Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten [2. Aufl. 2019] 978-3-662-58966-3, 978-3-662-58967-0

Das vorliegende Buch bietet eine gut verständliche Einführung in die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie und ze

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German Pages XI, 311 [308] Year 2019

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Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten [2. Aufl. 2019]
 978-3-662-58966-3, 978-3-662-58967-0

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XI
Front Matter ....Pages 1-1
Einführung (Reinhard Meinel)....Pages 3-9
Der Minkowski-Raum – die Raumzeit der SRT (Reinhard Meinel)....Pages 11-24
Lorentz-Transformationen (Reinhard Meinel)....Pages 25-37
Vierervektoren und Vierertensoren (Reinhard Meinel)....Pages 39-50
Relativistische Punktmechanik (Reinhard Meinel)....Pages 51-64
Andere Teilgebiete der Physik im Rahmen der SRT (Reinhard Meinel)....Pages 65-78
Front Matter ....Pages 79-79
Grundideen (Reinhard Meinel)....Pages 81-87
Geometrie der Raumzeit (Reinhard Meinel)....Pages 89-104
Physik in der gekrümmten Raumzeit (Reinhard Meinel)....Pages 105-118
Die Einstein’schen Feldgleichungen (Reinhard Meinel)....Pages 119-129
Der Newton’sche Grenzfall (Reinhard Meinel)....Pages 131-138
Die Schwarzschild-Lösung (Reinhard Meinel)....Pages 139-147
Die klassischen Effekte der ART (Reinhard Meinel)....Pages 149-164
Kugelsymmetrische Sternmodelle (Reinhard Meinel)....Pages 165-177
Die Schwarzschild-Lösung als Schwarzes Loch (Reinhard Meinel)....Pages 179-189
Das Wirkungsprinzip der ART (Reinhard Meinel)....Pages 191-201
Ausblick (Reinhard Meinel)....Pages 203-213
Front Matter ....Pages 215-215
Mathematische Methoden (Reinhard Meinel)....Pages 217-254
Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher (Reinhard Meinel)....Pages 255-288
Die rotierende Staubscheibe (Reinhard Meinel)....Pages 289-299
Back Matter ....Pages 301-311

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Reinhard Meinel

Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten 2. Auflage

Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten

Reinhard Meinel

Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten 2. Auflage

Reinhard Meinel Physikalisch-Astronomische Fakultät Friedrich-Schiller-Universität Jena Jena, Deutschland

ISBN 978-3-662-58966-3 ISBN 978-3-662-58967-0  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Spektrum © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2016, 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Margit Maly Grafiken: Florian Meinel, Potsdam Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort zur zweiten Auflage

Für die zweite Auflage habe ich das Kap. 17, insbesondere den Abschnitt über Gravitationswellen, aktualisiert und etwas erweitert. Außerdem habe ich nach gründlicher Durchsicht des gesamten Buches – auch unter Beachtung von Leserreaktionen, für die ich mich herzlich bedanke – kleine Korrekturen und weitere Verbesserungen vorgenommen. Jena im Februar 2019

Reinhard Meinel

V

Vorwort

Einsteins allgemeine Relativitätstheorie ist jetzt 100 Jahre alt und gehört zum festen Bestand der klassischen Physik. Viele astrophysikalische Phänomene sind nur mit ihrer Hilfe zu verstehen, und ein allgemein-relativistischer Effekt wird sogar bei der Frequenzeinstellung der Atomuhren in den Satelliten moderner Navigationssysteme berücksichtigt. Trotzdem gehört diese überaus erfolgreiche und außerdem wunderschöne Theorie bisher leider nicht zur Standardausbildung im Physikstudium der meisten deutschen Universitäten. Mit der Einführung des Bachelorstudiums und der sich daran anschließenden, oft stärker spezialisierten Masterstudiengänge ist das in der Regel nicht besser geworden. Glücklicherweise gibt es in Jena eine über fünfzigjährige Tradition der universitären Forschung und Lehre auf dem Gebiet der relativistischen Physik, die sich heute auch mit anspruchsvollen Wahlvorlesungen im Masterstudium fortsetzt. Zusätzlich biete ich seit dem Wintersemester 2007/2008 regelmäßig eine einsemestrige Wahlveranstaltung „Relativistische Physik“ mit wöchentlich zwei Stunden Vorlesung und zwei Stunden Übungen für Bachelorstudenten an, die eine Einführung sowohl in die spezielle als auch in die allgemeine Relativitätstheorie gibt und von allen Studenten im Anschluss an die Vorlesungen zur theoretischen Mechanik und zur Elektrodynamik gut verstanden werden kann. Das vorliegende Lehrbuch soll den Inhalt dieser Lehrveranstaltung einem größeren Interessentenkreis zugänglich machen. Ich würde mich sehr freuen, wenn es vielleicht sogar helfen könnte, die allgemeine Relativitätstheorie stärker im Physikstudium zu etablieren. Natürlich existiert bereits eine umfangreiche Lehrbuchliteratur zur Relativitätstheorie. Meinen Studenten empfehle ich als zusätzliche Lektüre besonders die im Literaturverzeichnis zu findenden Bücher von Einstein, Landau und Lifschitz, Weinberg, Misner et al., Dirac, Rindler, Hartle sowie Stephani, denen ich selbst viele Anregungen verdanke. Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Während die ersten beiden Teile (spezielle und allgemeine Relativitätstheorie) ziemlich genau dem Inhalt meiner Lehrveranstaltung „Relativistische Physik“ entsprechen, werden im dritten Teil ausgewählte „Ergänzungen für Fortgeschrittene“ geboten, die man so bisher noch in keinem anderen Lehrbuch finden kann. Alle Kapitel beginnen zur Einstimmung mit einer kurzen Zusammenfassung. Liest man nur diese Zusammenfassungen, bekommt man schon einen recht guten Gesamteindruck vom Inhalt des Buches. Am Ende

VII

VIII

Vorwort

der meisten Kapitel finden sich Übungsaufgaben mit ausführlich dargestellten Lösungen. Abschließend möchte ich mich ganz herzlich bei einer Reihe von Menschen bedanken, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben: Als Erstes danke ich Florian Meinel für die Erstellung der Grafiken. Für wertvolle Verbesserungsvorschläge inhaltlicher und sprachlicher Art bedanke ich mich bei Stefan Palenta, Andreas Schoepe, David Petroff, Andreas Kleinwächter, Marcus Ansorg, Daniel Heinert, Stefan Wicklein, Claudia Grabs, Stefan und Urte Meinel. Ein besonderer Dank geht an Gernot Neugebauer, meinen verehrten Lehrer, Freund und Kollegen. Die Ergebnisse unserer gemeinsamen Forschungsarbeit der vergangenen 25 Jahre sind in den dritten Teil des Buches mit eingeflossen. Zu guter Letzt bedanke ich mich bei den Mitarbeitern des Springer-Verlages für die angenehme Zusammenarbeit – insbesondere bei Vera Spillner, die mich vor einem Jahr zu diesem Buchvorhaben überredet und alles eingefädelt hat sowie bei Margit Maly und Stella Schmoll, die das Projekt dann weiter begleitet haben. Jena im Februar 2016

Reinhard Meinel

Inhaltsverzeichnis

Teil I  Spezielle Relativitätstheorie (SRT) 1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.1 Das Relativitätsprinzip der klassischen Mechanik. . . . . . . . . . . . 3 1.2 Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.3 Die Relativität der Gleichzeitigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2

Der Minkowski-Raum – die Raumzeit der SRT . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.1 Ereignisse, Weltlinien und der invariante Abstand. . . . . . . . . . . . 11 2.2 Raumartige, zeitartige sowie lichtartige Abstände und der Lichtkegel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.3 Die Eigenzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3 Lorentz-Transformationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.1 Verschiebungen und Drehungen in der Raumzeit. . . . . . . . . . . . 25 3.2 Allgemeine Lorentz-Transformationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.3 Inertialsysteme mit Relativbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4

Vierervektoren und Vierertensoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.1 Der Ortsvektor im Minkowski-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.2 Vierervektoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4.3 Vierertensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

5

Relativistische Punktmechanik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.1 Kinematik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.2 Dynamik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5.3 Die Energie-Impuls-Beziehung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

6

Andere Teilgebiete der Physik im Rahmen der SRT. . . . . . . . . . . . . 65 6.1 Elektrodynamik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 6.2 Hydrodynamik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 6.3 Das Problem der Gravitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

IX

Inhaltsverzeichnis

X

Teil II  Allgemeine Relativitätstheorie (ART) 7 Grundideen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 7.1 Geometrisierung der Gravitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 7.2 Mach’sches Prinzip und Gravitomagnetismus. . . . . . . . . . . . . . . 84 7.3 Der Energie-Impuls-Tensor als Quellterm. . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 8

Geometrie der Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 8.1 Metrik, Vektoren und Tensoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 8.2 Lokale Inertialsysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 8.3 Die kovariante Ableitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

9

Physik in der gekrümmten Raumzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 9.1 Die Übertragungsregel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 9.2 Punktmechanik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 9.3 Elektrodynamik und Hydrodynamik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

10 Die Einstein’schen Feldgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 10.1 Ein Weg zu den Feldgleichungen der Gravitation. . . . . . . . . . . . 119 10.2 Der Riemann’sche Krümmungstensor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 10.3 Nichtlinearität, Kopplung und Konsistenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 11 Der Newton’sche Grenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 11.1 Voraussetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 11.2 Die Newton’sche Gravitationsfeldgleichung. . . . . . . . . . . . . . . . 132 11.3 Die Newton’sche Bewegungsgleichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 12 Die Schwarzschild-Lösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 12.1 Ricci-Tensor einer kugelsymmetrischen Metrik . . . . . . . . . . . . . 139 12.2 Auswertung der Vakuum-Feldgleichungen. . . . . . . . . . . . . . . . . 141 12.3 Eigenschaften der Schwarzschild-Lösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 13 Die klassischen Effekte der ART. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 13.1 Periheldrehung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 13.2 Lichtablenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 13.3 Rotverschiebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 14 Kugelsymmetrische Sternmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 14.1 Feldgleichungen innerhalb des Sterns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 14.2 Hydrostatisches Gleichgewicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 14.3 Gravitativer Massendefekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 15 Die Schwarzschild-Lösung als Schwarzes Loch. . . . . . . . . . . . . . . . . 179 15.1 Der Ereignishorizont. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 15.2 Radiale Nullgeodäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 15.3 Kugelsymmetrischer Gravitationskollaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

Inhaltsverzeichnis

XI

16 Das Wirkungsprinzip der ART. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 16.1 Die Hilbert-Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 16.2 Ankopplung der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 16.3 Beispiel: Elektrisch geladener Staub. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 17 Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 17.1 Gravitationswellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 17.2 Kosmologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 17.3 Das Problem der Quantengravitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Teil III  Ergänzungen für Fortgeschrittene 18 Mathematische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 18.1 Killing-Vektoren und Lie-Ableitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 18.2 Erhaltungsgrößen und Fernfeld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 18.3 Die Einstein-Maxwell-Gleichungen bei Axialsymmetrie und Stationarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 18.4 Lösungsmethoden aus der Solitonentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 229 19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher. . . . . . . . . . . 255 19.1 Das Randwertproblem für ein isoliertes Schwarzes Loch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 19.2 Beweis der Eindeutigkeit der Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 19.3 Vollständige Herleitung der Kerr-Newman-Lösung . . . . . . . . . . 266 19.4 Eigenschaften der Kerr-Newman-Lösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 20 Die rotierende Staubscheibe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 20.1 Rotierende Sterne in der ART . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 20.2 Der Scheibengrenzfall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 20.3 Die Lösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

Teil I Spezielle Relativitätstheorie (SRT)

1

Einführung

Inhaltsverzeichnis 1.1 1.2 1.3

Das Relativitätsprinzip der klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Relativität der Gleichzeitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 6 7

Zusammenfassung

In diesem einführenden Kapitel beginnen wir mit dem Relativitätsprinzip der klassischen (d. h. Newton’schen) Mechanik. Es besagt, dass identische Experimente in unterschiedlichen Inertialsystemen identische Resultate ergeben. Die experimentell bestätigte Gültigkeit dieses Prinzips auch für nicht-mechanische Vorgänge, insbesondere für elektromagnetische Erscheinungen einschließlich der Lichtausbreitung, führt zur „Relativität der Gleichzeitigkeit“ mit der Konsequenz, dass das Konzept einer absoluten Zeit aufgegeben werden muss. Die klassische Mechanik erweist sich nur dann – näherungsweise – als gültig, wenn die vorkommenden Geschwindigkeiten klein gegen die Lichtgeschwindigkeit sind.

1.1

Das Relativitätsprinzip der klassischen Mechanik

Bereits in der Newton’schen Mechanik gibt es ein Relativitätsprinzip. Es kann wie folgt formuliert werden: Definition 1.1 (Relativitätsprinzip) Führt man identische Experimente in unterschiedlichen Inertialsystemen durch, erhält man identische Resultate.  Der Übergang von einem Inertialsystem  (mit kartesischen Koordinaten x, y, z) zu einem anderen Inertialsystem   (mit kartesischen Koordinaten x  , y  , z  ) wird durch eine Koordinatentransformation beschrieben. Wir geben drei Beispiele solcher Transformationen an. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_1

3

4

1

Einführung

Beispiel 1.1 Das erste Beispiel (Abb. 1.1) ist eine Verschiebung in Richtung der x-Achse um die (konstante) Länge l. Die Koordinaten transformieren sich gemäß x  = x − l, y  = y, z  = z.

(1.1) 

Beispiel 1.2 Das zweite Beispiel (Abb. 1.2) ist eine Drehung um die z-Achse mit dem (konstanten) Drehwinkel ϕ. Hier lauten die Transformationsformeln x  = cos ϕ x + sin ϕ y, y  = − sin ϕ x + cos ϕ y, z  = z.

(1.2) 

Abb. 1.1 Verschiebung in x-Richtung

Abb. 1.2 Drehung um die z-Achse

1.1 Das Relativitätsprinzip der klassischen Mechanik

5

Beispiel 1.3 Als drittes Beispiel (Abb. 1.3) betrachten wir eine Bewegung des Systems   relativ zum System  mit konstanter Geschwindigkeit v in x-Richtung. Eine solche „Galilei-Transformation“ wird beschrieben durch die folgenden Formeln: x y z t

= x − vt, = y, = z, = t.

(1.3)

Hier kommt auch die Zeitkoordinate t vor, die aber selbst nicht transformiert wird. In der Newton’schen Mechanik gibt es eine „absolute Zeit“. Im Hinblick auf die späteren relativistischen Formeln haben wir dennoch schon eine Zeile t  = t hinzugefügt. Es sei angemerkt, dass die Galilei-Transformation (1.3) für einen fixierten Zeitpunkt eine Verschiebung (1.1) mit l = vt darstellt.  Ein Inertialsystem  ist gemäß dem ersten Newton’schen Axiom dadurch charakterisiert, dass ein kräftefreies Teilchen im Zustand der Ruhe verharrt oder sich geradlinig gleichförmig bewegt, d. h. seine Beschleunigung verschwindet: d2x = 0, dt 2

d2 y = 0, dt 2

d2z = 0. dt 2

(1.4)

In allen drei betrachteten Beispielen folgt diese Eigenschaft wegen l = const., ϕ = const. bzw. v = const. sofort auch für das System   : d2x = 0, dt 2

d 2 y = 0, dt 2

d 2 z = 0. dt 2

(1.5)

Die zugrunde liegende Geometrie des euklidischen Raumes wird in kartesischen Koordinaten durch das „Linienelement“ d S 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2

Abb. 1.3 Bewegung in x-Richtung mit konstanter Geschwindigkeit (Galilei-Transformation)

(1.6)

6

1

Einführung

Abb. 1.4 Addition von Geschwindigkeiten

beschrieben, wobei mit der Schreibweise d x 2 genau genommen (d x)2 gemeint ist (analog für y, z und S) und d S den Abstand der infinitesimal benachbarten Raumpunkte (x, y, z) und (x + d x, y + dy, z + dz) bezeichnet. Gl. (1.6) ist die infinitesimale, dreidimensionale Version des Satzes des Pythagoras. Die Form von d S 2 ist invariant bei Verschiebungen und Drehungen: d S 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 = d x  + d y  + dz  . 2

2

2

(1.7)

Im Falle einer Verschiebung (1.1) ist das trivial, da dann einfach d x  = d x, dy  = dy und dz  = dz gilt. Bei einer Drehung (1.2) gilt d x  = cos ϕ d x + sin ϕ dy, dy  = − sin ϕ d x + cos ϕ dy und dz = dz  , woraus wegen sin2 ϕ + cos2 ϕ = 1 ebenfalls (1.7) folgt. Der tiefere Grund für diese „Forminvarianz“ des Linienelementes gegenüber Verschiebungen und Drehungen liegt in den Symmetrieeigenschaften des euklidischen Raumes. Der euklidische Raum ist homogen (kein Punkt ist vor einem anderen Punkt ausgezeichnet) und isotrop (keine Richtung ist vor einer anderen Richtung ausgezeichnet). Addition von Geschwindigkeiten Für eine Galilei-Transformation (1.3) gilt dx dx dx = = − v, dt  dt dt

dy dy  = , dt  dt

dz dz  = . dt  dt

(1.8)

Ein Teilchen, das sich im System   mit einer Geschwindigkeit V  = d x  /dt  in x  -Richtung bewegt, bewegt sich also im System  mit einer Geschwindigkeit V = d x/dt gemäß der einfachen Additionsformel V = V + v

(1.9)

in x-Richtung. In Abb. 1.4 wird das System   durch einen Eisenbahnwagen veranschaulicht, der sich relativ zum System  („Bahnsteigsystem“) mit der Geschwindigkeit v nach rechts bewegt. Die Formel (1.9) entspricht der Alltagserfahrung, nach der ein Teilchen, welches sich relativ zum Wagen mit der Geschwindigkeit V  bewegt, eine Geschwindigkeit V  + v relativ zum Bahnsteigsystem hat. Im Kap. 3 werden wir sehen, wie das korrekte Additionstheorem der Geschwindigkeiten im Rahmen der SRT aussieht. Die Formel (1.9) wird sich nur als eine – für hinreichend kleine Geschwindigkeiten gültige – Näherung erweisen.

1.2

Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit

Es stellt sich nun die interessante Frage, ob das Relativitätsprinzip („Identische Experimente in unterschiedlichen Inertialsystemen ergeben identische Resultate“) auch

1.3 Die Relativität der Gleichzeitigkeit

7

für nicht-mechanische, zum Beispiel elektromagnetische Erscheinungen inklusive der Lichtausbreitung gilt. Die experimentell hervorragend bestätigte Antwort auf diese Frage lautet „Ja!“. Dazu gehört insbesondere der Befund, dass die VakuumLichtgeschwindigkeit c in allen Inertialsystemen, unabhängig von der Bewegung der Lichtquelle, den einheitlichen Wert c = 299 792 458 ms−1

(1.10)

hat. Erinnert sei an dieser Stelle an den berühmten Versuch, den Michelson und Morley im Jahre 1887 durchgeführt haben. Seit 1983 wird der Zahlenwert (1.10) zur Zurückführung der Definition des Meters auf die Definition der Sekunde verwendet, d. h. dieser exakte Zahlenwert hat nunmehr dauerhafte Gültigkeit. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit steht jedoch im Widerspruch zur Formel (1.9), nach der ein Lichtsignal, welches sich im System   – man denke an den Eisenbahnwagen in Abb. 1.4 – mit der Geschwindigkeit V  = c bewegt, im System  (Bahnsteigsystem) die Geschwindigkeit V = c + v hätte. Die Konsequenz dieses Widerspruchs ist schwerwiegend: Die Galilei-Transformation (aus der die Formel zur Addition der Geschwindigkeiten unmittelbar folgt) und damit die Newton’sche Mechanik sind falsch und müssen ersetzt werden durch die Lorentz-Transformation (Kap. 3) und die relativistische Mechanik (Kap. 5). Wie wir noch sehen werden, erweist sich die Newton’sche Mechanik aber als eine gute Näherung der relativistischen Mechanik, sofern die vorkommenden Geschwindigkeiten klein gegen die Lichtgeschwindigkeit sind. Unter dieser Voraussetzung hatte sich die Newton’sche Mechanik ja auch bestens bewährt und kann selbstverständlich weiter verwendet werden. Ein bemerkenswerter Umstand ist die Tatsache, dass die Vakuum-MaxwellGleichungen der Elektrodynamik, die in jedem Inertialsystem gelten und den uni√ versellen Wert c = 1/ 0 μ0 für die Lichtgeschwindigkeit liefern, forminvariant gegenüber Lorentz-Transformationen sind. Die Maxwell’sche Elektrodynamik war nicht nur wesentlich für die Entdeckung der SRT, sondern sie hat die damit verbundene „Revolution“ in der Physik unbeschadet überstanden. Darauf kommen wir im Kap. 6 zurück. Im folgenden letzten Abschnitt unserer Einführung werden wir sehen, dass der Fehler der Newton’schen Mechanik in der Annahme einer absoluten Zeit liegt.

1.3

Die Relativität der Gleichzeitigkeit

Wir beziehen uns jetzt wiederum auf einen Eisenbahnwagen wie in Abb. 1.4 und stellen uns vor, dass von beiden Enden des Wagens (A und B) je ein Lichtsignal in Richtung Mitte (M) ausgesendet wird. Beide Lichtsignale kommen gleichzeitig bei M an. In Abb. 1.5 ist dieser Vorgang im System   , in dem der Wagen ruht, schematisch dargestellt. Aus Symmetriegründen ist unmittelbar klar, dass die Lichtsignale gleichzeitig, also zum selben Zeitpunkt t  , bei A und B ausgesendet werden müssen, damit sie gleichzeitig bei M ankommen.

8

1

Einführung

Abb. 1.5 Die von A und B im System   , in dem der Wagen ruht, gleichzeitig ausgesendeten Lichtsignale kommen gleichzeitig in der Mitte M des Wagens an

Abb. 1.6 Im System , in dem sich der Wagen nach rechts bewegt, wird erst das Lichtsignal bei A, später das bei B ausgesendet. Beide Signale kommen gleichzeitig in der Mitte M des Wagens an

Vom Bahnsteigsystem  aus beurteilt, in dem sich der Wagen nach rechts bewegt, stellt sich derselbe Vorgang – unter der Voraussetzung, dass die Geschwindigkeit v des Wagens zwar kleiner als die Lichtgeschwindigkeit, aber nicht vernachlässigbar gegenüber dieser ist – wie folgt dar (Abb. 1.6): Damit die Signale gleichzeitig bei M ankommen, muss zuerst das Signal bei A und zu einem späteren Zeitpunkt t das Signal bei B ausgesendet werden. Das ist eine unmittelbare Folge der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Auch im System  laufen die Lichtsignale mit der Geschwindigkeit V = ±c von A bzw. B nach M. Da sich der Wagen nach rechts bewegt, hat das von A ausgesendete Signal eine größere Strecke bis zur Ankunft bei M zurückzulegen als das bei B ausgesendete Signal. Somit benötigt das von A ausgesendete Signal auch mehr Zeit als das von B kommende bis zur gemeinsamen Ankunft bei M. Während das gleichzeitige Eintreffen der Signale bei M (also am selben Ort) natürlich eine vom Bezugssystem unabhängige Eigenschaft ist, hängt die Gleichzeitigkeit an unterschiedlichen Orten offensichtlich vom gewählten System ab! Im System 

1.3 Die Relativität der Gleichzeitigkeit

9

wird erst das Signal bei A, später das Signal bei B ausgesendet. Im System   hingegen erfolgt das Aussenden der beiden Lichtsignale gleichzeitig. Das ist mit der Überschrift „Relativität der Gleichzeitigkeit“ gemeint. Hieraus folgt zwangsläufig, dass das klassische Konzept einer absoluten Zeit aufgegeben werden muss. Die in (1.3) angegebene Formel t  = t kann nicht richtig sein. Im folgenden Kap. 2 werden wir das auf Minkowski zurückgehende Konzept der „Raumzeit“ kennenlernen, das uns unter Berücksichtigung der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zu einer höchst eleganten Überwindung der damit verbundenen Widersprüche der klassischen Vorstellungen von Raum und Zeit führen wird. Im Kap. 3 werden wir die an die Stelle der Galilei-Transformationen tretenden LorentzTransformationen herleiten und feststellen, dass diese in konzeptioneller Hinsicht sogar einfacher sind.

2

Der Minkowski-Raum – die Raumzeit der SRT

Inhaltsverzeichnis 2.1 Ereignisse, Weltlinien und der invariante Abstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Raumartige, zeitartige sowie lichtartige Abstände und der Lichtkegel . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Eigenzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 15 19 21

Zusammenfassung

Schon kurz nach Einsteins Formulierung der SRT gelang Minkowski eine elegante Vereinigung von Raum und Zeit, die wir heute – inzwischen ohne Bindestrich – als Raumzeit bezeichnen. Die Punkte dieses vierdimensionalen pseudoeuklidischen Raums, des „Minkowski-Raums“, nennt man auch „Ereignisse“. Teilchen oder Lichtsignale beschreiben „Weltlinien“ in der Raumzeit. Abstände im Minkowski-Raum können „raumartig“, „zeitartig“ oder „lichtartig“ sein. Der „Lichtkegel“ teilt die Raumzeit aus der Sicht eines beliebig gewählten Bezugspunktes in Zukunft und Vergangenheit sowie einen Bereich von Ereignissen, die keinen Kausalzusammenhang zum Bezugsereignis haben können. Wir werden sehen, dass es deshalb keine Bewegung oder Signalübertragung mit Überlichtgeschwindigkeit geben kann. Die Wegabhängigkeit der auf zeitartigen Weltlinien zwischen zwei fixierten Punkten in der Raumzeit verstreichenden „Eigenzeit“ ist der Inhalt des sogenannten Zwillingsparadoxons.

2.1

Ereignisse, Weltlinien und der invariante Abstand

In der Umgangssprache ist ein Ereignis charakterisiert durch den Ort, an dem es stattfindet und durch den Zeitpunkt, zu dem es geschieht. Wir wollen abstrakt eine eineindeutige Zuordnung zwischen den Ereignissen und den Punkten eines vierdimensionalen Raumes, des „Raum-Zeit-Kontinuums“ oder – wie man heute kurz sagt – der „Raumzeit“, herstellen: © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_2

11

12

2

Der Minkowski-Raum – die Raumzeit der SRT

Definition 2.1 (Ereignis) Ein Ereignis ist ein Punkt in der vierdimensionalen Raumzeit.  Zu den kartesischen Koordinaten x, y, z eines Inertialsystems  kommt jetzt als vierte Koordinate ct dazu. Durch die Multiplikation von t mit der Lichtgeschwindigkeit c haben alle vier Koordinaten dieselbe physikalische Einheit. Die Zeit t wird von allen Uhren angezeigt, die in  ruhen (x = const., y = const., z = const.), wobei wir vereinbaren, dass diese Uhren wechselseitig nach folgender Vorschrift synchronisiert sind: Gleichzeitig von zwei Uhren in Richtung ihrer Verbindungslinie ausgesendete Lichtsignale kommen gleichzeitig in der Mitte dieser Linie an. Abb. 2.1 stellt ein sogenanntes Raumzeit-Diagramm dar, wobei wir uns die y-Achse und die z-Achse noch dazu denken müssen. Die Koordinaten eines Ereignisses E im Inertialsystem  sind also xE , yE , z E und ctE . Ein Teilchen, ein Lichtsignal oder auch ein (gedachter) „Beobachter“ beschreiben eine Kurve – eine „Weltlinie“ – in der Raumzeit. In Abb. 2.2 stellt (a) die Weltlinie eines bei x = x0 ruhenden Teilchens dar, (b) die eines sich mit konstanter Geschwindigkeit in x-Richtung bewegenden Teilchens und (c) die eines in x-Richtung laufenden Lichtsignals. Die Weltlinie (d) beschreibt ein beschleunigt bewegtes Teilchen. (In allen vier Fällen haben wir y = const. und z = const. vorausgesetzt.) Der Anstieg der Weltlinie hängt unmittelbar mit der Geschwindigkeit zusammen: d(ct) dt c . =c = dx dx Vx Abb. 2.1 RaumzeitDiagramm mit Ereignis E

Abb. 2.2 Weltlinien

(2.1)

2.1 Ereignisse, Weltlinien und der invariante Abstand

13

Für ein in x-Richtung laufendes Lichtsignal [Weltlinie (c)] gilt also d(ct) = 1, dx

(2.2)

was einem Anstiegswinkel von 45◦ entspricht. Jetzt wollen wir untersuchen, wie sich die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit auswirkt. Dazu betrachten wir zwei Ereignisse E1 und E2 , die als Aussenden und Empfang eines Lichtsignals interpretiert werden können, von zwei unterschiedlichen Inertialsystemen ( und   ) aus. Die Koordinaten von E1 bezeichnen wir mit (x1 , y1 , z 1 , ct1 ) in  und mit (x1 , y1 , z 1 , ct1 ) in   , entsprechend die von E2 mit (x2 , y2 , z 2 , ct2 ) bzw. (x2 , y2 , z 2 , ct2 ). In  legt das Lichtsignal die Strecke c(t2 − t1 ) =



(x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 + (z 2 − z 1 )2

(2.3)

zurück, s. Abb. 2.3. Daraus folgt die Beziehung (x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 + (z 2 − z 1 )2 − c2 (t2 − t1 )2 = 0.

(2.4)

Da die Lichtgeschwindigkeit im System   denselben Wert c hat, folgt analog auch (x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 + (z 2 − z 1 )2 − c2 (t2 − t1 )2 = 0.

(2.5)

Das nehmen wir zum Anlass für folgende Abstandsdefinition zweier beliebiger Ereignisse (x1 , y1 , z 1 , ct1 ) und (x2 , y2 , z 2 , ct2 ): Definition 2.2 (Abstand) Der Abstand zweier Ereignisse (x1 , y1 , z 1 , ct1 ) und (x2 , y2 , z 2 , ct2 ) ist die Größe  1/2 . s12 = (x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 + (z 2 − z 1 )2 − c2 (t2 − t1 )2

(2.6) 

Abb. 2.3 Aussenden und Empfang eines Lichtsignals (hier für den Fall y2 = y1 und z 2 = z 1 )

14

2

Der Minkowski-Raum – die Raumzeit der SRT

Zwei Ereignisse mit verschwindendem Abstand kann man gemäß (2.4) immer als Aussenden und Empfang eines Lichtsignals interpretieren. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit heißt also: Verschwindet der Abstand zweier Ereignisse in einem Inertialsystem, dann verschwindet er auch in allen anderen. Mit ds bezeichnen wir den Abstand infinitesimal benachbarter Ereignisse (x, y, z, ct) und (x + d x, y + dy, z + dz, ct + cdt), für dessen Quadrat also ds 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2

(2.7)

gilt. Das ist das Linienelement des „Minkowski-Raums“. Für t = const. ergibt sich ds 2 = d S 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 , das vertraute Linienelement (1.7) des euklidischen Raums. Wäre nicht das Minuszeichen vor c2 dt 2 in (2.7), hätten wir es mit einem vierdimensionalen euklidischen Raum zu tun. Wegen des Minuszeichens spricht man von einem pseudoeuklidischen Raum. An dieser Stelle sei bemerkt, dass wir den Begriff „Linienelement“ im Sinne der weitverbreiteten Kurzsprechweise für die Formel zur Berechnung des Quadrates des Abstandes infinitesimal benachbarter Punkte aus den Koordinatendifferenzialen verwenden. Ursprünglich wurde als Linienelement dieser Abstand ds selbst bezeichnet bzw. ein infinitesimales Stück (Element) einer Linie (mit Länge ds), das die beiden infinitesimal benachbarten Punkte verbindet, ganz analog zu den Begriffen Flächenelement und Volumenelement. Infinitesimal formuliert, bedeutet die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit also ds = 0 in 



ds  = 0 in   .

(2.8)

Noch ohne Kenntnis der genauen Umrechnungsformeln zwischen den Koordinaten von  und   , aber unter Berücksichtigung der Homogenität von Raum und Zeit sowie der Isotropie des Raumes, kann man aus der Beziehung (2.8) schon ganz allgemein auf 2

ds 2 = ds  ,

(2.9)

d. h. 2

2

2

d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2 = d x  + d y  + dz  − c2 dt 

2

(2.10)

schließen, s. Aufgabe 2.1. Wie man sich leicht überlegen kann, folgt daraus auch  für endliche Abstände. Der in (2.6) definierte Abstand zweier Ereignisse s12 = s12 ist also in allen Inertialsystemen gleich, er ist eine „Invariante“. Für den MinkowskiRaum bedeutet das, dass die Form des Linienelementes ds 2 gemäß (2.10) invariant gegenüber der Transformation von den Koordinaten des Systems  zu denen des Systems   ist. Diese noch zu findenden Transformationen haben also für den Minkowski-Raum dieselbe Bedeutung wie Drehungen und Verschiebungen für den euklidischen Raum, die das Linienelement d S 2 forminvariant lassen. Die Form des Linienelementes (nicht aber der Abstand!) ändert sich natürlich, wenn man in krummlinige Koordinaten umrechnet oder zu einem beschleunigten Bezugssystem übergeht, s. Aufgabe 2.2.

2.2 Raumartige, zeitartige sowie lichtartige Abstände und der Lichtkegel

2.2

15

Raumartige, zeitartige sowie lichtartige Abstände und der Lichtkegel

Während der vierdimensionale (raumzeitliche) Abstand eine invariante Größe ist, haben räumliche und zeitliche Abstände für sich genommen nur eine Bedeutung für das jeweilige Bezugssystem. Bezeichnen wir für zwei Ereignisse mit den Koordinaten (x1 , y1 , z 1 , ct1 ) und (x2 , y2 , z 2 , ct2 ) im Inertialsystem  den räumlichen Abstand mit S12 und den zeitlichen Abstand mit t12 , also 1/2  S12 = (x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 + (z 2 − z 1 )2 , t12 = |t2 − t1 |,

(2.11)

gilt für den invarianten Abstand s12 gemäß (2.6) (s12 )2 = (S12 )2 − c2 (t12 )2 .

(2.12)

Wir setzen jetzt voraus, dass die beiden Ereignisse (x1 , y1 , z 1 , ct1 ) und (x2 , y2 , z 2 , ct2 ) nicht identisch sind und stellen folgende Frage: • Gibt es ein Inertialsystem   , in dem diese beiden Ereignisse am selben Ort  = 0 gilt? stattfinden, also S12 Wegen  2  2 (s12 )2 = (S12 )2 − c2 (t12 )2 = (S12 ) − c2 (t12 )

(2.13)

 = 0 die Beziehung folgt aus S12  2 (s12 )2 = −c2 (t12 ) < 0.

(2.14)

Notwendige Bedingung dafür, dass es ein Inertialsystem gibt, in dem die zwei gegebenen Ereignisse am selben Ort stattfinden, ist also ein imaginärer Abstand s12 der beiden Ereignisse. Diese Bedingung wird sich später auch als hinreichend erweisen, s. Aufgabe 3.2 (a). Imaginäre Abstände bezeichnet man als zeitartig: Definition 2.3 (Zeitartiger Abstand) Zwei Ereignisse haben einen zeitartigen  Abstand, wenn (s12 )2 < 0. Wir können somit festhalten: • Dann und nur dann, wenn der Abstand zweier nicht identischer Ereignisse zeitartig ist, gibt es ein Inertialsystem, in dem beide Ereignisse am selben Ort stattfinden. In diesem System haben die beiden Ereignisse gemäß (2.14) den zeitlichen  = s /ic, wobei i die imaginäre Einheit bedeutet und wir o. B. d. A. Abstand t12 12 vereinbaren, den Imaginärteil von s12 positiv zu wählen.

16

2

Der Minkowski-Raum – die Raumzeit der SRT

In analoger Weise fragen wir nun: • Gibt es ein Inertialsystem   , in dem zwei nicht identische Ereignisse zur selben  = 0 gilt? Zeit stattfinden, also t12 Hier folgt  2  2  2 (s12 )2 = (S12 )2 − c2 (t12 )2 = (S12 ) − c2 (t12 ) = (S12 ) > 0,

(2.15)

der Abstand s12 muss also reell sein. Auch diese Bedingung ist notwendig und hinreichend, s. Aufgabe 3.2 (b). Reelle Abstände nennt man raumartig: Definition 2.4 (Raumartiger Abstand) Zwei Ereignisse haben einen raumartigen  Abstand, wenn (s12 )2 > 0. Wir halten fest: • Dann und nur dann, wenn der Abstand zweier nicht identischer Ereignisse raumartig ist, gibt es ein Inertialsystem, in dem beide Ereignisse zur selben Zeit stattfinden. In diesem System haben die beiden Ereignisse gemäß (2.15) den räumlichen  = s , wobei o. B. d. A. s > 0 gewählt wird. Abstand S12 12 12 Natürlich gibt es auch noch den von uns schon diskutierten Fall des verschwindenden Abstandes, den man auch lichtartigen Abstand nennt: Definition 2.5 (Lichtartiger Abstand) Zwei Ereignisse haben einen lichtartigen  Abstand, wenn s12 = 0. Als Nächstes wählen wir ein beliebiges Ereignis („Ereignis 0“) als Ursprung des vierdimensionalen Koordinatensystems und untersuchen den Abstand aller anderen Ereignisse zum Ereignis 0. Vorläufig setzen wir der Einfachheit halber y = z = 0. In Abb. 2.4 ist das entsprechende Raumzeit-Diagramm dargestellt. Die gestrichelten Linien (x = ±ct) sind die Weltlinien von Lichtsignalen, die in positive bzw. negative x-Richtung laufen und für t = 0 bei x = 0 sind. Alle Punkte (Ereignisse) auf diesen Linien haben einen lichtartigen Abstand zum Ereignis 0. Im Bereich I („Zukunft“) gilt x 2 − c2 t 2 < 0 und t > 0, im Bereich II („Vergangenheit“) x 2 − c2 t 2 < 0 und t < 0, und der Bereich III ist durch x 2 − c2 t 2 > 0 charakterisiert. Alle Ereignisse in den Bereichen I und II haben somit einen zeitartigen Abstand zum Ereignis 0. Die Ereignisse in I finden später als das Ereignis 0 statt, die in II früher. Diese beiden letzten Aussagen sind unabhängig vom gewählten Inertialsystem, da bei Ereignissen mit zeitartigem Abstand die zeitliche Reihenfolge durch Wechsel des Inertialsystems nicht umgekehrt werden kann. (Das folgt aus Stetigkeitsgründen aus der Tatsache, dass es kein Inertialsystem gibt, in dem sie gleichzeitig stattfinden!) Man spricht deshalb auch von „absoluter Zukunft“ und „absoluter Vergangenheit“. Alle Ereignisse im Bereich III haben einen raumartigen Abstand zum Ereignis 0. Das bedeutet, sie sind „absolut entfernt“ (es gibt kein Inertialsystem, in dem sie am selben Ort wie das Ereignis 0 stattfinden). Die Begriffe „gleichzeitig“, „früher“

2.2 Raumartige, zeitartige sowie lichtartige Abstände und der Lichtkegel

17

oder „später“ haben dagegen für Ereignisse aus dem Bereich III bezogen auf das Ereignis 0 keine absolute Bedeutung! Für Ereignisse mit raumartigem Abstand kann die zeitliche Reihenfolge durch Wechsel des Inertialsystems umgekehrt werden, und man findet auch immer ein Inertialsystem, in dem sie gleichzeitig stattfinden, s. Aufgabe 3.2 (b). Jetzt wollen wir die Beschränkung y = z = 0 fallenlassen und den Abstand aller Punkte (Ereignisse) des Minkowski-Raums zum Ereignis 0, dem Ursprung des vierdimensionalen Koordinatensystems, diskutieren. Das Quadrat des Abstandes s vom Punkt (x, y, z, ct) zum Punkt (0, 0, 0, 0) beträgt nach Formel (2.6) s 2 = x 2 + y 2 + z 2 − c2 t 2 .

(2.16)

Statt der zwei in Abb. 2.4 gestrichelten Geraden x = ±ct haben wir jetzt x 2 + y 2 + z 2 − c2 t 2 = 0 als Bestimmungsgleichung aller Ereignisse, die zum Ereignis 0 einen lichtartigen Abstand haben. Würden wir weiterhin z = 0 setzen, wäre das die Gleichung für eine (zweidimensionale) Kegelfläche. Ohne die Einschränkung z = 0 haben wir eine (dreidimensionale) Hyperkegelfläche. Man nennt diesen (Doppel-) Hyperkegel kurz den „Lichtkegel“. Die gestrichelten Linien in Abb. 2.4 stellen den Schnitt y = z = 0 des Lichtkegels dar. Der gesamte Bereich I ist jetzt durch das Innere des „Zukunftslichtkegels“ (alle Ereignisse mit x 2 + y 2 + z 2 − c2 t 2 < 0 und t > 0) gegeben, der Bereich II durch das Innere des „Vergangenheitslichtkegels“ (alle Ereignisse mit x 2 + y 2 +z 2 −c2 t 2 < 0 und t < 0) und der Bereich III beschreibt das Äußere des Lichtkegels (alle Ereignisse mit x 2 + y 2 + z 2 − c2 t 2 > 0). Zwei Ereignisse, deren Abstand raumartig ist und deren zeitliche Reihenfolge somit keine absolute Bedeutung hat, können nicht kausal zusammenhängen, da es offensichtlich nicht möglich ist, eines von beiden als „Ursache“ und das andere als „Wirkung“ zu interpretieren. Das Ereignis 0 kann nur von Ereignissen aus dem Bereich II (Vergangenheit) beeinflusst werden, und es kann selbst nur Ereignisse im Bereich I (Zukunft) beeinflussen. Der Bereich III steht in keinem Kausalzusammenhang mit dem Ereignis 0. Es kann deshalb auch keine Weltlinie eines Teilchens geben, Abb. 2.4 Der Lichtkegel bezogen auf das Ereignis 0 (Koordinatenursprung)

18

2

Der Minkowski-Raum – die Raumzeit der SRT

die das Ereignis 0 mit einem Ereignis aus dem Bereich III verbindet. Da man (durch eine einfache Verschiebung des Nullpunktes des vierdimensionalen Koordinatensystems) einen Lichtkegel bezüglich jedes beliebigen Raumzeit-Punktes konstruieren kann, liegt die Weltlinie eines Teilchens (genauer gesagt, eines Teilchens mit Ruhemasse, vgl. Kap. 5) somit immer innerhalb des Lichtkegels (bezogen auf jeden Punkt P der Weltlinie), s. Abb. 2.5. In dieser Abbildung ist auch die Weltlinie eines Lichtsignals eingezeichnet, die (bei ungestörter Ausbreitung im Vakuum) immer durch eine Gerade tangential zum Lichtkegel (wiederum bezogen auf jeden Punkt P der Weltlinie) gegeben ist. Entlang der Weltlinie eines Teilchens mit nichtverschwindender Ruhemasse gilt stets ds 2 < 0, man spricht von einer zeitartigen Weltlinie. Wegen ds 2 d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2 = = Vx2 + Vy2 + Vz2 − c2 2 dt dt 2

(2.17)

ist ds 2 < 0 entlang der Weltlinie eines Teilchens äquivalent zur (in jedem Inertialsystem gültigen) Aussage, dass der Betrag der Geschwindigkeit stets kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist. Entlang der Weltlinie eines Lichtsignals (ein Photon ist ein Teilchen ohne Ruhemasse!) gilt ds 2 = 0. In diesem Fall nennt man die Weltlinie lichtartig. Raumartige Kurven (charakterisiert durch ds 2 > 0) kommen als Weltlinien von Teilchen, Beobachtern oder Signalen aus den schon genannten Kausalitätsgründen nicht in Frage. Dieser Sachverhalt ist gemäß (2.17) gleichbedeutend mit der Unmöglichkeit einer Bewegung oder einer Signal- bzw. Wirkungsausbreitung mit Überlichtgeschwindigkeit!

Abb. 2.5 Weltlinie eines Teilchens mit Ruhemasse (a) und Weltlinie eines in x-Richtung laufenden Lichtsignals (b). Der Zukunftslichtkegel bezogen auf den gemeinsamen Punkt P beider Weltlinien ist mit durchgezogenen Linien dargestellt, der Vergangenheitslichtkegel mit gestrichelten Linien. Bei Berücksichtigung aller drei Raumdimensionen sind die Schnitte t = const. des Hyperkegels nicht durch Kreislinien, wie hier perspektivisch angedeutet, sondern durch Kugelflächen gegeben

2.3 Die Eigenzeit

2.3

19

Die Eigenzeit

Wir betrachten jetzt eine Uhr (mit hinreichend kleiner räumlicher Ausdehnung und hinreichend großer Taktfrequenz – idealisiert als punktförmige Uhr, die unendlich kleine Zeitintervalle anzeigen kann), die sich beliebig in einem Inertialsystem  bewegt und dabei die Weltlinie x(t), y(t), z(t) beschreibt. Ihre Geschwindigkeit ist also   d x dy dz . (2.18) , , V = dt dt dt In einem infinitesimalen Zeitintervall t . . . t + dt (gemessen mit den in  ruhenden Uhren) kann man die Bewegung der Uhr als geradlinig gleichförmig auffassen und somit ein Inertialsystem   finden, in dem die Uhr momentan ruht (d x  = dy  = dz  = 0). In diesem „momentan mitbewegten“ Inertialsystem   vergeht ein Zeitintervall dt  , das wir wegen der Invarianz des vierdimensionalen Abstandes aus ds 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2 = −c2 dt 

2

(2.19)

berechnen können. Dieses Zeitintervall wird von der (bezüglich ) bewegten Uhr angezeigt. Wir bezeichnen die „Eigenzeit“ der Uhr mit τ . In dem betrachteten Intervall gilt also dτ = dt  . Das führt uns zur allgemeinen Definition der Eigenzeit für eine beliebige zeitartige Weltlinie: Definition 2.6 (Eigenzeit) Die Eigenzeit τ entlang einer zeitartigen Weltlinie bestimmt sich aus der Formel ds 2 = −c2 dτ 2 .

(2.20)

Man spricht zum Beispiel auch von der „Eigenzeit eines Teilchens“ oder der „Eigenzeit eines Beobachters“, da eine vom Beobachter mitgeführte Uhr genau diese Zeit anzeigen würde. Entlang einer zeitartigen Weltlinie gilt also ds = ic dτ .  An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass wir bei all unseren Betrachtungen stillschweigend voraussetzen, dass das Gangverhalten von Uhren und ebenso die Eigenschaften von Längenmessgeräten nicht von deren jeweiliger Bewegungsvorgeschichte abhängen. Man beachte, dass die Formel (2.20) auch im Falle nicht konstanter Geschwindigkeit V gültig ist. Die zur Herleitung benutzte Formel (2.19) bezieht sich dann fortlaufend auf immer neue momentan mitbewegte Inertialsysteme. Der Zusammenhang zwischen dem infinitesimalen Eigenzeitintervall dτ und dem von den im Inertialsystem  ruhenden Uhren angezeigten Intervall dt ergibt sich unmittelbar aus (2.17) und (2.20):  V2 (2.21) dτ = dt 1 − 2 c

20

2

mit V = |V | =



Der Minkowski-Raum – die Raumzeit der SRT

Vx2 + Vy2 + Vz2 .

(2.22)

Durch Integration entlang der Weltlinie erhalten wir für ein endliches Eigenzeitintervall die Formel  t2 V2 1 − 2 dt ≤ t2 − t1 , (2.23) τ 2 − τ1 = c t1

d. h. die verstreichende Eigenzeit eines sich bewegenden Beobachters ist immer kleiner als das entsprechende Zeitintervall der im Inertialsystem ruhenden Uhren (τ2 − τ1 = t2 − t1 gilt nur für V ≡ 0). Man nennt diesen Effekt die „Zeitdilatation“. Physikalisch interessant wird es, wenn man die Eigenzeitintervalle von unterschiedlichen Weltlinien vergleicht, die zwei fixierte Ereignisse E1 und E2 miteinander verbinden. Dann kommen wir zum sogenannten „Zwillingsparadoxon“. In Abb. 2.6 bezeichnet (a) die Weltlinie eines in einem Inertialsystem bei x = x0 , y = y0 , z = z 0 ruhenden Beobachters („Zwillingsbruder A“) und (b) die eines Beobachters („Zwillingsbruder B“), der zum Zeitpunkt t = t1 vom Ort x = x0 , y = y0 , z = z 0 aus eine Reise beginnt, die er zum Zeitpunkt t = t2 wieder am Ausgangsort beendet. E1 (x0 , y0 , z 0 , ct1 ) und E2 (x0 , y0 , z 0 , ct2 ) bezeichnen in diesem Beispiel also die Ereignisse „Abschied“ und „Wiedersehen“ der Zwillingsbrüder. Wenn ihre Uhren beim Abschied dieselbe Zeit anzeigen, wird die Uhr von B beim Wiedersehen gemäß (2.23) eine kleinere Zeit anzeigen als die von A. Das gilt natürlich auch für die „biologische Zeit“, d. h. der Zwillingsbruder B, der eine Reise gemacht hat, ist beim Wiedersehen weniger gealtert als sein zu Hause gebliebener Bruder A. Dieser inzwischen bestens experimentell überprüfte Befund (nicht mit Zwillingsbrüdern, aber zum Beispiel mit Atomuhren) hat in der Anfangszeit der Relativitätstheorie für viele Kontroversen gesorgt. Gerade vom Standpunkt einer allgemeinen Abb.2.6 Zwillingsparadoxon

Aufgaben

21

Relativität der Bewegung ausgehend, könnte man das Ergebnis deshalb als paradox ansehen, weil die Situation der Zwillinge symmetrisch zu sein scheint: A und B entfernen sich erst voneinander und nähern sich dann einander wieder an. Die Situation ist aber nicht symmetrisch, da A die ganze Zeit in einem Inertialsystem ruht, B jedoch nicht. Die Symmetrie läge nur dann vor, wenn es außer den beiden Zwillingen nichts anderes auf der Welt gäbe – und damit auch keine vernünftige Erklärungsmöglichkeit für die Auszeichnung von Inertialsystemen. Auf die spannende Frage, wodurch eigentlich Inertialsysteme bestimmt sind, werden wir bei der Diskussion des „Mach’schen Prinzips“ im Kontext der allgemeinen Relativitätstheorie zurückkommen. Allgemein halten wir fest: • Die auf zeitartigen Weltlinien zwischen zwei fixierten Ereignissen in der Raumzeit verstreichende Eigenzeit ist wegabhängig.

Aufgaben 2.1 Überlegen Sie, wie man aus dem Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit auf 2

2

2

d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2 = d x  + d y  + dz  − c2 dt 

2

(2.24)

schließen kann, wobei x, y, z, ct und x  , y  , z  , ct  die Koordinaten zweier beliebiger Inertialsysteme  und   bezeichnen! Lösung Zur Abkürzung schreiben wir 4

ds 2 =

ηik d x i d x k

(2.25)

i,k=1

mit x 1 = x, x 2 = y, x 3 = z, x 4 = ct; ηik = 0 für i = k; η11 = η22 = η33 = 1 und η44 = −1. Entsprechend gilt dann ds

2

4

=

ηik d x  d x  i

k

(2.26)

ds  = 0

(2.27)

i,k=1

und wir haben also zu zeigen, dass aus ds 2 = 0



2

22

2

Der Minkowski-Raum – die Raumzeit der SRT

ganz allgemein ds 2 = ds  2 folgt. Zu diesem Zweck drücken wir in der Formel (2.25) für ds 2 die Koordinatendifferenziale d x i gemäß dxi =

4 ∂xi m dx ∂ x m

(2.28)

m=1

durch die Differenziale der Koordinaten x  m aus und erhalten 4

2

ds =

 gmn dx dx m

n

(2.29)

∂xi ∂xk . ∂ x m ∂ x n

(2.30)

m,n=1

mit den Koeffizienten  gmn =

4 i,k=1

ηik

Auch ohne nähere Kenntnis dieser Koeffizienten, die von der genauen Gestalt der Koordinatentransformation x  i = x  i (x k ) bzw. ihrer Umkehrung abhängen, folgt wegen (2.27) allein aus dem Vergleich von (2.26) und (2.29) die Proportionalität  = α η , also gmn mn 2

ds 2 = α ds  .

(2.31)

Der Proportionalitätsfaktor α kann aufgrund der Homogenität von Raum und Zeit (kein Ort und kein Zeitpunkt ist ausgezeichnet) nicht von den Koordinaten abhängen. Aufgrund der Isotropie des Raumes (keine Richtung ist ausgezeichnet) kann α auch nicht von der Richtung der Geschwindigkeit des Systems   relativ zu  abhängen. Als einzige Möglichkeit bliebe eine Abhängigkeit α = α(v) vom Betrag v der Relativgeschwindigkeit der beiden Inertialsysteme. Das kann man zum Beispiel durch folgende, bei Landau und Lifschitz (1989) zu findende Überlegung ausschließen: Seien v1 und v2 die Geschwindigkeiten zweier Inertialsysteme 1 und 2 relativ zum Inertialsystem  und v1 , v2 die entsprechenden Beträge. Mit v12 bezeichnen wir den Betrag der Geschwindigkeit von 2 relativ zu 1 . Dann folgen die Relationen ds 2 = α(v1 )ds12 , ds 2 = α(v2 )ds22 und ds12 = α(v12 )ds22

(2.32)

mit der Konsequenz α(v2 ) (2.33) = α(v12 ). α(v1 ) Auch ohne Kenntnis der genauen Additionsformel für die Geschwindigkeiten ist klar, dass v12 vom Winkel zwischen v1 und v2 abhängt. Die linke Seite der Gl. (2.33) hängt von diesem Winkel aber nicht ab! Somit muss die auf der rechten Seite stehende Funktion eine Konstante sein, also allgemein α(v) = const.

(2.34)

Aufgaben

23

gelten. Unter nochmaliger Verwendung von (2.33) folgt dann unmittelbar α=1

(2.35)

und damit ds 2 = ds  2 . 2.2 a) Wie verändert sich die Form des Linienelements des Minkowski-Raums, ds 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2 , wenn man die kartesischen Koordinaten x, y, z durch Zylinderkoordinaten , ϕ, z bzw. Kugelkoordinaten r, ϑ, ϕ ersetzt? b) Drücken Sie ds 2 unter Verwendung der Koordinaten eines mit konstanter Win˜ (˜ = , kelgeschwindigkeit Ω um die z-Achse rotierenden Bezugssystems  ϕ˜ = ϕ − Ωt, z˜ = z, t˜ = t) aus! Welche Voraussetzung muss für einen im System ˜ ruhenden Beobachter erfüllt sein?  Lösung a) Zylinderkoordinaten: Aus x =  cos ϕ, y =  sin ϕ folgt für die Differenziale d x = cos ϕ d −  sin ϕ dϕ, dy = sin ϕ d +  cos ϕ dϕ und damit ds 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2 = d2 + 2 dϕ 2 + dz 2 − c2 dt 2 . Kugelkoordinaten: Aus x = r sin ϑ cos ϕ, y = r sin ϑ sin ϕ und z = r cos ϑ folgt auf analoge Weise ds 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2 = dr 2 + r 2 dϑ 2 + r 2 sin2 ϑ dϕ 2 − c2 dt 2 . b) Aus ˜ = , ϕ˜ = ϕ − Ωt, z˜ = z, t˜ = t folgt d = d , ˜ dz = d z˜ , dt = d t˜ sowie dϕ = d ϕ˜ + Ωd t˜ und damit ausgehend vom unter (a) hergeleiteten Ausdruck für Zylinderkoordinaten ds 2 = d2 + 2 dϕ 2 + dz 2 − c2 dt 2 = d ˜ 2 + ˜ 2 (d ϕ˜ + Ωd t˜)2 + d z˜ 2 − c2 d t˜ 2 = d ˜ 2 + ˜ 2 d ϕ˜ 2 + 2Ω ˜ 2 d ϕ˜ d t˜ + d z˜ 2 − (c2 − Ω 2 ˜ 2 )d t˜ 2 . ˜ ruhenden Beobachters (also ˜ = const., Für die Weltlinie eines im System  2 ϕ˜ = const., z˜ = const.) folgt ds = −(c2 − Ω 2 ˜ 2 )d t˜ 2 . Da eine solche Weltlinie zeitartig sein muss, folgt als Bedingung |Ω|˜ < c. Diese Bedingung ist äquivalent zur Bewegung des Beobachters im Inertialsystem mit Unterlichtgeschwindigkeit. 2.3 a) Drei Drillingsbrüder (A, B und C) befinden sich zum Anfangszeitpunkt t = 0 am selben Ort auf einer Kreislinie z = 0,  = R in einem Inertialsystem  (Zylinderkoordinaten , ϕ, z). Ihre Uhren zeigen für t = 0 alle die Eigenzeit τA = τB = τC = 0 an. A und B bewegen sich nun in entgegengesetzter Richtung entlang der Kreislinie (Winkelgeschwindigkeit dϕ/dt = ±ω mit 0 < ω = const. < c/R), bis sie sich bei C, der die ganze Zeit im System  ruht, wiedertreffen. Was zeigen die Uhren der drei Brüder beim Wiedersehen an?

24

2

Der Minkowski-Raum – die Raumzeit der SRT

b) Lösen Sie dasselbe Problem für den Fall, dass der beschriebene Verlauf sich auf ˜ (Koordinaten ˜ = , ein relativ zum Inertialsystem  rotierendes System  ϕ˜ = ϕ − Ωt, z˜ = z, t˜ = t; Ω = const. > 0) bezieht! [A, B und C befinden sich für t˜ = 0 am selben Ort der Kreislinie z˜ = 0, ˜ = R. A und B bewegen sich dann entlang der Kreislinie mit d ϕ/d ˜ t˜ = ±ω˜ (ω˜ = const. > 0) bis zum Wiedersehen ˜ ruht.] Es sind wieder die entsprechenden Eigenzeitmit C, der die ganze Zeit in  intervalle der drei Brüder zu bestimmen. Welche Einschränkungen sind für die Winkelgeschwindigkeiten Ω und ω˜ zu beachten? Lösung a) Die Brüder A und B kommen zur Zeit t = 2π/ω wieder bei ihrem in  ruhenden Bruder C an, dessen Uhr beim Wiedersehen also die Zeit τC = t = 2π/ω anzeigt. Der (konstante) Geschwindigkeitsbetrag der beiden Brüder A und B bei ihrer Bewegung entlang der Kreislinie ist VA = VB = ω R. Damit folgt gemäß Formel (2.23) beim Wiedersehen 

ω2 R 2 2π τA = τ B = t 1 − 2 = c ω

 1−

ω2 R 2 . c2

b) Die Brüder A und B kommen zur Zeit t˜ = t = 2π/ω˜ wieder bei ihrem im System ˜ ruhenden Bruder C an. Die Beträge der Geschwindigkeiten der drei Brüder  relativ zum Inertialsystem  sind diesmal VA = (Ω + ω)R, ˜ VB = |Ω − ω|R ˜ und VC = Ω R, woraus folgt, dass die Uhren beim Wiedersehen 2π τA = ω˜



(Ω + ω) ˜ 2 R2 2π 1− , τB = 2 c ω˜

und 2π τC = ω˜

 1−

 1−

(Ω − ω) ˜ 2 R2 c2

Ω 2 R2 c2

anzeigen. Notwendig und hinreichend dafür, dass die Weltlinien aller drei Brüder zeitartig sind, ist die Bedingung (Ω + ω)R ˜ < c.

3

Lorentz-Transformationen

Inhaltsverzeichnis 3.1 Verschiebungen und Drehungen in der Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Allgemeine Lorentz-Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Inertialsysteme mit Relativbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 27 29 33

Zusammenfassung

In diesem Kapitel untersuchen wir die Koordinatentransformationen, die das Linienelement ds 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2 forminvariant lassen. Diese enthalten insbesondere jene Transformation, die den Übergang von einem Inertialsystem  zu einem gegenüber  mit konstanter Geschwindigkeit bewegten Inertialsystem   korrekt beschreibt und somit an die Stelle der Galilei-Transformation tritt, die nur eine Näherung für hinreichend kleine Geschwindigkeitsbeträge darstellt. Die sich ergebende relativistische Formel zur Addition von Geschwindigkeiten gestattet eine einfache geometrische Interpretation und steht im Einklang mit der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit.

3.1

Verschiebungen und Drehungen in der Raumzeit

Wir suchen jetzt nach der expliziten Gestalt von Koordinatentransformationen , die den Übergang von einem Inertialsystem  (mit kartesischen Koordinaten x, y, z und der Zeitkoordinate t) zu einem anderen Inertialsystem   (mit kartesischen Koordinaten x  , y  , z  und der Zeitkoordinate t  ) beschreiben, also entsprechend den Erkenntnissen des vorigen Kapitels die Forminvarianz des Linienelementes !

2

2

2

ds 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2 = d x  + dy  + dz  − c2 dt 

2

(3.1)

sichern. Dabei setzen wir voraus, dass die Koordinatentransformationen umkehrbar eindeutig sein sollen. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_3

25

26

3

Lorentz-Transformationen

Eine triviale Möglichkeit sind offensichtlich raumzeitliche Verschiebungen x  = x i − l i ; l i = const.; i = 1, 2, 3, 4 i

(3.2)

mit den Bezeichnungen x 1 = x, x 2 = y, x 3 = z, x 4 = ct

(3.3)

für die vier Raumzeit-Koordinaten. Die Forminvarianz des Linienelementes folgt unmittelbar aus d x  i = d x i . Die Transformation (3.2) beschreibt einfach eine Verschiebung des Ursprungs des vierdimensionalen Koordinatensystems, also eine Verschiebung des Nullpunktes der kartesischen (räumlichen) Koordinaten und des Zeitnullpunktes. Als Nächstes betrachten wir Drehungen. Für rein räumliche Drehungen, die wir schon in Kap. 1 besprochen haben, gilt d x  2 + dy  2 + dz  2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 und dt  = dt. Beispiel 3.1 Eine Drehung in der x-y-Ebene (Drehung um die z-Achse) wird z. B. durch x y z ct 

= = = =

cos ϕ x + sin ϕ y, − sin ϕ x + cos ϕ y, z, ct

(3.4)

beschrieben. Hier gilt d x  2 +dy  2 = d x 2 +dy 2 , dz  = dz und dt  = dt; (3.1) ist also erfüllt. Alle Abstände bleiben gleich, insbesondere gilt dies wegen x 2 +y 2 = x  2 +y  2 für den Abstand der Ereignisse (x, y, 0, 0) und (0, 0, 0, 0).  Analog kann man Drehungen in der x-z- und der y-z-Ebene betrachten. Interessant sind nun die (echt) raumzeitlichen Drehungen (man könnte sie auch „Pseudodrehungen“ nennen), z. B. in der x-ct-Ebene: Beispiel 3.2 x y z ct 

= cosh ψ x − sinh ψ ct, = y, = z, = − sinh ψ x + cosh ψ ct.

(3.5)

Dabei ist ψ ein konstanter Parameter (−∞ < ψ < ∞), der an die Stelle des räumlichen Drehwinkels ϕ tritt. Somit gilt d x  = cosh ψ d x − sinh ψ cdt, cdt  = − sinh ψ d x + cosh ψ cdt und wegen cosh2 ψ − sinh2 ψ = 1 also d x  2 − c2 dt  2 = d x 2 − c2 dt 2 . Zusammen mit dy  = dy und dz  = dz ist (3.1) wieder gesichert, und alle Abstände bleiben gleich. Insbesondere gilt dies wegen x 2 − c2 t 2 = x  2 − c2 t  2 für den Abstand der Ereignisse (x, 0, 0, ct) und (0, 0, 0, 0). 

3.2 Allgemeine Lorentz-Transformationen

27

Analog kann man Drehungen in der y-ct- und der z-ct-Ebene betrachten. Damit haben wir insgesamt sechs elementare Möglichkeiten (Drehung in der x-y-, x-z-, y-z-, x-ct-, y-ct- und z-ct-Ebene), aus denen man durch Hintereinanderausführung eine allgemeine Drehung im Minkowski-Raum aufbauen kann. Führt man zwei Drehungen nacheinander aus, ist das Gesamtergebnis (welches im Allgemeinen von der Reihenfolge abhängt) wieder eine Drehung. Hier deutet sich bereits eine Gruppeneigenschaft an, auf die wir im folgenden Abschnitt zurückkommen werden.

3.2

Allgemeine Lorentz-Transformationen

Man kann beweisen, dass jede Koordinatentransformation, die die Forminvarianz (3.1) des Linienelementes gewährleistet, die Gestalt x  = Li k x k − li , i

L i k = const., l i = const.

(3.6)

hat, s. Aufgabe 3.1. In dieser Formel haben wir erstmalig in diesem Buch von der „Einstein’schen Summenkonvention“ Gebrauch gemacht, der Verabredung, dass über doppelt auftretende Indizes (einer obenstehend,einer untenstehend) zu summieren ist. L i k x k ist also eine Kurzschreibweise für 4k=1 L i k x k . • Diese Summenkonvention werden wir ab jetzt immer verwenden. Die Formel (3.6) besagt, dass die neuen Koordinaten x  i lineare Funktionen der alten Koordinaten x k sind. Aus (3.1) folgt aber noch eine Einschränkung für die Koeffizienten L i k . Um diese herzuleiten, schreiben wir das Linienelement wie schon bei der Lösung von Aufgabe 2.1 – jetzt noch kürzer mit der Summenkonvention – in der Form ds 2 = ηik d x i d x k

(3.7)

x 1 = x, x 2 = y, x 3 = z, x 4 = ct

(3.8)

mit und den durch die Matrix



1 ⎜0 ηik = ⎜ ⎝0 0

0 1 0 0

0 0 1 0

⎞ 0 0 ⎟ ⎟ 0 ⎠ −1

(3.9)

gegebenen Koeffizienten ηik . Die Forderung (3.1) lautet also !

ηmn d x m d x n = ηik d x  d x  , i

k

(3.10)

wobei wir die Freiheit genutzt haben, Summationsindizes beliebig benennen zu können. Für die Koordinatendifferenziale folgt aus (3.6)

28

3

Lorentz-Transformationen

d x  = L i m d x m und d x  = L k n d x n , i

k

(3.11)

wobei der zweite Ausdruck gegenüber dem ersten natürlich keine neue Information enthält. Setzen wir diese Ausdrücke in (3.10) ein, folgt !

ηik d x  d x  = ηik L i m L k n d x m d x n = ηmn d x m d x n i

k

(3.12)

und damit die gesuchte Bedingung für die Koeffizienten L i k , die hinreichend und notwendig für die Forminvarianz (3.10) des Linienelementes ist: ηik L i m L k n = ηmn .

(3.13)

Wegen ηmn = ηnm sind das 10 unabhängige Gleichungen für die 16 Koeffizienten L i k . Folglich können die L i k durch sechs freie Parameter ausgedrückt werden. Zusammen mit den vier Konstanten l i enthält die Transformation (3.6) somit 10 freie Parameter. Sie wird inhomogene Lorentz-Transformation genannt: Definition 3.1 (Inhomogene Lorentz-Transformation) Eine Transformation (3.6) mit Koeffizienten L i k , die die Bedingung (3.13) erfüllen, heißt inhomogene LorentzTransformation.  Ohne die Inhomogenität, also für l i = 0, erhält man die Lorentz-Transformation: Definition 3.2 (Lorentz-Transformation) x = Li k xk , i

heißt Lorentz-Transformation.

Eine Transformation

L i k = const., ηik L i m L k n = ηmn

(3.14) 

Die so definierten Lorentz-Transformationen, die die im Abschn. 3.1 besprochenen Drehungen in der Raumzeit und darüber hinaus diverse Spiegelungen umfassen, bilden eine sechsdimensionale Lie-Gruppe, die „Lorentz-Gruppe“ genannt und mit O(3,1) bezeichnet wird, in Analogie zur „orthogonalen Gruppe“ O(3), die Drehungen und Spiegelungen im dreidimensionalen euklidischen Raum beschreibt. Die inhomogenen Lorentz-Transformationen umfassen zusätzlich die raumzeitlichen Verschiebungen (3.2) und bilden eine 10-dimensionale Lie-Gruppe, die „Poincaré-Gruppe“ genannt wird. Die Poincaré-Gruppe beschreibt sämtliche Symmetrieeigenschaften des Minkowski-Raums. Im folgenden Abschnitt werden wir sehen, dass die gesuchte Verallgemeinerung der Galilei-Transformation einfach durch eine spezielle Lorentz-Transformation gegeben ist.

3.3 Inertialsysteme mit Relativbewegung

3.3

29

Inertialsysteme mit Relativbewegung

Wir wollen jetzt die physikalische Bedeutung der speziellen Lorentz-Transformation (3.5), also der durch ⎛ ⎞ cosh ψ 0 0 − sinh ψ ⎜ ⎟ 0 10 0 ⎟ Li k = ⎜ (3.15) ⎝ ⎠ 0 01 0 − sinh ψ 0 0 cosh ψ gegebenen Drehung in der x-ct-Ebene untersuchen. Die Weltlinie eines Teilchens, das im System   bei x  = y  = z  = 0 ruht, ist die ct  -Achse, s. Abb. 3.1 links. Aus x  = cosh ψ x − sinh ψ ct, y  = y und z  = z folgt, dass dieselbe Weltlinie im System  durch x = tanh ψ ct,

y=z=0

(3.16)

beschrieben wird (Abb. 3.1 rechts). Das heißt, das Teilchen bewegt sich mit der Geschwindigkeit v = c tanh ψ

(3.17)

in x-Richtung. Der Anstiegswinkel α berechnet sich gemäß tan α =

1 c d(ct) = = , dx tanh ψ v

(3.18)

vgl. (2.1). Man kann sich leicht davon überzeugen, dass sich alle in   ruhenden Teilchen im System  mit der Geschwindigkeit v = c tanh ψ in x-Richtung bewegen. Die Transformation (3.5) beschreibt also den Übergang von  zu einem dazu in x-Richtung mit konstanter Geschwindigkeit v bewegten System   . Wir können somit festhalten:

Abb. 3.1 Drehung in der x-ct-Ebene. Die Weltlinie eines bei x  = y  = z  = 0 im System   ruhenden Teilchens, die ct  -Achse (linkes Bild), beschreibt im System  eine Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit in x-Richtung (rechtes Bild)

30

3

Lorentz-Transformationen

• Die echt raumzeitlichen Drehungen sind die Verallgemeinerungen der GalileiTransformationen. Im rechten Bild von Abb. 3.1 haben wir auch noch die x  -Achse (charakterisiert durch y  = z  = ct  = 0) eingezeichnet, deren Verlauf im System  wegen y  = y, z  = z und ct  = − sinh ψ x + cosh ψ ct durch y = z = 0, ct = tanh ψ x

(3.19)

gegeben ist. Für den Anstiegswinkel β folgt wegen tan β =

d(ct) 1 = tanh ψ = dx tan α

(3.20)

die in der Abbildung zu erkennende Eigenschaft β=

π − α. 2

(3.21)

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die raumzeitliche Drehung in der x-ct-Ebene des Minkowski-Raums in unserem Raumzeit-Diagramm (euklidische x-ct-Ebene) natürlich nicht wie eine gewöhnliche räumliche Drehung aussieht. Jetzt wollen wir noch eine Umformung vornehmen und die spezielle LorentzTransformation (3.5) mit Hilfe des Parameters v anstelle von ψ ausdrücken. Mit cosh ψ =

1 1 − tanh2 ψ

, sinh ψ = tanh ψ cosh ψ

(3.22)

und (3.17) folgen die Transformationsformeln x − vt x =

, 2 1 − vc2

ct − vc x y  = y, z  = z, ct  =

. 2 1 − vc2

(3.23)

Man sieht sofort, dass die Transformation nur für |v| < c sinnvoll ist, was ja gemäß (3.17) für alle ψ mit −∞ < ψ < ∞ erfüllt ist. Weiterhin sehen wir, dass diese Transformation unter der Voraussetzung |v|  c tatsächlich näherungsweise in die Galilei-Transformation (1.3) übergeht. Durch einfaches Umstellen nach x und ct erhalten wir die Umkehrtransformation x  + vt  , x=

2 1 − vc2

ct  + vc x  y = y  , z = z  , ct =

, 2 1 − vc2

die sich also auch durch die Ersetzung v → −v ergibt.

(3.24)

3.3 Inertialsysteme mit Relativbewegung

31

Lorentz-Kontraktion Betrachten wir einen in   ruhenden Stab (parallel zur x  Achse) der Länge l0 = l  = Δx  = x2 − x1 ,

(3.25)

dann hat derselbe Stab im System  die Länge l = Δx = x2 − x1 ,

(3.26)

wobei die Koordinaten x2 und x1 zu einem festen Zeitpunkt t zu bestimmen sind. Aus der Transformationsformel x − vt x =

2 1 − vc2

(3.27)

folgt somit Δx  =

also

Δx 1−

l = l0 1 −

v2 c2

,

v2 . c2

(3.28)

(3.29)

Diese Formel beschreibt die „Lorentz-Kontraktion“ oder „Längenkontraktion“. Die Länge ist also im „Ruhsystem“ am größten. Die zugehörige Länge l0 nennt man auch „Ruhelänge“ oder „Eigenlänge“. Da Abmessungen eines Körpers senkrecht zur Bewegungsrichtung nicht verändert werden (y  = y, z  = z), gilt für das Volumen V eines Körpers ebenfalls v2 V = V0 1 − 2 , (3.30) c mit dem „Eigenvolumen“ V0 . Diese Formeln sagen allerdings allein noch nichts darüber aus, wie ein schnell bewegter Körper aussieht. Wer sich dafür interessiert, muss auch die Effekte der Lichtausbreitung berücksichtigen. Relativistische Addition von Geschwindigkeiten Zum Abschluss dieses Kapitels wollen wir die relativistische Formel für die Addition von Geschwindigkeiten herleiten. Dazu betrachten wir wie in Abschn. 1.1, siehe auch Abb. 1.4, ein Teilchen, das sich im System   mit einer Geschwindigkeit V =

dx dt 

(3.31)

32

3

Lorentz-Transformationen

in x  -Richtung bewegt. Aus (3.24) folgt dt  + cv2 d x  d x  + vdt  dx =

, dt =

2 2 1 − vc2 1 − vc2

(3.32)

und somit 

dx dx d x  + vdt  dt  + v = V = =   , v  dt dt + c2 d x 1 + cv2 ddtx

(3.33)

also V + v

V =

1+

(3.34)

V v c2

als relativistische Formel zur Addition von Geschwindigkeiten. Für |V  |  c und |v|  c geht diese Formel näherungsweise in die Newton’sche Formel (1.9) über. Handelt es sich bei dem Teilchen um ein Photon (Lichtsignal), gilt V  = c, und aus (3.34) folgt tatsächlich auch V = c, die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist also gewährleistet! Interessant ist auch die folgende alternative Herleitung der Additionsformel, die allerdings |V  | < c voraussetzt. Wir betrachten noch ein Inertialsystem   , in dem das Teilchen ruht, d. h.   bewegt sich relativ zu   in x  -Richtung mit der Geschwindigkeit v2 = V  . (  bewegt sich relativ zu  in x-Richtung mit der Geschwindigkeit v1 = v.) Dann können wir die Geschwindigkeit, mit der sich das System   (und damit das Teilchen) relativ zu  in x-Richtung bewegt, durch Hintereinanderausführung von zwei Drehungen in der x-ct-Ebene bestimmen. Wegen

cosh ψ2 − sinh ψ2 − sinh ψ2 cosh ψ2 =



cosh ψ1 − sinh ψ1 − sinh ψ1 cosh ψ1

cosh(ψ1 + ψ2 ) − sinh(ψ1 + ψ2 ) − sinh(ψ1 + ψ2 ) cosh(ψ1 + ψ2 )



ist dies gleichbedeutend mit einer einzigen Drehung in der x-ct-Ebene mit dem Parameter ψges = ψ1 + ψ2 . Für die Geschwindigkeiten v1 = v, v2 =

V

(3.35)

und vges = V gilt gemäß (3.17)

v1 = c tanh ψ1 , v2 = c tanh ψ2 , vges = c tanh ψges .

(3.36)

Die Additionsformel für die Geschwindigkeiten erweist sich auf diese Weise als nichts anderes als das Additionstheorem für die tanh-Funktion: tanh(ψ1 + ψ2 ) =

tanh ψ1 + tanh ψ2 1 + tanh ψ1 tanh ψ2

(3.37)

Aufgaben

33

ist gleichbedeutend mit vges =

v1 + v2 . 1 + vc1 v2 2

(3.38)

Aufgaben 3.1 Beweisen Sie, dass aus 2

2

2

d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2 = d x  + dy  + dz  − c2 dt 

2

folgt, dass die Koordinaten x  i lineare Funktionen der Koordinaten x k (x 1 = x, x 2 = y, x 3 = z, x 4 = ct) sind, das heißt, x  = Li k x k − li , i

L i k = const., l i = const.!

Lösung Aus ηmn d x m d x n = ηik d x  d x  i

k

(3.39)

erhalten wir mit dx = i

∂ x i m ∂ x k n k d x , d x = dx ∂xm ∂xn

(3.40)

die Bedingung ηik

∂ x i ∂ x k = ηmn . ∂xm ∂xn

(3.41)

Partielle Ableitung nach x l liefert  ηik

∂ x i ∂ 2 x k ∂ x k ∂ 2 x i + ∂ xm ∂ xl ∂ xn ∂ xn ∂ xl ∂ xm

 = 0.

(3.42)

Diese Gleichung schreiben wir jetzt noch zweimal in jeweils etwas modifizierter Form auf:   ∂ x i ∂ 2 x k ∂ x k ∂ 2 x i + ηik = 0, (3.43) ∂ xm ∂ xn∂ xl ∂ xl ∂ xn∂ xm  ηik

∂ x i ∂ 2 x k ∂ x k ∂ 2 x i + ∂ xl ∂ xm ∂ xn ∂ xn ∂ xm ∂ xl

 = 0.

