Soziale Insekten in der Antike: Ein Beitrag zu Naturkonzepten in der griechisch-römischen Kultur [1 ed.] 9783666310539, 9783525310533

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Soziale Insekten in der Antike: Ein Beitrag zu Naturkonzepten in der griechisch-römischen Kultur [1 ed.]
 9783666310539, 9783525310533

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Dominik Berrens

Soziale Insekten in der Antike Ein Beitrag zu Naturkonzepten in der griechisch-römischen Kultur

Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben

Herausgegeben von Friedemann Buddensiek, Sabine Föllinger, Hans-Joachim Gehrke, Karla Pollmann, Christiane Reitz, Christoph Riedweg, Tanja Scheer, James Wilberding Band 205

Vandenhoeck & Ruprecht

Dominik Berrens

Soziale Insekten in der Antike Ein Beitrag zu Naturkonzepten in der griechisch-römischen Kultur

Vandenhoeck & Ruprecht

Verantwortliche Herausgeberin: Sabine Föllinger Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – 215342465 / GRK1876

Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 07 Geschichts- und Kulturwissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2016 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: MS. Ashmole 1511, fol. 75v (detail) © Bodleian Libraries. University of Oxford ISSN 0085-1671 ISBN 978-3-666-31053-9 © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com Vandenhoeck & Ruprecht Verlage Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de

Danksagung

Die vorliegende Arbeit ist eine leicht überarbeite Version meiner Dissertation, die im Sommersemester 2016 am Fachbereich 07 der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eingereicht wurde. Das Prüfungskolloquium fand am 28.09.2016 statt. Mein Dank gilt in erster Linie meinem Doktorvater Prof. Dr. Jochen Althoff sowie Prof. Dr. Marion Gindhart, die die Zweitbetreuung meines Promotionsprojektes übernommen hat. Beide haben mich während meiner Promotionszeit hervorragend betreut und gefördert, mir viele Anregungen für meine Arbeit geliefert und mich auch vor dem ein oder anderen Fehler bewahrt. Darüber hinaus möchte ich Frau PD Dr. Annemarie Ambühl Tehrany, Herrn Prof. Dr. Wilhelm Blümer und Frau Prof. Dr. Sabine Obermaier für ihre Mitwirkung an der Begutachtung meiner Dissertation danken. Frau Obermaier nahm zudem neben Herrn Althoff und Frau Gindhart als weitere Prüferin am Prüfungskolloquium teil. Auch dafür sei ihr herzlich gedankt. Meine Dissertation ist im Rahmen des DFG -geförderten Graduiertenkollegs 1876 »Frühe Konzepte von Mensch und Natur: Universalität, Spezifität, Tradierung« entstanden. Von der anregenden interdisziplinären Atmosphäre und dem unkomplizierten Austausch über Standes- und Fächergrenzen hinweg hat meine Arbeit sehr profitiert. Daher sei allen daran beteiligten Professorinnen und Professoren des Trägerkreises, der Sprecherin Frau Prof. Dr. Tanja Pommerening, der Koordinatorin Frau Dr. Silke Bechler und vor allem meinen Mitdoktorandinnen und -doktoranden herzlich gedankt. Ohne die vielen interessanten Gespräche, die Einblicke in andere (Fach-) Kulturen und die Unterstützung bei Problemen jeglicher Art hätte diese Arbeit so nicht entstehen können. Den Herausgeberinnen und Herausgebern der Reihe »Hypomnemata«, besonders aber Frau Prof. Dr. Sabine Föllinger danke ich für die Aufnahme in die Reihe und ihre hilfreichen Anmerkungen. Gedankt sei auch Herrn Kai Pätzke für die Betreuung beim Verlag. Ganz herzlich möchte ich der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses danken. Für die Hilfe bei der Korrektur danke ich Dominic Bärsch, Christa Berrens, Johannes Berrens, Katharina Hillenbrand und Carrie Schidlo. Für alle noch verbliebenen Fehler bin ich natürlich allein verantwortlich. Besonderer Dank gilt meiner Frau Rut, die mir in allen Belangen stets eine wichtige Beraterin und Unterstützerin war und ist.

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Danksagung

Gewidmet sei die Arbeit meinen Großeltern, die meine Liebe zu den Alten Sprachen schon früh geweckt und mein Studium nicht nur materiell, sondern auch ideell unterstützt haben.

Inhalt

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 Theorie und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1.1 Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1.2 Cultural and literary animal studies . . . . . . . . . . . . 14 1.1.3 Gleichnis, Metapher und Analogie . . . . . . . . . . . . . 15 1.1.4 Kulturnahe Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.1.5 Prototypentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.2 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.3 Fragestellung und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.4 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.4.1 Allgemeines zu Hymenopteren . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.4.2 Honigbiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.4.3 Wespen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1.4.4 Ameisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Antike Artkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.1 Der Artbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2 Was sind soziale Insekten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.3 Zentrale Eigenschaften der sozialen Insekten . . . . . . . . . . . 42 2.3.1 Geist und Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.3.2 Vorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.3.3 Fleiß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.3.4 Reinheit und Reinlichkeit der Bienen . . . . . . . . . . . . 54 2.4 Die Hierarchie der sozialen Insekten . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.5 Bienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.5.1 »Normale« Bienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.5.2 Weisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2.5.3 Diebe und Drohnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2.6 Wespen und verwandte »Arten« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2.7 Der οἶστρος . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2.8 Ameisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

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2.9 Weitere »Arten«, die mit Ameisen in Verbindung stehen . . . . . 110 2.9.1 Die Großkatze μύρμηξ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2.9.2 Der sogenannte »Ameisenlöwe« . . . . . . . . . . . . . . . 112 2.9.3 Die indischen Ameisen des Aelian und ähnliche »Arten« 117 2.9.4 κνίψ und σέρφος . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2.10 Die goldgrabenden Ameisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2.10.1 Beschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2.10.2 Mögliche Identifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2.10.3 Goldgrabende Ameisen im Hymettos . . . . . . . . . . . 133 2.10.4 Verwendung als Topos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.11 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Antike Theorien zur Fortpflanzung und Entwicklung . . . . . . . . . 144 3.1. Allgemeine Theorien zur Fortpflanzung der Insekten . . . . . . 144 3.2. Bienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3.2.1 Theorien zur Fortpflanzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3.2.2 Theorien zur Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.2.3 Einflüsse auf die Brut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3.3. Wespen und verwandte »Arten« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 3.4. Ameisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 4. Die Bugonie und andere Zoogonien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 4.1. Beschreibungen der Bugonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 4.2. Bewertung der Bugonie in den antiken Quellen . . . . . . . . . . 191 4.3. Entstehung der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 4.3.1 Biologische Erklärungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . 197 4.3.2 Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4.3.3 Verortung in Ägypten und Nordafrika . . . . . . . . . . . 201 4.3.4 Überlegungen zu einer griechischen Herkunft . . . . . . 205 4.4. Verwandtschaft von Biene und Rind . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4.5. Weitere Zoogonien von bienenähnlichen Tieren . . . . . . . . . 212 4.6. Die Bugonie und andere Zoogonien in der Dichtung . . . . . . . 214 4.7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5. Das Geschlecht sozialer Insekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 5.1. Männlichkeit bei sozialen Insekten . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 5.2. Weiblichkeit bei sozialen Insekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Inhalt

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5.3. Bienenkönig oder Bienenkönigin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 5.4. Bienenkönig und Wespenmutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 5.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 6. Die Gesellschaft der sozialen Insekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 6.1 Massen und Insektenschwärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 6.2 Militärische Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 6.3 Die Gesellschaft der Bienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 6.3.1 Aufbau und Ordnung des Bienenstaates . . . . . . . . . . 265 6.3.2 Die Rolle der Weisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 6.3.3 Drohnen in der Gesellschaft der Bienen . . . . . . . . . . 295 6.4 Die Gesellschaft der Wespen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 6.5 Die Gesellschaft der Ameisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 6.5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 6.5.2 Verwandlungssagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 6.5.3 Der Aufbau des Ameisennestes . . . . . . . . . . . . . . . 318 6.5.4 Die Bestattung der Toten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 6.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 7. Mantische Eigenschaften der sozialen Insekten . . . . . . . . . . . . . 330 7.1 Mögliche Ursachen für die Zuschreibung mantischer Fähigkeiten 331 7.2 Wetterzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 7.3 Schwarmvorzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 7.4 Dichterweihungen und ähnliche Phänomene . . . . . . . . . . . 351 7.5 Träume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 7.6 Kult und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 7.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 8. Soziale Insekten als Bildspender für Literaturproduktion und -rezeption 363 8.1 Der Autor als Biene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 8.2 Der Rezipient als Biene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 8.3 Autor und Rezipient in christlichen Gleichnissen und Bildern . 378 8.4 Die Analogie von Literatur- und Honigproduktion . . . . . . . . 381 8.5 Wespen und Dichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 8.6 Ameisen und Dichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 8.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

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Inhalt

9. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Antike Autoren und Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Hilfsmittel und Sammelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Editionen, Übersetzungen und Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . 408 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Index locorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

1. Einleitung

Seit jeher übten und üben Bienen, Wespen und Ameisen als soziale Insekten eine Faszination auf den Menschen aus, die sich in einer reichen Auseinandersetzung mit diesen Tieren in Kunst und Literatur bis hin zur modernen Popkultur zeigt. Diese Faszination gilt vor allem ihrer komplexen und arbeitsteiligen Gesellschaftsstruktur, die bereits in der Antike mit den Staaten der Menschen verglichen wurde und deren (evolutionäre) Entwicklung und Ausprägung nach wie vor wichtige Forschungsfragen der modernen Zoologie und Ethologie darstellen. Viele antike Vorstellungen, wie etwa der sprichwörtliche Fleiß der Bienen und Ameisen, finden sich im modernen Denken wieder. Anderes hat sich vor allem durch die Erkenntnisse der modernen Biologie verändert. So bezeichnete man die Bienenköniginnen in der Antike meist als Bienenkönige, da ihr Geschlecht sowie die Fortpflanzung der Bienen überhaupt die Menschen lange Zeit vor ein Rätsel stellten. Gleich geblieben ist allerdings die implizite Analogie zwischen den Gesellschaften der Bienen und der Menschen, wie sie in den Bezeichnungen »Bienenkönigin« oder »Arbeiterin« zu erkennen ist. Es lohnt sich, antike Konzepte von sozialen Insekten einmal näher zu untersuchen, da diese nicht nur eine wichtige Grundlage unserer modernen Vorstellungen von diesen Tieren bilden, sondern uns oftmals auch mehr über die Sicht auf die menschliche Gesellschaft verraten, als es auf den ersten Blick erscheint. Die folgende Einleitung will die Grundlagen der eigentlichen Untersuchung darlegen und über das Vorgehen Rechenschaft ablegen. Dazu sollen zunächst die methodischen Erwägungen vorgestellt und der Forschungsstand referiert werden. Anschließend werden die Fragestellung und der Aufbau der Untersuchung dargelegt. Um naturkundliche Debatten in der Antike besser nachvollziehen zu können, findet sich außerdem noch eine kurze Einführung in die Biologie der eusozialen Hymenopteren am Ende der Einleitung.

1.1 Theorie und Methode 1.1.1 Konzepte Die vorliegende Untersuchung möchte antike Konzepte von sozialen Insekten herausarbeiten. Dabei ist bereits der Begriff »Konzept« erklärungswürdig, wird er doch in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und sogar in der Alltagssprache in unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht. So nennt beispiels-

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Einleitung

weise der Duden in seiner online-Version unter dem Lemma »Konzept« drei verschiedene Bedeutungen:1 1) skizzenhafter, stichwortartiger Entwurf, Rohfassung eines Textes, einer Rede o. Ä. 2) klar umrissener Plan, Programm für ein Vorhaben 3) Idee, Ideal; aus der Wahrnehmung abstrahierte Vorstellung Von diesen drei möglichen Bedeutungen sind sicherlich die beiden ersten geläufiger.2 Die dritte aber, die in etwa auch der des englischen Wortes »concept« entspricht, kommt dem in dieser Arbeit verwendeten Konzeptbegriff am nächsten. Dieser stammt ursprünglich aus der Kognitionswissenschaft bzw. der Kognitiven Linguistik,3 lässt sich aber mit wenigen Modifikationen für die Untersuchung antiker Texte fruchtbar machen. Man geht allgemein davon aus, dass Wissen über die Welt im menschlichen Gehirn in Form von Konzepten gespeichert ist.4 Sie sind die elementaren »Bausteine des menschlichen Wissens«5 und ermöglichen es, »sowohl konkrete Dinge als auch abstrakte Ideen einordnen zu können«6. Konzepte dienen also der Kategorisierung und Strukturierung von Wissen. Eine solche Kategorisierung und Strukturierung ist notwendig, um die zahlreichen unterschiedlichen Reize, die aus seiner Umwelt permanent auf den Menschen einströmen, verarbeiten und mit bereits Bekanntem in Verbindung bringen zu können.7 Murphy verdeutlicht die Notwendigkeit einer solchen Zuordnung anhand einer Tomate:8 Da jede einzelne Tomate als Naturprodukt immer ein wenig anders aussieht, müsste ein Mensch, der nicht über das Konzept »Tomate« verfügt, bei jedem einzelnen Objekt überprüfen, worum es sich handelt und ob es essbar ist. Weil jedoch ein Konzept »Tomate« im Langzeitgedächtnis des Menschen angelegt ist, welches gewisse Informationen und Eigenschaften (z. B. essbar) umfasst, aufgrund derer das einzelne Objekt zugeordnet werden kann, wird eine Tomate als solche gleich erkannt und mit ihren Eigenschaften in Verbindung gebracht, auch ohne, dass diese jedes Mal überprüft werden müssen. 1 http://www.duden.de/rechtschreibung/Konzept (letzter Zugriff am 28.03.2018). 2 In den gedruckten Versionen des Duden sind diese auch als einzige aufgeführt. 3 Konzepte sind ein wichtiger Forschungsgegenstand dieser Disziplinen, sodass zahlreiche einführende Werke und Handbücher die Thematik behandeln. Hilfreiche deutschsprachige Darstellungen bieten etwa Schwarz (2008) 108–115 sowie Rothmayr (2016) 126–145. Ebenfalls lesenswert ist die umfangreichere Monographie von Murphy (2002), auf den sich auch Rothmayr (2016) 126 bezieht. Für unsere Fragestellung besonders interessant ist das Kapitel 11 (»Word Meaning«) in Murphy (2002) 385–441. 4 Vgl. Rothmayr (2016) 126 und Schwarz (2008) 108. 5 Rothmayr (2016) 126. 6 Ebd. 7 Vgl. Schwarz (2008) 109; Rothmayr (2016) 126. 8 Vgl. Murphy (2002) 1.

Theorie und Methode

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Wie die Konzepte jedoch genau strukturiert sind, ist in der Forschung nach wie vor umstritten.9 Für die vorliegende Arbeit hat sich jedoch eine aus der Prototypentheorie abgeleitete Methodik als fruchtbar erwiesen, die im Folgenden noch gesondert erläutert werden soll (s. 1.1.5). Wichtig ist hier jedoch festzuhalten, dass psychologische und ethnosemantische Untersuchungen gezeigt haben,10 dass die Struktur der Konzepte in der Regel nicht klar umrissen ist und nicht alle Angehörige einer Kategorie alle Eigenschaften in gleichem Maße teilen müssen. Zudem sind die Übergänge zu anderen Konzepten oftmals fließend.11 Bisher wurden Konzepte als mentale Repräsentationen, die bei jedem Menschen theoretisch völlig unterschiedlich sein könnten, beschrieben. Wie gelingt es nun aber diese Konzepte sprachlich auszutauschen? Dies erklärt Murphy mit der Tatsache, dass Menschen in sozialen Kontexten leben und kommunizieren.12 Wenn man also ursprünglich eine unpassende Bezeichnung für ein bestimmtes Konzept gewählt hätte, so wäre man vermutlich bereits im Kindesalter berichtigt worden. Durch die Sozialisation werden also bestimmte Konzepte mit den weithin verbreiteten Begriffen verbunden, was dazu führt, dass Menschen in einer Gesellschaft sehr ähnliche Konzepte besitzen. Eine besondere Schwierigkeit in der Untersuchung antiker Konzepte besteht freilich darin, dass es sich um eine uns fremde Gesellschaft handelt und Altgriechisch und Latein niemandes Muttersprache mehr sind (zu dieser Problematik s. 1.1.4). Zudem gilt es bei der Untersuchung antiker Texte stets zu beachten, dass die darin enthaltenen Konzepte stark literarisch überformt und durch den jeweiligen Diskurs geprägt sein können (s. dazu auch u. 17).13 Trotz der genannten Kautelen hat sich diese aus der Kognitionswissenschaft bzw. der Kognitiven Linguistik übernommene Theorie der Konzepte als hilfreich für das Verständnis der in den antiken Texten beobachteten Phänomene erwiesen. Einerseits weisen antike Darstellungen von Bienen, Wespen und Ameisen nicht in jedem Falle dieselben Eigenschaften auf. Vielmehr scheinen je nach Kontext oder literarischer Form bestimmte Eigenschaften stärker hervorgehoben, andere hingegen ausgeblendet zu werden. Zugleich werden immer wieder Verbindungen zu anderen Vorstellungen bzw. Konzepten hergestellt; einzelne Bausteine können wandern. Diese und andere Phänomene lassen sich leicht mithilfe der kurz dargestellten Konzepttheorie erklären, weshalb ihre Terminologie auch hier verwendet wird, wenngleich man in vielen Fällen freilich auch von »Vorstellung« oder »Idee« sprechen könnte. 9 Eine knappe Übersicht über die wichtigsten Theorien mit weiterführender Literatur bietet Rothmayr (2016) 128 f. 10 Vgl. Schwarz (2008) 110. 11 Vgl. Schwarz (2008) 110 f. 12 Vgl. Murphy (2002) 391 f. 13 Dass die Bedeutung eines Wortes abhängig vom jeweiligen Kontext ist, in dem es gebraucht wird, gilt freilich auch allgemein. Vgl. Murphy (2002) 415–422.

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Einleitung

Um solche Konzepte aus antiken Texten herausarbeiten sowie gewonnene Erkenntnisse anschließend bewerten und einordnen zu können, bedarf es einiger methodischer Vorüberlegungen, die im Folgenden erläutert werden.

1.1.2 Cultural and literary animal studies Die Arbeit lehnt sich an die von Roland Borgards14 formulierte Methodik der Cultural and literary animal studies (CLAS) an, die auf antike Texte gut anwendbar ist. Borgards schlägt dazu drei analytische bzw. interpretatorische Techniken zur Untersuchung von sogenannten »Tiertexten« vor: Zuerst gilt es einen Tiertext zu kontextualisieren. Diesen Schritt stellt Borgards unter das Motto: »Ein Tiertext kommt nie allein.«15 Literatur im engeren Sinne wird dabei nicht als geschlossenes System aufgefasst, sodass etwa zoologische Sachverhalte und Kenntnisse Einfluss auf die Literatur haben können.16 Es ist für die richtige Interpretation eines Textes wichtig, ihn mit anderen ähnlichen Texten sowie mit dem zoologischen Wissen seiner Zeit in Beziehung zu setzen. Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass sowohl eher fachkundliche als auch eher poetische Texte in die Untersuchung einbezogen werden. Die Grenzen zwischen den entsprechenden Textsorten sind in der vormodernen Zeit ohnehin fließend, sodass es zu gegenseitigen Beeinflussungen und Bereicherungen kommt (man denke nur an antike Lehrgedichte). Der zweite wichtige und mit dem ersten eng verbundene methodische Schritt ist das Historisieren, welchen Borgards mit dem Grundsatz: »Ein Tiertext steht nie außerhalb seiner Zeit«17 bezeichnet. Für die Interpretation einer antiken Tierbeschreibung ist es kurz gesagt nicht so wichtig, wie das Tier aus moderner Perspektive gesehen wird, sondern welche Vorstellungen von diesem Tier man in der Gegenwart oder auch der Vergangenheit der Entstehungszeit des jeweiligen Textes hatte.18 Vor allem dieser Punkt ist zentral für die Untersuchung antiker Konzepte und soll daher noch einmal etwas genauer besprochen werden (s.  1.1.4), zumal er in der bisherigen Forschungsliteratur zu naturkundlichen Texten oftmals nicht ausreichend beachtet wurde. Mit dem Grundsatz »Ein Tiertext versteht sich nie von selbst«19 bzw. »Es gibt kein zoologisches Wissen, das ganz frei von literarischen Formen, ästhetischen Repräsentationsverfahren und artifizieller Rhetorik wäre«20 beschreibt 14 Vgl. Borgards (2012) sowie ders. (2013). 15 Borgards (2012) 98. Vgl. auch ders. (2013) 163: »Ein Tiertext steht nie allein.« 16 Vgl. Borgards (2013) 163. 17 Borgards (2012) 100 sowie ders. (2013) 163. 18 Vgl. Borgards (2012) 99 sowie ders. (2013) 163. 19 Borgards (2012) 102. 20 Ders. (2013) 166.

Theorie und Methode

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Borgards die dritte Technik, das Poetisieren. Dies bedeutet, dass man auch Fachtexte »wie ein Gedicht oder zumindest doch ein Stück Literatur«21 auffasst und entsprechend untersucht. Dieser Punkt ist für die Klassische Philologie nicht neu, sind doch auch solche Texte seit jeher Forschungsgegenstände unseres Faches, da eine scharfe Trennung in wissensvermittelnde und eher ästhetische bzw. unterhaltende Literatur ohnehin nicht sinnvoll ist.22 Die Wahrnehmung und die Untersuchung des literarischen Gehalts von Fachtexten rückt gerade in der jüngeren Forschung23 wieder mehr in den Vordergrund.

1.1.3 Gleichnis, Metapher und Analogie Soziale Insekten werden an vielen Stellen der griechischen und lateinischen Literatur im Rahmen von Metaphern und Gleichnissen erwähnt. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit solche Passagen zusammen mit anderen Texten, in denen es prima facie um die Tiere selbst geht, untersucht werden können. Diese Problematik spricht Borgards24 ebenfalls an und unterscheidet zunächst zwischen »semiotischen« und »diegetischen Tieren«25. Erstere sind solche, die »ausschließlich als Zeichen verwendet werden«, letztere solche, die »auch als Lebewesen, als fassbare Elemente der erzählten Welt auftauchen.« Diese strenge Unterscheidung muss jedoch seiner Ansicht nach etwas revidiert werden, da auch in der »semiotischen« Verwendung eines Tieres noch etwas von dessen Eigenständigkeit bewahrt ist und das »diegetische Tier« einer Erzählung nicht völlig frei von Symbolik und literarischer Überformung sein kann.26 Für die Texte der klassischen Antike trifft diese Einschätzung wohl ebenfalls zu. Zum einen ist etwa die Dichtung spätestens seit dem Hellenismus oftmals um fachliche Richtigkeit bemüht, um dem Ideal des poeta doctus zu genügen. Insofern ist zu erwarten, dass die Dichtung in ihren Gleichnissen fachkundliche Debatten aufnimmt und widerspiegelt, teils aber auch modifiziert. Zum anderen sind viele »diegetische Tiertexte« – und dies gilt insbesondere auch für die naturkundlichen – von Vorstellungen aus der menschlichen Sphäre geprägt. Nicht selten werden gar ausdrücklich Analogien zwischen der menschlichen Gesellschaft und der 21 Ders. (2012) 100. 22 Ders. (2013) 165. 23 Beispielhaft sei etwa auf folgende Sammelbände verwiesen: Horster; Reitz (2003); ­Fögen (2005); Taub; Doody (2009); Asper (2013). 24 Vgl. Borgards (2012) 89. 25 Die Bezeichnungen sind vielleicht etwas unglücklich gewählt, denn strenggenommen (und so definiert Borgards seine Bezeichnungen ja auch) sind nicht die Tiere an sich »semiotisch« oder »diegetisch«, sondern sie werden in einem semiotischen oder diegetischen Sinn verwendet. 26 Vgl. ebd. 105.

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Einleitung

Tierwelt gezogen und Tiere oftmals als gutes oder schlechtes Beispiel für den Menschen genannt.27 Wie weit diese Analogien jeweils tatsächlich reichen, lässt sich wohl nicht pauschal beantworten, sondern muss, soweit es möglich ist, im Einzelfall untersucht werden. So bedingen sich etwa bei Seneca naturkundliche Theorie und seine politisch-ethische Zielsetzung (dazu s. u. 78) bzw. seine Literaturtheorie (dazu s. u.  383) gegenseitig in hohem Maße, sodass er eine weitgehende Analogie zwischen der Gesellschaft der Bienen und der der Menschen zieht. Ganz anders dagegen bekräftigt Sokrates in der platonischen Politeia, dass seine Drohnenvergleiche keine exakte Entsprechung in der Tierwelt haben (dazu s. u. 300). Dass die Reichweite von Analogien aus der Tierwelt als Handlungsmaximen für den Menschen spätestens mit dem Aufkommen der Sophistik im 5. Jhd. v. Chr. diskutiert wurde, zeigt vielleicht am schönsten eine Passage aus den Wolken des Aristophanes, in der der nun zum Sophisten ausgebildete und rhetorisch versierte Pheidippides seinen Vater Strepsiades davon zu überzeugen sucht, dass es rechtmäßig sei, wenn ein Sohn seinen Vater schlage, weil man dies bei Hähnen auch so beobachten könne.28 Dem hält sein Vater jedoch Folgendes entgegen (Nub. 1430 f.): τί δῆτ’, ἐπειδὴ τοὺς ἀλεκτρυόνας ἅπαντα μιμεῖ, οὐκ ἐσθίεις καὶ τὴν κόπρον κἀπὶ ξύλου καθεύδεις; Da du ja die Hähne in allem imitierst, warum isst du dann nicht auch Mist und schläfst auf einer Holzstange?

Es zeigt sich also, dass die zunächst von Pheidippides herangezogene weitgehende Analogie der menschlichen und der tierischen Sphäre29 durch Stre­ psiades ad ­absurdum geführt wird, indem er auf ihre beschränkte Reichweite hinweist, und somit die Stichhaltigkeit des Arguments, das auf dieser weitreichenden Analogie beruht, in Frage stellt. In den meisten Fällen lassen sich sichere Aussagen freilich nicht treffen. Für die Ermittlung antiker Konzepte erscheint es daher sinnvoll, eher »semiotische Tiere« ebenfalls in die Betrachtung miteinzubeziehen. Nicht nur, weil eine strikte Trennung zwischen »semiotischen« und »diegetischen Tieren« kaum

27 Peil (1983) 238 geht davon aus, dass »die Verwendung soziomorpher Metaphorik primär die Einsicht in naturwissenschaftliche Fakten erleichtern und weniger der Setzung sozialer Normen dienen soll.« Das mag für einige Texte stimmen, jedoch nennt er selbst im Folgenden einige Gegenbeispiele. 28 Dieses Motiv taucht auch in Ar. Av. 757–759 auf. 29 […] καίτοι τί διαφέρουσιν / ἡμῶν ἐκεῖνοι, πλήν γ’ ὅτι ψηφίσματ’ οὐ γράφουσιν; – […] »denn worin unterscheiden sich jene überhaupt von uns, außer dass sie keine Anträge verfassen?« (Nub. 1428 f.).

Theorie und Methode

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möglich ist, sondern auch, weil gerade in Gleichnissen oder Metaphern oftmals Verhaltensweisen oder Eigenschaften gezeigt werden, die typischerweise mit diesen Tieren verknüpft wurden (dazu s. auch 1.1.5). Darüber hinaus wird in solchen Passagen häufig das Verhältnis zwischen Menschen und sozialen Insekten thematisiert.

1.1.4 Kulturnahe Perspektive Um antike Konzepte angemessen untersuchen zu können, ist eine Reflexion der eigenen Herangehensweise an und der Perspektive auf die antiken Quellen geboten. Die moderne Ethnologie unterscheidet hier zwischen einer sogenannten »emischen« und einer »etischen« Perspektive. Diese beiden Begriffe wurden von Kenneth L. Pike geprägt, der sie nach eigener Aussage30 aus den jeweiligen Endungen von »Phonem« und »Phonetik« abgeleitet hat. Auch wenn Pike seine Einteilung in erster Linie auf Sprachen bezog, wird das Begriffspaar heute oft verwendet, um einen Standpunkt bei der Untersuchung von Kulturen zu bestimmen.31 Eine »emische« Perspektive meint in diesem Falle die kulturnahe Sicht eines »insiders«, die daher subjektiv ist; eine »etische« Perspektive die kulturferne Sicht eines auswärtigen Betrachters, die aber um Objektivität und transkulturell vergleichbare Kategorien bemüht ist. Es ist wohl offensichtlich, dass gängige Vorgehensweisen in der Ethnologie, wie z. B. Interviews oder die teilnehmende Beobachtung, in der Klassischen Philologie nicht möglich sind. Stattdessen operiert man in erster Linie mit dem heute erhaltenen Textkorpus. Dieses ist aber nicht nur fragmentarisch und bis zu einem gewissen Grade auch zufällig erhalten, sondern kann bereits in seiner Entstehung nicht als repräsentativ für die gesamte antike Kultur – falls es so etwas überhaupt gibt – gelten: Die Texte wurden größtenteils von Männern geschrieben, die zur geistigen und auch finanziellen Oberschicht ihrer jeweiligen Gesellschaft gehörten, sodass die daraus gewonnenen Erkenntnisse nicht zwangsläufig für ärmere und weniger gebildete Bevölkerungsschichten, Kinder oder Frauen gelten müssen. Zudem bildet ein künstlerisch geformter literarischer Text nicht direkt die Vorstellungen eines Autors und seiner Zeit ab. Vielmehr folgt die literarische Sprache anderen Regeln und Modellen (z. B. höherer Stil, intertextuelle Anspielungen, Metrik, »Gattungs«-Konventionen) als die gesprochene Sprache und ist somit vielen anderen Einflüssen und Überformungen ausgesetzt. Trotz dieser Einschränkungen ist das Prinzip, die eigene Sicht auf die Quellen zu reflektieren, für die vorliegende Arbeit hilfreich und wichtig. Es erscheint

30 Vgl. Pike (1954) 8. 31 Für eine Übersicht über die Begriffsgeschichte vgl. z. B. Harris (1976).

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jedoch ratsamer, gerade auf den Begriff »emisch« zu verzichten, da diese Sichtweise in ihrer Absolutheit wohl kaum eingenommen werden kann, und vielleicht besser von einer »kulturnahen« Perspektive zu sprechen. Für die hier vorgenommene Untersuchung von Konzepten ist es notwendig, sich so weit wie möglich der antiken Vorstellungswelt anzunähern (s. auch o. 14 zum Punkt »Historisieren« in Borgards’ Methodik). Die alleinige Verwendung einer anachronistischen und positivistischen Perspektive, die mit modernen Kategorien z. B. aus der Biologie an antike Quellen herangeht, kann zwar für einige Fragestellungen durchaus legitim sein, verstellt jedoch die Sicht auf antike Vorstellungen. Eine solche objektivierende Perspektive beseitigt die Andersartigkeit antiker und moderner Konzepte und verdeckt zudem den Wandel der Konzepte im Laufe der Zeit oder in unterschiedlichen Texten. Es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass man unreflektiert moderne Ansichten auf antike Quellen überträgt, was dem Ziel der vorliegenden Arbeit diametral entgegenstünde. Vielmehr gilt es, Unterschiede zwischen modernen Ansichten – die man sich daher durchaus bewusst machen muss – und antiken Konzepten zu erkennen, es jedoch nicht nur bei der Anerkennung der Unterschiedlichkeit zu belassen oder gar antike Konzepte als »richtig« oder »falsch« gemäß der modernen Biologie zu bewerten, sondern in einem zweiten Schritt mithilfe einer kulturnahen Perspektive nachzuvollziehen, worin diese Unterschiedlichkeit genau besteht und warum sie entstanden sein könnte. Diese Arbeit kommt also keineswegs ohne die Kenntnis der modernen biologischen Fakten und Vorstellungen aus, vielmehr lässt es sich kaum vermeiden, dass man zunächst von diesen ausgeht, um etwa die in den antiken Texten vorgefundenen Phänomene einordnen zu können. Wichtig ist jedoch, dass man verdeutlicht, an welchen Stellen man von einer eher modernen Perspektive ausgeht oder moderne Begriffe verwendet. In der Regel wird dies in der vorliegenden Arbeit beispielsweise durch Anführungszeichen oder durch den ausdrücklichen Hinweis, dass dies einer modernen Sicht entspricht, gekennzeichnet. Zu praktischen Konsequenzen der Verwendung einer kulturnahen Perspektive z. B. für die Übersetzung antiker Bezeichnungen für Tiere siehe u. 37.

1.1.5 Prototypentheorie Für die Bewertung und Einordnung von Konzepten kann eine aus der Prototypentheorie entwickelte Methodik hilfreich sein. Die Prototypentheorie32 stammt ursprünglich aus der Kognitionspsychologie und wurde von Eleanor Rosch ent-

32 Eine Einführung bietet z. B. Lakoff (1990) 39–57. Anhand dieser Einführung wurde die folgende Zusammenfassung der Prototypentheorie erstellt.

Theorie und Methode

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wickelt, um kognitive Kategorisierungsvorgänge zu erklären.33 Die klassische Theorie ging davon aus, dass eine Kategorie durch verschiedene Eigenschaften definiert ist, die alle ihre Elemente in gleichem Maße teilen und es somit keine graduellen Unterschiede zwischen einzelnen Elementen geben kann. Alle Elemente einer Kategorie haben den gleichen Status. Linguistische und kognitionspsychologische Untersuchungen von Rosch und ihren Vorgängern34 haben jedoch gezeigt, dass dies in der Regel nicht zutrifft. Oftmals gibt es einen Vertreter, der gewissermaßen als »bestes Beispiel« einer Kategorie gilt. Dieser wird als Prototyp bezeichnet.35 Andere Elemente der Kategorie sind graduell weniger gute Beispiele, sodass es zu Asymmetrien im Grad der Prototypikalität kommt, den sogenannten prototype effects.36 Die Grenzen einer Kategorie sind dabei nicht immer klar umrissen, was man als fuzziness bezeichnet.37 Ein in der Literatur häufig zu findendes Beispiel ist das von der Kategorie »Vogel«. Für einen Mitteleuropäer wäre hierfür vielleicht ein Sperling das beste Beispiel. Ähnlich gute Beispiele wären Amsel, Blaumeise oder Krähe. Als weniger typische Vertreter der Kategorie »Vogel« dürften für einen Mitteleuropäer wohl der Strauß, der Kiwi oder der Kaiserpinguin gelten. Die bereits bei der Besprechung der kulturnahen Perspektive vorgebrachten Kautelen bezüglich der Übertragung von Methoden aus den modernen Sozialwissenschaften auf antike Texte (s. o. 17) gelten freilich auch hier, sodass gewisse Modifikationen vorgenommen werden müssen, um eine aus der Proto­ typentheorie abgeleitete Methodik für die vorliegende Untersuchung nutzbar zu machen. Notwendigerweise werden sich Aussagen, die eine bestimmte Eigenschaft oder ein Verhalten als prototypisch bezeichnen, in dieser Arbeit nur auf das Bild beziehen, das sich aus den uns erhaltenen Texten ergibt, sodass das Prinzip der Prototypentheorie hier keine direkte kognitionswissenschaftliche Grundlage mehr haben kann. In den Texten, die Gegenstand dieser Untersuchung sind, können ganz unterschiedliche Eigenschaften und Verhaltensweisen von sozialen Insekten genannt werden, die teilweise auf unterschiedliche »Arten« (zum Artbegriff s. 2.1) hinzudeuten scheinen. So gibt es etwa antike Berichte von Ameisen, die sich von Körnern ernähren, und von solchen, die sich von Fleisch ernähren (dazu s. u. 97). Die prototypische Ameise scheint jedoch  – nach den erhaltenen Texten  – die herbivore zu sein. Dies ergibt sich sowohl aus einem quantitativen als auch aus einem qualitativen Kriterium. Zum einen wird die herbivore Ameise sehr viel häufiger und auch zu allen Zeiten erwähnt. Zum anderen wird etwa die 33 Rosch revidierte freilich ihre ursprünglichen Thesen später etwas; vgl. ebd. 42 f. 34 Vgl. z. B. ebd. 12–39. 35 Vgl. ebd. 41. 36 Vgl. ebd. 37 Vgl. ebd. 45.

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lateinische Bezeichnung formica aus der Tatsache hergeleitet, dass die Ameise K ­ örnchen (micae) trage (ferre).38 Auch ist von einem graniferum os (»körnertragendem Mund«) der Ameise in einem Gleichnis der Ars amatoria (1,93 f.) Ovids die Rede. Solche Aussagen können als qualitatives Kriterium zur Ermittlung herangezogen werden, ob eine herbivore oder eine karnivore Ameise als prototypisch erscheint. Kurz gesagt, lässt die Erwähnung oder auch nur die Anspielung auf ein bestimmtes Verhalten bzw. auf eine bestimmte Eigenschaft in einem Text, der nicht primär der Vermittlung von Wissen über soziale Insekten gewidmet ist, darauf schließen, dass dieses Verhalten bzw. diese Eigenschaft eher als prototypisch wahrgenommen wurde als eine Variante, die in erster Linie in der Fachliteratur belegt ist. Bei aller Vorsicht, die bei der Anwendung der Prototypentheorie auf antike Texte geboten ist, kann diese Methode doch zur Ermittlung antiker Konzepte von sozialen Insekten, wie sie uns in den erhaltenen Texten überliefert sind, nützlich sein. Sie ermöglicht es, Varianten in Verhalten und Aussehen der Tiere, die sich in verschiedenen Texten finden, aufzunehmen und dennoch eine prototypische und damit wohl prägendere Variante zu ermitteln.

1.2 Forschungsstand Im Vergleich zu anderen Gebieten findet die antike Naturwissenschaft immer noch recht wenig Beachtung in der altphilologischen Forschung. Gerade in jüngerer Zeit sind jedoch einige Sammelbände und Handbücher entstanden, die eine Einführung in und einen Überblick über zentrale Quellen und den Forschungsstand bieten.39 Zwar finden sich inzwischen ebenfalls einige Arbeiten zu Themen der antiken Zoologie,40 aber trotz der großen Bedeutung, die sozialen Insekten, allen voran den Bienen, in der klassischen Literatur zuteilwird, fehlt bisher eine Monographie, die diese Tiere gemeinsam und umfassend betrachtet. Einen ersten Überblick über relevante Stellen in der antiken Literatur können die entsprechenden Lexikonartikel in der RE41 oder dem RAC 42 liefern. 38 So Servius Ad Aen. 4,402; Isid. Etym. 12,4,9. 39 Neben den o. 15 Anm. 23 genannten Arbeiten zum literarischen Gehalt antiker Fachtexte z. B. auch Imhausen; Pommerening (2010) und dies. (2016), Irby (2016) sowie die entsprechenden Kapitel in Zimmermann (2011a) 289–320 und Zimmermann; Rengakos (2014) 453–616. Zu nennen ist außerdem der »Arbeitskreis Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption« (AKAN), der neben seinem jährlichen Tagungsband auch einzelne Forschungsarbeiten herausgibt. 40 Neben den im Folgenden genannten z. B. Campbell (2014) sowie die nicht zuletzt in Hinsicht auf ihre Methodik wertvolle Arbeit von Franco (2014). 41 Marx (1894); Olck (1897); Richter (1978). 42 Rech (1950); Koep (1954).

Forschungsstand

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Insbesondere die Artikel der RE sind jedoch teilweise schon weit über hundert Jahre alt und entsprechen daher naturgemäß nicht mehr dem neuesten Stand der Forschung. Dasselbe gilt für die ebenfalls schon ältere Monographie von Keller43 zur Tierwelt der Antike, die verschiedene Tierarten in Überblicksartikeln beschreibt. Die Monographien von Beavis44 sowie von Davies und Kathirithamby45 sind nützlicher und zumindest etwas moderner. In lexikonartigen Artikeln liefern sie die wesentlichen Informationen und Belegstellen zu verschiedenen Insekten. Aufgrund des Charakters beider Werke kann man jedoch keine erschöpfende Behandlung und umfassende Diskussion der verschiedenen Tiere erwarten. Zudem lässt Beavis die Biene aus, weil ihre Besprechung einen unverhältnismäßig großen Raum im Vergleich zu den übrigen Tieren einnehmen müsste.46 Davies und Kathirithamby beschränken sich, wie bereits im Titel ihres Buches (»Greek insects«) zu erkennen ist, in erster Linie auf den griechischen Kulturraum. Hilfreich bei der Bestimmung griechischer Namen von Insekten ist die bereits etwas ältere Monographie von Gil Fernández47. Natürlich finden sich aber viele wertvolle Anregungen auch in eher breiter angelegten Arbeiten zum Charakter von antiker Fachliteratur48 oder in Kommentaren49 zu zentralen Quellen, die sich unter anderem, jedoch nicht erschöpfend, mit sozialen Insekten beschäftigen. Umfassendere Behandlungen in monographischer Form gibt es in erster Linie zu den Bienen. Die schon weit über hundert Jahre alte lateinische Monographie von Robert-Tornow50 bietet dabei kaum eigene Interpretationen, dafür aber eine recht umfangreiche Zusammenstellung griechischer und lateinischer Texte. Ransomes51 Werk ist breit aufgestellt und widmet sich vor allem, aber nicht ausschließlich, der kultischen und mythischen Bedeutung der Biene in verschiedenen alten Kulturen der ganzen Welt. Den antiken Kulturen Griechenlands und 43 Keller (1980 = Nachdruck der Ausgabe von 1909). Dazu auch Imhoof-Blumer; Keller (1972 = Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1889). 44 Beavis (1988). 45 Davies; Kathirithamby (1986). 46 Vgl. Beavis (1988) xv. 47 Gil Fernández (1959). 48 Z. B. die Beiträge in den Sammelbänden: Kullmann; Althoff; Asper (1998), hier vor allem der Beitrag von Kullmann auf den Seiten 121–139; Fögen (2005), hier vor allem der Beitrag von Diederich auf den Seiten 271–288 sowie die Monographie von Diederich (2007). 49 Z. B. Flach (1996–2002); Thomas (1988); Erren (2003); Dumont (2002); Capponi (1994) Zudem die von Klek und Armbruster im »Archiv für Bienenkunde« (AfB) herausgegebenen Bände zu den einzelnen Autoren (aus den Jahren 1919–1926). Zusätzlich ist in derselben Reihe auch ein Beitrag von Armbruster zum Thema »Die Biene auf griechischen Münzen« erschienen (AfB 29 [1952] 49–73). 50 Robert-Tornow (1893). 51 Ransome (1937).

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Roms werden dabei knapp 70 Seiten eingeräumt. Wenngleich keine erschöpfende Diskussion aller Textstellen geboten werden kann und das Werk schon etwas älter ist, finden sich dort doch einige interessante Gedanken z. B. zur sogenannten Bugonie (dazu s. Kapitel 4), der ein eigenes Kapitel (Seiten 112–118) gewidmet ist. Einen ebenfalls sehr breiten Ansatz verfolgt Cranes52 umfangreiches Werk, das der Geschichte der Bienenzucht und des Zeidelns (des Sammelns von Honig wildlebender Bienen) auf der ganzen Welt gewidmet ist. Crane bietet hier vor allem Informationen zur praktischen Bienenzucht und bezieht dabei stets archäologisches Material mit ein. Anhand dieses Werkes lassen sich gut Vergleiche zwischen den Kulturen der griechisch-römischen Antike und vielen anderen herstellen. Die einzelnen Passagen zur klassischen Antike sind jedoch eher kurz und überblicksartig gehalten, sodass die Monographie für die vorliegende Arbeit weniger ergiebig ist, zumal der praktische Aspekt der Imkerei hier nicht im Vordergrund stehen soll (s. 1.3). Eine kurze Monographie von Roscalla53 widmet sich vor allem bestimmten Aspekten der Bienen als Symbol und im Mythos in der griechischen Antike sowie verschiedenen Benennungen des Bienenstockes. Für diese Arbeit ist in erster Linie das Kapitel »Ronzio e musica« (60–75) relevant. Die spätantiken christlichen Texte zu Bienen wurden vor allem von Misch54 und Wimmer55 untersucht, wenngleich Misch nicht systematisch die christliche spätantike Literatur bespricht, sondern eher schlaglichtartig auf etwa 40 Seiten die »Antiken Grundlagen« (10–22), »Die Biene in alter griechischer und orientalischer Theologie« (23–33) sowie etwas ausführlicher »Die Bienen bei Ambrosius« (34–51) behandelt. Wimmer dagegen konzentriert sich in ihrer 97-seitigen Dissertation auf lateinische Autoren und versucht dabei »Übernahme und Wandlung der antiken Bildersprache zu Bienen und Honig in der christlichen Literatur nachzuweisen.«56 Dabei bespricht sie nicht einzelne Autoren, sondern gliedert ihre Arbeit nach bestimmten Themen wie »Idealer Staat«, »Fleiß, Weisheit und Beredsamkeit« oder »Jungfräulichkeit und Reinheit«. Der aus einem Projekt von Magistrierenden und Promovierenden des Lehrstuhls für Alte Geschichte an der RWTH Aachen hervorgegangene Sammelband »Ille operum custos«57 ist wohl die jüngste umfassendere Publikation zu Bienen in der Antike. Von den insgesamt vierzehn Beiträgen befassen sich acht mit dem Altertum. Ein wirklich enger Zusammenhang der einzelnen Beiträge oder 52 Crane (1999). 53 Roscalla (1998). 54 Misch (1974). 55 Wimmer (1998). 56 Ebd. 5. 57 Engels; Nicolaye (2008).

Forschungsstand

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ein gemeinsamer roter Faden lässt sich dabei nicht feststellen. Die Beiträge sind unterschiedlich in ihrer Vorgehensweise und widmen sich breiteren oder enger umrissenen Themen. So untersucht etwa Bounas58 die griechische Dichtung bis zum Hellenismus und Olbertz59 die klassische römische Literatur, während sich Frantz und Engels60 einem viel spezielleren Thema, nämlich Bienenvorzeichen in der römischen Republik, widmen. Dennoch bieten die einzelnen Beiträge einen guten Einstieg in ihre jeweilige Thematik, wenngleich man angesichts der Kürze (ca. 20 Seiten pro Beitrag) notwendigerweise keine ausführliche Diskussion erwarten kann. Aufgrund des bereits beschriebenen fehlenden gemeinsamen Rahmens, der die Beiträge zusammenhält, ergibt sich naturgemäß kein kohärentes Bild der antiken Bienensymbolik, zumal auch wesentliche Bereiche – etwa die griechische Prosa oder pagane spätantike Literatur – nicht oder nur am Rande abgedeckt werden. Ein in diesem Sammelband veröffentlichter Beitrag der Co-Herausgeberin Carla Nicolaye61 weist allerdings an einigen Stellen erstaunliche wörtliche Übereinstimmungen mit Passagen aus Wimmers Monographie auf.62 Dies gilt etwa für die Seiten 179 f., die wie die Seiten 29 f. bei Wimmer formuliert sind. Besonders auffällig ist dabei die Behandlung der Frage nach dem Stachel der Bienenkönigin. In Fußnote 79, die zur Erläuterung desselben Zitates dient wie bei Wimmer (hier Anm. 31), heißt es bei Nicolaye und bei Wimmer – korrekterweise (s. u.  26) –, dass die Bienenkönigin über einen Stachel verfüge. In Anmerkung 82 behauptet Nicolaye jedoch genau das Gegenteil.63 Umfangreichere Literatur zu Bienen oder anderen sozialen Insekten in der Antike allgemein scheint es sonst nicht zu geben. Bestimmte Texte – hier ist in erster Linie das 4. Buch der Georgica Vergils zu nennen – oder auch bestimmte Themen – wie etwa die Verbindung von Bienen und Dichtung – weisen freilich

58 Bounas (2008). 59 Olbertz (2008). 60 Frantz; Engels (2008). 61 Nicolaye (2008a). 62 Ein eindrückliches Beispiel findet sich etwa auf den Seiten 172 f., die nur kleinere Unterschiede in der Syntax zu Wimmer (1998) 90 f. aufweisen und wo insbesondere in den Fußnoten auf dieselben Belegstellen in der Primär- und Sekundärliteratur verwiesen wird. Daneben z. B. auch diese: Nicolaye (2008a) 167 f. entspricht in großen Teilen wörtlich (mit Verweis auf Rech [1966] 316) Wimmer (1998) 57, auf die immerhin am Ende des Abschnittes allgemein verwiesen wird. Auf Seite 170 gibt Nicolaye oben dasselbe Zitat und vor allem dieselbe daran anschließende Fußnote (bei Wimmer auf zwei Fußnoten 39 und 40 aufgeteilt) wie Wimmer auf Seite 40. Auf derselben Seite (170) findet sich ähnliches Material (inklusive Belegstellen in Fußnoten) bei Nicolaye wie bei Wimmer auf Seite 36 f. Am Ende des Abschnitts verweist Nicolaye allgemein auf Wimmer (1998) 37. 63 Eine ähnliche und nicht ganz korrekte Aussage findet sich auch in einem weiteren Beitrag Nicolayes (2008b) in diesem Sammelband auf Seite 119 Anm. 30.

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eine recht breite Forschungsliteratur auf. Auf diese Forschungslage wird an den entsprechenden Stellen der vorliegenden Arbeit eingegangen werden. Eine umfassende Monographie, die dem Thema »Soziale Insekten in der Antike« gewidmet ist und dabei auch Erkenntnisse aus verwandten Fächern sowie der modernen Biologie in angemessenem Maße berücksichtigt, stellt weiterhin ein Desiderat dar. Diese Forschungslücke soll durch die vorliegende Arbeit geschlossen werden.

1.3 Fragestellung und Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit möchte Konzepte sozialer Insekten anhand von Texten der griechisch-römischen Antike herausarbeiten und dabei eine möglichst kulturnahe Perspektive einnehmen. Darüber hinaus sollen in angemessenem Umfang archäologische Zeugnisse oder Quellen aus Nachbarkulturen als Ergänzung herangezogen werden, wenn sie etwa zur Einordnung der herausgearbeiteten Konzepte hilfreich sind, oder wenn man von einem Einfluss von Wissen und Vorstellungen aus Nachbarkulturen ausgeht. Notwendigerweise kann bei der Fülle an textlichem Material nicht jede einzelne Passage, in denen Bienen, Wespen und Ameisen genannt werden, ausführlich betrachtet werden. Dies ist auch nicht nötig, da hier nicht so sehr die Sicht eines einzelnen Autors als vielmehr die verbreiteten Konzepte untersucht werden sollen und daher eher exemplarisch die wichtigsten Aspekte besprochen und Entwicklungslinien nachgezeichnet werden sollen. Dies soll bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert relativ umfassend herausgearbeitet werden, für die Spätantike gilt es sich jedoch stärker zu beschränken. Im Fokus stehen hier einerseits agronomische und naturkundliche Schriften und andererseits ausgewählte christliche Schriften, an denen sich exemplarisch zeigen lässt, wie pagane und christliche-jüdische Konzepte miteinander in Beziehung gesetzt und verbunden wurden. Die vorliegende Untersuchung möchte bewusst interdisziplinär anschlussfähig sein und eine mögliche Grundlage für ähnliche Untersuchungen beispielsweise in der Mediävistik bilden. Daher werden bestimmte Texte und Autoren wie Isidor von Sevilla oder der Physiologos, die im (westlichen) Mittelalter als wichtige Autoritäten galten, besonders berücksichtigt. Neben den Fragen, welche Konzepte sich greifen lassen und welche Eigenschaften darin prominent erscheinen, wird ein weiterer Fokus auf dem Wandel und den Veränderungen der Konzepte im Laufe der Zeit, in verschiedenen Diskursen bzw. in Abhängigkeit von bestimmten Aussageabsichten liegen. Nach einem kurzen Überblick über moderne Kenntnisse zur Biologie sozialer Insekten ist der Hauptteil der Untersuchung in sieben größere Kapitel gegliedert. Das erste und umfangreichste Kapitel geht den antiken Artkonzepten nach und versucht dabei herauszuarbeiten, welche Tiere man in der Antike zu den

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sozialen Insekten zählte, welche Eigenschaften man ihnen zuschrieb und wie sie durch morphologische, physiologische und ethologische Merkmale voneinander abgegrenzt wurden. Anschließend folgt eine eingehendere Betrachtung antiker Theorien zur Fortpflanzung der sozialen Insekten, die insbesondere bei Bienen lange Zeit Gegenstand von Debatten war. Die sogenannte Bugonie, d. h. die Entstehung von Bienen aus einem toten Rind, sowie ähnliche Zoogonien verwandter »Arten« werden in einem eigenen Kapitel besprochen, weil diese Art der Fortpflanzung besondere Implikationen aufweist. Eng mit der Thematik der Fortpflanzung hängt die Frage nach dem Geschlecht oder vielmehr den Geschlechterrollen zusammen, die man den sozialen Insekten in der Antike zuschrieb. Dieser Thematik widmet sich ein weiteres Kapitel. Ein umfangreicher Abschnitt geht anschließend den antiken Darstellungen der Gesellschaften sozialer Insekten nach und versucht insbesondere Analogien, die zwischen der tierischen und der menschlichen Sphäre gezogen wurden, herauszuarbeiten. In den beiden letzten Kapiteln werden mantische Eigenschaften der sozialen Insekten sowie ihre Rolle als Bildspender für Literaturproduktion und -rezeption untersucht. Wenngleich die Darstellungen in diesen Bereichen oftmals einen eher metaphorischen Charakter besitzen, sind sie doch ein wichtiger Teil antiker Konzepte von diesen Tieren. Innerhalb der einzelnen Kapitel werden meist zunächst die entsprechenden Darstellungen der Bienen untersucht, zu denen es in der Regel die umfangreichsten Quellen gibt. Anschließend werden Wespen und Ameisen betrachtet. Dieser Aufbau soll es ermöglichen, Unterschiede in den Konzepten von den sozialen Insekten in den jeweiligen Bereichen oder Diskursen besser sichtbar zu machen und das Verhältnis der Tierarten zueinander in den Blick zu nehmen. Implizit oder oft sogar explizit werden die Tiere zu den Menschen in Beziehung gesetzt. Welche Analogien gezogen werden und wie weit sie reichen, sind weitere Leitfragen der vorliegenden Arbeit.

1.4 Biologische Grundlagen Die Biologie der hier behandelten Tiere ist auch nach modernen Kenntnissen nicht immer trivial. Daher erscheint es angebracht, einen kurzen biologischen Überblick zu geben und dabei in erster Linie auf die Punkte einzugehen, die für das Verständnis der antiken Texte relevant sind. Dieses Kapitel möchte keinesfalls einen umfassenden Überblick über die aktuelle biologische Forschung geben, sondern in aller Kürze die wichtigsten modernen Erkenntnisse nennen, um die antiken Konzepte besser einordnen und Debatten nachvollziehen zu können.

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1.4.1 Allgemeines zu Hymenopteren Die in dieser Arbeit behandelten antiken Konzepte sozialer Insekten beruhen zum Teil auf den natürlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen von Bienen, Wespen und Ameisen, die nach der modernen Systematik zur Ordnung der Hymenop­teren (Hautflügler) gehören.64 Innerhalb dieser Gruppe zählen sie zu den sogenannten Aculeata. Das sind diejenigen Hautflügler, die über eine Wespentaille verfügen und bei denen der Legebohrer im Laufe der Evolution zu einem Giftstachel umgebildet wurde.65 Da ein Legebohrer, der bei anderen Hymenop­teren der Eiablage dient, nur bei Weibchen vorkommt, besitzen Königinnen und Arbeiterinnen einen Stachel, die Drohnen aber nicht. Es gibt wie gerade angesprochen zwei weibliche Kasten: die fortpflanzungsfähigen Vollweibchen, die meist Königinnen oder vor allem in der Imkersprache bei Bienen auch Weisel genannt werden, und die ebenfalls weiblichen, aber sterilen Arbeiterinnen. Dazu kommen noch die männlichen Drohnen. Königinnen und Arbeiterinnen entstehen aus befruchteten und damit diploiden (doppelter Chromosomensatz) Eiern. Drohnen entstehen aus unbefruchteten Eiern, sodass sie nur einen haploiden (einfachen) Chromosomensatz besitzen.66 Dieser besondere Haplo-Diplo-Mechanismus der Fortpflanzung führt dazu, dass Weibchen mit ihren Schwestern theoretisch im Schnitt 75 % der genetischen Information gemeinsam haben und damit mit ihren Schwestern enger verwandt sind als mit möglichen eigenen Nachkommen (im Schnitt 50 % gleiche Allele).67 Dies wird vielfach als eine wichtige Prädisposition zur Herausbildung der Eusozialität (dazu s. u. 38) angesehen, die vor allem bei den Hymenopteren mehrmals unabhängig im Laufe der Evolution entstanden ist.68 64 Termiten, die zwar auf den ersten Blick Ameisen ähnlich sehen, gehören dagegen nicht zu den Hymenopteren, sondern zu den Isopteren (Gleichflügler). Wenngleich sie ebenfalls große eusoziale Staaten bilden, unterscheiden sie sich insbesondere in ihrer Fortpflanzung und der Herausbildung der Kasten (vgl. z. B. Wehner; Gehring; Kühn [2013] 445 f.). Zu möglichen Erwähnungen von Termiten in antiken Texten s. 2.9.3. 65 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 5. 66 Streng genommen muss ein bestimmter Genlocus (Complementary Sex Determination [CSD]) in verschiedenen Allelen vorliegen (heterozygot), damit ein Weibchen entsteht. Dies hat zur Folge, dass zuweilen auch aus diploiden, aber homozygoten Eiern Männchen hervorgehen, die aber in der Regel bestimmte Deformationen aufweisen und steril sind. In der Natur werden solche diploiden Männchen bei Bienen bereits im Larvalstadium von den Arbeiterinnen erkannt und aufgefressen, weil sie für den Schwarm nicht von Nutzen sind. Vgl. dazu z. B. Herrmann et al. (2005); Heimpel; de Boer (2008). 67 Vgl. dazu z. B. Wehner; Gehring; Kühn (2013) 442–444. 68 In jüngerer Zeit war dies Gegenstand einer wissenschaftlichen Debatte, die durch einen unter anderem vom berühmten Myrmekologen Edward O. Wilson in Nature veröffentlichten Artikel (Nowak; Tarnita; Wilson [2010]) ausgelöst wurde, der diese communis opinio in Frage

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1.4.2 Honigbiene Wie bereits gesagt, entstehen bei Hymenopteren alle Weibchen aus einem befruchteten Ei, sodass jede daraus schlüpfende Larve Königin oder Arbeiterin werden könnte, weil es keinen genetischen Unterschied zwischen beiden Kasten gibt. Die Kastendetermination geschieht bei der Honigbiene (Apis mellifera L.) allein durch die Art des Futters: Die Larven künftiger Königinnen werden in den sogenannten Weiselzellen aufgezogen, die etwas größer sind als die Zellen der Arbeiterinnen-Larven und besonders viel Gelee Royal (ein Futtersaftgemisch aus den Mandibeldrüsen) enthalten. Die Larven der künftigen Arbeiterinnen und der Drohnen erhalten ein weniger zucker- und drüsensafthaltiges Gemisch.69 Es werden in der Regel mehrere Weiselzellen angelegt. Da in jedem Stock jedoch nur eine Königin leben kann, tötet die erste neu geschlüpfte Königin ihre noch nicht geschlüpften königlichen Schwestern mit ihrem Stachel. Wenn zwei Königinnen zeitgleich schlüpfen, bekämpfen sie einander, ohne dass die Arbeiterinnen eingreifen.70 Besonders der Hinterleib der Königinnen ist größer als der der Arbeiterinnen; sie allein kann befruchtet werden und daher befruchtete Eier legen. Sie kann weder Waben bauen noch Larven füttern und ist diesbezüglich vollständig von den Arbeiterinnen abhängig.71 Bei den Arbeiterinnen sind die Geschlechtsorgane nicht richtig ausgebildet, weshalb sie sich nicht paaren können. Solange die Königin lebt, sendet sie bestimmte Pheromone aus (Queen-substance), die unter anderem die Entwicklung von Keimdrüsen bei den Arbeiterinnen unterdrücken. Stirbt sie, so beginnen die Arbeiterinnen unbefruchtete Eier zu legen, aus denen Drohnen entstehen können.72 Männchen können also auch in Abwesenheit der Königin entstehen, Weibchen dagegen nicht (außer natürlich aus bereits gelegten befruchteten Eiern). Drohnen gibt es nur von Mai bis Juli. In dieser Zeit sammeln sich die Drohnen tagsüber an bestimmten Sammelplätzen, wo sie auf eine noch unbefruchtete Jungkönigin warten. Im sogenannten Hochzeitsflug, der in ca. 10–20 m Höhe stattfindet, paaren sich mehrere Drohnen mit der Jungkönigin.73 Zu diesen Hochzeitsflügen fliegt die Königin mehrere Tage nacheinander allein aus. Später verlässt sie den Schwarm aber nicht mehr ohne Begleitung. Die Drohnen stellte. Die ablehnenden Antworten zahlreicher weiterer Forscherinnen und Forscher finden sich in Ausgabe 471 (24. März 2011) von Nature (Seiten E1–E8). 69 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 42. 70 Vgl. ebd. 71 Vgl. ebd. 72 Vgl. ebd. Dies beschreibt freilich nur den Idealzustand. Auch wenn die Königin lebt, legen die Arbeiterinnen zuweilen unbefruchtete Eier (vgl. Moritz; Southwick [1992] 207). 73 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 41.

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Einleitung

werden nach der Paarungszeit von den Arbeiterinnen verjagt oder sogar getötet (sogenannte Drohnenschlacht), weil sie dann keine Funktion mehr erfüllen.74 Entgegen antiken Schilderungen (z. B. Verg. G. 4,67–87) bekämpfen sich zwei Schwärme nicht auf offenem Feld. Ausnahmsweise können größere Kolonien im Herbst Raubzüge bei kleineren durchführen, wenn Nektar und Honig knapp werden. Aber auch in diesem Falle finden Kämpfe nicht auf offenem Feld, sondern am und im Stock statt.75 Schwärme entstehen im Frühling und Frühsommer und bestehen aus der alten Königin und einem Teil der Arbeiterinnen. In der Regel verlassen sie den Stock kurz vor dem Schlüpfen einer neuen Königin, um eine neue Kolonie zu gründen.76 Königinnen können ein Alter von bis zu fünf Jahren erreichen.77 Die Lebenszeit der Arbeiterinnen ist abhängig vom Energieumsatz. In den arbeitsreichen Sommermonaten leben die Arbeiterinnen daher nur wenige Wochen, im Herbst und Winter dagegen einige Monate.78 Die Tätigkeiten, die die Arbeiterinnen verrichten, sind abhängig von ihrem individuellen Alter. Die jüngeren Arbeiterinnen arbeiten im Stock und mit zunehmendem Alter erledigen sie Arbeiten, die immer weiter außerhalb liegen. Die ausfliegenden Sammlerinnen sind also die ältesten Bienen.79 Als Nahrung dienen Nektar und Pollen und im Winter Honig, der von den Bienen mithilfe des Nektars produziert wird. Wachs produzieren die Bienen selbst mit speziellen Drüsen.80

1.4.3 Wespen Während mit dem Begriff »Biene« meist die Honigbiene (Apis mellifera L.) gemeint ist, ist der Begriff »Wespe« weit weniger spezifisch. In der Regel denkt man dabei wohl vor allem an die sozialen Faltenwespen (Familie Vespidae), zu denen verschiedene Gattungen und Arten gehören. Zumindest in den gemäßigten Breiten sind die Nester der Faltenwespen nur einjährig. Dies bedeutet, dass allein die im Herbst befruchteten Vollweibchen überwintern, im Frühjahr ein Nest errichten und die erste Generation Arbeiterinnen großziehen. Diese übernehmen in der Folge die meisten Aufgaben mit

74 Vgl. ebd. 42. 75 Vgl. z. B. Winston (1987) 110–116. 76 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 42. 77 Vgl. ebd. 78 Vgl. Schmid-Hempel; Kacelnik; Houston (1985). 79 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 42. 80 Vgl. z. B. ebd. 40.

Biologische Grundlagen

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Ausnahme des Eierlegens und erweitern das Nest. Später im Jahr entstehen die Geschlechtstiere. Im Herbst sterben alle Tiere bis auf die genannten befruchteten Vollweibchen.81 Auch bei Faltenwespen gibt es einen Unterschied zwischen Vollweibchen und Arbeiterinnen, jedoch können sich unterschiedliche Kasten herausbilden. So muss man etwa bei den Feldwespen (Unterfamilie Polistinae) von drei Kasten ausgehen: Zu Beginn des Frühjahrs errichtet eine Gruppe von Vollweibchen, die im vorangegangenen Herbst befruchtet worden sind und überwintert haben, gemeinsam ein Nest. Diese Weibchen werden als Gründerinnen bezeichnet. Eines dieser Weibchen wird jedoch dominant und ist dann (fast) allein für das Hervorbringen von Nachkommen zuständig, obwohl die anderen Vollweibchen dazu durchaus in der Lage wären.82 Das dominante Vollweibchen wird dann als Königin bezeichnet. Die dritte Kaste sind die sterilen Arbeiterinnen, die nach der Gründung des Nestes entstehen.83 Bei Arten der Unterfamilie der Vespinae (dazu gehört auch die Hornisse Vespa crabro L.) gibt es dagegen in jedem Stock in der Regel nur ein fertiles Vollweibchen, das das Nest nach der Überwinterung im Frühjahr anlegt. Die Nester bestehen in der Regel aus papierartigem zerkautem Material, können aber je nach Art sehr unterschiedlich errichtet werden.84 So befinden sich die Nester von Hornissen (Vespa crabro L.) etwa in hohlen Bäumen oder in der Nähe des Menschen auch in Schuppen oder Dachböden,85 Langkopfwespen (Dolichovespula spec.) aber bauen stets freihängende Nester an Bäumen, Felsen oder Gebäuden86 und Kurzkopfwespen (Vespula spec.) legen unterirdische Nester an.87 Als adulte Tiere ernähren sich die meisten Faltenwespen von Pflanzensäften und Früchten, aber auch karnivor. Der größte Teil des erbeuteten Fleisches wird jedoch an die Larven verfüttert.88

81 Vgl. ebd. 658. 82 Vgl. ebd.; Wehner; Gehring; Kühn (2013) 444. Letztere merken an, dass bei Polistes spec. auch ein einzelnes Vollweibchen ein Nest gründen kann. Dieses ist dann automatisch das dominante Weibchen. Ausführlich auch Evans; Eberhard (1970) 126–133. 83 Man vermutet, dass auch bei Faltenwespen die Herausbildung steriler Kasten durch die Art der Nahrung im Larvalstadium bedingt ist. Vgl. Schmidt; Hunt; Smith (2012). 84 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 659. 85 Vgl. ebd. 660. 86 Vgl. ebd. 661. 87 Vgl. ebd. 88 Vgl. ebd. 659 f.

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Einleitung

1.4.4 Ameisen Ameisen stellen in der Biologie eine sehr diverse Gruppe mit zahlreichen Familien, Gattungen und Arten dar. Aus diesem Grund ist es schwer, auf engem Raum Allgemeingültiges zu sagen. Wie bei Wespen und Bienen kann man zwischen den Geschlechtstieren, die bei vielen, aber nicht allen Ameisenarten zumindest anfangs geflügelt sind, und den sterilen Arbeiterinnen unterscheiden. Letztere weisen je nach Art teilweise ebenfalls eine große morphologische Diversität auf (besonders ausgeprägt ist dieser Polymorphismus bei tropischen Blattschneiderameisen).89 Bei einigen Arten gibt es Nester mit mehreren (polygyn), bei anderen Nester mit nur einem Vollweibchen (monogyn). Die Kastendetermination scheint vor allem umweltbedingt zu sein.90 Bei einigen Arten können die Königinnen bis zu 20 Jahre alt werden.91 Der Stachelapparat ist etwa bei den Schuppenameisen (Familie der Formicidae) stark zurückgebildet, bei den Knotenameisen (Familie der Myrmicidae) jedoch noch vorhanden.92 Viele Arten sind karnivor, jedoch gibt es auch einige herbivore Arten, die sich z. B. von Pflanzensamen ernähren. Die Ameisen, die in den meisten antiken Texten beschrieben werden, haben eine relativ große Ähnlichkeit mit den sogenannten Ernteameisen der Gattung Messor (dazu s. 2.8).

89 Vgl. ebd. 243. 90 Vgl. ebd. 246. Hölldobler; Wilson (1990) 174 f. beschreiben, dass etwa die Königinnen bei Formica polyctena unterschiedliche Eier legen können. »Wintereier«, die in den ersten Wochen des Frühjahrs gelegt werden, sind größer als die späteren »Sommereier« und enthalten auch mehr RNA. Aus den »Wintereiern« können sich Geschlechtstiere entwickeln. 91 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 242. 92 Vgl. ebd. 243.

2. Antike Artkonzepte

Das folgende Kapitel ist zweigeteilt: Zunächst wird in einem eher allgemeinen Teil kurz der Frage nachgegangen, was der Begriff »Art« im Rahmen dieser Arbeit bedeutet. Dabei soll auch eine Abgrenzung zum modernen (biologischen) Bio- bzw. Morphospezies-Begriff aufgezeigt werden. Anschließend wird geklärt, was unter »sozialen Insekten«, dem Gegenstand dieser Arbeit, zu verstehen ist und welche zentralen Eigenschaften mit ihnen verbunden werden. In einem zweiten Teil werden die einzelnen antiken »Arten« näher beleuchtet. Dabei sollen in erster Linie morphologische Charakteristika und die damit verbundenen Konzepte, aber auch gewisse ethologische und physiologische Eigenschaften (z. B. Nestbau, Ernährung), die man den Tieren zuschrieb, untersucht werden, sofern sie zur Abgrenzung von anderen »Tierarten« in den antiken Vorstellungen herangezogen werden.

2.1 Der Artbegriff Ausgangspunkt soll die Frage sein, was unter dem Begriff »Art« zu verstehen ist. Die moderne Biologie1 verwendet dazu in der Regel das sogenannte BiospeziesKonzept: Eine Art umfasst als Biospezies alle Populationen, deren Angehörige untereinander faktisch oder potentiell kreuzbar und unter natürlichen Bedingungen von den Angehörigen anderer Populationen reproduktiv abgegrenzt sind.2 Eine Art wird also in erster Linie durch ihre sexuelle Fortpflanzungs 1 Es finden sich freilich (vor allem in eher theoretischen Diskussionen und in der Philosophie der Biologie) noch zahlreiche weitere Artdefinitionen, da auch die hier vorgestellte und weit verbreitete Biospezies-Definition einige Probleme in sich birgt und nicht auf alle Lebewesen einfach anzuwenden ist (dazu s. im Folgenden). Eine Übersicht über die Geschichte des biologischen Artbegriffes bietet z. B. Toepfer (2011) I 61–131; ausführlich widmet sich diesem Thema auch die Monographie von Wilkins (2009). Die Speziesdefinitionen und -konzepte und die damit verbundenen Probleme werden z. B. in den Sammelbänden von ­Claridge; Dawah; Wilson (1997) (hier besonders der Beitrag von Mayden auf S. 381–424, der 22 verschiedene Spezieskonzepte diskutiert, von denen eines in drei Varianten besprochen wird), Wilson (1999) und Wheeler; Meier (2000) eingehender betrachtet. Interessant ist auch der in der Forschung viel beachtete Ansatz des »unified species concept« von de Queiroz (2007), der versucht, ein gemeinsames Element aller Spezieskonzepte zu identifizieren. Dies zeigt, dass auch in der modernen (Natur-)Wissenschaft die für die Biologie so zentrale Frage nach dem Artbegriff je nach Kontext unterschiedlich beantwortet werden kann. 2 Vgl. z. B. Wehner; Gehring; Kühn (2013) 539.

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Antike Artkonzepte

fähigkeit bestimmt. Daraus ergibt sich zum einen die inhaltliche Schwierigkeit, Lebewesen zu definieren, die sich z. B. nicht (ausschließlich) sexuell fortpflanzen, fertile Hybride hervorbringen (bei Pflanzen gar nicht selten) oder sogenannte Ringspezies bilden. Zum anderen kommt dieses Konzept in der Praxis selten zum Tragen, weil man zur Identifizierung der Artzugehörigkeit eines Lebewesens in der Regel keine umfangreichen Kreuzungsversuche anstellen kann. Meist verwendet man daher in der Praxis das Konzept der Morphospezies, die folgendermaßen definiert werden kann: Eine Art ist die Gesamtheit der Individuen, die in allen wesentlichen morphologischen Merkmalen übereinstimmt und sich mit diesem Merkmalskomplex von anderen solchen Gesamtheiten unterscheidet.3 Die Schwierigkeit dieses Konzeptes liegt vor allem in der genauen Bestimmung, welche Merkmale als wesentlich angesehen werden und bis zu welchem Grade die Übereinstimmung des Merkmalskomplexes gegeben sein muss. Eine trennscharfe Einteilung ist nicht in jedem Fall möglich und bis zu einem gewissen Grade subjektiv und künstlich. Trotz aller Problematiken hat die moderne biologische Taxonomie insofern ein gewisses fundamentum in re, als die Gruppierung einzelner Populationen zu Arten, diese wiederum zu Gattungen, Familien, Ordnungen, usw. nicht nur eine rein menschengemachte Systematik ist, sondern die im Laufe der Evolution entstandenen Verwandtschaftsbeziehungen und Entwicklungslinien nachbildet. Eine solche Systematik, wie sie zumindest in der heutigen Zeit größtenteils in der wissenschaftlichen Welt allgemein akzeptiert, doch keinesfalls ubiquitär und weitgehend angewendet wird (und auch nicht werden muss), fehlt in der Antike.4 Zunächst muss festgehalten werden, dass nicht für jede Aussageabsicht eine genaue Distinktion von Arten denselben Stellenwert einnimmt. Dies gilt für antike Texte genauso wie für moderne. Kurz gesagt: Man kann erwarten, dass in zoologischen oder heilkundlichen Texten eine detailliertere Unterteilung zu finden ist als in einem Drama oder einem Epos. Dies gilt vor allem für Tiere, die aufgrund ihrer engen Verwandtschaft mit ähnlichen Vorstellungen verbunden wurden. So leben beispielsweise die σφῆκες (»Wespen«), als die sich die Choreuten in der gleichnamigen Komödie des Aristophanes selbst beschreiben, in ἀνθρήνια (Ar. Vesp. 1080.1107), welche streng genommen die Behausungen der ἀνθρῆναι5 bezeichnen.6 Gleichwohl wird die korrektere Bezeichnung σφηκιά zu 3 Vgl. ebd. 4 Erste Ansätze finden sich möglicherweise bei Aristoteles. Dazu s. u. 33. 5 Diese Tiere sind Aristophanes bekannt, da er sie z. B. in Nub. 947 nennt. 6 In Anlehnung an diese Stellen findet sich im Lexikon Hesychs folgende Angaben: (α 5156) ἀνθρήνη· εἶδος μελίσσης b (das folgende ist nur im Codex Bodleianus auct. T II ii Prol. XLVIII enthalten) Ἀριστοφάνης παρ’ ᾧ καὶ ἀνθρήνια τὰ μελίσσεια. – »anthrēne: Eine Bienenart b Aristophanes, bei dem auch anthrēnia die Bienenstände (melisseia) (bezeichnen).« Sowie (α 5157): ἀνθρήνιον· τὸ τῶν μελισσῶν πλάσμα. – »anthrēnion: Das (Waben-)Gebilde

Der Artbegriff

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vor in den Versen 224 und 404 verwendet. Zudem spricht in Vers 366 derselben Komödie der Chor Philokleon, den sie als einen der ihren ansehen, mit μελίττιον (»Bienchen«) an.7 Auch dem Dichter der Ilias ist es in seinem Bild (Hom. Il. 12,167–172) von den Insekten, die ihre Brut gegen menschliche Jäger verteidigen, nicht wichtig, ob es sich dabei um Wespen oder um Bienen handelt ([…] ὥς τε σφῆκες μέσον αἰόλοι ἠὲ μέλισσαι; Hom. Il. 12,167). Es ist ebenfalls zu erwarten, dass die Unterscheidungen umso genauer sind, je besser der Mensch mit dem Tier vertraut ist. Dies ist zum einen durch ein gesteigertes Interesse an der Biologie vor allem bei Aristoteles und zu einem geringeren Grade bei seinen direkten und indirekten Nachfolgern bedingt, zum anderen aber durch einen engeren Umgang des Menschen mit einem bestimmten Tier. Dies betrifft im Falle der sozialen Insekten in erster Linie die Bienen, die schon früh (Anklänge daran schon in zwei Gleichnissen Hesiods; s. u. 229) zur Honiggewinnung gezüchtet wurden. Dieser enge Umgang mit und natürlich auch das wirtschaftliche Interesse an diesem Tier haben dazu geführt, dass hier nicht nur, um in modernen biologischen Kategorien zu sprechen, die einzelnen Kasten, sondern – vor allem in agronomischen Schriften – auch Rassen unterschieden wurden. Ameisen dagegen werden kaum eingeteilt, obwohl sie aus moderner biologischer Sicht eine sehr diverse Gruppe von Insekten darstellen. Eine weitere große Schwierigkeit betrifft die Art der Einteilung und die Hierarchie. Diese entspricht in den meisten Fällen nicht der modernen Systematik. In der Forschung wurde die Frage nach einer Systematik vor allem für die biologischen Schriften des Aristoteles diskutiert. An dieser Stelle muss nicht auf die Details der lang andauernden Debatte eingegangen werden, jedoch sollen einige Positionen kurz angesprochen werden. Pellegrin beispielsweise argumentiert, dass Aristoteles in seinen praktischen biologischen Schriften nicht wirklich an einer Systematik der Arten interessiert war, sondern eher an einer Moriologie, d. h. einer systematischen Beschreibung einzelner Körperteile.8 Er nimmt das 1. Buch von De partibus animalium aus, welches eher den Charakter einer Schrift zur Theorie der Biologie hat und in dem tatsächlich eine gewisse Systeder Bienen.« μέλισσα scheint hier als eine Art Oberbegriff für alle bienen- und wespenartigen Tiere gebraucht zu sein. Im Lexikon des Photios (α 1970) heißt es dagegen, das Wabengebilde (πλάσμα) der ἀνθρήνη werde ἀνθρήνιον genannt. In der Suda (α 2524) heißt es gar, die Bezeichnung ἀνθρήνη werde zuweilen von den Dichtern für die Bienen verwendet (dazu s. u.  386). 7 Bounas (2008) 69 meint darin einen »humoristischen Widerspruch« des Aristophanes zu sehen, da Aristophanes nach Bounas’ Meinung, den Chor der Wespen so darstellt, »als ob sie sich selber als harmlose Bienen verstehen.« Dagegen spricht aber die später erfolgende Selbstdarstellung in der Parabase (dazu s. u. 307). Ob eine Biene in dieser Komödie überhaupt als »harmlos« charakterisiert wird, ist zudem aufgrund der von Bounas selbst eine Seite zuvor (68) zitierten Verse 106–108 unwahrscheinlich, in denen Philokleon vom Sklaven Xanthias mit einer Biene oder Hummel (μέλιττ’ ἢ βομβυλιός) verglichen wird. 8 Z. B. Pellegrin (1985) 103.113.

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Antike Artkonzepte

matik entwickelt wird. Die Begriffe γένος und εἶδος werden zur Bezeichnung von taxonomischen Einheiten verwendet, jedoch argumentiert Pellegrin, dass diese Begriffe niemals absolut gebraucht werden, sondern so, wie sie in den logischen Schriften des Aristoteles verwendet werden: Ein εἶδος könne niemals allein für sich stehen, sondern immer nur als ein Teil eines explizit genannten oder zuweilen auch bloß gedachten γένος.9 Insbesondere bestreitet Pellegrin, dass εἶδος die Bedeutung einer infima species, d. h. einer letztlich nicht mehr teilbaren Einheit, in den biologischen Schriften des Aristoteles einnehmen kann. Kullmann10 und sehr ausführlich auch sein Schüler Cho11 sowie Meyer12 argumentieren aber genau dafür. Kullmann gibt Pellegrin zwar in dem Punkt Recht, dass die biologischen Schriften des Aristoteles keine systematischen Beschreibungen Art für Art enthalten, sondern eher nach unterschiedlichen Organen und Verhaltensweisen gegliedert sind, merkt aber an, dass dies nicht gleichzeitig bedeute, Aristoteles habe keine Vorstellung von einer Systematik.13 Hünemörder dagegen hält es ebenfalls für eine »Fehleinschätzung«14 bzw. ein »Mißverständnis«15, dass man Aristoteles zum Begründer einer zoologischen Systematik gemacht habe, da dies in seinen zoologischen Schriften nicht nachweisbar und vor allem der Artbegriff bei ihm schwankend sei.16 Er gesteht Aristoteles aber zu, Tiere in gewisse größere Gruppen, die sogenannten μέγιστα γένη, eingeordnet und teilweise benannt zu haben, wie z. B. Vögel (ὄρνιθες), Fische (ἰχθύες), Insekten (ἔντομα) oder weichschalige Krebstiere (μαλακόστρακα). Balme argumentiert wiederum in eine etwas andere Richtung. Für ihn stehen γένος und εἶδος bei Aristoteles nicht in einem hierarchischen Verhältnis, wie es die meisten anderen Forscher annehmen, sondern sie gehören zu einer anderen Kategorie: εἶδος is far less commonly used, and represents no group that γένος does not also represent. If they differ in meaning, the difference is not that of higher and lower rungs on the same ladder. They belong to different ladders, and the original difference sometimes shows through, γένος being a statement about kinship and εἶδος a statement about shape or form.17 9 Vgl. ebd. 95. 10 Vgl. z. B. Kullmann (1999) 110. Eine umfangreiche Darstellung seiner Sicht auf die Systematik des Aristoteles findet sich z. B. auch in: ders. (2007) 196–210 und zuletzt wohl in: ders. (2014) 137–145. 11 Vgl. Cho (2003) v. a. 194–210. 12 Vgl. Meyer (2015a) 427–439; v. a. 428 f. 13 Vgl. Kullmann (1999) 115 mit Anm. 26. 14 Hünemörder (1999) 100. Es handelt sich interessanterweise um denselben Sammelband, in dem auch Kullmanns (1999) Aufsatz enthalten ist. 15 Hünemörder (1999) 101. 16 Diese Argumentation erinnert ein wenig an Pellegrin, jedoch beruft sich Hünemörder nicht auf ihn, wie im Übrigen auch auf keinen anderen Forscher. 17 Balme (1962) 87.

Der Artbegriff

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Ein wenig erinnert Balmes Interpretation an das eingangs vorgestellte Bio- und Morphospezies-Konzept der modernen Biologie. Balmes Meinung nach können γένος und εἶδος die infima species bezeichnen, doch werde dieses Konzept in den biologischen Schriften des Aristoteles kaum gebraucht.18 Welcher Richtung auch immer man sich anschließen möchte, wichtig für unsere Untersuchung ist, dass auch Aristoteles – und da ist sich die Forschung einig – keine bis ins letzte Detail ausgefeilte Systematik des Tierreichs bietet (andere Autoren ohnehin nicht). Gerade in Bezug auf die hier behandelten sozialen Insekten wird bis auf eine Ausnahme19 in den erhaltenen Schriften des Aristoteles niemals der Begriff εἶδος verwendet, sondern stets γένος. Dieser Begriff kann aber auf allen möglichen taxonomischen Ebenen gebraucht werden und ist somit nicht als identisch mit dem modernen taxonomischen Begriff »Genus« bzw. »Gattung« anzusehen.20 Zudem wehrt sich Aristoteles in einigen Schriften (Analytica priora, Analytica posteriora, Metaphysik) ausdrücklich gegen eine dichotome Systematik,21 wie sie etwa der modernen phylogenetischen Systematik (Kladistik) nach Willi Hennig22 zugrunde liegt.23 Aristotles geht, wie bereits angedeutet, eher von einer Kombination unterschiedlicher Teile von Tieren aus. Es gebe so viele unterschiedliche »Arten«, wie es Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen wichtigen Teile gebe (so z. B. in Pol. IV 4, 1290 b 35–37). Auch findet sich in der gesamten Antike keine wirklich strikte Theorie, wonach eine Zugehörigkeit zu einer wie auch immer gestalteten »Art« durch eine Fähigkeit zur sexuellen Fortpflanzung mit Angehörigen der gleichen »Art« definiert wäre, wie es im modernen Biospezies-Konzept der Fall ist. Zwar geht beispielsweise Aristoteles davon aus, dass »normalerweise« aus gleichartigen (dies betrifft vor allem die äußere Gestalt) Tieren, gleichartige Nachkommen hervor 18 Vgl. ebd. 84. 19 Arist. Hist. an. IV 7, 531 b 21–24: ἔστι δὲ τοῦτο τὸ γένος (sc. τῶν ἐντόμων) πολλὰ ἔχον εἴδη ἐν αὑτῷ, καὶ ἐνίοις πρὸς ἄλληλα συγγενικοῖς οὖσιν οὐκ ἐπέζευκται κοινὸν ὄνομα οὐδέν, οἷον ἐπὶ μελίττῃ καὶ ἀνθρήνῃ καὶ σφηκὶ καὶ τοῖς τοιούτοις, […]. – »Es besitzt aber dieses genos (sc. der Insekten) viele eide in sich selbst und einige von diesen, die zueinander artverwandt sind, verbindet kein gemeinsamer Name, wie bei Biene, Anthrene, Wespe und ähnlichen (Tieren), […].« 20 Kullmann (1999) 110 vertritt dazu freilich folgende These: »Auch der Begriff, den er für die Gattung gebraucht (γένος / genos), ist bei ihm relativ fest, kann aber von ihm sowohl für die Gattung als auch für die größte Gattung verwendet werden und auch zur Bezeichnung einer Rasse und sogar zur Bezeichnung einer Art, wenn es auf die kontinuierliche Zeugung ankommt, benutzt werden.« 21 Vgl. dazu mit Besprechung der einzelnen Passagen Lloyd (1961) 64–69; mit kurzer Zusammenfassung des Zwischenergebnisses 69 f. Kullmann (1974) 346–349 bemüht sich die apodiktischen Aussagen Lloyds ein wenig zu relativieren. 22 Vgl. z. B. Wehner; Gehring; Kühn (2013) 561–563 für eine Darstellung dieser Taxonomie. 23 Aristoteles richtet sich freilich in erster Linie gegen die platonische Theorie.

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Antike Artkonzepte

gehen,24 er kennt aber auch Ausnahmen. So hält er beispielsweise alle Hybride abgesehen vom Maultier für fruchtbar (Arist. Gen. an. II 7, 746 b 12–16): Τὰ μὲν οὖν ἄλλα τῶν ἐκ τοιαύτης μίξεως γινομένων συνδυαζόμενα φαίνεται πάλιν ἀλλήλοις καὶ μιγνύμενα καὶ δυνάμενα τό τε θῆλυ καὶ τὸ ἄρρεν γεννᾶν, οἱ δ’ ὀρεῖς ἄγονοι μόνοι τῶν τοιούτων· οὔτε γὰρ ἐξ ἀλλήλων οὔτ’ ἄλλοις μιγνύμενοι γεννῶσιν. Die übrigen (Tiere), die aus einer solchen Paarung (i. e. nicht gleichartiger Tiere) entstehen, scheinen sich wiederum miteinander zu paaren und sich fortzupflanzen und in der Lage zu sein, sowohl Weibchen als auch Männchen hervorzubringen. Die Maultiere sind die einzigen von diesen, die ohne Nachkommenschaft sind. Denn sie bringen weder Nachkommen hervor, wenn sie sich untereinander, noch, wenn sie sich mit anderen paaren.

Besonders häufig finde man solche Hybride an Wasserstellen in der nordafrikani­ schen Wüste, wo alle möglichen Tiere zusammenkommen (Arist. Gen. an. II 7, 746 b 7–11). Dies stimmt mit der aristotelischen Fortpflanzungstheorie überein, wonach die Formursache vom Vater komme, und das Material von der Mutter. Der Vater gibt also seine Gestalt an seine Nachkommen weiter, die Mutter nimmt diese »genetische Information« auf und lässt das Kind in sich wachsen. Unterschiede zwischen Nachkommen und Eltern werden so in erster Linie durch die Mutter bedingt. Gleichzeitig bedeutet dies aber, dass eine Inkompatibilität der genetischen Information, die nach dem modernen Forschungsstand eine der wichtigsten Ursachen für die reproduktive Isolation der einzelnen Arten darstellt, für die aristotelische Fortpflanzungstheorie nicht relevant ist.25 Daher können Hybride vor allem nahe verwandter Arten leicht entstehen (Arist. Gen. an. II 7, 746 a 29–32): Γίνεται δὲ ὁ συνδυασμὸς τοῖς ζῴοις κατὰ φύσιν μὲν τοῖς ὁμογενέσιν, οὐ μὴν ἀλλὰ καὶ τοῖς μὲν σύννεγγυς τὴν φύσιν ἔχουσιν, οὐκ ἀδιαφόροις δὲ τῷ εἴδει, ἐὰν τά τε μεγέθη παραπλήσια ᾖ καὶ οἱ χρόνοι ἴσοι ὦσι τῆς κυήσεως.

24 Z. B. Arist. Gen. an. II 8, 747  b 30–32: ἐξ ὁμοειδῶν ἄρρενος καὶ θήλεος ὁμοειδὲς γίγνεσθαι πέφυκε τοῖς γεννήσασιν ἄρρεν ἢ θῆλυ. Oder die bekannte Definition des γένος als γένεσις συνεχὴς τῶν τὸ εἶδος ἐχόντων τὸ αὐτό in Arist. Metaph. IV 28, 1024 a 29–30. 25 Vgl. Balme (1980) 9; Pellegrin (1985) 108 f. Liatsi (2014) 51 argumentiert freilich in eine etwas andere Richtung. Sie versteht die Aussagen zu den Hybriden so, dass die Ausnahme der Fortpflanzung zwischen Esel und Pferd nur eine scheinbare ist, denn beide gehörten zu einer gemeinsamen Gruppe von Tieren, der nur der gemeinsame Name fehle. Sie beruft sich dabei auf die Passage Arist. Metaph. VI 8, 1033 b 29 – 1034 a 2, aus der man das tatsächlich so schließen kann, beachtet aber nicht die hier zitierte Passage aus De generatione animalium (II 7, 746 b 12–16). Trotz allem tut das unserem Argument keinen Abbruch, eher im Gegenteil, denn auch aus der von Liatsi angegebenen Stelle geht hervor, dass Aristoteles keine Artvorstellung hatte, wie sie in der modernen Biologie vertreten werden.

Der Artbegriff

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Es entsteht aber die Paarung natürlicherweise zwar unter Tieren derselben Art, aber nicht ausschließlich, sondern auch bei solchen, die eine ähnliche Natur haben, nicht ohne Unterschiede in der Gestalt, wenn die Größe vergleichbar ist und die Tragzeiten gleich.

Nicht zuletzt werden gerade die Bienen in der Antike meist als große Ausnahme unter den Tieren angesehen, weil sie vermeintlich keine gewöhnliche Fortpflanzung besitzen (dazu ausführlich u. 3.2.1). Neben diesem eher abstrakten Problem der Inkongruenz der modernen und der antiken Systematik – so es denn überhaupt eine gibt – stellt sich meist konkret die Frage, was man unter einem bestimmten Tier versteht. Die antiken Konzepte eines Tieres umfassen oftmals Charakteristiken und Merkmale, die sich so in der Naturbeobachtung gar nicht finden lassen und / oder eine Vermengung der Charakteristiken und Merkmale mehrerer moderner Arten darstellen. Kurz gesagt, sind beispielsweise die römischen Konzepte von dem Tier, das als vespa bezeichnet wurde, nicht deckungsgleich mit den Eigenschaften der modernen biologischen Spezies Vespula vulgaris L. Man kann im Gegenteil sogar davon ausgehen, dass es nicht zu allen Zeiten und von jedem Menschen die gleichen Vorstellungen von dem als vespa bezeichneten Tier gab. Eine objektive Naturbeobachtung, wie sie die moderne Wissenschaft zumindest anstrebt, aber keinesfalls immer erreicht,26 ist in den wenigsten antiken Texten gegeben. Für die hier vorgenommene Untersuchung der antiken Konzepte von sozialen Insekten ist eine Anwendung der modernen biologischen Systematik nach dieser Darstellung also nicht nur wenig hilfreich, sondern sogar hinderlich (dazu s. auch 1.1.4). Diese Konzepte sind per definitionem keine absolut objektiven Fakten (dazu s. 1.1.1), sodass ihre Erschließung aus den antiken Texten nicht mit einer modernen biologischen Methodik gelingen kann. Abgesehen davon, dass eine genaue Identifizierung mit einer modernen Spezies in den meisten Fällen seriös kaum möglich ist, da die Beschreibungen oft ungenau und stark literarisch überformt sind, umfassen die antiken Konzepte, wie bereits gesagt, andere Charakteristiken und Merkmale als die modernen biologischen Arten, sodass man schnell in Kategorien wie »richtig« oder »falsch« (aus Sicht der modernen Biologie) abdriftet. Dies können jedoch keine sinnvollen Kategorien für die Untersuchung antiker Konzepte sein. Praktisch bedeutet dies also, dass in dieser Arbeit, wenn es um die Darstellung der antiken Sichtweise geht, keine modernen artspezifischen Begriffe für die hier behandelten Tiere verwendet werden (also nicht Vespula vulgaris oder »Honigbiene«), sondern entweder die antike Bezeichnung über 26 Zu diesem Themenkomplex empfiehlt sich z. B. die Lektüre von Werber (2013) insbesondere das Kapitel »V. Die Gesellschaft als Ameisenhaufen«, S. 159–276, in dem er überzeugend aufzeigt, dass die Schriften moderner Biologen keineswegs frei von subjektiven Ansichten und Anthropomorphismen sind.

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Antike Artkonzepte

nommen oder aber ein unspezifisches deutsches Wort (z. B. »Wespe«, »Ameise«, »Biene«) gewählt wird. Dies gilt im Übrigen auch für die Bezeichnung der Anführer bei Bienen und Wespen. In antiken Texten wird der Weisel der Bienen oft »König« (βασιλεύς bzw. rex) genannt, der Anführer der Wespen aber oft »Mutter« (μήτρα bzw. mater). Wenn es um die Darstellung eines antiken Textes geht, werden die entsprechenden Tiere daher auch als Bienenkönig bzw. Wespenmutter bezeichnet. Gerade wenn man sich bemühen möchte, in Übersetzungen einen Eindruck von der Wirkung eines Textes auf seine ursprünglich intendierten Rezipienten zu vermitteln, verbietet sich ohnehin meist der Gebrauch von termini technici, da ein Fachvokabular in den meisten Fällen noch gar nicht entwickelt war bzw. ein Wort, selbst wenn es in einer speziellen Bedeutung gebraucht wurde, meist in anderen Zusammenhängen noch in einer allgemeineren Bedeutung Verwendung fand.

2.2 Was sind soziale Insekten? Im Folgenden soll es nun konkret um die Frage gehen, welche Tiere Untersuchungsgegenstände dieser Arbeit sind. Der Begriff »soziale« oder besser »euso­ziale Insekten« stammt streng genommen aus der Biologie. Eusozialität ist durch folgende Charakteristika gekennzeichnet: eine gemeinsame Brutpflege, eine arbeitsteilige Gesellschaft mit sterilen Kasten sowie überlappende Generationen.27 Eusozialität hat sich im Tierreich mehrmals unabhängig entwickelt und ist vor allem unter den Hymenopteren (Hautflüglern), wie Bienen, Wespen und Ameisen, verbreitet. Aber auch Arten aus anderen Tiergruppen, wie z. B. die Termiten (Isopteren) oder der Nacktmull (Mammalia), können in eusozialen Gemeinschaften leben.28 Grundlegend für diese Arbeit ist allerdings die bekannte Definition sozialer Tiere zu Beginn der Historia animalium (I 1, 488 a 7–10) des Aristoteles: πολιτικὰ δ’ ἐστὶν ὧν ἕν τι καὶ κοινὸν γίνεται πάντων τὸ ἔργον· ὅπερ οὐ πάντα ποιεῖ τὰ ἀγελαῖα. ἔστι δὲ τοιοῦτον ἄνθρωπος, μέλιττα, σφήξ, μύρμηξ, γέρανος. Soziale (Tiere) sind aber solche, deren Werk ein einziges und allen gemeinsames ist. Dies tun nicht alle Herdentiere. Von dieser Art aber sind Mensch, Biene, Wespe, Ameise, Kranich.

Das Adjektiv πολιτικός, in dem unschwer πόλις zu erkennen ist, stammt aus der menschlichen Sphäre, wird aber schon bald allgemein auf die Tierwelt über-

27 Vgl. z. B. Wehner; Gehring; Kühn (2013) 444. 28 Vgl. ebd. 450.

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tragen29 und wird, wie Kullmann zeigt, zu »einer allgemeinen zoologischen Bezeichnung des Sozialverhaltens«30. Konstitutiv für die Gruppe der ζῷα πολιτικά ist also nicht nur das bloße räumliche Zusammenleben, sondern ein gemeinsamer Sinn und ein Ziel, das über einen gemeinsamen Lebensraum hinausgeht.31 Aus dieser Gruppe sollen hier nun vor allem die Insekten Biene, Wespe und Ameise untersucht werden, die in besonderer Weise stets mit der menschlichen Gesellschaft in Verbindung gebracht werden. Der Kranich soll in dieser Arbeit ausgeklammert werden, da er als Vertreter der Vögel ohnehin einen Spezialfall darstellt und in anderen Kontexten auch nicht so häufig als typischer Vertreter sozialer Tiere auftritt. Zugleich bedeutet dies, dass solitär lebende »Arten« von Bienen, Wespen und Ameisen hier ebenfalls nicht ausführlich betrachtet werden, da bei ihnen auch keine so enge Verbindung zum Menschen konstruiert wurde. Ihre ohnehin nur seltenen Erwähnungen sind entsprechend weniger stark symbolisch aufgeladen und von bestimmten anthropomorphen Vorstellungen geprägt. Aufgrund dieser häufig implizit oder explizit hergestellten Verbindung zum Menschen bleibt es nicht aus, dass eine Untersuchung der sozialen Insekten meist mehr über die antike Sicht auf den Menschen und seine Gesellschaft verrät als über seine Kenntnis von diesen Tieren. Die Junktur ζῷον πολιτικόν in Bezug auf den Menschen und diese Insekten wurde bereits von Platon vorbereitet. Im Phaidon 82 b 6 f. nennt er die Bienen, Wespen und Ameisen als Vertreter jeweils eines πολιτικòν καὶ ἥμερον γένος (»einer sozialen und zahmen Art«). 29 Vgl. Kullmann (1980) 426.431 f. 30 Ebd. 434. An dieser Stelle bezieht Kullmann sich speziell auf Hist. an. VIII 1, 589 a 1 f., wo es heißt, dass sich die verständigeren (συνετώτερα) Tiere, die ein gemeinsames Gedächtnis besitzen (κοινωνοῦντα μνήμης), besser um ihre Nachkommen kümmern. Dies wird durch πολιτικώτερον χρῶνται τοῖς ἀπογόνοις ausgedrückt. Dies zeigt, dass die Bedeutung von πολιτικός bzw. in diesem Falle des Adverbs sich schon relativ weit von seiner wohl ursprünglichen Bedeutung »zu einer Polis gehörend« entfernt hat. Die Sorge um die Nachkommenschaft, die ein wichtiger Punkt der modernen Definition der Eusozialität ist, findet sich gewissermaßen also schon bei Aristoteles. 31 In Plutarchs Schrift De sollertia animalium scheint auf diese berühmte Aussage angespielt zu sein. In seiner Rede für die Klugheit der Wassertiere lobt Phaidimos das enge Verhältnis zwischen dem Fisch ἡγεμών (»Anführer«) und dem Wal. Dieses sei dem von Landtieren, speziell sogar dem sozialen Gefüge der Bienen und Ameisen überlegen (31, 981 B 7–10): ἐγὼ μὲν γὰρ οὐδ’ ἐν μελίτταις ὁρῶ τοσαύτην ἀλλήλων ἐπιμέλειαν οὐδ’ ἐν μύρμηξι· τὸ γὰρ κοινὸν αὔξουσι πᾶσαι καὶ πάντες ἔργον, ἑτέρῳ δὲ καθ’ ἕτερον ἑτέρου στοχασμὸς οὐδεὶς οὐδὲ φροντὶς ἔστιν. – »Ich jedenfalls sehe nämlich bei den Bienen keine so große Fürsorge fürein­ ander und auch nicht bei den Ameisen. Denn sie mehren zwar alle das gemeinsame Werk, eine einzelne schenkt aber einer anderen als Einzelperson keine Aufmerksamkeit und Sorge.« In dieser – freilich parteiischen Aussage – wird den Bienen und Ameisen also unterstellt, dass es ihnen nur auf das Wohlergehen der Gesamtheit, nicht aber auf das des Einzelnen ankomme. Dazu finden sich jedoch auch zahlreiche andere Meinungen, nicht zuletzt bei Plutarch selbst (s. z. B. u. 313; 6.5.4).

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In einigen römischen Quellen dagegen scheint nur noch die Biene diesen besonderen Rang als vorbildhaftes soziales Tier einzunehmen. In den Georgica (4,153–155) Vergils heißt es etwa: solae communis natos, consortia tecta urbis habent magnisque agitant sub legibus aevum, et patriam solae et certos novere penatis; Als Einzige haben sie gemeinsame Nachkommen und gemeinschaftlich geteilte Häuser einer Stadt und führen ihr Leben unter gewaltigen Gesetzen und kennen als Einzige ein Vaterland und sichere Penaten (i. e. ein sicheres Heim).

Die besonders emphatische Betonung von solae ist sicherlich auch der Darstellungsabsicht Vergils geschuldet, die Bienen als etwas Außergewöhnliches und Singuläres zu zeigen.32 Man kann diese Aussage, wenn man sie vor dem Hintergrund des römischen Bürgerkrieges lesen möchte, sogar so verstehen, dass selbst die Menschen bzw. die Römer all diese Eigenschaften nicht (mehr) besitzen. Man beachte in diesem Zusammenhang die besonders stark aufgeladenen Substantive wie urbs, leges, patria und penates, welche die Bienen hier als die besseren Römer charakterisieren können.33 Bereits bei Varro34 (Rust. 3,16,4) werden die Bienen gegenüber anderen Tieren herausgehoben: Eae apes non sunt solitaria natura, ut aquilae, sed ut homines. – »Diese Bienen sind nicht von solitärer Natur wie Adler, sondern wie Menschen.« Varro findet für die Lebensart der Bienen keinen Vergleichsgegenstand unter den übrigen Tieren, sondern nur den Menschen. Diese Lebensart zeichnet sich durch eine Arbeitsgemeinschaft und durch gemeinschaftliche Wohnungen aus (societas operis et aedificiorum). Zudem besäßen die Bienen Vernunft und Kunst­fertigkeit (ratio et ars), welche ihnen die Fähigkeit verliehen, die Arbeit zu erledigen, zu bauen und Vorräte anzulegen (dazu s. u. 2.3.2). 32 Vgl. Thomas (1988) 176 f. 33 In der Forschung wird das Bienenbuch der Georgica und insbesondere diese Passage teilweise negativ gelesen. So merkt Perkell (1989) 127 an, dass das Kollektiv des Bienenstaates der menschlichen Gesellschaft mit seinen Individuen nicht als Vorbild dienen kann. Neben der Tatsache, dass die Betonung der Individualität jedes einzelnen Menschen vielleicht generell nicht den Stellenwert einnahm, den sie heute hat – man denke nur an den Menschen als ζῷον πολιτικόν (s. auch im Folgenden zu Varro) –, kann man belegen, dass die antiken Quellen gerade den Römern ein ausgesprochenes Kollektivdenken unterstellen. Erinnert sei etwa an die Ausführungen im 6. Buch der Historien des Polybios oder auch an die Origines des älteren Cato, welche niemals die Namen siegreicher Feldherren nannten, weil die Siege als Erfolg des ganzen römischen Volkes herausgestellt werden sollten (vgl. Griffin [1979] 73). Zudem bleibt die Frage, wie weit die Analogie zur menschlichen Gesellschaft in den Georgica wirklich reicht (dazu s. auch u. 280). 34 Varros Bienenkapitel ist in zwei durchaus unterschiedlich charakterisierte Abschnitte geteilt (dazu s. u. 192). Dies gilt es im Folgenden stets zu bedenken.

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Man muss natürlich einräumen, dass sowohl Varro als auch Vergil aufgrund des Inhalts ihrer Werke in erster Linie auf die Bienen fokussiert sind, sodass man die exklusive Zuschreibung der Sozialität zu den Bienen bis zu einem gewissen Grade auch auf diese Tatsache zurückführen kann. Daneben nennt aber Cicero (Off. 1,157) ebenfalls nur die Bienen als Beispiel für von Natur aus soziale Tiere (congregabilia natura)  neben dem Menschen, was natürlich nicht unbedingt heißt, dass es keine anderen gibt. Der Gemeinsinn der Bienen wird auch im Hexaemeron des Basilius (8,4) sowie noch stärker in dem des Ambrosius (5,66 f.) hervorgehoben,35 der den Bienen den ersten Rang unter allen Tieren in Bezug auf den Gemeinsinn einräumt (5,67): magna haec, sed quanto in apibus praestantiora, quae solae in omni genere animantium communem omnibus subolem habent, unam omnes incolunt mansionem, unius patriae clauduntur limine. Diese Dinge sind großartig, aber um wie viel überragender sind sie bei den Bienen, die als einzige im ganzen Geschlecht der Tiere allen gemeinsame Nachkommen haben, alle in einer einzigen Wohnung leben und durch die Grenze eines einzigen Vaterlandes umschlossen werden.

Andere Autoren gestehen zumindest neben den Bienen auch den Ameisen einen gewissen Gemeinsinn zu. Plinius (HN 11,108 f.) nennt als Eigenschaften der Ameisen beispielsweise die Arbeitsteilung (hae [sc. formicae] communicantes laborem, ut apes […]) sowie eine Staatsordnung, Gedächtnis und (Vor-)Sorge (rei publicae ratio, memoria, cura), welche als Kennzeichen sozialer Insekten genannt werden können. Bereits Cicero lässt in seinem Dialog De natura ­deorum (3,21) Cotta den Ameisen mens, ratio und memoria zusprechen. Auch für Quintilian (Inst. 5,11,24) sind die Bienen und die Ameisen ein Beispiel für den Menschen in Bezug auf die res publica: si ad curam rei publicae horteris, ostendas apes etiam formicasque, non modo muta sed etiam parva animalia, in commune tamen laborare. Wenn du zur Sorge um das Gemeinwesen anhalten willst, zeige, dass sogar Bienen und Ameisen – nicht nur stumme, sondern auch kleine Tiere – dennoch für ein gemeinsames Gut arbeiten.

Die Sorge um ein Gemeinwesen erscheint nach diesen Darstellungen das wichtigste Charakteristikum sozialer Tiere zu sein, wenngleich noch einige weitere Eigenschaften Teil der antiken Konzepte von den sozialen Insekten sind. Diese sollen nun im Folgenden besprochen werden. 35 Vgl. dazu ausführlich Henke (2000) 175–179.

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2.3 Zentrale Eigenschaften der sozialen Insekten Neben dem Gemeinsinn, welcher gewissermaßen als konstitutiv für das Zusammenleben dieser Tiere gilt, finden sich noch einige weitere Eigenschaften, die typischerweise mit allen oder auch nur mit einzelnen »Arten« sozialer Insekten verbunden werden und die die antiken Konzepte von den sozialen Insekten stark prägen.

2.3.1 Geist und Seele Fragen nach den mentalen Fähigkeiten der sozialen Insekten oder auch nach dem Besitz einer Seele werden in den antiken Texten häufiger kontrovers debattiert. In einer Passage des platonischen Dialogs Phaidon wird über eine Form der Seelenwanderung gesprochen. Das Argument des platonischen Sokrates ist, dass die menschliche Seele nach dem Tod des Körpers in Körpern von Tieren wiedergeboren werden kann. In welchem Tier eine solche Seele wiedergeboren wird, ist abhängig von den charakterlichen Hauptmerkmalen, die der Mensch in seinem Leben gezeigt hat.36 Das Tier steht hier somit stellvertretend für eine bestimmte menschliche Eigenschaft, durch die es sich prototypisch auszeichnet.37 So sollen beispielsweise die Seelen zu Völlerei, Ausgelassenheit und Trunksucht neigender Menschen in Eseln wiedergeboren werden (Phd. 81 e 5 – 82 a 1). Die Seelen ungerechter und tyrannischer Menschen sollen dagegen in Wölfe und Raubvögel eingehen (Phd. 82 a 3–5). Als positives Beispiel werden dann allerdings Bienen, Wespen und Ameisen genannt (aus dieser Passage stammt die bereits oben [39] angeführte Junktur des γένος πολιτικόν). Die Seelen der εὐδαιμονέστατοι (»der Glückseligsten«; Phd. 82 a 10) gehen an den besten Ort. Diese Μenschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ohne Philosophie und Verstand (ἄνευ φιλοσοφίας τε καὶ νοῦ; Phd. 82 b 2 f.), sondern durch ihre Gewohnheit und ihr Verhalten die bürgerliche und soziale Tugend pflegen (οἱ τὴν δημοτικὴν καὶ πολιτικὴν ἀρετὴν ἐπιτετηδευκότες; Phd. 82 a 11 – b 1). Diese Tugend setze sich aus Besonnenheit (σωφροσύνη) und Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) zusammen. Die Seelen solchermaßen veranlagter Menschen sollen entweder in Tiere wie Bienen, Ameisen oder Wespen oder wiederum in Menschen eingehen (Phd. 82 b 5–8). Daraus lassen sich für diese Untersuchung interessante Erkenntnisse gewinnen. Zum einen wird deutlich, dass Bienen, Wespen und Ameisen (andere Tiere natürlich auch) eine gewissermaßen menschliche Seele besitzen können und 36 Die Seelenwanderung wird auch in weiteren platonischen Dialogen besprochen; s. u.  209. 37 Vgl. auch im Folgenden Burgess (2008) 14 f.

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diese der Seele der besten Menschen entspricht. Im Gegensatz zu den anderen genannten Tieren werden die sozialen Insekten ausschließlich mit positiven Eigenschaften verbunden. Das Eingehen der Seele in diese Tiere wird als gleichwertig mit dem Eingehen in einen menschlichen Körper dargestellt.38 Dies hebt die sozialen Insekten deutlich aus der Menge der übrigen Tiere heraus und stellt sie in eine besondere Nähe zu den Menschen, genauer gar zu den guten Menschen. Allerdings ist auch gesagt, dass diese guten Eigenschaften nicht unbedingt aus einem Verstand heraus erwachsen müssen, den Tiere in der platonischen Auffassung generell nicht zu besitzen scheinen.39 Aristoteles hat eine hohe Meinung von den mentalen Fähigkeiten der sozialen Insekten. So bezeichnet er die Bienen beispielsweise in der Metaphysik (I 1, 980  b 22–24) als verständige Tiere (φρόνιμα [ζῷα]), die allerdings keine Fähigkeit zum Lernen besäßen,40 weil ihnen das Gehör fehle.41 Diese Verständigkeit stammt wohl aus der Fähigkeit zur Erinnerung (μνήμη), die die Bienen im Gegensatz zu weniger begabten Tieren nach der Ansicht des Aristoteles wohl besitzen (Metaph. I 1, 980 a 27 – 980 b 22).42 Wie viele Kommenta­ 38 Genau dieser bei Platon angedeuteten Haltung tritt beispielsweise der christliche Autor Origenes (C. Cels. 4,83) entschieden entgegen, da für ihn die Seele des Menschen als Abbild Gottes nicht in einen Tierkörper eingehen kann. 39 Vgl. Burgess (2008) 20 Anm. 36 mit weiteren Belegstellen bei Platon. 40 In Hist. an. IX 40, 626 b 1–4 spricht Aristoteles über die Bienen, die weniger ordentliche Waben bauen. Er verweist dabei auf die Meinung einiger Imker, die behaupten, es handle sich dabei nicht um eine eigene »Art«, sondern um junge Bienen, die aus Mangel an Erfahrung (δι’ ἀνεπιστημοσύνην; 626 b 4) schlechtere Waben errichteten. Dies bedeutet wohl, dass zumindest einige Quellen des Aristoteles den Bienen eine gewisse Lernfähigkeit unterstellten. Vgl. dazu auch Meyer (2017) 155. Seneca (Ep. 121,23) dagegen nimmt unter anderem den – nach seiner Darstellung – immer gleichen Wabenbau der Bienen als Beleg dafür, dass die Fähigkeit dazu von Natur aus angeboren sein müsse und gerade nicht erlernt sein könne. Vgl. auch Dierauer (1977) 216. 41 In anderen Kontexten wird den Bienen allerdings nicht nur die Fähigkeit zu hören zugeschrieben, sondern sogar ausdrücklich betont, dass sie angenehme Töne mögen, unangenehme aber ablehnen (s. u. 363). 42 In De an. III 3, 428 a 10 f. wird zudem vermutlich unterstellt, dass Bienen und Ameisen eine φαντασία besäßen, der σκώληξ aber nicht. Diese Stelle ist textkritisch allerdings höchst umstritten, sodass man je nach Rekonstruktion auch das genaue Gegenteil herauslesen kann, nämlich, dass weder Bienen noch Ameisen noch der σκώληξ die φαντασία besitzen. Eine solche Lesart vertreten z. B. Hicks (1965) 124 mit Kommentar auf Seite 462; Jannone; Barbotin (1966) 76 und W. D. Ross in der OCT-Edition von 1956. Eine andere Lesart (Bienen und Ameisen besitzen φαντασία, der σκώληξ aber nicht) vertritt D. Ross (1961), dazu der Kommentar auf Seite 282 und 286. Auch Theiler (1959) 137; Hamlyn (1968) 54 mit Kommentar auf Seite 131 f. und Shields (2016) 57 mit Kommentar auf Seite 283 entscheiden sich ähnlich. Wichtigstes Argument für ein solches Verständnis scheint neben den auch hier genannten Parallelstellen die Tatsache zu sein, dass Ameisen und Bienen von Aristoteles nicht auf gleicher Ebene mit dem σκώληξ gesehen werden, welcher für ihn die einfachste tierische Lebensform darstellt. Ameisen und Bienen sind daher nicht die naheliegendsten Beispiele für Tiere ohne mentale Fähigkeiten.

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toren43 bemerken, entspricht die Bedeutung von φρόνιμος an dieser Stelle wohl nicht der von Aristoteles gegebenen Definition der φρόνησις in der Nikomachischen Ethik (VI 5, 1140 b 20 f.)44: ὥστ’ ἀνάγκη τὴν φρόνησιν ἕξιν εἶναι μετὰ λόγου ἀληθῆ περὶ τὰ ἀνθρώπινα ἀγαθὰ πρακτικήν. – »Sodass die Einsicht notwendigerweise eine mit der Vernunft verbundene, aufrichtige Haltung ist, die auf praktische Realisierung der menschlichen Güter ausgerichtet ist.« Vielmehr muss φρόνιμος in einem allgemeineren Sinn verstanden werden, der auch in Bezug auf Tiere passend ist. Dies drückt Aristoteles denn auch selbst in der Nikomachischen Ethik (VI 7, 1141 a 26–28) aus:45 διὸ καὶ τῶν θηρίων ἔνια φρόνιμά φασιν εἶναι, ὅσα περὶ τὸν αὑτῶν βίον ἔχοντα φαίνεται δύναμιν προνοητικήν. – »Daher sagt man auch, dass einige Tiere verständig seien, die in Bezug auf ihr eigenes Leben eine Fähigkeit zur Vorausschau zu haben scheinen.« (zu dieser Fähigkeit der sozialen Insekten s. 2.3.2 und Kapitel 7). Tiere können also durchaus als φρόνιμα bezeichnet werden, jedoch kann man davon ausgehen, dass es graduelle Unterschiede zwischen Mensch und Tier in der Ausprägung dieser Eigenschaft gibt.46 In De partibus animalium wird an zwei Stellen (II 2, 648 a 5–7 und 650 b 24–27) erwähnt, dass Bienen und Ameisen (letztere nur in 650 b 24–27) verständiger (in 648 a 6 φρονιμώτερα τὴν φύσιν bzw. in 650 b 26 συνετωτέραν ψυχήν) seien als einige Bluttiere. Dies liege an ihrer dünnen Körperflüssigkeit.47 Dünnes und warmes Blut sind hier für Aristoteles die beiden Ursachen für die Fähigkeit zu verständigem Denken. Dabei ist aber die Dünnheit der Körperflüssigkeit wichtiger als die Wärme, wofür er die vermeintlich verständigen Insekten als Beleg anführt. Verbunden mit dieser Frage ist auch die Bedeutung des θεῖον (»das Göttliche«), das den Bienen in De generatione animalium III 10, 761 a 5 im Gegensatz zu den Wespen zugeschrieben wird (dazu s. u. 63). Es scheint jedoch ein wichtiges Element der aristotelischen Theorie zu sein, dass der Verstand (νοῦς) vor allem dem Menschen zukomme.48 Deutlich wird dies etwa in einer Passage der Physik (II 8), in der Aristoteles die Finalursache in der Natur diskutiert. Diese sei am besten bei nicht menschlichen Tieren zu sehen, die ohne Handwerkskunst, vorherige Untersuchung und Planung tätig würden (μάλιστα δὲ φανερὸν ἐπὶ τῶν ζῴων τῶν ἄλλων, ἃ οὔτε τέχνῃ οὔτε ζητήσαντα 43 Vgl. z. B. Schwengler (1960) 5 f.; Bonitz (1960) 38 f.; Ross (1958) 115 f.; Tricot (1974) 3; dazu auch Dierauer (1977) 145 f.; umfangreicher mit dieser Thematik beschäftigt sich auch Meyer (2017). 44 Ähnlich bereits VI 5, 1140 b 4–6. Weitere Definitionen, die ebenfalls den λόγος miteinbeziehen, finden sich z. B. auch in den Topica V 5, 134 a 33–36; V 6, 136 b 10–12 (vgl. z. B. Schwegler [1960] 5; Bonitz [1960] 39; Tricot [1974] 3 für diese und weitere Belegstellen). 45 Vgl. Schwengler (1960) 5 f.; Bonitz (1960) 39; Ross (1958) 115 f.; Tricot (1974) 3. 46 Vgl. Meyer (2017) 144. 47 Vgl. Kullmann (2007) 380. Hier finden sich auch weitere Stellen und umfangreiche Literaturangaben zur Intelligenz bei Tieren. Dazu auch Cho (2011) 11 mit Anm. 4. 48 Vgl. Kullmann (2007) 380.

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οὔτε βουλευσάμενα ποιεῖ; II 8, 199 a 20 f.). Hier führt er Spinnen, Ameisen und ähnliche Tiere als Beispiele an, bei denen sich manche Menschen unsicher seien, ob sie ihre Werke aufgrund von Verstand oder etwas Anderem verrichteten (ὅθεν διαποροῦσί τινες πότερον νῷ ἤ τινι ἄλλῳ ἐργάζονται οἵ τ’ ἀράχναι καὶ οἱ μύρμηκες καὶ τὰ τοιαῦτα; II 8, 199 a 21–23). Da jedoch sogar Pflanzen zweckbestimmte Organe ausbildeten, so fährt Aristoteles weiter fort, diene dies als Beleg für seine These, dass es eine Finalursache in der Natur gebe. Es gibt also in der Natur durchaus der menschlichen Handwerkskunst vergleichbare Einrichtungen und Strukturen. Im Falle der Tiere und Pflanzen kommt diese jedoch unreflektiert und ohne Planung, einfach aufgrund der Zielgerichtetheit der Natur zustande. Die mentalen Fähigkeiten der Tiere scheinen zumindest an dieser Stelle gar eher in die Nähe von Pflanzen als von Menschen gerückt zu sein.49 Zudem verfügt der Mensch nach Aristoteles als einziges Lebewesen über die vernünftige Sprache im Sinne des λόγος.50 Der λόγος ist es, der ihn gegenüber allen anderen ζῷα πολιτικά noch einmal besonders heraushebt.51 Dieser Gedanke findet sich einer bekannten Passage der Politik (I 2, 1253 a 7–18): διότι δὲ πολιτικὸν ὁ ἄνθρωπος ζῷον πάσης μελίττης καὶ παντὸς ἀγελαίου ζῴου μᾶλλον, δῆλον. οὐθὲν γάρ, ὡς φαμέν, μάτην ἡ φύσις ποιεῖ· λόγον δὲ μόνον ἄνθρωπος ἔχει τῶν ζῴων· ἡ μὲν οὖν φωνὴ τοῦ  λυπηροῦ καὶ ἡδέος ἐστὶ σημεῖον, διὸ καὶ τοῖς ἄλλοις ὑπάρχει ζῴοις (μέχρι γὰρ τούτου ἡ φύσις αὐτῶν ἐλήλυθε, τοῦ ἔχειν αἴσθησιν λυπηροῦ καὶ ἡδέος καὶ ταῦτα σημαίνειν ἀλλήλοις), ὁ δὲ λόγος ἐπὶ τῷ δηλοῦν ἐστι τὸ συμφέρον καὶ τὸ βλαβερόν, ὥστε καὶ τὸ δίκαιον καὶ τὸ ἄδικον· τοῦτο γὰρ πρὸς τὰ ἄλλα ζῷα τοῖς ἀνθρώποις ἴδιον, τὸ μόνον ἀγαθοῦ καὶ κακοῦ καὶ δικαίου καὶ ἀδίκου καὶ τῶν ἄλλων αἴσθησιν ἔχειν. Weshalb der Mensch in höherem Maße ein soziales Tier als jede Biene und jedes Herdentier ist, ist offensichtlich. Denn nichts macht die Natur, wie wir behaupten, umsonst. Als einziges Tier hat der Mensch die (vernünftige) Sprache; die Stimme ist zwar nun ein Zeichen von Schmerz und Freude, daher ist sie auch bei den anderen Tieren vorhanden (denn so weit ist deren Natur gegangen, dass sie eine Wahrnehmung des Schmerzes und der Freude haben und dies einander mitteilen können), die (vernünftige) Sprache aber dient dem Aufzeigen des Nützlichen und des Schädlichen, (und) 49 Vgl. Dierauer (1977) 142 f. 50 Vgl. z. B. Fögen (2007) 39.50. Ausführlich widmet sich Cho (2011) dem Thema der aristotelischen Theorie zur Stimme und Sprache bei Tieren (in erster Linie der Vögel) und beim Menschen. Er kommt zu dem Ergebnis (S. 37 f.), dass vor allem zwischen den komplexen Lautäußerungen der Vögel und denen der Menschen in anatomisch-physiologischer Hinsicht nur ein gradueller Unterschied besteht, jedoch ein qualitativer in Hinblick auf die Psyche. Tiere seien im Gegensatz zum Menschen nicht in der Lage, sich bewusst etwas in Erinnerung zu rufen und daraus planvoll eine Handlung abzuleiten (S. 29). Zudem unterscheiden sich selbst komplexere tierische Lautäußerungen von denen der Menschen dadurch, dass die menschlichen Laute aufgrund einer »Übereinkunft« und nicht von Natur aus eine bestimmte Bedeutung tragen (S. 31.) Vgl. dazu auch Dierauer (1977) 125–128, 51 Vgl. Kullmann (1980) 424.

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somit auch des Gerechten und Ungerechten; denn dies ist das, was den Menschen gegenüber den anderen Tieren auszeichnet, dass er allein die Wahrnehmung des Guten und Schlechten, des Gerechten und Ungerechten und der übrigen (Dinge) besitzt.

Diese enge Verbindung von Verstand und Sprache im Griechischen zeigt sich zudem darin, dass das griechische Wort λόγος unter anderem diese beiden Bedeutungen haben kann. Einen ähnlichen Gedanken zum Zusammenhang zwischen der Fähigkeit zu sprechen und dem Verstand zeigt auch das Zitat von Quintilian (Inst. 5,11,24), das oben (41) angeführt wurde. Hier ist von muta animalia die Rede. Dies geht zumindest bei ihm wohl immer mit einem Fehlen von ratio einher, wie es beispielsweise in Inst. 2,16,16 ausgedrückt wird. Dort spricht Quintilian davon, dass es auch im Tierreich (ausdrücklich wird hier auf die Bienen Bezug genommen) Fähigkeiten gebe, die eine gewisse ratio voraussetzten. Er schließt jedoch mit folgender Bemerkung: sed, quia carent sermone quae id faciunt, muta atque inrationalia vocantur. – »Aber, weil die (Tiere), die dies vollbringen, nicht über (vernünftige) Sprache verfügen, werden sie stumm und vernunftlos genannt.« Bei Quintilian erwächst die Bewunderung der Bienen und Ameisen und ihr Vorbildcharakter vor allem daraus, dass sie im Gegensatz zum Menschen Sprache und Vernunft nicht besitzen, aber trotzdem ein wohlgeordnetes Gemeinwesen vorweisen können. Eine ähnliche Auffassung scheint Columella zu vertreten. Über die neu geschlüpften reges heißt es (Rust. 9,9,1; dazu s. auch u. 277): qui ubi evolandi vires adepti sunt, consortia dedignantur vetustiorum, multoque magis imperia, quippe cum rationabili generi mortalium, tum magis egentibus consilii mutis animalibus nulla est regni societas. Sobald diese die Kräfte zum Fortfliegen erlangt haben, verschmähen sie die Gemeinschaft mit den älteren, und noch viel mehr die Herrschaftsgewalt, da es ja schon bei dem vernunftbegabten Geschlecht der Sterblichen (i. e. der Menschen), aber noch viel mehr bei Tieren ohne Einsicht52 und Sprache keine Gemeinschaft der Herrschaft gibt.

Die Vorzeichen sind hier gewissermaßen umgekehrt wie bei Quintilian. Ein Verhalten, das bei den vernunftbegabten Menschen anzutreffen ist, muss für Columella umso mehr für Tiere gelten, die keine Vernunft besitzen. Auch in diesem Falle geht offenbar ein Fehlen von Einsicht mit der fehlenden Fähigkeit, zu sprechen, einher.53

52 Das lateinische Wort consilium hat noch zahlreiche weiteren Bedeutungen und könnte an dieser Stelle z. B. auch »Beratung« oder »Ratschlag« meinen, welche Tieren ohne Sprache nicht möglich sind. Vor allem aufgrund der Parallelstellen scheint jedoch die gewählte Übersetzung am passendsten. Auch Dumont (2002) 44 übersetzt mit »privés de jugement«. 53 Vgl. Dumont (2002) 44 Anm. 118 mit weiteren Stellen.

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In einer längeren Passage setzt sich Origenes in seiner Schrift Contra Celsum (4,81–85) mit dessen These auseinander, dass die Menschen nicht besser seien als Bienen und Ameisen, weil sogar bei diesen Tieren soziale und staatliche Strukturen wie beim Menschen vorhanden seien (C. Cels. 4,81). Origenes entgegnet dem mit dem Argument, dass diese Strukturen und Einrichtungen beim Menschen aus seiner Vernunft und seinem Verstand erwüchsen, bei den Tieren aber gewissermaßen durch Gottes Einrichtung der Natur instinktiv vorhanden seien. Aus diesem Grund wehrt er sich gegen eine in seinen Augen missbräuchliche Verwendung von Begriffen (καταχρηστικώτερον οὕτως ὀνομαζόμεναι; 4,81) aus der menschlichen Gesellschaft wie πολιτεία, ἀρχή oder ἡγεμονία in Bezug auf diese Tiere. Die Organisation der Ameisen- oder Bienengesellschaft sieht er nur als Nachahmung (μίμησις) des aus der Vernunft entstandenen menschlichen Staates. Nicht die Ameisen und die Bienen seien für ihre Leistung zu bewundern, sondern Gott, der dies gut eingerichtet habe.54 Ähnlich wie Quintilian – jedoch mit christlichem Gottesbezug  – versteht er das Funktionieren der Insekten­ gesellschaften als Antrieb für die Menschen, sich ebenfalls stärker darum zu bemühen. Die Tiere seien vielleicht von Gott geschaffen, um die vernunftbegabten Menschen zu beschämen (τάχα πρὸς δυσωπίαν τῶν λογικῶν; 4,81), da sie gewissermaßen sogar ohne Vernunft Fleiß, Vorratshaltung und Gehorsam zeigen.55 Im Buch der Sprichwörter (30,24 f.), im ursprünglich hebräischen Teil des Alten Testamentes, wird die Ameise als eines der vier weisen kleinen Tiere genannt (der Wortlaut in der LXX ist σοφώτερα τῶν σοφῶν). Aus der hellenistisch-­ jüdischen Literatur stammt eine Passage im 4. Makkabäer-Buch (14,18 f.), in der die Bienen zwar als ζῷα ἄλογα bezeichnet werden, aber von ihnen auch gesagt wird, dass sie ihre Nachkommen tapfer gegen Aggressoren verteidigen. Das Motiv, dass Bienen und Wespen ihren Nachwuchs verteidigen, findet sich bereits in der Ilias (12,167–172). In Bezug auf einen Wespenschwarm wird dies auch in einem weiteren Gleichnis der Ilias (16,259–267) gesagt. Es gibt jedoch auch Autoren, die den sozialen Insekten Vernunft zuschreiben.56 So sagt beispielsweise Appius bei Varro (Rust. 3,16,4), die Bienen besäßen ratio et ars (»Vernunft und Kunstfertigkeit«) und sie seien die geflügelten Tiere (volucres), denen die Natur im höchsten Maße Verstand und Kunstfertigkeit zugeteilt habe ([…] quibus plurimum natura ingenii atque artis tribuit; Rust. 3,16,3). Plinius (HN 11,109) erkennt bei den Ameisen immerhin memoria 54 Basilius (Sermones de moribus  a Symeone Metaphrasta collecti PG 32,1309 A–B) erkennt auch in der sinnvollen Einrichtung der kleinsten Dinge die Weisheit Gottes. Als Beispiel dient ihm hier der feine, aber innen hohle Stachel der Bienen, durch den sie ihr Gift injizieren können. Nicht nur das häufig bewunderte Gemeinschaftsleben der Bienen, sondern, wie in diesem Falle, auch äußere Einrichtungen dienen als Beleg für die angenommene σοφία τοῦ Θεοῦ. 55 Vgl. auch Ronnenberg (2008) 154. 56 Für eine Auflistung von Stellen vgl. z. B. Robert-Tornow (1893) 103–105.

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und cura (»Gedächtnis« und »Vorsorge«). Zudem besitzen sie in seiner Darstellung, wie bereits gesagt, eine Staatsordnung (rei publicae ratio; HN 11,109) und können sich offensichtlich unterhalten (quaedam conlocutio et percunctatio; HN 11,110).57 Auch Plutarch spricht in seinem Kapitel über die Ameisen in De sollertia animalium (11, 967 E 1) von φρόνησις (»Klugheit«) und selbst Kleanthes, der den Tieren den λόγος abgesprochen habe, habe nach der Aussage bei Plutarch von einer beeindruckenden Geschichte berichtet (967 E 1–3; zu dieser Geschichte s. u.  325). Eine Sentenz (12) aus dem Corpus Aesopicum nennt die Biene das weiseste (σοφώτατον) der nützlichen Tiere (χρήσιμα ζῷα, im Gegensatz zu den ἄχρηστα ζῷα, deren weisester Vertreter die Spinne ist). In einer Passage der Geoponica (15,3,1), die dem Didymos zugeschrieben wird, wird die Biene als πάντων τῶν λοιπῶν ζῴων σοφωτάτη καὶ εὐμηχανωτάτη καὶ σύνεγγυς ἀνθρώπῳ κατὰ τὸ συνετόν (»das weiseste und geschickteste von allen übrigen Tieren und dem Menschen bezüglich des Verstandes sehr nahe«) charakterisiert. Isidor (Etym. 12,4,9) spricht bezogen auf die Tätigkeiten der Ameisen (Vorsorge für den Winter, Auswahl des geeigneten Getreides, Bewahrung der Körner vor Regen) von sollertia. Auch die Bienen nennt er sollertes (Etym. 12,8,1) in Bezug auf die Honigherstellung. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Passage des christlichen Autors Laktanz. Er gesteht in seinen Institutiones divinae (3,10) zwar einigen Tieren eine gewisse ratio zu und geht dabei sogar speziell auf die Bienen ein, für ihn ist aber das wichtigste Distinktionsmerkmal zwischen Mensch und Tier die Gotteserkenntnis. Diese sei allein dem Menschen gegeben.58 Besonders eindrücklich äußert sich Vergil zum Geist der Bienen. Seine Ausführungen zu ihrem besonderen Charakter schließt er mit folgenden Versen (G. 4,219–221):59 His quidam signis atque haec exempla secuti esse apibus partem divinae mentis et haustus aetherios dixere; […]. Aufgrund dieser Zeichen und diesen Beispielen folgend sagte man, dass die Bienen einen Teil des göttlichen Verstandes und einen Hauch aus dem Äther besäßen; […]. 57 Auch Kelsos scheint dies nach den Ausführungen und einem Zitat bei Origenes (C. Cels. 4,84) behauptet zu haben. 58 Diese Haltung ist freilich nicht nur den Christen eigen. Platon beispielsweise lässt Protagoras in seinem gleichnamigen Dialog einen Schöpfungsmythos erzählen. Auch hier (Prt. 322 a 4) wird gesagt, dass der Mensch als einziges Tier aufgrund seiner Verwandtschaft zu den Göttern an diese glaube (διὰ τὴν τοῦ θεοῦ συγγένειαν ζῴων μόνον θεοὺς ἐνόμισεν). 59 Wohl von dieser Stelle beeinflusst findet der Autor der pseudo-quintilianischen Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«) 16 sehr ähnliche Worte. Es heißt zwar, dass die Bienen eine ratio humana (15) besäßen, ihre Fähigkeiten sollen die der Menschen jedoch sogar übertreffen (hoc humana excogitare non potuit sollertia; 16).

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Interessanterweise werden die mentalen Fähigkeiten der Insekten, in welchem Maße man sie ihnen auch immer zuschreiben möchte, in erster Linie mit ihrer sozialen Lebensweise in Verbindung gebracht. Eine wohlgeordnete Gesellschaft, wie man sie in der Antike in den Ameisen- und Bienenstaaten sah, scheint als ein Kennzeichen gewisser mentaler Fähigkeiten wahrgenommen worden zu sein. Nicht zuletzt dadurch zeichnen sich die sozialen Insekten gegenüber den meisten anderen Tieren aus und werden daher in besondere Nähe zum Menschen gerückt. Die Vergleichbarkeit ist also fundamentaler und auch abstrakter im geistig-seelischen Bereich verortet und übertrifft damit die bloße morphologische oder physiologische Ähnlichkeit, die zwischen dem Menschen und bestimmten Bluttieren festgestellt werden kann. Die Frage nach den geistigen Fähigkeiten, die man in der Antike den Bienen, Wespen und Ameisen zuschrieb, ist daher kaum von der nach der Art ihrer Lebensweise und ihrem Verhältnis zum Menschen zu trennen.

2.3.2 Vorsorge Die Fähigkeit, Vorsorge für den Winter zu treffen, schreiben die antiken Texte vor allem den Bienen und Ameisen zu.60 Sicherlich spielte das angenomme Vermögen zur Prognose eine wichtige Rolle bei der Zuschreibung gewisser mantischer Fähigkeiten zu diesen Insekten (dazu s. Kapitel 7). Appius stellt die Bienen bei Varro (Rust. 3,16,4) gar als Vorbild für den Menschen in Bezug auf ihre Vorratshaltung dar (ab his [sc. apibus] discunt […] cibaria condere). Vergil (G. 4,156) bezeichnet sie als venturae hiemis memores (»des kommenden Winters eingedenk«). Ähnlich werden die Bienen auch in der pseudo-quintilianischen Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«) 17 be­ schrieben: non ut ferae volucres, non praesentis modo cibi memores in diem vivunt; duraturus hiemi reponitur victus, et repletis vere cellis tutus annus est. (Sie sind) nicht wie die wilden Vögel, sie denken nicht nur an das gegenwärtige Futter und leben in den Tag hinein; haltbare Nahrung wird für den Winter zurückgelegt, und wenn die Zellen im Frühjahr gefüllt sind, ist das Jahr sicher.

60 Wespen errichten in gemäßigten Breiten nur einjährige Nester – wie man in der Antike bereits wusste –, sodass keine größeren Vorräte für den Winter angelegt werden (s. auch 1.4.3). So heißt es etwa bei Aristoteles (Hist. an. IX 42, 629 a 13–16) explizit zu den Anthrenen, dass sie im Gegensatz zu den Bienen keine Vorräte anlegen, sondern entweder überwintern oder (größtenteils) sterben; möglicherweise sogar alle (οὐδὲ τροφὴν ὥσπερ αἱ μέλιτται ἀποτίθενται, ἀλλὰ φωλεύουσι τὸν χειμῶνα, αἱ δὲ πλεῖσται ἀποθνήσκουσιν· εἰ δὲ καὶ πᾶσαι, οὔπω δῆλον).

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Aristoteles und Plinius gestehen den Bienen gar zu, die zu erwartende Honigmenge abschätzen zu können und entsprechend Drohnen zu produzieren (s. u. 159). In Xenophons Oikonomikos (7,33), der den Weisel der Bienen mit der Ehefrau vergleicht, wird das Aufbewahren der Güter als dessen Aufgabe beschrieben (s. u.  235). Schon in den Anfängen der griechischen Literatur wird die Vorsorge typischerweise mit der Ameise verbunden.61 Hesiod (Op. 77862) bezeichnet die Ameise als ἴδρις, was die Scholia vetera (778c) als νῦν ὁ ἔμπειρος μύρμηξ (»jetzt die kundige Ameise«) deuten. Das Wort ἴδρις übersetzt Frisk in seinem etymologischen Wörterbuch als »kundig« und verweist darauf, dass es von demselben Wortstamm wie οἶδα (»ich weiß«) gebildet ist.63 Berühmt ist ebenfalls die Fabel von der Ameise und dem Käfer im Corpus Aesopicum (112), die in moderneren Versionen auch als Fabel von den Ameisen und der Grille (so bereits bei Babrios [2,140], der von einem τέττιξ spricht) bekannt ist. Hier macht sich der Käfer im Sommer über die Ameise lustig, die sich abmüht, um Vorräte für den Winter zusammenzustellen. Im Winter aber muss der Käfer dann hungrig bei der Ameise um Nahrung betteln. Ein weiteres wichtiges Element, das immer wieder in Bezug auf die Vorratshaltung der Ameisen erwähnt wird, ist die Behandlung des Getreidekornes, um es vor dem Keimen zu bewahren.64 Das genaue Vorgehen ist dabei nicht immer gleich beschrieben. Bei Plinius werden die Körner beispielsweise benagt (semina adrosa condunt; HN 11,109), in der Schrift De sollertia animalium des Plutarch beißen die Ameisen nur den oberen Teil des Korns ab, aus dem sich der neue Keim bildet (ἐξεσθίουσι τὴν ἀρχήν, ἀφ’ ἧς τὸν βλαστὸν ὁ πυρὸς ἀφίησιν; 11, 968 A 7 f.), nach einer Passage der Geoponica wird der innere Teil der Körner entnommen (τὰς ἐντεριώνας τῶν ῥαγῶν ἀφαιροῦσι; 15,1,26),65 im Physiologos (διχοτομεῖ τοὺς κόκκους εἰς δύο; 12)66 und bei Aelian (ἑκάστου σπέρματος 61 Neben den im Folgenden erwähnten Stellen z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 623 b 13 f. (hier heißt es freilich eher, dass die Ameisen im Gegensatz zu anderen Tieren nicht jagen, sondern sammeln [συλλέγουσιν]); Spr. (Bibel) 6,6–8.30,25; Verg. G. 1,185 f.; Aen. 4,402 f.; Hor. Sat. 1,1,35 ([…] haud ignara ac non incauta futuri); Plin. HN 11,109; Ael. NA 2,25; Orig. C. Cels. 4,83; Basilius Hexaemeron 9,3; Ambrosius Hexaemeron 6,16; Horapollo Hieroglyphika 1,52; Isid. Etym. 12,4,9. Diese und weitere Belegstellen bieten z. B. Davies; Kathirithamby (1986) 40 und Beavis (1988) 205. Letzterer vermerkt zudem, dass die Erwähnungen der Vorratshaltung der Ameisen meist als »examples of forethought and preparedness« dienen. 62 […] ὅτε τ’ ἴδρις σωρὸν ἀμᾶται·  – »[…] wenn die Kundige (i. e. Ameise)  ihren Kornhaufen erntet.« In dieser Passage geht es um geeignete Tage für das Scheren von Schafen. Offensichtlich wird den Ameisen zugeschrieben, an bestimmten Tagen bestimmte Arbeiten zu erledigen, sodass sich der Mensch danach richten kann. 63 Vgl. Frisk (1960) 710; ähnlich auch Chantraine (1980) 456 und Beekes (2010) 578. 64 Vgl. auch Beavis (1988) 205 mit vielen Belegstellen. 65 Dies findet sich auch bei Basilius Hexaemeron 9,3. 66 In Sbordones Edition des Physiologos werden zu dieser Stelle (Seite 46) noch einige weitere Parallelen in der antiken Literatur genannt.

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διατρήσαντες; NA 2,25) dagegen werden sie gleich in zwei Hälften geteilt. Tatsächlich entfernen Ameisenarten der Gattung Messor die Samenschalen und bringen sie zu besonderen Abfallplätzen vor dem Nest. Dies dient jedoch nicht der Verhinderung der Keimung, sondern der leichteren Verdauung. Arbeiterinnen kauen die Samen mehrere Stunden durch und bespeicheln sie, um die darin enthaltene Stärke in einfachere Zucker zu spalten. Die krümelige zerkaute Masse wird auch als Ameisenbrot bezeichnet und dient den adulten Tieren und den Larven als Nahrung.67 Sollte dieses Verhalten hinter den hier angeführten Aussagen antiker Autoren stehen, so zeigt dies deutlich, dass bestimmte Beobachtungen bei sozialen Insekten oft vor dem Hintergrund einer unterstellten geistigen (oder mantischen) Fähigkeit gedeutet wurden und somit ein einfaches Verhalten als eine vorausplanende Tätigkeit interpretiert wurde.

2.3.3 Fleiß Vor allem Ameisen und Bienen, in geringerem Maße auch Wespen und Anthrenen, galten als beispielhaft in ihrem Fleiß, wie z. B. aus einer Aussage des Aristoteles ersichtlich wird (Hist. an. IX 38, 622 b 19–22):68 τῶν δ’ ἐντόμων ζῴων ἐργατικώτατα σχεδόν ἐστι καὶ πρὸς τἆλλα πάντα συγκρίνεσθαι, τό τε τῶν μυρμήκων γένος καὶ τὸ τῶν μελιττῶν, ἔτι δ’ ἀνθρῆναι καὶ σφῆκες καὶ πάνθ’ ὡς εἰπεῖν τὰ συγγενῆ τούτοις. Von den Insekten, man könnte fast schon auch im Vergleich zu allen anderen Tieren (sagen), sind die fleißigsten die »Art« der Ameisen und die der Bienen, dazu noch die Anthrenen und die Wespen und alle, die mit ihnen sozusagen verwandt sind.

Zwar wird den Wespen und Anthrenen in dieser Aufzählung ein gewisser Fleiß unterstellt, sie sind jedoch durch die Formulierung ἔτι δ’ ein wenig von den erst genannten Ameisen und Bienen abgesetzt. Auch in der übrigen erhaltenen antiken Literatur wird in erster Linie der Arbeitseifer der Bienen und Ameisen immer wieder gelobt. Der Fleiß der Bienen ist ein so häufig genannter Topos, dass sich hier kaum alle Belegstellen aufführen lassen. Die Charakterisierung der Bienen als fleißig beginnt schon sehr früh in der griechischen Literatur, nämlich in zwei Gleich 67 Vgl. dazu Goetsch (1929); Bellmann (2010) 95. 68 Obwohl der Fleiß dieser Tiere auch heute noch ein häufig gebrauchter Topos ist, deuten moderne biologische Studien darauf hin, dass ein großer Teil des Volkes ständig inaktiv ist. Vgl. z. B. Charbonneau; Dornhaus (2015), die dieses Phänomen an der Ameisenart Temnothorax rugatulus und vor allem seine möglichen Ursachen eingehender untersucht haben. Auf Seite 1460 verweisen sie zudem auf ähnliche Studien zu den übrigen Gruppen sozialer Insekten.

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nissen Hesiods (Theog. 594–602; Op. 304–306),69 in denen sie von den faulen Drohnen abgegrenzt werden (s. auch u. 229). Zuweilen wird in naturkundlichen und agronomischen Texten zwischen fleißigeren und weniger fleißigen »Arten« differenziert (dazu s. u. 72). Aelian (NA 1,9) spricht sogar von einigen trägen (ἀργαί) Exemplaren unter den Bienen, die jedoch nicht völlig untätig sind. Ein Fragment des Demokrit (68 B 227 DK) scheint den Arbeitseifer der Bienen eher ironisch zu sehen: οἱ φειδωλοὶ τὸν τῆς μελίσσης οἶτον ἔχουσιν ἐργαζόμενοι ὡς ἀεὶ βιωσόμενοι – »Die Sparsamen teilen das Schicksal der Biene, weil sie arbeiten, als ob sie ewig leben würden«. Martial bezeichnet die Biene in einem Epigramm (14,222) ebenfalls als parca. Genau wie der Fleiß der Bienen ist der Arbeitseifer der Ameisen ein verbreiteter Topos der antiken Literatur. Die berühmte Fabel von der Ameise und dem Käfer aus dem Corpus Aesopicum (112) wurde bereits erwähnt (s. o. 50). Ähnliche Motive finden sich auch in der Fabel Formica et Musca bei Phaedrus (4,25). Dort sagt die Ameise über sich (Vers 17): Ego granum in hiemem cum studiose congero, – »Wenn ich das Korn für den Winter emsig zusammentrage,«. In der Bibel (Spr. 6,6–8) wird die Ameise dem Faulen als Vorbild genannt, weil sie, ohne dass es ihr jemand befiehlt, im Sommer Vorräte für den Winter anlegt.70 In enger Verbindung zu ihrem Fleiß steht auch das Verhältnis der Aktivität der Ameisen zu den Mond-Phasen, das in der antiken Literatur immer wieder thematisiert wird.71 Aristoteles schließt seine Aussage, dass die Tätigkeiten der Ameisen leicht zu beobachten seien, mit folgendem Satz (Hist. an. IX 38, 622 b 26 f.): ἐργάζονται γὰρ καὶ ταῖς νύξι ταῖς πανσελήνοις. – »Denn sie arbeiten sogar in den Vollmondnächten.« In diesem Abschnitt lobt Aristoteles die Ameisen als die fleißigsten Tiere neben den Bienen. Die hier zitierte Aussage scheint sich allerdings eher auf die gute Sichtbarkeit ihrer fleißigen Tätigkeit zu beziehen. In späteren Texten wird die Nachtarbeit der Ameisen viel weiter ausgedehnt und zudem in stärkerem Maße als ein Zeichen ihres besonderen Fleißes gedeutet. Bereits in den gesammelten Wundergeschichten des Antigonos von Karystos heißt es zu den Ameisen folgendermaßen (126b 2): καὶ ὅτι οἱ μύρμηκες ταῖς νουμηνίαις ἀναπαύονται.  – »Und dass die Ameisen in den Neumondnächten rasten.« Hieß es noch bei Aristoteles, dass die Ameisen sogar bei Vollmond arbeiteten, wird hier unterstellt, die Ameisen gönnten sich nur in einer einzigen Nacht eine Pause, nämlich in der des Neumondes. Bei Plinius (HN 11,109) findet sich beides: operantur et noctu plena luna, eaedem interlunio cessant. – »Sie 69 Daneben auch noch z. B. Semonides Frg. 7 (»Weiberjambos«) 83–93; Antiphilos in Anth. Gr. 9,404,8 (ἐργάτιδες als Substantiv); Lyrica adespota 7,12 CA (ἐργάτις als Adjektiv); Var. Rust. 3,16,8; Verg. Aen. 1,430–436; Tib. 2,1,49 f.; Epict. Gnom. 6 (wo fleißige und gute Menschen den Bienen gleichgesetzt werden). 70 Interessanterweise wird dies wohl bei der griechischen Übersetzung in hellenistischer Zeit um ein ähnliches Lob der Biene ergänzt. Diese Verse (6,8a–c) finden sich nur in der LXX. 71 Vgl. dazu auch Keller (1980) 419; Davies; Kathirithamby (1986) 40.

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arbeiten bei Vollmond sogar nachts, dieselben ruhen bei Neumond.« Der Einfluss des Mondes auf verschiedene Tiere wird bereits im 2. Buch der Naturalis historia (2,109) thematisiert. Als eines der Beispiele dient auch in diesem Falle die Ameise, die aufgrund der Kräfte des Mondes bei Neumond ihre Arbeit einstelle (minimumque animal, formicam, sentire vires sideris interlunio semper cessantem). Plinius scheint zudem von einem gewissen Kalender mit bestimmten Markttagen, der in der Ameisengesellschaft herrschen soll, auszugehen (HN 11,109 f.; s. u.  321). Diese Fähigkeit, ein sicheres kalendarisches Zeitgefühl zu haben, stellt vor allem Aelian (NA 1,21) heraus. In der für sein Werk durchaus typischen Art, bestimmte tierische Fähigkeiten als den menschlichen mindestens ebenbürtig darzustellen,72 bemerkt er, dass die Babylonier und Chaldäer für ihre astromischen Kenntnisse gelobt werden, die Ameisen jedoch ebenfalls eine besondere Gabe von der Natur erhalten hätten (δῶρον ἐκ φύσεως εἰλήχασι παράδοξον): Obwohl sie weder zum Himmel aufblickten noch Finger besäßen, um die Tage des Monats zu zählen, blieben sie am ersten Tag des Monats im Haus und verließen ihren Bau nicht. Dies scheint eine stark anthropomorphisierte und vor allem idealisierte Variante des bereits erwähnten Berichtes zu sein, nach dem die Ameisen in der Nacht des Neumonds nicht arbeiteten. Nach den griechischen,73 dem römischen74 und den mesopotamischen75 Kalendern begann der Monat nämlich ursprünglich am Tag nach dem Neumond, wenn zum ersten Mal wieder das Licht des Mondes bei Sonnenuntergang über dem Horizont zu sehen ist. Die moralische Überlegenheit der Ameise gegenüber dem Menschen wird in einer zweiten Passage (NA 4,44) noch deutlicher. Ihr überaus großer Fleiß wird mit folgendem Beispiel belegt: […] κἀν ταῖς πανσελήνοις μηδὲ νύκτωρ βλακεύειν μηδὲ ἐλινύειν, ἀλλ’ ἔχεσθαι τῆς σπουδῆς. – »[…] sogar in den Vollmondnächten sind sie nachts weder träge noch rasten sie, sondern sie halten an ihrem Eifer fest.« Dieses fleißige Verhalten der Ameisen, die sogar in den Vollmondnächten arbeiteten, steht bei Aelian im Gegensatz zu dem der Menschen, die sehr viele Vorwände (προφάσεις) fänden, um nicht arbeiten zu müssen, weshalb sie auch so viele Feiertage hätten. 72 Um nur einige Beispiele aus den Passagen über soziale Insekten zu erwähnen: In NA 6,43 heißt es, die Ameisenbauten überträfen die berühmten ägyptischen unterirdischen Grabanlagen (σύριγγες Αἰγύπτιαι) und das kretische Labyrinth; in NA 5,13 heißt es, die Bienen errichteten ihre geometrisch exakten Bauten völlig ohne Richtschnur und Zirkel und seien daher dem Menschen überlegen, der diese Hilfsmittel benötige; in NA 5,10 bzw. 5,15 wird der König der Bienen bzw. der Wespen als besserer Herrscher als viele menschliche ­Tyrannen dargestellt. 73 Vgl. z. B. Sontheimer (1933) 44. 74 Vgl. z. B. Graf (1997) 16. 75 Vgl. z. B. Cohen (1993) 4. Den Hinweis verdanke ich dem Altorientalisten Tim Brandes, M. A.

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2.3.4 Reinheit und Reinlichkeit der Bienen Ein wichtiger Aspekt der antiken Bienenkonzepte ist ihre Reinheit und Reinlichkeit. So bezeichnet Aristoteles die Biene als καθαριώτατον ζῷον (»sehr reinliches Tier«; Hist. an. IX 40, 626 a 24 f.) und in einer dem Didymos zugeschriebenen Passage der Geoponica (15,3,4) wird sie gar καθαρὸν ὑπερβολῇ τὸ ζῷον (»das über alle Maßen reinliche Tier«) genannt. Plinius schreibt den Bienen eine mira munditia (»bewundernswerte Reinlichkeit«; HN 11,25) zu. Diese Reinheit und Reinlichkeit äußert sich in verschiedenen vermeintlichen oder tatsächlich beobachtbaren Verhaltensweisen dieser Tiere, die bei den verschiedenen Autoren immer wieder in ähnlicher Art genannt werden. Ausgangspunkt der Charakterisierung der Bienen als sehr reinliche Tiere ist bei Aristoteles das Heraustragen toter Bienen aus dem Stock (τὰς δ’ ἀποθνησκούσας τῶν μελιττῶν ἐκκομίζουσιν ἔξω; Hist. an. IX 40, 626 a 23 f.).76 Dieses Verhalten findet sich ebenfalls bei vielen anderen Autoren, jedoch teilweise in etwas anderem Zusammenhang. Aelian beschreibt in Kapitel 1,9 seiner Natura animalium die verschiedenen Tätigkeiten derjenigen Bienen, die für die Honiggewinnung nicht geeignet sind (ἄτεχνοι περὶ τὴν ἐργασίαν καὶ τὴν κομιδὴν τὴν τοῦ μέλιτος). Dazu gehört auch das Heraustragen der Toten, welches hier somit eher als eine niedere Hilfstätigkeit dargestellt wird (ἕτεραι δὲ αὐτῶν τῶν ἀτέχνων ἔχουσιν ἐκεῖνο τὸ ἔργον, τὰς ἀποθνησκούσας τῶν μελιττῶν ἔξω φέρουσι). Eigens wird betont, dass die Waben rein sein müssen und die Bienen daher keine Toten im Inneren dulden (δεῖ γὰρ αὐταῖς καθαρὰ εἶναι τὰ κηρία, καὶ οὐκ ἀνέχονται νεκρὰν εἴσω μέλιτταν). In den im weitesten Sinne agronomischen Schriften wird das gehäufte Heraustragen der Toten meist als ein Zeichen für eine Krankheit im Stock genannt. Neben Vergil77 verwendet auch Columella (Rust. 9,13,7) eine sehr vermenschlichende Ausdrucksweise: Necnon etiam ille morbus maxime est conspicuus qui horridas contractasque carpit, cum frequenter aliae mortuarum corpora domiciliis efferunt, aliae intra tecta, ut ­publico luctu, maesto silentio torpent. Und gewiss ist auch jene Krankheit sehr leicht zu erkennen, die sie (die Bienen) nach und nach struppig und ausgezehrt hinwegrafft, wenn die einen häufig die Körper der 76 Bereits in Arist. Hist. an. IX 40, 625 a 32–34 heißt es: ὅσας δὲ κτείνουσιν αἱ χρησταὶ μέλιτται, πειρῶνται μὲν ἔξω τοῦ σμήνους πράττειν· ἐὰν δ’ ἔσω τις ἀποθάνῃ, ἐξάγουσιν ὁμοίως. – »Diejenigen aber, die die nützlichen Bienen töten, versuchen sie außerhalb des Stockes zu töten; wenn aber eine im Inneren zu Tode kommt, tragen sie sie ebenso hinaus.« Ähnlich auch Antig. Car. 52a 3. 77 Verg. G. 4,255 f.: […] tum corpora luce carentum / exportant tectis et tristia funera ducunt;  – »[…] dann tragen sie die Körper jener, die des Lebenslichtes entbehren, / aus ihren Häusern und halten traurige Leichenzüge ab.«

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Toten aus den Behausungen heraustragen, andere innerhalb des Hauses wie in öffentlicher Trauer in schwermütigem Schweigen antriebslos herumsitzen.

Den Bienen wird in dieser Passage das Gefühl der Trauer (luctu; maesto) unterstellt und zudem das Phänomen der Stille des Bienenstockes, das sich aus der Krankheit und dem Tod vieler Tiere ergibt,78 gewissermaßen als bewusste Entscheidung zur Staatstrauer gedeutet. Ähnlich wie bei Vergil und Columella ist das Heraustragen der Toten, das ebenfalls wie ein menschlicher Leichenzug beschrieben wird ([…] cum defunctas progerunt funerantiumque more comitantur exequias; HN 11,63), bei Plinius ein Zeichen für eine Krankheit im Stock. Zwar zeigen die Bienen schon bei ihren »Mitbürgern« große Trauer (tristia torpens; HN 11,63), diese wird aber noch deutlich übertroffen durch den Tod des Königs, der den ganzen Staat in Trauer und Lethargie versetze, sodass ein Eingreifen des Imkers notwendig wird (HN 11,64): rege ea peste consumpto maeret plebes79 ignavo dolore, non cibos convehens, non procedens; tristi tantum murmure glomeratur circa corpus eius. subtrahitur itaque deductae multitudini. alias spectantes exanimem luctum non minuunt; tunc quoque ni subveniatur, fame moriuntur. Wenn aber der König durch diese Seuche dahingerafft wird, trauert das Volk in untätigem Schmerz. (Dann) bringen sie weder Speisen zusammen noch fliegen sie aus. Es drängt sich nur in traurigem Summen um seinen Körper. Deshalb muss er (i. e. der Körper des toten Königs) der Menge, nachdem man sie fortgelockt hat, heimlich entzogen werden. Andernfalls verringern sie, wenn sie ihn leblos sehen, ihre Trauer nicht. Dann sterben sie auch vor Hunger, wenn man dem nicht Abhilfe schafft.

Wie an anderen Stellen betont Plinius hier die herausgehobene Bedeutung des Königs für den ganzen Schwarm (dazu s. o. 286). Ohne ihn bricht das gesamte System zusammen, wie es auch bei anderen Autoren dargestellt wird (dazu s. o.  279). Der Grund dafür wird jedoch nicht (nur) in der Ordnung des Stockes, für die der König verantwortlich ist, gesucht, sondern die entscheidende Ur­sache an dieser Stelle ist die starke emotionale Verbundenheit der plebs mit ihrem König. Diese emotionale Verbundenheit jedes einzelnen »Bürgers« mit seinem König ist in dieser Darstellung sogar enger als die Verbundenheit der einzelnen »Bürger« untereinander. In der pseudo-quintilianischen Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«) wird die Bestattung der Toten als eine der bewundernswerten Verhaltensweisen (multa dictu visuque miranda; 17) der Bienen genannt (17): 78 Im Gegensatz dazu wird das laute Summen eines Bienenstockes (vehemens sonus intus murmurantium; Rust. 9,8,2) bei Columella als wichtiges Zeichen von Gesundheit genannt. 79 Es handelt sich hierbei um eine archaische Variante von plebs und damit um einen Singular.

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adice quod, si quas aut aetas longior aut morbus oppressit, efferuntur prius corpora, posteriorque operum quam funerum cura est. Außerdem tragen sie, wenn entweder das ziemlich hohe Alter oder eine Krankheit einige dahingerafft hat, zuerst die Körper heraus und die Sorge um die Arbeiten kommt erst nach der Sorge um die Begräbnisse.

Das Heraustragen der toten Bienen ist hier in einen ganz anderen Kontext gesetzt als in den anderen angeführten Beispielen. Das Verhalten dient nicht direkt als Beleg der Reinlichkeit der Bienen oder als Zeichen einer Erkrankung des Stockes, sondern es stellt die besondere soziale Verbundenheit der Bienen untereinander heraus. Dieser Aspekt war zwar bereits bei Vergil und Columella angeklungen, in diesem Text wird er jedoch noch prominenter ausgeführt. Im Gegensatz zu Plinius ist es nicht mehr nur der Tod des Königs, sondern die Trauer um jeden toten Artgenossen, die dafür sorgt, dass die Bienen selbst von ihrer ansonsten so emsig betriebenen Arbeit ablassen (zum Topos des Fleißes der Bienen s. 2.3.3). Die Rolle des Königs ist in diesem Falle also weniger herausge­hoben, sodass diese Darstellung eher an die Beschreibungen der Begräbnisse toter Ameisen erinnern (dazu s. 6.5.4), die ebenfalls jeden Angehörigen ihres Stockes gleich betrauern (sie werden freilich auch als ζῷα ἄναρχα angesehen). Zudem dient die Darstellung der Begräbnisse sowohl im Falle der Bienen in der Declamatio als auch meist im Falle der Ameisen nicht als Beleg ihrer Reinlichkeit oder des Befalls mit einer Krankheit, sondern als Zeichen ihrer »Menschlichkeit«. Als weitere reinliche Verhaltensweise der Bienen wird berichtet, dass sie in der Regel außerhalb des Stockes ihre Ausscheidungen vornehmen (so z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 626 a 25 f.; Antig. Car. 52a 6) oder aber die Ausscheidungen in einer einzigen Wabe sammeln (so z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 627 a 10 f.), was an eine menschliche Latrine erinnert. Plinius spezifiziert diesen Punkt etwas weiter (HN 11,25): quin et excrementa operantium intus, ne longius recedant, unum congesta in locum turbidis diebus et operis otio egerunt. Ja sogar die Ausscheidungen der im Inneren Tätigen sammeln sie an einem Ort, damit sich diese nicht zu weit entfernen müssen, und tragen sie an stürmischen Tagen und, wenn die Arbeit ruht, heraus.

Die Verwendung der »Latrine« erfüllt hier also neben der Reinhaltung des Stockes noch eine weitere Funktion: Sie dient dazu, den Bienen die Möglichkeit zu geben, wenig Zeit bei ihren Tätigkeiten zu verlieren, weil sie sich nicht weit entfernen müssen. Auch wird die »Latrine« nur an stürmischen Tagen, an denen die Bienen nicht ausfliegen können und aus diesem Grunde weniger Arbeit haben, geleert, sodass die für sie wichtige Arbeit kaum unterbrochen werden muss. In diesem Punkt sind also die wichtigen Eigenschaften Fleiß und Reinlichkeit zusammengebracht.

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Die Reinigung von Zellen im Allgemeinen lässt sich tatsächlich beobachten. Oftmals wird diese Tätigkeit von den etwas jüngeren Bienen erledigt.80 Zur Unterstützung der den Bienen eigenen Fähigkeit zur Reinhaltung ihres Stockes finden sich vor allem in den agronomischen Schriften der Antike Anweisungen, wann und wie die Stöcke zu reinigen sind.81 Neben der Sauberhaltung des eigenen Stockes wird immer wieder gesagt, dass sich die Bienen generell von bestimmten als unrein betrachteten Stoffen und Orten fernhalten, was sich beispielsweise in ihrer Ernährung zeige. Bereits bei Aristoteles heißt es, die Biene strebe nach nichts Verrottendem, sondern nur nach Süßem (ἡ μέλιττα πρὸς οὐδὲν προστρέχει σαπρὸν ἀλλὰ πρὸς γλυκέα; Hist. an. IV 8, 535 a 2 f.; ähnlich in VIII 11, 596 b 15–19). Auch setzten die Bienen sich nicht auf Fleisch (πρὸς σάρκα δ’ οὐθενὸς καθίζει; Hist. an. IX 40, 625 b 20 f.).82 Bei Aristoteles selbst wird die Verbindung zur Reinlichkeit und Reinheit der Biene noch nicht hergestellt, wohl aber bei späteren Autoren, wie bei Varro (Rust. 3,16,6) und in den Geoponica (15,3,4), die neben Fleisch auch Blut und Fett als von den Bienen gemiedene Stoffe aufzählen. Dadurch unterscheiden sich die Bienen nicht nur von den Fliegen, die bei Aristoteles und Varro als Gegensatz genannt werden, sondern implizit auch von den Wespen,83 die als karnivor charakterisiert werden (s. u. 88). Ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang vor allem bei Aelian herausgestellt wird, betrifft die innere oder seelische Reinheit der Bienen. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Biene kein Fleisch fresse,84 schade sie keinem anderen Tier (καὶ ζῴου οὐκ ἂν οὐδενὸς πάσαιτό ποτε; Ael. NA 5,11) und sie sei in diesem Punkt dem Pythagoras als Ratgeber mindestens gleichwertig,85 der aufgrund seiner Überzeugung von der Seelenwanderung ganz auf Fleisch verzichtet haben soll.86 Aus der bloßen äußeren Reinlichkeit wird in diesem Zusammenhang auf die vermeintlich reine Seele der Bienen im kultischen Sinne geschlossen. Dieser Gedanke findet sich wohl ebenfalls in der Schrift De antro nympharum des Neuplatonikers Porphyrios, der behauptet, Bienen ließen sich nicht auf Bohnen nieder, weil diese ein Symbol direkter Fort 80 Vgl. Bellmann; Honomichl (2007) 42. 81 Z. B. Var. Rust. 3,16,17; Columella Rust. 9,14,1 f.7 f.13; Pall. Op. 4,15,4; 5,7,7; 12,8,1. 82 Ähnlich auch Plin. HN 11,18. In den Oneirokritika Artemidors heißt es dagegen, sie ließen sich auf Leblosem nieder (τοῖς ἀψύχοις ἐπικαθέζεσθαι; 2,22). Dazu s. u. 356. 83 Der direkte Vergleich zwischen den karnivoren Wespen und den Bienen, die sich niemals auf Fleisch setzen, findet sich bei Plin. HN 11,72. 84 Es gibt freilich antike Berichte, nach denen die Bienen unter Umständen doch Fleisch fressen sollen (s. u. 68). 85 Kαὶ οὐ δεῖται Πυθαγόρου συμβούλου οὐδὲ ἕν, ἀπόχρη δὲ ἄρα σῖτον αὐτῇ εἶναι τὰ ἄνθη. – »Und sie steht Pythagoras als Ratgeber in nichts nach, da es ihr genügt, dass Blüten ihre Nahrung sind.« (Ael. NA 5,11). 86 Lhermitte (2015) 379 Anm. 2 betont, dass sich die Pythagoreer und die Orphiker aufgrund ihres Fleischverzichtes als die »Reinen« bezeichnet hätten und insofern mit den Bienen vergleichbar seien.

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pflanzung seien (καὶ κυάμοις οὐκ ἐφιζάνουσιν, οὓς ἐλάμβανον εἰς σύμβολον τῆς κατ’ εὐθεῖαν γενέσεως καὶ ἀκαμποῦς […]; 19). Wohl zu Recht nimmt man in der Forschung an, dass dies ein Reflex des Bohnentabus bei den Pythagoreern darstellt.87 Wichtig ist, dass hier wie bei Aelian eine deutliche Verbindung zu einer kultisch-religiösen Enthaltsamkeit, wie sie bei den Pythagoreern der Fall ist, und der Ernährung der Biene hergestellt wird. Zudem wird auf die vermeintliche sexuelle Reinheit der Bienen angespielt (zu Fortpflanzungstheorien s. 3.2.1). Besonders häufig wird die Geruchsempfindlichkeit der Bienen thematisiert88 und aus heutiger Sicht übertrieben dargestellt.89 Dies betrifft zum einen üble Gerüche, wie die in diesem Zusammenhang öfter genannten Fäkalien, stark riechenden Speisen, gekochten Krebse und Alkohol. Vor allem in den agronomischen Quellen wird die Ablehnung und Schädlichkeit schlechter Gerüche meist im Rahmen der Auswahl eines geeigneten Platzes für die Aufstellung der Bienenstöcke angesprochen. Dieser Platz soll sich folglich fern von Bädern, Latrinen, Sümpfen und Küchen befinden. Neben den üblen Gerüchen sollen die Bienen jedoch auch auf Salben oder Parfüms (μύρον bzw. unguenta) heftig reagieren, indem sie die entsprechende Person stechen.90 Dieses Phänomen wird bei den meisten Autoren weitgehend unkommentiert gelassen oder mit einem bloßen Verweis auf die Abneigung gegenüber Gerüchen jeglicher Art versehen. An zwei Stellen (1,58 und 5,11) der Natura animalium versucht sich Aelian an einer Erklärung dieses Verhaltens: Er unterstellt den Bienen eine gewisse Besonnenheit bzw. Mäßigung (σωφροσύνη in 5,11; in 1,58 werden die Bienen mit κόραι σώφρονες verglichen), die sie jegliche Schwelgerei und Weichlichkeit (τὸ τεθρυμμένον [1,58]; χλιδή; θρύψις [5,11]) ablehnen und bekämpfen lässt. Die Bienen werden hier also zu besonders reinen und guten Geschöpfen stilisiert, die weniger gute Menschen bestrafen. 87 Vgl. z. B. Olck (1897) 446; Keller (1980) 424. Alt (1998) 477 Anm. 57 merkt allerdings an, dass diese spezielle Bienensymbolik bei Porphyrios singulär sei. Tatsächlich finden sich unterschiedliche Erklärungen dafür, warum die Pythagoreer keine Bohnen essen durften, unter anderem den eher prosaischen Grund, dass Bohnen zu Blähungen führen. Dies könne die Ruhe des Geistes stören, wie es in Ciceros Schrift De divinatione (1,62; 2,119) heißt. Vgl. dazu auch Wardle (2006) 263 f. Weitere Erklärungen liefern z. B. Plin. Hist. 18,118 und Diogenes Laertios 8,34 f. 88 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 626 a 26–28; [Arist.] Mir. ausc. 21, 832 a 3–5; Antig. Car. 52a 6; Var. Rust. 3,16,6; Verg. G. 4,47–49; Columella Rust. 9,5,1 f.; 9,5,6; 9,14,3; Plin. HN 11,61 f.; Ael. NA 1,58; Pall. Op. 1,37,4 f.; 4,15,4; Geop. 15,3,4; 15,4,7. 89 Vgl. Klek; Armbruster (1920) 7 Anm. 5. 90 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 626 a 27 f.; [Arist.] Mir. ausc. 21, 832 a 3–5; Theophr. Caus. pl. 6,5,1; Antig. Car. 52a 6; Var. Rust. 3,16,6; Plin. HN 11,61; Geop. 15,2,19. An letztgenannter Stelle heißt es freilich, dass sie generell alle Menschen stechen, die sich ihnen näherten, besonders aber – neben denen, die nach Wein riechen – solche, die sich gesalbt bzw. parfümiert haben (πρὸς πάντας δὲ τοὺς προσιόντας ἀνθρώπους δυσχεραίνουσαι, καὶ ἐπ’ αὐτοὺς ὁρμῶσαι, χαλεπώτεραί εἰσι τοῖς οἴνου καὶ μύρου ὄζουσι).

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In einigen Texten wird zudem eine Verbindung zur besonderen sexuellen Enthaltsamkeit und Reinheit der Bienen hergestellt. So berichtet Plinius, dass die Bienen die Regelblutung bei Frauen verabscheuten ([…] mulierumque menses odere; HN 11,44). Man muss freilich einräumen, dass Plinius an anderer Stelle (HN 7,63–67) einen ganzen Katalog von vermeintlich schlimmen Einflüssen der weiblichen Menstruation liefert. So sollen etwa unter anderem Bienenstöcke sterben (alvi apium moriuntur; 7,64) und Ameisen die Früchte, die sie getragen haben, wegwerfen (Etiam formicis, animali minimo, inesse sensum eius ferunt abicique gestatas fruges nec postea repeti; 7,65). Daneben sollen die Bienen aggressiv auf Menschen reagieren, die Geschlechtsverkehr hatten, insbesondere außerehelichen.91 In seinen Quaestiones naturales (36)92 versucht Plutarch dieses kuriose Phänomen zu erklären. Zum einen sei die Biene besonders reinlich und verfüge über einen guten Geruchssinn. Unzüchtiger Geschlechtsverkehr sei zum anderen aber in der Regel schmutziger aufgrund der ungezügelten Leidenschaft, sodass die Bienen noch aggressiver auf Personen reagierten, die Ehebruch begangen haben. Neben dem aufschlussreichen Einblick in das kaiserzeitliche Eheleben ist es interessant, dass hier versucht wird, eine rationale und durchaus weltliche Erklärung für dieses Phänomen zu finden. Eine höhere Einsicht, die man Bienen an anderen Stellen unterstellt (dazu ausführlicher in Kapitel 7), ist in der Erklärung Plutarchs nicht vonnöten. Zur Untermauerung und Ausschmückung seiner Thesen führt Plutarch noch ein Zitat aus dem ersten Eidyllion (105–107) Theokrits und ein anderweitig nicht belegtes Fragment Pindars (es gehört wohl zu Frg. 165 Maehler) an.93 Die Theokrit-Stelle lautet folgendermaßen:94 […] ἕρπε ποτ’ Ἴδαν, ἕρπε ποτ’ Ἀγχίσαν· τηνεὶ δρύες ἠδὲ κύπειρος, αἱ δὲ καλὸν βομβεῦντι ποτὶ σμάνεσσι μέλισσαι.

91 Ael. NA 5,11 spricht von einer ἀκολασία τε καὶ ὁμιλία (»Zügellosigkeit und Geschlechtsverkehr«). In den Coniugalia praecepta des Plutarch (44, 144 D 3 f.) heißt es in einer Passage, in der es um Männer geht, die ihren Frauen nicht treu waren: ὅτι δοκοῦσι (sc. αἱ μέλιτται) δυσχεραίνειν καὶ μάχεσθαι τοῖς μετὰ τῶν γυναικῶν γενομένοις. – »Weil sie (die Bienen) offenbar von Männern angewidert sind und sie bekämpfen, die mit Frauen Umgang hatten.« In der dem Florentinus zugeschriebenen Passage der Geoponica werden allgemein Frauen genannt und die, die Geschlechtsverkehr hatten, hervorgehoben (καὶ γυναιξὶ δὲ ἐπέρχονται, μάλιστα ταῖς ἠφροδισιασμέναις; 15,2,19). 92 Der erhaltene griechische Text umfasst nur die Kapitel 1–31. Die restlichen 8 Kapitel sind nur in einer lateinischen Übersetzung des Gybertus Longolius erhalten. 93 Vgl. zum Folgenden z. B. auch Gow (1952) 23 f. und Hunter (1999) 96 f. 94 Hier wird der griechische Text aus der Theokrit-Edition von Gow angegeben. Bei Plutarch ist, wie in Anm. 92 gesagt, in diesem Falle nur die lateinische Übersetzung erhalten.

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[…] Geh doch zum Ida, geh doch zu Anchises. Dort gibt es Eichen und Zypergras, lieblich summen die Bienen an ihren Stöcken.

Im Kontext des Eidyllion spricht dies der Rinderhirte Daphnis zu Aphrodite, welcher gewissermaßen an seinem Liebeskummer vergeht, sich aber nicht der Leidenschaft hingeben will, die ihm von Aphrodite eingegeben ist. Aus der Stelle selbst geht nicht hervor, dass die Bienen Anchises oder eventuell Aphrodite stechen werden, jedoch wird dies bei Plutarch in der Einleitung des Zitates so gesagt: Unde apud Theocritum iocose Venus ad Anchisen a pastore ablegatur, uti apum aculeis propter adulterium commissum pungatur. – »Daher wird bei Theokrit scherzhaft Venus von dem Hirten zu Anchises geschickt, damit sie / er95 wegen des begangenen Ehebruchs von den Stacheln der Bienen gestochen wird.« Aus dem Zitat selbst und auch seinem ursprünglichen Kontext ist diese Deutung nicht ohne Weiteres ersichtlich, erst durch die Einordnung Plutarchs erhält es diese Bedeutung.96 Etwas eindeutiger scheint das Zitat Pindars bei Plutarch zu sein: Parvula favorum fabricatrix, quae Rhoecum pupugisti aculeo, domans illius perfidiam. – »Kleine Erbauerin der Waben, die du den Rhoikos mit deinem Stachel gestochen hast, seine Treulosigkeit zähmend.« Der griechische Text ist, wie bereits gesagt, nicht überliefert, in der Regel verknüpft man jedoch diese Aussage mit dem Frg. 165 (Maehler) Pindars. Dieses ist in den Scholien (2,477–483a) zu ἁμαδρυάδος νύμφης (2,477) der Argonautika des Apollonios von Rhodos überliefert. Die Scholien berufen sich auf Charon von Lampsakos (262 Frg. 12 FGrH) für die Sage von Rhoikos: Dieser verhindert im letzten Moment, dass eine Eiche gefällt wird, weil er darin eine Nymphe entdeckt, die zusammen mit dem Baum sterben würde.97 Als Dank verspricht sie ihm einen Wunsch zu erfüllen, worauf sich jener Intimität mit ihr erbittet. Die Nymphe willigt ein, verlangt aber, dass er sich zunächst mit keiner anderen Frau einlässt. Als Botin will sie zum geeigneten Zeitpunkt eine Biene schicken. Als diese nach einiger Zeit zu Rhoikos gelangt, ist jener gerade beim Würfelspiel. Er äußert so schlimme Worte, dass die Nymphe in Zorn gerät und die Biene ihn blendet. An dieser Stelle folgt nun in den Scholien zu Apollonios von Rhodos ein Pindarzitat (Frg. 165 Maehler):

95 Aus der lateinischen Form pungatur ist nicht ersichtlich, ob eine Frau oder ein Mann gemeint ist. »Sie« ist vielleicht etwas wahrscheinlicher, da man sich vorstellen könnte, dass der vom Pfeil der Liebe getroffene Daphnis sich an Aphrodite in ähnlicher Weise rächen will. 96 Weitere Interpretationsansätze finden sich bei Gow (1952) 23 f. und Hunter (1999) 96 f. 97 So wird ἁμαδρυάς hier etymologisch aus ἅμα (»zugleich«; »zusammen mit«) und δρῦς (»Eiche«) hergeleitet. Gerade für die Dryade, die in einer Eiche lebt, ist die Biene eine passende Gefährtin, da man den Tieren eine hohe Affinität zu diesen Bäumen nachsagte; z. B. Theophr. Hist. pl. 3,7,6 und Frg. 435 Fortenbaugh = 190 Wimmer.

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ἰσοδένδρου / τέκμαρ αἰῶνος θεόφραστον λαχοῖσα98 – »sie, der ein gottbestimmtes Ende beschieden war, das der Lebensdauer des Baumes (entsprach)«. Ob und in welcher Form das von Plutarch verwendete Pindarzitat zu dem in den Scholien der Argonautika angegebenen gehört, ist also nicht sicher. Im Kontext bei Plutarch erscheint es zumindest so, dass Pindar eine etwas andere Version des Mythos in seinem Gedicht wiedergab, als es bei Charon von ­Lampsakos, der in den Scholien zu Apollonios von Rhodos referiert wird, der Fall ist. Plutarch stellt es so dar, dass sich Rhoikos mit einer anderen Frau eingelassen hatte (perfidia ist in diesem Kontext wohl so zu verstehen) und daher bestraft wird. Ob dies wirklich Pindars Version entspricht, ist zumindest angesichts des freien Umgangs Plutarchs mit seiner Theokrit-Vorlage fraglich. Die in der Antike prominent vertretene Annahme von der sexuellen Reinheit der Biene und ihrer Aggression gegenüber Menschen, die diesem Ideal nicht entsprechen, führte auch zu ganz praktischen Handlungsanweisungen.99 Vor allem Columella (Rust. 9,5,2; 9,14,3) und Palladius (Op. 1,37,4; 4,15,4; 5,7,5) betonen, dass der Imker nicht nur äußerlich stets sauber und ohne Geruch von Essen oder Alkohol, sondern auch sexuell enthaltsam sein soll (pridie castus ab rebus veneriis [Columella Rust. 9,14,3]; castus [Pall. Op. 1,37,4; 4,15,4]).100 Die dort vorgetragenen Maßnahmen erscheinen fast schon einem eher kultischen Kontext zu entspringen, sodass man darin eine gewisse Verbindung zu Gruppen von Priesterinnen sehen könnte, die als μέλισσαι bezeichnet wurden (dazu s. u. 222).101 Gerade im kultischen Bereich lässt sich ebenfalls die Verknüpfung von äußerer und innerer Reinheit beobachten, die für die antiken Bienenkonzepte typisch ist. Interessanterweise wird die Biene aber bei Philon von Alexandria (De specialibus legibus 1,291), einem hellenistisch-jüdischen Philosophen, als besonders unreines Tier charakterisiert, weil sie aus toten Rindern hervorgehe (dazu s. Kapitel 4).

2.4 Die Hierarchie der sozialen Insekten Der Begriff »Hierarchie« kann verschiedene Bedeutungen annehmen, die in diesem Abschnitt besprochen werden. Zum einen kann der Begriff im Sinne einer biologischen Systematik gebraucht werden. Hierarchie bedeutet dann beispiels-

98 Hier wird das Fragment in der Form angegeben, in der es in der Pindar-Edition steht. Die Scholien zu Apollonios von Rhodos haben hier die Lesart λαχοῦσα und es fehlt das vorhergehende Wort θεόφραστον. 99 Ähnlich auch z. B. Wimmer (1998) 18. 100 Vergil beispielsweise verlangt nur das Ausspülen des Mundes: Si quando sedem augustam servataque mella / thesauris relines, prius haustu sparsus aquarum / ora fove […]; G. 4,228–230). 101 Vgl. z. B. Herren (2008) 47.

