Soldaten der Arbeit: Arbeitsdienste in Deutschland und den USA 1933-1945 9783666351389, 3525351380, 9783525351383

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Soldaten der Arbeit: Arbeitsdienste in Deutschland und den USA 1933-1945
 9783666351389, 3525351380, 9783525351383

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 157

V&R

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka, Paul Nolte, Hans-Peter Ullmann, Hans-Ulrich Wehler

Band 157

Kiran Klaus Patel »Soldaten der Arbeit«

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

»Soldaten der Arbeit« Arbeitsdienste in Deutschland und den USA 1933-1945

von

Kiran Klaus Patel

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Umschlagabbildung: Foto von H a n s Retzlaff, ohne Titel, 1930er Jahre Berlinische Galerie, Landesmuseum für M o d e r n e Kunst © V G Bild-Kunst, Bonn, 2 0 0 2

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich. I S B N 3-525-35138-0 Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. © 2003, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. - Printed in Germany. www.vandenhoeck-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlag: Jürgen Kochinke, Holle. Satz: Text & Form, Garbsen. Druck und Bindung: Guide-Druck GmbH, Tübingen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.

Inhalt

Verzeichnis der Tabellen und Schaubilder

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Vorwort

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Einleitung I. Allheilmittel gegen die Große Krise? Arbeitsdienstvorstellungen und Verwirklichungsformen bis 1933 1. Vorläufer der Arbeitsdienste 2. Die Situation der Jugend in der Weltwirtschaftskrise bis 1933 3. Der Vorgänger in Deutschland: Der Freiwillige Arbeitsdienst von 1931 bis 1933 und das Engagement der NSDAP

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II. Dienst an der Gemeinschaft: Die Organisation der Arbeitsdienste 1. Fehlstart ins »Dritte Reich«: Die Organisation des deutschen Arbeitsdienstes am Anfang des NS-Regimes 1.1. Bruch mit der Weimarer Republik: Die Gleichschaltungsphase 1.2. Von der »revolutionären Zeit« des Arbeitsdienstes bis zum Reichsparteitag 1934 2. Von der relativen Konsolidierung zum Kriegseinsatz des RAD 2.1. »Schattendasein« im Machtgefiige des Regimes? 1935-1945... 2.2. Der Aufbau des Arbeitsdienstes für die männliche Jugend 3. Zwischen Ideologie und Ökonomie: Die Zugangskriterien zu deutschen Arbeitsdienst 3.1. Arbeitsdienst als Instrument von Inklusion und Exklusion 3.2. »Soldaten der Arbeit«: Die Konsequenzen der Zugangsbestimmungen 4. Die Organisation des Civilian Conservation Corps 5. Vergleichende Zwischenbilanz

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III. »Citizens«, »Volksgenossen« und Soldaten: Erziehung in den Arbeitsdiensten 1. Die Erziehungskonzeption des deutschen Arbeitsdienstes

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74 74 90 103 103 123 129 129

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1.1. Das »Erbe der Schützengrabenkameradschaft«: Erziehungsziele 1.2. Das Lager als Ort der Erziehung: Die Ordnung von Zeit und Raum 2. »Männlichkeitsschule« zwischen Vorgaben und Praxis 2.1. Primat der Disziplinierung: Die Felder der Körperbildung 2.2. Erziehungsziel »Männlichkeit« 3. »Die Schule der Nation«: Politische Indoktrination und organisierte Freizeit 3.1. Staatspolitischer Unterricht und andere Formen der Indoktrination 3.2. Feierabendgestaltung als Lernkontrolle 4. Erziehung im Civilian Conservation Corps 5. Vergleichende Zwischenbilanz

202 209 226 226 239 249 249 262 272 296

IV In »the grandeurs of nature«: Die Arbeit der Dienste 303 1. Arbeitsplanung und Arbeitsfelder des deutschen Arbeitsdienstes .. 304 1.1. Kampf um die »Brotfreiheit«: Die Projekttypen 304 1.2. Kooperation und Chaos: Projektplanung und -abstimmung am Anfang des NS-Regimes 321 2. Glorifizierung und pragmatische Kompromisse: Vorstellung und Praxis der Arbeit im deutschen Arbeitsdienst 328 2.1. »Jeder Spatenstich ein Gebet für Deutschland«: Das Arbeitsverständnis 328 2.2. Die »Moorsoldaten«? Das Großprojekt im Emsland als Beispiel für den Deutungskampf 341 3. Arbeitsdienst am Werk: Neue Herausforderungen bei den Großeinsätzen ab 1937 352 3.1. Von der »Nebenaufgabe« zum »Tannenbergeinsatz«: Die Erntehilfe 352 3.2. »Unter Spaten und Gewehr«: Westwalleinsatz und Militarisierung 363 4. Arbeit im Civilian Conservation Corps 376 5. Vergleichende Zwischenbilanz 398 Schluss und Ausblick

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Abkürzungsverzeichnis

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Personenregister

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Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen Tab. 1 : Ausgegebene Haushaltsmittel für den deutschen Arbeitsdienst für Männer Tab. 2: Größe der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des Deutschen Reiches 1933-1934 Tab. 3: Volkseinkommen, Staatsausgaben und Haushalte der Arbeitsdienste Tab. 4: Tagesablauf im deutschen Arbeitsdienst Tab. 5: Tagesablauf im C C C

Abb. 1: Vorbeimarsch des Arbeitsdienstes an Hitler auf dem Reichsparteitag 1936 Abb. 2: Der Aufbau des RAD 1939 Abb. 3: Die quantitative Entwicklung des deutschen Arbeitsdienstes bis 1935 Abb. 4: Grundriss eines deutschen Arbeitsdienst-Barackenlagers Abb. 5: Druck aus der Zeitung Arbeitsmann Abb. 6: Aufriss eines typischen CCC-Lagers Abb. 7: Foto eines enrollees aus einer Broschüre des C C C Abb. 8: Foto von Arbeitsmännern aus einer Publikation des RAD Abb. 9: Foto von enrollees aus einer Publikation des C C C

117 149 195 219 279

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Vorwort

In den Reichsarbeitsdienst war so schwer hineinzublicken - Uwe Johnsons Worte aus denJahrestagen gelten auch für diese Arbeit. Bei dem Versuch, dies dennoch zu tun, haben mir zahlreiche Personen und Institutionen geholfen. Ich freue mich, diesen hier danken zu können. An erster Stelle steht der herzliche Dank an meinen Doktorvater, Professor Heinrich August Winkler. Er hat die im Wintersemester 2000/01 an der Humboldt-Universität zu Berlin eingereichte Dissertation, auf der dieses Buch fußt, mit seinem beeindruckenden Wissen und viel Engagement betreut. Darüber hinaus bin ich ihm für die langjährige Förderung und Zusammenarbeit sehr verpflichtet. Für vielfältige Anregungen, Unterstützung und die weiteren Gutachten zur Dissertation danke ich sehr Professor Gisela Bock und Professor Hartmut Kaelble. Von Anfang an mit kritischen Interventionen haben das Projekt zudem Professor Ludolf Herbst, Professor Jürgen Kocka und Professor Ger van Roon begleitet. Jeder von ihnen hat auf seine Art die Arbeit wesentlich vorangetrieben. Für ihre Anmerkungen und Kritik danke ich außerdem Professor Peter Dudek, Philipp Gassert, Professor Carl-Ludwig Holtfrerich, Christoph Jahr, Egbert Klautke, Professor Hans Mommsen, Professor Paul Nolte, Professor Michael Schneider, Wolfgang Schivelbusch, Professor Theda Skocpol, Siegfried Weichlein und Patrik von zur Mühlen. Das Manuskript hat außerdem von der genauen Lektüre von Manuel Borutta, Paula Diehl, Stephan Fitos, Moritz Föllmer, Vera Hacke, Christoph Kamissek, Sebastian Panwitz, Harald Wiggenhorn und insbesondere Christian Illian sehr profitiert. Im Entstehungsprozess der Arbeit hat mich Monika Roßteuscher mit viel Einsatz organisatorisch über Wasser gehalten. Last not least danke ich drei Freunden, denen das Buch besonders viel verdankt: Alexander Cammann, Jens Hacke und Kai Uwe Peter. Ohne ein Stipendium der Graduiertenförderung der Friedrich-Ebert-Stiftung wäre die Arbeit wohl kaum entstanden. Wichtige Impulse erhielt sie außerdem durch das Graduiertenkolleg »Gesellschaftsvergleich in historischer, soziologischer und ethnologischer Perspektive«, dem ich von 1998 bis 2001 angehörte. Gleichermaßen anregend und angenehm war die Arbeitsatmosphäre im Deutschen Historischen Institut, Washington, das ich als Forschungsstipendiat für mehrere Monate kennen lernen durfte - ich danke stellvertretend Professor Detlef Junker und besonders Professor Christof Mauch. Das Er-

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scheinen meiner Arbeit in der vorliegenden Form ermöglichten die Herausgeber der »Kritischen Studien« sowie großzügige Druckkostenzuschüsse der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Boehringer Ingelheim Stiftung für die Geisteswissenschaften. Beim Verlag Vandenhoeck & Ruprecht haben Martin Rethmeier und Dörte Rohwedder dafür gesorgt, dass aus dem Manuskript ein Buch werden konnte. Der Fondation Auschwitz in Brüssel bin ich dafür verpflichtet, dass sie diese Studie mit dem Prix de la Fondation Auschwitz ausgezeichnet hat. In Archiven und Bibliotheken haben mir sehr viele Personen geholfen. Mit gelehrtem Witz wurde ich in den National Archives in College Park, Maryland, gefragt, ob ich mich »Unterm Rad« befánde - ebendies haben jene Archivare verhindert. Besonders Eugene Morris hatte immer ein offenes Ohr für meine Fragen, und einige Überlegungen zum C C C gehen auf Gespräche mit ihm zurück. Gewidmet ist das Buch den Personen, die mich in jeder nur denkbaren Hinsicht unterstützt haben: meinen Eltern, meinem Bruder Martin und - Christina. Ihr habe ich es zu verdanken, dass ich aus dem Arbeitsdienst auch wieder herausblicken konnte. Berlin, im November 2002

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Kiran Klaus Patel

Einleitung

Wenn hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft oder Kultur in den letzten Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg das nationalsozialistische Deutschland besuchten, stand eine Besichtigung fast immer auf der Tagesordnung: ein Ausflug zu einem Lager des Arbeitsdienstes. Wenig verband den faschistischen Diktator Mussolini mit dem indischen Bürgerrechtler Jawaharlal Nehru, den N S freundlichen, schwedischen Asienforscher Sven Hedin mit dem Bruder des englischen Königs, eine Delegation einflussreicher französischer Wirtschaftsvertreter mit dem Regenten von Afghanistan - außer dem gemeinsamen Interesse an dieser Institution des NS-Regimes. Denn wenn sie die Lager der Organisation aufsuchten, handelte es sich nicht um eine der Pflichtveranstaltungen, zu denen Staatsgäste und hohe Würdenträger oft genötigt werden. Vielmehr äußerten viele der Besucher selbst den Wunsch, zu den abgelegenen Standorten des Dienstes vorgelassen zu werden. Nicht wenige von ihnen kehrten schließlich mit einem positiven Eindruck von dieser nationalsozialistischen Institution zurück. 1 Die Einrichtung, die nach 1945 kaum erforscht und wenig beachtet wurde, entfaltete offensichtlich international eine nicht zu unterschätzende Attraktivität. Auch das nationalsozialistische Regime selbst verband mit seinem Arbeitsdienst große Erwartungen. Er sollte gleichzeitig ein Instrument zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit, der Abhängigkeit von agrarischen Importen und der physischen und psychischen Krise der Jugend sein. Zudem hatte er die Aufgaben, ein neues Arbeitsethos zu schaffen, zur vormilitärischen Ertüchtigung beizutragen, beim Aufbau einer neuen Volkskultur zu helfen, und nicht zuletzt galt er als »das beste Mittel, diese nationalsozialistische Forderung der Volksgemeinschaft zu verwirklichen«.2 Der Dienst verstand sich mit diesen Zielen zwischen 1933 und 1945 als »praktisch angewandter Nationalsozialismus«. 3 Dennoch war er zunächst nur die institutionelle Fortsetzung einer Maßnahme der Weimarer Republik. Der Freiwillige Arbeitsdienst (FAD), den das Kabinett Brüning Mitte 1931 eingerichtet hatte, war damals das wichtigste Beschäftigungsprogramm für junge, 1 druck 2 3

Vgl. die Berichte in ΡΑΈ, R 47643^*7648; R 98846-98849; ein zusammenfassender Einbei Schwarz, S. 223-242. Hieri, Schriften, Bd. 2, S. 199-205 (1935), Zitat S. 201. Ebd., Bd. 2, S. 352-359 (1934), Zitat S. 356.

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arbeitslose Männer. Allerdings versuchten die Nationalsozialisten, sich nach der Machtübertragung so weit wie möglich vom FAD der Demokratie von Weimar abzugrenzen. Gleichwohl hatten die beiden Einrichtungen mehrere Charakteristika gemeinsam, die zugleich Arbeitsdienste allgemein definieren. So versteht man unter Arbeitsdiensten staatlich finanzierte Einrichtungen, die teilweise mit privaten Trägern zusammenarbeiten. Sie organisieren junge Erwachsene für begrenzte Zeit in Lagern zum Einsatz bei gemeinnütziger und ökonomisch unrentabler Arbeit. Die Tätigkeiten bestehen zumeist aus einfacher Handarbeit im primären Sektor, wie zum Beispiel aus Bodenverbesserungen. Sie haben arbeitsmarktneutral zu sein und dürfen regulär Beschäftigten keine Arbeitsplätze wegnehmen. Schließlich erhalten die Angehörigen der Organisation für ihre Arbeit keinen tariflichen Lohn, sondern neben einer umfassenden Versorgung nur ein Taschengeld. Arbeitsdienste teilen daher in Bezug auf ihre Organisation und ihre Projekte wesentliche Merkmale mit kollektiven Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Dagegen haben aber nur die Dienste einen expliziten Erziehungsanspruch. »Erziehung« kann in diesem Zusammenhang vielerlei heißen, etwa politische Schulung, Berufsausbildung oder ein vormilitärisches Training. Insgesamt ist die Kombination der beiden Elemente Erziehung und Arbeit das wichtigste Charakteristikum von Arbeitsdiensten. Mit diesem Doppelziel sollen die Organisationen hauptsächlich einen Teil der Bevölkerung, der von Arbeitslosigkeit besonders hart getroffen wird, unterstützen: junge Erwachsene und besonders junge Männer, die unter den Erwerbslosen oft deutlich überrepräsentiert sind. Die Dienste eröffnen den Betroffenen die Möglichkeit, ihre Arbeitskraft einzusetzen. Sie wirken so dem demoralisierenden Effekt der Arbeitslosigkeit entgegen. Von diesen arbeitsethischen und sozialpädagogischen Motiven profitieren die jungen Erwerbslosen direkt. Außerdem schreibt man den Institutionen für ihre Angehörigen häufig eine gemeinschaftsbildende Funktion zu, die durch die explizit erzieherische Komponente noch verstärkt wird. Diese Dimension hatte aufgrund der bürgerkriegsähnlichen Zustände im Deutschland der frühen 1930er Jahre eine besondere Bedeutung. Die Auseinandersetzungen resultierten nicht zuletzt aus den divergierenden gesellschaftspolitischen Vorstellungen der verschiedenen Teile der Bevölkerung. Der gemeinsame Dienst sollte die Konflikte und Unterschiede zugunsten eines neuen Gefühls der Zusammengehörigkeit zurückdrängen. Davon sollten nicht nur die jungen Arbeitslosen, die der Organisation angehörten, profitieren, sondern die Gesellschaft allgemein. Insgesamt hatte die Einrichtung den Auftrag, ihre Angehörigen zumindest auf Zeit ökonomisch und sozial an der Gesellschaft teilhaben zu lassen. Zugleich verbesserte sie ihre Chancen auf künftige Partizipation. Damit leistete sie auch einen Beitrag zur Stabilisierung der Gesellschaft. 12

Diese Ziele verfolgte der deutsche Arbeitsdienst vor und nach 1933 - wenngleich unter der Integration in die Gesellschaft freilich jeweils Verschiedenes verstanden wurde. Im Zentrum dieser Arbeit steht der Arbeitsdienst des NS-Regimes, der nach der Machtübertragung zunächst den Namen seines Vorläufers weiter trug. Doch schon 1933 wurde der Begriff »Freiwilliger Arbeitsdienst« durch Bezeichnungen wie »Deutscher Arbeitsdienst« oder »Nationalsozialistischer Arbeitsdienst« überlagert, und das Nebeneinander verschiedener Namen war Zeichen seiner verworrenen institutionellen Struktur. Klarheit brachte erstein Gesetz vom 26. Juni 1935, demzufolge die Einrichtung fortan Reichsarbeitsdienst (RAD) hieß.4 Der deutsche Arbeitsdienst vor und nach 1933 war aber keine singulare Erscheinung. Vielmehr wurden angesichts der Weltwirtschaftskrise nach 1929 in vielen Ländern ähnliche Einrichtungen aufgebaut. Weit mehr als ein Dutzend Nationen experimentierten in den frühen 1930er Jahren mit dieser Form von Arbeit, und allein in Europa neben Deutschland zum Beispiel die Schweiz, Schweden und Großbritannien. Nicht zuletzt daraus erklärt sich das hohe Interesse, das dem nationalsozialistischen Arbeitsdienst aus den verschiedensten Ländern entgegengebracht wurde. In Bulgarien gab es bereits seit 1920 sogar eine Arbeitsdienstpflicht. Abgesehen von denen, die sich davon loskauften, mussten alle jungen Männer und Frauen einige Monate gemeinnützigen Arbeiten nachgehen.5 Rückblickend handelt es sich bei den Arbeitsdiensten um eine Erscheinung der Zwischenkriegszeit, die aus unbedeutenden Anfängen durch die Weltwirtschaftskrise an Gewicht gewann. Auf dem Höhepunkt der Depression wurde dieser Institution ein hohes Potential zur Uberwindung der katastrophalen Lage zugeschrieben. Weltweit war neben dem deutschen der amerikanische der wichtigste Arbeitsdienst: Der soeben vereidigte Präsident Franklin D. Roosevelt gründete das Civilian Conservation Corps (CCC) als eine seiner ersten Initiativen im Frühjahr 1933. Die Einrichtung war eine der Säulen des New Deal, das heißt der Wirtschafts- und Sozialpolitik von »FDR«, wie der 32. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika auch genannt wird. Ein übergreifender Vergleich soll die Einrichtung des nationalsozialistischen Deutschland mit dem CCC kontrastieren. Vor dem Graben, der die deutsche Diktatur grundsätzlich von der amerikanischen Demokratie trennt, wird dabei nicht Halt gemacht. Anhand der Arbeitsdienste soll vielmehr die Distanz zwischen den beiden Gesellschaften neu vermessen werden.

4 Vgl. RGBl. 1935,1, S. 769-771. 5 Vgl. als Überblicke Epting-, Schweizerische Zentralstelle; ausfuhrlicher z.B. zu Schweden Götz, Geschwister; zu Ansätzen in Frankreich Eckert, S. 74f.

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Ihre herausragende Stellung verdanken der deutsche und der amerikanische Dienst der Tatsache, dass es nur in diesen beiden Ländern nach 1933 eine staatlich finanzierte und auch weitgehend staatlich organisierte Einrichtung gab, die mehrere hunderttausend Personen umfasste. Sie hatten beide im Kanon der Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise zumindest zeitweise eine herausgehobene Funktion inne. Außerdem ähnelten sich die beiden Einrichtungen 1933 auf den ersten Blick in frappanter Weise: Beide wandten sich primär an arbeitslose junge Männer und hatten eine institutionelle Struktur, die maßgeblich vom Militär inspiriert war. In den USA betrug die Mindestdauer des Dienstes seit 1933 für die Freiwilligen ein halbes Jahr, und auch das nationalsozialistische Regime entschied sich bald danach für eine Einsatzdauer von sechs Monaten. Weiter stellten beide Einrichtungen Mittel im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit dar, und beide verknüpften dieses Ziel mit einem erzieherischen Anspruch. Aber auch die geleistete Arbeit war grundsätzlich dieselbe. Daneben bestanden freilich Unterschiede. So blieb die Teilnahme am C C C stets freiwillig, während es in Deutschland ab 1935 eine Arbeitsdienstpflicht gab. Zudem wurde im NS-Regime der Erziehung ein wesentlich höherer Stellenwert beigemessen als in den USA, wo das C C C einem Beschäftigungsprogramm ähnlicher war. Diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich vergleichsweise schnell feststellen. Den bislang unbekannten tieferliegenden Faktoren geht diese Arbeit nach. Insgesamt gab es eine besondere Nähe zwischen den beiden Institutionen, wie allgemein eine ganze Reihe von sozial-, kultur- und wirtschaftspolitischen Initiativen des nationalsozialistischen Deutschland und des New Deal einander ähneln. Mit diesen Gemeinsamkeiten ist der größere Hintergrund der Arbeit angesprochen. Im Zentrum steht die Frage, wie die beiden Länder auf die kumulierenden Modernisierungskrisen, die sich hinter dem Begriff »Weltwirtschaftskrise« verbergen, reagierten. Bei der Depression nach 1929 handelte es sich nicht nur um einen Zusammenbruch der Börse oder des Wirtschaftssystems, vielmehr hatte sie auch soziale und politische Dimensionen; es war nicht nur eine Konjunktur-, sondern auch eine Strukturkrise mit entsprechend weitreichenden Folgen. Durchschlagende Wirkung entwickelte in beiden Ländern zunächst die genuin ökonomische Dimension. Auf dieser Ebene waren Deutschland und die USA weltweit am stärksten von der Krise betroffen, wie sich an vielen Konjunkturdaten ablesen lässt. So waren amjeweiligen Tiefpunkt in diesen beiden Staaten 33,9 % bzw. 24,9 % der Erwerbsfähigen arbeitslos - so dramatisch war die Lage in keinem dritten Land.6 Obwohl die ökonomischen Potentiale, der Krise Herr zu werden, verschieden waren, glichen sich Reformdruck und Krisenperzeption in auffallendem Maße. In gewissem Umfang wur6 Vgl. Great Depression, S. 257-268.

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de dies- und jenseits des Atlantiks die Legitimität kapitalistischer Demokratien allgemein in Frage gestellt. Unterschiedlich waren freilich die politischen Antworten, die Deutschland und die USA auf die Krise fanden. Während die amerikanische Demokratie sich reformierte, scheiterte die Weimarer Republik und mündete in die Katastrophe des NS-Regimes. Als Hitler am 30. Januar 1933 Reichskanzler wurde, sah er sich dennoch mit der grundsätzlich gleichen Aufgabe konfrontiert wie Roosevelt, der am 4. März desselben Jahres als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt wurde: der Uberwindung von Massenarbeitslosigkeit und Weltwirtschaftskrise insgesamt. Dazu setzten beide Nationen in der Folgezeit oft auffallend ähnliche wirtschafts- und sozialpolitische Instrumente ein; auf dieser Ebene führte die Krise zu einem begrenzten Maß an Konvergenz. Die wichtigste Ursache dieser Gemeinsamkeiten war die Zunahme des Staatsinterventionismus, da beide Gesellschaften angesichts der verheerenden Lage nicht mehr primär auf die Selbstheilungskraft des Marktes setzten. Aufgrund dieser Faktoren liegt ein Vergleich der beiden Länder besonders nahe. Dieser Vergleich bietet sich zudem an, da die USA nicht irgendeine Demokratie waren. Sie hatten nach dem Ersten Weltkrieg Großbritannien den Rang als weltweit führende Wirtschaftsmacht abgelaufen und waren darüber hinaus durch ihre Investitionen und ihre Außenwirtschaftspolitik in den 1920er Jahren ein wesentlicher ökonomischer Faktor in den meisten Nationen und vor allem in Deutschland geworden. Zudem hatten sie sich bis 1929 unter dem Schlagwort der »prosperity« zum wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Vorbild für alle Nationalökonomien entwickelt, um dann ein Hauptopfer der Krise zu werden. Schließlich waren die Augen der Welt auf Amerika gerichtet, weil viele Demokraten der Staaten Europas und anderer Kontinente in Roosevelts Reformkurs den positiven Gegenpol sahen zur Verführungskraft der beiden großen Systemalternativen, des Kommunismus und des Faschismus. »[T]he only light in the darkness was the administration of Mr. Roosevelt and the N e w Deal in the United States« — so erinnerte sich zum Beispiel der Ideenhistoriker und Philosoph Isaiah Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg.7 Andere Gegner der totalitären Extreme fürchteten dagegen eine Konvergenz der politischen Programme Hitlers und Roosevelts. Sie deuteten den Einsatz moderner Massenmedien zur Werbung für Politik, nationale Großprogramme, den rhetorischen Rekurs auf die Anstrengungen des Ersten Weltkriegs und anderes mehr als eine Annäherung der Vereinigten Staaten an die NS-Herrschaft. Diese Sicht verweist nicht nur auf Verunsicherungen bezüglich der Wertmaßstäbe, an denen die Entwicklungen zu messen seien, sondern auch auf die gewisse Offenheit der Situation.

7 Beriin, S. 67-71, Zitat S. 67.

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Nach 1945 sahen nur noch wenige Beobachter solche Ähnlichkeiten, und allgemein flaute das Interesse an Vergleichen zwischen dem NS-Regime und dem New Deal ab. Nach dem Bekanntwerden des vollständigen Ausmaßes von Terror und Vernichtung, das vom nationalsozialistischen Deutschland ausgegangen war, schienen solche Vergleiche deplaziert. In den westlichen Ländern traten häufig komparative Analysen an ihre Stelle, die mit Hilfe der Totalitarismustheorie den Nationalsozialismus mit der Sowjetunion oder unter faschismustheoretischer Perspektive mit dem faschistischen Italien oder anderen Staaten verglichen. Implizit lag auch diesen Studien ein Vergleich mit demokratischen Systemen zugrunde, da sich nur vor diesem Hintergrund das spezifisch Totalitäre oder Faschistische verstehen ließ. Allgemein lässt sich die Singularitätsthese ihrerseits selbst nur über einen impliziten oder expliziten Vergleich gewinnen - nur in Bezug auf Anderes ist ein Phänomen einzigartig. Studien, die die deutsche und die amerikanische Reaktion auf die Krise verglichen oder auch nur nebeneinander stellten, blieben dagegen seltene Ausnahmen. Erst als sich die Einsicht verbreitete, dass solche Vergleiche nicht notwendigerweise auf eine Apologie des Nationalsozialismus hinauslaufen müssen, sondern dass gerade dieses Verfahren Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen vermag, nahm das Interesse an systemübergreifenden Vergleichen wieder zu. U m das Jahr 1970 gab es mehrere Anläufe, die einer systematischen Untersuchung den Weg hätten bereiten können. Zu nennen sind primär Barrington Moores Studie über die sozialen Ursprünge von Demokratie und Diktatur, ein von Heinrich August Winkler 1973 herausgegebener Sammelband zur politischen Sozialgeschichte Amerikas in der Zwischenkriegszeit und Jürgen Kockas Arbeit zur Lage und Haltung der Angestellten in Deutschland und den USA. Einen Vergleich zwischen der Politik des NS-Regimes und des New Deal allgemein skizzierte in dieser Zeit ein Aufsatz von John Garraty.8 Diese programmatischen Vorstudien, die aufein begrenztes Maß an Annäherung hinwiesen, wurden in beiden Ländern zwar breit rezipiert, ihnen folgten aber kaum vertiefende Studien.9 Während die Pioniere des systemübergreifenden Vergleichs sich seiner primär bedienten, um nach den Bedingungsfaktoren von Diktaturen und Demokratien zu fragen, kreist diese Arbeit um ein anderes Problem: die Krisenlösungskompetenz des »Dritten Reiches« im Vergleich zu der einer liberalen Reformdemokratie angesichts einer grundsätzlich ähnlichen und vor allem ähnlich wahrgenommenen krisenhaften Lage. Es handelt sich demnach nicht

8 Vgl. Moore; Winkler, Anti-New-Deal-Bewegungen, v.a. darin die Einleitung von Heinrich August Winkler; Kocka, Angestellte; Garraty, New Deal, S. 907-944. 9 Vgl. lediglich: Puhie\ Rupp\Garraty, Depression; Gassert, New Deal; Ickstadt, S. 1-16; Herbst, Wirtschaftspolitik, S. 153-176.

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um einen systemübergreifenden Vergleich der Ursachen der Weltwirtschaftskrise, sondern der Lösungsansätze.10 Für einen exemplarischen Vergleich zwischen der nationalsozialistischen Diktatur und dem N e w Deal bieten sich die Arbeitsdienste in besonderem Maße an. Diese beiden Vergleichsgegenstände, das heißt die Komparanden, haben eine hohe Aussagekraft, da sie sich an der Schnittstelle zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik, aber auch zwischen Ökonomie und Ideologie befanden. Außerdem spiegelten die Arbeitsdienste in besonderem Maße die jeweiligen Männlichkeits-, Menschen- und Gesellschaftsvorstellungen Deutschlands und der USA wider. Sie waren Instrumente der Massenmobilisierung und zugleich der Selbstinszenierung der jeweiligen politischen Ordnung. Schließlich sollten die Arbeitsdienste über den Kreis ihrer Angehörigen hinaus eine gesellschaftlich integrative Wirkung entfalten. So stellt sich die Untersuchung in den Kontext eines Gesellschaftsvergleichs der beiden Länder, ohne einen Totalvergleich auch nur anstreben zu können: Die Gesamtentwicklung beider Gesellschaften war die Bühne, auf der die Arbeitsdienste lediglich eine Nebenrolle spielten; eine Nebenrolle aber, die in allen Schlüsselszenen auftrat. Der Fokus liegt zudem weitgehend auf dem nationalsozialistischen Dienst, während die Vergleiche zum C C C und nachrangig auch zum deutschen Vorläufer, dem FAD, primär der Verortung und der Kontextualisierung dienen. Denn die Handlungsspielräume, Optionen und Alternativen zu dem Weg, den die NS-Einrichtung letztlich ging, werden über kein anderes Verfahren so deutlich wie über den Vergleich. In diesem Licht werden die deutschen Entwicklungen ihrer oft unterstellten Selbstverständlichkeit beraubt. Aufgrund dieses thematischen Zuschnitts liegen der Studie die folgenden Leitfragen zugrunde: Wurde der deutsche Arbeitsdienst erstens, wie die bisherige Forschung meinte, zwischen 1933 und 1945 durch innere Krisen erschüttert? Konnte er sich tatsächlich nie über ein »Schattendasein« hinaus entwickeln?" Analysiert werden die innere Funktionsfähigkeit und das äußere Behauptungsvermögen des deutschen Arbeitsdienstes auf den von ihm verfolgten Feldern. Für die ersten Jahre des Regimes wird dabei untersucht, inwieweit er einen wirksamen Beitrag zur Uberwindung der Krise leistete. Für die zweite Hälfte der 1930er Jahre wird dagegen erörtert, in welchem Verhältnis er zur Aufrüstung und zur Kriegsvorbereitung als dem Hauptziel des Regimes stand. Gefragt wird hierbei zum einen nach der Effektivität und somit nach der Leistung des Dienstes in absoluten Zahlen. Z u m anderen wird seine Effizienz - das heißt der Mittelein10 In der letzten Zeit nehmen die Arbeiten mit einem solchen Ansatz zu, vgl. jüngst z.B. Götz, Geschwister (Schweden und Deutschland); Overy mit einem multinationalen Vergleich und Bendavid-Val (UdSSR und USA) und Stoff zu Gesellschaftsvorstellungen in NS-Deutschland und im N e w Deal. 11 So der Begriffbei Benz, S. 342; ähnlich bei Köhler, Arbeitsdienst.

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satz oder die Kosten zur Erreichung dieses Ziels - analysiert. Wie gezeigt wurde, lassen sich solche Fragen besonders gut vor einem vergleichenden Hintergrund behandeln. Zweitens wird im Rahmen des Vergleichs nach der Genuinität gefragt, das heißt nach der Ursprünglichkeit der nationalsozialistischen Arbeitsdienstpolitik.12 Welche seiner Elemente entsprechen allgemein der Definition von Arbeitsdiensten, welche waren dem »Zeitgeist« der Depressionsjahre geschuldet und welche hatten schließlich systemspezifischen Charakter? Für diese Form des Vergleichs bietet sich eine Gegenüberstellung zur Vorläuferorganisation des nationalsozialistischen Arbeitsdienstes und zum C C C besonders an. Einerseits behielten die USA im Gegensatz zu Deutschland ihr demokratisches politisches System. Andererseits bestanden zwischen den beiden hochindustrialisierten, kapitalistischen Nationen in der Weltwirtschaftskrise genügend Ähnlichkeiten, so dass man von einem validen Vergleichsszenario sprechen kann. Denkbar wäre auch ein Vergleich zwischen dem FAD der Weimarer Zeit und dem amerikanischen Dienst. Da die Arbeit aber um den wenig erforschten NS-Arbeitsdienst kreisen soll, kann nur am Rande geprüft werden, ob der FAD der krisengeschüttelten Weimarer Demokratie mehr Ähnlichkeiten mit Roosevelts Initiative aufwies als mit dem RAD. Im Zentrum des Vergleichs steht deswegen der Anteil der Dienste an der Krisenüberwindung und die Erfüllung weiterer an sie gestellten Aufgaben in den Bereichen Arbeit und Erziehung. Das Krisenlösungspotential und die Krisenlösungskompetenz stellen so das tertium comparationis dar. Diese beiden Faktoren umschrieben Otto Büsch und Peter-Christian Witt als die »transökonomische« Dimension der Depression und bezeichneten sie zu Recht als eine wichtige Aufgabe künftiger Forschung: Sie handelt von den Strategien, mit denen die verschiedenen Länder auf die Weltwirtschaftskrise reagierten, und die durch eine Kombination aus politischen, sozialen, ökonomischen und kulturell-perzeptionellen Faktoren geprägt wurden. 13 Konkret wird verglichen, wie zum einen die Probleme der Jugendarbeitslosigkeit sowie in späteren Jahren der Kriegsvorbereitung und zum anderen der Erziehung der heranwachsenden Generation gemäß den Leitbildern einer Gesellschaft im Medium Arbeitsdienst bewältigt wurden. Die Untersuchung setzt 1933 ein, als der 1931 gegründete Freiwillige Arbeitsdienst in Deutschland gleichgeschaltet und in den USA das Civilian Conservation Corps gegründet wurde. Sie konzentriert sich fur Deutschland auf die Jahre bis zum Kriegsbeginn 1939. Für die Entwicklung, die der RAD in der folgenden Zeit durchlief, lässt sich weder im amerikanischen Arbeitsdienst 12 Vgl. zur Genuinitätsfrage grundsätzlich Herbst, Wirtschaftspolitik, S. 153-176. 13 Büsch/Witt, S. 15-26.

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noch in einer anderen Institution des New Deal ein sinnvoller Vergleichsgegenstand finden. Deswegen wird die Kriegsphase für den deutschen Dienst lediglich in mehreren Ausblicken erörtert. In dieser Zeit fand der Nationalsozialismus in einem rassistisch und ökonomisch motivierten Angriffskrieg zu sich selbst.14 Das neue Aufgabenprofil, das auch der Arbeitsdienst in diesem Zusammenhang ausbildete, entwickelte sich jedoch bereits 1938. Wenn der Schwerpunkt dieser Arbeit auf den Jahren bis 1939 liegt, kann sie, auch abgesehen von den Ausblicken auf den Zweiten Weltkrieg, alle wesentlichen Veränderungen, die der RAD in Hinblick auf den Krieg erfuhr, miteinbeziehen. Für das C C C endet die Studie zu einem Zeitpunkt, welcher der Zäsur des Jahres 1938 für den deutschen Dienst funktional entspricht, das heißt 1942. Kurz nach dem Kriegseintritt der USA wurde der amerikanische Arbeitsdienst aufgelöst, da auch er sonst größeren Veränderungen hätte unterworfen werden müssen. Die vergleichende Perspektive erklärt auch, warum sich die Studie auf Arbeitsdienste für Männer konzentriert. Erstens handelte es sich in Deutschland bei diesem um die weitaus größere und wichtigere Einrichtung als das Pendant für Frauen, das die längste Zeit nur einige zehntausend Personen erfasste. Zweitens ist der Arbeitsdienst für die weibliche Jugend gut erforscht. Die Eingrenzung wird drittens dadurch begründet, dass einem solchen Vergleich ein funktionales Äquivalent fehlte, da es keine entsprechende Einrichtung von nationaler Bedeutung in den USA gab. Viertens schließlich kann der deutsche Dienst für die weibliche Jugend nicht systematisch in den Vergleich einbezogen werden, da die Organisation, die Erziehung und die Arbeit dieser Institution sich wesentlich vom amerikanischen und vom deutschen Arbeitsdienst für Männer unterschied. Somit wären insgesamt drei relativ eigenständige Komparanden jeweils miteinander zu vergleichen, was zum einen im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist. Z u m anderen wäre der Erkenntnisgewinn der Gegenüberstellung der Fraueneinrichtung in Deutschland zum amerikanischen Dienst überaus gering. Der Vergleich verlöre demnach an Schärfe, würde der Arbeitsdienst für die weibliche deutsche Jugend integriert werden. Obwohl die nationalsozialistische Herrschaft eine der am besten erforschten Epochen der Geschichte überhaupt darstellt, liegt bislang keine Gesamtdarstellung vor über den Arbeitsdienst für die männliche Jugend zwischen 1933 und 1945. Das steht in krassem Kontrast zur Selbstwahrnehmung der Organisation nach 1933, als deren Leiter, der Nationalsozialist Konstantin Hierl, sie einen »Eckpfeiler im Wiederaufbau unseres Reiches und Volkes« nannte. 15 Auch anderen zeitgenössischen Zeugnissen und der Memoirenliteratur zufolge war die Einrichtung ein wesentlicher Teil des Alltags und des Erschei14 Vgl. z.B. Herbst, Deutschland, S. 9; Kershaw, Bd. 2, S. 325. 15 Hierl, Schriften, S. 345-349 (1933), Zitat S. 349.

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nungsbildes des nationalsozialistischen Regimes. U m s o schwerer wiegt die bisherige Vernachlässigung durch die Forschung. Die Diskrepanz lässt sich auf zwei Hauptgründe zurückführen. Erstens ist die Quellenlage für den Dienst überaus schlecht. O b w o h l der RAD im Vergleich zur SS und ähnlichen Einrichtungen vergleichsweise unbelastet war, gehörte er zu den wenigen Institutionen, die 1945 ihre Akten weitgehend zerstörten. Sowohl auf Reichsebene als auch f ü r seine regionalen Gliederungen sind fast n u r Splitterbestände überliefert. 16 Z u r Erforschung des RAD bedurfte es f ü r diese Arbeit deswegen des sehr aufwendigen Verfahrens, den U m w e g über die mit d e m Dienst zusammenarbeitenden Behörden in Staat u n d Partei sowie über andere Uberlieferungen zu gehen. Aus Dutzenden von Reichsministerien, NS-Massenorganisationen, Verbänden u n d regionalen und lokalen Bürokratien mussten hier Akten herangezogen werden. Ergiebig w u r d e das arbeitsintensive Verfahren erst durch den Wegfall der Benutzungsbeschränkungen f u r die ehemals in der D D R verwahrten Akten. Aufgrund des überlieferten Materials liegt ein Schwerpunkt dieser Arbeit auf staatsrechtlichen u n d finanziellen Fragen - denn die den Arbeitsdienst betreffenden überlieferten Akten aus d e m Reichsinnen- u n d dem Reichsfinanzministerium sowie d e m Rechnungshof des Reiches sind besonders zahlreich. Z u anderen Problemen, besonders im Bereich der praktischen Arbeit der Einrichtung, lassen sich dagegen keine gesicherten Aussagen machen. Als Glücksfall f ü r diese Studie erwies sich jedoch ein Forschungsaufenthalt in den USA, da sich auch in den National Archives in College Park relevante D o k u m e n t e für die nationalsozialistische Organisation fanden. 17 So ergibt sich m e h r als nur eine grobe Skizze des deutschen Arbeitsdienstes, aber weniger als ein vollständiges Bild. Darüber hinaus wird hier veröffentlichtes Material herangezogen, vor allem die nationalsozialistische Arbeitsdienst-Literatur, aber auch oppositionelle Stimmen wie die Berichte der S P D im Exil. Eine ergiebige Quelle f ü r die Anfangszeit des Regimes sind zudem Zeitungen, die teilweise systematisch ausgewertet, teilweise über die Ausschnittsammlungen des Stahlhelm, des Arbeitswissenschaftlichen Instituts der Deutschen Arbeitsfront, des Reichslandbundes u n d einiger weiterer Einrichtungen erschlossen wurden. Ergänzend liegen der Arbeit nach 1945 publizierte Memoiren und einige Interviews mit ehemaligen Angehörigen der Organisation zugrunde. Die zweite Ursache für das Fehlen einer Monographie zu d e m Dienst lässt sich mit einem N a m e n fassen: H e l m u t h Croon. Croon, der den RAD als Archivar in j u n g e n Jahren selbst kennen lernte, galt über Jahrzehnte als die Kapazität f ü r die Institution. Seit den 1960er Jahren, aber auch noch 1995, kündigte 16 Vgl. Croon, Aktenhaltung, Sp. 175,177. 17 Die als Film vorliegenden Akten der Record Group 242 befinden sich im Original zumeist in deutschen Archiven. A u f g r u n d anderer F i n d b ü c h e r in d e n U S A ließen sich aber zusätzliche Q u e l len erschließen.

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er eine umfassende Darstellung zum Arbeitsdienst an.18 Bis zu seinem Tod legte er diese aber nicht vor. Die schlechte Quellenlage und der »Faktor Croon« erklären zusammen weitgehend, warum sich die historische Forschung erst seit jüngstem dem Thema verstärkt zuwendet und warum zur Zeit mehrere Arbeiten entstehen, die Teilaspekte des Dienstes analysieren. Deswegen dürfte diese Forschungslücke - soweit es die Quellenlage zulässt - bald geschlossen sein.19 Bis heute haben einige Arbeiten aus den 1960er Jahren autoritativen Rang, die sich aber alle auf die Zeit vor 1933 konzentrieren. So bietet Henning Köhlers 1967 publizierte Dissertation eine ausführliche Ideen- und Organisationsgeschichte bis 1933 und einen kurzen Uberblick über die Weiterentwicklung bis 1935. Ungefähr zeitgleich und unabhängig davon erschien ein Artikel von Wolfgang Benz, der für denselben Zeitraum einer ähnlichen Fragestellung nachging. Für das »Dritte Reich« kamen beide zu dem Ergebnis, dass der Arbeitsdienst zunächst enorme Anlaufschwierigkeiten hatte und sich nie über ein marginales Dasein im Institutionengefüge des Regimes fortbewegen konnte. Beide Studien kreisten vor allem um die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen in der Entwicklung vom Freiwilligen Arbeitsdienst der Weimarer Republik zur gleichgeschalteten Einrichtung nach der Machtübertragung. Die beiden westdeutschen Autoren gelangten zu dem Urteil, dass zwischen der »sozialpädagogischen Hilfsmaßnahme bis zum Januar 1933« und der »Dauereinrichtung militärischen Gepräges« ein »scharfer Bruch« liege.20 Die Gegenthese vertrat zu derselben Zeit Wolfgang Schlicker in seiner Potsdamer Dissertation. Seine materialreiche Studie, deren Wert nicht zuletzt auf dem privilegierten Zugang zu den im Zentralen Staatsarchiv der D D R verwahrten Akten beruhte, befand, dass »unter den Bedingungen der faschistischen Diktatur« 1933 die Einrichtung geschaffen wurde, »die seit den Anfängen der Weimarer Republik von imperialistischen Kräften gefordert worden war«.21 Abgesehen von kleineren, nicht selten apologetischen Beiträgen war es danach längere Zeit ruhig um den Dienst. Lediglich der schmale, aber stetige Strom unwissenschaftlicher Schriften, oft aus der Feder ehemaliger Arbeitsdienstangehöriger, setzte sich fort.22 Dagegen wurde der im NS-Regime unbedeutendere Arbeitsdienst für die weibliche Jugend seit den 1970er Jahren gut 18 Vgl. die Hinweise bei Köhler, Arbeitsdienst, S. 9; Arbeitsgemeinschaft, S. 415. Von Croon erschienen sind lediglich einige kleinere Aufsätze, v.a. Croon, Arbeitslager, S. 221-234; ders., Jugendbewegung, S. 66-84. 19 Vgl. den Tagungsbericht Patel/Illmn, S. 450-452. 20 Köhler, Arbeitsdienst, S. 267; Benz, S. 317-346. 21 Schlicker, Freiwilliger Arbeitsdienst, S. 444; ähnlich Rasche; Petrick/Rasche, S. 59-70; Schlicker, Arbeitsdienstbestrebungen, S. 95-122. 22 Vgl. als apologetische Schriften z.B. Hierl, Dienst; Mallebrein-, Kläbe; ferner Schwenk, dessen ebenfalls problematische Arbeit zum Führerkorps momentan durch das Dissertationsprojekt von Michael Hansen überholt wird. Vgl. als kleinere oder weniger wichtige Schriften/lfc$oion; Vogelsang, S. 142-145; Bartz/Mor, S. 28-94, Olschewski, S. 614-618.

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aufgearbeitet.23 U m eine wichtige Dimension bereichert wurde die Forschung erst durch Beiträge von erziehungswissenschaftlicher Seite, die sich jedoch ebenfalls auf den FAD vor 1933 konzentrierten. Karl Bühler sah in seiner 1978 vorgelegten Dissertation in der Einrichtung Weimarer Zuschnitts eine pädagogische Institution, die »anthropologisch-bildungstheoretisch betrachtet« zu einem »wirkungsvollen Ansatzpunkt für die pädagogische Arbeit mit jungen Menschen« werden könne. Deswegen plädierte Bühler für eine Neuauflage des Programms als Mittel der staatsbürgerlichen Erziehung. 24 Demgegenüber interpretierte Peter Dudek den FAD der Weimarer Republik als ein Instrument der Sozialdisziplinierung, das bereits 1931 die Entwicklung zum RAD mit seiner »Entindividualisierung und Entsolidarisierung« einleitete. Zugleich betonte Dudek den Unterschied zu den ursprünglichen Plänen der Arbeitslagerbewegung vor der Institutionalisierung in Form des FAD, die dieses Defizit nicht aufwiesen. 25 Auf den pädagogischen Auftrag des Dienstes für die Jahre nach 1933 ging dagegen Karl-Christoph Lingelbach bereits vor Bühler im Rahmen einer größeren Arbeit zur Erziehung im Nationalsozialismus kurz ein. Lingelbach - wie andere nach ihm - lieferte darin eine Charakterisierung der Erziehungskonzeption des RAD, problematisierte aber kaum, inwieweit die Vorstellungen in die Praxis umgesetzt wurden. 26 Erst in jüngerer Zeit hat das Interesse am Arbeitsdienst während der NSHerrschaft zugenommen. Zu nennen ist neben der 1992 vorgelegten Doktorarbeit von Michael Jonas, die die Preußenverherrlichung im RAD analysiert, Wolfgang Seiferts 1996 publizierte, volkskundliche Dissertation zur Kulturarbeit in der Organisation. Sein Erkenntnisinteresse richtet sich auf die Kulturkonzeption und deren Umsetzung außerhalb des volkskundlichen Bereichs, und der RAD dient ihm dafür als Beispiel.27 Ahnlich wie Lingelbach analysiert Seifert vor allem die theoretische Seite der Erziehung, während die Frage, ob diese Vorstellungen in den Lagern auch verwirklicht wurden, nicht angemessen berücksichtigt wird. Im Kontext der Erforschung anderer Fragen wurde der RAD zudem in den letzten Jahren immer wieder am Rande behandelt, etwa von Dan Silverman in Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik und von Michael Schneider im Rahmen der Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung von 1933 bis 1945. Schließlich hat Norbert Götz bei einem Vergleich zwischen Ideologie und Praxis der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« und dem schwedischen Modell des folkhem auch

23 Vgl. v.a. Morgan·, Bajohr, S. 331-357; Kleiber, S. 188-214; Stephenson, Labor Service, S. 2 4 1 265; Miller-Kipp, Schmuck, S. 139-161; dies., Erziehung, S. 103-129; Vogel·, Watzke-Otte. 24 Bühler, S. 203. 25 Dudek, Erziehung, S. 253; vgl. ferner ders., Jugendpolitik, S. 141-166. 26 Vgl. Lingelbach·, überarbeitet vorgelegt 1987. 27 Vgl.Jonas; Seifert, Kulturarbeit.

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dem Arbeitsdienst einen Abschnitt gewidmet. 28 Aus diesen punktuellen Analysen ergibt sich allerdings bisher kein klares Gesamtbild der Einrichtung auf seinen drei Ebenen von Organisation, Erziehung und Arbeit. Das Fehlen einer solchen Synthese erklärt wahrscheinlich auch, warum der RAD in vielen Gesamtdarstellungen zum nationalsozialistischen Deutschland überhaupt nicht oder nur am Rande erwähnt wird. 29 Dagegen ist das C C C gut erforscht. Wie in der NS-Historiographie zum Arbeitsdienst setzte die Beschäftigung mit dem Corps in den frühen 1960er Jahren ein, und im Stil der New Deal-freundlichen, liberalen Geschichtsschreibung der Zeit wurde die Einrichtung als eine der besten der RooseveltAdministration gepriesen. Häufig wurde mit der historischen Analyse die Forderung nach einer Wiederauflage des Programms verbunden. Aus dieser Welle an Studien sticht John Salmonds brillante Gesamtdarstellung hervor, die vor allem die Organisationsgeschichte der Einrichtung umfassend darstellt.30 Seitdem wurden in einer Reihe von unveröffentlichten Dissertationen, Büchern und Aufsätzen zahlreiche Einzelaspekte vertiefend erforscht, etwa die Rolle der Armee, die regionale Dimension oder die Position ethnischer Minderheiten im Corps.31 Auffallend wenig hat sich die New Deal-kritische Historiographie der späten 1960er und 1970er Jahre mit dem C C C beschäftigt. Einen neuen Impuls erhielt die Forschung erst mit den Werken von Eric Gorham und Olaf Stieglitz im letzten Jahrzehnt, die mit Ansätzen der Geschlechtergeschichte und der Diskursgeschichte im Sinne Michel Foucaults arbeiteten. Aus diesen Perspektiven kritisierten sie vor allem das Primat der Disziplinierung, unter der das Corps gestanden habe, und die - in den Worten von Stieglitz - »offenkundig militaristischen, rassistischen, sexistischen und homophoben Bestandteile des CCC«. Neue Impulse gehen jetzt auch von Cornelius Mähers noch unveröffentlichter, umwelthistorisch angelegter Dissertation zum C C C aus. 32 Trotz der langen Forschungsgeschichte sind jedoch auch wichtige Probleme des amerikanischen Arbeitsdienstes kaum aufgearbeitet, etwa das Feld der prak-

28 Vgl. Silverman, Economy, S. 175-199; Schneider, S. 308-312, 392-402; Götz, Geschwister; jüngst zum R A D selbst Hansen, S. 51-75. 29 Vgl. als Ausnahme etwa Broszat, S. 332-334. 30 Vgl. Salmond, Corps; ferner Rawick; Saalberg; Woods·, Humphreys, S. 47-62; zudem den ausführlicheren Forschungsüberblick bei Stieglitz, Percent, S. 11-17, ders., Black. 31 Vgl. zur Rolle der Armee v.a. Killigrew; Johnson; Sherraden, Participation, S. 227-241; zum C C C in den Regionen z.B. Hendrickson, Corps, S. 66-96; McCarthy, S. 1-46; Pinto, S. 98-133; Montoya, S. 15-34; zu ethnischen Minderheiten u.a. Kifer, Parman; Gower, Struggle, S. 123-135; Cole, Experience; zur Rolle der ErziehungHerlihy, Pandiani, S. 348-358; zu Teilorganisationen im CCC Paige; Otis. 32 Vgl. Gorham, Practices, S. 229-249; und v.a. ders., Service; Stieglitz, Percent, Zitat S. 228; Mäher. 33 Vgl. zur praktischen Arbeit des R A D lediglich jüngst Silverman, Economy, S. 175-199; und

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tischen Tätigkeiten und vor allem das Verhältnis zwischen RAD u n d CCC. 3 3 Die Fragen, die der Vergleich aufwarf, machten es notwendig, die weitgehend komplett überlieferten Aktenbestände des Corps erneut zu konsultieren. In den National Archives wurde deswegen hauptsächlich der umfangreiche Bestand des C C C selbst herangezogen. Darüber hinaus liegen der Studie Akten des Präsidenten und seines Umfelds, die in der Roosevelt Library in Hyde Park verwahrt werden, zugrunde. Daneben basiert sie auf der Auswertung zeitgenössischer Zeitungen, Zeitschriften und Bücher. Aus mehreren G r ü n d e n liegt der Studie ein asymmetrischer, funktionaler Vergleich auf nationaler Ebene zugrunde. 3 4 Asymmetrisch ist der Vergleich, weil der Schwerpunkt der Arbeit auf dem deutschen Dienst nach 1933 liegt, während das C C C zwar auch systematisch analysiert wird, aber primär vor dem Hintergrund der Fragen, die der nationalsozialistische Arbeitsdienst aufwirft. Entsprechend werden die Ergebnisse für das amerikanische Corps in geraffter Form dargestellt. Die Entscheidung f ü r das ungleichgewichtige Vorgehen hat mehrere Gründe. Sie erklärt sich erstens aus dem Desiderat für die deutsche Einrichtung nach 1933, während die amerikanische gut erforscht ist: Mehrere umfassende Darstellungen seiner Entstehung und Entwicklung liegen vor, so dass es keiner weiteren, ausführlichen Studie bedarf. Es bietet sich somit an, das C C C als Kontrastfolie f ü r eine möglichst tiefenscharfe Analyse des deutschen Dienstes zu verwenden. Zweitens ist die Quellenlage für die deutsche Seite extrem schlecht, was seine U n t e r s u c h u n g sehr aufwendig macht. Eine Analyse von gleicher Tiefe für beide Dienste müsste deswegen sehr oberflächlich bleiben. Der asymmetrische Vergleich hat drittens einen methodischen Grund. D e n n nur in diesem Rahmen ist es möglich, systematisch nach funktionalen Äquivalenten zu fragen und damit die Bedeutung der Organisation f ü r die Gesellschaft insgesamt auszuloten. D e n n es werden nicht n u r zwei Institutionen einander gegenübergestellt, sondern es wird auch gefragt, welche weiteren Einrichtungen im einen Land die Funktionen erfüllten, die im anderen der Arbeitsdienst übernahm. Beide Dienste hatten mehrere Aufgaben, was sie zu komplexen Institutionen macht; beide waren - u m n u r einige Elemente zu nennen - Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, beide mussten sich zur Frage entscheiden, ob sie eine Wehrerziehung, eine Berufsschulung u n d schulähnlichen Unterricht anbieten sollten. Wenn sich ein Merkmal des RAD nicht auch im

in einigen Studien, die sich nicht primär mit dem Arbeitsdienst beschäftigen, z.B. Stammer, Alltag, S. 149-173; ders., Volksgemeinschaft; Kosthorst/Walter, für die USA v.a. Sherraden, Corps; Savage. 34 Vgl. grundsätzlich zum Vergleich und den mit ihm verbundenen Begriffen Haupt/Kocka, S. 9-45; Kaelble. Welskopp, S. 339-367 ist gegenüber den Erkenntnismöglichkeiten des asymmetrischen Vergleichs skeptisch, dagegen Haupt/Kocka, S. 16; Kocka, Comparison, S. 49.

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C C C findet, heißt das keineswegs, dass dieses Phänomen nicht auch in den USA existierte. Oft war es einfach in einer anderen Institution, in einem anderen Rahmen untergebracht. Es wäre naiv zu glauben, dass sich Gesellschaften oder ihre Organisationen direkt aufeinander abbilden. Ein solches Verständnis liegt aber vielen Vergleichen zugrunde, deren Komparanden Institutionen sind. Sie folgen einer essentialisierenden Annahme, die übersieht, dass bei ähnlich strukturierten und gleich bezeichneten Einrichtungen eine vollständige Ubereinstimmung der Aufgaben eher die Ausnahme als die Regel ist. Der Crux dieser nominalistischen, phänomenologischen Studien wird hier begegnet, indem der Fokus über die Arbeitsdienste hinaus vergrößert und auch nach funktionalen Äquivalenten in der jeweils anderen Gesellschaft gefragt wird. Ist zum Beispiel vom nationalsozialistischen Arbeitsdienst im Kontext direkter Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die Rede, so muss erstens kurz auf ähnliche Initiativen in Deutschland eingegangen werden, um den systemspezifischen Stellenwert des Dienstes ermessen zu können. Zweitens erfolgt ein Vergleich zum C C C , das aber ebenfalls im Institutionengefüge seiner Gesellschaft verortet wird. Letztlich versteht sich die Arbeit als ein funktionaler Vergleich von Institutionen - ein Ansatz, der im Kontext der gängigen Konzepte zum Vergleich begrifflich paradox ist und wie alle geschichtswissenschaftliche Theorie ihren Wert in der Praxis zeigen muss. Ein so verstandener, funktionaler Vergleich von komplexen Institutionen lässt sich jedoch kaum symmetrisch durchführen, da aufgrund der vielseitigen Aufgaben der Einrichtungen ansonsten von beiden Komparanden kommend immer noch weitere Elemente auf ihre funktionalen Äquivalente zu untersuchen wären. Vor allem dieser dritte, methodische Grund spricht für den asymmetrischen Vergleich. Daneben wird die Wahrnehmung des einen Dienstes im jeweils anderen Land untersucht. Es geht weniger um die Frage, ob diese Interpretation »richtig« oder »falsch« war, als vielmehr um deren Funktion in der perzipierenden Gesellschaft. Denn über das Bild vom Anderen lassen sich die Auslegung des eigenen Wegs und das jeweilige Selbstverständnis besonders deutlich ablesen. Für die Arbeitsdienste gilt, dass sie - wie viele andere moderne Einrichtungen auch - durch Maßnahmen, die man in einem anderen Land sah, geprägt wurden; freilich oftmals mehr durch die Selbstabgrenzung als durch die Anverwandlung von Elementen. Methodisch gesprochen verbindet die Arbeit so den Vergleich mit einer Analyse der wechselseitigen Wahrnehmungen und darüber hinaus mit dem, was Johannes Paulmann kürzlich die Erforschung »interkultureller Transfers« nannte: Moderne Gesellschaften sind keine geschlossenen Systeme, da sie in regen Austauschbeziehungen zu ihrer Umwelt stehen. Im Zentrum steht nach Paulmann nicht der »Transfer von Kultur, sondern zwischen Kulturen«. Wenn von Transfer die Rede ist, geht es demnach nicht um die unveränderte Übernahme von Elementen einer anderen Gesellschaft. Analysiert werden müssen vielmehr die Akkulturationsprozesse im Zuge des 25

Transfers. Deswegen wird hier Transfer als Prozess der Anverwandlung, der modifizierten Übernahme, verstanden. 35 Die Arbeit folgt somit dem Paradigma Marc Blochs, der - in seinem berühmten Artikel von 1928 - forderte, dass Vergleich und Transferanalyse zu verbinden seien, damit man nicht die transnationalen »grandes causes« zugunsten pseudolokaler Erklärungen übersehe. Dagegen war die Bielefelder Schule der Sozialgeschichte zumindest bis vor kurzem von deren Unvereinbarkeit überzeugt.36 Tatsächlich spielten in beiden Arbeitsdiensten die Wahrnehmung der jeweils anderen Einrichtung und Transferprozesse eine gewisse Rolle. Angesichts des globalen Charakters der Großen Depression und des durch sie ausgelösten Problemdrucks kam es zu internationalem Wissenstransfer, wie er sich in modernen Gesellschaften allgemein beobachten lässt. Das gleichzeitig weltweit feststellbare Erstarken von Protektionismus, Nationalismus und Konkurrenzdenken als weitere Folgen der Krise konnte diese Prozesse gegenseitiger Beobachtung und des Transfers offensichtlich nicht aufhalten. Die Systemgrenze zwischen einer krisengeschüttelten Demokratie und einer sich konsolidierenden Diktatur war nicht hoch genug, um diese Vorgänge zu unterbinden. Die wechselseitigen Wahrnehmungen und Transfers nicht zu untersuchen hieße demnach, eine der prägenden Dimensionen der Dienste auszublenden. Ohne diese transnationale Dimension wäre es außerdem kaum möglich, nach der Genuinität der NS-Arbeitsdienstpolitik zu fragen. Diese Ebene mit einzubeziehen ist aber auch aus einem methodischen Grund notwendig. Grundlage eines Vergleichs ist das Vorhandensein von zwei relativ unabhängigen, zumindest aber nicht-identischen Einheiten. Wäre deren Ähnlichkeit aufgrund einer Anverwandlung von Elementen des einen Dienstes durch den anderen zu hoch, müsste die Arbeit als Transfergeschichte statt als Vergleich angelegt sein. Für jeden Vergleich muss deswegen die Bedeutung der gegenseitigen Perzeption und des Transfers geklärt werden. U m das Ergebnis bereits vorwegzunehmen: Im Fall der Arbeitsdienste waren die Anverwandlungen nicht bedeutend genug, um den Transfer in den Mittelpunkt zu stellen, aber zu wichtig, um ihn auszublenden. 37 Perzeptionen und Übertragungen werden deswegen nicht in einem eigenen Kapitel diskutiert, sondern an verschiedenen Stellen in die komparative Fragestellung einbezogen. Insgesamt will die Arbeit so durch die Kombination aus Vergleich, Wahrnehmungs- und Transferanalyse methodisches Neuland betreten und einen Beitrag zur Debatte um die transnationale Weitung der Geschichtswissenschaft leisten.

35 Paulmann, S. 649-685, Zitat S. 678; vgl. auch die u m Middell, S. 7 - 4 1 , versammelten A u f sätze sowie zusammenfassend von amerikanischer Seite Bender u n d Patel, Perspektiven. 3 6 Bloch, S. 19; dagegen Haupt/Kocka, S. 10; dagegen w i e d e r u m z.B. Kaelble, S. 19-21. 37 Vgl. Kleinschmidt, S. 5 - 2 2 .

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Gegliedert ist die Studie in vier Kapitel. Das erste Kapitel umreißt die sehr gut erforschte Vorgeschichte von Arbeitsdienstvorstellungen u n d -verwirklic h u n g s f o r m e n vor 1933 ebenso wie die Folgen der Weltwirtschaftskrise, die die Einrichtungen maßgeblich prägten. Eine umfassende Analyse der U r s a c h e n u n d der Entstehung der G r o ß e n Depression wird dagegen nicht v o r g e n o m m e n . Da die Fragestellung der Arbeit u m die U b e r w i n d u n g der Arbeitslosigkeit j u n g e r M ä n n e r kreist, wird lediglich deren Lage dargestellt. D e r anschließende Hauptteil ist in die drei Segmente Organisation, Erziehung u n d Arbeit der Arbeitsdienste u n d ihres U m f e l d s unterteilt. Das zweite Kapitel analysiert die institutionelle Seite der beiden Einrichtungen. Auf dieser Ebene steht - wie allgemein in dieser Arbeit - der deutsche Dienst im Mittelpunkt. U n t e r s u c h t w e r d e n seine innere Funktionsfähigkeit, seine B e d e u t u n g im Amterdschungel der nationalsozialistischen Herrschaft u n d seine Funktion als Auffangbecken f ü r Arbeitslose. In diesem Z u s a m m e n hang w e r d e n auch die Zugangskriterien der Institution sowie die Funktion der W a h r n e h m u n g des C C C f ü r die Organisation des deutschen Dienstes diskutiert. Die sechs Unterkapitel, die diesen Problemen nachgehen, sind ungefähr gleichgewichtig in einen chronologischen Längsschnitt u n d einen systematischen Querschnitt unterteilt. Anschließend wird in kondensierter Form die Institutionengeschichte des C C C dargestellt. Eine vergleichende Z u s a m m e n fassung folgt. N u r kurz behandelt wird in d e m Kapitel die sozialgeschichtliche Frage nach d e m H i n t e r g r u n d des Führungspersonals des deutschen Dienstes, da sie T h e m a der m o m e n t a n entstehenden Dissertation von Michael H a n s e n ist.38 Für beide Komparanden sind Konzepte der new institutional history u n d besonders das der »state capacity« von Bedeutung. Es geht dabei u m die Frage, inwieweit der Staat über die Möglichkeit u n d die Ressourcen - wie z u m Beispiel Personal u n d Material, finanzielle Ausstattung u n d K n o w - h o w - verfugt, u m einmal definierte politische Ziele in die Praxis umzusetzen. 3 9 Das Modell, das ursprünglich f ü r andere Organisationen des N e w Deal entwickelt wurde, wird hier einerseits auf das C C C , andererseits aber auch auf den deutschen Dienst übertragen. W ä h r e n d der Begriff »state capacity« den Blick lediglich auf das Potential des Staates z u m Einsatz materieller u n d immaterieller Ressourcen lenkt, wird hier der breitere Begriffder institutionellen Kapazität verwandt, der auch nichtstaatliche Akteure berücksichtigt, f ü r Deutschland z u m Beispiel die NSDAP 38 Vgl. das Trierer Dissertationsprojekt von Michael Hansen bei Lutz Raphael mit dem Arbeitstitel: »Idealisten« und »gescheiterte Existenzen«. Das Führerkorps des Reichsarbeitsdienstes. 39 Vgl. den Sammelband Evans und v.a. die Einleitung von Skocpol; zudem Finegold/Skocpol, S. 51-57; Brinkley, S. 85-121 und jüngst Amenta·, als Forschungsüberblicke Nolte, S. 387-389; Patel, Strategien, v.a. S. 562-566. Ressourcen und Kapazität werden hier, im Gegensatz zur amerikanischen Vorlage, synonym verstanden - als Ressource (wie auch als Kapazität) wird nicht nur die Grundlage, sondern auch die Möglichkeit der Umsetzung politischer Ziele definiert.

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Anschließend widmet sich das dritte Kapitel der Erziehung, unter der Heinz-Elmar Tenorth folgend - wertneutral auch für den Nationalsozialismus die Praxis pädagogischer Arbeit verstanden wird. 40 Für den deutschen Dienst werden zunächst das Erziehungsziel und das diesem zugrunde liegende Menschenbild dargestellt. Weiter wird das Lagersystem mit seiner Ordnung von Zeit und Raum untersucht, das das Scharnier zwischen pädagogischer Konzeption und Praxis bildete. Die folgenden Unterkapitel gehen den Zieldimensionen der Erziehung nach. Z u m einen sollte der Dienst die jungen Männer körperlich ertüchtigen und ihnen ein spezifisches Männlichkeitsideal vermitteln. Z u m anderen diente er der »Charakterschulung« und der politischen Indoktrination. Da auch im Erziehungskapitel die Frage nach Funktionsfähigkeit und Erfolg in Bezug auf die selbst definierten Ziele im Zentrum steht, werden nicht nur die normativen Vorgaben, sondern auch deren Umsetzung in den Lagern erörtert. In diesem Zusammenhang stellt sich ebenfalls die Frage möglicher Transfers und Einflüsse durch das amerikanische Pendant. Der folgende Uberblick für das C C C folgt denselben Problemen, lotet aber auch kurz die Berufsvorbereitung als einen pädagogischen Auftrag aus, über den das Corps im Gegensatz zum RAD verfügte. Die Teilergebnisse für die pädagogische Dimension der beiden Institutionen werden anschließend miteinander verglichen. Die praktische Arbeit wird im vierten Kapitel analysiert. Auch in diesem Bereich ähnelten sich die beiden Einrichtungen lange Zeit in einem Maße, das auf den ersten Blick erstaunlich ist. Für den deutschen Dienst werden zunächst die Arbeitsfelder und die Einsatzplanung und -organisation in Abstimmung mit den verschiedensten Behörden vorgestellt. U m die nationalsozialistische Sinnzuschreibungder Tätigkeiten ermessen zu können, wird dann ein begriffsgeschichtlicher Abschnitt zum Verständnis von Arbeit eingeschoben. Weiter wird beispielhaft auf verschiedene Einsätze und Verwendungsformen des deutschen Arbeitsdienstes eingegangen, wobei auch hier Anspruch und Umsetzung miteinander kontrastiert werden. Einem Einblick in die praktischen Tätigkeiten des C C C , das demselben Raster folgt, schließt sich auch hier ein Vergleich an, bei dem die Effektivität und die Effizienz der Dienste beim Arbeitseinsatz einander gegenübergestellt werden. So folgen alle drei Teilkapitel des Hauptteils den Fragen nach innerer und äußerer Funktionsfahigkeit des deutschen Arbeitsdienstes als Mittel der Krisenüberwindung und der Kriegsvorbereitung. Der Vergleich mit dem C C C dient dazu, den Blick auf die Ergebnisse zum RAD zu schärfen und in einem größeren Zusammenhang zu verorten. Zu dieser transnationalen Dimension gehört auch die Analyse wechselseitiger Wahrnehmungen und Tranfers. In allen drei Teilen wird zudem die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen zwi40 Vgl. Tenorth, Erziehung, S. Til.

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sehen dem FAD vor 1933 und dem NS-Dienst erörtert; außerdem enthalten alle drei einen kurzen Ausblick auf die Entwicklung im Krieg. Die Ergebnisse fasst die Schlussbetrachtung zusammen. Insgesamt will diese Geschichte von Arbeitsdiensten mehr sein als eine reine Organisationsgeschichte. Sie versteht sich gleichermaßen als Beitrag zur Institutionen- und Erziehungsgeschichte des nationalsozialistischen Deutschlands und des N e w Deal in gesellschaftsgeschichtlicher Absicht sowie zur vergleichenden Analyse der Uberwindung der Weltwirtschaftskrise.

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I. Allheilmittel gegen die Große Krise? Arbeitsdienstvorstellungen und Verwirklichungsformen bis 1933

1. Vorläufer der Arbeitsdienste Der Arbeitsdienst im oben definierten Sinne ist ein Kind der Moderne. Er setzt neben einer vergrößerten Staatsgewalt mit der »Staatsunmittelbarkeit des Individuums« ein neues Staatsverständnis voraus, das sich erst mit der Aufklärung und der Französischen Revolution durchsetzte. 1 Fortan war der Mensch nicht mehr in eine hierarchische, korporative politische O r d n u n g mit zahlreichen autonomen Zwischengewalten eingebunden, sondern alle (männlichen) Bürger standen in einem direkten Verhältnis z u m Staat. So w u r d e n bisherige Statusunterschiede nivelliert und alle Individuen im Idealfall gleich behandelt. Zugleich erhielt die Staatsgewalt direkten Zugriff auf den Menschen. Damit sind die beiden Seiten, die dieses Verhältnis grundsätzlich hat, angesprochen: die Rechte wie die Pflichten sowohl des Staates als auch des Individuums. Diese neue Form der Bindung sollte sich im Modernisierungsprozess des 19. und 20. Jahrhunderts noch verstärken. Im Extremfall m ü n d e t e sie in eine totale Daseinsvorsorge einerseits und die absolute Verfügungsmacht bis hin zur physischen Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen andererseits. Arbeitsdienste sind nur ein Ausdruck dieser modernen Immediatbeziehung. Bekannter ist die moderne Wehrpflicht, die vom revolutionären Frankreich aus ihren Siegeslauf antrat. Sie stellt die Verpflichtung fürj e d e n männlichen Bürger dar, im Kriegsfall sein Leben für das Gemeinwesen zu riskieren. Allerdings w u r d e n als Gegenleistung dafür häufig politische Partizipation und andere Rechte versprochen - und manchmal auch gewährt. 2 Anders als in diesem Fall oder in dem der Schulpflicht lässt sich die Forderung nach einem Arbeitsdienst inhaltlich verschieden füllen. Das zeigt sich auf einer allgemeinen Ebene erstens an der Frage, ob der Dienst freiwillig ist oder als Pflicht und Zwang umgesetzt wird. In einemfreiwilligen Arbeitsdienst arbeitet eine bestimmte Sozialgruppe - zumeist junge Männer - f ü r eine gewisse Zeit auf voluntaristischer Basis zu gemeinnützigen Zwecken zusammen. In der 1 Reinhard, S. 407. 2 Vgl. grundlegend und mit genaueren Differenzierungen Frevert, Nation.

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Regel sollen die Personen auch gemeinsam leben, so dass es in den Stunden nach der Arbeit R a u m f ü r alle n u r denkbaren Formen von Erziehung gibt. Häufig finanziert der Staat die Einrichtung lediglich. Er führt die M a ß n a h m e n aber nicht selbst durch, sondern überlässt dies privaten Trägern. Dagegen meint Arbeitsdienstpflicht eine nicht n u r staatlich finanzierte, sondern in der Regel auch organisierte, gemeinnützige Arbeitsform. Sie erstreckt sich, ganz wie der freiwillige Arbeitsdienst, nicht auf die gesamte Bevölkerung, sondern für eine begrenzte Zeit auf einen genau definierten Personenkreis. U n t e r den Bedingungen der Pflicht soll dieser jedoch vollständig erfasst werden. Der Arbeitsdienst muss zweitens von der Arbeitspflicht abgegrenzt werden, die auch als Dienstverpflichtung bezeichnet wird. Sie zwingt alle arbeitsfähigen Personen einer Gesellschaft zu gemeinnütziger Arbeitsleistung - sie ist d e m nach nicht auf eine bestimmte Sozialgruppe beschränkt, sondern potentiell universell. Die Arbeitspflicht ist zudem im Gegensatz z u m Arbeitsdienst nicht zeitlich verbindlich begrenzt, hat keine erzieherische Komponente u n d wird normalerweise wie reguläre Berufstätigkeit bezahlt. Dagegen gibt es f ü r Arbeitsdienst zumeist nur ein Taschengeld. 3 Historisch gehört die Arbeitspflicht z u m Beispiel zu den Forderungen der Arbeiterbewegung; bereits August Bebel nannte sie ein »Grundgesetz der sozialistischen Gesellschaft«. 4 U n t e r anderen Vorzeichen umgesetzt w u r d e sie in Deutschland während des Ersten Weltkrieges in Gestalt des Vaterländischen Hilfsdienstes. Seit 1916 wurde demnach j e der männliche Bürger im Alter von 17 bis 60 Jahren, der nicht der militärischen Befehlsgewalt unterstand, zur Arbeit in Betrieben der Landwirtschaft oder der Industrie verpflichtet. 5 D e r Staat griff somit aufgrund der Bedürfnisse der Kriegswirtschaft massiv in die Arbeitsbeziehungen ein, u m sämtliche Ressourcen für die Kriegsanstrengung zu nutzen. Wenn im Folgenden die von H e n n i n g Köhler, Peter Dudek, Wolfgang Schlicker, Wolfgang Benz u n d anderen umfassend erforschte Vorgeschichte der Arbeitsdienste der 1930er Jahre kurz erörtert wird, 6 muss trotz des Unterschieds zwischen Arbeitsdienst u n d Arbeitspflicht immer wieder auch von letzterer die Rede sein. D e n n in der politischen Programmatik und Praxis wurde die Dienstverpflichtung häufig mit d e m Arbeitsdienst zusammengebracht, so dass die unterschiedlichen Konzepte miteinander verschwammen. Das wird der chronologische Abriss zur Diskursgeschichte des Arbeitsdienstes seit der Französischen Revolution ebenso verdeutlichen wie die darauf folgende typologische 3 Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 18. 4 Bebel, S. 375. 5 Vgl. R G B l . 1 9 1 6 , 1 , S. 1 3 3 3 - 1 3 3 9 ; dazu z.B. Seifert, Kulturarbeit, S. 22f. 6 Vgl. v.a. Köhler, Arbeitsdienst, S. 1 1 - 8 0 ; Dudek, Erziehung, S. 5 3 - 2 5 0 ; Schlicker, Freiwilliger Arbeitsdienst, S. 1 - 1 9 1 ; Schwenk, S. 4 - 2 4 ; Benz, S. 3 1 7 - 3 2 3 ; Bühler; Reinisch, S. 2 0 9 - 2 2 4 ; Hafeneger, S. 4 2 - 1 4 0 ; Seifert, Kulturarbeit, S. 1 7 - 5 8 .

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Analyse der Arbeitsdienst-Debatte in der Zwischenkriegszeit. Ausgeblendet werden hierbei alle noch älteren, vormodernen Vorstellungen, die bereits in die Richtung eines Arbeitsdienstes weisen. Denn im Unterschied zu vormodernen Überlegungen zu der Frage, die häufig dem utopischen oder dem philosophischen Denken entstammten, wurde seit der Französischen Revolution aufgrund des neuen Verhältnisses zwischen Staat und Individuum deren Umsetzung realistischer.7 Eine Vermengung von Arbeitsdienst und Arbeitspflicht findet sich schon während der Französischen Revolution. Z u m Beispiel forderte 1794 Teresa Cabarrus einen nationalen Pflichtdienst im sozialen Bereich für alle jungen Frauen. Cabarrus, die spätere Madame Tallien, war zwar selbst weniger wegen ihres Interesses an praktischer Arbeit bekannt denn als Schönheitskönigin und skandalumwitterte Geliebte oder Gattin verschiedener Revolutionsführer. Sie hatte bei ihrem Vorschlag auch weniger nationale Interessen vor Augen als der radikale Jakobiner Marc-Antoine Jullien, der eine ähnliche Idee verfolgte und den sie damals für sich gewinnen wollte. Ihre Initiative verweist umso mehr darauf, dass es im revolutionären Frankreich nach 1789 kein ungewöhnlicher Gedanke war, eine arbeitsdienstähnliche Organisation für Frauen zu fordern. 8 Ausführlich erörtert wurde die Einführung eines Arbeitsdienstes für Frauen zudem etwa im wilhelminischen Deutschland. Führende Vertreterinnen der bürgerlich-liberalen Frauenbewegung wie Gertrud Bäumer und Helene Lange sowie kirchliche und karitative Gruppierungen trugen die Debatte. Auch in dieser Kontroverse wurden Arbeitsdienst und Arbeitspflicht häufig nicht konzeptionell voneinander abgegrenzt, weswegen diese ebenfalls nur als Vorläufer der eigentlichen Arbeitsdienst-Diskussionen gesehen werden kann. Den in Bezug auf den Arbeitsdienst wichtigsten Beitrag in der Debatte leistete die Sozialreformerin Ida von Kortzfleisch, die nicht nur eine einjährige Pflichtausbildung für alle Mädchen im Fach Hauswirtschaft forderte, sondern mit ihrem 1897 gegründeten »Verein zur Errichtung wirtschaftlicher Frauenschulen auf dem Lande« auch versuchte, ihre Forderungen in einem experimentellen Rahmen zu realisieren. Von ihrem Vorstoß wurde zwar hauptsächlich die Forderung nach einer besseren Berufsschulung für Frauen rezipiert. Trotzdem hatte Kortzfleisch nicht nur ein vergleichsweise ausgefeiltes theoretisches Konzept vorgelegt, sondern mit ihrem Verein einen wichtigen Vorläufer der späteren Arbeitsdienst-Versuche initiiert.9 Es sollte bis zur Wende zum 20. Jahrhundert dauern, bis erstmals einigermaßen substantielle Planungen für einen Arbeitsdienst für Männer vorgelegt wurden. Denn Einrichtungen wie die Nationalateliers der Französischen Re7 Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 19. 8 Vgl. Marko, S. 335, wo das Traktat auszugsweise abgedruckt ist; zu Teresa Tallien (es gibt verschiedene Schreibweisen ihres Namens) Furet/Richet, S. 363f, 556. 9 Vgl. Korüfleisch; insgesamt zur Ideengeschichte des Arbeitsdienstes für Frauen Dammer.

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volution von 1848 können n u r in sehr eingeschränktem Maße als Vorformen gewertet werden, da sie eher Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen glichen. 1896 schrieb dagegen T h e o d o r Herzl imJudenstaat über ein Heer ungelernter Arbeiter, die in einer militärähnlichen Organisation ein künftigesjüdisches Gemeinwesen aufbauen sollten. Während Herzls knapp umrissenes Programm wied e r u m m e h r in die Richtung einer Arbeitspflicht ging, sprach sich 1912 der österreichische Privatgelehrte Josef Popper f ü r eine Arbeitsdienstpflicht aus. Seine »Nährarmee« sollte zur Sicherung des Existenzminimums der Gesellschaft eingesetzt werden. Dazu sollten alle Staatsbürger in ihrer Jugend mehrere Jahre z u m Dienst verpflichtet werden. Wie Herzl sah auch Popper den Auftrag der Einrichtung primär im Ökonomischen. Beiden Ausarbeitungen war z u d e m gemeinsam, dass sie d e m Arbeitsdienst keine explizit erzieherische Funktion zuwiesen. Im Z e n t r u m der Konzepte, die zwischen Arbeitsdienst und Arbeitspflicht changierten, stand vielmehr die militärisch organisierte Arbeitsleistung, die unter unterschiedlichen gesellschaftlichen Leitvorstellungen jeweils zur Besserung der nationalen Lage beitragen sollte. 10 Ein drittes Konzept neben Herzls u n d Poppers Überlegungen zeichnet sich dagegen durch seine sozialpädagogische Dimension aus. 1910 plädierte in den U S A der Philosoph William James für eine arbeitsdienstähnliche Einrichtung. Die ihr angehörenden Männer sollten zusammen gemeinnützige Arbeit verrichten. Im Z e n t r u m des Plans stand die pazifistische Idee, den Krieg über ein moralisches Äquivalent abzuschaffen. Die laut James f ü r eine Gesellschaft u n erlässlichen Prozesse der Gemeinschaftsbildung unter nationalen Vorzeichen, die normalerweise in militärischen Auseinandersetzungen stattfänden, sollte demnach ein Arbeitsdienst kompensatorisch übernehmen. 1 1 Insgesamt ist auffallend, dass die ideengeschichtlichen Vorläufer f ü r einen Frauendienst weiter zurückreichen als für ihr männliches Pendant. Der H a u p t grund liegt in der H o f f n u n g auf politische Emanzipation, die sich mit fast allen Vorschlägen für das weibliche Geschlecht verband. D e r Einsatz der Frauen sollte ihre Rechte stärken - was dem Bürger die Wehrpflicht war, sollte der Bürgerin der Arbeitsdienst werden. Darüber hinaus wird deutlich, dass sich Intellektuelle in den verschiedensten modernen Industrienationen mit d e m Problemkreis beschäftigten. Wirkliches Gewicht gewann die Diskussion aber erst nach 1918. D e r Erste Weltkrieg hatte maximale Kraftanstrengungen erfordert, und zur Mobilisierung aller Reserven hatte der Staatsinterventionismus international ein bisher unbekanntes M a ß erreicht. Vor diesem Hintergrund hatten Einrichtungen wie der Vaterländische Hilfsdienst in Deutschland die Potentiale der verschiedenen Dienstformen verdeutlicht. Besonders in Ländern, die durch den Krieg sehr 10 Vgl. Herzl, v.a. S. 37-41; Popper, v.a. S. 644. 11 Vgl .James, Equivalent.

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gelitten hatten, wurde der Arbeitsdienst als geeignetes Mittel zur Besserung der Lage gesehen. Teilweise galt er sogar als Allheilmittel. Besondere Attraktivität entfaltete der Gedanke in den Staaten, denen die Pariser Vorortverträge die Wehrpflicht verbot. Hier hoffte nicht zuletzt das Militär, mit dem Arbeitsdienst einen zeitweiligen Ersatz schaffen zu können. Vor diesem Hintergrund richtete der Kriegsverlierer Bulgarien die Arbeitsdienstpflicht bereits 1920 ein.12 Ähnlich war in der Weimarer Republik der Arbeitsdienst das Objekt intensiver politischer Debatten. Beispielhaft soll hier deswegen die sehr gut erforschte Vorgeschichte des deutschen Arbeitsdienstes kurz referiert werden. Als erste Gesellschaftsgruppe setzten sich ehemalige Soldaten des Weltkrieges für eine derartige Organisation ein. Da ihre Reintegration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft nach der Demobilisierung der Kriegsstreitkräfte im revolutions- und krisengeschüttelten Deutschland nur stockend voranging, ergriffen einige Betroffene selbst die Initiative. Vor allem die »Freikorps der Arbeit«, die Hauptmann Josef Aumann 1919 aus ehemaligen Angehörigen seiner Reichswehrbrigade zusammenstellte, wiesen in die Richtung eines Arbeitsdienstes. Die Männer waren primär bei der Bodenverbesserung eingesetzt, und sie sollten so einen Beitrag dazu leisten, Deutschland ökonomisch zu stärken. Die Projekte standen in engem Zusammenhang zu Reagrarisierungsplänen und zum Siedlungsgedanken. Das war jedoch kein Spezifikum von Aumanns »Freikorps«, sondern ein häufig anzutreffendes Charakteristikum der Konzepte der Zwischenkriegszeit. Der Einsatz bei arbeitsintensiver Handarbeit im primären Sektor war ebenfalls die Grundlage fast aller Vorschläge, die somit in modernen Gesellschaften für die Rückkehr zu vorindustriellen Arbeitspraktiken plädierten. Zugleich hatte Aumann den Anspruch, die Männer in dem einjährigen Dienst geistig und körperlich zu erziehen und unter völkischen Vorzeichen eine neue Gemeinschaft zu formen. Die pädagogische Seite war sogar der Kerngedanke: Durch eine allgemeine Arbeitsdienstpflicht sollte eine nationale Gemeinschaft völkischen Zuschnitts entstehen. Weil dem Weltkriegsoffizier jedoch die finanzielle Unterstützung des Staates auf die Dauer versagt blieb, lösten sich seine »Freikorps« 1923 auf.13 Allerdings wurde der Faden schon davor von der Jugendbewegung, den Wehrverbänden und vor allem der antirepublikanischen politischen Rechten aufgegriffen. Die theoretischen Konzepte, die zunächst häufig von Außenseitern entwickelt worden waren, traten so den Weg in die Mitte der Gesellschaft an. Trotzdem wurde keiner der Pläne mit staatlicher Hilfe umgesetzt. Wie Henning Köhler gezeigt hat, nahm das Interesse an dem Thema außerdem mit

12 Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 44. 13 Vgl. ebd., S. 18-20; Seiferl, Kulturarbeit, S. 24-27.

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der relativen Konsolidierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft ungefähr seit 1924 ab.14 Aber es sollte nicht lange still um den Arbeitsdienst bleiben. Als die Große Depression ab 1929 Deutschland traf, galt diese Form gemeinnütziger Arbeit bald wieder als Allheilmittel oder zumindest als geeignetes Instrument, um die Krise zu bekämpfen. Angesichts der verheerenden Massenarbeitslosigkeit wurde nun häufig die Pflicht des Staates betont, dem in Not geratenen Individuum zu helfen. Aber selbst angesichts der Krise blieb in Deutschland der Gedanke dominant, dass umgekehrt das Individuum zur Arbeit verpflichtet werden sollte - nicht das Recht des Bürgers, sondern das des Staates stand im Mittelpunkt der meisten Konzepte. Dieser Grundton lässt sich mit der staatsbezogenen politischen Kultur Deutschlands erklären und mit dem weitreichenden Anspruch, der mit dem Dienst verknüpft wurde. Er galt nicht nur als Mittel im Kampf gegen die ökonomische Krise und ihre sozialen Folgeerscheinungen wie Verwahrlosung und Kriminalität. Vielmehr sollte er auch den drohenden Bürgerkrieg durch die Stiftung eines neuen Zusammengehörigkeitsgefühls aller Deutschen verhindern. Trotzdem stellt es ein Paradox dar, dass in der gänzlich anders gelagerten Krise nach 1929 mit dem Arbeitsdienst das gleiche Rezept beschworen wurde wie unmittelbar nach Kriegsende. Dies lässt sich hauptsächlich daraus erklären, dass den Plänen keine profunde Problemanalyse zugrunde lag, sondern eine oberflächliche Analyse der Ursachen der Arbeitslosigkeit und eine diffuse Modernisierungsangst, die sich in dieser und ähnlichen Forderungen zur Reagrarisierung, der Entstädterung und der Gewinnung der Autarkie in der Landwirtschaft ausdrückte. 15 In der späten Weimarer Republik wurde der Arbeitsdienst so zu einem intensiv diskutierten Thema. Erneut trat hauptsächlich die politische Rechte für einen solchen Dienst ein. Jedoch konnte es sich nun keine politische Gruppierung mehr leisten, die Frage zu ignorieren. Wie sehr sich der ArbeitsdienstDiskurs verdichtet hatte, zeigte sich daran, dass gleich mehrere eigens gegründete Lobbys auf die Einfuhrung einer derartigen Organisation mit staatlicher Unterstützung hinarbeiteten. 16 Den einzelnen Plänen und Initiativen der Weimarer Republik braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden, da sie in zahlreichen Studien umfassend beleuchtet worden sind. Vielmehr soll eine Typologie die Debatte, die in verschiedenen Staaten gefuhrt wurde, zusammenfassend referieren. Jedes Konzept musste sich grundsätzlich in der Frage entscheiden, ob der Zugang zu der Einrichtung auf Freiwilligkeit oder Pflicht beruhen sollte. Es wäre jedoch ein zu grobes Raster, die Ansätze nur danach zu sortieren. Deswegen werden hier fünf Typen differenziert. Einschränkend muss festgehalten werden, dass häufig 14 Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 11-42. 15 Vgl. ebd., S. 51-80. 16 Vgl. insgesamt Dudek, Erziehung, S. 87-98; Köhler, Arbeitsdienst, S. 51-70.

