, 639: „Die Figur des ‚Zweckveranlassers‘ stellt jedoch nicht auf subjektiv-intentionale Herbeiführungen ab. Entscheidend ist vielmehr der objektive Wirkungs- und Verantwortungszusammenhang“; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 21: „[…] auf die subjektive, innere Einstellung kann es nicht ankommen“; Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 226: „Für die Abgrenzung vom Nichtstörer ist maßgebend eine objektive Betrachtungsweise“. 135 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1995, 663: „[…] so ist doch zu berücksichtigen, daß nur derjenige als Zweckveranlasser und damit als Verhaltensstörer anzusehen ist, der eine Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit herbeiführt, indem er den Erfolg, d. h. die Störung, subjektiv bezweckt oder wenn diese sich als Folge seines Verhaltens zwangsläufig einstellt“; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 448. 136 Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 26, Rn. 326. 137 Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 315; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 448 sprechen von „schwer zu entscheidenden Wertungsproblemen“. Widder, Polizeipflicht des Zweckveranlassers, S. 118 sieht im Wesentlichen ein Wertungsproblem bei der Rechtsfigur des Zweckveranlassers. Er lehnt aber die Rechtsfigur des Zweckveranlassers ab, weil diese nach seiner Ansicht gegen Grundrechte verstößt. 138 Das Problem des rechtmäßigen Handelns ist laut Erbel, JuS 1985, 257, 260 das zentrale Problem der Theorie von der Zweckveranlassung.

B. Ebene der Qualifikation einer Person als Störer  

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Handelns der Rechtsfigur des Zweckveranlassers bedarf. Zunächst ist das rechtmäßige Handeln kein ausschließliches Charakteristikum des Zweckveranlassers. Ein Störer kann auch rechtmäßig handeln. Das zeigt sich schon an der auch von den Vertretern der Theorie der unmittelbaren Verursachung erkannten Notwendigkeit, zur Qualifikation einer Person als Störer nicht alleine auf Rechtsnormen abzustellen.139 Die Rechtsfigur des Zweckveranlassers wird mithin nicht benötigt, um Fälle des rechtmäßigen Handelns zu erfassen. Vielmehr stellt sich auch in diesen Fällen die Wertungsfrage, ob durch ein rechtmäßiges Handeln die Verantwortung des Inanspruchzunehmenden in Abwägung zur Ausübung seiner grundrechtlichen Freiheit so hoch sein kann, dass dieser als Störer im Sinne der §§ 6 und 7 PolG qualifiziert werden kann. Die Rechtsfigur des Zweckveranlassers ist somit insgesamt entbehrlich.140 2. Begrenzung der Zustandsstörereigenschaft Nach § 7 PolG „hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder gegenüber demjenigen zu treffen, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt“. Aus dem Wortlaut könnte man schließen, dass der Eigentümer einer Sache oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über eine Sache für alle Bedrohungen oder Störungen durch den Zustand der Sache verantwortlich ist. Eine solche unbegrenzte Verantwortlichkeit des Eigentümers oder Inhabers der tatsächlichen Gewalt wird für manche Fallgestaltungen aber als zu weitgehend empfunden. Insbesondere bei den sogenannten Altlastenfällen141 wurde eine Begrenzung der Zustandshaftung diskutiert.142 Diese Fälle sind heute aufgrund der spezielleren Regelung des § 4 Abs. 2 und Abs. 3 BBodSchG nicht mehr nach § 7 PolG zu beurteilen.143 Fallgestaltungen, die nach § 7 PolG zu beurteilen sind, ergeben sich insbesondere, wenn eine Sache aufgrund der Einwirkung von höherer Gewalt, Krieg, Zufall oder nicht nutzungsberechtigter Dritter die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht oder stört.144 Als Beispiele sind das durch einen Orkan vollkommen zerstörte Grundstück oder die auf ein Grundstück umgekippte LKW-Ladung zu nennen. Der Eigentümer sieht sich in solchen Fallgestaltungen in einer Opferposition.145 139

Siehe dazu z. B.: Schoch, JuS 1994, 932, 933. Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 27 ff. lehnen die Rechtsfigur des Zweckveranlassers ebenfalls ab. Sie argumentieren allerdings damit, dass es beim Zweckveranlasser um „Unterstellungen – aus praktischen Gründen“ ginge und man den Zweckveranlasser nur als Nichtstörer in Anspruch nehmen könne. Ähnlich: Erbel, JuS 1985, 257, 263. 141 Die Altlast ist in § 2 V BBodSchG legaldefiniert. 142 Siehe im Überblick: Papier, NVwZ 1986, 256 ff.; Schwerdtner, NVwZ 1992, 141 ff. 143 Die Frage nach einer Begrenzung der Zustandsstörereigenschaft stellt sich in der Sache aber auch bei § 4 Abs. 2 und Abs. 3 BBodSchG. Dazu: Mohr, NVwZ 2003, 686. 144 Siehe zu den Fallgruppen: Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 61; Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, F, Rn. 245. 145 Pape, NJW 1992, 2661, 2665; Kirchhof, in: Liber amoricum Thomas Oppermann, 639, 641; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 61. 140

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

Teilweise wird angenommen, dass diese Opferposition bei der Störerbestimmung irrelevant sei.146 Es wird angeführt, dass der Wortlaut von § 7 PolG insoweit eindeutig sei und Verhältnismäßigkeitserwägungen der Rechtsfolgenseite vorbehalten seien.147 Eine Begrenzung der Zustandsstörerhaftung aufgrund der Opferposition des Eigentümers ist danach nicht möglich. Etwas anderes könnte sich aber ergeben, wenn man, wie auch bei der Verhaltensverantwortlichkeit, den Grund für die Zustandsverantwortlichkeit in einer Abwägung zwischen der Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheit und der daraus resultierenden Verantwortung sieht.148 Dieses Abwägungsverhältnis kommt für die Zustandshaftung des Eigentümers oder Inhabers der tatsächlichen Gewalt149 in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG zum Ausdruck.150 Mit der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG korreliert die Verpflichtung des Gebrauchs des Eigentums zum Wohle der Allgemeinheit nach Art. 14 Abs. 2 GG als Verantwortung.151 Geht nach § 7 PolG von einer Sache eine Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung aus, folgt schon aus Art. 14 Abs. 2 GG, dass der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt grundsätzlich für diese Sache verantwortlich ist. Wenn man also zwischen der Ausübung der grundrechtlichen Freiheit aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und der daraus sich ergebenden Verantwortung für die Sache abwägt, überwiegt aufgrund von Art. 14 Abs. 2 GG grundsätzlich die Verantwortung für die Sache. Dieses durch Art. 14 Abs. 2 GG determinierte Verhältnis des grundsätzlichen Überwiegens der Verantwortung für die Sache kommt in § 7 PolG zum Ausdruck, der scheinbar keine Ausnahme von der Verantwortung 146 In Bezug auf Risiken der Allgemeinheit: OVG Koblenz, NJW 1998, 625, 626; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 9, Rn. 61. Generell: VGH München, NVwZ 1986, 942. Eine Beschränkung der Sozialbindung aus Art. 14 Abs. 2 GG bejaht z. B. Schoch, JuS 1994, 1026, der auf die Möglichkeit verweist, bei der Prüfung der Rechtsfolgen Härten bei der Störerauswahl zu berücksichtigen. 147 Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S.  320: „Im Wortlaut der geltenden Gesetze finden diese – vom angestrebten Ergebnis her verständlichen – Tendenzen keine Stütze. Die Gesetzgeber haben auch eine Freistellung von der Zustandshaftung für bestimmte Fälle nicht beabsichtigt“. 148 Friauf, in: FS Wacke 293, 298. 149 Das ist der Fall, wenn man davon ausgeht, dass zumindest der rechtmäßige Besitz auch in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fällt. Dafür: BVerfGE 89, 1, 7; Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 14, Rn. 201 f.; Gaier, in: FS Krämer zum 70. Geburtstag, 29, 31; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 120; Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 251. 150 Haack, in: FS Juristenfakultät Leipzig, 619: „[…] Zusammenhang von Nutzungsmöglichkeit und Risikohaftung“; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S.  74 sieht hingegen den Grund für die Zustandsverantwortlichkeit in einer schnellen und effektiven Gefahrenabwehr. 151 BVerfG 102, 1, 18 f.: „Die Zustandsverantwortlichkeit findet ihren Grund in der mit dem Eigentum verbundenen Sachherrschaft sowie in der Verbindung von Vorteilen und Lasten der Sache“; Friauf, in: FS Wacke 293, 298; Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 251; Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr, S. 119; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 51.

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des Eigentümers einer Sache oder des Inhabers der Tatsächlichen Gewalt über eine Sache zulässt. Von der grundsätzlich überwiegenden Verantwortung können sich aber auch Ausnahmen ergeben, die dann eine verfassungsrechtliche Reduktion des § 7 PolG erforderlich machen.152 Das ist dann der Fall, wenn nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG die Eigentumsfreiheit nicht ausgeübt werden kann, weil faktisch keine Eigentumsverwendung mehr möglich ist.153 Kann die Eigentumsfreiheit nicht ausgeübt werden, so besteht aufgrund der Abhängigkeit zwischen Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und der Verpflichtung des Gebrauchs des Eigentums zum Wohle der Allgemeinheit keine Verpflichtung des Eigentümers aus Art.  14 Abs. 2 GG mehr. Es stellt sich damit die Frage, welche Bedingungen vorliegen müssen, damit man davon ausgehen kann, dass die Eigentumsfreiheit nicht mehr ausübbar ist. Diese Bedingungen markieren dann die sogenannte Opfergrenze. Aus dem Inhalt des sachlichen Schutzbereiches des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ergibt sich, dass diese Bedingungen jedenfalls nur von der jeweiligen konkreten Eigentumsposition abhängig sein können.154 Wirtschaftliche Faktoren außerhalb dieser Eigentumsposition wie beispielsweise das Vermögen des Eigentümers haben keinen Einfluss.155 Die Berücksichtigung solcher Faktoren würde zu dem Ergebnis führen, dass das individuelle Vermögen über die Zustandshaftung entscheidet.156 Personen mit hohem Vermögen müssten unbegrenzt haften, so dass der Korrelationsgedanke unterlaufen würde, Personen mit niedrigem Vermögen würde hingegen privilegiert. Kommt es also nur auf die geschützte Eigentumsposition an, ist danach zu fragen, wann die Eigentumsfreiheit hinsichtlich der geschützten Eigentumsposition nicht mehr ausgeübt werden kann.157 Man könnte darauf abstellen, welchen individuellen Wert eine Eigentumsposition hat. Das würde aber dazu führen, dass subjektive Vorstellungen die Zustandsstörerhaftung beeinflussen könnten. Somit ist zu bestimmen, welchen objektiven Wert die Eigentumsposition hat. Der objektive Wert wird durch den Verkehrswert der jeweiligen Eigentumsposition bestimmt. 152