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weise, in welchem Verhältnis Arbeiterinnen, Königin und Drohnen zueinander stehen. In der modernen Biologie stellen diese unterschiedliche Geschlechter bzw. Kasten dar, in der Antike wurden sie jedoch teilweise als gleichrangige »Arten« angesehen. Zum zweiten kann Hierarchie aber auch im Sinne einer Präferenz des Menschen verstanden werden, der eine Rangfolge der sozialen Insekten erstellt. Leichter und eindeutiger für die Antike zu beantworten ist die Frage nach der Hierarchie im zweiten Sinne. Für die gesamte griechisch-römische Welt kann man festhalten, dass Bienen prinzipiell sehr viel positiver wahrgenommen wurden als Wespen und Ameisen. Zum einen lässt sich das sicherlich damit erklären, dass der Mensch durch Wespen und Ameisen keinerlei direkten ökonomischen Nutzen erzielt, sondern diese Tiere eher ökonomischen Schaden anrichten (besonders die Ameisen, s. u. 98). Bienen dagegen liefern den begehrten Honig, der in der griechisch-römischen Antike das wichtigste Süßungsmittel darstellte, sowie das ebenfalls wichtige Wachs, das unter anderem für Kerzen, Schreibtafeln und in der Medizin Verwendung fand.102 Zudem war der Mensch mit den Bienen von allen Insekten am besten vertraut, war sie doch lange Zeit neben den Insekten zur Seidengewinnung103 das einzige, das er bis zu einem gewissen Grad kultiviert hatte. Es ist daher auf den ersten Blick nicht verwunderlich, dass im erhaltenen Corpus der antiken Literatur Beschreibungen von Bienen im Vergleich zu denen von Wespen und Ameisen einen weit größeren Raum einnehmen. Auffällig ist aber, dass die Beschäftigung mit Bienen teilweise noch umfangreicher ist, als es ihrer rein ökonomischen Bedeutung angemessen erscheint. Dies gilt z. B. für die Schriften des Aristoteles, der sich vor allem mit der Fortpflanzung der Bienen intensiv beschäftigt hat, oder für Vergil, der der Biene gar eines von vier Büchern seiner Georgica widmet. Plinius, dessen Beschreibung der Bienen im 11. Buch der Naturalis historia fast genau so umfangreich ist wie die der übrigen Gliedertiere insgesamt, beginnt (HN 11,11) mit einem Lob der Biene: Sed inter omnia ea principatus apibus et iure praecipua admiratio, solis ex eo genere hominum causa genitis. Aber unter all diesen haben die Bienen den ersten Platz inne und zu Recht genießen sie besondere Bewunderung, als einzige von dieser »Art« (i. e. den Insekten) sind sie um des Menschen willen entstanden.

102 Bei Plinius (HN 11,11) heißt es daher am Beginn seiner umfangreichen Besprechung der Bienen: […] favos confingunt et ceras mille ad usus vitae, […]. – »[…] sie errichten Waben und Wachs zu tausenderlei Verwendungen im Leben […].« 103 Zu den unterschiedlichen Arten dieser Insekten und ihrer Bedeutung vgl. z. B. Beavis (1988) 140–148.

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Es folgt eine Aufzählung, in der zunächst die ökonomisch nutzbaren Produkte Honig und Wachs genannt werden, darauf aber auf die positiven charakterlichen Eigenschaften (Fleiß, Gemeinsinn, Kunstfertigkeit) verwiesen wird, in denen die Biene dem Menschen wenigstens gleichgestellt oder sogar überlegen ist (vor allem in Bezug auf den Gemeinsinn).104 Wespen dagegen werden zwar meist als enge Verwandte der Biene betrachtet, jedoch erscheinen sie dabei stets als minderwertiger. Unmittelbar an seine umfangreiche Behandlung der Fortpflanzung der Bienen schließt Aristoteles in der Schrift De generatione animalium die der nahe verwandten Arten σφῆκες und ἀνθρῆναι an (III 10, 761 a 2–5): Περὶ δὲ τὴν γένεσιν τὴν τῶν συγγενῶν ζῴων αὐταῖς (sc. ταῖς μελίτταις), οἷον ἀνθρηνῶν τε καὶ σφηκῶν, τρόπον τιν’ ἔχει παραπλησίως πᾶσιν, ἀφῄρηται δὲ τὸ περιττὸν εὐλόγως· οὐ γὰρ ἔχουσιν οὐθὲν θεῖον, ὥσπερ τὸ γένος τὸ τῶν μελιττῶν. Bezüglich der Fortpflanzung der Tiere, die mit ihnen (sc. den Bienen) nahe verwandt sind, wie der Anthrenen und der Wespen, so verhält es sich bei allen recht ähnlich, jedoch fehlt vernünftigerweise das Außerordentliche. Denn sie besitzen nichts Göttliches wie die »Art« der Bienen.

Aus dieser Passage geht hervor, dass Aristoteles die Wespen vom Charakter her als den Bienen ähnlich ansieht; jedoch hätten sie nichts Besonders an sich, weil ihnen »das Göttliche« fehle (οὐθὲν θεῖον; Gen. an. III 10, 761 a 5). Was genau durch dieses »Göttliche« bezeichnet wird, bleibt unklar. Möglicherweise bezieht es sich an dieser Stelle auf die Art der Fortpflanzung, die bei den Bienen in der Darstellung des Aristoteles (s. u. 3.2.1) im Gegensatz zu der der Wespen tatsächlich exzeptionell ist. Diese Besonderheit der Fortpflanzung leitet Aristoteles freilich aus der Besonderheit der ganzen Art der Bienen her, wie unten (152) gezeigt wird. Klek und Armbruster105 weisen darauf hin, dass an einer anderen Stelle der Schrift De generatione animalium (II 3, 736 b 27 f.) der Verstand (νοῦς) als das einzig Göttliche bezeichnet wird: λείπεται δὴ τὸν νοῦν μόνον θύραθεν ἐπεισιέναι καὶ θεῖον εἶναι μόνον· – »Es bleibt also, dass der Verstand allein von 104 In HN 11,12 heißt es zu den Bienen: quos ratione medius fidius iis viros (sc. comparemus), hoc certe praestantioribus, quod nihil novere nisi commune. – »Welche Männer könnten wir wahrlich in Bezug auf den Verstand mit ihnen (vergleichen), die sicherlich darin überlegener sind, dass sie nichts kennen außer das Gemeinsame.« Beagon (1992) 141 f. versteht certe hier freilich nicht als reine Bekräftigung, sondern eher als einschränkend (beides ist möglich) und übersetzt mit »at least«. Zudem spielt sie die Bedeutung der Überlegenheit herunter, indem sie den Gemeinsinn als »no more than a particular kind of survival instinct« bezeichnet. Sie unterstellt Plinius, die Bienen in erster Linie als für den Menschen nützliches Tier zu sehen. Ob dies wirklich den Sinn der Passage trifft, bleibt aber fraglich, zumal Plinius im Folgenden oftmals die besondere Bedeutung der Bienen hervorhebt und sich keinesfalls nur auf im ökonomischen Sinne nützliche Informationen zur Imkerei beschränkt. 105 Vgl. Klek; Armbruster (1919) 25 Anm. 2.

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außen hineinfährt (i. e. in den sich im Mutterleib bildenden Körper) und allein göttlich ist.« Eine ähnliche Verbindung von Göttlichkeit und Verstand bei den Bienen findet sich etwa auch in den Georgica (4,219–221) Vergils (dazu s. o. 48). Neben der zusätzlich höchst umstrittenen Frage, ob die Antike und gerade auch Aristoteles den Bienen Verstand zugesprochen hat (s. o. 43), lässt sich eine ganz allgemeine Tendenz in der gesamten griechisch-römischen Antike feststellen, die die Wespen zwar als eng verwandt mit den Bienen ansieht, jedoch, wie bereits gesagt, auch stets als minderwertig und moralisch schlechter. Insofern muss man das θεῖον nicht zwangsläufig auf den Verstand oder die Fortpflanzung beschränken, sondern man kann es eher als Beleg für die exzeptionelle Stellung der Bienen im Tierreich überhaupt ansehen. Plinius beispielsweise versieht die vespae atque crabrones zwar mit dem Genitivus qualitatis naturae eiusdem (»von gleicher Natur [sc. wie die Bienen]«), zugleich aber auch mit dem Adjektiv degeneres (HN 11,61), welches zwar eine gewisse Verwandtschaft, jedoch mit einer pejorativen Bedeutung (»abartig«; »von niederer Herkunft«; »unedel«) impliziert. Der Zusammenhang bei Plinius ist nicht die Fortpflanzung der verschiedenen Arten, sondern eine Aufzählung der Feinde der Bienen, zu denen die vespae atque crabrones gehören. Auch in den Satyrica (56,6) Petrons werden die Bienen als divinae bestiae bezeichnet. Hier steht dies eher im Zusammenhang mit dem Einsammeln des Honigs und dessen möglicher Herkunft von Iuppiter. In einem Abschnitt der Geoponica (15,3,1), die dem Didymos zugeschrieben wird, ist ebenfalls die Rede davon, dass die Produkte der Bienen wahrhaft göttlich und überaus nützlich für die Menschen seien (τὸ κατασκευαζόμενον ὑπ’ αὐτῆς ἐστι θεῖον ἀληθῶς, καὶ χρησιμώτατον ἀνθρώποις). Die Frage nach der Hierarchie im Sinne einer biologischen Systematik lässt sich nicht eindeutig beantworten, da, wie bereits zuvor gesagt (s. 2.1), eine detaillierte Systematik in der Antike nicht entwickelt worden war. In den Beschreibungen werden vor allem Bienen und Wespen als enger verwandt dargestellt, was wohl in erster Linie an ihrem ähnlichen Äußeren liegen dürfte, welches sich erheblich von dem der Ameisen unterscheidet. Aristoteles teilt Bienen und Wespen der Gruppe der κηριοποιά zu (Hist. an. IX 40, 623 b 5–13):106

106 Die Lesart ist nicht unumstritten. Der hier abgedruckte Text entspricht der jüngsten Edition von Balme mit der Ausnahme, dass dessen Athetierung der Bienenkönige (βασιλεῖς τῶν μελιττῶν) sowie die sich daraus wohl ergebende Trennung von σφήξ und ὁ ἐπέτειος nicht übernommen werden. Zum einen wird im Folgenden gezeigt, dass die Annahme einer eigenen »Art« des Bienenkönigs bei Aristoteles durchaus berechtigt ist, zum anderen ist völlig unerklärlich, was mit ὁ ἐπέτειος (»der Einjährige«?) gemeint sein soll. Als Adjektiv zu σφήξ hat es durchaus seine Berechtigung, da sich Aristoteles bewusst ist, dass Wespen nur ein Jahr leben (dazu s. u. 178). Εs hier aber als einzelne Tierart zu verstehen, ist aus zwei Gründen

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ἔστι δέ τι γένος τῶν ἐντόμων ὃ ἑνὶ μὲν ὀνόματι ὁμώνυμον ἐστιν, ἔχει δὲ πάντα τὴν μορφὴν συγγενικήν· ἔστι δὲ ταῦτα ὅσα κηριοποιά, οἷον μέλιτται καὶ τὰ παραπλήσια τὴν μορφήν. τούτων δ’ ἐστὶ γένη ἐννέα, ὧν τὰ μὲν ἓξ ἀγελαῖα, μέλιττα, βασιλεῖς τῶν μελιττῶν, κηφὴν ὁ ἐν ταῖς μελίτταις, σφὴξ ὁ ἐπέτειος, ἔτι δ’ ἀνθρήνη καὶ τενθρηδών· μοναδικὰ δὲ τρία, σειρὴν ὁ μικρὸς φαλός, ἄλλος σειρὴν ὁ μείζων ὁ μέλας καὶ ποικίλος, τρίτος δ’ ὁ καλοῦμενος βομβύλιος μέγιστος τούτων. Es gibt aber eine »Art« von Insekten, denen eine Bezeichnung gemeinsam ist, die aber alle eine ähnliche Gestalt haben; dies sind alle, die Waben bauen, wie die Bienen und die, die ihnen der Gestalt nach ähnlich sind. Von diesen gibt es neun »Arten«, von denen sechs gemeinschaftlich leben, Biene, Könige der Bienen, Drohn bei den Bienen, die einjährige Wespe, dazu noch anthrēne und tenthrēdōn; drei aber leben einzeln, der kleine weiße seirēn, ein weiterer seirēn, der größer, schwarz und gefleckt / gestreift ist, und als dritter der sogenannte bombylios, der größte von diesen.

Relevant für diese Untersuchung sind in erster Linie die sechs »Arten«, die in Gemeinschaft leben. Interessant ist, dass offenbar die Arbeiterinnen, die Königinnen und die Drohnen der Bienen, welche nach modernem Verständnis unterschiedliche Kasten bzw. Geschlechter derselben Art sind, hier in einem ähnlichen Verhältnis zu stehen scheinen, wie die Bienen zu Wespen und Anthrenen. Allerdings ist den Königen und den Drohnen jeweils noch ein Attribut zugegeben worden, das sie etwas stärker mit den Bienen verbindet. Man könnte gar eine gewisse Abstufung erkennen, da die Bienenkönige durch ein Genitivattribut als βασιλεῖς τῶν μελιττῶν bezeichnet werden, die Drohnen dagegen durch den Präpositionalausdruck ὁ ἐν ταῖς μελίτταις als nur bei den Bienen lebend charakterisiert werden. Dadurch werden sie noch etwas weiter entfernt von den eigentlichen Bienen gestellt. Diese Trennung der Bienen in drei »Arten« findet sich tatsächlich so bei Aristoteles und vielen anderen Autoren,107 ohne hier ins Detail gehen zu müssen (dazu ausführlich 2.5). Zum einen werden vor allem in den naturkundlichen und agronomischen Texten verschiedene Rassen  – um einen modernen Ausdruck zu verwenden – von Bienen und Bienenkönigen beschrieben, die sich aber weder in Zahl (z. B. zwei »Königsrassen«, aber vier »Bienenrassen«), noch in Aussehen und sonstigen Charakteristika zu entsprechen wenig wahrscheinlich. Der erste ergibt sich aus der Syntax: Nach der Lesart Balmes stünde der ἐπέτειος als einziges der hier aufgezählten Tiere mit Artikel. Der zweite Grund ergibt sich aus dem Inhalt: Zu allen anderen Tieren äußert sich Aristoteles später, zum ἐπέτειος aber nicht. 107 Aelian (NA 5,42) nennt aber beispielsweise als μελιττῶν ὀνόματα (»Namen / Bezeichnungen der Bienen«) Folgendes: ἡγεμόνες (»Anführer«), σειρῆνες (»S(e)irenen«), ἐργοφόροι (»Werk-/Arbeitsträger«), πλάστιδες (»Bauarbeiterinnen«). Neben den bei Aristoteles eher eigenen »Arten« entsprechenden Bezeichnungen ἡγεμόνες und σειρῆνες (auch in Ael. NA 4,6 wird σειρήν als μελίσσης ὄνομα bezeichnet) werden hier also noch zwei weitere Namen genannt, die in der erhaltenen Literatur so nicht ein zweites Mal belegt sind und eher eine bestimmte Tätigkeit beschreiben als eine konkrete »Art«. Dies unterstreicht einmal mehr, dass man von einer allgemein verbreiteten und anerkannten Systematik in der Antike kaum sprechen kann.

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scheinen. Oftmals werden sie auch an anderen Stellen der Gesamtbehandlung der Bienen beschrieben. Bei Aristoteles kommt noch hinzu, dass er in seiner Fortpflanzungstheorie, wonach die »Arten« sich unter anderem in ihrer Zeugungsfähigkeit unterscheiden, ausdrücklich sagt, dass es die Besonderheit der Bienen sei, dass die einzelnen »Arten« (γένη), nicht wie bei anderen Tieren, ihre eigene »Art« hervorbrächten, sondern andere (Gen. an. III 10, 760 a 4–8; dazu ausführlich s. u.  152).108 Der einzige erhaltene Autor, der eine Entsprechung von König und Volk andeutet, scheint Vergil (G. 4,95) zu sein: ut binae regum facies, ita corpora plebis – »Wie die Gestalten der Könige zweifach sind, so sind es die Körper des Volkes«. Freilich muss man bei ihm beachten, dass die Georgica mit Nachdruck die Einheit des Volkes mit seinem König betonen, sodass die Parallelisierung des Aussehens des Königs und seines Volkes möglicherweise darin ihre Ursache hat und weniger einem naturkundlichen Wissen entstammt. Das eine schließt das andere jedoch nicht aus. Eine solche Separierung in einzelne »Arten« lässt sich bei Wespen oder Ameisen nicht in diesem Maße beobachten. Schon sehr früh wurden die einzelnen »Bienenarten« auch mit unterschiedlichen Eigenschaften verbunden und entwickelten dadurch ganz eigene Konzepte, was sich so bei Wespen oder Ameisen nicht finden lässt. So können die vermeintlichen Könige eine besonders herausgehobene Stellung im Stock einnehmen und z. B. zur Projektionsfläche für die Idee vom menschlichen Monarchen werden. Die Drohnen dagegen können als Schädlinge deklassiert werden, die man gut von den meist überaus positiv dargestellten Bienen trennen kann. Eine naturkundliche bzw. agronomische Ursache für die Separierung der drei »Bienenarten« könnte in ihrer Fortpflanzung und Entwicklung liegen (dazu ausführlich 3.2). Die drei »Arten« entstehen z. B. nicht ganzjährig. Drohnen gibt es etwa nur im Frühsommer, dann werden sie von den Arbeiterinnen getötet, wie in der antiken Naturkunde bekannt war (auch hierin könnte ein Grund für die Separierung der »Arten« liegen, da eine Tötung der eigenen Verwandten nicht gut in das Bild von den tugendhaften Bienen passt). Zudem entstehen Drohnen und Königinnen, welche eine andere Gestalt besitzen, in etwas anderen Waben als die Arbeiterinnen. Dies war in der Antike bekannt. Nicht zuletzt war man sogar schon in der Lage, die Larven der Königinnen in andere Stöcke zu versetzen, sodass es tatsächlich dazu kommen konnte, dass die Königinnen etwas anders aussahen als das Volk. Die gegenüber Wespen und Ameisen weitaus umfangreicheren und detailreicheren Beschreibungen von Bienen ergeben sich freilich auch aus dem engen Umgang, den der Mensch mit der als Nutztier gehaltenen Biene hatte. 108 Cho (2003) 214 ist hier zu widersprechen. Die Bienen bei Aristoteles enthalten verschiedene »Einzelarten«, deren Unterscheidung auch nicht nur in bestimmten geschlechtlichen Merkmalen liegt.

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Man muss freilich festhalten, dass die Trennung der einzelnen »Bienenarten« nicht immer ganz strikt ist, zumal der Begriff μέλιττα bzw. apis teilweise die Bienen als Ganze (inklusive Drohnen und Könige), teilweise nur die heute so genannten Arbeiterinnen bezeichnen kann. Manchmal scheint die Bezeichnung μέλιττα bzw. apis aber sogar noch umfassender gebraucht zu sein. So lautet die Definition des Begriffes σφήξ (»Wespe«) in der Suda (σ 1741): εἶδος μελισσῶν (»eine Art der Bienen«).109 Auch Varro (Rust. 3,16,19) beschreibt die vespa im Rahmen der übrigen »Bienenarten«.

2.5 Bienen 2.5.1 »Normale« Bienen Wie bereits gesagt, lässt sich nicht immer deutlich unterscheiden, wann mit den Begriffen μέλιττα oder apis die Bienen an sich oder speziell die modernen Arbeiterinnen gemeint sind. Aus diesem Grunde werden in dieser Passage auch Eigenschaften besprochen, die teilweise ebenfalls für die anderen »Bienenarten« gelten. Ein wichtiges Kriterium, um die Bienen von anderen sozialen Insekten abzugrenzen, scheint die Ernährung gewesen zu sein. Aristoteles (Hist. an. I 1, 488 a 15–18) beschreibt sie als ἰδιότροφα, d. h. Bienen ernähren sich von einer bestimmten, ihnen eigentümlichen Nahrung. Diese identifiziert er hier als Honig und einige wenige andere süße Stoffe (μέλιτι καί τισιν ἄλλοις ὀλίγοις τῶν γλυκέων). Die Ernährung von Tieren lässt sich auch an ihren Mundwerkzeugen ablesen, wie Aristoteles in seiner Schrift De partibus animalium ausführt. Da die Biene eine Art Rüssel110 habe, könne sie im Gegensatz zur Ameise flüssige Nahrung aufnehmen. Gemeinsam mit der Ameise seien der Biene aber die »Zähne« (gemeint sind wohl die Mundwerkzeuge, die die moderne Biologie als Mandibeln bezeichnet111), die Tiere, welche sich ausschließlich von Flüssigkeiten ernährten, nicht besäßen (Part. an. IV 5, 678  b 17–20; Hist. an. VIII 11, 596  b 10–12).112 109 Auf ein ähnliches Phänomen in Hesychs Lexikon wurde bereits o. 32 Anm. 6 hingewiesen. 110 Z. B. Part. an. II 17, 661  a 17–19, wo der »Rüssel« als stachelähnliche, hohle und schwammartige Röhre beschrieben wird, mit der die Bienen auch schmecken können (τὰ δ’ ἐκτός, οἷον κέντρον, σομφὸν δὲ τὴν φύσιν καὶ κοῖλον, ὥσθ’ ἅμα τούτῳ καὶ γεύεσθαι καὶ τὴν τροφὴν ἀνασπᾶν); in Part. an. IV 5, 678 b 14 f. wird er ἐπιβοσκίς genannt; in Hist. an. V 22, 554 a 13 f. wird gesagt, dass der Blütensaft mit einem Organ ähnlich der Zunge (τῷ ὁμοίῳ τῇ γλώττῃ) aufgenommen wird. 111 So auch Kullmann (2007) 631. 112 Nach den Erkenntnissen der modernen Biologie ernähren sich die Arbeiterinnen der Bienen in ihrer frühen Lebensphase nach dem Schlüpfen von eiweißhaltigem Pollen, weil sie sowohl ihren eigenen Körper weiter aufbauen als auch in diesen Tagen den Futtersaft für die Larven produzieren müssen. Später ernähren sie sich fast ausschließlich von Nektar und Honig (vgl. z. B. Bellmann; Honomichl [2007] 40).

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Der feste Nahrungsbestandteil, von dem man in der modernen Biologie weiß, dass es sich dabei um Pollen handelt, nennt Aristoteles ἐριθάκη (Hist. an. V 22, 554 a 17; IX 40, 627 a 22), κήρινθος (Hist. an. IX 40, 623 b 23) und σανδαράκη (Hist. an. IX 40, 626 a 7). Diese Nahrungsmittel scheinen bei ihm nicht unbedingt dieselben zu sein,113 Plinius (HN 11,17) setzt sie aber später gleich. Varro dagegen definiert erithace als eine Art Wachs oder Harz zum Verkleben der äußeren Waben (Erithacen vocant, quibus favos extremos inter se conglutinant; Rust. 3,16,23). Im Gegensatz zur Wespe (s. u. 88) setze sich die Biene auf kein Fleisch und fresse auch keine Früchte (Hist. an. IX 40, 625 b 20 f.).114 Insbesondere die Erwähnung, dass Bienen sich auf nichts Faulendes setzten, trug vermutlich dazu bei, die Bienen als besonders reinliche Tiere zu beschreiben (dazu s. 2.3.4),115 die dadurch vor allem von ihren nahe Verwandten, den Wespen, separiert werden. Trotzdem heißt es jedoch bei Columella (Rust. 9,14,15), dass man im Winter tote Vögel, denen man die Innereien entfernt habe, in den Bienenstock legen könne. Deren Federn böten dann Schutz vor der Kälte und sie selbst dienten sogar als Nahrung, wenn die Vorräte ansonsten aufgebraucht seien (Tum etiam, si sunt absumpta cibaria, commode pascuntur esurientes, nec nisi ossa earum reliquunt). An einer Stelle bei Plinius (HN 21,82) heißt es ebenfalls, dass man hungrigen Bienen (si cibus sentiatur deesse apibus) unter anderem rohes Hühnerfleisch (gallinarum etiam crudas carnes) anbieten könne. Dies steht im Gegensatz zu einer anderen Stelle (HN 11,72), an der es heißt, dass Bienen keinen tierischen Körper anrührten (apes, quae nullum corpus attingunt). Nach den Kenntnissen der modernen Biologie fressen Bienen kein Fleisch. Die Bienen besitzen einen Stachel,116 den sie auch einsetzen, was sie einerseits von den stachellosen Drohnen, andererseits auch von den Königen absetzt, welche ihren Stachel, so er ihnen denn zugesprochen wird, nie oder selten benutzen 113 κήρινθος wird in IX 40, 623  b 24 mit folgenden Worten beschrieben: ἔστι δε τοῦτο ὑποδεέστερον καὶ γλυκύτητα συκώδη ἔχον, […]. – »Dieses ist von geringerer Qualität und besitzt eine Süße wie eine Feige, […].« Die σανδαράκη wird in IX 40, 626 a 6 f. als in ihrer Härte dem Wachs vergleichbar (ἐμφερῆ τῷ κηρῷ τὴν σκληρότητα) charakterisiert. Siehe auch Klek; Armbruster (1919) 34 Anm. 8 für weitere Bedeutungen und Stellenangaben. 114 In Hist. an. V 22, 554 a 13 heißt es bereits, dass die Biene keine Früchte schädige. Aelian (NA 5,11) schreibt, dass sie Blüten (τὰ ἄνθη) zur Nahrung (σῖτος) hätte. 115 In Hist. an. IV 8, 535 a 2 f. und noch ausführlicher in VIII 11, 596 b 15–19 wird gesagt, dass sich die Bienen auf nichts Faules setzten, sondern sich ausschließlich von Nahrungsmitteln mit süßem (Saft) ernährten sowie klares Wasser verwendeten. Vgl. dazu auch Klek; Armbruster (1919) 33 Anm. 4. 116 Z. B. Arist. Hist. an. V 21, 553 b 4–7; Gen. an. III 10, 759 b 4 f.; Verg. G. 4,74; Plin. HN 11,59 f. Aristoteles (Part. an. IV 6, 683 a 8–10) weiß auch, dass der Stachel innen liegt und bei Bedarf ausgefahren werden kann. Er begründet es damit, dass die Bienen und Wespen als fliegende Tiere einen leichten Stachel brauchen. Da diese Konstruktion aber leicht Schaden nehmen könnte, wenn sie außen angebracht wäre, ist sie nach innen verlegt (zum Stachel nach dem Verständnis der modernen Biologie s. o. 26). Die Erkenntnis, dass der Stachel innen liegt, scheint von den späteren Autoren nicht beachtet zu sein.

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sollen (s. u.  77). Aristoteles (Hist. an. IX 40, 626 a 17–21; auch Hist. an. III 12, 519 a 28 f.) berichtet, dass die Bienen in der Regel sterben, wenn sie einmal gestochen haben,117 weil sie den Stachel nicht lösen können, ohne dass dabei die Eingeweide herausgezogen werden. Diese Aussage trifft nach heutiger Erkenntnis vor allem auf das Stechen von Wirbeltieren wie den Menschen zu, welche im Gegensatz zu den starren Chitinpanzern der Insekten über eine elastischere Haut verfügen, in der die Widerhaken des Bienenstachels hängen bleiben. Die Ausweitung dieser Beobachtung beim Menschen auf die gesamte Tierwelt zeigt einmal mehr die anthropozentrische Perspektive der antiken Naturkunde. Für das Verständnis der Konzepte von der Biene muss man diese Annahme jedoch vor allem für die Schlachtenschilderungen der Bienen beachten, wie sie uns etwa in den Georgica Vergils begegnen (dazu s. u. 258). Die Opferbereitschaft der Bienen für ihren König und ihr Volk ist unter dieser Prämisse sehr viel höher anzusehen, als es nach unserem modernen Wissen der Fall ist, weil jede Biene, die an einem Kampf aktiv teilnimmt, sterben muss. Als kleine Einschränkung muss man jedoch anführen, dass zumindest Aristoteles davon ausgeht, dass der Mensch eine Biene, die ihn gestochen hat, oft retten kann, indem er den Stachel vorsichtig herausdrückt (πολλάκις γὰρ σώζεται ἐὰν ὁ πληγεὶς ἐπιμελῆται καὶ τὸ κέντρον ἐκθλίψῃ; Hist. an. IX 40, 626 a 19 f.). Plinius (HN 11,59 f.) führt zwei unterschiedliche Vorstellungen an: Aculeum apibus dedit natura, ventri consertum ad unum ictum. (60) hoc infixo quidam eas statim emori putant, aliqui non nisi in tantum adacto, ut intestini quippiam sequatur, sed fucos postea esse nec mella facere velut castratis viribus pariterque et nocere et prodesse desinere. Einen Stachel hat die Natur den Bienen gegeben, der am Bauch befestigt ist zu einem einzigen Stich. Nachdem sie diesen (irgendwo) hineingestoßen haben, so glauben einige, sterben sie auf der Stelle, andere, nur, wenn sie so heftig zugestochen haben, dass irgendein Teil der Innereien folgt, aber sie seien danach Drohnen und stellten keinen Honig mehr her, gleichsam ihrer Kräfte beraubt, und sie sollen zugleich aufhören zu schaden wie zu nützen.

Der erste Teil der Aussage scheint mit der Aussage bei Aristoteles in etwa übereinzustimmen. Interessant ist aber nun die Vorstellung, dass die Bienen zu Drohnen würden, wenn sie den Stachel verlieren. Offensichtlich ist für einige – Plinius nennt keine konkrete Quelle – das Konzept von der Biene sehr stark mit 117 Dies drückt Vergil (G. 4,236–238) poetisch mit folgenden Worten aus: illis ira modum supra est, laesaeque venenum / morsibus inspirant, et spicula caeca relinquunt / adfixae venis, animasque in vulnere ponunt. Die Fabel von Zeus und der Biene (überliefert z. B. im Corpus Aesopicum 163) erklärt den Verlust des Lebens beim Stechen folgendermaßen: Die Bienen wünschten sich eine Waffe gegen die Menschen, die ihren Honig nahmen. Diesen Wunsch gewährte Zeus zwar, da er aber über ihre Missgunst verärgert war, richtete er es so ein, dass die Bienen sterben müssen, sobald sie den Stachel eingesetzt haben.

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dem Besitz eines Stachels verbunden. Dieser Stachel scheint letztlich auch die sonstigen Fähigkeiten, wie etwa die Honigproduktion, zu beeinflussen, sodass die Biene ihren Charakter völlig ändert, wenn sie den Stachel verliert. Ebenso bedeutet dies, dass für das Drohnenkonzept in diesem Falle das Fehlen eines Stachels konstitutiv ist (s. u. 85). Der Stachel scheint außerdem eine Bedeutung bei der Zuschreibung der Geschlechter gespielt zu haben. Dies wird an anderer Stelle (5.1) ausführlicher behandelt. Es war ferner bekannt, dass Bienen (und Wespen) über insgesamt vier membranartige Flügel verfügen und sich darin von den zweiflügligen Fliegen unterscheiden.118 Meist wird diese Information ebenfalls mit der Lage des »Stachels« verbunden, welcher bei den vierflügligen Insekten stets am Bauch bzw. hinten angebracht sei, bei zweiflügligen aber vorn am Mund. Unschwer ist hinter dieser Information der Saugrüssel von Stechmücken, Bremsen und anderen Dipteren zu erkennen. Diese Kenntnis kann als ein Argument gegen die in der Forschung häufig vertretene Meinung angeführt werden, dass es sich bei der Entstehung von Bienen und Wespen aus Kadavern (Bugonie und andere Zoogonien), um eine Verwechslung mit der sogenannten Mistbiene (Eristalis tenax) handelt, welche zu den Dipteren gehört (dazu ausführlich s. 4.3.1). Bei Aristoteles (Hist. an. III 12, 519 a 27) und Plinius (HN 11,96) heißt es außerdem, dass der Flügel bei Bienen nicht nachwächst, wenn er entfernt worden ist. Dies spielt vor allem für die Pflege des Stockes eine Rolle, denn durch das Ausreißen der Flügel der Weisel versuchte man den Schwarmtrieb zu verhindern, wie es von einigen Autoren119 erwähnt wird. Bei Varro (Rust. 3,16,5.24) und Plinius (HN 11,29) wird die sechseckige Form der Waben mit den sechs Beinen der Bienen in Verbindung gebracht. Plinius erklärt dies damit, dass die Bienen mit jedem einzelnen Fuß daran arbeiteten (sexangulae omnes cellae  a singulorum pedum opere). Nach Plutarchs Schrift De sollertia animalium (35, 983 B 8–11) gebrauchen die Bienen ihre sechs Beine dazu, um die sechseckigen Waben zu öffnen. Varro verweist zudem darauf, dass das Sechseck in einem Kreis entstehe, damit es den größten Raum einschließe (Quod geometrae hexagonon fieri in orbi rutundo ostendunt, ut plurimum loci includatur). Auf das günstige Verhältnis von Volumen und Materialverbrauch der sechseckigen Waben verweisen auch der Mathematiker Pappos (Synagoge 5, p. 304–309 Hultsch) und die Geoponica (15,3,10). In beiden Texten dient dies als Beleg für den Verstand der Bienen.120 118 Z. B. Arist. Hist. an. I 5, 490 a 13–21; IV 7, 532 a 20–24; Part. an. IV 6, 682 b 7–12; 683 a 14–20, dort findet sich auch die Erklärung, zweiflüglige Insekten seien kleiner und benötigten daher im Gegensatz zu den größeren Insekten nicht mehr Flügel; Plin. HN 11,96. 119 Z. B. Verg. G. 4,106–108; Columella Rust. 9,10,3; Pall. Op. 7,7,7; Geop. 15,4,2. 120 In ähnlicher Weise loben auch Basilius (Hexaemeron 8,4) und Ambrosius (Hexaemeron 5,69) die sechseckigen Waben der Bienen, verweisen aber nicht direkt auf das günstige Verhältnis von Volumen und Materialverbrauch, sondern darauf, dass die durch die Form enganliegenden Waben sich gegenseitig stützen können.

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Neben diesen allgemeinen Angaben zur Biene werden auch einzelne »Rassen« unterschieden, jedoch ist auch hier keine wirkliche Hierarchie zu erkennen. So führt beispielsweise Aristoteles (Hist. an. V 22, 553 b 7–12) unter der Bezeichnung γένη τῶν μελιττῶν insgesamt vier γένη auf, wobei nur die ersten beiden wohl aus moderner Sicht Arbeiterinnen meinen, da die beiden letztgenannten der Dieb und der Drohn sind (zu diesen s. 2.5.3). Darauf wird im Anschluss (553  b 14 f.) noch gesagt, dass es zwei Arten von Weiseln (dazu s. u. 81) gebe, wobei darauf verwiesen wird, dass man sie bereits zuvor erwähnt habe (in Hist. an. V 21, 553 a 25–30). An dieser Stelle soll nun vor allem auf die beiden erst genannten »Bienenarten« eingegangen werden. Diese werden mit folgenden Worten beschrieben (Hist. an. V 22, 553 b 7–9): εἰσὶ δὲ γένη τῶν μελιττῶν, ἡ μὲν ἀρίστη μικρὰ καὶ στρογγύλη καὶ ποικίλη, ἄλλη δὲ μακρά, ὁμοία τῇ ἀνθρήνῃ […]. Die »Arten« der Bienen aber sind, zum einen die beste, welche klein, rundlich und gefleckt / gestreift ist, eine zweite, die länglich und ähnlich einer Anthrene ist, […].

Eine fast wörtliche Wiederholung dieser Worte, dieses Mal allerdings mit einer Einreihung der Weisel in die »Bienenarten«, findet sich in Hist. an. IX 40, 624 b 20–27. Im Folgenden (Hist. an. IX 40, 624 b 30 – 625 a 5) wird den verschiedenen »Bienenrassen« auch eine bestimmte Art des Wabenbaus zugesprochen. Die guten (hier χρησταί; 624 b 30) bauen gleichmäßige Waben mit einer ordentlichen Verteilung von Honig-, Brut- und Drohnenzellen, die längliche und anthrenenartige »Bienenrasse« habe dagegen unebene Deckel121 für die Waben sowie schlechte Weisel, viele Drohnen und wenig bis gar keinen Honig. Unabhängig von den vielleicht tatsächlich existierenden Rassen, die hinter dieser Aussage stehen könnten, ist es auffällig, dass Aristoteles jedes Mal betont, dass die schlechtere »Rasse« der Anthrene ähnlich sei. Offenbar wird hier eine Verbindung zwischen Gestalt, Charakter und der damit einhergehenden Bewertung durch den Menschen hergestellt. Je mehr eine Biene einer Anthrene gleicht, desto negativer wird sie gesehen. Auch dies ist ein Hinweis auf ein mögliches Konzept von der Biene als besonders positives Tier sowie von der zwar bienenähnlichen Anthrene oder Wespe, welche aber meist negativer wahrgenommen wird. Auch an weiteren Stellen des 9. Buches der Historia animalium wird die Überlegenheit der kleineren Bienen gegenüber den größeren gelobt: Ähnlich wie gegen die Wespen kämpfen (πολεμοῦσι; 625 a 27) die kleineren Bienen offenbar gegen die größeren und versuchen sie gar aus deren Stöcken zu vertreiben. Wenn ihnen dies gelinge, dann würde es ein ertragreicher Stock werden, wenn die 121 Dies wird mit der Gestalt der Waben bei den Anthrenen verglichen. In Hist. an. V 23, 554 b 28 f. heißt es, die Waben der Anthrenen seien aber immer noch viel glatter als die der Wespen (dazu s. u. 92).

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größeren überwiegen, dann würden sie träge und brächten nichts Gutes mehr zustande (Hist. an. IX 40, 625  a 27–29). Die kleineren Bienen werden zudem als dunkler als die größeren beschrieben (χροίαν μέλαιναν καὶ ἐπικεκαυμέναι; 627 a 13 f.). Dies erklärt Aristoteles mit einem Vergleich aus der menschlichen Sphäre: Die kleineren Bienen seien arbeitsamer (ἐργάτιδες μᾶλλον; 627 a 12) als die großen, was unter anderem dazu führe, dass sie dunkler gefärbt seien (wegen der Arbeit an der frischen Luft), die großen Bienen dagegen seien »bleicher, wie faule Frauen« (φαναὶ καὶ λαμπραὶ ὥσπερ γυναῖκες ἀργαί; 627 a 14 f.). Der kleinen »Bienenrasse« werden also aus der Sicht des Aristoteles die männliche Eigenschaft »Fleiß« und die damit einhergehende dunkle Färbung zugeschrieben, der anderen dagegen zumindest indirekt »Faulheit«, welche sich in einer weiblich konnotierten bleichen Färbung widerspiegelt (dazu s. u. 230). Die Beschreibung und Bewertung dieser »Bienenrassen« ist also nicht nur durch die Bienen- und Anthrenen- bzw. Wespenkonzepte geprägt, sondern auch durch Ansichten über die menschliche Gesellschaft und die Rollenzuschreibungen der unterschiedlichen Geschlechter. Analogien aus der menschlichen Gesellschaft finden sich aber auch in anderen Beschreibungen. So heißt es beispielsweise in Hist. an. IX 40, 626 b 8–10, die älteren Bienen arbeiteten im Inneren und seien daher dichter behaart (δασεῖαι; 626 b 9), die jüngeren aber, die außen arbeiteten, seien glatter (λειότεραι; 626 b 10). Ein bestimmtes Aussehen und Verhaltensweisen, die man aus der menschlichen Gesellschaft kennt, werden analog auf den Bienenstock übertragen, wenngleich nach modernem Wissen die ältesten Bienen nach draußen fliegen.122 Als allgemeine Regel stellt Aristoteles auch dar (Hist. an. IX 40, 624 b 27–30), dass die Bienen aus den Bergwäldern (in 624  b 28 τὰ ὀρνεινά [sc. νεμόμεναι]; in 624  b 29 ὑλονόμοι) haariger / struppiger (δασύτεραι), kleiner (ἐλάττους), fleißiger (ἐργατικώτεραι) und schwieriger im Umgang (χαλεπώτεραι) seien als die Bienen aus dem Kulturland. Dies könnte ebenfalls analog aus Vorurteilen über menschliche Bewohner dieser Landschaften geschlossen sein.123 Alle hier genannten Eigenschaften und morphologischen Besonderheiten können aber in der Antike auch ganz anders gedeutet werden. Aristoteles (Hist. an. IX 40, 626 b 1–4) führt die Meinung einiger Imker an, dass es sich bei den Bienen, die unregelmäßige Waben bauen, nicht um eine eigene »Art«, sondern lediglich um unerfahrene Jungtiere handle (s. auch o. 43 Anm. 40 zur Lernfähigkeit). Bei Varro dagegen werden ordentliche Waben als ein Zeichen der Gesundheit

122 Eine ähnliche Aufgabenverteilung findet sich z. B. auch bei Antig. Car. 52a 7; Verg. G. 4, 178–183 und Plin. HN 11,21, jedoch ohne den gleichzeitigen Verweis auf die unterschiedlich starke Behaarung. 123 Klek; Armbruster (1919) 30 f. Anm. 8 können diese Unterschiede heute nicht mehr feststellen. Vielleicht liegt es also tatsächlich an einer gewissen Anthropomorphisierung.

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des Stockes (Rust. 3,16,20) genannt.124 Im Übrigen wird aber auch hier, die kleine, gefleckte / gestreifte und rundliche Biene als die Beste (optima est parva, varia, rutunda; Rust. 3,16,19) beschrieben und wie bei Aristoteles vermerkt, dass sich die Bienen prinzipiell in »wilde« (ferae) und »zahme« (cicures) unterscheiden ließen, von denen letztere kleiner (minores magnitudine), struppiger (pilosae) und arbeitsamer (opifices magis) seien (Rust. 3,16,19). Wohl weil der zweite von Merula gesprochene Teil des Bienenkapitels bei Varro, aus dem diese Passage stammt, sich den Habitus einer praktischeren Abhandlung gibt, wird auf die Nennung weiterer »Bienenrassen«, die weniger produktiv sind, verzichtet. Scheinen die einzelnen »Bienenrassen« und die Unterscheidung in »wild« und »zahm« bei Aristoteles und Varro zwei unterschiedlichen Registern eines Ordnungsprinzips anzugehören, sind diese beiden Register bei Plinius (HN 11,59) zu einem einheitlichen System verbunden: Apes sunt et rusticae silvestresque, horridae aspectu, multo iracundiores, sed opere ac labore praestantes. urbanarum duo genera: optimae breves variaeque et in rotunditatem compactiles, deteriores longae et quibus similitudo vesparum, etiamnum deterrimae ex iis pilosae. Es gibt auch Land- und Waldbienen. Diese sind struppig anzusehen und um vieles reizbarer, aber hervorragend in ihrem Werk und ihrer Arbeit. Von den Stadtbienen gibt es zwei Arten: die besten sind kurz, gefleckt / gestreift und rundlich untersetzt. Die schlechteren sind länglich und besitzen eine Ähnlichkeit zu den Wespen, nochmals die schlechtesten von diesen sind struppig.

Die Eigenschaften sind alle bereits von Aristoteles bekannt, jedoch werden von den Bienen hier zunächst wilde und zahme Rassen unterschieden, von letzteren dann kurze und lange, von denen noch einmal eine behaartere abgegrenzt wird. Die Beschreibung der unterschiedlichen »Bienenrassen« in den Georgica Vergils ist stark literarisch überformt. Im Anschluss an seine berühmte Schilderung der Schlacht zwischen zwei Königen und ihrem Gefolge (G. 4,67–87), die in der Forschung teilweise als von den Auseinandersetzungen zwischen Antonius und Octavian beeinflusst angesehen wird (dazu s. aber u. 261), folgt bei ihm die Beschreibung der Notwendigkeit der Zuchtwahl. Es ist sicherlich kein Zufall, dass der unterlegene König Ähnlichkeiten mit der Beschreibung des Diebes bzw. des Drohns bei Varro und Aristoteles (dazu s. u. 84) aufweist,125 und das unter­ legene Volk ähnlich seinem König folgendermaßen charakterisiert wird (Verg. G. 4,96–98): 124 Sanitatis signa: si sunt frequentes in examine et si nitidae et si opus, quod faciunt, est aequabile ac leve. – »Zeichen der Gesundheit sind: Wenn sie zahlreich sind im Schwarm, und wenn sie glänzend sind, und wenn das Werk, das sie herstellen, gleichmäßig und eben ist.« 125 Vgl. z. B. Klek; Armbruster (1920) 28 Anm. 4; Thomas (1988) 162; Wilkinson (1969) 181.

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namque aliae turpes horrent, ceu pulvere ab alto cum venit et sicco terram spuit ore viator aridus; […] Denn die einen sind fürchterlich struppig, wie wenn ein durstiger Wanderer aus tiefem Sand kommt und mit trockenem Mund auf die Erde speit; […]

Diese poetische Beschreibung weist einige Parallelen zu der Beschreibung eines kranken Bienenschwarmes bei Varro (Rust. 3,16,20) auf: Minus valentium signa: si sunt pilosae et horridae, ut pulverulentae, […].  – »Die Zeichen von weniger gesunden (Bienen) sind: Wenn sie haarig und struppig sind, wie in Staub gehüllt, […].« Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Vergil auf diese Stelle anspielen und das schlechtere Volk somit als krank charakterisieren wollte.126 Wenn man eine Analogie zur Auseinandersetzung zwischen Octavian und Antonius ziehen möchte, müsste diese Krankheit nicht unbedingt eine körperliche sein. Dies bedeutet aber zugleich, dass Vergils Beschreibung der »Bienenrassen« weniger aus einem Wunsch nach agronomischer Genauigkeit motiviert ist, als vielmehr aus einem poetischen Spiel mit seinen Prätexten. Ebenso ist daher auch die sehr positive Darstellung (G. 4,98 f.) seines guten Volkes zu verstehen, das sich durch besonderen goldenen Glanz127 auszeichnet: […] elucent aliae et fulgore coruscant / ardentes auro et paribus lita corpora guttis. – »[…] die anderen aber leuchten hervor und funkeln durch Glanz, / sie glühen vor Gold und die Körper sind bestrichen mit gleichförmigen Flecken.« Nach einer allgemeinen Einführung zu seinem Bienenbuch führt Columella (Rust. 9,3,1 f.) insgesamt vier verschiedene »Bienenrassen« auf. Dabei beruft er sich zwar auf die zoologischen Schriften des Aristoteles (Peripateticae sectae conditor Aristoteles in îs libris quos de animalibus conscripsit […]; Rust. 9,3,1), es ist aber offensichtlich, dass er Aristoteles nicht kannte oder zumindest nicht in der Form, in der er uns überliefert ist. Seine »Bienenrassen« scheinen ganz andere als die in den meisten anderen Schriften zu sein und stammen möglicherweise aus lateinischen Quellen, wie z. B. Celsus oder Hygin, die nicht mehr erhalten sind. Als weitere Quelle zitiert er die Beschreibung Vergils für die beste »Bienenrasse« (Verg. G. 4,99), wobei er auch diesem unterstellt, er folge der auctoritas des Aristoteles (Rust. 9,3,2), was nicht zutrifft ist, wie oben gezeigt wurde. Zuletzt stellt er eine gewisse Grundregel auf, an die man sich halten soll (9,3,2): nam quanto grandior apis atque etiam est rotundior, tanto peior; si vero saevior, m ­ axime pessima est. 126 Vgl. Thomas (1988) 162; Wilkinson (1969) 181. 127 Diodor berichtet in seiner Bibliotheke (5,70,5) eine Sagenversion, wonach Zeus den Bienen die goldene Hautfarbe als Erinnerung an ihre enge Verbindung zu ihm während seiner Kindheit in der Höhle am Berg Ida verliehen habe.

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Denn je größer und auch rundlicher eine Biene ist, umso schlechter ist sie; wenn sie aber wilder ist, dann ist sie die allerschlechteste.

Diese Grundregel widerspricht also teilweise der Bewertung des Aristoteles, der die kleine, rundliche Biene bevorzugt. Nach diesen unterschiedlichen Beschreibungen oder »Systematiken« erscheint es schwierig entsprechende moderne Bienenrassen – falls es sie denn überhaupt schon so in der Antike gab – für eine mögliche Identifizierung heranzuziehen. Alle Beschreibungen sind zu einem nicht unerheblichen Teil von bestimmten Vorstellungen und Anthropomorphismen geprägt sowie teilweise literarisch überformt, sodass gewisse Charakteristika und Merkmale in einem ganz neuen Kontext gebraucht werden. Der Versuch einer allgemeinen Identifikation mit modernen Bienenrassen kann kaum unternommen werden und ist für diese Arbeit auch nicht sinnvoll. In einigen Passagen finden sich außerdem Berichte über Bienen, die im Boden ihre Nester anlegen.128 Dies trifft für die Art Apis mellifera L. nicht zu, sodass hier vermutlich eine Vermengung mit – aus moderner Sicht – anderen Arten, z. B. aus der Familie der Megachilidae, gegeben ist, welche teilweise tatsächlich Nester im Boden anlegen, meist jedoch solitär leben.129 Denkbar sind jedoch auch andere Arten aus der Gattung der Hummeln (Bombus), die ebenfalls teilweise in kleineren Völkern in Erdlöchern leben.130 Dies zeigt, dass eine Vermengung von Eigenschaften und Verhaltensweisen unterschiedlicher moderner Arten bei einem antiken Tier leicht vorkommen kann, zumal auch die äußere Form der Megachilidae der der Honigbienen nicht unähnlich ist und zudem letztere ursprünglich ähnliche Habitate bewohnten, wie z. B. Höhlen oder Baumlöcher. Dies war in der Antike bekannt.131 Einige Arten der Megachilidae errichten ihre Nester mithilfe von Erde oder kleinen Steinchen.132 Möglicherweise könnte die Beobachtung eines solchen Steintransportes die Ursache der häufig genannten Geschichte sein,133 wonach die Bienen bei starkem Wind ein kleines Steinchen zur Stabilisierung des Flugs zwischen ihre Beine nähmen.134 Ein Prinzip, das man aus der menschlichen 128 Z. B. Arist. Hist. an. V 22, 554 b 10.18 f.; Verg. G. 4,42 f.; Plin. HN 11,59. 129 Vgl. z. B. Klek; Armbruster (1920) 25 Anm. 8. 130 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 38. 131 Z. B. Hom. Il. 2,87 f.; Verg. G. 4,43 f.; Columella Rust. 9,8,10 f.; Plin. HN 11,59; Pall. Op. 5,7,5. 132 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 374–379, wo diese Familie und einige ihrer mittel­europäischen Vertreter kurz beschrieben werden. 133 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 626 b 24 f.; Verg. G. 4,194–196; Plin. HN 11,24 (welcher vermerkt, dass einige auch behaupten, die Bienen trügen das Steinchen auf den Schultern); Plut. De soll. an. 10, 967 B 1–4; Ael. NA 1,10; 5,13. 134 Vgl. z. B. Olck (1897) 442; Klek; Armbruster (1919) 38 Anm. 4; Leitner (1972) 27; König; Hopp (1990) 188; Capponi (1994) 56 Anm. 57.

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Sphäre, in diesem Falle aus dem Schiffsbau und der Seefahrt, kennt, wird hier auf die Biene übertragen. Wie an einigen Stellen erwähnt wird, soll das Steinchen wie der Ballast am Kiel eines Schiffes dazu dienen, auch bei stärkerem Wind bzw. Wellengang den Kurs zu stabilisieren. Zudem zeigt dies, dass eine einfache Beobachtung – ein Insekt transportiert ein Steinchen – in einem völlig anderen Zusammenhang interpretiert werden kann. Während nach heutigem Wissen dieses Steinchen wohl zum Nestbau verwendet wird, knüpft die antike Interpretation zum einen an die Vorstellung der weisen oder zumindest geschickten Biene an, die eine dem Menschen ebenbürtige Leistung vollbringen kann, und zum anderen auch an die vermeintlichen mantischen Fähigkeiten der Bienen (dazu s. Kapitel 7). Oftmals wird diese Geschichte nämlich in diesem Zusammenhang angeführt.

2.5.2 Weisel Die Bienenköniginnen werden in antiken Texten meist mit den maskulinen Bezeichnungen ἡγεμών oder βασιλεύς bzw. dux oder rex versehen (zur Debatte über ihr Geschlecht s. 5.3). In der Regel werden sie als größer als die übrigen Bienen beschrieben.135 Vor allem der Gaster (der hintere Körperteil der sogenannten apokriten Hymenopteren) ist gegenüber den Arbeiterinnen verlängert, da er die Fortpflanzungsorgane enthält. Die Königin ist jedoch nicht doppelt so groß wie die Arbeiterin, wie teilweise in den antiken Texten behauptet wird.136 Für Aristoteles ist der große Hinterleib137 im Rahmen seiner Fortpflanzungstheorie von Bedeutung (Gen. an. III 10, 760 b 7–10). Gemäß dieser ist zur Generierung von »Zeugungsstoffen« eine gewisse Temperatur vonnöten. Diese sei leichter erreichbar, je größer das Tier ist (s. u. 171). Insofern ist eine gewisse Übertreibung der Größe in seiner Darstellung vermutlich durch diese Theorie bedingt. Ähnlich stellt es auch Plinius (HN 11,46) in einer seiner Fortpflanzungstheorien dar: hunc (sc. regem) esse solum marem, praecipua magnitudine, ne fatiscat. – »Dieser (der König) sei das einzige Männchen, von besonderer Größe, damit er nicht ermüde.« In dieser Theorie wird die Größe ebenfalls mit der Fortpflanzungsfähigkeit in Verbindung gebracht. Bei Plinius ist sie aber weniger komplex, da die Größe lediglich dazu dienen soll, genügend Kraft(reserven) für die vielen Paarungen mit den als weiblich verstandenen Bienen zur Verfügung zu 135 Z. B. Arist. Gen. an. III 10, 760 b 7–10; Columella Rust. 9,10,1; Sen. Clem. 1,19,2; Plin. HN 11,46; Pall. Op. 7,7,7; Geop. 15,2,30. 136 Z. B. Arist. Hist. an. V 21, 553 a 27; IX 40, 624 b 23 (mit gleichem Wortlaut); Plin. HN 11,51; Geop. 15,2,16. Columella Rust. 9,10,1 (und der fast wörtlich von ihm abhängige Pall. Op. 7,7,7) spricht jedoch nur von reges maiores paulo et oblongi magis quam ceterae apes. 137 In Hist. an. V 21, 553 a 28 f. heißt es, der Teil hinter der Einschnürung sei eineinhalbmal so lang (wie die Arbeiterin): καὶ τὸ κάτω τοῦ διαζώματος ἔχουσιν ἡμιόλιον μάλιστα τῷ μήκει.

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stellen (dazu s. u. 158). Weitere häufiger genannte Kennzeichen sind kürzere Flügel und geradere Beine,138 was nach heutigen Erkenntnissen so nicht stimmt, wenngleich dieser Eindruck durch das verhältnismäßig lange Hinterteil leicht entstehen kann. Einige Autoren betonen auch den besonderen Glanz und die Schönheit der Könige, was sie von den übrigen Bienen unterscheide und im positiven Sinne abhebe.139 Dies deckt sich mit der herausgehobenen Stellung im Bienenstaat, die diese Autoren den Bienenkönigen meist zuschreiben (dazu s. u. 279). Ganz besonders positiv äußert sich Plinius, der gar eine Art kleiner Krone auf der Stirn des Bienenkönigs erkennen will (HN 11,51): in fronte macula quodam diademate candicans.  – »Auf der Stirn leuchtet ein Fleck, wie eine Königsbinde.« Genau dieselben Worte verwendet Plinius aber auch für ein weiteres »königliches« Tier, nämlich den Basilisken (HN 8,78), sodass man wohl davon ausgehen kann, dass dieser Aussage keine wirklich beobachtbare Struktur zugrunde liegt,140 sondern eher der Wille, den Bienenkönig bereits durch bestimmte körperliche Merkmale als naturgegebenen Herrscher zu kennzeichnen. Eine wichtige Debatte der Antike, die häufig mit der besonderen Rolle des Königs im Stock verbunden wird, betrifft die Frage, ob der König einen Stachel besitzt.141 Aristoteles spricht sich an mehreren Stellen dafür aus, dass der König zwar einen Stachel besitzt, ihn jedoch nicht benutzt, sodass viele glaubten, er besitze keinen (zum modernen Wissen s. o. 26).142 Plinius (HN 11,52) berichtet ebenfalls, dass es eine Debatte über den Besitz des Stachels gebe, legt sich aber nicht fest. Aelian äußert sich ähnlich wie Aristoteles. In NA 5,10 sagt er über den König: […] πρᾶον ὄντα καὶ ἥμερον καὶ ὁμοῦ τι καὶ ἄκεντρον […]. – »[…] welcher milde und zahm ist und beinahe schon stachellos […].« Ausführlicher stellt er die Debatte aber bereits zuvor in NA 1,60 dar, wo er sich freilich nicht festlegt. Dort wird der Besitz des Stachels eng mit der Stellung des Königs im Bienenstaat 138 Z. B. Columella Rust. 9,10,1; Plin. HN 11,51; Pall. Op. 7,7,7. 139 Z. B. Sen. Clem. 1,19,2 (insignis regi forma est dissimilisque ceteris cum magnitudine tum nitore); Columella Rust. 9,10,1 (pulchri coloris et nitidi); Plin. HN 11,51 (multum etiam nitore a volgo differunt); Pall. Op. 7,7,7 (fast gleicher Wortlaut wie bei Columella). In Geop. 15,2,30 wird beschrieben, dass bei der Bugonie (dazu s. Kapitel 4) Bienen aus dem Fleisch, Könige aber aus Rückenmark und Gehirn des toten Rindes entstehen. Letztere überträfen die anderen an Größe, Schönheit und Kraft (κρατιστεύειν μέντοι τοὺς ἐκ τοῦ ἐγκεφάλου μεγέθει τε, καὶ κάλλει, καὶ ῥώμῃ τῶν ἄλλων). 140 König; Hopp (1990) 194 f. schlagen die Augen als mögliche natürliche Grundlage für diese Aussage vor. Diese – und auch die sogenannten Ocellen (Nebenaugen) – sind jedoch bei der Königin nicht anders als bei den Arbeiterinnen. 141 Auch in einigen byzantinischen Fürstenspiegeln findet sich diese Debatte, vgl. dazu Schmalzbauer (2005). Die Darstellungen sind ähnlich denen der klassischen Antike. Den Hinweis auf den Artikel verdanke ich dem Byzantinisten Tristan Schmidt, M. A. 142 Hist. an. V 21, 553 b 5–7; Gen. an. III 10, 760 a 14; implizit auch in Hist. an. IX 40, 626 a 22 f. In Hist. an. IX 42, 629 a 24 f. heißt es jedoch, bei den Bienen besäßen die Drohnen und die Könige keinen Stachel (ἐν μὲν οὖν ταῖς μελίτταις ἄκεντροί εἰσι καὶ οἱ κηφῆνες καὶ οἱ βασιλεῖς).

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verbunden. In einer stark anthropomorphisierten Beschreibung heißt es, dass es nicht Recht (θέμις) sei, dass die Herrschenden Unrecht tun. Die übrigen Bienen senkten aber angeblich143 ihren Stachel in seiner Anwesenheit. Welche Vorstellung vom König richtig ist, beantwortet Aelian nicht, er vermerkt jedoch, dass es zwar gut wäre, wenn der König kein Unrecht tun könnte, es aber sogar noch viel besser wäre, wenn er es zwar theoretisch könnte, sich aber zurückhielte. Hier zeigt sich im Bienenkönig das menschliche Ideal eines guten Herrschers, dem eine ihm angemessene Ehrerbietung zuteilwird. Der spätantike Historiker Ammianus Marcellinus spricht im Rahmen einer Beschreibung des Obelisken im Circus Maximus kurz über die vermeintliche Bedeutung einiger ägyptischer Hieroglyphen. Als eines von zwei Beispielen nennt er dabei die Biene (17,4,11): […] perque speciem apis mella conficientis indicant regem moderatori cum iucunditate aculeos quoque innasci debere his insignibus ostendentes […]. […] und durch die Abbildung einer Honig bereitenden Biene zeigen sie den König an, indem sie durch diese Zeichen aufzeigen, dass einem (Staats-)Lenker mit Milde auch Stacheln eingeboren sein müssen […].

In dieser Darstellung144 (zur tatsächlichen Bedeutung der ägyptischen Hieroglyphe s. u.  283) gehört der Stachel (im Text ist streng genommen von mehreren die Rede) konstitutiv zu einem König, da er gewissermaßen als Ergänzung zur Milde steht. Interessanterweise ist hier eine Charaktereigenschaft (iucunditas) direkt angegeben, die andere wird gewissermaßen metonymisch durch die Stacheln ausgedrückt. Wie auch in anderen Fällen ist die Morphologie des Tieres an die vermeintlichen charakterlichen Eigenschaften bzw. sein vermeintliches Verhalten angepasst. Die Vorstellungen von einem menschlichen König haben daher einen direkten Einfluss auf die wahrgenommene Morphologie des Tieres. Ein weiterer Einfluss auf diese Beschreibung könnte der Topos vom ambivalenten Charakter der Biene gewesen sein. Nach diesem gehen sowohl Angenehmes (der Honig) als auch Unangenehmes (der Stachel / Stich) aus der Biene hervor.145 Bekannt ist Senecas Darstellung des Bienenkönigs in seiner Schrift De clementia (1,19,2–4). Diese Schrift dient als eine Art Fürstenspiegel für den jungen Regenten Nero, dessen Erzieher Seneca war. Als ein Beispiel für einen milden und vorbildlichen Herrscher wird hier der Bienenkönig genannt. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass man aus Beobachtungen im Tierreich Vorschriften 143 Aelian beruft sich freilich auf die einhellige Meinung aller Experten (ὁμολογοῦσιν οἱ τούτων ἐπιστήμονες). 144 Vgl. auch Schmalzbauer (2005) 317 f. 145 Für weitere Belege dieses Topos s. u. 227 mit Anm. 38.

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für die menschliche Welt ableiten kann.146 Seneca erwähnt die Debatte um die Frage nach dem Stachel beim Bienenkönig gar nicht, sondern es ist in seiner Darstellung selbstverständlich, dass der Bienenkönig von der Natur so eingerichtet sein muss, dass er keinen Stachel besitzt (Clem. 1,19,3): rex ipse sine aculeo est; noluit illum natura nec saevum esse nec ultionem magno constaturam petere telumque detraxit et iram eius inermem reliquit. Der König selbst ist ohne Stachel; die Natur wollte weder, dass er rasend ist, noch, dass er Rache nimmt, die einen hohen Preis fordern würde, und hat ihm daher die Waffe entrissen und seinen Zorn unbewaffnet gelassen.

Da Verhalten und Morphologie sich offenbar entsprechen müssen, ist es für Seneca selbstverständlich, dass der Bienenkönig keinen Stachel besitzen kann, zumal der Preis für seinen Einsatz – er nimmt wohl an, dass der König auch sterben müsste, wenn er einen Stachel einsetzen könnte (s. o. 69)147  – zu hoch wäre. In der Darstellung Senecas  – man beachte in diesem Zusammenhang seinen Adressaten Nero – ist der Bienenkönig die zentrale Figur im Staat, ohne den alles auseinanderbricht und in Chaos verfällt (amisso rege totum dilabitur; Sen. Clem. 1,19,2), weshalb er beispielsweise auch am sichersten Ort in der Mitte des Stockes sein Quartier haben soll (medioque ac tutissimo loco; Sen. Clem. 1,19,2). Seneca bringt deutlich zum Ausdruck, dass man Bienenstock und menschliche Gesellschaft miteinander verbinden kann und sogar soll, und zeigt recht explizit, wie stark selbst äußerliche Eigenschaften bei Insekten mit der menschlichen Ethik verbunden werden.148 Sein Landsmann und Zeitgenosse149 Columella (Rust. 9,10,1)150 spricht sich ebenfalls gegen einen Stachel beim Bienenkönig aus und führt ein etwas ­dickeres Haar am Bauch an, das vielleicht einige mit einem Stachel verwechselt haben 146 Sen. Clem. 1,19,2: Natura enim commenta est regem, quod et ex aliis animalibus licet cognoscere et ex apibus. – »Die Natur hat den König ersonnen, was neben anderen Tieren auch bei den Bienen festgestellt werden kann.« Sowie Clem. 1,19,4: Pudeat ab exiguis animalibus non trahere mores, […] – »Man soll sich schämen, keine Sitten von winzigen Tieren abzuleiten,  […].« 147 Vgl. Faider; Favez; van de Woestijne (1950) 105. 148 Peils (1983) 240 These, dass Seneca die »wichtigsten, naturwissenschaftlichen Aussagen« zusammenfasse, trifft es hier nicht richtig. Seneca referiert nicht einfach den Kenntnisstand seiner Zeit, sondern passt Naturkunde und Ethik aneinander an. Insofern ist Seneca wohl nicht nur daran gelegen, die Übertragbarkeit im Punkt der Stachellosigkeit herzustellen (so Peil [1983] 240 f.). Wenngleich dies an dieser Stelle sicherlich das wichtigste Element ist, sind die anderen Charakterisierungen doch wohl ebenfalls bewusst ausgewählt und sind nicht bloßes Beiwerk. 149 Die beiden haben sich vielleicht persönlich gekannt. In Rust. 9,16,2 nennt Columella neben Silvinus auch Senecas Bruder Gallio (Gallio noster) als einen, der ihn aufgefordert habe, ein Buch über den Gartenbau in Versen zu verfassen. Seneca selbst nennt er in Rust. 3,3,3 einen vir excellentis ingenii atque doctrinae; vgl. Fögen (2009b) 154. 150 Fast wörtlich übernommen von Pall. Op. 7,7,7.

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könnten (sine pilo, sine spiculo, nisi quis forte pleniorem quasi capillum quem in ventre gerunt aculeum putat). Inwiefern hier eine gewisse Abhängigkeit zwischen Columella und Seneca besteht, lässt sich nicht genau sagen, zumal in Senecas Passage in De clementia, wie gezeigt, die Analogie zwischen der Gesellschaft der Menschen und der der Bienen die entscheidende Rolle spielt, sodass Naturkunde und Ethik einander beeinflussen und bedingen. Ein wenig anders stellt es Dion Chrysostomos in seiner 4. Rede über das Königtum (Περὶ βασιλείας) dar. In dieser Rede zeigt er Alexander den Großen im Gespräch mit dem kynischen Philosophen Diogenes. Diogenes legt dar, dass das wahre Königtum nicht aus Äußerlichkeiten erwachse, sondern an einem natürlichen Kennzeichen (σημεῖον; Or. 4,61 f.). erkennbar sei, das einem wahren König von Natur aus anhafte (τὸ δὲ [sc. σημεῖον] ἐκ φύσεως αὐτῷ [sc. τῷ βασιλεῖ] δεῖ προσεῖναι πάντων μάλιστα; Or. 4,62). Auf Alexanders Frage hin, was dieses σημεῖον sei, antwortet Diogenes, es sei das des Bienenkönigs. Dieser sei als Anführer von Natur aus von allen Bienen akzeptiert und bedürfe daher keiner mythischen Abstammung von Heroen und vor allem keiner Waffe. Trotzdem werde ihm keine Biene das Königtum streitig machen (Or. 4,63): Οὐκ ἀκήκοας, εἶπε, τῶν γεωργῶν ὅτι μόνη ἐκείνη ἡ μέλιττα151 ἄνευ κέντρου ἐστίν, ὡς οὐδὲν αὐτῇ δέον ὅπλου πρὸς οὐδένα; οὐδεμία γὰρ αὐτῇ τῶν ἄλλων μελιττῶν ἀμφισβητήσει περὶ τῆς βασιλείας οὐδὲ μαχήσεται τοῦτο (sc. τὸ σημεῖον) ἐχούσῃ. σὺ δέ μοι δοκεῖς οὐ μόνον περιπατεῖν, ἀλλὰ καὶ καθεύδειν ἐν τοῖς ὅπλοις. Hast du nicht, sprach er, von den Bauern gehört, dass jene die einzige Biene ohne Stachel ist, weil sie keine Waffe gegen irgendeinen benötigt? Denn keine der anderen Bienen wird mit ihr um die Königswürde streiten und auch nicht mit ihr kämpfen, da sie dieses (Zeichen) hat. Du (gemeint ist Alexander) scheinst mir aber nicht nur in Waffen herumzugehen, sondern sogar darin zu schlafen.

Wie schon bei Seneca ist hier die naturkundliche Beschreibung der Bienengesellschaft eng mit der Rolle des Königs bei den Menschen verbunden. Beide Ebenen bedingen einander. In Senecas Darstellung hat es die Natur so eingerichtet, dass der König, der durchaus Zorn empfinden kann, keinen Stachel besitzt, damit er diesem Zorn nicht Taten folgen lassen kann, die seinen Tod und den damit einhergehenden Untergang des gesamten Stockes nach sich zögen. Dion Chrysostomos’ Ansatz ist jedoch ein anderer. Der ideale König ist ein gütiger Herrscher und wird aus sich selbst heraus, nicht aufgrund äußerer Umstände von seinen Untertanen akzeptiert (ausgeführt in Or. 4,43–49), weshalb der Bienenkönig als 151 Schmalzbauer (2005) 310 möchte daraus ableiten, dass Dion Chrysostomos die Bienenkönigin als weiblich angesehen habe. Sie übersieht dabei aber offenbar, dass die femininen Bezeichnungen an dieser Stelle ausschließlich auf das grammatikalische Geschlecht von μέλιττα zurückzuführen sind. In Or. 4,62 heißt es zuvor eindeutig: ἢ οὐκ ἀκήκοας ὅτι ἐστὶ βασιλεὺς ἐν ταῖς μελίτταις φύσει γιγνόμενος; – »Oder hast du nicht gehört, dass es einen König gibt, der von Natur aus bei den Bienen entsteht?«

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Idealbild eines solchen Herrschers im Gegensatz zum Perserkönig Dareios und auch zu Alexander keine Waffen benötigt. In Senecas Darstellung schützt die Natur also den Bienenkönig vor sich selbst, indem sie ihm die Waffe nimmt, bei Dion Chrysostomos aber muss der König als guter und allgemein akzeptierter Herrscher weder vor sich selbst noch vor anderen geschützt werden, weshalb er auf eine Waffe verzichten kann. Das Tragen einer Waffe, lässt Dion Chrysostomos seinen Diogenes sagen (Or. 4,64), sei gewissermaßen ein Eingeständnis von Furcht. Ein furchtsamer Mensch könne aber niemals ein wahrer König sein (φοβούμενος δὲ οὐδέποτ’ ἂν οὐδεὶς γένοιτο βασιλεύς, οὐ μᾶλλον ἢ δοῦλος; Or. 4,64). Das Fehlen einer Waffe zeigt also, dass der Bienenkönig furchtlos ist und daher eine wichtige Eigenschaft eines wahren Königs besitzt. Interessant für unsere Untersuchung ist auch, dass in dieser Passage der Bienenkönig als eine besondere Biene, jedoch nicht als eine eigene »Art« dargestellt wird. Auch wenn Vergil gerade in Bezug auf die herausgehobene Stellung des Königs im Stock sicherlich als Vorlage für Senecas Darstellung gedient hat, kann man keine wirkliche Parallele zur Behauptung finden, dass der König stachellos sei. Braund152 zitiert in ihrem Kommentar zu Senecas Schrift De clementia zum Lemma iram eius inermem die Verse 217 f.153 des 4. Buches der Georgica, was sie wohl als eine Art Prätext für die Aussage deutet, der König besäße keine Waffe für seinen Zorn. Dies ist jedoch nur eine Vermutung, denn sie führt das Vergilzitat ohne weiteren Kommentar an. Die bei Vergil dargestellte Opferbereitschaft der Bienen bedeutet jedoch nicht zugleich, dass der König sich selbst nicht wehren kann. Die Tatsache, dass er zuvor als Kämpfer an vorderster Front dargestellt wurde (acies; Verg. G. 4,88) spricht sogar eher dagegen. Die Schilderung, dass die Bienen den König auf ihren Schultern tragen, ist ein gängiger Topos, der bereits bei Aristoteles (Hist. an. IX 40, 624 a 29 f.) belegt ist und nicht direkt mit dem Stachel des Königs in Verbindung steht. Explizit angesprochen wird die Frage nach dem Stachel des Bienenkönigs bei Vergil nicht.154 Wie bei den »normalen« Bienen werden auch bei den Königen verschiedene »Rassen« unterschieden, die sich jedoch nicht unbedingt entsprechen. Aristoteles kennt zwei »Rassen« (er spricht stets von δύο γένη), welche er folgendermaßen beschreibt (Hist. an. V 21, 553 a 25–27):155 152 Vgl. Braund (2009) 344. 153 Et saepe attollunt umeris et corpora bello / obiectant pulchramque petunt per vulnera mortem. – »Und oft heben sie (die Bienen) ihn (den König) auf ihre Schultern und geben ihre Körper dem Krieg / preis und streben nach einem süßen Tod durch die Wunden.« 154 Dahlmann (1970b) 195 sieht den Unterschied zwischen der Darstellung bei Seneca und Vergil vor allem in der Aussageabsicht der beiden Schriften. Während für Seneca, der sich an den künftigen Herrscher wendet, die Charakterisierung des Bienenkönigs von zentraler Bedeutung ist, steht bei Vergil vor allem das Verhalten des Volkes gegenüber seinem König im Fokus. 155 Darauf wird in Hist. an. V 22, 553 b 14 f. zurückverwiesen. In Hist. an. IX 40, 624 b 21–23 findet sich eine wörtliche Wiederholung mit Rückverweis.

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τῶν δ’ ἡγεμόνων ἐστὶ γένη δύο, ὁ μὲν βελτίων πυρρός, ὁ δὲ ἕτερος μέλας καὶ ποικιλώτερος, […]. Von den Anführern gibt es zwei Arten, der bessere ist rötlich gelb, der andere dunkel und gefleckter / gestreifter, […].

Die Beschreibung des Plinius (HN 11,51)156 entspricht dieser Aussage wörtlich und auch in der Passage (15,2,16)157 der Geoponica, die unter dem Namen des Florentinus überliefert ist, findet sich Ähnliches. Varro verwendet nach eigener Aussage verschiedene Quellen, die sich nicht einmal in der Zahl der unterschiedlichen »Rassen« einig sind (Rust. 3,16,18): […] tria genera cum sint ducum in apibus, niger, ruber, varius, ut Menecrates scribit, duo, niger et varius, qui ita melior, ut expediat mellario, cum duo sint in eadem alvo, interficere nigrum, […]. […] da es drei Arten von Anführern bei den Bienen gebe, den schwarzen, den roten und den gefleckten / gestreiften, (oder), wie Menekrates158 schreibt (Frg. 4 Diels) zwei, den schwarzen und den gefleckten / gestreiften, welcher in solchem Maße besser sei, dass es sich für den Imker lohne, den schwarzen zu töten, wenn sich zwei in demselben Stock befinden, […].

Möglicherweise sind aus den beiden »Rassen«, die Aristoteles nennt, aber mit drei Adjektiven versieht, drei verschiedene »Rassen« geworden, wobei Menekrates dann den rötlichen ausgelassen, aber die Zweizahl übernommen haben könnte. Aufgrund der dürftigen Quellenlage gerade aus der hellenistischen Zeit lassen sich genaue Abhängigkeiten jedoch nicht rekonstruieren. Wie schon zu den »Bienenrassen« gesagt (s. o. 73), erinnert die literarisch stark überformte Beschreibung des schlechteren Bienenkönigs bei Vergil an die Beschreibung des Drohns bzw. Diebs bei Varro und Aristoteles (s. u. 84), während der bessere von Gold zu glänzen scheint (Verg. G. 4,91–94): alter erit maculis auro squalentibus ardens – nam duo sunt genera: hic melior insignis et ore 156 Duo autem genera eorum (sc. regum): melior rufus. deterior niger variusque. 157 τῶν δὲ βασιλέων οἱ μὲν ἄριστοί εἰσι τῇ χροιᾷ ξανθοί, μέγεθος ἡμιόλιον μελίσσης. οἱ δὲ δεύτεροι ποικίλοι, ὀλίγον ὑπομελαίνοντες, μέγεθος διπλάσιον. – »Von den Königen sind die besten gelb in ihrer Färbung und eineinhalbmal so groß wie die Bienen. Die an zweiter Stelle stehenden aber gefleckt / gestreift, ein bisschen schwärzlich und von doppelter Größe.« Die Aussagen, die Aristoteles in Hist. an. V 21, 553 a 27–29 wohl über die Könige allgemein trifft, nämlich, dass sie doppelt so groß seien wie die Bienen und dass ihr Hinterleib eineinhalbmal so groß wie die Bienen sei, werden hier gewissermaßen auf die beiden Rassen verteilt, wobei die Verknüpfung mit dem Hinterleib entfällt. 158 Varro nennt ihn in Rust. 1,1,9 neben Hesiod als eine der Quellen, die ein Werk über die Landwirtschaft in Versen geschrieben haben: easdem res etiam quidam versibus (sc. scripserunt), ut Hesiodus Ascraeus, Menecrates Ephesius.

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et rutilis clarus squamis; ille horridus alter desidia latamque trahens inglorius alvum. Der eine wird leuchten von goldenen Flecken überzogen – denn es gibt zwei Arten: der bessere hier ist ausgezeichnet durch sein Antlitz und glänzend durch rötliche Schuppen; jener andere ist struppig durch seine Trägheit und schleppt unrühmlich sein breites Hinterteil.

Möglicherweise könnte man in den rutilae squamae des besseren Bienenkönigs noch Reste der Bevorzugung des rötlich gelben Bienenkönigs bei Aristoteles erkennen, es ist jedoch offensichtlich, dass hier wiederum ein literarisches Spiel mit den Prätexten gegenüber der agronomischen Genauigkeit den Vorrang erhält. Columella bemerkt zunächst (Rust. 9,10,1), dass es dunkelbraune und struppige Könige gebe, die er aber aufgrund dieses Äußeren, welches den Charakter verrät, ablehnt (Quidam etiam infusci atque hirsuti reperiuntur, quorum pro habitu damnabis ingenium159). Die enge Verbindung von Morphologie und Verhalten, welche von anderen Autoren oft nur angedeutet wird, nennt Columella hier ausdrücklich. Im Folgenden beruft sich Columella (Rust. 9,10,2) wie schon bei den Bienenrassen auf Vergil, den er zwar ausgiebig zitiert, dabei aber relativ frei mit seiner Vorlage umgeht. Er nimmt dazu Material aus den Versen 90–97 des 4. Buches der Georgica, arrangiert sie aber neu und verwendet vor allem die Beschreibung des schlechteren Volkes (Verg. G. 4,96–98; s. o.  74) für den schlechteren König.160

2.5.3 Diebe und Drohnen Die beiden »Bienenarten« Dieb (φώρ bzw. fur) und Drohn (κηφήν bzw. fucus) werden nicht in allen Texten voneinander unterschieden und sind sich in den ihnen zugeschriebenen Charakteristiken generell sehr ähnlich. Exemplarisch sei dazu auf eine Stelle (Hist. an. IX 40, 625 a 14–16) bei Aristoteles verwiesen: τοῦ δὲ φωρὸς καὶ κηφῆνος γενομένων οὐδέν ἐστιν ἔργον, τὰ δὲ τῶν ἄλλων βλάπτουσιν. ἁλισκόμενοι δὲ θνήσκουσιν ὑπὸ τῶν χρηστῶν μελιττῶν. 159 Ähnlich äußert sich auch der von Columella abhängige Palladius Op. 7,7,7: sunt alii fusci atque hirsuti, quos oportet exstingui et pulchriorem relinqui. – »Einige sind bräunlich und struppig. Diese soll man töten und den schöneren (König) behalten.« 160 Es ist in der Forschung umstritten, ob Columella dies absichtlich tut oder ob er lediglich eine schlechte Vergilvorlage besaß, falls er nicht ohnehin aus dem Kopf zitierte. Vgl. dazu z. B. Weinhold (1959) insbesondere 90 f., Cossarini (1977) insbesondere 238 und Dumont (2008) insbesondere 50 f. zu dieser Stelle.

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Die entstandenen Diebe und Drohnen verrichten keine Arbeit, sie schaden aber den (Tätigkeiten) der anderen. Wenn sie gefasst werden, werden sie von den nützlichen Bienen getötet.

In der Aufzählung der »Arten« der κηριοποιά nennt Aristoteles (Hist. an. IX 40, 623  b 5–13; zitiert oben 65) nur den Drohn, in seiner Nennung der vier »Bienenarten« (Hist. an. V 22, 553 b 7–12; IX 40, 624 b 20–27) aber neben den beiden »Arten« von »normalen« Bienen (s. o. 71) sowohl den Dieb als auch den Drohn. Der sogenannte Dieb (ὁ φὼρ καλούμενος) wird dabei als dunkel (μέλας) und mit einem breiten Hinterteil versehen (πλατυγάστωρ) beschrieben. Auch Merula bei Varro stellt den Dieb so dar, weist aber darauf hin, dass er von einigen auch Drohn genannt werden wird (fur, qui vocabitur ab aliis fucus, est ater et lato ventre; Rust. 3,16,19). Er setzt also Drohn und Dieb gleich, scheint jedoch die Bezeichnung »fur« zu bevorzugen. Columella, der keinen eigenen Dieb beschreibt, nennt die Drohnen an einer Stelle (Rust. 9,15,3) praedones (»Räuber«). Aelian spricht in Bezug auf den Drohn ebenfalls von φώρ (»Dieb«) und λῃστής (»Räuber«). Dies zeigt, dass die Übergänge zwischen den beiden »Arten« und den mit ihnen verbundenen Eigenschaften durchaus fließend sind. Plinius unterscheidet zwischen Dieb und Drohn, wobei er ersteren für eine eigene »Art« hält, letzteren aber nicht, obwohl es seiner Aussage nach Vertreter einer solchen Meinung gebe (HN 11,57): quamquam et de his (sc. fucis) video dubitari propriumque iis genus esse aliquos existimare, sicut furibus, grandissimis inter illos, sed nigris lataque alvo, ita appellatis, quia furtim devorent mella. Obwohl ich sehe, dass man über sie (sc. die Drohnen) im Zweifel ist, und dass einige sie für eine eigene Art halten, wie die Diebe, welche die größten unter ihnen sind, aber schwarz und mit einem breiten Hinterteil. Diese werden so (fur) bezeichnet, weil sie verstohlen (furtim) Honig verschlingen.

Neben den bereits bekannten Eigenschaften nimmt Plinius zusätzlich an, dass der Dieb am größten sei. Worauf sich inter illos hier bezieht, lässt sich nicht leicht entscheiden. Syntaktisch gesehen müsste sich dies eigentlich auf die Drohnen beziehen. Das hieße jedoch, dass Diebe als eine Sonderform der Drohnen gesehen würden, was aber dem Inhalt dieser Aussage widerspräche. Bedeutete es aber »unter den Bienen« wäre eigentlich die feminine Form illas zu erwarten. Klek und Armbruster161 vermuten, dass es sich beim Dieb um Bienen handelt, die in fremde Nester eindringen und dort Honig stehlen. Dabei könnte es durch Verlust des Haarkleides und durch Verkleben mit Honig zu einem veränderten Aussehen kommen, das der Beschreibung des Diebes bei Aristoteles ähnelt. Es

161 Klek; Armbruster (1919) 13 Anm. 2.

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handelt sich dabei jedoch im modernen biologischen Sinne nicht um eine eigenständige Art. Ein solcher »Raubzug«162 wird in Hist. an. IX 40, 625 a 34 – b 6 beschrieben. Demnach schadeten die Diebe ihrem eigenen Stock  – was nach modernem Verständnis so nicht stimmt – oder auch einem fremden, in den sie heimlich einzudringen versuchten. Dies gelinge jedoch nur selten, weil es viele Wächter gebe, die sie töteten, wenn man sie ertappe.163 Falls es einem aber doch gelinge, so fresse er sich so voll, dass er anschließend kaum mehr fliegen könne. Eine sehr ähnliche Geschichte wird ebenfalls bei Aelian (NA 1,8) berichtet, streng genommen allerdings vom Drohn, welcher freilich, wie bereits gesagt, hier auch φώρ und λῃστής genannt wird. Der Drohn verstecke sich tagsüber in einem Anthrenennest, dringe aber nachts heimlich in das Bienennest ein und zerstöre dort das Werk der Bienen. Wenn er von einigen Wachhabenden erwischt werde, dann werde er zunächst nur hinausgeworfen, wenn er aber ein zweites Mal erwischt werde, dann werde er getötet. Das Versteck bei den Anthrenen ist in der erhaltenen Literatur nur hier überliefert, jedoch sind die Anthrenen und Wespen durchaus mit ähnlichen Vorstellungen als Schädlinge und Räuber des Bienenstockes verbunden (s. u. 87). Aelian selbst nennt als Quelle für diesen Bericht vertrauenswürdige Imker (μελισσουργοὶ λέγουσιν ταῦτα, καὶ ἐμὲ πείθουσιν). Ob dies tatsächlich zutrifft, sei dahingestellt. Der Zusatz am Ende der Passage dient aber dazu, eine gewisse Authentizität und Glaubwürdigkeit zu erzeugen, zumal der Autor keine schriftlichen Quellen nennen kann. Der Drohn wird in Bezug auf seine Gestalt als größer als die übrigen Bienen164 und vor allem als stachellos165 beschrieben, was mit den Kenntnissen der modernen Biologie übereinstimmt. Plinius weiß keine Antwort darauf, wie sie ohne Stachel geboren werden (et quo modo sine aculeo nascantur in quaestione est; HN 11,57). Aristoteles hält es jedoch für eine gute Einrichtung der Natur, weil der Drohn so nicht um Nahrung kämpfen kann (ἅτ’ οὐδὲν ἔχοντας ὅπλον πρὸς τὸ διαμάχεσθαι περὶ τῆς τροφῆς; Gen. an. III 10, 760 b 11 f.). In Unkenntnis über seine Rolle bei der Fortpflanzung wird der Drohn nämlich schon bei Hesiod (Theog. 594–602; Op. 304–306) vor allem als unnützer Schädling im Bienenstock wahrgenommen. Seine vermeintliche Trägheit und der damit häufig ver 162 Vgl. z. B. Winston (1987) 115 f. für eine moderne biologische Beschreibung von Raubzügen unter Bienenvölkern bei Nahrungsknappheit. 163 Bis zu diesem Punkt findet sich ein ähnlicher verkürzter Bericht auch bei Antig. Car. 52a 3. Ein Raubzug eines ganzen Schwarmes wird z. B. bei Arist. Hist. an. IX 40, 626 b 12 f. und Plin. HN 11,58 erwähnt. 164 Z. B. Arist. Hist. an. V 22, 553 b 10 f.; IX 40, 624 b 26 (μέγιστος πάντων); Arist. Gen. an. III 10, 760 a 12 f.; Columella Rust. 9,15,1; Isid. Etym. 12,8,3 (fugus est maior ape, scrabrone minor); Geop. 15,9,3. 165 Z. B. Ar. Vesp. 1114 f.; Arist. Hist. an. V 21, 553 b 5; V 22, 553 b 11; IX 40, 624 b 26; Arist. Gen. an. III 10, 759 b 3 f.; 760 b 10 f.; Plin. HN 11,27.57; Epict. Gnom. 6; Geop. 15,9,3. Zu den Drohnen mit Stachel bei Platon Resp. 8, 552 c 6 – d 1 s. u. 300.

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bundene Vorwurf, er ernähre sich von anderer Hände Arbeit,166 sind die wichtigsten Charaktereigenschaften, mit denen ihn die erhaltene antike Literatur versieht. Dazu passt die Aussage bei Hesiod (Theog. 598 f.) und Aristoteles (Hist. an. IX 40, 624 a 22 f.), die Drohnen hielten sich meist im Inneren des Stockes auf, da dies oft mit einer gewissen Trägheit verbunden wird (s. o. 72). Isidor von Sevilla versucht gar seine Bezeichnung fugus etymologisch aus dem Verhalten herzuleiten (Etym. 12,8,3): Dictus autem fugus quod alienos labores edat, quasi fagus; depascitur enim quod non laboravit. Er wird aber fugus genannt, weil er die Arbeiten anderer isst, gleichsam als fagus167; er verzehrt nämlich, was er nicht erarbeitet hat.

Die Schreibung fugus ist sonst nicht belegt und scheint hier allein dazu verwendet zu werden, um sie für die intendierte Etymologie passend zu machen. Dieses Phänomen findet sich auch an anderen Stellen bei Isidor (s. z. B. u. 165 Anm. 66 und 213). Da der Drohn vor allem als Schädling wahrgenommen wurde, der den Honig der Bienen frisst und somit gewissermaßen auch den Imker schädigt, finden sich in vielen naturkundlichen und agronomischen Schriften Anweisungen, wie man diese vermeintliche Plage beseitigen kann. Aristoteles empfiehlt beispielsweise, die Einfluglöcher des Stockes durch ein Geflecht relativ eng zu halten, sodass die Bienen zwar hineinschlüpfen können, die größeren Drohnen aber nicht (Hist. an. V 22, 553 b 12–14). Unter dem Namen des Demokrit ist in den Geoponica (15,9) eine relativ komplexe Methode überliefert, wie man sich der Drohnen entledigen könne: Da die Drohnen aufgrund ihrer Gier stets voll mit Honig seien, seien sie auch immer durstig. Dies könne man ausnutzen, indem man ein Gefäß, das man innen mit Wasser besprengt habe, aufstelle. Die Drohnen könnten dann den Wassertropfen an der Innenwand des Gefäßes nicht widerstehen und könnten dadurch angelockt und anschließend entfernt werden. Auch Columella berichtet (Rust. 9,15,3), dass einige Quellen empfehlen, die Drohnen ganz zu beseitigen. In Übereinstimmung mit dem karthagischen Autor Mago (Frg. 47 Speranza) spricht er sich jedoch dafür aus, einige übrig zu lassen, da dies die Bienen fleißiger mache. Erst wenn es zu viele gebe und der Stock in Gefahr sei, solle der Imker ihre Zahl begrenzen. Diese These findet sich bereits bei Aristoteles (Hist. an. IX 40, 627 b 8–10). Columella (Rust. 9,15,2) und auch 166 Neben den besprochenen Stellen z. B. Ar. Vesp. 1114–1116; Xen. Cyr. 2,2,25; Arist. Hist. an. V 22, 553 b 11 f.; IX 40, 624 b 27; Arist. Gen. an. III 10, 760 b 10 f.; Var. Rust. 3,16,8; Verg. G. 4,168.244; Verg. Aen. 1,435; Columella Rust. 9,15,1 f.; Epict. Gnom. 6. 167 Das lateinische Wort fagus bedeutet »Buche«, ist hier aber nicht gemeint. Es scheint sich eher um eine Latinisierung des griechischen Wortes φάγος zu handeln, das einen Schlemmer oder Fresser bezeichnet.

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Plinius (HN 11,27) sehen aber noch einen weiteren Nutzen in den Drohnen: Sie sollen durch ihre Wärme zur Entwicklung der Brut beitragen (dazu s. u. 170). Das Drohnenbild scheint bei diesen beiden Autoren also etwas positiver zu sein, zumal Plinius sie gar für eine Art Sklaven in der Bienengesellschaft hält, die die Bienen in der Arbeit unterstützen (neque in opere tantum, sed in fetu quoque adiuvant eos; HN 11,27). Die Ansicht, die Drohnen seien Schädlinge der Bienen, wurde sicherlich, wie bereits gesagt (66), durch das beobachtete Verhalten der Bienen, die die Drohnen töten (vor allem in der sogenannten Drohnenschlacht168 am Ende der Paarungszeit im Frühsommer), maßgeblich unterstützt. In vielen Passagen wird erwähnt, dass die Bienen die Drohnen töten oder zumindest von ihrem Stock abhalten,169 was zudem den Schluss nahelegt, dass die Drohnen nicht richtig zu den Bienen gehören, sondern bloß Schädlinge im Stock sind. Teilweise ging man offensichtlich sogar davon aus, dass sie eine völlig eigenständige »Art« mit getrennter Fortpflanzung und Wabenbau seien, wie es z. B. Aristoteles (Hist. an. IX 40, 624 a 18–22) und Plinius (HN 11,57) referieren, ohne sich dieser Meinung anzuschließen.

2.6 Wespen und verwandte »Arten« Eine genaue Unterscheidung der verschiedenen wespenartigen Tiere kann kaum vorgenommen werden. Zu sehr gehen die Charakteristika und Eigenschaften ineinander über. Ohnehin unterscheiden sich die Konzepte dieser Tiere kaum voneinander, sodass Bezeichnungen wie σφήξ und ἀνθρήνη (teilweise auch τενθρηδών) bzw. vespa und crabro in vielen Fällen austauschbar erscheinen. Dies gilt insbesondere für Texte, die nicht primär an einer Vermittlung naturkundlichen Wissens interessiert sind. Von den Bienen, die als ihre besonders nahen Verwandten wahrgenommen werden, werden die Wespen sowohl durch die bereits erwähnten eher metaphysischen Eigenschaften wie den Besitz des θεῖον (s. o. 63) als auch durch ihre Nahrung und ihr Verhalten abgegrenzt. So werden Wespen häufig zu den Feinden der Bienen gezählt,170 was eine generell eher negative Bewertung in den antiken Texten nach sich zieht, da die Bienen nicht nur symbolisch hohes Ansehen genossen, sondern auch ganz praktisch einen ökonomischen Wert für den Menschen besaßen, der durch Schädlinge herabgesetzt wurde. 168 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 42. 169 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 625  a 16; Var. Rust. 3,16,8; Verg. G. 4,168; Aen. 1,435; ­Columella Rust. 9,15,1; Plin. HN 11,28.57. 170 Vgl. z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 626 a 7 f.; 627 b 4 f.; Var. Rust. 3,16,19 (hier wird die vespa als eine der »Bienenarten« neben der guten kleinen und runden Biene und dem Dieb genannt); Verg. G. 4,245; Columella Rust. 9,14,10; Plin. HN 11,61; Epict. Gnom. 6; Ael. NA 5,11; Pall. Op. 9,7; Geop. 15,2,18.

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Als Nahrung der Wespen wird – häufig im Gegensatz zu den Bienen – Fleisch und Fisch genannt.171 Teilweise wird sogar speziell das Fleisch von Schlangen erwähnt, das die Wespen giftiger machen soll.172 Das Prinzip, dass das Fressen eines bestimmten Tieres zur eigenen Giftigkeit beiträgt, findet sich auch in Bezug auf Schlangen, die sich von Ameisen ernähren (s. u. 108). Tatsächlich sammeln Wespen nach modernen Erkenntnissen Fleisch. Dieses dient jedoch weniger den Imagines, sondern vor allem den Larven als Nahrung (dazu s. o. 29). Die Ernährung durch Früchte und Nektar ist freilich in der Antike ebenfalls bekannt.173 Die Gesellschaft des Wespenstaates ist nicht so detailliert beschrieben wie die der Bienen und die einzelnen Kasten werden nicht so stark als weitgehend unabhängige »Arten« angesehen. Die Wespen werden im Gegensatz zu den Bienen vor allem als homogene Masse wahrgenommen, sodass sich keine wirklich unabhängigen Konzepte der einzelnen Kasten entwickeln konnten, zumal diese ohnehin fast nur in den naturkundlichen Schriften unterschieden werden. Dies dürfte nicht zuletzt mit den unterschiedlichen antiken Fortpflanzungstheorien zusammenhängen, da man bei den Wespen wusste, dass sich die sogenannten Wespenmütter paaren und alle anderen Bewohner des Stockes als Nachkommen hervorbringen, während die Fortpflanzung der Bienen weitestgehend unbekannt war (dazu ausführlich 3.2.1). Wenn speziell von den modern so bezeichneten Arbeiterinnen gesprochen wird, findet sich in den antiken Texten die Bezeichnung ἐργάται bzw. opifices. Daneben gibt es noch die modern so bezeichneten Königinnen, welche freilich nach antiker Auffassung nicht in jedem Wespennest zu finden sind (dazu im Folgenden). Diese heißen bei Aristoteles entweder ἡγεμών oder μήτρα, bei Plinius mater.174 Diese Wespenmütter werden ähnlich wie die Bienenkönige als größer und milder175 als die übrigen Wespen beschrieben. In seiner Beschreibung der Anthrenen (Hist. an. IX 42, 629 a 2–6) vermerkt Aristoteles, dass der ἡγεμών der Anthrenen im Verhältnis zu den übrigen Anthrenen noch größer sei als die jeweiligen Weisel der Bienen 171 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 627 b 6 f.; IX 41, 628 b 13 (über die σφῆκες); IX 42, 628 b 32 – 629 a 2 (über die ἀνθρῆναι); IX 43, 629 a 33–35 (über die τενθρηδών); Plin. HN 11,72; Ael. NA 1,58. 172 Plin. HN 11,281. Im Corpus Aesopicum (216) ist eine Fabel von einer Wespe über­ liefert, die den Winter damit verbringt, einer Schlange ständig in den Kopf zu stechen, bis die Schlange schließlich den Kopf in ein Rad hält und sie somit beide tötet. 173 Z. B. Arist. Hist. an. IX 41, 628  b 12 f. (über die σφῆκες); IX 42, 629  a 1 f. (über die ἀνθρῆναι). 174 Die Beschreibung des Anführers der Wespen als milden Königs bei Aelian (NA 5,15) ist wohl eine Besonderheit (dazu s. u. 305). Zu den Bezeichnungen Bienenkönig und Wespen­ mutter s. 5.4. 175 Arist. Hist. an. IX 41, 628 a 3 (εἰσὶ δὲ μείζους οἱ ἡγεμόνες πολὺ καὶ πραότεροι); Plin. HN 11,73 (hae [sc. matres] et clementes); 11,74 (latior matrum species); Ael. NA 5,15 (οἱ δὲ ἄρχοντές εἰσι διπλοῖ μὲν τὸ μέγεθος, πρᾶοι δὲ καὶ οἷοι μήτε ἑκόντες λυπεῖν ἔχειν μήτε ἄκοντες).

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und Wespen zu ihrem Volk. Auch bei den Anführern der Wespen und ihrer nahen Verwandten scheint diskutiert worden zu sein, ob sie einen Stachel besitzen oder nicht. Aristoteles (Hist. an. IX 41, 628 a 35 – b 3) vertritt die These, dass die Wespenmütter ähnlich wie die Bienenkönige zwar einen Stachel besitzen, ihn aber nicht benutzen. Zu den Anthrenen vermerkt er (Hist. an. IX 42, 629 a 26–28), dass zwar alle einen Stachel zu haben scheinen, man dies bei den ἡγεμόνες aber noch einmal überprüfen müsse. Plinius (HN 11,74) meint, es sei zweifelhaft, ob die Wespenmütter einen Stachel besitzen, weil sie das Nest nicht verlassen.176 Aelian dagegen ist daran gelegen die Wespenkönige als milde Herrscher darzustellen und nennt daher als Beleg für diese Aussage die Tatsache, dass sie keinen Stachel besitzen (καὶ τὸ μαρτύριον, ἄκεντροι καὶ οἵδε εἰσί; NA 5,15). Dies steht ein wenig im Gegensatz zu seiner Darstellung des Bienenkönigs, wo er darauf abhob, dass dieser noch bewundernswerter sei, wenn er zwar Gewalt anwenden könnte, sich aber zurückhalte (s. o. 78). Plinius erwähnt, dass es zudem Wespendrohnen gebe (et iis sui fuci; HN 11,74). Diese Aussage geht vermutlich indirekt auf Aristoteles zurück, der sich freilich etwas anders äußert (Hist. an. IX 41, 628 b 3–6): τῶν δὲ σφηκῶν οἱ μὲν ἄκεντροί εἰσιν ὥσπερ κηφῆνες, οἱ δ’ ἔχουσι κέντρον. εἰσὶ δ’ οἱ ἄκεντροι ἐλάττους καὶ ἀμενηνότεροι καὶ οὐκ ἀμύνονται, οἱ δὲ ἔχοντες τὰ κέντρα μείζους καὶ ἄλκιμοι· Von den Wespen sind die einen stachellos wie Drohnen, die anderen haben einen Stachel. Die stachellosen sind kleiner und schwächer und verteidigen sich nicht, diejenigen aber, die Stachel besitzen, sind größer und wehrhafter;

Die stachellosen Wespen sind für Aristoteles also nur »wie Drohnen« (ὥσπερ κηφῆνες), nicht aber spezielle Wespendrohnen.177 Dies hängt vermutlich mit seiner Wahrnehmung der Drohnen als eigenständige »Art« neben Bienen und Wespen zusammen (dazu s. o. 65). Insofern ist der Drohn nicht eine Kaste der Bienen, die man analog vielleicht auch bei den Wespen finden könnte, sondern als Schädling im Bienenstock eine eigene »Art« und daher nicht ohne Weiteres in den Wespenstock zu versetzen. Die stachellosen Wespen sind den Drohnen zwar vergleichbar, aber nicht dasselbe, zumal die stachellosen Wespen im Gegensatz zu den Drohnen bei den Bienen als kleiner beschrieben werden, was zwar nicht den modernen Erkenntnissen der Biologie entspricht, hier jedoch dazu dient, die stachellosen Tiere als weiblich darzustellen, die anderen aber als männlich (dazu s. 5.1). Die »wilden Wespen« (dazu im Folgenden) und die Anthrenen 176 Dass die Wespenmütter das Nest kaum verlassen, findet sich bereits bei Aristoteles. Er macht es unter anderem an ihrer Größe und dem Gewicht fest, das ihnen nicht erlaube, weit zu fliegen (Hist. an. IX 41, 628 a 30–34). 177 Beavis (1988) 191, der diese Ansicht vertritt, ist also zu widersprechen.

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hält Aristoteles dagegen im Gegensatz zu den Bienen und den anderen Wespen alle für mit einem Stachel versehen (αἱ δὲ ἀνθρῆναι πᾶσαι φαίνονται κέντρον ἔχουσαι; Hist. an. IX 42, 629 a 26 f.). In der Parabase der Wespen des Aristophanes spricht der Chor der Wespen ebenfalls von Drohnen, die unter ihnen lebten (ἀλλὰ γὰρ κηφῆνες ἡμῖν εἰσιν ἐγκαθήμενοι; Vesp. 1114). In Anbetracht der Tatsache, dass die Benennungen der einzelnen »Arten« von sozialen Insekten in dieser Komödie nicht trennscharf vollzogen werden (s. o. 32), muss man nicht zwingend davon ausgehen, dass hier spezielle Wespendrohnen gemeint sind, sondern dass der Topos der Drohnen als träge Schädlinge im Stock aufgerufen wird.178 Ein Kuriosum, das Aristoteles referiert, dabei aber anmerkt, dass er dafür keine direkte Quelle hat, ist der vermeintliche Verlust des Stachels im Winter (Arist. Hist. an. IX 41, 628 b 7–9):179 πρὸς δὲ τὸν χειμῶνα ἀποβάλλειν δοκοῦσι πολλοὶ τῶν ἐχόντων τὰ κέντρα· αὐτόπτῃ δ’ οὔπω ἐντετυχήκαμεν. – »Zum Winter hin scheinen viele, die einen Stachel besitzen, diesen abzuwerfen; einem Augenzeugen sind wir aber noch nicht begegnet.« Möglicherweise stellt dies einen Versuch dar, sich die Entstehung der stachellosen Wespen zu erklären. Da diese nicht als eigenständige »Art« aufgefasst wurden, kann es nach antiken Fortpflanzungstheorien schwierig zu erklären sein, wieso es Exemplare mit und ohne Stachel gibt, da man davon ausging, dass die Nachkommen den Eltern in der Regel gleichen. Eine weitere Erklärungsvariante ist die Zuteilung der unterschiedlichen Exemplare zu unterschiedlichen Geschlechtern. Das Ausfallen des Stachels im Winter könnte eine analoge Übertragung von Erfrierungen anderer Gliedmaßen beim Menschen sein. Die einzelnen antiken »Wespenarten« zu unterscheiden, ist, wie bereits gesagt, kaum möglich, zumal sich beispielsweise Aristoteles zuweilen selbst zu widersprechen scheint, was aber mit dem besonderen Charakter der Historia animalium als »Materialsammlung« zusammenhängen könnte. In Hist. an. IX 41 unterscheidet Aristoteles zwei »Arten« von σφῆκες. Zum einen gibt es die sogenannten ἄγριοι σφῆκες (»die wilden Wespen«), zum anderen die ἡμερώτεροι (»die zahmeren / milderen«), welche er folgendermaßen unterscheidet (Hist. an. IX 41, 627 b 23–31): τῶν δὲ σφηκῶν ἐστὶ δύο γένη. τούτων δ’ οἱ μὲν ἄγριοι σπάνιοι, γίνονται δ’ ἐν τοῖς ὄρεσι, καὶ τίκτουσιν οὐ κατὰ γῆς ἀλλ’ ἐν ταῖς δρυσί, τὴν μὲν μορφὴν μείζους καὶ προμηκέστεροι καὶ μελαγχρῶτες τῶν ἑτέρων μᾶλλον, ποικίλοι δὲ καὶ ἔγκεντροι πάντες καὶ ἀλκιμώτεροι, καὶ τὸ πλῆγμα ὀδυνηρότερον αὐτῶν ἢ ἐκείνων· καὶ γὰρ τὸ κέντρον ἀνάλογον μεῖζον τὸ τούτων. οὗτοι μὲν οὖν διετίζουσι, καὶ ὁρῶνται καὶ τοῦ χειμῶνος 178 Vgl. Meckenstock (1952) 12. Biles; Olson (2015) 413 verweisen darauf, dass sich die Charakterisierung der Drohnen an dieser Stelle nicht von der der Bienendrohnen unterscheidet. 179 Kürzer findet es sich bei Plinius (HN 11,74): quidam opinantur omnibus his ad hiemem decidere aculeos. – »Einige glauben, dass ihnen allen zum Winter hin die Stachel ausfallen.«

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ἐκ δρυῶν κοπτομένων ἐκπετόμενοι, ζῶσι δὲ φωλοῦντες τὸν χειμῶνα· ἡ δὲ διατριβὴ ἐν τοῖς ξύλοις. Von den Wespen gibt es aber zwei Arten. Die einen von diesen sind wild und selten, sie leben in den Bergen und gebären nicht unter der Erde, sondern in Eichen. In Bezug auf ihre Gestalt sind sie größer, länglicher und dunkler als die anderen. Sie sind gefleckt / gestreift, alle mit einem Stachel versehen und ziemlich wehrhaft. Ihr Stich ist schmerzhafter als der der anderen. Denn auch ihr Stachel ist entsprechend größer als der der anderen. Diese überwintern nun und man kann sie auch im Winter aus gefällten Eichen herausfliegen sehen. Sie überleben, indem sie sich im Winter zurückziehen. Sie halten sich im Holz auf.

Die Beschreibung der Lebensweise und der Morphologie der ἄγριοι σφῆκες erinnert an unsere moderne Art der Hornissen (Vespa crabro L.),180 die vor allem im Gegensatz zu den Kurzkopfwespen (Vespula spec.) nicht unter der Erde, sondern in hohlen Bäumen nisten und auch größer als diese sind. Wie bei den übrigen Faltenwespen überwintern die Arbeiterinnen aber auch bei ihnen nicht (s. o. 28). Der Nistplatz und die Beschaffenheit des Nestes sind für Aristoteles wichtige Unterscheidungsmerkmale, wobei er dabei nicht völlig konsistent in seinen Aussagen ist. In Hist. an. V 23, 554 b 22–25 heißt es nämlich, dass die σφῆκες, wenn sie keinen Anführer hätten, in Höhlen nisteten (ἐν τρώγλῃ), wenn sie aber einen hätten, unter der Erde (ὑπὸ γῆν). Der Nistplatz ist in diesem Falle also nicht davon abhängig, ob es sich um die »wilde« oder die »zahme« Art handelt, sondern, ob sie einen Anführer haben oder nicht. Möglicherweise liegt hier eine gewisse Vermischung unterschiedlicher Gattungen der Faltenwespen vor, die die Grundlage dieser Aussage gebildet haben könnte. So nisten, wie bereits gesagt (s. o.  29), die sogenannten Kurzkopfwespen (Vespula spec.) tatsächlich unter der Erde und haben eine Königin,181 einige Arten der Feldwespen (Polistes spec.) gründen aber polygyne Nester. Dies bedeutet, dass mehrere befruchtete Königinnen gemeinsam im Frühjahr ein Nest an Felsen oder Pflanzen errichten, wobei sich eine gewisse Hierarchie einstellt.182 Da das Nest also nicht nur von einem Tier gebaut wird, sondern von mehreren, könnte der Eindruck entstanden sein, dass es Wespennester ohne Anführer gebe. Von der Anthrene heißt es bei Aristoteles, sie nisteten ohne Anführer irgendwo an einer erhöhten Stelle (ἐπὶ μετεώρου τινός; Hist. an. V 23, 554 b 24). Vermutlich ist die folgende Aussage, dass die Wespenschwärme mit Anführer unter der Erde nisten (Hist. an. V 23, 554 b 25), an dieser Stelle sowohl auf die σφῆκες als auch auf die ἀνθρῆναι zu beziehen. Auch in Hist. an. IX 42, 629 a 7–13 wird berichtet, dass sie sehr große und wachsreiche Nester unter der Erde an 180 So z. B. Richter (1978) 904 und Beavis (1988) 188. 181 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 661. 182 Vgl. z. B. ebd. 660.

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legen, welche sie wie Ameisen ausgraben. In Abgrenzung zu den Wespen heißt es in Hist. an. V 23, 554 b 27–29, die rinden- und spinnwebartigen Waben (ἐκ φλοιώδους καὶ ἀραχνώδους), welche beide »Arten« von den Bienen unterscheiden, seien bei den Anthrenen viel glatter (πολλῷ γλαφυρώτερον).183 Die beschriebene Nestanlage zeigt recht eindeutig, dass die einfache Identifikation der ἀνθρήνη mit der modernen Hornisse zumindest für Aristoteles kaum möglich ist. Zudem sollen die Anthrenen große Mücken fangen und ihnen den Kopf abreißen und dann mit dem übrigen Körper davonfliegen (Hist. an. IX 42, 628 b 34 – 629 a 1). Ein solches oder zumindest ähnliches Verhalten kann man freilich bei den Hornissen beobachten.184 Eine noch weniger greifbare Art ist die τενθρηδών, die Aristoteles (Hist. an. IX 40, 623 b 10) ebenfalls unter die sozialen κηριοποιά zählt. Sie werden als den Anthrenen ähnlich, jedoch gefleckt / gestreift und in etwa so breit wie die Biene beschrieben (ἡ δὲ τενθρηδὼν προσεμφερὴς μὲν ἐστι τῇ ἀνθρήνῃ, ποικίλον δέ, καὶ τὸ πλάτος ὅμοιον τῇ μελίττῃ; Hist. an. IX 43, 629  a 31–33). Auch sie soll Nester unter der Erde anlegen, die größer und länglicher seien als Wespennester (Hist. an. IX 43, 629 a 35 – b 2). Elemente dieser Beschreibungen finden sich stark verkürzt und in anderer Zuordnung auch bei Plinius. Die recht komplizierte Verteilung der Nistplätze bei Aristoteles ist bei ihm vereinfacht (HN 11,71): Vespae in sublimi e luto nidos faciunt, in iis ceras, crabrones cavernis aut sub terra. et horum omnium sexangulae cellae, cerae autem e cortice, araneosae. Wespen errichten Nester aus Lehm in der Höhe und (bauen) in ihnen die Waben. Hornissen185 in Höhlen oder unter der Erde. Die Zellen all dieser (»Arten«) sind sechseckig, die Waben aber aus Rinde, dem Spinnengewebe ähnlich.

Im Vergleich zu den Beschreibungen der Nester bei Aristoteles (Hist. an. V 23, 554  b 22–29), die zumindest indirekt die Grundlage für diese Stelle bilden dürften, zeigt sich, dass die traditionelle Gleichsetzung von σφήξ mit der vespa und der ἀνθρήνη mit dem crabro hier genau anders herum vorgenommen 183 Thompson (1910) zu Hist. an. V 23, 554  b 21 Anm. 7 vermutet daher Polistes spec. könnte die biologische Grundlage dieser Aussage sein. 184 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 660, die berichten, dass Vespa crabro L. verschiedenste Insekten, darunter auch die Honigbiene, jagt. Letzteren beißen sie den Hinterleib ab, um den Kropfinhalt aufzulecken. 185 Streng genommen trifft die Beschreibung des Nistplatzes des crabro bei Plinius nicht auf den Nistplatz der Hornisse (Vespa crabro L.) zu. Die im Folgenden bei Plinius genannten crabronum silvestres sind der modernen Art dagegen schon eher ähnlich (auch z. B. die ­crabrones bei Ov. Fast. 3,751; s. im Folgenden), sodass der Einfachheit halber hier die traditionelle Übersetzung von crabro mit Hornisse verwendet wird.

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wird.186 Bei Aristoteles187 errichtet, wie gezeigt, die ἀνθρήνη genau wie die vespa bei Plinius ihr Nest in der Höhe, während der σφήξ und der crabro in Höhlen nisten. Ebenso wird der Bericht von der Jagd auf große Fliegen, denen der Kopf abgerissen wird, bei Plinius (HN 11,72) der vespa zugeschrieben, bei Aristoteles hingegen, wie gezeigt, der ἀνθρήνη. Zuletzt beschreibt Plinius (HN 11,73) noch die crabronum silvestres (»die wilden / im Wald lebenden Vertreter der Hornissen«). Diese sollen in Baumhöhlen leben und sich im Winter zurückziehen. Diese Beschreibung geht wohl auf die ἄγριοι σφῆκες des Aristoteles zurück, wie der fast wörtlich übertragene Wortlaut zeigt. Neben den besprochenen Passagen bei Aristoteles und Plinius werden die Nistplätze der Wespen und ihrer nahen Verwandten in der erhaltenen Literatur kaum erwähnt. In den Fasti Ovids wird die Ulme als Nistplatz eines Schwarmes von crabrones genannt. Hier ist in dem Abschnitt zum Bacchus-Fest am 17. März (Ov. Fast 3,713–808) die Geschichte (3,745–760) eingelegt, wie der Silen in der fälschlichen Annahme, es handle sich um einen honigreichen Bienenstock, in ein Nest von crabrones greift. In den beiden Wespengleichnissen der Ilias (12,167–172 und 16,259–267) befindet sich das Wespennest jeweils am Wegesrand, ohne dass deutlich gemacht wird, wie es gestaltet ist.188 In einem Fragment des Kallimachos (151,27 Asper = 191,27 Pfeiffer) kommen die Wespen (σφῆκες) aus dem Boden. Diodor (17,75,7) berichtet zudem von einem Tier namens ἀνθρηδών, welches im Land der Hyrkaner (im Südosten des Kaspischen Meeres) leben soll: Ἔστι δὲ καὶ ζῷον κατὰ τὴν χώραν ἐπτερωμένον, ὃ καλεῖται μὲν ἀνθρηδών, λειπόμενον δὲ μεγέθει μελίττης ποικίλην189 ἔχει τὴν ὠφέλειαν. Ἐπινεμόμενον γὰρ τὴν ὀρεινὴν ἄνθη παντοῖα δρέπεται καὶ ταῖς κοιλάσι πέτραις καὶ τοῖς κεραυνοβόλοις τῶν δένδρων ἐνδιατρῖβον κηροπλαστεῖ καὶ κατασκευάζει χύμα διάφορον τῇ γλυκύτητι, τοῦ παρ’ ἡμῖν μέλιτος οὐ πολὺ λειπόμενον. Es gibt aber auch ein geflügeltes Tier in diesem Gebiet, das anthrēdōn genannt wird. Es steht der Biene in seiner Größe nach und ist auf vielerlei Weise nützlich. Denn es weidet im Gebirge und pflückt von allen Arten von Blüten. Es lebt in hohlen Felsen 186 Ein ähnlicher Fall ist der Ausdruck inritabis crabrones (»du wirst die Hornissen erregen«, was in etwa dem deutschen Ausdruck »in ein Wespennest stechen« entspricht) im plautinischen Amphitruo (707), welcher womöglich auf ein griechisches Sprichwort σφηκιὰν ἐρεθίζειν (z. B. Ar. Lys. 475 sowie im attizistischen Lexikon [σ 32 ed. Erbse] des Lexikographen Pausanias) zurückgeht (vgl. Keller [1980] 28 f.; Davies; Kathirithamby [1986] 76 mit weiteren Literaturangaben). Auch in diesem Falle entspräche das lateinische Wort crabro, welches hier zum ersten Mal in der erhaltenen lateinischen Literatur belegt ist, dem griechischen σφήξ. 187 In Arist. Hist. an. IX 42, 629 a 7–13 heißt es, wie bereits gesagt, explizit, dass die Anthrenen ihr Nest unter der Erde errichten. 188 Beavis (1988) 191 nimmt an, dass es sich unter der Straße, d. h. im Boden befindet. Dies ist jedoch so nicht gesagt. 189 Dies ist eine Konjektur des Editors Goukovsky. Die Kodizes lesen hier μεγίστην.

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und vom Blitz getroffenen Bäumen. Es bildet Waben und bereitet einen in seiner Süße ausgezeichneten Saft, der dem Honig bei uns nicht viel nachsteht.

Welches Tier hier genau gemeint ist, lässt sich nicht bestimmen. Man könnte es nach dieser Beschreibung für eine wilde Biene halten.190 Hesych (α 5155), der die einzige weitere Nennung in der erhaltenen Literatur bietet, setzt ἀνθρηδών jedoch mit τενθρηδών gleich. Vermutlich geht die Aussage bei Diodor, welche im Rahmen des Berichtes über den Alexanderzug erzählt wird, auf den Alexanderhistoriker Kleitarchos (4. Jhd. v. Chr.) zurück.191 Von ihm ist ein Fragment (137 Frg. 14 FGrH) erhalten, das eine Aussage über die τενθρηδών enthält: Κατανέμεται μὲν τὴν ὀρεινήν, εἰσίπταται δὲ εἰς τὰς κοίλας δρῦς. – »Sie beweidet das Gebirge und fliegt in hohle Eichen.« Die Bezeichnung ἀνθρηδών ist wohl, wie auch z. B. τενθρήνη (Nic. Alex. 547) oder πεμφρηδών (Nic. Alex. 183) von ähnlich klingenden Tiernamen (hier wohl eine Mischung aus ἀνθρήνη und τενθρηδών) beeinflusst, sodass die unterschiedlichen Bezeichnungen gleiche oder zumindest sehr ähnliche Tiere meinen.192 Inhaltlich kann man noch anmerken, dass zumindest Aristoteles von einer Art Honig bei den ἀνθρῆναι ausging, der der Brut als Nahrung dient (s. u.  181). Wie gezeigt wurde, sind die Bezeichnungen für die verschiedenen wespenartigen Tiere sehr unterschiedlich und können kaum mit modernen biologischen Arten identifiziert werden. Abgesehen von den naturkundlichen Schriften scheinen die Namen oft austauschbar zu sein, da die beiden prominentesten Charakteristika, Aggressivität193 und eine gewisse Ähnlichkeit zu den Bienen194, mit allen wespenartigen Tieren verbunden werden.

190 So Gil Fernández (1959) 74. 191 Vgl. auch den Kommentar zum Fragment von Jacoby (1930) = (FGrH 2. Teil D) 491. 192 Vgl. z. B. Frisk (1960) 110; Chantraine (1980) 90; Beekes (2010) 105. 193 Auch in den Hieroglyphika (2,24) des Horapollon heißt es, das Zeichen einer vom Himmel gefallenen Wespe (σφήξ ἀεροπετής) stehe für einen Schädling bzw. etwas Schädliches (das lässt sich anhand des Akkusativs βλαπτικόν nicht sicher entscheiden; ersteres ist aber aufgrund des folgenden φονέα wahrscheinlicher) oder einen Mörder (φονεύς). 194 So ist sicherlich auch folgender Ausdruck aus der Schrift Adversus Marcionem (4,5,3) des Tertullian zu verstehen: Faciunt favos et vespae, faciunt ecclesias et Marcionitae  – »Es errichten (Honig-)Waben auch Wespen, es errichten Kirchen auch die Markioniten.« (vgl. Richter [1978] 908). Es soll hier nicht wirklich die naturkundliche Aussage getroffen werden, dass Wespen in der Lage seien, »(Honig-)Waben« herzustellen, sondern die Wespen sind hier als negative, aber ähnliche Tiergruppe neben den nur implizit genannten Bienen angeführt, die man wohl mit den nach Tertullians Auffassung Rechtgläubigen gleichsetzen muss.

Der οἶστρος

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2.7 Der οἶστρος Der sogenannte οἶστρος bezeichnet meist eine Bremse, welche im Lateinischen mit tabanus oder asilus übersetzt wird,195 was ihn für diese Untersuchung weniger relevant macht. Teilweise wird jedoch in den römischen agronomischen Schriften zu den Bienen erwähnt, dass an den Rändern der Stöcke im Mai größere Bienen entstünden, die die anderen Bienen in Aufruhr versetzten. Diese werden ebenfalls als οἶστροι bzw. oestri bezeichnet. Dabei handelt es sich jedoch vermutlich um eine Verwechslung mit den Weiselzellen, die an den äußeren Rändern entstehen (dazu s. u. 164). Daneben äußert Körner196 die These, dass der in der Odyssee (22,300) genannte αἰόλος οἶστρος (»flinke / schnell bewegliche oistros«) die Hornisse sei. Dies begründet er damit, dass die σφῆκες (und vielleicht auch die μέλισσαι) in Il. 12,167 als μέσον αἰόλοι (»in der Mitte beweglich«) bezeichnet werden. Er meint nun, dass man dieses μέσον sinngemäß auch zu οἶστρος hinzudenken müsse, da er glaubt, damit sei die Hornisse gemeint. Warum er das glaubt, begründet er aber nicht richtig. Auf Seite 80 seiner Monographie beschreibt er die Gruppe der von ihm sogenannten μέσον αἰόλοι, zu denen er bereits den οἶστρος als Hornisse zählt, ohne dass er genauer ausführt, worauf sich seine These gründet. Auf Seite 86 verweist er dann auf Seite 80 für eine Begründung zurück. Es handelt sich hier also um einen Zirkelschluss, sodass die These, mit dem οἶστρος sei die Hornisse gemeint, eine bloße Behauptung ist. Vieles spricht sogar gegen diese Annahme. Der Zusammenhang, in dem der αἰόλος οἶστρος bei Homer genannt wird, ist ein Gleichnis, in dem dieses Tier eine Rinderherde vor sich hertreibt. Dies ist an und für sich ein Verhalten, das man durchaus mit einer Bremse in Verbindung bringen könnte, welche tatsächlich sehr häufig Huftiere stechen,197 was auch in der Antike an zahlreichen Stellen beschrieben wird.198 Es besteht darüber hinaus gar keine Notwendigkeit μέσον zu αἰόλος οἶστρος bei Homer sinngemäß zu ergänzen. Denn warum sollte eine Bremse nicht im Ganzen »schnell beweglich« oder »flink« genannt werden, zumal an einigen Stellen bei Homer auch andere Tiere mit dem Adjektivattribut αἰόλος versehen werden?199 Der οἶστρος kann neben seiner geläufigen Bedeutung »Bremse« in einigen Schriften also durchaus eine bestimmte »Art« von Bienen bezeichnen, jedoch eher nicht die Hornisse.

195 Zu diesem Tier vgl. Beavis (1988) 225–229. 196 Vgl. Körner (1930) 80.86. 197 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 607. 198 Vgl. dazu Beavis (1988) 228 f. 199 Il. 19,404 πόδας αἰόλος ἵππος; Il. 22,509 αἰόλαι εὐλαί.

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2.8 Ameisen Ameisen sind nach unserem modernen biologischen Verständnis eine sehr artenreiche Gruppe der Insekten. In den erhaltenen antiken Texten werden sie aber häufig als eine einzige »Art« aufgefasst. Auch wenn im Folgenden einige unterschiedliche »Arten« genannt werden, sollte man sich immer bewusst sein, dass es sich dabei um gesuchte Einzelfälle handelt, welche gerade nicht typisch für die allgemeine Behandlung der Ameisen in den antiken Quellen sind (dazu s. 1.1.5). Die genaue Gestalt der Ameisen wird meist nicht detailliert beschrieben. Typischerweise gelten sie vor allem als kleine200 und schwarze201 Tiere. Thematisiert wird auch, dass es geflügelte und ungeflügelte Exemplare gibt.202 Dies nimmt Aristoteles im 1. Buch der Schrift De partibus animalium (I 3, 642 b 30– 37)203 als ein Beispiel dafür, weshalb es schwierig sei, eine dichotome Arteinteilung, gegen die er sich dort generell wendet, mithilfe bestimmter entscheidender Merkmale (διαφοραί) vorzunehmen, da diese zuweilen bei derselben Art auftreten. Dies sei in Bezug auf das Merkmal »geflügelt – ungeflügelt« (πτερωτόν – ἄπτερον) bei Ameisen und Glühwürmchen der Fall.204 Eine Kenntnis über die besondere Rolle der geflügelten Ameisen als Geschlechtstiere lässt sich nirgendwo in den erhaltenen Schriften nachweisen. Dazu passt vielleicht auch die Ansicht, dass die Ameisen im Gegensatz zu den Bienen als ζῷα ἄναρχα (Arist. Hist. an. I 1, 488 a 10–13; zu den politischen Darstellungen s. 6.5) galten. Eine herausgehobene Rolle einzelner Exemplare ist daher schwierig mit einem solchen Konzept in Verbindung zu bringen. Wobei man natürlich einräumen muss, dass die befruchtete Königin bei vielen Arten ihre Flügel abwirft und dann im Stock schwieriger von den Arbeiterinnen zu unterscheiden ist. Das nur saisonale Auftreten geflügelter Exemplare scheint nicht erkannt worden zu sein, Plinius 200 Neben den im Folgenden genannten Belegen z. B. Hor. Sat. 1,1,33; Plin. HN 17,73; Apul. Met. 6,10,5 (formicula illa parvula). Auch das bei Aristoteles De an. II 7, 419 a 15–17 über­ lieferte Fragment des Demokrit (68 A 122 DK) ist sicherlich so zu verstehen: οὐ γὰρ καλῶς τοῦτο λέγει Δημόκριτος οἰόμενος εἰ γένοιτο κενὸν τὸ μεταξύ, ὁρᾶσθαι ἂν ἀκριβῶς, εἰ μύρμηξ ἐν τῷ οὐρανῷ εἴη.  – »Denn Demokrit, der glaubt, wenn das Dazwischenliegende leer sei, könne man deutlich sehen, wenn eine Ameise im Himmel sei, sagt das nicht richtig.« Die Ameise dient hier sicherlich als Beispiel für etwas sehr Kleines. Im Corpus Aesopicum (235) ist die Fabel von der Taube und der Ameise überliefert. Die Ameise rettet die Taube, die sie zuvor vor dem Ertrinken bewahrt hat, vor einem Vogelfänger, indem sie jenem in den Fuß beißt, sodass er sich verrät. Die Fabel endet mit dem Satz: δύναται καὶ τὰ μικρὰ μεγάλας ἀμοιβὰς ταῖς εὐεργέταις παρέχειν. – »Auch die Kleinen können es den Wohltätern groß vergelten.« 201 Als Beispiel für etwas Schwarzes z. B. in Ov. Met. 7,641; Mart. 1,115,4 f.; Artem. 3,6; auch Verg. Aen. 4,404 (it nigrum campis agmen […]). 202 Z. B. Arist. Hist. an. IV 1, 523 b 20; Plin. HN 11,110. 203 Wieder aufgegriffen auch in Part. an. I 3, 643 b 1–3. 204 Nähere Erläuterungen zur Stelle bei Kullmann (2007) 328.

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nimmt lediglich eine regionale Unterscheidung vor, indem er – nach heutiger Kenntnis nicht korrekt – anmerkt, es gebe in Sizilien keine geflügelten Ameisen (HN 11,110; zu dieser Stelle und den damit verbundenen Schwierigkeiten der Rezeption s. u.  100). Teilweise wurden die geflügelten Ameisen als gesonderte Art wahrgenommen und entsprechend anders gedeutet. Dies betrifft in erster Linie ihre Erscheinung in Träumen (dazu s. 7.5). Für die geflügelten Ameisen (οἱ πτερωτοὶ μύρμηκες) gibt es laut Hesych (ν 713) auch die Bezeichnung νύμφαι, was insofern kurios ist, als dies in den sonst erhaltenen Schriften ein Entwicklungsstadium der Wespen und Bienen bezeichnet, das man vielleicht am ehesten mit dem modernen Begriff der Puppe vergleichen könnte (dazu s. 3.1). Photios (Lexikon σ 148) nennt neben der Bezeichnung νύμφη auch noch σέρφος (dazu s. 2.9.4). Obwohl es viele karnivore oder omnivore Ameisenarten gibt, wird für die Ameisen in der Antike fast ausschließlich eine Ernährung von Pflanzensamen angenommen.205 Teilweise wurde gar die Etymologie des lateinischen Namens formica daraus hergeleitet. Servius (Ad Aen. 4,402)206 erklärt den Namen mit folgenden Worten: Sane »formica« dicta est ab eo quod ore micas ferat.  – »In der Tat wird sie »Ameise« (formica) aus dem Grund genannt, weil sie Körnchen (micae) mit dem Mund trägt (fert).« Ausnahmen davon sind überaus selten und wohl auch erst im späten Hellenismus belegt. Zu nennen ist hier die bei Plutarch (De soll. an. 11, 967 E 1 – F 2) und Aelian (NA 6,50) überlieferte Geschichte (dazu s. u. 325), wonach der Philosoph Kleanthes beobachtet haben soll, wie Ameisen den Leichnam eines »Mitbürgers« bei einem anderen Ameisenvolk mithilfe einer Made oder eines Wurmes (σκώληξ) als Lösegeld (λύτρα) auslösen. Dass der σκώληξ als Nahrung dienen soll, kann wohl implizit erschlossen werden, wenngleich es nicht deutlich gesagt wird. Eventuell kann man auch ein bei Sueton (Tiberius 72,2) überliefertes Vorzeichen dazu zählen. Hier fressen Ameisen die Schlange des Kaisers Tiberius (s. u. 341). In den Metamorphosen (8,22,6) des Apuleius wird von der Hinrichtung eines Sklaven berichtet, den man gefesselt und mit Honig beschmiert hatte und der von dadurch angelockten Ameisen gefressen wird. In einem Epitaph auf eine Zikade (τέττιξ), das dem Archias zugeschrieben wird (Anth. Gr. 7,213), heißt es, diese sei von Ameisen am Wegesrand überwältigt worden und so zu Tode gekommen (Νῦν δέ σε, μυρμάκεσσιν ὑπ’ εἰνοδίοισι δαμέντα, /  Ἄιδος ἀπροιδὴς ἀμφεκάλυψε μυχός; Vers 5 f.). Bei Isidor (Etym. 12,4,8) ist eine genaue Schilderung überliefert, wie Ameisen eine Grille überwältigen. In der

205 Neben den im Folgenden besprochenen Stellen z. B. auch Ov. Ars am. 1,93 f., wo vom graniferum os der Ameise die Rede ist; Ov. Tr. 5,6,39 f.; Babrios 2,108,8 f.; 2,117,6 f. 206 Fast wortgleich auch Isid. Etym. 12,4,9: Formica dicta ab eo quod ferat micas farris.

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Historia animalium (IX 40, 623 b 13) des Aristoteles heißt es dagegen noch explizit, dass die Ameisen nicht jagen (οἱ μὲν οὖν μύρμηκες θηρεύουσι μὲν οὐδέν). Die seltene Erwähnung einer karnivoren Lebensweise lässt sich vielleicht mit der menschlichen Perspektive erklären. Aus Sicht des Menschen ist die Ameise vor allem dann von Interesse, wenn sie als Kornschädling auftritt. Dafür sprechen die Anweisungen, was gegen eine Ameisenplage zu tun ist, die in fast jedem agronomischen Werk zu finden sind.207 Wenn man sich sonst nicht weiter für diese Tiere interessiert und vor allem keine echte Naturbeobachtung der Tiere in ihrem Lebensraum anstellt, kann leicht der Eindruck entstehen, es gebe nur Ameisen, die sich von Samen ernähren. Allenfalls könnte man annehmen, dass auch eine Ernährung von Honig gegeben ist, wie sie in einem Epigramm aus der Anthologia Graeca (9,438), welches dem Philipp von Thessalonike zugeschrieben wird, scherzhaft dargestellt wird: βωλοτόμοι μύρμηκες, ὁ γῆς στρατός, ἡνίκα τένδον   γειομόρου μελιχρὴν σμηνοδόκου χάριτα, μηνίσας ὁ πρέσβυς ἐς ὕδατα κρωσσὸν ἔβαψεν   ἐνθάδε τοὺς ἀπὸ γῆς οὐ δοκέων πελάσειν· οἱ δὲ νέας 〈κάρφας〉208 ἀχυρίτιδας ἀντιφέροντες   αὐτοκυβερνῆται πρὸς κύτος ἐτρόχασαν. ἦ ῥα φίλη γαστὴρ καὶ βαιοτάτους ἀνέπεισεν   ἐκ χθονὸς εἰς Νύμφας καινοτάτους ἐρέτας. Als die erdschollenspaltenden Ameisen, die Armee der Erde,   an den honigsüßen Gaben des bienenhaltenden Bauern nagten, tauchte der erzürnte Alte den Krug ins Wasser,   in der Meinung, dass diese nicht von der Erde dorthin gelangen werden; diese aber nahmen dagegen Strohhalme als Schiffe   und segelten selbst eilig auf das Gefäß zu. Wahrlich der geliebte Magen hat so auch die Kleinsten dazu verleitet sich   als ganz neue Ruderer vom Land zu den (Meeres-)Nymphen (zu begeben). 207 Z. B. Cat. Agr. 91; Var. Rust. 1,51,1; Verg. G. 1,185 f.; Columella Rust. 2,8,5; 10,318–322; Pall. Op. 1,35,2.8; 4,10,21.29, u. öfter; Geop. 2,18,1; 2,26,5; 13,10. In einer Fabel aus dem Corpus Aesopicum (166) wird die Verwandlung eines gierigen Menschen in eine Ameise durch Zeus beschrieben (s. auch u. 314). Wie in ihrem Leben als Mensch stiehlt die Ameise das Korn der Bauern, sodass der gierige Mensch gewissermaßen in das Tier verwandelt wird, das seinem Charakter und seinem Wesen am meisten entspricht. S. auch Ov. Tr. 1,9,9: horrea formicae tendunt ad inania numquam – »zu einer leeren Scheune streben Ameisen niemals« und Horapollon Hieroglyphika 1,52: ὃ γὰρ ἂν ἀσφαλῶς κρύψῃ ἄνθρωπος, οὗτος (sc. ὁ μύρμηξ) γινώσκει. – »Denn was auch immer ein Mensch sicher verbirgt, findet diese (sc. die Ameise).« Weitere Stellen bei Beavis (1988) 207 f. 208 Die Handschriften zeigen hier entweder keine Lacuna an oder κούφας. Die Konjektur κάρφας stammt von Brunck und wird beispielsweise von Beckby und Waltz; Soury übernommen. Gow und Page, deren Text hier im Übrigen übernommen wird, lassen die Lacuna offen. Sie lehnen Bruncks Konjektur ab, weil ihrer Meinung nach dann ἀχυρίτιδας überflüssig sei. Sie vermuten eher ein Adverb wie z. B. δολίως (vgl. Gow; Page [1968] 358).

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Aber auch in diesem Falle treten die Ameisen, welche hier als βαιότατοι (»Kleinste«) bezeichnet werden, vor allem als Räuber landwirtschaftlicher Produkte209 mit dem Menschen in Kontakt. Eine karnivore Ernährung, wie sie bei vielen Arten auftritt, kann so kaum beobachtet werden und ist darüber hinaus nicht wichtig für den Menschen. Häufig wird eine Speicherung der Pflanzensamen in einer unterirdischen Kammer erwähnt (zu Beschreibungen des Ameisenbaus s. 6.5.3), meist verbunden mit dem Verweis, dass Ameisen dies aus Vorsorge für den kommenden Winter tun (s. 2.3.2).210 Eigenschaften, wie die Ernährung von Pflanzensamen, eine unterirdische Anlage als Bau sowie die Speicherung von halbangefressenen211 Samen, lassen sich vor allem bei Ernteameisen der Gattung Messor beobachten,212 die im Mittelmeerraum weit verbreitet ist.213 Wie oben bereits gesagt, bedeutet dies nicht, dass eine eindeutige Identifizierung mit einer modernen Art angedacht ist, jedoch könnten diese Ernteameisen der Ausgangspunkt für die antiken Ameisenkonzepte gewesen sein. Neben den »gewöhnlichen« Ameisen werden in Einzelfällen auch weitere genannt. Aristoteles spricht beispielsweise von den sogenannten ἱππεῖς μύρμηκες (Hist. an. VII 28, 606  a 5). Die Lesart ist an dieser Stelle allerdings nicht sicher. Ältere Editionen, wie z. B. die von Bekker und die von Louis214, lesen hier ἱππομύρμηκες (»Rossameisen«; dieses Wort ist dann auch in den LSJ eingegangen). Vermutlich sollte man sich hier aber für die Lesart Balmes entscheiden, der ἱππεῖς μύρμηκες (»Reiterameisen«) liest, da diese Lesart nicht nur in den zuverlässigeren Handschriften überliefert ist, sondern auch, wie Gil Fernández argumentiert,215 eine Entsprechung in Hesychs Lexikon (ι 801) hat. Dort heißt es: ἱππῆς216· […] λέγονται καὶ μύρμηκες οὕτως.  – »Reiter: […] auch Ameisen werden so genannt.« Man muss freilich einwenden, dass Latte, der Herausgeber des Lexikons Hesychs, diese Aussage athetiert. Der Kontext der Nennung dieser Ameisen gibt keinen Hinweis auf die genaue Bedeutung. Aristoteles nennt die ἱππεῖς μύρμηκες in einer Passage, in der er über die Verteilung der Fauna in verschiedenen Regionen aufgrund des Klimas berichtet. Es heißt lediglich, dass es keine ἱππεῖς μύρμηκες auf Sizilien gebe (καὶ ἐν μὲν Σικελίᾳ οἱ ἱππεῖς μύρμηκες 209 Als weitere Produkte können bestimmte Nüsse genannt werden, z. B. Pall. Op. 2,15,18; Geop.10,66,1, sowie die Samen von Mohn (Plaut. Trin. 410) und Zypressen (Plin. HN 17,73; was er freilich für verwunderlich hält). Für weitere Produkte und Belegstellen vgl. Beavis (1988) 203 f. 210 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 623  b 13 f.; Verg. Aen. 4,402 f.; Plin. HN 11,108 f.; Ael. NA 6,43; Horapollon Hieroglyphika 1,52; Isid. Etym. 12,4,9 211 Dies dient vermeintlich der Verhinderung der Keimung (dazu s. o. 51). 212 Vgl. z. B. Beavis (1988) 203; Capponi (1994) 175 Anm. 1. 213 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 403. 214 Diesem schließt sich z. B. Capponi (1994) 180 an. 215 Vgl. Gil Fernández (1959) 55. 216 Die Stämme auf -ευ bilden den Nominativ Plural regelmäßig auf -ῆς oder -εῖς. ἱππεῖς und ἱππῆς sind also bedeutungsgleiche Varianten des Plurals von ἱππεύς.

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οὔκ εἰσιν; Hist. an. VIII 28, 606  a 5). Die Deutung wird zusätzlich durch die parallele Stelle bei Plinius erschwert. In HN 11,110 heißt es: Non sunt in Sicilia pinnatae (sc. formicae). – »Es gibt in Sizilien keine geflügelten (Ameisen).« Dies hat unter anderem Dittmeyer dazu veranlasst in seiner Edition der Historia animalium die Konjektur οἱ πτηνοὶ μύρμηκες von Karsch zu übernehmen. Eine solche Methodik, aus einem lateinischen Text, der nicht ohne textkritische Schwierigkeiten ist und vermutlich nicht direkt vom aristotelischen Text, sondern von einer lateinischen Epitome zweifelhafter Qualität abhängt, eine Konjektur in einem griechischen Text vorzunehmen, erscheint fragwürdig. Gil Fernández217 schlägt eine Interpretation der ἱππεῖς μύρμηκες vor, die diese Problematik zu beheben scheint. Seiner Meinung nach könnte die Bezeichnung ἱππεῖς μύρμηκες die geflügelten Ameisen beschreiben. Ausgangpunkt könnte die Beobachtung sein, dass bei einigen Ameisenarten die geflügelten Männchen beim Paarungsakt auf den Rücken der ebenfalls geflügelten Jungköniginnen steigen. Dies könnte als Reiten wahrgenommen worden sein. Als Parallele zu diesem Vorgehen, die Bezeichnung für bestimmte Tierarten von bestimmten Verhaltensweisen abhängig zu machen, die man mit menschlichem Verhalten gleichsetzt, nennt er den σφήξ ἰχνεύμων (z. B. Arist. Hist. an. V 20, 552 b 26–30; IX 1, 609 a 5 f.).218 ἰχνεύμων bezeichnet einen Spurenleser oder Verfolger und ist daher eine passende Bezeichnung für eine Wespe, die Spinnen fängt. Man muss freilich einräumen, dass Aristoteles in diesem Falle eine Erklärung gibt, weshalb die Wespe diesen Namen trägt; bei den ἱππεῖς μύρμηκες bleibt dies offen, sodass eine weitere Identifizierung nicht möglich ist und die Interpretation der Stelle auch weiterhin spekulativ bleiben muss. Als literarisches Motiv findet sich das Reiten auf Ameisen durchaus, was vielleicht einige Forscher dazu bewogen haben mag, sich für die Lesart ἱππομύρμηκες zu entscheiden. Von dem Dichter Lukillios sind in der Anthologia Graeca zwei Epigramme überliefert (11,104 und 11,392), die zum Spott eine Person auf einer Ameise reiten lassen. In 11,104 heißt es: Ἱππεύων μύρμηκι Μενέστρατος219 ὡς ἐλέφαντι   δύσμορος ἐξαπίνης ὕπτιος ἐξετάθη, λακτισθεὶς δ’, ὡς εἶχε τὸ καίριον· »Ὦ φθόνε,« φησίν,   »οὕτως ἱππεύων ὤλετο καὶ Φαέθων.« Als Menestratos auf einer Ameise ritt wie auf einem Elefanten,   lag der Unglücksrabe plötzlich ausgestreckt auf dem Rücken, 217 Vgl. Gil Fernández (1959) 55. 218 Vgl. ebd. 56. 219 Ein weiteres Epigramm (Anth. Gr. 11,407), das sich in ähnlicher Weise über die geringe Körpergröße des Menestratos lustig macht, wird einem Nikarchos zugeschrieben. Dort heißt es unter anderem, dass ihn eine Ameise in eine Erdspalte gezogen habe (μύρμηξ ἐξελθὼν εἵλκυσεν εἰς ῥαγάδα; Vers 2).

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wurde aber getreten und wie er den Todesstoß erhalten hatte, sprach er »Oh Phthonos (Neid),   so ging auch Phaethon reitend dahin.

Das Epigramm 11,392 desselben Dichters ist in seiner Aussage ganz ähnlich: Μύρμηκος πτερόεντος ὑπὲρ νώτοιο καθεσθεὶς   Ἄδραστος ῥήτωρ τοῖον ἔλεξεν ἔπος· »Ἵπτασο· τὸν σὸν ἔχεις, ὦ Πήγασε, Βελλεροφόντην«,   φέρτατον ἡρώων, ἡμιθανῆ σκελετόν. Auf dem Rücken einer geflügelten Ameise sitzend   sprach der Rhetor Adrastos solche Worte: »Fliege davon; du hast deinen eigenen Bellerophon, oh Pegasus.«   Der tapferste der Heroen, ein halbtotes Skelett.

Offensichtlich dient das Reiten auf einer Ameise in beiden Fällen der satirischen Übertreibung, wird es doch jeweils mit dem Reiten auf einem großen Tier, im ersten Falle einem Elefanten, im zweiten mit dem Pegasus verglichen. In beiden Fällen wird also ein Kontrast zwischen einem großen und gewissermaßen auch exotischen Tier und dem wohl kleinsten220 und alltäglichen Tier aufgebaut. Der Witz ergibt sich aus diesem Gegensatz. Aus Sicht der jeweils wohl aufgrund ihrer geringen Körpergröße verspotteten Männer erscheint dieser parodistisch dargestellte Ritt auf einer Ameise wie die Tat eines mythischen Heros. Dies zeigt sich in den Worten, die Lukillios Menestratos (Phaethon) und Adrastos (Bellero­ phon) sprechen lässt. In den Epigrammen des Lukillios werden also implizit beide »Ameisenarten«, sowohl die ungeflügelten als auch die geflügelten, als kleine und überaus alltägliche Tiere dargestellt. Eine Verbindung zu besonders großen Ameisen, die man vielleicht als ἱππομύρμηκες bezeichnet haben mag, lässt sich anhand dieser Beispiele nicht herstellen. Im Gegenteil funktioniert der Spott in diesen Gedichten umso besser, je größer der Unterschied zu den realen Tieren (den winzigen Ameisen) und den exotischen riesigen Tieren ist, auf denen sich die Verspotteten wähnen. Die berühmtesten Stellen, in der Reiter auf ἱππομύρμηκες (hier ist die Benennung unzweifelhaft) auftreten, stammen sicherlich aus den Verae historiae (1,12.16) des Lukian. Dieses Werk ist als eine Parodie auf die wunderhaften und in Lukians Darstellung unglaubwürdigen Reiseberichte seiner Zeit zu verstehen. Der Protagonist reist in dieser Geschichte auf den Mond, dessen Bewohner sich mit den Bewohnern der Sonne unter ihrem König Phaethon im Krieg befinden. 220 Sicherlich dient der Vergleich ὡς ἐλέφαντι in 11,104 zur Illustration, dass aus Sicht des Menestratos der Ritt auf einer Ameise wie der auf einem Elefanten sei. Aubreton (1972) 248 merkt noch an, dass Menestratos aufgrund seiner geringen Größe möglicherweise reitend wie ein Elefantenführer und nicht wie ein Reiter auf einem Pferd dargestellt werden soll.

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Die beiden Armeen bedienen sich dabei allerlei wunderlicher Reittiere und Waffen, unter denen die ἱππομύρμηκες offensichtlich die beste Abteilung der Armee der Sonne darstellen. Sie werden folgendermaßen (Ver. hist. 1,16) beschrieben: Τῶν δὲ πολεμίων τὸ μὲν εὐώνυμον εἶχον οἱ Ἱππομύρμηκες καὶ ἐν αὐτοῖς ὁ Φαέθων· θηρία δέ ἐστι μέγιστα, ὑπόπτερα, τοῖς παρ’ ἡμῖν μύρμηξι προσεοικότα πλὴν τοῦ μεγέθους· ὁ γὰρ μέγιστος αὐτῶν καὶ δίπλεθρος ἦν. ἐμάχοντο δὲ οὐ μόνον οἱ ἐπ’ αὐτῶν, ἀλλὰ καὶ αὐτοὶ μάλιστα τοῖς κέρασιν· ἐλέγοντο δὲ οὗτοι εἶναι ἀμφὶ τὰς πέντε μυριάδας. Die linke Flanke der Feinde nahmen die Rossameisen ein und unter ihnen befand sich auch Phaethon. Die Tiere sind aber sehr groß, geflügelt und den Ameisen bei uns sehr ähnlich, abgesehen von der Größe. Denn die größte von ihnen war sogar zwei Plethren221 groß. Es kämpften aber nicht nur ihre Reiter, sondern auch sie selbst am meisten mit ihren Hörnern. Man sagte, dass es ungefähr 50 000 waren.

Auch in diesem Falle scheint die Parodie vor allem darin zu bestehen, dass diese Reittiere zumindest in Bezug auf ihre Größe das genaue Gegenteil zu den bekannten Tieren darstellen sollen. Insofern kann man wohl annehmen, dass Ameisen als typischerweise kleine Tiere galten, jedoch eventuell auch als kriegerisch. Zumindest werden diese ἱππομύρμηκες bei Lukian als sehr wehrhaft aufgrund ihrer »Hörner« beschrieben. Möglicherweise ist diese Beschreibung von der Wundererzählung der goldgrabenden Ameisen beeinflusst, die neben ihrer Größe ebenfalls als kriegerisch beschrieben werden und von denen zumindest Plinius (HN 11,111) sagt, dass man ihre Hörner (cornua) in Erythrai sehen könne. Vermutlich sind mit den »Hörnern« die Antennen der Insekten gemeint (s. u.  125 Anm. 308). Zu den goldgrabenden Ameisen s. 2.10. Vielleicht waren die ἱππομύρμηκες bei Lukian Ausgangspunkt der Lesart in den Aristoteles-Manuskripten. Der umgekehrte Fall, dass möglicherweise bei Aristoteles (oder anderen Autoren) erwähnte ἱππομύρμηκες Lukian veranlasst hätten, diese Fabelwesen zu erfinden, ist unwahrscheinlicher, da diese Art der Wortbildung – eine Zusammenfügung von ἵππος mit einem anderem Tier, das zu einem Reittier wird – auch bei den ἱππόγυποι (»Pferdegeier«; Ver. hist. 1,13) und den ἱππογέρανοι (»Pferdekranichen«; Ver. hist. 1,13) angewandt wird, für die sich ansonsten keine weiteren Erwähnungen in den erhaltenen Schriften nachweisen lassen. In einer Passage der Historia animalium (VII 3,222 583 b 17 f.) wird die Größe eines männlichen menschlichen Embryos bei einer Fehlgeburt am 40. Tag der 221 Ein Plethron als Längenmaß umfasst 100 Fuß (ca. 30 m), als Flächenmaß umfasst es ein Quadrat von 100 Fuß Kantenlänge; vgl. Hultsch (1882) 28.32.34 (zum Längenmaß); 40.42 (zum Flächenmaß). 222 Vermutlich ist die Passage nicht an der richtigen Stelle im Gesamtwerk überliefert, weshalb Balme sie beispielsweise dem 9. Buch zuordnet.

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Schwangerschaft mit der einer Ameise verglichen (φαίνεται τὸ ἔμβρυον τὸ μέγεθος ἡλίκον μύρμηξ τῶν μεγάλων). Aubert und Wimmer223 vermuten, dass es sich bei den μεγάλοι μύρμηκες um eine eigene »Art« (gewissermaßen die »großen Ameisen«) handelt. Diese Annahme ist aber nicht unbedingt aufrechtzuerhalten. Der Genitiv τῶν μεγάλων (»von den großen«) muss nicht zwangsläufig eine eigene Art bezeichnen, sondern könnte auch größere Exemplare innerhalb der gewöhnlichen μύρμηκες meinen. Dazu lohnt es sich den naturwissenschaftlichen Hintergrund zu berücksichtigen. Denn ein menschlicher Embryo – nicht nur der männliche, wie bei Aristoteles, sondern auch der weibliche – ist nach 40 Tagen Schwangerschaft etwas größer als 1 cm.224 Diese Größe können bestimmte Individuen von Ameisen der Gattung Messor  – falls man diese als Hintergrund der antiken μύρμηκες sehen will – durchaus erreichen. Es gibt also keinen Grund anzunehmen, Aristoteles führe hier ohne nähere Erläuterung eine weitere »Ameisenart« ein. Im Lexikon Hesychs ist zudem folgendes Lemma (μ 1007) zu finden: μεταλλεῖς· τῶν μυρμήκων τινὲς οὕτω καλοῦνται. – »metalleis (Minenarbeiter): einige der Ameisen werden so genannt.« Es ist schwierig zu entscheiden, ob Hesych hier von einer eigenen »Art« ausgeht (häufig steht in diesem Falle aber εἶδος) oder ob er lediglich aussagen will, dass einige Exemplare der Ameisen, die gewissermaßen diesem Beruf nachgehen, so genannt werden. Unabhängig davon zeigt dieser Name zum einen, wie stark tierisches Verhalten anthropomorphisiert wurde, und zum anderen, dass das Anlegen von unterirdischen Höhlen (und eventuell auch das Sammeln von Schätzen) als so wichtiges Charakteristikum der Ameisen wahrgenommen wurde, dass es zu einer eigenen Benennung herangezogen wurde. Aelian (NA 16,15) bezeichnet die Arbeiten der Ameisen als μεταλλείαι,225 bei Megasthenes (715 Frg. 23b FGrH; zitiert bei Strabon 15,1,44) heißt es in Bezug auf die goldgrabenden Ameisen (dazu s. u. 123): οἱ μεταλλεύοντες εἶεν μύρμηκες. – »Die Bergleute seien Ameisen.« Die Bezeichnung ἴδρις, die bei Hesiod (Op. 778) vermutlich für eine Ameise gewählt wird, wurde bereits oben (50) besprochen. Unterschiedliche »Arten« finden sich vor allem in der medizinischen Literatur. Hier wird wohl aufgrund der Wirksamkeit, die man bestimmten materiae medicae zuschrieb, eine genauere Taxonomie notwendig, welche für zoologische oder agronomische Schriften offensichtlich weniger von Interesse war. Dies zeigt wiederum, dass es keine feste und allgemeingültige Systematik gab, sondern Systematik und Kategorisierung stark von dem jeweiligen Zweck abhingen.

223 Vgl. Aubert; Wimmer (1868) I 168 und auch in der Übersetzung II 347. 224 Vgl. z. B. Sadler; Langmann (2014) 135. 225 Darauf verweist auch Beavis (1988) 200.

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Als Heilmittel gegen bestimmte Hautkrankheiten empfehlen Plinius (HN 30,29)226 und wohl in direkter oder indirekter Abhängigkeit von ihm auch der spätantike medizinische Autor Marcellus Empiricus (De medicamentis 19,14)227 eine Mischung aus zerriebenen Ameisen und ein wenig Salz. Die genannten Ameisen werden dabei jeweils als formicae (Plinius) bzw. formiculae (Marcellus Empiricus) Herculaneae bezeichnet. Eine nähere Bestimmung des Aussehens dieser speziellen »Arten« oder die Etymologie ihres Namens findet man dort jedoch nicht. Trotzdem nennt etwa Leitner eine konkrete moderne Art, Camponotus ligniperda (Ross-Ameisen), als Entsprechung, ohne eine Begründung oder Herleitung dieser These anzuführen.228 Bereits Keller spricht von »Roßameisen«229, meint damit aber wohl nicht unbedingt die im Deutschen so bezeichneten Ameisen der Gattung Camponotus, sondern die vermeintlichen ἱππομύρμηκες des Aristoteles (dazu s. o. 99). Er versteht Aubert und Wimmer, auf die er sich bezieht, offensichtlich nicht ganz korrekt. Diese sagen zwar, dass diese vermeintlichen ἱππομύρμηκες möglicherweise mit den vermeintlichen »großen Ameisen« (dazu s. o. 103) identisch seien,230 schlagen als mögliche Identifizierung mit einer modernen Art, die von Brullé (einem französischen Insektenforscher des 19. Jhd.) so bezeichnete Formica herculanea vor. Diese ist nicht dieselbe wie die formica Herculanea des Plinius, was Keller aber so versteht.231 Die Forschungsgeschichte kann man also vermutlich so rekonstruieren: Aubert und Wimmer stellen ausgehend von einem nach neuerer Forschung fehlerhaften Text ohne nähere Begründung eine Verbindung zwischen den sogenannten ἱππομύρμηκες und einer von Brullé so bezeichneten Art Formica herculanea her. Keller versteht dies nun falsch und verbindet seinerseits wiederum die Formica herculanea Brullés mit der formica Herculanea des Plinius. Außerdem übersetzt er den Begriff ἱππομύρμηκες ins Deutsche wörtlich mit »Roßameise«. Diese Bezeichnung »Roßameise«, die bei Keller zunächst nicht in direktem Zusammenhang mit den plinianischen formicae Herculaneae steht, gibt Leitner anschließend mit der heutigen biologischen Nomenklatur Camponotus ligniperda wieder. Letzteres ist nur eine Vermutung, da Leitner keinen direkten­ 226 Invenio et formicas Herculaneas appellari, quibus tritis adiecto sale exiguo talia vitia sanentur. 227 Formiculas, quae Herculaneae nominantur, contritas modico sale adiecto impetigini adpone; miraberis remedium, nam celeriter expurgant. 228 Vgl. Leitner (1972) 122. Ihm schließen sich Beavis (1988) 200 Anm. 76 und, wenn auch vorsichtiger, König; Hopp (1991) 255 an. 229 Keller (1980) 421. 230 Vgl. Aubert; Wimmer (1868) I 168: »Die in Sizilien nicht vorkommenden ἱππομύρμηκες sind vielleicht die nach Brullé p. 327 in der Morea und besonders in Arkadien häufigen Formicae herculaneae, worunter auch die ›grossen‹ Ameisen verstanden sind.« 231 Vgl. Keller (1980) 421, der Aubert; Wimmer (1868) I 168 folgendermaßen paraphrasiert: »es sei Formica herculanea (Plin.) gemeint, die besonders in Arkadien und in der Morea häufig gefunden wird.«

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Beleg anführt, aber immerhin die Besprechung der Ameisen bei Keller (und bei Aubert und Wimmer) als Referenz seines kurzen Lemmas »formica« nennt. Auf dieses Lemma verweisen dann wiederum weitere Forscher wie Beavis oder König und Hopp völlig unkritisch. Nach wie vor gibt es aber in den erhaltenen antiken Quellen nur zwei kurze Erwähnungen dieser formica bzw. formicula Herculanea, die eine exakte Identifizierung mit einer modernen Art nicht rechtfertigen. Das Adjektiv Herculaneus ist an dieser Stelle schwierig zu übersetzen. Zum einen kann es das Adjektiv zum Heros Hercules sein, zum anderen aber auch das Adjektiv zur Stadt Herculaneum. Die Forschung232 scheint sich in diesem Falle darauf festgelegt zu haben, dass es an den besprochenen Stellen in der erstgenannten Bedeutung gebraucht wird. Möglicherweise ist diese Interpretation aber nicht richtig, sondern es ist an eine geographische Herkunft gedacht, wie es z. B. auch bei einer bestimmten Feigensorte, der sogenannten Herculanea ­ficus (erwähnt unter anderem bei Plin. HN 15,70.72), der Fall ist. Man könnte sich vorstellen, dass diese Ameisen, die in der schwefelhaltigen Erde in der Nähe des Vesuvs leben und daher vielleicht (in der antiken Vorstellung) selbst schwefelhaltig sind, sehr gut für die Behandlungen von Hautkrankheiten und Wunden geeignet waren, zumal Schwefel zu diesem Zweck verwendet wurde (z. B. Plin. HN 18,114, wo ausdrücklich von kampanischem Schwefel die Rede ist). Normalerweise jedoch werden Ameisen, so die antike Vorstellung, durch Schwefel vertrieben.233 Die Ameisen aus Herculaneum, falls man die formicae Herculaneae so übersetzen möchte, könnten hier eine Ausnahme und daher für die Behandlung von Hautkrankheiten im Gegensatz zu anderen Ameisen besonders geeignet sein. Eine Verbindung zum Heros Hercules ist schwieriger herzuleiten. Es sei denn man nimmt an, dass mit der Benennung auf eine Verbindung der Ameisensäure mit dem vergifteten Blut des Nessos angespielt wird. Eine solche Anspielung liegt vermutlich der Benennung der sogenannten urtica Herculanea zugrunde, die in der Naturalis historia des Plinius in 21,92 erwähnt wird. Zumindest das Verb μυρμηκίζειν bedeutet »jucken«. Eine weitere Möglichkeit wäre anzunehmen, dass die Arbeiten der Ameisen als ebenso gewaltig angesehen wurden, wie die des Hercules. In den beiden zuletzt genannten Fällen bleibt aber fraglich, warum dies nur bestimmten Ameisen zugeschrieben werden sollte. Die genaue Bedeutung der formica Herculanea kann daher nicht endgültig geklärt werden, weshalb man in diesem Falle keine Identifizierung mit einer konkreten modernen Art vornehmen sollte. 232 Bereits im Wörterbuch von Georges und im Oxford Latin Dictionary wird die Stelle bei Plinius als ein Beleg für das Adjektiv Herculaneus im Sinne von »herkulisch« angeführt. Entsprechend übersetzen z. B. König; Hopp (1991) 135.255 mit »Herkulesameisen« und Ernout; Pépin (1963) 34 mit »fourmis d’Hercule«. 233 Z. B. Arist. Hist. an. IV 8, 534 b 22 f.; Antig. Car. 79,1; Geop. 13,10,5.

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Eine besonders genaue Einteilung der Ameisen findet sich in den sogenannten Kyraniden234 (2,25): Μύρμηξ ζῷον μικρόν, ἑξάπουν, γνωστόν ἐστι πᾶσι. Τῶν δὲ μυρμήκων εἴδη εἰσὶν ἑπτά. καὶ γνώριμοι μὲν οἱ κοινοί. οἱ δὲ ἀνδροκέφαλοι235 καλοῦνται, οἵτινες καὶ τῇ χροιᾷ εἰσι μέλανες. οἱ δὲ λεπτοὶ καὶ ἰσχνοὶ καὶ ξανθοί, οἵτινες λέγονται σκνιπαί. ἄλλοι δὲ μεγάλοι καὶ πτερωτοί, καὶ ἕτεροι ἀρουραῖοι μέσοι, καὶ ἄλλοι ἐνόδιοι μακροί, καὶ ἄλλοι, οἳ καὶ μυρμηκολέοντες λέγονται, μείζονές τε ὄντες τῶν ἄλλων καὶ ποικίλοι· φυσικῶς δέ εἰσιν οὗτοι σαρκοφάγοι τάχιον ἀποθνήσκοντες. Die Ameise ist ein kleines Tier, sechsfüßig und allgemein bekannt. Es gibt aber sieben Arten der Ameisen. Die bekannten sind die gewöhnlichen Ameisen, andere werden androkephaloi (»Männerköpfe«) genannt, diese sind auch schwarz in ihrer Färbung. Andere sind zart, dürr und bräunlich-gelb, diese werden sknipai genannt. Andere aber sind groß und geflügelt und wiederum andere die mittelgroßen ländlichen (Ameisen) und andere große auf den Wegen und andere, die auch myrmēkoleontes (»Ameisenlöwen«) genannt werden, die größer sind als die anderen und gefleckt / gestreift. Von Natur aus aber sind diese Fleischfresser und sterben schneller.

Eine Identifizierung der hier genannten Ameisen ist schwierig. Sicherlich sind die großen und geflügelten Ameisen die, die man heutzutage als die Geschlechtstiere kennt236 und die auch sonst oft als eigene »Art« wahrgenommen wurden. Die σκνίπαι und der μυρμηκολέων werden gesondert besprochen (s. 2.9.4 bzw. 2.9.2). Auffällig ist, dass in der folgenden Beschreibung der medizinischen Anwendungen der Ameisen auf die eher außergewöhnlichen Ameisen nicht eingegangen wird. Zur Behandlung eines Gerstenkorns (κριθή)237 sollen die »gewöhn 234 Der Autor dieser medizinischen Schrift ist unbekannt, zugeschrieben wird sie Hermes Trismegistos. Als Variante des Titels ist auch Koiraniden überliefert. Die Entstehungszeit ist ebenfalls umstritten. Es gibt frühe Datierungen ins 1. oder 2. Jhd. n. Chr. (z. B. Wellmann [1930] 35). Alpers (1984) 20–23, der die deutlichen Schwächen in Wellmanns Methodik aufzeigt, datiert die erste Version der Schrift ins 4. Jhd. n. Chr. In der Forschung geht man zudem von einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zum Physiologos aus, der entweder  – je nach Datierung – die Kyraniden als Quelle genutzt haben soll oder umgekehrt die Kyraniden den Physiologos oder beide eine gemeinsame jüdische Quelle. Eine gute Zusammenfassung der Thesen bietet Gerhardt (1965) 8 f. 235 Dies ist die Lesart in der Edition von Kaimakis. Ausgehend von der Variante ἁδροκέφαλοι (»dickköpfig«) vermutet Gil Fernández (1959) 81, dass es sich eventuell um Soldatinnen handelt, eine Kaste, die bei manchen Ameisenarten größere Mandibeln aufweist (neuere Forschungen belegen freilich, dass es vermutlich keine starren Rollen in Ameisengesellschaften gibt). Gerade bei Messor spec. können erhebliche Unterschiede in der Kopfgröße der Arbeiterinnen auftreten (vgl. z. B. Bellmann; Honomichl [2007] 403). Man sollte diese Lesart also nicht völlig ausschließen. 236 So auch Beavis (1988) 200. 237 Diese Augenkrankheit, die entfernt an ein Gerstenkorn erinnert, wird bereits im 2. Buch der Epidemien (2,2,5 = V,86,3 Littré) des Corpus Hippocraticum so bezeichnet. Der Name ist auch im Deutschen gebräuchlich.

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lichen« (κοινοί) Ameisen, denen man den Kopf abgetrennt hat, am Augenlid zerrieben werden. In gleicher Weise sollen auch die ἀρουραῖοι verwendet werden, denen außerdem noch das Epitheton σιτοφόροι (»getreidetragend«) gegeben wird. Hier zeigt sich wohl das Bild von der Ameise, die Getreidekörner238 einsammelt, welches dann auch auf den heilkundlichen Bereich nach dem Prinzip der »Simile-Medizin« übertragen wird. Die anderen »Ameisenarten« werden aber, wie bereits gesagt, in der Beschreibung der heilkundlichen Anwendung nicht mehr erwähnt, obwohl sie vorher eigens auseinandergehalten worden sind. Es ist daher fraglich, welchen Zweck die zuvor genannte Systematik erfüllen soll. In den beiden letzten Anwendungen ist gar allgemein nur von μύρμηκες die Rede. Welche »Art« dazu herangezogen wird, scheint also egal. Laut diesen Rezepten können zum einen in Wasser gekochte Ameisen Warzen, welche wohl aufgrund ihres Aussehens als μυρμηκίαι bezeichnet wurden,239 an Füßen und Händen beseitigen. Zum anderen sollen zwölf mit Asphodilsaft gekochte Ameisen jeden, der dies trinke, für den Rest seines Lebens kraftlos (ἀνέντατος) machen. Dies lässt sich möglicherweise mit der etwa von Plinius (HN 11,108240) gelobten Stärke der Ameisen in Verbindung bringen, die hier ins Gegenteil verkehrt ist. Auch die Vorstellung von giftigen »Ameisen« könnte hier eine Rolle gespielt haben. Diese giftigen »Ameisen« werden in verschiedenen Werken erwähnt. Unabhängig von der Frage, ob tatsächlich ein reales Tier (z. B. eine Spinne, sicherlich jedoch keine Ameisenart im modernen biologischen Sinne), den Ausgangspunkt für Berichte von giftigen Ameisen gebildet hat, muss man sich hier fragen, an welche Vorstellungen und welche vermeintlichen oder echten Eigenschaften 238 Bei Aelian (NA 2,25) und in der Fabel über die Ameise im Corpus Aesopicum (166) werden die Körner von κριθή (»Gerste«) neben denen von πυρός (»Weizen«) explizit als solche erwähnt, die von den Ameisen eingesammelt werden. Im Physiologos (12), der eventuell eine Quelle der Kyraniden war (dazu s. o. 106 Anm. 234), wird diese Geschichte für ein christliches Publikum modifiziert. Die Ameisen können hier vermeintlich riechen, ob es sich um Weizen oder Gerste handelt. Gerste sollen sie nicht einsammeln, weil dies, wie aus Hiob (31,40) hervorgehe, nur Viehfutter sei. Eine andere Begründung hat Plutarch in seiner Schrift Aetia physica 16, 915 F 1–3: Die Ameisen bevorzugen Weizen gegenüber Gerste, weil letztere aufgrund ihrer Größe schwieriger zu tragen sei. Die Bevorzugung von Weizen gegenüber der Gerste findet sich auch in den Etymologien (12,4,9) Isidors von Sevilla, allerdings ohne nähere Begründung. Bei Babrios 2,117,7 heißt es von den Ameisen: σπεύδοντες ἄχνας πυρίνας ἀποτρώγειν – »die eifrig Weizenspreu knabbern«. 239 Fischer (2015) 63 schlägt überzeugend vor, dass sich die Bezeichnung für die Warze (μυρμηκία) von μύρμηξ als Benennung eines teilweise unter dem Wasser verborgenen Felsens herleitet. Die hier bezeichnete Warze ragt wie der Felsen teilweise über die Oberfläche hinaus und hat eine nach unten breiter werdende Wurzel, die an der Oberfläche nicht sichtbar ist. 240 Ac si quis comparet onera corporibus earum, fateatur nullis portione vires esse maiores. – »Und wenn jemand die Lasten mit ihren Körpern vergleichen würde, würde er zugeben, dass kein (Tier) im Verhältnis größere Kräfte besitzt.«

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der Ameisen diese Klassifizierung anknüpfen konnte. Zum einen kann es sich um eine starke Übertreibung der Giftigkeit der Ameisensäure handeln. Zum anderen werden Ameisen immer wieder mit Feindlichkeit verbunden.241 Als weitere Verbindung könnte man ein unter dem Namen des Aristoteles überliefertes Fragment (291 Gigon = 372 Rose)  nennen, nach dem Schlangen giftiger werden, wenn sie nach der Winterruhe Ameisen und Käfer fressen.242 Eine vermeintlich giftige »Ameisenart« ist die sogenannte solipuga, die Plinius so beschreibt (HN 29,92): Est et formicarum genus venenatum, non fere in Italia, solipugas Cicero appellat, salpugas Baetica. Es gibt auch eine giftige Art der Ameisen, selten in Italien, Cicero nennt sie solipugae, salpugae (heißen sie) in der baetischen Provinz.

Die Bezeichnung solipuga für eine Art von giftigen Tieren wird in der Naturalis historia bereits in anderen Passagen verwendet. So sollen solipugae nach HN 8,104 zusammen mit Skorpionen für die Vertreibung von Menschen aus einem Teil Äthiopiens verantwortlich sein. Nach HN 22,16 sind solipugae kleine Tiere, die in Hülsenfrüchten entstehen und Menschen in die Hände stechen, weshalb sie lebensgefährlich sind. Gegen diese Tiere sollen die Gegenmittel wirken, die auch bei aranea (Spinnen) und phalangia (bestimmte Giftspinnen) verwendet werden. In diesen Zusammenhängen werden die solipugae jedoch nicht als Ameisen bezeichnet, sondern im Gegenteil eher mit giftigen Spinnentieren in Verbindung gebracht.243 König und Hopp244 gehen wohl zu Recht davon aus, dass ursprünglich vielleicht eher eine Spinne hinter dieser Bezeichnung zu vermuten ist. Konkret nennen sie das bei Plinius (HN 29,87) beschriebene 241 Z. B. Archilochos Frg. 23,14–16 West (s. u. 130); in dem Sprichwort ἔνεστι κἀν μύρμηκι κἀν σέρφῳ χολή (s. u. 121). Im übertragenen Sinn eventuell auch in Verg. Aen. 4,402–407 (s. u.  248) und in den Berichten von den goldgrabenden Ameisen (dazu s. 2.10). 242 Der Verzehr von Ameisen durch Tiere als »Medikament« ist auch an anderen Stellen belegt. Nach Plutarchs Schrift De sollertia animalium (20, 974 B 8 – C 2) sollen Bären Ameisen gegen Übelkeit (ἀσώδης γενομένη) fressen. Νach Aelian (NA 6,4) soll ihnen dies als Abführmittel dienen (ὅταν δὲ αὖ πάλιν ᾖ πεπληρωμένη, μυρμήκων ἐσθίει, καὶ κενοῦται ῥᾷστα). Sollten diese beiden Beschreibungen auf eine Passage aus der Historia animalium (VIII 5, 594 b 5–9) des Aristoteles zurückgehen, so kann man darin einen eindrucksvollen Beleg für die Ausschmückung und Vermenschlichung biologischen Wissens in der Kaiserzeit sehen. Bei Aristoteles wird der Verzehr von Ameisen neben anderen Dingen wie Früchten, Bienenwaben und Fleisch nämlich lediglich als Beleg dafür angeführt, dass Bären Allesfresser sind (ἡ δὲ ἄρκτὸς παμφάγος ἐστί; 594 b 5). 243 Kleine Tiere mit ähnlicher Bezeichnung sind etwa die die bei Isidor (Etym. 12,3,4) genannte solifuga, die die Gestalt einer Spinne (aranei forma) haben soll, sowie die von Sextus Pompeius Festus (De verborum significatu 431, p. 389 Lindsay) beschriebene solipugna. 244 Vgl. König; Hopp (1991) 234.

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­ yrmecion (»Ameischen«), eine kleine Spinne,245 die einen ameisenähnlichen m Kopf und einen schwarzen Körper mit weißen Flecken haben soll. Ihren Stich vergleicht er mit dem einer Wespe.246 Das μυρμήκειον wird bereits von Nikander in seinen Theriaka (747–751) ähnlich beschrieben. Auch er nennt es im Rahmen seiner Besprechung von Giftspinnen und endet seine Beschreibung mit dem Vers (751): ἄλγεα δὲ προτέροισιν ἴσα κνώπεσσι πελάζει. – »Schmerz aber bringt es in gleichem Maße wie die vorherigen Gifttiere247.« Mit diesem Satz möchte Nikander wohl ausdrücken, dass das μυρμήκειον trotz seiner geringen Größe nicht weniger Schmerzen zufügt als die (meisten) anderen zuvor genannten Tiere.248 Der Beschreibung des μυρμήκειον geht bei Nikander allerdings unmittelbar die des σφήκειον (»Wespchen«), einer weiteren Giftspinne, voraus (Ther. 738–746). Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die Information bei Plinius, der Stich des myrmecion sei mit dem einer Wespe zu vergleichen, letztlich auf ein falsches Verständnis bzw. einen mangelhaften Überlieferungs- oder Exzerpierungsprozess der Darstellung bei Nikander zurückzuführen ist. Giftspinnen, wie dieses μυρμήκειον bzw. myrmecion genannte Tier, könnten, wie bereits gesagt, hinter den Beschreibungen giftiger Ameisen stehen. Eine weitere »Ameisenart« (μύρμηκος εἶδος) wird an einer Stelle bei Aelian (NA 10,42) λαέρτης genannt. Als einziges Charakteristikum dieser Ameise wird gesagt, dass sie todbringend (θανατήφορος) sei.249 Wie oder wodurch dieser Tod eintreten soll, wird nicht erwähnt. Einer Ameise eine letale Wirkung zuzuschreiben scheint zunächst zu verwundern, könnte aber mit der Annahme giftiger »Ameisenarten«, wie sie gerade besprochen wurden, zusammenhängen. Schwierigkeiten bereitet auch die Bezeichnung λαέρτης. Zur Figur des Laertes, des Vaters des Odysseus, lässt sich angesichts der nur spärlichen Information in dieser Passage des Aelian keine überzeugende Verbindung herstellen. Gil Fernández versucht mittels der Etymologie von λαέρτης Klarheit zu schaffen.250 Diese leite sich von λάος und εἴρω ab, sodass Laertes jemanden bezeichne, der das Volk zusammenruft (»el convocador del pueblo«251). Chantraines Etymo-

245 Gow; Scholfield (1953) 185 nennen neben einigen Spinnenarten auch die sogenannten Ameisen-Wespe (Mutilla europea L.) als mögliche Identifikation. Dagegen spricht sich aber z. B. Jacques (2002) 208 aus. Dort finden sich auch viele Vorschläge zur Identifikation mit weiterer Literatur. 246 Myrmecion, formicae similis capite, alvo nigra, guttis albis distinguentibus, vesparum dolore torquet. 247 Zu dieser Bedeutung von κνώψ vgl. Overduin (2015) 463 f. 248 So auch Overduin (2015) 463. 249 Aus diesem Grund scheint es verwunderlich, wie Gossen (1935) 294 mit Bestimmtheit behaupten kann, es handle sich um die weit verbreitete Gelbe Wiesenameise Lasius flavus Deg., ohne seine Identifikation zu erläutern. 250 Vgl. Gil Fernández (1959) 193. 251 Ebd.

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logie ist sehr ähnlich.252 Den zweiten Bestandteil des Namens leitet er aber von einer Verbalwurzel ab, die auch noch in ἔρετο erkennbar sei, wofür Hesych (ε 5742) als synonyme Form ὡρμήθη nennt. Nach Chantraine bedeutet Laertes »l’homme qui met en mouvement le peuple«253. Beides ist – wie zumindest Gil Fernández deutlich hervorhebt254 – eine passende Bezeichnung für einen König. Gil Fernández’ daraus entwickelter Schlussfolgerung, dies sei für die Ameisen ebenfalls passend, weil eine gesellschaftliche Organisation auch ein Kennzeichen der Ameisen sei,255 ist hier zu widersprechen. Im Gegensatz zu Bienen und Wespen galten Ameisen als ζῷα ἄναρχα (dazu s. 6.5), sodass es zumindest nicht den gängigen Vorstellungen entsprach, Ameisen mit Königtum in Verbindung zu bringen. Zudem ist fraglich, wieso eine ganze Art diese königliche Bezeichnung tragen sollte und nicht nur einzelne Mitglieder einer Ameisengesellschaft. Die Bezeichnung λαέρτης sei ebenfalls – so folgt es bei Aelian weiter – für die Bezeichnung einer Wespe verwendet worden. Es fehlt jegliche Charakterisierung dieser Art, sodass sich auch hier keine überzeugende Erklärung für die eigentümliche Namensgebung finden lässt. Als Quelle für seine Aussagen nennt Aelian Telephos aus Pergamon, einen Grammatiker (Aelian verwendet den Ausdruck κριτικός) des 2. Jhd.s n. Chr. Von diesem Autor ist nicht viel bekannt. Lediglich drei Fragmente, eines davon diese Passage bei Aelian,256 sind unter seinem Namen überliefert (505 Frg. 1–3 FGrH; die erwähnte Passage wird als Frg. 3 geführt).

2.9 Weitere »Arten«, die mit Ameisen in Verbindung stehen 2.9.1 Die Großkatze μύρμηξ Die Bezeichnung μύρμηξ konnte offensichtlich auch für eine Großkatze verwendet werden. Ab wann diese Bezeichnung verwendet wurde, lässt sich nicht sicher sagen. In den erhaltenen Schriften des Aristoteles scheint diese Bedeutung nicht nachweisbar. Jedoch ist sie wohl für die Zeit der Erstellung der Septuaginta vorauszusetzen. In Hiob 4,11 ist das hebräische Wort ‫( ליש‬laisch; »Löwe«) mit der Bezeichnung μυρμηκολέων wiedergegeben. Offensichtlich sind hier zwei Worte zur Benennung einer Großkatze miteinander verbunden worden (mehr dazu s. 2.9.2). 252 Vgl. Chantraine (1980) 612. So auch Beekes (2010) 822. 253 Chantraine (1980) 612. 254 Vgl. Gil Fernández (1959) 193. 255 Vgl. ebd. Ihm scheint sich auch Beavis (1988) 200 anzuschließen. 256 Fögen (2009a) 56 meint, dass es sich bei der Aelianpassage um ein fast wörtliches Zitat des Telephos handelt. Es fänden sich häufig Grammatiker als Autoritäten für bestimmte Benennungen von Tieren in der Natura animalium des Aelian.

Weitere »Arten«, die mit Ameisen in Verbindung stehen

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Agatharchides von Knidos, ein Geograph, der im 2. Jhd. v. Chr. unter anderem ein Werk über das Rote Meer in 5 Büchern verfasst hat, beschreibt den μύρμηξ zusammen mit den Großkatzen (De mare erythraio 69 ap. Photios Bibl. cod. 250, p. 455a257 = p. I 158 Müller): Τῶν δὲ καλουμένων μυρμήκων οἱ μὲν πλεῖστοι κατὰ τὴν ἰδέαν τῶν λοιπῶν οὐδὲν παραλλάττουσι, τὴν δὲ τῶν αἰδοίων φύσιν ἀπεστραμμένην ἔχουσιν, ἐναντίαν τοῖς ἄλλοις. Von den sogenannten myrmēkes unterscheiden sich die meisten in ihrer Gestalt überhaupt nicht von den übrigen, sie haben aber die Geschlechtsteile umgedreht, im Gegensatz zu den anderen.

Hier ist vermutlich auf die Gestalt der (männlichen) Geschlechtsteile der Katzen (nicht nur des μύρμηξ) verwiesen, die tatsächlich nach hinten verlagert sind.258 Strabons Bericht (16,4,15) ist wohl von Agatharchides abhängig. Er scheint aber Aussagen, die Agatharchides im vorangehenden Abschnitt zum Löwen macht, auf den μύρμηξ zu übertragen:259 πληθύει δ’ ἐλέφασιν ἡ χώρα καὶ λέουσι τοῖς καλουμένοις μύρμηξιν (ἀπεστραμμένα δ’ ἔχουσι τὰ αἰδοῖα καὶ χρυσοειδεῖς 〈εἰσι〉 τὴν χρόαν, ψιλότεροι δὲ τῶν κατὰ τὴν Ἀραβίαν), […]. Das Land (i. e. an der Küste des Roten Meeres) ist voll von Elefanten und Löwen, den sogenannten myrmēkes (sie haben die Geschlechtsteile umgedreht und ihre Haut ist goldfarben und weniger dicht behaart als bei denen in Arabien), […].

Die Übernahmen aus dem Bericht über die Löwen bei Agatharchides sind die Beschreibung der Fellfarbe und die im Vergleich zu den Löwen in Arabien geringere Felldichte. Auch Aelian (NA 17,40) berichtet davon, dass es μύρμηκες260 gebe, deren Geschlechtsteil nach hinten gekehrt sei. Zudem nennt er die μύρμηκες in einer Reihe mit anderen Großkatzen, deren Junge als σκύμνοι bezeichnet werden (NA 7,43). Immer wieder wurde in der Forschung261 auch eine Verbindung zu Beschreibungen der sogenannten goldgrabenden Ameisen festgestellt (s. u. 131). 257 Das Werk des Agatharchides ist nicht erhalten, es existieren aber umfangreiche Exzerpte bei Diodor und in der Bibliotheke des Photios, welche oft wörtlich übereinstimmen. Dieses Fragment findet sich freilich nur bei Photios. 258 Vgl. z. B. Kinzelbach (2009) 67. 259 Vgl. Radt (2009) 366. 260 Gossen (1924) 1039 geht davon aus, dass es sich hierbei um eine Termite handelt und identifiziert sie mit Hodotermes turkestanicus Jacobs. Es besteht aber wohl kein Zweifel, dass hier ein Bezug zur Großkatze gegeben ist. 261 Vgl. z. B. Nesselrath (1995) 38 Anm. 32; Radt (2009) 366; Kinzelbach (2009) 67–70.