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in einem Vorschlag unterschiedliche Stränge verknüpft wurden. Die einzelnen Typen lassen sich nicht nur in den deutschen Diskussionen finden, sondern in ähnlicher Gestalt in allen Arbeitsdienst-Debatten weltweit. In den verschiedenen Staaten divergierte lediglich das Gewicht, das die einzelnen Stränge hatten.17 Wenn im Folgenden jeweils Beispiele für die jeweilige Richtung benannt werden, soll das die internationale Dimension der Diskussion verdeutlichen. Ein erster Strang wurzelte im autoritären Etatismus. In diesen Konzepten waren der Staat und seine Interessen Ausgangs- und Bezugspunkt aller Überlegungen. Ein Arbeitsdienst hatte demzufolge die Aufgabe, dem zumeist autoritär gedachten Staat zu dienen. Die geleistete Arbeit galt als bedeutungsvoll, während der Erziehung ein nachgeordneter Stellenwert beigemessen wurde. Allerdings verknüpften etatistische Pläne Arbeitsdienst häufig mit Staatsbürgerschaft, weswegen nur der ein vollwertiger Bürger sein sollte, der in dieser Form der Gemeinschaft gedient hatte. In diesem Sinne wurde der häufig geforderten, allgemeinen Arbeitsdienstpflicht eine gemeinschaftsbildende Funktion beigemessen. Zugleich war sie häufig ein Einfallstor für die Beschränkung der Rechte der Arbeiterschaft. Der Arbeitsdienst war das Mittel, um eine freiheitliche Sozialverfassung mit verbrieftem Arbeitsrecht entweder zu zerstören oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Beispiele für den autoritär-etatistischen Strang der Debatte waren etwa in Osterreich die erwähnten Vorstellungen Poppers oder eine Initiative der Staatlichen Kommission für Arbeitslose in Schweden.18 Zweitens speisten sich viele Konzepte aus einem nationalistischen und oft auch revanchistischen Militarismus. Häufig waren sie mit autoritär-etatistischen Ideen amalgamiert, denn die Ubergänge zwischen diesen Ansätzen waren besonders fließend. Militaristische Planungen konnten an eine Diskussion anknüpfen, die seit dem frühen 19. Jahrhundert an Gewicht gewonnen hatte. Bereits Vertreter des frühen Nationalismus und der Bewegungskultur, wie in Deutschland Friedrich Ludwig Jahn, hatten vor dem Hintergrund der Niederlage gegen die Napoleonischen Heere auf die Bedeutung der körperlichen Ertüchtigung der Jugend hingewiesen. Angesichts der Ausweitung der Wehrpflicht auf immer mehr Staaten wurde dieser Gedanke im 19. Jahrhundert zunehmend wichtiger. Weiteres Gewicht gewann er vor dem Hintergrund der Industrialisierung und der sozialen Frage. Nun kam eine wachsende Zahl von Militärexperten zu der Uberzeugung, dass ein großer Teil des männlichen Nachwuchses den Anforderungen des Militärdienstes körperlich nicht gewachsen sei. Sie forderten deswegen, die Jugend möglichst früh zu körperlicher Härte zu erziehen; militärische Interessen und entsprechende Vorstellungen von Männlichkeit finden sich in den verschiedensten Ländern. Ein wichtiger 17 Vgl. als alternative Einteilungsvorschläge v.a. Seifert, Kulturarbeit, S. 54-58; Dudek, Erziehung, S. 57-60; Bühler, S. 17-39; Schernberg, S. 29f. 18 Vgl. zu Schweden Schweizerische Zentralstelle, S. 98-100.

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Impuls in diese Richtung ging zum Beispiel von Großbritannien mit General Sir Robert Baden-Powell und seiner Boy Scowfr-Bewegung aus, die bald in vielen Ländern kopiert wurde. Die genuin militärische Dimension versuchte darüber hinaus etwa in Deutschland Kolmar Freiherr von der Goltz in seinem »Bund Jung-Deutschland« organisatorisch umzusetzen. Nach 1918 gab es in zahlreichen Staaten ähnliche vor- und paramilitärische Jugendformationen, die mehr oder weniger staatlich unterstützt wurden. Ein vergleichsweise ausgefeiltes System schuf Ungarn bereits in den 1920er Jahren. 19 Aus naheliegenden Gründen fanden militaristische Arbeitsdienst-Konzepte in erster Linie in den Ländern viele Anhänger, denen nach dem Ersten Weltkrieg die Wehrpflicht verboten wurde. In Deutschland etwa sah Ernst Jünger in seinem 1932 veröffentlichten Buch Der Arbeiter im Arbeitsdienst unter den Bedingungen des modernen Krieges den idealen Ersatz für die Wehrpflicht; davon wird noch die Rede sein. Andere, wie der Stahlhelm, verstanden eine solche Einrichtung als temporären Notbehelf für die Zeit des Verbotes.20 Eine militaristische Dimension hatten in den 1930er Jahren aber auch die arbeitsdienstähnlichen Initiativen in Ländern wie Rumänien und Polen.21 In diesen Vorstellungen spielte die praktische Arbeit eine nachgeordnete Rolle gegenüber der militärischen Dimension. In den Verliererstaaten des Ersten Weltkrieges konnten diese Ziele freilich nicht offen ausgesprochen werden, da sie den Protest oder die Intervention der Siegermächte auf den Plan gerufen hätten. Als Deckmantel diente deswegen häufig der Hinweis auf die erzieherische Wirkung der Wehrpflicht, für die der Arbeitsdienst einen harmlosen Ersatz schaffe. Einen dritten Strang bildete der völkische Nationalismus. Im Bereich der praktischen Tätigkeit hatte der Arbeitsdienst demzufolge die Aufgabe, die Grundlage für eine an vormodernen Sozialbeziehungen orientierte Gesellschaftsordnung zu schaffen. Die Projekte lagen im primären Sektor und hatten die Reagrarisierung und die Entstädterung zum Ziel - diese Dimension lag zwar fast allen Arbeitsdienst-Konzepten zugrunde, die Völkischen betonten sie jedoch besonders. Vor allem in ihren Plänen war der Dienst eine sozialpolitische, erzieherisch wirkende Institution, in der über die gemeinsame Arbeit soziale Gegensätze aufgehoben werden sollten. Die neue Gesellschaft, die entstehe, beruhe demnach auf einer homogenen, harmonischen Nation, von der alle - zumeist rassistisch definierten - »Fremden« ausgeschlossen würden. Der Arbeitsdienst -wurde so zum Mittel einer quasi-utopischen Gesellschaftspolitik. Im Zentrum des Konzepts stand damit wiederum nicht die geleistete Arbeit, sondern der pädagogische Auftrag der Gemeinschaftsbildung. Anders als im 19 Vgl. Wichmann·, Eisenberg, S. 98-120, 261-291. 20 Vgl .Jünger und dazu Kapitel IV.2. dieser Arbeit; zum Stahlhelm Köhler, Arbeitsdienst, S. 151-154. 21 Vgl. zu den rumänischen »Muncii de Folos Obstecs« Schweizerische Zentralstelle, S. 93-97, zu den polnischen »Junackie Hufce Pracy« ebd., S. 81-92.

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autoritären Etatismus, der sich offen zum Zwangscharakter bekannte, begab sich der völkische Nationalismus häufig in die Aporie, an ein freiwilliges Engagement einsichtiger, scheinbar mündiger »Volksgenossen« zu appellieren, gleichzeitig aber die Einführung einer allgemeinen Pflicht zu fordern. Wie in etatistischen und militaristischen Konzepten sollte ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis die Grundlage der Organisation werden. Es ist wenig erstaunlich, dass diese Richtung in Deutschland viele Anhänger hatte. Aumanns »Freikorps der Arbeit«, der Jungdeutsche Orden, die NS-nahe Gruppierung der Artamanen und später die Nationalsozialisten selbst knüpften an diese Ideenwelt an.22 Viertens gab es in den verschiedenen Ländern ökonomische und sozialpädagogische Vorstellungen. Vor allem angesichts der Weltwirtschaftskrise gewannen die Stimmen an Gewicht, die einen Arbeitsdienst als Hilfe für junge Arbeitslose forderten. Die ökonomischen Vorschläge zielten primär darauf, Erwerbslose zu beschäftigen, um ihnen überhaupt eine Existenzgrundlage zu geben. Solche Konzepte finden sich hauptsächlich in Ländern, die kein ausgefeiltes Sicherungssystem für Arbeitslose und allgemein wenig Sozialstaatlichkeit hatten. Die sozialpädagogische Perspektive hatte dagegen in den Staaten mehr Gewicht, in denen fur eine materielle Grundversorgung der Krisenopfer gesorgt war. Arbeitsdienst sollte dann insbesondere den psychischen Problemen, die Erwerbslosigkeit hat, entgegenwirken. Nicht zuletzt das Arbeitsethos und das Selbstwertgefühl sollten gestärkt werden, indem die Betroffenen zumindest auf Zeit in die Arbeitswelt in Form eines gemeinnützigen Dienstes mit einbezogen wurden. Zugleich kam den Diensten die Aufgabe zu, soziale Folgeerscheinungen von Arbeitslosigkeit wie Verwahrlosung, Kriminalität und politischen Extremismus zu bekämpfen. Die meisten dieser Ideen besaßen tiefere Wurzeln. Sie fußten auf der Vorstellung, dass Integration in moderne Gesellschaften in erster Linie über Arbeit erfolge und dass der Staat in der Krise die Aufgabe habe, zugunsten der Arbeitslosen zu intervenieren. Demnach seien sie über ein Arbeitsprogramm in die Gesellschaft zu reintegrieren. Diese Argumentationslinie erklärt auch, warum der Arbeitsdienst aus dieser Perspektive gelegentlich mit der Arbeitsbeschaffung ohne explizit erzieherische Dimension verschwamm. Da der Fokus auf den aus der Gesellschaft Ausgesteuerten lag, plädierten die meisten derartigen Konzepte für das Zugangsprinzip der Freiwilligkeit - das Ziel musste darin bestehen, das Problem baldmöglichst zu lösen und den Dienst damit überflüssig zu machen. Somit handelte es sich um den Versuch einer ökonomischen Lösung sozialpolitischer Fragen. Primär auf diesen Ansatz gingen Brünings Vorstellungen vom FAD ebenso zurück wie diejenigen, die dem amerikanischen Arbeitsdienst zugrunde lagen. 22 Vgl. zum Jungdeutschen Orden und den Artamanen z.B. Köhler, Arbeitsdienst, S. 34—42.

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In diesen Kontext fallen auch Pläne, die der berufspädagogischen Praxis entstammten. Im Zentrum stand hier die berufliche Förderung und Weiterbildungjunger Arbeitsloser oder der gesamten Jugend. Ziel war demnach die Integration in den Arbeitsmarkt. Neben Konzepten, die auf die Interessen der Betroffenen selbst zielten, stand bei anderen die Schaffung disziplinierter, willfähriger Arbeiter im Interesse der kapitalistischen Wirtschaft im Mittelpunkt. Zwischen den beiden Schulen verlief ungefähr auch die Linie, die Freiwilligkeit und Pflicht voneinander trennt: Es liegt auf der Hand, dass sich individuelle Fördermaßnahmen nur an den Kreis zu richten hatten, der ihrer wirklich bedurfte. Dieses Konzept lag etwa den Government Training Centres zugrunde, die das britische Arbeitsministerium in den 1930er Jahren einrichtete; ein ähnliches Programm gab es zeitgleich zum Beispiel in Japan.23 Unter dem Primat der Disziplinierung sollten dagegen möglichst alle Jugendlichen erreicht werden. Diesen Ansatz verfolgten in Deutschland viele Arbeitgeber, unter anderem Karl Arnhold mit seinem schwerindustrienahen »Deutschen Institut für technische Arbeitsschulung«.24 In diesem Fall sollte der Arbeitsdienst zudem ein Mittel werden, um allgemein die Rechte der Arbeiterschaft zu beschränken. Fünftens schließlich basierten manche Ideen auf einem demokratischen Kommunitarismus avant la lettre. Eine arbeitsdienstähnliche Einrichtung hatte in dem Zusammenhang die Aufgabe, eine partizipatorische, verantwortliche Teilhabe mündiger Bürger in einer funktionsfähigen Demokratie zu fördern. Die Uberwindung von Klassenschranken und gesellschaftlichen Gräben waren auch hier das Ziel. Anders als bei den völkischen Nationalisten sollte dies jedoch nicht durch eine harmonisierende Rhetorik geschehen, die soziale Probleme lediglich überdeckte, sondern durch eine argumentative, möglichst vorurteilsfreie Auseinandersetzung der verschiedenen Lager. Die gemeinsame Arbeit der Jugend unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund war auch hier ein tragendes Element, sie sollte aber als Ausgangsbasis für einen rationalen Prozess der Gemeinschaftsbildung dienen. Zugleich setzten Ansätze dieser Art auf eine weitgehende Selbstorganisation. Wiederum stand somit nicht der ökonomische, sondern der sozialpädagogische Wert der Arbeit im Mittelpunkt. Im Deutschland vor 1933 gingen die Arbeitslager der Schlesischen Jungmannschaft in diese Richtung. Im Boberhaus als ihrem Tagungsort fanden seit 1928 mehrere Treffen von Studenten, Bauern und Arbeitern unter diesen Zielvorstellungen statt. Den anspruchsvollen theoretischen Hintergrund der Begegnungen arbeitete der Breslauer Juraprofessor und Universalhistoriker Eugen Rosenstock-Huessy aus, in dessen Vorstellungen der demokratische Kommunitarismus noch deutlicher angelegt ist als in den Umsetzungsversuchen. Auch wenn der Anspruch der Lager, Ausgangspunkt zu Begegnungen der ge23 Vgl. zu Großbritannien und Japan Schweizerische Zentralstelle, S. 27-33, 56-67. 24 Vgl. zum D I N T A Köhler, Arbeitsdienst, S. 132-137; Dudek, Erziehung, S. 83-87.

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samten Jugend zu werden, in der späten Weimarer Republik unrealistisch war und sich die Einrichtungen kaum zu einem reichsweiten Arbeitsdienst hätten erweitern lassen, handelte es sich doch um ein bemerkenswertes Experiment.25 In eine ähnliche Richtung gingen auch in den Niederlanden von Studenten initiierte Arbeitslager.26 Diesem Typ zuzurechnen ist ferner das Konzept des Schweizers Pierre Cérésole, der nach dem Ersten Weltkrieg einen Arbeitsdienst von Jugendlichen aus ehemals verfeindeten Nationen als Mittel der Völkerverständigung forderte.27 Es waren somit sehr verschiedene Vorstellungen, die in den verschiedenen Staaten mit dem Arbeitsdienst verknüpft wurden. Trotz aller Unterschiede galt er vielen als Allheilmittel für Nöte aller Art. Wie wenig durchdacht die meisten Vorschläge waren, wie oberflächlich und mit wie wenig Sachkompetenz die Probleme analysiert wurden, kann hier nicht im Einzelfall gezeigt werden; an den nationalsozialistischen Positionen wird dies später noch verdeutlicht. Es handelte sich aber in fast allen Fällen um »Vulgärtheorien«.28 Auf sozialpsychologischer Ebene drückt sich darin der ungeheure Problemdruck aus, dem die Zeitgenossen ausgesetzt waren: Das Zusammenfallen der beschleunigten Veränderung aller Lebensbereiche mit massiven Modernisierungskrisen ließ vorhandene Krisenlösungskonzepte obsolet erscheinen, weswegen scheinbare Wundermittel wie der Arbeitsdienst eine besondere Attraktivität gewannen. Am augenfälligsten wurde dies während der Weltwirtschaftskrise, in der die zuvor angelegten Krisenelemente ihren Höhepunkt erreichten.

2. Die Situation der Jugend in der Weltwirtschaftskrise bis 1933

Weltweit wurde kein anderer Staat so hart von der Weltwirtschaftskrise nach 1929 getroffen wie Deutschland und die Vereinigten Staaten. In diesen beiden Ländern waren der Rückgang der Massenkaufkraft und die Arbeitslosigkeit beides Faktoren, die für die Situation der Bevölkerung zentral sind - besonders groß. Am jeweiligen Tiefpunkt gingen offiziell in Deutschland 6,1 Millionen, in den Vereinigten Staaten 12,8 Millionen Menschen keiner geregelten Arbeit

25 Vgl. Rosenstock·, allgemein Köhler, Arbeitsdienst, S. 178-191. Vgl. bereits Rosenstocks Vorschlag von 1912, abgedruckt in Picht/Rosenstock, S. 3-9. Zur konzeptionellen Nähe zwischen Rosenstock und dem späteren Kommunitarismus vgl. Illian, Freiheit, S. 334-348; zu Rosenstocks Einfluss auf den deutschen Widerstand Roon, S. 141-159. 26 Vgl. Vletk, S. 54-59. 27 Vgl. Gestrick, S. 91f. 28 Köhler, Arbeitsdienst, S. 24.

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nach, was 33,9 % bzw. 24,9 % der Erwerbsfähigen entsprach. Hinzu kam in beiden Ländern eine hohe Dunkelziffer. 29 Die Arbeitslosigkeit verteilte sich dies- und jenseits des Atlantiks unterschiedlich auf die verschiedenen Regionen, Alterskohorten, Geschlechter, sozialen und Berufsgruppen. Z u den Hauptopfern der Krise zählte jedoch jeweils die berufsfähige Jugend. Darunter werden hier Personen beiderlei Geschlechts im Alter zwischen 16 und 25 Jahren verstanden, das heißt Menschen, die sich im Ubergang zwischen Kindheit und Erwachsensein befanden. In dieser Phase ihres Lebens wurden viele zu Opfern der Krise: Junge Arbeitskräfte wurden häufig als letzte eingestellt und als erste entlassen; sie waren im Durchschnitt länger ohne Beschäftigung und profitierten weniger von saisonalen Verbesserungen als andere Gruppen. Deswegen wuchs ihr Anteil an den Arbeitslosen ständig an. Als deren Zahl ungefähr zum Jahreswechsel 1932/33 in beiden Gesellschaften ihren absoluten Höhepunkt erreichte, kulminierte sie auch unter den jungen Arbeitskräften. So gab es in Deutschland bereits im Sommer 1931 eine halbe Million jugendliche Arbeitslose. Im März 1933 waren es mehr als dreimal so viel. In Berlin zum Beispiel waren Anfang 1933 63 % aller männlichen Jugendlichen unter 25 Jahren arbeitslos. Für die Vereinigten Staaten gibt es kaum Sozialstatistiken auf nationaler Ebene und auch keine nur einigermaßen zuverlässigen Arbeitslosenzahlen. Schätzungen zufolge waren aber 1933 von den 12,8 Millionen Arbeitslosen über 3 Millionen zwischen 15 und 24 Jahren alt. Zugleich waren Arbeiter unter 20 Jahren ungefähr doppelt so häufig erwerbslos wie Altere.30 Insgesamt drohte in beiden Gesellschaften eine ganze Generation verloren zu gehen. Die Hauptursache für die überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit der Jugendlichen lag in den sozialen Kriterien, nach denen Neueinstellungen und Entlassungen vorgenommen wurden. Jungen, unverheirateten Arbeitnehmern mit nur kurzer Betriebszugehörigkeit glaubte man die Erwerbslosigkeit eher zumuten zu können als Familienvätern oder altgedienten Kräften. Deswegen gelang vielen Berufsanfängern gar nicht erst der Eintritt in die Arbeitswelt. Wenn Jugendliche einen Platz für eine Ausbildung fanden, wurden sie häufig nach deren Ende nicht in den Betrieb übernommen. Die Unternehmen, die selbst oft um die schiere Existenz kämpften, stellten lieber einen neuen Lehrling ein, statt eine ausgebildete Kraft angemessen zu bezahlen. Schließlich war die Unerfahrenheit auf dem Arbeitsmarkt ein weiterer negativer Faktor fürj u n ge Arbeitssuchende. 31 29 Vgl. zu den USA Great Depression, S. 257, 268; zu Deutschland Winkkr, Katastrophe, S. 23f; mit einem internationalen Überblick Garraty, Unemployment, S. 165-215. Den Ursachen der Krise braucht hier nicht nachgegangen zu werden. Für die Entstehung der Arbeitsdienste sind vielmehr die Folgen und die Wahrnehmung der Depression von Bedeutung. 30 Vgl. Winkkr, Katastrophe, S. 48; Köhler, Arbeitsdienst, S. 81 ; Great Depression, S. 250,257; Stachura, S. 122f. 31 Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 81; Peukert, Republik, S. 247.

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Während in den USA die Krise junge Frauen härter traf als gleich alte Männer, verhielt es sich in Deutschland umgekehrt. In beiden Gesellschaften verdienten Frauen traditionell weniger als Männer, die derselben Beschäftigung nachgingen. Angesichts der Krise verwandelte sich in Deutschland die Diskriminierung in einen Vorteil: U m Lohnkosten zu sparen, verzichteten viele Arbeitgeber nun auf die teurere Arbeitskraft der Männer zugunsten von Frauen.32 Amerikanische Arbeitgeber hatten grundsätzlich dasselbe Interesse. Wenn dort trotzdem überdurchschnittlich viele Frauen entlassen wurden, erklärt sich dies aus der gesellschaftlich dominanten patriarchalischen Sicht, wonach in erster Linie den Männern zu helfen sei. Diese Vorstellung gab es freilich auch in Deutschland; in den USA war sie aber noch tiefer in der politischen Kultur verankert.33 Die Folgen der weit überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit waren verheerend für junge Arbeitskräfte. Im Gegensatz zu älteren Arbeitslosen hatten junge Arbeitskräfte noch nicht die Möglichkeit gehabt, Rücklagen für schlechte Zeiten zu bilden. Deswegen waren sie der materiellen Not stärker ausgesetzt. Dass sich die sozialen Sicherungssysteme hauptsächlich an Erwerbslose richteten, die bereits einige Jahre beschäftigt gewesen waren, verschärfte die Lage der Jugend zusätzlich. Sie waren deswegen in hohem Maße auf ihre Familien angewiesen, falls diese angesichts der Krise nicht zusammengebrochen waren oder ihre Anstrengungen darauf konzentrieren mussten, jüngere, noch arbeitsunfähige Kinder zu versorgen. Die verlängerte Abhängigkeit von den Eltern brachte jedoch nicht selten Konflikte mit sich. Auch psychisch litten junge Arbeitslose unter ihrer Lage mehr als ältere. Denn die Krise traf sie in einer ohnehin von Ubergängen und Unsicherheiten geprägten Phase ihres Lebens. In der Zeit, in der sich die Identität einer Person normalerweise festigt, wurde die ihre massiv in Frage gestellt. Hinzu kam die soziale Achtung, die den Betroffenen entgegenschlug. Das wirtschaftsliberale Credo, dass jeder Arbeitswillige eine Beschäftigung finde, wurde den Arbeitslosen - und gerade den jungen Erwerbslosen - aber nicht nur von ihrer Umwelt entgegengehalten. Auch viele der Krisenopfer hatten es selbst so tief verinnerlicht, dass sie die Schuld für ihre Lage primär bei sich suchten. 34 Auf diese Sinnkrise reagierten viele Betroffene mit Apathie. Sie verfielen in einen Zustand geistigen und körperlichen Stillstands, der häufig durch mangelhafte Ernährung noch verschärft wurde. Abstumpfung und Resignation hemmten alle Versuche, sich um eine Anstellung zu bemühen. Falls ein J u gendlicher nach längerer Arbeitslosigkeit trotzdem wieder Beschäftigung fand,

32 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 58. 33 Vgl. McElvaine, S. 182-184; Kennedy, S. 164. 34 Vgl. Leuchtenburg, Roosevelt, S. 118f.

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hatte er oft M ü h e , den Anforderungen gerecht zu werden: Disziplin und Arbeitsethos waren nachhaltig erschüttert. Auch die Verwahrlosung war eine häufige Folge der Arbeitslosigkeit und des Verlustes eines geregelten Tages- und Wochenablaufs. In ihr drückte sich nicht nur die materielle Not, sondern auch ein abnehmender Selbstrespekt aus. Damit wurde zugleich die Grundlage sozialen Kontakts untergraben. Viele Arbeitslose zogen sich zurück und suchten in der Anonymität Flucht vor der sozialen Ächtung. Manche dieser Arbeitslosen fielen in dauerhafte Lethargie, einige sahen im Suizid den letzten Ausweg. 35 Von denen, die sich nicht aufgaben, gingen viele dies- wie jenseits des Atlantiks auf Wanderschaft. O h n e festes Zuhause zogen sie durch die Gegend, übernachteten in Asylen oder auf der Straße. So waren in den U S A auf dem H ö h e punkt der Krise allein eine Viertel Million Jugendlicher als Schwarzfahrer mit Güterzügen unterwegs. Der Lebensstil der sogenannten roving boys war oft dem von Landstreichern und Abenteurern ähnlicher als dem von Arbeitsmigranten. 36 Auch in Deutschland befanden sich Zehntausende auf der Wanderschaft, und nur den wenigsten brachte der Ortswechsel neue berufliche Perspektiven. Eine durch die Krise in beiden Ländern markant gestiegene Zahl von J u gendlichen bewegte sich außerdem auf die Kriminalität zu. Gelegenheitsdiebstähle aus Hunger und Verzweiflung waren das eine; organisierte Formen des Verbrechens kamen hinzu. In deutschen Großstädten etwa bildeten arbeitslose Jugendliche »wilde Cliquen«. Diese Form proletarischer Selbstorganisation in der Krise ist nicht grundsätzlich mit kriminellem Handeln gleichzusetzen. Allerdings waren Schätzungen zufolge zum Beispiel in Berlin 30 % kriminell oder an der Grenze zur Kriminalität. Die Aggressivität, die den Verbrechen zugrunde lag, äußerte sich auch in Prügeleien und gefährlichen Z u sammenstößen einzelner Arbeitsloser oder ganzer Gruppen und »Cliquen«. Insgesamt lagen die Straftaten jedoch überwiegend in den Bereichen Raub, Einbruch und Diebstahl. Von 1931 bis 1932 stieg in Deutschland die Jugendkriminalität u m beängstigende 11,1 % an, bei Raub und räuberischer Erpressung sogar u m 23 %.37 Auch in den U S A nahm die Zahl der Delikte nach Beginn der Wirtschaftskrise deutlich zu, und wie in Deutschland waren insbesondere j u n ge Männer sowohl Täter als auch Opfer. 38 Ein für die Gesamtgesellschaft besonders gefährliches Potential ging zudem von dem gewalttätigen politischen Radikalismus aus, dem sich viele Arbeitslose zuwandten. Wiederum handelte es sich u m ein Phänomen, das primär männliche Arbeitslose betraf Dieses Problem stellte sich in Deutschland wesentlich dringender als in den USA. Zwar gab es auch in der Weimarer Republik keinen 35 36 37 38

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Vgl. McElvaine, S. 170-195. Vgl. Uys; Stieglitz, Generation, S. 408-415. Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 46-50; Peukert, Republik, S. 94-100. Vgl. Pandiani, S. 348-358.

direkten Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und politischem Radikalismus. Gleichwohl wurden am Ende der Weimarer Republik der politische Status quo durch den Links- wie durch den Rechtsextremismus massiv herausgefordert. Sowohl die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) als auch die NSDAP konnten gerade unter jungen, arbeitslosen Männern viele Anhänger gewinnen. Die Kommunistische Partei Deutschlands wurde bekanntlich während der Krisenjahre immer mehr zur Partei der jungen Arbeitslosen. Die NSDAP sprach dieselbe Klientel an, es gelang ihr aber zugleich, auch noch Millionen Menschen anderer sozialer Gruppen auf sich zu vereinigen. Besonders über ihre Kampforganisationen, den seit 1929 offiziell verbotenen Rotfrontkämpferbund und die SA, sprachen die beiden radikalen Parteien junge Arbeitslose an. Die Folgen waren nicht zu übersehen: Von 1931 bis 1932 nahmen in Deutschland insgesamt Mord um 6,4 % und Totschlag um 37,5 % zu, und Experten führten die dramatische Erhöhung maßgeblich auf gewaltsam ausgetragene politische Konflikte zurück.39 Auch wenn die soziale und politische Ordnung in den USA durch Rechtsoder Linksextremismus wesentlich weniger herausgefordert wurde als in Deutschland, so war dennoch in der amerikanischen Öffentlichkeit die Angst vor einer politischen Destabilisierung weit verbreitet. Entsprechend hart waren die Sanktionen, mit denen der Staat auf politischen Protest reagierte. Selbst gegen friedliche Demonstrationen eskalierte die Gewalt der Polizei immer wieder; als es - wie etwa am 6. März 1931 - in mehreren Städten zu kommunistischen Aufmärschen kam, reagierte die Polizei mit Tränengas, Schlagstöcken und insgesamt mit äußerster Härte.40 Auf die Probleme, die durch die Arbeitslosigkeit breiter Bevölkerungsschichten und besonders der Jugend hervorgerufen wurden, versuchten Deutschland und die USA bis 1933 mit einer Reihe von Mitteln zu reagieren. Entsprechend der Geschlechtervorstellungen in beiden Gesellschaften richtete sich die Hilfe primär an arbeitslose Männer. Jeweils handelte es sich jedoch selbst dabei um kleinere Programme. Denn prinzipiell hielten die nationalen Regierungen am Grundsatz des Laisser-faire fest, wie zunächst für Deutschland gezeigt werden soll. Die Weimarer Republik hatte zwar im internationalen Vergleich viele sozialstaatliche Elemente. Allerdings bot sie den Arbeitslosen kein eng geknüpftes Netz, sondern sicherte allenfalls den Grundbedarf.41 Die Leistungen wurden zudem angesichts der Krise immer weiter reduziert und besonders die jüngeren Arbeitslosen zugunsten älterer benachteiligt. Das zeigt sich etwa bei der staatlichen Arbeitslosenversicherung, die aufbauend auf gewissen Vorläuferorgani39 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 47-49, 595-604; Wirsching, S. 374f. 40 Vgl. Schlesinger, Crisis, S. 166f. 41 Vgl. Peukert, Republik, S. 132-149.

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sationen im Juli 1927 in Deutschland eingerichtet worden war. Sie legte fest, dass die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (RfAVAV) allen arbeitswilligen, arbeitsfähigen, unfreiwilligen Arbeitslosen, die bereits ein mehrmonatiges, versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis hinter sich und den Anspruch aufArbeitslosenunterstützung noch nicht ausgeschöpft hatten, finanzielle Hilfe gewährte. Durch die Neufassung von 1929, in der die Anwartschaft daran gebunden wurde, dass der Betroffene in den vorangegangenen zwei Jahren mindestens 52 Wochen gearbeitet hatte, wurde die Arbeitslosenversicherung für junge Arbeitslose jedoch zu einer kaum erreichbaren Hilfe. Kaum leichter war es für sie, in den Genuss der Krisenunterstützung zu kommen. Diese erhielten Arbeitslose, die in den letzten zwei Jahren mindestens 13 Wochen in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hatten, oder deren Anspruch auf Arbeitslosenversicherung erschöpft war. Wiederum im Jahr 1929 wurden Jugendliche unter 21 Jahren jedoch kategorisch von der Krisenfürsorge ausgenommen. Eine dritte Form der Unterstützung kam nicht vom Reich, sondern von den städtischen oder ländlichen Fürsorgeverbänden und damit letztlich von den Gemeinden. Die sogenannte Wohlfahrtsunterstützung sicherte häufig kaum das Existenzminimum. Machten allein die äußeren Bedingungen es jungen Arbeitslosen schwer, in den Genuss von einer der drei Formen der Hilfe zu kommen, so waren darüber hinaus die Unterstützungssätze gering und die maximale Versorgungsdauer mit Mitteln der Arbeitslosen- und Krisenversicherung jeweils kurz.42 Auch alle weiteren Angebote des Staates boten nur wenig Hilfe. Ein am Ende der Weimarer Republik zu kleines Programm waren die Notstandsarbeiten. Zu dieser Form der »wertschaffenden Arbeitslosenfursorge« konnten Erwerbslose, die ohnehin mit Mitteln der Arbeitslosenversicherung und Krisenfürsorge unterstützt wurden, durch die RfAVAV organisiert werden. Die Notstandsarbeiter wurden zu tariflichen Bedingungen bezahlt und in Bereichen wie der Bodenverbesserung oder dem Straßenbau beschäftigt. Da bis zum Sommer 1932 dafür jedoch kaum Kredite zur Verfügung standen und auch nach Bewilligung der großzügigen Arbeitsbeschaffungsprogramme unter den Reichskanzlern Papen und Schleicher die Umsetzung zunächst nur schleppend voranging, wurden bis 1933 so nur einige zehntausend Arbeitslose beschäftigt. Die Notstandsarbeiten der Gemeinden, die sich vielerorts in eine Pflichtarbeit für Wohlfahrtserwerbslose verwandelten, boten ebenfalls kaum eine Alternative.43 Die Maßnahmen schließlich, die sich direkt an junge Arbeitslose wandten, wurden entweder nicht umgesetzt oder brachten keine wirkliche Linderung. 42 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 22-33; Dudek, Erziehung, S. 100-106. 43 Vgl. Ayaß, S. 56-79; Barkai, S. 150-162.

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So wurde zwar in Preußen, wo immerhin knapp zwei Drittel der Bevölkerung Deutschlands lebten, Ende 1930 erwogen, der Volksschule ein neuntes Schuljahr hinzuzufügen. So sollte die Jugend vom Arbeitsmarkt und damit von der Beschäftigungslosigkeit ferngehalten werden. Der Plan wurde jedoch nicht umgesetzt. U m ein Absinken des Arbeitsethos und der Berufskenntnisse zu verhindern, stellte die RfAVAV im Winter 1930/31 außerdem Mittel für berufliche Bildungsmaßnahmen zur Verfugung. Die Idee, die Beschäftigungschancen von Arbeitslosen über eine Weiterqualifikation zu verbessern, erwies sich angesichts der immer weiter ausgreifenden Arbeitslosigkeit aber als wenig hilfreiches Mittel. Deswegen zielten schon bald immer mehr Kurse auf produktive Arbeit - erwerbslose Jugendliche erhielten zum Beispiel die Gelegenheit, in leerstehenden Fabriken Gegenstände für den Eigenbedarf herzustellen. In diesem Rahmen wurden im Haushaltsjahr 1931/32 immerhin rund 330.000 J u gendliche betreut. Da die Kurse jedoch nur einige Wochen dauerten, handelte es sich nur um eine kurze Unterbrechung der Arbeitslosigkeit.44 Uberlebenswichtig war für viele, auch fürjugendliche Arbeitslose, deswegen die freiwillige Wohltätigkeit von Parteien und Verbänden, Kirchen und Privatpersonen, Unternehmen und anderen Institutionen. Die von ihnen ausgegebene abgelegte Kleidung, aber auch andere Sachmittel, kleinere finanzielle Z u wendungen oder Volksküchen waren vor allem für die Ärmsten der Armen ein Rettungsanker. 45 Insgesamt taten die wechselnden Reichsregierungen am Ende der Weimarer Republik wenig, um die Not der Arbeitslosen, und gerade der jungen männlichen Arbeitslosen, zu lindern. Lange Zeit stand die gesamte Haushaltspolitik unter dem Primat der Deflation. U m von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges die Beendung der Reparationszahlungen zu erkämpfen, reduzierte der Staat im sozialpolitischen Bereich seine Leistungen. Er wollte so beweisen, dass er alles tat, um seine finanziellen Pflichten gegenüber den Siegerstaaten zu erfüllen. Diese Politik entsprach zugleich der international herrschenden Lehre der Nationalökonomie. Demnach ließ sich die Wirtschaftskrise am ehesten über eine Reduktion der staatlichen Ausgaben überwinden. Ausschlaggebend seien jedoch die Selbstheilungskräfte des Marktes.46 Viele Arbeitslose hatten trotzdem das Gefühl, dass man sie zugunsten abstrakter und vielleicht nie erreichbarer Ziele aufgebe. Deswegen bedeutete für sie der 1931 eingerichtete Freiwillige Arbeitsdienst, von dem noch die Rede sein wird, einen Lichtblick. Verglichen mit Deutschland waren die amerikanischen Maßnahmen zur Linderung der N o t noch unzureichender. Im Gegensatz zu Deutschland beteiligte sich bis 1933 die Bundesadministration fast gar nicht an der Unterstützung 44 Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 82-85. 45 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 51-53. 46 Vgl. Peukert, Republik, S. 247-252.

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von Arbeitslosen. An Programme speziell für junge Arbeitslose war deswegen gar nicht zu denken. Dementsprechend waren die arbeitslosen Massen weitgehend auf die unzulänglichen lokalen und privaten Wohlfahrtseinrichtungen angewiesen. Deren Leistungen unterschieden sich regional und lokal deutlich voneinander. Zumeist beschränkten sich die Wohlfahrtshilfen der Bezirks- und Stadtverwaltungen darauf, Lebensmittel an bedürftige Familien auszugeben. Beihilfen zur Miete wurden selbst in Metropolen wie New York und Chicago nur selten gewährt. Die Unterstützung lag außerdem selbst in den »großzügigen« Bezirken weit unter dem Existenzminimum. Ledige Arbeitslose hatten lange Zeit gar keinen Anspruch auf derartige Hilfe. So blieb vielen nur der Weg zu den kommunalen oder privaten Obdachlosenasylen und Armenspeisungen. Die Armenhilfe war jedoch grundsätzlich auf arbeitsunfähige oder -unwillige Personen zugeschnitten, nicht aber auf Millionen von Menschen. Auch in den USA »produktivierten« in dieser Situation manche Gemeinden ihre Erwerbslosenhilfe: Sie zwangen die Arbeitslosen zu gemeinnützigen Arbeiten. Da diese Form der Unterstützung sich aber bald als zu kostspielig erwies, erlangte sie nie große Bedeutung.47 Insgesamt war somit das amerikanische Sozialsystem noch weniger auf die Große Krise vorbereitet als das deutsche. Den meisten Kommunen und Einzelstaaten muss jedoch zugute gehalten werden, dass sie große Anstrengungen unternahmen, um den Arbeitslosen zu helfen. Sie vergaben nicht nur Almosen, sondern richteten auch kleinere Arbeitsbeschaffungsprogramme ein. Trotzdem waren ihre finanziellen Mittel und die Spielräume für Kredite bald erschöpft. So wurde der Ruf nach direkter finanzieller Hilfe durch die Bundesadministration immer lauter - eine Forderung, die von Präsident Hoover jedoch unerhört blieb. Der Republikaner Herbert Hoover, der 1928 zum Präsidenten gewählt worden war, verließ sich zur Uberwindung der Krise lange Zeit auf seinen Optimismus und auf die Selbstheilungskräfte des Marktes. Er folgte dem Rat der wirtschaftsliberalen Wirtschaftswissenschaftler, die damals tonangebend waren. 1930 richtete er lediglich ein Gremium ein, das den lokalen Instanzen beratend zur Seite stehen sollte und Spendenaufrufe an die Bevölkerung organisierte. Direkte finanzielle Hilfen des Bundes für die Arbeitslosen gewährte Hoover zunächst nicht, um an seiner rigiden Haushaltspolitik festhalten zu können. Erst im Sommer 1932 musste er seine restriktive Politik angesichts der sich ausweitenden Not aufgeben. Nun willigte er in ein Programm ein, mit dem der Bund Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanzierte und den Einzelstaaten in ihren Anstrengungen finanziell half 48 Trotzdem waren die Arbeitslosen bis 1933 im Wesentlichen auf lokale und regionale Initiativen angewiesen sowie auf traditionelle Unterstützungsquellen für Bedürftige wie die Kirchen oder die privaten Wohlfahrts47 Vgl. Mattick, S. 43-50; Schlesinger, Crisis, S. 169-176. 48 Vgl. McElvaine, S. 60-80; Kennedy, S. 85-94.

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Organisationen. Diese spielten in den USA eine bedeutendere Rolle als in Deutschland, und wenn in den Vereinigten Staaten Anfang der 1930er Jahre ein Massensterben aufgrund von Hunger ausblieb, ist dies ihnen zu verdanken. Insgesamt gab es bis 1933 somit keinen größeren Versuch, die Wohlfahrtsinstitutionen den Anforderungen der großen Arbeitslosigkeit anzupassen. Der New Deal mit seinem Staatsinterventionismus stellte deswegen einen nicht zu unterschätzenden Kurswechsel dar.49 Bei allen Ähnlichkeiten, die die Lage jugendlicher Arbeitsloser in Deutschland und den USA somit bis 1933 hatte, dürfen die Unterschiede nicht übersehen werden. In Deutschland war für die Grundversorgung der meisten Jugendlichen gesorgt, während diese in den USA existentiellen Nöten stärker ausgesetzt war. In den beiden Gesellschaften war die Hilfe zudem unterschiedlich organisiert: Während in Deutschland die Aufgabe hauptsächlich auf den Schultern des Reiches und der Kommunen ruhte, lag sie in den USA in erster Linie bei den Gemeinden und der Gesellschaft allgemein, während die Bundesadministration keine große Rolle spielte. Die unterschiedliche Ausprägung korrespondierte mit dem Charakter des jeweiligen Nationalstaats. Die deutschen Regierungen verfügten über wesentlich mehr Kompetenzen und Ressourcen als ihr amerikanisches Pendant. 50 Diese Unterschiede spiegelten sich ihrerseits auch in den unterschiedlichen politischen Kulturen der beiden Staaten wider: der hohen Bedeutung, die in den USA dem Individuum und seiner Bewährung beigemessen wurden, einerseits, und andererseits dem stärkeren Bezug auf die Gemeinschaft und den Staat in der deutschen Geschichte. 51 Zugleich waren die ökonomischen Ressourcen Amerikas, der Krise Herr zu werden, ungemein größer als die deutschen. Trotzdem ähnelte sich die soziale Not junger Arbeitsloser zunächst weitgehend. Deswegen waren sich auch beide Gesellschaften gleichermaßen bewusst, dass die Bekämpfung der J u gendarbeitslosigkeit eine der vordringlichsten Aufgaben war. Vor dem Hintergrund der Krisenerfahrungen und der Diskussionen wurde in Deutschland 1931 ein staatlich unterstützter, nationaler Arbeitsdienst eingeführt; von ihm wird eigens die Rede sein. Die USA gingen diesen Schritt nicht, was angesichts der Haltung Hoovers wenig erstaunlich ist. Deswegen sollen hier kurz die wichtigsten Initiativen vorgestellt werden, die dem Civilian Conservation Corps vorangingen. In den Vereinigten Staaten hatte sich der Diskurs über einen Arbeitsdienst bis 1933 vergleichsweise wenig verdichtet. Z u m Beispiel wurde der Vorschlag von William James für einen Arbeitsdienst in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Daran änderte die Weltwirtschaftskrise nichts. Auch in den europäischen Ar49 Vgl. Palei, Strategien, S. 578f. 50 Vgl. Finegold/Skocpol, v.a. S. 3 1 - 6 5 . 51 Vgl. zu d e n U n t e r s c h i e d e n in politischer Kultur u n d Mentalität bereits Weber, Ethik; f e m e r Zöllner, S. 259-326.

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beitsdiensten sah das Amerika der frühen 1930er Jahre keine Inspirationsquelle; sie wurden kaum beachtet.52 Vorläufer für das CCC waren lediglich verschiedene kleinere Arbeitsbeschaffungsprogramme ohne eine explizit erzieherische Dimension. So hatten mehrere Einzelstaaten, darunter Kalifornien und Washington, angesichts der Krise derartige Maßnahmen aufgelegt. Auch der spätere Präsident Roosevelt trat mit einer Initiative hervor. Roosevelt, der seit 1929 für die Demokratische Partei Gouverneur im Bundesstaat New York war, fasste 1932 ungefähr 10.000 Arbeitslose für Aufforstungen in einem Arbeitsbeschaffungsprogramm zusammen. Der künftige Präsident gab der Einrichtung ebenfalls keine explizit pädagogische Dimension. Außerdem war die soziale Not der Erwerbslosen nur eines der beiden Hauptmotive bei dem bezogen auf die Einwohnerzahl des Staates - kleinen Programm. Ebenso wichtig war Roosevelt eine Verbesserung des desolaten Zustands der amerikanischen Wälder, die unter Jahrhunderte langem Raubbau litten. Bereits als junger Abgeordneter im Staat New York war er für Naturschutz und schonendere Bewirtschaftungsmethoden eingetreten. Auf dem Familiengut Hyde Park hatte er außerdem selbst mit solchen Ansätzen experimentiert.53 Der wichtigste Vorschlag, der in Richtung des späteren CCC wies, zielte ebenfalls auf ein Arbeitsbeschaffungsprogramm. Im Januar 1933 brachte der Senator James Couzen, der dem linken Flügel der Republikaner angehörte, eine Gesetzesvorlage in den Kongress ein. Er schlug vor, die Armee damit zu beauftragen j u n g e arbeitslose Männer zwischen 17 und 25 Jahren in Kasernen der Armee unterzubringen, zu versorgen und zu beschäftigen. Weil die Armee die Herausforderung nicht annehmen wollte, hatte der Vorschlag von Anfang an geringe Erfolgschancen. Couzens Initiative war zudem zum Scheitern verurteilt, da sie in eine Zeit fiel, in der der amerikanische Kongress handlungsunfähig war. Denn der bisherige Präsident Hoover hatte in der Wahl vom 8. November 1932 eine vernichtende Niederlage erlitten, und sein Nachfolger Roosevelt sollte erst im März des folgenden Jahres das Amt übernehmen. Alle größeren Reformvorhaben, die in diese Zwischenphase fielen, hatten deswegen kaum Aussichten, verwirklicht zu werden. Couzens Vorschlag war für die Geschichte des CCC trotzdem bedeutungsvoll, weil bereits er eine Beteiligung der Armee vorsah. Dennoch konnten die Vereinigten Staaten von Amerika 1933 weder auf konzeptioneller noch auf praktischer Ebene auf wesentliche Vorarbeiten für einen Arbeitsdienst zurückgreifen; sieht man einmal von Plänen ab, die in eher loser Beziehung zur Arbeitsdienstidee stehen, etwa die aus den ersten Jahren nach dem Weltkrieg stammenden Überlegungen zur Ansiedlung von Soldaten.54 52 Vgl. Holland, Youth. 53 Vgl. Mäher, S. 27-77; Sautter, S. 59-86; Bellush, S. 125-149. 54 Vgl. z.B. Saalberg, S. 6f.

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Dagegen hatte Deutschland 1933 nicht nur eine intensive Diskussion über das Thema geführt. Vielmehr gab es aufgrund des anderthalb Jahre zuvor gegründeten Freiwilligen Arbeitsdienstes auch Erfahrungen beim Aufbau einer solchen Organisation. Der FAD der Weimarer Republik soll im Folgenden untersucht werden, da er die wichtigste Vorläuferinitiative des nationalsozialistischen Arbeitsdienstes darstellt. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Haltung der NSDAP gegenüber der Einrichtung vor 1933, da sie für die Weiterentwicklung während der nationalsozialistischen Herrschaft von zentraler Bedeutung ist.

3. Der Vorgänger in Deutschland: Der Freiwillige Arbeitsdienst von 1931 bis 1933 und das Engagement der NSDAP

In Deutschland gab es deutlich mehr Konzepte und Initiativen als in den USA, die einem staatlichen Arbeitsdienst vorarbeiteten und ihn zugleich forderten. Neben Aumanns »Freikorps der Arbeit« oder den Arbeitslagern der Schlesischen Jungmannschaft wäre eine lange Reihe ähnlicher Projekte zu nennen, die sich in seine Vorgeschichte einreihen. 55 Mit dem Einsetzen der Wirtschaftskrise forderte hauptsächlich die antirepublikanische Rechte einen Arbeitsdienst in Form der Arbeitsdienstpflicht. Während alle Reichsregierungen vor ihm deren Initiativen und Anträge hatten zurückweisen können, sahen sich Reichskanzler Brüning und sein Kabinett angesichts der Depression zu einer wesentlichen Konzession gezwungen. Mit der »Zweiten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen« vom 5. Juni 1931 wurde die Grundlage für den Freiwilligen Arbeitsdienst geschaffen. Bereits im Januar des Jahres hatten sich die Reichsregierung und die großen Wirtschaftsverbände auf einer Konferenz im Reichsarbeitsministerium gegen die Arbeitsdienstpflicht ausgesprochen. Aufgrund des wachsenden öffentlichen Drucks wurde jedoch gleichzeitig ein Gutachtergremium zu der Frage eingesetzt, die sogenannte Brauns-Kommission. Ganz im Sinne Brünings sprach sie sich gegen die Arbeitsdienstpflicht aus, empfahl aber einen Freiwilligendienst für Arbeitslose - es handelte sich um ein wohl dosiertes Zugeständnis an die politische Rechte, das sich nicht zuletzt aus dem erdrutschartigen Wahlsieg der NSDAP bei den Septemberwahlen 1930 erklärt. Aus der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit war sie damals zur zweit-

55 Vgl. die umfangreiche Literatur, v.a. Köhler, Arbeitsdienst; Dudek, Erziehung.

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stärksten Partei Deutschlands geworden. Nicht zuletzt weil die Nationalsozialisten die Arbeitsdienstpflicht befürworteten, erschien es Brüning nun unklug, bei seinem strengen Nein zu bleiben.56 Die Notverordnung vom Juni sah vor, dass ein zusätzlicher Paragraph in das Gesetz zur Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung einzufügen sei. Die neue Bestimmung hielt in groben Umrissen und lapidarer Form einige Leitgedanken zur Institution, zu Einsatzformen und der rechtlichen Stellung eines neu zu schaffenden, freiwilligen Arbeitsdienstes fest. Während der Reichsarbeitsminister die Durchführungsbestimmungen erlassen sollte, wurde die finanzielle Förderung und der praktische Aufbau der Institution der RfAVAV übertragen. Zugangsberechtigt zu der Einrichtung waren nur Empfänger von versicherungsmäßiger Arbeitslosen- und Krisenunterstützung damit war die übergroße Mehrheit der Langzeitarbeitslosen, die Mittel der kommunalen Wohlfahrtsunterstützung erhielten oder gar nicht gefordert wurden, ebenso ausgeschlossen wie alle erwerbstätigen Personen. Der Dienst begründete kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts. Formal gab es keine Altersbegrenzung, wenngleich sich das Programm primär an die arbeitslose Jugend richtete. Zudem galten nur »gemeinnützige zusätzliche Arbeiten« als förderwürdig, und das Gesetz nannte als konkrete Tätigkeiten Bodenverbesserungen, kleinere Verkehrsprojekte und einige ähnliche Arbeitstypen. Der Charakter der Projekte sollte gewährleisten, dass auch die Allgemeinheit vom Arbeitsdienst profitierte. Es handelte sich um eine wertschaffende Erwerbslosenfürsorge, da keine zusätzlichen Mittel bewilligt wurden. Vielmehr finanzierte die RfAVAV aus dem Kreis der von ihr Unterstützten nun statt Arbeitslosigkeit Arbeitsdienst. Die Baustellenarbeit plante und organisierte nicht der Staat, sondern die »Träger der Arbeit«: Körperschaften des öffentlichen Rechts, aber auch alle nur denkbaren Vereinigungen und Stiftungen kamen dafür in Frage. Ausgeschlossen blieben zunächst lediglich Unternehmen der privaten Wirtschaft. 57 In mehreren, kurz darauf erlassenen Bestimmungen wurde deutlich, dass zu den Trägern der Arbeit, die für den Einsatz auf den Baustellen zuständig waren, die »Träger des Dienstes« treten sollten. Wiederum übernahm nicht der Staat die Aufgabe, sondern er delegierte sie. »Vereinigungen und Verbände« sollten die Männer gruppenweise in Lagern zusammenfassen. 58 So konnten Massenverbände und Kirchen, Vereine und Parteien institutionell an der Einrichtung teilhaben, solange sie den FAD nicht zu staatsfeindlichen Umtrieben missbrauchten.59

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Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 71-80, 87-98. RGBl. 1931,1, S. 295. RABI. 1931,1, S. 180. Vgl. RGBl. 1931,1, S. 398.

Dieses Konstrukt war Ausdruck des staatlichen Versuchs, mit möglichst geringem Einsatz einen Arbeitsdienst ins Leben zu rufen. Die Gesellschaft und weniger der Staat trug die Einrichtung, abgesehen von der Finanzierung. Grundsätzlich würden das Gesicht und die Größe der Institution davon abhängen, welche gesellschaftlichen Kräfte sich wie stark engagierten. Das Grundgerüst beruhte auf dem Vertrauen in einen flexiblen Marktmechanismus mit wenigen staatlichen Vorgaben sowie einer dezentralen Organisationsstruktur; es basierte letztlich auf Angebot und Nachfrage. Denn prinzipiell konnten auch die vom Reich unterstützten Erwerbslosen zwischen Arbeitslosigkeit und FAD wählen, da der Zugang auf absoluter Freiwilligkeit basierte. Die Angehörigen konnten jederzeit, ohne Gründe anzugeben und ohne Nachteile befürchten zu müssen, austreten. Der FAD in der Form von 1931 war somit nicht aufgrund materieller Anreize für Erwerbslose interessant, sondern nur, weil er ihnen eine Beschäftigung bot. Insgesamt kann man den Charakter des Arbeitsdienstes von 1931 bis 1933 in einem Paradoxon zusammenfassen: Er war eine staatsinterventionistische Maßnahme mit einer wirtschaftsliberalen Grundstruktur. 60 Die Verordnung hielt außerdem fest, dass die Verweildauer im Dienst auf 20 Wochen beschränkt sei. Für die Finanzierung gab es zwei Modelle: Entweder zahlte die RfAVAV die bisher gewährte Unterstützung für den Arbeitslosen während seiner Zeit im Arbeitsdienst. Oder es wurden pro Mann und Arbeitstag zwei Reichsmark bezahlt, was gegenüber dem ersten Modell einer geringfügigen Besserstellung gleichkam.61 Die Einbettung des FAD in die Erwerbslosenhilfe verdeutlicht ferner, dass die Regierung Brüning von den oben differenzierten Arbeitsdienst-Typen im Wesentlichen einen sozialpädagogischen Ansatz vertrat. Arbeitsdienst sollte zielgenaue Hilfe für ohnehin staatlich unterstützte Arbeitslose sein und die psychischen und arbeitsethischen Folgen von Erwerbslosigkeit bekämpfen. Deswegen mussten Freiwillige aus dem Dienst entlassen werden, wenn sie eine reguläre Beschäftigung fanden. 62 Wenn sich Reichskanzler Brüning tatsächlich, wie er nach dem Krieg behauptete, auch von den demokratisch-kommunitaristisch geprägten schlesischen Arbeitslagern inspirieren ließ, so floss dies in den FAD kaum ein. Dagegen bildeten verschiedene sozialkonservativ geprägte, evangelische Erwerbsloseninitativen ein gewisses Vorbild.63 Zugleich wollte der Reichskanzler mit dem FAD die Rechte der Arbeiterschaft einschränken. Brünings Haltung gegenüber dem Arbeitsdienst ordnet sich somit in seine Politik des Sozialabbaus ein, mit der er auf deflationärem Weg die Wirtschaftskrise zu überwinden hoffte. 64 Zugleich ignorierte er mit seinem sozialpädago60 61 62 63 64

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

RABI. 1931,1, S. 180-183; Funcke, Freiwilliger Arbeitsdienst, S. 126-129. RGBl. 1931,1, S. 398-402. ebd. 1931,1, S. 400. die Ergebnisse von Illian in: Patel/Illian, S. 450. Wmkler, Katastrophe, v.a. S. 288-427.

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gischen Ansatz die damals in Deutschland dominanten Vorstellungen autoritäretatistischer, revanchistisch-militaristischer und völkisch-nationalistischer Spielart nicht nur, sondern er wollte sie konterkarieren. Allerdings hatte der FAD auch Elemente, die den Interessen der nationalen Rechten entsprachen, denn die Projekte zielten auf Reagrarisierung, Ostkolonisation und Siedlung. Freiwillige, die bei Siedlungsprojekten eingesetzt wurden, erhielten unter gewissen Bedingungen sogar ein Darlehen zum Erwerb einer Siedlerstelle. Die »Siedlungsgutschriften« erwiesen sich zwar als nicht besonders attraktiv, da die finanziellen Mittel nur spärlich flössen, sie stellten aber einen Brückenschlag zum nationalen Lager dar. Das Kabinett handelte nicht aus denselben nebulösen, völkischen Vorstellungen heraus wie die Fundamentalopposition von Rechts - Brüning sah die Siedlung vielmehr als geeignetes Mittel, um Arbeitslosen in der Krise zu helfen - , er bot der nationalen Opposition dennoch einen Anknüpfungspunkt. 65 Obwohl der Arbeitsdienst 1931 eines der wenigen staatlichen Angebote für Arbeitslose war, kam er zunächst nur langsam in Gang. Z u m Jahreswechsel 1931/32 umfasste die Organisation nur knapp 7.000 Personen. In den Folgemonaten fielen die Zuwächse kräftiger aus, weswegen der Dienst Anfang August 1932 immerhin 97.000 Freiwillige band. 66 Einen deutlichen Schub brachte erst die Neuordnung vom 16. Juli 1932, die Brünings Nachfolger als Reichskanzler, Franz von Papen, vornahm. Sie öffnete die Einrichtung für alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts zwischen 18 und 25 Jahren. Obwohl nun die Älteren ausgeschlossen waren, wurde so der Zugang zum Dienst deutlich erleichtert. Bereits kurz zuvor war die maximale Verweildauer im Dienst verdoppelt worden. Seit Juli 1932 wurde für Erwerbslose der Aufenthalt im FAD nicht mehr auf die Dauer der Arbeitslosenförderung angerechnet, was ihn für diese Gruppe zusätzlich attraktiv machte. 67 Der Arbeitsdienst erhielt damit über die sozialpädagogische auch eine ökonomische Dimension, da er einen zusätzlichen, materiellen Anreiz bot. Die Reform erwies sich angesichts des stetigen Zuwachses der Einrichtung als sinnvoll, da immer mehr Erwerbslose den Dienst als Hilfsangebot akzeptierten und ihm beitreten wollten. Die Erleichterung der Zugangsbedingungen erklärt sich aber vor allem daraus, dass sich die Arbeitslosigkeit im Verlauf des Jahres 1932 immer noch weiter ausbreitete und besonders die Zahl der Empfänger kommunaler Wohlfahrtsunterstützung stark zunahm. Es hatte sich vollends zu einem unhaltbaren Zustand entwickelt, dass diese in hohem Maße bedürftige Gruppierung vom Dienst ferngehalten wurde. 68 65 Vgl. Kohler, Arbeitsdienst, 99-113. 66 Vgl. Funcke, Freiwilliger Arbeitsdienst, S. 128; Syrup, S. 382. 67 Vgl. RGBl. 1932,1, S. 251; ebd. 1932,1, S. 392. 68 Vgl. ebd. 1932, I, S. 352f; ferner RABI. 1932,1, S. 180-182; Funcke, Freiwilliger Arbeitsdienst, S. 361-365.

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Papens Verordnung machte auch den Weg für eine weitere Institutionalisierung der Organisation frei. Fortan gab es einen Reichskommissar für den Freiwilligen Arbeitsdienst. Dazu wurde der Präsident der RfAVAV, Friedrich Syrup, ernannt, der in seinem bisherigen Amt ohnehin für den FAD zuständig gewesen war. Schwerpunkte der Tätigkeit des Reichskommissars lagen in der Finanzverwaltung und der Schulung der Führer. 69 Analog zur Stellung des Präsidenten der Reichsanstalt wurden die Präsidenten der Landesarbeitsämter und die ihnen nachgeordneten Amtsleiter in Personalunion zu Verantwortlichen für den FAD. Diese Konstruktion erwies sich aus mehreren Gründen als sinnvoll, nicht zuletzt, weil Syrup als Präsident der RfAVAV ein strukturelles Interesse daran hatte, dass der Arbeitsdienst keine Konkurrenz zur privaten Wirtschaft darstelle. Denn für eventuelle, daraus resultierende Arbeitslose war er selbst zuständig. Zudem zeigt sich einmal mehr das schlanke, sparsame und zurückhaltende institutionelle Gerüst der Organisation. 70 Außerdem erhielt der Dienst mit Papens Verordnung vom Juli 1932 eine explizit sozialpolitische Dimension. Sie hielt fest, dass der FAD den jungen Deutschen die Gelegenheit gebe, »zum Nutzen der Gesamtheit in gemeinsamem Dienste freiwillig ernste Arbeit zu leisten und zugleich sich körperlich und geistig-sittlich zu ertüchtigen.«71 Dieser Auftrag sollte durch die Freizeitgestaltung in den Stunden nach der Baustellenarbeit eingelöst werden; dafür hatte der Reichskommissar zu sorgen. Tatsächlich musste er dies angesichts der vagen Formulierung und seiner geringen Ressourcen jedoch weitgehend den Dienstträgern überlassen, die jeweils ihre spezifischen Gesellschaftsvorstellungen in ihren Lagern umsetzten. Somit brachte die Juliverordnung kaum faktische Veränderungen, da die Träger des Dienstes die freien Stunden zumeist schon zuvor in dieser Weise genutzt hatten. Demnach fand kein Kurswechsel statt, sondern eine zuvor vorhandene Dimension wurde nur zusätzlich betont.72 Papens Verordnung zum FAD vom Juli 1932 stellte in einer anderen Hinsicht eine Neubestimmung dar. Denn alle Pläne Brünings, den Dienst noch intensiver als Instrument des forcierten Sozialabbaus zu nutzen, wurden nun nicht verwirklicht. Durch Papens Erleichterung der Zugangsbedingungen wuchs die Organisation außerdem deutlich an. Von Ende Juli bis Ende September verdoppelte sich die Freiwilligenzahl auf ungefähr 200.000. Im November 1932 erreichte sie mit 285.000 Personen einen Höhepunkt, um sich bis Ende Januar 1933 auf 177.000 Teilnehmer zu reduzieren. Obwohl der Arbeitsdienst keine formalen Zugangsbeschränkungen bezüglich des Geschlechts hatte,

69 70 71 72

Vgl. RGBl. 1932,1, S. 392; Köhler, Arbeitsdienst, S. 125-129. Vgl. RGBl. 1932,1, S. 352f. Ebd. 1932,1, S. 352. Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 119-124.

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richtete er sich fast ausschließlich an Männer. Der Frauenanteil blieb immer niedrig und überstieg die 5 %-Marke nur selten.73 Welche gesellschaftlichen Kräfte waren es, die sich in den FAD als Dienstträger einbrachten? Im ersten halben Jahr des FAD spielten Turn- und Sportvereine sowie Kirchen- und Caritasverbände mit ihren Jugendorganisationen eine herausragende Rolle. Zusammen unternahmen sie ungefähr die Hälfte aller Arbeitsprojekte. Diese häufig nur auf einer lokalen oder regionalen Bühne agierenden Institutionen, die zumeist überschaubare Vorhaben wie den Bau eines Sportplatzes übernahmen, verweisen auf die kleinen Anfänge, aus denen sich der Dienst entwickelte. In einem weiteren knappen Viertel aller Maßnahmen waren öffentlich-rechtliche Körperschaften wie die Gemeinden sowohl Träger der Arbeit als auch Träger des Dienstes. Lediglich das verbleibende Viertel rekrutierte sich aus Verbänden, die direkt an weltanschauliche und politische Parteiungen gebunden waren. Offensichtlich übte der FAD auf diese Gruppen zunächst wenig Anziehungskraft aus. Erst nach der Papen-Verordnung wuchs der Anteil der explizit politischen Träger deutlich an.74 Die politischen Verbände gaben jedoch in den öffentlichen Diskussionen den Ton an, während sich etwa die konfessionellen Träger kaum daran beteiligten. Die katholische und die evangelische Kirche sowie ihre Umfeldorganisationen ergriffen nur selten das Wort, da sie den Arbeitsdienst in seiner bestehenden Form als sozialpädagogisches Hilfsangebot unterstützten. Beide organisierten zur Jahreswende 1932/33 je 18.000 Freiwillige - sie waren zwei der größten Dienstträger. Zugleich waren beide Kirchen grundsätzlich gegen die Arbeitsdienstpflicht. 75 Als Dienstträger jeweils kaum größer, in den Debatten aber stimmgewaltiger waren mehrere Verbände der politischen Rechten. Sie forderten alle die Arbeitsdienstpflicht und akzeptierten den FAD maximal als deren Vorstufe. Ein wichtiger rechter Dienstträger war der Jungdeutsche Orden, der sich schon vor Schaffung des FAD lange Jahre mit Arbeitsdienst-Fragen beschäftigt hatte. Die antisemitische Gruppierung war mit ungefähr 12.000 Freiwilligen Anfang 1933 einer der größeren Dienstträger.76 Noch wichtiger war der Stahlhelm. Auch der konservative Wehrverband sah den FAD nur als Vorstufe einer künftigen Arbeitsdienstpflicht. Im Gegensatz zum Jungdeutschen Orden forderte er sie aber weniger unter völkischen Vorzeichen, sondern er wollte die Dienstpflicht militärisch nutzen. Ende 1932 organisierte der Frontkämpferbund immerhin rund 20.000 Teilnehmer in seinen 73 Vgl. WIS 3 (1933), S. 180f; zu den Frauen allgemein Bajohr, S. 332-339. 74 Vgl. Funcke, Freiwilliger Arbeitsdienst, S. 127, 364. 75 Vgl. Dudek, Erziehung, S. 196; Köhler, Arbeitsdienst, S. 155-159. Diese und alle folgenden Zahlen zu den Freiwilligen, die ein Dienstträger organisierte, beruhen auf Selbstangaben oder Schätzungen. 76 Vgl. Hille.

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Lagern.77 Die Nationalsozialisten als weiterer großer Dienstträger der politischen Rechten fassten zu diesem Zeitpunkt dagegen nur etwas mehr als 10.000 Freiwillige.78 Da die Haltung der NSDAP zum FAD bis 1933 kompliziert und wechselhaft war sowie für die Zeit nach der Machtübertragung von besonderer Bedeutung ist, wird von ihr noch eigens die Rede sein. Kompliziert war auch die Haltung der Arbeiterbewegung. Deren sozialdemokratisch geprägter Teil stand dem Arbeitsdienst zunächst skeptisch gegenüber. Einigkeit bestand darin, dass jede Form von Dienstpflicht abzulehnen sei. Der linke Flügel der SPD war grundsätzlich gegen den FAD. Er sah in ihm, ganz wie in Arbeitsdienstpflicht und Arbeitspflicht, eine Maßnahme zum Sozialabbau, zur Militarisierung und zur Lohnsklaverei. Das war vor allem angesichts der Pläne Brünings nicht ganz unberechtigt. Ein Teil der rechten Parteiintelligenz nahm dagegen eine abweichende Position ein. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit machte sie den pragmatischen Vorschlag, den FAD im Interesse der Erwerbslosen zu akzeptieren und sich aktiv in seine Gestaltung einzubringen. Aufgrund der sich verschärfenden Krise fand diese Position immer mehr Anklang, wenngleich sich die Spitzen von SPD und des parteinahen Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) weiterhin abwartend oder ablehnend verhielten. Es waren zunächst die unteren Ebenen von Nebenorganisationen wie den Arbeiter-Sportvereinen oder dem Reichsbanner, die sich im FAD als Dienstträger engagierten. Im Juli 1932 griff der Bundesvorstand des ADGB diese Initiativen auf Zusammen mit anderen Organisationen der demokratischen Linken gründete er als Dienstträger die Reichsarbeitsgemeinschaft Sozialer Dienst. Von der SPD-Führung gab es dagegen keine parteioffizielle Stellungnahme zum FAD, was für die Unterorganisationen und die Mitglieder eher verwirrend als hilfreich war. Insgesamt spiegelt sich damit im FAD die Distanzierung zwischen SPD und ADGB und der Rechtsruck der Gewerkschaften wider, die das Ende der Weimarer Republik allgemein prägten. Der Soziale Dienst entwickelte sich gleichwohl zu einer bedeutenden Macht innerhalb des FAD. Schätzungen zufolge war er zur Jahreswende 1932/33 zahlenmäßig stärker als der Stahlhelm und organisierte ungefähr 20.000 Freiwillige.79 Alle anderen politischen Gruppierungen, die neben der gemäßigten Arbeiterbewegung die Weimarer Republik trugen, hatten dagegen am FAD keinen nennenswerten Anteil: So wenig, wie sie die Geschicke der Weimarer Republik in den letzten Monaten bestimmen konnten, hatten sie Einfluss auf den Arbeitsdienst. Die einzige große gesellschaftliche Kraft, die sich nicht am FAD beteiligte, waren die Kommunisten. Wie die Parteilinke der SPD sahen sie im Arbeitsdienst ein Instrument der kapitalistischen Ausbeutung und der Militarisierung 77 Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 151-155. 78 Vgl. Dudek, Erziehung, S. 196. 79 Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 163-177; Winkler, Katastrophe, S. 315f, 461-471.

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der Arbeiterschaft. Anders als linke Sozialdemokraten beließen es die KPD und ihre Unterorganisationen jedoch nicht bei einem verbalen Kampf 8 0 Sie versuchten darüber hinaus, bestehende Lager zu unterwandern, zu sabotieren und unter unzufriedenen Freiwilligen Protest und Meutereien anzuzetteln. Damit hatten die Kommunisten auch einigen Erfolg, wenngleich es ihnen freilich nicht gelang, die Einrichtung grundsätzlich zu gefährden oder ihre Entwicklung auch nur maßgeblich zu beeinflussen. 81 Es war somit ein breites Panorama an politischen Gruppierungen, das den FAD trug. Die weltanschaulich gebundenen Dienstträger sprachen primär ihre eigenen Verbandsmitglieder an, sie versuchten aber auch, andere Arbeitslose für ihre Lager und ihr politisches Programm zu gewinnen. So war der Arbeitsdienst ein Schauplatz des politischen Kampfes um die Macht am Ende der Weimarer Republik. In dieser Auseinandersetzung nutzte die Demokratie ihre Möglichkeiten nicht, um ihre Feinde aus der Einrichtung auszuschließen obwohl die FAD-Verordnungen selbst entsprechende Klauseln enthielten. Republikfeindliche Dienstträger bekamen vielmehr die Möglichkeit, im Rahmen des FAD ihre Anhänger mit finanzieller Hilfe des Staates zu organisieren, auszubilden und zu indoktrinieren. Seit Mitte 1932 war der FAD eine der wenigen wirksamen Maßnahmen des Reiches zur Milderung der sozialen Not. Die Arbeitsbeschaffungsprogramme griffen noch nicht, und auch alle anderen Initiativen zur Bekämpfung der Krise waren wenig erfolgreich. Aufgrund seiner besonderen Rolle verwundert es nicht, dass der Arbeitsdienst Anknüpfungspunkt für ein weiteres Hilfsprogramm wurde. Das Ende 1932 von Reichskanzler Schleicher geschaffene »Notwerk der deutschen Jugend« war eine Auffangorganisation für Arbeitslose und insbesondere für FAD-Abgänger, die am Ende ihrer Dienstzeit keine reguläre Betätigung fanden. Dass das Notwerk direkt den FAD fortsetzte, verdeutlicht den besonderen Stellenwert, den der Dienst unter den Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise inzwischen hatte.82 Zugleich wurde der FAD zum Objekt hochfliegender Pläne, weitreichender Spekulationen und rivalisierender Konzepte. Häufig wurde er nun als sozialpolitisches Mittel zur Schaffung einer »Volksgemeinschaft« verstanden - ein Begriff, den in der Weimarer Republik die verschiedensten politischen Gruppierungen verwandten, und der teilweise völkisch-rassistisch, religiös oder demokratisch gedeutet wurde. Besonders die Forderungen der politischen Rechten nach Einführung einer Arbeitsdienstpflicht gewannen wieder an Gewicht. Aber nicht nur die Fundamentalopposition von Rechts, sondern auch die Staatsfuhrung verband in der zweiten Jahreshälfte 1932 immer weiterreichende Vorstellungen mit dem Arbeitsdienst. Aufbauend auf Erfahrungen und Kon80 Vgl. Dudek, Erziehung, S. 225-231. 81 Vgl. BA/B, R 58/577, v.a. Polizeipräsident von Königsberg an Landespolizeiamt, 12.11.1932. 82 Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 210-212; Barkai, S. 150-162.

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zepten der Studenten gewann 1932 die Idee einer gezielten Einbeziehung dieser Gruppe in den FAD an Gewicht. Ende August des Jahres sprach sich Reichskanzler Papen für ein »Werkjahr« aus, mit dem vor allem der Uberfullungskrise der Universitäten begegnet werden sollte. Er konnte aber keine entsprechende Entscheidung herbeiführen. Z u m Jahreswechsel beschloss das Kabinett Schleicher schließlich, auf freiwilliger Basis ein ähnliches Programm für Studenten zu schaffen. 83 Das verweist auf die Dimension der Jugendertüchtigung, in die der FAD nun häufig gestellt wurde. So schlug etwa Schleicher im Oktober 1932 noch als Reichswehrminister Kanzler Papen eine Reorganisation der Wehrerziehung unter Einschluss des FAD vor. Demnach sollte der Arbeitsdienst in Maßnahmen zur vormilitärischen Ausbildung eingebunden werden, um letztlich eine Miliz zu schaffen. Der Arbeitsdienst sollte dazu mit dem im September 1932 eingerichteten Reichskuratorium für Jugendertüchtigung kooperieren. Das Reichskuratorium war eine auf langjährigen Planungen des Reichswehrministeriums fußende Dachorganisation zur Förderung des Wehrsports unter J u gendlichen. D e m FAD kam nun die Aufgabe eines Transmissionsriemens zu: Während in kurzen Schulungen des Reichskuratoriums die Führer des FAD als Multiplikatoren auszubilden seien, sollten sie ihre Kenntnisse danach in den Arbeitsdienst tragen und dort im Rahmen des Freizeitprogramms an Hunderttausendejunger Männer weitergeben. Mit geringem Aufwand und relativ unauffällig sei so in kurzer Zeit eine Vorstufe für eine Milizarmee aufzubauen. 84 Z u m einen sollte auf diesem Weg unter Umgehung des Versailler Vertrags die Wehrbereitschaft erhöht werden; das revanchistisch-paramilitärische Programm zielte nicht notwendigerweise auf einen künftigen Angriffskrieg, es sollte einem erstarkten Deutschland aber die 1918 verlorene Großmachtstellung zurückgeben. Z u m anderen hoffte Schleicher so, die politischen Wehrverbände neutralisieren zu können. Indem sie in eine staatlich organisierte Jugendertüchtigung eingebunden wurden, sollten sie depolitisiert werden und ihren Charakter als Bürgerkriegsarmeen verlieren. Damit passte sich die Initiative in Schleichers Querfront-Strategie ein, mit der er eine klassenübergreifende, konservativ-autoritäre Konsolidierung des Staates anstrebte. 85 Vor der Machtübertragung konnten diese Planungen zwar nur ansatzweise verwirklicht werden. Es erwies sich jedoch bald, dass die Hoffnung, die Wehrverbände und Parteiarmeen zu deradikalisieren, naiv gewesen war. Die Schulungen boten den Bürgerkriegsarmeen umgekehrt eine Möglichkeit, ihre Schlagkraft zu erhöhen. Zugleich verdeutlicht die Initiative die revanchistisches Vgl. Kohler, Arbeitsdienst, S. 229-237 und Kapitel II.3.2. dieser Arbeit. 84 Vgl. AdR, Bd. 2, Nr. 173, S. 794-801. 85 Vgl. zur Querfront-Strategie, d.h. dem Versuch, eine politische Zusammenarbeit der verschiedensten politischen Gruppen von Teilen der N S D A P bis zu den Gewerkschaften herbeizuführen, Köhler, Arbeitsdienst, S. 213-228.

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militaristische Dimension, die der Arbeitsdienst in den letzten Monaten der Weimarer Republik bekam. Die letzte größere Veränderung des FAD vor der Machtübertragung an Hitler war der Zusammenschluss von Dienstträgern zu einer Dachorganisation Anfang Januar 1933. In der »Reichsarbeitsgemeinschaft der Dienstträgerverbände« waren die weltanschaulichen und politischen Differenzen der unterschiedlichen Organisationen keineswegs überbrückt. Die weitere Institutionalisierung des FAD schuf trotzdem eine solide Basis für den Dienst. An Kernprinzipien des FAD, wie dem dezentralen Aufbau oder der Einbeziehung einer Vielzahl selbst verwalteter Dienstträger nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage, änderte sich zugleich nichts. An der Reichsarbeitsgemeinschaft beteiligten sich alle großen Dienstträger außer den Nationalsozialisten, die lediglich als Beobachter beitraten. Dennoch hoffte Syrups Stellvertreter Kälin, über die Dachorganisation die NSDAP bändigen und den politischen Missbrauch des FAD verhindern zu können. Dass sich diese Hoffnung nicht erfüllte, sollte sich nach der Machtübertragung zeigen, es verweist aber auch grundsätzlich auf die Haltung der Nationalsozialisten zum Arbeitsdienst in der Weimarer Republik. Aufgrund ihrer besonderen Relevanz für die Zeit nach 1933 soll sie im Folgenden näher untersucht werden. 86 Die nationalsozialistische Position gegenüber dem FAD ist eng mit dem Namen Konstantin Hierl verbunden. Hierl wurde 1875 in Parsberg in der Oberpfalz geboren, sein Vater war Amtsrichter. Mit seiner bürgerlichen Herkunft war ihm die überdurchschnittliche militärische Karriere, die er zunächst durchlief, nicht in die Wiege gelegt. Nach dem Abitur wurde Hierl 1893 Fahnenjunker in der bayerischen Armee und kam aufgrund hervorragender Leistungen auf die Kriegsschule und später die Kriegsakademie, um ab 1903 als Oberleutnant im Bayerischen Generalstab zu dienen. Seine Versetzung zum Großen Preußischen Generalstab vier Jahre später markierte einen weiteren Höhepunkt einer Ausnahmekarriere. Von 1911 bis 1914 lehrte er an der Kriegsakademie in München das Fach Kriegsgeschichte, in dem er bereits 1902 mit einem von hohen Stellen beachteten Aufsatz hervorgetreten war. Hierl erlebte den Ersten Weltkrieg im Rang eines Majors, unter anderem als Generalstabschef des 1. Bayerischen Reservekorps. Noch 1918 wurde er als Bataillonskommandeur zur Truppe versetzt, was wahrscheinlich eine Strafmaßnahme aus privaten Gründen darstellte. Dass Hierl nach der deutschen Niederlage ein eigenes Freikorps aufstellte, passte zu seinem bisherigen Werdegang. Im April 1919 gewann er Augsburg von den Spartakisten zurück. Politisch war Hierl mit seinem extremen Nationalismus und Antisemitismus der völkischen Rechten zuzuordnen. Allerdings entschied er sich zu diesem Zeitpunkt noch fur keine 86 Vgl. ebd., S. 238-242.

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Partei. Hierl gelang es, in die Reichswehr übernommen zu werden, in der er als Verbindungsoffizier zur Reichsregierung arbeitete. 1922 wurde er zum Oberst befördert und ins Reichswehrministerium entsandt. In dieser Zeit fand Hierl das Themengebiet, mit dem sein Name später hauptsächlich verbunden wurde: den Arbeitsdienst.87 Seine Vorstellungen umriss er in einer Denkschrift an seinen Vorgesetzten, den Chef der Heeresleitung Generaloberst Hans von Seeckt, im November 1923. Ausgangspunkt der Denkschrift Hierls war der Schaden, den das Verbot der Wehrpflicht durch den Versailler Vertrag mit sich gebracht habe - die jungen Menschen in Stadt und Land würden »jedem schlechten Einfluß preisgegeben«. Dagegen gelte es, die bereits vorhandenen Bestrebungen nach einem Ersatz für die Wehrpflicht zu fördern durch die »Einführung einer gesetzlichen allgemeinen Arbeitsdienstpflicht in der Dauer eines Jahres für alle arbeitsfähigen - v o r l ä u f i g - männlichen Deutschen in der Zeit zwischen dem vollendeten 17. und 20. Lebensjahr.« Die Werte, die der Dienst laut Hierl vermitteln sollte, waren »Verantwortungsgefühl, Pflichterfüllung, Selbsttätigkeit und Zusammenarbeiten« in kleinen Gruppen, die Hierl als »ein Muster des zukünftigen deutschen Staates« verstand. Eine »militärisch straffe Zucht und Unterordnung« sicherten den Zusammenhalt der Arbeitslager, die aber nicht »Zuchthäusern und Gefangenenlagern«, sondern »Erziehungsstätten« zu gleichen hätten. Die letzten Ziele lagen in der Uberwindung der Klassenschranken, des Marxismus und des Parlamentarismus. Außerdem strebten sie die »körperliche und sittliche Ertüchtigung für die Aufgaben des Vaterlandverteidigers« und schließlich die Entwicklung von »Führernaturen« an.88 Die Denkschrift enthielt wesentliche Vorstellungen, die später ins nationalsozialistische Arbeitsdienstprogramm einfließen sollten: organisatorisch die Ausrichtung am Militär, inhaltlich die Erziehung zu Disziplin und staatsbürgerlichen Pflichten. Zudem trat Hierl für die staatlich organisierte, allgemeine Dienstpflicht ein, die über einen coup d'état eines »nationalen Diktators« herbeigeführt werden sollte. Mit ihr verband er ein beinahe utopisches Projekt. Denn durch das Dienen sollte die gesellschaftliche Krise, die Hierl aus dem Wegfall der Wehrpflicht herleitete, mit einem Schlag überwunden werden. Allerdings ließ der frühe Entwurf des Berufsoffiziers auch wesentliche Fragen offen, etwa die der konkreten Betätigungsfelder des Dienstes. Klar war nur, dass er ein Instrument der völkischen Sozialpolitik und weniger der Wirtschaftspolitik sein sollte. Die monokausale Problemanalyse korrespondierte mit einem eindimensionalen Lösungsansatz, beiden gemeinsam war ihre Realitätsferne. Vergleicht 87 Vgl. Β A/B, R 3901/384; Köhler, Arbeitsdienst, S. 243f und die beiden Hagiographien Mallebrin, S. 13-37 und Grote/Erb, S. 7-42; ferner Hierl, Bedeutung, S. 193-213. 88 Abgedruckt in: ders., Dienst, S. 180f; Zitate S. 180f; direkt überliefert in IfZ, MA 734, Denkschrift Hierl 1923.

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man den Entwurf mit den zahlreichen ähnlichen Vorschlägen aus den ersten Jahren der Weimarer Republik, so zeigt sich, dass er in keinerlei Hinsicht originell war. Allerdings hatte Hierl wohl nicht einfach andere kopiert, sondern er machte einen von mehreren Vorschlägen, die relativ unabhängig voneinander entstanden. 89 Trotz der Unklarheiten war die generelle Richtung, in die für Hierl die Arbeitsdienstpflicht gehen sollte, umrissen. Sein Plan gehörte zum völkisch-nationalistischen Typus, war aber um etatistische und militaristische Ideen angereichert. Die militärische Dimension wird im Licht einer zuvor entstandenen Schrift Hierls deutlicher. Dort hatte er auf die Bedeutung der Erziehung für ein künftiges Volksheer hingewiesen: U m trotz »stark verkürzter Dienstzeit« des Wehrdienstes zu einer »straffen Manneszucht« zu kommen, sei ein pädagogisches Programm unerlässlich. Wenngleich Hierl in dem Werk, das einen wichtigen Beitrag zur Debatte über den totalen Krieg darstellte, den Gedanken nicht weiter ausführte, so liegt doch nahe, dass diese Aufgabe just dem Arbeitsdienst zufallen sollte, den er nun vorschlug. 90 In späteren Schriften führte er aus, dass für den totalen Krieg eine gänzliche Mobilisierung der Wirtschaft notwendig sei, und wieder lag nahe, dass er als Instrument dieser Politik an den Arbeitsdienst dachte.91 Hierl hatte die Denkschrift mit einem klaren Ziel vor Augen geschrieben. In Seeckt als ihrem Adressaten sah er den nationalen Diktator, der das Programm umsetzen sollte. Angesichts der besonderen Vollmachten, die dieser nach dem Hitlerputsch im November 1923 erhalten hatte, war das nicht undenkbar allein, Seeckt konnte sich für den ihm zugedachten Auftrag nicht erwärmen. Hierls Plan versank unbeachtet in der Schublade. Neben anderen Differenzen war dies ein Grund, warum dieser am 30. September 1924 aus der Reichswehr ausschied.92 Sein weiterer Weg führte Hierl nicht direkt zu Hitler. Vielmehr trat der knapp Fünfzigjährige, von Berlin nach München zurückgekehrt, in den rechten Deutschvölkischen Offiziersbund ein. Dort lernte er nicht nur den Nationalsozialisten Gregor Strasser kennen, sondern auch eine Person, die für ihn vorläufig noch wichtiger sein sollte: den ehemaligen Ersten Generalquartiermeister Erich Ludendorff. Als dieser 1925 eine völkisch-mystische Vereinigung, den Tannenberg-Bund, gründete, wurde Hierl deren Führer für Süddeutschland. Bereits im November 1927 trat er aber aus dem Verband aus, nachdem es mit Ludendorffs zweiter Frau Mathilde zu Differenzen gekommen

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Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 30-33; Seifert, Kulturarbeit, S. 62-64. Köhler sieht aber bereits Denkschrift das ideologische Gerüst, Seifert schließt sich ihm an. Hieri, Weltkrieg, S. 95. Vgl. ders., Schriften, Bd. 1, S. 152f (1929). Vgl. ders., Dienst, S. 17-21.

war - Hierl verließ ein sinkendes Schiff, da die Vereinigung immer mehr zu einer bizarren Sekte verkam. 93 Einige Monate zuvor hatte er bereits Kontakt zu Hitler aufgenommen. 9 4 Der Briefwechsel von 1927 war aber nicht die erste Verbindung zwischen d e m Oberst und d e m Gefreiten des Weltkrieges. Hierl selbst zufolge hatte er bereits 1920 mit Hitler korrespondiert. Dass er zudem der ersten Massenversammlung der N S D A P am 24. Februar 1920 beigewohnt hatte und der Partei lediglich nicht beigetreten war, da ihm das als aktiver Offizier nicht gestattet war, muss nicht unbedingt den Tatsachen entsprechen. 9 5 Festhalten lässt sich aber, dass Hierl und Hitler bereits seit dem Anfang der Weimarer Republik voneinander wussten und Hierl durch seine Stellung als profilierter Weltkriegsoffizier, P u blizist u n d Politiker des völkischen Lagers zumindest in M ü n c h e n kein U n b e kannter war. Mit seinen militärischen Schriften wurde er in dieser Zeit zu einem der führenden Theoretiker des totalen Krieges. 96 Gleichzeitig hatte er Verbindungen zu Strasser und anderen wichtigen Nationalsozialisten. 1928 und 1929 hielt er Vorträge zu wehrpolitischen Fragen in der von R ö h m gegründeten Wehrpolitischen Vereinigung, u n d er fand in Hitler bei den Veranstaltungen einen aufmerksamen Z u h ö r e r und eifrigen Diskutanten. Außerdem schrieb Hierl bereits 1928 für den Völkischen Beobachter,97 Letztlich war es Gregor Strasser, der ihn z u m Eintritt in die N S D A P bewog. Hierl selbst kolportierte die Anekdote, dass Hitler den Parteieintritt am 20. April 1929 - dem 40. Geburtstag des Führers der N S D A P - als sein schönstes Geschenk bezeichnet habe. 98 Tatsächlich stellte das neue Mitglied aufgrund seines Renommees in der völkischen Rechten Bayerns einen wichtigen Zugewinn dar. Für die immer w e d e r vertretene These, Hierl sei bereits 1927 der Partei beigetreten, spricht dagegen wenig. 99 In der Partei wurden ihm Aufbau und Leitung der Organisationsabteilung II übertragen, die vor allem zu Fragen der Landwirtschaft, der Wehrordnung und des Arbeitsdienstes Schubladenentwürfe für die Zeit nach der »Machtergreifung« erarbeitete. Tatsächlich beschäftigte sich Hierl mit diesen Themen. 1 0 0 93 Vgl. ebd., S. 19-22, 53-58. 94 Vgl. BA/BDC, PK, Hierl, Constantin [sic]; HRSA, Bd. II/l, Nr. 120, S. 298. 95 Abgedruckt in Hierl, Schriften, Bd. 1, S. 197 (1939); dagegen spricht auch Grote/Erb, S. 39-41. 96 Vgl. Hieri, Schriften, Bd. 1, S. 141-176 (1929), 177-194 (1930); dazu Herbst, Krieg, S. 66. 97 Vgl. HRSA, Bd. III/l, Nr. 67, S. 354; ebd., Bd. III/l, Nr. 79, S. 385; Bd. III/2, Nr. 102, S. 47; Bd. II A, S. 139, Anmerkung 12; TBJG, Teil 1, Bd. 1, S. 406 (4.8.1929); ebd., S. 537f (28.4.1930). 98 Vgl. Hierl, Dienst, S. 62-67; ferner ders., Schriften, Bd. 1, S. 198 (1939). 99 Vgl. jüngst noch dagegen HRSA, z.B. Bd. IX/1, Nr. 120, S. 298, Anmerkung 1. Dagegen spricht v.a. die Tatsache, dass Hierl auch vor 1945 erklärte, er sei 1929 eingetreten. 100 Vgl. zu wehrpolitischen Fragen Hierl, Schriften, Bd. 1, S. 122-131 (1929), S. 132-140 (1929), S. 177-194 (1930), 266-277 (1931), 141-176 (1929); HRSA, Bd. IV/1, Nr. 30, S. 124; zum künftigen Staatsaufbau BA/B, N S 22/1069, Geschäftsführung Reichsorganisationsleitung NSDAP

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1930 wurde er Mitglied des Reichstags. Wichtiger war, dass er im selben Jahr Hitler über die Frage vortrug, mit der er sich sieben Jahre zuvor an Seeckt gewandt hatte. Wiederum trat Hierl für eine staatlich organisierte, allgemeine Arbeitsdienstpflicht ein. Der Dienst dürfe nicht einfach mit dem Problem der Arbeitslosigkeit begründet werden, sondern als Ergänzung von Schul- und Wehrpflicht. Zugleich ließe sich so die Stellung des Staats in der Gesellschaft stärken. Einige Punkte, die Hierl in seiner Denkschrift kaum ausgeführt hatte, konturierte er nun deutlicher. So sollte der Dienst die »Umschichtung unseres Volks aus den Großstädten auf das Land« fördern, da der momentane Zustand Nachteile »rassischer, volkshygienischer, sozialer und kulturpolitischer Art« mit sich bringe. Im Rahmen dieser Ziele sollte der Arbeitsdienst Erdarbeiten ausführen. Das zweite Aufgabenfeld sah Hierl in der Sicherung der Ernährungsgrundlage, weshalb die Organisation bei Bodenverbesserungen, den sogenannten Meliorationen, und im Hochwasserschutz einzusetzen sei.101 Insgesamt sah er damit Aufgaben vor, die konform zur nationalsozialistischen Ideologie gingen: Entstädterung, Reagrarisierung und Antisemitismus waren Teil des Gedankenguts der völkischen Rechten, und aus ihm schöpfte der Nationalsozialismus. Das ideologische Konglomerat verstand sich als Lehre aus dem Ersten Weltkrieg. Die Versorgungsengpässe an landwirtschaftlichen Produkten, die damals die deutsche Lage deutlich verschärft hatten, sollte es nicht noch einmal geben; das Programm hieß ökonomische Autarkie, seine Verwirklichung für Hierl Arbeitsdienst. Hierl wich vom Dogma der Partei lediglich ab, wenn er damals noch den Staat und nicht das Volk zur Bezugsgröße erklärte. Den Etatismus sollte er aber bald ablegen.102 Hierl konnte Hitler für die Pläne gewinnen - er hatte seinen »nationalen Diktator« gefunden. Innerhalb der NSDAP hatte der Arbeitsdienst bis dahin keine wesentliche Rolle gespielt. Im Parteiprogramm von 1920 kam die Arbeitsdienstpflicht so wenig vor wie in Mein Kampf. Zwar war die Reichstagsfraktion der Partei Mitte der 1920er Jahre für sie eingetreten und hatte im Reichstag dahin gehende Anträge gestellt. Auch in den Boxheimer Dokumenten - einer von Werner Best verfassten Sammlung an Maßnahmen, die einer nationalsozialistischen Machtübernahme zu folgen hätten - war die Arbeitsdienstpflicht angeführt. Andeutungen finden sich auch bei dem Parteiideologen Alfred Rosenberg. Verglichen mit den Ausführungen Hierls waren aber alle Ansätze oberflächlich geblieben. Sie dienten primär der Agitation und waren normale Bestandteile im Profil einer Organisation der extremen Rechten in an Hierl, 27.7.1929; ebd., Hierl an Hitler, 28.6.1929; HRSA, Bd. 111/2, Nr. 86, S. 408f und Hierl, Schriften, Bd. 1, S. 248-250 (1931), S. 281-287 (1932); ebd., Bd. 1, S. 251-257 (1932), S. 288-291 (1932); HRSA, Bd. III/3, Nr. 22, S. 115-120. 101 Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 14-16 (1930), Zitate S. 15. 102 Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 32f.