(3.44)

Erläuterung: Gl. (3.43) geht aus (3.42) durch Vertauschung der „freien“ Indizes l und n hervor. Analog folgt (3.44) aus (3.42) durch Vertauschung von l und m. Durch

34

3

Lorentz-Transformationen

Addition von (3.42) und (3.43) und Subtraktion von (3.44) folgt unter Verwendung des Satzes von Schwarz (Vertauschbarkeit der Reihenfolge bei den gemischten zweiten partiellen Ableitungen) und der Symmetrie ηik = ηki die Gleichung 2ηik

∂ x i ∂ 2 x k = 0. ∂ xm ∂ xl ∂ xn

(3.45)

Dies sind für fixierte n und l vier homogene lineare Gleichungen (m = 1, 2, 3, 4) für die vier Größen ∂ 2 x  k /∂ x l ∂ x n (k = 1, 2, 3, 4). Da die Determinante der Koeffizientenmatrix nicht verschwindet (die Determinante von ηik ist gleich −1, die Determinante der Jacobi-Matrix ∂ x  i /∂ x m ist für jede umkehrbar eindeutige Koordinatentransformation von null verschieden), können wir sofort auf ∂ 2 x k =0 ∂ xl ∂ xn

(3.46)

schließen. Das ist äquivalent dazu, dass die Koordinaten x  m lineare Funktionen der Koordinaten x n sind, was zu beweisen war. 3.2 a) Zeigen Sie, dass es für zwei beliebige Ereignisse mit zeitartigem Abstand ein Inertialsystem gibt, in dem beide Ereignisse am gleichen Ort stattfinden! b) Zeigen Sie, dass man für zwei beliebige Ereignisse mit raumartigem Abstand durch Wechsel des Inertialsystems die zeitliche Reihenfolge umkehren kann und dass es ein Inertialsystem gibt, in dem beide Ereignisse gleichzeitig stattfinden! Lösung Durch eine raumzeitliche Verschiebung können wir eines der beiden Ereignisse in den Nullpunkt des vierdimensionalen Koordinatensystems legen. Durch eine räumliche Drehung können wir es o. B. d. A. zusätzlich so einrichten, dass das zweite Ereignis in der x-ct-Ebene des Koordinatensystems liegt. In diesem Inertialsystem  sind die beiden Ereignisse E1 und E2 also durch (0, 0, 0, 0) und (x, 0, 0, ct) gegeben. Die beiden Teilaufgaben können wir jetzt durch Anwendung der speziellen LorentzTransformation (3.5) lösen. Nach der Transformation, also im Inertialsystem   , ist das Ereignis E1 weiterhin durch (0, 0, 0, 0) gegeben und das Ereignis E2 durch (x  , 0, 0, ct  ) mit x  = cosh ψ x − sinh ψ ct, ct  = − sinh ψ x + cosh ψ ct. a) Die beiden Ereignisse finden im System   am gleichen Ort statt, wenn x  = 0 gilt, also unter der Bedingung tanh ψ =

x . ct

Aufgaben

35

Eine solche Wahl des Parameters ψ ist tatsächlich möglich, wenn die beiden Ereignisse einen zeitartigen Abstand haben, also |x/ct| < 1 gilt. b) Die beiden Ereignisse finden im System   zur gleichen Zeit statt, wenn t  = 0 gilt, also unter der Bedingung tanh ψ =

ct , x

die im Falle eines raumartigen Abstandes (|x/ct| > 1) erfüllt werden kann. Indem man den Parameter ψ so wählt, dass x tanh ψ > 1 ct gilt, erreicht man eine Umkehrung der zeitlichen Reihenfolge der beiden Ereignisse (t  /t < 0). 3.3 Ein Stab der Ruhelänge 2L fliege (in Längsrichtung) mit der Geschwindigkeit √ 3 2 c auf ein Rohr der Länge L zu, welches zu allen Zeiten fest verankert im Inertialsystem  ruht. Aufgrund der Lorentz-Kontraktion hat der bewegte Stab im System  gerade die Länge L. Es gibt also einen Zeitpunkt, zu dem sich der Stab vollständig im Rohr befindet. Wir wollen nun annehmen, dass genau zu diesem Zeitpunkt Eingang und Ausgang des Rohres fest verschlossen werden, der Stab also ab diesem Zeitpunkt im Rohr „gefangen“ ist. Kann das sein? Diskutieren Sie denselben Vor√ gang auch aus der Sicht eines relativ zu  mit der Geschwindigkeit 23 c bewegten Systems   , in dem das (auf die Länge L/2 verkürzte) Rohr mit der Geschwindigkeit √ − 23 c auf den zunächst ruhenden Stab der Länge 2L zufliegt!

Lösung In Abb. 3.2 ist der Vorgang im System  dargestellt. Die beiden Ereignisse E1 („Stabanfang erreicht Rohrausgang“) und E2 („Stabende erreicht Rohreingang“) haben die

Abb. 3.2 Stab fliegt zum Rohr

36

3

Lorentz-Transformationen

Koordinaten (x1 , 0, 0, ct1 ) und (x2 , 0, 0, ct2 ) mit t1 = t2 = t0 , sie finden gleichzeitig statt. Zum Zeitpunkt t0 werden Eingang und Ausgang des Rohres fest verschlossen. Der Stabanfang wird dadurch abrupt gestoppt, das Stabende wird sich jedoch noch eine zeitlang unverändert weiter nach rechts bewegen, da sich die Wirkung innerhalb des Stabes nur mit einer (vom Material abhängigen) Geschwindigkeit ausbreiten kann, die kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist. Der Stab wird also zunächst sogar noch kürzer als L. Falls er das unbeschadet übersteht, wird er sich danach wieder ausdehnen – seine Ruhelänge 2L kann er wegen des verschlossenen Rohres natürlich nicht erreichen, er wird also für immer auf die Länge L zusammengestaucht bleiben. Koordinaten Im System   (Abb. 3.3) haben die Ereignisse E1 und E2 die √ und (x2 , 0, 0, ct2 ), die wir gemäß (3.23) mit v = 23 c berechnen können: √ √ 3 3   x1 = 2(x1 − ct0 ), x2 = 2(x2 − ct0 ), 2 2 √ √ 3 3   ct1 = 2(ct0 − x1 ), ct2 = 2(ct0 − x2 ). 2 2 Es folgt, wie es sein muss, x1 − x2 = 2(x1 − x2 ) = 2L. Das Ereignis E2 findet später als das Ereignis E1 statt: (x1 , 0, 0, ct1 )

c(t2 − t1 ) =

√ √ 3 (x1 − x2 ) = 3 L .

Somit wird erst der Rohrausgang (zur Zeit t1 ) und danach der Rohreingang (zur Zeit t2 ) verschlossen. In der Zwischenzeit wird der Stab auf die Länge L/2 zusammengestaucht, da das Rohr „unbeeindruckt“ weiterfliegt (es ruht ja laut Aufgabenstellung zu allen Zeiten fest verankert im Inertialsystem ) und das Stabende davon noch nichts „merkt“, da die Wirkung des Aufpralls des Rohrausgangsverschlusses auf √ den Stabanfang zur Zeit t1 im Zeitintervall Δt  = t2 − t1 = 3 L/c die Strecke

Abb. 3.3 Rohr fliegt zum Stab

Aufgaben

37

√ 2L (> 3 L) bis zum Stabende noch längst nicht durchlaufen haben kann. Nach dem Verschluss auch des Rohreingangs geht der Stauchungsprozess zunächst noch weiter, danach dehnt sich der Stab wieder bis zur verfügbaren Länge L/2 aus, falls er nicht vorher zerbrochen ist. Das in dieser Aufgabe behandelte Problem wird übrigens auch als Längenkontraktionsparadoxon bezeichnet (s. Rindler 2001).

4

Vierervektoren und Vierertensoren

Inhaltsverzeichnis 4.1 Der Ortsvektor im Minkowski-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Vierervektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Vierertensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 40 44 46

Zusammenfassung

Im pseudoeuklidischen Minkowski-Raum kann man Vektoren und Tensoren definieren, wie man es vom euklidischen Raum kennt. Wir nennen sie „Vierervektoren“ und „Vierertensoren“. Ausgehend vom Ortsvektor und dem bereits diskutierten Abstandsbegriff im Minkowski-Raum führen wir die Vierervektoren und das zugehörige Skalarprodukt ein. Das „Betragsquadrat“ von Vierervektoren ist nicht positiv definit; Vierervektoren können raumartig, zeitartig und lichtartig sein. Vierervektor- und Vierertensorgleichungen sind automatisch forminvariant gegenüber Lorentz-Transformationen und gestatten damit eine elegante Formulierung physikalischer Gesetze im Rahmen der SRT.

4.1

Der Ortsvektor im Minkowski-Raum

Wir verwenden vier Basisvektoren ex , e y , ez und ect , die den vierdimensionalen Minkowski-Raum aufspannen. Der Ortsvektor (bezogen auf das Ereignis mit den Koordinaten x 1 = x 2 = x 3 = x 4 = 0) ist dann durch r = x ex + y e y + z ez + ct ect = x 1 e1 + x 2 e2 + x 3 e3 + x 4 e4 = x i ei

(4.1)

gegeben (mit ex = e1 , e y = e2 , ez = e3 , ect = e4 ). Zu den drei Basisvektoren des euklidischen Raums, ex , ey , ez , die wir mit ex , e y , ez identifizieren können, ist also einfach noch ein vierter für die Zeitkoordinate dazugekommen. Wir kennzeichnen in diesem Buch Vierervektoren durch einen Unterstrich, Dreiervektoren weiterhin © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_4

39

40

4 Vierervektoren und Vierertensoren

durch einen darüberstehenden Pfeil. (Der Ortsvektor des dreidimensionalen euklidischen Raums ist r = x ex + y ey + z ez .) Auch folgende Schreibweisen werden wir für den Ortsvektor im Minkowski-Raum verwenden: r , ct) = r . x i = (x 1 , x 2 , x 3 , x 4 ) = (x, y, z, ct) = (

(4.2)

Mit x i ist dann nicht nur die i-te Komponente, sondern der gesamte Ortsvektor gemeint, charakterisiert durch seine vier Komponenten, die nichts anderes als die Koordinaten des entsprechenden Punktes (Ereignisses) im Minkowski-Raum sind. Analog ist ja etwa in Formel (3.9) mit dem Symbol ηik auch die gesamte Matrix gemeint. Das Skalarprodukt r · r (Betragsquadrat des Ortsvektors) wollen wir natürlich wie üblich mit dem Quadrat des Abstandes des Punktes (x, y, z, ct) zum Koordinatenursprung identifizieren, also gilt gemäß (2.6) r · r ≡ x 2 + y 2 + z 2 − c2 t 2 = r · r − c2 t 2 = ηik x i x k .

(4.3)

Dementsprechend sind die Skalarprodukte der Basis-Vierervektoren durch ei · ek ≡ ηik

(4.4)

gegeben. Das Betragsquadrat des neu hinzugekommenen Basisvektors e4 ist also e4 · e4 = −1.

(4.5)

Bei einer Lorentz-Transformation transformieren sich die Komponenten des Ortsvektors nach der Formel x = Li k xk , i

(4.6)

wobei die Konstanten L i k der Bedingung ηik L i m L k n = ηmn

(4.7)

unterliegen, s. (3.14).

4.2

Vierervektoren

Einen beliebigen Vierervektor a schreiben wir in analoger Weise als a , a 4 ), a = a i ei oder a i = (a 1 , a 2 , a 3 , a 4 ) = (

(4.8)

a = (a 1 , a 2 , a 3 ) = (ax , a y , az )

(4.9)

wobei wir

manchmal den „Dreieranteil“ des Vierervektors a nennen werden.

4.2 Vierervektoren

41

Skalarprodukt und Betragsquadrat Entsprechend (4.4) gilt für das Skalarprodukt zweier Vierervektoren a und b: a · b = ηik a i bk = a 1 b1 + a 2 b2 + a 3 b3 − a 4 b4 = a · b − a 4 b4 ,

(4.10)

und für das Betragsquadrat eines Vierervektors ergibt sich a · a = ηik a i a k .

(4.11)

Das Betragsquadrat ist (wegen η44 = −1) nicht positiv definit. Deshalb wird das Skalarprodukt von Vierervektoren oft auch „Pseudoskalarprodukt“ genannt, entsprechend könnte man auch von einem „Pseudobetrag“ sprechen. Man sagt, das zwei Vierervektoren a und b senkrecht aufeinander stehen, wenn ihr Skalarprodukt verschwindet: a · b = 0. Transformationsverhalten Bei einer Lorentz-Transformation gilt a = L i k ak , i

(4.12)

d. h. die Komponenten eines Vierervektors transformieren sich wie die Komponenten des Ortsvektors. Im Unterschied zu den Komponenten des Ortsvektors sind die Komponenten von „richtigen“ Vierervektoren invariant bei raumzeitlichen Verschiebungen (3.2). Somit gilt die Transformationsformel (4.12) auch für inhomogene Lorentz-Transformationen. Man kann leicht nachprüfen, dass aus (4.10) und (4.12) dank der Eigenschaft (4.7) tatsächlich folgt, dass Skalarprodukte lorentzinvariant sind. Das Linienelement des Minkowski-Raums können wir jetzt selbst als Skalarprodukt interpretieren,   ds 2 = ηik d x i d x k = d x · d x mit d x = d x 1 , d x 2 , d x 3 , d x 4 ,

(4.13)

da die Koordinatendifferenziale einen infinitesimalen Vierervektor bilden. Raumartige, zeitartige und lichtartige Vierervektoren Im Kap. 2 haben wir schon raumartige, zeitartige und lichtartige Abstände kennengelernt. Das Ereignis (x, y, z, ct) hat einen raumartigen, zeitartigen bzw. lichtartigen Abstand zum Ereignis (0, 0, 0, 0), wenn für den Ortsvektor r · r > 0, r · r < 0 bzw. r · r = 0 gilt. Das nehmen wir zum Anlass, für Vierervektoren ganz allgemein zu definieren: Definition 4.1 (Raumartige, zeitartige und lichtartige Vierervektoren). • Ein Vierervektor a mit der Eigenschaft a · a > 0 heißt raumartig. • Ein Vierervektor a mit der Eigenschaft a · a < 0 heißt zeitartig. • Ein Vierervektor a mit der Eigenschaft a · a = 0 heißt lichtartig. 

42

4 Vierervektoren und Vierertensoren

Raumartige Vektoren haben also einen reellen, o. B. d. A. positiven Betrag und zeitartige Vektoren einen imaginären Betrag (o. B. d. A. mit positivem Imaginärteil). Lichtartige Vektoren haben den Betrag null. Wir betonen, dass aus dem Verschwinden des Betrages eines Vierervektors nicht folgt, dass alle seine Komponenten verschwinden müssen! Bei zeitartigen und lichtartigen Vektoren sagt man, sie sind in die Zukunft bzw. in die Vergangenheit gerichtet, wenn ihre vierte Komponente positiv oder negativ ist. (Dazu gehört die übliche Konvention, dass für zeitartige Weltlinien mit zunehmender Eigenzeit τ auch die Zeitkoordinate x 4 = ct zunehmen soll. Wenn man in einem Punkt des Minkowski-Raums willkürlich festgelegt hat, was der Zukunfts- und was der Vergangenheitslichtkegel sein soll, ist dies aus Stetigkeitsgründen dann überall festgelegt. Um die Vorzeichenkonvention für die Zeitkoordinate beizubehalten, müssen wir nach einer allgemeinen Lorentz-Transformation gegebenenfalls noch eine Zeitspiegelung t → −t anschließen.) In Abb. 4.1 stellt a einen raumartigen Vektor, b einen zeitartigen, in die Zukunft gerichteten Vektor und c einen lichtartigen, in die Vergangenheit gerichteten Vektor dar. Wenn es sich bei a, b und c nicht um Ortsvektoren handelt, kann man sie in diesem Raumzeit-Diagramm natürlich beliebig parallel verschieben. Die Addition von Vierervektoren und die Multiplikation mit reellen Zahlen ist auf die übliche Weise erklärt: a + b = c bedeutet a i + bi = ci ,

(4.14)

a = λb bedeutet a i = λbi .

(4.15)

und

Abb. 4.1 Vierervektoren im Raumzeit-Diagramm mit angedeutetem Lichtkegel. Vektor a ist raumartig, Vektor b ist zeitartig und in die Zukunft gerichtet, und c ist ein lichtartiger, in die Vergangenheit gerichteter Vektor

4.2 Vierervektoren

43

An diesen Formeln sieht man, wie vorteilhaft (weil selbsterklärend) sie werden, wenn man die Vektoren durch dasselbe Symbol wie ihre Komponenten darstellt. Wenn Formel (4.15) gilt, sagt man, dass der Vierervektor a parallel zum Vierervektor b ist. Um auch für das Skalarprodukt eine elegante Schreibweise zu ermöglichen, kann man „kovariante Komponenten“ eines Vierervektors, gekennzeichnet durch einen unteren Index, gemäß ai ≡ ηik a k

(4.16)

a i = (ax , a y , az , a 4 ) und ai = (ax , a y , az , a4 )

(4.17)

a4 = −a 4 .

(4.18)

einführen, also

mit

Die bisher verwendeten, durch einen oberen Index gekennzeichneten Komponenten, nennt man „kontravariante“ Komponenten. Wir werden in diesem Buch auch oft kurz von den „oberen und unteren Komponenten“ sprechen. Mit (4.16) können wir das Skalarprodukt (4.10) in der einfachen Form a · b = ai bi = a i bi

(4.19)

schreiben. Die Umkehrung von Gl. (4.16) lautet a i = ηik ak

(4.20)

mit der zu ηik inversen Matrix ηik , also ηil ηlk = δki

(4.21)

mit dem Kronecker-Symbol δki (δki = 0 für i = k, δki = 1 für i = k). Es folgt ⎛

ηik

1 ⎜0 =⎜ ⎝0 0

0 1 0 0

0 0 1 0

⎞ 0 0 ⎟ ⎟, 0 ⎠ −1

die Matrix ηik , s. (3.9), ist gleich ihrer inversen Matrix ηik .

(4.22)

44

4.3

4 Vierervektoren und Vierertensoren

Vierertensoren

Die kontravarianten (oberen) Komponenten von Vierertensoren zweiter Stufe transformieren sich bei Lorentz-Transformationen gemäß A

ik

= L i m L k n Amn .

(4.23)

Die Verallgemeinerung auf Tensoren beliebiger Stufe ist offensichtlich. Für jeden Index l kommt ein entsprechender Faktor L l p (mit p als Summationsindex) dazu: A

...l...

= · · · L l p · · · A... p... .

(4.24)

• Dieses Transformationsverhalten ist die definierende Eigenschaft von Vierertensoren. Aus der Homogenität der Transformationsformel folgt die wichtige Aussage: • Verschwinden alle Komponenten eines Tensors in einem Inertialsystem, verschwinden sie in jedem Inertialsystem. (Man sagt dann einfach, der Tensor verschwindet.) Vierervektoren sind Vierertensoren erster Stufe; Skalare (die bei einer LorentzTransformation invariant bleiben) nennt man auch Vierertensoren nullter Stufe. (Allgemein entspricht die Stufe eines Tensors der Zahl seiner Indizes.) Wie in (4.16) kann man auch für Tensoren beliebiger Stufe Indizes „nach unten ziehen“ und erhält auf diese Weise die kovarianten Komponenten: Aik = ηim ηkn Amn .

(4.25)

Gemischte Komponenten ergeben sich, wenn man nicht alle Indizes nach unten zieht: Ai k = ηkn Ain .

(4.26)

In dieser Formel muss man selbstverständlich auch auf der linken Seite die Reihenfolge der Indizes beachten (der zweite Index wird nach unten gezogen, bleibt aber der zweite Index). Für „symmetrische“ Tensoren zweiter Stufe, charakterisiert durch Aik = Aki ,

(4.27)

Ai k = ηkn Ain = ηkn Ani = Ak i ,

(4.28)

folgt

weshalb man in diesem Fall oft auch einfach Ai k = Ak i = Aik

(4.29)

4.3 Vierertensoren

45

schreibt. Man kann natürlich auch beide Indizes nach unten ziehen und einen symmetrischen Tensor durch Aik = Aki charakterisieren. Tensoren zweiter Stufe mit der Eigenschaft Aik = −Aki

(4.30)

nennt man „antisymmetrisch“. Wie bei Vierervektoren kann man auch bei Vierertensoren beliebiger Stufe gemäß (4.20) Indizes von unten nach oben ziehen. Tensoren gleicher Stufe kann man addieren, dabei hat man auf ein einheitliches „Indexbild“ zu achten, zum Beispiel Aik l + B ik l = C ik l .

(4.31)

Durch Multiplikation eines Tensors m-ter Stufe mit einem Tensor n-ter Stufe erhält man einen Tensor (m + n)-ter Stufe, zum Beispiel ergibt die Multiplikation von zwei Vierervektoren einen Tensor zweiter Stufe: Ai B k = C ik .

(4.32)

Setzt man einen oberen und einen unteren Index eines Tensors n-ter Stufe (mit n ≥ 2) gleich und summiert darüber, erhält man einen Tensor (n −2)-ter Stufe, zum Beispiel Aik k = B i .

(4.33)

Eine solche Operation nennt man „Verjüngung“ eines Tensors. Die Verjüngung eines Tensors zweiter Stufe ergibt einen Skalar, die „Spur“ des Tensors, die man meist mit demselben Buchstaben kennzeichnet: Ai i = A.

(4.34)

Die Kombination von Multiplikation und Verjüngung, wobei ein oberer Index des einen Faktors mit einem unteren Index des anderen Faktors gleichgesetzt wird, nennt man „Überschiebung“, zum Beispiel Aik Bi = C k .

(4.35)

Das Skalarprodukt zweier Vierervektoren (4.19) ordnet sich hier auch mit ein, ebenso das „Indexziehen“ wie zum Beispiel in (4.26), da ηik selbst ein Tensor ist, s. Aufgabe 4.5. Die Aussage, dass man durch Multiplikation und Verjüngung von Tensoren wieder Tensoren erhält, kann man in einem gewissen Sinne auch umkehren. Wenn etwa die Relation (4.35) für beliebig gewählte Vektoren Bi immer einen Vektor C k ergibt,

46

4 Vierervektoren und Vierertensoren

so folgt daraus, dass Aik ein Tensor ist, s. Aufgabe 4.6. Das ist ein Beispiel für den sogenannten „Quotientensatz“, den man allgemein so formulieren kann: • Ergibt die Überschiebung einer Größe Aikl... (d. h. eines entsprechenden Satzes von Koeffizienten) mit jedem beliebigen Vektor Bi , also Aikl... Bi = C kl... ,

(4.36)

einen Tensor C kl... , so ist Aikl... selbst ein Tensor. Wegen der Homogenität der Transformationsformel (4.24) sind Tensorgleichungen forminvariant gegenüber Lorentz-Transformationen. Aus Aik + Bik = Cik folgt zum Beispiel sofort auch A ik + B  ik = C  ik . Dies gilt, sofern keine (unabgeleiteten) Ortsvektoren im Spiel sind, auch für inhomogene Lorentz-Transformationen. Damit eröffnet sich eine Möglichkeit zur Formulierung physikalischer Gesetze, die auf elegante Weise sichert, dass sie in allen Inertialsystemen dieselbe Form haben: • Physikalische Gesetze im Rahmen der SRT lassen sich als Vierervektor- und Vierertensorgleichungen formulieren und sind damit automatisch forminvariant gegenüber Lorentz-Transformationen. In den folgenden zwei Kapiteln werden wir die „Viererformulierung“ der relativistischen Mechanik, Elektrodynamik und Hydrodynamik kennenlernen.

Aufgaben 4.1 Zeigen Sie, dass man jeden Vierervektor a i durch eine geeignete LorentzTransformation auf eine der folgenden Normalformen bringen kann: (a, 0, 0, 0), (0, 0, 0, a), (a, 0, 0, a)! Hinweis: Die Aufgabe ist verwandt mit Aufgabe 3.2. Lösung Für einen beliebigen Vierervektor a i = ( a , a 4 ) kann man mit einer räumlichen Drehung erreichen, dass a nur eine x-Komponente hat, a i also die Gestalt (a 1 , 0, 0, a 4 ) bekommt. Durch eine anschließende Drehung in der x-ct-Ebene, also eine LorentzTransformation mit den in (3.15) gegebenen Koeffizienten L i k , erhält unser Vierervektor im neuen System die Gestalt (a  1 , 0, 0, a  4 ) mit a  = cosh ψ a 1 − sinh ψ a 4 , a  = − sinh ψ a 1 + cosh ψ a 4 . 1

4

Falls a i raumartig ist (|a 1 | > |a 4 |), erreicht man a  4 = 0 durch Wahl des Parameters ψ gemäß tanh ψ =

a4 . a1

Aufgaben

47

Falls a i zeitartig ist (|a 1 | < |a 4 |), folgt a  1 = 0 für tanh ψ =

a1 . a4

Mögliche Normalformen für raumartige und zeitartige Vektoren a i sind also durch (a, 0, 0, 0) bzw. (0, 0, 0, a) gegeben. Im verbleibenden, lichtartigen Fall (|a 1 | = |a 4 |) liegt die Normalform (a, 0, 0, a) entweder schon vor oder kann durch eine zusätzliche Drehung in der x-y-Ebene um 180◦ erreicht werden. 4.2 Seien a und b zwei zeitartige Vektoren (oder ein zeitartiger und ein lichtartiger Vektor), die beide in die Zukunft gerichtet sind. Beweisen Sie, dass a · b < 0 gilt und dass c = a + b ebenfalls ein zeitartiger, in die Zukunft gerichteter Vektor ist! Lösung Wir wählen das Koordinatensystem so, dass a i = (0, 0, 0, a 4 ) gilt, s. Aufgabe 4.1. Mit bi = (b1 , b2 , b3 , b4 ) folgt a · b = −a 4 b4 . Da laut Aufgabenstellung beide Vektoren in die Zukunft gerichtet sind (a 4 > 0 und b4 > 0), folgt in der Tat a · b < 0. Für die Summe c = a + b der beiden Vektoren erhalten wir ci = (b1 , b2 , b3 , a 4 + b4 ) und somit c · c = (b1 )2 + (b2 )2 + (b3 )2 − (a 4 + b4 )2 = b · b − (a 4 )2 − 2a 4 b4 . Da nach Voraussetzung b zeitartig oder lichtartig ist (b · b ≤ 0), folgt zusammen mit a 4 > 0, b4 > 0 die Eigenschaft c · c < 0. Da die vierte Komponente von c positiv ist (c4 = a 4 + b4 ), ist c also ein zeitartiger, in die Zukunft gerichteter Vektor. 4.3 a) Beweisen Sie, dass ein auf einem zeitartigen Vektor senkrecht stehender (nichttrivialer) Vektor raumartig ist! b) Beweisen Sie, dass zwei senkrecht aufeinander stehende lichtartige Vektoren auch parallel zueinander sind! c) Beweisen Sie, dass ein auf einem (nichttrivialen) lichtartigen Vektor a senkrecht stehender Vektor b entweder raumartig oder parallel zu a ist!

48

4 Vierervektoren und Vierertensoren

Lösung a) Wir bringen den zeitartigen Vektor auf die Normalform a i = (0, 0, 0, a). Dann folgt aus a·b =0 für einen beliebigen Vektor bi = (b1 , b2 , b3 , b4 ) das Verschwinden seiner vierten Komponente (b4 = 0) und somit b · b = (b1 )2 + (b2 )2 + (b3 )2 > 0, d. h. der Vektor b ist raumartig – sofern es sich nicht um den trivialen Vektor bi = (0, 0, 0, 0) handelt. b) Einen der beiden lichtartigen Vektoren bringen wir auf die Normalform a i = (a, 0, 0, a), den anderen bezeichnen wir mit bi = (b1 , b2 , b3 , b4 ). Dann folgt wegen der Orthogonalität der beiden Vektoren, also a · b = 0, die Beziehung a(b1 − b4 ) = 0, aus der wir schließen, dass entweder a = 0 oder b1 = b4 gilt. Die erste Möglichkeit führt auf den trivialen Fall a i = (0, 0, 0, 0). Die zweite Möglichkeit führt wegen b · b = (b1 )2 + (b2 )2 + (b3 )2 − (b4 )2 = 0 (lichtartiger Vektor) auf (b2 )2 + (b3 )2 = 0, also b2 = b3 = 0 und somit bi = (b, 0, 0, b), mit b ≡ b1 = b4 , d. h. es gilt die Parallelitätsbedingung b = λa mit λ = b/a. (Im trivialen Fall gilt a = λb mit λ = 0.) c) Indem wir den Vektor a auf die Normalform a i = (a, 0, 0, a) bringen, folgt mit bi = (b1 , b2 , b3 , b4 ) aus a · b = 0 wieder a(b1 − b4 ) = 0, wegen a = 0 also b1 = b4 und somit b · b = (b2 )2 + (b3 )2 ≥ 0. D. h. der Vektor b ist entweder raumartig oder es gilt b2 = b3 = 0, woraus mit b1 = b4 die Parallelität zu a ersichtlich ist. 4.4 Bestimmen Sie die Koeffizienten K m n für die Lorentz-Transformation kovarianter Komponenten am Beispiel der Formel a  n = K m n am ausgehend von Formel (4.12)!

Aufgaben

49

Lösung Aus (4.12) folgt a  n = ηni a  = ηni L i k a k = ηni L i k ηkm am , i

also K m n = ηni L i k ηkm . Unter Ausnutzung von (4.7) und (4.21) erhält man die Beziehung L n l K m n = L n l ηni L i k ηkm = ηlk ηkm = δlm . Die Koeffizientenmatrix K m n ist also die zu L m n inverse Matrix. Es sei an dieser Stelle bemerkt, dass die Matrix L i k immer invertierbar ist, da ihre Determinante wegen (4.7) gleich ±1, also ungleich null ist. An der Tatsache, dass die Koeffizientenmatrizen K m n und L m n invers zueinander sind, sieht man auch noch einmal ganz direkt die Lorentzinvarianz a i bi = a  k b k des Skalarproduktes zweier Vierervektoren. 4.5 Überzeugen Sie sich davon, dass ηik selbst ein Tensor zweiter Stufe ist (mit den kontravarianten Komponenten ηik ) und die Gl. (4.21) somit auch in der Form ηil ηlk = ηki (mit ηki = δki ) geschrieben werden kann! Lösung Für die kovarianten Komponenten eines Tensors zweiter Stufe lautet die Transformationsformel A ik = K m i K n k Amn , siehe auch Aufgabe 4.4. Diese Relation ist für Aik = A ik = ηik tatsächlich erfüllt, denn ηik = K m i K n k ηmn ist eine unmittelbare Konsequenz aus (4.7) und dem Ergebnis von Aufgabe 4.4. Damit ist der Tensorcharakter von ηik verifiziert. Für die gemischten Komponenten dieses symmetrischen Tensors folgt ⎛

ηil ηlk = ηi k = ηk i

1 ⎜ 0 = ηki = ⎜ ⎝0 0

0 1 0 0

0 0 1 0

⎞ 0 0⎟ ⎟, 0⎠ 1

sie sind also (in allen Inertialsystemen) durch die 4 × 4 - Einheitsmatrix gegeben, d. h. es gilt ηki = δki . Für die kontravarianten Komponenten erhält man (4.22).

50

4 Vierervektoren und Vierertensoren

4.6 Zeigen Sie, dass aus dem Vektorcharakter von C k ≡ Aik Bi bei beliebiger Wahl des Vektors Bi folgt, dass Aik ein Tensor ist! Lösung Wegen des Vektorcharakters von B und C folgt bei einer Lorentz-Transformation B  i = K m i Bm und C  k = L k n C n , also A K m i Bm = L k n A jn B j ik

und somit auch



ik A K m i − L k n Amn Bm = 0.

Diese Relation kann nur dann für alle Vektoren B gelten, wenn A K m i = L k n Amn ik

j

gilt. Wegen L j m K m i = δi , s. Aufgabe 4.4, folgt A

jk

= L j m L k n Amn

und damit der Tensorcharakter von Aik .

5

Relativistische Punktmechanik

Inhaltsverzeichnis 5.1 Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Die Energie-Impuls-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 53 55 59

Zusammenfassung

Wählt man die Eigenzeit als Kurvenparameter für die Weltlinie eines Teilchens mit Ruhemasse, wird man in ganz natürlicher Weise zu den Vierervektoren der Geschwindigkeit und der Beschleunigung geführt. Die Vierergeschwindigkeit ist der Tangentenvektor der Weltlinie. Die Viererbeschleunigung gestattet zusammen mit der „Viererkraft“ die elegante relativistische Verallgemeinerung des zweiten Newton’schen Axioms, während das erste Axiom unverändert gültig bleibt. Die Diskussion des „Viererimpulses“ führt auf die relativistische Energie-ImpulsBeziehung und die berühmte Formel E = mc2 . In diesem Zusammenhang kommen wir auch auf Photonen als Teilchen ohne Ruhemasse zu sprechen. Die von Louis de Broglie postulierte Proportionalität von Viererimpuls und Wellenzahlvierervektor – auch für Teilchen mit Ruhemasse – war eine der grundlegenden Ideen auf dem Weg zur Quantenmechanik.

5.1

Kinematik

Die Bahnkurve eines Teilchens („Massenpunktes“), beschrieben durch x(t), y(t) und z(t), stellt eine zeitartige Weltlinie im Minkowski-Raum dar, s. Kap. 2. Verwenden wir als Kurvenparameter die Eigenzeit τ , ist diese Weltlinie durch x(τ ), y(τ ), z(τ ) und ct (τ ) gegeben, kurz also durch x i = x i (τ ). Da die Eigenzeit ein invarianter Parameter ist, gemäß (2.20) definiert über

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_5

51

52

5

Relativistische Punktmechanik

ds 2 = −c2 dτ 2 , stellt dxi u ≡ = dτ



i

d x dy dz dt , , ,c dτ dτ dτ dτ

(5.1)  (5.2)

einen Vierervektor dar, den wir die „Vierergeschwindigkeit“ nennen. Dieser zeitartige, in die Zukunft gerichtete Vektor ist der Tangentenvektor der Weltlinie, s. Abb. 5.1. Wir können die Vierergeschwindigkeit auch mit Hilfe der normalen „Dreiergeschwindigkeit“   d r d x dy dz (5.3) v = = , , dt dt dt dt ausdrücken: ⎛ ⎞ v  c ⎠, u i = ( u, u4) = ⎝  , (5.4) v2 v2 1 − c2 1 − c2 wobei wir die Beziehung (2.21), also dτ = dt 1 −

v2 , mit v = | v| c2

(5.5)

benutzt haben. Man beachte den Unterschied zwischen der Dreiergeschwindigkeit v und dem Dreieranteil   v d x dy dz = (5.6) u = , , 2 dτ dτ dτ 1 − vc2 Abb. 5.1 Die Vierergeschwindigkeit u als Tangentenvektor in einem beliebig herausgegriffenen Punkt P der zeitartigen Weltlinie x i = x i (τ ). Es gilt d x = u dτ

5.2 Dynamik

53

der Vierergeschwindigkeit! Für das Betragsquadrat der Vierergeschwindigkeit erhalten wir aus (5.4) u · u = u · u − (u 4 )2 = −c2 .

(5.7)

Äquivalent dazu ist ηik u i u k = ηik

dxi dxk ds 2 = −c2 . = dτ dτ dτ 2

(5.8)

Die Vierergeschwindigkeit hat also den konstanten (imaginären) Betrag ic. Die „Viererbeschleunigung“ ist durch die Formel ai =

du i d2xi = dτ dτ 2

(5.9)

gegeben. Durch Differenziation von (5.8) nach der Eigenzeit τ folgt ηik a i u k + ηik u i a k = 0.

(5.10)

Wegen ηik = ηki sind beide Terme auf der linken Seite gleich, und es folgt einfach ηik a i u k = 0, also a · u = 0.

(5.11)

Die Viererbeschleunigung steht somit immer senkrecht auf der Vierergeschwindigkeit. Daraus folgt auch, dass eine nichtverschwindende Viererbeschleunigung ein raumartiger Vektor ist, s. Aufgabe 4.3 (a).

5.2

Dynamik

Die naheliegende Verallgemeinerung des zweiten Newton’schen Axioms als Vierervektorgleichung lautet m 0 a = F,

(5.12)

also m0

d2xi = Fi . dτ 2

(5.13)

Dabei ist m 0 eine skalare (d. h. lorentzinvariante) Größe, die „Ruhemasse“ des Massenpunktes (Teilchens), und F die „Viererkraft“. Zwei interessante Folgerungen wollen wir gleich anmerken: • Für F i = 0 folgt d 2 x i /dτ 2 = 0, also u i = d x i /dτ = const. und damit wegen (5.4) auch v = const., d. h. das erste Newton’sche Axiom gilt unverändert auch in der SRT: In jedem Inertialsystem bewegt sich ein kräftefreies Teilchen geradlinig gleichförmig oder es verharrt im Zustand der Ruhe.

54

5

Relativistische Punktmechanik

• Wegen (5.11) folgt, dass die Viererkraft senkrecht auf der Vierergeschwindigkeit steht: F · u = 0.

(5.14)

Definition 5.1 (Viererimpuls) Als Viererimpuls bezeichnen wir die Größe p ≡ m 0 u.

(5.15) 

Damit können wir die relativistische Bewegungsgleichung (5.13) auch in der Form dpi = Fi dτ

(5.16)

schreiben. Während für prinzipielle Überlegungen immer die elegante Viererformulierung vorzuziehen ist, kann für praktische Anwendungen auch eine Dreierformulierung  F 4 ) den „Dreiinteressant sein. Dazu betrachten wir mit p = ( p, p 4 ) und F = ( F, eranteil“ unserer Bewegungsgleichung (5.16): d p  = F, dτ

(5.17)

den wir wegen (5.5) durch Einführung der „Dreierkraft“ K ≡ F

1−

v2 c2

(5.18)

auch auf die formal Newton’sche Gestalt d p = K dt

(5.19)

bringen können. Es sei angemerkt, das der Dreieranteil F der Viererkraft damit im selben Verhältnis zur Dreierkraft K steht, wie der Dreieranteil u der Vierergeschwindigkeit zur Dreiergeschwindigkeit v, s. (5.6). Der Dreieranteil p = m 0 u des Viererimpulses spielt hingegen selbst die Rolle des Dreierimpulses und ist gemäß (5.6) durch m 0 v p =  2 1 − vc2

(5.20)

5.3 Die Energie-Impuls-Beziehung

55

gegeben. Gelegentlich wird die Größe m0 m≡ 1−

v2 c2

(5.21)

als „geschwindigkeitsabhängige Masse“ bezeichnet. (Für v = 0 ist m = m 0 , was zur Bezeichnung „Ruhemasse“ passt.) Damit gilt für den Dreierimpuls einfach p = m v, wie man es von der Newton’schen Mechanik kennt. Man muss aber unbedingt beachten, dass die Größe m, im Gegensatz zu m 0 , keine lorentzinvariante Größe ist. Die Eigenschaft m → ∞ für v → c sorgt dafür, dass Teilchen mit Ruhemasse tatsächlich (von einer endlichen Dreierkraft in endlicher Zeit) nicht auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden können. Für v  c gilt m ≈ m 0 , und (5.19) wird näherungsweise zur Newton’schen Bewegungsgleichung. Ein wichtiges Beispiel (besser gesagt: das Beispiel) für eine Dreierkraft ist die auf ein geladenes Teilchen in einem elektromagnetischen Feld wirkende Lorentz-Kraft  K = q( E + v × B)

(5.22)

mit der elektrischen Ladung q, der elektrischen Feldstärke E und der magnetischen  siehe auch Kap. 6. Zusammen mit (5.3), (5.19) und (5.20) kann man Flussdichte B, die relativistische Bewegung x(t), y(t), z(t) eines geladenen Teilchens in einem gegebenen elektromagnetischen Feld berechnen, siehe zum Beispiel Aufgabe 5.1. Wegen (5.7) und (5.14) liefert die vierte Komponente der Bewegungsgleichung (5.13) zwar keine von den ersten drei Komponenten unabhängige Information, s. Aufgabe 5.2, hat aber eine interessante physikalische Bedeutung, auf die wir im folgenden Abschnitt zu sprechen kommen.

5.3

Die Energie-Impuls-Beziehung

Wir wollen uns jetzt der vierten Komponente der Bewegungsgleichung (5.13) zuwenden: dp 4 = F 4. dτ

(5.23)

F · u − F 4 u 4 = 0,

(5.24)

Aus (5.14) folgt

also mit (5.4) und (5.18) F4 =

F · u K · v  = . 2 u4 c 1 − vc2

(5.25)

56

5

Relativistische Punktmechanik

Die Viererkraft kann also komplett durch die Dreierkraft K und die Dreiergeschwindigkeit v ausgedrückt werden: ⎛

⎞  K · v   F 4) = ⎝  ⎠. ,  F i = ( F, v2 v2 1 − c2 c 1 − c2 K

(5.26)

Mit (5.5) lautet die vierte Komponente der Bewegungsgleichung somit d(c p 4 ) = K · v, dt

(5.27)

was wir zum Anlass nehmen, die Energie E des Teilchens als m 0 c2 E ≡ c p4 = c m 0 u 4 =  2 1 − vc2

(5.28)

zu definieren. Der Viererimpuls nimmt damit die Gestalt  p = i

E p, c

 (5.29)

an (weshalb er auch manchmal Energie-Impuls-Vierervektor genannt wird), und wir können die vierte Komponente der Bewegungsgleichung einfach als Energiebilanzgleichung dE = K · v (5.30) dt interpretieren. Der Leistungsterm auf der rechten Seite sieht genauso aus wie in der Bilanzgleichung der kinetischen Energie T in der Newton’schen Mechanik: dT = K · v. dt

(5.31)

Durch Entwicklung nach v/c erhalten wir aus (5.28)   v2 m0 2 E = m 0 c2 1 + 2 + . . . = m 0 c2 + v + ...; 2c 2

(5.32)

T ≡ E − m 0 c2

(5.33)

die Größe

stimmt also für v  c mit der Newton’schen kinetischen Energie überein. Deshalb bezeichnen wir die in (5.33) definierte Größe T ganz allgemein in der SRT als

5.3 Die Energie-Impuls-Beziehung

57

kinetische Energie; und Gl. (5.31) behält ihre Gültigkeit, da sie wegen m 0 c2 = const. unmittelbar aus (5.30) folgt. Für v = 0 gilt T = 0 und E = m 0 c2 .

(5.34)

Damit sind wir auf ganz unspektakuläre Weise auf die wohl berühmteste Formel der Physik gestoßen. Die Größe m 0 c2 nennt man die Ruheenergie des Teilchens. Unter Verwendung der geschwindigkeitsabhängigen Masse (5.21) kann man im allgemeinen Fall gemäß (5.28) auch m 0 c2 E = mc2 =  2 1 − vc2

(5.35)

schreiben. Diese Größe E hat, wie die geschwindigkeitsabhängige Masse m, keine invariante Bedeutung. Sie ist ja bis auf den Faktor c gleich der vierten Komponente des Viererimpulses pi . Die physikalische Bedeutung dieser Größe kann man so formulieren: Es ist die Energie des Teilchens, die ein im betrachteten Inertialsystem  ruhender Beobachter misst. Der Beobachter hat in  also die Vierergeschwindigkeit (u B )i = (0, 0, 0, c) bzw. (u B )i = (0, 0, 0, −c).

(5.36)

Damit können wir die Energie E = c p 4 auch in der Form E = − pi (u B )i

(5.37)

ausdrücken. Dieser Ausdruck ist als Skalarprodukt natürlich lorentzinvariant, bezieht sich dann aber immer auf denselben Beobachter. Es sei noch bemerkt, dass man die geschwindigkeitsabhängige Masse (5.21) gemäß (5.33) und (5.35) auch als m = m0 +

T c2

(5.38)

schreiben kann, sie ist also um das „Massenäquivalent“ der kinetischen Energie größer als die Ruhemasse. Durch Summation über eine sehr große Zahl von Teilchen, wie sie zum Beispiel ein Gas in einem Kasten aufweist, erhält diese Größe als Massenäquivalent der „inneren Energie“ – bezogen auf das Ruhsystem des Kastens – eine invariante Bedeutung. Da (instantane) Fernwirkungen mit der Kausalstruktur des Minkowski-Raums nicht verträglich sind, s. Kap. 2, kann das dritte Newton’sche Axiom nicht so ohne Weiteres in die SRT übertragen werden. An seine Stelle tritt die folgende Aussage für lokale Wechselwirkungen: • Sowohl bei elastischen Stößen (mit Erhaltung der individuellen Ruhemassen) als auch bei Teilchenumwandlungen ist der Gesamtviererimpuls (d. h. die Summe der einzelnen Viererimpulse) eine Erhaltungsgröße, siehe Aufgaben 5.3 und 5.4.

58

5

Relativistische Punktmechanik

Jetzt wollen wir auf die schon in der Überschrift angekündigte Energie-ImpulsBeziehung kommen, die an die Stelle der Newton’schen Formel T = p 2 /2m tritt. Diese Beziehung zwischen Energie E und Dreierimpuls p folgt direkt aus (5.7), (5.15) und (5.29): p · p = p · p −

E2 = −m 20 c2 , c2

(5.39)

also E 2 = m 20 c4 + p 2 c2 .

(5.40)

Man kann leicht nachrechnen, dass diese Formel für E 2 natürlich auch mit dem Quadrat von (5.35) übereinstimmt. Für Photonen und andere Teilchen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, folgt unter der Voraussetzung einer endlichen Energie E aus Formel (5.35), dass ihre Ruhemasse m 0 verschwindet! Diese Eigenschaft ist auch damit konsistent, dass es kein Ruhsystem eines Photons gibt, da es sich ja in allen Inertialsystemen mit der Geschwindigkeit c bewegt. Wir halten fest: • Die Ruhemasse eines Photons ist null. Die Energie eines Photons berechnet sich bekanntlich als E =  ω ( = h/2π , ω = 2π ν, h: Planck’sches Wirkungsquantum, ν: Frequenz). Zusammen mit der Formel p =  k für den Dreierimpuls eines Photons (k ist der „Wellenzahlvektor“) kann man somit den Viererimpuls p eines Photons durch den „Wellenzahlvierervektor“ k ausdrücken:  

ω E  , k i = k, . (5.41) pi =  k i mit pi = p, c c Dabei gilt pi pi = 0 = k i ki ,

(5.42)

d. h. der Viererimpuls und der Wellenzahlvierervektor eines Photons sind lichtartige Vektoren. Für den Viererimpuls ist das eine unmittelbare Folge von (5.39) für m 0 = 0 und gleichbedeutend mit E = | p |c. Für den Wellenzahlvierervektor verbirgt sich  bzw. λν = c (mit der hinter dieser Eigenschaft die bekannte Relation ω = |k|c  Wellenlänge λ = 2π/|k|). Es war die geniale Idee von de Broglie (1924), dass die Beziehung (5.41) auch für Teilchen mit Ruhemasse sinnvoll ist (diesmal natürlich mit pi pi = −m 20 c2 ). Damit trug er ganz entscheidend zur Entwicklung der Quantenmechanik bei. Es ist bemerkenswert, dass bei diesem wichtigen Schritt auf dem Weg zur Quantenmechanik die Relativitätstheorie also eine ganz wesentliche Rolle gespielt hat. Die Formel pi =  k i ist eine der faszinierendsten Formeln in der Physik. Sie verknüpft charakteristische Teilchen- und Welleneigenschaften in Form der Proportionalität zweier Vierervektoren; und der Proportionalitätsfaktor ist das (durch 2π geteilte) Planck’sche Wirkungsquantum!

Aufgaben

59

Aufgaben 5.1 Bestimmen Sie die Weltlinie eines Teilchens mit Ruhemasse m 0 und elektrischer Ladung q, das sich unter dem Einfluss eines homogenen elektrischen Feldes E = E 0 ex (E 0 > 0) bewegt! Zum Anfangszeitpunkt τ = 0 soll sich das Teilchen mit der Anfangsgeschwindigkeit v = 0 im Ursprung des Koordinatensystems befinden. Lösung Aus den Gl. (5.19), (5.20) und (5.22) erhalten wir als x-Komponente der Bewegungsgleichung ⎞ ⎛ dx d ⎝ dt ⎠ = q E0 .  m0 dt 1 dx 2 1 − c2 dt Durch Integration unter Beachtung der Anfangsbedingungen folgt 

dx dt

1−

1 c2

q E0 d x 2 = m 0 t. dt

Diese Gleichung kann man nach d x/dt umstellen und erhält dann durch nochmalige Integration x(t). Aus den y- und z-Komponenten der Bewegungsgleichungen folgt mit unseren Anfangsbedingungen natürlich einfach y(t) = z(t) = 0. Ein alternativer Lösungsweg macht Gebrauch von der Viererformulierung: ⎛ m0

du i dτ



q E0 q E 0 vx ⎠ , 0, 0,  , = Fi = ⎝  2 v2 1 − c2 c 1 − vc2

wobei wir zur Berechnung der Viererkraft die Gl. (5.26) benutzt haben. Durch Vergleich mit (5.4) finden wir F1 =

q E0 4 u , c

F4 =

q E0 1 u . c

Damit lautet das Differenzialgleichungssystem für u 1 und u 4 einfach du 1 a = u4, dτ c

du 4 q E0 a = u 1 mit a = dτ c m0

oder auch d 2u1 a2 1 c du 1 4 = u , u = . dτ 2 c2 a dτ

60

5

Relativistische Punktmechanik

Aus unseren Anfangsbedingungen folgt mit (5.4) u 1 (0) = 0, u 4 (0) = c, was uns zur Lösung u1 =

a

a dx d(ct) = c sinh τ , u4 = = c cosh τ dτ c dτ c

führt. Durch nochmalige Integration unter Beachtung der Anfangsbedingungen folgt x=

a 

a c2  c2 cosh τ − 1 , ct = sinh τ a c a c

als Parameterdarstellung der Weltlinie (zusammen mit y = z = 0). Abb. 5.2 zeigt die entsprechende Kurve im Raumzeit-Diagramm. Es handelt sich um einen Teil einer Hyperbel, wie man an der aus der Parameterdarstellung folgenden Beziehung 

c2 x+ a

2 − c2 t 2 =

c4 a2

unmittelbar sehen kann. Dieser Bewegungstyp, der sich generell im Falle einer konstanten Dreierkraft ergibt, wird deshalb auch „Hyperbelbewegung“ genannt. Interessant ist die Diskussion des Verhaltens der Lösung für kleine bzw. große Werte von τ : Für τ  c/a folgt x≈

a a 2 τ , t ≈ τ, also x ≈ t 2 2 2

wie in der Newton’schen Mechanik, es gilt ja auch d x/dt ≈ at ≈ aτ  c! Abb.5.2 Hyperbelbewegung

Aufgaben

61

Für τ  c/a hingegen nähert sich die Geschwindigkeit immer mehr der Lichtgeschwindigkeit, die Weltlinie schmiegt sich asymptotisch an die im RaumzeitDiagramm gestrichelt eingezeichnete Gerade an. Abschließend noch eine Bemerkung zur Bedeutung der Größe a, die im Newton’schen Fall gleich der konstanten Beschleunigung in x-Richtung ist. Für die Viererbeschleunigung gilt hier allgemein (siehe das obige Differenzialgleichungssystem für u 1 und u 4 ): 



a

a u 4 , 0, 0, u 1 , c c

ai =

du 1 du 4 , 0, 0, dτ dτ

a i ai =

a2 i a 2  4 2 1 2  u = − − u u ui = a2 c2 c2

woraus

=

folgt. Die Viererbeschleunigung hat also den konstanten Betrag a. 5.2 Überzeugen Sie sich davon, dass die vierte Komponente der relativistischen Bewegungsgleichung (5.13) unter der Voraussetzung (5.14) eine Folge ihres Dreieranteils (5.17) ist! Lösung Multiplizieren wir die Gl. (5.17) im Sinne des (Dreier-) Skalarproduktes mit u, erhalten wir d u m0 d 2  m 0 u · = u = u · F. dτ 2 dτ Mit (5.7) und (5.24) folgt daraus m 0 d  4 2  du 4 u = m0u4 = u4 F 4, 2 dτ dτ und somit, da u 4 als vierte Komponente eines zeitartigen Vektors nicht verschwinden kann, m0

du 4 = F 4. dτ

Das ist gerade die vierte Komponente der Gl. (5.13). 5.3 a) Leiten Sie die Formel λ =

h (1 − cos ϑ) m0 c

62

5

Relativistische Punktmechanik

für die Wellenlängenvergrößerung bei der Compton-Streuung (m 0 : Ruhemasse des Elektrons, ϑ: Winkel zwischen den Richtungen der einfallenden und der gestreuten Strahlung) unter der Annahme eines elastischen Stoßes eines einfallenden Photons mit einem anfänglich ruhenden Elektron her, indem Sie die Erhaltung des Gesamtviererimpulses auswerten! b) Gibt es ein Inertialsystem, in dem der Gesamtdreierimpuls des in Aufgabenteil (a) beschriebenen Systems aus Photon und Elektron verschwindet („Schwerpunktsystem“)? Lösung a) Wir bezeichnen die Viererimpulse von Photon und Elektron mit   hν hν , | p | = ( pPh )i = p, c c und



(5.43)

⎞ m 0 v

( pEl )i = ⎝  1−

m0c

v2 c2

, 1−

v2 c2

⎠.

(5.44)

Die Erhaltung des Gesamtviererimpulses ( pPh )i + ( pEl )i führt somit auf ⎛ ⎞  

  ⎜ ⎟ hν1  m 0 c = p2 , hν2 + ⎜ m 0 v2 ,  m 0 c ⎟ , (5.45) p1 , + 0, ⎝ ⎠ c c v2 v2 1 − c22 1 − c22 wobei wir die Größen vor dem Stoß mit dem Index 1 und nach dem Stoß mit dem Index 2 gekennzeichnet haben. Außerdem haben wir berücksichtigt, dass das Elektron vor dem Stoß ruht. Der Dreieranteil dieser Beziehung, m 0 v2 , p1 = p2 +  1−

(5.46)

v22 c2

ist als Vektoraddition in Abb. 5.3 graphisch dargestellt. Aus dem Kosinussatz folgt mit | pi | = hνi /c (i = 1, 2) m 20 v22 1−

v22 c2

=

h2 2 ν + ν22 − 2ν1 ν2 cos ϑ . c2 1

(5.47)

Die (mit c multiplizierte) vierte Komponente von (5.45), m 0 c2 , hν1 + m 0 c2 = hν2 +  1−

v22 c2

(5.48)

Aufgaben

63

Abb. 5.3 Erhaltung des Gesamtdreierimpulses

führt auf m 20 c4 1−

v22 c2

2  = h(ν1 − ν2 ) + m 0 c2 .

(5.49)

Subtrahieren wir davon die mit c2 multiplizierte Gl. (5.47), folgt hν1 ν2 (1 − cos ϑ) = (ν1 − ν2 )m 0 c2 .

(5.50)

Division durch ν1 ν2 m 0 c2 liefert 1 1 h − = (1 − cos ϑ), ν2 ν1 m 0 c2

(5.51)

woraus (mit λν = c) unmittelbar die gesuchte Formel λ2 − λ1 = λ =

h (1 − cos ϑ) m0c

(5.52)

folgt. b) Der Gesamtviererimpuls ist als Summe eines lichtartigen und eines zeitartigen Vektors, die beide in die Zukunft gerichtet sind, selbst ein zeitartiger, in die Zukunft gerichteter Vektor, s. Aufgabe 4.2. Somit kann man ihn in der Tat durch eine Lorentz-Transformation auf die Normalform (0, 0, 0, pges ) bringen, s. Aufgabe 4.1. 5.4 Begründen Sie, warum bei der Annihilation eines Elektron-Positron-Paares („Paarvernichtung“ oder „Paarzerstrahlung“) mindestens zwei Photonen entstehen müssen! Diskutieren Sie ein Beispiel eines solchen Prozesses, bei dem zwei Photonen entstehen! Lösung Die Viererimpulse von Elektron und Positron sind beide zeitartig und in die Zukunft gerichtet. Der Gesamtviererimpuls ist somit ebenfalls zeitartig, s. Aufgabe 4.2. Aufgrund der Erhaltung des Gesamtviererimpulses ist eine Umwandlung in ein einzelnes Photon (mit lichtartigem Viererimpuls) also nicht möglich. Zwei Photonen hingegen können einen zeitartigen Gesamtviererimpuls haben. Sind zum Beispiel Elektron und

64

5

Relativistische Punktmechanik

Positron vor der Annihilation im betrachteten Inertialsystem in Ruhe, gilt für den Gesamtviererimpuls einfach i  m 0 c) + (0,  m 0 c) = (0,  2m 0 c), = (0, pges

wobei m 0 die Ruhemasse von Elektron bzw. Positron bezeichnet. Denselben Gesamtviererimpuls haben zwei in entgegengesetzte Richtung laufende Photonen  i pges =

p,

hν c



    hν  2hν + − p, = 0, c c

mit hν = m 0 c2 . (Die Frequenzen beider Photonen müssen wegen der Beziehung hν = | p |c gleich sein.) Dieser Prozess stellt ein schönes Beispiel für die Bedeutung der Formel E = m 0 c2 dar und hat mit der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) eine wichtige Anwendung in der medizinischen Diagnostik.

6

Andere Teilgebiete der Physik im Rahmen der SRT

Inhaltsverzeichnis 6.1 Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Hydrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Das Problem der Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 69 74 74

Zusammenfassung

Die Maxwell’sche Elektrodynamik ist ohne jede Abänderung mit der SRT verträglich. Ihre Grundgleichungen können als Vierertensorgleichungen geschrieben werden. Besonders elegant sind die Viererformulierungen der Kontinuitätsgleichung und der inhomogenen Wellengleichung sowie die vierdimensionale Zusammenfassung von elektromagnetischer Energie- und Impulsbilanzgleichung mit Hilfe des Energie-Impuls-Tensors, der uns dann auch als Ausgangspunkt für die relativistische Verallgemeinerung der Hydrodynamik dient. Dabei beschränken wir uns auf den Fall einer idealen Flüssigkeit. Zum Abschluss dieses Kapitels und damit auch des ersten Teils des Buches diskutieren wir das Problem einer speziellrelativistischen Verallgemeinerung der Newton’schen Gravitationstheorie. Eine solche Theorie, von der natürlich auch die Konsistenz mit der astrophysikalischen Erfahrung zu fordern ist, konnte nicht gefunden werden. Die erfolgreiche relativistische Theorie der Gravitation ist vielmehr die allgemeine Relativitätstheorie, die Gegenstand des zweiten Teils des Buches ist.

6.1

Elektrodynamik

Die (Vakuum-) Maxwell-Gleichungen lauten in der vertrauten Dreierformulierung div B = 0, rot E = −

∂ B ∂t

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_6

(6.1)

65

66

und

6

Andere Teilgebiete der Physik im Rahmen der SRT

  ∂ E   0 div E = , rot B = μ0 j + 0 . ∂t

(6.2)

Dabei sind die Größen B (magnetische Flussdichte), E (elektrische Feldstärke) und j (elektrische Stromdichte) ebenso wie  (elektrische Ladungsdichte) Funktionen von r und t. Die magnetische Feldkonstante μ0 hat im von uns verwendeten SI-System den Wert N (6.3) μ0 = 4π · 10−7 2 , A und die elektrische Feldkonstante 0 ist durch 0 =

1 μ0 c2

(6.4)

gegeben. Die Dreierkraft auf ein Testteilchen mit der Ladung q ist durch  K = q( E + v × B)

(6.5)

gegeben. Die zugehörige Viererkraft (5.26) erhält durch die Matrix ⎛ 0 Bz −B y ⎜ ⎜ −Bz 0 Bx ⎜ F mn = ⎜ ⎜ B y −Bx 0 ⎝ 1 1 1 c Ex c E y c Ez

man durch Überschiebung des − 1c E x



⎟ − 1c E y ⎟ ⎟ ⎟ 1 − c Ez ⎟ ⎠ 0

(6.6)

gegebenen „Feldstärketensors“ mit der Vierergeschwindigkeit u n : F m = q F mn u n .

(6.7)

Wir nennen sie die (Vierer-) Lorentz-Kraft. Die Orthogonalität (5.14), also F m u m = 0, ist eine unmittelbare Folge der Antisymmetrie F mn = −F nm .

(6.8)

Der Feldstärketensor hängt natürlich von den Koordinaten x i ab, es handelt sich um ein „Tensorfeld“. Die homogenen Maxwell-Gleichungen (6.1) lassen sich in der Form Fik,l + Fkl,i + Fli,k = 0

(6.9)

schreiben, wobei wir hier erstmalig die „Komma-Notation“ für die partielle Ableitung nach den Koordinaten benutzt haben: Fik,l bedeutet zum Beispiel ∂ Fik /∂ x l . Tatsächlich „erzeugt“ die partielle Ableitung eines Tensorfeldes nach den Koordinaten wieder ein Tensorfeld – mit einem zusätzlichen kovarianten Tensorindex, s. Aufgabe 6.1 (c). Gl. (6.9) ist also eine Vierertensorgleichung.

6.1 Elektrodynamik

67

Wegen der Antisymmetrie des Feldstärketensors sind in (6.9) nur vier nichttriviale Einzelgleichungen enthalten, die man für paarweise voneinander verschiedene i, k und l erhält. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass F12,3 + F23,1 + F31,2 = 0 die Gleichung div B = 0 ergibt, und dass für (i, k, l) gleich (1, 2, 4), (1, 3, 4) und  (2, 3, 4) die drei Komponenten der Gleichung rot E = −∂ B/∂t folgen. Ebenso leicht kann man nachrechnen, dass die inhomogenen Maxwell-Gleichungen (6.2) äquivalent zur Vierertensorgleichung F mn ,n = μ0 j m

(6.10)

j m = (j, c) = (jx , j y , jz , c)

(6.11)

mit der „Viererstromdichte“

sind. Gl. (6.10) sagt aus, dass die „Viererdivergenz“ des Feldstärketensors durch die Viererstromdichte (multipliziert mit μ0 ) gegeben ist. Wegen (6.8) und der Vertauschbarkeit der Reihenfolge bei gemischten zweiten partiellen Ableitungen (Satz von Schwarz) gilt F mn ,nm ≡

4

∂ 2 F mn =0 ∂xm∂xn

(6.12)

m,n=1

und aus (6.10) folgt j m ,m = 0,

(6.13)

d. h. die Viererdivergenz der Viererstromdichte verschwindet. Das ist die Viererformulierung der vertrauten Kontinuitätsgleichung (Ladungsbilanzgleichung) div j + ∂/∂t = 0, aus der man durch Integration schließen kann, dass die Gesamtladung eine Erhaltungsgröße ist. Die homogenen Maxwell-Gleichungen (6.9) gestatten die Einführung des „Viererpotenzials“ Ai gemäß Fmn ≡ An,m − Am,n

(6.14)

und sind damit automatisch erfüllt. Wir vermerken, dass der Zusammenhang zu den elektromagnetischen Potenzialen A und Uem der Dreierformulierung mit B = rot A  durch und E = −grad Uem − ∂ A/∂t  Uem /c Ai = A,

(6.15)

gegeben ist. Zum Viererpotenzial kann man den Vierergradienten einer beliebigen skalaren Funktion χ (x k ) hinzufügen, da eine solche „Eichtransformation“ Ai → Ai + χ,i gemäß (6.14) ohne Einfluss auf den Feldstärketensor ist. Dank dieser „Eichfreiheit“

68

6

Andere Teilgebiete der Physik im Rahmen der SRT

kann man dem Viererpotenzial eine Zusatzbedingung („Eichung“) auferlegen. Unter Verwendung der „Lorenz-Eichung“ Ai ,i = 0

(6.16)

folgt durch Einsetzen von (6.14) in die inhomogenen Maxwell-Gleichungen (6.10) schließlich die inhomogene Wellengleichung  An = −μ0 j n

(6.17)

mit dem d’Alembert-Operator  = ηik

∂2 ∂2 ∂2 ∂2 1 ∂2 = 2 + 2 + 2 − 2 2. i k ∂x ∂x ∂x ∂y ∂z c ∂t

(6.18)

Die Vierervektorgleichung (6.17) ist die elegante Zusammenfassung der inhomogenen Wellengleichungen für A und Uem . Die auf die „Quellen“ des elektromagnetischen Feldes wirkende elektromagnetische Viererkraftdichte (Lorentz-Kraftdichte) f Lm = F mn jn

(6.19)

lässt sich aufgrund der Maxwell-Gleichungen aus dem „Energie-Impuls-Tensor“ T

mn

1 ≡ μ0

F

ml

F

n

l

1 − ηmn Fik F ik 4

 (6.20)

des elektromagnetischen Feldes berechnen: f Lm = −T mn ,n .

(6.21)

Diese Gleichung stellt die vierdimensionale Zusammenfassung der elektromagnetischen Energie- und Impulsbilanz dar. Die Impulsbilanz erhält man für m = 1, 2, 3 und die Energiebilanz (in Form des Poynting’schen Satzes) für m = 4. Das erkennt man deutlich, wenn man sich die Bestandteile der Lorentz-Kraftdichte und des Energie-Impuls-Tensors genauer ansieht. Aus (6.19) und (6.20) folgt

f Lm = und

1 fL , j · E c

T mn =

T μν 1 ν cS



1 μ cS

w

mit fL =  E + j × B

(6.22)

 mit μ, ν = 1, 2, 3.

(6.23)

6.2 Hydrodynamik

69

Dabei stellt T μν den Dreiertensor der Impulsstromdichte dar, der bis auf das Vorzeichen gleich dem Maxwell’schen Spannungstensor ist; S μ /c2 ist der Dreiervektor der Impulsdichte, S ν ist der Dreiervektor der Energiestromdichte (Poynting-Vektor  0 ), und w = 1 (0 E · E + B · B/μ  0 ) ist die Energiedichte des elekS = E × B/μ 2 tromagnetischen Feldes. Der Energie-Impuls-Tensor (6.20) ist symmetrisch, T mn = T nm ,

(6.24)

T m m = 0.

(6.25)

und seine Spur verschwindet:

6.2

Hydrodynamik

Die Grundgleichungen der klassischen Hydrodynamik für eine ideale Flüssigkeit, d. h. eine Flüssigkeit mit vernachlässigbarer innerer Reibung und Wärmeleitung, sind die Euler’sche Gleichung (Impulsbilanzgleichung) μ

d v = − grad p + f dt

(6.26)

und die Kontinuitätsgleichung (Massenbilanzgleichung) div(μ v) +

∂μ = 0, ∂t

(6.27)

aus der man durch Integration auf die Erhaltung der Gesamtmasse schließen kann. Dabei haben wir die „substanzielle Zeitableitung“ d ∂ = + v · grad dt ∂t

(6.28)

verwendet. Diese Gleichungen beschreiben die Entwicklung des Geschwindigkeitsfeldes v( r , t), der Massendichte μ( r , t) und des Druckes p( r , t) unter dem Einfluss einer äußeren Kraftdichte f( r , t) – vorausgesetzt, man kennt den Zusammenhang zwischen Druck und Massendichte. Dieser wird durch eine Zustandsgleichung p = p(μ, s˜ )

(6.29)

gegeben, in die auch die spezifische Entropie s˜ ( r , t) eingeht. Für eine ideale Flüssigkeit gilt d s˜ = 0, dt

(6.30)

70

6

Andere Teilgebiete der Physik im Rahmen der SRT

d. h. die spezifische Entropie eines jeden Flüssigkeitselementes bleibt konstant. Meist setzt man voraus, dass diese Konstante in der gesamten Flüssigkeit einheitlich ist („isentropische Flüssigkeit“). Damit reduziert sich die Zustandsgleichung auf einen einfachen Zusammenhang p = p(μ). Wie sieht nun die relativistische Verallgemeinerung der Gl. (6.26) und (6.27) aus? In der Elektrodynamik konnten wir Energie- und Impulsbilanz in der Formel (6.21) zusammenfassen. Der Energie-Impuls-Tensor hatte die Struktur

T mn =

T μν 1c S μ 1 ν w cS



=

1 c

Impulsstromdichte c · Impulsdichte · Energiestromdichte Energiedichte

 ,

(6.31)

s. (6.23). Den analog aufgebauten Energie-Impuls-Tensor einer idealen Flüssigkeit können wir durch einfache Überlegungen gewinnen. Im lokalen Ruhsystem eines herausgegriffenen Flüssigkeitselementes verschwinden Impulsdichte und Energiestromdichte; der Dreiertensor der Impulsstromdichte (gleich dem Negativen des Spannungstensors) ist durch den isotropen Ausdruck ⎛

T μν

⎞ p 0 0 =⎝0 p 0⎠ 0 0 p

(6.32)

gegeben, und die Energiedichte nennen wir μc2 . Wir erhalten ⎛

T mn

p ⎜0 =⎜ ⎝0 0

0 p 0 0

0 0 p 0

⎞ 0 0 ⎟ ⎟. 0 ⎠ μc2

(6.33)

Das Vierergeschwindigkeitsfeld u i (x k ) kann gemäß (5.4) durch das Dreiergeschwindigkeitsfeld v( r , t) ausgedrückt werden: ⎛

⎞ v

ui = ⎝  1−

c

v2 c2

, 1−

v2 c2

⎠.

(6.34)

Im lokalen Ruhsystem (v = 0) gilt u i = (0, 0, 0, c). Die lorentzinvariante Form für den Energie-Impuls-Tensor einer idealen Flüssigkeit ist somit durch p T mn = μ + 2 u m u n + p ηmn c

(6.35)

gegeben, denn dieser Ausdruck hat Tensorcharakter und nimmt im lokalen Ruhsystem die Gestalt (6.33) an. Dabei haben wir vorausgesetzt, dass die „Massendichte“ μ und der „Druck“ p skalare Größen sind, d. h. sie sind durch ihre Werte im lokalen

6.2 Hydrodynamik

71

Ruhsystem festgelegt. Es ist offensichtlich, dass T mn wiederum symmetrisch ist, seine Spur verschwindet allerdings im Allgemeinen nicht: T mn = T nm , T m m = 3 p − μc2 .

(6.36)

Im Spezialfall p ≡ 0 gilt einfach T mn = μu m u n .

(6.37)

Dieses Materiemodell wird „Staub“ oder „inkohärente Materie“ genannt. Die relativistische Verallgemeinerung der Gl. (6.26) und (6.27) lautet T mn ,n = f m .

(6.38)

Dabei ist f m der Vierervektor der äußeren Kraftdichte. Indem wir diese Gleichung in einen Anteil für m = 1, 2, 3 (Impulsbilanz) und m = 4 (Energiebilanz) zerlegen, werden wir sehen, dass sich unter den Voraussetzungen v  c und p  μc2 näherungsweise die klassischen Formeln ergeben. In einem beliebigen Inertialsystem hat die Energiedichte w den Wert w=T

44

μc2 + vc2 p p = μ + 2 u 4 u 4 + p η44 = . 2 c 1 − vc2

2

(6.39)

Für die Energiestromdichte S α (α = 1, 2, 3) folgt mit (6.34)   vα p = (w + p)v α . S α = c T 4α = c μ + 2 u 4 u α = μc2 + p 2 c 1 − vc2

(6.40)

Die Impulsdichte ist durch S α /c2 gegeben. Die Energiebilanzgleichung T 4n ,n = f 4 lautet T 4α ,α + T 44 ,4 =

1 c

S α ,α +

(6.41) ∂w ∂t

 = f 4,

(6.42)

mit (6.40) also   ∂w div (w + p) v + = c f 4. ∂t

(6.43)

Die Impulsbilanzgleichung Tα n ,n = f α ,

(6.44)

72

6

Andere Teilgebiete der Physik im Rahmen der SRT

also ausführlich 

p δαn

 ,n

+



μ+

   p p β 4 u u u + μ + u = fα , α α c2 c2 ,β ,4

(6.45)

ergibt mit (6.34) und (6.40) p,α +

   1  ∂ Sα β = fα . S v + α ,β c2 ∂t

(6.46)

Durch weitere Umformung unter Benutzung von (6.40) und (6.43) folgt schließlich w + p d v + c2 dt

1 ∂p f + c ∂t 4



v = − grad p + f. c

(6.47)

Diese Gleichung kann als relativistische Verallgemeinerung der Euler’schen Gleichung angesehen werden. Wie man mit (6.39) leicht sieht, geht sie im nichtrelativistischen Grenzfall v  c, p  μc2 (formal: c → ∞) tatsächlich in Gl. (6.26) über. [Dabei setzen wir voraus, dass f 4 und ∂ p/∂(ct) in diesem Limes nicht divergieren.] Wenn wir die relativistische Energiebilanzgleichung (6.43) durch c2 teilen und anschließend wiederum den Limes c → ∞ bilden, erhalten wir die Kontinuitätsgleichung (6.27). Die hier vorgenommene Zerlegung der Energie-Impuls-Bilanzgleichung (6.38) in Energiebilanz (6.43) und Impulsbilanz (6.46) bezieht sich auf ein bestimmtes Inertialsystem. Alternativ kann man (6.38) in zwei Anteile zerlegen, die parallel bzw. senkrecht zur Vierergeschwindigkeit sind, s. Aufgabe 6.2. Die Energiedichte im lokalen Ruhsystem, μc2 , enthält sowohl einen Beitrag aufgrund der Ruheenergie der Teilchen, aus denen die Flüssigkeit besteht, als auch einen Beitrag aufgrund der inneren Energie des entsprechenden Flüssigkeitselementes. Wir setzen der Einfachheit halber voraus, dass alle Teilchen dieselbe Ruhemasse m 0 haben. Somit gilt μc2 = nm 0 c2 + i

(6.48)

mit der Teilchenzahldichte n und der Dichte der inneren Energie i , wobei sich natürlich auch diese Dichten auf das lokale Ruhsystem beziehen. Die Teilchenzahlerhaltung wird durch die relativistische Kontinuitätsgleichung (nu i ),i = 0

(6.49)

für den Vierervektor der Teilchenstromdichte nu i gesichert, die dieselbe Form wie die Kontinuitätsgleichung (6.13) der Elektrodynamik hat, welche die Ladungserhaltung zum Ausdruck bringt. Dass aus (6.49) die Erhaltung der Gesamtteilchenzahl N folgt, sieht man folgendermaßen: Wir integrieren den Ausdruck (nu i ),i = div(n u) +

∂(nu 4 ) ∂(ct)

(6.50)

6.2 Hydrodynamik

73

über den gesamten dreidimensionalen Raum t = const unter der Voraussetzung, dass nu i auf einen endlichen Bereich beschränkt ist bzw. im Unendlichen hinreichend stark abklingt. Der Divergenzanteil kann nach dem Gauß’schen Integralsatz in ein Oberflächenintegral über die unendlich ferne Oberfläche umgeformt werden, welches wegen der eben genannten Voraussetzung keinen Beitrag liefert. Mit (6.34) folgt    d d xd ydz d 1 d 4 nu d xd ydz = n = n d V0 = 0 (6.51) c dt dt dt v2 1 − 2 t=const. t=const. t=const. c mit dem „Eigenvolumen“ d V0 des Flüssigkeitselementes, s. (3.30). Nun ist  n d V0 = N (6.52) t=const

und somit d N /dt = 0, die Teilchenzahl bleibt also erhalten. Die Größe μR ≡ nm 0

(6.53)

wird als „Ruhemassendichte“ bezeichnet. Die relativistische Kontinuitätsgleichung kann damit auch in der Form (μR u i ),i = 0

(6.54)

geschrieben werden. Die zugehörige Erhaltungsgröße ist die Gesamtruhemasse M0 = N m 0 . Die durch c2 geteilte Relation (6.48), μ = μR +

i , c2

(6.55)

zeigt, dass die Massendichte μ auch einen Beitrag von der Dichte des Massenäquivalentes der inneren Energie enthält, siehe auch (5.38). Im nichtrelativistischen Grenzfall wird dieser Beitrag vernachlässigbar, d. h. es gilt μ ≈ μR . Mit (6.34) kann man sich leicht davon überzeugen, dass (6.54) für v  c ebenfalls in die nichtrelativistische Kontinuitätsgleichung (6.27) übergeht. Die relativistische Verallgemeinerung von Gl. (6.30) ist durch d s˜ =0 dτ

(6.56)

∂ d = un n dτ ∂x

(6.57)

gegeben, wobei

die relativistische Version der substanziellen Zeitableitung darstellt, s. Aufgabe 6.2.

74

6

6.3

Andere Teilgebiete der Physik im Rahmen der SRT

Das Problem der Gravitation

Die Newton’sche Gravitationstheorie basiert auf der Idee der Fernwirkung, wie man an der Formel r1 (t) − r2 (t) (6.58) K 12 (t) = −G m 1 m 2 | r1 (t) − r2 (t)|3 für die von einer Punktmasse m 2 auf eine Punktmasse m 1 ausgeübte Gravitationskraft sehen kann. In dieser Formel ist G die Newton’sche Gravitationskonstante. Die Masse m 1 übt die Kraft K 21 (t) = − K 12 (t) auf die Masse m 2 aus. Die Kraft auf die jeweilige Masse zum Zeitpunkt t hängt von den Positionen r1 (t) und r2 (t) beider Massen ab und ändert sich also instantan, sobald die andere Masse ihre Position verändert. Das ist natürlich nicht mit den Prinzipien der SRT vereinbar, in der sich Wirkungen höchstens mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten können. Im Kap. 5 haben wir dieses Problem schon einmal kurz im Zusammenhang mit der Frage der Übertragbarkeit des dritten Newton’schen Axioms auf die SRT angesprochen. Das Newton’sche Gravitationsgesetz hat dieselbe Struktur wie das CoulombGesetz für die Kraftwirkung zwischen zwei elektrischen Punktladungen, das aber nur in der Elektrostatik gilt. In der vollen – und, wie wir gesehen haben, mit der SRT verträglichen – Elektrodynamik breiten sich Wirkungen mit Lichtgeschwindigkeit aus, wie man es etwa von den „retardierten Potenzialen“ kennt. Es liegt daher nahe, eine speziell-relativistische Verallgemeinerung der Newton’schen Gravitationstheorie nach dem Vorbild der Elektrodynamik zu suchen. Alle derartigen Vorschläge sind jedoch daran gescheitert, dass sie Effekte vorhersagen, die nicht im Einklang mit den astrophysikalischen Beobachtungen sind. Die allgemeine Relativitätstheorie hat das Problem der Gravitation auf eine überraschend elegante und mit den Beobachtungen bestens übereinstimmende Weise gelöst. Damit werden wir uns im folgenden zweiten Teil des Buches beschäftigen.

Aufgaben 6.1 a) Begründen Sie die Vertauschbarkeit der Operation des „Indexziehens“ mit der partiellen Ableitung, wie sie zum Beispiel in der Formel ηik Ai , j = Ak, j zum Ausdruck kommt! b) Zeigen Sie mit Hilfe des Quotientensatzes (Kap. 4), dass die Komponenten des „Vierergradienten“ ∂f ∂xk einer skalaren Funktion f (x i ) die kovarianten Komponenten eines Vierervektors sind! f ,k ≡

c) Zeigen Sie, dass die partielle Ableitung ∂/∂ x m eines beliebigen Tensorfeldes Aik... wieder ein Tensorfeld mit einem zusätzlichen unteren Index m erzeugt!