Papier, NVwZ 1986, 256, 261. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 251; Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S.  51: „Aufgrund jener grundgesetzlichen Maßgaben im Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 GG bedarf die polizeirechtliche Zustandshaftung aber der verfassungsrechtlichen Reduktion, wenn und soweit die von der Sache ausgehende Gefahr oder Störung auf einem Ausschluß oder einer Verhinderung (jeder) privatnützigen Eigentumsverwendung basiert“; Friauf, in: FS Wacke 293, 301 ff. In der Tendenz auch: Czychowski, DVBl 1970, 379, 384. 154 Hohmann, DVBl 1984, 997, 1000. 155 Anders BVerfGE 102, 1, 21, das neben dem Verkehrswert auch auf das Vermögen abstellt. Ähnlich: Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 53. 156 Siehe zur damit verbundenen Gefährdung der Effektivität der Gefahrenabwehr: Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 72 f. 157 Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S.  53: „Die Wahrung der Privat­ nützigkeit bestimmt sich also nach der Rentabilität der konkreten Eigentumsverwendung aus der objektiven Sicht eines vernünftig denkenden Durchschnittseigentümers der fraglichen Sach­gattung“. 153

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

Die Eigentumsfreiheit kann hinsichtlich der jeweiligen Eigentumsposition mithin dann nicht mehr ausgeübt werden, wenn mit der Inanspruchnahme des Eigentümers oder Inhabers der tatsächlichen Gewalt Kosten verbunden sind, die den Verkehrswert der Eigentumsposition übersteigen. Somit ist das Übersteigen des Verkehrswerts der Eigentumsposition die Bedingung, ab der die Eigentumsfreiheit faktisch nicht mehr ausgeübt werden kann, und markiert damit die Opfergrenze.158 Wenn die Kosten der Inanspruchnahme den Verkehrswert der Sache übersteigen, bedeutet das aber nicht automatisch, dass dann die Eigentumsfreiheit faktisch nicht mehr ausgeübt werden kann. Ein Automatismus würde zu einer allgemeinen Haftungsbeschränkung auf den Verkehrswert einer Sache führen. Darüber hinausgehende Kosten der Inanspruchnahme würden somit immer der Allgemeinheit aufgebürdet. Dieses Ergebnis ist beispielsweise im Falle einer vorsätzlichen Herbeiführung der Bedrohung oder Störung der öffentliche Sicherheit oder Ordnung ebenso wie bei bewusst in Kauf genommenen Risiken nicht tragbar. Liegt ein Verschulden des Eigentümers oder Inhabers der tatsächlichen Gewalt vor oder hat dieser Risiken bewusst in Kauf genommen, um beispielsweise wirtschaftliche Vorteile aus der jeweiligen Eigentumsposition zu erlangen159, ist dies in der Korrelation zwischen Eigentumsfreiheit und der Verpflichtung des Gebrauchs des Eigentums zum Wohle der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Aus einer besonders risikoreichen Ausübung von Eigentumspositionen erfolgt auch eine höhere Verantwortung.160 Eine Opferposition liegt mithin nur vor, wenn die Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung jeden hätte treffen können und dadurch die Betroffenheit des Eigentümers nur auf Zufall beruht. An einem Zufall fehlt es mithin bei Verschulden oder aber auch, wenn die Sache durch ihre Lage im Raum besondere Risiken hervorruft.161 Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das Überschreiten der Opfergrenze durch die Inanspruchnahme auf die Zustandshaftung nach § 7 PolG hat.162 Teilweise wird angenommen, dass das Überschreiten der Opfergrenze durch die Inanspruchnahme nichts an der Zustandsstörereigenschaft des Eigentümers ändere.163 158 BVerfGE 102, 1, 20: „Wird der Verkehrswert von den Kosten überschritten, entfällt in der Regel das Interesse des Eigentümers an einem künftigen privatnützigen Gebrauch des Grundstücks“. Dagegen: Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 259. Er sieht in der Verkehrswertgrenze eine unzulässige Gleichsetzung von Privatnützigkeit und Wirtschaftlichkeit. Auf eine wirtschaftliche Verwertung der Eigentumsposition stellt Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 323 ab. 159 Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 7, Rn.  7: „So kann etwa dem Eigentümer, der das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat, eine höhere Belastung zugemutet werden“. Dagegen Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers, S. 63: „Dies läuft dem polizeirechtlichen Grundsatz zuwider, daß die Ursache einer Gefahr unerheblich für die Zustandsstörereigenschaft ist“. 160 Diese Verantwortung zeigt sich beispielsweise beim Betrieb risikoreicher Anlagen. 161 BVerwGE 106, 42, 48; BGHZ 99, 24, 41; Kokott, DVBl 1992, 749, 754. 162 Kniesel, BB 2009, 2009, 2013. 163 Schenke/Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 173.

B. Ebene der Qualifikation einer Person als Störer  

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Eine Begrenzung wirke nur hinsichtlich der Haftung des Eigentümers, für die Gefahrenabwehrkosten aufkommen zu müssen.164 Es wird danach nicht die Zustandsstörereigenschaft, sondern auf der Sekundärebene die Kostentragungspflicht begrenzt.165 Dies würde dazu führen, dass die Pflichten auf der Primärebene mit denen auf der Sekundärebene auseinanderfallen.166 Daraus resultiert eine Ungleichbehandlung bei der Haftungsbegrenzung. Der Eigentümer der die Gefahrenabwehrmaßnahme selbst umsetzt, müsste dann die gesamten Kosten selbst tragen. Entzieht sich der Eigentümer hingegen dieser Verpflichtung, müsste er die Kosten einer unmittelbaren Ausführung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG nicht tragen, weil die Kostentragungspflicht auf der Sekundärebene begrenzt wäre.167 Eine reine Begrenzung der Kostentragungspflicht auf der Sekundärebene ist somit abzulehnen.168 Teilweise wird eine Begrenzung allein bei der Prüfung der Angemessenheit auf der Rechtsfolgenebene durchgeführt.169 Wird die Opfergrenze überschritten, ist bei dieser Vorgehensweise eine polizeiliche Maßnahme gegenüber dem Zustandsstörer unverhältnismäßig. Eine Begrenzung bei der Prüfung der Angemessenheit setzt aber voraus, dass man durch die Qualifikation einer Person als Störer nach § 7 PolG überhaupt zur Prüfungsebene der Rechtsfolgen gelangt. Aus diesem Grund muss man sich fragen, ob und wie die Zustandsstörereigenschaft einer Person nach § 7 PolG aufgrund des Verhältnisses zwischen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG entfallen kann. Überschreiten die Kosten der Inanspruchnahme als Störer die Opfergrenze, bedeutet das nicht, dass der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt nicht mehr als Störer nach § 7 PolG qualifiziert werden und damit nur noch unter den Voraussetzungen des § 9 PolG in Anspruch genommen werden kann. Denn das würde dazu führen, dass der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt, dessen Kosten der Inanspruchnahme über der Opfergrenze liegen, gegenüber demjenigen privilegiert werden würde, dessen Kosten der Inanspruchnahme beispiels 164

Schenke/Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 173. Hohmann, DVBl 1984, 997 f.: „Es muß dabei differenziert werden, ob die Haftungsbegrenzung auf der Primärebene (der Störerqualifikation) oder auf der Sekundärebene (der Kostentragungspflicht) ansetzt. […] Vielmehr geht es ihr allein um die hinter der Störerqualifikation stehende Sekundärpflicht, d. h. Kostenpflichtigkeit des Eigentümers“; Nitschke, Die materielle Polizeipflicht, S. 182: „Die Klärung solch komplexer und mit rechtlichen Unsicherheiten behafteter Fragestellungen kann aber im Lichte der Effektivität der Gefahrenabwehr nicht auf der Primärebene, sondern richtigerweise erst auf der Sekundärebene verlangt werden“. 166 Seibert, DVBl 1985, 328: „Der Zusammenhang zwischen beiden Ebenen könnte theoretisch in zwei Richtungen zerrissen werden“; Brandner, Gefahrerkennbarkeit, S.  40: „Es handelt sich um getrennte Pflichtenkreise mit jeweils eigenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen“. 167 Diesen Widerspruch sieht Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S.  68: „Dadurch könnte im Einzelfall derjenige materiell besser stehen, der sich seinen unmittelbaren polizeirechtlichen Verpflichtungen entzieht“. Ebenso: Brandner, Gefahrerkennbarkeit, S. 40. 168 Seibert, DVBl 1985, 328; Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 68. 169 Im Ergebnis BVerfGE 102, 1, 21; Schmidt-Jortzig, DÖV 1991, 753, 757; Haack, in: FS Juristenfakultät Leipzig, 619, 625 ff. 165

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

weise knapp unter der Opfergrenze liegen.170 Diese Feststellung führt zum entscheidenden Punkt: Die Zustandsstörereigenschaft entfällt nur partiell für die Kosten der Inanspruchnahme, die oberhalb der Opfergrenze liegen. Für die Kosten bis zur Opfergrenze ist der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt damit unverändert als Zustandsstörer nach § 7 PolG in Anspruch zu nehmen. Oberhalb der Opfergrenze ist der Eigentümer oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt nur noch unter den Voraussetzungen von § 9 PolG in Anspruch zu nehmen. Der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt wäre damit oberhalb der Opfergrenze partiell als Nichtstörer in Anspruch zu nehmen.171 Somit lässt sich eine ungerechtfertigte Privilegierung vermeiden. Man könnte gegen ein partielles Entfallen der Zustandsstörereigenschaft ab Erreichen der Opfergrenze zwar einwenden, dass eine Person nach der Systematik der §§ 6, 7 und 9 PolG nicht zugleich Störer und Nichtstörer sein kann.172 Dieser Einwand würde aber nur greifen, wenn man annimmt, dass ein Nichtstörer nach § 9 PolG nicht dieselben Gefahrenabwehrmaßnahmen umsetzen könnte als ein Störer nach § 7 PolG. Das Pflichtenprogramm von Störer und Nichtstörer unterscheidet sich allerdings nicht.173 Eine Person kann beispielsweise eine Mauer zu 2/3 als Störer und zu 1/3 als Nichtstörer wieder aufbauen. Gegen ein partielles Entfallen der Zustandsstörereigenschaft ab Erreichen der Opfergrenze wird hervorgebracht, dass die Begrenzung der Zustandsstörereigenschaft bei zufälligen Ereignissen inkonsequent sei und zu einer unbilligen Kostenabwälzung auf die Allgemeinheit führe.174 Als Beispiel wird angeführt, dass 170 Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S.  51 nennt diese Privilegierung „eine eindeutig unverhältnismäßige Reduktion des einfachen Rechts“. 171 Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 68: „Denkbar und mit dem Gesetzestext vereinbar erscheint eine Einstufung des Eigentümers einer störenden Sache partiell als Störer, partiell als Notstandspflichtiger“. Dagegen: Nitschke, Die materielle Polizeipflicht, S. 186. 172 Auf diesen Einwand weist Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Rn. 175 hin. 173 In Bezug auf unterschiedliche polizeiliche Pflichten, insbesondere Duldungspflichten, Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Rn. 175: „Die Frage des Vorliegens einer Störereigenschaft kann nämlich jeweils nur in bezug auf bestimmte Pflichten beantwortet werden und daher je nach ihrem Bezugspunkt eine unterschiedliche Beantwortung erfordern“. Im Ergebnis auf eine bloße Duldungspflicht verweisen auch: Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 214 und Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, S. 51. 174 Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 253. Insbesondere wird eine unbillige Kostenabwälzung auch im Falle eines Hervorrufens der Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch Dritte angenommen. Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr, S.  161 meint, in diesem Fall dürfe nur eine „Ausfallhaftung [der Allgemeinheit] bei Illiquidität“ bestehen. Gantner, Verursachung und Zurechnung im Recht der Gefahrenabwehr, S. 214 lehnt eine Begrenzung für Zufall ab, weil das „Interesse an einer optimalen Gefahrenabwehr zu wenig berücksichtigt“ werde. Dabei verkennt er aber, dass der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt immer noch unter den Voraussetzungen des § 9 PolG als Nichtstörer in Anspruch genommen werden kann, wenn die Kosten der Inanspruchnahme über der Opfergrenze liegen.