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der Weimarer Republik.103 Allerdings war die Arbeitsdienstpflicht ein Baustein, der sich in das nationalsozialistische Gedankengut einfügen ließ. Hierl hatte als Ziel die Überwindung der Klassenschranken umrissen, und in Mein Kampf gab es einen Gedanken, an den Hierls Idee anschlussfähig war. Für den späteren Diktator musste der kommende, völkische Staat dafür sorgen, dass manuelle Arbeit mehr geschätzt werde, »wenn notwendig selbst durch Jahrhunderte lange Erziehung«. Dass Hitler außerdem nur auf die Gemeinschaft bezogene Arbeit für wertvoll befand, ließ sich gut mit dem Hierischen Gedanken der Arbeitsdienstpflicht zusammenbringen. 104 Mit einer anderen Idee Hitlers war Hierls Konzept dagegen kaum vereinbar. In seinem unveröffentlichten Zweiten Buch führte der spätere Diktator aus, dass das Leben eines Volkes zwar direkt von seiner landwirtschaftlichen Produktivität abhängig sei. Bodenverbesserungen als Mittel zur Steigerung des Ertrags reichten nicht aus, um die Selbstversorgung zu sichern. Vielmehr bleibe nur ein Mittel: der »Bluteinsatz«, das heißt der Krieg zur Erweiterung des »Lebensraums«.105 Noch radikaler hatte Hitler diese Sicht bereits in Mein Kampf ve rtreten.106 Deswegen sollte er sich auch kaum für die praktische Arbeit eines Arbeitsdienstes interessieren. Tatsächlich wurde um die Arbeitsfelder, bei denen die Vorstellungen am weitesten auseinander gingen, im NS-Regime am heftigsten gestritten. Der Grundkonflikt war somit ideengeschichtlich bereits in den 1920er Jahren in den divergierenden Auffassungen zwischen Hitler und Hierl angelegt. In einen anderen Kontext der Hitlerschen Gedankenwelt passte sich die Arbeitsdienstideologie dagegen gut ein. Im Zweiten Buch erklärte der spätere Diktator, dass Macht nicht nur aus Waffen bestehe. Ausschlaggebend sei vielmehr der »Wille zur Selbsterhaltung«.107 Diesen könne in erster Linie die Heeresorganisation festigen. Da dem Reich die Wehrpflicht nicht gestattet war, musste Hitler der Gedanke einer Arbeitsdienstpflicht einleuchten. Insgesamt passte Hierls Plan weitgehend, aber nicht ganz in Hitlers Ideologie.108 Umsetzen ließen sich Hierls Vorstellungen zum damaligen Zeitpunkt nicht, da sie die Erringung der Macht zur Bedingung hatten. So blieb es zunächst bei Planungen. Bereits im März 1931, das heißt noch einige Monate, bevor der FAD eingerichtet wurde, legte Hitler fest, dass sich eine Kommission partei103 Vgl. zu Best Herbert, Studien, S. 112-119; zudem Sten. Ber. des Reichstags, Bd. 384, S. 322A (4.2.1925); ebd., Bd. 389, S. 5743A (19.2.1926); ebd, Bd. 391, S. 7932 (6.11.1926); ebd, Bd. 424, S. 1046f (5.2.1929); Drucksachen der Sten. Ber.: Bd. 406, Nr. 1840 (9.2.1926); ebd., Bd. 410, Nr. 2618 (5.11.1926); ebd., Bd. 432, Nr. 468 (16.11.1928). 104 Hitler, S. 481-485, Zitat S. 482; zu Mein Kampf Kershaw, Hitler, Bd. 1, S. 298-326. 105 Hitlers Zweites Buch, S. 5 3 - 6 2 , 1 2 0 - 1 2 3 , Zitat S. 54; vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 59-61 mit abweichender Interpretation. 106 Vgl. Hitler, S. 143-149; dazu Kershaw, Hitler, Bd. 2, S. 253. 107 Hitlers Zweites Buch, S. 63. 108 Vgl. Herbst, Krieg, S. 76.

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intern mit der Frage näher beschäftigen solle.109 Hierl richtete jedoch erst im November eine Abteilung für Arbeitsdienstpflicht ein. Nach Kräften beschränkte er in der Folgezeit die Möglichkeiten anderer Parteigliederungen, unabhängig von ihm aktiv zu werden. 110 Die Leitung der Abteilung übertrug er dem ehemalige Oberleutnant Paul Schulz, bekannt als »Feme-Schulz«: Schulz, der 1922/23 Offizier der »Schwarzen Reichswehr« gewesen war, wurde 1927 wegen Fememord zunächst zum Tode verurteilt, dann zu Zuchthaus begnadigt, 1930 schließlich amnestiert. Im selben Jahr trat er der NSDAP bei und wurde bald ein enger Vertrauter Gregor Strassers.111 Die neue Abteilung hatte in den Worten von SA-Chef Röhm vier Aufgaben. Sie sollte für die Arbeitsdienstpflicht, die erst »nach Übernahme der Regierung« eingerichtet werden könnte, geeignete Führer und Unterführer auswählen, sie außerdem schulen, im Rahmen des FAD praktische Versuche mit Lagern unternehmen und schließlich allgemein den Gedanken der Arbeitsdienstpflicht verbreiten. Röhm stellte zudem fest, dass das Führerpersonal »großenteils der SA und SS entnommen werden« solle. Damit unterstützte er den Vorstoß nicht nur, sondern versuchte zugleich, ihn zu beeinflussen. 112 Im Juni 1932 wurde Hierl von Hitler zum »Beauftragten des Führers der NSDAP für den Arbeitsdienst« ernannt. Gleichzeitig gab Hierl die Leitung der Organisationsabteilung II ab. Größere organisatorische Reformprojekte der Parteistruktur hatte er bis dahin nicht verwirklichen können. Laut Hitler wurde Hierl auf eigenen Wunsch seines bisherigen Postens enthoben - es ist jedoch wahrscheinlicher, dass sich die Umstrukturierung auf die Erfolglosigkeit Hierls zurückführen lässt.113 Auch im Bereich Arbeitsdienst beschränkte sich Hierl im Wesentlichen auf strategische Planungen. Allerdings gab es in der Partei eine Gegenposition. Schulz, Strasser und andere traten dafür ein, nicht weiter zu warten, sondern sich sofort im FAD zu engagieren. Für Schulz sollte der Arbeitsdienst zweierlei sein: Versorgungseinrichtung für bedürftige Parteigenossen und Sammelbecken eines Teils der Bürgerkriegsarmee im Kampf gegen die Republik.114 Typologisch war dieser Ansatz ebenfalls im völkischen Nationalismus verortet, er betonte die paramilitärische und ökonomische Bedeutung aber stärker als Hierl. Die wendigen Pragmatiker, die für diese Richtung standen, waren somit zu Konzessionen gegenüber dem Ideal der staatlichen, allgemeinen Arbeitsdienstpflicht bereit. Der ehemalige Generalstabsoffizier Hierl dage-

109 Vgl. BA/BDC, O 262, Rundschreiben Wagener, 12.3.1931. 110 Vgl. ebd., Hierl an Feder u.a., 14.3.1931; BA/B, N S 22/921, Heinrichsen an Hierl, 23.11.1931. 111 Vgl. ebd., RL-NSDAP an alle Gauleiter, 2.11.1931; HRSA, Bd. IV/2, Nr. 53, S. 167, Anmerkung 4. 112 BA/B, R 1501/26123, Rundschreiben Röhm, 31.12.1931. 113 Vgl. HRSA, Bd. V/1, Nr. 85, S. 157. 114 Vgl. BA/B, N S 22/921, v.a. Schulz an G. Strasser, 21.11.1931.

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gen hielt an seinem kategorischen »Alles-oder-Nichts« fest.115 In einem viel beachteten Vortrag vom 23. Mai 1932 im ehemaligen Preußischen Herrenhaus bündelte er erstmals alle tragenden Ideen seines Konzepts. Der »Reichsarbeitsdienst«, den Hierl vorschlug, dürfe nicht schnödes Instrument der Arbeitslosenfürsorge sein wie der FAD, sondern müsse an das ideologische Programm gebunden werden, das Hierl in den vorangegangenen Jahren entwickelt hatte.116 Konform mit Hierls Vorstellungen arbeitete die NSDAP nach 1930 generalstabsmäßige Entwürfe und Detailplanungen für eine Zeit nach der »Machtergreifung« aus. So machte sich zum Beispiel Helmut Stellrecht, der über Schulz im Herbst 1931 in die Arbeitsdienstabteilung der Partei gelangt war, mit seinem Ende 1932 abgeschlossenen Buch Der Deutsche Arbeitsdienst. Aufgaben, Organisation und Aufbau einen Namen. Seine Planungswut ging so weit, dass er einen auf Gramm und Pfennig genauen Verpflegungsplan aufstellte und auch die Zahl der Halsbinden und Trinkbecher normierte. 117 Was skurril anmutet, macht deutlich, wie ernst es Hierl war und wie stark sich die Nationalsozialisten in ihrem Konzept auf militärische Organisationsformen bezogen. Trotz der Schubladenpläne war Stellrecht ein »Schulz«-Mann, dem das praktische Engagement im FAD mehr am Herzen lag. Hierls Einfluss bewirkte aber, dass die Partei sich im Vergleich zu anderen Gruppierungen bei der praktischen Arbeit im FAD zurückhielt. Offiziell trat sie nicht als Dienstträger auf Lediglich verdeckt bediente sie sich einiger Tarnorganisationen. Selbst deren wichtigste, der von Schulz in Berlin im Oktober 1931 gegründete »Verein zur Umschulung freiwilliger Arbeitskräfte« (VzU), fristete jedoch ein Schattendasein. Wenige Wochen später fand der erste nationalsozialistische Führerlehrgang in Tzschetzschnow an der Oder statt, an dem einige der wichtigsten Arbeitsdienstführer des NS-Regimes teilnahmen, zum Beispiel Will Decker, Hermann Kretzschmann oder Martin Eisenbeck. Das erste Arbeitslager wurde im Januar 1932 in Hammerstein errichtet - zunächst sogar in Zusammenarbeit mit dem Stahlhelm. 118 Dass es später als »Gründungsort des Nationalsozialistischen Arbeitsdienstes« gerühmt wurde, wird den Tatsachen somit nicht gerecht.119 Daneben ergab sich für die NSDAP 1932 auf Landesebene die Möglichkeit, konform mit Hierls Vorstellung im FAD aktiv zu werden. Nachdem sich im Mai in Anhalt eine nationalsozialistische Landesregierung gebildet hatte, baute 115 Vgl. Hier/, Schriften, S. 2 9 - 4 9 (1931/32). 116 Vgl. Hierl, Sinn. 117 Vgl. z.B. BA/B, N S 22/921, 1. Rundschreiben der Abteilung für Arbeitsdienstpflicht, 21.1.1932; Stellrecht 1933, S. 132, 135. 118 Vgl. Hase, S. 38. 119 Tsay, S. 24; diese Sicht fand auch in die Literatur nach 1945 Eingang, vgl. zuletzt Seifert, Kulturarbeit, S. 67.

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die Partei dort einen nicht nur staatlich geförderten, sondern auch staatlich organisierten Arbeitsdienst auf, der allerdings nur 215 Männer umfasste. Im Schloss Groß-Kühnau wurden sie unter Leitung des ehemaligen Weltkriegsmajors und Pour le merite-Trägers Otto Lancelle zu Führern und Unterführern ausgebildet.120 In öffentlichen Äußerungen bestritten die Nationalsozialisten damals stets, nur Gesinnungsgenossen zu schulen; de facto war dies aber der Fall.121 Ein 1935 veröffentlichtes Buch führte außerdem aus, dass sich die »Arbeitsfreiwilligen« vor 1933 für die NSDAP in »Räuberzivil« als Schläger bei Saalschlachten und anderen politischen Auseinandersetzungen hervorgetan hatten. Das Anhaltische Staatsministerium gab sogar jedem Führer eine Pistole - der Arbeitsdienst wurde regional zu einer kleinen, bewaffneten Parteitruppe für die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen am Ende der Weimarer Republik.122 Insgesamt hat deswegen Peter Dudek Recht, wenn er den Anhaltischen Arbeitsdienst als »Pilotprojekt für den späteren Reichsarbeitsdienst« bezeichnet.123 Aber auch in den anderen deutschen Ländern, in denen die Nationalsozialisten vor 1933 an der Regierung beteiligt wurden oder diese stellten, sollten staatliche Arbeitsdienste aufgebaut werden. In Sachsen, MecklenburgSchwerin und Thüringen waren diese Projekte im Vergleich zu Anhalt wenig erfolgreich, oder sie gelangten nie in die Umsetzungsphase; in Oldenburg stellte die NSDAP ähnlich wie in Anhalt eine kleine, brutale Schlägertruppe im Rahmen des FAD auf.124 Ein parteiinternes Merkblatt vom Februar 1932, das wesentliche Inhalte aus Hierls Vortrag vom folgenden Mai bereits enthielt, nannte die Zahl von 85.000 Führern, die das Stammpersonal des Dienstes unter den Bedingungen der Arbeitsdienstpflicht ausmachen sollten; Bewerbungen waren bereits möglich.125 Tatsächlich bildete die Partei bis 1933 aber nur wenige hundert Führer aus. Sie versuchte auch nicht, massenhaft Anhänger im FAD unterzubringen. 126 Unbegründet war angesichts der Zurückhaltung Hierls damals noch die Furcht des Stahlhelm, im FAD »von den Nazis nach dem Muster anderer Vorgänge an die Wand« gedrückt zu werden. 127 Hierl, der laut Stahlhelmführer Duesterberg »mit der üblichen Hitlerimpertinenz« auftrat,128 konnte seine starre Position aber nicht lange durchhalten. 120 Vgl. BA/B, R 72/311, v.a. Stahlhelm Landesamt Anhalt an Bundesamt Berlin, 30.6.1932; Anhaltisches Staatsministerium 1935, S. 7-26. 121 Vgl. VB 11.8.1932; BA/B, R 72/311, Bock an Bundesamt, 28.6.1932. 122 Anhaltisches Staatsministerium 1935, S. 10. 123 Dudek, Erziehung, S. 70. 124 Vgl. Schlicker, Freiwilliger Arbeitsdienst, S. 405-416; zu Oldenburg Stokes, S. 190. 125 Vgl. BA/B, R 72/321, Vorbereitungsstelle für den Arbeitsdienst (Hrsg.), Merkblatt für Bewerber zum Deutschen Arbeitsdienst, 28.2.1932. 126 Vgl. BA/BDC, O 262, N S D A P Gaufachbearbeiter an alle Ortsgruppen, 28.4.1932. 127 BA/B, R 72/320, Landesführung Bayern an Bundesamt, 3.12.1931. 128 Duesterberg, S. 43.

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In der zweiten Jahreshälfte 1932 kam in die nationalsozialistische Haltung aus mehreren G r ü n d e n Bewegung. Erstens wuchs der FAD enorm an, so dass der Selbstausschluss vor allem den Nationalsozialisten schadete. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit drängten viele j u n g e Männer - auch Anhänger Hitlers in den FAD. Angesichts der Pluralität der Dienstträger und der Tatsache, dass die N S D A P kaum als solcher auftrat, waren junge Nationalsozialisten geradezu gezwungen, in die Lager politisch anders gesinnter Träger zu gehen. Hierl sah deswegen zu Recht die Gefahr, dass sie dort von den eigenen Ideen abgebracht werden könnten. Im Spätsommer leitete Hierl deswegen den überfälligen Kurswechsel ein. Im Oktober forderte er die Gaubearbeiter der Partei f ü r Arbeitsdienst dazu auf, »den freiwilligen Arbeitsdienst auf einer so breiten Basis aufzuziehen, dass die Pgg. [Parteigenossen; d. Vf ], die in den freiwilligen Arbeitsdienst gehen wollen, in einer der nationalsozialistischen F ü h r u n g unterstehenden Organisation u n t e r k o m m e n können.« Außerdem sollten Nationalsozialisten, die unter der Leitung anderer Dienstträger bereits im FAD standen, »Lagerzellen« bilden. So sollten sie die Lager für die Nationalsozialisten erobern. 129 Zweitens war die ursprüngliche Haltung der Partei ungünstig, da Reichskommissar Syrup Führungslager einrichtete und plante, deren Besuch zur Eignungsbedingung für das Leitungspersonal zu machen. Die N S D A P stellte, im Gegensatz zu anderen Organisationen, kaum Männer für die Lehrgänge, so dass sie in der Gefahr stand, ganz aus dem FAD hinausgedrängt zu werden. 130 Drittens w u r d e n die Kräfte in der Partei, die ein Engagement im FAD forderten, immer stärker, und Hierls Kurs, Führer f ü r die Z u k u n f t auszubilden, barg Sprengstoff in sich. Sie blieben vorerst ohne berufliche Perspektive, u n d das musste so bleiben, bis entweder die Macht im Staat errungen oder die Partei zur Mitarbeit am FAD bereit war.131 Seit Spätsommer 1932 engagierte sich die N S D A P verstärkt als Dienstträger. Zugleich fasste Stellrecht n u n die verschiedenen nationalsozialistischen Arbeitsdienst-Initiativen, die zuvor teilweise unkoordiniert nebeneinander existiert, teilweise sogar konkurriert hatten, unter dem Dach des »Reichsverbands Deutscher Arbeitsdienstvereine« zusammen. Die Partei suchte zudem vermehrt den Kontakt zu anderen Organisationen und den staatlichen Stellen, die mit d e m FAD befasst waren. Sie verstärkte ihr Engagement aber zu spät, als dass sie im Januar 1933 einer der wichtigeren Dienstträger dargestellt hätte - im »Kampfgau« Halle-Merseburg z u m Beispiel organisierte sie Anfang 1933 lediglich 317 Freiwillige, auch im »Pilotprojekt« Anhalt waren es nur einige hundert Mann. So konnte die Zeitschrift Der Stahlhelm Ende Februar 1933 melden, dass 129 BA/BDC, O 262, Hierl an Gaubearbeiter für Arbeitsdienst, 5.10.1932. 130 Vgl. BA/B, N S 22/921, Ausarbeitung Stellrecht. Der Text ist mit Oktober 1936 datiert, stammt aber von 1932. 131 Vgl. zu der Stellrechtinitiative IfZ, Zs 1906, Ausarbeitung Stellrecht, 1966.

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der Bund der Frontsoldaten doppelt so viele Freiwillige im Arbeitsdienst organisiere wie die NSDAP 132 Auch Teile der SA, deren Basis in besonderem Maße aus arbeitslosen jungen Männern bestand, dürften für den pragmatischen Kurs eingetreten sein. Die Abstimmung zwischen Hierl und Röhm, für welche die oben ausgeführte Festlegung eine gute Grundlage hätte bieten können, war in der Praxis nicht sehr erfolgreich. Letztlich sah Röhm im parteieigenen Arbeitsdienst eine Konkurrenz. 133 Z u m sachlichen Problem gesellte sich noch ein persönlicher Vorbehalt. Hierl hatte schon vor 1929 das »Rabaukentum« der SA abgeschreckt, und als 1932 Röhms Homosexualität öffentlich diskutiert wurde, hatte er Hitler dessen Entfernung aus der SA-Leitung empfohlen. 134 Noch im Januar 1933 kam es trotz der Spannungen zu einem Kompromiss. Hierl war insgesamt für den Arbeitsdienst zuständig, allerdings sollten SA-Abteilungen geschlossen unter der Leitung ihrer eigenen Führer im Arbeitsdienst eingesetzt werden. Auch in den anderen Lagern der Nationalsozialisten waren SA-Führer bei gleicher Eignung vorzuziehen. 135 Zu der Auseinandersetzung um die richtige Strategie auf dem Weg zur Arbeitsdienstpflicht deutete sich bereits hier eine zweite parteiinterne Konfliktdimension an: der Kampf um die Macht im Arbeitsdienst zwischen Hierl und Röhm. Mit dem Richtungswechsel vom Sommer 1932 schwenkte Hierl auf die pragmatische Linie ein. Trotzdem stand er in den Augen Vieler weiterhin für das Programm des »Alles-oder-Nichts«. Das zeigt eine Einschätzung durch den Stahlhelm vom August 1932: »Die Ansichten des Oberleutnant Schulz aus der Reichsleitung der N.S.D.A.P über den F.A.D. decken sich mit den StahlhelmAbsichten. Von dieser Seite wie überhaupt von der obersten Leitung der Nazis wird Hierl als das Hindernis zu einer Verständigung mit dem Stahlhelm betrachtet.«136 Tatsächlich gab es zwischen den Pragmatikern in der NSDAP und dem Stahlhelm im Sommer 1932 viele Gemeinsamkeiten. Auch der militaristische Massenverband wollte als Endziel die Arbeitsdienstpflicht, sah die wehrpolitischen Möglichkeiten eines solchen Dienstes und verstand ihn als Mittel zum Klassenausgleich und für eine autoritäre Erziehung. Der Stahlhelm vertrat somit ebenfalls ein Konzept, das völkisch-nationalistische, autoritär-etatistische und revanchistisch-militaristische Elemente miteinander verband; lediglich der letztgenannten Dimensionen maß der Wehrverband etwas mehr Gewicht bei als die Nationalsozialisten. Waren die letzten Ziele trotzdem auch denen 132 Vgl. Anhaltisches Staatsministerium 1935, S. 11; STH 26.2.1933. 133 Vgl. Benz, S. 331. 134 Vgl. Hierl, Dienst, S. 63,133f; Longerich, Bataillone, S. 148. 135 Vgl. BA/BDC, O 262, Röhm, Vereinbarung für die Zusammenarbeit der Organisation für Arbeitsdienst mit der SA, 12.1.1933. 136 BA/B, R 72/311, Bericht über die Sitzung der Mitglieder der Bundesstelle für den Arbeitsdienst beim Bundesamt [des Stahlhelm], 5.8.1932.

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Hierls ähnlich, zeigte sich der Stahlhelm ähnlich flexibel wie die Pragmatiker in der NSDAP, denn auch im Frontkämpferbund galt: »Für den Stahlhelm ist der Pflichtarbeitsdienst das Endziel, der freiwillige Arbeitsdienst der beste Weg.«137 Bei der Annäherung zwischen flexiblen Nationalsozialisten und Stahlhelm handelte es sich nicht nur um eine Isolierung Hierls, sondern um eine regelrechte Fronde. Bereits im Juni 1932 hatte Heinrich Mahnken, der Leiter der »Bundesstelle für Arbeitsdienst« des Stahlhelm, festgehalten, dass sich die eigene Organisation auf keinen Fall mit dem »völlig unmöglichen Projekt Hierl« zusammenbringen lassen dürfe. Laut Mahnken gab es auch in der N S D A P Widerstände gegen den ehemaligen Generalstabsoffizier, und die Namen, die er nannte, waren wiederum Schulz und Strasser. Es handelte sich um ein Komplott gegen Hierl, da Mahnken sich mit beiden bereits über den weiteren Ausbau des Dienstes verständigt hatte. Seiner Meinung nach hatten sich Strasser und Schulz schon fast gegen Hierl durchgesetzt, als einzig verbleibendes Problem sah Mahnken noch »die Tatsache, daß Hierl deshalb so schwer das Referat für Arbeitsdienst abzunehmen ist, weil keine andere Stelle der Partei ihn haben will.«138 Vor dem Hintergrund des Machtkampfes ist es erstaunlich, dass Hierl den Sommer 1932 politisch überlebte. Angesichts des breiten Handlungsspielraums, den der FAD den Trägern des Dienstes bot, schadete sein dogmatisches Verhalten der Partei. Sie vergab sich die Chance, arbeitslose Anhänger zu versorgen, neue über einen eigenen Dienstträger zu gewinnen, diejungen Männer politisch und vormilitärisch zu schulen und zugleich kompetente Führer heranzubilden. Strasser, Schulz, Stellrecht und andere hatten im Gegensatz zu Hierl und seinem Dogmatismus einen Sinn für das Machbare. Am 9. Juni, als die Intrige noch voll im Gange war, wurde Schulz jedoch aus der Abteilung für Arbeitsdienst herausgenommen. Am selben Tag gab Hierl sein Amt als Leiter der Organisationsabteilung II ab und konzentrierte sich künftig ganz auf den Arbeitsdienst - womit sich sein Sieg bereits andeutete. Die Gründe, warum Hierl sich trotz allem halten konnte, gehen aus den Quellen nicht hervor. Wichtig war wohl, dass er gerade noch rechtzeitig auf den Kurs der Pragmatiker einlenkte. Ein weiterer Grund führt in das Feld begründbarer Annahmen. Hierls Kurs distanzierte ihn von einigen seiner früheren Freunde in der Partei, vor allem von Gregor Strasser. Zwischen Strasser und Hitler kam es in der zweiten Jahreshälfte 1932 zu einer Krise, die dem Streit u m den Arbeitsdienst im Großen entsprach. Während Hitler kompromisslos das Reichskanzleramt forderte, war der pragmatischere Strasser Ende 1932 zur Kooperation mit den gemäßigten Kräften der politischen Rechten bereit. Wie im Arbeitsdienst ging es nicht um die letzten Ziele, sondern nur um die Frage 137 Ebd.; vgl. auch BA/B, R 72/312, Mahnken an Wagner, 2.6.1932. 138 BA/B, R 72/312, Mahnken an Oberstleutnant [Duesterberg], 21.6.1932.

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nach dem besten Weg; jeweils handelte es sich um die Auseinandersetzung zwischen Dogmatikern und Pragmatikern. Mit dem Rücktritt Strassers von allen Parteiämtern am 8. Dezember 1932 setzte sich Hitler mit seinem Kurs durch. 139 Vielleicht hielt er mit Hierl an einem Mann fest, der eine ähnlich kompromisslose Linie vertrat. Noch wichtiger als die inhaltlichen Fragen war, dass Hierl in dieser Existenzkrise der Partei zu Hitler hielt.140 Auf jeden Fall hatte der Sieg Hitlers in der Partei zur Folge, dass Hierl seiner bisherigen Widersacher entledigt wurde. Strasser war danach bedeutungslos, und Schulz verließ nun nicht nur den Arbeitsdienst, sondern im Dezember 1932 auch die NSDAP. Neben Strasser traf ihn laut Goebbels der »Unmut und die Empörung der gesamten Parteiführung«. 141 Welche Rolle Hierl dabei spielte, dass ersterer beim Schlag gegen Röhm 1934 ermordet wurde und Schulz demselben Schicksal nur knapp entging, lässt sich nicht mehr klären.142 Hierls Sieg in den parteiinternen Auseinandersetzungen machte Hitler am 2. Januar 1933 deutlich, indem er bekräftigte, dass die »Bearbeitung aller Angelegenheiten des Arbeitsdienstes für die Partei [...] ausschließlich meinem Beauftragten für Arbeitsdienst« obliege - womit er keinen anderen als Hierl meinte.143 Da Hierl am Abend der Machtübertragung in der Partei für den Arbeitsdienst verantwortlich war, sollten die Probleme erst wirklich beginnen, denn nun war die NSDAP zur Zusammenarbeit mit dem Stahlhelm gezwungen. Erst jetzt würde sich entscheiden, wie der Dienst im »Dritten Reich« aussehen würde.

139 140 141 142 10, Nr. 143

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Vgl. zum Konflikt Hitler - Strasser Winkler, Katastrophe, S. 816f. Vgl. z.B. HRSA, Bd. V/1, Nr. 166, S. 299, Anmerkung 2. UuF, Bd. 8, Nr. 1919, S. 707f, Zitat S. 707f. Vgl. HRSA, Bd. W/2, Nr. 53, S. 167, Anmerkung 4; Longerich, Bataillone, S. 218; UuF, Bd. 2379, S. 179-181. HRSA, Bd. V/2, Nr. I l l , S. 315f.

II. Dienst an der Gemeinschaft: Die Organisation der Arbeitsdienste

Sowohl das nationalsozialistische Regime als auch der New Deal verstanden 1933 den Arbeitsdienst als Teilantwort auf die Weltwirtschaftskrise. Deswegen lösten die Nationalsozialisten den 1931 gegründeten FAD nicht auf, sondern bauten ihn nach eigenen Vorstellungen um. Dramatischer war die Entwicklung in den USA, wo der neu ernannte Präsident das Civilian Conservation Corps in atemberaubender Geschwindigkeit als eine seiner ersten Maßnahmen ins Leben rief Da beide Einrichtungen zwar ein erzieherisches Anliegen hatten, aber auch der produktiven Erwerbslosenfursorge dienten, teilten sie wesentliche Charakteristika mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Denn wie noch genauer zu zeigen sein wird, ordneten sich die Dienste jeweils in eine Vielzahl ähnlicher Organisationen ein, die den Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit aufnehmen sollten. Im Folgenden wird zunächst die organisatorische Entwicklung des deutschen Arbeitsdienstes untersucht, wobei die Fragen nach seiner Funktionsfähigkeit und seinem Stellenwert im Institutionengefüge des nationalsozialistischen Deutschlands im Zentrum der Analyse stehen. Weiter kreist das Organisationskapitel um das Problem, inwieweit die Dienste dem Auftrag als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gerecht wurden. Zudem wird erörtert, inwieweit die Wahrnehmung der jeweiligen anderen Nation und ihres Arbeitsdienstes die Geschichte der Einrichtungen prägte. Drei Unterkapiteln, die in Bezug auf diese Probleme einen chronologischen Längsschnitt bieten, folgt ein ebenfalls drei Unterkapitel umfassender systematischer Querschnitt. Hier wird der institutionelle Aufbau erörtert, bevor zunächst normativ, dann in Hinblick auf die praktischen Auswirkungen die Zugangsbedingungen zum deutschen Arbeitsdienst diskutiert werden. Die kondensierte Untersuchung der Organisationsgeschichte des C C C stellt in der gleichen Reihenfolge dieselben Fragen, bevor ein vergleichendes Kapitel die Ergebnisse zusammenfasst.

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1. Fehlstart ins »Dritte Reich«: Die Organisation des deutschen Arbeitsdienstes am Anfang des NS-Regimes

1.1. B r u c h m i t der Weimarer Republik: Die Gleichschaltungsphase Von der »Machtergreifung« am 30. Januar 1933 erfuhr Hierl, wie er später schrieb, aus dem Radio.1 In seiner grundsätzlichen Erklärung zwei Tage später stellte Hitler unter anderem fest: »Zu den Grundpfeilern unseres Programms gehört der Gedanke der Arbeitsdienstpflicht«, was für den französischen Botschafter in Berlin, André François-Poncet, sogar »la seule indication positive« der Erklärung darstellte.2 Das »Dritte Reich« begann für Hierl trotzdem mit einer Enttäuschung. In der Ministerbesprechung vom 2. Februar 1933 erklärte Stahlhelmgründer Franz Seldte, den Hitler einen Tag zuvor als Reichsarbeitsminister ins Kabinett berufen hatte, dass er an Stelle von Syrup Reichskommissar für den FAD werden wolle. 3 Denn dem Arbeitsdienst wurde ein hoher Stellenwert beigemessen. Nachdem das Reichsinnenministerium und das preußische Innenministerium an die Nationalsozialisten Frick und Göring gegangen waren, erhielt der Wehrverband die Verfügung über eine Institution, die zu einer paramilitärischen Einheit ausgebaut werden sollte. Diskutiert wurden diese Form der Nutzung des Dienstes in einer interministeriellen Besprechung unter dem Vorsitz Seldtes Ende Februar 1933. Der Reichsarbeitsminister erklärte, dass diese Organisation »in einen organischen Zusammenhang mit den übrigen Maßnahmen zur Wehrhaftmachung des Volkes gebracht werden« müsse, um letztlich eine Miliz zu schaffen. 4 In dieser Frage waren sich Hitler und seine konservativen Bündnispartner offensichtlich einig. Keinen Konsens gab es dagegen in der Personalfrage. Nach der Absprache vom 2. Februar wäre die Bestallung Seldtes an sich nur eine Formsache gewesen. Das Büro des Reichspräsidenten schickte entsprechend am 4. Februar die von Hindenburg unterzeichnete Ernennungsurkunde für Seldte an Hitler zur Gegenunterschrift. Was dann geschah, war staatsrechtlich ein »Kuriosum«.5 Laut der weiterhin grundsätzlich gültigen Weimarer Reichsverfassung war die Gegenzeichnung des Reichskanzlers kaum mehr als ein formeller Akt. Denn die Kompetenz, Reichsbeamten zu ernennen, lag beim Reichspräsidenten. 1 Vgl. Hierl, Dienst, S. 74; vgl. zusammenfassend zur Organisationsgeschichte Patel, Arbeitsdienst, S. 51-79. 2 UuF, Bd. 9, N r . 1970, S. 15-17, Zitat S. 16; Documents Diplomatiques Français, Bd. 1, 2, Nr. 250, S. 432^138, Zitat S. 432. 3 Vgl. AdR, Teil I, Nr. 9, S. 32. 4 BA/B, R 3905/15, Niederschrift über die Besprechung am 21.2.1933. 5 Köhler, Arbeitsdienst, S. 252.

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Hitler zögerte jedoch die Ernennung Seldtes hinaus, indem er die Unterschrift zurückhielt. Dieses in der Verfassung nicht vorgesehene Veto verwandte er, wie sich in den nächsten Wochen zeigen sollte, als Faustpfand in den Verhandlungen mit dem Stahlhelm. Verzögernd wirkte auch, dass sich Seldte und Reichswirtschaftsminister Hugenberg über die Abgrenzung ihrer Kompetenzen längere Zeit uneins waren. 6 Auch aus einem anderen Grund war die Machtfrage noch nicht geklärt, nachdem über die Besetzung des Reichskommissar-Postens entschieden war. Da Seldte zugleich das Amt des Reichsarbeitsministers innehatte, war ausschlaggebend, wer unter ihm den Dienst tatsächlich leiten sollte. Der Stahlhelm favorisierte für diese Position Heinrich Mahnken, Studienrat aus Hagen, Führer des Landesverbandes Westmark und zuletzt Leiter der Bundesstelle für Arbeitsdienst des Stahlhelm - den profiliertesten Mann aus den eigenen Reihen. 7 Die NSDAP wollte den Dienst aber nicht an den konservativen Bündnispartner abgeben. Hitlers Kandidat für den Posten als Stellvertreter Seldtes war kein Kompromissangebot: Konstantin Hierl. In diesem Konflikt waren die Fragen nach Konzept einerseits und Machtverteilung andererseits unlösbar miteinander verbunden, und sie geben wichtige Einblicke in die konzeptionelle Debatte, die Bündnislagen und Entscheidungsmechanismen in den ersten Wochen der nationalsozialistischen Herrschaft. Seldte und vor allem Mahnken taten alles, um Hierl vom Arbeitsdienst fernzuhalten. Seldte meinte Anfang Februar 1933, Hierl mit dem Posten eines Ministerialdirektors in einer Abteilung seines Ministeriums, die mit dem Arbeitsdienst nicht direkt zu tun hatte, abspeisen zu können. 8 Bald musste der Stahlhelmgründer aber einsehen, dass er die Nationalsozialisten unterschätzt hatte, denn Hitler spielte nun sein Faustpfand aus. So musste Mahnken Anfang März vermerken, dass immer noch keine Entscheidung gefallen sei.9 Inhaltlich waren Hierl und er so weit voneinander entfernt wie eh und je, da Hierl die Einführung der allgemeinen Arbeitsdienstpflicht noch zum kommenden Winter forderte, und für sich den Posten als Staatssekretär unter Reichskommissar Seldte.10 In einer Stellungnahme bezeichnete Mahnken den Vorschlag als »sachlich völlig undurchführbar« und plädierte wiederum für die stufenweise Weiterentwicklung zur allgemeinen Pflicht. Seiner Meinung nach musste ein »Fachmann des Stahlhelm« Staatssekretär werden - wobei er selbstverständlich an sich selbst dachte." 6 Vgl. AdR, Teil I, Nr. 9, S. 32. 7 Vgl. Duesterberg, S. 43. 8 Vgl. AdR, Teil I, Nr. 80, S. 278, Anmerkung 10. 9 Vgl. BA/B, R 72/311, Mahnken an Landesverbände, 2.3.1933. 10 Vgl. AdR, Teil I, Nr. 38, S. 140. 11 BA/B, R 2/4538, Stellungnahme Mahnkens zum Diktat Hierls, ohne Datum [Anfang März 1933].

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Dementsprechend sammelte Mahnken seine Kohorten. Am 4. März traf er Vizekanzler Franz von Papen, um ihn von der »Unhaltbarkeit« der Hierischen Vorstellungen zu überzeugen. In eine ähnliche Richtung hatte kurz zuvor bereits Stahlhelmführer Duesterberg gewirkt. So gewann Mahnken - zumindest seiner eigenen Einschätzung zufolge - mit dem Vizekanzler einen neuen Bündnispartner gegen Hierl. 12 Zudem beabsichtigte Mahnken, seinen Widersacher mit Stellungnahmen des Reichsfinanzministers und des bisherigen Reichskommissars für den FAD, Syrup, zu demontieren. 13 Allerdings hielt auch Hierl einige Trümpfe in der Hand. Denn Reichswehrminister Blomberg hielt Hierls Arbeitsdienstpläne für unbedenklich. Hierls As aber war Hitlers nach wie vor ungebrochenes Vertrauen in ihn. Die Gegensätze blieben somit unüberbrückt. Die aufgewühlte Atmosphäre fand sogar in der Öffentlichkeit ihren Niederschlag. Die Auseinandersetzung zwischen beiden Parteien wurde auch in der Tagespresse unerbittlich ausgefochten, was die relative Offenheit der Situation und die noch nicht vollzogene Gleichschaltung der Medien durch das Regime verdeutlicht. 14 Am 11. März fiel eine Entscheidung zugunsten des Stahlhelm. Hitler unterschrieb endlich Seldtes Ernennungsurkunde und machte ihn damit zum Reichskommissar. 15 Die nach erneuten Auseinandersetzungen gefundene Lösung sah vor, dass Seldte Mahnken zum bevollmächtigten Stellvertreter des Reichskommissars ernannte. 16 Als solcher leitete dieser für einige Wochen faktisch weiterhin den Dienst, an dessen Führung er im Februar beteiligt worden war. Aber auch Hierl wurde in die Entscheidungen eingebunden - zumindest zeugt das aus jenen Wochen Uberlieferte nicht vom Gegenteil.17 Damit war jedoch keine endgültige personalpolitische Entscheidung gefunden. In den folgenden Wochen wurden mehrere Beschlüsse über die Struktur der Arbeitsdienstführung gefasst, die aber alle nicht umgesetzt wurden. Das gleiche Schicksal erlitt zunächst die Lösung, die am 31. März das Reichskabinett beschloß. Danach sollte Hierl als Staatssekretär den Arbeitsdienst unter dem Reichskommissar Seldte leiten. Mahnken und der Pastor Stratenwerth, der bereits seit Jahresbeginn als Referent beim Reichskommissar tätig gewesen war, sollten Hierl als Ministerialräte flankieren. Der Nationalsozialist wurde in diesem Modell von oben und unten durch den Stahlhelm eingerahmt. 18

12 Vgl. BA/B, R 53/78, Duesterberg an Papen, 2.3.1933. 13 Vgl. BA/B, R 72/313, M a h n k e n an B u n d e s f ü h r e r Stahlhelm, 5.3.1933. 14 Vgl. z.B. VB 26./27.2.1933. Erstaunlich zurückhaltend das offizielle O r g a n des Stahlhelm, Der Stahlhelm·, kämpferische Artikel aber anderswo, u.a. in: B T 9.3.1933. 15 Vgl. BA/B, R 43 11/516, v.a. Meissner an Hitler, 4.2.1933. 16 Vgl. Mahnken, S. 71; vgl. auch die Auseinandersetzungen n o c h an d e m T a g in: BA/B, R 43 11/516. 17 Vgl. z.B. BA/B, R 2301/5645, z.B. R K - F A D an LAÄ, 1.4.1933. 18 Vgl. AdR, Teil I, N r . 80, S. 278.

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Schließlich kam Hierl erst am 4. Mai 1933 in sein Amt, wobei er als eine seiner ersten Tätigkeiten die Führung des Dienstes in eine neue Spitze mit dem Namen »Reichsleitung« umbaute.' 9 Stratenwerth und Mahnken schieden dagegen ungefähr zeitgleich aus dem Arbeitsdienst aus.20 Was für eine Aufgabe Mahnken danach übernahm, ist nicht bekannt. Nach den Memoiren von Duesterberg kam er später in Gestapohaft und entging dort nur knapp dem Tod - es ist nicht auszuschließen, dass seine Haltung in der Arbeitsdienstfrage der Grund dafür war und Hierl der Verantwortliche.21 So konnte Hierl die Personalkämpfe ganz für sich entscheiden, wofür das Vertrauen Hitlers in den ehemaligen Berufsoffizier ausschlaggebend war. Da aber auch nach Hierls Berufung die Kompetenzen zwischen Seldte einerseits und Hierl andererseits nicht klar abgegrenzt waren, sollte es weiterhin zu Konflikten kommen. Hierls Sieg wurde wesentlich von Weichenstellungen im Reichskabinett beeinflusst. Denn noch während der Kampf zwischen den Nationalsozialisten und dem Stahlhelm tobte, befasste sich die Chefbesprechung vom 4. April 1933 mit dem Dienst. Hitlers Ausführungen aus dieser Sitzung sollten grundlegend für die Weiterentwicklung des Dienstes werden. Zunächst schloß er sich Krosigk und Reichswehrminister Blomberg an, »dass der Anfang des Arbeitsdienstes so einfach wie möglich gestaltet werden müsse«. Hitler bestimmte, dass der vorgelegte Entwurf, der 375 Millionen für 300.000 Dienstpflichtige vorsah, »ganz erheblich gesenkt werden« müsse. Als Reichswirtschaftsminister H u genberg aber forderte, die Arbeitsdienstpflicht an den Interessen der Wirtschaft zu orientieren, und von der Pflicht »zu Beginn in beschränktem und späterhin in steigendem Umfang Gebrauch« zu machen, lehnte Hitler das ab: Der Reichskanzler betonte demgegenüber, dass man die Arbeitsdienstpflicht nicht zunächst unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten solle. Er sehe darin vor allem ein Instrument, das zur bewußten Erziehung zur Volksgemeinschaft hervorragend geeignet sei. [ . . . ] Es müsse Ehrenpflicht jedes j u n g e n Deutschen sein, diesen Dienst auf sich zu nehmen. Aus diesem Schmelztiegel werde die deutsche G e m e i n schaft hervorgehen. 22

Für Hitler stand die »Volksgemeinschaft« im Mittelpunkt, die das Ergebnis des intensiven Kontakts zwischen den verschiedenen Klassen und Schichten sein sollte. Noch weniger als Hierl sah der Diktator die ökonomische Bedeutung der Einrichtung in der geleisteten Arbeit, sondern in dem durch den Arbeitsdienst vermittelten Arbeitsethos. Sein unter dem Primat der Erziehung stehendes Konzept gehörte somit dem völkisch-nationalistischen Typus an, wenn19 Vgl. BA/B, R 1501/25674, RAM an die Reichsminister, 27.4.1933 und Anlagen; BA/B, R 3901/384, Ernennungsurkunde, 4.5.1933. 20 Vgl. Lotter, S. 22f. 21 Vgl. Duesterberg, S. 67. 22 AdR, Teil I, Nr. 85, S. 286-289, Zitate S. 288f.

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gleich er es ö k o n o m i s c h untermauerte. Dagegen sprach er d e m Dienst keine wehrpolitische B e d e u t u n g zu, was angesichts der Ängste des Stahlhelm vor einer nationalsozialistischen Miliz auch ungeschickt gewesen wäre. Das heißt aber nicht, dass die Nationalsozialisten tatsächlich alle derartigen Pläne aufgegeben hatten. A m 1. Mai des Jahres wiederholte Hitler seine A u s f ü h r u n g e n aus der C h e f besprechung gegenüber d e m ganzen Volk. In der im Reich per R u n d f u n k übertragenen Tempelhofer Rede, die in Z u s a m m e n h a n g mit der Zerschlagung der Gewerkschaften stand, w a r b er w i e d e r u m mit d e m volkserzieherischen Anliegen f ü r d e n Dienst. 2 3 D a m i t fiel die letzte E n t s c h e i d u n g f ü r Hierl, der f ü r das völkisch-pädagogische Konzept stand u n d wahrscheinlich vor diesem H i n t e r g r u n d n u r drei Tage später Staatssekretär w u r d e . Dagegen w u r d e der Stahlhelm mit einem militaristischen Konzept identifiziert. Direkt nach Hierls B e r u f u n g druckte der Völkische Beobachter ein längeres Interview m i t d e m n e u e n Staatssekretär ab. 24 H i e r u n d in den folgenden Wochen f ü h r t e Hierl die Pläne z u m Arbeitsdienst genauer aus. Hitler hatte auf d e m Tempelhofer Feld eine u n p r ä zise F o r m u l i e r u n g gewählt, als er sagte, dass das Regime »in diesem Jahre z u m ersten Male diesen großen ethischen Gedanken, den wir mit d e m Arbeitsdienst verbinden, verwirklichen« werde. 2 5 Hierl interpretierte Hitlers Aussage nach seinen Interessen, w e n n er daraus ein eindeutiges Plädoyer f ü r die Arbeitsdienstpflicht machte. Mehr, als dass er sich tatsächlich auf Hitler b e r u f e n k o n n te, b e n u t z e er den angeblichen »Führerwillen« als Argument. 2 6 Bis z u m 1. O k t o b e r sollte Hierl zufolge der FAD in einen staatlichen Arbeitsdienst auf freiwilliger G r u n d l a g e u m g e b a u t w e r d e n . Ab A n f a n g J a n u a r 1934 sollten 350.000 M a n n im Arbeitsdienst stehen. Das war, wie Hierl selbst konzedierte, aus finanziellen G r ü n d e n n u r die Hälfte des ersten Pflichtjahrgangs. A u f g r u n d der Dienstzeit v o n e i n e m halben Jahr k ö n n e d e n n o c h die ganze männliche J u g e n d der Pflicht u n t e r w o r f e n w e r d e n . Die A n k ü n d i g u n g e n standen aber in e i n e m Spannungsverhältnis z u m Stand der Vorarbeiten auf Kabinettsebene. Z w a r war bereits in der C h e f b e s p r e c h u n g v o m 4. April die Frage der Arbeitsdienstpflicht diskutiert w o r d e n , j e d o c h w u r de sie damals angesichts der U n k l a r h e i t e n bei der F i n a n z i e r u n g z u r ü c k gestellt. 27 M e h r n o c h als Hitler kritisierte das Reichsfinanzministerium die überdimensionierten Pläne. Tatsächlich verlangte Hierl insgesamt r u n d zehn Prozent des gesamten Reichshaushalts u n d damit k a u m weniger, als der Reichw e h r zur Verfügung stand. 28 23 24 25 26 Bd. 1, 27 28

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Vgl. HRP, Bd. 1, S. 2 5 9 - 2 6 4 (1933). Vgl. VB 5.5.1933. HRP, Bd. 1, S. 2 5 9 - 2 6 4 (1933), Zitat S. 262. Vgl. zum »Führerwillen« Longerich, Propagandisten, v.a. S. 332-337; ähnlich Kershaw, Hitler, v.a. S. 663-667. Vgl. AdR, Teil I, Nr. 85, S. 289. Vgl. BA/B, R 3905/210/1, v.a. Vermerk RK für Arbeitsbeschaffung, 29.5.1933; zu den

Ebenso umstritten war die rechtliche Absicherung der Organisation. Erst knapp einen Monat, nachdem Hierl eigenmächtig die Öffentlichkeit über den detaillierten Fahrplan zur Einrichtung der allgemeinen Pflicht informiert hatte, verschickte das Reichsarbeitsministerium am 2. Juni 1933 einen entsprechenden Gesetzentwurf. 29 Aber schon am folgenden Tag machte Krosigk einen grundlegenden Einwand geltend. Angesichts außenpolitischer Schwierigkeiten, die aus der Einführung der allgemeinen Pflicht resultieren könnten, plädierte er für eine unauffällige Weiterentwicklung zur Arbeitsdienstpflicht. Aufgrund des Einwandes wurde der Entwurf zunächst in der Reichskanzlei als nicht kabinettsreif eingestuft, dann zwar in der Kabinettsitzung vom 8. Juni besprochen, jedoch kein Beschluss gefasst.30 So kristallisierte sich immer deutlicher heraus, dass Hierls Auslegung des »Führerwillens« höchst umstritten war und dass der Arbeitsdienstpflicht massive Widerstände in der NS-Machtelite gegenüberstanden. Dass es 1933 nicht zur Arbeitsdienstpflicht kam, hatte aber in erster Linie einen außenpolitischen Grund. Bei den Genfer Abrüstungsverhandlungen wurde über die Größe der bewaffneten Verbände diskutiert, die den wichtigeren Nationen zugestanden werden sollte; das Ziel war die internationale Abrüstung. Deswegen musste zunächst die Truppenstärke jedes Landes definiert werden. Der Streit entflammte nicht zuletzt an Organisationen, die aufgrund ihres militärähnlichen Charakters auf die Truppenstärke angerechnet werden konnten. Bei den Diskussionen über die deutsche Heeresstärke ging es nachrangig auch um den Arbeitsdienst. Besonders Frankreich verfolgte eine harte Linie.31 Deutschland war sich deswegen der Widerstände bewusst, die der avisierten Arbeitsdienstpflicht gegenüberstanden. Bereits im Gesetzentwurf vom Juni waren Änderungen vorgenommen worden, um dem Dienst ein zivileres Gesicht zu geben, und auch in Genf betonte Deutschland seine angeblich friedlichen Absichten.32 Die Genfer Diskussionen gipfelten in der Aussprache vom 10. Juni 1933 und einem Beschluss zwei Tage später. Die harte französische Linie setzte sich durch, als auch Jugoslawien und die Vereinigten Staaten von Amerika sich dieser anschlossen; deswegen wurde jegliche Form von Arbeitsdienstpflicht verboten. 33 Für die deutschen Pläne hatte das Verbot vom 12. Juni einschneidende Konsequenzen. Wenngleich es bald danach von dem deut-

Vergleichszahlen z.B. StJB 1935, S. 423. Dass weitere versteckte Ausgaben zum Wehretat zuzurechnen sind, ist für diese Frage weniger wichtig. 29 Vgl. BA/B, R 3905/210/1, RL-AD an Staatssekretär der Rkei u.a., 2.6.1933. 3 0 Vgl. AdR, Teil I, Nr. 155, 545-547. 31 Vgl. ebd., Nr. 157, S. 554-559; vgl. ferner BA/B, R 43 1/534, 535, 536. 32 Vgl. BA/B, R 2301/5645, Verhandlungsniederschrift Horstmann, 31.5.1933; AdR, Teil I, Nr. 157, S. 554-559; U u F , Bd. 10, Nr. 2323, S. 36-38. 33 Vgl. BA/B, R 43 11/516, Nadolny an Auswärtiges Amt, 10.6.1933; Hase, S. 9.

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sehen Rückzug von der Abrüstungskonferenz und d e m Austritt aus d e m Völkerbund am 14. Oktober 1933 überschattet u n d in der Forschung zu U n r e c h t kaum beachtet wurde, bedeutete es doch das vorläufige Ende f u r die Arbeitsdienstpflicht. Hierl hatte noch im Mai 1932 forsch erklärt, dass »keinerlei vertragliche Verpflichtung« Deutschland an der E i n f ü h r u n g der Arbeitsdienstpflicht hindere. 34 N a c h Genf riskierte Hitler dafür jedoch keine außenpolitischen Verwicklungen. So entschied er in der Chefbesprechung v o m 16. Juni, ihre E i n f ü h r u n g mindestens bis April 1934 aufzuschieben. 35 So w u r d e Hierls Plan O p f e r der »Abschirmung der inneren Machtergreifung von 1933/34«.36 Die E i n f u h r u n g der Arbeitsdienstpflicht war zwar selbst ein Element des inneren Machtausbaus. Jedoch war das Verhältnis von Innen- zu Außenpolitik dynamisch, u n d es gab wechselseitige Abhängigkeiten. Es konnte geschehen, dass die außenpolitische Linie, die sich aus innenpolitischen Prioritäten ergab, auf die Innenpolitik zurückwirkte u n d sie blockierte. Zugleich zeigt sich, dass Hierl mit seinen Plänen Hitler zwar grundsätzlich auf seiner Seite wusste, dass sein Kalkül, mit seiner Auslegung des »Führerwillens« zu argumentieren, aber nicht aufgegangen war. Für den Arbeitsdienst hatte die Intervention mehrere Konsequenzen. Erstens bestärkte sie die volkserzieherischen Absichten, während die wehrpolitischen an Gewicht verloren. Hierls Überlegungen waren seit 1930 in die autoritäre pädagogische und die völkische Richtung gegangen, zudem definierte Hitler die Einrichtung ebenfalls primär über diese Aufträge. Dagegen stand der Stahlhelm eher f ü r das wehrpolitische Konzept, auch w e n n beide Bündnispartner gleichermaßen den Ausbau des Dienstes zur paramilitärischen Organisation betrieben hatten. D e n n seit Februar 1933 w u r d e im Arbeitsdienst in Zusammenarbeit mit dem Reichskuratorium f ü r Wehrertüchtigung Wehrsport inklusive Schießübungen durchgeführt. 3 7 Diese Ausrichtung nahm Hitler n u n aus außenpolitischen Rücksichten zurück. N a c h d e m Genfer Veto erwies es sich für das Regime als ein günstiger Zufall, dass sich mit Hierl machtpolitisch die Person u n d das Modell durchgesetzt hatten, die flexibel auf die veränderte Lage reagieren konnten. Auch an die Öffentlichkeit trat der Dienst fortan mit leicht verändertem Konzept. Das scheinbar zivile Gesicht fasste z u m Beispiel der Deutsche Arbeitsdienst in der bündigen Uberschrift »Arbeitsdienst - Friedensdienst« zusammen. 3 8 Z u d e m wurden in einer auch öffentlich verbreiteten Anordnung v o m 34 Hierl, Sinn, S. 19. 35 Vgl. BA/B, R 2301/5638, RK-FAD an Bezirksleitungen, 21.7.1933. 36 Bracher, Anfangsstadium, S. 74. 37 Vgl. BA/B, R 2391/5645, RK-FAD an Bezirksleitungen, 19.4.1933; AdP, Teil 1, Nr. 10050; Hürter, S. 340; Woodman, S. 250-278. 38 Dt. AD 3 (1933), S. 263f; vgl. z.B. auch VB 14.6.1933.

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3. August alle Waffen in Arbeitsdienstlagern verboten. 39 Angesichts britischer Nachfragen und der eingeforderten Kontrollmöglichkeiten waren das aus der Perspektive des Regimes nicht nur sinnvolle, sondern notwendige Regelungen. 40 Das heißt aber nicht, dass der Dienst tatsächlich zu einer zivilen Einrichtung wurde. Vielmehr übernahm er, was die Forschung bisher nur unzureichend herausgearbeitet hat, eine andere Aufgabe im Kontext der Kriegsvorbereitung. Künftig sollte er die ökonomischen und ideologischen Voraussetzungen für eine militärische Auseinandersetzung schaffen - ökonomisch, indem die in ihm verrichtete Arbeit dazu diente, Deutschland landwirtschaftlich autark zu machen; ideologisch, indem er als Sozialisationsinstanz militärische Werte vertrat und die männliche Bevölkerung körperlich und geistig auf den Krieg vorbereitete. Beides wird in den Kapiteln zur Erziehung und zur Arbeit näher untersucht. Insgesamt fiel erst jetzt die Entscheidung, dass der Arbeitsdienst künftig primär unter den Vorzeichen der völkisch-nationalistischen Erziehungskonzeption stehen und nicht in erster Linie ein paramilitärisches Instrument des Revanchismus werden sollte. Trotzdem hatten manche Lager zumindest in den Monaten unmittelbar nach dem Veto - weiterhin militärähnliche Züge, die jedoch durch eine rigide Pressepolitik der Öffentlichkeit vorenthalten wurden. 41 Gleichzeitig blieb es bei den klaren Hierarchien und anderen militärähnlichen institutionellen Merkmalen. Außenminister Neurath, der zugunsten der außenpolitischen Abschirmung gefordert hatte, die an das Militär erinnernden Elemente ganz abzuschaffen, stieß damit bei Hierl auf Granit, da dieser weiterhin auf die Vorbereitung für militärische Aufgaben setzte.42 Abstrakt gesprochen ging es fortan nicht mehr um die Möglichkeit der Kriegsfuhrung, sondern darum, die Bedingung der Möglichkeit herzustellen. Da Hitler wußte, dass er noch für mehrere Jahre keinen Krieg riskieren konnte, ergibt sich so ein paradoxer Befund: Die Intervention der Siegermächte des Ersten Weltkriegs war berechtigt und leitete einen Kurswechsel ein. Dieser entsprach jedoch den zeitweiligen Erfordernissen des Regimes besser als das bisherige Konzept. Denn von 1933 bis 1939 brauchte das nationalsozialistische Deutschland nicht primär Soldaten, sondern Männer, die für die Kriegsvorbereitung arbeiteten und die zugleich selbst für einen Krieg konditioniert wurden. Dazu leistete der Arbeitsdienst ab Sommer 1933 einen wichtigeren Beitrag als zuvor. Außerdem legte das Veto der Siegermächte den Dienst auf einen evolutionären Weg fest, was Hierls ursprünglicher Absicht widersprach. Auch nach 39 Veröffentlicht z.B. in: Dt. AD 3 (1933), S. 568. 40 Vgl. z.B. BA/B, R 43 1/534, Britische Botschaft an Hitler, 20.12.1933. 41 Vgl. z.B. den RMI-Verweis an die Presse, solche Meldungen zu unterlassen; IfZ, MA 260, RMI an RMVP u.a., 7.8.1933. 42 Vgl. BA/B, R 2/4519, v.a. Auswärtiges Amt an RAM, 10.6.1933.

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Hitlers Kurswechsel hoffte er zunächst, dass die Auswirkungen für den Dienst gering sein u n d dass vor allem seine finanziellen Forderungen erfüllt würden. Damit konnte Hierl sich jedoch nicht durchsetzen. 4 3 Allerdings war er flexibel genug, fortan ganz die in seinem Konzept angelegte, volkserzieherische Karte auszuspielen. Trotzdem erlitt das »Neue Deutschland« mit dem Arbeitsdienst viereinhalb M o n a t e nach der Machtübertragung seine erste größere innenpolitische Schlappe - denn bereits seit mehreren Wochen hatte Hierl die Öffentlichkeit auf die E i n f ü h r u n g der Arbeitsdienstpflicht vorbereitet. Dass die deutsche Bevölkerung dies d e m Regime nachsah, hatte im Wesentlichen drei G r ü n d e . Erstens stand die E i n f ü h r u n g der Arbeitsdienstpflicht nicht an der Spitze der Agenda der neuen Regierung. Zweitens erzielte der Nationalsozialismus in den Bereichen, in denen er sich primär messen ließ, tatsächliche und scheinbare Erfolge, vor allem beim Abbau der Arbeitslosigkeit. Der dritte G r u n d lag in der Art, in der Hierl und der Arbeitsdienst mit der Niederlage an die Öffentlichkeit traten. Z u m einen stellten sie sich als unschuldiges O p f e r der Intrigen Frankreichs dar. Die zuvor öffentlich diskutierten Pläne, den Arbeitsdienst f ü r den Aufbau einer Miliz zu nutzen, wurden nicht mehr erwähnt. Vielmehr wurde jetzt nur noch auf das erzieherische u n d angeblich friedfertige Anliegen des Dienstes hingewiesen. 44 Z u m anderen argumentierte Deutschland nach d e m Muster tu quoque: Es verwies darauf, dass die Vereinigten Staaten just das täten, was Deutschland verboten werde. Viele deutsche Zeitungen erklärten, dass jenseits des Atlantiks ebenfalls ein Arbeitsdienst aufgebaut werde. Dieser stünde sogar »in engster Verbindung mit d e m Heere«. Damit sei der amerikanische Dienst militärähnlicher als der deutsche, und das Verbot habe den falschen Adressaten. 45 Die Parallelen zwischen diesen Artikeln legen nahe, dass sie auf Anweisung des Propagandaministeriums entstanden. 4 6 Die nationalsozialistische M e i n u n g über den amerikanischen Dienst war zwar tendenziös, kreiste aber u m einen wahren Kern. D e n n tatsächlich hatte sich Roosevelt in Genf in die prekäre Lage begeben, aus G r ü n d e n der Abrüstung gegen die deutsche Dienstpflicht zu stimmen, in den U S A aber gleichzeitig in enger Anlehnung an das Militär einen Arbeitsdienst aufzubauen. Wie noch zu zeigen sein wird, bedeutete dies aber nicht, dass der amerikanische Dienst direkt militärische Ziele verfolgte - was die deutsche Presse natürlich verschwieg. Außerdem versuchte sie zu verschleiern, dass die U S A im Gegensatz zu Deutschland keine Arbeitsdienstpflicht

43 Vgl. BA/B, R 2301/5638, Vermerk Lange, 30.6.1933. 44 VB 14.6.1933; vgl. auch D T 156a, 6.7.1933; BBZ 13.6.1933. 45 Dt. AD 3 (1933), S. 263f, Zitat S. 264. 46 In den NS-Presseanweisungen ist keine solche Regelung dokumentiert, diese sind aber nicht vollständig überliefert.

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hatten oder wollten. Insgesamt mündete der Verweis auf die amerikanische Einrichtungjedoch nicht in einen offenen Vorwurf an die USA, sondern richtete sich gegen Frankreich. Ein Artikel im Berliner Tageblatt hielt ausdrücklich fest, dass sich Frankreich mit seinem Vorstoß kaum in den U S A »Freunde erworben hat«, da dort der Präsident »mit solcher Energie« an den Aufbau eines Arbeitsdienstes gehe. 47 Dass die U S A nicht direkt angegriffen wurden, obwohl auch sie für das Verbot der Dienstpflicht in G e n f gestimmt hatten, erklärt sich mit dem damaligen positiven Amerikabild in Deutschland. D e n n allgemein hob das NS-Regime die Ähnlichkeiten der eigenen zur amerikanischen Politik hervor, w o m i t sich das nationalsozialistische Sendungsbewusstsein mit d e m Versuch paarte, so die Richtigkeit der eigenen Politik zu belegen. 48 Die dezidiert propagandistische Funktion der Berichterstattung zeigt sich daran, dass die deutschen Meinungseliten eine andere Sicht auf das C C C hatten als die, die sie nach außen vertraten. D e n n in internen Berichten, etwa des deutschen Militärattaches in Washington, findet sich ein differenzierteres Bild des CCC. 4 9 Solche Interpretationen drangen aber nicht an die deutsche Ö f f e n t lichkeit. Somit wird die Aufgabe, die das in Deutschland verbreitete Bild des C C C hatte, offensichtlich: Es sollte letztlich vor allem den deutschen Dienst legitimieren. Trotz der Schwierigkeiten, die das Genfer Veto und die personellen und konzeptionellen Auseinandersetzungen mit sich brachten, schritt schon zuvor die Gleichschaltung des Dienstes auf mehreren Ebenen voran. Ende März 1933 wurden die bisherigen Bezirkskommissare für den FAD, zu denen in der Weimarer Republik die Präsidenten der Landesarbeitsämter ernannt worden waren, abgelöst. Aber nicht n u r das Personal, sondern auch dessen Kompetenzen wurden verändert. N u n m e h r gab es statt des Bezirkskommissars und seines Stellvertreters den Bezirksführer und den Bezirkskommissar, wobei ersterer künftig f ü r die F ü h r u n g der Truppe, letzterer für die Verwaltung zuständig wurde. Die Nachfolger der bisherigen Bezirkskommissare kamen aus der Reichswehr, vor allem aber vom Stahlhelm und der NSDAP, u n d die Personaldiskussion stellte einen wichtigen Bestandteil des Kampfs zwischen den beiden Bündnispartnern dar. Zunächst war M a h n k e n mit d e m Verhandlungsergebnis durchaus zufrieden. Soweit es sich rekonstruieren lässt, gingen von den dreizehn Bezirksführerposten drei an Reichswehrgeneräle, die verbleibenden zehn wurden paritätisch unter Stahlhelm u n d N S D A P geteilt. Dass die zur Grenzsicherung wichtigen Gebiete Ostpreußen, Schlesien und Mitteldeutschland von Generälen geführt werden sollten, zeigt noch einmal die enge Verk n ü p f u n g des Arbeitsdienstes mit militärischen Überlegungen. Bei den 47 B T 18.6.1933. 48 Vgl. Palet, Amerika, S. 349-372; Gasseri, Visionen, S. 183-246. 49 Vgl. BA/B, R 2/4522, Boetticher an Reichswehrministerium, 6.2.1934.

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Verwaltungsstellen hatte der Frontkämpferbund sogar ein deutliches Übergewicht.50 Zudem wurde der Dienst nun teilweise von der Reichsanstalt abgekoppelt. Die Arbeitsämter, die für die Auswahl der jungen Männer zuständig gewesen waren, unterstanden in dieser Frage weiterhin den Bezirkskommissaren. Damit dienten sie nun aber zwei Herren zugleich - dem Präsidenten der Reichsanstalt und dem Reichskommissar. 51 Das änderte sich erst im Dezember 1933, als zur Rekrutierung von Freiwilligen für den Dienst eigene Meldeämter aufgebaut wurden. Kurz vor dem Veto der Siegermächte des Ersten Weltkrieges nahm die Reichsleitung noch eine weitere Reform in Angriff Die dreizehn Bezirke, die entsprechend den Landesarbeitsämtern abgegrenzt waren, 52 wurden bis zum 1. September 1933 in 30 Arbeitsgaue verwandelt. Entsprechend der Neugliederung mussten nun die Posten der »Arbeitsgauführer« neu besetzt werden. Vergleicht man die mit Wirkung zum 15. Oktober Berufenen mit den Bezirksfuhrern und -kommissaren vom März 1933, so ergeben sich deutliche Veränderungen. Sie lassen sich nicht in allen Details nachvollziehen, da die überlieferten Listen Ungenauigkeiten aufweisen. Obwohl sich die Anzahl der Stellen mehr als verdoppelte, wurde von den Bezirksführern keiner der drei Reichswehrgeneräle übernommen, von denen des Stahlhelm lediglich einer, dagegen von den Nationalsozialisten alle. Bei den stellvertretenden Arbeitsgauführern bauten die Nationalsozialisten ihre Stellung noch stärker aus.53 Auch in einem anderen Bereich kam es noch vor dem Ende des Machtkampfes zu wesentlichen Veränderungen. Die Nationalsozialisten und der Wehrverband waren sich einig, dass die Zahl der Dienstträger und ihre Kompetenzen zugunsten eines strafferen Aufbaus begrenzt werden sollte. So kam der Prozess der Gleichschaltung des Arbeitsdienstes in Gang. Der Frontkämpferbund stand zwar nicht für die Gewalt, mit der die Nationalsozialisten den Prozess der Gleichschaltung einleiteten und vorantrieben. Außerdem hätte er Dienstträger mit politisch ähnlichen Vorstellungen wahrscheinlich beibehalten. Lager der politischen Linken tolerierte jedoch auch er nicht. Insgesamt gab es mehrere Formen der Gleichschaltung. Gewaltaktionen gegen Lager anderer Träger häuften sich ab März 1933. Vor allem die SA-Hilfspolizei trat als Vollstrecker, in vielen Fällen aber auch als Motor der Ubergriffe auf Von den Ausschreitungen waren nicht nur Einrichtungen der Sozialdemo-

50 Vgl. BA/B, R 72/313, v.a. Mahnken an Landesverbände, 25.3.1933. 51 Vgl. ebd., v.a. Mahnken an Bezirksführer und -kommissare, 31.3.1933; BA/B, R 2301/5645. 52 Im Frühsommer 1933 wurde Bayern geteilt, so dass es für eine kurze Zeit 14 Bezirke gab. 53 Für die Bezirksleitungen vgl. BA/B, R 72/313, Aufstellung, ohne Datum, Bl. lOlf; weitgehend identisch die Liste in: Dt. AD 3 (1933), S. 152. Für die AGF vgl. BA/B, R 2301/5638, v.a. RKFAD an AGL, 5.10.1933.

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kraten betroffen, sondern etwa auch die evangelischer Organisationen. 54 Solche Misshandlungen hatte jedoch nicht unbedingt zur Folge, dass ein Dienstträger seine Tätigkeit ganz oder an einem Standort einstellte. Das war bei Lagerbesetzungen anders. So beschwerte sich zum Beispiel Kardinal Faulhaber Ende April bei Hitler darüber, dass mehrere Lager des Katholischen Reichswerks »durch die NSDAP besetzt wurden«. 55 Kurz zuvor hatte sich bereits der Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenz, Erzbischof Adolf Bertram, an Seldte gewandt. Auch er hatte ausgeführt, dass die NSDAP von den eigenen Lagern in Bayern bereits alle, in Westfalen dagegen noch keine besetzt habe.56 Doch nicht nur die SA nahm Lagerbesetzungen vor, sondern auch die SS und in Anhalt zum Beispiel der nationalsozialistische Dienstträger. 25 junge Männer der Führerschule Groß-Kühnau gingen mit ihrem Abteilungsfuhrer Lancelle, dem Bürgermeister und dem Polizeikommissar gegen ein Reichsbannerlager in Coswig vor. Sie setzten die Führer ab, und fortan führte der nationalsozialistische Dienstträger das Lager.57 Die Beteiligung von Vertretern der lokalen Behörden zeigt eine weitere Variante der Besetzungen. Gemeinsam war den Vorkommnissen, dass der Träger des Dienstes zwar institutionell fortbestand, in seiner praktischen Arbeit aber behindert oder von ihr ferngehalten wurde. Zudem gab es den Typus des »freiwilligen« Anschlusses. Im April 1933 integrierte zum Beispiel General Faupel seinen Reichsbund für Arbeitsdienst in den Stahlhelm, um der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten zuvorzukommen. 58 So war der Anschluss eine Gegenbewegung zu den nationalsozialistischen Gewaltaktionen. Im Gegensatz zum ersten Typus löste hier ein zuvor selbständiger Träger seine Organisation auf - dafür konnten die Lager manchmal nahezu unverändert weiterarbeiten. »Freiwillige« Anschlüsse gab es auch an den nationalsozialistischen Dienstträger. Ein weiterer Typus war die befristete Duldung - so kam zum Beispiel der »Tübinger Bund fur Arbeitsdienst und Werkjahr« mit dem nationalsozialistischen VzU überein, dass er bis zur Einführung des staatlichen Dienstes im Herbst seine Arbeit fortführen könne. 59 Ahnlich ging die Ausschaltung des völkischen Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes (DHV) vonstatten. 60 Für solche Lösungen sprach aus nationalsozialistischer Perspektive mehrerlei. Der D H V oder auch der Tübinger Bund verbanden mit dem Engagement im Arbeitsdienst ähnliche Zielvorstellungen wie die NSDAP. Außerdem standen in solchen Lagern 54 55 56 57 58 59 60

Vgl. BA/F, M F B l/WF-10/22628, Meldung Hauptmann Geist, 12.5.1933. Vgl. BA/B, R 43 11/516, Kardinal Faulhaber an Hitler, 27.4.1933. Vgl. BA/B, R 43 II//954, v.a. Benram an Seldte, 15.4.1933. Vgl. VZ 6.6.1933; Anhaltisches Staatsministerium 1935, S. 39f. Vgl. BA/B, R 72/329, Bundesstelle fur Arbeitsdienst an Landesverbände, 13.4.1933. Vgl. Dt. AD 3 (1933), S. 325. Vgl. BA/B, N S 5 VI/3319, v.a. DHV, Abteilung für AD an Gauämter für AD, 4.4.1933.

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bereits qualifizierte Führer zur Verfügung, während die NSDAP nicht genug qualifizierte Kräfte hatte. Neben den Lagerbesetzungen und den »freiwilligen« Anschlüssen gab es die »Selbstgleichschaltung.« So versuchten zum Beispiel die Freien Gewerkschaften, als selbständiger Dienstträger zu überleben. Wie ihr Träger dem Reichskommissar Ende März 1933 mitteilte, waren aus ihr alle Mitgliedsorganisationen, die der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung angehörten, außer dem ADGB und dem Allgemeinen freien Angestelltenbund ausgeschieden. Der gewandelte Dienstträger hoffte, in dieser Form weiterarbeiten zu können.61 Damit schlugen die Freien Gewerkschaften einen neuen Kurs ein. Allerdings war bereits am Ende der Weimarer Republik ihre Distanz zur SPD und vor allem zu den orthodox marxistischen Teilen der Arbeiterbewegung immer größer geworden. N u n dienten sich die Gewerkschaften den neuen Machthabern an. Wenngleich man ihnen Opportunismus vorwerfen kann, vertraten sie dennoch ein grundsätzlich anderes Konzept als die rechten Organisationen. Sie traten dafür ein, dass relativ unabhängige Interessenverbände sich in der Politik - auch im Arbeitsdienst - engagieren konnten. Allein, der Versuch, die institutionelle Existenz zu retten, schlug fehl: Am 1./2. Mai 1933 wurden die Gewerkschaften zerschlagen, und ihr Dienstträger musste seine Arbeit fast zeitgleich einstellen.62 Die Gleichschaltung der Dienstträger verlief somit in einer Vielzahl von Einzelformen, die alle grob dem Muster der Besetzung, des »freiwilligen« Anschlusses oder der »Selbstgleichschaltung« folgten. Bei der Ausschaltung der anderen Träger handelte es sich insgesamt um einen chaotisch und eigendynamisch verlaufenden Prozess, in dem der Reichskommissar erst am 28. April klare Verhältnisse schuf. Er ordnete an, dass künftig nur noch Maßnahmen des Stahlhelm und des nationalsozialistischen Reichsverbandes Deutscher Arbeitsdienstvereine (RDA) anerkannt werden sollten. Bereits bestehende Projekte sollten von einem der beiden Träger übernommen werden. 63 So wurde die Rechtstaatlichkeit zumindest in Ansätzen restituiert. Die Gleichschaltung verschärfte zugleich den Konflikt zwischen Stahlhelm und Nationalsozialisten. Beide Seiten hatten nun Hunderte neuer Lager unter ihrer Gewalt und waren gestärkt für die nächste Runde der Auseinandersetzung. Wenn Seldte Mitte Mai allen Führern bekannt gab, dass in der Reichsleitung des Dienstes Nationalsozialisten und Stahlhelmer »kameradschaftlich Schulter an Schulter« stünden, 64 ließ das erkennen, dass es nicht überall zum Besten stand. Auf lokaler Ebene hatten Nationalsozialisten bereits im März 61 Vgl. BA/B, N S 5 W 3 3 1 5 , Reichsarbeitsgemeinschaft Sozialer Dienst an RK-FAD, 30.3.1933. 62 Vgl. allgemein Köhler, Arbeitsdienst, S. 163-177. 63 Vgl. BA/B, R 2301/5645, RK-FAD an Bezirksführer und Bezirkskommissare, 28.4.1933. 64 Vgl. BA/B, R 2301/5638, RL-AD an alle Dienststellen des AD, 15.5.1933.

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Stahlhelm-Lager kurzzeitig besetzt, sie aber bald wieder freigeben müssen. 65 Allerdings blieb es nicht bei der Politik feiner, symbolischer Nadelstiche. N u r zwei Tage, nachdem Hitler und Seldte am 21. Juni einen Vertrag abgeschlossen hatten, wonach der Wehrverband in die N S D A P als gleichberechtigte Organisation neben der SA und der SS eingegliedert werden sollte,66 klingelten beim Reichskommissar die Alarmglocken. Es war zu »Aktionen gegen Stahlhelmlager im ganzen Reich« gekommen, die auf das Konto der Nationalsozialisten gingen. Seldtes Befehl vom selben Abend, mit dem er die Übergriffe verbot, wurde nicht überall befolgt. 67 In Polch zum Beispiel eskalierte die Situation Mitte Juli. Nachdem die SA ein Stahlhelmlager besetzt hatte, wollte ein Führer des Frontkämpferbundes es mit einer 600 Mann starken Einheit, die mit Karabinern und einem schweren Maschinengewehr bewaffnet war, zurückerobern - nur nach längeren Verhandlungen ließ er sich davon abbringen. 68 Die Vorgänge zeigen, wie sehr der Arbeitsdienst der Kontrolle des Reichskommissars entglitten war.69 Doch nicht nur durch Übergriffe, sondern auch auf einer anderen Ebene betrieb Hierl die systematische Ausschaltung des Wehrverbandes. Ebenfalls Ende Juni und Anfang Juli versandte er an Hitler, Reichsinnenminister Frick und andere eine Aufstellung über die »Politische Zusammensetzung der Stahlhelmlager«. Darin wurden aus den verschiedenen Regionen Horrormeldungen kolportiert. Der Wehrverband sei als Dienstträger extrem angewachsen, »um dementsprechend Führungsansprüche stellen zu können«, und habe dazu »seine Lager wahllos mit Marxisten und Zentrumsanhängern gefüllt.« Die antinationalsozialistische Stimmung, die deswegen vielerorts entstanden sei, hätte bekämpft werden müssen. Laut Hierl entsprang das Eingreifen »der Initiative unterer Dienststellen und erfolgte auf Anweisung oder im Einverständnis mit den örtlichen nationalsozialistischen Regierungsstellen«. Hierl plädierte deswegen dafür, die Einrichtung aus dem Arbeitsministerium herauszunehmen und dem Innenminister zu unterstellen. 70 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in einigen der Lager tatsächlich antinationalsozialistische Ideen kursierten: Denn während die Zahl der Freiwilligen, die der Stahlhelm organisierte, 1933 deutlich anstieg, sank der relative Anteil der Mitglieder des Wehrverbands an diesen von November 1932 bis Mai 1933 von 41 % auf 26 %.71 Trotzdem scheinen die Meldungen übertrieben, die 65 Vgl. Pfalzische Presse 30.3.1933; ebd., 31.3.1933. 66 Vgl. UuF, Bd. 9, Nr. 2071, S. 227f; ebd., Nr. 2072, S. 228. 67 Vgl. zusammenfassend BA/B, R 72/324, RAM/RK-FAD an Bezirksleitungen, 29.6.1933. 68 Vgl. BA/B, R 36/1922, Direktor B. der Landwirtschaftsschule Polch an Bürgermeister in Polch, 16.2.1934. Polch liegt im Maifeld am Rand der Eifel. 69 Vgl. BA/B, R 72/324, Seldte an Bezirksleitungen, 30.6.1933. 70 Vgl. BA/B, R 1501/5102, v.a. Hierl an Hitler, 2.7.1933 und BA/B, N S 10/30. 71 Vgl. BA/B, R 73030, Gesamt-Erhebung des S T H , 15.11.1932; ebd., Aufstellung der geschlossenen FAD-Lagerdes S T H , 1.5.1933.

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über das Fehlverhalten des konservativen Partners bei Hitler eingingen, und Hierl instrumentalisierte sie für die Gleichschaltung des Stahlhelm-Dienstträgers.72 Schließlich war Hierls Politik erfolgreich. Den Endpunkt der Gleichschaltung stellte ein Erlass des Reichskommissars vom 21. Juli 1933 dar, wonach künftig als einziger Dienstträger der nationalsozialistische RDA fortbestand. 73 Durch die Gleichschaltung war die Form gefunden, die der einzig verbleibende Dienstträger, der RDA, bis Herbst 1935 beibehalten sollte. Er war in 30 eingetragene, selbständige Vereine unterteilt, wobei die regionalen Vorsitzenden in Personalunion die staatlichen Arbeitsgauführer waren. Analog war Hierl auf der Parteiebene Beauftragter des Führers und zugleich Staatssekretär. Die Organisation der Gruppen als Zwischengrößen zwischen Gau und Abteilung nahm der Verein vor, so dass der Arbeitsdienst insgesamt staatsrechtlich ein Zwitter war. Im Februar 1934 wurde der Reichsverband in »Nationalsozialistischer Arbeitsdienst« (NSAD) umbenannt, womit die Gleichschaltung bereits aus dem Namen ersichtlich wurde. 74 Dass Hierl ab Juni den offensiven Kurs gegen den Stahlhelm verstärkte, war ein Ergebnis der Auseinandersetzungen zwischen dem Frontkämpferbund und der NSDAP Verschärft wurde der Konflikt durch das vorläufige Ende für die Arbeitsdienstpflicht. Wäre sie gekommen, hätten die verschiedenen Dienstträger ihre Arbeit ohnehin bald beendet. Wegen der Vertagung war es für die Nationalsozialisten um so dringlicher, rasch alle anderen Dienstträger zu beseitigen. Außerdem entledigte sich Hitler in jenen Wochen allgemein des Stahlhelm. Wenn einige von Hierl überlieferte Aussagen zutreffen, gab der Frontkämpferbund jedoch nicht kampflos auf. Als sich abzeichnete, dass der Arbeitsdienst mit großer Wahrscheinlichkeit an die NSDAP fallen würde, setzte sich der Stahlhelm für die Fortexistenz anderer Dienstträger, etwa der konfessionellen Verbände, ein, um Verbündete gegen Hierl zu behalten.75 Mit dieser Politik blieb er aber erfolglos. Insgesamt verlief die Gleichschaltung aller Dienstträger außer dem der NSDAP bis August 1933 vielgestaltig. Am Anfang standen Gewaltaktionen, die eine Eigendynamik auslösten und die unter anderem »Selbstgleichschaltungen« und »freiwillige« Anschlüsse zur Folge hatten. Danach folgten rechtliche Schritte, die den erreichten Zustand ex post legitimierten und ausweiteten. Diese wurden durch Gewaltaktionen ergänzt und mündeten wiederum in rechtliche Neubestimmungen. Zudem meinte »Gleichschaltung« nicht nur die Beseitigung der bisherigen Dienstträger, sondern auch den Ausschluss jeder 72 Vgl. auch Görings unterstützende Aktion in NARA/CP, RG 242, T - 5 8 0 , v.a. Preußischer Innenminister an Staatspolizeidienststellen, 19.7.1933. 73 Vgl. BA/B, R 2301/5638, RK-FAD an Bezirksleitungen, 21.7.1933. 74 Vgl. Schmeidler, S. 1325. 75 Vgl. BA/B, R 1501/5102, Hierl an Hitler, 2.7.1933.

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möglichen Beteiligung Dritter vom Arbeitsdienst. So wurde zum Beispiel die Forderung der Kirchen, in die religiöse und sozialpädagogische Betreuung der Jugendlichen weiterhin eingebunden zu werden, ebenfalls abgelehnt.76 Gewalt setzten in dieser Phase der »Revolution von unten«77 die Nationalsozialisten und besonders die SA ein, wobei vor Juni viele Aktionen lokal oder regional geplant und ausgeführt wurden. Das heißt zugleich, dass es nicht den Strategen Hierl gab, der die Ausschaltung der anderen Träger generalstabsmäßig plante und umsetzte. Häufig war es die SA, die relativ autonom neue Verhältnisse schuf. Erst die Übergriffe auf den Stahlhelm im Juni stellten eine reichseinheitliche, systematische Aktion dar, die den Nationalsozialisten die Dominanz im Arbeitsdienst sicherte und die auf die Reichsleitung des Dienstes in Berlin zurückging. 78 Somit gelang es Hierl im entscheidenden Moment, den eigendynamischen Prozess zu kontrollieren. Das heißt nicht, dass er ein anderes Ziel verfolgt hätte als diejenigen, welche die »wilden« Lagerbesetzungen vornahmen - da seine Vorstellungen mit denen der SA in dieser Frage kongruent waren, konnte Hierl zunächst im Hintergrund bleiben. Zu mehr war er bis Mai 1933 ohnehin kaum in der Lage, da sich bis dahin die kräftezehrenden Auseinandersetzungen um die Leitung des Dienstes hinzogen. Der Gleichschaltungsprozess der Dienstträger des Arbeitsdienstes nahm somit einen ähnlichen Verlauf wie die Gleichschaltung im weiteren Sinne, unter der man die Institutionalisierung der nationalsozialistischen Diktatur auf allen Ebenen des gesellschaftlichen und des staatlichen Lebens versteht. Selbstverständlich waren die Vorgänge im Arbeitsdienst weniger komplex als etwa die Ausschaltung der Länder oder der Gemeinden, und es gab entsprechend weniger Zwischenstufen und Wirkungskräfte. 79 Aber auch in diesem Fall verlief sie nach keinem exakt durchkalkulierten Fahrplan, auch hier spielten Terror und rechtliche Neubestimmungen gleichermaßen eine Rolle, und es gab dieselbe Reihenfolge der in einem ähnlichen Zeitraum bekämpften Feinde. Aufgrund seiner schlanken Organisationsstruktur war es vergleichsweise einfach, den Arbeitsdienst gleichzuschalten. In dem Prozess wurde das übersichtliche, institutionelle und personelle Gerüst des FAD der Weimarer Republik durch ein nationalsozialistisches ersetzt. Die rechtlichen Grundlagen des FAD wurden teilweise übernommen, teilweise durch Gewaltaktionen außer Kraft gesetzt. Die institutionelle Struktur wurde weitgehend umgebaut, da an die Stelle einer kleinen, dezentralen und personalarmen Verwaltung ein an militärischen Prin76 Vgl. BA/B, R 4311/516, v.a. Deutsches Evangelisches Kirchenbundamt an Hitler, 27.4.1933. 77 Broszat, S. 246. 78 Nach dem Krieg hat Stellrecht behauptet, dass er und nicht Hierl die Aktionen geplant und geleitet habe. Das lässt sich anhand des Aktenmaterials nicht überprüfen, ist für die Auseinandersetzung zwischen NSDAP und Stahlhelm aber auch nachrangig; vgl. IfZ, Zs 1906, Ausarbeitung Stellrecht, 1966, S. 51f. 79 Vgl. zur Rolle der SA Longerich, Bataillone, S. 166-172; allgemein auch Broszat, S. 424f.

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zipien orientierter, bürokratischer Zentralismus trat. Insgesamt ordnet sich die Gleichschaltung des Dienstes somit ganz in die des gesellschaftlichen und politischen Lebens am Anfang der nationalsozialistischen Herrschaft ein.

1.2. Von der »revolutionären Zeit« des Arbeitsdienstes bis z u m Reichsparteitag 1934 Nach den Monaten der Unklarheiten, der hochfliegenden Erwartungen, aber auch der Ernüchterungen geriet der Arbeitsdienst immer noch nicht in ruhigere Fahrwasser. Ein Problem, das sich bereits bei den Verhandlungen zum Arbeitsdienstgesetz angedeutet hatte, erlangte nun noch größeres Gewicht: die Finanzfrage. Nachdem der Haushaltsentwurf der 375 Millionen Reichsmark vorgesehen hatte, am 4. April 1933 an Hitlers Veto gescheitert war, hatte Hierl wenig später einen Entwurf über 240 Millionen eingereicht. Aber auch gegen diesen äußerten der Reichsfinanzminister und der Reichssparkommissar massiven Widerstand. 80 Während noch darüber gestritten wurde, stellte Hitler am 16. Juni die Einführung der Arbeitsdienstpflicht zurück. Deswegen musste Hierl einen neuen Entwurf erarbeiten, der mit 200 Millionen auskam. 81 N u n begann ein verwirrendes Ränkespiel zwischen Hierl, dem Reichsfinanz- und dem Arbeitsministerium, in dem sich Hierl bei Hitler beklagte, dass »eine gewisse innerlich noch dem alten System angehörende Ministerialbürokratie im Reichsfinanzministerium und Reichsarbeitsministerium sich gegenseitig in die Hände gearbeitet« habe, um den Etat zu verschleppen. Der gordische Knoten, der in dieser Frage entstanden war, wurde durch die Verknüpfung mit einer anderen noch dicker. Denn auch nachdem Hierl im Mai endlich zum Staatssekretär ernannt worden war, kam die Diskussion u m die staatsrechtliche Stellung des Arbeitsdienstes nicht zur Ruhe. Hierl forderte nun, dass der Arbeitsdienst von den anderen Abteilungen des Reichsarbeitsministeriums ganz abgetrennt werde. Seldtes und Krosigks macht- und finanzpolitisch begründete Gegenposition sah vor, den Dienst als nachgeordnete Behörde, maximal als höhere Reichsbehörde, unter dem Reichsarbeitsminister anzusiedeln. 82 Die Probleme mit der Finanzierung und mit der staatsrechtlichen Stellung blockierten sich gegenseitig, auch die mehrfache Intervention Hitlers änderte daran nichts. Denn der Diktator zerschlug den Knoten nicht, sondern wies lediglich an, dass man sich einigen solle.83 Erst in der Chefbesprechung vom 26. September 1933 beschloss er, dass Hierl Seldte persönlich unterstellt werde, 80 Vgl. BA/B, R 2/4538, v.a. RK-FAD an Poerschke [RFM], 13.4.1933. 81 Vgl. ebd., RFM an RAM, 26.6.1933. 82 BA/B, R 43 11/516, v.a. Hierl an Hitler, 26.8.1933; BA/B, R 2301/5658, Bericht über die Chefbesprechung am 14.6.1933 im RFM. 83 Vgl. BA/B, R 43 11/516; BA/B, R 2/4538.