Aufgaben

75

Lösung a) Indexziehen und partielle Ableitung kann man vertauschen, weil ηik,l = 0 gilt. Das in der Aufgabenstellung angegebene Beispiel ergibt sich gemäß Ak, j =

∂ i η = ηik Ai , j . A ik ∂x j

b) Für eine skalare Funktion folgt bei einer Lorentz-Transformation mit f  = f auch d f  = d f , also ist df =

∂f d x k = f ,k d x k ∂xk

eine infinitesimale skalare Größe (ein Tensor nullter Stufe) – bei beliebiger Wahl des infinitesimalen Vierervektors d x k . Das ist nach dem Quotientensatz nur möglich, wenn f ,k ein Vierervektor ist. c) Nach der Kettenregel gilt ∂xm ∂ ∂ = . n ∂x ∂ x n ∂ x m Aus (3.6) folgt ∂xm = K mn, ∂ x n wobei K m n die zu L m n inverse Matrix repräsentiert. Damit wird genau der richtige Faktor K m n (mit m als Summationsindex) entsprechend der Transformationsregel für einen kovarianten Index erzeugt (s. Aufgabe 4.4): A

ik...

,n

=

∂ ∂ i k  ik... pq... L = L i p L k q · · · K m n A pq... ,m . A = L · · · A p q ∂ x n ∂ x n

6.2 Zeigen Sie, dass die Energie-Impuls-Bilanzgleichungen T mn ,n = f m für eine ideale Flüssigkeit [T mn = (μ + p/c2 )u m u n + pηmn ] auch in der Form 1 p μ˙ + μ + 2 u n ,n = − 2 f m u m , c c

μ+

p i u˙ + h in p,n = h im f m c2

(6.59)

(6.60)

mit dem Projektionstensor h im ≡ ηim + u i u m /c2 geschrieben werden können, wobei ein Punkt die relativistische Version der substanziellen Zeitableitung, d/dτ ≡ u n ∂/∂ x n , bedeutet! Es sei angemerkt, dass (6.59) unter der Voraussetzung f m u m = 0 mit (6.54) auf die zu (6.56) äquivalente Beziehung

76

6

d dτ

μc2 μR



Andere Teilgebiete der Physik im Rahmen der SRT

d +p dτ

1 μR

 =0

führt. Lösung T mn ,n = f m nimmt nach Anwendung der Produktregel die Gestalt p m n p p μ+ 2 u u + μ + 2 u m ,n u n + μ + 2 u m u n ,n + p,n ηmn = f m . c ,n c c (6.61) an. Durch Überschieben mit −u m /c2 erhalten wir wegen u m u m = −c2 und der daraus durch Ableitung nach x n folgenden Relation u m u m ,n = 0 die Beziehung p 1 μ,n u n + μ + 2 u n ,n = − 2 f m u m , c c

(6.62)

also unter Verwendung der in der Aufgabenstellung angegebenen Notation für die Ableitung d/dτ die erste zu zeigende Gl. (6.59). Überschieben wir (6.61) mit h im = ηim + u i u m /c2 , folgt wegen h im u m = 0 die Formel p μ + 2 u i,n u n + p,n h i n = f m h im , (6.63) c die wir durch Indexverschiebungen auch in der Form p μ + 2 u i ,n u n + h in p,n = h im f m c

(6.64)

schreiben können. Das ist aber gerade die zweite zu zeigende Gl. (6.60). Die beiden hergeleiteten Gleichungen sind zur Ausgangsgleichung T mn ,n = f m äquivalent, denn aus den (6.62) und (6.63) kann man auch rückwärts wieder auf (6.61) schließen, indem man (6.63) und die mit u i multiplizierte Gl. (6.62) addiert. Die rechte Seite der entstehenden Gleichung lautet 

1 h im − 2 u i u m f m = ηim f m = f i (6.65) c und auf der linke Seite entsteht entsprechend die mit ηim überschobene linke Seite von (6.61), insgesamt also die zur Ausgangsgleichung äquivalente Gleichung Ti n ,n = f i . i + u i u /c2 bzw. mit δ i − h i = −u i u /c2 Durch Überschieben mit h im = δm m m m m kann man einen beliebigen Vierervektor Am in zwei Anteile zerlegen, die senkrecht bzw. parallel zu u i sind.

6.3 Diskutieren Sie die Bilanzgleichungen von Aufgabe 6.2 für den Spezialfall p = 0 („Staub“) unter der Voraussetzung (i) f m = 0 (d. h. verschwindende äußere Kraftdichte) bzw. (ii) f m = 0 F mn u n (d. h. geladener Staub im elektromagnetischen Feld), wobei 0 die elektrische Ladungsdichte im lokalen Ruhsystem bezeichnet!

Aufgaben

77

Lösung Für p = 0 folgt aus (6.59) und (6.60) 1 m f um c2

(6.66)

1 i m u u fm . c2

(6.67)

(μu n ),n = − und μu˙ i = f i +

In beiden in der Aufgabenstellung genannten Fällen gilt f m u m = 0. (Für die Voraussetzung (i) ist das trivial, für (ii) eine unmittelbare Folge der Antisymmetrie des Feldstärketensors.) Somit reduziert sich (6.66) auf die Kontinuitätsgleichung (μu n ),n = 0.

(6.68)

Die Übereinstimmung dieser Gleichung mit (6.54) gestattet für das Staubmodell die Identifizierung μ = μR . Gl. (6.67) ergibt im Fall (i) einfach u˙ i = 0,

(6.69)

d. h. die „substanzielle“ Viererbeschleunigung verschwindet. Die Vierer- (und Dreier-) Geschwindigkeit der Flüssigkeitselemente (Staubelemente) bleibt also konstant. Im Fall (ii) erhalten wir 0 in (6.70) u˙ i = F un , μ was einer Bewegung der einzelnen Staubelemente unter dem Einfluss der LorentzKraft entspricht, s. (6.7), denn 0 /μ ist gerade die spezifische Ladung. Wenn das elektromagnetische Feld ausschließlich vom geladenen Staub selbst herrührt (rein konvektive elektrische Viererstromdichte j n = 0 u n ), gilt gemäß (6.21)  mn  f m = − Tem ,n

(6.71)

mn des elektromagnetischen Feldes. Bezeichnen mit dem Energie-Impuls-Tensor Tem mn , können wir die hydrodynawir den Energie-Impuls-Tensordes Staubes mit TStaub  mn m mische Energie-Impuls-Bilanz TStaub ,n = f somit auch in der Form



mn mn TStaub + Tem

 ,n

= 0.

(6.72)

mn + T mn gilt also schreiben. Für den Gesamt-Energie-Impuls-Tensor T mn = TStaub em die Bilanzgleichung

T mn ,n = 0,

(6.73)

78

6

Andere Teilgebiete der Physik im Rahmen der SRT

die die Energie-Impuls-Erhaltung des Gesamtsystems zum Ausdruck bringt – ganz analog zu den Kontinuitätsgleichungen für die Vierervektoren der elektrischen Stromdichte (6.13) und der Teilchenstromdichte (6.49), die die Ladungserhaltung bzw. die Teilchenzahlerhaltung beschreiben. Aus (6.13) und (6.68) mit j n = 0 u n folgt übrigens, wie es sein muss, dass die substanzielle Zeitableitung der spezifischen Ladung 0 /μ verschwindet:

 d 0 = 0. (6.74) dτ μ 6.4 Unter welcher Voraussetzung folgt aus der Energie-Impuls-Erhaltung – charakterisiert durch die Bilanzgleichung T mn ,n = 0 für den Energie-Impuls-Tensor – auch die Drehimpulserhaltung, die durch die Bilanzgleichung L mnl ,n = 0 für den Drehimpulstensor L mnl ≡ T mn x l − T ln x m beschrieben wird? Lösung Aus der Definition des Drehimpultensors folgt mit T mn ,n = 0 L mnl ,n = T mn

m ∂ xl ln ∂ x − T = T mn δnl − T ln δnm = T ml − T lm . ∂xn ∂xn

Drehimpulserhaltung gilt also genau dann, wenn der Energie-Impuls-Tensor symmetrisch ist: T ik = T ki .

Teil II Allgemeine Relativitätstheorie (ART)

7

Grundideen

Inhaltsverzeichnis 7.1 7.2 7.3

Geometrisierung der Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mach’sches Prinzip und Gravitomagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Energie-Impuls-Tensor als Quellterm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82 84 86

Zusammenfassung

In einem relativ zu einem Inertialsystem beschleunigt bewegten Bezugssystem treten im Rahmen der Newton’schen Mechanik „Trägheitskräfte“ in Erscheinung. Durch eine Koordinatentransformation, die den Übergang zu einem Inertialsystem beschreibt, können die Trägheitskräfte wegtransformiert werden. Dank der schon von Galilei entdeckten Tatsache, dass alle Körper im Gravitationsfeld gleich stark beschleunigt werden, kann durch den Übergang zu einem „frei fallenden Bezugssystem“ – in einem hinreichend kleinen Raum-Zeit-Bereich – auch die Gravitationskraft wegtransformiert werden. Die zentrale Einstein’sche Idee war die globale „Wegtransformation“ der Gravitationskraft durch die Ersetzung des pseudoeuklidischen Minkowski-Raums, der „flachen“ Raumzeit der SRT, durch einen pseudo-Riemann’schen Raum, die „gekrümmte“ Raumzeit der ART. In diesem einführenden Kapitel beschreiben wir auch einige der wesentlichen Ideen, die zu den Bestimmungsgleichungen für die Geometrie der gekrümmten Raumzeit geführt haben.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_7

81

82

7.1

7

Grundideen

Geometrisierung der Gravitation

Die Newton’sche Bewegungsgleichung eines Testteilchens (Massenpunktes) in einem Gravitationsfeld g( r , t) lautet in einem Inertialsystem  mt

d 2 r = m s g, dt 2

(7.1)

wobei m t und m s die träge bzw. schwere Masse bedeuten. In einem relativ zu  beliebig beschleunigten System   , s. Abb. 7.1, gilt bekanntlich ˙ × r  .  × r˙ − m t Ω  × (Ω  × r  ) − m t Ω m t r¨ = m s g − m t a − 2m t Ω

(7.2)

Dabei sind die Ortsvektoren r = x ex + y ey + z ez und r  = x  ex  + y  ey  + z  ez  des Teilchens bezogen auf  bzw.   durch die Relation r = r0 + r 

(7.3)

verknüpft, in die der beliebig zeitabhängige Ortsvektor r0 (t) des Nullpunktes von   (bezogen auf ) eingeht. Die Größe a =

d 2 r0 dt 2

(7.4)

 ist der Vektor der Winkelgeist die Beschleunigung des Nullpunktes von   , und Ω  schwindigkeit, der die Rotation von  um eine durch seinen Nullpunkt verlaufende  können ebenfalls beliebig zeitabhänAchse beschreibt. Betrag und Richtung von Ω  gig sein. (Ω verschwindet, wenn die Achsen von   ihre Richtung – bezogen auf  – nicht ändern. Dann sprechen wir von einem nicht rotierenden System.) Die Gl. (7.2) folgt aus (7.1) unter Benutzung der Operatorgleichung d d  = + Ω× dt dt

(7.5)

für die Berechnung der Zeitableitung d/dt der Komponenten eines Vektors bezüglich der Basis ex , ey , ez aus der Zeitableitung d  /dt seiner Komponenten bezüglich ex  , ey  , ez  , die wir in (7.2) mit einem Punkt bezeichnet haben. (Es gilt z. B. d ex  /dt = ˙  × ex  , d r  /dt = r˙ + Ω  × r  und d Ω/dt  Ω = Ω.) Die auf der rechten Seite von (7.2) stehenden Terme mit dem Vorfaktor m t sind  × r˙ die „Trägheitskräfte“, dazu gehören insbesondere die Coriolis-Kraft −2m t Ω    und die Zentrifugalkraft −m t Ω × (Ω × r ). Dank der auf Galilei zurückgehenden Erfahrungstatsache, dass alle Körper gleich schnell fallen, gilt m s = m t (= m),

(7.6)

7.1 Geometrisierung der Gravitation

83

Abb. 7.1 Im relativ zum Inertialsystem  (mit kartesischen Koordinaten x, y, z) beliebig beschleunigten Bezugssystem   (mit kartesischen Koordinaten x  , y  , z  ) wirken auf den Massenpunkt m die sogenannten Trägheitskräfte

die Gravitationskraft hat also denselben Vorfaktor! Darauf basiert die Idee der „Wesensgleichheit“ von Gravitations- und Trägheitskräften, die Einstein einmal als den „glücklichsten Gedanken“ seines Lebens bezeichnet hat (s. Einstein 2002). Die Trägheitskräfte können durch Übergang zu einem Inertialsystem wegtransformiert werden. Wegen m s = m t kann die Gravitationskraft, zumindest in einem kleinen Raum-Zeit-Bereich, durch Übergang in ein geeignet beschleunigtes System   ebenfalls wegtransformiert werden: Dazu wählen wir für r0 (t) eine Lösung der Gleichung d 2 r = g( r , t), dt 2

(7.7)

 setzen wir gleich null. es gilt also a = g( r0 (t), t). Die Winkelgeschwindigkeit Ω Dann folgt aus (7.2) unter der Voraussetzung hinreichend kleiner Werte von | r | = | r − r0 | die Aussage  r¨ = g( r , t) − g( r0 , t) ≈ 0.

(7.8)

Teilchen, die sich nicht weit vom Koordinatenursprung des so gewählten Bezugssystems   befinden, erfahren also (unabhängig von ihrer Masse!) nahezu keine Beschleunigung, d. h. sie verharren näherungsweise im Zustand der Ruhe oder sie bewegen sich nahezu geradlinig gleichförmig. In Anlehnung an Gedankenexperimente von Einstein nennt man ein solches frei fallendes (und nicht rotierendes) Bezugssystem oft einen „frei fallenden Fahrstuhl“. Aber auch die „Schwerelosigkeit“ in einer antriebslosen Weltraumstation oder während eines „Parabelfluges“ hat dieselbe Ursache. Diese Möglichkeit, die Gravitationskraft in einem kleinen, streng genommen infinitesimalen Raum-Zeit-Bereich wegzutransformieren, wird auch als „Äquivalenzprinzip“ bezeichnet, da sie auf der lokalen Äquivalenz von Gravitationsund Trägheitskräften beruht. Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur ART war die Idee der globalen „Wegtransformation“ der Gravitationskraft durch den Übergang zu einer „gekrümmten“ Raumzeit, beschrieben durch ein allgemeines Linienelement ds 2 = gik d x i d x k

(7.9)

mit dem „metrischen Tensor“ gik . Wegtransformation der Gravitationskraft (nicht der Gravitation!) bedeutet, dass sich Massenpunkte („Testteilchen“) auf den „geradesten Linien“, den sogenannten geodätischen Linien dieser Raumzeit bewegen.

84

7

Grundideen

Die Effekte der Gravitation werden auf diese Weise durch die Geometrie der Raumzeit beschrieben, was mit dem schon in der Überschrift verwendeten Schlagwort „Geometrisierung der Gravitation“ zum Ausdruck gebracht wird. An die Stelle des pseudo-euklidischen Minkowski-Raums als („flache“) Raumzeit der SRT tritt ein pseudo-Riemann’scher Raum als Raumzeit der ART.

7.2

Mach’sches Prinzip und Gravitomagnetismus

In der Newton’schen Mechanik und auch in der SRT haben Beschleunigungen (im Unterschied zu Geschwindigkeiten) eine absolute Bedeutung. Beschleunigte Bezugssysteme unterscheiden sich von Inertialsystemen durch das Auftreten der Trägheitskräfte. Insbesondere betrifft das den absoluten Charakter von Rotationsbewegungen. So „beweist“ man die Rotation der Erde um ihre Achse zum Beispiel mit Hilfe des Foucault’schen Pendelversuches: Infolge der Coriolis-Kraft kommt es zu einer allmählichen Drehung der Schwingungsebene des Pendels. Besonders einfach ist die Diskussion eines solchen Pendels am Nordpol, s. Abb. 7.2. Bezogen auf ein Inertialsystem schwingt das Pendel immer in derselben Ebene. Die Erde rotiert jedoch in der angegebenen Richtung einmal in ca. 23 h und 56 min relativ zum Inertialsystem um ihre Achse. Deshalb dreht sich die Schwingungsebene des Pendels relativ zur Erde in der Gegenrichtung. Die Tatsache, dass der „Fixsternhimmel“ relativ zum Inertialsystem nicht rotiert, kann man für eine alternative Formulierung benutzen: Die Erde rotiert relativ zum Fixsternhimmel. Genau genommen ist das der eigentliche empirische Befund. So gesehen hat auch die Rotationsbewegung relativen Charakter. Das war bereits der Standpunkt von George Berkeley (1685–1753) und Ernst Mach (1838–1916). Die Sterne der Milchstraße sind übrigens nicht die perfekten Bezugspunkte für diese Diskussion, da das Milchstraßensystem selbst eine Rotationsbewegung relativ zum

Abb. 7.2 Die Schwingungsebene eines Pendels am Nordpol, hier schematisch durch einen Strich von oben gesehen dargestellt, bleibt im Rahmen der üblichen Messgenauigkeit unverändert relativ zum Fixsternhimmel

7.2 Mach’sches Prinzip und Gravitomagnetismus

85

Hintergrund der fernen extragalaktischen Sternsysteme ausführt. Für Sterne in der galaktischen Scheibe, die etwa denselben Abstand vom galaktischen Zentrum wie die Sonne haben, liegt die Umlaufperiode in der Größenordnung von 250 Mio. Jahren. Mit großer Genauigkeit gilt aber die Feststellung, dass die lokal identifizierbaren Inertialsysteme (charakterisiert durch die Abwesenheit von Trägheitskräften) gerade solche Systeme sind, die keine Beschleunigung – insbesondere keine Rotation – aufweisen relativ zu einem System, in dem die fernen Galaxien im Mittel ruhen (oder noch moderner formuliert: relativ zu einem System, in dem die kosmische Hintergrundstrahlung maximal isotrop erscheint). Im Rahmen der Newton’schen Theorie gibt es keine Erklärung für diesen Sachverhalt. Ernst Mach vertrat die Auffassung, dass die Trägheitskräfte geradezu eine Folge von Beschleunigungen relativ zu den Fixsternen sind, genauer gesagt, relativ zu einem in geeigneter Weise durch Mittelung über die gesamte kosmische Materie zu bestimmenden System. Einstein fand diese Überlegungen überzeugend und nannte sie „Mach’sches Prinzip“. Eine sehr schöne Darstellung dieser Thematik findet sich in Sciama (2009). Nimmt man das Mach’sche Prinzip ernst, kann man eine interessante physikalische Vorhersage im Zusammenhang mit dem Pendel am Nordpol (Abb. 7.2) machen: Gäbe es auf der Welt nur die Erde (und nicht die fernen Sterne), sollte es nicht möglich sein, eine Rotation der Erde zu definieren bzw. festzustellen. Die Schwingungsebene des Pendels sollte relativ zur Erde fest bleiben. Denkt man sich jetzt langsam die Sterne hinzugefügt, sollten diese einen immer größeren Einfluss bekommen, bis die Schwingungsebene nahezu bezüglich des Fixsternhimmels fest bleiben wird. Ein kleiner Einfluss der (relativ zum Fixsternhimmel rotierenden) Erde sollte aufgrund ihrer eigenen Masse jedoch übrig bleiben. Die Vorhersage besteht somit darin, dass die Schwingungsebene des Pendels mit einer winzigen Winkelgeschwindigkeit relativ zum Fixsternhimmel rotiert, und zwar in derselben Richtung wie die Erde. Zusammen mit der von Einstein erkannten Wesensgleichheit von Gravitations- und Trägheitskräften, die man in Kombination mit dem Mach’schen Prinzip auch in der radikalen Form „Trägheitskräfte sind gravitativer Natur“ formulieren kann, kommt man so zu der Idee, dass es für die Gravitationswirkung nicht nur auf die Verteilung der Massendichte, sondern auch auf die Massenstromdichte ankommt. Etwas Analoges ist aus der Elektrodynamik bekannt: Beispielsweise erzeugt eine homogen geladene Kugel, die gleichmäßig um eine durch ihren Mittelpunkt gehende Achse rotiert, nicht nur ein elektrostatisches Feld, sondern zusätzlich ein stationäres Magnetfeld aufgrund der zugehörigen Ladungsstromdichte (konvektive elektrische Stromdichte). Entsprechend dieser Analogie ist auch ein „gravitomagnetischer Effekt“ infolge von Massenstromdichten zu erwarten, der sich im Falle des Pendels durch eine geringfügige „Mitführung“ der Pendelebene in Richtung der Erdrotation relativ zum Fixsternhimmel bemerkbar machen sollte. Einstein hoffte, mit seiner neuen Gravitationstheorie dem Mach’schen Prinzip entsprechen zu können. Inwieweit das gelungen ist, ist nach wie vor Gegenstand kontroverser Diskussionen, die auch mit dem Problem zu kämpfen haben, dass es keine einheitlich akzeptierte Fassung des Mach’schen Prinzips gibt (siehe zum Beispiel Barbour und Pfister 1995; Bondi und Samuel 1997). Unter Einbeziehung kosmologischer Gesichtspunkte kann man meines Erachtens in einem wohlverstandenen

86

7

Grundideen

Sinne von einer vollständigen Realisierung des Mach’schen Prinzips im Rahmen der ART sprechen. Wir werden in Teil III darauf zurückkommen. Auf jeden Fall haben Einsteins Überlegungen zum Mach’schen Prinzip eine ausschlaggebende Rolle bei der Entstehung der ART gespielt. Der Gravitomagnetismus ist in der ART tatsächlich vorhanden (Lense und Thirring 1918) und er ist auch experimentell nachgewiesen (Everitt et al. 2011). Es gibt sogar einen ausgearbeiteten Vorschlag für einen Foucault’schen Pendelversuch auf dem Südpol der Erde zum Zwecke der Messung des entsprechenden – in diesem Falle winzigen – Effektes (Braginsky et al. 1984). In der Umgebung rotierender Schwarzer Löcher wird der gravitomagnetische Effekt sehr stark, s. Kap. 19.

7.3

Der Energie-Impuls-Tensor als Quellterm

Die Newton’sche Gravitationstheorie wird beschrieben durch die Poisson-Gleichung ΔU = 4π Gμ

(7.10)

für das Newton’sche Gravitationspotenzial U mit der Massendichte μ als Quellterm und durch die Bewegungsgleichung d 2 r = g = −grad U dt 2

(7.11)

für Testteilchen. Im Vergleich zu (7.1) haben wir hier bereits Gebrauch von m s = m t gemacht. Im Abschn. 7.1 wurde schon erläutert, dass in der ART an die Stelle der Bewegungsgleichung für Testteilchen die Aussage treten wird, dass sich Testteilchen auf geodätischen Linien der Raumzeit bewegen. An die Stelle der Feldgleichung (7.10) muss die Bestimmungsgleichung für den metrischen Tensor gik treten. Im Kap. 10 werden wir den Weg zu diesen „Einstein’schen Feldgleichungen“ genauer beschreiben. Vorher werden wir im Kap. 8 einige wichtige Eigenschaften der Riemann’schen Geometrie sowie die Tensorrechnung im Riemann’schen bzw. pseudo-Riemann’schen Raum behandeln und im Kap. 9 eine Übertragungsregel für (nicht-gravitative) Gesetze der Physik aus der SRT in die ART kennenlernen, welche auf einer Verallgemeinerung des Äquivalenzprinzips beruht und zugleich auf die einfachste Weise sichert, dass die physikalischen Gesetze im Rahmen der ART forminvariant gegenüber beliebigen Koordinatentransformationen sind. Forminvarianz gegenüber beliebigen Koordinatentransformationen nennt man auch „allgemeine Kovarianz“; Gleichungen mit dieser Eigenschaft nennt man allgemein kovariante Gleichungen. (Das Adjektiv „kovariant“ bedeutet hier dasselbe wie „forminvariant“. Diese Bedeutung ist nicht mit der Bedeutung bei der Bezeichnung „kovarianter Index“ zu verwechseln!) Zwei wichtige Leitideen für die Aufstellung der allgemein-relativistischen Feldgleichung der Gravitation seien hier schon genannt: • Die Feldgleichung der Gravitation soll ebenfalls allgemein kovariant sein.

7.3 Der Energie-Impuls-Tensor als Quellterm

87

• Die Newton’sche Gravitationstheorie soll unter wohldefinierten Voraussetzungen näherungsweise aus der neuen Theorie folgen. Zum Abschluss dieses einführenden Kapitels wollen wir die Frage diskutieren, was an die Stelle des Quellterms μ der Newton’schen Feldgleichung (7.10) treten wird. Im Rahmen der SRT haben wir gesehen, dass das Konzept der Masse eng mit dem Konzept der Energie verknüpft ist (E = mc2 ). Zum Beispiel ist die Energiedichte im Ruhsystem einer Flüssigkeit durch μc2 gegeben, wobei die Massendichte μ auch einen Beitrag von der Dichte des Massenäquivalentes der inneren Energie enthält, s. (6.55). Ein anderes wichtiges Beispiel ist der kernphysikalische Massendefekt infolge der Bindungsenergie. Ein Kandidat für den Quellterm wäre somit die gesamte (nicht-gravitative) Energiedichte, einschließlich zum Beispiel der Energiedichte des elektromagnetischen Feldes. Die Energiedichte w haben wir in der Elektrodynamik und in der speziell-relativistischen Hydrodynamik als die 44-Komponente des Energie-Impuls-Tensors kennengelernt, s. (6.31). Das ist natürlich keine koordinatenunabhängige Größe, sondern sie bezieht sich auf ein bestimmtes Inertialsystem. Die Energiedichte wB , die ein Beobachter mit Vierergeschwindigkeit (u B )i misst, ist durch 1 wB = 2 T ik (u B )i (u B )k (7.12) c gegeben. [Für einen im betrachteten Inertialsystem ruhenden Beobachter gilt (u B )i = (0, 0, 0, −c), also wB = w = T 44 .] Aus dieser Überlegung schließen wir, dass der gesamte (nicht-gravitative) Energie-Impuls-Tensor der geeignete Quellterm für die gesuchte allgemein kovariante Feldgleichung der Gravitation sein wird. Die Tatsache, dass damit automatisch auch die Energiestromdichte mit ins Spiel kommt, lässt bereits auf die Realisierung des im Abschn. 7.2 diskutierten gravitomagnetischen Effektes hoffen.

8

Geometrie der Raumzeit

Inhaltsverzeichnis 8.1 Metrik, Vektoren und Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Lokale Inertialsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Die kovariante Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89 93 95 100

Zusammenfassung

Die Raumzeit der ART wird durch einen vierdimensionalen pseudoRiemann’schen Raum beschrieben, dessen „innere Geometrie“ durch die „Metrik“ gik (x l ) bestimmt ist. Vektoren und Tensoren können durch das Verhalten ihrer Komponenten bei beliebigen Koordinatentransformationen definiert werden. Der Minkowski-Raum, für den in geeigneten Koordinaten gik ≡ ηik gilt, ist als Spezialfall („flache Raumzeit“) enthalten. Im Allgemeinen, wenn die Raumzeit nicht flach, sondern gekrümmt ist, kann man in jedem herausgegriffenen Punkt P der Raumzeit durch eine Koordinatentransformation gik (P) = ηik und gik,l (P) = 0 erreichen. Ein solches „lokales Inertialsystem“ kann mathematisch mit dem Tangentialraum und physikalisch mit dem Äquivalenzprinzip in Zusammenhang gebracht werden. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels lernen wir eine Verallgemeinerung der partiellen Ableitung kennen, die „kovariante Ableitung“, die zur allgemein kovarianten Formulierung physikalischer Gesetze benötigt wird.

8.1

Metrik, Vektoren und Tensoren

Die Riemann’sche Geometrie, ein Teilgebiet der Differenzialgeometrie, ist als Verallgemeinerung der Gauß’schen Flächentheorie entstanden, die sich mit der Untersuchung gekrümmter Flächen (eingebettet in den dreidimensionalen euklidischen Raum) beschäftigt. Mathematisch gesprochen ist ein Riemann’scher Raum eine ndimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit mit einer positiv definiten Metrik.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_8

89

90

8

Geometrie der Raumzeit

In der Gauß’schen Flächentheorie, also für n = 2, wird die Metrik durch die Formel („erste Fundamentalform“, Linienelement) ds 2 = E(u, v)du 2 + 2F(u, v)dudv + G(u, v)dv 2

(8.1)

für das Quadrat des Abstandes zweier infinitesimal benachbarter Punkte auf der durch die Koordinaten u und v parametrisierten Fläche gegeben. Als konkretes Beispiel können wir die Oberfläche einer Kugel mit Radius r = R wählen, für die bei der Wahl u = ϑ, v = ϕ (mit den üblichen Kugelkoordinaten r , ϑ, ϕ) ds 2 = R 2 dϑ 2 + R 2 sin2 ϑ dϕ 2 ,

(8.2)

also E = R 2 , F = 0 und G = R 2 sin2 ϑ gilt [vgl. Aufgabe 2.2 (a) für t = const., r = R]. Die Kenntnis der „metrischen Funktionen“ E(u, v), F(u, v) und G(u, v) reicht aus, um die „innere Geometrie“ einer Fläche vollständig zu beschreiben. Insbesondere kann man damit Längen von Kurven, Winkel zwischen sich in einem Punkt schneidenden √ Kurven und Flächeninhalte berechnen. Das invariante Flächenelement ist durch E G − F 2 dudv gegeben. Zur Beschreibung der Raumzeit der ART interessiert uns der Fall n = 4, den wir durch ein Linienelement ds 2 = gik (x l )d x i d x k

(8.3)

charakterisieren. Wie wir es schon vom Minkowski-Raum kennen, ist ds 2 nicht positiv definit. Deshalb sprechen wir von einem pseudo-Riemann’schen Raum. (Im Abschn. 8.2 werden wir noch eine zusätzliche Bedingung formulieren, die sichert, dass es in jedem Punkt der Raumzeit drei raumartige und eine zeitartige Richtung gibt.) An die Stelle der drei metrischen Funktionen E(u, v), F(u, v) und G(u, v) treten die zehn unabhängigen Elemente der symmetrischen Matrix gik , die wir den metrischen Tensor oder einfach die Metrik nennen. Dabei ist gik (x l ) eine Kurzschreibweise für gik (x 1 , x 2 , x 3 , x 4 ), d. h. die gik sind Funktionen der vier Koordinaten. Manchmal ist es nicht möglich, die gesamte Raumzeit mit einem einzigen Koordinatensystem zu erfassen. Dann benötigt man mehrere „Karten“, die zusammen einen „Atlas“ bilden. Die Punkte der Raumzeit bezeichnen wir wieder strikt synonym auch als Ereignisse. Neben der Symmetrieeigenschaft gik = gki

(8.4)

des metrischen Tensors (ein antisymmetrischer Anteil würde bei der Überschiebung mit d x i d x k ohnehin wegfallen) fordern wir, dass die Determinante g der Matrix gik √ im Allgemeinen nicht verschwindet ( −g d x 1 d x 2 d x 3 d x 4 ist das invariante vierdimensionale Volumenelement, wobei wir im Vorgriff auf die Eigenschaft g < 0 schon ein Minuszeichen angebracht haben – siehe die Bemerkung bei Aufgabe 9.2), g ≡ det(gik ) = 0,

(8.5)

8.1 Metrik, Vektoren und Tensoren

91

so dass die inverse Matrix gebildet werden kann, die wir mit g ik bezeichnen, d. h. g im gmk = δki .

(8.6)

Jetzt betrachten wir eine beliebige umkehrbar eindeutige Koordinatentransformation:   ∂ x i i i j = 0. (8.7) x = x (x ), det ∂x j Für die Koordinatendifferenziale gilt dxi =

∂xi ∂ x m m m d x , d x = dx j, ∂ x m ∂x j

(8.8)

woraus übrigens sofort die bekannte, auch als Anwendung der Kettenregel interpretierbare Beziehung ∂ x i ∂ x m = δ ij ∂ x m ∂ x j

(8.9)

für die Inversion der Jacobi-Matrix folgt. Indem wir in (8.3) die Differenziale d x i gemäß der ersten Formel in (8.8) durch die Differenziale d x  m ausdrücken (und analog die d x k durch die d x  n ), erhalten wir  dx dx ds 2 = gik d x i d x k = gmn m

n

(8.10)

mit  = gmn

∂xi ∂xk gik . ∂ x m ∂ x n

(8.11)

Vektoren und Tensoren Einen Vektor A definieren wir dadurch, dass sich seine oberen (kontravarianten) Komponenten bei einer beliebigen Koordinatentransformation genauso transformieren wie die Koordinatendifferenziale, also A = i

∂ x i j A . ∂x j

(8.12)

Die Koordinatendifferenziale d x i stellen also selbst einen infinitesimalen Vektor dar. Man beachte, dass die Koordinaten x i keinen Vektor bilden; in der gekrümmten Raumzeit gibt es keinen Ortsvektor mehr! Für einen Tensor zweiter Stufe gilt A

ik

=

∂ x  i ∂ x  k jl A ; ∂ x j ∂ xl

(8.13)

92

8

Geometrie der Raumzeit

die Verallgemeinerung auf Tensoren beliebiger Stufe ist offensichtlich. Untere (kovariante) Komponenten erhalten wir durch Überschieben mit dem metrischen Tensor: Ai = gik Ak ,

Aik = gi j gkl A jl .

(8.14)

Mit (8.6) können wir Indizes auch von unten nach oben bewegen: Ai = g ik Ak ,

Ai k = g i j A jk .

(8.15)

Für das Transformationsverhalten folgt unter Verwendung von (8.11) A i =

∂x j ∂ x i

Aj,

A ik =

∂ x j ∂ xl ∂ x i ∂ x k

A jl ,

A

i

k

=

∂ x i ∂ x l j A l. ∂ x j ∂ x k

(8.16)

Durch Vergleich mit (8.11) sehen wir, dass gik selbst Tensorcharakter hat, die Bezeichnung „metrischer Tensor“ also gerechtfertigt ist. Es folgt weiterhin, dass wir die Formel (8.6) auch in der Form g im gmk = gki

(8.17)

schreiben können (mit gki = δki ) und die Elemente der zu gik inversen Matrix tatsächlich die kontravarianten Komponenten des metrischen Tensors sind. Das Skalarprodukt zweier Vektoren A und B ist durch A · B = gik Ai B k = Ai Bi = A B  i i

(8.18)

gegeben, ein schönes Beispiel ist das Linienelement selbst: ds 2 = gik d x i d x k = d x · d x.

(8.19)

Wie früher nennen wir einen Vektor A zeitartig für A · A < 0, raumartig für A · A > 0 und lichtartig im Falle A · A = 0. Bei Ersetzung von ηik durch gik behalten alle Regeln der Tensoralgebra aus Kap. 4 ihre Gültigkeit. Das gilt insbesondere auch für den wichtigen Quotientensatz, s. (4.36). Spezialfall Minkowski-Raum Der Minkowski-Raum, die „flache Raumzeit“, ist natürlich ein Spezialfall unseres pseudo-Riemann’schen Raumes. Dieser Fall kann dadurch charakterisiert werden, dass in geeigneten Koordinaten gik ≡ ηik gilt. Es handelt sich dann um ein Inertialsystem unter Verwendung kartesischer Koordinaten. • Koordinatensysteme mit gik ≡ ηik nennen wir kurz „Inertialsysteme“.

8.2 Lokale Inertialsysteme

93

Wenn man ausgehend von einem solchen Inertialsystem eine beliebige Koordinatentransformation durchführt, folgt gemäß (8.11)  gmn =

∂xi ∂xk ηik , ∂ x m ∂ x n

(8.20)

vergleiche Aufgabe 2.2. Nur im Falle einer allgemeinen Lorentz-Transformation  ≡η . (3.6), (3.13) gilt unter der Voraussetzung gik ≡ ηik auch gik ik

8.2

Lokale Inertialsysteme

Im Allgemeinen, wenn die Raumzeit nicht flach, sondern gekrümmt ist, kann man durch keine Koordinatentransformation gik ≡ ηik erreichen. Das ist durch eine einfache Abzählung der Freiheitsgrade unmittelbar einleuchtend: Die gik (x l ) sind zehn unabhängige Funktionen, die man natürlich nicht mit Hilfe der vier freien Funktionen x  i (x j ) einer Koordinatentransformation auf die spezielle Gestalt ηik transformieren kann. Aber es ist mit Hilfe einer Koordinatentransformation immer möglich, in einem gegebenen Punkt P der Raumzeit gik (P) = ηik zu erreichen. • Ein Koordinatensystem mit gik (P) = ηik nennen wir „lokales MinkowskiSystem“. An dieser Stelle sei bemerkt, dass man allgemein nur beweisen kann, dass gik (P) auf Diagonalform mit Einträgen ±1 gebracht werden kann. Wir machen die zusätzliche Annahme, dass dabei dreimal „+1“ und einmal „−1“ herauskommt. Falls diese Eigenschaft vorliegt, die aufgrund des Trägheitssatzes von Sylvester übrigens koordinatenunabhängig ist, spricht man von einer „Lorentz-Metrik“. Dann ist gesichert, dass es in jedem Punkt der Raumzeit drei raumartige und eine zeitartige Richtung gibt. Streng genommen kommt noch eine Voraussetzung für die Raumzeit als Ganzes dazu: Wir fordern, dass die Einteilung zeitartiger und lichtartiger Vektoren in zwei Klassen, nämlich in Vektoren, die in die Zukunft gerichtet sind und solche, die in die Vergangenheit gerichtet sind, in stetiger Weise in der gesamten Raumzeit möglich ist. Diese Eigenschaft der Raumzeit wird Zeitorientierbarkeit genannt, siehe zum Beispiel Hawking und Ellis (1973). Solche globalen Eigenschaften der Raumzeit hängen auch eng mit topologischen Fragen zusammen. Man kann durch Koordinatentransformation sogar erreichen, dass in einem gegebenen Punkt P, den wir der Einfachheit halber als Nullpunkt des Koordinatensystems (x i = 0) wählen, die Taylorentwicklung der Metrik die Gestalt 1 gik = ηik + dikmn x m x n + . . . 2

(8.21)

annimmt, d. h. die ersten partiellen Ableitungen der Metrik nach den Koordinaten verschwinden im Punkt P, s. Aufgabe 8.1.

94

8

Geometrie der Raumzeit

Abb. 8.1 Tangentialebene einer gekrümmten Fläche im Punkt P. Die Projektionen der Achsen eines kartesischen Koordinatensystems in der Tangentialebene auf die gekrümmte Fläche sind angedeutet

Definition 8.1 (Lokales Inertialsystem [LIS])

Ein Koordinatensystem mit

gik (P) = ηik und gik,l (P) = 0

(8.22) 

nennen wir lokales Inertialsystem. In einem LIS gilt somit gik ≈ ηik

(8.23)

in einer gewissen Umgebung des Punktes P. Wie groß diese Umgebung ist, hängt von den Koeffizienten dikmn = gik,mn (P),

(8.24)

also den zweiten partiellen Ableitungen der Metrik nach den Koordinaten im Punkt P ab. In mathematischer Hinsicht kann man eine anschauliche Vorstellung von einem LIS durch eine Analogie im Rahmen der Gauß’schen Flächentheorie gewinnen, s. Abb. 8.1. Als Koordinaten verwenden wir einfach die senkrecht auf die gekrümmte Fläche projizierten Koordinaten x und y eines kartesischen Koordinatensystems der Tangentialebene im Punkt P. Das Linienelement ergibt sich aus ds 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 ,

(8.25)

indem wir die gekrümmte Fläche durch eine Funktion z = z(x, y) beschreiben. Die z-Achse zeigt in Richtung des Normalenvektors im Punkt P (x = y = z = 0). In diesem Punkt gilt ∂z/∂ x = ∂z/∂ y = 0, d. h. z = αx 2 + 2βx y + γ y 2 + . . . (α, β, γ = const.),

(8.26)

dz 2 = (2αxd x + 2βxdy + 2βyd x + 2γ ydy + ...)2

(8.27)

ds 2 = E(x, y)d x 2 + 2F(x, y)d xd y + G(x, y)dy 2

(8.28)

woraus

und damit

8.3 Die kovariante Ableitung

95

folgt – mit metrischen Funktionen E(x, y), F(x, y) und G(x, y), die nur um quadratische und höhere Terme in x und y von E = 1, F = 0 und G = 1 abweichen, ganz in Analogie zu (8.21). In diesem Sinne können wir uns vorstellen, ein LIS mit Hilfe eines tangentialen Minkowski-Raums (kurz: „Tangentialraum“) im Punkt P einer gekrümmten Raumzeit zu konstruieren. Im Punkt P der gekrümmten Fläche bzw. Raumzeit gegebene Vektoren kann man übrigens in der Tangentialebene bzw. im Tangentialraum auf die vertraute Weise durch Pfeile veranschaulichen. In physikalischer Hinsicht ergibt sich wegen (8.23) die Möglichkeit der Realisierung des wie folgt verallgemeinerten Äquivalenzprinzips: • In einer hinreichend kleinen Umgebung des Punktes (Ereignisses) P gelten näherungsweise die Gesetze der speziell-relativistischen Physik. Nochmals sei auf die Analogie zur Theorie gekrümmter Flächen hingewiesen, vgl. Abb. 8.1: In einer hinreichend kleinen Umgebung des Punktes P gelten näherungsweise die Gesetze der ebenen Geometrie. So muss man zum Beispiel bei der Vermessung von Grundstücken normaler Größe keine Rücksicht auf die mit der Kugelgestalt der Erde zusammenhängende Krümmung der Erdoberfläche nehmen.

8.3

Die kovariante Ableitung

Die partielle Ableitung einer skalaren Funktion f (x n ) nach den Koordinaten stellt auch in der gekrümmten Raumzeit einen Vektor dar, denn Ai = f ,i hat das richtige Transformationsverhalten aufgrund der Kettenregel: A i =

∂f ∂x

i

=

∂ f ∂x j ∂x j = Aj. i j ∂x ∂x ∂ x i

(8.29)

Dies folgt auch aus dem Quotientensatz, da das Differenzial einer skalaren Funktion, d f = f ,i d x i , eine Invariante ist, vgl. Aufgabe 6.1 (b). Im Allgemeinen jedoch, für Tensoren (gemeint sind Tensorfelder) mindestens erster Stufe, ergibt die partielle Ableitung nicht wieder einen Tensor! Das sieht man bereits am Beispiel eines Vektors An : 

A

n

,i



 =

∂ An ∂xi



=

∂ A n ∂ x i

=





∂ x i

∂ x n j A ∂x j



∂xk ∂ = ∂ x i ∂ x k



∂ x n j A ∂x j



ergibt unter Verwendung der Produktregel 

An ,i



=

∂ x k ∂ x n j ∂ x k ∂ 2 x n A + Aj. ,k ∂ x i ∂ x j ∂ x i ∂ x k ∂ x j

(8.30)

Der erste Term auf der rechten Seite entspricht dem korrekten Transformationsverhalten der gemischten Komponenten eines Tensors zweiter Stufe. Der zweite Term

96

8

Geometrie der Raumzeit

verschwindet im Allgemeinen (bei nichtlinearen Koordinatentransformationen) aber nicht. Um physikalische Gesetze allgemein kovariant (d. h. forminvariant gegenüber beliebigen Koordinatentransformationen) formulieren zu können, benötigen wir eine „kovariante Ableitung“ nach den Koordinaten x i . Diese Ableitung bezeichnen wir entweder mit dem Symbol ∇i oder kennzeichnen sie analog zur Komma-Notation bei der partiellen Ableitung mit einem Semikolon, z. B. ∇i Amn ≡ Amn;i .

(8.31)

Eine elegante Möglichkeit der Definition der kovarianten Ableitung ist die folgende (vgl. Stephani 2004): Definition 8.2 (Kovariante Ableitung) Die kovariante Ableitung eines Tensors ist wieder ein Tensor und stimmt im LIS mit der partiellen Ableitung überein.  (Die Formulierung „im LIS“, die wir noch oft benutzen werden, ist eine Kurzsprechweise für „im LIS des jeweiligen Raumzeit-Punktes“, sie bezieht sich also auf den in Abschn. 8.2 betrachteten Punkt P, in dem gik = ηik und gik,l = 0 gilt.) Aus dieser Definition folgt gi j;k = 0,

(8.32)

f ;i = f ,i

(8.33)

und i Ai ;m = Ai ,m + mn An ,

n Ai;m = Ai,m − im An

(8.34)

mit den wie folgt gegebenen „Christoffel-Symbolen“: Definition 8.3 (Christoffel-Symbole) sich aus der Metrik gemäß i ≡

mn

i berechnen Die Christoffel-Symbole mn

1 ij g (g jm,n + g jn,m − gmn, j ). 2

(8.35) 

Die Christoffel-Symbole verschwinden im LIS und bilden selbst keinen Tensor. Sie sind offensichtlich in den beiden unteren Indizes symmetrisch: i i = nm ,

mn

(8.36)

d. h. es gibt 40 unabhängige Christoffel-Symbole. Die Gl. (8.32) folgt aus ihrem Tensorcharakter und ihrer Gültigkeit im LIS, s. (8.22). Die Beziehung (8.33) ist unmittelbar klar, da f ,i gemäß (8.29) ein Vektor ist.

8.3 Die kovariante Ableitung

97

Bei den Formeln (8.34) hat man lediglich das Transformationsverhalten zu überprüfen, s. Aufgabe 8.2, da die Übereinstimmung mit der partiellen Ableitung im LIS aus dem Verschwinden der Christoffel-Symbole folgt. Die Verallgemeinerung von (8.34) auf Tensoren beliebiger Stufe besteht einfach darin, dass man für jeden Index einen entsprechenden Term mit einem ChristoffelSymbol zu addieren hat, z. B.: i n i An jk − njl Ai nk − kl A jn . Ai jk;l = Ai jk,l + ln

(8.37)

Es folgen noch einige weitere wichtige Eigenschaften der kovarianten Ableitung: • Auch für die kovariante Ableitung gilt die Produktregel, s. Aufgabe 8.3. • Aus der Tatsache, dass die Metrik gemäß (8.32) „kovariant konstant“ ist, folgt, dass Indexziehen und kovariante Ableitung vertauschbar sind, z. B.: ( gi j A j );k = Ai;k = gi j A j ;k .

(8.38)

Die kovariante Ableitung erzeugt immer einen unteren Tensorindex, den wir dann aber auf die übliche Weise nach oben ziehen können. Dafür schreiben wir zum Beispiel Ai;k ≡ g kl Ai ;l .

(8.39)

• Wenn die Raumzeit gekrümmt ist, kommt es bei höheren kovarianten Ableitungen auf die Reihenfolge an, s. Aufgabe 8.4. Um das deutlich hervorzuheben, schreiben wir bei mehrfachen kovarianten Ableitungen jedes Mal ein extra Semikolon, z. B. ∇i ∇k An ≡ An;k;i und ∇k ∇i An ≡ An;i;k .

(8.40)

Mehrfache partielle Ableitungen fassen wir hingegen nach einem einzigen Komma zusammen, siehe z. B. (8.24). Kovariantes Differenzial und Paralleltransport Wegen des fehlenden Tensorcharakters der partiellen Ableitung hat natürlich auch das Differenzial d Ai = Ai , j d x j eines Vektors Ai in der gekrümmten Raumzeit selbst keinen Vektorcharakter. Deshalb definieren wir ein „kovariantes Differenzial“ D Ai . Definition 8.4 (Kovariantes Differenzial) Als kovariantes Differenzial eines Vektors Ai bezeichnen wir den infinitesimalen Vektor D Ai ≡ Ai ; j d x j .

(8.41) 

98

8

Geometrie der Raumzeit

Für die unteren Komponenten gilt D Ai = gik D Ak = Ai; j d x j . Die kovariante Ableitung eines Vektors Ai entlang einer Kurve x i (λ) nach dem invarianten (skalaren) Kurvenparameter λ definieren wir so: Definition 8.5 (Kovariante Ableitung nach einem Kurvenparameter) Die kovariante Ableitung D Ai /dλ eines Vektors Ai entlang einer Kurve x i (λ) berechnet sich gemäß dx j  D Ai dx j dx j d Ai ≡ Ai ; j = Ai , j + ijk Ak = + ijk Ak . dλ dλ dλ dλ dλ

(8.42) 

Während die mittleren Ausdrücke, da sie Ai ; j bzw. Ai , j enthalten, nur sinnvoll für ein (zumindest in einer Umgebung der Kurve gegebenes) Vektorfeld Ai sind, kann der rechts stehende Ausdruck auch dann verwendet werden, wenn der Vektor Ai nur entlang der Kurve x i (λ) selbst gegeben ist. Um den mittleren Ausdrücken in diesem Fall dennoch einen Sinn zu geben, kann man sich eine beliebige Fortsetzung als (differenzierbares) Vektorfeld dazu denken. Das Ergebnis hängt, wie der rechte Ausdruck zeigt, von dieser Fortsetzung nicht ab. Die kovariante Ableitung entlang einer Kurve kann auch in der Operatorform D dx j ∂ d dx j + ··· = = ∇j = + ... j dλ dλ dλ ∂ x dλ

(8.43)

geschrieben werden und ist natürlich auch auf Tensoren beliebiger Stufe anwendbar. Die Punkte in (8.43) stehen für die entsprechenden Zusatzterme mit den ChristoffelSymbolen. Bei Anwendung auf eine skalare Funktion A gilt einfach DA dA dx j ∂ A , = = dλ dλ dλ ∂ x j

(8.44)

d. h. wir erhalten die gewöhnliche „Richtungsableitung“. Man könnte die Ableitung D/dλ deshalb auch generell als (verallgemeinerte) Richtungsableitung bezeichnen. Wir werden aber im Kap. 18 noch eine andere nützliche Ableitung, die „LieAbleitung“, kennenlernen, auf die dieser Name ebenso gut zutreffen würde. Auch für die Ableitung D/dλ gilt die Produktregel, und D/dλ kann ebenfalls mit dem Indexziehen vertauscht werden. Verschwindet die kovariante Ableitung eines entlang einer Kurve gegebenen Vektors nach dem Kurvenparameter, sagen wir, der Vektor wird „parallel transportiert“: Definition 8.6 (Paralleltransport) Ein Vektor Ai wird entlang einer Kurve x i (λ) genau dann parallel transportiert, wenn

8.3 Die kovariante Ableitung

D Ai dx j d Ai ≡ + ijk Ak =0 dλ dλ dλ

99

(8.45) 

gilt. Die Formel für die unteren Komponenten lautet dementsprechend dx j D Ai d Ai ≡ − ikj Ak = 0. dλ dλ dλ

(8.46)

Skalarprodukte (entlang derselben Kurve) parallel transportierter Vektoren bleiben entlang der Kurve konstant, denn es gilt ganz allgemein D Bi d(Ai Bi ) D(Ai Bi ) D Ai = = Bi + Ai . dλ dλ dλ dλ

(8.47)

Ein wesentliches Charakteristikum der Krümmung ist durch folgende Aussage gegeben: • Wenn die Raumzeit gekrümmt ist, ist der Paralleltransport von Vektoren wegabhängig, s. Aufgabe 8.5. Zur Veranschaulichung dieses Sachverhaltes kann uns ein einfaches Beispiel aus der Flächentheorie dienen, s. Abb. 8.2. Wir betrachten den Paralleltransport eines Vektors auf einer Kugeloberfläche (z. B. der Erdoberfläche) von einem auf dem Äquator liegenden Punkt P zum (ebenfalls auf dem Äquator liegenden) „Antipodenpunkt“ Q entlang zweier Wege: erstens entlang einer Hälfte des Äquators und zweitens entlang der über den Nordpol verlaufenden oberen Hälfte eines Längenkreises. Der Vektor möge im Startpunkt P genau nach Norden zeigen. Beim Paralleltransport entlang des Abb. 8.2 Wegabhängigkeit des Paralleltransportes: Ein Vektor wird vom Punkt P zum Punkt Q entlang des Äquators bzw. entlang eines Längenkreises parallel transportiert

100

8

Geometrie der Raumzeit

Äquators bleibt diese Eigenschaft ständig erhalten und gilt also insbesondere auch im Zielpunkt Q. Beim Paralleltransport entlang des Längenkreises zeigt der Vektor zunächst (bis zum Erreichen des Nordpols) ebenfalls weiter genau nach Norden, danach aber, und damit insbesondere im Zielpunkt Q, genau nach Süden.

Aufgaben 8.1 a) Zeigen Sie, dass man für jede Metrik eines vierdimensionalen pseudoRiemann’schen Raumes durch eine Koordinatentransformation erreichen kann, dass sämtliche partiellen Ableitungen gik,l in einem gegebenen Punkt P verschwinden! b) Zeigen Sie, dass man zusätzlich durch Koordinatentransformation erreichen kann, dass die Metrik im Punkt P Diagonalform mit Einträgen ±1 annimmt! Lösung a) Wir wählen den Punkt P als Ursprung unseres Koordinatensystems (x i = 0). Dann betrachten wir eine Koordinatentransformation, deren Taylorentwicklung im Punkt P folgendermaßen beginnt: x = xi + i

1 i m n K x x + ..., 2 mn

i = K i . Für die Umkehrtransformation folgt mit Konstanten K mn nm

x i = x i −

1 i m n K x x + ..., 2 mn

wie man durch wechselseitiges Einsetzen leicht verifizieren kann. Der Punkt P liegt auch im Ursprung des neuen Koordinatensystems (x  i = 0). Es folgt ∂xi k i i = δm − K mk x + . . . ∂ x m und somit  = gmn

  ∂xi ∂x j j j l i i k δ gi j + . . . g = δ − K x − K x i j n m mk nl ∂ x m ∂ x n

sowie  ∂gmn j i (P) = gmn,a (P) − K ma gin (P) − K na g jm (P). ∂ x a

Aufgaben

101

Dabei haben wir berücksichtigt, dass ∂gi j /∂ x  a und ∂gi j /∂ x a im Punkt P überi aus dem linearen einstimmen. Indem wir die 40 unabhängigen Konstanten K mn inhomogenen Gleichungssystem j

i gin (P) + K na g jm (P) = gmn,a (P) K ma

bestimmen (bei Beachtung der Symmetrie des metrischen Tensors sind das gerade 40 unabhängige Gleichungen), können wir wie gewünscht erreichen, dass  /∂ x  a im Punkt P verschwindet. Die Lösung des Gleichungssystems ist übri∂gmn gens gerade durch i i K mn = mn (P)

gegeben, denn aus (8.35) folgt die auch für andere Zwecke nützliche Formel j

i gin ma + g jm na = gmn,a .

b) Wir starten mit einer Metrik gmn (x k ), für die im Punkt P (x k = 0) die Eigenschaft gmn,l = 0 vorliegt und betrachten jetzt eine Koordinatentransformation x i = Ai k x  , k

Ai k = const.,

die diese Eigenschaft offensichtlich nicht zerstört (nach der Transformation gilt  = 0). Es folgt ∂ x i /∂ x  m = Ai m und gmn,l  = Ai m A j n gi j . gmn

Diese Beziehung können wir als Matrixgleichung g = AT g A lesen, wobei AT die zu A transponierte Matrix ist. Bekanntlich gibt es zu jeder symmetrischen, reellen Matrix g eine orthogonale Matrix A (d. h. AAT = 1), für die g = AT g A Diagonalform hat („Hauptachsentransformation“). Durch eine anschließende Koordinatentransformation derselben Art, diesmal mit einer konstanten Diagonalmatrix (bewirkt eine individuelle Streckung bzw. Stauchung jeder einzelnen Koordinate), können die Diagonalelemente der Metrik dann noch auf ±1 normiert werden. 8.2 i An ein Tensor ist, wobei Ai ein beliebiger Vektor a) Verifizieren Sie, dass Ai ,m + mn i ist und mn die in (8.35) definierten Christoffel-Symbole sind! n A ! b) Zeigen Sie auch den Tensorcharakter von Ai,m − im n

102

8

Geometrie der Raumzeit

Lösung a) Durch Geradeausrechnung kann man zunächst das Transformationsverhalten der Christoffel-Symbole aus dem bekannten Tensor-Transformationsverhalten von gmn und g mn bestimmen. Die entstehenden Ausdrücke lassen sich mit Hilfe von (8.6) und (8.9) vereinfachen. Das Ergebnis lautet:

 mn = i

∂ x i ∂ x k ∂ x l j ∂ x i ∂ 2 x j

+ . ∂ x j ∂ x  m ∂ x  n kl ∂ x j ∂ x m ∂ x n

In Kombination mit (8.30) kann man sich dann vom korrekten Tensor– i An überzeugen. Dabei erweist sich Transformationsverhalten von Ai ,m + mn wiederum Formel (8.9) als nützlich, einschließlich der aus ihr durch partielle Ableitung nach x  n entstehenden Beziehung. i An als Ausdruck für Ai b) Nachdem der Tensorcharakter von Ai ,m + mn ;m schon verifiziert ist, reicht es wegen (8.38) zu zeigen, dass j

n An Ai;m = gi j A j ;m = gi j (A j ,m + mk Ak ) = Ai,m − im

gilt. Davon kann man sich unter Verwendung von (8.35) leicht überzeugen. 8.3 Beweisen Sie, dass die kovariante Ableitung die Produktregel erfüllt, also zum Beispiel (Ai k Bl ); j = Ai k; j Bl + Ai k Bl; j gilt! Lösung Da die Produktregel für die partielle Ableitung gilt, ist die zu zeigende Gleichung im LIS erfüllt und somit aufgrund ihres Tensorcharakters generell gültig. 8.4 Berechnen Sie die Differenz der vertauschten zweiten kovarianten Ableitungen An;i;k − An;k;i für einen beliebigen Vektor An ! Man kann das Ergebnis in der Form R l nik Al schreiben. Geben Sie einen Ausdruck für den Tensor R l nik an! Lösung Es gilt zunächst j

j

An;i;k = An;i,k − nk A j;i − ik An; j und somit j

j

l Al ),k − nk (A j,i − lji Al ) − ik (An, j − nl j Al ). An;i;k = (An,i − ni

Aufgaben

103

Ziehen wir hiervon den durch Vertauschung der Indizes i und k hervorgehenden Ausdruck ab, erhalten wir An;i;k − An;k;i = R l nik Al mit j

j

l l R l nik = nk,i − ni,k + nk lji − ni ljk .

Dieser Tensor wird „Riemann’scher Krümmungstensor“ genannt. Dass es sich wirklich um einen Tensor handelt, folgt aus der vorletzten Formel und dem Quotientensatz. 8.5 Berechnen Sie die Differenz der infinitesimalen Änderungen, die die Komponenten eines Vektors Ai erfahren, der auf zwei unterschiedlichen Wegen vom Punkt x j zum Punkt x j + d x j + δx j parallel transportiert wird, in zweiter Ordnung in den infinitesimalen Größen d x j und δx j ! Beide Wege bestehen jeweils aus zwei infinitesimalen Stücken („Linienelementen“ im ursprünglichen Wortsinn) glatter Kurven, s. Abb. 8.3. Weg (a) führt über den Punkt x j + d x j , Weg (b) über x j + δx j . Lösung Betrachten wir zunächst Weg (a): Auf dem ersten Stück (von x j nach x j + d x j ) ergibt sich gemäß (8.46) eine Änderung von Ai um d Ai = ikj Ak d x j . Auf dem zweiten Stück (von x j + d x j nach x j + d x j + δx j ) kommt l l + d in )(Al + d Al )δx n δ Ai = ( in

Abb. 8.3 Zwei Wege für den infinitesimalen Paralleltransport. Weg (a): x j → x j + dx j → x j + d x j + δx j , Weg (b): x j → x j + δx j → x j + δx j + d x j

104

8

Geometrie der Raumzeit

mit l l p d in = in, p dx

dazu. Somit ergibt sich auf Weg (a) bei Berücksichtigung von Termen bis zur zweiten Ordnung insgesamt eine Änderung um l l p n

lkj Ak d x j δx n + in, d (a) Ai = ikj Ak (d x j + δx j ) + in p Al d x δx .

Die Änderung auf Weg (b) erhalten wir durch Vertauschung von d x j mit δx j : l l p n

lkj Ak δx j d x n + in, d (b) Ai = ikj Ak (δx j + d x j ) + in p Al δx d x .

Für die gesuchte Differenz folgt nach geeigneter Umbenennung einiger Summationsindizes  l l k l k l p n −

+







d (a) Ai − d (b) Ai = in, p i p,n in kp i p kn Al d x δx . Der Vergleich mit dem Ergebnis von Aufgabe 8.4 zeigt, dass der Ausdruck in der Klammer durch den Riemann’schen Krümmungstensor R l i pn gegeben ist.

9

Physik in der gekrümmten Raumzeit

Inhaltsverzeichnis 9.1 Die Übertragungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Punktmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Elektrodynamik und Hydrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105 106 111 114

Zusammenfassung

Gegenstand dieses Kapitels ist eine Übertragungsregel, mit der nicht-gravitative physikalische Gesetze, die im Einklang mit der SRT stehen, in die ART „übersetzt“ werden können. Diese Regel, welche im Wesentlichen in der Ersetzung partieller durch kovariante Ableitungen besteht, sichert auf die einfachste Weise, dass die neuen Gesetze allgemein kovariant sind und das verallgemeinerte Äquivalenzprinzip erfüllt ist. Als Erstes wenden wir die Übertragungsregel auf die Punktmechanik an. Dabei ergibt sich, dass sich Testteilchen (mit Ruhemasse), die ausschließlich unter der Wirkung der Gravitation stehen, auf den „geradesten“ zeitartigen Linien der gekrümmten Raumzeit bewegen. Die Bestimmungsgleichung dieser „geodätischen Linien“ kann man auch aus einem Variationsprinzip herleiten. Die allgemein-relativistischen Versionen von Elektrodynamik und Hydrodynamik ergeben sich ebenfalls mit Hilfe der Übertragungsregel.

9.1

Die Übertragungsregel

Zunächst eine Vorbemerkung: In diesem Kapitel denken wir uns die Raumzeit mit ihrer Metrik gik vorgegeben. Die Bestimmungsgleichungen für gik selbst werden dann im Kap. 10 behandelt. Wir formulieren jetzt eine Regel, man könnte auch sagen ein Rezept, zur Übertragung physikalischer Gesetze aus der SRT in die ART:

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_9

105

106

9

Physik in der gekrümmten Raumzeit

Definition 9.1 (Übertragungsregel) Ein speziell-relativistisches physikalisches Gesetz sei als Vierertensorgleichung in einem Inertialsystem (mit gik ≡ ηik ) gegeben. Die allgemein-relativistische Version dieses Gesetzes erhält man, indem man – neben der Ersetzung von ηik durch gik – alle partiellen Ableitungen durch kovariante Ableitungen ersetzt.  Es ist unmittelbar klar, dass die so entstehende Gleichung allgemein kovariant ist. Für eine flache Raumzeit ergibt die Regel nichts anderes als die Formulierung des speziell-relativistischen Gesetzes in beliebigen Koordinaten. Das können zum Beispiel krummlinige Koordinaten (wie Kugel- oder Zylinderkoordinaten) sein oder auch die Koordinaten eines beschleunigten Bezugssystems. Die Metrik ist dann durch die Formel (8.20) bestimmt. Wenn die Raumzeit gekrümmt ist, erhält man wirklich ein neues Gesetz, das den Einfluss der Gravitation berücksichtigt. Die Übertragungsregel ist nicht eindeutig, da es bei höheren kovarianten Ableitungen im Unterschied zu partiellen Ableitungen auf die Reihenfolge ankommt. Das Kriterium der Einfachheit spielt deshalb auch eine Rolle. So wird man bei einem speziell-relativistischen Gesetz, welches nur erste partielle Ableitungen enthält, nicht künstlich Terme der Art An,ik − An,ki hinzufügen; manchmal kommen auch noch andere Gesichtspunkte dazu. Bei voneinander abhängigen Gleichungen ist auf Konsistenz zu achten, s. Aufgabe 9.4. Letzten Endes muss die experimentelle Erfahrung zeigen, ob das so gewonnene Gesetz die Natur gut beschreibt. (Ein ähnliches Problem hat man bei der Übertragung von Gesetzen der klassischen Physik in die Quantenphysik durch den Übergang zu Operatoren, die im Allgemeinen nicht kommutieren.) Unabhängig von diesem Problem sichert die Übertragungsregel die Gültigkeit des verallgemeinerten Äquivalenzprinzips, wie wir es am Ende von Abschn. 8.2 formuliert haben: In einer hinreichend kleinen Umgebung eines jeden Raumzeit-Punktes P gelten näherungsweise die Gesetze der speziell-relativistischen Physik. Wenn man das auf den Punkt P bezogene LIS verwendet, gilt in einer hinreichend kleinen Umgebung dieses Punktes gik ≈ ηik , und wir erhalten das jeweilige speziell-relativistische Gesetz (näherungsweise) in der Form zurück, die Ausgangspunkt unserer Übertragungsregel war. In den folgenden Abschnitten verwenden wir die Übertragungsregel zur Formulierung der allgemein-relativistischen Gesetze der Punktmechanik, Elektrodynamik und Hydrodynamik.

9.2

Punktmechanik

Die Übertragung der speziell-relativistischen Bewegungsgleichung eines Massenpunktes (Teilchens), s. Kap. 5, m0

du i = Fi dτ

(9.1)

m0

Du i = Fi dτ

(9.2)

in die ART ergibt

9.2 Punktmechanik

107

mit der kovarianten Ableitung D/dτ entlang der Weltlinie x k (τ ) des Teilchens, vgl. (8.42). Die Definition der Vierergeschwindigkeit ist unverändert durch ui =

dxi dτ

(9.3)

gegeben, mit der durch die Beziehung ds 2 = gmn d x m d x n = −c2 dτ 2

(9.4)

(entlang der Weltlinie) definierten Eigenzeit τ . Mit dem Viererimpuls pi = m 0 u i lautet die Bewegungsgleichung Dpi = Fi . dτ Als Viererbeschleunigung bezeichnen wir jetzt den Vektor ai =

Du i . dτ

(9.5)

(9.6)

Gemäß (9.4) gilt weiterhin u i u i = −c2 ,

(9.7)

woraus durch kovariante Ableitung D/dτ entlang der Weltlinie folgt, dass a i und damit wegen (9.2) auch die Viererkraft F i senkrecht auf u i stehen, s. (8.47). Die Viererkraft bezieht sich natürlich auf nicht-gravitative Wechselwirkungen, die Gravitation ist ja „geometrisiert“; in der ART gibt es keine Gravitationskraft. Wenn die Viererkraft verschwindet, bewegt sich der Massenpunkt ausschließlich unter dem Einfluss der Gravitation. Anstelle des Begriffes „Massenpunkt“ verwenden wir ab jetzt lieber konsequent den schon gelegentlich benutzten Begriff „Testteilchen“, worunter wir die Idealisierung eines hinreichend kleinen Objektes mit hinreichend kleiner Masse verstehen wollen. Insbesondere soll ein Testteilchen keinen Einfluss auf die Geometrie der Raumzeit haben. Dieser Begriff kann ganz analog zu dem aus der Elektrodynamik bekannten Begriff einer „Testladung“ (oder „Probeladung“) verstanden werden. Als Bewegungsgleichung für ein kräftefreies Testteilchen, also im Falle F i = 0, folgt Du i = 0. dτ

(9.8)

Diese Gleichung hat eine interessante geometrische Bedeutung: Sie besagt, dass der Vektor u i entlang der Weltlinie x i (τ ) parallel transportiert wird, s. (8.45). Der Vektor u i = d x i /dτ ist aber gerade der Tangentenvektor der Weltlinie. Man kann also sagen, dass der Tangentenvektor „zu sich selbst parallel bleibt“. Das ist die charakterisierende Eigenschaft der „geradesten“ Linien, die es in einem gekrümmten Raum

108

9

Physik in der gekrümmten Raumzeit

(bei uns: in der gekrümmten Raumzeit) gibt. Diese Linien heißen in der Mathematik „geodätische Linien“ oder „Geodätische“, Einstein hat sie kurz „Geodäten“ genannt – diesem Sprachgebrauch werden wir uns anschließen. Zur Veranschaulichung kann wieder die Gauß’sche Flächentheorie dienen: Die Geodäten auf einer Kugeloberfläche sind die sogenannten Großkreise, beispielsweise die Längenkreise auf der Erdkugel. Bewegt man sich auf einer Kugelfläche „immer geradeaus“, wird man entlang eines Großkreises geführt. Ausführlich geschrieben lautet die Bestimmungsgleichung für die Weltlinie eines kräftefreien Testteilchens gemäß (8.45) also m n d2xi i dx dx +  = 0. mn dτ 2 dτ dτ

(9.9)

Wegen der zentralen Bedeutung dieser „Geodätengleichung“ soll im Folgenden gezeigt werden, dass sie alternativ auch aus einem Variationsprinzip hergeleitet werden kann. Geraden im euklidischen Raum kann man bekanntlich auch dadurch charakterisieren, dass sie die kürzeste Verbindung zwischen zwei gegebenen Punkten darstellen. Gleiches gilt für Geodäten auf einer gekrümmten Fläche. Mit dieser Motivation suchen wir jetzt nach „extremalen“ Kurven x i (λ) in der Raumzeit:   ds ! ds = (9.10) dλ = extremal dλ bei festgehaltenem Anfangs- und Endpunkt. Mit der „Lagrange-Funktion“  ds L≡ = dλ

gik

dxi dxk dλ dλ

(9.11)

und der abkürzenden Schreibweise x˙ i ≡

dxi dλ

(9.12)

lauten die Euler-Lagrange-Gleichungen dieses Variationsprinzips (in der theoretischen Mechanik unter der Bezeichnung „Lagrange-Gleichungen zweiter Art“ bekannt) ∂L d ∂L − i = 0, dλ ∂ x˙ i ∂x

(9.13)

die wir unter Verwendung von L(x n , x˙ n ) = auch in der Form d dλ





F(x n , x˙ n ),

∂F ∂ 2 F x˙ i 1 √



F ≡ gik (x n )x˙ i x˙ k

1 ∂F − √ =0 2 F ∂xi

(9.14)

(9.15)

9.2 Punktmechanik

109

schreiben können. Eine beträchtliche Vereinfachung erreichen wir, indem wir entlang der extremalen Kurve die Zusatzbedingung F = const.

(9.16)

(d. h. d F/dλ = 0) fordern, die wir durch eine geeignete Wahl des Kurvenparameters λ erfüllen können: λ = as + b (a, b = const.; a = 0)

(9.17)

mit der Kurvenlänge s. Dann folgt nämlich F = L 2 = (ds/dλ)2 = a −2 . Falls F negativ ist, wählen wir ein imaginäres a; der Kurvenparameter soll immer reell sein. Den Fall F = 0 schließen wir aus. Aus (9.15) erhalten wir jetzt einfach ∂F d ∂F − i = 0. i dλ ∂ x˙ ∂x

(9.18)

Diese Gleichungen haben ebenfalls genau die Struktur der Lagrange-Gleichungen zweiter Art, diesmal mit der Lagrange-Funktion F. Das zugehörige Variationspro  ds 2 ! blem F dλ = ( dλ ) dλ = extremal führt also zu denselben Kurven wie unser eigentliches Problem (9.10). Die Gl. (9.18) wollen wir nun weiter auswerten. Mit den aus (9.14) folgenden Beziehungen ∂F = 2glk x˙ k , ∂ x˙ l

∂F = gik,l x˙ i x˙ k ∂ xl

(9.19)

lautet sie d  2glk x˙ k − gik,l x˙ i x˙ k = 2glk,i x˙ i x˙ k + 2glk x¨ k − gik,l x˙ i x˙ k = 0. dλ

(9.20)

Mit 2glk,i x˙ i x˙ k = (gkl,i + gil,k )x˙ i x˙ k

(9.21)

2glk x¨ k + (gkl,i + gil,k − gik,l )x˙ i x˙ k = 0.

(9.22)

folgt

Überschieben mit 21 g nl liefert unter Verwendung von (8.6) 1 x¨ n + g nl (gkl,i + gil,k − gik,l )x˙ i x˙ k = 0, 2

(9.23)

woraus mit (8.35) und (9.12) die endgültige Formel i k d2xn n dx dx + ik = 0, 2 dλ dλ dλ

(9.24)

110

9

also gemäß (8.45) D dλ



dxn dλ

Physik in der gekrümmten Raumzeit

 =0

(9.25)

folgt. Die extremale Kurve ist somit zugleich „geradeste Kurve“. Aus (9.25) folgt übrigens gemäß (8.47) die Konstanz des Betragsquadrates F des Tangentenvektors d x n /dλ, die Bedingung (9.16) ist also automatisch erfüllt. Je nachdem, ob F = gik

dxi dxk dλ dλ

(9.26)

positiv oder negativ ist, gilt entlang der Kurve ds 2 > 0 oder ds 2 < 0, und man spricht von „raumartigen“ oder „zeitartigen“ Geodäten . Nur letztere sind natürlich als Weltlinien für kräftefreie Testteilchen relevant. Die Übereinstimmung von (9.25) mit unserer Formel (9.8) ist bei der Wahl der Eigenzeit als Kurvenparameter, also λ = τ , unmittelbar gegeben; der Tangentenvektor wird dann zur Vierergeschwindigkeit. Gemäß ds 2 = −c2 dτ 2 kann man hier s = ic τ setzen, d. h. die  Konstanten in (9.17) sind durch a = −i/c und b = 0 gegeben. Das Integral ds in (9.10) bekommt damit bis auf den Faktor ic die Bedeutungder zwischen den beiden Punkten (Ereignissen) verstreichenden Eigenzeit Δτ = dτ . Diese ist für die Geodäte in der Regel maximal. Damit haben wir die allgemein-relativistische Version des im Kap. 2 besprochenen „Zwillingsparadoxons“ vorliegen, s. Abb. 9.1. Das Variationsprinzip (9.10) können wir deshalb für kräftefreie Testteilchen in der Form  ! (9.27) S = −m 0 c2 dτ = extremal als „Prinzip der kleinsten Wirkung“ interpretieren, siehe auch Aufgabe 11.4. Der von uns bisher ausgeschlossene Fall F = 0 ist physikalisch auch relevant. Hier versagt zwar die Herleitung von Gl. (9.25) über das Variationsprinzip (9.10), wir können diese Gleichung dann aber im Sinne unserer Übertragungsregel als allgemein-relativistische Formel für die Bewegung eines Lichtsignals ansehen, als „Übersetzung“ der Formel d dλ Abb.9.1 Zwillingsparadoxon in der ART: Die zwischen zwei Ereignissen E 1 und E 2 auf einer zeitartigen Geodäten vergehende Eigenzeit Δτmax ist größer als die auf benachbarten zeitartigen Weltlinien zwischen E 1 und E 2 vergehende Eigenzeit Δτ



dxn dλ

 = 0,

(9.28)

9.3 Elektrodynamik und Hydrodynamik

111

die zusammen mit F = 0 die geradlinige Bewegung eines Lichtsignals in einem Inertialsystem (mit gik ≡ ηik ) beschreibt. Für F = 0 beschreibt (9.25) „lichtartige“ Geodäten, entlang derer ds = 0 gilt. Die Herleitung der Geodätengleichung (9.24) über das Variationsproblem  ! F dλ = extremal ist unabhängig von der Frage möglich, ob das Ergebnis (abhängig von Anfangs- und Endpunkt) eine zeitartige, raumartige oder lichtartige Geodäte ergibt. Die zugehörigen Lagrange-Gleichungen zweiter Art (9.18) stellen übrigens eine elegante Möglichkeit dar, die Christoffel-Symbole für eine gegebene Metrik zu berechnen. Dazu hat man einfach ausgehend von der Lagrange-Funktion F = gik x˙ i x˙ k die Gl. (9.18) aufzuschreiben und mit (9.24) zu vergleichen. Wegen der Symmetrie der Christoffel-Symbole in den beiden unteren Indizes kann man so alle nichtverschwindenden Christoffel-Symbole eindeutig ablesen. Einen Kurvenparameter λ, für den die Geodätengleichung die einfache Form (9.24) bzw. (9.25) annimmt, nennt man „affinen Parameter“. Die allgemeine Form der Geodätengleichung ist Gegenstand von Aufgabe 9.1. Für zeitartige und raumartige Geodäten ist ein affiner Parameter immer eine lineare Funktion der Kurvenlänge, s. (9.17). Aber auch für lichtartige Geodäten, bei denen die Kurvenlänge verschwindet, sind mit einem affinen Parameter λ alle anderen möglichen affinen Parameter durch λ˜ = A(λ − B) (A, B = const., A = 0) gegeben, s. Aufgabe 9.1. Bei Beschreibung des Lichtsignals als ein Testteilchen ohne Ruhemasse („Photon“) kann man den affinen Parameter so wählen, dass der Viererimpuls p n =  k n des Photons gerade durch dxn (9.29) pn = dλ gegeben ist. Dieser lichtartige Vektor wird gemäß (9.25) parallel transportiert.

9.3

Elektrodynamik und Hydrodynamik

Allgemein-relativistische Elektrodynamik Die Anwendung der Übertragungsregel auf die Maxwell-Gleichungen (6.9) und (6.10) ergibt Fik;l + Fkl;i + Fli;k = 0

(9.30)

F mn ;n = μ0 j m .

(9.31)

und

Aus (9.31) kann man die allgemein-relativistische Version der Kontinuitätsgleichung j m ;m = 0

(9.32)

herleiten, s. Aufgabe 9.3. Setzen wir in den homogenen Maxwell-Gleichungen (9.30) für die kovarianten Ableitungen die Ausdrücke

112

9 j

Physik in der gekrümmten Raumzeit j

Fik;l = Fik,l − il F jk − kl Fi j

(9.33)

ein, können wir aufgrund der Symmetrie der Christoffel-Symbole in den unteren beiden Indizes und der Antisymmetrie des Feldstärketensors feststellen, dass sich sämtliche Terme mit Christoffel-Symbolen gegenseitig kompensieren, die Formel also auch in der Form Fik,l + Fkl,i + Fli,k = 0

(9.34)

geschrieben werden kann. Wieder können wir schließen, dass man ein Viererpotenzial Ai gemäß Fmn ≡ An;m − Am;n = An,m − Am,n

(9.35)

einführen kann. Indem wir den Feldstärketensor so ausdrücken, sind die homogenen Maxwell-Gleichungen automatisch erfüllt. Durch Einsetzen von (9.35) in die inhomogenen Maxwell-Gleichungen (9.31) erhält man die allgemein-relativistische Version der inhomogenen Wellengleichung, s. Aufgabe 9.4. Die Lorentz-Kraftdichte f Lm = F mn jn

(9.36)

kann bis auf das Vorzeichen als „kovariante Divergenz“ des elektromagnetischen Energie-Impuls-Tensors ausgedrückt werden: f Lm = −T mn ;n mit T

mn

1 ≡ μ0

 F

ml

F

n

l

 1 mn ik . − g Fik F 4

(9.37)

(9.38)

Allgemein-relativistische Hydrodynamik Wir beschränken uns hier zunächst auf den Fall verschwindender äußerer (nicht-gravitativer!) Kraftdichte f i . Dann erhalten wir durch Anwendung der Übertragungsregel auf (6.38) T ik ;k = 0.