C. Ebene des Tatbestandes  

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ein Eigentümer, dessen Scheune durch einen Blitzschlag abbrennt, ohne die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu gefährden, die Gefahrenabwehrkosten voll tragen müsste, wohingegen der Eigentümer mit der Haftungsbegrenzung bevorteilt wäre, dessen Scheune durch den Brand zufällig zusätzlich die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet.175 Diese Argumentation verkennt aber, dass der Eigentümer, von dessen Sache keine Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausgeht, sowieso maximal einen Schaden bis zur Opfergrenze hat. Er könnte beispielsweise die zerstörte Scheune einfach sich selbst überlassen. Eine unbillige Kostenabwälzung auf die Allgemeinheit aufgrund von Zufall besteht somit nicht.

V. Zusammenfassung Wie § 9 PolG zeigt, beeinflusst der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch die Qualifikation einer Person als Störer. Sowohl für die Begründung der Zustandshaftung als auch für die Begründung der Handlungshaftung ist die erhöhte Verantwortung von Personen für die Gefahr das Zurechnungsprinzip. Aus diesem Prinzip folgt, dass die Zurechnung der Bedrohung oder Störung der öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu einer Person als Abwägungsvorgang zwischen der Ausübung grundrechtlicher Freiheit und der daraus resultierenden Verantwortung zu verstehen ist. Es ist nicht möglich diesen Abwägungsvorgang mit den starren Kriterien zu beschreiben. Das erklärt, warum die herkömmlichen Zurechnungstheorien im Rahmen des § 6 Abs. 1 PolG Defizite haben und weshalb bei der Zurechnung mit § 7 PolG Einschränkungen vorgenommen werden. Das Verständnis der Zurechnung als Abwägungsvorgang hilft, die Defizite bei solchen Fallgestaltungen zu erklären.

C. Ebene des Tatbestandes Es stellt sich die Frage, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht nur die Bestimmung der Rechtsfolgen und die Qualifikation einer Person als Störer, sondern auch die Prüfung auf der Ebene des Tatbestands beeinflusst. Exemplarisch soll dem anhand der Generalklausel nach §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG nachgegangen werden. Diese setzt, wie schon dargestellt, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung voraus. Der Gefahrbegriff der §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG könnte Anknüpfungspunkte für Verhältnismäßigkeitserwägungen bieten.

175

Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 253.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

I. Wahrscheinlichkeitsbegriff 1. Unergiebigkeit eines bloßen Wahrscheinlichkeitsgrads Der Amtswalter kann seine Prognoseentscheidung nur auf Tatsachen der Gegenwart und Vergangenheit stützen. Gegenwärtige Tatsachen benutzt der Amtswalter bei der Diagnose des Sachverhalts.176 Um den diagnostizierten Sachverhalt fortschreiben zu können, verwendet der Amtswalter Tatsachen, die ihm aus der Vergangenheit bekannt sind.177 Die Tatsachenbasis kann dabei durch empirisches Wissen belegt sein.178 Das entspricht der entscheidungstheoretischen Wahrscheinlichkeitsrechnung.179 Aus den Ergebnissen dieser Wahrscheinlichkeitsrechnung lassen sich prozentuale Aussagen zur Schadenshäufigkeit gewinnen.180 Oft sind aber mangels empirischer Erhebungen oder aufgrund faktischen Zeitdrucks keine statistischen Aussagen möglich.181 In diesem Fall schließt der Amtswalter aus „Erfahrungssätzen“ oder „Alltagswissen“ auf die Schädigung.182 Mit beiden Methoden lässt sich ein Wahrscheinlichkeitswert ermitteln. Bei der entscheidungstheoretischen Wahrscheinlichkeitsrechnung ist dieser Wert mathematisch genau183, bei dem Schluss aus „Erfahrungssätzen“ oder „Alltagswissen“ kann dieser Wert höchstens in einer groben Skalierung (Schadenseintritt wenig wahrscheinlich, über­ wiegend wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich) angegeben werden. Die Schwierigkeiten der Ermittlung eines mehr oder weniger präzisen Wahrscheinlichkeitsgrades liegen also im faktischen Bereich. Allerdings ist die bloße Feststellung eines gewissen Wahrscheinlichkeitsgrades noch unergiebig. Das Tatbestandsmerkmal der Gefahr kann nur erfüllt oder nicht 176 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 112: „Diese Wahrnehmung wird auch als ‚diagnostisches Urteil‘ bezeichnet“. 177 Siehe zur Unterscheidung zwischen der Diagnose und Prognose des Sachverhalts: Hoffmann-Riem, in: FS Wacke, 327, 332; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 113. 178 Genauer zur Verwendung empirischer Daten: Kral, Die polizeilichen Vorfeldbefugnisse als Herausforderung für Dogmatik und Gesetzgebung des Polizeirechts, S. 39. 179 Dazu: Leisner, DÖV 2002, 326 ff.; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 116. 180 Zur statistischen Wahrscheinlichkeit: Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 43 ff.; Kral, Die polizeilichen Vorfeldbefugnisse als Herausforderung für Dogmatik und Gesetzgebung des Polizeirechts, S. 39 f. Zum Expertenurteil bei komplexen Kausalzusammenhängen: Rid/Hamann, UPR 1990, 281, 282. 181 Leisner, DÖV 2002, 326, 329; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 115. 182 Chiu, Polizeiaufgaben und -befugnisse, S. 41: „allgemeine Lebenserfahrung“; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 7, Rn. 1 für eine Kumulative Heranziehung von „Erfahrungswissen und de[m] anerkannte[n] Stand von Wissenschaft und Technik“. Genauer zur Prognose aus Erfahrungssätzen: Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 31 ff. Die Prognose aus Erfahrungssätzen oder Alltagswissen wird kritisch gesehen, weil das Wissen vor allem auf informellen und unstrukturiert gewonnenen Wertungen beruhe. Zur Kritik: Hoffmann-Riem, in: FS Wacke, 327, 340 f.; Kral, Die polizeilichen Vorfeldbefugnisse als Herausforderung für Dogmatik und Gesetzgebung des Polizeirechts, S. 40 f. 183 Siehe Beispielrechnungen bei: Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 116.

C. Ebene des Tatbestandes  

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erfüllt sein. Der Wahrscheinlichkeitsgrad kann aber jeden beliebigen Wert annehmen.184 Das Problem185 liegt somit in der Frage, wie hoch der konkrete Wahrscheinlichkeitsgrad sein muss.186 Naheliegend wäre die Annahme, dass man ab Erreichen eines gewissen prozentualen Wahrscheinlichkeitsgrades das Tatbestandsmerkmal der Gefahr als erfüllt ansieht. Diese Vorgehensweise stößt aber auf Bedenken, wenn man folgendes Beispiel betrachtet: Eine 30 % Wahrscheinlichkeit, dass jemand von einer gewöhnlichen Stechmücke gestochen wird, mag gering erscheinen. Handelt es sich bei der Mücke jedoch nicht um eine gewöhnliche Stechmücke, sondern um eine Überträgerin von Malaria, erscheint eine Wahrscheinlichkeit von 30 % schon hoch.187 Die Höhe des erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrades scheint somit in Abhängigkeit zum drohenden Schaden zu variieren.188 Damit wird deutlich, dass abstrakte Aussagen über die Höhe des Wahrscheinlichkeitsgrades nicht ausreichend sind, um vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Gefahr auszugehen.189 2. „Hinreichende“ Wahrscheinlichkeit Aufgrund der Unergiebigkeit des bloßen Wahrscheinlichkeitsgrades bedarf es eines zusätzlichen Kriteriums. Dieses zusätzliche Kriterium liegt darin, dass der Wahrscheinlichkeitsgrad hinreichend sein muss.190 Es stellt sich somit die Frage, wann der ermittelte Wahrscheinlichkeitsgrad hinreichend ist. Das Wort „hinrei 184

Hoffmann-Riem, in: FS Wacke, 327, 333 spricht von einer „gleitende[n] Skala, deren jeweiliger Fixpunkt sich nur im Rechtsanwendungsprozeß selbst bestimmen läßt“. 185 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 117: „Es kommt für die Polizei hingegen gerade darauf an, den konkreten Fall einer der genannten abstrakten Gruppen (‚gefährlich‘/‚ungefährlich‘) zuordnen zu können“. 186 Nell, Wahrscheinlichkeitsurteile, S.  123: „Überall, wo juristische Entscheidungen unter Ungewißheit getroffen werden müssen, ist mit der Anwendung der Kategorie ‚Wahrscheinlichkeit‘ noch nichts gewonnen; es kommt vielmehr jeweils darauf an, wie wahrscheinlich etwas ist und sein muß […]“. Kritisch Leisner, DÖV 2002, 326, 328: „Wenn es bisher noch nicht einmal gelungen ist, ‚Wahrscheinlichkeit‘ von ‚Nichtwahrscheinlichkeit‘ abzugrenzen, wie sollen dann gar noch ‚Grade von Wahrscheinlichkeit‘ bestimmt werden“. 187 Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 76 nutzt das Lottospiel als Beispiel. 188 Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 75: „Denn schon aus der umgangssprachlichen Bedeutung von ‚Besorgnis‘ wird klar, daß ein psychischer Zustand bezeichnet wird, dessen Gewichtigkeit nicht allein von der Frage abhängt, wie gewiß das zu besorgende Ereignis ist, sondern auch wie schlimm“. 189 Nell, Wahrscheinlichkeitsurteile, S. 123: „Alle Versuche, die rechtlich maßgebliche Wahrscheinlichkeit anders als graduell abzugrenzen, sind gescheitert; alle Versuche, sie durch einen feststehenden Wahrscheinlichkeitsgrad abzugrenzen, sind ebenfalls gescheitert“. 190 BVerwGE 45, 51, 61; Leisner, DÖV 2002, 326, 328, Fn. 26; Kickartz, Ermittlungsmaßnahmen zur Gefahrerforschung, S. 53: „Es wäre mißverständlich zu sagen, die bloße Möglichkeit eines Schadens reiche für polizeiliches Einschreiten nicht aus. Der prognostizierte Schaden ist stets bloß möglich. Abzugrenzen ist allerdings die bloß entfernte Möglichkeit, die nicht ausreicht, gegen die hinreichende Möglichkeit eines Schadens“; Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 36 f.; Martens, in: Drews/ Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 223.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