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der Arbeitsdienst aber von den Tätigkeitsgebieten des Arbeitsministeriums ganz zu trennen sei.84 Einmal mehr hatte sich Hierl durchgesetzt. In einer anderen Frage konnte der Nationalsozialist dagegen keinen Erfolg verbuchen. Seine Forderungen, dass der Arbeitsdienst stärker bei dem neuen Arbeitsbeschaffungsprogramm, dem Reinhardt-Programm, beteiligt werde, und dass sogar eine neue Maßnahme aufgelegt werde, von welcher der Arbeitsdienst allein profitiere, erfüllte Hitler nicht. Allgemein schlug Deutschland bei der Finanzierung des Arbeitsdienstes einen konventionellen Weg ein und entschied sich zum Beispiel gegen eine produktive Kreditschöpfung. 85 Vielmehr baute das Regime die Einrichtung hauptsächlich mit normalen Reichsmitteln über einen steuerfinanzierten Haushalt auf In anderen Bereichen, etwa bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Notstandsarbeiter, war das anders. Folgt man einem keynesianischen Wirtschaftsmodell, wonach eine Kreditfinanzierung mehr sekundäre stimulierende Effekte für eine Volkswirtschaft hat, nutzte das Reich diese Chance beim Arbeitsdienst nicht. Uber seine Finanzierungsform leistete Hierls Organisation demzufolge keinen wesentlichen Beitrag zur Uberwindung der Krise.86 Da Seldte im Herbst 1933 einsah, dass er den Kampf um den Arbeitsdienst endgültig verloren hatte, schlug er im Oktober vor, den Dienst ganz aus seinem Ministerium herauszunehmen und Hitler direkt zu unterstellen. 87 Da sich Krosigk, Reichsinnenminister Frickund Reichsjustizminister Gürtner dagegen aussprachen, blieb es bei der Regelung vom September. Damit war die Frage bis auf einen kurzen erneuten Angriff Seldtes, der das Rad nunmehr auf die Verordnung vom 16. Juli 1932 zurückzudrehen versuchte - geklärt.88 War nun endlich das eine Problem bereinigt, so gab es bei dem anderen noch keine Lösung. Ein ordentlicher Haushalt für den Dienst wurde 1933 gar nicht mehr verabschiedet. Die Auseinandersetzungen waren die Fortsetzung der Kämpfe zwischen Stahlhelm und NSDAP um die Führung des Dienstes vom Frühsommer. Seldte setzte immer wieder auf eine Verschleppungstaktik und verlängerte so die Diskussion um die Stellung des Dienstes künstlich. Zudem zeigen die Auseinandersetzungen die hohen finanzpolitischen Forderungen Hierls. Mit seinen Ansprüchen musste er auf den Widerstand der Finanzexperten stoßen. Die Einwände von Krosigk und anderen waren nicht aus der Luft gegriffen. Reichsfinanzministerium und Rechnungshof zeigten nur die notwendige Vorsicht gegen Hierls Pläne, die das Reich leicht in unübersehbare Ausgaben gestürzt hätten. 84 Vgl. AdR, Teil I, Nr. 240, S. 933f. 85 Vgl. BA/B, R 43 11/516, Hierl an Hitler, 12.9.1933; Dt. A D 3 (1933), S. 603. 86 Vgl. AdR, Teil I, Nr. 144, S. 400-403; Schiller, S. 154. 87 Vgl. BA/B, R 43 11/516, Seldte an Hitler, 19.10.1933; AdR, Teil I, Nr. 248, S. 957f. 88 Vgl. BA/B, R 2/4538, RMI an RAM, 27.11.1933; BA/B, R 43 11/516, Reichsjustizministerium an RAM, 21.12.1933; BA/B, R 2301/5638, RAM an RK-FAD, 20.12.1933.

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Umgekehrt steuerte die Diskrepanz zwischen den Erwartungen einerseits und den spärlich fließenden Mitteln andererseits Hierls Organisation in eine veritable Krise. Vernichtend war zum Beispiel das Ergebnis einer Umfrage in den 13 Arbeitsdienstbezirken über den Verlauf des Arbeitsdienstes für Abiturienten im Sommerhalbjahr 1933. Aus Ostpreußen wurde berichtet, dass die Führer sich wie »Sklavenaufseher« benähmen. Die Kritik gipfelte in dem »Eindruck, daß mindestens 50 % der Führer vorbestraft oder gescheiterte Existenzen« seien, und insgesamt war das Urteil der Umfrage sehr kritisch.89 Aber nicht nur das untere Führerkorps geriet unter Beschuss. Eine im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft entstandene Denkschrift führte zum Beispiel aus: »Leider muss aber festgestellt werden, dass noch nie, seit der Arbeitsdienst besteht, so viele Klagen überall laut geworden sind wie gerade in den letzten Monaten [ . . . ] . Vieles beruht aber auf grundsätzlichen bedenklichen Anordnungen der Reichsleitung oder ist die Folge einer unglücklichen Personalpolitik, die auf leitende Posten Persönlichkeiten beruft, die, an sich tüchtige und ehrenwerte Männer, den besondern Erfordernissen des Arbeitsdienstes aber kaum gewachsen sind.«

Das sei besonders bei ehemaligen Offizieren der Fall, die sich häufig als Vorgesetzte und nicht als Kameraden fühlten und die auf militärischen Drill statt auf gute Arbeitsleistung und Erziehung Wert legten.90 Auch die Dissertation des Arbeitsfuhrers Paul Seipp von 1934, die auf Gesprächen mit ArbeitsdienstFreiwilligen basierte, musste auf der Ebene der Lager viele Missstände eingestehen.91 Die gravierenden Personalprobleme hatten im Wesentlichen drei Ursachen. Erstens belastete die unklare Finanzlage in besonderem Maße das Führerkorps. Hierl wandte sich deswegen bereits im August 1933 in einem Brief an Hitler, in dem er konstatierte: »Die Besten haben sich aus dem Arbeitsdienst schon zurückgezogen und weitere folgen. [... ] Der Arbeitsdienst beginnt zu versumpfen und zu versanden«.92 Hierl dramatisierte die Lage, um sein Anliegen dringlicher zu machen - seine Aussage hatte aber einen wahren Kern. Die Bezahlung war schlecht und die Karriereaussichten ungewiß. Vor allem nachdem die Verstaatlichung des Dienstes im Rahmen der Arbeitsdienstpflicht im Sommer 1933 vertagt worden war, konnte Hierls Organisation nicht als attraktiver Arbeitgeber gelten. Zweitens resultierten die Probleme aus der Personalpolitik. Die Gleichschaltung der Dienstträger bis Spätsommer 1933 hatte zur Folge, dass viele bisherige 89 BA/B, R 1501/5102, RMI, Verhandlungsniederschrift, 21.9.1933; apologetisch dazu Schwenk, S. 55. 90 BA/B, R 36/1915, Denkschrift Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, ohne Datum [Anfang 1934], 91 Vgl. Seipp, S. 75-85. 92 AdR, Teil I, Nr. 205, S. 721.

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Führer ihren Abschied nehmen mussten. Voraussetzung für die Übernahme von Personal war die Mitgliedschaft in der NSDAP oder dem Stahlhelm, zumindest aber eine »nationale Gesinnung«. Fasste Hierl darunter 1933 auch Angehörige Dritter rechter Verbände und Gruppierungen, 93 so klang das 1934 bereits anders: Offiziell konnte nur Arbeitsdienstführer werden, »wer den heiligen Nationalsozialismus als das größte Erlebnis seit seiner Geburt an sich erlebt« habe.94 Verschärft wurde das Problem durch den hohen Führerbedarf, der in den Augen der bereits zitierten Denkschrift aus Bayern »eine gewisse Uberorganisation« darstellte. Denn während sich die Zahl der Freiwilligen seit der Machtübertragung kaum verändert habe, sei der Behördenapparat deutlich angestiegen. Deswegen verbrauchten die Arbeitsgauvereine für ihren Verwaltungsapparat inklusive der Führerbesoldung allein zwanzig Prozent der Förderbeträge.95 Für die hohen Kosten des Dienstes war somit nicht das Taschengeld der Jugendlichen verantwortlich. Diese erhielten lediglich 25 Pfennig pro Tag und Mann, was sich jährlich auf rund 20 Millionen Reichsmark summierte ungefähr ein Zehntel des Gesamthaushalts. 96 Zu den organisatorischen Missständen kam drittens eine strukturelle Uberforderung. Der Beruf des Arbeitsdienstführers war sehr vielseitig, da er technische Kenntnisse, Verwaltungskompetenz, staatspolitisches Wissen, Einfühlungsvermögen im Umgang mit Jugendlichen ebenso abverlangte wie die Bereitschaft, auf ein Privatleben weitgehend zu verzichten. Genaue sozialgeschichtliche Angaben zum Hintergrund der Arbeitsdienstführer lassen sich hier zwar nicht machen. 97 Allerdings gab es bereits unter den Zeitgenossen und nicht zuletzt in der NS-Elite einen gewissen Konsens, dass viele Arbeitsdienstführer aufgrund ihres militärischen Hintergrunds weit davon entfernt seien, das anspruchsvolle Profil auszufüllen. 98 Von einem hochwertigen »Führerkorps aus einem Guss und Geist«, wie Hierl es wollte, konnte man 1934 kaum sprechen. 99 Die Probleme aus den ersten Jahren wirkten noch lange nach. Hauptleidensträger waren die »Arbeitsmänner« - so wurden die Freiwilligen nunmehr häufig genannt.100 Viele von ihnen empfanden die Zustände in den Lagern als unerträglich. Wie die Deutschland-Berichte der Exil-SPD zum Beispiel im Herbst 1934 meldeten, 93 Vgl. BA/B, R 2301/5638, RL-AD an Bezirksführer und -kommissare, 17.5.1933. 94 Loeffelholz, S. 994. 95 BA/B, R36/1915, Denkschrift Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, ohne Datum [Anfang 1934], 96 Vgl. Scheins, S. 27. 97 Vgl. dazu die momentan entstehende Dissertation von Michael Hansen. 98 Vgl. z.B. IfZ, E D 110, Aufzeichnung Darré, 1945-1948, S. 365; Bayr. HStA, StK/6753, Bürgermeister von Lindau, Siebert, an Bayr. Ministerpräsident Siebert, 16.11.1933. 99 Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 105-108 (1933), Zitat S. 105. 100 Vgl. Kapitel IV.2.1. dieser Arbeit.

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hielten diejungen Männer zwar während des Dienstes strenge Disziplin. Dagegen würde in den Baracken »geschimpft und radikale Gespräche geführt«. Die Stimmung galt als sehr schlecht. In einem Lager zum Beispiel, in dem der Leiter wie der Koch »Säufer« seien, »sind Ohrfeigen Erziehungsmittel für widerspenstige Arbeitsdienstler.«101 Die Missstände in den Monaten nach der Machtübertragung zeigten sich aber nicht nur im Umgang mit den Arbeitsmännern, sondern auch in Verwaltungsfragen. Mitte Dezember 1933 stellte Hierl gegenüber seinen Arbeitsgauführern fest, dass die bisherigen Prüfungen der Wirtschaftsverhältnisse in den Arbeitsgauen »Diebstähle, Korruptionen, leichtfertiges Verschleudern von Dienstgeldern, Eigennutz in erschreckendem Masse aufgedeckt« hätten. N u n gälte es, »unsaubere Personen« unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit »rücksichtslos zu beseitigen«.102 Daraufhin schwollen die Entlassungen und Kündigungen in einem solchen Maße an, »daß eine geregelte Erledigung der Fälle kaum mehr möglich« war.103 So wurden 1934 in manchen Gauen bis zu 80 % der Führer ausgewechselt, was für die Organisation des Dienstes erneut eine enorme Belastung darstellte.104 Darunter waren offensichtlich auch viele Nationalsozialisten, die erst im Jahr davor zum Arbeitsdienst gestoßen waren, sich aber inzwischen als ungeeignet erwiesen hatten.105 Allein in Schlesien wurden zum Beispiel knapp 2.000 Angehörige des unteren Führerkorps entlassen, wofür aber auch Finanzengpässe des Dienstes verantwortlich gemacht wurden. 106 Die Uberforderung der Führer führte dazu, dass dieser Beruf in der Bevölkerung kein hohes Ansehen genoss. Wer im NS-Staat Karriere machen wollte, ging nicht zum Arbeitsdienst, sondern zum Beispiel in die SS oder die Wehrmacht.107 Die Probleme bündelte auch ein Schreiben des Sächsischen Landtags an den Staatssekretär der Reichskanzlei Lammers. Danach seien die Zustände im Arbeitsdienst »vernichtender Natur«. Die Bevölkerung wende sich vom Arbeitsdienst ab, die Arbeitsmänner verließen den Dienst »in Scharen«. Die Schuld an den Missständen trug nach dieser Quelle vor allem die Reichsleitung. Mit dem Schreiben wollte der Sächsische Landtag jedoch nicht nur auf die Probleme aufmerksam machen, sondern er empfahl zugleich, dass Hitler Stellrecht, »der

101 Deutschland-Berichte, Bd. 1 (1934), S. 644, S. 421. 102 BA/B, R 2301/5658, Hierl an AGF u.a., 13.12.1933. 103 BA/B, R 2301/5645, RL-AD an AGL u.a., 9.1.1934. 104 Vgl. Seipp, S. 67. 105 Vgl. Bayr. HStA, REpp/497, MInn an Epp, 19.7.1934. 106 Vgl. GStA, Rep. 84a/354, Loeffelholz an Preußisches Justizministerium, 25.6.1934; Deutschland-Berichte, Bd. 1 (1934), S. 222. 107 Vgl. z.B. die Erinnerungen Weizsäcker, S. 73; Eppler, S. 139; IfZ, Ms 696, Aufzeichnung J. Boeck, 1949; Cranz, S. 179.

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ja schließlich die Seele des ganzen Arbeitsdienstes von Anfang gewesen ist«, hören solle.108 Dass Stellrecht gegen Hierl aussagen sollte, macht auf einen weiteren Konflikt aufmerksam. Denn zwischen den beiden Protagonisten der nationalsozialistischen Arbeitsdienstbewegung hatte sich in den vergangenen Wochen ein Gegensatz entwickelt, der ältere Konfliktlinien fortsetzte. Helmut Stellrecht trat gegen die baldige Einführung der Arbeitsdienstpflicht und für einen evolutionären Weg ein. Insgesamt wiederholte sich somit Ende 1933 zum dritten Mal der Konflikt, den Hierl zuvor mit Strasser und Schulz einerseits und dem Stahlhelm andererseits ausgefochten hatte - was insofern nicht verwundert, als Stellrecht ursprünglich ein Weggefährte von Schulz gewesen war. Zusätzlich, so erinnerte sich Stellrecht nach dem Krieg, hatten Hierl und er unterschiedliche Auffassungen, welchen Stellenwert die vormilitärischen Ordnungsübungen haben sollten. Hierl rückte sie mit Blick auf die Parade des Arbeitsdienstes auf dem Reichsparteitag 1934 in den Vordergrund. 109 Schon bevor sich der Sächsische Landtag an Hitler wandte, hatte sich der Konflikt zugespitzt, als Stellrecht im September 1933 in einem Interview im Berliner Angriff als der »eigentliche Begründer des Freiwilligen Arbeitsdienstes« und als »Vater des Arbeitsdienstgedankens« bezeichnet wurde. 110 Tatsächlich empfing Hitler Stellrecht. Der Diktator ließ sich von ihm aber nicht überzeugen, sondern hielt weiterhin zu Hierl.111 Dieser eröffnete seine Gegenoffensive, indem er am 3. Oktober allen nachgeordneten Stellen befahl, bei Beschwerden den Dienstweg einzuhalten, um zu verhindern, dass Kritik nach außen drang.112 Die Reichskanzlei und mehrere Ministerien bat er, eventuelle Beschwerden an ihn weiterzuleiten. Im November schwor Hierl außerdem die Arbeitsdienstführer noch einmal auf ihre Aufgaben ein." 3 Außerdem schob er Stellrecht selbst ab, indem er ihn zum Arbeitsgauführer für den Gau 24 (Mittelrhein) machte. Da der Abtrünnige erkannte, dass er sich gegen Hierl nicht durchsetzen konnte, verließ er die Organisation und wechselte zu Schirachs Hitler-Jugend (HJ).114 Damit war der Konflikt noch nicht beendet. Ende Januar 1934 stellte die Reichsleitung des Arbeitsdienstes fest, dass seit »einiger Zeit - die mit dem Eintritt von Dr. Stellrechtin die Reichsfiihrung der Hitlerjugend [sie!] zusammenfällt«, von dort »der anscheinend systematische Versuch« unternommen 108 Teil 1, 109 110 111 112 113 114

BA/B, R 43 11/516, Landtag des Freistaat Sachsens an Lammers, 4.10.1933; ähnlich: AdP, Nr. 10181; ebd., Nr. 20434; Bayr. HStA, StK/6753, Notiz StK, 17.1.1935. Vgl. Benz, S. 340, Anmerkung 90. A N 15.9.1933. Vgl. BA/B, R 43 11/516, Lammers an Haase, 24.10.1933. Vgl. ebd., RL-AD an AGL u.a., 3.10.1933; vgl. z.B. auch AdP, Teil 1, Nr. 20299. Vgl. BA/B, R 2/4519, RAF an AGL u.a., 28.11.1933. Vgl. BA/B, R 43 11/516, Stellrecht an Hierl, 31.10.1933; U u F , Bd. 11, S. 135-138.

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werde, in der Öffentlichkeit die Angliederung des Arbeitsdienstes an die HJ zu propagieren. Die Jugendorganisation versuche zugleich, den Arbeitsdienst zu unterwandern. 1 , 5 Die Ansprüche der HJ waren aber nicht nur mit d e m N a m e n Stellrechts verbunden. Bereits im September 1933 hatte im amtlichen Organ Schirachs, demJungen Deutschland, Griffion Stierling erklärt, dass die Entwicklung dahin dränge, »der Hitlerjugend irgendwie einen erkennbaren aktiven Anteil am Arbeitsdienst zu geben.« 116 Eine weitere Front eröffnete Schirach, ebenfalls im September, als er dem ihm unterstellten Bund Deutscher Mädel ( B D M ) den Aufbau und die F ü h r u n g des weiblichen Arbeitsdienstes übertrug. Dieses Feld gehörte zu den Aufgaben Hierls, der die weibliche Gliederung des Dienstes aber vernachlässigt hatte. 117 Stellrecht griff Hierl zusätzlich von einer weiteren Seite an. Er publizierte Anfang 1934 ein Buch, in dem er Hierl persönlich angriff: Einem »ideelosen Führer Treue zu halten« sei unmöglich. 118 Als Reaktion lud Hierl kurzfristig für den 14. Februar 1934 die Arbeitsgauführer und die führenden Mitarbeiter der Reichsleitung zu einer Tagung auf die Wartburg. Deren Ergebnis war ein Treuebekenntnis zu ihm, so dass Stellrecht mit seinem Vorstoß organisationsintern isoliert wurde. 119 Schirach blies im März 1934 seinen Angriff ab. Hierl hatte sich in den Auseinandersetzungen, die ungefähr ein halbes Jahr dauerten, durchsetzen können. 120 Ausschlaggebend war einmal mehr, dass der »Reichsarbeitsführer«, 121 wie Hierl sich seit N o v e m b e r 1933 nannte, weiterhin das Vertrauen Hitlers hatte. In der Personalpolitik des Arbeitsdienstes stellte das Jahr 1933 somit einen tiefen Bruch z u m FAD der Weimarer Zeit dar. Das vor 1933 geschulte F ü h rungspersonal u n d mit ihm das seit 1931 in der Praxis erworbene Wissen hatte bis Frühjahr 1934 z u m größten Teil den Arbeitsdienst auf die eine oder die andere Art verlassen. Dieser braindrain war teils das Ergebnis fehlender Anreize f ü r das Führerkorps, z u m größeren Teil aber erklärt sich die Diskontinuität aus der Politik radikaler Gleichschaltung. Hierl zog es vor, wichtige Posten an alte Weggefahrten und »verdiente« Parteigenossen zu geben. Die Probleme u n d Dysfunktionalitäten, die daraus resultierten, zeigten sich besonders auf der Ebene der Lager. In diesem Bereich schlug Hierl somit das Angebot, auf die Weimarer Erfahrungen aufzubauen, aus; er nutzte die institutionellen Ressourcen aus der Zeit vor 1933 kaum. Darin ist der Hauptgrund für die Krise des Dienstes in den ersten Monaten des Regimes zu finden. 115 Vgl. BA/BDC, O 262, RL-AD an AGF, 30.1.1934. 116 Stierling, Jugend, S. 240-243, Zitate S. 242f. 117 Vgl. Morgan, S. 113-116; zur komplizierten institutionellen Struktur des weiblichen Ar-

beitsdienstes Miller-Kipp, Erziehung, S. 106f. 118 Stellrecht, Arbeitsdienst, S. 17, vgl. auch BA/B, N S 26/39. 119 Vgl. Edel, Wartburg-Geist, S. 218-226; Hierl, Dienst, S. 80. 120 Vgl. BA/B, R 2301/5645, RL-AD an AGL, 1.3.1934. Da die meisten Akten der HJ zerstört sind, lässt sich nicht abschätzen, wie gefahrlich die Attacken für den Arbeitsdienst waren. 121 Vgl. BA/B, R 2301/5638, RL-AD an AGL u.a., 15.11.1933.

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Für die katastrophale Situation des Arbeitsdienstes zur Jahreswende 1933/ 1934 waren jedoch nicht allein Hierl und die Reichsleitung des Dienstes verantwortlich. Die Lage resultierte zugleich aus den Widerständen, die der konservative Bündnispartner Hierl entgegenbrachte. So begann das »Dritte Reich« fur den Arbeitsdienst insgesamt mit einem Fehlstart. Dass der Arbeitsdienst auch das Herz der Bevölkerung noch nicht für sich gewonnen hatte, zeigt die Höhe der Spenden, die er 1933 erhielt: Es handelte sich um exakt sechs Reichsmark.122 Bevor sich der Arbeitsdienst im Verlauf des Jahres 1934 konsolidieren sollte, mussten zunächst zwei weitere Krisen überwunden werden. Bei der ersten handelte es sich um eine Frage, die bereits 1933 wesentlich zum desolaten Zustand der Organisation beigetragen hatte: den Haushalt. Mitte Februar 1934 war der Etat für 1933 immer noch nicht bewilligt, was zugleich die Vorarbeiten für den Entwurf des bereits begonnenen Jahres verzögerte.123 Hierls Forderung nach stattlichen 260 Millionen für 1934 lehnte Krosigk ab.124 Der Reichsfinanzminister bot wenig später lediglich 110 Millionen an.125 Später reduzierte er sein Angebot auf nur noch 108 Millionen, weswegen sich Hierl Anfang Mai 1934 an Hitler wandte. Der Reichsarbeitsführer beklagte, dass er in einem solchen Fall die gegenwärtige Stärke des Dienstes von 230.000 auf 120.000 Mann senken und bis zu 10.000 Führer entlassen müsse. Er wies daraufhin, dass dies unweigerlich zum »Zerfall der Einrichtung« führe. 126 Eine Besprechung zwischen Arbeitsdienst und Reichsfinanzministerium brachte keine Klärung. Beide waren sich aber einig, dass der Reichsarbeitsfuhrer Hitler noch einmal über die Bedürfnisse des Dienstes vortragen solle. Allem Anschein nach sprach der Reichsarbeitsfuhrer nicht mit dem Diktator. Allerdings griff Ende Mai Hitlers Staatssekretär Lammers zugunsten des Arbeitsdienstes ein, so dass diesem 180 Millionen bewilligt wurden. Das Verhandlungsergebnis war dem Reichsarbeitsführer aber nicht genug. Er verlangte nun 203 Millionen. Anfang Dezember 1934 schließlich gestand Krosigk dem Dienst 195 Millionen zu, und Hierl musste die Summe akzeptieren.127 Wie sich zeigte, hatten Seldte und Krosigk ihre Vorbehalte gegen den Dienst nicht aufgegeben. Letztlich waren es die Interventionen Hitlers, die die An122 Vgl. BA/B, R 2301/5646, RL-AD, Nachweisung der Einnahmen und Ausgaben für 1933, 30.10.1934. 123 Vgl. BA/B, R 2/4539, Hierl an Seldte, 16.2.1934; BA/B, R 2301/5658, RK-FAD an RAM, 17.3.1934 und Anlage. 124 Vgl. BA/B, R 2/4539, RFM an Hierl, 24.2.1934. 125 Vgl. AdR, Teil I, Nr. 304, S. 1136-1142. 126 Ebd., Nr. 342, S. 1257f. 127 Vgl. BA/B, R 2301/5648, RFM an RAM, 18.5.1934; BA/B, R 2/4539, v.a. Hierl an RFM, 7.6.1934; AdR, Teil I, Nr. 356, S. 1304; BA/B, R 2301/5638, Ergebnis der Verhandlungen über Haushaltsentwurf, 3.-19.12.1934.

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Sprüche des Dienstes entscheidend durchzusetzen halfen. Eine Stabilisierung des Dienstes war vor dem Hintergrund der Unklarheiten noch nicht möglich. Mit einem Haushalt von 195 Millionen Reichsmark hatte Hierl aber in zähen Verhandlungen schließlich eine stattliche Summe zugewiesen bekommen. Grundsätzlich in Frage gestellt wurde der Hierische Dienst jedoch auch von einer zweiten Seite. Wie der Reichsarbeitsführer 1935 rückblickend feststellte, war im Frühjahr 1934 erwogen worden, den Arbeitsdienst »dem früheren Stabschef Röhm als Kompensationsobjekt« zuzuschlagen.128 Dass der Dienst als »Kompensationsobjekt« für Röhm im Gespräch war, lenkt den Blick auf einen zentralen Konflikt am Anfang des Regimes. Denn der Stabschef der SA musste sich in besonderem Maße fragen, welche Rolle seine Organisation nach der Machtübertragung spielen sollte. Röhm wollte diese in eine Milizarmee umwandeln, der sich auch die Reichswehr unterzuordnen hätte. Die Reichswehr lehnte diese Hegemonialansprüche ab, so dass Hitler sich für einen der beiden Rivalen entscheiden musste. Aus vielerlei Gründen war es für den Diktator sinnvoller, dem Militär den Vorzug zu geben. Bei den Diskussionen, mit welchen Aufgaben die SA abgefunden werden könnte, kam auch der Arbeitsdienst ins Gespräch. Wahrscheinlich hing es auch mit diesem Konflikt und nicht nur mit den bereits geschilderten, anderen Problemen zusammen, dass Hierl sich Anfang 1934 der Loyalität der wichtigsten Arbeitsdienstführer versicherte.129 Noch wichtiger war für Hierl aber, dass sich die innere Riege der Partei um Hitler nicht für eine Kompensation Röhms entschied, sondern für einen anderen Weg: Die SA wurde durch eine blutige Aktion am 30. Juni 1934 politisch entmachtet und Röhm - neben anderen Personen, derer Hitler sich entledigen wollte - ermordet. Für den Arbeitsdienst Hierlscher Prägung hieß das, dass er eine weitere fundamentale Existenzkrise überstanden hatte.130 Beim Schlag gegen Röhm und die SA spielte Hierls Organisation sogar eine besondere Rolle. Nachdem die Terroraktion bereits seit längerem geplant worden war, besuchte Hitler einen Tag vor ihrem Beginn den Arbeitsdienst. Als der Diktator am 29. Juni 1934 die Bezirksschule Schloss Buddenburg und ein Arbeitsdienstlager besichtigte, verstand Hierl dies trotzdem als Bewährungsprobe. Allem Anschein nach hatte er damit Erfolg: Hitler lobte Hierl »in tiefer Bewegung«.131 Danach brach der »Führer« seine Inspektionsreise vorzeitig ab und fuhr nach Bad Godesberg, wo er die letzten Details des Schlags gegen Röhm plante. Später am Tag fuhr Hierl ebenfalls in den Kurort am Rhein, wo er von Hitler in dessen Pläne eingeweiht wurde. Der Reichsarbeitsführer pflichtete seinem »Führer« ganz bei, dass das »zuchtlose Treiben« Röhms und 128 BA/B, R 1501/5622, Protokoll der 7. Arbeitsgauführertagung vom 7.-9.3.1935. 129 Vgl. Hierl, Dienst, S. 80. 130 Vgl. Longeruh, Bataillone, S. 183-219. 131 Dt. AD 4 (1934), S. 916-922, Zitat S. 918. In allen Artikeln der Zeitschrift wurde auf den Schlag angespielt, jedoch wurden die bekämpften Gegner nie genauer benannt.

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der SA beendet werden müsse.132 Für den Arbeitsdienst hatte der 29. Juni weitreichende Folgen. Mit der Ermordung Röhms am 1. Juli fiel für Hierl ein gefährlicher Rivale weg, zu dem der Reichsarbeitsführer mindestens seit 1932 ein Konkurrenzverhältnis gehabt hatte. Außerdem eröffnete Hitler dem Reichsarbeitsführer am Abend des 29. Juni, dass er ihn an Stelle Seldtes zum Reichskommissar machen wolle.133 So unterzeichnete am 3. Juli 1934 der greise Reichspräsident Hindenburg das Dokument, auf das Hierl so lange hatte warten müssen: die Ernennungsurkunde zum Reichskommissar.134 Zugleich darf die Tatsache, dass Hitler am Vorabend des »Röhmputschs« beim Arbeitsdienst war, nicht überbewertet werden. Als es darum ging, den Terror umzusetzen, verließ sich der Diktator nicht auf die Männer mit dem Spaten, sondern auf die SS, welcher die Reichswehr sekundierte. Der Besuch beim Arbeitsdienst war nur die geschickte Tarnung Hitlers, um von dem bevorstehenden Schlag abzulenken. Im Kampf gegen die SA stellten der Reichsarbeitsführer und seine Organisation keinen Machtfaktor, sondern lediglich Verfügungsmasse dar. Die wesentlichen Weichen über das weitere Schicksal des Dienstes waren zudem bereits vor Juli 1934 zugunsten Hierls gestellt, so dass Hitlers Besuch weniger Bewährungsprobe war als symbolisches Bekenntnis zum Status quo im Arbeitsdienst. Denn der andere große Konflikt, der um den Haushalt, war bereits zugunsten Hierls entschieden, als Hitler Buddenburg besuchte. Mit der Ernennung zum Reichskommissar verband sich für Hierl ein weiterer Erfolg. Der Arbeitsdienst wurde aus dem Reichsarbeitsministerium herausgenommen und dem Reichsinnenminister Frick unterstellt.135 Damit endeten - abgesehen von einer kurzen Auseinandersetzung um eine Hierl-Biographie, in der sich Seldte unangemessen dargestellt fand - 136 die Rivalitäten mit Seldte. Insgesamt konnte sich der Arbeitsdienst in den Machtkämpfen mit den alten Eliten, der HJ und der SA nicht deswegen durchsetzen, weil er für das umstrittene Feld aufgrund klar abgegrenzter Kompetenzen zuständig war. Entscheidend war vielmehr, dass er sich im Kampf der Institutionen um Ressourcen und Kompetenzen behauptet hatte. Ausschlaggebend war dabei weniger die institutionelle Schwerkraft oder die Bündnislage zu anderen NS-Behörden, sondern Hierls Rückendeckung durch Hitler. Wenngleich sich der »Führer« zumeist nicht für die Details der Auseinandersetzungen interessierte und es sich gelegentlich mit dem »Führerwillen« argumentieren ließ, war es doch sein Wort, das in den Machtkämpfen immer wieder den Ausschlag gab. 132 133 134 135 136 Grote.

Hierl, Dienst, S. 133. Vgl. Dt. AD 4 (1934), S. 922; Hierl, Dienst, S. 80f, 133. Vgl. BA/B, R 43 11/516, Ernennungsurkunde Hierl, 3.7.1934; dagegen Sack, S. 26. Vgl. RGBl. 1934,1, S. 518f; vgl. auch AdR, Teil II, Nr. 33, S. 136. Vgl. Grote/Erb, v.a. S. 61; dazu BA/B, R 43 H/516, v.a. Erb an Lammers, 20.7.1934; Erb/

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Mit Reichsinnenminister Frick verband Hierl nicht nur die Mitgliedschaft in der NSDAf? sondern er hatte auch ein besseres persönliches Verhältnis zu ihm als zu Seldte. Zudem war der Arbeitsdienst auch für Frick eine kleines »Kompensationsobjekt«. Vor allem durch die Gründung des Propagandaministeriums unter Goebbels hatte seine Behörde wichtige Bereiche abgeben müssen. Angesichts der verlorenen Machtbefugnisse war der Arbeitsdienst für den Innenminister aber kein angemessener Ausgleich. Im Unterschied zu Seldte wirkte Frick kaum inhaltlich auf den Dienst ein. Das heißt aber nicht, dass Frick Hierls extravagante Forderungen bedingungslos befürwortete; ihr Verhältnis war insgesamt freundschaftlich-sachlich. 137 Bis zu Hitlers Besuch beim Arbeitsdienst waren so die grundlegenden Entscheidungen gefallen, die eine Konsolidierung des Arbeitsdienstes in der zweiten Jahreshälfte 1934 ermöglichten. Ihr gingen weitere Schritte voraus, mit denen die Selbständigkeit der Einrichtung ausgebaut wurde. Sie wurde immer stärker von der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung abgekoppelt. Seit Dezember 1933 waren nicht mehr die Arbeitsämter für die Einstellung der Freiwilligen zuständig, sondern eigens errichtete Meldeämter. Mit dem 1. April 1934 wurde der männliche Arbeitsdienst ganz von der Reichsanstalt getrennt, was vor allem hieß, dass sie ihm keine Zuschüsse mehr zahlen musste.138 Ein ebenso wichtiges und deutliches Indiz für die relative Konsolidierung des Dienstes war die Entstehung und Verbreitung einer eigenen Arbeitsdienstsymbolik. So wurde im Spätsommer 1933 eine »Einheitstracht« festgelegt, nachdem die Frage im April angesichts der unsicheren Finanzlage noch zurückgestellt werden musste. Die Uniform konnte aber wegen der schlechten Haushaltslage nur schrittweise angeschafft werden. 139 Ebenfalls im Herbst 1933 wurde das Symbol des Arbeitsdienstes eingeführt: Ein von zwei Ähren umgebenes Spatenblatt. Das Werkzeug und die Halme verwiesen auf die Arbeitsform und zugleich auf das Arbeitsergebnis des Dienstes. Sie bezogen sich außerdem auf einen Ausspruch Friedrichs II., den der Arbeitsdienst zu seinem Motto machte : »Wer bewirkt, dass dort, wo bisher nur ein Halm wuchs, nunmehr dero zwei wachsen, der hat mehr für sein Volk geleistet als ein Feldherr, der eine große Schlacht gewinnt.«140 Vor dem Hintergrund der Genfer Intervention war das ein geschickter propagandistischer Hinweis auf die angeblich friedfertigen Absichten des Dienstes. Z u m Kanon an Symbolen gehörten auch die eigenen

137 Vgl. BA/B, R 1501/5621, Reichenau an RFM, 24.10.1934; ebd., Pfundtner an Frick, 27.10.1934. 138 Vgl. BA/B, R 3903/220, Abteilung I Β an Referat III 3,10.4.1933; BA/B, R 2301/5658, RLAD an AGL, 21.3.1934. 139 Vgl. BA/B, R 2301/5688, RL-AD an Bezirksleitungen und RDA, 25.7.1933. 140 Krüger, Aufgabe, S. 24.

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Lieder u n d andere kulturelle Äußerungen, die der Arbeitsdienst immer stärker ausbildete. Von hoher symbolischer Bedeutung war schließlich der Auftritt des Dienstes auf dem Reichsparteitag im September 1934. Hierls Organisation, die im Jahr davor noch nicht in N ü r n b e r g gewesen war, n a h m mit 52.000 M a n n an d e m Massenspektakel teil. In dessen Choreographie waren die Abteilungen sogar besonders hervorgehoben, da die »erdbraunen Kolonnen« mit ihren blanken, geschulterten Spaten vor allen anderen Organisationen vor Hitler am Morgen des 6. September auf d e m Parteitagsgelände antraten. Damit konnten sie den Diktator und die Zuschauer für sich gewinnen. Am prägnantesten schildert Richard Darré die Szene in seinen nach d e m Krieg verfassten Memoiren. Während sich Hitler zunächst noch »witzelnd über Hierl« geäußert hatte, schlug die S t i m m u n g des Diktators völlig u m , als »wie ein Schlag in der Sonne die präsentierten Spaten aufblitzen. Ein Augenblick Verblüffung bei Hitler, dann geht ein leuchtendes Strahlen über sein Gesicht: er begrüßt >seinen< Arbeitsdienst: am [sie!] Abend des gleichen Tages ist Hierl einer der >Grossenunamerikanische< Einrichtung« handle. Insgesamt zeigt sich so das gestiegene Selbstbewusstsein des NS-Regimes, das angesichts seiner Konsolidierung in der Amerikaberichterstattung keine großen Rücksichten mehr nahm, sie aber weiterhin nutzte, um die eigene Politik zu feiern. Zweitens fand sich in den Berichten, auch noch in der Kriegszeit, ein damit verwandtes Argument: Es wurde behauptet, dass der deutsche Dienst dem C C C und vielen ähnlichen Einrichtungen weltweit als Vorbild gedient habe. Z u m Beispiel bemerkte Hermann Müller-Brandenburg, der in der Reichsleitung des Dienstes die »Abteilung für auswärtige Angelegenheiten und Aufklärung« leitete, noch 1941: »All die Arbeitsdienste, die im Laufe der letzten sieben Jahre dann entstanden [...], sind mehr oder weniger irgendwie durch den deutschen Reichsarbeitsdienst beeinflußt, ja auf ihn ausgerichtet worden« - womit Müller-Brandenburg vor allem das C C C meinte. 186 Allgemein markierte das Jahr 1937 im NS-Amerikabild den Ubergang von einer ambivalenten zu einer offen feindseligen Haltung. Wichtigster Auslöser des Richtungswechsels war Roosevelts Quarantänerede vom Oktober 1937, in der der amerikanische Präsident die friedliebenden Nationen zu einer gemeinsamen Abwehr aller Feinde des Friedens aufgerufen hatte.187 Trotzdem berichteten die deutschen Medien in den folgenden Jahren - sogar noch nach Kriegsausbruch - immer wieder positiv über den amerikanischen Arbeitsdienst.188 Damit bildete dieses Teilsegment der Amerikaberichterstattung eine Ausnahme vom offiziellen, kritischen Kurs, was sich im Wesentlichen aus der Haltung Müller-Brandenburgs, des Leiters des Amts für auswärtige Angelegenheiten im RAD, erklärt. Trotzdem dienten alle drei Argumentationsstrategien, die sich in den deutschen Medien von 1933 bis in den Krieg zum C C C finden, letztlich immer nur einem Ziel: den deutschen Arbeitsdienst international und im Reich zu legitimieren. Denn die NS-Machtelite beschäftigte sich kaum mit dem C C C , und es gibt auch keine dokumentierten Lernprozesse und Übertragungen auf den RAD oder andere deutsche Institutionen. Dementsprechend spielt das Corps in den Berichten der deutschen Botschaft in Washington an das Auswärtige Amt und in ähnlichen Quellen keine große Rolle. Von Hierl sind keine tiefer185 Arbeitsmann 7.8.1937. 186 Müller-Brandenburg, Gedanken, S. 5; vgl. auch B T 10.3.1937; Arbeitsmann 2.7.1937; FZ 18.9.1937. 187 Vgl. Casseri, Visionen, S. 247f. 188 Vgl. z.B. Müller-Brandenburg, Gedanken, S. 5.

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gehenden Äußerungen über den amerikanischen Dienst überliefert, und Hitler selbst scheint sich nicht für diesen interessiert zu haben.189 Lediglich der für auswärtige Fragen zuständige Müller-Brandenburg tauschte Informationsmaterial mit der entsprechenden Stelle des C C C aus.190 Die vergleichsweise stabile Weiterentwicklung des Arbeitsdienstes allgemein, aber auch seine Position im Machtgefüge des Reiches, spiegelte sich in drei Auszeichnungen wieder, die Hierl in den folgenden Jahren erhielt. Z u nächst wurde dem Oberst a.D. im Mai 1936 der Titel eines Generalmajors verliehen, was keine große praktische Relevanz hatte. Außerdem freute sich Hierl, der so um einen Dienstgrad vorrückte, nicht darüber. Eifersüchtig musste er feststellen, dass der ehemalige Major Hühnlein, der Chef des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps, gleichzeitig um mehrere Ränge erhöht worden war. Er ging Frick gegenüber davon aus, »daß ich beim Führer übersehen und vergessen werde.«191 Sehr lange vergaß ihn der Diktator aber nicht. Vielmehr machte er Hierl auf dem nächsten Reichsparteitag zum Reichsleiter der NSDAP 192 Das belegt wiederum, dass der Dienst keineswegs aus der Sphäre der Partei herausgetreten war. Z u m 30. Januar 1937 ordnete Hitler schließlich die Befugnisse des Reichsarbeitsführers im Reichsinnenministerium neu. Hierl wurde nunmehr die Leitung und Bearbeitung aller den RAD betreffenden Angelegenheiten innerhalb des Ministeriums übertragen, und er selbst wurde Frick persönlich unterstellt.193 Das symbolische Datum wählte Hitler bewusst, um vier Jahre nach der Machtübertragung die Verselbständigung des Dienstes weiter voranzutreiben. Jedoch entschied sich der »Führer« damit einmal mehr gegen den eigentlichen Wunsch Hierls, den RAD zur obersten Reichsbehörde und ihn selbst zum Minister zu machen.194 Z u m Bedeutungsgewinn, den der Arbeitsdienst trotzdem erfuhr, trug vor allem seine Vergrößerung bei - worauf noch genauer einzugehen sein wird. Die Konsolidierung des Dienstes und seine Bedeutung im »Dritten Reich« in diesen Jahren zeigt sich auch an dem internationalen Interesse, das dem RAD nun entgegenschlug. Viele hochrangige Staatsgäste, die das nationalsozialistische Deutschland in dieser Phase besuchten, wollten die Einrichtungen des Arbeitsdienstes sehen.195 Anders als 1933 wollten die Besucher nicht prüfen, ob 189 Vgl. lediglich die kurze Erwähnung in BA/B, R 2501/6685, Bericht Goerdeler, 30.12.1937; und gelegentlich in BA/B, R 901/47185-47188, 47178/5; nichts Wesentliches ferner in PA/B. 190 Vgl. insgesamt PA/B, R 98850; vgl. als Beispiele für das Interesse am C C C lediglich noch Müller, Youth und die Dissertation Scheibe, Corps (Scheibe wurde später Generalsekretär des DAAD). 191 BA/B, R 1501/5102, Hierl an Frick, 21.5.1936. 192 Vgl. BA/B DC, PK, Hierl, Constantin [sic], NSDAP-RL, Verfugung, 10.9.1936. 193 Vgl. RGBl. 1937,1, S. 95f; Croon 1950, S. 154. 194 Vgl. BA/B, R 43 11/518, v.a. RMI an Staatssekretär der Rkei, 22.10.1936. 195 Vgl. die Berichte in PA/B, R 47643-47648; R 98846-98849.

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der Arbeitsdienst eine verdeckte Aufrüstungsmaßnahme war. Vielmehr schien die Volksgemeinschafts-Ideologie, mit der Hierls Organisation für sich warb, auch bei ihnen Wirkung gezeitigt zu haben; für viele galt der Dienst als Verkörperung der »positiven« Seite des Nationalsozialismus. Manche Staaten, wie zum Beispiel Ecuador, erbaten sogar die Entsendung von RAD-Führern, um eine ähnliche Einrichtung in ihrem Land aufzubauen. 196 Die kurzen Einblicke, die den hochrangigen Gästen in ausgewählten Lagern gewährt wurden, erlaubten kein profundes Urteil über den Alltag der Arbeitsmänner. Vielmehr bekamen die Besucher nur die beste Seite der Einrichtung zu sehen, die somit zu einem der wichtigen Werbeträger des NS-Regimes vor der internationalen Öffentlichkeit wurde. Gänzlich unbeachtet von der Forschung blieb bisher ein Projekt, das 1936/37 diskutiert wurde. Am 4. Dezember 1936 ging dem »Stellvertreter des Führers« Heß und den Reichsministern ein Entwurf für einen Erlass zu, laut dem wehruntaugliche junge Männer im »Nationalen Hilfsdienst« eine Art Ersatzdienst ableisten sollten. Die neue Organisation sollte ein »Glied des Reichsarbeitsdienstes« werden. Die jungen Männer sollten »zum Einsatz in Betrieben, die für Erhaltung und Gedeihen des Volkes lebenswichtig sind, insbesondere in der Landwirtschaft«, anderthalb Jahre verwandt werden. Dass es dem Reichsarbeitsführer mehr um Macht als um die Erziehungsideologie ging, machen die Details des Vorschlags deutlich. Die Hilfsdienstler sollten danach einzeln in Betrieben der privaten Wirtschaft unter deren Arbeitsbedingungen eingesetzt werden, wofür die Unternehmen zu bezahlen hätten - es handelte sich um eine staatlich organisierte Leiharbeit. Die Männer würden zwar gemeinsam untergebracht sein, und es war auch eine erzieherische Seite vorgesehen. Angesichts der langen Arbeitstage war sie aber wesentlich geringer ausgeprägt als im RAD. Nach einer Anlaufzeit sollten laut Entwurf zwischen 1938 und 1941 jeweils ungefähr 90.000 bis 100.000 Mann in die neue Organisation gezogen werden.197 Hierl verfolgte mit dem Projekt zwei Ziele. Erstens war es eine offensive Abwehrstrategie. 1936 hatte der Arbeitsdienst erstmals größere Aufgaben im Rahmen der Erntehilfe übernehmen müssen, die mit seinem erzieherischen Auftrag kaum vereinbar waren; sie werden bei der Analyse der Arbeitsfelder des Dienstes genauer erörtert. Der Reichsarbeitsführer wollte mit dem Nationalen Hilfsdienst deswegen eine neue Organisation schaffen, die anstatt des RAD bei Engpässen der Landwirtschaft helfen sollte. Bei dieser Einrichtung war er zu Konzessionen gegenüber dem ideologischen Programm bereit, wenn dafür der Arbeitsdienst selbst wieder stärker erzieherisch wirken könnte. Zweitens wollte der Reichsarbeitsfuhrer seine Kompetenzen wesentlich erweitern. Denn die 196 Vgl. PA/B, R 47647, v.a. Auswärtiges Amt an Gesandtschaft von Ecuador, 16.1.1937. 197 Vgl. BA/B, R 2/4532, RMI an Heß u.a., 4.12.1936 und Anlagen.

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neue Einrichtung dachte sich Hierl zugleich als Entrebillet in ein weiteres Aufgabenfeld. Wie er Anfang Januar 1937 gegenüber dem Generalstabschef Ludwig Beck bemerkte, sollte sie im Kriegsfall »zu einer Hilfsorganisation für den allgemeinen Arbeitseinsatz« werden. 198 So hätte sie eine ähnliche Funktion erfüllt wie der Vaterländische Hilfsdienst im Ersten Weltkrieg, auf den sich auch ihr Name bezog. Ergänzend zur Arbeitsdienstpflicht sollte der Nationale Hilfsdienst die allgemeine Dienstpflicht einführen. Mit dem Projekt wollte der Reichsarbeitsführer nicht nur die scharf umrissene Gruppe der Wehruntauglichen organisieren, sondern im Rahmen des Arbeitseinsatzes auch andere Personen auf bestimmte Arbeitsplätze verpflichten. Gegen die weitreichenden Pläne musste sich Widerstand regen, zumal die Kompetenz, im Kriegsfall die Wirtschaft zu organisieren, bereits an Hjalmar Schacht, den Reichsbankchef und Wirtschaftsminister, vergeben war.199 Allerdings gab es auch Zustimmung, etwa aus dem Reichserziehungsministerium. 200 Letztlich wurde Hierls Vorschlag in einer weiteren Chefbesprechung genau einen Monat später endgültig abgelehnt.201 Die nicht mehr nur gruppenbezogene, sondern auch individuelle Arbeitspflicht, die Hierl für den Kriegsfall vorgesehen hatte, leitete im Sommer 1938 die sogenannte »Kräftebedarfsverordnung« ein. Durch sie konnten unter der Aufsicht Görings auch Einzelpersonen für eine begrenzte Zeit auf einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildungsstelle dienstverpflichtet werden; somit hatte Hierl mit seinem Vorschlag nicht nur in Schachts, sondern auch in Görings Revier gewildert. Nach Norbert Götz vollzog sich 1938 der Ubergang auf die dritte und letzte Stufe von Dienstpflichten im Nationalsozialismus. Nachdem es von 1933 bis 1935 verschiedene Formen von freiwilligen Diensten - eine davon war der FAD - gegeben hatte, schloss sich ab 1935 die Phase der allgemeinen Pflichtdienste an, zu denen Wehr- und Arbeitsdienst gehörten. Ab 1938 folgte die individuelle Dienstverpflichtung, deren Organisation Hierl hatte übernehmen wollen. Er kann als ein Vordenker dieser dritten Stufe gelten, wenngleich er in den Auseinandersetzungen unterlag und der Arbeitseinsatz unter Görings Ägide verwirklicht wurde. 202 Vielleicht noch wichtiger sind die Kontinuitäten zwischen Hierls Vorstoß und der Kriegshilfspflicht, die im Sommer 1941 eingeführt wurde und die eine ausgeweitete Dienstpflicht der arbeitsdienstleistenden Mädchen darstellte: Ganz wie in Hierls Plänen von 1936/37 wurden hierjunge Erwachsene über die eigentliche Arbeitsdienstzeit hinaus im RAD gehalten, wobei in dieser zweiten 198 Ebd., Blomberg an RMI u.a., 9.1.1937. 199 Vgl. ebd., Blomberg an RMI u.a., 9.1.1937. 200 Vgl. BA/B, R 4901/342, v.a. REM an RMI, 8.1.1937; BA/B, R 2/4532, Anlage 2 zu RMI an Heß u.a., 4.12.1936. 201 Vgl. ebd., v.a. Vermerk RFM, 26.6.1937. 202 Vgl. Góte, Gemeinschaft, S. 5-23.

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Phase nach der eigentlichen RAD-Zeit das erzieherische Programm hinter einer stärkeren ökonomischen Orientierung zurücktrat. 203 Wenn sein Projekt für Männer somit 1938 misslang, war Hierl in Bezug auf den weiblichen Nachwuchs einige Jahre später erfolgreich. Vor dem Hintergrund der Hilfsdienstplanungen erscheint zudem die Krise, in die der Dienst in der zweiten Jahreshälfte 1937 geriet, in einem anderen Licht. Damals forderte die Wehrmacht, dass der RAD als Bautruppe der Luftwaffe zu ihrem vierten Teil neben Heer, Marine und Luftwaffe gemacht werde. Göring trat für ein anderes Modell ein, das für den Dienst Hierlscher Prägung aber ebenfalls das Ende bedeutet hätte. Der RAD solle seinen Erziehungsauftrag aufgeben, sich ganz der produktiven Arbeit widmen und insgesamt ein billiges staatliches Arbeitsheer werden. 204 Wenngleich über die genauen Forderungen und Interessen wenig bekannt ist, so ist doch Hierls Reaktion gut überliefert. Auf dem Reichsparteitag 1937 äußerte er harsche Kritik an allen Versuchen, das bisherige Konzept aufzuweichen. Diese gipfelte in den Worten: »Und wie ein treuer scharfer Hofhund sich eher totschlagen, als in den seiner Bewachung anvertrauten Hof einbrechen läßt, so stelle ich mich vor die Unantastbarkeit dieser ideellen Grundlagen eines nationalsozialistischen Arbeitsdienstes.«205 Dank Hitler konnte Hierl diese Angriffe abwenden, der Dienst blieb formal unabhängig und ging mit kleineren Einschränkungen zunächst in gewohnter Form seiner Arbeit und dem Erziehungsauftrag nach. Allgemein nutzte der Reichsarbeitsführer zur Durchsetzung seiner Interessen in hohem Maße die Parteitage in Nürnberg. Das zeigt nicht nur diese Verteidigungsrede Hierls, sondern auch die Sorgfalt und die umfassenden Anstrengungen, mit denen er den Auftritt des RAD jedes Jahr vorbereitete. Der durchschlagende Erfolg, den ihm der Aufmarsch seiner Männer 1934 beschert hatte, führte dazu, dass Hierl daraus eine Obsession entwickelte. 1938 ließ er zum Beispiel Abteilungen, die dringend auf Baustellen benötigt wurden, marschieren und exerzieren.206 Allerdings wurden die Auftritte des Arbeitsdienstes bei den Massenspektakeln auch stets genau registriert. So war Hitler mit den Feiern des RAD besonders zufrieden - 1 9 3 8 vermerkte er, dass diese im Gegensatz zu denen anderer NS-Organisationen bereits ihre endgültige Form gefunden hätten.207 Eine noch deutlichere Sprache spricht das Tagebuch von Joseph Goebbels. Der Propagandaminister nannte zum Beispiel 1937 den Dienst aufgrund seines Auftritts eine »wunderbare Organisation«. Insgesamt wurde 203 Vgl. AdP, Teil 1, Nr. 15087; Seifert, Kulturarbeit, S. 103f. 204 Vgl. Mallebrin, S. 7-10, 80; BA/B, ZSg 145, Aufzeichnung Eisenbeck, ohne Datum [nach 1945], 205 Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 3 8 3 - 3 9 3 (1937), Zitat S. 393. 206 Vgl. NARA/CP, RG 242, Τ 81/110, Bericht über 9. Abschnitts- und Gruppenführerbesprechung, 13.7.1938; vgl. ferner Karow, v.a. S. 223-236. 207 Vgl. Thamer, Faszination, S. 356.

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der Arbeitsdienst demnach weniger anhand seiner Leistungen in den Gebieten Arbeit und Erziehung gemessen, sondern aufgrund seiner Rolle als Komparse bei den Nürnberger Inszenierungen. Somit waren Hierls Prioritäten letztlich durchaus rational.208 Einen Teilerfolg konnte Hierl in dieser Phase bezüglich des Arbeitsdienstes fur die weibliche Jugend verbuchen, und so seine Stellung im Institutionengefüge des Regimes ausbauen. Die Einrichtung unterstand dem Reichsarbeitsführer formal seit 1933, war aber vom Dienst der männlichen Jugend weitgehend abgekoppelt. Außerdem kümmerte sich Hierl zunächst kaum um den Frauendienst. Direkt geleitet wurde dieser seit Januar 1934 von Gertrud Scholtz-Klink, die zudem bald danach Leiterin der NS-Frauenschaft wurde und sich seit November des Jahres »Reichsfrauenführerin« nannte. Auch dieser klingende Titel änderte nichts daran, dass der Arbeitsdienst für die weibliche Jugend eine kleine Organisation blieb: Von 1933 bis 1937 umfasste er jeweils nur ungefähr 10.000 Personen und war deswegen dem Ziel der allgemeinen Arbeitsdienstpflicht, das laut RAD-Gesetz seit 1935 grundsätzlich auch für Frauen bestand, noch weiter entfernt als das Pendant für Männer. Im September 1937 konnte Hierl bei Hitler erwirken, dass der Dienst für die weibliche Jugend auf25.000 Plätze erweitert und die allgemeine Dienstpflicht fur Frauen systematisch vorbereitet werde. Wenngleich Hierl dieses umfassende Ziel bis 1945 nicht durchsetzen konnte, kam die Erweiterung des Frauendienstes im Herbst 1937 doch einem kleinen Machtzuwachs gleich.209 Außerdem vergrößerte sich der Arbeitsdienst für die männliche Jugend parallel zur Expansion des Reiches. 1935 wurde er auf das Saarland ausgeweitet. Bereits zuvor waren junge Männer aus der Region, die durch den Versailler Vertrag vom Reich abgetrennt und bis zur Volksabstimmung von 1935 durch den Völkerbund verwaltet wurde, im deutschen Arbeitsdienst gewesen. Dort erhielten die sorgfältig ausgesuchten Freiwilligen eine Ausbildung, um nach ihrer Rückkehr »als bewährte Kameradschaften auch an der Saar weiter zusammengehalten [zu werden], dem Endkampf um die Rückgliederung 1935 entgegen.«210 So wurden die Männer dann auch in diesem »Endkampf« eingesetzt. Es gibt zwar keine Beweise, dass der dabei entfaltete Terror auch auf Arbeitsmänner zurückging, aber immerhin ist es doch sehr wahrscheinlich.211 Das

208 T B J G , Teil 1, Bd. 3, S. 259 (9.9.1937); vgl. auch ebd., S. 263 (12.9.1937); ebd., Bd. 2, S. 513 (13.9.1935); ebd., Bd. 6, S. 77 (8.9.1938); ebd., S. 80 (10.8.1938). 209 Vgl. Miller-Kipp, Erziehung, S. 103-129; Watzke-Otte; Morgan. 210 Hammelsbeck, S. 296f; vgl. auch die französische Kritik an derartigen Aussagen in: Le Matin 13.4.1934; Echo de Paris 13.4.1934; zu den folgenden Verwicklungen Bayr. HStA, StK/6138, Auswärtiges Amt an Saarbevollmächtigten Hitlers, 10.9.1934 und Anlagen; H. Müller-Brandenburg, Wieder französische Entstellungen über den deutschen Arbeitsdienst, in: V B 25.4.1934. 211 Keine Hinweise bei Paul, Mutter; zur Mühlen. Die beiden Autoren, denen ich fur ihre brieflichen Stellungnahmen herzlich danke, teilen aber die Annahme.

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würde bedeuten, dass die Arbeitsmänner ähnliche Aufgaben übernahmen wie der Anhaltische Arbeitsdienst vor 1933. Nach dem für Hitler triumphalen Ergebnis vom 13. Januar 1935, mit dem das Saarland an Deutschland zurückfiel, erhielt die Region eigene Lager und wurde in die Organisation des Dienstes eingebunden. 212 Wichtiger war die Ausdehnung des Dienstes nach dem »Anschluss« Österreichs im März 1938. Z u m 1. Oktober 1938 wurde die Reichsarbeitsdienstpflicht in Osterreich eingeführt, wobei es auch dort eine wechselvolle Vorgeschichte gab. Seit 1932 hatten sich in der Alpenrepublik Freiwilligengruppen organisiert, und bereits in jenem Jahr hatte die NSDAP in Wien eine Abteilung für Arbeitsdienst gebildet. Nach dem Verbot der Partei im Frühjahr 1933 erlangten die nationalsozialistischen Dienstabteilungen eine besondere Bedeutung, da sie unter einem Tarnnamen deren illegale Ersatzorganisation bildeten. Anfang 1934 mussten auch sie aufgelöst werden, und fortan beschränkte sich die Arbeit im Wesentlichen darauf, dass Führer im Reich ausgebildet wurden. Nach dem »Anschluss« 1938 bildet der RAD schließlich vier neue Gaue mit weit über 100 Abteilungen in der »Ostmark«.213 Zwei weitere Gaue und knapp 100 Abteilungen kamen nach der Eingliederung des Sudetenlands hinzu. Obwohl die Wehrmacht bereits im Oktober 1938 in das Gebiet einmarschiert war, wurde die Arbeitsdienstpflicht dort erst mit Wirkung zum 1. Oktober 1939 eingeführt. Das erklärt sich besonders durch die im Vergleich zu Osterreich geringen Vorarbeiten.214 Ab April 1939 galt auch für die Memelländer und ab August 1939 für die »Volksdeutschen« des Protektorats Böhmen und Mähren die Arbeitsdienstpflicht. 215 Im Zweiten Weltkrieg sollten noch weitere Gebiete hinzukommen. Dementsprechend stieg nach 1935 die Zahl der Dienstpflichtigen deutlich an. Bedingung dafür war die Lockerung der finanzpolitischen Restriktionen, die 1933/34 gegenüber dem Dienst gegolten hatten und gegen die Hierl stets erbittert gekämpft hatte. Tatsächlich wurde der männliche Arbeitsdienst in den folgenden Jahren finanziell immer besser ausgestattet:

212 Vgl. BA/B, R 3101/10338, Saarbevollmächtigter an RMI, 13.2.1935. 213 Vgl. v.a. RGBl. 1938,1, S. 400, 631-634, 1578; Leitner, S. 20-25; vgl. ferner die Akte BA/B, R 2301/5639. 214 Vgl. ebd., RAF an AGF u.a., 3.11.1938. 215 Vgl. Absolon, Bd. 4, S. 108.

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Tab. Í: Ausgegebene Haushaltsmittel für den deutschen Arbeitsdienst für Männer (in Millionen RM) 2 1 6 Jahr

Fortlaufend

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942

ca. 180

1943 1944

195 184 206 270 389 303 248 276 324 424 417

Einmalig

-

13 42 64 170 54 32 29 58 24 39

Insgesamt

180 195 197 248 334 559 357 280 305 382 448 456

Den Bedeutungsgewinn, der bereits durch die Vergrößerung auf Österreich hinzukam, nahm Hierl im April 1938 einmal mehr zum Anlass für die Bitte, die Reichsleitung zur obersten Reichsbehörde zu erheben. 1938/39 wurde ferner über eine Neufassung des RAD-Gesetzes von 1935 verhandelt, das die seitdem eingetretenen Änderungen bündeln sollte. Wiewohl es keine wesentlichen inhaltlichen Neuerungen enthielt, wurde es nicht mehr 1938, sondern erst am 9. September 1939 verabschiedet.217 Der Zweite Weltkrieg brachte gewisse Veränderungen für den Arbeitsdienst mit sich. Während hier die organisationsspezifischen Konsequenzen kurz erörtert werden, wird in späteren Kapiteln in knapper Form auf die Folgen des Krieges in den Bereichen Erziehung und Arbeit eingegangen. Organisatorisch stand die Verwendung der Einrichtung nach 1939 zunächst in einer direkten Kontinuität zum Westwalleinsatz des Jahres 1938: Wie bereits anderthalb Jahre zuvor bildete der RAD auch im September 1939 aus vielen Abteilungen Baubataillone, die der Wehrmacht unterstellt waren. Aufgrund eines Gesetzes vom 9. September 1939 gehörten diese Arbeitsmänner zwar weiterhin zum RAD, de facto leisteten sie hinter der Front militärähnliche Dienste.218 Die Unterordnung unter die 216 Vgl. BA/B, R 2 Anh./23, v.a. Schmidt-Schwarzenberg, RAD, Rechnungsjahr 1944; vgl. dagegen Jonas, S. 185. 217 Vgl. RGBl. 1939, I, S. 1747-1750; zur Diskussion über den Gesetzentwurf BA/B, R 2/ 4533. 218 Vgl . zum Kriegseinsatz auch Seifert, Kulturarbeit, S. 87—92; Jonas, S. 164—173; zum Westwall auch Kapitel IV.3.2. dieser Arbeit.

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Wehrmacht wiederholte lediglich das beim Westwalleinsatz erprobte Verfahren, so dass organisationsgeschichtlich das Jahr 1938 eine tiefere Zäsur darstellt als der Kriegsbeginn. Die Beschränkung der Eigenständigkeit des Dienstes wurde durch einen zweiten Einschnitt verschärft: Z u Beginn des Polenfeldzugs wurden ungefähr 60 % des Stammpersonals vom RAD abgezogen und in den Wehrdienst berufen. 219 Der aus dem Aderlass resultierende Führermangel war wiederum Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die Auflösung des Dienstes zumindest für die Dauer des Krieges forderten. Wie schon 1937/38 erwies sich Göring als der gefährlichste Gegner Hierls. 220 Deswegen stellte es für den Reichsarbeitsführer trotz aller Beschneidungen einen wichtigen Teilerfolg dar, dass er immerhin den institutionellen Fortbestand seiner Organisation sichern konnte. Eine kurzzeitige Konsolidierung trat mit dem Ende des Polenfeldzugs ein, als die Unterstellung unter die Wehrmacht endete und der RAD wieder zu einer eigenständigen Organisation wurde. 221 Eine Klärung hinsichtlich der organisatorischen Zukunft brachte kurz darauf eine Verordnung vom 20. Dezember 1939. Danach sollte der Dienst auch während des Krieges weiterexistieren. Selbst wenn so der institutionelle Fortbestand und vorläufig die Eigenständigkeit des RAD gesichert waren, passte die Verordnung die institutionelle Struktur und die Aufgaben des Dienstes ganz den Bedürfnissen der Wehrmacht an.222 In den Monaten vor dem Feldzug gegen Frankreich hatte das kaum Konsequenzen. Der RAD konnte sich auf innere Probleme wie die Neuorganisation der Ausrüstungsverwaltung konzentrieren, und, als im Februar 1940 die bei Kriegsbeginn verfügte Einstellungssperre aufgehoben wurde, mit der Ergänzung seines Führerkorps beginnen. Das war umso dringender, weil ab Januar 1940 die Arbeitsdienstpflicht auch in den sogenannten »eingegliederten Ostgebieten« galt, ab Oktober 1940 zusätzlich im Protektorat Böhmen und Mähren, ab Oktober 1941 auch in Lothringen, dem Eisass und Luxemburg. 223 Mit dem Kriegsbeginn im Westen wurden erneut der Wehrmacht unterstellte Baubataillone gebildet, und der RAD folgte dem Heer und der Luftwaffe nach Frankreich. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion wurde die Zahl der Abteilungen deutlich verringert und in ihrer Einsatzform noch stärker an den Interessen des Militärs ausgerichtet. Im Oktober 1941 gingen von den 929 Abteilungen, die dem Arbeitsdienst zugestanden waren, nur noch 184 Abteilungen friedensmäßiger Arbeit nach. Dass der RAD, wie Hierl nach dem Krieg 219 Vgl. BA/F, Msg 2/144, Ausarbeitung Walther Kumpf, [ca. 1954]; Scheibe, Aufgabe, S. 27f. 220 Vgl. z.B. auch AdP, Teil 1, Nr. 17899. 221 Vgl. BA/B, R 2301/5639, RAF an AGF u.a., 8.12.1939. Das galt auch für die am Westwall eingesetzten Abteilungen; vgl. IfZ, MA 568, O K H an HGrKos, 10.2.1940. 222 Vgl. RGBl. 1939,1, S. 2465f und die Verhandlungen in BA/B, R 43 IV520. 223 Vgl. zur Reorganisation Klausch, S. 1 lf; zur Ausweitung RGBl. 1940,1, S. 248f; S. 13641369, 1544; BA/B, R 43 11/502, Bormann an U m m e r s , 21.10.1941.

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behauptete, erst in den letzten beiden Kriegsjahren »zu einer improvisierten Kriegseinrichtung« wurde, ist demnach sehr zu bezweifeln.224 Die durch die Schrumpfung des RAD frei werdenden Führer - 1939 hatte Hierls Organisation immerhin noch 1.700 Abteilungen gehabt - wurden wiederum der Wehrmacht zugeführt. 225 Je weiter sich die Kriegslage zuspitzte, desto massiver wurden die Forderungen, auch die verbleibenden Führer direkt der kämpfenden Truppe zuzuführen - gegen Ende des Krieges gab es gelegentlich sogar U n r u hen unter der Zivilbevölkerung, die »junge frontfähige Führer« des RAD lieber bei der Wehrmacht gesehen hätte.226 Insgesamt wurde der Arbeitsdienst immer mehr zu einer abhängigen Bau- und Kampftruppe der Wehrmacht; er verlor das spezifische Profil, das er seit 1931 und seit 1933 entwickelt hatte. Angesichts der Kriegserfordernisse konnte auch eine einheitliche Dienstzeit nicht mehr aufrechterhalten werden - beim Einsatz im Osten dienten manche Abteilungen deutlich länger als das vorgesehene halbe Jahr, einige sogar 12 bis 18 Monate. Insgesamt ging der Trend jedoch zu einer Verkürzung der Dienstzeit. 1943 zum Beispiel wurde festgelegt, dass diese für 100.000 Mann sechs Monate betrage, für alle Übrigen lediglich drei. Ende 1944 leisteten die Dienstpflichtigen sogar nur noch zwei bis drei Monate Arbeitsdienst.227 Der Niedergang der Organisation gegenüber der Vorkriegszeit wurde auch durch die Aufwertung der Person Hierls nicht relativiert. Als Himmler Frick als Reichsinnenminister ablöste, wurde der RAD ab dem 20. August 1943 zur Obersten Reichsbehörde. Hierl war nun Reichsminister und erhielt Kabinettsrang, was angesichts der Bedeutungslosigkeit, der dieses Gremium seit langem anheim gefallen war, keinen durchschlagenden Erfolg darstellte.228 Es zeigte lediglich, dass Hitler dem Reichsarbeitsführer die Verwicklung in einen Lebensmittelschieberprozess, der kurz zuvor aufgeflogen war, nachgesehen hatte.229 Mit seinem neuen Ministertitel versuchte Hierl bis zuletzt, einen Rest an Eigenständigkeit des RAD zu wahren. 23 " Damit konnte er trotzdem nicht verhindern, dass der RAD zu einem Anhängsel der Wehrmacht reduziert wurde. Auch die Verleihung des höchsten Ordens des Regimes, des Goldenen Kreuzes des deutschen Ordens, anlässlich Hierls 70. Geburtstags Ende Februar 1945 änderte nichts am »Schattendasein« des RAD.231 Selbst die unter Hierls Ägide 224 Hierl, Dienst, S. 111. 225 Vgl. BA/B, R 1501/5626, V e r m e r k R M I , 21.10.1941. 226 BA/B, R 55/601, Schaffer an Goebbels, 31.10.1944 u n d beigelegten Bericht. 227 Vgl. BA/B, R 3101/1090, Reichswirtschaftsministerium an Reichsstatthalter u.a., 7.1.1943; Jonas, S. 171. 228 Vgl. RGBl. 1943,1, S. 495; AdP, Teil 1, N r . 17140; Hierl, Dienst, S. 108. 229 Vgl. T B J G , Teil 2, Bd. 7, S. 572 (17.3.1943), ebd., Bd. 9, S. 328f (21.8.1943); erneute, ähnliche V o r w ü r f e in AdP, Teil 1, N r . 17367; zu Hitlers grundsätzlichem Vertrauen in Hierl vgl. z.B. Hitlers Tischgespräche, S. 314. 230 Vgl. z.B. BA/F, M F B l/WF-01/1647, Hierl an Winter, 28.4.1945. 231 Vgl. Mallebrin, S. 108.

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errichteten Arbeitsdienste in einigen besetzten und abhängigen Gebieten nach deutschen Vorbild - bis 1942 hatte der RAD Satelliten in Norwegen, den Niederlanden, Flandern, Wallonien, Rumänien, Kroatien und der Slowakei aufgebaut - gaben dem Reichsarbeitsführer bei seinen Auseinandersetzungen mit der Wehrmacht und anderen Rivalen nicht die notwendige Schwerkraft. 232 Ähnlich erging es ihm bezüglich des Arbeitsdienstes für die weibliche Jugend: Dieser wurde während des Krieges zwar erweitert, inhaltlich aber nicht an Hierls erzieherischen Vorstellungen ausgerichtet, sondern an den Interessen der Rüstungsindustrie und der Wehrmacht. 233 Während das Reich in Chaos und Trümmern versank, zog sich der fast 70jährige Reichsarbeitsführer immer mehr aus dem RAD zurück. Im Frühsommer 1944 siedelte er mit Einwilligung Hitlers nach Osterreich über, und fortan übernahmen die Arbeitschefs und Arbeitsgauführer die Leitung des täglichen Geschäfts. 234 Die von Hierl aufgestellte Liste möglicher Nachfolger offenbart noch einmal seinen tiefen Antisemitismus, da er Will Decker, der lange Zeit seine rechte Hand war, für das Amt nicht zuletzt deswegen verwarf, weil »seine Frau in erster Ehe, allerdings in jungen Jahren und nur ganz kurze Zeit mit einem Juden verheiratet« gewesen und einen Sohn in die Ehe mit Decker eingebracht habe, »dessen rassische Herkunft nicht völlig geklärt erscheint.« Sein Favorit als Nachfolger war sein Stellvertreter Hermann Wagner.235 Währenddessen beschäftigte Hierl sich selbst mit Zukunftsfragen. Für einen künftigen Frieden unter deutscher Vorherrschaft plante er für den RAD eine Arbeitsdienstakademie, neue Großvorhaben in den eroberten Gebieten und neue Uniformen. Als die alliierten Panzer die Reichsgrenze schon überschritten hatten, fand der Reichsarbeitsführer die Zeit, eine Verfassung für die Zeit nach dem »Endsieg« auszuarbeiten.236 In fast gespenstischerWeise eiferte er damit Hitler nach, der auch 1944 noch viel Zeit für Grundsatzdiskussionen zu allen möglichen Themen fand.237 Im Falle Hierls waren die Planungen aber nicht gänzlich absurd. Vielmehr stellten Hierls Pläne für die Zeit nach dem »Endsieg« die wichtigste Legitimation für die Existenz des Dienstes dar. Ohne die Aussicht, irgendwann zum Profil der Vorkriegszeit zurückzukehren, hätte es überhaupt keine Daseinsberechtigung für den RAD gegeben. Im Herbst 1944 verlor der Arbeitsdienst einen Bundesgenossen, der ihn lange unterstützt hatte: Heinrich Himmler. Dessen SS-Männer waren im Krieg häufig im RAD, um Nachwuchs für die Waffen-SS zu werben, und auch in 232 Vgl. IfZ, M A 331, Berger an Himmler, 21.11.1942; ferner gab es zeitweise ein von Hierl nicht autorisiertes Konkurrenzprodukt in der Ukraine; vgl. IfZ, M A 303, C h e f des SS-Hauptamtes an Reichsführer-SS, 26.9.1943; zum Arbeitsdienst in der Slowakei jetzt auch Tönsmeyer. 233 Vgl. Miller-Kipp, Erziehung, S. 109-113. 234 Vgl. NARA/CP, RG 238, M 1919, Film 27, Vernehmung Hierl, 19.2.1947. 235 BA/BDC, O 237, Aufstellung Hierl, 24.5.1944. 236 Ebd., Aufzeichnung Hierl, 1.11.1944. 237 Vgl. Kershaw, Hitler, Bd. 2, S. 843.

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anderen Bereichen hatten beide Organisationen zuvor eng zusammengearbeitet.238 N u n erwog Himmler aber, den RAD im Frühjahr des kommenden Jahres in die SS zu übernehmen. 239 Dazu kam es in den Wirren der letzten Kriegsmonate nicht mehr. Zugleich war es die schützende Hand Hitlers, die eine Übernahme des RAD durch eine andere Organisation oder seine Auflösung bis zur Kapitulation Deutschlands verhinderte. Noch im Mai 1945 wurde der RAD im Rahmen der Wehrmacht demobilisiert, und am 20. des Monats löste der Alliierte Kontrollrat die Organisation durch das Gesetz Nr. 34 auf.240 Hierl war in den letzten Kriegstagen in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten und wurde bei den Nürnberger Prozessen lediglich als Zeuge vernommen. Die an ihn gerichteten Fragen bezogen sich im Wesentlichen auf andere Größen aus Staat und Partei; hinsichtlich des RAD waren sie harmlos.241 Eine deutsche Spruchkammer verurteilte ihn später zu fünf Jahren Arbeitslager, allerdings wurden diese dem über 70-jährigen aufgrund einer Fürsprache des evangelischen Landesbischofs Wurm erlassen. In bescheidenen Verhältnissen starb Hierl 1955, nachdem er sich in den letzten Jahren seines Lebens erneut schriftstellerisch betätigt hatte, wobei die Selbstrechtfertigung und eine Apologie des RAD im Zentrum seiner Schriften stand.242 Trifft insofern, um eine Zwischenbilanz zu ziehen, die These von Wolfgang Benz zu, dass der Arbeitsdienst zwischen 1933 und 1945 ein »Schattendasein« geführt habe?243 Die generalisierende Annahme muss in zweierlei Hinsicht differenziert werden: zum einen durch das Unterscheiden verschiedener Phasen und zum anderen, indem man nicht nur die institutionelle Bedeutung des Dienstes im Machtgefüge Deutschlands zur Bewertung heranzieht, sondern auch seine Wirkung auf die ihm Angehörenden. Z u m Einfluss im Institutionengeflige ist der Befund von Benz nur teilweise zutreffend. Hierls Organisation führte keineswegs seit der Machtübertragung ein marginales Dasein - immerhin vereinte der Reichsarbeitsfuhrer ungefähr 200.000 Mann in seinen Reihen. Außerdem konnte Hierl sich gegen alle Ubernahmeversuche und rivalisierenden Ansprüche in harten Auseinandersetzungen behaupten. Er gehörte zwar nicht zur innersten Machtelite des Regimes, und die Organisation blieb hinter ihren selbstgesetzten Zielen zurück - ansonsten wäre sie zu einer der bedeutendsten Einrichtungen des Regimes gewor238 Vgl. z.B. IfZ, M A 325, Himmler an Hierl, 8.12.1941. 239 B A / F . M F B l/SF-01/28837, Vermerk Herff, 19.9.1944. 240 Vgl. BA/F, M F B l/WF-01/1930, Demobilmachung des RAD, 11.5.1945;>rws, S. 172. 241 Vgl. NARA/CP, RG 238, M 1919, Film 27, Vernehmung Hierl, 19.2.1947. 242 Vgl. v.a. Hierl, Gedanken; ders., Idee; ders., Dienst; Nation Europa 5 (1955), S. 62-64; Mallebrin, S. 110-116. 243 Benz, S. 342, 345.

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den. Gestützt auf das grundsätzliche Vertrauen Hitlers gelang es Hierl aber, den Arbeitsdienst in eigenmächtigen Initiativen nach seinen Vorstellungen umzubauen. Wie in vielen anderen Organisationen auch, erfolgten die Veränderungen zunächst hauptsächlich über Gewalt, Terror und andere Maßnahmen, die die vorhandenen rechtlichen Regelungen durchbrachen. Diese Prozesse ebenso wie die äußeren Herausforderungen erschütterten den Dienst, und er taumelte die ersten anderthalb Jahre nach der Machtübertragung von einer Krise zur nächsten. Seine Existenz blieb aber unangetastet. Von Mitte 1934 bis Mitte 1937 konnte sich der Arbeitsdienst nach außen und innen scheinbar konsolidieren. Ex post wurden nun die Ergebnisse der Machtkämpfe der Anfangsphase juristisch abgesichert: Normen stützten das, was über Maßnahmen erreicht worden war. Die Stabilisierung war aber nur relativ, da Hierls Initiativen, seine Position auszubauen, misslangen. Das zeigt sich an der Einführung der Arbeitsdienstpflicht 1935: Sie war kein tiefer Einschnitt. Der Verwaltungsaufbau und die Kompetenzen änderten sich kaum, die Dienstpflichtigenzahl blieb zunächst fast konstant, lediglich staatsrechtlich ist das Datum wichtig. Wenn in allen bisherigen Darstellungen 1935 dennoch als Zäsur verstanden wurde, wird das der Einrichtung organisationsgeschichtlich nicht gerecht. De facto stellte das RAD-Gesetz nur eine - freilich die wichtigste - Station in der rechtlichen Absicherung der inneren und äußeren Machtlage dar, die sich im Zuge des Gleichschaltungsprozesses 1933/34 entwickelt hatte. Auch Hierls andere große Initiative, die Einführung des Nationalen Hilfsdienstes, misslang. Die Misserfolge dürfen freilich nicht verdecken, dass sich der Arbeitsdienst in dieser Phase relativ ungestört weiterentwickeln konnte und in den verschiedenen Diskussionen ein gewisses Durchsetzungsvermögen hatte. Der RAD erlangte Anfang 1937 den Zenit seiner relativen Konsolidierung im NS-Regime. Er stand zwar weiterhin nicht in der ersten Reihe des Regimes. Trotzdem hatte Hierl in harten Auseinandersetzungen die Selbständigkeit der Organisation erkämpfen und behaupten können. Danach häuften sich die Angriffe gegen den Dienst, und schließlich verlor er in mehreren Schritten an Bedeutung. Das wird die Analyse seiner Arbeitsfelder noch genauer zeigen. Spätestens seit der Unterstellung unter die Wehrmacht führte der RAD das »Schattendasein«, das Benz ihm für die gesamten zwölf Jahre des NS-Regimes attestiert hat. Zugleich wäre es falsch, den Dienst nur an seiner Bedeutung im Verhältnis zu anderen Einrichtungen zu messen. Immerhin organisierte er anfangs jährlich über 200.000junge Personen, und bis 1940 durchliefen ihn über 2,75 Millionen Männer. 244 Wenn in diesem Kapitel zur Geschichte der Organisation des Dienstes die institutionellen Krisen, Brüche und Probleme der Einrichtung betont wurden, dürfen darüber die Normalität und der Alltag nicht übersehen 244 Vgl. Hase, S. 100.

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werden. Deswegen muss noch geprüft werden, ob der Dienst auch in den Feldern Arbeit und Erziehung erfolglos war. Vor dieser Analyse werden als Teil der Organisationsgeschichte jedoch zunächst der Aufbau und die Zugangsbedingungen zum Arbeitsdienst erörtert.

2.2. D e r A u f b a u des Arbeitsdienstes f ü r die m ä n n l i c h e J u g e n d Der organisatorische Aufbau des Arbeitsdienstes entwickelte sich trotz aller Probleme lange Zeit vergleichsweise ungestört. Im Frühjahr 1933 setzte eine Entwicklung ein, die durch die Vereinheitlichung der Verwaltung, deren sukzessive Verstaatlichung sowie eine parallel damit einhergehende Bürokratisierung und Hierarchisierung gekennzeichnet war. Hier sollen deswegen die verschiedenen Organisationsebenen der Verwaltung des Arbeitsdienstes, die sich nach 1933 herausbildeten, systematisch vorgestellt werden. An der Spitze stand seit der Weimarer Republik der Reichskommissar für den FAD. Bereits im Frühjahr 1933, noch bevor die Personalkämpfe zwischen Stahlhelm und NSDAP ausgefochten waren, wurde im Reichsarbeitsministerium die »Reichsleitung des Arbeitsdienstes« eingerichtet. In ihr arbeiteten Angehörige der Reichsanstalt, des Reichsarbeitsministeriums, der Organisationsabteilung II der NSDAP und des nationalsozialistischen Dienstträgers Seite an Seite.245 Für den von Hierl geplanten Umbau einer staatlich geförderten zu einer rein staatlichen Einrichtung war es notwendig, den bürokratischen Apparat deutlich zu vergrößern. Deswegen mussten weitere Fachleute hinzugezogen werden. Manche wurden zunächst aus anderen Verwaltungen abgeordnet und später oft ganz übernommen, wie zum Beispiel Oberregierungsrat Kurt Stamm aus dem Reichsinnenministerium. Dazu kamen Kräfte aus den anderen Dienstträgern, besonders aus dem Stahlhelm. Aus ihm stammte zum Beispiel Hierls Adjutant Herbert Erb. Die unterschiedliche Herkunft der wichtigsten Arbeitsdienstführer benutzten nach 1945 die Apologeten der Organisation als Argument für seinen angeblich ideologiefernen Charakter. Die Folgerung ist indes abwegig, da an den entscheidenden Stellen Vertreter der völkischen Ideologie standen, die nicht unbedingt aus der NSDAP kommen mussten. Die personelle Zusammensetzung zeigt neben dem Dualismus zwischen Hitlers Partei und dem Stahlhelm vielmehr etwas anderes: die Notwendigkeit, auf auswärtiges Personal zurückzugreifen, um binnen kurzer Zeit die Verwaltung deutlich zu vergrößern. Denn als Ergebnis von Hierls Politik vor 1933 waren nach der Machtübertragung nicht genug Nationalsozialisten ausgebildet, um leitende Positionen zu übernehmen. 246

245 Vgl. insgesamt auch Seifert, Kulturarbeit, S. 119-141. 246 Vgl. BA/B, R 2/4563, v.a. RFM an RAM, 21.6.1933.

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Ähnlich gemischt war auch die berufliche und politische Herkunft des Stammpersonals auf den niedrigen Ebenen. In den krisengeschüttelten ersten anderthalb Jahren, als der Arbeitsdienst über keine gesicherte Finanzierung verfugte, gab es eine große Fluktuation im Stammpersonal, und viele qualifizierte Kräfte verließen die Einrichtung bald wieder.247 Die Aufgaben der Reichsleitung bestanden in der umfassenden Verwaltung, Kontrolle und Koordination des Dienstes, vor allem in Hinblick auf Organisation, Arbeitseinsatz, Ausbildung und Erziehung. Die Struktur der Reichsleitung änderte sich mehrfach. So wurden die ursprünglichen Inspektionen bald zugunsten von Amtern aufgegeben, die ihrerseits in verschiedene Abteilungen zerfielen. Die meisten Amtsleiter trugen trotzdem den Titel Inspekteur, und sie hatten bei Kriegsausbruch den Rang von Generalarbeitsführern inne. Eines der wichtigsten Amter war das Erziehungs- und Ausbildungsamt unter dem fanatischen Nationalsozialisten Will Decker, der bald für das Unterrichtswesen einschließlich der Führerausbildung zuständig wurde. Decker, der ab 1935 außerdem an der Berliner Universität das Fach Arbeitsdienst als Lehrbeauftragter und ab 1937 als Honorarprofessor unterrichtete, war lange die Schlüsselfigur direkt unter Hierl. Die Reichsleitung war zunächst im Reichsarbeitsministerium untergebracht und siedelte Anfang 1936 in ein neu erbautes, repräsentatives Gebäude in Berlin-Grunewald über.248 Dem Reichsarbeitsführer unterstanden neben der Reichsleitung unmittelbar die Arbeitsgauführer, die Leiter der Schulen und für den weiblichen Arbeitsdienst die Bezirksführerinnen. Die Schulen gliederten sich bei Kriegsbeginn in die Reichsschule, der bis Herbst 1934 Lancelle vorgestanden hatte. Alle Führer vom Gruppenführer aufwärts mussten sie eine Zeit lang durchlaufen, außerdem wurden hier Sonderlehrgänge abgehalten. Die fünf Bezirksschulen bildeten die Abteilungsführer aus, während die fünf Feldmeisterschulen sich an die Führer der mittleren Laufbahn richteten. Dazu kamen drei Verwaltungsschulen und 19 Truppführerschulen für die Führeranwärter, so dass es sich insgesamt um einen großen Ausbildungsapparat handelte.249 Die Arbeitsgaue waren die größeren der mittleren Verwaltungseinheiten innerhalb der Gesamtgliederung, und sie waren fast identisch mit den 30 »Wehrgauen« der Reichswehr.250 Die Gaue stellten einen Teil des Scharniers zwischen den Lagern und der Reichsleitung dar, das die Möglichkeit bot, über kurze Befehlswege das Leben in den Lagern zu regulieren. Aus den 30 ursprünglich geschaffenen Einheiten wurden durch Erweiterungen und Umstrukturie-

247 Vgl. z.B. AdR, Teil I, Nr. 356, S. 1304. 248 Vgl. Arbeitertum 4 (1934), S. 9f; Erb/Grote, S. 160. 249 Vgl. Tsay, S. 104. 250 Vgl. BA/B, R 2301/5658, Bericht über den Verlauf der Chefbesprechung am 14.6.1933 im RFM; BA/F, MF Β l/WF-10/22628, Reichenau an Gauleiter Bayerische Ostmark, 24.7.1934.

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rungen bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs 36 Arbeitsgaue.251 Bereits deren Nummerierung war Ausdruck revanchistischen Denkens. Die Zahlen II und III wurden erst nach dem Uberfall auf Polen an zwei Gaue vergeben, die genau die durch den Versailler Vertrag im Osten des Reiches verlorenen Teile ausfüllten. Einen Sonderfall stellte außerdem der Gau XXXI dar, der zunächst für das Großprojekt der Emslandkultivierung gebildet und später als Gau »W« für den Westwallbau zuständig wurde. An der Spitze der Arbeitsgaue stand jeweils ein Arbeitsgauführer, der 1939 den Rang eines General- oder Oberstarbeitsführers bekleidete. Er war für den reibungslosen Ablauf des Dienstes und die Ausbildung der Führer in seinem Bereich verantwortlich. Analog zum Reichsarbeitsführer unterstützte ihn seine Arbeitsgauleitung. Wie gering die Kompetenzen dieser hohen Führer waren, zeigen die Protokolle der Arbeitsgauführertagungen. Mit dem Hinweis, dass es keinen »Gau-Partikularismus« geben dürfe, schränkte Hierl ihren Spielraum immer wieder ein.252 Die Verwaltungsebene unter den Gauen bildeten die Arbeitsdienstgruppen. Sie waren die kleineren regionalen Einheiten und formten den zweiten Teil des Scharniers zwischen Reichsleitung und den Abteilungen. Während jeder Gau sich in der Regel in 4 bis 8 Gruppen unterteilte, konnte die Größe der Gruppen zwischen 5 und 14 Arbeitsdienstabteilungen variieren, was sich an der Zahl und dem Umfang der Arbeitsprojekte des Bereichs orientierte. 1935 gab es 182 und kurz vor Kriegsbeginn ungefähr 250 Gruppen, denen jeweils ein Gruppenführer im Dienstrang eines Arbeits- oder Oberarbeitsführers vorstand. Ihm zur Seite stand wiederum ein eigener Stab. Auch die Gruppenebene war Teil der Kommunikationssäule von der Reichsleitung zu den Lagern und hatte die Arbeitsplanung regional zu organisieren. Zusätzlich war der Gruppenführer für die Personalverwaltung zuständig. Er forderte beim Meldeamt die notwendigen Arbeitsmänner für die einzelnen Lager an. In den größeren Arbeitsgauen wurden seit 1938 gelegentlich einige Gruppenleitungen unter einem Abschnittsführer zusammengefasst, welcher seinen Arbeitsgauführer besonders in Personalangelegenheiten unterstützte. 253 Die Grundeinheit des Dienstes aber waren die Arbeitsdienstabteilungen, häufig unter der Leitung eines Oberstfeldmeisters. Die Sollstärke der Abteilungen änderte sich mehrfach, zumeist setzten sie sich jedoch aus 3 oder 4 Zügen zusammen, von denen jeder in je 3 Trupps à 15 Mann unter einem Truppführer zerfiel. Das ergab insgesamt 214, bzw. 156 Mann inklusive Führer, zu denen ein Koch und ein Monteur kamen, die über normale Arbeitsverträge beschäftigt wurden. Ab Herbst 1933 wurden alle Abteilungen auf die Größe von 216 Mann vereinheitlicht. Diese wurde »Vollabteilung« oder »V-Abteilung« genannt. Im 251 Vgl. die Aufstellungen in Gönner, S. 166; Absolon, Bd. 5, S. 40f. 252 BA/B, R 1501/8365, 9. Tagung der AGF v o m 18.-19. Oktober 1935. 253 Vgl. Tsay, S. 97-99.