(9.39)

Die Übertragung des Ausdruckes für den Energie-Impuls-Tensor einer idealen Flüssigkeit (6.35) in die ART ergibt  p T ik = μ + 2 u i u k + p g ik . c

(9.40)

Somit folgt aus (9.39) 

  p k i p˙ p i  μ + 2 u˙ + μ + 2 u ;k u + μ˙ + 2 u i + p ,i = 0, c c c

(9.41)

9.3 Elektrodynamik und Hydrodynamik

113

wobei wir mit einem Punkt jetzt die kovariante Version der substanziellen Zeitableitung D (9.42) ≡ u k ∇k dτ bezeichnen, also die kovariante Ableitung entlang der Weltlinie des jeweiligen Flüssigkeitselementes, vgl. (8.43). Überschieben mit u i ergibt die Energiebilanz  p μ˙ + μ + 2 u k ;k = 0, c

(9.43)

und durch Überschieben mit dem Projektionstensor h in = gin + folgt die Impulsbilanz



μ+

1 n u ui c2

p n u˙ + h ni p,i = 0, c2

(9.44)

(9.45)

siehe auch Aufgabe 6.2. Besonders interessant ist der Spezialfall der inkohärenten Materie (Staub), der durch p ≡ 0 definiert ist. Dann folgen die Gleichungen (μu k );k = 0

(9.46)

und Du n = 0. (9.47) dτ Die erste Gleichung, die die Form der allgemein-relativistischen Kontinuitätsgleichung hat, erlaubt die Identifizierung von μ mit der Ruhemassendichte μR [vgl. (6.54)]; siehe auch Aufgabe 9.3. Die zweite Gleichung ist nichts anderes als die Geodätengleichung. Die einzelnen Staubelemente bewegen sich also wie kräftefreie Testteilchen unter dem Einfluss der Gravitation. Tatsächlich sind solche infinitesimalen Staubelemente eine ideale Realisierung von Testteilchen. Auch das im Rahmen der SRT behandelte Modell des geladenen Staubs im elektromagnetischen Feld (s. Aufgabe 6.3) lässt sich natürlich in die ART übertragen. Die Staubelemente mit spezifischer Ladung 0 /μ bewegen sich dann unter dem Einfluss der Gravitation und der Lorentz-Kraft gemäß Du n 0 nm = F um , dτ μ genau wie geladene Testteilchen.

(9.48)

114

9

Physik in der gekrümmten Raumzeit

Aufgaben 9.1 Bei Verwendung eines affinen Parameters λ hat die Geodätengleichung gemäß (9.24) die Gestalt i k d2xn n dx dx +  = 0. ik dλ2 dλ dλ Untersuchen und diskutieren Sie, wie die Gleichung bei Verwendung eines beliebigen Parameters σ = σ (λ) mit dσ/dλ = 0 aussieht!

Lösung Mit der Abkürzung σ  = dσ/dλ gilt dxi dxi  = σ, dλ dσ

d2xi d 2 x i  2 d x i  = (σ ) + σ , 2 dλ dσ 2 dσ

und wir erhalten die Geodätengleichung in der Form i k d2xn σ  d x n n dx dx +  = − , ik dσ 2 dσ dσ (σ  )2 dσ

also mit (8.42) und der Bezeichnung α ≡ −σ  /(σ  )2 D dσ



dxn dσ

 =α

dxn . dσ

Das ist die allgemeine Form der Geodätengleichung. Auch an dieser Form erkennt man die Eigenschaft, dass der Tangentenvektor d x n /dσ „zu sich selbst parallel bleibt“. Abgesehen vom lichtartigen Fall gilt jetzt allerdings nicht mehr, dass das Betragsquadrat des Tangentenvektors konstant bleibt. Durch eine Reparametrisierung kann man natürlich zur Parallelverschiebung im engeren Sinne D dλ



dxn dλ

 =0

zurückkehren. Bei beliebig vorgegebener Funktion α = α(σ ) findet man einen affinen Parameter λ = λ(σ ), indem man die Differenzialgleichung −

σ  = α(σ ) (σ  )2

löst: Mit σ  ≡ p, also σ  = (dp/dσ ) p folgt zunächst dp = −α(σ ) p dσ



dp = −α(σ ) dσ p

 ⇒

ln p = − 0

σ

α(σ˜ ) d σ˜ − C

Aufgaben

115

und daraus 

 σ  σ σˆ dσ = exp − p= α(σ˜ ) d σ˜ − C ⇒ λ(σ ) = A exp α(σ˜ ) d σ˜ d σˆ dλ 0 B 0

mit den Integrationskonstanten A = exp(C) und B. Für α ≡ 0, wenn σ also schon ein affiner Parameter ist, folgt λ = A(σ − B), die Lösung von σ  = 0. 9.2 Zeigen Sie, dass man die kovariante Divergenz eines beliebigen Vektors Ai und eines beliebigen antisymmetrischen Tensors F ik folgendermaßen schreiben kann:

und

1 √ −g Ai Ai ;i = √ ,i −g

(9.49)

1 √ F ik ;k = √ −g F ik ! ,k −g

(9.50)

Hinweis: Es empfiehlt sich, zuerst die nützliche Beziehung i ik

√ ∂ ln −g = ∂xk

(9.51)

für die partielle Ableitung von g ≡ det(gik ) herzuleiten. Bemerkung: Für eine Lorentz-Metrik, vgl. Kap. 8, gilt immer g < 0. Das folgt aus der Transformationsformel (8.11) und g = −1 in einem lokalen Minkowski-System. Lösung Wir leiten zunächst die Determinante g partiell nach den Koordinaten ab:  ∂g ∂g = gik,n . ∂xn ∂gik i,k

Entwickeln wir die Determinante nach der i-ten Zeile,  gi j g˜i j (keine Summation u¨ ber i), g= j

mit den „Kofaktoren“ (adjungierten Unterdeterminanten) g˜i j , in die die Matrixelemente gik nicht eingehen, folgt ∂g/∂gik = g˜ik , also  ∂g = g˜ik gik,n . n ∂x i,k

116

9

Physik in der gekrümmten Raumzeit

Die Kofaktoren hängen ihrerseits (für g = 0) mit den Elementen der inversen Matrix zusammen, g˜ik , g

g ki =

und wir erhalten (ab jetzt verwenden wir wieder die Summenkonvention) ∂g = gg ki gik,n . ∂xn

(9.52)

Mit der Formel j

j

gik,n = g ji kn + g jk in , die wir schon von Aufgabe 8.1 kennen, ergibt sich ∂g i = 2g in ∂xn und damit

√ 1 ∂g ∂ ln −g i = = in , ∂xn 2g ∂ x n

also die Formel (9.51). Unter Benutzung dieser Formel folgt nun erstens 1 √ i Ak = √ −g Ak . Ai ;i = Ai ,i + ik ,k −g In i k F ik ;k = F ik ,k + kl F lk + kn F in

verschwindet der mittlere Term auf der rechten Seite wegen der vorausgesetzten i =  i , und es folgt zweitens Antisymmetrie F kl = −F lk und der Symmetrie kl lk 1 √ k F ik ;k = F ik ,k + kn F in = √ −g F ik . ,k −g 9.3 Leiten Sie die allgemein-relativistische Version der Kontinuitätsgleichung für die Viererstromdichte (9.32) aus den inhomogenen Maxwell-Gleichungen (9.31) her! Lösung Unter Verwendung von (9.50) können wir die inhomogenen Maxwell-Gleichungen (9.31) in der Form  √ √ −g F mn ,n = μ0 −g j m

Aufgaben

117

schreiben. Wegen der Antisymmetrie von F mn und der Vertauschbarkeit der Rei√ henfolge bei den zweiten partiellen Ableitungen gilt ( −g F mn ),nm = 0, und wir erhalten √  −g j m ,m = 0, woraus mit (9.49) die zu zeigende Gleichung j m ;m = 0 folgt. Die Tatsache, dass man die allgemein-relativistische Kontinuitätsgleichung √ auch in der Form ( −g j m ),m = 0 schreiben kann, ist wesentlich bei der Herleitung der globalen Ladungserhaltung mit Hilfe des Gauß’schen Integralsatzes, s. Kap. 18. Entsprechendes gilt für Gl. (9.46). 9.4 Leiten Sie die allgemein-relativistische inhomogene Wellengleichung für das Viererpotenzial in „kovarianter Lorenz-Eichung“ (Ai ;i = 0) her! Lösung Einsetzen von (9.35) in (9.31) ergibt zunächst An;m ;n − Am;n ;n = μ0 j m . Um Gebrauch von der kovarianten Lorenz-Eichung machen zu können, drücken wir An;m ;n durch An ;n ;m aus, handeln uns dabei aber einen Zusatzterm mit dem Riemann’schen Krümmungstensor ein: An;m ;n = An ;n ;m + R inm n Ai = R inm n Ai , siehe das Ergebnis von Aufgabe 8.4. Mit der Abkürzung R im ≡ R inm n (R im ist der „Ricci-Tensor“) nimmt die allgemein-relativistische inhomogene Wellengleichung in kovarianter Lorenz-Eichung die Gestalt Am;n ;n − Ri m Ai = −μ0 j m an. Dieses Ergebnis ist insofern bemerkenswert, als man den Term mit dem RicciTensor, der aufgrund der Nichtvertauschbarkeit der Reihenfolge kovarianter Ableitungen entstanden ist, nicht bei formaler Anwendung der Übertragungsregel auf die speziell-relativistische Gleichung, s. (6.17), Am,n ,n ≡ ηnl Am ,ln = −μ0 j m , erschließen könnte. Da wir aus guten Gründen die speziell-relativistischen MaxwellGleichungen als Grundgleichungen gewählt und damit zum Ausgangspunkt der

118

9

Physik in der gekrümmten Raumzeit

Anwendung der Übertragungsregel gemacht haben, dürfen wir Gleichungen, die man aus diesen schlussfolgern kann, ihrerseits nicht immer einfach formal übertragen, sondern müssen ihre Entsprechungen in der ART ausgehend von den allgemeinrelativistischen Maxwell-Gleichungen gegebenenfalls erneut herleiten. Darauf gilt es ganz allgemein dann zu achten, wenn in der entsprechenden Formel oder auch nur bei ihrer Herleitung aus den Grundgleichungen mehrfache partielle Ableitungen im Spiel sind. Deshalb war es auch bei Aufgabe 9.3 nicht angebracht, einfach nur die Übertragungsregel auf die speziell-relativistische Kontinuitätsgleichung anzuwenden – wenngleich in diesem Fall das Ergebnis übereinstimmt. Bei Beachtung dieser Regeln erhält man konsistente Gleichungen. Ob sie die Natur gut beschreiben, kann letzten Endes nur durch Experimente und Beobachtungen entschieden werden. Für eine ausführlichere Diskussion dieser Problematik sei auf Misner et al. (1973) verwiesen.

Die Einstein’schen Feldgleichungen

10

Inhaltsverzeichnis 10.1 Ein Weg zu den Feldgleichungen der Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Der Riemann’sche Krümmungstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Nichtlinearität, Kopplung und Konsistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119 122 123 124

Zusammenfassung

Die Einstein’schen Gravitationsfeldgleichungen, die die Metrik der Raumzeit mit dem Energie-Impuls-Tensor verknüpfen, folgen fast zwangsläufig aus einer kleinen Zahl einfacher und plausibler Annahmen. Eine zentrale Rolle spielt der Riemann’sche Krümmungstensor, der genau dann verschwindet, wenn die Raumzeit flach ist, also bei Abwesenheit von Gravitation. Die überall flache Raumzeit (der Minkowski-Raum) ist zwar eine spezielle Lösung der Feldgleichungen, allerdings nur für den unphysikalischen Fall, dass der Energie-Impuls-Tensor überall verschwindet. Für das einfache Modell der inkohärenten Materie („Staub“) folgt aus den Einstein’schen Feldgleichungen, dass sich die einzelnen Staubelemente auf Geodäten bewegen. Darin äußert sich die bemerkenswerte innere Konsistenz der ART.

10.1

Ein Weg zu den Feldgleichungen der Gravitation

Im Kap. 7 haben wir bereits drei wichtige Annahmen für die Aufstellung der Feldgleichungen besprochen, die hier noch einmal zusammengestellt sind: (A) Die Feldgleichungen sollen allgemein kovariant sein. (B) Die Newton’sche Gravitationstheorie soll unter wohldefinierten Voraussetzungen näherungsweise aus der neuen Theorie folgen. (C) Der Quellterm soll durch den Energie-Impuls-Tensor gegeben sein.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_10

119

120

10 Die Einstein’schen Feldgleichungen

Die Annahmen (A) und (C) werden erfüllt, wenn die Feldgleichungen als Tensorgleichung der Form G ik = κ Tik

(10.1)

geschrieben werden. Der Tensor G ik auf der linken Seite wird „Einstein-Tensor“ genannt, κ ist ein konstanter Proportionalitätsfaktor. Der Einstein-Tensor ist (bis auf eine wegen des Faktors κ unwesentliche multiplikative Konstante) eindeutig bestimmt, wenn man noch drei weitere Annahmen hinzufügt: (D) Die Komponenten des Einstein-Tensors sollen allein aus den Komponenten des metrischen Tensors und deren ersten und zweiten partiellen Ableitungen aufgebaut sein, d. h. die Bestimmungsgleichungen der gik sollen analog zur Poisson-Gleichung der Newton’schen Theorie partielle Differentialgleichungen zweiter Ordnung sein: G ik = G ik (gab ; gab,c ; gab,cd ). (E) Die kovariante Divergenz des Einstein-Tensors soll verschwinden: G ik ;k = 0. (F) Der Einstein-Tensor soll verschwinden, wenn die Raumzeit flach ist. Die Annahme (E) hängt wegen (10.1) unmittelbar mit der entsprechenden Eigenschaft T ik ;k = 0 des (gesamten, nicht-gravitativen) Energie-Impuls-Tensors zusammen, die man gemäß unserer Übertragungsregel als „Übersetzung“ der Beziehung T ik ,k = 0 ansehen kann, welche in der SRT die Energie-Impuls-Erhaltung sichert (siehe zum Beispiel Aufgabe 6.3). In älteren Darstellungen findet man noch zwei zusätzliche Annahmen: (G) Der Einstein-Tensor soll symmetrisch sein: G ik = G ki . (H) Der Einstein-Tensor soll nur linear von den zweiten Ableitungen der Metrik abhängen. Die Symmetrieannahme (G) lässt sich mit der Eigenschaft Tik = Tki motivieren, die in der SRT die Drehimpulserhaltung sichert, s. Aufgabe 6.4. David Lovelock konnte jedoch zeigen, dass (G) und (H) aus (D) und (E) folgen und der Einstein-Tensor allein aufgrund von (D), (E) und (F) durch G ik = Rik −

1 R gik 2

(10.2)

R ≡ Ri i

(10.3)

mit Rik ≡ R n ink ,

bestimmt ist (siehe Lovelock 1971, 1972). Dabei ist R l ink der „Riemann’sche Krümmungstensor“, auf den wir schon bei der Lösung der Aufgaben 8.4 und 8.5 gestoßen sind. Rik ist der „Ricci-Tensor“, dessen Spur R „Ricci-Skalar“ genannt wird.

10.1 Ein Weg zu den Feldgleichungen der Gravitation

121

Bei Verzicht auf die Annahme (F) könnte man lediglich noch einen Term  gik ( = const.) zum Einstein-Tensor (10.2) addieren. Dieser sogenannte „kosmologische Term“ kann aber auch auf die rechte Seite der Einstein’schen Feldgleichungen (10.1) gebracht und als universeller additiver Beitrag (−/κ)gik zum Energie-Impuls-Tensor angesehen werden. Wir werden im Kap. 17 noch einmal darauf zurückkommen, ansonsten aber  = 0 voraussetzen. Durch Spurbildung folgt aus (10.1) und (10.2) ein einfacher Zusammenhang zwischen dem Ricci-Skalar und der Spur T = T i i des Energie-Impuls-Tensors: G i i = Ri i −

1 R g i i = −R = κ T. 2

(10.4)

(Für die Spur G i i des Einstein-Tensors verwenden wir keine abkürzende Bezeichnung, da sonst eine Verwechslung mit der Newton’schen Gravitationskonstante auftreten könnte.) Mit Hilfe dieser Beziehung können die Einstein’schen Feldgleichungen (Einstein 1915) Rik −

1 R gik = κ Tik 2

(10.5)

auch in der alternativen Form 

1 Rik = κ Tik − T gik 2

 (10.6)

geschrieben werden. Die beiden Formulierungen (10.5) und (10.6) der Einstein’schen Feldgleichungen sind äquivalent, da die Beziehung R = −κ T auch aus (10.6) durch Spurbildung folgt. In der ART meint man mit „Vakuum“ einen Raumzeitbereich, in dem der EnergieImpuls-Tensor verschwindet (das schließt dort zum Beispiel auch ein elektromagnetisches Feld aus). Mit (10.6) folgt für die „Einstein’schen Vakuum-Feldgleichungen“ einfach Rik = 0.

(10.7)

Im folgenden zweiten Abschnitt dieses Kapitels werden einige wichtige Eigenschaften des Riemann’schen Krümmungstensors behandelt, aus denen insbesondere auch hervorgeht, dass der durch (10.2) gegebene Einstein-Tensor die Annahmen (D), (E) und (F) sowie (G) und (H) tatsächlich erfüllt. Im dritten Abschnitt diskutieren wir dann interessante mathematische und physikalische Aspekte der Struktur der Einstein’schen Feldgleichungen. Dem Newton’schen Grenzfall widmen wir das ganze Kap. 11. Es sei hier schon vorweggenommen, dass die Annahme (B) bei Wahl der Konstanten κ („Einstein’sche Gravitationskonstante“) gemäß κ=

8π G c4

(G: Newton’sche Gravitationskonstante) erfüllt wird.

(10.8)

122

10.2

10 Die Einstein’schen Feldgleichungen

Der Riemann’sche Krümmungstensor

Der Riemann’sche Krümmungstensor (kurz: Krümmungstensor) ist durch j

j

l l − ni,k + nk lji − ni ljk R l nik = nk,i

(10.9)

gegeben, zusammen mit der Formel i = mn

1 ij g (g jm,n + g jn,m − gmn, j ) 2

(10.10)

für die Christoffel-Symbole. Seine Komponenten sind somit nichtlineare Funktionen der Komponenten des metrischen Tensors und der ersten und zweiten partiellen Ableitungen dieser Komponenten, wobei die Abhängigkeit von den zweiten Ableitungen eine lineare ist. Dasselbe gilt demzufolge auch für den Einstein-Tensor (10.2). Der Krümmungstensor verschwindet genau dann in einem betrachteten Raumzeitbereich, wenn in diesem Bereich eine der folgenden vier (paarweise untereinander äquivalenten) Voraussetzungen erfüllt ist: 1. 2. 3. 4.

Kovariante Ableitungen sind generell vertauschbar. Der Paralleltransport von Vektoren ist generell wegunabhängig. Die Raumzeit ist flach, d. h. in geeigneten Koordinaten gilt gik ≡ ηik . Die Relativbeschleunigung infinitesimal benachbarter kräftefreier Testteilchen (die „geodätische Abweichung“) verschwindet generell.

Die Äquivalenz der ersten Voraussetzung zum Verschwinden des Krümmungstensors wird durch die Formel An;i;k − An;k;i = R l nik Al

(10.11)

illustriert, die wir in Aufgabe 8.4 bewiesen haben. Diese Formel bestätigt zugleich den Tensorcharakter von R l nik und kann auch als Definitionsgleichung des Krümmungstensors verwendet werden. Die Aussage des zweiten Punktes korrespondiert mit der Lösung von Aufgabe 8.5. Dass aus der dritten Voraussetzung R l nik ≡ 0 folgt, ist aufgrund der Formeln (10.9) und (10.10) unmittelbar klar. Umgekehrt kann man bei verschwindendem Krümmungstensor dank des zweiten Punktes immer ein Koordinatensystem mit gik ≡ ηik konstruieren: Ausgehend von einem LIS in einem beliebigen Raumzeit-Punkt P erhält man durch wegunabhängigen Paralleltransport der vier zugehörigen Basisvektoren ein einheitliches Inertialsystem im gesamten betrachteten Raumzeitbereich. Die im vierten Punkt genannte geodätische Abweichung ist Gegenstand von Aufgabe 10.1. Wenn die Raumzeit flach ist, verschwinden mit dem Krümmungstensor gemäß (10.3) ebenso der Ricci-Tensor, der Ricci-Skalar und also auch der Einstein-Tensor. Aus den Einstein’schen Feldgleichungen folgt dann aber auch, dass der EnergieImpuls-Tensor verschwindet. Die überall flache Raumzeit, der Minkowski-Raum, ist deshalb aus der Sicht der ART keine physikalisch relevante globale Lösung. Die SRT

10.3 Nichtlinearität, Kopplung und Konsistenz

123

behält dennoch ihre Berechtigung, da sie näherungsweise in einer hinreichend kleinen Umgebung jedes Raumzeit-Punktes anwendbar ist, wobei „hinreichend klein“ bei schwacher Raumzeit-Krümmung auch „ziemlich groß“ sein kann. Symmetrieeigenschaften Der Krümmungstensor erfüllt die Symmetrierelationen Rlnik = −Rnlik = −Rlnki = Rikln

(10.12)

R1234 + R1342 + R1423 = 0.

(10.13)

und die Beziehung

Zum Beweis dieser Eigenschaften s. Aufgabe 10.2. Bianchi-Identitäten Eine weitere wichtige Eigenschaft des Krümmungstensors sind die sogenannten Bianchi-Identitäten Rlnik;m + Rlnkm;i + Rlnmi;k = 0,

(10.14)

s. Aufgabe10.3. Aus den Symmetrieeigenschaften des Krümmungstensors und den BianchiIdentitäten folgen schließlich die Eigenschaften Rik = Rki , G ik = G ki und G ik ;k = 0

(10.15)

des Ricci- und Einstein-Tensors, s. Aufgabe 10.4.

10.3

Nichtlinearität, Kopplung und Konsistenz

Die Nichtlinearität der Einstein’schen Feldgleichungen (ab jetzt sagen wir auch kurz „Einstein-Gleichungen“), selbst im Vakuumfall, ist ein Preis, den man für die Geometrisierung der Gravitation zahlen muss. Sie hat zur Folge, dass keine einfache Superposition von Lösungen möglich ist. Insbesondere gibt es deshalb auch keine „quellenmäßige Darstellung“ von Lösungen nach dem Vorbild des PoissonIntegrals der Newton’schen Gravitationstheorie oder der retardierten Potenziale der Elektrodynamik. Es ist im Allgemeinen überhaupt nicht möglich, die Energie-Impuls-Verteilung T ik als Funktion der Koordinaten vorzugeben und daraus die Metrik zu bestimmen, da die Einstein-Gleichungen G ik = κ Tik

(10.16)

124

10 Die Einstein’schen Feldgleichungen

wegen der Eigenschaft G ik ;k = 0 des Einstein-Tensors die „Integrabilitätsbedingung“ T ik ;k = 0 verlangen. Diese Bedingung kann aber wegen der darin vorkommenden kovarianten Ableitung ohne Kenntnis der Metrik gar nicht ausgewertet werden. Das ist ein prinzipieller Unterschied zu den speziell-relativistischen MaxwellGleichungen, bei denen man eine Verteilung der Viererstromdichte j k als Funktion der Koordinaten unter Beachtung der dortigen Integrabilitätsbedingung j k ,k = 0 (Kontinuitätsgleichung) vorgeben kann, um daraus das elektromagnetische Feld zu berechnen. Formal könnte man zwar umgekehrt immer eine Metrik als Funktion der Koordinaten vorgeben, daraus den Einstein-Tensor berechnen und G ik /κ als Energie-Impuls-Tensor ausgeben. Auf diese Weise wird man aber nur in seltenen Glücksfällen eine physikalisch vernünftig interpretierbare Lösung gewinnen. Bei vorgegebener Struktur des Energie-Impuls-Tensors sorgen die Einstein-Gleichungen für eine verwickelte wechselseitige Kopplung zwischen Metrik und Energie-ImpulsVerteilung. Spezielle Lösungen der Einstein-Gleichungen können zum Beispiel durch einfache Symmetrieannahmen gewonnen werden, siehe Kap. 12 und 14. Der systematische Weg im Allgemeinen führt über die Formulierung von Anfangs- bzw. Randwertproblemen, die in der Regel nur mit Näherungsverfahren oder numerischen Methoden gelöst werden können. Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sich aber auch leistungsfähige analytische Lösungsmethoden anwenden, die im Kontext der Theorie der Solitonen entwickelt wurden, siehe Teil III. Die Tatsache, dass aus den Einstein-Gleichungen T ik ;k = 0 folgt, ist andererseits auch eine besonders schöne Eigenschaft: Im Kap. 9 haben wir gesehen, dass daraus im Falle des Modells der inkohärenten Materie (Staub) folgt, dass sich die einzelnen Staubelemente auf Geodäten bewegen. Wir haben auch schon darauf hingewiesen, dass solche Staubelemente eine ideale Realisierung kräftefreier Testteilchen sind. Die Bewegung von kräftefreien Testteilchen auf den „geradesten Linien“ der gekrümmten Raumzeit kann in diesem Sinne als eine Folge der Einstein-Gleichungen angesehen werden und muss nicht extra postuliert oder mit Hilfe der Übertragungsregel begründet werden. Hier zeigt sich eine bemerkenswerte innere Konsistenz der ART. Zum Abschluss dieses Kapitels sei darauf hingewiesen, dass die Einstein’schen Feldgleichungen auch aus einem Variationsprinzip abgeleitet werden können (Hilbert 1915), s. Kap. 16.

Aufgaben 10.1 a) Leiten Sie die Gleichung der „geodätischen Abweichung“ D2 χ a D ≡ 2 dτ dτ



Dχ a dτ

 = R a bcd u b u c χ d

Aufgaben

125

her, wobei χ a den „infinitesimalen Vierer-Abstandsvektor“ zweier Testteilchen bezeichnet, die sich auf benachbarten Geodäten bewegen [ Weltlinie des ersten Teilchens: x i (τ ), Weltlinie des zweiten Teilchens: x i (τ ) + χ i (τ ); τ : Eigenzeit, u i ≡ d x i /dτ ]! Bemerkung: Der Vektorcharakter von χ a ist daran gebunden, dass wir infinitesimal benachbarte Teilchen betrachten. b) Diskutieren Sie die geodätische Abweichung in einem „frei fallenden Fahrstuhlsystem“, charakterisiert durch 1 gik = ηik + dikαβ (x 4 )x α x β + . . . (α, β = 1, 2, 3)! 2 Lösung a) Gemäß (8.42) gilt Dχ a dχ a a χ n um = + mn dτ dτ und D2 χ a d = 2 dτ dτ



  k  dχ a dχ a n m a k n m + lk ul + mn χ u + mn χ u dτ dτ

n m d 2χ a a dχ m a l n m a n du + 2 +  u χ u +  χ u mn mn mn,l dτ 2 dτ dτ a k n m l + lk mn χ u u .

=

Jetzt benutzen wir die Geodätengleichungen der beiden Testteilchen: m n d2xa a i dx dx +  (x ) =0 mn dτ 2 dτ dτ

und m m n n d 2 (x a + χ a ) a i i d(x + χ ) d(x + χ ) +  (x + χ ) = 0. mn dτ 2 dτ dτ

Durch Differenzbildung folgt mit der Taylor-Entwicklung a a a (x i + χ i ) = mn (x i ) + mn,l (x i ) χ l + . . . mn

für den infinitesimalen Abstandsvektor χ a die Gleichung n d 2χ a a dχ a + 2 χ n u m ul . u m = −ml,n mn dτ 2 dτ

126

10 Die Einstein’schen Feldgleichungen

Indem wir diesen Ausdruck für die Summe der ersten beiden Terme der oben gewonnenen Beziehung für D 2 χ a /dτ 2 verwenden sowie du m /dτ gemäß der m u i u k ersetzen, folgt die gesuchte Formel: Geodätengleichung durch −ik   D2 χ a n m l a a a k a i  = R a mln u m u l χ n . = χ u u −  +   −   mn mn,l ml,n lk in ml dτ 2 Alternativ zu dieser physikalischen Herleitung kann man die Formel (etwas „mathematischer“) auch durch die Betrachtung einer ganzen Geodätenschar x a (τ, p) gewinnen, die durch den zusätzlichen kontinuierlichen Parameter p charakterisiert wird, s. Abb. 10.1. Die Vierergeschwindigkeit der Geodäte ist der Tangentenvektor der Kurven p = const.: ua =

∂xa . ∂τ

(Wegen des zweiten Parameters p verwenden wir hier die Symbolik der partiellen Ableitung.) Analog ist der Tangentenvektor der Kurven τ = const. durch wa =

∂xa ∂p

gegeben. Es gilt offensichtlich b ∂xb Dwa ∂wa ∂u a Du a a a c ∂x wc u ≡ + bc = + bc ≡ . ∂τ ∂τ ∂τ ∂p ∂p ∂p

Durch nochmalige Anwendung der Operation D/∂τ folgt mit der Vertauschungsrelation für kovariante Ableitungen und der Geodätengleichung Du a /∂τ = 0 das Ergebnis D 2 wa = R a bcd u b u c wd . ∂τ 2 Abb. 10.1 Geodätenschar x a (τ, p)

Aufgaben

127

Der Zusammenhang zu unserer Formel für D 2 χ a /dτ 2 kann wie folgt hergestellt werden: Wir betrachten zwei infinitesimal benachbarte Geodäten, charakterisiert durch p und p + dp. Die Weltlinien der beiden Teilchen sind also durch x a (τ, p) und x a (τ, p + dp) gegeben, und für den infinitesimalen Abstandsvektor folgt χ a = x a (τ, p + dp) − x a (τ, p) =

∂xa dp = wa dp. ∂p

D. h. χ a genügt derselben Differenzialgleichung wie wa . b) Zunächst ein paar Vorbemerkungen zum „frei fallenden Fahrstuhlsystem“: Entlang der gesamten Weltlinie x i (τ ) = (0, 0, 0, cτ ) des räumlichen Koordinatenuri = 0. Es stellt also in jedem Punkt sprungs dieses Systems gilt gik = ηik und kl dieser Weltlinie ein LIS dar. Die Weltlinie x i (τ ) ist eine zeitartige Geodäte (es gilt ds 2 = −c2 dτ 2 ), die wir mit der Weltlinie des ersten unserer beiden Testteilchen identifizieren können, da man für jede zeitartige Geodäte ein solches System konstruieren kann. Es hat die bemerkenswerte (und zur Konstruktion verwendi = (1, 0, 0, 0), ei = (0, 1, 0, 0), bare) Eigenschaft, dass die Basisvektoren e(1) (2) i i e(3) = (0, 0, 1, 0) und e(4) = (0, 0, 0, 1) entlang der Geodäte parallel transportiert i gerade die Vierergeschwindigkeit des im räumlichen Koorwerden, wobei c e(4) dinatenursprung ruhenden Teilchens ist. Ein solches System ist die allgemeinrelativistische Verallgemeinerung des im Kap. 7 diskutierten frei fallenden und nicht rotierenden Bezugssystems. Für die geodätische Abweichung im „frei fallenden Fahrstuhlsystem“ gilt wegen des Verschwindens der Christoffel-Symbole entlang der gesamten Weltlinie x i (τ ) einfach d 2χ a D2 χ a = , 2 dτ dτ 2 und wir erhalten mit dem Ergebnis von Aufgabenteil (a) und u i = (0, 0, 0, c) d 2χ a = c2 R a 44b χ b . dτ 2 Durch Messung der Relativbeschleunigung zweier Testmassen kann man auf diese Weise im Bezugssystem eines antriebslosen Satelliten (ohne Eigenrotation) im Prinzip die Raumzeit-Krümmung feststellen! Die Abwesenheit einer Eigenrotation kann man experimentell übrigens an der Konstanz der Achsrichtung von „Testkreiseln“ relativ zu den räumlichen Achsen des Bezugssystems erkennen. Wenn der zur Verfügung stehende Raumzeitbereich in allen Richtungen sehr klein im Vergleich zu charakteristischen Krümmungsskalen ist, wird der Effekt der geodätischen Abweichung allerdings vernachlässigbar klein – ganz im Sinne des Äquivalenzprinzips.

128

10 Die Einstein’schen Feldgleichungen

10.2 a) Beweisen Sie, dass der Riemann’sche Krümmungstensor die Relationen Rlnik = −Rnlik = −Rlnki = Rikln und R1234 + R1342 + R1423 = 0 erfüllt! b) Bestimmen Sie unter Verwendung der Relationen von Aufgabenteil (a) die Zahl der unabhängigen Komponenten des Krümmungstensors! Lösung a) Die zu beweisenden Relationen sind Tensorgleichungen. [Die Beziehung (10.13) kann mit Hilfe von (10.12) auch auf Riklm + Rilmk + Rimkl = 0 verallgemeinert werden.] Es reicht also, sie in einem Koordinatensystem zu verifizieren. Im LIS reduziert sich die Formel (10.9) für den Krümmungstensor wegen des Verschwindens der Christoffel-Symbole zunächst auf l l − ni,k . R l nik = nk,i

Aus Formel (10.10) folgt im LIS wegen gik (P) = ηik und gik,l (P) = 0 l = nk,i

1 lj η (g jn,ki + g jk,ni − gnk, ji ) 2

und wir erhalten unter Berücksichtigung der Vertauschbarkeit partieller Ableitungen R l nik =

1 lj η (g jk,ni + gni, jk − gnk, ji − g ji,nk ), 2

also 1 (glk,ni + gni,lk − gnk,li − gli,nk ). 2 Mit dieser Formel können die zu zeigenden Relationen leicht verifiziert werden. b) Unter Ausnutzung von Rlnik = −Rnlik = −Rlnki = Rikln kann man alle Komponenten des Krümmungstensors Rlnik auf die folgenden Kombinationen aus erstem (ln) und zweitem (ik) Indexpaar zurückführen: (ln) = (12) und (ik) = (12), (13), (14), (23), (24), (34) (ln) = (13) und (ik) = (13), (14), (23), (24), (34) (ln) = (14) und (ik) = (14), (23), (24), (34) (ln) = (23) und (ik) = (23), (24), (34) (ln) = (24) und (ik) = (24), (34) (ln) = (34) und (ik) = (34) Das sind 6 + 5 + 4 + 3 + 2 + 1 = 21 Kombinationen. Wegen der zusätzlichen Relation R1234 + R1342 + R1423 = 0 gibt es also 20 unabhängige Komponenten des Krümmungstensors. Rlnik =

10.3 Beweisen Sie, dass der Riemann’sche Krümmungstensor die BianchiIdentitäten Rlnik;m + Rlnkm;i + Rlnmi;k = 0 erfüllt!

Aufgaben

129

Lösung Auch diese Relation können wir im LIS verifizieren. Allgemein folgt zunächst aus (10.9) die Formel p

p

j

p

j

p

Rlnik;m = glp (nk,i − ni,k + nk  ji − ni  jk );m , die sich im LIS auf p

p

Rlnik;m = ηlp (nk,im − ni,km ) reduziert. Damit lässt sich die Beziehung Rlnik;m + Rlnkm;i + Rlnmi;k = 0 leicht bestätigen. 10.4 Zeigen Sie, dass der Einstein-Tensor die Relationen G ik = G ki und G ik ;k = 0 erfüllt! Lösung Aus Rlnik = Rikln , s. Aufgabe 10.2 (a), folgt mit (10.3) Rik = R n ink = R n kni = Rki , der Ricci-Tensor ist also symmetrisch. Wegen (10.2) und gik = gki gilt somit auch G ik = G ki . k ergibt (wir machen jetzt Gebrauch von der Notation Die Berechnung von G i;k G i k = G k i = G ik für einen symmetrischen Tensor zweiter Stufe, vgl. Kap. 4) k G i;k = (Rik −

1 1 k − R,i . R gik );k = Ri;k 2 2

Dasselbe entsteht, wenn wir den wegen der Bianchi-Identitäten verschwindenden Ausdruck Rlnik;m + Rlnkm;i + Rlnmi;k mit (1/2)g nk glm überschieben: 1 nk lm 1 g g (Rlnik;m + Rlnkm;i + Rlnmi;k ) = (R mk ik;m + R mk km;i + R mk mi;k ) 2 2 =

1 1 m k k ) = Ri;k − R,i . (Ri ;m − R,i + Ri;k 2 2

Dabei haben wir (10.3) und (10.12) verwendet. Somit folgt G ik ;k = 0. Das Verschwinden der kovarianten Divergenz des Einstein-Tensors ist also eine Folge der Bianchi-Identitäten.

11

Der Newton’sche Grenzfall

Inhaltsverzeichnis 11.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Die Newton’sche Gravitationsfeldgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Die Newton’sche Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

131 132 134 135

Zusammenfassung

In diesem kurzen Kapitel wird gezeigt, wie die Newton’sche Gravitationstheorie näherungsweise aus der Einstein’schen Theorie folgt, wenn die Raumzeit nur schwach gekrümmt und fast statisch ist. Dazu gehört auch die Voraussetzung, dass in einem geeigneten Koordinatensystem sowohl die „Quellen“ der Gravitation als auch Testteilchen, die sich unter ihrem Einfluss bewegen, nur Geschwindigkeiten aufweisen, die klein im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit sind und die dominierende Komponente des Energie-Impuls-Tensors durch T44 ≈ μc2 gegeben ist. Aus den Feldgleichungen folgt dann näherungsweise die Poisson-Gleichung, und aus der Geodätengleichung für Testteilchen erhält man näherungsweise die Newton’sche Bewegungsgleichung.

11.1

Voraussetzungen

Wir machen die folgenden Voraussetzungen: (i) Die Raumzeit ist nur schwach gekrümmt, d. h. die Metrik weicht nur geringfügig von der des Minkowski-Raums ab, und in geeigneten Koordinaten gilt gik = ηik + f ik mit | f ik |  1.

(11.1)

(ii) Die Metrik verändert sich zeitlich nur langsam, so dass Ableitungen nach x 4 = ct vernachlässigt werden können. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_11

131

132

11 Der Newton’sche Grenzfall

(iii) Die dominierende Komponente des Energie-Impuls-Tensors ist T44 ≈ μc2 mit der Massendichte μ. (iv) Die Bewegung von Testteilchen wird nur für Geschwindigkeiten behandelt, die klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit sind. Dabei sind die Formulierungen der Voraussetzungen (ii), (iii) und (iv) unter Verwendung eines Koordinatensystems zu verstehen, in dem (11.1) gilt. Aufgrund der Voraussetzung (i) werden wir nur lineare Terme in den f ik und deren Ableitungen berücksichtigen. Durch die Voraussetzung (ii) werden insbesondere Gravitationswellen ausgeschlossen. Für das Beispiel einer idealen Flüssigkeit mit dem Energie-Impuls-Tensor (9.40) und gik ≈ ηik gemäß (i) ist die Voraussetzung (iii) erfüllt, wenn sich die Flüssigkeitselemente mit Geschwindigkeiten bewegen, die klein gegen die Lichtgeschwindigkeit sind und außerdem p  μc2 gilt. Dann ist nämlich τ ≈ t und die dominierende Komponente der Vierergeschwindigkeit durch u 4 ≈ c bzw. u 4 ≈ −c gegeben, woraus mit p  μc2 folgt, dass T44 ≈ μc2 ist und alle anderen Komponenten von Tik im Vergleich dazu vernachlässigbar sind. Die Voraussetzung p  μc2 (wie übrigens auch die Vernachlässigbarkeit des Beitrages der Dichte des Massenäquivalentes der inneren Energie zur Massendichte μ) ist für Zustandsgleichungen im nichtrelativistischen Bereich erfüllt, vgl. Kap. 6. In den folgenden beiden Abschnitten werden wir zeigen, dass sich unter diesen Voraussetzungen die Newton’sche Gravitationstheorie als Näherung der Einstein’schen Theorie ergibt. Manchmal sind die Voraussetzungen des Newton’schen Grenzfalls nicht global, sondern nur in Teilgebieten der Raumzeit des betrachteten Falles erfüllt. Im Kap. 12 werden wir zum Beispiel bei der Diskussion des Fernfeldes kugelsymmetrischer Gravitationsquellen auf den Newton’schen Grenzfall zurückkommen. Im Kap. 14 werden wir den Newton’schen Grenzfall relativistischer Sternmodelle hingegen auch in globaler Weise behandeln.

11.2

Die Newton’sche Gravitationsfeldgleichung

Als Ausgangspunkt wählen wir die 44-Komponente der Einstein-Gleichungen (10.6):  1 = κ T44 − T g44 . 2 

R44

(11.2)

Ab jetzt verwenden wir die im vorigen Abschnitt dargelegten Voraussetzungen. Wir werden in den daraus folgenden Relationen Gleichheitszeichen verwenden, sollten aber nicht vergessen, dass diese Formeln (vom Standpunkt der ART aus gesehen) Näherungscharakter haben. Aus (i) und (iii) folgt in diesem Sinne wegen T = g ik Tik ≈ ηik Tik = T11 + T22 + T33 − T44 ≈ −T44 die Gleichung R44 =

1 κμc2 . 2

(11.3)

11.2 Die Newton’sche Gravitationsfeldgleichung

133

Wegen (i) reduziert sich die Formel (10.9) für den Krümmungstensor zunächst auf den Ausdruck l l R l nik = nk,i − ni,k ,

(11.4)

da die Christoffel-Symbole (10.10) gemäß (11.1) durch i mn =

1 ij g ( f jm,n + f jn,m − f mn, j ) 2

(11.5)

gegeben und ihre Produkte somit vernachlässigbar sind. Durch Einsetzen von (11.5) in (11.4) erhalten wir, wiederum unter Verwendung von (i), R l nik =

1 lj η ( f jk,ni + f ni, jk − f nk,i j − f i j,nk ) 2

(11.6)

und damit gemäß (10.3) R44 = R i 4i4 =

1 ij η ( f j4,4i + f 4i, j4 − f 44,i j − f i j,44 ). 2

(11.7)

Mit der Voraussetzung (ii) reduziert sich diese Formel auf 1 1 R44 = − ηαβ f 44,αβ ≡ − Δf 44 , 2 2

(11.8)

wobei α, β = 1, 2, 3. Zusammen mit (11.3) folgt die Poisson-Gleichung Δf 44 = −κμc2 ,

(11.9)

ΔU = 4π G μ

(11.10)

die mit der Gleichung

für das Newton’sche Gravitationspotenzial U übereinstimmt, wenn wir f 44 = −

κc2 U 4π G

(11.11)

setzen. Dass diese Gleichsetzung (bei geeigneter Fixierung der Konstanten κ) wirklich gerechtfertigt ist, wird der nächste Abschnitt zeigen.

134

11.3

11 Der Newton’sche Grenzfall

Die Newton’sche Bewegungsgleichung

Wir beginnen mit der Bewegungsgleichung für ein kräftefreies Testteilchen in der ART, also der Geodätengleichung m n d2xi i dx dx = − . mn dτ 2 dτ dτ

(11.12)

Wegen der Voraussetzung (iv), s. Abschn. 11.1, gilt τ ≈ t und die dominierende Komponente der Vierergeschwindigkeit ist u 4 ≈ c. Auf der rechten Seite dominiert also der Summand mit m = n = 4, und für die ersten drei Komponenten der Bewegungsgleichung folgt näherungsweise d2xα α = −c2 44 . dt 2

(11.13)

Mit (11.5) und den Voraussetzungen (i) und (ii) erhalten wir d2xα 1 = c2 ηαβ f 44,β 2 dt 2

(11.14)

1 d 2 r = c2 grad f 44 . dt 2 2

(11.15)

bzw.

Diese Gleichung stimmt mit der Newton’schen Bewegungsgleichung d 2 r = −grad U dt 2

(11.16)

überein, falls wir f 44 = −

2U c2

(11.17)

setzen. Wir haben also wie im vorigen Abschnitt eine einfache Proportionalität von f 44 und U gefunden. Die Formeln (11.11) und (11.17) sind genau dann identisch, wenn 8π G (11.18) κ= 4 c gewählt wird. Mit dieser Wahl der Einstein’schen Gravitationskonstanten κ folgt somit die Newton’sche Gravitationstheorie, charakterisiert durch die Gl. (11.10) und (11.16), näherungsweise aus der Einstein’schen Theorie, wenn die Voraussetzungen (i)–(iv) erfüllt sind. Gemäß (11.1) und (11.17) ergibt sich im Newton’schen Grenzfall der Zusammenhang

Aufgaben

135

  2U mit |U |  c2 . g44 = − 1 + 2 c

(11.19)

Das vollständige Linienelement kann im Rahmen dieser Näherung in der Form     2U 2U ds 2 = 1 − 2 (d x 2 + dy 2 + dz 2 ) − 1 + 2 c2 dt 2 c c

(11.20)

geschrieben werden, s. Aufgabe 11.1.

Aufgaben 11.1 Überzeugen Sie sich davon, dass die durch das Linienelement (11.20) gegebene Metrik eine Näherungslösung der Einstein’schen Feldgleichungen im Rahmen der Voraussetzungen des Newton’schen Grenzfalls darstellt! Lösung Mit den einzigen nichtverschwindenden Komponenten f 11 = f 22 = f 33 = f 44 = −2U/c2 von f ik folgt für den Ricci-Tensor Rnk = R i nik gemäß (11.6) unter Vernachlässigung von Ableitungen nach x 4 = ct ⎛

Rnk

1 ⎜0 1 = 2 ΔU ⎜ ⎝0 c 0

0 1 0 0

0 0 1 0

⎞ 0 0⎟ ⎟. 0⎠ 1

Der Ricci-Skalar ist somit näherungsweise durch R = ηnk Rnk = 2ΔU/c2 gegeben, woraus für den Einstein-Tensor gemäß (10.2) und gik ≈ ηik folgt, dass seine 44-Komponente dominiert und durch G 44 ≈ 2ΔU/c2 bestimmt ist. Mit der dominierenden Komponente T44 ≈ μc2 des Energie-Impuls-Tensors sind die EinsteinGleichungen G ik = κ Tik für κ = 8π G/c4 also in führender Ordnung erfüllt, wenn die Poisson-Gleichung ΔU = 4π G μ gilt. 11.2 Leiten Sie aus der Geodätengleichung für die Bewegung eines Testteilchens im Minkowski-Raum bei Verwendung der Koordinaten eines mit konstanter Winkelgeschwindigkeit rotierenden Bezugssystems, vgl. Aufgabe 2.2, die Newton’sche Bewegungsgleichung im rotierenden System her! Lösung Mit dem in Aufgabe 2.2 bestimmten Linienelement (hier ohne „Schlangen“) ds 2 = d 2 + 2 dϕ 2 + 2Ω 2 dϕ dt + dz 2 − (c2 − Ω 2 2 )dt 2

136

11 Der Newton’sche Grenzfall

folgt die Geodätengleichung aus der Lagrange-Funktion F = ˙ 2 + 2 ϕ˙ 2 + 2Ω 2 ϕ˙ t˙ + z˙ 2 − (c2 − Ω 2 2 )t˙2 , wobei ein Punkt die Ableitung nach der Eigenzeit τ bezeichnet. Gemäß (9.18) mit λ = τ erhalten wir als Gleichungen für (τ ), ϕ(τ ) und z(τ )

¨ − ϕ˙ 2 = 2Ω ϕ˙ t˙ + Ω 2 t˙2 , ϕ¨ + 2 ˙ ϕ˙ = −2Ω ˙ t˙ − Ω t¨ und z¨ = 0. Für die Newton’sche Näherung setzen wir voraus, dass die Geschwindigkeit des Teilchens bezogen auf das Inertialsystem klein gegen die Lichtgeschwindigkeit ist. Das gilt dann auch im rotierenden System, denn wir fordern natürlich zusätzlich Ω  c. Es sei darauf hingewiesen, dass die Zeitkoordinate t im rotierenden System mit der im Inertialsystem übereinstimmt, vgl. Aufgabe 2.2. Wir können somit näherungsweise τ = t, t˙ = 1 und t¨ = 0 setzen und erhalten

¨ − ϕ˙ 2 = 2Ω ϕ˙ + Ω 2 , ϕ¨ + 2 ˙ ϕ˙ = −2Ω ˙ und z¨ = 0. Das sind die bekannten Formeln für die Komponenten der Coriolis- und Zentrifugalbeschleunigung in Zylinderkoordinaten. Sowohl die Terme mit den ersten Ableitungen auf den linken Seiten, die ihren Ursprung in der Benutzung krummliniger Koordinaten haben, als auch die Komponenten der Trägheitsbeschleunigung auf den rechten Seiten rühren de facto von den Christoffel-Symbolen in der Bewegungsgleichung (11.12) her, deren direkte Berechnung wir dank der eleganten Herleitung der Geodätengleichung über die Lagrange-Funktion eingespart haben. 11.3 Diskutieren Sie die Gleichung der geodätischen Abweichung, s. Aufgabe 10.1, im Newton’schen Grenzfall! Lösung In Aufgabe 10.1 haben wir die Formel D2 χ a = R a bcd u b u c χ d dτ 2 für den infinitesimalen Vierer-Abstandsvektor χ a (τ ) zweier sich auf benachbarten Geodäten bewegender Testteilchen hergeleitet. Unter den Voraussetzungen des Newton’schen Grenzfalls gilt in einem Koordinatensystem gemäß (11.1) erstens D2 χ a d 2χ a ≈ dτ 2 dt 2 und zweitens R a bcd u b u c χ d ≈ c2 R a 44d χ d .

Aufgaben

137

Mit (11.6) folgt bei Vernachlässigung von Ableitungen nach x 4 näherungsweise R a 44d =

1 aβ η f 44,βd (β = 1, 2, 3), 2

wobei die Komponente mit d = 4 ihrerseits vernachlässigbar ist. Für die ersten drei Komponenten des Abstandsvektors folgt somit die Gleichung 1 d 2χ α = c2 ηαβ f 44,βγ χ γ (α, γ = 1, 2, 3), dt 2 2 die wir mit (11.17) in die endgültige Form d 2 χα = −U,αβ χ β dt 2 bringen können. Diese Gleichung erhalten wir tatsächlich auch im Rahmen der Newton’schen Theorie, wenn wir die Bewegungsgleichungen der beiden infinitesimal benachbarten Teilchen d 2 (xα + χα ) d 2 xα = −U,α (x β ) und = −U,α (x β + χ β ) 2 dt dt 2 unter Verwendung der Taylorentwicklung des Gradienten des Potenzials bis zur ersten Ordnung, U,α (x β + χ β ) = U,α (x β ) + U,αβ (x γ )χ β , voneinander abziehen. Die Hesse-Matrix U,αβ charakterisiert die „Gezeitenwirkung“ des Newton’schen Gravitationsfeldes und stellt gewissermaßen das Analogon zum Riemann’schen Krümmungstensor dar. 11.4 Diskutieren Sie das Variationsprinzip (9.27) für die Bewegung eines kräftefreien Testteilchens im Newton’schen Grenzfall! Lösung Aus (11.20) folgt mit ds 2 = −c2 dτ 2

  2U 2U v 2 dτ = dt 1 + 2 − 1 − 2 mit v = c c c2



dx dt

2

 +

Mit |U |  c2 und v  c erhalten wir näherungsweise   U v2 dτ = dt 1 + 2 − 2 , c 2c und die in (9.27) gegebene Wirkung S = −m 0 c2 dτ ergibt S = (L − m 0 c2 )dt

dy dt

2

 +

dz dt

2 .

138

11 Der Newton’sche Grenzfall

mit der Lagrange-Funktion m0 2 v − m 0 U. 2 Das Variationsprinzip (9.27) führt also zum Hamilton’schen Prinzip der kleinsten Wirkung für die Bewegung eines Teilchens im Newton’schen Gravitationsfeld. (Der 2 konstante Term −m 0 c im Integranden spielt bei der Variation keine Rolle; δS = 0 ist äquivalent zu δ Ldt = 0.) L=

Die Schwarzschild-Lösung

12

Inhaltsverzeichnis 12.1 Ricci-Tensor einer kugelsymmetrischen Metrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Auswertung der Vakuum-Feldgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Eigenschaften der Schwarzschild-Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139 141 143 145

Zusammenfassung

Viele Himmelskörper wie Planeten und Sterne sind nahezu kugelförmig; und das Universum ist nahezu isotrop. Somit wird die das Gravitationsfeld im Außenraum eines solchen Himmelskörpers beschreibende Raumzeit nahezu kugelsymmetrisch sein. Mit dieser Motivation bestimmen wir jetzt die allgemeine kugelsymmetrische Lösung der Vakuum-Einstein-Gleichungen. Diese nach Karl Schwarzschild benannte Lösung hat einen einzigen freien Parameter, den „Schwarzschild-Radius“ rS . Die Lösung ist statisch, sofern für die SchwarzschildRadialkoordinate r > rS gilt. Für r → ∞ geht die Metrik gegen die MinkowskiMetrik – die Schwarzschild-Lösung ist „asymptotisch flach“. Für r  rS sind die Voraussetzungen des Newton’schen Grenzfalls erfüllt, und durch Vergleich mit der Newton’schen Lösung kann ein Zusammenhang zwischen dem Parameter rS und der bei dieser Gelegenheit definierbaren Gesamtmasse M der Quelle des Gravitationsfeldes hergestellt werden.

12.1

Ricci-Tensor einer kugelsymmetrischen Metrik

Unter sehr schwachen (in unserem Kontext erfüllten) Voraussetzungen kann man beweisen, dass das Linienelement im kugelsymmetrischen Fall durch geeignete Koordinatenwahl auf die folgende Form gebracht werden kann [siehe z. B. Hawking und Ellis (1973)]:

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_12

139

140

12 Die Schwarzschild-Lösung

Definition 12.1 (Schwarzschild-Form des Linienelementes) ds 2 = eλ(r,t) dr 2 + r 2 (dϑ 2 + sin2 ϑ dϕ 2 ) − eν(r,t) c2 dt 2 .

(12.1) 

Die Koordinaten r , ϑ, ϕ und ct nennt man auch „Schwarzschild-Koordinaten“. Die metrischen Koeffizienten g11 = eλ und g44 = −eν müssen entgegengesetzte Vorzeichen haben, damit eine Lorentz-Metrik vorliegt, vgl. Kap. 8. Wir werden noch sehen, dass allerdings nicht immer g11 > 0 und g44 < 0 gelten muss, wie es durch die hier gewählten Bezeichnungen suggeriert wird. Die Flächen r = const., t = const. werden in diesen Koordinaten durch das vertraute Kugelflächen-Linienelement ds 2 = r 2 (dϑ 2 + sin2 ϑ dϕ 2 ) beschrieben, und ihr Flächeninhalt ist demzufolge durch den gewohnten Ausdruck 4πr 2 gegeben. Es sei angemerkt, dass sich die Eigenschaft der Kugelsymmetrie auch in koordinatenunabhängiger Weise charakterisieren lässt. Näheres dazu findet sich in Kap. 18, siehe insbesondere Aufgabe 18.3 (b). Um die Einstein-Gleichungen auswerten zu können, gilt es nun, den Ricci-Tensor j

j

n n − in,k +  njn ik −  njk in Rik = Rnink = ik,n

(12.2)

für die Metrik (12.1) zu berechnen. Die Berechnung der Christoffel-Symbole ist Gegenstand von Aufgabe 12.1. Unter Verwendung der dort zu findenden Ergebnisse [einschließlich der Bezeichnungen für die Ableitungen: Punkt für ∂/∂(ct) und Strich für ∂/∂r ] folgt für die nichtverschwindenden Komponenten des Ricci-Tensors bei Nummerierung der Koordinaten gemäß x 1 = r , x 2 = ϑ, x 3 = ϕ und x 4 = ct R11 = eλ−ν



 1 1 1 1 λ λ¨ + λ˙ (λ˙ − ν˙ ) − ν  + ν  (λ − ν  ) + , 2 4 2 4 r

  r R22 = 1 − e−λ 1 + (ν  − λ ) , 2

R44 = eν−λ



(12.3)

R33 = sin2 ϑ R22 ,

(12.4)

 1 1 1  1   ν ˙ λ˙ − ν˙ ) − λ¨ − λ( ν − ν (λ − ν  ) + 2 4 r 2 4

(12.5)

λ˙ (= R41 ). r

(12.6)

und R14 =

12.2 Auswertung der Vakuum-Feldgleichungen

12.2

141

Auswertung der Vakuum-Feldgleichungen

Die Einstein’schen Feldgleichungen lauten im Vakuum, s. Kap. 10, einfach Rik = 0.

(12.7)

Somit müssen alle für die Metrik (12.1) nicht von vornherein verschwindenden Komponenten des Ricci-Tensors (12.3–12.6) gleich null gesetzt werden. Aus R14 = 0 folgt λ˙ = 0, d. h. λ = λ(r ). Mit R22 = 0 schließen wir, dass ν  nur von r abhängt, woraus durch Integration ν(r, t) = ν1 (r ) + ν2 (t)

(12.8)

folgt. Der Term −eν(r,t) c2 dt 2 im Linienelement (12.1) nimmt damit die Gestalt −eν(r,t) c2 dt 2 = −eν1 (r ) eν2 (t) c2 dt 2

(12.9)

an. Durch eine einfache Koordinatentransformation t˜ = t˜(t) können wir d t˜ = eν2 (t)/2 dt

(12.10)

−eν(r,t) c2 dt 2 = −eν1 (r ) c2 d t˜ 2

(12.11)

und damit

erreichen, ohne die restlichen Terme des Linienelementes zu verändern. Nennen wir jetzt ν1 (r ) einfach wieder ν(r ) und t˜ wieder t, folgt ds 2 = eλ(r ) dr 2 + r 2 (dϑ 2 + sin2 ϑ dϕ 2 ) − eν(r ) c2 dt 2 .

(12.12)

Unter Verwendung der Einstein’schen Vakuum-Gleichungen haben wir damit gezeigt, dass die Metrik bei dieser Koordinatenwahl nicht von t abhängt und auch invariant gegenüber der Spiegelungsoperation t → −t ist. Das ist die Aussage des sogenannten „Birkhoff-Theorems“. Solange eν(r ) > 0 gilt und t damit wirklich eine „zeitartige“ Koordinate ist (s. Kap. 15), heißt das in koordinatenunabhängiger Formulierung, dass die Raumzeit im betrachteten Bereich statisch ist. Eine wichtige physikalische Folgerung sei an dieser Stelle schon genannt: • Ein unter Wahrung der Kugelsymmetrie pulsierender oder kollabierender Stern erzeugt keine Abstrahlung von Gravitationswellen. Hier liegt eine bemerkenswerte Analogie zur Elektrodynamik vor, wo ebenfalls gilt, dass eine kugelsymmetrische Ladungs- und Stromverteilung keine elektromagnetischen Wellen abstrahlen kann.

142

12 Die Schwarzschild-Lösung

Da das Linienelement (12.12) direkt aus (12.1) durch die Spezialisierung λ = λ(r ) und ν = ν(r ) hervorgeht, können wir die Ausdrücke (12.3–12.6) für die Komponenten des Ricci-Tensors – bei Weglassung der Terme mit den partiellen Ableitungen nach t – zur weiteren Auswertung der Vakuum-Einstein-Gleichungen verwenden. R14 = 0 ist bereits erfüllt; somit verbleiben die Gleichungen 1  1   λ ν − ν (λ − ν  ) − = 0, 2 4 r

(12.13)

  r 1 − e−λ 1 + (ν  − λ ) = 0 2

(12.14)

ν 1  1   ν − ν (λ − ν  ) + = 0. 2 4 r

(12.15)

und

Die Differenz von (12.13) und (12.15) ergibt ν  = −λ

(12.16)

ν = −λ.

(12.17)

und damit durch Integration

[Eine Integrationskonstante kann durch Multiplikation der Koordinate t mit einem konstanten Skalierungsfaktor „beseitigt“ werden, vgl. (12.8)–(12.11).] Die Ableitung von (12.14) nach r ergibt mit (12.16) gerade die Summe von (12.13) und (12.15); somit müssen wir uns nur noch mit Gl. (12.14) beschäftigen. Einsetzen von ν = −λ liefert als Bestimmungsgleichung für e−λ = eν die lineare gewöhnliche Differenzialgleichung erster Ordnung  ν  1 ν 1 e + e = , r r

(12.18)

deren allgemeine Lösung offensichtlich durch eν = 1 −

rS r

(12.19)

gegeben ist. Die Integrationskonstante rS , den einzigen freien Parameter, nennt man „Schwarzschild-Radius“. Die allgemeine kugelsymmetrische Lösung der Einstein’schen Vakuum-Feldgleichungen kann somit durch das Linienelement ds 2 =

dr 2 + r 2 (dϑ 2 + sin2 ϑ dϕ 2 ) − (1 − rS /r )c2 dt 2 1 − rS /r

(12.20)

12.3 Eigenschaften der Schwarzschild-Lösung

143

beschrieben werden. Diese heute allgemein als „Schwarzschild-Lösung“ bezeichnete Lösung wurde von Schwarzschild (1916a) und Droste (1917) unabhängig voneinander gefunden. Eine andere interessante Form dieser Lösung erhält man durch die Einführung einer alternativen Radialkoordinate r˜ gemäß

r S 2 . r = r˜ 1 + 4˜r

(12.21)

Das Linienelement nimmt dann die Gestalt r S 4 ds = 1 + [d r˜ 2 + r˜ 2 (dϑ 2 + sin2 ϑ dϕ 2 )] − 4˜r

2



1 − rS /4˜r 1 + rS /4˜r

2 c2 dt 2 (12.22)

an und kann unter Verwendung der Koordinaten x˜ = r˜ sin ϑ cos ϕ,

y˜ = r˜ sin ϑ sin ϕ, z˜ = r˜ cos ϑ

(12.23)

auch als



r S 4 1 − rS /4˜r 2 2 2 ds 2 = 1 + (d x˜ 2 + d y˜ 2 + d z˜ 2 ) − c dt 4˜r 1 + rS /4˜r mit r˜ =



x˜ 2 + y˜ 2 + z˜ 2

(12.24)

(12.25)

geschrieben werden. Man bezeichnet (12.24) als die Schwarzschild-Metrik in „isotropen Koordinaten“. Der Flächeninhalt der Kugelflächen t = const., r˜ = const. (˜r = const. bedeutet auch r = const.) ist durch

rS 4 = 4πr 2 4π r˜ 2 1 + 4˜r

(12.26)

gegeben. Radiale Abstände (dϑ = dϕ = dt = 0) berechnen sich gemäß

r S 2 dr ds = 1 + d r˜ = √ . 4˜r 1 − rS /r

12.3

(12.27)

Eigenschaften der Schwarzschild-Lösung

Die Metrik (12.20) wird für r = 0 und r = rS offensichtlich singulär, wir setzen deshalb zunächst r > 0 und r > rS

(12.28)

144

12 Die Schwarzschild-Lösung

voraus. Dann gilt g11 > 0 und g44 < 0. Die Koordinate t ist damit wirklich zeitartig, und die Raumzeit ist statisch. [Unter dieser Voraussetzung gibt es auch keine Probleme mit der Wurzel in Formel (12.27).] Für r → ∞ geht das Linienelement (12.20) gegen ds 2 = dr 2 + r 2 (dϑ 2 + sin2 ϑ dϕ 2 ) − c2 dt 2 ,

(12.29)

das Linienelement des Minkowski-Raums (in Kugelkoordinaten). Eine Raumzeit mit dieser Eigenschaft nennt man „asymptotisch flach“. Es sei hervorgehoben, dass wir diese Eigenschaft bei der Herleitung der Schwarzschild-Lösung nicht vorausgesetzt haben. Sie hat sich zwangsläufig ergeben, ebenso wie die Eigenschaft der Statik. Etwas lax können wir also insgesamt formulieren: • Unter den Voraussetzungen Kugelsymmetrie und Vakuum folgen aus den Einstein-Gleichungen die Eigenschaften Statik und asymptotische Flachheit. Für hinreichend große Werte von r (im „Fernfeld“), genauer gesagt für r  |rS |, sind damit die im Kap. 11 behandelten Voraussetzungen (i), (ii) und (iii) des Newton’schen Grenzfalls erfüllt, und wir erhalten mit Formel (11.19) für das Newton’sche Gravitationspotenzial c2 rS . (12.30) 2r Andererseits gilt in der Newton’schen Theorie im Außenraum einer kugelsymmetrischen Massenverteilung mit der Gesamtmasse M die Formel U =−

U =−

GM . r

(12.31)

Durch den Vergleich beider Formeln finden wir die Beziehung rS =

2G M . c2

(12.32)

Der Schwarzschild-Radius rS hängt also in einfacher Weise mit der „Gesamtmasse“ M der Quelle des Gravitationsfeldes zusammen, die wir bei dieser Gelegenheit durch das Verhalten der Metrik im Fernfeld definiert haben. Unter sehr allgemeinen Voraussetzungen kann man beweisen, dass M ≥ 0 und somit also auch rS ≥ 0 gilt. Für rS = 0 reduziert sich die Schwarzschild-Lösung auf den Minkowski-Raum. Die Vakuum-Lösung gilt nur im Außenraum r > r0 , wobei r0 den Wert der Radialkoordinate r an der Oberfläche des betrachteten kugelsymmetrischen Himmelskörpers bezeichnet. Für Sterne und Planeten im Gleichgewicht ist immer r0 > rS ; die kritischen Stellen r = rS und r = 0 der Metrik (12.20) sind also nicht relevant. Für normale Sterne und Planeten gilt sogar r0  rS . Für die Sonne folgt aus (12.32) zum Beispiel ein Wert von rS ≈ 3 km, für die Erde rS ≈ 9 mm. Unter solchen Umständen liefert die ART nur kleine, aber dennoch sehr interessante Effekte, mit denen wir uns

Aufgaben

145

im folgenden Kapitel beschäftigen werden. Für Neutronensterne, deren Struktur und Gravitationsfeld wesentlich durch ART-Effekte beeinflusst wird, ist das Verhältnis r0 /rS nicht mehr viel größer als 1, s. Kap. 14. Besonders spannend wird es aber, wenn infolge eines unaufhaltsamen Gravitationskollapses ein „Schwarzes Loch“ entsteht und die Schwarzschild-Lösung auch für r ≤ rS relevant wird. Das behandeln wir im Kap. 15.

Aufgaben 12.1 Berechnen Sie die Christoffel-Symbole für die Metrik (12.1)! Lösung Man kann die Christoffel-Symbole natürlich direkt mit Hilfe der Formel (8.35) bestimmen. Wir wollen hier die bereits im Abschn. 9.2 erwähnte Möglichkeit nutzen, die Christoffel-Symbole durch Vergleich der aus der Lagrange-Funktion F = gik

dxi dxk dτ dτ

folgenden Geodätengleichung ∂F d ∂F =0 − dτ ∂(d x i /dτ ) ∂ x i

(i = 1, 2, 3, 4)

mit j k d2xi i dx dx +  =0 jk dτ 2 dτ dτ

zu gewinnen. Aus (12.1) folgt F =e

λ



dr dτ

2

+r

2

dϑ dτ

2

+ r sin ϑ 2

2

dϕ dτ

2 −e

ν



d(ct) dτ

2 .

Mit x 1 = r , x 2 = ϑ, x 3 = ϕ und x 4 = ct sowie der Bezeichnung von ∂/∂r durch einen Strich und ∂/∂(ct) durch einen Punkt erhalten wir für i = 1 d dτ



2eλ

2

2 2 dr d(ct) 2 dr dϑ dϕ −λ eλ −2r −2r sin2 ϑ +ν  eν = 0. dτ dτ dτ dτ dτ

Mit dλ/dτ = λ dr/dτ + λ˙ d(ct)/dτ folgt 1 d 2r + λ 2 dτ 2



2

dr d(ct) − r e−λ dτ dτ

d(ct) 2 1 + ν  eν−λ = 0. 2 dτ dr dτ

+ λ˙



dϑ dτ

2 − r sin ϑ e 2

−λ



dϕ dτ

2

146

12 Die Schwarzschild-Lösung

Unter Beachtung der Symmetrie der Christoffel-Symbole in den beiden unteren Indizes lesen wir 1 = 11

1  1 1 1 1 1 1 ˙ 22 = λ, = −r e−λ , 33 = −r sin2 ϑ e−λ und 44 = ν  eν−λ λ , 14 2 2 2

ab. Analog erhält man durch Auswertung der Gleichungen für i = 2, 3, 4 die weiteren Christoffel-Symbole 2 = 12

1 1 2 3 3 = − sin ϑ cos ϑ, 13 = , 23 = cot ϑ, , 33 r r

4 = 11

1 λ−ν 1 1 4 4 = ν  und 44 = ν˙ . λ˙ e , 14 2 2 2

Somit sind von den 40 unabhängigen Christoffel-Symbolen nur 12 von null verschieden, die restlichen 28 Symbole verschwinden. Ein Vorteil der hier angewendeten Methode besteht gerade darin, dass man sich nicht um die verschwindenden Christoffel-Symbole kümmern muss. 12.2 Berechnen Sie den sogenannten Kretschmann-Skalar Rabcd R abcd für die Schwarzschild-Lösung! Lösung Für die Schwarzschild-Metrik (12.20) erhalten wir unter Verwendung der Ergebnisse von Aufgabe 12.1 mit eν = e−λ = 1 − rS /r die nichtverschwindenden ChristoffelSymbole 1 =− 11

2 = 12

rS rS (r − rS ) 1 1 1 = rS − r, 33 = (rS − r ) sin2 ϑ, 44 = , , 22 2r (r − rS ) 2r 3

1 1 rS 2 3 3 4 = − sin ϑ cos ϑ, 13 = , 23 = cot ϑ, 14 = , 33 . r r 2r (r − rS )

Damit kann man durch Geradeausrechnung alle Komponenten des Krümmungstensors berechnen. Es stellt sich heraus, dass von den in Aufgabe 10.2 (b) betrachteten Kombinationen der Indexpaare (ln) und (ik) des Krümmungstensors Rlnik hier nur die Kombinationen mit (ln) = (ik) von null verschiedene Werte von Rlnik liefern. Unter Ausnutzung der Symmetrierelationen (10.12) ergibt sich somit  Rabcd R abcd = 4 R1212 R 1212 + R1313 R 1313 + R1414 R 1414 + R2323 R 2323 + R2424 R 2424 + R3434 R 3434 .

Aufgaben

147

Unter Beachtung der vorliegenden Diagonalmetrik (12.20) folgt für die einzelnen Summanden mit Formel (10.9) und den oben angegebenen Christoffel-Symbolen  1 2  1 2 R 212 R 313 (rS )2 (rS )2 1212 1313 R1212 R = = , R1313 R = 4 4 = , 4 6 r 4r 4r 6 r sin ϑ 

R1414 R

 2 2 2 R 1 414 R 323 (rS )2 (rS )2 2323 = = , R R = , = 2323 (1 − rS /r )2 r6 r6 r 4 sin4 ϑ  2 2  3 2 R 424 R 434 (rS )2 (rS )2 3434 = = , R3434 R = = . 2 6 2 (1 − rS /r ) 4r (1 − rS /r ) 4r 6

1414

R2424 R 2424

Damit erhalten wir als Ergebnis für den Kretschmann-Skalar der SchwarzschildLösung

(rS )2 4(rS )2 1 1 1 1 abcd Rabcd R = 12 = . + + 1 + 1 + + r6 4 4 4 4 r6 12.3 Diskutieren Sie die Schwarzschild-Metrik in isotropen Koordinaten, s. (12.24), für große Werte von r˜ im Sinne des Newton’schen Grenzfalls! Lösung Für r˜  rS gilt

rS r S 4 ≈1+ 1+ und 4˜r r˜



1 − rS /4˜r 1 + rS /4˜r

2 ≈1−

rS . r˜

Das Linienelement (12.24) geht damit näherungsweise in die Gestalt



rS rS 2 2 (d x˜ 2 + d y˜ 2 + d z˜ 2 ) − 1 − c dt ds 2 = 1 + r˜ r˜ mit r˜ =



x˜ 2 + y˜ 2 + z˜ 2

über und hat damit (bei Weglassen der „Schlangen“) genau die Form (11.20) mit U = −c2 rS /2r = −G M/r für rS = 2G M/c2 . Es sei darauf hingewiesen, dass der metrische Koeffizient g44 in (12.20) und (12.24) übereinstimmt, da er durch die Koordinatentransformation (12.21) nicht beeinflusst wird (abgesehen davon, dass r durch r˜ auszudrücken ist):

1 − rS /4˜r 2 . −(1 − rS /r ) = − 1 + rS /4˜r Für r˜  rS gilt im Übrigen auch r  rS sowie rS /˜r ≈ rS /r .

Die klassischen Effekte der ART

13

Inhaltsverzeichnis 13.1 Periheldrehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Lichtablenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Rotverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149 155 157 160

Zusammenfassung

Indem wir zeitartige und lichtartige Geodäten in der Schwarzschild-Raumzeit untersuchen, können wir die drei „klassischen Effekte der ART“ – die Periheldrehung des Merkurs, die Lichtablenkung an der Sonne und die gravitative Rotverschiebung – berechnen. Die ART-bedingte Drehung des Merkurperihels um etwa 43 pro Jahrhundert führt zu einer geringfügigen Vergrößerung eines infolge des Einflusses der anderen Planeten bereits im Rahmen der Newton’schen Theorie vorhandenen Effektes. Die quantitative Übereinstimmung dieses ART-Effektes mit den genauen astronomischen Beobachtungen war von Anfang an ein ganz starkes empirisches Argument für die Richtigkeit der Einstein’schen Theorie. Die von der ART vorhergesagten Effekte der Lichtablenkung und gravitativen Rotverschiebung konnten ebenfalls experimentell bestätigt werden. Inzwischen gibt es eine Vielzahl astronomischer Beobachtungen, die nur mit Hilfe der ART zu verstehen sind.

13.1

Periheldrehung

Wir modellieren jetzt die Raumzeit im Außenraum der Sonne durch die Schwarzschild-Metrik (12.20) mit rS = 2G M/c2 (M: Sonnenmasse). Einen Planeten der Masse m 0 können wir in hinreichender Näherung durch ein Testteilchen beschreiben, da m 0  M gilt. Der Planet bewegt sich somit auf einer zeitartigen Geodäte, vgl. Kap. 9, und die Bewegungsgleichungen folgen aus der LagrangeFunktion © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_13

149

150

13 Die klassischen Effekte der ART

 d(ct) 2 . dτ (13.1) Aus Symmetriegründen können wir uns o. B. d. A. auf eine Bewegung in der „Ebene“ ϑ = π/2 beschränken: Die Gleichung F=

1 1 − rS /r



dr dτ

2



+ r2

dϑ dτ

2



+ r 2 sin2 ϑ

dϕ dτ

2



− (1 − rS /r )

∂F d ∂F − =0 dτ ∂(dϑ/dτ ) ∂ϑ liefert



dϑ 2r dτ

d dτ



 − 2r sin ϑ cos ϑ

2

2

(13.2)

dϕ dτ

2 =0

(13.3)

und ist offensichtlich für ϑ ≡ π/2 erfüllt. Für die Herleitung der restlichen Bewegungsgleichungen können wir damit von der reduzierten Lagrange-Funktion 1 F= 1 − rS /r



dr dτ



2 +r

2

dϕ dτ

2



d(ct) − (1 − rS /r ) dτ

2 (13.4)

ausgehen. Die Vierergeschwindigkeit ist durch  ui =

dr dϕ d(ct) , 0, , dτ dτ dτ

 (13.5)

gegeben. Da F nicht von ct und ϕ abhängt (in der Sprache der theoretischen Mechanik handelt es sich um „zyklische Koordinaten“), folgt die Konstanz von ∂F ∂F und , ∂[d(ct)/dτ ] ∂(dϕ/dτ ) also

 dϕ rS  d(ct) = const. und B ≡ r 2 = const., (13.6) A ≡ 1− r dτ dτ wobei die Erhaltungsgrößen A und B unmittelbar mit zwei unteren Komponenten des Viererimpulses pi = m 0 u i zusammenhängen: p3 = m 0 B,

p4 = −m 0 A.

(13.7)

Die Konstanz dieser Komponenten ist der allgemein-relativistische Ausdruck der Drehimpuls- und Energieerhaltung, siehe auch Aufgabe 13.1. Ein weiteres „erstes Integral“ ist durch die Formel F = gik u i u k = −c2 , also 1 1 − rS /r



dr dτ



2 + r2

dϕ dτ

2

 − (1 − rS /r )

d(ct) dτ

2 = −c2

(13.8)

13.1 Periheldrehung

151

gegeben. Durch Einsetzen der aus (13.6) folgenden Ausdrücke für dϕ/dτ und d(ct)/dτ in (13.8) gewinnt man eine Differenzialgleichung für r (τ ) allein, s. Aufg. 13.2, die durch Trennung der Variablen gelöst werden kann. Unter nochmaliger Verwendung von (13.6) kann man dann auch ϕ(τ ) und ct (τ ) berechnen. Unser Ziel besteht jetzt in der Herleitung einer Bestimmungsgleichung für die Funktion r = r (ϕ). Dabei verwenden wir die Substitution r=

1 , u

(13.9)

die sich schon bei der Beschreibung der Planetenbewegung in der Newton’schen Mechanik als nützlich erwiesen hat. Mit (13.6) folgt zunächst dϕ = Bu 2 , dτ

d(ct) A = dτ 1 − rS u

(13.10)

und dr du dr dϕ 1 du = =− 2 Bu 2 = −B . (13.11) dτ dϕ dτ u dϕ dϕ Setzen wir diese Ausdrücke für dr/dτ , dϕ/dτ und d(ct)/dτ in (13.8) ein, folgt nach Multiplikation mit (1 − rS u) B 2 (u  )2 + B 2 u 2 (1 − rS u) − A2 = −c2 (1 − rS u),

(13.12)

wobei ein Strich die Ableitung nach ϕ kennzeichnet. Diese Differenzialgleichung kann durch Trennung der Variablen gelöst werden. [Man erhält dann ϕ(u) als elliptisches Integral und daraus durch Umkehrung u(ϕ) als elliptische Funktion.] Ein anderer interessanter Lösungsweg ist der folgende: Wir leiten (13.12) nach ϕ ab und erhalten 2B 2 u  u  + 2B 2 uu  − 3B 2 rS u 2 u  = c2 rS u  , woraus für

B2u

(13.13)

= 0

c2 rS 3rS 2 + (13.14) u 2 2B 2 folgt, wobei man sich davon überzeugen kann, dass die spezielle Lösung u  = 0, die Kreisbahnen beschreibt, nicht verloren geht, s. Aufg. 13.2. Mit rS = 2G M/c2 lautet unsere Bestimmungsgleichung für u(ϕ) also u  + u =

u  + u =

GM 3G M 2 + u . B2 c2

(13.15)

Der Term (3G M/c2 )u 2 = (3rS /2r )u ist wegen der im Außenraum der Sonne sehr gut erfüllten Beziehung r  rS klein im Vergleich zum auf der linken Seite stehenden Term u. Somit gilt näherungsweise die Newton’sche Gleichung (u 0 ) + u 0 =

GM , B2

(13.16)

152

13 Die klassischen Effekte der ART

deren Lösung durch GM (1 +  cos ϕ) (13.17) B2 gegeben ist, mit der (o. B. d. A. nichtnegativen) Integrationskonstanten . (Eine zweite, unwesentliche Integrationskonstante haben wir speziell gewählt: Man könnte ϕ auch durch ϕ − ϕ0 ersetzen.) Diese Lösung beschreibt bekanntlich Ellipsen (0 ≤  < 1), Parabeln ( = 1) oder Hyperbeln ( > 1). Wir setzen im Folgenden u0 =

0 rS statische) Schwarzschild-Metrik (12.20) an und erhalten νS = νE



1 − rS /r (PE ) . 1 − rS /r (PS )

(13.58)

Für r (PE ) > r (PS ) > rS

(13.59)

νE < νS .