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Welche Großkatze genau mit μύρμηξ bezeichnet worden sein könnte, ist nicht leicht festzustellen. Kinzelbach262 identifiziert das Tier vor allem anhand einer Zeichnung auf dem sogenannten Artemidor-Papyros263 mit dem Geparden. Ausgangspunkt für die Benennung der Großkatze könnte dann ihre Fellzeichnung aus kleinen schwarzen Punkten sein.264 Die typischen Eigenschaften, die man in der Antike der Ameise zuschrieb, ihre geringe Größe und ihre schwarze Farbe, könnten also so eng mit dem Tier verbunden worden sein, dass auch andere Dinge, die eine ähnliche Struktur aufweisen, den Namen »Ameise« erhalten haben.

2.9.2 Der sogenannte »Ameisenlöwe« Für den sogenannten »Ameisenlöwen« (meist265 μυρμηκολέων; eventuell auch λεοντομύρμηξ266 oder formicoleon267) gibt es ganz unterschiedliche Beschreibungen. An dieser Stelle müssen nicht alle Erwähnungen dieses Tieres im Detail erklärt werden,268 sondern es soll kurz auf die damit verbundenen Vorstellungen eingegangen werden. Zum ersten Mal erscheint der Begriff μυρμηκολέων in der Septuaginta im Buch Hiob 4,11: μυρμηκολέων ὤλετο παρὰ τὸ μὴ ἔχειν βοράν, σκύμνοι δὲ λεόντων ἔλιπον ἀλλήλους. – »Der Ameisenlöwe starb aufgrund des Nahrungsmangels, die Jungen der Löwen verließen einander.« Der hebräische Text hat sowohl an der Stelle, die im griechischen Text durch μυρμηκολέων wiedergegeben wird, das Wort ‫( ליש‬laisch; »Löwe«) als auch an der Stelle, an der im griechischen Text λεόντων zu finden ist.269 Vermutlich handelt es sich hierbei um einen Neologismus der griechischen Übersetzer der Septuaginta.270 Vielleicht zur besseren Identifizierung des μύρμηξ als Großkatze (dazu s. 2.9.1) wird λέων als Suffix angehängt, wie es vor allem bei einigen griechischen Eigennamen der Fall sein kann.271 In der Vulgata ist das Wort mit tigris übersetzt, die deutsche Einheitsübersetzung hat »Löwe«. Die alt 262 Vgl. Kinzelbach (2009) 66–70. 263 Dieser ist freilich in seiner Authentizität nicht unumstritten. 264 Vgl. Kinzelbach (2009) 67. 265 Z. B. Hiob 4,11 in LXX; Physiologos 20; Kyraniden 2,25; sowie in der altlateinischen Bibelübersetzung myrmicoleon (daher so bei Gregor d. Gr. Moralia in Iob 5,40 [zu Hiob 4,11] sowie Augustinus Adnotationes in Iob 4). 266 So z. B. bei Herodian De prosodia catholica 3,1, p. 46 Lentz allerdings ohne nähere Erläuterung. 267 So bei Isid. Etym. 12,4,10. 268 Umfangreich äußert sich dazu z. B. Gerhardt (1965). Auch Wellmann (1930) 36–38, Gil Fernández (1959) 56–61, Lauchert (1974) 21 und Beavis (1988) 249 f. widmen sich diesem Tier. 269 Vgl. Gil Fernández (1959) 56. 270 Vgl. ebd. 60. 271 Vgl. dazu Risch (1949) 256.

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lateinische Bibelübersetzung scheint das Wort myrmicoleon jedoch nur zu transkribieren (s. 112 Anm. 265). Festzuhalten ist jedoch, dass an dieser Stelle mit μυρμηκολέων eine Großkatze gemeint ist. Anders ist die Charakterisierung des Ameisenlöwen im Physiologos (Kapitel 20). Der Autor oder seine Quelle nimmt zwar auf die Stelle im Buch Hiob Bezug, versteht den Begriff μυρμηκολέων aber offensichtlich nicht als eine Großkatze, sondern versucht anderweitig aus der Aussage, dass er aufgrund von Nahrungsmangel zu Grunde gehe, Sinn zu gewinnen: Ἐλιφὰζ ὁ Θαιμανῶν βασιλεὺς ἔλεξε· μυρμηκολέων ὤλετο παρὰ τὸ μὴ ἔχειν βοράν. ὁ Φυσιόλογος ἔλεξε περὶ τοῦ μυρμηκολέοντος ὅτι τὰ μὲν ἐμπρόσθια ἔχει λέοντος, τὰ δὲ ὀπίσθια μύρμηκος. ὁ μὲν πατὴρ σαρκοφάγος ἐστίν, ἡ δὲ μήτηρ ὄσπρια τρώγει· ὅταν δὲ γεννῶσι τὸν μυρμηκολέοντα, γεννῶσιν αὐτὸν δύο φύσεις ἔχοντα, καὶ οὐ δύναται φαγεῖν κρέα διὰ τὴν φύσιν τῆς μητρός οὐδὲ ὄσπρια διὰ τὴν φύσιν τοῦ πατρός· ἀπόλλυται οὖν διὰ τὸ μὴ ἔχειν τροφήν. Eliphas, der König der Temaner, sprach: Der myrmēkoleōn starb aufgrund des Nahrungsmangels. Der Physiologos sagte über den myrmēkoleōn, dass er das Vorderteil eines Löwen, aber das Hinterteil einer Ameise habe. Der Vater ist ein Fleischfresser, die Mutter aber kaut Hülsenfrüchte. Sooft sie aber den myrmēkoleōn hervorbringen, bringen sie ihn mit zwei Naturen hervor. Und er kann nicht Fleisch fressen wegen der Natur der Mutter und auch keine Hülsenfrüchte wegen der Natur des Vaters. Er stirbt nun also aufgrund von Nahrungsmangel.

Der μυρμηκολέων des Physiologos ist also ein aus heutiger Sicht merkwürdig anmutender Hybrid272 aus Löwe und Ameise. Auf die Beschreibung folgt nun, wie im Physiologos üblich, ein weiterer Abschnitt, in der die symbolische Bedeutung des Tieres in christlicher Hinsicht erläutert wird. In diesem Falle symbolisiert der μυρμηκολέων einen Mann mit zwei Seelen (ἀνὴρ δίψυχος), dessen Wesen daher wandelbar und unbeständig ist.273 Die Verbindung mit einer solchen Symbolik hat sicherlich Einfluss auf die Deutung des μυρμηκολέων als hybrides 272 Dies kann als ein weiterer Beleg gesehen werden, dass das antike Artverständnis sich offenbar fundamental von dem modernen biologischen unterscheidet (zum Artbegriff s. 2.1). Gerhardt (1965) 5 f. argumentiert freilich nicht zu Unrecht dafür, dass es dem Autor des Physiologos weniger um eine korrekte biologische Darstellung als um eine Symbolik für die christliche Heilslehre ging. Insofern, so ihre These, ist es nicht von zentraler Bedeutung sich vorzustellen, wie diese Paarung genau von statten gehen soll bzw. wie die Gestalt des μυρμηκολέων nun konkret aussieht, zumal Gott in der frühchristlichen und mittelalterlichen Vorstellungswelt alles erschaffen kann. Dennoch ist auffällig, dass im Text des Physiologos die generalisierende Formulierung ὅταν […] γεννῶσιν – »sooft / jedes Mal wenn sie erzeugen« gewählt ist. Dies dient der Verdeutlichung, dass eine solche Zeugung häufig und regelmäßig vorkomme. 273 Dass Tiere mit hybriden Namen die Eigenschaften der Tiere besitzen, aus denen sie vermeintlich zusammengesetzt sind, findet sich beispielsweise auch in den Beschreibungen Aelians zu den sogenannten κυνοκέφαλοι (»hundsköpfigen« [Menschen]; NA 4,47) oder dem χηναλώπηξ (»Gansfuchs«; NA 5,30); vgl. Fögen (2009a) 51 f.

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Mischwesen und dient auch dazu, die vermeintliche Gestalt des Wundertieres plausibel zu machen. Mit Blick auf die bereits beschriebenen antiken Ansichten zur Natur der Ameise ist anzumerken, dass die herbivore Ernährungsweise274 (s. o.  97) so stark mit der Ameise verbunden wurde, dass sie hier als entscheidendes Gegenteil zum Löwen als typischem Fleischfresser genannt wird. Offenbar ist die Ernährung von Pflanzen(teilen) für den Autor oder die Quellen des Physiologos konstitutiv für die Ameisen, sodass jeder Nachkomme einer Ameise nur pflanzliche Nahrung zu sich nehmen kann. In den Kyraniden 2,25 wird der μυρμηκολέων als letzte der dort aufgezählten sieben Ameisenarten (dazu s. o. 106) genannt.275 Das macht es offensichtlich, dass der Autor hier von einem Insekt ausgeht.276 In der knappen Ausführung fehlt allerdings eine Erklärung, wie die Bezeichnung μυρμηκολέων zu verstehen ist. Auffällig ist, dass er im Gegensatz zu den anderen genannten Ameisenarten dort nicht als einfarbig beschrieben und vor allem als Fleischfresser charakterisiert wird. Zudem soll er schneller sterben. Möglicherweise ist in dieser Passage bereits an ein Insekt gedacht, das Gregor der Große (Moralia in Iob 5,40 [zu Hiob 4,11]) und in ähnlichen Worten auch Isidor von Sevilla (Etym. 12,4,10)277 beschreiben. Bei Gregor heißt es: Myrmicoleon quippe parvum valde est animal formicis adversum, quod se sub pulvere abscondit et formicas frumenta gestantes interficit, interfectasque consumit. Myrmicoleon autem latine dicitur, vel formicarum leo, vel certe expressius formica pariter et leo. Recte autem leo et formica nominatur, quia sive volatilibus, seu quibuslibet aliis minutis animalibus formica est, ipsis autem formicis leo. Has enim quasi leo devorat sed ab illis quasi formica devoratur. Der myrmicoleon freilich ist ein sehr kleines den Ameisen feindlich gesinntes Tier, das sich unter dem Staub verbirgt und Ameisen, die Getreidekörner tragen, tötet und die 274 Zwar stehen hier konkret ὄσπρια, was einen Brei aus Hülsenfrüchten bezeichnet (vgl. LSJ »ὄσπριον«), da es jedoch als Gegensatz zu σαρκοφάγος benutzt wird, kann man es hier sicherlich als weiter gefassten Begriff für pflanzliche Nahrung im Allgemeinen verstehen. 275 Die Kyraniden sind die einzige Schrift, die den Ameisenlöwen erwähnt, aber nicht von einem jüdischen bzw. christlichen Autor stammt. Zu dieser Schrift und ihrem Abhängigkeitsverhältnis zum Physiologos s. auch o. 106 Anm. 234. Man kann aber festhalten, dass die Beschreibungen des μυρμηκολέων im Physiologos und den Kyraniden bis auf den Namen nicht viel gemeinsam haben. 276 Vgl. Gerhardt (1965) 7. 277 Formicoleon ob hoc vocatus, quia est vel formicarum leo vel certe formica pariter et leo. Est enim animal parvum formicis satis infestum, quod se in pulvere abscondit, et formicas frumenta gestantes interficit. Proinde autem leo et formica vocatur, quia aliis animalibus ut formica est, formicis autem ut leo est. – »Formicoleon wird er deshalb genannt, weil er entweder der Löwe für die Ameisen oder sicherlich in gleichem Maße Ameise und Löwe ist. Er ist nämlich ein kleines, den Ameisen ziemlich feindlich gesinntes Tier, das sich unter dem Staub verbirgt und Ameisen, die Getreidekörner tragen, tötet. Daher aber wird es Löwe und Ameise genannt, weil es für andere Tiere wie eine Ameise, für Ameisen aber wie ein Löwe ist.«

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getöteten verspeist. myrmicoleon wird er aber auf Latein genannt, entweder (im Sinne von) Löwe der Ameisen oder sicherlich deutlicher (im Sinne von) in gleichem Maße Ameise und Löwe. Richtigerweise wird er aber Löwe und Ameise genannt, weil er sei es für die Vögel, sei es für irgendwelche anderen winzigen Tiere eine Ameise ist, für die Ameisen selbst aber ein Löwe. Denn diese (die Ameisen) verschlingt er wie ein Löwe, aber von jenen (den Vögeln und anderen Tieren) wird er wie eine Ameise verschlungen.

Das beschriebene Verhalten dieses Tieres entspricht weitgehend auch dem des Tieres, das in der modernen Biologie als Ameisenlöwe bezeichnet wird. Ameisenlöwen sind die Larven der zur Ordnung der Netzflügler (Neuroptera) gehörenden Myrmeleonidae (die Imagines werden als Ameisenjungfern bezeichnet). Die Larven einiger Arten (in Europa vor allem Myrmeleon formicarius L.; aber auch Euroleon nostras Fourc.) errichten Trichter im lockeren Sand. Am Grunde dieser Trichter graben sich die Tiere ein, sodass nur noch der Kopf frei liegt, und lauern auf Beutetiere (nicht nur Ameisen), die in den Trichter fallen.278 Auch in diesen Texten von Gregor und Isidor werden also die beiden Bestandteile des Wortes für »Ameisenlöwe« getrennt betrachtet, jedoch wird die Etymologie auf einer eher abstrakteren Ebene plausibel gemacht. Das Tier heißt deshalb Ameisenlöwe, weil es aus Sicht bestimmter anderer Tiere entweder wie eine Ameise oder wie ein Löwe wirkt. Vor diesem Hintergrund sind die in dieser Passage hindurchscheinenden Konzepte zu beachten. Wie schon öfter beobachtet (s. vor allem o. 96) gilt die Ameise auch hier als das typische kleine Tier, insofern muss der myrmicoleon oder der formicoleon, wie Isidor das Tier nennt, auf andere Tiere wie eine Ameise wirken, da die Ameise gewissermaßen allgemein für ein kleines Tier steht, unabhängig von der mehr oder weniger konkreten Art. Am Rande sei noch auf ein weiteres Detail hingewiesen: Zu formicas tritt bei Gregor und bei Isidor das Participium coniunctum frumenta gestantes. Die Tatsache, dass die Ameise Getreidekörner trägt, spielt für die Beschreibung des Ameisenlöwen eigentlich gar keine Rolle, sondern wirkt an dieser Stelle eher wie ein Epitheton ornans für die Ameise. Dies zeigt, wie eng die Ernährung von Pflanzensamen zu den antiken Ameisenkonzepten gehört. Es dient hier vielleicht auch dazu, einen gewissen Kontrast zwischen der pflanzenfressenden Ameise und dem fleischfressenden Ameisenlöwen aufzubauen. Als letztes Beispiel sei noch auf den Kommentar des Augustinus zur Stelle im Buch Hiob (Adnotationes in Iob 4) verwiesen, der myrmicoleon als eine Bezeichnung für den Teufel versteht:279 278 Zu den biologischen Angaben vgl. Bellmann; Honomichl (2007) 401. In Deutschland erlangte der Ameisenlöwe in den letzten Jahren eine etwas größere Bekanntheit, weil er im Jahre 2010 zum Insekt des Jahres gewählt wurde. 279 Gregor d. Gr. (Moralia in Iob 5,43) legt ebenfalls dar, warum der Satan auch als Ameisenlöwe bezeichnet werden kann. Er geht aber im Gegensatz zu Augustinus wiederum von dem von ihm beschriebenen Insekt aus: Satan sei als gefallener Engel in die Erde gestürzt und

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myrmicoleon perit eo quod non haberet escam: quia in novissimo non erunt, quos inducens comedat; separabuntur enim pii ab inpiis. hic autem errat, quod ea quae de diabolo audierat prophetata de Iob intellegebat. myrmicoleon vero accipiendus est vel quia utrumque in eo est, cum et rapit et occulte persequitur frumenta, quae sublato oculo facit non germinare, vel quia avaris et in terra thesaurizantibus dominatur, vel quia iustos persequitur quasi formicas praeparantes sibi escas aestate ad hiemem, quibus non pascetur, cum boni ab inpiis fuerint separati. Der myrmicoleon starb, weil er keine Nahrung hatte: Weil es am jüngsten (Tag) niemanden geben wird, den er durch Verführung verschlingt; denn es werden die Frommen von den Unfrommen getrennt werden. Dieser aber (gemeint ist der in Hiob genannte Eliphas) irrt sich, weil er die Dinge, die er über den Teufel gehört hatte, als über Hiob verkündet verstand. Als myrmicoleon ist er aber zu verstehen, entweder weil beides in ihm ist, da er raubt und heimlich den Getreidekörnern nachspürt, die er, nachdem der Keim entfernt worden ist, nicht mehr keimen lässt, oder, weil er die Gierigen und die, die auf Erden Schätze sammeln, beherrscht, oder weil er die Gerechten verfolgt, welche wie die Ameisen sich im Sommer für den Winter Nahrung bereiten, an denen er sich nicht weiden wird, sobald die Guten von den Bösen getrennt sein werden.

Die Argumentation ist an dieser Stelle schwierig nachzuvollziehen, wie Gerhardt richtig bemerkt.280 Eigenschaften, die man generell mit den Ameisen verband, werden sowohl dem Satan als myrmicoleon zugeschrieben (Verhinderung der Keimung des Getreides) als auch den impii, die er beherrscht, (Gier und Anlegen von unterirdischen Schätzen) als auch den pii, die freilich als einzige ausdrücklich in Bezug auf das Anlegen von Vorräten für den Winter mit den Ameisen gleichgesetzt werden. Aus den genannten Erwähnungen wird ersichtlich, dass es keine einheitliche Vorstellung vom μυρμηκολέων bzw. seiner Nebenformen gab. Offenbar war die Bedeutung des Wortes nicht allgemein bekannt, sodass die meisten Autoren sich eine eigene Etymologie erschließen mussten. Dazu knüpfen sie unter anderem an die gängigen Vorstellungen von der Ameise an. Die Betrachtung von (Fabel-)Tieren wie dem μυρμηκολέων kann daher wichtige Hinweise darauf liefern, welche vermeintlichen Eigenschaften und Besonderheiten als typisch für die Ameisen galten, und ermöglicht so einen Einblick in die antiken Ameisen­ konzepte.

lauere dort seiner unvorsichtigen Beute auf, weswegen er passend mit dem Ameisenlöwen verglichen werden könne. 280 Vgl. Gerhardt (1965) 14.

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2.9.3 Die indischen Ameisen des Aelian und ähnliche »Arten«281 Ausgehend von der Aussage, dass es in Indien viele weise Tiere (θυμόσοφα […] ζῷα; NA 16,15) gebe, beschreibt Aelian im Folgenden die sogenannten indischen Ameisen (ὁ μύρμηξ ὁ Ἴνδος; NA 16,15). Als Quelle nennt er dabei am Schluss seiner längeren Ausführung Iuba, den libyschen Klientelkönig und Autor aus augusteischer Zeit. Die wortreiche Beschreibung enthält als Information vor allem, dass die sogenannten indischen Ameisen gewaltige überirdische Bauten anlegen und daher im Gegensatz zu den heimischen Ameisen stehen, die unterirdisch bauen. Grund dafür sei, dass es in Indien häufiger zu großen Überschwemmungen komme und sich die Ameisen vor dem Ertrinken bewahrten, indem sie künstliche Anhöhen und Inseln bauten (καὶ αὐτοῖς ὑπὲρ τῆσδε τῆς σοφίας περιγίνεται ὥσπερ ἐν σκοπιαῖς τισιν ἢ νήσοις κατοικεῖν, ὅταν τῶν λοφιδίων ἐκείνων τὰ κύκλῳ περιλιμνάσῃ; NA 16,15). In der Forschung scheint man sich weitgehend einig zu sein,282 dass als Grundlage dieser Beschreibung wohl keine Ameisen, sondern Termiten dienten. Diese ähneln den Ameisen zwar auf den ersten Blick in Aussehen und Verhalten, zählen aber zu einer anderen Insektenordnung (den Isopteren) und zeigen bei genauerem Hinsehen nicht nur in der Morphologie, sondern vor allem auch in Verhalten und Physiologie deutliche Unterschiede zu den Ameisen.283 Die eigentliche Schilderung des Baus der indischen Ameisen bei Aelian unterscheidet sich dagegen kaum von der in NA 6,43 gegebenen Beschreibung des Baus der heimischen Ameise (dazu s. u. 320).284 Beide Passagen enthalten beispielsweise den Vergleich mit den als exzeptionell herausgestellten Leistungen menschlicher Ingenieurskunst, den Αἰγυπτίαι σύριγγες (gemeint sind wohl prächtige unterirdische Grabanlagen in Ägypten) und dem kretischen Labyrinth, mit den komplexen und gewundenen Gängen der Ameisenbauten. Der typische Ameisenbau, von dem Aelian ausgeht, scheint also aufgrund der äußeren Umstände (d. h. der Überschwemmungen) lediglich in die Höhe gebaut zu sein. Folgerichtig befindet sich ein einziges Loch an der Spitze des Baus (NA 16,15): καὶ ἀπολείπουσι γε ἐπιπολῆς μίαν ὀπήν, δι’ ἧς εἰσίασί τε αὐτοὶ καὶ τὰ σπέρματα ὅσα ἐκλέγονται, εἶτα ἐς τοὺς ἑαυτῶν θησαυροὺς εἰσκομίζουσι.

281 Die ebenfalls häufig in Indien lokalisierten goldgrabenden Ameisen werden in einem eigenen Abschnitt (2.10) behandelt. 282 Vgl. z. B. Gossen (1924) 1039; Beavis (1988) 199. 283 Vgl. dazu z. B. Wehner; Gehring; Kühn (2013) 444 f. 284 Darauf weisen auch Davies; Kathirithamby (1986) 40 hin.

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Und sie lassen ein einzelnes Loch an der Spitze übrig, durch das sie selbst hineingehen und all die Samen, die sie ausgewählt haben, dann in ihre Vorratskammern einbringen.

Dieses Zitat zeigt, dass Aelian auch weitere Elemente der gängigen Vorstellungen von der Ameise beibehält. So unterscheidet sich die Ernährungsweise der indischen Ameisen nicht von der der heimischen. Sie wählen Samen aus, bringen sie durch ein Loch in ihren Bau und speichern sie dort.285 Die Unterschiede zur Ernährung der Termiten – falls diese tatsächlich die Grundlage dieser Beschreibung sind – scheinen nicht wahrgenommen worden zu sein. Dies zeigt in gewisser Weise wiederum, wie stark die Ernährung von Pflanzensamen Teil der Ameisenkonzepte war. Hat man eine Art prinzipiell – wohl aufgrund ihres Aussehens – einmal als Ameise identifiziert, ergibt sich daher fast automatisch, dass sie sich von Pflanzensamen ernährt. Schwierig zu deuten sind die von Pausanias erwähnten Ameisen auf der kleinen Insel Pephnos. Diese Insel liege vor der lakonischen Küste vor einer Stadt desselben Namens (Paus. 3,26,2). Eines der Wunder dieser Insel seien ihre Ameisen (Paus. 3,26,3): καὶ οἱ μύρμηκες αὐτόθι λευκότερον ἢ ὡς μυρμήκων τὸ χρῶμα φαίνουσι. – »Und die Ameisen scheinen dort heller / glänzender / weißer bezüglich ihrer Farbe zu sein als es für Ameisen (gewöhnlich ist).« Die genaue Bedeutung von λευκότερον bereitet Schwierigkeiten. Keller286 und auch Gossen287 vermuten, dass es sich hier um Termiten handelt, die wegen ihrer Färbung als »weiße Ameisen« bezeichnet werden können. Gossen288 nimmt gar eine konkrete Identifikation mit einer modernen Art vor (Calotermes flavicollis Fabr.).289 Beide verstehen den Komparativ λευκότερον also im Sinne von »weiß«. Sie beziehen dabei außerdem eine kurze Notiz bei Aelian (NA 4,6) mit ein: λευκοὺς δὲ μύρμηκας ἐν Φενεῷ τῆς Λακωνικῆς ἀκούειν πάρεστιν.  – »Man kann von weißen Ameisen in Pheneos in Lakonien hören.« Eine Stadt namens Pheneos ist in Lakonien nicht bekannt, eine Stadt dieses Namens gab es aber in Arkadien. Keller spricht daher von den » ›weißen‹ Ameisen in der arkadischen Stadt Pheneos«290, von denen man lesen könne (streng genommen kann man das nicht), Gossen291 dagegen meint, dass es sich bei Φενεῷ im Text Aelians möglicherweise um eine Fehlschreibung von Πέφνῳ handelt, 285 Auch Beavis (1988) 199 bemerkt dieselbe Ernährungsweise. 286 Vgl. Keller (1980) 421. 287 Vgl. Gossen (1924) 1039. 288 Vgl. ebd. 289 Tatsächlich gibt es in Südeuropa vor allem zwei Arten von Termiten: Calotermes ­f lavi­­ collis Fabr. und Reticulitermes lucifugus Rossi. Beide Arten bauen keine großen Termitenhügel, sondern C. flavicollis lebt im Holz kranker Bäume, R. lucifugus in Kieferstümpfen und -stämmen (vgl. Bellmann; Honomichl [2007] 321). 290 Keller (1980) 421. 291 Vgl. Gossen (1924) 1039.

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das uns bei Pausanias begegnet. Auch Venmans,292 der von einer Abhängigkeit der Nachricht Aelians von Pausanias ausgeht, glaubt, dass es sich hierbei um die beschriebene Fehlschreibung handelt. Zu Recht kritisiert er außerdem die ungenaue Aussage Kellers (der Ausgangspunkt seines kurzen Aufsatzes):293 Bei Pausanias sei nicht von weißen Ameisen die Rede, sondern er spricht von λευκότερον. Hätte λευκότερον an dieser Stelle tatsächlich die Bedeutung »weißer«, dann bedeutete dies, dass in der Regel alle Ameisen weiß seien und die Ameisen auf der Insel Pephnos noch weißer. Diese Aussage ist aber offensichtlich falsch, da Ameisen im Gegenteil als etwas typischerweise Schwarzes wahrgenommen wurden, wie oben (96) bereits gezeigt wurde. Venmans schlägt daher vor, dass λευκότερον hier eher als »splendidius, nitidius«294, also »heller« oder »glänzender« zu verstehen ist. Nach dieser Interpretation kann aber nicht mehr von Termiten die Rede sein, die möglicherweise als Grundlage für diese Aussage dienten. Aelian (oder seine Quelle) könnten diese Aussage nun falsch verstanden haben und daher von λευκοὶ μύρμηκες ausgegangen sein.295

2.9.4 κνίψ und σέρφος Der Begriff κνίψ296 bezeichnet an den meisten Stellen ein kleines Insekt, welches sich wie der ψήν (wohl eine Art Gallwespe) von Feigen ernährt (so z. B. Ar. Av. 590) oder aber den ψήν frisst, wenn dieser sich in Feigenbäumen aufhält (so z. B. Theophr. Hist. pl. 2,8,3; 4,14,10; an der letztgenannten Stelle wird vermerkt, dass sie auch in Eichen entstünden). An einer Stelle der Schrift De sensu et sensibilibus des Aristoteles (444 b 12 f.) wird als mögliche weitere Bedeutung von κνίψ eine »Art« der kleinen Ameisen genannt (καὶ τὸ τῶν μικρῶν μυρμήκων γένος, οὕς καλοῦσί τινες κνῖπας), welche als ein Beispiel für ein Lebewesen angeführt wird, das seine Nahrung mithilfe des Geruchsinnes finden kann.297 In den Kyraniden (2,25) werden die σκνιπαί,

292 Vgl. Venmans (1930) 320. 293 Vgl. ebd. 321. 294 Ebd. 295 Vgl. ebd. 322. 296 Weitere Informationen finden sich z. B. bei Gil Fernández (1959) 112–114 und Beavis (1988) 245 f. 297 Neben den Bienen werden in Arist. Hist. an. IV 8, 534 b 18–21 auch die κνῖπες als ein Beispiel für Tiere genannt, die ihre Nahrung, den Honig, über weite Entfernung riechen können. Welche Tiere hier als κνῖπες bezeichnet werden, lässt sich nicht leicht entscheiden. Ihre Ernährung von Honig lässt jedoch eher an Ameisen denken als an die Gallwespen. Zudem werden sie hier vermutlich als ein Beispiel für ungeflügelte (ἄπτερα) Insekten angeführt (und die Bienen als ein Beispiel für geflügelte), was ebenfalls für eine Identifizierung mit einer Ameisenart spricht.

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möglicherweise eine Variante von κνῖπες, als eine der sieben Ameisenarten genannt und mit den Adjektiven λεπτός (fein, zart), ἰσχνός (dünn, mager), ξανθός (bräunlich-gelb) beschrieben. Es könnte sich bei der Bezeichnung κνίψ für eine Ameise um eine sekundäre Übertragung der ursprünglichen Bedeutung dieses Wortes auf dieses Tier handeln. Einen Hinweis darauf gibt die Erklärung von κνίψ in der Suda (κ 1879): κνίψ· ζωύφιον. ἡ γενικὴ τοῦ κνιπὸς μετέστη εἰς εὐθεῖαν, καὶ σημαίνει τὸν ὀλίγα δαπανῶντα. Knips: Ein kleines Tierchen. Der Genitiv tou knipos ist auch ein Nominativ (wörtlich: wechselt auch über zu einem Nominativ) und bezeichnet einen, der nur wenig verbraucht.

Möglicherweise hat man also diese beiden Bedeutungsbereiche »kleines Tierchen« und »sparsam« zusammengebracht, sodass κνίψ nun eine Ameise bezeichnen konnte, da Sparsamkeit und eine geringe Körpergröße in der Antike als typische Eigenschaften der Ameisen galten. Diese Erklärung muss jedoch spekulativ bleiben, da in den erhaltenen Schriften die Bezeichnung κνιπός für einen sparsamen Menschen erstmals in einem Epigramm des Lukillios in der Anthologia Graeca (11,172) belegt ist und für die Zeit vor Aristoteles nicht nachweisbar ist. Ein ähnliches Phänomen wie bei der Bezeichnung κνίψ tritt bei dem sogenannten σέρφος auf. Welches Tier damit genau gemeint ist, lässt sich nicht sicher rekonstruieren.298 Aristophanes nennt dieses Tier sowohl in den Wespen (352) als auch in den Vögeln (82.569 f.). Aus den Scholien zu diesen Stellen ergibt sich zusammengefasst folgendes Bild: Beim σέρφος handelt es sich um ein kleines Tier (ζωύφιον), das entweder würmchenartig (σκωληκῶδες) oder ameisenartig (μυρμηκῶδες) ist. Das Wort konnte wohl auch ein stechmückenartiges Tierchen (ζωύφιον κωνωπῶδες) bezeichnen, wie die Scholien zu Ar. Vesp. 352b behaupten. Im Lexikon des Photios (σ 148) heißt es, dass der σέρφος einer Stechmücke an Größe vergleichbar sei (κώνωπι ἐμφερὲς κατὰ τὸ μέγεθος). Auf die geringe Körpergröße wird sicherlich auch in der Aussage des Philokleon in den Wespen (352) des Aristophanes angespielt: πάντα πέφαρκται κοὐκ ἔστιν ὀπῆς οὐδ’ εἰ σέρφῳ διαδῦναι.  – »Alles ist umzäunt und es ist nicht einmal einem serph­os möglich durch ein Loch zu schlüpfen.« Der Effekt dieser Aussage wird umso größer, je kleiner man sich den σέρφος vorzustellen hat. Darüber hinaus werden die σέρφοι sowohl in den Vögeln (82) des Aristophanes als auch in einem Fragment (Frg. 1 PCG) aus den Αφροδίτης γοναί des

298 Eine ausführlichere Diskussion findet sich z. B. bei Gil Fernández (1959) 96–98 und Beavis (1988) 251 f.

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Nikophon, welches in den Scholien zu Ar. Av. 82b und in der Suda (σ 256) zitiert wird, als typische Vogelnahrung dargestellt.299 Einige Autoren gehen jedoch davon aus, dass es sich beim σέρφος um eine Ameise handeln könnte. Photios (σ 148) nennt als erste Bedeutung für σέρφοι die geflügelten Ameisen, die man sonst auch νύμφαι nenne (οἱ πτερωτοὶ μύρμηκες, οὓς ἡμεῖς νύμφας). Zudem scheint der Komödiendichter Kratinos (Frg. 511 PCG) den σέρφος als eine »Ameisenart« genannt zu haben, wie in den Scholien zu Ar. Vesp. 352b überliefert ist. Der Eindruck, dass es sich bei den σέρφοι um eine »Art« der Αmeisen oder gar speziell die geflügelten Ameisen handelt, könnte möglicherweise mit folgenden Sprichwort zusammenhängen, in dem μύρμηξ und σέρφος nebeneinander genannt werden: ἔνεστι κἀν μύρμηκι κἀν σέρφῳ χολή.  – »Sogar in einer Ameise und einem serphos steckt Zorn.«300 Dieses Sprichwort soll wohl zeigen, dass selbst die kleinsten und unbedeutendsten301 Tiere zornig und damit eventuell auch bis zu einem gewissen Grade gefährlich werden können (dies gilt nicht zuletzt für die vermeintlich giftigen »Arten« sowie die sogenannten goldgrabenden Ameisen, dazu s. auch u. 130). Auch wenn die Bedeutung »(geflügelte)  Ameise« für den σέρφος vielleicht nicht unbedingt die Grundbedeutung dieses Wortes – wenn es überhaupt eine klar definierte gibt – darstellt, so zeigt die Tatsache, dass man eine solche Zuordnung vornehmen konnte, welche Eigenschaften wohl als typisch für Ameisen galten: Diese sind in diesem Falle in erster Linie die geringe Körpergröße und in zweiter Linie eine gewisse Reizbarkeit, die sowohl die Ameise als auch den σέρφος auszeichnen.

2.10 Die goldgrabenden Ameisen Wie kaum ein anderes Motiv der antiken Tierbeschreibung waren die sogenannten goldgrabenden Ameisen immer wieder Gegenstand der Forschung.302 Durch die Untersuchung der Konzepte, die in den Beschreibungen der goldgrabenden Ameisen zu erkennen sind, soll dennoch der Versuch unternommen werden, einige neue Aspekte und Perspektiven in die Forschung einzubringen. 299 Bei Aelian NA 14,22 wird der σέρφος als einer der Köder für den Fang des Fisches θύμαλλος genannt. 300 So in den Scholia ad Ar. Vesp. 352b; Scholia ad Ar. Av. 82b; Suda σ 256. Daneben wird das Sprichwort beispielsweise in einem Epigramm des Palladas (Anth. Gr. 10,49) sowie in der Sprichwortsammlung des Zenobius (Centuria III 70, p. 74 Leutsch; Schneidewin) genannt. Die Scholien zu Ar. Vesp. 352b verweisen allerdings darauf, dass bei diesem Sprichwort mit dem σέρφος das ζωύφιον κωνωπῶδες gemeint sei. In den anderen Zitaten dieses Sprichwortes fehlt dies aber. 301 Palladas in Anth. Gr. 10,49 spricht von ζῷα τὰ φαυλότατα. 302 Z. B. Karsai (1977); Puskás (1977); Karttunen (1989) 171–180; Nesselrath (1995). Reimer (2005) widmet dem Motiv der goldgrabenden Ameisen gar eine Monographie.

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2.10.1 Beschreibungen Die erste und zugleich umfangreichste Beschreibung der goldgrabenden Ameisen findet sich im 3. Buch der Historien Herodots (3,102–105; eingelegt darin ist ein Exkurs zu Kamelen [3,103]303 und zu klimatischen Besonderheiten Indiens [3,104,2–3]). Das Aussehen und Verhalten der Ameisen wird folgendermaßen beschrieben (3,102,2): ἐν δὴ ὦν τῇ ἐρημίῃ ταύτῃ καὶ τῇ ψάμμῳ γίνονται μύρμηκες μεγάθεα ἔχοντες κυνῶν μὲν ἐλάσσονα, ἀλωπέκων δὲ μέζονα· εἰσὶ γὰρ αὐτῶν καὶ παρὰ βασιλέϊ τῶν Περσέων ἐνθεῦτεν θηρευθέντες. οὗτοι ὦν οἱ μύρμηκες ποιεύμενοι οἴκησιν ὑπὸ γῆν ἀναφορέουσι τὴν ψάμμον κατά περ οἱ ἐν τοῖσι Ἕλλησι μύρμηκες κατὰ τὸν αὐτὸν τρόπον, εἰσὶ δὲ καὶ τὸ εἶδος ὁμοιότατοι· ἡ δὲ ψάμμος ἡ ἀναφερομένη ἐστὶ χρυσῖτις. In dieser Einöde nun und Sandwüste gibt es Ameisen, welche kleiner sind als Hunde, aber größer als Füchse. Es gibt auch aus dieser Gegend gefangene (Exemplare) von ihnen beim König der Perser. Diese Ameisen also errichten sich ihre Behausung unter der Erde, indem sie den Sand nach oben tragen wie die Ameisen bei den Griechen auf genau dieselbe Weise. Sie sind ihnen aber auch in ihrer Gestalt sehr ähnlich. Der Sand, den sie nach oben tragen, enthält Gold.

Mithilfe eines zunächst merkwürdig anmutenden Kamelgespannes – so fährt Herodot weiter fort  – bestehend aus einer Mutterstute in der Mitte und zwei Hengsten an der Seite (3,102,3) sollen sich die Männer des kriegerischsten (μαχιμώτατοι; 3,102,1) indischen Volkes zu den Ameisen begeben. In der größten Hitze befänden diese sich unter der Erde (3,104,1), weshalb die indischen Goldsucher diese Zeit nutzten, um den Goldstaub einzusammeln. Dabei müssten sie sehr eilig vorgehen, denn sobald die Ameisen Witterung von ihnen aufnähmen, kämen diese aus ihren Höhlen und machten Jagd auf die Diebe. Da die Ameisen allen anderen Tieren an Schnelligkeit überlegen seien (εἶναι δὲ ταχυτῆτα οὐδενὶ ἑτέρῳ ὅμοιον; 3,105,1), sei es notwendig, einen gewissen Vorsprung zu erlangen. Trotz dieses Vorsprungs müsse man – und hier erklärt sich nun die Zusammenstellung des Kamelgespannes – nach und nach die Kamelhengste zurücklassen, da diese nicht so schnell und ausdauernd liefen wie die Stuten, die zu ihren Fohlen zurückkehren wollten (3,105,2). Herodot lokalisiert den hier beschriebenen Volksstamm im Norden Indiens (πρὸς ἄρκτου τε καὶ βορέω ἀνέμου κατοικημένοι; 3,102,1) in der Nähe der Stadt Kaspatyros und dem paktyischen Land. Welche Gegend damit genau bezeichnet ist, ist in der Forschung umstritten. Häufig nimmt man den Osten des heutigen Afghanistan bzw. den Westen 303 Interessanterweise ist die Geschichte von den goldgrabenden Ameisen in der Schrift Περὶ ζῴων des Timotheus von Gaza (5. Jhd. n. Chr.) in die Abhandlung über die Kamele (32) eingelegt.

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des heutigen Pakistan als mögliche Identifizierung an.304 Es ist aber ohnehin fraglich, welche geographischen Kenntnisse bei Herodot und seinen persischen Gewährsleuten zu erwarten sind, sodass eine exakte Lokalisierung müßig und für unsere Betrachtung der Ameisen weniger bedeutsam ist. In ihrem Kern wird diese Geschichte weiter tradiert, jedoch finden sich bei Herodots Nachfolgern häufig zusätzliche Informationen und kleinere Änderungen.305 Arrian zitiert in seinen Indica (15,4) den Teilnehmer des Alexanderzuges Nearchos (133 Frg. 8a FGrH), der zwar die Tiere selbst nicht gesehen haben will, aber zumindest ihre Felle (δορά), welche in großer Zahl ins Lager der Makedonen gekommen sein sollen. Strabon (Geographica 15,1,44) zitiert Nearchos in diesem Punkt etwas ausführlicher (133 Frg. 8b FGrH) und gibt die zusätzliche Information, dass diese Felle denen von Leoparden ähnlich seien (δέρματα […] παρδαλέαις ὅμοια). Sowohl Arrian (Ind. 15,5 f.) als auch Strabon (15,1,44) führen im Anschluss an Nearchos Megasthenes als weitere Quelle an (715 Frg. 23a bzw. 23b FGrH). Dieser gelangte als Bote Seleukos’ I. mehrere Male nach Nordindien und verfasste ein Werk über Indien. Wieder zitiert Strabon ausführlicher: Μεγασθένες δὲ περὶ τῶν μυμήκων οὕτω φησὶν ὅτι ἐν Δέρδαις, ἔθνει μεγάλῳ τῶν προσεῴων καὶ ὀρεινῶν Ἰνδῶν, ὀροπέδιον εἴη τρισχιλίων πως τὸν κύκλον σταδίων, ὑποκειμένων δὲ τούτῳ χρυσωρυχείων οἱ μεταλλεύοντες εἶεν μύρμηκες, θηρία ἀλωπέκων οὐκ ἐλάττω, τάχος ὑπερφυὲς ἔχοντα καὶ ζῶντα ἀπὸ θήρας. ὀρύττει δὲ χειμῶνι τὴν γῆν σωρεύει τε πρὸς τοῖς στομίοις καθάπερ οἱ ἀσφάλακες· ψῆγμα δ’ ἐστὶ χρυσοῦ μικρᾶς ἑψήσεως δεόμενον. τοῦθ’ ὑποζυγίοις μετίασιν οἱ πλησιόχωροι λάθρᾳ· φανερῶς γὰρ διαμάχονται καὶ διώκουσι φεύγοντας, καταλαβόντες δὲ διαχρῶνται καὶ αὐτοὺς καὶ τὰ ὑποζύγια. πρὸς δὲ τὸ λαθεῖν κρέα θήρεια προτιθέασι κατὰ μέρη· περισπασθέντων δ’ ἀναιροῦνται τὸ ψῆγμα καὶ τοῦ τυχόντος τοῖς ἐμπόροις ἀργὸν διατίθενται χωνεύειν οὐκ εἰδότες. Megasthenes aber sagt über die Ameisen Folgendes: Bei den Derdern, einem großen Volk der im Osten und in den Bergen lebenden Inder, befindet sich eine Hochebene von ungefähr 3000 Stadien Umfang. Die Bergleute der darunter befindlichen Goldminen sind Ameisen; Tiere, die nicht kleiner sind als Füchse, eine außergewöhnliche Schnelligkeit besitzen und von der Jagd leben. Sie (die Ameise) hebt aber im Winter die Erde aus und häuft sie vor den Eingängen an, genau wie die Maulwürfe. Sie (die Erde) ist aber Goldstaub, der nur sehr geringer Aufreinigung bedarf. Um danach zu suchen, ziehen die in der Nähe lebenden Menschen heimlich mit Lasttieren aus. Denn (wenn die Inder es) offen sichtbar (tun), bekämpfen sie (die Ameisen) diese und verfolgen sie, wenn sie fliehen. Wenn sie (die Ameisen) sie aber zu fassen bekommen, töten sie sowohl diese selbst als auch ihre Lasttiere. Zusätzlich zu ihrem heimlichen Vorgehen legen sie (die Inder) noch in Stücke (geschnittenes) Fleisch von Tieren aus 304 So nimmt z. B. Stein (1969) 117 an, es sei Kabul; Karttunen (1989) 41–46 und ders. (1999) meint, dass es eine Ortschaft am Kabulfluss sei, aber keinesfalls das moderne Multan in Pakistan. Dieses nennt aber beispielsweise Asheri (2007) 498. 305 Eine umfangreiche Sammlung vieler Beschreibungen von der Antike bis in die Neuzeit bietet Reimer (2005) 236–250.

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und stehlen so den Goldstaub, während diese (die Ameisen) abgelenkt sind. Sie verkaufen ihn unbehandelt bei der ersten sich bietenden Gelegenheit an die Händler, da sie vom Einschmelzen nichts verstehen.

Arrian betont, dass die Ameisen, die Megasthenes beschreibt, die Löcher nicht wegen des Goldes anlegten, sondern dass sie als Unterschlupf dienten, genau wie das bei kleineren Ameisen der Fall sei. Entsprechend der Größe der goldgrabenden Ameisen sei auch die Größe der Löcher (15,5 f.). Arrian enthält sich einer weiteren Diskussion dieser Tiere, weil er dazu nichts Genaueres (οὐδὲν τούτου ἀτρεκέστερον) beitragen könne (15,7). Strabon distanziert sich gleich an zwei Stellen (2,1,9; 15,1,37) von den Berichten über die goldgrabenden Ameisen, weil er sie für ein typisches Beispiel der Übertreibungen der Autoren hält, die über Indien schreiben.306 Dennoch führt er noch an anderer Stelle an, dass es nach nicht näher genannten Quellen auch goldgrabende Ameisen mit Flügeln gebe (τῶν τε μυρμήκων τινὰς καὶ πτερωτοὺς λέγουσι τῶν χρυσωρύχων; 15,1,69). Dieses Merkmal findet sich vermutlich bereits bei Kallimachos (Frg. 163,58 f. Asper307 = 202,58 f. Pfeiffer): αὐτίκα χρυσὸν μὲν Ἰνδικοὶ κύνες βυσσόθεν μύρμηκες ο[ἴσου]σι πτεροῖς· Sofort werden zwar die indischen Hunde, Ameisen, aus der Tiefe Gold mit Flügeln heraufholen;

Interessanterweise scheinen die goldgrabenden Ameisen an dieser Stelle nicht hinsichtlich ihrer Größe mit Hunden verglichen zu werden, sondern sie werden vielmehr als indische Hunde bezeichnet. Plinius folgt in seinem Bericht (HN 11,111) in vielen Punkten dem des Megasthenes, indem er beispielsweise ebenfalls den Winter als Zeit des Grabens angibt und die Gegend mit in regione septentrionalium Indorum, qui Dardae vocantur (»in der Region der nördlichen Inder, die Darden genannt werden«) bestimmt. Die äußerliche Erscheinung weist jedoch leichte Unterschiede zu seinen heute bekannten Quellen auf: Ipsis color felium, magnitudo Aegypti luporum. – »Sie selbst haben die Farbe von Katzen und die Größe ägyptischer Wölfe.« Er setzt sich auch insofern von Megasthenes ab, als er den Ameisen eine Liebe zum Gold (amor auri) unterstellt. Außerdem findet sich bei Plinius noch eine interessante zusätzliche Information: Indicae formicae cornua Erythris in aede Herculis fixa miraculo fuere. – »Die Hörner einer indischen Ameise, die in 306 In 2,1,9 bezeichnet er sie gar explizit Lügner: Ἅπαντες μὲν τοίνυν οἱ περὶ τῆς Ἰνδικῆς γράψαντες ὡς ἐπὶ τὸ πολὺ ψευδολόγοι γεγόνασι […]. S. dazu auch u. 132. 307 Ich folge hier der Lesart bei Asper, welcher sich in den entscheidenden Änderungen auf P. Mich. inv. 4967 stützt. Einsehbar ist dieser Papyrus unter folgender URL: http://quod.lib.umich.edu/a/apis/x-2358/4967r___tif (letzter Zugriff am 28.03.2018).

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Erythrai im Tempel des Hercules aufgehängt waren, galten als Wunder.« Was genau mit diesen cornua gemeint ist und um was es sich in diesem Falle handelt, kann nicht sicher bestimmt werden.308 Die Beschreibung bei Dion Chrysostomos (Or. 35,23 f.) ähnelt der Herodots in vielen Punkten. Das eigentümliche Kamelgespann findet sich bei ihm aber nicht. Stattdessen lässt er die goldsammelnden Inder auf Wagen mit schnellen Pferden zu den Ameisen reisen. Wohl aufgrund seiner Absicht, die Inder als πολυχρυσότατοι (»am Goldreichsten«) darzustellen, erhöht er die Menge an Gold, die in dieser Gegend zu finden sein soll (Or. 35,23):309 ὁ δὲ χοῦς αὐτοῖς ἐστι χρυσίον καθαρώτατον πάντων χρυσίων καὶ στιλπνότατον. εἰσὶν οὖν πλησίον ἐφεξῆς, ὥσπερ κολωνοὶ τοῦ ψήγματος, καὶ τὸ πεδίον ἅπαν ἀστράπτει. χαλεπὸν οὖν ἰδεῖν ἐστι πρὸς τὸν ἥλιον, καὶ πολλοὶ τῶν ἐπιχειρούντων ἰδεῖν τὰς ὄψεις διεφθάρησαν. Und ihr Schutt besteht aus Gold, welches das reinste und glänzendste Gold von allen ist. Nahe beieinander stehen der Reihe nach so etwas wie Hügel aus Goldsand und die ganze Ebene glänzt. Es ist daher schwierig ins Sonnenlicht zu sehen und viele, die es versuchten, haben ihr Augenlicht verloren.

Im Gegensatz etwa zu Megasthenes vermenschlicht Dion Chrysostomos die Ameisen stark, indem er ihnen das Wissen um den Wert des Goldes zuschreibt, für den es sich zu sterben lohne (ὥστε οὗτοί γε ἐπίστανται τὸ χρυσίον ὁπόσου ἐστὶν ἄξιον, καὶ οὐδὲ προΐενται πρότερον ἢ ἀποθανεῖν; 35,24). In den erhaltenen spätantiken Texten werden die goldgrabenden Ameisen vor allem, aber nicht nur, in Afrika verortet.310 Bei diesen beiden Regionen, Indien

308 Üblicherweise bezeichnen cornua in Bezug auf Arthropoden die Antennen (so z. B. in HN 9,95 bei Langusten). Schiern (1873) 52, der die goldgrabenden Ameisen gerne mit tibetischen Goldgräbern in Verbindung bringen will (s. u. 128), meint, dass es möglicherweise Yakhörner seien, die von diesen Goldgräbern als Kopfschmuck getragen worden seien. Die meisten Forscher lassen es offen, worum es sich gehandelt haben könnte, so z. B. Nesselrath (1995) 33; Kinzelbach (2009) 69. 309 Es gibt also einen Grund für die schon von Nesselrath (1995) 34 Anm. 24 beobachtete »Erhöhung der Phantastik«. Für den Austausch des Kamelgespannes durch das einem griechischen Publikum wohl geläufigere Pferdegespann, muss man nicht unbedingt auf andere Quellen schließen, sondern kann dahinter eine Vereinfachung vermuten. Das Kamelgespann hätte einer weiteren Erklärung bedurft, die aber für die Darstellungsabsicht des Dion Chrysostomos irrelevant ist und somit ausgelassen werden kann (zumal es sich nicht um ein naturkundliches Werk, sondern um eine Rede an die Bewohner von Celaenae in Phrygien handelt). 310 Aus den Aithiopes des Sophokles ist folgendes Fragment (Frg. 29 TrGF) überliefert: τετράπτεροι γὰρ νῶτον ἐν δεσμώμασι / σφηκοὶ κελαινόρινες – »vierflüglige nämlich am Rücken eingeschnürte / wespenartige mit schwarzer Haut«. Das Lexikon (ε 2037) des Photios und das Etymologicum magnum (ε 385,1) zitieren die Verse zu ihrem jeweiligen Lemma ἐσφηκωμένον und geben an, dass sich das Zitat auf ἐσφιγμένους μύρμηκας beziehe. Naber nimmt in seiner Photios-Edition ([1864] 217 f. Anm. 8) eine Verbindung zu den goldgrabenden

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und Afrika südlich der Küstengebiete, handelt es sich um die aus griechisch-römischer Sicht typischen Ränder der Oikumene, die eine merkwürdige Flora und Fauna aufweisen und auch sonst zahlreiche natürliche (und menschliche) Merkwürdigkeiten bieten. Zudem werden sie häufig als reich an Bodenschätzen und anderen wertvollen Gütern beschrieben (besonders anschaulich z. B. Hdt. 3,98–117). Wohl vor allem aufgrund ihrer Hautfarbe wurden die Bewohner Afrikas und Indiens als sehr ähnlich, wenn nicht sogar gleich angesehen.311 Aufgrund dieser angenommen Ähnlichkeit der Natur und der Menschen ist es wenig verwunderlich, dass die goldgrabenden Ameisen in späterer Zeit sowohl in Indien als auch zunehmend in Afrika lokalisiert werden.312 In Philostrats Vita Apollonii 6,1 heißt es beispielsweise: γρῦπες313 δὲ Ἰνδῶν καὶ μύρμηκες Αἰθιόπων εἰ καὶ ἀνόμοιοι τὴν ἰδέαν εἰσίν, ἀλλ’ ὅμοιά γε, ὥς φασι, βούλονται, χρυσοῦ γὰρ φύλακες ἐν ἑκατέρᾳ ᾄδονται τὸ χρυσόγεων τῶν ἠπείρων ἀσπαζόμενοι. Wenn auch die Greifen der Inder und die Ameisen der Aithiopen sich in ihrer Gestalt nicht ähneln, so trachten sie doch zumindest – wie man sagt – nach demselben. Denn in den jeweiligen Ländern sind sie als Wächter des Goldes bekannt, weil sie die goldhaltige Erde lieben.

Auch in den Aithiopika (10,26) des Heliodor sowie bei Solinus (Collectanea rerum memorabilium 30,23) und dem von ihm abhängigen Isidor von Sevilla (Etym. 12,3,9) findet sich die Verortung der goldgrabenden Ameisen in Afrika, wenn auch an etwas unterschiedlichen Orten. Heliodor gibt das Land der Tro-

Ameisen bei Herodot an. Es ist aber zum einen nicht unbedingt sicher, ob sich das Fragment wirklich auf Ameisen bezieht (bei der Betrachtung des Zitatkontextes ist generell Vorsicht geboten) und zudem ist weder gesagt, dass diese Ameisen die goldgrabenden sind, noch, dass sie in Äthiopien leben. Das Fragment sollte daher nicht als sicherer früher Beleg einer Verortung der goldgrabenden Ameisen in Afrika angeführt werden. Ähnlich argumentiert auch Reimer (2005) 30 f. Karttunen (1989) 171 Anm. 123 akzeptiert dieses Fragment zwar als Beleg einer frühen Verortung der goldgrabenden Ameisen in Afrika, mahnt aber ebenfalls zur Vorsicht. In der Antigone des Sophokles (1038 f.) wird jedoch zumindest das indische Gold erwähnt. 311 Z. B. Hdt. 3,101,1 (über die Inder): καὶ τὸ χρῶμα φορέουσι ὅμοιον πάντες καὶ παρα­ πλ­ήσιον Αἰθίοψι. – »Und sie haben alle die gleiche Hautfarbe, die auch den Aithiopen sehr ähnlich ist.« Oder Hom. Od. 1,23 f.: Αἰθίοπας, τοὶ διχθὰ δεδαίαται, ἔσχατοι ἀνδρῶν / οἱ μὲν δυσομένου Ὑπερίονος, οἱ δ’ ἀνιόντος, – »zu den Aithiopen, die zweifach getrennt sind, die äußersten der Menschen / die einen (leben) am untergehenden Hyperion (Sonne), die anderen am aufgehenden,«. 312 Eine genauere Verortung ist für die vorliegende Untersuchung weniger wichtig. Einen Sonderfall bilden jedoch die goldgrabenden Ameisen im Hymettos (dazu s. 2.10.3). Für einen Überblick über die Forschungsmeinungen vgl. z. B. Reimer (2005) 208–212. 313 Zur in der Antike häufigen Gleichsetzung von Greifen und goldgrabenden Ameisen, die wohl schon bei Ktesias beginnt, s. den folgenden Abschnitt 2.10.2.

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glodyten314 als Herkunft sowohl der Greifen als auch der Ameisen an, Solinus nennt den Niger und Isidor Äthiopien, wobei in beiden Fällen wohl nicht von der heutigen Geographie ausgegangen werden kann. Die goldgrabenden Ameisen bei Solinus und Isidor entsprechen in ihrer Gestalt und ihrem Verhalten im Gegensatz zu den Beschreibungen der Vorgänger nicht mehr tatsächlichen Ameisen, sondern eher Hunden und Großkatzen. Solinus (30,23) beschreibt die Ameisen etwas ausführlicher als Isidor: formicae ibi ad formam canis maximi harenas aureas pedibus eruunt, quos leoninos habent. – »Dort graben Ameisen von der Gestalt eines sehr großen Hundes goldene Sandkörner mit ihren Füßen aus, die bei ihnen löwenartig sind.«

2.10.2 Mögliche Identifikationen Bereits in der Antike, beginnend wohl mit Ktesias,315 wurde die Geschichte der goldhütenden Greifen, denen die einäugigen Arimaspen das Gold zu stehlen versuchen,316 mit den goldgrabenden Ameisen in Verbindung gebracht.317 Auch die moderne Forschung hat teilweise postuliert, dass es sich ursprünglich um eine Sage handelte, die gewissermaßen in zwei Versionen nach Griechenland gelangt sei.318 Da in dieser Arbeit jedoch nicht so sehr deren genauer Ursprung untersucht werden soll, als vielmehr die Konzepte der griechisch-römischen Kultur, die diese Sage übernommen hat, wird diese Theorie hier nicht weiter 314 Eine genaue Lokalisierung dieses Stammes ist nach den antiken Quellen kaum möglich, da schon die Bezeichnung nicht ganz einheitlich ist. Teilweise werden diese Menschen Τρωγοδύται, teilweise Τρωγλοδύται genannt. Herodot (4,183,4) nennt gewisse τρωγλοδύται Αἰθίοπες (wobei auch die Schreibung τρωγοδύται in den Handschriften zu finden ist), welche im Süden Libyens lebten. In der Bezeichnung Τρωγλοδύται lässt sich ἡ τρώγλη (»die Höhle«) erkennen, sodass man τρωγλοδύτης vielleicht mit »Höhlenkriecher« (so Frisk [1960] 939) bzw. »Höhlenbewohner« übersetzen kann. Aristoteles (Hist. an. VIII 12, 597 a 9) etwa sagt von den sogenannten Pygmäen, sie seien τρωγλοδύται […] τὸν βίον (»höhlenbewohnend in Bezug auf ihren Lebenswandel«). Vgl. dazu z. B. Rausch (2002) mit diesen und weiteren Stellen. Er hält die Form Τρωγλοδύται für eine etymologisch unkorrekte Angleichung, um dieses Volk zu Höhlenbewohner zu machen. Weitere Literatur z. B. bei Corcella (2007) 706. 315 Die Fragmente 688 Frg. 45,26 und 45h FGrH beschreiben die γρῦπες als Goldhüter in Indien. Der Bericht über den Raub des Goldes durch die Inder ist sehr ähnlich gestaltet wie die Geschichte von den goldgrabenden Ameisen bei Herodot. 316 Z. B. bei [Aesch.] PV 803–806; Hdt. 3,116; 4,13.27.32. 317 Z. B. Pomponius Mela Chorographia 3,62; Clemens von Alexandria Paedagogus 2,120,1; Philostr. VA 6,1, der in 3,48 außerdem goldgrabende Greifen in Indien lokalisiert; Heliodor Aethiopica 10,26; Tzetzes Chiliades 12,404,330–340. Letzterer betont, dass die Inder aus Furcht vor den Greifen nur nachts zu den Ameisen gingen. Aelian NA 3,4 nennt als Nachbarn (συνοικοῦντες) der goldgrabenden indischen Ameisen die Issedonen. Bei Herodot (4,13) lebt dieses Volk südlich der einäugigen Arimaspen. 318 Z. B. Welcker (1844b) 369 f.; Bolton (1962) 64.

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verfolgt.319 Zumindest Herodot, der zum ersten Mal von beiden »Tieren« berichtet, behandelt sie ganz unterschiedlich. Die moderne Forschung hat sich sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, welches »echte« Tier oder menschliche Volk hinter der Riesenameise stecken könnte.320 Sehr häufig wird als mögliche Identifikation eine Murmeltierart321 oder das Schuppentier322 genannt. Populär wurde auch die erstmals von Schiern vorgeschlagene Identifikation der Riesenameisen mit zeitgenössischen tibeti­ schen Goldgräbern.323 Zu wirklich überzeugenden Ergebnissen kam man dabei in keinem Fall und insbesondere in Bezug auf eine Identifizierung der Sage mit dem Verhalten bestimmter einheimischer Volksgruppen lässt sich auch methodische Kritik üben, wenn rezent (oder wenige Generationen vor der Gegenwart des Forschers) beobachtete menschliche Verhaltensweisen ohne Einschränkung mehr als zweitausend Jahre in die Vergangenheit extrapoliert werden. Zwar mag es sein, dass sich bestimmte Verhaltensweisen sehr lange halten, zumindest sollte dies jedoch problematisiert sowie die eigene Haltung hinterfragt werden. Denn hinter der Annahme, dass sich eine Gesellschaft in fremden Ländern seit der Antike nicht wesentlich verändert haben soll, steckt oft implizit oder explizit eine gewisse kulturelle Überheblichkeit und ein eurozentrisches Denken.324 Es gilt auch zu bedenken, dass die bei den griechischen Historikern und Geographen überlieferte Geschichte zahlreiche Sprach- und Kulturgrenzen überwinden musste, falls sie tatsächlich irgendwo im Norden Indiens entstanden ist. Es ist daher zu erwarten, dass die griechischen Versionen Änderungen der ursprünglichen Version enthalten, zumal man die Möglichkeit einer bewusst übertriebenen Darstellung der Größe und Aggressivität der Ameisen, beispielsweise um den Kaufpreis des Goldes in die Höhe zu treiben325 oder um Fremde abzuhalten, selbst in der fraglichen Gegend nach Gold zu suchen,326 nicht unterschätzen sollte. 319 Für weitere Literatur vgl. Nesselrath (1995) 23 f. insbesondere Anm. 7, in der er sich gegen eine Gleichsetzung von Greifen und Ameisen ausspricht. 320 Ein guter Überblick über die verschiedenen Theorien findet sich bei Karttunen (1989) 172–176 sowie bei Reimer (2005) 180–193. 321 Vgl. z. B. Hennig (1930) 331; Karsai (1977) 66; Nesselrath (1995) 37; Beagon (2014) 427. Peissel (1984) 146 berichtet gar, er habe Menschen in der fraglichen Gegend getroffen, die ihm berichteten, ihre Großväter hätten noch Gold von den Aushuben der Murmeltiere gesammelt. Zur Problematik solcher ethnographischen Aussagen s. im Folgenden. 322 Vgl. z. B. Puskás (1977) 80, jedoch mit der Einschränkung: »if there is any real creature behind the gold-digging ant«. 323 Vgl. Schiern (1873) 39 f.43–45 u. a., mit teilweise überaus rassistischen Bemerkungen; McCartney (1954) 239. 324 Ähnliche Kritik auch bei Puskás (1977) 78 und Karttunen (1989) 173. 325 Vgl. Henning (1930) 332. 326 Vgl. Puskás (1977) 83. Auch Reimers (2005) 229–235 vertritt in seinem »Lösungs­ versuch« diese Theorie.

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Betrachtet man nun die überlieferten griechischen und lateinischen Beschreibungen etwas genauer, so fällt auf, dass die Autoren in der Regel bemüht sind, den Ameisencharakter dieser Tiere zu betonen. Dies gilt in besonderem Maße für Herodot, dessen Bericht die griechische Welt wahrscheinlich zum ersten Mal mit den goldgrabenden Ameisen vertraut machte. Ein Vergleich seiner Ameisengeschichte mit der sehr ähnlichen Geschichte von den goldhütenden Greifen in 3,116 (weitere Erwähnung in 4,13.27.32) ist in dieser Hinsicht aufschlussreich. Die goldgrabenden Ameisen werden ausführlich und vor allem in direkter Rede beschrieben. Der Bericht enthält zwar gewisse Elemente der Spannungssteigerung, wie z. B. die Exkurse, die zunächst eine Aufklärung über den Zweck des eigentümlichen Kamelgespanns aufzuschieben scheinen,327 jedoch ist der Bericht im Ganzen eher in einem sachlichen Tonfall und recht ausführlich verfasst.328 Die Geschichte von den goldhütenden Greifen dagegen wird jeweils nur kurz und ohne Details wiedergegeben. Zudem wird immer nur in indirekter Rede berichtet, was für eine gewisse Distanzierung spricht. Den Grund für seine Skepsis nennt Herodot explizit in 3,116,2:329 πείθομαι δὲ οὐδὲ τοῦτο, ὅκως μουνόφθαλμοι ἄνδρες φύονται, φύσιν ἔχοντες τὴν ἄλλην ὁμοίην τοῖσι ἄλλοισι ἀνθρώποισι. Ich bin aber davon auch ganz und gar nicht überzeugt, dass es einäugige Männer gibt, die eine Natur haben, die ansonsten dieselbe ist, wie bei anderen Menschen.

Dies bedeutet nun aber im Umkehrschluss, dass Herodot keine größeren Vorbehalte gehabt haben kann, die goldgrabenden Riesenameisen mit gängigen Ameisenkonzepten widerspruchslos in Verbindung zu bringen. Diese Konzepte 327 Man muss allerdings andererseits einräumen, dass diese Informationen teilweise auch erst die Grundlage zu schaffen scheinen, um seinem griechischen Publikum die später erfolgende Erklärung verständlich machen zu können. Dies gilt beispielsweise für den Exkurs über die heißen Phasen des Tages an verschiedenen Orten (3,104), aber nicht unbedingt für die Beschreibung der Genitalien von Kamelen (3,103). 328 Vgl. Nesselrath (1995) 32. 329 Nesselrath (1995) 29 f. unterscheidet zwischen der Darstellung der Greifen und Arimaspen in 3,116 und denen in 4,13.27.32. Seiner Meinung nach wird die Erwähnung im 3. Buch als unglaubwürdig, die Erwähnungen im 4. Buch aber als glaubwürdig dargestellt. Er macht dies an den angegebenen Quellen Herodots fest. Im 4. Buch seien das zwei, nämlich eine griechische Quelle, Aristeas, und eine zweite, nichtgriechische Quelle, die Issedonen. Diese beiden Quellen sollen ihn nun veranlasst haben, die Geschichte als glaubwürdig zu betrachten. Man kann jedoch keineswegs davon sprechen, dass Herodot die Geschichte im 4. Buch als glaubwürdig darstellt, zumal sie nicht den Kriterien entspricht, die Nesselrath kurz danach (S. 32) für die Ameisen aufstellt: Ausführlichkeit und direkte Rede. Zudem geht er dabei offensichtlich von einer Genese des Werkes in verschiedenen Schritten aus, wobei die verschiedenen Teile sukzessiv erarbeitet und veröffentlicht wurden. Herodot habe somit wohl nicht von Anfang an über alle Quellen verfügt und es habe auch keine Endkorrektur stattgefunden. Dieser analytischen Betrachtung der Historien Herodots muss man nicht unbedingt folgen.

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sind nicht identisch mit unserem heutigen biologischen Wissen, sodass die Geschichte auf den antiken Rezipienten nicht so unglaubwürdig gewirkt haben muss, wie auf den heutigen Leser, der aufgrund des modernen Wissens aus dem Bereich der Tierphysiologie weiß, dass Insekten niemals die Größe von Hunden annehmen können.330 Gerade dieser Punkt, der aus heutiger Sicht sicherlich am meisten befremden muss, passt jedoch zur allgemeinen Charakterisierung der Fauna Indiens, wonach dort (fast) alle Tiere größer seien als in anderen Ländern (z. B. Hdt. 3,106,2).331 Auch die meisten anderen Charakteristika lassen sich mit den generellen Vorstellungen von Ameisen in Einklang bringen.332 So entsprechen das Leben unter der Erde und das Ansammeln von Schätzen durchaus antiken Vorstellungen, wobei man insbesondere im letzten Punkt einen gewissen Anthropomorphismus bei manchen Autoren ausmachen kann. Denn Gold kann für Tiere nicht denselben Wert haben, wie für den Menschen, wie es auch bei Arrian (Indike 15,5) anklingt. Es gibt jedoch auch moderne Berichte von Goldfunden in Termitenhügeln333 und Alexander von Humboldt will Pyrit in Ameisenhügeln in Mexiko gefunden haben.334 Auch die Charakterisierung der Ameise als unerbittliche Kämpferin gegenüber ihren Feinden ist ein Aspekt antiker Ameisenkonzepte, wie z. B. ein Gedicht des Archilochos (Frg. 23,14–16 West) zeigt:335 ἐπ]ίσταμαί τοι τὸν φιλ[έο]ν[τα] μὲν φ[ι]λεῖν[, τὸ]ν δ’ ἐχθρὸν ἐχθαίρειν τε [κα]ὶ κακο[ῦν, ἅτε336  μύ]ρμηξ. […] 330 Nesselrath (1995) 24 (ähnlich auch Puskás [1977] 76) ist also zu widersprechen, wenn er meint, dass Herodot auch die goldgrabenden Ameisen und geflügelten Schlangen als unnatürlich ablehnen muss, wenn er die einäugigen Arimaspen für unglaubwürdig hält, da er dabei von einer modernen Perspektive ausgeht (dazu s. 1.1.4). 331 Puskás (1977) 77 scheint dies nicht ausreichend zu beachten, wenn sie die Größe als bedeutendstes Problem für die griechischen Rezipienten benennt. Landfester (2000) 9 f. argumentiert, dass der Bericht für Herodot und seine Rezipienten nur glaubwürdig sein muss, aber durchaus Wunderbares enthalten solle, da es offensichtlich Herodots Weltbild entspreche, »daß die Erde, je näher man ihrem Ende käme, umso wunderbarer würde.« 332 Nicht umsonst wird wohl in Hdt. 3,102,2 die Gleichartigkeit des Verhaltens und des Aussehens so stark betont: κατά περ οἱ ἐν τοῖσι Ἕλλησι μύρμηκες κατὰ τὸν αὐτὸν τρόπον, εἰσὶ δὲ καὶ τὸ εἶδος ὁμοιότατοι. 333 Z. B. Stewart; Anand; Balkau (2012). 334 Vgl. von Humboldt (1847) 422. Regenos (1939) 426 berichtet von Goldfunden in Dachslöchern. Er betont zwar, dass sich dadurch nicht eine direkte Identifikation der goldgrabenden Ameisen mit Dachsen ergibt, plädiert jedoch dafür, offen für ein Auffinden von Gold in Tierbauten zu sein. Eine umfangreiche Darstellung solcher Funde bietet Reimer (2005) 194–203. 335 Zu diesem Gedicht und der Deutung der Ameise vgl. auch Morel (1971). Eine ähnliche Aussage enthält das bereits oben (121) genannte Sprichwort ἔνεστι κἀν μύρμηκι κἀν σέρφῳ χολή. Slings (1982) 70 will dies jedoch nicht als direkte Parallelstelle zu Archilochos verstanden wissen. 336 Ich verwende hier die Konjektur von Slings. Siehe dazu Slings (1982); (1983) und (1993).

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Ich verstehe es einerseits dem Freund ein Freund zu sein, aber andererseits auch dem Feind ein Feind zu sein und ihm Übel zu tun, wie eine Ameise. […]

Unbestreitbar enthalten aber insbesondere die Schilderungen der Indienreisenden Nearchos und Megasthenes einige Merkmale, die der griechischen Auffassung der Biologie der Ameisen widersprechen. Dies betrifft zum einen das leopardenartige Fell, von dem Nearchos berichtet, und zum anderen die bei ­Megasthenes geschilderte karnivore Lebensweise, die, wie bereits öfter gesagt, in der Antike kaum eine Rolle spielte (s. o. 97). Offensichtlich findet hier eine Vermischung der Eigenschaften zweier ganz unterschiedlicher Tiere statt, die mit dem Begriff μύρμηξ bezeichnet werden können. In den meisten Fällen ist damit die Ameise gemeint, manchmal aber auch eine Großkatze (dazu s. 2.9.1). Für eine solche Identifikation spricht auch die Beschreibung bei Solinus (s. o. 127). Immer wieder kam in der Forschungsgeschichte  – offensichtlich unabhängig voneinander  – die Theorie auf, dass hinter den goldgrabenden Ameisen eine Großkatze stecken könnte. Neben Kinzelbach337 der für den Geparden plädiert, schlägt Hermann eine »Pantherart«338 und Wilford den Leoparden339 als mögliche Tierarten vor. Wilford merkt an, dass in Sanskrit und Hindi eine gewisse Ähnlichkeit der Begriffe für »Ameise« und »Leopard« existiere.340 Könnte es also bereits am Ursprungsort der Sage, wenn man ihn denn irgendwo im Norden Indiens vermutet, zu einer Vermischung dieser beiden Tierarten gekommen sein? Hinweise darauf könnten ähnliche Berichte aus anderen Kulturen liefern. Bereits Wilson341 stellt eine Verbindung zwischen den goldgrabenden Ameisen in der griechisch-römischen Literatur und einer Passage aus dem Mahabharata (einem in Sanskrit verfassten Epos) her. In der englischen Übersetzung von Dutt (II,52,4)342 lautet der Text: »Brought as tribute heaps of gold measured in Dronas (jars) and raised from underneath the earth by ants, and therefore called after the ants.« Diese kurze Erwähnung zeigt, dass die durch Herodot erstmals nach Griechenland gelangte Geschichte durchaus einen indischen Kern haben kann, in welchem tatsächlich Ameisen und nicht andere Tiere als Goldgräber beschrie-

337 Vgl. Kinzelbach (2009) 66–70. 338 Vgl. Hermann (1939) 15 f. 339 Vgl. Wilford (1822) 468. Diesem schließt sich von Humboldt (1847) 176 und 422 Anm. 65 an. 340 Vgl. Wilford (1822) 468. 341 Vgl. Wilson (1843) 143. 342 Die Stellenangaben können sich je nach Version des Mahabharata unterscheiden. Für die Hilfe bei der Auswahl der Übersetzung und dem Auffinden der Stelle bin ich der Indologin Dr. Silke Bechler sehr zu Dank verpflichtet.

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ben sind.343 Hermann führt außerdem noch eine chinesische Quelle an, die von riesigen Wespen und Ameisen im Norden Indiens berichtet.344 Der Befund spricht also eher dagegen, dass die Charakteristika, die die goldgrabenden Ameisen in einigen griechischen und lateinischen Berichten mit einer Großkatze teilen, schon aus Indien stammen. Wie bereits oben gezeigt, führt der Bericht Herodots auch eigentlich noch keine Merkmale von Großkatzen für die goldgrabenden Ameisen an, abgesehen vielleicht von der großen Geschwindigkeit, welche im Zusammenhang des Goldraubes mithilfe der Kamelgespanne erwähnt wird. Dieser Teil der Geschichte könnte jedoch persischen Ursprungs sein.345 Erst die hellenistischen Autoren Nearchos und Megasthenes schreiben den goldgrabenden Ameisen Eigenschaften der Großkatze μύρμηξ zu. Es ist gut möglich, dass diese beiden Autoren in Indien von diesem Tier und seiner Lebensweise hörten und diese dann automatisch mit den goldgrabenden Ameisen Herodots gleichsetzten, weil sie sich nicht bewusst waren, dass das Wort μύρμηξ sowohl die Ameise als auch die Großkatze bezeichnen kann. Ohnehin ist zumindest in den erhaltenen Quellen μύρμηξ als Bezeichnung für die Großkatze erst im Hellenismus belegt (s. 2.9.1), sodass es eher unwahrscheinlich ist, dass bereits Herodot dieser Verwechslung erlegen sein konnte. Es scheint also keineswegs so, dass Nearchos und Megasthenes weitere Belege unabhängig von Herodot über die goldgrabenden Ameisen in Indien gesammelt haben,346 sondern eher, dass sie ein anderes Tier mit den bei Herodot erwähnten Ameisen in Verbindung bringen wollten. Man muss daher Vorsicht walten lassen und sollte möglicherweise nicht undifferenziert die verschiedenen Beschreibungen der goldgrabenden Ameisen als Grundlage für die Beantwortung der Frage, welche reale Tierart sich dahinter verbergen könnte, nehmen. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Verbindung der Merkmale der beiden mit μύρμηξ bezeichneten Tiere dazu führt, dass die goldgrabenden Ameisen nicht mehr den gängigen antiken Ameisenkonzepten entsprechen. Dies betrifft, wie bereits gesagt, in erster Linie den Besitz eines leopardenartigen Fells und eine stärker betonte karnivore Lebensweise. 343 Puskás (1977) 82 merkt allerdings an, dass der Begriff »Ameisengold« (pipilika)  ursprünglich nur eine Benennung der Korngröße gewesen sein könnte und erst später die Bedeutung »Gold, das von Ameisen ergraben wurde« erhielt. Dennoch existierte ein solcher Bericht aber schon in frühester Zeit in Indien (s. zudem die Literaturangaben in 130 Anm. 333 und 334). Karsai (1977) 62–64 legt dar, dass es sich wohl nicht um ein indisches »Märchen« (er selbst tut sich schwer mit einer genauen Klassifizierung) gehandelt habe, weil dies nicht der Struktur des bei Herodot überlieferten Textes entspreche. Dies mag zwar zutreffen, es bedeutet aber nicht, dass der Bericht nicht im Kern indisch ist, auch wenn er nicht in Form eines klassischen indischen Märchens in den griechischen Schriften überliefert ist. 344 Vgl. Hermann (1938) 13. Auf den Seiten 13–15 bietet er kurze Zusammenfassungen weiterer asiatischer Sagen; vgl. dazu auch Bolton (1962) 81 f. 345 So Karsai (1977) 67–69, der im Aufbau der Geschichte ein persisches Muster erkennt. 346 So z. B. Nesselrath (1995) 33.

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So ist es vielleicht zu erklären, dass Strabon, der sich auf Nearchos und Megasthenes stützt, die goldgrabenden Ameisen zu den unwahren Geschichten zählt (2,1,9; 15,1,37).

2.10.3 Goldgrabende Ameisen im Hymettos Goldgrabende Ameisen werden auch im attischen Hymettos-Gebirge verortet. Von Eubulos, einem Vertreter der sogenannten Mittleren Komödie, sind folgende Verse aus dem Stück Glaukos überliefert (Frg. 19 PCG): ἡμεῖς ποτ’, ἄνδρες, Κεκροπίδας ἐπείσαμεν λαβόντας εἰς Ὑμηττὸν ἐξελθεῖν ὅπλα καὶ σιτί’ ἐπὶ μύρμηκας ἡμερῶν τριῶν, ὡς χρυσοτεύκτου ψήγματος πεφηνότος Wir überredeten einst, ihr Männer, die Kekropiden, Waffen zu nehmen und Proviant für drei Tage und in den Hymettos gegen Ameisen zu ziehen, in der Annahme, dass347 golddurchwirkter Staub erschienen war

In welchem Kontext der Handlung die Verse eingebettet waren, lässt sich nicht sagen,348 da nicht einmal sicher ist, was der Inhalt der Komödie war (das zweite erhaltene Fragment Frg. 18 PCG liefert ebenfalls keinen Hinweis). Meist wird vermutet, dass sie den Mythos um Glaukos (dazu s. auch u. 205), den Sohn des König Minos, zum Thema hatte.349 Da es sich bei den Versen um einen Bericht handelt, darf vermutet werden, dass die Riesenameisen wahrscheinlich nicht direkt auf der Bühne auftraten. Dafür spricht auch die Verwendung von ποτ’ und dem Aorist. Inwieweit andere Komödien das Thema der goldgrabenden Ameisen im Hymettos aufgreifen, ist unsicher. Immer wieder wird es z. B. für die Myrmekes des Plato Comicus in Erwägung gezogen.350 Da aber außer dem Titel der Komödie nichts bekannt ist, muss dies offenbleiben. Letztlich müssen Titel wie Myrmekes 347 Der Genitivus absolutus mit ὡς drückt keine objektive Tatsache, sondern einen subjektiven Grund aus (KG § 488b). Es ist hier also nicht gesagt, dass es Goldsand im Hymettos gab, sondern nur, dass man davon überzeugt war, wobei es offen ist, ob dies den Tatsachen entsprach oder nicht. 348 Ein vorsichtiger Versuch findet sich bei Hunter (1983) 110 f. Letztlich bleibt dies aber spekulativ. 349 Vgl. ebd. 350 Vgl. z. B. Pirotta (2009) 191, die diese Möglichkeit aber nur als eine unter mehreren präsentiert und es letztlich offen lässt. Welcker (1844b) 368 geht gar so weit, die Grypes und die Myrmekes Platons für eine einzige Komödie zu halten. Dies bleibt jedoch reine Spekulation. Zu Greifen und goldgrabenden Ameisen s. o. 127.

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(Plato Comicus; Kantharos) gar nicht unbedingt auf konkrete, heute noch bekannte Geschichten anspielen. Es lohnt sich auch den Zitatkontext der Trimeter des Eubulos zu betrachten, die vor allem unter dem Lemma χρυσοχοεῖν351 in Harpokrations Lexikons zu den zehn Rednern (λέξεις περὶ τῶν δέκα ῥητόρων χ 14, p. 267 Keaney = p. 307–309 Dindorf)352 überliefert sind. Harpokration versucht hier eine Erklärung des kryptischen Gebrauches von χρυσοχοεῖν bei dem Redner Deinarchos (4. Jhd. v. Chr.) und im 5. Buch der Politeia Platons zu liefern. Das Fragment des Deinarchos stammt aus einer Rede Gegen Pytheas (Or. 6 Frg. 14 Conomis): πάλιν γὰρ Αἰσχίνου ἀποφοιτήσας παρὰ τούτῳ δῆλον ὅτι χρυσοχοεῖν ἐμάνθανεν, ἀλλ’ οὐ τὸ προκείμενον αὐτῷ πράττειν ἢ πάσχειν. – »Als er wiederum nämlich den Aischines als Meister verließ, wurde es offensichtlich, dass er bei diesem lernte, Gold zu schmelzen, aber nicht das vor ihm Liegende zu behandeln oder zu ertragen.«353 Es findet sich hier also ein nicht näher erläuterter Gegensatz zwischen χρυσοχοεῖν und τὸ προκείμενον αὐτῷ πράττειν ἢ πάσχειν. Was dies genau zu bedeuten hat, ist aus dem Fragment selbst nicht zu schließen, da jeglicher Kontext fehlt. Etwas leichter zu untersuchen ist das Zitat aus der Politeia. Vor der bei Harpokration zitierten Stelle aus dem 5. Buch verteidigt sich Sokrates gegenüber Thrasymachos, er habe ein Thema bisher nicht ausführlich behandelt, um den damit verbundenen Problemen und dem »Schwarm an Argumenten« (ἑσμὸν λόγων) aus dem Weg zu gehen. Darauf antwortet Thrasymachos mit folgenden Worten (450 b 3 f.), die Harpokration zitiert: Τί δέ; ἦ δ’ ὃς ὁ Θρασύμαχος· χρυσοχοήσοντας οἴει τούσδε νῦν ἐνθάδε ἀφῖχθαι, ἀλλ’ οὐ λόγων ἀκουσομένους; »Was denn?«, sprach Thrasymachos, »Glaubst du denn, dass diese da jetzt zum Goldschmelzen hierhergekommen sind, aber nicht, um Argumente zu hören?«

Auch bei Platon wird χρυσοχοήσοντας in den Gegensatz zu etwas anderem, in diesem Falle οὐ λόγων ἀκουσομένους, gesetzt. Die Verwendung und Bedeutung von χρυσοχοέω in diesem Kontext ist, wie bereits gesagt, nicht ohne Weiteres verständlich. Harpokration, dem sich auch moderne Forscher wie etwa Adam354 und Halliwell355, anschließen, erklärt die Herkunft des Ausdrucks folgendermaßen: 351 Als wörtliche Übersetzungen des Verbs χρυσοχοέω nennt der LSJ folgende Bedeutungen: 1) »follow the trade of goldsmith« bzw. 2) »smelt ore in order to extract gold from it«. 352 Derselbe Wortlaut findet sich dann unter anderem auch in der Suda (χ 586). 353 Etwas anders ist es in der Ausgabe von Nouhaud; Dors-Méary (1990) 53 übersetzt: »Puis il quitta Eschine et s’attacha à cet individu auprès de qui, bien évidemment, il apprit à fondre de l’or mais non pas à faire ou supporter ce qui lui était proposé.« 354 Vgl. Adam (1963) 276 f. 355 Vgl. Halliwell (1998) 134.

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ἄρξασθαι δέ φασι τὴν παροιμίαν ἐντεῦθεν. ἔπεσέ τις φήμη ποτὲ εἰς τὸ πλῆθος τῶν Ἀθηναίων ὡς ἐν  Ὑμηττῷ χρυσοῦ ψῆγμα πολὺ φανείη καὶ φυλάττοιτο ὑπὸ τῶν μαχίμων μυρμήκων. οἱ δ’ ἀναλαβόντες ὅπλα ἐξέθεον ἐπ’ αὐτούς. ἄπρακτοι δ’ ὑποστρέψαντες καὶ μάτην κεκακοπαθηκότες ἔσκωπτον ἀλλήλους, λέγοντες »σὺ δὲ ᾤου χρυσοχοήσειν,« ὅπερ δηλοῖ, σὺ δὲ ᾤου ψῆγμα πολὺ συλλέξας καὶ χρυσοχοήσας πλουτήσειν. ἐχλευάζοντο δὲ καὶ ὑπὸ τῶν κωμικῶν· Εὔβουλος γοῦν ἐν Γλαύκῳ φησὶν· ἡμεῖς […] πεφηνότος (Frg. 19 PCG). Man sagt aber der Ursprung des Sprichwortes liege darin: Es gelangte einst ein Gerücht in die Menge der Athener, dass im Hymettos eine große Menge Goldstaubes erscheine und dass es von den kampfeslustigen Ameisen bewacht werde. Diese (die Athener) aber nahmen die Waffen auf und rückten gegen sie (die Ameisen) aus. Unverrichteter Dinge aber kehrten sie (die Athener) zurück und nachdem sie vergeblich Übel erlitten hatten, verspotteten sie einander mit den Worten: »Du hast wohl geglaubt, dass du Gold schmelzen wirst«, was bedeutet: Du glaubtest wohl viel Goldstaub zu sammeln, es einzuschmelzen und dann reich zu sein. Aber auch von den Komödiendichtern wurden sie verspottet: Eubulos zumindest sagt im Glaukos: »Wir […] erschien« (Frg. 19 PCG).

Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass diese sogenannte φήμη nichts anderes ist als eine Prosabeschreibung der als weiteren Beleg angeführten Trimeter des Komödiendichters Eubulos. Abgesehen vielleicht von der Aussage, dass die Mission erfolglos war, welche aber aus der Platonstelle stammen könnte, gibt die Erklärung des Harpokration keine über das Eubulos-Zitat hinausgehenden Informationen. Zudem verwendet er fast dieselben Worte.356 Es liegt daher nahe anzunehmen, dass Harpokration über kein zusätzliches Wissen verfügte, sondern dieses allein aus den Versen des Eubulos (und aus der Platonstelle) bezog. Ein solcher »auswertender« Umgang mit Texten findet sich bei antiken Grammatikern und Philologen häufig, insbesondere bei der Erstellung von Biographien von Autoren oder der Rekonstruktion von historischen Ereignissen. Die von Crusius357 geäußerte Annahme, es könnte sich bei der von Harpokration berichteten Geschichte von den Ameisen im Hymettos um ein traditionelles »attisches Märchen« handeln, welches Eubulos in seiner Komödie Glaukos bearbeitete, lässt sich aus der Erwähnung bei Harpokration also nicht sicher ableiten, da er seine Version vermutlich aus den Versen des Eubulos und seiner Deutung des Platonzitates erstellte. Das Fragment aus dem Glaukos hingegen könnte eine Herodot-Rezeption sein, welche die berühmte Geschichte von den goldgrabenden Riesenameisen von Indien nach Attika verlegt. Eine sicherlich bekannte Passage, in der in einer Komödie Herodot rezipiert wird, ist die Rede des Dikaiopolis an den Chor der 356 Z. B. χρυσοῦ ψῆγμα πολὺ φανείη – ὡς χρυσοτεύκτου ψήγματος πεφηνότος; ἀναλαβόντες ὅπλα ἐξέθεον ἐπ’ αὐτούς – λαβόντας […] ἐξελθεῖν ὅπλα καὶ σιτί’ ἐπὶ μύρμηκας. 357 Crusius (1890) 44 f.

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Acharner im gleichnamigen Stück des Aristophanes. Hier erklärt der Protagonist, der Peloponnesische Krieg sei aufgrund gegenseitiger Entführungen von Prostituierten durch betrunkene junge Männer aus Megara und Athen zustande gekommen (524–529). Dabei könnte es sich um eine parodistische Rezeption der berühmten Frauenraubgeschichten zu Beginn der Historien Herodots (1,1–1,5,2) handeln.358 Es erscheint ebenfalls fraglich, inwiefern die Bedeutung von χρυσοχοεῖν bei Platon und Deinarchos überhaupt mit der Geschichte von den goldgrabenden Ameisen zusammenhängt, denn bei genauerer Betrachtung ergibt die von Harpokration gelieferte übertragene Bedeutung keinen rechten Sinn. Ganz offensichtlich ist das im Fragment des Deinarchos der Fall, denn hier wird ja ein Gegensatz zwischen einer Sache, die jemand (gemeint ist wohl Pytheas) gelernt hat (das χρυσοχοεῖν), und etwas, das er nicht gelernt hat (das τὸ προκείμενον αὐτῷ πράττειν ἢ πάσχειν), dargestellt. Die Bedeutung »sich falsche Hoffnungen machen«359, welche wohl Harpokration sinngemäß vorschlägt, für χρυσοχοεῖν erscheint hier unpassend. Dies hebt bereits Gärtner360 in seinem RE -Artikel zu Pytheas hervor und verweist stattdessen auf ein Lemma in den sogenannten Lexica Segueriana bzw. Lexica Bekkeriana (p. 316 Bekker), das folgende Erklärung liefert: χρυσοχοεῖν ἐμάνθανε τί ἐστι· παροιμία ἐν ἤθει λεγομένη ἀντὶ τοῦ ἐπορνεύσεν. – »Er lernte, was Gold schmelzen ist: Eine Redeweise, die taktvoll statt ›er prostituierte sich‹ gesagt wird.« Im Lichte dieser Erklärung des Wortes ist das Fragment des Deinarchos also als Angriff auf eine Person (wohl Pytheas) zu verstehen, dem der Redner vorwirft, bei Aischines in erster Linie gelernt zu haben, sich zu prostituieren. Die Verwendung von χρυσοχοεῖν bei Platon scheint ebenfalls nicht ohne Weiteres mit der bei Harpokration gelieferten Deutung erklärbar zu sein. Inwiefern nämlich könnte die Aussage »sich falsche Hoffnungen machen« im Gegensatz zu »um Argumente zu hören« stehen? Viel sinnvoller erscheint Winspears Vorschlag, der eine Verbindung zu einer Passage im 1. Buch der Politeia (336 e 4–10) herstellt, wo Sokrates ebenfalls auf einen Einwand des Thrasymachos hin, die Suche nach der Gerechtigkeit (δικαιοσύνη), der dieser Dialog gilt, mit der Suche nach Gold(münzen) (χρυσίον) vergleicht.361 Für das Verb χρυσοχοέω müsste 358 Vgl. z. B. Olson (2002) liii f. Vermutlich spielt Aristophanes auch in den Vögeln (1125–1131) bei der Beschreibung der Mauer von Νεφελοκοκκυγία auf eine Passage im ersten Buch der Historien Herodots (1,178 f.) an, in der die Stadtmauer von Babylon beschrieben wird. Vgl. Dunbar (1995) 595. 359 Nouhaud; Dors-Méary (1990) 53 Anm. 5 setzen es mit dem modernen Ausdruck »enfiler des perles« gleich. 360 Vgl. Gärtner (1963) 367. 361 Vgl. Winspear (1935). Halliwells (1998) 134 Einwand, dass die Anspielung vielleicht zu schwach wäre, um eine weit entfernte Textpassage zu evozieren, überzeugt nicht. Denn es handelt sich um eine vergleichbare Situation innerhalb desselben Dialogs.

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man in diesem Falle keine übertragene Bedeutung annehmen, sondern die wörtliche Bedeutung wäre passend. Dies bedeutet nun aber, dass die Verbindung dieser drei Passagen von Deinarchos, Platon und Eubulos vermutlich gar nicht in Wirklichkeit besteht, sondern nur von Harpokration in einer etwas schiefen Erklärung konstruiert wird. Es erscheint unwahrscheinlich, dass der Verwendung des Verbs χρυσοχοεῖν bei Deinarchos und Platon überhaupt die Geschichte von den goldgrabenden Ameisen im Hymettos zugrunde liegt.362 Diese scheint sich nur in der Komödie des Eubulos zu finden, sodass man möglicherweise von einer Herodot-Rezeption ausgehen kann.

2.10.4 Verwendung als Topos Die goldgrabenden Ameisen werden zum Teil auch topisch verwendet, ohne dass ihr Verhalten und ihr Aussehen näher beschrieben werden. Neben dem bereits erwähnten Frg. 163 Asper = 202 Pfeiffer (s. o. 124) findet sich bei Kallimachos eine weitere Erwähnung von goldgrabenden Ameisen (Frg. 360,15 Asper = 384,15 Pfeiffer): χρυσὸν ὃν ἀνθρώποι[σ]ι καλὸν κακὸν ἔτραφ[ε] μύρμηξ – »Gold, das den Menschen als schlechtes Gut die Ameise hervorbringt«. Eine Lokalisierung der Ameisen fehlt hier freilich. Properz verortet diese Ameisen explizit in Indien, wenngleich er vermutlich durch die topische Verwendung der goldgrabenden Ameisen bei Kallimachos beeinflusst wurde.363 In einer Elegie (3,13,5) nennt er das Gold der indischen Ameise als erstes Beispiel in einem Katalog von exotischen Luxusgütern, die die puellae so anspruchsvoll und gierig gemacht haben (Inda cavis aurum mittit formica metallis – »Die indische Ameise sendet Gold aus ausgehöhlten Minen«). In seinem Enkomion auf Ptolemaios (Id. 17) vergleicht Theokrit seinen Herrscher mit den goldgrabenden Ameisen in Bezug auf den Umgang mit ihrem Reichtum (Theoc. Id. 17,106 f.): οὐ μὰν ἀχρεῖός γε δόμῳ ἐνὶ πίονι χρυσός μυρμάκων ἅτε πλοῦτος ἀεὶ κέχυται μογεόντων·

362 Auch im entsprechenden Lemma des LSJ scheint dies zumindest ausgeschlossen zu werden. Im Anschluss an die zweite genannte wörtliche Bedeutung (smelt ore in order to extract gold from it) wird Folgendes gesagt: »hence prov. of those who fail in any speculation, as the Athenians in their attempts to extract gold from their silver-ores.« Die Bedeutung unterscheidet sich jedoch nicht wesentlich von der, die Harpokration gibt, lediglich die Begründung ist eine andere. Worauf sich der Versuch, Gold aus Silbererz zu gewinnen, genau bezieht, macht der LSJ aber nicht deutlich, da er lediglich auf die beiden bekannten Stellen bei Deinarchos und Platon als Belege verweist. 363 Vgl. Heyworth; Morwood (2011) 234.

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nicht freilich liegt in (seinem) reichen Haus das Gold ungenutzt, wie der Reichtum der immer sich abmühenden Ameisen aufgehäuft ist;

Während Ptolemaios also seinen Reichtum aktiv z. B. durch Geschenke nutzt (so die Erklärung der Scholien KUEA zu dieser Stelle), häufen die Ameisen das Gold nur an. Dahinter steckt sicherlich die Erkenntnis, dass das Gold für Ameisen eigentlich keinen Nutzen haben kann. Es wird zwar nicht direkt von den goldgrabenden Riesenameisen Indiens gesprochen, doch ist die Anspielung deutlich zu verstehen (so äußern sich auch die Scholien). Gregor von Nazianz nennt die goldgrabenden Ameisen ebenfalls in einem seiner Gedichte (Carmina quae spectant ad alios. Ad Hellenium 265 f. = PG 37,1470) ähnlich wie Properz in einem Katalog exotischer Luxusgüter: Χρυσοφόροι δ’  Ἰνδοῖσι μελαγχρώτεσσιν ἄφυσσον   μύρμηκες κοίλης πλοῦτον ἀπὸ ψαμάθου. Sollen doch die goldtragenden Ameisen den dunkelhäutigen Indern   Reichtum aufhäufen von ausgehöhltem Sand.

Eine weitere Erwähnung stammt aus den sogenannten Saturnalia (24) des Lukian.364 Dieser Teil des Werkes besteht aus einem Brief, in dem die Autorpersona den Gott Kronos bittet, er möge wieder Gleichheit unter den Menschen herstellen, vor allem in Bezug auf ihre finanziellen Mittel. Als eine Maßnahme fordert sie, dass die goldgrabenden Ameisen den Reichen das Gold stehlen sollen, um es in ihre eigene Schatzkammer zu bringen ( Ὃ δὲ δὴ μάλιστα ἂν αὐτοὺς ἀνιάσειε, τὸ μὲν χρυσίον μύρμηκάς τινας οἵους τοὺς Ἰνδικοὺς ἀνορύττοντας ἐκ τῶν θησαυρῶν ἐκφέρειν νύκτωρ ἐς τὸ δημόσιον). Hier ist die traditionelle Geschichte umgekehrt: die Ameisen sollen den Reichtum der Menschen entwenden. In dem Werk  Ὄνειρος ἢ Ἀλεκτρύων (Gallus; Der Traum oder der Hahn), das ebenfalls von Lukian stammt, wird der Schuster Mikyllos von seinem Hahn, in dem die Seele des Pythagoras wiedergeboren wurde, über Armut und Reichtum aufgeklärt. Hier (16) erfährt Mikyllos, der ein ärmliches Leben führt, dass er in einem früheren Leben eine goldgrabende indische Ameise war. Daraufhin fragt er entrüstet, weshalb er dann kein bisschen Gold in sein neues Leben mit-

364 In demselben Teil des Werkes (19) erwähnt Lukian bereits zuvor Ameisen. Er vergleicht das gegenwärtige Verhältnis von Arm und Reich mit dem von einer Ameise zu einem Kamel. Dies stelle auch ein Sprichwort dar (ὡς δὲ νῦν ἔχομεν, μύρμηξ ἢ κάμηλος, ὡς ἡ παροιμία φησίν; Saturnalia 19). Interessanterweise sind die Armen hier wohl durch die Ameisen dargestellt. Ausgangspunkt dieses Vergleiches ist vermutlich, dass die Ameisen sehr kleine Tiere sind, die zu den großen Kamelen aufschauen müssen. Dies wird mit der gesellschaftlichen Stellung von Armen und Reichen gleichgesetzt.

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genommen habe. Der Hahn demonstriert ihm aber, dass ein Reicher in der Regel kein glückliches Leben führen kann. Die goldgrabende Ameise symbolisiert hier wohl ein Leben in sagenhaftem Reichtum. Gerade diese Beispiele aus unterschiedlichen Zeiten und Kontexten zeigen eindrücklich, dass die Sage von den goldgrabenden Ameisen zu einem beliebten Motiv der gesamten antiken Literatur beginnend mit den Historien Herodots geworden ist.

2.11 Zusammenfassung In der klassischen Antike kann man von keinem allgemein anerkannten und wissenschaftlich definierten Artbegriff ausgehen, wie wir ihn etwa heute aus der modernen Biologie kennen. Dasselbe gilt für eine biologische Systematik, die wenn überhaupt, dann nur bei einigen Autoren wie Aristoteles in Ansätzen zu erkennen ist. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die vorliegende Arbeit antike Konzepte sozialer Insekten untersuchen möchte, die mithilfe einer kulturnahen Perspektive ermittelt werden sollen, ist es sinnvoll auf Identifikationen von Tieren, die in antiken Texten beschrieben werden, mit modernen biologischen Spezies zu verzichten. Stattdessen werden in der vorliegenden Untersuchung entweder unspezifische deutsche Begriffe oder aber die griechischen bzw. lateinischen Tiernamen verwendet. Als grundlegende Definition der sozialen Insekten wird hier diejenige der ζῷα πολιτικά in der Historia animalium (I 1, 488 a 7–10) des Aristoteles verwendet. Zu den sozialen Insekten zählen folglich Bienen, Wespen und Ameisen, wobei der Kranich als weiteres soziales Tier ebenso wie diejenigen »Arten« von Bienen, Wespen und Ameisen, die als solitär lebend beschrieben werden, ausgelassen werden. Neben der Sozialität als prominentester Eigenschaft (dazu s. vor allem Kapitel  6) werden den sozialen Insekten auch einige andere Charakteristika zugeschrieben. So wird etwa die Frage nach Geist und Seele bei diesen Tieren oftmals in engem Zusammenhang mit ihrer Sozialität diskutiert. Wenngleich die meisten Autoren den sozialen Insekten gewisse mentale Fähigkeiten zuschreiben, wird deren Ausmaß doch unterschiedlich bewertet. Ein relativ weitreichender und dem menschlichen Verstand vergleichbarer Geist wird den Bienen etwa bei Varro, Vergil, Plinius und Aelian zugestanden. Aristoteles, Quintilian, Columella und Origenes äußern sich diesbezüglich eher zurückhaltend. Vor allem Bienen und Ameisen werden als typischerweise fleißige Tiere angesehen, die dem Menschen darin als Vorbild dienen können. Dieser Fleiß ist in einigen Fällen auch mit der Fähigkeit, Vorsorge für den Winter zu treffen, verknüpft, die diese Tiere ebenfalls auszeichnet. Zudem könnte diese Fähigkeit eine Ursache für die Verbindung der sozialen Insekten zur Mantik sein (dazu s. Kapitel 7).

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Eine wichtige weitere Eigenschaft, die den Bienen zugeschrieben wird, ist ihre Reinlichkeit, die sich z. B. darin zeigt, dass sie ihre Nester säubern (von Toten und Unrat). Außerdem sind in agrarkundlichen Schriften Anweisungen zur Reinigung der Bienenstöcke enthalten. Dazu sollen sich die Bienen von unreinen Stoffen fernhalten und sehr empfindlich gegenüber (schlechten) Gerüchen sein. Aus der äußeren Reinlichkeit wird in einigen Texten auf eine innere Reinheit der »Seele« geschlossen. So sollen die Bienen als häufig asexuell verstandene Wesen besonders aggressiv auf parfümierte Menschen oder Ehebrecher reagieren. Betrachtet man nun die einzelnen sozialen Insekten genauer, so fällt auf, dass die Bienen nicht nur am meisten geschätzt, sondern auch am differenziertesten betrachtet werden. Dies ist freilich nicht weiter verwunderlich und mit der Tatsache zu erklären, dass die Bienen dem Menschen als Nutztier dienen und ihm daher am besten vertraut sind. Die Bienen selbst werden in drei »Arten« (»normale« Bienen, Könige und Drohnen) eingeteilt, die sich nicht nur in ihrer Fortpflanzung (dazu s. 3.2.1) unterscheiden sollen, sondern auch in ihrem Aussehen und den ihnen zugeschriebenen Charakterzügen, sodass sich jeweils eigene Konzepte entwickelt haben. Von diesen »Arten« werden teilweise wiederum einzelne »Rassen« unterschieden, die sowohl äußerlich als auch in ihrem Lebensraum und Verhalten voneinander abweichen. Oft sind diese Beschreibungen stark literarisch überformt und von bestimmten Vorstellungen geprägt, sodass man nicht unbedingt eine Identifikation mit modern bekannten Rassen vornehmen sollte. Wichtige morphologische Eigenschaften der Bienen allgemein sind ihr Stachel, dessen Einsatz nach einigen Texten zum Tod führt, ihre vier Flügel und die sechs Beine. In vielen Texten wird betont, dass sie im Gegensatz zu den Wespen kein Fleisch berühren sollen (obwohl sich vereinzelt auch Berichte von karnivoren Bienen finden). Die Könige oder Weisel, von denen es ebenfalls mehrere »Rassen« geben soll, die aber nicht in jedem Fall identisch mit denen der »normalen« Bienen sind, werden meist als deutlich größer als die Bienen sowie als milde im Charakter beschrieben. Eine wichtige Debatte der Antike betrifft den Stachelbesitz der Könige. Während einige Autoren sich dafür aussprechen, dass er einen habe, diesen aber nicht oder nur selten einsetze (z. B. Aristoteles, Aelian), sprechen sich einige ausdrücklich dagegen aus (z.B Seneca, Columella); Plinius lässt es offen. Aus den nur vermeintlich rein morphologischen Eigenschaften schließt man oft auf das Verhalten und den Charakter des Bienenkönigs, der als Vorbild für den menschlichen König dienen soll (z. B. bei Ammianus Marcellinus, Seneca, Dion Chrysostomos). Menschliche Normen und politische Vorstellungen stehen somit in enger Verbindung zur Naturkunde, sodass sich beide Bereiche gegenseitig bedingen und prägen. Die sogenannten Diebe und Drohnen werden nicht in jedem Text als zwei verschiedene »Arten« genannt. Ohnehin sind sie sich aber in den ihnen zugeschriebenen Eigenschaften sehr ähnlich. Sie gelten allgemein als Schädlinge im

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Stock sowie als gierig und träge. Eine wichtige morphologische Eigenschaft der Drohnen ist das Fehlen eines Stachels. Eine genaue Unterscheidung der verschiedenen wespenartigen Tiere wie σφήξ, ἀνθρήνη, τενθρηδών bzw. vespa oder crabro ist oftmals kaum möglich, da sich die jeweiligen Konzepte und Beschreibungen stark ähneln. Sie werden in der Regel als nahe mit den Bienen verwandt, jedoch eher minderwertiger als diese angesehen. Ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu den Bienen ist ihre vermeintlich karnivore Lebensweise. Falls überhaupt einmal ein differenzierter Blick auf die Gesellschaft der Wespen geworfen wird (in erster Linie bei Aristoteles und Plinius), unterscheidet man zwischen den Anführern, die oft μῆτραι bzw. matres genannt werden (dazu s. 5.4), und den Arbeitern (ἐργάται bzw. opifices). Nicht in jedem Nest soll es jedoch Anführer geben. Diese werden den Bienenkönigen nicht unähnlich als größer und milder als die restlichen Wespen beschrieben. Zudem stellte sich auch hier die Frage nach dem Stachel und man kam zu ähnlichen Vorstellungen wie beim Bienenkönig. Teilweise (vor allem bei Plinius) ging man wohl von speziellen Wespendrohnen aus. Zur Unterscheidung der einzelnen »Wespenarten«, die, wie bereits gesagt, in den antiken Texten nicht sehr systematisch und eindeutig erscheint, werden neben bestimmten morphologischen Merkmalen oftmals die verschiedenen Nistplätze herangezogen. Eine Besonderheit ist der sogenannte οἶστρος. In der Regel bezeichnet dieser Begriff eine Bremse, in einigen agrarkundlichen Schriften jedoch eine spezielle »Art« im Bienenstock. Es handelt sich dabei jedoch wohl um eine Verwechslung mit den Weiselzellen, die an den äußeren Rändern entstehen (dazu s. u. 164). Ameisen werden in den meisten Fällen nicht in verschiedene »Arten« eingeteilt, wenngleich man zwischen geflügelten und ungeflügelten Ameisen unterscheidet. Typischerweise gelten Ameisen als kleine und schwarze Tiere, die unter der Erde leben und sich von Körnern ernähren. Diese Eigenschaften entsprechen in etwa denen der modernen Arten der Gattung Messor, sodass die antiken Ameisenkonzepte möglicherweise hauptsächlich auf diesen Arten fußen. Die Charakterisierung der Ameisen als Körnerfresser hängt wohl mit der Wahrnehmung des Menschen zusammen, dem die Tiere vor allem im ländlichen Bereich als Kornschädlinge begegnen. Seltener werden aber auch andere Lebensräume (z. B. auf Bäumen) oder eine karnivore Ernährung erwähnt. Zudem werden noch einige weitere »Ameisenarten« vor allem in medizinischen und naturkundlichen Schriften genannt, von denen einige als überaus giftig beschrieben werden. Hinter diesen giftigen Ameisen stecken jedoch vermutlich eher bestimmte Giftspinnen. Mit den eigentlichen Ameisen stehen noch einige andere Tiere in enger Verbindung. Zu nennen ist hier etwa eine Großkatze, die wohl ab dem Hellenismus ebenfalls als μύρμηξ bezeichnet wurde und wohl auch hinter dem μυρμηκολέων im Buch Hiob 4,11 der Septuaginta steht. Diese etwas kryptische Bezeichnung

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entwickelt in der späteren Literatur ein Eigenleben und wird unterschiedlich gedeutet. So beschreibt der Physiologos den Ameisenlöwen als ein Fabeltier, welches das Vorderteil eines Löwen und das Hinterteil einer Ameise besitzen soll. Gregor der Große und Isidor verstehen darunter ein kleines Insekt, das sich von Ameisen ernährt und daher für jene wie ein Löwe wirken musste. Ihre Beschreibungen des Aussehens und Verhaltens entsprechen in etwa denen der modern so bezeichneten Ameisenlöwen, d. h. der Larven der Ameisenjungfern (Myrmeleonidae). Die bei Aelian beschriebenen indischen Ameisen könnten tatsächlich auf Termiten zurückgehen. Doch beschreibt er sie im Prinzip genauso wie die ihm bekannten Ameisen, mit dem Unterschied, dass ihr Nest in die Höhe wächst und sich nicht in der Erde befindet. Die bei Pausanias beschriebenen Ameisen sind jedoch wohl nicht mit europäischen Termitenarten zu identifizieren. Ebenfalls teilweise als »Ameisenarten« oder zumindest als den Ameisen ähnliche Tiere werden κνῖπες und σέρφοι genannt. Typischerweise sind dies kleine Tiere, die jedoch kaum mit einer konkreten modernen Art identifiziert werden können. Eine besonders reiche literarische Rezeption haben die sogenannten goldgrabenden Ameisen erfahren. Erstmals werden sie in der griechischen Literatur im 3. Buch der Historien Herodots erwähnt und in Indien lokalisiert. Es heißt, sie seien größer als Füchse, aber kleiner als Hunde und ansonsten den aus Griechenland bekannten Ameisen gleich. Dies gilt insbesondere für ihr Leben unter der Erde, nur dass der Aushub ihrer unterirdischen Bauten Goldsand enthalte, den sie eifersüchtig bewachten und daher menschliche Diebe erbarmungslos verfolgten und töteten. Ist diese Beschreibung der goldgrabenden Ameisen bei Herodot abgesehen von der Größe der Tiere noch relativ gut mit den verbreiteten antiken Konzepten von Ameisen in Übereinstimmung zu bringen, so treten in der Folge oftmals Eigenschaften hinzu, die eher zu einer Großkatze, möglicherweise zum homonym ebenfalls so genannten μύρμηξ passen. Dies gilt z. B. für die von Nearchos erwähnten Felle, die von Megasthenes beschriebenen Fleischköder oder die Beschreibungen bei Plinius und Solinus, die die Ameisen eher wie ein Raubtier darstellen. Bei Strabon geht mit der stärkeren Betonung des raubtierhaften Aussehens und Verhaltens in seinen Quellen auch eine stärkere Skepsis am Wahrheitsgehalt der Geschichte einher. Ob es eine natürliche Grundlage für diese goldgrabenden Ameisen gibt und wenn ja, welche dies sein könnte, ist in der Forschung nach wie vor umstritten. Meist wird eine Murmeltierart, das Schuppentier oder eben eine Großkatze wie Leopard oder Gepard als mögliche Identifikation vorgeschlagen. Nicht unwahrscheinlich ist es jedoch, dass die Größe und die Gefahr der goldgrabenden Ameisen von den dort lebenden Menschen übertrieben wurde, um mögliche konkurrierende Goldgräber abzuhalten. Dafür spricht auch, dass in der indischen Mahabharata ebenfalls von Ameisengold die Rede ist.

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Neben Indien wird Afrika als mögliche Herkunft der goldgrabenden Ameisen genannt, was aber angesichts der antiken Weltvorstellungen nicht weiter verwundern muss; ging man doch häufig von einer großen Ähnlichkeit dieser beiden Regionen der Welt aus. Interessant ist auch der Bericht von goldgrabenden Ameisen im attischen Hymettos-Gebirge aus der Komödie Glaukos des Eubulos. Möglicherweise liegt hier eine Herodot-Rezeption vor. Das in der Forschung oftmals angeführte »attische Märchen« von goldgrabenden Riesenameisen im Hymettos, das wohl in erster Linie auf eine Deutung des Verbs χρυσοχοεῖν bei Harpokration zurückgeht, ist nicht ohne Weiteres zu halten. Bei genauerer Betrachtung müssen die bei Harpokration verwendeten Belege aus der Politeia Platons sowie aus einer Rede des Deinarchos nicht zwangsläufig in einer engeren Verbindung zur Komödie des Eubulos stehen.

3. Antike Theorien zur Fortpflanzung und Entwicklung

Die Fortpflanzung und Entwicklung der sozialen Insekten war gerade im Falle der Bienen lange Zeit nicht genau bekannt. Aufgrund der Komplexität der Fortpflanzung, die erst in jüngerer Zeit mit den Methoden der modernen Biologie entschlüsselt werden konnte (dazu s. 1.4.1), ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Die mangelnde Kenntnis der genauen Fortpflanzung führte dazu, dass eine Vielzahl an Theorien entstehen konnte, die einen großen Einfluss auf die Konzepte von diesen Tieren einnehmen konnten. Diese Vorstellungen sollen im Folgenden eingehender betrachtet und gedeutet werden. Die sogenannte Bugonie und damit verwandte Zoogonien werden allerdings aufgrund ihrer Besonderheit zunächst ausgelassen und in einem eigenen Kapitel (4) besprochen.

3.1. Allgemeine Theorien zur Fortpflanzung der Insekten Theorien zur Fortpflanzung und Entwicklung der Insekten finden sich in den erhaltenen antiken Schriften vor allem in De generatione animalium und im 5. Buch der Historia animalium des Aristoteles. Die dort enthaltenen Passagen bilden die Grundlage des folgenden Kapitels, da die meisten anderen Autoren (in erster Linie Plinius) in dieser Hinsicht direkt oder indirekt von Aristoteles abhängig sind. Nach heutigen Erkenntnissen unterteilt sich die Entwicklung der holometabolen Insekten in vier verschiedene Stadien, die optisch leicht zu unterscheiden sind. Das erste Stadium ist das Ei, aus dem eine Larve schlüpft. Diese Larve ist in der Regel beweglich und kann auch Nahrung zu sich nehmen. Die Larven häuten sich meist mehrere Male, was vor allem dem Wachstum dient, da der starre Chitinpanzer der Insekten nicht mitwachsen kann. Nach einer gewissen Zeit verpuppt sich diese Larve und die larvalen Organe werden durch die des adulten Tieres, der sogenannten Imago, ersetzt. Nach einer gewissen Zeit schlüpft die Imago aus der Puppe. In der Antike war das wirkliche Ei der hier behandelten Insekten, welches nur wenige Millimeter groß ist, nicht bekannt. Daher nennt Aristoteles als erstes Stadium der Insekten den σκώληξ (»Würmchen«; »Larve«; lat. vermiculum), welches wohl dem modernen Larvenstadium entspricht. Dieser σκώληξ ist beweglich, ernährt sich und hat auch Ausscheidungen (z. B. Hist. an. V 19, 551 a 30 f.). In der Theorie des Aristoteles stellt dieser σκώληξ ein noch nicht fertig entwickeltes Ei dar (Gen. an. III 9, 758 b 19–22):

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τούτου δ’ αἴτιον ὅτι ἡ φύσις ὡσπερανεὶ πρὸ ὥρας ᾠοτοκεῖ διὰ τὴν ἀτέλειαν τὴν αὑτῆς, ὡς ὄντος τοῦ σκώληκος ἔτι ἐν αὐξησει ᾠοῦ μαλακοῦ. Der Grund dafür ist, dass ihre Natur (i. e. der Insekten wie Bienen, Wespen und Raupen) sozusagen vor der Zeit ein Ei hervorbringt, wegen ihrer eigenen Unvollkommenheit, als ob der skōlēx ein noch im Wachstum befindliches weiches Ei sei.

Der Grund, warum Insekten nicht ovipar oder sogar vivipar (das ist in der aristotelischen Theorie die höchste Stufe) sein können, ist ihre mangelnde innere Wärme und Feuchtigkeit (Gen. an. II 1, 733 a 32 – b 16; auch z. B. III 9, 758 a 29 – b 6).1 Daher wird das Tier – so die Theorie – gewissermaßen noch unfertig geboren, entwickelt sich anschließend außerhalb des Körpers zum Ei und dann erst zum fertigen Tier. Der entscheidende Unterschied zwischen σκώληξ und Ei ist für Aristoteles nicht die äußere Form, sondern die Tatsache, dass sich nach seiner Theorie bei einem Ei nur ein Teil zum Tier entwickelt,2 während der σκώληξ als Ganzes zum adulten Tier wird (Gen. an. II 1, 732 a 29–32):3 διαφέρει δ’ ᾠὸν καὶ σκώληξ· ᾠὸν μὲν γάρ ἐστιν ἐξ οὗ γίγνεται τὸ γιγνόμενον ἐκ μέρους (τὸ δὲ λοιπόν ἐστι τροφὴ τῷ γιγνομένῳ), σκώληξ δ’ ἐξ οὗ τὸ γιγνόμενον ὅλου ὅλον γίγνεται. Ei und skōlēx unterscheiden sich aber: Denn ein Ei ist etwas, bei dem das Entstehende aus einem Teil entsteht (der Rest ist Nahrung für das Entstehende), ein skōlēx ist aber etwas, aus dem vollständig das Entstehende als Ganzes entsteht.

Der mit einem Ei vergleichbare Zustand4 ist dann das nächste Stadium der Insektenentwicklung, die sogenannte νύμφη (lat. nympha; der moderne Begriff ist wohl eher »Puppe«). Dieses Stadium zeichnet sich durch eine harte Schale, Unbeweglichkeit sowie fehlende Nahrungszufuhr bzw. Ausscheidung aus (z. B. Hist. an. V 19, 551 b 1–5): ὅταν δ’ ἐκ τῶν σκωλήκων εἰς τὴν διατύπωσιν ἔλθωσι, καλοῦνται μὲν νύμφαι τότε, οὐ λαμβάνουσι δὲ τροφὴν οὐδὲ κόπρον ἔχουσιν, ἀλλὰ περιειργμέναι ἀκινητίζουσι μέχρις ἂν αὐξηθῶσιν· τότε δ’ ἐξέρχονται διακόψασαι ᾧ καταλήλειπται ὁ κύτταρος. Wenn sie aber vom Larvalstadium zu ihrer vollendeten Gestalt kommen, dann werden sie Nymphen genannt und nehmen keine Nahrung zu sich und haben auch keinen Kot, sondern sie verharren eingeschlossen und bewegungslos, bis sie ausgewachsen 1 Eine genauere Ausführung findet sich bei Althoff (1992) 185–188. 2 Man denke an ein Hühnerei, bei dem auf dem Dotter eine Keimscheibe aufliegt, aus der sich dann das Küken entwickelt. 3 Dies findet sich ähnlich auch in Arist. Gen. an. III 9, 758 b 10–16. 4 Z. B.: […] τέλος οἷον ᾠὸν γίγνεται·– »[…] schließlich wird es wie ein Ei.« (Arist. Gen. an. III 9, 758 b 16).

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sind. Dann aber kommen sie heraus, wobei sie den (Deckel) durchstoßen, der über die Wabe geschmiert worden ist.

Im Gegensatz zur modernen Biologie kennt Aristoteles also nur drei Stadien der Insektenentwicklung: die Larve, die Puppe und die Imago. Diese Stadien passen sehr gut zu seiner Theorie, wonach es eine gewisse Hierarchie der Lebewesen gibt, in der die viviparen Tiere auf der höchsten Stufe stehen, darauf die oviparen Tieren folgen und unter diesen noch die Tiere stehen, die als erstes Stadium einen σκώληξ hervorbringen. Dieser Theorie nach müssen alle Stadien (σκώληξ, Ei, fertiges Tier) durchlaufen werden, jedoch ist – vor allem aufgrund des Grades an innerer Wärme – nicht jede Tierart in der Lage, alle Stadien im Mutterleib stattfinden zu lassen. Dies vermögen nur die viviparen Tiere. Die übrigen Tiere bringen den Nachwuchs in einem noch unvollständigen Stadium zur Welt und die noch fehlenden Stadien zum fertigen Lebewesen müssen außerhalb des Mutterleibes durchlaufen werden. Diese Theorie, die für Aristoteles in sich schlüssig ist, wäre durch die Kenntnis von einem Ei bei Insekten gestört worden. Es sollte also nicht verwundern, dass man in der Antike die ohnehin schwer zu beobachtenden Eier der hier behandelten Insekten nicht wahrgenommen und beschrieben hat.

3.2. Bienen 3.2.1 Theorien zur Fortpflanzung Die Fortpflanzung der Bienen stellte in der ganzen Antike (und weit darüber hinaus) eine besondere Schwierigkeit für die Naturkunde dar. Aristoteles eröffnet seine umfangreiche Besprechung dieses Themas (Gen. an. III 10, 759 a 8) daher mit dem Satz: Ἡ δὲ τῶν μελιττῶν γένεσις ἔχει πολλὴν ἀπορίαν. – »Über die Fortpflanzung der Bienen herrscht große Ratlosigkeit.«5 Vor allem die (erhaltenen) römischen agronomischen Schriften, die sich gerne den Habitus geben, rein auf Praktikabilität ausgelegt zu sein, thematisieren dieses Problem entweder gar nicht explizit6 oder charakterisieren die Frage nach der Fortpflanzung der Bienen als eine rein akademische Diskussion. So beginnt Columella seine Behandlung der Bienen mit einem Abschnitt, in dem er all die Dinge kurz aufführt, die er nicht behandeln will, weil er sie entweder als fabulose tradita (Rust. 9,2,2) oder schlichtweg als für einen Bauern nicht an 5 Ähnlich äußert sich auch Plinius (HN 11,46): Fetus quonam modo propagarent, magna inter eruditos et subtilis fuit quaestio. – »Auf welche Weise sie Nachkommenschaft hervorbringen, war eine bedeutende und schwierige Frage unter den Gelehrten.« 6 So z. B. Palladius.

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gemessene bzw. unnötige Fragestellungen betrachtet.7 Zur letzteren Kategorie zählt er auch die Fortpflanzung, von der er nur feststellt (9,2,4): non magis quam utrum examina, tamquam cetera vidimus animalia, concubitu subolem procreent, an heredem generis sui floribus eligant, quod adfirmat noster Maro; Nicht mehr (sc. muss es einen Bauern interessieren) als die Frage, ob die Schwärme, wie wir es bei den übrigen Tieren sehen, die Nachkommenschaft durch Paarung hervorbringen oder ob sie den Erben ihres Geschlechtes von Blüten auswählen, wie es unser Maro8 behauptet;

Noch kürzer äußert sich Appius bei Varro zur Fortpflanzung am Beginn des Abschnittes über die physica der Bienen, der als griechische Gelehrsamkeit gekennzeichnet ist (Rust. 3,16,4): Primum apes nascuntur partim ex apibus, partim ex bubulo corpore putrefacto.  – »Zunächst einmal entstehen Bienen teilweise aus Bienen, teilweise aus einem verwesten Rinderkadaver.«9 Dennoch lassen sich auch aus den agronomischen Schriften indirekt bestimmte Vorstellungen von der Genese ableiten. In seiner Darstellung scheint beispielsweise Columella implizit dem König eine Bedeutung für die Fortpflanzung zuzusprechen. So empfiehlt er den König zu töten, wenn in einem alten Stock zu wenig Bienen seien (Sed nonnumquam idem [sc. rex] necandus est, cum vetus alvare numero apium destituitur, […]; Rust. 9,11,1). Um den Bestand dann wieder aufzufüllen, könne man entweder Bienen aus einem anderen Schwarm übertragen (Rust. 9,11,1) oder auch Weiselzellen aus einem anderen Stock ausschneiden und sie in dem Stock mit zu wenig Nachkommenschaft einfügen (Rust. 9,11,4). Zentraler Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung sind jedoch die Schriften des Aristoteles,10 der sich sehr intensiv mit der Fortpflanzung der Bienen beschäftigt hat und wohl direkt oder indirekt die Quelle der anderen erhaltenen antiken Autoren ist. 7 Nec sane rustico dignum est sciscitari […]. (Rust. 9,2,3) – »Und es ist für einen Landmann gewiss nicht angemessen zu erforschen […].«; Sed ne illud quidem pertinet ad agricolas […]. (Rust. 9,2,4)  – »Aber nicht einmal jenes geht die Bauern an […].« Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass Columella an gewissen Theorien zweifelte, wie es Royds (1914) 84 behauptet. Vielmehr verweigert er an dieser Stelle jegliche Stellungnahme, weil dies für seine Darstellung irrelevant ist. 8 Gemeint ist Verg. G. 4,200–202; s. u. 154. 9 Zur sogenannten Bugonie s. Kapitel 4. 10 Zu diesem Thema gibt es bereits einen guten Aufsatz von Föllinger (1997) sowie eine kurze Darstellung bei Connell (2016) 248–252. Schon älter ist ein Beitrag von Aubert und Wimmer (1858), die sich an Prof. v. Siebold wenden, der im Jahre 1856 eine Monographie mit dem Titel »Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen« veröffentlicht hat. Außerdem fassen Klek und Armbruster (1919) 45–50 die Fortpflanzungstheorie des Aristoteles noch einmal kurz zusammen.

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Der Fortpflanzung der Bienen widmet er sich sowohl in der Historia animalium (V 21 f., und IX 40) als auch systematisch in der Schrift De generatione animalium (3,10). In einem ersten Abschnitt11 (Gen. an. III 10, 759 a 8 – 760 a 4) stellt er dabei zunächst die verschiedenen Theorien vor und widerlegt sie anschließend der Reihe nach, bis er schließlich durch verschiedene logische Ableitungen eine eigene Theorie entwickelt und in einem zweiten Abschnitt (Gen. an. III 10, 760 a 4 – b 27) Argumente dafür anführt. Ein wichtiger Grund für die vielen unterschiedlichen Theorien zur Fortpflanzung der Bienen, welche nach heutiger Kenntnis allesamt unrichtig sind,12 besteht wohl in der fehlenden Beobachtung der Paarung, woraus man schloss,13 dass die Fortpflanzung der Bienen ohne Paarung von statten gehe, wie es Aristo­ teles auch für einige Fische annimmt (Gen. an. III 10, 759 a 8–11): εἴπερ γάρ ἐστι καὶ περὶ τοὺς ἰχθῦς τοιαύτη τις γένεσις ἐνίων ὥστ’ ἄνευ ὀχείας γεννᾶν, τοῦτο συμβαίνειν ἔοικε καὶ περὶ τὰς μελίττας ἐκ τῶν φαινομένων. Denn wenn es irgendeine solche Art der Entstehung bei einigen Fischarten gibt, nämlich, dass sie ohne Paarung entstehen, dann scheint dies nach den Beobachtungen auch bei den Bienen zuzutreffen.

Im Folgenden stellt Aristoteles nun drei große Zweige der Entstehungstheorien mit jeweils verschiedenen Unterpunkten dar:14 1. Die Bienen tragen die Brut von außen ein (Gen. an. III 10, 759 a 11–15) a) Die Brut entsteht von sich aus (φυόμενον αὐτόματον; 759 a 13) b) Die Brut wird von anderen Tieren hervorgebracht (ἄλλου τινὸς ζῴου τίκτοντος; 759 a 13) 2. Die Bienen bringen die Brut selbst hervor (γεννᾶν αὐτάς; 759 a 13 f.) a) durch Paarung (ὀχευομένας; 759 a 16) i. Jede »Art« paart sich mit sich selbst (ἕκαστον γένος καθ’ αὑτό; 759 a 17) ii. Eine »Art« bringt alle anderen hervor (ἕν τι αὐτῶν τἆλλα; 759 a 17) iii. Drohnen und Bienen bringen die Brut hervor (ἐκ τῶν κηφήνων καὶ τῶν μελιττῶν; 759 a 22–24) b) ohne Paarung (ἀνοχεύτους; 759 a 16) 3. Ein Teil der Brut (z. B. die Drohnen) wird eingetragen, ein Teil hervorgebracht (τὸν μὲν φέρειν τὸν δὲ γεννᾶν [καὶ γὰρ τοῦτο λέγουσί τινες ὡς τὸν τῶν κηφήνων μόνων φέρουσι γόνον]; 759 a 14) 11 Einteilung der Abschnitte wie in Föllinger (1997) 376. 12 Zu den Erkenntnissen der modernen Biologie s. 1.4. 13 So auch Plinius (HN 11,46): Apium enim coitus visus est numquam. – »Eine Paarung von Bienen ist nämlich niemals beobachtet worden.« 14 Eine ähnliche Auflistung der Theorien findet sich bei Aubert; Wimmer (1858) 516 und in der entsprechenden Nummerierung im Text der Loeb-Edition von Peck (1942).

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All diese Theorien verwirft Aristoteles aus jeweils unterschiedlichen Gründen, welche sich für ihn sowohl aus den Eigenheiten der Bienen als auch aus allgemeinen Beobachtungen anderer Tiere ergeben15 (Gen. an. III 10, 759 a 24–27): Ταῦτα δ’ ἐστὶ πάντα ἀδύνατα συλλογιζομένοις τὰ μὲν ἐκ τῶν συμβαινόντων ἰδίᾳ περὶ τὰς μελίττας, τὰ δ’ ἐκ τῶν κοινοτέρων τοῖς ἄλλοις ζῴοις. Dies ist alles unmöglich, wenn man die Fakten zusammennimmt, die speziell für die Bienen gelten, und die, die sich aus den Gemeinsamkeiten mit den anderen Tieren ergeben.

Im Anschluss bringt er nun verschiedene Gründe an, warum die einzelnen Theorien nicht stimmen können, und kommt durch Eliminieren aller anderen Möglichkeiten (λείπεται) schließlich zu seiner Lösung.16 Die Möglichkeit der Eintragung der Brut wird auch in der Historia animalium (V 21, 553 a 18–23; s. u. 171 Anm. 83) referiert17 und mit der zusätzlichen Angabe versehen, dass die Brut von bestimmten Pflanzen stammen könnte: entweder von den Blüten des κάλλυντρον18 oder denen des Schilfrohres (κάλαμος) oder denen des Ölbaumes (ἐλαία). Für letztere Theorie führt er an dieser Stelle noch ein Indiz (σημεῖον) an: Die meisten Schwärme gebe es, wenn auch die Olivenbäume Frucht trügen. In De generatione animalium (III 10, 759 a 27 – b 1) widerspricht er der Theorie der Eintragung der Brut jedoch deutlich und führt dazu drei Gründe an:19 Es sei unerklärlich, warum Bienen dann nicht auch dort entstünden, von wo die Samen geholt worden seien. Wenn es der Same eines anderen Tieres wäre, müsste daraus das andere Tier entstehen, nicht aber die Biene. Und zuletzt führt 15 Vgl. Föllinger (1997) 376. 16 Vgl. ebd. 377. 17 Möglicherweise ist bei der etwas kryptischen Erwähnung der Fortpflanzung der Bienen bei Theophrast (Caus. pl. 2,17,9) an diese Theorie gedacht. In einer Passage, die die für Theophrast verwunderliche Tatsache behandelt, dass Vögel an der Fortpflanzung von Misteln beteiligt sind, indem sie deren Beeren fressen, führt er Beispiele aus dem Tierreich an, bei denen ein ähnliches Verhältnis gegeben ist. Neben den Steckmuscheln (πίνναι), die nur durch die in ihnen wohnenden Krebse leben sollen (so Arist. Hist. an. V 15, 547 b 15–18), und dem Kuckuck, der nur durch seinen Wirtsvogel überleben kann, nennt er auch die Bienen und ihre Brut: οὐδ’ ἡ τῶν μελιττῶν φύσις εἰ μὴ διὰ τὸν γόνον, ὥς φασί τινες, […]. – »Und es gibt auch keine Entstehung der Bienen außer durch die Brut, wie einige sagen, […].« Offenbar ist in dieser Theorie, die freilich von Theophrast nur als eine Meinung referiert wird, die Bienenbrut als eigene »Art« verstanden. Amigues (2012) 228, die im übrigen φύσις mit »la race« übersetzt, glaubt allerdings, dass hier auf die Theorie der Spontangenese angespielt wird, die Aristoteles ebenfalls anspricht. 18 Die nur an dieser Stelle belegte Pflanze lässt sich kaum mit einer modernen Art identifizieren; vgl. Klek; Armbruster (1919) 11 Anm. 2. An anderen Stellen wird durch κάλλυντρον eine Bürste oder ein Besen bezeichnet. 19 Vgl. Föllinger (1997) 379.

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er an, dass jede Art sich nur um die Nachkommen der eigenen Art kümmere. Den Einwand, dass Bienen auch den Honig eintrügen, weist er als irrelevant ab, denn es handle sich dabei um Nahrung, nicht um Nachkommenschaft. Dennoch könnte gerade diese Ablehnung einen Hinweis auf die Genese der Theorie liefern. Möglicherweise hat man analog zur Theorie, dass der Honig eingetragen wird (dazu s. 8.4), angenommen, dass dies für die Brut ebenfalls zutreffen könnte. Eventuell hat man auch die sogenannten Pollenhöschen teilweise für die Brut gehalten.20 Als nächstes (Gen. an. III 10, 759 b 1–27) versucht Aristoteles die Theorie der Fortpflanzung durch Paarung zu entkräften. Da für Aristoteles dazu offensichtlich zwei verschieden gestaltete Sexualpartner notwendig sind (modern könnte man von Sexualdimorphismus sprechen), bemüht er sich zunächst zu belegen, dass weder die Bienen männlich und die Drohnen weiblich noch umgekehrt die Drohnen männlich und die Bienen weiblich sein können21 (zu den »Merkmalen«, an denen er das festmacht, s. 5.1 und 5.2). Auch die Bienen können nicht teilweise männlich, teilweise weiblich sein, weil sich bei ihnen kein Sexual­ dimorphismus feststellen lässt. Zudem sei noch nie eine Paarung beobachtet worden, was aber vermutlich der Fall sein müsste, wenn es sich um Männchen und Weibchen handelte. In diese Diskussion ist aber noch eine aus moderner Sicht durchaus korrekte Beobachtung eingelegt (dazu s. o. 27), die weitere Hinweise auf die Fortpflanzung liefert (Gen. an. III 10, 759 b 7–13): ὅλως δ’ ἐπειδὴ φαίνεται ὁ μὲν τῶν κηφήνων γόνος ἐγγιγνόμενος καὶ μηθενὸς ὄντος κηφῆνος, ὁ δὲ τῶν μελιττῶν οὐκ ἐγγιγνόμενος ἄνευ τῶν βασιλέων (διὸ καί φασί τινες τὸν τῶν κηφήνων φέρεσθαι μόνον), δῆλον ὡς οὐκ ἐξ ὀχείας γίγνονται, οὔτ’ ἐξ ἑκατέρου τοῦ γένους αὐτοῦ αὑτῷ συνδυαζομένου οὔτ’ ἐκ μελιττῶν καὶ κηφήνων. Aber da es im Allgemeinen deutlich ist, dass zum einen die Brut der Drohnen im (Stock) entsteht, auch wenn kein Drohn anwesend ist, die (Brut) der Bienen aber nicht ohne Könige entsteht (daher sagen auch einige, dass nur die Drohnenbrut eingetragen wird), ist es offensichtlich, dass sie nicht aus Paarungen hervorgehen, weder, indem jede »Art« für sich sich miteinander paart, noch, indem sich Bienen und Drohnen miteinander paaren.

Die Beobachtung, dass Drohnen ohne Könige entstehen können, findet sich etwas spezifischer in der Historia animalium (IX 40, 624 b 13–17).22 Dort unter 20 Vgl. Nicolaye (2008b) 117 Anm. 25. 21 Die Theorie der Fortpflanzung durch Paarung von weiblichen Bienen und männlichen Drohnen wird auch in Hist. an. V 21, 553 a 32 – b 1 referiert, ohne dass näher dazu Stellung bezogen wird. 22 Auch in Hist. an. V 21, 553 a 29–32 wird erwähnt, dass die Drohnen ohne König entstehen können. Dies wird hier als ein Indiz (σημεῖον) dafür angesehen, dass die Könige die Bienen gebären, weshalb sie von manchen als μητέρες bezeichnet würden. Zur Benennung der Weisel s. 5.4.

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scheidet Aristoteles zwei verschiedene Situationen: Bei Anwesenheit des Königs entstünden die Drohnen in separaten Waben (χωρίς; 624 b 13), bei Abwesenheit aber in den Waben der Bienen (ἐν τοῖς τῶν μελιττῶν κυττάροις; 624 b 14). Zudem seien die Drohnen in diesem Falle von den Bienen gezeugt und aggressiver (θυμικώτεροι; 624 b 15). An dieser Stelle scheint also erkannt worden zu sein, dass normalerweise die Drohnen von den Weiseln erzeugt werden, in Abwesenheit derselben aber auch von den Bienen. Dies sei am unterschiedlichen Verhalten (welches nach heutigem Wissen nicht vorliegt) der beiden »Drohnenarten« erkennbar: Die Drohnen aus den Bienen seien aggressiver als die aus den Königen, weil dies gewissermaßen dem Charakter ihrer jeweiligen Erzeuger entspricht. Die aus den Bienen entstandenen Drohnen werden als κεντρωτοί23 bezeichnet, weil sie angeblich trotz fehlenden Stachels zu stechen versuchten (624 b 16 f.). Dies scheint für die aus Königen entstandenen Drohnen nicht zuzutreffen, was auch – in der Theorie des Aristoteles – zu ihren Erzeugern passt, welche trotz ihres Stachels nicht stechen wollen (Hist. an. V 21, 553 b 5–7). Diese Darstellung stimmt nun aber nicht ganz mit der Aussage in De generatione animalium überein. Föllinger24 erklärt diese Diskrepanz mit einer Vereinfachung der Beobachtung, die der Theoriebildung diene, räumt aber gleichzeitig ein, dass diese Erklärung die Echtheit des 9. Buches der Historia animalium voraussetze. Der Kern der Beobachtung – Drohnen entstehen auch ohne Könige, Bienen aber nicht – erklärt laut Aristoteles, wieso einige seiner Quellen glaubten, dass nur die Drohnen eingetragen würden. Diese These diskutiert er aber nicht weiter, sondern verweist auf seine schon zuvor getätigte Widerlegung der Eintragung der Brut und ergänzt, dass es nicht vernünftig (εὔλογον) sei anzunehmen, dass es unterschiedliche Fortpflanzungsweisen bei den verschiedenen »Bienenarten« gebe (Gen. an. III 10, 759 b 13 f.). Die Theorie, dass Könige sich selbst und alle anderen »Bienenarten« hervorbringen – was implizit in der Darstellung der Historia animalium IX 40, 624 b 13–17 wohl der Fall ist –, verwirft er in De generatione animalium (III 10, 759 b 24–27) mit dem Hinweis, dass Drohnen auch ohne Könige entstünden. Nach dem Ausschluss aller übrigen Möglichkeiten entscheidet sich Aristoteles (λείπεται) nun für die Fortpflanzung ohne Paarung. Bienen sollen dabei die Drohnen hervorbringen und in sich sowohl das männliche als auch das weibliche Prinzip (ἐχούσας δ’ ἐν αὑταῖς ὥσπερ τὰ φυτὰ καὶ τὸ θῆλυ καὶ τὸ ἄρρεν; Gen. an. III 10, 759  b 30 f.) tragen. In Bezug auf ihr biologisches Geschlecht sind Bienen also in der Theorie des Aristoteles weder weiblich noch männlich 23 Auch Platon nennt in seiner Politeia Drohnen mit Stachel. Für eine genauere Besprechung der Passage s. u. 300. Die Verbindung von Aggressivität und dem Besitz eines Stachels findet sich also ebenfalls bei Platon. 24 Vgl. Föllinger (1997) 380 mit Anm. 34.

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(οὐ γὰρ δεῖ θῆλυ καλεῖν ἐν ᾧ ἄρρεν μή ἐστι κεχωρισμένον; 759 b 31 f.),25 sondern gewissermaßen Hermaphroditen, die sich selbst befruchten.26 Analog nimmt er an, dass die Bienen durch die Könige hervorgebracht werden27 und diese auch sich selbst hervorbringen (λείπεται τοὺς βασιλεῖς καὶ αὑτοὺς γεννᾶν καὶ τὰς μελίττας; 760  a 3 f.). Letzteres begründet er vor allem damit, dass die Könige irgendwoher entstehen müssen, und da dies offensichtlich weder aus Drohnen noch aus Bienen geschehe, müssten sie zwangsläufig auch sich selbst hervorbringen (760 a 23–25). Mit dieser Theorie widerspricht Aristoteles aber eigentlich seinen zuvor aufgestellten Grundsätzen, wie z. B. dass aus einer Art in der Regel nur ein Angehöriger derselben Art entstehe und dass sich alle Tiere nur um ihre eigene Nachkommenschaft kümmerten (diese Argumente hat er z. B. gegen die Theorie der Eintragung der Brut vorgebracht; s. o. 149), und er ist sich dessen auch bewusst (Gen. an. III 10, 760 a 4–8): Ὄντος δὴ περιττοῦ τοῦ γένους καὶ ἰδίου τοῦ τῶν μελιττῶν καὶ ἡ γένεσις αὐτῶν ἴδιος εἶναι φαίνεται. τὸ μὲν γὰρ γεννᾶν τὰς μελίττας ἄνευ ὀχείας εἴη ἂν καὶ ἐπ’ ἄλλων ζῴων συμβαῖνον, ἀλλὰ τὸ μὴ τὸ αὐτὸ γένος γεννᾶν ἴδιον· Da also die »Art« der Bienen ganz außergewöhnlich und einzigartig ist, scheint auch ihre Fortpflanzung einzigartig zu sein. Denn dass Bienen ohne Paarung Nachkommen hervorbringen, trifft möglicherweise auch auf andere Tiere zu, aber dass sie dabei nicht dieselbe »Art« hervorbringen, ist einzigartig.

Der in der ganzen Antike immer wieder betonte außergewöhnliche Charakter der Biene dient hier also dazu diese Art der Fortpflanzung zu legitimieren, ob 25 In der Schrift De civitate Dei (15,27) des Augustinus werden die Bienen als ein Beispiel für Tiere angeführt, die weder Männchen noch Weibchen hätten (alia vero in quibus nihil sit maris et feminae, sicut apes). In dieser Passage wehrt er sich gegen Kritiker, die anmerken, dass auf der Arche nicht alle Tierarten Platz gehabt hätten. Augustinus argumentiert aber, dass ohnehin nicht alle Tierarten in die Arche aufgenommen worden seien, unter anderem nicht solche, bei denen es keine Männchen und Weibchen gebe. In der Genesis wird nämlich an mehreren Stellen (6,19; 7,2.9.16) betont, dass Männchen und Weibchen einer Tierart in der Arche waren. Da Bienen keine Männchen und Weibchen hätten – so Augustinus –, hätten sie sich auch nicht auf der Arche befunden. 26 Vgl. Klek; Armbruster (1919) 22 Anm. 1 und Föllinger (1997) 381, die damit der beispielsweise von Aubert; Wimmer (1858) 520 f. vertretenen These widersprechen, die Bienen pflanzten sich nach der Theorie des Aristoteles parthenogenetisch fort. Dazu dürfte das Männliche überhaupt nicht vorhanden sein. 27 Die besondere Bedeutung der Könige für das Hervorbringen von Bienen wird auch in Hist. an. V 22, 553 b 15–19 betont. Die Könige sind nicht unbedingt deshalb notwendig, weil die Bienen sonst ohne Herrscher seien (ἄναρχα; 553 b 17), sondern weil sie zur Entstehung von Bienen beitrügen (συμβάλλονται εἰς τὴν γένεσιν τὴν τῶν μελιττῶν; 553 b 18 f.). Vor allem aus diesem Grund ist Aristoteles der Überzeugung, dass in einem Bienenstock mehrere Könige vorhanden sein müssten (553 b 15 f.). Bei einigen späteren Autoren wird dagegen die besondere Bedeutung des Bienenkönigs als Garant für die Ordnung im Stock betont (s. u. 279).

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wohl sie Aristoteles’ eigenen Prämissen widerspricht.28 Aufgrund der Besonderheit ihres Charakters gelten für Bienen also nicht dieselben »(Natur-)Gesetze« wie für alle anderen Tiere. Dies zeigt sich vor allem im Vergleich zu den nahverwandten Wespen s. o. 63), die im Gegensatz zu den Bienen nichts Göttliches (οὐθὲν θεῖον; Gen. an. III 10, 761 a 5) besäßen. Damit bei den Bienen nicht immer dieselbe »Art« aus derselben entsteht, muss es nach der Theorie des Aristoteles immer kleinere Veränderungen geben (ἀνάγκη γάρ τι παραλλάττειν; Gen. an. III 10, 760 a 15 f.). Die Bienen ähnelten daher in Bezug auf ihre Zeugungsfähigkeit und den Waffenbesitz den Königen, die Drohnen aber ähnelten letzteren in Bezug auf ihre Größe (760 a 12–2329). Im Folgenden (Gen. an. III 10, 760 a 26 – b 27) versucht Aristoteles weitere Belege und Parallelen für seine Theorie der Fortpflanzung zu finden. So sollen die Könige durch ihren Aufenthalt im Inneren, die Befreiung von der Arbeit sowie ihre Größe in besonderem Maße für die Fortpflanzung geeignet sein (760 b 7–10). Und es sei auch gut, dass die faulen Drohnen keine Waffe hätten, um sich Futter zu erkämpfen (760 b 10–12). Ebenfalls interessant ist die Aussage des Aristoteles, dass Bienen nicht wie Fliegen (μυῖαι) entstünden (Gen. an. III 10, 760 a 9–11). Diese bildeten sich nämlich seiner Meinung nach (Gen. an. I 16, 721 a 7–9) aus verrottenden Materialien. Eine Entstehung der Bienen durch Bugonie (dazu s. Kapitel 4) scheint nach der aristotelischen Theorie also implizit ausgeschlossen. Aristoteles ist sich indes der Vorläufigkeit seiner Erkenntnisse zur Fortpflanzung der Bienen bewusst und schließt daher seine Behandlung dieser Thematik mit folgender bekannten Bemerkung (Gen. an. III 10, 760  b 27–33), in der er deutlich den Vorrang der Autopsie gegenüber bloßen theoretischen Schlüssen hervorhebt: Ἐκ μὲν οὖν τοῦ λόγου τὰ περὶ τὴν γένεσιν τῶν μελιττῶν τοῦτον ἔχειν φαίνεται τὸν τρόπον καὶ ἐκ τῶν συμβαίνειν δoκούντων περὶ αὐτάς· οὐ μὴν εἴληπταί γε τὰ συμβαίνοντα ἱκανῶς, ἀλλ’ ἐάν ποτε ληφθῇ τότε τῇ αἰσθήσει μᾶλλον τῶν λόγων πιστευτέον, καὶ τοῖς λόγοις ἐὰν ὁμολογούμενα δεικνύωσι τοῖς φαινομένοις. Aus der Überlegung und den Fakten, wie sie bei ihnen erscheinen, scheint sich die Fortpflanzung der Bienen nun so zu verhalten. Freilich wurden die Fakten nicht in ausreichendem Maße erfasst, aber wenn sie jemals erfasst werden, dann muss man der Beobachtung mehr Glauben schenken als der Theorie und der Theorie (nur), wenn sie Dinge zeigt, die mit dem Beobachteten übereinstimmen.

28 Vgl. Klek; Armbruster (1919) 22 Anm. 2. 29 Innerhalb dieser Passage hält Drossaart Lulofs 760  a 20–23 für interpoliert; Peck nimmt sogar noch mehr Interpolationen an (vgl. Peck [1942] 340 Anm. a; vgl. aber auch die Entgegnung von Föllinger [1997] 381).

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Trotz der entschiedenen Ablehnung einer Eintragung der Brut durch Aristoteles wurde gerade diese Theorie insbesondere bei den lateinischen Autoren, abgesehen von Varro, sehr populär. Dies ist wohl auf den großen Einfluss der Georgica Vergils zurückzuführen, in denen diese Art der Fortpflanzung für die Bienen angenommen wird (G. 4,197–202): Illum adeo placuisse apibus mirabere morem, quod neque concubitu indulgent, nec corpora segnes in Venerem solvunt aut fetus nixibus edunt; verum ipsae e foliis natos, e suavibus herbis ore legunt, ipsae regem parvosque Quirites sufficiunt, aulasque et cerea regna refingunt. Du wirst aber bewundern, dass vor allem jener Brauch den Bienen gefällt, dass sie sich weder dem Beischlaf hingeben noch träge die Körper im Akt der Venus lösen oder Nachkommen durch Geburt hervorbringen; sondern sie selbst sammeln die Kinder von Blättern, von süßen Kräutern mit dem Mund, sie selbst besorgen den König und die kleinen Quiriten und errichten die Hallen und die wächsernen Reiche von neuem.

Die Betonung der asexuellen Fortpflanzung der Bienen ist für das Gesamtkonzept der Georgica wichtig, heben sich die Bienen doch dadurch von allen anderen Tierarten ab, die sämtlich dem (sexuellen) amor verfallen sind30 und daher auch – wie am Ende des 3. Buches der Georgica dargestellt – ein Opfer der Norischen Seuche werden.31 Die asexuelle Fortpflanzung der Bienen wird als einer der Belege der divina mens (Verg. G. 4,220) angeführt, an der die Bienen Anteil haben sollen. Daher wird vermutlich die Fortpflanzungstheorie propagiert, die die wenigsten Gemeinsamkeiten mit der sexuellen Reproduktion aufweist und nicht einmal die Geburt zulässt. Im Gesamtkonzept des 4. Buches der Georgica32 wirken die Bienen somit als Gegenpol zu Aristaeus. Dieser ist 30 In furias ignemque ruunt: amor omnibus idem. – »Zu Raserei und feuriger Leidenschaft stürzen sie: Die Liebe ist allen gleich.« (Verg. G. 3,244). 31 Vgl. Dahlmann (1970b) 193. Perkell (1978) 212 und dies. (1989) 127–130, die das Bienenbuch der Georgica als eher negative Darstellung des Bienenstaates versteht, verweist darauf, dass der amor der Bienen sich bloß auf einen anderen Bereich, nämlich die Honigproduktion, richte (Verg. G. 4,177.205). Cramer (1998) 236 f. hält dem aber entgegen, dass der amor habendi nicht unbedingt negativ gelesen werden muss, sondern sicherlich ein Beleg für den Fleiß der Bienen und die Vorsorge für den Winter sein kann. Innerhalb des gemeinschaftlichen Systems, das Vergil für die Bienen entwirft, kann es eine Bereicherung des Einzelnen ohnehin nicht geben. 32 Dafür muss man freilich davon ausgehen, dass der sogenannte Aristaeus-Mythos schon von vornherein Teil des 4. Buches war. Auf die Forschungsdebatte (ausgelöst durch Servius Ad Ecl. 10,1 und Ad G. 4,1), ob in einer möglichen ersten Version der Georgica statt des Aristaeus-Epyllion die sogenannten laudes Galli gestanden haben könnten, soll in der vorliegenden Arbeit nicht weiter eingegangen werden.

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zumindest zunächst seiner sexuellen Begierde erlegen. Als Strafe für seine versuchte Vergewaltigung der Eurydike und deren Tod verliert er seine als sexuell rein beschriebenen Tiere. Gerade für christliche Autoren wird die von Vergil dargestellte asexuelle Fortpflanzung ein wichtiger Beleg für die Möglichkeit einer jungfräulichen Geburt:33 Wenn schon kleine Tiere dazu in der Lage sind, sich ohne Paarung fortzupflanzen, dann könne man doch annehmen, dass dies Gott auch möglich sei. Dies betont beispielsweise Laktanz in seinen Divinae institutiones (1,8,8), der dazu teilweise den Wortlaut der Verse 4,200 f. aus den Georgica verwendet.34 Naturkundliches Wissen, dem auch Nicht-Christen zustimmen konnten, wird hier als Beleg einer theologischen Überzeugung, nämlich der jungfräulichen Geburt Christi, herangezogen. Ähnlich äußert sich auch Augustinus. In einer Passage seines Werkes De trinitate (3,13), in der es um unsichtbare Samen (semina)  geht, mit deren Hilfe Lebewesen ohne Paarung generiert werden können, werden ebenfalls die Bienen als ein Beleg für diese These genannt: Et certe apes semina filiorum non coeundo concipiunt, sed tamquam sparsa per terras ore colligunt. – »Und sicherlich empfangen die Bienen die Samen der Nachkommen nicht durch Paarung, sondern sie sammeln gleichsam über die Erde verstreute (Samen) mit dem Mund auf.« Freilich sind die semina filiorum bei Augustinus nicht in bestimmten Pflanzen zu finden, sondern auf der Erde. Mit fast wörtlichem Bezug auf Vergil35 rühmt auch Ambrosius bei der Beschreibung des Bienenstaates in seinem Hexaemeron (5,67), dass die Bienen ihre Nachkommenschaft von Blättern und Kräutern mit dem Mund sammelten (e foliis atque herbis ore suo prolem legentes) und hebt generell ihre Jungfräulichkeit (integritas corporis virginalis) und Asexualität hervor (nec inter se ullo concubitu miscentur nec libidine resolvuntur nec partus quatiuntur doloribus […]). Zur Prominenz der Theorie, dass die Brut von Pflanzen eingesammelt wird, in der Zeit des Hellenismus lässt sich aufgrund der spärlichen Überlieferung nichts Konkretes sagen. Die Vorstellung von der Keuschheit und Reinheit der Bienen ist schon früh in der griechischen Kultur belegt. Dies gilt insbesondere im Falle von Priesterinnen, die mit Bienen identifiziert oder zumindest nach ih 33 Zu dieser Thematik vgl. z. B. Koep (1954) 280 und Wimmer (1998) 82–86, die neben den hier genannten noch viele weitere Belegstellen liefern. 34 Nam si quibusdam minutis animalibus id praestitit, ut sibi  e foliis natos et suavibus herbis ore legant, cur existimet aliquis ipsum deum nisi ex permixtione sexus alterius non posse generare? – »Denn wenn es gewissen winzigen Tieren gegeben ist, dass sie sich von Blättern und süßen Kräutern ihre Kinder sammeln, warum könnte jemand meinen, dass Gott selbst nicht zeugen könnte außer durch die Verbindung mit dem anderen Geschlecht?« Die hier angegebene Lesart entspricht der in den Handschriften und wird beispielsweise auch in der Edition der Sources chrétiennes von Monat verwendet. Heck und Wlosok gleichen in ihrer Teubner-Ausgabe jedoch den Wortlaut bei Laktanz dem in den Georgica an. Daher lesen sie […] e foliis natos, e suavibus herbis […]. Für die Interpretation dieser Stelle hat dies indes kaum Bedeutung. 35 Vgl. z. B. auch Misch (1974) 46; Henke (2000) 203 f.

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nen benannt wurden (s. u. 222). Auch die Ansprache der Dichterin Erinna als παρθενικὴ μέλισσα (Anth. Gr. 7,13,1)36 weist in diese Richtung. Ein unbekannter alexandrinischer Dichter nennt die Bienen δυσέρωτες (Lyrica adespota 7,16 CA), was an dieser Stelle wohl jemanden bezeichnet, der sich nicht leicht verlieben kann.37 Laut Aelian (NA 12,34) gibt es zwar sogar einige verliebte Bienen, die meisten aber seien enthaltsam (καὶ μελίττας δέ τινας ἐρωτικὰς εἶναι πέπυσμαι, εἰ καὶ αἱ πλείους σωφρονοῦσιν). Einen interessanten Hinweis entdeckt Kofler38 in der Beschreibung des Abschiedes der Lemnierinnen von den Argonauten in den Argonautika des Apollonios von Rhodos (1,878–885): […] ταὶ δέ σφιν ἐπέδραμον, εὖτ’ ἐδάησαν. ὡς δ’ ὅτε λείρια καλὰ περιβρομέουσι μέλισσαι πέτρης ἐκχύμεναι σιμβληίδος, ἀμφὶ δὲ λειμών ἑρσήεις γάνυται, ταὶ δὲ γλυκὺν ἄλλοτε ἄλλον καρπὸν ἀμέργουσιν πεποτημέναι· ὧς ἄρα ταίγε ἐνδυκὲς ἀνέρας ἀμφὶ κινυρόμεναι προχέοντο, χερσί τε καὶ μύθοισιν ἐδεικανόωντο ἕκαστον, εὐχόμεναι μακάρεσσιν ἀπήμονα νόστον ὀπάσσαι. Diese (die Lemnierinnen) liefen zu ihnen (den Argonauten), als sie es (die bevorstehende Abfahrt) erfahren hatten; wie aber wenn Bienen um schöne Lilien summen, wenn sie aus dem Felsen, der ihr Stock ist, geströmt sind, ringsum freut sich aber die tauige Wiese, diese aber saugen ständig an einer anderen süßen Frucht, nachdem sie umhergeflogen sind, so strömten also auch jene klagend rings um die Männer herum heraus, mit Händen und Worten grüßten sie jeden einzelnen, und beteten zu den Seligen, dass eine unversehrte Heimkehr gewährt werde.

Das Hauptthema dieses Gleichnisses ist das Ausschwärmen der Bienen, das mit dem Auszug der Lemnierinnen aus ihrer Stadt verglichen wird. Nicht jeder Aspekt in Bild und Gegenstand ist völlig miteinander in Einklang zu bringen,

36 Das Epigramm wird Meleagros oder Leonidas von Tarent zugeschrieben. Zu diesem Gedicht vgl. z. B. Gow; Page (1965) 394; Neri (1996) 192–194; ders. (2003) 213–216. 37 Als Hauptbedeutung von δυσέρως nennt der LSJ »madly or disastrously loving«, wofür diese Stelle als ein Beleg dient. Wahrscheinlicher ist jedoch die zweite Bedeutung »laggard in love« anzunehmen. 38 Vgl. Kofler (1992) vor allem 317–319 und der Nachtrag von 1994. Er mahnt freilich zur Vorsicht (Kofler [1992] 317 Anm. 30), weil man nicht sicher sein kann, dass Apollonios dieselben Gedankengänge vollzogen hat. Reitz (1996) 23 f. schließt sich Kofler an und führt zur weiteren Untermauerung der These eine Passage aus der pseudo-plutarchischen Schrift De vita et poesia Homeri 2,85 an, wonach Vergleiche zwischen großen und kleinen Dingen durchaus möglich seien, wenn nicht die Körpergröße, sondern die Natur und das Verhalten im Vordergrund stünden.

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wie bereits ein Teil der antiken Scholiasten feststellte.39 Kunstvoll und gelehrt könnte darin jedoch auch eine implizite Beantwortung zweier antiker Rätsel enthalten sein. Wie die Lemnierinnen sich nach dem Mord an ihren männlichen Verwandten40 wieder fortpflanzen konnten, war in der Antike ebenso unklar wie die Fortpflanzung der Bienen. Anhand dieses Gleichnisses liefert Apollonios so möglicherweise folgende Antworten: Die Lemnierinnen erhalten ihre Kinder von den Argonauten, während die mit den Lemnierinnen gleichgesetzten Bienen ihre Nachkommenschaft von den Blumen holen.41 Zudem findet Kofler einige Aspekte (z. B. Feuchtigkeit auf der Wiese, die Süße der Frucht), die die Erotik des Bildes unterstreichen.42 Plinius kann zwei verschiedene Theorien der Fortpflanzung anführen, wobei die erste seiner Darstellung nach die meisten Anhänger fand. Diese ähnelt der bei Vergil erwähnten (HN 11,46): plures existimavere ore confingi floribus compositis43 apte atque utiliter. – »Die meisten glaubten, dass sie mit dem Mund aus Blüten zusammengesetzt werden, die passend und nützlich zusammengestellt worden sind.« Eine mögliche Quelle44 könnte Hygin sein, der diese These ebenfalls vertreten haben könnte, wenn man eine entsprechende Referenz bei Columella (Rust. 9,14,18)45 so verstehen möchte. Plinius selbst verwirft diese Theorie allerdings wieder (HN 11,47): propior vero prior existimatio fieret, ni rursus alia difficultas occurreret. quippe nascuntur aliquando in extremis favis apes grandiores, quae ceteras fugant. oestrus vocatur hoc malum, quonam modo nascens, si ipsae fingunt?

39 Dazu gehört z. B. der Autor des Scholions L. Es gibt aber auch die weniger strenge Ansicht im Scholion P. Vgl. Kofler (1992) 310 f. 40 Möglicherweise eine Parallele zur Drohnenschlacht; vgl. Kofler (1992) 317. 41 Vgl. Kofler (1992) 318. 42 Vgl. ebd. 312 f. 43 Die Lesart ist umstritten. Die meisten Handschriften lesen hier compositis, was die meisten Editoren (Ernout und Pépin; Rackham; König und Hopp) auch übernehmen. Mayhoff hat allerdings compositas, was sich – so seine Vermutung – gewissermaßen auf apes beziehen könnte. 44 In der Literatur (z. B. Heigl [1885] 15; Ernout; Pépin [1947] 136) wird als Parallelstelle auch Arist. Hist. an. V 22, 553 b 23–25 angegeben: ἐργάζονται δὲ πρῶτον μὲν τὸ κηρίον, εἶτα τὸν γόνον ἐναφιᾶσιν, ὡς μὲν ἔνιοι λέγουσιν, ἐκ τοῦ στόματος, ὅσοι φέρειν φασὶν ἄλλοθεν […] – »Sie errichten aber zuerst die Waben, dann geben sie die Brut hinein, aus dem Mund, wie einige sagen, die behaupten, dass sie (die Brut) von anderswoher eintragen […].« Die Aussage ist in diesem Falle etwas anders, denn offensichtlich wird hier die ganze Brut schon eingetragen, nicht Blüten(bestandteile), aus denen dann die Brut zusammengesetzt wird. 45 Nam ab aequinoctio verno sine cunctatione iam passim vagantur, et idoneos ad fetum decerpunt flores atque intra tecta comportant. – »Denn vom Frühlingsäquinox an fliegen sie ohne Zögern schon weithin umher und weiden für die Brut geeignete Blüten ab und tragen sie in ihre Behausung.« Hygin ist für dieses Kapitel, welches eine Art Kalender bildet, sowohl zu Beginn (Rust. 9,14,1) als auch im Anschluss an diesen Satz als Referenz genannt.

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Aber eher träfe schon die erste Annahme zu, wenn nicht wiederum eine andere Schwierigkeit aufträte. Tatsächlich entstehen manchmal in den äußersten Waben größere Bienen, welche die übrigen vertreiben. oestrus wird dieses Übel genannt.46 Auf welche Weise sollte es wohl entstehen, wenn sie sich selbst bildeten?

Der Verfasser der pseudo-quintilianischen Declamatio maior 13 (»Apes paupe­ ris«) schließt sich allerdings trotzdem dieser Theorie an,47 nachdem er überaus wortreich die asexuelle Fortpflanzung der Bienen gelobt hat (16): solae omnium non edunt fetus sed faciunt. ipsae paulatim, sicut stipatae sunt per mella, vivescunt, et, ut oportet, animal laboriosum ex opere nascitur. Als einzige von allen (Tieren) gebären sie keine Nachkommenschaft, sondern erschaffen sie. Sie selbst entstehen, so wie sie durch Honig gebildet worden sind, allmählich und, wie es sein muss, wird ein arbeitsames Tier durch Arbeit geboren.

Die Art der Fortpflanzung wird an dieser Stelle mit einem weiteren Topos verbunden, nämlich dem vom Fleiß der Bienen (dazu s. 2.3.3). Die Verbindung dieser beiden Vorstellungen macht die Theorie zur Fortpflanzung gewissermaßen plausibel (ut oportet). Ohne Parallele in der erhaltenen antiken Literatur ist freilich die Herstellung der Brut aus Honig. Die zweite Theorie, die Plinius nennt, ist eine Form der sexuellen Fortpflanzung (HN 11,46): aliqui coitu unius, qui rex in quoque appelletur examine: hunc esse solum marem, praecipua magnitudine, ne fatiscat; ideo fetum sine eo non edi, apesque reliquas tamquam marem feminas comitari, non tamquam ducem. Einige (behaupten, die Bienen entstünden) durch die Paarung eines einzelnen, der in jedem Schwarm »König« genannt wird: Dieser sei das einzige Männchen und von besonderer Größe, damit er nicht ermüdet. Deshalb könne ohne ihn keine Brut hervorgebracht werden und die übrigen Bienen begleiteten ihn wie Frauen einen Mann, nicht wie einen Anführer.

Eine wichtige Vorlage für diese Aussage ist vermutlich ein Satz aus der Schrift De generatione animalium (III 10, 759 a 20 f.) des Aristoteles: […] ἢ πάντα τἆλλα ἐξ ἑνὸς οἷον ἐκ τῶν καλουμένων βασιλέων καὶ ἡγεμόνων […] – »[…] oder alle anderen entstünden aus einem, wie aus den sogenannten Königen und Anführern […].« Mit ἐξ ἑνός ist bei Aristoteles jedoch nicht ein einzelnes Tier gemeint wie bei Plinius, sondern der Genitiv bezieht sich auf γένος. In der Darstellung des Aris 46 Dazu s. u.  164. 47 Unverständlich erscheint daher Krapingers (2005) 144 f. Anmerkung: »der Sinngehalt bleibt mangels weiterer Ausführungen im Dunkeln, der arme Bienenhalter scheint sich strikt an Colum. IX,2,3 [oben 147 Anm. 7 zitiert] zu halten«. Der Autor schließt sich hier ganz im Gegensatz zu Columella deutlich einer bestimmten Theorie an, die auch noch nach dem Zeugnis des Plinius die communis opinio darstellt, und erläutert sie zusätzlich.

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toteles gibt es meist nicht nur einen König im Stock (s. u. 271) und er vertritt, wie gesagt (s. o. 152), die These, dass die Könige ohne Paarung Nachkommen hervorbringen. In der Theorie, die Plinius hier referiert, geht man von nur einem König aus, sodass gewissermaßen noch Sexualpartner aus der anderen »Art« benötigt werden. Die Vorstellung von einem einzigen, königlichen Männchen, das viele Weibchen um sich herum schart, mit denen er sich paaren kann, erinnert dabei stark an den Harem orientalischer Herrscher der Antike. Man könnte also annehmen, dass diese Fortpflanzungstheorie mit der Wahrnehmung des Bienenkönigs als vergleichbar mit einem orientalischen Herrscher, die sich bei einigen Autoren finden lässt (s. u. 281), in Einklang gebracht wurde. Die Ergänzungen gegenüber der wahrscheinlichen aristotelischen Vorlage sind möglicherweise so zu erklären. Plinius verwirft diese Theorie aber ebenfalls, weil er so die Entstehung der Drohnen nicht erklären kann, welche er als imperfecti (HN 11,46; auch imperfectae apes in HN 11,27) bezeichnet. Seiner Meinung nach können aus derselben Art der Paarung nicht zwei verschiedene Arten von Brut entstehen. Sein Einwand bezieht sich jedoch allein auf diesen Sachverhalt, er bezeichnet die »Haremsvorstellung« ansonsten aber als glaubhaft (quam probabilem alias sententiam […]; HN 11,46), wohl weil sie aus den dargelegten Gründen gut zu seinem Konzept vom Bienenkönig passt (s. u. 286). An anderer Stelle referiert er freilich die Theorie, dass die Drohnen aus besonders alten und daher müden Bienen als serotinus fetus (HN 11,27) entstünden. Dies ist eine gewisse Parallele zur Fortpflanzungstheorie des Aristoteles, zumal so gewissermaßen der Charakter der Drohnen als träge und imperfecti mit ihrer Entstehung aus altersmüden Bienen erklärt werden kann.

3.2.2 Theorien zur Entwicklung Wie schon bei den Theorien zur Fortpflanzung zu erkennen war, sind auch die Darstellungen der Larvalentwicklung stark von bestimmten Theorien und Vorstellungen der einzelnen Autoren beeinflusst. Im 9. Buch der Historia animalium des Aristoteles werden die Bienen (in diesem Falle die modernen Arbeiterinnen) als sehr selbstständige Akteure und Planer des Wabenbaus und der damit verbundenen Erzeugung von Brut dargestellt. Sie sind es, die zunächst die Waben für sich anlegen und dann erst die Waben für Könige und Drohnen (Hist. an. IX 40, 623 b 32–34). Die Waben für die Bienen errichteten sie dabei zu jeder Zeit48 (τὰ μὲν [sc. κηρία] οὖν αὑτῶν ἀεὶ πλάττουσιν; 623 b 34 – 624 a 1), die der Könige aber nur bei einer großen Menge 48 In gut gehenden Schwärmen soll es laut Aristoteles (Hist. an. IX 40, 625 b 27–30) nur in den vierzig Tagen nach der Wintersonnenwende keine Brut geben. Plinius (HN 11,13 f.) gibt aber an, dass für Italien diese Zeiten nicht zutreffen. Er nennt eine relativ lange Winterruhe

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an Brut (πολυγονία; 624 a 1), die der Drohnen nur, wenn viel Honig zu erwarten ist (ἐὰν μέλιτος ἄφθονίαν ἐπισημαίνῃ; 624 a 1 f.).49 Andere Autoren50 nennen vor allem das Frühjahr als Zeit des Wabenbaus und der Erzeugung von Brut. Tatsächlich wird nach heutigen Erkenntnissen kontinuierlich Arbeiterinnenbrut erzeugt, jedoch findet wohl eine Steigerung der Bruterzeugung im Frühjahr statt, wenn auch – bedingt durch eine gestiegene Temperatur und ein größeres Nahrungsangebot – die Aktivität des Bienenstocks allgemein steigt. Man kann vermuten, dass die Betonung der Brutaktivität im Frühjahr bei einigen Autoren auch mit der verbreiteten Vorstellung des Eintragens der Brut von Blüten zusammenhängt (s. o.  154). Da die Blütezeit der meisten Pflanzen in das Frühjahr fällt, kann so leicht eine Verbindung zur Bruterzeugung der Bienen hergestellt werden.51 Im 9. Buch der Historia animalium werden die Bienen, wie bereits gesagt, als selbstständige Akteure und Planer der Fortpflanzung und des damit verbundenen Nestbaus dargestellt, nicht aber die Könige. Besonders deutlich zeigt sich dies, wenn berichtet wird, dass die Bienen, wenn die Voraussetzungen für Drohnen- und Königsbrut nicht mehr gegeben sind, zu drastischen Maßnahmen greifen (IX 40, 625 a 19–24): κτείνουσι δὲ μάλιστα (sc. τοὺς βασιλέας), ὅταν μὴ πολύγονον ᾖ τὸ σμῆνος μηδὲ ἀφ­ έσεις μέλλωσι γίγνεσθαι· ἐν γὰρ τούτοις τοῖς καιροῖς καὶ τὰ κηρία διαφθείρουσι τὰ τῶν βασιλέων, ἐὰν ᾖ παρεσκευασμένα, ὡς ἐξαγωγέων ὄντων. διαφθείρουσι δὲ καὶ τὰ τῶν κηφήνων ἐὰν ὑποφαίνῃ ἀπορία μέλιτος καὶ μὴ εὐμελιτῇ τὰ σμήνη· Sie töten sie (sc. die Könige)  aber vornehmlich, wenn der Stock nicht viel Brut hat und keine Schwärme entstehen sollen. Denn in solchen Zeiten zerstören sie auch die Waben der Könige, wenn sie schon angelegt worden sind, weil sie einen Schwarm anführen (können). Sie zerstören aber auch die (Waben) der Drohnen, wenn sich ein Mangel an Honig ankündigt oder der Stock nicht viel Honig hat. vom Untergang der Pleiaden im November bis zu ihrem Aufgang im Mai; siehe z. B. auch Columella Rust. 9,14,1. 49 Smith; Ostwald; Seeley (2015) konnten indes einen anderen Zusammenhang zwischen Drohnen- und Honigproduktion feststellen. Prinzipiell können Drohnenzellen sowohl zur Ausbrütung von Drohnenbrut als auch zur Honigeinlagerung genutzt werden. Da Drohnen vor allem im Frühsommer zur Paarung benötigt werden, wird in dieser Zeit kaum Honig in ihren Brutzellen eingelagert. Später im Jahr aber sehr wohl, da es sich außerhalb der Paarungszeit nicht mehr lohnt, Drohnen großzuziehen. Bienen zeigen diesbezüglich also eine optimierte Ressourcennutzung. 50 Z. B. Verg. G. 4,55–57; Plin. HN 11,13 f.; Columella Rust. 9,3,4; 9,11,1; in 9,9,1 heißt es: Quippe talis est apium natura ut pariter quaeque plebs generetur cum regibus. – »Freilich ist die Natur der Bienen so beschaffen, dass jedes Volk gleichzeitig mit seinen Königen hervorgebracht wird.« Columella spricht sich also gegen eine ständige Bildung von Bienenbrut (modern wohl Arbeiterinnen) aus und vertritt die These, dass diese nur zusammen mit den Königen entstünden. Das zahlreiche Auftreten von Bienen wird beispielsweise in einem Epigramm (9,12,1 f.) Martials als Charakteristikum des Frühlings genannt. 51 Obwohl es bei Columella auch Hinweise auf die Bedeutung des Bienenkönigs bei der Erzeugung von Brut gibt (s. o. 147).

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Diese Darstellung passt zur Vorstellung des Aristoteles, dass sich mehrere Könige in einem Stock befinden und diese dann Aufruhr und Abspaltungen unter den Bienen verursachen (dazu s. u. 272). Insofern erscheint es folgerichtig, dass die Bienen bei einem Mangel an Individuen diese potentiellen Aufrührer töten,52 damit das Volk nicht in zu kleine Fraktionen geteilt wird. Zudem sind in der Darstellung des Aristoteles die Könige zwar für die Erzeugung von Bienen notwendig, sie spielen aber für das »Regieren« des Bienenstaates keine so große Rolle (z. B. V 22, 553 b 15–19; siehe dazu auch o. 152 Anm. 27), wie es etwa bei einigen späteren Autoren dargestellt wird (s. u. 279). Plinius, der die Bedeutung des Königs besonders stark betont und auch nur von einem einzigen Herrscher ausgeht (dazu s. u. 286), stellt die Situation entsprechend anders dar (HN 11,56): esse utique sine rege non possunt. invitae autem interemunt eos, cum plures fuere, po­ tiusque nascentium domos diruunt, si proventus desperatur. tunc et fucos abigunt. Ohne König können sie jedenfalls nicht sein. Gegen ihren Willen aber töten sie diese, wenn es zu viele gab. Und eher zerstören sie die Häuser der entstehenden (Könige?), wenn sie an ihren Vorräten zweifeln. Dann vertreiben sie auch die Drohnen.

Die Bienen erscheinen hier keinesfalls selbstständig, da sie eines Königs bedürfen. Die Aussage seiner Quelle Aristoteles, dass die Bienen die Könige und die Königsbrut töten, versieht Plinius mit dem zusätzlichen Wort invitae. In seiner Darstellung haben die Bienen vor allem Skrupel, die bereits ausgewachsenen Könige zu töten,53 wenn es sein muss, töten sie eher die Brut. Dies entspricht dem allgemeinen Konzept des Plinius von der besonderen Ergebenheit der Bienen (Arbeiterinnen) gegenüber ihrem König. In anderen Werken wird das Töten der überzähligen Könige als eine Arbeit des Imkers genannt.54 Die Bienen- und Drohnenbrut (γόνος) wird bei Aristoteles als weiß beschrieben. Aus ihr entwickeln sich die σκωλήκια und daraus schließlich entweder Bienen oder Drohnen (Hist. an. V 22, 554 a 21–24). Das σκωλήκιον liege dabei zunächst schräg zur Wand, richte sich danach von selbst auf, werde aber immer noch durch die Wand gestützt (Hist. an. V 22, 554 a 19–21).55 Im Stadium des 52 Klek; Armbruster (1919) 21 Anm. 2 bestätigen, dass die Weiselzellen zuweilen von den Arbeiterinnen aufgerissen werden. Nach Winston (1987) 183 geschieht dies sogar regelmäßig. 53 Dennoch beschreibt er in HN 11,51, dass zunächst einige Könige aufgezogen werden, damit man genug habe. Später halte man eine Wahl ab (suffragium) und töte dann die unterlegenen und schlechteren Könige (s. u. 286). 54 Z. B. Var. Rust. 3,16,18; Verg. G. 4,88–90; Columella Rust. 9,11,1; Geop. 15,2,15. 55 Dies übernimmt Plinius HN 11,48 fast wörtlich. Allerdings heißt es dort: id, quod ex­ clusum est, primo vermiculus videtur candidus. – »Das, was ausgeschieden wird, erscheint zunächst als weißes Würmchen.« Bei Aristoteles dagegen scheint das σκωλήκιον erst aus dem γόνος zu entstehen (ἐξ οὗ [sc. τοῦ γόνου] τὰ σκωλήκια γίνεται; Hist. an. V 22, 554 a 22 f.).

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σκωλήκιον wird das Junge ernährt (τρέφεται V 22, 554 a 20 f.; vermutlich durch den Honig an der gegenüberliegenden Wand: V 22, 554 a 28 f.; Plin. HN 11,49: tempore procedente instillant cibos) und es gibt Ausscheidungen von sich, wie es auch für ein σκωλήκιον zu erwarten ist (κόπρον δὲ προίεται, ὡσανεὶ σκωλήκιον; Arist. Hist. an. V 22, 554  b 1; s. o. 145). Anschließend wird die Zelle verklebt und das Junge entwickelt sich zur Nymphe, die keine Ausscheidungen mehr vornehme (Arist. Hist. an. V 22, 554 b 2 f.; in Hist. an. IX 40, 625 b 30 f. heißt es jedoch, dass die Arbeiterinnen den Jungen Nahrung in die Waben geben und sie dann verschließen). Nach einer gewissen Zeit, in der der Brut Füße und Flügel wachsen, schlüpft das adulte Tier, indem es den Brutdeckel durchbricht (Hist. an. V 22, 554 a 29 – 554 b 1; IX 40, 625 b 31 f.). Plinius unterscheidet dagegen die Benennungen für die Bienen- und die Drohnenbrut (HN 11,48): cetera turba cum formam capere coepit, nymphae vocantur, ut fuci sirenes aut cephenes. – »Wenn die übrige Menge anfängt Form anzunehmen, werden sie Nymphen genannt, wie die Drohnen sirenes oder cephenes.« Offensichtlich liegt hier eine falsche Zuordnung der griechischen Bezeichnungen vor. Hinter cephenes lässt sich unschwer die griechische Bezeichnung für Drohn (κηφήν) erkennen und hinter sirenes wohl die in der Historia animalium (IX 40, 623 b 11 f.) genannten beiden Arten der σειρήνες. Die Nachricht, wonach Brut, der man den Kopf abgerissen hat, von den Bienen gefressen wird (Arist. Hist. an. V 22, 554  b 3 f.; Plin. HN 11,49), ist wohl zutreffend, da Bienen (und andere soziale Insekten) nach heutigem Wissensstand fehlerhafte Brut auffressen, damit zumindest die Nährstoffe nicht verloren gehen.56 Die Waben der Drohnen sind größer als die der Bienen (Arist. Hist. an. IX 40, 624  b 17 f.), jedoch geringer an Zahl.57 Die Waben der Drohnenbrut können entweder gesondert von denen der Bienenbrut angelegt werden oder aber unter denen der Bienen. Letzteres soll laut Arist. Hist. an. IX 40, 624 b 19 f. häufiger sein (ὡς ἐπὶ τὸ πολὺ δ’ ἐν τοῖς τῶν μελιττῶν); kurz zuvor (624 b 13–15; s. auch o. 151) wird jedoch gesagt, dass, solange es einen König gebe, die Drohnen getrennt entstünden (χωρίς φασι τοὺς κηφῆνας γίγνεσθαι; 624 b 13). Offenbar gab es jedoch auch die Meinung, dass die Drohnen ihre eigenen Waben anlegten (Arist. Hist. an. IX 40, 624 a 18–21): 56 Vgl. z. B. Weiss (1984) v. a. 341. Hier wird aber auch konstatiert, dass das Fressen von Brut bei Proteinmangel in Bienenvölkern nicht selten auftritt. 57 Die Aussage ἐλάττω δ’ ἐστι ταῦτα (sc. τὰ κηφήνια) τῷ μεγέθει τῶν μελιττίων (Arist. Hist. an. IX 40, 624 a 4 f.) ist wohl so zu verstehen, dass die Gesamtzahl der Drohnenwaben kleiner ist als die der Bienen (vgl. z. B. Balme [1991] 337; anders aber Klek; Armbruster [1919] 26). In der entsprechenden Passage des Plinius (HN 11,27) scheint jedoch behauptet zu sein, dass die Zellen der Drohnen die kleinsten seien, obwohl die Drohnen selbst größer als die Bienen seien: hae cellarum minimae, sed ipsi maiores apibus. Möglicherweise hat Plinius oder eine seiner lateinischen Quellen die Aussage bei Aristoteles falsch verstanden.

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λέγουσι δέ τινες τοὺς κηφῆνας κηρία μὲν πλάττειν καθ’ αὑτοὺς καὶ ἐν τῷ αὐτῷ σμήνει καὶ ἐν τῷ ἑνὶ κηρίῳ μεριζομένους πρὸς τὰς μελίττας, […]. Einige sagen aber, dass die Drohnen eigene Waben sowohl in demselben Stock als auch in einer einzigen Wabe abgesondert gegenüber den Bienen errichteten, […].