chend“ und die Abhängigkeit des erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrades vom drohenden Schaden legen nahe, dass die Feststellung eines hinreichenden Wahrscheinlichkeitsgrades eine Wertungsfrage ist und sich entgegen des Begriffs Wahrscheinlichkeit nicht durch statistische Daten oder Erfahrungswissen lösen lässt.191 Ob ein hinreichender Wahrscheinlichkeitsgrad besteht, ist mithin eine normative Fragestellung und unterscheidet sich von der faktischen Feststellung eines bloßen Wahrscheinlichkeitsgrades als mathematischer Wert. a) Zweck des Gefahrbegriffs Nach welchen Kriterien sich ein Wahrscheinlichkeitsgrad als hinreichend bewerten lässt, hängt vom Zweck ab, den der Gefahrbegriff bei der Prüfung des Tatbestandes erfüllen muss. Zur Ermittlung des Zwecks des Gefahrbegriffes ist die Prüfungsebene der Rechtsfolgen mit der des Tatbestandes zu vergleichen. Aufgrund der Systematik des Polizeigesetzes ist die Anwendung der Teilanforderungen der Erforderlichkeit und Angemessenheit des Verhältnismäßigkeitsrundsatzes auf der Ebene der Rechtsfolgen durch § 5 PolG vorgesehen. Würden Kriterien, die in diesen Teilanforderungen berücksichtigt werden, für die Wertungsfrage herangezogen werden, ob der Wahrscheinlichkeitsgrad hinreichend ist und damit eine Gefahr vorliegt, hätte der Gefahrbegriff keine über § 5 PolG hinausgehende eigene Funktion.192 Die Wertungskriterien zur Bestimmung eines hinreichenden Wahrscheinlichkeitsgrads müssen sich deshalb von denen auf der Ebene der Prüfung der Rechtsfolgen unterscheiden. Der Gefahrbegriff ist somit unabhängig von solchen Kriterien, die zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme hinsichtlich eines bestimmten Störers dienen.193 Bei der Prüfung auf der Rechtsfolgenebene geht es um das „Wie“ des Einschreitens.194 Daraus folgt, dass sich die Wertung auf der Prüfungsebene des Tatbestandes auf das generelle „Ob“ des Einschreitens bezieht, das zu einer Gefahrenabwehrpflicht der Polizei führt. Der Gefahrbegriff hat somit den Zweck die Gefahrenabwehrpflicht der Polizei auszulösen.195 191

Brandt/Smeddinck, Jura 1994, 225, 228; Kickartz, Ermittlungsmaßnahmen zur Gefahrerforschung, S. 60; Pils, DÖV 2008, 941, 946 meint, schon die Wahrscheinlichkeitsprognose sei normativ; Kral, Die polizeilichen Vorfeldbefugnisse als Herausforderung für Dogmatik und Gesetzgebung des Polizeirechts, S. 41. 192 Kral, Die polizeilichen Vorfeldbefugnisse als Herausforderung für Dogmatik und Gesetzgebung des Polizeirechts, S. 45: „Sollte es sich tatsächlich so verhalten, dass beide Abwägungsentscheidungen inhaltlich übereinstimmen, würde der Gefahrenbegriff seiner eigenständigen Bedeutung beraubt“. 193 Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 76. 194 Kral, Die polizeilichen Vorfeldbefugnisse als Herausforderung für Dogmatik und Gesetzgebung des Polizeirechts, S. 46. 195 Das Auslösen der Gefahrenabwehrpflicht wird in anderer Terminologie mit der sog. „Gefahrenschwelle“ bezeichnet. Dazu: Horn, in: FS Glaeser, 435, 452; Poscher, Die Verwaltung 2008, 345, 363; Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, § 14, Rn. 465.

C. Ebene des Tatbestandes  

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Das ist aber nicht der alleinige Zweck des Gefahrbegriffes. Eine weitere Funktion des Gefahrbegriffes ergibt sich aus seinem Zusammenhang mit der Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme auf der Ebene der Rechtsfolgen. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme sind die von dem Zweck der Maßnahme umfassten Schutzgüter den von den Folgen der Maßnahme betroffenen grundrechtlich geschützten Gütern gegenüberzustellen. Die von dem Zweck der Maßnahme umfassten Schutzgüter sind unter anderem nach der Schwere ihrer drohenden Beeinträchtigung zu gewichten. Die Schwere ihrer drohenden Beeinträchtigung ergibt sich aus dem Wahrscheinlichkeitsgrad ihrer drohenden Beeinträchtigung. Damit dient der Gefahrbegriff dazu, einen Maßstab für die Schwere der drohenden Beeinträchtigung der von dem Zweck der Maßnahme umfassten Schutzgüter im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit bereitzustellen.196 Diese Funktion macht deutlich, dass die Wertungen, ob ein Wahrscheinlichkeitsgrad hinreichend ist, Auswirkungen auf die Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme hat. Stellt man geringere Anforderungen an das Hinreichendsein des Wahrscheinlichkeitsgrades, hat das zur Folge, dass bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit geringer bedrohte Schutzgüter mit entsprechendem geringeren Gewicht einzustellen sind. Bejaht man das Hinreichendsein des Wahrscheinlichkeitsgrades hingegen erst unter hohen Anforderungen, ist die Gewichtigkeit der bedrohten Schutzgüter umso höher. Es findet somit bereits auf der Ebene des Tatbestands eine Vorordnung für die Prüfung der Angemessenheit auf der Ebene der Rechtsfolgen statt. Die Auslegung des Gefahrbegriffes bei der Prüfung des Tatbestands wird mithin vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beeinflusst.197 b) Gewicht der Schädigung eines polizeilichen Schutzgutes als maßgebliches Kriterium Es stellt sich die Frage, durch welche Wertungskriterien der Wahrscheinlichkeitsgrad als hinreichend bewertet werden kann. Betrachtet man die Systematik des PolG, fällt auf, dass durch gesetzliche Qualifikationen des Gefahrbegriffs 196

Huster/Rudolph, in: Huster/Rudolph, Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, S. 18 f.: „Allerdings setzt eine effektive gerichtliche Verhältnismäßigkeitskontrolle voraus, dass das jeweils verfolgte Schutzgut möglichst präzise benannt wird. […] Wenn es nicht um die Abwehr einer konkreten Gefahr, sondern eines unbestimmten Risikos geht, das weder näher bezeichnet noch individuell zugerechnet werden kann, aber um so bedrohlichere Ausmaße annimmt, fehlt es an einem Maßstab für die Verhältnismäßigkeitsprüfung“. 197 Rehbinder, BB 1976, 1, 2: „Die Differenzierung des maßgeblichen Wahrscheinlichkeitsgrades je nach dem Wert des betroffenen Rechtsguts ist nichts anderes als eine Konsequenz aus dem im Polizeirecht seit jeher anerkannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der nicht nur die Auswahl der polizeirechtlich zulässigen Maßnahmen, sondern mit der Forderung nach Proportionalität zwischen in Kauf zu nehmendem Restrisiko und Wertigkeit des Rechtsguts bereits die Auslegung des polizeirechtlichen Gefahrenbegriffs selbst determiniert“; Dill, Amtsermittlung und Gefahrerforschungseingriffe, S. 61: „Diese Relativierung ist nichts anderes als eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

umso höhere Anforderungen gestellt werden, je gewichtiger das von einem polizeilichen Eingriff betroffene grundrechtlich geschützte Gut des Adressaten ist.198 Beispielsweise ermöglicht § 28 Abs. 1 Nummer 2 PolG Eingriffe in die Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. § 28 Abs. 1 Nummer 2 PolG fordert für eine Ingewahrsamnahme eine „drohende Gefahr für Leib und Leben“. Diese Qualifikation zeigt, dass das Gesetz das Gewicht des grundrechtlich geschützten Gutes des Adressaten berücksichtigt, wenn es höhere Anforderungen an die Gefahr stellt.199 Das bedeutet aber zugleich, dass das Gewicht des grundrechtlich geschützten Gutes nicht in die Wertungsentscheidung mit eingestellt werden darf, ob der Wahrscheinlichkeitsgrad hinreichend ist. Andernfalls wären die Qualifikationen des Gefahrbegriffs unnötig. Aufgrund des Vergleiches mit der Ebene der Rechtsfolgen verbietet es sich ebenso, Wertungskriterien wie beispielsweise die Eingriffsintensität der beabsichtigten Maßnahme200, die Erfolgsaussichten des Abwehrmittels201 oder das Integritätsinteresse des von der Maßnahme betroffenen Störers202 in die Wertung mit aufzunehmen, ob der Wahrscheinlichkeitsgrad hinreichend ist.203 Dient die Wertungsentscheidung wie gezeigt dazu, für die Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme einen Maßstab herzustellen, der die Schwere der drohenden Beeinträchtigung eines polizeilichen Schutzgutes umfasst, kann es nur auf das Gewicht der Schädigung eines polizeilichen Schutzgutes als maßgebliches Kriterium ankommen.204 198 Siehe zur Grundrechtsrelevanz von Eingriffsakten aufgrund von Standardmaßnahmen: Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 313. 199 Volkmann, Jura 2007, 132, 135: „Der Gefahrbegriff erfüllt damit hier die Funktion der Eingriffsbegrenzung und der Grundrechtssicherung, die er sich dann mit den polizeilichen Schutzgütern teilt […]“. Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, B, Rn. 64; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 416 bezeichnen dies als „Ausprägung […] des Verhältnismäßigkeitsprinzips“. 200 So aber BVerfGE 115, 320, 360 f.: „Je gewichtiger die drohende oder erfolgte Rechtsbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, um den es sich handelt, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein […]“. 201 So aber Kral, Die polizeilichen Vorfeldbefugnisse als Herausforderung für Dogmatik und Gesetzgebung des Polizeirechts, S. 41: „Die Schadenswahrscheinlichkeit bemisst sich danach in einer Relation zwischen dem erwarteten Schadensausmaß, der Eingriffsintensität und der Erfolgsaussicht des beabsichtigten Abwehrmittels sowie der Art und Beschaffenheit der den Eingriffsanlasse bildenden Tatsachen“. 202 So aber Dröge, Drohende Gefahr, S. 20: „Die Definition des Begriffes der polizei- und ordnungsrechtlichen Gefahr muß zum Ausdruck bringen, daß der Grad der Sicherheit mit dem die Prognose zu stellen ist, im Interesse der Integrität der rechtlichen Stellung der Zivilperson ein großer, daß er mehr als ‚möglich‘ sein muß“. 203 Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 76 f.: „Nicht falsch, aber systemwidrig ist es darum, wenn z. B. Dröge den Grad der Wahrscheinlichkeit als dreistellige Relation aus Gewißheit, Rechtsguterhaltungsinteresse und Integritätsinteresse des Polizeipflichtigen konstruiert. Die Abwägung der Besorgnis mit dem Integritätsinteresse des Adressaten einer Polizeimaßnahme ist eine Frage der Zumutbarkeit, also der Verhältnismäßigkeit der Rechtsfolge“. 204 Dill, Amtsermittlung und Gefahrerforschungseingriffe, S. 61: „Von wesentlicher Bedeutung für das abzugebende Wahrscheinlichkeitsurteil ist es dabei, welches Rechtsgut von einer Schädigung bedroht ist“.