(13.60)

gilt also Falls die Photonen von am Ort PS ruhenden Atomen emittiert werden, ist νS die Frequenz der jeweiligen charakteristischen Spektrallinie, wie sie ein an diesem Ort ruhender Beobachter S messen würde. Der Beobachter E misst somit eine kleinere Frequenz, also eine größere Wellenlänge. Bezieht man sich auf den sichtbaren Teil des Spektrums, liegt demnach eine Verschiebung in der Richtung „von blau nach rot“ vor, deshalb nennt man diesen Effekt „gravitative Rotverschiebung“. Durch die

160

13 Die klassischen Effekte der ART

Auswertung der beobachteten Spektrallinien von Sternen, zum Beispiel von Weißen Zwergen, kann man auf diese Weise bei bekannter Masse auf den Radius schließen. Der Effekt lässt sich sogar im Gravitationsfeld der Erde messen; ein berühmtes Experiment hierzu wurde 1960 mit Gammastrahlen unter Ausnutzung des MößbauerEffektes durchgeführt (Pound und Rebka 1960). Die Gültigkeit der Formel (13.57) kann heutzutage auch direkt mit Atomuhren verifiziert werden. Zum Abschluss dieses Kapitels über die „klassischen“ Effekte der ART wollen wir darauf hinweisen, dass es auch eine Vielzahl „moderner“ Effekte und Beobachtungen gibt, die die ART eindrucksvoll bestätigen. Dazu zählen Gravitationslinsenphänomene und insbesondere die Beobachtungen zu den Bewegungsabläufen von Binärpulsaren (Doppelsternsysteme bestehend aus zwei Neutronensternen), siehe zum Beispiel (Kramer und Wex 2009). Auf das aktuelle Thema „Gravitationswellen“ kommen wir im Kap. 17 zu sprechen.

Aufgaben 13.1 In einer statischen Raumzeit mit der Metrik (13.48) ist p4 = m 0 g44

dx4 dτ

eine Erhaltungsgröße bei der Bewegung eines kräftefreien Testteilchens mit der Ruhemasse m 0 = 0, vgl. (13.52), (13.53) und (13.54) mit λ → τ/m 0 . Diskutieren Sie die physikalische Bedeutung dieser Erhaltungsgröße im Newton’schen Grenzfall! Lösung Zunächst erinnern wir daran, dass im Spezialfall gik ≡ ηik (flache Raumzeit bzw. asymptotisch flacher Bereich einer Raumzeit) p 4 = E/c und p4 = −E/c gilt, die Größe E˜ ≡ −c p4 also die Bedeutung E˜ = E = m 0 c2 + T hat, vgl. Formel (5.33). Dabei ist T die kinetische Energie des Teilchens. Im Newton’schen Grenzfall können wir die Form (11.20) des Linienelementes verwenden, also     2U 2U ds 2 = 1 − 2 (d x 2 + dy 2 + dz 2 ) − 1 + 2 c2 dt 2 mit |U |  c2 , c c wobei in unserem Fall einer statischen Raumzeit U = U (x, y, z) gilt. Aus der Beziehung gik u i u k = −c2 für die Vierergeschwindigkeit  u = i

d x dy dz d(ct) , , , dτ dτ dτ dτ



dt = dτ



d x dy dz , , ,c dt dt dt



Aufgaben

161

des Testteilchens folgt mit v 2 ≡ (d x/dt)2 + (dy/dt)2 + (dz/dt)2 

dt dτ

2 

2U 1− 2 c





2U v − 1+ 2 c 2



c

2

= −c2 ,

woraus wir mit |U |  c2 und v  c dt U v2 ≈1+ 2 − 2 dτ 2c c und damit    2U v2 d(ct) U 2 ˜ 1+ 2 − 2 , ≈ m0c 1 + 2 E ≡ −c p4 = −m 0 c g44 dτ c 2c c also m0 2 E˜ ≈ m 0 c2 + v + m 0U 2 erhalten. Die Erhaltungsgröße E˜ − m 0 c2 ≡ −c ( p4 + m 0 c) erweist sich somit im Newton’schen Grenzfall als die Summe aus kinetischer und potenzieller Energie des Teilchens. 13.2 a) Leiten Sie durch Kombination der drei Erhaltungsgrößen A, B und F = −c2 , siehe (13.6) und (13.8), eine Gleichung der Form 1 2



dr dτ

2 + V (A, B, r ) = 0

für die Bewegung eines kräftefreien Testteilchens mit m 0 = 0 in der „Ebene“ ϑ = π/2 der Schwarzschild-Raumzeit her! Durch Ableitung nach τ folgt daraus unter der Voraussetzung dr/dτ = 0 die Gleichung d 2r dV =− . dτ 2 dr Begründen Sie, warum diese Gleichung auch ohne die genannte Voraussetzung gilt! b) Bestimmen Sie die Konstanten A und B für Kreisbahnen (charakterisiert durch r = const.) in Abhängigkeit von r ! Gibt es Kreisbahnen für alle r > rS ? c) Untersuchen Sie die Stabilität der Kreisbahnen! d) Gibt es Kreisbahnen, bei denen eine kleine Störung dazu führen kann, dass das Teilchen ins Unendliche (r → ∞) entweicht?

162

13 Die klassischen Effekte der ART

Lösung a) Einsetzen von (13.6) in (13.8) ergibt nach Multiplikation mit (1 − rS /r )/2 1 2



dr dτ

2 + V (A, B, r ) = 0

mit dem „effektiven Potenzial“   rS  2 B 2 A2 1 1− c + 2 − V (A, B, r ) = . 2 r r 2 Die durch Ableitung nach τ folgende Gleichung dV d 2r =− 2 dτ dr ist auch ohne die Voraussetzung dr/dτ = 0 gültig, da sie mit der ersten Komponente der Geodätengleichung, also i k d 2r 1 dx dx +  =0 ik dτ 2 dτ dτ

übereinstimmt, wovon man sich mit den in Aufgabe 12.2 zu findenden Christoffelsymbolen, ϑ ≡ π/2, (dr/dτ )2 = −2V und (13.6) leicht überzeugen kann. b) Für Kreisbahnen (r = const., also dr/dτ = 0 und d 2 r/dτ 2 = 0) muss V = 0 und d V /dr = 0 gelten. Die Berechnung der r -Ableitung von V ergibt dV c2 rS B2 = 4 (3rS − 2r ) + 2 . dr 2r 2r Setzen wir diesen Ausdruck gleich null, erhalten wir die erste der gesuchten Beziehungen: B2 =

c2 rS r 2 , 2r − 3rS

vgl. auch (13.14) für konstantes u = 1/r . Mit diesem Ausdruck für B 2 liefert die Formel V = 0 die zweite Beziehung A2 =

2c2 (r − rS )2 . r (2r − 3rS )

Wegen A2 > 0 und B 2 > 0 ergibt sich als notwendige Bedingung einer Kreisbahn r>

3 rS . 2

Aufgaben

163

Den Fall r = (3/2) rS (A2 → ∞, B 2 → ∞) können wir dabei durch folgende Überlegung ausschließen: Für den Viererimpuls des Teilchens auf der Kreisbahn gilt pi = (0, 0, p3 , p4 ) = (0, 0, m 0 B, −m 0 A), vgl. (13.7). Die von einem Beobachter mit der Vierergeschwindigkeit (u B )i gemessene Energie E = −(u B )i pi des Teilchens, s. (13.46), divergiert somit im Limes r → (3/2) rS . Das bedeutet, dass die Geschwindigkeit v des Teilchens in einem (und damit in jedem) lokalen Inertialsystem gegen die Lichtgeschwindigkeit c geht. Deshalb ist eine Kreisbahn mit r = (3/2) rS für m 0 = 0 nicht möglich. Tatsächlich erhält man für r = (3/2) rS , ϑ = π/2 aber eine lichtartige Geodäte („Photonenkreisbahn“). c) Für eine Kreisbahn r = rK gilt V = 0 und d V /dr = 0, d. h. V (A, B, r ) hat bei gegebenen A und B als Funktion von r an der Stelle r = rK ein Extremum mit dem Wert null. Wegen 1 2



dr dτ

2 + V (A, B, r ) = 0

ist eine Bewegung mit dr/dτ = 0 nur in Bereichen mit V < 0 möglich. (Der Bereich V > 0 ist generell „verboten“.) Ist das Extremum ein Minimum, gilt in der Umgebung von rK aber V > 0, und eine infinitesimale Störung (zum Beispiel eine infinitesimale Vergrößerung von A2 ) kann lediglich in einer infinitesimalen Umgebung von rK zu V < 0 führen. Diesen Bereich kann das Teilchen nicht verlassen, es bleibt also r ≈ rK , d. h. die Kreisbahn ist stabil. Anders im Falle eines Maximums: In der Umgebung von rK gilt V < 0, d. h. infinitesimale Störungen können dazu führen, dass sich das Teilchen weit von r = rK entfernt – die Kreisbahn ist instabil. Ein Minimum liegt vor, wenn die zweite Ableitung positiv ist. Die Bedingung für eine stabile Kreisbahn lautet also d2V > 0. dr 2 Aus der unter (b) angegebenen Formel für d V /dr folgt allgemein d2V c2 rS 3B 2 6rS B 2 = − + − . dr 2 r3 r4 r5 Mit der Formel B 2 = c2 rSr 2 /(2r − 3rS ), siehe ebenfalls (b), folgt für eine Kreisbahn c2 rS (r − 3rS ) d2V = . dr 2 r 3 (2r − 3rS ) Da Kreisbahnen gemäß (b) nur für r > (3/2) rS möglich sind, ist die Stabilitätsbedingung genau dann erfüllt, wenn r > 3rS gilt.

164

13 Die klassischen Effekte der ART

d) Die Frage, ob ein Teilchen bis ins Unendliche gelangen kann, hängt vom Vorzeichen der Größe 1 V∞ ≡ lim V (A, B, r ) = (c2 − A2 ) r →∞ 2 ab. Falls die Erhaltungsgröße A kleiner als c ist, gilt V∞ > 0, das Unendliche gehört also zum „verbotenen“ Bereich. Dann führt das Teilchen eine „gebundene Bewegung“ aus. Die Bedingung A < c kann gemäß E˜ = −c p4 = m 0 c A auch in der Form E˜ −m 0 c2 < 0 geschrieben werden, die im Newton’schen Grenzfall also zur vertrauten Bedingung (m 0 /2)v 2 + m 0 U < 0 für eine gebundene Bewegung wird, vgl. Aufgabe 13.1. Mit der unter (b) gefundenen Formel für A2 folgt für Kreisbahnen c2 − A2 =

c2 rS (r − 2rS ) , r (2r − 3rS )

d. h. für r > 2rS kann das Teilchen durch eine infinitesimale Störung nicht ins Unendliche gelangen; für r < 2rS ist das hingegen möglich. Unser Gesamtergebnis lautet somit: – Kreisbahnen existieren für r > (3/2) rS . – Für (3/2) rS < r < 3rS sind die Kreisbahnen instabil, ein Entweichen ins Unendliche infolge kleiner Störungen ist allerdings nur für (3/2) rS < r < 2rS möglich. – Für r > 3rS sind die Kreisbahnen stabil.

14

Kugelsymmetrische Sternmodelle

Inhaltsverzeichnis 14.1 Feldgleichungen innerhalb des Sterns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Hydrostatisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Gravitativer Massendefekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165 168 169 170

Zusammenfassung

Wir modellieren das Sterninnere durch eine ideale Flüssigkeit mit einer gegebenen Beziehung zwischen Massendichte und Druck. Die Feldgleichungen führen zur Tolman-Oppenheimer-Volkoff-Gleichung, die die allgemein-relativistische Verallgemeinerung der Newton’schen Gleichung des hydrostatischen Gleichgewichts darstellt. Der stetige Anschluss an die äußere Schwarzschild-Lösung gestattet die Berechnung der Gesamtmasse M, die die gravitative Wirkung des Sterns in seinem Fernfeld charakterisiert. Diese Masse ist um das Massenäquivalent der gravitativen Bindungsenergie kleiner als die gesamte Masse (einschließlich Massenäquivalent der inneren Energie) der Sternmaterie.

14.1

Feldgleichungen innerhalb des Sterns

Wir verwenden innerhalb und außerhalb des Sterns die Schwarzschild-Form (12.1) des Linienelementes, also ds 2 = eλ dr 2 + r 2 (dϑ 2 + sin2 ϑ dϕ 2 ) − eν c2 dt 2 ,

(14.1)

mit der Voraussetzung λ = λ(r ) und ν = ν(r ), da wir eine auch im Inneren statische Lösung suchen – einen kugelsymmetrischen Stern im Gleichgewicht. Dazu gehören noch die (für reelle λ und ν automatisch erfüllten) Bedingungen eλ > 0 und eν > 0. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_14

(14.2) 165

166

14 Kugelsymmetrische Sternmodelle

(Damit ist gesichert, dass eine Lorentz-Metrik vorliegt und t eine zeitartige Koordinate ist.) Die Sternmaterie soll den Bereich 0 ≤ r ≤ r0 ausfüllen. Außen gilt natürlich die Schwarzschild-Lösung: r ≥ r0 :

e−λ = eν = 1 −

rS , r

(14.3)

vgl. Kap. 12, wobei wegen (14.2) r0 > rS

(14.4)

sein muss. Jetzt wollen wir die Einstein’schen Feldgleichungen im Innenbereich aufstellen. Wir modellieren den Stern als ideale Flüssigkeit mit dem Energie-Impuls-Tensor  p Tik = μ + 2 u i u k + p gik , c

(14.5)

vgl. Kap. 9. Dabei setzen wir eine gegebene „Zustandsgleichung“ μ = μ( p)

(14.6)

voraus. Für unseren kugelsymmetrischen Stern im Gleichgewicht hängt auch der Druck natürlich nur von r ab, und die Vierergeschwindigkeit u i hat nur eine vierte Komponente: u i = (0, 0, 0, u 4 )



u i = (0, 0, 0, u 4 )

(14.7)

mit

Aus

ui u

i

=

−c2

u 4 = g44 u 4 = −eν u 4 .

(14.8)

u 4 = c e−ν/2 und u 4 = −c eν/2 .

(14.9)

folgt

(Die gewählten Vorzeichen sichern, dass u ein in die Zukunft gerichteter Vektor ist.) Den auf der linken Seite der Einstein-Gleichungen (10.6),  1 Rik = κ Tik − T gik , 2 

(14.10)

stehenden Ricci-Tensor für ein Linienelement der Form (14.1) mit λ = λ(r ) und ν = ν(r ) haben wir bereits im Kap. 12 berechnet. Alle Komponenten von Rik mit i = k verschwinden. Gleiches gilt für die Metrik gik und den Energie-Impuls-Tensor Tik , dessen nichtverschwindende Komponenten gemäß (14.5) und (14.9) durch T11 = p eλ , T22 = p r 2 , T33 = p r 2 sin2 ϑ und T44 = μc2 eν

(14.11)

14.1 Feldgleichungen innerhalb des Sterns

167

gegeben sind. Für die Spur folgt T ≡ g ik Tik = 3 p − μc2 ,

(14.12)

wie es für den Energie-Impuls-Tensor (14.5) einer idealen Flüssigkeit immer gilt. Unter Verwendung der in Kap. 12 gefundenen Formeln für R11 , R22 , R33 und R44 liefern die Einstein-Gleichungen damit drei unabhängige Gleichungen (nicht vier, da sich die 33-Komponente von der 22-Komponente auf beiden Seiten der Gleichung nur durch den Faktor sin2 ϑ unterscheidet) für die drei gesuchten Funktionen λ(r ), ν(r ) und p(r ): 1 1 λ κ − ν  + ν  (λ − ν  ) + = eλ (μc2 − p), 2 4 r 2

(14.13)

 κ  r 1 − e−λ 1 + (ν  − λ ) = r 2 (μc2 − p) 2 2

(14.14)

und 1  1   ν κ (14.15) ν − ν (λ − ν  ) + = eλ (μc2 + 3 p). 2 4 r 2 Die Massendichte μ ist dabei über die Zustandsgleichung (14.6) als gegebene Funktion des Druckes p zu verstehen. Die Summe der Gl. (14.13) und (14.15) ergibt λ + ν  = κ eλ (μc2 + p). r

(14.16)

Durch Kombination mit (14.14) erhalten wir zwei Gleichungen, die die Ableitungen λ und ν  nur noch einzeln enthalten: r ν  − eλ + 1 = κ r 2 eλ p

(14.17)

r λ + eλ − 1 = κ r 2 eλ μc2 ,

(14.18)

und

wobei die letztere auch in der Form   8π G 1 − r e−λ = κμc2 r 2 = 2 μr 2 c

(14.19)

geschrieben werden kann. Dabei haben wir κ = 8π G/c4 verwendet, s. (11.18). Es ist nützlich, eine Funktion

r μ(˜r )˜r 2 d r˜

m(r ) ≡ 4π 0

(14.20)

168

14 Kugelsymmetrische Sternmodelle

zu definieren, die im euklidischen Raum die Bedeutung der Masse einer Teilkugel vom Radius r hätte. Mit dieser Funktion folgt aus (14.19) durch Integration (unter Beachtung der Regularität der Metrik bei r = 0) 2Gm , c2

r − r e−λ =

(14.21)

also eλ(r ) =

1 1−

2Gm(r ) c2 r

.

(14.22)

Bei r = r0 muss eλ stetig in den im Außenraum gültigen Ausdruck eλ(r ) =

1 1 rS = M 1− r 1 − 2G c2 r

(14.23)

m(r0 ) = M

(14.24)

übergehen, woraus

folgt. Im nächsten Abschnitt kommen wir zu einer Gleichung, die zusammen mit (14.6) und (14.20) die Berechnung von p(r ), μ(r ) und m(r ) bei gegebenem Zentraldruck p(0) = pc gestattet.

14.2

Hydrostatisches Gleichgewicht

Indem wir die Gl. (14.17) nach r ableiten, das dabei entstehende ν  mittels (14.15) eliminieren, dann ν  und λ mittels (14.17) bzw. (14.18) eliminieren und schließlich eλ durch (14.22) ausdrücken, folgt die „Tolman-Oppenheimer-Volkoff-Gleichung“ (kurz: TOV-Gleichung)  dp Gm =− 2 μ dr r

1+

p μc2



 1+

1−

2Gm c2 r

4πr 3 p mc2



 .

(14.25)

Diese Gleichung ist die allgemein-relativistische Verallgemeinerung der Newton’schen Gleichung des „hydrostatischen Gleichgewichts“. Die Newton’sche Formel, die man formal durch den Grenzübergang c → ∞ erhält, lautet dp Gm =− 2 μ dr r

(14.26)

und besagt, dass sich für jedes Massenelement im Stern Druckkraft und Gravitationskraft gerade kompensieren.

14.3 Gravitativer Massendefekt

169

Zum hydrostatischen Gleichgewicht gehört natürlich auch noch die Bedingung, dass der Druck an der Sternoberfläche r = r0 verschwindet: p(r0 ) = 0.

(14.27)

Die globale Lösung für ein Sternmodell kann man durch folgenden Algorithmus gewinnen: Man löse die TOV-Gleichung (14.25) mit der Anfangsbedingung p(0) = pc > 0

(14.28)

unter Verwendung von (14.6) und (14.20), wobei anstelle von (14.20) auch dm = 4π μr 2 , m(0) = 0 dr

(14.29)

benutzt werden kann. Es liegt dann ein System zweier gewöhnlicher Differenzialgleichungen für m(r ) und p(r ) vor, das mit numerischen Standardverfahren gelöst werden kann. In Spezialfällen ist auch eine analytische Lösung möglich, s. Aufgabe 14.1. Aus (14.25) folgt, dass p(r ) eine streng monoton fallende Funktion ist. [Wir setzen voraus, dass p und μ( p) nichtnegativ sind. Der Nenner in (14.25) muss wegen (14.2) und (14.22) positiv sein.] Die so entstehende Lösung p(r ) wird bis zur (ersten) Nullstelle verwendet, die gemäß (14.27) den (Koordinaten-) Radius r0 des Sterns definiert. Gleichzeitig hat man dann auch m(r ) bestimmt, und mit (14.22), (14.23) und (14.24) folgt λ(r ) innerhalb und außerhalb des Sterns. Die Funktion ν(r ) im Stern kann schließlich durch eine einfache Integration aus (14.17) berechnet werden, wobei die Integrationskonstante durch den stetigen Anschluss an die Außenraumformel 2G M (14.30) eν(r ) = 1 − 2 c r bei r = r0 fixiert ist; siehe auch Aufgabe 14.3. Die gesamte Lösung hängt damit von dem einzigen freien Parameter pc ab. Insbesondere erhält man auf diese Weise M = M( pc ) und r0 = r0 ( pc ), also eine Parameterdarstellung der für die Astrophysik so wichtigen Masse-Radius-Relation.

14.3

Gravitativer Massendefekt

Die über die gravitative Wirkung im Fernfeld definierte Gesamtmasse M des Sterns berechnet sich gemäß (14.20) und (14.24) als

r0 M = 4π

μ(r )r 2 dr.

(14.31)

0

Dieses Integral hat im gekrümmten Raum t = const. entsprechend unserem Linienelement (14.1) nicht die Bedeutung der „Summation“ über die infinitesimalen

170

14 Kugelsymmetrische Sternmodelle

Massenbeiträge der Kugelschalen der Koordinatendicke dr . Das Volumen einer solchen Schale ist nämlich durch d V = 4π eλ/2 r 2 dr gegeben. Die „Summation“ M1 = μ d V ergibt mit (14.22)

r0 M1 = 4π

μ(r )e 0

λ/2 2

r0

r dr = 4π 0

μ(r )r 2 dr , ) 1 − 2Gm(r 2 c r

(14.32)

also einen Wert M1 > M. Die Differenz ΔM = M1 − M ist der „gravitative Massendefekt“; ΔMc2 ist die gravitative Bindungsenergie. Mit der negativen Größe W = −ΔMc2 können wir die „Gesamtenergie“ Mc2 des Sterns in der Form Mc2 = M1 c2 + W

(14.33)

μc2 = μR c2 + i ,

(14.34)

schreiben. Die Zerlegung vgl. Kap. 6 (μR : Ruhemassendichte, i : Dichte der inneren Energie), führt auf die interessante Formel Mc2 = M0 c2 + E i + W bzw. M = M0 +

Ei − ΔM c2

(14.35)

mit der Ruhemasse M0 = μR d V und der inneren Energie E i = i d V . Die gravitativ wirksame Gesamtmasse M wird also im Vergleich zur Ruhemasse M0 einerseits um das Massenäquivalent der inneren Energie vergrößert und andererseits um das Massenäquivalent der Bindungsenergie verkleinert. Die Diskussion der Gl. (14.35) im Newton’schen Grenzfall ist Gegenstand von Aufgabe 14.4.

Aufgaben 14.1 a) Lösen Sie die TOV-Gleichung für die durch μ( p) = const. gegebene „Zustandsgleichung“, und bestimmen Sie die Maximalmasse M, die ein solcher Stern für μ = 1015 g/cm3 (das ist etwa die Größenordnung der Massendichte von Neutronensternen) unter der Voraussetzung überall endlichen Druckes besitzen kann! Berechnen Sie auch den gravitativen Massendefekt! b) Diskutieren Sie für Sternmodelle mit μ( p) = const. den Newton’schen Grenzfall in globaler Weise (innerhalb und außerhalb des Sterns)!

Aufgaben

171

Lösung a) Für μ = const. folgt aus (14.20) sofort 4π 3 μr , 3

m=

und die TOV-Gleichung (14.25) nimmt die Form dp (κ p + 3A)(κ p + A)r =− dr 2κ(1 − Ar 2 ) mit κ = 8π G/c4 und A=

8π G μ 3c2

an. Mit den Substitutionen κ p = X und r 2 = x folgt dX (X + 3A)(X + A) =− dx 4(1 − Ax) und damit

κ p 0

2

dX = (X + 3A)(X + A)

r0 r2

dx , 4(1 − Ax)

wobei wir die Oberflächenbedingung p(r0 ) = 0 berücksichtigt haben. Beide Integrale sind elementar, und es folgt

κ p = 3A

1−Ar 2 1−Ar02

3− [Wegen (14.2) und (14.22) muss r0 < durch

−1

1−Ar 2 1−Ar02

.

√ 1/A gelten.] Der Zentraldruck pc ist also

κ pc = 3A



1 1−Ar02

3−



−1

1 1−Ar02

172

14 Kugelsymmetrische Sternmodelle

gegeben. Notwendig und hinreichend dafür, dass der Druck im gesamten Stern endlich ist, ist offensichtlich die Bedingung

8 1 1− > , d. h. r0 < . 3 9A √ √ √ [Für r0 → 8/9A folgt pc → ∞; für 8/9A < r0 < 1/A folgt p(r∞ ) → ∞

Ar02

mit r∞ = 9r02 − 8/A.] Eine Konsequenz dieser Bedingung ist weiterhin, dass der Druck mit fallendem r streng monoton wächst und somit überall im Stern positiv ist. √ Mit M = m(r0 ) = (4π/3)μr03 und A = (8π G/3c2 )μ folgt aus r0 < 8/9A 4c3 1 ·√ . M < Mmax = √ 3 μ 9 3π G

Für μ = 1015 g/cm3 ergibt sich eine Maximalmasse von etwa 3,6 Sonnenmassen. Damit haben wir eine grobe Abschätzung für die Maximalmasse von Neutronensternen gewonnen. Die Tatsache, dass für das idealisierte Modell mit μ = const. die Maximalmasse bei wachsendem Wert der Massendichte kleiner wird, deutet bereits darauf hin, dass es für realistische Neutronensternmodelle bei Überschreitung einer Grenzmasse zu einem unaufhaltsamen Gravitationskollaps kommen kann. Im Inneren des Sterns ist die Funktion λ gemäß (14.22) und m(r ) = (4π/3)μr 3 durch 1 eλ = 1 − Ar 2 gegeben; für ν folgt aus (14.17) bei stetigem Anschluss an die Außenraumformel (14.30) 2  3 1 ν 2 2 e = 1 − Ar0 − 1 − Ar . 2 2 Auch diese Lösung der Einstein’schen Feldgleichungen wurde übrigens bereits von Schwarzschild (1916b) gefunden und wird manchmal als „innere Schwarzschild-Lösung“ bezeichnet. Der gravitative Massendefekt ΔM = M1 − M ergibt sich mit (14.32) als ⎡r ⎤

0 2 dr r03 r ΔM = 4π μ ⎣ √ − ⎦ 3 1 − Ar 2 0 ⎡ ⎤ √ 2 r 0 1 − Ar0 r03 arcsin( A r ) 0 = 4π μ ⎣ − − ⎦ 2 A3/2 2A 3 und erreicht im Grenzfall r0 →

√ 8/9A den beachtlichen Wert ΔM ≈ 0,39 M1 .

Aufgaben

173

b) Im gesamten Außenraum des Sterns sind die Voraussetzungen des Newton’schen Grenzfalls erfüllt, sofern r0 rS gilt, vgl. Kap. 12. Mit rS = 2G M/c2 , M = (4π/3)μr03 und A = (8π G/3c2 )μ ist diese Bedingung äquivalent zu Ar02 1. Unter dieser Voraussetzung gilt im Innenraum (0 ≤ r ≤ r0 ) entsprechend den Ergebnissen von Aufgabenteil (a):

3A p= κ

1−Ar 2 1−Ar02

3−

−1

1−Ar 2 1−Ar02



3A2 2 2π Gμ2 2 (r0 − r 2 ) = (r0 − r 2 ), 4κ 3

 2 A A eλ ≈ 1 + Ar 2 und eν ≈ 1 − (3r02 − r 2 ) ≈ 1 − (3r02 − r 2 ). 4 2 Somit ist auch p μc2 , und die Metrik weicht nur geringfügig von der des Minkowski-Raums ab – die Voraussetzungen des Newton’schen Grenzfalls, s. Kap. 11, sind im Inneren des Sterns also ebenfalls erfüllt. Das Newton’sche Gravitationspotenzial erhalten wir aus (11.19), also g44

  A 2 2U 2 = −e ≈ −1 + (3r0 − r ) ≈ − 1 + 2 , 2 c ν

woraus Ac2 2π Gμ (3r02 − r 2 ) = − (3r02 − r 2 ), 4 3 die vertraute Newton’sche Formel für das Potenzial im Inneren einer Kugel mit konstanter Massendichte, folgt. Man kann sich schließlich davon überzeugen, dass mit der oben angegebenen Näherungsformel für den Druck die Newton’sche Gleichung des hydrostatischen Gleichgewichts U =−

dU dp = −μ dr dr erfüllt ist, die auch in der Form (14.26) geschrieben werden kann.

174

14 Kugelsymmetrische Sternmodelle

14.2 Beweisen Sie unter der Annahme dμ/dp ≥ 0, dass der (SchwarzschildKoordinaten-) Radius r0 eines statischen kugelsymmetrischen Sterns (modelliert durch eine ideale Flüssigkeit) immer die Ungleichung r0 >

9G M 4c2

erfüllt! Lösung Indem wir von der Gl. (14.13) die mit eλ /r 2 multiplizierte Gl. (14.14) abziehen, erhalten wir unter Verwendung von (14.22) d dr

  1 eν/2 d m  2Gm ν/2 dν 2G . 1− 2 e = 2 r c r dr c dr r 3 1 − 2Gm c2 r

(14.36)

Aus der in der Aufgabenstellung genannten Voraussetzung dμ/dp ≥ 0 folgt zusammen mit der TOV-Gleichung dμ dμ dp = · ≤0 dr dp dr

(14.37)

d m  ≤ 0. dr r 3

(14.38)

mit der Konsequenz

[Erläuterung: μ(r ¯ ) ≡ 3m(r )/4πr 3 hätte im euklidischen Raum gemäß (14.20) die Bedeutung der mittleren Massendichte einer Teilkugel vom Radius r . Diese kann mit wachsendem r nicht zunehmen, wenn die Massendichte selbst nicht anwächst. Aus dμ/dr ≤ 0 folgt also auch d μ/dr ¯ ≤ 0.] Integrieren wir (14.36) von r bis r0 , erhalten wir mit (14.38) die Ungleichung 

  1 2Gm ν/2 dν 2G M ν/2 dν 1 e 1− 2 e 1− 2 . ≥ r c r dr r0 c r0 dr r =r0

(14.39)

Bei r = r0 gehen λ und ν stetig in die entsprechenden Werte der Außenraumlösung über. Aus (14.17) folgt mit p(r0 ) = 0 auch die Stetigkeit von dν/dr . Die rechte Seite von (14.39) nimmt damit gemäß (14.30) den Wert 2G M/c2 r03 an, und wir erhalten r d  ν/2 G M ≥ 2 3· e dr c r0 1−

2Gm c2 r

.

(14.40)

Aufgaben

175

Integration von 0 bis r0 liefert  e

ν(0)/2



2G M GM 1− 2 − 2 3 c r0 c r0

r0 0

r dr . 1 − 2Gm 2 c r

(14.41)

Wegen (14.38) gilt m(r ) M ≥ 3, r3 r0 und es folgt

 e

ν(0)/2



2G M GM 1− 2 − 2 3 c r0 c r0

(14.42)

r0

r dr

0

1−

(14.43)

2G Mr 2 c2 r03

und somit, nach Ausführung der Integration, eν(0)/2

 3 2G M 1 ≤ 1− 2 − . 2 c r0 2

(14.44)

Der Ausdruck auf der rechten Seite dieser Ungleichung muss also positiv sein, was äquivalent zur Ungleichung 9G M 9 = rS (14.45) 4c2 8 ist, die zu beweisen war. Diese Ungleichung wurde von Buchdahl (1959) hergeleitet. Die „Buchdahl-Grenze“ r0 → 9G M/4c2 wird genau dann erreicht, wenn μ = const. gilt und der Zentraldruck gegen Unendlich geht, vgl. Aufgabe 14.1. r0 >

14.3 Werten Sie die Gleichung T ik ;k = 0 für kugelsymmetrische Sternmodelle aus, und leiten Sie mit Hilfe des Ergebnisses eine Integralformel zur direkten Berechnung der Funktion ν(r ) aus der Druckverteilung p(r ) innerhalb des Sterns her! Lösung Wir betrachten die zu T ik ;k = 0 äquivalenten Gl. (9.43) und (9.45). Die Gl. (9.43) ist unter den hier vorliegenden Voraussetzungen (die Christoffel-Symbole findet man bei Aufgabe 12.1) identisch erfüllt, und die einzige nichttriviale Komponente von (9.45) ist  p μ + 2 u˙ 1 + h 11 p,1 = 0. c Mit 1 l 1 u˙ 1 = u k u 1 ;k = u 4 u 1 ;4 = u 4 (u 1 ,4 + 4l u ) = 44 (u 4 )2

176

14 Kugelsymmetrische Sternmodelle

und h 11 = g 11 +

1 1 1 u u = g 11 , c2

1 = ν  eν−λ /2, u 4 = c e−ν/2 und g 11 = e−λ s. (9.44), folgt unter Verwendung von 44

2

dp dν = −(μc2 + p) . dr dr

Diese Gleichung, die natürlich auch aus den Einstein-Gleichungen folgt [sie ergibt sich etwa durch Kombination von (14.17), (14.22) und (14.25)], können wir nun benutzen, um ν = ν( p) innerhalb des Sterns zu gewinnen. Dazu integrieren wir bei gegebener Zustandsgleichung μ = μ( p) die resultierende Relation dν = −

2 dp μc2 + p

mit dem Ergebnis

p ν = ν0 − 2 0

d p˜ , μ( p)c ˜ 2 + p˜

wobei ν0 = ν| p=0 = ν|r =r0 gemäß (14.30) durch 

2G M ν0 = ln 1 − 2 c r0



gegeben ist. 14.4 Diskutieren Sie die Formel (14.35) für die Gesamtenergie eines Sterns im Newton’schen Grenzfall! Lösung Für die Größe W = −ΔMc2 = (M − M1 )c2 (das Negative der gravitativen Bindungsenergie) erhalten wir mit (14.31) und (14.32)

r0 W = 4π c2 0

⎛ ⎝1 −

⎞ 1 1−

2Gm c2 r

⎠ μr 2 dr.

Im Newton’schen Grenzfall ist 2Gm/c2 r 1, und es folgt 1 Gm ≈1+ 2 , c r 1 − 2Gm c2 r

Aufgaben

177

also näherungsweise (bzw. exakt im formalen Limes c → ∞)

r0 W = −4π G

mμr dr 0

oder, mit dm = 4π μr 2 dr und m(r0 ) = M,

M W =−

Gm dm . r

0

Diese Formel beschreibt tatsächlich die gesamte Newton’sche potenzielle Energie der Massenverteilung des kugelsymmetrischen Sterns. Man kann das Integral so interpretieren, dass eine infinitesimale Massenschale dm nach der anderen hinzugefügt wird. Die potenzielle Energie einer neu angelagerten Massenschale dm im Gravitationsfeld des „Teilsterns“ mit dem Radius r und der Masse m(r ) ist gerade durch −Gm dm/r gegeben. Wir können die Gl. (14.35) im Newton’schen Grenzfall somit in der Form lim (Mc2 − M0 c2 ) = E i + W

c→∞

als Ausdruck für die Summe aus innerer und potenzieller Energie der Sternmaterie lesen. Die Unterschiede zwischen den Massen M0 , M1 und M (ohne den Faktor c2 ) werden hingegen vernachlässigbar. Formal gilt lim (M − M0 ) = lim

c→∞

c→∞

Ei + W =0 c2

und (−W ) = 0. c→∞ c2

lim ΔM = lim (M1 − M) = lim

c→∞

c→∞

Die Schwarzschild-Lösung als Schwarzes Loch

15

Inhaltsverzeichnis 15.1 Der Ereignishorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Radiale Nullgeodäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Kugelsymmetrischer Gravitationskollaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179 184 185 187

Zusammenfassung

Kugelsymmetrische Sterne im Gleichgewicht haben stets einen SchwarzschildKoordinatenradius r0 , der größer ist als der Schwarzschild-Radius rS = 2G M/c2 . Am Ende der Sternentwicklung kann es bei hinreichend massereichen Sternen zu einem Gravitationskollaps kommen – mit der Konsequenz, dass der Sternradius r0 (τ ) kleiner als rS wird (τ bezeichnet die Eigenzeit eines Elementes der Sternoberfläche). Die Vakuum-Raumzeit außerhalb des Sterns ist aufgrund der Kugelsymmetrie auch für einen kollabierenden Stern durch die SchwarzschildLösung gegeben, die somit jetzt auch für r ≤ rS interessant wird! Insbesondere stellt sich die Frage, wie die Stelle r = rS zu bewerten ist, bei der die Metrik in Schwarzschild-Koordinaten singulär wird. Wir werden in diesem Kapitel lernen, dass es sich bei r = rS um einen „Ereignishorizont“ handelt. Den Raumzeitbereich r < rS werden wir als „Schwarzes Loch“ identifizieren.

15.1

Der Ereignishorizont

Bei r = rS wird g11 der Schwarzschild-Metrik (12.20) singulär. Hierbei handelt es sich jedoch „nur“ um eine Koordinatensingularität, die durch eine geeignete Koordinatentransformation behoben werden kann. Eine solche Transformation ist der Übergang von den Schwarzschild-Koordinaten (r, ϑ, ϕ, ct) zu den EddingtonFinkelstein-Koordinaten (r, ϑ, ϕ, v) mit   r   (15.1) v = ct + r + rS ln  − 1 . rS © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_15

179

180

15 Die Schwarzschild-Lösung als Schwarzes Loch

Für die Differenziale folgt (sowohl für r > rS als auch für r < rS ) dv = c dt +

dr 1 − rrS

(15.2)

und damit durch die entsprechende Ersetzung von c dt in (12.20)  rS  2 dv . ds 2 = 2dr dv + r 2 (dϑ 2 + sin2 ϑ dϕ 2 ) − 1 − r

(15.3)

Das ist die Schwarzschild-Lösung in Eddington-Finkelstein-Koordinaten. Diese Metrik ist bei r = rS regulär! Wir geben die Metrik auch in Matrixform an (x 1 = r , x 2 = ϑ, x 3 = ϕ, x 4 = v): ⎞ 0 0 0 1 ⎟ ⎜ 0 r2 0 0 ⎟. gik = ⎜ ⎠ ⎝ 0 0 r 2 sin2 ϑ 0 1 0 0 −(1 − rS /r ) ⎛

Die inverse Matrix sieht so aus: ⎛ 1 − rS /r ⎜ 0 ik g =⎜ ⎝ 0 1

0

0 0 r −2 0 r −2 sin−2 ϑ 0 0

⎞ 1 0⎟ ⎟, 0⎠ 0

(15.4)

(15.5)

sie ist (wegen g = 0) ebenfalls wohldefiniert für r = rS . Etwas Besonderes liegt bei r = rS dennoch vor: Es handelt sich um eine sogenannte „Nullhyperfläche“. Um zu erklären, was das bedeutet, holen wir etwas weiter aus und beginnen mit dem Begriff einer Hyperfläche. Definition 15.1 (Hyperfläche) Eine (dreidimensionale) Hyperfläche in der (vierdimensionalen) Raumzeit ist durch eine skalare Gleichung der Form f (x 1 , x 2 , x 3 , x 4 ) = const.

(15.6)

gegeben. Bei infinitesimalem Fortschreiten in der Raumzeit bleibt man genau dann in der Hyperfläche (d. h. d x i ist tangential), wenn df =

∂f d x i = n i d x i = 0. ∂xi

(15.7) 

15.1 Der Ereignishorizont

181

Definition 15.2 (Normalenvektor) Den Vierergradienten ni ≡

∂f ∂xi

(15.8)

nennen wir Normalenvektor. Er steht senkrecht auf allen tangentialen Vektoren. Wenn der Normalenvektor zeitartig ist (n i n i < 0), spricht man von einer raumartigen Hyperfläche und wenn n i raumartig ist (n i n i > 0), von einer zeitartigen Hyperfläche.  Bei einer raumartigen Hyperfläche sind alle tangentialen Vektoren raumartig, d. h. bei Fortschreiten in einer raumartigen Hyperfläche gilt stets ds 2 > 0. Der uns hier interessierende Grenzfall eines lichtartigen Normalenvektors führt auf den Begriff der Nullhyperfläche. Definition 15.3 (Nullhyperfläche) Eine Nullhyperfläche ist definiert durch die Bedingung n i n i = 0.

(15.9) 

Bei Fortschreiten in Richtung n i (d x i ∝ n i ) gilt also d f = n i d x i ∝ n i n i = 0,

(15.10)

man bleibt somit in der Hyperfläche. Das bedeutet, der Normalenvektor ist gleichzeitig tangential! Bei Fortschreiten in Richtung n i gilt weiterhin: ds 2 = gik d x i d x k ∝ gik n i n k = 0.

(15.11)

Längs dieser speziellen Hyperflächenrichtung tangiert also die Hyperfläche den vom entsprechenden Punkt der Hyperfläche ausgehenden Lichtkegel. [Alle anderen tangentialen Richtungen der Nullhyperfläche sind raumartig, da jeder Vektor, der senkrecht auf dem lichtartigen Vektor n i steht, entweder raumartig oder parallel zu n i ist, s. Aufgabe 4.3 (c).] Dieser Sachverhalt ist in Abb. 15.1 illustriert. Aus Stetigkeitsgründen liegen die Zukunftslichtkegel alle auf einer Seite der Hyperfläche (die Vergangenheitslichtkegel auf der anderen) mit der bemerkenswerten Konsequenz, dass in die Zukunft gerichtete zeitartige und lichtartige Weltlinien (Teilchen, Beobachter und Lichtsignale) die Hyperfläche nur in einer Richtung durchqueren können. Eine solche einseitige Passierbarkeit liegt sonst nur bei raumartigen Hyperflächen vor. Dort liegen die von Punkten der Hyperfläche ausgehenden Zukunfts- bzw. Vergangenheitslichtkegel ebenfalls auf der einen bzw. anderen Seite der Hyperfläche, allerdings ohne diese zu tangieren.

182

15 Die Schwarzschild-Lösung als Schwarzes Loch

Abb. 15.1 Schematische Darstellung einer Nullhyperfläche ( f = const.)

Beispiel 15.1 Als einfaches Beispiel betrachten wir im Minkowski-Raum mit ds 2 = d x 2 + dy 2 + dz 2 − c2 dt 2

(15.12)

die Hyperfläche x = ct, also f ≡ x − ct = 0.

(15.13)

Für den Normalenvektor folgt ni =

∂f = (1, 0, 0, −1) ∂xi

(15.14)

und somit n i n i = g ik n i n k = g 11 + g 44 = 1 − 1 = 0.

(15.15)

Wie man in Abb. 15.2 sehen kann, bedeutet die Tatsache, dass man die Nullhyperfläche nur in einer Richtung durchqueren kann, nichts anderes als die Unmöglichkeit einer Bewegung mit Überlichtgeschwindigkeit.  Jetzt wenden wir uns der Hyperfläche r = rS in der Schwarzschild-Raumzeit (15.3) zu, also f ≡ r = rS = const.

(15.16)

mit dem Normalenvektor ni =

∂f = (1, 0, 0, 0). ∂xi

(15.17)

15.1 Der Ereignishorizont

183

Abb. 15.2 Die Nullhyperfläche x = ct im Minkowski-Raum

Wegen n i n i = g ik n i n k = g 11 = 0,

(15.18)

s. (15.5) für r = rS , handelt es sich um eine Nullhyperfläche! Sie breitet sich im Gegensatz zur Nullhyperfläche aus dem vorigen Beispiel nicht bis ins räumlich Unendliche (r → ∞) aus, und ihr Schnitt v = const. stellt eine von v unabhängige geschlossene raumartige Fläche (mit dem Flächeninhalt 4πrS2 ) dar. Dies erkennt man ganz einfach am Linienelement (15.3), welches für r = rS und v = const., also dr = dv = 0, in das vertraute Linienelement einer Kugelfläche übergeht. (Mit einer „raumartigen Fläche“ ist ein zweidimensionaler Raum gemeint, für den bei beliebigem infinitesimalen Fortschreiten ds 2 > 0 gilt, ganz analog zu einer raumartigen Hyperfläche.) Die einseitige Passierbarkeit der Nullhyperfläche hat jetzt die dramatische Konsequenz, dass Teilchen und Lichtsignale in den Bereich r < rS zwar von außen eindringen können, diesen aber nicht wieder verlassen können. Der Raumzeitbereich r < rS ist ein „Schwarzes Loch“, seine Begrenzung, die Nullhyperfläche r = rS , ein „Ereignishorizont“. Definition 15.4 (Schwarzes Loch und Ereignishorizont) Allgemein definiert man ein Schwarzes Loch (in einer asymptotisch flachen Raumzeit) als einen (durch den Ereignishorizont berandeten) Raumzeitbereich, aus dem keine in die Zukunft gerichteten zeitartigen oder lichtartigen Weltlinien ins räumlich Unendliche gelangen können.  Im nächsten Abschnitt werden wir die Eigenschaften eines Schwarzen Loches weiter veranschaulichen, indem wir radiale lichtartige Geodäten in der Schwarzschild-Raumzeit untersuchen.

184

15 Die Schwarzschild-Lösung als Schwarzes Loch

15.2

Radiale Nullgeodäten

Um lichtartige Geodäten (auch Nullgeodäten genannt) in einer gegebenen Raumzeit zu bestimmen, muss man normalerweise die Geodätengleichung lösen. Aufgrund der Kugelsymmetrie ist jedoch klar, dass es rein radiale Nullgeodäten (ϑ = const., ϕ = const.) geben muss. Für diese speziellen Nullgeodäten reicht bereits die Bedingung ds 2 = 0 als Bestimmungsgleichung aus:  rS  2 ! dv = 0. ds 2 = 2dr dv − 1 − r

(15.19)

Man sieht sofort, dass es drei mögliche Lösungen gibt: (a) v = const., (b) 2dr = 1 − (c) r = rS ,

rS r dv



    v = 2r + 2rS ln  rrS − 1 + const.,

(15.20)

wobei (c) auch als Spezialfall von (b) angesehen werden kann. Die Lösungen (a) und (b) enthalten eine Integrationskonstante und stellen damit jeweils eine Kurvenschar in einem r -v-Diagramm dar. Diese Kurvenscharen sind in Abb. 15.3 dargestellt. Dabei haben wir anstelle der Koordinate v die Koordinate ct˜ ≡ v − r

Abb. 15.3 Verlauf radialer Nullgeodäten in der Schwarzschild-Raumzeit

(15.21)

15.3 Kugelsymmetrischer Gravitationskollaps

185

als Funktion von r aufgetragen. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass t˜ (im Gegensatz zu t) im gesamten Bereich 0 < r < ∞ eine zeitartige Koordinate ist, s. Aufgabe 15.1. Dabei beziehen wir uns auf die folgende Definition: Definition 15.5 (Raumartige, lichtartige und zeitartige Koordinaten) Eine Koordinate w heißt raumartig/lichtartig/zeitartig, wenn der Normalenvektor der Hyperfläche w = const. raumartig/lichtartig/zeitartig ist.  Betrachten wir zunächst den Bereich r > rS in Abb. 15.3. Die Kurvenschar (a) beschreibt einlaufende, die Kurvenschar (b) auslaufende Lichtstrahlen. Für große r gilt t˜ ≈ t, und das Bild gleicht in der Tat immer mehr einem Diagramm im Minkowski-Raum (Anstiegswinkel von ±45◦ für die aus- bzw. einlaufenden Lichtstrahlen). An den Schnittpunkten der Kurvenscharen (a) und (b) kann man sich die zugehörigen Lichtkegel vorstellen. Im Bereich r < rS geht die Kurvenschar der einlaufenden Lichtstrahlen (a) mit ihrem konstanten Anstiegswinkel von −45◦ unverändert weiter. Die Kurvenschar (b) beschreibt hier jedoch ebenfalls Lichtstrahlen, für die die Koordinate r mit wachsendem t˜ kleiner wird. Die Lichtkegel sind komplett nach links „gekippt“. Bei r = 0 erreicht der Anstiegswinkel der Kurvenschar (b) ebenfalls den Wert −45◦ , d. h. der Öffnungswinkel der Lichtkegel geht gegen null. Die Kurve (c) stellt eine Nullgeodäte dar, die in jedem Punkt in Richtung des Normalenvektors der Nullhyperfläche r = rS verläuft, d. h. in jener Richtung, in der die Nullhyperfläche den vom jeweiligen Punkt ausgehenden Lichtkegel tangiert. Die Rolle von r = rS als Ereignishorizont, der das Schwarze Loch r < rS begrenzt, wird in diesem Bild ganz deutlich: In die Zukunft gerichtete zeitartige oder lichtartige Weltlinien können den Ereignishorizont nur von rechts nach links durchqueren, und der Ereignishorizont ist der Rand des Raumzeitbereiches, aus dem keine zukunftsgerichteten zeitartigen oder lichtartigen Weltlinien ins räumlich Unendliche gelangen können. Man erkennt weiterhin, dass derartige Weltlinien im Bereich r < rS zwangsläufig in der „Singularität“ r = 0 enden. Für r < rS ist r eine zeitartige Koordinate. In die Zukunft gerichtete zeitartige Weltlinien im Schwarzen Loch sind durch kleiner werdendes r charakterisiert. Die Singularität r = 0 ist in diesem Sinne ein Zeitpunkt. Dass r = 0 eine echte Singularität darstellt, die nicht durch eine Koordinatentransformation behoben werden kann, sieht man zum Beispiel am singulären Verhalten der in Aufgabe 12.2 berechneten skalaren Größe Rabcd R abcd = 12

15.3

rS2 . r6

(15.22)

Kugelsymmetrischer Gravitationskollaps

Ein Element der Oberfläche eines kollabierenden Sterns beschreibt eine zeitartige Weltlinie. Im gesamten Außenbereich (einschließlich der Oberfläche) ist die Raumzeit durch die Schwarzschild-Lösung gegeben. Wir können diese Weltlinie deshalb in

186

15 Die Schwarzschild-Lösung als Schwarzes Loch

Abb. 15.4 Kugelsymmetrischer Kollaps eines Sterns. Die gestrichelten Linien sind Nullgeodäten vom Typ (b), vgl. Abb. 15.3. Man beachte, dass die Raumzeit innerhalb des Sterns nicht durch die Schwarzschild-Lösung gegeben ist

ein Diagramm wie in Abb. 15.3 einzeichnen, s. Abb. 15.4. Der Übersichtlichkeit halber haben wir die Kurvenschar (a) in diesem Bild weggelassen, aber weiterhin einige radiale Nullgeodäten vom Typ (b) gestrichelt eingezeichnet. Auf diese Weise sieht man deutlich, dass von der Sternoberfläche ausgehende Lichtsignale einen entfernten Beobachter nur dann erreichen können, wenn sie den Stern zu einem Zeitpunkt t˜ < t˜∗ verlassen. Dabei ist t˜∗ der Zeitpunkt, zu dem der Sternradius r0 (τ ) gleich dem Schwarzschild-Radius rS ist: r0 (τ ∗ ) = rS ,

(15.23)

mit der Parameterdarstellung r = r0 (τ ), ϑ = const., ϕ = const., t˜ = t˜0 (τ ) (τ : Eigenzeit) der Weltlinie des Oberflächenelementes, d. h. t˜∗ = t˜0 (τ ∗ ). Später ausgesendete Lichtsignale landen unweigerlich selbst in der Singularität r = 0. Lichtsignale, die den Stern zu einem Zeitpunkt t˜L kurz vor t˜∗ verlassen, erreichen den entfernten Beobachter erst zu einem sehr späten Zeitpunkt t˜ = t˜B , und für t˜L → t˜∗ folgt t˜B → ∞. Dieser Sachverhalt wird manchmal so kommentiert, dass der Prozess der Entstehung eines Schwarzen Loches aus der Sicht des entfernten Beobachters unendlich lange dauern würde. Tatsächlich trifft die Bezeichnung „Schwarzes Loch“

Aufgaben

187

für einen solchen kollabierenden Stern auch aus der Sicht des entfernten Beobachters unter praktischen Gesichtspunkten schon nach endlicher Zeit sehr gut zu, da die ankommende Photonenrate rasch kleiner und kleiner und die Rotverschiebung größer und größer wird. Die Weltlinie des Oberflächenelementes des kollabierenden Sterns erreicht schließlich die Singularität r = 0 zu einem Zeitpunkt t˜ = t˜∗∗ , dem auch ein bestimmter Wert der Eigenzeit, τ = τ ∗∗ mit t˜∗∗ = t˜0 (τ ∗∗ ), entspricht. Die in Aufgabe 15.2 zu berechnende Weltlinie eines radial einfallenden Testteilchens kann als Beispiel für die hier angestellten Betrachtungen dienen. Eine solche Weltlinie wird von einem Oberflächenelement einer kollabierenden homogenen Staubkugel beschrieben, dem ersten in voller Strenge behandelten Modell für einen zur Bildung eines Schwarzen Loches führenden Gravitationskollaps (Oppenheimer und Snyder 1939). Zum Abschluss dieses Kapitels wollen wir noch auf das Buch von (Shapiro und Teukolsky, 1983) verweisen – ein Standardwerk zur Physik der „kompakten Objekte“. So nennt man die möglichen Endstadien der Sternentwicklung – die Weißen Zwerge, die Neutronensterne und die Schwarzen Löcher.

Aufgaben 15.1 Überzeugen Sie sich davon, dass die in (15.21) definierte Koordinate t˜ für 0 < r < ∞ zeitartig ist! Untersuchen Sie auch den Charakter der Koordinaten r , t und v! Lösung Es gilt also zu zeigen, dass die Hyperfläche ct˜ = v − r = const. einen zeitartigen Normalenvektor n i hat. In Eddington-Finkelstein-Koordinaten (r, ϑ, ϕ, v) folgt ni =

∂(v − r ) = (−1, 0, 0, 1) ∂xi

und damit unter Verwendung von (15.5) tatsächlich n i n i = g ik n i n k = g 11 + g 44 − 2g 14 = −1 − rS /r < 0. Wenn w allgemein eine der vier verwendeten Koordinaten x i ist, gilt für den Normalenvektor n i = ∂w/∂ x i einer Hyperfläche w = const. einfach ni =

∂w = δiw ∂xi

und somit n i n i = g ik n i n k = g ww ,

188

15 Die Schwarzschild-Lösung als Schwarzes Loch

wobei das w in δiw und g ww für 1, 2, 3 oder 4 steht, je nach dem, welche der vier Koordinaten mit w gemeint ist. Da in Eddington-Finkelstein-Koordinaten g vv = g 44 = 0 gilt, s. (15.5), folgt sofort, dass v eine lichtartige Koordinate ist. Der Charakter der Koordinaten r und t ist am einfachsten in SchwarzschildKoordinaten zu erkennen. Wegen der Diagonalform der Metrik (12.20) gilt g 11 = 1/g11 und g 44 = 1/g44 , d. h. es reicht aus, auf die Vorzeichen von g11 und g44 zu schauen. Es folgt unmittelbar, dass r raumartig für r > rS und zeitartig für r < rS ist; bei t ist es gerade umgekehrt. 15.2 Bestimmen Sie die Weltlinie r (τ ), t˜(τ ) eines radial einfallenden Testteilchens in der Schwarzschild-Raumzeit mit den Anfangsbedingungen τ =0:

r = R, t˜ = 0,

dr =0 dτ

(15.24)

unter der Voraussetzung R > rS ! Zu welchen Eigenzeitpunkten τ ∗ und τ ∗∗ erreicht das Teilchen den Ereignishorizont r = rS bzw. die Singularität r = 0? Lösung In Eddington-Finkelstein-Koordinaten leiten wir aus (15.3) unter der Voraussetzung ϑ = const., ϕ = const. die reduzierte Lagrange-Funktion

 dr dv  rS  dv 2 F =2 − 1− dτ dτ r dτ

(15.25)

ab, vgl. Kap. 9. Da F nicht von v abhängt, folgt ∂F dv ∂ dτ

=2

  dr rS  dv = K = const., −2 1− dτ r dτ

(15.26)

wobei wir die Konstante K aus unseren Anfangsbedingungen (15.24) und dem anderen ersten Integral F ≡ u i u i = −c2

(15.27) √ bestimmen können. Für τ = 0 ergibt sich dv/dτ = c/ 1 − rS /R und damit  K = −2c

1−

rS . R

(15.28)

Durch Kombination der Gl. (15.25)–(15.28) erhalten wir   1 dr 1 = −c rS − dτ r R

(15.29)

Aufgaben

und

189

 1−rS /R 1 − rS (1/r dv −1/R) = . dr 1 − rS /r

(15.30)

Die letzte Gleichung liefert mit (15.21) die gesuchte Weltlinie in der Form ct˜(r ) =

R



1−rS /R rS (1/r −1/R)

− rS /r

1 − rS /r

r

dr

(15.31)

und Gl. (15.29) die Eigenzeit als Funktion von r : R cτ (r ) = r

dr  rS r1 −

1 R

.

(15.32)

Beide Integrale können mit elementaren Funktionen ausgewertet werden. Die gesuchten Größen τ ∗ und τ ∗∗ folgen schließlich als τ ∗ = τ (rS ) und τ ∗∗ = τ (0). Sowohl τ ∗ als auch τ ∗∗ sind endlich.

16

Das Wirkungsprinzip der ART

Inhaltsverzeichnis 16.1 Die Hilbert-Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Ankopplung der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Beispiel: Elektrisch geladener Staub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191 194 195 200

Zusammenfassung

Die Einstein’schen Vakuum-Feldgleichungen können aus einem Variationsprinzip („Prinzip der kleinsten Wirkung“) hergeleitet werden. Gleiches gilt für die vollen Einstein-Gleichungen unter bestimmten Voraussetzungen an das zugrunde liegende Materiemodell. Als Beispiel behandeln wir das Wirkungsprinzip zur Beschreibung elektrisch geladener inkohärenter Materie (Staub) in Wechselwirkung mit dem elektromagnetischen Feld und der Gravitation. Aus diesem Wirkungsprinzip folgen sowohl die Einstein’schen Feldgleichungen als auch die Maxwell-Gleichungen. Die Bewegungsgleichungen für die Materieelemente sind eine Konsequenz der Einstein-Maxwell-Gleichungen, können alternativ aber ebenfalls direkt aus dem Wirkungsprinzip gewonnen werden.

16.1

Die Hilbert-Wirkung

Wir beginnen mit einer Definition: Definition 16.1 (Hilbert-Wirkung) Als Hilbert-Wirkung wird das Integral 1 SH = 2κc



√ R −g d 4 x

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_16

(16.1)

191

192

16 Das Wirkungsprinzip der ART

über einen Bereich der Raumzeit bezeichnet. Dabei ist √ √ −g d 4 x ≡ −g d x 1 d x 2 d x 3 d x 4

(16.2) 

das invariante vierdimensionale Volumenelement. Mit der zugehörigen „Wirkungsdichte“ LH =

gilt also

1 √ R −g 2κc

(16.3)

 SH =

LH d 4 x.

(16.4)

Die Bezeichnung „Wirkungsdichte“ passt am besten zu unserem vierdimensionalen Zugang. Im Sinne einer (3 + 1)-Zerlegung der Raumzeit kann man cLH auch als „Lagrange-Dichte“ in drei Dimensionen auffassen und eine Lagrange-Funktion L =  c LH d x 1 d x 2 d x 3 einführen mit SH = L d x 4 /c. Der Ricci-Skalar R (und damit auch die Wirkungsdichte LH ) berechnet sich aus den gik , gik,l und gik,lm , s. Kap. 10. Wir wollen jetzt untersuchen, für welche Funktionen gik (x l ) die Hilbert-Wirkung (aufgefasst als „Funktional“ der gik ) extremal wird. Das führt uns auf das Variationsprinzip (auch Wirkungsprinzip genannt)  ! (16.5) δSH = δ LH d 4 x = 0. Dabei setzen wir voraus, dass die Variationen δgik und δgik,l auf dem vorgegebenen Rand des vierdimensionalen Integrationsgebietes verschwinden. Mit (10.3) und (10.9) folgt j

j

n n − in,k +  njn ik −  njk in ). R = g ik Rik = g ik (ik,n

(16.6)

√ Wir zerlegen LH = R −g/2κc in zwei Anteile: LH = L1 + L2

mit L2 =

  1 √ n k − g in ik . −g g ik ik ,n 2κc

(16.7)

(16.8)

Der Ausdruck L2 ist so eingerichtet, dass er die Form einer Viererdivergenz hat und sämtliche in LH vorkommenden zweiten Ableitungen der Metrik erfasst. Für L1 = LH − L2 folgt nach einigen Umformungen, s. Aufgabe 16.1, L1 =

1 √ j j −g g ik ( njk in −  njn ik ). 2κc

(16.9)

16.1 Die Hilbert-Wirkung

193

Wegen unserer Voraussetzung des Verschwindens der Variationen von gik und gik,l auf dem Rand des Integrationsgebietes folgt mit dem (vierdimensionalen) Gauß’schen Integralsatz  δ L2 d 4 x = 0, (16.10) und unser Variationsproblem reduziert sich auf  δSH = δ



!

LH d 4 x = δ

L1 d 4 x = 0.

(16.11)

Der Vorteil von L1 besteht darin, dass keine zweiten Ableitungen der Metrik enthalten √ √ sind. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass L1 / −g, im Unterschied zu LH / −g, kein Skalar ist. (Dementsprechend ist L1 keine „skalare Dichte“.) Die Variation von L1 = L1 (gik ; gik,l ) ergibt (in direkter Verallgemeinerung der aus der theoretischen Mechanik vertrauten Formeln) δ L1 =

∂ L1 ∂ L1 δ L1 ∂ δgik + δgik,l = δgik + l ∂gik ∂gik,l δgik ∂x



∂ L1 δgik ∂gik,l

(16.12)

mit der „Variationsableitung“ δ L1 ∂ L1 ∂ = − l δgik ∂gik ∂x



∂ L1 ∂gik,l

,

(16.13)

wobei auch in diesen Formeln die Summenkonvention anzuwenden ist. Der ganz rechts stehende Term in (16.12) gibt als formale Viererdivergenz wieder keinen Beitrag zu δSH , und es folgt  δSH = δ

 LH d x = 4

δ L1 δgik d 4 x. δgik

(16.14)

Da die Variationen δgik unabhängig voneinander und beliebig gewählt werden können, erhalten wir aus δSH = 0 die Euler-Lagrange-Gleichungen δ L1 =0 δgik

(16.15)

als Lösung unseres Variationsproblems. Die Berechnung der Variationsableitung von L1 ergibt  1 √ 1 δ L1 (16.16) = −g R g ik − R ik , δgik 2κc 2 s. Aufgabe 16.2. Die Lösung des Variationsproblems ist somit durch die Einstein’schen Vakuum-Feldgleichungen G ik = 0 bzw. Rik = 0 gegeben, vgl. Kap. 10.

194

16.2

16 Das Wirkungsprinzip der ART

Ankopplung der Materie

Wir betrachten jetzt das Wirkungsintegral  (LH + LM ) d 4 x

S=

(16.17)

und das zugehörige Variationsprinzip  δS = δ

!

(LH + LM ) d 4 x = 0.

(16.18)

Die „Materie-Wirkungsdichte“ LM hängt nicht nur von Variablen ab, die die Materie und ihre (nicht-gravitativen) Felder beschreiben („Materievariablen“), sondern auch von der Metrik, wobei wir annehmen, dass dabei nur die gik und ihre ersten Ableitungen gik,l eingehen. Dann erhalten wir (bei festgehaltenen Materievariablen) 

 δ

LM d x = 4

δ LM δgik d 4 x δgik

mit ∂ LM ∂ δ LM = − l δgik ∂gik ∂x



∂ LM ∂gik,l

(16.19)

,

(16.20)

und durch Kombination mit (16.14) folgt   δS =

δ L1 δ LM + δgik δgik

δgik d 4 x.

(16.21)

Die Euler-Lagrange-Gleichungen des Variationsprinzips δS = 0 lauten somit δ L1 δ LM + =0 δgik δgik

(16.22)

und unter Verwendung von (16.16) also 1 R g ik = κ T ik 2

(16.23)

2c δ LM T ik = √ . · −g δgik

(16.24)

R ik − mit

Für ein Materiemodell, dessen Gleichungen („Materiegleichungen“) in der SRT aus 0 = 0 ableitbar sind, kann man folgendes Rezept anweneinem Variationsprinzip δSM den:

16.3 Beispiel: Elektrisch geladener Staub

195

• Ausgehend von der speziell-relativistischen Wirkung, die sich in einem Inertialsystem mit gik ≡ ηik aus einer lorentzinvarianten Wirkungsdichte L0M gemäß  0 SM =

L0M d 4 x

(16.25)

berechnet (das Volumenelement d 4 x ist lorentzinvariant), bestimme man die allgemein-relativistische Materie-Wirkungsdichte LM , indem man erstens in L0M (im Sinne unserer Übertragungungsregel aus Kap. 9) ηik durch gik und partielle durch kovariante Ableitungen ersetzt und zweitens den entstehenden Ausdruck √ mit −g multipliziert. √ Auf diese Weise ist der skalare Charakter von (LH + LM )/ −g und damit von √ (LH +LM ) d 4 x gesichert ( −g d 4 x ist invariant gegenüber beliebigen Koordinatentransformationen). Das Wirkungsprinzip (16.18) liefert dann bei Variation nach der Metrik die Einstein-Gleichungen (16.23) mit dem durch (16.24) definierten EnergieImpuls-Tensor, und bei Variation nach den Materievariablen folgen die jeweiligen allgemein-relativistisch verallgemeinerten Materiegleichungen. (Dabei setzen wir natürlich auch voraus, dass die Variationen der Materievariablen und entsprechender Ableitungen am Rand verschwinden.) Problemlos funktioniert das beschriebene Rezept für das freie elektromagnetische Feld. Im folgenden Abschnitt behandeln wir als Beispiel den noch komplexeren Fall der elektrisch geladenen inkohärenten Materie. Es sei aber an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Materiemodelle, die dissipative Prozesse (z. B. Reibung und Wärmeleitung) beschreiben, nicht über ein Wirkungsprinzip behandelbar sind.

16.3

Beispiel: Elektrisch geladener Staub

Wir wollen uns jetzt davon überzeugen, dass sämtliche Gleichungen zur konsistenten Beschreibung elektrisch geladener inkohärenter Materie (Staub), des elektromagnetischen Feldes und der Gravitation aus dem Wirkungsprinzip (16.18) mit LM = LStaub + Lem + LW

(16.26)

folgen, wobei die Wirkungsdichten des Staubs (LStaub ), des elektromagnetischen Feldes (Lem ) und der zugehörigen Wechselwirkung (LW ) durch √ LStaub = −μc −g,

Lem = −

√ 1 F ik Fik −g 4μ0 c

(16.27)

(16.28)

196

16 Das Wirkungsprinzip der ART

und √ 1 (16.29) Ak j k −g mit j k = 0 u k c  gegeben sind. Der Beitrag SStaub = LStaub d 4 x zur Wirkung S kann übrigens als Kontinuumslimes der Gesamtwirkung einer großen Zahl von einzelnen Teilchen mit der Wirkung (9.27) interpretiert werden. In dieser kompakten Formulierung ist allerdings noch nicht direkt ablesbar, welches die (von der Metrik unabhängigen) Materievariablen sind. Am einfachsten ist dies für Lem zu beantworten: Der Feldstärketensor Fik ist gemäß LW =

Fik = Ak;i − Ai;k = Ak,i − Ai,k

(16.30)

durch das Viererpotenzial Ai auszudrücken, und wir erhalten Lem = −

√ 1 (An,m − Am,n )(Ak,i − Ai,k )g im g kn −g. 4μ0 c

(16.31)

Die Materievariablen sind die Ai , wobei Lem nur von deren Ableitungen Ai,k abhängt. Bei der Abhängigkeit von der Metrik ist es gerade umgekehrt, denn Lem hängt nur von den gik und nicht von den gik,l ab. Damit folgt für die Variationsableitung von Lem nach der Metrik einfach ∂ Lem δ Lem = . δgab ∂gab

(16.32)

√ Zur Berechnung der Ableitung ∂(g im g kn −g)/∂gab können wir die aus (8.6) folgende Gleichung ∂g ik = −g ia g kb ∂gab

(16.33)

und die im Kontext von Aufgabe 9.2 zu findende Beziehung ∂g = gg ab ∂gab

(16.34)

verwenden. Damit ergibt sich  √ ∂(g im g kn −g) √ 1 im kn ab kn ia mb im ka nb = −g g g g −g g g −g g g ∂gab 2 und δ Lem 1 = δgab 2μ0 c



√ 1 F ak F b k − g ab F ik Fik −g. 4

(16.35)

(16.36)

16.3 Beispiel: Elektrisch geladener Staub

197

Gemäß (16.24) ist somit der Beitrag des elektromagnetischen Feldes zum EnergieImpuls-Tensor durch ik Tem =

1 μ0



1 F in F k n − g ik F mn Fmn 4

(16.37)

gegeben. Dieser Ausdruck stimmt tatsächlich mit (9.38) überein! Für die Variationsableitung von Lem nach Ar folgt δ Lem ∂ =− s δ Ar ∂x



∂ Lem ∂ Ar,s

=−

1 √ ( −g F r s ),s μ0 c

(16.38)

bzw. mit (9.50) δ Lem 1 rs √ =− F ;s −g. δ Ar μ0 c

(16.39)

Der einzige Beitrag zu L = LH + LM , der noch von Ar abhängt, ist LW mit der einfachen Variationsableitung δ LW ∂ LW 1 √ = = j r −g. δ Ar ∂ Ar c

(16.40)

Somit folgt bei alleiniger Variation von Ar   δS =

δ Lem δ LW + δ Ar δ Ar

δ Ar d 4 x,

(16.41)

und aus der Forderung δS = 0 (bei beliebiger Wahl der δ Ar ) ergeben sich die inhomogenen Maxwell-Gleichungen F r s ;s = μ0 j r

(16.42)

in Übereinstimmung mit (9.31). Die homogenen Maxwell-Gleichungen (9.30) sind natürlich dank (16.30) automatisch erfüllt. Jetzt wenden wir uns den verbleibenden Materievariablen zu. Sowohl die Vierergeschwindigkeit u i als auch die skalaren Größen μ (Massendichte) und 0 (elektrische Ladungsdichte), die sich auf ein LIS beziehen, in dem das jeweilige Materieelement ruht, sind bei der Variation nicht unabhängig von der Metrik. Die bei der Variation nach der Metrik festzuhaltenden Größen sind durch die „Vektordichten“

und

√ P i ≡ μu i −g

(16.43)

√ √ 0 i J i ≡ j i −g = 0 u i −g = P μ

(16.44)

198

16 Das Wirkungsprinzip der ART

gegeben, deren gewöhnliche Viererdivergenz (mit partiellen Ableitungen!) verschwindet: P i ,i = 0 und J i ,i = 0.

(16.45)

Das ist Ausdruck der Ruhemassen- bzw. Ladungserhaltung, wie sie äquivalent durch die Tensorgleichungen (μu i );i = 0 und j i ;i = 0

(16.46)

beschrieben wird, vgl. Formel (9.49). Wir weisen darauf hin, dass für Staubmaterie die Identifikation μ = μR möglich ist, siehe die Kap. 6 und 9. Der Quotient 0 /μ, die spezifische Ladung, bleibt für jedes Materieelement entlang seiner Weltlinie konstant. Wir drücken also die Wirkungsdichten LStaub und LW zweckmäßigerweise mit Hilfe der Größen P i und J i aus:

LStaub = − −gik P i P k (16.47) und LW =

1 Ak J k ; c

(16.48)

und für die Variationsableitungen nach der Metrik folgt √ δ LStaub PaPb ∂ LStaub 1 = = = μu a u b −g i k δgab ∂gab 2c 2 −gik P P

(16.49)

und δ LW = 0. δgab

(16.50)

Der Beitrag der Staubmaterie zum Energie-Impuls-Tensor ist nach (16.24) also durch den vertrauten Ausdruck ik TStaub = μu i u k

(16.51)

gegeben; LW trägt nicht zum Energie-Impuls-Tensor bei. Insgesamt erhalten wir somit bei alleiniger Variation der Metrik   δS =

δ L1 δ LStaub δ Lem + + δgik δgik δgik

δgik d 4 x,

(16.52)

und aus δS = 0 folgen die Einstein-Gleichungen R ik −

  1 ik ik . + Tem R g ik = κ TStaub 2

(16.53)

16.3 Beispiel: Elektrisch geladener Staub

199

Aus den Einstein-Gleichungen folgt wegen der Identitäten (R ik − 21 R g ik );k = 0 natürlich   ik ik TStaub + Tem = 0, (16.54) ;k

woraus sich mit (16.37), (16.42) und (16.51) die Kontinuitätsgleichung (μu k );k = 0

(16.55)

Du i 0 ik = F uk dτ μ

(16.56)

und die Bewegungsgleichung

für die Materieelemente ergeben, vgl. Aufgabe 6.3. Alternativ kann man auch diese Bewegungsgleichung direkt aus dem Wirkungsprinzip δS = 0 herleiten, indem man Variationen von P i und J i = (0 /μ) P i untersucht, die als Folge einer gedachten infinitesimalen Verschiebung der (vierdimensionalen) Positionen der Materieelemente um χi (x k ) auftreten. Durch eine rein kinematische Überlegung kann man sich unter Berücksichtigung von (16.45) klarmachen, dass dabei δ P i = (P k χi − P i χk ),k

(16.57)

δ J i = (J k χi − J i χk ),k

(16.58)

und

gilt, s. Dirac (1996). Die Auswertung von δS = 0 für derartige Variationen (mit δgik = 0 und δ Ak = 0) ist Gegenstand von Aufgabe 16.3. Die Verallgemeinerung des hier behandelten Beispiels auf den Fall einer isentropischen Flüssigkeit findet man z. B. bei Hawking und Ellis (1973). Abschließend sei bemerkt, dass die Identitäten (R ik − 21 R g ik );k = 0 auch aus der Invarianz der Hilbert-Wirkung gegenüber beliebigen Koordinatentransformationen (Diffeomorphismen des Integrationsgebietes auf sich selbst) geschlossen werden  können und T ik ;k = 0 mit der Diffeomorphismus-Invarianz von LM d 4 x korrespondiert, siehe zum Beispiel Weinberg (1972) und Wald (1984). Alles in allem bestätigt das Wirkungsprinzip der ART die beeindruckende innere Konsistenz dieser Theorie und damit der klassischen (im Sinne von nicht quantentheoretischen) Physik insgesamt. Im Februar 1916 schrieb Albert Einstein auf einer Postkarte an Arnold Sommerfeld (s. Einstein 1998): „Von der ART werden Sie überzeugt sein, wenn Sie dieselbe studiert haben werden. Deshalb verteidige ich sie Ihnen mit keinem Wort.“

200

16 Das Wirkungsprinzip der ART

Aufgaben 16.1 Verifizieren Sie, dass die in den Formeln (16.9) und (16.8) angegebenen Ausdrücke für L1 und L2 in der Summe die zur Hilbert-Wirkung gehörende Wirkungs√ dichte LH = R −g/2κc ergeben! Lösung Aus (16.6), (16.8) und (16.9) folgt √ n − (√−g g in )  k ( −g g ik ),n ik 2κc(L1 + L2 ) ,n ik j j −R = +2g ik ( njk in − njn ik ). √ √ −g −g Es ist also zu prüfen, ob dieser Ausdruck verschwindet. Davon kann man sich unter Verwendung von (16.33) sowie der bei Aufgabe 9.2 zu findenden Formeln √ √ j j i gik,n = g ji kn + g jk in und ( −g ),n = −g in leicht überzeugen. 16.2 Berechnen Sie die Variationsableitung δ L1 /δgik ! Lösung Ausgehend von (16.9) und (16.13) erhält man durch Geradeausrechnung unter Verwendung der Definition (8.35) der Christoffelsymbole sowie der Formeln (16.33) und (16.34) das Ergebnis (16.16). Es sei angemerkt, dass man δSH gemäß  δ LH δgik d 4 x δSH = δgik auch direkt aus LH (gik ; gik,l ; gik,lm ) berechnen kann, dann allerdings mit der komplizierteren Variationsableitung δ LH ∂ LH ∂ = − l δgik ∂gik ∂x



∂ LH ∂gik,l



∂2 + m l ∂x ∂x



∂ LH ∂gik,lm

.

Aus δ LH δ L1 = δgik δgik folgt, dass sich die bei der Berechnung von δ LH /δgik auftretenden Terme mit dritten Ableitungen der Metrik gegenseitig kompensieren. 16.3 Werten Sie das durch die Gl. (16.18) und (16.26) gegebene Wirkungsprinzip für Variationen δ P i und δ J i aus, die durch die Formeln (16.57) und (16.58) gegeben sind!