Möglicherweise steht hinter dieser Aussage die Vorstellung, die Drohnen seien eine eigene »Art«, die den Bienen schade (dazu s. o. 65 und 2.5.3). Hierbei wäre es gewissermaßen unsinnig, dass die Bienen die Waben der Drohnen anlegten und sich damit ihre Feinde und Schädlinge freiwillig in den eigenen Stock holten. Die Entwicklung der Könige unterscheidet sich in den Darstellungen der antiken Autoren stark von denen der anderen »Bienenarten« und entspricht insofern der verbreiteten Ansicht, der Bienenkönig sei etwas Besonderes. Die vermeintlich unterschiedliche Weise der Entwicklung trug sicherlich mit dazu bei, die Könige als eigene »Art« zu sehen (s. o. 65 und 2.5.2). Auch sind die Darstellungen der Königsentwicklung und der Lage ihrer Brutzellen in stärkerem Maße von bestimmten Vorstellungen geprägt als die der »normalen« Bienen und der Drohnen. Aristoteles berichtet in seiner Schrift De generatione animalium, dass die sogenannten Weiselzellen in geringer Zahl an den Rändern der Waben entstünden (γίνονται δ’ ἐπὶ τέλει οἱ κύτταροι αὐτῶν καὶ οὐ πολλοὶ τὸν ἀριθμόν; III 10, 760 a 26 f.58).59 An anderer Stelle (Hist. an. IX 40, 624 a 2–4) heißt es jedoch: πλάττουσι (sc. αἱ μέλιτται) δὲ τὰ μὲν τῶν βασιλέων (sc. κηρία) πρὸς τοῖς αὑτῶν, μικρὰ δ’ ἐστὶ ταῦτα […] – »Sie (sc. die Bienen) errichten (sc. die Zellen) der Könige in der Nähe ihrer eigenen, diese Zellen (die Gesamtgröße der Königswaben)60 sind aber klein […].« Die Zellen der Könige scheinen gemäß dieser Passage weniger stark separiert und vor allem nicht an den Enden einer Wabe gelegen zu sein. Die Weiselzellen sind, wie man heute weiß, größer als die der Arbeiterinnen und senkrecht (statt waagerecht) ausgerichtet. Sie befinden sich meist am unteren Rand einer Wabe (sogenannte Schwarmzellen), können aber auch auf der Wabe errichtet werden, wenn z. B. beim plötzlichen Fehlen einer Königin eine Arbeiterinnenzelle zur Weiselzelle umgebaut wird, (Nachschaffungszelle).61 Insofern treffen gewissermaßen beide Aussagen des Aristoteles zu. Spätere Autoren entscheiden sich häufig für eine Lage der Weiselzellen im Inneren des Stockes. Denn dies entspricht eher ihrer Vorstellung vom Bienenkönig, der als vergleichbar mit dem menschlichen angesehen wird und eine 58 Peck (1942) 340 ist der Meinung, dass diese Aussage an eine andere Stelle (er schlägt 760 b 27 vor) gehört. 59 Eine zeitliche Trennung des Wabenbaus für die unterschiedlichen Arten der Brut wird in Hist. an. IX 40, 623 b 32–34 beschrieben. Dazu s. o. 159. 60 Siehe auch o. 162 Anm. 57. 61 Vgl. z. B. Gontarski (1956); Winston (1987) 81.124.

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wichtige Rolle für die Ordnung des Stockes innehat (s. u. 279). So heißt es beispielsweise bei Plinius (HN 11,29): regias imperatoribus futuris in ima parte alvi exstruunt amplas, magnificas, separatas, tuberculo eminentes, quod si exprimatur, non gignuntur. Den künftigen Herrschern errichten sie im innersten Teil des Stockes, weite, prächtige und abgesonderte königliche Paläste, die durch einen Höcker hervorragen. Wenn man diesen ausdrückt, entstehen sie (die Könige) nicht.

Vor allem die Adjektive amplas, magnificas, separatas sowie ihr Bezugswort regias weisen eher auf einen menschlichen König als auf den Bienenweisel hin. Diese Überhöhung der Rolle des Bienenkönigs als Garanten der Ordnung des Stockes, die sich durch die gesamte Darstellung des Plinius zieht (s. u. 286), zeigt sich also auch in diesem Punkt. Die Lage der Königskammer im Inneren des Stockes entspricht eher einem menschlichen Palast als tatsächlicher Natur­ beobachtung.62 Die Annahme, dass die Könige ausschließlich im Inneren des Stockes entstünden, führte wohl zu dem Problem, dass man die Weiselzellen am Rand anders deuten musste. In der erhaltenen Literatur findet sich erstmalig bei ­Columella (Rust. 9,14,4) eine solche Erklärung: Eodemque tempore progenerantur in extremis partibus favorum amplioris magnitudinis quam sunt ceterae apes, eosque nonnulli putant esse reges; verum quidam Graecorum auctores οἴστρους appellant, ab eo quod exagitent nec patiantur examina conquiescere; itaque praecipiunt eos enecari. Und zur selben Zeit (i. e. an den Iden des Mai) entstehen in den äußersten Teilen der Waben (Junge), die größer sind als die übrigen Bienen und die einige für die Könige halten. Aber gewisse griechische Autoren nennen sie οἶστροι, weil sie die Schwärme in Aufruhr versetzen und sie nicht zur Ruhe kommen lassen. Deshalb empfehlen sie sie zu töten.

Leider sind an dieser Stelle keine konkreten Quellen für diese These genannt, jedoch scheint es, dass hier den Jungköniginnen, die am Rand der Waben entstehen, eine neue Bezeichnung gegeben wird, zumal offensichtlich nach wie vor einige Quellen der Meinung waren, dass es sich um Könige handele.63 Der Begriff οἶστροι bezeichnet als Tier meist eine Art Bremse (s. 2.7), ihre Tätigkeit erinnert jedoch stark an die Beschreibung der Wirkung der Könige auf das übrige 62 Auch bei Seneca befindet sich der Bienenkönig im Zentrum des Stockes: Sen. Clem. 1,19,2: quarum (sc. apium) regi amplissimum cubile est medioque ac tutissimo loco. – »Deren (der Bienen) König besitzt ein sehr weites Schlafgemach am zentralsten und sichersten Ort.« Freilich ist hier von dem »Schlafgemach« des Königs die Rede und nicht bloß von der Brutstelle. 63 Ähnlich auch Dumont (2002) 57 Anm. 175.

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Bienenvolk etwa bei Aristoteles, der davon ausgeht, dass sie zu Spaltungen im Volk führen (s. u. 272). Möglicherweise kann durch Verkürzungen und ungenaue Übertragungen der Eindruck entstanden sein, es handle sich um eine eigene Tierart, obwohl die Charakterisierung (und wohl auch die tatsächliche biologische Grundlage) eher zu einer Beschreibung der Bienenkönige gehörte. Schließlich spricht auch die Zeitangabe (Mitte Mai) für eine Identifizierung der οἶστροι mit den Jungköniginnen, die tatsächlich in dieser Zeit entstehen.64 Bei Palladius (Op. 6,10)65 und in den Etymologiae (12,8,3) Isidors von Sevilla finden sich fast wortgleiche Beschreibungen der οἶστροι,66 ebenfalls mit dem Hinweis auf die Meinung einiger Autoren, es handle sich um Könige. Dieser Hinweis fehlt bei Plinius (HN 11,47, zitiert in 157). Der oestrus wird hier als Argument gegen die Theorie angeführt, wonach sich die Bienen ihre Brut aus Blüten bilden. In diesem Rahmen wäre der Verweis auf eine mögliche Identifikation mit den Königen fehl am Platze, da dies Plinius’ Argument zunichtemachte. Zudem passt seine Darstellung des Königs nicht zu der Charakterisierung als Unruhestifter und Übel für die anderen Bienen. Insofern ist es stimmig, dass der Nachsatz, dass einige Autoren die οἶστροι für die Könige halten, bei Plinius nicht zu finden ist. Trotz der Erwähnung des οἶστρος geht Columella von einer Lage der Weiselzellen an den äußeren Rändern aus (fere in ipso fine cerarum; Rust. 9,11,4; in der Passage wird eine Versetzung von Weiselzellen von einem bienenreichen Stock 64 Whitfield (1955) argumentiert, dass es sich bei diesen οἶστροι um Drohnen handelt. Eine Begründung für seine These bleibt er jedoch schuldig: »probably it is just  a drone«. Als Urheber dieser Bezeichnung macht er – auch hier ohne Begründung oder einen Beleg –­ Hygin aus: »So it could well be that oἶστρος is the Hyginian word for a drone (not otherwise mentioned by him).« Dem wiederum unterstellt er, diese Bezeichnung – auch wieder ohne irgendeinen Beleg  – von der griechischen Übersetzung des Mago oder aber von Nikander übernommen zu haben. Diese Theorie ist nicht nur deshalb abzulehnen, weil sie eigentlich gar keine Belege enthält, sondern auch, weil die Charakterisierung der οἶστροι sowie ihr Entstehungsort nichts mit den übrigen Beschreibungen der Drohnen gemein haben. 65 Vgl. auch Franklinos (2015) 1026 f. zur Textkritik dieser Stelle. 66 Isidor spricht freilich von costros (an dieser Stelle Akkusativ Plural), hierbei handelt es sich wohl um eine Falschschreibung von oestrus. Aus dieser Falschschreibung costrus entwickelt er allerdings folgende Etymologie: Dicti quod castra ducant. – »Sie wurden so genannt, weil sie das Lager führen.« Die Verbindung castra ducere ist sonst nicht belegt und die Verwendung lässt sich an dieser Stelle wohl mit dem Wunsch Isidors, eine Etymologie herzustellen, erklären. Damit könnte sowohl gemeint sein, dass die costri den Stock leiten (zur Verwendung von castra für den Bienenstock s. u. 268) als auch, dass sie den Schwarm anleiten, wenn er sich eine neue Wohnstätte sucht (ähnlich wie castra movere). Beides sind Aufgaben, die typischerweise dem Bienenkönig zugeschrieben werden (s. u. 272). Daher kann man schließen, dass hier eher eine Identifizierung der costri mit den reges vorgenommen wird, wenngleich die Verwendung des (obliquen) Konjunktiv ducant im Kausalsatz auf eine indirekt referierte Meinung hindeutet. Isidor beschreibt aber auch den oestrus (12,8,15) als Rinderbremse und nennt die lateinischen Bezeichnungen asilus bzw. tabanus (als vulgo gekennzeichnet) für dieses griechische Wort.

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in einen bienenarmen Stock beschrieben), worin er mit den von ihm zitierten römischen Autoren Celsus (in extremis favis; Rust. 9,11,5) und Hygin (in circuitu favorum; Rust. 9,11,5) übereinstimmt.67 Exzeptionell ist auch die Entwicklung der Könige, wie sie im 5. Buch der Historia animalium (V 22, 554 a 24–28) beschrieben wird: ὁ δὲ τῶν βασιλέων γόνος τὴν χρόαν γίνεται ὑπόπυρρος, τὴν δὲ λεπτότητά ἐστιν οἷον μέλι παχύ, τὸν δ’ ὄγκον εὐθέως ἔχει παραπλήσιον τῷ γινομένῳ ἐξ αὐτοῦ. σκώληξ δὲ οὐ γίνεται πρότερον ἐκ τούτου, ἀλλ’ εὐθέως ἡ μέλιττα φαίνεται. Die Brut der Könige besitzt aber eine leicht rötliche Farbe, ist weich wie dicker Honig und besitzt sogleich einen ähnlichen Umfang wie das, was aus ihm wird. Ein Würmchen entsteht aber nicht zuerst daraus, sondern es zeigt sich sogleich die Biene.

Die sogenannten Weiselzellen enthalten größere Mengen an Gelee Royale, das den Larven als Nahrung dient. Das Ei und die Made schwimmen auf dieser Futter­masse und haben eine ähnliche Färbung. Offensichtlich wurde so die eigentliche Larve übersehen und der ganze Inhalt der Zelle für den Fötus gehalten.68 Doch zeigt sich in diesem Punkt, wie bereits gesagt, die herausgehobene Stellung des Bienenkönigs. Nicht nur entsteht er in eigenen Zellen und ist somit auch räumlich vom übrigen Volk separiert, sondern er entwickelt sich auch anders. Bereits mit seiner Geburt ist er als königliches Wesen gekennzeichnet, da das Jungtier dem erwachsenen angeblich in Bezug auf das Aussehen entspricht. Dieser Aspekt wird bei Plinius (HN 11,48) noch weiter verstärkt: Rex statim mellei coloris, ut electo flore ex omni copia factus, neque vermiculus, sed statim pinniger. Der König ist sofort honigfarben, wie von einer erlesenen Blüte aus der gesamten Vielfalt (an Blüten) geschaffen, und er ist auch kein Würmchen, sondern sofort geflügelt.

Die Beschreibung ist zwar gegenüber der Historia animalium in einigen Punkten gekürzt, enthält aber eine stärkere Betonung der bereits bei der Geburt vollkommenen Gestalt durch die eindringliche Wiederholung des Wortes statim. Zudem wird die herausgehobene Stellung des Königs gegenüber den übrigen Bienen durch den Vergleich ut electo flore ex omni copia factus verdeutlicht. 67 Auch in der dem Florentinus zugeschrieben Passage der Geoponica werden die Könige in den äußeren Waben lokalisiert (οἱ δὲ βασιλεῖς ἐν ἄκροις τοῖς κηρίοις εὑρίσκονται; 15,2,15). In einer (stark anthropomorphen) Beschreibung des Bienenstockes in der Natura animalium des Aelian befinden sich die Gemächer der Könige auf der Oberseite (ἀνώτεροι; 1,59; dazu s. u.  266). In diesen beiden Passagen ist jedoch nicht ausdrücklich von Brutzellen die Rede und man könnte hier an eine gewisse Parallele zu höher gelegenen und sichereren Räumlichkeiten menschlicher Paläste denken. 68 Vgl. Klek; Armbruster (1919) 16.

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Im Gegensatz zu Plinius steht das Werk Columellas, das ein weit weniger herausgehobenes Bild vom Bienenkönig zeichnet (s. u. 276). Columella zitiert zwar Hygin als Vertreter der für ihn eher griechischen Theorie (auctoritatem Graecorum sequens; Rust. 9,11,5), wonach der König nicht aus einem Würmchen entstehe.69 Columella selbst schließt sich dieser Meinung nicht ausdrücklich an, sondern verwendet unspezifische Bezeichnungen wie regii generis proles (Rust. 9,11,4) oder regii pulli (Rust. 9,11,5 – dies in einer Paraphrase des Celsus; in Rust. 9,11,4 spricht er aber von populares pulli für die Nachkommen der »normalen« Bienen). Celsus wird nicht für diese Meinung zitiert. Die Zeit der Entwicklung vom Ei zur Imago beträgt nach heutiger Erkenntnis 21 Tage bei Arbeiterinnen, 16 Tage bei Königinnen und 24 Tage bei Drohnen.70 Nur bei Plinius hat sich die Angabe erhalten, dass die Brut 45 Tage zur Entwicklung benötige (HN 11,50). Die Quelle scheint der im vorangehenden Satz genannte Konsular zu sein, der einen durchsichtigen Bienenstock aus Horn (alvis cornu lanternae tralucido factis; HN 11,49) verwendet haben soll.71 Näher geht allerdings Plinius nicht darauf ein. Die Lebensdauer der Bienen wird in der Antike meist weit überschätzt (zu modernen Erkenntnissen s. o. 28). Aristoteles nennt sechs bis sieben Jahren für die Bienen und neun bis zehn Jahre für den Schwarm (Hist. an. V 22, 554 b 6 f.), ihm schließt sich Plinius an (HN 11,69), Columella nimmt zehn Jahre für die einzelne Biene und den Schwarm an (Rust. 9,3,3). Die angenommene erhöhte Lebenszeit ist vermutlich aber in allen Fällen von der Lebensdauer des Schwarmes beeinflusst. Eine Theorie, wie es zu dieser Annahme eines – vor allem im Vergleich mit den nah verwandten Wespen – extrem langen Lebens kommen kann, findet sich in der kurzen Schrift Περὶ μακροβιότητος καὶ βραχυβιότητος (= De longitudine et brevitate vitae) des Aristoteles.72 Als Prinzip gibt er dort an, dass Wärme und Feuchtigkeit Kennzeichen des Lebens seien und warme und feuchte Tiere daher 69 Dumont (2002) 83 Anm. 147 ist der Meinung, dass Hygin bei dieser Beschreibung die Weiselzellen mit denen verwechselt habe, aus denen die Drohnen geschlüpft seien. Dies macht er vor allem an dem Ausdruck foramina repleta sorde rubri coloris – »Öffnungen angefüllt mit Schmutz von rötlicher Farbe« fest. Dabei handele es sich seiner Meinung nach nicht um Gelee Royale (welches eher gelblich ist), sondern um die nachgedunkelten Überreste der Drohnenzellen. Wahrscheinlich geht dieser Ausdruck aber wohl auf ὑπόπυρρος bei Aristoteles (Hist. an. V 22, 554 a 25) zurück. In der gerade zitierten Passage deutet die beschriebene Form auf die Weiselzellen hin, sodass Dumonts Einwand anzuzweifeln ist. 70 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 42. 71 In HN 21,80 heißt es auch, dass viele Imker Stöcke aus durchsichtigem Stein herstellten, um die Arbeiten der Bienen im Inneren zu beobachten (multi et e speculari lapide fecere, ut operantes intus spectarent). Mit lapis specularis ist vermutlich das sogenannte Marienglas gemeint (vgl. König; Winkler [1999] 279 f.). 72 Eine umfangreichere Deutung dieser Schrift und der im Folgenden nur kurz dargestellten Erläuterungen der Thesen des Aristoteles bietet z. B. Meyer (2015b).

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in der Regel länger lebten (Arist. De longitudine 5, 466 a 17–20). Große Tiere, insbesondere solche, die Blut enthielten, könnten Wärme und Feuchtigkeit besser bewahren und seien folglich in der Regel langlebiger. In allen Lebewesen sei aber auch eine natürliche Wärme enthalten, die immer wieder Nahrung brauche, genau wie eine Flamme. Wenn diese Flamme nun keine Nahrung erhalte, dann zehre das Lebewesen gewissermaßen von sich selbst (ἀναλίσκει; 466 b 32) und vergehe daher. Fett und Zucker dienten als Nahrung bei Tieren und werden von Aristoteles gleichgesetzt, da das Fett bei Tieren süß sei (ἐν γὰρ ζῴῳ τὸ λιπαρὸν γλυκύ; 467 a 4). Dies sei auch der Grund, warum Bienen langlebiger seien als andere größere Tiere73 (διὸ αἱ μέλιτται μακροβιώτεραι ἑτέρων μειζόνων ζῷων; 467 a 4 f.). Wie bereits gesagt (s. o. 67), geht Aristoteles davon aus, dass sich die Bienen vor allem von süßem Honig ernähren. In der Schrift De respiratione (»Über die Atmung«) untersucht Aristoteles die Bedeutung der Atmung für die Tiere. Aus seiner Sicht dienen die Atmung und die Lunge dem Wärmeaustausch. Durch das Ausatmen soll heiße Luft nach außen abgegeben werden und durch das Einatmen kühle Luft ins Innere gelangen, welche notwendig ist, um die von ihm angenommene übergroße Hitze im Inneren zu kühlen ([…] αἰρομένου δέ, καθάπερ εἰς τὰς φύσας, ἀναγκαῖον εἰσφρεῖν τὸν ἀέρα τὸν θύραθεν ψυχρὸν ὄντα, καὶ καταψύχοντα σβεννύναι τὴν ὑπεροχὴν τὴν τοῦ πυρός; Resp. 27, 480 a 29 – b 1).74 Langlebigere Insekten, wie etwa Bienen (in Resp. 15, 475 a 4 f. heißt es, dass sie sieben Jahre leben) und Wespen, die als »Blutlose« (ἄναιμα) keine Lunge und damit aus Sicht des Aristoteles keine Atmung haben,75 könnten die Wärme, so seine Theorie, über eine an der Einschnürung vermeintlich feinere Haut abgeben (ὅσα δὲ μακροβιώτερα τῶν ἐντόμων […], τούτοις ὑπὸ τὸ διάζωμα διέσχισται, ὅπως διὰ λεπτοτέρου ὄντος τοῦ ὑμένος ψύχηται; Resp. 15, 474 b 31 – 475 a 3).76 Ein durch bestimmte Strukturen und Lebensweisen bedingter ausgeglichener Wärmehaushalt ist also nach der Theorie des Aristoteles für die besondere Langlebigkeit der Bienen verantwortlich. Die Perspektive auf die Lebensdauer der Bienen im 4. Buch der Georgica Vergils unterscheidet sich jedoch von der der übrigen erhaltenen Texte. Dort gelten weniger andere Tiere als Referenz für den dort beschriebenen Bienenstaat als vielmehr die menschliche (spezifischer eigentlich die römische)  Gesellschaft, 73 Die Aussage, dass Bienen sogar langlebiger als einige »Bluttiere« seien, findet sich bereits zuvor in derselben Schrift (De longitudine 4, 466 a 4 f.): μέλιττα γὰρ πολυχρονιώτερον ἐνίων ἐναίμων. Dies dient als Beleg dafür, dass es nicht der Besitz von Blut ist, der die Langlebigkeit bewirkt. 74 Vgl. dazu auch Althoff (1992) 159 f. 75 Diese Ansicht findet sich auch z. B. in Arist. Hist. an. IV 9, 535 b 5 f.; Antig. Car. 61. 76 Das in dieser Körperregion befindliche innere πνεῦμα soll auch – so heißt es bei Aristoteles weiter (Resp. 15, 475 a 6–20) – für die summenden Laute dieser Insekten verantwortlich sein, indem es bei den »Atembewegungen« an den entsprechenden Strukturen reibe. Vgl. dazu auch Althoff (1992) 92.

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wenngleich dies nicht unbedingt bedeutet, dass der Bienenstaat in den Georgica als bloße Allegorie des römischen Staates aufgefasst werden muss (s. u. 280). Ein wichtiges Motiv ist der Vergleich von Groß und Klein, der das gesamte Buch durchzieht. Aufgrund dieser Perspektive bewertet Vergil die Lebenszeit der Bienen anders als die meisten anderen Autoren (G. 4,206–209): ergo ipsas quamvis angusti terminus aevi excipiat (neque enim plus septima ducitur aestas), at genus immortale manet, multosque per annos stat fortuna domus, et avi numerantur avorum. Obgleich also die Grenze einer engen Lebenszeit sie selbst (die einzelnen Bienen) hinwegrafft (denn nicht länger als ein siebter Sommer zieht sich [das Leben] hin), bleibt das Geschlecht doch unsterblich und viele Jahre hindurch besteht das Geschick des Hauses und die Ahnen der Ahnen werden gezählt.

Die Lebenszeit von sieben Jahren gilt in diesem Falle also als gering. Ebenfalls von Bedeutung ist hier der verbalisierte Gegensatz von der Unsterblichkeit des genus bzw. der nicht näher genannten Langlebigkeit des Stockes (multosque per annos / stat fortuna domus) und der vergleichsweise kurzen Lebensdauer des einzelnen Tieres. Auch das Motiv, dass im Bienenstaat nur die Gemeinschaft zähle, weniger aber das einzelne Individuum, spielt hier sicherlich eine Rolle.77

3.2.3 Einflüsse auf die Brut Den Bienen selbst wird ein eigener Einfluss auf die Entwicklung der Brut zugeschrieben. Aristoteles berichtet, dass die Bienen die Waben der Larven gewissermaßen wie Vögel bebrüteten (τὸν δὲ γόνον ὅταν ἀφῇ, ἐπῳάζει ὥσπερ ὄρνις; Hist. an. V 22, 554 a 18 f.). Diese Aussage findet sich fast gleichlautend bei Plinius (HN 11,48): quod certum est, gallinarum78 modo incubant. – »Was sicher ist, ist, dass sie nach Art der Hennen brüten.« Zwar nennen beide Autoren an dieser Stelle keinen direkten Grund für dieses angebliche Verhalten, jedoch kann man wohl implizit daraus schließen, dass sie die Wärmezufuhr für eine wichtige Voraussetzung der Brutentwicklung halten. 77 Vgl. Dahlmann (1970b) 193 78 Bei Plinius steht an dieser Stelle also ein konkreter Vogel, nämlich die Henne, bei Aristo­teles dagegen der allgemeinere Begriff ὄρνις. Der Bedeutungsunterschied ist dagegen nicht besonders groß, zumal ὄρνις bzw. avis teilweise auch zur Bezeichnung des Huhnes verwendet werden können (vgl. Capponi [1994] 80). Zudem ist die Henne sicherlich der proto­ typische Vogel, der Brutverhalten zeigt.

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Diese Verbindung zwischen Brüten und Wärmen stellt Plinius im nächsten Abschnitt (HN 11,49) her: […] atque incubant, tum maxime murmurantes, caloris, ut putant, faciendi gratia necessarii excludendis pullis, […]. […] und sie brüten, dann summen sie sehr stark, um, wie man annimmt, die für das Schlüpfen der Brut notwendige Wärme zu erzeugen, […].

Dieses »Summen« lässt sich wohl tatsächlich beobachten. Bienen verfügen über eine indirekte Flugmuskulatur und können sie daher »zittern« lassen, ohne dass sie dann mit den Flügeln schlagen. Dieses »Muskelzittern« dient der Wärmeproduktion und lässt sich folglich vor allem in der kalten Jahreszeit beobachten.79 Interessanterweise scheint Columella den Beitrag der Drohnen zur Fortpflan­ zung in erster Linie im Bebrüten der Brut zu sehen (Rust. 9,15,2): Verumtamen ad procreationem subolis conferre aliquid hi fuci videntur, insidentes seminibus quibus apes figurantur. Itaque ad fovendam et educandam novam prolem familiarius admittuntur. Gleichwohl scheinen diese Drohnen irgendetwas zur Erzeugung der Nachkommenschaft beizutragen, indem sie auf den Samen sitzen, aus denen die Bienen gebildet werden. Deshalb werden sie zum Wärmen und zur Herausbildung der neuen Nachkommenschaft eher als Mitglieder der Gemeinschaft zugelassen.

In seiner Darstellung scheinen also die Drohnen die Rolle einzunehmen, die bei Aristoteles und Plinius die Bienen innehaben, welche direkt auf den Waben brüten. An anderer Stelle dient die Wärme der Drohnen, die aus ihrer großen Anzahl resultiert, jedoch auch bei Plinius der Entwicklung der Brut (sed in fetu quoque adiuvant [sc. fuci] eas [sc. apes], multum ad calorem conferente turba; HN 11,27).80 Den beiden römischen Darstellungen ist gemein, dass sie zumindest eine gewisse Bedeutung der Drohnen für die Fortpflanzung anerkennen81 und daher ein etwas positiveres Bild von ihnen zeichnen. Als wichtiger Einfluss auf die Brut wird auch häufig das Wetter genannt. So berichtet Aristoteles (Hist. an. V 22, 553 b 19–23): ὅταν μὲν οὖν ἔαρ ὄψιμον γένηται, καὶ ὅταν αὐχμοὶ καὶ ἐρυσίβη, ἐλάττων γίνεται ὁ γόνος· ἀλλ’ αὐχμοῦ μὲν ὄντος μέλι ἐργάζονται μᾶλλον, ἐπομβρίας δὲ γόνον, διὸ καὶ ἅμα συμβαίνει ἐλαιῶν φορὰ καὶ ἐσμῶν. 79 Vgl. z. B. Wehner; Gehring; Kühn (2013) 289. 80 Drohnen scheinen tatsächlich zur Thermoregulation des Stockes beizutragen; vgl. Kovac; Stabentheiner; Brodschneider (2009). 81 Bei Plinius findet sich daher wohl die Aussage (HN 11,28): Certe quo maior eorum (sc. fucorum) fuit multitudo, hoc maior fit et examinum proventus.  – »Sicherlich (gilt), je größer deren (sc. der Drohnen) Menge war, desto größer wird das Gedeihen der Schwärme.«

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Wenn nun der Frühling spät eintritt und wenn es trockene Perioden und Getreiderost82 gibt, entsteht weniger Brut. Aber wenn es trocken ist, dann produzieren sie mehr Honig, wenn es viel regnet aber Brut. Daher trifft die Zeit der Produktivität der Olivenbäume und der Schwärme zusammen.

Die zuletzt genannte Behauptung, viele Schwärme gebe es, wenn die Olivenbäume Früchte trügen, findet sich bei Aristoteles bereits zuvor (Hist. an. V 21, 553  a 18–23; s. o. 149),83 wo die Theorie referiert wird, dass Bienen ihre Brut von den Ölbäumen eintrügen, weil die meisten Schwärme in der Zeit der Fruchtreife bei Ölbäumen abgingen. Diese Aussage ist insofern schwierig zu verstehen, als die Zeit des Schwärmens der Bienen in der Regel im Frühsommer stattfindet, die Olivenreife aber erst im Spätherbst, wenn die Stöcke immer weniger Individuen zählen. Zumindest trifft es aber zu, dass es im Mittelmeerraum vor allem im Herbst und im Winter regnet. Plinius referiert zwar die Meinung, dass es die meisten Schwärme zur Zeit der Olivenernte gebe (HN 11,18),84 an anderer Stelle (HN 11,58) spricht er jedoch vom Frühling, bei dem es entscheidend sei, ob er trocken oder feucht ausfällt: Umido vere melior fetus, sicco mel copiosus. – »Wenn der Frühling feucht ist, gibt es bessere Brut, wenn er trocken ist, größere Mengen an Honig.« Die Erklärung der These, warum Feuchtigkeit der Produktion von Brut dienen soll, liefert Aristoteles in der Schrift De generatione animalium III 10, 760 b 2–7:85 εὔλογον δὲ καὶ τοῦτο συμβαίνειν, ἐν μὲν ταῖς εὐετηρίαις μέλι καὶ κηφῆνας γίγνεσθαι πολλούς, ἐν δὲ ταῖς ἐπομβρίαις ὅλως γόνον πολύν. αἱ μὲν γὰρ ὑγρότητες περίττωμα ποιοῦσι πλεῖον ἐν τοῖς σώμασι τῶν ἡγεμόνων, αἱ δ’ εὐετηρίαι ἐν τοῖς τῶν μελιττῶν· ἐλάττω γὰρ ὄντα τῷ μεγέθει δεῖται τῆς εὐετηρίας μᾶλλον. Es ist aber völlig sinnvoll, dass auch dies zur gleichen Zeit geschieht, (nämlich), dass in schönen Jahreszeiten viel86 Honig und Drohnen entstehen, in regnerischen Zeiten all 82 Das Wort ἐρυσίβη bezeichnet in seiner Grundbedeutung einen rötlichen Belag auf Getreide und anderen Süßgräsern, der vermutlich mit dem Befall der Pflanzen durch die sogenannten Rostpilze (Puccinales) ausgelöst wird (vgl. LSJ »ἐρυσίβη« Ι). Aubert; Wimmer (1868) I 521 und Klek; Armbruster (1919) 13 übersetzen hier mit »Mehltau«. 83 Hist. an. V 21, 553 a 18: οἱ μὲν γάρ φασιν οὐ τίκτειν οὐδ’ ὀχεύεσθαι τὰς μελίττας, ἀλλὰ φέρειν τὸν γόνον […] (553 a 21) ἄλλοι δ’ ἀπὸ τοῦ ἄνθους τῆς ἐλαίας· καὶ σημεῖον λέγουσιν ὅτι ὅταν ἐλαιῶν φορὰ γένηται, τότε καὶ ἐσμοὶ ἀφίενται πλεῖστοι.  – »Die einen behaupten nämlich, dass die Bienen nicht gebären und sich nicht paaren, sondern die Brut eintragen […] andere aber (behaupten), dass sie (die Brut) von den Blüten des Olivenbaumes (eintragen): Und als Beleg sagen sie, dass, wenn die Olivenbäume Früchte tragen, dann auch die meisten Schwärme abgehen.« 84 Quippe olivae proventu plurima examina gigni certum est. – »Da es ja sicher ist, dass bei der Ernte des Olivenbaumes die meisten Schwärme entstehen.« 85 Peck (1942) ist der Meinung, dass die entsprechende Passage ursprünglich an einer anderen Stelle gestanden habe und athetiert sie daher. 86 Rein syntaktisch gesehen, bezieht sich πολλούς (viel) nur auf κηφῆνας (Drohnen).

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gemein viel Brut. Die Feuchtigkeit bewirkt mehr Zeugungsstoff 87 in den Körpern der Anführer, das schöne Wetter aber in denen der Bienen: Da sie nämlich von geringerer Größe sind, bedürfen sie des schönen Wetters in höherem Maße.

Aristoteles führt dieses Argument in der Diskussion seiner entwickelten Fortpflanzungstheorie der Bienen (s. o. 151) an. Er verwendet es als Beleg seiner Theorie, dass Bienen Drohnen hervorbringen, Könige aber die Bienen und sich selbst. Wenn es bei schönem und trockenem Wetter mehr Drohnen gibt, dann liege das daran, dass dieses Wetter angeblich den Zeugungsstoff in den Bienen vermehre. Hinter dieser Aussage steht wiederum die Theorie, dass zur Produktion von Zeugungsstoffen bzw. Samen eine gewisse Temperatur notwendig sei (s. o.  146). Allgemein gilt dabei die Regel, dass kleinere Tiere schneller kalt werden und daher einer höheren Temperatur von außen bedürfen. Gleichzeitig sei aber Feuchtigkeit ebenfalls förderlich für die Produktion von Zeugungsstoffen. Da die Weisel, die in der Theorie des Aristoteles die Bienen (Arbeiterinnen) und sich selbst hervorbringen, größer sind und daher nicht so sehr auf eine hohe Außentemperatur angewiesen sind wie die Bienen, könnten sie das feuchte Wetter besser nutzen und entsprechend viele Nachkommen produzieren. Die Aussagen, dass es mehr Honig und Drohnen bei schönerem Wetter gebe, bei feuchterem Wetter aber mehr Brut, wird von Aristoteles auf diese Weise also als Beleg seiner Fortpflanzungstheorie herangezogen. Ob sich dies tatsächlich so beobachten lässt, ist fraglich (s. aber o. 160 Anm. 49). Sicherlich kann es zutreffen, dass man bei gutem Wetter eine größere Honigproduktion feststellen kann. Dies hängt aber damit zusammen, dass Bienen bei Regen nicht ausfliegen können, wie es bereits in der Antike bekannt war (s. u. 332). Möglicherweise nahm man nach dem Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit, welches sich häufiger in der antiken Literatur findet, an, dass im Gegenzug bei schlechtem Wetter mehr Brut entsteht. Man sollte zudem die Analogie zur menschlichen Gesellschaft bedenken. Wenn sich Bienen also um einen Bereich kümmern, wie z. B. die Honigproduktion, haben sie keine Zeit und Kräfte, anderen Aufgaben, wie z. B. der Aufzucht von Jungen, in ausreichendem Maße nachzukommen. Diese Ansicht scheint Columella zu vertreten, der daraus auch konkrete Handlungsanweisungen für den Imker ableitet (Rust. 9,13,13 f.): Est et illa causa interitus quod interdum continuis pluviis plurimi flores proveniunt et apes magis mellificîs quam fetibus student. Itaque nonnulli, quibus minor est harum rerum scientia, magis fructibus delectantur, ignorantes exitium apibus imminere, quae et nimio fatigatae opere plurimae pereunt, nec ullis iuventutis supplementis confrequentatae novissime reliquae intereunt. (14) Itaque si tale ver incessit, ut prata atque etiam 87 Περίττωμα meint grundsätzlich etwas, das übrig ist bzw. übrig bleibt, und kann somit auch die Überreste von Nahrung oder Ausscheidungen bedeuten. Aristoteles bezeichnet damit aber auch einen Zeugungsstoff vor allem bei kleinen Tieren (z. B. Arist. Gen. an. I 18, 725 a 3 f.); vgl. Klek; Armbruster (1919) 23 Anm. 7.

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pascua floribus abundent, utilissimum est tertio quoque die exiguis foraminibus relictis, per quae possint spirare, alvorum exitus praecludi, ut ab opere mellifici avocatae apes, quoniam non sperent se posse ceras omnis liquoribus stipare, fetibus expleant. Es ist auch jenes eine Ursache des Unterganges, dass manchmal durch andauernde Niederschläge zu viele Blüten hervorkommen und die Bienen sich mehr um die Bereitung des Honigs als um die Brut bemühen. Deshalb freuen sich einige, die allzu geringe Kenntnis dieser Dinge besitzen, mehr über die Erträge, ohne zu wissen, dass den Bienen der Untergang droht. Diese sterben auch recht zahlreich, wenn sie durch allzu große Mühen erschöpft sind, und die übrigen sterben zuletzt auch, wenn sie nicht durch Verstärkungen mit jungen (Bienen) vermehrt worden sind. (14) Wenn daher solch ein Frühjahr eingetreten ist, dass die Wiesen und auch die Weiden über und über von Blüten bedeckt sind, ist es sehr hilfreich, wenn man an jedem dritten Tag den Ausgang der Stöcke verschließt, wobei man winzige Öffnungen lässt, durch die sie atmen können, sodass die Bienen von der Honigerzeugung abgehalten sind, (und dann), da sie ja nicht mehr die Hoffnung haben, alle Waben mit Flüssigkeit befüllen zu können, diese mit Brut ausfüllen.

Das Element, dass es entweder viel Brut oder viel Honig gibt, findet sich also bei Columella wieder. Im Gegensatz zur Darstellung bei Aristoteles und Plinius ist die Verbindung zum Wetter aber umgekehrt: Bei Feuchtigkeit gibt es mehr Honig, weil es dann mehr Blumen gibt, und weniger Brut, weil dafür weniger Zeit bleibt. Zudem zeigt sich in der Passage, wie stark die Bienen in dieser Darstellung vom Menschen abhängig sind. Sie sind nicht in der Lage, selbst einen vernünftigen Mittelweg zwischen der Produktion von Honig und der von Brut zu finden, sondern der Mensch muss eingreifen und, falls notwendig, die Bienen am Ausfliegen hindern. Im Gegensatz zu Aristoteles wird keine komplexe physiologische Theorie mit den vermeintlichen Beobachtungen in Verbindung gebracht. Das einfache Prinzip, dass nur eine begrenzte Kraft und Zeit zur Verfügung steht, um die täglichen Aufgaben zu erfüllen, verbunden mit dem Konzept der unselbstständigen Bienen,88 die der menschlichen Hilfe bedürfen, ermöglichen es Columella relativ einfache Gegenmaßnahmen zu nennen. Palladius schließt sich Columella in seinen Ausführungen zum Monat März (Op. 4,15,3) an: Nocet apibus plerumque felicitas sua. nam si nimiis floribus annus exuberat, dum solam curam gerendi mellis exercent, de prole nil cogitant. cuius omissa reparatione populus idem labore confectus extinguitur totius gentis exitio. itaque cum mellis nimietatem videris ex florum grandi et continua messe defluere, interiectis ternis diebus clauso foramine non eas patiaris exire. ita ad generandam subolem conferentur. 88 Dieses zeigt sich explizit z. B. in folgender Aussage (Columella Rust. 9,9,1): Semper quidem custos sedule circumire debet alvaria, neque enim ullum tempus est quo non curam desiderent […]. – »Immer muss ein Hüter freilich emsig die Bienenstöcke inspizieren, denn es gibt keine Zeit, in der sie nicht der Sorge bedürfen […].«

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Es schaden den Bienen aber meistens ihre ertragreichen Zeiten. Denn wenn das Jahr übermäßig viele Blumen hat, dann kümmern sie sich, so lange sie sich allein nur um den Honigeintrag sorgen, überhaupt nicht um die Brut. Wenn die Erneuerung durch diese wegfällt, wird dasselbe Volk aufgrund der Mühe erschöpft durch den Untergang des gesamten Stammes ausgelöscht. Wenn dir daher ein Übermaß an Honig aus umfangreicher und andauernde Ernte von Blüten herzukommen scheint, dann gestatte ihnen nicht auszufliegen, indem nach jeweils drei Tagen der Ausgang verschlossen wird. So werden sie dazu gebracht, Nachwuchs zu erzeugen.

Feuchtigkeit und Trockenheit spielen bei Palladius gar keine direkte Rolle mehr. Er geht nur noch von der Annahme aus, dass die Bienen nicht beide Aufgaben – Honigproduktion und Nachkommenaufzucht  – gleichzeitig in vollem Maße wahrnehmen können. Diese einseitige Fokussierung und fast schon Hilflosigkeit der Bienen findet sich bei anderen Autoren, wie etwa Aristoteles oder Plinius (siehe aber zur blapsigonia im Folgenden), so nicht. In ihren Beschreibungen sind die Bienen gar selbst in der Lage vorauszusehen, ob ihnen viel Honig oder viel Brut zur Verfügung stehen wird, und dann entsprechend ihre Produktion von Königen und Drohnen anzupassen (s. o. 160). Bei allen Unterschieden im Detail ist beiden Darstellungen aber gemein, dass die Bienen eine sehr selbstständige und vorausschauende Fortpflanzungspolitik betreiben. Das Bienenkonzept ist in diesem Punkt ein diametral anderes als es uns etwa bei Columella oder bei Palladius begegnet. Als eine die Brut betreffende Krankheit nennt Plinius die sogenannte blapsi­ gonia (HN 11,64), bei der die Bienen die Brut nicht vollständig aufziehen (si ­fetum non peragant). Das Wort ist griechischen Ursprungs (βλάπτω  – »schaden«, γόνος – »Brut«), jedoch in den erhaltenen griechischen Quellen nicht belegt. König und Hopp89 sowie Capponi90 verweisen auf den Bericht Columellas (Rust. 9,13,13), dass sich die Bienen bei einem zu großen Angebot an Blüten nicht mehr um die Brut kümmerten (s. o. 172). Falls es sich um denselben Sachverhalt handelt, ist es interessant zu sehen, dass Plinius dies hier als eine Krankheit darstellt, also eine Abweichung vom Normalzustand, Columella (und Palladius) jedoch als eine den Bienen stets innewohnende Verhaltensweise. Letztlich ist aufgrund der knappen Aussage des Plinius, der insbesondere die Begründung des Fehlverhaltens und die Gegenmaßnahmen fehlen, fraglich, ob es sich um dieselbe Vorstellung handelt. Dem bei Columella und Palladius genannten Verhalten scheint auch eher die Krankheit zu entsprechen, die Plinius claros (HN 11,64) nennt. Von dieser Krankheit befallene Stöcke sollen die Waben nicht ausfüllen. Eine weitere Krankheit, die die Brut betrifft, nennt Plinius in HN 11,50: 89 Vgl. König; Hopp (1990) 198. 90 Vgl. Capponi (1994) 195.

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fit in favis quibusdam qui vocatur clavus, amarae duritia cerae, cum fetum inde non eduxere morbo aut ignavia aut infecunditate naturali; hic est abortus apium. Es entsteht in gewissen Waben etwas, das clavus genannt wird, durch eine Verhärtung des bitteren Wachses, wenn sie die Brut aufgrund von Krankheit, Untätigkeit oder natürlicher Unfruchtbarkeit nicht aufgezogen haben; dies ist die Fehlgeburt der Bienen.

Was genau mit diesem clavus gemeint ist, lässt sich nicht rekonstruieren. König und Hopp91 vermuten, es handle sich um die sogenannte Faulbrut, die durch Bakterienbefall der Brut ausgelöst wird. Möglicherweise lässt sich clavus aber – allerdings wohl nur indirekt – auch auf den sogenannten κλῆρος des Aristoteles (Hist. an. VIII 27, 605 b 9–13; IX 40, 626 b 15–19) zurückführen.92 Dabei handelt es sich wohl um die sogenannten Wachsmotten (es gibt mehrere moderne Arten),93 die ihre Eier in Bienenstöcken ablegen und deren Larven dann, wie bei Aristoteles beschrieben, Gespinste im Wachs bilden und sich von Pollenresten und Wachs ernähren.94 Dieser Schädling wird auch von den lateinischen Quellen beschrieben,95 jedoch meist tinia bzw. tinea genannt. Plinius verwendet den Begriff claros (HN 11,64), wie bereits gesagt, um die Krankheit zu bezeichnen, bei der die Bienen die Waben nicht füllen. Hier könnte ein ähnliches Phänomen vorliegen wie bei der ungenauen Übertragung der griechischen Begriffe für die unterschiedlichen Bienenarten (s. o. 162).

3.3. Wespen und verwandte »Arten« Berichte über die Fortpflanzung und (Larval-)Entwicklung der Wespen und nahe verwandter Arten finden sich vor allem in der Schrift De generatione animalium (III 10) und in der Historia animalium (V 23 und IX 41 f.) des Aristoteles. Von all diesen Passagen ist der Bericht des Plinius abhängig (HN 11,70–74). Auf den ersten Blick erscheint die Fortpflanzung der Wespen in der Darstellung des Aristoteles (und des von ihm abhängigen Plinius) relativ eindeutig. Wie auch die Ameisen (s. 3.4) zählen die Wespen zu den Insekten, die sich wie die Bluttiere sexuell fortpflanzen (Gen. an. I 16, 721 a 2–5): Τῶν δ’ ἐντόμων τὰ μὲν συνδυάζεται καὶ ἡ γένεσις αὐτῶν ἐστιν ἐκ ζῴων συνωνύμων καθάπερ ἐπὶ τῶν ἐναίμων, οἷον […] καὶ οἱ σφῆκες καὶ οἱ μύρμηκες, […].

91 Vgl. König; Hopp (1990) 194. 92 Vgl. Heigl (1885) 17. 93 Vgl. Klek; Armbruster (1919) 37 f. Anm. 5. 94 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 510. 95 Z. B. Var. Rust. 3,16,17; Verg. G. 4,246 f.; Columella Rust. 9,14,2.8; Plin. HN 11,65 f.; Pall. Op. 4,15,4.

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Von den Insekten paaren sich die einen und entstehen aus Tieren gleichen Namens, genau wie bei den Bluttieren, wie […] die Wespen und die Ameisen, […].

In der kurzen Abhandlung in De generatione animalium scheinen es ausschließlich die sogenannten μῆτραι96 zu sein, die sich miteinander paaren und die Brut hervorbringen (Gen. an. III 10, 761 a 6–8): γεννῶσι μὲν γὰρ αἱ μῆτραι καλούμεναι […], ὀχευόμεναι δὲ γεννῶσιν ὑπ’ ἀλλήλων· ὦπται γὰρ πολλάκις ὁ συνδυασμὸς αὐτῶν. Denn es gebären die sogenannten Wespenmütter […], sie gebären, indem sie voneinander begattet werden. Denn ihre Paarung ist schon oft beobachtet worden.

Aus dieser Aussage lässt sich schließen, dass Aristoteles an dieser Stelle trotz der Bezeichnung μήτρα zumindest in Bezug auf das biologische Geschlecht von männlichen und weiblichen μῆτραι ausging97 (für eine ausführlichere Diskussion der Geschlechtervorstellungen s. Kapitel 5). Es entspricht auch dem heutigen Kenntnisstand, dass sich Wespenköniginnen und Wespendrohnen teilweise bereits im Nest paaren98 und die Paarung zudem nie in der Luft wie bei Bienen, sondern am Boden stattfindet,99 sodass es an dieser Stelle keinen Grund gibt zu bezweifeln, dass man in der Antike tatsächlich Paarungen im Wespennest beobachten konnte.100 Für weitere Ausführungen und Details zu den Wespen sowie zum Verhältnis ihrer Arten zueinander und auch zu den Bienen verweist Aristoteles am Ende seiner Ausführungen in De generatione animalium (III 10, 761 a 8–11) auf die Historia animalium. Gerade die Fortpflanzungsbiologie der Wespen stellt sich dem Rezipienten allerdings in den Passagen dieses Werkes nicht so einfach und klar dar wie in dem kurzen Abschnitt in De generatione animalium und scheint den hier zunächst dargelegten Aussagen in zentralen Punkten zu widersprechen. So lässt sich aus dem Beginn der Behandlung der σφῆκες und ἀνθρῆναι im 5. Buch der Historia animalium (V 23, 554  b 22–25) schließen, dass beide Tierarten wohl auch ohne ἡγεμόνες auftreten und trotzdem Brut (γόνος) hervorbringen können. Lediglich der Ort der Nestwahl sei dann unterschiedlich.101

96 Zur Bezeichnung μήτρα für das Vollweibchen bei den Wespen s. 2.6 und 5.4. 97 So Klek; Armbruster (1919) 25 f. Anm. 5; Mayhew (1999) 131. 98 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 658. 99 Vgl. z. B. Witt (2009) 20–22. 100 Weitere Erwähnungen der Paarung bei Arist. Hist. an. IX 41, 628 b 14 und auch bei Plin. HN 11,70. 101 Auch in Hist. an. IX 41, 628 a 34 f. heißt es: ἐν δὲ τοῖς πλείστοις σφηκίοις ἔνεισιν αἱ μῆτραι καλούμεναι – »In den meisten Wespennestern befinden sich die sogenannten Wespenmütter.« Dies bedeutet wohl, dass es auch Ausnahmen von dieser Regel gibt.

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In der Besprechung der Wespen im 9. Buch der Historia animalium errichten die Wespenmütter im Frühjahr zunächst die ersten Waben und sorgen dann für die erste Brut von Wespen (gemeint sind wohl die modern so genannten Arbeiterinnen), wie es dem heutigen Kenntnisstand in etwa entspricht (s. 1.4.3). In Hist. an. IX 41, 628 a 10–14 heißt es: ἡ δὲ γένεσις τῶν σφηκῶν ἐστι τοιάδε· οἱ ἡγεμόνες […] πλάττονται τὰ κηρία καὶ συν­ ίστανται οὕς καλοῦσι σφηκωνεῖς τοὺς μικρούς, […] ἐν οἷς σφῆκες γίνονται καὶ οὐ μῆτραι. Die Entstehung der Wespen ist folgendermaßen: Die Anführer […] bilden die Waben und es entstehen die sogenannten kleinen Waben des Wespennestes […], in denen die Wespen entstehen und nicht die Wespenmütter.

Im Folgenden (IX 41, 628  a 16–18) wird weiter ausgeführt, dass die jeweilige Wespenmutter im Herbst, bei der größten Ausdehnung des Nestes,102 keine »normalen« Wespen, sondern nur noch neue Wespenmütter erzeuge ([…] οὐκέτι σφῆκας γεννᾷ ἀλλὰ μήτρας). In dieser Passage ist es also eindeutig, dass die Wespenmütter sowohl die Wespen als auch die neuen Wespenmütter hervorbringen, wie es auch dem modernen Kenntnisstand entspricht. Dennoch wird die Fortpflanzung noch ein weiteres Mal in dieser Abhandlung über die Wespen besprochen (IX 41, 628 b 14–19): ὠμμένοι δ’ εἰσὶν ὀχευόμενοι ἤδη καὶ τῶν ἄλλων τινές· εἰ δ’ ἄκεντροι ἄμφω ἢ κέντρα ἔχοντες, ἢ ὁ μὲν ὁ δ’ οὔ, οὔπω ὦπται. καὶ τῶν ἀγρίων ὀχευόμενοι ὠμμένοι, καὶ ὁ ἕτερος ἔχων κέντρον· περὶ θατέρου δ’ οὐκ ὤφθη. Einige von den anderen sind schon bei der Paarung beobachtet worden; ob sie aber beide ohne Stachel waren oder beide einen hatten, oder die eine einen Stachel hatte, die andere aber nicht, ist noch nicht beobachtet worden. Auch von den wilden (Wespen) sind welche bei der Paarung beobachtet worden, wobei die eine von beiden auch einen Stachel hatte; bei der anderen aber ist das nicht beobachtet worden.

Mit τῶν ἄλλων τινές müssen wohl die ἡμερώτεροι σφῆκες gemeint sein, die in diesem Kapitel von den ἄγριοι σφῆκες unterschieden werden (s.ο. 73).103 Die Frage nach dem Stachel ist an dieser Stelle deshalb so relevant, weil der Besitz eines Stachels bei Aristoteles als ein mögliches Zeichen für ein männliches Tier gedeutet wurde, wie es auch in der Behandlung der Fortpflanzung der Bienen der Fall ist (Gen. an. III 10, 759 b 1–5). Bei der Besprechung der Geschlechtervorstel 102 Die Angabe, das Nest habe mit Beginn des Herbstes die größte Ausdehnung, passt auch zu Berichten aus den Schriften über die Bienenzucht, wonach man vor allem im August und September mit dem vermehrten Auftreten von crabrones zu rechnen habe (z. B. Columella Rust. 9,14,10; Pall. Op. 9,7). 103 So auch Aubert; Wimmer (1868) II 308 f.

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lungen soll noch einmal auf die Passage zurückgekommen werden (s. u. 218). Offensichtlich wird hier versucht, eine mögliche zweigeschlechtliche Fortpflanzung durch Beobachtungen anzudeuten. Es stellt sich nun zunächst die Frage, was mit dem Begriff σφῆκες gemeint ist: Gerade in diesem Textabschnitt sind damit meist die Arbeiterinnen im Gegensatz zu den μῆτραι bezeichnet (z. B. in IX 41, 628 a 14.18; 628 a 35 – b 3), sodass aus dem Kontext der Schluss naheliegt, dass hier nicht die Wespen allgemein (worunter auch die μῆτραι fallen würden), sondern nur die modernen Arbeiterinnen gemeint sind. Dies würde jedoch der zuvor häufig geäußerten Aussage widersprechen, dass es die μῆτραι sind, die sowohl die μῆτραι als auch die ἐργάται hervorbringen, könnte jedoch eine Erklärung liefern für die Aussage, dass es auch Wespennester ohne ἡγεμόνες gibt (Hist. an. V 23, 554  b 22–25; IX 41, 628  a 34 f.). Man müsste, wenn man sich dieser Deutung anschließen und vor allem eine einheitliche Theorie in den verschiedenen unter dem Namen des Aristoteles veröffentlichten Passagen herstellen möchte,104 die einzelnen Aussagen wohl folgendermaßen zusammenführen: Meist paaren sich die μῆτραι untereinander und bringen dann alle anderen »Arten« hervor. Manchmal fehlen die μῆτραι aber, sodass sich die »normalen« Wespen untereinander paaren, welche möglicherweise männlichen (mit Stachel) oder weiblichen (ohne Stachel) Geschlechts sind. An die Besprechung der σφῆκες im 9. Buch der Historia animalium schließt sich die Darstellung der Lebensweisen der ἀνθρῆναι an. Über die Fortpflanzung wird nur kurz vermerkt, dass man dazu keine Kenntnisse habe (IX 42, 629 a 22–24): περὶ δ’ ὀχείας τῶν ἀνθρηνῶν οὐδὲν ὦπται πω, οὐδὲ πόθεν γίνεται ὁ γόνος. – »Bezüglich der Paarung der Anthrenen wurde nichts jemals beobachtet und auch nicht, woher die Brut stammt.« Die Entwicklung der Wespen und Anthrenen entspricht weitestgehend der der Bienen (s. 3.2.2), was bei Aristoteles durch Einschübe wie ὥσπερ αἱ μέλιτται (Hist. an. V 23, 554 b 30) oder ὥσπερ ταῖς μελίτταις (Hist. an. V 23, 555 a 4 f.) verdeutlicht wird. Aus der Zusammenstellung der disparaten Aussagen ergibt sich folgende Grundtheorie: Mit Beginn des Sommers errichten die Wespenmütter, die als einzige105 überwintert haben (Arist. Hist. an. IX 41, 627 b 29–31; 628 a 5–10; Plin. HN 11,73), ein Nest,106 in dem die ersten »normalen« Wespen entstehen (IX 41, 628 a 10–14; oben zitiert). Weil die Brut (γόνος) angeblich größer

104 Gerade der letzte Abschnitt (IX 41, 628  b 9–30) dieses Wespenkapitels enthält viele Doppelungen und greift Themen auf, die bereits besprochen sind. Beavis (1988) 190 bezeichnet dies zutreffend als »a series of disconnected notes on wasps in general.« Dies ist wohl mit dem Charakter der Historia animalium als »Materialsammlung« zu erklären. 105 In Arist. Hist. an. IX 41, 627 b 29–31 heißt es freilich, dass die ἄγριοι σφῆκες alle überwintern. In Arist. Hist. an. IX 42, 629 a 14–16 wird über die ἀνθρῆναι gesagt, dass sie alle überwinterten, die meisten, eventuell sogar alle, dabei aber stürben. 106 Zu den verschiedenen Arten des Nestbaus und des Nistplatzes s. o. 91.

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erscheint, als es von einer Wespe zu erwarten wäre, schließt Aristoteles daraus, dass sie nicht durch Geburt (τόκος) hervorgebracht wird (ὁ δὲ γόνος οὐ δοκεῖ ἐκ τοῦ τόκου γίνεσθαι, ἀλλ’ εὐθὺς μείζων εἶναι ἢ ὡς σφηκὸς τόκος [Arist. Hist. an. IX 41, 628 b 17–19]). Leider fehlt eine Angabe, wie sie stattdessen hervorgebracht werden soll. Die Brut (γόνος) wird wie bei den Bienen an die Seite einer Wabe geheftet (Arist. Hist. an. V 23, 554 b 29–31; 555 a 10–12 [bei Anthrenen]) und hat die Form eines Tropfens (σταλαγμός). Die Brut wird nicht gleichzeitig hervorgebracht, sondern es finden sich verschiedene Stadien im Stock (Arist. Hist. an. V 23, 555 a 1–4): οὐχ ἅμα δὲ ἐν πᾶσι τοῖς κυττάροις ἔνεστι γόνος, ἀλλ’ ἐνίοις μὲν ἤδη μεγάλα ἔνεστιν ὥστε καὶ πέτεσθαι, ἐνίοις δὲ νύμφαι, ἐν τοῖς δὲ σκώληκες ἔτι. Nicht in allen Waben ist zur gleichen Zeit Brut, sondern in einigen befinden sich schon so große Tiere, dass sie fliegen, in anderen aber Puppen, in anderen noch Würmchen.107

Diese Beschreibung deckt sich in etwa mit dem modernen Wissensstand108 und findet sich in ähnlicher Form auch bei Plinius (HN 11,71): fetus ipse inaequalis et varius: alius evolat, alius in nympha est, alius in vermiculo, et autumno, non vere, omnia ea. Die Brut selbst ist nicht gleichaltrig und von unterschiedlicher Gestalt, ein Teil fliegt aus, der andere ist noch im Puppen(stadium), der andere im Würmchen(stadium) und im Herbst, nicht im Frühling, (geschieht) dies alles.

Die Lesart ist an dieser Stelle nicht unumstritten. In den meisten Textausgaben findet sich statt der Konjektur et varius der Einschub ut barbaris. Dieser bereitet Probleme, da er in dem uns überlieferten Text des Aristoteles keinerlei Parallele hat und die Bedeutung generell unklar ist. König und Hopp geben den Einschub mit »wie es bei den wilden Arten üblich ist«109 wieder, obwohl dies eigentlich der Aussage des Aristoteles widerspricht, wonach wilde Tiere (ἄγρια ζῷα) meist nur einmal im Jahr gebären (Hist. an. V 9, 542 b 30 f.). Freilich muss man einräumen, dass dies noch kein hinreichendes Argument ist, da Plinius Aristoteles nicht in allem folgt, jedoch wäre eine solche Inkongruenz auffällig. Darüber hinaus ist diese Stelle bei Plinius aber im TLL als einziger Beleg für die Verwendung von barbarus in dieser Bedeutung angegeben. Capponi beispielsweise hält die 107 Zu den verschiedenen Stadien der Insektenentwicklung und insbesondere des »Fehlens« des Ei-Stadiums bei Aristoteles s. 3.1. 108 Vgl. z. B. Witt (2009) 23–26. 109 König; Hopp (1990) 57. Auch Ernout; Pépin (1947) 50 übersetzen mit »comme il est naturel chez les espèces sauvages.«

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Stelle für korrupt und schlägt vor, dass sie möglicherweise durch verschiedene Fehler in der Überlieferung aus einer Lesart wie in 〈omni〉bus ceris zustande gekommen sei, welches dem griechischen πᾶσι τοῖς κυττάροις entsprechen solle.110 Jedoch verlangt diese Hypothese, wie Capponi selbst zugesteht, viele Eingriffe im Laufe der Textüberlieferung und die vorgeschlagene Lesart beachtet nicht in ausreichendem Maße die geänderte Syntax im Text des Plinius. Neben dem stilistischen Problem der Erzeugung einer dreifachen Alliteration (ipse inaequalis in) wird nicht deutlich, welche zusätzliche Information der Zusatz in omnibus ceris bringen soll. Sinnvoller erscheint der Vorschlag von Rackham in der Loeb-­ Edition.111 Er liest an dieser Stelle nur et varius, was die Aussagen des aristotelischen Satzes zusammen mit inaequalis zusammenfassend wiedergeben könnte. Die Aussage, dass dies alles im Herbst geschehe und nicht im Frühjahr, stammt zwar auch von Aristoteles, jedoch erscheint sie dort in etwas anderem Zusammenhang (Hist. an. V 23, 555 a 8 f.): γίνονται δὲ σχάδονες οὐκ ἐν τῷ ἔαρι τούτων112, ἀλλ’ ἐν τῷ μετοπώρῳ. – »Die schadones von diesen entstehen nicht im Frühjahr, sondern im Herbst.« Beavis113 nimmt an, dass dieser Satz bei Aristoteles möglicherweise interpoliert ist, da der Begriff σχαδών oder σχάδων (beide Betonungen finden sich) üblicherweise nur für die frühen Entwicklungsstadien der Honigbiene verwendet werde. Es stellt sich dann allerdings die Frage, in welchem Zusammenhang dieser Satz in Bezug auf die Biologie der Honigbiene, wie sie Aristoteles beschreibt, Sinn ergeben würde. Zudem zeigt schon ein kurzer Blick in einschlägige Lexika, dass die Bedeutung »Larve der Biene« nur eine von mehreren Bedeutungen ist (laut LSJ, neben der hier unpassenden Bedeutung »a throw of dice«, auch »breeding-cell« und »honey-cell«). Besonders interessant für die Frage nach der Bedeutung von σχαδών an dieser Stelle sind die Scholien (KGEAPT1.2) zu einem Vers in den Eidyllia (1,147) Theokrits: σχαδόνων: σχάδονες τὰ τῶν κηφήνων κηρία114 ὥς φησιν Ἀριστοτέλης. Θεαίτητος δὲ τοὺς κηροὺς τοὺς ἔχοντας τῶν κηφήνων τοὺς γόνους, οἵτινες ἡδὺ ποιοῦσι βρῶμα. »der schadones«: schadones sind die Zellen der Drohnen, wie Aristoteles sagt. Theaitetos aber (sagt) das Wachs, das die Brut der Drohnen enthält, die süße Nahrung herstellen. 110 Capponi (1994) 116 f. 111 Rackham (1956) 474. 112 Gemeint sind wohl die zuvor genannten ἀνθρῆναι. 113 Vgl. Beavis (1988) 192 Anm. 31. 114 Wendel, der Editor der Scholia vetera Theokrits, vermutet hinter κηρία und vor ὥς φησιν Ἀριστοτέλης eine Lacuna und gibt folgende Begründung: »lac. indicavi, cum Aristoteles non favum, sed progeniem apium voce σχαδόνων significaverit« (Wendel [1914] 74 ad 18). Mit der hier vorgeschlagenen Bedeutung wird eine solche Lacuna unnötig, weil die Verweis­ stelle identifiziert worden ist.

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Die Bedeutung τὰ τῶν κηφήνων κηρία findet sich beispielsweise auch in der Suda (»σχαδόνας«; σ 1765), allerdings ohne Verweis auf Aristoteles. Möglicherweise wird in den Scholien zu Theokrit genau auf diese Stelle (Hist. an. V 23, 555 a 8 f.) angespielt, sodass σχάδονες hier mit »Drohnenzellen« zu übersetzen wäre. Die Aussage würde gut mit unserem heutigen Wissen über Wespen und Hornissen übereinstimmen, wonach die Drohnen dieser Arten tatsächlich erst im Spätsommer oder Herbst auftreten.115 Freilich muss man einräumen, dass Aristoteles den Wespen nicht direkt eigene Drohnen zuschreibt, sondern nur stachellose Exemplare, die wie Drohnen seien (dazu s. o. 89). Im auf die Aussage über die σχάδονες folgenden Satz wird zusätzlich noch angemerkt, dass das größte Wachstum bei Vollmond zu beobachten sei (τὴν δ’ αὔξησιν ἐπίδηλον λαμβάνουσιν μάλιστα ἐν ταῖς πανσελήνοις; Hist. an. V 23, 555 a 9 f.).116 Die Vorstellung, dass der Lauf des Mondes (und der Sonne) einen Einfluss auf die Entwicklung von Tieren haben kann, ist in der gesamten klassischen Antike weit verbreitet.117 Vermutlich verbirgt sich dahinter die Naturvorstellung, nach der die verschiedenen Ebenen im Sinne eines Mikro- und Makrokosmos gleichen oder zumindest ähnlichen Abläufen unterliegen.118 Wenn daher der Mond seinen größten Umfang erreicht hat, dann kann man analog annehmen, dass ebenso die Wespenbrut am meisten wächst. Vergleichbar mit dieser Stelle ist der Bericht über die verstärkte Eierproduktion der Seeigel in Vollmondnächten (Part. an. IV 5, 680 a 32–35). Ursache dafür sei, so Aristoteles, nicht eine verstärkte Nahrungszufuhr, sondern die größere Wärme bei Vollmond (οὐ διὰ τὸ νέμεσθαι καθάπερ τινὲς οἴονται μᾶλλον, ἀλλὰ διὰ τὸ ἀλεεινοτέρας εἶναι τὰς νύκτας διὰ τὸ φῶς τῆς σελήνης). Es handelt sich bei dieser Vorstellung wohl um eine Analogie zum Sonnenschein, der die Wärme bringt. Diese angenommene größere Wärme durch das Mondlicht könnte bei Aristoteles auch als Erklärung für das Wachstum der Wespenbrut herangezogen werden. Als weitere Beobachtungen führt Aristoteles noch an, dass – wie bei den Bienen – Kot nur bei den σκώληκες zu finden sei (Hist. an. V 23, 555 a 4 f.) und dass die Zellen der unbeweglichen Puppen119 verklebt seien (ἀπαλήλιπται; Hist. an. V 23, 555 a 5 f.). Als Besonderheit der Anthrenenzellen nennt er einen Tropfen Honig, der an der Wand hänge, die der Larve gegenüberliege. Offensichtlich 115 Vgl. z. B. Witt (2009) 33. 116 Diese Aussage übernimmt auch Plinius (HN 11,71): Pleniluno maxime crescent. Über Bienen findet sich keine entsprechende Ansicht. Bei Plinius heißt es lediglich, dass bei Vollmond am meisten Honig gesammelt werde (mel plenilunio uberius capitur; HN 11,38). 117 Vgl. z. B. Ernout; Pépin (1947) 182 mit vielen Belegstellen unter anderem die bereits erwähnte (53) Stelle Plin. HN 2,109; Winkler; König (1997) 237 f. 118 Vgl. Ernout; Pépin (1947) 182. 119 In den Wespen (1110 f.) des Aristophanes heißt es, dass die σκώληκες sich kaum bewegten ([…] μόλις / ὥσπερ οἱ σκώληκες ἐν τοῖς κυττάροις κινούμενοι).

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vermutet Aristoteles hier, dass dies der Ernährung der Larve dient, denn eine Ernährung durch die Arbeiterinnen, z. B. mit Fleisch,120 scheint in der Antike nicht beobachtet worden zu sein, obwohl er von einer Ernährung im Stadium der σκώληκες bei Bienen, Wespen und Anthrenen ausgeht (Hist. an. V 19, 551 a 29 – b 3; s. o. 144). Bei Bienen (μέλιτται) und Wespen (σφῆκες) scheint Aristoteles jedoch anzunehmen, dass die σκώληκες die zur Nahrung benötigten Stoffe bereits in ihrem Körper enthielten (Gen. an. III 9, 758 b 36 – 759 a 3). Den Anthrenen dient wohl nach seiner Theorie der Honigtropfen als Nahrung.121 Tatsächlich findet man wohl in vielen Zellen eines Wespennestes Tröpfchen von süßen Flüssigkeiten, da viele Arten sozialer Wespen zuckerhaltige Flüssigkeiten wie Nektar, süße Früchte, Honigtau oder auch von Bienen gestohlenen Honig sammeln und teilweise an ihre Larven verfüttern.122 Die Entwicklung der Wespenmütter wird nicht genau beschrieben. Es wird lediglich berichtet, dass die Wespenmutter im Herbst in vier oder wenig mehr zusammenhängenden Waben etwas größere σκώληκες hervorbringe, aus denen sich dann die neuen Wespenmütter entwickeln. Die Waben werden als ähnlich den Weiselzellen der Bienen bezeichnet123 (Arist. Hist. an. IX 41, 628 a 15–21). Der Aussage, dass es eine besonders große Menge an μῆτραι gebe, wenn es im Jahr zuvor viele Wespen und Feuchtigkeit gegeben habe (γεγένηται δέ που μητρῶν πλῆθος γενομένων τῷ ἔμπροσθεν ἔτει πολλῶν σφηκῶν καὶ ἐπομβρίας [Arist. Hist. an. IX 41, 628 b 27–29]) liegt vermutlich eine ähnliche Vorstellung zugrunde, wie sie bereits für das erhöhte Aufkommen von Bienenbrut bei Regen (Gen. an. III 10, 760 b 2–7) gezeigt wurde (s. o. 171). In der Theorie des Aristoteles sind Wärme und Feuchtigkeit wichtige Faktoren für die Entstehung von Brut. Insofern sollten die Wespenmütter ähnlich wie die Bienenkönige bei Regen mehr Brut produzieren können, sodass ein paralleles Auftreten von einer großen Anzahl Wespen und Regen eine logische Folge dieser Vorstellung ist. Vermutlich wird nicht nur Wespenbrut, sondern auch Mütterbrut in großer Zahl erzeugt. Da die Wespenmütter erst im Spätsommer hervorgebracht werden und überwintern, findet man sie gemäß dieser Theorie auch ein Jahr später in großer Zahl.

120 Zur Ernährung der Wespen aus der Sicht der modernen Biologie s. o. 29; zu antiken Beschreibungen s. o.  88. 121 Vgl. auch Beavis (1988) 192. 122 Vgl. z. B. Evans; West Eberhard (1970) 185 f. 123 So übersetzen Aubert; Wimmer (1868) II 307 wohl korrekt den etwas kryptischen Satz παραπλησίως δ’ ὥσπερ ἐν τοῖς κηρίοις τὰ τῶν ἡγεμόνων (Arist. Hist. an. IX 41, 628 a 20 f.).

Ameisen

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3.4. Ameisen Die Fortpflanzung der Ameisen findet in den antiken Schriften keine große Beachtung. Wie bei den Wespen geht Aristoteles auch bei den Ameisen von einer sexuellen Fortpflanzung aus, wie sie bei den Bluttieren geschieht (Gen. an. I 16, 721 a 2–5; zitiert in 175). In De generatione animalium behandelt Aristoteles die Fortpflanzung und Entwicklung der Ameisen nicht näher, was ein Indiz dafür sein kann, dass er es nicht für notwendig erachtete, weil die Fortpflanzung dem üblichen Schema der sich sexuell fortpflanzenden Insekten entspreche. In der Historia animalium findet sich ebenfalls nur eine kurze Notiz (V 25, 555 a 19–22): ὀχεύονται δὲ καὶ οἱ μύρμηκες καὶ τίκτουσι. σκωλήκια δὲ οὐ προσπέφυκεν πρὸς οὐθέν· αὐξανόμενα δὲ ταῦτα ἐκ μικρῶν καὶ στρογγύλων τὸ πρῶτον μακρὰ γίνονται καὶ διαρθροῦνται· ἡ δὲ γένεσίς ἐστι τούτοις τοῦ ἔαρος. Es paaren sich aber auch die Ameisen und sie gebären. Die Würmchen sind nirgendwo angewachsen; diese wachsen aus zunächst kleinen und runden (Würmchen) und werden lang und segmentiert; sie entstehen im Frühling.

Dies wird in verkürzter Form von Plinius (HN 11,108) übernommen: Plurima insectorum vermiculum gignunt, nam et formicae similem ovis124 vere.  – »Die meisten der Insekten gebären ein Würmchen, denn auch die Ameisen (gebären eines) ähnlich einem Ei im Frühjahr.« Durch die Formulierung des Plinius wird es noch deutlicher als bei Aristoteles, dass man bei Ameisen aufgrund der Existenz von σκωλήκια / vermicula auf eine zweigeschlechtliche sexuelle Fortpflanzung schloss, ohne dass man sie beobachtet haben musste. Im Gegensatz zu der Beschreibung der Fortpflanzung bei Wespen wird von Aristoteles auch nie behauptet, dass man eine Paarung beobachtet habe. Die Tatsache, dass sich Ameisen paaren, ist also ein reiner Analogieschluss. Diese Annahme deckt sich freilich gut mit seinem Konzept von der Ameise als ζῷον ἄναρχον (s. 6.5), für welches eine Paarung aller Individuen untereinander passender ist als die exklusive Fortpflanzung einer einzelnen »Art« bzw. Kaste in einem Nest, wie es für die eher monarchischen Wespen und gewissermaßen auch für Bienen beschrieben wird. Zudem wurden die geflügelten Geschlechtstiere in der gesamten Antike oft für eine eigene »Art« gehalten, 124 Der Ausdruck similem ovis hat einige Herausgeber vermuten lassen, dass auch in der aristotelischen Vorlage ein entsprechender Ausdruck gestanden habe, wie etwa σκωλήκια ᾠοειδῆ (Arist. Hist. an. V 26, 555 a 23) in der Besprechung der Fortpflanzung der Skorpione, die unmittelbar auf die der Ameisen folgt (vgl. Aubert; Wimmer [1868] I 527; Beavis [1988] 201, der fälschlicherweise behauptet, Aubert und Wimmer übernähmen dies in ihrem Text). Vermutlich stellt similem ovis jedoch lediglich eine Verkürzung des Ausdrucks ἐκ μικρῶν καὶ στρογγύλων τὸ πρῶτον (Arist. Hist. an. V 25, 555 a 20 f.) dar (so Capponi [1994] 175).

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die auch nicht unbedingt mit den übrigen Ameisen zusammenlebt (s. o. 96). Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die erstmals bei Aristoteles belegte Art der Fortpflanzung lange Zeit nicht hinterfragt wurde. Möglicherweise erklärt die Annahme, dass es sich im Falle der Ameisen um eine »normale« sexuelle Fortpflanzung der Insekten handle, auch die Tatsache, dass bei Aristoteles und in der Folge bei Plinius keine weiteren Entwicklungsstadien, wie etwa das der νύμφαι, beschrieben werden, weil es nicht als notwendig erachtet wurde. In manchen Texten,125 in denen von Eiern der Ameisen die Rede ist, könnte in Wahrheit die Puppe gemeint sein, die bei vielen Arten (nicht jedoch bei Messor spec.) tatsächlich in einen eiförmigen Kokon eingesponnen ist.126 Allerdings muss man einwenden, dass dies eine moderne Sicht ist. Innerhalb der Entwicklungstheorie des Aristoteles (s. o. 145) ist die Puppe tatsächlich mit einem Ei gleichzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist die Aussage nicht als falsch anzusehen. Die dahinterstehende Theorie ist nur eine andere als die moderne. Auch Aelian ging wohl von einer sexuellen Fortpflanzung und einem Sexualdimorphismus aus, wie aus der Beschreibung der Behausung der Ameisen ersichtlich wird (NA 6,43; s. auch u. 320): καὶ τὸν μὲν ἀποφαίνουσιν ὅσον ἀνδρῶνα εἶναι, ἐν ᾧ διαιτῶνται οἱ ἄρρενες καὶ ὅσον σὺν αὐτοῖς θῆλυ· τὸν δὲ ἕτερον, ἔνθα ἀποτίκτουσι κύουσαι μύρμηκες, οἱονεὶ γυναικῶνα […]. Den ersten (sc. von drei Räumen in einem Ameisenbau) machen sie gewissermaßen wie ein Männergemach, in dem die männlichen (Tiere) ihr Leben verbringen und alle Weibchen, die bei ihnen sind; den zweiten, in dem die schwangeren Ameisen gebären, wie ein Frauengemach […].

Man muss aus den Ausführungen nicht unbedingt schließen, dass Aelian bzw. seine Quellen bestimmte morphologische oder ethologische Merkmale annahmen, nach denen vermeintlich männliche von weiblichen Ameisen unterschieden werden könnten (abgesehen von Schwangerschaft und Geburt natürlich). Vielmehr ist diese ganze Beschreibung nach dem Muster eines menschlichen Haushaltes aufgebaut, sodass auch der Erwähnung, dass sich manche Weibchen im Männertrakt aufhielten, weniger eine reale Beobachtung als vielmehr ein Analogieschluss von der menschlichen Gesellschaft auf die der Ameisen zugrunde liegt. Die bei Aristoteles und Plinius erwähnte Jahreszeit der Entstehung der Ameisen, der Frühling, kann so ganz allgemein nicht auf alle Ameisen übertragen 125 Z. B. Theophr. Sign. 22,149–151; Aratus Phaen. 1,956 f.; Verg. G. 1,379 f. Zu diesen Passagen s. u.  335. 126 Vgl. z. B. Platt (1911) 255, dem sich Kidd (1997) 505 und Sider; Brunschön (2007) 143 anschließen; Keller (1980) 416; Beavis (1988) 201.

Zusammenfassung

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werden. Der jährliche Zyklus der Arten kann sehr unterschiedlich sein und ist auch von äußeren Faktoren abhängig.127 In den kalten Wintermonaten kann allerdings, da es sich um wechselwarme Tiere handelt, die Tätigkeit in der Kolonie (fast) zum Erliegen kommen, sodass die mit steigender Temperatur im Frühjahr wieder einsetzende rege Tätigkeit besonders ins Auge fallen könnte. Zudem spielt sicherlich die allgemeine Beobachtung der Fruchtbarkeit des Frühjahrs und die damit verbundenen Vorstellungen eine Rolle. Die Aussage bei Aristoteles wird allerdings durch eine weitere Passage in der Historia animalium (V 9, 542 b 27–30) relativiert, nach der sich Ameisen auch im Winter bei gutem Wetter (εὐημερίαι) und Südwind (νότια) paaren und geboren werden.

3.5. Zusammenfassung Die Fortpflanzung der Bienen (zum modernen biologischen Wissen s. 1.4.1) stellte die gesamte Antike vor ein Rätsel, weil sowohl die Dreizahl der »Arten« (Könige, Bienen und Drohnen) als auch die fehlende Beobachtung einer Paarung nicht so recht zu einer »normalen« zweigeschlechtlichen Fortpflanzung zu passen schienen. Vor allem Aristoteles nimmt sich der verschiedenen Meinungen zu dieser Thematik an und gelangt schließlich durch ein Ausschlussverfahren zu seiner eigenen Theorie. Derzufolge erzeugen die Könige, die sowohl das Männliche als auch das Weibliche in sich bergen, ohne Paarung Könige und Bienen. Letztere bringen analog Drohnen hervor, welche selbst steril sind. Er bekräftigte jedoch, dass er sich dabei nicht auf beobachtbare Fakten stützen konnte, die freilich – wenn sie denn seiner bloßen Theorie widersprechen sollten – vorzuziehen seien. Diese Passage liefert somit eine interessante Einsicht in die aristotelische Erkenntnistheorie. Aus den von Aristoteles abgelehnten Vorstellungen zur Fortpflanzung der Bienen wird vor allem die der Einsammlung der Brut von Pflanzen weiterhin prominent vertreten, etwa von Vergil in den Georgica oder von christlichen Autoren, vermutlich weil sie die besondere Reinheit der Biene betont (dazu s. 2.3.4) und  – das ist vor allem für christliche Autoren relevant  – einen naturkundlichen »Beleg« für eine Fortpflanzung ohne Sexualität liefert. Agronomische Autoren äußern sich eher zurückhaltend und implizit zu Fortpflanzungstheorien, weil sie wohl für das ökonomische Interesse an der Bienenzucht nicht so wichtig waren und daher eine eingehendere Beschäftigung mit der Naturkunde für einen Landmann nicht passend erschien, wie es Columella ausdrücklich betont. 127 Vgl. z. B. Hölldobler; Wilson (1990) 174–178, die die Unterschiede anhand der beiden mitteleuropäischen Ameisenarten Formica polyctena, welche tatsächlich vor allem im Frühjahr (bis Juli) Arbeiterinnen produziert, und Camponotus herculaneus aufzeigen.

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Zur Frage nach der Entwicklung ist es zunächst wichtig festzuhalten, dass man wohl kein Eistadium bei diesen Insekten kannte, sondern den sogenannten σκώληξ bzw. das vermiculum für das erste Entwicklungsstadium hielt. Daraus soll sich die Nymphe entwickeln, die wohl dem modernen Puppenstadium entspricht, und aus dieser schließlich das adulte Tier. Eine Besonderheit stellt die Entwicklung der Könige dar, die sich in vielen Quellen fundamental – oftmals in Abhängigkeit von der Rolle, die dem König im Stock zugeschrieben wird – von der der übrigen Bienen unterscheidet. Die Lebensdauer der Bienen wird weit überschätzt und orientiert sich eher an der Lebenszeit des ganzen Schwarmes. Die Fortpflanzung von Wespen und Ameisen wird weniger intensiv behandelt. Bei Wespen und ihren nahen Verwandten ging man wohl davon aus, dass sich in erster Linie die sogenannten Wespenmütter (μῆτραι bzw. matres) miteinander sexuell fortpflanzen und dann die übrigen Wespen sowie weitere Mütter hervorbringen. Doch muss es, da man wohl auch von Nestern ohne Wespenmutter ausging, noch andere Vorstellungen von der Fortpflanzung gegeben haben, die jedoch zumindest bei Aristoteles nicht in einer einheitlichen Theorie erklärt werden. Die Entwicklung der Brut unterscheidet sich nicht wesentlich von der der Bienen. Zu Ameisen ist in dieser Beziehung fast nichts in den erhaltenen Texten gesagt, abgesehen von der Tatsache, dass sie sich paaren und dann eine eiförmige Larve hervorbringen sollen. Die im Rahmen der Beschreibung des Ameisenbaus bei Aelian (NA 6,43) erwähnten speziellen Frauengemächer, in denen sich schwangere und gebärende Ameisenweibchen aufhalten sollen, sind wohl eher einer Analogie zur menschlichen Sphäre als tatsächlicher Naturbeobachtung geschuldet.

4. Die Bugonie und andere Zoogonien

Die den heutigen Rezipienten am meisten befremdende Theorie zur Entstehung von Bienen ist sicherlich die sogenannte Bugonie, d. h. die Entstehung von Bienen aus einem verwesenden Rind. Auch über die Entstehung von Wespen, Hornissen, Käfern, Skorpionen, Schlangen und anderen Tieren existieren ähnliche Theorien. Da die Bugonie sowohl in der antiken Literatur als auch in der modernen Forschung am genauesten und umfangreichsten beschrieben wird, soll sie zuerst behandelt werden. Anschließend sollen noch die analog gestalteten anderen relevanten Zoogonien besprochen werden.

4.1. Beschreibungen der Bugonie Es existieren verschiedene Beschreibungen, wie die Bugonie von statten gehen soll. Die älteste erhaltene – und gewissermaßen einfachste – Darstellung findet sich in der Historiarum mirabilium collectio (19,1) des Antigonos von Karystos (3.  Jhd. v. Chr.): […] ἐν Αἰγύπτῳ τὸν βοῦν ἐὰν κατορύξῃς ἐν τόποις τισίν, ὥστε αὐτὰ τὰ κέρατα τῆς γῆς ὑπερέχειν, εἶθ’ ὕστερον ἀποπρίσῃς, λέγουσιν μελίττας ἐκπέτεσθαι· σαπέντα γὰρ αὐτὸν εἰς τοῦτο διαλύεσθαι τὸ ζῷον. […] Wenn du an bestimmten Orten in Ägypten das Rind vergräbst, sodass nur die Hörner aus der Erde herausragen, (und) du dann später (diese) absägst, dann sollen – so sagt man  – Bienen herausfliegen; denn indem es verrottet, löst es sich auf (und wird) zu diesem Tier.

Ovids Schilderung der Bugonie in den Fasti (1,376–378)1 ist ähnlich einfach gehalten:   »qua«, dixit, »repares arte requiris apes? obrue mactati corpus tellure iuvenci:   quod petis a nobis, obrutus ille dabit.«   »du fragst«, sprach er, »durch welche Kunst du die Bienen zurückerlangen kannst? Bedecke den Körper eines geschlachteten jungen Stieres mit Erde:   Was du von mir erbittest, wird dir jener begraben geben.« 1 Wie in den Georgica Vergils wird dies im Rahmen des Aristaeus-Mythos geschildert. Hier spricht Proteus zu Aristaeus.

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Die Bugonie und andere Zoogonien

In den Metamorphosen (15,361–374) findet sich eine weitere kurze Schilderung der Bugonie und anderer Zoogonien. Nach Plinius’ Darstellung (HN 11,70) ist gar das Bedecken der Mägen oder Bäuche toter Rinder mit Mist allein ausreichend, um neue Bienenschwärme zu erzeugen.2 Plinius führt für dieses Verfahren keine Quelle an,3 nennt aber im Folgen­den Vergil als Beleg für eine Alternative, bei der der ganze Körper eines toten jungen Stieres notwendig ist. Ein wenig komplizierter ist die Version, die in den Geoponica (15,2,21) Iuba, dem libyschen (Klientel-)König und Schriftsteller aus der Zeit des Augustus, zugeschrieben wird. Der zufolge sei es notwendig, den Stier in einer hölzernen Truhe (ἐν λάρνακι ξυλίνῃ)4 zu begraben und darin die Bienen entstehen zu lassen. Florentinus, dem dieser Abschnitt der Geoponica zugeschrieben wird, gibt jedoch einer anderen Variante den Vorzug (ὅπερ ἐστὶ καὶ ἄμεινον; 15,2,21). Für die nun folgende recht umfangreiche Beschreibung (15,2,21–36) der Vorgehensweise beruft er sich auf einen gewissen Δημόκριτος5 und Βάρων, ἐν Ῥωμαίᾳ γλώσσῃ6. Es wird dabei eine kleine würfelförmige Hütte (Kantenlänge 10 ­Ellen) 2 Plin. HN 11,70: in totum vero amissas (sc. apes) reparari ventribus recentibus cum fimo obrutis. Der TLL führt in seinem Lemma »apis« unter dem Unterpunkt »procreatio« unter anderem auch die Stelle HN 21,81 an: fimum bubulum (Einfügung des TLL) […] apesque ipsas excitat. Offensichtlich wird für excitare von den Herausgebern des TLL an dieser Stelle die Bedeutung »hervorbringen«; »entstehen lassen« angenommen und somit gesagt, dass selbst Rindermist ausreiche, um Bienen entstehen zu lassen. Es erscheint aber fraglich, ob excitare bei Lebewesen diese Bedeutung haben kann (zumindest findet sie sich nicht im entsprechenden Lemma »excito«). Wahrscheinlicher ist jedoch die Bedeutung »erregen«; »aufjagen«, da der Rauch von entzündetem Rindermist z. B. zum Ausräuchern der Stöcke verwendet wurde, wie es beispielsweise im vorhergehenden Satz (HN 21,80) gesagt wird. 3 Columella (Rust. 9,14,6) nennt Mago als Gewährsmann für dieses Verfahren. 4 Vielleicht steht die Sage von Komatas, wie sie z. B. in den Eidyllia Theokrits (7,78–89) berichtet wird, mit dieser Vorgehensweise in Verbindung. Der Hirte Komatas soll den Musen Opfer dargebracht haben und dafür von seinem Herrn in eine hölzerne Truhe (λάρναξ; 7,78) gesperrt worden sein. Nach einem Jahr habe man die Truhe geöffnet und festgestellt, dass Komatas überlebt hatte, weil ihn die Bienen mit Honig versorgt hatten. Sicherlich kann man in dieser Geschichte auch eine Verbindung zwischen Bienen und den Lieblingen der Musen erkennen (so z. B. Roscher [1883] 72; s. auch u. 364). 5 Zu einer möglichen Identifikation dieses »Demokrits« s. u. 200. 6 Möglicherweise ist hier Varro gemeint (der griechische Buchstabe β kann bereits in der Antike teilweise auch den Lautwert [v] annehmen, was zu Falschschreibungen führen kann (vgl. z. B. Karvounis [2008] 80–82), wie z. B. Flach (2002) 267 vermutet. Es erscheint jedoch sinnvoller der von Gow (1944) 15 vorgeschlagenen Konjektur Μάγων zu folgen. Denn zum einen äußert sich Varro (Rust. 2,5,5; 3,2,11; 3,16,4) in den erhaltenen Schriften nicht so umfangreich zur Bugonie, zum anderen spricht an dieser Stelle viel für Mago. Zumindest Columella nennt Demokrit und Mago neben Vergil als Gewährsleute für die Bugonie (9,14,6) und der Hinweis ἐν Ῥωμαίᾳ γλώσσῃ erscheint in Bezug auf den phönizischen Autor sinnvoller, da von ihm sowohl eine lateinische als auch eine griechische Übersetzung vorlag. Letztere soll von ihrem Übersetzer Cassius Dionysius deutlich gekürzt worden sein (Var. Rust. 1,1,10), sodass der Verweis auf den lateinischen Text als Quelle des Autors dieser Passage der Geoponica sinnvoll erscheint.

Beschreibungen der Bugonie

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errichtet, die einen Zugang und vier Fenster hat. In diese wird ein junges Rind von 30 Monaten getrieben und von umstehenden Männern totgeschlagen. Wichtig ist dabei, dass keine offenen Wunden entstehen und kein Blut hervortritt, denn dieses bringe keine Bienen hervor (οὐ γὰρ ἂν ἐξ αἵματος κυηθείη ἡ μέλισσα; 15,2,24). Dem toten Stier verschließt man anschließend alle Körperöffnungen mit pechgetränkten Leintüchern, streut Thymian aus und versiegelt die Hütte luftdicht. In der dritten Woche7 sollen dann wieder Licht und Frischluft hereingelassen werden, außer von der Seite, von der sehr starker Wind weht. Ist genügend frische Luft im Raum, wird er für weitere zehn Tage verschlossen und erst am elften wieder geöffnet. In der Zwischenzeit soll ein ganzer Schwarm Bienen entstanden sein, während vom Rind nur noch die langsam verwesenden Knochen, Hörner und Haare übrig seien. Die Könige der Bienen entstünden dabei aus dem Hirn und dem Rückenmark, die übrigen aus dem Fleisch. In einer ersten Entwicklungsstufe bildeten sich aus dem Fleisch kleine, weiße und flügellose Tiere, die dann zu wachsen begännen, Flügel entwickelten und diese allmählich zu benutzen lernten. Die vermeintliche Entstehung der Könige aus dem Rückenmark und dem Hirn könnte gewissermaßen als Analogie zu einigen Beschreibungen der Weiselzellen verstanden werden (dazu s. auch o. 163): Nach der Aussage Aelians (NA 1,59) und auch des Urhebers des hier besprochenen Abschnitts der Geoponica (15,2,15) befinden sich die Zellen der Könige (es ist nicht direkt von Brutzellen die Rede) an der Oberseite des Stockes, wie auch das Hirn und das Rückenmark bei einem vierbeinigen Tier oben gelegen sind. Zudem könnte das Rückenmark in Bezug auf Struktur und Färbung von allen Geweben eines tierischen Körpers den mit Gelee Royal gefüllten Weiselzellen am nächsten kommen. Vergils erste und technischere Beschreibung der Bugonie in den Georgica (4,281–314) ist der in den Geoponica ähnlich. Hier werden dem jungen Stier allerdings zu Beginn die Körperöffnungen verschlossen und er wird erst anschließend totgeschlagen. Zudem scheint es, als ob die errichtete Hütte nicht eigens versiegelt werden müsste. Durch eine Art »Verkochung« des Knochenmarks ([…] teneris tepefactus in ossibus umor / aestuat […]; Verg. G. 4,308 f.) entstünden hier kleine Tiere ohne Füße, die später Flügel ausbildeten und zu Bienen würden. Zu Beginn der Passage wird allerdings auch das Blut der Stiere als Grundstoff für die Entstehung der Bienen genannt (insincerus apes tulerit cruor; Verg. G. 4,285). Dies steht in einem gewissen Gegensatz zur oben zitierten Aussage in den Geoponica (15,2,24). In den Georgica wird außerdem die allgemeingültige Wirksamkeit der Bugonie eingeschränkt. Mit vielen Worten wird der Ort der Bugonie auf die Kanopus-Mündung des Nils (Verg. G. 4,287–294) und die Zeit auf den Beginn des Frühlings (Verg. G. 4,305–307) beschränkt. 7 In 15,2,14 nennt er 21 Tage als Entstehungszeit für die βουγoνεῖς: ὥσπερ δὲ αἱ βουγoνεῖς μιᾷ καὶ εἰκοστῇ ἡμέρᾳ ζῳογονοῦνται […].

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In den Georgica (4,548–558) findet sich noch eine weitere Schilderung der Bugonie, nämlich die mythische erste Bugonie des Aristaeus. Hier bringt Aristaeus den Nymphen an vier Altären in einem Hain vier junge Stiere und vier junge Kühe als Sühnopfer dar und erhält dafür seine Bienen zurück. Die Beschreibung erinnert eher an ein römisches Opferritual und bedarf möglicherweise deshalb keiner detaillierten Schilderung des Ablaufes, weil die Kenntnis beim intendierten Rezipienten der Georgica vorauszusetzen war.8 Isidor von Sevilla beschreibt die Bugonie ebenfalls kurz (Etym. 12,8,2; weitere Erwähnung in 11,4,3). Allerdings scheint er davon auszugehen, dass zuerst das Rind getötet und anschließend der Kadaver geschlagen wird (Etym. 12,8,2): Nam pro his creandis vitulorum occisorum carnes verberantur, ut putrefacto cruore vermes creentur, qui postea efficiuntur apes. Denn um diese zu erzeugen, wird das Fleisch geschlachteter Jungstiere geschlagen, sodass aus dem verwesenden Blut Würmer entstehen, die später Bienen ergeben.

Varro (Rust. 2,5,5; 3,2,11; 3,16,4) und Columella (Rust. 9,14,6) erwähnen die Bugonie nur kurz und verweisen auf ihre Quellen (s. u. 191 zu Varro bzw. 193 zu Columella), ohne eine detaillierte Beschreibung zu liefern. Entgegen seiner Quelle Vergil nennt Columella den Sommer als möglichen Zeitraum für die Bugonie. Aelian (NA 2,57) erwähnt die Bugonie in einem Kontext, in dem er die Nützlichkeit von Rindern preist, da sie sogar durch ihren Tod noch als Erzeuger von Bienen dienten. Diese Zusammenstellung der wichtigsten Beschreibungen der Bugonie in der Antike zeigt, dass es keine einheitliche, von allen akzeptierte Vorgehensweise zur Erzeugung von Bienen durch die Bugonie in der Antike gab. Dies spricht im Übrigen auch eher gegen eine häufig angenommene lange Tradition der Bugonie in Ägypten oder den anderen Ländern Nordafrikas (dazu ausführlicher 4.3.4). Lässt man die mythische zweite Bugonie der Georgica aber einmal außen vor, so erkennt man doch, dass dem Glauben an die Wirksamkeit der Bugonie bestimmte Prinzipien zugrunde liegen. Zum einen ist es in allen Beschreibungen wichtig, dass die Bienen in einem abgeschlossenen Raum und im Inneren des toten Rindes entstehen. Daher werden Maßnahmen wie das Vergraben oder Umhüllen des Kadavers getroffen und sogar die Körperöffnungen der Rinder verschlossen. Hier könnte die Vorstellung einer Seele zugrunde liegen, welche den toten Körper nicht verlassen, sondern mehreren, kleineren Seelen von Bienen neues Leben geben soll (s. u. 208).9 Zudem wird durch dieselben Maßnahmen dafür gesorgt, dass keine dem Verfahren schädlichen Einflüsse von außen auf den Transformationsprozess ein

8 Vgl. Habinek (1990) 213. 9 Vgl. Ransome (1937) 113; Whitfield (1956) 117.

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wirken können. Es scheint, als solle der Beweis erbracht werden, dass tatsächlich nur aus dem toten Rind durch eine Art der Urzeugung (s. u. 206) Bienen entstehen können. So könnte man die in den Geoponica (15,2,26) und den Georgica (4,298) geforderten Maßnahmen zur Vermeidung von Wind verstehen.10 Denn Winden  – insbesondere dem Frühlingswind Zepyhr11  – wurde eine befruchtende Wirkung zugeschrieben.12 Zudem könnte durch das Verschließen eventuell die für die Urzeugung notwendige Feuchtigkeit erhalten werden,13 obwohl dies nicht explizit gesagt wird. Die Verwendung von Thymian (Geop. 15,2,26; Verg. G. 4,304, hier zusammen mit Cassia-Zimt) ist in diesem Zusammenhang sicherlich auch kein Zufall, wird er doch stets als der beste Lieferant des Honigs14 und auch als Heilmittel für Bienen (Verg. G. 4,241.270) angesehen. Ferner soll wohl der Thymian den Gestank des verwesenden Kadavers ein wenig lindern. Eine wichtige Eigenschaft der antiken Bienenkonzepte ist nämlich ihre Reinlichkeit und ihr Abscheu vor starken Gerüchen (dazu s. 2.3.4).

4.2. Bewertung der Bugonie in den antiken Quellen In den antiken Quellen findet sich kaum eine direkte Kritik an der Wirksamkeit der Bugonie. Dies hängt vermutlich mit der weit verbreiteten Theorie der Urzeugung zusammen (s. u. 206), die auch eine Autorität wie Aristoteles vertritt, obwohl er sich nicht direkt zur Bugonie äußert. Eine relativ deutliche Distanzierung von der Bugonie findet sich aber bei Varro.15 In seinen Res rusticae erwähnt er die Bugonie dreimal (2,5,5; 3,2,11; 3,16,4), ohne dass er sie dabei genauer beschreibt. Er spricht sich zwar nie direkt gegen die Bugonie aus, der Kontext, in dem die Bugonie erwähnt wird, zeigt aber, dass er sie eher für einen Mythos hielt oder zumindest als nicht praktikabel für die Landwirtschaft erachtete. So wird die Bugonie beispielsweise in einem Atemzug mit der Entführung der Europa und der Geschichte von Melanippa und Neptun genannt (Rust. 2,5,5). Auch bei der etwas umfangreicheren Erwähnung der Bugonie im Rahmen der Besprechung der Bienenzucht (Rust. 3,16,4) 10 Anders Erren (2003) 899. 11 Nach Verg. G. 4,305–307 soll die Bugonie zu Frühlingsbeginn stattfinden. Um diesen Zeitraum näher zu charakterisieren, wird unter anderem darauf verwiesen, dass er vor dem Eintreten des Zephyrs liege. Thomas (1988) 200 merkt allerdings an, dass die Beschreibung des Frühlingsbeginns an dieser Stelle (4,305) möglicherweise topisch sein könnte. 12 Z. B. bei Pferden: Arist. Hist. an. VI 18, 572 a 13; Var. Rust. 2,1,19; Verg. G. 3,271–279; bei Hühnern Var. Rust. 2,1,19. Weitere Stellen bei McCartney (1920) 110 f. 13 Vgl. Ransome (1937) 113. 14 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 627 a 1 f.; Var. Rust. 3,16,14; Verg. G. 4,169; Columella Rust. 9,4,2; Plin. HN 11,38 f.; dazu Theophr. Hist. pl. 6,2,3. 15 Vgl. Thomas (1988) 196; anders Diederich (2007) 128.

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lässt sich eine Distanzierung erkennen. Dies ergibt sich zum einen aus dem Kontext, in dem die Bugonie angesprochen wird, und zum anderen aus den zitierten Quellen. Die Behandlung der Bienenzucht ist bei Varro, wie bereits öfter gesagt, zweigeteilt, in einen theoretischen (Rust. 3,16,2–9) von Appius gesprochenen und einen deutlich umfangreicheren praktischeren Teil (Rust. 3,16,10–38), den Merula vorträgt. Schon durch ihre Benennung  – physica und de fructu (3,16,9)  – sowie durch die zahlreichen Gräzismen im ersten Teil, die im praktischen Teil fast durchgängig durch die entsprechenden lateinischen Wörter ersetzt sind, ergibt sich eine gewisse Trennung in einen griechischen und einen römischen Teil.16 Die Bugonie (3,16,4) findet sich nur im ersten, griechischen Teil: Primum apes nascuntur partim ex apibus, partim ex bubulo corpore putrefacto. Itaque Archelaus in epigrammate ait eas esse βοὸς φθιμένης πεπλανημένα τέκνα. (Frg. II a Page) Idem: ἵππων μὲν σφῆκες γενεά, μόσχων δὲ μέλισσαι (Frg. II b Page). Zunächst entstehen Bienen teilweise aus Bienen, teilweise aus verwesenden Rinder­ leichen. Daher sagt Archelaos in einem Epigramm, dass sie »die umherfliegenden Kinder einer zugrunde gegangenen Kuh« (Frg. II a Page) seien. Derselbe (sagt auch): »Wespen (sind) die Nachkommen von Pferden, Bienen die von Kälbern« (Frg. II b Page).

Varro beruft sich dabei nicht auf einen landwirtschaftlichen Fachautor, wie z. B. den von ihm sehr verehrten Agrarschriftsteller Mago,17 sondern auf den Dichter Archelaos, einen Paradoxographen (Frg. II a und b Page).18 Dies kann man sicherlich als eine Einordnung der Bugonie in den Bereich der θαύματα ansehen, die für die praktische Landwirtschaft nicht von Belang sind. Wie bereits gesagt, wird die Bugonie im zweiten Teil nicht erwähnt. Als Mittel, um tote Bienen wiederzubeleben, empfiehlt Varro hier (3,16,37) die am Boden liegenden Tiere in einem Gefäß einzusammeln und es über Nacht an einen trockenen und warmen Ort zu bringen. Am nächsten Tag könne man dann die Bienen durch

16 Kronenberg (2009) 125–127 und Nelsestuen (2015) 204–207 sehen die beiden Teile in erster Linie als unterschiedliche Entwürfe der Bienengesellschaft, wobei der erste Teil den Bienen­staat idealisiere, der zweite aber sehr kritisch sei. Es ist aber fraglich, ob dies wirklich die Kernaussage insbesondere des zweiten Teiles ist. Vielmehr scheint es, als ob dieser gar nicht primär an einer weitreichenden Analogisierung des Bienenstaates mit dem menschlichen Staat interessiert ist, sondern sich primär den Habitus einer pragmatischen Behandlung der Bienenzucht gibt. 17 Var. Rust. 1,1,10: Hos nobilitate Mago Cartharginiensis praeteriit, […]. – »Diese (Anm.: zuvor sind griechische Autoren genannt) übertraf der Karthager Mago an Vortrefflichkeit, […].« 18 Flach (2002) 268 weist darauf hin, dass Varro Archelaos zwar öfter zitiert, jedoch an anderen Stellen nur eine Paraphrase des Inhaltes bietet. Durch das wörtliche Zitat wird hier wahrscheinlich der dichterische Charakter betont.

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Feigenholzasche und leichtes Schütteln wiederbeleben.19 Insgesamt liegt sein Fokus ohnehin eher auf dem Kauf von Schwärmen (3,16,20 f.). Noch skeptischer als Varro scheint Palladius der Bugonie gegenüber gestanden zu haben. In seinem sehr auf Praktikabilität angelegten Opus agriculturae beschreibt er die Bugonie an keiner Stelle. Dies muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass er an dem Prinzip der Erzeugung von Bienen aus toten Rindern gezweifelt hat, wohl aber dass er die Bugonie nicht als sinnvolle Methode der Landwirtschaft ansah. In diesem Punkt stimmt er vielleicht mit Columella überein, der laut eigener Aussage Celsus folgt (Rust. 9,14,6): […] quam rationem diligentius prosequi supervacuum puto, consentiens Celso, qui prudentissime ait non tanto interitu pecus istud amitti ut sic requirendum sit. […] ich halte es für überflüssig, diese Methode genauer auszuführen und stimme mit Celsus darin überein, der sehr klug sagt, dass diese Tiere nicht in einem solchen Maß sterben, dass man sie so wiedererlangen muss.

Diese Aussage wird auch in der modernen Forschung immer wieder als Erklärung dafür herangezogen, warum sich die Bugonie als Methode zur Erzeugung von Bienen so lange halten konnte:20 Möglicherweise habe es nie (oder selten) jemand ausprobiert, weil es ökonomisch keinen Sinn ergeben habe, einen Stier für einen Bienenschwarm zu opfern. Columella scheint aber keine Einwände gegen das Prinzip gehabt zu haben, eher sogar im Gegenteil.21 Zu Beginn seiner Behandlung der Bienen nennt er die Bugonie nicht unter den zahllosen mythischen Entstehungssagen der Bienen, deren Erforschung für einen Landmann nicht passend sind (Rust. 9,2,3 f.). Zudem spricht er oft von der engen Verbindung zwischen Bienen und Rindern, was sich 19 Eine ähnliche Vorgehensweise scheint Hygin vorgeschlagen zu haben, den Columella referiert (Rust. 9,13,3), aber auch zurückweist. Plinius (HN 11,69) gibt dies ebenfalls an, ohne dazu Stellung zu nehmen. Aristoteles berichtet in seiner kurzen Schrift De respiratione (15, 475 a 29 – b 5), dass Mücken und Bienen relativ lange im Wasser überleben können, weil sie nicht atmen. Sie sterben daher nach seiner Theorie nicht an Luftmangel, sondern weil kaltes Wasser in ihre Eingeweide eindringt, welches ihre innere Wärme löscht. Daher könne man die Tiere auch wiederbeleben, wenn man sie eine Zeit lang in Asche lege (vgl. dazu auch Althoff [1992] 162). Flach (2002) 289 merkt an, dass eventuell Bienen in der Kältestarre für tot gehalten worden sind. Diese Tiere könnte man möglicherweise mit solchen Maßnahmen wieder aus ihrer Starre holen. 20 Vgl. z. B. Perkell (1978) 219; Wilkinson (1969) 269; Erren (2003) 897; Morley (2007) 465. 21 Vgl. Ransome (1937) 116; Diederich (2007) 136. Perkell (1978) 215 und dies. (1989) 147 dagegen vertritt die Ansicht, dass Columella ebenso wie Varro der Bugonie skeptisch gegenübergestanden habe. Sie unterscheidet dabei aber nicht zwischen der Überzeugung, dass die Bugonie eine sinnvolle Methode der Landwirtschaft ist, und der Überzeugung, dass das Prinzip richtig ist.

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vor allem im Gebrauch von Rinderexkrementen in der Bienenzucht zeigt.22 Dies ist, wie bereits gesagt, insofern verwunderlich, als Bienen stets als besonders reinliche Tiere dargestellt werden (dazu s. 2.3.4). Explizit erklärt Columella dies mit der Verwandtschaft von Bienen und Rindern (Rust. 9,14,1): hic (sc. fimus bubulus) enim quasi quadam cognatione generis maxime est apibus aptus. – »Denn dieser (der Kuhmist) ist gewissermaßen aufgrund einer bestimmten Verwandtschaft der Herkunft am meisten für die Bienen geeignet.« Dasselbe lässt sich wohl zu Plinius sagen, der die Bugonie auch nur kurz erwähnt (HN 11,70), aber an anderer Stelle ebenfalls auf die Verwandtschaft von Rind und Biene hinweist (HN 21,81). Der Autor der Passage, die unter dem Namen des Florentinus in den Geoponica (15,2) überliefert ist, stellt die Bugonie als ein übliches und probates Mittel zur Erschaffung von Bienenschwärmen dar und vermutlich muss man dies auch für die nicht mehr erhaltenen Beschreibungen des Demokrit und des Mago annehmen. Zumindest werden sie von Columella (Rust. 9,14,6) und möglicherweise auch vom Autor der Geoponica (15,2,21)23 als Quellen genannt. Schwieriger zu bewerten ist Vergils Darstellung (G. 4,281–314), nicht zuletzt, weil es sich in diesem Falle um ein Lehrgedicht handelt. In der Rezeption wurde er als eine wichtige Quelle für die Bugonie wahrgenommen, wie z. B. das Zeugnis Columellas (Rust. 9,14,6) und des Plinius (HN 11,70) zeigt, die auf ihn verweisen. Andererseits lässt sich eine gewisse Veränderung der Diktion an dieser Stelle des Lehrgedichtes nicht leugnen: Die Bugonie wird als fama klassifiziert (G. 4,286), der Stil ist unpersönlich (eligitur [296], quaeritur [300], obstruitur [301]; geritur [305]) und das Geschehen wird ausführlich (287–294) an einen weit entfernten wundersamen Ort – die Kanopus-Mündung des Nils – verlegt. Hierin kann man eine Distanzierung der Autorpersona von den Geschehnissen sehen.24 Zu beachten ist aber ebenfalls die Funktion der Beschreibung der ersten Bugonie innerhalb des 4. Buches der Georgica: Sie bildet den Übergang und gewissermaßen das Verbindungsglied zwischen dem ersten lehrhaften Teil und dem sogenannten Aristaeus-Epyllion. Möglicherweise ist die Veränderung der Diktion als Anpassung an den Stil der folgenden mythischen Erzählung zu verstehen.25 Cramer26 erklärt die Verlegung der Bugonie ins Nildelta und in den 22 Z. B. Columella Rust. 9,13,6: Rinder- und Menschenurin als Heilmittel für Bienen (auch Plin. HN 21,72); 9,14,1: Rauch aus Rinderdung zum Reinigen; 9,14,2; Knochenmark und Mist von Rindern gegen Schädlinge; 9,14,14: Abdichten der Bienenstöcke mit Rinderdung; Letzteres findet sich bereits bei Varro Rust. 3,16,16; s. auch 4.4. Oreibasios (4. Jhd. n. Chr.) nennt Rindermist als ein Heilmittel gegen Bienen- und Wespenstiche (Libri ad Eunapium 2,1 κ 68). 23 S. o.  188 Anm. 6. 24 Vgl. Perkell (1978) 219 und (1989) 147 f.; Thomas (1988) 196. 25 Vgl. Klingner (1963) 191. 26 Vgl. Cramer (1998) 242 f.

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Frühling mit der Fruchtbarkeit sowohl des Ortes als auch der Zeit. Seiner Meinung nach soll die Bugonie damit nicht als unwirklich dargestellt werden. Aelian (NA 2,57) stellt die Bugonie als eine Tatsache dar, äußert sich aber nicht weiter dazu, sodass sich keine valide Aussage zu seiner Bewertung treffen lässt. In diesem Zusammenhang ist auch die bei Plutarch (Cleom. 60) überlieferte Geschichte vom Tod des Kleomenes in Ägypten zu nennen: Wenige Tage nach dem Tod des Kleomenes habe man an dem aufgehängten Leichnam eine große Schlange gesehen, die sich um den Kopf gewunden habe. Viele Alexandriner hätten Kleomenes nun für einen Heros und einen Sohn der Götter gehalten, bis sie eines Besseren belehrt worden seien (Cleom. 60,5): […] ἄχρι οὗ κατέπαυσαν αὐτοὺς οἱ σοφώτεροι, διδόντες λόγον, ὡς μελίττας μὲν βόες, σφῆκας δ’ ἵπποι κατασαπέντες ἐξανθοῦσι, κάνθαροι δ’ ὄνων τὸ αὐτὸ παθόντων ζῳογονοῦνται, τὰ δ’ ἀνθρώπινα σώματα, τῶν περὶ τὸν μυελὸν ἰχώρων συρροήν τινα καὶ σύστασιν ἐν ἑαυτοῖς λαβόντων, ὄφεις ἀναδίδωσι. […] bis die weiseren Männer sie davon abhielten, indem sie erklärten, dass Rinder Bienen und Pferde Wespen beim Verrotten hervorbringen, dass Käfer aber aus Eseln, die dasselbe erleiden, hervorgingen und dass die menschlichen Körper, wenn die Flüssigkeiten um das Rückenmark zusammenfließen und sie gerinnen, Schlangen hervorbringen.

Hier dienen die Bugonie und ähnliche Zoogonien als rationale Erklärung für ein Phänomen, das den als weniger weise dargestellten Menschen des Textes als göttliches Wunder erschien. In den erhaltenen Texten christlicher Autoren scheint die eigentliche Bugonie, d. h. die Entstehung der Bienen aus einem toten Rind, selten belegt zu sein, häufiger natürlich die biblische Geschichte von Simson und dem Löwen (s. u. 204).27 In einer größeren Passage (C. Cels. 4,54–62) setzt sich Origenes mit der Aussage des Kelsos auseinander, der behauptet haben soll, die Seele sei ein Werk Gottes, der Körper aber von anderer Natur (C. Cels. 4,56.59), sodass zwischen den Körpern der Tiere und der Menschen keinerlei Unterschiede bestünden und allen derselbe Untergang bestimmt sei. In diesem Rahmen soll Kelsos auch die Bugonie und ähnliche Zoogonien erwähnt haben (4,57.59). Darauf antwortet Origenes folgendermaßen (4,57): Ἐπεὶ δὲ καὶ ὁδοί εἰσι τεταγμέναι τῶν ἐν σώμασι μεταβολῶν, ἐξ οὗ κόσμος ἐστὶ καὶ ἐς ὅσον ἐστίν, […], οὐ θαυμαστὸν εἰ ἐπὶ τοῦ παρόντος ἐξ ἀνθρώπου νεκροῦ μεταπλασσόμενος ὄφις, ὡς οἱ πολλοί φασι, γίνεται ἀπὸ τοῦ νωτιαίου μυελοῦ καὶ ἐκ βοὸς μέλισσα καὶ ἐξ ἵππου σφὴξ καὶ ἐξ ὄνου κάνθαρος καὶ ἁπαξαπλῶς ἐκ τῶν πλείστων σκώληκες.28 27 Vgl. dazu z. B. Wimmer (1998) 78–81; Ronnenberg (2008) 145–148. Die beiden im Folgenden genannten Stellen finden sich bereits bei Koep (1954) 276. 28 Dabei handelt es sich interessanterweise um dieselben Beispiele, die auch in der plutarchischen Vita des Kleomenes 60,5 genannt worden sind.

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Οἴεται δὲ τοῦτο ὁ Κέλσος κατασκευαστικὸν εἶναι τοῦ μηδὲν τούτων ἔργον εἶναι θεοῦ, ἀλλὰ τὰς ποιότητας, οὐκ οἶδ’ ὁπόθεν οὕτω τεταγμένας ἐκ τῶνδε τάσδε γίνεσθαι, οὐχὶ θείου τινὸς λόγου ἔργον εἶναι, τὰς ἐν τῇ ὕλῃ ποιότητας ἀμείβοντος. Da es nun aber sogar geordnete Abläufe der Veränderungen in Körpern gibt, seit es die Welt gibt und solange es sie gibt, […] ist es nicht verwunderlich, wenn in der Gegenwart aus einem toten Menschen eine Schlange umgebildet wird, wie die meisten sagen, aus dem Rückenmark, und aus einem Rind eine Biene und aus einem Pferd eine Wespe und aus einem Esel ein Käfer und allgemein aus den meisten (toten Körpern) Würmer. Kelsos glaubt, dass dies einen Beleg dafür liefert, dass dies kein Werk eines Gottes sei, sondern dass die Qualitäten – ich weiß nicht, woher sie so geordnet aus den einen Qualitäten zu den anderen werden – nicht das Werk irgendeines göttlichen Logos seien, der die Qualitäten in der Materie verändert.

Kelsos scheint also diese Zoogonien als einen Beleg für seine These angeführt zu haben, dass die Veränderung der Qualität der Materie ohne das Einwirken eines Gottes geschehe, wogegen Origenes argumentiert, dass er gerade die Ordnung der Abläufe ohne das Handeln Gottes nicht erklären könne.29 Origenes scheint also an der Bugonie nicht zu zweifeln. Etwas anders verhält es sich mit der Bewertung der Bugonie bei Augustinus. In einer Passage seiner Schrift De moribus ecclesiae catholicae et de morbis­ Manichaeorum (2,63) setzt er sich mit dem Tötungsverbot von Tieren auseinander, das für die Manichäer wichtig war, und wirft ihnen eine gewisse Inkonsistenz vor, da sie bestimmte Tiere, wie etwa Läuse, Flöhe und Wanzen, für Schmutz des Körpers (sordes nostrorum corporum) hielten und daher töteten. Augustinus versucht dies auf verschiedene Weisen zu widerlegen, indem er zum einen festhält, dass diese Parasiten nicht direkt aus dem menschlichen Körper entstehen. Aber selbst wenn man dies annähme, dann bliebe unverständlich, wieso die Manichäer solche Tiere dann nicht für reiner (mundiora animalia) hielten als die meisten anderen, da sie ohne sexuelle Fortpflanzung entstünden, die sie ebenfalls ablehnten. Falls man aber alle Tiere, die aus den Körpern anderer ungeschlechtlich hervorgingen, für schmutzig hielte, dann müsse man die Tiere, die aus Kadavern entstehen, für die schmutzigsten (sordissima) halten. In diesem Zusammenhang erwähnt Augustinus auch die Bugonie: De apibus certe est fama celebrior, quod de boum cadaveribus oriantur. – »Über die Bienen ist sicherlich die Sage bekannter, dass sie aus Rinderkadavern entstünden.« Die Bugonie wird hier also als fama abgetan. Zudem wird sie im Folgenden als dubium bezeichnet.30 29 Ronnenberg (2008) 146 scheint nicht ganz richtig zu liegen, wenn er sagt, Origenes führe die Bugonie als ein »Exemplum für die Auferstehung des Leibes« an. 30 Koep (1954) 276 spricht von »Volksglaube«; vgl. auch Wimmer (1998) 78. Etwas kühn scheint jedoch Ronnenbergs (2008) 147 These, dass Augustinus die Bugonie nicht für besonders glaubhaft hielt, weil ihm »der mythische Hintergrund bewusst gewesen« sei, »der damit zugleich die Verbindung zur griechisch-römischen Götter- und Heroenwelt evozieren musste.« Leider führt er diesen Gedanken nicht weiter aus. Es bleibt aber festzuhalten, dass

Entstehung der Theorie

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An anderer Stelle spricht sich Augustinus dafür aus, dass die Bienen die semina filiorum mit dem Mund einsammeln (dazu s. o. 155).

4.3. Entstehung der Theorie 4.3.1 Biologische Erklärungsversuche Viele moderne Forscher glauben eine relativ einfache Erklärung gefunden zu haben, wie die Idee der Bugonie aufgekommen sein könnte. Meist wird dabei auf die sogenannte Mistbiene (Eristalis tenax L.) verwiesen.31 Es handelt sich dabei um eine Art aus der Familie der Schwebfliegen (Syrphidae), welche Bienenmimikry zeigt. Häufig wird dabei die irrige Annahme vertreten, dass E. tenax ihre Eier auf verrottendes Fleisch lege.32 Alle Syrphiden bilden aber die sogenannten Rattenschwanzlarven aus. Diese entwickeln sich in der Regel in stark verschmutzten Gewässern und sogar in Jauchegruben, wobei sie knapp unterhalb der Wasseroberfläche schweben und mithilfe einer Verlängerung ihres Hinterleibes (des »Rattenschwanzes«) Luftsauerstoff atmen können.33 In stark verschmutzten Gewässern stellt die geringe Menge des verfügbaren Sauerstoffs für viele Tiere ein Problem dar, das mit diesem »Schnorchel« umgangen werden kann. Teilweise34 wurde auch vermutet, dass sich E. tenax in den Flüssigkeiten entwickeln könnte, welche sich im Prozess der Verwesung bilden. Zwar werden seltene Fälle einer Myiasis35 durch E. tenax berichtet,36 jedoch gilt es zu bedenken, dass es sich dabei nicht um einen Befall von Kadavern handelt und außerdem eine Körperöffnung bzw. Wunde als Eintrittsstelle benötigt wird. Gerade dies wird aber durch die bei der Bugonie beschriebenen Maßnahmen verhindert. für die meisten antiken Autoren, die Bugonie eine naturkundliche und durchaus rationale, innerweltliche Fortpflanzungsmethode darstellte. Auch lässt sich in diesem Kontext bei Augustinus keine direkte Kritik an der paganen Götter- und Heroenwelt erkennen. 31 Vgl. z. B.: Osten-Sacken (1894); Olck (1897) 435; Royds (1914) 94; Shipley (1915) 103 f.; McCartney (1920) 107; Gow (1944) 15; Kingsbury (1965) 400; Wilkinson (1969) 269; Nicolaye (2008b) 121; lediglich Ransome (1937) 118 äußert Zweifel an dieser Identifikation. 32 Vgl. Olck (1897) 435; Keller (1980) 425; Kingsbury (1965) 400; Wilkinson (1969) 269; Engels (2008) 27. 33 Vgl. Bellmann; Honomichl (2007) 602. 34 Vgl. Osten-Sacken (1894) 31 und 60; Shipley (1915) 104 f.; Atkins (1948) 389. 35 Myiasis bezeichnet einen Befall von Wirbeltieren (auch Menschen) durch Fliegenlarven, welche sich im Gewebe, den Körperflüssigkeiten oder auch dem Intestinaltrakt entwickeln können. Da dies für die Larven von E. tenax jedoch nicht das natürliche Habitat darstellt, sondern ein solcher Befall eher akzidentiell ist (unbeabsichtigtes Verschlucken der Eier, Eindringen in offene Wunden bei sehr unhygienischen Bedingungen), spricht man in diesem Falle auch von Pseudo-Myiasis. 36 Z. B. Desoubeaux et. al. (2014); Raffray; Malvy (2014).

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Die Bugonie und andere Zoogonien

Die bei Vergil (G. 4,310) und in den Geoponica (15,2,32) beschriebenen ersten Vorformen der sich angeblich entwickelnden Bienen erinnern jedoch eher an die zu erwartenden Maden von Fleischfliegen (Familie der Sarcophagidae) und Schmeißfliegen (Familie der Calliphoridae). Auch ist es kaum verständlich, wie sich Imker von Mistbienen hätten täuschen lassen. Bei genauerer Betrachtung lassen sich leicht Unterschiede zwischen der Honigbiene und der Mistbiene feststellen, wie z. B. die unterschiedliche Anzahl der vollentwickelten Flügelpaare: die Biene verfügt über zwei Paar Flügel, die Mistbiene bildet wie alle Fliegen und Mücken (Ordnung der Diptera) nur ein Flügelpaar vollständig aus.37 Zudem wendet Whitfield38 ein, dass man sicherlich sehr bald festgestellt hätte, dass diese Mistbienen keinen Honig produzieren. Wahrscheinlicher erscheint der Erklärungsversuch, dass man Bienenstöcke in den Gerippen toter Tiere gefunden und anschließend daraus geschlossen habe, dass sie durch die Verwesung des Fleisches entstanden seien. Es ist vorstellbar, dass Bienen zum Nestbau auf bereits trockene Gerippe als Ankerpunkt zurückgreifen, insbesondere in trockenen Gegenden, in denen Bäume und Höhlen als natürliche Nistplätze fehlen.39 Allerdings scheint in der modernen biologischen Literatur kein solcher Fall beschrieben worden zu sein (s. allerdings u. 205 zur Geschichte von Onesilos bei Herodot) und man muss einwenden, dass Bienen eher nicht in sehr trockenen Gebieten nisten, weil ihnen dort auch die Blüten fehlen. Biologische Erklärungen allein sind also nicht ausreichend, um das Phänomen der Bugonie schlüssig zu deuten. Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen.

4.3.2 Quellenlage Strittig ist, wann und wo zum ersten Mal die Entstehung von Bienen aus Rindern beschrieben wurde. Die ersten sicheren Belege stammen aus der Frühzeit des Hellenismus, vermutlich aus den Ἰδιοφυῆ des Philitas von Kos, eines Dichters und Philologen am Hofe Ptolemaios’ I. Im Anschluss an die bereits angeführte Beschreibung der Bugonie (19,1; s. o. 187) zitiert Antigonos von Karystos einen Hexameter des Philitas (Frg. 22 CA = 17 Sbardella), in dem er die Bienen als βουγενεῖς bezeichnet (19,2): 37 In der sogenannten Historia Augusta ist in der Vita Heliogabals (26,8) ein möglicher Hinweis auf die Kenntnis der Mistbiene zu erkennen: Claudebat in cuiscemodi vasis infinitum muscarum, apes mansuetas eas appellans. – »Er schloss in Gefäße von irgendeiner Beschaffenheit eine unendliche (Menge) an Fliegen ein, welche er zahme Bienen nannte.« Mit diesen apes mansuetae könnten Mistbienen gemeint sein (vgl. Shipley [1915] 102; Atkins [1948] 389), jedoch ist deutlich, dass dem Autor bewusst war, dass es sich eigentlich um Fliegen (muscae) handelt. 38 Vgl. Whitfield (1956) 116. 39 Vgl. Ransome (1937) 116; Wilkinson (1969) 269; Erren (2003) 897.

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ᾧ καὶ φαίνεται Φιλίτας προσέχειν, ἱκανῶς ὢν περίεργος· προσαγορεύει οὖν αὐτὰς βουγενεῖς λέγων· βουγενέας φθάμενος40 προσεβήσαο μακρὰ μελίσσας. Darauf scheint auch Philitas abzuzielen, der ziemlich ausgefeilt ist; er spricht sie nun als bougeneis (rindentsprossene)  an, indem er sagt: »du eilst als erster mit großen Schritten auf die rindentsprossenen Bienen zu.«

Auch bei vielen anderen hellenistischen Dichtern (s. 4.6) findet sich die Bugonie. Die bei Varro überlieferten Fragmente des Paradoxographen Archelaos wurden bereits zitiert (s. o. 192). Hier ist zusätzlich die Entstehung der Wespen aus Pferden erwähnt (dazu s. 4.5), die sich auch in den Theriaka Nikanders (741) findet: ἵπποι γὰρ σφηκῶν γένεσις, ταῦροι δὲ μελισσῶν. – »Denn Pferde sind die Herkunft der Wespen, Stiere aber der Bienen.« Ob es für die Bugonie Quellen vor dem Hellenismus gibt und welche dies sein sollen,41 ist in der Forschung umstritten. Aristoteles jedenfalls, der sich wie bereits gezeigt (s. o. 151), intensiv mit der Fortpflanzung der Bienen beschäftigt hat, erwähnt die Bugonie an keiner Stelle. Die Wörter βουγενής oder βουγονία (oder verwandte Formen) sind zwar schon vorher belegt, scheinen aber in einer anderen Bedeutung verwendet worden zu sein. Nach Plutarch De Iside et Osiride (35, 364 F 2) war βουγενής eine Epiklese des Dionysos in Argos. Unter dem Namen des Naturphilosophen Empedokles (31 B 61,2 DK) ist auch die Junktur βουγενῆ ἀνδρόπρῳρα (»Ochsenartige mit einem Männergesicht«) in einer Passage über Mischwesen überliefert. In der Chronik des Kirchenvaters Hieronymus (1257 ann. ab Abr. = 761 v. Chr., p. 87a Helm) findet sich die Notiz, dass der auch sonst nur in wenigen Fragmenten erhaltene korinthische42 Dichter Eumelos (8./7. Jhd. v. Chr.) ein Werk mit dem Titel Bugonia verfasst habe (Test. 2 EGF = Test. 4 Bernabé). Die Tatsache, dass dieser Titel erst bei Hieronymus erwähnt wird, lässt gewisse Zweifel auf 40 Überliefert ist hier φάμενος, was Powell in seiner CA und Sbardella als Lesart übernehmen. Da dieses Partizip – es müsste sich wohl auf das Subjekt in προσεβήσαο beziehen – inhaltlich schwierig zu verstehen ist (Kuchenmüller [1928] 80 setzt cruces), zugleich aber ἦλθεν φθάμενος ein homerischer Ausdruck ist (Il. 23,779), schlugen Barnes und Rhode unabhängig voneinander die Konjektur φθάμενος vor. Dieser folgen auch Nowack (1927) 76 und Spanoudakis (2002) 186. Siehe ebd. für eine weitergehende Diskussion und Literaturangaben. 41 Die Tatsache, dass in Ovids Metamorphosen die Erklärung der Bugonie Pythagoras in den Mund gelegt wird, kann nicht als räumliche und zeitliche Verortung der Bugonie herangezogen werden. Es könnte jedoch zeigen, dass zumindest in der Rezeption eine Verbindung zwischen Bugonie und Seelenwanderung gesehen wurde (s. u. 209). Zum Charakter der Rede des Pythagoras in den Metamorphosen 15,75–478 vgl. z. B. Volk (2002) 64–67, die argumentiert, dass es sich dabei um die Parodie eines Lehrgedichtes handelt. 42 Erren (2003) 897 glaubt, dass es sich um eine Verwechslung mit einem ansonsten unbekannten alexandrinischen Dichter gleichen Namens handelt. Shipley (1915) 98 geht offen­ sichtlich davon aus, dass der bei Hieronymus genannte Eumelus aus Alexandria stamme, und hält ihn gar für die Quelle Vergils.

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kommen, ob Eumelos überhaupt ein solches Werk verfasst hat.43 Zudem ist über den Inhalt nichts weiter gesagt. Möglicherweise handelt es sich hier um eine Fehlinterpretation einer Stelle bei Varro. Zu Beginn der Diskussion über die Rinderzucht versichert Vaccius seinen Mitdiskutanten, dass er sich sehr gut mit dem Thema und auch mit dessen mythischen Zusammenhängen auskenne. Er beendet die Passage mit den Worten (Rust. 2,5,5)44: Sed bono animo es! Non ­minus satisfaciam tibi, quam qui Bugoniam scribit.45 – »Aber sei guten Mutes! Ich werde dich nicht weniger zufrieden stellen, als einer, der eine Bugonie schreibt.« Es handelt sich hierbei wohl nicht um ein reales Werk, sondern um ein gelehrtes Wortspiel mit Theogonia.46 Ohnehin ist aus dem Kontext deutlich, dass es sich nicht um das Entstehen von Bienen aus Rindern,47 sondern um die Genea­ logie von Rindern handelt. Schwieriger zu deuten ist die bei Columella (Rust. 9,14,6) und in den Geoponica (15,2,21) überlieferte Nachricht, dass auch Demokrit etwas zur Bugonie verfasst habe. Wenn es sich hier um den berühmten atomistischen Philosophen aus Abdera handelte, dann wäre dies ein Beleg dafür, dass die Bugonie bereits vor dem Hellenismus in der griechischen Welt bekannt war. Eine Identifizierung ist jedoch schwierig, da unter seinem Namen sehr viele Pseudepigraphien erschienen sind. Die meisten Forscher sind heute der Meinung, dass es sich bei diesem Demokrit um Bolos von Mendes handelt,48 einen hellenistischen Naturphilosophen aus dem Nildelta. Stärkstes Argument ist oftmals eine Verbindung zu Ägypten, wie man sie für die Bugonie annimmt (dazu im Folgenden 4.3.3),49 und die Tatsache, dass Aristoteles die Bugonie nicht direkt erwähnt.50 Die Identifikation des bei Columella und in den Geoponica genannten Demokrit mit dem

43 Debiasi (2015) 94–96 geht davon aus, dass es dieses Werk gab, wenngleich er vermutet, dass es möglicherweise identisch oder zumindest thematisch vergleichbar mit der Europia desselben Dichters sein könnte. Dies ist allerdings ebenso wie der mögliche Inhalt spekulativ. 44 Bernabé führt dies in seinen Testimonia zu Eumelos auf (Test. 4). In Anbetracht der Tatsache, dass Eumelos nicht von Varro erwähnt wird, wäre eine vorsichtigere Behandlung (z. B. als incertum) sinnvoller gewesen, da ohnehin nicht sicher ist, ob hier ein konkretes Werk gemeint ist (s. im Folgenden). Auch Debiasi (2015) 94–96 geht davon aus, dass Varro hier auf Eumelos anspielt, und schließt daraus gar auf den möglichen Inhalt. 45 Ich verwende die Lesart bei Flach (2006), der hier den Handschriften Parisinus 6842 A und Laurentianus 30,10 folgt. Keil hat diese Handschriften kaum oder gar nicht zur Erstellung seiner Teubner-Edition genutzt, sondern stützt sich auf die editio princeps, welche wohl das im Laurentianus 51,4 überlieferte scribsit zu scripsit verbessert. Zu den Mängeln der TeuberEdition vgl. Flach (1997) 62 f. 46 Vgl. Nowack (1927) 77; Flach (1997) 273. 47 So aber Richter; Heine (1982) 479. 48 Vgl. Gemoll (1883) 125; Wellmann (1921) 3–5; André (1970) 15; auch Ransome (1937) 114 spricht sich gegen Demokrit von Abdera aus. 49 Vgl. z. B. André (1970) 15 f. 50 Vgl. z. B. Shipley (1915) 101.

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Abderiten ist eine Minderheitenmeinung.51 Stärkstes Argument für eine solche Identifikation ist sicherlich, dass Columella Bolos von Mendes (Rust. 11,3,53) als eigenen Autor benennt und an keiner Stelle vermerkt, dass er dieselbe Person teilweise auch als Demokrit anführt.52

4.3.3 Verortung in Ägypten und Nordafrika Geht man nun von einer ersten Erwähnung der Bugonie im Hellenismus aus, dann liegt der Schluss nahe, dass diese Praxis ursprünglich aus nordafrikanischen Ländern stammt, welche die Griechen und die Römer übernommen haben.53 Teilweise wird in der Forschung der Apis-Stier (eine Beschreibung findet sich z. B. bei Hdt. 3,27–29) als möglicher Ausgangspunkt für die Entstehung der Bugonie genannt,54 denn dieser ist dem Glauben gemäß eine Verkörperungsform des Gottes Osiris, der mit Tod und Wiederauferstehung in Verbindung gebracht wird. Schon Ransome55 verweist allerdings darauf, dass der Apis-Stier nach seinem natürlichen (!) Tod mumifiziert wurde, um ein Verwesen zu verhindern. Die Beschreibung der Bugonie bei Antigonos (s. o. 187) weist eine Verbindung zu Ägypten auf.56 Sie erinnert zudem an einen Bericht aus den Historien Herodots über den Umgang mit toten Rindern in Ägypten. In 2,41,4.6 heißt es: θάπτουσι δὲ τοὺς ἀποθνῄσκοντας βοῦς τρόπον τόνδε· τὰς μὲν θηλέας ἐς τὸν ποταμὸν ἀπιεῖσι, τοὺς δὲ ἔρσενας κατορύσσουσι ἕκαστοι ἐν τοῖσι προαστίοισι, τὸ κέρας τὸ ἕτερον ἢ καὶ ἀμφότερα ὑπερέχοντα σημηίου εἵνεκεν· ἐπεὰν δὲ σαπῇ καὶ προσίῃ ὁ τεταγμένος χρόνος, ἀπικνέεται ἐς ἑκάστην πόλιν βᾶρις ἐκ τῆς Προσωπίτιδος καλεομένης νήσου […]. (41,6) ἐκ ταύτης τῆς πόλιος πλανῶνται πολλοὶ ἄλλοι ἐς ἄλλας πόλις, ἀνορύξαντες δὲ τὰ ὀστέα ἀπάγουσι καὶ θάπτουσι ἐς ἕνα χῶρον πάντες. Sie bestatten aber die toten Rinder auf diese Weise: Die weiblichen werfen sie in den Fluss, die männlichen aber begräbt jeder einzelne in den Vorstädten, wobei ein (Horn) oder auch beide Hörner zur Markierung (aus der Erde) herausragen. Wenn es aber verrottet ist und die festgelegte Zeit naht, kommt ein Kahn von der sogenannten Insel 51 Vgl. Dumont (2002) 86. 52 Wellmann (1921) 5 vermutet, dass Columella die Person teilweise Democritus teilweise Bolus nennt, weil der Name der Person Bolus Democritus sei. Dieses Argument erscheint aber nicht sehr überzeugend, weil ein Rezipient bei dem Namen Democritus wohl immer zunächst an den bekanntesten Träger dieses Namens denken würde und daher eine Klarstellung notwendig gewesen wäre. Weitere Argumente gegen eine solche Identifizierung und gegen Wellmanns methodisches Vorgehen allgemein bietet Alpers (1984) 14–16. 53 So z. B. Ransome (1937) 116; Whitfield (1956) 116 f.; Flach (1997) 273; Spanoudakis (2002) 183 f.; Diederich (2007) 128; Herren (2008) 53. 54 Vgl. Whitfield (1956) 117; Wimmer (1998) 9. 55 Vgl. Ransome (1937) 116. 56 Chomarat (1974) 186 irrt also, wenn er die Verlegung der Bugonie an den Nil allein Vergil zuschreibt.

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Prosopitis in jede einzelne Stadt […]. (41,6) Aus dieser Stadt (gemeint ist Prosopitis) fahren viele an verschiedene Orte, graben die Knochen aus, bringen sie weg und begraben sie alle an einem einzigen Ort.

Zumindest das Motiv, die Rinder zu begraben und die Hörner herausragen zu lassen, ist in beiden Texten gegeben. Vom Ansägen der Hörner und dem Herausfliegen der Bienen wie im Bericht des Antigonos ist jedoch bei Herodot nicht die Rede. Zudem galten Rinder allgemein und insbesondere der Apis-Stier als heilige Tiere, deren Opferung streng reglementiert war (siehe z. B. Hdt. 2,38–41). Eine gezielte Tötung von Rindern, um Bienen zu erzeugen, erscheint vor diesem Hintergrund eher unwahrscheinlich. Im sogenannten »Mythos vom Sonnenauge« findet sich eine Erwähnung der Bugonie. Hier bringt die Göttin Neith in Gestalt einer Kuh die Bienen hervor.57 Ob sich dies als Ausgangspunkt für die in den griechisch-römischen Quellen beschriebene Bugonie definieren lässt, ist allerdings fraglich. Denn zum einen verwest die Göttin in dieser Passage ja nicht. Zum anderen – und das ist sicherlich der bedeutendere Einwand – stammt die früheste demotische Version dieses Mythos aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. (eine griechische Version aus dem 3.  Jhd. n. Chr.).58 Obwohl der Text viele Formulierungen enthält, die auf deutlich ältere Vorläufer schließen lassen,59 erscheint es vor diesem Hintergrund eher wahrscheinlich, dass die griechisch-römische Bugonie Vorbild für diese Passage war, zumal im Text beispielsweise Fabeln auftauchen, die sich auch im Corpus Aesopicum finden.60 Eine weitere Möglichkeit, die Entstehung von Bienen aus Rindern mit Ägypten zu verbinden, könnte eine fehlerhafte Übertragung aus dem Ägyptischen sein. Die übliche Bezeichnung für Biene im Ägyptischen lautet bj.t. Gerade in jüngeren Schriften aber, wie z. B. dem Text des Papyrus Salt 825, in dem von der Entstehung der Bienen aus den Tränen des Gottes Ra die Rede ist,61 wird auch die Bezeichnung 'ff gewählt. Diese kann sowohl die Bedeutung »Fliege«; »Mücke« als auch »Biene« haben.62 Möglicherweise liegt hier also ein Missverständnis vor, wenn in einem ägyptischen Bericht, der aussagen sollte, dass einem Rinderkadaver Fliegen entstiegen, das entsprechende Wort 'ff in der griechischen Übertragung mit μέλισσα wiedergegeben wurde. Dass Maden sich auf Leich 57 Vgl. Hoffmann; Quack (2007) 209 mit Anm. 331 und 332 sowie Feierabend (2009) 53. 58 Vgl. Hoffmann; Quack (2007) 195. 59 Vgl. ebd. 60 Vgl. ebd. 197. 61 Vgl. Derchain (1965) 137. Feierabend (2009) 53 verweist darauf, dass Ra wiederum aus Neith in Gestalt einer Kuh entstanden sei und leitet so eine Verbindung zur Bugonie her. Siehe dazu aber den vorangehenden Abschnitt. 62 Für den Hinweis auf den Papyrus Salt und vor allem auf den möglichen Fehler bei der Übertragung, der sich aus der Ambiguität des Wortes 'ff ergibt, danke ich der Ägyptologin Dr. Sonja Gerke.

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namen und vor allem zunächst in den Augen (dies ist möglicherweise eine Parallele zur Entstehung der Bienen im Papyrus Salt) bilden, war auch in Ägypten bekannt. Diese Maden konnten sich – so die ägyptische Vorstellung – nicht nur in Fliegen und Käfer verwandeln, sondern auch in Vögel und Fische.63 Eine direkte Parallele zur Bugonie stellt dies allerdings nicht dar und die Erkenntnis, dass sich Maden auf Leichen bilden, sowie das ebenfalls in diesen Texten ausgedrückte Prinzip der Urzeugung (s. u. 206) mussten die Griechen nicht erst von den Ägyptern während des Hellenismus übernehmen, da dies schon zuvor bekannt war. Wellmann64 vertritt die These, dass die Technik der Bugonie nicht aus Ägypten stammen könne, und nimmt stattdessen eine punische Herkunft an. Offensichtlich fällt es ihm schwer, die »eherne Unverschämtheit, mit der dieser Schwindel vorgetragen wird« und »das Zauberkunststück«65 einem Griechen zuzuschreiben. Er hält Mago für die Primärquelle der Technik der Bugonie, weil seiner Meinung nach Nordafrika das Land der Viehwirtschaft und der Bienenzucht66 gewesen sei. Dieses Argument ist jedoch nicht besonders überzeugend, wenn man bedenkt, dass durchaus auch andere Gegenden, insbesondere der attische Hymettos und das sizilische Hybla (dazu s. u. 374), viel berühmter für ihre Bienenzucht waren. Der Verweis67 auf die nordafrikanische Herkunft der Autoren Iuba68, Mago und Bolos von Mendes – falls dieser wirklich der bei Columella (9,14,6) und in den Geoponica (15,2,21) überlieferte Demokrit ist (s. o. 200)  – sind ebenfalls nicht zielführend für eine Verortung der Praxis der Bugonie in Ägypten oder im übrigen Nordafrika. Denn sowohl Iuba als auch Bolos von Mendes dürften stark von der griechisch-römischen Kultur geprägt gewesen sein und auch Mago war, wenn wir einer Notiz bei Plinius69 Glauben schenken dürfen, des Griechischen 63 Vgl. Leitz (1994) 38–46 mit zahlreichen Beispieltexten. Diesen Hinweis verdanke ich wiederum Sonja Gerke. 64 Vgl. Wellmann (1921) 24 f. 65 Ebd. 66 Wellmann führt keine Belege für seine These an, möglicherweise hat er aber Plinius (HN 11,33) im Sinn, der Africa neben Kreta und Zypern als eine Region nennt, in der viel Honig entsteht. Zudem könnte man noch eine Anmerkung Herodots (4,194) nennen, wo von den »Gyzanten« gesagt wird, ihr Land verfüge über viele Bienen und bestimmte Männer stellten Honig sogar selbst her (s. auch u. 383; dieser Bericht geht wohl auf Hekataios von Milet 1 Frg. 337 FGrH zurück). 67 So z. B. Gow (1944) 15. 68 Gemoll (1883) 30 zweifelt ohnehin an der Echtheit dieser Zuschreibung, da die Erwähnung in der syrischen Version der Geoponica fehle und es schwierig sei, die entsprechende Passage in das uns bekannte Werk des Iuba einzufügen. 69 Plin. HN 21,111: idem (sc. Mago) oiston adicit a Graecis vocari, quam inter ulvas s­ agittam appellamus. – »Derselbe fügt an, dass das, was wir unter den Sumpfgräsern sagitta (»Pfeil«) nennen, von den Griechen oistos genannt wird.« Dazu kann man eventuell auch Columella Rust. 6,26,2 ergänzen.

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mächtig. Zudem ist die Beschreibung der Bugonie bei Antigonos von Karystos älter als die des Mago, so er denn auf das Ende des 3. oder Anfang des 2. Jhd. v. Chr. zu datieren ist.70 Aus dem jüdischen Kulturraum ist die Geschichte von Simson überliefert (im Buch Richter 14,5–9), der einen jungen Löwen erschlagen haben soll. Als er später noch einmal nach dem Kadaver sieht, findet er dort einen Bienenschwarm und nimmt Honigwaben heraus. Diese Geschichte ist der Bugonie zwar sehr ähnlich, jedoch entstehen die Bienen in diesem Falle gerade nicht aus einem Rind.71 Der jüdische Philosoph Philon von Alexandria nennt als eine mögliche Ursache für das Verbot, Honig zu opfern (Lev. 2,11), die Unreinheit der Biene, weil sie aus Kadavern entstehe (De specialibus legibus 1,291). Er führt dazu aber ausschließlich die Entstehung aus toten Rindern (und die Entstehung von Wespen aus Pferden, dazu s. 4.5) an und nicht die Entstehung aus dem Löwen im Buch Richter: Μέλι μὲν ἴσως, ἐπειδήπερ ἡ συναγωγὸς αὐτοῦ μέλιττα ζῷόν ἐστιν οὐ καθαρόν, ἐκ σήψεως καὶ φθορᾶς νεκρῶν, ὡς ὁ λόγος, βοῶν γεννώμενον, καθὰ καὶ οἱ σφῆκες ἐξ ἱππείων σωμάτων· Der Honig aber vielleicht, da die Biene, die ihn einsammelt, nun einmal ein unreines Tier ist, weil sie aus der Verwesung und dem Untergang toter, wie man sagt, Rinder entstehen, genau wie auch die Wespen aus Pferdekörpern;

Die Herkunft der Bugonie aus dem ägyptischen, jüdischen oder nordafrikanischen Kulturraum erscheint nach diesen Ausführungen also unwahrscheinlich. Bereits die Zusammenstellung der Beschreibungen der Bugonie (s. o. 187) hat deutlich gezeigt, dass es keine einheitliche Vorgehensweise gab und insbesondere die frühen Beschreibungen der Bugonie noch sehr viel weniger ausgefeilt und komplex sind, als die bei Vergil oder in den Geoponica überlieferten. Zumindest diese sehr technischen Beschreibungen folgen also höchstwahrscheinlich keiner ägyptischen oder nordafrikanischen Quelle, sondern sind Entwicklungen der griechisch-römischen Kultur. Auch wenn sich das Konzept der Bugonie nicht sicher in der Zeit vor dem Hellenismus belegen lässt, existieren bereits griechische Vorläufer dieses Denkens. Dass die Idee der Bugonie an unterschiedliche griechische Vorstellungen und Theorien anknüpfen konnte und somit wohl keinesfalls so befremdlich wirken musste wie für moderne Menschen, soll im folgenden Abschnitt gezeigt werden. 70 Vgl. dazu die maßgebliche Ausgabe der Fragmente von Speranza (1971) 79, obwohl auch er die Diskussion der Identifikation des Mago mit folgendem Satz beendet: at rem incertissimam in ambiguo relinquo. 71 Shipley (1915) 99 möchte ebenfalls die Geschichte aus der Bibel und die Bugonie getrennt wissen, weil in der Geschichte von Simson der Honig eine wichtige Rolle spielt, in den Berichten der Bugonie jedoch nicht.

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4.3.4 Überlegungen zu einer griechischen Herkunft Wie es z. B. Ransome72 ausgeführt hat, werden Bienen in der griechischen Antike mit dem Tod in Verbindung gebracht. Dies führt sie unter anderem auf das Nisten von Bienen in Höhleneingängen zurück, die man für Zugänge zur Unterwelt hielt. Zudem wurde insbesondere chthonischen Gottheiten – z. B. Demeter und Persephone – Honig als Gabe dargebracht.73 Bekannt ist auch der Vergleich der Seelen in der Unterwelt mit einem Bienenschwarm (dazu s. u. 246). In der Schrift De antro nympharum (18) des neuplatonischen Philosophen Porphyrios heißt es zudem in einer schwierig zu deutenden mystischen Passage,74 dass die Bienen und die Seelen, die zur Geburt schreiten, βουγενεῖς (»rindentsprossen«) genannt werden ([…] βουγενεῖς δ’ αἱ μέλισσαι, καὶ ψυχαὶ δ’ εἰς γένεσιν ἰοῦσαι βουγενεῖς […]; 18). Bereits zuvor (De antr. nymph. 15) wurden die Bienen als βουγενεῖς bezeichnet. Mythische Erzählungen bringen die Bienen ebenfalls mit Tod und Wiederauferstehung in Verbindung. So soll Glaukos, ein Sohn des kretischen Königs Minos, unbemerkt in einem Honigfass ertrunken sein. Sein Leichnam konnte letztlich nur gefunden werden, weil Polyidos eine Eule (ein Symbol des Todes) beobachtete, die einen Bienenschwarm (ein Symbol der Seele) davon abhielt in das Fass zu fliegen (Hyg. Fab. 136; in der Version bei [Apollod.] Bibl. 3,17–20 ist dies freilich nicht enthalten; zur Komödie mit dem Titel »Glaukos« s. o. 133).75 Bei Servius (Ad Aen. 1,430) ist die Geschichte der alten Ceres-Priesterin Melissa aus Korinth überliefert: Weil diese nicht die Geheimnisse der Gottheit offenbaren wollte, sei sie von anderen Frauen in Stücke gerissen worden. Aus diesen Körperteilen habe Ceres dann Bienen entstehen lassen. Herodot (5,114) schließlich berichtet folgende Geschichte von Onesilos: Ὀνησίλου μέν νυν Ἀμαθούσιοι, ὅτι σφέας ἐπολιόρκησε, ἀποταμόντες τὴν κεφαλὴν ἐκόμισαν ἐς Ἀμαθοῦντα καί μιν ἀνεκρέμασαν ὑπὲρ τῶν πυλέων. κρεμαμένης δὲ τῆς κεφαλῆς καὶ ἤδη ἐούσης κοίλης ἐσμὸς μελισσέων ἐσδὺς ἐς αὐτὴν κηρίων μιν ἐνέπλησε. 72 Vgl. Ransome (1937) 106 f. 73 Vgl. Herren (2008) 55. 74 Zuvor heißt es, dass Selene (die Mondgöttin), die über die Geburt wacht (γενέσεως προστάτις), »Biene« genannt werde, da die Selene der Stier (ταῦρος; vermutlich ist hier an das Sternbild gedacht) sei und die Erhöhung (ὕψωμα; ein Begriff, der hier in einem astrologischen Kontext gebraucht wird) der Selene (des Mondes) der Stier sei. Anschließend ist noch von einem βουκλόπος θεός (»rinderstehlenden Gott«) die Rede, von dem Le Lay; Lardreau (1989) 76 Anm. 38 annehmen, es handle sich um Hermes. Beck (2007) 198, der diese Passage vor dem Hintergrund des Mithraskultes interpretiert, nimmt jedoch an, es handle sich um Mithras. Eine Verbindung zur Beschreibung der Bugonie bei Vergil und der mystischen Passage bei Porphyrios nimmt auch Chomarat (1974) an. 75 Eine Besprechung des Mythos findet sich bei Herren (2008) 54–57 und Bernert (1952), auf welchen Herren verweist.

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Die Bugonie und andere Zoogonien

Die Amathusier schnitten daher den Kopf des Onesilos ab, weil er sie belagert hatte, brachten ihn nach Amathus und hängten ihn oberhalb der Stadttore auf. Nachdem der Kopf aufgehängt und schon hohl geworden war, ließ sich ein Schwarm Bienen in ihm nieder und füllte ihn mit Waben.

Auch hier besteht eine Verbindung zwischen einem Bienenschwarm und einem toten Körper, wenngleich die Bienen nicht aus dem Fleisch entstanden sind, sondern sich lediglich nach dem Tod des Körpers bemächtigt haben. Ein weiteres wichtiges Prinzip, das eng mit der Bugonie zusammenhängen könnte, ist die sogenannte Urzeugung oder Spontangenese.76 Die Vorstellung, dass Lebewesen spontan, d. h. ohne Zeugung, aus anderen organischen Stoffen, wie z. B. anderen Lebewesen, verrottendem Material oder Ausscheidungen, hervorgehen können, war in der ganzen antiken Welt weit verbreitet. Diese Theorie ist wohl aus der Beobachtung erschlossen worden, dass sich in verrottendem Material immer auch Würmer, Maden und andere kleine Tiere finden, ohne dass man zuvor eine Eiablage oder gar eine Paarung beobachtet hatte. Von Aristoteles sind einige Texte, die dieses Prinzip behandeln, überliefert (z. B. Hist. an. V 1, 539 a 21–25; V 15, 546 b 15 – 548 a 21;77 Gen. an. III 11, 762 a 9–27).78 So heißt es z. B. zu Beginn des 5. Buches der Historia animalium, welches die Fortpflanzung der Tiere behandelt (539 a 21–25): οὕτω καὶ τῶν ζῴων τὰ μὲν ἀπὸ ζῴων γίνεται κατὰ συγγένειαν τῆς μορφῆς, τὰ δ’ αὐτόματα καὶ οὐκ ἀπὸ συγγενῶν, καὶ τούτων τὰ μὲν ἐκ γῆς σηπομένης καὶ φυτῶν, ὥσπερ πολλὰ συμβαίνει τῶν ἐντόμων, τὰ δ’ ἐν τοῖς ζῴοις αὐτοῖς ἐκ τῶν ἐν τοῖς μορίοις περιττωμάτων. So entsteht der eine Teil der Tiere aus Tieren gemäß der Gleichartigkeit der Form, der andere Teil spontan und nicht von Gleichartigen und von diesen wiederum die einen aus verrottender Erde und Pflanzen, wie es für viele Insekten zutrifft, die anderen in den Tieren selbst aus (Nahrungs-) Rückständen in den Körperteilen.

Genauer wird dieses Prinzip in De generatione animalium III 11 (762 a 9–27) behandelt: πάντα δὲ τὰ συνιστάμενα τὸν τρόπον τοῦτον καὶ ἐν γῇ καὶ ἐν ὕδατι φαίνεται γιγνόμενα μετὰ σήψεως καὶ μιγνυμένου τοῦ ὀμβρίου ὕδατος· ἀποκρινομένου γὰρ τοῦ γλυκέος 76 Eine solche Verbindung stellen z. B. auch Robert-Tornow (1893) 19 f.; McCartney (1920) 106 f.; Sibona (2002) 349 und Diederich (2007) 127 f. her. 77 In diesem Abschnitt (und in Gen. an. III 11) bespricht Aristoteles die Entstehung von Schalentieren (ὀστρακόδερμα), welche alle spontan entstehen. Interessanterweise bilden die dort behandelten Purpurschnecken bestimmte »Honigwaben« (μελίκηρα; Hist. an. V 15, 546 b 19 et passim) aus, welche Aubert; Wimmer (1868) I 484 mit der Eierkapsel identifizieren. Möglicherweise könnte es zu einer Übertragung des Prinzips der Urzeugung von diesen ­Schnecken auf die κηριοποιά (wie Bienen, Wespen und verwandte Arten genannt werden; s. o. 64) gekommen sein. 78 Weitere Stellen und Ausführungen finden sich z. B. bei Kullmann (1999) 117; ders. (2014) 223–226 und Diederich (2007) 127 f.

Entstehung der Theorie

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εἰς τὴν συνισταμένην ἀρχὴν τὸ περιττεῦον τοιαύτην λαμβάνει μορφήν. γίγνεται δ’ οὐθὲν σηπόμενον ἀλλὰ πεττόμενον· ἡ δὲ σῆψις καὶ τὸ σαπρὸν περίττωμα τοῦ πεφθέντος ἐστίν· οὐθὲν γὰρ ἐκ παντὸς γίγνεται καθάπερ οὐδ’ ἐν τοῖς ὑπὸ τῆς τέχνης δημιουργουμένοις – οὐθὲν γὰρ ἂν ἔδει ποιεῖν – νῦν δὲ τὸ μὲν ἡ τέχνη τῶν ἀχρήστων ἀφαιρεῖ, τὸ δ’ ἡ φύσις. Γίγνονται δ’ ἐν γῇ καὶ ἐν ὑγρῷ τὰ ζῷα καὶ τὰ φυτὰ διὰ τὸ ἐν γῇ μὲν ὕδωρ ὑπάρχειν ἐν δ’ ὕδατι πνεῦμα, ἐν δὲ τούτῳ παντὶ θερμότητα ψυχικήν, ὥστε τρόπον τινὰ πάντα ψυχῆς εἶναι πλήρη· διὸ συνίσταται ταχέως ὁπόταν ἐμπεριληφθῇ. ἐμπεριλαμβάνεται δὲ καὶ γίγνεται θερμαινομένων τῶν σωματικῶν ὑγρῶν οἷον ἀφρώδης πομφόλυξ. αἱ μὲν οὖν διαφοραὶ τοῦ τιμιώτερον εἶναι τὸ γένος καὶ ἀτιμότερον τὸ συνιστάμενον ἐν τῇ περιλήψει τῆς ἀρχῆς τῆς ψυχικῆς ἐστιν. τούτου δὲ καὶ οἱ τόποι αἴτιοι καὶ τὸ σῶμα τὸ περιλαμβανόμενον. Alle (Lebewesen) aber, die sich auf diese Weise in der Erde und im Wasser bilden, entstehen offenbar mithilfe von Fäulnis vermischt mit Regenwasser. Denn indem das Süße abgeschieden wird zum sich bildenden Keim, nimmt das Übrige eine solche Form an. Es entsteht aber nichts, indem es verfault, sondern indem es verkocht wird. Die Fäulnis und das Faule sind der Überrest des Verkochten. Denn nichts entsteht aus dem Ganzen, genauso wenig wie bei mithilfe der Handwerkskunst hergestellten (Dingen) – denn dann müsste man ja nichts tun – nun aber nimmt in dem einen Fall die Handwerkskunst die unnützen Teile weg, im anderen die Natur. Es entstehen aber in der Erde und im Wasser die Tiere und die Pflanzen, weil in der Erde Wasser vorhanden ist, im Wasser aber Luft, in diesem ganzen aber Lebenswärme, sodass in gewisser Weise alles voll von Seele ist. Daher bildet sich jedes Mal schnell etwas, sobald etwas umschlossen ist. Wenn die Körperflüssigkeiten heiß werden, wird es umschlossen und es bildet sich so etwas wie eine schaumige Blase. Die Unterschiede nun, ob sich eine höhere oder niedrigere Art bildet, liegen an der Umschließung des Lebenskeimes. Ursache dafür ist aber sowohl der Ort als auch der umschlossene Körper.

Es lassen sich gewisse Parallelen zu den Beschreibungen der Bugonie erkennen. Zum einen wird der ganze Prozess als eine Verkochung darstellt (πεττόμενον; so auch Verg. G. 4,308 f.: tepefactus; aestuat), wobei in einem gewissen Gegensatz zu den Schilderungen der Bugonie das neue Leben nicht direkt aus dem verwesenden Material entsteht, sondern dieses den Überrest des Verkochens darstellt.79 Zudem findet sich auch die Idee von der Umschließung, welche die Entstehung von Leben ermöglicht. Allerdings muss man einwenden, dass es sich bei Aristoteles dabei um eine Blase handelt, während die Beschreibungen der Bugonie auf die Umschließung des Lebenskeimes im verrottenden Körper abzielen. Die Verlagerung der Entstehung von Bienen an den Nil könnte hier möglicherweise ebenfalls seine Ursache haben. Denn Aristoteles betont, dass sowohl der Ort als auch der umschlossene Körper Ursachen dafür sind, welche Art von Tier entsteht. Der sagenhaft fruchtbare Nilschlamm und das mit der Biene in Bezug auf den Charakter eng verwandte Rind (s. 4.4) könnten so als mögliche Grundlage für die Entstehung von Bienen, gewissermaßen einem ζῷον τιμιώτατoν, in Frage kommen. 79 Dies scheint nach McCartney (1920) 103 ein Spezifikum des Aristoteles zu sein.

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Aristoteles selbst scheint diesen Gedanken – soweit uns seine Schriften heute erhalten sind – nicht direkt geäußert zu haben.80 Ähnliche Aussagen zu anderen Tieren sind aber überliefert. Dies gilt z. B. für die Entstehung von Käfern aus Maden im Dung von Rindern und aus Eselkot (Hist. an. V 19, 552 a 15 f.): αἱ δὲ μηλολόνθαι ἐκ τῶν σκωλήκων τῶν ἐν τοῖς βολίτοις καὶ τῶν ὀνίδων81. – »Die Maikäfer (entstehen) aber aus den Würmen in Rindermist und aus Eselkot.« Auch eine Entstehung von Skorpionen aus der Wasserminze ist fragmentarisch (Frg. 276,2 Gigon = 367 Rose) überliefert: ὁ δὲ Ἀριστοτέλης καὶ ἐκ τῶν σισυμβρίων φησὶ σαπέντων σκορπίους γίνεσθαι. – »Aristoteles aber sagt, dass auch aus verrottender Wasserminze Skorpione entstehen.« Das Prinzip der Urzeugung ist auch von Atomisten wie Lukrez aufgenommen worden.82 Im 3. Buch seines Werkes De rerum natura (713–740) argumentiert er, dass das Entstehen von vielen kleinen Würmern (vermes) auf einem großen Kadaver dafür spreche, dass die Seelenatome zwar unsterblich seien, die Seele aber nach dem Tod in viele kleine Teile auseinander breche. Diese kleinen Teile beseelten dann die entstehenden Würmer. Es ist durchaus vorstellbar, dass eine solche Vorstellung bereits auf den ersten Atomisten Demokrit zurückgehen könnte, was einen Hinweis auf die Identität der Quelle bei Columella (Rust. 9,14,6) und in den Geoponica (15,2,21) sein könnte. Letztlich bleibt es jedoch eine Spekulation.83 Möglicherweise steht eine ähnliche Vorstellung wie die bei Lu-

80 Im Falle der σφῆκες und ἀνθρῆναι ist es ihm bekannt, dass sie sich paaren und dann Nachkommen hervorbringen (Gen. an. III 10, 761 a 7). Es entspräche nicht seinen Grundsätzen, eine Zoogonie für diese Tiere anzunehmen, weil er »niemals spontan entstehende Lebewesen für fortpflanzungsfähig hält« (Kullmann [1999] 117). Bei den Bienen bespricht er die Spontangenese sehr wohl – allerdings ohne direkten Bezug zu einem Rind – verwirft die Theorie jedoch (s. o. 149). 81 Die Lesart bei Balme entspricht der Lesart der Handschriften. Sie stellt jedoch ein gewisses Verständnisproblem dar. In dieser Form ist τῶν ὀνίδων grammatikalisch gesehen nicht etwa parallel zu ἐν τοῖς βολίτοις, was gedanklich sicherlich am naheliegendsten wäre, sondern zu ἐκ τῶν σκωλήκων. Aus diesem Grund wurden von Dittmeyer zwei Konjekturen vorgeschlagen: βολίτοις τοῖς τῶν βοῶν καὶ τῶν ὄνων und βολίτοις καὶ ταῖς ὀνίσιν. Erstere übernimmt Dittmeyer in seinem Text, letztere Peck in der Loeb-Edition. Es erscheint hier trotzdem sinnvoll, Balmes Lesart zu folgen, weil sie zum einen handschriftlich so belegt ist und die lectio difficilior darstellt und zum anderen so leichter eine Verbindung zu einer möglichen Rezeption durch Plinius (HN 11,70) und Plutarch (Cleom. 60,5) hergestellt werden kann. Dort entstehen Käfer direkt aus Eselkadavern. 82 Vgl. Erren (2003) 890 et passim. Er zeigt außerdem, dass Vergils Georgica in vielen Punkten von der atomistischen Lehre des Lukrez beeinflusst sind. 83 Erren (2003) 897 deutet zumindest an, dass sich in Alexandria die »literarische Überlieferung von der Bugonie mit epikureischen Hypothesen zur Entstehung lebender Wesen aus Atomverbindungen zusammengefunden haben« könnte. Aus seinen Ausführungen wird aber deutlich, dass die »literarische Überlieferung von der Bugonie« für ihn die ägyptische oder nordafrikanische Literatur meint. Auf den umstrittenen Demokrit (s. o. 200) verweist er mit »Ps. Democr.« (ebd.).

Verwandtschaft von Biene und Rind

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krez auch hinter der Aussage […] mille animas una necata dedit. – »[…] Tausend Seelen hat eine einzige getötete gegeben.«, welche in den Fasti (1,380) Ovids explizit zur Bugonie getroffen wird. Nicht auszuschließen ist, dass letztere Aussage zudem auf die Theorie der Seelenwanderung oder Metempsychose verweist, die bereits bei den vorsokratischen Philosophen wie Pythagoras (bei Xenophanes 21 B 7 DK) und Empedokles (31 B 115 DK) belegt und auch in Platons Werk (z. B. Ti. 41  d 4 – 42  e 3 insbesondere 42 c; Resp. 10, 619  e 6 – 620  d 5) prominent vertreten ist. Eine für diese Untersuchung besonders relevante Passage im ­Phaidon (81 d 6 – 82 d 7; insbesondere 82 a 7 f. und 82 b 5–8) wurde bereits (42) angesprochen. Da es sich allerdings in all diesen Fällen primär um die Wanderung menschlicher Seelen handelt, sollte man aber vermutlich nicht von einem direkten Einfluss auf die Bugonie ausgehen.

4.4. Verwandtschaft von Biene und Rind Gemäß der aristotelischen Theorie von der Urzeugung ist für die Erzeugung bestimmter Arten das richtige Substrat zu wählen (s. o. 207). Insofern lohnt es sich die Überlegung anzustellen, wieso ausgerechnet Rinderkadaver Bienen hervorbringen sollen. Nach der bei Columella (Rust. 9,2,3) überlieferten Aussage des Euhemeros84 (ca. 340–260 v. Chr.) entstehen Bienen aus Hornissen und der Sonne (crabronibus et sole genitas apes). Eine eindeutige Festlegung auf die Entstehung von Bienen aus Rindern ist also in der Frühzeit des Hellenismus noch nicht gegeben. Doch lässt sich festhalten, dass bei Verwandlungssagen meist eine »Ähnlichkeit zwischen zu verwandelndem und verwandeltem Tier«85 besteht. Im Falle von Hornissen und Bienen liegt es auf der Hand, dass es sich tatsächlich um eine große optische (und auch biologische) Ähnlichkeit und Verwandtschaft handelt. Doch auch zu Rindern lassen sich Bezugspunkte finden. Dazu lassen sich zunächst einmal verschiedene Sagen und Mythen anführen. So kann Zeus / Iuppiter beispielsweise sowohl mit Stieren (z. B. Entführung der Europa; Io) als auch mit Bienen in Verbindung gebracht werden (z. B. Ernährung in der Dikte-Höhle bei Verg. G. 4,149–152; Verwandlung der Melissa in eine Biene bei Columella Rust. 9,2,3). Dasselbe gilt auch für die Göttin der Landwirtschaft Demeter / Ceres, deren Priesterinnen teilweise Μέλισσαι genannt wurden 84 Diese Lesart ist nicht unumstritten, da Euhemeros von Messene nicht als Dichter bekannt ist. Schon Olck (1897) 449 gibt entweder »Euhemeros oder Eumelos« als Möglichkeiten an. Richter; Heine (1982) 479 übernehmen diese Konjektur zu Eumelos, weil sie glauben, er habe eine Bugonia verfasst, s. dazu o. 200 Anm. 47. Möglicherweise ist die Aussage, Bienen entstünden aus der Sonne, eine Übernahme der ägyptischen Vorstellung der Entstehung von Bienen aus den Tränen des Sonnengottes Ra (s. o. 202). Dies spräche dann eher für Euhemeros als Autor. 85 Vgl. Hübner (1984) 171.

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(dazu s. u.  222) und der man Honig als Opfergabe darbrachte (in einer Darstellung des Nikander [Alex. 445–451] tun aus Rindern entstandene Bienen das sogar selbst). Verbindungen gibt es ebenfalls zu Dionysos, der genau wie die Bienen als βουγενής bezeichnet und teilweise auch als Stier dargestellt wird. Bei Apollonios von Rhodos heißt es gar (4,1131–1136), er sei von Makris, der Tochter des Aristaios, als Säugling mit Honig ernährt worden:86 ἄντρῳ ἐν ἠγαθέῳ, τόθι δή ποτε Μάκρις ἔναιεν, κούρη Ἀρισταίοιο μελίφρονος, ὅς ῥα μελισσέων ἔργα πολυκμήτοιό τ’ ἀνεύρατο πῖαρ ἐλαίης. κείνη δὴ πάμπρωτα Διὸς Νυσήιον υἷα Εὐβοίης ἔντοσθεν Ἀβαντίδος ᾧ ἐνὶ κόλπῳ δέξατο, καὶ μέλιτι ξηρὸν περὶ χεῖλος ἔδευσεν, In einer überaus heiligen Höhle, dort lebte einst Makris, die Tochter des für den Honig sorgenden87 Aristaios, der die Werke der Bienen und das Öl der mühsam bearbeiteten Olive entdeckte; jene also empfing ganz zu Anfang den nysäischen Sohn des Zeus (= Dionysos) im abantischen Euboia an ihrer Brust und benetzte seine trockenen Lippen mit Honig,

Bezüglich ihres Charakters sind sich Rinder und Bienen in ihrem Fleiß ähn­ lich,88 aber auch in ihrer relativen Friedfertigkeit (insbesondere z. B. im Vergleich zu Wespen). Nicht zuletzt deswegen findet sich häufig ein Bienenschwarm in den Schilderungen eines locus amoenus der bukolischen Dichtung (z. B. Theoc. Id. 7,135–147; Verg. Ecl. 1,53–55). Eine weitere Möglichkeit, Bienen mit Rindern zu verbinden, ist die Verwendung von Rindermist in der Bienenzucht (s. o. 194 mit Anm. 22 für Belegstellen). Wie bereits gesagt, könnte diese Praxis als erklärungsbedürftig angesehen worden sein, weil Bienen im Allgemeinen als sehr reinlich galten und sich von Abfallprodukten und stark riechenden Substanzen generell fernhalten sollen (s. 2.3.4). Die Bugonie erscheint, wie die beiden zitierten Stellen (s. o. 194) bei Columella (Rust. 9,14,1) und Plinius (HN 21,81) zeigen, als willkommene Erklärung dieses Widerspruches. Wann die Verwendung von Rinderexkrementen in

86 In der Darstellung in Oppians Kynegetika (4,273–276) ist es Aristaios selbst, der den neugeborenen Dionysos zusammen mit Dryaden, bienenhütenden Nymphen, euböischen Mädchen und aonischen Frauen ernährt. 87 Das Adjektiv μελίφρων hat an allen anderen erhaltenen Stellen die Bedeutung »süß zum Geist = herzerfreuend«. Apollonios gibt dem Adjektiv an dieser Stelle aber eine neue Bedeutung »sich um den Honig sorgen« (vgl. LSJ »μελίφρων« II; Mooney [1964] 365). Die Lesart ist indes nicht unumstritten. Vian ([1980] X und [1981] 118) hält die Variante περίφρονος für besser. Dem schließt sich Hunter (2015) 236 an. 88 Dies ist für Hübner (1984) 171 mit Anm. 161 die entscheidende Parallele.

Verwandtschaft von Biene und Rind

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der griechischen Imkerei zum ersten Mal auftaucht, lässt sich leider nicht sagen. Die erste sicher datierbare Stelle ist Var. Rust. 3,16,16, bei Aristoteles werden solche Verfahren nicht erwähnt (sein Fokus liegt freilich auch nicht auf der Praxis der Bienenzucht), sodass zumindest theoretisch eine spätere Entstehung dieser Verfahren nach der Begründung des Prinzips der Bugonie möglich wäre. Da Rindermist aber allgemein häufig als Material zum Verschließen von Ritzen in Wänden oder zum Verbrennen benutzt wurde, erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass er schon früh auch für die Bienenzucht Verwendung gefunden hätte. Die wichtigste Verbindung zwischen Rindern und Bienen sind aber sicherlich die von ihnen gewonnen Produkte Milch und Honig. Die gemeinsame Nennung von Milch und Honig ist in der griechischen und lateinischen Literatur so häufig (vor allem auch in den heilkundlichen Schriften), dass unmöglich alle Belegstellen aufgezählt werden können. Daher sei hier nur auf einige wenige Beispiele verwiesen: Bereits in der Nekyia der Odyssee (11,27) findet sich der Trank aus Milch und Honig (μελίκρητον), der den Toten als Libation dargebracht wird (hier kann man ebenfalls eine Verbindung der Bienen mit dem Tod erkennen). In späteren Texten taucht dies häufig im Rahmen von »Schlaraffenlandschilderungen« (auch heute noch »das Land, wo Milch und Honig fließt«89) im dionysischen Kontext auf. Ein bekanntes Beispiel sind die Verse aus den Bakchen (142 f.) des Euripides: ῥεῖ δὲ γάλακτι πέδον, ῥεῖ δ’ οἴνῳ,  ῥεῖ δὲ μελισσᾶν νέκταρι. es fließt der Boden von Milch, er fließt von Wein, er fließt vom Nektar der Bienen.

Auch in Platons Ion (534 a 4 f.) findet sich diese Kombination: ὥσπερ αἱ βάκχαι ἀρύονται ἐκ τῶν ποταμῶν μέλι καὶ γάλα κατεχόμεναι, […]. – »So wie die Bakchen unter dem Einfluss des Gottes aus den Flüssen Milch und Honig schöpfen, […].« Als letztes Beispiel seien noch zwei Verse (Met. 1,111 f.) aus Ovids Schilderung des Goldenen Zeitalters genannt: flumina iam lactis, iam flumina nectaris ibant, flavaque de viridi stillabant ilice mella. bald flossen dort Ströme von Milch, bald Ströme von Nektar, und goldgelber Honig tropfte von der grünen Steineiche.

89 Diese Bezeichnung für einen idyllischen und reichen Ort findet sich freilich nicht nur in den Texten der griechisch-römischen Kultur, sondern beispielsweise auch im Alten Testament (Num. 16,13) über Ägypten.

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Der Vorgang, vom Produkt im Laufe der Zeit auf das erzeugende Tier zu schließen, ist auch im Bereich der Dichtungstopik bekannt. Es entspricht der c­ ommunis opinio, dass sich das Bild vom Dichter als Biene nicht zuletzt aus der bereits älteren Charakterisierung des Gedichtes als »süß wie Honig« entwickelt hat (s. u. 365). Die angeführten Überlegungen zeigen, dass sich eine Verbindung zwischen Bienen und Rindern auf mehreren Ebenen herstellen lässt. Wenn diese auch nicht unbedingt die Ursache für den Glauben an die Bugonie gewesen sein muss, so trug sie sicherlich dazu bei, die Bugonie als plausibles Prinzip der Entstehung von Bienen zu akzeptieren.

4.5. Weitere Zoogonien von bienenähnlichen Tieren Die Entstehung der mit den Bienen nahe verwandten »Arten« aus nahen Verwandten von Rindern ist sicherlich sekundär und stellt eine analoge Übertragung der Bugonie auf andere »Tierarten« dar. Dies ist aus verschiedenen Gründen wahrscheinlich. Zum einen war die Fortpflanzung von Wespen und Hornissen kein großes Rätsel (s. 3.3), da man Paarungen beobachtet hatte. Insofern war es nicht notwendig weitere Fortpflanzungsmöglichkeiten zu finden. Zum anderen sind die Beziehungen zwischen den Insekten und den Huftieren, aus denen sie angeblich entstehen, nicht so eng und zahlreich, wie es bei Rindern und Bienen der Fall ist. Dennoch ist eine Übertragung des Konzeptes der Bugonie auf andere Tierarten schon sehr früh belegt. Die erste relativ sichere Erwähnung der Entstehung von Wespen stammt von Archelaos. Neben dem bei Varro zitierten Vers (s. o. 192) findet sich ein weiteres Distichon bei Antigonos von Karystos (19,3b – 4): […] καὶ ἐκ τῶν ἵππων σφῆκας γεννᾶσθαι. (4) καί τις Ἀρχέλαος Αἰγύπτιος τῶν ἐν ἐπιγράμμασιν ἐξηγουμένων τὰ παράδοξα τῷ Πτολεμαίῳ περὶ μὲν τῶν σκορπίων οὕτως εἴρηκεν […] (Frg. I a Page). περὶ δὲ τῶν σφηκῶν· ἐκ νέκυος ταύτην ἵππου γράψασθε γενέθλην, σφῆκας· ἴδ’ ἐξ οἵων οἷα τίθησι φύσις. (Frg. I b Page) […] und dass aus den Pferden Wespen gezeugt werden. (4) Und ein gewisser Archelaos, ein Ägypter unter den in Epigrammen Lehrenden, teilt dem Ptolemaios die Wundergeschichten über die Skorpione mit folgenden Worten mit […] (Frg. I a Page). Über die Wespen aber: Notiert euch diese Nachkommenschaft eines toten Pferdes,   nämlich die Wespen; wisse, aus welchen (Tieren) (die) Natur welche erschafft. (Frg. I b Page)

Bereits zitiert wurde die Aussage Nikanders in den Theriaka 741 (s. o.  199). Plinius (HN 11,70) und Plutarch (Cleom. 60,5) lassen Wespen (bei Plinius auch Hornissen) aus Pferden und Käfer aus Eseln entstehen. Während man die Ent-

Weitere Zoogonien von bienenähnlichen Tieren

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stehung von Käfern aus Eseln bei diesen beiden Autoren wohl direkt oder indirekt auf eine Aussage des Aristoteles zurückführen kann (Hist. an. V 19, 552 a 15 f.; s. o.  208), ist die Entstehung von Wespen aus Pferden wohl eher einem Analogieschluss geschuldet. Aelian (NA 1,27) deutet eine Verbindung der beiden Tiere in Bezug auf die Schnelligkeit an: Ἵππος ἐρριμμένος σφηκῶν γένεσίς ἐστιν. ὃ μὲν γὰρ ὑποσήπεται, ἐκ δὲ τοῦ μυελοῦ ἐκπέτονται οἱ θῆρες οὗτοι, ὠκίστου ζῴου πτηνὰ ἔκγονα, τοῦ ἵππου οἱ σφῆκες. Ein totes Pferd ist der Ursprung von Wespen. Denn ersteres verwest, aber aus seinem Mark entfliegen diese Tiere, die geflügelte Nachkommenschaft eines sehr schnellen Tieres, (d. h.) die Wespen (sind die Nachkommenschaft) des Pferdes.

Aus dem Verweis Ovids (Met. 15,368), dass Hornissen (crabrones; aufgrund der ähnlichen Konzepte der wespenähnlichen Tiere (s. 2.6) kann man die Wespe wohl einschließen) aus Schlachtrössern entstehen (bellator equus) kann man annehmen, dass auch der kriegerische und aggressive Charakter ein verbindendes Glied darstellen könnte. Der Vergil-Kommentator Servius bietet eine etwas andere Zuordnung von entstehenden Tieren und ihrer Herkunft als seine Vorgänger (Ad G. 4,286), obwohl er sich für seine Angaben auf Plinius beruft: sane sciendum, Plinium dicere de bubus apes, de equis crabrones, de mulis fucos, de asinis vespas creari. – »Man muss freilich wissen, dass Plinius sagt, Bienen entstünden aus Rindern, Hornissen aus Pferden, Drohnen90 aus Maultieren und Wespen aus Eseln.« Diese Zuordnungen finden sich ebenfalls bei Isidor von Sevilla (Etym. 12,8,2). Er geht sogar so weit, eine Verbindung zwischen der Benennung der »Arten« und ihrer Herkunft aus anderen »Arten« herzustellen. Dies zeigt er (Etym. 12,8,4) anhand der Hornissen (scrabrones) und der Holzkäfer (scarabaei): Scrabrones vocati a cabo, id est caballo, quod ex eis creentur. Sicut autem scabrones nascuntur de equorum carnibus putridis, ita ex his iterum saepe nascuntur scarabaei; unde et cognominati sunt. Scrabrones (Hornissen) werden nach dem cabo (Wallach) benannt, das heißt nach dem caballus (Gaul), weil sie aus ihnen gebildet werden. Wie aber die scabrones (Hornissen) aus dem verwesenden Fleisch der Pferde entstehen, so entstehen aus diesen wiederum oft scarabaei (Holzkäfer). Daher sind sie auch so benannt worden.

Auf diese Weise wird eine weitere Ebene erschlossen, auf der Zoogonien entwickelt oder zumindest plausibel gemacht werden können. Zu diesem Schema könnte man auch Isidors Herleitung von apes aus a und pes (Etym. 12,8,1) zählen,

90 Zur Ansicht, dass Drohnen eine eigene »Art« darstellen s. o. 65.

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die vermutlich auf die Beschreibung der Bienenmaden im Rahmen der Bugonie bei Vergil zurückgeht (s. o. 189), welche zunächst »keine Füße« haben sollen. Isidors Zuteilungen sind jedoch keineswegs konstant, sodass er in Etym. 11,4,3 eine Variante anbietet: […] sicut de equis scarabaei, de mulis locustae, de cancris scorpiones. – […] »so wie aus Pferden Holzkäfer, aus Maultieren Heuschrecken, aus Krebsen Skorpione.« Eine Verortung der Entstehung von Wespen aus Pferdeleichen in Ägypten findet sich auch noch in der Spätantike. Horapollon gibt in seinen Hieroglyphika (2,44) eine recht eigentümliche Erläuterung dafür, wie die Ägypter »Wespen« schriftlich ausdrückten: Σφῆκας βουλόμενοι σημῆναι, νεκρὸν ἵππον ζωγραφοῦσιν· ἐκ γὰρ τούτου ἀποθανόντος πολλοὶ γίνονται σφῆκες. Wenn sie Wespen bezeichnen wollen, zeichnen sie ein totes Pferd; denn, wenn dieses gestorben ist, entstehen daraus viele Wespen.