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Idealfall hatte jede ein eigenes Lager. So gab es im Oktober 1933 1.070 Abteilungen, im Januar 1934 1.158, 1935 immerhin schon 1.260 Abteilungen und 1939 - primär in Folge der Ausweitung der Dienstpflichtigenzahl ab 1937 bereits 1.625.254 Eine Reorganisation ersetzte ab Juli 1935 die Vollabteilung durch die Einheitsabteilung, die 150-161 Mann umfasste. Ab Frühjahr 1937 bis weit in den Krieg hatten die meisten Abteilungen wieder 216 Mann, daneben gab es erneut den zweiten Abteilungstyp mit 156 Angehörigen. 255 Der Abteilungsführer war für alle Fragen des Lagers zuständig. Seine Aufgabe und die der Zug- und Truppführer galt aufgrund der Vielfältigkeit zu Recht als anspruchsvoll. Sie verlangte technisches Wissen für die Arbeitsleitung, Verwaltungskenntnisse, sportliche Fähigkeiten für die Leibeserziehung und nicht zuletzt Führungsqualitäten gegenüber dem untergebenen Führungspersonal und den Arbeitsmännern. 256 Selbstverständlich gab es auch auf der Lagerebene einen kleinen Stab, der dem Oberstfeldmeister zuarbeitete. Die Zugführer leiteten die Arbeitsvorhaben, die Truppführer arbeiteten in beispielgebender Funktion direkt auf den Baustellen mit. Die zwölf Vormänner jeder Abteilung übernahmen die Aufgaben von Vorarbeitern. Sie wurden unter dem Truppführer für die Anleitung auf den Baustellen benötigt. Insgesamt war der Aufbau der Organisation seit 1933 streng hierarchisch und zentralistisch nach dem »Führerprinzip« organisiert. Viele Kompetenzen, die im FAD Weimarer Prägung niedriger angesiedelt waren, von anderen staatlichen Institutionen wahrgenommen wurden oder ganz in der Hand privater Träger lagen, gerieten in den Kreis der staatlichen Institution. Für die Organisation des Dienstes stellte das Jahr 1933 eine tiefe Zäsur dar, da mit dem Beginn des Umbaus von der staatlich geförderten zur staatlichen Einrichtung eine enorme Bürokratisierung losgetreten wurde. Dagegen brachte die Einführung der Arbeitsdienstpflicht 1935 nur geringe Veränderungen. Die bereits existierenden Stellen des NSAD, vor allem in den Gruppenleitungen und den Abteilungen, wurden nun verstaatlicht. Die Gründe für die hohe Kontinuität im Verwaltungsaufbau über das Jahr 1935 hinweg lagen zum einen darin, dass der Dienst seit 1933 organisatorisch auf die staatliche Arbeitsdienstpflicht vorbereitet worden war. Z u m anderen aber wurden 1935 Hierls Pläne, den Dienst wesentlich zu vergrößern, nicht verwirklicht. Trotzdem ergab sich ein enormer bürokratischer Apparat, der personal- und damit auch kostenintensiv arbeitete. Auf der niedrigsten Ebene, der Abteilung, waren von 216 Mann 20 Führer und Amtswalter. Hinzu kamen der Koch und der Monteur, womit sich das feste Personal auf 10 % addierte, sowie die den Abteilungen zugeteilten Führeranwärter. Für die Organisation insgesamt war der Anteil der Führer noch höher 254 Vgl. BA/B, R 2301/5645, v.a. RL-AD an AGL, 26.10.1933; BA/B, R 2/4532, Vermerk Schroeder, 28.8.1933; Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 364 (1935). 255 Vgl. BA/B, R 2301/5662, RAF an AGL u.a., 2.4.1935; Schitmerer, S. 53. 256 Vgl. Gönner, S. 168-170.

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- 1936 zum Beispiel betrug er 14 %.257 Dass der organisatorische Wasserkopf nicht noch größer war, lag im Wesentlichen am Widerstand von Reichsfinanzministerium und Rechnungshof gegen Hierls exorbitante Pläne. Somit ergab sich - inklusive des weiblichen Arbeitsdienstes - 1939 folgender Aufbau:

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X c i c b e a r b t i t s ö i c n f t t e

Abb. 2: Der Aufbau des RAD 1939.258

Die Organisation erwies sich in ihrer Gliederung als beliebig erweiterbar. Dass die nachgeordneten Instanzen dennoch nur geringe Handlungsspielräume hatten, entsprach dem totalen Anspruch der Institution. Eine Ausnahme vom klar geordneten Instanzenzug gab es nur im Beschwerderecht. Der Reichsarbeitsfuhrer, die Inspekteure der Reichsleitung und die Arbeitsgauführer konnten bei Besichtigungen von Lagern Bitten und Beschwerden direkt anhören. Damit griff Hierl als ehemaliger bayerischer Offizier in leicht veränderter Form den bayerischen Königsbefehl von 1824 auf.259 Die Ausnahme vom Dienstweg stellte das hierarchische Prinzip aber nicht in Frage, sondern gab ihm einen paternalistischen Zug. Als Orientierungsmodell für die Organisation diente unverkennbar das Militär - die Einheiten von Trupp, Zug, Abteilung, Gruppe und Gau hatten ihre Entsprechungen in der Heeresorganisation in Trupp, Zug, Kompanie, Regiment und Division, wenngleich bei genauer Betrachtung die Struktur des Ar257 Vgl. BA/B, R 2301/5672, RFM an Präsident der RfAVAV, 1.12.1936. In den Abteilungen mit 3 Zügen lag die Quote bei 11 %. 258 Gönner, S. 172. 259 Vgl. Absolon, Bd. 4, S. 104.

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beitsdienstes etwas weniger flexibel war. Das entsprach den geringeren Anforderungen an die Organisation, da Entscheidungen weniger schnell getroffen werden mussten und nicht so gravierende Auswirkungen hatten wie bei militärischen Einheiten im Kriegsfall. Die Organisation war keine Kopie des Heeres, sondern eine Adaption nach den besonderen Bedürfnissen. 260 Dass die Organisation sich am militärischen Paradigma orientierte, und zum Beispiel nicht an dem einer zivilen staatlichen Verwaltung oder eines Unternehmens, hatte mehrere Gründe. Erstens wurzelte es in der militärischen Sozialisation des ehemaligen Generalstabsoffiziers Hierl und seiner engsten Mitarbeiter. Ihr Habitus - verstanden als ein Komplex typischer Denk- und Verhaltensweisen war durch diesen Hintergrund und seine Idealisierung geprägt.261 Zweitens entsprach die hierarchische, zentralistische Organisation der nationalsozialistischen Ideologie und besonders den paramilitärischen Plänen, die seit der Weimarer Republik mit dem Dienst verbunden wurden. Mit den schlanken und flexiblen Organisationsstrukturen des FAD Weimarer Tage hatte der Aufbau des RAD somit wenig gemeinsam. Dort hatte die Personalunion zwischen FAD-Bezirkskommissaren und Landesarbeitsamtsvorsitzenden, vor allem aber die nichtstaatliche Organisation der Dienstträger und eine vom Marktprinzip geleitete institutionelle Struktur die Verantwortung für den Dienst auf viele Schultern und auf viele Ebenen verteilt. Auch in diesem Bereich überwiegen somit die Diskontinuitäten über das Jahr 1933 hinaus. Zusammen mit der Zäsur, die jenes Jahr in der Personalpolitik darstellte, ergibt sich somit, dass Hierl die institutionellen Ressourcen - verstanden als das Personal, das Know-how, das Material, aber auch »weiche« Faktoren wie eingespielte Verwaltungsabläufe - aus der Zeit vor 1933 kaum nutzte. Lediglich an die Vorarbeiten des nationalsozialistischen Dienstträgers, der aber an der Gesamtorganisation des Dienstes der Weimarer Republik einen verschwindend geringen Anteil hatte, knüpfte der NS-Arbeitsdienst an. Insgesamt waren so in Deutschland aufgrund der Erfahrungen mit dem FAD viele institutionelle Ressourcen vorhanden, die aber von den Nationalsozialisten nicht genutzt wurden. Es wäre zu einfach, alle Probleme, welche die Einrichtung in den ersten Monaten nach der Machtübertragung im Mark erschütterten, auf diesen Bruch zurückzuführen. Die Weigerung Hierls, einen fließenderen Ubergang von den Strukturen der Weimarer Zeit zu seinen Zielvorstellungen zu akzeptieren, war aber die wichtigste Ursache für die Anfangsschwierigkeiten. Zudem stellt sich die Frage nach dem Ursprung des Ordnungssystems des nationalsozialistischen Arbeitsdienstes. Es basierte ganz, auch wenn die Reichsleitung das später vergessen machen wollte, auf Stellrechts Aufriss vom Ende

260 Vgl. dagegen Hußmann, S. 63. 261 Vgl. zu Pierre Bourdieus Habituskonzept und seiner Übertragbarkeit auf die Geschichte Rekhardt, v.a. S. 73-75.

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des Jahres 1932.262 Die meisten der Zugangsbestimmungen lassen sich darüber hinaus bis zu Hierls frühen Ausarbeitungen zurückverfolgen. Diese organisationshistorisch bedeutungsvolle Frage nach Inklusion und Exklusion vom Arbeitsdienst wird im Folgenden untersucht.

3. Zwischen Ideologie und Ökonomie: Die Zugangskriterien zum deutschen Arbeitsdienst

3.1. Arbeitsdienst als Instrument von Inklusion und Exklusion Charakterisiert wird ein Arbeitsdienst - wie jede Organisation - nicht zuletzt durch die Frage, wer zu welchen Bedingungen an ihm teilnimmt und wer ausgeschlossen wird. Vergleicht man in dieser Frage den Dienst Weimarer Prägung mit dem nationalsozialistischen, so überwiegen die Diskontinuitäten, was hier zunächst für die Zugangsberechtigten, bzw. -verpflichteten gezeigt werden soll. Wesentliche Veränderungen beim Kreis der Arbeitsdienstberechtigten hatte es bereits 1932 gegeben. Hatte sich der FAD in seiner ursprünglichen Fassung fast ausschließlich an die Empfanger von Arbeitslosen- und Krisenunterstützung aus Mitteln der Reichsversicherung gewandt, so wurde der Teilnehmerkreis bereits mit der Verordnung vom 16. Juli 1932 deutlich erweitert. N u n galten auch mit kommunalen Mitteln unterstützte Arbeitslose als förderungswürdig, und einen Monat später wurde der Dienst auf »alle jungen Deutschen unter 25 Jahren ohne Unterschied der Berufsbildung, der sozialen Stellung und der Weltanschauung ausgedehnt«. Damit war das Höchstalter die einzige Einschränkung. Eine Untergrenze gab es nicht, allerdings wandte sich die Einrichtung hauptsächlich an diejenigen, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatten.263 Faktisch blieb der Arbeitsdienst auch nach Mitte 1932 primär eine Kriseneinrichtung zur Linderung der Not junger Arbeitsloser. Diese Gruppe wurde durch die wirtschaftliche Lage und das Fehlen sozialstaatlicher Alternativen praktisch in den FAD gezwungen. Für die Unterstützungsempfänger gab es den besonderen Anreiz, dass die im Arbeitsdienst abgeleistete Zeit nicht auf die Dauer der Förderung durch die Erwerbslosenunterstützung angerechnet wurde. Ein weiteres ökonomisches Mittel, mit dem die Einrichtung für sich warb, war die Siedlungsgutschrift. Freiwilligen konnten größere Beträge für den An262 Vgl. Stellrecht, Der deutsche Arbeitsdienst, S. 75-92. 263 RABI. 1932,1, S. 180-182, Zitat S. 181; RGBl. 1932,1, S. 352f; allgemein Winkler, Katastrophe, S. 338-352.

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kauf einer Siedlerstelle gutgeschrieben werden. 264 Die Reichsregierung versuchte auf diesem Weg, der Urbanisierung und dem Landarbeitermangel entgegenzuwirken. Der Arbeitsdienst wurde so ein Mittel der Arbeitsmarktpolitik. Insgesamt setzte der FAD der Weimarer Republik aber nur ökonomische Anreize und faktische Zwänge ein. Weitere Ein- oder Ausschlusskriterien gab es nicht. Deshalb war zum Beispiel das Geschlecht der Bewerber formal irrelevant - faktisch gab es weniger als 5 % Frauen.265 Auch auf die politische Einstellung der Freiwilligen und der Träger des Dienstes wurde staatlicherseits nicht geachtet, und so konnte jeder Dienstträger selbst über seine Aufnahmekriterien bestimmen. Die Pluralität der Dienstträger und damit auch die der Inklusionskriterien fiel im Frühjahr 1933 der Gleichschaltung zum Opfer. In anderer Hinsicht gab es dagegen Kontinuitäten. Ökonomischer Anreiz und Problemdruckwaren auch nach 1933 bis zur Uberwindung der Massenarbeitslosigkeit 1935/36 wichtige Gründe, warum junge Männer in den Arbeitsdienst eintraten. Bei einer anderen Methode, der Einrichtung Arbeitsmänner zuzuführen, gab es deutlich weniger Kontinuitäten zwischen Weimarer Republik und der NS-Herrschaft: der Dienstverpflichtung. Zwar war sie auch vor 1933 immer wieder erwogen worden, stets hatten sich die wechselnden Präsidialkabinette aber dagegen entschieden. Für die Nationalsozialisten war jedoch die allgemeine Arbeitsdienstpflicht Programm. Nachdem deren Einführung 1933 an der Intervention der Versailler Siegermächte gescheitert war, führte Deutschland als Vorstufe zunächst die Zwangsverpflichtung für einzelne Gruppen ein. Die erste dienstverpflichtete Gruppe waren die Abiturienten mit Studienabsicht und die Studenten. Bereits in der Weimarer Republik hatte es Pläne gegeben, diesen Personenkreis aus zwei Gründen verstärkt zum FAD heranzuziehen. Erstens engagierten sich die Studenten besonders für einen Arbeitsdienst. Überlegungen zur Hochschulreform, der Öffnung der Universität gegenüber der Lebens- und Arbeitswelt und dem Einsatz des Dienstes als soziales Experimentierfeld spielten hierbei eine Rolle. Der andere Grund war praktischer Art und bestand in der Überfüllung der Hochschulen und dem Problem der adäquaten Unterbringung der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt.266 In der breiten Diskussion über Gegenmaßnahmen entstand der Gedanke, über einen Arbeitsdienst die angespannte Situation in zweierlei Hinsicht zu entspannen. Z u m einen würden dadurch die Hochschulen direkt entlastet werden, und zum anderen böte sich die Möglichkeit, dem Nachwuchs Alternativen zu Studium und den akademischen Berufen aufzuzeigen. Die Diskussionen am Ende der Weimarer Republik waren erst in Bewegung gekommen, als sich Reichskanzler Papen im August 1932 öffentlich für einen Pflichtdienst, der »studentisches Werkjahr« genannt wurde, aussprach. Getra2 6 4 Vgl. R G B l . 1 9 3 1 , 1 , S. 295. 2 6 5 Vgl. BA/B, R 72/325, R L - A D , Statistik, 12.10.1933. 2 6 6 Vgl. Gaebel, S. 3 9 2 - 3 9 6 ; Grüttner, S. 2 2 - 3 1 , 489.

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gen wurde diese Forderung vom Deutschen Studentenwerk, der Dachorganisation für studentische Sozialarbeit, die an entscheidenden Stellen von Mitgliedern des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes ( N S D S t B ) durchsetzt war. Unter Papens Nachfolger Schleicher wurde auf freiwilliger Basis ein »Werkhalbjahr« für Abiturienten für die Zeit von Mitte April bis Ende September 1933 eingerichtet. 267 Die Umsetzung des Werkhalbjahrs fand nach der Machtübertragung im Sommer 1933 statt, und da es mit dem vorläufigen Ende für die Arbeitsdienstpflicht zusammenfiel, wurde dem Projekt besondere Bedeutung beigemessen. Es wurde zum Paradigma für eine zeitweilige Kompromisslösung des Regimes, laut der die Dienstpflicht einzelner Gruppen den Ausgleich zwischen den selbst aufgebauten Erwartungen und der prekären außenpolitische Lage darstellen sollte. Am 16. Juni 1933 wurde die Arbeitsdienstpflicht für die Studierenden des 1. bis 4. Semesters verkündet. 268 Mindestens zehn Wochen Arbeitsdienst im Sommer des Jahres wurden zur notwendigen Bedingung, um das Studium im Wintersemester 1933/34 fortfuhren zu dürfen. Diese Bestimmung wurde weiter ausgebaut, als im Februar 1934 die Dienstpflicht für alle Abiturientinnen und Abiturienten mit Studienabsicht verfügt wurde und bald danach die Deutsche Studentenschaft die Dienstdauer für diejenigen, die sich im Sommersemester 1934 einschreiben wollten, auf ein halbes Jahr verlängerte. 269 Ein nicht zu unterschätzender Motor der Entwicklung war neben Hierls Arbeitsdienst die nationalsozialistisch dominierte Deutsche Studentenschaft. Parallel zur Ausweitung des Zwangscharakters änderten sich auch die Aufgaben der Organisation. In öffentlichen Äußerungen wurde die Überfüllung der Hochschulen nun überhaupt nicht mehr als Grund für die Dienstpflicht angeführt. Allerdings benutzte das Regime den Dienst - wie auch die Arbeitsämter und andere Einrichtungen - , um potentielle Akademiker von ihrer Studienabsicht abzubringen. 270 Zugleich nahm der Steuerungsversuch das Regime aber in die Pflicht. So bemerkte Reichsinnenminister Frick im November 1933 mit Blick auf diejenigen, bei denen die Überredungskünste gefruchtet hatten, dass es nun geboten sei, »die Werkabiturienten bei der Bewerbung um Stellen im öffentlichen Dienst bevorzugt zu berücksichtigen.« 271 So zog die Beeinflussung der Berufsentscheidung weitere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nach sich. Der Steuerung künftiger Karrieren diente auch das »Pflichtenheft«, das der Arbeitsdienst den Abiturienten nach ihrer Dienstzeit aushändigte, bei Fehlver267 Vgl. Köhler, Arbeitsdienst, S. 229-237. 268 Vgl. z.B. BA/B, R 2301/5718, RL-AD an Bezirksleitungen, 27.6.1933; Seipp, S. 22. 269 Vgl. BA/B, R 2/4522, v.a. Vermerk RMI, 24.2.1934; BA/B, R 1501/5621, Preußischer Minister für Wissenschaft an Rektoren u.a., 21.4.1934. 270 Vgl. BA/B, R 2301/5645, RL-AD an AGL u.a., 22.1.1934. 271 BA/B, R 43 11/516, RMI an Oberste Reichsbehörden u.a., 10.11.1933; vgl. auch Berichte Neu Beginnen, S. 246 (1934).

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halten aber auch verweigern konnte. Es war die Bedingung für die Aufnahme ins Studium. N a c h d e m die studentische Arbeitsdienstpflicht von der allgemeinen abgelöst worden war, brachte ein Notensystem die Möglichkeit der Kontrolle. 272 Analog z u m Pflichtenheft w u r d e 1934 f ü r alle Arbeitsmänner der »Arbeitspaß« eingeführt. Damit war die Vorbedingung geschaffen, über die Benotung aller Angehörigen des Dienstes auf die Arbeitsplatzvergabe Einfluss zu nehmen. 2 7 3 Dass an das Wohlverhalten im Dienst die Zulassung zur Universität gebunden wurde, war der Öffentlichkeit nicht unbekannt. Z u r Peitsche kam aber das Zuckerbrot: Das Reichsstudentenwerk, das in Verbindung mit den örtlichen Studentenwerken für die Vergabe von Stipendien zuständig war, machte diese seit 1933 von der Bewährung im Arbeitsdienst abhängig. Das konforme Verhalten während dieser Zeit war zwar nicht das ausschließliche, aber doch ein wesentliches Kriterium neben der Einschätzung durch Schule, HJ und H o c h schule. 274 Insgesamt zeigt sich anhand des Umgangs mit den Studenten die Multifunktionalität der Inklusionskriterien. Sie vereinten die arbeitsmarktpolitische Aufgabe, der Uberfüllungskrise der Hochschulen durch ein U m s t e u e r n der Jugend auf nichtakademische Berufe entgegenzuwirken, mit den politischen Aufträgen der Auslese, Überwachung u n d Indoktrination. Diese Funktionen bekam der Dienst erst 1933. Daneben war er, wie in der Weimarer Republik, eine Kriseneinrichtung angesichts der Massenarbeitslosigkeit. Ahnliche Aufträge wie für die Studenten erfüllte der Dienst f ü r die anderen Gruppen, die noch vor 1935 dienstverpflichtet wurden. Zwei wichtige Einrichtungen, die im August 1934 diesen Schritt gingen, waren die Deutsche Arbeitsfront (DAF) und die Parteiorganisation der N S D A P Wie bei den Studenten war die Dienstpflicht für sie ein zusätzlicher Filter bei der Auswahl des N a c h w u c h ses.275 Für eine weitere größere Gruppe w u r d e die Pflicht eingeführt, als im Sommer 1934 der Gau Halle-Merseburg die einjährige Arbeitsdienstpflicht f ü r alle nach d e m 31. Dezember 1912 Geborenen verkündete. 276 Aber auch die Dienstverpflichtung f ü r kleine u n d kleinste Gruppen meldete die Presse stolz, was etwa zu d e m skurrilen Hinweis im Völkischen Beobachter führte, dass es eine Arbeitsdienstpflicht für Dentistenpraktikanten gebe. 277

272 Vgl. BA/B, R 2/4522, RMI, Ausführungsbestimmungen, 23.2.1934; BA/B, R 4901/890, Vermerk Heinrich, 31.8.1935. 273 Vgl. Coburger National-Zeitung 27.6.1934; Fränkisches Volk3.7.1934. Der Arbeitspaß ist nicht zu verwechseln mit dem Arbeitsbuch. 274 Vgl. z.B. Seipp. 275 Vgl. BA/B, R 1501/5102, Vereinbarung RAF und Stabsleiter der Parteiorganisation und Führer der DAF, 8.8.1934. 276 Vgl. VB 27.6.1934; D T 26.6.1934. 277 Vgl. VB 11.10.1934.

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So bereitete das Regime zwischen Sommer 1933 und Sommer 1935 die allgemeine Arbeitsdienstpflicht vor. Damit unterminierte es das Veto der Versailler Siegerstaaten. Welche Gruppen von den Regelungen betroffen waren, hing oft mit Zufällen zusammen. Die Betroffenen verband jedoch, dass sie größtenteils der künftigen Elite Deutschlands in Staat und Partei angehörten, und auf diese Gruppen versuchte das Regime auch durch andere Institutionen, wie zum Beispiel die nationalsozialistischen Eliteschulen und die HJ, in besonders hohem Maße einzuwirken. In den Prozess griff Hjalmar Schacht, kurz nachdem er zusätzlich zu seinem Amt als Reichsbankpräsident Reichswirtschaftsminister geworden war, mit der Verordnung vom 10. August 1934 ein. Danach oblag es künftig dem Präsidenten der Reichsanstalt, Syrup, die Neuverteilung und den Austausch von Arbeitskräften zu regeln. Dieser ordnete kurz darauf an, dass Arbeiter und Angestellte unter 25 Jahren, die nicht mindestens zwölf Monate im Arbeitsdienst oder der Landhilfe gewesen waren, in Abstimmung mit dem jeweiligen Arbeitsamt aus ihren Arbeitsplätzen zu entlassen, Hierls Organisation zuzuführen und durch ältere Kräfte zu ersetzen seien. Neueinstellungen von Arbeitskräften unter 25 konnte das jeweilige Arbeitsamt verbieten, und Ausnahmen gab es nur für Verheiratete, Lehrlinge sowie einige weitere Gruppen. 278 Von Oktober 1934 bis Oktober 1935 wurden auf dieser Grundlage rund 130.000 Arbeitsplätze neu besetzt und viele der jüngeren Arbeitnehmer zugunsten älterer in den Arbeitsdienst geschickt.279 Mit dem staatlichen Eingriff hatte die Dienstverpflichtung ein neues Niveau erreicht. Es waren nicht mehr nur die Arbeitslosen und neben diesen lediglich die künftige Elite in Politik, Verwaltung und akademischen Berufen, die über faktischen oder formalen Zwang dem Arbeitsdienst zugeführt wurden. N u n befand sich auch die breite soziale Schicht dazwischen in der Reichweite der Dienstpflicht, etwa junge Industriearbeiter, Landwirte oder Handwerker. Auch zuvor waren in geringerem Umfang ohne eine rechtliche Grundlage Angehöriger dieser Berufe in den Arbeitsdienst geschickt worden - das zeigen die Deutschland-Berichte der Exil-SPD und ähnliche Quellen. 280 Vor diesem Hintergrund ist erklärlich, warum die Berichte der sozialistischen Gruppe »Neu Beginnen« bereits Mitte 1934 den Arbeitsdienst zu den »sieben Plagen des Dritten Reichs« zählte.281

278 Vgl. BA/B, R 2301/5648, Hierl an Seldte, 23.4.1934; RGBl. 1934,1, S. 786; ebd. 1934,1, S. 565. 279 Vgl. Silverman, Economics, S. 200. 280 Vgl. Deutschland-Berichte, Bd. 1 (1934), S. 126f; ebd., S. 221-224; ebd., S. 640f; Berichte N e u Beginnen, S. 210 (1934). 281 Ebd., S. 208 (1934). Die anderen waren: Landhilfe, Arbeitslosigkeit, Zwangsversammlungen, KdF, Zwangsarbeit, Terror.

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Das Reichsarbeitsdienstgesetz vom 26. Juni 1935 löste die bisherigen Regelungen ab und brachte die allgemeine, gleiche Dienstpflicht für »alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts.«282 O b und inwieweit Hierls Organisation diesem Anspruch gerecht wurde, wird noch zu erörtern sein. Funktion und Aufgabe, die der Dienst für die ihm Angehörenden hatte, wandelten sich 1935 nur zum Teil. Während er aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs seine Bedeutung als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme verlor, diente er weiterhin der Berufssteuerung. Es war sein erklärtes Ziel, möglichst viele Arbeitsmänner landwirtschaftlichen Berufen zuzuführen, woran auch die Abschaffung der Siedlungsgutschrift Anfang 1934 nichts änderte.283 Wie vor Einführung der Arbeitsdienstpflicht hatte die Institution außerdem einen Erziehungsauftrag und diente der politischen Indoktrination. Nach 1935 wurden ferner die Verfahren, die zunächst zur Kontrolle und Auswahl der Studenten entwickelt worden waren, auf alle Arbeitsmänner ausgeweitet. Insgesamt sollte der Dienst damit auch nach 1935 bezüglich seiner Zugangskriterien dreierlei sein: Instrument der Arbeitsmarktpolitik, Sozialisationsinstanz und politisches Kontrollorgan des NS-Regimes. Bloß propagandistische Funktion hatte dagegen die Aufnahme von Ausländern für wenige Tage oder Wochen. Die Einblicke für Nichtdeutsche sollten die internationale Öffentlichkeit vom friedfertigen Charakter der Institution überzeugen. Mit geringem Aufwand sollte so ein möglichst großes propagandistisches Kapital geschlagen werden. 284 Die zunehmend rigidere Inklusionspolitik für immer größere Gruppen fand auch auf einer anderen Ebene ihren Niederschlag. In der Weimarer Republik hatte juristisch zunächst das Prinzip der unbedingten Freiwilligkeit geherrscht. Nach Eintritt in den Dienst stand den Männern und Frauen das Recht zu, ihn jederzeit ohne nachteilige Folgen zu quittieren. 285 Das änderte sich bereits mit dem Werkhalbjahr, was zum Teil der Notwendigkeit entsprang, die Arbeitsleistung besser planbar zu machen: Die Werkabiturienten wurden bei Eintritt verpflichtet, die gesamten sechs Monate Dienst abzuleisten.286 Somit war in systematischer Hinsicht in den letzten Tagen der Weimarer Republik die unbedingte Freiwilligkeit eingeschränkt worden. Diese neue Verbindlichkeit wurde nach 1933 auf alle Männer ausgeweitet, durch einen Eid bekräftigt und durch die Anfang 1935 erlassene Dienststrafordnung und das RAD-Gesetz weiter ausgebaut.287 Gleichzeitig band sich das Regime nicht durch die Arbeitsdienstpflicht, 282 RGBl. 1935,1, S. 769, vgl. auch BA/B, R 36/1929, D G T an Bürgermeister von Friedland, 10.9.1935. 283 Vgl. RGBl. 1934,1, S. 172. 284 Vgl. PA/B, R 47648, v.a. Aufstellung RAD an Auswärtiges Amt, 26.1.1940 und allgemein ebd., R 98849. 285 Vgl.RABI. 1931,1,S. 180;RMI/RK-FAD (Hrsg.),FreiwilligeMeldungzumWerkhalbjahr 1933, 28.1.1933, z.B. in: BA/B, R 3903/72. 286 Vgl. Funcke, Der deutsche Arbeitsdienst, S. 5. 287 Vgl. BA/B, R 72/330, Verpflichtungsschein, ohne Datum.

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was sich juristisch daran zeigt, dass die Teilnahme am Arbeitsdienst nicht einklagbar war. Denn auch nach 1933 begründete der Arbeitsdienst kein marktund vertragsförmiges Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts, sondern ein unmittelbares Abhängigkeitsverhältnis.288 Dennoch hatte der Dienst in den ersten Monaten nach der Machtübertragung nur wenige formale Sanktionsmöglichkeiten gegen junge Männer, die den Dienst verlassen wollten. Deswegen konnte die große Austrittswelle von 1933 bis Ende 1934, von der bereits die Rede war, nicht verhindert werden. Auf Arbeitsmänner, die in den Lagern gegen die Ordnungsvorstellungen der Leitung verstießen, reagierte Hierls Organisation dagegen mit größtmöglicher Härte. Dies zeigte sich bei einfachen Disziplinproblemen - dass zum Beispiel zwei Minuten Zuspätkommen mit acht Tagen Arrest oder zwei Sonntagswachen sanktioniert wurde, war kein Einzelfall. Proteste etwa wegen unzureichender Versorgung mit Lebensmitteln wurden, selbst wenn sie berechtigt waren, häufig nicht akzeptiert. Die Rädelsführer wurden zumindest in einigen Fällen ins KZ deportiert; Mitläufer in andere Arbeitsdienstlager versetzt.289 Dabei war genuin politischer Widerstand, wie die Akten des Reichssicherheitshauptamtes zeigen, die Ausnahme. Während vor 1933 der Arbeitsdienst häufiger das Ziel kommunistischer Zersetzungsversuche gewesen war, pendelte sich seit 1934 die Zahl der Vorkommnisse auf einem niedrigen Niveau ein. Die Zwischenfalle pro Monat waren für die über 1.000 Lager reichsweit an einer Hand abzulesen.290 Wenn es dennoch einmal zu politisch motivierten Äußerungen von Protest kam, schlug das Regime mit drakonischer Härte zu. Dann arbeitete der Arbeitsdienst mit der Geheimen Staatspolizei zusammen. 291 Z u m Beispiel erhielt ein Arbeitsmann, dem vorgeworfen wurde, in einem Lager kommunistische Propaganda verbreitet zu haben, vier Jahre Zuchthaus als Strafe.292 Insofern war die sechswöchige Haftstrafe, zu welcher ein anderer Dienstpflichtiger verurteilt wurde, der die Internationale gesungen hatte, fast schon milde.293 Die hohen Sanktionen sowie die ausgefeilten Kontroll- und Uberwachungsmöglichkeiten, die das Lagerleben bot, dürften somit die Hauptgründe für die Seltenheit explizit politischer Äußerungen von Dissens gewesen sein - j e d e Form des Protests oder nonkonformen Verhaltens war einfach zu gefährlich. Dementspre288 Vgl. Brauer, S. 109. 289 Vgl. diese und weitere Beispiele in Deutschland-Berichte, Bd. 1 (1934), S. 421f; S. 6 4 0 642; ebd., Bd. 5 (1938), S. 479-487, 846f; vgl. femer Berichte N e u Beginnen, 209f (1934). 290 Vgl. BA/B, R 58/687, Nachweisung über die kommunistische Zersetzungstätigkeit vom 1.4.1934-20.9.1934; vgl. ferner die Akten BA/B, BA/B, R 58/577; R 58/716; BA/B, R 58/3012; BA/ B, R 58/3048, sowie als Ausschnitt den als Meldungen 1984-1985 veröffentlichten Teil des Bestandes. 291 Vgl. BA/B, R 58/716, Nachrichtenblatt, 31.5.1934. 292 Vgl. ebd., v.a. Staatspolizeistelle Stade an Gestapa, 5.1.1937. 293 Vgl. ebd., Staatspolizeistelle Oppeln an Gestapa, 19.2.1937.

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chend musste der Kommunistische Jugendverband Deutschlands im Sommer 1935 selbstkritisch feststellen, dass er in »einer großen Anzahl von Arbeitsdienstlagern Aktionen für bessere Verpflegung, Kleidung usw. organisiert« habe, dass dabei aber die inhaltliche Verbindung zu »unserem grundsätzlichen Kampf gegen den Faschismus« häufig zu kurz gekommen sei.294 Widerstand im Arbeitsdienst war so fast nie aktive Zersetzung oder Sabotage. Getragen wurde er, soweit die Quellen eine Aussage zulassen, zumeist von einfachen Arbeitsmännern, die größtenteils der kommunistisch oder sozialdemokratisch geprägten, häufig städtischen Arbeiterschaft entstammten. 295 Sich nach 1935 grundsätzlich dem Arbeitsdienst zu entziehen, war angesichts des immer perfekteren Systems der Erfassung und Disziplinierung beinahe unmöglich. Bereits zuvor war dies immer schwieriger geworden. Im Herbst 1934, als die Dienstverpflichtung breiter sozialer Gruppen Wirkung zeitigte, versuchten sich auffallend viele junge Männer vom Dienst durch Heirat zu drücken. Ein anderer Ausweg war der Eintritt in die Reichswehr. 296 Dienstpflichtigen und ihren Familien, die nach 1935 den Eintritt verweigerten, drohten harte Strafen. »Arbeitsdienstflucht« wurde über die deutschen Grenzen hinaus verfolgt.297 Alle Versuche, den Arbeitsdienst zu vermeiden oder gegen die Zustände in den Lagern zu protestieren, zogen die Unterstellung von Devianz, von »Verwahrlosung«, »asozialem Verhalten« oder allgemein einer »gemeinschaftsfremden« Einstellung nach sich. Sie konnten, selbst wenn sie unpolitisch motiviert waren und sich gegen tatsächliche Probleme in einem Lager richteten, trotzdem KZ-Haft und im Extremfall den Tod nach sich ziehen.298 Wenn die Dienstzeit nach 1933 im Regelfall sechs Monate betrug, so gab es auch Ausnahmen. Die spezielle Dienstpflicht der Studenten im Sommersemester 1934 war zum Beispiel auf lediglich zehn Wochen begrenzt, und es gab die Möglichkeit, die reguläre Zeitspanne als »Längerdienender«, bzw. Vormann auszudehnen. 299 Die Mehrzahl der jungen Männer leistete jedoch vor wie nach Einführung der Arbeitsdienstpflicht sechs Monate Arbeitsdienst, was ungefähr der Normaldauer für den Weimarer FAD entsprach. Somit konnte Hierl seine ursprünglichen Forderungen nicht verwirklichen: Weder die ursprünglich von ihm avisierten zwei Jahre, noch die im Frühjahr 1935 geplanten 294 BA/B, R 58/704, Abschrift Reichssicherheitshauptamt, 18.7.1935; zu der kommunistischen Organisation Schneider, S. 800f. 295 Vgl. die verschiedenen Profile, z.B. in BA/B, R 58/687,716. 296 Vgl. BA/B, N S 25/85, Reichsleitung NSDAP, Vertrauliche Berichtsauszüge, 1. Sendung 1935; Deutschland-Berichte, Bd. 1 (1934), S. 640; zum Übertritt zur Wehrmacht Berichte N e u Beginnen, S. 299 (1934), 345 (1935). 297 Vgl. PA/B, R 47721. 298 Vgl. zu den Konsequenzen des Ausschlusses aus der NS-Gemeinschaft Peukert, Volksgenossen. 299 Vgl. Dt. AD 4 (1934), S. 37.

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zwölf Monate ließen sich gegen die wirtschafts- und wehrpolitischen Widerstände durchsetzen. Die Länge der Dienstzeit regelte seit 1935 ein »Führererlaß«, der zudem eine einfache Handhabe bot, um die Dauer weiter zu reduzieren.300 Ein zentraler Grund, der die kurze Dienstzeit begründet, war die im Frühjahr 1935 eingeführte Wehrpflicht. Die gleichen jungen Männer hatten im Anschluss an ihre Zeit in Hierls Organisation Dienst an der Waffe zu leisten. Hätte der Reichsarbeitsführer seine Ansprüche verwirklichen können, so wären die Zugangsberechtigten für eine Dauer von bis zu vier Jahren dem Wirtschaftsleben entzogen worden, und dies ließ sich angesichts des einsetzenden Arbeitskräftemangels nicht durchsetzen. Deutlicher noch, wenngleich wenig erstaunlich, waren die Diskontinuitäten zwischen der Weimarer Republik und dem nationalsozialistischen Deutschland in Bezug auf die Personengruppen, die vom Arbeitsdienst ausgeschlossen waren. Die möglichen Konsequenzen der Exklusion konnten für den Betroffenen sehr weitreichend sein. Angesichts der Arbeitslosigkeit und Armut, die den Alltag vieler Jugendlicher am Anfang des Regimes bestimmten, bedeutete der Ausschluss den Wegfall einer Form von staatlicher Unterstützung, die von existentieller Bedeutung sein konnte. Der Vorteil unmittelbarer Hilfe erübrigte sich zwar mit dem Anziehen der Konjunktur und der Vollbeschäftigung. Aber ohne Pflichtenheft für die Abiturienten war der Weg ins Studium, und ohne den Arbeitspaß der Zugang zu Wehrdienst und einigen Berufen generell verbaut. Angesichts der immer höheren Sanktionen konnte der Preis der Verweigerung sehr hoch sein. In den ersten Jahren sollten die Arbeitsämter bevorzugt Personen vermitteln, die Arbeitsdienst geleistet hatten; ehemalige Arbeitsmänner hatten es zudem leichter, in anderen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unterzukommen. Allgemein war die Festlegung von ausgeschlossenen Gruppen ein Zeichen der zunehmenden Diskriminierung und der Zerstörung des Rechtsstaates während der nationalsozialistischen Herrschaft. Bei den negativen Folgen überwog in den ersten Jahren nach 1933 die wirtschaftliche Benachteiligung. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre jedoch war die Exklusion in erster Linie Teil einer Stigmatisierungs- und Ausgrenzungspolitik, die neben praktischen auch sozialdarwinistische, politische und rassistische Motive hatte. Die staatliche Seite des Arbeitsdienstes der Weimarer Republik hatte keine systematische Exklusionspolitik betrieben. Allerdings wurde auch mit der Gleichschaltung nicht sofort ein Katalog an Nicht-Zugangsberechtigten festgelegt. Systematisch ausgearbeitet wurde ein solcher zwar schon für das Gesetz zur Vorbereitung der Arbeitsdienstpflicht 1933, doch mit dem Scheitern der Initiative wurde auch die normative Neufassung der Zugangsbedingungen ver300 RGBl. 1935,1, S. 772; zu Hierls ursprünglichen Plänen Hieri, Schriften, Bd. 2, S. 17-28 (1931).

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tagt.301 Erst das Reichsarbeitsdienstgesetz brachte 1935 verbindliche Regelungen, die sich sowohl auf das Stammpersonal als auch auf die Arbeitsdienstpflichtigen und -freiwilligen beiderlei Geschlechts bezogen. Exkludiert waren danach mehrere Gruppen: erstens Personen, die schwere Verbrechen begangen, sich etwa staatsfeindlich betätigt hatten, und allgemein mit Zuchthaus Bestrafte. Uber solche Fälle hatte die Reichsleitung aber auch zuvor per Einzelfallprüfung entschieden. 302 Der Arbeitsdienst wollte sich so deutlich von einer Einrichtung für »Gemeinschaftsfremde« unterscheiden. 303 Die Furcht vor Verwechslungen fand ihren klarsten Ausdruck in einer Verordnung vom N o vember 1934, nach der die Bezeichnungen »Arbeitsdienst« und »Arbeitslager« allein Hierls Organisation vorbehalten waren. Deswegen ist es erstaunlich, dass heute unter »Arbeitslagern« gemeinhin die Lager für Zwangs- und Fremdarbeiter im Zweiten Weltkrieg verstanden werden. 304 Als zweite größere Gruppe wurden »Untaugliche« vom Arbeitsdienst ferngehalten. Diese Regelung hatte zum einen praktische Gründe der Arbeitsorganisation und -effektivität. Die Veröffentlichungen des Arbeitsdienstes legten nahe, dass zumindest Behinderte generell nicht zugangsberechtigt waren. Aber während geistig Behinderte - soweit man den Quellen glauben darf tatsächlich nicht herangezogen wurden, war dies bei körperlich Behinderten anders. Von ihnen leistete ein Teil derer, die eine handwerkliche Ausbildung hatten, in den Werkstuben der Lager Dienst. 1937, als diese Form der Integration bereits auf eine mehrjährige Diskussion und Praxis zurückschauen konnte, wurde sogar seine Ausweitung erörtert. Gefordert wurde sie vom Reichsausschuss für Volksgesundheit und anderen Organisationen, die mit körperlich Behinderten befasst waren.305 Der Vorstoß trafjedoch auf den heftigen Widerstand Hierls.306 Der Arbeitsdienst war letztlich zwar zu gewissen Konzessionen bereit. Er hielt insgesamt aber an dem nationalsozialistischen Ideal körperlicher Unversehrtheit als Teil des Männlichkeits- und Rasseideals fest, das auch seine öffentliche Selbstdarstellung prägte, obwohl es in Deutschland - auch innerhalb der NSDAP - auch anderslautende Forderungen gab. Noch umstrittener war die Frage, wie mit bedingt Tauglichen umzugehen und wie hoch der Anteil der Untauglichen zu veranschlagen sei. Diese Frage wurde zentral, als 1935 die allgemeine Arbeitsdienstpflicht eingeführt wurde, da die Zahl der Tauglichen wesentlichen Einfluss auf den Haushalt und auf die

301 Vgl. BA/B, R 3905/210/1, RL-AD an Staatssekretär der Rkei u.a., 2.6.1933 und beigelegten Gesetzentwurf. 302 Vgl. BA/B, R 36/1939, RL-AD an D G T , 9.3.1934. 303 Vgl. Der Sächsische Gemeindetag 1 (1934), Sp. 23-29. 304 Vgl. RGBl. 1934,1, S. 1200; Kammer/Bartsch, S. 17. 305 Vgl. BA/B, R 36/1748, v.a. Reichsausschuss für Volksgesundheit an D G T , 29.6.1937; Hoske, Arbeitsdienst, S. 257f; ders., Sonderlager, S. 273-281. 306 Vgl. BA/B, R 36/1748, Niederschrift Sachbearbeitertagung, 12.11.1937.

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Summe der künftigen Arbeitsmänner hatte. Noch Ende 1932 hatte der Arbeitsdienst selbst den Anteil der Untauglichen auf 20 % der männlichen Jugend geschätzt. 307 Dagegen vertrat Hierl 1935 eine wesentlich restriktivere Linie. Danach sollten nur die Wehrtauglichen in den Arbeitsdienst aufgenommen werden, was Schätzungen zufolge lediglich 60 bis 65 % aller jungen Männer waren. Für die strengen Kriterien gab es neben einem sozialdarwinistischen Menschenbild zwei praktische Gründe. Zusammen mit dem Hinweis, dass die Jahrgänge, die in den folgenden Jahren dienstpflichtig würden, besonders klein seien, ließ sich so erstens argumentieren, dass alle Arbeitsdiensttauglichen gezogen werden könnten. Die Arbeitsdienstpflicht ließ sich demnach kostenneutral verwirklichen, was angesichts der Widerstände ein wichtiges Argument war. Zweitens begründete die Reichsleitung die Schärfe der Auswahlkriterien mit der Härte der Arbeit. 308 Allerdings wandten sich Reichserziehungsministerium und Wehrmacht, aber auch Teile des Reichsinnenministeriums und manche Arzte gegen eine strenge Auslegung. Ihre Argumentation passte zum Erziehungsanspruch des Dienstes sogar besser als Hierls Linie, da sie dem Anspruch gerecht wurde, möglichst alle »Volksgenossen« zu erfassen und nicht die Notwendigkeiten der Arbeit ins Zentrum zu stellen. Hierl unterlag auch in dieser Frage, und das RAD-Gesetz sah vor, dass lediglich »völlig untauglich(e)« Personen von der allgemeinen Pflicht ausgenommen seien. Dafür kamen die Gruppen der »bedingt«, der »beschränkt« Tauglichen und der für den Wehrdienst Ungeeigneten in den Arbeitsdienst. 309 Demnach lag der Anteil derjenigen, die zum RAD gezogen wurden, deutlich über dem für die Wehrmacht und betrug 80 % bis 90 % aller Männer. 310 Der Reichsarbeitsführer hatte seine exklusive Ausgangsforderung nicht durchsetzen können, und er musste den Zugang zum Dienst stärker am Erziehungs- als am Leistungsideal ausrichten. Wurden die bisher genannten Gruppen prinzipiell vom Arbeitsdienst ferngehalten, so gab es auch einen Ersatzdienst. Er wurde für Abiturienten mit Studienabsicht eingerichtet, die als »völlig« untauglich galten oder nachgemustert werden sollten. Der »Studentische Ausgleichsdienst«, ein Projekt von Deutscher Studentenschaft und Reichserziehungsministerium, wurde 1934 eingerichtet und war zumindest seit 1935 ein Pflichtdienst. Bis Februar 1936 war es gelungen, 2.000 bis 2.500 Plätze für dienstuntaugliche Abiturienten in ländlichen Betrieben, der DAF und anderen Einrichtungen zu schaffen. Im Herbst 1936 wurde der Ausgleichsdienst nicht fortgesetzt, da Hierl seine Anerkennung verweigerte, 1938 gab es ihn jedoch wieder. Inzwischen hatten sich aber die Inhalte deutlich verändert, da die jungen Männer nun Aufgaben im 307 Vgl. BA/B, R 2301/5638, RK-FAD an Bach, 3.9.1934 und Anlage. 308 BA/B, R 1501/5621, Frickan sämtliche Reichsministerien, 21.3.1935, RAD-Gesetz, Begründung, S. 4. 309 RGBl. 1935,1, S. 770.

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Kontext der Kriegsvorbereitung übernahmen. Wie bei allen anderen Studenten sollte der Ausgleichsdienst die Bewährungsprobe für Stipendien und den Zugang zur Hochschule überhaupt sein.311 Wie die Schwierigkeiten bei der Anerkennung durch Hierl verdeutlichte, handelte es sich um eine vergleichsweise unbedeutende Erscheinung, die zudem ungerecht war. Denn nur untaugliche Abiturienten und Studenten mussten in den Ausgleichsdienst, während alle anderen Untauglichen davon befreit waren. U m eine ähnliche Ausnahmeregelung für eine kleinere Gruppe handelte es sich bei der Befreiung von Studenten der katholischen Theologie von der studentischen Arbeitsdienstpflicht ab 1933. Längere Zeit wurde diskutiert, ob die Betroffenen dafür einen Ausgleichsdienst abzuleisten hätten. Aufgrund des Reichskonkordats wurden sie zunächst von jedem Dienst befreit. Seit dem RAD-Gesetz mussten aber auch katholische Theologiestudenten der Arbeitsdienstpflicht folgen.312 Als dritte große Gruppe neben Straffälligen und Untauglichen schloss das RAD-Gesetz prinzipiell Personen »nichtarischer Abstammung« aus und solche, die mit »Nichtariern« verheiratet waren. Die Maßnahme, die sich primär gegen jüdische Deutsche richtete, war eines der Kernelemente der nationalsozialistischen Arbeitsdienstideologie. Allerdings war die Exklusion von Juden aus dem Arbeitsdienst angesichts der nationalsozialistischen Ankündigungen und der Praxis in anderen Organisationen wenig erstaunlich. Überraschend ist indes, dass es auf der staatsrechtlichen Ebene im Arbeitsdienst lange keine Grundlage für den Ausschluss von Juden gab - gesetzlich verankert wurde dieser erst im RAD-Gesetz. 313 Das Problem der Theorie war in der Praxis aber irrelevant. Denn über den nationalsozialistischen Dienstträger, der ab Sommer 1933 als einziger Freiwillige aufnahm, wurden Juden faktisch ausgeschlossen. Diskutiert wurde mehrfach, wie weit die Bestimmungen auszulegen seien, d.h. vor allem, über wie viele Generationen der Ariernachweis geführt werden müsse. Das zeigt einmal mehr die Zwitterposition des Dienstes zwischen Staat und Partei. Letztlich wurde entsprechend der Regelung für Beamte verfahren und nicht nach den strengeren der Partei.314 Neben den negativen Konsequenzen, die der Ausschluss vom Arbeitsdienst für alle betroffenen Gruppen mit sich brachte, hatte er für Juden eine besondere Dimension. Der geforderte Ariernachweis war Teil des feinmaschigen Net310 BA/B, R 4901/342, v.a. Heinrich an REM, ohne Datum [März 1935]; zur Haltung des RMI: BA/B, R1501/5621, VermerkStamm, 21.2.1935. Z u den Ärzten vgl. z.B .Hoske, Sonderlager, S. 273-281; Busing, S. 266-273. 311 Vgl. BA/B, R 4901/890, v.a. Deutsche Studentenschaft an REM, 25.3.1935; Die Bewegung Nr. 18, 4.5.1938. 312 Vgl. AdR, Teil I, Nr. 276, S. 1050; BA/B, R 2/4522, Vermerk RMI, 24.2.1934; BA/B, R 4901/871, REM an RMI, 7.1.1935; BA/B, R 4901/890; zur Neuregelung PA/B, R 47719; später auch noch AdP, Teil 1, Nr. 14860; ebd., Nr. 25387. 313 Vgl. RGBl. 1935,1, S. 770. 314 Vgl. BA/B, R 1501/5621, Vermerk Stamm, 21.2.1935.

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zes, um Personen, die aus nationalsozialistischer Sicht Juden waren, begrifflich zu bestimmen und zu erfassen. Denn wie schon Raul Hilberg feststellte, stand am Anfang der Verfolgung und der Vernichtung die Definition. 315 Tatsächlich kam es vor, dass erst durch die Nachfrage des Arbeitsdienstes bis dahin unauffällige Deutsche fortan zu stigmatisierten Juden wurden. 316 Schon weil der Arbeitsdienst Teil dieses Systems war, kann man ihn nicht, wie seine Apologeten nach 1945 behaupteten, als eine unpolitische Einrichtung bezeichnen, die außerhalb von Rassismus und Terror stand.317 Bei den Straffälligen, »Untauglichen« und Juden brachte das RAD-Gesetz eine Normierung, die mit dem ideologischen Anspruch des Dienstes konform ging. Allerdings wurden viertens auch andere Gruppen zumindest zeitweise insgeheim vom Arbeitsdienst ausgeschlossen. »Angehörige der polnischen, dänischen und wallonischen Minderheiten« leisteten zumindest seit 1935 keinen Dienst, da es zu nicht näher bezeichneten »Schwierigkeiten« gekommen sei. Die kollektive Sanktionierung, die denselben nationalen Minderheiten schon im Kaiserreich widerfahren war, stellte sie zumindest zeitweise noch unter die Ausländer.318 Kollektiv und heimlich ferngehalten wurden zudem Zwangssterilisierte, was wiederum auf den Sozialdarwinismus des Dienstes verweist.319 Für die Zeit des Zweiten Weltkriegs ist außerdem belegt, dass aus rassistischen Gründen die Sinti und Roma dieses Schicksal teilten.320 Insgesamt wurde vier Gruppen kategorisch der Zugang zum Arbeitsdienst verweigert. Mit der Exklusion der ersten drei kam Hierls Organisation ihrem ideologischen Programm nach: Dass zum Arbeitsdienst keine »Schwerverbrecher« zugelassen waren und dass dies auch für Staatsfeinde und aus der NSDAP Ausgeschlossene galt, zeigt, wie politisch die Zugangskriterien definiert waren. Für die Exklusion »Untauglicher« sprachen teilweise praktische Gründe. Es war aber auch eine ideologisch motivierte Entscheidung, diese Gruppe weitgehend fernzuhalten. Während Hierl in anderen Fragen bemüht war, seinen Einflussbereich auszuweiten, verhielt er sich hier aus sozialdarwinistischen Gründen restriktiv. Der Ausschluss der »Untauglichen« geschah jedoch eher im Stillen. Dagegen war es ein ideologisches Kernelement der nationalsozialistischen Arbeitsdienstideologie, Juden fernzuhalten. Standen sie am unteren Ende der Negativhierarchie, so zeigt schließlich der Ausschluss der nationalen Minderheiten und der Zwangssterilisierten, dass dem extremen Nationalismus und Rassismus eine Dynamik und die Tendenz zur Radikalisierung innewohn315 Vgl. Hilberg, Bd. 1, S. 69-84, allgemein auch Sofsky, S. 30. 316 Vgl. z.B. den Fall des Oberfeldmeisters G.: BA/B, R 77/2. 317 Vgl. z.B. Höbe, S. 8-13; Hierl, Dienst, S. 69-113. 318 BA/B, R 1501/5622, Protokoll der 7. Arbeitsgauführertagungvom 7.-9. März 1935; PA/B, R 47643, v.a. Vermerk Siedler, 10.10.1935. 319 BA/B, R 1501/5622, Protokoll der 7. Arbeitsgauführertagungvom 7.-9. März 1935. 320 Vgl. BA/B, R 36/1939, RMI an D G T , 8.3.1943.

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ten. Somit gab es praktische, sozialdarwinistische, politische und rassistische Gründe für die Exklusion. Diese war umgekehrt Element der Inklusion. So wurden die Eingeschlossenen als Privilegierte, als »Auslese« definiert. Die Systemtheorie weist noch auf eine zusätzliche Dimension des Ausschlusses hin.321 Denn den Betroffenen wurde auch das Recht genommen, sich gegen die Diskriminierung zu wehren. Deutlich wird das am Widerspruch, den jüdische Interessenvertretungen wie der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten noch 1933/34 gegen den Ausschluss vom Arbeitsdienst artikulierten.322 Das war in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre sowenig möglich wie erfolgversprechend. Auch darin stimmte die Exklusionspolitik des Arbeitsdienstes mit der des Regimes allgemein überein, da die Juden nicht nur diskriminiert, sondern auch mundtot gemacht wurden, bevor sie später der Verfolgung und Vernichtung anheim fielen. Während die vom Arbeitsdienst exkludierten Gruppen im Wesentlichen mit denen übereinstimmten, die von der »Volksgemeinschaft« allgemein ferngehalten wurden, lassen sich die Zugangskriterien auf keine derart simple Formel bringen. Sie waren insgesamt multifunktional und reichten von der wirtschaftspolitischen Versorgung Bedürftiger über eine Steuerung der Ausbildung bis hin zu den politischen Aufgaben der Ideologisierung, Disziplinierung und »Auslese«. Gerade die letzteren Aufträge verweisen auf das utopische Potential der Einrichtung, die sich als Wiege der »Volksgemeinschaft« verstand. Deren rassistische Fundierung zeigte sich vor allem im Zweiten Weltkrieg, als der RAD ab 1942 zu einer Eindeutschungsinstitution im Rahmen der »Umvolkung« wurde. Hitler verfügte damals, dass ab dem 1. April des Jahres junge Männer aus dem Baltikum, »die die rassischen, körperlichen, charakterlichen und geistigen Voraussetzungen erfüllen«, in den Arbeitsdienst auf freiwilliger Basis aufgenommen werden konnten. Dieselbe Regelung galt zeitweise auch in anderen Gebieten. 323 Dass dies bald eine Hauptaufgabe des Arbeitsdienstes wurde, verdeutlicht die Zahl der Betroffenen. Zwischen August 1942 und August 1944 hatten rund 118.000 Arbeitsmänner aus dem Elsaß, aus Lothringen, Luxemburg, der Untersteier, der Oberkrain und den besetzten Ostgebieten in 228 Abteilungen den RAD durchlaufen. Immerhin 20 bis 25 % von ihnen konnten kein oder kaum Deutsch. Den West- und Osteuropäern wurde die deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf verliehen, so dass »schlechte Elemente bereits vorzeitig ausgeschaltet werden« konnten. 324 Der RAD wurde so321 Vgl. Stichweh, S. 539f; Luhmann, S. 237-264. 322 Vgl. AdR, Teil I, Nr. 89, S. 298; ebd., Nr. 355, S. 1302f. 323 Vgl. BA/B, R 43 11/520, v.a. Reichsminister für besetzte Ostgebiete an Lohse, 8.1.1942; U S H M M , RG 18002 M, Reel 3, v.a. Reichskommissar für das Ostland an Reichskommissar in Riga, 16.11.1942 und Anlage. 324 Reichsarbeitsdienst 1944, S. 64-67. Diese Aufzeichnung war nur fur den internen Dienstgebrauch bestimmt und ist in BA/B, RD 20/63 überliefert. Die »Volksliste 3« umfasste die »Volks-

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mit in großem Umfang zur Eindeutschungsinstanz. In Zusammenarbeit mit der SS hatte er direkten Anteil an der NS-Rassenpolitik. Daneben wurde deutlich, dass der Arbeitsdienst den Inklusionsdruck zunehmend verstärkte. Auf die bedingungslose Freiwilligkeit der Weimarer Republik folgten die beschränkte juristische Freiwilligkeit, die Arbeitsdienstpflicht für begrenzte Gruppen und schließlich der Anspruch ihrer allgemeinen Ausweitung. Für die Exklusionspolitik war die Einführung des Reichsarbeitsdienstgesetzes hauptsächlich deswegen eine Zäsur, weil nun die gängige Praxis staatsrechtlich abgesichert wurde. Auch für die Inklusion bedeutete 1935 nur einen kleinen Einschnitt, da es von den Dienstverpflichtungen für einzelne Gruppen und der Regelung über den Arbeitsplatztausch nur ein kurzer Weg zur allgemeinen Arbeitsdienstpflicht war. Der tiefe Bruch bei den Zugangs- und mehr noch bei den Ausschlusskriterien fand 1933 statt. Konsequenterweise wurden parallel dazu die Sanktionsmöglichkeiten ausgebaut, die einem Zuwiderhandeln folgten. Neben der Multifunktionalität und der Zunahme des Pflichtcharakters wurden noch zwei weitere Merkmale der Inklusion deutlich. Erstens ließ sich der »positiv« bestimmte Teil der deutschen Bevölkerung außer über Staatsbürgerschaft und Konfession nur »negativ«, das heißt im Gegensatz zu den Ausgegrenzten, definieren. Eine andere Definition der »Volksgenossen« konnte es nicht geben. Außerdem wurde das dialektische Potential der Inklusion deutlich. Zumindest nach der rechtlichen Fassung und der Konzeption hingen »Auslese« und »Ausmerze« eng zusammen: Bei Fehlverhalten konnte binnen kurzem aus dem »Volksgenossen« ein »Gemeinschaftsfremder« werden. Das Menschenbild, das dieser Politik zugrunde lag, kannte nur zwei Kategorien, Freund und Feind. Damit kam der Arbeitsdienst dem grundsätzlich modernen, der Moderne aber unangemessenen Bedürfnis nach, durch ambivalenzfreie Dichotomien Ordnung zu produzieren.325 Inwieweit die Programmatik des Dienstes bezüglich Inklusion und Exklusion auch die Praxis prägte, wird im Folgenden zu untersuchen sein.

3.2. »Soldaten der Arbeit«: Die K o n s e q u e n z e n der Z u g a n g s b e s t i m m u n g e n Während bisher die Programmatik von Inklusion und Exklusion untersucht wurde, soll hier erörtert werden, inwieweit der Arbeitsdienst damit den Aufgaben der Arbeitsbeschaffung, der Arbeitsmarktsteuerung und der kontrollierenden Auswahl gerecht wurde. Die politische Schulung, Indoktrination, Disdeutschen«, denen die deutsche Staatsangehörigkeit nach einer Auswahl unter rassenpolitischen Vorzeichen durch die SS und nur auf Widerruf gewährt wurde. 325 Vgl. Bauman, Moderne, S. 13-32.

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ziplinierung und allgemein die Erziehung, die ebenfalls in diesen Zusammenhang gehören, werden aufgrund ihrer Komplexität ausgespart und in späteren Kapiteln diskutiert. Für die Bedeutung des Arbeitsdienstes im Kontext der verbleibenden Fragen müssen zwei Phasen unterschieden werden: zunächst die Jahre von 1933 bis 1935, da nur in diesem Zeitraum Hierls Organisation ein Instrument im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit bildete. Für diesen Zeitraum ist demnach quantitativ zu bestimmen, ob der Dienst durch seine Größe einer relevanten Zahl junger Arbeitsloser helfen konnte. Denn auch nach der Machtübertragung blieb er zunächst ein Mittel der wertschaffenden Krisenfürsorge. Hitler bewertete den Nutzen der Einrichtung allen öffentlichen Bekundungen zum Trotz nicht nur unter ideologischen Gesichtspunkten, sondern er zielte angesichts der Weltwirtschaftskrise auf eine Reduktion der Arbeitslosigkeit.326 Qualitativ ist darüber hinaus zu fragen, ob bei der Auswahl der jungen Männer politische, arbeitsmarktpolitische oder andere Kriterien entschieden. In der zweiten Phase von der Einführung der Arbeitsdienstpflicht bis zum Kriegsbeginn schlug die Arbeitslosigkeit in einen Mangel an Arbeitskräften um.327 Quantitativ ist für diesen Zeitraum deswegen zu erörtern, ob die Einrichtung ihrem Anspruch, die Dienstpflicht für alle jungen Männer umzusetzen, gerecht wurde. Qualitativ wird auch für die Jahre nach 1935 untersucht, welche Kriterien eine mögliche Bevorzugung oder einen Ausschluss begründeten. Für beide Zeiträume gemeinsam ist schließlich zu analysieren, ob der Arbeitsdienst über seine Zugangskriterien seinem Anspruch als Instanz der »Auslese« und der »Ausmerze« nach den Kriterien der nationalsozialistischen »Volksgemeinschafts«-Vorstellung gerecht wurde. Die quantitative Entwicklung des Dienstes verlief seit 1931 in der ersten Phase relativ gleichförmig. Die Zahl der Arbeitsdienstleistenden stieg von der Einrichtung des FAD im Sommer 1931 bis Juli 1932 in stetigen, deutlichen Zuwächsen und erreichte damals mit rund 97.000 Dienstwilligen einen Höchststand. Angesichts der Ausweitung der Zugangsmöglichkeiten durch die Verordnung von Juli 1932 hatte sich zwei Monate später die Zahl verdoppelt. In den folgenden Monaten fiel das Wachstum schwächer aus, und im Dezember senkte sich die Zahl der Männer erstmals. Am Vorabend der Machtübertragung standen deswegen knapp 200.000 Mann im FAD. Von diesem Niveau aus sollte der Trend in den folgenden Monaten zunächst wieder nach oben gehen. Nachdem die Einfuhrung der allgemeinen Pflicht zunächst auf unbekannte Zeit verschoben werden musste, reduzierte sich die Zahl wieder. Sie konsolidierte

326 Vgl. BA/B, R 2/4538, Vermerk RFM, 31.8.1933; dagegen Silverman, Economy, S. 178. 327 In diesem Fall koinzidiert die Einführung der Arbeitsdienstpflicht ungefähr mit dem Ende der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

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sich zunächst 1934 auf einem Niveau von 220.000 Personen und vor der Einführung der Arbeitsdienstpflicht 1935 schließlich bei ungefähr 200.000 Mann. Der Arbeitsdienst für die weibliche Jugend umfasste übrigens in dem Zeitraum nur ungefähr zehntausend »Arbeitsmaiden«.

Abb. 3: D i e quantitative E n t w i c k l u n g d e s d e u t s c h e n A r b e i t s d i e n s t e s bis 1935. 3 2 8

Die Vergleichsgröße, um die Bedeutung des Dienstes als ArbeitsbeschafFungsprojekt und damit als Auffangbecken für Arbeitslose ermessen zu können, ist die Teilmenge der jungen, männlichen, arbeitsfähigen und grundsätzlich arbeitswilligen Beschäftigungslosen. 329 Sowohl in zeitgenössischen als auch in neueren Veröffentlichungen wird jedoch fast durchweg ein weniger wichtiger Maßstab angelegt: die Gesamtzahl der Arbeitslosen. Verglichen damit band der Dienst von 1933 bis 1934 zwischen 2,9 % und 8 % Prozent der Arbeitslosen mit einem Höchststand am Ende des genannten Zeitraums - eine nicht sehr beeindruckende Zahl, die kaum höher war als in den letzten Monaten der Weimarer Republik.330 Die wichtigere Vergleichsgröße bildet die Menge der männlichen Arbeitslosen zwischen 18 und 25 Jahren, da sich der Arbeitsdienst fast ausschließlich an sie richtete. Leider lässt sich diese Gruppe quantitativ kaum fassen. Die meisten Arbeitslosenstatistiken sind nicht oder nicht genau genug 328 Die Graphik ist zusammengestellt aus Funcke, Freiwilliger Arbeitsdienst, S. 128,362f; StJB 1933, S. 307; StJB 1934, S. 302; StJB 1935, S. 311; WIS 16 (1936), S. 135. 329 Dies sind die gängigen Kriterien für die Erhebung von Arbeitslosen. Die Begriffe Arbeitsund Erwerbsloser werden hier synonym verwandt. 330 Vgl. Humann, S. 13; vgl. für die Vergleichszahlen für 1932 StJB 1933, S. 206. 145

nach Alterskohorten differenziert. Zudem gab es eine hohe Dunkelziffer von statistisch nicht erfassten Menschen ohne Arbeit. Schließlich änderte der Arbeitsdienst seine Zugangsbedingungen über die Jahre, so dass für verschiedene Phasen ein unterschiedlicher Vergleichsmaßstab angelegt werden müsste. Auch den Statistiken selbst ist nicht vorbehaltlos zu trauen.331 Aus diesen Gründen kann es sich bei der folgenden Gegenüberstellung nur um eine Annäherung handeln. Sie gibt trotzdem einen ungefähren Aufschluss über die Relevanz des Arbeitsdienstes als Arbeitsbeschaffungsprojekt. Zu Beginn des Zeitraums, im März 1933, schätzte die Reichsleitung des Arbeitsdienstes die Zahl der jugendlichen männlichen Arbeitslosen auf 1,6 Millionen. Entsprechend wäre der Arbeitsdienst auf einen Versorgungsanteil von 13 % gekommen. 332 Korrigiert man diese Zahl leicht nach unten, da bereits einige wenige tausend Nicht-Erwerbslose Arbeitsdienst leisteten, dürfte der Dienst trotzdem ca. 10 % aller Arbeitslosen der einschlägigen Alterskohorten gebunden haben. Er war damit keine durchschlagende, aber eine relevante Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Infolge des massiven Abbaus der Arbeitslosigkeit in den nächsten Monaten erhöhte sich der relative Anteil der im Arbeitsdienst organisierten Arbeitslosen kontinuierlich. Im Juni 1933 lag der relative Anteil bereits bei ca. 30 %. Genau ein Jahr später waren 220.000 junge Männer im Arbeitsdienst und von den prinzipiell Zugangsberechtigten nur noch 279.000 Personen arbeitslos: Das Verhältnis war auf 4:5 empor geschnellt.333 Einschränkend bleibt neben den bereits ausgeführten Problemen festzuhalten, dass aufgrund der Dienstverpflichtung immer weiterer Gruppen selbstverständlich nicht nur Arbeitslose in Hierls Organisation waren. Im Juni 1933 betrug ihr Anteil zum Beispiel lediglich knapp 70 %, im April 1934 80 %.334 Eine direkte Relationierung verbietet sich vor allem, weil das NS-Regime im Juli 1933 die Arbeitsdienstmänner und andere in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Beschäftigte in seinen Statistiken nicht mehr unter den Arbeitslosen führte. Insofern muss die Gesamtzahl der Arbeitsmänner und der Angehörigen ähnlicher Programme zu der Zahl der Arbeitslosen eher addiert als von ihr subtra331 Vgl. BA/B, R 2301/5648, Hierl an Seldte, 23.4.1934; übereinstimmend Humann, S. 13; allgemein Abel, S. 7 - 1 5 . In manchen Statistiken ist zudem unklar, ob Frauen und das Führungspersonal enthalten sind. Welcher Gruppe das Führungspersonal zuzuschlagen ist, stellt zudem ein grundsätzliches Problem dar: Viele, aber nicht alle, wären ohne den Arbeitsdienst ebenfalls arbeitslos gewesen. Darüber hinaus wären theoretisch die männlichen Arbeitslosen unter 18 Jahren dazuzurechnen, da auch sie bis 1935 grundsätzlich zugangsberechtigt waren. Zur Frage, inwieweit die Statistiken manipuliert waren, Silverman, Economics, S. 204—215. 332 Vgl. BA/B, R 3903/216, Richtzahl der Arbeitsdienstwilligen, ohne Datum [29.3.1933]. Dudek, Erziehung, S. 184 weist zu Recht daraufhin, dass die Bedeutung des Dienstes als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme regional stark schwankte. 333 Vgl. StJB 1934, S. 311, 321. 334 Vgl. BA/B, R 2301/5658, Vermerk Lange, 30.6.1933; Humann, S. 14.

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hiert werden. 335 Trotzdem band der Arbeitsdienst einen zunehmend großen Anteil der verbleibenden Arbeitslosen, so dass das Umschlagen in eine Phase des Arbeitskräftemangels bereits im Frühjahr 1934 absehbar war. Vor diesem Hintergrund erscheint die E i n f ü h r u n g der Arbeitsdienstpflicht in einem neuen Licht. Sie musste spätestens 1935 erfolgen, da ansonsten die Einrichtung bald hätte aufgegeben werden müssen: Sie w u r d e als Mittel der wertschafFenden Krisenfürsorge nicht m e h r gebraucht. Die E i n f ü h r u n g der Dienstpflicht fur spezifische Gruppen war demnach ein Zwischenbehelf, u m die Zahl der Arbeitsmänner trotz des Rückgangs der Arbeitslosigkeit und trotz der fehlenden Attraktivität von Hierls krisengeschüttelter Organisation wenigstens einigermaßen konstant zu halten. Ein entsprechendes Krisenbewusstsein äußerte die Reichsleitung des Dienstes schon Ende 1933 gegenüber d e m Reichsrechnungshof. 336 Deswegen organisierte Hierl im Frühsommer 1934 Anwerbungskampagnen, u m Arbeitslose für sich zu gewinnen - eine Initiative, der aber wenig Erfolg beschieden war.337 Auch arbeitslose SA-Männer w u r d e n quasi in den Dienst gepresst. 338 Ahnlich erging es in Bremen und anderen Städten den staatlich unterstützten Arbeitslosen. 339 Dass Anfang 1935 die Arbeitslosigkeit mancherorts bereits einem Arbeitskräftemangel gewichen war, verdeutlicht auch ein Rundschreiben des Präsidenten des bayerischen Landesarbeitsamtes, der - wohlgemerkt vor der E i n f ü h r u n g der allgemeinen Pflicht - aufgrund der Einziehung von Jugendlichen in Hierls Organisation fürchtete, Arbeitsstellen nicht besetzen zu können. 340 Der Arbeitsdienst Weimarer Tage hätte sich, da seine Größe über das wirtschaftsliberale Kriterium der Nachfrage durch Arbeitslose bestimmt w u r de, 1934 zurückgebildet. Das verhinderte die staatliche Intervention des Regimes in Form der Verpflichtung spezifischer Gruppen. Die relative Bedeutung von Hierls Organisation als Auffangbecken für Arbeitslose ergibt sich zudem aus einer Gegenüberstellung mit ähnlichen Initiativen. Direkt vergleichbar ist der Arbeitsdienst mit anderen Programmen der unmittelbaren Arbeitsbeschaffung, das heißt mit anderen durch öffentliche Mittel finanzierten Einrichtungen zur Beschäftigung von Arbeitslosen. Die mittelbaren ArbeitsbeschafFungsmaßnahmen wie Steuererleichterungen, die daneben ebenfalls zur U b e r w i n d u n g der Weltwirtschaftskrise beitrugen, m ü s sen dagegen aus methodischen G r ü n d e n ausgeblendet werden. 341 335 Vgl. Silverman, Economics, v.a. S. 207f, auch allgemein zu den Schwierigkeiten, die Angehörigen dieser Organisation in Bezug auf die Arbeitslosigkeit zu definieren. 336 Vgl. BA/B, R 2301/5646, RL-AD an RH, 20.11.1933. 337 Vgl. Silverman, Economy, S. 194. 338 Vgl. BA/B, N S 23/371, SA-Führer der Gruppe Hansa an Brigade 12 u.a., 20.8.1934. 339 Vgl. StA Mü, LAAFr/688. 340 Vgl. StA Mü, LAAFr/692, Präsident des LAA Bayern an Arbeitsämter, 4.1.1935. 341 Zur Unterscheidung dieser beiden Formen von Arbeitsbeschaffung vgl. Schiller, S. 1 - 5 .

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Im Kanon der unmittelbaren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen stellten die Notstandsarbeiter die wichtigste Gruppe dar. Sie w u r d e n mit einem Teil der Mittel der beiden Arbeitsbeschaffungsprogramme des Jahres 1932 sowie des ersten Reinhardt-Plans von 1933 finanziert. Ähnlich wie beim Arbeitsdienst bestanden die Arbeiten vor allem aus Bodenverbesserungen u n d Infrastrukturmaßnahmen. Als Notstandsarbeiter geworben w u r d e n primär ältere, häufig verheiratete, männliche Arbeitslose, die man nicht von ihren Familien trennen wollte, während sich Hierls Organisation an die jüngeren, flexibleren Personen richtete. Zumindest seit 1934 waren die Notstandsarbeiten ein Komplementärprogramm z u m Arbeitsdienst. 342 Kleinere Initiativen kamen in den ersten Jahren des Regimes hinzu. So w u r d e im März 1933 für Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren die Landhilfe eingerichtet, die wie die Notstandsarbeiten u n d der Arbeitsdienst im primären Sektor eingesetzt wurde. Auch diese Organisation ergänzte den Arbeitsdienst eher als dass sie mit ihm konkurrierte, da sie vor allem Jugendliche ansprach, die für den Arbeitsdienst zu j u n g waren. H i n z u kamen Projekte der Einzelstaaten, etwa das Landjahr in Preußen und anderswo f ü r 14-jährige Volksschulabgänger sowie k o m m u n a l e u n d andere Projekte. Letztere werden hier aber nicht berücksichtigt. 343 U n t e r den reichsweiten Maßnahmen, die sich ausschließlich oder primär an M ä n n e r wandten - für Frauen w u r d e n eigene, aber zumeist kleinere Programm e aufgelegt - , war der Arbeitsdienst quantitativ somit kein primus inter pares. Während diese Rolle den von der Reichsanstalt finanzierten Notstandsarbeitern zufiel, band Hierls Organisation zwischen Januar 1933 und Dezember 1934 i m m e r h i n zwischen 23 % (März 1934) und 88 % (Januar 1933) und gemittelt 42 % aller mit Reichsmitteln beschäftigten Arbeitslosen. N o c h größer war seine Relevanz für die unmittelbare Zielgruppe, die M ä n n e r im Alter von 18 bis 25 Jahren. Sie lässt sich nicht genau feststellen, dürfte aber bei einem Wert deutlich über 50 % gelegen haben. Die relativ hohe Bedeutung des Arbeitsdienstes im Kanon der nationalsozialistischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen war weniger einer Prioritätensetzung des Regimes geschuldet, sondern stellte in erster Linie das Erbe der Weimarer Republik dar. D e r Dienst war bei der Machtübertragung das wichtigste Standbein des Reiches im Kampf gegen die Krise. Dieser Befund darf freilich nicht verdecken, dass in absoluter quantitativer Hinsicht das Ergebnis 342 Vgl. zu den Auseinandersetzungen z.B. BA/B, R 3903/220, RL-AD an Präsident der RfAVAV, 28.2.1934; Mareen, S. 395-400; Herrmann, Arbeitsmarkt, S. 52-56. 343 Freilich könnten in die Gegenüberstellung auch Initiativen einbezogen werden, die nicht reichsweit organisiert waren, v.a. die kommunal unterstützten Fürsorgearbeiter. Allerdings wäre dann noch problematischer, dass aussagekräftige und einigermaßen vollständige Statistiken nicht vorliegen. Außerdem ist es methodisch fragwürdig, die Fürsorgearbeiter und die zusätzlichen Beschäftigungen von Reichspost und Reichsbahn als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu verstehen. Vgl. zu den verschiedenen Projekten, ihrem Status und allgemein Casseri, N e w Deal, S. 24—37; Stelzner, S. 76-114.

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Tab. 2: Größe der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des Deutschen Reiches 1933-1934 (Je Monatsende, per 1000)144 Notstandsarbeiter 1933 Jan. März Juni Sept. Dez. 1934 Jan. März Juni Sept. Dez.

Landhelfer

Arbeitsdienst für Männer

Insgesamt

198 302 490 631 669 797 1032 845 706

23 88 115 232 277

123 165 160

175 214 252 234 232

416 631 387 256 400

156 161 229 225 233

225 240 229 225 233

866

weniger spektakulär ist. Der Arbeitsdienst wurde zudem 1933 gegenüber seinem Umfang in der Weimarer Republik eher verkleinert als vergrößert. Die nationalsozialistische Machtelite verstand ihn, vor allem nach dem Genfer Veto, demnach nicht als das bedeutendste ArbeitsbeschafFungsprojekt. Statt dessen baute es die Notstandsarbeiten zur Hauptsäule im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aus. Das war sinnvoll, da der Arbeitsdienst durch seinen Erziehungsanspruch eine vergleichsweise teure Form der Krisenfursorge war. Hinzu kamen die geschilderten organisatorischen Probleme, die den Arbeitsdienst nach der Machtübertragung nicht zu der schnell vergrößerbaren Maßnahme machten, die das Regime brauchte. Zugleich darf die Bedeutung aller direkten ArbeitsbeschafFungsmaßnahmen nicht überschätzt werden. Wie Dan Silverman gezeigt hat, waren sie zu klein und setzten vor allem zu spät ein, um die zentrale Ursache für die schnelle ökonomische Erholung in Deutschland nach 1933 zu sein.345 Festhalten lässt sich trotzdem, dass mit dem rapiden Abbau der Arbeitslosigkeit der Arbeitsdienst einen zunehmend großen Teil der verbleibenden Krisenopfer binden konnte: Je mehr die Arbeitslosigkeit abnahm, desto größer wurde seine relative Bedeutung als Maßnahme der wertschaffenden Krisenfursorge. Da junge Arbeitslose als die Zielgruppe des Arbeitsdienstes aber besonders 344 Vgl. StJB 1935, S. 309-311; Silverman, Economics, S. 213. 345 Vgl. ders., Economy, S. 219-246.

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schnell wieder Beschäftigung fanden, zeichnete sich für Hierls Organisation noch früher als für alle anderen Arbeitsbeschaffungsprogramme der Zeitpunkt ab, zu dem sie nicht mehr gebraucht werden würde. In der Phase vor der Einführung der Arbeitsdienstpflicht teilten die meisten Arbeitsmänner neben der Arbeitslosigkeit ein zweites Charakteristikum: Sie hatten eine ähnliche politische Einstellung. Schon im FAD der Weimarer Republik hatten die Träger der Dienste mit ihren verschiedenen politischen Programmen jeweils primär Sympathisanten und Mitglieder der eigenen Organisation oder Partei angezogen. Im November 1932 gehörten zum Beispiel immerhin 41 % der Freiwilligen in Stahlhelm-Lagern dieser Organisation auch an.346 Bei den Nationalsozialisten waren Ziel, Mittel und Ergebnis kaum anders. 347 Das änderte sich auch nach der Gleichschaltung der Dienstträger nicht. Die Stammabteilungen, die als Ubergang zur Arbeitsdienstpflicht 1933 zu bilden waren, sollten sich zumindest zu 60 % aus Angehörigen der N S D A P oder des Stahlhelm zusammensetzen. 348 Allgemein informierte sich der Dienst über seine künftigen Angehörigen bei den Polizeilichen Meldebehörden. 349 Ein loyaler Kern sollte zum einen den Dienst im Sinne des Nationalsozialismus stabilisieren. Zugleich hatte der Arbeitsdienst den Auftrag, die eigenen Anhänger zu versorgen. 350 Dass sich Hierls Organisation zwischen 1933 und 1935 nicht zuletzt an die systemkonforme männliche Jugend richtete, wurde durch die Dienstverpflichtungen für einzelne Gruppen noch verstärkt. Viele der Betroffenen, etwa die Führeranwärter der Partei, junge Beamte und Studenten, gehörten mehrheitlich regimetragenden oder zumindest regimeloyalen Gruppen an. Für sie hatte der Arbeitsdienst nicht die existentielle Bedeutung, die er für viele Arbeitslose aufgrund ihrer materiellen N o t hatte. Vielmehr halfen sie, die Abteilungen politisch im Sinne des Nationalsozialismus zu prägen. 351 Allerdings dürfte Hierls Organisation bei manchen von ihnen auch die Aufgabe übernommen haben, hochfliegende Erwartungen auf weitreichende politische Veränderungen und aufschnelle Karrieren abzukühlen. Dagegen wies das berufliche Profil der Arbeitsmänner in der Zeit vor der Einführung der Arbeitsdienstpflicht keine überraschenden Merkmale auf Es handelte sich, wie bereits ausgeführt, in erster Linie um Arbeitslose verschiedensten sozialen Hintergrunds. Hinzu traten die Gruppen, die über spezifische 346 Vgl. BA/B, R 72/330, Gesamt-Erhebung des S T H , 15.11.1932. 347 Vgl. BA/BDC, O 262, Hierl an Gaubearbeiter fur AD, 5.10.1932. 348 BA/B, R 2301/5662, RK-FAD an Bezirksführer, 29.4.1933. 349 Vgl. NARA/CP, RG 242, z.B. A 3345-DSA080, Auskunft über Otto H., 6.4.1935. 350 Vgl. BA/B, R 72/329, Gau Mecklenburg-Strelitz an Landesamt, 21.4.1933. 351 Vgl. Bayr. HStA, MK/11109, Deutsche Studentenschaft, Amt für AD, an Kreisführer u.a., 15.1.1934.

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Dienstpflichten in die Organisation eingebunden wurden, allen voran die Studenten. Ihr Anteil betrug zum Beispiel wenige Monate vor Einführung der Arbeitsdienstpflicht, im Frühjahr 1935,7 % - somit waren sie ungefähr fünfmal überrepräsentiert. 352 Unterdurchschnittlich vertreten waren dagegen die landwirtschaftlichen Berufe, was sich vor allem aus der vergleichsweise geringen Arbeitslosigkeit im primären Sektor erklärt.353 Insgesamt waren es hauptsächlich politische Kriterien, nach denen die Freiwilligen ausgesucht wurden. Dagegen war bei der Auswahl der Freiwilligen die Arbeitsmarktlenkung bis 1935 nachrangig, gleichwohl sie bei den Studenten seit der Machtübertragung eingesetzt wurde. Nach 1935 hatte der Dienst nicht mehr die Aufgabe einer Versorgungseinrichtung, da der Arbeitskräfteüberschuss in vielen Branchen bereits in einen Mangel umgeschlagen war. Vielmehr stellt sich die Frage, ob der Dienst seinen Anspruch verwirklichte, die allgemeine Arbeitsdienstpflicht für junge Männer umzusetzen. Die Stärke des im Oktober 1935 eingezogenen, ersten Jahrgangs an Dienstpflichtigen betrug 182.000 Mann. Dagegen hatte sich noch im Juni desselben Jahres die Zahl der Arbeitsmänner auf212.000 Personen belaufen die angeblich allgemeine, gleiche Arbeitsdienstpflicht brachte paradoxerweise einen Abbau auf 86 % gegenüber der Ausgangssituation. 354 Zieht man zudem die Längerdienenden ab, so bleiben für den ersten Jahrgang 140.000 und für den zweiten Durchlauf 160.000 Plätze für Dienstpflichtige. Verglichen mit den 1933 veröffentlichten Plänen über 350.000 »Soldaten der Arbeit«, vor allem aber gemessen am ursprünglichen Projekt, das für das erste Jahr der Pflicht 550.000 Stellen, in den folgenden sogar über eine Million veranschlagt hatte, hatte der Dienst nun eine geradezu lächerliche Größe. 355 Der Hauptgrund für die Reduktion lag in den Widerständen anderer Bürokratien. Die Zahl der jungen Männer, die Hitler selbst festlegte, wurde erst 1936 neu bemessen: Jeweils zu Beginn des Monats Oktober sollten demnach 1937 inklusive Stammpersonal 230.000, 1938 275.000 und 1939 schließlich 300.000 Arbeitsmänner der Organisation angehören. 356 Diese normativen Vorgaben wurden, nicht zuletzt aufgrund der Erweiterung des Reichsgebiets, j e doch vorzeitig umgesetzt. So umfasste der Arbeitsdienst ohne Führer im Sommer 1938 bereits 232.000 Mann, im Sommerhalbjahr 1939 schon 309.000 und

352 Vgl. StJB 1935, S. 12; Grüttner, S. 488. 353 Vgl. BA/B, R 2301/5648, Hierl an Seldte, 23.4.1934; BA/B, R 3101/10416, Vermerk Reichswirtschaftsministerium, 30.1.1935. 354 Vgl. RGBl. 1935,1, S. 772; WIS 16 (1936), S. 135; BA/B, R 2301/5718, Vorläufige Anweisung für die Musterung des Jahrganges 1915. 355 Vgl. BA/B, R 1501/5621, RAD-Gesetz (Entwurf), Bl. 253; ebd., RAD-Gesetz (Entwurf), Bl. 202; Dt. AD 3 (1933), S. 198; Stellrecht, Der deutsche Arbeitsdienst, S. 150. 356 Vgl. RGBl. 1935,1, S. 769; ebd. 1936,1, S. 747.

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im folgenden Winterhalbjahr 323.000 Arbeitsmänner; letzteres entsprach inklusive Stammpersonal 340.000 Personen.357 Eigentlich war dem Arbeitsdienst angesichts der Expansion des Reiches, welche eine immense Vergrößerung der Zahl der Dienstpflichtigen mit sich brachte, für das Haushaltsjahr 1939 eine Erhöhung auf 400.000 Mann plus 50.000 Führer zugestanden worden. Angesichts von Engpässen in der Landwirtschaft hatte Hierl aber davon ungefähr 65.000 Mann wieder entlassen müssen. 358 Für die Kriegsphase liegen kaum zuverlässige Statistiken vor. Insgesamt jedoch fiel in den folgenden Jahren die Zahl derjungen Männer gegenüber dem Hoch des Jahres 1939 angesichts zahlreicher Freistellungen und Ausnahmeregelungen sowie der Heranziehung eines Teils der Führer zum Wehrdienst. Im April 1945 zum Beispiel wurde die Größe der Organisation auf200.000 Dienstpflichtige festgelegt.359 Der Vergleichsmaßstab zu den Arbeitsmännern ist die Anzahl der jungen Männer zwischen 18 und 25 Jahren, die bis auf die von vornherein ausgeschlossenen und befreiten Gruppen seit 1935 der Dienstpflicht unterlagen. Auch diese Zahl lässt sich nur annäherungsweise bestimmen. Möglich und sinnvoll ist ein Vergleich der Menge der Arbeitsmänner mit der Alterskohorte, die im entsprechenden Jahr das neunzehnte Lebensjahr vollendete, da die Männer im Normalfall zu diesem Zeitpunkt gezogen wurden. Aufgrund der Geburtenschwäche während des Ersten Weltkrieges umfasste der Jahrgang 1915, der im Herbst 1935 den ersten Pflichtjahrgang bildete, lediglich knapp 468.000 junge Männer. 360 Da der Arbeitsdienst mit seiner halbjährigen Dienstzeit die doppelte Zahl seiner Fassungsstärke pro Jahr binden konnte, standen dem 1935/36 insgesamt 300.000 Arbeitsmänner gegenüber, was einem Erfassungsquotienten von 64 % entspricht. 36 % des Jahrgangs hätten demnach Juden, Schwerverbrecher oder untauglich sein müssen, damit der Dienst zumindest alle neu Dienstpflichtigen gezogen hätte. Tatsächlich dürfte der Anteil der Exkludierten die 20-Prozent-Marke nicht wesentlich überschritten haben.361 Insgesamt gelang es dem RAD somit nicht einmal, alle dienstpflichtigen Männer des Jahrgangs einzuziehen. 362 Gänzlich außerhalb des Horizonts lag der öffentlich verkündete Anspruch, darüber hinaus die Rekrutierungsausstände aufzuholen und alle jungen Männer bis zum Alter von 25 Jahren nachträglich Arbeitsdienst leisten zu lassen, sofern sie nicht bereits vor Einführung der allgemeinen Pflicht in Hierls Organisation gewesen waren.

357 Vgl. BA/B, R 2301/5661, RAF an RFM, 28.2.1939. 358 Vgl. BA/B, R 2/4545, RFM an RAF, 7.8.1939. 359 Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 89. 360 Vgl. StJB 1935, S. 12; BA/B, R 2301/5638, RK-FAD an Bach, 3.9.1934. 361 Der Anteil der Untauglichen dürfte ca. 18 % betragen haben; vgl. dazu: Dt. A D 5 (1935), S. 1460. 362 Vgl. WIS 15 (1935), S. 147-150; zu den Straffälligen vgl. StJB 63 (1934), S. 544-546; ferner Wagner, Volksgemeinschaft, S. 26-40.