Aufgaben

201

Lösung Von dieser Variation sind nur die Anteile LStaub und LW der Wirkungsdichte L = LH + LM betroffen. Aus (16.47) und (16.48) erhalten wir zunächst δ LStaub =

∂ LStaub gr s P s 1 r δ P = δP r = ur δP r r ∂P c −gik P i P k

und δ LW =

∂ LW 1 δ J r = Ar δ J r . r ∂J c

Mit (16.57) und (16.58) folgt δ LStaub =

1 u i (P k χi − P i χk ),k c

und 1 δ LW = Ai (J k χi − J i χk ),k . c  Somit ergibt sich für δS = δ(LStaub + LW )d 4 x (nach partieller Integration bzw. Anwendung des Gauß’schen Integralsatzes)   1  u i,k (P k χi − P i χk ) + Ai,k (J k χi − J i χk ) d 4 x. δS = − c Nun gilt u i,k (P k χi − P i χk ) = (u i,k − u k,i )P k χi = (u i;k − u k;i )P k χi = u i;k P k χi und Ai,k (J k χi − J i χk ) = (Ai,k − Ak,i )J k χi = −Fik J k χi . Dabei haben wir die aus u k u k = −c2 folgende Relation u k;i u k = 0, die mit (16.43) auch u k;i P k = 0 zur Folge hat, sowie (16.30) benutzt. Also ist   1  u i;k P k − Fik J k χi d 4 x, δS = − c und die Forderung δS = 0 bei beliebiger Wahl des infinitesimalen Verschiebungsfeldes χi liefert u i;k P k − Fik J k = 0. Mit (16.43) und (16.44) folgt schließlich μu k u i;k − 0 u k Fik = 0, also die Bewegungsgleichung Du i 0 ik = F uk . dτ μ

17

Ausblick

Inhaltsverzeichnis 17.1 Gravitationswellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Kosmologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3 Das Problem der Quantengravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

203 206 209 211

Zusammenfassung

Das abschließende Kapitel des zweiten Teils gibt einen kleinen Ausblick auf die Themenkomplexe Gravitationswellen und Kosmologie, die im Rahmen dieses Lehrbuches nicht ausführlich behandelt werden können, sowie auf die große Herausforderung, eine Theorie zu entwickeln, die die ART mit der Quantentheorie zusammenführt. Der Abschnitt über Gravitationswellen beschreibt gesicherte theoretische Erkenntnisse, die auch schon durch astronomische Beobachtungen und experimentelle Messungen bestätigt wurden. Das Gebiet der Kosmologie ist naturgemäß nicht frei von spekulativen Aspekten, wenngleich das sogenannte kosmologische Standardmodell beeindruckende Erfolge vorzuweisen hat. Eine überzeugende Theorie der „Quantengravitation“ gibt es bisher nicht; hier fehlt es noch an empirischen Befunden – und vielleicht auch an einer genialen Idee.

17.1

Gravitationswellen

Ein einfacher Zugang zu Gravitationswellen führt über die Betrachtung von Raumzeiten, die nur schwach gekrümmt sind, so dass wir in geeigneten Koordinaten gik = ηik + f ik mit | f ik |  1

(17.1)

schreiben können. Diese Annahme stimmt mit der Voraussetzung (i) bei der Behandlung des Newton’schen Grenzfalls überein, s. Kap. 11. Die dortige Voraussetzung © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_17

203

204

17 Ausblick

(ii), die in der Vernachlässigbarkeit von Ableitungen nach der Koordinate x 4 = ct bestand, wollen wir jetzt aber fallen lassen. Dann haben die Einstein’schen VakuumFeldgleichungen zum Beispiel die folgende Näherungslösung: ds 2 = (1 + f + ) d x 2 + 2 f × d xd y + (1 − f + ) dy 2 + dz 2 − c2 dt 2

(17.2)

mit f + = A+ cos(kz − ωt + ϕ+ ),

f × = A× cos(kz − ωt + ϕ× ),

(17.3)

0 < ω = kc = const.,

(17.4)

A+ , ϕ+ , A× und ϕ× = const.

(17.5)

0 ≤ A+  1, 0 ≤ A×  1.

(17.6)

sowie

Diese Metrik, deren Krümmungstensor (für A+ + A× > 0) nicht verschwindet, beschreibt eine in z-Richtung laufende Gravitationswelle der Frequenz ν = ω/2π und der Wellenlänge λ = 2π/k. Wie für elektromagnetische Wellen im Vakuum gilt auch hier λν = c ; Gravitationswellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus. Weitere Gemeinsamkeiten mit den elektromagnetischen Wellen sind der transversale Charakter und das Auftreten zweier linear unabhängiger Polarisationsmöglichkeiten (hier charakterisiert durch die Amplituden A+ und A× ). Im Einklang mit der Voraussetzung (17.1) kann man in linearer Näherung auch ein allgemeines Gravitationswellenfeld durch Superposition von entsprechenden Lösungen für alle möglichen Richtungen und Wellenlängen erzeugen. Die berühmte Einstein’sche Quadrupolformel ist eine Näherungsformel für die pro Zeiteinheit von einem materiellen System („Quelle“) durch Gravitationwellen abgestrahlte Energie und lautet G dE = − dt 45c5



2  3  3  d Dαβ . dt 3

(17.7)

α,β=1

Dabei ist E die (abnehmende) Energie des Systems,  Dαβ = (3xα xβ − r 2 δαβ )μ d xd ydz

(17.8)

(mit x1 = x, x2 = y, x3 = z und r 2 = x 2 + y 2 + z 2 ) der spurfreie Newton’sche Quadrupoltensor und . . .  das Symbol für die zeitliche Mittelung über einige charakteristische Perioden des Systems. Diese Mittelung ist in der Umgebung eines retardierten Zeitpunktes t − R/c durchzuführen, d. h. in (17.8) ist die Massendichte μ = μ(x, y, z, t − R/c) einzusetzen. R bezeichnet den Radius einer gedachten Kugel, in deren Mittelpunktsgegend sich die Quelle befindet und deren Oberfläche

17.1 Gravitationswellen

205

im Fernfeld (in der sogenannten „Wellenzone“) liegt. Die Formel (17.7) beschreibt gerade den (gemittelten) Energiestrom durch die Oberfläche dieser Kugel zum Zeitpunkt t. Für eine astrophysikalische Quelle ist die Quadrupolformel dann eine gute Näherung, wenn es sich um ein nur „schwach relativistisches System“ handelt [d. h.: schwaches Gravitationsfeld, Geschwindigkeiten klein im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit, dominierende Komponente von Tik (bei Verwendung entsprechender Koordinaten) T44 ≈ μc2 ]. Die Dynamik eines solchen Systems wird schon recht gut durch die Newton’sche Theorie beschrieben. Der Quotient aus linearer räumlicher Ausdehnung L und charakteristischer Periode T der Quelle muss die Bedingung L c T

(17.9)

erfüllen. Die Ausstrahlung von Gravitationswellen ist dann ein sehr kleiner Effekt, der aber trotzdem eine ganz langsame Veränderung im System verursacht („säkulare Wirkung“). Eine sorgfältige Herleitung von (17.7) findet man zum Beispiel in Misner et al. (1973). An dieser Stelle sei erwähnt, dass es wegen der „Geometrisierung der Gravitation“ gar nicht so einfach ist, Energie-Impuls-Bilanzen – unter Einbeziehung des Gravitationsfeldes – im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie zu formulieren. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, „Energie-Impuls-Pseudotensoren des Gravitationsfeldes“ zu definieren, eine davon ist Gegenstand von Aufgabe 17.1. Eine andere, oft verwendete Version stammt von Landau und Lifschitz. Diese Pseudotensoren haben zwar lokal keine physikalische Bedeutung, können aber unter bestimmten Voraussetzungen zur Berechnung globaler Energie-Impuls-Größen herangezogen werden. Der empirische Nachweis der Existenz von Gravitationswellen ist erstmals durch die beobachtete allmähliche Abnahme der Umlaufperiode des aus dem Pulsar PSR 1913 + 16 und einem weiteren Neutronenstern bestehenden Doppelsternsystems gelungen. Diese Abnahme stimmt hervorragend mit dem gemäß der Quadrupolformel (17.7) berechneten Energieverlust des Binärsystems infolge der Abstrahlung von Gravitationswellen überein (vgl. Aufgabe 17.2). Deshalb erhielten Russell Alan Hulse und Joseph Hooton Taylor Jr., die Entdecker des Pulsars PSR 1913 + 16, den Physik-Nobelpreis des Jahres 1993. Ultimativ führt der Energieverlust eines solchen Binärsystems schließlich zum „Einspiralen“ und „Verschmelzen“ der beiden Neutronensterne. In der Schlussphase dieses Prozesses sind allerdings die Voraussetzungen für die Näherungsformel (17.7) und die Behandlung wie in Aufgabe 17.2 nicht mehr erfüllt, denn der Abstand der beiden Neutronensterne ist nicht mehr groß im Vergleich zur Summe der beiden zugehörigen Schwarzschild-Radien. Die Dynamik dieses Vorgangs und das damit verbundene starke Gravitationswellensignal können auch mit fortgeschrittenen post-Newton’schen Entwicklungen (s. Schäfer und Jaranowski 2018) nicht mehr ausreichend genau berechnet werden – hier liegt vielmehr ein Hauptanwendungsgebiet der „numerischen Relativitätstheorie“ (s. Brügmann 2018). Gleiches gilt für die Behandlung von Binärsystemen Schwarzer Löcher oder von Systemen, die aus einem Schwarzen Loch und einem Neutronenstern bestehen. Experimentell kann man Gravitationswellen zum Beispiel durch die von ihnen verursachte Relativbeschleunigung benachbarter Testteilchen („geodätische

206

17 Ausblick

Abweichung“, s. Aufgabe 10.1) messen. Auf diesem Prinzip beruhen die laserinterferometrischen Gravitationswellendetektoren wie LIGO, Virgo, GEO 600, KAGRA und auch das Weltraumprojekt LISA; eine einfache Darstellung ihrer Funktionsweise findet man z. B. bei Hartle (2003). Die erste Messung eines Gravitationswellensignals gelang mit den beiden LIGO-Detektoren in den USA am 14. September 2015 (Abbott et al. 2016) und kann als Beginn einer neuen Ära der Astronomie – der „Gravitationswellenastronomie“ – betrachtet werden. Auch diese Leistung wurde mit dem Nobelpreis für Physik gewürdigt, der 2017 an Rainer Weiss, Barry Barish und Kip Thorne ging. Das gemessene Signal wurde durch den Vergleich mit Ergebnissen numerischer Rechnungen einem Verschmelzungsvorgang zweier Schwarzer Löcher zugeordnet. Am 17. August 2017 konnten die LIGO-Detektoren – unterstützt durch den italienischen Virgo-Detektor – ein durch das Einspiralen und Verschmelzen zweier Neutronensterne erklärbares Signal so genau einer Himmelsregion zuordnen, dass im Anschluss „herkömmliche“ astronomische Beobachtungen dieses Ereignisses und seiner Folgeerscheinungen im gesamten elektromagnetischen Spektrum möglich wurden, die zu einer Vielzahl neuer astrophysikalischer Einsichten führten (Abbott et al. 2017).

17.2

Kosmologie

Die einfachen kosmologischen Modelle auf der Grundlage der ART sind ein Versuch, die Welt als Ganzes (das „Universum“) näherungsweise zu beschreiben. Sie beruhen auf dem sogenannten „kosmologischen Prinzip“, der Annahme, dass das Universum in räumlicher Hinsicht homogen und isotrop ist. Diese Annahme, die mit den astronomischen Beobachtungen bei Mittelung über hinreichend große Bereiche des beobachtbaren Teils des Universums recht gut verträglich ist und vor allem durch die beeindruckende Isotropie der kosmischen Hintergrundstrahlung gestützt wird, führt auf die Friedmann-Lemaître-(Robertson-Walker-) Modelle (siehe z. B. Goenner 1994; Straumann 2013) mit dem Linienelement   ds 2 = a 2 (t) dχ 2 + F(χ ) dϑ 2 + sin2 ϑ dϕ 2 − c2 dt 2

(17.10)

und einem Energie-Impuls-Tensor mit einer Struktur wie bei einer idealen Flüssigkeit,

p (17.11) T ik = μ + 2 u i u k + p g ik , c wobei das Vierergeschwindigkeitsfeld u i in den Koordinaten x 1 = χ , x 2 = ϑ, x 3 = ϕ und x 4 = ct durch u i = (0, 0, 0, c)

(17.12)

17.2 Kosmologie

207

gegeben ist und die Massendichte μ sowie der Druck p nur von t abhängen. Dabei ist ⎧ 2 ⎨ sin χ (A) F(χ ) = χ 2 (17.13) (B) . ⎩ sinh2 χ (C) In allen drei Fällen handelt es sich bei den raumartigen Hyperflächen t = const. um „Räume konstanter Krümmung“, die im Fall (A) eine positive, im Fall (B) eine verschwindende und im Fall (C) eine negative Krümmung aufweisen. Im Fall (A) ist der Wertebereich der Koordinate x 1 = χ durch 0 ≤ χ ≤ π gegeben, bei (B) und (C) gilt 0 ≤ χ < ∞. Der Fall (A) beschreibt ein räumlich geschlossenes Universum mit dem Volumen 2π 2 a 3 (t), während bei (B) und (C) ein räumlich offenes Universum (mit unendlichem Volumen) vorliegt. Man nennt a(t) allgemein den „Skalenfaktor“; im Fall (A) ist auch die Bezeichnung „Weltradius“ sinnvoll. Die Einstein-Gleichungen liefern 3a˙ 2 3k = κμc2 − 2 a2 a

(k = 0, ±1)

(17.14)

und 6a¨ = −κ(μc2 + 3 p), a

(17.15)

wobei ein Punkt die Ableitung nach x 4 = ct bedeutet. Im Fall (A) gilt k = 1, im Fall (B) k = 0 und im Fall (C) k = −1. Gl. (17.14) wird Friedmann-Gleichung genannt. Bei gegebener „Zustandsgleichung“ p = p(μ) ist die Dynamik des Weltmodells durch die Gl. (17.14) und (17.15) vollständig bestimmt. Bei Verwendung des Staubmodells ( p ≡ 0) erhält man die Friedmann’schen Weltmodelle im engeren Sinne, die alle mit einer Anfangssingularität („Urknall“) für t = 0 beginnen [mit a(0) = 0] und in den Fällen (B) und (C) durch ständige Expansion (a˙ > 0) gekennzeichnet sind, während sich im Fall (A) nach einer Expansionsphase eine Kontraktionsphase anschließt, die wieder zu einer Singularität mit verschwindendem Weltradius führt. Wir setzen grundsätzlich μ > 0 voraus. Dann kann man ein statisches Weltmodell (a˙ = 0, a¨ = 0) gemäß (17.15) nur mit einem negativen „Druck“ p bekommen. Um ein statisches Weltmodell zu ermöglichen, hat Einstein – als die Expansion des Weltalls noch nicht entdeckt war – seinen Feldgleichungen den „kosmologischen Term“ hinzugefügt (s. Einstein 2009). Inzwischen gibt es keinen Zweifel mehr an der allgemeinen kosmischen Expansion. Moderne Beobachtungen weit entfernter Supernovae vom Typ Ia haben sogar zu dem Schluss geführt, dass die Expansion ¨ 0 ) > 0], was gemäß (17.15) gegenwärtig (t = t0 ) eine Beschleunigung erfährt [a(t ebenfalls ein negatives p erfordert. Die einfachste Erklärung dafür bietet wiederum der kosmologische Term, der als Zusatz (−/κ)gik zum Energie-Impuls-Tensor betrachtet werden kann, s. Kap. 10. Diesen Zusatzterm können wir auch in der Form

pkos ik Tkos = μkos + 2 u i u k + pkos g ik c

(17.16)

208

17 Ausblick

mit pkos  = 2 (17.17) 2 c κc schreiben. Damit der so erzeugte „Druck“ pkos wirklich negativ ist, muss die „kosmologische Konstante“  positiv sein. Bleiben wir für die eigentliche Materie beim ik = μ i k Staubmodell Tmat mat u u , erhalten wir für den gesamten Energie-Impulsik ik ik Tensor T = Tmat + Tkos den Ausdruck (17.11) mit μkos = −

μ = μmat +

  und p = − . κc2 κ

(17.18)

Wir wollen uns hier nicht mit den spannenden Fragen der kosmologischen Vergangenheit bis hin zum Urknall beschäftigen (das einfache Staubmodell ist für die Beschreibung der Frühphasen des Universums natürlich auch nicht mehr ausreichend), sondern nach der langfristigen Zukunftsperspektive fragen. Aus den Gl. (17.14), (17.15) und (17.18) folgt generell μmat a 3 = const., woraus wir mit ¨ 0 ) > 0 für t > t0 folgenden andauernden (beschleunigten) der aus a(t ˙ 0 ) > 0 und a(t Expansion schließen können, dass mit a → ∞ auch μmat → 0 für t → ∞ gilt. Damit können wir μmat für große Zeiten t in (17.18) vernachlässigen, und wir erhalten asymptotisch die Weltmodelle von de Sitter, die sich aus (17.14) und (17.15) für μ = /κc2 und p = −/κ ergeben: ⎧ ⎨ β cosh(ct/β) (k = 1) (k = 0) . a(t) = α exp(ct/β) (17.19) ⎩ β sinh(ct/β) (k = −1) Dabei sind α und β positive Konstanten, und es gilt  β=

3 . 

(17.20)

Man sieht, dass der Skalenfaktor in allen drei Fällen (k = 0, ±1) für große Zeiten gemäß a(t) ∝ ect/β exponentiell anwächst. Abschließend wollen wir uns der Frage zuwenden, ob man feststellen kann, welcher der drei Fälle vorliegt, also insbesondere, ob man eine Antwort auf die Frage geben kann, ob das Universum räumlich geschlossen oder offen ist, d. h. auch, ob es räumlich endlich oder unendlich ist. Dazu betrachten wir Gl. (17.14) zum gegenwärtigen Zeitpunkt t = t0 , die wir unter Verwendung der „Hubble-Konstanten“ H0 ≡

a(t ˙ 0) , a(t0 )

(17.21)

einer der astronomischen Beobachtung recht gut zugänglichen Größe, in der Form k κc2 = μ(t0 ) − H02 a 2 (t0 ) 3

(17.22)

17.3 Das Problem der Quantengravitation

209

schreiben können. Somit gilt ⎧ ⎨ 1 f¨ur μ(t0 ) > μkrit 0 f¨ur μ(t0 ) = μkrit k= ⎩ −1 f¨ur μ(t0 ) < μkrit

(17.23)

mit der „kritischen Massendichte“ μkrit =

3H02 . κc2

(17.24)

Die astronomischen Beobachtungen legen – unter Einbeziehung der Ergebnisse des Planck-Weltraumteleskops zur kosmischen Hintergrundstrahlung – μ(t0 ) ≈ μkrit

(17.25)

nahe, wobei μ(t0 ) auch signifikante Beiträge der sogenannten „dunklen Materie“ und „dunklen Energie“ enthält; das einfachste Modell für die dunkle Energie ist übrigens gerade durch (17.16) und (17.17) gegeben. Eine Entscheidung zwischen den drei Fällen (k = 0, ±1) ist somit bei der gegenwärtigen Datenlage nicht möglich. Man sollte auch nicht vergessen, dass unsere Schlüsse über das Universum als Ganzes auf dem postulierten kosmologischen Prinzip beruhen. Das aktuelle „kosmologische Standardmodell“ kann in seiner Beschreibung der Entwicklung des Universums vom Urknall bis zur Gegenwart aber beachtliche Erfolge vorweisen, einschließlich der Erklärung der Bildung kosmischer Strukturen aus Anfangsfluktuationen, die ihren Ursprung womöglich in Quanteneffekten haben.

17.3

Das Problem der Quantengravitation

Die Relativitätstheorie spielte eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Quantenmechanik , siehe die Diskussion am Ende von Kap. 5; die Quantenmechanik wurde dann aber zunächst in ihrer nichtrelativistischen Form weiter ausgebaut. Die (speziell-) relativistische Quantenmechanik führte später zur relativistischen Quantenfeldtheorie, die inzwischen den Rahmen der Beschreibung aller fundamentalen Wechselwirkungen – außer der Gravitation – bildet. Eine erfolgreiche Vereinigung der Quantenfeldtheorie mit der ART ist noch nicht gelungen. Solange die charakteristischen Skalen klar getrennt sind, ist das für praktische Anwendungen kein ernstes Problem: Die Gravitation ist in der Regel relevant für die Physik „im Großen“, die Quantenfeldtheorie für die Physik „im Kleinen“. Die Quantenfeldtheorie im Minkowski-Raum ist auch mit Erfolg zur Quantenfeldtheorie in einer gegebenen gekrümmten Raumzeit weiterentwickelt worden. Herausragende Ergebnisse sind die Vorhersagen der „Hawking-Strahlung“ Schwarzer Löcher und der Teilchenerzeugung in einer „inflationären Phase“ des frühen Universums, siehe zum Beispiel Mukhanov und Winitzki (2007) sowie Parker und Toms (2009).

210

17 Ausblick

Völlig offen ist jedoch, was aus der Physik wird, wenn die relevanten Skalen die gleiche Größenordnung bekommen. Betrachten wir zum Beispiel ein durch die Schwarzschild-Lösung beschriebenes Schwarzes Loch der Masse M (Kap. 15). Setzen wir den zugehörigen Schwarzschild-Radius rS = 2G M/c2 formal mit der Compton-Wellenlänge λC = h/Mc eines Teilchens der Masse M gleich, also 2G M h = , 2 c Mc folgt

 M=

hc und rS = λC = 2G

(17.26)



2hG . c3

(17.27)

Solche Objekte können mit der derzeitigen Physik nicht beschrieben werden; sie fallen in den Bereich der noch zu findenden Theorie der „Quantengravitation“. Singularitäten, etwa beim Gravitationskollaps oder am Anfang der kosmologischen Entwicklung, liegen natürlich erst recht jenseits des Gültigkeitsbereiches der klassischen ART. Man kann erwarten, dass sie im Rahmen der Quantengravitationstheorie nicht mehr auftreten werden. Die Werte für M und rS in (17.27) liegen in der Größenordnung der Planck-Masse  mP = und der Planck-Länge

 lP =

c G

(17.28)

G . c3

(17.29)

Es liegt nahe darüber zu spekulieren, dass die Vorstellung eines Raum-ZeitKontinuums eine Idealisierung ist, die nur auf Längen- und Zeitskalen gerechtfertigt ist, die groß gegen die Planck-Länge lP ≈ 1,616 × 10−35 m bzw. die Planck-Zeit tP = lP /c ≈ 5,0391 × 10−44 s sind. Im Kap. 2, bei der Einführung der Eigenzeit, haben wir zum Beispiel im Sinne einer Idealisierung von punktförmigen Uhren gesprochen, die unendlich kleine Zeitintervalle anzeigen können. Es dürfte klar sein, dass eine annähernde physikalische Realisierung solcher „Uhren“ schon lange vor Erreichen der Planck-Skala nicht mehr möglich ist. Einen Überblick über verschiedene Ideen und Versuche auf dem Weg zu einer Theorie der Quantengravitation findet man im Buch von Kiefer (2012). Sehr interessant finde ich auch die Überlegungen von Padmanabhan (2008, 2018). Aus der bisherigen Entwicklung der Physik kann man die Hoffnung ableiten, dass die zukünftige vereinigte Theorie in irgendeinem Sinne einfach sein wird. Vielleicht wird sie sogar eine überraschende Lösung gewisser konzeptioneller Probleme der bisherigen Quantenfeldtheorie bringen.

Aufgaben

211

Aufgaben 17.1 Zeigen Sie, dass der gemäß Pm

n

c ≡√ −g

 n gm L1

∂ L1 − gik,m ∂gik,n

 (17.30)

unter Verwendung von L1 = L1 (gik ; gik,l ) [s. (16.9)] definierte, auf Einstein zurückgehende Energie-Impuls-Pseudotensor des Gravitationsfeldes zusammen mit dem eigentlichen (nicht-gravitativen) Energie-Impuls-Tensor der Gleichung √ −g (Pm n + Tm n ) ,n = 0 (17.31) genügt! Lösung Aus (17.30) folgt unter Verwendung von Produkt- und Kettenregel     ∂ L1 ∂ L1 ∂ 1 √ n gik,m −g Pm ,n = − n c ∂gik ∂x ∂gik,n und daraus mit (16.13), (16.16) und den Einstein’schen Feldgleichungen (10.5) √

−g Pm n

 ,n

=−

1√ −g T ik gik,m . 2

(17.32)

Andererseits erhalten wir mit (9.51)

√  √ i −g Tm n ,n = −g in Tm n + Tm n ,n , woraus bei Beachtung von Tm n ;n = 0 und (8.35) √  √ 1√ i −g Tm n ,n = −g mn −g T jn (g jm,n + g jn,m − gmn, j ) Ti n = 2 und wegen T jn = T n j schließlich √  1√ −g Tm n ,n = −g T jn g jn,m 2

(17.33)

folgt. Die Summe von (17.32) und (17.33) liefert die zu zeigende Gl. (17.31). Es sei darauf hingewiesen, dass Pm n kein Tensor ist und, wie man leicht sieht, im LIS verschwindet. Es ist deshalb nicht angebracht, Pm n eine lokale physikalische Bedeutung zuzuschreiben. Die dennoch allgemein kovariante Gl. (17.31) kann aber als eine mögliche differenzielle Formulierung der Energie-Impuls-Erhaltung in der allgemeinen Relativitätstheorie angesehen werden, die unter geeigneten Voraussetzungen die Berechnung physikalisch sinnvoller globaler Größen mit Hilfe des Gauß’schen Integralsatzes erlaubt (Einstein 1918).

212

17 Ausblick

17.2 Berechnen Sie die Änderungsrate der Umlaufperiode eines Doppelsternsystems infolge der Abstrahlung von Gravitationswellen unter Verwendung der Quadrupolformel (17.7) für den Fall, dass sich die beiden Sterne (modelliert als Punktmassen) im Rahmen der Newton’schen Näherung auf Kreisbahnen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt bewegen! Diskutieren Sie auch, unter welcher Voraussetzung die Quadrupolformel eine gute Näherung ist! Lösung Seien r (1) und r (2) die Ortsvektoren der beiden Massenpunkte (Massen m 1 , m 2 ) im Schwerpunktsystem. Dann gilt mit r = r (1) − r (2) r (1) =

m2 r , m1 + m2

r (2) = −

m1 r . m1 + m2

Identifizieren wir die Bahnebene mit der x-y-Ebene, folgt für die Komponenten von r im Falle der Kreisbewegung x = r0 cos t,

y = r0 sin t, z = 0

mit

√ r0 = const.,  =

G(m 1 + m 2 ) 3/2

r0

.

Für ein System zweier Punktmassen reduziert sich die Formel (17.8) auf Dαβ =

2    (i) 3xα(i) xβ − (r (i) )2 δαβ m i , i=1

und wir erhalten als nichtverschwindende Komponenten von Dαβ   1 2 D11 = mr ˜ 02 3 cos2 t − 1 = mr ˜ (1 + 3 cos ωt), 2 0 ˜ 02 sin t cos t = D12 = D21 = 3mr

3 2 mr ˜ sin ωt, 2 0

 1 2  D22 = mr ˜ 02 3 sin2 t − 1 = mr ˜ (1 − 3 cos ωt), 2 0 D33 = −mr ˜ 02 mit m˜ =

m1m2 und ω = 2. m1 + m2

(17.34)

Aufgaben

213

Damit ist es kein Problem, die rechte Seite von (17.7) zu berechnen. Die Zeitmittelung liefert einfach einen Faktor 1/2 (die Retardierung t → t − R/c spielt keine Rolle). Es folgt −

32G 2 4 6 dE = m˜ r0  , dt 5c5

mit (17.34) also −

dE 32G 4 m 21 m 22 (m 1 + m 2 ) . = dt 5c5 r05

Unter Verwendung von m1 E= 2



d r (1) dt

2

m2 + 2



d r (2) dt

2

Gm 1 m 2 Gm 1 m 2  =− −  (1) r − r (2)  2r0

ergibt sich −

1 dE 1 dr0 64G 3 m 1 m 2 (m 1 + m 2 ) , = =− E dt r0 dt 5c5 r04

und mit  = 2π/T und (17.34) erhalten wir schließlich die gesuchte (relative) Änderungsrate der Umlaufperiode T : 1 dT 96G 3 m 1 m 2 (m 1 + m 2 ) . =− T dt 5c5 r04 Im Laufe der Zeit werden also E, r0 und T ganz allmählich kleiner (man beachte E < 0). Die Quadrupolformel ist für das betrachtete System eine gute Näherung, solange r0  c und damit gemäß (17.34) G(m 1 + m 2 )  c2 r0 gilt. Dann sind die Bahngeschwindigkeiten klein gegen die Lichtgeschwindigkeit und auch die Bedingung (17.9) ist erfüllt. Ein Vergleich mit (12.32) zeigt, dass man die Voraussetzung auch so formulieren kann: Der Abstand der beiden Sterne muss groß im Vergleich zur Summe der beiden zugehörigen Schwarzschild-Radien sein. Die Zeitskala, auf der sich E, r0 und T ändern, ist um einen Faktor der Größenordnung (r0 /c)−5 größer als T .

Teil III Ergänzungen für Fortgeschrittene

18

Mathematische Methoden

Inhaltsverzeichnis 18.1 Killing-Vektoren und Lie-Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Erhaltungsgrößen und Fernfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Die Einstein-Maxwell-Gleichungen bei Axialsymmetrie und Stationarität . . . . . . . . . . 18.4 Lösungsmethoden aus der Solitonentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217 220 225 229 232

Zusammenfassung

In diesem Kapitel werden mathematische Hilfsmittel bereitgestellt, die eine systematische Lösung ausgewählter physikalischer Probleme im Rahmen der ART möglich machen. Zunächst wird gezeigt, wie man Symmetrien der Raumzeit und physikalischer Felder in koordinatenunabhängiger Weise charakterisieren kann. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Konzept der Killing-Vektoren, mit deren Hilfe man auch allgemein kovariante Erhaltungssätze gewinnen kann. Die Einstein-Maxwell-Gleichungen außerhalb der Quellen gehören im stationären und axialsymmetrischen Fall zu einer ganz besonderen Klasse nichtlinearer partieller Differenzialgleichungssysteme, wie sie vor allem aus der Solitonentheorie bekannt sind: Sie lassen sich als Integrabilitätsbedingung eines zugehörigen linearen „Spektralproblems“ formulieren. Das ermöglicht die Anwendung raffinierter Methoden sowohl zur Erzeugung spezieller exakter Lösungen als auch zur strengen Lösung von Randwertproblemen.

18.1

Killing-Vektoren und Lie-Ableitung

Eine Symmetrie der Raumzeit (auch „Isometrie“ genannt) kann man durch eine Koordinatentransformation x  i = x  i (x j ) beschreiben, die die Metrik forminvariant lässt:  gmn (x  ) = gmn (x  ), i

i

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_18

(18.1)

217

218

18 Mathematische Methoden

 (x  i ) hängt von ihren Argumenten x  i genauso d. h. die transformierte Metrik gmn ab (im Sinne gleicher Funktionen), wie die ursprüngliche Metrik gmn (x i ) von ihren Argumenten x i . Bei einer beliebigen Koordinatentransformation gilt gemäß (8.11)

gmn (x i ) =

∂ x  k ∂ x l   i g (x ). ∂ x m x n kl

(18.2)

Eine Isometrie liegt somit genau dann vor, wenn die Beziehung gmn (x i ) =

∂ x  k ∂ x l i gkl (x  ) ∂xm xn

(18.3)

mit x  i = x  i (x j ) identisch für alle x j erfüllt ist. Die Koordinatentransformation kann dann als „Symmetrietransformation“ bezeichnet und auch „aktiv“ als eine Bewegung der Raumzeit interpretiert werden, bei der sich aber – eben wegen der Symmetrie – nichts ändert. Die Auswertung der im Allgemeinen sehr komplizierten Bedingung (18.3) kann man stark vereinfachen, indem man sich zunächst auf „infinitesimale Transformationen“ x = xi +  ξi i

(18.4)

beschränkt. Dabei bezeichnet  einen konstanten infinitesimalen Parameter, und ξ i ein Vektorfeld. Mit der unmittelbar folgenden Relation ∂ x i = δ ij +  ξ i , j ∂x j

(18.5)

gkl (x  ) = gkl (x i ) +  ξ j gkl, j (x i ) + O( 2 )

(18.6)

und der Taylor-Entwicklung i

lautet die Bedingung (18.3)     k +  ξ k ,m δnl +  ξ l ,n gkl +  ξ j gkl, j + O( 2 ) gmn = δm   = gmn +  gml ξ l ,n + gkn ξ k ,m + ξ j gmn, j + O( 2 ),

(18.7)

wobei jetzt alle Größen das Argument x i haben. Eine infinitesimale Symmetrietransformation liegt somit genau dann vor, wenn die Gleichung ξ l gmn,l + gln ξ l ,m + gml ξ l ,n = 0

(18.8)

erfüllt ist. Der Ausdruck auf der linken Seite ist gleich der nach Sophus Lie benannten „Lie-Ableitung“ der Metrik nach dem Vektorfeld ξ , die wir mit dem Symbol Lξ gmn bezeichnen: Lξ gmn ≡ ξ l gmn,l + gln ξ l ,m + gml ξ l ,n .

(18.9)

18.1 Killing-Vektoren und Lie-Ableitung

219

Allgemein kann man die Lie-Ableitung eines beliebigen Tensorfeldes nach einem Vektorfeld folgendermaßen definieren: Definition 18.1 (Lie-Ableitung) Die Lie-Ableitung La der Komponenten eines Tensorfeldes nach einem Vektorfeld a ergibt wieder die Komponenten eines Tensorfeldes (mit demselben Indexbild) und stimmt bei Verwendung von Koordinaten x i , in denen das Vektorfeld a durch a i = (1, 0, 0, 0) gegeben ist, mit der Ableitung  ∂/∂ x 1 überein. Es ist leicht verifizierbar, dass diese Definition auf den in (18.9) angegebenen Ausdruck für Lξ gmn zutrifft, der auch in der Form Lξ gmn = ξm;n + ξn;m

(18.10)

geschrieben werden kann, s. Aufgabe 18.1 (e). Verschwindet Lξ gmn überall in der betrachteten Raumzeit, liegt gemäß (18.8) eine infinitesimale Symmetrietransformation vor, und man nennt ξ ein Killing-Vektorfeld oder kurz einen Killing-Vektor (Killing 1892): Definition 18.2 (Killing-Vektor) Ein Killing-Vektor ist eine Lösung der „KillingGleichung“ ξm;n + ξn;m = 0.

(18.11) 

Die Killing-Gleichung Lξ gmn = 0 charakterisiert eine Symmetrie der Raumzeit in koordinatenunabhängiger Weise. Ausgehend von der zugehörigen infinitesimalen Symmetrietransformation kann man auch endliche Symmetrietransformationen durch Bewegung entlang der Feldlinien („Integralkurven“) des Killing-Vektorfeldes gewinnen, die sich durch Lösung der Gleichungen dxi = ξ i (x k ) dλ

(18.12)

ergeben. [Der infinitesimale Parameter  in (18.4) kann mit dλ identifiziert werden.] Wählt man ein Koordinatensystem, in dem ξ i = (1, 0, 0, 0), ξ i = (0, 1, 0, 0), ξ i = (0, 0, 1, 0) oder ξ i = (0, 0, 0, 1) gilt, bedeutet die Symmetrie nichts anderes als die Unabhängigkeit der Metrik von der jeweiligen Koordinate (x 1 , x 2 , x 3 bzw. x 4 ). Wenn zwei (oder mehr) Killing-Vektoren vorhanden sind, ist es im Allgemeinen allerdings nicht möglich Koordinaten einzuführen, die in diesem Sinne gleichermaßen an beide Killing-Vektoren angepasst sind, es sei denn, die sogenannte „Lie-Klammer“ der beiden Killing-Vektoren verschwindet – man spricht dann auch von kommutierenden Killing-Vektoren, s. Aufgabe 18.2. Die Lie-Klammer ist wie folgt definiert:

220

18 Mathematische Methoden

Definition 18.3 (Lie-Klammer) Als Lie-Klammer [ u , v ] zweier Vektorfelder u und v bezeichnet man das durch wi = Lu v i

(18.13)

w ≡ [ u , v ].

(18.14)

gegebene Vektorfeld  Wegen Lu v i = −Lv u i , s. Aufgabe 18.1 (b), gilt [ u , v ] = −[ v , u ].

(18.15)

Wenn eine durch einen Killing-Vektor beschriebene Symmetrie der Raumzeit vorliegt, ist die Frage sinnvoll, ob ein physikalisches Feld (z. B. ein Geschwindigkeitsfeld oder ein elektromagnetisches Feld) diese Symmetrie ebenfalls aufweist. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um ein „Testfeld“ handelt (mit vernachlässigbarem gravitativen Effekt) oder um ein Feld, welches über seinen Energie-Impuls-Tensor zum Quellterm auf der rechten Seite der Einstein-Gleichungen beiträgt. Die von der Koordinatenwahl unabhängige Antwort kann natürlich mit Hilfe der Lie-Ableitung gegeben werden: Ein Tensorfeld ist gegenüber der entsprechenden Symmetrietransformation invariant, wenn seine Lie-Ableitung nach dem Killing-Vektorfeld verschwindet. Dabei muss man keine Rücksicht auf die Indexstellung nehmen, da die Lie-Ableitung nach einem Killing-Vektorfeld mit dem „Indexziehen“ vertauschbar ist, s. Aufgabe 18.1 (g). Abschließend sei noch bemerkt, dass Raumzeiten (und physikalische Felder) zusätzlich zu den mit dem Konzept der Killing-Vektoren behandelbaren kontinuierlichen Symmetrien auch noch diskrete Symmetrien aufweisen können, die durch die Isometrie-Bedingung (18.3) mit erfasst werden. Ein Beispiel dafür sind Symmetrien bei Spiegelungen.

18.2

Erhaltungsgrößen und Fernfeld

Kräftefreie Testteilchen Die Bewegung von Testteilchen unter dem ausschließlichen Einfluss der Gravitation wird durch die Geodätengleichung D dλ



dxi dλ

 =0

(18.16)

beschrieben (Kap. 9). Durch Überschieben mit einem Killing-Vektor ξi folgt ξi

D dλ



dxi dλ

 =

  d d x i Dξi dxi ξi − = 0. dλ dλ dλ dλ

(18.17)

18.2 Erhaltungsgrößen und Fernfeld

221

Mit Dξi dx j = ξi; j (18.18) dλ dλ erhalten wir aber wegen der aus der Killing-Gleichung (18.11) folgenden Antisymmetrie von ξi; j d x i Dξi dxi dx j = ξi; j = 0. dλ dλ dλ dλ

(18.19)

  dxi d ξi = 0, dλ dλ

(18.20)

Es bleibt somit

d. h. ξi (d x i /dλ) ist eine Erhaltungsgröße entlang der Geodäte. Sowohl für Teilchen mit Ruhemasse als auch für Photonen ist der Tangentenvektor d x i /dλ (bis auf einen konstanten Proportionalitätsfaktor) gleich dem Viererimpuls pi des Teilchens, wir können das Ergebnis also auch in der Form ξ i pi = const.

(18.21)

formulieren. Bei Verwendung von an die Symmetrie angepassten Koordinaten bedeutet das also einfach, dass die entsprechende untere Komponente des Viererimpulses eine Konstante der Bewegung ist, vgl. (13.7). Globale Erhaltungsgrößen Aus der allgemein kovarianten Kontinuitätsgleichung j n ;n = 0

(18.22)

für die elektrische Viererstromdichte j n kann man unter geeigneten Voraussetzungen auf eine globale Erhaltungsgröße – die Gesamtladung Q – schließen: Q=

1 c



√ j 4 −g d x 1 d x 2 d x 3 = const.,

(18.23)

x 4 =const.

wobei x 4 eine zeitartige Koordinate bezeichnet. Für die Herleitung dieser Formel mit Hilfe des Gauß’schen Integralsatzes [analog zu (6.49)–(6.51)] ist es wesentlich, dass die kovariante Viererdivergenz eines Vektors gemäß der Formel (9.49) bis auf √ den Faktor 1/ −g durch eine „normale“ Viererdivergenz ausgedrückt werden kann. Gleiches gilt für einen antisymmetrischen Tensor zweiter Stufe, s. (9.50). Für den symmetrischen Energie-Impuls-Tensor T mn ist das hingegen nicht der Fall. Deshalb kann man im Allgemeinen aus T mn ;n = 0

(18.24)

222

18 Mathematische Methoden

nicht so ohne Weiteres globale Erhaltungsgrößen ableiten. Steht jedoch ein KillingVektor ξ n zur Verfügung, folgt (ξm T mn );n = ξm;n T mn + ξm T mn ;n .

(18.25)

Der erste Term auf der rechten Seite verschwindet wieder wegen der Antisymmetrie von ξm;n , der zweite wegen (18.24). Damit ergibt sich eine Kontinuitätsgleichung derselben Form wie (18.22), (ξm T mn );n = 0,

(18.26)

die wir mit Hilfe der Einstein-Gleichungen auch in der Form 

 ξm

R

mn

1 − Rg mn 2

 ;n

=0

(18.27)

schreiben können. Es ist aber (ξm Rg mn );n = (ξm R);n g mn = R ξm;n g mn + ξ n R,n = 0,

(18.28)

wobei wir die kovariante Konstanz von g mn , die Antisymmetrie von ξm;n und das Verschwinden von Lξ R = ξ n R,n , s. Aufgabe 18.1 (h), benutzt haben. Somit folgt einfach (ξm R mn );n = 0.

(18.29)

P n ≡ 2 ξm R mn ,

(18.30)

P n ;n = 0,

(18.31)

Mit

also

erhalten wir unter geeigneten Voraussetzungen ganz analog zu (18.23)  √ P 4 −g d x 1 d x 2 d x 3 = const. P(ξ ) =

(18.32)

x 4 = const.

als (zum Killing-Vektor ξ gehörende) globale Erhaltungsgröße. Dabei gilt mit (18.30), unter nochmaliger Verwendung der Einstein-Gleichungen,   1 P 4 = 2κ T m4 − T g m4 ξm . 2

(18.33)

Für eine stationäre asymptotisch flache Raumzeit, mit einem im räumlich Unendlichen gemäß ξ i ξi = −1 normierten Killing-Vektor ξ , der die Stationarität der Raumzeit beschreibt, ist P(ξ ) = −κ Mc2 ;

(18.34)

18.2 Erhaltungsgrößen und Fernfeld

223

und für eine axialsymmetrische Raumzeit mit dem zugehörigen raumartigen KillingVektor η, dessen Integralkurven geschlossene Linien sind, ist P(η) = 2κ J c.

(18.35)

Dabei bezeichnet M die Gesamtmasse und J den Gesamtdrehimpuls, genauer gesagt, seine Komponente bezogen auf die Symmetrieachse, die man übrigens dadurch charakterisieren kann, dass dort der Killing-Vektor η verschwindet. [Die Normierung von η ist durch die Bedingung (ηi ηi ),l (η j η j ),l /(4ηk ηk ) → 1 bei Annäherung an die Achse gegeben, s. Aufgabe 18.7.] Es gelten also die Formeln 

 Mc = −2 2

T

m4

 √ 1 m4 ξm −g d x 1 d x 2 d x 3 − Tg 2

(18.36)

x 4 =const.

und



 Jc =

 √ 1 T m4 − T g m4 ηm −g d x 1 d x 2 d x 3 , 2

(18.37)

x 4 =const.

siehe auch Aufgabe 18.5. Die Verknüpfung der Existenz dieser Erhaltungsgrößen mit entsprechenden Symmetrien der Raumzeit kann auch im Kontext der allgemeinen Aussagen des NoetherTheorems gesehen werden. Fernfeld Dank der Maxwell-Gleichungen (Verwendung der integralen Formulierung des Gauß’schen Gesetzes) kann man die Gesamtladung Q einer „inselartigen“ Ladungsverteilung bekanntlich auch aus dem Fernfeld berechnen. Sie ergibt sich als Koeffizient des Monopolterms der Multipolentwicklung des elektromagnetischen Feldes. Wir wollen uns jetzt davon überzeugen, dass im Falle einer asymptotisch flachen, stationären und axialsymmetrischen Raumzeit die Erhaltungsgrößen M und J in analoger Weise mit den Koeffizienten der führenden Terme einer Fernfeldentwicklung der Metrik identifiziert werden können. Zu diesem Zweck benutzen wir eine bemerkenswerte formale Analogie zu den Maxwell-Gleichungen (Komar 1959, 1962): Mit Hilfe der Beziehung ξm R mn = ξ l;n ;l =

1 l;n ξ − ξ n;l ;l , 2

(18.38)

die eine unmittelbare Folge der in Aufgabe 18.4 zu beweisenden Formel ξi;k;l = R m lki ξm

(18.39)

ist, können wir (18.30) in der Form

ξ l;n − ξ n;l

;l

= Pn

(18.40)

224

18 Mathematische Methoden

schreiben, die mit der Form der Maxwell-Gleichungen

Al;n − An;l

;l

= μ0 j n ,

(18.41)

siehe (9.31) und (9.35), übereinstimmt. Der Killing-Vektor spielt bei dieser Analogie die Rolle des Viererpotenzials; P n ist mit μ0 j n zu identifizieren. Gemäß (18.32), (18.34) und (18.35) folgen damit die „Komar-Integrale“ zur Berechnung von Masse und Drehimpuls,  √ 2 M= 2 −g ξ 4;α d f α (18.42) κc S und  √ 1 J =− −g η4;α d f α , (18.43) κc S in Analogie zur entsprechenden Formel 

√ 1 −g Aα;4 − A4;α d f α (18.44) Q= μ0 c S für die Ladung. Dabei ist S eine beliebige geschlossene (zweidimensionale) Fläche im Raum x 4 = const., die den gesamten Bereich umschließt, in dem die Quellterme (T mn bzw. j n ) von null verschieden sind; d f α (α = 1, 2, 3) bezeichnet das vektorielle Flächenelement im x 1 -x 2 -x 3 -Raum. Die Herleitung dieser Formeln ist Gegenstand von Aufgabe 18.6 (a). Der Ausdruck (18.44) reduziert sich im Minkowski-Raum auf die vertraute Formel Q = 0 S E · df . Damit die Raumzeit asymptotisch flach ist, muss T mn nicht unbedingt auf einen endlichen Bereich beschränkt sein („inselartige“ Verteilung), sondern es reicht aus, dass T mn hinreichend stark im Unendlichen abklingt. Auch diese Fälle werden mit erfasst, wenn bei den Formeln (18.42) und (18.43) ein Grenzübergang betrachtet wird, in dem die Fläche S vollständig „ins Unendliche“ wandert. Das zum Fernfeld einer asymptotisch flachen, stationären und axialsymmetrischen Raumzeit gehörende Linienelement hat in geeigneten Koordinaten die folgende Gestalt:

mit

ds 2 = gαβ d x α d x β + 2gα4 d x α d x 4 + g44 (d x 4 )2

(18.45)

  2G M ηαβ + O(r −2 ), gαβ = 1 + 2 c r

(18.46)

gα4 = und

2G αβγ x β J γ + O(r −3 ) c3 r 3 

g44

2G M =− 1− 2 c r



+ O(r −2 ),

(18.47)

(18.48)

18.3 Die Einstein-Maxwell-Gleichungen bei Axialsymmetrie und Stationarität

225

wobei griechische Indizes wie immer in diesem Buch von 1 bis 3 laufen, αβγ das übliche Levi-Civita-Symbol bezeichnet und r 2 = (x 1 )2 + (x 2 )2 + (x 3 )2 ist. Wählen wir die x 3 -Achse als Symmetrieachse, gilt J α = (0, 0, J ).

(18.49)

Die Bezeichnungen der Koeffizienten M und J dieser Fernfeldentwicklung unter Berücksichtigung der Einstein-Gleichungen sind dabei bereits so gewählt, dass sich diese Größen tatsächlich ergeben, wenn man die Integrale (18.42) und (18.43) mit den Killing-Vektoren ξ i = (0 , 0 , 0 , 1) bzw. ηi = (−x 2 , x 1 , 0 , 0)

(18.50)

über eine (Koordinaten-) Kugel vom Radius r = R im Limes R → ∞ ausführt, s. Aufgabe 18.6 (b). Der bei nichtverschwindendem Drehimpuls auftretende gα4 Term ist Ausdruck des im Kap. 7 diskutierten gravitomagnetischen Effektes (auch „Lense-Thirring-Effekt“ genannt). Im kugelsymmetrischen Vakuumfall stimmt der Koeffizient M mit dem Massenparameter der Schwarzschild-Lösung (gemäß rS = 2G M/c2 ) überein, wie man z. B. am asymptotischen Verhalten der SchwarzschildMetrik in isotropen Koordinaten (12.24) erkennen kann.

18.3

Die Einstein-Maxwell-Gleichungen bei Axialsymmetrie und Stationarität

In diesem Abschnitt wollen wir uns mit den Einstein-Maxwell-Gleichungen außerhalb der Quellen beschäftigen. Wegen des aufgrund des elektromagnetischen Feldes nichtverschwindenden Energie-Impuls-Tensors können wir in unserer Terminologie (s. Kap. 10) nicht von einem Vakuum sprechen; manchmal wird deshalb die Bezeichnung „Elektrovakuum“ benutzt. Wir werden einfach von den „äußeren Einstein-Maxwell-Gleichungen“ reden. • Um die Formeln etwas zu vereinfachen, verwenden wir ab jetzt (bis zum Ende des Buches) ein Maßsystem, in dem G = 1, c = 1 und 4π 0 = 1

(18.51)

gilt. In diesem Maßsystem haben Längen, Zeiten, Massen und Ladungen alle dieselbe Einheit. Wir setzen Axialsymmetrie und Stationarität sowohl der Raumzeit als auch des elektromagnetischen Feldes voraus. Die zugehörigen Killing-Vektoren nennen wir wieder ξ und η. Es ist also Lξ gik = 0, Lη gik = 0, Lξ Fik = 0 und Lη Fik = 0.

(18.52)

226

18 Mathematische Methoden

Weiterhin nehmen wir [ξ , η] = 0

(18.53)

an. Diese im asymptotisch flachen Fall notwendigerweise erfüllte Bedingung [s. Carter (1970, 1973)] erlaubt die Einführung von Koordinaten (x 1 = , x 2 = ζ , x 3 = ϕ und x 4 = t), die gleichermaßen an beide Killing-Vektoren angepasst sind, so dass ξ i = (0, 0, 0, 1) und ηi = (0, 0, 1, 0)

(18.54)

bzw. ξ=

∂ ∂ und η = ∂t ∂ϕ

(18.55)

gilt, s. Aufgabe 18.2. (Ein voller Umlauf entlang der geschlossenen Integralkurven von η soll gerade der Zunahme der Koordinate ϕ um die übliche Periode 2π entsprechen.) Unter Verwendung der äußeren Einstein-Maxwell-Gleichungen kann man zeigen, dass das Linienelement auf die Weyl-Lewis-Papapetrou-Form

ds 2 = f −1 h (d2 + dζ 2 ) + 2 dϕ 2 − f (dt + A dϕ)2

(18.56)

gebracht werden kann, siehe z. B. Stephani et al. (2003). Die metrischen Funktionen f , h und A hängen nur von den „Weyl-Koordinaten“  und ζ ab: f = f (, ζ ), h = h(, ζ ), A = A(, ζ ).

(18.57)

Für die Skalarprodukte der Killing-Vektoren ergibt sich ξ i ξi = − f, ηi ηi = f −1 2 − f A2 und ξ i ηi = − f A.

(18.58)

Auf diese Weise können wir die metrischen Funktionen f und A sowie die Koordinate  invariant charakterisieren. Aus dem Verschwinden des Killing-Vektors η auf der Symmetrieachse schließen wir sofort, dass dort  = 0 und A = 0 gelten muss. Aus Regularitätsgründen folgt auf der Symmetrieachse weiterhin h = 1, s. Aufgabe 18.7. Insgesamt gilt also auf der Symmetrieachse, die wir mit dem Symbol A bezeichnen, A:

 = 0, A = 0, h = 1.

(18.59)

Das elektromagnetische Viererpotenzial, aus dem sich der Feldstärketensor gemäß Fik = Ak,i − Ai,k

(18.60)

18.3 Die Einstein-Maxwell-Gleichungen bei Axialsymmetrie und Stationarität

227

berechnet, können wir wegen (18.52) und F ik ;k = 0 durch eine geeignete Eichung auf die Form Ai = (0, 0, Aϕ , At ) mit Aϕ = Aϕ (, ζ ), At = At (, ζ )

(18.61)

bringen. Ernst-Gleichungen Die äußeren Einstein-Maxwell-Gleichungen   1 und F ik ;k = 0 Rik = 2 Fi j Fk j − gik F mn Fmn 4

(18.62)

[der Faktor 2 entsteht in unserem Maßsystem (18.51) aus κ/μ0 ] sind äquivalent zu den Ernst-Gleichungen (Ernst 1968b) f Δ E = (∇ E + 2Φ¯ ∇Φ) · ∇ E

(18.63)

f Δ Φ = (∇ E + 2Φ¯ ∇Φ) · ∇Φ

(18.64)

f = Re E + |Φ|2 .

(18.65)

und

mit

Dabei ist Δ=

∂2 1 ∂ ∂2 + + ∂2  ∂ ∂ζ 2

(18.66)

der gewöhnliche Laplace-Operator in Zylinderkoordinaten , ϕ und ζ (bei Anwendung auf Funktionen, die nicht von ϕ abhängen) und ∇ der entsprechende Gradientenoperator. Die Skalarprodukte auf den rechten Seiten von (18.63) und (18.64) haben also die Bedeutung ∇ F1 · ∇ F2 =

∂ F1 ∂ F2 ∂ F1 ∂ F2 + . ∂ ∂ ∂ζ ∂ζ

(18.67)

Die „Ernst-Potenziale“ E und Φ sind komplexwertige Funktionen von  und ζ ; ein Querstrich bedeutet komplexe Konjugation. Die metrische Funktion f ist durch (18.65) gegeben, während sich A und h aus den Ernst-Potenzialen durch wegunabhängige Integration in der -ζ -Ebene berechnen lassen. (Wir sprechen der Einfachheit halber von der -ζ -Ebene, obwohl es streng genommen nur um die Halbebene  ≥ 0 geht.) Die partiellen Ableitungen von A und ln h nach  und ζ können aus folgenden Gleichungen gewonnen werden: A,z =

i ¯ ,z + iΦ Φ¯ ,z (Im E ),z − iΦΦ 2 f

(18.68)

228

18 Mathematische Methoden

und (ln h),z =

 4 ¯ ,z )(E¯,z + 2Φ Φ¯ ,z ) − (E,z + 2ΦΦ Φ,z Φ¯ ,z . 2 f f

(18.69)

Dabei haben wir zum Zwecke einer kompakten Schreibweise die komplexe Variable z =  + iζ

(18.70)

eingeführt und unsere Funktionen von  und ζ als Funktionen der zwei neuen Variablen z und z¯ aufgefasst – gemäß der formalen Koordinatentransformation =

1 1 (z + z¯ ), ζ = (z − z¯ ). 2 2i

(18.71)

In Anlehnung an unsere Komma-Notation verstehen wir unter F,z die partielle Ableitung ∂ F/∂z, analog schreiben wir z. B. auch F, für ∂ F/∂. Zerlegt man die Gl. (18.68) und (18.69) in Real- und Imaginärteile, erhält man die für die Wegintegration benötigten Ausdrücke für A, , A,ζ , (ln h), und (ln h),ζ , s. Aufgabe 18.8. Die mit den Beziehungen A,ζ = A,ζ  bzw. (ln h),ζ = (ln h),ζ  korrespondierenden Integrabilitätsbedingungen sind aufgrund der Ernst-Gleichungen erfüllt. Die Komponente At des Viererpotenzials ist durch At = −Re Φ

(18.72)

gegeben; Aϕ lässt sich wiederum durch wegunabhängige Linienintegration berechnen, wobei Aϕ, und Aϕ,ζ durch Zerlegen der Gleichung Aϕ,z = A At,z −

i (Im Φ),z f

(18.73)

in Real- und Imaginärteil gewonnen werden können, s. Aufgabe 18.8. Das Linienelement (18.56) beschreibt eine asymptotisch flache Raumzeit, wenn f → 1, h → 1 und A → 0 für r → ∞ gilt, mit r 2 = 2 + ζ 2 .

(18.74)

Das Linienelement nimmt dann asymptotisch die Gestalt ds 2 = d2 + dζ 2 + 2 dϕ 2 − dt 2

(18.75)

des Minkowski-Raum-Linienelementes in Zylinderkoordinaten an. [Mit f → 1 für r → ∞ ist gemäß (18.58) auch die Normierungsbedingung ξ i ξi → −1 des KillingVektors ξ erfüllt, s. Abschn. 18.2.] Unter Verwendung von  = r sin ϑ, ζ = r cos ϑ

(18.76)

18.4 Lösungsmethoden aus der Solitonentheorie

229

finden wir durch Vergleich mit (18.45)–(18.49) für das asymptotische Verhalten von f und A: f =1−

2M + O(r −2 ) r

(18.77)

und 2J sin2 ϑ (18.78) + O(r −2 ). r Das asymptotische Verhalten des Viererpotenzials kann im Einklang mit (18.44) und unter Berücksichtigung des Nichtauftretens eines magnetischen Monopolterms (folgt aus der Gültigkeit der homogenen Maxwell-Gleichungen auch im inneren Bereich) durch A=

At = −

Q + O(r −2 ) r

(18.79)

und Aϕ = O(r −1 )

(18.80)

fixiert werden, s. Aufgabe 18.9. Ausführlicher aufgeschrieben gilt Aϕ =

μm sin2 ϑ + O(r −2 ); r

(18.81)

der Koeffizient μm ist das magnetische (Dipol-) Moment. Es sei darauf hingewiesen, dass die Integrationskonstanten bei der Bestimmung von A, ln h und Aϕ mit Hilfe der Gleichungen (18.68), (18.69) und (18.73) durch die asymptotischen Werte A = 0, ln h = 0 und Aϕ = 0 für r → ∞ festgelegt sind. Für das asymptotische Verhalten der Ernst-Potenziale folgt o. B. d. A. Re E = 1 −

2M 2J cos ϑ + O(r −3 ) + O(r −2 ), Im E = − r r2

(18.82)

Q + O(r −2 ), r

(18.83)

und Φ= s. Aufgabe 18.10.

18.4

Lösungsmethoden aus der Solitonentheorie

Im Rahmen der Theorie der Solitonen ist ein bemerkenswertes Lösungsverfahren für eine besondere Klasse nichtlinearer partieller Differenzialgleichungen entwickelt worden, das in einem gewissen Sinne als Verallgemeinerung der auf lineare Differenzialgleichungen anwendbaren Methode der Fourier-Transformation angesehen werden kann, siehe z. B. Ablowitz et al. (1974) und Novikov et al. (1984).

230

18 Mathematische Methoden

Neben der Konstruktion spezieller exakter Lösungen dieser nichtlinearen Gleichungen sind damit sogar Algorithmen zur strengen Lösung von Anfangswertproblemen mit Hilfe linearer Integralgleichungen möglich geworden. Dies wurde erstmals für die Korteweg-de Vries-Gleichung ∂u ∂u ∂ 3u + 6u + 3 =0 ∂t ∂x ∂x

(18.84)

demonstriert (Gardner et al. 1967). Das Verfahren ist nur anwendbar, wenn sich die nichtlineare partielle Differenzialgleichung (bzw. das nichtlineare partielle Differenzialgleichungssystem) als Integrabilitätsbedingung eines zugehörigen „linearen Spektralproblems“ (LSP) formulieren lässt. Die Korteweg-de Vries-Gleichung ist beispielsweise die Integrabilitätsbedingung der Gleichungen  Y,x = und

 Y,t =

−ik u −1 ik

 Y

−4ik 3 + 2iuk − v 4uk 2 + 2ivk + w 4ik 3 − 2iuk + v −4k 2 + 2u

(18.85)

 Y

(18.86)

mit reellen Funktionen u = u(x, t), v = v(x, t) und w = w(x, t). Y ist eine 2 × 2-Matrix, deren Elemente komplexwertige Funktionen der reellen Variablen x und t und des komplexen „Spektralparameters“ k sind. Die Untersuchung der Integrabilitätsbedingung dieses Systems ist Gegenstand von Aufgabe 18.11 (a). Aus (18.85) folgt für ψ ≡ Y21 (bzw. Y22 ) die Gleichung zweiter Ordnung − ψ,x x − uψ = k 2 ψ,

(18.87)

die die Struktur einer stationären eindimensionalen Schrödinger-Gleichung hat, bei der das Potenzial (−u) eine Funktion von x und dem „Parameter“ t ist, der nichts mit der Zeitkoordinate in der Quantenmechanik zu tun hat, und k 2 (für reelles oder imaginäres k) die Rolle der Energie spielt. Auf diese Weise konnten Gardner et al. (1967) an die sogenannte Gel’fand-Levitan-Marchenko-Integralgleichung zur Lösung des „inversen Streuproblems“ anknüpfen, bei dem es um die Bestimmung des Potenzials aus den „Streudaten“ geht. Aus diesem Grund hat ihr Verfahren zur Lösung des Anfangswertproblems der Korteweg-de Vries-Gleichung auch den Namen „inverse Streumethode“ bekommen. Von einem allgemeineren Standpunkt aus gesehen und etwas vage formuliert, beruhen die solitonentheoretischen Lösungsverfahren auf der Diskussion holomorpher Funktionen des Spektralparameters. Die gelegentlich benutzte Bezeichnung „Methode der inversen Spektraltransformation“ trifft die Sache recht gut. Mit einer Arbeit von Maison (1978), in der erstmals ein zugehöriges LSP angegeben wurde, begann die Übertragung dieser Lösungsmethoden auf die EinsteinGleichungen für Raumzeiten mit zwei kommutierenden Killing-Vektoren, zunächst im Vakuum, dann auch mit elektromagnetischem Feld – für einen Überblick siehe

18.4 Lösungsmethoden aus der Solitonentheorie

231

z. B. Belinski und Verdaguer (2001). Physikalisch besonders relevante Anwendungen beziehen sich auf die äußeren Einstein- und Einstein-Maxwell-Gleichungen im axialsymmetrisch-stationären Fall. Insbesondere gelang auf diese Weise die strenge Lösung des Problems einer rotierenden Staubscheibe im Rahmen der ART (Neugebauer und Meinel 1995). Das dabei entwickelte Verfahren zur Lösung des entsprechenden Randwertproblems ließ sich auch auf die (vergleichsweise einfacheren) Probleme rotierender Schwarzer Löcher übertragen (Neugebauer 2000; Neugebauer und Meinel 2003; Meinel et al. 2008; Meinel 2012, 2016), so dass jetzt ein systematischer Weg zur Herleitung der bekannten Lösungen von Kerr (1963) bzw. Newman et al. (1965) zur Verfügung steht. Mit diesen Anwendungen der Methode der inversen Spektraltransformation werden wir uns in den verbleibenden zwei Kapiteln beschäftigen. In Vorbereitung darauf geben wir hier schon ein zu den Ernst-Gleichungen gehörendes LSP an, wobei wir eine geringfügig modifizierte Version des von Neugebauer und Kramer (1983) publizierten LSP’s verwenden: Das LSP der Ernst-Gleichungen Die Ernst-Gleichungen (18.63) und (18.64) sind die Integrabilitätsbedingung der Gleichungen ⎡⎛

⎞ ⎛ ⎞⎤ b1 0 c1 0 b1 0 Y,z = ⎣⎝ 0 a1 0 ⎠ + λ ⎝ a1 0 −c1 ⎠⎦ Y, 0 d1 0 d1 0 0

(18.88)

⎡⎛

⎛ ⎞ ⎞⎤ b2 0 c2 0 b2 0 1 Y,¯z = ⎣⎝ 0 a2 0 ⎠ + ⎝ a2 0 −c2 ⎠⎦ Y. λ 0 d 0 d2 0 0 2

(18.89)

z =  + iζ, z¯ =  − iζ,

(18.90)

Dabei ist

a1 = b¯2 =

¯ ,z ¯ ,¯z E,z + 2ΦΦ E,¯z + 2ΦΦ , a2 = b¯1 = , 2f 2f

(18.91)

c1 = f d¯2 = Φ,z , c2 = f d¯1 = Φ,¯z ,

(18.92)

f = Re E + |Φ|2

(18.93)

und



K − i¯z . (18.94) K + iz Die Elemente der 3 × 3-Matrix Y hängen von den Koordinaten  und ζ (bzw. z und z¯ ) sowie dem komplexen Spektralparameter K ab. Bei der Auswertung der Integrabilitätsbedingung kann man Gebrauch von den aus (18.94) folgenden Formeln λ=

λ,z =

λ 2 1 (λ − 1) und λ,¯z = (λ2 − 1) 4 4λ

(18.95)

232

18 Mathematische Methoden

machen, s. Aufgabe 18.11 (b). Da im LSP nur K (und nicht K¯ ) vorkommt, können wir o. B. d. A. annehmen, dass die Elemente von Y holomorphe Funktionen von K sind, definiert auf der zur Abbildung λ = λ(K , z, z¯ ) gehörenden zweiblättrigen Riemann’schen Fläche – abgesehen von möglichen singulären Stellen. Alternativ können wir die Elemente von Y auch als holomorphe Funktionen von λ diskutieren, dann einfach definiert auf der komplexen λ-Ebene. Jede Spalte der 3×3 - Matrix Y ist natürlich selbst eine Lösung des LSP’s. Wir setzen voraus, dass diese drei Lösungen linear unabhängig sind. Für eine gegebene Lösung E , Φ der Ernst-Gleichungen kann die zugehörige Lösung des LSP’s eindeutig festgelegt (normiert) werden, indem man Y in einem herausgegriffenen Punkt 0 , ζ0 der -ζ -Ebene als (Matrix-) Funktion von K in einem der beiden Blätter der Riemann’schen Fläche vorschreibt. (Y im anderen Blatt kann man dann durch Integration entlang einer geeigneten Kurve in der -ζ Ebene gewinnen, die zum Punkt 0 , ζ0 zurückführt, diesmal aber mit λ → −λ.) Zum Abschluss dieses Kapitels geben wir noch drei wichtige Beziehungen an, die unmittelbar aus dem LSP (18.88), (18.89) folgen (Aufgabe 18.12): [ f (, ζ )]−1 det Y(, ζ, λ) = c0 (K ), ⎞ 1 0 0 Y(, ζ, −λ) = ⎝ 0 −1 0 ⎠ Y(, ζ, λ)c1 (K ) 0 0 1

(18.96)



(18.97)

und ⎛ ⎞ −1 0 0

† [ f (, ζ )] ¯ ⎝ Y(, ζ, 1/λ) 0 −[ f (, ζ )]−1 0 ⎠ Y(, ζ, λ) = c2 (K ), (18.98) 0 0 −1 wobei c0 (K ) und die 3 × 3-Matrizen c1 (K ) und c2 (K ) nicht von  und ζ abhängen und das Symbol „†“ die hermitesche Konjugation einer Matrix kennzeichnet.

Aufgaben 18.1 Beweisen Sie die folgenden Eigenschaften der Lie-Ableitung: a) Die Lie-Ableitung eines Skalars f stimmt mit der gewöhnlichen Richtungsableitung überein: La f = f ,n a n .

b) Die Lie-Ableitung der oberen Komponenten eines Vektors f n ergibt La f n = f n ;m a m − f m a n ;m .

Aufgaben

233

c) Die Lie-Ableitung der unteren Komponenten eines Vektors f n ergibt La f n = f n;m a m + f m a m ;n .

d) Die Lie-Ableitung eines Tensors mit beliebig vielen (oberen und unteren) Indizes ergibt sich durch entsprechende Zusatzterme wie bei (b) und (c) für jeden oberen bzw. unteren Index, z. B. La f i jk = f i jk;m a m − f m jk a i ;m + f i mk a m ; j + f i jm a m ;k .

e) Die Lie-Ableitung der unteren Komponenten des metrischen Tensors ergibt La gmn = am;n + an;m .

f) Die Lie-Ableitung erfüllt die Produktregel. g) Die Lie-Ableitung nach einem Killing-Vektor ist mit der Operation des „Indexziehens“ vertauschbar. h) Die Lie-Ableitung des Krümmungstensors nach einem Killing-Vektor verschwindet. Lösung a) Wegen des Vektorcharakters des Vierergradienten ist f ,n a n ein Skalar; bei Verwendung von Koordinaten, in denen das Vektorfeld a durch a i = (1, 0, 0, 0) gegeben ist („angepasste Koordinaten“), folgt f ,n a n = ∂ f /∂ x 1 . b) Der angegebene Ausdruck ist ein Tensor. Mit (8.34) und (8.36) folgt f n ;m a m − f m a n ;m = f n ,m a m − f m a n ,m , woran man sieht, dass in angepassten Koordinaten f n ;m a m − f m a n ;m = ∂ f n /∂ x 1 gilt Es sei noch bemerkt, dass offensichtlich La f n = −L f a n

gilt. c) Die Schlussweise ist völlig analog zu (b). d) Der Beweis verläuft wie bei (b) und (c), diesmal unter Verwendung von (8.34), (8.36) und (8.37). e) Für La g jk folgt entsprechend dem Ergebnis von (d) La g jk = g jk;m a m + gmk a m ; j + g jm a m ;k ,

woraus wir wegen der kovarianten Konstanz der Metrik einerseits die zu beweisende Relation La g jk = a j;k + ak; j

erhalten, und andererseits auch die Formel (18.9) wiederfinden.

234

18 Mathematische Methoden

f) Diese Eigenschaft ergibt sich unmittelbar aus der Tatsache, dass die partielle Ableitung ∂/∂ x 1 , auf die sich die Lie-Ableitung in angepassten Koordinaten reduziert, die Produktregel erfüllt. g) Unter Verwendung der Produktregel und der Killing-Gleichung Lξ gik = 0 folgt bei Anwendung der Lie-Ableitung Lξ auf einen Vektor f Lξ f k = Lξ (gik f i ) = gik Lξ f i ,

also die Vertauschbarkeit der Lie-Ableitung nach einem Killing-Vektor mit dem Herunterziehen eines Indexes. Durch Überschieben mit g kl folgt dasselbe auch für die Vertauschbarkeit mit dem Hochziehen eines Indexes: g kl Lξ f k = g kl gik Lξ f i = δil Lξ f i = Lξ f l = Lξ (g kl f k ). Diese Vertauschbarkeit der Lie-Ableitung nach einem Killing-Vektor mit dem Indexziehen gilt offensichtlich genauso auch bei Anwendung auf Tensoren mit beliebig vielen (oberen und unteren) Indizes. h) Bei Verwendung angepasster Koordinaten, in denen die Lie-Ableitung durch Lξ = ∂/∂ x 1 gegeben ist, sieht man unmittelbar, dass aus Lξ gmn = 0 auch Lξ R i nkl = 0 folgt, da sich die Komponenten des Krümmungstensors aus den gmn und ihren ersten und zweiten partiellen Ableitungen berechnen. 18.2 a) Zeigen Sie, dass man die Lie-Klammer [ u , v ] auch als Kommutator der Operatoren u i ∂/∂ x i und v i ∂/∂ x i interpretieren kann! Bemerkung: Diese Operatoren haben bei Anwendung auf eine skalare Funktion die Bedeutung der Richtungsableitung und stimmen dann mit den LieAbleitungen Lu und Lv überein, s. Aufgabe 18.1 (a). Man kann in diesem Sinne jedem Vektor a auf eineindeutige Weise einen Operator der Richtungsableitung zuordnen und symbolisch auch a = a i ∂/∂ x i schreiben. b) Zeigen Sie, dass das Verschwinden der Lie-Klammer [ u , v ] notwendig dafür ist, dass man Koordinaten finden kann, in denen u i = (1, 0, 0, 0) und v i = (0, 1, 0, 0) gilt! c) Zeigen Sie, dass die Lie-Klammer zweier Killing-Vektoren ebenfalls ein KillingVektor ist! d) Zeigen Sie, dass die Linearkombination Aξ + Bη (A, B = const.) zweier KillingVektoren ξ und η ebenfalls ein Killing-Vektor ist!

Aufgaben

235

Lösung a) Wir berechnen den Kommutator unter der Voraussetzung der Vertauschbarkeit der Reihenfolge bei gemischten zweiten partiellen Ableitungen (Satz von Schwarz): uj

∂ i ∂ ∂ ∂ ∂ v − v j j u i i = (u j v i , j − v j u i , j ) i . ∂x j ∂xi ∂x ∂x ∂x

Das Ergebnis können wir also in der Form wi ∂/∂ x i mit wi = u j v i , j − v j u i , j schreiben. Damit folgt tatsächlich wi = Lu v i , s. Aufgabe 18.1 (b). b) Mit u i = (1, 0, 0, 0) und v i = (0, 1, 0, 0) folgt Lu v i =

∂v i = 0. ∂x1

c) Seien u und v die beiden Killing-Vektoren. Wir passen die Koordinaten so an, dass u = (1, 0, 0, 0) gilt. Dann folgt für die Lie-Klammer w ≡ [ u, v ] wi =

∂v i . ∂x1

i = vi Da die Metrik nicht von x 1 abhängt, kann man aus der Tatsache, dass ξ(1) eine Lösung der Killing-Gleichung Lξ gmn = 0, also

ξ l gmn,l + gln ξ l ,m + gml ξ l ,n = 0 i = ∂v i /∂ x 1 eine [siehe Formel (18.9)] ist, unmittelbar schließen, dass auch ξ(2) Lösung ist. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Eigenschaft wichtig für die Untersuchung der Gruppenstruktur von Symmetrietransformationen ist. d) Die Aussage folgt direkt aus der Linearität und Homogenität der KillingGleichung.

18.3 a) Bestimmen Sie die allgemeine Lösung der Killing-Gleichung für den MinkowskiRaum! b) Überzeugen Sie sich davon, dass die Schwarzschild-Raumzeit vier linear unabhängige Killing-Vektoren ξ (A) (A = 1, 2, 3, 4) besitzt, und berechnen Sie die

Lie-Klammern ξ (A) , ξ (B) !

236

18 Mathematische Methoden

Lösung a) Für ds 2 = ηik d x i d x k lautet die Killing-Gleichung einfach ξi,k + ξk,i = 0.

(18.99)

Durch Ableitung nach x l folgt daraus ξi,kl + ξk,il = 0

(18.100)

und somit auch (bei zyklischer Indexvertauschung) ξk,li + ξl,ki = 0

(18.101)

ξl,ik + ξi,lk = 0.

(18.102)

und

Indem wir von der Summe der Gl. (18.100) und (18.102) die Gl. (18.101) abziehen, erhalten wir ξi,kl = 0,

(18.103)

woraus ξi = Ci + Cik x k mit Ci = const., Cik = const.

(18.104)

folgt. Setzen wir diesen Ausdruck in die ursprüngliche Killing-Gleichung (18.99) ein, ergibt sich als einzige Einschränkung die Bedingung Cik = −Cki .

(18.105)

Somit gibt es zehn linear unabhängige Killing-Vektoren, die vier raumzeitlichen Verschiebungen (vier Konstanten Ci ) und sechs raumzeitlichen Drehungen (sechs unabhängige Konstanten Cik ) entsprechen, vgl. Kap. 3. b) Am Linienelement (12.20), ds 2 =

dr 2 + r 2 (dϑ 2 + sin2 ϑ dϕ 2 ) − (1 − rS /r )c2 dt 2 , 1 − rS /r

können wir sofort zwei Killing-Vektoren ablesen, da die metrischen Koeffizienten nicht von x 3 = ϕ und x 4 = ct abhängen; wir nennen sie ξ (3) und ξ (4) : i i ξ(3) = (0, 0, 1, 0), ξ(4) = (0, 0, 0, 1).

Aufgaben

237

Die zugehörigen Operatoren der Richtungsableitung, s. Aufgabe 18.2 (a), lauten also ∂ 1 ∂ ξ (3) = und ξ (4) = . ∂ϕ c ∂t Um die restlichen zwei Killing-Vektoren zu finden, ist es hilfreich, ξ (3) mit Hilfe der Variablen x, ˜ y˜ , z˜ auszudrücken, die wir in (12.24) verwendet haben (Schwarzschild-Metrik in „isotropen Koordinaten“). Mit x˜ = r˜ sin ϑ cos ϕ,

y˜ = r˜ sin ϑ sin ϕ, z˜ = r˜ cos ϑ

folgt ξ (3) = x˜

∂ ∂ − y˜ . ∂ y˜ ∂ x˜

Da x, ˜ y˜ , z˜ völlig gleichberechtigt in das Linienelement (12.24) eingehen, muss es auch die Killing-Vektoren ξ (1) = y˜

∂ ∂ ∂ ∂ − z˜ und ξ (2) = z˜ − x˜ ∂ z˜ ∂ y˜ ∂ x˜ ∂ z˜

geben. Ausgedrückt durch Ableitungen nach ϑ und ϕ folgt, wie man leicht nachrechnen kann, ξ (1) = − sin ϕ

∂ ∂ − cos ϕ cot ϑ ∂ϑ ∂ϕ

und ξ (2) = cos ϕ

∂ ∂ − sin ϕ cot ϑ . ∂ϑ ∂ϕ

In Schwarzschild-Koordinaten x 1 = r , x 2 = ϑ, x 3 = ϕ und x 4 = ct gilt somit i = (0, − sin ϕ, − cos ϕ cot ϑ, 0) ξ(1)

und i = (0, cos ϕ, − sin ϕ cot ϑ, 0). ξ(2)

Damit haben wir vier linear unabhängige Killing-Vektoren der SchwarzschildRaumzeit gefunden. Dasselbe Ergebnis kann man natürlich auch durch systematische Lösung der Killing-Gleichung finden. Dabei stellt man zusätzlich fest, dass diese Raumzeit auch wirklich nur vier linear unabhängige Killing-Vektoren besitzt. Für die Lie-Klammern erhält man





ξ (1) , ξ (4) = ξ (2) , ξ (4) = ξ (3) , ξ (4) = 0

238

18 Mathematische Methoden

und



ξ (1) , ξ (2) = −ξ (3) , ξ (2) , ξ (3) = −ξ (1) , ξ (3) , ξ (1) = −ξ (2) .

Die letzten drei Relationen entsprechen den Kommutatorrelationen der Komponenten des (Bahn-) Drehimpulsoperators der Quantenmechanik, die in Ortsdarstellung ja tatsächlich durch die mit /i multiplizierten Operatoren der Richtungsableitung gegeben sind, die zu den Killing-Vektoren ξ (1) , ξ (2) und ξ (3) gehören. Diese drei raumartigen Killing-Vektoren mit geschlossenen Integralkurven beschreiben in koordinatenunabhängiger Weise die Kugelsymmetrie. Der KillingVektor ξ (4) ist der invariante Ausdruck der Tatsache, dass die Metrik nicht von der Koordinate t abhängt. Er hat hier die zusätzliche Eigenschaft der „Hyperflächenorthogonalität“ (ξ (4) steht senkrecht auf den Hyperflächen t = const.). Ein hyperflächenorthogonaler zeitartiger Killing-Vektor charakterisiert in koordinatenunabhängiger Weise eine statische Raumzeit. Die Eigenschaft der Zeitartigkeit von ξ (4) liegt unter der Voraussetzung r > rS vor. 18.4 Beweisen Sie, dass sich die zweiten kovarianten Ableitungen eines KillingVektors ξ gemäß ξi;k;l = R m lki ξm mit Hilfe des Krümmungstensors berechnen lassen! Lösung Wir beginnen mit der für jeden Vektor gültigen Beziehung ξn;i;k − ξn;k;i = R m nik ξm ,

(18.106)

s. Aufgabe 8.4, aus der mit den in Aufgabe 10.2 untersuchten Symmetrieeigenschaften des Krümmungstensors (ξn;i;k − ξn;k;i ) + (ξi;k;n − ξi;n;k ) + (ξk;n;i − ξk;i;n ) = (ξn;i − ξi;n );k + (ξi;k − ξk;i );n + (ξk;n − ξn;k );i = 0 und damit für einen Killing-Vektor gemäß (18.11) ξn;i;k + ξi;k;n + ξk;n;i = 0 folgt. Unter nochmaliger Verwendung von (18.11) und (18.106) ergibt sich die zu beweisende Beziehung ξn;i;k = ξk;i;n − ξk;n;i = R m kin ξm .