Auch wenn diese aus heutiger Sicht etwas verquere Logik sicherlich nicht tatsächlich in den ägyptischen Hieroglyphen verwendet wurde, so zeigt es doch, dass auch für Horapollon (und in einem gewissen Sinne auch für seine Rezipienten) die Vorstellung einer Zoogonie für Wespen nach wie vor vorhanden war und zudem mit Ägypten verknüpft wurde.

4.6. Die Bugonie und andere Zoogonien in der Dichtung Neben den bereits angeführten Beispielen für eine Verwendung des Motivs der Bugonie in Lehrgedichten und in den Metamorphosen Ovids findet sich die Bugonie schon recht bald auch im griechischen Epigramm, ohne jedoch weiter ausgeführt zu werden. Vielmehr werden Wörter wie βουγενής91, βοηγενής92, βούπαις93 und βουποίητος94 zu Epitheta ornantia für Bienen. Vermutlich soll mit der Verwendung dieses Ausdrucks eher eine Inszenierung als poeta doctus erreicht werden, als dass sich ein bestimmter Bezug zum Inhalt des Epigramms herstellen lässt. Als Beispiel sei hier ein Epigramm (Anth. Gr. 9,548) des Bianor (1. Jhd. n. Chr.) angeführt, der den Rezipienten zunächst kunstvoll vor das Rätsel 91 Anth. Gr. 9,548,2 und eventuell Kallimachos Frg. 383,4 Pfeiffer, hier findet sich aber nur βουγενέων, ohne dass ein Bezugswort genannt ist. Asper (Frg. 58) hat an dieser Stelle die Form βουγενέος, was in seinem Text auf Δαναοῦ zu beziehen ist. Dieser Version ist vielleicht der Vorzug zu geben, da das Attribut »rindentsprossen« auch gut zu Danaos, dem Sohn der in eine Kuh verwandelten Io, passen würde (vgl. Asper [2004] 117). 92 Anth. Gr. 9,363,13 (Meleagros). 93 Anth. Gr. 7,36,3 (Erykios). 94 Anth. Gr. 12,249,1 (Straton).

Die Bugonie und andere Zoogonien in der Dichtung

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stellt, wer mit βουγενέες (Vers 2) gemeint sein könnte, und erst im folgenden Vers die Bienen nennt:95 Κοῦρον ἀποπλανίην ἐπιμάζιον Ἑρμώνακτα,   φεῦ, βρέφος ὡς ἀδίκως εἵλετε βουγενέες. ἠγνοίησεν ὁ δειλὸς ἐς ὑμέας οἷα μελίσσας   ἐλθών· αἱ δ’ ἔχεων ἦτε χερειότεραι· ἀντὶ δέ οἱ θοίνης ἐνεμάξατε φοίνια κέντρα,   ὦ πικραί, γλυκερῆς ἀντίπαλοι χάριτος. Den umherziehenden Knaben Hermonax, ein Säugling noch,   ach, wie ungerecht habt ihr diesen Jungen getötet, ihr Rindentsprossenen! Ahnungslos kam der Arme zu euch Bienen;   ihr aber wart schlimmer als Nattern: statt ihm Speise einzuflößen, stacht ihr ihn mit blutigen Stacheln,   ihr Grausamen, das Gegenteil eurer süßen Gabe.

Eine direkte Verbindung zur Bugonie ist hier nicht gegeben. Man könnte allenfalls annehmen, dass mit anderen Bedeutungen dieser Wörter gespielt wird. Im Falle von βουγενής wurde bereits gezeigt (s. o. 199), dass es auch in anderen Kontexten Verwendung fand. Dies gilt ebenfalls für das Wort βούπαις, für das die Suda (β 453) folgende Bedeutungen angibt: Βούπαις· ὁ νέος, ἐφῆλιξ, βουκόλος. καὶ αἱ μέλισσαι, ὅτι βοηγενεῖς εἰσιν. – »Boupais: Junge, Jugendlicher, Rinderhirte. Und auch die Bienen, weil sie rindentsprossen sind.« Während es zahlreiche Belege für die Bedeutung »Junge«; »Jugendlicher« gibt (z. B. Ar. Vesp. 1207; Ap. Rhod. Argon. 1,760), scheint der Vers des Erykios (Anth. Gr. 7,36,3), der auch in der Suda angeführt wird, die einzige erhaltene Stelle zu sein, an der βούπαις in der (adjektivischen) Bedeutung »rindentsprossen« verwendet wird. Eine weitere Interpretationsebene – abgesehen vielleicht von der Verbindung mit dem Tod – eröffnet die Verwendung des Wortes in diesem Kontext (ein Grabepigramm auf Sophokles; s. u. 353) aber wohl nicht. In der lateinischen Dichtung findet sich die Bugonie an den bereits erwähnten Stellen in den Georgica Vergils sowie in den Metamorphosen und den Fasti Ovids, wo sie mehr oder weniger detailliert beschrieben wird. Eine bloße gelehrte Anspielung auf die Bugonie ist – zumindest in den erhaltenen Texten – nicht belegt. Allerdings ist in der sogenannten Appendix Perottina des Phaedrus die Fabel vom Schmetterling und der Wespe überliefert (Fabel 31): Papilio vespam praetervolitans viderat. »o sortem iniquam! Dum vivebant corpora, quorum ex reliquiis animam nos accepimus, 95 Ein Epigramm mit demselben Inhalt stammt auch von Antipatros von Thessalonike (Anth. Gr. 9,302).

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Die Bugonie und andere Zoogonien

ego eloquens in pace, fortis proeliis, arte omni princeps inter aequales fui. En cuncta: levitas putris et volito cinis! Tu qui fuisti mulus clitellarius, quemcumque visum est laedis infixo aculeo.« Et vespa dignam moribus vocem edidit: »Non qui fuerimus, sed qui nunc simus vide.« Ein Schmetterling hatte eine Wespe vorüberfliegen gesehen (und sprach): »Oh welch ungerechtes Los! Solange die Körper noch lebten, aus deren Überresten wir unsere Seele erhalten haben, war ich im Frieden ein großer Redner und tapfer in den Schlachten, in jeder Kunst war ich der erste unter den Zeitgenossen. Aber sieh nun alles: Ich fliege umher als morsche Zerbrechlichkeit und Asche! Du (dagegen), der du ein Packesel (mulus bedeutet eigentlich »Maultier«) warst, stichst jeden beliebigen mit deinem Stachel.« Und die Wespe antwortete ihres Charakters würdig: »Sieh nicht, wer wir einst waren, sondern wer wir nun sind!«

Die Entstehung der Wespe aus einem toten Maultier96 wird hier zu einer allegorischen Erzählung über Herkunft und Abstammung genutzt. Vermutlich wird hier allgemein der soziale Abstieg und Aufstieg verdeutlicht.97 Eine genauere Identifizierung der Wespe z. B. »als einen aus dem Sklavenstand aufgestiegenen Machthaber«98 oder gar als Phaedrus selbst99 erscheint nicht notwendig. Auffällig ist, dass eine weitere Variante der Zoogonie geboten wird, nämlich die Entstehung der Wespe (vespa) aus einem Maultier (mulus).100 Möglicherweise erklärt es sich aber dadurch, dass Maultiere häufiger als Arbeitstiere verwendet wurden (und noch immer werden) als Esel101 und hier eher die einfache Herkunft der Wespe im Vordergrund steht als eine genaue naturkundliche Zuordnung.

4.7. Zusammenfassung Die in der Forschung häufig vertretenen These, dass es sich bei der Bugonie um eine verbreitete ägyptische oder nordafrikanische Praxis handle, die von den Griechen im Hellenismus übernommen worden sei, lässt sich nach diesen Ausführungen kaum halten. Dagegen spricht nicht nur, dass sich in den ägyptischen 96 So versteht dies auch Oberg (2000) 268 f. Brenot (1961) 109 erinnert diese Fabel an die »métempsychose«, s. o.  209. Schönberger (1975) 205 spricht nur von »einem früheren Leben«. 97 Vgl. Schönberger (1975) 205. 98 Oberg (2000) 268. 99 So Brenot (1961) 109. 100 Zu anderen Zuordnungen s. 4.5. 101 Asinus clitellarius findet sich aber bei Cato Agr. 10,1.

Zusammenfassung

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Quellen keine frühen Belege finden lassen, sondern vor allem die Tatsache, dass es viele verschiedene Beschreibungen der Vorgehensweise gibt, die tendenziell im Laufe der Zeit eher komplexer werden.102 Zudem muss man bedenken, dass Ägypten bei Griechen und Römern als Land der Wunder und Sonderbarkeiten galt, wie es z. B. Herodot (2,35,1) ausdrückt: […] πλεῖστα θωμάσια ἔχει ἢ ἡ ἄλλη πᾶσα γῆ καὶ ἔργα λόγου μέζω παρέχεται πρὸς πᾶσαν χώρην. – »[…] es hat die meisten Wunder, (mehr) als die ganze übrige Erde und bietet im Vergleich zu jedem (anderen) Land Werke von größerer Bedeutung.« Auch hielt man die Ägypter für die älteste Kulturnation, von der man viel übernommen habe (vgl. z. B. Hdt. 2,51 ff.). Eine Verortung des mirabile monstrum (Verg. G. 4,554) der Bugonie am Nil, wie sie viele – aber nicht alle – Quellen vornehmen, erscheint vor diesem Hintergrund nachvollziehbar, muss aber nicht zwangsläufig den historischen Tatsachen entsprechen. Die Fruchtbarkeit des Nilschlamms, die allerlei Tiere spontan hervorbringen kann, wird später auch in den Metamorphosen Ovids (1,416–433) beschrieben, ohne dass hier speziell die Bugonie erwähnt wird. Eine einfache biologische Erklärung der Bugonie, die viele Forscher ausgehend von Osten-Sacken in der Verwechslung mit der Schwebfliege Eristalis tenax gefunden zu haben glauben, lässt sich ebenfalls kaum rechtfertigen, da die Larven dieser Art in der Regel in einem anderen Habitat leben. Aus der griechischen Naturkunde lassen sich aber immerhin einige Prinzipien und Theorien  – insbesondere die Urzeugung bzw. Spontangenese  – anführen, die nahelegen, dass das Prinzip der Bugonie dem griechischen und römischen Denken wohl nicht so fremd war, wie es aus Sicht der modernen Naturwissenschaft erscheint. Darüber hinaus lassen sich einige Verbindungen zwischen Bienen und Rindern bzw. ihren Produkten aus dem mythisch-rituellen Bereich sowie der imkerischen Praxis finden, die das Prinzip plausibel wirken lassen konnten. Andere Zoogonien nahe verwandter Tiere scheinen sekundär analog zur Bugonie gebildet worden zu sein, wofür nicht nur die Tatsache spricht, dass die Fortpflanzung dieser Tiere vermeintlich bekannt war, sondern auch, dass die Verbindungen zwischen Ausgangstier und dem daraus entstehenden Insekt je nach Text unterschiedlich sein können.

102 Dies gilt natürlich nur unter der Voraussetzung, dass man den in diesem Zusammenhang als Quelle zitierten Demokrit nicht mit dem Philosophen aus Abdera identifiziert.

5. Das Geschlecht sozialer Insekten

Eine wichtige Frage, die auch eng mit den antiken Fortpflanzungstheorien zusammenhängt, ist die nach dem Geschlecht der sozialen Insekten. Nicht nur das biologische Geschlecht der Bienen, Wespen und Ameisen soll dabei im Fokus stehen, sondern vor allem auch Rollenbilder, Verhaltensmuster sowie körperliche und geistige Eigenschaften, die man einem bestimmten Geschlecht zuschrieb. Aufschlussreich für diesen Bereich sind vor allem Gleichnisse und Bilder aus Texten, die sich nicht in erster Linie den hier behandelten Insekten widmen. Die Zuschreibungen der Geschlechter sozialer Insekten beruhen größtenteils auf Analogien zur menschlichen Gesellschaft, sodass aus diesen Gleichnissen leicht die Eigenschaften und Verhaltensweisen erschlossen werden können, aufgrund derer eine Zuordnung zu einem Geschlecht vorgenommen wurde.

5.1. Männlichkeit bei sozialen Insekten Für Aristoteles ist der Besitz einer »Waffe« ein eindeutiges Zeichen für Männlichkeit. So heißt es beispielsweise in seiner Diskussion der Frage, ob Bienen männlich oder weiblich seien (Gen. an. III 10, 759 b 1–5): Ἀλλὰ μὴν οὐδὲ τὰς μὲν μελίττας θηλείας εἶναι τοὺς δὲ κηφῆνας ἄρρενας εὔλογον· οὐδενὶ γὰρ τὸ πρὸς ἀλκὴν ὅπλον τῶν θηλειῶν ἀποδίδωσιν ἡ φύσις, εἰσὶ δ’ οἱ μὲν κηφῆνες ἄκεντροι, αἱ δὲ μέλιτται πᾶσαι κέντρον ἔχουσιν. Aber freilich ist es auch nicht logisch, dass die Bienen weiblich sind und die Drohnen männlich, denn die Natur verleiht keinem weiblichen Wesen eine Waffe zur Verteidigung. Nun sind die Drohnen aber stachellos, die Bienen haben aber alle einen Stachel.

Diese Regel, wonach die weiblichen Tiere entweder gar keine Verteidigungswaffe oder aber eine kleinere als die Männchen besitzen, ist wohl von der Beobachtung größerer Tiere, wie die an anderen Stellen1 genannten Rinder oder Hirsche, abgeleitet. Diese Beobachtung wird dann als eine Art Naturgesetz (ἀποδίδωσιν ἡ φύσις) auf die Bienen übertragen. Als Begründung für diese Regel wird angegeben (Part. an. III 1, 661 b 28–32), dass die Natur demjenigen die Waffe zur

1 Z. B. Hist. an. IV 11, 538 b 15–24 und Part. an. III 1, 661 b 26 – 662 a 6; vgl. auch Lloyd (1983) 102; Föllinger (1997) 380 Anm. 32.

Männlichkeit bei sozialen Insekten

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Verfügung stellt, der sie auch benutzen kann. Das Männchen ist in der Darstellung des Aristoteles aber stärker und temperamentvoller (ἰσχυρότερον καὶ θυμικώτερον; Part. an. III 1, 661 b 32 f.),2 weshalb es eher eine Verteidigungswaffe besitzen kann. In seiner Theorie ist also letztlich das Verhalten für die Morphologie der Tiere verantwortlich.3 In den Scholien zu einem Vers aus den Wespen des Aristophanes (1114b) werden die Drohnen jedoch trotz des fehlenden Stachels als οἱ ἄρσενες τῶν μελισσῶν (»die Männchen der Bienen«) bezeichnet. Näher ausgeführt wird dies freilich nicht. Das Prinzip des »Waffenbesitzes« als Zeichen der Männlichkeit findet sich auch in der Besprechung der Wespen bei Aristoteles (Hist. an. IX 41, 628 b 3–7): τῶν δὲ σφηκῶν οἱ μὲν ἄκεντροί εἰσιν ὥσπερ κηφῆνες, οἱ δ’ ἔχουσι κέντρον. εἰσὶ δ’ οἱ ἄκεντροι ἐλάττους καὶ ἀμενηνότεροι, καὶ οὐκ ἀμύνονται, οἱ δ’ ἔχοντες τὰ κέντρα μείζους καὶ ἄλκιμοι· καὶ καλοῦσι τούτους ἔνιοι μὲν ἄρρενας, τοὺς δ’ ἀκέντρους θηλείας. Von den Wespen sind die einen stachellos wie Drohnen, die anderen haben einen Stachel. Die stachellosen sind kleiner und schwächer und verteidigen sich nicht, diejenigen aber, die Stachel besitzen, sind größer und wehrhafter. Und einige nennen diese Männchen, die Stachellosen aber Weibchen.

Neben dem Besitz des Stachels werden hier nun weitere Eigenschaften genannt, die typischerweise mit männlich (groß und wehrhaft) und weiblich (klein, schwach, nicht wehrhaft) verbunden werden. Dies scheint, da es nach heutigem Wissensstand keine natürliche Grundlage hat, gewissermaßen eine Übertragung von anderen Tieren und vor allem auch vom Menschen auf die behandelten Insekten zu sein. Wie oben bereits gezeigt wurde (s. o. 177), stellt Aristoteles bei der Paarung der ἄγριοι σφῆκες die Behauptung auf, dass man beobachtet habe, dass die eine Wespe einen Stachel besitze, die andere aber nicht (Hist. an. IX 41, 628 b 16 f.). Dies ist wohl mit dem Versuch zu erklären, den einen Sexualpartner als weiblich, den anderen als männlich darzustellen. Aristoteles referiert jedoch auch einen anderen Bericht (Hist. an. IX 41, 628 b 19–22),4 der besagt, wenn man eine Wespe an den Füßen halte und die Flügel summen lasse (ἐᾷ βομβεῖν), dann flögen die stachellosen Wespen auf einen zu, die mit Stachel aber nicht. Dies wird von einigen seiner Quellen (τινες) als Beleg dafür genommen, dass die erstgenannten stachellosen Exemplare männlich 2 Vgl. Kullmann (2007) 492 f., welcher auf Hist. an. IX 1, 608 a 33 – b 18 verweist, wo dieses Prinzip vor allem mit Beispielen aus der menschlichen Gesellschaft ausführlicher besprochen wird, weil es dort aufgrund der am höchsten vollendeten φύσις am deutlichsten ausgeprägt sei (608 b 5–8). 3 Vgl. Kullmann (2007) 492. 4 Dieselbe Aussage findet sich beispielsweise auch bei Antig. Car. 52b.

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Das Geschlecht sozialer Insekten

seien, die anderen aber weiblich.5 Es lässt sich tatsächlich beobachten, dass Drohnen ein Stechverhalten imitieren, vermutlich um einen Fressfeind zu täuschen.6 All diesen Aussagen bei Aristoteles ist gemein, dass vor allem das aggressivere Verhalten mit Männlichkeit assoziiert wird. Der Besitz des Stachels kann gemäß der in De partibus animalium (III 1, 661 b 28–32) aufgestellten Theorie ein Hinweis auf größere Stärke und Temperament und damit auf Männlichkeit sein. In vielen Texten gilt die Aggressivität der Wespen als eine zentrale Eigenschaft. Daher ist der Gegenstand von Vergleichen mit Wespen in der erhaltenen antiken Literatur meist eine Gruppe von Männern (z. B. Hom. Il. 12,167–172; 16,259–267 oder der Chor der Richter in den Wespen des Aristophanes). Bienen und Bienenschwärme werden zwar teilweise mit Aggression verbunden, können aber auch andere Konnotationen besitzen und somit ebenfalls für Frauen bzw. Gruppen von Frauen stehen (s. folgenden Abschnitt 5.2). Im Falle der Ameisen kann man auf den griechischen Eigennamen Μύρμηξ (»Ameise«) verweisen. Es handelt sich dabei um einen recht gewöhnlichen Eigen­ namen (die Scholia vetera zu Ar. Ran. 1506a sprechen von einem ὄνομα κύριον), der mit seiner dorischen Nebenform Μύρμαξ in vielen Regionen verbreitet war.7 Ein bekannter mythischer Träger dieses Namens war nach Hesiod (Frg. 225 Merkelbach-West8) der Vater der Melite, nach der ein attischer Demos benannt war.9 In den Fröschen (1506) des Aristophanes wird ein ποριστής (eine Art außerordentlicher Finanzbeamter, der für die Eintreibung spezieller Steuern in Notzeiten zuständig war) namens Μύρμηξ erwähnt. Bei der Aussendung des Aischylos aus der Unterwelt zu den Athenern gibt Hades diesem Gegenstände (vermutlich ein Schwert, zwei Schlingen und Schierling)10 mit, die er bestimmten schädlichen Personen überbringen soll, damit sie Selbstmord begehen. Μύρμηξ ist eine dieser Personen. Zu ihm merken die Scholia vetera (1506c) Folgendes an: οὐ πάντως δὲ ὁ Μύρμηξ τῶν ποριστῶν ἐστιν, ἀλλὰ δὴ οἴονται ἀπὸ ἄλλης ἀρχῆς. – »Auf keinen Fall aber ist der Myrmex einer der Poristen, sondern man glaubt, er habe ein anderes Amt.« Ob es tatsächlich einmal einen tadelnswerten Amtsträger dieses Namens in Athen gegeben hat,11 ist für den Scherz in der Komödie ver 5 Dieser Zusatz fehlt bei Antigonos von Karystos. 6 Vgl. z. B. Evans; West Eberhard (1970) 250 f. für Wespen; Avalos; Rodriguez-Cruz; Giray (2014) zeigen, dass auch Drohnen von Honigbienen unter bestimmten Umständen dazu in der Lage sind, das Abdomen in ähnlicher Weise wie Arbeiterinnen beim Stechen zu beugen (s. besonders S. 768). 7 Für Belegstellen aus den einzelnen Regionen vgl. die entsprechenden Einträge des LGPN (Lexicon of Greek personal names). 8 Zitatkontext: Harpokration Lexikon μ 20, p. 173 Keaney = p. 202 Dindorf bzw. Suda μ 521; ähnlich auch Photios Lexikon μ 239. 9 Weitere mythische Männer dieses Namens finden sich bei Schmidt (1933a) 1005. 10 Vgl. z. B. Dover (1993) 382. 11 Es ist nichts weiter über diesen Μύρμηξ bekannt. Del Corno (1994) 247 schlägt vor, dass es sich möglicherweise um einen Spitznamen oder Beinamen handelt (»forse un sopran-

Weiblichkeit bei sozialen Insekten

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mutlich weniger wichtig. Auch an anderen Stellen (man denke nur an Lamachos in den Acharnern12) wählt Aristophanes sprechende Namen aus, die symbolisch einen bestimmten Menschentyp charakterisieren sollen. Der Name »Ameise« ist für einen ποριστής vielleicht insofern passend, weil diese Tiere oft mit dem Eintreiben und Horten von Reichtum in Verbindung gebracht wurden. Zudem schaden sie dem einfachen Bauern, indem sie sein Korn fressen (s. o. 98), was man vielleicht metaphorisch von einem Sondersteuereintreiber auch sagen könnte. Die Wahl des Namens durch Aristophanes so zu erklären liegt also nahe. Der Name Μύρμηξ konnte jedoch auch für Frauen verwendet werden (s. u. 231).

5.2. Weiblichkeit bei sozialen Insekten In der Diskussion über das Geschlecht der Bienen bei Aristoteles wird die Brutpflege als typisch weibliches Verhalten beschrieben (Gen. an. III 10, 759 b 5–7): οὐδὲ τοὐναντίον εὔλογον, τὰς μὲν μελίττας ἄρρενας τοὺς δὲ κηφῆνας θήλεις· οὐδὲν γὰρ τῶν ἀρρένων εἴωθε διαπονεῖσθαι περὶ τὰ τέκνα, νῦν δ’ αἱ μέλιτται τοῦτο ποιοῦσιν. Und auch das Gegenteil (s. o. 218) ist nicht sinnvoll, nämlich dass die Bienen männlich und die Drohnen weiblich seien. Denn kein männliches (Tier) kümmert sich gewöhnlich um die Kinder, nun aber tun die Bienen dies.13

Zwar kennt Aristoteles Beispiele von männlicher Brutpflege im Tierreich,14 jedoch scheint er auch in diesem Falle Einzelbeobachtungen zugunsten einer kohä­renten Theorie aufzugeben. Plinius verwendet die Bezeichnung matres (HN  11,50) für die Bienen, die die frisch geschlüpften Jungen erzogen haben.15 Auch dies ist ein Hinweis auf eine Vorstellung, dass die Aufzucht der Jungen vor allem mit weiblichen Tieren verbunden wurde (zur Bezeichnung μητέρες für die Bienenköniginnen bei Aristoteles s. u. 233). Wie bereits oben gesagt, bedeutet dies aber nicht unbedingt, dass Bienen als biologische Weibchen angesehen wurden (insbesondere bei Aristoteles ist dies nicht der Fall; s. o. 151), sondern nur, dass bestimmte Verhaltensweisen mit bestimmten Vorstellungen von Weiblichkeit in Verbindung gebracht werden konnten.

nome«), Stanford (1958) 199 meint gar, dass es sich um den Dithyrambendichter Philoxenos handeln könnte (zu diesem s. u. 389). 12 Vgl. Larsen (1946) 92–94. 13 Streng genommen handelt es sich also nicht um eine Aussage über das typische Verhalten von Weibchen, sondern darüber, was Männchen in der Regel nicht tun. 14 Wie z. B. bei der Fischart γλάνις (Hist. an. IX 37, 621 a 20–27); vgl. Lloyd (1983) 99. 15 Varro nennt die Bienen an einer Stelle (Rust. 2,5,5) mellis matres. mater scheint an dieser Stelle eher als Metonymie für einen Produzenten oder Urheber gebraucht zu sein.

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Das Geschlecht sozialer Insekten

Der Name Μέλισσα ist ein recht verbreiteter Frauenname in der gesamten griechischsprachigen Welt der Antike.16 Neben historisch greifbaren Perso­nen17 findet sich der Name Μέλισσα bzw. Melissa auch bei literarischen Personen, wie etwa in den Satyrica Petrons (61 f.) oder in einem Epigramm von Marcus Argentarius (s. u. 226). Von Antiphanes (4. Jhd. v. Chr.) ist der Komödientitel Μέλιττα und ein Fragment (149 PCG) überliefert. Die Forschung geht hier vom Namen einer Hetäre aus,18 letztlich bleibt dies jedoch spekulativ, weil sich aus dem einzigen erhaltenen Fragment keine Rückschlüsse darauf ergeben. Im 4. Dialog der sogenannten Hetärengespräche ( Ἑταιρικοὶ διάλογοι / Dialogi meretricii) Lukians tritt tatsächlich eine Hetäre namens Μέλιττα auf. Bekannt ist der Name auch in Mythos und Kult. Zu diesem speziellen Thema sind bereits einige Abhandlungen erschienen,19 sodass wir uns an dieser Stelle auf zentrale Punkte beschränken können. So wird beispielsweise bei Columella eine Frau namens Melissa erwähnt (9,2,3), die Iuppiter selbst in eine Biene verwandelt habe. Etwas Ähnliches findet sich auch im Aeneis-Kommentar des Servius (Ad Aen. 1,430; s. o.  205). Laktanz (Div. inst. 1,22,19 f.) überliefert ein Fragment (Frg. 14b, p. 155 Braswell = II 5,14, p. 220 f. Schmidt) des alexandrinischen Gelehrten Didymos Chalkenteros, der den Mythos, Zeus sei in seiner Kindheit auf Kreta von Bienen (und der Ziege Amaltheia)  ernährt worden (so z. B. bei Verg. G. 4,149–152) rationalisiert,20 indem er vermutete, dass es sich nicht um Bienen und eine Ziege gehandelt habe, sondern um Melissa und Amaltheia, die Töchter des Königs Melisseus.21 Der Beiname Μέλισσα soll laut Porphyrios De antro nympharum  18 unter gewissen Umständen (s. o. 205 Anm. 74) auch für die Göttin Selene, der Beiname Μελιτώδη für Persephone verwendet worden sein. Neben einzelnen Personen konnten auch Gruppen von Frauen als μέλισσαι bezeichnet werden. Dies gilt vor allem für bestimmte Priesterinnen und Mystin­ nen der Demeter, wie Porphyrios ebenfalls berichtet, sowie für die Priesterinnen 16 Belegstellen für die verschiedenen Regionen lassen sich beispielsweise anhand der entsprechenden Einträge im LGPN (Lexicon of Greek personal names) leicht finden. 17 Unter anderem trug die Ehefrau des korinthischen Tyrannen Periander diesen Namen (so z. B. bei Paus. 2,28,8). 18 Kassel und Austin vermerken in ihrer Edition (PCG II 392) zu dem Titel: »meretricis nomen vel cognomen«. Vgl. auch Auhagen (2009) 63. Letztere hält das Wort für einen sprechenden Namen und nennt als mögliche Verknüpfungen »honigsüß« und das Fliegen von Blüte zu Blüte, was auf wechselnde Liebhaber hindeuten könnte. 19 Z. B. Cook (1895); Ransome (1937) 91–111; Davies; Kathirithamby (1986) 66–70; Herren (2008). 20 Vgl. Ransome (1937) 94. 21 Die Bemerkung des Didymos Chalkenteros stammt aus seinen Kommentaren zu Pindar. Der Bezug zu einer bestimmten Stelle bei Pindar ist nicht überliefert. Braswell (2013) 158 vermutet, dass diese Passage möglicherweise aus einem Kommentar zu Pind. Pyth. 4,60 f. stammt, wo die Pythia in Delphi als μέλισσα bezeichnet wird (dazu im Folgenden).

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der Artemis von Ephesos.22 Auch für andere Gruppen von Priesterinnen ist dies überliefert.23 Sogar die Nymphen konnten als Bienen bezeichnet werden (z. B. Porph. De antr. nymph. 18), möglicherweise weil sowohl Nymphen als auch Bienen hohle Baumstümpfe und Höhlen bewohnen.24 Im Mythos von Rhoikos und der Dryade (dazu s. o. 60) ist letztere zwar nicht mit der Biene identifiziert, jedoch wird das Tier gewissermaßen zu einem Werkzeug, das in ihrem Willen handelt. Ferner werden die Musen mit den Bienen assoziiert oder sogar identifiziert, was vor allem für die Entstehung des Topos vom Dichter bzw. Autor als Biene von Bedeutung ist (s. 8.1). Gemeinsame Eigenschaften bei diesen Verbindungen von Frauen und Bienen sind stets eine gewisse Reinheit (s. 2.3.4), die sich in den meisten Fällen auch auf die Sexualität bezieht25 sowie eine Nähe zu den Göttern bzw. sogar eine Identifizierung mit bestimmten göttlichen Wesen. Insbesondere diese enge Verbindung zum Göttlichen findet sich bei den übrigen sozialen Insekten nicht, sodass Aussagen wie die des Aristoteles (s. o. 63) oder Vergil (s. o. 48) über den vermeintlichen Besitz des Göttlichen in Bezug auf die Bienen leichter verständlich werden. Die vermeintlich ungeschlechtliche Fortpflanzung und die Reinheit, die man mit den Bienen verband, machen sie zu einem idealen Vorbild für die Jungfrau in christlichen Texten. Besonders deutlich wird dies in der Schrift De virginibus (1,40 f.) des Ambrosius dargestellt:26 […] digna enim virginitas quae apibus comparetur, sic laboriosa, sic pudica, sic continens. […] (41) Quam te velim, filia, imitatricem esse huius apiculae, cui cibus flos27 est, ore suboles legitur, ore componitur. Hanc imitare tu, filia.28 22 Vgl. z. B. Elderkin (1939). Dazu ist auch ein in den Fröschen (1274) des Aristophanes überliefertes Aischylos-Fragment (Frg. 87 TrGF) zu nennen, in dem die Priesterinnen (?) der Artemis als μελισσόνομοι bezeichnet werden: εὐφαμεῖτε· μελισσόνομοι δόμον Ἀρτέμιδος πέλας οἴγειν – »Schweigt: ihr Bienenhüter(innen?) öffnet (?) den Palast der Artemis in der Nähe«. Der Infinitiv οἴγειν wurde hier als imperativer Infinitiv übersetzt. Natürlich könnte er z. B. auch Teil einer abhängigen Konstruktion sein, was sich aber aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein einzelnes Fragment handelt, nicht sicher sagen lässt. Dazu und zur weite­ ren Interpretation dieses Verses vgl. auch Dover (1993) 346 f. 23 Vgl. z. B. Herren (2008) 45–49 für weitere Stellen und deren Interpretation. Dazu könnte man noch ergänzen, dass es in den Scholien BNV zu Eur. Hipp. 73c heißt, dass die Biene das reinste Tier sei (dazu s. 2.3.4) und die Dichter aus diesem Grunde Priesterinnen so nennen (ἔνθεν τὰς ἱερείας μελίσσας καλοῦσιν οἱ ποιηταί). 24 Vgl. Ransome (1937) 96. 25 Vgl. z. B. Herren (2008) 47. 26 Vgl. dazu ausführlich Misch (1974) 3–6.34–43; daneben Wimmer (1998) 90 f.; Nicolaye (2008b) 172 f. (zu diesem Beitrag s. o. 23). 27 Cazzaniga liest an dieser Stelle ros, weil zuvor davon die Rede ist, dass die Biene sich am Tau weide (rore pascitur apis). Doch erscheint diese Konjektur nicht unbedingt notwendig (so auch Dückers [2009] 166 Anm. 171); der Sinn ändert sich ohnehin nicht stark. 28 Sehr ähnlich ist auch die Passage im Kommentar des Ambrosius zu Vers 4,11 des Hohe­ liedes (Commentarius in Canticum canticorum 4,30 = PL 15,1909 A–B).

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Das Geschlecht sozialer Insekten

[…] denn die Jungfräulichkeit ist würdig, dass man sie mit den Bienen vergleicht, so arbeitsam, so schamhaft, so maßvoll. […] (41) Wie gern möchte ich, meine Tochter, dass du eine Nachahmerin dieses Bienchens bist, deren Nahrung die Blüte ist, deren Nachkommenschaft mit dem Mund aufgelesen wird, mit dem Mund gebildet wird. Diese sollst du nachahmen, meine Tochter.

Nicht nur die Keuschheit allein ist also eine vorbildliche Eigenschaft der Biene, sondern auch ihr fleißiges (dazu s. 2.3.3) und maßvolles Wesen steht hier mit der virginitas in Zusammenhang. Die Identifizierung der Bienen mit bestimmten Priesterinnen, die mit der Wahrsagekunst in Verbindung stehen, knüpft an ein weiteres Element der antiken Bienenkonzepte an. Dies gilt z. B. für die Priesterinnen des pseudo-homerischen Hermeshymnos und für die Pythia, die Pindar »Delphische Biene« nennt (Pyth. 4,60 f.). Neben der Reinheit und der Nähe zu den Göttern besteht hier sicherlich auch eine Verbindung zu den vermeintlichen mantischen Fähigkeiten der Bienen (dazu s. Kapitel 7). Bienen werden in Gleichnissen, Metaphern und Bildern recht häufig in der antiken Literatur für Frauen verwendet. Sie stehen nicht für eine bestimmte »Form« der Weiblichkeit oder für einen bestimmten »Frauentyp«. Je nachdem welcher Aspekt der Bienenkonzepte betont wird, können sie mit ganz unterschiedlichen Frauen bzw. Frauengruppen in Verbindung gebracht werden. Das Verständnis von Bienen-Frauen-Vergleichen erschließt sich nur, wenn man beide Ebenen (Bild und Gegenstand) des Vergleiches betrachtet, da sich beide Ebenen gegenseitig beeinflussen. Anklänge an die bereits erwähnten Eigenschaften (sexuelle Reinheit, Nähe zum Göttlichen) finden sich etwa auch in dem Epigramm auf die verstorbene Dichterin Erinna, die als παρθενικὴ μέλισσα (Anth. Gr. 7,13,1) angerufen wird (zum Autor als Biene s. 8.1). In der frühgriechischen Dichtung findet sich aber noch eine weitere Vorstellung. Im sogenannten Weiberjambos ordnet Semonides (7. Jhd. v. Chr.) verschiedene »Frauentypen« bestimmten Tieren bzw. Naturphänomenen zu, von denen sie vermeintlich abstammen. In den meisten Fällen dient dies der Verspottung bestimmter Verhaltensweisen des jeweiligen »Frauentypus«, die mit einem bestimmten Tier verbunden werden, das diesen charakterlichen Fehler gewissermaßen exemplarisch symbolisiert. Der Spott entfaltet seine Wirkung, indem das komplexe Wesen eines Menschen so auf einen oder nur wenige charakterliche Fehler reduziert wird.29 Im sogenannten Weiberjambos wird nur die letzte Frau, die von der Biene abstammen soll, als positives Beispiel angeführt (Frg. 7,83–93 [West]):30

29 Vgl. Meckenstock (1952) 54. 30 Für eine genauere Interpretation und Kommentierung vgl. z. B. Marg (1967) v. a. 28–30; Verdenius (1968) v. a. 149–151 sowie den Nachtrag (1969); Lloyd-Jones (1975) v. a. 84–87.

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τὴν δ’ ἐκ μελίσσης· τήν τις εὐτυχεῖ λαβών· κείνῃ γὰρ οἴῃ μῶμος οὐ προσιζάνει, θάλλει δ’ ὑπ’ αὐτῆς κἀπαέξεται βίος, φίλη δὲ σὺν φιλ〈έο〉ντι γηράσκει πόσει τεκοῦσα καλὸν κὠνομάκλυτον γένος. κἀριπρεπὴς μὲν ἐν γυναιξὶ γίνεται πάσῃσι, θείη δ’ ἀμφιδέδρομεν χάρις. οὐδ’ ἐν γυναιξὶν ἥδεται καθημένη ὅκου λέγουσιν ἀφροδισίους λόγους. τοίας γυναῖκας ἀνδράσιν χαρίζεται Ζεὺς τὰς ἀρίστας καὶ πολυφραδεστάτας· Die von der Biene: Wenn einer sich die nimmt, geht es ihm gut; ihr allein nämlich hängt kein Tadel an, durch sie wächst und gedeiht das Leben / der Besitz, lieblich wird sie mit einem liebenden Gatten alt, nachdem sie edle und ruhmvolle Nachkommenschaft geboren hat. Sie wird unter allen Frauen hervorglänzen und göttliche Anmut wird sie umgeben. Und sie wird nicht gerne unter Frauen sitzen, wo sie aphrodisische Worte sprechen. Solche Frauen schenkt Zeus gerne Männern als die edelsten und weisesten.

Die Bienenfrau wird als ideale Ehefrau und Hausfrau vorgestellt. Es klingen gewisse Motive an, die auch bei den Frauen aus dem mythischen bzw. kultischreligiösen Bereich zu finden waren, wie z. B. eine gewisse Reinheit (Vermeiden »unanständiger Gespräche«, das Fehlen eines Tadels) oder die Nähe zum Göttlichen, wie es sich möglicherweise in der θείη χάρις31 sowie der Charakterisierung der Bienenfrau als Gnadengabe (χαρίζεται) des Zeus zeigt. Eine Gemeinsamkeit der Bienenfrau und der Biene ist auch ihr langes Leben (s. o. 167). Eine wichtige Eigenschaft der Bienenfrau ist zudem ihr Fleiß und die Fähigkeit, den Haushalt gut zu führen. Dies entspricht dem verbreiteten Topos vom Fleiß der Biene (s. 2.3.3) und auch der guten Einrichtung des Bienenstockes. Diese Assoziation von den Eigenschaften einer guten Hausfrau und der Biene wird auch in anderen Texten zum Leitmotiv.32 Vom Dichter Phokylides von Milet (6. Jhd.

31 Marg (1967) 29 versteht diese »göttliche χάρις« nicht als »holdselige Art«, sondern als »das Entgegenkommen, die Verehrung, die ihr allenthalben erzeigt wird.« Verdenius (1968) 150 widerspricht dem entschieden. Leider fehlt in beiden Fällen eine schlüssige Begründung. Aus Verdenius (1969) 300 wird ersichtlich, dass Marg wohl seine Meinung geändert habe und nun auch mit »Anmut« übersetzen wolle. Llyod-Jones (1975) übersetzt den Ausdruck mit »godlike beauty«. 32 Xenophons bekannte Darstellung im Oikonomikos wird im Rahmen der Diskussion des Geschlechtes der Weisel besprochen. (s. u. 235).

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v. Chr.) stammt ein Gedicht, das dem Weiberjambos des Semonides sehr ähnlich ist. Dort heißt es über die Bienenfrau (Frg. 2 [Diehl]): […] ἡ δὲ μελίσσης οἰκονόμος τ’ ἀγαθὴ καὶ ἐπίσταται ἐργάζεσθαι· ἧς εὔχευ, φίλ’ ἑταῖρε, λαχεῖν γάμου ἱμερόεντος. […] die von der Biene ist aber eine gute Haushälterin und versteht es zu arbeiten. Bete, mein lieber Freund, dass dir die begehrenswerte Hochzeit mit dieser zuteilwird.

Hier dominiert die Eigenschaft der guten Haushälterin, was einer Verkürzung bzw. Fokussierung der bei Semonides angesprochenen Topoi gleichkommt. In beiden Gedichten wird aber dem Bild von der Biene als asexuellem Wesen widersprochen.33 Zwar wird in der Darstellung des Semonides betont, dass sich die Bienenfrau von ἀφροδίσιοι λόγοι fernhalte,34 jedoch wird sie eindeutig, wie auch bei Phokylides, als Ehefrau und Mutter charakterisiert. In einigen Darstellungen findet sich gar eine dezidiert erotische Komponente, die mit den Bienen verknüpft wird. Dies gilt, wie bereits gezeigt (s. o. 156), für den Vergleich der Lemnierinnen mit einem Bienenschwarm in den Argonautika des Apollonios von Rhodos, aber beispielweise auch für ein Epigramm (Anth. Gr. 5,32) des Marcus Argentarius, eines Elegikers und möglicherweise Rhetors aus augusteischer Zeit:35 Ποιεῖς πάντα, Μέλισσα, φιλανθέος ἔργα μελίσσης·   οἶδα καὶ ἐς κραδίην τοῦτο, γύναι, τίθεμαι· καὶ μέλι μὲν στάζεις ὑπὸ χείλεσιν ἡδὺ φιλεῦσα,   ἢν δ’ αἰτῇς, κέντρῳ τύμμα φέρεις ἄδικον. Du verrichtest alle Werke, Melissa, einer blütenliebenden Biene;   ich weiß es und nehme es mir, Frau, zu Herzen; zwar tropfst du süßen Honig von deinen Lippen, wenn du küsst,   wenn du aber Forderungen36 stellst, bringst du ungerechte Wunden mit dem Stachel bei. 33 Vgl. Bounas (2008) 66. 34 Nach Paynes (2010) 117 Ansicht ist dieses Fernbleiben von Orten, an denen man »aphrodisische Worte spricht«, eine negative Eigenschaft der Bienenfrau, weil sie sich nicht sozial zeigt. Er scheint dabei aber das Fernbleiben überzubetonen und den »aphrodisischen Worten« zu wenig Beachtung zu schenken. Denn es heißt ausdrücklich, dass die Bienenfrau nur in diesem Falle fernbleibt. Zudem scheint es abwegig, ausgerechnet die Bienenfrau als asoziales Wesen zu kennzeichnen. 35 Eine Einführung in Leben und Werk bietet beispielsweise Small (1951) v. a. 111, obwohl seine teilweise biographistische Vorgehensweise nicht mehr der modernen Methodik entspricht. 36 Small (1951) 111 übersetzt mit »if ever you ask for money«. Auch Coco (1981) 75 übersetzt mit »ma quando mi richiedi del denaro«.

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Eine Μέλισσα genannte puella wird hier mit einer »echten« Biene gleichgesetzt. Freilich ist es wahrscheinlich, dass der Name Μέλισσα schon deshalb gewählt wurde, um diesen scherzhaften Vergleich anstellen zu können.37 Hier wird der doppelte Charakter der Biene wie der puella betont: Zum einen können sie Süßes geben, zum anderen können sie aber auch eine gewisse Aggressivität zeigen.38 In den Ekklesiazusen des Aristophanes bezeichnet der Jüngling seine Geliebte, zu der er in eindeutiger Absicht kommt, mit folgenden Kosenamen (973 f.): ὦ χρυσοδαίδαλτον ἐμὸν μέλημα, Κύπριδος ἔρνος, μέλιττα Μούσης, Χαρίτων θρέμμα, Τρυφῆς πρόσωπον, Oh, du mein goldener Schatz, du Sprössling der Kypris (= Aphrodite), du Biene der Muse, Zögling der Grazien, du Verkörperung der Sinnlichkeit,

Die Biene steht hier in einem sexuell konnotierten Kontext und zusätzlich ist eine Verbindung zu verschiedenen Göttern gegeben. Allen voran ist sie mit der Muse assoziiert, welche das Genitivattribut zu μέλιττα bildet, aber im weiteren Kontext werden auch Aphrodite, die Grazien und die personifizierte Τρυφή genannt. Im 19. Eidyllion Theokrits39 wird der Gott Eros als Honig- oder Wachsdieb gezeigt. Der Raub gelingt ihm jedoch nicht, sondern die Bienen stechen ihn stattdessen in den Finger. Als er sich darüber bei seiner Mutter Aphrodite beklagt, antwortet diese (Id. 19,7 f.):

37 Vgl. Small (1951) 96. 38 Die Biene als Metapher für den Topos, dass bei etwas Angenehmem immer auch etwas Unangenehmes vorhanden ist, findet sich, ohne Bezug zu einer Frau, auch bei Ammianus Marcellinus (17,4,11), Horapollon Hieroglyphika (1,62) sowie in den Satyrica Petrons (Sat. 56,6): Ideo autem pungunt, quia ubicumque dulce est, ibi et acidum invenies. Ein Spiel mit diesem Topos findet sich auch in einem Epigramm des Bianor (9,548; s. o. 215), wo die Bienen im letzten Vers (6) als πικραί (»grausam«, wörtlich: »bitter«) sowie als γλυκερῆς ἀντίπαλοι χάριτος (»das Gegenteil eurer süßen Gabe«) bezeichnet werden. In dem Epigramm (9,302) des Antipatros mit demselben Inhalt heißt es ebenfalls im letzten Vers (6), die Bienen enthielten auch bitteren Honig ([…] κἀκείναις πικρὸν ἔνεστι μέλι). Die Biene, die den »Stachel des Eros« (κέντρον Ἔρωτος) verkörpert, der dem Herzen sowohl Süßes als auch Bitteres bringe, spricht Meleagros in einem seiner Epigramme an (Anth. Gr. 5,163). Die Dichterpersona in Anth. Gr. 12,124 (teilweise Artemon zugeschrieben) vergleicht die Tatsache, dass er sich in einen jungen Mann verliebt, der offenbar widersprüchliche Signale sendet, mit dem Berühren eines Bienenschwarms, einer Nessel und Feuer (vgl. auch Gow; Page [1965] 113). Der »Stachel des Eros« findet sich zudem in einem Epigramm des Straton (Anth. Gr. 12,249) über eine Biene, die sich auf dem Gesicht eines geliebten Knaben niederlassen will, welcher als μέλι (»Honig«) der Dicherpersona bezeichnet wird. Zu diesen Beispielen vgl. Bounas (2008) 78. 39 Vermutlich handelt es sich hierbei um eine Pseudepigraphie, denn dieses Gedicht wird Theokrit nur in einem Manuskript aus dem 15. Jhd. zugeschrieben (vgl. Gow [1952] II 362).

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χἀ μάτηρ γελάσασα· »τὺ δ’ οὐκ ἴσος ἐσσὶ μελίσσαις, ὃς τυτθὸς μὲν ἔεις τὰ δὲ τραύματα ἁλίκα ποιεῖς;« Und lachend (antwortete) die Mutter: »Bist du denn nicht gleich den Bienen, der du zwar sehr klein bist, aber doch so große Wunden schlägst?«

Der Stich der Biene wird hier offensichtlich mit dem Pfeil des Eros gleichgesetzt (dazu s. auch o. 227 Anm. 38), wodurch eine Konnotation von Biene und Erotik impliziert wird, wenngleich an dieser Stelle kein Bezug zur Weiblichkeit besteht. Im ersten Stasimon des euripideischen Hippolytos wird die gewaltige Macht des Eros besungen. In den letzten Versen (563 f.)40 wird dabei Aphrodite mit einer Biene verglichen: δεινὰ γὰρ τὰ πάντ’ ἐπιπνεῖ, μέλισσα δ’ οἵ- / α τις πεπό­ ταται. – »Denn sie weht alles als Gewaltige an, wie eine Biene fliegt sie hierhin und dorthin.« Ausgangspunkt des Vergleiches ist wohl die Vorstellung, dass sich Aphrodite wie auch die Biene alle möglichen »Opfer« sucht.41 Eine direkte Verbindung zur Wirkung der Liebe fehlt aber. In der Ars amatoria (1,95–97) Ovids findet sich der Vergleich einer cultissima femina, die zum Theater eilt, mit der Biene, die zur Blumenwiese fliegt. Der eigentliche Vergleichspunkt ist hier zwar eher die Zielstrebigkeit und die Eile, die durch das lohnende Ziel verursacht wird, jedoch scheint gerade dieses Ziel eine Verbindung zwischen der Blumenwiese der Biene und der Erotik zu implizieren (dazu s. auch o. 156).42 Denn die Frauen eilen in der Darstellung Ovids vor allem deshalb zu den Theaterspielen, um Männer zu sehen und um sich selbst zu präsentieren (Spectatum veniunt, veniunt spectentur ut ipsae; 1,100). Eindeutig wird dieser Ort als schädlich für die Schamhaftigkeit charakterisiert (Ille locus casti damna pudoris habet; 1,101). Die Besprechung hat gezeigt, dass man keineswegs von einer eindeutigen metaphorischen Verwendung der Biene für einen bestimmten »Frauentypus« sprechen kann. Vielmehr können je nach Kontext ganz unterschiedliche Konzepte von Weiblichkeit mit bestimmten Vorstellungen von Verhaltensweisen und Eigenschaften der Biene assoziiert werden. Das weite Spektrum reicht von der keuschen Jungfrau, über die Ehefrau und Mutter bis hin zur puella der Liebes­ elegie. Zwar überwiegt in der antiken Literatur  – gerade auch in naturkundlichen Werken  – die Vorstellung von der Biene als asexuellem Wesen, jedoch 40 Bereits zuvor ist in Vers 77 von einer μέλισσα ἠρινή (»Frühlingsbiene«) auf der unberührten Wiese die Rede, von deren Blüten Hippolytos Artemis einen Kranz geflochten hat. In diesem Kontext, in dem die sexuelle Reinheit betont wird, ist die Biene ebenfalls ein passendes Tier. Die Verwendung der Biene in Verbindung mit jeder der beiden bestimmenden Göttinnen dieser Tragödie zeigt eindrücklich die große Spannbreite der Verwendung der Biene in Bezug auf weibliche Wesen. Vgl. dazu auch Elliger (1975) 256. 41 Vgl. Bounas (2008) 78. 42 Reitz (1996) 21 hält das bereits (156) genannte Gleichnis aus den Argonautika für ein Vorbild Ovids.

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findet sich teilweise sehr wohl eine gewisse erotische Konnotation in der metaphorischen Verwendung. Gleichwohl liegt diesen Passagen nicht unbedingt eine naturkund­liche Theorie von der sexuellen Vermehrung der Bienen zugrunde. Auch andere »Bienenarten« dienen als Vergleichsobjekt für menschliche Frauen. In der Theogonie Hesiods werden die Frauen als ausgleichendes Übel für das Gut des Feuers, das den Menschen dank des Raubes durch Prometheus zur Verfügung steht, von Hephaistos und Athene geschaffen. Dieses πῆμα μέγα (»großes Übel«; Theog. 592) wird mit den Drohnen im Bienenstock verglichen (Theog. 594–602):43 ὡς δ’ ὁπότ’ ἐν σμήνεσσι κατηρεφέεσσι μέλισσαι κηφῆνας βόσκουσι, κακῶν ξυνήονας ἔργων·  αἳ μέν τε πρόπαν ἦμαρ ἐς ἠέλιον καταδύντα ἠμάτιαι σπεύδουσι τιθεῖσί τε κηρία λευκά, οἳ δ’ ἔντοσθε μένοντες ἐπηρεφέας κατὰ σίμβλους ἀλλότριον κάματον σφετέρην ἐς γαστέρ’ ἀμῶνται· ὣς δ’ αὔτως ἄνδρεσσι κακὸν θνητοῖσι γυναῖκας Ζεὺς ὑψιβρεμέτης θῆκε, ξυνήονας ἔργων ἀργαλέων. […] Wie aber stets im überwölbten Stock Bienen die Drohnen ernähren, die Partner schlechter Taten; die einen (die Bienen) mühen sich tagsüber den ganzen Tag bis zum Sonnenuntergang ab und errichten die weißen Waben, die anderen aber (die Drohnen) bleiben im bedeckten Stock und ernten fremde Mühen für ihren eigenen Magen; Genauso hat der in der Höhe donnernde Zeus den sterblichen Männern Frauen als Übel gegeben, die Partner schädlicher Werke. […]

In diesem Bild stehen die Drohnen, die hier zum ersten Mal in der erhaltenen griechischen Literatur als faule Schädlinge charakterisiert werden, für die negativ dargestellten Frauen, die – so Hesiod – sich nur im Inneren aufhalten und von der Arbeit anderer leben. Diese vermeintlich gleichen Verhaltensweisen von Frauen und Drohnen dienen als Vergleichspunkt. Eine naturkundliche Theo 43 Diese Verse stellen das erste ausführliche Gleichnis bei Hesiod dar (vgl. West [1966] 331). Zum ersten Mal in der erhaltenen griechischen Literatur findet sich hier eine Unterscheidung der einzelnen »Bienenarten« sowie eine gewisse Beschreibung und Charakterisierung ihres Verhaltens. Einige Forscher nehmen daher an, dass Hesiod im Gegensatz zu Homer gewisse Kenntnisse über die Bienenzucht gehabt habe (vgl. z. B. Ransome [1937] 76; Nicolaye [2008b] 115). West (1966) 331 hegt daran Zweifel, die er vor allem an den Adjektiven κατηρεφής (594) bzw. ἐπηρεφής (598) festmacht. Diese stehen zumindest bei Homer meist in Bezug auf Höhlen oder überhängende Felsen, sodass er annimmt, dass hier eher die natürlichen Behausungen der Bienen gemeint sind als künstliche Bienenstöcke. Sowohl σμῆνος als auch σίμβλος, auf die die Adjektive κατηρεφής bzw. ἐπηρεφής hier bezogen sind, können den natürlichen und den künstlichen Bienenstock bezeichnen.

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rie, wonach die Drohnen tatsächlich weiblich seien, lässt sich daraus aber nicht ableiten.44 Dies belegt vor allem ein weiteres ähnliches Gleichnis in den Werken und Tagen (Op. 304–306), wo faule Männer mit Drohnen verglichen werden. Der Vergleich zwischen den Frauen und den Drohnen bei Hesiod scheint also weniger eine Aussage über das Geschlecht der Drohnen als eine negative Darstellung der menschlichen Frau zu beinhalten. Das biologische Geschlecht spielt hier keine Rolle (eindeutig als männlich werden die Drohnen jedoch in den Scholien [1114b] zu den Wespen des Aristophanes bezeichnet; s. o. 219). Trotzdem könnte das Gleichnis Hesiods direkt oder indirekt eine Quelle für die bei Aristoteles (Gen. an. III 10, 759 b 5 f.) geäußerte These sein, dass die Drohnen weiblich und die Bienen männlich seien.45 Ein ähnlicher Gedanke findet sich in der Historia animalium des Aristoteles. In einer Besprechung verschiedener »Bienenarten« (IX 40, 627 a 12–15; s. o. 72) unterscheidet er die kleinen, fleißigeren Bienen (627 a 12) von den großen. Erstere seien besser und dunkel gefärbt, letztere seien φαναὶ καὶ λαμπραί (627 a 14) wie »faule Frauen« (γυναῖκες ἀργαί; 627 a 15). In diesem Zusammenhang müssen die Adjektive φανός und λαμπρός wohl die Bedeutung »hell«, »glänzend«, »weiß«46 haben, weil sie hier dazu dienen, die Färbung der einen Art von der dunklen Färbung der anderen Art abzuheben. In diesem Falle könnte gemeint sein, dass auch die »faule«47 Frau eine helle Haut besitzt, weil sie sich den ganzen Tag im Haus aufhält.48 Ähnlich wie im Drohnenvergleich Hesiods wird also eine faule Frau (bei Aristoteles sind freilich nicht pauschal alle Frauen so charakterisiert) mit einer bestimmten »Bienenart« verglichen. Ein äußeres Merkmal einer »Bienenart« wird so zu einem bestimmten weiblich konnotierten »Merkmal« in Beziehung gesetzt, welches in beiden Fällen vermeintlich Rückschlüsse auf den Charakter erlaubt. Auch dieser Aussage liegt wohl eine Übertragung der Vorstellungen von der menschlichen Sphäre auf die Welt der Bienen zugrunde. 44 Bounas (2008) 65 scheint dies anzudeuten, indem er sagt, dass die Zuweisung der Charakteristika der Drohnen zu den Frauen durch »den Wissenstand der damaligen Zeit erklärbar« sei. Der »Wissenstand« der Zeit Hesiods über die Bienen lässt sich aber nur sehr schwer definieren, da sich die Zeugnisse darüber mehr oder weniger auf die beiden hier genannten Gleichnisse beschränken. 45 Klek; Armbruster (1919) 21 Anm. 2 bezweifeln, dass diese Haltung ernsthaft vertreten wurde. 46 Klek; Armbruster (19191) 39 übersetzen mit »schmuck und glänzend«, dies zeigt aber m. E. zu wenig den Gegensatz zur dunklen Färbung der anderen »Art«. 47 ἀργός hat als zweite Bedeutung (es handelt sich wohl um ein Homonym) »leuchtend« bzw. »weiß« (so z. B. in Arist. Top. VI 10, 149 a 6 f., vgl. LSJ »ἀργός« [A] I 2). 48 In der Ikonographie wurden schon früh die Geschlechter anhand der Hautfarbe kenntlich gemacht. Für Männer wurde ein dunkler Farbton verwendet, für Frauen häufig weiße Farbe (vgl. z. B. Schollmeyer [2012] 87). Komödienmasken der Frauenrollen waren ebenfalls weiß gefärbt, um sie von den dunklen Männermasken zu unterscheiden (vgl. z. B. Zimmermann [2011b] 503).

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Trotz dieser vielen Verbindungen zwischen Bienen und als weiblich verstandenen Eigenschaften, finden sich diese kaum bei den übrigen sozialen Insekten. Ameisen und Wespen werden vor allem als Gruppe wahrgenommen, sodass die Betrachtung eines einzelnen Individuums in der erhaltenen Literatur abgesehen von der Fabel nicht zu finden ist. Insofern werden diese Tiere vor allem als Masse präsentiert, die nicht unbedingt mit einem bestimmten Geschlecht verbunden wird oder aber, insbesondere wenn von dem Schwarm eine gewisse Aggressivität und Gefahr ausgeht, eher mit dem männlichen. Dies gilt in erster Linie für die Wespen, deren wichtigstes Charakteristikum in den antiken Darstellungen die Aggressivität ist. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die Darstellung der Weiblichkeit bei Wespen kaum eine Rolle spielt, sieht man einmal von der sogenannten Wespenmutter ab (dazu s. 5.4). Weiblichkeit bei Ameisen wird allenfalls in Aelians Beschreibung des »Ameisenpalastes« am Rande angesprochen (s. o.  184 und u. 320). Dort ist von einem eigenen Frauengemach die Rede, in dem die weiblichen Ameisen gebären. Diese Darstellung ist wohl, wie oben bereits gesagt, vor allem von der menschlichen Gesellschaft geprägt und hat keine wirkliche naturkundliche Grundlage. Wie bereits erwähnt (s. o. 220), konnte der Name Μύρμηξ sowohl für einen Mann als auch für eine Frau verwendet werden, obwohl das grammatikalische Geschlecht maskulin ist. Der Männername scheint jedoch wohl geläufiger gewesen zu sein. Der Vergilkommentator Servius überliefert aber in seiner Anmerkung zu Aen. 4,402 eine Sage von einer jungen Frau (puella) namens Myrmix49 (zu dieser Sage s. u. 314), welche – ähnlich wie häufig die Biene – als keusch und klug charakterisiert wird und daher von Minerva besonders geschätzt wurde (Minervae ob castimoniam et sollertiam dilecta). Sie zieht später jedoch den Zorn dieser Göttin auf sich und wird in der Folge in eine Ameise verwandelt.

5.3. Bienenkönig oder Bienenkönigin? Der Weisel der Bienen wird meist eher mit männlich konnotierten Eigenschaften verbunden. Seine Stellung im Bienenstaat wird oft als analog zu der des menschlichen Herrschers dargestellt, der zumindest in der griechisch-römischen Kultur ebenfalls in der Regel männlich war. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass für den Bienenkönig fast ausschließlich männliche Benennungen verwendet werden, wie z. B. βασιλεύς, ἡγεμών, rex oder dux. Wenn auf ihn durch ein Pronomen rekurriert wird, dann steht dies meistens im Maskulinum. 49 Schon sehr früh (im Attischen etwa bereits ab dem 4. Jhd. belegt) wurde der Buchstabe η teilweise wie ein »/i/« ausgesprochen, sodass es zu fehlerhaften Schreibungen kam (vgl. Karvounis [2008] 73–77). Daher muss die lateinische Umschrift Myrmix für μύρμηξ nicht weiter verwundern.

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Eine Ausnahme findet Balme in seiner Edition der Historia animalium des Aristoteles. In einem Kontext, in dem einige Charakteristika des Bienenkönigs vorgestellt werden, heißt es in IX 40, 624 a 29 f. (Hervorhebung durch den Autor): λέγεται δὲ καὶ φέρεσθαι αὐτὴν ὑπὸ τοῦ ἑσμοῦ ὅταν πέτεσθαι μὴ δύνηται· – »Man sagt aber, dass sie (gemeint ist der Weisel) sogar vom Schwarm getragen werde, wenn sie nicht mehr fliegen könne.«50 Balme folgt hier der Handschriftengruppe β (mit einer Ausnahme), während die Handschriftengruppe α an dieser Stelle αὐτόν, also das maskuline Pronomen, liest. Letzteres übernehmen alle anderen Editionen. Durch Balmes Text entsteht nun der Eindruck, dass Aristoteles auf den Bienenkönig an einer einzigen Stelle in seinem ganzen erhaltenen Corpus mit einem weiblichen Pronomen Bezug nimmt. Leider hat Balme keine Begründung hinterlassen, weshalb er sich für diese Lesart an dieser Stelle entschieden hat, jedoch scheint das Argument der Lectio difficilior sowie die seiner Meinung nach zu bevorzugende Handschriftengruppe β den Ausschlag gegeben zu haben.51 Es ist jedoch fraglich, ob diese Lesart korrekt ist. Das Pronomen αὐτήν würde in diesem Falle das im vorangehenden Satz verwendete Akkusativobjekt τὸν ἡγεμόνα aufnehmen. Prinzipiell ist es grammatikalisch zwar möglich, dass ein Pronomen im Rahmen einer sogenannten constructio ad sensum ein anderes grammatikalisches Geschlecht hat als sein Bezugswort,52 jedoch müsste in diesem Falle allgemein bekannt sein, dass der Weisel der Bienen weiblich ist. Dies ist jedoch offensichtlich nicht der Fall, zumal Aristoteles an keiner weiteren Stelle in seinen eigenen Ausführungen von einer weiblichen Bienenkönigin ausgeht und auch sonst nie mit einem femininen Pronomen auf den Bienenkönig Bezug nimmt. Die plötzliche Verwendung von αὐτή mag vielleicht für den modernen Leser, der weiß, dass die Bienenkönigin ein Weibchen ist, verständlich sein, jedoch sind nach den erwähnten Einwänden starke Zweifel angebracht, ob eine solche Zuordnung von αὐτήν zu τὸν ἡγεμόνα für den antiken Rezipienten ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen wäre. Unter diesen Umständen erscheint die Lesart der Handschriftengruppe β kaum dem Originaltext entsprechen zu

50 Zum Inhalt dieser recht häufigen Annahme s. u. 273. 51 Gerade das starre Festhalten an dieser Handschriftengruppe bereitet jedoch  – zumindest in den Passagen über die sozialen Insekten – Probleme. So folgt Balme dieser Handschriftengruppe auch an Stellen, bei denen offensichtlich kleinere Schreibfehler vorliegen. Beispielsweise liest in 623 b 19 (fast) nur die Handschriftengruppe β μελιτουργοί, alle anderen Handschriften lesen aber μελιττουργοί, was aufgrund seiner Etymologie wohl auch die korrekte Schreibung ist. Obwohl Balme an allen neun weiteren Stellen, in denen dieses Wort in der Historia animalium verwendet wird (unter anderem in 623 b 31, also in unmittelbarer Nähe dieser Stelle), die übliche Schreibung mit zwei τ wählt, entscheidet er sich in 623 b 19 für die Lesart der Handschriftengruppe β. Die Zugehörigkeit einer Lesart zur Handschriftengruppe β wird offenbar als hinreichender Grund dafür angesehen, diese zu übernehmen. 52 Vgl. KG § 359,3b.

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können und es liegt somit kein Beleg vor, dass Aristoteles von einer weiblichen Bienenkönigin ausging.53 Bereits Hudson-Williams hat in einem kurzen Aufsatz aus dem Jahre 1935 gezeigt, dass es Vorstellungen von einer weiblichen Bienenkönigin in der Antike gab, diese jedoch zumindest im erhaltenen Corpus sehr isoliert sind.54 Ein häufig zitiertes Beispiel für die Annahme eines weiblichen Geschlechtes der Bienenkönigin ist die Bezeichnung μητέρες,55 die einige Menschen laut Aristoteles für die Weisel verwenden (Hist. an. V 21, 553 a 29). Grund sei, dass sie Nachwuchs hervorbrächten (ὡς γεννῶντες). Ob damit jedoch wirklich ein biologisches weibliches Geschlecht verbunden war, ist nicht ganz klar. Denn zumindest Aristoteles gesteht den Bienenkönigen auch zu, dass sie Nachwuchs hervorbringen, sieht sie aber trotzdem nicht als biologische Weibchen, sondern eher als Hermaphroditen, weil sie vermeintlich auch die Zeugungsfähigkeit besitzen (s. o.  152). Zudem muss man bedenken, dass auch die Wespenmütter μήτρα genannt wurden und trotzdem nicht eindeutig weiblich in biologischer Hinsicht sind (dazu s. o. 176). Durch Arrian sind uns zwei Erwähnungen einer Bienenkönigin überliefert. In der Indike (8,11) zitiert er seine Quelle Megasthenes (715 Frg. 13,11 FGrH) in einer Passage über den Fang von Austern: καὶ λέγει Μεγασθένης, θηρεύεσθαι τὴν κόγχην αὐτοῦ δικτύοισι, νέμεσθαι δ’ ἐν τῇ θαλάσσῃ κατὰ ταὐτὸ πολλὰς κόγχας, κατάπερ τὰς μελίσσας. καὶ εἶναι γὰρ καὶ τοῖσι μαργαρίτῃσι βασιλέα ἢ βασίλισσαν, ὡς τῇσι μελίσσῃσι. Und es sagt Megasthenes, dass die Muschel dort mit Netzen gefangen würde, es lebten aber im Meer an demselben Ort viele Muscheln, genau wie die Bienen. Und es hätten nämlich auch die Austern einen König oder eine Königin wie auch die Bienen.

Es handelt sich in diesem Falle also nicht um ein direktes Zitat, sondern eher um eine Paraphrase. Aus diesem Grunde ist nicht ganz deutlich, wie viel von der Formulierung vom Zitatträger Arrian und wie viel vom zitierten Text selbst stammt. Einen Hinweis darauf können andere Autoren geben, die diese Passage 53 In dem Werk des Palladius scheint auf den ersten Blick ein ähnlicher Fall vorzuliegen. In Op. 7,7,7 heißt es in einer Beschreibung des Bienenkönigs: sunt autem paulo maiores et oblongae magis quam ceterae apes. Oblongae findet sich in allen Handschriften des Palladius. Der Satz stammt allerdings fast wörtlich aus Columella, wo es in Rust. 9,10,1 heißt: Sunt autem hi reges maiores paulo et oblongi magis quam ceterae apes. Die feminine Form oblongae bei Palladius erklärt sich wohl dadurch, dass sie auf apes bezogen ist, oblongi bei Columella aber auf reges. Dies bedeutet gewissermaßen, dass zumindest Palladius die reges unter die apes einordnet, jedoch nicht, dass er sie als weiblich angesehen hat. Im weiteren Verlauf der Passage spricht er auch stets vom rex und nimmt mit maskulinen Pronomina auf ihn Bezug. 54 Vgl. Hudson-Williams (1935) 4; Davies; Kathirithamby (1986) 63. 55 Vgl. z. B. Hudson-Williams (1935) 4; Kofler (1994) 120; Diederichs (2007) 133.

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bei Megasthenes ebenfalls sinngemäß wiedergeben, freilich ohne Megasthenes als Quelle zu nennen. Bei Plinius heißt es (HN 9,111): quidam tradunt sicut apibus, ita concharum examinibus singulas magnitudine et vetus­ tate praecipuas esse veluti duces, […]. Gewisse Menschen berichten, dass es wie bei den Bienen auch bei den Schwärmen der Muscheln einzelne (feminin, weil singulas conchas zu verstehen ist) gebe, die durch ihre Größe und ihr Alter herausragen, wie Anführer, […].

Eine ähnliche Passage hat auch Aelian in seinem Werk De natura animalium (15,8): νήχεσθαί τε κατὰ ἀγέλας τοὺς μαργάρους, καὶ ἔχειν ἡγεμόνας, ὡς ἐν τοῖς σμήνεσιν αἱ μέλιτται τοὺς καλουμένους βασιλέας· ἀκούω δὲ εἶναι καὶ τοῦτον διαπρεπῆ καὶ τὴν χρόαν καὶ τὸ μέγεθος. Es schwimmen die Austern in Herden und sie haben Anführer, wie die Bienen in ihren Schwärmen die sogenannten Könige haben; ich höre aber, dass diese sich durch ihre Farbe und ihre Größe auszeichnen.

In diesen beiden Passagen,56 ist die Aussage, es gebe entweder einen männlichen Anführer oder eine weibliche Anführerin, nicht enthalten, sodass es nicht unwahrscheinlich ist, dass Arrian dies eingefügt hat. Ein sicherer Beleg, dass bereits Megasthenes von einer möglichen weiblichen Bienenkönigin ausging, stellt dieses Zitat also nicht dar.57 Von Arrian stammt noch ein weiterer Beleg für die Auffassung, die Bienenkönigin sei weiblich. Er veröffentlichte die sogenannten Diatriben (Lehrgespräche) seines stoischen Lehrers Epiktet, von denen die Bücher 1–4 erhalten sind. Wie stark diese Lehrgespräche von Arrian bearbeitet wurden oder ob sie doch bis zu einem gewissen Grade die Worte Epiktets enthalten (Arrian selbst behauptet in dem Brief an Lucius Gellius, so weit wie möglich den Wortlaut Epiktets wiederzugeben), ist umstritten.58 In Diatribe 3,22 rät Epiktet einem Schüler davon ab, sich dem Kynismus zuzuwenden. Er widmet sich dabei besonders umfangreich der Gewohnheit der Kyniker, andere Menschen in ihrem Verhalten zu kritisieren, obwohl sie dazu nicht berufen seien. In 3,22,99 heißt es: 56 In seinem Kommentar zum Matthäus-Evangelium (10,7) äußert sich Origenes ähnlich. Auch er spricht nur von einem männlichen Bienenkönig, den er als ἔσσην bezeichnet (dazu s. u.  294). 57 Wie Hudson-Williams (1935) 3 korrekt anmerkt, bezieht sich die Unterscheidung βασιλέα ἢ βασιλίσσαν zunächst nur auf die Austern. Möglicherweise ist die Aussage, so führt Hudson-Williams weiter aus, auch so zu verstehen, dass die Austern einen König oder eine Königin haben, wie auch die Bienen »a royal head« besitzen. Arrian selbst ging jedoch vermutlich von einer weiblichen Bienenkönigin aus, wie im Folgenden gezeigt wird. 58 Vgl. dazu z. B. Wehner (2000) 27–53.

Bienenkönig oder Bienenkönigin?

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τί δὲ σοὶ καὶ τοῖς ἀλλοτρίοις; τίς γὰρ εἶ; ὁ ταῦρος εἶ ἢ ἡ βασίλισσα τῶν μελισσῶν; δεῖξόν μοι τὰ σύμβολα τῆς ἡγεμονίας, οἷα ἐκείνη ἐκ φύσεως ἔχει. εἰ δὲ κηφὴν εἶ ἐπιδικαζόμενος τῆς βασιλείας τῶν μελισσῶν, οὐ δοκεῖς ὅτι καὶ σὲ καταβαλοῦσιν οἱ συμπολιτευόμενοι, ὡς αἱ μέλισσαι τοὺς κηφῆνας; Was aber (gehen) dich fremde Angelegenheit an? Wer bist du denn? Bist du der Stier oder die Königin der Bienen? Dann zeige mir die Zeichen deiner Autorität als Herrscher, welche jene von Natur aus hat. Wenn du aber ein Drohn bist und Anspruch anmeldest auf die Herrschaft über die Bienen, meinst du dann nicht, dass dich deine Mitbürger hinauswerfen wie die Bienen die Drohnen?59

Hier ist nun tatsächlich eindeutig von einer weiblichen Bienenkönigin die Rede. Die Benennung βασίλισσα für die Bienenkönigin ist auch insofern eine Besonderheit, weil dadurch die Vorstellung von Herrschaft mit der von der Weiblichkeit der Bienenkönigin verknüpft wird. Dies ist bei der Benennung μήτηρ, die Aristoteles angibt, nicht gegeben. Hier wird das Weibliche ausschließlich mit der Fähigkeit zur Geburt verbunden. Die direkten Hinweise auf die Annahme, die Bienenkönigin sei im biologischen Sinne weiblich, sind im erhaltenen Corpus, wie gezeigt, sehr spärlich und lassen sich möglicherweise auf nur einen einzigen Autor zurückführen. Ein bekannter Vergleich zwischen einer Frau und der Bienenkönigin findet sich in Kapitel 7 von Xenophons Oikonomikos. Dieses Kapitel beinhaltet ein Gespräch zwischen Sokrates und einem gewissen Ischomachos über die Rolle der Frau und des Mannes im Haushalt. An mehreren Stellen (7,17.32–34.38)60 nennt Ischomachos die Biene als ideales Vorbild. Die Parallelen, die er zwischen der guten Hausfrau und der Bienenkönigin sieht, nennt er vor allem in 7,32–34: (32) δοκεῖ δέ μοι, ἔφην, καὶ ἡ τῶν μελιττῶν ἡγεμὼν τοιαῦτα ἔργα ὑπὸ τοῦ θεοῦ προστεταγμένα διαπονεῖσθαι. Καὶ ποῖα δή, ἔφη ἐκείνη, ἔργα ἔχουσα ἡ τῶν μελιττῶν ἡγεμὼν ἐξομοιοῦται τοῖς ἔργοις οἷς ἐμὲ δεῖ πράττειν; (33) Ὅτι, ἔφην ἐγώ, ἐκείνη γε ἐν τῷ σμήνει μένουσα οὐκ ἐᾷ ἀργοὺς τὰς μελίττας εἶναι, ἀλλ’ ἃς μὲν δεῖ ἔξω ἐργάζεσθαι ἐκπέμπει ἐπὶ τὸ ἔργον, καὶ ἃ ἂν αὐτῶν ἑκάστη εἰσφέρῃ οἶδέ τε καὶ δέχεται, καὶ σῴζει ταῦτα ἔστ’ ἂν δέῃ χρῆσθαι. ἐπειδὰν δὲ ἡ ὥρα τοῦ χρῆσθαι ἥκῃ, διανέμει τὸ δίκαιον ἑκάστῃ. (34) καὶ ἐπὶ τοῖς ἔνδον δ’ ἐξυφαινομένοις κηρίοις ἐφέστηκεν, ὡς καλῶς καὶ ταχέως ὑφαίνηται, καὶ τοῦ γιγνομένου τόκου ἐπιμελεῖται ὡς ἐκτρέφηται· ἐπειδὰν δὲ ἐκτραφῇ καὶ ἀξιοεργοὶ οἱ νεοττοὶ γένωνται, ἀποικίζει αὐτοὺς σὺν τῶν ἐπιγόνων τινὶ ἡγεμόνι. (32) »Es scheint mir aber«, sagte ich (es spricht Ischomachos zu seiner Frau), »auch die Anführerin der Bienen solche Aufgaben, die ihr von dem Gott aufgetragen wurden, zu verrichten.« »Und welche Aufgaben«, sagte jene (die Frau des Ischomachos), »hat die Anführerin der Bienen und inwiefern ähneln sie denen, die ich zu erledigen habe?« 59 Zur Rolle der Drohnen in der Gesellschaft der Bienen s. 6.3.3. 60 Einen guten Kommentar zu diesen Stellen bietet Pomeroy (1994) v. a. 276–280.

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(33) »Weil jene«, sagte ich, »im Stock bleibt und nicht zulässt, dass die Bienen faul sind, sondern die, denen es obliegt draußen zu arbeiten, zu ihrer Aufgabe herausschickt, und das, was jede von ihnen hineinbringt, kennt und annimmt, und dies so lange aufbewahrt, bis es gebraucht wird. Wenn aber die Zeit kommt, es zu gebrauchen, teilt sie jeder (Biene) den gerechten (Teil) zu. (34) Sie steht auch dem Weben61 der Waben im Inneren vor, sodass sie schön und schnell gewoben werden, und sie sorgt dafür, dass die entstehende Nachkommenschaft großgezogen wird. Wenn die Jungen aber großgezogen und arbeitsfähig geworden sind, sendet sie diese mit einem der nachgeborenen Anführer aus.«

Diese Passage weist einige Gemeinsamkeiten zur Darstellung der Bienenfrau bei Semonides und Phokylides auf (s. o. 225). Dies betrifft vor allem den Fleiß der Bienen und auch den ökonomischen Sachverstand, mit dem die Bienenfrau bzw. in diesem Falle die Bienenkönigin dazu beiträgt, das Vermögen des Oikos zu mehren.62 Der wichtigste Unterschied zwischen den Darstellungen bei Semonides und Phokylides und der Passage bei Xenophon besteht wohl darin, dass Xenophon als Parallele für die gute Hausfrau den Weisel nennt. Diese Änderung kann man möglicherweise auf zwei Gründe zurückführen. Zum einen geht Xenophon in diesem Falle von einem größeren und reicheren Haushalt aus.63 Dieser besitzt offensichtlich mehrere Diener, die die geringeren Arbeiten erledigen, sodass der Hausfrau nur die Oberaufsicht über diese obliegt. Für geringere Aufgaben ist sie selbst nicht zuständig (οὐ τὰ ἐλαχίστου ἄξια; 7,17). Der Oikos ist eher monarchisch organisiert, sodass der Vergleich mit einem Bienenstaat passend erscheint.64 Der zweite Grund für die Wahl des Weisels als Vergleich für die Frau des Ischomachos ist die Tatsache, dass sich der Weisel meist im Inneren des Stockes aufhält, wie es auch bei späteren Autoren immer wieder betont wird.65 Dies deckt sich mit der hier dargestellten Vorstellung des Ischomachos von den Pflichten der Frau, die sich allein um die inneren Angelegenheiten des Oikos zu kümmern hat (Xen. Oec. 7,22.30). Diese Aufgaben und die Ordnung werden als von Gott aufgetragen bezeichnet (ἔργα ὑπὸ τοῦ θεοῦ προστεταγμένα; 7,32). Aufgrund dieser Nähe zum Göttlichen, die bereits öfter festgestellt wurde, kann die Situation im Bienenstock zum Maßstab für die menschliche Gesellschaft erhoben werden, da man hier gewissermaßen die »natürliche« und »gottgewollte« Ordnung ablesen kann (s. auch 1.1.3).

61 Das deutsche Wort »Wabe« leitet sich tatsächlich von »weben« ab. Vgl. Kluge; Seebold (2011) 965. 62 Vgl. Pomeroy (1994) 277. 63 Zu den Vergleichsgegenständen in der menschlichen Gesellschaft, die mit dem Bienenstaat verglichen werden s. u. 267. 64 Vgl. Pomeroy (1994) 278. 65 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 625 b 6 f.; Plin. HN 11,54.

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Der Bezeichnung der Bienenkönigin als weiblich in dieser Passage bei Xenophon liegt jedoch wohl keine naturkundliche Erkenntnis über das biologische Geschlecht zugrunde,66 sondern sie ist allein der Gesprächssituation geschuldet.67 Dies wird schon dadurch ersichtlich, dass Xenophon an anderen Stellen68 von einem männlichen Bienenkönig spricht, unter anderem im selben Kapitel (Oec. 7,39), wo die Frau des Ischomachos einwendet, die beschriebenen Arbeiten träfen doch eher auf ihn, den Mann, zu (θαυμάζοιμ’ ἄν, ἔφη, εἰ μὴ πρὸς σὲ μᾶλλον τείνοι τὰ τοῦ ἡγεμόνος ἔργα ἢ πρὸς ἐμέ). Allenfalls könnte man anführen, dass Xenophon, weil er das biologische Geschlecht der Bienenkönigin nicht kannte (oder nicht beachtete), sowohl Männer als auch Frauen mit ihr vergleichen konnte, ohne dass der Vergleich schief wurde. Das Bienengleichnis der Lemnierinnen-Episode bei Apollonios von Rhodos (s. o.  156) sowie der Vergleich zwischen Bienen und Karthagern im 1. Buch der Aeneis (s. u.  247) können als indirekte Identifikationen von Frauen mit dem Bienenkönig verstanden werden.69 Zwar werden in beiden Gleichnissen die Königinnen nicht direkt benannt, jedoch ist schon zuvor klargestellt worden, dass es eine Besonderheit des jeweiligen Volkes ist, von einer Frau regiert zu werden. Im Falle der Lemnierinnen ist es ohnehin deutlich, weil sie sich all ihrer Männer entledigt haben, und im Falle der Karthager ist Aeneas bereits von seiner Mutter Venus über Dido und ihre Rolle informiert worden (dux femina facti; Aen. 1,364). In diesen Kontexten wird aber weniger der Bienenkönig als weiblich dargestellt, sondern die – lediglich indirekten und impliziten – Vergleiche mit dem Bienenkönig dienen im Gegenteil dazu, die eher männlich definierten Rollen Hypsipyles und Didos zu unterstreichen. Gerade die Lemnierinnen übernehmen nach dem Mord an ihren Männern deren Rolle, wie es Apollonios beispielsweise in 1,627–630 beschreibt: τῇσι δὲ βουκόλιαί τε βοῶν χάλκειά τε δύνειν τεύχεα, πυροφόρους τε διατμήξασθαι ἀρούρας ῥηίτερον πάσῃσιν Ἀθηναίης πέλεν ἔργων, οἷς αἰεὶ τὸ πάροιθεν ὁμίλεον. […]

66 Einige Forscher, z. B. Whitfield (1956) 104 oder Morley (2007) 465, gehen davon aus, dass Xenophon um das tatsächliche biologische Geschlecht der Bienenkönigin wusste. 67 Vgl. z. B. Davies; Kathirithamby (1986) 62; Pomeroy (1994) 278. 68 In den Hellenika 3,2,28 wird Thrasydaios, um dessen Haus sich eine Menge wie ein Bienenschwarm versammelt, mit einem Bienenkönig verglichen. Zum Vergleich des Kyros mit einem Bienenkönig in der Kyrupädie 5,1,24 s. u.  283. 69 Zu Ähnlichkeiten der Darstellung des Bienenkönigs und Didos in den Werken Vergils vgl. Grant (1969) v. a. 387–391. Hypsipyle ist vielleicht insofern mit der Bienenkönigin vergleichbar, weil sie ebenfalls als milder als ihre Untertanen beschrieben wird. Sie ist die einzige, die bei dem gemeinsamen Mord an allen Männern ihren Vater verschont hat (Ap. Rhod. Argon. 1,620 f.); so Kofler (1992) 317.

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Ihnen allen aber (den Lemnierinnen) war das Hüten der Rinder und das Anziehen der ehernen Rüstungen und das Pflügen der weizentragenden Felder leichter als die Werke der Athene, mit denen sie sich zuvor stets beschäftigt hatten. […]

Hypsipyle selbst nimmt gewissermaßen die Rolle ihres Vaters Thoas ein, wenn sie in seinen Waffen (1,638) oder auf seinem Thron sitzend gezeigt wird, um zu ihrem Volk zu sprechen (1,667 f.). Auch Dido übernimmt nach dem Tod ihres Mannes Sychaeus die Führung über die Flüchtlinge und herrscht über die im Aufbau begriffene Stadt Karthago, wie es beispielsweise durch folgende Worte verdeutlicht wird (Verg. Aen. 1,507 f.): iura dabat legesque viris, operumque laborem partibus aequabat iustis aut sorte trahebat: Sie (Dido) gab den Männern Rechte und Gesetze und verteilte die Mühe der Arbeiten zu gerechten Teilen oder bestimmte sie durch Los:

Man beachte in diesem Zusammenhang, dass eine Frau den Männern (viris) Gesetze gibt. Vor diesem Hintergrund scheint also – wie bereits gesagt – der leicht angedeutete Vergleich zwischen den beiden Herrscherinnen und dem Bienenkönig nicht diesen mit Weiblichkeit in Verbindung zu bringen, sondern die männliche Rolle, die die beiden Herrscherinnen einnehmen (müssen), zu unterstreichen.

5.4. Bienenkönig und Wespenmutter70 Es erscheint auf den ersten Blick als ein Kuriosum, dass die jeweiligen Weisel der nahe verwandten »Arten« Biene und Wespe in der antiken Literatur unterschiedlich benannt werden. Neben dem eher neutralen Begriff ἡγεμών, der sich bei Aristoteles sowohl für die Bienen- als auch für die Wespen­ königin findet, wird die Bienenkönigin meist als βασιλεύς bzw. rex bezeichnet, die Wespenkönigin dagegen meist als μήτρα bzw. mater.71 Lässt man die Frage nach dem biologischen Geschlecht72 an dieser Stelle einmal außen 70 Es gibt bereits einen Aufsatz von Mayhew (1999), der insbesondere darauf eingeht, inwieweit die entomologischen Betrachtungen zum Geschlecht von Bienen und Wespen bei Aristoteles von einer Ideologie geprägt sind oder nicht. Vielen seiner Thesen wird jedoch im Folgenden widersprochen. 71 Eine Ausnahme bildet in der erhaltenen Literatur lediglich Aelian. In seiner Schrift De natura animalium (5,15) beschreibt er die Wespenkönige (οἱ τῶν σφηκῶν βασιλεῖς) ähnlich wie die Bienenkönige als zahm und milde (dazu s. u. 305). 72 Zumindest bei Aristoteles konnte gezeigt werden, dass der Weisel der Bienen sowohl weibliche als auch männliche Eigenschaften hat (s. o. 152), es bei den Wespen jedoch wohl männliche und weibliche Anführer gibt (s. o. 176).

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vor,73 so kann man doch anhand der verwendeten Benennungen feststellen, dass man die Weisel der beiden Tierarten mit unterschiedlichen Geschlechtervorstellungen verband. Gerade Aristoteles scheint sich bewusst für die etwas metaphorischen Benennungen entschieden und keinesfalls nur einen jeweils gebräuchlichen Namen übernommen zu haben,74 da er beispielsweise nicht konsequent auf den neutraleren Namen ἡγεμών zurückgreift. Im Falle des Weisels der Bienen berichtet er gar, dass es einige gebe, die die Bienenkönige als μητέρες (Hist. an. V 21, 553  a 29) bezeichneten. Er schließt sich dieser Meinung jedoch keineswegs an, sondern referiert sie hier nur. Im Übrigen verwendet Aristoteles für den Weisel ausschließlich männliche Bezeichnungen, die eine gewisse Machtstellung ausstrahlen. Dies sind neben den meist verwendeten Begriffen βασιλεύς und ἡγεμών auch jeweils einmal πατήρ (Gen. an. III 10, 760 b 15) und γονεύς (Gen. an. III 10, 760 b 19). Dass der Anführer der Wespen dagegen ganz anders behandelt wird, muss nicht verwundern, da Wespen und Bienen – man denke nur an das θεῖον, welches die Bienen besitzen, die Wespen aber nicht (s. o. 63)  – in der antiken Literatur sehr unterschiedlich wahrgenommen und dargestellt werden.75 Oft wird der Anführer der Wespen ebenfalls ἡγεμών genannt, daneben aber auch μήτρα. Offensichtlich wurde also zumindest teilweise etwas »Mütterliches« an dem Anführer der Wespen erkannt. Wie es zu dieser etwas eigentümlichen Bezeichnung μήτρα im Griechischen kam, ist in der Sprachwissenschaft nicht unumstritten. Neben der Hauptbedeutung »Mutterleib« kann das Wort auch die Bedeutung »Kernholz« und eben »Wespenkönigin« haben. Wackernagel76 glaubt, dass die Form μήτρα sowohl allein in der Bedeutung »Wespenkönigin« als auch in Komposita wie ὀρτυγομήτρα (»die Anführerin der Wachteln«) tatsächlich »irgendwie«77 aus dem ursprünglichen Wort μήτηρ abgeleitet und dann zu μήτρα »feminalisiert«78 wurde. Dies wird aber beispielsweise von Sommer79 73 Ein zentrales Problem von Mayhews Aufsatz ist, dass er diese Trennung in sex als biologisches und gender als soziales bzw. konstruiertes Geschlecht nicht scharf durchführt. 74 So Mayhew (1999) 127.131. 75 Insofern ist auch in diesem Punkt Mayhew (1999) 130 entschieden zu widersprechen: Wespen sind bei Aristoteles, und im Übrigen auch bei den meisten anderen antiken Autoren, eben keine »animals very close to bees«. Gerade in Bezug auf die Fortpflanzung werden sie sehr unterschiedlich behandelt und mit ganz anderen Vorstellungen verbunden. Insofern ist eine Ungleichbehandlung ihrer jeweiligen ἡγεμόνες auch nicht weiter verwunderlich. Diese muss jedoch – und hier möchte ich mich Mayhew anschließen – nicht unbedingt ideologisch oder misogyn begründet sein, wie im Folgenden gezeigt werden wird. 76 Vgl. Wackernagel (1919) 55. 77 Ebd. 78 Ebd. 79 Vgl. Sommer (1948) 147 f. Anm. 4. Darauf verweist auch Beekes (2010) 948, gibt aber daneben auch die nicht korrekte Bedeutung »queen bee« an.

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Das Geschlecht sozialer Insekten

teilweise bestritten. Zwar glaubt er ebenfalls, dass μήτρα eine Ableitung aus dem Begriff für »Mutter« sei, welche bei Benennungen für Anführer manchmal auftrete, die Übertragung auf ein Kompositum wie ὀρτυγομήτρα jedoch sekundär und in eher scherzhafter Weise geschehen sei. Gil Fernández spricht sich im Falle der Bedeutung »Wespenkönigin« für eine Herkunft aus Komposita wie τεττιγομήτρα (eine unterirdische Larve oder Nymphe des τέττιξ) aus, die dann in Verbindung mit der Bezeichnung μητέρες μελισσῶν zu μήτρα σφηκῶν geführt habe.80 Damit widerspricht er aber nicht nur Wackernagel und Sommer, sondern beispielsweise auch Risch, der die Bedeutung »Königin (bei Bienen, Wespen)«81 von der zusätzlichen Bedeutung »Insektenlarven«, die μήτρα nur als Suffix in Komposita haben könne, unterscheidet. Dies scheint auch sinnvoller zu sein, da in den Komposita mit Insekten μήτρα tatsächlich immer diese Bedeutung hat und sich dies nicht mit der Bedeutung »Wespenkönigin« deckt. Auch erscheint die Entwicklung von einem Suffix zu einem sekundär wieder eigenständigen Wort weniger wahrscheinlich. Welche Etymologie im Einzelnen auch immer korrekt sein sollte, es lässt sich auf jeden Fall festhalten, dass die mütterliche Komponente in der Antike wahrgenommen wurde, was sich nicht zuletzt in der lateinischen Übersetzung mater bei Plinius (HN 11,73) erkennen lässt. Der Grund für die Wahrnehmung des Weisels der Wespen als »Mutter« liegt vermutlich in dem zugeschriebenen Verhalten, das sich in seinen Kernthesen mit den heutigen Erkenntnissen deckt: Zum einen war bekannt, dass die Wespenmütter wohl für die Erzeugung des Nachwuchses zuständig waren (zumindest in den meisten Fällen; s. o. 176), zum anderen – und das ist sicherlich bedeutender – war bekannt, dass sie im Frühjahr allein das Nest anlegen und für den ersten Nachwuchs sorgen (s. o. 177). Gerade dieses Verhalten erinnert eher an das einer Mutter und ist so bei der Bienen­ königin nicht zu beobachten. In vielen Darstellungen ist der Bienenkönig von jeglicher Tätigkeit befreit, sorgt aber für die Ordnung im Staat (s. u. 279). Ohne ihn versinkt der Schwarm in Chaos. Zudem führt er beispielsweise den Schwarm an,82 und wenn zu viele Könige im Stock sind, vermögen sie es, Zwietracht im Volk zu stiften.83 Wespen und Anthrenen können aber in der Darstellung des Aristoteles sogar ohne König existieren (Hist. an. V 23, 554  b 22–25) und sie ziehen auch nicht im Schwarm aus, sondern die neu entstandenen Tiere sollen 80 Vgl. Gil Fernández (1959) 190 f. 81 Risch (1949) 168. Die Bedeutung »Bienenkönigin« ist indes nicht belegt. S. auch o. 239 Anm. 79. 82 Z. B. Aesch. Pers. 129; Arist. Hist. an. IX 40, 625 b 6–8; Verg. G. 4,106–108 (Verhinderung des Schwärmens durch Ausreißen der Flügel des Königs); Columella Rust. 9,9,2; Plin. HN 11,54; Ael. NA 5,10. 83 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 625 a 16–22; Var. Rust. 3,16,18; Columella Rust. 9,9,6; Plin. HN 11,51.

Zusammenfassung

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im Nest verbleiben und es erweitern (Hist. an. IX 42, 629 a 9–11). Plinius, der stets von matres bei vespa und crabro spricht, trifft eine ganz ähnliche Aussage (HN 11,74), die vermutlich auf diese Stelle bei Aristoteles zurückgeht: nec crabronum autem nec vesparum generi reges aut examina, sed subinde renovatur multitudo subole. – »Weder die Hornissen noch die Wespen aber haben Könige und Schwärme, sondern die Menge wird immer wieder durch Nachkommenschaft erneuert.« Die an dieser Stelle entscheidende Änderung gegenüber der Aussage des Aristoteles ist die Erwähnung der reges. Bei Plinius ist das Konzept eines rex eng verknüpft mit der Tätigkeit des Schwärmens (s. u. 287). Da dieses Verhalten bei Wespen und ihren nahen Verwandten nicht vorliegt, kann bei ihnen nicht von einem rex gesprochen werden. Der Weisel trägt daher bei diesen Tieren die Bezeichnung mater, was die unterschiedliche Wahrnehmung der Anführer bei Biene und Wespe und ihre daraus resultierende Verbindung zu Rollen in der menschlichen Gesellschaft demonstriert. Aufgrund dieser Verhaltensweisen erscheint es wahrscheinlich, dass man die Wespenkönigin eher mit der Rolle einer Mutter verband, die Bienenkönigin dagegen eher mit der eines Königs. Diese Rollenzuteilung ist zumindest bei Aristoteles nicht völlig abhängig vom biologischen Geschlecht der jeweiligen Tiere, sondern eher von sozialen Konstrukten des Verhaltens, das als analog zum menschlichen verstanden wurde.

5.5. Zusammenfassung Die Verhaltensmuster, die in den antiken Darstellungen von sozialen Insekten beschrieben sind, muss man in der Regel als stark von gewissen Vorannahmen und Rollenzuschreibungen aus der menschlichen Gesellschaft geprägt ansehen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass häufig bewusst oder unbewusst Analogien zwischen der Gesellschaft der Menschen und der der Insekten hergestellt und vermeintliche Naturgesetze abgeleitet wurden. Prominent begegnet uns dies etwa in der Diskussion des Geschlechtes der Bienen und der Drohnen bei Aristoteles (Gen. an. III 10, 759 b 1–7), wo der Stachelbesitz bzw. der Besitz einer Waffe allgemein als typisches Zeichen von Männlichkeit, die Brut­f ürsorge jedoch als Zeichen von Weiblichkeit gedeutet wird. Aufgrund der Interpretation der Aggressivität und der Bedrohung als männlich werden wohl vor allem Wespen nahezu ausschließlich mit männlichen menschlichen Gruppen verglichen, da Wespen kaum eine andere Eigenschaft als die Aggressivität zugeschrieben wird. Bienen, gerade auch einzelne Exemplare, dagegen sind oftmals weiblich konnotiert. So ist der Name Μέλισσα bzw. die latinisierte Version Melissa ein weit verbreiteter Frauenname und wird auch in Mythos und Kult als Epiklese für bestimmte Göttinnen bzw. für Gruppen von Priesterinnen verwendet. Oftmals

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spielt in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung der Bienen als besonders reine Wesen (nicht zuletzt in sexueller Hinsicht) eine wichtige Rolle. Dennoch gibt es im Rahmen von Vergleichen nicht nur einen bestimmten »Frauentypus«, der mit Bienen verglichen wird. Stattdessen knüpfen die Vergleiche an verschiedene Aspekte der antiken Bienenkonzepte an, sodass diese für ganz unterschiedliche Frauen stehen können. Wenn also die vermeintlich asexuelle Fortpflanzung der Biene hervorgehoben wird, kann sie als passender Vergleich für Jungfrauen verwendet werden, jedoch gibt es ebenso Vergleiche mit einer guten Ehefrau und Mutter und sogar mit einer puella der Liebesdichtung, wenn der Fleiß und die Ordnung bzw. die Verbindung von Süßem und Schmerzhaftem im Vordergrund stehen. Gerade weil die antiken Konzepte von der Biene, die in besonderer Nähe zum Menschen gesehen wird, so viele verschiedene Eigenschaften umfassen, können Bienen für ganz unterschiedliche Gegenstände als Vergleich dienen. Drohnen sind bereits in ihren ersten beiden Erwähnungen der griechischen Literatur bei Hesiod (Theog. 594–602; Op. 304–306) sowohl einmal für Frauen als auch einmal für Männer als Vergleich verwendet. Ein konkretes Geschlecht bzw. eine Geschlechterrolle wird ihnen selten zugeschrieben. In den Scholien zu den Wespen (1114b) des Aristophanes werden sie jedoch eindeutig als Männchen bezeichnet. Wenig lässt sich auch zu Geschlechtern bzw. zu Geschlechterrollen bei Ameisen sagen, sieht man davon ab, dass Μύρμηξ ein recht weit verbreiteter Männername war, jedoch auch die Sage von einer Frau namens Myrmix überliefert ist. Eine Frage, die die Forschung schon lange beschäftigt, ist die nach den antiken Ansichten zum Geschlecht der Bienenkönigin. Dabei lohnt es sich zwischen biologischem Geschlecht (sex) und zugeschriebenem sozialen Geschlecht (gender) zu unterscheiden. Während die Bienenkönigin in der Antike oftmals bezüglich ihres biologischen Geschlechts – wenn es überhaupt einmal thema­ tisiert wird – weder als eindeutig männlich noch als eindeutig weiblich, sondern z. B. bei Aristoteles als Hermaphrodit, der sich ohne Paarung fortpflanzt, beschrieben wird, ist die zugeschriebene Rolle meist eine männliche, was sich vor allem an Bezeichnungen wie βασιλεύς oder rex festmacht. Selten, in erster Linie bei Arrian, finden sich eindeutig weibliche Herrschaftsbezeichnungen für den Weisel. In Vergleichen etwa im Oikonomikos Xenophons oder indirekt auch in den Argonautika des Apollonios von Rhodos und in der Aeneis Vergils kann der Weisel jedoch auch für Frauen stehen. In den letztgenannten Fällen erfüllen diese Frauen, Hypsipyle bzw. Dido, jedoch Aufgaben, die traditionell eher Männern zugeschrieben wurden, sodass ein – wenngleich nur impliziter – Vergleich mit dem meist männlich konnotierten Weisel diesen Eindruck vielleicht sogar eher unterstreichen könnte, als dass der Weisel dadurch als weiblich gezeigt würde.

Zusammenfassung

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In den unterschiedlichen Geschlechterrollen der Antike liegt vermutlich auch die unterschiedliche Bezeichnung des Weisels der Bienen (βασιλεύς bzw. rex) und der Wespen (μήτρα bzw. mater) begründet. Obwohl beide Weisel keinem eindeutigen biologischen Geschlecht zugeordnet werden, wird das Verhalten der Wespenkönigin insbesondere bei der Aufzucht der ersten Generation von Arbeiterinnen als mütterlich und damit als typischerweise weiblich verstanden. Die Bienenkönigin, die ein solches Verhalten nicht zeigt, wird dagegen häufig als Anführer des Schwarmes beschrieben, der von einfachen Arbeiten befreit ist und somit stärker als Herrscher wahrgenommen wird. Dieser war in der Antike meist männlich. Die antiken Bezeichnungen der beiden Weisel sind also stark von Geschlechterrollen geprägt und nicht unbedingt in dem vermeintlichen biologischen Geschlecht begründet.

6. Die Gesellschaft der sozialen Insekten

Das Zusammenleben und die Gesellschaftsstruktur der sozialen Insekten übte bereits in der Antike eine gewisse Faszination auf die Menschen aus. Wie kaum ein anderes Tier galten und gelten Bienen, Ameisen und – in etwas geringerem Maße – auch Wespen als Modell, an dem sich der Mensch vor allem in Bezug auf seine staatliche Organisation orientieren kann und soll. So rät etwa Quintilian in seiner Institutio oratoria (5,11,24; s. o. 41) dem Redner, Bienen und Ameisen als Beispiele zu nennen, wenn er zur Sorge um das Gemeinwesen anhalten möchte. Bienen und Ameisen scheinen also gewissermaßen als prototypischer Vertreter einer gut organisierten Gemeinschaft wahrgenommen worden zu sein, auf die man bei einer entsprechenden Gelegenheit immer wieder als Beispiel für den Menschen verweisen kann.1 Im folgenden Kapitel soll nun untersucht werden, wie die Gesellschaften der Bienen, Wespen und Ameisen dargestellt wurden, und es sollen insbesondere die Prägungen dieser Beschreibungen durch die menschliche Gesellschaft herausgearbeitet werden. Oftmals erscheint es, dass Beschreibungen der tierischen Gesellschaften stark an der menschlichen ausgerichtet sind und beide Gesellschaften als analog angesehen werden. Aufgrund dieser angenommenen Analogie ist es in vielen Fällen möglich, die tierische und die menschliche Gesellschaft miteinander zu vergleichen – wobei in vielen Darstellungen die Gesellschaft der sozialen Insekten als überlegen gegenüber der des Menschen gezeigt wird – und aus Erkenntnissen aus der einen Sphäre Folgerungen und Forderungen für die jeweils andere abzuleiten (s. dazu auch 1.1.3). Bevor jedoch die detaillierteren Beschreibungen der Gesellschaften sozialer Insekten in den Blick genommen werden, werden zunächst Vergleiche zwischen Insektenschwärmen und Massen sowie militärische Vergleiche, die in der erhaltenen antiken Literatur häufig belegt sind, untersucht. Wenngleich in solchen Gleichnissen die bloße Masse den wichtigsten Vergleichspunkt bildet, lassen sich im Einzelnen doch oft wichtige weitere Verbindungen ausmachen, die Hinweise auf antike Konzepte von sozialen Insekten geben können.

1 Bienen und Ameisen werden oftmals nebeneinander als Beispiele für Staatsformen neben denen der Menschen genannt. So etwa bei Dio Chrys. Or. 40,40; 48,15 f.; Plut. De exilio 601 C 4–8; An seni sit gerenda res publica 783 F 1; Origen. C. Cels. 4,81; Aug. De civitate Dei 22,24. Zur Sozialität s. auch 2.2.

Massen und Insektenschwärme

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6.1 Massen und Insektenschwärme Die Schwärme sozialer Insekten, die aus unzähligen Einzeltieren bestehen, dienen teilweise lediglich aufgrund ihrer Vielzahl als Vergleichspunkt für andere Dinge, die in ebenso großer Zahl vorhanden sein sollen, ähnlich dem deutschen Ausdruck »wie Sand am Meer«.2 Daneben können Insektenschwärme jedoch oft auch als Vergleich bestimmter menschlicher Völkermassen dienen. Je nach Kontext des Vergleiches können dabei ganz unterschiedliche Eigenschaften sowohl der menschlichen als auch der tierischen Gesellschaft hervorgehoben werden. Ein wichtiges Bild ist das von einem Bienenschwarm, der zu einer Blumenwiese ausschwärmt.3 Zum ersten Mal4 ist dieses Bild im 2. Gesang der Ilias (86–90) erhalten, wo die zur Heeresversammlung eilenden Griechen mit einem Bienenschwarm verglichen werden: […] ἐπεσσεύοντο δὲ λαοί. ἠΰτε ἔθνεα εἶσι μελισσάων ἁδινάων, πέτρης ἐκ γλαφυρῆς αἰεὶ νέον ἐρχομενάων, βοτρυδὸν δὲ πέτονται ἐπ’ ἄνθεσιν εἰαρινοῖσιν· αἳ μέν τ’ ἔνθα ἅλις πεποτήαται, αἳ δέ τε ἔνθα […] Heran aber stürzten die Völker. Wie wenn die Scharen der Bienen dicht gedrängt aus dem gehöhlten Fels immer wieder von Neuem eilen, in Trauben aber auf die Frühlingsblumen fliegen; die einen fliegen dicht gedrängt hierhin, die anderen dorthin.

Wie etwa Polleichtner5 hervorhebt, ist der Bienenschwarm nicht nur aufgrund der Menge der Individuen mit den Griechen vor Troia vergleichbar, sondern auch in Bezug auf die Wehrhaftigkeit und den Lärm, der die Aggressivität anzeigt und zudem von der Masse der Individuen abhängig ist. Homer scheint hier zwei verschiedene Verhaltensweisen von Bienen in einem Bild vereint zu haben:6 2 Z. B. Ov. Ars am. 2,517–519; 3,150 f. (die Zahl der Schmerzen in der Liebe bzw. der Arten des Schmucks wird mit Bienen im Hybla-Gebirge gleichgesetzt); Ov. Tr. 5,6,37–41 (die densorum turba malorum wird mit Röhricht an einem Wassergraben, Bienen im Hybla-Gebirge und der Anzahl an Körnern, die Ameisen in ihre unterirdische Scheune bringen, verglichen; »Sand am Meer« soll es jedoch nach dem folgenden Vers 43 noch mehr geben); Mart. 6,34 (in Anlehnung an Catulls Carmen 5 wird unter anderem die schier unendliche Zahl der attischen Bienen als Maß für die Küsse der puella genannt). 3 Diese Gleichnisse sind in der Forschung bereits ausführlich besprochen worden und von Polleichtner (2005) in einem guten Überblick zusammengestellt, sodass es genügt, sich an dieser Stelle auf die für die Fragestellung dieser Arbeit wichtigsten Aspekte zu beschränken. 4 Dabei handelt es sich im Übrigen um das erste weiter ausgeführte Gleichnis in der Ilias überhaupt. 5 Vgl. Polleichtner (2005) 119 f. 6 Vgl. z. B. Fränkel (1977) 71; Kirk (1985) 125; Latacz (2003) 34; Polleichtner (2005) 118.

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Während das traubenförmige Ausfliegen in Scharen eher an das Schwärmen im Frühjahr erinnert, scheint der Aufenthalt auf der Blumenwiese auf die alltägliche Weidearbeit der einzelnen Bienen anzuspielen. Dieses homerische Gleichnis diente als Prätext mehrerer anderer Gleichnisse in den Werken nachfolgender Epiker, wird jedoch oft in anderen Kontexten verwendet. In diesem Abschnitt soll vor allem den nichtmilitärischen Verwendungen nachgegangen werden, da die militärischen Vergleiche in einem eigenen Abschnitt (s. 6.2) besprochen werden sollen. Im Rahmen der antiken Theorien von Fortpflanzung und Geschlecht wurde bereits der Vergleich zwischen den Lemnierinnen und einem ausströmenden Bienenschwarm in den Argonautika (1,878–885) des Apollonios von Rhodos angesprochen (s. o.  156). Im Gegensatz zum Gleichnis der Ilias7 ist der Kontext bei Apollonios nicht kriegerisch. Es handelt sich vielmehr um eine Szene, in der sich die Lemnierinnen von den einzelnen Argonauten verabschieden. Insofern passt das Ausströmen aus dem Stock und das Umherfliegen von einer Blüte zur anderen recht gut zur Szenerie, in der die Lemnierinnen ebenfalls aus ihrer Stadt zu den Argonauten eilen. Auf die erotischen Konnotationen dieses Gleichnisses wurde ebenfalls bereits hingewiesen. Die Gleichnisse von den Bienen auf der Blumenwiese bei Homer und Apollonios waren sicherlich wichtige Vorbilder8 eines ähnlichen Gleichnisses im 6. Buch der Aeneis (6,706–709), in dem die Seelen im Elysium, die für eine Wiedergeburt vorgesehen sind, mit einem Bienenschwarm verglichen werden: hunc (sc. Lethaeum amnem) circum innumerae gentes populique volabant: ac veluti in pratis ubi apes aestate serena floribus insidunt variis et candida circum lilia funduntur, strepit omnis murmure campus. Um diesen (sc. den Lethe-Strom) herum flogen unzählige Scharen und Völker: und wie wenn auf Wiesen im heiteren Sommer Bienen auf bunten Blüten sitzen und um weiße Lilien herum strömen, war der ganze Raum von Summen erfüllt.

Wie etwa bereits De G. Verrall9 und Norden10 richtig betonen, sind hier nicht bloß die Masse und das summende Geräusch der Bienen mit den Seelen der 7 Zum Verhältnis des Gleichnisses bei Homer und Apollonios vgl. z. B. Garson (1972) 7 f.; Kofler (1992) und ders. (1994); Polleichtner (2005) 127–129. 8 Vgl. z. B. De G. Verrall (1910) 44 f.; Hügi (1952) 28; Norden (1957) 305 f.; Rieks (1981) 1045; Horsfall (2013) 476 f. mit umfangreichen weiteren Literaturangaben. 9 Vgl. De G. Verrall (1910) 45. Sie stellt außerdem eine Verbindung zur Bugonie her (dazu s. Kapitel 4), was aber etwa von Horsfall (2010) 41 bezweifelt wird, weil die Bugonie niemals in Zusammenhang mit einer Seelenwanderung stehe. Dabei sei allerdings etwa an die Fasti (1,380) Ovids erinnert, wo es zur Bugonie ausdrücklich heißt: […] mille animas una necata dedit. – »[…] Tausend Seelen hat eine einzige getötete gegeben.« 10 Vgl. Norden (1957) 306. Neuere Literatur z. B. bei Horsfall (2010) 40 und ders. (2013) 477 f.

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Menschen vergleichbar, sondern es schwingt sicherlich die besondere Verbindung der Bienen und vor allem des Honigs zu bestimmten Totenriten11 sowie die Gleichsetzung der menschlichen Seele mit einer Biene mit. Eine solche Aussage (μέλισσαν μέντοι ἀλληγορεῖ αὐτὴν τὴν ψυχήν) findet sich etwa in den Scholien BNV zum Hippolytos (73c) des Euripides sowie etwas ausführlicher in der Schrift De antro nympharum (18 f.) des Neuplatonikers Porphyrios, der zudem als Beleg ein Fragment aus einem unbekannten Drama des Sophokles (Frg. 879 TrGF) anführt: βομβεῖ δὲ νεκρῶν σμῆνος ἔρχεταί τ’ ἄνω – »es summt aber der Schwarm der Toten und zieht nach oben«. Weniger überzeugend sind jedoch Horsfalls weitere Assoziationen. Er nimmt an, dass hier zusätzlich auf den bekannten Vergleich zwischen Autor und Biene (dazu s. 8.1) angespielt wird, weil etwa Platon (Ap. 41 a 6 f.) und die Orphiker in der Unterwelt wichtige Dichter ansiedeln.12 Es ist im Kontext der Aeneis jedoch nicht von Dichtern die Rede, sondern es wird explizit gesagt, dass es sich bei den mit den Bienen verglichenen Seelen um solche handelt, die für eine Wiedergeburt vorgesehen sind. Dazu kommt noch, dass der sonst häufig belegte Vergleich zwischen Autor und Biene gerade bei Vergil nicht auftaucht. Die Reaktion des Aeneas auf die bienengleichen Seelen (horrescit visu su­ bito […] – »er erschaudert bei dem unerwarteten Anblick […]«; 6,710) versteht Horsfall13 als mögliche Anspielung auf die römische Vorzeichenliteratur. Bienenschwärme können zwar gerade im römischen Vorzeichenwesen wichtige Gegenstände der Mantik sein (dazu s. 7.3), meist geht der Prodigiencharakter jedoch mit einer gewissen Grenzüberschreitung einher, etwa indem ein Bienenschwarm seine eigentliche Sphäre verlässt und sich in einem Heiligtum niederlässt. Gerade dies scheint in diesem Gleichnis jedoch nicht gegeben zu sein, da sich kaum ein passenderer Aufenthaltsort für eine Biene vorstellen lässt als eine Blumenwiese. Im Falle eines Vorzeichens lässt sich der Schwarm oft an einer bestimmten Stelle nieder. Auch dies ist hier nicht gegeben. Vermutlich sind die beiden Gleichnisse von den Bienen auf der Blumenwiese bei Homer und Apollonios auch Prätexte eines weiteren Bienengleichnisses in der Aeneis.14 Im 1. Buch (418–436) werden die Karthager, die von Aeneas von einem Hügel aus bei der Errichtung ihrer neuen Stadt beobachtet werden, mit Bienen verglichen (1,430–436): qualis apes aestate nova per florea rura exercet sub sole labor, cum gentis adultos educunt fetus, aut cum liquentia mella 11 Vgl. dazu z. B. Ransome (1937) 106 f.; Herren (2008) 55. 12 Vgl. Horsfall (2010) 41 f. und ders. (2013) 477. 13 Vgl. Horsfall (2010) 44 und ders. (2013) 478 f. 14 Anders aber Hügi (1952) 42–44, der sich in erster Linie daran stört, dass das Vergleichsmoment bei Vergil ein anderes ist als bei Homer und Apollonios.

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stipant et dulci distendunt nectare cellas aut onera accipiunt venientium, aut agmine facto ignavum fucos pecus a praesepibus arcent; fervet opus redolentque thymo fraglantia mella. Gleich wie die Arbeit unter der Sonne im Frühsommer die Bienen über die blumenreichen Fluren treibt, wenn sie die ausgewachsene Brut des Volkes herausführen oder wenn sie klaren Honig zusammentragen und die Waben mit süßem Nektar anfüllen oder wenn sie die Lasten der Ankommenden aufnehmen oder wenn sie, nachdem sie einen Schwarm gebildet haben, die Drohnen, das faule Vieh, von ihrem Bienenkorb fernhalten. Die Arbeit wird hitzig betrieben, es duftet der wohlriechende Honig nach Thymian.

Der wichtigste Unterschied zu den Bienengleichnissen bei Homer und Apollonios ist, dass bei Vergil vor allem die produktive Arbeitsteilung der Bienen und Karthager im Vordergrund steht und die Karthager an dieser Stelle nicht aus ihrer Stadt ausströmen.15 Dazu muss man auch beachten, dass sich Vergil an dieser Stelle selbst zitiert. Die Verse des Gleichnisses finden sich fast wörtlich bereits in der Beschreibung der Arbeitsteilung der Bienen im 4. Buch (153–190) der Georgica.16 Wie schon häufiger in der Forschung festgestellt wurde,17 wird dieses Bienengleichnis durch ein ähnlich gestaltetes Ameisengleichnis im 4. Buch (397–411) der Aeneis wieder aufgenommen, in dem die von Dido beobachteten Troianer, die sich zur Abfahrt aus Karthago bereit machen, mit einem Ameisenschwarm verglichen werden (4,402–407): ac velut ingentem formicae farris acervum cum populant hiemis memores tectoque reponunt, it nigrum campis agmen praedamque per herbas convectant calle angusto; pars grandia trudunt obnixae frumenta umeris, pars agmina cogunt castigantque moras, opere omnis semita fervet. Und wie wenn Ameisen einen gewaltigen Haufen Getreide plündern und des Winters eingedenk im Haus einlagern, es zieht ein schwarzer Heereszug über die Felder und sie tragen die Beute durch die Halme auf schmalem Pfad; ein Teil stößt die gewaltigen Getreidekörner auf den Schultern gestützt voran, ein Teil treibt die Heereszüge zusammen und straft Verzögerungen, der ganze Pfad wimmelt aufgrund der Mühe. 15 Vgl. z. B. Hügi (1952) 43; Briggs (1981) 967; Polleichtner (2005) 140 f. 16 Dazu ausführlich z. B. Grant (1969) 381–384; Briggs (1980) 71–74; Niehl (2002) ­188–190. Bereits Grant (1969) 381 f. merkt an, dass die Beschreibung der Tätigkeiten der Bienen in den Georgica syntaktisch eher derjenigen der Karthager (Aen. 1,423–429) ähnelt, die dem genannten Bienengleichnis vorangeht. So wird die Verbindung zwischen Bienen und Karthagern noch verstärkt. Zu dieser Verbindung vgl. auch Giusti (2014) 6 mit Anm. 17. 17 Vgl. z. B. von Duhn (1952) 13–15; Grant (1969) 384 f.; Briggs (1980) 53; Niehl (2002) 188.

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Die Verknüpfung der beiden Gleichnisse in der Aeneis gelingt zum einen durch die strukturelle Ähnlichkeit: In beiden Fällen wird ein Volk bei seinen regen Tätigkeiten von einer erhöhten Position aus beobachtet und in diesen Tätigkeiten mit einem Schwarm sozialer Insekten verglichen. Zum anderen ist diese Ähnlichkeit auch auf lexikalischer Ebene gegeben. So bilden sowohl die Bienen als auch die Ameisen ein agmen und im jeweils letzten Vers des Bildes finden sich die Wörter fervet und opus bzw. der Ablativ opere.18 Wie bereits das Bienengleichnis aus dem 1. Buch der Aeneis hat dieses Ameisengleichnis Parallelen in den Georgica.19 Doch wird hier nicht nur auf eine Stelle Bezug genommen, sondern auf mehrere. Der Ausdruck populatque ingentem farris acervum (»und es plündert einen gewaltigen Haufen Getreide«) wird im 1. Buch (185 f.) der Georgica zunächst bezogen auf den Mehlwurm (curculio) gebraucht, in der Folge ist dann auch die Ameise als weiterer Kornschädling genannt. Es heißt in den Georgica (1,186) freilich über sie, dass sie aus Furcht vor einem Alter in Armut ([…] inopi metuens formica senectae) das Korn sammle. Die Idee der Vorsorge für den Winter stammt dagegen aus dem 4. Buch (156 f.) der Georgica, wo es über die Bienen heißt: venturae hiemis memores aestate laborem / experiuntur et in medium quaesita reponunt. – »Des kommenden Winters eingedenk ertragen sie die Mühe im Sommer und bringen das Erforderliche in die Gemeinschaft ein.« Dieser Vers stammt aus derselben Passage, die große Ähnlichkeit mit dem Bienengleichnis im 1. Buch der Aeneis aufweist. In diesem Gleichnis ist der Winter jedoch nicht enthalten, weil – wie Grant20 vermutet – durch diese Auslassung eine heiterere Stimmung des Frühsommers (aestate nova) im Gleichnis erzeugt werden kann. Im Rahmen des Ameisengleichnisses erscheint die Erwähnung des Winters passender, da so möglicherweise ein Kontrast zur heiteren Stimmung im Bienengleichnis aufgebaut werden kann21 und zudem im Kontext der Erzählung gerade Winter (Aen. 4,309 f.) ist. Auch durch die jeweiligen Prätexte werden also enge Verbindungen zwischen den beiden Gleichnissen in der Aeneis hergestellt. Die Bienen werden zwar im 1. Buch der Aeneis positiv dargestellt und die Ameisen im 4. Buch als Plünderer beschrieben, dies sollte jedoch nicht unbedingt als Beleg dafür gelten, dass die Karthager von Vergil generell als positiv, die Troianer aber als negativ dargestellt werden.22 Vielmehr sollte man nicht 18 Vgl. z. B. von Duhn (1952) 14; Grant (1969) 384 f. 19 Die folgenden Ausführungen finden sich ähnlich z. B. auch bei von Duhn (1952) 14 f. und ausführlich bei Briggs (1980) 53. 20 Vgl. Grant (1969) 382. 21 Vgl. von Duhn (1952) 15; Grant (1969) 385. 22 Niehl (2002) 189 ist freilich doch der Meinung, dass die beiden Gleichnisse zur Charakterisierung der Völker beitragen. So soll etwa der Vergleich mit den Bienen die besondere Beziehung der Karthager zu ihrer Königin unterstreichen und die Charakterisierung der Ameisen als sparsam und militärisch soll der Selbstdarstellung der Römer entsprechen (für weitere mögliche Parallelen s. dort).

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außer Acht lassen, dass es jeweils die Betrachtenden – also Aeneas bzw. Dido – sind, welche gewissermaßen den Vergleich zwischen menschlichem Volk und Insektenschwarm herstellen und somit durch ihre Gefühle den Charakter des Gleichnisses prägen.23 Man könnte hier aus Sicht der Erzähltheorie von einer internen Fokalisierung sprechen.24 Es ist also keineswegs so, dass Vergil die Troianer allgemein als plündernde Horde Ameisen kennzeichnen wollte, sondern dies ist die Wirkung, die die plötzliche Vorbereitung zur Abfahrt auf Dido in dieser Situation hat. Unabhängig davon wie man das Bienen- und das Ameisengleichnis innerhalb des Kontextes der Aeneis zu verstehen hat, zeigt die Zusammenstellung doch den grundsätzlichen Unterschied, den man zwischen beiden Insektengesellschaften in der Antike konstatierte. Diesen Unterschied hebt vor allem Plinius (HN 11,108)25 ganz deutlich hervor: et hae (sc. formicae) communicant labores, ut apes, sed illae faciunt cibos, hae condunt. – »Auch diese (sc. die Ameisen) teilen die Arbeiten auf wie die Bienen, aber jene stellen Nahrung her, diese speichern sie.« Es scheint, als sei das herausragende Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden arbeitsteiligen und sozialen Insektengesellschaften der Umgang mit der Nahrung: Während Bienen diese selbst herstellen, sammeln die Ameisen von anderen Hergestelltes ein und speichern es für sich. Dieser Gegensatz im Verhalten ist grundlegend für die beiden aufeinander bezogenen Gleichnisse aus dem 1. und dem 4. Buch der Aeneis. Das einzige weitere Ameisengleichnis aus den erhaltenen antiken Epen stammt aus den Argonautika (4,1452–1456) des Apollonios von Rhodos: Die durch die nordafrikanische Wüste ziehenden Argonauten gelangen bei den Hesperiden an eine Quelle, die Herakles am Tag zuvor an einem Felsen geöffnet hat. Durstig stürzen sie sich auf diese Quelle, worin sie unter anderem26 mit Ameisen verglichen werden, die sich scharenweise um eine enge Spalte drängen (ὡς δ’ ὁπότε στεινὴν περὶ χηραμὸν εἱλίσσονται / γειομόροι μύρμηκες ὁμιλαδόν, […]; 4,1452 f.). Wirkliche Ähnlichkeit scheint dieses Gleichnis jedoch mit dem Ameisengleichnis aus der Aeneis nicht zu haben.27 Vielmehr liegt hier der entschei 23 Dass eine solche »innere Bewegung« Einfluss auf die Gestaltung der Gleichnisse hat, wurde vor allem von Pöschl (1964) 244 (= ders. [1977] 172) als ein »Grundphänomen der virgilischen Dichtkunst« ausgemacht. Dazu auch z. B. von Duhn (1952) 15; Grant (1969) 385 f.; Briggs (1980) 55; Niehl (2002) 189 f. 24 Vgl. z. B. Martínez; Scheffel (2012) 66–70. 25 Grundlage dieser Stelle ist wohl eine Passage der Historia animalium (IX 40, 623 b 13– 18) des Aristoteles: οἱ μὲν οὖν μύρμηκες θηρεύουσι μὲν οὐδέν, τὰ δὲ πεποιημένα συλλέγουσιν· […], αἱ δὲ μέλιτται θηρεύουσι μὲν οὐδέν, αὐταὶ δὲ ποιοῦνται καὶ ἀποτίθενται· – »Die Ameisen jagen nun zwar nichts, sammeln aber bereits Hergestelltes; […], die Bienen aber jagen zwar nichts, stellen aber selbst (Nahrung) her und speichern sie.« 26 Daneben dienen auch Fliegen, die sich gierig auf Honig stürzen, als Vergleich. 27 Briggs (1981) 967 ist jedoch anderer Meinung, weil er in der Freude der Argonauten und der Troianer eine Parallele sieht. Dennoch haben die beiden Gleichnisse bei Apollonios

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dende Vergleichspunkt in dem Drängen um ein kleines Loch am Boden, womit wohl der Eingang des unterirdischen Ameisenbaus gemeint ist. Die Gier, die die Ameisen in einigen Kontexten durchaus auszeichnen kann, ist bei Apollonios weniger stark betont und scheint eher in dem weiteren Bild eines Fliegenschwarmes, der sich auf einen winzigen Tropfen süßen Honigs stürzt, enthalten zu sein ([…] ἢ ὅτε μυῖαι / ἀμφ’ ὀλίγην μέλιτος γλυκεροῦ λίβα πεπτηυῖαι / ἄπλητον μεμάασιν ἐπήτριμοι […]; 4,1453–1455).

6.2 Militärische Vergleiche Die durchaus wehrhaften und unter gewissen Umständen angriffslustigen Schwärme von Bienen, Wespen und Ameisen können von Menschen als bedrohlich wahrgenommen werden. Neben Wespen, denen oftmals die Aggressivität als herausragende Eigenschaft zugeschrieben wird,28 finden sich auch einige Darstellungen, in denen Bienen einem Menschen erheblichen Schaden zugefügt haben.29 Ein häufiger genanntes Thema der antiken Fachliteratur ist, dass Bienen oder Wespen in der Lage seien, mit einer bestimmten Anzahl an Stichen sogar einen Menschen oder ein Pferd zu töten.30 Daneben findet sich auch das Motiv, dass Bienen31 oder Wespen32 einem Menschen das Gesicht zerstechen, oder, dass Bienen auf stark riechende oder ehebrecherische Menschen aggressiv reagieren (dazu s. o. 58). In den Tusculanae disputationes (2,52) Ciceros wird und Vergil weder eine strukturelle noch eine lexikalische Gemeinsamkeit noch werden sie in einem ähnlichen Kontext verwendet. 28 In dem pseudo-platonischen Dialog Eryxias wird allerdings betont, dass Wespen zwar leicht reizbar seien (ἐάν τις κατὰ σμικρὸν ἐρεθίζων ὀργίσῃ; Spuria 392 b 8 f.), sie jedoch friedlich (ἄμαχοι; 392 c 1) seien, bis man sie angreife und sie mit ihrem ganzen Nest zerstöre (ἕως τις αὐτοὺς ἐπιθέμενος πανοικὶ ἐξέλῃ; 392 c 1 f.). 29 Neben den im Folgenden genannten Stellen z. B. Hdt. 5,10 (Thraker berichten, dass das Land jenseits des Istros von Bienen bevölkert werde, weshalb man nicht weiter hindurchmarschieren könne. Dies hält Herodot aber für unglaubwürdig, weil Bienen die Kälte nicht mögen); Anth. Gr. 9,302.548 (Bienen töten den Knaben Hermonax; dazu s. o. 215). 30 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 626 a 21 f. (Bienen können große Tiere und sogar Pferde durch ihre Stiche töten); auf Aristoteles (= Frg. 270,12 Gigon) beruft sich auch Ael. NA 5,11; Plin. HN 11,61 (Bienen können Pferde töten); 11,73 (Stiche der crabrones silvestres gehen oft mit Fieber einher; 27 Stiche sind für einen Menschen tödlich). Dazu kann man vielleicht noch ein im Lexikon (ο 354) des Photios und in der Suda (ο 388) überliefertes Fragment (Frg. 38 PCG) aus der Komödie Τόλμαι (»Wagnisse«) des Krates nennen: ὄνος ἐν μελίτταις – »ein Esel unter Bienen«. Zu diesem Sprichwort erklärt Diogenianos (Centuria VII 32, p. 291 Leutsch; Schneidewin), dass es über Menschen gesagt werde, denen Übles widerfahren sei (ἐπὶ τῶν ἐν κακοῖς περιπεσόντων). 31 Z. B. Ov. Ib. 539 f. (Die Dichterpersona wünscht, dass Bienen ihrem unbekannten Feind die Augen ausstechen, wie es bei dem Dichter Achaios geschehen ist); Stat. Theb. 10,577. 32 Z. B. Ar. Nub. 946–948 (von der ἀνθρήνη); Vesp. 1088 (von den Wespen, die den Chor bilden).

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allerdings die Ansicht (opinio), einen Bienenstich nicht ohne Geschrei ertragen zu können (apis aculeum sine clamore ferre non possumus), als effeminata ac levis (»verweichlicht und zart«) bezeichnet. Darüber hinaus wurde wehrhaftes Verhalten gegenüber »artgleichen« oder ähnlichen Tieren vor allem bei Bienen beobachtet. Dies gilt z. B. für die sogenannte Drohnenschlacht (dazu s. o. 87). Zudem werden Wespen und ähnliche »Arten« häufig als Feinde der Bienen genannt, gegen die sie sich zu wehren wissen.33 Auch werden Raubzüge einzelner Tiere oder gar ganzer Schwärme auf andere Bienenstöcke in den antiken Quellen beschrieben (dazu s. o. 84). Es nimmt also nicht wunder, dass Vergleiche zwischen menschlichen Soldaten und einem Bienen- oder Wespenschwarm schon in der Ilias (2,86–90 [Bienen]; s. o.  245; 12,167–172 [Bienen oder Wespen]; 16,259–267 [Wespen]) belegt sind und sich auch in vielen anderen Texten finden. Ein bekanntes Bienen­gleichnis stammt etwa aus der umfangreichen Parodos, die die Perser des ­Aischylos eröffnet. In den Versen 126–129 heißt es über die persische Streitmacht unter Xerxes: πᾶς γὰρ ἱππηλάτας   καὶ πεδοστιβὴς λεώς σμῆνος ὣς ἐκλέλοιπεν μελισ         σᾶν ξὺν ὀρχάμῳ στρατοῦ, Denn das ganze Volk auf Streitwagen   und zu Fuß laufend hat (das Land) verlassen, wie ein Bienenschwarm          mit dem Anführer des Heeres,

Die Vergleichbarkeit zwischen der persischen Armee und dem Bienenschwarm besteht hier also nicht nur in ihrer großen Zahl und ihrer Wehrhaftigkeit, sondern vor allem in der Tatsache, dass sie als ganzer Schwarm ihre Heimat verlassen haben und unter einem einzigen Anführer stehen.34 Gerade das Schwärmen scheint in vielen Texten eng mit der Rolle des Bienenkönigs verbunden zu sein (dazu s. u.  272) und Aischylos bietet hier den ersten erhaltenen Beleg dafür. Stark beeinflusst vom Bienengleichnis aus dem 2. Gesang der Ilias (s. o.  245) dürfte wohl ein Gleichnis aus dem 9. Buch (283–293) des Bellum civile Lukans sein.35 33 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 626 a 8 (σφῆκες); Var. Rust. 3,16,19 (vespa); Verg. G. 4,245 (crabro); Plin. HN 11,61 (vespae atque crabrones). In einem solchen Sinn wird auch ein Orakelspruch, der an Timesias, den Gründer der Stadt Abdera (bei Hdt. 1,168 allerdings Timesios genannt), ergangen sein soll, von Plutarch (De amicorum multitudine 7, 96 B 4) gedeutet: σμῆνα μελισσάων τάχα τοι καὶ σφῆκες ἔσονται. – »Die Schwärme von Bienen werden dir schnell auch Wespen sein.« Plutarch zitiert dies in einem Zusammenhang, in dem er argumentiert, dass jemand, der sich Freunden anschließt, automatisch auch Feindschaften auf sich zieht. 34 Vgl. auch Bounas (2008) 62. 35 Vgl. z. B. Wick (2004) 104; Seewald (2008) 166; Kersten (2014) 46; Blaschka (2015) 296 f.

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An dieser Stelle gelingt es Cato, die nach dem Tod des Pompeius im Meutern begriffenen Kilikier zurückzuhalten.36 Die Wirkung der Rede auf die Kilikier wird mit der des Schlagens eines Beckens37 durch einen Imker verglichen: […] dixit, et omnes haud aliter medio revocavit ab aequore puppes quam, simul effetas linquunt examina ceras atque oblita favi non miscent nexibus alas sed sibi quaeque volat nec iam degustat amarum desidiosa thymum, Phrygii sonus increpat aeris, attonitae posuere fugam studiumque laboris floriferi repetunt et sparsi mellis amorem: gaudet in Hyblaeo securus gramine pastor divitias servasse casae. sic voce Catonis inculcata viris iusti patientia Martis. […] so sprach er und nicht anders rief er alle Schiffe von hoher See zurück, als wenn, sobald Schwärme die Wachswaben nach dem Schlüpfen der Brut verlassen und ohne an die Waben zu denken, nicht mehr in Verknüpfungen die Flügel vereinigen, sondern jede für sich allein fliegt und nicht mehr träge vom bitteren Thymian kostet, der Klang des phrygischen Erzes dröhnt und sie (dadurch) aufgerüttelt von der Flucht abgelassen haben und das eifrige Streben nach der blütenlesenden Arbeit wieder aufnehmen und die Liebe zum verstreuten Honig38: es freut sich auf der hybläischen Wiese sorgenfrei der Hirte, dass sie seiner Hütte den Reichtum erhalten haben. So wurde durch die Stimme Catos den Männern das Erdulden des gerechten Krieges eingeschärft.

Ähnlichkeiten zum homerischen Gleichnis weist vor allem der erste Teil dieses Gleichnisses auf, da bei Homer ein Imker gar nicht auftaucht. Aber auch in diesem ersten Teil findet sich etwa der Unterschied, dass die Bienen sich bei Homer nicht zuerst völlig vereinzelt haben, sondern sich nur in kleinere Grüppchen teilen, nachdem sie ausgeflogen sind. Wie bei Homer scheinen jedoch die beiden eigentlich unabhängigen Verhaltensweisen des Schwärmens und des Blütensammelns vereinigt.39 Wick40 und Kersten41 versuchen einen großen Einfluss der Dichtung Vergils auf dieses Gleichnis auszumachen. Dies kann jedoch zumindest auf struktu-

36 Eine gute Analyse der Verbindung von Elementen des Bildes und der Handlung bietet Blaschka (2015) 294–299. 37 Zu dieser Technik s. u. 363. 38 Zur Vorstellung, dass der Honig als Tau vom Himmel fällt, s. 8.4. 39 Vgl. z. B. Seewald (2008) 167. 40 Vgl. Wick (2004) 104. 41 Vgl. Kersten (2014) vor allem 44–54.

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reller Ebene nicht gelingen, wie beide zugestehen.42 Um etwa Kerstens eigenem Anspruch zu entsprechen, einen sehr engen Intertextualitätsbegriff zu wählen, um der »Gefahr einer Überinterpretation«43 zu entgehen, müsste es wenigstens auf lexikalischer Ebene und in den im Bild enthaltenen Elementen enge und vor allem spezifische Verbindungen zu Vergil geben. Davon kann jedoch kaum die Rede sein. Wohl beeinflusst durch die Scholien zum Lemma Phrygii sonus44 nehmen Wick45 und Kersten46 eine direkte Verbindung zum Schlagen von Zimbeln bei Vergil an. Dazu müssen sie jedoch ganz verschiedene Stellen miteinander vermengen, um überhaupt eine Ähnlichkeit zu postulieren. Das Schlagen von Zimbeln zur Besänftigung eines abgehenden Schwarmes (eine etwas andere Situation als bei Lukan) findet sich in Vers 64 des 4. Buches der Georgica (tinnitusque cie et Matris quate cymbala circum). Der bei Lukan (9,288) gebrauchte Ausdruck […] Phrygii sonus increpat aeris entspricht jedoch eher Vers 71 bei Vergil (Martius ille aeris rauci canor increpat […]), der hier freilich das Geräusch beschreibt, das die sich zum Kampf rüstenden Bienen von sich geben. Abgesehen von der Tatsache, dass das Schlagen von Zimbeln alles andere als ein spezifisch vergilischer Inhalt ist (dazu s. u. 363), weisen etwa die entsprechenden Beschreibungen in den Res rusticae Varros sowohl in lexikalischer als auch in inhaltlicher Hinsicht sehr viel größere Ähnlichkeiten zum lukanischen Gleichnis auf. In Rust. 3,16,7 heißt es etwa, dass Bienen, die zerstreut sind (si quando displicatae sunt) durch Zimbeln und Klatschen schnell an einen Platz zurückkehren (cymbalis et plausibus numero redducunt in locum unum). Dies scheint der Situation bei Lukan viel eher zu entsprechen. In Rust. 3,16,30 geht es um den Abgang eines Schwarmes, der durch Erz, das man erschallen lässt, erschreckt werden kann (circumtiniendo aere perterritae). Dies scheint eine gewisse Ähnlichkeit zu Lukan aufzuweisen. Auch weitere vermeintliche intertextuelle Anspielungen auf Vergil erweisen sich bei näherer Betrachtung als nicht besonders spezifisch. So muss man etwa bei der Erwähnung von Hybla keineswegs an die 1. Ekloge Vergils denken,47 da der Bienenreichtum dieses Gebietes zum Topos geworden ist (dazu s. u. 375). Im Falle des Ausdrucks amarum thymum (»bitterer Thymian«) mag es zwar 42 Wick (2014) 104: »Vergils Einfluß ist in jedem Vers des Vergleichs zu spüren, doch Lukan hat mindestens drei verschiedene Stellen kombiniert.« Kersten (2014) 47, der vor allem eine Verbindung zu den Georgica herstellen möchte, formuliert dies folgendermaßen: »Die Anspielungen auf das Lehrgedicht (i. e. die Georgica) sind direkt und zahlreich. Sie sind jedoch auch, weil mehrere thematisch durchaus unterschiedliche Stellen aufgegriffen werden, ein wenig verworren.« 43 Kersten (2014) 42. 44 Ut ait Vergilius ›Matris quate cymbala circum.‹ – »Wie Vergil sagt: ›Schlage ringsumher die Zimbeln der Mutter (= Kybele).‹« 45 Vgl. Wick (2004) 104.106. 46 Vgl. Kersten (2014) 47. 47 So ders.  51 f.

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richtig sein, dass in der erhaltenen lateinischen Literatur nur an dieser Stelle ein solches Attribut für den Thymian gebraucht wird,48 man sollte dabei aber vielleicht nicht ganz außer Acht lassen, dass die entsprechende durch δριμύς gebildete Charakterisierung des Thymian in der griechischen Literatur häufig in ganz unterschiedlichen Texten und somit geradezu topisch verwendet wird.49 Dies bedeutet also, dass möglicherweise auch andere griechische Texte als die Ilias Einfluss auf das lukanische Bienengleichnis hatten und man nicht eine Verbindung zu einem Bienengleichnis im 12. Buch (586–592) der Aeneis (dazu s. u.  256) herstellen muss,50 wo das Adjektiv amarus (12,588; hier in Bezug auf den Rauch) ebenfalls verwendet wird.51 Diese Ausführungen bedeuten nicht, dass die Texte Vergils keinen Einfluss auf Lukan gehabt haben. Vielmehr soll hier nur aufgezeigt werden, dass die Elemente in Lukans Gleichnis aus vielen verschiedenen Quellen geschöpft sein können, da es sich vielfach belegter Eigenschaften und Topoi der antiken Bienen­ konzepte bedient. Ein weiterer Vergleich, der sich in mehreren Epen findet, ist der zwischen einem in einem Felsen lebenden Bienenschwarm, der ausgeräuchert wird, und einem Heer in Bedrängnis. Zum ersten Mal scheint Apollonios von Rhodos ein solches Gleichnis gebraucht zu haben. Im 2. Buch (130–136) seiner Argonautika werden die den Argonauten unterlegenen Bebryker, die sich zur Flucht wenden, mit Bienen verglichen: ὡς δὲ μελισσάων σμῆνος μέγα μηλοβοτῆρες ἠὲ μελισσοκόμοι πέτρῃ ἔνι καπνιόωσιν, αἱ δ’ ἤτοι τείως μὲν ἀολλέες ᾧ ἐνὶ σίμβλῳ βομβηδὸν κλονέονται, ἐπιπρὸ δὲ λιγνυόεντι καπνῷ τυφόμεναι πέτρης ἑκὰς ἀίσσουσιν ὧς οἵγ’ οὐκέτι δὴν μένον ἔμπεδον, ἀλλ’ ἐκέδασθεν εἴσω Βεβρυκίης, Ἀμύκου μόρον ἀγγελέοντες· Wie Schafhirten oder Imker einen großen Bienenschwarm in einem Felsen ausräuchern, 48 Vgl. Seewald (2008) 167, dem sich Kersten (2014) 48 anschließt. 49 Z. B. Arist. De an. II 9, 421 b 2; [Arist.] Pr. XX 20, 925 a 9; Anth. Gr. 7,708,6 sowie Plut. De audiendo 8, 41 F 2 f. (dazu s. u. 377). 50 Fratantuono (2015) 61–63 hält das Gleichnis aus dem 12. Buch der Aeneis für Lukans Modell und Vorbild. Überzeugende Argumente liefert er jedoch nicht, zumal er andere mögliche Vorläufer als Vergil auch gar nicht in seine Betrachtung einbezieht. Fraglich ist zudem, inwieweit man seiner Grundthese, die Aeneis und davon abhängig auch das Bellum civile sei nach einem Bienenschwarm konstruiert (so z. B. 58) überhaupt folgen sollte. Auch scheint Fratantuono wie selbstverständlich von einer weiblichen Bienenkönigin auszugehen (60), s. dazu aber 5.3. 51 So Kersten (2014) 48 f. Was dies im Übrigen für die mögliche neue Interpretation des Charakters Catos in Lukans Epos bedeutet, die Kersten (2014) 53 f. vor allem am vermeintlich besonders markierten amarum thymum festmacht, muss an dieser Stelle offen bleiben.

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diese aber freilich eine Zeit lang in einer einzigen Wabe zusammengedrängt heftig brummend hin und her eilen, dann aber durch den rauchigen Qualm eingeräuchert aus dem Felsen hervorschießen; so konnten diese (die Bebryker) nicht mehr länger Widerstand leisten, sondern sie zerstreuten sich im Inneren des Landes der Bebryker, um das Schicksal des Amykos zu verkünden.

Es findet sich zwar kein genau entsprechendes Gleichnis in den homerischen Epen, doch könnte man das Gleichnis aus dem 12. Gesang (167–172) der Ilias durchaus als eine gewisse Vorlage betrachten.52 Hier werden die Griechen Polypoites und Lynkeus, die die anstürmenden Troianer standhaft von den Schiffen der Griechen fernzuhalten suchen, mit Bienen oder Wespen verglichen, die ihr Nest um der Nachkommen willen gegen Jäger verteidigen (οὐδ’ ἀπολείπουσιν κοῖλον δόμον, ἀλλὰ μένοντες / ἄνδρας θηρητῆρας ἀμύνονται περὶ τέκνων; 12,169 f.). Der Unterschied liegt also vor allem darin, dass die Bienen und Wespen bei Homer zur Illustration der Tapferkeit und Wehrhaftigkeit zweier Griechen herangezogen werden, bei Apollonios aber das Gegenteil ausgesagt wird: Bienen und Bebryker sind nicht bereit, sich bis zum Äußersten zu verteidigen, sondern fliehen, sobald die Lage für sie zu brenzlig wird. Es sei noch angemerkt, dass in der Alexandra des Lykophron, bei der es sich nicht um ein Epos im engeren Sinn handelt, sondern um eine tragische Monodie in 1474 iambischen Trimetern, die Griechen, deren Schiffe von Hektor in Brand gesetzt werden, ebenfalls mit ausgeräucherten Bienen verglichen werden ­(293–297). In diesem Falle ist das Element des Rauches nicht nur im Bild, sondern auch auf der Ebene des Gegenstandes enthalten, da den Griechen der Qualm des Feuers wirklich Schwierigkeiten bereitet. Reitz53 plädiert daher dafür, dass Lykophron möglicherweise von Apollonios in seinem Gleichnis beeinflusst war. Dies setzt allerdings, wie Reitz ebenfalls anmerkt,54 voraus, dass die Alexandra später als die Argonautika des Apollonios von Rhodos zu datieren ist.55 Vergils Gleichnis im 12. Buch (586–592) der Aeneis, in dem die eingeschlossenen Latiner mit Bienen verglichen werden, ist indes stark von Apollonios beeinflusst, was sich bereits in der Wortwahl zeigt:56 arma ferunt alii et pergunt defendere muros, inclusas ut cum latebroso in pumice pastor vestigavit apes fumoque implevit amaro; 52 Vgl. Reitz (1996) 46 f. 53 Vgl. ebd. 48 f. 54 Vgl. ebd. 49 Anm. 144. 55 Hornblower (2015) 36–39.114 geht von einer Entstehung der Alexandra nach 197 v. Chr. aus. Meyer (2014) 91 f. dagegen datiert das Werk eher ins 3. Jhd. v. Chr. 56 Vgl. z. B. Rieks (1981) 1047.

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illae intus trepidae rerum per cerea castra discurrunt magnisque acuunt stridoribus iras; volvitur ater odor tectis, tum murmure caeco intus saxa sonant, vacuas it fumus ad auras. Andere bringen Waffen und verteidigen die Mauern weiter, wie wenn ein Hirte in einen Bimsstein voller Schlupfwinkel eingeschlossene Bienen aufgespürt und mit bitterem Qualm erfüllt hat; jene eilen im Inneren ängstlich um ihre Angelegenheiten in ihrem wächsernen Lager umher und schärfen den Zorn mit gewaltigem Brummen; es wälzt sich dunkler Rauch in den Behausungen, dann dröhnen durch unsichtbares Grollen die Felsen im Inneren, der Dampf entweicht in die freien Lüfte.

Der entscheidende Unterschied zum Gleichnis in den Argonautika ist die Tatsache, dass die Latiner nicht fliehen, sondern im Gegenteil die angreifenden troianischen Truppen abwehren. In dieser Beziehung knüpft das vergilische Gleichnis eher an das homerische Gleichnis im 12. Gesang der Ilias an. Die im Gegensatz zu Apollonios betonte Wehrhaftigkeit der Bienen bei Vergil zeigt sich ebenfalls in der Deutung des Brummens: Dieses Geräusch ist sowohl im Gleichnis des Apollonios als auch in demjenigen Vergils enthalten. Nur bei letzterem dient es jedoch der gemeinsamen Anstachelung des Zorns. Zuletzt sei noch auf ein Gleichnis in der Thebais (10,574–579) des Statius hingewiesen. Hier werden die belagerten Thebaner mit Bienen verglichen: sic ubi pumiceo pastor rapturus ab antro armatas erexit apes, fremit aspera nubes; inque vicem sese stridore hortantur et omnes hostis in ora volant, mox deficientibus alis amplexae flavamque domum captivaque plangunt mella laboratasque premunt ad pectora ceras. So wie wenn ein Hirte auf Raubzug aus einer Bimssteinhöhle Bienen in Waffen erregt hat, eine wilde Wolke dröhnt; und sie stacheln sich gegenseitig durch Summen an und alle fliegen gegen das Gesicht des Feindes, bald aber versagen die Flügel ihren Dienst und sie umfassen ihr honiggelbes Haus und betrauern den erbeuteten Honig und pressen die mühsam erstellten Wachsscheiben an ihre Brust.

Zwar ist dieses Gleichnis sicherlich in hohem Maße von Vergil beeinflusst, es weist jedoch einige interessante Unterschiede auf:57 Zum einen wird das Ausräuchern zumindest nicht direkt genannt, zum anderen aber werden die Bienen bei Statius zwar durchaus als wehrhafte und tapfere Kämpfer gezeigt, letztend-

57 Vgl. dazu auch Williams (1972) 101.

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lich unterliegen sie aber dem Menschen.58 Die zunächst etwas eigentümlich wirkende Beschreibung, dass die Bienen ihr Haus umfassen, um den Honig trauern und das Wachs an ihr Herz pressen, könnte vielleicht indirekt doch auf eine Ausräucherung im Bild des Statius hinweisen. Bei verschiedenen anderen Autoren59 wird nämlich erwähnt, dass Bienen, aus deren Stock Honig genommen werden soll und die deshalb ausgeräuchert werden, schnell noch so viel Honig in sich hineinstopfen, wie sie können. So ähnlich also die genannten Varianten dieses Gleichnisses auch sein mögen, sie zeigen doch gewisse Unterschiede in der Charakterisierung der Bienen, welche natürlich auch dem jeweiligen Kontext geschuldet ist, in dem das Gleichnis steht. Besondere Aufmerksamkeit soll nun noch der Beschreibung von kriege­ rischen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bienenvölkern oder innerhalb eines Volkes in den fachwissenschaftlichen lateinischen Texten zu den Bienen gewidmet werden. Die berühmteste und wohl auch erste Beschreibung einer solchen Schlacht stammt aus den Georgica (4,67–87) Vergils und findet sich im Anschluss daran in den übrigen naturkundlichen und agronomischen Werken, was den Einfluss dieses Lehrgedichts auch auf die Fachliteratur eindrücklich belegt.60 Wie bereits gesagt, lassen sich in der Natur einige Verhaltensweisen der Bienen, wie etwa Raubzüge oder die Drohnenschlacht, beobachten, die auch in antiken Texten im Sinne einer gewalttätigen Auseinandersetzung gedeutet wurden. Zudem wurde das Abgehen von Schwärmen, wie im Folgenden gezeigt wird, oft als Folge eines Zwistes zwischen verschiedenen Königen gedeutet. Diese beobachtbaren Verhaltensweisen könnten natürliche Grundlagen der Schilderung der Bienenschlacht bei Vergil gewesen sein.61 Dabei sollte man allerdings den Einfluss der Prätexte Vergils, insbesondere von Varros Res rusticae62, nicht unterschätzen, wenngleich bei Aristoteles – aus 58 Olbertz (2008) 108 betont, dass in diesem Gleichnis »der kämpferische, aber auch der zerbrechliche Aspekt der Bienen zur Geltung« komme. 59 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 623 b 20 f.; Antig. Car. 52a 1. Klek und Armbruster (1919) 27 Anm. 3 bestätigen, dass sich Bienen bei Störungen mit Honig vollsaugen. Bei Plin. HN 11,45 heißt es dagegen, dass der Einsatz von Rauch verhindere, dass die Bienen ihren Honig verschlingen. 60 Zur Rezeption der Georgica in der Antike und insbesondere zu ihrer Bewertung als Fachschrift vgl. z. B. Christmann (1982). 61 Vgl. z. B. Royds (1914) 66 f., der die These aufstellt, dass die Schlachtenschilderung von der Vermischung der Raubzüge und der Tatsache, dass Jungköniginnen ihre königlichen Schwestern töten, geprägt ist. Kingsbury (1956) 398 f. vermutet, dass Vergil hier einen Vorund einen Nachschwarm als natürliche Grundlage gehabt und als Schlacht zweier Heere interpretiert hat. Dieses Phänomen beschreibt Aristoteles in Hist. an. IX 40, 625  b 12–16 (s. u.  273 Anm. 116) indes ganz anders. Morley (2007) 467 geht davon aus, dass Vergil das Schwärmen und die Raubzüge zu einem Bild vermischt habe. 62 Peil (1983) 171 sieht in der Beschreibung des Bienenschwarmes als Heer bei Varro den wichtigsten Einfluss für die Schlachtenbeschreibung Vergils.

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moderner Sicht durchaus korrekt – betont wird, dass Bienen zwar gegeneinander kämpfen, niemals jedoch fern des Stockes (Hist. an. IX 40, 626 a 14–17).63 Varro verwendet, wie auch die meisten anderen lateinischen Autoren nach ihm, viele militärische Ausdrücke, um den Bienenstaat zu beschreiben (dazu s. u. 268). Dies gilt insbesondere für das Abgehen eines Schwarmes, von dessen Beschreibung Vergil, wie etwa Cramer64 richtig betont, vieles auf seine Schlacht überträgt. Vergil stellt die vermeintliche Bienenschlacht ebenfalls im Rahmen des Schwärmens dar und macht als Grund für den Kampf den Zwist zwischen zwei Königen aus (Sin autem ad pugnam exierint – nam saepe duobus / regibus incessit magno discordia motu; 4,67 f.). Varro (Rust. 3,16,18) hatte eine solche Auseinandersetzung zwischen Königen als seditio bezeichnet. Vergil baut diese seditio gewissermaßen literarisch aus.65 Während bei Varro aber die Wahl eines geeigneten Weisels diese seditio bereits im Vorfeld verhindern soll, führt Vergil dem Rezipienten die Notwendigkeit einer solchen Zuchtwahl eindrücklich vor Augen.66 Denn Vergils Schlachtenschilderung endet abrupt damit, dass der Imker mit einem kleinen bisschen Staub die als gewaltige Schlacht geschilderte Auseinandersetzung beendet ([…] haec certamina tanta / pulveris exigui iactu compressa quiescent; 4,86 f.) und die beiden Anführer von der vordersten Schlachtreihe zurückruft, den besten auswählt und den anderen tötet (4,88–90). Der Staubwurf wird bei Varro (Rust. 3,16,30) als Methode genannt, um einen abgehenden Schwarm einzufangen, nicht jedoch um zwei miteinander kämpfende Schwärme zu trennen.67 Die Beschreibungen der Geräusche, die einen abgehenden Schwarm im Vorfeld ankündigen, als Klang von Kriegstrompeten68 sind ein weiteres wichtiges 63 Ἡ δὲ μάχη αὐτῶν ἐστι καὶ πρὸς ἑαυτὰς καὶ πρὸς τοὺς σφῆκας. καὶ ἔξω μὲν οὔτε ἀλλήλας ἀδικοῦσιν οὔτε τῶν ἄλλων οὐθέν, τὰ δὲ πρὸς τῷ σμήνει ἀποκτείνουσιν ὧν ἂν κρατήσωσιν. – »Ihr Kampf richtet sich sowohl gegen sich selbst als auch gegen die Wespen. Und außerhalb fügen sie weder einander noch einem anderen (Tier) Unrecht zu, welche (Tiere) auch immer sie besiegen (können), töten sie in der Nähe des Stockes.« 64 Vgl. Cramer (1998) 225 f. 65 Vgl. van de Woestijne (1931) 924. 66 Vgl. Cramer (1998) 223. 67 Vgl. auch Wilkinson (1969) 102. 68 Var. Rust. 3,16,9: […] iique duces conficiunt quaedam ad vocem ut imitatione tubae. Tum id faciunt, cum inter se signa pacis ac belli habeant. – »[…] und diese Anführer bringen etwas in Bezug auf die Stimme zustande, wie durch die Nachahmung einer Trompete. Sie tun dies besonders dann, wenn sie untereinander Zeichen des Friedens und des Krieges haben.« Var. Rust. 3,16,30: […] cum iam evolaturae sunt aut etiam inceperunt, consonant vehementer, proinde ut milites faciunt, cum castra movent. – »[…] wenn sie sich schon aufmachen loszufliegen oder sogar schon damit begonnen haben, machen sie ein Geräusch, genau wie es Soldaten machen, wenn sie das Lager abbrechen.« Ein Unterschied zwischen diesen beiden Stellen, die aus jeweils einem der beiden Teile des Bienenkapitels stammen, besteht darin, dass im ersten Falle die Anführer das Signal geben (Klek; Armbruster [1920] 8 Anm. 13 vermuten, dass vielleicht das »Tuten und Quaken« der Jungköniginnen gemeint sein könnte), im zweiten Falle aber der ganze Schwarm.

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Element in den Res rusticae Varros, das Vergils Schilderung der Bienenschlacht beeinflusst haben könnte.69 Auch er bezeichnet die Töne, die der ausziehende Schwarm verlauten lässt, als Martius aeris rauci canor (4,71) und fracti sonitus tubarum (4,72). Für die Schlacht selbst scheinen jedoch eher epische Schlachtenschilderungen als Vorbild gedient zu haben. Die Schlacht der Bienen könnte man so eventuell als Spiel mit diesen Vorbildern sehen, da hier das übliche Vergleichsverhältnis umgekehrt ist: nicht Krieger werden mit Bienen verglichen, sondern Bienen als Krieger dargestellt.70 Der epische Charakter zeigt sich insbesondere auch in der Verwendung eines Gleichnisses,71 in dem die Menge der aus der Höhe herabstürzenden Bienen mit Hagel oder Eicheln verglichen wird, die von einer geschüttelten Steineiche fallen ([…] non densior aere grando, / nec de concussa tantum pluit ilice glandis; 4,80 f.). Bereits im Proömium des 4. Buches klingt diese epische Dimension an,72 wo Vergil magnanimi duces (»hochherzige Anführer«; 4,4) und proelia (»Schlachten«; 4,5) ankündigt. Zudem umfasst dieses Proömium sieben Verse und damit genau so viele, wie der erste Satz im Proömium der Ilias und dem der nach den Georgica verfassten Aeneis, welche jedoch weitergeführt werden.73 Möglicherweise kann man dies als Hinweis auf die epischen Einflüsse einerseits und die Arbeit im Kleinen und Feinen (in tenui labor; 4,6) andererseits sehen.74 Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Bienen in der Schlachtenschilde­ rung ihren tierischen Charakter bis zu einem gewissen Grade behalten und nicht völlig mit Menschen identifiziert werden.75 So heißt es etwa in der Beschreibung der Vorbereitung der Schlacht, dass die Bienen an ihren Flügeln schimmern (pennisque coruscant; 4,73) und ihren Stachel am Rüssel schärfen (spicu 69 Vgl. auch Klek; Armbruster (1920) 27 Anm. 7; Cramer (1998) 223 Anm. 852. 70 Vgl. z. B. Cramer (1998) 223. Farrell (1991) 252 f. geht insbesondere von einer Beeinflussung der Bienen- und Wespengleichnisse in der Ilias aus, wenngleich er keine direkten Parallelen nennen kann. Ob man sich angesichts dieser Tatsache auf eine spezielle Vorlage festlegen sollte, ist fraglich. Holzberg (2006) 116 spricht von einer »Parodie auf eine epische Kampfschilderung« und merkt zudem an, dass einem zeitgenössischen Rezipienten das Vokabular an dieser Stelle aus entsprechenden Passagen der Annalen des Ennius bekannt ge­ wesen sein könnte. Leider belegt er seine These nicht durch Beispiele. 71 Vgl. z. B. Thomas (1988) 160 f.; Farrell (1991) 241; Cramer (1998) 224. 72 Vgl. z. B. Thomas (1988) 148; Cramer (1998) 211 f.225. 73 Von einer solchen Anspielung kann man freilich nur unter der Voraussetzung ausgehen, dass Vergil eine ähnliche Version des Ilias-Textes vorlag, wie wir ihn heute haben. Dies ist allerdings wahrscheinlich, da die Homerfragmente auf Papyri seit 150 v. Chr. bezüglich der Zahl der Verse kaum von den mittelalterlichen Handschriften abweichen, was wohl auf die wegweisende Edition Aristarchs (215–144 v. Chr.) zurückzuführen ist. Vgl. dazu Rengakos (2011) 171 f. 74 Vgl. von Albrecht (2007) 73 mit Anm. 258. 75 Cramer (1998) 223 ist jedoch der Ansicht, dass »die Welt der Bienen und die der Menschen hier weitgehend zu verschmelzen scheinen.«

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laque exacuunt rostris; 4,74). Auch wird deutlich, dass es sich dabei um einen Luftkampf handelt ([…] aethere in alto / fit sonitus […] / praecipites cadunt […]; 4,78–80). Das Spiel mit Groß und Klein, das sich durch das gesamte 4. Buch der Georgica zieht, ist in dieser Schlachtenschilderung zu erkennen,76 wenn es etwa von den Bienenkönigen77 heißt, sie besäßen gewaltige Tapferkeit in einer engen Brust (ingentis animos angusto in pectore; 4,83) oder die vermeintlich große Schlacht durch einen bloßen Staubwurf beendet werden kann (4,86 f.) und somit recht abrupt von der Perspektive der Bienen zu der der Menschen übergegangen wird. Abhängig davon, ob man das 4. Buch der Georgica positiv oder negativ liest, kann man hierin einen gewissen parodistischen und humorvollen Zug in der Darstellung erkennen78 oder nicht79. Interessant ist in dieser Schlachtenschilderung auch das dargestellte Verhältnis von Volk und Königen. Die Schlacht entbrennt, wie bereits gesagt, letztlich aufgrund eines Zwistes zwischen zwei Königen. Das Volk scheint sich dabei zu spalten und sich tapfer zum Kampf für seinen König zu rüsten, den es zu seinem Schutz umgibt (et circa regem atque ipsa ad praetoria densae / miscentur […]; 4,75 f.). Die Könige selbst eilen durch die Schlachtreihen (per medias acies; 4,82) und wollen mutig (ingentis animos; 4,83) nicht weichen, bis die Schlacht entschieden ist (4,84 f.). Eine in der Forschung immer wieder gestellte Frage ist die nach dem Einfluss der Zeitgeschichte auf diese Schlachtenschilderung. Viele Forscher80 sehen darin eine mehr oder weniger transparente Beschreibung der Auseinander­ setzungen zwischen Octavian und Antonius. Wie etwa Wilkinson,81 Thomas82 und Cramer83 jedoch richtig einwenden, erscheint es insbesondere angesichts der Aufforderung, dem Weisel die Flügel auszureißen (4,106–108), um übermäßiges Schwärmen zu verhindern, fraglich, inwieweit man die Schlachtenschilderung als direkte und weitreichende Analogie des römischen Bürgerkrieges verstehen soll. Eine gewisse Beeinflussung durch die Zeitgeschichte und die menschlichen Sphäre allgemein ist zweifellos in dieser Passage enthalten, allzu weit treiben sollte man die Analogisierung jedoch eher nicht. Gerade der Perspektivenwechsel aus der kleinen Welt der Bienen hin zur etwas größeren Welt des menschlichen Imkers wird in der Forschung84 wohl 76 Vgl. z. B. Cramer (1998) 225; von Albrecht (2007) 85. 77 Diese sind wohl mit ipsi (4,82) gemeint. Vgl. z. B. Thomas (1988) 161. 78 So z. B. Whitfield (1956) 109; Wilkinson (1969) 101 f.; Cramer (1998) 211; Holzberg (2006) 116. 79 So z. B. Thomas (1988) 148.159.161 f.; Farrell (1991) 239. 80 Z. B. Dahlmann (1970b) 194; Peil (1983) 172; Olbertz (2008) 101. 81 Vgl. Wilkinson (1969) 182. 82 Vgl. Thomas (1988) 162. 83 Vgl. Cramer (1998) 227 Anm. 860. 84 Z. B. Wilkinson (1969) 102; Cramer (1998) 225 f. Anm. 857; Holzberg (2006) 116.

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zu Recht als Hinweis für den Menschen interpretiert, wie auch seine Bürgerkriege aus der Perspektive eines Größeren (z. B. eines Gottes) klein und unbedeutend wirken. Zudem kann man eine Verbindung zum Ende des 1. Buches der Georgica (1,493–497) herstellen, wo ein Bauer nach vielen Jahren beim Pflügen die Überreste des Bürgerkrieges findet. So wird die Nichtigkeit dieser Kämpfe in Bezug auf den Wandel der Zeiten demonstriert. Wohl im Anschluss an Vergil findet der vermeintliche Krieg der Bienen Eingang in die lateinische Fachliteratur, wenngleich die Schilderungen weniger ausführlich und poetisch sind. Auch scheinen sich die Aussagen im Detail zu unterscheiden, was auf unterschiedliche Konzepte hinweisen könnte. Nach Columella kann es sowohl zu Bürgerkriegen innerhalb eines Schwarmes als auch zu Kriegen mit anderen Schwärmen kommen (nam inter se tamquam civilibus bellis et cum alienis quasi cum exteris gentibus proeliantur; Rust. 9,9,5). Er beschreibt die Kriege zudem, ähnlich wie Vergil, im Rahmen des Schwärmens und führt die Ursache des Streites ganz auf die Bienenkönige zurück, die miteinander im Zwist liegen (dazu s. u. 277). Ähnlich verhält es sich in der kürzeren Darstellung des Palladius (Op. 7,7,6; s. u.  278), der aber ohnehin stark von Columella abhängig ist. Sowohl Columella (Rust. 9,9,6) als auch Palladius (Op. 7,7,6) nennen jeweils den von Vergil empfohlenen Staubwurf und aqua mulsa (»Honigwasser«) als Mittel, um einen solchen Bienenkrieg zu beenden. Plinius dagegen, der ein viel positiveres Bild des Bienenkönigs zeichnet (dazu s. u.  286), stellt die Ursachen des Krieges anders dar.85 Er nennt eine Knappheit an Nahrungsmitteln (quod si defecit aliquas alvos cibus; 11,58), die einige Völker dazu zwinge, die nächstliegenden Nachbarn zu überfallen. Die Überfallenen stellten daraufhin ihre Schlachtreihen auf (at illae contra derigunt aciem; 11,58). Interessanterweise wird hier zudem erwähnt, dass dasjenige Volk, welches merke, dass ihm der Imker gewogen ist, diesen nicht angreife (si custos adsit, alterutra pars, quae sibi favere sensit, non adpetit eum; 11,58). Doch soll es auch andere Gründe für einen Kampf zwischen zwei Völker geben (11,58): ex aliis quoque saepe dimicant causis duasque acies contrarias duosque imperatores instruunt, maxime rixa in convehendis floribus exserta et suos quibusque evocantibus, […]. Auch aus anderen Gründen kämpfen sie oft und stellen zwei Schlachtreihen und zwei Feldherren gegeneinander auf, meistens entsteht der Streit beim Sammeln von Blüten und, wenn jede (Biene) ihre Angehörigen herbeiruft, […].

Im Anschluss rät Plinius, Staub und Rauch zur Unterbindung der Kampfhandlung zu verwenden, und nennt Milch und aqua mulsa als geeignete Mittel, um die Schwärme zu versöhnen (reconciliare).

85 Vgl. auch Morley (2007) 467; dazu aber auch u. 286 Anm. 154.

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Die Gründe für den Krieg der Bienen liegen bei Plinius im Gegensatz zu seinen Vorgängern Columella und Vergil nicht im Streit zweier Könige, sondern letztlich in einem Mangel an Nahrung. Zudem scheint es bei Plinius ausschließlich Kämpfe mit fremden Völkern zu geben, niemals aber einen Bürgerkrieg. Dies ist eng mit seiner Vorstellung von der Rolle des Bienenkönigs verbunden, von denen es in seiner Darstellung (HN 11,51) nur einen im Stock gibt, der zudem in einstimmiger Wahl vom Volk gewählt wird (s. u. 286). Bürgerkriege passen bei seiner starken Betonung der Gemeinschaft und der Ergebenheit des Volkes gegenüber seinem erwählten König nicht ins Bild. In der pseudo-quintilianischen Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«) ist die Darstellung des Bienenstaates stark von den Georgica Vergils beeinflusst. Da die Bienen jedoch als eher friedlich gezeigt werden sollen – es geht in dieser Passage darum zu belegen, dass die Bienen durch einfache Mittel unter Kontrolle zu bringen sind –, nimmt die Beschreibung des Bienenkrieges keinen großen Raum ein (13,9): etiam, si diversis regibus coorta seditio ad bellum inflammavit iras, exiguo pulvere vel unius poena ducis residit omnis tumor. – »Wenn unter verschiedenen Königen aufgetretener Zwist die Gemüter zum Krieg erhitzt, legt sich auch die ganze Aufwallung durch ein winziges bisschen Staub oder die Bestrafung eines Anführers.« Wie bei Vergil scheinen die Kämpfe durch Könige ausgelöst zu werden, können aber durch den Menschen leicht beendet werden. Bereits zuvor wird in dieser Deklamation bekräftigt, dass ein abgehender Schwarm durch das Schlagen von Zimbeln in Schrecken versetzt (dazu s. u. 363) oder Kriege durch einen Staubwurf beendet werden könnten ([…] aut fugiens examen aere terrere aut bella sedare pulveris iactu, […]; 13,3). Die Tapferkeit der Bienen und ihre Verehrung des Königs, die den Bienen hier zugeschrieben wird, zeige sich darin, dass sie bereit seien, für ihn Krieg zu führen und sogar den Tod auf sich zu nehmen (illa maiorum pectorum: motis pro rege castris procurrere et inire bella mortemque honestam pro duce oppetere; 13,17). Bei Isidor heißt es nur kurz, dass die Bienen ein Heer und Könige hätten und Schlachten führten ([…] exercitum et reges habent, proelia movent; Etym. 12,8,1). Eine interessante Position nimmt Origenes in seiner Schrift Contra Celsum ein. Er zitiert zunächst (4,81) Kelsos, der den Bienen offenbar unter anderem πόλεμοι (»Kriege«), νῖκαι (»Siege«) und τῶν ἡττημένων ἀναιρέσεις (»Vernichtungen der Unterlegenen«) zugeschrieben hat. Origenes wehrt sich generell gegen solche anthropomorphen Deutungen des Bienenstaates, da die Bienen alle guten Einrichtungen, die man bei ihnen finden kann, ohne Verstand und Vernunft erschaffen hätten, weshalb sie nicht wirklich mit dem Menschen vergleichbar seien. Vielmehr zeige ihr wohlgeordnetes Zusammenleben die gute und bewundernswerte Einrichtung durch den Schöpfer (dazu s. o. 47). Die bewundernswerten Eigenschaften der Bienen und Ameisen können jedoch ein Ansporn für den Menschen sein, ihnen darin nachzueifern. Dazu können auch die kriegsähnlichen Konflikte der Bienen gehören (C. Cels. 4,82):

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Τάχα δὲ καὶ οἱ οἱονεὶ πόλεμοι τῶν μελισσῶν διδασκαλία ἔγκειται86 πρὸς τὸ δικαίους καὶ τεταγμένους πολέμους, εἴ ποτε δέοι, γίνεσθαι ἐν ἀνθρώποις. Vielleicht kann man aber auch die sogenannten »Kriege« der Bienen als Lehrstück dafür nehmen, dass die Kriege unter den Menschen gerecht und geordnet werden, wenn sie denn irgendwann notwendig sein könnten.

Durch die Betrachtung der guten Schöpfung kann der Mensch also lernen, was das Richtige ist. Wenngleich die Bienen als ζῷα ἄλογα dem Menschen und seinen Einrichtungen nicht gleichwertig sind, so können sie doch als Vorbild dienen,87 weil sich in ihnen als Teil der Schöpfung der Wille Gottes erkennen lässt. Im Falle der Ameisen, die ebenfalls als Heer beschrieben werden,88 scheint das Vergleichsmoment weniger in der Wehrhaftigkeit als vielmehr in den gut sichtbaren Futterpfaden, die im Englischen als »foraging tracks« bezeichnet werden, zu liegen. So wird ein Ameisentrupp auf Futtersuche in einem Epigramm des Philipp von Thessalonike (Anth. Gr. 9,438; s. o.  98) als γῆς στρατός (»Armee der Erde«) bezeichnet. Im Ameisengleichnis in Vergils Aeneis (zu dessen Bedeutung s. o.  248) ist von einem nigrum agmen (»einem schwarzen Heereszug«; 4,404) die Rede, worauf auch in den Quaestiones naturales (1, Praef. 10) Senecas und im Hexaemeron (6,16) des Ambrosius mit einer wörtlichen Übernahme angespielt wird.89 Im Falle Senecas wird explizit das Verhalten der Menschen, die in den Krieg ziehen, mit dem von Ameisen gleichgesetzt. Er nimmt an, dass Ameisen, wenn sie den Verstand von Menschen hätten (si quis formicis det intellectum hominis, […]), ebenfalls den Dreschplatz (area)  in Provinzen einteilten. Der Unterschied zwischen einem menschlichen Heereszug und den Ameisen liege letztlich nur in der Körpergröße (quid illis et nobis interest nisi exigui mensura corpusculi?). Ohne Bezug zur Sammlung von Nahrung werden die Ameisen, die in die Myrmidonen verwandelt werden, in Lykophrons Alexandra als ἑξάπεζος στρατός (»sechsfüßiges Heer«; 176) bezeichnet. Bei Aelian (NA 2,25) heißt es, dass die Ameisen in Trupps (κατὰ ἴλας) liefen. In Kapitel 6,43 der Natura animalium wird das Sammeln von Getreidekörnern mit Begriffen eines militärisch organisierten Beutezugs (τὰ λήια) beschrieben: 86 Es handelt sich in diesem Satz wohl strenggenommen um ein Anakoluth, weil sowohl οἱ πόλεμοι als auch διδασκαλία im Nominativ stehen. Das Prädikat ἐγκεῖται legt allerdings nahe, dass διδασκαλία das eigentliche Subjekt des Satzes ist. Der Nominativ von οἱ πόλεμοι ist wohl aus rhetorischen Gründen zu erklären. Zuweilen kann der wichtigste Begriff des Satzgefüges zur Markierung seiner Bedeutung an den Anfang und in den Nominativ gesetzt werden, obwohl die Syntax einen anderen Kasus verlangt. Vgl. dazu KG § 356,6. 87 Es erscheint unverständlich, wieso Peil (1983) 276 dies unter dem Abschnitt »Die negative Deutung der Bienen« anführt, zumal die Bienenkriege bei Origenes nicht wirklich als »Hinweis auf gerechte und ungerechte Kriege« genannt werden, sondern dezidiert als Beispiel für einen gerechten und geordneten Krieg. 88 Vgl. auch Beavis (1988) 203. 89 Dazu z. B. auch Ov. Ars am. 1,93 f.

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Die Ameisen folgten den größten Exemplaren, die sie nach der Art von Feldherrn anführten (οἳ δὲ ἄγουσι στρατηγῶν δίκην). Am Kornfeld angekommen sollen die jüngeren die Halme nach unten halten, und die Anführer (ἡγεμόνες) an die Spitze kriechen, die Stängel mit den Körnern (οἱ καλούμενοι οὐραχοὶ τῶν καρπίμων) durchbeißen und sie dem Volk (ὁ δῆμος) hinunterwerfen.90 Im Physiologos (12) wird im Rahmen der τρίτη φύσις (»dritte natürliche Eigenheit«) der Ameise ebenfalls berichtet, dass sie auf die Halme steige, um Körner zu holen. Hier fehlen jedoch militärische Begriffe.

6.3 Die Gesellschaft der Bienen 6.3.1 Aufbau und Ordnung des Bienenstaates Die Gesellschaft der Bienen wird allgemein als ein Musterbeispiel für gute Organisation und Sozialität genannt. Dies zeigt sich insbesondere in den Beschreibungen des Aufbaus des Bienenstockes und in der Arbeitsteilung innerhalb der Bienengesellschaft. Gerade diese societas operis et aedificiorum (»Gemeinschaft der Arbeiten und Gebäude«) hebt die Bienen etwa in den Res rusticae (3,16,4) Varros aus den übrigen Tieren heraus und macht sie dem Menschen vergleichbar. Der Aufbau des Bienenstockes kann je nach Text recht naturnah oder aber sehr anthropomorph beschrieben werden. Wie bereits erwähnt (s. o. 159), zeigt etwa Aristoteles ein selbstständiges Bienenvolk, das zunächst seine eigenen Waben anlegt und dann die der Könige und Drohnen (Hist. an. IX 40, 623 b ­32 – 624 a 18), welche in der Regel etwas abseits der Waben der übrigen Bienen liegen. Die Darstellung des Aristoteles in dieser Passage ist eher sachorientiert und enthält keine (markierten) Begriffe aus der menschlichen Sphäre. So leitet etwa Aristoteles seine Beschreibung des Wabenbaus folgendermaßen ein (Hist. an. IX 40, 623 b 32–34): πλάττουσι δὲ κηρία πρῶτον ἐν οἷς αὗται γίνονται, εἶτ’ ἐν οἷς οἱ καλοῦμενοι βασιλεῖς καὶ τὰ κηφήνια. – »Sie formen aber zuerst die Waben, in denen sie selbst entstehen, dann aber (die), in denen die sogenannten Könige (entstehen) und die Drohnenzellen.« Die Übertragung dieser Aussage in der Naturalis historia (11,26) des Plinius hat dagegen einen ganz anderen Charakter: Domos primum plebei exaedificant, deinde regibus. Si speratur largior proventus, adiciuntur contubernia fucis. – »Zunächst errichten sie die Häuser für das einfache Volk, dann (die) für die Könige. Wenn ein reichlicherer Ertrag erwartet wird, werden auch die Wohngemeinschaften für die Drohnen angefügt.«

90 Tatsächlich lässt sich bei Messor spec. beobachten, dass die Ameisen an den Halmen hinaufsteigen und die Körner abbeißen. Auch entfernen sie gleich Grannen und Samenhülle, was bei Aelian im Folgenden beschrieben wird. Vgl. Lev-Yadun; Grafi; Grafi (2015).

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Zunächst sind die deutlich vermenschlichenden Begriffe wie das Verb exaedi­ ficare sowie domus, plebs und contubernium auffällig, die bei Aristoteles so nicht zu finden sind. Er macht im Gegenteil sogar deutlich, dass die Könige nur so genannt werden (καλοῦμενοι βασιλεῖς), während diese Einschränkung bei Plinius fehlt. Zudem wird die Anlage der Drohnenzellen bei Plinius mit der Einschränkung versehen, dass diese nur dann angefügt würden, wenn genug Honigertrag zu erwarten sei, während bei Aristoteles die Zellen der Drohnen und die der Könige an dieser Stelle zugleich genannt werden. Im Folgenden (Hist. an. IX 40, 623 b 34 – 624 a 2) heißt es bei Aristoteles, dass die Bienen Waben für sich selbst zu jeder Zeit errichteten, Königswaben aber nur, wenn ausreichend Nachwuchs zu erwarten sei, und Drohnenwaben nur, wenn es reichlich Honig geben werde (s. o.  159). Aristoteles nennt also sowohl für das Hervorbringen von Königen als auch für das von Drohnen Einschränkungen, sodass die Bienen als selbstständige Gemeinschaft gezeigt werden, zu der unter gewissen Umständen auch Drohnen und Könige treten können. Plinius dagegen nennt an dieser Stelle keine Einschränkungen für die Errichtung von Königswaben, sodass seine Gesellschaft primär sowohl aus Bienen als auch aus Königen besteht, zu der bei einer Fülle an Honig Drohnen hinzugenommen werden. Dies passt zu seiner Betonung der besonderen Rolle, die der König in seiner Darstellung der Bienengesellschaft als Garant der Ordnung im Stock einnimmt und ohne den die Bienen nicht leben können (dazu s. u. 286). Zu dieser besonderen Rolle des Bienenkönigs als Garant der Ordnung im Stock gehört auch, dass die Gemächer der Könige bei Autoren wie Seneca (Clem. 1,19,2) oder Plinius (HN 11,29) als besonders groß und prächtig beschrieben sowie in den inneren und geschützten Bereich des Stockes verlegt werden (dazu s. o. 163). In der Natur befinden sich die sogenannten Weiselwiegen meist an den Rändern der Waben und werden etwa von Aristoteles (Gen. an. III 10, 760  a 26 f.) auch dort lokalisiert (dazu s. o. 163). Eine solche Beschreibung der vermeintlichen Königsgemächer bei Seneca und Plinius lässt sich wohl mit einer Beeinflussung durch die menschliche Sphäre erklären. Zudem ist es aufgrund der Rolle des Königs, die ihm beide Autoren zuschreiben, folgerichtig, ihm sowohl den sichersten Platz im Stock als auch einen gewissen »Luxus« zuzuteilen. Besonders ausführlich und anthropomorph beschreibt Aelian (NA 1,59) den Bienenstock. Ausdrücklich heißt es dort, dass die Anlage der Bienenstöcke den Palästen persischer Könige in nichts nachstehe, sodass man wohl davon ausgehen kann, dass solche Anlagen als Vorbild seiner Beschreibung des Bienenstockes gedient haben dürften. Zunächst sollen die Bienen die Gemächer der Könige (οἱ θάλαμοι οἱ τῶν βασιλέων) errichten, welche sehr groß (εὐρυχωρία) und im oberen Bereich (ἀνώτεροι) gelegen seien. Zudem seien die Gemächer von einem Zaun (ἕρκος) umgeben, den Aelian mit einer Umfassungsmauer (τεῖχος καὶ περίβολος) vergleicht. Dies soll wohl nicht nur dem Schutz der königlichen

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Behausung dienen, sondern diesen auch als gesonderten Bereich kennzeichnen (ἀποσεμνύνουσαι καὶ ἐκ τούτων τὴν οἴκησιν τὴν βασίλειον). Die Lage der Quartiere der übrigen Bienen soll nun von ihrem Alter und der damit einhergehenden Rolle in der Gemeinschaft abhängen. Die ältesten Bienen (αἱ πρεσβύταται καὶ αἱ παλαιόταται) sollen in direkter Nachbarschaft des Königs leben und gewissermaßen dessen Leibgarde (δορυφόροι καὶ φρουροί) bilden. Daran soll sich der Wohnbereich der jüngsten Bienen aus diesem Jahr (αἱ νεώταται καὶ αἱ αὐτοετεῖς) anschließen. Ganz außen sollen die Bienen mittleren Alters (αἱ ἐν ἥβῃ καὶ ἀκμῇ) leben, sodass die ältesten Bienen dem Schutz der Könige, die jungen aber der Verteidigung der jüngsten dienen (ὡς εἶναι τὰς μὲν πρεσβυτάτας φρουροὺς τῶν βασιλέων, τὰς δὲ νεάνιδας ἕρκος τῶν νεωτάτων). Die Anlage des Bienenstockes ist also in erster Linie so beschrieben, wie es in Analogie zur menschlichen Gesellschaft folgerichtig und sinnvoll wäre.91 Wenngleich die Gesellschaft der Bienen bei einigen Autoren weniger anthro­ pomorph dargestellt wird bzw. sich etwa der Kirchenvater Origenes (C. Cels. 4,81; s. auch o. 47) explizit gegen vermenschlichende Beschreibungen der Insektengesellschaften zur Wehr setzt, scheint doch in vielen Texten implizit oder explizit eine Verbindung zwischen der Gesellschaft der Bienen und der der Menschen hergestellt zu werden. Das Nest der Bienen kann dabei je nach Kontext zu ganz unterschiedlichen menschlichen Dimensionen in Beziehung gesetzt werden. So ist der Bienenstock etwa in Xenophons Oikonomikos (7,17.32–34.38) oder in der gerade besprochenen Passage der Natura animalium (1,59) Aelians eher mit einem großen Haus oder einem Palast vergleichbar. In vielen anderen Texten scheint die Bezugsgröße eher eine Stadt bzw. ein (Stadt-)Staat zu sein.92 Vor allem lateinische Texte beschreiben die Gesellschaft der Bienen nicht nur mit Begriffen aus der menschlichen Sphäre – obwohl bestimmte termini technici aus der Imkersprache zur Verfügung stünden –, sondern sogar mit speziell römischen Einrichtungen.93 Besonders ausgeprägt ist dieses Phänomen in den Georgica Vergils, in denen der Bienenstock nicht nur häufig tecta (z. B. 4,38.47.62.104.187.256) genannt wird sowie von cubilia (4,45), aula (4,90.202), thalami (4,189) und aedes (4,258) die Rede ist, sondern sogar Begriffe wie lar (4,43), patria (4,155), penates (4,155), Quirites (4,201) und proles (4,281) in Bezug auf die Bienen verwendet

91 Tatsächlich schlafen ältere Bienen außerhalb von Zellen eher am Rande des Stockes, jüngere Bienen aber in Zellen, die eher im Zentrum liegen. Vgl. Klein et al. (2014). 92 Z. B. Verg. G. 4,153–155.178 f.193; Plin. HN 11,11 (res publica); [Quint.] Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«) 17; Geop. 15,3,2. Eine gewisse Kombination findet sich bei Aelian (NA 1,9), wo das »Bauwerk aus Wachswaben« (ἡ τῶν κηρίων οἰκοδομία) als vergleichbar mit einer kleinen Stadt (πόλις μικρά) angesehen wird. Auch bei Varro ist sowohl von einer domus (Rust. 3,16,5) als auch von civitas, rex und imperium (Rust. 3,16,6) bei den Bienen die Rede. 93 Vgl. z. B. Peil (1983) 170; Morley (2007) 466.