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Je schwerer die Schädigung eines polizeilichen Schutzgutes ist, desto geringere Anforderungen sind an die Höhe des Wahrscheinlichkeitsgrads zu stellen. Je leichter die Schädigung eines polizeilichen Schutzgutes ist, desto höhere Anforderungen sind an die Höhe des Wahrscheinlichkeitsgrads zu stellen.205 In der Wertungsentscheidung sind somit das Gewicht der Schädigung eines polizeilichen Schutzgutes und der Wahrscheinlichkeitsgrad die alleinigen Abwägungskriterien.206 c) Berücksichtigung des allgemeinen Lebensrisikos Die Abwägung zwischen dem Gewicht der Schädigung und dem Wahrscheinlichkeitsgrad bedarf jedoch Ergänzungen. Es sind Fallgestaltungen denkbar, bei denen das Gewicht der Schädigung so hoch ist, dass schon ein ganz geringer Wahrscheinlichkeitsgrad hinreichend ist.207 Würde man das Gewicht der Schädigung sehr hoch ansetzen, würde selbst ein Wahrscheinlichkeitsgrad, der dem allgemeinen Lebensrisiko entspricht, für das Vorliegen einer Gefahr hinreichend sein. Das betrifft beispielsweise Massenveranstaltungen, den Betrieb von (Kern)Kraftwerken oder auch den Flugverkehr. Der Polizei würde somit die unmögliche Aufgabe zukommen, allgemeine Lebensrisiken zu verhindern.208 Aus diesem Grund bedarf es in diesem Fall einer Modifikation.209 Ist das Gewicht der Schädigung sehr hoch, ist der Wahrscheinlichkeitsgrad erst dann hinreichend, wenn er gegenüber dem Wahrscheinlichkeitsgrad des allgemeinen Lebensrisikos erhöht ist. Das allgemeine Lebensrisiko lässt sich nach den Grundlagen zur Wahrscheinlichkeitsprognose mittels statistischer Daten oder Erfahrungssätzen ermitteln. In die Ab 205 Zur Anwendung dieser sog. Je-Desto-Formel: BVerwGE 45, 51, 61; Schoch, Jura 2003, 472, 473; Brandt/Smeddinck, Jura 1994, 225, 229; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 223. Leisner, DÖV 2002, 326, 334 meint, die Je-Desto-Formel stelle „keinen allgemein brauchbaren Lösungsansatz“ dar. Letztlich entwickelt sie aber nur Kriterien zur Beschreibung der Schwere der Schädigung, was im Ergebnis auf eine Anwendung der JeDesto-Formel hinausläuft. 206 Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn.  92: „Das Maß der Wahrscheinlichkeit (‚hinreichend‘) wird mitbestimmt von messbaren Größen: Vom Wert des bedrohten (und zu schützenden) Rechtsguts und von der Höhe des drohenden Schadens“. 207 Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S.  77: „Ich brauche aber beim vorgegebenen Grad der Stützung der Annahme, daß so etwas passieren wird, nur genügend Menschen in das Stadion hineindenken, um den Schaden in beliebige Dimensionen wachsen zu lassen. So werde ich sicher einen Punkt finden, in dem ich sagen kann: ‚Es besteht die konkrete Gefahr, daß hier eine Katastrophe passiert‘“. 208 Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 46: „Wenn jede Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bereits zu freiheitsbeschränkenden Verboten Anlaß geben könnte, wäre die Tür zu einer erheblichen Einschränkung der Aktionsmöglichkeiten der Bürger oder gar zu einer Lähmung des öffentlichen Lebens geöffnet. Der Straßenverkehr mit Fahrzeugen müßte ganz verboten werden, weil Unfälle immer zu befürchten sind“. 209 Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, S.  46: „Aus dieser Überlegung ergibt sich, daß es ein allgemeines und in manchen Bereichen (Verkehr) auch ein gesteigertes ‚Lebensrisiko‘ gibt […]“.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

wägung ist dann der im Vergleich zum allgemeinen Lebensrisiko erhöhte Wahrscheinlichkeitsgrad einzustellen.210 d) Kein zusätzliches zeitliches Kriterium Es besteht die Möglichkeit, dass durch ein weiteres Abwarten mit Gefahrenabwehrmaßnahmen, mehr Informationen gewonnen werden können.211 Durch die größere Informationsbasis könnten später möglicherweise erfolgreichere Gefahrenabwehrmaßnahmen getroffen werden. Aus diesem Grund wird darüber nachgedacht, neben dem Wahrscheinlichkeitsgrad und dem Gewicht der Schädigung zusätzlich ein zeitliches Kriterium in die Abwägung einzustellen. Diesem soll die Funktion zukommen, den Zeitpunkt für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeitsprognose festzulegen  – also wie lange abgewartet werden muss.212 Dieser Zeitpunkt soll der für eine Verhinderung des Schadenseintritts letztmögliche sein.213 Es liegt danach solange kein hinreichender Wahrscheinlichkeitsgrad vor, bis es nur noch eine Möglichkeit zur Verhinderung des Schadenseintritts gibt. Insofern wird auch von der „letzte[n] Abwehrchance“ gesprochen.214 Besteht die Funktion des zeitlichen Kriteriums aber allein darin, zu verhindern, dass die Polizei voreilige Maßnahmen trifft, ist das Kriterium unnötig. Denn die Frage, ob eine Gefahr besteht, ist von der Frage zu trennen, ob diese mit erfolgversprechenderen Mitteln abgewehrt werden könnte. Das ergibt sich zum einen aus teleologischen Gründen. Es gibt Schadenseintritte, die mangels wissenschaftlicher und technischer Möglichkeiten (noch) nicht verhindert werden können (beispielsweise Naturkatastrophen). Das Vorliegen einer Gefahr darf aber nicht davon 210

Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S.  77 möchte eine Unterscheidung zum allgemeinen Lebensrisiko mittels einer zeitlichen Komponente herstellen. Dies erscheint allerdings unnötig kompliziert, weil es bei einem im Vergleich zum allgemeinen Lebensrisiko erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad keinen Unterschied zum „Normalfall“ der Abwägung gibt. Zum erlaubten Risiko bei staatlichen Genehmigungen: Haack, in: FS Juristenfakultät Leipzig, 619, 624; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4, Rn. 273. 211 Siehe z. B. VGH München, NJW 1979, 2631 f., wo es u. a. um die Frage geht, ob „die Polizei eine unmittelbar eingetretene Gefährdung abwarten“ hätte müssen. 212 Pils, DÖV 2008, 941, 946: „Dabei muss, um nicht bereits im Vorfeld Handlungsmöglichkeiten der Polizei zu eröffnen, der Schadenseintritt in absehbarer Zeit naheliegen oder bevorstehen“; Poscher, Gefahrenabwehr, S. 114: „Ohne zeitlichen Fixpunkt ist ein stabiles Wahrscheinlichkeitsurteil nicht möglich. Im Zeitablauf fallen Informationen an, die den Wissenshorizont beeinflussen“; Sondervotum Haas, in: Graßhof, Sondervoten Haas, S. 278: „Der Relativierung der Wahrscheinlichkeit dürfte somit auch eine zeitliche Dimension zu eigen sein“. Detailliert begründet Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 77 ff., warum eine zeitliche Komponente notwendig ist. 213 Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 81: „Die Frage, welcher Zeitpunkt t für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit maßgeblich sein soll, läßt sich vereinfacht sehr kurz beantworten: ‚Der letztmögliche‘“. 214 So: Kral, Die polizeilichen Vorfeldbefugnisse als Herausforderung für Dogmatik und Gesetzgebung des Polizeirechts, S. 47.

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abhängig gemacht werden, ob und wenn ja welche Mittel zur Verhinderung solcher Schadenseintritte zur Verfügung stehen. Nur weil ein Schadenseintritt nicht verhindert werden kann, heißt das nicht, dass dessen Wahrscheinlichkeit keine Gefahr darstellen muss. Zum anderen spricht die Systematik gegen ein zusätzliches zeitliches Kriterium. Die Auswahl unter verschiedenen Maßnahmen der Gefahrenabwehr ist bei der Prüfung der Rechtsfolgen zu verorten. Ist eine in Betracht kommende Maßnahme womöglich unsicher und eine Maßnahme zum späteren Zeitpunkt erfolgreicher, so ist die frühere Maßnahme nicht erforderlich und müsste unterlassen werden.215 Ein zusätzliches zeitliches Kriterium ist mithin für die Abwägung, ob ein Wahrscheinlichkeitsgrad hinreichend ist, unnötig.216

II. Behandlung von Situationen des Gefahrenverdachts 1. Definition und Abgrenzungsproblematik zur Anscheins- und Putativgefahr Als Gefahrenverdacht wird ein Sachverhalt beschrieben, bei dem der prognostizierende Amtswalter Anhaltspunkte dafür hat, die auf eine Gefahr hindeuten. Diese Anhaltspunkte sind aber für den Amtswalter erkennbar zu unvollständig217, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob ein hinreichender Wahrscheinlichkeitsgrad vorliegt.218 Oft wird keine präzise begriffliche Trennung zwischen der Anscheins- und Putativgefahr und dem Gefahrenverdacht vorgenommen. So wird teilweise der Sach 215 Diese Begründung erkennt auch Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 81: „Dann könnte man ein ‚Abwarten‘ sogar als besser geeignetes Mittel ansehen, also über das Kriterium der ‚Erforderlichkeit‘ die Regel des letzten möglichen Zeitpunkts einführen“. Er bezeichnet diese Begründung allerdings als „unpraktisch“. Chiu, Polizeiaufgaben und -befugnisse, S. 44 sieht, dass „der Faktor Zeit auch mit Rückgriff auf den Ermessensspielraum und die unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit geforderte ‚geringste Eingriffsintensität‘ abgedeckt werden könnte“. Er sieht diese Vorgehensweise aber als für die polizeiliche Praxis zu abstrakt an. 216 Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 38 lehnt zwar eine zeitliche Komponente nicht ab, relativiert aber ihre Bedeutung: „So kann aufgrund besonders sicherer Erfahrungssätze ein Wahrscheinlichkeitsurteil auch dann schon sehr sicher sein, wenn der Schadenseintritt in noch überschaubarer ferner Zukunft liegt“. Kritisch auch: Koch, Datenerhebung und -verarbeitung, S. 85. 217 Die Anhaltspunkte können unvollständig sein, weil der Sachverhalt noch nicht vollständig bekannt ist (nicht ausreichende Diagnose)  oder weil z. B. aufgrund eines fehlenden Erfahrungswissens über die maßgeblichen Kausalverläufe die hinreichende Wahrscheinlichkeit nicht prognostiziert werden kann. Siehe dazu: Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 109. 218 Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 109; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 6, Rn.  28; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D, Rn. 48; Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 145.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