Aufgaben

239

18.5 a) Überzeugen Sie sich davon, dass die Formel (18.36) für eine stationäre Raumzeit unter den Voraussetzungen des Newton’schen Grenzfalls (Kap. 11) auf die vertraute Formel M = μ d V für die Gesamtmasse führt! b) Überzeugen Sie sich am Beispiel eines mit konstanter Winkelgeschwindigkeit Ω um seine Symmetrieachse rotierenden axialsymmetrischen Körpers (beschrieben durch eine ideale Flüssigkeit) davon, dass die Formel (18.37) im Newton’schen Grenzfall tatsächlich die Newton’sche Formel J =  Ω für die Komponente des Gesamtdrehimpulses bezüglich der Symmetrieachse liefert, wobei  das Trägheitsmoment bezeichnet! c) Wenden Sie die Formel (18.36) auf die im Kap. 14 behandelten kugelsymmetrischen Sternmodelle an, und leiten Sie durch den Vergleich mit (14.31) eine Relation zwischen Integralen über die Massendichte- und Druckverteilung her! Lösung a) Wir wählen Koordinaten, in denen der zur Stationarität gehörende Killing-Vektor ξ die Gestalt ξ m = (0, 0, 0, 1) hat (die Metrik hängt dann nicht von x 4 = ct ab). Dann folgt mit  T

m4

   1 m4 1 4 1 4 ξm = Tm − T gm ξ m = T 44 − T − Tg 2 2 2

und T = T 11 + T 22 + T 33 + T 44 aus (18.36) zunächst ganz allgemein die Formel  Mc2 =



T 11 + T 22 + T 33 − T 44



−g d x 1 d x 2 d x 3 .

(18.107)

x 4 =const.

Im Newton’schen Grenzfall (Kap. 11) gilt in geeigneten Koordinaten gik ≈ ηik und die dominierende Komponente von Tik ist durch T44 ≈ μc2 gegeben. Somit folgt (T 11 + T 22 + T 33 − T 44 ) ≈ μc2 , g ≈ −1 und damit näherungsweise 

 M=

μ d x 1d x 2d x 3 =

μ d V.

b) Wir wählen Koordinaten, in denen der zur Axialsymmetrie gehörende KillingVektor η die Gestalt ηm = (0, 0, 1, 0)

240

18 Mathematische Methoden

hat (die Metrik hängt dann nicht von x 3 = ϕ ab), woraus 

   1 1 4 ηm = T 34 T m4 − T g m4 ηm = Tm4 − T gm 2 2

und mit (18.37) also 

√ T 34 −g d x 1 d x 2 d x 3

Jc = x 4 = const.

folgt. Im Newton’schen Grenzfall können wir mit x 1 = , x 2 = z, x 3 = ϕ und x 4 = ct (z-Achse als Symmetrieachse) näherungsweise das Linienelement des Minkowski-Raums in Zylinderkoordinaten verwenden, d. h. ds 2 = d2 + dz 2 + 2 dϕ 2 − c2 dt 2 . Aus

 p T ik = μ + 2 u i u k + p g ik c

folgt unter den Voraussetzungen des Newton’schen Grenzfalls ( p μc2 , u 4 ≈ c)  dϕ p T 34 = μ + 2 u 3 u 4 ≈ μc 2 = μc 2 Ω. c dt Mit g ≈ −2 erhalten wir somit näherungsweise  J =Ω

μ3 d dϕ dz =  Ω

mit dem Trägheitsmoment

 =

μ2 d V

bezüglich der z-Achse. Dabei ist d V =  d dϕ dz das Volumenelement in Zylinderkoordinaten. c) Formel (18.107) ergibt zusammen mit dem Linienelement (14.1) und den in (14.11) zu findenden Komponenten des Energie-Impuls-Tensors  Mc2 =

(μc2 + 3 p) e(λ+ν)/2 r 2 sin ϑ dr dϑ dϕ

t=const.

r0 = 4π (μc2 + 3 p) e(λ+ν)/2 r 2 dr. 0

Aufgaben

241

Gemäß (14.31) gilt andererseits r0 Mc = 4π

μc2 r 2 dr,

2

0

so dass wir durch Gleichsetzen auf die interessante Relation r0 μc



2

1−e

(λ+ν)/2



r0 r dr = 3 2

0

p e(λ+ν)/2 r 2 dr

0

geführt werden, die man auch als relativistische Version des Virialtheorems betrachten kann, s. Wald (1984). 18.6 a) Leiten Sie die Komar-Integralformeln (18.42) und (18.43) zur Berechnung der Masse und des Drehimpulses im stationären bzw. axialsymmetrischen Fall sowie die allgemein-relativistische Version (18.44) der Formel Q = 0 S E · df für die Ladung her! b) Überzeugen Sie sich davon, dass die Koeffizienten M und J der Fernfeldentwicklung (18.45)–(18.49) einer stationären und axialsymmetrischen Metrik durch die Komar-Integrale (18.42) und (18.43) gegeben sind! Lösung a) Ausgangspunkt ist Gl. (18.40), die wir mit Hilfe von (9.50) in der Form √

 √ −g ξ l;n − ξ n;l = −g P n ,l

schreiben. Für n = 4 folgt die Formel √

−g P 4 =

√



 −g ξ α;4 − ξ 4;α , ,α

bei der auf der rechten Seite eine gewöhnliche Dreierdivergenz steht, da nur noch über α (α = 1, 2, 3) zu summieren ist. Somit können wir das Integral (18.32) mit Hilfe des (dreidimensionalen) Gauß’schen Satzes gemäß  P(ξ ) = x 4 =const.

√ P 4 −g d x 1 d x 2 d x 3 =



√ S

−g ξ α;4 − ξ 4;α d f α

242

18 Mathematische Methoden

in ein Integral über eine beliebige geschlossene Fläche umformen, die den gesamten Bereich umschließt, in dem P 4 = 0 gilt. Mit (18.34) bzw. (18.35) folgen die zu zeigenden Formeln M =− und J=



1 κc2

1 2κc



√ 2 −g ξ α;4 − ξ 4;α d f α = 2 κc S

√ S



1 −g ηα;4 − η4;α d f α = − κc



√ S



√ S

−g ξ 4;α d f α

−g η4;α d f α

sowie mit (18.23), bei Anwendung derselben Umformungen auf die MaxwellGleichungen (18.41), Q=

1 μ0 c

 S



√ −g Aα;4 − A4;α d f α .

b) Wir berechnen zunächst den Ausdruck ξ 4;α für ξ i = (0, 0, 0, 1):   4 ξ 4;α = g αi ξ 4 ;i = g αi ξ 4 ,i + i4j ξ j = g αi i4 . Unter Berücksichtigung der Fernfeldentwicklung (18.45)–(18.49) folgt 4 = i4

1 4j 1 1 g (g ji,4 + g j4,i − gi4, j ) = g 4 j (g j4,i − gi4, j ) = − g44,i + O(r −3 ), 2 2 2

und damit 1 ξ 4;α = − ηαβ g44,β + O(r −3 ). 2 Mit g = −1 + O(r −1 ) liefert das Komar-Integral (18.42) 1 M =− 2 κc





grad g44 + O(r −3 ) df . S

Die Integration über eine Kugel vom Radius r = R ergibt im Limes R → ∞ M =−

  4π 2 ∂g44 , r lim κc2 r →∞ ∂r

wovon man sich mit (18.48) und κ = 8π G/c4 leicht überzeugen kann. Für η4;α folgt mit ηi = (−x 2 , x 1 , 0, 0)  

4 4 . η4;α = g αi η4 ;i = g αi η4 ,i + i4j η j = g αi x 1 i2 − x 2 i1

Aufgaben

243

Dabei gilt unter Verwendung der Fernfeldentwicklung der Metrik 4 = i1

1 4j 1 g (g ji,1 + g j1,i − gi1, j ) = g 44 (g4i,1 + g41,i ) + O(r −4 ) 2 2

4 i2 =

1 4j 1 g (g ji,2 + g j2,i − gi2, j ) = g 44 (g4i,2 + g42,i ) + O(r −4 ). 2 2

und

Somit erhalten wir η4;α =

1 44 αβ 1 x (g4β,2 + g42,β ) − x 2 (g4β,1 + g41,β ) + O(r −3 ). g g 2

Nun ist gemäß (18.47) und (18.49) g41 =

2G J 2 2G J x + O(r −3 ), g42 = − 3 3 x 1 + O(r −3 ) und g43 = O(r −3 ). c3 r 3 c r

Damit folgt nach einfacher Rechnung η4;α = −

3G J 1 2 (x ) + (x 2 )2 x α + O(r −3 ), 3 5 c r

und das Komar-Integral (18.43) über die unendlich ferne Kugel ergibt bei Verwendung von (asymptotischen) Kugelkoordinaten gemäß x 1 = r sin ϑ cos ϕ, x 2 = r sin ϑ sin ϕ und x 3 = r cos ϑ 3G J κc4

2π π sin3 ϑ dϑ dϕ = J. 0

0

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die zum Killing-Vektor η gehörende Richtungsableitung, s. Aufgabe 18.2 (a), durch η = −x 2

∂ ∂ ∂ + x1 2 = ∂x1 ∂x ∂ϕ

gegeben ist. 18.7 Begründen Sie, warum die metrische Funktion h des Linienelementes (18.56) auf der Symmetrieachse A den Wert 1 annehmen muss, indem Sie den Quotienten aus (invariantem) Umfang und (invariantem) Radius eines gemäß  = 0 = const., 0 ≤ ϕ ≤ 2π in der Fläche ζ = const., t = const. definierten Kreises im Limes 0 → 0 untersuchen!

244

18 Mathematische Methoden

Lösung Umfang U und Radius R des Kreises sind durch 2π U=



0



g33 dϕ = 2π g33 und R =

0



g11 d

0

gegeben, wobei g11 = f −1 h und g33 = f −1 2 − f A2 ist. Damit folgt für kleine 0 √  h R = 0 √  + O(02 ). f A

Die metrische Funktion A lässt sich in der invarianten Form A = ξ i ηi /ξ k ξk schreiben, s. (18.58). Entwickeln wir A für fixiertes ζ in eine Taylorreihe in den Variablen x =  cos ϕ und y =  sin ϕ an der Stelle  = 0 (also x = y = 0), A(x, y) = A0 + A1 x + A2 y + A3 x 2 + 2 A4 x y + A5 y 2 + . . . , erhalten wir unter Berücksichtigung ihres Verschwindens auf der Symmetrieachse, s. (18.59), und der Tatsache, dass A von x und y (aufgrund der Axialsymmetrie) nur in der Kombination 2 = x 2 + y 2 abhängen kann, A0 = A1 = A2 = A4 = 0,

A3 = A5 ,

also A = O(2 ). Damit ergibt sich

und es folgt

 1  √ U = 2π g33 = 2π 0 √  + O(02 ) f A  U 1  = 2π √  . 0 →0 R h A lim

Wegen des invarianten Charakters dieser Größe muss das Ergebnis aber gleich dem Wert 2π sein, den wir bei Berechnung in einem LIS des entsprechenden Achsenpunktes erhalten würden, also gilt A:

h = 1.

Aufgaben

245

Man kann sich leicht davon überzeugen, dass diese Regularitätsbedingung der schon im Abschn. 18.2 erwähnten Normierungsbedingung (ηi ηi ),l (η j η j ),l →1 4ηk ηk entspricht, die der Killing-Vektor η bei Annäherung an die Symmetrieachse erfüllt. 18.8 a) Bestimmen Sie Ausdrücke für die partiellen Ableitungen von A, ln h und Aϕ nach  und ζ , indem Sie die Gleichungen (18.68), (18.69) und (18.73) in Real- und Imaginärteile zerlegen! b) Überzeugen Sie sich davon, dass die Größen A, ln h und Aϕ bei gegebenen ErnstPotenzialen E und Φ durch wegunabhängige Integration in der -ζ -Ebene berechnet werden können! Lösung a) Aus (18.71) folgt ∂ 1 = ∂z 2



∂ ∂ −i ∂ ∂ζ

 und

∂ 1 = ∂ z¯ 2



∂ ∂ +i ∂ ∂ζ

 .

Damit lautet die (mit 2 multiplizierte) Gl. (18.68) A, − i A,ζ =

i ¯ , − iΦ,ζ ) + iΦ(Φ¯ , − iΦ¯ ,ζ ) . (Im E ), − i(Im E ),ζ − iΦ(Φ 2 f

Durch Zerlegen in Real- und Imaginärteil erhalten wir somit A, =

 ¯ ,ζ ) Im (E,ζ + 2ΦΦ f2

(18.108)

und

 ¯ , ). Im (E, + 2ΦΦ f2 Die analoge Zerlegung von (18.69) und (18.73) liefert A,ζ = −

(ln h), =

(18.109)

2

 ¯ , |2 − |E,ζ + 2ΦΦ ¯ ,ζ |2 − |E, + 2ΦΦ |Φ, |2 − |Φ,ζ |2 , 2f2 f

(ln h),ζ =

 4 ¯ , )(E¯,ζ + 2Φ Φ¯ ,ζ )] − Re [(E, + 2ΦΦ Re (Φ, Φ¯ ,ζ ), 2 f f  Aϕ, = A At, − Im Φ,ζ (18.110) f

und Aϕ,ζ = A At,ζ +

 Im Φ, . f

(18.111)

246

18 Mathematische Methoden

b) Bildet man unter Verwendung der Ergebnisse von (a) einerseits die partielle Ableitung des Ausdruckes für A, nach ζ und andererseits die partielle Ableitung des Ausdruckes für A,ζ nach , stellt man fest, dass beide Ergebnisse gleich sind, wenn E und Φ Lösungen der Ernst-Gleichungen sind. Die Integrabilitätsbedingung ist somit erfüllt, und man kann A ausgehend von einem Startpunkt (1 , ζ1 ) in einem beliebigen Zielpunkt (2 , ζ2 ) durch wegunabhängige Integration in der -ζ -Ebene berechnen: (2 ,ζ2 )

A(2 , ζ2 ) = A(1 , ζ1 ) +

(A, d + A,ζ dζ ).

(1 ,ζ1 )

Als Startpunkt bietet sich ein regulärer Punkt auf der Symmetrieachse an, da A dort den bekannten Wert 0 hat, s. (18.59). Völlig analoge Aussagen gelten für die Berechnung von ln h. Beim Nachprüfen der entsprechenden Integrabilitätsbedingung für Aϕ kann man (nach dem Ableiten) A, und A,ζ durch die unter (a) gefundenen Ausdrücke ersetzen; die Terme, die A unabgeleitet enthalten, fallen heraus. At kann gemäß (18.72) durch das Negative des Realteils von Φ ausgedrückt werden. Auch diese Integrabilitätsbedingung erweist sich als erfüllt, wenn E und Φ Lösungen der Ernst-Gleichungen sind. Die Berechnung von Aϕ über das zugehörige Linienintegral (2 ,ζ2 )

Aϕ (2 , ζ2 ) = Aϕ (1 , ζ1 ) +

(Aϕ, d + Aϕ,ζ dζ )

(1 ,ζ1 )

setzt allerdings die vorherige Bestimmung der in die Ausdrücke für Aϕ, und Aϕ,ζ eingehenden Funktion A voraus. 18.9 Verifizieren Sie, dass das Integral (18.44) über eine (Koordinaten-) Kugel S R vom Radius r = R im Limes R → ∞ im Falle einer asymptotisch flachen Raumzeit mit dem Linienelement (18.56) und eines elektromagnetischen Feldes, das durch ein Viererpotenzial Ai = (0, 0, Aϕ , At ) mit der Asymptotik At = −

Q + O(r −2 ), r

Aϕ = O(r −1 )

( = r sin ϑ, ζ = r cos ϑ)

beschrieben wird, tatsächlich den Wert Q für die elektrische Ladung ergibt! Lösung Unter Verwendung der (asymptotisch) kartesischen Koordinaten x 1 =  cos ϕ, x 2 =  sin ϕ, x 3 = ζ und x 4 = t ergibt sich durch einfache Rechnung Aα;4 − A4;α = −ηαβ A4 ,β + O(r −3 ),

Aufgaben

also

247







Aα;4 − A4;α d f α = −grad A4 + O(r −3 ) · df .

Mit A4 =

Q + O(r −2 ) r

und g = −1 + O(r −1 ) folgt

 lim

R→∞

1 μ0 c







−g A

α;4

−A

4;α



SR

 d f α = Q.

Dabei haben wir benutzt, dass in unserem Maßsystem (18.51) μ0 c = 4π ist. 18.10 a) Überzeugen Sie sich davon, dass mit E und Φ auch E˜ = E + 2ia Φ − a 2 + ib und Φ˜ = Φ + ia,

mit beliebigen reellen Konstanten a und b, Lösungen der Ernst-Gleichungen sind, die denselben Funktionen f , A, h, At und Aϕ zugeordnet werden können! Bemerkung: Diese 2-parametrische Transformation ist ein trivialer Spezialfall einer 8-parametrischen Gruppe von Invarianztransformationen (Neugebauer und Kramer 1969). b) Bestätigen Sie, dass das asymptotische Verhalten der Ernst-Potenziale o. B. d. A. so gewählt werden kann, wie es in den Formeln (18.82) und (18.83) angegeben ist! Lösung a) Als Erstes kann man leicht nachprüfen, dass ˜ 2 f = Re E + |Φ|2 = Re E˜ + |Φ| gilt. Dass die Ernst-Gleichungen auch für E˜ und Φ˜ gelten, beruht dann auf der Linearität der Transformationsformeln und der ebenfalls leicht zu verifizierenden Relation ¯˜ Φ˜ = ∇ E + 2Φ∇Φ, ¯ ∇ E˜ + 2Φ∇ die zusammen mit der Tatsache, dass sich Φ˜ und Φ nur um eine additive imaginäre Konstante unterscheiden, auch dafür sorgt, dass sich die Bestimmungsgleichungen (18.68), (18.69), (18.72) und (18.73) für A, ln h, At und Aϕ nicht ändern.

248

18 Mathematische Methoden

b) Bei gegebenen Funktionen f , A, At und Aϕ , deren Asymptotik durch die Formeln (18.77)–(18.80) bestimmt ist, können wir die Ernst-Potenziale nach folgendem Rezept ermitteln: Als Erstes berechnen wir Im Φ mit Hilfe der wie folgt umgestellten Gl. (18.110) und (18.111): (Im Φ), =

f Aϕ,ζ − A At,ζ 

(Im Φ),ζ =

f A At, − Aϕ, , 

und

die wir mit  = r sin ϑ, ζ = r cos ϑ auch in die Form (Im Φ),r =



f r 2 sin ϑ

A At,ϑ − Aϕ,ϑ



und

f Aϕ,r − A At,r sin ϑ bringen können (die Integrabilitätsbedingung ist dank der äußeren EinsteinMaxwell-Gleichungen automatisch erfüllt). Unter Verwendung der Asymptotik von f , A, At und Aϕ folgt (Im Φ),ϑ =

Im Φ = const. + O(r −2 ). Die Konstante können wir o. B. d. A. gleich null setzen, da wir nach dem Ergebnis von Aufgabenteil (a) Φ um eine willkürliche imaginäre Konstante abändern können. Somit erhalten wir zusammen mit (18.72) und (18.79) als erstes Ergebnis Φ=

Q + O(r −2 ). r

Für den Realteil des Ernst-Potenzials E folgt jetzt mit (18.65) und (18.77) Re E = 1 −

2M + O(r −2 ). r

Schließlich können wir zur Bestimmung des Imaginärteils von E die Gl. (18.108) und (18.109) in der Form ¯ ,r ) + (Im E ),r = −2 Im (ΦΦ

f2 A,ϑ r 2 sin ϑ

Aufgaben

249

und f2 A,r sin ϑ verwenden (die Integrabilitätsbedingung ist wieder automatisch erfüllt). Die schon gefundene Asymptotik von Φ liefert ¯ ,ϑ ) − (Im E ),ϑ = −2 Im (ΦΦ

¯ ,ϑ ) = O(r −3 ). ¯ ,r ) = O(r −4 ) und Im (ΦΦ Im (ΦΦ Mit A=

2J sin2 ϑ + O(r −3 ), r

s. (18.78), und f = 1 + O(r −1 ) folgt (Im E ),r =

4J cos ϑ + O(r −4 ) r3

(Im E ),ϑ =

2J sin ϑ + O(r −3 ), r2

und

also 2J cos ϑ + O(r −3 ), r2 wobei wir die noch mögliche additive Integrationskonstante gemäß der unter (a) gefundenen Transformationsfreiheit wieder gleich null gesetzt haben. Im E = −

18.11 a) Werten Sie die Integrabilitätsbedingung der Gleichungen Y,x = U Y und Y,t = V Y mit den in (18.85) und (18.86) zu findenden Matrizen U und V aus! b) Werten Sie die Integrabilitätsbedingung der Gleichungen Y,z = U Y und Y,¯z = V Y mit den in (18.88) und (18.89) zu findenden Matrizen U und V aus!

250

18 Mathematische Methoden

Lösung a) Aus Y,xt = Y,t x folgt (U Y),t = (V Y),x , also (U,t + U V)Y = (V,x + V U)Y. Somit erhalten wir die Integrabilitätsbedingung U,t − V,x + [U, V] = 0. Mit den in (18.85) und (18.86) gegebenen Matrizen U und V ergibt sich     0 u ,t 2iu ,x k − v,x 4u ,x k 2 + 2iv,x k + w,x − 0 0 2u ,x −2iu ,x k + v,x  +

−ik u −1 ik

     0 0 −4ik 3 + 2iuk − v 4uk 2 + 2ivk + w = . , 0 0 4ik 3 − 2iuk + v −4k 2 + 2u

Da die Spur dieser Matrix-Gleichung verschwindet, folgen drei voneinander unabhängige Einzelgleichungen: −2iu ,x k + v,x + 2u 2 + 2ivk + w = 0, u ,t − 4u ,x k 2 − 2iv,x k − w,x + 4vk 2 + 2uv − 4iu 2 k − 2iwk = 0 und −2u ,x + 2v = 0. Da diese Gleichungen für alle k gelten sollen, müssen die Koeffizienten der unterschiedlichen k-Potenzen einzeln verschwinden. Wir erhalten auf diese Weise v = u ,x , w = −v,x − 2u 2 und u ,t − w,x + 2uv = 0, d. h. v und w lassen sich durch u, u ,x und u ,x x ausdrücken; und u genügt der Korteweg-de Vries-Gleichung u ,t + 6uu ,x + u ,x x x = 0. b) In Analogie zum Aufgabenteil (a) lautet die Integrabilitätsbedingung hier U,¯z − V,z + [U, V] = 0. Setzen wir die in (18.88) und (18.89) gegebenen Matrizen U und V ein und beachten, dass die Ableitungen λ,z und λ,¯z durch die Formeln (18.95) ausgedrückt werden können, erhalten wir

Aufgaben

251









⎡⎛

⎞ ⎛

⎞⎤

b2 0 c2 b 1 0 c1 b1 0 c1 b2 0 c2 ⎝ 0 a1 0 ⎠ − ⎝ 0 a2 0 ⎠ + ⎣⎝ 0 a1 0 ⎠ , ⎝ 0 a2 0 ⎠⎦ d1 0 0 ,¯z d2 0 0 ,z d1 0 0 d2 0 0 ⎧⎛ ⎞ ⎛ ⎞⎤ ⎞ 0 b1 0 0 b2 0 ⎨ 0 b1 0 + ⎣⎝ a1 0 −c1 ⎠ , ⎝ a2 0 −c2 ⎠⎦ + λ ⎝ a1 0 −c1 ⎠ ⎩ 0 d1 0 0 d2 0 0 d1 0 ,¯z ⎡⎛

⎛ ⎞ ⎡⎛ ⎞ ⎛ ⎞⎤⎫ 0 b1 + b2 0 b1 0 b2 0 c2 0 ⎬ 1 ⎝ 0 −(c1 + c2 ) ⎠ + ⎣⎝ a1 0 −c1 ⎠ , ⎝ 0 a2 0 ⎠⎦ a1 + a2 + ⎭ 4 0 0 d1 0 0 d1 + d2 d2 0 0 ⎧⎛ ⎛ ⎞ ⎞ 0 b2 0 0 b1 + b2 0 ⎨ 1 ⎝ 1 ⎝ 0 −(c1 + c2 ) ⎠ a2 0 −c2 ⎠ + a1 + a2 − λ⎩ 0 d 0 4 + d 0 0 d 2 1 2 ,z ⎞ ⎛ ⎞⎤⎫ 0 b2 0 b1 0 c1 ⎬ + ⎣⎝ a2 0 −c2 ⎠ , ⎝ 0 a1 0 ⎠⎦ = 0. ⎭ 0 d2 0 d1 0 0 ⎡⎛

Da in dieser Formel nur λ vom Spektralparameter K abhängt, müssen die Koeffizienten von λ0 , λ1 und λ−1 einzeln verschwinden. Das ergibt die folgenden zwölf Gleichungen: a1,¯z − a2,z + a1 b2 − c1 d2 − a2 b1 + c2 d1 = 0,

(18.112)

b1,¯z − b2,z + c1 d2 − c2 d1 + b1 a2 − b2 a1 = 0,

(18.113)

c1,¯z − c2,z = 0, d1,¯z − d2,z + d1 (a2 + b2 ) − d2 (a1 + b1 ) = 0,

(18.114) (18.115)

a1,¯z +

1 (a1 + a2 ) + a1 b2 − c1 d2 − a1 a2 = 0, 4

(18.116)

b1,¯z +

1 (b1 + b2 ) + b1 a2 − b2 b1 − c2 d1 = 0, 4

(18.117)

c1,¯z +

1 (c1 + c2 ) − a1 c2 − a2 c1 = 0, 4

(18.118)

d1,¯z +

1 (d1 + d2 ) + d1 a2 − d2 b1 = 0, 4

(18.119)

252

18 Mathematische Methoden

a2,z +

1 (a1 + a2 ) + a2 b1 − c2 d1 − a1 a2 = 0, 4

(18.120)

b2,z +

1 (b1 + b2 ) + b2 a1 − b1 b2 − c1 d2 = 0, 4

(18.121)

c2,z +

1 (c1 + c2 ) − a2 c1 − a1 c2 = 0, 4

(18.122)

d2,z +

1 (d1 + d2 ) + d2 a1 − d1 b2 = 0. 4

(18.123)

Man erkennt sofort, dass nur acht dieser zwölf Gleichungen voneinander unabhängig sind: Die ersten vier Gleichungen ergeben sich durch entsprechende Differenzbildungen aus den restlichen acht Gleichungen. Durch direktes Nachrechnen lässt sich verifizieren, dass diese acht Gleichungen bei Verwendung der Ausdrücke (18.91) und (18.92) auf die Ernst-Gleichungen und keine weiteren Einschränkungen führen. Wir wollen jetzt noch zeigen, dass man aus den vier Gl. (18.112)–(18.115), mit zwei zusätzlichen Voraussetzungen, auch direkt auf die Einführbarkeit der ErnstPotenziale E und Φ in der durch die Formeln (18.91) und (18.92) gegebenen Weise schließen kann: i) Die Gl. (18.114) erlaubt unmittelbar die Einführung des Ernst-Potenzials Φ gemäß c1 = Φ,z , c2 = Φ,¯z .

(18.124)

ii) Die Summe der Gl. (18.112) und (18.113) ergibt (a1 + b1 ),¯z = (a2 + b2 ),z ,

(18.125)

was die Einführung einer Funktion f gemäß a1 + b1 =

f ,z f ,¯z , a2 + b2 = f f

(18.126)

gestattet. Wir machen die erste zusätzliche Voraussetzung a1 = b¯2 und a2 = b¯1 ,

(18.127)

vgl. (18.91), die o. B. d. A. f = f¯

(18.128)

ermöglicht. Gl. (18.115) lautet mit (18.126) ( f d1 ),¯z = ( f d2 ),z ,

(18.129)

Aufgaben

253

d. h. wir können f d1 = Ψ,z ,

f d2 = Ψ,¯z

(18.130)

setzen. Unsere zweite zusätzliche Voraussetzung c1 = f d¯2 , c2 = f d¯1 ,

(18.131)

vgl. (18.92), erlaubt dann mit (18.124) die Identifikation ¯ Ψ = Φ.

(18.132)

iii) Unter Verwendung der Ergebnisse von (i) und (ii) kann die Gl. (18.112) in der Form ¯ ,z ),¯z = ( f a2 − ΦΦ ¯ ,¯z ),z ( f a1 − ΦΦ

(18.133)

geschrieben werden. Das ist die Integrabilitätsbedingung für die Einführung des Ernst-Potenzials E gemäß ¯ ,z ) = E,z , 2( f a2 − ΦΦ ¯ ,¯z ) = E,¯z , 2( f a1 − ΦΦ

(18.134)

also a1 =

¯ ,z ¯ ,¯z E,z + 2ΦΦ E,¯z + 2ΦΦ , a2 = . 2f 2f

(18.135)

Mit (18.126) und (18.127) folgt o. B. d. A. die Formel ¯ Re E = f − ΦΦ,

(18.136)

f = Re E + |Φ|2 ,

(18.137)

also

s. (18.65). Durch Einsetzen der gewonnenen Ausdrücke in (18.116) und (18.118) erhalten wir schließlich die Ernst-Gleichungen f Δ E = (∇ E + 2Φ¯ ∇Φ) · ∇ E

(18.138)

f Δ Φ = (∇ E + 2Φ¯ ∇Φ) · ∇Φ.

(18.139)

und

[Die Gl. (18.117) und (18.119) ergeben die konjugiert komplexen Versionen.] 18.12 Verifizieren Sie, dass die Beziehungen (18.96), (18.97) und (18.98) aus dem LSP der Ernst-Gleichungen folgen!

254

18 Mathematische Methoden

Lösung Mit Hilfe der allgemeingültigen Formeln (ln det Y),z = Sp (Y,z Y−1 ) und (ln det Y),¯z = Sp (Y,¯z Y−1 ), vgl. (9.52), erhalten wir aus dem LSP (18.88) und (18.89) (ln det Y),z = a1 + b1 =

f ,z f ,¯z und (ln det Y),¯z = a2 + b2 = , f f

s. (18.126), woraus durch Integration die Beziehung (18.96) folgt. Die Beziehung (18.97) ist eine unmittelbare Folge der Struktur der Matrizen U und V im LSP Y,z = U Y, Y,¯z = V Y. Die Verifikation der Beziehung (18.98) gelingt unter Verwendung der Relationen (18.127) und (18.131).

Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

19

Inhaltsverzeichnis 19.1 Das Randwertproblem für ein isoliertes Schwarzes Loch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2 Beweis der Eindeutigkeit der Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3 Vollständige Herleitung der Kerr-Newman-Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4 Eigenschaften der Kerr-Newman-Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

255 259 266 272 279

Zusammenfassung

Wir leiten die axialsymmetrisch-stationäre Lösung der Einstein-MaxwellGleichungen, die die asymptotisch flache Raumzeit eines einzelnen Schwarzen Loches beschreibt, durch systematische Lösung des entsprechenden Randwertproblems der Ernst-Gleichungen her. Hierzu verwenden wir die Methode der inversen Spektraltransformation. Das Ergebnis ist die bekannte Kerr-NewmanLösung für ein rotierendes und elektrisch geladenes Schwarzes Loch. Sie hängt von drei Parametern ab: M (Masse), J (Drehimpuls) und Q (Ladung). Dabei gilt die Ungleichung Q 2 + J 2 /M 2 ≤ M 2 (in Einheiten mit G = c = 4π 0 = 1). Für Q = 0 und J = 0 erhalten wir die Schwarzschild-Lösung. Unter der Voraussetzung J = 0 gibt es einen Bereich außerhalb des Ereignishorizontes, die sogenannte Ergosphäre, die zu bemerkenswerten physikalischen Effekten führt.

19.1

Das Randwertproblem für ein isoliertes Schwarzes Loch

Isolierte Systeme Bevor wir das Randwertproblem formulieren, wollen wir ein paar allgemeine Bemerkungen zum Konzept isolierter Systeme bzw. isolierter Objekte im Rahmen der ART machen. Dieses Konzept ist nur dann anwendbar, wenn das fragliche Objekt (z. B. ein Stern oder ein Schwarzes Loch) eine hinreichend große Umgebung hat, in der noch keine nennenswerten anderen Objekte anzutreffen sind, so dass es in einem angemessenen Abstand sinnvoll ist, vom Fernfeld unseres Objektes zu sprechen. Das bezieht sich sowohl auf das durch die Geometrie der © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_19

255

256

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

Raumzeit beschriebene Gravitationsfeld als auch – gegebenenfalls – auf das elektromagnetische Feld. Im Kap. 18 haben wir die Fernfeld-Metrik im axialsymmetrischstationären Fall unter der Voraussetzung der asymptotischen Flachheit angegeben, siehe die Formeln (18.45)–(18.49). Dieses „ideale Fernfeld“ setzt voraus, dass die Metrik für r → ∞ gegen die Minkowski-Metrik geht. Das „reale Fernfeld“ eines isolierten Objektes bezieht sich nicht auf das „Unendliche der Welt“, das es noch dazu vielleicht gar nicht gibt (man denke an die räumlich geschlossenen kosmologischen Modelle), sondern auf einen Zwischenbereich, s. Abb. 19.1. Wenn die „Außenwelt“ (das Universum) annähernd isotrop ist, wird das ideale Fernfeld eine sehr gute Näherung für das reale Fernfeld sein, während im stärker anisotropen Fall bei der Feldentwicklung für den Zwischenbereich auch merkliche Terme mit wachsenden r -Potenzen hinzukämen, die den Einfluss der Außenwelt charakterisieren würden. Diese Überlegung wird auch durch folgendes Argument gestützt: Man stelle sich unser betrachtetes Objekt aus dem Innengebiet entfernt vor, so dass dort ein Vakuum vorliegt. Im Falle einer isotropen Außenwelt kann man dann aus den Einstein’schen Vakuum-Feldgleichungen wegen der Kugelsymmetrie eindeutig auf die Schwarzschild-Metrik schließen (s. Kap. 12), deren einziger Parameter rS aber verschwinden muss, da andernfalls eine Singularität bei r = 0 auftreten würde. Das Ergebnis ist die Minkowski-Metrik im Innengebiet! [Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dass wir damit ganz im Sinne des Mach’schen Prinzips den

Abb. 19.1 Im Fernfeldbereich eines isolierten Objektes ist die Raumzeit im Falle einer isotropen Außenwelt nahezu flach, vgl. Stephani (2004)

19.1 Das Randwertproblem für ein isoliertes Schwarzes Loch

257

Sachverhalt bestätigt finden, dass die lokal identifizierbaren Inertialsysteme dadurch charakterisiert sind, dass sie keine Beschleunigung – insbesondere keine Rotation – gegenüber dem kosmischen Hintergrund (den „Fixsternen“) aufweisen. So gesehen, ist das Mach’sche Prinzip im Rahmen der ART eine Konsequenz der Isotropie des Universums.] Denken wir uns jetzt das Objekt wieder hinzugefügt, wird sich die Raumzeit in seiner Nähe deutlich krümmen, in hinreichendem Abstand werden wir aber weiterhin näherungsweise Minkowski-Verhältnisse haben. Diese Schlussweise ist eine Möglichkeit der Begründung dafür, dass wir bei der Modellierung isolierter Objekte die Bedingung der asymptotischen Flachheit stellen. Eine allgemeinere Begründungsmöglichkeit, die aber auch an gewisse Voraussetzungen gebunden ist, macht einfach von einem LIS auf kosmischen Skalen Gebrauch. Das Randwertproblem Wir wollen ein Randwertproblem für die axialsymmetrisch-stationären Einstein-Maxwell-Gleichungen (bzw. die dazu äquivalenten Ernst-Gleichungen) formulieren, dessen Lösung die Raumzeit außerhalb des Ereignishorizontes eines isolierten Schwarzen Loches beschreibt. Wir wissen schon, dass der Ereignishorizont (kurz: Horizont) eine Nullhyperfläche ist, s. Kap. 15. Der Horizont H eines stationären und axialsymmetrischen Schwarzen Loches ist dadurch charakterisiert, dass eine Linearkombination χ der beiden Killing-Vektoren ξ und η, χ i ≡ ξ i + Ωηi , Ω = const.,

(19.1)

dort lichtartig wird und die Rolle des Normalenvektors spielt (Hawking und Ellis 1973; Carter 1973): H:

χ i χi = 0.

(19.2)

Da χ als Linearkombination zweier Killing-Vektoren selbst ein Killing-Vektor ist, spricht man auch von einem „Killing-Horizont“. Die Konstante Ω nennt man aus Gründen, die wir noch kennenlernen werden, die „Winkelgeschwindigkeit des Horizontes“. Wir setzen Ω = 0

(19.3)

voraus, werden aber ganz am Schluss auch den Grenzfall Ω → 0 diskutieren, s. Abschn. 19.4. Da der Horizont die Symmetrien der Raumzeit (Stationarität und Axialsymmetrie) teilen muss, bleibt man bei Fortschreiten in Richtung der KillingVektoren ξ und η auf dem Horizont, die Vektoren ξ und η sind also tangential, d. h. sie stehen senkrecht auf dem Normalenvektor: H:

χ i ξi = 0, χ i ηi = 0.

(19.4)

[Diese beiden Gleichungen ergeben zusammen mit (19.1) wieder (19.2).] Wir verwenden das Linienelement (18.56)   ds 2 = f −1 h (d2 + dζ 2 ) + 2 dϕ 2 − f (dt + A dϕ)2 .

(19.5)

258

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

Aus den Formeln (18.58) folgt mit (19.1) 2 = (ξ i ηi )2 − ξ i ξi ηk ηk = (χ i ηi )2 − χ i χi ηk ηk .

(19.6)

Wegen (19.2) und (19.4) verschwindet  also auf dem Horizont: H:

 = 0.

(19.7)

Mit anderen Worten gesagt: Der Horizont ist bei Verwendung der Weyl-Koordinaten entweder durch einen Abschnitt oder einen Punkt auf der ζ -Achse gegeben – vorausgesetzt natürlich, der Horizont besteht nur aus einem einzigen zusammenhängenden Stück, was der Modellierung eines einzelnen Schwarzen Loches entspricht. Dieser Sachverhalt ist in Abb. 19.2 illustriert, wobei wir den Horizont o. B. d. A. symmetrisch zum Nullpunkt der ζ -Achse gelegt haben. Der Rest der ζ -Achse beschreibt dann die Symmetrieachse A, bestehend aus den zwei Teilen A+ („oben“) und A− („unten“). Dort verschwindet , weil der Killing-Vektor η verschwindet. Die metrische Funktion A verschwindet auf der Symmetrieachse ebenfalls, vgl. (18.59). Auf dem Horizont hingegen erhalten wir mit   (19.8) χ i χi ≡ (ξ i + Ωηi )(ξi + Ωηi ) = − f (1 + Ω A)2 − Ω 2 2 f −2 = 0 unter Beachtung von (19.3) die Eigenschaft H:

A=−

1 , Ω

(19.9)

Abb. 19.2 Der Horizont H ist in Weyl-Koordinaten entweder durch einen Abschnitt (linkes Bild) oder einen Punkt (rechtes Bild) auf der ζ -Achse gegeben. A± bezeichnet den oberen bzw. unteren Teil der Symmetrieachse, und C soll einen Halbkreis  = R sin ϑ, ζ = R cos ϑ im Unendlichen symbolisieren (0 ≤ ϑ ≤ π , R → ∞)

19.2 Beweis der Eindeutigkeit der Lösung

259

da die metrische Funktion f auf H (abseits von A) nicht verschwindet. Auf dem Horizont folgt nämlich aus (19.1), (19.2) und (19.4) f ≡ −ξ i ξi = −Ω 2 ηi ηi ,

(19.10)

und für den raumartigen Killing-Vektor η gilt dort (wie überall außer auf der Symmetrieachse) ηi ηi > 0. An den „Polen“ des Horizontes, wo sich Horizont und Symmetrieachse treffen, ist die Funktion A somit unstetig. Es sei darauf hingewiesen, dass dort alle Skalarprodukte ξ i ξi , ηi ηi und ξ i ηi der Killing-Vektoren verschwinden. Für den in Abb. 19.2 rechts dargestellten Fall des bei  = ζ = 0 befindlichen Horizontes sind die Koordinaten  und ζ zur Beschreibung des Horizontes selbst natürlich nicht geeignet. Eine gute Möglichkeit ist stattdessen die Verwendung der Koordinaten r und ϑ gemäß  = r sin ϑ, ζ = r cos ϑ

(0 ≤ ϑ ≤ π ),

(19.11)

in denen der bei r = 0 liegende Horizont durch die Koordinate ϑ parametrisiert werden kann; ϑ = 0 entspricht dann dem „Nordpol“, ϑ = π dem „Südpol“ des Horizontes. Im Fall des bei  = 0, −l ≤ ζ ≤ l befindlichen Horizontes (Abb. 19.2, links) sind Nord- und Südpol durch ζ = ±l charakterisiert. Unser Randwertproblem kann nun einfach wie folgt formuliert werden: • Gesucht ist eine asymptotisch flache Lösung der äußeren axialsymmetrischstationären Einstein-Maxwell-Gleichungen (bzw. der Ernst-Gleichungen), die auf dem durch  = 0, −l ≤ ζ ≤ l bzw. r = 0, 0 ≤ ϑ ≤ π gegebenen Horizont die Randbedingung χ i χi ≡ (ξ i + Ωηi )(ξi + Ωηi ) = 0

(19.12)

erfüllt und überall außerhalb des Horizontes regulär ist.

19.2

Beweis der Eindeutigkeit der Lösung

Unter sehr allgemeinen Voraussetzungen konnte gezeigt werden, dass ein stationäres isoliertes Schwarzes Loch im Rahmen der Einstein-Maxwell-Theorie grundsätzlich durch die Kerr-Newman-Lösung beschrieben wird – mit der zusätzlichen Einschränkung, dass ihre drei Parameter M, Q und J die Bedingung Q 2 + J 2 /M 2 ≤ M 2 (sowie M > 0) erfüllen. Wichtige Beiträge zu diesem Eindeutigkeitssatz Schwarzer Löcher, der auch unter der Bezeichnung „no-hair theorem“ bekannt ist, stammen von Israel (1968), Carter (1971), Hawking und Ellis (1973), Robinson (1975) und Mazur (1982); für eine Gesamtdarstellung einschließlich neuerer Entwicklungen siehe auch Chru´sciel et al. (2012). Im Folgenden wollen wir unser im vorigen Abschnitt formuliertes Randwertproblem mit Hilfe der Methode der inversen Spektraltransformation lösen. Wir werden

260

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

dabei auf eindeutige Weise zur Kerr-Newman-Lösung gelangen und somit den Eindeutigkeitssatz Schwarzer Löcher unter der Voraussetzung der Axialsymmetrie auf konstruktivem Wege beweisen. In einem ersten Schritt werten wir das LSP der ErnstGleichungen entlang der Symmetrieachse und entlang des Horizontes aus (gemeint ist dabei immer entlang der entsprechenden Kurve im zweidimensionalen Raum der Koordinaten  und ζ bzw. r und ϑ – in der vierdimensionalen Raumzeit ist die Symmetrieachse natürlich zweidimensional und der Horizont dreidimensional). Das LSP entlang der Symmetrieachse und des Horizontes Auf A+ , A− und H gilt  = 0 mit der Konsequenz, dass die beiden Verzweigungspunkte K = i¯z und K = −iz der zu  K − i¯z λ= (19.13) K + iz gehörenden zweiblättrigen Riemann’schen Fläche zu K = ζ verschmelzen. Für K = ζ gilt einfach λ = ±1.

(19.14)

Entlang einer Kurve, auf der  = 0 gilt, ist die allgemeine Lösung des LSP’s (18.88), (18.89) für λ = +1 durch ⎛

⎞ E¯ (σ ) + 2|Φ(σ )|2 1 Φ(σ ) Y(+1) (σ, K ) = ⎝ E (σ ) −1 −Φ(σ ) ⎠ C(K ) ¯ ) 2Φ(σ 0 1

(19.15)

gegeben, wobei σ den Kurvenparameter und C(K ) eine nur von K abhängige Matrix bezeichnet, s. Aufgabe 19.1. Somit folgt auf den beiden Teilen der Achse und dem Horizont ⎛ ⎞ E¯ + 2|Φ|2 1 Φ A± : Y(+1) (ζ, K ) ≡ Y± = ⎝ (19.16) E −1 −Φ ⎠ C± (K ) 2Φ¯ 0 1 und ⎛

H:

⎞ E¯ + 2|Φ|2 1 Φ Y(+1) (σ, K ) ≡ YH = ⎝ E −1 −Φ ⎠ CH (K ). ¯ 2Φ 0 1

(19.17)

Wenn der Horizont einen endlichen Abschnitt −l ≤ ζ ≤ l auf der ζ -Achse beschreibt, verwenden wir auch entlang des Horizontes den Kurvenparameter σ = ζ ; für einen Horizont bei r = 0 (0 ≤ ϑ ≤ π ) benutzen wir σ = ϑ. Eine der drei Matrizen C+ (K ), C− (K ) und CH (K ) können wir im Rahmen der allgemeinen Normierungsmöglichkeit frei wählen, dann ist die Lösung des LSP’s (bei

19.2 Beweis der Eindeutigkeit der Lösung

261

gegebener Lösung der Ernst-Gleichungen) aus Stetigkeitsgründen in der gesamten -ζ -Ebene fixiert. Wir legen die Matrix C+ (K ) durch folgende Bedingung fest: ⎛

⎞ 1 1 0 lim Y+ (ζ, K ) = ⎝ 1 −1 0 ⎠ . K →ζ 0 0 1

(19.18)

Daraus ergibt sich mit (19.16) ⎛

⎞ F 00 C+ = ⎝ G 1 L ⎠ , H 0 1

(19.19)

wobei die Funktionen F(K ), G(K ), H (K ) und L(K ), für K = ζ , durch die ErnstPotenziale E = E+ und Φ = Φ+ auf A+ (wir nennen sie die „Achsenpotenziale“) gegeben sind: 1 , f + (ζ )

(19.20)

|Φ+ (ζ )|2 + ib+ (ζ ) , f + (ζ )

(19.21)

F(ζ ) = G(ζ ) =

2Φ¯ + (ζ ) f + (ζ )

(19.22)

L(ζ ) = −Φ+ (ζ ),

(19.23)

f + = Re E+ + |Φ+ |2 ,

(19.24)

H (ζ ) = − und

wobei wir

vgl. (18.65), und die Abkürzung b+ ≡ Im E+

(19.25)

verwendet haben. Umgekehrt folgt aus diesen Formeln E+ (ζ ) =

¯ ) 1 − G(ζ H¯ (ζ ) , Φ+ (ζ ) = − . F(ζ ) 2F(ζ )

(19.26)

Die Funktionen F(K ), G(K ), H (K ) und L(K ) für beliebige (komplexe) K ergeben sich durch analytische Fortsetzung der Ausdrücke (19.20) bis (19.23). Offensichtlich gelten die wichtigen Relationen H ( K¯ )H (K ) F( K¯ ) = F(K ), G( K¯ ) + G(K ) = , 2F(K )

L(K ) =

H ( K¯ ) , (19.27) 2F(K )

262

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

die mit (19.19) auch in Matrix-Form geschrieben werden können: ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 0 2F 0 † 0 2 0  C+ ( K¯ ) ⎝ 2 0 0 ⎠ C+ (K ) = ⎝ 2F 0 0 ⎠ . 0 0 −1 0 0 −1

(19.28)

Die letzte Gleichung in (19.27) zeigt, dass L aus H und F bestimmt werden kann, d. h. die gesamte Information über C+ (K ) ist bereits in den drei Funktionen F, G und H enthalten, die auch umgekehrt zur Berechnung der Achsenpotenziale ausreichen, s. (19.26). Für die in den Beziehungen (18.96), (18.97) und (18.98) auftretenden Größen c0 (K ), c1 (K ) und c2 (K ) folgt in unserer Normierung ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 010 0 2F 0 (19.29) c0 = −2F, c1 = ⎝ 1 0 0 ⎠ c2 = ⎝ 2F 0 0 ⎠ , 001 0 0 −1 s. Aufgabe 19.2. Somit gelten die „globalen“ Relationen det Y(, ζ, λ) = −2 f (, ζ ) F(K ), ⎞ ⎛ ⎞ 1 0 0 010 Y(, ζ, −λ) = ⎝ 0 −1 0 ⎠ Y(, ζ, λ) ⎝ 1 0 0 ⎠ 0 0 1 001

(19.30)



(19.31)

und ⎛ −1 ⎞ ⎛ ⎞ 0 2F 0 0 0  † f ¯ ⎝ 0 − f −1 0 ⎠ Y(, ζ, λ) = ⎝ 2F 0 0 ⎠ . Y(, ζ, 1/λ) 0 0 −1 0 0 −1

(19.32)

Die Matrizen CH (K ) und C− (K ) folgen aus der durch unsere Normierung festgelegten Matrix C+ (K ) mit Hilfe von Stetigkeitsbedingungen an den Polen des Horizontes (ζ = ±l bzw. ϑ = 0, π ), s. Abb. 19.2. An diesen Stellen verschwindet aber die Funktion f ≡ −ξ i ξi wegen (19.10) und η = 0: f N = 0,

f S = 0.

(19.33)

(Ab jetzt werden Größen am „Nordpol“, wo sich H und A+ treffen, durch einen Index „N“ und Größen am „Südpol“, wo sich H und A− treffen, durch einen Index „S“ markiert.) Mit f verschwindet dort gemäß (19.30) auch det Y. Deshalb liefert die Stetigkeit von Y(+1) allein noch nicht genügend Informationen zur Bestimmung von CH (K ) und C− (K ) aus C+ (K ). Dieses Defizit lässt sich aber durch die zusätzliche Auswertung der Stetigkeit von Y(+1) kompensieren, wobei wir unter Y die Lösung des LSP’s im durch  = , ζ  = ζ, ϕ  = ϕ − Ωt, t  = t

(19.34)

19.2 Beweis der Eindeutigkeit der Lösung

263

definierten „mitrotierenden System“ verstehen. Auf diese Weise kommt dann auch unsere Randbedingung auf dem Horizont ins Spiel. Verwendung des mitrotierenden Systems Die Ernst-Gleichungen gelten auch im mitrotierenden System, s. Aufgabe 19.3 (a). Die zugehörige Lösung des LSP’s kann in der Form Y (, ζ, λ) = T(, ζ, λ)Y(, ζ, λ)

(19.35)

mit ⎛

⎛ ⎞ ⎞ A −  f −1 −1 −λ 0 0 0 T = 1+Ω⎝ 0 A +  f −1 0 ⎠ + i(K + iz)Ω f −1 ⎝ λ 1 0 ⎠ (19.36) 0 00 0 0 0 geschrieben werden, s. Aufgabe 19.3 (b). Es sei darauf hingewiesen, dass die dritte Zeile von Y mit der von Y übereinstimmt. Unter Benutzung von (18.59), (19.7) und (19.9) folgt auf A± bzw. H: ⎛

−1 0  (ζ, K ) = Y± (ζ, K ) + 2i(K − ζ )Ω ⎝ 1 0 Y± 00

⎞ 0 0 ⎠ C± (K ) 0

(19.37)

und ⎛

⎞ ⎛ 000 −1 0  (ζ, K ) = ⎝ 0 0 0 ⎠ YH (ζ, K ) + 2i(K − ζ )Ω ⎝ 1 0 YH 001 00

⎞ 0 0 ⎠ CH (K ), 0

(19.38)

falls sich der Horizont bei  = 0, |ζ | ≤ l befindet, oder ⎛

⎛ ⎞ 000 −1 0  YH (ϑ, K ) = ⎝ 0 0 0 ⎠ YH (ϑ, K ) + 2iK Ω ⎝ 1 0 001 00

⎞ 0 0 ⎠ CH (K ) 0

(19.39)

für einen Horizont bei r = 0. Indem wir diese Formeln mit (19.16) und (19.17) kombinieren, erhalten wir unter Berücksichtigung von (19.33) schließlich die folgenden Stetigkeitsbedingungen an den Polen des Horizontes, die es uns erlauben, CH (K ) und C− (K ) durch C+ (K ) auszudrücken: AN C+ = HN CH , AS C− = HS CH .

(19.40)

Die Matrizen AN , HN , AS und HS sind dabei durch ⎞ EN/S −1 −Φ N/S = ⎝ EN/S + 2i(K ∓ l)Ω −1 −Φ N/S ⎠ 2Φ¯ N/S 0 1 ⎛

AN/S

(19.41)

264

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

und ⎞ EN/S −1 −Φ N/S 0 ⎠ = ⎝ 2i(K ∓ l)Ω 0 ¯ 0 1 2Φ N/S ⎛

HN/S

(19.42)

gegeben. Die Formeln (19.40)–(19.42) gelten in beiden Fällen (mit dem Horizont bei ρ = 0, |ζ | ≤ l bzw. bei r = 0). Im Falle eines Horizontes bei r = 0 hat man in (19.41) und (19.42) einfach nur l = 0 zu setzen. Entsprechendes gilt für alle folgenden Formeln, in denen l vorkommt. Bestimmung der Achsenpotenziale Für ζ und Φ → 0, vgl. (18.82) und (18.83), ⎛ 1 1 Y± → ⎝ 1 −1 0 0

→ ±∞ folgt aus (19.16) mit E → 1 ⎞ 0 0 ⎠ C± . 1

(19.43)

Indem wir den Integrationsweg des LSP’s im Unendlichen schließen – etwa entlang eines Halbkreises C , wie in Abb. 19.2 angedeutet – können wir unter Berücksichtigung von (18.82), (18.83), (18.94) und (19.31) die Beziehung ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 010 010 C− = ⎝ 1 0 0 ⎠ C+ ⎝ 1 0 0 ⎠ (19.44) 001 001 herleiten, s. Aufgabe 19.4. Zusammen mit (19.40) gelingt so die Berechnung der Elemente von C+ als Funktionen von K und den Parametern Ω, l, EN , ES , ΦN und ΦS . Zu diesem Zwecke definieren wir die Matrix ⎛ ⎞ 10 0 mit m0 = ⎝ 0 1 0 ⎠ , (19.45) M ≡ C+ (C− )−1 m0 0 0 −2 die sich gemäß (19.19) und (19.44) auch wie folgt ausdrücken lässt: ⎛ ⎞ F HL − G 2F L M = ⎝ G (1 − G)(1 + G − H L)/F 2L(G − 1) ⎠ . H H (H L − G − 1)/F 2(H L − 1)

(19.46)

Wegen (19.28) erfüllt diese Matrix die wichtige Beziehung [M( K¯ )]† = M(K ).

(19.47)

Aus (19.40) und (19.45) erhalten wir −1 M = A−1 N HN HS AS m0

(19.48)

19.2 Beweis der Eindeutigkeit der Lösung

und daraus mit (19.41) und (19.42)



FS FN 1− m0 , M= 1+ 2iΩ(K − l) 2iΩ(K + l)

265

(19.49)

wobei FN und FS gemäß ⎞ −EN/S 1 Φ N/S = ⎝ |EN/S |2 −E¯N/S −Φ N/S E¯N/S ⎠ ¯ 2Φ N/S EN/S −2Φ¯ N/S −2|Φ N/S |2 ⎛

FN/S

(19.50)

allein von den Werten der Ernst-Potenziale an den Polen abhängen. Alternativ können wir die Matrix M auch in der Form M = m0 +

m1 m2 m3 + + 2 2iΩ(K − l) 2iΩ(K + l) 4Ω (K 2 − l 2 )

(19.51)

mit m1 = FN m0 , m2 = −FS m0 , m3 = FN FS m0

(19.52)

schreiben. Die vier komplexen Parameter EN , ES , ΦN und ΦS sind durch die zwei reellen Bedingungen (19.33) eingeschränkt, die wir mit (18.65) auch als Re EN = −|ΦN |2 , Re ES = −|ΦS |2

(19.53)

lesen können. Zusammen mit Ω und l hängt M also zunächst von acht freien reellen Parametern ab. Die Beziehung (19.47) führt auf m1 + m1† = − m2 + m2† , 4iΩl m1 + m1† = m3 − m3† (19.54) bzw.

  ¯N i EN − E¯N 1 − |EN |2 1 − E ES = E¯N , ΦS = ΦN , 4Ωl = 1 − EN |1 − EN |2

(19.55)

und reduziert die Zahl der freien reellen Parameter [unter Beachtung von (19.53)] auf vier. Durch Ablesen der ersten Spalte von M erhalten wir die Funktionen F(K ), G(K ), H (K ) [s. (19.46)] und damit, für K = ζ , die Achsenpotenziale E+ und Φ+ gemäß (19.26). Durch den Vergleich mit den asymptotischen Formeln (18.82) und (18.83) für ϑ = 0 (und somit r = ζ ) können wir M, J und Q bestimmen, wobei die Eigenschaft, dass der Koeffizient von ζ −1 in (18.83) reell ist, noch eine letzte Parametereinschränkung zur Folge hat: Re ΦS = Re ΦN .

(19.56)

Damit wird für das Nichtauftreten eines magnetischen Monopolterms gesorgt und die Zahl der freien reellen Parameter endgültig auf drei reduziert. Die so gewonnenen

266

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

Achsenpotenziale lassen sich am einfachsten mit Hilfe der drei Parameter M, J und Q ausdrücken. Das Ergebnis lautet: E+ = 1 −

2M Q , Φ+ = . ζ + M − iJ/M ζ + M − iJ/M

(19.57)

Dazu gehören noch die Parameterrelationen Q2 J2 l2 + + =1 M2 M2 M4

(19.58)

und ΩM =

J/M 2 , (1 + l/M)2 + J 2 /M 4

(19.59)

die die Berechnung von l und Ω bei gegebenen M, J und Q gestatten. Die Gl. (19.58) hat die Ungleichung Q2 +

J2 ≤ M2 M2

(19.60)

zur Folge, der die drei Parameter M, J und Q genügen müssen. Da die Achsenpotenziale eine Lösung des Systems der Ernst-Gleichungen eindeutig bestimmen, ist der Eindeutigkeitsbeweis bereits erbracht. Die Formeln (19.57) stellen in der Tat die Achsenpotenziale der Kerr-Newman-Lösung dar. Im nächsten Abschnitt wollen wir zeigen, wie die Lösung für alle  und ζ mit Hilfe des LSP’s aus den Achsenpotenzialen gewonnen werden kann.

19.3

Vollständige Herleitung der Kerr-Newman-Lösung

Ausgangspunkt ist die im vorigen Abschnitt hergeleitete Lösung Y+ des LSP’s auf A+ , ⎛

⎞⎛ ⎞ F 00 E¯+ + 2|Φ+ |2 1 Φ+ Y+ = ⎝ E+ −1 −Φ+ ⎠ ⎝ G 1 L ⎠ , H 0 1 2Φ¯ + 0 1

(19.61)

mit den in (19.57) gegebenen Achsenpotenzialen E+ und Φ+ und den zugehörigen Funktionen F(K ), G(K ), H (K ) und L(K ), die in der folgenden Form aufgeschrieben werden können: F=

(K − L 1 )(K − L 2 ) Q 2 − 2iJ , G= , (K − K 1 )(K − K 2 ) (K − K 1 )(K − K 2 )

(19.62)

19.3 Vollständige Herleitung der Kerr-Newman-Lösung

H =−

2Q(K − L 1 ) , (K − K 1 )(K − K 2 )

mit

267

L=−

Q K − L1

(19.63)

 L 1/2

J = −M ± i , M

K 1/2 = ± M 2 − Q 2 −

J2 . M2

(19.64)

Die globale Relation (19.31) für die gesuchte Funktion Y(, ζ, λ) ist äquivalent zur Struktur ⎛ ⎞ ψ(, ζ, λ) ψ(, ζ, −λ) α(, ζ, λ) Y(, ζ, λ) = ⎝ χ (, ζ, λ) −χ (, ζ, −λ) β(, ζ, λ) ⎠ (19.65) ξ(, ζ, λ) ξ(, ζ, −λ) γ (, ζ, λ) mit α(, ζ, −λ) = α(, ζ, λ),

(19.66)

β(, ζ, −λ) = −β(, ζ, λ)

(19.67)

γ (, ζ, −λ) = γ (, ζ, λ).

(19.68)

und

Bei Spezialisierung auf A+ und λ = +1 muss sich die Matrix (19.61) ergeben, die als Funktion von K die folgenden Singularitäten hat: Die erste Spalte hat Pole erster Ordnung bei K = K 1 und K = K 2 , die dritte Spalte hat einen Pol erster Ordnung bei K = L 1 . (Mit dieser Sprechweise ist gemeint, dass mindestens ein Element der jeweiligen Spalte einen derartigen Pol aufweist.) Daraus leiten wir ab, dass die Funktionen ψ(, ζ, λ), χ (, ζ, λ) und ξ(, ζ, λ) generell Pole erster Ordnung bei K = K 1 und K = K 2 aufweisen werden, und zwar nur in demjenigen Blatt der zweiblättrigen Riemann’schen Fläche, das auf A+ (für K = ζ ) zu λ = +1 gehört. Entsprechend werden die Funktionen α(, ζ, λ), β(, ζ, λ) und γ (, ζ, λ) im Allgemeinen einen Pol bei K = L 1 haben, der aufgrund der Relationen (19.66), (19.67) und (19.68) in beiden Blättern auftritt. Somit folgt für ψ, χ und ξ ψ = k0 +

k1 k2 + , κ1 − λ κ2 − λ

(19.69)

χ = l0 +

l1 l2 + κ1 − λ κ2 − λ

(19.70)

ξ = m0 +

m1 m2 + κ1 − λ κ2 − λ

(19.71)

und

mit

 κ1/2 =

K 1/2 − i¯z K 1/2 + iz

(A+ :

κ1/2 = +1).

(19.72)

268

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

Die Wurzel in der letzten Gleichung ist so auszuziehen, dass sich auf A+ unter Wahrung der Stetigkeit der Wert +1 ergibt. Die Koeffizienten k0 , k1 , k2 , l0 , l1 , l2 , m 0 , m 1 und m 2 hängen nur von  und ζ ab. Für α, β und γ ergibt sich unter Berücksichtigung von (19.66), (19.67) und (19.68) α = u0 +

λ(K + iz) u1 w1 , β = v0 , γ = w0 + . K − L1 K − L1 K − L1

(19.73)

Die Koeffizienten u 0 , u 1 , v0 , w0 und w1 sind dabei wiederum Funktionen von  und ζ . Zum besseren Verständnis sei noch auf die aus  λ=

K − i¯z und λ0 = K + iz



K 0 − i¯z K 0 + iz

(19.74)

folgende Formel 2i(λ − λ0 )(λ + λ0 )   K − K0 = 1 − λ2 1 − λ20

(19.75)

hingewiesen. Alle Elemente der Matrix Y(, ζ, λ) sind rationale Funktionen von λ, wobei außer den mit K = K 1 , K = K 2 und K = L 1 korrespondierenden Polen keine weiteren Pole (insbesondere auch nicht bei λ = 0 und λ = ∞) auftreten. Diese Art der „Fortsetzung“ von Y – unter Beibehaltung der Singularitätenstruktur – ist charakteristisch für die Methode der inversen Spektraltransformation. Die Eigenschaft, dass die Positionen der Pole von Y in der zweiblättrigen Riemann’schen Fläche nicht von den Variablen  und ζ (bzw. z und z¯ ) abhängen, ist eine der Voraussetzungen dafür, dass Y eine Lösung des LSP’s darstellt. Zusammen mit weiteren Voraussetzungen werden wir schließlich einen notwendigen und hinreichenden Satz von Bedingungen erhalten, der die Lösung eindeutig bestimmt. Zunächst kommt eine Normierungsbedingung dazu. Wie man leicht verifizieren kann, ist ⎞ E¯ + 2|Φ|2 1 Φ Y(, ζ, 1) = ⎝ E −1 −Φ ⎠ C ¯ 2Φ 0 1 ⎛

(19.76)

die allgemeine Lösung des LSP’s für K → ∞ und λ = +1 (vgl. auch Aufgabe 19.1). Die konstante Matrix C können wir in unserer Normierung bestimmen, indem wir diese Formel auf A+ spezialisieren und mit (19.61) im Limes K → ∞ vergleichen. Gemäß (19.62) und (19.63) gilt in diesem Limes F → 1, G → 0, H → 0 und L → 0. Somit folgt C = 1; es gilt also ⎛

⎞ E¯ + 2|Φ|2 1 Φ Y(, ζ, 1) = ⎝ E −1 −Φ ⎠ . ¯ 2Φ 0 1

(19.77)

19.3 Vollständige Herleitung der Kerr-Newman-Lösung

269

Die zweite Spalte dieser Matrixgleichung liefert mit (19.65) ψ(, ζ, −1) = χ (, ζ, −1) = 1 und ϕ(, ζ, −1) = 0.

(19.78)

Die dritte Spalte ergibt α(, ζ, 1) = Φ, β(, ζ, 1) = −Φ und γ (, ζ, 1) = 1.

(19.79)

Damit können wir die Koeffizienten k0 , m 0 , l0 , u 0 , v0 und w0 in (19.69)–(19.73) eliminieren, und wir erhalten



1 1 1 1 + k2 , (19.80) ψ = 1 + k1 − − κ1 − λ κ1 + 1 κ2 − λ κ2 + 1 χ = 1 + l1 ξ = m1

α=Φ+

1 1 − κ1 − λ κ1 + 1

1 1 − κ1 − λ κ1 + 1



+ l2



+ m2

1 1 , − κ2 − λ κ2 + 1

1 1 , − κ2 − λ κ2 + 1

u1 λ(K + iz) w1 , β = −Φ , γ =1+ . K − L1 K − L1 K − L1

(19.81)

(19.82)

(19.83)

Die weitere Diskussion gestaltet sich etwas einfacher, wenn wir die wie folgt defi˜ betrachten, die mit Y ebenfalls Lösung des LSP’s ist: nierte Matrix Y ⎛

10 ˜ ⎝ 0 1 Y=Y 00

0 0

K −L 1 K −K 1

⎞ ⎠.

(19.84)

˜ Y(, ζ, λ) hat als Funktion von λ offensichtlich keine anderen Singularitäten als einfache Pole bei λ = ±κ1 und λ = ±κ2 : Bei λ = κ1 haben die erste und die dritte Spalte einen Pol, bei λ = −κ1 die zweite und die dritte Spalte; bei λ = κ2 hat die erste Spalte und bei λ = −κ2 die zweite Spalte einen Pol. Aus dem LSP ˜ ,¯z Y ˜ −1 und Y ˜ −1 holomorphe Funktionen von λ sein ˜ ,z Y (18.88), (18.89) folgt, dass Y müssen – mit der Ausnahme eines einfachen Pols bei λ = ∞ bzw. λ = 0. Tatsächlich ˜ ,¯z Y ˜ −1 und Y ˜ −1 keine Singularitäten bei λ = ±κ1 und ˜ ,z Y kann man zeigen, dass Y λ = ±κ2 haben, s. Aufgabe 19.5. Die einfachen Pole bei λ = ∞ bzw. λ = 0 ergeben sich als Folge der Formeln (18.95), vgl. Aufgabe 19.6. Kritisch sind damit nur noch ˜ Mit (19.30), (19.62) und (19.84) folgt die Nullstellen der Determinante von Y. 2 ˜ = −2 f (, ζ ) (K − L 1 ) (K − L 2 ) , det Y (K − K 1 )2 (K − K 2 )

(19.85)

270

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

˜ d. h. det Y(, ζ, λ) hat doppelte Nullstellen bei λ = ±λ1 und einfache Nullstellen bei λ = ±λ2 mit  λ1/2 =

L 1/2 − i¯z L 1/2 + iz

(A+ :

λ1/2 = +1).

(19.86)

˜ um Hat die Determinante eine Nullstelle erster Ordnung, ist der Rang der Matrix Y 1 reduziert, d. h. es gibt dort einen nichttrivialen Spaltenvektor p, der die Gleichung ⎛ ⎞ 0 ˜ = ⎝0⎠ Yp 0

(19.87)

˜ um 1 oder um 2 erfüllt. Bei einer Nullstelle zweiter Ordnung kann der Rang von Y reduziert sein, im letzteren Fall (der bei uns vorliegt, wie wir gleich sehen werden) gibt es zwei solche Spaltenvektoren, die linear unabhängig sind. Es gelten also die Gleichungen ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 0 0 ˜ ˜ Y(, ζ, λ1 ) p1 = ⎝ 0 ⎠ , Y(, ζ, λ1 ) q1 = ⎝ 0 ⎠ 0 0

(19.88)

und ⎛ ⎞ 0 ˜ Y(, ζ, λ2 ) p2 = ⎝ 0 ⎠ . 0

(19.89)

˜ −1 und Y ˜ −1 bei λ = ±λ1 und λ = ±λ2 treten dann ˜ ,¯z Y ˜ ,z Y Singularitäten von Y nicht auf, wenn man die Spaltenvektoren p1 , q1 und p2 so wählen kann, dass sie nicht von z und z¯ abhängen, s. Aufgabe 19.7. [Diese Voraussetzung ist auch notwendig, wie man sich durch Ableitung der Gl. (19.88) und (19.89) nach z und z¯ sowie Benutzung des LSP’s klarmachen kann.] Derartige Spaltenvektoren kann man aus den entsprechenden Relationen auf A+ gewinnen: ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 0 0 ˜ + (ζ, L 1 ) p1 = ⎝ 0 ⎠ , Y ˜ + (ζ, L 1 ) q1 = ⎝ 0 ⎠ Y 0 0 und

⎛ ⎞ 0 ˜ + (ζ, L 2 ) p2 = ⎝ 0 ⎠ Y 0

(19.90)

(19.91)

19.3 Vollständige Herleitung der Kerr-Newman-Lösung

271

mit ⎛

⎞⎛ ⎞⎛ 10 F 00 E¯+ + 2|Φ+ |2 1 Φ+ ˜+ = ⎝ Y E+ −1 −Φ+ ⎠ ⎝ G 1 L ⎠ ⎝ 0 1 00 H 0 1 2Φ¯ + 0 1



0 0

K −L 1 K −K 1

⎠.

(19.92)

Unter Verwendung von (19.62) und (19.63) folgt ⎛

⎞⎛ 10 F 00 ⎝ G 1 L ⎠⎝0 1 00 H 0 1

0 0

K −L 1 K −K 1

⎞   ⎠  



K =L 1

00 ⎝ = 11 00



0

−Q L 1 −K 1



(19.93)

0

und ⎛

⎞⎛ 10 F 00 ⎝ G 1 L ⎠⎝0 1 00 H 0 1

0 0

K −L 1 K −K 1

⎞   ⎠  

⎛ ⎜ =⎜ ⎝ K =L 2

0 Q 2 −2iJ Q 2 +2iJ −2Q(L 2 −L 1 ) (L 2 −K 1 )(L 2 −K 2 )



0

0

1

−Q L 2 −K 1

0

L 2 −L 1 L 2 −K 1

⎟ ⎟, ⎠

(19.94)

woraus man ohne Schwierigkeiten die Spaltenvektoren ⎛

⎛ ⎞ 1 p1 = ⎝ −1 ⎠ , q1 = ⎝ 0

Q L 1 −K 1

0 1





⎠ und p2 = ⎝



1 1



2Q L 2 −K 2

(19.95)

erhält. Bei Vorgabe dieser Spaltenvektoren stellen die Gl. (19.88) und (19.89) nun mit (19.65) und (19.84) ein lineares algebraisches Gleichungssystem zur Bestimmung der Unbekannten k1 , k2 , l1 , l2 , m 1 , m 2 , u 1 , w1 und Φ in (19.80)–(19.83) dar. Man kann sich davon überzeugen, dass das so bestimmte Y tatsächlich eine Lösung des LSP’s darstellt. Die drei Gleichungen, die zu den mittleren Elementen in (19.88) und (19.89) gehören und somit nur von den zweiten Zeilen der Matrizen Y(, ζ, λ1 ) und Y(, ζ, λ2 ) Gebrauch machen, reichen dabei aus, um E (, ζ ) ≡ χ (, ζ, 1), s. (19.77), und Φ(, ζ ) zu berechnen. Das Ergebnis sind die Ernst-Potenziale der Kerr-Newman-Lösung E =1−

2M r˜ − i(J/M) cos ϑ˜

, Φ=

Q r˜ − i(J/M) cos ϑ˜

,

(19.96)

wobei wir die Boyer-Lindquist-Koordinaten r˜ und ϑ˜ gemäß  ˜ ζ = (˜r − M) cos ϑ˜  = r˜ 2 − 2M r˜ + Q 2 + J 2 /M 2 sin ϑ,

(19.97)

mit 0 ≤ ϑ˜ ≤ π

(19.98)

272

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

und der Vorzeichenfestlegung r˜ → +∞ f¨ur 2 + ζ 2 → ∞

(19.99)

eingeführt haben. [Die „Schlangen“ haben wir hier angebracht, um eine Verwechslung mit den Koordinaten (19.11) zu vermeiden, werden sie aber im Abschn. 19.4 weglassen.] In den Boyer-Lindquist-Koordinaten sind die beiden Teile der Symmetrieachse durch ϑ˜ = 0 (A+ ) und ϑ˜ = π (A− ) gegeben; für ϑ˜ = 0 erhalten wir die Achsenpotenziale (19.57) zurück. Der Ereignishorizont befindet sich bei  H : r˜ = r+ ≡ M + M 2 − Q 2 − J 2 /M 2 , (19.100) und der Bereich außerhalb des Horizontes wird durch r˜ > r+ beschrieben, s. Aufgabe 19.8. An dieser Stelle sei an die Ungleichung (19.60) erinnert: Q2 +

J2 ≤ M 2. M2

(19.101)

Nur wenn diese Ungleichung erfüllt ist, wird durch die Ernst-Potenziale (19.96) ein Schwarzes Loch beschrieben. Außerdem muss M > 0 gelten. [Die Lösung für  M < 0 weist eine Singularität bei  = Q 2 + J 2 /M 2 , ζ = 0 auf; M = 0 ist nicht mit den Parameterrelationen (19.33) und (19.54) verträglich.] Im folgenden Abschnitt werden wir einige interessante Eigenschaften der KerrNewman-Lösung diskutieren.

19.4

Eigenschaften der Kerr-Newman-Lösung

Ausgehend von den Ernst-Potenzialen (19.96) kann man mit den im Abschn. 18.3 zu findenden Formeln die metrischen Funktionen f , h und A sowie die nichtverschwindenden Komponenten Aϕ und At des Viererpotenzials berechnen. Unter Verwendung der Boyer-Lindquist-Koordinaten gemäß (19.97), wobei wir die Schlangen ab jetzt weglassen, ergibt sich f =

Δ − a 2 sin2 ϑ , Σ

(19.102)

Δ − a 2 sin2 ϑ , (r − M)2 sin2 ϑ + Δ cos2 ϑ 

a 2Mr − Q 2 sin2 ϑ A= Δ − a 2 sin2 ϑ

h=

(19.103)

(19.104)

und Aϕ = Qa

r sin2 ϑ , Σ

At = −Q

r . Σ

(19.105)

19.4 Eigenschaften der Kerr-Newman-Lösung

273

Dabei haben wir zur Abkürzung Δ ≡ r 2 − 2Mr + Q 2 + a 2 ,

(19.106)

Σ ≡ r 2 + a 2 cos2 ϑ

(19.107)

und den Parameter des „spezifischen Drehimpulses“ a≡ eingeführt. Mit =

J M

√ Δ sin ϑ und ζ = (r − M) cos ϑ,

(19.108)

(19.109)

vgl. (19.97), folgt

  dr 2 d2 + dζ 2 = (r − M)2 sin2 ϑ + Δ cos2 ϑ + dϑ 2 . Δ

(19.110)

Durch Einsetzen dieses Ausdruckes in die Formel (18.56) erhalten wir mit (19.102), (19.103) und (19.104) das Linienelement der Kerr-Newman-Lösung in BoyerLindquist-Koordinaten: ds 2 =

Σ 2 a 2 (2Mr − Q 2 ) sin2 ϑ sin2 ϑ dϕ 2 dr + Σ dϑ 2 + r 2 + a 2 + Δ Σ −

2a(2Mr − Q 2 ) sin2 ϑ 2Mr − Q 2 dt 2 . dϕ dt − 1 − Σ Σ

(19.111)

Diese Lösung beschreibt ein Schwarzes Loch, falls die Ungleichung (19.101) erfüllt ist. Im Falle des Gleichheitszeichens, also für Q 2 + J 2 /M 2 = M 2 , spricht man von der extremen Kerr-Newman-Lösung bzw. einem extremen Schwarzen Loch. Die größere der beiden Lösungen der quadratischen Gleichung Δ ≡ r 2 − 2Mr + Q 2 + a 2 = (r − r+ )(r − r− ) = 0,

(19.112)

also r = r+ ≡ M +



M 2 − Q2 − a2,

(19.113)

vgl. (19.100), charakterisiert den Ereignishorizont. [Für ein extremes Schwarzes Loch gilt r+ = r− . Wenn die Ungleichung (19.101) verletzt ist, hat die quadratische Gleichung keine reellen Lösungen, dann liegt die „überextreme Kerr-NewmanLösung“ vor, die kein Schwarzes Loch beschreibt und uns in diesem Kapitel nicht weiter interessiert.]

274

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

Wir wollen uns weiter mit dem Bereich außerhalb des Horizontes des Schwarzen Loches (r > r+ ) beschäftigen. Es sei aber erwähnt, dass man die Lösung auch in das Gebiet r < r+ fortsetzen kann. Dort, wo die Funktion Σ verschwindet, d. h. bei r = 0 und (für a = 0) ϑ = π/2, befindet sich eine (koordinatenunabhängige) Singularität, wie man z. B. durch die Berechnung von R abcd Rabcd feststellen kann. Der sich unmittelbar an den Horizont anschließende Bereich r+ < r < rE (ϑ) mit rE (ϑ) = M +



M 2 − Q 2 − a 2 cos2 ϑ

(19.114)

(19.115)

wird „Ergosphäre“ genannt, s. Abb. 19.3. Dort ist der [durch die Bedingung ξ i ξi → −1 im Unendlichen (r → ∞) normierte] Killing-Vektor ξ , der die Stationarität der Raumzeit beschreibt, nicht mehr zeitartig, sondern raumartig: Ergosph¨are: ξ i ξi > 0.