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werden.94 Doch auch Fachautoren wie Columella95 und Plinius96 verwenden entsprechende Begriffe. Dadurch werden die Bienen nicht nur sehr anthropomorph beschrieben, sondern ihre Gesellschaft gar als analog zu der römischen dargestellt. Wie weit die Analogie reicht, ist oftmals schwer auszumachen (s. auch 1.1.3). Ebenfalls weitgehend auf lateinische Autoren beschränkt scheint die Beschreibung des Bienenstockes mit militärischen Begriffen.97 So heißt es bei Varro, dass die Bienen alle wie in einem Heer lebten (Omnes ut in exercitu vivunt […]; Rust. 3,16,9). Ferner wird das Geräusch, das ein Schwarm kurz vor dem Abgehen von sich gibt, mit dem Signal verglichen, das Soldaten beim Abbrechen des Lagers geben ([…] proinde ut milites faciunt, cum castra movent; Rust. 3,16,30). Dieses vermeintliche militärische Signal beim Auszug des Schwarmes beschreiben im Anschluss etwa auch Vergil (G. 4,70–72) und Columella (Rust. 9,9,4). Bei Plinius sind es die vermeintlichen Signale, die die Bienen morgens zur Arbeit und abends zur Nachtruhe rufen (dazu s. u. 271), die als militärisch wahrgenommen werden. So vergleicht er das morgendliche Signal mit einem bucinus (»Hornbläser«; HN 11,20) und vom Signal am Abend heißt es, es sei wie in einem Militärlager (et hoc castrorum more; HN 11,26). Zudem soll die Torwache am Eingang des Bienenstockes der eines Militärlagers entsprechen ([…] statio ad portas more castrorum; HN 11,20). In der pseudo-quintilianischen Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«) wird der Bienenstock militaria castra (»Militärlager«; 13,4) genannt und die Arbeit auf der Blumenwiese gar als militia (»Kriegsdienst«; 13,9) bezeichnet. Ebenso findet sich der Vergleich eines Bienenstockes mit einem Heereslager (quid enim aliud est favus nisi quaedam castrorum species) nur im Hexaemeron (5,69) des Ambrosius, nicht aber in dem des Basilius, das ansonsten einen wichtigen Prätext darstellt. Angesichts dieses Befundes fällt es nicht schwer eine Verbindung zu den bereits erwähnten (s. o. 258) Bienenschlachten herzustellen, die sich ebenfalls vor allem in der lateinischen Literatur seit Vergil finden.

94 Vgl. z. B. auch Dahlmann (1970b)  184 f.; Briggs (1980) 69, wenngleich man dessen These, der Bienenstock werde wie ein römisches Haus beschrieben, so nicht zustimmen kann. Worte wie patria oder Quirites stammen eher aus dem Bereich des Staates und nicht aus dem des Hauses. Peil (1983) 172 f. geht auch eher von einer »Stadtmetaphorik« bei Vergil aus. Thomas (1982) 73 weist jedoch einschränkend darauf hin, dass Vergil römische Ausdrücke auch für andere Tiere und für nicht-römische menschliche Völker verwendet. 95 Z. B. patria (Rust. 9,9,2); patria sedes (Rust. 9,12,1); bella civilia (Rust. 9,9,5); plebs (Rust. 9,9,6; 9,13,9; 9,15,7); senatus (9,11,2). Vgl. auch Peil (1983) 173. Hier muss man freilich einwenden, dass Columella viele dieser Begriffe nicht direkt als Metapher einsetzt, sondern etwa durch quasi oder velut als Vergleich kennzeichnet. 96 Z. B. res publica (HN 11,11); domus (HN 11,26); plebs (HN 11,26); lictores (HN 11,53). 97 Vgl. z. B. Peil (1983) 170; Morley (2007) 466.

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Interessant sind auch die zahlreichen Beschreibungen98 der Arbeitsteilung in der Bienengesellschaft, aus denen oft eine gewisse Bewunderung für die Bienen erwächst und die als Belege für ihren Gemeinsinn gelten. So heißt es etwa in der Historia animalium (IX 40, 625 b 17–20): εἰσὶ δ’ αὐταῖς τεταγμέναι ἐφ’ ἕκαστον τῶν ἔργων, οἷον αἱ μὲν ἀνθοφοροῦσιν, αἱ δ’ ὑδροφοροῦσιν, αἱ δὲ λεαίνουσι καὶ κατορθοῦσι τὰ κηρία.99 – »Ihnen sind aber einzelne Tätigkeiten zugeordnet, so sammeln die einen Blüten, die anderen bringen Wasser, andere glätten die Waben und richten sie auf.« Eine strenge Zuordnung einzelner Tätigkeiten zu einer bestimmten Biene lässt sich in der Natur so nicht beobachten (s. o. 28),100 sondern scheint eher der Vorstellung eines geordneten Gemeinwesens zu entsprechen, für das die Bienen wie kaum ein anderes Tier prototypisch stehen. Aelian (NA 5,11) geht von einer weniger strengen Zuteilung der Arbeiten aus und nimmt sogar eine Arbeitsrotation bei den Bienen an (εἶτα μέντοι ἀμείβουσι τὰ ἔργα ἐκ περιόδου). Andererseits nennt er in einem weiteren Kapitel (5,42), wie bereits gesagt (s. o.  65 Anm. 107), bestimmte Bezeichnungen (ὀνόματα) für Bienen. Darunter befinden sich solche, die in anderen Texten als Namen für bestimmte »Arten« von Bienen genannt werden (ἡγεμών und σειρήν), aber auch solche, die eher eine bestimmte Tätigkeit beschreiben (ἐργοφόρος und πλάστις). In diesem Falle wirkt es so, als ob einer Biene eine Tätigkeit tatsächlich eher von Natur aus dauerhaft zugeteilt wäre. Während nach den modernen Kenntnissen eine Biene in der Regel zunächst im Inneren des Stockes und erst später immer weiter außerhalb arbeitet, ist dies in den erhaltenen antiken Quellen stets genau andersherum dargestellt. So heißt es etwa bei Aristoteles (Hist. an. IX 40, 626 b 8–10): τῶν δὲ μελιττῶν αἱ μὲν πρεσβύτεραι εἴσω ἐργάζονται, καὶ δασεῖαί εἰσι διὰ τὸ εἴσω μένειν, αἱ δὲ νέαι ἔξωθεν φέρουσι καί εἰσι λειότεραι. – »Von den Bienen arbeiten die älteren im Inneren und sind dichter behaart, weil sie drinnen bleiben, die jungen aber tragen von außen (die Dinge) hinein und sind glatter.« Offenbar ist hier, wie oben (72) ausgeführt, eine Verhaltensweise sowie ein bestimmtes Aussehen, das aus der menschlichen Gesellschaft bekannt ist, auf die Gesellschaft der Bienen übertragen worden. Wie etwa Klek und Armbruster101 anmerken, verlieren Bienen, die oft das Nest verlassen, um Nektar einzubringen, tatsächlich mit der Zeit Haare. Dabei handelt es sich jedoch, wie gesagt, nicht um die jüngeren, sondern um die älteren Bienen. 98 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 625 b 17–20; 627 a 20–24; Antig. Car. 52a 5; Verg. G. 4,156– 190; Plin. HN 11,20–26; [Quint.] Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«) 4.17; Ael. NA 1,9; 5,11.42. 99 Darauf nimmt Aristoteles auch in Hist. an. IX 40, 627 a 20–24 Bezug, wo zusätzlich noch die Honigproduktion angesprochen wird. Fast wörtlich gleichlautend ist Antig. Car. 52a 5. 100 Vgl. Klek; Armbruster (1919) 33 Anm. 2. 101 Vgl. ebd. 37 Anm. 1.

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Bei Antigonos von Karystos (52a 7), in den Georgica (4,178–183) Vergils und in der Naturalis historia (11,21) des Plinius wird ebenfalls erwähnt, dass sich die älteren Bienen im Haus aufhielten und die jüngeren draußen arbeiteten. Es fehlt allerdings der Verweis auf ein anderes Aussehen. Bei Aelian (NA 1,10) heißt es jedoch, dass die Bienen aus diesem Jahr (αὐτοετεῖς) glänzend (στιλπναί) seien und die Farbe von Olivenöl hätten (ἐοίκασιν ἐλαίῳ τὴν χροιάν), die älteren jedoch rauer (τραχεῖαι) im Aussehen und beim Anfassen seien und wegen des Alters runzlig (ῥυσαί) wirkten. Und in einem weiteren Kapitel (NA 5,11) wird behauptet, dass die ältesten Bienen gerne das Haus hüteten (φιλοῦσι οἰκουρεῖν αἱ πρεσβύταται). In vielen antiken Texten102 heißt es zudem, dass stets die jungen Könige mit einem Teil des Volkes auszögen. Dies trifft nach heutigem Wissen nicht zu103 und kann wohl ebenfalls als eine analoge Übertragung eines aus der menschlichen Gesellschaft bekannten Verhaltens auf den Bienenstock angesehen werden. Sehr anthropomorph beschreibt Aelian die arbeitsteilige Gesellschaft der Bienen. In einer Passage (NA 1,9) ist es nicht nur das Alter, das die Biene zu einer bestimmten Tätigkeit qualifiziert, sondern er spricht ausdrücklich davon, dass es weniger geschickte (ἄτεχνοι) Bienen gebe, die für die Herstellung und Bereitung des Honigs nicht geeignet seien.104 Diese verrichteten dann andere Arbeiten, wie etwa dem König und den Älteren Wasser zu bringen oder Tote herauszuschaffen (dazu s. o.  54), welche somit als eher niedere Tätigkeiten gekennzeichnet werden. In dieser Passage (NA 1,9) heißt es außerdem, dass die Älteren dem Schutz des Königs dienten. Im folgenden Kapitel (NA 1,10) wird von ihnen zudem gesagt, dass sie erfahrener und geschickter (ἐμπειρότεραι […] καὶ τεχνικώτεραι) seien und daher die Jüngeren in der Kunst des Honigmachens unterrichteten. Auch hier handelt es sich wohl um eine Übertragung aus der menschlichen Gesellschaft. Während etwa Aristoteles, wie gerade gesehen, die Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten der Bienen durch ein unpersönliches Passiv (τεταγμέναι; Hist. an. IX 40, 625 b 18) ausdrückt, werden die Arbeiten bei Autoren, die den Königen eine wichtige Rolle in der Organisation des Bienenstockes zusprechen (dazu s. u.  279), den Bienen von ihrem König übertragen.105

102 Z. B. Xen. Oec. 7,34; Verg. G. 4,21; Columella Rust. 9,9,1; [Quint.] Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«) 16; Pall. Op. 7,7,4. 103 Stets verlässt die alte Königin den Stock, bevor die Jungköniginnen schlüpfen. Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 42. 104 Anders verhält es sich in der besonders emphatischen Beschreibung des Bienenstaates der pseudo-quintilianischen Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«), wo es unter anderem heißt (16), dass jede Biene als Künstlerin geboren werde ([…] nulla apes [hier Nebenform zu apis] nisi artifex nascitur). 105 So z. B. bei Xen. Oec. 7,33 f.; Ael. NA 5,11.

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Der Gemeinsinn der Bienen wird ferner dadurch verdeutlicht, dass sie gleichzeitig die Arbeit aufnehmen und beenden. In vielen Texten106 ist daher von einem zwei- oder dreimal angestimmten Summton am Morgen die Rede, der die Bienen zur Arbeit rufe, und einem weiteren am Abend, nach dem die Bienen schlagartig zur Ruhe kämen. Ein solches Verhalten lässt sich in der Natur so nicht beobachten.107 Etwas anders ist dies im Hexaemeron des Basilius und in dem des Ambrosius dargestellt, die behaupten, dass die Bienen erst dann die Arbeit aufnähmen, wenn der König sich an die Spitze eines Schwarms setze und zur Weide ausfliege (dazu s. u.  291). Besonders betont wird dieselbe Arbeitszeit der einzelnen Bienen etwa bei Plinius (HN 11,22),108 der behauptet, dass die Bienen niemals getrennt speisten, damit es nicht zu einer ungleichen Verteilung der Arbeit, der Nahrung und der Zeit komme (neque enim separatim vescuntur, ne inaequalitas operis et cibi fiat et temporis). Bereits bei Vergil (G. 4,184) heißt es: omnibus una quies operum, labor omnibus unus. – »Für alle gilt dieselbe Ruhe(zeit) von der Arbeit, für alle dieselbe Arbeit(szeit).«

6.3.2 Die Rolle der Weisel In der Gesellschaft der Bienen, die oftmals als Monarchie wahrgenommen wurde und wird, kommt dem Weisel eine besondere Funktion zu. In diesem Abschnitt soll es vor allem um die Rollen gehen, die dem Weisel in den antiken Darstellungen der Bienengesellschaft zugeschrieben werden. Weitere wichtige Aspekte, die in einem engen Zusammenhang mit diesen Rollen stehen, wie etwa sein Geschlecht (s. 5.3), die Besonderheit seiner Entstehung (s. o. 163) oder auch seine Gestalt sowie die Frage nach dem Besitz eines Stachels (s. o. 77) wurden bereits besprochen, sodass an dieser Stelle auf die entsprechenden Kapitel verwiesen werden kann. Im Gegensatz zu den meisten anderen Autoren spricht Aristoteles in manchen Passagen explizit von mehreren Königen im Bienenstock. Besonders eindrücklich ist eine Aussage über die Fortpflanzung der Bienen in der Historia animalium (V 22, 553 b 15­–19): εἰσὶ δὲ ἐν ἑκάστῳ σμήνει πλείους ἡγεμόνες, καὶ οὐχ εἷς μόνος· ἀπόλλυται δὲ τὸ σμῆνος, ἐάν τε ἡγεμόνες ἱκανοὶ μὴ ἐνῶσιν (οὐχ οὕτω διὰ τὸ ἄναρχα εἶναι, ἀλλ’ ὥς φασιν, ὅτι 106 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 627 a 24–28; Verg. G. 4,188–190; Plin. HN 11,20.26 (die beiden Signale rahmen seine Beschreibung des Arbeitstages ein); Ael. NA 5,11 (hier veranlasst der König das Schlafsignal). 107 Vgl. z. B. Klek; Armbruster (1919) 40 Anm. 4. 108 Vgl. auch Capponi (1994) 54.

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συμβάλλονται εἰς τὴν γένεσιν τὴν τῶν μελιττῶν) ἐάν τε πολλοὶ οἱ ἡγεμόνες ὦσι· διασπῶσι γάρ. Es gibt aber in jedem Stock mehrere Anführer und nicht nur einen einzigen. Der Stock geht unter sowohl, wenn nicht genügend Anführer darin sind (nicht so sehr, weil sie dann ohne Herrscher wären, sondern weil sie, wie man sagt, zur Fortpflanzung der Bienen beitragen), als auch, wenn es viele Anführer gibt: denn sie reißen (den Schwarm) auseinander.

An vielen Stellen zeigt Aristoteles, wie bereits öfter gesagt, ein relativ selbstständiges Bienenvolk, das insbesondere seine Nestgröße und die Zahl der Nachkommen selbst regulieren und an äußere Gegebenheiten anpassen kann (dazu s. o.  159). Dies geht sogar so weit, dass die Bienen überzählige und insbesondere schlechte (καὶ μᾶλλον τοὺς πονηρούς) Könige töten, wenn es denn notwendig ist (Hist. an. IX 40, 625 a 16–22). Die Könige spielen also zumindest an diesen Stellen keine besondere Rolle bei der »Regierung« des Bienenstaates, sondern dienen in erster Linie der Fortpflanzung. Explizit erklärt er die vermeintliche Existenz mehrerer Könige mit der Vorstellung, dass einer allein nicht in der Lage sei, ausreichend Nachkommen zu produzieren, was den Untergang des Stockes nach sich ziehe. Trotzdem muss man sich fragen, wieso Aristoteles etwa an den genannten Stellen mehrere Bienenkönige im Stock annimmt, da er z. B. für die sogenannten Wespenmütter wohl nicht unbedingt von mehreren Exemplaren in einem Nest ausgeht (bei den Anführern der Anthrenen schließt er das im Gegensatz zu den Bienen gar ausdrücklich aus; s. u. 304). Implizit scheint die Ursache dieser Annahme in der Aussage enthalten zu sein, dass die Könige den Schwarm auseinanderreißen.109 Sicherlich ist hiermit der Schwarmtrieb gemeint.110 Aus der Tatsache, dass man abgehende Schwärme beobachten kann, die von einem König angeführt werden, scheint Aristoteles zu schließen, dass es mehrere Weisel im Stock geben muss.111 Dazu kommt möglicherweise noch, dass es, wie es Aristoteles auch beschreibt (s. o. 166),112 stets mehrere Zellen mit Jungköniginnen gibt. In Verbindung mit seinem häufig geäußerten Grundsatz, dass die Natur (ἡ φύσις) nichts umsonst (μάτην) mache,113 könnte er so zu der These gekommen sein, dass es wohl dauerhaft mehrere adulte Weisel im Stock geben muss. Das Ausfliegen im Schwarm ist ein wichtiges Element der antiken Konzepte vom Weisel. Aristoteles betont,114 dass der Weisel sich im Inneren des Stockes 109 Neben der genannten Stelle in Hist. an. V 22, 553 b 19 findet sich dies etwa auch in Hist. an. IX 40, 626 a 28–30; IX 42, 629 a 16–18. 110 Vgl. auch Klek; Armbruster (1919) 13 Anm. 6. 111 Vgl. Morley (2007) 467. 112 Z. B. Arist. Hist. an. V 21, 553 b 2–4; Gen. an. III 10, 760 a 26 f. 113 Z. B. Arist. De an. III 9, 432 b 21; Gen. an. II 5, 741 b 4 f.; Part. an. II 13, 658 a 8 f.; IV 13, 695 b 19. Vgl. auch Kullmann (2007) 464 mit weiteren Ausführungen und Literaturangaben. 114 Neben dem im Folgenden Genannten z. B. auch Hist. an. IX 40, 625 b 6 f.

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aufhält und nur zusammen mit einem Schwarm ausfliegt. Der Hochzeitsflug der Jungköniginnen scheint ihm nicht bekannt gewesen zu sein bzw. auch nicht recht in seine Fortpflanzungstheorie zu passen (dazu s. o. 151). In Falle des Schwärmens kommt dem Weisel auch bei Aristoteles eine gewisse »Führungsrolle« zu (Hist. an. IX 40, 624 a 26–33): οἱ δὲ βασιλεῖς οὐ πέτονται ἔξω, ἐὰν μὴ μετὰ ὅλου τοῦ ἑσμοῦ, οὔτ’ ἐπὶ βοσκὴν οὔτ’ ἄλλως. φασὶ δὲ καὶ ἐὰν ἀποπλανηθῇ ὁ ἀφεσμός, ἀνιχνευούσας μεταθεῖν ἕως ἂν εὕρωσι τὸν ἡγεμόνα τῇ ὀσμῇ. λέγεται δὲ καὶ φέρεσθαι αὐτὸν115 ὑπὸ τοῦ ἑσμοῦ ὅταν πέτεσθαι μὴ δύνηται· καὶ ἐὰν ἀπόλληται, ἀπόλλυσθαι τὸν ἀφεσμόν· ἐὰν δ’ ἄρα χρόνον τινὰ διαμείνωσι καὶ κηρία οὐ ποιήσωσι, μέλι οὐκ ἐγγίνεσθαι καὶ αὐτὰς ταχὺ ἀπόλλυσθαι. Die Könige fliegen nicht aus, außer mit dem ganzen Schwarm, weder zur Weide noch anderweitig. Man sagt auch, dass der abgegangene Schwarm, wenn er ziellos um­ herirrt, den Anführer sucht und verfolgt, bis sie ihn durch den Geruch gefunden haben. Man sagt aber, dass sie ihn sogar auf den Schultern tragen, wenn er nicht (mehr) fliegen kann; und wenn er verloren ist, geht der abgegangene Schwarm unter. Wenn sie aber eine gewisse Zeit noch überdauern und keine Wachswaben errichten, entsteht darin kein Honig und sie selbst gehen schnell unter.

Wenngleich es also nach einigen Passagen mehrere Könige im Bienenstock geben soll, so erscheint es, dass zumindest in einem abgehenden Schwarm auch in der Darstellung des Aristoteles stets nur ein König enthalten ist, wie es an weiteren Stellen explizit ausgesagt wird.116 Der Anführer erscheint in der zitierten Passage (Hist. an. IX 40, 624 a 26–33) unerlässlich für das Überleben des Schwarmes, weshalb ihn die Bienen bei einem Verlust suchen. Sie sind dazu sogar bereit ihn zu tragen. Dieses Verhalten, das sich so in der Natur nicht beobachten lässt, wird zu einem Topos in der antiken Literatur117 und dient in den meisten Kontexten als ein Beleg für die Verehrung, die dem König zuteilwird. Bei Aristoteles wird das Verhalten der Bienen zumindest nicht deutlich als Verehrung für den König ausgelegt. Das Aufsuchen eines verlorengegangen Anführers geschieht

115 Balme liest hier αὐτήν. Dazu s. o. 232. 116 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 625 b 12–16: ὅταν δ’ ἀθροισθῶσιν, ἀποπέτονται καὶ χωρίζονται καθ’ ἕκαστον τῶν βασιλέων αἱ ἄλλαι· ἐὰν δὲ τύχωσιν ὀλίγαι πολλαῖς ἐγγὺς καθεζόμεναι, μετανίστανται αἱ ὀλίγαι πρὸς τὰς πολλάς, καὶ τὸν βασιλέα ὃν ἀπέλιπον, ἐὰν συνακολουθήσῃ, διαφθείρουσιν. – »Wenn sie sich versammeln, fliegen sie aus und trennen sich jeweils auf einen der Könige auf. Wenn sich aber zufällig ein kleiner Schwarm neben einem großen niederlässt, treten die wenigen zu den vielen über und töten den König, den sie verlassen haben, wenn er ihnen nachfolgt.« Arist. Hist. an. IX 40, 626 a 28–30: ἀπόλλυνται δὲ διά τε ἄλλα συμπτώματα καὶ ὅταν οἱ ἡγεμόνες πολλοὶ γενόμενοι ἕκαστος αὐτῶν μέρος ἀπαγάγῃ. – »Sie gehen zwar auch durch andere Unfälle zugrunde, aber besonders, wenn viele Anführer entstanden sind und jeder einzelne von ihnen einen Teil (des Volkes) mit sich wegführt.« 117 Z. B. Var. Rust. 3,16,8; Verg. G. 4,217; Plin. HN 11,54; Ael. NA 5,10; Geop. 15,3,8.

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nicht um seiner Person willen, sondern dient dazu, den drohenden Untergang des Schwarmes zu verhindern. Der Unterschied wird in einem Vergleich mit der Beschreibung dieses Verhaltens bei Aelian (NA 5,10) deutlich: […] ὅταν αὐτὰς ἀπολίπῃ μεταθέουσί τε καὶ διώκουσι φυγάδα τῆς ἀρχῆς ὄντα. ῥινηλατοῦσι δὲ αὐτὸν ἀπορρήτως, καὶ ἐκ ὀσμῆς τῆς περὶ αὐτὸν αἱροῦσι, καὶ εἰς τὴν βασιλείαν ἐπανάγουσιν, ἑκοῦσαί τε καὶ βουλόμεναι, τοῦ τρόπου ἀγάμεναι. […] wenn er (i. e. der Bienenkönig) sie verlässt, laufen sie ihm nach und verfolgen ihn, wenn er aus seinem Amt geflüchtet ist. Sie spüren ihn auf verborgene Weise nach dem Geruch auf und fangen ihn aufgrund des Geruchs um ihn herum ein und bringen ihn wieder in die Königsherrschaft zurück und das freiwillig und willentlich, weil sie seinen Charakter bewundern.

Aelian vergleicht das Verhältnis des Bienenvolkes zu seinem König an dieser Stelle mit den Menschen und ihren Tyrannen. Während die Menschen ihre Tyrannen aufgrund ihres schlechten Charakters vertreiben, sollen die Bienen ihren überaus milden König sogar wieder zurückholen, wenn er sie einmal verlassen hat. Dies wird ausdrücklich mit dessen Charakter begründet, den das Bienenvolk bewundert. Die Ergebenheit des Bienenvolkes gegenüber seinem Herrscher ist also in diesem selbst begründet und entspringt nicht »nur« dessen Bedeutung für den Fortbestand des Stockes, wie es bei Aristoteles der Fall ist. Ein ähnliches Beispiel, wie unterschiedlich Aristoteles und Aelian einen bestimmten Sachverhalt deuten, findet sich in der Beschreibung, wie Drohnen in Abwesenheit von Königen entstehen (zu Fortpflanzungstheorien s. 3.2.1). In der Historia animalium (IX 40, 624 b 11–15; s. o. 150) des Aristoteles heißt es, dass in Abwesenheit des Königs Bienenbrut, Honig und Drohnen in derselben Wabe entstünden, wenn er jedoch lebe, dann würden die Drohnen getrennt geboren. Dies dient bei ihm als Beleg, dass Drohnen sowohl von Königen als auch von Bienen hervorgebracht werden können, sich diese Arten von Drohnen aber in ihrem Charakter unterscheiden. Normalerweise würden die Drohnen – zumindest an dieser Stelle – von den Königen hervorgebracht. Dieser Unterschied in der Lage der Drohnenbrut, der bei Aristoteles hauptsächlich im Rahmen der Fortpflanzung beschrieben wird, wird bei Aelian (NA 5,11) jedoch als Zeichen der ἀταξία (»Unordnung«) und ἀναρχία (»Führungslosigkeit«) gedeutet, die herrsche, sobald der Bienenkönig gestorben sei. Dieser sei nämlich der Garant für die Ordnung im Stock (s. auch u. 288). An anderen Stellen im Werk des Aristoteles wird den Königen doch eine gewisse Macht und Autorität zugesprochen. Diese wird etwa als ein Beleg für seine Fortpflanzungstheorie (s. o.  151) herangezogen (Gen. an. III 10, 760 b 15–19): ὁμολογούμενον δ’ ἐστὶ καὶ τὸ ἐπακολουθεῖν τοῖς βασιλεῦσι τῷ τὴν γένεσιν ἐκ τούτων εἶναι τὴν τῶν μελιττῶν (εἰ γὰρ μηθὲν τοιοῦτον ὑπῆρχεν, οὐκ εἶχε λόγον τὰ συμβαίνοντα περὶ τὴν ἡγεμονίαν αὐτῶν), καὶ τὸ τοὺς μὲν ἐᾶν μηθὲν ἐργαζομένους ὡς γονεῖς, […].

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Sowohl die Tatsache aber, dass sie sich den Königen anschließen, passt zu der Entstehung der Bienen aus diesen (denn wenn nichts davon der Fall wäre, hätten die Fakten über ihre Herrschaft keinen Sinn) als auch die Tatsache, dass sie (die Bienen) diese (die Könige) wie ihre Eltern nichts arbeiten lassen, […].

Das angenommene Machtverhältnis zwischen Bienen und Königen wird also durch ihr Verwandtschaftsverhältnis erklärt und somit auch gewissermaßen damit gleichgesetzt. Wie schon im Falle der Schwärme gesehen, ist das Ansehen und die Macht des Bienenkönigs bzw. der -könige bei Aristoteles in erster Linie an seine bzw. ihre Rolle bei der Fortpflanzung und dem Erhalt des Stockes geknüpft und weniger in der Person selbst begründet. Landwirtschaftliche Fachautoren wie Varro, Columella und Palladius stellen die Rolle des Bienenkönigs auch eher zurückhaltend dar. Im ersten Teil des Bienenkapitels in Varros Res rusticae findet sich die Angabe, dass der Bienenstaat mit der menschlichen Gesellschaft unter anderem deshalb vergleichbar sei, weil es auch bei den Bienen rex et imperium (»einen König und Herrschaftsgewalt«; 3,16,6) gebe. Zudem heißt es dort, dass die Bienen ihrem König überall hin folgten und ihn auf den Schultern trügen, wenn er müde sei (Regem suum secuntur, quocumque it, et fessum sublevant, et si nequit volare, succollant, quod eum servare volunt; 3,16,8). Im zweiten Teil, der sich eher praktisch orientiert darstellt, ist dagegen die Anweisung enthalten, dass man darauf achten solle, nicht mehrere Könige in einem Stock zu haben (3,16,18): Praetera ut animadvertat ne reguli plures existant; inutiles enim fiunt propter seditiones. – »(Und) dass man außerdem darauf achtet, dass nicht zu viele kleine Könige vorhanden sind; denn sie werden nutzlos aufgrund von Zwietracht.« Mit dem Begriff seditio, der der menschlichen Sphäre entnommen ist und gerade für einen Römer dieser Zeit angesichts des Bürgerkrieges mit einer besonderen Bedeutung aufgeladen sein musste, kennzeichnet Varro die vermeintlichen Zwistigkeiten im Bienenstock, die dem Abgang eines Schwarmes vorausgehen.118 Ähnlich wie es bereits bei Aristoteles gesehen wurde, ist das Schwärmen der Bienen mit einer sehr negativen Bedeutung belegt und wird auf einen vermeintlichen Zwist innerhalb des Volkes zurückgeführt, der von den Königen angefacht wird. Varro empfiehlt daher im Folgenden die Wahl eines geeigneten Königs durch den Imker, um diesen Zwist bereits im Vorfeld zu verhindern.

118 Vgl. auch Morley (2007) 466, der die These vertritt, dass die Deutung des Schwärmens als Folge eines Bürgerkrieges ein typisches Element römischer Darstellungen des Bienenstaates ist. Man könnte aber annehmen, dass das Verb διασπάω, das etwa Aristoteles für die Wirkung mehrerer Bienenkönige auf die Gesellschaft der Bienen wählt, ebenfalls im Sinne einer abzulehnenden Fragmentierung und damit Zerstörung eines Gemeinwesens verwendet wird (so z. B. auch Plat. Resp. 5, 462 a 9 f.). Wenngleich das Aufrufen einer Bürgerkriegsthematik für die Römer dieser Zeit sicherlich eine besondere Bedeutung gehabt haben dürfte, scheint das Konzept nicht völlig neu gewesen zu sein.

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Ein wichtiger Aspekt der Darstellung des Bienenstaates bei Columella ist die Pflegebedürftigkeit der Bienen, wie es vielleicht am deutlichsten in folgender Anweisung ausgedrückt wird (Rust. 9,9,1): Semper quidem custos sedule circumire debet alvaria, neque enim ullum tempus est quo non curam desiderent, […]. – »Immer muss ein Hüter freilich emsig die Bienenstöcke inspizieren, denn es gibt keine Zeit, in der sie nicht der Sorge bedürfen, […].« Dies schließt insbesondere die Auswahl der geeigneten Könige ein. Waren die Bienen etwa bei Aristoteles vor allem in Bezug auf die Auswahl und Hervorbringung von Königen als selbstständig gezeigt worden, ist das Konzept von den Bienen und ihren Königen bei Columella völlig anders. So soll man etwa den Weiseln die Flügel stutzen, um übermäßiges Schwärmen zu verhindern (Rust. 9,10,3), wenngleich diese Anweisung auch bei anderen Autoren119 zu finden ist. Dazu rät Columella einen König zu ersetzen, wenn ein älterer Stock nicht mehr genug Bienen enthält (Rust. 9,11,1). In der Regel soll jedoch seiner Meinung nach der ältere König im Stock belassen und der jüngere entfernt werden, um Generationenkonflikte zu vermeiden ([…] novus rex eicitur ut multitudo sine discordia cum parentibus suis conversetur). Diese Ansicht ist wohl aus dem menschlichen Verhalten auf die Gesellschaft der Bienen übertragen. Die gegenteilige Meinung, den älteren Bienenkönig zu entfernen, lehnt Columella aus folgendem Grund ab (Rust. 9,11,2): Sunt qui seniorem potius regem summoveant, quod est contrarium: quippe turba vetustior velut quidam senatus minoribus parere non censent, atque imperia validiorum contumaciter spernendo poenis ac mortibus afficiuntur. Es gibt auch (Imker), die eher den älteren König entfernen, was sich nachteilig auswirkt. Da die ältere Menge, gewissermaßen wie ein Senat, nicht daran denkt, den Jüngeren zu gehorchen und bestraft und getötet wird, weil es die Befehle der Mächtigeren hartnäckig missachtet.

Hier scheint Columella die Bienengesellschaft nicht nur zu vermenschlichen, sondern sie durch die Analogie mit dem Senat sogar als Römer erscheinen zu lassen. Morley120 geht soweit, in diesem Punkt eine Anspielung auf die schwierige (»precarious«) Situation des römischen Senats unter den Kaisern zu sehen. Leider führt er nicht aus, was er genau darunter versteht. Zudem muss man einwenden, dass man seiner These, die römischen Darstellungen des Bienenstaates seien in erster Linie von der Sicht des jeweiligen Autors auf den römischen Staat geprägt, nicht unbedingt in jeder Hinsicht folgen muss, zumal er diese Sicht vor allem aus seiner Interpretation der Darstellung des Bienenstaates rekonstruiert.

119 Z. B. Verg. G. 4,106–108; Pall. Op. 7,7,7; Geop. 15,4,2. 120 Vgl. Morley (2007) 468.

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Dass Columella jedoch in seiner Darstellung des Bienenstaates öfter mit vermeintlichen Generationenkonflikten argumentiert (s. auch im Folgenden), wie Peil121 und Morley122 ebenfalls anmerken, zeigt sich auch, wenn er im Folgenden die chaotische Situation in einem Bienenstock, dessen König an Altersschwäche gestorben ist, mit der einer Familie nach dem Tod des Hausherrn vergleicht (tamquam domino mortuo familia nimia licentia discordat; Rust. 9,11,3). In diesem Falle rät er, einen König aus einem anderen Stock dem führerlosen Stock hinzuzugeben. Eine gewisse Rolle bei der Aufrechterhaltung der Ordnung scheint also auch Columella dem König zuzusprechen. Er geht allerdings davon aus, dass es oft mehrere Anführer im Stock gibt und diese dann das Volk auseinanderreißen (Sunt enim saepe plures unius populi duces et quasi procerum seditione plebs in partis diducitur; Rust. 9,9,6; vgl. in diesem Zusammenhang auch die sogenannten oestri; s. 2.7 und o. 164). Wie Varro ruft er dazu auf, dieses zu verhindern, da sonst das ganze Volk durch Bürgerkrieg (intestinum bellum) untergehe. Es ist auffällig, wie stark das menschliche und sogar römische Vokabular (proceres, seditio, plebs, intestinum bellum) in dieser Passage vorherrscht. Das Schwärmen wird so möglicherweise als besonders negativ dargestellt, da die Schilderung sich des Vokabulars eines der größten Schrecken der antiken und vor allem der römischen Gesellschaft dieser Zeit bedient, nämlich der des Bürgerkriegs.123 Unter gewissen Umständen können nach Columella doch wohl auch mehrere Könige friedlich in einem einzigen Stock zusammenleben124 (Itaque si constat principibus gratia, manet pax incruenta; Rust. 9,9,7), welche jedoch offenbar nicht aus unterschiedlichen Generationen stammen dürfen (Rust. 9,9,1 f.): Quippe talis est apium natura ut pariter quaeque plebs generetur cum regibus; qui ubi evolandi vires adepti sunt, consortia dedignantur vetustiorum, multoque magis imperia, quippe cum rationabili generi mortalium, tum magis egentibus consilii mutis animalibus nulla est regni societas. (2) Itaque novi duces procedunt cum sua iuventute, quae uno aut altero die in ipso domicilii vestibulo glomerata consistens egressu suo propriae desiderium sedis ostendit, […]. Freilich ist die Natur der Bienen so beschaffen, dass jedes Volk gleichzeitig mit seinen Königen hervorgebracht wird; sobald diese die Kräfte zum Fortfliegen erlangt haben, verschmähen sie die Gemeinschaft mit den älteren, und noch viel mehr die Herr 121 Vgl. Peil (1983) 174. 122 Vgl. Morley (2007) 468. 123 Es erscheint unverständlich, weshalb Morley (2007) 468, der die hier genannten Stellen zuvor ebenfalls anführt, behauptet, dass das Schwärmen bei Columella »simply as an opportunity to increase the number of the hives in the apiary« dargestellt wird. 124 Dies wird auch aus Rust. 9,11,3 ersichtlich, wo Columella rät, einem Stock, der seinen König verloren hat, einen neuen Anführer aus einem anderen Stock, in dem mehr als ein König lebt, zu geben (Nam ex îs alvis quae plures habent principes dux unus eligitur, isque translatus ad eas quae sine imperio sunt rector constituitur).

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schaftsgewalt, da es ja schon bei dem vernunftbegabten Geschlecht der Sterblichen (i. e. der Menschen), aber noch viel mehr bei Tieren ohne Einsicht125 und Sprache keine Gemeinschaft der Herrschaft gibt. (2) Deshalb treten die neuen Anführer mit ihrer jugendlichen Mannschaft heraus, welche ein oder zwei Tage direkt am Eingang der Behausung zusammengedrängt sitzt und durch sein Fortfliegen das Verlangen nach einem eigenen Wohnsitz deutlich macht, […].

Die regni societas (dies bedeutet hier wohl nicht, dass es nicht mehr als einen König geben kann), die es bei vernunftbegabten Menschen schon nicht gibt, schließt er bei den vernunftlosen Tieren automatisch aus (dazu s. auch 2.3.1). In den abgehenden Schwärmen kann es nach Columella (Rust. 9,9,7 f.) und Palladius (Op. 7,7,6), der Columella auch in diesen Punkten folgt, zu unterschiedlichen Konstellationen bezüglich der Anzahl der Könige kommen. Bei Palladius heißt es etwa: sed cum se agmina sic pacata in ramo aut loco quocumque suspenderint, si unius uberis eductione pendebunt, noris aut unum regem esse universis aut reconciliatis omnibus manere concordiam. si vero duo vel plura ubera suspendens se populus imitatur, et discordes sunt et tot reges esse, quot velut ubera videris, confitentur. Aber wenn sich so befriedete Schwärme (Anm.: Zuvor wurde geraten, kriegerische Schwärme mit Staub und aqua mulsa zu beruhigen) von einem Ast oder irgendeinem Ort haben hinabhängen lassen, wirst du wissen, dass es, wenn sie sich unter Bildung einer einzigen Traube herabhängen werden, nur einen einzigen König für alle gibt oder dass nach der Versöhnung aller Eintracht herrscht. Wenn aber ein Volk sich in zwei oder mehr Trauben herabhängend darstellt, sind sie in Zwietracht und zeigen, dass es so viele Könige gibt, wie du Trauben gesehen hast.

In dieser Beschreibung gehen Palladius und Columella also sogar über Aristoteles hinaus, indem sie annehmen, dass nicht nur in einem Stock mehrere Könige in Eintracht leben können, sondern es sogar in einem abgehenden Schwarm, der sich in einer Traube niedergelassen hat, mehrere Könige geben kann. Dies hatte Aristoteles (etwa in Hist. an. IX 40, 625  b 12–16; s. o. 274 Anm. 116) explizit ausgeschlossen. In einer dem Florentinus zugeschriebenen Passage der Geoponica wird dagegen ausdrücklich dazu geraten, nur einen einzigen König im Stock zu belassen und die übrigen zu töten (χρὴ δὲ ἑκάστῳ σμηνίῳ ἕνα ἀπολείποντα, τοὺς λοιποὺς ἀφανίζειν; 15,2,15). Als Grund wird auch hier die drohende Gefahr von Zwietracht und die daraus resultierende Vernachlässigung der Arbeiten genannt (συνιστάμεναι γὰρ πρὸς ἕκαστον αἱ μέλισσαι στασιάζουσι, καὶ τῶν ἔργων ἀφίστανται; 15,2,15). Dass die Bienen im Schwarm sich um den König drängen ([…] περικαθεστώσας δὲ τὸν βασιλέα […]), wird etwas später (15,2,33) erwähnt.

125 Dazu s. o.  46 Anm. 52.

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In dieser Passage scheint man also von nur einem einzigen König sowohl im Stock als auch im Schwarm auszugehen. Es bedarf allerdings des Eingriffes durch den Menschen, um ein friedliches Zusammenleben und die damit einhergehende Produktivität zu gewährleisten. Viele antike Autoren schreiben dem Bienenkönig jedoch eine wichtige oder gar die entscheidende Rolle in der Organisation des Bienenstaates zu. Er ist es, der die verschiedenen Aufgaben verteilt und für die Ordnung im Stock zuständig ist. Aus dieser angenommenen herausragenden Rolle des Königs in der Organisation des Bienenstaates erwächst in vielen Darstellungen die Verehrung des Königs durch das Volk, welche zu einer wichtigen und überaus positiv besetzten Eigenschaft wird. Bekannt ist etwa der Vergleich der guten Hausfrau mit dem Weisel in Xeno­ phons Oikonomikos (7,17.32–34.38). Da diese Passage bereits ausführlicher in Bezug auf das Geschlecht der Weisel und die damit einhergehenden Rollenzuschreibungen besprochen wurde (s. o.  235), kann man sich an dieser Stelle auf die wichtigsten Thesen beschränken. Der Weisel sei, wie es Xenophon Ischomachos ausdrücken lässt, nicht für die geringsten bzw. unbedeutenderen Arbeiten zuständig ([…] εἰ μή […] ἐπ’ ἐλαχίστου ἀξίοις ἔργοις ἐφέστηκεν; 7,17), sondern halte sich im Inneren auf und treibe die anderen Bienen zur Arbeit an ([…] ἐν τῷ σμήνει μένουσα οὐκ ἐᾷ ἀργοὺς τὰς μέλιττας εἶναι, […]; 7,33). Konkret genannt wird, dass der Weisel die übrigen Bienen nach draußen zur Weide aussende, die eingebrachten Produkte verwahre und bei Bedarf gerecht austeile (7,33). Zudem stehe er der Errichtung der Waben im Inneren vor und sorge dafür, dass die Nachkommen großgezogen werden (7,34). In dieser Darstellung des Weisels als guter Hausfrau, die der Dienerschaft eines reichen Hauses vorsteht, wird das Abgehen eines neuen Schwarmes nicht negativ beschrieben (7,34): ἐπειδὰν δὲ ἐκτραφῇ καὶ ἀξιοεργοὶ οἱ νεοττοὶ γένωνται, ἀποικίζει αὐτοὺς σὺν τῶν ἐπιγόνων τινὶ ἡγεμόνι. – »Wenn die Jungen aber großgezogen und arbeitsfähig geworden sind, sendet sie diese mit einem der nachgeborenen Anführer aus.« Der Abgang eines Schwarmes wird eher wie der Auszug der Kinder aus dem Haus beschrieben, wenngleich durch das Wort ἀποικίζω auf den ebenfalls häufiger verwendeten Vergleich des Schwärmens mit der Gründung von Kolonien verwiesen wird (dazu s. u.  337).126 Elemente, die auf einen Zwist oder gar Bürgerkrieg hinweisen, wie sie in vielen anderen Darstellungen des Schwärmens verwendet werden, sind bei Xenophon nicht enthalten. Auf die Antwort der Frau des Ischomachos hin, dass sie sich gerne um kranke Sklaven kümmere, weil diese dann dankbar und wohlgesonnener seien (χάριν εἴσεσθαι καὶ εὐνούστεροι; 7,37), behauptet Ischomachos, dass aus diesen Gründen auch der Weisel der Bienen so große Verehrung erfahre (7,38):

126 So auch Pomeroy (1994) 280.

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Ἆρά γε, ὦ γύναι, διὰ τοιαύτας τινὰς προνοίας καὶ τῆς ἐν τῷ σμήνει ἡγεμόνος αἱ μέλιτται οὕτω διατίθενται πρὸς αὐτὴν, ὥσπερ, ὅταν ἐκείνη ἐκλίπῃ, οὐδεμία οἴεται τῶν μελιττῶν ἀπολειπτέον εἶναι, ἀλλ’ ἕπονται πᾶσαι; Meine Frau, sind nicht auch wegen eines solchen gewissen vorausschauenden Verhaltens der Anführerin im Stock die Bienen ihr gegenüber so eingestellt, dass, wenn jene sich entfernt, keine der Bienen glaubt, zurückbleiben zu dürfen, sondern alle (ihr) folgen?

Die Fürsorge, die die gute Hausfrau wie auch der Weisel den Untergebenen vorausschauend zukommen lässt, sind also letztlich für deren Treue und Verehrung verantwortlich. Als Beleg für diese besondere Ergebenheit wird bei Xeno­phon die Tatsache angeführt, dass ihm der Schwarm folge (7,38), wenngleich der Vergleich hier wohl nicht so weit geht, dass dadurch angedeutet wird, dass die Frau das Haus verlässt.127 Eine wichtige Rolle spielt der Bienenkönig in den Georgica. Zunächst findet sich am Ende der Beschreibung der Bienenschlacht die Zuchtwahl durch den Imker. Vergil empfiehlt hier (4,88–90), den im Kampf überlegenen Weisel auszuwählen und den unterlegenen, schlechteren zu töten (deterior qui visus, eum, ne prodigus obsit, / dede neci; melior sine regnet in aula; 4,89 f.). Batstone128 und in Anschluss an ihn auch Morley129 nehmen diese Verse sowie die folgende Anweisung, dem Weisel die Flügel zu stutzen, um übermäßiges Schwärmen zu unterbinden (4,106–108), als Beleg für die These, dass es sich bei der Bienengesellschaft in den Georgica um ein »bad« und ein »failed model«130 handle, weil in der menschlichen Gesellschaft die Herrschaftsnachfolge nicht so einfach durch einen wohlwollenden Imker geregelt werden könne.131 Dabei kann man jedoch die eigentliche Prämisse, von der Batstone und wohl auch Morley ausgehen, in Frage stellen. Man muss nicht zwangsläufig das gesamte 4. Buch der Georgica allein als Modell für den menschlichen Staat lesen.132 Fruchtbarer – und weniger 127 Vgl. ebd. 283. 128 Vgl. Batstone (1997) 139–141. 129 Vgl. Morley (2007) 464. 130 Batstone (1997) 141. 131 Wenig überzeugend scheint auch die von Olbertz (2008) 101 angeführte These, dass sowohl der siegreiche König als auch der Imker, der den Bürgerkrieg beendet, für Octavian stehen sollen. Man muss sich fragen, wieso eine Person gleichzeitig zwei Rollen in einem Bild einnehmen sollte. Für Holzberg (2006) 117 steht der Imker für Octavian, was aber insofern unwahrscheinlich ist, als Octavian selbst Teil der Bürgerkriege war und nicht als relativ Unbeteiligter den Bürgerkrieg von außen beenden konnte. Auch tritt der Imker an dieser Stelle nicht in der dritten Person auf, sondern die Dichterpersona spricht den imaginierten Rezipienten in der zweiten Person an. Angesichts dieser Tatsache fällt eine Identifikation des Imkers mit Octavian schwer. 132 Dies gilt im Übrigen wohl auch für Arbeiten, die die Bienengesellschaft als positives Modell für den Menschen lesen, wie etwa Dahlmann (1970b) z. B. 182.189.196 oder Buchheit

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spannungsreich – erscheint es dagegen auch einzelne präskriptive Elemente in den Georgica auszumachen.133 Nicht zuletzt handelt es sich bei diesem Werk um ein Lehrgedicht und nicht um ein politisches Pamphlet. Es wäre in diesem Falle also nicht verwunderlich, dass Vergils Darstellung zwar viele anthropomorphe Elemente enthält, aber ebenso kundig auf die agronomische Fachliteratur verwiesen wird, in der, wie gezeigt, die Zuchtwahl der Weisel und das Ausreißen der Flügel als Ratschläge durchaus enthalten sind. In der Passage der sogenannten naturae apium dagegen, die eher ein deskriptiver als ein präskriptiver Teil des 4. Buches ist, nennt Vergil die Verehrung des Königs als vierte und letztgenannte Eigenschaft der Bienen, die ihm als Beleg für ihre göttliche Natur dienen (G. 4,210–218): Praeterea regem non sic Aegyptus et ingens Lydia nec populi Parthorum aut Medus Hydaspes observant. rege incolumi mens omnibus una est; amisso rupere fidem, constructaque mella diripuere ipsae et cratis solvere favorum. ille operum custos, illum admirantur et omnes circumstant fremitu denso stipantque frequentes, et saepe attollunt umeris et corpora bello obiectant pulchramque petunt per vulnera mortem. Außerdem gehorchen Ägypten und das gewaltige Lydien und die Völker der Parther oder der medische Hydaspes nicht so sehr ihrem König. Solange der König unversehrt ist, ist allen nur ein gemeinsamer Sinn; nachdem er verloren ist, brechen134 sie die Treue, zerreißen selbst die errichteten Honigwaben und lösen das Wabengeflecht. Jener ist der Hüter der Arbeiten, jenen bewundern alle und stellen sich um ihn mit dichtem Getöse und drängen sich zahlreich, und oft tragen sie ihn auf ihren Schultern und werfen ihre Körper dem Krieg entgegen und streben einen schönen Tod durch die Wunden an.

Perkell135 erkennt in dieser Passage eine »mindless and passive loyalty« und einen moralischen Makel (»moral flaw«) des Bienenstaates, den sie offenbar als kaum verhohlene Darstellung des römischen Gemeinwesens ansieht. Ihr erstes Argument, dass eine derartige Verehrung eines Monarchen nicht zur republikanischen Tradition passe,136 erscheint schon deshalb wenig angebracht, da die (1972) 162, der gar glaubt, dass die admiranda der Bienen nur nachvollzogen werden müssten, um eine aurea aetas unter Octavian zu errichten. Es ist offensichtlich, dass viele Besonderheiten der Bienen nicht einfach vom Menschen übernommen werden können. 133 Vgl. z. B. Cramer (1998) 208 f., der sich dabei auf Burck (1926) beruft. 134 Die Perfektformen rupere, diripuere und solvere sind wohl gnomisch gebraucht (vgl. KS § 33,10). 135 Vgl. Perkell (1978) 213. Ähnlich auch dies. (1989) 127 f. 136 Vgl. Perkell (1978) 213. Ähnlich auch Griffin (1979) 64.

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Georgica im Jahre 29 v. Chr. und damit zwei Jahre nach der Schlacht bei Actium und der finalen Entscheidung des von Vergil wohl als schrecklich empfundenen Bürgerkriegs veröffentlicht wurden. Wie Cramer137 richtig beobachtet, handelt es sich bei der Monarchie in Vergils Bienenstaat nicht um eine Tyrannis, sondern um ein von magnae leges (»bedeutenden Gesetzen«; Vers 154) geordnetes Gemeinwesen. Zudem sind die vier wichtigen Eigenschaften der naturae apium in Vergils Georgica den Bienen von Iuppiter selbst geschenkt (Vers 149 f.). Die Monarchie scheint als Geschenk des obersten Gottes eine sinnvolle und positiv besetzte Eigenschaft zu sein.138 Die Vorstellung von einem Anführer, der durch seine Autorität Ordnung in das Chaos bringen kann, muss in diesem Falle nicht unbedingt als negativ bewertet werden. Man könnte im Gegenteil die Ergebenheit der Bienen gegenüber ihrem König  – wenn man diesen überhaupt als Chiffre für Octavian ansehen möchte – als Appell an die Römer sehen, den neuen Princeps zu unterstützen.139 Der Vergleich mit orientalischen Herrschern könnte  – wenn man diese Interpretationsrichtung weiter verfolgen möchte  – tatsächlich einen gewissen zeitgeschichtlichen Hintergrund haben: Der Verweis auf Ägypten könnte eine Anspielung auf den Sieg über Kleopatra und Antonius sein,140 und die Erwähnung der Lyder, Parther und Meder könnte auf die in der Sphragis des 4. Buches (559–562) angesprochenen Feldzüge Octavians im Osten hinweisen. Durch seine Leistungen im Kampf gegen diese Völker und ihre Herrscher könnte er sich eine ähnliche oder sogar höhere Verehrung durch sein Volk verdient haben. Beim Willen vieler Forscher, den Bienenstaat in den Georgica allein als ­Chiffre für die römische Gesellschaft zu lesen, wird oftmals übersehen, was die Ursache der Verehrung des Bienenkönigs an dieser Stelle ist. In der Darstellung Vergils ist er allein für die Ordnung im Staat zuständig und nur er allein bewahrt den Stock vor Chaos und Untergang. Die Verehrung und die Opferbereitschaft der Bienen gelten daher zwar in erster Linie dem König, aber letztlich dem Bestand der gesamten Gesellschaft. In der Verehrung des Königs und seinem unbedingten Schutz zeigt sich daher wiederum der Gemeinsinn der Bienen, der als ihre alles überragende Eigenschaft gelten kann.141 Dazu muss man ebenfalls anführen, dass die Opferbereitschaft der Arbeiterinnen für die Königinnen, um den Erhalt des Volkes zu sichern, tatsächlich dem modernen Stand der Forschung entspricht.142 137 Vgl. Cramer (1998) 235. 138 Vgl. ebd. 139 Vgl. Holzberg (2006) 119. 140 Vgl. Wilkinson (1969) 179; Thomas (1988) 185. 141 Für Perkell (1989) 127 ist diese Gemeinschaft, die bei einem Verlust des Königs untergeht »not necessarily a good«. Dazu s. aber im Folgenden. Lowrie (2015) 329–335 zeigt zudem, dass die Unversehrtheit des Anführers als Garant für die Stabilität der Gesellschaft ein verbreiteter Topos in der Literatur dieser Zeit ist. 142 Darauf weist etwa auch Kingsbury (1956) 400 hin.

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Es lässt sich auch eine weniger zeitgeschichtlich bedingte Erklärung für die Erwähnung der orientalischen Herrscher als Vergleiche für den Bienenkönig anführen. In Bezug auf die Verehrung des Volkes für ihren Herrscher galten die orientalischen Monarchien in der Antike sicherlich als prototypische Vertreter. Wenn nun die besondere Ergebenheit des Bienenvolkes gegenüber seinem Herrscher, die menschliche Maßstäbe weit übersteigt, betont werden soll, ist es sinnvoll, diese in Beziehung zu den menschlichen Gesellschaften zu setzen, die diesem Verhalten noch am nächsten kommen. Dazu kommt, dass der Vergleich des Bienenkönigs mit einem orientalischen Herrscher keinesfalls singulär in den Georgica auftaucht. Ein bekanntes weiteres Beispiel stammt etwa aus der Kyrupädie Xenophons (5,1,24), wo Kyros mit einem Bienenkönig verglichen wird:143 […] βασιλεὺς γὰρ ἔμοιγε δοκεῖς σὺ φύσει πεφυκέναι οὐδὲν ἧττον ἢ ὁ ἐν τῷ σμήνει φυόμενος τῶν μελιττῶν ἡγεμών. […] οὕτω δεινός τις ἔρως αὐταῖς τοῦ ἄρχεσθαι ὑπ’ ἐκείνου ἐγγίγνεται. […] Denn du (i. e. Kyros) scheinst mir jedenfalls von Natur aus nicht weniger als König geboren zu sein als der Anführer der Bienen im Stock (dazu) geboren ist. […]. Denn ein so mächtiges Begehren ist ihnen (i. e. den Bienen) angeboren, von ihm beherrscht zu werden.

Der Vergleich ist hier freilich gegenüber den Georgica umgekehrt, denn der Bienenkönig dient als Bezugsgröße für den Perserkönig.144 Implizit wird jedoch das gleiche Verhältnis zwischen Perserkönig und Bienenkönig ausgedrückt: Denn die Schmeichelei gegenüber Kyros funktioniert wohl vor allem deshalb, weil die Ergebenheit der Bienen für ihren König menschliche Maßstäbe normalerweise übersteigt, nur im Falle des Kyros ist dieses Verhältnis gleich (οὐδὲν ἧττον). Es ist ebenfalls wichtig festzuhalten, dass der Bienenkönig an dieser Stelle von Natur aus (φύσει) dazu bestimmt ist, König zu sein. Aelian (NA 1,59) vergleicht verschiedene Perserkönige bzw. die Pracht ihrer Paläste mit der Behausung des Bienenkönigs (NA 1,59). Wie an vielen anderen Stellen seines Werkes (dazu s. o. 53 Anm. 72) sieht er die Tierwelt auch in diesem Punkt als den Menschen überlegen an, weil die menschlichen Könige ihre Leistungen nur mit dem Leid vieler vollbringen konnten (ἐκεῖνοι μὲν γὰρ πολὺ καὶ πολλοὺς λυπήσαντες εἰργάσαντο ὅσα εἰργάσαντο).145 Eine Bezeichnung für den ägyptischen König enthält tatsächlich eine Hieroglyphe in Form einer Biene. Die genaue Etymologie und Bedeutung dieser Bezeichnung (und damit auch die Umschrift) sind in der ägyptologischen For 143 Eine Verbindung zwischen der Kyrupädie und den Georgica (insbesondere Vers 211) stellt auch Bizos (1973) 87 Anm. 1 her. 144 Vgl. auch Cramer (1998) 235 Anm. 885. 145 Vgl. auch Peil (1983) 176.

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schung nach wie vor Gegenstand von Debatten.146 Hieroglyphen können entweder als Semogramme bzw. Ideogramme die Sache bezeichnen, die sie abbilden, oder aber als Phonogramme eine Abfolge von bestimmten Phonemen anzeigen. In letzterem Falle liefert die abgebildete Hieroglyphe also nur den Lautwert, nicht aber die Bedeutung.147 Es ist daher nicht sicher, ob die Bienenhieroglyphe in einer der Bezeichnungen für den ägyptischen König überhaupt eine Bedeutung trägt oder ob nur ihre Lautfolge ein Teil des Wortes für die Königstitulatur ist. Kahl148 spricht sich dafür aus, dass die Hieroglyphe als Ideogramm verwendet wird, wobei die sammelnde Tätigkeit der Biene im Vordergrund stehen soll. Die auf den ersten Blick nahe liegende Lösung, dass das Bild einer Biene aufgrund ihrer starken Verknüpfung mit der Monarchie passend für einen König wäre, der ein großes Volk anführt, lehnt Kahl mit dem Hinweis darauf ab, dass der mit der Bienenhieroglyphe bezeichnete König in den erhaltenen Quellen gerade kein Gefolge hat.149 Dennoch haben (spät-)antike Autoren gerade letzteres als Deutung dieser Hieroglyphe angeführt.150 Bereits besprochen (s. o. 78) wurde eine Stelle bei Ammianus Marcellinus (17,4,11), in der er erklärt, dass die Biene deshalb ein passendes Symbol für einen Herrscher sei, weil er wie diese sowohl liebenswürdig als auch wehrhaft sein müsse. Ähnlich ist auch Horapollons Erklärung in den Hieroglyphika (1,62):     [Πῶς λαὸν πειθήνιον βασιλεῖ]. Λαὸν πρὸς βασιλέα πειθήνιον δηλοῦντες, μέλισσαν ζωγραφοῦσι. καὶ γὰρ μόνον τῶν ἄλλων ζῴων βασιλέα ἔχει, ᾧ τὸ λοιπὸν τῶν μελισσῶν ἕπεται πλῆθος, καθὸ καὶ οἱ ἄνθρωποι πείθονται βασιλεῖ· αἰνίττονται δὲ ἐκ τῆς τοῦ μέλιτος χρηστότητος καὶ ἐκ τῆς τοῦ κέντρου τοῦ ζῴου δυνάμεως τὸν βασιλέα χρηστὸν εἶναι ἅμα καὶ εὔτονον πρὸς δικαιότητα καὶ διοίκησιν.      [Wie (sie) ein dem König ergebenes Volk (bezeichnen)]. Wenn sie ein gegenüber dem König ergebenes Volk bezeichnen, zeichnen sie eine Biene. Denn diese hat als einzige von allen anderen Tieren einen König, dem die übrige Menge der Bienen folgt, genauso, wie auch die Menschen einem König gehorchen; aufgrund des angenehmen Wesens des Honigs und der Kraft des Stachels dieses Tieres deuten sie an, dass der König angenehm und zugleich energisch in Bezug auf die Gerechtigkeit und die Verwaltung ist.

146 Einen guten Überblick über die Forschung bietet Kahl (2008). Ich danke der Ägyptologin Dr. Sonja Gerke herzlich für den Hinweis auf diesen Artikel und die Erläuterungen zur Hieroglyphen-Schrift. 147 Vgl. dazu z. B. Gardiner (1988) 8. 148 Vgl. Kahl (2008) 337.342 f. 149 Vgl. ebd. 337. 150 Von Chairemon (1. Jhd. n. Chr.) ist nur folgende kurze Notiz überliefert (618 Frg. 2 FGrH): ἀντὶ βασιλέως μέλισσαν. – »Statt König (schreiben sie) eine Biene.«

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Die Charakterisierung des Königs ist also derjenigen bei Ammianus Marcellinus sehr ähnlich. Aus dem Topos, dass die Biene sowohl Angenehmes (Honig) als auch Unangenehmes (Stachel) bringen kann,151 werden diese Eigenschaften auf den König übertragen. Der entscheidende Unterschied zu Ammianus Marcellinus besteht jedoch in der Rolle des Volkes. Dessen Ergebenheit gegenüber dem König, die bei Ammianus Marcellinus überhaupt nicht thematisiert wird, stellt Horapollon in den Vordergrund, sodass die Hieroglyphe seiner Meinung nach gar nicht den König bezeichnet, sondern das ergebene Volk. Ob diese Hieroglyphe bereits im Rom der frühen Kaiserzeit allgemein bekannt war und insbesondere Vergil in seinem Vergleich des Bienenkönigs mit dem König der Ägypter beeinflusst hatte,152 muss offen bleiben. Deutliche Anlehnungen an Vergils Schilderungen des Bienenkönigs lassen sich in Senecas Schrift De clementia (1,19,2–4) erkennen, wenngleich insbesondere in der Charakterisierung des Königs entscheidende Unterschiede im Detail auszumachen sind (dazu ausführlicher s. o. 81). Die Ähnlichkeit zeigt sich etwa in der Bezeichnung exactor alienorum operum (»Beaufsichtiger der Arbeiten anderer«; 1,19,2), die wohl auf Vergils operum custos anspielt.153 Als exactor alienorum operum ist der König frei von sonstiger Arbeit (opere vacat; 1,19,2). Wie Vergil stellt Seneca die entscheidende Rolle des Königs bei der Erhaltung des Stockes heraus; nach seinem Tod bricht alles auseinander (amisso rege totum dilabitur; 1,19,2). Stärker jedoch als Vergil betont Seneca, dass die Bienen stets nur einen einzigen König akzeptieren (nec umquam plus unum patiuntur; 1,19,2) und vor allem lässt er die Bienen ihren besseren König selbst im Kampf wählen (melioremque pugna quaerunt; 1,19,2). Dies scheint zwar das Element der Bienenschlacht, die bei Vergil der Wahl des geeigneten Weisels dient, aufzunehmen, lässt den Bienen jedoch größere Selbstständigkeit und hält vor allem die Könige aus dem Kampfgeschehen heraus. Letzteres ist aus Senecas spezieller Sicht auf den Bienenkönig heraus erklärbar. Im Folgenden (1,19,3; s. o. 78) betont er die Milde des Königs, die sich in seiner Stachellosigkeit zeige. Daher kann und soll der König sich nicht am Kampfgeschehen beteiligen. Da Seneca hier zudem auf eine weitgehende Analogie der menschlichen Gesellschaft und der der Bienen abzielt, erscheint die Auswahl durch einen Imker nicht passend, da dies in der menschlichen Gesellschaft so nicht geschehen kann. Trotz der Wahl durch die Bienen ist der Bienenkönig jedoch zusätzlich durch seine äußere Gestalt bereits als legitimer Herrscher erkennbar (praeterea insignis regi forma est dissimilisque ceteris cum magnitudine tum nitore; 1,19,2). 151 Für weitere Belege s. o. 227 mit Anm. 38. 152 Polleichtner (2005) 150 hält es für »tempting«, dass Vergil davon wusste und so auf Kleopatra anspielte, von der freilich – wie er selbst eingesteht – keine Inschrift mit Bienenhieroglyphe bekannt ist. Allerdings ist die entsprechende Königstitulatur wohl auf der PithomStele Ptolemaios’ II. enthalten. Vgl. dazu Kahl (2008) 341 f. 153 Vgl. z. B. auch Malaspina (2005) 350; Chaumartin (2005) 98; Braund (2009) 342 f.

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In der Naturalis historia entwirft Plinius ebenfalls ein sehr positives Bild des Bienenkönigs. Ein wichtiger Grundsatz scheint für ihn, dass die Bienen keinesfalls ohne König existieren können (esse utique sine rege non possunt; 11,56). Damit es den Bienen also niemals an einem König fehlt, sollen zunächst mehrere gebildet werden (reges plures inchoantur, ne desint; 11,50). Um ein Auseinanderreißen der Schwärme zu verhindern, schreibt Plinius seinen Bienen zu, dass sie die schlechtesten Könige nach einer einträchtigen Wahl töteten (concordi suffragio deterrimos necant, ne distrahant agmina; 11,51). Plinius zeigt also seine Bienen gerade in dem wichtigen Punkt der Wahl des Herrschers als viel selbstständiger sowie friedlicher als viele seiner Vorgänger. Denn weder bedürfen sie zur Wahl der besten Herrscher des Imkers noch kommt es bei der Wahl zu einem verlustreichen Kampf. Durch die einstimmige Wahl wird der Gemeinsinn der Bienen betont. Freilich muss man in diesem Punkt einräumen, dass Plinius eine Naturgeschichte schreibt und kein landwirtschaftliches Handbuch. Insofern sind gewisse Unterschiede etwa zu Columella, wie z. B. die weniger prominente Rolle des Imkers, bereits gattungsbedingt zu erklären.154 Doch auch der Bienenkönig bei Plinius erlangt seine Herrschaft nicht nur durch die Wahl seiner Untergebenen, sondern ist ebenfalls bereits durch sein Äußeres dazu bestimmt (11,51). Dazu gehört bei ihm gar eine Art diadema auf der Stirn (11,51; dazu s. auch o. 77). Seine Bedeutung für den Stock und die Ergebenheit seiner Untertanen beschreibt Plinius folgendermaßen (11,52 f.): […] mira plebei circa eum oboedentia. (53) cum procedit, una est totum examen circaque eum globatur, cingit, protegit, cerni non patitur. reliquo tempore, cum populus in labore est, ipse opera intus circumit, similis exhortanti, solus inmunis. circa eum satellites quidam lictoresque, adsidui custodes auctoritatis. […] die Gehorsamkeit des Volkes um ihn herum ist bewundernswert. (53) Wenn er hervortritt, steht der ganze Schwarm (eng) beisammen und drängt sich um ihn herum, umgibt ihn, beschützt ihn, und lässt nicht zu, dass man ihn sieht. In der übrigen Zeit, wenn das Volk bei der Arbeit ist, besichtigt er reihum im Inneren die Arbeiten, ähnlich einem Antreiber, als einziger frei von Arbeit. Um ihn herum sind gewisse Begleiter und Liktoren, beständige Wächter seines Ansehens. 154 Dies scheint etwa Morley (2007) 467 f. zu wenig zu beachten, wenn er auf die Unterschiede zwischen den beiden Autoren hinweist. Auch muss man anmerken, dass seine These vom idealen Bienenstaat, den Plinius vermeintlich an die Selbstdarstellungen des flavischen Kaiserhauses anlehnt, auf einer falschen Übersetzung der Aussage nihil novere nisi commune (»sie kennen nichts außer dem Gemeinsamen«; 11,12) beruht. Novere (= noverunt) ist die 3. Person Plural von novisse, sodass die Übersetzung des gesamten Ausdrucks »make no changes except for a common end« nicht korrekt ist. Eine mögliche Verbindung zu novae res im Sinne eines Umsturzes lässt sich daraus also nicht herstellen; der Infinitiv des Verbes für »erneuern« heißt denn auch novare und nicht novere. Eine Friedfertigkeit der Bienen und eine Ablehnung jeglichen Aufruhrs gegen die Herrschenden kann aus dieser Aussage daher nicht abgeleitet werden.

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Ähnlich wie bereits Vergil und Seneca zeigt Plinius den Bienenkönig hier als operum custos, der die Arbeiten im Inneren des Stockes beaufsichtigt. Interessanterweise teilt Plinius seinem Bienenkönig die spezifisch römischen Liktoren als Zeichen seiner Amtsautorität zu.155 Die Bienengesellschaft wird hier also nicht nur anthropomorph, sondern sogar mit speziell römischen Termini dargestellt. Die Bedeutung des Königs beim Schwärmen wird nicht nur hier, sondern auch im Folgenden (11,54) beschrieben: cum processere, se quaeque proximam illi (sc. regi) cupit esse, in officio conspici gaudet. fessum umeris sublevant, validius fatigatum ex toto portant. si qua lassata defecit aut forte aberravit, odore persequitur. ubicumque ille consedit, ibi cunctarum castra sunt. Nachdem sie fortgezogen sind, will jede ihm (sc. dem König) am nächsten sein und freut sich im Dienst gesehen zu werden. Wenn er müde ist, tragen sie ihn auf den Schultern, wenn er stärker erschöpft ist, tragen sie ihn ganz. Wenn eine (Biene) entkräftet zurückgeblieben ist oder sich zufällig verirrt hat, folgt sie mithilfe ihres Geruchsinns. Wo auch immer er sich niedergelassen hat, dort ist das Lager für alle.

Diese Beschreibung enthält zwar viele bekannte Elemente, wie etwa, dass ein erschöpfter König getragen wird und er den Nistplatz bestimmt, es ist aber auffällig, dass bei Plinius nicht der König sich vom Schwarm entfernt oder verloren geht, sondern eine einzelne Biene und diese dann mithilfe ihres Geruchsinnes zurückfindet. In den ähnlichen Darstellungen dieses Sachverhaltes bei Aristoteles und Aelian verhält es sich nämlich, wie gezeigt (s. o. 273), andersherum: Der König hat sich vom Stock entfernt und wird vom Rest des Schwarmes wiedergefunden. Dies wäre jedoch offenbar schwieriger mit dem Konzept des Plinius in Einklang zu bringen, da er mehr noch als andere Autoren betont, dass sich stets viele Begleiter um den Bienenkönig drängen, um ihn einerseits zu beschützen und andererseits selbst als fleißig wahrgenommen zu werden. Der König kann daher kaum verlorengehen. Die Ergebenheit des Volkes gegenüber seinem König, die Plinius den Bienen noch in etwas höherem Maße als viele andere Autoren zuschreibt, zeigt sich auch in weiteren Punkten, in denen er bestimmte Verhaltensweisen etwas anders darstellt als die meisten anderen Autoren. Dies gilt beispielsweise für die bereits besprochene Tötung überzähliger Bienenkönige (s. o. 161) oder für die Trauer der Bienen um einen toten König (s. o. 55). Mehr noch als andere Autoren stellt Plinius die Emotionalität der Bienen gerade in Bezug auf ihren König heraus. Die Beschreibung der Rolle des Bienenkönigs in Aelians Natura animalium wurde bereits im Vergleich zu anderen Darstellungen erwähnt. Besonders aus 155 Ein Motiv, das vielleicht am ehesten den Liktoren in der Beschreibung des Plinius entspricht, sind Wohnungen der πρεσβύταται καὶ παλαιόταται (beides bedeutet »die Ältesten«) in der Beschreibung des Bienenstockes bei Aelian (NA 1,59; s. o.  267).

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führlich schildert er die Bedeutung des Bienenkönigs für die Ordnung des Stockes in Kapitel 5,11, welches mit folgenden Worten eingeleitet wird: Μέλει τῷ βασιλεῖ τῶν μελιττῶν κεκοσμῆσθαι τὸ σμῆνος τὸν τρόπον τοῦτον. – »Es ist dem König der Bienen daran gelegen, dass der Stock auf folgende Weise ordentlich eingerichtet ist.« Als Beispiele für Aufgaben nennt er anschließend das Eintragen von Wasser (ὑδροφορεῖν), das Errichten von Waben im Inneren (ἔνδον κηρία διαπλάττειν) und das Ausfliegen auf die Weide (ἐπὶ τὴν νόμην προιέναι). Die Arbeit des Königs selbst beschreibt er dabei folgendermaßen: αὐτὸς δὲ ὁ βασιλεύς, ἀπόχρη οἱ τούτων πεφροντικέναι καὶ νομοθετεῖν ὅσα προεῖπον κατὰ τοὺς μεγάλους ἄρχοντας, οὓς οἱ φιλόσοφοι φιλοῦσιν ὀνομάζειν πολιτικούς τε καὶ βασιλικοὺς τοὺς αὐτούς· τὰ δὲ ἄλλα ἡσυχάζει καὶ τοῦ αὐτουργεῖν ἀφεῖται. Der König selbst aber; ihm genügt es, sich darum zu kümmern und anzuordnen, was ich zuvor genannt habe, nach der Art der großen Herrscher, die die Philosophen gerne bürgerlich und königlich zugleich nennen. In Bezug auf die übrigen Dinge bleibt er in Ruhe und hält sich von eigener (körperlicher) Arbeit fern.

Wie viele andere Autoren beschreibt Aelian hier einen König, dessen Aufgabe nur im Regieren besteht und der von allen übrigen Tätigkeiten befreit ist. Diesen vergleicht er explizit mit den großen menschlichen Herrschern. Auch zeige sich, wie Aelian im vorangehenden Kapitel (NA 5,10) behauptet, die Liebe der Bienen zu ihrem König an der Tatsache, dass sie ihn stets zurückbringen, wenn er aus seiner Herrschaft entflohen ist (s. o. 274), während die Menschen ihre tyrannischen Herrscher, wie Peisistratos oder Dionysios, vertreiben, welche sich nicht an die Gesetze hielten (παράνομος) und nicht die βασιλικὴ τέχνη (»die Kunst, König zu sein«) aufweisen konnten. Diese βασιλικὴ τέχνη, die dem Bienenkönig hier wohl implizit zugeschrieben wird, umfasst nach Aelian die φιλανθρωπία (»Menschenfreundlichkeit«; »Milde«; »Güte«) und die προστασία τῶν ὑπηκόων (»Fürsorge für die Untertanen«). Eine interessante Neuerung findet sich in der Beschreibung des Schwarmes (NA 5,11): καὶ ἐὰν μὲν ἔτι νέος ᾖ, ἡγεῖται, αἱ δὲ λοιπαὶ ἄγονται· ἐὰν δὲ πρεσβύτερος, φοράδην ἔρχεται, κομιζουσῶν αὐτὸν μελιττῶν ἄλλων.  – »Und wenn er (i. e. der König) noch jung ist, geht er voran und die übrigen werden geführt; wenn er aber älter ist, schreitet er in einer Sänfte voran, wobei die übrigen Bienen ihn tragen.« Während bei den meisten anderen Autoren die Bienen ihren König tragen, wenn er müde ist, scheint dies bei Aelian in erster Linie abhängig von dessen Alter zu sein. Wie bereits gesagt (s. o. 274), herrscht in der Beschreibung Aelians nur dann Ordnung im Bienenstock, solange der König lebt. Ohne ihn geht der Stock zugrunde. Die Verehrung und die natürliche Autorität, die Aelian seinem Bienenkönig zuschreibt, lassen sich am besten in seiner Behandlung der Frage nach dem Stachel des Bienenkönigs ablesen (dazu s. o. 77). In diesem Zusam­

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menhang (NA 1,60) beschreibt er etwa, dass Bienen in der Gegenwart des Königs ihren Stachel senkten (ἐν ὄψει τῶν ἀρχόντων τῶν σφετέρων ὑποκλίνειν τὰ κέντρα), was als Zurücktreten vor der Autorität (τῆς ἐξουσίας ἀφισταμένας καὶ παραχωρούσας) bezeichnet wird. Dieses Verhalten gegenüber dem König ist umso eindrücklicher, da dieser möglicherweise selbst keinen Stachel besitzt, wie es Aelian hier annimmt. In einer dem Didymos zugeschriebenen Passage der Geoponica (15,3,8) wird die Ergebenheit der Bienen gegenüber ihrem König als ein im Tierreich einmaliges Verhalten gerühmt: Μόνον δὲ τοῦτο τὸ ζῷον ἐπιζητεῖ ἡγεμόνα τὸν ἐπιμελησόμενον τῶν ὅλων· διόπερ ἀεὶ τιμᾷ τὸν βασιλέα, καὶ συνέπεται μετὰ προθυμίας, ὅπουπερ ἂν ταγῇ, κάμνοντά τε αὐτὸν συνυπολαμβάνει, καὶ μὴ δυνάμενον πέτεσθαι φέρει καὶ διασώζει. Als einziges begehrt dieses Tier einen Anführer, der sich um alle Angelegenheiten kümmert; daher verehrt es immer den König und folgt ihm bereitwillig, wohin auch immer es gestellt wird, und es stützt ihn gemeinsam, wenn er müde ist, und trägt und rettet ihn, wenn er nicht fliegen kann.

Der hier gezeigte Bienenkönig erinnert an den operum custos Vergils, da auch in dieser Passage der Geoponica die Verehrung für den König aus seiner Rolle als ἐπιμελησόμενος τῶν ὅλων erwächst. Interessant sind auch Platons Darstellungen des Bienenkönigs. In der Politeia (7, 520 b 5 – c 1) werden die Philosophenkönige mit den Bienenkönigen gleichgesetzt: ὑμᾶς δὲ ἡμεῖς ὑμῖν τε αὐτοῖς τῇ τε ἄλλῃ πόλει ὥσπερ ἐν σμήνεσιν ἡγεμόνας τε καὶ βασιλέας ἐγεννήσαμεν, ἄμεινόν τε καὶ τελεώτερον ἐκείνων πεπαιδευμένους καὶ μᾶλλον δυνατοὺς ἀμφοτέρων μετέχειν. Euch (gemeint sind die Philosophen) haben wir für euch selbst und für die übrige Stadt wie im Schwarm als Anführer und Könige hervorgebracht, besser und vollständiger als jene erzogen und fähiger an beidem teilzuhaben.156

Aus dieser Passage, die Sokrates in den Mund gelegt wird, könnte man schließen, dass der Bienenkönig wie der Philosophenkönig durch die besondere Ausbildung, die ihm zuteilwurde, für sein Amt qualifiziert ist. Zudem scheint es eine Führungsschicht aus mehreren Herrschern zu geben. Im Politikos dagegen beschreibt der ξένος (»der Gastfreund«; »der Fremde«) den Bienenkönig als τό τε σῶμα εὐθὺς καὶ τὴν ψυχὴν διαφέρων εἷς (»der einzige, 156 Dieser Passage geht das berühmte Höhlengleichnis voraus. In diesem Bild bleibend wird von den künftigen Philosophen gefordert, dass sie zwar aus der Höhle hinaustreten sollen, um das Gute zu schauen, dann aber nicht dort verweilen sollen, sondern sich wieder zu den übrigen Menschen, die nicht aus der Höhle treten können, begeben müssen.

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der sofort bezüglich seines Körpers und seiner Seele verschieden ist«; 301 e 2). Hier scheint der Bienenkönig nicht nur allein im Stock, sondern vor allem von vornherein zum Herrscher prädestiniert zu sein, was sich bereits in seiner Gestalt und seiner Seele zeigt, die ihn von den übrigen Bienen unterscheiden.157 Man muss freilich einwenden, dass Platon seine Vergleiche vielleicht nicht unbedingt völlig mit den tatsächlichen natürlichen Gegebenheiten in Übereinstimmung bringt, wie es etwa in Bezug auf die Drohnenvergleiche in der Politeia explizit angemerkt wird (dazu s. u. 300). An anderer Stelle wurde bereits besprochen, dass sowohl in den Diatriben (3,22,99) Epiktets (dazu s. o. 234) als auch in einer Rede (Or. 4,61–64) des Dion Chrysostomos (dazu s. o. 80) die besondere Autorität des Bienenkönigs herausgestellt wird. In beiden Fällen wird betont, dass dem Bienenkönig diese Autorität von Natur aus zukomme und die Königswürde gewissermaßen an σύμβολα (Epiktet, Diatriben 3,22,99) bzw. einem σημεῖον (Dio Chrys. Or. 4,61 f.) erkennbar sei. In der Homilie In Isaiam 2,2158 vergleicht Origenes Christus mit dem Bienenkönig:159 Est quaedam, ut ita dicam, apis super apes; et quomodo inter apes rex quidam est, qui nominatur esse rex, sic princeps apum Dominus meus est Iesus Christus, ad quem mittit me Spiritus sanctus, ut comedam mel, bonum est enim, et favos eius, ut indulcentur fauces meae.160 Es gibt sozusagen eine gewisse Biene über den Bienen; und wie es unter den Bienen einen gewissen König gibt, von dem gesagt wird, dass er ein König ist, so ist der Anführer der Bienen mein Herr Jesus Christus, zu dem mich der Heilige Geist sendet, damit ich Honig esse, denn er ist gut, und seine (i. e. Christi) Waben (esse), damit meine Kehle süß wird.

Wie auch in vielen paganen Darstellungen des Bienenkönigs ist die bestimmende Eigenschaft Christi und des Bienenkönigs, dass sich seine Anhänger um ihn treu ergeben scharen. Dazu kommt noch das Motiv der gerechten Zuteilung der Nahrung, für die der Bienenkönig verantwortlich ist. Bekannte Beispiele für christliche Darstellungen des Bienenstaates und insbesondere der Rolle des Bienenkönigs sind die entsprechenden Passagen in den Werken zum Hexaemeron des Basilius (8,4) und des Ambrosius (5,66–72). Diese beiden Darstellungen sind gerade in der jüngeren Forschung umfangreich 157 Vgl. auch Ricken (2007) 205. 158 Der griechische Originaltext dieser Homilie ist nicht erhalten, sondern lediglich eine auf Hieronymos zurückgehende lateinische Übersetzung. Vgl. dazu Fürst; Hengstermann (2009) 31–34. 159 Vgl. dazu auch z. B. Rech (1966) 326.330; Wimmer (1998) 29. 160 Die letzten Worte stammen aus dem Buch der Sprichwörter (24,13); vgl. Fürst; Hengstermann (2009) 216.

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behandelt worden,161 sodass es hier genügt, sich auf die wichtigsten Punkte zu beschränken. Basilius hebt die Bedeutung des Bienenkönigs für die Arbeiten im Staat hervor: καὶ τὸ μέγιστον, ὅτι ὑπὸ βασιλεῖ καὶ ταξιάρχῳ τινὶ τῶν ἔργων ἅπτονται, οὐ πρότερον καταδέχομεναι ἐπὶ τοὺς λειμῶνας ἐλθεῖν, πρὶν ἂν ἴδωσι κατάρξαντα τὸν βασιλέα τῆς πτήσεως. Und das Bedeutendste ist (die Tatsache), dass sie sich unter einem König und Anführer an die Arbeit machen und nicht einsehen, zu den Wiesen auszufliegen, bevor sie sehen, dass der König den Flug anführt.

Die Bienen sind in ihrer Tätigkeit stark von ihrem König abhängig. Erst unter seiner Anleitung machen sie sich ans Werk. Interessanterweise scheint Basilius hier das Ausfliegen auf die Wiesen und das Schwärmen zu vermischen. So führt der König bei ihm täglich die Bienen an und hält sich nicht für gewöhnlich im Inneren des Stockes auf, wie es sonst in den meisten Texten dargestellt wird. Basilius betont im Folgenden ausführlich, dass der Bienenkönig weder gewählt (οὐ χειροτονητός), noch durch das Los bestimmt (οὐδὲ κληρωτὴν ἔχων τὴν ἐξουσίαν), noch durch eine Erbfolge (οὐδὲ ἐκ πατρικῆς διαδοχῆς τοῖς βασιλείοις ἐγκαθεζόμενος) an die Macht gekommen sei. Für all diese aus der menschlichen Gesellschaft bekannten Möglichkeiten, einen König zu bestimmen, führt er eine entsprechende Kritik an, inwiefern dadurch schlechte Menschen zu Königen werden können. Die Monarchie der Bienen sei der der Menschen jedoch weit überlegen, da der Bienenkönig von Natur aus (ἐκ φύσεως) zum Herrscher prädestiniert sei. Diese natürliche Veranlagung zeigt sich bei Basilius sowohl in den häufiger genannten Merkmalen (Größe und Gestalt) als auch in seiner milden Art (ἡ τοῦ ἤθους πραότης). Auf dieser letztgenannten Eigenschaft liegt die Betonung.162 Die Tatsache, dass die Herrscher von einer Bestrafung eher absehen, bezeichnet er als ungeschriebene Gesetze der Natur (νόμοι τινές εἰσιν οὗτοι τῆς φύσεως ἄγραφοι). Es heißt jedoch auch, dass die Bienen, die den Anweisungen des Königs nicht folgten, diese Unbesonnenheit (ἀβουλία) bald bereuten und dann selbst durch den Stachel zugrunde gingen (ὅτι τῇ πληγῇ τοῦ κέντρου ἀποθνῄσκουσιν). Dies scheint als ein weiterer Beleg für die Ergebenheit gegenüber dem König angeführt zu sein, da sie selbst bei Ungehorsam in den Tod gehen. Es folgt ein Aufruf an die Christen, nicht das Übel durch weiteres Übel, sondern durch das Gute zu besiegen.163 161 Z. B. Béranger (1962); Misch (1974) 43–51; Wimmer (1998) 29–31; Henke (2000) 199– 204; Nicolaye (2008b) 174–180. 162 Vgl. z. B. Henke (2000) 199. 163 Dies stammt aus dem Römerbrief (12,17.21), wie etwa die Editionen von Amand de Mendieta und Rudberg sowie die von Giet anmerken.

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Obgleich das Hexaemeron des Ambrosius größtenteils auf das Werk des Basilius zurückgeht, finden sich gerade in der Beschreibung des Bienenstaates entscheidende Unterschiede.164 So hebt Ambrosius mehr noch als andere Autoren die Freiheit der Bienen trotz der Monarchie hervor, da sie ihn nach seiner Darstellung selbst ins Amt setzen (5,68): ipsae sibi regem ordinant, ipsae populos creant et licet positae sub rege sunt tamen liberae. nam et praerogativam iudicii tenent et fidae devotionis affectum, quia et tanquam a se substitutum diligunt et tanto honorant examine. Sie selbst setzen für sich einen König ein, sie selbst erzeugen die Völker und obgleich sie unter einem König stehen, sind sie dennoch frei. Denn sie haben das Vorrecht des Urteils und die Zuneigung der treuen Ergebenheit, weil sie auch den gleichsam von ihnen Eingesetzten hochachten und mit einem so großen Schwarm ehren.

Die Bienen bei Ambrosius leben zwar in einer Monarchie, die jedoch noch starke republikanische Elemente aufweist.165 Die Zuneigung zum König entspringt an dieser Stelle der Tatsache, dass die Bienen ihn selbst gewählt haben. Ähnlich wie Basilius gibt Ambrosius im Folgenden an, dass der Bienenkönig weder durch Akklamation noch durch das Los noch durch Erbfolge eingesetzt werde. Seine Kritik an diesen menschlichen Verfahren der Einsetzung von Herrschern fällt jedoch deutlich ausführlicher aus als bei Basilius.166 Zudem spricht er sich nicht generell gegen eine Wahl aus, sondern nur gegen die Akklamation. Andernfalls müsste er auch seiner These von der Einsetzung des Königs durch die Bienen widersprechen.167 Die körperlichen und charakterlichen Eigenschaften, die den Bienenkönig auszeichnen, beschreibt Ambrosius ähnlich wie Basilius, wenngleich er die natürliche Vorrangstellung weniger stark betont. Deutlich nennt Ambrosius (5,68) die Milde des Charakters (morum mansuetudo) als besondere Eigenschaft des Königs (quod in rege praecipuum est). Das Absehen von einer Bestrafung durch den König und die Selbsttötung der Bienen bei Ungehorsam werden ähnlich wie bei Basilius dargestellt, wenngleich Letzteres deutlicher durch immoriantur aculei sui vulneri (»sie sterben dabei durch eine Verletzung ihres eigenen Stachels«) ausgedrückt wird. Interessanterweise folgt hier nun nicht der Appell an die Christen aus dem Römerbrief wie bei Basilius, sondern Ambrosius führt an, dass dieser Brauch der Selbsttötung bei Ungehorsam gegenüber dem König bei den Völkern der Perser immer noch durchgeführt werde. Er schließt nun eine 164 Vgl. z. B. Nicolaye (2008b) 174. 165 Vgl. ebd. 178 sowie Peil (1983) 178. 166 Zu möglichen zeitgeschichtlichen Implikationen bzw. persönlichen Erfahrungen des Ambrosius vgl. z. B. Béranger (1962) 70 f.; Herles (2000) 201–203. 167 Vgl. Nicolaye (2008b) 176 f.

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Aufzählung von fremden Völkern (Persae; Indi; populi Sarmatarum) an, die zwar eine ergebene Verehrung (reverentia devotionis) für ihren König zeigten, aber keine solche wie die Bienen. Dies könnte auf die Vergleiche des Bienenkönigs mit orientalischen Herrschern in den Georgica Vergils zurückgehen, die wohl ein wichtiger Prätext der Darstellung des Bienenstaates bei Ambrosius sind,168 wenngleich dies nicht für die Betonung der Milde des Bienenkönigs gilt, für die man neben Basilius eher noch Seneca als Vorlage nennen könnte.169 Als Beleg der reverentia devotionis dient Ambrosius hier die Annahme, dass keine Biene auf die Weide ausfliege, ohne dass sich der König zuvor an die Spitze des Schwarmes gesetzt habe. Dieses von Basilius übernommene Element wird also von Ambrosius in einen etwas anderen Kontext gesetzt. Kurz soll auch noch auf die Bezeichnung ἐσσήν eingegangen werden. Dieses in seiner Etymologie und Bedeutung unklare Wort ist von der Forschung bereits eingehend besprochen worden,170 sodass man sich an dieser Stelle auf einige wenige Anmerkungen beschränken kann. Eine relativ sicher bei Pausanias (8,13,1) und auch in Inschriften171 belegte Bedeutung scheint die Bezeichnung für eine Art Priester der Artemis Ephesia zu sein. Kallimachos verwendet das Wort ἐσσήν an zwei uns erhaltenen Stellen in der Bedeutung »König«. Zum einen wird Zeus im Zeushymnus (66) θεῶν ἐσσήν genannt, zum anderen wird in einem Fragment der Aitien (Frg. 135,23 Asper = 178,23 Pfeiffer) mit Peleus ein Mensch als Μυρμιδόνων ἐσσήν bezeichnet. Zu der Stelle im Zeushymnus ist ein interessantes Scholion (66a)  erhalten: ἐσσὴν κυρίως ὁ βασιλεὺς τῶν μελισσῶν, νῦν δὲ ὁ τῶν ἀνδρῶν.  – »essēn (ist) primär der König der Bienen, nun aber der der Menschen.« Sehr ähnlich ist das Lemma ἐσσήν in der Suda (ε 3131): βασιλεύς· κυρίως τῶν μελισσῶν. – »König; hauptsächlich der der Bienen.« Hesych (ε 6338) dagegen nennt als Synonyme für ἐσσήν nur βασιλεύς und ἡγεμών, ohne auf eine Verbindung zum Bienen­könig hinzuweisen. Besonders ausführlich behandelt das Etymologicum magnum (ε 383) die Bedeutung des Wortes. Dieses bezeichne einerseits einen König, wofür der entsprechende Vers (66) aus dem Zeushymnus des Kallimachos als Belegstelle angeführt wird. Diese Bedeutung wird letztlich aus dem Wort ἥτταμαι bzw. ἡσσάομαι (»unterlegen sein«) hergeleitet. Daneben nennt das Etymologicum magnum aber auch noch Folgendes: 168 Vgl. z. B. Misch (1974) 45–48 für eine vergleichende Gegenüberstellung. 169 Vgl. ebd. 49 f.; Béranger (1962) 56 und insbesondere Wimmer (1998) 29 f. 170 Neben den Lemmata in den einschlägigen Lexika von Frisk (1960) 475, Chantraine (1980) 378 und Beekes (2010) 471, vgl. z. B. Kretschmer (1929) 88; Muth (1952); Gil Fernández (1959) 179–188 (hier findet sich eine nützliche Zusammenstellung und Diskussion der bisherigen Forschung); Innocente (1991). 171 Die Belege lassen sich im Wordindex zu den Inschriften von Ephesos (Die Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien [IK] 11–17; den Wortindex enthält der Band 17,3) unter den Schlagwörtern ἐσσήν, ἐσσηνεύω und ἐσσηνία leicht finden.

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Ἐσσήν· Ὁ βασιλεὺς κατὰ Ἐφεσίους· ἀπὸ μεταφορᾶς τοῦ μελισσῶν βασιλέως, ὃς εἴρηται ἐσσὴν ἀπὸ τοῦ ἔσω ἐνέζεσθαι· […].172 essēn: Der König bei den Ephesiern. Metaphorisch (übertragen) vom König der Bienen, der wegen des Sitzens im Inneren essēn genannt wird; […].

Das Etymologicum magnum bietet also verschiedene Bedeutungsmöglichkeiten und Herleitungen an. Es nennt zunächst die Bedeutung »König bei den Ephesiern«, merkt aber gleich an, dass dies nur eine metaphorische Verwendung der Bezeichnung für den Bienenkönig sei. Diese Bedeutung soll sich von der Tatsache herleiten, dass der Bienenkönig sich in der Regel im Inneren des Stockes aufhält. Das Etymologicum magnum geht also in diesem Punkt über die Kallimachos-Scholien und die Suda hinaus, indem es die Herkunft der Bezeichnung vom Bienenkönig nicht nur postuliert, sondern versucht, eine Erklärung aus einer prägnanten Eigenschaft bzw. Verhaltensweise, die dem Bienenkönig zugeschrieben wurde, herzuleiten. Wenngleich eine solche Etymologie den modernen Maßstäben wohl nicht genügt, so zeigt sie doch, welche Verhaltensweise des Bienenkönigs als typisch angesehen wurde. Wie die einzelnen Bedeutungen für das Wort ἐσσήν miteinander zusammenhängen und welche Bedeutungen ursprünglich und welche abgeleitet sind, ist bis zu einem gewissen Grade spekulativ und in der Forschung umstritten,173 weshalb dies hier nicht endgültig geklärt werden kann und soll. Die Bedeutung »Bienenkönig« scheint in der erhaltenen Literatur außerhalb der Lexikographie und der Scholien so allerdings nirgendwo eindeutig belegt zu sein.174 Einzig Origenes spricht in einem Vergleich mit dem vermeintlichen Anführer der Austern (dazu s. o.  233) vom ἐσσήν μελισσῶν (Commentarium in Evangelium Matthaei 10,7). Der Begriff ἐσσήν wird hier zwar für den Bienenkönig verwendet, jedoch deutet das Genitivattribut μελισσῶν eher darauf hin, dass das Wort allein nicht als »Bienenkönig« verstanden wurde und daher der Spezifizierung bedurfte. 172 Es folgen noch einige weitere mögliche Herleitungen und Bedeutungen, u. a. Vorsitzender und Aufseher über die Angelegenheiten der Stadt sowie Stadtgründer (οἰκιστής). Letzteres findet sich auch bei Herodian De prosodia catholica 3,1, p. 15 Lentz und Περὶ μονήρους λέξεως 3,2, p. 923 Lentz. Für diese Bedeutungen ließen sich ebenfalls Verbindungen zu Eigenschaften finden, die häufiger mit dem Bienenkönig verknüpft wurden. Dies betrifft zum einen die Ordnung und die Oberaufsicht im Stock, für die der Bienenkönig zuständig sein soll (dazu s. o.  279), und zum anderen den Schwarmtrieb, der ebenfalls ein wichtiges Element der antiken Konzepte vom Bienenkönig ist (dazu s. o. 273). Auch an anderen Stellen wird ein Bienenschwarm mit menschlichen Kolonisten verglichen (dazu s. u. 337). Diese Verbindungen werden jedoch im Etymologicum magnum selbst nicht hergestellt. 173 Vgl. die o. 293 Anm. 170 genannte Literatur. 174 Stephens (2015) 68 vermutet aber, dass Kallimachos vielleicht aufgrund der ägyptischen Königstitulatur, die eine Bienenhieroglyphe enthält (s. o. 283), diese Bezeichnung im Zeushymnos (66) gewählt haben könnte und die Verwendung von ἐσσήν somit eine gelehrte Anspielung auf die lokale Kultur wäre.

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Insofern ist vielleicht Muths175 These in diesem Punkt zutreffend, wonach die Bedeutungen »König« und »Priester der Artemis Ephesia« der Bedeutung »Bienenkönig« vorausgingen und letzteres möglicherweise ein Versuch der antiken Lexikographen und Scholiasten war, die beiden distinkten Bedeutungen zu verbinden, da insbesondere die Artemis Ephesia und ihre als μέλισσαι bezeichneten Priesterinnen eine enge Beziehung zu den Bienen aufwiesen. Die ἐσσῆνες genannten Priester könnten so von den Lexikographen und Scholiasten als »Bienen­könige« der »Bienenpriesterinnen« aufgefasst worden sein. Wie die korrekte Etymologie und Wortbedeutung auch immer sei, die antiken Deutungen dieses Wortes geben uns interessante Einblicke in die Wahrnehmung des Bienenkönigs. Unabhängig von der Tatsache, ob ein Begriff aus dem Tierreich tatsächlich auf die menschliche Gesellschaft übertragen wurde, ist allein die Tatsache, dass dies für einige Lexikographen und Scholiasten denkbar ist, ein Zeichen dafür, für wie vergleichbar die menschliche und die tierische Gesellschaft, in diesem Falle die der Bienen, erachtet wurden. Mehr noch wird dadurch implizit hervorgehoben, dass der Bienenkönig in einem solchen Maße als prototypischer König angesehen werden kann, dass man eine für ihn spezifische Bezeichnung nicht nur auf einen menschlichen König, sondern im Falle des Zeushymnus sogar auf den obersten Gott sinnvoll übertragen kann.

6.3.3 Drohnen in der Gesellschaft der Bienen Drohnen wurden in erster Linie als unnütze Schädlinge im Bienenstock angesehen. Dies ist vermutlich mit der Tatsache zu erklären, dass man ihre Rolle bei der Fortpflanzung nicht erkannt hatte, wenngleich ihnen Columella (Rust. 9,15,2) und Plinius (HN 11,27) zumindest eine Mithilfe beim Bebrüten nachsagen (dazu ausführlich s. o.  170). Wie bereits gesagt (s. o. 229), werden die Drohnen als faule Schädlinge zum ersten Mal in der erhaltenen Literatur in den beiden Werken Hesiods (Theog. 594–602; Op. 304–306) erwähnt. Eine ähnliche Charakterisierung findet sich an vielen Stellen der erhaltenen Literatur.176 Eine genaue Unterscheidung zwischen dem Drohn und dem sogenannten Dieb, der zuweilen als eigenständige »Art« genannt wird, ist oftmals kaum möglich, da ihre Charakterisierung als träge und schädlich für die Bienen sehr ähnlich ist (s. 2.5.3). Aristoteles (Hist. an. IX 40, 627 b 8–10) und Columella (Rust. 9,15,3) merken jedoch an, dass eine geringe Anzahl an Drohnen im Stock durchaus sinnvoll sein kann, weil dadurch die Bienen fleißiger würden (s. o. 86). Plinius bezeichnet 175 Vgl. Muth (1952) 125 f. 176 Z. B. Xen. Cyr. 2,2,25; Arist. Hist. an. V 22, 553 b 11 f.; IX 40, 624 b 26 f.; IX 40, 625 a 14 f.; Gen. an. III 10, 760 b 10–12; Plaut. Frg. 91; Verg. G. 4,168; Aen. 1,435; Isid. Etym. 12,8,3; Geop. 15,9,3.

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die Drohnen dagegen an einer Stelle (HN 11,27) als servitia verarum apium (»Sklavenvolk der echten Bienen«). Möglicherweise hat Nikander (Frg. 93 GowScholfield) gemäß einer Passage bei Aelian (NA 5,42) den Drohnen ebenfalls eine Aufgabe zugeschrieben. Welche dies aber war, lässt sich nicht genau sagen, da die entsprechende Stelle korrupt überliefert ist.177 Überzählige Drohnen werden nach der Paarungszeit im Frühsommer von den Arbeiterinnen getötet, was als Drohnenschlacht bezeichnet wird (dazu s. o.  66). Dies scheint in der Antike beobachtet worden zu sein, jedoch wird es aufgrund der Unkenntnis über die Rolle der Drohnen bei der Fortpflanzung anders gedeutet und auch nicht zeitlich begrenzt. So sollen Drohnen überhaupt nur gebildet werden, wenn reichlich Honig zu erwarten ist, was zugleich bedeutet, dass Drohnen bei einem Mangel an Honig getötet werden.178 Dazu soll schädliches Verhalten durch einzelne Honigräuber179 oder durch einen ganzen Schwarm180 generell bestraft werden, wie es etwa in den Berichten von »Raubzügen« dargestellt wird (s. o. 85). Die Bestrafung und Bekämpfung der Drohnen und externen Räuber lässt sich nicht nur durch den unmittelbar angerichteten Schaden erklären, sondern auch durch die Abneigung der Bienen gegen Trägheit und Verschwendungssucht im Allgemeinen.181 Die Bestrafung ist also nicht primär auf Drohnen beschränkt, als prototypische Faulenzer und Schädlinge trifft es sie aber in besonderem Maße, wie es etwa Varro (Rust. 3,16,8) ausdrückt: Neque ipsae sunt inficientes nec non oderunt inertes. Itaque insectantes ab se eiciunt fucos, quod hi neque adiuvant et mel consumunt, quos vocificantes plures persecuntur etiam paucae. Sie selbst sind stets tätig und hassen Untätige sehr. Deshalb verfolgen und vertreiben sie die Drohnen, weil diese nicht helfen und stattdessen den Honig aufbrauchen. Sie (die Bienen) verfolgen diese (Drohnen) laut summend182 sogar, wenn sie (die Bienen) nur wenige sind und diese in der Überzahl. 177 García Valdés; Llera Fueyo; Rodríguez-Noriega Guillén lesen in ihrer Edition εὐφορεῖν (»fruchtbar sein«). Es werden jedoch unter anderem die Konjekturen ὑδροφορεῖν (»Wasser tragen«) und φρουρεῖν (»Wache halten«) genannt. Letztere macht Borthwick (1990) 60 f. plausibel. 178 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 624 a 1 f.; 625 a 22–27; Plin. HN 11,56. In Arist. Hist. an. IX 40, 626 b 6 f. findet sich vermutlich eine Beschreibung der Imker-Praxis (es fehlt ein eindeutiges Subjekt für ἐκβάλλουσι und παραβάλλουσι; vgl. auch Klek; Armbruster [1919] 36 Anm. 6), bei Honigmangel die Drohnen hinauszutreiben und Feigen und Süßes auszulegen. 179 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 625  a 34  –  b 6 (Raubzug des Diebs); Antig. Car. 52a 4; Ael. NA 1,8. 180 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 626 b 12–15; Plin. HN 11,58; Ael. NA 5,11. 181 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 627 a 19 f.; Plin. HN 11,25; [Quint.] Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«) 4.17; Geop. 15,3,9. 182 Es ist an der Form nicht zu entscheiden, auf wen sich vocificantes bezieht. Sinngemäß würde es wohl besser zu den Bienen passen, es steht aber zwischen quos und plures, womit jeweils die Drohnen gemeint sind.

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Bei Columella (Rust. 9,5,2) kann diese Abneigung gegenüber trägem oder schädlichem Verhalten sogar den Imker treffen: Neque ea curatorem fraudulentum tantum sed etiam segnitiae immundae perosa est. Aeque enim dedignatur si minus pure habita est ac si tractetur fraudulenter. Und nicht nur ein betrügerischer Pfleger, sondern auch schmutzige Trägheit183 ist ihr sehr verhasst. Denn sie wird in gleichem Maße unwürdig behandelt, wenn sie weniger rein gehalten wird, wie wenn sie betrügerisch behandelt wird.

In den Georgica Vergils werden die Drohnen kaum angesprochen. In einer Aufzählung der Schädlinge des Bienenstockes heißt es (G. 4,244): immunisque ­sedens aliena ad pabula fucus. – »Untätig sitzt der Drohn an fremder Weide.« Davor wird bereits im Rahmen der Beschreibung der Tätigkeiten im Bienenstock unter anderem erwähnt, dass die Bienen die Drohnen fernhalten (G. 4,167 f.): […] aut agmine facto / ignavum fucos pecus a praesepibus arcent. – »[…] oder sie halten, nachdem sie ein Geschwader gebildet haben, / das träge Vieh, die Drohnen, von ihren Krippen ab.« Die Erwähnung des Fernhaltens der faulen Drohnen dient in diesem Rahmen sicherlich dazu, die fleißige Tätigkeit der Bienen zu unterstreichen. Die Verse werden jedoch wörtlich in einem Bienengleichnis der Aeneis (1,434 f.; s. o.  247) verwendet, das die rege Tätigkeit der Karthager illustriert, die von Aeneas beim Aufbau ihrer neuen Stadt beobachtet werden. Hier stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Abhaltens der Drohnen, da dies nicht direkt zur ansonsten friedlichen Tätigkeit der Karthager zu passen scheint.184 Natürlich könnte man analog zur Verwendung der Verse in den Georgica annehmen, dass die Vertreibung der Faulenzer den Fleiß der übrigen Bienen unterstreicht. Ein solches Element scheint jedoch in der vorangehenden Beschreibung der Tätigkeiten der Karthager (Aen. 1,423–429) nicht enthalten zu sein, wenngleich Karthago freilich schon als befestigte Stadt geschildert wird und Venus dafür Sorge trägt, dass Aeneas von Dido freundlich aufgenommen wird.185 Grant186 schlägt außerdem vor, in den Versen über die Drohnen eine innere Regung des Beobachters Aeneas zu erkennen:187 Aeneas erkennt sich in den Drohnen selbst, da 183 Zur Reinlichkeit der Biene s. 2.3.4. 184 Vgl. Grant (1969) 382 f. 185 Vgl. ebd. 383. Wohl nicht zu Unrecht weist etwa Niehl (2002) 188 freilich darauf hin, dass bei aller textuellen Ähnlichkeit zwischen dem Gleichnis der Aeneis und der Beschreibung aus den Georgica gerade die Erwähnung einer Torwache (sunt quibus ad portas cecidit custodia sorti; G. 4,165) keine Entsprechung in der Aeneis hat. Dies könnte man gewissermaßen als Hinweis darauf verstehen, dass Merkur bereits dafür gesorgt hat, dass Aeneas und sein Begleiter Achates ungehindert in die Stadt Karthago eintreten können. 186 Vgl. Grant (1969) 384. Er beruft sich dabei auf Pöschl (1964) 244 (= ders. [1977] 172), der diese Theorie der inneren Anteilnahme vertritt. Ähnlich äußert sich auch Niehl (2002) 189 f. 187 Das narrative Verfahren ist hier das der internen Fokalisierung. Vgl. z. B. Martínez; Scheffel (2012) 66–70.

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er und seine troianischen Begleiter als heimatlose Flüchtlinge zu einer fremden Stadt kommen und dort gewissermaßen ohne Gegenleistung an deren Reichtum teilhaben. Polleichtner188 sieht in der Erwähnung der Vertreibung der Drohnen, die er ebenfalls mit den Troianern und insbesondere Aeneas identifiziert, eher einen Kontrast zwischen der regen Tätigkeit der Karthager und A ­ eneas, der in Karthago etwas nachlässig in seiner Pflichterfüllung wird, sodass er von den Göttern zur Weiterfahrt aufgefordert werden muss. Diese Interpretation ließe Aeneas freilich in keinem guten Licht erscheinen. Zuletzt soll die Verwendung von Drohnengleichnissen in Platons Politeia betrachtet werden. Am Ende des 8. und zu Beginn des 9. Buches dieser Schrift behandelt Platon die Abfolge bzw. genauer den Abstieg der verschiedenen Verfassungsformen (Timokratie, Oligarchie, Demokratie und Tyrannis) sowie der ihnen entsprechenden Menschentypen. Bereits am Ende des 4. Buches hatte der platonische Sokrates festgehalten, dass es fünf gewissermaßen prototypische Verfassungsformen189 (die beste Verfassung sowie die vier genannten zunehmend schlechter werdenden) gebe und eine ebenso große Zahl an Arten der menschlichen Seele (Ὅσοι, ἦν δ’ ἐγώ, πολιτεῖων τρόποι εἰσὶν εἴδη ἔχοντες, τοσοῦτοι κινδυνεύουσι καὶ ψυχῆς τρόποι εἶναι. – Πόσοι δή; – Πέντε μέν, ἦν δ’ ἐγώ, πολιτειῶν, πέντε δὲ ψυχῆς; 4, 445 c 9 – d1). Die Besprechung der vier ungerechteren Staatsformen bzw. Menschentypen nach der besten Staatsform bzw. der Aristokratie des Geistes erfolgt jedoch, wie gesagt, erst nach einigen »Exkursen« (welche freilich von zentraler Bedeutung für das Werk sind) am Ende des 8. Buches.190 Die analoge Einrichtung des Staates zu der der Seele wird mit der Tatsache erklärt, dass die Verfassungen aus menschlichen Sitten entstünden und somit eine enge Beziehung bestehe191 (8, 544 d 6 – e 2): Οἶσθ’ οὖν, ἦν δ’ ἐγώ, ὅτι καὶ ἀνθρώπων εἴδη τοσαῦτα ἀνάγκη τρόπων εἶναι, ὅσαπερ καὶ πολιτειῶν; ἢ οἴει ἐκ δρυός ποθεν ἢ ἐκ πέτρας τὰς πολιτείας γίγνεσθαι, ἀλλ’ οὐχὶ ἐκ τῶν ἠθῶν τῶν ἐν ταῖς πόλεσιν, ἃ ἂν ὥσπερ ῥέψαντα τἆλλα ἐφελκύσηται; Du weißt doch, sagte ich, dass es notwendigerweise genauso viele Arten von menschlichen Charakteren gibt, wie von Verfassungen? Oder glaubst du, dass die Verfassungen irgendwoher aus einer Eiche oder einem Felsen entstehen, aber nicht aus den Sitten derer, die in den Poleis (leben), wie auch immer diese sich neigen und das übrige mit sich ziehen? 188 Vgl. Polleichtner (2005) 142. 189 Sicherlich darf man nicht davon ausgehen, dass Platon an konkrete historische Staaten denkt oder dass die Liste vollständig wäre. Er präsentiert hier eher theoretisch die verschiedenen Verfassungen in Reinform, die es so real gar nicht geben kann. Vgl. Frede (2005) 251–257. 190 Vgl. z. B. Frede (2005) 251. 191 Völlig analog scheint die Einrichtung des Staates allerdings nicht zu der der menschlichen Seele zu sein. Vgl. dazu z. B. Williams (1973) und Blössner (2007).

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Durch welche Umstände sich die jeweiligen Verfassungen bzw. Menschentypen in die nächste Form wandeln, wird stets beschrieben. Dabei sollte man jedoch nicht von einer historisch-realistischen Schilderung ausgehen, vielmehr ist das Grundprinzip der Abfolge eine zunehmende moralische Degenerierung des Staates und seiner Bürger.192 Als Vergleich insbesondere für die nicht notwendigen Begierden193 sowie für von eben solchen Begierden beherrschte Menschen, wird in dieser Passage an verschiedenen Stellen von Drohnen gesprochen.194 In Übereinstimmung mit vielen naturkundlichen Theorien der Antike (s. 2.5.3) werden die Drohnen als Schädlinge oder gar als Krankheit des Stockes (σμήνους νόσημα; 8, 552 c 3) bezeichnet, die ein kluger Imker (σοφὸς μελιττουργός; 8, 564 c 2), der in dem Vergleich für den Gesetzgeber (νομοθέτης; 8, 564 c 1) steht, an der Ausbreitung zu hindern oder, falls sie sich doch eingenistet haben, zu entfernen habe (8, 564 c 2–4). Das platonische Drohnenbild ist hier also überaus negativ. Nicht immer ist die Metaphorik in dieser Passage ganz kohärent oder besonders ausgefeilt. Den Drohnen ist jedoch ein gewisser Charakterzug zu eigen: »die Ablehnung eigener Arbeit und das Streben nach fremdem Besitz.«195 Oder wie Vretska es ausdrückt: »der Ausgang für das Bild war nicht ein erklügelter, gesuchter Gedanke, sondern ein Gefühlskomplex: das Träge, das Nichtstuende, Genießende und dadurch Schädigende.«196 In der besten Verfassung bzw. der Aristokratie des Geistes ist nicht von Drohnen die Rede. Auch in der Timokratie bzw. beim timokratisch gesinnten Menschen spielen drohnenhafte Begierden noch keine Rolle. Dies ist insofern vielleicht weniger verwunderlich als der timokratische Mensch als φιλόνικος (»den Sieg liebend«; »streitsüchtig«) und φιλότιμος (»ehrgeizig«) bezeichnet wird (z. B. 8, 545  a 2 f.; 551  a 7), Eigenschaften, die weniger gut zu den gängigen Drohnen­konzepten passen. Zum ersten Mal wird ein Drohnenvergleich im Rahmen der Besprechung der Oligarchie verwendet. Die Drohnen entsprechen hier ursprünglich reichen

192 Vgl. Frede (2005) 259. 193 Z. B. κηφηνώδεις ἐπιθυμίαι (8, 554 b 7); αἱ τοῦ κηφῆνος συγγενεῖς ἐνοῦσαι ἐπιθυμίαι (8, 554 d 6 f.). Besonders hervorgehoben wird der ἔρως als ὑπόπτερος καὶ μέγας κηφήν τις (»irgendein geflügelter, großer Drohn«; 9, 573 a 1). Bereits in 8, 559 c 6 ist von ἀφροδισίαι ἐπιθυμίαι als Beispiel für nicht notwendige Begierden die Rede, die drohnenhafte Menschen auszeichnen. 194 Vgl. z. B. auch Blössner (2007) 358. Lieberts (2010) These, dass die Drohnenvergleiche in dieser Passage auch mit der Ablehnung der Dichtung in dem Idealstaat, der in der Politeia entwickelt wird, in Verbindung stünden, weil Bienen häufig mit Dichtern verglichen wurden (dazu ausführlich 8.1), erscheint etwas weit hergeholt. Für das Verständnis dieser Passage ist eine solche Verbindung auch nicht notwendig. 195 Peil (1983) 252. 196 Vretska (1956) 419.

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Menschen, die jedoch ihr Vermögen verschwendet haben und so in Armut geraten sind (8, 552 c 2 – d 1). Ein solcher Mensch gilt dem platonischen Sokrates als ein »Verschwender des Vorhandenen« (τῶν ἑτοίμων ἀναλωτής; 552 b 9) und »weder als Herrscher noch als Diener der Stadt« (οὔτε ἄρχων οὔτε ὑπηρέτης ἦν αὐτῆς; 552 b 8 f.). Obgleich er also zwar noch mit den übrigen Bürgern in der Stadt lebt, ist er jedoch kein richtiger, produktiver Teil der Gesellschaft mehr, sondern lebt letztlich nur von den Erzeugnissen anderer. Insofern weist ein solcher Mensch tatsächlich zentrale Eigenschaften antiker Drohnenkonzepte auf. Der platonische Sokrates macht jedoch gleich deutlich, dass ihm nicht an einer weitreichenden Analogie zwischen der Gesellschaft der Menschen und der der Bienen gelegen ist. Als er nämlich darauf zu sprechen kommt, wie diese menschlichen »Drohnen« an die Erzeugnisse der anderen Menschen gelangen, unterscheidet er zwei Typen (8, 552 c 6 – d 1): Οὐκοῦν, ὦ Ἀδείμαντε, τοὺς μὲν πτηνοὺς κηφῆνας πάντας ἀκέντρους ὁ θεὸς πεποίηκεν, τοὺς δὲ πεζοὺς τούτους ἐνίους μὲν αὐτῶν ἀκέντρους, ἐνίους δὲ δεινὰ κέντρα ἔχοντας; καὶ ἐκ μὲν τῶν ἀκέντρων πτωχοὶ πρὸς τὸ γῆρας τελευτῶσιν, ἐκ δὲ τῶν κεκεν­ τρωμένων πάντες ὅσοι κέκληνται κακοῦργοι; Hat nun der Gott, mein Adeimantos, die geflügelten Drohnen zwar alle stachellos geschaffen, die mit Füßen aber teilweise stachellos, teilweise aber mit einem gewaltigen Stachel? Und aus den Stachellosen werden schließlich bis ins Alter Bettler, aus den Bestachelten alle, die Übeltäter genannt werden?

Platon und seinem Sokrates ist offenbar bewusst, dass es in der Natur nur stachellose Drohnen gibt. Da er jedoch im Folgenden zwischen gewalttätigen und nicht gewalttätigen Schmarotzern im menschlichen Staat unterscheiden will, benötigt er gewissermaßen stachellose und bestachelte menschliche Drohnen. Dafür nimmt er in Kauf, dass sein Bild nicht mehr ganz passend mit den natürlichen Gegebenheiten in Übereinstimmung zu bringen ist. Bei der Besprechung des oligarchischen Menschen, dem das Streben nach Reichtum das Wichtigste ist, wird festgehalten, dass die »drohnenhaften Begierden« (κηφηνώδεις ἐπιθυμίαι [8, 554 b 7]) durch Unbildung (ἀπαιδευσία; 554 b 8) entstehen. Dies gelte sowohl für die »bettlerhaften« (πτωχικαί; 554 c 1) als auch für die »schadenbringenden« (κακοῦργοι ἐπιθυμίαι; 554 c 1) Begierden. Doch ist es in der Seele des oligarchischen Menschen möglich, die »Drohnen« und ihren Einfluss mit Gewalt (βίᾳ) noch weitgehend zurückzuhalten (554  c 1 f.). Ausdrücklich wird zudem später gesagt, dass die oligarchischen Menschen von notwendigen Begierden beherrscht würden, in der Regel jedoch nicht von den nicht notwendigen, wie es bei den »Drohnen« der Fall ist (8, 559 c 8 – d 2): Ἆρ’ οὖν καὶ ὃν νυνδὴ κηφῆνα ὠνομάζομεν, τοῦτον ἐλέγομεν τὸν τῶν τοιούτων ἡδονῶν καὶ ἐπιθυμιῶν γέμοντα καὶ ἀρχόμενον ὑπὸ τῶν μὴ ἀναγκαίων, τὸν δὲ ὑπὸ τῶν ἀναγκαίων φειδωλόν τε καὶ ὀλιγαρχικόν;

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Von demjenigen also, den wir kurz zuvor »Drohne« nannten, von dem sagten wir, dass er angefüllt und beherrscht wird von den nicht notwendigen Gelüsten und Begierden, den anderen aber, der von den notwendigen (angefüllt und beherrscht wird), sparsam und oligarchisch.

Wo es opportun erscheint, hält der oligarchische Mensch also diese »drohnenhaften Begierden« im Zaum, wenn es jedoch gilt, fremdes Eigentum zu verschwenden, trifft man sie bei vielen Menschen wieder an ([…] τοῖς πολλοῖς γε αὐτῶν εὑρήσεις, ὅταν δέῃ τἀλλότρια ἀναλίσκειν, τὰς τοῦ κηφῆνος ξυγγενεῖς ἐνούσας ἐπιθυμίας.; 554 d 5–7). Letztlich erwächst die Zurückhaltung der drohnenhaften Begierden auch nicht aus einer vernünftigen Einsicht (λόγῳ), sondern aus Notwendigkeit und Furcht, weil er sich um das übrige Eigentum sorgt (ἀνάγκῃ καὶ φόβῳ, περὶ τῆς ἄλλης οὐσίας τρέμων; 554 d 2 f.). Die auf die Oligarchie folgende Demokratie wird in dieser Passage als ein Zustand völliger Gleichberechtigung aller Kräfte beschrieben. Ebenso lässt der demokratische Mensch die nicht notwendigen Begierden gleichberechtigt neben die notwendigen treten.197 Dies hat zur Folge, dass die »Drohnen« sich weiter ausbreiten, an Einfluss gewinnen und oftmals gar die wichtigsten Ämter des Staates übernehmen können (8, 564 d 6 – e 2). Die »Drohnen« sind, wie es schon in der Oligarchie der Fall war, ursprünglich reiche Menschen, die jedoch verarmt und so kein richtiger, produktiver Teil der Gesellschaft mehr sind. Ihre Zahl wird in der Demokratie durch Zinswucherer erhöht (8, 556 a 1 f.). Bei den »Drohnen« handelt sich also, wie Frede198 richtig bemerkt, nicht um Menschen, die schon von vornherein nicht vermögend waren und gewissermaßen das einfache Volk bilden. Letztere werden in der Beschreibung der demokratischen Gesellschaft (8, 564  c 9 – 565  a 3) als das dritte γένος neben den »Drohnen« und den sittsamen und anständigen Reichen genannt. Diese Reichen sind in der Demokratie die »Weide der Drohnen« (κηφήνων βοτάνη; 8, 564 e 13; zu diesem Ausdruck s. u.  377). Interessanterweise wird unter anderem gesagt, dass ein Teil der »Drohnen« an den βήματα sitzend herumsummt (8, 564 d 10). Das Wort τὸ βῆμα bezeichnet eine erhöhte Tribüne, von der aus ein Redner zu einem öffentlichen Publikum sprechen kann. Insbesondere wenn hier speziell an die Gerichtshöfe gedacht ist, könnte dies eine Anspielung auf die Wespen des Aristophanes sein, in denen sich der Chor der wespenartigen alten Richter ausdrücklich von den Drohnen im Staat distanziert (dazu s. u. 309). Ein junger Mann soll sich zu einem demokratischen Menschen im Sinne dieser Passage entwickeln, wenn er eher sparsam (φειδολῶς) und ohne Bildung (ἀπαιδεύτως) aufgezogen worden ist und dann in den schlechten Einfluss der »Drohnen« gerät (8, 559 c 8 – d 2). Metaphorisch heißt es, dass er vom »Honig 197 Vgl. Frede (2005) 263. 198 Vgl. ebd. 267.

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der Drohnen kostet« (γεύσηται κηφήνων μέλιτος199; 559 c 8). Was man genau unter dem »Honig der Drohnen« zu verstehen hat, lässt sich nicht leicht sagen. Einerseits könnte von den Drohnen selbst produzierter Honig gemeint sein. Eine solche naturkundliche Ungenauigkeit wäre in dieser Passage nicht weiter verwunderlich, es würde aber bedeuten, dass dieser unproduktive Teil doch etwas hervorbringt, nämlich jenen besagten »Honig«, welcher freilich nicht als etwas Positives verstanden wird. Wahrscheinlich sind damit aber die Annehmlichkeiten gemeint, die die »Drohnen« den Reichen zuvor entwendet haben. Dies würde zudem besser zur Charakterisierung der Reichen als κηφήνων βοτάνη passen. Diese Reichen brächten dann den Honig hervor, den die »Drohnen« einsammelten und so über ihn verfügten. Dies würde außerdem gut zur in der Antike verbreiteten und im platonischen Dialog Ion ausgeführten Theorie passen, dass der Honig bereits als fertiges Produkt eingesammelt wird (dazu s. 8.4). Der Honig steht in jedem Fall für den zwar zunächst angenehm erscheinenden, aber letztlich doch schädlichen Einfluss, der auf den unter den genannten Umständen aufgezogenen jungen Mann ausgeübt wird. Aufgrund seiner Unbildung ist er diesem Einfluss jedoch erlegen und wird durch ihn korrumpiert. Die am weitesten degenerierte Verfassung ist nach dieser Passage die Tyran­ nis. Sie geht aus der Demokratie hervor, wenn das Volk aus Überdruss über die aus der Führungslosigkeit dieses Systems erwachsenden Streitigkeiten und Kämpfen schließlich einen Mann an die Spitze stellt. Der Tyrann selbst wird ausschließlich von den nicht notwendigen Begierden, allen voran dem ἔρως beherrscht, der als ὑπόπτερος καὶ μέγας κηφήν τις (»irgendein geflügelter, großer Drohn«; 9, 573 a 1) bezeichnet wird. Dieser ἔρως stehe einem Tyrann gleich allen anderen nicht notwendigen Begierden vor, die ihn umschwärmen (z. B. 9, 573 a 4 – b 4; 573 e 2 – 574 a 1). Der ἔρως ist dabei gewissermaßen ein Drohn mit Stachel der die übrigen Drohnen anführt, wobei sicherlich auch auf das Bild vom Stachel des ἔρως angespielt wird (dazu s. o. 227 Anm. 38). Des Weiteren werden auch ausländische Söldner, die der Tyrann zu seinem Schutz vor der eigenen Bevölkerung kommen lassen muss, mit Drohnen verglichen (8, 567 d 12 – e 1). Diese werden durch den zu erwartenden Lohn angezogen, womit auf die vermeintliche Gier der Drohnen verwiesen wird. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die umfangreiche Passage viele Aspekte antiker Drohnenkonzepte aufnimmt und sie als Metapher für die Staatstheorie sowie für die Seelenlehre fruchtbar macht. Die wichtigsten Eigenschaften der Drohnen wie der nicht notwendigen Begierden bzw. der Menschen, die von ihnen beherrscht werden, sind die Gier und die unproduktive Trägheit, die 199 Slings liest in seiner neueren Edition hier γεύσηται κηφὴν ὢν μέλιτος (»Honig kostet, obwohl er ein Drohn ist«). Dies ergibt jedoch hier wenig Sinn, denn der junge Mann ist ja noch kein »Drohn«, sondern wird es erst durch den schlechten Einfluss.

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den guten Elementen im Bienenstock, im Staat bzw. in der Seele durch eben diese Charakteristik Schaden bringen. Ein ebenfalls wichtiger Aspekt ist, dass sich nach dieser Darstellung Drohnen egal welcher Art nirgendwo einnisten müssen. Sie gehören nicht von vornherein zum Bienenstock, zum Staat bzw. zur Seele, sondern sie entstehen und wachsen, indem ihnen durch Unachtsamkeit, Nachlässigkeit und Unbildung zu viel Raum gegeben wird. Dies bedeutet zugleich, dass diese »Krankheit« durch geeignete Maßnahmen behandelt werden kann. Ein bedeutender Unterschied zwischen den Drohnen in der Natur und in der platonischen Metaphorik besteht jedoch im Stachelbesitz. Diese ausdrücklich konstatierte fehlende Analogie ist im Rahmen der Metaphorik notwendig, weil zwischen zwei Sorten von nicht notwendigen Begierden bzw. der von ihnen beherrschten Menschen unterschieden werden soll. Dies sind zum einen die weniger aggressiven πτωχικαί und zum anderen die aggressiveren κακοῦργοι ἐπιθυμίαι, welche jeweils den unbestachelten und den bestachelten Drohnen entsprechen.

6.4 Die Gesellschaft der Wespen Im Gegensatz zu den zahlreichen Schilderungen der Gesellschaft der Ameisen und vor allem der Bienen ist die Sozialität der Wespen in der antiken Literatur weniger stark vertreten. Zwar gelten sie etwa Platon und Aristoteles neben Bienen und Ameisen ebenfalls als γένος bzw. ζῷον πολιτικόν (dazu s. o. 38), letztere werden jedoch weitaus häufiger unter dem Gesichtspunkt ihres beispielhaften Zusammenlebens betrachtet. Dies wird nicht zuletzt an den Bezeichnungen für die jeweiligen Weisel der Bienen und Wespen deutlich. Während der der Bienen oft als βασιλεύς bzw. rex angesprochen wird, heißt der der Wespen, wenn er denn überhaupt einmal erwähnt wird, meist μήτρα bzw. mater (dazu ausführlich 5.4). Die bereits in der Antike bekannte Tatsache, dass Wespenköniginnen die ersten Waben anlegen und die erste Tochtergeneration selbst heranziehen, dürfte eine wichtige Ursache dafür sein (s. auch 3.3). Plinius (HN 11,74) betont gar ausdrücklich, dass es bei vespa und crabro keine Könige (reges) und Schwärme (examina) gebe. Dies stellt einen gewissen Gegensatz zu den Bienen dar, bei denen ganze Schwärme in einer bestimmten Zeit entstehen, die dann unter Führung ihres Königs ausziehen. Die Vorstellung eines Königs ist bei Plinius eng mit dem Schwärmen verknüpft (s. auch o. 287). Aristoteles geht davon aus, dass es bei einigen Wespen (bzw. Anthrenen) keinen ἡγεμών gibt (Arist. Hist. an. V 22, 554 b 22–25; IX 41, 628 a 34 f.). Wie bereits gesagt (s. o. 91), könnte dieser Aussage eine Beobachtung bestimmter Arten der Feldwespen (Polistes spec.) zugrunde liegen, die polygyne Nester gründen. Dennoch werden die Anführer der Wespen und der Bienen durchaus als vergleichbar angesehen (explizit etwa bei Arist. Hist. an. IX 42, 629 a 2 f.) und mit

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ähnlichen Charakteristiken beschrieben, die sich größtenteils tatsächlich in der Natur beobachten lassen. Dies betrifft z. B. die Anlage spezieller Zellen für die Anführer der Wespen (Arist. Hist. an. IX 41, 628 a 14–21); ihren im Vergleich zu den übrigen Tieren milden Charakter (Arist. Hist. an. IX 41, 628 a 3; Plin. HN 11,73; Ael. NA 5,15) sowie äußere Merkmale wie ihre besondere Größe oder die Frage nach dem Besitz eines Stachels (dazu s. o. 88). Zudem sollen die Anführer von der Arbeit freigestellt sein, wenn die erste Tochtergeneration herangewachsen ist, und sich folglich nur noch im Inneren des Stockes aufhalten.200 Es findet dann also eine gewisse Arbeitsteilung zwischen den Wespenmüttern und den sogenannten ἐργάται bzw. opifices statt.201 Eine interessante Aussage trifft Aristoteles über die Anführer der Anthrenen (Hist. an. IX 42, 629 a 16–22): οἱ δ’ ἡγεμόνες πλείους ἑνὸς οὐ γίνονται ἐν τοῖς σμήνεσιν ὥσπερ ἐν τοῖς τῶν μελιττῶν οἳ διασπῶσι τὰ σμήνη τῶν μελιττῶν. ὅταν δὲ πλανηθῶσί τινες τῶν ἀνθρηνῶν ἀπὸ τοῦ σμήνους, συστραφεῖσαι πρός τινα ὕλην ποιοῦσι κηρία, οἷαπερ καὶ ὁρᾶται ἐπιπολῆς ὄντα πολλάκις, καὶ ἐν τούτῳ ἐργάζονται ἡγεμόνα ἕνα· οὗτος δ’ ἐπὰν ἐξέλθῃ καὶ αὐξήσῃ, ἀπάγει λαβὼν καὶ κατοικίζει μεθ’ αὑτοῦ εἰς σμῆνος. Anführer gibt es nicht mehr als einen in ihren Schwärmen, (nicht) wie in denen der Bienen, wo sie (= die zahlreichen Bienenkönige, von denen Aristoteles ausgeht; s. o.  271) die Schwärme der Bienen auseinanderreißen. Wenn aber irgendwelche Anthrenen fern von ihrem Schwarm umherirren, sammeln sie sich an einer Pflanze und errichten Waben, wie man sie auch oft an der Oberfläche sieht, und schaffen darin einen einzigen Anführer. Wenn dieser aber heraustritt und ihn (den Schwarm) vergrößert hat, nimmt er (ihn), führt ihn weg und siedelt mit ihm zu einem Nest um.

Aristoteles beschreibt hier, dass die Anthrenen im Gegensatz zu den Bienen nur einen einzigen Anführer besitzen, sodass es nicht wie bei den Bienen zur Bildung von einzelnen »Fraktionen« im Schwarm kommt. Diese Aussage hängt vermutlich damit zusammen, dass Aristoteles davon ausgeht, dass bei Anthrenen im Gegensatz zu den Bienen keine Schwärme abgehen (Hist. an. IX 42, 629 a 9–11), was für ihn, wie gesagt (s. o. 272), ein sichtbares Zeichen vieler Anführer bei den Bienen darstellt.202 Zudem scheint hier implizit ausgedrückt, dass Anthrenen durchaus eine gewisse Zeit ohne Anführer leben können, diesen dann aber selbst hervorbringen. Der Grund, warum sich die herumirrenden Anthrenen einen neuen Anführer bilden, bleibt aber ebenso offen wie die Frage, auf welche Weise diese spezielle Art der Fortpflanzung vonstattengehen soll. Kurioserweise scheint Aristoteles anzudeuten, dass die »normalen« Anthrenen in der Lage 200 Z. B. Arist. Hist. an. IX 41, 628 a 21–25 (über die σφῆκες); IX 42, 629 a 6 f. (der ἡγεμών der ἀνθρῆναι hält sich wie der der σφῆκες im Inneren auf); Plin. HN 11,74. 201 Zur Frage nach den Drohnen der Wespen s. o. 89. 202 Vgl. Klek; Armbruster (1919) 43 Anm. 1.

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seien, einen Anführer (ἡγεμών) zu bilden, dieser jedoch offensichtlich für das Wachstum des restlichen Schwarmes zuständig ist. Zur Fortpflanzung der Anthrenen vermerkt Aristoteles jedoch in unmittelbarem Anschluss, dass man bei diesen Tieren noch niemals eine Paarung beobachtet habe und auch nicht wisse, woher die Nachkommenschaft komme (περὶ δ’ ὀχείας τῶν ἀνθρηνῶν οὐδὲν ὦπταί πω, οὐδὲ πόθεν γίνεται ὁ γόνος; Hist. an. IX 42, 629 a 22–24). Ein gänzlich anderes Bild vom Wespenstaat und seinem Herrscher entwirft Aelian. In einem Kapitel (5,15) seiner Natura animalium beschreibt er einen Wespenkönig folgendermaßen: Βασιλεύονται δὲ ἄρα καὶ σφῆκες, ἀλλ’ οὐ τυραννοῦνται ὡς ἄνθρωποι. καὶ τὸ μαρτύριον, ἄκεντροι καὶ οἵδε εἰσί. καὶ οἱ μὲν ὑπήκοοι τὰ ἔργα πλάττειν αὐτοῖς203 νόμον ἔχουσιν, οἱ δὲ ἄρχοντές εἰσι διπλοῖ μὲν τὸ μέγεθος, πρᾶοι δὲ καὶ οἷοι μήτε ἑκόντες λυπεῖν ἔχειν μήτε ἄκοντες. Wespen haben also einen König, aber keinen Tyrannen, wie die Menschen. Und der Beleg dafür ist, dass auch diese (die Wespenkönige) stachellos sind. Und die Unter­ gebenen haben die Pflicht, ihnen die Waben zu errichten, die Herrscher aber sind doppelt so groß, milder und können weder freiwillig noch unfreiwillig schaden.

Mit einer rhetorischen Frage (τίς οὖν οὐκ ἂν μισήσαι […]) folgt nun eine Aufzählung menschlicher Tyrannen, die ihren Mut aus ihrer Waffengewalt bezogen hätten (ἐθάρρουν τῷ ξίφει), während die Wespenkönige nur auf ihre Stachellosigkeit und Milde setzten (τῷ δὲ ἀκέντρῳ καὶ τῇ πραότητι οἱ τῶν σφηκῶν βασιλεῖς). Der Wespenkönig, der wohl nur an dieser Stelle in der erhaltenen Literatur so bezeichnet wird, wird ganz ähnlich wie der Bienenkönig beschrieben. Eine gewisse Parallele stellt insbesondere die Darstellung des Bienenkönigs in Kapitel 5,10 derselben Schrift dar. Auch hier findet sich ein Vergleich des tierischen Königs mit menschlichen Tyrannen, wobei in beiden Fällen unter anderem Dionysios von Syrakus genannt wird. Ähnlich wie der Wespenkönig in 5,15 ist der Bienenkönig in 5,10 mild und zahm (πρᾶον ὄντα καὶ ἥμερον) sowie beinahe stachellos (ὁμοῦ τι καὶ ἄκεντρον). In der Beschreibung des Wespenkönigs bei Aelian lässt sich eigentlich kaum etwas Spezifisches für die Vorstellung von der Gesellschaft der Wespen erkennen. Vielmehr scheinen die gängigen Topoi zum Bienenkönig hier auf den Anführer der Wespen übertragen zu sein. Eine recht umfangreiche Darstellung einer Gesellschaft von Wespen findet sich in der gleichnamigen Komödie des Aristophanes. Man muss jedoch gleich einschränkend sagen, dass es Aristophanes dabei mit den »Artgrenzen« nicht sehr genau nimmt (dazu s. auch o. 32), sodass man dort keine von Naturbeobachtung abgeleitete Darstellung eines reinen Wespenstaates erwarten kann. 203 García Valdés; Llera Fueyo; Rodríguez-Noriega Guillén konjizieren in ihrer Edition αὐτοὺς. Diese nicht unbedingt notwendige Konjektur wird hier abgelehnt.

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Der Chor besteht aus alten Männern, deren Leidenschaft das Gerichtswesen ist. Die Kostümierung des Chores scheint nicht vollständig wespenartig gewesen zu sein. Der Stachel wird wohl erst in Vers 407 gezeigt ([…] κέντρον ἐντατέον ὀξέως. – »[…] Der Stachel muss scharf ausgestreckt werden.«).204 Zuvor war er unter einem Mantel verborgen, wie aus dem folgenden Vers 408 ersichtlich wird (ἀλλὰ θαἰμάτια λαβόντες ὡς τάχιστα, παιδία […] – »Aber nehmt so schnell wie möglich die Mäntel, ihr Knaben / Sklaven, […]«). Außerdem ist möglicherweise von einer Wespentaille die Rede (μέσον διεσφηκωμένον; 1072).205 Die Wespenmaske scheint also eher dezent gewesen zu sein.206 Zudem enthalten die Chorlieder keine klanglichen Elemente, die mit dem Summen der Wespen vergleichbar wären, wie es etwa in den Vögeln oder auch den Fröschen der Fall ist.207 Man kann daher vielleicht von einem gewissen »double character«208 des Chores als Wespen auf der einen Seite und alten Männern, die als Richter fungieren, auf der anderen Seite ausgehen. Die zumindest zum Teil tierartige Kostümierung dient jedoch dazu, bestimmte Eigenschaften einer menschlichen Gruppe bildlich hervorzuheben, die dem jeweiligen Tier in besonderem Maße zugeschrieben werden. Der komische Spott entsteht dadurch, dass der menschliche Charakter gewissermaßen auf nur eine oder zumindest wenige prominente Eigenschaften reduziert wird.209 Die wohl wichtigste Eigenschaft, die den Wespen sowohl in dieser Komödie als auch generell in den meisten antiken Texten zugeschrieben wird, ist ihre Aggressivität und Reizbarkeit.210 Bereits unmittelbar vor der Parodos, d. h. also noch bevor der Chor und sein Kostüm sichtbar sind, werden die alten Richter von Bdelykleon mit Wespen verglichen (223–227):

204 In Vers 420 wird der Stachel auch von Xanthias angesprochen: Ἡράκλεις, καὶ κέντρ’ ἔχουσιν. οὐχ ὁρᾷς, ὦ δέσποτα; – »Bei Herakles, sie haben auch einen Stachel. Siehst du es nicht, mein Herr?« Weitere Nennungen des Stachels bzw. des Stechens finden sich in den Versen 432, 1073, 1075, 1088 und 1113. 205 Vgl. z. B. Meckenstock (1952) 11; MacDowell (1971) 190; Rothwell (2007) 110; Pütz (2008) 223 f. Biles; Olson (2015) 401 verstehen diesen Ausdruck jedoch nicht als Beschreibung einer Wespentaille, sondern übersetzen ihn mit »rendered thoroughly wasp-like around the middle«. Dieses wespenartige Aussehen beziehen sie auf den im Folgenden genannten Stachel, der gewissermaßen an der Körpermitte befestigt sein soll. Man muss allerdings annehmen, dass das Verb διασφηκόομαι bzw. das Simplex σφηκόομαι durchaus eine Einschnürung impliziert. 206 Rothwell (2007) 108 f. spricht gar davon, dass in dieser Kömodie keine »anthro­ pomorphizing tendency« zu erkennen sei, sondern der menschliche Chor »theriomorphisiert« würde. 207 Vgl. z. B. Rothwell (2007) 109; Pütz (2008) 224. 208 MacDowell (1971) 188. 209 Vgl. z. B. Meckenstock (1952) 80; Pütz (2008) 221 f. 210 Zum Motiv der Reizbarkeit des Chores in dieser Komödie vgl. z. B. Konstan (1985) 32 f. (mit der Entgegnung von Olson [1996] zu Konstans ganzem Aufsatz); Allen (2003) 83 f.

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ἀλλ’, ὦ πόνηρε, τὸ γένος ἤν τις ὀργίσῃ τὸ τῶν γερόντων, ἔσθ’ ὅμοιον σφηκιᾷ. ἔχουσι γὰρ καὶ κέντρον ἐκ τῆς ὀσφύος ὀξύτατον, ᾧ κεντοῦσι, καὶ κεκραγότες πηδῶσι καὶ βάλλουσι ὥσπερ φέψαλοι. Aber, du Narr, wenn irgendeiner diese Art von alten Männern reizt, ist sie einem Wespennest gleich. Denn sie haben auch einen Stachel am Steiß, einen überaus spitzen, mit dem sie zustechen, und lärmend herumspringen und wie Funken stechen.

Die leichte Erregbarkeit und die Aggressivität der alten Männer veranlassen Bdelykleon zu diesem Wespenvergleich. Der Stachel der Wespen, der wie bereits gesagt, für den Zuschauer zu diesem Zeitpunkt noch nicht sichtbar war, wird hier bereits erwähnt, muss dem Zuschauer aber zunächst als bloße Metapher erschienen sein. Der Chor zeigt an einigen Stellen ein durchaus »wespenartiges« Verhalten. Besonders deutlich wird dies in den Versen 430–456, in denen der Chor auf Philokleons Geheiß hin Bdelykleon und seine Sklaven wie ein Wespenschwarm angreift. Deren Reaktion auf den Angriff entspricht ebenfalls der gängigen Abwehr eines Wespenschwarmes, da sie ihn mit Rauch211 und mit Holzstöcken212 zu vertreiben suchen.213 In den Versen 430–432 wird wiederum auf die leichte Reizbarkeit der Wespen hingewiesen, welche ὀξυκάρδιοι (»aggressiv«; »cholerisch«; 430) genannt werden. Wie in den aristophanischen Komödien üblich, äußert sich der Chor vor allem in der (ersten) Parabase zu seiner Rolle und seinem Charakter. In den Wespen findet sich diese Selbstbeschreibung des Chores in den Versen 1071–1090 und 1102–1121, also in Epirrhema und Antepirrhema. Im Epirrhema beschreibt der Chor zunächst das Kostüm bestehend aus einem Stachel und möglicherweise einer Wespentaille (1071–1075) und bezeichnet sich anschließend selbst als Ἀττικοὶ μόνοι δικαίως ἐγγενεῖς αὐτόχθονες, / ἀνδρικώτατον γένος […] (»Allein richtige Bewohner Attikas, Ureinwohner, Einheimische, eine überaus männliche Rasse […]«; 1076 f.). Als solche wollen sie ihrer Stadt im Kampf oft beigestanden haben, wobei sie besonders ihre Taten in den Perserkriegen (die Perser sind wohl mit βάρβαρος [1078] gemeint)214 hervorheben. Das Vorgehen der 211 […] ἀλλὰ καὶ σὺ τῦφε πολλῷ τῷ καπνῷ. – »[…] Aber du, räuchere (sie) auch mit viel Qualm ein.« (457). 212 […] παῖε τῷ ξύλῳ. – »[…] Schlag (sie) mit dem Holz(stock).« (458). 213 Vgl. z. B. Rothwell (2007) 110; Pütz (2008) 224. 214 Speziell ist wohl auf die Eroberung und Zerstörung Athens im Jahre 480 v. Chr. angespielt. Vgl. z. B. MacDowell (1971) 271; Biles; Olson (2015) 400.403.

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Perser wird in diesem Rahmen wie der Angriff auf ein Wespennest geschildert (1078–1080): […] ἡνίκ’ ἦλθ’ ὁ βάρβαρος, τῷ καπνῷ τύφων ἅπασαν τὴν πόλιν καὶ πυρπολῶν, ἐξελεῖν ἡμῶν μενοινῶν πρὸς βίαν τἀνθρήνια. […] als der Barbar (= die Perser) kam und mit Qualm die ganze Stadt ausräucherte und Feuer legte, begierig mit Gewalt unseren Wespenstock zu zerstören.

Wie schon in Vers 457 werden die Wespen mit Qualm ausgeräuchert und dabei jeweils die gleichen Worte gewählt. Athen wird einmal als πόλις und einmal als ἀνθρήνια (zu dieser Bezeichnung des Wespennestes s. o. 32) bezeichnet, was den doppelten Charakter des Chors als alte Männer einerseits und als Wespenschwarm andererseits unterstreicht. Darüber hinaus zeigt sich dieser doppelte Charakter auch in der Abwehr der Gegner, da sowohl menschliche Verhaltensweisen (1081–1084) als auch das für Wespen und Bienen typische Zerstechen des Gesichtes (s. o. 251) genannt werden.215 Im Epirrhema insgesamt wird vor allem auf die mit den Wespen verbundene Wehrhaftigkeit und auch ihre Sozialität verwiesen. Das Bild und die Charakterisierung der Wespen erinnern dabei an das Wespengleichnis im 16. Gesang (259–267) der Ilias. Hier werden die Myrmi­donen um Patroklos mit einem am Wegesrand nistenden Wespenschwarm verglichen, der sich gegen Menschen (Kinder oder einen Wanderer216) für ihre Nachkommen (οἷσι τέκεσσι; 265) zur Wehr setzt. Eine ähnliche Aussage enthält auch das Gleichnis im 12. Gesang (167–172) der Ilias, in dem Bienen oder Wespen für ihre Nachkommen das Nest gegen Jäger verteidigen (ἄνδρας θηρητῆρας ἀμύνονται περὶ τέκνων; 170).217 215 οἱ δ’ ἔφευγον τὰς γνάθους καὶ τὰς ὀφρῦς κεντούμενοι· – »Diese aber (die Perser) flohen an Wangen und Augenbrauen zerstochen.« (1088). Bereits im vorangehenden Vers (1087) wurde das Stechen in die Hosen (εἰς τοὺς θυλάκους) als »Harpunieren von Thunfischen« (θυννάζοντες) bezeichnet. 216 Es wurde in der Forschung diskutiert, ob es sich dabei um eine Zusammenfassung von zwei Varianten des Gleichnisses handelt. Vgl. dazu z. B. Friedländer (1849) 586 f.; Fränkel (1977) 72; Jachmann (1958) 329–331 (im Detail aber mit heftiger Kritik an Fränkel), die die beiden menschlichen Aggressoren für Dubletten halten, sowie Kakridis; Kapsomenos (1960), die gegen Jachmann für die Einheit des Gleichnisses argumentieren. Kakridis und Kapsomenos schließen sich auch Marcovich (1962); Janko (1992) 352 und Erbse (2000) 266–268 an. In Lykophrons Alexandra (180–182) werden – wohl in Anspielung auf das homerische Gleichnis – die Griechen mit Wespen verglichen, die Paris wie ein Knabe mit Rauch gereizt habe. Vgl. dazu Hornblower (2015) 164 und Horn (2016) 159–161. 217 Es gibt im Corpus Aesopicum (215) auch die Fabel von den Wespen, den Rebhühnern und dem Bauern. Hier bieten die Wespen dem Bauern an, mit ihren Stacheln Diebe von den Weinstöcken fernzuhalten, um von ihm im Gegenzug Wasser zu bekommen. Dieser lehnt es jedoch ab. Auch in diesem Falle ist die Wehrhaftigkeit der Wespen nicht negativ dargestellt.

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Weitere Aspekte werden im Antepirrhema (1102–1121) genannt. Zunächst wird darauf verwiesen, dass die Choreuten in Bezug auf ihren Charakter und ihren Lebenswandel den Wespen sehr ähnlich seien (τοὺς τρόπους καὶ τὴν δίαιταν σφηξὶν ἐμφερεστάτους; 1103). Als erster und wohl wichtigster gemeinsamer Charakterzug wird dabei die Reizbarkeit und Aggressivität (ζῷον ἠρεθισμένον [1104]; ὀξύθυμον; δυσκολώτερον [1105]) angeführt. Dieser Charakterzug scheint, wie bereits oben gesagt, ein zentrales Motiv des Stückes zu sein. Im Folgenden wird vor allem das »Sozialleben« beschrieben, wobei menschliche und tierische Sphäre stark miteinander vermischt werden. So versammeln sich die Richter in Schwärmen wie in den Wespennestern (ξυλλεγέντες γὰρ καθ’ ἑσμοὺς ὥσπερ εἰς ἀνθρήνια; 1107) und gehen dann ihrer »Arbeit« in den verschiedenen Gerichten nach (1108 f.). Man kann also durchaus von einer gewissen Arbeitsteilung sprechen. Der Aufenthalt in den Gerichtshöfen wird dabei wie der in einem Wespenstock geschildert (1109–1111): […] ὧδε πρὸς τοῖς τειχίοις ξυμβεβυσμένοι πυκνόν, νεύοντες εἰς τὴν γῆν, μόλις ὥσπερ οἱ σκώληκες ἐν τοῖς κυττάροις κινούμενοι. […] so sind wir an den Mauern dicht eingezwängt, zur Erde gebeugt,218 und wie die Larven bewegen wir uns kaum in den Zellen.

In diesem Staat soll es auch Drohnen geben, die mit den gängigen Eigenschaften der Bienendrohnen beschrieben werden (s.  2.5.3): Sie sind stachellos (οὐκ ἔχοντες κέντρον; 1115), sitzen zu Hause herum (μένοντες; 1115) und verzehren die Einkünfte anderer, ohne selbst etwas gearbeitet zu haben ([…] ἡμῶν τοῦ φόρου / τὸν γόνον219 κατεσθίουσιν οὐ ταλαιπωρούμενοι; 1115 f.). Wie bereits gesagt (s. o. 90), kann man aus diesen Versen nicht mit letzter Sicherheit schließen, dass Aristophanes von echten Wespendrohnen ausging, da er sie hier wie die Drohnen der Bienen beschreibt und generell keine scharfe Trennung der bienenund wespenartigen Tiere in seinen Komödien vollzieht.220 In jedem Fall kann man hier nicht von einem spezifischen Konzept von Wespendrohnen sprechen.

218 MacDowell (1971) 275 vermutet aus dieser Bemerkung, dass die Richter auf niedrigen Bänken saßen, die eine gebeugte Haltung verlangten. Dem schließt sich Sommerstein (1983) 222 an. Biles; Olson (2015) 412 sind aber eher skeptisch und vermuten, dass diese Aussage in erster Linie auf die Wespenlarven zu beziehen ist. 219 Biles; Olson (2015) 413 lesen hier mit Dobree πόνον (die Verwechslung von Π und Γ kann in Handschriften leicht geschehen) und übersetzen es mit »the hard work represented by what we bring in.« Vgl. auch Borthwick (1990) 57–60. 220 Vgl. Meckenstock (1952) 12.

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Wie es bei der Beschreibung des Wespenkönigs in der Natura animalium (5,15) Aelians gezeigt werden konnte, sind die aus der Bienengesellschaft bekannten Topoi auf die Wespengesellschaft übertragen. Die stachellosen Drohnen stehen in dieser Komödie wohl für den in den folgenden Versen (1117–1119) beschriebenen Teil der männlichen Bevölkerung, der sich vor dem Kriegsdienst gedrückt hat und trotzdem den Richterlohn erhält.221 Dagegen möchten sich die Choreuten in Zukunft verwahren (1120 f.). Die primäre Eigenschaft, in der die alten Richter in der Komödie des Aristophanes mit den Wespen übereinstimmen, scheint nach diesen Ausführungen die Aggressivität und die Wehrhaftigkeit zu sein. Dazu kommt noch ihr Auftreten in Massen bzw. ihre Sozialität.222 Die Tatsache, dass das grammatikalische Geschlecht von σφήξ im Gegensatz z. B. zu μέλιττα oder ἀνθρήνη im Griechischen maskulin ist, wird kaum entscheidend für die Wahl dieses Tieres als Repräsentant der alten Richter gewesen sein,223 da in anderen Texten durchaus männlich konnotierte Gruppen mit Bienen verglichen werden – man denke nur an die zahlreichen Vergleiche zwischen einem Bienenschwarm und einem Heer (s. o.  268 und 6.2) – und auch in den Wespen selbst wird Philokleon mit einer λεπάς (»Napfschnecke«; 105) und einer μέλιττα (»Biene«; 106) oder einem βομβυλιός (»Hummel«; 106) verglichen sowie als μελίττιον (»Bienchen«; 366) angesprochen, ohne dass er dadurch verweiblicht wird. Wie Pütz224 wohl richtig bemerkt, scheinen die Tiervergleiche, die auf eine Person angewendet werden, der jeweiligen Situation angepasst zu sein. Man könnte also auch im Falle des Chores eher davon ausgehen, dass die Wahl eines Wespenschwarmes als geeignete Verbildlichung des Charakters der Richter in erster Linie den allgemein verbreiteten Konzepten von diesen Tieren geschuldet ist. Bienen werden zwar ebenfalls in gewissen Kontexten als aggressiv dargestellt (s. o. 251), diese Eigenschaft wird jedoch nicht so dominant mit ihnen verbunden wie mit den Wespen, denen man kaum eine andere Eigenschaft zuschreibt. Die Charakterisierung und (teilweise) Kostümierung der alten Richter als Wespen kann also durchaus als Kritik an dieser Gruppe verstanden werden, die durch die Gleichsetzung mit diesen Tieren eine Schlagkraft und Prägnanz erhält, wie sie durch einen Vergleich etwa mit Bienen wohl nicht erreicht werden könnte. Andererseits ist das Abwehren von Invasoren sicherlich ein positiver Aspekt ihrer Aggressivität. Die Verbindung von Wespen und Richtern ist auch in einer Fabel (3,13) des Phaedrus enthalten. Doch sind Motivik und Charakterisierung der Wespe völlig anders als bei Aristophanes. Der Inhalt der kurzen Fabel (17 Senare) mit dem Titel Apes et fuci vespa iudice lässt sich kurz zusammenfassen: Die Bienen (apes) 221 Vgl. auch MacDowell (1971) 275 f.; Sommerstein (1983) 222. 222 Vgl. auch Pütz (2008) 225. 223 So argumentiert jedoch Meckenstock (1952) 12. 224 Vgl. Pütz (2008) 222 f.

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haben in einer Eiche225 ihre Waben errichtet, auf die nun auch die Drohnen (fuci) Anspruch erheben. Dieser Streit wird vor die Wespe als Richterin getragen (Lis ad forum deducta est, vespa iudice; Vers 3). Obgleich diese den Charakter der beiden Parteien kennt, stellt sie sich unwissend. Da sie anhand des sehr ähnlichen Äußeren von Bienen und Drohnen (Non inconveniens corpus et par est color; Vers 6) kein Urteil fällen kann, fordert die Wespe die beiden Parteien dazu auf, neue Waben zu errichten und sie mit Honig zu füllen, sodass sie daran den rechtmäßigen Besitzer erkennen kann. Da sich die Bienen auf diese Bedingung (condicio) einlassen, die Drohnen aber nicht, wird es offensichtlich, wer der rechtmäßige Besitzer der Waben ist, sodass die Wespe die Bienen ins Recht setzt (Quapropter apibus fructum restituo suum; Vers 15). Die Wortwahl und die Darstellung des Rechtsstreites ist spezifisch römisch geprägt,226 sodass sich die Rolle der Wespe diesbezüglich schon stark von der der wespenartigen Richter bei Aristophanes unterscheidet. Wichtiger für diese Untersuchung sind jedoch die Eigenschaften, die die Wespe bzw. die Wespen in den jeweiligen Texten zum Richteramt befähigen. Wie bereits gesagt, sind diese Eigenschaften bei Aristophanes in erster Linie ihre Aggressivität und im weiteren Sinne noch ihr Leben in Gemeinschaft. Bei Phaedrus dagegen scheint es gar keine Eigenschaft zu sein, die im (vermeintlichen) Charakter der Wespe angelegt ist. Vielmehr ist die Wespe aufgrund der Tatsache qualifiziert, dass sie neben Biene und Drohn eine weitere ähnliche »Art« ist, die somit neutral entscheiden kann. Insbesondere die bei Aristophanes zentral hervorgehobene und auch sonst weit verbreitete Charakterisierung der Wespen als aggressiv geht dem iudex, der die Gerichtsverhandlung wohlüberlegt und listenreich führt, völlig ab. Die Charakterisierung der Wespe scheint gegenüber der der Bienen als fleißig und rechtschaffen und der der Drohnen als faul (inertes; Vers 2) und betrügerisch eher nebensächlich. Es zählt allein die Tatsache, dass die Wespe eine zwar ähnliche, aber doch andere »Art« ist. Weitergehende Deutungen einer Wespengesellschaft lassen sich aus dieser Fabel ebenfalls nicht gewinnen, da sich dem hier dargestellten »Staat« mit spezifisch römischer Gerichtsbarkeit offensichtlich mindestens die drei »Arten« Biene, Drohn und Wespe zugehörig fühlen. Eine enge Anknüpfung an die Darstellung des Aristophanes durch Phaedrus ist nach diesen Überlegungen also eher unwahrscheinlich.

225 Bienen sollen bevorzugt auf diesem Baum ihre Nester errichten, wie es etwa bei Theophr. Hist. pl. 3,7,6 und Frg. 435 Fortenbaugh = Frg. 190 Wimmer heißt. 226 Z. B. Lis ad forum deducta est, vespa iudice (Vers 3); Legem duabus hanc proposuit partibus (Vers 5); condicio (Vers 12); protulit sententiam (Vers 13); fructum restituo (Vers 15). Vgl. dazu auch Oberg (2000) 144.

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6.5 Die Gesellschaft der Ameisen 6.5.1 Allgemeines Ameisen werden neben den Bienen als zweites großes Beispiel einer vorbildlichen »staatlichen« Organisation im Tierreich genannt. Im Gegensatz zu diesen werden die Ameisen aber etwa von Aristoteles (Hist. an. I 1, 488 a 10–13) als ζῷα ἄναρχα (»Tiere ohne Herrscher«) bezeichnet. Interessanterweise scheint die Ameise im jüdischen Kulturkreis ebenso wahrgenommen worden zu sein, da sie im hebräischen Buch der Sprichwörter (6,7) folgendermaßen charakterisiert wird: »Sie hat keinen Meister, / keinen Aufseher und Gebieter.«227 Wie diese Wahrnehmung entstehen konnte, ist nicht leicht zu sagen. Die »Anarchie« der Ameisengesellschaft scheint wohl nicht gleichbedeutend mit einem chaotischen oder ungeordneten Zustand zu sein, da die vermeintlich guten Einrichtungen, die an die der menschlichen Gemeinschaften erinnern, in der Regel als gut abgestimmt und ordentlich beschrieben werden. Eine Ursache könnte jedoch in der mangelnden Identifikation eines »Anfüh­ rers« liegen. Zum einen wurden die geflügelten Geschlechtstiere teilweise als eigene »Art« aufgefasst und nicht etwa als Kaste innerhalb der Art (s. o. 96). Auch sind die geflügelten Tiere nicht ganzjährig zu sehen und die Königin entfernt bei vielen Arten ihre Flügel nach dem Hochzeitsflug. Die Königin oder – je nach Art – die Königinnen befinden sich bei Ameisen in der Regel in einer geschützten Kammer tief im Boden, sodass sie schon aus diesem Grund nicht leicht auszumachen sind. Auch scheint die Vorstellung von einem König bei sozialen Insekten in der Antike stark mit dem Anführen von Schwärmen verbunden zu sein (s. o. 272). Ein regelmäßiges Ausschwärmen eines Teils des Volkes mit einer Königin, wie es bei den Bienen der Fall ist, wurde bei Ameisen in der Antike wohl nicht beobachtet. Der Grund für die vermeintliche »Anarchie« der Ameisen könnte also in der fehlenden Wahrnehmung einer Königin oder eines Königs bei diesen Tieren liegen. Die »Staatsordnung« der Ameisen wird in den erhaltenen antiken Texten nicht explizit als Demokratie beschrieben oder gar als Gegensatz zu der Monar­ chie der Bienen dargestellt. Bienen und Ameisen werden im Gegenteil, wie bereits gesagt (s. o. 244), oft in einem Atemzug als typisches Beispiel eines guten sozialen Lebens im Tierreich angeführt. In der Neuzeit dagegen entstehen zahlreiche Texte, in denen das vermeintlich demokratische Staatsmodell der Ameisen der Monarchie der Bienen entgegengestellt wird.228 Für die Antike lässt sich allenfalls im Ikaromenippos (19) des Lukian eine gewisse »demokratische« 227 Der Text entspricht der der Einheitsübersetzung. 228 Vgl. dazu Peil (1983) 226–234; Werber (2013) 32–40.

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Staatsform der Ameisen ausmachen, wenngleich sie nicht explizit so genannt wird (dazu s. u. 322). Ein allgemeines Element, das sich in verschiedenen Kontexten finden lässt, ist das gute und harmonische Zusammenleben und -arbeiten der Ameisen mit den Angehörigen des gleichen Nestes, das dem Menschen durchaus als Vorbild dienen soll. Die Freundlichkeit gegenüber Freunden, aber der Hass gegenüber Feinden scheint bereits von Archilochos (Frg. 23,14–16 West) mit Ameisen verbunden worden zu sein (s. o. 130). Platon (Phd. 82  b 6 f.; s. o.  42) bezeichnet die Ameisen (neben den Bienen und den Wespen) als πολιτικὸν καὶ ἥμερον γένος (»soziale und zahme Art«). Dion Chrysostomos verwendet das Beispiel der Ameisen in einigen seiner Reden, etwa in der Oratio 40. In dieser Rede, die er in seiner Heimatstadt Prusa hielt, spricht er sich für ein friedliches Verhältnis seiner Heimatstadt zu Apameia aus. Insbesondere in Or. 40,40 dienen mehrere Tierarten, darunter Ameisen und Bienen, als Beispiele aus dem Tierreich, dass eine friedliche Koexistenz benachbarter Völker möglich ist. Damit übergeht er im Rahmen seines Arguments andere Berichte über die Aggressivität von Ameisen gegenüber ihren Feinden und die bekannten Schilderungen von Bienenkriegen (s. o. 258). Plutarch lobt gleich zu Anfang seiner Besprechung der Ameisen in der Schrift De sollertia animalium (11, 967 D 9) die Ameisengesellschaft, die jede Tugend widerspiegle ([…] πάσης ἔνεστιν ἀρετῆς ἔμφασις). Durch ein Homerzitat (ἔνθ’ ἔνι μὲν φιλότης […] – »darin ist aber Liebe […]«; Il. 14,216)229 nennt er als erste Tugend die Liebe. Als ein Zeichen für die Friedfertigkeit und gute Zusammenarbeit der Ameisen gilt außerdem die in mehreren Texten230 erwähnte Ansicht, dass die unbeladenen Tiere ihren beladenen Artgenossen Platz machen.

229 Bei Homer bezieht sich dies auf den Gürtel (κεστός ἱμάς) der Aphrodite, mit dem Hera Zeus verführen will. In diesem Gürtel sind all ihre Zauber (θελκτήρια) enthalten. Dies sind neben der φιλότης noch der ἵμερος (»Verlangen«) sowie die ὀαριστὺς πάρφασις (»vertrauliches Gespräch und Verführung«). 230 Z. B. Dio Chrys. Or. 40,32; 48,16; Plut. De soll. an. 11, 967 F 2–4; Ael. NA 2,25. Der Physiologos (12) wandelt diese Ansicht etwas ab, um es für die christliche Deutung passender zu machen. Gemäß der dort beschriebenen ersten Physis der Ameisen versuchen diejenigen, die kein Korn tragen, denen, die eines tragen, dieses nicht wegzunehmen (weder durch Worte noch mit Gewalt), sondern treten aus dem Weg und suchen sich ihre eigenen Körner. Der Physiologos verbindet dies mit der Geschichte von den fünf törichten und den fünf weisen Jungfrauen (Mt. 25,1–13). Nach Origen. C. Cels. 4,83 soll Kelsos behauptet haben, dass sich Ameisen gegenseitig beim Tragen von Lasten helfen. Bei Plutarch (De soll. an. 11, 967 F 4–6) heißt es, dass die Ameisen schwierig zu tragende Lasten durchbeißen und auf mehrere verteilen.

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6.5.2 Verwandlungssagen Verwandlungen von Menschen in Ameisen oder umgekehrt von Ameisen in Menschen sind in mehreren Texten überliefert. So verschieden die Geschichten, Sagen oder Fabeln im Einzelnen auch sein mögen, in der Regel wird betont, dass es sich dabei nur um eine Verwandlung der Gestalt handle, der Charakter und die Lebensweise der betroffenen Menschen und Ameisen aber gleich blieben. Dies zeigt eindrücklich die oft angenommene Vergleichbarkeit von Mensch und Ameise, die nicht auf morphologischer, sondern auf mentaler Ebene liegt. In einer Fabel des Corpus Aesopicum (166) wird die Entstehung der Ameisen folgendermaßen hergeleitet: Ein Bauer habe sich nicht mit seinen eigenen Erträgen zufriedengegeben, sondern habe seine Nachbarn bestohlen. Aus Zorn über die Gier (πλεονεξία) habe ihn Zeus in eine Ameise verwandelt. Eigens wird vermerkt, dass die Gestalt nun geändert sei, die Gesinnung aber nicht (ὁ δὲ καὶ τὴν μορφὴν ἀλλάξας τὴν διάθεσιν οὐ μετεβάλετο). Noch heute solle die Ameise also über die Kornfelder laufen, den Weizen und die Gerste von anderen einsammeln und für sich selbst verwahren (μέχρι γὰρ νῦν κατὰ τὰς ἀρούρας περιιὼν τοὺς ἄλλων πυρούς τε καὶ κριθὰς συλλέγει καὶ ἑαυτῷ ἀποθησαυρίζει). Neben der ausdrücklich genannten πλεονεξία zeigen sich hier also viele Eigenschaften, die der Ameise häufig zugeschrieben werden: die Ernährung von Körnern, das Sammeln von Nahrung, die sie nicht selbst hergestellt hat, sowie das Anlegen von Vorräten und Schätzen. Im Aeneis-Kommentar des Servius (Ad Aen. 4,402) wird die Geschichte der Jungfrau Myrmix angeführt, die von Minerva in eine Ameise verwandelt worden sein soll (dazu s. auch o. 231). Myrmix soll zunächst in der Gunst der Göttin gestanden haben. Nachdem Ceres die Saat (segetes) erfunden habe, habe Minerva den Athenern zeigen wollen, wie man die Saat leichter bereiten könne, und den Pflug erfunden. Myrmix habe dann aber den Pflugsterz (stiva) heimlich entwendet und sich vor den Menschen damit gebrüstet. Darüber erzürnt, habe Minerva sie in eine Ameise verwandelt. Auch als Ameise habe sie gewissermaßen ihren Charakter behalten und stehle weiterhin den Menschen das Getreide ([…] adversam frumentis, quae semper insequitur et subripit, […]). In diesen beiden Geschichten handelt es sich jeweils um Einzelpersonen, die in Ameisen verwandelt werden; im Falle der bekannten Sagen über die Entstehung der Myrmidonen wird jedoch ein ganzes Ameisenvolk in Menschen verwandelt. Diese Sage ist in vielen verschiedenen Versionen überliefert,231 für diese 231 Neben den im Folgenden genannten Stellen, z. B. Hes. Frg. 205 Merkelbach-West; Hyg. Fab. 52; Lukian Ikaromenippos 19; [Apollod.] Bibl. 3,158; Servius Ad Aen. 4,402, der im Anschluss an seine Geschichte von Myrmix schreibt, Zeus habe Ameisen vor allem aus Mitleid mit Myrmix und, um ihr Ehre zu bereiten, in Myrmidonen verwandelt. Vgl. Schmidt

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Arbeit sind aber die Versionen in den Metamorphosen Ovids und bei Strabon von besonderer Bedeutung, weil dort, wie es in der äsopischen Fabel und der Sage von Myrmix der Fall ist, auf die Ähnlichkeit des Charakters der Myrmidonen und der Ameisen hingewiesen wird. Ovid berichtet von der Verwandlung der Ameisen im 7. Buch seiner Metamorphosen innerhalb eines Berichtes von Aeacus, dem König von Aegina. Zu diesem sei der Athener Cephalus gelangt und habe um militärische Unterstützung gegen die Kreter gebeten. Als er sich über die vielen jungen Männer auf Aegina wunderte, die dasselbe Alter zu haben schienen ([…] tam par aetate iuventus; 7,514), während er alte Bekannte von früheren Besuchen vermisste ([…] multos tamen inde requiro, / quos quondam vidi vestra prius urbe receptus; 7,515 f.), habe ihm Aeacus von einer von Iuno gesandten Seuche berichtet, die die Bewohner der Insel Aegina dahingerafft habe (7,523–613). Schließlich habe sich Aeacus im Gebet an seinen Vater Iuppiter gewandt und als erstes günstiges Zeichen Blitz und Donner erhalten (7,619). Anschließend habe Aeacus auf einer Eiche Ameisen in großer Zahl bei ihrer Futterbeschaffung beobachtet und folgende Worte gebetet (7,627 f.): […] ›totidem, pater optime,‹ dixi / ›tu mihi da cives et inania moenia supple.‹ – »[…] ›Genauso viele, bester Vater,‹ sprach ich / ›gib du mir als Bürger und fülle die leeren Stadtmauern wieder auf.‹« In derselben Nacht habe Aeacus geträumt, dass die Ameisen von der Eiche geschüttelt werden und sich in Menschen verwandeln (7,634–642). Tatsächlich habe er am nächsten Tag neue Bürger vorgefunden, denen er sogleich die herrenlosen Äcker zugeteilt habe. Diese neuen Bürger beschreibt er folgendermaßen (7,654–657): Myrmidonasque voco nec origine nomina fraudo. corpora vidisti: mores, quos ante gerebant, nunc quoque habent; parcum genus est patiensque laborum quaesitique tenax et quod quaesita reservet. Myrmidonen nenne ich sie und ich enthalte den Namen die Herkunft nicht vor. Du hast ihre Körper gesehen: Den Charakter, den sie zuvor hatten, haben sie auch jetzt; es ist ein sparsames Geschlecht, erträgt Mühen geduldig und hält an Erworbenem fest und es ist eines, das die erworbenen Dinge bewahrt.

Die Herleitung des Namens »Myrmidonen« aus dem griechischen Wort für Ameise μύρμηξ ist hier nur angedeutet, nicht aber genau ausgeführt. Die Übereinstimmungen im Charakter betreffen die üblichen Eigenschaften, die man den Ameisen generell zuschrieb. Dies ist zum einen der große Arbeitseifer und (1933b) 1110 sowie Bömer (1976) 331 für diese und weitere Stellen. In Lykophrons Alexandra wird die Sage ebenfalls erwähnt. Hier (Vers 176) heißt es, Peleus habe »das sechsfüßige Heer der Ameisen in Männer verwandelt« (μύρμων τὸν ἑξάπεζον ἀνδρώσας στρατόν). μύρμος ist eine Nebenform von μύρμηξ.

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die Bereitschaft, Mühen auf sich zu nehmen, zum anderen aber die hier besonders betonte Sparsamkeit, die in diesen Versen gleich dreimal ausgedrückt wird (parcum genus; quaesiti tenax; quod quaesita reservet). Neben diesen explizit genannten Eigenschaften lassen sich aus dem Umfeld noch weitere nennen, in denen die Myrmidonen mit den Ameisen übereinstimmen. Dies sind neben ihrer großen Zahl und der Uniformität (tam par aetate iuventus [7,514]; pares annis animisque [7,658]), vor allem ihre Kriegstauglichkeit, aufgrund derer sie Cephalus und den Athenern zu Hilfe eilen werden, wie es Aeacus verspricht (7,658–660). Dazu sei noch darauf hingewiesen, dass die neuen Myrmidonen sogleich auf die nach der Seuche herrenlosen Äcker verteilt werden (7,652 f.). Eine enge Verbindung von Ameisen und Landwirtschaft, die bereits in der äsopischen Fabel und der Sage von Myrmix zu erkennen war, ist auch hier gegeben. Gardner232 versucht, eine Verbindung zwischen der Myrmidonen-Meta­ morphose bei Ovid einerseits und den Georgica Vergils andererseits herzustellen. Kann man seinen Ausführungen noch folgen, dass die Beschreibung der Seuche, die die ursprüngliche Bevölkerung Aeginas dahingerafft habe, stark von der Darstellung der sogenannten Norischen Seuche am Ende des 3. Buches der Georgica beeinflusst ist,233 so gilt das für seine weitere These, dass die Verwandlung von Ameisen bei Ovid das Motiv der Bugonie (dazu ausführlich Kapitel 4) bei Vergil aufgreift, eher nicht. Letztlich scheint seine These auf folgender Annahme zu beruhen: »The turn in Aristaeus’ narrative [gemeint ist das sogenannten Aristaeus-Epyllion, das die zweite Hälfte des 4. Buches der Georgica umfasst] that takes us from devastating illness, imprecation of divine parent, and restoration of an insect-born race is enough to suggest that Ovid is thinking of the fourth Georgic in his account of the Myrmidons.«234 Man kann bezweifeln, ob dies wirklich ausreichend (»enough«) ist, zumal man den nicht unerheblichen Einwand machen muss, dass bei Ovid ein Insektenvolk in ein menschliches Volk verwandelt wird. Bei der Bugonie entsteht aber ein Insektenvolk aus einem toten Rind. Es handelt sich dabei also gerade nicht um eine »insect-born race«. Während es sich in der Geschichte von den Myrmidonen in den Metamorphosen um einen menschlichen Staat handelt, geht es im 4. Buch der Georgica prinzipiell zunächst um die Gesellschaft der Bienen. Diese wird zwar stark anthropomorphisiert dargestellt, dass man dieses Buch aber deshalb ausschließlich allegorisch lesen muss – davon scheint Gardner wohl implizit auszugehen235 –, ist eine Sichtweise, der man nicht unbedingt folgen muss. Es erscheint, wie bereits oben (280) gezeigt, nicht unbedingt sinnvoll, Vergil unterstellen zu wollen, dass jedes 232 Vgl. Gardner (2014). 233 Diese These ist allerdings nicht neu: Vgl. z. B. Bömer (1976) 332–334 mit weiterer Literatur. 234 Gardner (2014) 27. 235 Wie aus der abschließenden Fußnote 39 (Seite 29) ersichtlich wird, ist Gardner von Perkell beeinflusst, die eine solche Herangehensweise vertritt.

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einzelne Detail seiner Beschreibung des Bienenstaates eine Entsprechung in der menschlichen Welt haben muss. Eine weitere für diese Arbeit interessante Version der Geschichte von der Entstehung der Myrmidonen bietet Strabon in seinen Geographica (8,6,16):236 Μυρμιδόνας δὲ κληθῆναί φασιν οὐχ ὡς ὁ μῦθος τοὺς Αἰγινήτας – ὅτι λοιμοῦ μεγάλου συμπεσόντος οἱ μύρμηκες ἄνθρωποι γένοιντο κατ’ εὐχὴν Αἰακοῦ –, ἀλλ’ ὅτι μυρμήκων τρόπον ὀρύττοντες τὴν γῆν ἐπιφέροιεν ἐπὶ τὰς πέτρας, ὥστ’ ἔχειν γεωργεῖν, ἐν δὲ τοῖς ὀρύγμασιν οἰκοῖεν φειδόμενοι πλίνθων. Man sagt, dass die Bewohner von Aigina Myrmidonen genannt werden, nicht wie es in der Sage heißt – weil nach einer großen Seuche die Ameisen auf eine Bitte des Aiakos hin zu Menschen wurden –, sondern weil sie (die Bewohner von Aigina) nach Art der Ameisen die Erde aufgegraben und sie auf den Felsen verteilt haben, sodass sie Ackerbau betreiben konnten, und sie in den Gruben lebten und (so) Lehmziegel sparten.

Die Aussageabsicht und die Darstellungsweise dieses Textes ist naturgemäß eine ganz andere als die der Metamorphosen Ovids. Insofern muss es nicht ungewöhnlich erscheinen, dass Strabon gerade die für Ovid zentrale Verwandlung von Ameisen in Menschen beiseiteschiebt und eine »rationalere« Version bietet. Seine Etymologie des Namens verrät jedoch indirekt etwas über sein Ameisenkonzept. Eine wichtige Eigenschaft dieser Tiere, die nicht nur in dieser Passage betont wird, ist ihr Nestbau unter der Erde (dazu s. 6.5.3) und der dazu nötige Aushub. Diese Tatsache allein scheint schon fast genügend, um die Aigineten mit Ameisen gleichzusetzen. Dazu kommt noch eine gewisse Verbindung zum Ackerbau, der auch in den anderen Verwandlungssagen bereits angesprochen wurde. In diesem Falle sollte man die Analogie aber nicht zu weit treiben: Sicherlich will Strabon hier nicht andeuten, dass die Ameisen ebenfalls eigens eine Ackerkrume schaffen. Auch die Sparsamkeit ist eine Eigenschaft, die den Ameisen und den Myrmidonen (an dieser Stelle in Bezug auf die Lehmziegel) zugeschrieben wird. Bei Homer ist die Herkunft der Myrmidonen von Ameisen noch nicht thematisiert. Doch bietet ihre Charakterisierung Ansatzpunkte, aufgrund derer man sie vielleicht später mit Ameisen in Verbindung bringen konnte. Dies betrifft in erster Linie ihre große Zahl237 und ihren Kampfesmut238. Im attischen Drama erscheinen die Myrmidonen als Titel einer Tragödie des Aischylos (mit Frg. 131–142 TrGF) sowie auch einer Komödie des Strattis (mit Frg. 37 PCG)239 und des Philemon (mit Frg. 46). Soweit es sich aus den Fragmenten des Aischylos 236 Sehr ähnlich ist auch Theogenes 300 Frg. 1 FGrH. 237 Z. B. Hom. Il. 2,685; 16,168 f.; 21,188. Vgl. Schmidt (1933b) 1109 für diese und weitere Stellenangaben. 238 Z. B. Hom. Il. 16,65.266; 23,5.129. Vgl. Schmidt (1933b)  1109 für diese und weitere Stellenangaben. 239 Vgl. dazu Orth (2009) 175–179; Storey (2011) III 251.