verhalt eines Gefahrenverdachts auch als solcher der Anscheins- und Putativgefahr angesehen219, oder es wird behauptet, es gebe Überschneidungen zwischen den Begriffen des Gefahrenverdachts und der Anscheins- und Putativgefahr220. Die unpräzise Trennung führt dazu, dass identische Sachverhalte unter jeweils verschiedenen Begrifflichkeiten diskutiert werden.221 Dabei lassen sich die Begriffe Anscheinsund Putativgefahr vom Begriff des Gefahrenverdachts problemlos trennen.222 Wie schon gezeigt bezeichnen die Begriffe Anscheins- und Putativgefahr eine für den Amtswalter nicht erkennbare Nichtwissenskonstellation. Der Amtswalter nimmt subjektiv an, es liege die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts vor, obwohl objektiv kein Schaden eintreten kann.223 Die Begriffe Anscheins- und Putativgefahr differenzieren nach dem hier vertretenen objektivierten subjektiven Gefahrbegriff zudem danach, ob auch der „durchschnittliche Amtswalter“ diesen Wissensmangel gehabt hätte.224 Der Begriff des Gefahrenverdachts bezeichnet hingegen eine erkannte Nichtwissenskonstellation.225 Beim Gefahrenverdacht weiß der prognostizierende Amtswalter von Beginn an, dass er für die Prognoseentscheidung einem Informationsdefizit unterliegt.226 2. Eingriffsmaßnahmen bei einem Gefahrenverdacht Liegen Prognoseunsicherheiten aufgrund eines Informationsdefizits vor, müssen weitere Informationen gesammelt werden, um festzustellen, ob eine Gefahr vorliegt oder nicht. Die dazu notwendigen Gefahrermittlungsmaßnahmen können ihrerseits mit Eingriffen in Rechte des Bürgers verbunden sein. Diese Eingriffe können beispielsweise darin liegen, dass das Grundstück des Bürgers, auf dem ein morscher Baum steht, betreten wird, um am Baum weitere Untersuchungen vorzunehmen. Denkbar sind aber auch Sachverhalte, bei denen trotz Prognoseunsicherheiten bereits Gefahrenabwehrmaßnahmen getroffen werden sollen, weil spätere Maßnahmen, sofern ein Schaden objektiv eintreten kann, keinen Erfolg mehr hätten. 219 Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap., Rn. 125 bezeichnet den Gefahrenverdacht als eine Abstufung zur Anscheinsgefahr. 220 Wehr, Examens-Repetitorium Polizeirecht, § 3, Rn. 114 spricht von „Überschneidungen und ‚Grauzonen‘ […] zwischen dem Gefahrenverdacht und dem ‚subjektiven‘ Gefahrbegriff“. 221 Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 83 erkennt, dass „vielfach aneinander ‚vorbeidiskutiert‘ wird“. 222 Anders Wehr, Examens-Repetitorium Polizeirecht, § 3, Rn.  114 wonach „Fälle der Anscheinsgefahr häufig zugleich solche des Gefahrenverdachts“ sein können. 223 Siehe dazu oben Kapitel 2 B. II. 224 Siehe dazu oben Kapitel 2 B. II. 225 Genauer zur Terminologie: Wapler, DVBl 2012, 86, 87. 226 Dass der prognostizierende Amtswalter in der vom Begriff des Gefahrenverdachts beschriebenen Konstellation von Beginn an weiß, dass er für die Prognoseentscheidung einem Informationsdefizit unterliegt, ergibt sich schon aus der Bezeichnung „Verdacht“. Siehe dazu auch: Petri, DÖV 1996, 443, 445.

C. Ebene des Tatbestandes  

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Der Begriff des Gefahrenverdachts dient also einerseits dazu, ein Informationsdefizit auf der Ebene des Tatbestandes zu beschreiben. Andererseits wirft der Begriff des Gefahrenverdachts die Frage auf, auf welche Ermächtigungsgrundlage sich Gefahrerforschungsmaßnahmen stützen lassen. 3. Der Begriff des Gefahrenverdachts als geringerer Wahrscheinlichkeitsgrad eines Schadenseintritts Für die Autoren, die begrifflich zwischen der tatbestandlichen Gefahr und dem Gefahrenverdacht unterscheiden227, kommen, wie schon gezeigt, für Maßnahmen zur Informationsbeschaffung sowie für Gefahrenabwehrmaßnahmen die polizeirechtlichen Ermächtigungsgrundlagen nicht in Betracht. Denn diese setzen eine Gefahr voraus, die aufgrund der Prognoseunsicherheiten nicht vorliegt. Das Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage wird für derartige Fallgestaltungen als unbefriedigend empfunden.228 Dies führt dazu, dass man für solche Fallgestaltungen versucht, Ermächtigungsgrundlagen zu konstruieren. Teilweise wird vertreten, eine Ermächtigungsgrundlage ergebe sich trotz des eigentlichen Fehlens ihrer Voraussetzungen aus der Generalklausel, was im Ergebnis eine analoge229 Anwendung der §§ 3 i. V. m. 1 Abs. 1 Satz 1 PolG zu Lasten des Bürgers bedeutet.230 Teilweise wird stattdessen versucht, von der Aufgabe der Gefahrenabwehr auf die Befugnis zu schließen.231 Vereinzelt sollen eingreifende Maßnahmen auf Gewohnheitsrecht

227 Z. B. scheinen Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 420; Schoch, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kap., Rn. 145 f. und Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 6, Rn. 29 nicht davon auszugehen, dass der Gefahrenverdacht zugleich eine tatbestandliche Gefahr sein kann. Di Fabio, Jura 1996, 566, 569 meint, „der ‚Verdacht‘ bildet heute eine eigenständige Markierung für Eingriffsschwellen unterhalb des wahrscheinlichen Schadenseintritts, wie ihn die Gefahr voraussetzt“. 228 So spricht Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht § 6, Rn. 29 davon, dass in Literatur und Praxis Einigkeit besteht, „dass die Polizei auf den Gefahrverdacht […] reagieren kann und erforderlichenfalls muss“. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 91 spricht von „unbefriedigenden Konsequenzen“. 229 So explizit Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 111 f., der in der analogen Anwendung der Generalklausel einen Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes sieht. 230 Götz, NVwZ 1994, 652, 655 meint z. B., die Generalermächtigung „umschließ[e] aber die Aufgabe und Befugnis, bei hinreichendem Verdacht, daß von einem Grundstück Gefahren ausgehen, Maßnahmen zur Gefahrenerforschung, einschließlich solcher zur Gefahrursachenerforschung, zu treffen“, obwohl er explizit ausführt, dass die „Gleichungen ‚Gefahrenverdacht = Gefahr‘“ falsch sind. Ebenso setzen Schmidtbauer/Steiner, Polizeiaufgabengesetz, Art.  2, Rn. 38 den Gefahrenverdacht pauschal mit der tatbestandlichen Gefahr gleich. 231 Kritisch daher: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 88a. Missverständlich ausgedrückt bei Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap., Rn. 129: „Vorstufe einer Gefahr“ als Teil der Aufgabe der Gefahrenabwehr. Klargestellt werden muss aber, dass die Polizei zu Maßnahmen berechtigt ist, die keine Eingriffe sind.

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

gestützt werden können.232 Außerhalb des Polizeigesetzes wird teilweise der Untersuchungsgrundsatz des § 24 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG als Ermächtigungsgrundlage angesehen.233 Derartigen Konstruktionen sind allerdings gar nicht notwendig, wenn der Sachverhalt des Gefahrenverdachts anders, als es auf den ersten Blick erscheint, vom Gefahrbegriff der polizeirechtlichen Normen erfasst ist.234 Dann könnte man insbesondere die Generalklausel ohne weiteres als Ermächtigungsgrundlage heranziehen.235 Das setzt aber voraus, dass kein Unterschied zwischen der Gefahr und dem Sachverhalt besteht, der mit Gefahrenverdacht bezeichnet wird. Eine Gefahr liegt bei einem Sachverhalt vor, der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein polizeiliches Schutzgut schädigen wird.236 Bei einem Gefahrenverdacht meint der Amtswalter, dass genügend Informationen fehlen, um einen solchen Wahrscheinlichkeitsgrad prognostizieren zu können. Dass damit aber keine Unterschiede zur tatbestandlichen Gefahr vorliegen, zeigt folgende Überlegung: Fehlen genügend Informationen, um einen Wahrscheinlichkeitsgrad zu prognostizieren, fehlt es nicht in jedem Fall an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Sie kann nach objektiver Betrachtung durchaus vorliegen. Nach den vorhandenen Kenntnissen sind aber noch nicht alle Bedingungen des Kausalverlaufs prognostizierbar.237 Weil also die Möglichkeit eines Schadenseintritts durchaus gegeben ist, kann man von der Wahrscheinlichkeit der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sprechen. Es besteht somit ein Wahrscheinlichkeitsgrad für den Eintritt eines Schadens, dieser ist aber „dünn“. Dieser „dünne“ Wahrscheinlichkeitsgrad wird deutlich, wenn man ihn mathematisch beschreibt: Beschreibt man die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts mit 1/x1 und die Wahrscheinlichkeit, dass eine Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts gegeben ist, mit 1/x2, kann man diese multiplizieren, um einen Wert für die Gesamtwahrscheinlichkeit zu erhalten. Daraus ergibt sich ein größerer Wert im Nenner 1/(x1*x2) und der Wert des Bruches sinkt insgesamt. Damit ist die Gesamtwahrscheinlichkeit nichts anderes als ein geringerer Wahrscheinlichkeitsgrad eines Schadenseintritts.238 Der Begriff des Gefahrenverdachts beschreibt also nicht eine Situation, die tatbestandlich 232 Kickartz, Ermittlungsmaßnahmen zur Gefahrerforschung, S. 256: „Die Annahme von Gewohnheitsrecht hat gegenüber der Ableitung aus den Generalermächtigungen […] Vorzüge“. 233 VGH Kassel, NVwZ 1993, 1009, 1010, Breuer, NVwZ 1987, 751, 755; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap., Rn. 131. 234 Kritisch daher: Möstl, DVBl 2007, 581, 583. 235 Deutlich: Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 99. 236 Siehe dazu oben Kapitel 5 C. I. 2. a). 237 Siehe dazu: Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, § 2, Rn. 109. 238 Siehe Schneider, DVBl 1980, 406, 408: „Durch die doppelte Wahrscheinlichkeit ist lediglich die Gesamtwahrscheinlichkeit des Schadenseintritts herabgesetzt“. So auch Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 96, der „eine Gefahr geringeren Wahrscheinlichkeitsgrades“ annimmt.