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Daran sollte sich auch in den folgenden Jahren wenig ändern. Lediglich 1936 und 1937, als die besonders geburtenschwachen Kriegsjahrgänge 1916 und 1917 dienstpflichtig wurden - jeder umfasste deutlich unter 400.000 Mann - , gelang es dem RAD, zumindest die neu Dienstpflichtigen größtenteils unterzubringen.363 Seit 1938, als infolge der Ausweitung der Arbeitsdienstpflicht auf Österreich Hunderttausende ungedienter junger Männer hinzukamen, und mehr noch seit 1939 trat trotz eines Ausbaus der Organisation die allgemeine Erfassung in immer weitere Ferne. Daraus erklärt sich auch, warum die Reichsleitung des RAD die Zahl der Arbeitsmänner nach 1935 fast nie mehr veröffentlichte: So sollte der klaffende Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit überdeckt werden. Umgesetzt wurden die Ausnahmen zum einen über Befreiungen ganzer Gruppen von Arbeitsdienstpflichtigen aus verschiedenen Motiven. Daneben gab es die Möglichkeit, Gruppen von der Arbeitsdienstpflicht auf unbestimmte Zeit zurückzustellen. Die Zurückstellung war formal zwar von der Befreiung zu unterscheiden - de facto kam angesichts der Tatsache, dass der Dienst nicht alle jungen Männer aufnehmen konnte, eine Zurückstellung oft einer Befreiung gleich.364 Systematisch lassen sich sechs Formen von Befreiung und Zurückstellung unterscheiden. Erstens wurden Gruppen befreit, die bereits eine andere Form des Dienstes absolviert hatten. Es war nur logisch, dass Jugendliche der neuen Arbeitsdienstpflicht nicht folgen mussten, wenn sie bereits vor Oktober 1935 Arbeitsdienst geleistet hatten oder bewusst ausgenommen worden waren. Allerdings gab es auch Ausnahmeregelungen für Männer, die in ganz anderen Organisationen gedient hatten - etwa diejenigen, die vor Einfuhrung des RADGesetzes mindestens drei Monate in der Wehrmacht oder der Landespolizei gewesen waren. Zweitens wurden gewisse Alterskohorten von der Dienstpflicht ganz ausgeschlossen. Im November 1935 verfugten Reichskriegsminister Blomberg und Reichsinnenminister Frick für alle Wehrpflichtigen des Geburtsjahrgangs 1913, dass sie »für den Reichsarbeitsdienst nicht mehr herangezogen« würden; aus dem folgenden Jahr sind ähnliche Regelungen für die Jahrgänge 1912 bis 1914 überliefert. Allgemein war der Reichsinnenminister 1935 im Einvernehmen mit dem Kriegsminister für eine Ubergangszeit zu Befreiungen ermächtigt worden.365 Dass diese Frist großzügig ausgelegt wurde, zeigte sich, als sich das Innenministerium noch im Januar 1937 auf sie berief 366 Drittens wurden manche Berufsgruppen zurückgestellt oder befreit. Seit 1933 hatten der Reichswirtschaftsminister sowie der Reichsarbeitsminister solche Möglichkeiten gefordert und trotz der studentischen Arbeitsdienstpflicht auch 363 364 365 366

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

StJB 1935, S. 12; dagegen Seifert, Kulturarbeit, S. 114. RGBl. 1935,1, S. 770. ebd. 1935,1, S. 1215; 1361; 772. BA/B, R 1501/5626, R M I an RAF, 26.1.1937.

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durchsetzen können. 367 So waren die Studenten der Hochschulen für Lehrerbildung aufgrund des drohenden Mangels an Nachwuchskräften seit Anfang 1935 von der Arbeitsdienstpflicht befreit. 368 Seit Oktober 1935 konnten junge Männer aus »besonderen häuslichen, wirtschaftlichen oder beruflichen Gründen« von der Pflicht ausgenommen werden. 369 Angewandt wurde die Klausel etwa auf Lehrlinge, bereits in der Vorkriegszeit aber auch auf viele Angehörige landwirtschaftlicher Berufe. 370 Eine ähnliche Form bildeten die Ausnahmen, die seit 1937 auf Anordnung von Rudolf Heß für »führend tätige Parteigenossen« gemacht wurden - im Gegensatz zur Anfangszeit der NS-Herrschaft, als die Parteielite ausdrücklich in den Arbeitsdienst zu dessen ideologischer Stabilisierung gezogen wurde, schien dies nun offenbar nicht mehr nötig. 371 Ihren Höhepunkt erreichten die Ausnahmeregelungen während des Zweiten Weltkriegs, als es lange Listen über Berufsgruppen - vor allem aus Betrieben der Rüstungswirtschaft und des Verkehrs - gab, die auf unbestimmte Zeit zum Arbeitsdienst nicht herangezogen wurden. 372 Neben diesen Beispielen für Befreiungen von Berufsgruppen war seit Oktober 1935 viertens eine Zurückstellungwegen »Uberzähligkeit« möglich. 373 Diese vagste aller Formeln war an kein spezifisches Profil gebunden. Während in den bisher erörterten Fällen junge Männer über dauerhafte Zurückstellungen oder Befreiungen von der Dienstpflicht ausgenommen wurden, gab es fünftens die Möglichkeit der Dienstzeitverkürzung. Z u m Beispiel mussten Männer, die im Frühjahr 1936 als Fahnenjunker in die Wehrmacht wollten, nur ein Vierteljahr Arbeitsdienst leisten. 374 Schließlich waren sechstens unter den Arbeitsmännern auch solche, die keinen Arbeitsdienst leisteten, auch wenn sie nominell Hierls Organisation angehörten. Ab Juni 1935 konnten einzelne Dienstpflichtige, die bereits ihren Dienst angetreten hatten, für bis zu drei Wochen beurlaubt werden. Das Motiv für die Regelung war der Notstand der Landwirtschaft; es wird im Kapitel zu den Ernteeinsätzen genauer erörtert. Die systematisierte Darstellung der Ausnahmeregelungen darf freilich nicht verdecken, dass sie Ausdruck der Machtkämpfe zwischen den betroffenen Ressorts und dem Arbeitsdienst waren. Sie lassen sich so wenig vollständig rekon367 Vgl. z.B. BA/B, R 2301/5648, Hierl an Seldte, 23.4.1934. 368 Vgl. BA/B, R 4901/890 R E M an Preußische Hochschulen für Lehrerbildung u.a., 7.2.1935. 369 R G B l . 1935,1, S. 1216. 370 Vgl. Deutsche Jugend-Hilfe 29 (1937), S. 6. 371 Vgl. BA/B, N S 6/230, Anordnung Heß, 4.7.1938; ähnlich die Nichtheranziehung von 20.000 HJ-Führern 1944; vgl. N A R A / C P , R G 242, Τ 81/110, RAF an Verteiler, 5.1.1944. 372 Vgl. z.B. BA/B, R 3901/282, OKW, Durchführung der Musterung des Geburtsjahrganges 1925, 21.7.1942; BA/B, R 3101/1090, RWiM an Reichsstatthalter u.a., 31.7.1942; PA/B, R 47651 mit verschiedenen Listen. 373 R G B l . 1935,1, S. 1216. 374 Vgl. PA/B, R 47643, O K H an Gruppenkommandos, 10.8.1936.

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struieren wie in ihren quantitativen Auswirkungen bestimmen. Das ist für die hier verfolgte Frage aber auch nicht wichtig: Insgesamt zeigt sich, dass die Erfassung der jungen Männer für den Dienst unvollständig war. Die Hauptkriterien für die Ausnahmen von der allgemeinen Pflicht weisen stets in dieselben Richtungen: Die Sonderregelungen waren fast immer arbeitsmarktpolitisch und in späteren Jahren militärisch begründet. Freilich stand die Praxis der Befreiungen und Zurückstellungen, der Dienstverkürzungen und Beurlaubungen im Gegensatz zum Programm der allgemeinen Pflicht. Hierl musste in vielen Punkten den Interessen der Wirtschaft entgegenkommen. Blickt man jedoch nicht vom Anspruch der Organisation auf das Problem, sondern von der Seite ökonomischer Interessen, verändert sich die Perspektive: Angesichts der Maximalforderung, den Dienst ganz aufzulösen, stellte es einen nicht zu unterschätzenden Etappensieg Hierls dar, wenn er insgesamt allein von 1933 bis 1940 fast drei Millionen Männer zeitweise mit seiner Organisation erfassen konnte. So war der RAD allgemein in den Jahren nach 1935 nicht der alleinige Verlierer in dem Kampf um die knappe Ressource Jugend. Auch andere NS-Institutionen mussten gegenüber ihren Ansprüchen deutliche Abstriche machen. So sah sich etwa die HJ im Krieg zu wesentlichen Konzessionen bei der 1936 eingeführten allgemeinen Jugenddienstpflicht gezwungen. In diesem Fall stand der RAD auf der Gewinnerseite, da ihm ein Teil dieser Jugendlichen zufloss.375 So entwickelte sich eine zunehmend komplexe Gemengelage, in der durch ein System an Aushilfen primär die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft und der Kriegsführung befriedigt wurden. In den Auseinandersetzungen war der Arbeitsdienst gelegentlich Profiteur, was sich nicht zuletzt aus seiner militärischen Bedeutung nach 1939 erklärt. Zumeist aber stand er, wie alle Organisationen, die einen weitreichenden ideologischen Anspruch mit einer Forderung nach einer allgemeinen Pflicht verbanden, auf der Seite der Verlierer. Eine Erklärung der Durchlöcherung des Pflichtcharakters, die sich allein mit dem Hinweis auf den Arbeitskräftemangel in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre und dem Bedarf an Soldaten während des Krieges zufrieden gäbe, würde aber zu kurz greifen. Die sich aus einer Vielzahl an kleinen Entscheidungen zusammensetzende Politik des Regimes, die Arbeitsdienstpflicht zugunsten einer ökonomischen oder militärischen Rationalität zu beschneiden, erscheint erst durch die kontrafaktische Frage nach Alternativen in ihrer ganzen Schärfe. Denn häufig genug folgte das nationalsozialistische Deutschland anderen, oft völlig irrationalen Handlungslogiken, die in seiner Ideologie wurzelten - das zeigt vor allem die Vernichtung der Juden. So wäre es auch im Falle des RAD theoretisch möglich gewesen, der Ideologie das Primat über ökonomische und militärische Erwägungen einzuräumen. Diesen Weg schlug das Regime aber nicht ein. 375 Vgl. Broszat, S. 334f.

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Das Jahr 1935 erscheint insgesamt - obwohl alle Arbeiten, die sich mit d e m Arbeitsdienst im Nationalsozialismus beschäftigt haben, es als solche auffassen - auch aus dieser Perspektive nicht als tiefe Zäsur. Vielmehr waren die U n t e r schiede zwischen der bedingten Freiwilligkeit von 1933 bis 1935 u n d der bedingten Pflicht nach 1935 in der Praxis gering. Das RAD-Gesetz löste die Entscheidung f ü r oder wider den Dienst ganz v o m Willen der Betroffenen und legte sie in die Hände des Staates u n d der Arbeitsmarktpolitik. Anders als von 1933 bis 1934 w u r d e ab 1935 die Arbeitsmarktpolitik nicht m e h r über die pflichtmäßige Inklusion betrieben, sondern über die staatlich regulierte Exklusion. Insgesamt aber entwickelte sich der Arbeitsdienst nach der Zäsur, die seine Gleichschaltung 1933 bedeutete, kontinuierlich weiter. In diesem Prozess war das RAD-Gesetz nur ein Glied in einer Kette an Entscheidungen, die die Zugehörigkeit neu regelten. Lediglich staatsrechtlich ist es bedeutsam. A m Arbeitsdienst zeigt sich so das f ü r diese deutsche Diktatur typische Phänomen, dass sie nicht n u r massiv Rechte beschnitt, sondern zugleich auch neue juristische Regelwerke aufbaute. Das Regime fühlte sich aber durch die neu geschaffenen N o r m e n so wenig gebunden wie durch die alten, u n d es durchbrach sie, wann immer es ihm nötig erschien. Schließlich stellt sich die Frage, inwieweit der Arbeitsdienst zwischen 1933 und 1939 erstens ein wirksames Instrument der Berufssteuerung und zweitens der »Auslese« im Sinne der »Volksgemeinschafts«-Ideologie war. Das Ziel der Berufssteuerung verfolgte der Arbeitsdienst primär für zwei Gruppen. Z u m einen hatte er das Ziel, Abiturienten von einer eventuellen Studienabsicht abzubringen. Hierls Organisation selbst schätzte ihren Erfolg auf diesem Gebiet relativ hoch ein. 376 Wie Michael Grüttner gezeigt hat, war es jedoch nicht die Berufslenkung des Arbeitsdienstes oder anderer Institutionen, die einen deutlichen Rückgang der Studentenzahlen am Anfang des Regimes bewirkte, sondern primär strukturelle Faktoren, wie die gesunkenen Berufschancen aufgrund der Uberfüllungskrise in den akademischen Berufen. 377 Als ähnlich erfolglos müssen alle politischen Versuche eingeschätzt werden, die langfristigen Säkulartendenz zu einer Landflucht u n d einem Niedergang des primären Sektors aufzuhalten - den Landarbeitermangel konnten weder der Arbeitsdienst noch die anderen Berufssteuerungsversuche des Regimes beseitigen. 378 »Auslese« im Sinne einer politischen Evaluation wollte der Dienst vor allem bei den Studenten und d e m Nachwuchs der Parteigliederungen betreiben, da n u r sie während der Zeit im Arbeitsdienst d e m Anspruch nach auf die Bewäh376 Vgl. Bayr. HStA, MK/15038, Präsident der LAA Bayern an Präsident der RfAVAV, 4.9.1933. 377 Vgl. Grüttner, S. 472-483. 378 Vgl. Kapitel IV.3.1 dieser Arbeit.

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rungsprobe gestellt wurden. Die anderen Arbeitsmänner erhielten zwar ebenfalls einen Eintrag in den Arbeitspaß über ihr Wohlverhalten. Diese Evaluation hatte jedoch in der freien Wirtschaft keine durchschlagende Wirkung. 379 Glaubt man den Aussagen des Regimes selbst, war das beim Nachwuchs der Parteigliederungen, vor allem aber bei den Studenten, anders.380 Aber nicht nur solche Erklärungen, sondern auch das Evalutionssystem mit dem Pflichtenheft ab 1933 und das Notensystem ab 1935 lassen die Frage nach der Wirksamkeit der Kontrolle fast überflüssig erscheinen. Soweit die Quellen aber eine Aussage zulassen, funktionierte das Bewertungssystem nicht. Z u m Beispiel befand der Arbeitsdienst von allen Abiturienten des Jahrgangs 1937 lediglich 22 als »studienunwürdig«; im Sommersemester 1938 sogar nur drei. Verglichen mit der Gruppe der männlichen Erstsemester waren das Zahlen im Promillebereich - was freilich die vorhandene Nonkonformität in diesem Segment der Gesellschaft nicht angemessen widerspiegelt. In einem der wenigen Fälle, in denen ein Student relegiert wurde, fielen Ungeschicklichkeit, deviantes Verhalten und politische Nonkonformität zusammen. 381 Angesichts der niedrigen Meßlatte setzte der Arbeitsdienst sein Potential als Instrument der »Ausmerze« nicht um, sondern das Pflichtenheft diente höchstens dazu, den Konformitätsdruck zu erhöhen. Analog dazu spielte der Arbeitsdienst aus verschiedenen Gründen trotz der öffentlichen Bekundungen auch bei der Vergabe von Stipendien keine große Rolle.382 Der Hauptgrund für das Zurückbleiben hinter den selbst gesetzten Erwartungen liegt einmal mehr in der Inkompetenz des unteren Führungspersonals, dem seit 1933 vorgeworfen wurde, unfähig für die Evaluation der Studenten zu sein.383 Weitere Ursachen werden sich aus der Analyse der Erziehung und der Arbeit des Dienstes ergeben. Hierl, der das Problem erkannte, lehnte es 1935 deswegen ab, seine Führer allein über die »Studierwürdigkeit« entscheiden zu lassen. Fortan erstellte der RAD lediglich ein unverbindliches Gutachten für das Reichserziehungsministerium über die Abiturienten. 384 In einer anderen Hinsicht war der Dienst dagegen einflussreich: Da sie einen relevanten Teil der jungen, männlichen und anfangs der arbeitslosen Bevölkerung band und einer strikten Lagerordnung unterwarf, leistete die Einrichtung über ihre Zugangskriterien einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion von politisch abweichendem Denken und Kriminalität. Denn wenngleich der Nationalsozialismus in seiner Bewegungsphase selbst auf Terror und Destabi379 Vgl. Dt. A D 5 (1935), S. 719f. 380 Vgl. z.B. in: BBZ 17.6.1933. 381 Vgl. BA/B, N S 38/31, zu dem Fall auch NARA/CP, RG 242, Τ 81/247; allgemein Grüttner, S. 236f. 382 Vgl. Grüttner, S. 140-149. 383 Vgl. v.a. BA/B, R 1501/5102, Verhandlungsniederschrift Werkhalbjahr, 21.9.1933; Grüttner, S. 229-231. 384 Vgl. BA/B, R 4901/890, RAF an Deutsche Studentenschaft, 3.12.1935.

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lisierung gesetzt hatte, änderten sich seine Präferenzen 1933 grundsätzlich. In der Machtphase hatten die Nationalsozialisten - wie jede andere Staatsführung auch - ein großes Interesse, die Krisenerscheinungen, zu denen sie selbst gehört hatten, zu reduzieren. Wie die Kriminalitätsstatistiken zeigen, nahm das Ausmaß an gesellschaftlicher Aggressivität nach 1929 deutlich zu, und es waren vor allem junge, arbeitslose Männer, die sich in dieser Hinsicht als anfällig erwiesen oder zumindest unter den strafrechtlich Verfolgten deutlich überrepräsentiert waren.385 Nach der Machtübertragung nahm dagegen die Zahl der Anzeigen wegen Eigentumsdelikten und anderer Vergehen deutlich ab.386 Selbstverständlich lässt sich der Rückgang nicht allein auf den Arbeitsdienst zurückführen. Neben ähnlichen Organisationen erfasste er jedoch den Bevölkerungsteil, der als besonders anfallig galt, mit einer Kombination aus zwei Methoden: Z u m einen erhielten diese jungen Männer nun wieder Arbeit, zum anderen erhöhte sich der Grad an sozialer Kontrolle durch die Zwangsintegration im Arbeitsdienst beträchtlich. Insgesamt zeigt sich, dass der Arbeitsdienst den ihm zugesprochenen Funktionen der Arbeitsbeschaffung, der Versorgung Bedürftiger, der Berufssteuerung und der politischen Kontrolle in verschieden starkem Maße gerecht wurde. Er war sowohl in den letzten Monaten der Weimarer Republik als auch am Anfang der NS-Herrschaft ein wichtiges Mittel der Versorgung Arbeitsloser - vor und nach 1933 nicht zuletzt der nationalsozialistischen Anhänger. Wenngleich er Anfang 1933 nur einen kleinen Prozentsatz aller zugangsberechtigten und einen verschwindend kleinen Teil aller Arbeitslosen binden konnte, war er bei der Machtübertragung dennoch die mit Abstand quantitativ wichtigste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des Reiches. Deutschland war, wie sich zeigte, auf die Wirtschaftskrise schlecht vorbereitet und verfügte über nur wenige, unzureichende sozialstaatliche Mittel, um deren Folgen aufzufangen. Bald musste Hierls Organisation den Rang als wichtigste Initiative an die Notstandsarbeiten abgeben. Der Ausbau der Krisenreaktionskapazität war aber mindestens so sehr das Ergebnis der Vorarbeiten aus den letzten Monaten der Weimarer Republik wie des nationalsozialistischen Regimes selbst. Bereits 1934 mussten verschiedene Gruppen für den Dienst verpflichtet werden, da er aufgrund des schnellen Rückgangs der Massenarbeitslosigkeit seine Funktion als Mittel der wertschaffenden Krisenfürsorge zu verlieren begann. Arbeitsmarktsteuerung betrieb der Dienst auch über die pflichtmäßige Inklusion mancher Gruppen bis 1935, vor allem der künftigen Elite. Das 1935 verkündete Prinzip der allgemeinen, gleichen Arbeitsdienstpflicht blieb dagegen stets eine leere Formel. Vielmehr wurde die pflichtmäßige Inklusion von Teilen der männlichen Jugend 1935 durch eine gelenkte Exklusion anderer 385 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 45-50. 386 Vgl. Wagner, Volksgemeinschaft, S. 214-219.

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Segmente abgelöst, und das Regime band sich nicht durch den selbst gestellten Anspruch. Fortan konterkarierte der deutsche Arbeitsdienst das Gleichheitsversprechen, das durch die Formel der »Volksgemeinschaft« umschrieben wurde, durch ein System der Differenzierung, das auf ökonomischer u n d militärischer Rationalität beruhte.

4. Die Organisation des Civilian Conservation Corps 1. Das Civilian Conservation C o r p s gehört wie die Industriepolitik auf der Grundlage des National Industrial Recovery Act oder die Agrarpolitik mit d e m Agricultural Adjustment Act in die hektische Anfangszeit des N e w Deal und zu den Maßnahmen, die Roosevelt in den ersten 100 Tagen nach seinem Amtsantritt am 4. März 1933 in Angriff nahm. Im Gegensatz zum deutschen Arbeitsdienst konnte das Corps auf keine nennenswerte Vorläuferorganisation zurückgreifen, u n d dies prägte seine Entstehungsgeschichte wesentlich. Kein anderes Programm der ersten 100 Tage ist so sehr mit d e m N a m e n Roosevelts verbunden wie das C C C , da es wesentlich auf seine Initiative und seine Vorstellungen zurückging. Zugleich ist es nur angesichts der dramatischen Zuspitzung der Krise in den U S A zu verstehen, denn über 13 Millionen Menschen waren zu dem Zeitpunkt arbeitslos. 387 Roosevelt, der bereits in seiner Zeit als Gouverneur von N e w York mit M a ß n a h m e n zugunsten der Erwerbslosen hervorgetreten war, setzte n u n ganz auf Staatsinterventionismus. N u r zehn Tage nach seinem Amtsantritt berief er ein Komitee aus Mitgliedern des Landwirtschafts-, des Innen- u n d des Kriegsministeriums ein, das ein Arbeitsbeschaffungsprogramm entwerfen sollte.388 Dieser Kreis an Ministerien, der kurz darauf noch u m das Arbeitsministerium erweitert wurde, übernahm später beim Aufbau und der Verwaltung der Wohlfahrtsmaßnahme die maßgeblichen Rollen. Roosevelt wollte mit der Initiative ebenso sehr die Massenarbeitslosigkeit bekämpfen wie eine Einrichtung f ü r den Naturschutz und zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Ressourcen der U S A schaffen. Letzteres war Ausdruck seines persönlichen Interesses am Zustand der Wälder; reflektierte aber auch den Einfluss der Conservation-Bewegung seit den 1890er Jahren. 389 Dass sich das Programm an j u n g e M ä n n e r w e n d e n u n d ein Erziehungsprogramm beinhalten sollte, war dagegen nicht in der ursprünglichen

387 Vgl. Great Depression, S. 257, 268. 388 Vgl. FRC 1957, v.a. Nr. 129. 389 Vgl. Public Papers, Bd. 2 (1933), S. 160-168; zur Conservation Movement vgl. Mäher, S. Till.

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Konzeption des Präsidenten angelegt, sondern kristallisierte sich erst in den interministeriellen Diskussionen und den Beratungen des Kongresses in der Formierungsphase des C C C heraus. Insofern führten verschiedene Einflüsse dazu, dass aus einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ein Arbeitsdienst wurde, der von den oben differenzierten Typen am meisten mit dem ökonomischsozialpädagogischen Modell gemeinsam hatte.390 Auf der Grundlage der Vorarbeiten des interministeriellen Komitees legte Roosevelt bereits am 21. März dem Kongress einen Gesetzesvorschlag vor, der in den folgenden Tagen in den jeweiligen Ausschüssen diskutiert wurde. Die Vorlage räumte dem Präsidenten breite, kaum näher definierte Kompetenzen ein. Es handelte sich um eine Generalbevollmächtigung für den Aufbau eines Arbeitsdienstes ohne ein institutionalisiertes Gegengewicht zur umfassenden Kompetenz des Präsidenten - sieht man von der Bewilligung des Haushalts durch den Kongress ab. Angesichts der zugespitzten Krise stimmten die meisten Abgeordneten ihr trotzdem zu. Ernste Bedenken äußerte dagegen die organisierte Arbeiterbewegung, deren Einwände in zwei Richtungen gingen. Z u m einen befürchtete der Präsident der American Federation ofLabor, William Green, dass die Bezahlung der CCC boys mit nur einem Dollar pro Tag den Lohnabbau und allgemein die Entrechtung der Arbeiterschaft befördern würde. Seine andere Angst brachte Green wortgewaltig zum Ausdruck, wenn er dem Vorschlag unterstellte: »It smacks, as I see it, of fascism, of Hitlerism, of a form of sovietism.«391 Greens Befürchtungen waren nicht sonderlich präzise. Allerdings waren sie symptomatisch für Teile der amerikanischen Öffentlichkeit, die unter dem Eindruck der weniger als zwei Monate zurückliegenden Machtübertragung an Hitler und der enormen Vollmachten, mit denen Roosevelt angesichts der Lage allgemein ausgestattet wurde, fürchteten, dass die USA einen ähnlichen Weggehen könnten wie die Sowjetunion oder Deutschland und Italien. In die gleiche Richtung ging die Kritik einiger konservativer Kongressabgeordneter an der enormen Machtkonzentration in den Händen des Präsidenten. Zudem schürte die Beteiligung der Armee Ängste, die das Corps zeit seines Lebens begleiten sollten. Linksliberale Zeitschriften wie The Nation oder die New Republic meinten, dass die organisatorische Einbindung des Militärs in das C C C der Ausgangspunkt einer Faschisierung sein könnte. Auch linke Parteien wie die amerikanischen Sozialisten und die Kommunisten vertraten diesen Standpunkt. Die Ängste richteten sich nicht nur abstrakt auf eine Angleichung der USA an die totalitären Systeme. Vielmehr nährte der nationalsozialistische Arbeitsdienst konkret die Angstvorstellungen bezüglich der Zukunft des

390 Vgl. FRC 1957, v.a. N r . 134. 391 Joint Hearings, S. 46; der Text der Gesetzesvorlage ebd., S. 1; insgesamt auch Salmond, Corps, S. 9-19.

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Corps. 392 Am deutschen Arbeitsdienst wurden in erster Linie der militärische Drill und die vormilitärische Ausbildung gebrandmarkt. Wie keine zweite Einrichtung auf der Welt w u r d e er z u m abschreckenden Beispiel, an dem sich das C C C immer wieder messen lassen musste. Deswegen scheute Roosevelt in der Entstehungsphase des Dienstes keine M ü h e , diese Ängste zu besänftigen. Seit 1933 w u r d e gebetsmühlenhaft auf die Unterschiede zwischen der amerikanischen Einrichtung und ihrem deutschen Widerpart hingewiesen. Daraus erklärt sich auch, dass die in Amerika mehrfach von der Armee geforderte paramilitärische Ausbildung lange Zeit vom Präsidenten persönlich verboten wurde. Als z u m Beispiel der Assistant Secretary ofWar Harry Woodring im Januar 1934 das militärische Potential der CCC-Abteilungen, die er »economic storm troops« nannte, öffentlich pries, löste das einen Aufschrei der E m p ö r u n g aus.393 In einer Zeit, in der die Vorstellung paramilitärischer »Sturmtruppen« die Amerikaner an den deutschen Arbeitsdienst und m e h r noch die SA geradezu erinnern musste, distanzierte sich das Weiße Haus schnell von der Aussage, und Woodring musste sich öffentlich entschuldigen. 394 Ähnliche Einwürfe, normalerweise von Seiten hoher Offiziere, w u r d e n künftig entweder ignoriert oder v o m Weißen Haus und d e m C C C abgewiesen. 395 So wachte die amerikanische Öffentlichkeit mit Argusaugen über das Corps, und jeder Anschein militärischen Drills w u r d e kritisiert u n d von der Leitung des C C C nötigenfalls unterbunden. Insofern war es in den ersten Jahren seines Bestehens ein konstitutives Element des Civilian Conservation Corps, auf den zivilen Charakter hinzuweisen, von dem bereits sein N a m e kündete. Zugleich war der nationalsozialistische Arbeitsdienst seit der Formierungsphase des C C C eine zentrale Bezugsgröße, die ihm einen wichtigen Stempel aufdrückte. Im öffentlichen Diskurs wurde der Arbeitsdienst des anderen Landes somit nicht - wie in Deutschland - zur Legitimation des eigenen herangezogen und als ähnlich gelagerter, grundsätzlich positiver Fall dargestellt. Der RAD bildete vielmehr den Gegenpol, von dem sich das C C C so weit wie möglich abgrenzte. Auch w e n n diese Frage die weitere Geschichte des Corps prägen sollte, gelang es Roosevelt und den beteiligten Ministerien im März 1933, die Befürchtungen zurückzudrängen. So konnte bereits am 31. des Monats - lediglich zweieinhalb Wochen, nachdem der Präsident das interministerielle Komitee zusammengerufen hatte - das Gesetz verabschiedet werden. Aufseiner G r u n d lage wurde das Emergency Conservation Work (ECW) gegründet, das seit Anbe392 Vgl. z.B. Swing, S. 459f; Grafton, S. 733f; McKay, S. 369; allgemein Salmond, Corps, S. 114f; Winkler, Anti-New-Deal-Bewegungen, S. 216-235. 393 Woodring, S. 7-12, ZitatS. 11. 394 Vgl. z.B. World Tomorrow 17 (1934); NYT 8.2.1934; Daily News 15.12.1934. 395 Vgl. z.B. NARA/HP, OF 268, Box 2, McKinney an Early, 7.3.1934; eine ähnlichen Äußerung General Moseleys: ebd., Box 4, Moseley an Early, 15.9.1936; dazu: NYT 13.9.1936; insgesamt auch Dubay, S. 341-358.

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ginn aber Civilian Conservation Corps genannt wurde, auch w e n n es diesen Titel offiziell erst seit 1937 trug. Laut dem Gesetz sollte sich die Einrichtung an »citizens of the United States w h o are unemployed« richten. Diese sollten bei sinnvollen Projekten in der Forstwirtschaft u n d einigen anderen Bereichen eingesetzt werden. Ansonsten war der Gesetzestext vage, und er überließ wesentliche Punkte d e m Willen des Präsidenten. N i c h t einmal die Frage, ob der Dienst freiwillig oder f ü r alle Arbeitslosen verpflichtend sein sollte, legte das Gesetz explizit fest. 396 Roosevelt war jedoch eindeutig gegen die Dienstpflicht, weswegen der Z u gang z u m C C C immer freiwillig blieb. Erst im Nachhinein fiel auch die Entscheidung, dass sich das Corps primär an junge arbeitslose Männer zwischen 18 und 25 Jahren richten sollte. Der Präsident stellte außerdem das Ziel auf, bis z u m 1. Juli 1933 250.000 Arbeitslose auszuwählen, in Lagern unterzubringen und sinnvollen Arbeiten zuzuführen. Das stellte eine enorme Herausforderung dar, zumal das C C C quasi bei N u l l anfing. Verschärft w u r d e das Problem dadurch, dass die Bundesadministration der U S A im Vergleich zu deutschen Reichsregierungen nur über geringe personelle u n d finanzielle Ressourcen verfügte. Die ungeheure Mobilisierungsleistung ließ sich n u r bewältigen, weil das Corps bereits vorhandene institutionelle Ressourcen nutzte. 397 Deswegen übernahmen die im März in dem interministeriellen Komitee versammelten Institutionen den Aufbau des C C C mit verteilten Rollen. So war das Arbeitsministerium für die Rekrutierung der enrollees sowie für Lohn- u n d Finanzfragen zuständig. Es stützte sich auf die lokalen relief agencies, die den deutschen Arbeitsämtern ähnlich waren - es war unter anderem Aufgabe der agencies, die Bedürftigkeit der Bewerber zu prüfen. Das Landwirtschafts- und das Innenministerium organisierten mit den ihnen unterstellten technischen Diensten, vor allem d e m Forest Service des Landwirtschaftsministeriums, die Arbeitsplanung und die Leitung der Baustellenarbeit. Auf dem Kriegsministerium ruhte die Hauptlast, da die Offiziere der regulären Streitkräfte u n d des Reservekorps die Leitung der Lager, in denen die j u n g e n Männer untergebracht waren, ebenso übernahmen wie deren Versorgung in jeder Hinsicht. Hieraus erklärt sich, w a r u m das C C C kaum eigenes Führungspersonal hatte - es zog Kräfte aus den beteiligten Bundesbehörden zusammen. Die Armee baute zud e m conditioning camps auf, welche die j u n g e n Männer als Vorbereitung auf die eigentlichen Lager zunächst durchliefen. Ferner war sie f ü r alle Transporte verantwortlich. Ursprünglich hatte diese Aufgaben ebenfalls der Forest Service ü b e r n e h m e n sollen, jedoch stellte sich bald heraus, dass er der enormen Herausforderung nicht gewachsen gewesen wäre. D e n n im »schlanken« Staat der Vereinigten Staaten hatte von allen nationalen Institutionen allein das Militär 396 Vgl. E C W 1934a, S. 13f, Zitat S. 13; allgemein Salmond, Corps, S. 16-25. 397 Vgl. auch Perkins, S. 177-181.

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die institutionellen Ressourcen und die Kapazität, das heißt das Personal u n d das Know-how, die Verwaltungsstrukturen und das Material, u m die Organisation u n d Leitung der Lager zu übernehmen. Wenn Roosevelts Lieblingsbehörde somit wesentlich durch das Militär bestimmt wurde, hatte das organisationsbedingte Gründe. Zugleich sollte es die Gestaltung der Lager wesentlich beeinflussen. Mit den zwischen den vier Ministerien verteilten Aufgaben gelang es d e m C C C , bis z u m Stichtag r u n d 250.000 Arbeitslose in 1.330 Lagern zu organisieren. 398 Anfang April 1933 machte Roosevelt den Gewerkschaftsführer Robert Fechner aus Tennessee z u m Direktor des ECW. Diese Entscheidung war der geschickteste einer Reihe von Schachzügen, mit denen es d e m Präsidenten gelang, sowohl die Furcht der organisierten Arbeiterschaft vor einer Faschisierung als auch die Angst vor einem Lohnabbau zu besänftigen. Green, den entschiedenen Gegner des Corps, gewann der Präsident kurze Zeit später, als er ihn auf eine Inspektionsreise durch die ersten Lager mitnahm. Fortan gab es keinen grundsätzlichen Widerstand der Gewerkschaften gegen das C C C mehr, und bei seiner Auflösung 1942 plädierten sie sogar für die Fortexistenz. 399 Fechner war bis dahin Vize-Präsident der von Green geführten American Federation ofLabor und leitendes Mitglied der International Association of Machinists gewesen. Mit seiner Sozialisation in der amerikanischen Arbeiterbewegung unterschied er sich deutlich von der Intellektualität der »typischen« New Dealer wie Adolf Berle, Felix Frankfurter oder Harry Hopkins. 400 Er arbeitete zwar hart, hatte aber keine Visionen, welche Ziele das Corps über die einer reinen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme hinaus verfolgen sollte. Z u d e m schloss er sich nur zu gerne dem Präsidenten oder seinen Beratern an und war lange Zeit nicht in der Lage, eine eigene Position zu finden und gegen Widerstand zu verteidigen. Fechner wurde zudem nicht der Direktor einer größeren Behörde, die eigenständig für die Verwaltung des Corps verantwortlich gewesen wäre, sondern er koordinierte die am C C C beteiligten Ministerien und vertrat die Einrichtung gegenüber der Öffentlichkeit. N e b e n einem kleinen Mitarbeiterstab stand ihm dafür ein Advisory Council zur Seite, der sich aus Vertretern der Ministerien zusammensetzte. Das G r e m i u m hatte nominal nur beratende Funktion. Aufgrund der schwachen Persönlichkeit Fechners und der dominanten Stellung

398 Vgl. NARA/HP, LHP, Box 69, Department of War, Memo für Fechner, 30.6.1933. In geringem Umfang waren am CCC auch andere Ministerien beteiligt, vgl. allgemein Salmond, Corps, S. 26-45. 399 Vgl. NARA/HP, OF 268, Box 2, Memo FDR, 3.8.1933; ebd., Box 11, Congress of Industrial Organizations an Hopkins, 27.8.1942. 400 Alle drei gehörten zu Roosevelts Beratergremium, dem brain trust. Berle war zeitweise stellvertretender Außenminister, Frankfurter Richter am Supreme Court und Hopkins Handelsminister.

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der Armee im Corps nahm Fechner jedoch nur eine Mediatorenrolle ein. Wäre der Direktor des C C C allerdings ein weniger kompromissbereiter und duldsam e r Mensch gewesen, hätte er angesichts der faktischen Machtverteilung in d e m »organizational freak«, 401 welches das Corps ähnlich wie der deutsche Dienst war, scheitern müssen. Insofern war sein vermittelnder Charakter eine wesentliche Bedingung f ü r die geringen Reibungen und den Erfolg des Corps in den ersten Jahren. Abgesehen von einem kleinen, schnell vergessenen Skandal im Sommer 1933, als Fechner überteuert Toilettenartikel f ü r die enrollees einkaufte, gelang es ihm, in der Verwaltung dieser komplexen Einrichtung gravierende Fehler zu vermeiden. 402 Dass Fechner sich in den meisten Fragen der Sicht der Armee anschloss, zeigte sich z u m Beispiel, als im Sommer 1933 darüber diskutiert wurde, ob »Roosevelt's Tree Army«, wie die Einrichtung auch genannt wurde, 403 eine explizit erzieherische Seite b e k o m m e n sollte. In der Frage, die noch ausführlich erörtert werden wird, unterstützte der Direktor des C C C die Armee, die ein pädagogisches Programm nicht wünschte. Da Roosevelt aber auf ein solches bestand, w u r d e es schließlich unter der Aufsicht der Armee organisiert - Fechner hatte offensichtlich kein Interesse daran, sich die Kompetenz für den neuen Bereich zu arrogieren, da das eine Auseinandersetzung mit d e m Militär bedeutet hätte. Zugleich zeigt sich, dass Roosevelt selbst häufig bei Fragen intervenierte, die seine Lieblingsbehörde betrafen. A m offensichtlichsten ist das bei seiner Entscheidung, die Wahl jedes Lagerstandorts persönlich prüfen zu wollen. Diese Regelung, die Roosevelts Unfähigkeit zu delegieren offenbart, musste freilich bald wieder aufgegeben werden. 404 Finanziert wurde das Corps bis 1935 mit eigens v o m Kongress bewilligten Mitteln. Danach wurde die Einrichtung für ungefähr ein Jahr in die von Harry Hopkins geleitete, neu gegründete Works Progress Administration (WPA) eingegliedert. Trotzdem blieb Fechner auch nach 1935 direkt d e m Präsidenten der U S A unterstellt. Die WPA war ein gigantisches Arbeitsbeschaffungsprogramm mit einem Budget von $ 4,8 Milliarden, was den damals weltweit größten Einzelposten darstellte, der jemals in ein politisches Programm geflossen war. 405 Die Zusammenarbeit mit Hopkins führte zu Reibungen, zumal dieser bereits im Jahr davor mit Fechner über Fragen des Einsatzes des Corps aneinandergeraten war. Fechners Probleme mit Hopkins oder auch mit Innenminister Ickes blieben jedoch deutlich kleiner als Hierls Abwehrkämpfe gegen die Ansprüche von Göring und anderen Mitgliedern der NS-Machtelite. 401 402 bereits 403 404 405

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Woods, S. 104. Vgl. das brillante Portrait Fechners bei Salmond, Corps, S. 2 7 - 2 9 und S. 71-87; teilweise bei Saalberg, S. 26f; zu dem Skandal Salmond, Corps, S. 43^-5. Z.B. Mitchell, S. 64-66, Zitat S. 64. Vgl. Salmond, Corps, S. 3 8 - 5 0 . Vgl. Leuchtenburg, Roosevelt, S. 124-130.

Das Corps war eine teure Form von work relief, d e n n der jährliche Aufwand pro enrollee lag bei ungefähr $ 1.100, während er in d e m reinen Arbeitsbeschafïungsprogramm WPA bei ungefähr $ 850 u n d in der National Youth Administration (NYA) sogar n u r zwischen $ 400 u n d 700 lag. Letztere war eine d e m C C C verwandte M a ß n a h m e zur Fortbildung j unger Arbeitsloser. 406 Die hohen Kosten erklären sich z u m einen daraus, dass das Corps m e h r war als eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, da es den j u n g e n M ä n n e r n auch ein Erziehungsprogramm bot. Z u m anderen bekamen die Freiwilligen nicht n u r wie in Deutschland ein Taschengeld, sondern mit $ 30 pro M o n a t eine richtige Bezahlung. Das war zwar ein H u n g e r l o h n , angesichts der Wirtschaftskrise aber mehr, als die Arbeiter in manchen Berufszweigen bekamen. Allerdings mussten die enrollees $ 25 davon an ihre Familien überweisen, so dass ihnen n u r ein kleines Taschengeld blieb. 407 D e n n dieses Wohlfahrtsprogramm verstand sich nicht n u r als direkte Hilfe f ü r Freiwillige, sondern benutzte sie als Hebelpunkte, u m bedürftige Familien zu unterstützen. Während die Freiwilligen selbst in den abgelegenen Wäldern Nordamerikas eingesetzt w u r d e n , griff das C o r p s indirekt im ganzen Land Amerikanern verschiedenen Geschlechts u n d Alters unter die Arme. A u f g r u n d des Multiplikatorenprinzips profitierten viele Millionen Menschen direkt v o m C C C . Dieses Konzept von Sozialstaatlichkeit, das sich deutlich v o m deutschen unterscheidet, war zugleich ein wichtiger G r u n d f ü r die Beliebtheit des Corps. Jedoch waren die h o h e n Kosten i m m e r wieder auch ein Ansatzpunkt f ü r Kritik an der Einrichtung. 4 0 8 Lange Jahre überwog aber die Z u s t i m m u n g z u m C C C , weswegen es zur populärsten Einrichtung des N e w Deal wurde. Die Reibungslosigkeit u n d die hohe Zahl an Nutznießern waren zwar wesentliche, aber keineswegs die einzigen G r ü n d e f ü r den Erfolg. H i n z u kam, dass das Corps zu einem wichtigen politischen Instrument wurde. So hatten Politiker aller Parteien und Ebenen ein vitales Interesse am C C C . Jeder in das Corps a u f g e n o m m e n e Arbeitslose entlastete die jeweilige Sozialkasse. Z u d e m n a h m e n Lokalpolitiker u n d Kongressabgeordnete auch auf die Vergabe von Führungspositionen Einfluss. Darüber hinaus waren die Lager ähnlich wie Kasernen Faktoren der lokalen Wirtschaft, so dass die meisten Politiker d e m Corps auch aus Eigeninteresse positiv gegenüberstanden. Das zeigt sich einerseits an den zahlreichen Forderungen, die bei Roosevelt und d e m Direktor des Corps eingingen, ein Lager im eigenen Wahlkreis bewilligt zu b e k o m m e n , u n d andererseits an den Protesten gegen den Abzug eines camps. Politischer N e p o t i s m u s u n d Patronage kamen zwar vor - gelegentlich wies Roosevelt Fechner an, einen Demokraten aus wahltaktischen G r ü n d e n durch ein zusätzliches Lager zu unterstützen - , sie erreichte 406 Vgl. Hearings 1937, S. 32-34; Sherraden, Corps, S. 8. 407 Im primären Sektor lag der jährliche Durchschnittsverdienst 1933 bei $ 232, in anderen Sektoren zeitgleich bei über $1.000; vgl. Great Depression, S. 258, 280. 408 Vgl. Hearings 1937, S. 32-34; Harper, S. 34.

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aber nicht ein Ausmaß, welches das Corps in der Öffentlichkeit diskreditiert hätte. Denn auch republikanische Hochburgen wurden bedacht.409 Daneben war die gute Pressepolitik eine Ursache des Erfolgs. Fechners kleines Büro lancierte immer wieder Artikel - etwa aus der Feder einfacher Freiwilliger - , die die Leistungen der Einrichtung priesen. Das halboffizielle Organ des CCC, die Zeitung Happy Days, war voll davon; bezeichnenderweise wurde sie mit Melvin Ryder von einem der Väter von Stars and Stripes herausgegeben, der Frontzeitung für die amerikanischen Streitkräfte im Ersten Weltkrieg. Zudem gelang es Fechners Presseabteilung, das positive Bild des Corps an eine breite Öffentlichkeit zu kommunizieren. 410 Allerdings erklären nicht allein die Kampagnen, warum die amerikanische Presse fast einhellig vom C C C begeistert war und warum selbst erzrepublikanische Zeitungen wie die Chicago Tribune, die ansonsten kein gutes Haar an den Maßnahmen des N e w Deal ließen, das Corps lobten.411 Vielmehr war allzu offensichtlich, dass den Opfern der Krise geholfen werden musste und dass das Corps diesen Auftrag gut erfüllte. Weitere, nicht zu vernachlässigende Faktoren waren schließlich die Reminiszenzen an die agrarische Vergangenheit der USA und denfrontier-Mythos, die das C C C befriedigte. Diese Elemente, von denen noch die Rede sein wird, nahmen Amerikaner verschiedenster politischer Herkunft für Fechners Organisation ein. Die Beliebtheit des Corps äußerte sich nicht nur darin, dass der republikanische Präsidentschaftskandidat des Jahres 1936, Alfred M. Landon, sich für das C C C aussprach. Sie zeigte sich auch an den Forderungen, das C C C zu einer ständigen Institution zu machen. Denn im März 1933 hatte Roosevelt die Einrichtung zunächst nur für sechs Monate bewilligt, danach wurde die Genehmigung immer wieder verlängert.412 Dieses Verfahren führte jedoch zu Planungsunsicherheiten, die die Effektivität verringerten. Als im Frühjahr 1937 einmal mehr eine Verlängerung anstand, vermehrten sich die Bemühungen um ein permanentes C C C . Bereits in seiner Neujahrsbotschaft sprach sich der Präsident dafür aus, und schließlich schien die Bewilligung nur noch eine Formsache zu sein. Uberraschend scheiterte der Entwurf jedoch im Repräsentantenhaus, und die Einrichtung wurde durch das CCC-Gesetz vom Sommer 1937 lediglich um drei Jahre verlängert. Der Haupteinwand gegen die Vorlage war die These, dass ein permanentes Corps einer Resignation vor der Massenarbeitslosigkeit gleichkäme: Es würde auf der Sicht aufbauen, dass der Arbeitsdienst dauerhaft nötig sei und die Krise nicht überwunden werden könne. Tat409 Vgl. z.B. Roosevelts Einflussnahme in N A R A / H P , O F 268, Box 5, FDR an Fechner, 7.7.1938; ferner die Forderungen und Bitten in ebd., Box 9, 10. 410 Vgl. z.B. NARA/HP, PPF 440, Early an Melvin Ryder, 19.5.1933; dazu jetzt auch Mäher, S. 244-262. 411 Vgl. z.B. C T 27.3.1933; Boston Evening Transcript 3.1.1935. 412 Vgl. NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, 24.8.1933.

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sächlich war das Argument aber vorgeschoben. Die Ablehnung durch den Kongress erklärt sich hauptsächlich durch dessen Widerstand gegen Roosevelts Reformpläne für den Supreme Court. D e n n zeitgleich versuchte der Präsident, das Oberste Gericht umzustrukturieren, und musste sich dabei vorwerfen lassen, das Machtgleichgewicht zugunsten der Exekutive verschieben zu wollen. Vor diesem Hintergrund hatte das Scheitern der Initiative im Sommer 1937 weniger mit dem C C C selbst zu tun, sondern sollte den Präsidenten in seine Schranken verweisen. 413 Alle späteren Versuche, das Corps auf eine permanente Basis zu stellen, waren halbherzig und zum Scheitern verurteilt. 414 1937/38 nahmen die organisationsinternen Spannungen zu, deren Fehlen so lange eine wichtige Ursache f ü r den Erfolg des C C C gewesen war. D e n n Fechner wollte sich n u n nicht mehr mit der Position eines Mediators zufrieden geben, sondern er machte sich daran, seine Machtposition innerhalb des Corps auszubauen. So legte er sich Mitte 1937 mit der Armee über die Dienstzeit der Offiziere im C C C an. Z u diesem Zeitpunkt waren fast nur noch Reserveoffiziere in den camps, während das Führungskorps der regulären Armee wieder seinen normalen Aufgaben nachging. Fechner widersprach n u n dem Standpunkt der Armee, die Reserveoffiziere im R a h m e n eines Rotationssystems jeweils n u r kurz im Corps einzusetzen, während die Armee das als Chance sah, eine möglichst große Zahl im C C C wertvolle Erfahrungen sammeln zu lassen. Letztlich einigte man sich darauf, die Hälfte der Betroffenen auszuwechseln. Zwei Jahre später sollten schließlich die Reserveoffiziere den Status von zivil Beschäftigten unter Leitung der Armee erhalten, womit die Führerfrage vorläufig geklärt war. 1937 interpretierte die Armee jedoch Fechners Vorstoß als eine Einmischung in eine interne Frage.415 Wenige Monate später, Anfang 1938, stellte das Kriegsministerium deswegen die Machtfrage. D e n n seiner M e i n u n g nach waren die kooperierenden Behörden dem Direktor nicht nach-, sondern zumindest gleichgeordnet. Z u r Klärung der Kompetenzen wurde unter dem Vorsitz von James Roosevelt, d e m Sohn des Präsidenten, eine Konferenz einberufen. Nach längeren Verhandlungen musste sich F D R selbst mit der Frage beschäftigen, und er entschied, dass der Direktor den kooperierenden Behörden vorgesetzt sei.416 Nach dieser Bestätigung startete Fechner 1939 den größten Zentralisierungsplan in der Geschichte des Corps. Er wollte künftig alle Maschinen in zentralen Werkstätten reparieren lassen u n d nicht, wie bisher, dezentral von den technischen Diensten und der Armee. Das rief erneut deren Widerstand auf den Plan; Fechner 413 Vgl. Public Papers, Bd. 6 (1937), S. 144-146; Hearings 1937 und v.a. Salmond, Corps, S. 145-161. 414 Vgl. v.a. den Gesetzentwurf von 1939; abgedruckt in Hearings 1939, S. 1.

415 Vgl. Saalberg, S. 142-145; Lanier, S. 175-180. 416 Vgl. NARA/HP, OF 268, Box 5, v.a. Department of War an J. Roosevelt, 21.3.1938; NARA/HP, JRP, Box 11, v.a. Rowe an FDR, 13.8.1938.

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konnte sich jedoch auch in dieser Frage kurz vor seinem Tod am letzten Tag des Jahres 1939 durchsetzen. Insgesamt agierte er bei diesen Konflikten im Rahm e n seiner Kompetenzen. Allerdings belastete er so das Verhältnis zu den kooperierenden Behörden. D e m Direktor des C C C ging es weniger u m eine effektivere Verwaltung als vielmehr u m die Bestätigung seiner Person u n d Position. Einerseits erhöhten seine Initiativen zwar trotzdem die Effektivität des Corps. Auf der anderen Seite waren sie der Moral - u n d damit letztlich auch der Effektivität - abträglich. 417 N o c h wichtiger als diese Auseinandersetzungen war im Jahr 1939 die Einrichtung der Federal Security Agency (FSA). Die von Paul M c N u t t geleitete Institution war Teil einer Verwaltungsreform, mit der verschiedene Bundesbehörden neu gebündelt wurden. Das C C C w u r d e wie die NYA und einige andere Einrichtungen der FSA unter M c N u t t zugeschlagen. Fechner protestierte dagegen, da er weiterhin direkt dem Präsidenten verantwortlich sein wollte, und reichte deswegen sogar seinen Rücktritt ein. Letztlich ließ sich der bereits schwer kranke Direktor v o m Präsidenten jedoch überreden, im Amt zu bleiben. 418 Weitere Probleme kamen hinzu. A m Ende der 1930er Jahre stieg die Desertionsrate deutlich an, u n d in den Lagern häuften sich die U n r u h e n . Auch kleinere Skandale u n d Korruptionsfälle brachten n u n das Corps wiederholt in die Schlagzeilen. Nach Fechners Tod wurde seine bisherige rechte Hand, James McEntee, zu seinem Nachfolger. McEntees Amtszeit begann Anfang 1940 mit einem positiven Signal: Trotz Roosevelts Absicht, das Corps aus Spargründen zu verkleinern, bewilligte der Kongress ausreichend Mittel, u m die Einrichtung in ihrer bisherigen Größe fortzuführen. In d e m Wahljahr wiederholte sich somit ein Vorgang, der sich bereits 1936 in ähnlicher Form abgespielt hatte. Auch damals hatte Roosevelt die Zahl der Abteilungen einschränken wollen, war mit seiner Initiative aber am Kongress gescheitert. Offensichtlich hatten die Abgeordneten gerade in Wahlzeiten kein Interesse daran, sich die S t i m m u n g in der Bevölkerung durch Lagerschließungen verderben zu lassen. Allerdings gab es weiterhin Krisenherde. Die Desertionsrate blieb hoch, u n d auch die Reibungen zwischen d e m Direktor und den kooperierenden Behörden n a h m e n nicht ab. Z u m Problem f ü r das Corps wurde schließlich eine grundsätzlich positive Entwicklung. D e n n mit der Kriegskonjunktur sank die Zahl der Arbeitslosen und damit der potentiellen Bewerber für das Corps dramatisch. 419 Der Aufwärtstrend sollte - ganz wie in Deutschland einige Jahre zuvor - die Daseinsberechtigung des C C C grundsätzlich in Frage stellen.

417 Vgl. insgesamt Salmond, Corps, S. 171-180. 418 Vgl. NARA/HP, OF 268, Box 5, v.a. Fechner an FDR, 22.5.1939; NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, 26.5.1939. 419 Vgl. Salmond, Corps, S. 200-202.

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Mitte 1941 schlug deswegen das öffentliche Klima zuungunsten des Corps um. Angesichts des Arbeitskräftemangels, der sich in manchen Industrien bereits abzeichnete, musste es in seiner bisherigen Form überflüssig und geradezu kontraproduktiv erscheinen. So polemisierte z u m Beispiel der Star aus Indianapolis, die » C C C beneficiairies are paid to enjoy a vacation at the taxpayers' expense«, während andere j u n g e Männer sich auf einen eventuellen Krieg vorbereiteten. Deswegen müsse die Organisation sofort aufgelöst werden. 420 Die in den U S A ähnlich wie in Deutschland geäußerten Überlegungen, das Corps mit anderen Inhalten zu füllen - etwa als Erziehungseinrichtung - , konnten in Amerika in dieser Situation keine Mehrheiten gewinnen. Am chancenreichsten schienen zeitweise die Pläne, das Corps mit der NYA zu einer neuen Einrichtung zu vereinigen. Mit Roosevelts Einwilligung brachte der spätere Präsident Lyndon B.Johnson am 10. Dezember 1941 einen dahin gehenden Vorschlag in den Kongress ein. Ein ungefähr gleichzeitig v o m Kongress eingesetztes Komitee, das alle Bundesbehörden mit Blick auf ihre Existenzberechtigung evaluierte, empfahl jedoch am Heiligabend des Jahres 1941 die Auflösung des Corps. Vor allem der erzkonservative Senator Kenneth McKellar aus Tennessee machte die Forderung nach der Abschaffung des C C C zu seinem ceterum censeo. Roosevelt gab sich jedoch noch nicht geschlagen. Er betonte den Wert der Einrichtung in Hinblick auf die Kriegsvorbereitung. Deswegen wurden die Projekte des Dienstes im Rahmen des sogenannten »Victory Program« stärker auf militärische Erfordernisse ausgerichtet. Trotzdem sprach sich n u n erstmals eine Mehrheit der Bevölkerung f ü r die Abschaffung des Corps aus. Währenddessen tat McKellar in dem Unterausschuss des Kongresses, der über die Z u kunft der Einrichtung tagte, alles, u m sie zu diskreditieren. Als Roosevelt im Sommer 1942 d e m Kongress seinen Haushaltsantrag für das C C C vortrug, lehnte das Repräsentantenhaus diesen mit einer d ü n n e n Mehrheit ab. Die Todesglocke des Corps läutete, als sich der Senat am 30. Juni 1942 der Entscheid u n g anschloss. 421 Die öffentliche Resonanz auf das knappe Ergebnis bestätigte diesen Kurs. Viele Zeitungen würdigten die Verdienste des C C C ausdrücklich, betonten aber zugleich, dass man n u n seine guten Dienste nicht mehr benötige.422 Das Civilian Conservation Corps, die beliebteste Einrichtung des N e w Deal, war durch die Kriegskonjunktur überflüssig geworden. Da sich die B u n desadministration unter Roosevelt und der Kongress aufgrund des öffentlichen Drucks dagegen entschieden, d e m Corps eine neue Aufgabe, etwa im Bereich der Erziehung, zu geben, war es n u r konsequent, die Einrichtung aufzulösen.

420 Sur (Indianapolis) 18.6.1941; vgl. z.B. auch Citizen Patriot 5.7.1941. 421 Vgl. Salmond, Corps, S. 210-217. 422 Vgl. z.B. Pawtucket Times 6.6.1942; Charleston Post 15.6.1942; Boston Herald 3.7.1942.

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2. D e r Aufbau des C C C war ein Abbild seiner überstürzten Mobilisierung im Frühjahr 1933. An der Spitze der Einrichtung stand der Direktor des Corps mit einem Mitarbeiterstab, der inklusive aller Hilfskräfte lediglich 40 bis 50 Personen umfasste, und dem einflussreichen Advisory Council.423 Die Hauptarbeit der Verwaltung w u r d e jedoch in den am C C C beteiligten Ministerien u n d deren untergeordneten Behörden erledigt. Die Aufgabenverteilung u n d die regionale Gliederung des C C C orientierten sich an der gegebenen Struktur der jeweils mit dem Corps befassten Institutionen. Allerdings deckten sich z u m Beispiel die Verwaltungsbezirke des Arbeitsministeriums, das f ü r die Auswahl der j u n gen M ä n n e r zuständig war, nicht mit denjenigen des Militärs, das die Leitung der Lager innehatte. Selbstverständlich wäre es ein enormes, den N u t z e n nicht rechtfertigendes U n t e r n e h m e n gewesen, die Gebietseinteilung f ü r die verschiedenen Behörden einander anzupassen. Eine Alternative hätte darin bestanden, eine eigene Verwaltungsstruktur f ü r das C o r p s aufzubauen, was aufgrund seiner schnellen Mobilisierung 1933 und der ungeklärten Frage, wie lange die Einrichtung gebraucht werden würde, nicht sinnvoll gewesen wäre. Deswegen war die gewählte Form durchaus angemessen, und sie war Ausdruck einer pragmatischen Haltung in organisatorischen Fragen. Es ist allerdings auffallend, dass es trotz der Überschneidungen und Verwerfungen, die sich aus der komplizierten Organisationsstruktur ergaben, im C C C nicht zu chaotischen Zuständen mit Kompetenzkämpfen u n d Rivalitäten kam. Die wichtigste regionale Unterteilung bildeten die n e u n corps areas der Armee, die immer mehrere Bundesstaaten umfassten u n d denen j e ein General vorstand. Auch an ihrer Stellung zeigt sich die dezentrale Organisation des Corps: Ungeklärte Fragen konnten die corps area commanders entscheiden, ohne zunächst den Rat des Kriegsministeriums einzuholen. U n t e r den corps areas gab es die districts, die meist die Größe eines Bundesstaates hatten, u n d deren Hauptquartier in einem Armeeposten lag. Die Aufgabe dieser Verwaltungseinheiten, die normalerweise n u r aus vier Personen bestanden, lag im Wesentlichen in der Interpretation u n d Weiterleitung von Nachrichten von den corps area-Hauptquartieren an die Lager. Die kleinsten eigenständigen Einheiten waren die companies, die normalerweise j e ein eigenes Lager hatten u n d die sich aus 200 M a n n sowie den Führern zusammensetzten. Die Verantwortung trug jeweils ein Offizier, meistens im Rang eines captain oder first lieutenant der Armee, der Marine, der Marineinfanterie oder des Reserveoffizierkorps. Er wurde durch einen oder mehrere rangniedrigere Offiziere inklusive eines Militärarztes unterstützt. Der Lagerkommandant trug die gesamte Verantwortung für die j u n g e n M ä n n e r abgesehen von den Arbeitsstunden, in denen sie d e m Per423 Vgl. Harper, S. 31.

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sonai der technischen Dienste unterstanden. Kleinere Leitungsaufgaben wurden zudem ausgewählten enrollees übertragen, so dass 20 bis 30 von ihnen pro Abteilung in Verantwortung, Status und Bezahlung über die anderen herausgehoben waren.424 Der ganze Aufbau des Corps im Rahmen der U.S. Army entsprach somit den Organisationsstrukturen des Militärs. Das erklärt sich aber - anders als beim deutschen Arbeitsdienst - nicht aus dem militärähnlichen Auftrag der Einrichtung oder dem militaristischen Habitus seines Führungspersonals. Vielmehr stand im C C C die Notwendigkeit des Jahres 1933 Pate, in kürzester Zeit eine funktionierende Verwaltungsstruktur aufzubauen. Deswegen orientierte sich die Armee an ihrem eigenen Ordnungsmodell. Der hohe Personalbestand des deutschen Arbeitsdienstes wird im Vergleich zum C C C deutlich: Betrug der Anteil der Führer in Deutschland über 14 %, waren es in den USA lediglich 10 %. Vor allem der Anteil des höheren Verwaltungspersonals, der den RAD aufblähte und hohe Personalkosten verursachte, war im Corps deutlich geringer.425 Insgesamt spiegelt der organisatorische Aufbau des Corps die Politik wider, durch den Rückgriff auf bestehende institutionelle Ressourcen mit einem minimalen Aufwand eine flexible, dezentrale, aber rein staatliche Organisation aufzubauen.

3. Auch fur das Civilian Conservation Corps stellt sich weiter die Frage, welche Gruppen zu welchen Bedingungen zugangsberechtigt und welche ausgeschlossenwurden. Zugelassen zum C C C waren seit 1933 arbeitslose, taugliche, ledige, amerikanische Bürger zwischen 18 und 25 Jahren, die aus bedürftigen Familien stammten. Aufgrund der übereilten Entstehung der Einrichtung fehlten im ECW-Gesetz vom März noch manche dieser Bestimmungen, sie wurden aber über Verordnungen im April 1933 nachgereicht.426 Immer wieder nahm das Corps jedoch auch Jugendliche auÇ die erst 16 oder gar erst 15 Jahre alt waren.427 Das widersprach der offiziellen Politik und zeigt, dass die für die Rekrutierung zuständigen reliefagencies sich nicht an die Vorgaben aus Washington hielten. Im September 1935 wurden die Altersbeschränkungen auf 17 und 28 Jahre erweitert, ab 1938 lag das Höchstalter bei 23 Jahren. 428 Insgesamt hatte das C C C wie der deutsche Arbeitsdienst den Auftragj u n g e Arbeitslose als eine 424 Vgl. Putnam, S. 52, Salmond, Corps, S. 84-87. 425 Vgl. E C W 1934b, S. 10. 426 Vgl. Salmond, Corps, S. 13; 30f; Gorham, Service, S. 83-90; die Auswahl nahmen von den Einzelstaaten betriebene Rekrutierungsbehörden vor. 427 Vgl. z.B. NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, 8.9.1936. 428 Vgl. E C W 1936, S. 23; C C C 1938, S. 68.

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von der Wirtschaftskrise besonders hart getroffene G r u p p e gezielt zu unterstützen. N e n n e n s w e r t e n Widerspruch, der etwa den Verzicht auf j e d e Altersbeschränkung gefordert hätte, regte sich in der amerikanischen Öffentlichkeit nicht. Der Zugang war an die amerikanische Staatsbürgerschaft gebunden. Z u d e m sollten die j u n g e n M ä n n e r abhängige Verwandte haben, an die die monatlichen Z u w e n d u n g e n von $ 25 überwiesen werden konnten. Schließlich mussten die junior enrollees unverheiratet, verwitwet oder geschieden sein, u m soziale Härten angesichts des kasernierten Lebens zu vermeiden. 429 Anders als der Reichsarbeitsdienst wandte sich das C C C aber nicht n u r an j u n g e Männer, sondern auch an weitere Gruppen. Bereits im Mai 1933 griff Roosevelt d e n Vorschlag auf, zusätzlich 25.000 arbeitslose Veteranen z u m Corps zuzulassen. 430 Für sie war nicht n u r die Altersbeschränkung außer Kraft gesetzt, sondern sie konnten auch verheiratet sein. Es handelte sich hauptsächlich u m Soldaten des Ersten Weltkrieges, deren Reintegration in die amerikanische Gesellschaft - nicht zuletzt aufgrund der psychischen oder physischen Schäden, die viele von den Schlachtfeldern m i t g e n o m m e n hatten - stets problematisch geblieben war. D u r c h die Weltwirtschaftskrise w u r d e n sie zusätzlich in ihrer Existenz bedroht. Anders als die unorganisierte u n d unpolitischere Reaktion der Jugendlichen hatten die Veteranen Ende 1932 mit Protestmärschen auf ihre dramatische Lage aufmerksam gemacht. Verzweifelt forderte diese »bonus Army«, wie sie von den Zeitgenossen genannt wurde, eine sofortige Auszahlung von Pensionen, die erst im Jahr 1945 ausgeschüttet werden sollten. Die Bundesadministration reagierte jedoch hart; die reguläre Armee hielt mit Tränengas u n d aufgesetzten Bajonetten die D e m o n s t r a n t e n in Schach. 431 Das verweist auf das zweite Kriterium, nach d e m die Freiwilligen ausgesucht wurden. Es handelte sich nicht n u r u m besonders Bedürftige, sondern jeweils auch u m Gruppen, von denen potentiell eine politische Gefahr ausging. D e n n auf d e m H ö h e p u n k t der Weltwirtschaftskrise, z u m Jahreswechsel 1932/33, fürchteten breite Teile der Bevölkerung in den U S A eine z u n e h m e n d e Radikalisierung. Roosevelt z u m Beispiel nannte die Massenarbeitslosigkeit »the greatest menace to our social order.« 432 In der W a h r n e h m u n g vieler Zeitgenossen waren vor allem die männliche Jugend u n d die Kriegsveteranen gefährdet, der Kriminalität u n d d e m politischen Extremismus anheim zu fallen - u n d somit gefährlich. Deswegen w u r d e das C C C j u s t f ü r diese beiden G r u p p e n eingerichtet. 433 A m deutlichsten kam dieses Motiv in einem Tagebucheintrag von Innenminister Harold Ickes v o m März 1933 z u m Ausdruck, in d e m er ein 429 Vgl. gegen eine Altersbeschränkung lediglich NYT 15.10.1934. 430 Vgl. NARA/HP, OF 268, Box 1, Executive Order FDR, 24.5.1933.

431 Vgl. Folsom, S. 310-322. 432 Public Papers, Bd. 3 (1934), S. 413-422, Zitat S. 420.

433 Vgl. Pandiani, S. 348-358.

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Gespräch wiedergab. Die einflussreichen Senatoren Burton K. Wheeler und Elbert D. Thomas seien sich einig gewesen, dass die USA auf eine politische Krise zusteuerten, falls sich die Wirtschaftslage nicht bald bessere. Thomas habe zudem vorgeschlagen, dass die CCC-Lager auch genutzt werden könnten »as concentration camps for men marching against the Government, unless the situation improved rapidly.«434 Diese Sicht kann auf die politische Elite des Jahres 1933 zwar so wenig verallgemeinert werden wie die ebenfalls geäußerte Hoffnung, dass die Freiwilligen im Krisenfall eine schlagkräftige Eingreiftruppe der Regierung bilden könnten. 435 Aber angesichts der zugespitzten Krise, deren baldige politische Uberwindung die Zeitgenossen nicht absehen konnten, handelte es sich um weit mehr als Einzelmeinungen. Die Ängste vor politischen und sozialen Unruhen, vor Ansätzen eines bürgerkriegsähnlichen Zustands, erwiesen sich zwar als unbegründet - sie prägten aber die Wahrnehmung und die Handlungen der Akteure. Von der dritten Gruppe gingen dagegen weniger Bedrohungen aus. Es handelte sich um die amerikanische Urbevölkerung, die unter der Wirtschaftskrise ebenfalls besonders schwer zu leiden hatte. Dass die Öffentlichkeit bei dieser Gruppe weniger Angst vor einer Radikalisierung hatte, erklärt auch, warum die meisten Native Americans weiterhin bei ihren Familien leben konnten. Wie bei den Veteranen galt für diesen Teil des C C C , der im August 1933 ungefähr 10.000 Personen umfasste, keine Altersbeschränkung. 436 Er bildete organisatorisch einen Sonderfall, da er vom Bureau of Indian Affairs verwaltet wurde, das seinerseits Teil des Innenministeriums war. Die anderen am C C C beteiligten Ministerien traten bei den Native Americans teilweise gar nicht in Erscheinung. Die Maßnahme wurde eng mit anderen Hilfsprojekten für diese Minderheit verknüpft. Wie sehr die Bedingungen in diesem Teil des Corps sich vom »normalen« Arbeitsdienst unterschieden, zeigt sich auch daran, dass in geringem Umfang Frauen in das Indian CCC - so eine weitere Bezeichnung für die Einrichtung - aufgenommen wurden. 437 U m eine kleine Sondergruppe, die ähnlich wie die Native Americans lediglich von einer Behörde, in diesem Fall dem Landwirtschaftsministerium, verwaltet wurde, handelte es sich bei den u n gefähr 2.000 Freiwilligen in Puerto Rico, Hawaii, den Virgin Islands und Alaska.438 Aus pragmatischen Gründen wurde schließlich noch eine vierte Gruppe aufgenommen. Denn bei der vorgesehenen Einsatzform stellte sich das Problem, dass bei einer Gemeinde ein CCC-Lager mit enrollees aus einer anderen Gegend 434 /efees, Bd. 1, S. 20f (Eintrag vom 13.3.1933), Zitat S. 21. Roosevelt wandte sich ausdrücklich gegen die Bezeichnung der Lager als »concentration camps«; vgl. Public Papers, Bd. 2 (1933), S. 95.

435 Vgl. Woodring, S. 7-12. 436 Vgl. ECW 1934b, S. 1. 437 Vgl. MLR 49 (1939), S. 94f; insgesamt Parman.

438 Vgl. ECW 1936, S. 1; Harper, S. 33. 173

aufgeschlagen werden konnte, während die Arbeitslosen vor O r t unberücksichtigt blieben. Als Ausgleich, sowie u m zu gewährleisten, dass die j u n g e n M ä n n e r sinnvolle Arbeiten übernahmen, w u r d e n deswegen seit 1933 lokal rekrutierte, nach Tarif bezahlte Vorarbeiter, sogenannte Local Experienced Men (LEM), ebenfalls aufgenommen. 4 3 9 Die Vorarbeiter, von denen 1933 zunächst 25.000 eingestellt wurden, w u r d e n zusätzlich zur normalen Q u o t e rekrutiert. Die Gruppe hatte Ähnlichkeiten zu den Vormännern des deutschen Dienstes.440 Von allen Freiwilligen machten 1933 die j u n g e n M ä n n e r ungefähr 86 %, die Veteranen 9 % u n d die Native Americans knapp 5 % aus. In den folgenden Jahren änderten sich die absoluten Zahlen deutlich, die prozentuale Verteilung dagegen kaum. 441 Allen vier Gruppen war gemeinsam, dass es sich u m soziale Formationen handelte, die unter der Wirtschaftskrise und vor allem der Massenarbeitslosigkeit besonders litten. Es war aber nicht ein vollständiger Katalog der Hauptopfer der Krise - sonst hätten z u m Beispiel auch alte Arbeitnehmer u n d die Mexican Americans gezielt aufgenommen werden müssen. 442 Vielmehr kam bei jeder der vier Gruppen ein zusätzliches Argument hinzu, das ihre Aufnahm e in das Corps erklärt. Bei den j u n g e n M ä n n e r n u n d den Veteranen war es die nicht unberechtigte Furcht, dass sie am ehesten politisch gefährlich oder kriminell werden könnten. Bei den Native Americans handelte es sich u m eine G r u p pe, die 1933 ihre Interessen im entscheidenden M o m e n t formulierte und deswegen a u f g e n o m m e n wurde. F ü r die L E M schließlich sprach neben d e m arbeitspraktischen das pragmatische Argument, dass so möglicher Widerstand der Gemeinden im U m l a n d der Lager minimiert werden könnte. Im Unterschied z u m RAD übernahm das C C C über seine Zugangskriterien nicht die Funktionen der Berufssteuerung, einer aktiven Arbeitsmarktpolitik oder gar der politischen Auslese, sondern blieb primär ein Wohlfahrtsprogramm, das neben der Arbeitsbeschaffung der sozialen u n d politischen Stabilisierung dienen sollte. Für die junior enrollees änderte sich im Mai 1935 eine wichtige Zugangsbedingung. Seit 1933 waren primär j u n g e Männer aus sozialhilfeabhängigen Familien in das Corps aufgenommen worden. Z u r Auffüllung der Q u o t e n war aber auch ein kleiner Anteil an j u n g e n M ä n n e r zugelassen worden, der dieses Kriterium nicht erfüllte. Auf Veranlassung von Fechners Rivalen Hopkins w u r de die offizielle Regelung n u n m e h r strikt befolgt, und Hopkins setzte auch durch, dass sämtliche anderen Beschäftigten des Corps von den public relief rolls g e n o m m e n werden mussten. Da die Regelung mit der bisherigen Verwaltungs-

439 440 441 442

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Vgl. insgesamt Stieglitz, Percent, S. 97. Normalerweise hatte jede Abteilung acht LEM. Vgl. E C W 1935, S. 2. Vgl. E C W 1934b, S. 20. Vgl. Kennedy, S. 164.

praxis nicht vereinbar war und sich angesichts der regionalen Verteilung der Arbeitslosen organisatorisch n u r schwer verwirklichen ließ, stürzte sie das C C C in eine Krise. Kurzzeitig wurde erwogen, die Altersgrenze auf 35 Jahre heraufzusetzen, u m das Kriterium der Sozialhilfe beibehalten zu können. Letztlich musste man aber zu der laxen Regelung der Anfangsjahre zurückkehren. 443 Ungefähr zwei Jahre später öffnete das C C C - G e s e t z von 1937 einem größeren Kreis den Eintritt. Fortan konnten allgemein arbeitslose und arbeitsbedürftige j u n g e Männer aufgenommen werden. 444 De facto änderte sich aber wenig. D e n n die reliefagencies, die für die Rekrutierung zuständig waren, hatten vor allem ein Interesse daran, die Unterstützungsempfänger im C C C unterzubringen, für die die Gemeinden ansonsten a u f z u k o m m e n hatten. 445 Gleichwohl gewann so in den U S A die Frage an Bedeutung, ob das Corps das Kriterium sozialer Bedürftigkeit ganz aufgeben und sich für alle j u n g e n Amerikaner öffnen solle. Ganz wie in Deutschland wurde als G r u n d die Möglichkeit der erzieherischen Einwirkung betont. Immer wieder wurde dieses Problem erörtert, z u m Beispiel bei dem Versuch von 1937, das C C C auf eine permanente Basis zu stellen. 446 Ganz von der Bedürftigkeit gelöst wurde der Zugang Anfang 1940, wobei das Corps auch künftig hauptsächlich Arbeitslose rekrutierte.447 Das C C C machte so den Schritt, den man in Deutschland bereits mit der Verordnung vom Juli 1932 gegangen war. Der wichtigste Impuls, die neuen Zugangsbedingungen für erzieherische Ziele zu nutzen, ist eng mit dem N a m e n des bereits erwähnten Eugen Rosenstock-Huessy verknüpft. Rosenstock, der 1932 in Deutschland mit einem in Richtung des Kommunitarismus weisenden Vorschlag z u m T h e m a Arbeitsdienst hervorgetreten war, 448 lebte seit 1933 als Flüchtling in den USA. Als Professor am Dartmouth College in N e w Hampshire scharte er einen Kreis von Studenten des Colleges und der Harvard Universität, w o er zuvor gelehrt hatte, u m sich, die er zu einer Initiative im Rahmen des C C C inspirierte. In der Annahme, dass der amerikanische Arbeitsdienst mittelfristig ein eigenes, professionelles Führerkorps brauchen würde, eröffneten sie Ende 1940 in Z u sammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium ein experimentelles Arbeitsdienstlager bei Mt. Sharon im Bundesstaat Vermont. Die Erziehung, die den j u n g e n Idealisten vorschwebte, orientierte sich nicht am Primat der Disziplin, wie es im C C C der Fall war, sondern sie stellte die Entwicklung eigenverantwortlicher Staatsbürger in den Mittelpunkt. Roosevelt stand d e m Experi443 Corps, 444 445 446 447 448

Vgl. NARA/HP, O F 268, Box 3, v.a. FDR an Fechner, 14.5.1935; insgesamt S. 59-63. Vgl. C C C 1938, S. 77-79. Vgl. American Youth Commission 1940, S. 6. Vgl. Salmond, Corps, S. 149. Vgl. ebd., S. 201. Vgl. Rosenstock.

Salmond,

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ment zunächst positiv gegenüber, während Fechners Nachfolger McEntee es ablehnte.449 Den Studenten ging es aber nicht nur um andere Erziehungsinhalte und eine professionelle Führerschulung, sondern sie wollten die Einrichtung nicht nur de jure, sondern auch de facto für alle jungen Amerikaner öffnen.450 In ihrem Versuchslager arbeiteten deswegen Studenten und Arbeitslose Seite an Seite. Das Ziel war - wie bei Teilen der deutschen Studentenschaft vor 1933 - eine soziale Durchmischung und eine Anerkennung von Handarbeit. Manche verbanden mit dem Experiment noch weitergehende Ideen, die den Arbeitsdienst ganz auf den kommunitaristischen Typ festgelegt hätten, und konnten diese auch an einflussreichen Stellen lancieren. Zum Beispiel war first lady Eleanor Roosevelt nach einem Gespräch mit zwei der beteiligten Studenten von der Idee so angetan, dass sie sich öffentlich für eine allgemeine Arbeitsdienstpflicht für Männer und für Frauen aussprach.451 Gleichzeitig wurde das Versuchslager zur Zielscheibe der öffentlichen Meinung. Der Hauptvorwurf gegen das Experiment war Rosenstocks deutsche Herkunft. In dem wütenden Ansturm der Presse blieb kein Raum für die Differenzierung, dass es sich um einen Verfolgten des Regimes handelte und nicht um einen Wegbereiter des NS-Arbeitsdienstes. Aber auch ein eigens eingesetzter Unterausschuss des Repräsentantenhauses war Schauplatz harscher Kritik am Lager in Mt. Sharon, »on the ground that it smacked of Germany's work camps.«452 So wandte sich das Blatt zugunsten McEntees, der Ende Februar 1941 das Versuchslager dem Kriegsministerium unterstellte. Bereits zuvor hatte Roosevelt seine Meinung zu dem camp geändert. Von diesen schweren Schlägen erholte es sich nie, und zum Jahresende wurde es aufgelöst.453 Der Versuch, das Corps auf eine neue, permanente Grundlage mit anderen Inhalten und Zugangsbedingungen zu stellen, scheiterte somit. Ein extrem verkürztes Bild der deutschen Arbeitsdienstbewegung diente dabei als wesentlichstes Argument. Das ist umso interessanter, da bereits zuvor die Politik maximaler Abgrenzung vom RAD in anderen Fragen durchbrochen worden war, wie im Erziehungskapitel noch zu zeigen sein wird. Neben dem Sharon-Experiment, in dessen Kontext der Gedanke einer völligen sozialen Öffnung des Corps ebenso wie die Idee der Arbeitsdienstpflicht 449 Vgl. die zahlreichen Quellen in NARA/HP, OF 268, Box 6, v.a. FDR an W. Alexander, 4.9.1940; ebd., Box 11 ; NARA/HP, ROP, Box 9, v.a. Landis an Rowe 12.11.1940 und Anlage; vgl. Rosenstock-Huessy, Dienst, S. 44-52; ders., Fragmente, S. 133-138; zu Rosenstock Faulenbach, S. 102-106. 450 Vgl. Preiss, S. lOf; sowie den gemäßigten Reformvorschlag American Youth Commission 1940. 451 Abgedruckt in Preiss, S. 186. 452 Boston Herald 6.2.1941; vgl. zur öffentlichen Kritik z.B. N Y T 9.2.1941; Boston Herald 12.2.1941; Arkansas Democrat 13.2.1941. 453 Vgl. insgesamt Preiss-, Roosevelts Haltung in NARA/HP, OF 268, Box 6, Bureau of Budget an FDR, 15.2.1941.

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vom Präsidenten u n d seiner Frau erörtert wurden, forderten n u r wenige eine allgemeine Dienstpflicht. Meistens wurzelten die Vorschläge in autoritären Vorstellungen, die den deutschen Plänen vor u n d nach 1933 ähnlich waren, und sie wurden von Offizieren vorgebracht. Diese plädierten zugleich häufig für eine Militarisierung des Corps. Damit war ihr Vorstoß aufgrund seiner N ä h e z u m RAD von vornherein z u m Scheitern verurteilt. 454 Auch in diesem Fall war das amerikanische Bild des deutschen Arbeitsdienstes ein wichtiger Gestaltungsfaktor für das Corps. Vor diesem Hintergrund blieb der Eintritt f ü r die Zugangsberechtigten von 1933 bis 1942 freiwillig. Wie in Deutschland war j e d o c h der Handlungsspielraum vieler Betroffener aufgrund ihrer ökonomischen Lage eng beschränkt, und sie wurden aus ökonomischen G r ü n d e n in den Arbeitsdienst getrieben, was die Freiwilligkeit begrenzte. Die Freiwilligkeit wurde auch im C C C in d e m Sinne beschränkt, dass die j u n g e n Männer nach d e m Eintritt einwilligen mussten, bis z u m Ablauf der offiziellen Dienstzeit von in der Regel sechs Monaten im Corps zu bleiben. Zugleich gab es die Möglichkeit, sich nach d e m Ende einer Dienstperiode erneut in das C C C einzuschreiben; die maximale Verweildauer betrug zunächst ein Jahr, später wurde sie verdoppelt. 455 Anders als der deutsche Dienst vor 1933 versuchte das Corps demnach nicht, der größtmöglichen Zahl von Bedürftigen zu helfen, sondern zielte darauf ab, eine geringere Zahl an Arbeitslosen für eine längere Dauer zu unterstützen. Wie hoch der Anteil der reenrollments insgesamt war, weisen die Statistiken des C C C nicht auf. Allerdings lag er, nachdem er am Ende der ersten Rekrutierungsperiode im Herbst 1933 unter 3 % gelegen hatte, sechs Monate später bei fast 30 %.456 Z u d e m wurde die Einwilligung, bis zum Ende einer Dienstperiode dem C C C anzugehören, von den Freiwilligen nicht als bindend e m p f u n d e n . D e n n seit seiner Entstehung kam es im C C C massenhaft zu Desertionen und u n e h renhaften Entlassungen. Normalerweise wurden die enrollees am Ende ihrer Dienstzeit ehrenhaft entlassen, oder, falls sie eine Arbeit gefunden hatten, auch schon zuvor. Dishonorable discharges w u r d e n dagegen bei Desertion ausgesprochen und als schwerste Strafe bei Vergehen gegen die Lagerdisziplin, deren Ursachen oft H e i m w e h oder eine Ü b e r f o r d e r u n g durch die Härte der Arbeit und die strenge Disziplin der Lagerleitung waren. 457 Aus der Desertionsrate erklärt sich, dass im Sommer 1933 ungefähr 275.000 enrollees aufgenommen wurden, u m eine Q u o t e von 250.000 halten zu können. Ahnlich wie der deut454 Vgl. z.B. NYT 13.9.1936; NYT 15.9.1936 und die Leserbriefdebatte in der NYT in den folgenden Tagen; LoC, GMP, Box 13, Aufzeichnung Moseley, [ca. 1936-1944]. 455 Vgl. MLR 52 (1941), S. 1406; Salmond, Corps, S. 54. 456 Vgl. MLR 39 (1934), S. 308; MLR 40 (1935), S. 47. 457 Vgl. zu den Desertionen, auch mit einer ausfuhrlichen Ursachenanalyse, Stieglitz, Percent, S. 124-134; Salmond, Corps, 181-186.

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sehe Dienst versuchte das C C C zwar, seinen Angehörigen zu vermitteln, dass ein unehrenhafter Ausschluss negative Folgen haben könne: U n e h r e n h a f t Entlassene könnten nicht in den Staatsdienst eintreten, u n d allgemein k o m m e der entsprechende Akteneintrag einer Schande gleich. 458 Die A n d r o h u n g wirkte aber offensichtlich nicht sehr abschreckend. Viele enrollees, die eine Beschäftigung gefunden hatten, unterzogen sich nicht d e m Aufwand, eine ehrenhafte Entlassung einzuleiten, sondern desertierten einfach. D e n n das C C C und die amerikanische Gesellschaft bauten keine wirksamen Sanktionsmechanismen au£ die den deutschen nach 1935 vergleichbar gewesen wären. Systematisch v o m C C C ausgeschlossen waren dagegen mehrere Gruppen, wobei hier die Regelungen f ü r diejunior enrollees, die über 80 % der Belegschaft des Corps ausmachten, z u m Ausgangspunkt g e n o m m e n werden. Z u m einen waren Frauen, abgesehen v o m Indian CCC, nicht zugangsberechtigt. Die Tatsache, dass das Geschlecht eines der Hauptkriterien f ü r die Zugehörigkeit z u m Corps war, entsprach teilweise einem Rollenverständnis, in dem Frauen zumindest für die Zeit der Wirtschaftskrise aus dem Arbeitsmarkt herausgedrängt werden sollten. Dagegen w u r d e n die j u n g e n Männer - nicht zuletzt durch die $ 25, die sie in der Regel an ihre Familien weiterleiteten - in ihrer Rolle als Versorger u n d Ernährer bestätigt. Dieses Geschlechterverständnis, welches die Diskriminierung zwischen M a n n und Frau noch verstärkte, war jedoch kein allgemeines Kennzeichen des N e w Deal. D e n n einige andere Initiativen, etwa die NYA, richteten sich in gleichem Maße an beide Geschlechter. In diesem Licht erscheint das C C C als eine Institution mit einem konservativen Verständnis von Sozialpolitik. Allerdings war der Ausschluss der Frauen nicht n u r Ausdruck des Rollenmodells der C C C - F ü h r u n g , sondern der amerikanischen Gesellschaft insgesamt. D e n n das U m f e l d des Präsidenten war sich 1933 der Ungleichbehandlung durchaus bewusst, weswegenfirst lady Eleanor Roosevelt öffentlich die Möglichkeit eines C C C für Frauen in den R a u m stellte. Das Angebot wurde in der Presse jedoch kaum diskutiert u n d fand keine einflussreiche Lobby. Die wenigen experimentellen Lager für arbeitslose Frauen, die man 1933 primär mit Mitteln der Einzelstaaten und ohne substantielle Bundeshilfe aufbaute, wurden 1937 alle aufgelöst. Somit gesellte sich kein »she-sheshe« z u m C C C . Insgesamt beruhte die Exklusion von Frauen auf einem Konsens in der amerikanischen Gesellschaft, während die aktivere Förderung der Gleichstellung in anderen Einrichtungen des N e w Deal auf dessen emanzipatorisches Grundanliegen hinweist. 459 458 Vgl. Stieglitz, Percent, S. 124. 459 Vgl. N Y T 24.5.1933. Aus NARA/HP, O F 268, Box 2, Early an E. Roosevelt, 15.8.1933, wird deutlich, dass E. Roosevelts öffentliches Eintreten für solche Lager auf den Präsidentenberater Early zurückging. Gefordert wurden solche Lager eher selten, z.B. in Aydelott, S. 95f. Die Women's División der Democratic Party nahm sich der Sache z.B. nicht an; vgl. NARA/HP, DP, Box 5; zu den wenigen experimentellen Lagern Ware, Suffrage, S. 110-115.

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Zweitens hatte das Corps im Vergleich z u m deutschen Arbeitsdienst vergleichsweise hohe Tauglichkeitsanforderungen. Das erklärt sich z u m einen aus der Tatsache, dass das erzieherische Anliegen der harten Arbeit nachgeordnet war. Da die Nachfrage nach Zugehörigkeit z u m C C C lange höher war als das Angebot an freien Plätzen, bot es sich an, nur die Tauglichsten zu nehmen. Das Postulat einer allgemeinen Dienstpflicht zwang Deutschland dagegen z u m i n dest seit 1935 eine Logik niedriger Tauglichkeitskriterien auf. D e r in den U S A vorgetragene Vorschlag, auch Untaugliche aufzunehmen, die gerade über das Corps ertüchtigt werden sollten, blieb dagegen unerhört. 440 Vor diesem Hintergrund ist es wenig erstaunlich, dass Fechner bereits 1933 entschied, geistig Behinderte grundsätzlich auszuschließen; ähnlich erging es M ä n n e r n mit psychischen Problemen. 461 Seine exklusiven Tauglichkeitskriterien konnte das Corps auch halten, weil es nicht direkt militärische Ziele hatte. In den U S A gab es zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal eine allgemeine Wehrpflicht, die ein gewichtiges Argument fur die Ertüchtigung derjenigen gewesen wäre, die zwar das Potential hatten, die Kriterien zu erfüllen, durch die sozialen Folgen der Wirtschaftskrise jedoch zu geschwächt waren. Eine Ausschlussklausel gab es drittens fürj u n g e Männer, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren. Allgemein w u r d e n Häftlinge mit Bewährungsstrafen nicht in das C C C zugelassen, auch w e n n verschiedene Institutionen, unter anderem das Justizministerium, das immer wieder forderten. 462 Ahnlich wie im deutschen Arbeitsdienst betonte Fechner vielmehr den Unterschied zwischen den CCC boys und Vorbestraften. Anders als in Deutschland war der Hintergrund nicht eine »Ehrendienste-Propaganda, aber immerhin doch die Furcht, dass das Corps ansonsten einen anrüchigen Charakter b e k o m m e n könnte. Wie verschiedene Quellen jedoch zeigen, verstießen die relief agencies häufig auch gegen diese Regelung. 463 Das war nicht n u r Wasser auf die M ü h l e n derjenigen, die die Ö f f n u n g des Corps f ü r probationers forderten, sondern zeigt noch einmal die eingeschränkten Möglichkeiten der C C C - F ü h r u n g , ihre eigenen Vorgaben in der dezentralen Struktur des Corps durchzusetzen. Nicht zugangsberechtigt waren ferner enrollees, die während eines früheren Aufenthalts im C C C vorzeitig entlassen worden waren oder denen nach Ablauf der Dienstzeit wegen schlechter F ü h r u n g die Wiedereinschreibung untersagt worden war.464 Das Corps verstand sich somit ausdrücklich nicht als Einrichtung

460 Vgl. LoC, GMP, Box 13, AufzeichnungMoseley, [ca. 1936-1944], 461 Vgl. NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, 15.9.1933; ferner Stieglitz, Percent, S. 134f. 462 Vgl. NARA/HP, OF 268, Box 2, FDR an Fechner, 13.10.1933; NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, z.B. 10.5.1935, 8.9.1936, 21.7.1937; NARA/CP, RG 407, Box 54, Taylor an Ulio, 4.10.1935, ebd., Ulio an McEntee, 8.10.1940. Die Regelung galt für beide Formen der Strafbewährung, fur parole und probation. 463 Vgl. Brown, Program, S. 4; NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, 8.9.1936; Harper, S. 93. 464 Vgl. ebd., S. 34.