(19.116)

Dennoch ist die Raumzeit im gesamten Bereich r > r+ in einem lokalen Sinne stationär, s. Aufgabe 19.9. Auf dem äußeren Rand der Ergosphäre, r = rE (ϑ), ist ξ lichtartig. Für ϑ = 0, π gilt rE = r+ [an den „Polen“ des Horizontes verschwindet η, und somit ist dort ξ = χ , vgl. (19.1) und (19.2). Die Ergosphäre existiert nur unter der Voraussetzung a = 0; für a = 0 gilt generell rE = r+ .

Abb. 19.3 Die Ergosphäre, d. h. der Bereich r+ < r < rE (ϑ), ist hier für den Fall Q = 0 und a/M = 0,7 in einem „meridionalen Schnitt“ (als wären r , ϑ und ϕ normale Kugelkoordinaten) dargestellt

19.4 Eigenschaften der Kerr-Newman-Lösung

275

Im Limes a → 0 [und damit J → 0 sowie Ω → 0, s. (19.59)] reduziert sich die Kerr-Newman-Lösung auf die Reissner-Nordstrøm-Weyl-Lösung, die allgemeine asymptotisch flache kugelsymmetrische Lösung der äußeren EinsteinMaxwell-Gleichungen. Diese Lösung beschreibt ein Schwarzes Loch, falls |Q| ≤ M gilt, vgl. (19.101). Für a = 0 und Q = 0 ergibt sich natürlich die SchwarzschildLösung. Das Linienelement (19.111) geht dabei direkt in die Form (12.20), mit r+ = rS = 2M, über. Setzt man nur Q = 0, reduziert sich die Kerr-NewmanLösung auf die Kerr-Lösung. Für a = 0 ist der Killing-Vektor ξ nicht orthogonal zu den Hyperflächen t = const., d. h. die Raumzeit ist zwar stationär, aber nicht statisch. Das sieht man auch an der fehlenden Symmetrie des Linienelementes (19.111) gegenüber einer Zeitspiegelung t → −t infolge des von null verschiedenen Mischterms gϕt des metrischen Tensors. Dieser Mischterm hat ebenso zur Folge, dass das Linienelement nicht symmetrisch gegenüber einer Spiegelung ϕ → −ϕ ist. Nur bei der gleichzeitigen Ersetzung von t durch −t und ϕ durch −ϕ bleibt das Linienelement unverändert. Gravitomagnetismus In der Ergosphäre sind keine zeitartigen Weltlinien mit r = const., ϑ = const. und ϕ = const. möglich, denn eine solche Weltlinie hätte einen zum (in der Ergosphäre raumartigen) Killing-Vektor ξ proportionalen Tangentenvektor. Man sagt dazu auch: Es gibt in der Ergosphäre keine „statischen Beobachter“. Für eine zeitartige Weltlinie folgt mit (19.111) generell die Bedingung grr dr 2 + gϑϑ dϑ 2 + gϕϕ dϕ 2 + 2gϕt dϕ dt + gtt dt 2 < 0.

(19.117)

Der einzige Term auf der linken Seite, der in der Ergosphäre (dort gilt nicht nur grr > 0, gϑϑ > 0 und gϕϕ > 0, sondern auch gtt > 0 !) einen negativen Beitrag leisten kann, ist 2gϕt dϕ dt. Dieser Term muss also für eine zeitartige Weltlinie in der Ergosphäre negativ sein: 2gϕt dϕ dt < 0.

(19.118)

Da das Vorzeichen von gϕt gleich dem Vorzeichen von −a ist [man beachte r > r+ und (19.101)], folgt die Bedingung a dϕ dt = a

dϕ 2 dt > 0, dt

(19.119)

also a

dϕ > 0. dt

(19.120)

„Stationäre Beobachter“, die sich auf Weltlinien r = const., ϑ = const. und ϕ = ωt

(19.121)

276

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω = dϕ/dt bewegen, sind gemäß (19.117) möglich, wenn ω die Bedingung gϕϕ ω2 + 2gϕt ω + gtt < 0

(19.122)

erfüllt. Eine interessante, im gesamten Bereich außerhalb des Schwarzen Loches – einschließlich der Ergosphäre – mögliche Wahl von ω ist

 a 2Mr − Q 2 gϕt , = ω = ωnr (r, ϑ) ≡ − 2 gϕϕ r 2 + a 2 − Δ a 2 sin2 ϑ

(19.123)

vgl. Aufgabe 19.9. Stationäre Beobachter, die sich mit der Winkelgeschwindigkeit ωnr (r, ϑ) bewegen, werden „lokal nichtrotierende Beobachter“ genannt. Diese Bezeichnung wird durch folgende Überlegung verständlich: In einem mit der Winkelgeschwindigkeit ω0 = ωnr (r0 , ϑ0 ) rotierenden System, gegeben durch die Koordinatentransformation r  = r , ϑ  = ϑ, ϕ  = ϕ − ω0 t und t  = t, verschwindet der Mischterm gϕ  t  der Metrik für r = r0 , ϑ = ϑ0 . Damit ist die Symmetrie gegenüber einer Spiegelung ϕ  → −ϕ  lokal wiederhergestellt. Weitere Eigenschaften der lokal nichtrotierenden Beobachter sind Gegenstand von Aufgabe 19.10. Es sei darauf hingewiesen, dass die hier diskutierten (Koordinaten-) Winkelgeschwindigkeiten dϕ/dt eine klare physikalische Bedeutung haben, da (19.111) für r → ∞ in

 ds 2 = dr 2 + r 2 dϑ 2 + sin2 ϑ dϕ 2 − dt 2 ,

(19.124)

das Linienelement des Minkowski-Raums in Kugelkoordinaten, übergeht. Somit kann man dϕ/dt als Winkelgeschwindigkeit „relativ zum Unendlichen“ bzw. relativ zum isotropen kosmischen Hintergrund ansehen, vgl. die Diskussion im Abschn. 19.1. (Für einen weit entfernten Astronomen, idealisiert als statischer Beobachter „im Unendlichen“, gilt dτ = dt, d. h. er misst tatsächlich für ein mit konstanter Koordinatenwinkelgeschwindigkeit ω = dϕ/dt um die Symmetrieachse rotierendes Objekt eine Umlaufperiode von 2π/ω.) Die Winkelgeschwindigkeit ωnr (r, ϑ) der lokal nichtrotierenden Beobachter beschreibt gerade den nach dem Mach’schen Prinzip zu erwartenden „Gravitomagnetismus“, vgl. Kap. 7. Die Tatsache, dass in der Ergosphäre alle Teilchen oder Beobachter gezwungen werden, in der durch das Vorzeichen von a festgelegten Richtung um die Symmetrieachse zu rotieren, s. (19.120), ist ein besonders starker gravitomagnetischer Effekt. Winkelgeschwindigkeit des Horizontes Auf dem Horizont gibt es natürlich keine stationären Beobachter mehr, denn auf einer Nullhyperfläche können keine zeitartigen Weltlinien verlaufen. Es ist aber interessant, den Grenzwert von ωnr (r, ϑ) für r → r+ zu betrachten. Mit (19.112) und (19.123) folgt lim ωnr (r, ϑ) =

r →r+

2 r+

a . + a2

(19.125)

19.4 Eigenschaften der Kerr-Newman-Lösung

277

Mit Hilfe der Parameterrelationen (19.58) und (19.59) kann man sich leicht davon überzeugen, dass dieser (von ϑ unabhängige!) Grenzwert mit der im Abschn. 19.1 gemäß χ =ξ +Ωη

(19.126)

eingeführten „Winkelgeschwindigkeit der Horizontes“ Ω übereinstimmt: Ω=

2 r+

a . + a2

(19.127)

Der auf dem Horizont lichtartige Vektor χ ist Tangentenvektor jener Nullgeodäten, die auf dem Horizont verlaufen, vgl. Kap. 15. Die zugehörigen Photonen übernehmen also gewissermaßen auf dem Horizont die Rolle der lokal nichtrotierenden Beobachter. Die Bezeichnung von Ω als Winkelgeschwindigkeit des Horizontes wird damit verständlich. Wir weisen noch darauf hin, dass die Vorzeichen von Ω, J und a = J/M übereinstimmen. Für Ω = 0 (und dementsprechend J = 0, a = 0) sprechen wir von einem „rotierenden Schwarzen Loch“. Bewegung von Testteilchen Die Lösung der Bewegungsgleichungen für kräftefreie Testteilchen (mit und ohne Ruhemasse) kann vollständig auf Quadraturen zurückgeführt werden, da es neben den zwei Erhaltungsgrößen ξ i pi und ηi pi

(19.128)

[s. (18.21)] noch eine weitere – mit der Existenz eines Killing-Tensors zweiter Stufe verbundene – Erhaltungsgröße gibt, die sogenannte Carter-Konstante (Carter 1968; Walker und Penrose 1970). Zusammen mit pi pi = −m 20 c2 stehen damit vier „erste Integrale“ zur Verfügung. Penrose-Prozess Die Tatsache, dass der Killing-Vektor ξ i in der Ergosphäre raumartig ist, ermöglicht prinzipiell ein „Anzapfen der Rotationsenergie“ eines Schwarzen Loches (Penrose 1969). Das kann man folgendermaßen verstehen: Wir betrachten ein Teilchen (mit Ruhemasse), das sich entlang einer Geodäte aus dem Unendlichen kommend bis in die Ergosphäre bewegt. Während dieser Bewegung bleibt die Größe E = −ξ i pi

(19.129)

erhalten, die im Unendlichen (bezogen auf einen statischen Beobachter) einfach die Bedeutung der Summe aus Ruhemassenenergie und kinetischer Energie des Teilchens hat. Das Skalarprodukt zweier zeitartiger, in die Zukunft gerichteter Vektoren ist immer negativ (s. Aufgabe 4.2). Da die Vektoren pi und ξ i diese Voraussetzung im Unendlichen erfüllen ( pi erfüllt sie sogar überall; ξ i erfüllt sie außerhalb der Ergosphäre), gilt E > 0. Jetzt stellen wir uns vor, dass das Teilchen innerhalb der Ergosphäre in zwei Teilchen (Teilchen 1 und Teilchen 2) zerfällt, die sich anschließend wiederum geodätisch

278

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

Abb.19.4 Energiegewinnung mit Hilfe des Penrose-Prozesses

bewegen. Wir nehmen an, dass Teilchen 1 ins Schwarze Loch fällt und Teilchen 2 wieder ins Unendliche gelangt (Abb. 19.4). Beim Zerfallsereignis bleibt der Gesamtviererimpuls erhalten, p1i + p2i = pi ,

(19.130)

woraus durch Überschieben mit −ξi E1 + E2 = E

(19.131)

folgt. Wegen der Raumartigkeit von ξ i in der Ergosphäre, ist dabei E 1 = −ξi p1i < 0

(19.132)

möglich. Wenn das der Fall ist, folgt E 2 = E + |E 1 | > E.

(19.133)

Die Größen E 1 = −ξi p1i und E 2 = −ξi p2i bleiben bei der sich an den Zerfall anschließenden geodätischen Bewegung beider Teilchen wieder erhalten. Teilchen 2 erreicht also das Unendliche mit der Energie E 2 , die größer als die Energie E des ursprünglich aus dem Unendlichen gekommenen Teilchens ist! Dieser „PenroseProzess“ der Energiegewinnung geht auf Kosten der Tatsache, dass das Schwarze Loch das Teilchen 1 mit seiner – auf das Unendliche bezogen – negativen Energie E 1 „verschluckt“. Der Penrose-Prozess und seine Verallgemeinerungen sind möglicherweise die Erklärung für viele hochenergetische astrophysikalische Erscheinungen, insbesondere für das Phänomen der Quasare, s. Blandford und Znajek (1977). Gyromagnetischer Faktor Abschließend soll noch auf eine bemerkenswerte Eigenschaft des elektromagnetischen Feldes der Kerr-Newman-Lösung hingewiesen werden. Aus dem asymptotischen Verhalten von Aϕ kann man das magnetische Moment ablesen. Mit (19.105) folgt Aϕ =

Qa sin2 ϑ + O(r −2 ), r

(19.134)

Aufgaben

279

d. h. das magnetische Moment ist durch μm = Qa = Q J/M gegeben, vgl. (18.81). Somit folgt für den „gyromagnetischen Faktor“ (g-Faktor), der sich als Quotient aus dem magnetischen Moment und dem „klassischen Wert“ Q J/2M berechnet, der Wert 2 – also genau der sich aus der Dirac-Gleichung ergebende g-Faktor für das mit dem Spin des Elektrons verbundene magnetische Moment. Diese Koinzidenz bietet Anlass zu allerlei Spekulationen, wenngleich man insbesondere bedenken muss, dass im Falle des Elektrons die Ungleichung (19.101) in eklatanter Weise verletzt ist.

Aufgaben 19.1 Bestimmen Sie die allgemeine Lösung des LSP’s der Ernst-Gleichung entlang einer Kurve, auf der  = 0 gilt, für den Fall λ = +1! Lösung Entlang einer solchen Kurve (Kurvenparameter σ ) folgt aus (18.88)–(18.92) mit ∂ ∂z ∂ ∂ z¯ ∂ = + ∂σ ∂σ ∂z ∂σ ∂ z¯ die Gleichung ⎞ (E¯,σ + 2Φ Φ¯ ,σ )/2 f (E¯,σ + 2Φ Φ¯ ,σ )/2 f Φ,σ ¯ ,σ )/2 f (E,σ + 2ΦΦ ¯ ,σ )/2 f −Φ,σ ⎠ Y. = ⎝ (E,σ + 2ΦΦ ¯ ¯ Φ,σ / f Φ,σ / f 0 ⎛

Y,σ

Unter Benutzung von (18.93) kann man sich leicht davon überzeugen, dass die drei Spaltenvektoren ⎛

⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 1 Φ E¯ + 2|Φ|2 ⎝ ⎠ , ⎝ −1 ⎠ und ⎝ −Φ ⎠ E ¯ 0 1 2Φ (linear unabhängige) Lösungen sind. Somit ist ⎛

⎞ E¯ (σ ) + 2|Φ(σ )|2 1 Φ(σ ) Y(+1) (σ, K ) = ⎝ E (σ ) −1 −Φ(σ ) ⎠ C(K ) ¯ ) 2Φ(σ 0 1 die gesuchte allgemeine Lösung. 19.2 Ermitteln Sie die in den Beziehungen (18.96), (18.97) und (18.98) auftretenden Größen c0 (K ), c1 (K ) und c2 (K ) für die durch (19.18) gegebene Normierung!

280

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

Lösung Aus (19.16) und (19.19) folgt   det Y+ (ζ, K ) = − E+ (ζ ) + E¯+ (ζ ) + 2|Φ+ (ζ )|2 F(K ) = −2 f + (ζ )F(K ). Der Vergleich mit der allgemeinen Beziehung (18.96) liefert c0 (K ) = −2F(K ). Die Matrix c1 (K ) in (18.97) kann besonders einfach ermittelt werden, indem man an einen der Verzweigungspunkte K = i¯z oder K = −iz von  λ=

K − i¯z K + iz

geht, denn dort hat Y in beiden Blättern der Riemann’schen Fläche denselben Wert, d. h. es gilt Y(, ζ, −λ) = Y(, ζ, λ). Diese Eigenschaft bleibt erhalten, wenn wir auf A+ den Limes K → ζ bilden. Mit (18.97) und (19.18) erhalten wir auf diese Weise ⎛ ⎞ 010 c1 (ζ ) = ⎝ 1 0 0 ⎠ , 001 woraus durch (triviale) analytische Fortsetzung auch ⎛

⎞ 010 c1 (K ) = ⎝ 1 0 0 ⎠ 001 folgt. Aus (18.98), (19.16) und (19.19) folgt schließlich unter Verwendung von (19.28) ⎛ ⎞ 0 2F(K ) 0 0⎠. c2 (K ) = ⎝ 2F(K ) 0 0 0 −1 Bei der hier dargestellten Methode zur Ermittlung von c0 (K ) und c2 (K ) reicht es übrigens auch aus, den Limes ζ → ∞ mit der zugehörigen Vereinfachung E+ → 1, Φ+ → 0, vgl. (18.82) und (18.83), zu verwenden. 19.3 a) Begründen Sie, warum die Ernst-Gleichungen auch im mitrotierenden System (19.34) gelten! Wie lautet das zugehörige LSP? b) Verifizieren Sie, dass durch die Formeln (19.35) und (19.36) eine Lösung des LSP’s im mitrotierenden System gegeben ist!

Aufgaben

281

Lösung a) Das Linienelement (18.56) und das Viererpotenzial (18.61) behalten ihre Form bei: Aus den allgemeinen Transformationsformeln (Kap. 8) folgt für die Koordinatentransformation (19.34)   ds 2 = f −1 h  (d2 + dζ 2 ) + 2 dϕ 2 − f  (dt  + A dϕ  )2 mit   f  = f (1 + Ω A)2 − Ω 2 2 f −2 ,

h h =  f f

und (1 − Ω A ) f  = (1 + Ω A) f sowie Ai = (0, 0, Aϕ  , At  ) mit Aϕ  = Aϕ und At  = At + Ω Aϕ . Die äußeren Einstein-Maxwell-Gleichungen sind somit wiederum äquivalent zu den Ernst-Gleichungen für die entsprechenden Ernst-Potenziale E  und Φ  , und wir können ein zugehöriges LSP mit derselben Struktur wie (18.88) und (18.89) aufschreiben: ⎡⎛  ⎞ ⎛ ⎞⎤ b1 0 c1 0 b1 0  = ⎣⎝ 0 a1 0 ⎠ + λ ⎝ a1 0 −c1 ⎠⎦ Y , Y,z 0 d1 0 d1 0 0 ⎡⎛

⎛ ⎞ ⎞⎤ b2 0 c2 0 b2 0  ⎣⎝ 0 a  0 ⎠ + 1 ⎝ a  0 −c ⎠⎦ Y . Y,¯ z = 2 λ 02 d  0 2 d2 0 0 2 Mit (18.91) und (18.92) folgen nach einiger Rechnung die Umrechnungsformeln = b¯2 =

  1 + Ω(A +  f −1 ) a1 − 21 Ω f −1 , 1 + Ω(A −  f −1 )

a2 = b¯1 =

  1 + Ω(A −  f −1 ) a2 + 21 Ω f −1 , 1 + Ω(A +  f −1 )

a1

  c1 = f  d¯2 = 1 + Ω(A +  f −1 ) c1 und

  c2 = f  d¯1 = 1 + Ω(A −  f −1 ) c2 .

282

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

b) Gemäß (19.35), also Y = T Y, folgen aus dem LSP Y,z = U Y und Y,¯z = V Y analoge Gleichungen für Y : Y ,z = U Y und Y ,¯z = V Y mit U = T,z T−1 + T U T−1 und V = T,¯z T−1 + T V T−1 . Unter Verwendung von (19.36) kann man sich davon überzeugen, dass diese Matrizen exakt mit den unter (a) zu findenden Ausdrücken übereinstimmen. 19.4 Leiten Sie die Beziehung (19.44) her! Lösung Aus dem asymptotischen Verhalten (18.82) und (18.83) der Ernst-Potenziale folgt zusammen mit (18.88)-(18.94), dass sich Y auf dem Halbkreis C im Unendlichen ( = R sin ϑ, ζ = R cos ϑ; R → ∞), s. Abb. 19.2, nicht ändert. Es ändert sich aber die Funktion λ gemäß (18.94):  K − iR(sin ϑ − i cos ϑ) λ = lim = ±eiϑ . R→∞ K + iR(sin ϑ + i cos ϑ) Wenn wir unseren Weg entlang des Halbkreises im Unendlichen auf A+ (ϑ = 0) mit dem Wert λ = −1 starten, erhalten wir auf A− (ϑ = π ) also den Wert λ = +1. Da sich die in (19.16) eingeführten Funktionen Y± beide auf λ = +1 beziehen, folgt unter Verwendung von (19.31) ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ 1 0 0 010 lim Y− = ⎝ 0 −1 0 ⎠ lim Y+ ⎝ 1 0 0 ⎠ ; ζ →−∞ ζ →∞ 0 0 1 001 mit (19.43) also ⎛ ⎞⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 1 0 0 1 1 0 010 1 1 0 ⎝ 1 −1 0 ⎠ C− = ⎝ 0 −1 0 ⎠ ⎝ 1 −1 0 ⎠ C+ ⎝ 1 0 0 ⎠ , 0 0 1 0 0 1 001 0 0 1 woraus sich unmittelbar die zu zeigende Relation ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ 010 010 C− = ⎝ 1 0 0 ⎠ C+ ⎝ 1 0 0 ⎠ 001 001 ergibt.

Aufgaben

283

˜ ,z Y ˜ ,¯z Y ˜ −1 und Y ˜ −1 an den Polstellen 19.5 Beweisen Sie, dass die Elemente von Y ˜ λ = ±κ1 und λ = ±κ2 von Y [definiert durch (19.84)] holomorphe Funktionen von λ (bzw. K ) sind! Lösung Wir betrachten als Erstes die Stelle λ = κ1 . Dort haben die erste und die dritte Spalte ˜ einen Pol erster Ordnung. Entwickeln wir Y ˜ als Funktion von K in eine von Y Laurent-Reihe an der Stelle K = K 1 (im entsprechenden Blatt der Riemann’schen Fläche), gibt es also bei den Elementen der ersten und dritten Spalte Terme propor˜ ,z Y ˜ ,¯z Y ˜ −1 und Y ˜ −1 an der tional zu (K − K 1 )−1 , s. (19.75). Die Holomorphie von Y Stelle λ = κ1 folgt aus der unmittelbar einleuchtenden Holomorphie von ⎞ 0 K − K1 0 ˆ =Y ˜⎝ ⎠ 0 1 0 Y 0 0 K − K1 ⎛

an dieser Stelle, denn es gilt ˆ ,z Y ˜ ,¯z Y ˆ ,¯z Y ˜ −1 = Y ˆ −1 und Y ˜ −1 = Y ˆ −1 . ˜ ,z Y Y Man beachte auch, dass ˜ ˆ = (K − K 1 )2 det Y det Y im Einklang mit (19.85) keine Nullstelle bei K = K 1 hat. In analoger Weise folgt die Holomorphie bei λ = −κ1 durch die Betrachtung von ⎞ 1 0 0 ˜ ⎝ 0 K − K1 ⎠ 0 Y 0 0 K − K1 ⎛

sowie die Holomorphie bei λ = κ2 und λ = −κ2 durch die Betrachtung von ⎛

⎞ ⎞ ⎛ K − K2 0 0 1 0 0 ˜⎝ ˜ ⎝ 0 K − K2 0 ⎠ . 0 1 0 ⎠ bzw. Y Y 0 0 1 0 0 1 19.6 X (z, z¯ , λ) sei eine bei λ = 0 und λ = ∞ holomorphe Funktion von  λ=

K − i¯z K + iz

mit z =  + iζ , z¯ =  − iζ . Untersuchen Sie das Verhalten von X ,z und X ,¯z an den Stellen λ = 0 und λ = ∞!

284

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

Lösung Wir entwickeln die Funktion X (z, z¯ , λ) bei λ = 0 in eine Potenzreihe in λ, X (z, z¯ , λ) = C0 (z, z¯ ) + C1 (z, z¯ )λ + C2 (z, z¯ )λ2 + . . . , und erhalten mit (18.95) λ 2 (λ − 1)(C1 + 2C2 λ + . . .) X ,z = C0,z + C1,z λ + . . . + 4

C1 λ + O(λ2 ) = C0,z + C1,z − 4 und X ,¯z = C0,¯z + C1,¯z λ + . . . + =−

1 (λ2 − 1)(C1 + 2C2 λ + . . .) 4λ

C2 C1 + C0,¯z − + O(λ). 4λ 2

Somit ist X ,z bei λ = 0 holomorph; X ,¯z hat einen Pol erster Ordnung bei λ = 0. Bei λ = ∞ entwickeln wir X (z, z¯ , λ) in eine Potenzreihe in λ−1 , X (z, z¯ , λ) = D0 (z, z¯ ) +

D1 (z, z¯ ) D2 (z, z¯ ) + ..., + λ λ2

und erhalten mit (18.95)

D1,z D1 2D2 λ 2 X ,z = D0,z + + ... + (λ − 1) − 2 − 3 + . . . λ 4 λ λ D2 D1 λ + D0,z − + O(λ−1 ) =− 4 2 und

D1,¯z D1 2D2 1 + ... + (λ2 − 1) − 2 − 3 + . . . λ 4λ λ λ

D1 λ−1 + O(λ−2 ). + D1,¯z − 4

X ,¯z = D0,¯z + = D0,¯z

Somit hat X ,z einen Pol erster Ordnung bei λ = ∞ und X ,¯z ist dort holomorph. ˜ ,z Y ˜ ,¯z Y ˜ −1 und Y ˜ −1 bei λ = ±λ1 19.7 Zeigen Sie, dass keine Singularitäten von Y und λ = ±λ2 auftreten, wenn die Spaltenvektoren p1 , q1 und p2 in (19.88) und (19.89) nicht von z und z¯ abhängen!

Aufgaben

285

Lösung Zunächst eine Vorbemerkung: Wegen (19.31) reicht es, die Stellen λ = +λ1 und λ = +λ2 zu untersuchen, auf die sich die Gl. (19.88) und (19.89) beziehen. Wir betrachten jetzt eine Matrix C1 , deren erste und zweite Spalte durch die linear unabhängigen Vektoren p1 und q1 gegeben sind. Als dritte Spalte wählen wir einen beliebigen von p1 und q1 linear unabhängigen Vektor, der ebenfalls nicht von z und z¯ abhängt; C1 ist also eine konstante Matrix mit nichtverschwindender Determinante. Mit ihrer Hilfe können wir die Gl. (19.88) in der Form ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 1 0 0 0 ˜ ˜ ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ ⎝ 0 0 1 = und Y(, ζ, λ1 ) C1 = 0⎠ Y(, ζ, λ1 ) C1 0 0 0 0 schreiben. Daraus folgt, dass alle Elemente der ersten beiden Spalten der Matrix ˜ Y(, ζ, λ) C1 eine Nullstelle von mindestens erster Ordnung bei λ = λ1 haben, und wir können mit (19.75) schließen, dass ⎛

⎞ 0 0 (K − L 1 )−1 ˆ ˜ Y(, ζ, λ) = Y(, ζ, λ) C1 ⎝ 0 (K − L 1 )−1 0 ⎠ 0 0 1 keine Singularität bei λ = λ1 hat. Weiterhin gilt im Einklang mit (19.85) ˜ ˆ = lim det Y det C1 = 0. lim det Y K →L 1 K →L 1 (K − L 1 )2 ˜ ,z Y ˜ −1 = Y ˆ −1 und Y ˜ −1 = Y ˆ −1 bei ˆ ,z Y ˜ ,¯z Y ˆ ,¯z Y Somit folgt die Holomorphie von Y λ = λ1 . An der Stelle λ = λ2 können wir einen analogen Schluss führen, indem wir eine konstante Matrix C2 mit linear unabhängigen Spalten betrachten, von denen die erste der Vektor p2 ist. Unter Verwendung der Gl. (19.89) folgt dann, dass ⎛

⎞ (K − L 2 )−1 0 0 ˜ Y(, ζ, λ) C2 ⎝ 0 1 0⎠ 0 0 1 bei λ = λ2 keine Singularität (und auch keine Nullstelle der Determinante) hat. 19.8 Ermitteln Sie ausgehend von den entsprechenden Formeln in Weyl-Koordinaten die Positionen des Horizontes H und der beiden Teile A± der Symmetrieachse in den durch (19.97) definierten Boyer-Lindquist-Koordinaten! Welcher Wertebereich der Boyer-Lindquist-Koordinaten entspricht dem Bereich außerhalb des Horizontes?

286

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

Lösung In Weyl-Koordinaten befindet sich H bei  = 0, |ζ | ≤ l; A+ bei  = 0, ζ ≥ l und A− bei  = 0, ζ ≤ −l. Aus der Parameterrelation (19.58) folgt l=



M 2 − Q 2 − J 2 /M 2 .

Die Umrechnungsformeln (19.97) können wir damit auch in der Form =

 ˜ ζ = (˜r − M) cos ϑ˜ (˜r − M − l)(˜r − M + l) sin ϑ,

˜ die auf  = 0 führen: schreiben. Es gibt offensichtlich vier Möglichkeiten für r˜ und ϑ, (1) ϑ˜ = 0,

(2) ϑ˜ = π ,

(3) r˜ = r+ ≡ M + l

und

(4) r˜ = r− ≡ M − l.

Für r− < r˜ < r+ wird  imaginär. Wegen (19.99) beschränken wir uns deshalb auf r˜ ≥ r+ . Zusammen mit 0 ≤ ϑ˜ ≤ π wird damit der gesamte Wertebereich 0 ≤  < ∞, −∞ < ζ < ∞ erfasst. ˜ also |ζ | ≤ l. D. h. r˜ = r+ beschreibt Für r˜ = r+ folgt  = 0 und ζ = l cos ϑ, die Lage des Horizontes H; der Bereich außerhalb des Horizontes ist durch r˜ > r+ charakterisiert. Für ϑ˜ = 0 erhalten wir  = 0 und ζ = r˜ − M, mit r˜ ≥ r+ also ζ ≥ l. D. h. ϑ˜ = 0 beschreibt die Lage von A+ . Für ϑ˜ = π ergibt sich  = 0 und ζ = M − r˜ , mit r˜ ≥ r+ also ζ ≤ −l. D. h. ϑ˜ = π charakterisiert die Lage von A− . ˜ die auf  = Somit sind die ersten drei Möglichkeiten der Wahl von r˜ und ϑ, ± 0 führen, als A und H identifiziert. Die Möglichkeit (4) entfällt wegen unserer Beschränkung auf r˜ ≥ r+ . 19.9 Untersuchen Sie für die Kerr-Newman-Metrik (19.111) unter der Voraussetzung (19.101), für welche Werte von r und ϑ (aus dem Bereich r ≥ r+ und 0 ≤ ϑ ≤ π) a) der Killing-Vektor ξ zeitartig, lichtartig bzw. raumartig ist; b) eine zeitartige Linearkombination ξ˜ der Killing-Vektoren ξ und η existiert! Lösung a) Es gilt a 2 sin2 ϑ − Δ , Σ s. (19.102). Für r ≥ r+ ist Σ > 0, s. (19.107); es kommt also allein auf das Vorzeichen von a 2 sin2 ϑ − Δ an. Δ hängt nicht von ϑ ab und ist für r ≥ r+ eine streng monoton wachsende Funktion von r (mit Δ = 0 für r = r+ ), siehe ξ i ξi = − f =

Aufgaben

287

(19.106) und (19.112). Somit ist ξ zeitartig (ξ i ξi < 0) für r > rE (ϑ), lichtartig (ξ i ξi = 0) für r = rE (ϑ) und raumartig (ξ i ξi > 0) für r+ < r < rE (ϑ) mit  rE (ϑ) = M + M 2 − Q 2 − a 2 cos2 ϑ [rE (ϑ) ist die größere Wurzel der quadratischen Gleichung Δ(r ) − a 2 sin2 ϑ = 0; die kleinere Wurzel liegt im Bereich r < r+ bzw. beide Wurzeln sind gleich r+ (nur für a = 0 und |Q| = M)]. Für a = 0 gilt rE (ϑ) = r+ , d. h. es existiert kein Bereich außerhalb des Horizontes, in dem ξ raumartig ist. b) Für r > rE (ϑ) ist ξ zeitartig, siehe (a). Wir müssen also eigentlich nur noch den Bereich r+ ≤ r ≤ rE (ϑ) untersuchen, in dem weder ξ noch η zeitartig sind, also eine echte Linearkombination beider Killing-Vektoren benötigt wird: ξ˜ = C1 ξ + C2 η mit C1 = 0 und C2 = 0. Die folgende Betrachtung gilt aber für alle r ≥ r+ , da wir nur von C1 = 0 Gebrauch machen. Mit (19.111) und ξ i = (0, 0, 0, 1), ηi = (0, 0, 1, 0) folgt

 ξ˜ i ξ˜i = C12 gϕϕ ω2 + 2gϕt ω + gtt , wobei wir zur Abkürzung ω ≡ C2 /C1 eingeführt haben. Mit den in (19.111) ablesbaren Ausdrücken für gϕϕ , gϕt und gtt ergibt sich, dass ξ˜ i ξ˜i < 0 genau dann gilt, wenn die Konstante ω die Bedingung ω − < ω < ω+ erfüllt, wobei ω± durch gϕt ± ω± = − gϕϕ

 √ (gϕt )2 − gϕϕ gtt gϕt Δ sin ϑ =− ± gϕϕ gϕϕ gϕϕ

gegeben ist. Für alle r > r+ gilt Δ > 0, und somit liefert die Wahl von ω=−

gϕt a(2Mr − Q 2 ) = 2 ≡ ωnr (r, ϑ) gϕϕ (r + a 2 )2 − Δ a 2 sin2 ϑ

(bei fixierten Werten von r und ϑ) einen zeitartigen Vektor ξ˜ . Für r = r+ gilt Δ = 0, also ω− = ω+ , und die Bedingung ω− < ω < ω+ lässt sich nicht erfüllen. Bei der Wahl von ω = −gϕt /gϕϕ ≡ Ω ergibt sich der lichtartige Vektor C1 χ. Alle anderen Linearkombinationen von ξ und η auf dem Horizont sind raumartig. Das Ergebnis lautet also: Im gesamten Bereich außerhalb des Horizontes kann man (lokal) eine zeitartige Linearkombination der beiden Killing-Vektoren ξ und η finden. In diesem Sinne ist die Raumzeit dort überall stationär. Auf dem Horizont gibt es außer dem lichtartigen Vektor C1 (ξ + Ωη) nur raumartige Linearkombinationen von ξ und η. Bemerkung: Für die Vierergeschwindigkeit der im Abschn. 19.4 diskutierten „stationären Beobachter“ gilt offensichtlich u i ∝ (ξ i + ω ηi ).

288

19 Rotierende und elektrisch geladene Schwarze Löcher

19.10 Überzeugen Sie sich von den folgenden zwei Eigenschaften der Vierergeschwindigkeit u i „lokal nichtrotierender Beobachter“ [definiert durch (19.121) und (19.123)]: a) u i steht senkrecht auf den Hyperflächen t = const. und b) ηi u i = 0! Lösung a) Der Normalenvektor der Hyperflächen t = const. ist in unseren Koordinaten x 1 = r , x 2 = ϑ, x 3 = ϕ und x 4 = t durch ni =

∂t = (0, 0, 0, 1) ∂xi

gegeben. Mit (19.121), (19.123) und dϕ dϕ dt = dτ dt dτ folgt u i = (0, 0, −gϕt /gϕϕ , 1) u t und daraus 2 u i = gik u k = (0, 0, 0, gtt − gϕt /gϕϕ )u t ,

es gilt also u r = u ϑ = u ϕ = 0, und die Proportionalität zu n i ist offensichtlich. Es sei noch bemerkt, dass man u t aus u i u i = −1 berechnen kann:  gϕϕ /Δ Δ sin2 ϑ t 2 ! i 2 t 2 t (u ) = −1 ⇒ u = u u i = (gtt − gϕt /gϕϕ )(u ) = − . gϕϕ sin ϑ Für alle r > r+ gilt Δ sin2 ϑ/gϕϕ > 0, s. (19.111). Somit haben wir noch einmal die Zeitartigkeit von u i – und also auch die von n i – verifiziert. Die Hyperflächen t = const. sind dementsprechend überall außerhalb des Horizontes raumartig, und t ist dort eine zeitartige Koordinate, vgl. Kap. 15. Es sei hervorgehoben, dass die Zeitartigkeit der Koordinate t auch in der Ergosphäre gilt, obwohl der Killing-Vektor ξ i dort raumartig ist! b) In unseren Koordinaten gilt ηi u i = u ϕ , und wir haben unter (a) bereits u ϕ = 0 festgestellt. (Wegen u i ∝ n i ist ηi u i = 0 einfach eine Folge der Tatsache, dass der Killing-Vektor ηi ein Tangentenvektor der Hyperflächen t = const. ist.) Ordnen wir einem Beobachter mit der Vierergeschwindigkeit u i die Ruhemasse m 0 und damit den Viererimpuls pi = m 0 u i zu, gilt also auch ηi pi = 0. Für ein Teilchen mit dem Viererimpuls pi kann man die Größe ηi pi in einer axialsymmetrischen Raumzeit ganz allgemein als die invariante Definition der Komponente des Drehimpulses bezogen auf die Symmetrieachse ansehen. Das Verschwinden dieser Größe ist somit ein weiteres Argument für die Bezeichnung „lokal nichtrotierende Beobachter“.

Die rotierende Staubscheibe

20

Inhaltsverzeichnis 20.1 20.2 20.3

Rotierende Sterne in der ART . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Scheibengrenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289 291 294

Zusammenfassung

Das Problem rotierender relativistischer Sterne ist von solcher Komplexität, dass es nur mit Näherungsverfahren oder numerischen Methoden behandelt werden kann. Wegen der fehlenden Kugelsymmetrie hat man es auch im stationären Fall mit nichtlinearen partiellen Differenzialgleichungen zu tun. Zwar gestatten die äußeren Einstein-Gleichungen im Falle von Stationarität und Axialsymmetrie die Anwendung der Methode der inversen Spektraltransformation, aber ohne simultane Lösung der inneren Gleichungen kommt man nicht zum Ziel. Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt der Grenzfall einer rotierenden Scheibe dar, der sich als ein Randwertproblem allein für die äußeren Gleichungen formulieren lässt. Dieses Problem konnte in voller Strenge gelöst werden (Neugebauer und Meinel, General relativistic gravitational field of a rigidly rotating disk of dust: solution in terms of ultraelliptic functions. Phys Rev Lett, 75:3046–3047, 1995). Die Lösung existiert für 0 < M 2 /J < 1 (M: Masse, J : Drehimpuls; G = c = 1), wobei M 2 /J  1 den Newton’schen und M 2 /J → 1 den extrem relativistischen Grenzfall charakterisiert. Letzterer führt zu einem Schwarzen Loch und unterstützt damit die Hypothese von der „kosmischen Zensur“.

20.1

Rotierende Sterne in der ART

Kugelsymmetrische relativistische Sternmodelle führen bei gegebener Zustandsgleichung auf die TOV-Gleichung (Kap. 14). Die Außenraumlösung ist dabei immer durch die Schwarzschild-Lösung gegeben. Rotierende Sterne haben keine © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0_20

289

290

20 Die rotierende Staubscheibe

universelle Außenlösung und auch die Gestalt ihrer Oberfläche ist nicht von vornherein bekannt. Eine ausführliche Darstellung sowohl der theoretischen Grundlagen als auch der numerischen Behandlung rotierender relativistischer Sterne (Neutronensterne) findet man in den Büchern von Friedman und Stergioulas (2013) sowie Meinel et al. (2008). Gleichgewichtskonfigurationen rotierender Neutronensterne können durch stationäre und axialsymmetrische Lösungen der Einstein-Gleichungen (Killing-Vektoren ξ und η) mit dem Energie-Impuls-Tensor einer idealen Flüssigkeit modelliert werden (wir vernachlässigen elektromagnetische Felder): Tik = (μ + p) u i u k + p gik ,

p = p(μ).

(20.1)

Das Vierergeschwindigkeitsfeld im Stern ist durch u i = e−V (ξ i + Ωηi ) mit Ω = const.

(20.2)

gegeben. Es beschreibt eine starre Rotation des Sterns mit der Winkelgeschwindigkeit Ω (relativ zum Unendlichen). Die Funktion V ergibt sich aus u i u i = −1. Es sei darauf hingewiesen, dass Abweichungen von der Axialsymmetrie zur Abstrahlung von Gravitationswellen und Abweichungen von der starren Rotation zu Reibungseffekten führen würden; beides wäre nicht mit unserer Gleichgewichtsannahme vereinbar. Die Temperatur in Neutronensternen ist (schon kurz nach ihrer Enstehung) klein im Vergleich zur (aufgrund der extremen Dichte) extrem hohen Fermi-Temperatur, so dass die Zustandsgleichung p = p(μ) als Zustandsgleichung „kalter Materie“ angesehen werden kann. Das Linienelement kann in der Lewis-Papapetrou-Form   (20.3) ds 2 = f −1 h (d2 + dζ 2 ) + W 2 dϕ 2 − f (dt + A dϕ)2 geschrieben werden, wobei die vier metrischen Funktionen f , h, W und A (ebenso wie die Massendichte μ) von x 1 =  und x 2 = ζ abhängen, nicht aber von x 3 = ϕ und x 4 = t. [Für die Rechtfertigung dieser Form des Linienelementes unter Verwendung eines Theorems von Kundt und Trümper (1966) ist die Tatsache wesentlich, dass die Vierergeschwindigkeit (20.2) die sogenannte Zirkularitätsbedingung erfüllt, siehe z. B. Stephani et al. (2003).] Die Killing-Vektoren sind wieder durch ξ i = (0, 0, 0, 1) und ηi = (0, 0, 1, 0)

(20.4)

gegeben;  = 0 charakterisiert die Rotationsachse. Dort gilt gemäß η = 0 und (ηi ηi ),l (η j η j ),l /(4ηk ηk ) → 1, vgl. Kap. 18, →0:

W → 0,

A → 0 und

W2 → 1. h2

(20.5)

Die Bedingung der asymptotischen Flachheit lautet 2 + ζ 2 → ∞ :

f → 1, h → 1,

W → 1 und A → 0. 

(20.6)

20.2 Der Scheibengrenzfall

291

Die Sternoberfläche ist durch p = 0 charakterisiert. Mit der aus T ik ;k = 0 folgenden Gleichung p,i = −(μ + p)V,i kann man schließen, dass die (Hyper-) Flächen p = const. mit den (Hyper-) Flächen V = const. übereinstimmen. Die Funktion V [s. (20.2)] hat somit auf der Sternoberfläche einen konstanten Wert V0 : Sternoberfl¨ache : p = 0, V = V0 .

(20.7)

Bei vorgegebener Zustandsgleichung hängt die Lösung von zwei freien Parametern ab; als solche kann man zum Beispiel V0 und Ω wählen.

20.2

Der Scheibengrenzfall

Im Grenzfall p/μ → 0, den wir auch als „Staubgrenzfall“ bezeichnen können, reduziert sich der Energie-Impuls-Tensor auf die Form Tik = μu i u k .

(20.8)

Im Rahmen der Newton’schen Gravitationstheorie kann man sich leicht überlegen, dass ohne Druckkraft ein Gleichgewicht nur für eine unendlich dünne Scheibe möglich ist, die wir o. B. d. A. bei ζ = 0 platzieren können. Die Massendichte ist dann formal durch μ(, ζ ) = σ () δ(ζ ) gegeben, wobei σ () die Flächenmassendichte und δ(ζ ) die Dirac’sche Deltafunktion bedeuten. Eine solche rotierende Staubscheibe existiert auch im Rahmen der ART. Wenn wir  μ(, ζ ) = σ () f / h δ(ζ ) (20.9) setzen, hat die Flächenmassendichte√σ () eine invariante Bedeutung. [Bei fixiertem , ϕ und t gilt gemäß (20.3) ds = h/ f dζ , also σ = μ ds.] Das relativistische Modell der rotierenden Staubscheibe ist somit durch die Formeln (20.8) und (20.9) [zusammen mit (20.2) und (20.3)] charakterisiert. Wegen der konstanten Winkelgeschwindigkeit Ω kann sich die Scheibe nicht bis ins Unendliche ( → ∞) erstrecken, d. h. es gilt  < 0 :  > 0 :

σ () > 0, σ () = 0.

(20.10)

Am Scheibenrand  = 0 , s. Abb. 20.1, verlangen wir σ (0 ) < ∞; es zeigt sich, dass dann sogar σ (0 ) = 0 folgt. Wir bezeichnen die Scheibe (also den Bereich ζ = 0,  ≤ 0 ) mit dem Symbol S . Das Randwertproblem Durch Integration der Einstein-Gleichungen über ζ (von − bis + im Limes → 0), +

lim

→0 −

+

G ik dζ = 8π lim

→0 −

Tik dζ,

(20.11)

292

20 Die rotierende Staubscheibe

Abb. 20.1 Eine mit konstanter Winkelgeschwindigkeit Ω um die ζ -Achse rotierende Staubscheibe

folgen (zusammen mit der offensichtlichen Spiegelsymmetrie des Problems bezüglich der „Ebene“ ζ = 0) Randbedingungen für die metrischen Funktionen auf der Scheibe, S:

f , = 0, h ,ζ = 0, W,ζ = 0,

A,ζ = 0,

(20.12)

und die Bestimmungsgleichung   f ,ζ   σ () =  4π f  h  ζ =0+

(20.13)

für die Flächenmassendichte. Dabei beziehen sich die mit einem Strich gekennzeichneten Größen auf das durch ϕ  = ϕ − Ωt definierte mitrotierende System; die Umrechnungsformeln lauten   f  = f (1 + A)2 − 2 W 2 f −2 ,

h h = , W = W  f f

(20.14)

und (1 − Ω A ) f  = (1 + Ω A) f.

(20.15)

Alle metrischen Funktionen (mit und ohne Strich) sind gerade Funktionen von ζ und somit automatisch stetig bei ζ = 0. Zum Beispiel gilt f  (, −ζ ) = f  (, ζ ). Die Ableitungen der metrischen Funktionen nach ζ sind folglich ungerade Funktionen von ζ . Falls diese bei ζ = 0 nicht verschwinden, haben sie dort einen Sprung, z. B.       f ,ζ  + − f ,ζ  − = 2 f ,ζ  + , (20.16) ζ =0

ζ =0

ζ =0

wobei ζ = 0± soviel wie ζ = ± ( > 0) im Limes → 0 bedeutet.

20.2 Der Scheibengrenzfall

293

Das Problem der rotierenden Staubscheibe ist damit auf ein Randwertproblem für die Einstein’schen Vakuum-Feldgleichungen zurückgeführt: • Gesucht ist eine überall außerhalb der Scheibe S reguläre Lösung der VakuumGleichungen, die die Bedingungen (20.5), (20.6) und (20.12) erfüllt sowie mit (20.13) eine positive Flächenmassendichte σ () liefert, die auch am Scheibenrand nicht singulär wird. Die erste der vier Randbedingungen (20.12) hat übrigens eine unmittelbar einleuchtende physikalische Bedeutung: Mit u i u i = −1 folgt aus (20.2), (20.3) und (20.14) f  = e2V .

S:

(20.17)

Somit ist die Randbedingung f , = 0 äquivalent zu V = V0 ,

(20.18)

d. h. die Funktion V hat auf der Scheibe einen konstanten Wert V0 – analog zur Bedingung (20.7). Die Konstanz von f  ist Ausdruck der Tatsache, dass sich die Materieelemente der Scheibe geodätisch bewegen, wie es sich für eine Staubscheibe gehört. Das sieht man am einfachsten im mitrotierenden System. Dort gilt u i = (0, 0, 0, e−V0 ),

(20.19)

und die Geodätengleichung reduziert sich auf Du i i −2V0 i e = 0, also 44 = 0. = 44 dτ

(20.20)

  = − f  also f  = 0. = 0, wegen g44 Mit (8.35) folgt für i = 1 die Bedingung g44,1 , Im Newton’schen Fall entspricht dies gerade der Balance zwischen Gravitations- und Zentrifugalkraft. Die anderen Komponenten der Viererbeschleunigung verschwinden natürlich ebenfalls. Für i = 3,4 ist das trivial. Die für i = 2 folgende Bedingung  = 0 ist „im Mittel“ erfüllt, denn es gilt g44,2

1 2



  f ,ζ 

ζ =0+

  + f ,ζ 

ζ =0−

= 0,

(20.21)

vgl. (20.16). Auch hier liegt im Newton’schen Fall dieselbe Situation vor: Oberhalb der Scheibe (einschließlich ζ = 0+ ) ist die Gravitationskraft auf eine Testmasse nach unten gerichtet; unterhalb der Scheibe (einschließlich ζ = 0− ) zeigt sie nach oben. Bei ζ = 0 liegt also eine (stabile) Gleichgewichtsposition bezüglich vertikaler Auslenkungen vor.

294

20 Die rotierende Staubscheibe

Freie Parameter Auch die Staubscheibenlösung hat zwei freie Parameter; als solche kann man zum Beispiel wieder V0 und Ω wählen, wobei wir o. B. d. A. Ω > 0 voraussetzen. Der (Koordinaten-) Radius 0 wird sich als eine Funktion 0 = 0 (V0 , Ω) erweisen. Am Parameter V0 kann man erkennen, wie „relativistisch“ die Scheibe ist. Dazu betrachten wir ein Photon, das vom Zentrum der Scheibe ausgesendet und im Unendlichen empfangen wird. Unter Verwendung der Formel (13.47) und der Erhaltung der Größe ξ i pi , s. Kap. 18, folgt für das Verhältnis der Frequenzen νS (gemessen von einem im Zentrum der Scheibe ruhenden Beobachter) und νE (gemessen von einem statischen Beobachter im Unendlichen) νS = e−V0 . νE

(20.22)

Die „relative gravitative Rotverschiebung“ ist also durch νS − νE = e−V0 − 1 νE

(20.23)

gegeben. Näherungslösung Bardeen und Wagoner (1971) haben eine Näherungslösung des Problems auf der Grundlage einer post-Newtonschen Entwicklung gewonnen und bereits viele interessante physikalische Eigenschaften diskutiert – bis hin zu einer Vermutung über das Verhalten im extrem relativistischen Grenzfall, die von der strengen Lösung bestätigt wird.

20.3

Die Lösung

Eine der Einstein’schen Vakuum-Feldgleichungen für die Metrik (20.3), W, + W,ζ ζ = 0,

(20.24)

kann sofort separat gelöst werden: Mit W erfüllt auch W˜ = W − 

(20.25)

die zweidimensionale Laplace-Gleichung W˜ , + W˜ ,ζ ζ = 0.

(20.26)

Die einzige überall reguläre Lösung, die die Bedingungen =0:

W˜ = 0, 2 + ζ 2 → ∞ :

W˜ → 0 und S :

W˜ ,ζ = 0

(20.27)

20.3 Die Lösung

295

[siehe (20.5), (20.6), (20.12) und (20.14)] erfüllt, ist offensichtlich W˜ ≡ 0. Somit folgt W ≡ .

(20.28)

Damit nimmt das Linienelement (20.3) die Weyl-Lewis-Papapetrou-Form   ds 2 = f −1 h (d2 + dζ 2 ) + 2 dϕ 2 − f (dt + A dϕ)2

(20.29)

an, d. h.  und ζ werden zu „Weyl-Koordinaten“, vgl. Kap. 18, die man im Vakuum bzw. Elektrovakuum immer einführen kann. Die eigentliche Erkenntnis besteht hier darin, dass die Weyl-Koordinaten im Falle der Staubscheibe als globale Koordinaten geeignet sind und die Scheibe in diesen Koordinaten durch ζ = 0,  ≤ 0 charakterisiert ist. Die restlichen Feldgleichungen sind äquivalent zur Gleichung (Re E )Δ E = (∇ E )2 ,

(20.30)

die sich aus (18.63)–(18.65) bei verschwindendem elektromagnetischen Feld (Φ ≡ 0) ergibt und als die „Ernst-Gleichung“ im engeren Sinne bezeichnet wird (Ernst 1968a; Kramer und Neugebauer 1968). Dabei gilt gemäß (18.65), (18.68), (18.69) und (18.70) f = Re E ,

(20.31)

A,z = i f −2 (Im E ),z

(20.32)

(ln h),z =  f −2 E,z E¯,z

(20.33)

z =  + iζ.

(20.34)

und

mit

Das Randwertproblem für die Ernst-Gleichung Zerlegen wir die Gl. (20.32) in Real- und Imaginärteil, folgt A, =

  (Im E ),ζ und A,ζ = − 2 (Im E ), f2 f

(20.35)

(vgl. Aufgabe 18.8). Im mitrotierenden System folgt somit auf der Scheibe aus A,ζ = 0 die Bedingung (Im E  ), = 0 und daraus o. B. d. A. Im E  = 0. Zusammen mit (20.17) und (20.18) [sowie (20.31) im mitrotierenden System] folgt als Randbedingung auf der Scheibe einfach S:

E  = e2V0 .

(20.36)

296

20 Die rotierende Staubscheibe

Abb. 20.2 Integrationsweg für die Bestimmung des Achsenpotenzials aus den auf der Scheibe S gegebenen Randbedingungen. Dabei symbolisiert C wieder einen Halbkreis im Unendlichen, vgl. Abb. 19.2

• Gesucht ist also eine überall außerhalb der Scheibe reguläre Lösung der ErnstGleichung (20.30) mit dem asymptotischen Verhalten 2 + ζ 2 → ∞ :

E →1

(20.37)

[s. (18.82)], die auf der Scheibe die Randbedingung (20.36) erfüllt. (Dazu gehört noch die Forderung nach regulärem Verhalten am Scheibenrand.) Anwendung der Methode der inversen Spektraltransformation Dieses Randwertproblem für die Ernst-Gleichung konnte mit Hilfe der Methode der inversen Spektraltransformation gelöst werden (Neugebauer und Meinel 1993, 1994, 1995); siehe auch die ausführliche Darstellung in Meinel et al. (2008). Wir machen hier nur ein paar allgemeine Bemerkungen zum Lösungsweg und geben dann das Ergebnis an. Der Algorithmus ist analog zum Verfahren von Kap. 19; seine Ausführung erweist sich allerdings als erheblich komplizierter und erfordert die Behandlung eines Riemann-Hilbert-Problems. Die gestrichelte Kurve in Abb. 20.2 deutet den Integrationsweg an, der im ersten Schritt – unter Ausnutzung der Randbedingungen auf der Scheibe – zur Lösung des LSP’s auf dem oberen Teil (A+ ) der Symmetrieachse führt. Diese Lösung ist durch das Achsenpotenzial E+ (ζ ) und die zugehörigen Funktionen F(K ) und G(K ) bestimmt, siehe (19.16) und (19.19). [Im reinen Vakuumfall gilt mit Φ ≡ 0 auch H (K ) ≡ 0 und L(K ) ≡ 0; das LSP reduziert sich auf ein Problem mit 2 × 2 - Matrizen.] Der zweite Schritt besteht dann wieder in der „Fortsetzung“ der Lösung des LSP’s von A+ in den gesamten Bereich außerhalb der Scheibe. Auf diese Weise erhält man schließlich das gesuchte Ernst-Potenzial E (, ζ ).

20.3 Die Lösung

297

Ergebnis Das Ernst-Potenzial der Staubscheibenlösung ist durch

E = exp

mit Z=



⎧ ⎪ ⎨ K a K 2 d K ⎪ ⎩

Z K1

K b +

K 2d K Z

− v2

K2

⎫ ⎪ ⎬ (20.38)

⎪ ⎭

   (K + iz)(K − i¯z ) K 2 − K 12 K 2 − K 22

und

 K 1 = − K¯ 2 = 0

i−μ μ

(Re K 1 < 0)

(20.39)

(20.40)

gegeben. Der Parameter μ (nicht mit der Massendichte verwechseln!) hängt wie folgt mit Ω, 0 und V0 zusammen: μ = 2Ω 2 02 e−2V0 .

(20.41)

Die oberen Integrationsgrenzen K a und K b bestimmen sich aus den Gleichungen K a

K b

dK + Z

K1

K a

dK = v0 , Z

K2

KdK + Z

K1

K b

KdK = v1 , Z

(20.42)

K2

und es gilt +i  0

v0 = −i0

D d K , v1 = Z0

μ ln D=



+i  0 −i0



D K d K , v2 = Z0 2 K 2 /02

+i  0 −i0



1+ +μ 1+   2 iπ 02 1 + μ2 1 + K 2 /02

1 + μ2

sowie Z0 =

 (K + iz)(K − i¯z ).

D 2 K dK, Z0

K 2 /02

(20.43)

  (20.44)

(20.45)

Die Integrale in (20.43) sind entlang der imaginären Achse der komplexen K -Ebene auszuführen [mit der Fixierung Re Z 0 < 0 (für , ζ außerhalb der Scheibe) und Re D = 0]. Die Integrationen von K 1 bis K a bzw. von K 2 bis K b in (20.38) und (20.42) sind entlang derselben Wege in der zur Funktion Z (K ) gehörenden zweiblättrigen Riemann’schen Fläche zu verstehen. Man beachte, dass Z (K ) die Wurzel aus einem Polynom sechster Ordnung in K ist. Die mathematische Aufgabe der

298

20 Die rotierende Staubscheibe

Bestimmung von K a und K b aus den Gl. (20.42), bei vorgegebenen rechten Seiten v0 und v1 , stellt ein „Jacobi’sches Umkehrproblem“ (Jacobi 1832) dar. Dessen Lösung führt auf hyperelliptische Funktionen K a (v0 , v1 ) und K b (v0 , v1 ), die sich mit Hilfe von Thetafunktionen ausdrücken lassen (Göpel 1847; Rosenhain 1850; siehe auch Weierstraß 1854 und Riemann 1857). Die durch die Formeln (20.38)–(20.40) und (20.42)–(20.45) gegebene Lösung hängt von den Koordinaten  und ζ (bzw. z und z¯ ) und den zwei Parametern 0 und μ ab. Alternativ kann man auch die zwei Parameter V0 und Ω verwenden, die sich aus μ und 0 berechnen lassen. Da im Zentrum der Scheibe ( = ζ = 0) f = f  = e2V0 gilt [siehe (20.5), (20.14), (20.17) und (20.18)], folgt mit (20.31) e2V0 ≡ Re E ( = 0, ζ = 0).

(20.46)

Die Auswertung dieser Formel ergibt, dass V0 nur von μ abhängt und durch   1 1 + μ2 V0 = − arsinh μ +  (20.47)   2 ℘ I (μ); 43 μ2 − 4, 83 μ 1 + μ2 /9 − 23 μ mit

  √ μ ln x + 1 + x 2 d x 1  I (μ) =  π 1 + x 2 (μ − x) 0

(20.48)

und der gemäß ∞ ℘ (x;g2 ,g3 )

dt  =x 3 4t − g2 t − g3

(20.49)

definierten Weierstraß-Funktion ℘ gegeben ist. Die Winkelgeschwindigkeit Ω folgt mit (20.41) und (20.47) als Funktion von 0 und μ. Für 0 < μ < μ0 = 4,62966184 . . .

(20.50)

[μ0 ist die erste Nullstelle des Nenners in (20.47) – nicht mit der magnetischen Feldkonstante zu verwechseln] ist die Lösung tatsächlich überall außerhalb der Scheibe regulär und erfüllt alle Randbedingungen. Insbesondere liefert sie eine für 0 ≤  < 0 positive und am Rand der Scheibe ( = 0 ) verschwindende Flächenmassendichte. (Für μ > μ0 gibt es eine oder mehrere Ringsingularitäten außerhalb der Scheibe.) Der physikalisch einzig relevante Bereich 0 < μ < μ0 entspricht dem Bereich 0 > V0 > −∞. Dabei ist V0 eine streng monoton fallende Funktion von μ. Somit gibt es für jeden Wert V0 < 0 (bei gegebenem Ω bzw. 0 ) eine eindeutig bestimmte Lösung. Es sei noch bemerkt, dass die metrischen Funktionen A und h [zu berechnen mit Hilfe der Formeln (20.32) und (20.33)] automatisch alle in (20.5) und (20.12) enthaltenen Bedingungen erfüllen, wenn man die Integrationskonstanten gemäß der Asymptotik (20.6) fixiert, also A → 0 und h → 1 für 2 + ζ 2 → ∞.

20.3 Die Lösung

299

Wie alle dimensionslosen Parameter der Scheibenlösung hängt z. B. auch die Größe M 2 /J nur von μ ab, wobei 0 < μ < μ0 dem Bereich 0 < M 2 /J < 1 entspricht. (M 2 /J ist eine streng monoton wachsende Funktion von μ.) Die Ungleichung M2 0 gilt auch J > 0.) Für μ → 0 folgt E → 1, d. h. die Lösung beschreibt die flache Raumzeit. Hinreichend kleine Werte von M 2 /J führen dementsprechend zum Newton’schen Grenzfall. Newton’scher Grenzfall Für M 2 /J  1 [d. h. auch |V0 |  1 und somit gemäß (20.23) eine vernachlässigbare gravitative Rotverschiebung] erhalten wir näherungsweise die Newton’sche Lösung des Scheibenproblems. Diese Lösung, mit der Flächenmassendichte  2Ω 2 (20.52) σ () = 2 02 − 2 , π ist unter der Bezeichnung „Maclaurin-Scheibe“ bekannt, siehe zum Beispiel Binney und Tremaine (1987). Extrem relativistischer Grenzfall Für M 2 /J → 1, also V0 → −∞, geht die relative gravitative Rotverschiebung (20.23) gegen Unendlich. Aus (20.41) folgt in diesem Grenzfall Ω0 → 0. Weiterhin gilt Ω M → 1/2, so dass unter der Voraussetzung endlicher Masse nicht Ω, sondern 0 gegen null geht. Die Scheibe verschwindet damit gewissermaßen im Ursprung des Weyl-Koordinatensystems und die entsprechend modifizierte Abb. 20.2 sähe aus wie das rechte Bild von Abb. 19.2. Die Randbedingung f  = e2V0 auf S geht für V0 → −∞ in die Bedingung f  = 0 im Koordinatenursprung über, die der Bedingung (19.8) auf dem Horizont eines Schwarzen Loches entspricht [siehe auch (20.14) und (20.28)]. Tatsächlich geht die Scheibenlösung in diesem Grenzfall außerhalb des Ursprungs des Weyl-Koordinatensystems exakt in die extreme Kerr-Lösung (Kerr-Newman-Lösung mit Q = 0 und J = M 2 ) über, wobei Ω die Bedeutung der Winkelgeschwindigkeit des Horizontes erlangt. Vom äußeren Standpunkt aus gesehen, wird die Scheibe bei einer gedachten allmählichen Vergrößerung von M 2 /J und Annäherung an den Wert M 2 /J = 1 immer kompakter und ist schließlich im Grenzfall nicht von einem extremen Schwarzen Loch zu unterscheiden. (Eine winzige Störung reicht dann zur Bildung eines echten, leicht unterextremen Schwarzen Loches aus.) Diese parametrische Entwicklung kann man als einen quasistationären Gravitationskollaps interpretieren. Dass sich dabei ein Schwarzes Loch und nicht etwa eine „nackte Singularität“ herausbildet, steht in bemerkenswertem Einklang mit der Hypothese von der „kosmischen Zensur“ (Penrose 1969).

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Stichwortverzeichnis

A Ableitung kovariante, 96 entlang einer Kurve, 98 Abstand, 6, 13, 15, 90 lichtartiger, 16 raumartiger, 16 zeitartiger, 15 Abweichung, geodätische, 124 Addition von Geschwindigkeiten, 6, 31 Anfangswertproblem, 230 Annihilation, 63 Approximation, sukzessive, 152, 155 Äquivalenzprinzip, 83, 95, 106 Axialsymmetrie, 225 B Beobachter, 12, 181 lokal nichtrotierender, 276 stationäre, 275 statischer, 157, 275 Beschleunigung, 84, 257 Bezugssystem, beschleunigtes, 14, 83, 106 Bianchi-Identitäten, 123, 129 Binärpulsare, 160 Binärsystem, 205 Bindungsenergie, 87 gravitative, 170 Birkhoff-Theorem, 141 Boyer-Lindquist-Koordinaten, 271 Buchdahl-Grenze, 175

C Carter-Konstante, 277 Christoffel-Symbole, 96, 111 Compton-Streuung, 62 Compton-Wellenlänge, 210 Coriolis-Beschleunigung, 136 Coriolis-Kraft, 82 D de Sitter-Weltmodelle, 208 Deltafunktion, 291 Dichte, skalare, 193 Diffeomorphismus-Invarianz, 199 Differenzial, kovariantes, 97 Differenzialgeometrie, 89 Dirac-Gleichung, 279 Drehimpuls, 224, 288 Drehimpulserhaltung, 78 Drehimpulsoperator, 238 Drehung, raumzeitliche, 26 Druck, 69, 70 Dunkle Energie, 209 Dunkle Materie, 209 Dynamik, 53 E Eddington-Finkelstein-Koordinaten, 179 Eichtransformation, 67 Eigenzeit, 19, 21, 107 Eindeutigkeit Schwarzer Löcher, 259 Einstein’sche Feldgleichungen, 121 Einstein-Gleichungen, 123 Einstein-Maxwell-Gleichungen, 227

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Meinel, Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie für Bachelorstudenten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58967-0

305

306 Einstein-Tensor, 120 Elektrodynamik, 65, 111 Elektron, 63, 279 Elektrovakuum, 225, 295 Energie dunkle, 209 innere, 57, 170 kinetische, 57 Energie-Impuls-Beziehung, 55 Energie-Impuls-Erhaltung, 78, 211 Energie-Impuls-Pseudotensor, 205, 211 Energie-Impuls-Tensor, 68, 70, 87, 195 elektromagnetisches Feld, 68, 197 ideale Flüssigkeit, 70, 112 Staub, 71, 198 Energie-Impuls-Vierervektor, 56 Energiebilanz, 68, 71, 113 Energiedichte, 69 Energiestromdichte, 69 Entropie, 69 Ereignis, 12, 90 Ereignishorizont, 179, 183, 185, 257 Ergosphäre, 274 Erhaltungsgröße, 150, 221, 222, 277 Ernst-Gleichung, 295 Ernst-Potenziale, 227 Euklidischer Raum, 6 Euler’sche Gleichung, 69 Euler-Lagrange-Gleichungen, 108, 193 Expansion des Weltalls, 207 F Fahrstuhlsystem, frei fallendes, 125 Faktor, gyromagnetischer, 278 Feldlinien, 219 Feldstärketensor, 66, 67, 112 Fermi-Temperatur, 290 Fernfeld, 223, 255 Fernwirkung, 57, 74 Flächenmassendichte, 291 Flüssigkeit ideale, 69 isentropische, 70 Flachheit, asymptotische, 144 Forminvarianz, 6, 25, 27, 86 Fortsetzung, analytische, 261 Foucault’scher Pendelversuch, 84 Fourier-Transformation, 229 Friedmann’sche Weltmodelle, 207 Friedmann-Gleichung, 207 Friedmann-Lemaître-Modelle, 206

Stichwortverzeichnis Fundamentalform, erste, 90 Funktion holomorphe, 230, 232, 269, 283 hyperelliptische, 298 G Galilei-Transformation, 5 Gauß’sche Flächentheorie, 89 Geodäte, 108 lichtartige, 111 raumartige, 110 zeitartige, 110 Geodätengleichung, 108 Geometrie, innere, 90 Geometrisierung der Gravitation, 84 Gezeitenwirkung, 137 Gleichgewicht, hydrostatisches, 168 Gleichzeitigkeit, 8 Gravitationskollaps, 172, 187, 210, 299 quasistationärer, 299 Gravitationskonstante Einstein’sche, 121, 134 Newton’sche, 74, 121 Gravitationslinsen, 160 Gravitationswellen, 203 Ausstrahlung, 205 Gravitationswellenastronomie, 206 Gravitationswellendetektor, 206 Gravitomagnetismus, 85, 225, 276 Grenzfall, extrem relativistischer, 299 Gruppenstruktur, 235 H Hamilton’sches Prinzip, 138 Hauptachsentransformation, 101 Hawking-Strahlung, 209 Hilbert-Wirkung, 191 Hintergrundstrahlung, kosmische, 85, 209 Homogenität, 14 Horizont, 257 Hubble-Konstante, 208 Hydrodynamik, 69, 112 Hyperbelbewegung, 60 Hyperfläche, 180 Hyperfläche, raumartige, 181 Hyperflächenorthogonalität, 238 I Impulsbilanz, 68, 71, 113 Impulsdichte, 69 Impulsstromdichte, 69

Stichwortverzeichnis Inertialsystem, 3, 5, 53, 83, 85, 92, 257 Inertialsystem, lokales, 94 Integrabilitätsbedingung, 228, 231, 250 Integral, erstes, 150, 277 Integralgleichung, 230 Integralkurven, 219 Invarianztransformationen, 247 Isometrie, 217 Isotropie, 14 der Hintergrundstrahlung, 206 des Universums, 206, 257 J Jacobi’sches Umkehrproblem, 298 Jacobi-Matrix, 34, 91 K Kausalität, 18 Kausalzusammenhang, 17 Kerr-Lösung, 275 extreme, 299 Kerr-Newman-Lösung, 259, 266, 273 extreme, 273 überextreme, 273 Killing-Horizont, 257 Killing-Tensor, 277 Killing-Vektor, 219 Kinematik, 51 Kollaps, 186 Komar-Integrale, 224 Komma-Notation, 66 Kommutator, 234 Kommutatorrelation, 238 Komponente kontravariante, 43, 91 Komponente, kovariante, 43, 92 Konstante, kosmologische, 208 Kontinuitätsgleichung, 67, 69, 111, 221 Kontinuumslimes, 196 Koordinaten isotrope, 143 krummlinige, 14, 106, 136 lichtartige, 185 raumartige, 185 zeitartige, 185 Koordinatendifferenziale, 91 Koordinatensingularität, 179 Koordinatentransformation, 3, 25, 86 Korteweg-de Vries-Gleichung, 230, 250 Kosmologie, 206 Kovarianz, allgemeine, 86

307 Kreisbahnen, 161 Kronecker-Symbol, 43 Krümmung, 99 Krümmungstensor, 103, 120, 122 Kugelsymmetrie, 139, 238 Kurve, extremale, 108 L Ladung, 224 Lagrange-Dichte, 192 Lagrange-Funktion, 108, 138, 192 Lagrange-Gleichungen zweiter Art, 108 Längenkontraktion, 31 Laplace-Gleichung, 294 Laurent-Reihe, 283 Lense-Thirring-Effekt, 225 Levi-Civita-Symbol, 225 Lewis-Papapetrou-Form, 290 Lichtablenkung, 155 Lichtgeschwindigkeit, 7 Lichtkegel, 17 Lie-Ableitung, 98, 219 Lie-Gruppe, 28 Lie-Klammer, 220 LIGO, 206 Linie geodätische, 108 geradeste, 107 Linienelement, 14, 41, 90 LIS, 94 Lorentz-Gruppe, 28 Lorentz-Kontraktion, 31 Lorentz-Kraft, 55, 66 Lorentz-Kraftdichte, 68, 112 Lorentz-Metrik, 93 Lorentz-Transformation, 28, 30, 39, 41 Lorentz-Transformation, inhomogene, 28 Lorenz-Eichung, 68, 117 LSP, 230 M Mach’sches Prinzip, 21, 85, 256, 276 Maclaurin-Scheibe, 299 Mannigfaltigkeit, 89 Masse, 144, 169, 224 Masse-Radius-Relation, 169 Massendefekt, 87 gravitativer, 170 Massendichte, 69, 70, 73 kritische, 209 Massenstromdichte, 85

308 Materie, 194 inkohärente, 71, 113 Materieelemente, 199, 293 Materievariable, 194 Maximalmasse, 172 Maxwell’scher Spannungstensor, 69 Maxwell-Gleichungen, 65, 67, 111 Merkur, 154 Metrik, 90 Milchstraßensystem, 84 Minkowski-Metrik, 256 Minkowski-Raum, 14, 28, 92, 122 Minkowski-System, lokales, 93 Moment, magnetisches, 229, 278 Mößbauer-Effekt, 160 Multipolentwicklung, 223 N Neutronenstern, 145, 172, 187, 206, 290 Newton’scher Grenzfall, 131 der Staubscheibenlösung, 299 von Sternmodellen, 170 Nichtlinearität, 123 No-hair theorem, 259 Noether-Theorem, 223 Nullgeodäten, 184 Nullhyperfläche, 181–183, 185 O Objekt isoliertes, 255 kompaktes, 187 Oppenheimer-Snyder-Kollaps, 187 Ortsvektor, 39, 91 P Paarvernichtung, 63 Paarzerstrahlung, 63 Paralleltransport, 98, 103 Parameter, affiner, 111 Penrose-Prozess, 277 Periheldrehung, 149 Phase, inflationäre, 209 Photon, 58 Planck-Länge, 210 Planck-Masse, 210 Planck-Skala, 210 Planck-Weltraumteleskop, 209 Planck-Zeit, 210 Poincaré-Gruppe, 28 Poisson-Gleichung, 86, 133

Stichwortverzeichnis Positron, 63 Positronen-Emissions-Tomographie, 64 Potenzial, effektives, 162 Poynting’scher Satz, 68 Poynting-Vektor, 69 Prinzip der kleinsten Wirkung, 110, 191 kosmologisches, 206 Projektionstensor, 75, 113 Pseudo-Riemann’scher Raum, 90 Pseudodrehung, 26 Pseudoskalarprodukt, 41 PSR 1913+16, 205 Pulsar, 205 Punktmechanik, 51, 106 Q Quadrupolformel, 204 Quantenfeldtheorie, 209 Quantengravitation, 210 Quantenmechanik, 58, 209 Quasar, 278 Quotientensatz, 46, 74, 75, 92, 95, 103 R Randwertproblem, 255, 291 Raum konstanter Krümmung, 207 pseudoeuklidischer, 14 Raum-Zeit-Kontinuum, 11, 210 Raumzeit, 11, 90 axialsymmetrische, 223 stationäre, 222 statische, 141, 157, 238 Reissner-Nordstrøm-Weyl-Lösung, 275 Relativbeschleunigung, 127 Relativität der Gleichzeitigkeit, 9 Relativitätsprinzip, 3 Relativitätstheorie, numerische, 205 Ricci-Skalar, 120 Ricci-Tensor, 120 Richtungsableitung, 98, 232, 234 Riemann’sche Fläche, 232, 260, 297 Riemann’sche Geometrie, 89 Riemann’scher Raum, 89 Riemann-Hilbert-Problem, 296 Robertson-Walker-Modelle, 206 Rotation, 84, 257 starre, 290 Rotverschiebung, 157, 294 gravitative, 157, 294

Stichwortverzeichnis

309

Ruhemasse, 53, 170 Ruhemassendichte, 73

Symmetrietransformation, 218 System, isoliertes, 255

S Satz des Pythagoras, 6 Scheibengrenzfall, 291 Schwarzes Loch, 183, 186, 206, 255, 299 Eindeutigkeit, 259 extremes, 273, 299 rotierendes, 277 Schwarzschild-Koordinaten, 140, 179 Schwarzschild-Lösung, 143 innere, 172 Schwarzschild-Radius, 144, 179, 210 der Erde, 144 der Sonne, 144 Schwerelosigkeit, 83 Schwerpunktsystem, 62 Singularität, 185, 187, 207, 210, 274, 299 Singularität, nackte, 299 Skalarprodukt, 41, 92 Skalenfaktor, 207 Soliton, 229 Sonnenfinsternis, 157 Spektralparameter, 230 Spektralproblem lineares, 230 Spektraltransformation, inverse, 230 Spiegelsymmetrie, 292 Spiegelung, 28, 141, 220, 275, 276 Spin, 279 Spur, 45 Stationarität, 225 Staub, 71, 113, 195, 208 elektrisch geladener, 195 Staubgrenzfall, 291 Staubkugel, 187 Staubscheibe, 291 rotierende, 291 Stern, rotierender, 289 Sternentwicklung, 187 Streumethode, inverse, 230 Stufe eines Tensors, 44 Summenkonvention, 27 Supernova, 207 Symmetrie der Raumzeit, 217 diskrete, 220 kontinuierliche, 220 Symmetrieachse, 223, 226, 243 Symmetrieeigenschaften, 6, 28

T Tangentialebene, 94 Tangentialraum, 95 Teilchenerzeugung, 209 Teilchenzahldichte, 72 Tensor, 92 metrischer, 83, 90, 92 Tensorfeld, 66 Term, kosmologischer, 121, 207 Testteilchen, 107, 113 Theorie, vereinigte, 210 Thetafunktionen, 298 TOV-Gleichung, 168 Trägheitskräfte, 82 U Überlichtgeschwindigkeit, 18 Überschiebung, 45 Übertragungsregel, 106, 117 Uhr, 12, 19, 210 Uhrensynchronisation, 12 Universum, 206 Urknall, 207, 209 V Vakuum, 121 Vakuum-Feldgleichungen, 121 Variationsableitung, 193, 200 Variationsprinzip, 108, 137, 192 Vektor, 91 lichtartiger, 41, 92 raumartiger, 41, 92 vergangenheitsgerichteter, 42 zeitartiger, 41, 92 zukunftsgerichteter, 42 Vektordichte, 197 Vergangenheit, 16 Vergangenheitslichtkegel, 17 Verhalten, asymptotisches, 229 Verjüngung, 45 Verschiebung, raumzeitliche, 26 Verschiebungsfeld, 201 Verzweigungspunkt, 260 Viererbeschleunigung, 53, 61, 77, 107 Viererdivergenz, 67 Vierergeschwindigkeit, 52, 72, 107 Vierergeschwindigkeitsfeld, 70 Vierergradient, 74

310

Stichwortverzeichnis

Viererimpuls, 54, 56, 57, 63 eines Photons, 58, 111 Viererkraft, 53, 54, 56, 59, 66 Viererkraftdichte, 68 Viererpotenzial, 67, 68, 112 Vierertensor, 44–46, 66 Vierervektor, 40, 41, 58 Virgo, 206 Virialtheorem, 241 Vulkan, 155

Weltradius, 207 Weyl-Koordinaten, 226, 295 Weyl-Lewis-Papapetrou-Form, 226, 295 Winkelgeschwindigkeit, 82, 135, 276 der Staubscheibe, 291 des Horizontes, 257, 276 Wirkung, säkulare, 153, 205 Wirkungsdichte, 192 Wirkungsprinzip, 192

W Wechselwirkung, 195 Weierstraß-Funktion, 298 Weißer Zwerg, 160, 187 Wellenbild, 158 Wellengleichung, 68, 117 inhomogene, 68, 117 Wellenzahlvierervektor, 58 Welt als Ganzes, 206 Weltlinie, 12 lichtartige, 18 zeitartige, 18, 19, 21 Weltmodell, 207

Z Zeit, absolute, 5, 9 Zeitableitung, substanzielle, 69, 73, 113 Zeitdilatation, 20 Zeitorientierbarkeit, 93 Zeitspiegelung, 275 Zensur, kosmische, 299 Zentrifugalbeschleunigung, 136 Zentrifugalkraft, 82 Zirkularitätsbedingung, 290 Zukunft, 16 Zukunftslichtkegel, 17 Zwillingsparadoxon, 20, 110