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rekonstruieren lässt, scheint die Metamorphose der Myrmidonen aus Ameisen zumindest nicht das Hauptthema der Tragödie gewesen zu sein. Aus den Fragmenten der Komödien lässt sich nicht erkennen, wie das Thema der mythischen Myrmidonen behandelt wurde, wenn es denn überhaupt aufgegriffen wurde.240 Auf eine mögliche Verbindung zur Myrmidonensage oder zu einer vermenschlichten Darstellung von Ameisen weisen auch die Komödientitel Myrmekes (Plato Comicus241; Kantharos242) und eventuell auch Myrmex (Poseidippos) hin. Die Myrmekanthropoi des Pherekrates scheinen primär die Geschichte von Deukalion und Pyrrha behandelt zu haben, wobei die neuen Menschen nach der Flut nicht aus Steinen, sondern eventuell ähnlich wie in der Sage von den Myrmidonen aus Ameisen entstanden sein könnten, wenngleich es dazu keine direkten Belege gibt.243 Deukalion wird explizit in Frg. 125 PCG angesprochen. Die Fragmente Frg. 118 und 119 PCG könnten auf eine Sturmflut und Überschwemmung hinweisen. Über eine mögliche etymologische Verwandtschaft von μύρμηξ und Μυρμιδόνες schweigen die entsprechenden Lexika leider. Schmidt244 spricht sich in seinem RE -Artikel dafür aus, dass beide Wörter durchaus auf dieselbe Grundsilbe zurückgehen könnten. Kretschmer dagegen hält die Herleitung der Myrmidonen aus dem Wort μύρμηξ für eine »etymologische Spielerei«.245

6.5.3 Der Aufbau des Ameisennestes Im Gegensatz zu den Vorstellungen moderner Mitteleuropäer gehen die meisten antiken griechischen und lateinischen Texte nicht von einem Hügel als proto­ typischer Nestform der Ameisen aus, sondern von einem unterirdischen Höhlensystem, in das man durch ein Loch auf der Oberseite gelangt.246 240 Orth (2009) 175 f. spricht sich für eine mögliche Identität der Myrmidonen und des Kinesias aus. Es könnte sich dabei um eine Parodie der Myrmidonen des Aischylos handeln. 241 Vgl. dazu Pirotta (2009) 191. 242 Vgl. dazu Bagordo (2014) 233. Bagordo spricht sich dafür aus, dass es in dieser Komödie eher um die vermeintliche Sage von den Ameisen im Hymettos (dazu s. 2.10.3) als um die Myrmidonen ging. Letztlich ist dies angesichts der Tatsache, dass weder Fragmente noch Testimonien zu dieser Komödie überliefert sind, spekulativ. 243 Zuerst scheint wohl Kock (1880) I 178 in seiner Fragmentsammlung diese These aufgestellt zu haben. Ihm schließen sich die meisten anderen Forscher an, z. B. Norwood (1964) 161; Storey (2011) II 477. Henderson (2002) 136 äußert sich etwas vorsichtiger und geht zwar von einem mythischen Inhalt aus, in dem Deukalion und Pyrrha auftreten, sagt aber anschließend nur: »the title and its fragments suggest something more fantastic than mythical.« Eine direkte Beziehung zur Sage von den Myrmidonen stellt er nicht her. 244 Vgl. Schmidt (1933b) 1111. 245 Kretschmer (1913) 308. 246 Neben den im Folgenden genannten Stellen z. B.: [Aesch.] PV 452 f., wo Prometheus sagt, dass die Menschen unter anderem wie Ameisen in unterirdischen, dunklen Höhlen

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Tatsächlich errichten etwa Arten der Gattung Messor, die vermutlich der natürliche Ausgangspunkt vieler antiker Beschreibungen von Ameisen waren, solche Erdnester und umgeben den Eingang mit einem Sandwall.247 Ein solches Nest dürfte wohl den stark anthropomorphisierten Beschreibungen bei Plutarch (De soll. an. 11, 968 A 8 – B 5) und Aelian (NA 6,43) zugrunde liegen. Ameisennesters scheinen in der Antike zu Studienzwecken ausgegraben worden zu sein, wie aus der ablehnenden Haltung gegen dieses Vorgehen bei Plutarch deutlich wird (De soll. an. 11, 968 A 8 f.): τοὺς δὲ τὰς μυρμηκιὰς αὐτῶν ἐπὶ τῷ καταμαθεῖν ὥσπερ ἐξ ἀνατoμῆς πηροῦντας248 οὐκ ἀποδέχομαι· – »Die­ jenigen, die die Ameisennester zum genauen Studium wie bei einer Sektion zerstören, heiße ich nicht gut.« Plutarch beschreibt zunächst wortreich die gewundenen Gänge, die von der Öffnung an der Oberseite hinabführen, welche für andere Tiere nicht leicht zu durchqueren seien. Diese Gänge mündeten schließlich in drei Höhlungen (κοιλότης), deren Funktionen so beschrieben werden (De soll. an. 11, 968 B 3–5): […] ὧν (sc. κοιλοτήτων) τὴν μὲν ἐνδιαίτημα κοινὸν αὐτοῖς εἶναι, τὴν δὲ τῶν ἐδωδίμων ταμεῖον, εἰς δὲ τὴν τρίτην ἀποτίθεσθαι τοὺς θνήσκοντας. […] von denen soll eine (der Höhlungen) ein gemeinsamer Aufenthaltsraum für sie sein, eine zweite der Lagerraum des Futters und in die dritte sollen sie die Toten bringen.

In dieser Raumaufteilung kann man gewissermaßen die Verhaltensweisen erkennen, die als Besonderheiten der Ameisen galten. Dies ist zum einen ihre Sozialität, zum zweiten ihre Vorratshaltung249 und zum dritten die Bestattung ihrer Toten (dazu ausführlich 6.5.4). Jeder dieser Verhaltensweisen wird so ein eigener Raum zugeteilt, wobei der letztgenannte Raum, der die Toten beinhalten soll, prominent an den Schluss gestellt wird (das Kapitel über die Ameisen lebten, bevor er sie gelehrt habe (κατώρυχες δ’ ἔναιον ὥστ’ ἀήσυροι / μύρμηκες ἄντρων ἐν μυχοῖς ἀνηλίοις). Babrios (2,108,8 f.), wo die Stadtmaus das Leben der Landmaus folgendermaßen beschreibt: ›μύρμηκος‹ εἶπε ›ζῇς βίον ταλαιπώρου, / ἐν πυθμέσιν γῆς κρίμνα λεπτὰ βιβρώσκων.‹ – »›Du lebst das Leben einer leidgeprüften Ameise, indem du mageren Gerstenschrot in den Tiefen der Erde nagst.‹« Philostr. Imag. 2,22, wo von den Pygmäen gesagt wird: οἰκοῦσι γὰρ οἱ Πυγμαῖοι τὴν γὴν ὅσα μύρμηκες καὶ ἀγορὰν ἐναποτίθενται, ἐπισιτίζονται δὲ οὐκ ἀλλότρια, ἀλλ’ οἰκεῖα καὶ αὐτουργά, […] – »Die Pygmäen leben nämlich in der Erde wie die Ameisen und legen Vorräte an, sie essen aber nicht noch zusätzlich von fremden (Vorräten), sondern von ihren eigenen und selbst hergestellten, […].« Die Pygmäen sind also in ihrem Wohnort und ihrer Vorratshaltung mit den Ameisen vergleichbar. Die wichtige Eigenschaft der Ameisen, keine Nahrung selbst herzustellen, sondern die Produkte anderer zu sammeln (dazu s. o. 250), teilen sie jedoch nicht. 247 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 403. 248 Dies entspricht der Lesart bei Bouffartigue (2012) 23. 249 Die Vorratshaltung könnte in diesem Falle den Fleiß und die Fähigkeit zur Vorsehung beinhalten.

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endet auch hier). Dies unterstreicht den außergewöhnlichen und menschenähnlichen Charakter der Ameisen, den Plutarch hier postuliert. Die Absicht, die prominenten Verhaltensweisen der Ameisen im Aufbau des Nestes abzubilden, könnte vielleicht auch das Kuriosum erklären, wieso in dieser Darstellung die Toten nicht aus dem Nest getragen werden, wie es in anderen Passagen üblicherweise geschildert wird.250 Der Aufbau des Ameisennestes251 bei Aelian (NA 6,43) ist im Prinzip sehr ähnlich. Er vergleicht zunächst die gewundenen Gänge des Ameisenbaus mit ägyptischen Grabanlagen (σύριγγες Αἰγύπτιαι) und dem kretischen Labyrinth. Ausgehend von der Weisheit (σοφία) der Ameisen betont er ähnlich wie Plutarch, dass es die komplexe Anlage des unterirdischen Gangsystems feindlich gesinnten Tieren erschwere, sich darin zurechtzufinden. Anschließend nennt Aelian eine Art Wall (οἱονεὶ τείχη τινὰ καὶ προβλήματα), den die Ameisen aus dem Aushub errichten. Wie bereits gesagt, findet sich dies tatsächlich bei Nestern von Messor spec., Plutarch erwähnt es jedoch nicht. Vor dem Hintergrund der von ihm angenommenen menschenähnlichen Weisheit der Ameisen deutet Aelian dies als Schutz vor Überschwemmungen. Wie Plutarch geht er von drei großen Räumen im eigentlichen unterirdischen Nest aus. Er scheint jedoch anzunehmen, dass die Ameisen kunstvoll Mauern in die Höhlungen einziehen und so drei Räume voneinander abgrenzen (αἱμασιὰς δέ τινας μέσας διειργούσας ἀπ’ ἀλλήλων τοὺς χηραμοὺς διατειχίζουσι καὶ μάλα ἐντέχνως). Diese drei Räume beschreibt er noch stärker anthropomorphisierend als Plutarch wie die Bereiche eines prächtigen und vornehmen Hauses (ὡς ἐν οἰκίᾳ σοβαρᾷ): καὶ τὸν μὲν ἀποφαίνουσιν ὅσον ἀνδρῶνα εἶναι, ἐν ᾧ διαιτῶνται οἱ ἄρρενες καὶ ὅσον σὺν αὐτοῖς θῆλυ· τὸν δὲ ἕτερον, ἔνθα ἀποτίκτουσι κύουσαι μύρμηκες, οἱονεὶ γυναικῶνα· τρίτον δ’ ἕτερον θησαυρόν τε καὶ σιρὸν ἀποκρίνουσι τοῖς ἠθροισμένοις σπέρμασι. Den ersten (sc. von drei Räumen) machen sie gewissermaßen wie ein Männergemach, in dem die männlichen (Tiere) ihr Leben verbringen und alle Weibchen, die bei ihnen sind; den zweiten, in dem die schwangeren Ameisen gebären, wie ein Frauen­gemach; als dritten weiteren (Raum) teilen sie noch eine Schatzkammer und Lagerstätte für die gesammelten Samenkörner ab.

Obwohl Aelian die gleiche Anzahl an Räumen nennt wie Plutarch, ordnet er sie anderen Bereichen zu. Allein das Lager für die Samen scheint gleich zu sein.252 250 Es ist allerdings anzumerken, dass einige Ameisenarten tatsächlich Tote begraben. Vgl. z. B. Sun; Zhou (2013) und Davies; Kathirithamby (1986) 39 mit den dort angegebenen Referenzen. 251 Zu seiner Beschreibung des Nestes der sogenannten Ἰνδικοὶ μύρμηκες s. 2.9.3. 252 Davies; Kathirithamby (1986) 39 mit Anm. 3 sehen nur den Unterschied zwischen dem Frauengemach bei Aelian und dem Raum für die Toten bei Plutarch. Offenbar interpretieren sie das Männergemach bei Aelian als Äquivalent zum Gemeinschaftsraum bei Plutarch.

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Dies ist vielleicht mit der bereits angeführten Tatsache zu erklären, dass Aelian (oder seine Quellen) auf eine noch stärker anthropomorphe Darstellung des Ameisennestes abzielt und daher bemüht ist, die Räume mit den Bereichen eines großen menschlichen Hauses bzw. Palastes in Übereinstimmung zu bringen. Neben den üblichen Beschreibungen von unterirdischen Ameisennestern werden Ameisen auf Bäumen seltener erwähnt, wenngleich es nach moderner Kenntnis einige Arten (wie etwa Camponotus ligniperda oder Camponotus herculaneus253) gibt, die in einem solchen Habitat leben. Bei Plinius (HN 10,206) heißt es etwa, dass sich Raupen (urucae) von einer arbor formicosa fernhielten. Das Adjektiv formicosa ist ein hapax legomenon und bezeichnet hier wohl einen Baum voller Ameisen.254 Damit ist aber nicht zweifellos gesagt, dass die Ameisen dauerhaft auf dem Baum leben.255 Gleiches gilt für die Ameisen, die Aeacus in der Geschichte von den Myrmidonen in den Metamorphosen Ovids (7,624–626) auf einer Eiche sieht (dazu s. o. 315). In den Metamorphosen (8,22,6) des Apuleius ist allerdings tatsächlich von einem morschen Stamm eines Feigenbaums die Rede, der einer großen Zahl von Ameisen als Nest dient ([…] arbori ficulneae, cuius in ipso carioso stipite inhabitantium formicarum nidificia borriebant et ultro citro commeabant multiiuga scaturrigine). Wie bereits bei den Bienen gesehen (s. o. 267), finden sich auch bei den Ameisen verschiedene Ebenen der menschlichen Gesellschaft, die als dem Ameisenstaat äquivalent dargestellt werden. Aelian und, wenngleich etwas weniger deutlich, auch Plutarch beschreiben die Ameisennester wie einen menschlichen Palast. In anderen Zusammenhängen wird ein etwas größerer Maßstab angelegt. Dies betrifft etwa die Vergleiche mit einem Heer (dazu s. o. 264) oder großen Volksmengen (dazu s. o. 248), aber insbesondere auch die Beschreibungen des Ameisennestes mit Begriffen für Einrichtungen eines menschlichen Staatswesens. So spricht etwa Plinius (HN 11,108) von einer Arbeitsteilung (et hae communicant laborem) und einer Ordnung des Gemeinwesens (rei publicae ratio) bei den Ameisen. Auch scheint Plinius (HN 11,109 f.) ebenso wie Aelian (NA 1,21) von einem gewissen Kalender mit bestimmten Arbeits- und Ruhetagen in der Ameisengesellschaft auszugehen (dazu s. o. 53). In der Darstellung des Plinius (HN 11,109 f.) dienen gewisse Markttage dem Austausch darüber, welche Waren besorgt wurden: et quoniam ex diverso convehunt altera alterius ignara, certi dies ad recognitionem mutuam nundinis dantur. (110) quae tunc earum concursatio, quam diligens cum obviis quaedam conlocutio atque percontatio!

253 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 239 f. 254 Der TLL gibt in seinem Lemma »formicosus« die Bedeutung »formicis occupatus« an. 255 Beavis (1988) 202 scheint dies aber aus dieser Stelle zu schließen.

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Und da sie aus verschiedenen Richtungen (Waren) zusammentragen, ohne dass die eine von der anderen weiß, werden feste Tage zur gegenseitigen Besichtigung an Markttagen vorgegeben. (110) Welch ein geschäftiges Zusammenlaufen dieser (Tiere) findet dann statt, wie gewissenhaft ist die Besprechung und Befragung der Entgegenkommenden!

Diese Maßnahme erscheint logisch. Während etwa bei Bienen die Organisation des Staates dem König obliegt und dieser teilweise auch für die Verwahrung der Vorräte zuständig ist (dazu s. o. 279), sind genaue Absprachen in einem »anarchischen« System wie dem der Ameisen notwendig, um die Ordnung beizu­ behalten und einen reibungslosen Ablauf der Arbeiten zu gewährleisten. Da man sich das Verhalten der einzelnen Akteure in der Insektengesellschaft teilweise als analog zu dem der Menschen vorstellt, ist es leicht erklärlich, warum menschliche Einrichtungen in das Ameisennest hineinprojiziert werden. Eine interessante Darstellung eines Ameisenstaates bietet Lukian in seinem Ikaromenippos (19). Die Gesellschaft der Ameisen wird hier explizit als πόλις beschrieben. Man könnte sogar gewisse demokratische Elemente in dieser Beschreibung entdecken. So spricht er etwa von ἐν τῷ μέσῳ πολιτευόμενοι (»die in der Öffentlichkeit die Geschäfte des Staates besorgen«) sowie von Demagogen und Prytanen. Er beschreibt zunächst das geschäftige Treiben am Eingang des Ameisennestes und die Arbeitsteilung (wozu auch die bereits genannte politische Betätigung gehört), die man beobachten könne, und schließt dann daraus Folgendes: εἰκὸς δὲ εἶναι256 παρ’ αὐτοῖς κατὰ λόγον τοῦ μυρμήκων βίου καὶ οἰκοδόμους τινὰς καὶ δημαγωγοὺς καὶ πρυτάνεις καὶ μουσικοὺς καὶ φιλοσόφους. πλὴν αἵ γε πόλεις αὐτοῖς ἀνδράσι ταῖς μυρμηκιαῖς μάλιστα ἐῴκεσαν. Es ist aber wahrscheinlich, dass es bei ihnen nach Berücksichtigung der Lebensweise der Ameisen auch gewisse Bauarbeiter, Demagogen, Prytanen (Ratsherren), Musiker und Philosophen gibt. Zudem glichen wenigstens die Städte mit ihren Menschen den Ameisennestern in hohem Maße.

Aus beobachtbaren Verhaltensweisen wie der Entsorgung von Unrat (κόπρος) oder dem Transport von Nahrung wird hier auf eine deutlich komplexere und anthropomorphere Gesellschaft im Ameisennest geschlossen. Die Passage schließt mit einem Verweis auf die Verwandlung der Myrmidonen (s. o. 315), um den 256 MacLeod liest in seiner Ausgabe hier ἦν statt εἶναι, das etwa Harmon in der LoebEdition oder Bompaire in der Edition der Collection Budé lesen. Gegen die Lesart ἦν spricht wohl, dass der Ausdruck εἰκὸς ἦν eine unerfüllbare Forderung (»es wäre wahrscheinlich gewesen« bzw. »es wäre wahrscheinlich [sc. es ist aber nicht so]«) bezeichnet (vgl. KG § 391,5). In diesem Kontext scheint jedoch durchaus eine anthropomorphe Gesellschaft im Ameisennest angenommen zu sein, sodass die Unerfüllbarkeit nicht passend ist.

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Vergleich zwischen Ameisenstaat und den Menschen (τὸ ἀνθρώπους εἰκάσαι τῇ μυρμήκων πολιτείᾳ) plausibel zu machen. Auch Kelsos scheint von einem der menschlichen Gesellschaft vergleichbaren Ameisenstaat ausgegangen zu sein, soweit man dies aus seiner Widerlegung bei Origenes nachvollziehen kann und darf. Offenbar hat er die Verschiedenheit von Ameisen und Bienen auf der einen Seite und den Menschen auf der anderen Seite negiert (C. Cels. 4,81), da es Städte (πόλεις), eine Staatsordnung (πολιτεία), Ämter (ἀρχαί) und Herrschaftsverhältnisse (ἡγεμονίαι) nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Bienen und Ameisen gebe (dazu s. auch o. 47). Im Folgenden ist allerdings nur noch von einem Herrscher bei den Bienen die Rede und auch nach C. Cels. 4,83 scheint Kelsos in erster Linie die Bienen in den bereits genannten Kategorien Städte, Staatsordnungen, Ämter und Herrschaftsverhältnisse sowie Kriege im Interesse des Vaterlands (τοὺς ὑπὲρ τῶν πατρίδων πολέμους) als den Menschen überlegen dargestellt zu haben. Daran soll er einen Lobpreis der Ameisen (μυρμήκων ἐγκώμιον) angefügt haben, in dem er ihre Vorratshaltung hervorgehoben haben soll.257 Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass Kelsos keine konkrete Vorstellung von der Herrschaft und der »Verfassung« des Ameisenstaates entwickelt hatte. Vielmehr werden die anthropomorph gesehenen Insektenstaaten der Bienen und Ameisen zunächst in einem Atemzug genannt und darauf einzeln als konkretere Beispiele für Eigenschaften und Einrichtungen aufgeführt, die in erster Linie einem der Tiere zugeschrieben wurden. Dies dürfte im Falle der Bienen ihre staatliche Ordnung und im Falle der Ameisen ihre Vorsorge gewesen sein.

6.5.4 Die Bestattung der Toten258 Als eine Besonderheit der Ameisengesellschaft wird die Bestattung ihrer Toten genannt. Tatsächlich beseitigen alle sozialen Insekten tote Individuen, wohl um Krankheiten vorzubeugen. Einige Ameisenarten bringen die Toten zu einem bestimmten Platz, der relativ weit vom Nest entfernt ist.259 Dieses Verhalten dürfte wohl den Ausgangspunkt der teilweise sehr anthropomorph beschriebenen Bestattungen bei Ameisen in der Antike gewesen sein.

257 Origenes selbst sagt ebenfalls (C. Cels. 4,81), dass die Bienen den Menschen unter anderem als Beispiel für Obrigkeitshörigkeit (κατανοοῦντές τε μέλισσας πείθωνται μὲν ἡγεμονίαις […]) dienen können, die Ameisen aber als Beispiel für Fleiß und Vorratshaltung (ἐνορῶντες μύρμηξιν ἐργατικώτεροι γίνωνται καὶ ταμιευτικώτεροι τῶν ἑαυτοῖς χρησίμων). 258 Die im Folgenden besprochenen Stellen werden größtenteils auch bei Davies; Kathiri­ thamby (1986) 41 und Beavis (1988) 202 jeweils kurz genannt. 259 Eine gute Übersicht über den biologischen Forschungsstand bietet der Artikel (Review) von Sun und Zhou (2013).

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Bei Plinius (HN 11,110) heißt es etwa: sepeliunt inter se viventium solae praeter hominem. – »Sie bestatten einander als einzige unter den Lebewesen außer dem Menschen.« Kurz berichtet auch die Autorpersona in einem dem Paxamos zugeschriebenen Kapitel der Geoponica (13,10,14), dass sie gehört habe, dass Ameisen ihre toten Artgenossen auf den Schultern hinaustrügen (ἤκουσα, ὡς καὶ ἀποθανόντα μύρμηκα ἕτερος φέρει ἐπὶ τῶν ὤμων μύρμηξ). Nach einer bei Origenes (C. Cels. 4,84) angeführten Passage des Kelsos scheint dieser ebenfalls von einer Art Friedhof der Ameisen ausgegangen zu sein: […] τοῖς ἀποθνήσκουσιν μύρμηξί φησι τοὺς ζῶντας ἴδιόν τι ἀποκρίνειν χωρίον, κἀκεῖνο αὐτοῖς εἶναι πάτρια μνήματα, […]. […] Er (Kelsos) sagt, dass die lebenden den toten Ameisen einen gewissen eigenen Platz abtrennten und dass dieser die Gräber ihrer Vorväter bilde, […].

Die stark vermenschlichende Sicht des Kelsos auf die Ameisengesellschaft zeigt sich nicht zuletzt in dieser Beschreibung. Während für Plinius oder den Autor der angeführten Stelle aus den Geoponica die Besonderheit der Ameisen darin besteht, dass sie ihre toten Artgenossen bestatten bzw. aus dem Nest tragen, geht Kelsos noch etwas weiter. Er spricht ausdrücklich von πάτρια μνήματα, was eine Fähigkeit zu Gedenken und Trauer sowie ein gewisses Verständnis von Familie und Abstammung impliziert. Dadurch wird die Menschenähnlichkeit der Ameisen nicht nur in Bezug auf ihre Sozialität, sondern auch auf ihre geistigen und emotionalen Fähigkeiten deutlich hervorgehoben. Besonders eindrücklich widmet sich Aelian den Bestattungsriten der Ameisen an mehreren Stellen seiner Natura animalium. In Kapitel 5,49 stellt er fest, dass zwar auch andere Tiere wie Mäuse, Schwalben und Bienen (zum Verhalten der Bienen gegenüber Toten s. auch o. 54) ihre Toten entfernen, die Bestattung der Ameisen wird aber besonders betont: μύρμηκες δέ, καὶ ἐκείνοις ἐκφορᾶς νεκρῶν μέλειν καὶ καθαίρειν τοὺς σφετέρους χηραμοὺς ἡ σοφωτάτη φύσις ἔδωκεν, ἐπεὶ καὶ τοῦτο ἴδιον τῶν ἀλόγων, τὰ ὁμογενῆ τε καὶ ὁμοφυῆ τεθνεῶτα τῶν ὀφθαλμῶν ἀποφέρειν θᾶττον. Die Ameisen aber, – auch ihnen hat es die überaus weise Natur gegeben, sich um die Bestattung der Toten zu kümmern und ihre Erdlöcher zu reinigen, da ja auch dies eine Eigentümlichkeit der vernunftlosen Tiere ist, dass sie sich verwandte und gleichgestaltige Tote ziemlich schnell aus den Augen schaffen.

An dieser Stelle scheint die Entfernung der Toten in erster Linie noch der Reinhaltung des Ameisenbaus zu dienen und damit noch relativ naturnah geschildert zu sein. Anders verhält es sich jedoch mit einem weiteren Bericht (NA 6,43):

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σοφὸν δὲ καὶ ἐκεῖνο προσακήκοα, ὅτι ἄρα τοὺς τεθνεῶτας μύρμηκας οἱ προσήκοντες ἐν ταῖς τῶν πυρῶν κηδεύουσι θυλακίσιν, ὡς πατέρας ἢ πᾶν τὸ φίλιον ἐν ταῖς σοροῖς οἱ ἄνθρωποι. Dazu habe ich aber auch noch von jenem weisen (Verhalten) gehört, dass die Angehörigen die toten Ameisen in den Samenschalen der Weizenkörner begraben, wie die Menschen ihre Eltern oder alles ihnen sehr Liebe in Särgen.

Tatsächlich wird die Beseitigung von Toten und anderem Unrat bei Ameisen wohl unterschiedlich gehandhabt,260 Aelian setzt diese beiden Sorten Abfall miteinander in Beziehung und deutet sie vor dem Hintergrund einer vermeintlichen Intelligenz (σοφόν) und Emotionalität der Ameisen. So entsteht die Vorstellung, dass Ameisen ihre Toten in einer Art Sarg beerdigen und ganz nebenbei eine sinnvolle Weiterverwendung der eigentlich für sie unbrauchbaren Samenschalen entwickeln. Für dieses zugeschriebene Verhalten lässt sich nur das des Menschen als Parallele finden, sodass die Ameisengesellschaft in diesem Punkt explizit mit der des Menschen gleichgesetzt wird. Eine bekannte Geschichte, die sowohl bei Aelian (NA 6,50) als auch mit nahezu identischem Inhalt bei Plutarch (De soll. an. 11, 967 E 1 – F 2) überliefert ist, ist die über den stoischen Philosophen Kleanthes (Frg. 515 SVF 261), der zwei Ameisenvölker beobachtet haben will.262 Ein Volk soll dabei in den Besitz eines Toten aus einem anderen Volk gekommen sein und den Toten zu seinem Nest gebracht haben. Daraufhin hätten sie mit dem Toten am Rand des Nestes gewartet. Aus dem Nest seien nun einige andere Ameisen gekommen, mit den Ankömmlingen zusammengetreten und wieder im Nest verschwunden. Dies habe sich mehrmals wiederholt, bis sie aus dem Nest eine Made (σκώληξ) gebracht hätten, die als Lösegeld (λύτρα) diente. Daraufhin sei der Leichnam freigeben worden. Sowohl Aelian als auch Plutarch betonen gleich zu Beginn ihres Berichtes, dass dieses Verhalten ein Zeichen von λόγος bei Tieren sei, wenngleich Kleanthes den Tieren diesen generell abgesprochen habe (nach Aelian sei Kleanthes nach dieser Beobachtung gar gezwungen gewesen, diese These zu revidieren). Die Geschichte erinnert an die wohl berühmteste Auslösung eines Leichnams in der antiken Literatur im 24. Gesang der Ilias (496–601), als Priamos zu Achill kommt und um den Leichnam Hektors bittet. Aelian selbst verweist auf die Ähn 260 Vgl. Sun; Zhou (2013). 261 Die Tatsache, dass beide Versionen der Geschichte von Aelian und Plutarch in der Fragmentsammlung von Arnims in ein gemeinsames Fragment des Kleanthes zusammengeführt werden, bedeutet nicht zwangsläufig, dass Plutarch und Aelian ihre Geschichte direkt bei Kleanthes gefunden haben müssen. Vgl. auch Bouffartigue (2012) 89. 262 Dazu ausführlich Lhermitte (2015) 107–113, der insbesondere auf die philosophischen Implikationen der Frage nach dem λόγος bei Tieren eingeht. Dass Aelian in seiner Version dieser Geschichte in Bezug auf den λόγος und das daraus entstehende Gerechtigkeitsempfinden der Ameisen sogar noch etwas über Plutarch hinausgeht, zeigt Lhermitte (2015) 275–278.

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lichkeit zwischen diesen beiden Geschichten, wenngleich im Falle der Ameisen das fremde Volk, das im Besitz des Leichnams ist, zu dessen Angehörigen kommt. Die Ameisen werden hier als besonders soziale Tiere gezeigt, die eine emotionale Verbundenheit zu ihren Angehörigen auch über den Tod hinaus besitzen. Daher sind sie bereit, einen hohen Preis für den Leichnam zu zahlen. Dieses Verhalten wird in erster Linie als Beleg für die σοφία der Ameisen angesehen. Darüber hinaus sind sie in dieser Geschichte zu Verhandlungen und Diplomatie zwischen Völkern fähig. Durch die Anklänge an die Ilias werden die Ameisen nicht nur in die Nähe des Menschen gerückt, sondern gar als vergleichbar mit den klassischen Heroen schlechthin dargestellt. Es scheint offensichtlich, dass die Bestattung der Toten bei den Ameisen in den erhaltenen Texten weniger als Beleg ihrer Reinlichkeit dient, wie dies etwa bei den Bienen der Fall ist (dazu s. o. 54), sondern vielmehr in einem sozialen Kontext gesehen wird. Die vermeintliche Trauer um die Toten zeigt die enge emotionale Verbindung der einzelnen Individuen in der Ameisengesellschaft und lässt sie so als vergleichbar mit dem Menschen erscheinen. Die frühesten erhaltenen Belege für eine an der menschlichen Gesellschaft orientierte Darstellung der Bestattungen von Ameisen stammen wohl aus der Kaiserzeit. Von Antipatros von Sidon (2./1. Jhd. v. Chr.) ist in der Anthologia Graeca (7,209) allerdings ein Epitaph für eine Ameise überliefert: Αὐτοῦ σοι παρ’ ἅλωνι, δυηπαθὲς ἐργάτα μύρμηξ,   ἠρίον ἐκ βώλου διψάδος ἐκτισάμαν ὄφρα σε καὶ φθίμενον Δηοῦς σταχυητρόφος αὖλαξ   θέλγῃ ἀροτραίῃ κείμενον ἐν θαλαμῇ. Hier beim Dreschplatz habe ich dir, du viel ertragende Arbeiterin Ameise,   einen Grabhügel aus einer durstigen Erdscholle errichtet, damit dich auch nach deinem Tod die ährennährende Ackerfurche der Demeter   betört, während du in deinem Lager am Ackerland liegst.

Die Lage des Grabes ist überaus passend für eine Ameise, wird doch in der Regel betont, dass sie sich von Korn ernähren (dazu s. o. 97). Zugleich muss man natürlich anmerken, dass die beschriebenen Annehmlichkeiten eigentlich nur einer lebendigen Ameise zugutekommen könnten. Inwiefern sie auch einer toten nützen können, bleibt offen.263 Dieses Epitaph scheint indes eine hellenistische Spielerei zu sein, wie sie auch für andere Tiere überliefert ist.264 Einen direkten Zusammenhang zu den vermeintlichen Bestattungsriten der Ameisen kann man wohl nicht herstellen. 263 Vgl. auch Gow; Page (1965) II 80. 264 Vgl. ebd. 79 für weitere Belege. Dazu könnte man noch ein Epitaph des Archias (Anth. Gr. 7,213) für eine Zikade (τέττιξ) nennen, die von Ameisen am Wegesrand bezwungen wurde ([…] μυρμάκεσσιν ὑπ’ εἰνοδίοισι δαμέντα; Vers 5; s. o. 97).

Zusammenfassung

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6.6 Zusammenfassung Da soziale Insekten vor allem in Hinsicht auf ihr gesellschaftliches Zusammenleben als vergleichbar mit dem Menschen angesehen wurden und werden, ist es nicht verwunderlich, dass sich besonders aus diesem Bereich zahlreiche Gleichnisse und Bilder, aber auch anthropomorphe Beschreibungen der Insektenstaaten finden lassen. In vielen Fällen werden die Insektenschwärme als Vergleich für große Massen herangezogen, wobei neben diesem Hauptaspekt der großen Zahl oftmals noch einige Nebenaspekte den Vergleich passend machen, wie etwa die Ordnung, eine rege Arbeitstätigkeit oder eine gewisse Wehrhaftigkeit, die diese Insekten auch tatsächlich auszeichnet. So ist es wohl zu erklären, dass Bienen- und Wespenschwärme in Epen und anderen poetischen Texten häufig als Vergleiche für eine Gruppe menschlicher Krieger verwendet werden. Dabei kann je nach Kontext sowohl das Bild eines ausströmenden als auch das eines eingeschlossen Schwarmes, der ausgeräuchert wird, gezeigt werden. Darüber hinaus werden insbesondere bei römischen Autoren Bienen wie ein menschliches Heer dargestellt. So wird etwa der Stock mit militärischen Begriffen beschrieben oder gar eine Bienenschlacht inszeniert, die sich so in der Natur nicht beobachten lässt. Erstmals findet sich dies bei Vergil, der als Ursache für den Krieg den Zwist zweier Könige ausmacht. Der Zwist zweier Könige, die den Schwarm in Aufruhr versetzen, ist zwar bereits bei Aristoteles und Varro beschrieben, jedoch betont vor allem Aristoteles, dass es zwar zu Abspaltungen eines Teiles des Volkes oder auch zu Raubzügen kommen könne, jedoch nie zu einer Schlacht in weiter Entfernung zum Stock. Trotzdem geht die Bienenschlacht nach Vergil in die antike Fachliteratur ein, wenngleich sich die einzelnen Beschreibungen oftmals im Detail unterscheiden. Bei Columella kann es etwa sowohl zu »Bürgerkriegen« als auch zu Kriegen zwischen zwei Völkern kommen, bei Plinius dagegen werden »Bürgerkriege« völlig ausgeschlossen, da er von nur einem König im Bienenstock ausgeht, der von den übrigen Bienen einstimmig gewählt wird. Ameisen werden ebenfalls teilweise mit militärischen Termini beschrieben, jedoch macht sich dies wohl weniger an ihrer Wehrhaftigkeit, als an ihren gut sichtbaren Futterpfaden fest, die an Heereszüge erinnert haben mögen. Das Bienennest wird in der Regel als wohl geordnet beschrieben, wobei die Darstellungen teilweise eher naturnah (z. B. Aristoteles), teilweise aber nicht nur anthropomorph, sondern sogar mit spezifisch römischen Begriffen (z. B. Vergil, Plinius) versehen sind. Die Bezugsgröße aus der menschlichen Gemeinschaft kann dabei unterschiedlich sein, sodass das Bienennest sowohl wie ein Haus oder ein Palast (z. B. Xenophon, Aelian) als auch wie ein Stadtstaat (z. B. Vergil, Plinius) oder, wie bereits gesagt, vor allem bei römischen Autoren wie ein

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Heeres­lager beschrieben werden kann. Ein weiterer wichtiger Aspekt der antiken Beschreibungen der Bienengesellschaft ist deren Arbeitsteilung. Diese sind in der Regel ebenfalls stark von der menschlichen Sphäre geprägt und nehmen so z. B. entgegen den modernen biologischen Erkenntnissen meist an, dass die jüngeren Bienen die Arbeiten außerhalb des Stockes erledigten, die älteren aber die im Inneren. Die »Verfassung« des Bienenstaates ist indes keineswegs in jeder Darstellung eine »absolute Monarchie«. Vor allem eher naturnahe und praxisorientierte Beschreibungen etwa von Aristoteles, Columella und Palladius gehen von mehreren Königen in einem Stock aus. Auch sind diese zumindest bei Aristoteles, der ein selbstständiges Bienenvolk zeigt, nicht so wichtig für die Ordnung im Stock, sondern in erster Linie für die Fortpflanzung von Bedeutung. Dazu kommt noch, dass die Konzepte vom Bienenkönig oftmals eng mit dem Anführen eines Schwarmes zusammenhängen. Da man abgehende Schwärme bei Bienen beobachten kann und zudem mehrere Brutzellen für Weisel angelegt werden, gingen wohl einige antike Autoren von mehreren Königen im Stock aus. Vor allem stärker anthropomorph geprägte Darstellungen (z. B. Xenophon, Vergil, Seneca, Plinius, Aelian) weisen dem Bienenkönig eine besondere Rolle in der Gemeinschaft der Bienen zu. Er ist der operum custos, wie es Vergil (G. 4,215) ausdrückt, der die Ordnung im Stock garantiert und ohne den alles zusammenbricht. Deshalb und aufgrund seiner Milde kommt ihm eine Verehrung durch sein Volk zu, die menschliches Maß – sogar die Verehrung orientalischer Herrscher, mit denen er oft verglichen wird  – übersteigt. In vielen Texten ist dieser Bienenkönig von Natur aus für sein Amt prädestiniert, aber bei einigen lateinischen Autoren wie Plinius und Ambrosius kommt dem Bienenvolk doch ein Wahlrecht für den besten König zu, wobei die Wahlen jeweils einstimmig ausfallen sollen. Vor allem in agronomischen Texten finden sich freilich auch Anweisungen für den Imker, um geeignete Könige auszuwählen. Dass der Bienenkönig durchaus als prototypischer König gesehen werden konnte, zeigen antike Etymologien des Begriffes ἐσσήν, die davon ausgehen, dass es sich ursprünglich um ein Wort für den Bienenkönig gehandelt habe, dann aber auf menschliche und im Falle des kallimacheischen Zeushymnos sogar auf göttliche Könige übertragen worden sein soll. Drohnen werden bereits bei Hesiod als faule und gierige Schädlinge im Bienenstock angesehen. Nur selten gesteht man ihnen einen gewissen Beitrag etwa beim Bebrüten (Columella, Plinius) oder beim Verrichten anderer Tätigkeiten für den Bienenstock (Plinius, Aelian) zu. Platons Drohnenvergleiche in seiner Politeia sind insofern für die vorliegende Untersuchung besonders interessant, weil eine weitreichende Analogie zur menschlichen Gesellschaft explizit ausgeschlossen und so auch von Drohnen mit Stacheln gesprochen wird. Die Gesellschaft der Wespen wird nur in wenigen erhaltenen Texten thematisiert. Die naturkundlichen Schriften des Aristoteles und des Plinius gehen

Zusammenfassung

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etwa davon aus, dass es nicht bei jeder »Wespenart« einen Anführer gibt. Zudem sprechen sie niemals von einem Wespenkönig, weil es bei diesen Tieren keinen Schwarm gibt und somit ein offenbar wichtiges Element der antiken Konzepte vom Bienenkönig beim Anführer der Wespen fehlt. Eine Ausnahme bildet in diesem Punkt Aelian, der den König der Wespen ähnlich dem der Bienen beschreibt. In den Wespen des Aristophanes weist der namensgebende Chor einen »double character« als Wespen und alte Richter auf. Die Maske scheint zudem nicht vollständig wespenartig gewesen zu sein. Die alten Richter entsprechen den Wespen in ihrem jeweils zugeschrieben Charakter sowohl in der Eigenschaft, dass sie in großer Zahl zusammen auftreten, als auch in ihrer Wehrhaftigkeit und Aggressivität. Diese Wehrhaftigkeit muss allerdings nicht nur negativ verstanden werden, sondern führte beispielsweise auch zum Sieg über die persischen Invasoren. Die Wespe als Richterin in der Fabel des Phaedrus zeigt hingegen ganz andere Eigenschaften. Sie ist eine umsichtige, kluge Richterin, die vor allem deshalb für ihr Amt qualifiziert ist, weil sie neben Bienen und Drohnen eine weitere ähnliche »Art« ist und daher neutral einen Streit zwischen den beiden erstgenannten »Arten« schlichten kann. Ameisen gelten in der klassischen Antike als ζῷα ἄναρχα, wobei diese Anarchie nicht in Unordnung oder Chaos führt. »Demokratische« Einrichtungen werden den Ameisenvölkern in den antiken Texten eher nicht zugesprochen, sieht man einmal von der Darstellung im Ikaromenippos (19) des Lukian ab. Das Zusammenleben der Ameisen wird stets als harmonisch beschrieben und ihre sogar über den Tod hinausgehend Sozialität zeigt sich in den Bestattungen, die die Ameisen vornehmen sollen. In der Regel geht man von einem unterirdischen Nest aus, das von Plutarch und Aelian anthropomorph wie ein menschlicher Palast mit drei unterschiedlichen Trakten dargestellt wird. Es finden sich verschiedene Verwandlungssagen sowohl von Menschen in Ameisen als auch umgekehrt von Ameisen in Menschen. Stets wird betont, dass trotz der geänderten Gestalt der Charakter derselbe geblieben sei. Dieser umfasst Eigenschaften wie Sparsamkeit und Produktivität bzw., wenn man dies ins Negative kehrt, Habsucht und Gier sowie vor allem im Falle der Myrmidonen eine gewisse kriegerische Eignung und Uniformität. Zudem ist in diesen Verwandlungssagen oft eine Verbindung zur Landwirtschaft gegeben, wohl weil die Ameise als Kornschädling vor allem in diesem Bereich wahrgenommen wurde.

7. Mantische Eigenschaften der sozialen Insekten

In der antiken Literatur finden sich zahlreiche Berichte, die sozialen Insekten im weitesten Sinne die Fähigkeit unterstellen, die Zukunft vorauszusehen bzw. als Medium anzuzeigen oder über anderes, dem Menschen zunächst verborgenes Wissen zu verfügen.1 Diese so verstandenen mantischen Eigenschaften äußern sich in unterschiedlicher Weise. Teilweise wurde den sozialen Insekten ein direktes Wissen über die Zukunft unterstellt, welches dann in bestimmte Verhaltensweisen mündet, die der Mensch beobachten und daraus entsprechende Schlüsse ziehen kann. Teilweise dienen die sozialen Insekten jedoch eher als unbewusstes »Werkzeug«, mit dessen Hilfe die Götter den Menschen das Schicksal bzw. ihren Willen anzeigen können. In diesen Fällen kann man nach der Definition von Engels2 von Vorzeichen sprechen. Darüber hinaus werden soziale Insekten in eher metaphorischen oder abstrakteren Zusammenhängen, wie in bestimmten Kulten oder in Träumen, mit der Mantik in Verbindung gebracht. Viele Berichte bieten auch Anknüpfungspunkte an andere den sozialen Insekten zugeschriebene Eigenschaften. Insofern ermöglichen gerade solche Schilderungen, die oft schon zu einem bloßen Topos geworden sind, Einblicke in zentrale Konzepte der sozialen Insekten. So dürfte es beispielsweise kein Zufall sein, dass Bienen viele große Dichter und Redner bereits im Kindesalter als solche gekennzeichnet haben sollen (dazu s. 7.4). Ist doch der Vergleich zwischen Biene und Dichter ohnehin ein sehr weit verbreiteter Topos (dazu s. 8.1). Gleiches gilt 1 Ähnlich breit angelegt ist die Definition der Mantik bei Trampedach (2015) 13: »Die Mantik ist das menschliche Vermögen, Götterbotschaften zu erlangen, zu deuten und daraus die angemessenen praktischen Konsequenzen zu ziehen. Sie beruht auf einer asymmetrischen Kommunikation zwischen Menschen (Individuen oder Gruppen) und Göttern (oder anders vorgestellten höheren Mächten wie Dämonen / Geistern oder Ahnen), die den Menschen auf anderem Wege nicht zugängliche Kenntnisse oder Anweisungen über zukünftige, gegenwärtige oder vergangene Ereignisse vermitteln; sie setzt voraus, daß die Götter bereit und fähig sind, die Menschen durch sprachliche oder symbolische Botschaften an ihrem Wissen teilhaben zu lassen.« Ein für diese Arbeit wichtiger Punkt ist die Einbeziehung gegenwärtiger oder auch vergangener verborgener Ereignisse, die in den meisten anderen Definitionen fehlt. Freilich ist die bei Trampedach starke Betonung der Mantik als »Kommunikationsphänomen« (so Seite 14) für die vorliegende Untersuchung nicht so zentral. 2 Vgl. Engels (2007) 43­–59, wo er fünf Aspekte einer Definition ausmacht. Dies sind der Zukunftsbezug (ausgeführt in 43–47); ein unbewusster Träger (47–51); der Zeichencharakter (51–57); die Benennung eines Ereignisses durch einen antiken Gewährsmann mit einem entsprechenden Terminus (57 f.) und die Einteilung in signa oblativa (welche sich ereignen, ohne dass der Mensch gezielt den Willen der Götter erfragt) und signa impetrativa (welche eigens von den Göttern erfragt werden).

Mögliche Ursachen für die Zuschreibung mantischer Fähigkeiten

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für Bienenschwärme, die vor allem im Rom der republikanischen Zeit (feindliche) Heere andeuten konnten (s. u. 343), da der Bienenstock häufig als Heer bzw. Heereslager verstanden wurde (dazu s. o. 268). Im Folgenden sollen nun die verschiedenen Bereiche, in denen auf mantische Eigenschaften der sozialen Insekten verwiesen wird, besprochen werden. Dabei stehen zunächst tatsächliche oder vermeintliche Naturbeobachtungen im Zentrum, die meist vor dem Hintergrund einer unterstellten Fähigkeit zur Prophezeiung und Vorhersage der sozialen Insekten interpretiert wurden. Anschließend sollen Vorzeichen im engeren Sinne thematisiert werden. Zuletzt werden eher metaphorische oder abstraktere Verbindungen zwischen Mantik und sozialen Insekten, wie z. B. in Traumerscheinungen oder in Religion und Kult, untersucht. Eine solche Abfolge soll keinesfalls suggerieren, dass man zweifelsfrei behaupten kann, eher abstraktere oder metaphorische Verwendungen mantischer Konzepte hätten sich aus bestimmten Naturbeobachtungen entwickelt. Im Gegenteil sind gerade die abstrakteren und metaphorischen Verwendungen bereits in der Frühzeit der griechischen Literatur belegt und damit oftmals früher als die aus moderner Sicht vielleicht etwas realistischer erscheinenden Naturbeobachtungen.

7.1 Mögliche Ursachen für die Zuschreibung mantischer Fähigkeiten Es stellt sich zunächst die Frage, wieso gerade sozialen Insekten gewisse mantische Fähigkeiten unterstellt werden können. Es ist nämlich für viele antike Texte ein Faktum, dass diese Tiere trotz ihrer geringen Größe bedeutende Ereignisse ankündigen konnten, wie es Fronto in einem Brief an Kaiser L. Verus (Ad Verum Imp. 1,7,2) ausdrückt: […] deque formicularum et apicularum ostentis res maximae portenduntur, […]. – »[…] und aus den Wunderzeichen der kleinen Ameisen und der Bienchen werden die bedeutendsten Dinge prophezeit, […].« Eine wichtige Ursache könnte die offenkundige Fähigkeit dieser Insekten gewesen sein, Vorsorge zu treffen (dazu s. 2.3.2). Aufgrund dieser Tatsache unterstellte man den Insekten, allen voran den Ameisen und Bienen, ein Wissen um die Zukunft und die damit verbundene Fähigkeit, sich bereits frühzeitig vorausschauend darauf vorzubereiten. Daneben nahm man gerade für die Bienen, in geringerem Maße auch für Ameisen und Wespen, teilweise den Besitz einer Seele an (dazu s. 2.3.1) und stellte zahlreiche Verbindungen zu Göttern oder deren Priesterinnen her (dazu s. o.  222). Nicht zuletzt können Bienen (und Wespen) fliegen und befinden sich damit nach antiker Vorstellung in einer mittleren Position zwischen Menschen und Göttern, sodass sie wie die Vögel in der Lage sind, Botschaften aus der einen in

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Mantische Eigenschaften der sozialen Insekten

die andere Sphäre zu tragen. Die Vorstellung, dass der Honig wie Tau aus dem Himmel fällt (dazu s. 8.4), dürfte daher in gleicher Weise eine Rolle gespielt haben, zumal (giftiger) Honig beispielsweise im pseudo-homerischen Hermeshymnos (s. u.  359) konkret als Mittel genannt wird, das die Prophezeiung ermöglicht. In anderen Zusammenhängen kann der Honig metaphorisch für die dichterische oder prophetische Rede stehen. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass gerade die Bienen mit Prophezeiungen und Vorzeichen in Verbindung gebracht wurden.

7.2 Wetterzeichen Wetterphänomene, auf die soziale Insekten hinweisen, werden relativ häufig erwähnt.3 Insbesondere im Vergleich zu anderen antiken Berichten über die mantischen Fähigkeiten sozialer Insekten erscheint das Anzeigen von drohendem Unwetter u. Ä. aus heutiger Sicht zumindest nicht ganz unwahrscheinlich. Obwohl es z. B. zahlreiche Studien zum Verhalten von Bienen bei längeren oder kürzeren Regenperioden gibt, scheint sich die moderne Biologie nicht mit der Frage nach der Plausibilität der antiken Wetterzeichen bei Tieren beschäftigt zu haben. Eine genauere Bewertung der Korrektheit der antiken Aussagen, kann daher nicht vorgenommen werden, ist aber auch nicht zentral für die vorliegende Arbeit.4 Bienen sollen beispielsweise schlechtes Wetter oder gar Sturm vorhersagen, wenn sie selbst bei zunächst noch schönem Wetter in der Nähe des Stockes bleiben.5 Die erste erhaltene Erwähnung dieses Phänomens stammt aus dem 9. Buch der Historia animalium (IX 40, 627 b 10–13) des Aristoteles: προγινώσκουσι δὲ καὶ χειμῶνα καὶ ὕδωρ αἱ μέλιτται· σημεῖον δέ, οὐκ ἀποπέτονται γὰρ ἀλλ’ ἐν τῇ εὐδίᾳ αὐτοῦ ἀνειλοῦνται, ᾧ γινώσκουσιν οἱ μελιττουργοὶ ὅτι χειμῶνα προσδέχονται. Die Bienen erkennen aber Sturm und Regen im Voraus; dies ist aber ein Indiz (dafür): Sie fliegen nämlich nicht davon, sondern drängen sich sogar bei gutem Wetter dort (i. e. in ihrem Stock) zusammen. Daran erkennen die Imker, dass sie einen Sturm erwarten. 3 Einen guten Überblick zu den verschiedenen erhaltenen und verlorenen Schriften zu Wetterzeichen in der griechisch-römischen Antike bieten Sider; Brunschön (2007) 5–29. 4 So auch z. B. Sider; Brunschön (2007) 38 f. 5 Interessanterweise erwähnt Diodor (5,70,5), dass es eine Sage gebe, wonach Zeus den Bienen, die ihn als Kleinkind in der Höhle am Berg Ida ernährt hatten, unter anderem eine Unempfindlichkeit gegen die dort herrschenden winterlichen Bedingungen verliehen habe (ἀνεπαισθήτους αὐτὰς καὶ ἀπαθεῖς ποιῆσαι, δυσχειμερωτάτους τόπους νεμομένας). Dies scheint jedoch nur für die dort lebenden Bienen zu gelten. Möglicherweise ist dies die von Kallimachos im Zeushymnos (50 f.) erwähnte Πανακρίς μέλισσα, welche im Ida-Gebirge leben soll, das man auch Πάνακρα nenne.

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Ähnliche Berichte finden sich auch bei anderen Autoren.6 Varro (Rust. 3,16,37) berichtet, dass die Bienen zwar generell den Regen vorausahnen könnten, sie aber trotzdem zuweilen von Wetterumschwüngen überrascht würden:7 Si quando subito imbri in pastu sunt oppressae aut frigore subito, antequam ipsae providerint id fore, quod accidit raro ut decipiantur, et imbris guttis uberibus offensae iacent prostratae ut efflictae, […]. Wenn sie einmal auf der Weide durch einen plötzlichen Regenguss oder einen plötzlichen Kälteeinbruch überrascht worden sind, bevor sie es selbst voraussehen konnten, wobei es selten geschieht, dass sie getäuscht werden, und sie durch dicke Regentropfen getroffen, wie erschlagen, niedergestreckt da liegen, […].

Es folgt eine Beschreibung, wie Bienen durch Wärmezufuhr und die Verwendung von Asche aus Feigenholz wiederbelebt werden können. Die mantischen Fähigkeiten der Bienen scheinen hier zwar sehr gut, jedoch nicht perfekt zu sein. Columella, der den Bienen generell weniger Eigenständigkeit zugesteht als die meisten anderen Autoren (s. o. 276), geht dagegen noch weiter (9,13,11): […] nonnumquam evenit, […], ut dum examen conquirendi mellis causa longius evagatur, subitis imbribus aut turbinibus in silvis opprimatur et maiorem partem plebis amittat. […] manchmal kommt es vor, […], dass ein Schwarm, während er bei der Honigsuche zu weit umherschweift, durch plötzliche Regengüsse oder Sturmwinde in den Wäldern überwältigt wird und einen größeren Teil des Volkes verliert.

Hier ist im Gegensatz zu den übrigen erhaltenen Autoren, die sich mit den Bienen befassen, keine Rede mehr davon, dass die Bienen überhaupt die Fähigkeit besitzen, Regen und Sturm vorauszuahnen. Folglich werden die Bienen davon überrascht, was für sie den Tod bedeutet. Das Bienenkonzept ist in diesem Punkt 6 Z. B. Theophr. Sign. 46,340–342 (= Frg. 6,46 Wimmer); Aratus Phaen. 1028–1030; Verg. G. 4,191–194; Plin. HN 11,20; 18,364 (an der letzten Stelle wird darauf verwiesen, dass die Bienen dann träge arbeiteten oder sich entgegen ihrer fleißigen Natur zurückzögen [et apes operantes segniter vel contra industriam suam apes absconditae]); [Quint.] Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«) 17; Ael. NA 1,10 (ἔχουσι δὲ καὶ μαντικῶς); 5,13. 7 Zu Beginn des 4. Buches der Georgica Vergils wird im Rahmen der Beschreibung der idealen Lage des Bienenstockes empfohlen, Steine in ein nahes Gewässer zu legen, auf denen die Bienen ihre Flügel trocknen können, wenn sie vom Wind Eurus mit Wasser besprengt oder ins Wasser getaucht worden sind ([…] si forte morantis / sparserit aut praeceps Neptuno immerserit Eurus; Verg. G. 4,28 f.). Wichtig ist aber, dass Vergil dies im Gegensatz zu Varro gewissermaßen räumlich von der Fähigkeit den Regen vorherzusehen trennt und zudem diese Fähigkeit bei Vergil auch nicht in Frage gestellt wird. Die Bienen werden in den Georgica nicht von einem plötzlichen Unwetter überrascht, sondern einige sind lediglich zu langsam (morantis), um sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.

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also ein ganz anderes als etwa bei Vergil oder Plinius, da die unselbstständigen Bienen bei Columella den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert sind. Nicht nur Regen und Sturm, sondern generell Wetterumschwünge (τροπαί) sollen die Bienen nach einer Passage in den pseudo-aristotelischen Mirabilium auscultationes (64, 835 a 22–24) ankündigen können: Ἡ μέλιττα δοκεῖ τὰς τροπὰς σημαίνειν τῷ ἐπὶ τὰ ἔργα βαδίζειν, ᾧ καὶ οἱ μελιττοπῶλαι σημείῳ χρῶνται· ἠρεμία γὰρ αὐτῶν γίνεται.  – »Durch ihren Gang zu den Arbeiten scheint die Biene Wetterwechsel anzuzeigen, was die Imker als (Wetter-)Zeichen nutzen. Denn sie halten (dann) Ruhe.« Diese Aussage ist weit weniger klar zu verstehen als die häufiger zu findende Aussage, dass die Bienen bei drohendem Regen in der Nähe ihres Stockes bleiben. Es ist fraglich, warum die Bienen Ruhe halten sollten, wenn ein Wetterwechsel ansteht, zumal damit ja auch ein Wechsel zu gutem Wetter gemeint sein kann.8 In der Schrift über die Wetterzeichen (De signis), die gemeinhin Theophrast zugeschrieben wird, wird ein gehäuftes Auftreten von Wespen im Herbst als eines der Zeichen für Sturm und Regen angesehen (Sign. 47,345 f. = Frg. 6,47 Wimmer): ἔστι δὲ σημεῖα χειμώνων μεγάλων καὶ ὄμβρων καὶ ὅταν γίνωνονται ἐν τῷ μετοπώρῳ πολλοὶ σφῆκες […]. – »Anzeichen großer Stürme und heftiger Regen sind es, wenn es im Spätherbst (nach der Ernte) viele Wespen gibt […].« In welchem Zusammenhang das gehäufte Auftreten von Wespen genau zu den Stürmen und dem Regen stehen soll, wird hier nicht deutlich gemacht. Allerdings lässt sich festhalten, dass es im Mittelmeerraum vor allem im Spätherbst und Winter zu Regen und Stürmen kommt, zugleich aber nach Aristoteles (Hist. an. IX 41, 628 a 16 f.) die Wespennester im Spätherbst ihre größte Ausdehnung haben (s. 1.4.3). Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass eine Verbindung zwischen zwei eigentlich unabhängigen Naturphänomenen, dem gehäuften Auftreten von Wespen und Stürmen, hergestellt wurde. Es könnte sich dabei also gewissermaßen um einen Fehlschluss nach dem Muster cum hoc, ergo propter hoc handeln. Eine ganz ähnliche Aussage findet sich in den Phainomena (1064–1067) des Arat: αὐτὰρ ὅτε σφῆκες μετοπωρινὸν ἤλιθα πολλοὶ πάντη βεβρίθωσι, καὶ ἑσπερίων προπάροιθε Πληϊάδων εἴποι τις ἐπερχόμενον χειμῶνα, οἷος ἐπὶ σφήκεσσιν ἑλίσσεται αὐτίκα δῖνος.

8 τροπή könnte sogar die Sonnenwende, insbesondere die Wintersonnenwende meinen. In diesem Falle wäre gar nicht von einer bestimmten Wettersituation die Rede, sondern vom Wechsel der Jahreszeiten.

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Aber wenn die Wespen sehr zahlreich im Herbst überall eine schwere Masse sind, dann könnte man sogar vor dem westlichen (Untergang) der Pleiaden sagen, dass der Winter bevorsteht, ein solcher Wirbel ist plötzlich bei den Wespen.

Das Zeichen, ein vermehrtes Auftreten von Wespen im Herbst, ist dasselbe wie bei Theophrast, jedoch scheint das Wort χειμών an dieser Stelle bei Arat nicht in der Bedeutung »Sturm« wie bei Theophrast, sondern in seiner zweiten Bedeutung »Winter« gebraucht zu sein. Dies wird aus dem Kontext dieser Verse, in dem es um jahreszeitliche Phänomene geht, sowie aus der Erwähnung der Pleiaden deutlich, deren Auf- und Untergang als Marker für Jahreszeiten galten.9 Welches genaue Abhängigkeitsverhältnis der Schrift über die Wetterzeichen (De signis), welche dem Theophrast zugeschrieben wird, und den Phainomena Arats besteht, ist in der Forschung nicht unumstritten10 und lässt sich nicht sicher rekonstruieren. Ameisen sollen angeblich ebenfalls Regen vorhersagen können. Bei drohendem Regen sollen sie ihre Eier aus ihrem Loch heraustragen, um – so kann man vermuten – einer Überschwemmung vorzubeugen. So heißt es beispielsweise bei Theophrast (Sign. 22,149–151 = Frg. 6,22 Wimmer): μύρμηκες ἐν κοίλῳ χωρίῳ ἐὰν τὰ ᾠὰ ἐκφέρωσιν ἐκ τῆς μυρμηκιᾶς ἐπὶ τὸ ὑψηλὸν χωρίον ὕδωρ σημαίνουσιν, ἐὰν δὲ καταφέρωσιν εὐδίαν. Wenn Ameisen, die in einer Höhlung (leben), die Eier aus dem Ameisennest an einen höher gelegenen Platz tragen, zeigen sie Regen an, wenn sie (die Eier) aber heruntertragen, gutes Wetter.

Oft behaupten Kommentare zu dieser oder anderen Passagen,11 in denen dieses Phänomen berichtet wird, dass es sich bei den vermeintlichen Eiern eigentlich um die Puppen handelt.12 Dies ist freilich eine rein moderne Sicht. Zumindest in der Entwicklungstheorie des Aristoteles ist das Puppenstadium der Insekten mit dem Eistadium bei anderen Tiergruppen, z. B. bei den Vögeln, gleichgesetzt (dazu s. o. 145). Die Aussage, dass die Ameisen ihre Eier heraustragen, ist 9 Vgl. Kidd (1997) 548–550, wo auch auf die genaue Bedeutung der Pleiaden an dieser Stelle eingegangen wird. Anders äußert sich aber Martin (1998) I LXXXI und ders. (1998) II 551, welcher die Auffassung vertritt, mit χειμών sei auch in diesem Falle ein Sturm gemeint. 10 Vgl. z. B. Sider; Brunschön (2007) 16 f. 11 Z. B. Aratus Phaen. 956 f., was sich ähnlich auch in einem Fragment (22,7 FPL) der lateinischen Übertragung des Varro Atacinus findet; Verg. G. 1,379 f.; Plin. HN 18,364. Letzterer nennt neben dem Heraustragen der Eier auch das Zusammenlaufen der Ameisen als weiteres Phänomen ([…] vel formicae concursantes aut ova progerentes,[…]). All diesen Passagen ist gemein, dass sie im Gegensatz zu dem oben zitierten Text aus Theophr. Sign. nur das Anzeichen für Regen, nicht aber das für schönes Wetter angeben. 12 Vgl. z. B. Platt (1911) 255, dem sich Kidd (1997) 505 und Sider; Brunschön (2007) 143 anschließen; Keller (1980) 416.419; Beavis (1988) 201.

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aus Sicht der antiken Naturkunde also, wie bereits gesagt (s. o. 184), durchaus korrekt. Dieses vermeintliche Wetterzeichen zeigt zudem, dass man in der griechisch-römischen Antike vor allem von »Ameisenarten« ausging, die ihre Nester im Boden errichten (dazu s. 6.5.3). Eine für einen modernen Mitteleuropäer prototypische Ameise errichtet wohl einen Hügel, sodass unter diesen Voraussetzungen ein solches Wetterzeichen kaum entstehen könnte. Dies zeigt sehr deutlich, in welchem Maße auch solche Berichte von den gängigen Konzepten von sozialen Insekten abhängig sind. Eine Verbindung zu diesem Bericht und der Vorratshaltung der Ameisen findet sich bei Plutarch (De sollertia animalium 11, 967 F 6 – 968 A 2): τὰς δὲ τῶν κυημάτων διαθέσεις καὶ διαψύξεις ἐκτὸς ὑετοῦ ποιεῖται σημεῖον ὁ Ἄρατος (956 f.)·   ἢ13 κοίλης μύρμηκες ὀχῆς ἒξ ὤεα πάντα   θᾶσσον ἀνηνέγκαντο· καί τινες οὐκ »ἒξ ὤεα14« γράφουσιν, ἀλλ’ »ἔξω ἑά«, ὡς τοὺς ἀποκειμένους καρπούς, ὅταν εὐρῶτα συνάγοντας αἴσθωνται καὶ φοβηθῶσι φθόραν καὶ σῆψιν, ἀναφερόντων. Die Ausbreitung und das Abkühlen der Brut außerhalb des Regens macht Arat zu einem Wetterzeichen:    oder (wenn) die Ameisen aus ihrem gehöhlten Nest alle Eier   schnell herauftragen; Und einige schreiben nicht »ἒξ ὤεα«, sondern »ἔξω ἑά« (»ihre eigenen Sachen«), d. h. die gelagerten Körner, (die sie), wenn sie merken, dass sie Schimmel ansetzen und sie Fäulnis und Verfall fürchten, herauftragen.

Dies knüpft an die bereits erwähnte Vorratshaltung der Ameisen an (s. 2.3.2). Auch bei Plinius findet sich die Erwähnung, dass die Ameisen nassgewordenes Korn zum Trocknen aus ihrem Nest trügen (madefacta [sc. semina] imbre proferunt atque siccant; HN 11,109). Im Physiologos (12) gibt es eine Passage,15 die ähnlich wie der Bericht des Theophrast über das Heraus- bzw. Hereintragen der Eier gestaltet ist. Dabei wird ebenfalls zwischen dem Verhalten der Ameisen bei gutem und bei drohendem schlechten Wetter unterschieden, jedoch im Gegensatz zu Theophrast von Getreidekörnern (τὸν κόκκον τοῦ σίτου) und nicht von Eiern gesprochen. Bei Isidor heißt es, dass die Ameise das Korn aus dem Nest entferne, während es darauf regnet (dum pluit ei super frumentum, totum eicit; Etym. 12,4,9). Vom Trocknen ist hier nicht die Rede. Vielmehr legt vor allem die Verwendung des Verbes eicere nahe, dass das einmal nassgewordenen Getreide 13 Unsere modernen Editionen lesen bei Arat an dieser Stelle καὶ. 14 ἔξ bezieht sich nicht auf das folgenden ὤεα, sondern auf das vorangehende ὀχῆς. Man muss zudem einräumen, dass ἒξ und ἔξω Konjekturen des Herausgebers Hubert sind. Die Loeb-Edition von Cherniss und Helmbold liest hier beispielsweise καί τινες οὐκ ᾠὰ γράφουσιν, ἀλλ’ ἤια (»und einige schreiben nicht Eier, sondern Proviant«). 15 Diese Passage wird von Sbordone athetiert, von Kaimakis aber nicht.

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als offenbar ungenießbar weggeworfen wird. Tatsächlich kann man wohl bei Ameisen der Gattung Messor beobachten, dass vor allem bei Feuchtigkeit in erster Linie die Samenschalen, aber zuweilen auch abgebissene Keimlinge, intakte Samen u. a. vor den Nesteingang gebracht werden.16

7.3 Schwarmvorzeichen Vor allem in griechischen Texten erscheint der Bienenschwarm, der den Menschen den Weg zu einem bestimmten Ort zeigt. Aus der Mythologie könnte man hier etwa die Geschichte des Polyidos nennen, der den Leichnam des Glaukos nur finden kann, weil eine Eule einen Bienenschwarm davon abhält, in das Honigfass zu fliegen, in dem sich der Leichnam befindet (dazu s. auch o. 205). Philostrat17 (Imag. 2,8,6) berichtet in seiner Beschreibung des Bildes vom Fluss(gott) Meles, dass die Musen in Gestalt von Bienen den Athenern bei der Kolonisierung Ioniens den Weg gewiesen hätten (Ἀθηναῖοι τὴν Ἰωνίαν ὅτε ἀπῴκιζον, Μοῦσαι ἡγοῦντο τοῦ ναυτικοῦ ἐν εἴδει μελιττῶν). Die Bienengestalt ist sicherlich nicht zuletzt aufgrund des ähnlichen Klanges von μέλι und Μέλης bedingt,18 welcher zudem im Folgenden noch als ποτιμώτερος (»trinkbarer« oder »süßer«) als der Kephisos und der Olmeios charakterisiert wird. Beide Flüsse fließen jeweils an einem Musenberg vorüber, der Kephisos am Parnass, der Olmeios am Helikon.19 Teilweise gilt Homer als Sohn des Meles, sodass hier auch eine leichte Andeutung des topisch gebrauchten Vergleiches der Biene mit dem Dichter (s. 8.1) bzw. von der »Dichterweihung« durch die Bienen (s. 7.4) gegeben sein könnte. Ohne Bezug zum Fluss Meles und den Musen wird in einer Rede des Himerios (4. Jhd. n. Chr.) an ionische Besucher in Athen (59,1) ebenfalls berichtet, die ersten attischen Kolonisten seien von einer Biene, nicht von einem Schwarm, geführt worden (μέλιττα γὰρ ἀπιοῦσιν αὐτοῖς ἐπ’ Ἰωνίαν ἡγήσατο). Gerade für Kolonisten erscheint der Bienenschwarm nicht zuletzt deshalb als ein geeigneter Anführer, weil das Abgehen eines Teiles des Schwarmes im Frühsommer in der Antike teilweise mit der Bildung von Kolonien beim Menschen gleichgesetzt wurde. Dies gilt beispielsweise für Platon (ἀποικίας οἷον σμήνη μελιττῶν ἐκπέμποντες; Plt. 293  d 5 f.)20, für Xenophon, der in seiner 16 Vgl. Goetsch (1929) 225. 17 Es existieren zwei Sammlungen von Bildbeschreibungen (Εἰκόνες bzw. Imagines) als deren Autor ein Flavius Philostratus genannt wird. Diese Sammlung ist vermutlich die ältere. 18 Vgl. Schönbeck (1968) 402. 19 Vgl. ebd. 20 Etwas umfangreicher vergleicht er den abgehenden Bienenschwarm mit menschlichen Kolonisten in den Nomoi (4, 708 b 1–5), wo es heißt, dass eine menschliche Koloniegründung wie ein abgehender Bienenschwarm von nur einem einzigen Volk ausgehen und aus irgendeiner Notlage heraus erfolgen soll. Vgl. auch Peil (1983) 206.

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zugegebenermaßen ohnehin metaphorischen Beschreibung der Aufgaben des Bienenkönigs von ἀποικίζει (Oec. 7,34) spricht, aber auch für Varro, der diesen Vorgang mit ut colonias mittunt (Rust. 3,16,9) bzw. ut in coloniam emittere v­ olunt (Rust. 3,16,29) umschreibt, sowie für Aelian, der den Ausdruck εἰς ἀποικίαν ἐκπέμπουσιν (NA 5,13) verwendet. Bekannt ist auch die Geschichte von der Entdeckung der Orakelstätte des Trophonios in Lebadeia, welche von Pausanias (9,40,1 f.) überliefert ist. Als sich die Boioter wegen einer bereits im zweiten Jahr andauernden Dürre an die Pythia in Delphi wandten, habe diese ihnen aufgetragen, sich zu Trophonios nach Lebadeia21 zu begeben, um dort eine Abhilfe zu erfahren. Die Rolle der Bienen wird folgendermaßen beschrieben (9,40,2): ὡς δὲ ἐς τὴν Λεβάδειαν ἐλθόντες οὐκ ἐδύναντο εὑρεῖν τὸ μαντεῖον, ἐνθαῦτα τῶν ἐξ Ἀκραιφνίου πόλεως Σάων – οὗτος δὲ ἦν καὶ ἡλικίᾳ τῶν θεωρῶν πρεσβύτατος – εἶδεν ἑσμὸν μελισσῶν καὶ ἐκέλευσεν, ὅποι ποτ’ ἂν ἀποτράπωνται, καὶ αὐτοὺς ἕπεσθαι. αὐτίκα δὴ τὰς μελίσσας ἐς τοῦτο ἐσπετομένας ὁρᾷ τῆς γῆς, καὶ συνεσδύεταί σφισιν ἐς τὸ μαντεῖον. τοῦτον τὸν Σάωνα καὶ τὴν ἱερουγίαν τὴν καθεστηκυῖαν, καὶ ὁπόσα περὶ τὸ χρηστήριον δρῶσιν ἄλλα, διδαχθῆναι παρὰ τοῦ Τροφωνίου φασίν. Als sie (i. e. die Boioter) nach Lebadeia gelangt waren, konnten sie die Orakelstätte nicht finden. Dann sah einer der (Männer) aus der Stadt Akraiphnion, Saon – dieser war auch der älteste der zur Orakelbefragung Ausgesandten – einen Bienenschwarm und befahl ihnen zu folgen, wohin auch immer sie (i. e. die Bienen) sich wandten. Sogleich sah er die Bienen dort in die Erde hineinfliegen und trat mit ihnen in die Orakelstätte ein. Man sagt, dass dieser Saon sowohl den bestehenden Gottesdienst als auch die übrigen Riten, die sie bezüglich der Orakel vollziehen, von Trophonios gelernt habe.

Die Verbindung zur Mantik ist hier gewissermaßen doppelt gegeben. Die Bienen zeigen dem Menschen einen zunächst verborgenen Ort an, welcher wiederum eine Orakelstätte ist. Vor allem bei späteren Autoren spielen Bienenvorzeichen eine wichtige Rolle in Bezug auf künftige Tyrannen. Bienenschwärme kündigen oftmals deren Herrschaft an. Dies ist insofern nicht weiter verwunderlich, als nicht wenige Autoren den Bienenstock als monarchisch organisierten Staat wahrnahmen (dazu s. o.  279). So ist bei Diodor (19,2,9) folgendes Vorzeichen über Agathokles, den späteren Tyrannen von Syrakus (316–288 v. Chr.), überliefert: Ἡ δὲ μήτηρ ἀνέθηκεν λιθίνην εἰκόνα τοῦ παιδὸς ἔν τινι τεμένει, πρὸς ἣν μελιττῶν ἑσμὸς προσκαθίσας ἐκηροπλάστησεν ἐπὶ τῶν ἰσχίων. τοῦ δὲ σημείου προσενεχθέντος τοῖς περὶ ταῦτ’ ἀσχολουμένοις ἀπεφήναντο πάντες κατὰ τὴν ἀκμὴν ἥξειν αὐτὸν εἰς μεγάλην ἐπιφάνειαν, ὅπερ καὶ συνετελέσθη. 21 Zu diesem Orakel vgl. z. B. Rosenberger (2001) 35–40.

Schwarmvorzeichen

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Die Mutter (sc. des Agathokles) stellte aber ein steinernes Abbild ihres Sohnes in irgendeinem Heiligtum auf, auf das sich ein Bienenschwarm niederließ und an der Hüfte Waben baute. Nachdem dieses Zeichen denen mitgeteilt worden war, die sich professionell damit beschäftigten, verkündeten alle, dass er auf dem Höhepunkt seines Lebens zu großem Ruhm gelangen werde; dies erfüllte sich auch.

Der Bienenschwarm ist hier also ein sehr positives Zeichen für den künftigen Tyrannen von Syrakus. Dies gilt ebenfalls für ein Vorzeichen, das Dionysios dazu veranlasst haben soll, die Tyrannis in Syrakus zu übernehmen. Ursprünglich geht diese Erzählung wohl auf Philistos, den Historiker Dionysios’  I. und II. zurück, von dessen Werk jedoch nur Fragmente erhalten sind. Sowohl Cicero (Div. 1,73) als auch Plinius (HN 8,158) berufen sich auf ihn. Daneben ist die Geschichte auch noch einmal bei Aelian (VH 12,46) überliefert. Bei Cicero wird die Begebenheit mit folgenden Worten beschrieben (Div. 1,73):22 Facta coniectura etiam in Dionysio est paulo ante quam regnare coepit; qui cum per agrum Leontinum iter faciens equum ipse demisisset in flumen, submersus equus voraginibus non extitit; quem cum maxima contentione non potuisset extrahere, discessit, ut ait Philistus, aegre ferens; cum autem aliquantum progressus esset, subito exaudivit hinnitum respexitque et equum alacrem laetus aspexit, cuius in iuba examen apium consederat. quod ostentum habuit hanc vim, ut Dionysius paucis post diebus regnare coeperit. Eine wahrsagerische Deutung geschah auch bei Dionysios, kurz bevor er zu regieren begann. Als dieser im Gebiet von Leontinoi gereist war und er selbst sein Pferd in einem Fluss versenkt hatte, war das Pferd ganz untergetaucht und ragte nicht mehr aus dem Schlund heraus. Da er dieses trotz größter Anstrengung nicht herausziehen konnte, ging er, wie Philistos sagt, betrübt von dannen; als er aber ein Stück weit gegangen war, hörte er plötzlich ein Wiehern, drehte sich um und erblickte freudig sein munteres Pferd, in dessen Mähne sich ein Bienenschwarm niedergelassen hatte. Dieses Zeichen besaß eine solche Kraft, dass Dionysios wenige Tage später zu herrschen begann.

Die Varianten bei Plinius und Aelian unterscheiden sich vor allem in der Art der Deutung dieses Vorzeichens. Bei Plinius scheint es, dass Dionysios selbst sich auf dieses Zeichen hin der Herrschaft bemächtigte (eoque ostento tyrannidem a Dionysio occupatam; HN 8,158). Bei Aelian dagegen heißt es, Dionysios habe die sogenannten Γαλεῶται (eine sizilische Seherfamilie)  um Rat gefragt und von ihnen erfahren, dass dieses Zeichen die Monarchie ankündige (ἔφασαν οὖν 22 Die Schrift De divinatione umfasst zwei Bücher. Im ersten lässt Cicero seinen Bruder Quintus Argumente für die Divination vortragen, im zweiten argumentiert Marcus dagegen. Auch im zweiten Buch (2,67), wird diese Geschichte aufgegriffen. Hier heißt es jedoch, dass man diese Begebenheit erst als Zeichen gedeutet habe, nachdem Dionysios kurze Zeit später Herrscher geworden sei. Dies sei jedoch reiner Zufall gewesen (quod acciderat casu).

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οἱ Γαλεῶται πρὸς τὸν Διονύσιον ἐρόμενον ὑπὲρ τούτων, ὅτι ταῦτα μοναρχίαν δηλοῖ; VH 12,46). Für unsere Untersuchung ist hier jedoch vor allem von Bedeutung, dass das Auftauchen eines Bienenschwarmes eng mit der Monarchie verknüpft wird, da die monarchische Struktur des Bienenvolkes in vielen Texten als starkes Element der Bienenkonzepte wahrgenommen wurde. Nicht immer wird das Auftauchen eines Bienenschwarmes in diesem Zusammenhang als positives Vorzeichen gedeutet. Zu Beginn der Expedition des Dion gegen Dionysos II. (357 v. Chr.) soll ebenfalls ein Bienenschwarm aufgetaucht sein, wie Plutarch (Dion 24,4) unter Berufung auf Theopompos (115 Frg. 331 FGrH) überliefert: τοῦτο μὲν οὖν ὁ Μιλτᾶς εἰς μέσον ἐξέθηκε πᾶσι· τὸ δὲ τῶν μελισσῶν, αἳ περὶ τὰ πλοῖα τοῦ Δίωνος ὤφθησαν ἑσμὸν λαμβάνουσαι κατὰ πρύμναν, ἰδίᾳ πρὸς αὐτὸν καὶ τοὺς φίλους ἔφραζε δεδιέναι, μὴ καλαὶ μὲν αἱ πράξεις αὐτοῦ γένωνται, χρόνον δ’ ὀλίγον ἀνθήσασαι μαρανθῶσι. Dies (gemeint ist eine Mondfinsternis) legte nun Miltas für alle aus; bezüglich der Bienen aber, die um die Schiffe des Dion als Schwarm gesehen wurden, welcher das Heck einnahm, teilte er vertraulich nur ihm und den Freunden mit, dass er fürchte, seine Unternehmungen würden nicht gut ausgehen und nach einer kurzen Zeit des Blühens verwelken.

Interessanterweise ist zuvor von einer Mondfinsternis die Rede. Diese wird vom Seher Miltas für die verunsicherten Soldaten als ein positives Vorzeichen gedeutet. Die Gefährten Dions halten dies aber nicht für ein wundersames Vorzeichen, da sie um die natürlichen Hintergründe des astronomischen Ereignisses wissen.23 Während die Auslegung der Mondfinsternis allein der Beruhigung der Soldaten dient, wird der Bienenschwarm dagegen als echtes Vorzeichen akzeptiert und interpretiert.24 Diese etwas eigentümlich erscheinende Darstellung bei Plutarch erklärt Trampedach25 mit dessen »Idiosynkrasie«, da er einerseits das Wissen um die Mondfinsternis für philosophisches Grundwissen hält, »andererseits aber alle anderen Formen der Mantik traditionell auffaßte und literarisch verwertete.« Das Bienen-Vorzeichen bewertet Trampedach wohl zu Recht als ein vaticinium ex eventu, welches der Erzähler (Plutarch oder womöglich bereits seine Quellen) nutzt, um von vornherein klarzustellen, dass die Expedition des Dion entgegen der Auslegung der Mondfinsternis keinesfalls von dauerhaf-

23 Plut. Dion 24,1: καὶ τοῖς μὲν περὶ τὸν Δίωνα θαυμαστὸν οὐδὲν ἦν, λογιζομένοις τὰς ἐκλειπτικὰς περιόδους καὶ τὴν γινομένην τοῦ σκιάσματος ἀπάντησιν πρὸς τὴν σελήνην καὶ τῆς γῆς τὴν ἀντίφραξιν πρὸς τὸν ἥλιον. – »Für die Gefährten Dions war es nichts Wundersames, da sie mit Umlaufbahnen, die zu Eklipsen führen, und dem Schattenwurf auf den Mond und der Stellung der Erde zwischen Sonne (und Mond) rechneten.« 24 Vgl. Trampedach (2015) 58. 25 Vgl. ebd.

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tem Erfolg gekrönt sein werde.26 In der dargestellten Deutung ist freilich Dions Vorhaben eher mit den Blumen analog gesetzt, die in dieser Form gar nicht im eigentlichen Vorzeichen enthalten sind. Dies zeigt allerdings, wie eng die Arbeit auf der Blumenwiese mit den Bienen verbunden wurde. Das Auftauchen von Ameisen scheint, wie auch im Traum (s. u. 356), als Todesvorzeichen verstanden worden zu sein. Kurz nachdem er eine Traumvision erhalten hat, die seinen Tod ankündigen sollte, geschieht Kimon nach der Vita Plutarchs (18,4 f.) Folgendes: μετὰ δὲ ταύτην τὴν ὄψιν αὐτοῦ τῷ Διονύσῳ θύσαντος, ὁ μὲν μάντις ἀνέτεμε τὸ ἱερεῖον, τοῦ δ’ αἵματος τὸ πηγνύμενον ἤδη μύρμηκες πολλοὶ λαμβάνοντες κατὰ μικρὸν ἔφερον πρὸς τὸν Κίμωνα, καὶ τοῦ ποδὸς περὶ τὸν μέγαν δάκτυλον περιέπλαττον, ἐπὶ πολὺν χρόνον λανθάνοντες. (5) ἅμα δέ πως ὅ τε Κίμων τῷ γιγνομένῳ προσέσχε, καὶ παρῆν ὁ θύτης ἐπιδεικνύμενος αὐτῷ τὸν λοβὸν οὐκ ἔχοντα κεφαλήν. Nach dieser Vision opferte er dem Dionysos und der Seher schnitt das Opfertier auf. Da nahmen viele Ameisen das bereits geronnene Blut, trugen es in kleinen Teilen zu Kimon und umhüllten ihm damit den großen Zeh des Fußes, was eine längere Zeit unbemerkt blieb. (5) Als Kimon das Geschehen bemerkte, war sogleich auch der Opferpriester zur Stelle und zeigte ihm die Leber, die keinen Kopf hatte.

In demselben Moment, in dem diese etwas merkwürdige Tätigkeit der Ameisen bemerkt wird, ereignet sich ein deutlich negatives Omen, nämlich das Fehlen eines für die Divination wichtigen Leberlappens (im Lateinischen als caput iecoris bezeichnet). Zumindest dieses Omen ist auch für andere Männer als Zeichen ihres baldigen Endes überliefert.27 Somit dürfte deutlich sein, dass das Ameisenvorzeichen ebenfalls in dieser Hinsicht zu verstehen ist. Was die einzelnen Elemente nun genau bedeuten, ist jedoch schwierig zu sagen, zumal es von ­Plutarch auch nicht weiter ausgeführt wird. Ein wenig erinnert der Bericht an die »Weihung« des Königs Midas zum Reichen (s. u. 353), da auch in diesem Falle Ameisen einem Menschen kleinere Portionen eines Stoffes bringen. Ein weiteres Ameisenvorzeichen ist in der Tiberius-Vita (72,2) des Sueton überliefert. Dieses soll der Anlass gewesen sein, warum sich Tiberius nicht mehr nach Rom begeben habe: erat ei in oblectamentis serpens draco28 quem ex consuetudine manu sua cibaturus cum consumptum a formicis invenisset, monitus est ut vim multitudinis caveret. Zu seinen (i. e. Tiberius’) Vergnügungen gehörte eine Schlange, die er aus Gewohnheit mit seiner eigenen Hand füttern wollte, als er sie von Ameisen aufgefressen fand. Da war er gewarnt, dass er sich vor der Gewalt der Masse in Acht nehmen sollte. 26 Vgl. ebd. 62. 27 Vgl. Flacerlière; Chambry (1972) 40 Anm. 1. 28 Bei dieser sonst nicht belegten Junktur der beiden Worte für »Schlange« könnte es sich eventuell um eine Glosse handeln, indem etwa serpens als Erklärung für draco ergänzt wurde.

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Mantische Eigenschaften der sozialen Insekten

Im Gegensatz zum etwas kryptischen Ameisenvorzeichen bei Plutarch erscheint dieses bereits ohne den erklärenden Nachsatz recht deutlich, da hier an Eigenschaften der Ameisen angeknüpft wird, die in anderen Kontexten häufig genannt werden. Diese sind ihr Auftreten in Massen und eine gewisse Aggressivität. Die Tatsache, dass diese Stelle eine der wenigen ist, in denen Ameisen als karnivor dargestellt werden, wurde bereits oben (97) erwähnt. Möglicherweise trug auch genau diese Besonderheit zur Deutung als Zeichen bei. Viele Schwarmvorzeichen aus römischer Zeit sind als sogenannte Staats­ prodigien bzw. prodigia publica überliefert. Diese treten innerhalb der Grenzen des Staatsgebietes (zunächst nur Rom, dann Italien) auf und sollen anzeigen, dass das Verhältnis der Gemeinschaft als Ganzes zu den Göttern gestört ist.29 Die Staatsprodigien wurden meist das ganze Jahr über gesammelt und im folgenden Jahr dem Senat vorgelegt, der daraufhin unter Zuhilfenahme spezieller Priesterschaften Entsühnungen anordnen konnte.30 Teilweise konnten bestimmte deeskalierende und stabilisierende Maßnahmen schon vorher ergriffen werden (s. u. 349 zum Wespenschwarm). Das Außergewöhnliche dieser vorzeichenhaften Ereignisse liegt in diesen Fällen nicht so sehr in den Tieren oder in der Tatsache, dass sie in Schwärmen auftreten, begründet, sondern in dem Umstand, dass sie an Orten auftauchen, an die sie eigentlich nicht gehören.31 Diese »Liminalitäten«,32 wie Rosenberger solche Grenzüberschreitungen nennt, betreffen bei den hier behandelten Prodigien sozialer Insekten das Überschreiten sakral geprägter Grenzen, wie den Temenos eines Heiligtums, das pomerium der Stadt Rom oder auch die ähnlich bedeutsam aufgeladene Grenze eines Heeres­lagers.33 Ob den Tieren also wirklich eine ganz besondere Bedeutung zukam, ist daher teilweise fraglich, zumal es sich bei den erhaltenen Schwarmprodigien ausschließlich um sogenannte auspicia oblativa (also solche Götterzeichen, die sich spontan ereignen, ohne dass es zuvor eine Anfrage durch den Menschen gab) handelt, welche per se fast immer negativ verstanden wurden.34 Gerade die Bienenschwarm-Prodigien aus römischer Zeit sind so zahlreich,35 dass man davon ausgehen kann, dass sie mit der Zeit immer mehr den Charak 29 Vgl. z. B. Wülker (1903) 2. 30 Vgl. Engels (2007) 24. 31 Vgl. Wülker (1903) 16. 32 Rosenberger (1998) 107. 33 Vgl. ebd. 114 f. 34 Vgl. z. B. Engels (2007) 265; Frantz; Engels (2008) 83. 35 Neben den im Folgenden erwähnten z. B. Iulius Obsequens 35; 53; 65a; 70; Livius 21,46,1 f.; 24,10,11; 27,23,2. Das gehäufte Auftreten von Bienenschwarm-Prodigien (und anderen Typen von Prodigien) in bestimmten Zeiträumen erklärt Rosenberger (1998) 36 f. mit der »Bewährtheit eines Zeichens«. Seiner These nach werden vor allem solche Vorzeichen immer wieder in die offizielle Liste für den Senat aufgenommen, die sich in den Vorjahren

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ter von bloßen Topoi bei einigen römischen Historikern einnehmen.36 Dies gilt insbesondere für das Auftauchen eines Bienenschwarmes im Militärlager der Partei, die später unterliegen wird.37 Beispielhaft sei hier auf das Auftauchen eines Bienenschwarmes im Lager des Drusus in Germanien im Jahre 11 v. Chr. verwiesen, wie es bei Iulius Obsequens (72) überliefert ist: in Germania, in castris Drusi examen apium in tabernaculo Hostilii Rufi, praefecti castrorum, consedit ita, ut funem praetendentem praefixamque tentorio lanceam amplecteretur. Multitudo Romanorum per insidias subiecta est. In Germanien setzte sich im Lager des Drusus ein Bienenschwarm so auf das Feldherrenzelt des Hostilius Rufus, des Lagerkommandanten, dass er das vorgespannte Seil und eine vor dem Zelt eingesteckte Lanze umfasste. Viele Römer sind durch einen Hinterhalt unterworfen worden.

Dieses negativ erscheinende Prodigium ist auch bei Cassius Dio (54,33,2) und bei Plinius (HN 11,55) überliefert.38 Letzterer bewertet es freilich positiv: Tunc ostenta faciunt privata ac publica, uva dependente in domibus templisque, saepe expiata magnis eventibus. […] sedere in castris Drusi imperatoris, cum prosperrime pugnatum apud Arbalonem est, haudquaquam perpetua haruspicum coniectura, qui dirum id ostentum existimant semper. Dann bewirken sie (i. e. die Bienen), wenn sie an Häusern und Tempeln in einer Traube herabhängen, private und öffentliche Zeichen, die oft mit großen Erfolgen entsühnt werden. […] Sie setzten sich im Lager des Feldherrn Drusus nieder, als man sehr erfolgreich bei Arbalo gekämpft hatte, keineswegs gemäß der Standarddeutung der Haruspices, die dies immer für ein böses Vorzeichen halten.

In der Tat gewann Drusus zwar diese Schlacht, jedoch wohl zu einem hohen Preis, da, wie bei Iulius Obsequens beschrieben, viele Römer in einen Hinterhalt gerieten.39 Für unsere Betrachtung ist an dieser Stelle wichtig, dass das Auftauchen eines Bienenschwarmes in einem Lager offenbar in der Regel (so sagt es

als »zuverlässig« erwiesen haben. Nach einer gewissen Zeit sei dann aber eine »Abnutzung« eingetreten, sodass nach einigen Jahren wieder andere Zeichen wahrgenommen und in die Liste aufgenommen wurden. 36 So MacInnes (2000) 56. Frantz; Engels (2008) 86 geben ihr zwar prinzipiell recht, halten aber ihre starken Zweifel an der Historizität aller Prodigien, für die keine entsprechende Entsühnung überliefert ist, für »hyperkritisch«. 37 Dazu vor allem MacInnes (2000), die alle Bienenschwarm-Prodigien in Militärlagern aufführt und bespricht. Dort sowie bei Frantz; Engels (2008) finden sich auch umfangreiche weiterführende Literaturangaben. 38 Vgl. dazu MacInnes (2000) 64–66. 39 Zu den möglichen Gründen für die unterschiedliche Darstellung vgl. MacInnes (2000) 65 f.

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schließlich auch Plinius) negativ ausgelegt wurde.40 In der Tat ist ansonsten kein positiver Ausgang einer Schlacht für eine Partei überliefert,41 in deren Lager sich ein Bienenschwarm niedergelassen hatte.42 Rosenberger und MacInnes erklären die negative Deutung dieses Zeichens mit der Wahrnehmung von Bienenschwärmen als Heeren,43 die schon bei Homer belegt ist, aber insbesondere von den römischen Autoren verstärkt wurde (dazu s. o.  268). Insofern kann ein Bienenschwarm, der sich an einem wichtigen Ort im Lager niederlässt, leicht eine zahlenmäßig überlegene feindliche Armee symbolisieren, die die eigenen Besitztümer »erobert«. Obgleich die Grenzüberschreitung des Schwarmes auch in diesen Fällen möglicherweise das schwerwiegendste Argument für eine negative Deutung dieses Zeichens darstellte, so fällt es hier nicht schwer zumindest eine Verstärkung dieser Deutung durch die ohne größere Abstraktion mögliche Gleichsetzung des Bienenschwarmes mit einem feindlichen Heer anzunehmen.44 Neben dem Auftauchen von Bienenschwärmen in Heereslagern finden sich ebenfalls Erwähnungen, in denen sich die Bienen an wichtigen Tempeln oder anderen Gebäuden niederlassen. Diese Prodigien werden in der Regel in einer Liste mit anderen Vorzeichen dieses Jahres aufgezählt, welche aber nicht in jedem Fall (ausschließlich) negative Ereignisse für den römischen Staat mit sich brachten. So ist beispielsweise bei Iulius Obsequens (43) für das Jahr 104 v. Chr. überliefert, dass sich ein Bienenschwarm vor dem Tempel der Salus niedergelassen habe (examen apium ante aedem Salutis consedit), jedoch endet der umfangreiche Bericht dieses Jahres mit dem Hinweis, dass man die Thraker in Makedonien unterworfen habe (in Macedonia Thraces subacti). Ähnlich verhält es sich mit 40 Vgl. MacInnes (2000) 58. 41 In einem panegyrischen Epigramm des Philipp von Thessalonike auf Kaiser Augustus (Anth. Gr. 6,236) wird von einem Bienenschwarm berichtet, der sich auf den in Rom oder Aktium (dazu vgl. Gow; Page [1968] 331) in Erinnerung an den Sieg bei Aktium ausgestellten Schiffschnäbeln niedergelassen hatte. Streng genommen handelt es sich natürlich in diesem Falle nicht um ein Prodigium und zudem spielt sich das Ereignis erst eine längere Zeit nach der eigentlichen Schlacht ab. Trotzdem kann man den Bienenschwarm ebenfalls als Zeichen des Sieges über die Truppen des Antonius deuten, obgleich sie hier auch als »Früchte des Friedens« charakterisiert werden ([…] ὅπλα γὰρ ἐχθρῶν / καρποὺς εἰρήνης ἀντεδίδαξε τρέφειν; Anth. Gr. 6,236,5 f.). Dies meint wohl, dass die Waffen schon so lange ungenutzt herumliegen, dass auf ihnen bereits Tiere ihre Behausung errichten. 42 Neben dem hier erwähnten Lager des Drusus sind dies z. B. auch Scipios Lager am Ticinus im Jahre 218 v. Chr. (Livius 21,46,1 f.) oder auch das Lager der Caesarmörder vor der Schlacht bei Philippi im Jahre 42 v. Chr. (Iulius Obsequens 70 [im Lager des Cassius]; Plut. Brut. 39,5 [Cassius]; 48,2 f. [Brutus]; Cassius Dio 47,40,7 [Bienen umschwärmen das Lager des Cassius]). Dazu könnte man noch das Bienenschwarmprodigium im Lager des Pompeius vor der Schlacht bei Pharsalos in Lukans Bellum civile (7,161–164) nennen. 43 Vgl. Rosenberger (1998) 99.115.135; MacInnes (2000) 58. 44 Rosenberger (1998) 115 spricht gar davon, dass durch diese Gleichsetzung das Zeichen »doppelt gefährlich« sein konnte.

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dem folgenden Bericht (44), wonach sich im Jahre 102 v. Chr. unter anderem ein Bienenschwarm in einem kleinen Heiligtum auf dem Forum Boarium niedergelassen habe (examen apium in foro boario in sacello consedit) und trotzdem die Römer die Piraten in Kilikien vernichtet hätten (piratae in Cilicia a Romanis deleti) und Marius die Teutonen ausgelöscht habe (Teutoni a Mario trucidati). Dies bedeutet nun nicht, dass Bienenschwarm-Prodigien außerhalb des Heereslagers als positives Zeichen gedeutet wurden,45 jedoch konnte man diese Zeichen offenbar meist entsühnen, sodass sich in diesen Jahren trotzdem positive Ereignisse auch in militärischer Hinsicht ergeben konnten. Diese Entsühnungen sind aber meist nicht überliefert. Spezielle Entsühnungen nur für Bienenschwärme lassen sich nirgends in den erhaltenen Texten finden. In der Forschung wird teilweise angenommen, dass die allgemein negative Bewertung des Auftauchens eines Bienenschwarmes durch die monarchische Gesellschaftsform, für die die Bienen in der antiken Wahrnehmung oftmals stehen, zustande kommt.46 Dies setzt freilich voraus, dass die Monarchie als etwas Negatives wahrgenommen wird, was zwar für die Zeit der Republik sicherlich gilt, für die Kaiserzeit aber nicht unbedingt.47 Frantz und Engels48 vertreten daher die Meinung, dass diese negative Bedeutung vor allem auf die Republik beschränkt sei. Dagegen spricht aber beispielsweise der Bericht über die Schlacht im Teutoburgerwald, den Cassius Dio überliefert. Unter anderem sollen Bienen vor der Schlacht an den Altären im römischen Lager Waben gebaut haben (μέλισσαί τε περὶ τοὺς βωμοὺς αὐτῶν κηρία ἀνέπλασσον; 56,24,4).49 Der Ausgang der Schlacht und ihre Bedeutung für die Ausrichtung der römischen Politik sind wohl hinreichend bekannt. Zudem ist von Tacitus (Annalen 12,64) ein Bienenschwarm-Prodigium als schlechtes Vorzeichen für das Jahr 54 n. Chr. überliefert: M. Asinio M’. Acilio consulibus mutationem rerum in deterius portendi cognitum est crebris prodigiis. […] fastigio Capitolii examen apium insedit. – »Im Jahr des Konsulats von Marcus Asinius und Manius Acilius (54 n. Chr.) wurde man gewahr, dass ein Wandel der Situation zum Schlechteren hin durch zahlreiche Prodigien angekündigt wurde. […] Auf dem Giebel des Kapitols ließ sich ein Bienenschwarm nieder.« Sogar das eigene Beispiel, das Frantz und Engels wählen, scheint nicht so recht in ihr Erklärungsmuster zu passen.50 Am Beginn des 7. Buches der Aeneis (59–70) Vergils findet sich folgendes Bienenschwarm-Prodigium: 45 So Robert-Tornow (1893) 46. 46 Vgl. z. B. Frantz; Engels (2008) 85; vorsichtiger Rosenberger (1998) 99. Es werden freilich keine wirklichen Belege für ihre These genannt, sieht man einmal von dem allgemeinen Hinweis ab, dass Bienen (unter anderem) eine monarchische Gesellschaft verkörpern. 47 Das Prodigienwesen ist freilich eher ein republikanisches Phänomen. 48 Vgl. Frantz; Engels (2008) 85. 49 Vgl. dazu MacInnes (2000) 66 f. 50 Vgl. Frantz; Engels (2008) 93 f.

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laurus erat tecti medio in penetralibus altis sacra comam multosque metu servata per annos, quam pater inventam, primas cum conderet arces, ipse ferebatur Phoebo sacrasse Latinus, Laurentisque ab ea nomen posuisse colonis. huius apes summum densae (mirabile dictu) stridore ingenti liquidum trans aethera vectae obsedere apicem, et pedibus per mutua nexis examen subitum ramo frondente pependit. continuo vates »externum51 cernimus« inquit »adventare virum et partis petere agmen easdem partibus ex isdem et summa dominarier arce.« Ein Lorbeerbaum stand mitten im hohen Innenraum des Palastes, der heilig war an seinem Laub und mit Ehrfurcht viele Jahre hindurch bewahrt worden war, den der Vater Latinus, als er die erste Burg gründete, selbst gefunden und dem Phoebus geweiht haben soll, und von diesem den laurentischen Siedlern ihren Namen gegeben haben soll. Dessen höchste Spitze besetzten Bienen (wundersam zu sagen), nachdem sie durch den klaren Äther geflogen waren, in dichten Massen mit gewaltigem Summen, und nachdem sie untereinander ihre Füße verwoben hatten, hing plötzlich ein Schwarm von einem belaubten Ast herab. Sofort sprach ein Seher: »Wir sehen einen fremden Mann kommen und aus derselben Gegend einen Heereszug, der in dieselbe Gegend strebt und die höchste Burg beherrscht.«

Betrachtet man dieses Prodigium, das natürlich nur ein literarisches ist, einmal ganz nüchtern, so erinnert es stark an die zahlreichen Schilderungen von Bienenschwärmen, die sich in einem Heereslager niederlassen und somit der entsprechenden Partei eine Niederlage prophezeien. Der einzige Unterschied – er mag einer gewissen dichterischen Lizenz geschuldet sein – liegt in der Tatsache, dass das Prodigium nicht in einem Heereslager geschieht, sondern im Königspalast.52 Ansonsten tritt genau das ein, was das Prodigium prophezeit: Die Latiner werden einem äußeren Feind durch eine militärische Niederlage unterliegen. Es ist aber nicht wirklich erkennbar, an welcher Stelle in diesem Kontext »Vergil als intellektueller Wegbereiter des Augustus bislang negativ konnotierte Herrschaftsvorzeichen wie das der Biene durchaus positiv«53 umdeutet, wie es Frantz 51 Der Gedanke, dass die Biene einen Fremden ankündigt, findet sich vielleicht auch in diesem Sprichwort, das unter anderem in der Suda (σ 279) überliefert ist: Σειρὴν μὲν φίλον ἀγγέλλει, ξεῖνον δὲ μέλισσα.  – »Ein σειρήν (zu diesem Tier s. o. 65) kündigt einen Freund / etwas Liebes / Vertrautes an, etwas Fremdes / einen Fremden aber eine Biene.« 52 So auch Frantz; Engels (2008) 94. 53 Frantz; Engels (2008) 94.

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und Engels behaupten. Möglicherweise meinen die Autoren damit die Tatsache, dass die Bienen in diesem Zusammenhang implizit die Troianer symbolisieren, was die Bienen somit gewissermaßen positiv darstellen würde. Dabei wird aber übersehen, dass dieses Prodigium ganz aus der Sicht der Latiner beschrieben wird,54 für die es, wie üblich, ein negatives Vorzeichen ist. Thulin,55 der sich bewusst ist, dass auch nach dem Ende der römischen Republik Bienenschwarm-Prodigien negativ gedeutet wurden, versucht die Bedeutung des Prodigums in der Republik von der in der Kaiserzeit zu trennen: Während ein Bienenschwarm in der Republik »den Sturz der Freiheit, also Königsherrschaft und Knechtschaft oder den Tod der ersten Männer des Staats, der Consuln,«56 verheiße, so kündigten sie in der Kaiserzeit den Tod des Herrschers an. Wir haben bereits gesehen, dass diese grob vereinfachende Darstellung so nicht zutrifft, denn nicht jedes Bienenschwarm-Prodigium, man denke nur an die zahlreichen Prodigien in den Heereslagern, hat direkt etwas mit Königsherrschaft in der Republik bzw. dem Tod des Kaisers in der Zeit des Prinzipats zu tun. Zudem erklärt diese Aussage nicht, warum ausgerechnet Bienen vermeintlich immer in der Republik die Knechtschaft bzw. die Königsherrschaft ankündigen sollen. Ungeeignet scheinen in diesem Zusammenhang auch Thulins Belegstellen,57 welche er ohne ihren jeweiligen Zusammenhang nennt. Zum einen führt er das Satzfragment ἐς τὴν κατάλυσιν τῆς δημοκρατίας συμβαίνοντα (»die zur Auflösung der Republik / Demokratie führten«) aus dem Geschichtswerk des Cassius Dio (47,40,7) an. Dieses stammt aus einer Aufzählung unterschiedlicher Prodigien des Jahres 42 v. Chr., welche alle als Hinweise auf den drohenden Untergang der Republik dienen sollen. Als erstes wird zwar das Auftauchen des Bienenschwarmes im Lager des Cassius genannt (dazu s. o. 343 und 344 Anm. 42), jedoch auch zwei weitere Prodigien, sodass hier keinesfalls exklusiv das Bienenschwarm-Prodigium als Zeichen einer drohenden Königsherrschaft genannt wird, obgleich dies Thulin so dargestellt. Ganz im Gegenteil wird als entscheidendes und wichtigstes Vorzeichen bei Cassius Dio eine Ansammlung von Geiern und anderen leichenfressenden Vögeln über den Köpfen der Anführer der Republikaner genannt (47,40,8). Die zweite Stelle, die Thulin hier anführt, stammt aus der Rede De haruspicum responso (25) Ciceros: Atque in apium fortasse examine nos ex Etruscorum scriptis haruspices ut a servitio caveremus monerent. – »Und bei einem Bienen 54 Dass in der Aeneis die Bewertung eines Ereignisses oft aus Sicht des Betrachters geschildert wird, zeigt, wie bereits gesagt (249), beispielsweise der Vergleich der Ameisen mit den abziehenden Troianern in 4,402–407, wo Didos Perspektive eingenommen wird, weshalb die Troianer hier negativ beschrieben werden (vgl. z. B. Pöschl [1964] 244 = ders. [1977] 172; Grant [1969] 385; Niehl [2002] 189 f.). 55 Vgl. Thulin (1909) 100. 56 Ebd. 57 Vgl. ebd. Anm. 2.

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schwarm würden uns vielleicht die Haruspices gemäß der Schriften der Etrusker warnen, dass wir uns vor dem Sklavenstand / der Knechtschaft in Acht nehmen müssen.« Auch an dieser Stelle muss man etwas weiter ausholen, um den Zusammenhang zu verdeutlichen. Cicero wirft in dieser Passage seiner Rede Clodius vor, in seiner Zeit als Aedil (56 v. Chr.) die Megalesia, Festivitäten zu Ehren der Magna Mater, entweiht zu haben, indem er dort auch Sklaven zuließ, was zuvor strikt verboten war.58 Diese Massen an Sklaven besetzten dort offensichtlich die Sitze der Bühnenaufführungen.59 Diese Situation erinnert Cicero an eine Besetzung eines Heiligtums durch einen Bienenschwarm. Sein Argument lautet nun folgendermaßen: Wenn tatsächlich ein Bienenschwarm während der Festivitäten zu den Bühnen gekommen wäre, hätte man wohl die Haruspices um Rat gefragt (Si examen apium ludis in scaenam caveamve venisset, haruspices acciendos ex Etruria putaremus; 25). Wenn nun aber ein »so großer Schwarm von Sklaven« (examina tanta servorum; 25) auf das eingeschlossene römische Volk losgelassen werde, dann soll das, so Ciceros rhetorische Frage, keine Reaktion hervorrufen? Darauf folgt nun der von Thulin zitierte Satz. Es ist hier nicht ganz eindeutig, was mit servitium genau gemeint ist. Es erscheint an dieser Stelle aber nicht unwahrscheinlich, dass hier konkret der römische Sklavenstand gemeint ist (so beispielsweise in der in Anm. 59 zitierten Aussage), der als Masse in die Bühnenaufführung eindringt. Selbst wenn man annimmt, dass die Bienen vielleicht (fortasse!) als Vorzeichen für die Knechtschaft ausgelegt würden, so ist hier keineswegs gesagt, dass dies aus der inneren Struktur der Bienengesellschaft abgeleitet ist. Vielmehr scheint dieses Beispiel eher von einer feindlichen Eroberung Roms und einer anschließenden Versklavung seiner Bürger auszugehen. Der Bienenschwarm verkörpert hier also, wie so oft, ein feindliches Heer, das dem eigenen überlegen ist. Nicht zuletzt muss man einwenden, dass Cicero die Deutung der Bienen als Warnung vor dem servitium aus den Schriften der Etrusker stammen lässt. Ähnlich wie bei den Bienenprodigien aus der Zeit des Prinzipats ist es auch in diesem Falle schwer zu erklären, warum die Bienen ausgerechnet von diesem Volk aufgrund ihrer vermeintlich monarchischen Gesellschaftsordnung als negativ angesehen wurden. Sind doch die etruskischen Könige der Grund für die feindselige Ablehnung des Königtums in der römischen Republik. Nach diesen Ausführungen erscheint es wenig wahrscheinlich, dass die Wahrnehmung des Bienenschwarms als monarchische Gesellschaft die wichtigste Ursache – dass es eine gewisse Nebenrolle in der Republik gespielt haben mag, lässt sich weder ausschließen noch belegen – der negativen Bedeutung der 58 Vgl. z. B. Lenaghan (1969) 124. 59 Ciceros Aussage omne servitium, permissu magistratus liberatum, in alteram scaenam inmissum, alteri praepositum (25) ist kryptisch. Vgl. Wuilleumier; Tupet (1966) 50 Anm. 1; Lenaghan (1969) 124.

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römischen Bienenschwarm-Prodigien war. Es findet sich keine wirklich überzeugende antike Textpassage, in der dies ausgeführt wird, und zudem lässt sich nicht erklären, wieso die Bienenschwärme auch in Zeiten der Monarchie negativ gedeutet werden, wenn die vermeintliche Monarchie der Bienengesellschaft der Hauptgrund für die Ablehnung ist. Dazu kommt noch die bereits erwähnte allgemein negative Bedeutung der meisten prodigia publica, unabhängig davon, welches Tier gerade auftritt. Die Hauptursache für die negative Deutung innerhalb der antiken Bienenkonzepte zu suchen, erscheint daher nicht notwendig. Mehr noch lassen sich für andere Tiere in Prodigien oftmals keine so schönen Erklärungsmuster finden. Dies gilt insbesondere für die Wespen- und Ameisenschwarm-Prodigien, die ebenfalls negativ konnotiert waren, ohne dass diese Tiere mit der Monarchie in Verbindung zu bringen sind. Im Gegensatz zu den häufigen Bienenschwarm-Prodigien scheint nur ein einziges Wespenschwarm-Prodigium bei Livius (35,9,4) überliefert zu sein. Zum Jahr 193 v. Chr. heißt es dort: et a Capua nuntiatum est examen vesparum ingens in forum advolasse et in Martis aede consedisse: eas conlectas cum cura et igni crematas esse. – »Und aus Capua wurde berichtet, dass ein gewaltiger Wespenschwarm zum Forum geflogen gekommen sei und sich im Marstempel niedergelassen habe. Diese (Wespen) seien sorgfältig eingesammelt und mit Feuer verbrannt worden.« In der Forschung sieht man in dem Nachsatz teilweise eine »vorzeichenspezifische Entsühnung.«60 Nach Frantz und Engels, die sich wiederum auf Krauss61 berufen, handelt es sich »um einen Fall sympathetischer Magie, dank derer das durch die Wespen im Tempel des Kriegsgottes symbolisierte Heer der Feinde vernichtet werden sollte.«62 Das Ausräuchern63 bzw. Verbrennen64 eines Wespenschwarmes ist freilich ein gängiges Mittel zu dessen Beseitigung, sodass man hier kaum von einer ganz speziellen, rein religiös motivierten Handlung sprechen kann. Letzteres räumen Frantz und Engels zwar ein, jedoch sind sie der Meinung, dass das Ausräuchern »von Livius im Nachhinein als religiös«65 interpretiert wurde. Sie bleiben hier die Begründung schuldig, an welchen Worten genau sie den religiösen Charakter festmachen und wie sie »sympathetische Magie« definieren. Wie es Rosenberger anhand weiterer Beispiele zeigt,66 ist diese vollständige Vernichtung durch Feuer eine durchaus übliche Entfernung der Tiere, die ein 60 Frantz; Engels (2008) 89. 61 Vgl. Krauss (1930) 115 f. 62 Frantz; Engels (2008) 89. Fast wörtlich entsprechend bereits Engels (2007) 497. 63 Z. B. Ar. Vesp. 457.1079. 64 Z. B. Eur. Cycl. 475; Arist. Hist. an. IX 40, 627 b 7 f.; Ael. NA 1,58. 65 Frantz; Engels (2008) 89. 66 Vgl. Rosenberger (1998) 131–135. Die hier besprochene Beseitigung des Wespenschwar­ mes findet sich in 132.

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Prodigium ausgelöst haben, und nicht nur auf diesen Wespenschwarm beschränkt. Durch die Beseitigung soll das Zeichen seine Kraft verlieren.67 Die Beseitigung des Wespenschwarmes scheint hier jedoch nicht zu bedeutet, dass es keiner weiteren Entsühnung bedarf, wie aus dem Aufbau des Textes ersichtlich wird. Das zitierte Wespenschwarm-Prodigium ist das letzte Glied einer Aufzählung einiger weiterer Prodigien (Überschwemmung, Gebäudeeinsturz, Blitzeinschläge und Steinregen) aus dem Jahre 193 v. Chr. Unmittelbar auf das Wespenschwarm-Prodigium und den Nachsatz von der Beseitigung folgt (35,9,5): horum prodigiorum causa decemviri libros adire iussi, et novendiale sacrum factum, et supplicatio indicta est atque urbs lustrata. – »Aufgrund dieser Vorzeichen hieß man das Zehn-Männer-Kollegium, ihre Bücher zu konsultieren, und es wurde eine neuntägige Opferfeier veranstaltet und eine Bußfeier angeordnet und die Stadt entsühnt.« Aufgrund der Aufnahme aller zuvor genannten Prodigien durch horum prodigiorum causa und der Schilderung der Maßnahmen zu deren Entsühnung erscheint es einigermaßen unwahrscheinlich (und syntaktisch nahezu unmöglich), dass in diesem horum prodigiorum causa ausgerechnet das unmittelbar zuvor genannte Prodigium n i c h t miteingeschlossen sein sollte. Im Falle der anderen genannten Prodigien ist freilich keine einfache Beseitigung des Auslösers möglich. Die Bedeutung des Wespenschwarmes als Prodigium, welches hier offenbar als negativ gedeutet wurde und zudem in einem gewissen kriegerischen Zusammenhang (Marstempel) steht, scheint sich indes kaum von der des Bienenschwarmes zu unterscheiden. Als ein negatives Vorzeichen wird auch ein Ameisenprodigium gedeutet, das Cassius Dio (54,19,7) für das Jahr 16 v. Chr. neben weiteren anlässlich einer Reise des Kaisers Augustus nennt. Obwohl diese Vorkommnisse primär im Kontext der Reise berichtet werden, galten sie doch der gesamten res publica und können daher zu Recht als Prodigien angesehen werden.68 Es heißt dort, dass sich Ameisen nicht weit vom Forum sehr deutlich versammelt hätten (καὶ μύρμηκες οὐ πόρρω τῆς ἀγορᾶς ἐκφανέστατα συνεστράφησαν). Rosenberger69 nimmt wohl zu Recht an, dass die Ameisen wie auch die Bienen- (und Wespen-) Schwärme als Vorboten feindlicher Eindringlinge in die Stadt verstanden werden konnten.

67 Vgl. ebd. 132. 68 Vgl. ebd. 238. 69 Vgl. ebd.

Dichterweihungen und ähnliche Phänomene

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7.4 Dichterweihungen und ähnliche Phänomene Spätestens in der Zeit des Hellenismus wird die Erzählung, Bienen hätten sich auf den Lippen eines großen Dichters, Redners oder Autors niedergelassen oder Honig in den Mund geträufelt und ihn so gewissermaßen »geweiht«, zu einem weit verbreiteten Topos, der sich für viele bekannte Literaten nachweisen lässt.70 Die Belegstellen alle aufzuführen erscheint hier müßig, da sich die Bilder und insbesondere ihre Aussageabsicht stark ähneln.71 Exemplarisch sei daher die Schilderung des Pausanias angeführt, der von Pindar72 Folgendes berichtet (9,23,2 f.): Πίνδαρον δὲ ἡλικίαν ὄντα νεανίσκον καὶ ἰόντα ἐς Θεσπιὰς θέρους ὥρᾳ καύματος περὶ μεσοῦσαν μάλιστα ἡμέραν κόπος καὶ ὕπνος ἀπ’ αὐτοῦ κατελάμβανεν· ὁ μὲν δὴ ὡς εἶχε κατακλίνεται βραχὺ ὑπὲρ τῆς ὁδοῦ, μέλισσαι δὲ αὐτῷ καθεύδοντι προσεπέτοντό τε καὶ ἔπλασσον πρὸς τὰ χείλη τοῦ κηροῦ. (3) ἀρχὴ μὲν Πινδάρῷ ποιεῖν ᾄσματα ἐγένετο τοιαύτη. Als Pindar ein junger Mann war und in der Sommerhitze nach Thespiai ging, ergriff ihn Erschöpfung und Schlaf. Er legte sich, wie er war, kurz oberhalb des Weges nieder. Als er schlief, flogen Bienen zu ihm hin und bildeten auf seinen Lippen Waben. (3) So ereignete sich Pindars Beginn seines dichterischen Schaffens.

Eine etwas stärkere Charakterisierung dieses Topos als Vorzeichen findet sich z. B. bei Plinius (HN 11,55), der über Platon sagt: sedere in ore infantis tum etiam Platonis, suavitatem illam praedulcis eloquii portendentes. – »Sie setzten sich auf den Mund Platons, als er noch ein Kind war, und kündeten so jene Anmut seiner sehr süßen Rede an.« Unschwer ist eine Verbindung dieser Erzählungen mit den ebenfalls topischen Vergleichen von der Süße der Rede mit dem Honig bzw. vom Dichter mit der Biene zu erkennen (s. 8.1). Bereits in den frühesten erhaltenen griechischen Gedichten symbolisiert der Honig als Geschenk der Musen die Gabe gewandter Rede. Besonders passend für den hier besprochenen Topos von der Dichterweihung erscheinen folgende Verse aus der Theogonie Hesiods (81–84):73 70 Z. B. für Homer: Anth. Gr. 2,1,342; für Sappho: Anth. Gr. 2,1,69–72; für Platon: Cic. Div. 1,78; 2,66; Valerius Maximus 1,6 ext. 3; Plin. HN 11,55; Ael. VH 10,21; 12,45; Olympiodor In Platonis Alcibiadem commentarii 2,24–29; für Menander: Anth. Gr. 9,187. 71 Eine Auflistung vieler Belege auch zu lateinischen und christlichen Autoren findet sich z. B. bei Cook (1895) 7 f.; Olck (1897) 447; Ransome (1937) 104 f. 72 Weitere Erwähnungen des Topos für Pindar finden sich auch in Anth. Gr. 2,1,385–387 und Philostr. Imag. 2,12. In der letztgenannten Darstellung ist Pindar noch ein kleines Kind. 73 So argumentieren auch Robert-Tornow (1893) 101 und Ransome (1937) 103. Eine sehr ähnliche Wortwahl bietet beispielsweise der pseudo-homerische Hymnos auf Apollon und die Musen (25,4 f.).

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Mantische Eigenschaften der sozialen Insekten

ὅντινα τιμήσουσι Διὸς κοῦραι μεγάλοιο γεινόμενόν τ’ ἐσίδωσι διοτρεφέων βασιλήων, τῷ μὲν ἐπὶ γλώσσῃ γλυκερὴν χείουσιν ἐέρσην, τοῦ δ’ ἔπε’ ἐκ στόματος ῥεῖ μείλιχα· […] Wen von den himmelsernährten Königen die Töchter des großen Zeus ehren und bei der Geburt anblicken, dem gießen sie süßen Tau auf die Zunge, aus dessen Mund strömen liebliche Worte; […]

Hier findet sich bereits das Element, Honig74 auf den Mund eines begabten Redners zu gießen. Freilich sind es hier nicht direkt die Bienen, die dies vollbringen, sondern die Musen. Gerade im Bereich der Dichtung werden Musen und Bienen aber oft miteinander in Verbindung gebracht (dazu s. u. 364). Der spät­antike neuplatonische Philosoph Olympiodor (In Platonis Alcibiadem commentarii 2, 24–29) verknüpft den Bericht, Bienen hätten Platon als Säugling Honig in den Mund gefüllt, explizit mit einem Vers aus der Ilias (1,249), der ebenfalls die Süße der Rede mit Honig vergleicht: καὶ γεννηθέντα τὸν Πλάτωνα λαβόντες οἱ γονεῖς βρέφος ὄντα τεθείκασιν ἐν τῷ Ὑμηττῷ, βουλόμενοι ὑπὲρ αὐτοῦ τοῖς ἐκεῖ θεοῖς Πανὶ καὶ Νύμφαις καὶ Ἀπόλλωνι νομίῳ θῦσαι. καὶ κειμένου αὐτοῦ μέλιτται προσελθοῦσαι πεπληρώκασιν αὐτοῦ τὸ στόμα κηρίων μέλιτος, ἵνα ἀληθὲς περὶ αὐτοῦ γένηται·    τοῦ καὶ ἀπὸ γλώσσης μέλιτος γλυκίων ῥέεν αὐδή. Und als Platon geboren worden war, nahmen ihn die Eltern als Säugling und brachten ihn in den Hymettos75, da sie für ihn den dort ansässigen Göttern Pan, den Nymphen und dem Apollon Nomios (Anm. zuständig für Schäfer) opfern wollten. Und als er (Platon) niedergelegt worden war, flogen Bienen auf ihn zu und füllten ihm dem Mund mit Honigwaben, damit über ihn (Folgendes) wahr wird:    »und von dessen Zunge fließt die Stimme süßer als Honig.«76

Als weitere ähnliche Vorläufer-Geschichte könnte man noch anführen, dass der Seher Iamos laut einer Erwähnung bei Pindar (Ol. 6,45–47) als Säugling von Schlangen mit Honig (ἀμεμφεῖ ἰῷ μελισσᾶν) ernährt worden sei. Die Sehergabe selbst wird ihm freilich später von seinem Vater Apollon verliehen. Die Verbindung zur Mantik besteht in diesen »Dichterweihungen« nicht nur in der äußerlichen Kennzeichnung der künftigen Dichter und Redner  – die »Dichterweihungen« sind in dieser Beziehung den übrigen persönlichen 74 Dieser ist sicherlich mit γλυκερὴν ἐέρσην gemeint. Zur Wahrnehmung des Honigs als Tau aus dem Himmel s. 8.4. 75 Der Hymettos war bekannt für seinen Bienenreichtum und seinen besonders guten ­Honig, s.  u.  374. 76 In der Ilias ist diese Aussage über Nestor getroffen.

Dichterweihungen und ähnliche Phänomene

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Schwarmvorzeichen vergleichbar  –, sondern der Honig selbst ist als Gottesgeschenk zu verstehen, der zum einen prophetische Fähigkeiten verleiht (so z. B. im Hermeshymnos; s. u.  359) und zum zweiten selbst die prophetische oder dichterische Rede symbolisiert. Generell wurde Honig als Nahrung für Kleinkinder verwendet.77 Das sicherlich bekannteste Beispiel aber für ein Kleinkind, das von den Bienen selbst mit Honig ernährt wurde, ist Zeus in der Höhle im Berg Ida.78 Die Dichter, die als Kleinkind von den Bienen ernährt wurden, werden somit in gewisser Weise als göttlich charakterisiert. Wohl sekundär wurde dieser Topos auf Ameisen übertragen. Diese sollen dem jungen Midas Weizenkörner in den Mund getragen haben, wie es beispielsweise bei Cicero (Div. 1,78)79 berichtet wird: Midae illi Phrygi, cum puer esset, dormienti formicae in os tritici grana congesserunt. divitissumum fore praedictum est; quod evenit. Als Midas, der bekannte Phryger, (noch) ein Kind war, trugen ihm Ameisen im Schlaf Weizenkörner in den Mund. Es ist (dadurch) vorausgesagt worden, dass er der reichste (Mann) sein wird. Dies geschah.

Es ist wichtig festzuhalten, dass hier eine enge Verbindung zwischen Reichtum und den Ameisen hergestellt wird. Wie die Bienen typischerweise mit der Dichtung und den Musen in Zusammenhang stehen, gilt dies offenbar analog für die Ameisen und den Reichtum. Im Gegensatz zur »Dichterweihung« durch die Bienen scheint dieser Bericht von den Ameisen nicht so häufig belegt und zudem auf Midas beschränkt zu sein. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass Midas gewissermaßen neben Kroisos als prototypischer Reicher galt (und immer noch gilt), sodass diese Anekdote weniger gut auf andere Personen übertragen werden konnte, als es bei der Vielzahl von Dichtern der Fall ist. Sogar nach dem Tod können Bienen-, vor allem aber Wespenschwärme auf berühmte Dichter hinweisen, indem sie sich an ihren Gräbern niederlassen. In einem Epigramm (Anth. Gr. 7,36) des Erykios (1. Jhd. v. Chr.) an Sophokles wünscht ihm die Dichterpersona unter anderem, dass sein Grabmal immer von Bienen besprengt werde und von hymettischem Honig triefe (αἰεὶ τοι βούπαισι περιστάζοιτο μελίσσαις / τ ύμβος Ὑμηττείῳ λειβόμενος μέλιτι; Verse 3 f.). Dem 77 Vgl. z. B. Roscher (1883) 62 f. 78 Z. B. Callim. Hymn 1,49 f.; Verg. G. 4,149–152. 79 Dies wird von Valerius Maximus 1,6 ext. 2 wohl in Abhängigkeit von Cicero sowie in der Varia historia (12,45) Aelians ebenfalls erwähnt. In allen Fällen folgt auf den Bericht über die Ameisen und Midas der über die Bienen und Platon. Die Berichte werden noch einmal in Ciceros 2. Buch von De divinatione (2,66) aufgegriffen, in dem Argumente gegen die Divination vorgebracht werden. Dort heißt es, die eigentlichen Zeichen seien gar keine wundersamen Prophezeiungen, vielmehr seien sie später als solche gedeutet worden oder gar ganz erfunden.

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Mantische Eigenschaften der sozialen Insekten

Dichter Gaetulicus (vermutlich 1. Jhd. n. Chr.) wird ein Epigramm (Anth. Gr. 7,71) über das Grabmal des Archilochos zugeschrieben. Es schließt mit einer Warnung an den vorbeiziehenden Reisenden, sich ruhig zu verhalten, um den dort nistenden Wespenschwarm nicht aufzuschrecken (ἠρέμα δῆ παράμειψον, ὁδοιπόρε, μή ποτε τοῦδε / κινήσῃς τύμβῳ σφῆκας ἐφεζομένους; Verse 5 f.). Derselbe Gedanke findet sich auch in zwei Epigrammen (Anth. Gr. 7,405 [Philippos] und 408 [Leonidas von Tarent]) zum Grabmal des Hipponax. Man muss freilich einräumen, dass Bienen- bzw. Wespenschwärme nicht ausschließlich an den Grabmälern großer Dichter zu finden sind. In der Hippokrates-Vita (11 Ilberg) des Soran (1./2. Jhd. n. Chr.) heißt es beispielsweise: […] καὶ δείκνυται ἄχρι δεῦρο τὸ μνῆμα, ἐν ᾧ μέχρι πολλοῦ σμῆνος ἦν ἐργαζόμενον μέλι, ἀφ’ οὗ τὰ ἀφθῶντα παιδάρια χρίουσαι παρὰ τῷ τάφῳ ῥᾳδίως ἀπήλλατον αἱ τιτθαί. […] und es wird bis heute das Grabmal gezeigt, an dem lange Zeit ein Bienenschwarm war, der Honig herstellte. Wenn die Ammen damit Säuglinge, die von Soor befallen waren, neben dem Grab bestrichen, wurden sie diesen einfach los.

Ein zentrales Element scheint hier die heilende Wirkung des Honigs, die sich insbesondere bei Pilzinfektionen wie Soor tatsächlich nachweisen lässt.80 Bereits in der Antike verwendete man unter anderem Honig als Heilmittel gegen die hier genannten ἄφθαι.81

7.5 Träume Beschreibungen und Deutungen der Träume von sozialen Insekten finden sich in erster Linie in den sogenannten Oneirokritika Artemidors, welche vermutlich in der Zeit zwischen der Mitte des 2. und dem Anfang des 3. Jhd. n. Chr. verfasst wurden.82 Die insgesamt fünf Bücher sind wiederum in verschiedene Rubriken eingeteilt, die wohl auf den Verfasser selbst zurückgehen.83 Bienen und Wespen werden, wie auch in vielen naturkundlichen Schriften, unmittelbar aufeinander folgend in Buch 2,22 besprochen: Μέλισσαι γεωργοῖς μὲν καὶ τοῖς ἐξ αὐτῶν ἔχουσι τὴν ἐργασίαν ἀγαθαί· τοῖς δὲ ἄλλοις ταραχὰς σημαίνουσι διὰ τὸν βόμβον καὶ τραύματα διὰ τὸ κέντρον καὶ νόσον διὰ τὸ 80 Vgl. z. B. Irish; Carter; Shokoh; Blair (2006). 81 Vgl. z. B. Dioskurides De materia medica 3,123; Galen De compositione medicamen­ torum secundum locos 6 519 = XII, p. 992,2–4 Kühn; Oreibasios Eclogae medicamentorum 20. 82 Vgl. Harris-McCoy (2012) 2. 83 Vgl. ebd. 18–25 für eine Übersicht. Artemidors »Inhaltsverzeichnis« über die ersten beiden Bücher findet sich in 1,10.

Träume

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μέλι καὶ τὸν κηρόν. ἐπικαθεζόμεναι δὲ τῇ κεφαλῇ τοῦ ὁρῶντος στρατηγοῦντι μὲν καὶ δημιουργοῦντι ἀγαθαί, τοῖς δὲ ἄλλοις πονηραί, καὶ ὡς ἐπὶ τὸ πολὺ ὑπὸ ὄχλου ἢ ὑπὸ στρατιωτῶν διαφθαρῆναι σημαίνουσι τὸν ἰδόντα. ἐοίκασι μὲν γὰρ ὄχλῳ ἢ στρατῷ διὰ τὸ ἡγεμόνι ὑποτετάχθαι, ἀναιροῦσι δὲ διὰ τὸ τοῖς ἀψύχοις ἐπικαθέζεσθαι. ἐγκλείειν δὲ μέλισσας ἀγαθόν, καὶ ἀναιρεῖν ὁμοίως ἀγαθὸν πᾶσι πλὴν γεωργῶν. Σφῆκες δὲ πᾶσι κακοί· περιπεσεῖν γὰρ σημαίνουσι πονηροῖς ἀνθρώποις καὶ ὠμοῖς. Bienen sind zwar gut für Bauern und diejenigen, die mit ihnen ihr Geld verdienen; den anderen aber kündigen sie Unruhen wegen des Summens und Verletzungen wegen des Stachels und Krankheit wegen des Honigs und des Wachses an. Wenn sie sich aber auf den Kopf desjenigen setzen, der (das Traumbild) sieht, dann sind sie für einen Heerführer und einen Handwerker zwar gut, aber für die anderen schädlich, und sie kündigen im Allgemeinen an, dass der, der (das Traumbild) sieht, durch eine Masse oder Soldaten vernichtet wird. Denn sie gleichen einer Masse oder einem Heer, weil sie einem Anführer untergeordnet sind, und sie zerstören, weil sie sich auf Leblosem niederlassen. Es ist aber gut Bienen einzuschließen und es ist gleichermaßen gut sie zu zerstören für alle außer Bauern. Wespen aber sind für alle schlecht; denn sie künden an, dass man auf schlechte und rohe Menschen trifft.

Betrachtet man nun zunächst die Interpretation der Bienen so wird deutlich, dass sie im Gegensatz zu den Wespen zumindest als ambivalent wahrgenommen werden. Oft sind sie ein schlechtes Zeichen, für bestimmte Berufsgruppen jedoch können sie auch positiv sein. Letztere sind solche, die mit den Bienen in einer engen Verbindung stehen, entweder in direkter Weise als Bauern bzw. Imker oder in eher übertragener Bedeutung als Heerführer oder Handwerker. In diesem Falle wird an die Wahrnehmung des Bienenschwarmes als Heer (dazu s. o.  268 und 6.2) bzw. der Biene als besonders kunstfertigem Tier (z. B. Var. Rust. 3,16,4; Plin. HN 11,11) angeknüpft. Das Niederlassen auf dem Kopf erinnert dabei an die bereits besprochene Weihung des Dichters durch die Bienen (s. o.  351). Möglicherweise liegt hier eine Übertragung dieses Topos auf weitere Berufsgruppen vor, die mit den Bienen in Verbindung stehen. Freilich mit dem Unterschied, dass diese Menschen nur in ihrem eigenen Traum von einem Bienenschwarm besetzt werden. Die Beschreibung der Biene als schlechtes Zeichen in diesem Zusammenhang erinnert stark an die Deutung der BienenschwarmProdigien in römischen Quellen, die, wie bereits gesagt (s. o. 343), ebenfalls häufig eine Vernichtung durch eine Übermacht an (feindlichen) Soldaten ankündigen sollen.84 Interessant ist außerdem, dass die schlechten Dinge, die das Traumbild einer Biene ankündigen soll, sowohl mit ihrem Verhalten (Summen) als auch mit ihrer Morphologie (Stachel) als auch mit ihren Produkten (Wachs und Honig) korreliert werden. Sind die Zusammenhänge zwischen Summen

84 So auch White (1975) 149 und Harris-McCoy (2012) 481.

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Mantische Eigenschaften der sozialen Insekten

und Unruhen sowie zwischen Stachel und Verletzungen noch leicht nachvollziehbar, so ist der Zusammenhang zwischen Krankheit und Honig und Wachs etwas schwieriger zu verstehen. Harris-McCoy85 liegt möglicherweise richtig, wenn er in dem griechischen Wort für Wachs (κηρός) ein Wortspiel mit κήρ (»Tod«; »Verderben«) erkennt, wobei man einräumen muss, dass in Artemidors Text nicht von Tod, sondern von Krankheit (νόσος) die Rede ist. Seine Aussage, der Honig sei mit dem Tod verbunden, weil er bei Beerdigungsriten gebraucht wurde,86 geht am eigentlichen Text vorbei. Viel sinnvoller erscheint es hier eine Verbindung zu den giftigen Honig- und Wachssorten herzustellen, die Krankheiten hervorrufen konnten. Dies war bereits in der Antike bekannt (s. u. 360). Möglicherweise könnte man gewissermaßen im Gegenteil auch an die zahlreichen Verwendungsmöglichkeiten von Wachs und Honig als Heilmittel denken, die hier den Bereich der Krankheiten evozieren. Schwierig zu deuten ist, was mit dem Ausdruck διὰ τὸ τοῖς ἀψύχοις ἐπικαθέζεσθαι gemeint ist. White87 und Harris-McCoy88 scheinen ἄψυχος hier vor allem als tote Körper zu verstehen, wenngleich Harris-McCoy zumindest neutraler mit »lifeless things«89 übersetzt. Diese Interpretation würde freilich der allgemeinen Vorstellung von der Biene als besonders reinem Tier widersprechen (dazu s. 2.3.4). Harris-McCoy stellt hier eine Verbindung zur Bugonie her (dazu s. Kapitel 4): »The view that bees settle on dead animals for the sake of reproduction – the bugonia – can be found in the Varro passage cited (Anm.: »Varro, Rust. 3.16.4«); Verg., Geo. 4; and elsewhere.« Dies erscheint aber unwahrscheinlich, da hierbei Bienen, wie es bereits ausführlicher besprochen wurde, aus verwesenden Rindern entstehen und sich nicht zur Reproduktion auf ihnen niederlassen. Eher ist hier an die Orte (Felsen oder Baumhöhlen) gedacht, an denen die Bienen natürlicherweise ihre Nester errichten. Bäume sind nach modernem biologischen Verständnis zwar durchaus Lebewesen, eine ψυχή wurde in der Antike jedoch meist nur Menschen und Tieren zugesprochen. Eine Verbindung könnten jedoch die Berichte von Bienenschwärmen an Gräbern großer Dichter aber auch anderer Personen sein (dazu s. o. 353). Die Interpretation der Wespen als durchgängig schlechtes Zeichen und Ankündigung schlechter und brutaler Menschen entspricht ihrer gängigen Charakterisierung als aggressive Tiere. Ameisen werden in den Oneirokritika an zwei Stellen erwähnt. Zum ersten Mal in 1,24:

85 Vgl. Harris-McCoy (2012) 481. 86 Vgl. ebd. 87 Vgl. White (1975) 103. 88 Vgl. Harris-McCoy (2012) 481. 89 Ebd. 191.

Träume

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Μύρμηκας δοκεῖν εἰς τὰ ὦτα εἰσέρχεσθαι σοφισταῖς μόνοις ἀγαθόν· ὅμοιοι γάρ εἰσι τοῖς φοιτῶσι [ἀκουσομένοις] μειρακίοις· τοῖς δὲ λοιποῖς θάνατον προαγορεύει τὸ ὄναρ· γῆς τε γάρ εἰσι παῖδες οἱ μύρμηκες καὶ εἰς γῆν καταδύονται. Ameisen, die in die Ohren einzudringen scheinen, sind nur für Sophisten ein gutes (Zeichen); denn sie sind jungen Männern ähnlich, die sie häufig aufsuchen; den übrigen aber sagt der Traum den Tod voraus; denn die Ameisen sind Kinder der Erde und steigen in die Erde herab.

Wie die Bienen sind die Ameisen, die einer Person ins Ohr steigen, ein gutes Zeichen für einen Berufstand, mit dem sie in einem übertragenen Sinne in Verbindung stehen. Das Ohr als das in diesem Falle speziell genannte Organ soll wohl die Tätigkeit der jungen Männer – das Hören der Lehren des Sophisten – verdeutlichen. Diese Interpretation wird gewissermaßen durch das Partizip ἀκουσομένοις (»die zuhören werden / wollen«) gestützt, das sich in den Handschriften zwar findet, in den modernen Editionen jedoch als Glosse athetiert wird. Gleichwohl ist das Bild ein wenig schief, denn es sind wohl die jungen Männer, die die aus dem Mund des Sophisten gesprochenen Worte mit ihren Ohren aufnehmen. Sie hängen also streng genommen eher an seinen Lippen, um einen im Deutschen geläufigen Ausdruck zu gebrauchen, und kriechen nicht in das Ohr ihres Lehrers. Die Charakterisierung der Ameisen als γῆς παῖδες zeigt, wie eng diese Traumdeutung mit der in der Antike verbreiteten Vorstellung vom Ameisenbau verknüpft ist. Dieser befindet sich in den meisten erhaltenen Darstellungen unter der Erde, wie es bei den im Mittelmeerraum häufig anzutreffenden Ernteameisen tatsächlich der Fall ist (dazu s. 6.5.3). Ähnlich wie es bereits bei der Besprechung bestimmter Wettervorzeichen festgestellt wurde (s. o. 336), funktioniert die hier gegebene Traumdeutung, die eine Verbindung zwischen dem Begraben von Toten und dem Hinabsteigen der Ameise in ihren unterirdischen Bau herstellt, nicht so einfach für Menschen im modernen Mitteleuropa, die sich als prototypische Ameisen eher Arten vorstellen, die einen Hügel errichten. Eine weitere, umfangreichere Erwähnung von Ameisen findet sich im 3. Buch der Oneirokritika (3,6): Μύρμηκας τοὺς μὲν πτερὰ ἔχοντας οὐδαμῶς ἰδεῖν ἀγαθόν· ὄλεθρον γὰρ προαγορεύουσι καὶ ἀποδημίας ἐπικινδύνους· τοὺς δὲ ἑτέρους ἀγαθὸν γεωργοῖς· εὐφορίαν γὰρ μαντεύονται, ἐπειδὴ ὅπου μὴ ἔστι σπέρματα, οὐκ ἂν ἴδοι τις μύρμηκας. ἀγαθοὶ δὲ οὗτοι καὶ τοῖς ἐξ ὄχλου ποριζομένοις καὶ τοῖς νοσοῦσιν, ὅταν γε μὴ περὶ τὸ σῶμα τοῦ ἰδόντος ἀναστρέφωνται· ἐργάται γὰρ καλοῦνται καὶ ἐργοπονούμενοι οὐ διαλείπουσιν, ὅπερ ἴδιόν ἐστι τῶν ζώντων. ἐπειδὰν δὲ περὶ τὸ σῶμα τοῦ ἰδόντος ἀναστρέφωνται, ὄλεθρον προαγορεύουσιν, ὅτι γῆς εἰσι παῖδες καὶ ψυχροὶ καὶ μέλανες. Die Ameisen, die Flügel haben, sind keinesfalls zuträglich zu sehen. Denn sie sagen Zerstörung und einen gefährlichen Aufenthalt in der Fremde voraus. Die übrigen sind gut für Bauern; denn sie prophezeien eine fruchtbare Zeit, da (dort), wo es keine Sa-

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Mantische Eigenschaften der sozialen Insekten

men gibt, niemand Ameisen sehen dürfte. Gut sind diese aber auch für diejenigen, die aus der Masse ihre Einkünfte beziehen, und für die Kranken, wenn sie (die Ameisen) sich nicht um den Körper desjenigen, der (das Traumbild)  sieht, herum aufhalten. Denn sie werden Arbeiter genannt und sie lassen in ihrer harten Arbeit nicht nach, was ein Spezifikum der Lebenden ist. Wenn sie sich aber um den Körper desjenigen, der (das Traumbild) sieht, herum aufhalten, sagen sie Zerstörung vorher, weil sie Kinder der Erde sowie kalt und schwarz sind.

Einige Elemente dieser Beschreibung sind schon bekannt. Dies betrifft vor allem die letzte Aussage, dass die Ameisen ein schlechtes Zeichen seien, weil sie »Kinder der Erde« und zudem – dies fehlt in 1,24 – kalt und schwarz seien. Die Kälte, die den Ameisen als – nach antiker Vorstellung – blutlosen Tieren zukommt, steht wohl für die Erkaltung eines toten Körpers. Auch der Kontakt zum Körper des Sehenden, hier jedoch ohne ein bestimmtes Organ zu nennen, findet sich bereits in 1,24. Es kommt an dieser Stelle wiederum das Prinzip zum Tragen, dass das Zeichen dann für einen Menschen gut ist, wenn sich eine gewisse Verbindung zu dessen Lebensweise oder Zustand herstellen lässt. Dies betrifft zum einen die fruchtbare Periode für den Bauern, eine Idee, die an die Geschichte von Midas und den Ameisen erinnert (s. o. 353),90 zum anderen diejenigen, die aus der Masse ihre Einkünfte beziehen, wie es etwa für die in 1,24 genannten Sophisten gilt. Hier ist offenbar an den Topos von den Ameisen als Masse angeknüpft. Interessant ist, dass der Fleiß der Ameisen (dazu s. 2.3.3) hier als Zeichen für Lebendigkeit angesehen wird und somit einem Kranken Hoffnung schenken kann. Auffällig ist ebenfalls, dass zwischen geflügelten und ungeflügelten Ameisen unterschieden wird. Letztere sind, wie gerade ausgeführt, ein ambivalentes Zeichen, erstere aber stets ein schlechtes Omen. Ist die vermeintliche Ankündigung der ἀποδημίαι noch recht einfach mit den Flügeln dieser Ameisen in Verbindung zu bringen, so bleibt die Prophezeiung des ὄλεθρον jedoch dunkel. Man könnte an bestimmte todbringende Schadgeister, wie etwa die Keren denken,91 die ebenfalls (meist) als schwarz und mit Flügeln versehen dargestellt wurden, mit denen sie einen Menschen in die Unterwelt schleppen. Diese Schadgeister könnten also eine Verbindung bieten. Die Ankündigung des Todes durch geflügelte Ameisen findet freilich eine gewisse Parallele in der Nero-Vita Suetons (46,1):92 Obwohl er niemals zuvor geträumt habe, habe Nero nach der Ermordung seiner Mutter verschiedene erschreckende Träume gesehen. Einer davon

90 So auch White (1975) 177 und Harris-McCoy (2012) 509. 91 Zu deren Darstellungen vor allem in der antiken Kunst vgl. z. B. das entsprechende Lemma im LIMC (Vollkommer [1992]). Vollkommer betont auch (Seite 14), dass die »eigenständige Identität« der Keren seit der klassischen Zeit in zunehmendem Maße zurückgehe und andere, ähnliche Schadgeister wie etwa die Erinyen oder die Sphinx an ihre Stelle treten. 92 So auch z. B. White (1975) 177; Davies; Kathirithamby (1986) 43; Beavis (1988) 208; Harris-McCoy (2012) 510.

Kult und Religion

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sei, von einer Menge geflügelter Ameisen bedeckt zu werden (pinnatarum formicarum multitudine oppleri). Ob mit der Bezeichnung der ungeflügelten Ameisen als ἐργάται bei Artemidor eine ähnliche Neststruktur mit geflügelten und ungeflügelten Ameisen impliziert wird, wie sie beispielsweise Aristoteles für die Wespen annimmt, bei denen er die modern so genannten Arbeiterinnen ebenfalls als ἐργάται bezeichnet, die mit den μῆτραι zusammenleben (dazu s. 2.6), muss hier offen bleiben. Zumindest in den Editionen von Pack und Harris-McCoy werden die ungeflügelten Ameisen nur in einem bestimmten Kontext ἐργάται genannt, in dem es auch tatsächlich um ihren Arbeitseifer geht, nicht aber losgelöst davon. Freilich athetieren beide Ausgaben den Ausdruck ἐργάτας καλουμένους, welcher in den Handschriften als nähere Erläuterung nach τοὺς δὲ ἑτέρους folgt. Sollte dies keine Glosse sein und doch in den Text gehören, so wären in diesem Falle die μύρμηκες πτερὰ ἔχοντες tatsächlich den ἐργάται καλούμενοι gegenübergestellt.

7.6 Kult und Religion Schon recht früh wurden in der erhaltenen griechischen Literatur Verbindungen zwischen Bienen – nicht aber zwischen Wespen oder Ameisen – und bestimmten kultischen Einrichtungen bzw. Personen(gruppen) hergestellt (dazu s. o. 222). Oftmals spielt dabei der mantische Aspekt eine große Rolle.93 Ein bekanntes Beispiel sind die älteren Priesterinnen und Lehrerinnen des jungen Apollon, die im pseudo-homerischen Hermeshymnos (552–563) beschrieben werden. Diese lebten am Fuße des Parnassos und seien in der Lage, durch den Verzehr von Honigwaben wahre Prophezeiungen zu geben. Neben dem Verzehr von Honigwaben weisen sie in der Beschreibung noch weitere bienenartige Eigenschaften, insbesondere den Besitz von Flügeln (ὠκείῃσιν ἀγαλλόμεναι πτερύγεσσι; 553), auf. Meist werden sie mit den sogenannten Thriai identifiziert,94 die freilich z. B. von Philochoros (328 Frg. 195 FGrH) zwar wie im Hermeshymnos als drei Ammen (τροφοί) des Apollon bezeichnet werden, die am Parnassos lebten und Prophezeiungen tätigten, jedoch hier nicht mit Bienen zusammengebracht werden. Zudem sollen sie laut Philochoros mithilfe von Steinchen (ψῆφοι) ihre Weissagungen treffen. Hinter der Vorstellung,95 dass der

93 Dieser Aspekt der antiken Konzepte von der Biene ist bereits häufiger untersucht worden, z. B. von Robert-Tornow (1893) 170–173; Ransome (1937) 97–99; Roscalla (1998) 29–37; Herren (2008) 48 f. Da in diesen Publikationen größtenteils dieselben Stellen besprochen werden, kann dieser Punkt etwas kürzer behandelt werden. 94 Vgl. z. B. Ransome (1937) 97; Herren (2008) 48. Dem widerspricht aber beispielsweise Larson (1995). 95 Eine ähnliche Passage findet sich bereits bei Berrens (2015) 148.

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Honig es ermögliche, Prophezeiungen zu äußern,96 steht möglicherweise giftiger Honig, wie er z. B. am Schwarzen Meer zu finden ist. Honig von bestimmten Pflanzen97 kann giftig sein und Rauschzustände hervorrufen, wie bereits in der Antike bekannt war.98 Neben dem bereits erwähnten Orakel des Trophonios (s. o. 338) wird auch das berühmte Orakelheiligtum in Delphi mit den Bienen verbunden. So berichtet beispielsweise Pausanias (10,5,9)99 von einer Sage, nach der die Bienen den zweiten Apollon-Tempel in Delphi errichtet hätten: δεύτερα δὲ λέγουσιν οἱ Δελφοὶ γενέσθαι ὑπὸ μελισσῶν τὸν ναὸν ἀπό τε τοῦ κηροῦ τῶν μελισσῶν καὶ ἐκ πτερῶν. – »Das zweite Mal aber, sagen die Bewohner von Delphi, sei der Tempel durch Bienen entstanden aus dem Wachs der Bienen und aus Federn.« Neben dieser Sage wird zudem die Pythia von Pindar an einer Stelle (Pyth. 4,60 f.) als μέλισσα Δελφίς (»delphische Biene«) bezeichnet. Das Judentum kann ebenfalls eine Verbindung zwischen Bienen und Prophetie aufweisen. Im Buch Richter (Kapitel 4 und 5) tritt eine Richterin namens Deborah auf, die ausdrücklich auch als Prophetin (Ri. 4,4) bezeichnet wird. Dieser hebräische Name bedeutet »Biene«, wie zum ersten Mal in der erhaltenen griechischen Literatur von Flavius Iosephus berichtet wird ([…] Δαβώραν τινὰ προφῆτιν, μέλισσαν δὲ σημαίνει τοὔνομα κατὰ τὴν Ἑβραίων γλῶσσαν, […]; Antiquitates Iudaicae 5,200 f.). Im christlichen Kontext können die Propheten allgemein mit den Bienen gleichgesetzt werden.100 Ähnlich wie in der griechisch-römischen Kultur werden im Alten Testament angenehme Worte (z. B. Spr. 16,24) oder auch die Worte Gottes (Ps. 119,103) als Honig bezeichnet. Der Prophet wird dann analog zu dem von den Musen inspirierten Dichter in der paganen Kultur (dazu s. 8.1) als Biene bzw. die Biene als prophetisch bezeichnet.101 Zudem kann auch speziell an die 96 Larson (1995) 354 f. betont allerdings, dass die Prophezeiung mithilfe eines Rauschmittels im antiken Griechenland ansonsten wohl nicht üblich war. 97 Es handelt sich wohl um Rhododendron ponticum L.; vgl. z. B. Kurtoglu; Yavuz; Evrendilek (2014) für eine Analyse der chemischen Inhaltsstoffe. 98 Z. B. Xen. An. 4,8,20; [Arist.] Mir. ausc. 18, 831 b 22–25; Ael. NA 5,42; Geop. 15,9,4; Plin. HN 21,74–78. Meist hielt man die Eibe für die Ursache des giftigen Honigs. 99 Eine Erwähnung dieser Sage findet sich auch bei Philostr. VA 6,10,4 und 6,11,15. An diesen Stellen fordert allerdings eine Person die Vögel und die Bienen dazu auf, Federn bzw. Wachs zu bringen. Es sind also nicht unbedingt die Bienen und Vögel selbst, die den Tempel errichten. 100 Dazu äußern sich z. B. Misch (1974) 25 f.; Wimmer (1998) 40 f. und Ronnenberg (2008) 149 f. bereits umfangreicher, sodass diese Thematik hier nur kurz angesprochen werden muss. 101 Z. B. Ambrosius Commentarius in Canticum canticorum, Caput 4,31 = PL 15,1909 C (zu Vers Hld. 4,11); in Psalmum 118, sermo 14,24 (zu Vers 108. Die Zählung der Psalmen in der LXX und der Vulgata unterscheidet sich teilweise von der in der hebräischen Bibel. In der Einheitsübersetzung, die auf dem hebräischen Text beruht, ist dies Psalm 119). Origenes In Ezechielem homilia 7,4 (zu Ez. 16,18 f.); In Isaiam homilia 2,2 (zu Jes. 7,15). Vgl. Wimmer (1998) 40 f. für weitere Belege.

Zusammenfassung

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bereits erwähnte Bedeutung des Namens der Seherin Deborah erinnert werden. Dies ist beispielsweise102 bei Origenes (In librum Iudicum homilia103 5,2) der Fall: Debbora apis interpretatur sive loquela. […] Certum namque est quod omnis prophetia suaves coelestis doctrinae favos et dulcia divini eloquii mella componat. Deborah wird mit Biene oder Rede übersetzt. […] Es ist nämlich gewiss, dass jede Weissagung süße Waben der himmlischen Lehre und süßen Honig göttlicher Beredsamkeit / der Heiligen Schrift bildet.

Aufgrund der großen Ähnlichkeit der jüdischen und der griechisch-römischen Bienenkonzepte in diesem Bereich ist die Übernahme der entsprechenden Bilder in christliche Schriften leicht möglich. Freilich werden nicht nur die Propheten und Prophetinnen mit den Bienen gleichgesetzt, sondern auch christliche Autoren und Priester (dazu s. 8.3).

7.7 Zusammenfassung Wenn man eine relativ weite Definition von Mantik zugrunde legt, können soziale Insekten in verschiedenen Kontexten damit in Verbindung gebracht werden. Ein eigenes Wissen um die Zukunft unterstellt man den sozialen Insekten, wenn man aus ihrem Verhalten auf kommendes Wetter schließen möchte. Als eher unbewusste »Werkzeuge« der Götter fungieren dagegen Insektenschwärme, die dem Menschen das Schicksal bzw. den Willen der Götter mitteilen können. Besonders häufig werden Bienenschwärme in diesem Zusammenhang genannt. Sie können etwa Menschen den Weg zu einem unbekannten Ort zeigen oder, wenn sie sich an bestimmten Stellen niederlassen, als Vorzeichen dienen. Für Menschen, die nach der Herrschaft streben, kann ein Bienenschwarm dabei sowohl positiv (Dionysios, Agathokles) als auch negativ (Dion) gedeutet werden. Bienenschwärme, die sich im Heereslager oder auf öffentlichen Gebäuden bzw. Tempeln niederlassen, werden als prodigia publica in römischer Zeit häufig berichtet und insbesondere im Falle des Auftauchens im Heereslager zu einem Topos. Die negative Deutung des Auftauchens eines Schwarms (dies gilt auch für die seltenen Berichte eines Wespen- und eines Ameisenschwarmprodigiums) liegt jedoch wohl weniger in den antiken Konzepten von diesen Tieren begründet als vielmehr in der Tatsache, dass diese Tiere eine Grenze überschreiten und an einem Ort auftauchen, an den sie eigentlich nicht gehören. Für das Auftauchen eines Bienenschwarmes im Lager eines Heeres, das in der Schlacht un 102 Vgl. Misch (1974) 25 und 157 Anm. 8 für weitere Stellen bei Origenes. 103 Dies ist nur in einer lateinischen Übersetzung erhalten.

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terliegen wird, lässt sich allenfalls anführen, dass Bienen oftmals mit Heeren in Verbindung gebracht werden (s. o. 268 und 6.2) und somit vielleicht die zahlenmäßige Überlegenheit der Feinde symbolisieren könnten. Die in der Forschung öfters geäußerte These, dass das Auftauchen von Bienenschwärmen in Rom vor allem deshalb als negativ angesehen wurde, weil die Bienen für die verhasste Monarchie stünden, kann dagegen nicht erhärtet werden. Ein den Schwarmvorzeichen nicht unähnliches, jedoch stets positiv interpretiertes Phänomen sind die Berichte von einem Bienenschwarm, der sich auf den Lippen eines Menschen niederlässt und diesen somit zum Dichter »weiht«. Diese Berichte werden zu einem Topos, der sich für verschiedene Dichter und auch Redner findet und wohl in engem Zusammenhang mit den Vergleichen von Autor und Biene steht (dazu s. 8.1). Analog ist wohl die Geschichte von Midas gebildet, dem Ameisen in seiner Jugend Körner in den Mund gelegt haben sollen und ihn so als künftigen reichen Mann zu erkennen gegeben hätten. Hier zeigt sich eine Verbindung von Ameisen und Reichtum sowie zu ihrer Ernährung von Pflanzensamen. Ansonsten kündigen Ameisen oftmals den Tod an, sowohl wenn ein auftretender Schwarm als Vorzeichen interpretiert wird, als auch wenn sie im Traum gesehen werden. Begründet wird dies in den Oneirokritika (1,24; 3,6) Artemidors vor allem mit ihrer Charakterisierung als γῆς παῖδες, die sich wohl aus ihrem Lebensraum unter der Erde ergibt. Wie aber auch im Falle der Bienen (Artem. 2,22) können Ameisen in Träumen unter Umständen positiv für Menschen sein, die sich mit ihnen (meist eher im übertragenen Sinne) in Verbindung bringen lassen. Geflügelte Ameisen (Artem. 3,6) dagegen werden von Artemidor immer als ein negatives Zeichen gedeutet, möglicherweise weil sie an ebenfalls als geflügelt und schwarz dargestellte Schadgeister wie die Keren erinnern. In Träumen erscheinende Wespen (Artem. 2,22) sollen stets ein negatives Zeichen sein, weil sie schlechte und rohe Menschen ankündigen sollen. Dies knüpft an die zentrale Charakterisierung der Wespen als aggressiv an. In Zusammenhang mit Kult und Religion werden nur Bienen genannt. So können verschiedene Priesterinnen mit Bienen in Verbindung stehen, wobei hier wohl nicht nur die vermeintlichen mantischen Fähigkeiten der Bienen eine Ursache sein können, sondern wohl ebenfalls ihre Reinheit und Reinlichkeit (s. 2.3.4), die sich insbesondere auch auf ihr vermeintlich asexuelles Wesen bezieht. Bei christlichen Autoren können darüber hinaus Propheten als Bienen bezeichnet werden, wobei sie sowohl an die pagane Tradition des Vergleiches zwischen dem von den Musen inspirierten Dichter und der Biene (dazu s. 8.3) als auch an alttestamentliche Traditionen, insbesondere an die der Prophetin und Richterin Deborah, anknüpfen können, deren hebräischer Name »Biene« bedeutet.

8. Soziale Insekten als Bildspender für Literaturproduktion und -rezeption

Soziale Insekten und Literatur Vor allem die Sammeltätigkeit der Biene dient in vielen Texten als Bild sowohl für die Literaturproduktion als auch für deren Rezeption. Dies gilt nicht nur für die pagane Antike, sondern etwa auch für das Alte Testament, sodass die Bienenmetaphorik in diesem Bereich gerade von christlichen Autoren gerne genutzt wurde. Diese Metaphorik hat sich wohl aus dem Vergleich von angenehmer Rede bzw. Gesang und Honig entwickelt. Die Rolle, die man der Biene bei der Honigproduktion zuschrieb (Sammlerin des bereits fertigen Stoffes versus aktive Produzentin), steht daher oftmals in enger Verbindung zur Literaturtheorie. Aus diesem Grund lohnt es sich, in diesem Kapitel nicht nur der paganen und der christlichen Verwendung der Biene als Bildspenderin für Literaturproduktion und -rezeption nachzugehen, sondern auch die Frage nach den antiken Vorstellungen von der Honigproduktion in den Blick zu nehmen. Abschließend sollen noch die weitaus selteneren Verbindungen von Wespen und Ameisen zur Dichtkunst betrachtet werden.

8.1 Der Autor als Biene1 Der Vergleich von Biene und Dichter wird im Laufe des 5. Jhd.s v. Chr. zu einem Topos der griechischen Literatur und gelangt auch in die lateinische. Dieser Vergleich erscheint auf mehreren Ebenen plausibel, da sowohl den Bienen selbst bestimmte passende Eigenschaften zugeschrieben wurden als auch im eher übertragenen Sinne zahlreiche Verbindungen zwischen den Bienen einerseits und der Musik und Literatur andererseits konstruiert wurden. So sollen die Bienen nach antiker Vorstellung für bestimmte Töne emp­ fänglich sein.2 Dies gilt insbesondere für die vor allem in agronomischen und 1 Zu diesem Thema findet sich bereits eine recht breite Forschungsliteratur, sodass man sich auf die wichtigsten Punkte beschränken kann. Zu nennen ist hier z. B. Roscher (1883) 6­ 9–73; Usener (1902) 179; Ransome (1937) 103–106; Waszink (1974); Nünlist (1998) 60–63.300–306; Bounas (2008) 72–75 sowie Berrens (2015), woraus insbesondere die Übersetzungen größtenteils wörtlich übernommen sind. 2 Bienen lieben nach modernem Wissen sicherlich nicht die Musik, sie können aber Vibrationen wahrnehmen (auf kurze Distanz auch Schallwellen mit dem Johnstonschen Organ; vgl. Towne [1995] 281). Flach (2002) 272 hat Unrecht, wenn er behauptet, dass die Ver-

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Soziale Insekten und Literatur

naturkundlichen Schriften erwähnte Methode zum Einfangen eines zerstreuten Bienenschwarmes:3 Durch rhythmisches Klatschen oder das Schlagen von Zimbeln und ähnlichen Instrumenten könne man die Bienen dazu bringen, sich an einem Ort zu versammeln. Ganz explizit wird dies bei Varro (Rust. 3,16,7) gesagt: Quae cum causa musarum esse dicuntur volucres, quod et, si quando displicatae sunt, cymbalis et plausibus numero reducunt in locum unum; et ut his dis Helicona atque Olympon attribuerunt4 homines, sic his floridos et incultos natura attribuit montes. Mit gutem Grund sagt man, dass diese die geflügelten Wesen der Musen sind, weil (man) sie, wenn sie einmal weit zerstreut sind, auch geschwind durch Zimbeln und Klatschen an einen Ort zurückführen (kann). Und wie die Menschen diesen Göttinnen den Helikon und den Olymp zugeteilt haben, so hat die Natur diesen (den Bienen) die blumenreichen und unbebauten Berge zugeteilt.

Die Bienen werden hier also nicht nur als musarum volucres bezeichnet, sondern im folgenden Satz sogar als vergleichbar mit den Musen angesehen. Dabei ist auffällig, dass es der Mensch ist, der den Göttinnen ihre Aufenthaltsorte zuweist. Die handelnde Person im Falle der Bienen ist aber die natura, was die Bienen bis zu einem gewissen Grade über die Musen zu erheben scheint. Wegen ihrer Reaktion auf das rhythmische Klatschen der Imker schreibt auch Aelian (NA 5,13) den Bienen die Eigenschaften der φιλῳδία (»Liebe zu Gesang«) und φιλομουσία (»Liebe zu den Musen bzw. den schönen Künsten«) zu. Das Echo dagegen soll den Bienen verhasst sein, weshalb sich vor allem in agronomischen und naturkundlichen Schriften Anweisungen finden, die Bienenstöcke nicht in Gebieten aufzustellen, wo es zu einem Echo kommen kann.5 Eine weitere wichtige Eigenschaft der Biene, die ihren Vergleich mit Dichtern und Sängern begünstigt, ist ihre Fähigkeit, Töne zu erzeugen. Dies unterscheidet ständigung zwischen Bienen nur durch Duftstoffe möglich sei. Vor allem beim sogenannten Schwänzeltanz, der im dunklen Stock stattfindet, funktioniert die Kommunikation in erster Linie durch akustische Signale, die von den Nachtänzerinnen registriert werden (vgl. z. B. Bellmann; Honomichl [2007] 40). Eine Kommunikation über Duftstoffe kann hier gar nicht funktionieren, da die räumliche und zeitliche Auflösung von Duftspuren viel zu ungenau ist. 3 Z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 627  a 15–17; Verg. G. 4,64; Columella Rust. 9,12,2; Plin. HN 11,68; Pall. Op. 5,7,5; Geop. 15,3,7, wo es dazu heißt, die Bienen würden durch ein sehr schönes Lied bezaubert (θέλγει δὲ τοῦτο τὸ ζῷον καὶ κάλλιστον μέλος). Daneben findet sich die Erwähnung der Methode auch bei Platon (Nomoi 8, 843 d 7 – e 1), wo ein Schwarm durch die Geräusche angezogen wird, bei Ovid (Fasti 3,740–744), der berichtet, Bacchus habe den ersten Bienenschwarm durch das Schlagen von Erz eingefangen, sowie bei Lukan (9,283–293; s. o.  253) und in der pseudo-quintilianischen Declamatio 13 (»Apes pauperis«) 3 und 9. 4 Flach liest hier adtribuerunt. Dies erscheint aber inkonsequent, da er im Folgenden attribuit liest. Welche von beiden Lesarten hier richtig ist, ist wohl schwierig zu entscheiden, jedoch sollte konsequent eine Form beibehalten werden. 5 Z. B. Var. Rust. 3,16,12; Verg. G. 4,49 f.; Columella Rust. 9,5,6; Plin. HN 11,65; Pall. Op. 1,37,5.

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sie beispielsweise von den meisten Ameisenarten, die folgerichtig nur indirekt mit Dichtung in Verbindung gebracht werden (s. u. 387). Die Spannbreite ihrer musikalischen Fähigkeiten reicht dabei je nach Kontext vom rauen Klang von Kriegstrompeten6 (dazu s. o. 259) bis zum leisen Summen, das zum Schlaf verleitet.7 In einem Epigramm der Anthologia Graeca (9,505,5 f.) ist gar das Flötenspiel der für die Lyrik zuständigen Muse Euterpe mit dem Hauch einer weisen Biene gleichgesetzt (Εὐτέρπη δονάκεσσι πολυτρήτοισι λιγαίνει, / πνεῦμα σοφῆς ὀχετηγὸν ἐπισπείρουσα μελίσσης – »Euterpe lässt ihr klares Lied auf viellöchri­ gen Rohrflöten erklingen, / und sät darauf den durch die Rohre gepressten Hauch einer weisen Biene«). Zudem werden Bienen wie Dichter zuweilen als Mittler zwischen der Welt der Götter und der der Menschen verstanden. So lässt sich möglicherweise erklären, wieso man den Bienen gewisse mantische Fähigkeiten zugeschrieben hat (dazu s. Kapitel 7), da die Mantik stets in enger Verbindung zur Dichtkunst gesehen wurde.8 Bei Philostrat (Imag. 2,8,6) treten gar die Musen selbst in Bienengestalt auf (dazu s. 337). Die Lebensweise der Musen und Bienen ist ebenfalls in einigen Punkten vergleichbar: beide Gruppen leben auf Bergwiesen und gelten als keusch und rein.9 Schon vor dem Vergleich des Dichters mit der Biene findet sich in der erhaltenen Literatur der Vergleich der angenehmen Rede mit der Süße des Honigs, wie er etwa bei Homer (Il. 1,249) oder Hesiod (Theog. 81–84.96 f.) belegt ist. Eine wichtige Ursache der Gleichsetzung dürfte wohl im ähnlichen Klang von μέλος und μέλι liegen.10 Aus diesem Vergleich der Produkte könnte dann in späterer Zeit analog der Vergleich zwischen den Produzenten, Biene und Dichter, entstanden sein.11 Bei Pindar scheint der Vergleich direkt noch nicht belegt zu 6 Z. B. Var. Rust. 3,16,9 (ut imitatione tubae); Verg. G. 4,70–72 ([…] namque morantis /  Martius ille aeris rauci canor increpat, et vox / auditur fractos sonitus imitata tubarum); Columella Rust. 9,9,4, der die genannten Verse Vergils zitiert. 7 So z. B. in Verg. Ecl. 1,53–55. Vgl. dazu Roche (2014), der überzeugend argumentiert, dass hier neben Theokrit (Id. 7,135–147) auch ein Epigramm des Meleagros (Anth. Gr. 7,196) als Vorlage gedient haben könnte. Im Eidyllion Theokrits bilden Bienen neben verschiedenen Vogelarten die Szenerie des locus amoenus, die Einladung zum Schlaf durch das Summen der Biene aber, die sich bei Vergil (saepe levi somnum inire suadebit susurro; Ecl. 1,55) findet, ist bei Theokrit so nicht enthalten. Bei Meleagros ist es jedoch die unter anderem als παραμύθιον ὕπνου (»Aufforderung zum Schlaf«) und ἀρουραίη Μοῦσα λιγυπτέρυγε (»ländliche Muse mit helltönenden Flügeln«) apostrophierte Zirpe (ἀκρίς), deren Gesang den Menschen in den Schlaf wiegen soll. 8 Vgl. z. B. Waszink (1974) 12 f. 9 Vgl. Ransome (1937) 105 f. 10 In der Forschung wird diese Erkenntnis meist Dornseiff (1921) 61 zugeschrieben. Allerdings äußert sich bereits Robert-Tornow (1893) 105 ähnlich. 11 So z. B. Roscher (1883) 71, dem sich Waszink (1974) 6 mit Anm. 1 anschließt. Nünlist (1998) 60 mit Anm. 37 widerspricht aber und weist darauf hin, dass eine zeitliche Abfolge nicht zwangsläufig eine kausale impliziert.

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sein. Es finden sich aber einige Stellen, an denen die Dichtung oder der Gesang mit Honig verglichen werden.12 Auch die Musen werden als μελίφθογγοι (»von honigsüßer Stimme«; Ol. 6,21; in Isthm. 2,7 von Terpsichore)  bezeichnet. In Pyth. 10,53 f. wird das beste Enkomion mit einer Biene verglichen, die von einer Blüte zur anderen fliegt, so wie das Lied von einem Thema zum anderen eilt (ἐγκωμίων γὰρ ἄωτος ὕμνων / ἐπ’ ἄλλοτ’ ἄλλον ὥτε μέλισσα θύνει λόγον). Wie Nünlist korrekt feststellt, ist hier also das Produkt des Dichtens mit der Biene verglichen, nicht der Produzent.13 Sicher belegt ist der Vergleich zwischen Biene und Dichter in einem Epinikion (10,10) des Bakchylides, in dem sich die Dichterpersona selbst als λιγύφθογγος μέλισσα (»helltönende Biene«) bezeichnet. Wie Waszink wohl richtig feststellt,14 ist dieser Vergleich sogar ohne direkten Bezug zur Honigproduktion, sondern spielt auf die Fähigkeit der Biene an, Töne zu erzeugen. Schwieriger zu deuten ist ein Fragment (Frg. 304 Poltera = 593 PMG = 43 Diehl) des Dichters Simonides: ξανθὸν μέλι μηδομένα(-). Vor der Übersetzung und der Interpretation dieses Fragmentes lohnt es sich, zunächst einmal die Fragmentträger kritisch zu betrachten. Das Fragment ist insgesamt dreimal bei Plutarch (De profectibus in virtute 8, 79 C 4–6; De audiendo 8, 41 F 3–5 und De amore prolis 2, 494 A 5–8) überliefert. Daneben findet es sich auch in einem Brief des Michael Italikos (12. Jhd.) an den Logotheten Meles (21, p. 168 Gautier). Dessen Name, der nicht nur gleichlautend ist mit dem des Flusses, der zuweilen als Vater Homers angesehen wurde (dazu s. auch o. 337), sowie der ähnliche Klang von μέλι und Μέλης15 dürften wohl für Michael der Anlass gewesen sein, den Adressaten seines Briefes mit dem Honig und den Bienen in Verbindung zu bringen.16 Leider wird dieser letztgenannte Trägertext in den üblichen Editio­ nen dieses Fragmentes zumindest verschleiert, da man stets auf die Ausgabe der sogenannten Anecdota Graeca Oxoniensia (III, p. 173,12–16) Cramers verweist. Diese enthalten zwar unter anderem Briefe des Michael Italikos,17 was

12 Z. B. Isthm. 6,9 (μελιφθόγγοις ἀοιδαῖς); 6,63 f. (Χαρίτων ἄρδοντι καλλίστᾳ δρόσῳ; zur Vorstellung des Honigs als Tau s. 8.4); Ol. 10,98 f.; 11,4 und Pyth. 3,64 (μελιγάρυες ὕμνοι). Viele weitere Belegstellen listet z. B. Nünlist (1998) 303–306 auf. 13 Vgl. Nünlist (1998) 63, der außerdem festhält, dass eine solche »produktbezogene Vergleichung« singulär unter den von ihm behandelten Tiervergleichen ist. 14 Vgl. Waszink (1974) 16. 15 Man beachte, dass in dieser Zeit der Buchstabe η bereits als »/i/« ausgesprochen wurde; s. auch o. 231 Anm. 49. 16 Vgl. Gautier (1972) 45 und 167 Anm. 2. 17 Cramer kann sie ihm freilich nicht zuordnen. Es heißt in seiner Praefatio (ii): »Post Meletium exscripsi ex eodem Cod. Barocciano Anonymi cujusdam Byzantini grammatici Epistolas, qui Alexio Comneno regnante floruisse videtur, ut ex epistola ad Imperatorem illum patet.« Auch wenn Cramer keinen konkreten Autor nennen kann, ordnet er ihn doch zeitlich richtig ein.

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aber kaum als bekannt vorausgesetzt werden kann. Dieser etwas verdunkelte Zitatträger wird dann in allen Simonides-Ausgaben als unabhängige und gleichrangige Quelle neben Plutarch gestellt, ohne dass man kenntlich macht, dass es sich dabei um einen Autor aus dem 12. Jhd. handelt, und ohne dass man die viel aktuellere Edition des Zitatträgers von Gautier als Grundlage heranzieht. In diesem Zusammenhang müsste man eher fragen, ob Michael Italikos überhaupt noch die Möglichkeit hatte, den ganzen Simonides einzusehen oder ob er nicht vielmehr, wie auch an anderen Stellen,18 eher seine Kenntnis den Texten Plutarchs verdankt. Nach diesen Worten zur Überlieferung soll nun das eigentliche Fragment betrachtet werden. Relativ unverändert und daher relativ sicher sind vor allem die Worte ξανθὸν μέλι μηδομένα(-) belegt.19 Es geht jeweils im Kontext immer um eine Biene, die zu einer Blüte fliegt. Nünlists Aussage,20 »daß die Biene hier ein Bild für den Dichter ist«, weil dies »aus den Tradentenkommentaren mit hin­ reichender Sicherheit« hervorgehe, erscheint nicht zuletzt aufgrund der eben erläuterten Tatsache gewagt, dass es sich streng genommen nur um einen antiken kaiserzeitlichen und einen byzantinischen Autor handelt, bei denen dieses Zitat überliefert ist. Wobei bei letzterem, wie bereits gesagt, eine Plutarchrezeption zumindest nicht unwahrscheinlich, wenn nicht gar wahrscheinlicher ist, und Plutarch zuweilen die Aussage eines Zitates in einen Kontext einbettet, in dem es in seinem Herkunftstext nicht steht (für ein Beispiel s. o. 59 und 313 Anm. 229). Ohnehin sollte man bei der Heranziehung von Zitatkontexten für die Deutung große Vorsicht walten lassen. Auch die Übersetzung und das damit einhergehende Verständnis des Zitates bereiten Schwierigkeiten, die sich vor allem an der Bedeutung von μήδομαι festmachen. Diehl verweist in seiner Ausgabe auf Hesychs Lemma (μ 1154) μηδόμενος· ποιῶν21. So verstanden, hieße dies also, dass eine Biene, den »gelben Honig machte«. Waszink22 widerspricht dem, da seiner Meinung nach die Vorstellung einer Herstellung des Honigs in archaischer Zeit noch nicht gegeben war. Er übersetzt daher mit »ihren Sinn auf den gelben Honig setzend«.23 Nünlist dagegen hält die »Argumentation in zweifacher Hinsicht« für »nicht stichhaltig«,24 weil zum einen die Bedeutung »etwas planmäßig ins Werk setzen« für μήδομαι in der archaischen Dichtung belegt sei (das hatte Waszink allerdings gar nicht in Abrede gestellt) und zum zweiten »planende Gedanken« bei der Biene

18 Die Stellen finden sich im Index der Edition Gautiers (1972) 310. 19 Vgl. Poltera (2008) 549. 20 Nünlist (1998) 60 mit Anm. 38. 21 Er unterschlägt dabei die zweite Bedeutung βουλευόμενος. 22 Vgl. Waszink (1974) 15 mit Anm. 19. 23 Ebd. 24 Nünlist (1998) 61.

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(auch dies entspricht nicht der Übersetzung Waszinks) implizieren würden, dass sie nicht nur eine sammelnde Tätigkeit ausübe (zu antiken Vorstellungen von der Honigproduktion s. 8.4). Ohne näheren Kommentar übersetzt Poltera mit »darauf bedacht, gelben Honig 〈zu sammeln〉«,25 womit er sich wohl eher in die Tradition Waszinks stellt. Dass der Vergleich von Biene und Dichter bereits vor Bakchylides belegt ist und dass man in dieser Zeit den Bienen bereits eine aktivere Rolle bei der Honigproduktion zuschrieb als das bloße Einsammeln, kann kaum unzweifelhaft aus dem Simonides-Fragment abgeleitet werden. Die Vorstellung, dass der Dichter wie eine Biene auf der Blumenwiese geeignete Stoffe einsammelt, findet sich an mehreren Stellen in den erhaltenen Komödien des Aristophanes. Allen Stellen ist gemein, dass es in erster Linie um die Gestaltung der lyrischen Partien geht, weniger um Sprechverse oder Rezitative. So wird in den Ekklesiazusen (974) ein junges Mädchen unter anderem aufgrund ihres schönen Liedes von ihrem Liebhaber in einer lyrischen Passage als μέλιττα Μούσης (»Biene der Muse«; zu den erotischen Anteilen dieser Passage s. o.  227) bezeichnet. Besondere Wertschätzung scheinen die Lieder des frühen Tragödiendichters Phrynichos zu genießen, der bereits im ausgehenden 6. Jhd. v. Chr. tätig war. Seine Lieder werden vom Chor der alten Richter in den Wespen des Aristophanes gesungen und als ἀρχαιομελισιδωνοφρυνιχήρατα (»liebliche alte honigsüße sidonische phrynischeische Lieder«; 220) bezeichnet (dazu s. u. 387). Ausführlicher wird das Bild von der Dichterbiene auf der Wiese der Musen in einem Chorlied der Vögel (748–750) gezeigt: ἔνθεν ὡσπερεὶ μέλιττα Φρύνιχος ἀμβροσίων μελέων26 ἀπεβόσκετο καρπὸν ἀεὶ φέρων γλυκεῖαν ᾠδάν, von dort, wo einer Biene gleich Phrynichos stets die Frucht ambrosischer Lieder abweidete und eine süße Weise davontrug,

Ähnlich ist das Bild auch in den Fröschen (1298–1300) verwendet. Aischylos beschreibt hier, durch welche Inspirationen er zu den lyrischen Partien seiner Tragödien gelangte: ἀλλ’ οὖν ἐγὼ μὲν εἰς τὸ καλὸν ἐκ τοῦ καλοῦ ἤνεγκον αὔθ’, ἵνα μὴ τὸν αὐτὸν Φρυνίχῳ λειμῶνα Μουσῶν ἱερὸν ὀφθείην δρέπων·

25 Poltera (2008) 241. 26 Hier kann man das Spiel mit dem oben (365) erwähnten Gleichklang von μέλι und μέλος gut erkennen.

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Aber zu etwas Schönem von etwas Schönem habe ich sie (die Lieder) gebracht, damit man mich nicht von derselben heiligen Musenwiese wie Phrynichos pflücken sieht;

Ganz im Gegensatz zu ihm selbst, so spricht Aischylos weiter, nehme Euripides die Anregungen seiner lyrischen Partien von den Liedern von Huren, den Trinkliedern des Meletos, karischem Flötenspiel, Klageliedern und Chortänzen (Verse 1301–1303). Um seine Lieder also als originell27 und von hohem Stil zu kennzeichnen, wählt Aischylos das Bild der Musenwiese, auf der er seine Inspiration gewinnt. Man muss freilich einwenden, dass sich Aischylos hier nicht ausdrücklich mit einer Biene identifiziert. Es ist auch vorstellbar, dass er in diesem Bild selbst gewissermaßen eine Blütenlese betreibt und nicht als Biene, wie in anderen Bildern, den Honig aus den Blüten saugt. Die Lieder des Euripides aber erscheinen im Urteil des Aischylos in jedem Fall als nicht selbstständig erstellt, sondern aus zweifelhaften Quellen zusammengesetzt. Er verdient es damit nicht mit einer Biene auf der Musenwiese verglichen zu werden. Ein solches Verständnis könnte auch hinter einem Fragment (598 PCG) aus einer unbekannten Komödie des Aristophanes stehen. Es ist vor allem in einer Rede des Dion Chrysostomos über einen Vergleich der Behandlungen des Phi­loktetstoffes durch die drei großen Tragiker (Or. 52,17) überliefert, wo er abschließend den lyrischen Partien des sophokleischen Philoktet eine ἡδονὴ θαυμαστή (»einen bewundernswerten ästhetischen Genuss«) und eine μεγαλοπρέπεια (»einen hohen Stil«) zuschreibt. Als Beleg, dass dies auch andere so gesehen haben, führt er zwei Verse des Aristophanes (Frg. 598 PCG) an:28 ὁ δὲ αὖ Σοφοκλέους τοῦ μέλιτι κεχριμένου ὥσπερ καδίσκου περιέλειχε τὸ στόμα Dieser aber leckte wiederum den Mund des Sophokles, der wie ein Fläschchen mit Honig beschmiert war, ringsherum ab

Vermutlich geht es in diesen Versen um einen Nachahmer des Sophokles.29 Während der Mund des Sophokles voll des Honigs ist (dieses Bild erinnert an die »Dichterweihungen« durch Bienen; s. 7.4), d. h. wohl voll ästhetisch ansprechender und origineller Lieder, versucht der Imitator etwas davon abzubekommen, indem er es von Sophokles’ Mund ableckt. 27 So auch Dover (1993) 349. 28 In einem weiteren Fragment (Com. Adesp. Frg. 480 PCG) eines unbekannten Komödienautors wird Sophokles als Μουσῶν εὐκόλων ἀνθρήνιον bezeichnet (dazu s. u. 386). 29 Spekulationen in der Forschungsliteratur, wer genau gemeint sein könnte, möchte ich mich hier nicht anschließen. Weder kann man das sicher sagen noch ist es für diese Arbeit von Belang.