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zur Reintegration von Jugendlichen, die mit d e m Gesetz in Konflikt geraten waren, sondern n u r als M a ß n a h m e zur Prävention von Kriminalität. Während diese Gruppen über feste Regelwerke ausgeschlossen waren, wurde einer großen Bevölkerungsgruppe über ungeschriebene Gesetze der Zugang z u m C C C erschwert: den African Americans. Dabei war auf Initiative des einzigen afroamerikanischen Kongressmitglieds, Oscar D e Priest, in den Gesetzestext des E C W 1933 extra der Passus a u f g e n o m m e n worden, dass »no discrimination shall be made on account of race, color, or creed.«465 Trotzdem wurden die African Americans im C C C diskriminiert u n d segregiert. Keine andere ethnische oder religiöse Gruppe - wie die Hispanics oder die amerikanischen J u d e n - erfuhr eine vergleichbare Zurücksetzung. 4 6 6 Die Große Depression traf die African Americans besonders hart. Während sie ungefähr 10 % der amerikanischen Bevölkerung ausmachten, stellten sie 20 % der Arbeitslosen. Wie die Forschung z u m C C C seit den 1960er Jahren herausgearbeitet hat, lag die Ursache in einer bewussten Diskriminierung bei der Auswahl von Bewerbern in vielen Gegenden. Die örtlichen reliefagencies wiesen vor allem in den Südstaaten mit ihrer langen Geschichte der U n t e r d r ü c k u n g der African Americans Schwarze häufig grundsätzlich ab. Daran änderten auch die Bemühungen von Frank Persons, der im Arbeitsministerium f ü r Fragen der Rekrutenauswahl zuständig war, zunächst wenig. Häufig bekam er als Begründ u n g für die Ungleichbehandlung zu hören, dass zunächst bedürftige Weiße z u m Zuge k o m m e n müssten. Es war f ü r ihn schon ein kleiner Erfolg, w e n n auf sein Drängen in Mississippi, w o der Bevölkerungsanteil der Afroamerikaner bei über 50 % lag, sie Mitte 1933 1,7 % der Belegschaft des Corps stellten. Aber auch außerhalb der Südstaaten stand es nicht überall z u m Besten. In Kalifornien z u m Beispiel waren die Afroamerikaner trotz ihres geringen Bevölkerungsanteils unter den C C C boys ebenfalls deutlich unterrepräsentiert. So rächte sich, dass das Corps weitgehend auf vorhandene Behörden setzen und mit einer dezentralen Struktur Kompetenzen weit nach unten delegieren musste. 467 Zugleich weist diese Entwicklung auf methodischer Ebene allgemein daraufhin, wie wichtig die Kooperation mit lokalen und regionalen Institutionen f ü r den Erfolg des N e w Deal waren, und dass f ü r ein umfassendes Bild dieser Initiativen auch die Anverwandlung der Vorgaben aus Washington auf diesen nachgeordneten Ebenen untersucht werden muss. Die African Americans waren zudem bei der F ü h r u n g der Lager nicht ange465 Abgedruckt in ECW 1934a, S. 13. 466 Vgl. z.B. zur weitgehenden Integration und Normalbehandlung der Mexican Americans Montoya, S. 15-34; dazu etwa auch die Erinnerung von B. Valdez in Lyons, S. 183. Freilich kam es in einzelnen Lagern zu Reibungen, die manchmal entlang ethnischer oder religiöser Linien verliefen; diese sind aber von der hier untersuchten, systematischen Zurücksetzung zu unterscheiden. 467 Vgl. v.a. S almond, Corps, S. 88-101; ders., Negro, S. 75-88; Kifer sowie Cole, Experience, der stärker die Leistungen der African Americans im C C C betont.

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messen vertreten, d e n n die Armee traute ihren schwarzen Offizieren wenig zu. Erst 1936 gab Roosevelt d e m D r u c k afroamerikanischer Organisationen nach u n d bestimmte, dass einige Lager von »Negro officers« geführt w e r d e n sollten. Ein »weißes« Lager unter »schwarze« Aufsicht zu stellen, war dagegen ganz undenkbar. N o c h 1940 gab es erst zwei Lager, deren Leitung komplett in den H ä n d e n von African Americans lag.468 Dagegen n a h m e n in der eigenständigen Unterorganisation f ü r die amerikanische U r b e v ö l k e r u n g bereits Ende 1933 die Weißen weniger als 40 % der Führungspositionen ein. 469 Schließlich w u r d e n die Afroamerikaner über eine Rassentrennung diskriminiert. So w u r d e n in vielen corps areas - u n d zwar keineswegs n u r in den Südstaaten - die African Americans in eigenen Lagern untergebracht. Diese Abteilungen w u r d e n d u r c h den Zusatz »C« zu ihrer N u m m e r besonders kenntlich gemacht. 470 Lediglich in den Gegenden, in d e n e n es nicht genug Afroamerikaner gab, u m eine »schwarze« Einheit zu bilden, kam es auch zu gemischten Abteilungen. Die Rassentrennung war d e m n a c h keineswegs auf die Südstaaten beschränkt. Wie oral /mtofy-Quellen zeigen, w u r d e n die Freiwilligen auch außerhalb des Südens oft entwürdigend behandelt: In Kalifornien z u m Beispiel mussten sie in gemischten Lagern ihre Mahlzeiten getrennt einnehmen. 4 7 1 Die Segregation sollte angeblich rassistische Konflikte vermeiden, v o n d e n e n das C o r p s selbstverständlich ausging. Die Rassentrennung brachte f ü r das C C C Probleme mit sich. D e n n w ä h rend die umliegenden G e m e i n d e n normalerweise eine company als lokalen Wirtschaftsfaktor begrüßten, w u r d e n die »schwarzen« Abteilungen zumeist ungern in der Nachbarschaft gesehen. Das rassistische Ressentiment war keineswegs auf den Süden beschränkt, sondern w u r d e aus allen Teilen der U S A gemeldet. I m m e r wieder kam es nach Vergehen, die diesen enrollees zugeschrieben w u r d e n , zu lokalen U n r u h e n . »Weiße« G e m e i n d e n fürchteten vor allem u m die Sicherheit ihrer Frauen, während es de facto in den »schwarzen« Abteilungen unterdurchschnittlich wenig Disziplinprobleme gab. 472 D e r Südstaatler Fechner hatte allzu großes Verständnis f ü r die Ängste der G e m e i n d e n , u n d er tat allgemein wenig, u m die Diskriminierung aktiv zu bekämpfen oder auch n u r d e m verbrieften Anspruch des Corps gerecht zu werden. 1934 setzte er sogar durch, dass die teilweise aufgeweichte Rassentrenn u n g wieder strikt eingehalten w u r d e . Er trägt deswegen die Hauptschuld an

468 Vgl. Gotver. Conservatism, S. 123-135; Salmond, Corps, S. 95; zu Kalifornien Cole, Youth, S. 28-30.

469 Vgl. Parman, S. 45. 470 Vgl. Cole, Youth, S. 38. »C« stand für »Coloredo. 471 Vgl. ebd., S. 45-48. 472 Vgl. z.B. NARA/CP, RG 35/2, Memorandum, 19.9.1938; insgesamt Salmond, Corps, S. 91-95; »schwarze« Gemeinden waren diesen etiroltees gegenüber natürlich aufgeschlossen; vgl. Cole, Youth, S. 120.

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d e m dunkelsten Kapitel der Geschichte des CCC. 4 7 3 Auch sein Nachfolger McEntee stellte in dieser Hinsicht keine Verbesserung dar. Unterstützt w u r d e n beide durch die Haltung des Kriegsministeriums und der Armee, die d e m Widerstand der Gemeinden nur zu gern nachgaben. Die Diskriminierung der j u n gen Männer in den Lagern, etwa durch getrennte Schlafsäle und Mahlzeiten, gingen auf ihr Konto. Angesichts des in der U.S. Army ohnehin verbreiteten Rassismus war es bezeichnend, dass die 4. corps area, in der der Anteil der African Americans an der Bevölkerung in den U S A am höchsten war, mit Generalmajor George Van H o r n Moseley in die Hände eines bekennenden Antisemiten und Rassisten gegeben wurden. 4 7 4 Verantwortung für die Verhältnisse trägt aber auch Präsident Roosevelt, der u m die Diskriminierung wusste. O b w o h l ihm ansonsten beim C C C kein Problem zu klein war, als dass er sich eingemischt hätte, verhielt er sich in dieser Frage auffallend ruhig. 475 Insgesamt lässt sich jedoch die Diskriminierung der African Americans nicht allein aus d e m C C C selbst erklären. Der Rassismus wurzelte tief in der amerikanischen Gesellschaft, d e n n allgemein war das Prinzip der Segregation anerkannt und die Diskriminierung weit verbreitete Praxis. Das Defizit des C C C bestand darin, dass es die bestehende soziale Ungleichheit perpetuierte. Damit unterschied es sich wiederum von manchen anderen Einrichtungen des N e w Deal, die aktiv die Gleichberechtigung der African Americans betrieben, wobei von den Einrichtungen, die d e m C C C ähnlich waren, einmal mehr die National Youth Administration positiv hervorsticht. Zugleich muss festgehalten werden, dass eine aktive Politik der Gleichberechtigung massive Proteste in der Bevölkerung mit sich gebracht hätte - und das Corps tat alles, u m solche zu vermeiden. Erst als die Kriegskonjunktur anzog u n d viele Weiße reguläre Arbeitsplätze fanden, w u r d e den Afroamerikanern der Zugang im September 1941 erleichtert. So machte ihr Anteil schließlich 10 % an der Gesamtbelegschaft f ü r die Zeit von 1933 bis 1942 aus, was gemessen an ihrer Bedürftigkeit einer U n t e r repräsentation u m 50 % gleichkam. 476 Zugleich tat das Corps alles, u m die Schlechterstellung gegenüber der Öffentlichkeit zu verdecken. 477 In mancherlei Hinsicht setzte das C C C somit bestehende Ungleichheiten fort, ohne diese

473 Vgl. Salmond, C o r p s , S. 95f; zu seiner H a l t u n g auch N A R A / C P , R G 35/2, Advisory Council, 15.9.1933; zu M c E n t e e ebd., 29.11.1938. 474 Vgl. zu Moseley Kifer, S. 57-59; Sein Antisemitismus drückte sich in der F o r d e r u n g aus, alle (jüdischen) Flüchtlinge aus E u r o p a zu sterilisieren; vgl. Evening Star 14.5.1938; LoC, G M P , Box 11, Box 13. D e r offene Vernichtungsantisemitismus, auf d e n Rawick, S. 39, hinweist, findet sich in der angegebenen Stelle j e d o c h nicht. 475 Vgl. N A R A / H P , O F 268, Box 3, F D R an Early, 8.5.1935; ebd., Box 4, F D R an Fechner, 13.3.1937. 476 Vgl. Salmond, N e g r o , S. 86, 209. 477 Vgl. z.B. American Y o u t h C o m m i s s i o n 1940, S. 18f; oder die platte Propaganda in: H D 4.12.1937.

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aber aktiv zu fördern oder gar programmatisch festzulegen, wie es in Deutschland geschah. U m die Konsequenzen der Zugangsbestimmungen zu evaluieren, müssen die beiden damit verbundenen Ziele differenziert werden: die Aufnahme von potentiell destabilisierenden Gruppen einerseits und die Wirksamkeit als Faktor der Arbeitsbeschaffung andererseits. 478 Inwieweit das Corps ein relevanter Beitrag zur Beschäftigungspolitik war, lässt sich aufgrund der schlechten Quellenbasis nur durch Annäherungen beantworten. Der Schwerpunkt liegt auf den junior enrollees, die den Arbeitsmännern in Deutschland am ähnlichsten waren, und fìir die es verbindlichere Abgrenzungen gab als für die anderen Gruppen. Die Stärke des C C C unterlag ähnlich wie die des R A D Schwankungen, wofür neben den gewollten Veränderungen die Desertionen verantwortlich waren. In ihnen spiegelte sich die abnehmende Bedeutung des C C C als Wohlfahrtsmaßnahme wider. 1933 betrug die Zahl der unehrenhaften Entlassungen knapp 11 %, davon machten die Desertionen 7 % aus. Im April 1937 stiegen die dishonorable discharges bereits auf 19 %, und ein Jahr später lag allein die Zahl der Desertionen unter den junior enrollees bei beängstigenden 25 %. Nach einem Absinken im Folgejahr stieg sie ab 1940 wieder und machte 1941 wieder deutlich über 20 % aus.479 Insgesamt lag die Desertionsrate für die über zwei Millionen enrollees, die das Corps bis 1940 durchlaufen hatten, bei 20 %. 480 Deswegen bildet sie einen deutlichen Kontrast zur Beliebtheit des C C C bei den Meinungseliten und der Bevölkerung insgesamt. Mehr noch als die Desertionen waren es die politischen Vorgaben des Präsidenten, aufgrund derer die Größe des Corps sich änderte. Mitte 1934 wurde das C C C wegen der verheerenden Dürre im Mittleren Westen erstmals erweitert. Hintergrund war weniger eine gestiegene Arbeitslosenzahl, sondern der zusätzliche Einsatzbedarf im Kampf gegen die Zerstörung. Nun wurde die G e samtzahl um 100.000 auf350.000 Mann erhöht. 481 Dieser Einsatz verschaffte dem Corps zusätzliches Ansehen und inspirierte den Präsidenten, die Organisation noch einmal deutlich zu vergrößern. Mitte Januar 1935 stimmte Roosevelt einem vom Advisory Council vorgelegten Plan zum Ausbau des Corps auf eine Gesamtstärke von stolzen 600.000 Mann zu, und im April genehmigte auch der Kongress das Vorhaben. Das Höchstalter wurde auf 28 Jahre angehoben, und es bestand zunächst kein Grund zu der Besorgnis, dass die erforderliche Quote nicht erreicht werden könnte. Dieses 478 Die beiden weiteren Ziele des Corps, Erziehung und Arbeit, werden in Kapitel III. und IV. erörtert. 479 Vgl. E C W 1934b, S. 23,26; NARA/CP, RG35/2, Advisory Council, 20.4.1937,10.2.1939; C C C 1941, S. 66f. 480 Vgl. American Youth Comission 1940, S. 9. 481 Vgl. E C W 1934a, S. 2; E C W 1934b, S. 22; E C W 1935, S. 3; Salmond, Corps, S. 55f.

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Problem stellte sich aber, als Hopkins wenig später Fechner zwang, ausschließlichjunge Männer, die auf den publk relief rolls standen, aufzunehmen. U m die avisierte Gesamtzahl zu erfüllen, bat Fechner Roosevelt, die Zugangsbedingungen zu erleichtern - doch dieser lehnte ab. Letztlich konnten unter den strikten Bedingungen nur 506.000 Mann rekrutiert werden - dieser Höchststand war Ende August 1935 erreicht. Roosevelt Erweiterungsplan erwies sich somit unter den Zugangsbedingungen, auf denen er bestand, als nicht realisierbar.482 Das sprunghafte und unberechenbare Verhalten des amerikanischen Präsidenten sollte aber noch wildere Blüten treiben. Bereits im April des Jahres hatte er gegenüber Fechner erwogen, den Höchststand von 600.000 nur für kurze Zeit zu halten und das Corps anschließend auf 450.000 M a n n zu reduzieren. Im September des Jahres radikalisierte er den Plan, da er n u n bis Juli 1936 eine Verringerung auf300.000 Freiwillige wünschte. Hintergrund war der taktische Gedanke, im Wahljahr einen ausgeglichenen Bundeshaushalt präsentieren zu können, und offensichtlich war der Präsident dafür zu fast jedem Opfer bereit. Der Protest der amerikanischen Öffentlichkeit und der konzertierte Widerstand des Kongresses über die Parteigrenzen hinweg vereitelten jedoch Roosevelts Vorhaben. 483 Die Reduktion konnte zunächst bei ungefähr 350.000 M a n n aufgehalten werden, wobei das Corps bis Sommer 1937 langsam weiter auf ungefähr 300.000 enrollees sank.484 Im Herbst 1937 war Roosevelt noch überzeugter von der Notwendigkeit, den Haushalt trotz erneut steigender Arbeitslosenzahlen ausgleichen zu müssen. Der Direktor des C C C musste Anfang März 1938 verkünden, dass es ab Juli des Jahres nur noch 250.000 Mann umfassen sollte. Als die Wirtschaftslage sich noch in der ersten Jahreshälfte 1938 deutlich verschlechterte und im Mai die Arbeitslosenzahl die Marke von neun Millionen überschritt - im August 1937 waren es noch unter fünf Millionen gewesen - , vollzog Roosevelt erneut eine Kehrtwende. Noch bevor die im März verkündete Verkleinerung umgesetzt werden konnte, wurde wieder eine Sollgröße von 300.000 M a n n festgelegt. Bis zum Beginn des Jahres 1941 lag das Corps konstant leicht unter diesem Niveau. 485 Dank der einsetzenden Kriegskonjunktur fiel im ersten Halbjahr 1941 der Bedarf an CCC-Stellen dramatisch. Im Juli des Jahres waren deswegen nur noch ungefähr 190.000 Männer im Corps. Das zunehmende Angebot an Arbeitsstellen bewirkte, dass immer weniger enrollees für eine immer kürzere 4 8 2 Vgl. N A R A / C P , R G 35/2, Advisory Council, 11.4.1935, 18.6.1935,25.6.1935. 4 8 3 Vgl. E C W 1 9 3 5 , S. 4; E C W 1 9 3 6 , S. 22; N A R A / C P , R G 35/2, Advisory Council, 9.9.1935, 29.9.1935, 5.12.1935. 4 8 4 Vgl. E C W 1937, S. 18. 485 Vgl. für das i m Juni 1938 e n d e n d e Fiskaljahr 1938: durchschnittlich 265.000; 1939: 275.000, 1940: 269.000, 1941 (bis Juni 1941): 258.000; vgl. C C C 1938, S. 88; C C C 1939, S. 115; C C C 1940, S. 76; C C C 1941, S. 67; Salmond, Corps, S. 170f.

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Zeit im C C C verweilten. Ein absoluter Tiefpunkt war im Juni 1942 mit 60.000 M a n n erreicht. Insgesamt durchliefen somit knapp drei Millionen Männer von 1933 bis 1942 das Corps. 486 Die quantitative Entwicklung zeigt, dass die Einr i c h t u n g - zumindest unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsbeschaffung - nicht m e h r benötigt wurde, und es war aus dieser Perspektive folgerichtig, sie aufzulösen. Selbst w e n n man nicht einem keynesianischen Wirtschaftsansatz folgt, der in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit eine E r h ö h u n g der staatlichen Ausgaben für Programme wie den Arbeitsdienst fordert, war Roosevelts Kurs in den Jahren 1935 bis 1937 nur schwer nachvollziehbar. Seine verantwortungslose Schaukelpolitik nahm dem Corps jede Planungssicherheit und verringerte so seine Effektivität - angefangene Arbeiten blieben liegen, enrollees u n d Leitungspersonal mussten unter Hochdruck eingestellt und wieder entlassen werden. Wenn d e m amerikanischen Präsidenten einerseits das Hauptverdienst für die Einrichtung des Corps zufällt, sollte andererseits sein Führungsstil in späteren Jahren zu einem gravierenden Problem für das C C C werden. Dank des Widerstands des Kongresses u n d der amerikanischen Öffentlichkeit w u r d e n Roosevelts halsbrecherische Pläne aber deutlich gedämpft. Deswegen blieb die Zahl der Freiwilligen zwischen Mitte 1934 u n d Anfang 1941 relativ konstant bei ungefähr 300.000 M a n n , w e n n man einmal von dem kurzzeitig erreichten Spitzenwert von 500.000 enrollees Mitte 1935 absieht. U m die Bedeutung des Corps als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ermessen zu können, muss seine Größe mit der Zahl der Zugangsberechtigten verglichen werden. Ein einigermaßen genauer Befund ist aufgrund der Quellenlage noch weniger als im deutschen Fall möglich. Einerseits wechselten die Kriterien über die Jahre hinweg, etwa bezüglich der Altersgrenzen oder der Verbindlichkeit, aus sozialhilfeabhängigen Familien zu kommen. Deswegen w ü r d e für fastjedes Jahr ein anderer Maßstab gelten. Andererseits liegen für die soziale Situation von Jugendlichen in den 1930er Jahren keine befriedigenden Statistiken vor. Allgemein erfassten die Vereinigten Staaten in d e m Zeitraum kaum sozialstatistische Daten auf nationaler Ebene. So gab es nicht einmal eine zuverlässige Arbeitslosenstatistik. 487 Daraus erklärt sich auch, w a r u m die bisherige Forschung die Frage nach der quantitativen Relevanz des Corps konsequent u m schifft hat. Grob geschätzt durchliefen von 1933 bis 1942 von den knapp 130 Millionen Amerikanern knapp drei Millionen junge Männer das CCC. 4 8 8 Ein Bezug zwischen den enrollees und den Sozialhilfeempfängern lässt sich nicht direkt herstellen, da f ü r letztere keine nach Alter differenzierenden Statistiken vorlie-

486 Vgl. C C C 1942, S. 2; Salmond, Corps, S. 221. 487 Vgl. z.B. U.S. Department of Commerce 1933, S. 3 - 6 ; Mattick, S. 15-19. 488 Vgl. C C C 1942, S. 2; zur Gesamtbevölkerung U.S. Department o f Commerce 1939, S. 17.

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gen. 489 Wichtiger ist zudem der Vergleich zu allen arbeitslosen u n d -fähigen M ä n n e r n unter 25 Jahren, da sich so eine Aussage über die Wirkung des C C C als Arbeitsbeschaffungsprogramm f ü r die altersdefinierte Zielgruppe machen lässt, die auch der RAD ansprach. Von den 13 Millionen Arbeitslosen des Jahres 1933 waren ungefähr 2,75 Millionen männlich u n d im Alter zwischen 15 u n d 24 Jahren. 490 Das Corps fasste zu diesem Zeitpunkt 250.000 M a n n , was u n gefähr 9 % der Betroffenen entsprach. Im folgenden Jahr stand ein leichtes Absinken der Arbeitslosigkeit einer Ausweitung des Corps auf über 300.000 Plätze f ü rjunior enrollees gegenüber - damit stieg der Anteil der im C C C gebundenen Zielgruppe auf über 10 %. Dass die Sozialhilfeabhängigen im entsprechenden Alter 1935 bereits weniger als 600.000 betrugen, zeigte sich daran, dass es dem Corps nicht gelang, diese Q u o t e zu füllen - im Sommer des Jahres entsprachen nur noch ungefähr 500.000 Arbeitslose diesen engeren Kriterien, und allen bot das Corps einen Platz an. Für das Jahr 1937 liegen aufgrund des damals erhobenen Zensus die verlässlichsten Zahlen vor: Von den 5,8 Millionen männlichen Arbeitslosen waren 1,2 Millionen im Alter von 15 bis 24 Jahren - die meisten von ihnen waren somit prinzipiell z u m C C C zugangsberechtigt. 491 Da das Corps zu d e m Zeitpunkt ungefähr 300.000 M a n n fasste, bot es immerhin einem Viertel der Zielgruppe ein U n t e r k o m m e n . Alle nationalen Beschäftigungsprogramme zusammen das heißt neben dem C C C vor allem die WPA und die NYA - banden zu dem Zeitpunkt 1,6 Millionen M ä n n e r jeden Alters. Der relevanten Alterskohorte zwischen 15 u n d 24 boten sie insgesamt r u n d 410.000 Plätze. Da allein auf das Corps fast drei Viertel davon entfielen, stellte das C C C zu dem Zeitpunkt die bedeutendste Beschäftigungsmaßnahme f ü r Arbeitslose unter 25 Jahren dar.492 Die Rezession v o m Herbst 1937 bis Mitte 1938 ließ die Arbeitslosenzahlen kurzzeitig dramatisch steigen, so dass der Versorgungsgrad wieder auf einen Wert unter 20 % fiel. Allerdings wurde bereits drei Jahre später das Corps als Reaktion auf die sinkenden Arbeitslosenzahlen deutlich verkleinert - zu diesem Zeitpunkt absorbierten das C C C u n d weitere M a ß n a h m e n des N e w Deal praktisch alle j u n g e n Arbeitslosen. Dabei war das Corps in absoluten Zahlen unter den Initiativen der BundesAdministration kein besonders großes Hilfsprogramm - wie der deutsche Dienst soll es hier mit ähnlichen Bundesinitiativen verglichen werden, während regionale und lokale Initiativen aus methodischen G r ü n d e n außen vor bleiben müssen. Wenn es über die Jahre gemittelt ungefähr 300.000 Männer 489 Vgl. Chandler, S. 195. 490 Geschätzt aus Great Depression, S. 257, 250; Rawick, S. 18-29. 491 Es handelte sich nur u m die arbeitsfähigen und -willigen Arbeitslosen; eine Ungenauigkeit ergibt sich dadurch, dass in der Statistik die Jahrgänge nicht einzeln gefuhrt wurden. Deswegen fließen auch Arbeitslose ab 15 in den Datenstamm ein, die nicht zugangsberechtigt waren. 492 Errechnet nach Biggers, S. xiv-vi.

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band, ruhten die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des N e w Deal daneben auf drei weiteren Säulen: erstens auf der 1936 gegründeten NYA, deren Größe starken Schwankungen unterlag, gemittelt aber immerhin 500.000 Personen erreichte, zweitens der Civil Works Administration und deren Nachfolger WPA, die durchschnittlich über 2 Millionen Menschen beschäftigten, und drittens schließlich auf allen anderen v o m Bund finanzierten Programmen, die für weitere 300.000 Personen Arbeit schufen. Die Zugangsbedingungen der einzelnen Einrichtungen unterschieden sich, so dass sie sich nur teilweise an dieselbe Zielgruppe wandten. Festhalten lässt sich jedoch, dass das C C C unter den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des N e w Deal einen wichtigen, aber keinen zentralen Stellenwert einnahm - dieser fiel ganz der WPA zu. 493 Wenngleich das Datenmaterial keinen genauen Befund zulässt, so war das Corps trotzdem zwischen 1933 u n d 1941 eine relevante Größe im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, u n d es beschäftigte zeitweise knapp 10 %, phasenweise aber über 20 % der Zielgruppe. Das C C C war zudem im Rahmen der Hilfsmaßnahmen für diese Altersgruppe die Hauptinitiative, da es in dem einzigen Jahr, fur das sich genaue Angaben machen lassen, drei Viertel der in nationalen Arbeitsprogrammen Unterstützten der Zielgruppe auf sich vereinigte. In Hinblick auf seine Funktion der Entschärfung gesellschaftlichen Krisenpotentials war die Größe des Corps ausreichend. Eine politische Bedrohung ging in erster Linie von den Veteranen aus, die Ende 1932 aufWashington marschiert waren. Das C C C wandte sich direkt an diese protestierende Gruppe, und j e d e m Angehörigen der sogenannten »bonus Army« w u r d e im Frühjahr 1933 ein Platz im Corps angeboten. D e n n selbstverständlich richtete sich das Corps nicht an alle Veteranen gleichermaßen; viele waren längst in die Gesellschaft u n d die Arbeitswelt integriert, weswegen das C C C nur der über ihre Proteste erfassbaren Zahl an Problemfällen Hilfe bieten sollte. So ist es mehr als eine Koinzidenz, dass es 25.000 Plätze im Corps für Veteranen gab, während im Sommer 1932 laut Polizeiangaben ungefähr 22.000 ehemalige Kriegsteilnehmer in Washington f ü r U n r u h e gesorgt hatten. Angebote an diese Gruppe ergingen erneut im Mai und September 1934, als es wieder zu kleineren Z u s a m menrottungen in der Bundeshauptstadt gekommen war.494 So gelang es, über das Corps das kritische Potential abzuschöpfen. Diejunior enrollees waren nicht politisch gefährlich, zumal sie sich kaum organisierten. Eine mögliche gesellschaftliche Destabilisierung drohte von ihrer Seite vielmehr im Sinne von Verwahrlosung u n d Kriminalität. Wenn man der These folgt, dass Kriminalität bei jungen, armen M ä n n e r n vermehrt auftritt oder zumindest gehäuft strafrechtlich verfolgt wird - , wählte das Corps wie der deutsche Dienst die richtigen Zugangsbedingungen, da es vor allem junior 493 Vgl. Chandler, S. 195-208. 494 Vgl. Folsom, S. 310-322; Salmond, Corps, S. 36.

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enrollees aufnahm. Indem sie der disziplinierenden Kontrolle eines Lagerlebens an abgeschiedenen Standorten unterworfen wurden, wurde die Möglichkeit f ü r kriminelle Aktivitäten beschränkt. Entsprechend kann J o h n Pandiani zeigen, dass die seit der Mitte der 1920er Jahre steigende Jugendkriminalitätsrate 1933 eine Trendwende erfuhr; und als G r u n d dafür nennt er hauptsächlich das CCC. 4 9 5 Selbstverständlich lässt sich der Anteil des Corps an der Reduktion nicht genau ermessen, aber eine dahin gehende Wirkung unterstellten schon die Zeitgenossen. 496 Deswegen w u r d e eine Ausweitung der Einrichtung immer wieder mit ihrem präventiven Charakter begründet. N e b e n der politischen Deradikalisierung leistete das C C C somit durch die Verringerung der J u g e n d kriminalität einen Beitrag zur Stabilisierung der amerikanischen Gesellschaft. Gemessen an seinen Zugangsbedingungen war der Kreis an Aufgaben, die das Corps erfüllen sollte, deutlich kleiner als im deutschen Arbeitsdienst. Beiden Aufträgen, die das C C C hatte, wurde es gerecht, wobei sein H a u p t beitrag in der Stabilisierung der Gesellschaft lag u n d n u r sekundär in einer wirksamen Unterstützung j u n g e r Arbeitsloser durch ein Beschäftigungsprogramm.

5. Vergleichende Zwischenbilanz

Der Aufbau der beiden Arbeitsdienste glich sich auf den ersten Blick nach 1933 in erstaunlichem Maße. Die Hauptursache lag darin, dass ihre Organisationsstrukturen sich jeweils am Modell des Militärs orientierten. So entstand eine ähnliche Gliederung mit einer Grundeinheit, zwei Zwischeninstanzen sowie einer Leitungsebene. Das System entsprach der Gliederung des Heeres mit Kompanie, Regiment u n d Division. Dass die beiden Dienste zudem einen Nukleus von beinahe identischer Größe besaßen - 180 M a n n zuzüglich F ü h rern in Deutschland standen 200 enrollees in den U S A gegenüber - , zeigt zudem, wie ähnlich das Militär in beiden Ländern strukturiert war. Allerdings treffen die Parallelen n u r auf einen Teil der Organisationsstruktur zu. In Deutschland war der Dienst ganz nach d e m militärischen Muster organisiert. In den U S A stellte das militärische Paradigma dagegen lediglich das wichtigste dar, da die Lager u n d allgemein der Verantwortungsbereich der U.S. Army nach diesem strukturiert waren. Andere Teile des Corps, etwa die v o m Arbeitsministerium vorgenommene Rekrutierung, folgten ganz anderen M o dellen. D e n n o c h war in beiden Institutionen die militärische Struktur die tragende. Das erklärt sich in Deutschland z u m einen aus den paramilitärischen 495 Vgl. Pandiani, S. 348-358. 496 Vgl. N Y T 2.10.1936; ferner z.B. Des Moines Register 26.3.1936; Evening Star 4.9.1938.

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Konzepten, die seit Weimarer Tagen mit dem Dienst verknüpft worden waren. Ein ebenso wichtiger Faktor war z u m anderen die habituelle Prägung zumindest der obersten Führer des NS-Arbeitsdienstes, die aufgrund ihres Erfahrungsschatzes primär in militärischen Kategorien dachten. Außerdem war diese Entwicklung des Arbeitsdienstes in einen größeren Prozess der Militarisierung der Arbeitsbeziehungen eingebettet. In den Vereinigten Staaten dagegen erklärt sich der Rückgriff auf dieses Modell aus der Mobilisierung des Corps durch die Armee. Nicht n u r deswegen gab es bei der organisatorischen Struktur der beiden Dienste viele Ähnlichkeiten: Jeweils stand auch der Gedanke Pate, durch ein militärisches Ordnungsparadigma einen hohen, kontrollierenden Zugriff auf die j u n g e n M ä n n e r zu haben. Hintergrund waren die Ängste vor einer Destabilisierung in einer sich konsolidierenden Diktatur auf der einen Seite und einer krisengeschüttelten Demokratie auf der anderen Seite - systemunabhängig griff man zu demselben Rezept. So entstand in Deutschland eine hierarchische, zentralistische Organisationsstruktur, die den untergebenen Instanzen kaum Eigenverantwortung u n d Spielraum überließ. Sie war beliebig erweiterbar und wurde im Zuge der Expansion des Reiches entsprechend vergrößert. Die Einrichtung arbeitete, auch in direktem Vergleich z u m C C C , personalintensiv. Sie war deswegen ebenso teuer wie ineffizient, u n d dafür w u r d e sie i m m e r wieder angegriffen. Das Corps setzte dagegen auf eine dezentrale, mehrsäulige Organisation, wobei höhere Zwischeninstanzen, wie die corps area commanders, über vergleichsweise umfassende Kompetenzen verfügten. Die schlanke Verwaltung arbeitete relativ reibungslos und effizient. Der Aufbau des Corps brachte es jedoch mit sich, dass Direktiven der F ü h r u n g häufig nur unzureichend oder gar nicht ausgeführt wurden. Einige der Defizite des C C C erklären sich nicht zuletzt aus dieser Verwaltungsstruktur. Trotzdem waren die Abläufe im C C C wesentlich störungsärmer als im RAD. Nicht n u r die innere Funktionsfáhigkeit, sondern auch die Stellung des Arbeitsdienstes im jeweiligen nationalen Institutionengefüge waren verschieden. Der deutsche Dienst, der sich aufgrund vieler Anfangsschwierigkeiten erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1934 konsolidierte, blieb in der zweiten Reihe der Institutionen des NS-Herrschaftsgefüges. Gegen Hierls weiterreichende Ziele überwogen letztlich die Widerstände. Trotzdem versank die Einrichtung nicht in ein »Schattendasein«. Sie war 1933 das größte Arbeitsbeschaffungsprogramm des Reiches, u n d aus diesem G r u n d zunächst zwischen den Nationalsozialisten und ihren konservativen Bündnispartnern heiß umkämpft. Auch nach 1933 durchliefen Hunderttausende junger Männer die Einrichtung. Die Einschränkungen, die hauptsächlich aus ökonomischen Prioritäten gegenüber Hierls Maximalforderungen gemacht w u r d e n , zeigten sich besonders 1935. N u n wurde die allgemeine, gleiche Arbeitsdienstpflicht für Männer zwar verkündet, aber nicht umgesetzt. Vielmehr w u r d e das System der beschränkten Freiwillig189

keit, das seit 1933 über die Dienstverpflichtung immer größerer Teilgruppen verwirklicht worden war, durch die beschränkte Pflicht abgelöst, da fortan viele junge Männer aus wirtschafts- und wehrpolitischen Gründen vom Arbeitsdienst befreit wurden. Das Jahr 1935, das in der bisherigen Forschung als Wendepunkt in der Geschichte der Einrichtung gehandelt wurde, verliert damit seine herausragende Stellung - dafür tritt der scharfe Bruch, den die Gleichschaltungsphase 1933/34 bedeutete, umso deutlicher hervor. Noch stärker geriet der RAD ab Mitte 1937 im Zuge der verschärften Kriegsvorbereitung unter Druck. Im Zweiten Weltkrieg war er organisatorisch schließlich auf ein »Schattendasein« reduziert. Ab 1942 war er lediglich noch als Eindeutschungsinstitution für West- und Osteuropäer unter rassenpolitischen Vorzeichen bedeutsam. Es wird in den folgenden Kapiteln zur Erziehung und der Arbeit des Dienstes noch weiter zu belegen sein, dass - anders als die bisherige Forschung meinte - nicht 1935 und 1939 die Zäsuren in der Geschichte der Einrichtung sind. Aber nicht nur in institutioneller Hinsicht war der RAD insgesamt ein Sorgenkind. Es gelang ihm mit dem Programm der allgemeinen Arbeitsdienstpflicht auch nicht, eine breite Zustimmung in der Bevölkerung zu gewinnen. Lediglich gegenüber dem Ausland entwickelte er sich in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zu einem Werbeträger für das Regime. Dagegen war das C C C die beliebteste Behörde des New Deal - und damit, anders als man in der NSPresse lesen konnte, deutlich angesehener als der RAD in Deutschland. 497 Trotz wesentlich ungünstigerer Startbedingungen funktionierte das Corps von Anfang an ohne größere Komplikationen. Seine Stellung im Institutionengefüge des New Deal wurde bis zum Ende der 1930er Jahre nicht in Frage gestellt, was sich nicht nur aus der persönlichen Protektion durch Präsident Roosevelt erklärt, sondern auch aus der guten Zusammenarbeit mit anderen Institutionen. Eine monokausale Antwort für den unterschiedlichen Verlauf der Organisationsgeschichten der Dienste in Hinblick auf innere Funktionsfähigkeit und Stellung im jeweiligen politischen System würde zwar zu kurz greifen. Ein Hauptgrund lässt sich aber isolieren - er liegt im unterschiedlichen Umgang mit den vorhandenen institutionellen Ressourcen beim Aufbau der Einrichtungen. In Deutschland waren diese aufgrund der Vorläuferorganisation FAD im staatlichen wie im nichtstaatlichen Bereich vorhanden, aber die Nationalsozialisten zogen es vor, sie kaum zu nutzen. Sie bauten mit enormem Aufwand eine neue Einrichtung auf, die in Hinblick aufVerwaltungsstrukturen und Personal in geringer Kontinuität zum Arbeitsdienst vor 1933 stand. Dagegen gab es in den USA nur wenige Ressourcen, auf die das C C C zurückgreifen konnte. Diese wurden aber optimal eingesetzt. So waren die institutionellen Ressourcen der Hauptfaktor, der über Gelingen oder Scheitern der Dienste entschied. 497 Vgl. z.B. Hamburger Fremdenblatt 3.12.1937.

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Nicht die Größe des Krisenlösungspotentials, sondern dessen Nutzungsgrad war ausschlaggebend. Daneben war der unterschiedliche Konjunkturverlauf ein Grund dafür, dass dem Corps lange Zeit die Existenzkrisen des deutschen Dienstes erspart blieben. Denn das Anhalten der Depression in Amerika war dem Corps zuträglich. Auch das C C C geriet unter enormen Legitimationsdruck, als Anfang der 1940er Jahre in den U S A die Massenarbeitslosigkeit aufgrund der Kriegskonjunktur dramatisch sank und die Einrichtung ihre ursprüngliche Aufgabe als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme verlor. So kam es in den Vereinigten Staaten zu einer Diskussion, die aufgrund des anderen Konjunkturverlaufs in Deutschland in ähnlicher Form bereits 1934/35 stattgefunden hatte und den R A D seither verfolgen sollte. Ahnliche Herausforderungen zogen aber unterschiedliche Reaktionen nach sich: Während das NS-Regime den Dienst unter das Primat der Erziehung stellte und ihm damit eine neue Daseinsberechtigung gab, spielte diese Dimension im C C C stets eine untergeordnete Rolle - keine der Forderungen, die auch in den U S A in diese Richtung gingen, konnte sich durchsetzen. Deswegen war es nur konsequent, dass der amerikanische Dienst 1942 aufgelöst wurde, als er seine Aufgabe als Wohlfahrtseinrichtung nicht mehr erfüllte. Zudem gab es im amerikanischen Dienst keinen Hierl, der mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln um den Erhalt des Systems Arbeitsdienst um seiner selbst willen kämpfte. Eine weitere Erklärung für die Dysfunktionalität des RAD im Vergleich zum C C C liegt in der Breite seiner Ambitionen. Hierls stets weit ausgreifende Ziele, die ihn über die Jahre in zahlreiche Konflikte mit anderen Institutionen im nationalsozialistischen Amterdschungel stürzten, waren ebenso krisenträchtig wie die strukturelle Uberforderung, die die Einrichtung kennzeichnete. Denn wie die Zugangskriterien des deutschen Dienstes zeigen, sollte er eine Vielzahl von teilweise konfligierenden Aufgaben erfüllen: Gleichzeitig sollte er Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, Mittel der Arbeitsmarktsteuerung, der politischen Auswahl, der Disziplinierung sowie der Versorgung von Anhängern sein. Die mit ihm verknüpfte paramilitärische Aufgabe machte ihn zudem besonders in der Anfangszeit des Regimes zu einem umkämpften Objekt, das Rivalitäten zwischen Nationalsozialisten und Stahlhelm und später zwischen Hierl und Röhm auslöste. Hintergrund war das fehlende Waffenmonopol der regulären Streitkräfte, gepaart mit der politischen Absicht, Deutschland möglichst schnell und mit allen dafür zur Verfügung stehenden Mitteln aufzurüsten: Rahmenbedingungen, die schon am Ende der Weimarer Republik den Arbeitsdienst - wenngleich in gemäßigter Form - geprägt hatten. Dagegen blieb der Anspruch des Corps immer bescheidener, womit es sich viele Probleme und Niederlagen ersparte. Es war nicht zuletzt Fechner selbst, der allen Ansätzen widersprach, aus dem C C C mehr als ein Mittel der wertschaffenden Krisenfürsorge zu machen. Der Unterschied erklärt sich so 191

teilweise aus dem Führungsstil, mit dem die Dienste geleitet wurden. Zwar waren weder Hierl noch Fechner typische Vertreter der Funktionseliten, die das nationalsozialistische Deutschland und der N e w Deal hervorbrachten. Ein konsensorientierter, solider, aber kleingeistiger Gewerkschaftler aus den Südstaaten hatte genauso wenig mit der Brillanz der für den N e w Deal typischen Harvardabsolventen aus Neuengland zu tun wie ein aufbrausender alter Generalstabsoffizier mit der kühlen, radikalen Intelligenz der akademischen Elite, wie sie zum Beispiel Werner Best verkörperte. Es entsprach Hierls Stil, auf undiplomatische Art immer weitere Forderungen zu stellen, selbst wenn sie noch so unrealistisch waren. Er wurde dabei zwar zumeist von Hitler gedeckt, konnte sich aber nicht aus der zweiten Reihe des Regimes lösen. Eine ähnliche Stellung nahm Fechner mit dem C C C ein. Er nutzte sie jedoch, um mit der enormen Protektion Roosevelts den Dienst erfolgreich zu einem eng umrissenen, aber erreichbaren Ziel zu führen. Weitere Gründe, die die Dysfunktionalität des deutschen Arbeitsdienstes nach innen und die schwache Stellung nach außen ebenso erklären wie die innere Reibungslosigkeit und äußere Unangefochtenheit des C C C , werden sich aus der Analyse der Erziehung und der praktischen Arbeit der Organisationen ergeben. Geprägt wurden beide Institutionen auch durch die Wahrnehmung des Arbeitsdienstes im jeweils anderen Land. In auffallend hohem Maße war das in den USA der Fall. Das abschreckende Beispiel RAD, das wie ein Menetekel die gesamte Geschichte des C C C überschattete, verhinderte lange Zeit jede sachliche öffentliche Diskussion über gewisse Fragen: Eine soziale Öffnung der Einrichtung, eine Militarisierung, die Möglichkeit der Arbeitsdienstpflicht oder auch nur ein Bedeutungsgewinn der Erziehung standen stets unter Faschismusverdacht. So wurde der RAD zu einem wesentlichen Gestaltungsfaktor für das C C C . Wenn in den USA zudem in den 1930er Jahren gelegentlich die These vertreten wurde, dass das Corps vom FAD Weimarer Tage inspiriert worden sei,498 so lassen sich kaum Parallelen zwischen der hochflexiblen, weitgehend nichtstaatlichen Organisation in Deutschland und dem arbeitsteiligen, aber weitgehend staatlichen Aufbau in den Vereinigten Staaten feststellen. Die Mobilisierungsphase des Corps war vielmehr hauptsächlich durch amerikanische Erfahrungen und die spezifischen Bedürfnisse des Frühjahrs 1933 gekennzeichnet. Bedeutsam für die Organisation des Corps war vielmehr die Abgrenzung von allem, was mit dem Deutschland nach 1933 zu tun hatte. Inwieweit dieser Befund auch für die Felder der Erziehung und der Arbeit zutrifft, wird noch zu prüfen sein.

498 Vgl. z.B. Hill, School, S. 82. Es handelte sich stets nur u m einen allgemein gehaltenen, unbelegten Hinweis.

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In Deutschland hatte die Perzeption des amerikanischen Dienstes eine andere Funktion. In den öffentlichen Bekundungen des Regimes diente ein genau kontrolliertes und modelliertes Amerika- und C C C - B i l d immer dazu, die eigene Politik zu rechtfertigen, sei es durch den Verweis auf unterstellte und tatsächliche Ähnlichkeiten, auf den Vorbildcharakter des deutschen Dienstes für Amerika oder schließlich auf die Überlegenheit der eigenen Institution. War der RAD in den U S A insofern ein Tabuthema, wurde das C C C in Deutschland vereinnahmt und stellte eine Legitimationsinstanz dar. Bezüglich ihrer Zugangskriterien verband die beiden Dienste, dass sie jeweils große Inklusionsmechanismen waren. 499 Sie boten genau definierten Gruppen von Arbeitslosen die Möglichkeit, über Arbeit an der Gesellschaft teilzuhaben; zugleich war die große Mehrheit der Bevölkerung grundsätzlich nicht zugangsberechtigt. In dieser Hinsicht glichen sich die Zugangskriterien in beiden Ländern zunächst, da auch der deutsche Arbeitsdienst vor allem j u n g e männliche Arbeitslose aufnahm, wenngleich das Kriterium der Bedürftigkeit bereits 1932 gefallen war. Nachrangig war demgegenüber die unterschiedliche Form, in der die beiden Dienste den Betroffenen halfen. Während man in Deutschland eine möglichst große Zahl j u n g e r Männer jeweils für eine kurze Zeit unterstützte, setzte das C C C mit d e m reenrollment m e h r auf eine mittelfristige Hilfe für einen entsprechend kleineren Kreis. Dass sich beide Arbeitsdienste primär an junge Männer wandten, hat zudem mehrere Gründe. Kulturelle Faktoren, wie die Bedeutung des Verständnisses von Jugendlichkeit und Männlichkeit werden noch zu erörtern sein. Daneben wurde dies- und jenseits des Atlantiks das Ziel verfolgt, mit den j u n g e n M ä n nern die gesellschaftliche Gruppe zu binden, von der angeblich eine besonders große Gefahr gesellschaftlicher Destabilisierung ausging. Hintergrund war mit der ähnlichen Krisenperzeption ein zeitbedingter Faktor, der tatsächliche U n terschiede in sozialer Lage und realen Gefahren zwischen Boston und Berlin, zwischen Wyoming und Württemberg zugunsten ähnlicher Ängste überdeckte. Beide Dienste setzten deswegen auf ein autoritär geführtes Lagersystem, das Kontrollmöglichkeiten schuf Hätte sich in den U S A 1933/34 statt erster Anzeichen einer Besserung der Lage eine politische Radikalisierung und allgemein eine Destabilisierung der Gesellschaft abgezeichnet, hätte das C C C höchstwahrscheinlich sein disziplinierendes Potential noch stärker entfaltet zumindest traten in der amerikanischen Machtelite einflussreiche Kreise dafür ein. Gemeinsam war beiden Organisationen auch, dass sie nicht das Selbstvertrauen hatten, deviante Gruppen über den Dienst resozialisieren zu wollen, sondern gegenüber »Kriminellen« oder »Asozialen« eine Politik maximaler Abgrenzung verfolgten. N u r den Krisenopfern, die nicht mit d e m Gesetz in Konflikt geraten waren, stand diese Form der Hilfe offen. 499 Z u dieser Frage in einem Vergleich NS-Deutschland : N e w Deal jetzt auch Stoff.

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Die Gemeinsamkeiten dürfen die wesentlichen Unterschiede freilich nicht verdecken. Trotz der Diskriminierung der African Americans waren die Zugangskriterien in den USA nicht grundsätzlich völkisch-rassistisch definiert. Ethnische Kriterien spielten zwar eine Rolle. Sie gehörten aber weder zur offiziellen Position der Einrichtung, noch wurden sie offen ausgesprochen oder mit aller Radikalität umgesetzt. Zugleich war in Deutschland der primär antisemitisch aufgeladene Rassismus in eine Gesellschaftspolitik eingebettet, die in Krieg und Vernichtung mündete. Der Rassismus in den USA, der sich ebenfalls primär gegen eine Gruppe, in diesem Fall die African Americans, wandte, war dagegen hauptsächlich diskriminatorisch. Daneben hatte der deutsche Dienst die bereits erwähnte Reihe zusätzlicher Aufgaben, mit denen sich das Corps nicht belastete. Schließlich nahmen die beiden Einrichtungen auch verschiedene Positionen in ihren Gesellschaften ein. In dieser Hinsicht bildete der nationalsozialistische Dienst die Politik des Regimes allgemein ab, während das C C C im Rahmen des New Deal zu den konservativeren, weniger emanzipatorischen Einrichtungen gehörte, neben denen es auch eine positivere Gegenbewegung gab, die sich nicht zuletzt auf Eleanor Roosevelt stützte. Zu Konflikten kam es in beiden Diensten über die Frage der Größe und damit letztlich der Finanzierung. Diese Probleme erklären sich aber nicht nur aus spezifischen Gründen, sondern auch aus einem zeitgebundenen Legitimationsdefizit. Denn die 1930er Jahre waren durch eine prekäre Zwischenlage gekennzeichnet. Zum einen rangen sich angesichts der Krise viele Volkswirte, Nationalökonomen und Politiker zu der Sicht durch, dass der Staat mit einer antizyklischen Konjunkturpolitik eingreifen müsse, vielleicht sogar für eine Globalsteuerung der Wirtschaft verantwortlich sei, und dass kreditfinanzierte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aufgrund ihrer direkten und indirekten Beschäftigungseffekte sinnvolle Mittel im Kampf gegen die desolate Lage seien. Die dafür notwendigen, zusätzlichen Haushaltsmittel im Rahmen eines deficit spending waren aber mit dem Prinzip eines ausgeglichenen Haushalts unvereinbar, und für solche Ausgaben gab es zu der Zeit keine allgemein anerkannte wirtschaftstheoretische Legitimation - das sollte sich erst mit der Rezeption von John Maynard Keynes' Allgemeiner Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes und anderer Schriften in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre langsam ändern. Dagegen hatte das wirtschaftsliberale Modell einer restriktiven Fiskalpolitik weltweit weiterhin viele Anhänger.500 Vor diesem Hintergrund werden die Ähnlichkeiten zwischen Roosevelts fiskalpolitisch motivierter Schaukelpolitik und Krosigks Einwänden gegen Hierls Forderungen deutlich. So drücken sich zeitbedingte Unsicherheiten aus, die sich auch in anderen Feldern der 500 Vgl. Keynes; allgemein dazu Barkai, S. 68-162.

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Wirtschaftspolitik und in anderen Ländern finden lassen. Der Befund von Ludolf Herbst, dass sich die Hinwendung zum deficit spending in Deutschland »tastend, unsicher und in vielen Fällen inkonsequent« vollzogen habe, trifft insofern auch für die USA zu. Beide Länder setzten nach 1933 zwar auf eine expansive Kreditschöpfungspolitik, ließen sich aber nicht vollständig auf diese unorthodoxe Strategie ein.501 Die beiden Arbeitsdienste wurden kaum von solchen zusätzlichen Mitteln getragen, sondern dies- wie jenseits des Atlantiks von einem steuerfinanzierten Haushalt. Folgt man einem keynesianischen Modell, wonach das deficit spending in ökonomischen Krisenzeiten das Patentrezept darstellt, so schlugen beide Einrichtungen diesen Weg aus. Allgemein darf für die USA die Bedeutung der Arbeitsbeschaffung nicht überschätzt werden, wenngleich das C C C , gemessen am - seinerseits kleinen - Budget der Bundesadministration zeitweise einen nicht unwichtigen Posten einnahm. Deutlich kleiner in Bezug auf die Staatsausgaben und gering in Relation zum Volkseinkommen waren die Ausgaben für den deutschen Arbeitsdienst, auch wenn das NS-Regime kurzfristig bei der Überwindung der ökonomischen Krise wesentlich erfolgreicher war als die USA.502

Tab. 3: Volkseinkommen, Staatsausgaben und Haushalte der Arbeitsdienste 503 Jahr

1933 1934 1935 1936

Deutschland (in Md. RM) 0//o Volks- Staats- Ar% eink. ausg. beits- AD/VE A D / S A dienst

42,6 49,0 55,3 62,1

8,4 ca. 0,18 10,7 0,20 13,9 0,20 17,4 0,25

0,4 0,4 0,4 0,4

2,1 1,9 1,4 1,4

U S A (in Md. Dollar) Volks- Staats- Ar% % eink. ausg. beits- A D / V E A D / S / dienst

40,2 49,0 57,1 64,9

4,6 6,7 6,5 8,5

0,30 0,56 0,49 0,40

0,7 1,1 0,9 0,6

6,5 8,3 7,5 4,7

Auch ohne eine keynesianische Interpretation steht fest, dass fiskalpolitische Restriktionen beide Dienste beschränkten. Gemessen an den absoluten Arbeitslosenzahlen vermochten beide lange Zeit, nur unter 10 % der vom Wirtschaftsprozess Ausgeschlossenen zu binden. Bezieht man sie auf die aussagekräftigere Vergleichsgröße, die Zahl der prinzipiell zugangsberechtigten jungen Männer, so lag der Anteil für die USA 1933 bei rund 9 % und 1937 bei 25 %, in Deutschland im März 1933 bei 10 % und drei Monate später bereits bei 501 Herbst, Wirtschaftspolitik, S. 155. 502 Vgl. insgesamt Silverman, Economy, S. 231-246; Herbst, Wirtschaftspolitik, S. 155f. 503 Vgl. zum deutschen Arbeitsdienst für Männer BA/B, R 2 Anh./23; zum CCC ECW1934b, S. 11; ECW 1935, S. 7; ECW 1936, S. 3; ECW 1937, S. 6.

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30 %. In Hinblick auf ihre Zielgruppen boten beide Institutionen somit einer relevanten, nicht aber einer durchschlagenden Zahl Hilfe. Das sollte sich in Deutschland im Verlauf des Jahres 1934 und in den USA 1941 dramatisch ändern. In beiden Fällen war jedoch nicht eine Aufstockung der Organisation dafür verantwortlich, sondern ein Rückgang der Arbeitslosigkeit aus Gründen, die nicht direkt mit dem Dienst zu tun hatten. Insofern war keiner der beiden Dienste über seine Größe oder seine Finanzierungsform das ausschlaggebende Mittel im Kampf gegen die Krise. Gemessen an einem anderen Maßstab erscheinen beide Einrichtungen dagegen in einem positiveren Licht. Wenn man sie mit allen anderen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf nationaler Ebene vergleicht, so band der deutsche Dienst zwischen 1933 und 1934 durchschnittlich 42 % aller so Beschäftigten; das CCC, welches die erste sozialpolitische Maßnahme des N e w Deal war, immerhin 10 %.504 Im Kontext sämtlicher nationaler Maßnahmen im Kampf gegen die Große Depression nahmen somit der deutsche wie der amerikanische Arbeitsdienst einen bedeutenden Platz ein. Dass sie in absoluten Zahlen dennoch eher klein waren, verweist noch einmal auf die geringe Sozialstaatlichkeit auf nationaler Ebene, auf die beide Länder 1933 zurückgreifen konnten, wobei Deutschland auf diesem Weg bereits weiter vorangeschritten war als die USA. Das zeigt sich nicht nur an der Größe des deutschen Dienstes, sondern zum Beispiel auch an der staatlichen Arbeitslosenversicherungspflicht, die immerhin 1927 reichsweit eingeführt worden war. In den Vereinigten Staaten gab es erst 1935 Ansätze zu einer solchen, und die Maßnahmen der Einzelstaaten, die ihre Entstehung ebenfalls maßgeblich dem N e w Deal verdanken, boten den Betroffenen auch keine große Hilfe. Dass beide Einrichtungen bald auf einen nachgeordneten Platz im Kanon der direkten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verwiesen wurden, hat ähnliche Gründe. Erstens schränkten die engen Zugangskriterien und vor allem die Bindung an Alter und Geschlecht die Reichweite der Dienste ein, da die meisten Arbeitslosen grundsätzlich nicht zugangsberechtigt waren. Zweitens war diese Form der Unterstützung in beiden Ländern relativ teuer, was sich primär aus der zusätzlichen, erzieherischen Dimension der Einrichtungen erklärt. Spezifische Ursachen kamen dazu: Dass Hierl den Dienst 1933 ganz unter das Primat der Erziehung stellte, machte diesen als Mittel der wertschaffenden Krisenfürsorge wenig geeignet. Hinzu kamen Rivalitäten mit anderen N S Organisationen und strukturelle Probleme. In den USA wurzelte das C C C in Überlegungen zum Naturschutz und weniger in der Jugendhilfe oder der

504 Vgl. die Nachweise in Kapitel II.3. und II.4. Diese Befunde mögen erstaunen, da die absolute Größe der Dienste sehr ähnlich war, die Einwohnerzahl sich in den USA und in Deutschland (und damit auch die Zahl der jungen Männer) deutlich unterschied. Sie erklären sich daraus, dass die Arbeitslosenzahl in Amerika niedriger lag als im Reich.

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Arbeitsbeschaffung. Diese Funktionen bildete das C C C erst in seiner Entstehungsphase 1933 aus. Daraus erklärt sich, warum in beiden Ländern bis zur Überwindung des Problems die Arbeitsdienste nur nachrangige Organisationen im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit darstellten. Welche Rolle spielten nun die beiden Dienste insgesamt im Versuch, die Krise zu überwinden? Über ihre Größe band jeder genug junge arbeitslose Männer, um der Massenarbeitslosigkeit mit ihren sozialen und politischen Folgeproblemen die Spitze zu nehmen, ohne deswegen das Problem grundsätzlich beseitigen zu können. Ihr Beitrag ist gleichermaßen im Bereich des Symbolischen zu sehen: Sie verdeutlichten, dass die jeweilige politische Führung das Problem erkannt hatte und sich sichtlich bemühte, es zu lösen. Als jeweils aus Gründen, die mit den Einrichtungen selbst nicht direkt zu tun hatten - in beiden Ländern die Arbeitslosigkeit überwunden war, lösten die Vereinigten Staaten den überflüssig gewordenen Dienst aus, während Deutschland die erzieherischen Aufgaben ganz in den Mittelpunkt stellte, die der Arbeitsdienst bereits zuvor in gewissem Umfang wahrgenommen hatte. Von ihnen wird im Folgenden die Rede sein.

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III. »Citizens«, »Volksgenossen« und Soldaten: Erziehung in den Arbeitsdiensten

Einen erzieherischen Auftrag hatten beide Arbeitsdienste. Der erste Leiter des Erziehungsprogramms im CCC, Clarence S. Marsh, charakterisierte das Corps zum Beispiel als »folk school movement«, die sich aus den Bedürfnissen und Interessen der Freiwilligen selbst entwickle. 1 Im deutschen Fall bildete die pädagogische Dimension sogar den Hauptauftrag der Einrichtung. Zunächst soll hier der Arbeitsdienst der NS-Diktatur analysiert werden, um nach einer kurzen Erörterung des C C C schließlich eine vergleichende Synthese folgen zu lassen. Nach dem bekanntesten Pädagogen des nationalsozialistischen Deutschlands, Ernst Krieck, lässt sich unter Erziehung dreierlei verstehen: erstens die Schulung in technischem Können und Sachwissen sowie die fachliche Ausbildung für die Berufsarbeit, das heißt insgesamt die Berufserziehung. Zweitens war für Krieck Erziehung die Einwirkung auf die seelische Haltung, den Charakter und den Willen eines Menschen. Drittens schließlich fasste Krieck darunter die »Weltanschauung«, womit er auch die Bildung im engeren Sinne, das heißt Schulbildung und gelehrtes Wissen, meinte. 2 Die NS-Elite verfolgte die totalitäre Absicht, alle drei Bereiche inhaltlich neu zu füllen und so die Vorstellungswelt, den Lebensstil und den Charakter der Deutschen im nationalsozialistischen Sinne zu durchdringen. 3 Zugleich war das Regime jedoch nicht bereit, die Gesellschaft und ihre Institutionen umfassend zu revolutionieren. Die klassischen Erziehungsinstanzen Familie, Schule und Kirche existierten fort, und lediglich die Schule war in höherem Maße dem Einfluss der NSDAP ausgesetzt. Die neue Machtelite entschied sich dafür, vor allem auf die Jugend einzuwirken; sie sollte die Vorhut zur »Volksgemeinschaft« sein. Das war den pragmatischen Einsichten geschuldet, dass die Jugend die Zukunft verkörpere und den formbarsten Teil der Bevölkerung darstellte. Da die klassischen Erziehungsinstitutionen sich 1933 nicht sofort und vollständig

1 H D 24.11.1934. 2 Vgl. Krieck, S. 11 f. 3 Vgl. z.B. Berne, Erziehung, S. 14-16; zur Frage der Kontinuität von der Weimarer Republik in den Nationalsozialismus, die gut erforscht ist und hier weniger interessiert; vgl. Langewiesche/ Tenorth, S. 1-24; zum pädagogischen Denken zwischen 1918 und 1945 Tenorth, Denken, S. 111154.

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für die Interessen des Nationalsozialismus instrumentalisieren ließen, waren es zunächst primär andere Organisationen, zum Beispiel die Hitler-Jugend, die SA oder das Nationalsozialistische Kraftfahrerkorps, die auf die Bevölkerung und besonders die Jugend einwirken sollten. Eine solche Erziehungsinstanz war auch der Arbeitsdienst. Alle außerschulischen Institutionen mit pädagogischem Auftrag lassen sich als die NS-Formationen zusammenfassen: Es handelte sich um Institutionen, die der NSDAP angeschlossen, von ihr getragen oder auf andere Art eng mit ihr verbunden waren. 4 Sie waren für Krieck in besonderem Maße geeignet, die angestrebte »Volksgemeinschaft« exemplarisch und im Kleinen zu verwirklichen. Wie einige andere Einrichtungen auch, erfuhr der Arbeitsdienst deswegen mit der Machtübertragung eine Neuorientierung. Hierls Organisation, die erst jetzt in den Kreis der NS-Organisationen trat, machte nun ihre pädagogische Aufgabe zum höchsten Ziel, die arbeitsmarktpolitischen und anderen Aufträge wurden dagegen zumindest den öffentlichen Bekundungen nach in die zweite Reihe verwiesen. Ahnlich wandelten Organisationen wie die HJ und die SA ihre Funktion. 5 Die verschiedenen Einrichtungen waren nicht jeweils isoliert voneinander gedacht, sondern ihre pädagogische Wirkung sollte sich wechselseitig ergänzen und verstärken. Im Stil einer Predigt führte Hitler zum Beispiel 1935 aus: »Was früher vorübergehend zwei Jahre lang eine Schulung der Nation war [d.h. der Wehrdienst; d. V£], um dann im Leben und durch die politische Tätigkeit der Parteien wieder verloren zu gehen, das wird jetzt treuen Händen übergeben und aufbewahrt werden für das deutsche Volk. Dann wird sich erst der Kreis der Erziehung unseres Volkes schließen. Der Knabe, er wird eintreten in das Jungvolk, und der Pimpf, er wird kommen zur Hitlerjugend, und der Junge und die SA.-Männer und die SS.-Männer werden eines Tages einrücken zum Arbeitsdienst und von dort in die Armee; und der Soldat des Volkes wird zurückkehren wieder in die Organisation der Bewegung der Partei, in SA. und SS., und niemals mehr wird unser Volk dann so verkommen, wie es leider einst verkommen war!«6

Eine Rede ähnlichen Inhalts schloss der Diktator 1938 in Bezug auf die Heranwachsenden sogar mit den bezeichnenden Worten: »Und sie werden nicht mehr frei, ihr ganzes Leben«.7 Der Zugriff auf die Heranwachsenden sollte demnach total sein. Zugleich zeigt sich, dass nicht nur die NS-Organisationen einen in diesem Sinne erzieherischen Auftrag hatten. Je mehr es den Nationalsozialisten gelang, klassische Erziehungs- und Sozialisationsinstitutionen nach ihren Vorstellungen umzumodellieren, desto stärker wurden auch diese in den totalen Erziehungsauftrag einbezogen. Dennoch waren die außerschulischen NS-Formationen das eigentliche Experimentierfeld für die Erziehungsbemühungen des Regimes. 4 Vgl. Lingelbach, S. 103-105. 5 Vgl. ebd., S. 104-106; Hafeneger, S. 164-170. 6 HRP, Bd. 1, S. 534.

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Im Gefüge dieser NS-Erziehungsformationen nahm der Arbeitsdienst eine besondere Rolle ein, weil nur er die totale pädagogische Erfassung der Jugend für einen längeren Zeitraum für sich beanspruchen konnte: Während der HJZeit waren die Kinder auch anderen erzieherischen Mächten, vor allem der Schule und dem Elternhaus ausgesetzt, dasselbe gilt für alle übrigen NS-Formationen. Lediglich der Arbeitsdienst konnte neben dem Militär einen Großteil des männlichen Nachwuchses für einige Monate an sich binden, ohne dass die jungen Männer anderen Einflüssen ausgesetzt gewesen wären. Aus diesem Grund ließ sich Hierl als »Scharnhorst des Arbeitsdienstes« preisen - so wie der preußische Reformer der Vater der Wehrpflicht sei, galt der Reichsarbeitsfiihrer nun als der Schöpfer der Arbeitsdienstpflicht. 8 Was seinen Anspruch angeht, war er deswegen die wichtigste der neuen NS-spezifischen Einrichtungen. Inwieweit er diesem gerecht wurde, wird noch zu erörtern sein. Im Folgenden sollen zunächst allgemein das Erziehungsziel des Arbeitsdienstes und dessen Prämissen analysiert werden. Da von den Aufgaben des Dienstes die Erziehung höchste Priorität genoss und der organisatorische Aufbau des Arbeitsdienstes an ihr orientiert war, wird danach das System der Arbeitsdienstlager genauer untersucht. Es stellte das Scharnier zwischen dem Erziehungsziel und der Erziehungspraxis dar.9 Die beiden Zieldimensionen, die Prägung der männlichen Körper einerseits und die charakterliche und vor allem politische Formung der Arbeitsmänner andererseits, werden anschließend in zwei weiteren Unterkapiteln erörtert. Dagegen wird in diesem Kapitel die Frage nach der Kontinuität zu den Erziehungsvorstellungen im FAD vor 1933 nur eine nachgeordnete Rolle spielen: In den Weimarer Tagen hingen die Erziehungsinhalte gänzlich vom jeweiligen Träger des Dienstes ab. Es dürfte auf der Hand liegen, dass diese zum Beispiel in sozialdemokratischen und nationalsozialistischen Lagern so weit auseinander lagen, dass sie sich nicht zu einem repräsentativen Typus fur die Weimarer Republik vereinigen lassen, mit dem die Lagerpädagogik des NS-Regimes verglichen werden könnte. So stellt sich die Frage nach der Kontinuität über das Jahr 1933 hinaus primär bei der Art der Lagergestaltung, diejedoch in engem Zusammenhang mit den Erziehungsvorstellungen stand.10

7 UuF, Bd. 11, Nr. 2502, S. 138f, Zitat S. 139. 8 Vgl. z.B. Consilius, S. 162; Wannsee, S. 569; dazu auch Schneider, S. 395f. 9 Vgl. zur Frage der Wirkung grundsätzlich die auf den Arbeitsdienst übertragbaren Thesen von Tenorth, Grenzen, S. 335-350. 10 Dagegen Dudek, Erziehung, v.a. S. 232-245, der die Unterschiede in der Praxis der einzelnen Dienstträger nicht genug würdigt.

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1. Die Erziehungskonzeption des deutschen Arbeitsdienstes

1.1. Das »Erbe der Schützengrabenkameradschaft«: Erziehungsziele Von grundlegender Bedeutung für das pädagogische Denken und die Praxis des »Dritten Reiches« und damit auch des Arbeitsdienstes waren einige erziehungspolitische Kernaussagen, die Hitler bereits in Mein Kampf gemacht hatte. Eine geschlossene Erziehungstheorie legte der Dienst so wenig wie der Nationalsozialismus allgemein vor; vielmehr handelte es sich um ein Ideenkonglomerat, das um einige Kernideen gruppiert wurde und das im Folgenden rekonstruiert werden soll." Hitler zufolge war es allgemein die Hauptaufgabe des Staats, »gerade den rassisch wertvollsten Kern des Volkes und gerade seine Fruchtbarkeit zu steigern«. Dies geschehe zum einen durch die »Rassenhygiene«. Z u m anderen wirke der Staat durch Erziehung. Diese habe als Hauptziel das »Heranzüchten kerngesunder Körper«. Der zweite Auftrag sollte in der Ausbildung der geistigseelischen Fähigkeiten liegen, vor allem der »Bildung des Charakters«. Die niedrigste Priorität hatte ein drittes Ziel: die wissenschaftlich fundierte Schulung. Damit kehrte Hitler die traditionelle Rangskala der Erziehungswerte um: Das Primat der geistigen Bildung ersetzte er durch die körperliche Ertüchtigung.12 So sollte die Qualität des Nachwuchses in zweierlei Hinsicht gesteigert werden - in Hinblick auf die Körper durch die »Stählung für das spätere Leben«; bezüglich der Gesinnung, indem den Jugendlichen »Rassesinn und das Rassegefuhl instinkt- und verstandesmäßig« eingebläut werden sollte. In diesem Kontext sollte auch ein spezifisches Männlichkeitsideal vermittelt werden. Formales Wissen und Allgemeinbildung spielten demnach eine nachgeordnete Rolle, lediglich die berufsvorbereitende Fachausbildung sollte gründlich sein. Dies hielt Hitler für die Interessen der Wirtschaft und des Staates notwendig, nicht zuletzt für die »große Umwälzung«, die in seiner wirren Vision vom bevorstehenden Entscheidungskampf zwischen den »Ariern« und dem »ewigen Juden« Ausdruck fand.13 Erziehung war für Hitler somit nicht zuletzt ein Instrument zur Sicherung und Expansion von Macht. Daraus erklärt sich auch, warum für ihn die Prägung des männlichen Teils der Bevölkerung ganz im Mittelpunkt stand.14 11 Vgl. Ehrhardt, S. 33-35. 12 Hitler, Zitate S. 444, 453, 460; vgl. auch S. 258, 277; dazu jüngst auch Krüger, Breeding, S. 42-68. 13 Hitler, Zitate S. 453, 475. 14 Vgl. Lingelbach, S. 28-31.

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Wie sich schon bei Hitler andeutete, hatte der Nationalsozialismus mit seiner Rassenideologie die Tendenz, die Möglichkeiten von Erziehung skeptisch einzuschätzen. Noch deutlicher als Hitler formulierte Krieck diesen Vorbehalt: »Rasse ist vielmehr ein unüberschreitbarer Rahmen positiver Möglichkeiten in einer bestimmten Variationsbreite. Zwar kann nichts Rassefremdes in den Menschen durch Erziehung hineingebracht werden. Aber Erziehung schafft unter den vorhandenen Anlagen eine Auslese und bringt das positiv Ausgelesene erst zur Entfaltung, während andere Möglichkeiten unterdrückt werden.«' 5 Hier und in ähnlichen Aussagen wurde somit die Bedeutung der Anlagen gegenüber der Möglichkeit von Erziehung betont und damit ein tendenziell deterministischer Standpunkt eingenommen. 16 Deswegen war es ein Zusammenspiel von Erziehung und Exklusion, das die Basis des Erziehungskonzepts des Arbeitsdienstes bildete: N u r der »rassisch« positive Teil der Bevölkerung sollte erzogen werden, alle »Minderwertigen« dagegen »ausgelesen«. Wie bereits gezeigt wurde, kam der Arbeitsdienst aber dem zweiten Auftrag in der Praxis kaum nach. Wenngleich der RassebegrifFim Nationalsozialismus allgemein eine stark kulturalistische Prägung hatte, wurde er im Rahmen des Arbeitsdienstes biologistisch und damit deterministisch verwandt. Vor allem Hierl selbst zog die Grenzen, innerhalb derer Erziehung wirken könne, aufgrund der angeblichen Wirkungsmächtigkeit des Faktors Rasse sehr eng.17 Für die Erziehung gilt festzuhalten, dass sie - teilweise auch aufgrund dieser rassistischen Prämissen - als ein langwieriger Prozess verstanden wurde, der gewisse Anlagen stärken, andere unterdrücken und Werte vermitteln sollte. Damit begründete Hierl, dass alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts, vor allem aber die jungen Männer, seine Institution durchlaufen sollten. Der Erziehungsgedanke war ferner der Hauptgrund, warum der Reichsarbeitsführer eine möglichst lange Dienstzeit forderte, die möglichst zwei, mindestens aber ein Jahr umfassen sollte. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich das Menschenbild, das dem Arbeitsdienst und anderen NS-Erziehungsinstitutionen zugrunde lag. Das Ziel des Dienstes war es, den »neuen nationalsozialistischen Menschen« zu schaffen. Hierl definierte ihn folgendermaßen: »Dieser von uns geschmiedete Typ des Arbeitsmannes ist das Ergebnis einer Verschmelzung von den drei Grundelementen: des Soldatentums, Bauerntums und Arbeitertums«. 18 Diese U m schreibung meinte natürlich nicht die konkreten Berufe, sondern essentialisierte Grundhaltungen, welche die NS-Ideologie daraus ableitete. Wichtig ist daneben, dass der Reichsarbeitsfiihrer von einem »Typ« sprach, den seine Organisation präge: Ziel war nicht die Entwicklung und Förderung individueller 15 16 17 18

Krieck, S. 15. Vgl. Lingelbach, S. 192. Vgl. z.B. Hieri, Schriften, Bd. 2, S. 263-275 (1937). Ebd., S. 199-205 (1935), Zitat S. 202.

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Fähigkeiten und sozialer Kompetenz. Nicht der Jugendliche stand im Mittelpunkt. Die Pädagogik orientierte sich vielmehr umgekehrt an den Interessen des Regimes, welche auf die Deindividualisierung, das heißt die Unterdrückung individueller Merkmale, zielten.19 Das galt wiederum für alle NS-Formationen. Der Arbeitsdienst behauptete jedoch von sich selbst, dass er auf die Bedürfnisse und Forderungen der Jugend eingehe.20 Davon konnte freilich keine Rede sein - de facto sprach sich der Nationalsozialismus selbst in dieser wie in allen anderen Fragen das Deutungsmonopol zu, den Willen der Bevölkerung auszulegen. An anderen Stellen führte Hierl weiter aus, was nach nationalsozialistischem Verständnis mit »Soldat«, »Bauer« und »Arbeiter« gemeint war. Den ersten Begriff erklärte der Reichsarbeitsführer folgendermaßen: » >Soldat< sein heißt: für eine Aufgabe sich mit seiner ganzen Person nötigenfalls bis zur Selbstaufopferung einsetzen, Aufgaben dienen nicht um des Geldes, sondern um der Ehre willen, hart sein gegen sich und andere, wenn die Pflicht es erfordert. Mit dem Begriff Soldat verbinden sich für uns die Begriffe Ehre und Pflichtgefühl, Manneszucht und Kameradschaft.«21 Dieses Element war für den Arbeitsdienst das wichtigste. Die Idee vom Soldaten verdeutlichte, dass der Arbeitsdienst analog zum Wehrdienst ein Dienen an einem höheren Ziel sein sollte. Weiter verband der Reichsarbeitsführer mit dem Soldatsein Werte wie Disziplin und Unterordnung, die hier als »Manneszucht« umschrieben wurden und auf ein spezifisches Männlichkeitsideal hinwiesen, sowie Vorstellungen von Gehorsam und Aufopferung. Zugleich ließ sich das Element des »Soldatentums« leicht auf den Krieg und seine Vorbereitung beziehen. Der »Bauer« verkörperte daneben das Ziel, »Blut und Boden in Verbindung zu bringen und damit dem Leben unseres Volkes eine feste Grundlage zu schaffen, die alle Stürme der Zeit überdauern wird.« Vor allem für die städtische Jugend habe die Ausrichtung am Bauerntum die Funktion, sie »zur Bodenverbundenheit und damit zur Vaterlandsliebe zu führen« - wobei der Reichsarbeitsführer stets betonte, dass es umgekehrt notwendig sei, die Bauern zum Nationalsozialismus zu erziehen und mit anderen Bevölkerungsschichten zusammenzubringen, um so eine Verständigung zwischen Stadt und Land zu bewirken. 22 Den Begriff »Arbeiter« schließlich gebrauchte Hierl in einem Vortrag 1931 synonym mit dem »pflichtbewussten Staatsbürger«, womit er die dienende Funktion erneut betonte. 23 Zugleich klang damit an, dass die Ableistung des Arbeitsdienstes die Bedingung sei, um Bürger im Sinne der »Volksgemeinschaft« zu sein. Damit gab Hierl dem Begriff des »Bürgers« eine andere Wendung, als dieser in seiner liberalen Defi19 20 21 22 23

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Keim, S. 56; zum Begriff des »Typs« auch Meyers Lexikon, Bd. 3, S. 1067-1070. Vgl. z.B. B T 26.3.1933. Hied, Schriften, Bd. 2, S. 163f (1934), Zitate S. 163f; vgl. Erb/Grote, S. 176. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 188-190 (1934), Zitate S. 188f. Ebd., S. 17-28 (1931), Zitat S. 20.

nition hatte. Wiederum ging es gerade nicht um die Förderung wirtschaftlicher, politischer und sozialer Partizipation. Der Begriff »Arbeiter«, mit dem sich der Dienst hauptsächlich schmückte, war Hinweis auf die Tätigkeit des Dienstes, auf die Handarbeit, die alle jungen Männer unabhängig von ihrem Hintergrund leisten mussten. Der Begriff des »Arbeiters« stand letztlich für die Uberwindung aller Klassenschranken und für eine antimaterialistische Wertung von Arbeit. Aus dieser Überhöhung leitete sich auch ab, dass Arbeitsdienst als »Ehrendienst« glorifiziert wurde. Z u m Erziehungsziel der Naturverbundenheit, für welches »Bauerntum« das Stichwort gab, gesellte sich so die »Volksverbundenheit«. Sie herzustellen war die höchste Aufgabe des Arbeitsdienstes. Denn so sollte Hierls Organisation der Jugend die »Volksgemeinschaft« vorleben.24 Veranschaulicht wurde der gemeinschaftsbildende Prozess mit Ausrichtung auf die »Volksgemeinschaft« an einem historischen Vorbild: dem Fronterlebnis des Ersten Weltkrieges. Hierl führte dazu in einer Rede 1935 aus: »Der Arbeitsdienst hat das Erbe der Schützengrabenkameradschaft im Kriege übernommen. Die gemeinsame Arbeit an der Arbeitsstätte, das gemeinsame Leben im Lager reißen die alten Klassenschranken nieder, lassen Klassenhochmut und Klassenhaß nicht aufkommen.« 25 Das idealisierte Bild der Kameradschaft im Ersten Weltkrieg fungierte somit als Analogon und zugleich als Metapher fur den Erziehungsprozess im Arbeitsdienst. Wie noch zu zeigen sein wird, wurde es schließlich sogar handlungsanleitend. Nach 1933 versuchte Hierls Organisation unter nichtkriegerischen Bedingungen jedoch zunächst, das Erlebnis der klassen- und schichtenübergreifenden, nationalen Solidarität, das zwischen 1914 und 1918 angeblich entstanden sei, wiederzubeleben. Auch daran zeigt sich, dass der Erziehungsauftrag dieser und ähnlicher NS-Formationen die Unterordnung unter eine Gruppe zum Inhalt hatte. Was in der Sprache des Arbeitsdienstes mit der Metapher von der »Verschmelzung« der Elemente Arbeiter, Soldat und Bauer umschrieben war, zielte auf eine dreifache Bewusstseinsformung der Arbeitsmänner: Erstens sollte das Arbeitserlebnis als ehrenvolle Tätigkeit gedeutet und der Wert eines Menschen nach seiner Leistung bemessen werden. Diese ergab sich danach aber nur aus dem ideellen Wert seiner Arbeit, nicht aus der Art der Tätigkeit. Zweitens wurde so das Kameradschaftserlebnis überhöht, das sich beim gemeinsamen Dienen angeblich einstelle und das den »revolutionären Schritt« vom »Ich« zum »Wir« verkörpere - ein Gedanke, der in der politischen Linken, vor allem aber der Rechten verbreitet war, und den in Bezug auf den Arbeitsdienst vor 1933 beispielsweise schon Ernst Jünger geäußert hatte.26 Drittens schließlich war es das Naturerlebnis, welches Hierls Organisation vermitteln wollte und welches 24 Ebd., S. 161 (1934). 25 Ebd., S. 200-205 (1935), Zitat S. 201. 26 Vgl. ebd., Bd. 2 (1933), S. 95; vgl. ferner Jünger, z.B. S. 235-237.

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Synonym für eine großstadtfeindliche, völkische Ideologie war. Zusammengenommen sollten die jungen Männer über ein Gemeinschafts-, Arbeits- und Naturerlebnis kollektiv geprägt werden. Dabei wurde das soldatische Element häufiger beschworen als die beiden anderen Dimensionen des idealen Arbeitsmanns. Es wies in besonderem Maße auf den Hauptauftrag der Erziehung des Arbeitsdienstes hin: die Disziplinierung der jungen Männer, wobei hier unter Disziplin mit Max Weber »die Chance, kraft eingeübter Einstellung für einen Befehl prompten, automatischen und schematischen Gehorsam« bei einer Gruppe zu finden, verstanden wird. Den Arbeitsmännern wurde vermittelt, Glieder einer Leistungsgemeinschaft zu sein und sich dieser unterzuordnen. 27 Das Mittel, um diese Gemeinschaft herzustellen, war dieser Konzeption nach das gemeinsame Erlebnis: Ein »gesteuertes Erlebnisarrangement« stand im Kern der Erziehungsmethodik. 28 Diese hatte ihren Ort im Lageralltag, der die jungen Männer für den Zeitraum des Arbeitsdienstes ganz umschloss und von ihrem bisherigen Leben abschnitt. Das Lager ersetzte das alte Umfeld der jungen Männer fast vollständig. Im gemeinsamen Leben und Erleben das wesentlich mehr Einwirkungsmöglichkeiten eröffnete als etwa der Schulunterricht - nahm der Dienst besonders auf der Ebene des Emotionalen, der Grundüberzeugungen und der Einstellungen Einfluss. Er hatte somit, wie im Folgenden immer wieder gezeigt werden wird, für das Individuum eine identitätsstiftende Aufgabe auf personaler Ebene. Die Gruppe der Arbeitsmänner sollte ferner zur »Gemeinschaft« zusammengeführt werden und eine kollektive Identität ausbilden; davon wird später noch einmal die Rede sein. Als entscheidend für die Verwirklichung des »neuen Menschen« durch das Erlebnis im Lageralltag definierte Hierl drei erzieherische Einflüsse: Den wichtigsten Faktor stellte demnach die Einwirkung durch die anderen Arbeitsmänner dar. Die »Kameradeneinwirkung« könne den Erziehungsprozess unterstützen oder hemmen, sie sei auf jeden Fall sehr ernst zu nehmen. Zur Fremderziehung trat als zweite erzieherische Komponente die »Selbsterziehung«: Sie sei durch Erleben und Beobachten geleitet, maßgeblich aber vom Willen des Arbeitsmannes abhängig, auf das erzieherische Angebot einzugehen. Aus diesen beiden Faktoren leitete der Reichsarbeitsführer den Grundsatz ab, dass es zur Erziehung einer Gruppe vor allem nötig sei, diese innerlich für das Erziehungsideal zu gewinnen. Dann nähmen die jungen Männer auf sich selbst und untereinander entsprechenden Einfluss. Deswegen lastete auf der dritten erzieherischen Macht, dem Erzieher aus den Reihen der Arbeitsdienstführer, eine besondere Verantwortung. Er hatte in diesem Zusammenspiel den Rahmen zu setzen und musste selbst vom Erziehungsideal ganz überzeugt sein. Darüber hinaus musste er in der Lage sein, das Ideal glaubwürdig zu vermitteln, 27 Weber, Wirtschaft, S. 28. 28 Dudek, Jugendpolitik, S. 154; Ehrhardt, S. 8-96.

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wobei nach Hierl galt: »Das Vorbild ist das wirksamste Mittel der Erziehung.«29 Bedenkt man den hohen Stellenwert, der in dieser Konzeption unter dem Paradigma des »Führerprinzips« dem Arbeitsdienstführer zukam, mag die Sorglosigkeit, mit welcher Hierls Organisation bei der Auswahl seines Führerkorps immer wieder auffiel, besonders erstaunen. Andere NS-Formationen erwiesen sich im Bereich der Führung als experimentierfreudiger - die HJ zum Beispiel versuchte, Jugend durch Jugend führen zu lassen.30 Hierl dagegen verschloss sich solchen Experimenten, nicht zuletzt aufgrund seines durch das Militär geprägten Habitus. Nicht nur deswegen klafften bei der erzieherischen Eignung des Führerkorps ideologischer Anspruch und die Praxis in den Lagern weit auseinander. Unter dem »neuen Menschen« als dem Erziehungsziel des Arbeitsdienstes wurden demnach eine charakterliche Schulung und Indoktrination unter den Vorzeichen der »Volksgemeinschaft« verstanden. Krieck aber hatte, wie eingangs aufgeführt, noch zwei andere Dimensionen aufgeführt, welche Erziehung haben könnte, das heißt die Berufserziehung und die Vermittlung von Bildung im engeren Sinne. Diese beiden Elemente spielten im deutschen Arbeitsdienst keine große Rolle. Hierls Organisation bereitete nicht auf die Berufsarbeit vor. Bei der Arbeit lernten diejungen Männer nur das Notwendigste. Auch in Dienststunden außerhalb der Baustellenzeit fand keine berufliche Fortbildung statt. Lediglich die Festigung oder Wiederherstellung des Arbeitsethos und der ArbeitsaufFassung gehörte zu den Aufgaben des Dienstes. Sie stellte in den ersten Jahren des Regimes ein dringendes Problem dar, da viele junge Männer aufgrund von Langzeitarbeitslosigkeit einem geordneten Tagesablaufentwöhnt waren und unter den psychischen Folgen litten, keine Arbeit zu haben. Gegen dieses Problem wirkte der Arbeitsdienst sozialpädagogisch durch Erziehung zur Arbeit durch Arbeit. Damit kam er der Lage der Betroffenen, zugleich aber auch den Interessen der Wirtschaft entgegen, da ihr auf diese Weise, sollte die Konjunktur einmal anziehen, motivierte Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Diese arbeitsethische Erziehung der jungen Männer fällt aber nicht in den Bereich der beruflichen Fortbildung, sondern in das Umfeld der Charakterbildung. Wenn Hierls Organisation somit nicht den Auftrag hatte, berufserziehend zu wirken, so war auch die Vermittlung von Wissen kein zentrales Anliegen. Die Jugendlichen hatten zwar Staatspolitischen Unterricht, in denen ihnen historische, politische, geographische und andere Grundkenntnisse beigebracht wurden. Wie aber noch zu zeigen sein wird, waren diese Kurse weniger auf Wissenserwerb angelegt als vielmehr auf eine affektive, weltanschauliche Formung. Allerdings waren es nicht nur die politische Indoktrination und allge29 Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 263-275 (1937), Zitate S. 264, 266; vgl. auch Benze, Nationalpolitische Erziehung, S. 14. 3 0 Vgl. Lingelbach, S. 106-121.

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meiner die »Charakterschulung«, die der Arbeitsdienst als Erziehungsanliegen hatte. Als gleichwertiges, zweites Ziel trat daneben die körperliche Ertüchtigung der Arbeitsmänner. Somit orientierte sich diese NS-Formation genau an den Leitlinien zur Erziehung, die Hitler bereits in Mein Kampf gegeben hatte: In erster Linie galt es, Körper und Seele zu schulen, formales Wissen dagegen war nachrangig.31 Bisher wurde das Erziehungskonzept im Wesentlichen aus den Aussagen der Führung des Arbeitsdienstes rekonstruiert. Hierls Organisation bildete selbst weder eine ausgefeilte pädagogische Theorie, noch schloss sie systematisch und explizit an die Arbeiten der professionellen Erziehungswissenschaft an. Deswegen blieb das Konzept vergleichsweise vage und ließ wesentliche Fragen unbeantwortet. Der Arbeitsdienst erklärte zum Beispiel an keiner Stelle, warum der Analogschluss zwischen der Tätigkeit im Arbeitsdienst und derjenigen der »Schützengrabengemeinschaft« zulässig sei oder was die jeweiligen Erfahrungen genau verbinde. Offen blieb auch, ob das Zusammenbringen verschiedener Schichten generell dem Abbau von Vorurteilen diene oder nicht vielmehr deren wechselseitige Bestätigung zur Folge haben könne. Die Bezüge in der Arbeitsdienstliteratur zu den Erziehungswissenschaftlern, an die das Erziehungskonzept der Organisation hätte anschließen können, blieben oberflächlich. Gelegentlich verwiesen Will Decker und andere zwar auf Ernst Krieck, Alfred Baeumler oder Kriecks Schüler Philipp Hördt, systematisch wurden solche Verknüpfungen aber eher von eifrigen Doktoranden als von der Spitze des Arbeitsdienstes selbst unternommen. Es handelte sich dann eher um die nachträgliche konzeptionelle Durcharbeitung und Legitimation der Praxis im RAD als um einen wirklichen Einfluss der professionellen Pädagogik.32 Der Arbeitsdienst bekannte sich ausdrücklich zu seiner Theorieferne; Decker zum Beispiel erklärte: »So sind die Methoden der Erziehung im Reichsarbeitsdienst keine Konstruktionen einer theoretischen Pädagogik, sondern Erlebnisgestaltungen.«33 Bevor aber auf die praktische Umsetzung der beiden erzieherischen Ziele des Dienstes - die Formung von Körper und Charakter im Rahmen der Gruppe - näher eingegangen werden soll, wird zunächst das Scharnier zwischen pädagogischem Denken und Praxis des Erziehungsprozesses genauer erörtert: die

31 Dagegen Seifert, Kulturarbeit, S. 179, der - wie die bisherige Literatur zum Arbeitsdienst die körperliche Ertüchtigung nicht ernst genug nimmt, sondern lediglich auf die Charakterbildung abhebt. 32 Vgl. die Dissertation von Kallsperger, einer Krieck-Schülerin, die das auch konzediert (Kallsperger, S. 6); ferner Seipp: In einer Einfuhrung stellt Will Decker dort fest, dass die erziehungspolitischen Ergebnisse des Dienstes durch Seipps wissenschaftliche Arbeit, die sich an Krieck und Hördt orientierte, »erhärtet«, aber nicht geprägt worden seien (S. 1); dagegen Seifert, Kulturarbeit, S. 169-185. 33 Decker, Methoden, S. 280.