C. Ebene des Tatbestandes  

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keine Gefahr sein kann.239 Die zu klärende Frage liegt genauso wie beim tatbestandlichen Gefahrbegriff darin, ob der Wahrscheinlichkeitsgrad für den Eintritt eines Schadens hoch genug ist und wenn ja, welche Maßnahmen dann getroffen werden können.240 Deswegen ist der Begriff des Gefahrenverdachts verzichtbar. Probleme könnten jedoch auftreten, wenn der Wahrscheinlichkeitsgrad in Abwägung zum Gewicht des eintretenden Schadens nicht hinreichend erscheint, jedoch nur zu diesem Zeitpunkt Maßnahmen getroffen werden können, um den möglichen Schadenseintritt zu verhindern. Man würde also womöglich die Gelegenheit verpassen, einen objektiv eintretenden Schaden zu verhindern. Der Umfang des Problems ist aber weitaus geringer, als es auf den ersten Blick erscheint. Ist das Gewicht des eintretenden Schadens hoch genug, wird ein hinreichender Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht werden. Insofern ist es ausgeschlossen, dass die Polizei bei einem hohen Gewicht des Schadens durch Untätigkeit einen möglichen Schadenseintritt riskieren muss. Man erkennt, dass es sich in diesen Fällen um ein sprachliches Problem handelt. Wenn sofortige Maßnahmen verlangt werden, weil spätere Maßnahmen den Schadenseintritt nicht verhindern sollen, meint man eigentlich, dass das Gewicht des sonst eintretenden Schadens so hoch sein wird, dass eingeschritten werden muss. Ist der Wahrscheinlichkeitsgrad hingegen tatsächlich nicht hinreichend, weil das Gewicht des Schadens zu gering ist, stößt dies ebenfalls nicht auf Bedenken. Zum einen kann es objektiv mehr Verhinderungsmöglichkeiten geben als angenommen. Zum anderen entspricht es gerade dem Sinn und Zweck des Gefahrbegriffs, Voraussetzungen für das Entstehen einer Gefahrenabwehrpflicht zu schaffen. Würde man Ausnahmen mit der Begründung zulassen, dass spätere Maßnahmen den Schadenseintritt nicht verhindern, könnte man diesen Zweck umgehen. Ist die Wahrscheinlichkeit nicht hinreichend, muss es hingenommen werden, dass ein Schaden eintreten kann, aber noch nicht eingegriffen werden darf. Es dürfen dann überhaupt keine in Grundrechte eingreifenden Maßnahmen getroffen werden, auch nicht wenn diese als sogenannte „Gefahrerforschungsmaßnahme“ oder „vorläufige Gefahrabwehrmaßnahmen“ bezeichnet werden.241 239

So aber Lücke, Vorläufige Staatsakte, S. 24, der anführt, dass „das allgemeine Polizeirecht sowie auch Rechtsquellen polizeirechtlichen Ursprungs wie das Seuchenrecht ausdrücklich oder der Sache nach zwischen einer Gefahr einerseits und dem Verdacht einer Gefahr andererseits zu unterscheiden wissen“. Ebenso: Staats, DÖV 1979, 155, 158. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 6, Rn. 29 meint, dass die „Gleichsetzung von Verdacht und Gefahr“ das rechtsstaatliche Koordinatensystem verkennt. Zurecht führt Kral, Die polizeilichen Vorfeldbefugnisse als Herausforderung für Dogmatik und Gesetzgebung des Polizeirechts, S. 57 aus, dass der Gefahrenverdacht kein „außerhalb des Gesetzes stehendes Institut“ sei und sich die ihm zugeschriebenen Fallkonstellationen mit der Eingriffsschwelle der konkreten Gefahr lösen ließen. 240 Deswegen ist es falsch, wenn Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, G, Rn.  227 behauptet, dass bei einem Gefahrverdacht „an das Maß der Wahrscheinlichkeit geringere Anforderungen als bei dem Vorliegen einer Gefahr gestellt“ werden. 241 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 6, Rn. 29 f. und Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht III, § 125, Rn. 22 unterscheiden schon bei der Prüfung des Tatbestandes zwischen einem Gefahrerforschungseingriff bzw. vorläufigen Maßnahmen und einem Gefahrenabwehr-

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Kap. 5: Die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

4. Zusammenfassung Der Begriff des Gefahrenverdachts bezeichnet nichts anderes als einen geringeren Wahrscheinlichkeitsgrad eines Schadenseintritts. Er ist insofern verzichtbar.242 Zur Beantwortung der Frage, ob dieser Wahrscheinlichkeitsgrad hinreichend ist und welche Maßnahmen in Betracht kommen, finden ohne Unterschiede zu einer Situation mit einem höheren Wahrscheinlichkeitsgrad dieselben Kriterien An­wendung.

III. Irrelevanz der Abgrenzung zwischen bloßer Belästigung und Schaden bei der Gefahr Teilweise soll es zusätzlich auf eine Abgrenzung zwischen dem eintretenden Schaden und einer bloßen Belästigung ankommen.243 Eine bloße Belästigung soll bei einer geringen Intensität der Beeinträchtigung oder einer Überempfindlichkeit der Person vorliegen, deren Rechtsgüter beeinträchtigt werden.244 Wie hoch die Intensität der Beeinträchtigung sein muss oder wie überempfindlich eine Person sein darf, ist eine Wertungsfrage.245 Bei dieser Vorgehensweise wird suggeriert, dass die Abgrenzung zwischen möglichem Schaden und bloßer Belästigung als Vorfrage zur Feststellung durchgeführt werden muss, ob eine Gefahr vorliegt. Man hätte damit zwei Abwägungsvorgänge. Zum einen muss entschieden werden, ob die Intensität der Beeinträchtigung hoch genug ist, um einen Schaden annehmen zu können. Zum anderen findet anschließend die eigentliche Abwägung zwischen dem Gewicht des Schadens und dem Wahrscheinlichkeitsgrad statt.

eingriff. Auf der Ebene des Tatbestandes kommt es auf die Maßnahme aber nicht an, weswegen die Unterscheidung unnötig ist. Bei der Bestimmung der Rechtsfolgen ist aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowieso die verhältnismäßigste Maßnahme zu wählen, die dann vorläufig sein kann oder nur der Erforschung dienen kann, aber nicht muss. Dazu Berg, Verwaltungsrechtliche Entscheidung bei ungewissem Sachverhalt, S. 138: „Im Grunde unterscheiden sich auch nicht die zur Abwehr wirklicher Gefahren oder ihrer ‚Vorstufen‘ einsetzbaren Mittel. Alle Maßnahmen der Gefahrenabwehr haben sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu richten“; Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 98: „Sie meinen offenbar, daß stets das mildestmögliche Mittel zu wählen ist. Darum braucht man aber nicht so viele Worte zu machen“. 242 Wehr, Examens-Repetitorium Polizeirecht, § 3, Rn. 111 empfiehlt hingegen eine Anwendung des Begriffs „Gefahrenverdacht“ nur bei Konstellationen, „die nicht schon mit dem übrigen Begriffsarsenal bewältigt werden können“. 243 Brandt/Smeddinck, Jura 1994, 225, 227; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 221; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3, Rn. 74; Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, § 14, Rn. 468; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 413. 244 Brandt/Smeddinck, Jura 1994, 225, 227; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht, E, Rn. 413. 245 Dröge, Drohende Gefahr, S. 10: „Der Begriff des Schadens beinhaltet ein Werturteil“.

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Diese zwei Wertungsvorgänge sind aber bei genauerer Betrachtung unnötig. Das Gewicht des Schadens lässt sich durch qualitative und quantitative Faktoren bestimmen.246 Zu den qualitativen Faktoren zählen beispielsweise die Wertigkeit des betroffenen polizeilichen Schutzgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung. Ein quantitativer Faktor ist insbesondere das Ausmaß des Schadens, also die Anzahl der betroffenen Personen. Fragt man nach der Intensität der Beeinträchtigung, meint das nichts anderes, dass Schäden mit geringem Gewicht ausgeschlossen werden sollen. Es wird deutlich, dass sich die Abgrenzung zwischen Schaden und bloßer Belästigung nur auf das Gewicht des Schadens bezieht.247 Das Gewicht des Schadens wird aber bereits bei der Abwägung berücksichtigt, ob der Wahrscheinlichkeitsgrad hinreichend für das Vorliegen einer Gefahr ist. Bei einer bloßen Belästigung wäre damit die Schwere der Schädigung so gering, dass der Wahrscheinlichkeitsgrad für das Vorliegen einer Gefahr nicht hinreichend wäre. Einer vorgelagerten Abgrenzung zwischen Schädigung und bloßer Belästigung bedarf es mithin nicht.248

IV. Zusammenfassung Mit Gefahr wird ein Sachverhalt bezeichnet, der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein polizeiliches Schutzgut schädigen wird. Ob die Wahrscheinlichkeit hinreichend ist, bestimmt sich alleine aufgrund einer Abwägung zwischen dem Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts und dem Gewicht des Schadens. Andere Faktoren dürfen nicht berücksichtigt werden. Stellt man nur auf diese zwei Kriterien ab, ergeben sich auch beim sogenannten Gefahrenverdacht keine Probleme. Eine Abgrenzung zwischen bloßer Belästigung und Schädigung ist nicht durchzu­ führen.

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Siehe zum Gewicht des Schadens genauer: Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 40 ff. 247 Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im technischen Sicherheitsrecht, S. 26: „[…] daß es sich bei der Unterscheidung von Schaden und Belästigung nicht um qualitativ verschiedene Begriffe handelt. Vielmehr sind Schäden und Belästigungen lediglich graduell verschiedene Formen von Beeinträchtigungen“. 248 Die Unterscheidung zwischen Belästigung und Schaden erklärt sich trotz ihrer Irrelevanz als bis heute übrig gebliebenes Relikt der historischen Entwicklung des Gefahrbegriffes. Siehe dazu oben Kapitel 3 A. II.