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In den Scholien zu Ar. Vesp. 462 (Σοφοκλῆς ἡδύς· διὸ καὶ μέλιττα ἐκαλεῖτο) und zu Soph. Aj. 1199 (ἥδιστος δὲ ὢν ὁ Σοφοκλῆς πάλιν ἐπὶ τὸ ἴδιον ἦθος ἔκλινεν ἐν τοῖς μέλεσιν ὅθεν καὶ μέλιττα ἐκλήθη) heißt es, Sophokles sei wegen seiner Süße »Biene« genannt worden. Ähnlich besagen auch die Scholien zu Soph. OC 17, die Komödiendichter hätten ihn aufgrund seines unübertroffen hohen Stils als Biene bezeichnet (ἐκράτησε δὲ μεγάλως τῇ φράσει, ὥστε μέλισσαν αὐτὸν ἐκάλεσαν οἱ κωμικοί). Es ist wichtig festzuhalten, dass in all diesen Passagen die Erhabenheit seiner Dichtung als Ursache für den Beinamen »Biene« genannt wird. Anders verhält es sich jedoch in der sogenannten Vita des Sophokles (Test. 1 TrGF). Hier heißt es, Sophokles habe im Gegensatz zu vielen anderen nicht bloß Vorgänger und Zeitgenossen imitiert, sondern als einziger von jedem nur das Beste genommen und sei daher »Biene« genannt worden (καὶ ἄλλοι μὲν πολλοὶ μεμίμνηνταί τινα τῶν πρὸ αὑτῶν ἢ τῶν καθ’ αὑτούς, μόνος δὲ Σοφοκλῆς ἀφ’ ἑκάστου τὸ λαμπρὸν ἀπανθίζει· καθ’ ὃ καὶ μέλιττα ἐλέγετο; Test. 1,87–89 TrGF). Diese Vorstellung ist nun eine ganz andere. Die Biene ist hier nicht mehr der Dichter, der ein originelles, von den Musen inspiriertes Lied dichtet, sondern derjenige, der sich aus geeigneten Vorbildern die besten Passagen nimmt (das verwendete Verb ἀπανθίζω bedeutet »Blumen pflücken« oder auch »Honig saugen«). Diese Vorstellung scheint erst später (die sogenannte Vita ist leider nicht datiert) in die Literaturtheorie eingegangen zu sein und ist vor allem im 84. Brief Senecas prominent (s. u. 374). Das klassische Bild von der Biene als Sammlerin des Honigs, die mit dem von den Musen inspirierten30 Dichter analog verglichen werden kann, ist vielleicht am umfangreichsten im platonischen Ion (534 a 7 – b 3) dargestellt: λέγουσι γὰρ δήπουθεν πρὸς ἡμᾶς οἱ ποιηταὶ ὅτι ἀπὸ κρηνῶν μελιρρύτων ἐκ Μουσῶν κήπων τινῶν καὶ ναπῶν δρεπόμενοι τὰ μέλη ἡμῖν φέρουσιν ὥσπερ αἱ μέλιτται, καὶ αὐτοὶ οὕτω πετόμενοι· καὶ ἀληθῆ λέγουσι. Denn freilich sagen uns die Dichter, dass sie von honigführenden Quellen aus bestimmten Gärten und Waldtälern der Musen die Lieder aufsaugen und sie uns wie die Bienen bringen und auch selbst so umherfliegen. Und sie sagen die Wahrheit.

Ein gewisser Unterschied zu den meisten übrigen Bildern besteht in der Tatsache, dass es sich bei Platon um honigführende Quellen handelt und nicht um Blumen. Dem Konzept von der Biene als Sammlerin des fertigen Honigs, das als analog zur Tätigkeit des Dichters gesehen wird, tut das freilich keinen Abbruch. 30 Die Dichter werden in diesem Kontext bei Platon auch mit Bakchantinnen verglichen, die durch die Gegenwart des Gottes Dionysos ebenfalls im Sinne eines ἐνθουσιασμός inspiriert sind. Im Folgenden (534 b 7) wird betont, dass kein Mensch ohne diesen ἐνθουσιασμός in der Lage ist zu dichten oder Orakelsprüche zu geben (χρησμῳδεῖν). Hier findet sich also auch die enge Verbindung von Dichtung und Mantik (vgl. Flashar [1958] 60–66).

Der Autor als Biene

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Im Hellenismus wird die Biene wohl vor allem mit kleiner und ausgewählter Dichtung verbunden. Ein bekanntes Beispiel ist sicherlich das Ende des kallimacheischen Apollonhymnus, in dem der personifizierte Φθόνος (»Neid«) zu Apollon sagt, er bevorzuge Dichtung groß wie das Meer. Worauf letzterer antwortet (108–112): Ἀσσυρίου ποταμοῖο μέγας ῥόος, ἀλλὰ τὰ πολλά λύματα γῆς καὶ πολλὸν ἐφ’ ὕδατι συρφετὸν ἕλκει. Δηοῖ δ’ οὐκ ἀπὸ παντὸς ὕδωρ φορέουσι μέλισσαι, ἀλλ’ ἥτις καθαρή τε καὶ ἀχράαντος ἀνέρπει πίδακος ἐξ ἱερῆς ὀλίγη λιβὰς ἄκρον ἄωτον. Der Strom des assyrischen Flusses ist groß, aber er bringt größtenteils Erdschlamm und viel Schmutz in seinem Wasser mit sich. Der Demeter bringen die Bienen aber nicht von überall her Wasser, sondern, was rein und unbefleckt hervordringt aus heiliger Quelle als kleines Rinnsal, das Beste von der Oberfläche.

Hier ist die Bienenthematik kunstvoll in die Wassersymbolik eingearbeitet.31 Die Bienen32 bedienen sich nicht überall, sondern nehmen sich nur das Reinste und Beste. Interessanterweise löst Kallimachos hier den Biene-Dichter-Vergleich vom Honig, der etwa in Platons ähnlichem Bild vorhanden war, und spielt auf einen weiteren Stoff an, den die Bienen sammeln, nämlich das klare Wasser. Das Aufnehmen von klarem Wasser ist ebenfalls ein zentrales Element antiker naturkundlicher und agronomischer Schriften zu den Bienen.33 Auch ist hier gewissermaßen auf die Reinheit und Reinlichkeit der Bienen angespielt (dazu s. 2.3.4).34

31 Vgl. dazu z. B. Wimmel (1960) 222–225; Asper (1997) 109–120. 32 Aufgrund der Tatsache, dass die Bienen der Demeter eine Art Weihopfer darbringen, hielt man die μέλισσαι in diesem Text in der (vor allem älteren) Forschung mitunter für Demeterpriesterinnen, die ebenfalls teilweise μέλισσαι genannt wurden. Vgl. dazu aber Williams (1978) 92–94, der zeigt, dass diese Bedeutungsebene hier vielleicht mitschwingt, jedoch nicht im Vordergrund steht. Zudem kann man anmerken, dass das Motiv der Bienen, die ihre Arbeit für Demeter verrichten, auch in den Alexipharmaka (450) Nikanders auftritt. Hier geht es allerdings um die Errichtung der Waben. Stephens (2015) 98 vermutet eine lokale Anspielung auf ein Heiligtum der Demeter und der Persephone in der Nähe eines Apollontempels mit einer Quelle in Kyrene. 33 Vgl. z. B. die bereits von Pfeiffer (1968) 284 angeführten Parallelen: Arist. Hist. an. VIII 11, 596 b 17 f. (καὶ ὕδωρ δ’ ἥδιστον εἰς ἑαυτὰς λαμβάνουσιν, ὅπου ἂν ἀναπηδᾷ); Verg. G. 4,54 f. ([…] flumina libant / summa leves […]) als Parallele zu ἄκρον ἄωτον (Pfeiffer beruft sich hier auf Klingner [1963] 166). Daneben z. B. Arist. Hist. an. IX 40, 625 b 20 (φέρει δὲ ὕδωρ, ὅταν τεκνοτροφῇ); IX 40, 626 a 9–12 (Kröten lauern an den Gewässern, an denen die Bienen ihr Wasser holen); IX 40, 626 b 25–28; IX 40, 627 a 22 f. (Bienen vermischen Wasser mit Honig); Var. Rust. 3,16,27 (aqua pura); Columella Rust. 9,5,5; Geop. 15,2,2–4. 34 So auch Crane (1987) 403.

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Ein weiterer Aspekt des Biene-Dichter-Vergleiches wird z. B. in einem Epigramm des Parmenion (Anth. Gr. 9,43) verdeutlicht: Ἀρκεῖ μοι χλαίνης λιτὸν σκέπας οὐδὲ τραπέζαις   δουλεύσω Μουσέων ἄνθεα βοσκόμενος. Μισῶ πλοῦτον ἄνουν, κολάκων τροφόν, οὐδὲ παρ’ ὀφρὺν   στήσομαι· οἶδ’ ὀλίγης δαιτὸς ἐλευθερίην. Es genügt mir der einfache Schutz eines Mantels und ich werde nicht den Tischen   als Sklave dienen, der ich die Blüten der Musen abweide. Ich hasse geistlosen Reichtum, Nährer der Schmeichler, und ich werde nicht neben der   Hochnäsigkeit stehen; ich kenne die Freiheit eines geringen Mahles.

Die Dichterpersona präsentiert sich hier als hart arbeitend und genügsam und weist damit ähnliche Charakteristiken auf wie die Biene. Sie wird nicht nur als fleißig (dazu s. 2.3.3), sondern auch als genügsam wahrgenommen, weshalb sie beispielsweise als das ideale Tier für Menschen dargestellt wird, die nur über ein kleines Stück Land verfügen.35 Außerdem wird den Bienen teilweise Luxuskritik zugeschrieben, da sie jegliche Schwelgerei hassen sollen (so Ael. NA 1,58 und 5,11). Die Bezeichnung des πλοῦτος ἄνους als κολάκων τροφός erinnert an den Ausdruck κηφήνων βοτάνη, der in der Politeia Platons (8, 564 e 13) für die Reichen gewählt ist (dazu s. o. 302 und u. 377). Der Fleiß bei der Arbeit spielt auch in der bekannten Selbstdarstellung der Dichterpersona in Carmen 4,2,25–32 des Horaz eine wichtige Rolle: multa Dircaeum levat aura cycnum, tendit, Antoni, quotiens in altos nubium tractus: ego apis Matinae   more modoque grata carpentis thyma per laborem plurimum circa nemus uvidique Tiburis ripas operosa parvus   carmina fingo. Ein großer Lufthauch erhebt den dirkäischen Schwan, sooft er, Antonius, zu den hohen Gefilden der Wolken strebt: ich bilde nach Art und Weise der Biene vom Berg Matinus, welche willkommenen Thymian sammelt, mit reichlich Arbeit am Hain und an den Ufern des feuchten Tibur klein meine arbeitsreichen Lieder.

35 Vor allem bei Verg. G. 4,125–148 und der wohl davon abhängigen pseudo-quintilianischen Declamatio maior 13 (»Apes pauperis«) passim.

Der Autor als Biene

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Die Dichterpersona stellt sich hier selbst als apis Matina dar, die trotz ihrer Kleinheit (parvus) mit viel Mühe (per laborem plurimum; operosa carmina) ihre Lieder dichtet. Sie sieht sich damit im Gegensatz zum als Dircaeus cycnus bezeichneten Pindar. Die kleine Biene dient hier also zwar auf den ersten Blick als Ausdruck der Bescheidenheit, aber gerade die Betonung des Kleinen, aber doch Arbeitsamen entspricht dem hellenistisch-neoterischen Ideal.36 Zudem kann man gerade auch Pindar und seine Dichtung mit Bienen in Verbindung bringen – neben den Aussagen in den eigenen Liedern (s. o. 366) könnte man noch auf die »Dichterweihe« Pindars durch einen Bienenschwarm (s. o. 351) verweisen –, sodass man hier vielleicht eher von einer impliziten Gleichwertigkeit der eigenen Dichtung und der Pindars ausgehen kann.37 In Carmen 2,20 stellt sich die Dichterpersona ebenfalls als Schwan dar.38 Dies bedeutet freilich nicht unbedingt, dass Horaz hier mit Pindar in einen direkten Wettstreit treten will:39 Durch die Wahl der beiden Tiere, Schwan und Biene, in Carmen 4,2 hebt er hervor, dass seine Art zu dichten schlicht eine andere ist als die Pindars.40 Zum ersten Mal in der erhaltenen lateinischen Literatur erscheint der Dichter als Biene aber wohl bei Lukrez. Im berühmten Proömium zum 3. Buch seiner Schrift De rerum natura vergleicht er die Lehren und Schriften Epikurs mit einer Blumenwiese, aus der die Dichterpersona als Biene die aurea dicta sammelt, welche dem in den Blüten enthaltenen Honig entsprechen (3,9–13).41 In diesem Vergleich nimmt Epikur die Rolle ein, die in dem klassischen Biene-DichterVergleich die Musen innehaben. Seine aurea dicta entsprechen dem Inhalt, den die Dichterpersona möglichst unverfälscht wiedergeben will.42 Die für einen Epikureer ungewöhnliche Form des Lehrgedichtes ist freilich Lukrezens eigener Beitrag, der an anderer Stelle tatsächlich als musaeum mel (1,947 und 4,22) bezeichnet wird. Es handelt sich dabei jedoch um ein anderes Bild: Er möchte seinem römischen Publikum die Einnahme der bitteren Medizin der Lehren Epikurs durch die ansprechende Dichtung, die dem Bestreichen des Medizinbechers mit Honig entspricht, »versüßen«.43 Ein wichtiger Unterschied zum traditionellen Biene-Dichter-Vergleich ist in diesem Falle, dass der Dichter nicht direkt von den Musen inspiriert wird, sondern reale Schriften, nämlich die chartae Epikurs, als Grundlage der Dichtung 36 Vgl. z. B. Wimmel (1960) 271. 37 So z. B. von Stackelberg (1956) 274 f.; Wimmel (1960) 271 Anm. 2; Schönbeck (1962) 225.230. Auch Günther (1999) 152 f. merkt an, dass die Bescheidenheit hier nur vorgegeben ist, da Horaz zwar seine Verehrung gegenüber Pindar ausdrückt, aber selbstbewusst den eigenen Wert und die Originalität seiner Dichtung bekundet. 38 Vgl. Schwinge (1963) 84. 39 Vgl. Günther (1999) 150. 40 Vgl. Günther (1999) 152 und ders. (2010) 144. Ähnlich auch Schönbeck (1962) 230. 41 Vgl. z. B. Heinze (1897) 50; Waszink (1974) 22 f.; Kenney (2014) 75 f. 42 Vgl. von Stackelberg (1956) 274. 43 Vgl. aber auch Schindler (2000) 140.

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dienen. Die Dichterpersona ist also zunächst ein Rezipient von Literatur, die er im Anschluss in eigenen Worten wiedergibt. Zu dem Vergleich von Autor und Biene tritt hier also der Vergleich von Rezipient und Biene (dazu s. u. 8.2). Ein solches Bild findet sich ebenfalls in einem Fragment eines unbekannten Lyrikers (Fragmenta adespota 61 PMG):44 ἐκ Σαπφῶς τόδ’ ἀμελγόμενος μέλι τοι φέρω – »Aus Sappho dieses saugend bringe ich dir Honig«. Auch hier bilden die Schriften eines konkreten Autors, in diesem Falle einer Dichterin, die Grundlage für das neue Werk. Nicht ganz deutlich wird, als wie groß die Dichterpersona ihren eigenen Beitrag zum »Honig« ansieht. Die Aussage in der Vita Sophoclis wurde bereits erwähnt (s. o. 370). Ganz prominent tritt diese Vorstellung in dem berühmten Bienenbild im 84. Brief Senecas (3–5) in den Vordergrund.45 Seneca verbindet hier das Bild vom Rezipienten als Biene mit dem vom Autor als Biene und fordert dazu auf, sich von verschiedenen Quellen geeignete Stoffe zu nehmen, diese dann miteinander zu verbinden und als etwas Neues von sich zu geben (so vor allem in 84,5).46 Dies stellt eine durchaus andere Art der Literaturtheorie dar als diejenige, die uns etwa bei Platon begegnet ist. Analog dazu nimmt in der Darstellung Senecas die Biene eine weitaus aktivere Rolle bei der Honigproduktion ein als dies bei den meisten anderen Autoren der Fall ist (s. u. 383). Die Abhängigkeit der Dichterbiene von der Qualität ihrer Ausgangsstoffe bzw. ihrer Thematik kommt auch in einem Epigramm Martials (11,42) zum Ausdruck:47 Vivida cum poscas epigrammata, mortua ponis   lemmata. Qui fieri, Caeciliane, potest? Mella iubes Hyblaea tibi vel Hymettia nasci,   et thyma Cecropiae Corsica ponis api! Obwohl du lebendige Epigramme forderst, stellst du nur leblose  Themen48 zur Verfügung. Wie soll das gehen, Caecilianus? Du verlangst, dass für dich hyblaeischer oder hymettischer Honig entsteht,   und gibst einer kekropischen Biene korsischen Thymian.

Die Dichterpersona identifiziert sich hier selbst mit einer kekropischen (= attischen) Biene, weil aus Attika, genauer, aus dem hier ebenfalls genannten Hymettos-Gebirge, der in der Antike beliebteste Honig stammte.49 44 Vgl. Nünlist (1998) 62, der es in hellenistische Zeit datiert. 45 Dieses Bild ist Gegenstand zahlreicher Untersuchung, z. B. von Stackelberg (1956); Mazzoli (1970) 95 f.; De Rentiis (1998); Novokhatko (2010) und Berrens (2015). Um Doppelungen zu vermeiden, wird in der vorliegenden Arbeit auf eine genauere Interpretation der 84. Epistel Senecas verzichtet und auf Berrens (2015) sowie die übrige genannte Literatur verwiesen. 46 Vgl. Berrens (2015) 151. 47 Eine ähnliche Metaphorik weisen z. B. auch die Epigramme 7,88 und 9,26 auf. 48 Zu dieser Bedeutung von lemma vgl. Kay (1985) 161. 49 Z. B. Plin. HN 11,32; Paus. 1,32,1; Geop. 15,7,1.

Der Autor als Biene

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Als bienenreicher Ort,50 von dem guter Honig kommen soll, wird auch das sizilische Hybla beschrieben.51 Der korsische Honig galt dagegen als sehr schlecht.52 Sinngemäß ist das gelehrte Epigramm wohl so zu verstehen, dass auch der beste Dichter aus schlechten Stoffen kein gutes Gedicht machen kann.53 Neben Dichtern im engeren Sinne können vor allem in der nachklassischen Literatur auch andere literarisch tätige Menschen mit Bienen verglichen werden. Zu nennen ist beispielsweise Xenophon, von dem es bei dem kaiserzeitlichen Rhetoriker Himerius (Oratio 44,6) heißt, er sei der angenehmste Redner, der in (der Süße) seiner Rede Bienenschwärme übertreffe und in seiner Erzählung den überquellenden Honig nachahme ([…] Ξενοφῶντα […] τὸν ἥδιστον, τὸν μελισσῶν σμήνη παραδραμόντα τῷ λόγῳ καὶ τὸ μέλι βρύον τῇ διηγήσει μιμούμενον, […]). Zudem wird in der Suda (ξ 47) »attische Biene« als ein Beiname Xenophons erwähnt (αὐτὸς δὲ Ἀττικὴ μέλιττα ἐπωνομάζετο).54 Ebenso ist im umfangreichen Bienenbild im 84. Brief Senecas (3–5) nicht speziell an einen lyrischen Dichter gedacht, sondern Seneca scheint sich hier generell an alle literarisch tätigen Menschen zu wenden. Dazu kann man noch die Berichte von Bienenschwärmen anführen, die sich auf den Lippen künftiger großer Dichter, aber auch Redner und Philosophen wie Platon niedergelassen haben sollen (dazu s. 7.4). In einem Epigramm (Anth. Gr. 16,36) des Agathias (6. Jhd. n. Chr.) wird die Redekunst des Rhetorikers Heraklamon als εὐτρόχαλος μέλισσα (»wohllaufende Biene«) bezeichnet. Hier ist also nicht der Redner mit der Biene ver 50 Der Topos des bienenreichen Hybla-Gebirges findet sich z. B. in Ov. Ars am. 2,517–519; 3,149–151; Tr. 5,6,37–41; Mart. 2,46,1 f. In den Troerinnen (799) des Euripides wird auch die Insel Salamis mit dem Epitheton μελισσoτρόφος (»bienennährend«) versehen, ohne dass dies weiter ausgeführt wird. 51 Z. B. Var. Rust. 3,16,14; Plin. HN 11,32; Geop. 15,7,1. Gemäß Mart. 13,105 scheint der sizilische Honig gegenüber dem attischen als leicht schlechter angesehen worden zu sein; vgl. Leary (2001) 169. 52 Z. B. Theophr. Hist. pl. 3,15,5 und Plin. HN 16,71, wo allerdings der Buchsbaum (πύξος bzw. buxus) für den schlechten Geschmack verantwortlich gemacht wird (vgl. Kay [1985] 162 für weitere Belegstellen). Für Belegstellen zu Thymian als bestem Ausgangsstoff für Honig s. o.  191 Anm. 14. In Var. Rust. 3,2,12 wird ebenfalls sizilischer und korsischer Honig nebeneinandergestellt. Die Dichterpersona in Ovids Am. 1,12 verflucht die Wachstafel, auf der ihr die puella mitteilt, dass sie nicht kommen könne. Über das Wachs (cera bezeichnet als pars pro toto die ganze Schreibtafel aus Wachs) sagt die Dichterpersona (1,12,9 f.): quam, puto, de longae collectam flore cicutae / melle sub infami Corsica misit apis. – »das, wie ich glaube, von einer Blüte des langstieligen Schierlings gesammelt von einer korsischen Biene mit ihrem verrufenen Honig geschickt worden ist.« Die korsische Biene und ihre Produkte stehen hier ebenfalls für etwas Unschönes, wenngleich es sich nicht auf die dichterische Qualität bezieht. Im Unterschied zu den übrigen genannten Stellen wird hier der Schierling als Quelle des schlechten Wachses (und wohl auch des Honigs) genannt. 53 Vgl. Kay (1985) 161; Johannsen (2006) 156 f. Anm. 241; Novokhatko (2010) 37. 54 Vgl. Völker (2003) 283 Anm. 34 und 35 und Penella (2007) 89 Anm. 58, die beide auch auf die Suda als Parallele zur Stelle bei Himerius hinweisen.

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glichen, sondern die Rede (ähnlich wie das Enkomion in Pindars Pyth. 10,53 f., s. o.  365). Im Prooemium seiner Anthologie (Anth. Gr. 4,3,103–106) bezeichnet er seine Auswahl an Elegien als ἐμπορίη(ν) πολυξείνοιο μελίσσης (»Handel einer Biene, die viele Gastfreunde hat«; 4,3,105). Hier ist also der kunstvolle Kollektor und Editor einer Auswahl von Gedichten mit einer Biene verglichen, die gewissermaßen viele unterschiedliche Blüten besucht.55

8.2 Der Rezipient als Biene56 In der erhaltenen paganen antiken Literatur taucht das Bild der Biene als Leser bzw. Rezipient von Literatur deutlich seltener auf als das der Biene als Autor. In griechischen Texten scheint dieser Vergleich in erster Linie in Bezug auf die Bildung junger Männer verwendet worden zu sein. Zum ersten Mal ist dies für uns in der pseudo-isokratischen Rede an Demonikos (52) greifbar: Ὥσπερ γὰρ τὴν μέλιτταν ὁρῶμεν ἐφ’ ἅπαντα μὲν τὰ βλαστήματα καθιζάνουσαν, ἀφ’ ἑκάστου δὲ τὰ βέλτιστα λαμβάνουσαν, οὕτω δεῖ καὶ τοὺς παιδείας ὀρεγομένους μηδενὸς μὲν ἀπείρως ἔχειν, πανταχόθεν δὲ τὰ χρήσιμα συλλέγειν. Denn wie wir sehen, dass die Bienen sich zwar auf alles Blühende niederlassen, aber von jedem (nur) das beste nehmen, so sollen die nach Bildung Strebenden zwar in keiner Sache unerfahren sein, aber von überall (nur) die nützlichen Dinge einsammeln.

In diesem Bild ist die gesamte Literatur als eine Blumenwiese dargestellt. Auf dieser Wiese soll sich der lernwillige junge Mann, der hier mit der Biene verglichen wird, bewegen, jedoch von allem nur das Nützliche einsammeln.57 Eine etwas andere Aussage entwickelt Plutarch58 in seiner Schrift De audiendis poetis 12, 32 E 4–8 (= Quomodo adulescens poetas audire debeat): 55 Tatsächlich fliegen Bienen gerade nicht unterschiedliche Blüten an, sondern vor allem solche der gleichen Art, was man als Blütenstetigkeit bezeichnet. Dieses Verhalten wird bereits von Aristoteles (Hist. an. IX 40, 624 b 3–6) beschrieben. 56 Vgl. zu diesem Abschnitt auch Berrens (2015) 149 f. sowie Gnilka (2012) 181–185, der diese und weitere Stellen als Hinleitung zu seinem eigentlichen Thema, der christlichen χρῆσις, anführt. 57 Zu den nützlichen Dingen, die die Biene von verschiedenen Pflanzen einsammelt, zählte man in der Antike im Übrigen nicht nur den Honig (dazu s. 8.4), sondern auch Wachs und andere Stoffe, wie das sogenannte Bienenbrot (dazu s. o. 68). Z. B. Arist. Hist. an. V 22, 553 b 27 f.; 554 a 16–18; Plin. HN 11,16–18. Varro (Rust. 3,16,24) sagt gar, dass sie verschiedene Pflanzen wählten für die Gewinnung ihrer vier Produkte (propolis, erithace, favum, mel). Teilweise nahm man sogar an, dass die Brut der Bienen von außen eingetragen werde (dazu s. o.  154). 58 Zu Plutarchs Bienenvergleichen in pädagogischen Kontexten und zur Frage, wie sie zusammenhängen, vgl. auch Xenophontos (2013).

Der Rezipient als Biene

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Ἡ μὲν οὖν μέλιττα φυσικῶς ἐν τοῖς δριμυτάτοις ἄνθεσι καὶ ταῖς τραχυτάταις ἀκάνθαις ἐξανευρίσκει τὸ λειότατον μέλι καὶ χρηστικώτατον, οἱ δὲ παῖδες, ἂν ὀρθῶς ἐντρέ­ φωνται τοῖς ποιήμασιν, καὶ ἀπὸ τῶν φαύλους καὶ ἀτόπους ὑποψίας ἐχόντων ἕλκειν τι χρήσιμον ἁμωσγέπως μαθήσονται καὶ ὠφέλιμον. Die Biene findet von Natur aus in den bittersten Blüten und den spitzesten Dornen den angenehmsten und nützlichsten Honig. Die Kinder aber, wenn sie richtig in der Dichtung aufgezogen werden, werden auf die eine oder andere Art lernen, etwas Hilfreiches und Nützliches sogar aus den (Werken), denen der Verdacht, unedel und unpassend zu sein, anhaftet, zu ziehen.

Hier geht es also nicht um ein Probieren verschiedener Blüten und die Entnahme des Nützlichen, sondern um die Fähigkeit, selbst aus den widrigsten Stoffen noch etwas Hilfreiches zu entnehmen. Mithilfe dieses Bienenbildes wird die Forderung erhoben, auch zunächst abstoßende oder schwer zugängliche Werke zu studieren und einen Nutzen daraus zu ziehen. Einen weiteren Bienenvergleich verwendet Plutarch in seiner Schrift De ­audiendo (8, 41 E 9 – 42 A 7). Hier kontrastiert er die Tätigkeit der Bienen mit der von Kranzflechterinnen (στεφηπλόκοι), um seine Forderung zu veranschaulichen, das Ausschweifende und Nichtige der Rede beiseitezulassen und eher dem Nützlichen zu folgen (διὸ δεῖ τὸ πολὺ καὶ κενὸν ἀφαιροῦντα τῆς λέξεως αὐτὸν διώκειν τὸν καρπόν; 41 E 9 f.): Kranzflechterinnen und Bienen arbeiten beide mit Blumen. Erstere nehmen sich die schönsten Blüten und verarbeiten sie zu einem ansehnlichen, jedoch schnell vergänglichen Kunstwerk, das von keinem großen Nutzen ist. Die Bienen jedoch fliegen an den wohlriechenden und schönen Blumen vorbei und lassen sich auf dem rauen und bitteren T ­ hymian59 (τραχύτατον καὶ δριμύτατον θύμον; 41 F 2 f.) nieder, um etwas für sie Nützliches (τι τῶν χρησίμων; 41 F 5) zu entnehmen. Die schönen Blumen entsprechen in diesem Bild also den ästhetisch ansprechenden Anteilen einer Rede, der Honig dem nützlichen Inhalt. Plutarch geht in seiner Erklärung dieses Bildes sogar noch einen Schritt weiter als in De audiendis poetis. Man könne nicht nur sogar in schwer zugänglichen und widrigen Stoffen etwas Nützliches finden, sondern vielmehr scheint das Nützliche, in diesem Bild der Honig, fast ausschließlich in den eher wenig kunstvollen und schwierigen Reden enthalten zu sein. Jeglicher Schmuck einer Rede, in diesem Bild die schönen und wohlriechenden Blumen (τὰ μὲν ἀνθηρὰ καὶ τρυφερὰ τῶν ὀνομάτων καὶ τῶν πραγμάτων τὰ δραματικὰ καὶ πανηγυρικά; 42 A 1 f.), wird hier als »Weide der Sophisten spielenden Drohnen« (κηφήνων βοτάνη σοφιστιώντων; 42 A 2 f.) bezeichnet, den man beiseitelassen soll. Der Sinn des Ausdrucks ist an dieser Stelle recht deutlich: Im Gegensatz zu den 59 Der aus dem Thymian gewonnene Honig galt in der Antike als der beste (dazu s. o. 191 Anm. 14 für Belegstellen).

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Bienen, die aus den geeigneten Pflanzen den Honig gewinnen und damit etwas Nützliches herstellen können, trifft dies für die Drohnen nicht zu.60 Der Ausdruck findet sich auch in der Politeia Platons (8, 564 e 13), jedoch in einem anderen Zusammenhang:61 Hier werden die Reichen in einem Staat als die »Weide der Drohnen« bezeichnet, wobei die »Drohnen« in diesem Falle nutzlose und unproduktive Bürger darstellen, die von den nicht notwendigen Begierden beherrscht werden (zu dieser Passage s. o. 301). Neben den bei Plutarch explizit genannten Eigenschaften der Bienen, an denen sich der Rezipient von Literatur ein Beispiel nehmen soll, könnte man annehmen, dass implizit auch an ihre Disziplin und ihren Fleiß gedacht wird, die für einen Lernwilligen ebenfalls wichtig sind.62 In der erhaltenen paganen lateinischen Literatur findet sich der Leser als Biene vor allem bei Lukrez (3,9–13) und Seneca (Ep. 84,3–5). In beiden Fällen (s. o.  373)  – stärker hervorgehoben freilich bei Seneca  – ist die Tätigkeit der Rezeption von Literatur im weitesten Sinne eng verbunden mit der Produktion eigener Werke. Die Trennung der Bilder von dem Rezipienten als Biene und vom Autor als Biene ist hier überwunden, da sie zumindest in dem bei Seneca ausgedrückten Bienenkonzept explizit in eins zusammenfallen. Dieses Zusammenfallen der beiden Bilder erscheint passend für die lateinische Literatur, die sich ihrer Abhängigkeit von und auch der Konkurrenz zu ihren (oft griechischen) Vorbildern stets bewusst war. In Bezug auf das Lesen und das Entnehmen des Nützlichen scheint zumindest das Bild bei Seneca dem in der pseudo-isokratischen Rede am ehesten zu entsprechen. Auch Seneca fordert, sich an vielem zu versuchen und dann das für einen selbst Nützliche zu übernehmen.

8.3 Autor und Rezipient in christlichen Gleichnissen und Bildern63 Ähnlich wie in der paganen griechisch-römischen Kultur werden in der hebräischen Bibel angenehme Rede (z. B. Spr. 16,24) oder auch die Worte Gottes 60 Vgl. z. B. Hillyard (1981) 119. 61 Tarrant (1946) 111, der sich Hillyard (1981) 119 anschließt, ist der Meinung, dass bereits Platon hier auf eine unbekannte dichterische Quelle rekurriert. Adam; Rees (1963) 263 sprechen vorsichtiger davon, dass κηφήνων βοτάνη »a proverbial ring« habe. Dieser Ausdruck ist aber nur an den beiden genannten Stellen belegt. 62 Vgl. Morgan (1998) 263. 63 Zu diesem Thema gibt es bereits eine recht umfangreiche Forschungsliteratur, sodass man sich hier auf die zentralen Vorstellungen beschränken kann. Grundlegend für die Bedeutung der christlichen χρῆσις ist Gnilka (2012), der dem Thema »Bienenarbeit als Bild des rechten Gebrauchs« ein eigenes umfangreiches Kapitel (177–213) widmet; daneben z. B. auch Misch (1974) v. a. 23–25, Wimmer (1998) v. a. 36–47.54–57 und Ronnenberg (2008), der in seiner Anm. 1 auf weitere Literatur verweist. Nicolaye (2008b) 169 f. behandelt diese Thematik ebenfalls.

Autor und Rezipient in christlichen Gleichnissen und Bildern

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(Ps. 119,10364) mit dem Honig verglichen.65 Dichter oder Redner selbst werden freilich nicht mit Bienen identifiziert, wohl aber kann man auf die Prophetin Deborah verweisen, deren Name »Biene« bedeutet (dazu s. o. 360). Eine Verknüpfung paganer Bienenkonzepte mit jüdisch-christlichen Vorstellungen ist für die frühen christlichen Autoren leicht möglich. So ist es zu erklären, dass in der antiken christlichen Literatur bald auch die Gleichsetzung eines Menschen, der die Heilige Schrift eingehend studiert hat, mit einer Biene vorgenommen wird. So bezeichnet beispielsweise Clemens von Alexandria seinen Lehrer Pantainos als Biene (Stromateis / Stromata 1,11,2):66 Σικελικὴ τῷ ὄντι ἦν μέλιττα προφητικοῦ τε καὶ ἀποστολικοῦ λειμῶνος τὰ ἄνθη δρεπόμενος ἀκήρατόν τι γνώσεως χρῆμα ταῖς τῶν ἀκροωμένων ἐνεγέννησε ψυχαῖς. Er war wahrlich eine sizilische Biene, da er an den Blüten der prophetischen und apostolischen Wiese weidete und in den Seelen seiner Zuhörer einen reinen Besitz der Erkenntnis erzeugte.

Pantainos bezieht sein Wissen in diesem Bild also ausschließlich aus der Heiligen Schrift, gibt es aber dann an seine Schüler weiter. Diese Rolle ist in etwa mit der der Dichterpersona in Lukrezens Werk vergleichbar (s. o. 373).67 Auch Augustinus wird in einem Brief (109) seines Schülers Severus an ihn als vere artificiosa apis dei (»wahrhaft kunstfertige Biene Gottes«; 109,1) apostrophiert,68 die unter anderem Waben voll von göttlichem Nektar baue (construens favos divini nectaris plenos; 109,1). Ähnlich wie im paganen Bild der von den Musen inspirierte Dichter mit einer Biene verglichen wird, so soll es auch Augustinus als Biene gelingen, die Worte, die Gott ihm eingibt, wiederzugeben (quod sic concinere et respondere facis canenti tibi domino; 109,2). Darüber hinaus finden sich Berichte, wonach Bienen Waben auf den Lippen künftiger großer Redner und Dichter errichtet hätten (dazu s. 7.4), auch für christliche Autoren, wie etwa Ambrosius (in der Vita Ambrosii 3 des Paulinus von Mailand).69 64 In der LXX und der Vulgata entspricht dies Psalm 118; s. auch o. 360 Anm. 101. 65 Vgl. z. B. Ronnenberg (2008) 140 f. mit weiteren Stellen. 66 Vgl. dazu z. B. auch Gnilka (2012) 179 f.; Misch (1974) 23 f.; Ronnenberg (2008) 143. 67 Gnilka (2012) 180 bemerkt zwar auch eine gewisse Ähnlichkeit, jedoch meint er, dass »diese christlichen Denker doch etwas ganz anderes im Sinn als Lukrez« hätten. Dies macht er daran fest, dass das Werk Epikurs nicht dasselbe sei wie die Bibel, und an der Tatsache, dass die Leistung des Lukrez, d. h. die Übertragung der Lehre Epikurs in lateinische Dichtung, etwas anderes sei als die Erzeugung des ἀκήρατον γνώσεως χρῆμα. Doch scheint die Absicht der Dichterpersona bei Lukrez eigentlich in eine ähnliche Richtung zu zielen und sie scheint die inclutae chartae Epikurs durchaus für gottgleiche Worte zu halten. Der Unterschied in den Rollen ist daher nicht sehr groß. 68 Vgl. auch Wimmer (1998) 41. 69 Vgl. dazu z. B. Wimmer (1998) 57 sowie Nicolaye (2008b) 166–169 (zu diesem Beitrag s. o.  23).

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Recht häufig wird zudem das Bild der Biene, die von bestimmten Blumen nützliche Stoffe nimmt, zur Illustrierung der sogenannten χρῆσις verwendet. Dies bezeichnet den »rechten Gebrauch« paganen Wissens. Gnilka nennt drei »Wesenszüge«70, die das Bild von der Biene und die Methode der Kirchenväter verbinden: Die Blumenwiese entspricht dabei der Fülle des paganen Wissens, das in seiner Gesamtheit beachtet werden muss. Dazu kommt aber die Auswahl der geeigneten Stoffe, die schließlich zusammengefügt und zu etwas Neuem verbunden werden sollen.71 Dies entspricht in etwa den Forderungen, die Seneca in seinem 84. Brief erhebt (s. o. 374). Besonders ausgeprägt findet sich dieses Bild in der Schrift Πρὸς τοὺς νέους ὅπως ἂν ἐξ Ἑλληνικῶν ὠφελοῖντο λόγων (»An die jungen Männer, wie sie aus den Worten der Griechen Nutzen ziehen können«) des Basilius, die, wie ihr Titel schon verrät, der Thematik des rechten Gebrauchs von griechisch-paganer Literatur gewidmet ist.72 In 4,36–5173 heißt es: Ὡς γὰρ τῶν ἀνθέων τοῖς μὲν λοιποῖς ἄχρι τῆς εὐωδίας ἢ τῆς χρόας ἐστὶν ἡ ἀπόλαυσις, ταῖς μελίτταις δ’ ἄρα καὶ μέλι λαμβάνειν ἀπ’ αὐτῶν ὑπάρχει, οὕτω δὴ κἀνταῦθα τοῖς μὴ τὸ ἡδὺ καὶ ἐπίχαρι μόνον τῶν τοιούτων λόγων διώκουσιν ἔστι τινὰ καὶ ὠφέλειαν ἀπ’ αὐτῶν εἰς τὴν ψυχὴν ἀποθέσθαι. Κατὰ πᾶσαν δὴ οὖν τῶν μελιττῶν τὴν εἰκόνα τῶν λόγων ἡμῖν μεθεκτέον. Ἐκεῖναί τε γὰρ οὔτε ἅπασι τοῖς ἄνθεσι παραπλησίως ἐπέρχονται, οὔτε μὴν οἷς ἂν ἐπιπτῶσιν ὅλα φέρειν ἐπιχειροῦσιν, ἀλλ’ ὅσον αὐτῶν ἐπιτήδειον πρὸς τὴν ἐργασίαν λαβοῦσαι, τὸ λοιπὸν χαίρειν ἀφῆκαν· ἡμεῖς τε, ἢν σωφρονῶμεν, ὅσον οἰκεῖον ἡμῖν καὶ συγγενὲς τῇ ἀληθείᾳ παρ’ αὐτῶν κομισάμενοι, ὑπερβησόμεθα τὸ λειπόμενον. Καὶ καθάπερ τῆς ῥοδωνιᾶς τοῦ ἄνθους δρεψάμενοι τὰς ἀκάνθας ἐκκλίνομεν, οὕτω καὶ ἐπὶ τῶν τοιούτων λόγων ὅσον χρήσιμον καρπωσάμενοι, τὸ βλαβερὸν φυλαξώμεθα. Denn wie bei den übrigen (Lebewesen) der Genuss der Blumen höchstens im Wohlgeruch oder der Farbe besteht, es den Bienen aber auch möglich ist, Honig von ihnen zu entnehmen, so ist es also auch hier denjenigen, die nicht nur dem Süßen und Angenehmen dieser Schriften nachgehen, möglich, auch einen gewissen Nutzen aus ihnen in ihrer Seele zu bergen. Gemäß dem ganzen Bild von den Bienen also müssen wir uns mit den Schriften beschäftigen. Denn jene nähern sich weder allen Blüten noch versuchen sie, alles von denen, die sie anfliegen, wegzutragen, sondern sie nehmen nur so viel, wie für ihre Arbeit zu gebrauchen ist, und lassen den Rest unbenutzt liegen. Auch wir werden, wenn wir vernünftig sind, von ihnen (den Schriften) so viel nehmen, wie für uns geeignet und der Wahrheit verwandt ist, und das Übrige übergehen. Und 70 Gnilka (2012) 177. 71 Vgl. ebd. 72 Da dieses Bild sehr umfassend und eindrücklich gestaltet ist, wird es auch in der Sekundärliteratur häufig zitiert und besprochen, z. B. bei Gnilka (2012) 187–192; Ronnenberg (2008) 143 mit Anm. 23, in der viele weitere Belegstellen eines solchen Bildes bei christlichen Autoren angeführt werden. 73 Ich verwende im Gegensatz zu Gnilka und dem von ihm abhängigen Ronnenberg die Ausgabe von Wilson (1975).

Die Analogie von Literatur- und Honigproduktion

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genau wie wir beim Pflücken der Blüten am Rosenstrauch74 die Dornen meiden, so werden wir auch bei diesen Schriften, so viel brauchbar ist, ernten und uns vor dem Schädlichen in Acht nehmen.

Wie Gnilka richtig betont, mahnt Basilius hier zu Sorgfalt und Vorsicht bei der Lektüre paganer Literatur. Der Biene stehen zwar alle Blüten zur Verfügung, sie wählt aber nur bestimmte aus und auch von diesen ausgewählten nimmt sie nur einen kleinen für sie nützlichen Teil.75 Die Rolle der Biene und damit die des Rezipienten von Literatur ist in diesem Bild eine andere als in dem zuvor genannten Vergleich von einer Person, die in Bezug auf die Heilige Schrift gelehrt ist. Denn die Heilige Schrift wird gewissermaßen als der reine Honig verstanden, der nur noch ausgeschöpft und eingesammelt werden muss. In dem Bild bei Basilius steht jedoch die Auswahl des Nützlichen im Vordergrund. Dieses findet sich gerade nicht in allen Blumen bzw. Texten.76 Ronnenbergs Behauptung, dass man ausgehend von solchen Bildern Gelehrten wie Pantainos den Beiname »Biene« gegeben habe,77 scheint so also nicht zuzutreffen.

8.4 Die Analogie von Literatur- und Honigproduktion78 Die antike Theorie zur Rolle der Biene bei der Honigproduktion steht in einem engen Zusammenhang mit den Vorstellungen der Entstehung von Literatur. Nur wenn sich diese beiden Bereiche entsprechen, kann der Dichter passend mit der Biene verglichen werden. Besonders ausführlich äußert sich Theophrast zur Produktion des Honigs, für den er drei verschiedene Quellen kennt (Frg. 435 Fortenbaugh = 190 Wimmer): ὅτι αἱ τοῦ μέλιτος γενέσεις τριτταί· ἢ ἀπὸ τῶν ἀνθῶν καὶ ἐν οἷς ἄλλοις ἐστὶν ἡ γλυκύτης, ἄλλη δὲ ἐκ τοῦ ἀέρος, ὅταν ἀναχυθὲν ὑγρὸν ὑπὸ τοῦ ἡλίου συνεψηθὲν πέσῃ (γίνεται δὲ τοῦτο μάλιστα ὑπὸ πυραμητόν) ἄλλη δὲ ἐν τοῖς καλάμοις. πίπτει δὲ τὸ ἐκ τοῦ ἀέρος μέλι καὶ ἐπὶ τὴν γῆν καὶ ἐπὶ τὰ προστυχόντα τῶν φυτῶν, εὑρίσκεται δὲ μάλιστα ἐπί τε τοῖς φύλλοις τῆς δρυὸς καὶ ἐπὶ τῆς φιλύρας, διότι πυκνότητα ἔχει ταῦτα καὶ ἔνικμά ἐστι. δεῖ δὲ μήτε τελείως εἶναι ξηρά, ἵνα μὴ εἰς αὑτὰ ἕλκῃ, μήτε μανά, ἵνα μὴ διίῃ· ταῦτα δὲ καὶ ἔνικμα καὶ πυκνότητα ἔχει, τὰ δὲ τῆς φιλύρας καὶ γλυκύτητα. ἔχει δέ πως ἡ μέλιττα οἰκείωσίν τινα πρὸς τὴν δρῦν.79 74 Zu dieser Übersetzung von ῥοδωνιά vgl. Wilson (1975) 49. 75 Vgl. Gnilka (2012) 188.191. 76 Vgl. ebd. 179. 77 Vgl. Ronnenberg (2008) 143. 78 Dazu ausführlicher Berrens (2015) 151–159. An dieser Stelle sollen daher nur die wichtigsten Punkte genannt werden, die für das Verständnis notwendig sind. 79 Auch bei der Besprechung der Eiche (δρῦς) in der Historia plantarum 3,7,6 erwähnt Theophrast, dass Bienen und Honig dort häufig zu finden seien.

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Es gibt drei Quellen des Honigs: Entweder stammt er von den Blumen und anderen Dingen, in denen Süße ist, oder aus der Luft, wenn ausgeschüttete Feuchtigkeit, welche durch die Sonne verkocht wurde, herabfällt – dies geschieht meist in der Zeit der Weizenernte – oder in den Rohrgewächsen. Es fällt aber der Honig vom Himmel sowohl auf die Erde als auch auf Pflanzen, die zufällig dort stehen. Man findet ihn aber am meisten auf den Blättern der Eiche und auf denen der Linde, weil diese ein dichtes Laubwerk besitzen und feucht sind. Es ist notwendig, dass sie (die Blätter) weder völlig trocken sind, damit er (der Honig) nicht in sie hineingezogen wird, noch in zu großen Abständen stehen, damit er nicht hindurchrinnt. Diese aber haben Feuchtigkeit und ein dichtes Laubwerk, die (Blätter) der Linde auch Süße. Die Biene hat aber gewissermaßen eine Affinität zur Eiche.

Insbesondere die zweite hier genannte Quelle, die Herkunft aus der Luft, wird von den meisten Autoren präferiert oder gar als einzige genannt.80 Geprägt ist diese Vorstellung wohl in erster Linie durch den sogenannten Honigtau.81 Dabei handelt es sich um einen zuckerhaltigen Überzug auf den Blättern von Pflanzen, den Blattläuse hinterlassen, wenn sie aus den Leitgefäßen der Pflanzen ihre Nahrung saugen. Der Honigtau fällt also keineswegs wirklich vom Himmel, sondern stammt letztlich aus der Pflanze selbst. Dieser wird tatsächlich von einigen Insekten (u. a. Bienen) gesammelt. Die Bienen stellen daraus die sogenannten Wald- oder Tannenhonige her.82 Mit κάλαμος ist bei Theophrast sicherlich das Zuckerrohr gemeint, das von Strabon (15,1,20), Seneca (Ep. 84,4; arundo genannt) und Plinius (HN 12,32; harundo genannt) in Indien lokalisiert wird.83 Für die Bienenkonzepte ist es wichtig festzuhalten, dass die Biene meist als bloße Sammlerin des bereits fertigen Honigs angesehen wird, nicht aber als dessen Produzentin.84 Die analoge Vorstellung von der Rolle des Dichters bei der Schaffung seiner Werke bringt, wie bereits gesagt (s. o. 370), etwa Platon explizit zum Ausdruck, wenn es im Ion heißt, dass der Dichter das bereits fertige 80 Z. B. Arist. Hist. an. V 22, 553 b 29; Verg. G. 4,1; Plin. HN 11,30. In einem Epigramm des Antiphilos (Anth. Gr. 9,404,1) wird der Honig als καλὸν αὐτοπόνητον ἐν αἰθέρι ῥεῦμα μελισσῶν (»schöner, im Äther selbstgebildeter [Honig-]Strom der Bienen«) bezeichnet. Hier scheint es so, als ob die Bienen selbst diesen Honig im Äther herstellen, zumal sie im achten und letzten Vers dieses Epigramms αἰθερίου πτηναὶ νέκταρος ἐργάτιδες (»des himmlischen Nektars geflügelte Produzentinnen«) genannt werden. 81 Vgl. z. B. Roscher (1883) 9; Waszink (1974) 7, der sich auf Roscher bezieht. 82 Vgl. z. B. Bellmann; Honomichl (2007) 305; Lüttge; Kluge; Thiel (2010) 712. 83 Vgl. Summers (1968) 286. 84 Explizit argumentiert so Aristoteles in Hist. an. V 22, 554  a 1–10. Seneca (Ep. 84,4) drückt diese Theorie passend durch folgende Worte aus: Quibusdam enim placet non faciendi mellis scientiam esse illis sed colligendi. – »Einige meinen nämlich, dass sie nicht die Kunst des Honigmachens beherrschen, sondern die des Einsammelns.« Das Einsammeln des bereits fertigen Honigs findet sich – neben den in Anm. 80 genannten Stellen – z. B. auch in Theophr. De pietate Frg. 7,26 f.; Columella Rust. 9,4,2; 9,13,11; 9,14,11.

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Lied der Musen einsammelt und es anschließend wiedergibt. Von Bedeutung ist ebenfalls, dass, wie oben gezeigt, meist eine Herkunft des Honigs aus dem Himmel angenommen wird. Der Honig als so verstandenes caelestium donum (Verg. G. 4,1) stammt damit gewissermaßen direkt aus der Sphäre der Götter, zu der die Bienen und auch der von den Musen inspirierte Dichter als Mittler fungieren können. Der neuplatonische Philosoph Porphyrios identifiziert den Honig gar mit der Nahrung der Götter (De antr. nymph. 16).85 Aufgrund der hier dargelegten Vorstellung von der Honigentstehung und der relativ geringen Rolle, die die Bienen dabei spielen, ist es leicht erklärbar, dass sich Berichte finden, nach denen auch Menschen zur Honigherstellung in der Lage seien, indem sie Blüten einsammeln. Dies ist über Bewohner einer libyschen Stadt gesagt, deren genaue Bezeichnung in den Handschriften umstritten ist. Stephanos von Byzanz zitiert in seinen Ethnica 6,30 unter dem Lemma Ζυγαντίς Hekataios von Milet (1 Frg. 337 FGrH) und Eudoxos von Knidos (Frg. 322 Lasserre) als Gewährsmänner, die diese Stadt erwähnen. Speziell Eudoxos von Knidos wird für die Aussage angeführt, dass die Menschen dort Honig herstellten, der denen der Bienen in nichts nachstehe (οἱ πολῖται Ζύγαντες, οἵτινες τὰ ἄνθη συλλέγοντες μέλι ποιοῦσιν, ὥστε μὴ λείπεσθαι τοῦ ὑπὸ τῶν μελισσῶν γινομένου). Apollonios beruft sich in seinen Historiae mirabiles 38 ebenfalls auf Eudoxos von Knidos für diese Aussage, die er in etwas anderen Worten, aber identischem Inhalt beschreibt,86 nennt die Bewohner der Stadt aber Γύζαντες. In den Handschriften der Historien Herodots, der diese Geschichte ebenfalls erwähnt (4,194), sind beide Lesarten, Ζύγαντες und Γύζαντες überliefert. Wilson entscheidet sich in seiner Edition für Γύζαντες.87 Eine gänzlich andere Darstellung der Tätigkeit der Bienen findet sich dagegen in Senecas 84. Brief.88 Er präferiert das Bild einer bei der Honigproduktion aktiveren Biene, das auch seiner Vorstellung von einem literarisch tätigen Menschen entspricht (Ep. 84,4): Quidam existimant conditura et dispositione in hanc qualitatem verti quae ex tenerrimis virentium florentiumque decerpserint, non sine quodam, ut ita dicam, fermento, quo in unum diversa coalescunt. Andere glauben, dass durch Zubereitung und kunstgerechte Anordnung das in diese Beschaffenheit gewandelt würde, was sie von den zartesten grünen Pflanzen und Blüten gepflückt hätten, sozusagen nicht ohne einen gewissen Gärstoff, mit dem sie die verschiedenen Stoffe zu einem verschmelzen. 85 Vgl. auch Roscher (1883) 60–62 mit weiteren Belegstellen. 86 oἵτινες τέχνην ἐπιτηδεύουσιν τὰ ἄνθη συλλέγοντες τὰ ἐν τοῖς τόποις μέλι ποιεῖν τοσοῦτον καὶ τοιοῦτον, ὥστε γίγνεσθαι οἷον τὸ ὑπὸ τῶν μελισσῶν γιγνόμενον. 87 Für eine Diskussion der unterschiedlichen Lesarten bei Herodot vgl. z. B. Corcella (2007) 716. 88 Vgl. dazu Berrens (2015) passim.

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So wie die Bienen von den Blüten nur gewisse Vorprodukte einsammeln, sollen sich auch die literarisch tätigen Menschen von verschiedenen Quellen inspirieren lassen, die einzelnen Elemente in sich aufnehmen und zu etwas Neuem zusammenfügen. Bei Seneca entsprechen sich die Tätigkeit des Dichters und der Biene analog, weshalb ein Vergleich passend erscheint. Das Bienenkonzept in Bezug auf ihre Rolle bei der Honigproduktion und die Theorie zur Literaturentstehung sind bei Seneca jedoch ganz anders, als es etwa im Ion Platons (s. o.  370) dargestellt wird.

8.5 Wespen und Dichtung Wespen werden wohl erst sekundär ausgehend vom Vergleich zwischen Dichter und Biene ebenfalls mit einer bestimmten Art von Dichtern in Verbindung gebracht. So findet sich in hellenistischen Epigrammen das Bild eines Wespenschwarms, der sich am Grab des Archilochos (Anth. Gr. 7,71) bzw. des Hipponax (Anth. Gr. 7,405 und 408) niedergelassen habe (dazu s. o. 354). Der als aggressiv wahrgenommene Charakter der Wespen entspricht hier dem beißenden Spott dieser Dichter. Die Aggressivität der Dichtung des Archilochos wird auch in einem Fragment des Kallimachos (Frg. 357 Asper = 380 Pfeiffer) mit dem Stachel einer Wespe verglichen: εἵλκυσε δὲ δριμύν τε χόλον κυνὸς ὀξύ τε κέντρον   σφηκός, ἀπ’ ἀμφοτέρων δ’ ἰὸν ἔχει στόματος er saugte aber bittere Galle vom Hund und spitzen Stachel   von der Wespe, von beiden (Tieren) aber hat er das Gift (seines) Mundes

Aus dem Fragment selbst ist nicht ersichtlich, auf wen sich diese Aussage bezieht, jedoch heißt es im Zitatkontext,89 dass Kallimachos hier über den Jambendichter Archilochos spricht.90 Wie schon beim Bild der Wespen am Grab eines polemischen Dichters, so findet auch in diesem Falle keine Identifikation des Dichters mit der Wespe statt, wie es bei Bienen und Dichtern teilweise der Fall ist. Freilich wird hier immerhin das »Produkt« der Wespe, ihr Giftstachel, mit dem Produkt

89 Dabei handelt es sich um einen anonymen metrischen Traktat: Anonymus Ambrosianus De re metrica, ed. Studemund, Anecdota varia Graeca 1886, 224,5 f. 90 Vgl. auch Pfeiffer (1949) 306; Asper (2004) 341. Dieser Abschnitt der Schrift behandelt die Herkunft und Etymologie des Iambos. Das Zitat wird als Beleg angeführt, dass Kallimachos ein Vertreter der These sei, das Wort ἴαμβος leite sich von ἰὸν βάζειν (»Gift sprechen«) ab. Die Etymologie des Wortes ist im Übrigen nach wie vor unbekannt. Man geht von einer vorgriechischen Herkunft dieses Wortes aus (vgl. z. B. Frisk [1960] 704; Beekes [2010] 572).

Wespen und Dichtung

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dieser Dichter, den Jamben, identifiziert, sodass dieses Bild in gewisser Weise analog zu der Gleichsetzung von Honig und angenehmer Rede bzw. angenehmer Dichtung gestaltet ist. Nach einer bei Dion Chrysostomos (Or. 8,2 f.) geschilderten Anekdote habe Diogenes von Sinope, als er in Milet weilte, vor allem an Antisthenes, einem ehemaligen Schüler des Sokrates und Begründer des Kynismus, Gefallen gefunden. Im Vergleich zu dessen starken und richtigen Worten habe Diogenes Antisthenes als Person viel schwächer empfunden. Daher habe Diogenes ihn aus Spott (λοιδορῶν) als σάλπιγξ (»Trompete«) bezeichnet, weil er seine Stimme zwar deutlich vernehmen lasse, sich aber niemals selbst hören könne, egal, wie laut er rufe. Antisthenes habe dem Diogenes, dessen Charakter er sehr schätzte, dies nicht übel genommen, sondern habe ihn als eine Wespe bezeichnet (Or. 8,3): ἔλεγεν οὖν ἀμυνόμενος ἀντὶ τῆς σάλπιγγος τοῖς σφηξὶν αὐτὸν ὅμοιον εἶναι. καὶ γὰρ τῶν σφηκῶν εἶναι τὸν μὲν ψόφον τῶν πτερῶν μικρόν, τὸ δὲ κέντρον δριμύτατον. Zu seiner Verteidigung sagte er (Antisthenes) nun, dass dieser (Diogenes) statt einer Trompete Wespen ähnlich sei; denn es sei auch eine Eigenschaft der Wespen, dass das Geräusch ihrer Flügel zwar leise sei, ihr Stachel aber spitz.

Hier scheint Antisthenes zunächst seine eigene Charakterisierung als σάλπιγξ aufzunehmen und daher Diogenes zuzuschreiben, dass er sich gerade nicht laut und prominent äußere. Der beißende Spott und die Aggressivität seiner frei­ mütigen Aussage (im Folgenden ist von der παρρησία des Diogenes die Rede) sind in diesem Bild mit dem Stachel der Wespen gleichgesetzt. Obwohl es sich bei Diogenes nicht im eigentlichen Sinn um einen Dichter handelt, der mit einer Wespe identifiziert wird, ist die Metaphorik durchaus ähnlich. Eine direkte Bezeichnung eines Dichters bzw. Sängers mit einer Wespe findet sich in Theokrits 5. Eidyllion. Die Voraussetzungen und auch die Funktion der Wespe in diesem Kontext sind jedoch anders als in den zuvor genannten Beispielen. Bevor die beiden Hirten Komatas und Lakon in den Dichterwettstreit eintreten, der den größten Teil dieses Eidyllions ausmacht, bezeichnet Komatas den Herausforderer Lakon als σφὰξ βομβέων τέττιγος ἐναντίον (»Wespe, die gegen eine Zikade summt«; 5,29). Es ist offensichtlich, dass hier ein Gegensatz zwischen der Sangeskunst der beiden Hirten anhand des Verhältnisses der beiden genannten Tiere illustriert werden soll. So wie die Wespe zwar Töne hervorbringen kann, aber bei weitem nicht an die komplexen Melodien der Zikade heranreicht,91 kann auch Lakon gegen Komatas nicht bestehen.92 Die Wespe wird 91 Diese Tiere sind in der Antike für ihren Gesang berühmt und werden auch als Vergleich für einen begabten Dichter bzw. Sänger verwendet (vgl. dazu z. B. Beavis [1988] 71 f.). 92 Ähnliche Aussagen mit anderen Tieren finden sich auch an anderen Stellen der Eidyllia Theokrits. Vgl. dazu Gow (1965) 29.

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also in erster Linie als ein Tier dargestellt, das im Verhältnis zur Zikade keine schönen Töne hervorbringen kann, d. h. der hier genannte Vergleich behandelt in erster Linie die Sangeskunst an sich. In den oben genannten Beispielen geht es aber nicht um die äußere Form der Dichtung – niemand zieht in Zweifel, dass Dichter wie Archilochos oder Hipponax ihr Handwerk beherrschen –, sondern um den Inhalt, der dem Giftstachel bzw. der Aggressivität der Wespen vergleichbar ist. Richters Interpretation, dass das Bild der Wespe hier den zuvor genannten ähnlich sei, weil Lakon vermeintlich »nur schmähen, nicht singen«93 könne, trifft nach dieser Interpretation wohl nicht ganz zu. Darüber hinaus werden in den Acharnern des Aristophanes thebanische Flötenspieler (Θείβαθεν αὐληταί; 862), die ans Haus des Dikaiopolis kommen, von letzterem als Wespen bezeichnet, die sich fortscheren sollen ([…] οἱ σφῆκες οὐκ ἀπὸ τῶν θυρῶν; 864). Zwar spielt hier sicherlich die Tatsache eine Rolle, dass sowohl ein Wespenschwarm als auch diese Flötenspieler Töne hervorbringen (daher wohl auch das Wortspiel βομβαύλιοι; 866),94 entscheidend für die Wahl von Wespen als Vergleich ist an dieser Stelle aber vielleicht eher, dass sie aufdringlich und unangenehm sind.95 Neben diesen aggressiv oder negativ konnotierten Zuschreibungen wird auch Sophokles als Μουσῶν εὐκόλων ἀνθρήνιον (»Wabenbau der wohlmeinenden Musen«; Com. Adesp. Frg. 480 PCG ; Zitatkontext: Philostr. Imag. 13,396) bezeichnet. Hier scheint der Begriff ἀνθρήνιον wohl eher als Behausung der Bienen verstanden zu sein,97 was angesichts des wenig spezifischen Umgangs gerade der Komödiendichter mit den Bezeichnungen der »Bienen«- und »Wespenarten« nicht weiter verwundern muss (dazu s. o. 32). Wohl aufgrund dieser und ähnlicher Stellen findet sich im Lexikon Hesychs α 5157 (dazu s. o. 32 Anm. 6) die Information, bei dem Begriff ἀνθρήνιον handle es sich um τὸ τῶν μελισσῶν πλάσμα (»das Wabengebilde der Bienen«). Ähnlich heißt es auch in der Suda (α 2524) über die ἀνθρήνη: καταχρῶνται δὲ οἱ ποιηταὶ καὶ ἐπὶ μελισσῶν. – »Die Dichter benutzen sie (die Bezeichnung ἀνθρήνη) fälschlicherweise auch für die Bienen.« Es ist daher vor diesem Hintergrund wahrscheinlicher, dass die Bezeichnung ἀνθρήνιον eher als »Bienenstock« zu verstehen ist, was gerade für ­Sophokles passend ist (s. o. 369), als dass man annimmt, Wespen bzw. Anthrenen könnten auch für angenehme Dichtung stehen.

93 Richter (1978) 906. 94 Vgl. Olson (2002) 289 für weitere Belege für den Vergleich von Flötenspiel mit dem Brummen (βόμβος) von Insekten. 95 Vgl. ebd. 96 Es existieren zwei Sammlungen von Bildbeschreibungen (Εἰκόνες bzw. Imagines), als deren Autor ein Flavius Philostratus genannt wird. Diese Sammlung ist vermutlich die jüngere. 97 Vgl. Richter (1978) 904 und Beavis (1988) 188.

Ameisen und Dichtung

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Eine gewisse Sonderrolle nimmt der Chor der wespenartigen alten Männer in den Wespen des Aristophanes sein. Dieser vermag zwar auch zu singen und zu tanzen, diese Tatsache wird jedoch nicht deutlich mit seiner spezifischen Tiergestalt (welche auch nicht vollständig zu sein scheint) in Verbindung gebracht. Spezielle Tierlaute, wie sie etwa in den Vögeln oder den Fröschen verwendet werden, finden sich in den Wespen nicht. In den Versen 219 f. heißt es über den Chor (es spricht Bdelykleon): […] μινυρίζοντες μέλη ἀρχαιομελισιδωνοφρυνιχήρατα, […] sie summen lieblich alte honigsüße sidonische98 phrynischeische Lieder,

Dazu muss man anmerken, dass das selten verwendete99 Verb μινυρίζω hier zwar mit »summen« übersetzt ist, jedoch eher im Sinne eines »leise vor sich Hinsingens«. Das Verb ist als Lautäußerung von Tieren keineswegs speziell für summende Insekten verwendet, wie etwa βομβέω, sondern beschreibt auch den Gesang von Vögeln.100 Zudem ist das Lied des Phrynichos als honigsüß charakterisiert. Er selbst wird in anderem Zusammenhang als Biene dargestellt (s. o.  368). Das Lied selbst stammt also nicht von Wespen.

8.6 Ameisen und Dichtung Ameisen werden nicht oft mit Dichtung und Gesang in Verbindung gebracht. Dies dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass viele Arten im Gegensatz zu den »dichterischen« Insekten wie Zikaden, Bienen und Wespen keine für den Menschen vernehmbaren Töne von sich geben.101 Im Zuge neuer musikalischer Richtungen in Athen beginnend am Ende des 5. Jhd.s v. Chr. finden sich bei deren Kritikern jedoch Vergleiche zwischen dieser Neuen Musik und den gewundenen Gängen der Ameisenbauten (dazu s. 6.5.3). 98 Hier handelt es sich wohl um eine Anspielung auf die Tragödie Phoenissae des Phrynichos, weshalb der LSJ auch »dear honey-sweet old songs from Phrynichus’ Phoenissae« als Übersetzung für dieses Kofferwort vorschlägt. 99 Im fraglichen Zeitraum des 5. und 4. Jhd. v. Chr. nennt der TLG insgesamt nur 5 Belegstellen. 100 So in den Vögeln (1413 f.) des Aristophanes über den Gesang einer Schwalbe und in der Historia animalium des Aristoteles (IX 32, 618 b 31 und 619 a 3) über den Gesang zweier »Arten« von Adlern. 101 Ungeachtet dessen heißt es in einer stark anthropomorphisierten Passage bei Plinius (HN 11,110): quae tunc earum concursatio, quam diligens cum obviis quaedam conlocutio atque percunctatio! – »Welch ein Zusammenlaufen dieser (Ameisen) gibt es dann, wie aufmerksam ist das Besprechen und Befragen mit den Entgegenkommenden!«

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Soziale Insekten und Literatur

Ein bekanntes Beispiel ist in diesem Zusammenhang ein Fragment102 aus dem Cheiron (Frg. 155 PCG) des Komödiendichters Pherekrates, eines älteren Zeitgenossen des Aristophanes. Nach dem Zitatkontext  – der pseudo-plutarchischen Schrift De musica (30, 1141 C 6 – 1142 A 12) – tritt hier die personifizierte Musik (Μουσική) als schwer misshandelte Frau auf (ὅλην κατῃκισμένην τὸ σῶμα; 1141 D 7) und klagt gegenüber der ebenfalls personifizierten Gerechtigkeit (Δικαιοσύνη) ihre Peiniger und Vergewaltiger, d. h. die Vertreter der Neuen Musik, an. Der schlimmste von allen sei der milesische (Dithyramben-) Dichter Timotheos (Verse 19–25), dessen Musik folgendermaßen charakterisiert wird (Vers 23): […] ἄγων ἐκτραπέλους μυρμηκιάς.  – »[…] indem er (mich)103 durch absonderliche Ameisenbauten führte«.104 Eine Parallele findet sich in den Thesmophoriazusen des Aristophanes, wo der neuartige Gesang des Agathon ebenfalls als μύρμηκος ἀτραπούς105 (»Ameisenpfade«; 100) bezeichnet wird. Die als verwirrend erscheinenden Ameisenpfade versinnbildlichen in diesen Bildern die Rhythmenwechsel und chromatischen Tonfolgen,106 die ein wichtiges Kennzeichen der Neuen Musik, insbesondere des Dithyrambos, sind.107 Austin und Olson108 vermuten wohl zu Recht, dass den Athenern des 5. Jhd. v. Chr. der Aufbau eines unterirdischen Ameisenbaus bekannt gewesen ist, weil sie bei der Landarbeit sicherlich zuweilen einen aufgegraben haben (dazu s. auch o. 319). Ein Epigramm des Dichters Lukillios (Anth. Gr. 11,78) an den Boxer Apollophanes vergleicht dessen offenbar verwundeten Kopf zunächst mit einem 102 Zu diesem Fragment gibt es eine reiche Forschungsliteratur. Besonders ausführlich wird es von Restani (1983) besprochen. Daneben z. B. Düring (1945); Süss (1954) 118–123; Borthwick (1968); Henderson (2000) 142 f.; Hall (2000) 414 f.; Zimmermann (1992) 122 f. Einen hilfreichen Kommentar bietet Olson (2007) 182–186. 103 Olson (2007) 185 versteht wohl zu Recht ἐκτραπέλους μυρμηκιάς als inneres Akkusativobjekt, zu dem sinngemäß das direkte Objekt με aus μοι in Vers 22 zu ergänzen ist. Ähnlich auch Düring (1945) 195. 104 Süss (1954) 121, der hier ἐσάγων liest, versteht dies so, dass Timotheos der Musik »verrücktes Ameisengekribbel« beibrachte. Zwar kann μυρμηκιά auch eine Warze oder ein Kribbeln unter der Haut bezeichnen, aufgrund der Parallelstellen (dazu s. im Folgenden) erscheint es aber wahrscheinlicher, dass hier der Ameisenbau mit seinen gewundenen Pfaden gemeint ist. 105 Dieses Wort wählt auch Aelian NA 6,43 zur Beschreibung der verschlungenen Wege im Ameisenbau. Aristoteles (HA IX 38, 622 b 25) verwendet die Bezeichnung ἀτραπός zur Bezeichnung des einen (μία) Futterpfades, auf dem alle Ameisen oberirdisch laufen. In dem Fragment scheint jedoch eher das gewundene unterirdische Gangsystem des Ameisenbaus gemeint zu sein als der ordentliche Pfad zum Futter. Siehe dazu auch Borthwick (1968) 70 f. 106 Vgl. z. B. Düring (1945) 196; Borthwick (1968) 69 f.; Restani (1983) 178 f. 107 Vgl. dazu Zimmermann (1992) 124, der auch anmerkt, dass die Arie, die Agathon in den Thesmophoriazusen singt (101–129), in der phrygischen Tonart verfasst ist und daher in die »Nähe der Werke der jungattischen Dithyrambiker« gerückt wird. 108 Vgl. Austin; Olson (2004) 86.

Ameisen und Dichtung

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Sieb, dann mit einer wurmstichigen Buchrolle und zuletzt mit den Löchern von Ameisen, die er aber wiederum mit lydischen und phrygischen Tonnotationen der Lyra-Spieler109 gleichsetzt. ὄντως μυρμήκων τρυπήματα λοξὰ καὶ ὀρθά,   γράμματα τῶν λυρικῶν Λύδια καὶ Φρύγια. Wahrlich, es sind schräge und gerade Ameisenhöhlen,110   lydische und phrygische Notationen der Lyra-Spieler.

Wie Borthwick richtig bemerkt,111 ist zwar zunächst die Gleichsetzung auf optischer Ebene gegeben – die Notationen phrygischer und lydischer Tonreihen sind genauso gewunden wie die Gänge der Ameisen – da sich die Gestalt der Notationen jedoch aus den Tonfolgen ergibt, fallen beide Ebenen, die optische und die akustische, zusammen. Insofern entspricht auch dieses Bild den Belegen aus der Alten Komödie. Auffällig ist, dass der Vergleich zwischen den gewundenen Pfaden des Ameisenbaus und einer bestimmten Art von Musik negativ konnotiert zu sein scheint und der Kritik an dieser Musik dient. Positive Beispiele von Ameisen und Dichtkunst sind in der erhaltenen Literatur nicht zu finden. Neben diesen Verbindungen zwischen einer bestimmten Art von Musik und den gewundenen Gängen der Ameisenbauten scheint eine direkte Identifizierung eines Dichters mit einer Ameise nicht sicher belegt. Immer wieder wird jedoch das Beispiel des Dichters Philoxenos angeführt,112 von dem es im entsprechenden Lemma (φ 393) der Suda heißt, er sei als Sklave von einem gewissen Argesilaos gekauft und Μύρμηξ (»Ameise«) genannt worden (Μύρμηξ ἐκαλεῖτο). Zwar ist Philoxenos ein Vertreter der Neuen Musik und soll nach Aussage der Suda 24 Dithyramben verfasst haben, ob er seinen Namen Μύρμηξ aber wegen seiner Art zu dichten erhalten hat, ist zumindest nicht ohne Zweifel.113 Denn zum einen findet sich keine Angabe dazu, weshalb ihm dieser Name gegeben wurde, der im Übrigen ein recht gewöhnlicher Eigenname war (dazu s. o. 220). Zum anderen scheint gerade die Darstellung in der Suda, die uns diesen Beinamen überliefert, einer solchen Interpretation entgegenzustehen. Dort heißt es nämlich, er sei zwar von Argesilaos großgezogen (ἐκτράφη), aber erst aus-

109 Vgl. Aubreton (1972) 244 Anm. 7: Dichtung wurde in der Antike in der Regel unter der Begleitung von Musik vorgetragen. Die musikalische Notation befand sich teilweise zwischen den Zeilen. Davon ist allerdings nur wenig erhalten. 110 In der Antike ging man vor allem von Ameisenarten aus, die ihren Bau unter der Erde anlegen (dazu s. 6.5.3). 111 Vgl. Borthwick (1968) 70. 112 Vgl. z. B. Düring (1945) 196; Borthwick (1968) 69; Restani (1983) 179. 113 Borthwick (1968) 69 bezeichnet diese Identifikation dennoch als »doubtless«.

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gebildet worden, als ihn der Dichter Melanippides114 nach dem Tod des Argesilaos gekauft habe (ἐπαιδεύθη δὲ μετὰ τὸν θάνατον Ἀγησιλάου, Μελανιππίδου πριαμένου αὐτὸν τοῦ λυρικοῦ). Er trug den Namen also offenbar schon, bevor er als Dichter tätig wurde. Den Namen Μύρμηξ also aus der Art der Dichtung herzuleiten, scheint an dieser Stelle zwar verlockend, jedoch nicht zweifelsfrei mit der Darstellung der Suda in Übereinstimmung zu bringen.

8.7 Zusammenfassung Als Bildspender für Literaturproduktion und -rezeption dienen in erster Linie Bienen. Dies erklärt sich vermutlich aus den antiken Konzepten von diesem Tier, die verschiedene Anknüpfungspunkte für diesen Vergleich bieten. So sagt man Bienen eine gewisse Affinität zu bestimmten Tönen und rhythmischem Klatschen bzw. eine Aversion gegenüber dem Echo nach. Darüber hinaus kann die Biene selbst Töne von sich geben und steht damit z. B. im Gegensatz zu den Ameisen, von denen viele Arten keine für den Menschen hörbaren Laute erzeugen können. Auch die Vorstellung von der Biene als Mittler zwischen Göttern und Menschen kann hier eine Rolle spielen, wenn man etwa von einer Inspiration der Dichter durch die Musen oder andere göttliche Wesen ausgeht. Ein wichtiger Punkt ist darüber hinaus der schon früh belegte Vergleich zwischen angenehmer Rede bzw. Dichtung und Honig, welcher ebenfalls im Alten Testament zu finden ist. Es liegt nahe, die Produzenten, also den Autor bzw. die Biene, ebenso wie die Produkte miteinander zu vergleichen. Dabei ist die Vorstellung von der Rolle der Biene bei der Honigproduktion oftmals analog zur Rolle des Autors bei der Literaturproduktion: Die vorherrschende Theorie zur Honigproduktion in der Antike war wohl, dass dieser entweder in der Luft oder von bestimmten Pflanzen gebildet wird und die Bienen das bereits fertige Produkt einsammeln. Das hierzu analoge Verständnis von der Literaturproduktion ist das eines Dichters, dem die Musen ein bereits fertiges Lied eingeben, das der Dichter nur wiedergeben muss. Vor allem Seneca spricht sich jedoch für eine aktivere Rolle der Biene bei der Honigproduktion bzw. des Autors bei der Literaturproduktion aus. Beide nehmen von ihren jeweiligen Quellen (von Blüten bzw. Werken anderer Autoren) für sie geeignete Stoffe, bilden daraus aber etwas gänzlich Neues. Dies knüpft ebenfalls an den Vergleich zwischen Rezipient und Biene an, der allerdings etwas seltener belegt ist: Wie sich der Rezipient aus verschiedenen literarischen Quellen inspirierende Texte zusammensuchen kann und soll, sammelt die Biene den Honig von verschiedenen Blüten, oftmals gar von weniger gut 114 Dieser ist der erste, der sich an der personifizierten Musik in Pherekrates Frg. 155,3–7 PCG vergangen haben soll.

Zusammenfassung

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zugänglichen. Vor allem dieser Vergleich wird für christliche Autoren wichtig, weil er sowohl für in der Heiligen Schrift Gelehrte verwendet werden kann, als auch zur Illustration der sogenannten χρῆσις, also des rechten Gebrauchs paganen Wissens dient. Seltener werden Wespen mit Dichtern verglichen, wobei in der Regel deren Aggressivität betont wird. Ameisen werden in den erhaltenen Texten nicht selbst als Vergleich herangezogen, sondern die gewundenen Gänge des Ameisennestes werden mit der sogenannten Neuen Musik in Beziehung gesetzt.

9. Ergebnis

Die Untersuchung hat gezeigt, dass soziale Insekten in der klassisch-antiken Literatur in vielen Kontexten erwähnt werden. Antike Konzepte von diesen Tieren umfassen daher durchaus eine Vielzahl von Eigenschaften, die je nach Kontext eine andere Ausprägung erhalten können. Diese unterschiedlichen Ausprägungen müssen an dieser Stelle nicht ein weiteres Mal im Detail besprochen werden – dazu sei auf die einzelnen Kapitel verwiesen –, stattdessen sollen syn­ optisch die zentralen Ergebnisse herausgestellt und Entwicklungslinien nachgezeichnet werden. Vor allem die antiken Bienenkonzepte erweisen sich als überaus komplex und variabel. Dies zeigt sich bereits daran, dass man zwischen den drei »Arten« von Bienen, d. h. den »normalen« Bienen, den Weiseln und den Drohnen, differenzieren muss, von denen ganz eigene Konzepte gebildet werden (dazu s. o. 65). Darüber hinaus werden in naturkundlichen und agronomischen Schriften noch, um im modernen biologischen Sinne zu sprechen, eigene »Rassen« unterschieden, wobei die »Rassen« von Bienen (s. o. 71) und Königen (s. o. 81) nicht unbedingt dieselben sein müssen. Eine Erklärung für diese gegenüber den übrigen sozialen Insekten weitaus komplexeren Darstellungen dürfte wohl in der besseren Vertrautheit des Menschen mit der Biene als Nutztier liegen. Zudem wurde und wird die Biene nicht zuletzt wegen ihres Honigs sehr geschätzt. Prototypisch den Bienen zugeschriebene Eigenschaften sind etwa ihr auch heute noch sprichwörtlicher Fleiß (s. 2.3.3), ihre Fähigkeit, Vorsorge zu treffen (s. 2.3.2), welche auch eine Grundlage für die Verbindungen zur Mantik sein könnte (s. Kapitel 7), sowie gewisse mentale Fähigkeiten (s. 2.3.1). Wie weit diese reichen, ist in den antiken Texten umstritten, doch werden sie meist als deutlich höher als die vieler anderer Tiere angesehen, weil man vor allem die komplexe Ordnung der Bienengesellschaft nur mit einem gewissen Intellekt erklären konnte. In einigen Texten wird den Bienen außerdem eine Seele zugeschrieben, weshalb sie eine Verbindung zum Göttlichen aufweisen. Eine Besonderheit der Bienen ist auch ihre äußere Reinlichkeit (s. 2.3.4). Diese zeige sich etwa in der Reinhaltung des Stockes oder auch in der Ablehnung von Gerüchen jeglicher Art, besonders aber von schlechten. Dies hat für die Imkerei ganz praktische Konsequenzen, sodass agronomische Schriften zur Bienenzucht oftmals umfangreiche Passagen über die geeignete Lage der Bienenstöcke (z. B. fern von Küche, Latrine und Bad) sowie Anweisungen zur regelmäßigen Reinigung der Stöcke enthalten. Über diese äußere Reinlichkeit hinaus wird den Bienen aber in vielen Texten noch eine gewisse innere oder seelische Reinheit zugeschrieben.

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Diese steht in enger Verbindung zu ihrem vermeintlich asexuellen Wesen (dazu im Folgenden) und soll sich vor allem in der Ablehnung von und der Aggression gegenüber Menschen, die Geschlechtsverkehr hatten (insbesondere außerehelichen), Frauen während der Menstruation sowie parfümierten oder gesalbten Menschen zeigen. Von den äußeren Merkmalen ist der Stachel bei den »normalen« Bienen von zentraler Bedeutung (s. o. 68). Er charakterisiert die Bienen als wehrhaft, teilweise auch als aggressiv und kann daher durchaus negativ konnotiert sein. Die Ambivalenz der Biene, die einerseits durch ihren Honig Süßes bringen, andererseits mit ihrem Stachel schaden kann, wird zu einem Topos, der in unterschiedlichen Kontexten (z. B. in einem Vergleich mit der puella oder in der Deutung der ägyptischen Hieroglyphe für einen Königstitel) angeführt wird. Die durch den Stachel implizierte Wehrhaftigkeit macht den Bienenschwarm zudem zu einem passenden Vergleichsgegenstand für ein menschliches Heer (s. 6.2). Dieser Vergleich findet sich bereits in der Ilias und wohl davon beeinflusst in vielen späteren poetischen Texten. Darüber hinaus könnte die Gleichsetzung eines menschlichen Heeres mit einem Bienenschwarm auch in bestimmten Prodigien eine Rolle spielen (s. o. 343): Für viele entscheidende Schlachten ist das schlechte Vorzeichen überliefert, dass ein Bienenschwarm sich innerhalb eines Heereslagers (oftmals am Feldherrnzelt) niedergelassen habe, was eine Niederlage gegen die Feinde ankündigen sollte. Allerdings ist diese implizite Gleichsetzung von menschlichem Feindesheer und Bienenschwarm eher ein Nebenaspekt. Wie auch im Falle der ebenfalls häufig belegten Prodigien von Schwärmen, die sich an Gebäuden innerhalb des pomerium der Stadt Rom oder ähnlich stark sakral aufgeladenen Grenzen wie eines Temenos niedergelassen haben, ist die sogenannte Liminalität (s. o. 342), d. h. die Grenzüberschreitung, vermutlich wichtiger für die Wahrnehmung und Bewertung des Prodigiums. Vor allem in lateinischen Texten wird der Bienenstock vielfach wie ein Militärlager beschrieben (s. o. 268). Darüber hinaus schildert Vergil im 4. Buch seiner Georgica eine Schlacht zwischen zwei Königen und ihren jeweiligen Truppen in epischem Stil (s. o. 258). Wenngleich sich solch eine Schlacht in der Realität nicht beobachten lässt, findet sie doch Eingang in die Fachliteratur, was den Einfluss des vergilischen Lehrgedichts auf die Fachliteratur unterstreicht. Meist werden Bienenkriege im Rahmen des sogenannten Schwärmens erwähnt, das in der Antike oft als negativ angesehen und bereits von Aristoteles als Folge eines Zwistes zwischen verschiedenen Königen interpretiert wurde (s. o. 272). Im Detail können sich die Ursachen und Gründe für den Krieg jedoch unterscheiden (s. o.  262). Columella betont beispielsweise, dass es sowohl zu Kriegen zwischen Fraktionen eines Volkes als auch zu Kriegen gegen fremde Völker kommen könne. Plinius dagegen, der die Einigkeit und vor allem die Ergebenheit des Volkes gegenüber seinem selbstgewählten König besonders hervorhebt, geht nur

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von Kriegen gegen externe Völker aus, weil Bürgerkriege nach seiner Sicht auf die Gesellschaft der Bienen kaum entstehen könnten. Die Fortpflanzung der Bienen oder vielmehr die Unkenntnis darüber spielt für die antiken Bienenkonzepte eine wichtige Rolle, zumal sich hier bedeutende Unterschiede zur modernen Wahrnehmung der Bienen zeigen. Die nicht eben triviale Fortpflanzungsbiologie der eusozialen Hymenopteren überhaupt (s. 1.4.1) und insbesondere die fehlende Beobachtung der Paarung der Bienenkönigin mit den Drohnen sowie generell die Dreizahl der »Arten« im Bienenstock sind wohl wichtige Gründe, warum die Fortpflanzung der Bienen die Naturkunde noch bis weit in die Neuzeit hinein vor ein Rätsel stellte. Ausführlich diskutiert werden verschiedene Fortpflanzungstheorien in der Schrift De generatione animalium des Aristoteles. Er kommt nach der Ablehnung sämtlicher anderer Theorien zu dem Schluss, dass sich die Bienen asexuell fortpflanzen, wobei die sogenannten Könige ihre eigene »Art« und die »normalen« Bienen hervorbringen, letztere wiederum die sterilen Drohnen (s. o. 151). Er betont allerdings, dass er durch reine Überlegung nach dem Ausschlussprinzip zu dieser Theorie gekommen sei und diese durch Beobachtungen zu verifizieren oder zu widerlegen sei. Von den durch Aristoteles abgelehnten Fortpflanzungstheorien gewinnt insbesondere die der Eintragung der Brut von bestimmten Blüten eine große Bedeutung, nicht zuletzt wohl deshalb, weil sie von Vergil in seinen Georgica angeführt wird (s. o. 154). Stark rezipiert wird die Biene als reines Wesen daher vor allem von christlichen Autoren, die in ihrer vermeintlich asexuellen Fortpflanzung ein Vorbild an Tugendhaftigkeit sowie einen »naturkundlichen Beleg« für die jungfräuliche Geburt sehen. Aber auch generell trägt die besondere Art der Fortpflanzung zum allgemeinen Eindruck der Biene als außergewöhnlichem Tier bei und hebt sie insbesondere gegenüber den beiden anderen Gruppen von sozialen Insekten hervor. Als weitere Art der Fortpflanzung lässt sich spätestens seit dem Hellenismus die sogenannte Bugonie (dazu s. Kapitel 4), d. h. die Entstehung eines Bienenschwarmes aus einem toten Rind, nennen. Das genaue Vorgehen (dazu s. 4.1) wird in den verschiedenen Texten nicht einheitlich dargestellt und reicht von einfachen Anweisungen, wie dem Vergraben des Rindes (Antigonos von Karystos, Ovid) oder gar nur einzelner Organe (Mago, Plinius), bis hin zu komplexen Verfahren, bei denen zunächst eine Hütte errichtet werden muss (Vergil, Geoponica). So fremd diese Vorstellung sicherlich heute wirkt, in antiken Texten finden sich kaum Zweifel am Prinzip der Bugonie, häufiger jedoch an der ökonomischen Sinnhaftigkeit (Celsus, Columella, evt. Palladius), ein Rind für einen Bienenschwarm zu opfern (s. o. 193). Unabhängig von der Herkunft der Bugonie (die in der Forschung meist vorgetragenen biologischen Erklärungsversuche [s. 4.3.1] oder die Annahme einer Herkunft aus Ägypten [s. 4.3.3] sind nicht unproblematisch) knüpft das Prinzip der Bugonie an verschiedene griechische Vorstellungen an (s. 4.3.4), die diese Art der Fortpflanzung als weniger

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exzeptionell erscheinen lassen mussten, als dies aus heutiger Sicht vielleicht der Fall ist. Dies sind beispielsweise eine generelle Verbindung der Bienen zum Tod und das in der antiken (und weit darüber hinausgehenden) Naturkunde vertretene Prinzip der Urzeugung oder Spontangenese, nach dem aus totem und verrottendem Material Insekten und andere (meist kleine)  Tiere hervorgehen können. Die verbreitete Akzeptanz der Bugonie als Fortpflanzungsprinzip zeigt sich vielleicht auch darin, dass sie vor allem in der griechischen Dichtung schon recht bald als Topos verwendet wird. Eng mit der Fortpflanzung hängen auch die antiken Geschlechtervorstellungen zusammen (dazu s. Kapitel 5). Während die Bienen nach moderner Vorstellung wohl typischerweise eine nahezu rein weibliche Gesellschaft bilden (was Arbeiterinnen und Königin biologisch gesehen ja auch sind), kann sich in antiken Texten eine durchaus andere Metaphorik entwickeln, weil das biologische und auch das zugeschriebene soziale Geschlecht nicht eindeutig festgelegt sind. Aristoteles (Gen. an. III 10, 759 b 1–7) etwa kann die Bienen weder eindeutig weiblich nennen, weil sie einen Stachel besitzen (»Waffenbesitz« und Aggressivität sind für ihn Zeichen von Männlichkeit), noch eindeutig männlich, weil sie Brutpflege betreiben (für ihn meist ein Zeichen von Weiblichkeit). So können Bienen etwa in Gleichnissen sowohl für Männer (s. 5.1) als auch für Frauen (s. 5.2) stehen. Dabei wird nicht ein bestimmter Männer- oder Frauentyp mit Bienen verglichen, sondern es können je nach Kontext unterschiedliche Eigenschaften hervorgehoben werden. So kann der aggressive und wehrhafte Bienenschwarm, wie bereits gesagt, mit einem Heer verglichen werden, eine einzelne Biene aber auch mit einem Dichter (dazu im Folgenden). Besonders divers ist das Bild bei Vergleichen mit Frauen bzw. Frauengruppen. So können bei stärkerer Hervorhebung der Reinheit oder der Asexualität Verbindungen zu Jungfrauen oder Gruppen von Priesterinnen hergestellt werden. Bei Betonung der guten Ordnung und des Fleißes kann aber auch die gute Hausfrau und Mutter mit der Biene verglichen werden (Semonides, Phokylides). Sogar die puella der Liebeselegie wird als Biene bezeichnet, weil sie, wie gesagt, Angenehmes und Unangenehmes geben kann. Von besonderer Bedeutung ist die Zuschreibung des Geschlechts beim Weisel (s. 5.3), für den meist männliche Bezeichnungen verwendet werden. Auch wenn insbesondere Aristoteles ihn biologisch gesprochen für einen Hermaphroditen hält, bezeichnet er ihn doch stets mit männlichen Begriffen, weil er als Herrscher wahrgenommen wurde, der in der Antike meist männlich war. Nur in seltenen Fällen (vor allem bei Arrian) wird der Weisel der Bienen explizit als weibliche Herrscherin genannt. Aufgrund der allgemeinen Wahrnehmung als männlich wird der Weisel der Bienen zu einem wichtigen Vergleichsobjekt für den menschlichen männlichen König, was bei einem Wissen um das tatsächliche biologische Geschlecht vermutlich nicht der Fall gewesen wäre. Eine weitere wichtige Eigenschaft der Bienen, die sie sowohl von Wespen als auch von Ameisen unterscheidet, ist die eigene Gewinnung ihrer Nahrung

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(s. o.  67). Im Gegensatz zu den eher karnivor beschriebenen Wespen (selten wird auch eine karnivore Ernährung bei den Bienen genannt) und den räuberischen Ameisen, sollen die Bienen sich von unreinen Stoffen wie etwa Blut oder Fleisch fernhalten und kein Tier schädigen. Dies ist sicherlich ein wichtiger Grund dafür, warum Bienen allgemein als weitaus positiver als Wespen und Ameisen wahrgenommen wurden. Die Nahrung der Bienen soll dabei hauptsächlich aus Honig, aber auch aus anderen Stoffen wie dem »Bienenbrot« bestehen. Die Rolle der Biene bei der Honigproduktion (dazu s. 8.4) wird von vielen Autoren als eher gering eingeschätzt. Oftmals geht man davon aus, dass der Honig wie ein Tau vom Himmel fällt oder bestimmte Pflanzen diesen hervorbringen. Die Aufgabe der Biene besteht nach dieser Theorie also in erster Linie im Einsammeln des bereits fertigen Honigs. Dies ist vielleicht nicht zuletzt insofern von Bedeutung, als der Honig auch als Gabe und Nahrung der Götter gesehen wird und die Biene somit als Mittlerin zwischen Menschen und Göttern steht. In dieser Rolle als Mittlerin zwischen Göttern und Menschen sowie teilweise auch in der berauschenden Wirkung einiger giftiger Honigsorten (dazu s. o.  360) könnte eine Ursache der Verbindung von Bienen zur Mantik liegen. Eine dezidiert andere Theorie der Honigproduktion vertritt Seneca in seiner 84. Epistel (dazu s. o.  383). Er verknüpft dies aber ausdrücklich mit seiner Literaturtheorie: Die Biene sammle nur Vorprodukte von verschiedenen Pflanzen ein, verbinde sie mittels Gärung in ihrem Körper zu einem neuen Stoff, dem Honig, und gebe diesen dann von sich. Ebenso soll sich auch der literarisch tätige Mensch von vielen Texten inspirieren lassen, dann daraus eigene Gedanken entwickeln und diese zuletzt mitteilen. Der Vergleich des Dichters mit einer Biene wird spätestens im 5. Jhd. v. Chr. (erstmals wohl bei Bakchylides belegt) zu einem häufig verwendeten Topos (dazu s. 8.1). Der Vergleich von angenehmer Rede mit der Süße des Honigs, der ein wichtiger Ausgangspunkt des Vergleiches der jeweiligen Produzenten gewesen sein dürfte, wird freilich bereits bei Homer und Hesiod gebraucht. Darüber hinaus sollen Bienen für gewisse Töne, wie etwa rhythmisches Klatschen oder den Klang von Zimbeln, empfänglich sein, weshalb man dies in der Bienenzucht beim Einfangen von Schwärmen anwandte (s. o. 363). Auch ihr eigenes Summen wurde teilweise als angenehm wahrgenommen (etwa in Schilderungen eines locus amoenus in Theoc. Id. 7,135–147 und Verg. Ecl. 1,53–55), teilweise aber sogar mit dem Klang von Kriegstrompeten verglichen (vor allem in lateinischen Texten im Rahmen des Schwärmens und der Bienenkriege). Es lassen sich also auf verschiedenen Ebenen Verbindungen zwischen Dichtern und Bienen herstellen. Seltener werden auch Rezipienten (z. B. bei Isokrates und Plutarch; bei Seneca sind Literaturrezeption und -produktion gewissermaßen in ein Bild integriert) mit Bienen verglichen (s. 8.2), wobei der Vergleichspunkt hier eher in der Auswahl und dem Sammeln des Honigs von verschiedenen Blüten liegt. Bei

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christlichen Autoren (dazu s. 8.3) wird dieses Bild häufig verwendet, um die sogenannte χρῆσις, also den rechten Gebrauch paganen Wissens, zu beschreiben: Wie die Biene sich nur die besten und geeignetsten Stoffe von Blüten wähle, so soll auch der gute Christ aus der Fülle paganer Literatur nur das Passende nehmen und es zu etwas Neuem verbinden. Der Vergleich angenehmer Rede oder auch der Worte Gottes mit Honig findet sich indes auch im Alten Testament, sodass gerade im Bereich der Literaturmetaphorik eine Verknüpfung paganer Konzepte mit jüdisch-christlichen Vorstellungen leicht möglich war. So wird etwa Pantainos wegen seiner Kenntnisse der Heiligen Schrift »Biene« genannt und ebenso auch Augustinus wegen seiner von Gott inspirierten Lehre. Zu einem Topos, in dem der Bereich der Mantik mit der Literaturmetaphorik verbunden ist, wird die Geschichte, wonach Bienen auf den Lippen eines später berühmten Autoren oder Redners Waben errichtet und ihn damit gewisser­ maßen geweiht hätten (s. 7.4). Diese Geschichte ist sowohl für zahlreiche pagane Dichter, Redner und Autoren (z. B. Homer, Sappho, Pindar, Platon) als auch für christliche Autoren wie Ambrosius von Mailand überliefert. Darüber hinaus sollen sich hymettische Bienen nach einem Epigramm des Erykios am Grab des Sophokles aufhalten (s. o. 353), was ihn somit auch nach seinem Tod noch als herausragenden Dichter zu erkennen gibt (ohnehin wird er in einigen Texten als »Biene« bezeichnet; s. o. 369). Die Gesellschaft der Bienen wird in den antiken Quellen detailliert beschrieben, doch kann man zwischen eher naturnahen Texten (insbesondere Aristoteles) und stark anthropomorphen Darstellungen unterscheiden. Letztere setzen das Bienennest zu bestimmten Vergleichsebenen aus der menschlichen Gesellschaft in Beziehung, wie etwa einem Haus (z. B. Xenophon im Oikonomikos), einem Stadtstaat (z. B. Vergil, Plinius) oder dem bereits erwähnten Heereslager, das sich vor allem bei römischen Autoren findet. In vielen Texten changiert die Beschreibung des Nestes freilich zwischen diesen Vergleichsebenen. Es ist außerdem auffällig, dass in lateinischen Texten nicht nur Begriffe aus der menschlichen Sphäre für den Bienenstaat verwendet werden, sondern oftmals sogar spezifisch römische. Dies ist nicht mit einem Mangel an geeigneten lateinischen Fachbegriffen zu erklären (vielfach stünden solche zur Verfügung), sondern muss wohl als absichtliche Darstellung einer Analogie zur Welt der Rezipienten verstanden werden. Je nach Intention des Textes wird den Bienen ein unterschiedlicher Grad an Selbstständigkeit zugeschrieben. So zeigen agronomische Fachautoren wie Columella und Palladius ein weitaus unselbstständigeres Bienenvolk als naturkundliche Autoren wie Aristoteles oder Plinius. Eine weitere wichtige Frage ist die nach der Rolle des Bienenkönigs. Gerade in eher naturnahen Beschreibungen von Fachautoren wie Aristoteles, Columella und Palladius ist der König für die »Regierung« des Bienenvolkes nicht so wichtig

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und vielfach soll es sogar mehrere Könige in einem Stock geben. Dies begründet Aristoteles (Hist. an. V 22, 553  b 15–19; s. o. 271) ausdrücklich damit, dass eine Vielzahl an Königen nicht deshalb wichtig sei, weil die Bienen ohne eine ausreichende Zahl an Königen herrschaftslos (ἄναρχα) seien, sondern weil die Könige in seiner bereits genannten Theorie für die Hervorbringung von Bienenbrut zuständig sind. Darüber hinaus wird der Schwarmtrieb in vielen Texten, wie gesagt, als Ergebnis eines Zwists zwischen Königen gedeutet. Insofern ist es nur folgerichtig von mehreren Königen im Stock auszugehen, wenn man einen oder mehrere abgehende Schwärme beobachten kann. Überhaupt ist das Anführen eines Schwarmes eine zentrale Eigenschaft antiker Konzepte vom Bienenkönig. Vor allem in stärker anthropomorphen Beschreibungen des Bienenstockes (z. B. Vergil, Seneca, Plinius, Aelian) kommt dem König eine besondere Bedeutung für die Ordnung im Stock zu (s. o. 279). In diesen Beschreibungen ist stets auch nur von einem König die Rede, dem das Volk ergeben dient. Unterschiede lassen sich freilich etwa in der Art der Auswahl des Königs feststellen, der entweder von Natur aus dazu bestimmt sein kann (z. B. Dion Chrysostomos, Epiktet, Basilius) oder vom Volk (einstimmig) gewählt (z. B. Plinius, Ambrosius) oder durch Kampf bestimmt (z. B. Vergil [mit Beteiligung der Könige], Seneca [ohne Beteiligung der Könige]) werden soll. Darüber hinaus wird vor allem in agronomischen Texten noch die Möglichkeit der Zuchtwahl durch die Imker beschrieben. Die Sicht auf die Rolle des Königs hat indes auch Auswirkungen auf die Beschreibung vieler anderer Aspekte. So wird der Bienenkönig zwar von allen Autoren als größer und milder als die übrigen Bienen beschrieben, in Texten, in denen ein sehr positiver König dargestellt wird, findet sich aber oftmals eine besonders prächtige Beschreibung seines Aussehens, die etwa bei Plinius (HN 11,51) gar eine Art diadema auf der Stirn enthält (s. o. 77). Auch seine Entwicklung wird als besonders dargestellt (s. o. 166) und einige Autoren (z. B. Seneca, Plinius, Aelian) weisen ihm prächtige und große Zellen im Inneren des Bienenstockes zu (s. o. 163 und 267), obwohl die Brutzellen der Weisel meist eher am Rand der Waben entstehen, wie es bereits Aristoteles (Gen. an. III 10, 760 a 26 f.) festhält. Diese »Verlegung« der Weiselzellen ins Innere des Stockes könnte eine Ursache dafür sein, warum in einigen Texten als eine weitere »Art« die sogenannten οἶστροι (s. o. 164) genannt werden, die am Rand der Waben entstehen und für Unruhe im Stock sorgen sollen. Möglicherweise handelt es sich dabei in Wirklichkeit um Königinnen. Eine wichtige Frage in der antiken Naturkunde ist auch die nach dem Stachel des Bienenkönigs (s. o. 77). Bereits Aristoteles spricht eine Debatte darum an und vertritt die aus heutiger Sicht in etwa zutreffende These, dass der Bienenkönig einen Stachel besitze, diesen aber aufgrund seiner Milde nicht einsetze. Es gibt jedoch auch Darstellungen, etwa bei Seneca, Columella oder Dion Chrysostomos, in denen dem Bienenkönig der Stachelbesitz ausdrücklich abgesprochen

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wird. Die Begründungen können jedoch jeweils anders lauten. Während es für Seneca in seiner Schrift De clementia (1,19,2–4) wichtig ist, dass der Bienenkönig deshalb keine Waffe besitzt, damit er diese nicht im Zorn einsetzen kann, was seinen Tod und somit den Untergang des Stockes nach sich zöge, wird in einer Rede (4,63) des Dion Chrysostomos das Fehlen eines Stachels als Zeichen für die natürliche Autorität des Bienenkönigs genannt. Denn nur wer ohne Furcht und daher ohne Waffe lebe, könne ein wahrer König sein. In beiden Fällen zeigt sich jedoch, welch großen Einfluss die politisch-ethischen Ansichten auf die Wahrnehmung und Beschreibung der Natur haben. Neben den »normalen« Bienen und den Königen sollen noch weitere »Arten« im Stock leben. Eine klare Trennung der Konzepte von den sogenannten Dieben und Drohnen lässt sich dabei aber kaum vornehmen, obgleich sie in einigen Texten – jedoch nicht in allen – als jeweils distinkte »Arten« genannt werden. Die ihnen zugeschriebenen Eigenschaften sind aber größtenteils dieselben. Sie gelten als träge Schädlinge im Stock der Bienen, die von der Arbeit anderer leben, ohne selbst einen Beitrag zu leisten (dazu s. 6.3.3). Dieser Eindruck dürfte wohl vor allem dadurch entstanden sein, dass die Rolle der Drohnen bei der Fortpflanzung nicht bekannt war, man aber die sogenannte Drohnenschlacht nach dem Ende der Paarungszeit beobachtet hatte. Diese Charakterisierung der Drohnen ist bereits in zwei Gleichnissen Hesiods (s. o. 229) enthalten und findet sich so in nahezu allen Texten. Ein wenig positiver äußern sich lediglich Columella und Plinius, die den Drohnen zumindest eine gewisse Mithilfe beim Brüten durch ihre Körperwärme zusprechen (s. o. 170). Darüber hinaus nennt Plinius sie an einer Stelle (HN 11,27) servitia verarum apium und auch Nikander (Frg. 93 GowScholfield) scheint ihnen nach einem Zitat bei Aelian (NA 5,42) eine Aufgabe zugewiesen zu haben, wobei diese nicht klar ist, weil die Stelle korrupt überliefert ist (s. o.  296). Da Diebe und Drohnen jedoch vor allem als Schädlinge wahrgenommen wurden, finden sich in agronomischen und naturkundlichen Werken Anweisungen, wie man diese vermeintliche Plage beseitigen kann. Aristoteles und Columella plädieren jedoch dafür, einige Drohnen im Stock zu belassen, um die Bienen fleißiger zu machen (s. o. 86). Bezüglich ihrer äußeren Gestalt werden die Drohnen als größer als die übrigen Bienen sowie vor allem als stachellos bezeichnet (s. o. 85). Platon spricht in seiner Politeia zwar von Drohnen mit Stachel, dies ist jedoch der Metaphorik an dieser Stelle geschuldet und soll ausdrücklich keine Entsprechung in der Natur haben (s. o. 300). Wenngleich der Stachelbesitz durchaus als ein Zeichen von Männlichkeit verstanden werden konnte, bedeutet dies nicht, dass die stachel­losen Drohnen in der Regel als weiblich angesehen wurden. Aristoteles diskutiert diese These zwar einmal (s. o. 221), schließt sich ihr aber nicht an, zumal er ihnen ohnehin kein biologisches Geschlecht im eigentlichen Sinne zuschreiben kann, weil er sie, wie gesagt, für steril hält und generell von einer

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asexuellen Fortpflanzung der Bienen ausgeht. In den bereits erwähnten Gleichnissen Hesiods werden die Drohnen in einem Fall mit Frauen verglichen (Theog. 594–602), in dem anderen (Op. 304–306) aber mit Männern, sodass man auch hier nicht von einer eindeutigen Zuschreibung eines biologischen oder sozialen Geschlechts ausgehen kann. Drohnen zeichnen sich also vor allem durch negative Eigenschaften aus, die den positiven der Bienen diametral entgegenstehen: Sie sind faul, besitzen keinen Stachel und schaden der Arbeit anderer, weil sie beispielweise ihre eigene Nahrung nicht selbst herstellen können, sondern die der Bienen nehmen. Weisen die antiken Bienenkonzepte eine hohe Komplexität und auch Variabilität auf, so scheint dies für die Wespenkonzepte nicht in gleichem Maße zu gelten. Zwar werden in den naturkundlichen Werken etwa des Aristoteles oder des Plinius unterschiedliche »Arten« von Wespen und nahen Verwandten, wie die ἀνθρήνη oder der crabro, beschrieben (s. 2.6), doch eine genaue Unterscheidung dieser »Arten« ist vor allem deshalb oftmals schwierig, weil sich ihre Konzepte stark ähneln. In Texten, die nicht primär auf eine Vermittlung naturkundlichen Wissens abzielen, scheinen die einzelnen Bezeichnungen gar oft synonym verwendet zu werden (s. o. 32). Neben den »normalen« Wespen, die in der naturkundlichen Literatur auch ἐργάται bzw. opifices genannt werden, soll es in einigen Nestern, jedoch nicht in allen, auch Anführer geben, die bei Aristoteles ἡγεμόνες oder μῆτραι und bei Plinius matres genannt werden (s. o. 88). Ähnlich wie im Falle der Bienenkönige werden sie als größer und milder im Charakter beschrieben. Teilweise war es auch bei ihnen fraglich, ob sie einen Stachel besitzen oder nicht (s. o. 89). Interessanterweise werden die Weisel der Wespen jedoch meist explizit nicht »Könige« genannt, was wohl zum einen an der beobachteten Brutpflege der ersten Arbeiterinnengeneration, welche eher an eine Mutter als an einen König erinnert, und zum anderen am Fehlen eines Schwarmes liegen könnte (s. 5.4). Das Anführen eines Schwarmes scheint, wie oben gesagt, eine wichtige Eigenschaft der antiken Konzepte vom Bienenkönig gewesen zu sein. Eine Ausnahme bildet freilich Aelian, der einen durchaus positiven Wespenkönig beschreibt (s. o. 305). Allerdings lässt sich in dieser Beschreibung kein wirklich spezifisches Konzept erkennen, da hier die gängigen Topoi zum Bienenkönig auf den Wespenkönig übertragen zu sein scheinen. Ähnliches gilt für die Drohnen bei den Wespen (s. o. 89). Ausdrücklich heißt es nur bei Plinius (HN 11,74): et iis sui fuci. Aristoteles (Hist. an. IX 41, 628 b 3–6) geht nur von stachellosen und größeren Wespen aus, die wie Drohnen (ὥσπερ κηφῆνες) seien. Von Drohnen ist auch in den Wespen (1114–1116) des Aristophanes die Rede. Ob dabei an spezielle Wespendrohnen gedacht ist, bleibt aber angesichts des eher unsystematischen Umgangs mit den Bezeichnungen für soziale Insekten in der Komödie fraglich. Ohnehin weisen die genannten Stellen zu Drohnen bei den Wespen keine spezifischen Eigenschaften auf, sondern entsprechen den gängigen Topoi zu den Drohnen bei den Bienen.

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Eine zentrale Eigenschaft antiker Wespenkonzepte ist ihre Aggressivität, die sie fast in allen Kontexten auszeichnet. Nur in seltenen Fällen, wie etwa im pseudo-platonischen Dialog Eryxias (s. o.  251 Anm. 28), wird die Charakterisierung als aggressiv etwas revidiert. Darüber hinaus gelten Wespen meist als eng mit den Bienen verwandt, aber von schlechterem Charakter, weshalb ihnen Aristoteles etwa das θεῖον abspricht oder Plinius sie degeneres nennt (s. o.  63). Weitere Eigenschaften, wie etwa ihre Sozialität oder der Fleiß, die man ihnen durchaus auch zuschrieb, treten dagegen oftmals in den Hintergrund. Prototypischere Vertreter dieser positiv besetzten Eigenschaften sind nach den antiken Texten eher Bienen und Ameisen. Die beschriebene Charakterisierung der Wespen findet sich so in verschiedenen Literaturgattungen, wie etwa in den Gleichnissen der homerischen Ilias (s. o.  220), in den Wespen des Aristophanes (s. o. 306), in der Traumdeutung (s. o.  356) oder auch in den Verbindungen zu aggressiven bzw. schlechten Dichtern (s. 8.5). Die nahe Verwandtschaft zu den Bienen, in der man die Wespen wohl in erster Linie aufgrund ihrer äußeren Gestalt sah, führte freilich in vielen Fällen erst dazu, dass sie in bestimmten Bereichen wohl in Abhängigkeit von entsprechenden Vorstellungen von den Bienen enthalten sind. Dies gilt etwa für Zoogonien, die ähnlich wie die Bugonie gestaltet sind (s. 4.5), oder auch für die Metaphorik der Literatur (s. 8.5). Zu diesen Bereichen weisen die Wespen aus der ihnen zugeschriebenen Charakterisierung im Gegensatz zu den Bienen kaum direkte Verbindungen auf, sodass diese vermutlich erst sekundär hergestellt wurden. Die antiken Wespenkonzepte sind also oftmals nur vor dem Hintergrund der jeweiligen Bienenkonzepte richtig zu verstehen, da sie in vielen Fällen von ihnen abhängig oder zumindest auf diese bezogen sind. Ameisen gelten als typischerweise kleine und oftmals schwarze Tiere. Weitere wichtige Eigenschaften antiker Konzepte sind ihre Ernährung von Ge­ treidekörnern und die unterirdische Anlage ihrer Nester (dazu s. 6.5.3). Wenngleich es auch Berichte von anderen Ernährungsweisen (s. o. 97) bzw. anderen Nestanlagen gibt (s. 2.9.3 und o. 321) so scheint doch hauptsächlich die herbivore Ameise, die ihr Nest unter der Erde anlegt, als prototypisch angesehen worden zu sein. Diese Eigenschaften zeichnen vor allem Arten der Gattung Messor aus, die in den Ländern des Mittelmeers weit verbreitet sind. Zudem treten diese Arten als Kornschädlinge in Kontakt mit dem Menschen, sodass die Wahrnehmung der prototypisch herbivoren Ameisen sicherlich hierin ihren Ursprung hat. Gerade die unterirdische Anlage der Ameisennester ist wohl ein wichtiges Charakteristikum, in dem sich antike Konzepte von den Vorstellungen moderner Mitteleuropäer unterscheiden. Ohne die Annahme, dass sich die Nester unter der Erde befinden, bleiben Berichte, wie der von Ameisen, die ihre Körner bzw. ihre Brut bei drohendem Regen nach oben schaffen, um einer Überschwemmung vorzubeugen (s. o. 335), oder ihre Charakterisierung als γῆς παῖδες,

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die in Träumen ein schlechtes Zeichen sind (s. o. 357), kaum verständlich. Die gewundenen Gänge des Ameisenbaus, die man mit den chromatischen Tonleitern der sogenannten Neuen Musik verglich, sind indes auch die einzige Verbindung, die man zwischen Ameisen und der Dichtung herstellte (s. 8.6). Die Ernährung von Körnern wurde wohl so eng mit den Ameisen verbunden, dass man beispielsweise die lateinische Bezeichnung formica aus micas ferre herleitete oder graniferus als bloßes Epitheton ornans verwendete (s. o.  97). Der Physiologos deutet gar den ominösen Ameisenlöwen (s. o. 113) als Mischwesen aus Löwe und Ameise, das verhungern muss, weil es als Kind eines typischen Fleischfressers und eines typischen Pflanzenfressers keine der beiden Ernährungsvarianten übernehmen kann. Auch in anderen Kontexten ist diese Ernährungsweise von Bedeutung, wenn Ameisen nach dem Prinzip der »SimileMedizin« als Heilmittel gegen Gerstenkörner am Auge genannt werden (s. o. 106) oder wenn viele Verwandlungssagen sowohl von Ameisen in Menschen als auch umgekehrt von Menschen in Ameisen mit der Landwirtschaft in Verbindung stehen (s. 6.5.2). Das Einbringen von Nahrung, die nicht selbst hergestellt, sondern von anderen genommen wurde, wird oftmals als wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu den Bienen genannt und lässt die Ameisen in manchen Kontexten, etwa in den aufeinander bezogenen Bienen- und Ameisengleichnissen im 1. bzw. 4. Buch der Aeneis (dazu s. o.  247), negativer erscheinen. Die Ameisen der Gattung Messor legen darüber hinaus Vorräte an, was man bereits in der Antike lobte (dazu s. 2.3.2) und was wohl auch die Ursache ihrer Charakterisierung als vorausschauend und fleißig sowie möglicherweise ihrer Verbindung zur Gier und zum Reichtum sein könnte, die sich etwa in den Berichten von den sogenannten goldgrabenden Ameisen (dazu s. 2.10) oder in denen von der Fütterung des jungen Midas durch Ameisen (dazu s. o. 353) zeigt. Bezüglich der Gesellschaft der Ameisen lässt sich festhalten, dass Ameisenvölker gegenüber anderen als durchaus feindselig (s. o. 130) beschrieben werden können, sie innerhalb eines Volkes jedoch eine große Sozialität und eine enge Verbundenheit zueinander zeigen sollen (s. o. 313). Als Belege werden etwa ihre gute Arbeitsteilung oder die Rücksicht genannt, die Ameisen gegenüber anderen schwer beladenen Artgenossen nehmen sollen. Ebenso wird der Umgang mit toten Individuen anthropomorph als Begräbnis dargestellt und im Gegensatz zu entsprechenden Berichten von Bienen nicht im Rahmen von Reinhaltung und Hygiene genannt, sondern als bemerkenswerte und menschenähnliche Verbundenheit der Ameisen zu ihren Angehörigen auch über den Tod hinaus gedeutet (dazu s. 6.5.4). Eine Besonderheit der Ameisen im Vergleich zu den anderen sozialen Insekten und vor allem zu den Bienen ist ihre Charakterisierung als ζῷα ἄναρχα (dazu s. 6.5.1). Dies bedeutet freilich nicht, dass im Ameisennest ein ungeordnetes Chaos herrschen soll – das Gegenteil ist der Fall –, sondern lediglich, dass man von einer Gesellschaft ohne distinkte Anführer ausging. Die Gleichsetzung

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der »Staatsform« der Ameisen mit der Demokratie im Gegensatz zur »Monar­ chie« der Bienen findet sich zwar in vielen Texten der Neuzeit, jedoch nicht (explizit) in den antiken Texten, sieht man vielleicht einmal von einer Passage im Ikaromenippos (19; s. o.  322) Lukians ab. Teilweise wird das Ameisennest aber auch eher wie ein menschlicher Palast beschrieben (so bei Aelian und Plutarch; s. o.  320). Interessanterweise scheinen Ameisen im jüdischen Kulturraum ebenfalls als ζῷα ἄναρχα wahrgenommen worden zu sein, wie das Buch der Sprichwörter (6,6–8) zeigt, wo die Bewunderung für die fleißige Ameise vor allem daraus erwächst, dass sie ohne Anleitung selbst für den Winter vorsorgt. Ein wichtiger Grund für diese Wahrnehmung der Ameisen dürfte die fehlende Kenntnis gewesen sein, dass es sich bei den geflügelten Exemplaren um die Geschlechtstiere handelt (s. o.  96). Oftmals scheinen die geflügelten Ameisen eher als eigenständige »Art« aufgefasst worden zu sein, die teilweise – vor allem in der Traumdeutung (s. o.  358) – mit durchaus anderen Vorstellungen verbunden werden konnte. Insbesondere in natur- und heilkundlichen Schriften werden neben den »normalen« Ameisen in Einzelfällen noch weitere »Ameisenarten« genannt. Einige von diesen werden als giftig beschrieben, jedoch ist fraglich, ob wirklich stets Ameisen hinter diesen Beschreibungen stehen oder ob andere Tiere, die Eigenschaften und Verhaltensweisen zeigen, für die Ameisen prototypisch stehen, teilweise unter die Ameisen gezählt wurden. Ein wichtiges Charakteristikum dürfte in diesen Fällen die geringe Körpergröße gewesen sein. Dies gilt wohl vermutlich auch für die sogenannten κνῖπες und σέρφοι, die kaum mit einem bestimmten Tier identifiziert werden können, aber in einigen Texten als »Ameisenarten« oder zumindest als den Ameisen ähnliche Tiere beschrieben werden. Darüber hinaus wird spätestens seit dem Hellenismus das griechische Wort μύρμηξ wohl homonym für eine Großkatze verwendet (s. 2.9.1). Vermutlich ist diese Großkatze in der Septuaginta (Hiob 4,11) mit μυρμηκολέων bezeichnet, doch scheint diese Bedeutungsmöglichkeit von μύρμηξ nicht allgemein bekannt gewesen zu sein. So ist wohl zu erklären, dass man verschiedene Interpretationen des kryptischen Begriffes μυρμηκολέων finden kann (dazu s. 2.9.2). Neben dem bereits erwähnten Mischwesen aus dem Physiologos ist hier vor allem das etwa bei Gregor dem Großen oder Isidor von Sevilla beschriebene Insekt zu nennen, das ähnlich wie die heute so genannten Ameisenlöwen – d. h. die Larven der sogenannten Ameisenjungfern – beschrieben wird: Es handle sich um ein kleines Tier, das sich im Sand verberge und auf Ameisen lauere, von denen es sich ernähre. Der Name rühre daher, dass es aufgrund seiner Kleinheit auf andere Tiere wie eine Ameise wirke (hier zeigt sich wiederum, dass die Ameise offenbar als prototypisches kleines Tier wahrgenommen wurde), auf Ameisen aber wie ein Löwe. Eine Vermischung der Eigenschaften der beiden mit μύρμηξ bezeichneten Tiere, könnte auch in einigen Darstellungen der sogenannten goldgrabenden

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Ameisen enthalten sein (s. 2.10). Sind diese Tiere bei Herodot noch recht gut mit den gängigen antiken Ameisenkonzepten – abgesehen von der Größe (dazu s. o.  130)  – in Übereinstimmung zu bringen, werden in späteren Berichten Merkmale genannt, die eher zu einer Großkatze passen, wie etwa der Besitz eines Fells, die explizit betonte Ernährung von Fleisch oder generell eine raubtierähnliche Gestalt. Möglicherweise ist es durch diese Eigenschaften, die nicht mehr mit den gängigen Ameisenkonzepten übereinstimmen, zu erklären, warum etwa Strabon die Berichte von goldgrabenden Ameisen für unwahr hält. Zuletzt soll noch das Verhältnis der sozialen Insekten zum Menschen als dem wichtigsten ζῷον πολιτικόν angesprochen werden. In vielen antiken Texten werden, wie gezeigt, Analogien zwischen der menschlichen und der tierischen Gesellschaft gezogen und Erkenntnisse aus der einen Sphäre wie selbstverständlich auf die andere übertragen. Eindrücklich zeigt sich dies etwa in den Zuschreibungen der Geschlechterrollen, in vielen anthropomorphen Darstellungen des Bienen- und Ameisennestes oder in den Beschreibungen der arbeitsteiligen Gesellschaft der Bienen, in der entgegen den modernen Kenntnissen stets die älteren Bienen im Stock und die jüngeren außerhalb arbeiten sollen (s. o.  72). Wenngleich die Reichweite der Analogie in jedem Einzelfall zu beachten ist und es auch durchaus relativ naturnahe Beschreibungen etwa bei Aristoteles gibt, findet sich die menschliche Gesellschaft doch stets implizit oder meist sogar explizit in den Darstellungen der sozialen Insekten wieder. Auch umgekehrt werden zuweilen aus (vermeintlichen) Verhaltensweisen und Eigenschaften der Tiere ethische, soziale oder politische Forderungen für den Menschen abgeleitet. Ausdrücklich findet sich dies etwa in den Darstellungen des Bienenkönigs bei Seneca oder Dion Chrysostomos. Die Untersuchung antiker Konzepte sozialer Insekten verrät also immer auch etwas über antike Vorstellungen vom Menschen und seiner Gesellschaft.

Abkürzungen

Antike Autoren und Werke Die Abkürzungen klassischer Autoren orientieren sich an denen des Oxford Classical Dictionary. Die Abkürzungen der Bibel entsprechen denen der Einheitsübersetzung. Ael. Aelian NA De natura animalium VH Varia historia Aesch. Aischylos Pers. Persae

Part. an. De partibus animalium Pol. Politica Resp. De respiratione Top. Topica

[Aesch.] Pseudo-Aischylos PV Prometheus vinctus

[Arist.] Pseudo-Aristoteles Mir. ausc. De mirabilibus auscultationibus Pr. Problemata

Anth. Gr.

Anthologia Graeca

Artem. Artemidor

Antig. Car.

Antigonos von Karystos

Bibel (Einheitsübersetzung) Ez. Ezechiel Hld. Hohelied Jes. Jesaja Lev. Leviticus Mt. Matthäus-Evangelium Num. Numeri Ps. Psalm Ri. Richter Spr. Sprichwörter

[Apollod.] Pseudo-Apollodoros Bibl. Bibliotheca Ap. Rhod. Argon.

Apollonios von Rhodos Argonautica

Apul. Apuleius Met. Metamorphoses Ar. Aristophanes Av. Aves Lys. Lysistrata Nub. Nubes Vesp. Vespae Aratus Arat Phaen. Phaenomena Arist. Aristoteles De an. De anima Gen. an. De generatione animalium Hist. an. Historia animalium Metaph. Metaphysica

Callim. Kallimachos Hymn 1 Hymnus in Iovem Cat. Cato Agr. De agricultura Or. Origines Cic. Cicero Div. De divinatione Off. De officiis Tusc. Tusculanae disputationes Columella Columella Rust. Res rustica

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Abkürzungen

Dio Chrys. Dion Chrysostomos Or. Oratio Epict. Epiktet Gnom. Gnomologium Epicteteum Stobaei Eur. Euripides Cycl. Cyclops Hipp. Hippolytus

Ov. Ovid Am. Amores Ars am. Ars amatoria Fast. Fasti Ib. Ibis Met. Metamorphoses Tr. Tristia Pall. Palladius Op. Opus agriculturae

Geop. Geoponica

Paus. Pausanias

Hdt. Herodot

Petron. Petron Sat. Satyrica

Hes. Hesiod Op. Opera et dies Theog. Theogonia Hom. Homer Il. Ilias Od. Odyssee Hor. Horaz Sat. Satirae Hyg. Hygin Fab. Fabulae Isid. Isidor Etym. Etymologiae Lactant. Laktanz Div. inst. Divinae institutiones Luc. Lukian Ver. hist. Verae historiae Lucr. Lukrez

Philostr. Philostrat Imag. Imagines VA Vita Apollonii Pind. Pindar Isthm. Isthmia Ol. Olympia Pyth. Pythia Pl. Platon Ap. Apologia Phd. Phaedo Plt. Politicus Prt. Protagoras Resp. Res publica Ti. Timaeus Plaut. Plautus Trin. Trinummus Plin. Plinius HN Naturalis historia

Mart. Martial

Plut. Plutarch De soll. an. De sollertia animalium Brut. Brutus Cleom. Cleomenes

Nic. Nikander Alex. Alexipharmaca Ther. Theriaca

Porph. Porphyrios De antr. De antro nympharum nymph.

Origen. Origenes C. Cels. Contra Celsum

Quint. Quintilian Inst. Institutio oratoria

LXX Septuaginta

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Abkürzungen [Quint.] Pseudo-Quintilian Sen. Seneca Clem. De clementia Ep. Epistulae morales Soph. Sophokles Aj. Aias OC Oedipus Colonus Stat. Statius Theb. Thebais Theoc. Theokrit Id. Idyllia Theophr. Theophrast Caus. pl. De causis plantarum

Hist. pl. Sign.

Historia plantarum De signis

Tib. Tibull Var. Varro Rust. Res rusticae Verg. Vergil Aen. Aeneis Ecl. Eclogae G. Georgica Xen. Xenophon An. Anabasis Cyr. Cyrupaedia Oec. Oeconomicus

Hilfsmittel und Sammelwerke Collectanea Alexandrina Comicorum Atticorum Fragmenta DK Diels-Kranz DNP Der Neue Pauly EGF Epicorum Graecorum Fragmenta FGrH Fragmente der griechischen Historiker FPL Fragmenta Poetarum Latinorum KG Kühner-Gerth KS Kühner-Stegmann LIMC Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae CA CAF

LSJ Liddell-Scott-Jones PCG Poetae Comici Graeci PG Patrologia Graeca PL Patrologia Latina PMG Poetae Melici Graeci RAC Reallexikon für Antike und Christentum RE Realencyclopädie SVF Stoicorum Veterum Fragmenta TLG Thesaurus Linguae Graecae TLL Thesaurus Linguae Latinae TrGF Tragicorum Graecorum Fragmenta

Literaturverzeichnis

Editionen, Übersetzungen und Kommentare Im Folgenden werden die verwendeten Editionen sowie die entsprechenden Übersetzungen und Kommentare geordnet nach antiken Autoren bzw. Werktiteln oder (Fragment-)Sammlungen aufgeführt. Innerhalb der einzelnen Lemmata werden zunächst einsprachige Editionen genannt, worauf Scholien und zuletzt zweisprachige Editionen, Übersetzungen und Kommentare alphabetisch nach ihrem modernen Verfasser geordnet folgen. Sammlungen von Lyrikern, Epikern und Epigrammatikern (außer der Anthologia Graeca) werden in einem gemeinsamen Lemma versammelt. Die übrigen Fragmentsammlungen werden in eigenen Lemmata aufgeführt. Aelian Aelian: De natura animalium, ed. M. García Valdés; L. A. Llera Fueyo; L. Rodríguez-Noriega Guillén, Berlin / New York 2009. Aelian: Varia historia, ed. M. R. Dilts, Leipzig 1974. Aesop Aesopica, Vol. I, ed. B. E. Perry, Urbana 1952. Aischylos Aischylos: Tragoediae, ed. M. L. West, Stuttgart 1990. Ambrosius Ambrosius: De virginibus libri tres, ed. E. Cazzaniga, Turin 1948 (= Corpus scriptorum Latinorum Paravianum). Ambrosius: Opera, Pars I. Hexaemeron, De paradiso, De Cain et Abel, De Noe, De Abraham, De Isaac, De bono mortis, rec. K. Schenkl, Prag / Wien / Leipzig 1897. (= Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum [CSEL] 32,1). Ambrosius: Opera, Pars V. Expositio Psalmi CXVIII, rec. M. Petschenig; M. Zelzer, Wien 21999 (= Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum [CSEL] 62). Patrologia Latina (PL), Tomus 15. Opera Ambrosii Mediolanensis, ed. J.-P. Migne, Paris 1878. Dückers, P.: Ambrosius, De virginibus. Über die Jungfrauen, Turnhout 2009 (= Fontes Christiani 81). Ammianus Marcellinus Ammianus Marcellinus: Res gestae, Vol. I, ed. W. Seyfarth, Leipzig 1978. Anecdota Anecdota Graeca, Vol. I. Lexica Segueriana, ed. I. Bekker, Berlin 1814. Anecdota Graeca Oxoniensia, Vol. III, ed. J. A. Cramer, Amsterdam 1963 (= Nachdruck der Ausgabe Oxford 1836). Anecdota varia Graeca musica metrica grammatica, ed. W. Studemund, Berlin 1886.

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Index locorum

Aus Gründen der Vereinheitlichung sind klassisch-antike Autoren und Texte in der Regel in Latein angegeben. Eckige Klammern um den Namen eines Autors geben an, dass es sich vermutlich um eine Pseudepigraphie handelt. Der Index ist alphabetisch nach Autoren geordnet. Wo dieser unbekannt ist oder es sich um ein Sammelwerk handelt, sind die entsprechenden Titel angeführt. Scholien sind unter dem jeweiligen Autor aufgeführt, zu dessen Werk sie gehören. Die Gedichte der Anthologia Graeca sind nicht einzeln aufgeführt, sondern unter dem Lemma „Anthologia Graeca“ zusammengefasst. Gleiches gilt für die einzelnen Bücher der Bibel, die sich unter „Biblia“ finden. Dort sind auch die Schriften der Septuaginta enthalten. Hochgestellte Zahlen verweisen auf Fußnoten. Ägyptische Quellen Mythos vom Sonnenauge 202 Papyrus Salt 825 202 f. Aelianus De natura animalium 1,8 1,9

85; 296179 52; 54; 26792; 26998; 270 1,10 75133; 270; 3336 1,21 53; 321 1,27 213 1,58 58; 5888; 88171; 34964; 372 1,59 16667; 189; 266 f.; 283; 287155 1,60 77; 289 2,25 5061; 50 f.; 107238; 264; 313230 2,57 190; 195 3,4 127317 4,6 65107; 118 4,44 53 4,47 113273 5,10 5372; 77; 24082; 273117; 274; 288; 305 5,11 57; 5785; 58; 5991; 68114; 87170; 25130; 269; 26998; 270; 270105; 271106; 274; 288; 296180; 372 5,13 5372; 75133; 3336; 338; 364

5,15 5372; 88174; 88175; 89; 23871; 304 f.; 310 5,30 113273 5,42 65107; 269; 26998; 296; 36098; 399 5,49 324 6,4 108242 6,43 5372; 99210; 117; 184; 186; 264 f.; 319; 320; 324 f.; 388105 6,50 97; 325 f. 7,43 111 10,42 109 12,34 156 14,22 121299 15,8 234 16,15 103; 117 f. 17,40 111 Varia historia 10,21 35170 12,45 35170; 35379 12,46 339 f. Aeschylus Persae 126–129 252 129 24082 Fragmenta 87 TrGF 22322 131–142 TrGF 317

438

Index locorum

[Aeschylus] Prometheus vinctus 452 f. 318 f.246 803–806 127316 Aesopus Fabulae 112 50; 52 163 69117 166 98207; 107238; 314 215 308217 216 88172 235 96200 Sententiae 12 48 Agatharchides Cnidius De mare erythraio 69 111 Ambrosius Commentarius in Canticum canticorum 4,30 22328 4,31 360101 De virginibus 1,40 f. 223 f. Hexaemeron 5,66 f. 41 5,66–72 290 5,67 41; 155 5,68 292 5,69 70120; 268 6,16 5061; 264 In Psalmum 118 Sermo 14,24 360101 Ammianus Marcellinus Res gestae 17,4,11 78; 22738; 284 Anecdota Oxoniensia Graeca III, p. 173,12–16 C. 366 Anonymus Ambrosianus De re metrica 224,5 f. S. 38489 Anthologia Graeca 2,1,69–72 35170 2,1,342 35170 2,1,385–387 35172

4,3,103–106 376 4,3,105 376 5,32 226 5,163 22738 6,236 34441 6,236,5 f. 34441 7,13,1 156; 224 7,36 353 7,36,3 21492; 215 7,36,3 f. 353 7,71 354; 384 7,71,5 f. 354 7,196 3657 7,209 326 7,213 97; 326264 7,213,5 f. 97; 326264 7,405 354; 384 7,408 354; 384 7,708,6 25549 9,43 372 9,187 35170 9,302 21595; 22738; 25129 9,363,13 21492 9,404,1 38280 9,404,8 5269; 38280 9,438 98; 264 9,505,5 f. 365 9,548 214 f.; 22738; 25129 9,548,2 21491 10,49 121300; 121301 11,78 388 f. 11,104 100 f.; 101220 11,172 120 11,392 100 f. 11,407 100219 12,124 22738 12,249 22738 12,249,1 21494 16,36 375 Antigonus Carystius Mirabilia 19,1 187; 198 19,2 198 f. 19,3b–4 212 52a 1 25859 52a 3 5476; 85163 52a 4 296179 52a 5 26998; 26999 52a 6 56; 5888; 5890 52a 7 72122; 270

439

Index locorum 52b 2194 61 16875 79,1 105233 126b 2 52 Antiphanes Frg. 149 PCG

222

[Apollodorus] Bibliotheca 3,17–20 205 3,158 314231 Apollonius Paradoxographus Historiae mirabiles 38 383 Apollonius Rhodius Argonautica 1,620 f. 23769 1,627–630 237 f. 1,638 238 1,667 f. 238 1,760 215 1,878–885 156; 246 2,130–136 255 f. 2,477 60 4,1131–1136 210 4,1452–1456 250 4,1453–1455 251 Scholia ad 2,477–483a 60 ad 1,879–883 15739 Apuleius Metamorphoses 6,10,5 96200 8,22,6 97; 321 Aratus Phaenomena 956 f. 184125; 33511; 336 1028–1030 3336 1064–1067 334 f. Archelaus Frg. I a P. Frg. I b P. Frg. II a P. Frg. II b P.

212 212 192 192

Archilochus Frg. 23,14–16 W.

108241; 130 f.; 313

Aristophanes Acharnenses 524–529 136 862 386 864 386 866 386 Aves 590 119 82 120 569 f. 120 748–750 368 757–759 1628 1125–1131 136358 1413 f. 387100 Ecclesiazusae 973 f. 227 974 368 Lysistrata 475 93186 Nubes 946–948 25132 947 325 1428 f. 1629 1430 f. 16 Ranae 1274 22322 1298–1300 368 f. 1301–1303 369 1506 220 Thesmophoriazusae 100 388 101–129 388107 Vespae 105 310 106 310 106–108 337 219 f. 387 220 368 223–227 306 f. 224 32 f. 352 120 366 33; 310 404 32 f. 407 306 408 306 420 306204 430 307 430–432 307

440

Index locorum

430–456 307 II 9, 421 b 2 25549 III 3, 428 a 10 f. 4342 432 306204 457 307211; 308; III 9, 432 b 21 272113 34963 De generatione animalium 458 307212 I 16, 721 a 2–5 175 f.; 183 1071–1075 307 I 16, 721 a 7–9 153 1071–1090 307 I 18, 725 a 3 f. 17287 1072 306 II 1, 732 a 29–32 145 1073 306204 II 1, 733 a 32 – b 16 145 1075 306204 II 3, 736 b 27 f. 63 f. 1076 f. 307 II 5, 741 b 4 f. 272113 1078 307 II 7, 746 a 29–32 36 f. 1078–1080 308 II 7, 746 b 7–11 36 1079 34963 II 7, 746 b 12–16 36; 3625 1080 32 II 8, 747 b 30–32 3624 1081–1084 308 III 9, 758 a 29 – b 6 145 1087 308215 III 9, 758 b 10–16 1143 1088 25132; 306204; III 9, 758 b 16 1454 308215 III 9, 758 b 19–22 144 f. 1102–1121 307; 309 III 9, 758 b 36 – 759 a 3 182 1103 309 III 10, 759 a 8 146 1104 309 III 10, 759 a 8–11 148 1105 309 III 10, 759 a 8 – 760 a 4 148 1107 32; 309 III 10, 759 a 11–24 148 1108 f. 309 III 19, 759 a 20 f. 158 1109–1111 309 III 10, 759 a 24–27 149 1110 f. 181119 III 10, 759 a 27 – b 1 149 1113 306204 III 10, 759 b 1–5 177; 218 1114 90 III 10, 759 b 1–7 241; 395 1114 f. 85165 III 10, 759 b 1–27 150 1114–1116 86166; 400 III 10, 759 b 3 f. 85165 III 10, 759 b 4 f. 68116 1115 309 1115 f. 309 III 10, 759 b 5 f. 230 1117–1119 310 III 10, 759 b 5–7 221 1120 f. 310 III 10, 759 b 7–13 150 1207 215 III 10, 759 b 13 f. 151 Fragmenta III 10, 759 b 24–27 151 598 PCG 369 III 10, 759 b 30 f. 151 Scholia III 10, 759 b 31 f. 151 f. ad Av. 82b 120 f.; 121300 III 10, 760 a 3 f. 152 ad Ran. 1506a 220 III 10, 760 a 4–8 66; 152 ad Ran. 1506c 220 III 10, 760 a 4 – b 27 148 ad Vesp. 352b 120 f.; 121300 III 10, 760 a 9–11 153 ad Vesp. 462 370 III 10, 760 a 12 85164 ad Vesp. 1114b 219; 230; 242 III 10, 760 a 12–23 153 III 10, 760 a 14 77142 III 10, 760 a 15 f. 153 Aristoteles Analytica priora 35 III 10, 760 a 23–25 152 Analytica posteriora 35 III 10, 760 a 26 f. 163; 266; 272112; De anima 398 II 7, 419 a 15–17 96200 III 10, 760 a 26 – b 27 153

Index locorum III 10, 760 b 2–7 171 f.; 182 III 10, 760 b 7–10 76; 76135; 153 III 10, 760 b 10 f. 85165; 86166 III 10, 760 b 10–12 153; 295176 III 10, 760 b 11 f. 85 III 10, 760 b 15 239 III 10, 760 b 15–19 274 f. III 10, 760 b 19 239 III 10, 760 b 27 16358 III 10, 760 b 27–23 153 III 10, 761 a 2–5 63 III 10, 761 a 5 44; 153 III 10, 761 a 6–8 176 III 10, 761 a 7 20880 III 10, 761 a 8–11 176 III 11, 762 a 9–27 206 f. De longitudine et brevitate vitae 4, 466 a 4 f. 16873 5, 466 a 17–20 168 5, 466 b 32 168 5, 467 a 4 f. 168 De partibus animalium I 33 I 3, 642 b 30–37 96 I 3, 643 b 1–3 96203 II 2, 648 a 5–7 44 II 2, 650 b 24–27 44 II 13, 658 a 8 f. 272113 II 17, 661 a 17–19 67110 III 1, 661 b 26 – 662 a 6 2181 III 1, 661 b 28–32 218; 220 III 1, 661 b 32 f. 219 IV 5, 678 b 14 f. 67110 IV 5, 678 b 17–20 67 IV 5, 680 a 32–35 181 IV 6, 682 b 7–12 70118 IV 6, 683 a 8–10 68116 IV 6, 683 a 14–20 70118 IV 13, 695 b 19 272113 De respiratione 15, 474 b 31 – 475 a 3 168 15, 475 a 4 f. 168 15, 475 a 6–20 16876 15, 475 a 29 – b 5 19319 27, 480 a 29 – b 1 168 De sensibus et sensibilibus 444 b 12 f. 119 Ethica Nicomachea VI 5, 1140 b 4–6 4444 VI 5, 1140 b 20 f. 44 VI 7, 1141 a 26–28 44

441

Historia animalium I 1, 488 a 7–10 38; 139 I 1, 488 a 10–13 96; 312 I 1, 488 a 15–18 67 I 5, 490 a 13–21 70118 III 12, 519 a 27 70 III 12, 519 a 28 f. 69 IV 1, 523 b 20 96202 IV 7, 531 b 21–24 3519 IV 7, 532 a 20–24 70118 IV 8, 534 b 18–21 119297 IV 8, 534 b 22 f. 105233 IV 8, 535 a 2 f. 57; 68115 IV 9, 535 b 5 f. 16875 IV 11, 538 b 15–24 2181 V 1, 539 a 21–25 206 V 9, 542 b 27–30 185 V 9, 542 b 30 f. 179 V 15, 546 b 15 – 548 a 21 206 V 15, 546 b 19 20677 V 15, 547 b 15–18 14917 V 19, 551 a 29 – b 3 182 V 19, 551 a 30 f. 144 V 19, 551 b 1–5 145 f. V 19, 552 a 15 f. 208; 213 V 20, 552 b 26–30 100 V 21, 553 a 18–21 17183 V 21, 553 a 18–23 149; 171 V 21, 553 a 25–27 81 f. V 21, 553 a 25–30 71 V 21, 553 a 27 76136 V 21, 553 a 27–29 82157 V 21, 553 a 28 f. 76137 V 21, 553 a 29 233; 239 V 21, 553 a 29–32 15022 V 21, 553 a 32 – b 1 15021 V 21, 553 b 2–4 272112 V 21, 553 b 4–7 68116 V 21, 553 b 5 85165 V 21, 553 b 5–7 77142; 151 V 22, 553 b 7–9 71 V 22, 553 b 7–12 71; 84 V 22, 553 b 10 f. 85164 V 22, 553 b 11 f. 85165; 86166; 295176 V 22, 553 b 12–14 86 V 22, 553 b 14 f. 71; 81155 V 22, 553 b 15–19 15227; 161; 271 f.; 398 V 22, 553 b 19 272109 V 22, 553 b 19–23 170 f. V 22, 553 b 23–25 15744

442

Index locorum

V 22, 553 b 27 f. 37657 V 22, 553 b 29 38280 V 22, 554 a 1–10 38284 V 22, 554 a 13 68114 V 22, 554 a 13 f. 67110 V 22, 554 a 16–18 37657 V 22, 554 a 17 68 V 22, 554 a 18 f. 169 V 22, 554 a 19–21 161 V 22, 554 a 20 f. 162 V 22, 554 a 21–24 161 V 22, 554 a 22 f. 16155 V 22, 554 a 24–28 166 V 22, 554 a 25 16769 V 22, 554 a 28 f. 162 V 22, 554 a 29 – 554 b 1 162 V 22, 554 b 1 162 V 22, 554 b 2 f. 162 V 22, 554 b 3 f. 162 V 22, 554 b 6 f. 167 V 22, 554 b 10 75128 V 22, 554 b 18 75128 V 23, 554 b 21 92183 V 23, 554 b 22–25 91; 176; 178; 240; 303 V 23, 554 b 22–29 92 V 23, 554 b 24 91 V 23, 554 b 25 91 V 23, 554 b 27–29 92 V 23, 554 b 28 f. 71121 V 23, 554 b 29–31 179 V 23, 554 b 30 178 V 23, 555 a 1–4 179 V 23, 555 a 4 f. 178; 181 V 23, 555 a 5 f. 181 V 23, 555 a 8 f. 180 f. V 23, 555 a 9 f. 181 V 23, 555 a 10–12 179 V 25, 555 a 19–22 183 V 25, 555 a 20 f. 183124 V 26, 555 a 23 183124 VI 18, 572 a 13 19112 VII 3, 583 b 17 f. 102 f. VIII 1, 589 a 1 f. 3930 VIII 5, 594 b 5–9 108242 VIII 11, 596 b 10–12 67 VIII 11, 596 b 15–19 57; 68115 VIII 11, 596 b 17 f. 37133 VIII 12, 597 a 9 127314 VIII 27, 605 b 9–13 175 VIII 28, 606 a 5 99 f.

IX 1, 608 a 33 – b 18 2192 IX 1, 609 a 5 f. 100 IX 32, 618 b 31 387100 IX 32, 619 a 3 387100 IX 37, 621 a 20–27 22114 IX 38, 622 b 19–22 51 IX 38, 622 b 25 388105 IX 38, 622 b 26 f. 52 IX 40, 623 b 5–13 64 f.; 84 IX 40, 623 b 10 92 IX 40, 623 b 11 f. 162 IX 40, 623 b 13 98 IX 40, 623 b 13 f. 5061; 99210 IX 40, 623 b 13–18 25025 IX 40, 623 b 19 23251 IX 40, 623 b 20 f. 25859 IX 40, 623 b 23 68 IX 40, 623 b 24 68113 IX 40, 623 b 31 23251 IX 40, 623 b 32–34 159; 16359; 265 IX 40, 623 b 32 – 624 a 18 265 IX 40, 623 b 34 – 624 a 1 159 f. IX 40, 623 b 34 – 624 a 2 266 IX 40, 624 a 1 f. 160; 296178 IX 40, 624 a 2–4 163 IX 40, 624 a 4 f. 16257 IX 40, 624 a 18–21 162 f. IX 40, 624 a 18–22 87 IX 40, 624 a 22 f. 86 IX 40, 624 a 26–33 273 IX 40, 624 a 29 f. 81; 232 IX 40, 624 b 3–6 37655 IX 40, 624 b 11–15 274 IX 40, 624 b 13–15 162 IX 40, 624 b 13–17 150 f. IX 40, 624 b 17 f. 162 IX 40, 624 b 19 f. 162 IX 40, 624 b 20–27 71; 84 IX 40, 624 b 21–23 81155 IX 40, 624 b 23 76136 IX 40, 624 b 26 85164; 85165 IX 40, 624 b 26 f. 295176 IX 40, 624 b 27 86166 IX 40, 624 b 27–30 72 IX 40, 624 b 30 71 IX 40, 624 b 30 – 625 a 5 71 IX 40, 625 a 14 f. 295176 IX 40, 625 a 14–16 83 f. IX 40, 625 a 16 87169 IX 40, 625 a 16–22 24083; 272 IX 40, 625 a 19–24 160

Index locorum IX 40, 625 a 22–27 296178 IX 40, 625 a 27 71 IX 40, 625 a 27–29 72 IX 40, 625 a 32–34 5476 IX 40, 625 a 34 – b 6 85; 296179 IX 40, 625 b 6 f. 23665; 272114 IX 40, 625 b 6–8 24082 IX 40, 625 b 12–16 25861; 273116; 278 IX 40, 625 b 17–20 269; 26998 IX 40, 625 b 18 270 IX 40, 625 b 20 37133 IX 40, 625 b 20 f. 57; 68 IX 40, 625 b 27–30 15948 IX 40, 625 b 30 f. 162 IX 40, 625 b 31 f. 162 IX 40, 626 a 6 f. 68113 IX 40, 626 a 7 68 IX 49, 626 a 7 f. 87170 IX 40, 626 a 8 25233 IX 40, 626 a 9–12 37133 IX 40, 626 a 14–17 259 IX 40, 626 a 17–21 69 IX 40, 626 a 19 f. 69 IX 40, 626 a 21 f. 25130 IX 40, 626 a 22 f. 77142 IX 40, 626 a 23 f. 54 IX 40, 626 a 24 f. 54 IX 40, 626 a 25 f. 56 IX 40, 626 a 26–28 5888 IX 40, 626 a 27 f. 5890 IX 40, 626 a 28–30 272109; 273116 IX 40, 626 b 1–4 4340; 72 IX 40, 626 b 6 f. 296178 IX 40, 626 b 8–10 72; 269 IX 40, 626 b 12 f. 85163 IX 40, 626 b 12–15 296180 IX 40, 626 b 15–19 175 IX 40, 626 b 24 f. 75133 IX 40, 626 b 25–28 37133 IX 40, 627 a 1 f. 19114 IX 40, 627 a 10 f. 56 IX 40, 627 a 12 72 IX 40, 627 a 12–15 230 IX 40, 627 a 13 f. 72 IX 40, 627 a 14 f. 72 IX 40, 627 a 15–17 3643 IX 40, 627 a 19 f. 296181 IX 40, 627 a 20–24 26998; 26999 IX 40, 627 a 22 68 IX 40, 627 a 22 f. 37133 IX 40, 627 a 24–28 271106

443

IX 40, 627 b 4 f. 87170 IX 40, 627 b 6 f. 88171 IX 40, 627 b 7 f. 34964 IX 40, 627 b 8–10 86; 295 IX 40, 627 b 10–13 332 IX 41, 627 b 23–31 90 f. IX 41, 627 b 29–31 178; 178105 IX 41, 628 a 3 88175; 304 IX 41, 628 a 5–10 178 IX 41, 628 a 10–14 177 f. IX 41, 628 a 14 178; 141 IX 41, 628 a 14–21 304 IX 41, 628 a 15–21 182 IX 41, 628 a 16 f. 334 IX 41, 628 a 16–18 177 IX 41, 628 a 18 178 IX 41, 628 a 20 f. 182123 IX 41, 628 a 21–25 304200 IX 41, 628 a 30–34 89176 IX 41, 628 a 34 f. 176101; 178; 303 IX 41, 628 a 35 – b 3 89; 178 IX 41, 628 b 3–6 89; 400 IX 41, 628 b 3–7 219 IX 41, 628 b 7–9 90 IX 41, 628 b 9–30 178104 IX 41, 628 b 12 f. 88173 IX 41, 628 b 13 88171 IX 41, 628 b 14 176100 IX 41, 628 b 14–19 177 IX 41, 628 b 16 f. 219 IX 41, 628 b 17–19 179 IX 41, 628 b 19–22 219 IX 41, 628 b 27–29 182 IX 42, 628 b 32 – 629 a 2 88171 IX 42, 628 b 34 – 629 a 1 92 IX 42, 629 a 1 f. 88173 IX 42, 629 a 2 f. 303 IX 42, 629 a 2–6 88 IX 42, 629 a 6 f. 304200 IX 42, 629 a 7–13 91; 93187 IX 42, 629 a 9–11 241; 304 IX 42, 629 a 13–16 4960 IX 42, 629 a 14–16 178105 IX 42, 629 a 16–18 272109 IX 42, 629 a 16–22 304 IX 42, 629 a 22–24 178; 305 IX 42, 629 a 24 f. 77142 IX 42, 629 a 26 f. 90 IX 42, 629 a 26–28 89 IX 43, 629 a 31–33 92 IX 43, 629 a 33–35 88171

444

Index locorum

IX 43, 629 a 35 – b 2 92 Metaphysica 27 I 1, 980 a 27 – 980 b 22 43 I 1, 980 b 22–24 43 IV 28, 1024 a 29–30 3624 VI 8, 1033 b 29 – 1034 a 2 3625 Physica II 8, 199 a 20 f. 44 f. II 8, 199 a 21–23 45 Politica I 2, 1253 a 7–18 45 IV 4, 1290 b 35–37 35 Topica V 5, 134 a 33–36 4444 V 6, 136 b 10–12 4444 VI 10, 149 a 6 f. 23047 Fragmenta 270,12 G. 25130 276,2 G. = 367 R. 208 291 G. = 372 R. 108 [Aristoteles] Mirabilium auscultationes 18, 831 b 22–25 36098 21, 832 a 3–5 5888; 5890 64, 835 a 22–24 334 Problemata XX 20, 925 a 9 25549 Arrianus Indica 8,11 233 15,4 123 15,5 130 15,5 f. 123 f. 15,7 124 Artemidorus Onirocritica 1,10 35483 1,24 356–358; 362 2,22 5782; 354 f.; 362 3,6 96201; 357 f.; 362 Augustinus Adnotationes in Iob 4 112265; 115 f. De civitate Dei 15,27 15225 22,24 2441

De moribus ecclesiae 2,63 196 De trinitate 3,13 155 Epistulae 109,1 379 109,2 379 Babrius Mythiambi Aesopei 2,108,8 f. 97205; 318 f.246 2,117,6 f. 97205 2,117,7 107238 2,140 50 Bacchylides Carmina 10,10 366 Basilius De legendis gentilium libris 4,36–51 380 f. Hexaemeron 8,4 41; 70120; 290 f. 9,3 5061; 5065 Sermones de moribus PG 32,1309 A–B 4754 Biblia (inkl. LXX) Genesis 6,19 15225 7,2 15225 7,9 15225 7,16 15225 Leviticus 2,11 204 Numeri 16,13 21189 Iudicum 4 360 4,4 360 5 360 14,5–9 204 Machabaeorum IV (LXX) 14,18 f. 47 Psalmi 119,103 360; 378 f. 119,108 360101 Proverbia 6,6–8 5061; 52; 403 6,7 312

445

Index locorum 6,8a–c (LXX) 5270 16,24 360; 378 24,13 290160 30,24 f. 47 30.25 5061 Canticum 4,11 22328; 360101 Iob 4,11 110; 112; 112265; 114; 141; 403 31,40 107238 Isaias 7,15 360101 Ezechiel 16,18 f. 360101 Evangelium Matthaei 25,1–13 313230 Epistula ad Romanos 12,17 291163 12,21 291163 Callimachus Aetia (Frg. Asper/Pfeiffer) 135/178,23 293 Hymnus in Apollinem 108–112 371 Hymnus in Iovem 49 f. 35378 50 f. 3325 66 293; 294174 Fragmenta (Asper/Pfeiffer) 58/383,4 21491 151/191,27 93 163/202,58 f. 124; 137 357/380 384 360/384,15 137 Scholia ad Hymn 1 66a 293 Cantharus Myrmekes 133 f.; 318 Cassius Dio Historia Romana 47,40,7 34442; 347 47,40,8 347 54,19,7 350 54,33,2 343 56,24,4 345

Cato De agri cultura 10,1 216101 91 98207 Origines 4033 Catullus Carmina 5 2452 Chaeremon 618 Frg. 2 FGrH

284150

Charon Lampsacenus 262 Frg. 12 FGrH

60

Cicero De divinatione 1,62 5887 1,73 339 1,78 35170; 353 2,66 35170; 35379 2,67 33922 2,119 5887 De haruspicum responso 25 347 f.; 34859 De natura deorum 3,21 41 De officiis 1,157 41 Tusculanae disputationes 2,52 251 f. Cleanthes Frg. 515 SVF

325 f.

Clemens Alexandrinus Paedagogus 2,120,1 127317 Stromata 1,11,2 379 Clitarchus 137 Frg. 14 FGrH

94

Columella Res rustica 2,8,5 98207 3,3,3 79149 6,26,2 20369 9,2,2 146

446

Index locorum

9,2,3 1477; 15847; 209; 222 9,2,3 f. 193 9,2,4 147; 1477 9,3,1 f. 74 9,3,2 74 f. 9,3,3 167 9,3,4 16050 9,4,2 19114; 38284 9,5,1 f. 5888 9,5,2 61; 297 9,5,5 37133 9,5,6 5888; 3645 9,8,2 5578 9,8,10 f. 75131 9,9,1 46; 16050; 17388; 270102; 276 9,9,1 f. 277 f. 9,9,2 24082; 26895 9,9,4 268; 3656 9,9,5 262; 26895 9,9,6 24083; 262; 26895; 277 9,9,7 277 9,9,7 f. 278 9,10,1 76135; 76136; 77138; 77139; 79 f.; 83; 23353 9,10,2 83 9,10,3 70119; 276 9,11,1 147; 16050; 16154; 276 9,11,2 26895; 276 9,11,3 277; 277124 9,11,4 147; 165; 167 9,11,5 166 f. 9,12,1 26895 9,12,2 3643 9,13,3 19319 9,13,6 19422 9,13,7 54 f. 9,13,9 26895 9,13,11 333; 38284 9,13,13 174 9,13,13 f. 172 f. 9,14,1 15745; 159 f.48; 194; 19422; 210 9,14,1 f. 5781 9,14,2 17595; 19422 9,14,3 5888; 61 9,14,4 164

9,14,6 1883; 1886; 190; 193 f.; 200; 203; 208 9,14,7 f. 5781 9,14,8 17595 9,14,10 87170; 177102 9,14,11 38284 9,14,13 5781 9,14,14 19422 9,14,15 68 9,14,18 157 9,15,1 85164; 86166; 87169 9,15,2 86 f.; 170; 295 9,15,3 84; 86; 295 9,15,7 26895 9,16,2 79149 10,318–322 98207 11,3,53 201 Comica adespota Frg. 480 PCG

36928; 386

Crates Frg. 38 PCG

25130

Cratinus Frg. 511 PCG

121

Ctesias 688 Frg. 45,26 FGrH 688 Frg. 45h FGrH

127315 127315

Cyranides 2,25

106; 112265; 114; 119 f.

Democritus Frg. 68 A 122 DK Frg. 68 B 227 DK

96200 52

Didymus Chalcenterus 14b B. = II 5,14 S.

222

Dinarchus Orationes 6 Frg. 14 C.

134 ; 136

Dio Chrysostomus Orationes 4,43–49 80 4,61 f. 80; 290

447

Index locorum 4,61–64 290 4,62 80; 80151 4,63 80; 399 4,64 81 8,2 f. 385 8,3 385 35,23 f. 125 40,32 313230 40,40 2441; 313 48,15 f. 2441 48,16 313230 52,17 369

Eudoxus Cnidius 322 L.

383

Eumelus Test. 2 EGF = 4 B.

199 f.

Diodorus Siculus Bibliotheca 5,70,5 74127; 3325 17,75,7 93 f. 19,2,9 338 f.

Euripides Bacchae 142 f. 211 Cyclops 475 34964 Hippolytus 77 22840 563 f. 228 Troades 799 37550 Scholia ad Hipp. 73c 22323; 247

Diogenes Laertius Vitae philosophorum 8,34 f. 5887

Flavius Iosephus Antiquitates Iudaicae 5,200 f. 360

Diogenianus Paroemia Centuria VII 32

Fragmenta lyrica adespota Frg. 61 PMG 374

25130

Dioscurides De materia medica 3,123 35481 Empedocles Frg. 31 B 61,2 DK Frg. 31 B 115 DK

199 209

Epictetus Dissertationes 3,22,99 234 f.; 290 Gnomologium 6 5269; 85165; 86166; 87170 Etymologicum magnum ε 383 ε 385,1

293 f. 125 f.310

Eubulus Frg. 18 PCG Frg. 19 PCG

133 133; 135

Fronto Ad Verum Imperatorem 1,7,2 331 Galenus De compositione medicamentorum secundum locos 6 519 35481 Geoponica 2,18,1 98207 2,26,5 98207 10,66,1 99209 13,10 98207 13,10,5 105233 13,10,14 324 15,1,26 50 15,2 194 15,2,2–4 37133 15,2,14 1897 15,2,15 16154; 16667; 189; 278 15,2,16 76136; 82 15,2,18 87170 15,2,19 5890; 5991

448

Index locorum

15,2,21

188; 194; 200; 203; 208 15,2,21–36 188 15,2,24 189 15,2,26 191 15,2,30 76135; 77139 15,2,32 198 15,2,33 278 15,3,1 48; 64 15,3,2 26792 15,3,4 54; 57; 5888 15,3,7 3643 15,3,8 273117; 289 15,3,9 296181 15,3,10 70 15,4,2 70119; 276119 15,4,7 5888 15,7,1 37449; 37551 15,9 86 15,9,3 85164; 85165; 295176 15,9,4 36098 Gregorius Magnus Moralia in Iob 5,40 112265; 114 f. 5,43 115279 Gregorius Nazianzenus Ad Hellenium 265 f. 138 Harpocratio Lexicon in decem oratores Atticos μ 20 2208 χ 14 134–136 Hecataeus Milesius 1 Frg. 337 FGrH

20366; 383

Heliodorus Aethiopica 10,26

126; 127317

Herodianus De prosodia catholica 3,1, p. 15 L. 294172 3,1, p. 46 L. 112266 Περὶ μονήρους λέξεως 3,2, p. 923 L. 294172

Herodotus Historiae 1,1–1,5,2 136 1,168 25233 1,178 f. 136358 2,35,1 217 2,38–41 202 2,41,4–6 201 f. 2,51 ff. 217 3,27–29 201 3,98–117 126 3,101,1 126311 3,102–5 122 3,102,1 122 3,102,2 122; 130332 3,102,3 122 3,103 122; 129327 3,104 129327 3,104,1 122 3,104,2–3 122 3,105,1 122 3,105,2 122 3,106,2 130 3,116 127316; 129; 129329 3,116,2 129 4,13 127316; 127317; 129; 129329 4,27 127316; 129; 129329 4,32 127316; 129; 129329 4,183,4 127314 4,194 20366; 383 5,10 25129 5,114 205 f. Hesiodus Opera et dies 304–306

52; 85; 230; 242; 295; 400 50; 103

778 Theogonia 81–84 351 f.; 365 96 f. 365 592 229 594 22943 594–602 52; 85; 229; 242; 295; 400 598 22943 598 f. 86 Fragmenta 205 M.-W. 314231 225 M.-W. 220

Index locorum Scholia vetera 778c 50 Hesychius Lexicon α 5155 α 5156 α 5157 ε 5742 ε 6338 ι 801 μ 1007 μ 1154 ν 713

94 32 f.6 32 f.6; 386 110 293 99 103 367 97

Hieronymus Chronica 1257 ann. ab Abr.

199

Himerius Orationes 44,6 375 59,1 337 Hippocrates Epidemiae 2,2,5=V,86,3 L.

106237

Historia Augusta Elagabalus 26,8 19837 Homerus Ilias 1,249 352; 365 2,86–90 245; 252 2,87 f. 75131 2,685 317237 12,167 95 12,167–172 33; 47; 93; 220; 252; 256; 308 12,169 f. 256 12,170 308 14,216 313 16,65 317238 16,168 f. 317237 16,259–267 47; 93; 220; 252; 308 16,265 308 16,266 317238 19,404 95199 21,188 317237

449

22,509 95199 23,5 317238 23,129 317238 23,779 19940 24,469–601 325 Odyssea 1,23 f. 126311 11,27 211 22,300 95 [Homerus] Hymnus ad Mercurium 552–563 359 553 359 Hymnus ad Apollinem et Musas 25,4 f. 35173 Horapollo Hieroglyphica 1,52 5061; 98207; 99210 1,62 22738; 284 2,24 94193 2,44 214 Horatius Carmina 2,20 373 4,2 373 4,2,25–32 372 f. Sermones 1,1,33 96200 1,1,35 5061 Hyginus Fabulae 52 314231 136 205 [Isocrates] Ad Demonicum 52 376 Isidorus Hispalensis Etymologiae 11,4,3 190; 214 12,3,4 108243 12,3,9 126 12,4,8 97 12,4,9 2038; 48; 5061; 97206; 99210; 107238; 336 12,4,10 112267; 114

450

Index locorum

12,8,1 48; 213 f.; 263 12,8,2 190; 213 12,8,3 85164; 86; 165; 295176 12,8,4 213 12,8,15 16566 Iulius Obsequens Liber prodigiorum 35 342 f.35 43 344 44 345 53 342 f.35 65a 342 f.35 70 342 f.35; 34442 72 343 Lactantius Divinae institutiones 1,8,8 155 1,22,19 f. 222 3,10 48 Lexica Segueriana p. 316 B.

136

Livius Ab urbe condita 21,46,1 f. 342 f.35; 34442 24,10,11 342 f.35 27,23,2 342 f.35 35,9,4 349 35,9,5 350 Lucanus Bellum civile 7,161–164 34442 9,283–293 252 f.; 3643 9,288 254 Scholia ad 9,288 254 Lucianus Dialogi meretricii 4 222 Gallus 16 138 f. Icaromennippus 19 312 f.; 314231; 322; 329; 403

Saturnalia 19 138364 24 138 Verae historiae 1,12 101 1,13 102 1,16 101 f. Lucretius De rerum natura 1,947 373 3,9–13 373; 378 3,713–740 208 4,22 373 Lycophron Alexandra 176 264; 314 f.231 180–182 308216 293–297 256 Lyrica adespota (CA) 7,12 5269 7,16 156 Mago Frg. 47 S.

86

Mahabharata II,52,4 D.

131

Marcellus Empiricus De medicamentis 19,14 104 Martialis Epigrammata 1,115,4 f. 96201 2,46,1 f. 37550 6,34 2452 7,88 37447 9,12,1 f. 16050 9,26 37447 11,42 374 13,105 37551 14,222 52 Megasthenes 715 Frg. 13,11 FGrH 715 Frg. 23a FGrH 715 Frg. 23b FGrH

233 123 103; 123 f.

Index locorum Menecrates Frg. 4 D.

82

Michael Italicus Epistulae 21, p. 168 G.

366

Nearchus 133 Frg. 8a FGrH 133 Frg. 8b FGrH

123 123

Nicander Alexipharmaca 183 94 445–451 210 450 37132 547 94 Theriaca 738–746 109 741 199; 212 747–751 109 Fragmenta 93 G.-W. 296; 399 Nicophon Αφροδίτης γοναί Frg. 1 PCG

120 f.

Olympiodorus In Platonis Alcibiadem commentarii 2,24–29 35170; 352 Oppianus Cynegetica 4,273–276 21086 Oribasius Eclogae medicamentorum 20 35481 Libri ad Eunapium 2,1 κ 68 15322 Origenes Commentarium in Evangelium Matthaei 10,7 23456; 294 Contra Celsum 4,54–62 195 4,56 195 4,57 195 f. 4,59 195

451

4,81

47; 2441; 263; 267; 323; 323257 4,82 263 f. 4,81–85 47 4,83 4338; 5061; 313230; 323 4,84 4857; 324 In Ezechielem homilia 7,4 360101 In Isaiam homilia 2,2 290; 360101 In librum Iudicum homilia 5,2 361 Ovidius Ars amatoria 1,12 37552 1,12,9 f. 37552 1,93 f. 20; 97205; 26489 1,95–97 228 1,100 f. 228 2,517–519 2452; 37550 3,149–151 37550 3,150 f. 2452 Fasti 1,376–378 187 1,380 209; 2469 3,713–808 93 3,740–744 3643 3,745–760 93 3,751 92185 Ibis 539 f. 25131 Metamorphoses 1,111 f. 211 1,416–433 217 7,514 315 f. 7,515 f. 315 7,523–613 315 7,619 315 7,624–626 321 7,627 f. 315 7,634–642 315 7,641 96201 7,652 f. 316 7,654–657 315 7,658 316 7,658–660 316 15,75–478 19941 15,361–374 188 15,368 213

452

Index locorum

Tristia 1,9,9 98207 5,6,37–41 2452; 37550 5,6,39 f. 97205 5,6,43 2452 Palladius Opus agriculturae 1,35,2 98207 1,35,8 98207 1,37,4 f. 5888; 61 1,37,5 3645 2,15,18 99209 4,10,21 98207 4,10,29 98207 4,15,3 173 f. 4,15,4 5781; 5888; 61; 17595 5,7,5 61; 75131; 3643 5,7,7 5781 6,10 165 7,7,4 270102 7,7,6 262; 278 7,7,7 70119; 76135; 76136; 77138; 77139; 79150; 83159; 23353; 276119 9,7 87170; 177102 12,8,1 5781 Pappus Collectio 5, p. 304–309 H.

70

Paulinus Mediolanensis Vita Ambrosii 3 379 Pausanias Grammaticus Αττικῶν ὀνομάτων συναγωγή σ 32 E. 93186 Pausanias Periegeta Graeciae descriptio 1,32,1 37449 2,28,8 22217 3,26,2 f. 118 8,13,1 293 9,23,2 f. 351 9,40,1 f. 338 9,40,2 338 10,5,9 360

Petronius Satyrica 56,6 61 f.

64; 22738 222

Phaedrus Fabulae 3,13 310 f.; 311226 4,25 52 Appendix Perottina 31 215 f. Pherecrates Cheiron Frg. 155 PCG Frg. 155,3–7 PCG Frg. 155,19–25 PCG Frg. 155,22 PCG Frg. 155,23 PCG Myrmekanthropoi Frg. 118 PCG Frg. 119 PCG Frg. 125 PCG

388 390114 388 388103 388 318 318 318 318

Philemo Myrmidones Frg. 46 PCG

317 f. 317

Philitas Cous Frg. 22 CA = 17 S.

198 f.

Philo Alexandrinus De specialibus legibus 1,291

61; 204

Philochorus 328 Frg. 195 FGrH

359

Philostratus Vita Apollonii 3,48 127317 6,1 126; 127317 6,10,4 36099 6,11,15 36099 Imagines 1 2,8,6 337; 365 Imagines 2 2,12 35172 2,22 318 f.246 13,3 386

453

Index locorum Phocylides Frg. 2 D. Photius Bibliotheca cod. 250, p. 455a Lexicon α 1970 ε 2037 μ 239 ο 354 σ 148 Phrynichus Phoenissae

226

86 32 f.6 125 f.310 2208 25130 97; 120 f. 38798

Physiologus 12

50; 107238; 265; 313230; 336 20 112265; 113 Pindarus Isthmia 2,7 366 6,9 36612 6,63 f. 36612 Olympia 6,21 366 6,45–47 352 10,98 f. 36612 11,4 36612 Pythia 3,64 36612 4,60 f. 22221; 224; 360 10,53 f. 366; 376 Fragmenta 165 (Maehler) 59–61 Plato Comicus Grypes Myrmekes Plato Apologia 41 a 6 f. Ion 534 a 4 f. 534 a 7 – b 3 534 b 7 Leges 4, 708 b 1–5

133350 133; 133350; 318

247 211 370 37030 33720

8, 843 d 7 – e 1 Phaedo 81 d 6 – 82 d 7 81 e 5 – 82 a 1 82 a 3–5 82 a 7 82 a 10 82 a 11 – b 1 82 b 2 f. 82 b 5–8 82 b 6 f. Politicus 293 d 5 f. 301 e 2 Protagoras 322 a 4 Res publica 1, 336 e 4–10 4, 445 c 9 – d 1 5, 450 b 3 f. 5, 462 a 9 f. 7, 520 b 5 – c 1 8, 544 d 6 – e 2 8, 545 a 2 f. 8, 551 a 7 8, 552 b 8 f. 8, 552 b 9 8, 552 c 2 – d 1 8, 552 c 3 8, 552 c 6 – d 1 8, 554 b 7 8, 554 b 8 8, 554 c 1 f. 8, 554 d 2 f. 8, 554 d 5–7 8, 554 d 6 f. 8, 556 a 1 f. 8, 559 c 6 8, 559 c 8 8, 559 c 8 – d 2 8, 564 c 1 8, 564 c 2–4 8, 564 c 9 – 565 a 3 8, 564 d 6 – e 2 8, 564 d 10 8, 564 e 13 8, 567 d 12 – e 1 9, 573 a 1 9, 573 a 4 – b 4 9, 573 e 2 – 574 a 1 10, 619 e 6 – 620 d 5

3643 209 42 42 209 42 42 42 42; 209 39; 313 337 289 f. 4858 136 298 134; 136 275118 289 298 299 299 300 300 300 299 85165; 300 299193; 300 300 300 301 301 299193 301 299193 301 f. 300–302 299 299 301 301 301 301; 372; 378 302 299193; 302 302 302 209

454

Index locorum

Timaeus 41 d 4 – 42 e 3

209

[Plato] Spuria 392 b 8 f. Spuria 392 c 1 f.

25128 25128

Plautus Amphitruo 707 93186 Trinummus 410 99209 Fragmenta 91 295176 Plinius Naturalis historia 2,109 53; 181117 7,63–67 59 7,64 59 7,65 59 8,78 77 8,104 108 8,158 339 9,95 125308 9,111 234 10,206 321 11,11 62; 62102; 26792; 26896; 355 11,12 63104; 286154 11,13 f. 15948; 16050 11,16–18 37657 11,17 68 11,18 5782; 171 11,20 268; 271106; 3336 11,20–26 26998 11,21 72122; 270 11,22 271 11,24 75133 11,25 54; 56; 296181 11,26 265; 268; 26896; 271106 11,27 85165; 87; 159; 16257; 170; 295 f.; 399 11,28 87169; 17081 11,29 70; 164; 266 11,30 38280 11,32 37449; 37551 11,33 20366 11,38 181116

11,38 f. 19114 11,44 59 11,45 25859 11,46 76; 76135; 1465; 14813; 157–159 11,47 157 f.; 165 11,48 16155; 162; 166; 169 11,49 162; 167; 170 11,50 167; 174 f.; 221; 286 11,51 76136; 77; 77138; 77139; 82; 16153; 24083; 263; 286; 398 11,52 77 11,52 f. 286 11,53 26896 11,54 23665; 24082; 273117; 287 11,55 343; 351; 35170 11,56 161; 286; 296178 11,57 84 f.; 85165; 87; 87169 11,58 85163; 171; 262; 296180 11,59 73; 75128; 75131 11,59 f. 68116; 69 11,61 5890; 64; 87170; 25130; 25233 11,61 f. 5888 11,63 55 11,64 55; 174 f. 11,65 3645 11,65 f. 17595 11,68 3643 11,69 167; 19319 11,70 176100; 188; 1882; 194; 20881; 212 11,70–74 175 11,71 92; 179; 181116 11,72 5783; 68; 88171; 93 11,73 88175; 93; 178; 240; 25130; 304 11,74 88175; 89; 90179; 241; 303; 304200; 400 11,96 70; 70118 11,108 107; 183; 250; 321; 11,108 f. 41; 99210 11,109 47 f.; 50; 5061; 52 f.; 336

Index locorum 11,109 f. 11,110

53; 321 f. 48; 96202; 97; 100; 324; 387101 11,111 102; 124 f. 11,281 88172 12,32 382 15,70 105 15,72 105 16,71 37552 17,73 96200; 99209 18,114 105 18,118 5887 18,364 3336; 33511 21,72 19422 21,74–78 36098 21,80 16771; 1882 21,81 1882; 194; 210 21,82 68 21,92 105 21,111 20369 22,16 108 29,87 108 f. 29,92 108 30,29 104 Plutarchus Aetia physica 16, 915 F 1–3 107238 An seni sit gerenda res publica 783 F 1 2441 Brutus 39,5 34442 48,2 f. 34442 Cimon 18,4 f. 341 Cleomenes 60 195 60,5 195; 19528; 20881; 212 Coniugalia praecepta 44, 144 D 3 f. 5991 De amicorum multitudine 7, 96 B 4 25233 De amore prolis 2, 494 A 5–8 366 De audiendis poetis 12, 32 E 4–8 376 f. De audiendo 8, 41 E 9 – 42 A 7 377 8, 41 E 9 f. 377 8, 41 F 2 f. 25549; 377

8, 41 F 3–5 366 8, 41 F 5 377 8, 42 A 1 f. 377 8,42 A 2 f. 377 De exilio 601 C 4–8 2441 De Iside et Osiride 35, 364 F 2 199 De profectibus in virtute 8, 79 C 4–6 366 De sollertia animalium 10, 967 B 1–4 75133 11, 967 D 9 313 11, 967 E 1–3 48 11, 967 E 1 – F 2 97; 325 11, 967 F 2–4 313230 11, 967 F 4–6 313230 11, 967 F 6 – 968 A 2 336 11, 968 A 7 f. 50 11, 968 A 8 f. 319 11, 968 A 8 – B 5 319 11, 968 B 3–5 319 20, 974 B 8 – C 2 108242 31, 981 B 7–10 3931 35, 983 B 8–11 70 Dio 24,1 34023 24,4 340 Quaestiones naturales 36 59 [Plutarchus] De musica 30, 1141 C 6 – 1142 A 12 388 30, 1141 D 7 388 De vita et poesia Homeri 2,85 15638 Polybius Historiae 6 4033 Pomponius Mela Chorographia 3,62 127317 Porphyrius De antro nympharum 15 205 16 383 18 205; 222 f.

455

456

Index locorum

18 f. 19

247 57 f.

Posidippus Myrmex

318

Propertius Elegi 3,13,5 137 Quintilianus Institutio oratoria 2,16,16 46 5,11,24 41; 46; 244 [Quintillianus] Declamatio maior 13 passim 37235 3 263; 3643 4 268; 26998; 296181 9 263; 268; 3643 15 4859 16 4859; 158; 270102; 270104 17 49; 55 f.; 263; 26792; 26998; 296181; 3336 Semonides Frg. 7,83–93 W.

5269; 224 f.

Seneca De clementia 1,19,2 76135; 77139; 79; 79146; 16462; 266; 285 1,19,2–4 78; 285; 399 1,19,3 79; 285 1,19,4 79146 Epistulae morales ad Lucilium 84,3–5 374 f.; 378; 396 84,4 382; 38284; 383 84,5 374 121,23 4340 Quaestiones naturales 1, Praef. 10 264 Servius Ad Eclogas 10,1 15432

Ad Georgica 4,286 213 Ad Aeneida 1,430 205; 222 4,1 15432 4,402 2038; 97; 231; 314; 314231 Sextus Pompeius Festus De verborum significatu 431, p. 389 L. 108243 Simonides Frg. 304 P .= 593 PMG = 43 D.

366–368

Solinus Collectanea rerum memorabilium 30,23 126 f. Sophocles Antigona 1038 f. 125 f.310 Fragmenta 29 TrGF 125 f.310 879 TrGF 247 Testimonia 1 (Vita) 370; 374 1,87–89 TrGF 370 Scholia ad Aj. 1199 370 ad OC 17 370 Soranus Vita Hippocratis (Ilberg) 11 354 Statius Thebais 10,574–579 257 10,577 25131 Stephanus Byzantius Ethnica 6,30 383 Strabo Geographica 2,1,9 124; 124306; 133 8,6,16 317 15,1,20 382

457

Index locorum 15,1,37 124; 133 15,1,44 103; 123 15,1,69 124 16,4,15 111

ad Id. 17,106 138

Strattis Myrmidones Frg. 37 PCG

317 f. 317

Suda α 2524 β 453 ε 3131 κ 1879 μ 521 ξ 47 ο 388 σ 256 σ 279 σ 1741 σ 1765 φ 393 χ 586

32 f.6; 386 215 293 120 2208 375 25130 121; 121300 34651 67 181 389 f. 134352

Theophrastus De causis plantarum 2,17,9 14917 6,5,1 5890 De pietate Frg. 7,26 f. 38284 De signis 22,149–151 184125; 335 46,340–342 3336 47,345 f. 334 Historia plantarum 2,8,3 119 3,7,6 6097; 311225; 38179 3,15,5 37552 4,14,10 119 6,2,3 19114 Fragmenta 435 F. = 190 W. 6097; 311225; 381 f.

Suetonius Nero 46,1 Tiberius 72,2

358 f. 97; 341

Tacitus Annales 12,64 345 Telephus 505 Frg. 3 FGrH

110

Tertullianus Adversus Marcionem 4,5,3 95194 Theocritus Idyllia 1,105–107 59 f. 5,29 385 7,78–89 1884 7,135–147 210; 3657; 396 17,106 f. 137 f. 19,7 f. 227 f. Scholia ad. Id. 1,147 180

Theogenes 300 Frg. 1 FGrH

317236

Theopompus 115 Frg. 331 FGrH

340

Tibullus Carmina 2,1,49 f.

5269

Timotheus Gazaeus De animalibus 32 122303 Tzetzes Chiliades 12,404,330–340 127317 Valerius Maximus Facta et dicta memorabilia 1,6 ext. 2 35379 1,6 ext. 3 35170 Varro Attacinus Frg. 22,7 FPL

33511

Varro Res rusticae 1,1,9 82158 1,1,10 1886; 19217

458

Index locorum

1,51,1 98207 2,1,19 19112 2,5,5 1886; 190 f.; 200; 22115 3,2,11 1886; 190 f. 3,2,12 37552 3,16,2–9 192 3,16,3 47 3,16,4 40; 47; 49; 147; 1886; 190–192; 265; 355 f. 3,16,5 70; 26792 3,16,6 57; 5888; 5890; 26792; 275 3,16,7 254; 364 3,16,8 5269; 86166; 87169; 273117; 275; 296 3,16,9 192; 25968; 268; 338; 3656 3,16,10–38 192 3,16,12 3645 3,16,14 19114; 37551 3,16,16 19422; 211 3,16,17 5781; 17595 3,16,18 82; 16154; 24083; 259; 275 3,16,19 67; 73; 84; 87170; 25233 3,16,20 73 f. 3,16,20 f. 193 3,16,23 68 3,16,24 70; 37657 3,16,27 37133 3,16,29 338 3,16,30 254; 259; 25968; 268 3,16,37 192; 333 Vergilius Aeneis 1,364 237 1,418–436 247 1,423–429 24816; 297 1,430–436 5269; 247 f. 1,434 f. 297 1,435 86166; 87169; 295176 1,507 f. 238 4,309 f. 249 4,397–411 248 f. 4,402–407 108241; 248; 34754 4,402 f. 5061; 99210 4,404 96201; 264

6,706–709 246 6,710 247 7,59–70 345 f. 12,586–592 255–257 12,588 255 Eclogae 1 254 1,53–55 210; 3657; 396 1,55 3657 Georgica 1,185 f. 5061; 98207; 249 1,186 249 1,379 f. 184125; 33511 1,493–497 262 3,244 15430 3,271–279 19112 4,1 38280; 383 4,4 260 4,5 260 4,6 260 4,21 270102 4,28 f. 3337 4,38 267 4,42 f. 75128 4,43 267 4,43 f. 75131 4,45 267 4,47 267 4,47–49 5888 4,49 f. 3645 4,54 f. 37133 4,55–57 16050 4,62 267 4,64 254; 3643 4,67 f. 259 4,67–87 28; 73; 258 4,70–72 268; 3656 4,71 254; 260 4,72 260 4,73 260 4,74 68116; 260 f. 4,75 f. 261 4,78–80 261 4,80 f. 260 4,82 261; 26177 4,83 261 4,84 f. 261 4,86 f. 259; 261 4,88 81 4,88–90 16154; 259; 280 4,89 f. 280 4,90 267

459

Index locorum 4,90–97 83 4,91–94 82 f. 4,95 66 4,96–98 73 f.; 83 4,98 f. 74 4,99 74 4,104 267 4,106–108 70119; 24082; 261; 276119; 280 4,125–148 37235 4,149 f. 282 4,149–152 209; 222; 35378 4,153–155 40; 26792 4,153–190 248 4,154 282 4,155 267 4,156 49 4,156 f. 249 4,156–190 26998 4,165 297185 4,167 f. 297 4,168 86166; 87169; 295176 4,169 19114 4,177 15431 4,178 f. 26792 4,178–183 72122; 270 4,184 271 4,187 267 4,188–190 271106 4,189 267 4,191–194 3336 4,193 26792 4,194–196 75133 4,197–202 154 4,200 154 4,200 f. 155 4,200–202 1478 4,201 267 4,202 267 4,205 15431 4,206–209 169 4,210–218 281 4,211 283143 4,215 328 4,217 f. 81; 273117 4,219–221 48; 64 4,220. 154 4,228–230 61100 4,236–238 69117 4,241 191 4,244 86166; 297

4,245 87170; 25233 4,246 f. 17595 4,255 f. 5477 4,256 267 4,258 267 4,270 191 4,281 267 4,281–314 189; 194 4,285 189 4,286 194 4,287–294 189; 194 4,296 194 4,298 191 4,300 194 4,301 194 4,304 191 4,305 194 4,305–307 189; 19111 4,308 f. 189; 207 4,310 198 4,548–558 190 4,554 217 4,559–562 282 Xenophanes Frg, 21 B 7 DK

209

Xenophon Anabasis 4,8,20 36098 Cyropaedia 2,2,25 86166; 295176 5,1,24 23768; 283 Hellenica 3,2,28 23768 Oeconomica 7,17 235 f.; 267; 279 7,22 236 7,30 236 7,32 236 7,32–34 235 f.; 267; 279 7,33 50; 279 7,33 f. 270105 7,34 270102; 279; 338 7,37 279 7,38 235; 267; 279 f. 7,39 237 Zenobius Paroemia Centuria III 70

121300