Ergebnis A. Entbehrlichkeit der üblicherweise verwendeten Begrifflichkeiten und Fallgruppen Das Ziel der Arbeit war es zu zeigen, dass die üblicherweise im Polizeirecht verwendeten Begrifflichkeiten, Fallgruppen und Regeln zur Ausfüllung und Handhabung unbestimmter Rechtsbegriffe entbehrlich sind. Für die unterschiedlichen Facetten des Gefahrbegriffes ist die Arbeit zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Begriffe der abstrakten und konkreten Gefahr sowie der Anscheinsgefahr schon aus ihrem normativen Kontext erklären lassen. Eine Bezeichnung mit jeweils eigenen Gefahrbegriffen ist damit nicht nötig und führt zu einer Entfernung von den jeweiligen normativen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage. Der Begriff des Gefahrenverdachts ist ebenso entbehrlich. Er bezeichnet nichts anderes als einen geringeren Wahrscheinlichkeitsgrad eines Schadenseintritts. Ob dieser hinreichend ist, bestimmt sich ohne Unterschied zum tatbestandlichen Gefahrbegriff durch eine Abwägung zwischen dem Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts und der Schwere des Schadens. Bei der Qualifikation einer Person als Störer sind die bei Zugrundlegung der üblichen Zurechnungstheorien auftretenden Wertungswidersprüche erklärbar, wenn man das allgemein hinter der Zurechnung stehende Prinzip betrachtet: Es besteht in einer Abwägung zwischen der Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheit und der daraus resultierenden Verantwortung. Mit Hilfe dieses Prinzips lässt sich erklären, warum keine der Zurechnungstheorien ohne Ausnahmen oder Modifikationen auskommt. Keine Zurechnungstheorie kann die Abwägung zwischen der Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheit und der daraus resultierenden Verantwortung so beschreiben, dass immer eindeutige subsumierbare Ja/Nein-Antworten als Ergebnis feststehen. An den Beispielen des Zweckveranlassers und der Begrenzung der Zustandsstörereigenschaft hat die Arbeit gezeigt, dass es sich bei diesen Beispielen nicht um Sonderfälle handelt, sondern um Resultate aus dem hinter der Zurechnung stehenden Abwägungsvorgang. Im Rahmen der Ermessensausübung kommt der Polizei eine grundsätzliche Gefahrenabwehrpflicht zu. Dieser Gefahrenabwehrpflicht sind aber durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz leitet sowohl das personelle als auch das sachliche Auswahlermessen. Allerdings folgen aus ihm keine starren Regeln für die Ermessensausübung. So wird es beispielsweise häufig so sein, dass bei dem Vorliegen einer internen Verantwortlichkeit aufgrund der Teilanforderung der Erforderlichkeit der Verhaltensstörer vor

B. Polizeirecht als ein bestimmtes System von Abwägungsentscheidungen

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dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen ist. Allerdings kann es auch abweichende Fälle geben. Eine Regel, dass der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr die Ermessensausübung leitet, lässt sich nicht feststellen. Der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr wird durch die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Auswahlentscheidung auch nicht beeinträchtigt.

B. Das Polizeirecht als ein durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmtes System von Abwägungsentscheidungen Die Arbeit stellte weiterhin die These auf, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die rechtlichen Anforderungen an polizeiliche Maßnahmen insgesamt determiniert und nicht nur bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen ist. Bereits bei der Prüfung, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegt, ergeben sich Verbindungen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zum einen wird durch das Bejahen einer Gefahr die Gefahrenabwehrpflicht der Polizei ausgelöst. Diese Gefahrenabwehrpflicht kann nur aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt sein. Das Vorliegen einer Gefahr ist mithin die Voraussetzung dafür, dass überhaupt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Bestimmung der Rechtsfolgen zur Anwendung gelangt. Gleichzeitig führt das Vorliegen einer Gefahr aber auch zwingend zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zum anderen ist bei der Prüfung der Gefahr der Wahrscheinlichkeitsgrad eines Schadenseintritts für polizeiliche Schutzgüter festzustellen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad ist der Maßstab für die Schwere der drohenden Beeinträchtigung der von dem Zweck der Maßnahme umfassten Schutzgüter im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme bei der Bestimmung der Rechtsfolgen. Die zur Bejahung der Gefahr anzustellende Prüfung, ob der Wahrscheinlichkeitsgrad hinreichend ist, hat damit Auswirkungen auf die Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme. Dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Qualifikation einer Person als Störer determiniert, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 PolG. § 9 Abs. 1 PolG gibt für grundrechtlich geschützte Güter unbeteiligter Personen von vornherein bestimmte Voraussetzungen vor, um abzusichern, dass eine Maßnahme gegenüber unbeteiligten Personen verhältnismäßig sein kann. Wird eine Person nach den §§ 6 und 7 PolG als Störer qualifiziert, trifft man damit die Aussage, dass es auf die zusätzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 PolG nicht ankommt, damit eine Maßnahme gegenüber dieser Person bei der Prüfung der Rechtsfolgen verhältnismäßig sein kann. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz determiniert mithin die Qualifikation einer Person als Störer. Es hat sich gezeigt, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im System der rechtlichen Anforderungen an eine polizeiliche Maßnahme mehr ist als ein allgemein anerkannter und durch § 5 PolG angeordneter Prüfungsgrundsatz bei der

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Ergebnis

Ermessensentscheidung. Auf allen Ebenen der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme besteht eine Beziehung zu ihm. Das Polizeirecht kann daher als ein durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmtes System von Abwägungsentscheidungen bezeichnet werden.

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Sachverzeichnis Abgrenzungsschwierigkeiten 26 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten 43 Allgemeines Lebensrisiko  111 Allgemeininteressen 67 Allgemeinverfügung 30 Angemessenheit 69 Äquivalenztheorie 92 Aufgabenzuweisung 14 Aufgabenzuweisungsnorm  14, 32 Aufklärungspflicht 85 Befugnisnorm 15 Begrifflichkeiten 13 –– normativ erklärbare  24 –– Probleme 19 Belästigung  48, 118 Bevorstehende Gefahr  47 Effektivität der Gefahrenabwehr  82 Eingriffsintensität 66 Erforderlichkeit 65 –– Störerauswahl 80 Ermessen 74 –– Auswahl  74, 77 –– Begrenzung 44 –– Entschließungs  74, 76 Ermessensnichtgebrauch 72 Ermessensüberschreitung 72 Geeignetheit 63 –– Störerauswahl 80 Gefahr 13 –– abstrakte  24, 33 –– allgemeine 33 –– Anscheins 36 –– aufgabenöffnende 34 –– Definition 16 –– konkrete 24 –– Prognoseelement 40 –– Putativ 37

–– qualifizierte 35 –– Vorfeld 25 Gefahrbegriff 108 Gefahrenabwehr 14 Gefahrenabwehrpflicht 74 –– Grenzen 76 Gefahrenprognose  35, 37 –– objektive Sicht  38 –– Objektivierung 40 –– Sicht 37 –– subjektive Sicht  39 Gefahrenschwelle 92 Gefahrenverdacht 113 Generalklausel 15 –– Rechtsfolge 27 Interne zivilrechtliche Verantwortlichkeit  84 Irrtum 38 Kasuistik 21 Nichtstörer 90 Nöthige Anstalten  44 Notwendige Maßnahmen  54 Opfergrenze 101 Opportunitätsprinzip 72 Polizeiverordnung 27 Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz  43 Realakt 28 Rechtsfolgenbetrachtung 26 Rechtsstaatsprinzip 59 Rechtsverordnung 27 Regelung –– abstrakt-generell 28 –– abstrakt-individuell 29 –– konkret-generell 29 –– konkret-individuell 28

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Sachverzeichnis

Schadenswahrscheinlichkeit 31 Schutzgut 110 Schutzpflichten 75 Schutzpflichtenkollision 79 Sozialadäquanz 92 Störerauswahl 79 –– Erforderlichkeit 80 –– Geeignetheit 80 –– interne zivilrechtliche Verantwortlichkeit  84 –– Verantwortungsgrad 83 Störerqualifikation 89 Theorie der rechtswidrigen Verursachung 92 Theorie der unmittelbaren Verursachung  92 Unmittelbare Ausführung  34 Verantwortungsgrad 83 Verhaltensstörer 89 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 62 –– Angemessenheit 69

–– Bindung durch das PolG  61 –– Erforderlichkeit 65 –– Geeignetheit 63 –– Grundrechte 61 –– Legitimität von Zweck und Mittel  63 –– Teilanforderungen 62 –– Verankerung 59 –– Verfassungsrang 58 Verkehrswert 101 Wahrscheinlichkeit 106 –– Anforderungen 16 –– Grad 107 –– hinreichende 108 Zeitliches Kriterium  112 Zurechnung 90 –– Abwägungsvorgang 96 –– Wertungswidersprüche 97 Zurechnungskette 90 Zustandsstörer  89, 93 –– Begrenzung 99 Zwecktauglichkeit 63 Zweckveranlasser 97

SUMMARY It is apparent that there are many indefinite legal concepts in police law, even though they authorise fundamental rights measures, which must be adequately defined by law. This includes various

‘Gefahr’ concepts, but also conceptual thinking in that which concerns what qualifies as individual as interferer, as well as the regulations for the exercise of discretion. The aim of developing diverse concepts and regulations consists, on the one hand, in the necessity of making normative requirements easier to use. On the other hand, it consists in being able to classify problematic de facto situations more easily. However, it is questionable if a simplification can truly be achieved through the development of diverse concepts and regulations. As one increasingly moves away from the standardised and other legal requirements for police measures, a complex casuistry threatens. The work assumes that the commonly used concepts, case groups, and regulations are unnecessary. It argues that the content of many facets of the indefinite legal concept of ‘Gefahr’ can be developed solely from a normative context, with the result that some of the commonly used categories are superfluous. This applies, for example, to the conceptual pair of ‘abstrakte’ and ‘konkrete Gefahr’ and possibly also the ‘Anscheins-’ and ‘Putativgefahr’. Moreover, the work assumes that the examination of the legality of a police measure and the completion of all related margins of discretion are characterised by the proportionality principle. The work wants to demonstrate that the principle of proportionality not only determines the police’s exercise of discretion, but that the legal requirements for police measures as a whole are based on a system of weighing up decisions determined by the principle of proportionality.

RÉSUMÉ Il est manifeste que de nombreux termes juridiques vagues se trouvent dans le droit policier bien que cela permette des mesures d’intervention par le droit fondamental qui doivent être suffisamment décrites par la loi seule. Les différents termes de Gefahr sont concernés mais aussi la pensée même du terme lorsqu’une personne est qualifiée de perturbatrice, tout comme les règles lors du pouvoir d’appréciation. Le but de la création de terminologies et de règles différentes consiste d’une part en un besoin de produire des exigences normatives plus facilement gérables. D’autre part, il s’agit de pouvoir considérer plus simplement les situations effectivement problématiques. On peut cependant se demander si la formulation de différentes terminologies et règles permettra effectivement d’atteindre une simplification. Étant donné que l’on s’éloigne de plus en plus des exigences normalisées de fait et des autres exigences légales vers des mesures policières, une casuistique confuse menace. Le travail part du principe que les terminologies habituellement utilisées, les cas de figure et les règles sont superflus. Il soutient la thèse que le contenu d’un certain nombre de facettes de notions juridiques indéterminées du Gefahr ne saurait être exploité seul hors de son contexte normatif, ce qui a pour conséquence que certaines catégories habituellement utilisées sont superflues. Les concepts de abstrakte et konkrete Gefahr et éventuellement aussi celui de Anscheins- et Putativgefahr sont par exemple concernés. Par ailleurs, le travail suppose que le contrôle de légalité d’une mesure policière et l’établissement des marges d’appréciation liées soient marqués par le principe de proportionnalité. Le travail montrera que le principe de proportionnalité détermine non seulement le pouvoir d’appréciation par la police mais que les exigences légales sur les mesures policières reposent sur un système particulier de décisions réfléchies déterminé par le principe de proportionnalité.