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Organisation des Arbeitsdienstes, vor allem dessen Lager. Sie war darauf ausgerichtet, optimale Bedingungen für die pädagogische Praxis zu schaffen.

1.2. Das Lager als Ort der Erziehung: Die Ordnung von Zeit und Raum Die Arbeitsdienstlager waren zwar auch am Charakter der Projekte ausgerichtet, insgesamt spielten sie jedoch vor allem im Erziehungskonzept des nationalsozialistischen Arbeitsdienstes eine zentrale Rolle. Das zeigt allein schon die Energie, mit der das Regime nach der Machtübertragung die Gleichschaltung dieser Ebene der Einrichtung betrieb. Die Reorganisation lässt sich in zwei Dimensionen differenzieren: in die der räumlichen und die der zeitlichen Ordnung der Lager. Zur Analyse dieser beiden Dimensionen der Lagerordnung werden hier Begriffe Michel Foucaults und Erving Goffmans verwandt, freilich ohne deren Prämissen und Thesen zu übernehmen. Dabei werden die Lager des Arbeitsdienstes an einem Idealtypus des »totalen Lagers« gemessen. Es handelt sich dabei um eine Wohn- und Arbeitsstätte einer Vielzahl ähnlich gestellter Individuen, die für längere Zeit von der übrigen Gesellschaft abgeschnitten werden und ein abgeschlossenes, reglementiertes Leben fuhren. Die Ordnung von Zeit und Raum in den Lagern ermöglicht in diesem Rahmen den absoluten Zugriff auf die Individuen, kontrolliert und diszipliniert sie und erzieht sie nicht zu Eigenverantwortung und Selbständigkeit.34 Diesen Idealtyp könnte man auch mit anderen Formen des kasernierten Lebens messend vergleichen, etwa mit Militärlagern, Internaten oder Gefängnissen. Hier ist er als Vergleichsmaßstab für die Veränderungen der Lagergestaltung von der Weimarer Republik zum »Dritten Reich« ebenso erhellend wie für die Gegenüberstellung von RAD und C C C . Räumlich drückte sich der Wandel gegenüber dem Weimarer FAD erstens in der Lagerform aus. Der Arbeitsdienst am Ende der Weimarer Republik hatte eine Vielzahl verschiedener Lagertypen gekannt. Grundsätzlich konnten die

34 Vgl. Foucault, dessen ahistorisch verallgemeinernden Ü b e r l e g u n g e n z u m Charakter der M o d e r n e sich nicht direkt f ü r die geschichtswissenschaftliche Forschung operationalisieren lassen. Vgl. ferner Sofsky, der zumindest eine T e n d e n z zur ahistorischen T y p e n b i l d u n g hat u n d a u ß e r d e m über die K Z schreibt - Ahnliches gilt f ü r Bauman, J a h r h u n d e r t , S. 81-99; vgl. ferner Herbert, J a h r h u n d e r t , S. 11-27; Krause-Vilmar, S. 29-38; Goffman u n d j ü n g s t Liidtke, Lager, S. 139-143. Besonders auf G o f f m a n s Modell der »totalen Institution« wird f ü r d e n hier entwickelten T y p u s des »totalen Lagers« zurückgegriffen ( Vgl. v.a. Goffman, S. 11), wenngleich auch G o f f m a n s Konzept n u r eingeschränkt anwendbar ist, da dieses von den Insassen u n d d e m Personal solcher Einrichtungen, kaum aber von deren institutioneller Prägung handelt; vgl. z u m NS-Lager auch Ehrhardt, S. 126-138; vgl. z u m Folgenden allgemein Patel, Lager, S. 93-116.

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Dienstträger, wenn sie eine Abteilung schufen, zwischen drei Lagerformen wählen: dem offenen, dem halboffenen und dem geschlossenen Typ. Bei ersterem waren die Freiwilligen nur während der Arbeitszeit an einen Träger des Dienstes gebunden, die restliche Zeit aber frei. Beim Zwischentypus sorgte der Dienst darüber hinaus für Verpflegung und Freizeitbeschäftigungen, womit sich die Zeit, in der die Arbeitsleistenden in die Institution eingebunden waren, täglich um einige Stunden verlängerte. Im dritten Typus schließlich betreute der Dienstträger die Freiwilligen rund um die Uhr. Ende 1932 gehörte die Mehrzahl der Lager zum offenen Typ.35 Besonders in den finanziell und organisatorisch weniger aufwendigen offenen Lagern war die Gefahr groß, dass die staatlich bereitgestellten Mittel missbraucht oder zumindest ineffizient eingesetzt wurden. Tatsächlich war hier die Versorgung der Arbeitsleistenden oft schlecht, die Planung der Arbeit unzureichend. Aus solchen, primär ökonomischen Gründen wollte Reichskommissar Syrup im November 1932 den Anteil dieser Lagerform für das kommende Jahr deutlich einschränken. Ihre Zahl sollte sich von rund 80 % auf ein Drittel der Gesamtzahl reduzieren. 36 Von den Problemen, die die Umstellung mit sich brachte, waren als Träger der Arbeit häufig kleinere und mittlere Städte betroffen, da sie viele der offenen Maßnahmen betrieben. Einige wandten sich an den Deutschen Städtetag als ihrer Dachorganisation, der wiederum den Reichskommissar auf die Probleme hinwies.37 Allein, ihr Widerstand war nicht erfolgreich, und er sollte nach der Machtübertragung ganz verstummen. Denn nach dem Willen der Nationalsozialisten und des Stahlhelm durfte es nur die Form des geschlossenen Lagers geben. Diese Vorstellung hatten beide Organisationen bereits vor 1933 in ihren Abteilungen in die Praxis umgesetzt so war der FAD allgemein ein »Experimentierfeld«, in dem neben anderen Modellen auch die Grundlagen für die nationalsozialistische Lagerkonzeption bereits gewonnen worden waren. 38 Hintergrund war der Erziehungsgedanke, der sich in seiner Totalität nur unter den Bedingungen des geschlossenen Lagers realisieren ließ. Insofern war die Schließung der offenen Lager, den die Reichsleitung des Arbeitsdienstes als eine der wichtigsten Maßnahmen der Gleichschaltung 1933 unternahm, nicht ökonomisch oder arbeitspragmatisch motiviert wie bei Syrup. Trotzdem radikalisierte sie damit lediglich einen Kurs, den Syrup schon Ende 1932 eingeleitet hatte. Auf der Grundlage eines Erlasses vom 18. April 1933 wurden alle Lager, die nicht dem geschlossenen Typ entsprachen, aufgelöst oder umgebaut. Bereits Ende August 1933 befanden sich 98,8 % der Freiwilligen in geschlossenen, lediglich 0,8 % dagegen in offenen 35 Seifert, 1996, S. 39f. 36 Vgl. RABI. 1932,1, S. 272f; BA/B, R 2301/5638, RL-AD an Rkei u.a., 25.11.1933, dagegen mit einer zu niedrigen Schätzung: Köhler, Arbeitsdienst, S. 143. 37 Vgl. BA/B, R 36/1942, v.a. D S T an Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses, 13.12.1932. 38 Vgl. Dudek, Jugendpolitik, S. 152.

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und 0,4 % in halboffenen Lagern.39 Diese Veränderung war neben der Beseitigung der anderen Dienstträger die weitreichendste, welche die Machtübertragung für den Arbeitsdienst zur Folge hatte. Denn die Reorganisation der Lager war die notwendige Bedingung für die Realisierung des Erziehungskonzepts. In diesem Bereich knüpfte der NS-Arbeitsdienst somit nicht an die Vorgaben der Weimarer Zeit an, sondern schlug deren Angebot an institutionellen Ressourcen aus. Auch in einer zweiten Richtung setzte die Reichsleitung des Arbeitsdienstes in den folgenden Monaten eine Normierung durch. Im FAD vor 1933 gab es Lager sehr unterschiedlicher Größe. Stärker noch als die verschiedenen Lagertypen war diese Vielfalt ökonomischen Erfordernissen geschuldet, das heißt der jeweiligen Größe des Arbeitsprojekts einerseits und den Möglichkeiten des Trägers andererseits. Bereits am Ende der Weimarer Republik entschied sich die NSDAP für eine Formation von 216 Mann inklusive Führern als einheitliche Abteilungsgröße. 40 1933 setzte die Reichsleitung diese Größe als sogenannte Vollabteilung fest - alle Arbeitsmänner sollten in solchen erfasst werden. Jeweils eine »V-Abteilung« hatte idealerweise ein eigenes Lager, und diese Vorstellung wurde auch bei der Reorganisation der Abteilungsgrößen in den folgenden Jahren beibehalten. Für diesen Umbau gaben ebenfalls erzieherische Interessen den Ausschlag - arbeitsökonomisch war er oft kaum mit den bereits begonnenen, häufig kleinen Projekten zu vereinen. 41 Zudem stellte die N e u gliederungeine Belastung der Finanzen dar. Gegenüber solchen Überlegungen hatte für das Regime aber Priorität, eine überschaubare, straffe und militärähnliche Organisation aufzubauen, die dem Erziehungsauftrag angepasst war. Verglichen mit dem Endzustand der Weimarer Republik, als es ungefähr 4.000 Lager gegeben hatte, sollten die Arbeitsmänner nunmehr in lediglich 1.100 bis 1.200 gleich großen Lagern untergebracht werden. Eine Zwischenstufe war im Spätsommer 1933 erreicht, als die Zahl der Lager auf nur noch 3.400 Lager gesenkt worden war.42 In der radikalen Verringerung der Lagerzahl von 1933/34 ist eine wesentlich größere Leistung des Arbeitsdienstes zu sehen als in dem langsamen Anstieg danach. Es gab 1935 1.260 Lager und bei Kriegsausbruch, primär in Folge der Ausweitung der Dienstpflichtigenzahl ab 1937, ungefähr 1.700.43 Einen deutlichen Wandel gab es drittens bei der Gebäudeform. Die Träger des Dienstes der Weimarer Republik hatten häufig aufbereite vorhandene, feste Gebäude zurückgegriffen. Z u m Beispiel waren alte Fabriken und Kasernen, 3 9 Vgl. 40 Vgl. 41 Vgl. schrift. 42 Vgl. 43 Vgl.

RABI. 1933,1, S. HOF; BA/B, R 72/325, RL-AD, Statistik 1933, 12.10.1933. Stellrecht, Der deutsche Arbeitsdienst, S. 83. BA/B, R 36/1915, Bayerischer Gemeindetagan D G T , 12.4.1934 und beigelegte DenkBA/B, R 2/4532, Vermerk Schroeder, 28.8.1933. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 364 (1935); Seifert, Kulturarbeit, S. 120.

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leerstehende Schulen und Schlösser genutzt worden. Nach 1933 setzte sich eine andere Unterkunftsform durch, die zuvor lediglich einer von mehreren Typen gewesen war: die genormte Holzbaracke. Andere Gebäude gab der Dienst in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre oft ab oder nutzte sie für den weiblichen Arbeitsdienst, der aber ebenfalls immer häufiger in Baracken untergebracht wurde. Einige der repräsentativeren Gebäude fungierten außerdem als Schulen für die Arbeitsdienstführer; die bekannteste war die Reichsschule, die im Commun I, einem Nebengebäude des Neuen Palais in Potsdam, residierte.44 Die Baracke erwies sich aus verschiedenen Gründen als praktisch. Erstens war sie vergleichsweise billig. Die Kosten für ein derartiges Lager beliefen sich ungefähr auf die Hälfte derer, die für den arbeitsdienstgerechten Umbau eines bestehenden, massiven Gebäudes anfielen.45 Zweitens ließen sich die Holzhäuser bei entsprechender Konstruktionsweise nach Abschluss der Arbeit zerlegen, transportieren und an einer anderen Stelle wieder aufbauen - sie waren mobil. Denn alle massiven Lager hatten den Nachteil, dass sie mit dem Ende eines Projekts aufgegeben werden mussten. Das galt nicht nur für die Steinhäuser, sondern auch für die fest errichteten Unterkünfte aus Holz, die in der Anfangszeit entstanden. Neben der Mobilität sprach für den normierten Holzbau drittens seine Flexibilität, da er nach einem Baukastensystem konstruiert war - beliebig viele Einzeleinheiten konnten nach den lokalen Bedürfnissen kombiniert werden. Viertens konnten die Baracken von den Arbeitsmännern selbst auf- und abgebaut werden, was die Kosten weiter senkte. So war es nur konsequent, wenn der Arbeitsdienst seit 1933 den beweglichen Holzgebäuden gegenüber allen festen Formen den Vorzug gab. In den folgenden Jahren schuf die Reichsleitung des Dienstes eine Reihe präzise definierter Typen, die immer weiter perfektioniert und in Massenfabrikation hergestellt wurden. 46 Ein normales Lager setzte sich 1934 aus drei Mannschaftsbaracken mit je vier Truppräumen, einer Wirtschafts- und einer Verwaltungsbaracke zusammen. Diese Gebäude hatten die gleiche Außenform und dieselben Maße. Kleiner, aber ebenfalls normiert waren die Abortbaracke und der Fahrradschuppen. In manchen Gegenden kam außerdem noch eine Übungshalle hinzu, in der bei schlechtem Wetter Appelle, Körperschulung und Ahnliches abgehalten wurden.47

44 Vgl. Lancette, S. 176f. Der Aufbau der Schulen änderte sich zwischen 1933-1939; vgl. auch Dt. AD 4 (1934), S. 189-199; ferner Hölz, S. 191. 45 Vgl. ebd., S. 184. 46 Vgl. BA/B, R 2301/5691, RL-AD an AGL u.a., 15.12.1933; vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 239241 zu einer bereits 1932 angebotenen Unterkunft, die von der Planungskommission des Dienstes wohl lediglich adaptiert und weiterentwickelt wurde. 47 Vgl. Schinnerer, S. 54.

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Der Arbeitsdienst pries seine Unterkünfte für ihre Schlichtheit und Zweckmäßigkeit.48 Das geschah auch deshalb, weil es zunächst in Hierls Organisation selbst Stimmen gegeben hatte, die anfangs »mit diesen allzuklaren und zweckmäßigen Bauten« nicht einverstanden gewesen waren. 49 Dagegen lobte der Arbeitsdienstführer Wilhelm Schlaghecke, der in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre mit mehreren Publikationen zur Lagergestaltung hervortrat, die Nutzbauten folgendermaßen: »So wenig, wie wir uns anfangs mit den Holzhäusern befreunden konnten, so schnell lernten wir sie schätzen«.50 Diese Rhetorik konnte nicht verbergen, dass die Barackenlager Ausdruck primitiver Lebensbedingungen waren. Sie korrespondierten jedoch zugleich mit dem Erziehungsauftrag des Dienstes, da die Einfachheit als aufopfernde Dienstbereitschaft an der »Volksgemeinschaft« interpretiert wurde. 51 Zur Normierung von Lagerform, Größe der Belegschaft und des Gebäudetyps trat eine vierte Veränderung gegenüber dem Weimarer FAD, denn auch die Anordnung der Baracken wurde nun normiert. Bis ungefähr 1937 wurden sie meist um einen rechteckigen oder quadratischen Appellplatz gruppiert, umrahmten diesen oder bildeten ein Hufeisen. Die einzelnen Gebäude waren an Sichtachsen ausgerichtet, so dass die Anlage insgesamt sehr streng und übersichtlich gegliedert war. Sie erinnerte in ihrem Aufbau an Kasernen und ließ sich beliebig erweitern, was bei Großprojekten auch geschah. Fünftens wurden während der nationalsozialistischen Herrschaft die Abteilungen noch häufiger in ländlichen Gegenden stationiert.52 Dagegen waren vor 1933 viele Lager in großen Städten oder an deren Rand untergebracht gewesen. Im November 1934 einigten sich Hierl und der Präsident der Reichsanstalt fur Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung darauf, dass »Arbeitsvorhaben in der Nähe von grösseren Städten oder von Industriebezirken als Notstandsarbeiten durchgeführt werden sollen«, der Arbeitsdienst dagegen in ländlichen Gegenden einzusetzen sei.53 Zunächst handelte es sich um eine Absichtserklärung unter Finanzierungsvorbehalt. Im Januar 1935 wurde noch über die Mittel verhandelt, ab dem Frühjahr 1935 räumte der Arbeitsdienst dann tatsächlich Lager in der Umgebung urbaner Zentren, allerdings war auch im Juni des Jahres der Prozess noch nicht abgeschlossen.54 Aus diesem Grund und wegen Streitigkeiten mit den Gemeinden, von denen noch die Rede sein wird, setzte sich das Barackenlager, obwohl es die Richtlinien seit 1933 gab, erst ab 1935/1936 durch. 48 49 50 51 52 53 54 RMI,

Vgl. Schlaghecke, Erstellung, S. 72-75. Ders., Holzhaus, S. 13. Ders., Erstellung, S. 73. Vgl. Dudek, Erziehung, S. 234. Vgl. Petersen, S. 63-66. Vgl. BA/B, R 3903/221, Präsident der RfAVAV an RAM/RFM, 20.11.1934. Vgl. ebd., v.a. Präsident der RfAVAV an Hierl, 8.1.1935; BA/B, R 1501/5622, Stamm an 11.3.1935.

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Abb. 4: Grundriss eines deutschen Arbeitsdienst-Barackenlagers.

Wenn die Verlagerung damit zwar nicht n u r auf Veranlassung Hierls geschah und sie auch nicht n u r mit der Arbeitsdienstideologie begründet war, so stand sie doch in Einklang mit dieser. Die Tendenz wurde noch verstärkt, als sich der Dienst ab 1936 stärker auf Großprojekte konzentrierte. 56 Die Intervention der Reichsanstalt zeigt, dass der Arbeitsdienst die Veränderungen gegenüber der Weimarer Republik nicht allein bestimmte. N a c h d e m die politische Linie festgelegt war, schalteten sich andere Interessengruppen ein. Wie die Beteiligung 55 Aus Gönner, S. 213. 56 Vgl. BA/B, R 3903/220, RL-AD an Präsident der RfAVAV, 28.2.1934 und Anlage; BA/B, R 1501/5622, Protokoll der 7. Arbeitsgauführertagung, 7.-9.3.1935.

der Reichsanstalt zeigt, konnten Interventionen einen Prozess beschleunigen, den der Arbeitsdienst angestoßen hatte. Die Normierung und zentrale Planung von Lagerform, Abteilungsgröße und Gebäudetyp vereinheitlichte die Belegschaften, machte sie mobil und transparent. Die Arbeitsmänner wurden durch die Ordnung des Raumes und seine Unterteilung in unterschiedliche Segmente einer umfassenden Kontrolle und Disziplin unterworfen. Das zeigt sich besonders an der feinen Gliederung des Raums, der unbeobachtetes Herumschweifen oder Verschwinden ebenso erschwerte wie unkontrollierte Versammlungen. Die »Parzellierung« des Raumes57 legte bestimmte Sozial- und Funktionszonen fest, trennte zum Beispiel den Wohnbereich der Führer von dem der Mannschaften und differenzierte einen eigenen Bereich für die Ausbildung heraus. Die architektonische Gestaltung des Raums prägte so den sozialen Raum. Damit baute der Arbeitsdienst den Zugriff auf seine Angehörigen aus, was die Bedingung für die Umsetzung der Erziehungsvorstellungen in die Praxis war. Zudem war der hohe Grad an Kontrolle Mittel des pädagogischen Programms. Intensiviert wurden die Manipulationsmöglichkeiten durch die Wahl von eher abgeschiedenen Standorten für die Reichsbarackenlager, die die jungen Männer von ihrem normalen sozialen Umfeld abschnitten. So wurden die Gestaltungsräume und die Möglichkeiten der Arbeitsmänner, sich zeitweise zurückzuziehen, ebenso beschränkt wie jede Form von Eigendynamik. Ein Arbeitsdienstführer drückte das folgendermaßen aus: »Im Arbeitsdienst gibt es keine private Sphäre [...]. Die Feldlagerordnung und die Geschlossenheit des Lagers verlangt den ganzen Menschen, fordert ihn voll und ganz, nimmt ihn ununterbrochen in die Feuerprobe von Tat und Bewährung«.58 Am Versuch, die Belegschaften völlig transparent zu machen, änderten auch gewisse Gegentendenzen der zweiten Hälfte der 1930er Jahre nichts. Damals begann man zwar, die Baracken im Gelände lockerer zu verteilen. Außerdem wurden die »Holzhäuser« nun innen wie außen oft reicher verziert, die Lagerbegrenzungen weniger martialisch. Die Befunde von Wolfgang Seiferts volkskundlicher Dissertation, die sich ausführlich Fragen der Ausgestaltung widmet, zeigen, dass die Lager dennoch so errichtet wurden, dass sie die umfassende Kontrolle der Arbeitsmänner erlaubten.59 Auch die Lagerorganisation unterhalb der Ebenen der Abteilung und der Baracken diente der Einflussnahme. Die Trupps als die kleinsten Einheiten mit jeweils 14 bis 16 Mann bauten das für die Ziele des Arbeitsdienstes angemessene Spannungsverhältnis zwischen Vertrautheit und wechselseitiger Kontrolle auf. Die jungen Männer arbeiteten, aßen und schliefen zusammen und leisteten alle Dienstpflichten gemeinsam. So sollte unter den Vorzeichen der viel 57 Foucault, S. 183. 58 Krüger, Arbeit u n d Gemeinschaft, S. 99. 59 Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 238-269.

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beschworenen »Kameradschaft« ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entstehen. 60 Zugleich war die Gruppe zu groß, als dass in den wenigen Dienstmonaten genug Vertrautheit hätte entstehen können, um Grundlage von Opposition gegen den Dienst zu sein. Durch den Zuschnitt des Trupps und das System, Strafen und Lob meist kollektiv auszusprechen, trat zur Kontrolle durch den Dienst diejenige durch die anderen Gruppenmitglieder. Das war besonders der Fall, wenn - wie meistens - überzeugte Nationalsozialisten unter den jungen Männern waren und fur Denunziationen privilegiert wurden. 61 Für die Disziplinierung waren somit keineswegs immer Vorgesetzte notwendig. Deswegen war der Trupp insgesamt der Nukleus des Arbeitsdienstes. Nicht Individuen, sondern kollektive Akteure wurden zur entscheidenden sozialen Handlungsgröße. Z u m einen war all dies Teil der Ideologie von »Volksgemeinschaft« und »Kameradschaft« und damit der Erziehung. Z u m anderen wurde die disziplinierende Wirkung durch diese positiv aufgeladenen Begriffe abgefedert. In den Worten des Arbeitsdienstführers Paul Seipp waren allein Organisationen wie die Wehrmacht oder der Arbeitsdienst in der Lage, »vom >ich< zum >wir< zu erziehen«.62 Das wechselseitige Kennen lernen sollte die Achtung zwischen den jungen Männern steigern; der Arbeitsdienst sollte so zur Wiege der »Volksgemeinschaft« werden. Dem Anspruch nach war gerade das Lager das Vehikel, um diese sozialutopische Vorstellung des Nationalsozialismus umzusetzen. Die Lagergestaltung korrespondierte neben der kollektiven Disziplinierung in einer zweiten Hinsicht mit dem Erziehungsprogramm. Sie gewöhnte an das Militärische, das man als eine von verschiedenen möglichen Ausprägungen von Disziplinierung verstehen kann. Diese Dimension drückte sich an der übersichtlichen, kasernenähnlichen Ordnung ebenso aus wie an den klaren Hierarchien, die sich etwa an der Trennung von Führer- und Mannschaftsbaracken ablesen lässt. Greifbar wird die Orientierung am Heer zum Beispiel auch an der Gestaltung der Außengrenzen der Lager. Mit architektonischen Mitteln wie Eingangstoren und Zäunen, Hecken und Mauern, Schilder- und Wachhäusern fand eine klare Trennung zwischen »innen« und »außen« statt.63 Im Gegensatz zum Militär boten die Abgrenzungen zumeist keinen Schutz vor Ubergriffen, vielmehr hatte das Wehrhafte primär symbolischen Charakter. So bedienten sich die Arbeitslager der Zeichensprache der Kasernen, ohne selbst in allen Aspekten militärisch zu sein. In einer dritten Hinsicht sollten die Arbeitslager das »Erlebnis der Natur« vermitteln. 64 Die Wahl abgelegener Standorte, die vor allem auf die städtische 60 61 62 63 64

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Vgl. Gaupp. Vgl. Deutschland-Berichte 1980, Bd. 5 (1938), S. 846. Seipp, S. 43. Vgl. z.B. Schinnerer, S. 57-208; dazu Seifert, Kulturarbeit, S. 266f. Riecke, S. 357.

Jugend wirken sollte, übernahm der Arbeitsdienst aus der bündischen Jugendbewegung vor 1933. Das Ziel der »Verwurzelung im deutschen Boden« umriss Hierl folgendermaßen: »Es ist ja auch unser Bestreben im Reichsarbeitsdienst, unserer Jugend die Augen zu öffnen für die Schönheiten der Natur«.65 Doch nicht nur die Lage der Baracken fernab der Städte, sondern auch ihre dünnen Holzwände und die großen Fenster, die ihre Bewohner kaum vor Kälte, Regen und Wind schützten, stellten den unmittelbaren Bezug zu der Landschaft her, die die Lager umgab: So sollten »Natur und Holzhaus harmonisch zusammenklingen«.66 Dass der direkte Kontakt zur Umwelt auch eine Kehrseite hatte, macht die Erinnerung eines badischen Arbeitsmannes besonders anschaulich: »Und im Winter, wenn dä Wind g'angä isch, hond sogar dinnä d'Kleider g'wäddlet.«67 Die Beschwörung der Bindung an die Heimat stand außerdem in einem Spannungsverhältnis zu der Tatsache, dass die jungen Männer aus ihren Heimatregionen herausgerissen und in Barackensiedlungen verpflanzt wurden.68 Solche ideologischen Inkonsistenzen versuchte die Arbeitsdienstideologie aber stets zu überdecken. Letztlich verbarg sich hinter dem Naturbezug die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie mit ihrem Rassismus. Besonders bei der Inszenierung des Naturbezugs, die sich an der geographischen Lage vieler Lager ebenso ablesen lässt wie an den offiziellen fotografischen Aufnahmen, zeigt sich das »gesteuerte Erlebnisarrangement« als Teil nationalsozialistischer Lagerpädagogik.69 Durch den totalen, disziplinierenden Zugriff des Dienstes auf die Lagerbelegschaften, den die Ideologie der »Volksgemeinschaft« abfederte und zugleich legitimierte, durch die Einübung des Militärischen als Vorbereitung auf einen Krieg und den Bezug zur Natur als Ausdruck völkisch-rassistischen Denkens gab die räumliche Ordnung der Lager einige der Kernelemente der nationalsozialistischen Erziehungsvorstellung und der Arbeitsdienstideologie wieder. Das Lager war für die Erziehung insgesamt dreierlei: Bedingung, Mittel und Spiegel ihres Anspruchs und Programms. Selbstverständlich gab es immer Mannschaften, die nicht der Normgröße entsprachen, Abteilungen, die in alten, unübersichtlichen Schlössern untergebracht waren, und neue Lager in hässlicher Umgebung. Zugleich ließen sich natürlich nicht alle Erziehungsinhalte über die Lagergestaltung ausdrücken. Wenn der totale Zugriff auf die Individuen nicht verwirklicht werden konnte, so ist das aber nicht auf die Konzeption, sondern auf praktische Probleme zurückzuführen. 70

65 66 67 68 69 70

Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 394-410 (1938), Zitat S. 400. Schlaghecke, Holzhaus, S. 9. Interview Heinemann. »Dinnä« heißt »drinnen«, »g'wäddlet« meint geflattert. Vgl. Schneider, S. 400. Vgl. Dudek, Jugendpolitik, S. 154. Vgl. Petersen, S. 55-66.

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Die Lager des Arbeitsdienstes führten im »Dritten Reich« kein vereinzeltes Dasein. Viele andere NS-Organisationen nutzten die gleiche Unterbringungsform, um »Volksgenossen« aus ihrem gewöhnlichen Umfeld auf Zeit herauszulösen. Zwischen den einzelnen Lagertypen, die sich vor allem an die Jugend wandten, gab es viele Ähnlichkeiten. Zugleich gab der Arbeitsdienst anderen Lagersystemen wichtige Impulse. Besonders seine genormten Baracken wurden zu einem »Erfolgsmodell« - sie wurden zum Beispiel auch bei der HitlerJugend, beim Militär und in der Industrie eingesetzt. Christoph Hölz hat aber nicht nur deswegen Recht, wenn für ihn die RAD-Baracke »der anpassungsfähigste Bautyp des Dritten Reichs« war. Denn darüber hinaus kamen die »Holzhäuser« nicht nur in Lagern, die sich an die »Volksgenossen« wandten, zum Einsatz. Vielmehr waren auch die Konzentrations- und Vernichtungslager mit Baracken des RAD-Typs bestückt.71 Parallelen in der Raumgestaltung gab es aber auch schon, bevor sich die Baracke durchsetzen konnte. In den Stätten des Terrors hatten - genau wie im Arbeitsdienst - Fabriken, Schlösser, Klöster und ähnliche Einrichtungen ursprünglich als Unterbringungen gedient; in der Anfangszeit des Regimes wurden manche derartige Gebäude nacheinander oder sogar gleichzeitig als Arbeitsdienstlager und als KZ genutzt.72 Dass sich die räumliche Struktur der RAD-Lager abgesehen von der äußeren Umgrenzung kaum von den KZ unterschied, zeigt sich auch daran, dass viele RAD-Lager im Zweiten Weltkrieg komplett zu Zwangsarbeiterlagern umfunktioniert wurden.73 Dass bei der räumlichen Struktur in allen diesen Lagern - besonders in den Barackenlagern - das Ziel der Disziplinierung und Überwachung im Vordergrund stand, weist ebenfalls auf die strukturelle Verwandtschaft der Lagersysteme von »Volksgenossen« und »Gemeinschaftsfremden« im Nationalsozialismus hin. Andere erzieherische Momente waren demgegenüber nachgeordnet. Zugleich zeigt sich, wie modern die Gebäude- und Anlageform des Arbeitsdienstes war. Sie ließ sich modulhaft und zweckneutral in den verschiedensten Kontexten einsetzen, sei es zur »Auslese« der angeblich rassisch Wertvollen oder zur Terrorisierung und »Ausmerze« von Gegnern. Zur Ordnung des Raumes trat die Gliederung der Zeit. Auch sie war im deutschen Arbeitsdienst Teil des Erziehungskonzepts. Aus den verschiedenen Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft sind einige Dienstpläne überliefert, die im Wesentlichen übereinstimmen. Der im Folgenden gekürzt wiedergegebene, besonders ausführliche Plan stammt aus dem Arbeitsgau XXVIII (Franken) für das Sommerhalbjahr 1935.

71 Hölz, S. 191; ähnlich Seifert, Kulturarbeit, S. 256f. 72 Vgl. Stokes, S. 203; weitere Beispiele im selben Band, z.B. S. 113. 73 Vgl. Weinmann, S. LXIII.

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D e n größten Einzelposten im Tagesablauf nahm die Arbeit ein, die nach der Arbeitsdienstpropaganda primär erzieherische Funktion hatte. Dabei hielten sich die Arbeitsmänner mit maximal acht Stunden inklusive Anmarschzeit und einer halbstündigen Pause auffallend kurz auf den Baustellen auf Nach der Konzeption des geschlossenen Lagers war es jedoch selbstverständlich, dass die restliche Zeit nicht zur freien Verfügung stand. Wie verschiedene Dienstpläne zeigen, waren vielmehr auch die verbleibenden Stunden weitgehend verplant.

Tab. 4: Tagesablauf im deutschen Arbeitsdienst74 Frühdienst (2 Stunden) 5.00 Uhr

6.35-6.45

Wecken durch Trompeten- bzw. Hornsignal auf Befehl des Wachhabenden, der auch die Lagerfahne hißt Aufstehen, Fertigmachen und Versammeln zum Morgensport Morgensport, Einrücken ins Lager Bettenbau und Reinigen der Unterkunft, Waschen, Anziehen Versammeln zum Frühstück, Frühstück, Abräumen Sprechstunde des Arztes Morgenunterricht mit Ausgabe der Losung. Thema des Unterrichts abhängig vom Thema der Losung Pause zum Austreten

6.45-7.00

Morgenappell in Arbeitskleidung und mit Ausrüstung

5.00-5.05 5.05-5.20 5.20-6.00 6.00-6.20 ab 6.20 6.20-6.35

Arbeit (7 Stunden) 7.00

Trompeten- bzw. Hornsignal als Ende des Morgenappells; Abmarsch zur Arbeit. Abteilungsführer läßt Männer an sich mit »Augen rechts« vorbeimarschieren, direkt danach singt die Kolonne das 1. Morgenlied 7.00-14.00 Arbeit auf Baustelle inkl. An- und Abmarsch und halbstündiger Pause. Arbeitsende wird durch Trompeten- oder Hornsignal verkündet. Rückmarsch mit Singen von Marschliedern 14.00 Einrücken ins Lager, nachdem Herannahen der Mannschaft durch Trompeten/Hornsignal angekündigt wurde. Vorbeimarsch am Abteilungsführer mit »Augen rechts« Mittagessen und Mittagsruhe (2 Stunden) 14.00-16.00 Zeiteinteilung bleibt Abteilungsführer überlassen, jedoch mindestens 55 Minuten Bettruhe

74 Das Folgende nach Schinnerer, S. 255-266; etwas ausführlicher als hier auch wiedergegeben bei Seifert, Kulturarbeit, S. 145-147; vgl. ähnliche Pläne z.B. bei Schönen, S. 952; Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 245-248 (1936). Es gab keinen reichsweit verbindlichen Dienstplan. Gegenüber dem dargestellten Ablauf begann im Winterhalbjahr der Dienst eine Stunde später, die Arbeitszeit war eine Stunde kürzer und es gab andere, kleinere Unterschiede.

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Als Richtschnur gilt: 14.00-14.20 Körperreinigung, Anziehen und Versammeln zum Mittagessen 14.20-14.50 Mittagessen 14.50-15.45 Bettruhe, zeitgleich Abteilungsrapport 15.45 Wecksignal 15.45-16.00 Aufstehen, Anziehen, Bettenbau, Stiefelreinigen, Fertigmachen zur Körperschulung Nachmittagsdienst (3 Stunden) Die genaue Zeiteinteilung von 16.00-18.25 nimmt der Abteilungsführer vor. Es muß aber, soweit es das Wetter erlaubt, täglich 1 1/4 Stunden für Körperschulung verwandt werden, d.h. wöchentlich an 2 Nachmittagen für die eigentliche Körperschulung, an 3 Nachmittagen für die Ordnungsübungen. Als Richtschnur gilt: 16.00-17.15 17.15-18.25 18.25-19.00

Antreten und Ausrücken zur Körperschulung bzw. zu Ordnungsübungen Dienst nach Ermessen des Abteilungsführers, d.h. Appelle aller Art, Putz- und Flickstunde, Baden usw. Nachmittagsunterricht: 2mal wöchentlich als Dienstunterricht, 3mal als Staatspolitischer Unterricht

Abendessen und Feierabend (3 Stunden) 19.00-19.15 Pause und Versammeln zum Abendessen ab 19.15 Abendessen und Feierabend. Nach dem Abendessen können die Angehörigen des Lagers, wenn sie nicht Ausgang haben, sich im Lager aufhalten und dort den Feierabend nach ihren persönlichen Neigungen verbringen (Feierabendgestaltung durch Neigungsgruppen unter der Anleitung des Spezialführers für Feierabendgestaltung). 2mal pro Woche feiern alle Lagerangehörigen den Feierabend zusammen unter Leitung des Abteilungsführers 22.00 Zapfenstreich durch Trompeten/Hornsignal, Einziehen der Lagerfahne. Mittwochs Zapfenstreich um 22.30 Nachtruhe (7 Stunden) 22.00-5.00 Völlige Nachtruhe im gesamten Lager

An den Wochenenden gilt eine andere Diensteinteilung:

Samstag 5.00-14.20 14.20-15.00 15.00-17.00 17.00-24.00 24.00

220

Vgl. werktags Mittagessen, Verabreichen des kalten Abendessens Dienst nach freiem Ermessen des Abteilungsführers Freizeit. Lagerangehörige können, wenn sie wollen, das Lager verlassen Zapfenstreich durch Trompeten/Hornsignal, Einziehen der Lagerfahne

Sonntag 0.00-7.30 7.30 23.00

Völlige Nachtruhe im gesamten Lager Wecken Zapfenstreich durch Trompeten- oder Hornsignal, Einziehen der Lagerfahne

Die Teilnahme am Frühstück (8.15-9.00 Uhr) und am Mittagessen (12.00-13.00 Uhr) ist freigestellt. Wer will, kann das Lager am Sonntag ab 4 U h r morgens bis 23.00 verlassen

Es ist offensichtlich, dass der Tagesablauf den Arbeitsmännern wenig Zeit zur freien Verfügung ließ. Die rund dreizehn Stunden Dienst zwischen Wecken und Beginn des Feierabends, die sich ergeben, wenn man eine Stunde nachmittäglicher Bettruhe abzieht, summieren sich bei fünf regulären Arbeitstagen und dem Samstagsdienst auf insgesamt 76 Stunden. 75 Jedoch selbst in den wenigen verbleibenden Stunden gab es kaum Rückzugsmöglichkeiten für die Arbeitsmänner. Zusätzlich folgten auch die Feierabende einem detaillierten Programm. Laut einem Dienstplan wurde innerhalb von zwei Wochen von insgesamt zehn Werktagsabenden an vier »Feierabend« begangen, bzw. dieser vorbereitet. Hier wurde zum Beispiel gesungen oder gebastelt. Unter der Woche waren letztlich die meisten Abende verplant; eine Möglichkeit, das Lager außerhalb der Arbeitszeit zu verlassen, war nicht vorgesehen. Lediglich am Wochenende standen den Jugendlichen der halbe Samstag und der ganze Sonntag zur freien Verfügung. Da sie normalerweise in Abteilungen untergebracht wurden, die von ihrem Wohnort weit entfernt lagen, waren Wochenendbesuche zu Hause kaum möglich.76 Außerdem gab es nur wenig Urlaub, der ferner als Strafmaßnahme entzogen werden konnte. Schließlich waren angesichts der abgeschiedenen Standorte auch an freien Abenden die Möglichkeiten eng beschränkt. Es blieb kaum eine Alternative zur nächsten Dorfkneipe, und der Arbeitsdienst sicherte sich auch dort einen Platz. Eine Verordnung von 1936 befugte die Außenstreifen der Lager, öffentliche Gaststätten - auch gegen den Willen der Inhaber - zu inspizieren, um »das Verhalten des Reichsarbeitsdienstangehörigen zu überwachen und jedes das Ansehen des Reichsarbeitsdienstes schädigende Verhalten in der Öffentlichkeit zu verhindern«. 77 Zudem konnte die jeweilige Gauleitung auch den Besuch von bestimmten Gaststätten verbieten. 78 75 Vgl. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 246 (1936). 76 Vgl. BA/B, R 2301/5653, Protokoll der 10. Arbeitsgauführertagung, 879.2.1936; Schinnerer, S. 51. 77 Vgl. RGBl. 1936,1, S. 405. 78 Vgl. z.B. Bayr. HStA, REpp/497, A G F X X X , Gaubefehl N r . 386, 28.10.1936.

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Ferner bemühte sich der Arbeitsdienst, alle äußeren Einflüsse systematisch von den jungen Männern fernzuhalten. Vor allem den Kirchen wurde der Zugang zu den Lagern verwehrt. Denn die protestantische wie die katholische Kirche hatten vor 1933 nicht nur eigene Lager organisiert, sondern auch in den Standorten anderer Dienstträger seelsorgerische Aufgaben übernommen. Nach der Gleichschaltung aller Dienstträger hatten die beiden großen Kirchen bereits im Frühjahr 1933 von Reichskanzler und Arbeitsdienst die Möglichkeit eingefordert, diese Arbeit fortsetzen zu können. 79 Hierl entschied sich jedoch für eine harte Linie: »Der Nationalsozialismus ist Weltanschauung und damit Gottesanschauung. Die Kirchen dürfen keinen Einfluss auf die Erziehung im AD. [Arbeitsdienst; d. Vf. ] nehmen.« 80 Denjungen Männern war es grundsätzlich lediglich freigestellt, sonntags Kirchen der umliegenden Gemeinden zu besuchen, aber selbst gegen diese Regelung sträubte sich der Dienst lange. 1935 stellte der Reichsarbeitsführer schließlich klar, dass es nicht richtig sei, den Kirchgang grundsätzlich zu verbieten oder Gebetbücher zu konfiszieren - zu solchen Aktionen war es zuvor gekommen. Allerdings durfte im Rahmen des Unterrichts über religiöse Fragen grundsätzlich nicht gesprochen werden, und der Dienst tat alles, um den Einfluss von Kirche und Glauben zu minimieren. 81 Wie die Dienstpläne außerdem zeigen, konnten auch die Führer nur über wenig Zeit verfügen - sie hatten zwar Verantwortung, aber wenig Gestaltungsmöglichkeiten. Sie mussten neben dem normalen Dienst am Morgensport ebenso teilnehmen wie an vielen gemeinsamen Mahlzeiten, der Körperschulung, dem Unterricht und der Feierabendgestaltung - nur für die verheirateten Vorgesetzten gab es einige Ausnahmen. 82 So hatte der Arbeitsdienst nicht nur gegenüber den Arbeitsmännern, sondern ebenfalls gegenüber den Führern einen Erziehungsauftrag. Dieser äußerte sich auch im elaborierten, hierarchischen Schulsystem für Führer. Der Abteilungsführer befand laut Hierl lediglich darüber, wie die 76 Stunden Dienstzeit auf die Woche verteilt wurden, und er musste den Dienst so regeln, dass das Kontingent auch bei schlechter Witterung erfüllt werden konnte. Alle weiteren Fragen wurden durch übergeordnete Instanzen und zumeist durch Hierl selbst festgelegt.83 Wenn der Reichsarbeitsführer im Februar 1936 bestimmte, dass man allgemein »die Führer erziehen, [...] sie aber nicht entmündigen« dürfe, konterkarierte er seine eigenen Anweisungen, ohne sie deswegen zu ändern. 84 Denn sämtliche Versu-

79 Vgl. BA/B, R 43 11/516. 80 BA/B, R 1501/5622, Stamm an RMI, 11.3.1935. 81 Vgl. ebd., Protokoll der 7. Arbeitsgauführertagung, 7.-9.3.1935; BA/B, R1501/8365, Protokoll der 9. Arbeitsgauführertagung, 18./19.10.1935. 82 Vgl. Schinnerer, S. 260. 83 Vgl. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 245-247 (1936). 84 BA/B, R 2301/5653, Protokoll der 10. Arbeitsgauführertagung, 8./9.2.1936.

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che der Arbeitsgauführer, flexiblere Dienstzeiten durchzusetzen, scheiterten an Hierls Wiederstand. 85 Insgesamt war der Tagesablauf der Belegschaften streng geordnet. Gegenüber dem Ablaufschema, das hier vorgestellt wurde, kam es mit den Ernteeinsätzen ab 1936, vor allem aber im Zuge der verschärften Kriegsvorbereitung ab 1938 zu größeren Änderungen, von denen im Kapitel zur Arbeit des Dienstes noch zu berichten sein wird. Die Befunde müssen noch in einer zweiten Hinsicht relativiert werden. 1936 musste Hierl einräumen, dass es die Dienstpläne zwar gebe, dass sie aber nicht immer realisiert werden könnten. 86 Vor allem 1933 war wegen organisatorischer Probleme die verplante Zeit kürzer und das Programm weniger ausgefeilt.87 Außerdem brachten Noteinsätze, wie zum Beispiel Katastrophendienste, das Regularium immer wieder durcheinander. So lässt sich in den Dienstplänen primär das erzieherische Modell fassen. Inwieweit es der Praxis der Zeitorganisation entsprach, wird noch zu erörtern sein. Der Arbeitsdienst vereinheitlichte den Alltag und verringerte die Gestaltungsmöglichkeiten der jungen Männer auf ein Minimum. Er eröffnete seinen Angehörigen keine erzieherischen Angebote und Anreize, als Ergebnis einer Auseinandersetzung mit verschiedenen Positionen ein individuelles Bewusstsein auszubilden - dazu war allein schon die Zeiteinteilung zu unflexibel. Allerdings hätte es auch der dem Dienst zugrunde liegenden disziplinierenden Erziehungsabsicht widersprochen. Angesichts des Tagesablaufs und der kontinuierlichen Einbindung in Gruppen war es den Angehörigen nicht möglich, die Eindrücke des Lagerlebens individuell zu verarbeiten. 88 Vielmehr wurde ihr Handeln in statische, geplante und voraussehbare Bahnen gelenkt. Es gab festgesetzte Rhythmen, sich wiederholende Zyklen und den Zwang zu vielen Tätigkeiten. Die Zeitabläufe waren normiert und bis ins Kleinste geplant, sie waren synchronisiert und koordiniert. 89 Verschärft wurden die Vorgaben durch den selbst auferlegten Zeitdruck, der sich an der Planung des Tagesablaufs ablesen lässt, aber auch in öffentlichen Aussagen des Dienstes widerspiegelt. Laut Hierl durfte »keine Viertelstunde >vertrödelt< werden«,90 so dass Seifert zu Recht von einer selbst produzierten »Zeithysterie« spricht.91 Insgesamt unternahm Hierls Organisation bei der Planung der Zeit - ganz wie bei der des Raumes alles, um das Leben der Arbeitsmänner zu kontrollieren. Die gemeinsamen Mahlzeiten von Männern und Führern, die grundsätzlich gleiche Arbeit fur 85 86 87 88 89 90 91

Vgl. BA/B, R 1501/8365, Protokoll der 9. Arbeitsgaufiihrertagung, 18.-19.10.1935. Vgl. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 250 (1936). Vgl. BA/B, R 2301/5645, RL-AD an Bezirksleitungen, 31.5.1933. Vgl. Lingelbach, S. 130-146; Dudek, Erziehung, S. 236-238. Vgl. allgemein Sofsky-, Foucault-, Herbert, Jahrhundert, S. 11-27. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 245 (1936). Seifert, Kulturarbeit, S. 143.

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alle »Soldaten der Arbeit« und ähnliche Strukturmerkmale ließen den Dienst als egalitär erscheinen, ohne das hierarchische System in Frage zu stellen. Dazu kamen, wie bei der Gestaltung des Raums, die Anleihen beim Militär. Offensichtlich sind sie bei den Inhalten der vormilitärischen Ausbildung. Aber auch die Ordnung der Zeit nahm sich das Heer zum Vorbild. Einige Elemente des Tagesablaufs moderner Armeen wurden direkt übernommen, wie zum Beispiel die Appelle, die Flaggenparaden oder die Wachdienste. Allerdings gab es auch hier nicht nur direkte Kopien von militärischen Strukturmerkmalen, einige wurden wiederum modifiziert. Ein Beispiel dafür wären die eigens für den Arbeitsdienst kreierten Lieder.92 Schließlich floss auch in die Gestaltung des Tagesablaufs die nationalsozialistische Vorstellung von Natur und Heimat ein. So betonte zum Beispiel der bereits erwähnte Seipp, dass im Arbeitsdienst »das Erlebnis von Körper und Natur immer mehr als Erziehungsfaktor« berücksichtigt werden müsse. 93 Tatsächlich fand die Arbeit fast ausschließlich unter freiem Himmel statt, dasselbe galt für die Körperschulung oft, den Nachmittagsunterricht manchmal, und die Freizeitgestaltung je nach Thema. So war es keine Seltenheit, dass die Männer täglich mehr als zehn Stunden an der frischen Luft waren. Der Naturbezug stand in engem Zusammenhang mit dem körperlichen Training, er diente der Abhärtung, aber spiegelte im Erlebnis auch die agrarromantische Seite der NS-Ideologie wider. Wanderungen am Wochenende, Baden in der verbleibenden Freizeit und Ahnliches ergänzten das Programm. So schuf der Arbeitsdienst von sich ein Bild, das - bei aller Betonung von Dienst, Härte, Opfersinn und »Männlichkeit« - ein wenig an ein Leben in pittoresker Landschaft erinnerte. Tatsächlich hoben sich die Lager aber deutlich von ihrer Umgebung ab; es gab klare Grenzen zwischen »innen« und »außen«. Diesen Eindruck vermittelten nicht nur die Zäune und Türme, sondern auch die Zeiteinteilung des Dienstes. Auch das abgezirkelte, auf Außenwirkung angelegte Auftreten des Dienstes außerhalb seiner Lager, wo nicht zuletzt gesungen wurde, um die Bevölkerung für sich zu gewinnen, zeigen, wie undurchlässig die Grenzen waren, wie sehr der Arbeitsdienst »Werbeträger« für das Regime sein sollte. Wenn die Arbeitsdienstpropaganda dagegen behauptete, dass sich die Lager geradezu organisch ins Landschaftsbild einzufügen und ein normaler Austausch mit der Bevölkerung stattzufinden hätte, handelte sich es um eine Propagandafiktion. 94 Insgesamt passten sich die Arbeitsdienstlager nicht in die Siedlungs-, Sozial- und Kommunikationsstrukturen ihrer Umgebung ein, sondern blieben abgegrenzte Einheiten. 95 Im Ganzen kommen die Untersuchungen der räumlichen und der zeitli92 93 94 95

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Vgl. z.B. Schaufuß. Seipp, S. 41. Vgl. z.B. Schlaghecke, Erstellung, S. 72-75; Körber, Volkstumsarbeit, S. 33f. Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 238.

chen Dimension der Lagerordnung zu den gleichen Ergebnissen: Die Ordnung von Zeit und Raum ermöglichte den absoluten Zugriff auf die Individuen, sie schuf die Bedingung für deren Kontrolle und Disziplinierung. Der Dienst versuchte, auf die Arbeitsmänner total zuzugreifen, gewöhnte sie an das Militärische und vermittelte ein spezifisches Naturbild. Die Wirkung der Raum- und Zeitgestaltung ergänzten und verstärkten sich wechselseitig. So stellte das Lager das Scharnier zwischen dem Erziehungsdenken und der Praxis dar, und der deutsche Arbeitsdienst näherte sich zumindest konzeptionell weitgehend dem Modell des »totalen Lagers« an. Das Verhältnis der Lagerstruktur zum wirtschaftspolitischen Auftrag, den der Dienst neben der Erziehung verfolgte, war dagegen ambivalenter. Charakteristika wie Mobilität, Transparenz und Projektplanung ließen sich zwar zur Steigerung der ökonomischen Effektivität nutzen. Letztlich war die Lagerordnung aber stärker an der Erziehung ausgerichtet: Sonst wäre die Arbeitszeit länger gewesen, die Größe der Lager nicht einheitlich unabhängig vom vorhandenen Arbeitsvolumen. Zudem wäre der Prozess der Gleichschaltung von verschiedenen Lagerformen und -typen, der hohe Ausgaben verursachte und die Effektivität minderte, langsamer vorgenommen worden. Allerdings war es prinzipiell möglich, die Zeit- und die Raumordnung an ökonomischen Kriterien zu orientieren. Das geschah in gewisserWeise ab 1937, als die Arbeit gegenüber der Erziehung in den Vordergrund trat, was auch für das Lagersystem Folgen hatte. Vor allem im Zweiten Weltkrieg sollte für viele Abteilungen »Arbeit« außerdem Kriegseinsatz bedeuten, womit die Ausrichtung der Lagerordnung an der Erziehung ihr Ende fand. Während es zwischen der räumlichen Struktur der RAD-Lager und derjenigen der Konzentrationslager einige Bezüge und neben den überwiegenden Unterschieden auch wichtige Ähnlichkeiten gab, war das Grundmuster der zeitlichen Ordnung in den beiden Lagersystemen sehr verschieden. U m nur den prägnantesten Unterschied zu nennen: Während es den Arbeitsdienst charakterisierte, dass sich über den Tag verschiedene Formen des Dienstes abwechselten und der Ablauf gründlich und verbindlich geplant war, war in den KZ das Gegenteil der Fall. Hier herrschte die meiste Zeit bedrückende Monotonie, die nur unterbrochen wurde von gelegentlichen Ausbrüchen besonderen Terrors. So waren die Tagesabläufe gerade nicht verbindlich geplant, da sie die »absolute« Macht, welche die Aufseher über die Insassen ausübten, relativiert hätte. Der hier nur angedeutete Vergleich der beiden verwandten Lagersysteme des Terrors und der Erziehung verdeutlicht, in welchem Kontext die Lager des Arbeitsdienstes standen. Michael Schneider hat aufgrund der strukturellen Nähe der Systeme zu Recht das »Doppelgesicht« der Lager des Dienstes betont; in Hierls Organisation selbst standen sie an der Schnittstelle zwischen Erziehungskonzept und pädagogischer Praxis.96 So wurden die Lager des Arbeits96 Vgl. Schneider, S. 400.

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dienstes »Treibhäuser, in denen unsere Gesellschaft versucht, den Charakter von Menschen zu verändern. Jede dieser Anstalten ist ein natürliches Experiment, welches beweist, was mit dem Ich des Menschen angestellt werden kann.«97

2. »Männlichkeitsschule« zwischen Vorgaben und Praxis

2.1. Primat der Disziplinierung: Die Felder der Körperbildung Für Hitler war das »Heranzüchten kerngesunder Körper« die wichtigste Aufgabe, welche Erziehung überhaupt erfüllen konnte. Dieser Auftrag machte eine der beiden Zielrichtungen des Arbeitsdienstes aus. Doch bereits der Weimarer FAD war der Frage nach den Auswirkungen des Dienstes auf die Körper der jungen Männer nachgegangen, und die körperliche Kräftigung war ein Hauptgrund, warum der Dienst 1931 eingerichtet worden war. Die Weltwirtschaftskrise hatte dazu geführt, dass viele Deutsche fehl- oder unterernährt waren, was sich besonders bei Kindern und Jugendlichen in der Wachstumsphase negativ auswirkt. Deswegen war der Weimarer FAD als Möglichkeit verstanden worden, gravierende Mangelerscheinungen zu unterbinden und akuten Hunger zu stillen - während ihrer Dienstmonate sollten die jungen Männer mit einer ausreichenden Menge an Nahrung versorgt werden. Ferner hoffte man, dass die körperliche Arbeit, die hygienischen Verhältnisse und der Ausgleich über den Sport den physischen Zustand der Freiwilligen verbessern würden. 98 Somit kam dem Arbeitsdienst auch vor 1933 die Aufgabe zu, die jungen Männer körperlich zu ertüchtigen sowie akute Mängel und Mangelfolgeerscheinungen auszuräumen. Nach der Machtübertragung wurde ein regelrechter Kult um die Körper der Arbeitsmänner errichtet. Der nationalsozialistische Arbeitsdienst pries die Ernährung, welche die jungen Männer in seinen Reihen erhielten. In Propagandapublikationen wurden oft Speisepläne abgedruckt, um das zu veranschaulichen. Einer Veröffentlichung zufolge gab es an einem normalen Arbeitstag zum ersten Frühstück Kaffee, Brot, Butter und Marmelade, beim zweiten auf der Baustelle dasselbe, aber statt der Marmelade Leberwurst, zum Mittagessen eine Gerstensuppe, dann Ochsenfleisch und Kartoffeln. Als Abendessen bekamen die jungen Männer Hering in Grütze, Kaffee, Brot und Butter.99 Die Mittags- und Abendmahlzeiten wurden stets variiert. Deswegen bezeichnete der Dienst selbst die Ernährung als ausgewogen, abwechslungsreich und groß9 7 Goffman, S. 23. 9 8 Vgl. R 3 9 0 4 / 1 4 , Gayl an Rkei, 24.11.1932. 9 9 Vgl. Schottert, S. 954; vgl. z.B. auch Puttkamer,

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v.a. S. 7 4 - 7 7 .

zügig bemessen. Insgesamt zeigt sich so der fürsorgerische und humanitäre Auftrag des Dienstes - diesseits politischer Inanspruchnahme sollte er Hunger und Mangelerscheinungen bekämpfen. Zugleich war dies wesentlicher Bestandteil der Werbung für den Eintritt in den Arbeitsdienst. Hierls Organisation veröffentlichte immer wieder Uberblicke, die in Kilo und Gramm genau angaben, wie viel die Arbeitsmänner während ihrer Dienstzeit zunahmen. Solche Zahlen wurden auch noch publiziert, nachdem die Wirtschaftskrise in Deutschland überwunden und das Ernährungsproblem für die allermeisten Deutschen gelöst war. So meldete der Arbeitsmann zum Beispiel noch 1937 stolz, dass 83,4 % der jungen Männer während ihrer Dienstzeit zunähmen, 6,8 % ihr Gewicht hielten und nur 9,8 % abnähmen. 100 Schlaglichtartig sollten die Berichte und Statistiken den Erfolg der Einrichtung verdeutlichen. Tatsächlich war die Ernährung weniger gesund, als die veröffentlichten Quellen glauben machen wollten. Daran änderte auch nichts, dass viele Lager Gemüsegärten und sogar Schweine für den Eigenbedarf unterhielten. 101 Auf einer Führertagung erklärte Hierl 1936, dass die Verpflegung der Arbeitsdienstführer seit Jahren ein »schwieriges Problem« darstelle. Für den Personenkreis, der dem Dienst länger angehöre, sei die Verpflegung »zu eintönig«; vor allem mangele es an Gemüse, weswegen »hier und dort bereits Gesundheitsschäden zu verzeichnen« seien. Er gestattete es deswegen den Führern, gelegentlich in Gasthäusern zu essen - obwohl das dem nationalsozialistischen Gleichheitsversprechen widersprach, demzufolge Mannschaften und Führer ihre Mahlzeiten gemeinsam einnehmen sollten. Da die Regelung aber nur für einige wenige Privilegierte galt, viele Lager sehr abgeschieden und oft nicht in Reichweite eine Gasthofes lagen, löste die Regelung das Problem der einseitigen Ernährung aber nicht.102 Eine kleine Publikation von 1938, die sich an das Führerkorps wandte, führte dazu aus, dass die Führer aufgrund des Vitaminmangels, den die normale Kost auf die Dauer mit sich bringe, eine »Sonderverpflegung« erhielten. Für diese, so die Schrift weiter, habe »der Arbeitsmann Verständnis«; es »wäre aber dennoch falsch, sie vor den Augen der Arbeitsmänner zu verzehren«.103 Noch deutlicher wurden die Ernährungsprobleme in den Deutschland-Berichten der Exil-SPD und ähnlichen Quellen angesprochen. In zahlreichen Berichten von 1934, gelegentlich aber auch noch in späteren Jahren, wurde über das ungenügende und schlechte Essen geklagt. Von einem sächsischen Lager zum Beispiel hieß es: »Schlecht zubereitetes Kraut und alte, fast stinkige Kartoffeln ist nahezu das tägliche Mittagsmahl.«104

100 Vgl. Arbeitsmann 3.7.1937. 101 Vgl. Schinnerer, S. 54f. 102 BA/B, R 2301/5653, Protokoll der 10. Arbeitsgauführertagung, 879.2.1936. 103 Maßmann, S. 58. 104 Vgl. z.B. Deutschland-Berichte 1980, Bd. 1 (1934), S. 222; ebd., Bd. 1, S. 643; auch noch ebd., Bd. 5 (1938), S. 847.

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Demnach war die Ernährung keineswegs so ideal, wie der Arbeitsdienst sie der Bevölkerung gegenüber stets darstellte. Untersucht man die überlieferten Speisepläne genauer, fällt tatsächlich auf, dass sie kaum Gemüse und so gut wie kein Obst enthielten - ein Mangel an Vitaminen lag deswegen nahe. Angesichts der Not und des Elends, dem viele Jugendliche in der Weltwirtschaftskrise ausgesetzt waren, dürfen die Defizite zugleich nicht überbewertet werden; für viele Arbeitsmänner war die Kost im Arbeitsdienst trotzdem eine Verbesserung gegenüber dem, was ihnen ihre Eltern bieten oder sie sich selbst leisten konnten. Dem werbenden Anspruch, mit dem der Arbeitsdienst an die Öffentlichkeit trat, wurde er freilich nicht gerecht. Der Dienst formte die Körper der jungen Männer jedoch nicht nur aus humanitären Gründen. Bevor die Motive weiter erörtert werden, sollen zunächst die verschiedenen Tätigkeiten vorgestellt werden, die in diesem Sinne wirkten. Z u m einen hatte die Arbeit selbst einen kräftigenden Charakter. Da es sich um schwere, manuelle Arbeit handelte, ist selbstverständlich, dass sie ein physisches Training darstellte; auch die Tatsache, dass die jungen Männer an der freien Luft eingesetzt wurden, galt als gesund und kräftigend. Der Arbeitsdienst war aber nicht so naiv, der Tätigkeitsform bedingungslos einen positiven Effekt zur »Stählung« der Körper zu unterstellen. Unter Mitarbeit von Karl Schöpke, einem Arbeitstheoretiker und Pionier der Arbeitsdienstbewegung, entwickelte Hierls Organisation für die anfallenden Tätigkeiten eine eigene Arbeitsschulung. Ihr Ziel war es, »mit der geringsten körperlichen Anstrengung die bestmögliche Arbeitsleistung« zu vollbringen.105 Die Jugendlichen lernten, wie sie den Spaten und die anderen Geräte benutzen sollten; die Führer waren angehalten, Haltungsfehler zu korrigieren. Zudem wurde ein Ausgleichstraining entwickelt, um einseitigen Belastungen entgegenzuwirken. So war die Arbeit ein Bereich, der die Körper formte. 106 Die Vermittlung des optimalen Bewegungsablaufs bei der Arbeit und das Ausgleichstraining fanden nicht nur auf den Baustellen selbst statt. Sie waren auch Teil der »Leibeserziehung«, die der Arbeitsdienst vornahm. Diese war in drei Teilbereiche untergliedert: das angeblich auf den »Turnvater Jahn« zurückgehende Turnen, daneben Gymnastik und schließlich Sport, unter dem anders als heute nur der Wettkampf verstanden wurde. 107 Die gesamte Leibeserziehung nahm einen wesentlichen Anteil am Arbeitstag der jungen Männer ein. Laut Dienstplan begann jeder Morgen mit 15 Minuten Frühsport; in der oben wiedergegebenen Aufstellung waren der Leibeserziehung 1935 zudem an zwei Nachmittagen der Woche je eineinviertel Stunden gewidmet; 1938 standen in

105 Gönner, S. 226; Schöpke. 106 Vgl. Gönner, S. 225-229; zur Arbeit Kapitel IV. 107 Vgl. zum tatsächlichen Stellenwert Jahns in der Turnbewegung z.B. Mosse, S. 57-63; zum RAD Gönner, S. 230f.

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den ersten drei Dienstmonaten hierfür vier und danach drei Stunden wöchentlich zur Verfugung.108 Die Leibeserziehung im Arbeitsdienst war sehr vielseitig. In den »Grundübungen« wurden Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Gewandtheit gefördert. Darüber hinaus gab es Schwungübungen, um Verkrampfungen zu lockern; dann steigerten Kraftübungen mit Geräten wie Medizinbällen das Erreichte. Bodenturnen und leichtathletische Disziplinen sollten »den Mann zum >ganzen Kerl«< erziehen - diese Aufgabe kam auch dem Boxen zu. Läufe gab es als Mannschafts- und als Einzelläufe daneben wurde auch geschwommen und Ski gefahren. Die Leibeserziehung umfasste zudem einen ganzen Kanon an Spielen, wobei den »Kampfspielen« besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Laut RAD-Literatur forderten sie den restlosen Einsatz jedes Einzelnen und der Mannschaft und seien insgesamt in hohem Maße gemeinschaftsbildend; gemeint waren damit zum Beispiel Tauziehen oder Völkerball.109 Bei den Spielen im Gelände lernten die jungen Männer das Spähen und Tarnen, aber auch Sturm und Verteidigung, wobei die so simulierten Gefechte ohne Waffen ausgetragen wurden. Ferner gelte bei ihnen: »Die Größe des Einsatzes und die Art des Spiels schaffen ähnlich wie bei der Arbeit Wert- und Beurteilungsmaßstäbe für das Einzelglied. Der Mann wird nach zwei Richtungen hin beurteilt und gewertet: Danach ob er sich voll und ganz einsetzt und wie er sich verhält; weiterhin aber auch nach der Leistung.«110 Weitere Teilbereiche waren die bereits erwähnte Arbeitsbegleitschulung und die Körperpflege, etwa Sonnenbäder oder Massage.111 Die Erziehungsziele, die sich mit der Schulung verbanden, bezogen sich nicht nur auf die Körper der Arbeitsmänner, sondern auch auf ihre Charakter. Zu Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Gewandtheit sollten Eigenschaften wie Entschlussfähigkeit und Mut, Härte und Opfersinn, Kameradschaft und Kampfgeist treten. Deswegen hatten die Mannschaftskampfspiele eine so herausragende Bedeutung. Somit war das allgemeinste Ziel der Körperschulung »die Erziehung zum nationalsozialistischen Kämpfer«.112 Der nationalsozialistische Arbeitsdienst wollte das Gesamtniveau und damit die durchschnittliche Leistung seiner Angehörigen verbessern, nicht aber herausragende Einzelleistungen erzielen - deswegen die obligatorische Teilnahme am Sport, deswegen die Mannschaftssportarten, und deswegen war schließlich der »Muskelprotz« ebenso verpönt wie der »Stubenhocker«.113 Zu der Arbeit und der Leibeserziehung traten als drittes Element der Körperformung die Ordnungsübungen. Obwohl sie weniger vielseitig als die Leibes108 109 110 111 112 113

Vgl. Petersen, S. 84-89. Vgl. NARA/CP, RG 242, Τ 81/109, Dienstplan Leibeserziehung, April-Juli 1938. Petersen, S. 88, Vgl. auch Surén, S. 135-139. Vgl. Gönner, S. 231-233. Petersen, S. 85. Herne, S. 198; vgl. auch Kraftmeier, S. 42.

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erziehung waren, nahmen sie sogar noch mehr Zeit ein als diese. Nach dem oben ausfuhrlich wiedergegebenen Dienstplan von 1935 wurden die jungen Männer an drei Nachmittagen der Woche eineinviertel Stunden in diesem Bereich ausgebildet; eine offizielle Publikation von 1938 sprach sogar von vier bis sechs Stunden pro Woche. Hier lernten die jungen Männer, mit oder ohne Spaten zu exerzieren. Der Arbeitsdienst kopierte damit Übungen des Heeres, wobei er das Gewehr durch den Spaten ersetzte. Es handelte sich nicht um das normale Arbeitswerkzeug, sondern um einen eigenen Paradespaten, den die jungen Männer zu präsentieren hatten. In Einzelunterricht, als Trupps, als Zug oder auch als Abteilung wurden die Arbeitsmänner geschult, stehend oder in der Bewegung Befehle auszuführen. Die Ordnungsübungen dienten offiziell zwei Zielen. Z u m einen sollten die Abteilungen darauf vorbereitet werden, »in der Öffentlichkeit ordentlich auftreten zu können«.114 Die Außenwirkung war dem alten Generalstabsoffizier Hierl besonders wichtig; vor allem in Hinblick auf die Nürnberger Parteitage machte er seine Organisation zu einer Exerzierund Paradetruppe. Die überlieferten Protokolle der Arbeitsgauführertagungen zeigen, mit wie viel Herzblut Hierl dieses Thema behandelte. Bereits im nationalsozialistischen FAD-Lager in Hammerstein hatte Anfang 1932 Hans Surén - eine Zentralfigur der völkischen Nacktkultur der 1920er Jahre und Spezialist für Leibesübungen, der später Inspekteur für Leibeserziehung im Arbeitsdienst werden sollte - eigens Ordnungsübungen für den Arbeitsdienst entwickelt; laut Stellrecht waren es diese, welche Hierl erst richtig für den Arbeitsdienst interessierten.115 Als Reichsarbeitsfuhrer legte Hierl zum Beispiel großen Wert auf ordentliches Marschieren. Jedoch verbot er den Exerzierschritt und verordnete dem Arbeitsdienst den »taktfesten Gleichschritt«. Nachdem die Festlegung missachtet worden war, drohte er Mitte 1934 den verantwortlichen Führern bei Verstoß mit sofortiger Entlassung. Denn laut Hierl war die Arbeitsdienstzeit zu kurz, um den Exerziermarsch ordentlich zu lernen. Der Dienst mache sich nur lächerlich, wenn er trotzdem damit auftrete.116 So war es auch möglich, dass die erwünschte Außenwirkung in ihr Gegenteil umschlug; insgesamt gelang es dem Dienst aber, das zu vermeiden. Neben der Außenwirkung hatten die Ordnungsübungen zum anderen das Ziel, die Arbeitsmänner unter dem Leitbild des »Führerprinzips« zu disziplinieren und ihnen unbedingten Gehorsam beizubringen. Der Reichsarbeitsführer erklärte, dass die Ordnungsübungen kein Selbstzweck, sondern »Mittel für die Erziehung zur Disziplin« seien, das heißt der »unbedingten Unterordnung des eigenen Willens unter die Gesetze einer Gemeinschaft und die Anordnungen ihrer Führer«. Denn praktisch lasse sich Disziplin vor allem durch »exerziermäßige Übungen« umsetzen. Bei der »sofortigen, peinlichst genauen 114 Petersen, S. 81. 115 Vgl. IfZ, Zs 1906, Ausarbeitung Stellrecht, 1966; Surén, S. 76-78. 116 Vgl. BA/B, R 2301/5653, RL-AD an AGF, 7.3.1934.

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Ausführung der gegebenen Kommandos« werde das »Ich« völlig ausgelöscht und mit der »Einheit des Verbandes« verschmolzen. 117 Das Ideal bestand darin, ohne Widerrede und Meinungsäußerung die Vorgabe möglichst gut umzusetzen. Dajeder kleinste Fehler die ganze Einheit durcheinanderbringe, sollte die gesamte Gruppe die Ü b u n g wiederholen, falls ein Einzelner versagte. Der daraus resultierende Druck der jungen Männer aufeinander stärke den »Korpsgeist«. Das zeigt den hohen Stellenwert, welchen der Dienst der Disziplinierung der Männer untereinander beimaß, und manche Erinnerungsberichte zeigen, wie Außenseiter oder Abweichler von ihren Kameraden drangsaliert wurden. 118 Jedoch sollten die Jugendlichen nicht nur lernen, blind zu gehorchen, sondern dies mit Engagement tun. Der Staatspolitische Unterricht hatte ihnen deswegen zu erklären, warum die Übungen so wichtig waren. Stärker als bei den anderen körperbildenden Aufgaben ging es hier um die Einübung von Ordnung und Disziplin, weniger aber um Entscheidungsstärke und Eigenverantwortlichkeit. 119 Zugleich wurden die Ordnungsübungen als ein Ausgleich durch die Beanspruchung bei der Arbeit gesehen. Besonders in den ersten beiden Jahren nach der Machtübertragung wurde stets betont, dass die Übungen nichts mit »Soldatenspielerei« zu tun hätten. Das verweist auf die Grenzen, innerhalb derer sich die Körperbildung abspielte: Übungen, die einen direkt militärischen Charakter gehabt hätten, verbot Hierl im Sommer 1933 nach der Intervention der Siegermächte des Ersten Weltkrieges. Während im FAD vor 1933 je nach Dienstträger der Wehrsport eine mehr oder minder große Rolle gespielt hatte, wurde er nun aus dem Ausbildungsprogramm genommen. Die jungen Männer erhielten im Rahmen des Arbeitsdienstes keine Ausbildung mehr an Waffen; einige Jahre war sogar das Tragen von Schusswaffen verboten. Im Dezember 1933 untersagte der Reichsarbeitsfuhrer zudem den Geländesport, das heißt den Unterricht zu Gefechtslagen, der Wirkung von Waffen und Ahnlichem im freien Feld. Lediglich die Geländeschulung war weiterhin erlaubt.120 Allerdings wurden hier ebenfalls Fähigkeiten vermittelt, die in einem kriegerischen Konflikt von Bedeutung sind, zum Beispiel die Orientierung oder das Karten- und Fährtenlesen. Ferner gab es im Gelände auch die bereits erwähnten Kampfspiele, die ohne Waffen ein Gefecht simulierten. 121 Gegenüber der nationalen und besonders der internationalen Öffentlichkeit wurde jedoch betont, dass die Übungen harmlos seien.122 Die Verbote für genuin militärische Übungen im Arbeitsdienst wurden erst 1938 aufgehoben - da die Veränderungen aber direkt mit einer Verlagerung der 117 118 119 120 121 122

Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 193-197 (1935), Zitate S. 193. Vgl. Seyppel, S. 679f. Vgl. Kollenrott, S. 199. BA/B, R 2301/5653, RL-AD an AGL u.a., 18.12.1933. Vgl. Berendt/Kretzschmann, S. 159, 170. Vgl. Herne, S. 196.

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Arbeitsaufgaben des Dienstes zusammenhingen, werden sie dort erörtert. In den ersten Jahren des Regimes dagegen zeitigte die Intervention der Siegermächte des Ersten Weltkrieges bei den Inhalten der Körperschulung durchaus Wirkung. Wie zahlreiche Berichte aus den Lagern des Dienstes verdeutlichen, nahmen die Ordnungsübungen häufig deutlich mehr Zeit ein, als in den offiziellen Dienstplänen vorgesehen war. Die Deutschland-Berichte der Exil-SPD gaben zum Beispiel einen Arbeitsmann folgendermaßen wieder: »Arbeitsdienst ist nichts anderes wie Militärersatz. Die meiste Zeit wird mit Exerzieren zugebracht.« Das war besonders für die Abteilungen der Fall, die für die Reichsparteitagsauftritte in Nürnberg übten; aber auch aus anderen Lagern wurde berichtet, dass die Ordnungsübungen einen deutlich größeren Posten am Tagesablauf ausmachten als vorgesehen. 123 Neben Arbeit, Leibeserziehung und Ordnungsübungen bildeten viertens auch manche Formen der Freizeitgestaltung die körperlichen Fähigkeiten der jungen Männer aus. Beim Basteln und Werken wurde die Geschicklichkeit, gelegentlich auch die Kraft der Männer gefordert; fordernd für die Selbstsicherheit war etwa das Schauspiel. Von diesen Aktivitäten wird später noch einmal die Rede sein. Festhalten lässt sich aber, dass die Freizeitgestaltung die Wirkung verstärkte, die die anderen Bereiche der Körperbildung systematisch erzielten. Die Formung der Körper der Arbeitsmänner durch die vier Dienstzweige hatte offensichtlich nicht nur das Ziel, angesichts der Weltwirtschaftskrise Hunger und Mangelerscheinungen zu beseitigen. Gegenüber jeder humanitären Motivation drängte sich im »Dritten Reich« eine andere Begründung in den Vordergrund. Hierls Organisation hatte - wie auch andere NS-Formationen die Aufgabe, die jungen Männer für einen künftigen Krieg zu ertüchtigen. Vielleicht spielte in der Anfangszeit auch eine Rolle, dass es dem Dienst aufgrund von Finanzproblemen unmöglich war, regulären Arbeiten nachzugehen, und das Exerzieren die billigste Form der Betätigung war.124 Das als seine eigentliche Ursache zu deuten, wäre aber eine Verharmlosung. Vielmehr sollte Hierls Organisation zumindest bis zu deren Wiedereinführung 1935 das Fehlen der Wehrpflicht kompensieren. Nach 1935 diente die neu aufgebaute Arbeitsdienstpflicht der Vorbereitung auf den Wehrdienst, dem somit im Bereich der körperlichen Ertüchtigung ein Teil der Aufgaben abgenommen wurde. Wie schon kurz dargestellt wurde, hatten bereits Friedrich Ludwig Jahn und seine Zeitgenossen während der Befreiungskriege über die Notwendigkeit der zusätzlichen körperlichen Ertüchtigung als Vorbereitung auf den Wehrdienst diskutiert; weiter ausgearbeitet wurden die Überlegungen seit den 1880er Jah123 Deutschland-Berichte 1980, Bd. 1 (1934), S. 423; vgl. z.B. auch ebd., Bd. 5 (1938), S. 480. 124 Vgl. ebd., Bd. 1 (1934), S. 223.

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ren durch Kolmar von der Goltz und anderen. Mit dem Arbeitsdienst waren solche Überlegungen seit Weimarer Tagen nicht nur von Nationalsozialisten und Stahlhelm, sondern auch von Reichswehr und Reichsregierung verbunden worden. Insofern baute Hierls Organisation nach 1933 auch in diesem Bereich lediglich eine bereits zuvor angelegte Dimension aus. Die eher stumpfsinnigen Ordnungsübungen unterschieden sich in der Praxis und in der ihnen zugrunde liegenden Erziehungsabsicht kaum von denjenigen des Heeres, die ihr Vorbild waren. Solche Übungen hatte es in den europäischen Armeen vor allem seit dem 18. Jahrhundert gegeben. Die über sie erwirkte Disziplinierung hatte die Aufgabe, die militärischen Verbände zu gut funktionierenden Schützenverbänden zu machen. Diese Form der Ausbildung war angesichts der komplizierten Abläufe, die die damalige Waffentechnik erforderte, sinnvoll. 125 Durch die Veränderung von Schusswaffen und Kriegsführung wurde der unmittelbar militärische Nutzen des Exerzierens spätestens seit dem Ersten Weltkrieg stark relativiert. Denn nun wurde die Truppe nicht mehr in der geschlossenen Formation ins Feld geführt. Trotzdem gab es in allen Heeren in eingeschränkter Form weiterhin Ordnungsübungen. 126 Ihr Bedeutungsverlust für den Krieg war auch Hierl bewusst. Er nutzte nach 1933 sogar diese Tatsache, um das Argument zu belegen, dass sich mit den Übungen keine kriegerischen Absichten verbänden. 127 Wie aber die Quellen des Arbeitsdienstes zeigen, diente das Exerzieren de facto Zielen, die für die Kriegsfuhrung von hoher Bedeutung waren: vor allem der freudigen, absoluten Unterordnung und dem unhinterfragten und bedingungslosen Befolgen von Kommandos, oder noch allgemeiner der Herstellung von Disziplin. In diese Richtung wirkte jedoch nicht nur die Körpererziehung selbst, sondern auch viele andere Faktoren des Dienstes. Unterordnung und Disziplin vermittelte bereits in hohem Maße die räumliche und zeitliche Struktur der Lager. Sie wurden den Jugendlichen außerdem oft schon bei der Musterung eingebläut und mehr noch bei der Aufnahme im Lager - viele Arbeitsdienstabteilungen knüpften an Traditionen des kaiserlichen Heeres an, wenn sie die Rekruten in ihrer ersten Zeit im Dienst besonderen Schikanen aussetzen. In manchen Einheiten sah sich bei der Einkleidung, die häufig für ein demütigendes Schauspiel verwandt wurde, der »Kammerbulle« die jungen Männer lediglich an. Daraufhin händigte er ihnen ohne weitere Worte eine Uniform aus. Häufig passten die Kleidungsstücke den Männern nicht - und sollten dies auch gar nicht - , so dass die Rekruten sich bei dem Versuch, die Uniformstücke anzulegen, lächerlich machten. Weigerten sie sich aber, wurden sie angebrüllt; beim geringsten Anlass erhielten sie den Befehl, halbnackt einige »Ehrenrun125 Vgl. Foucault, 173-209; den Zusammenhang zwischen Kriegskunst und Disziplinierung stellt auch Weber her; vgl. Weber, Wirtschaft, S. 683-685. 126 Vgl Jahr, S. 333f. 127 Vgl. z.B. Surén, S. 7.

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den« um die Baracken zu drehen. Erst nach diesem Ritual war es ihnen erlaubt, untereinander die verschiedenen Stücke zu tauschen. Diese Praxis war keineswegs der schlimmste Initiationsritus, mit dem frisch Einberufene in ihrem Lager empfangen wurden. 128 Die Arbeitsmänner lernten so bereits in den ersten Tagen, sich bedingungslos unterzuordnen. Verstärkt wurden diese Elemente durch Eigenkreationen des Arbeitsdienstes wie den berüchtigten »Schemelbau«. Nach einem genau festgelegten Schema mussten die jungen Männer abends ihre Kleidung auf ihrem Schemel ablegen. Ebenso häufig wie beim »Bettenbau« war hier ein tatsächlich oder angeblich unordentliches Ergebnis Anlass fur Schikanen durch die Führer, vor allem für den »Budenzauber«, wie das außerplanmäßige Aufräumen und Putzen der Baracke als Strafmaßnahme genannt wurde. 129 Die Disziplinierung war somit nicht auf die Körpererziehung beschränkt, sondern fand in allen Teilen des Tagesablaufes statt; sie war geradezu das Signum des Arbeitsdienstes. Nicht nur in der Ordnung der Lager, sondern auch in diesem Bereich der Erziehung spiegelte sich die Annäherung an den Idealtypus der »totalen Institution« wider. Die Körperformung schuf in den Worten Foucaults »gelehrige Körper«: Drill und Übungen dienten der disziplinierenden Umformung; die bis in die kleinsten Nuancen ausgetüftelte Bearbeitung kräftigte die jungen Männer, machte sie zugleich aber auch gefügig.130 Doch mit der Körperbildung und dem Drill sollte nicht nur der Gehorsam gegenüber einem »Führer« eingeübt werden. Besonders die Leibeserziehung sollte daneben Tugenden wie Selbstkontrolle, Mut und Opfersinn, eingebunden in ein Konzept von Leistung, stärken. So vermittelte der Dienst die unter den Bedingungen moderner Kriegsführung wichtige Fähigkeit, Befehle selbständig und eigenverantwortlich auszuführen. Denn diese verlangt nicht nur die Fähigkeit des Gehorsams, sondern auch zur Entwicklung von Initiativen im Rahmen festgelegter Normen. 131 Mit dieser Formung der jungen Männer bereitete er sie auf den Wehrdienst und so auf einen künftigen Angriffskrieg vor. All das ergibt sich nicht notwendigerweise aus dem Charakter der Übungen selbst - auch andere Gesellschaften schulten und schulen ihre männliche Jugend auf ähnliche Art; selbst die demütigenden Initiations- und Unterwerfungsriten sind weit verbreitet.132 Die mit der Körpererziehung verbundenen Intentionen ergeben sich vielmehr zum einen allgemein aus den Kriegsvorbereitungen, die das Regime bekanntermaßen seit 1933 betrieb. Z u m 128 Abgedruckt bei Wagner, Arbeitsdienst, S. 216-236. 129 Vgl. z.B. Bracher, Von der Alten Geschichte, S. 259; Paul, Erinnerungen; Wagner, Arbeitsdienst, S. 253-266. 130 Vgl. Foucault, v.a. S. 173-181; vgl. zu solchen Initiationsriten auch Goffman, S. 37-42; dass der RAD v.a. so von den Arbeitsmännern wahrgenommen wurde, zeigt Hausmann, S. 613. 131 Vgl.Jahr, S. 32f. 132 Vgl. z.B. Kühne, Männerbund, S. 165-189.

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anderen lassen sie sich aus den Selbstdeutungen erschließen, mit denen der Arbeitsdienst die Übungen rechtfertigte und die einen Blick auf die Absichten freigeben, die mit der körperlichen Schulung verbunden waren. Mit einer angesichts der damaligen außenpolitischen Situation erstaunlichen Offenheit führte Surén Anfang 1934 aus, dass die für einen Krieg notwendige »Wehrhaftigkeit« vornehmlich eine »körperlich-charakterliche Bereitschaft« u m schreibe. Diese zu stärken sei Aufgabe des Arbeitsdienstes. Den Stellenwert der »Wehrhaftigkeit« verdeutlicht sein zusammenfassendes Urteil: »Sorgen wir dafür, daß unser Volk wieder stark, naturverbunden, abgehärtet, einfach wird und sich aufs beste im Gelände bewegen kann, so brauchen wir die Zukunft nicht zu fürchten.«133 Eine solche Formung des männlichen Nachwuchses lag aber nicht nur im Interesse des Regimes und seiner kriegerischen Ziele. Auch die Wirtschaft wollte gefügige Arbeitnehmer. Das war der Hauptgrund, warum sich seit Weimarer Tagen Teile der Industrie im Arbeitsdienst engagiert hatten. Das bereits erwähnte »Deutsche Institut für technische Arbeitsschulung« (DINTA), das von führenden Vertretern der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie 1925 gegründet worden war, richtete unter ihrem Leiter Karl Arnhold im Rahmen des FAD eigene Arbeitslager ein.134 Diese und ähnliche Initiativen hatten neben der politischen Zähmung im Sinne der Industrie das Ziel, die Freiwilligen zu kräftigen und zu disziplinieren; daraufhat die marxistische Forschung vor 1989 zu Recht aufmerksam gemacht.135 Nach der Machtübertragung wurde auch die DINTA aus dem Arbeitsdienst herausgedrängt - nun übernahmen Staat und Partei die Aufgaben, welche zuvor teilweise in der Hand der Wirtschaft gelegen hatten; Arnhold organisierte fortan die Berufsausbildung der DAF.136 Dieses dritte Ziel neben der unmittelbaren Hilfe für die Opfer der Wirtschaftskrise und der Kriegsvorbereitung verlor ähnlich wie das erste jedoch bald an Bedeutung. Nach der Uberwindung der Massenarbeitslosigkeit kehrten sich die Interessen der Unternehmer um, denn es wäre ihnen nun wichtiger gewesen, die jungen Männer direkt in ihren Betrieben einsetzen zu können als sie für mehrere Monate an Hierls Organisation abgeben zu müssen. Trotzdem mussten die Arbeitgeber anerkennen, dass der Arbeitsdienst das Protestpotential junger Arbeitnehmer reduzierte. So schätzte etwa Fritz Todt, der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, die Leistungsbereitschaft ehemaliger Arbeitsmänner deutlich höher ein als die anderer Arbeitnehmer. 137 133 Surén, S. 29, 137. 134 Vor allem der Stahlhelm hatte enge Kontakte zu Arnhold; vgl. BA/B, R 72/313, STH, Landesverband Westmark, Grundsätzliche Verständigung, 5.11.1932; BA/B, R 72/311, v.a. Mahnken an Bundesamt Magdeburg, 4.7.1932. 135 Vgl. v.a. Schlicker, Arbeitsdienstbestrebungen, S. 102-122; Petrick/Rasche, S. 59-70; neueren Datums: Nolan, S. 185-192; Zukas, S. 25-49. 136 Vgl. Campbell, S. 325. 137 Vgl. zu Todts Sicht Morsch, S. 452.

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Laut Oberstfeldmeister Hellmut Petersen stimmten im Arbeitsdienst »Erziehungsabsicht und Wirklichkeit« miteinander überein. 138 Wie bereits gezeigt wurde, gab es jedoch in allen Bereichen des Dienstes deutliche Diskrepanzen zwischen dem öffentlich verbreiteten Selbstbild, dem Anspruch einerseits und der Praxis in den Lagern andererseits - und von dieser Regel bildeten auch die Leibeserziehung und die Ordnungsübungen keine Ausnahmen. Zunächst gilt es festzuhalten, dass auf viele Betrachter das Spatenexerzieren einen lächerlichen Eindruck machte - nicht zuletzt professionelle Soldaten erblickten darin ein unwürdiges Ritual, das zum einen die militärischen Ordnungsübungen trivialisiere, zum anderen aber dem Spaten als einem Arbeitswerkzeug nicht gerecht werde. Der ehemalige Generalstabsoffizier Hierl dagegen war ganz vom Wert der Übungen überzeugt. Angesichts der Wirkung, welcher der Auftritt der über 50.000 Arbeitsmänner mit ihren blitzenden Spaten bei Hitler zeitigte, liegt nahe, dass Hierl den Ordnungsübungen weniger aufgrund ihrer erzieherischen Bedeutung einen so hohen Stellenwert beimaß, sondern weil er auf diese Art bei Hitler 1934 an Ansehen gewonnen hatte. Demnach waren die Übungen nicht so sehr ein pädagogisches Mittel, als vielmehr eine propagandistische Waffe des Arbeitsdienstes im Kampf um die Gunst des »Führers«. Diese These wird dadurch bestätigt, dass Hierl in den Monaten vor den Reichsparteitagen die Verbände, die nach Nürnberg fahren sollten, besonders intensiv exerzieren ließ - die anderen Felder der Erziehung sowie die praktische Arbeit wurden teilweise in auffallendem Maße vernachlässigt. In einer autobiographisch gefärbten Geschichte des RAD hat Horst Wagner zum Beispiel verschiedene Erinnerungen zusammengestellt, wonach die Ordnungsübungen sogar das wichtigste Element des Tagesablaufs darstellten. Wagner hat seine und ähnliche Aufzeichnungen aber universalisiert und behauptet, dies sei zwischen 1933 und 1945 allgemein Praxis im Arbeitsdienst gewesen; in eine ähnliche Richtung ging auch die Kritik Stellrechts am Dienst Hierlscher Prägung.139 Diese Deutung wird jedoch durch andere Memoiren widerlegt. In anderen Abteilungen wurde noch nicht einmal das Soll von Stunden erfüllt, das offiziell für die Ordnungsübungen vorgesehen war.140 Angesichts der über 1.000 Lager, in denen die Männer verteilt waren, der unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse im Sommer und im Winter sowie den sich ändernden politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen ergibt sich somit kein eindeutiges Bild. Offensichtlich gab es ein gewisses Maß an Willkür der unteren Führungsebenen. Auch wenn dies den strikten Hierarchien und dem »Führerprinzip« widersprach, wurden viele Fragen des Lageralltags offensichtlich von ihnen eigenverantwortlich entschieden: zum Beispiel, mit welcher Schärfe die Ordnungsübungen durchgeführt wurden, oder ob es trotz eines Verbotes Strafexerzieren 138 Petersen, S. 13. 139 Vgl. Wagner, Arbeitsdienst, S. 3f; IfZ, Zs 1906, Ausarbeitung Stellrecht. 140 Vgl. z.B. Interview Augstein; Interview Böhler.

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gab.141 Die Abweichungen weisen allerdings nicht auf vom Arbeitsdienst beabsichtigte Freiräume hin. Wenn die jungen Männer dem totalen Zugriff durch die Institution Arbeitsdienst und ihrem Hauptvehikel, den Lagern, entkamen, so war das ihrer Eigeninitiative zu verdanken: Scheinbarer Aktivismus bei der Baustellenarbeit, das Simulieren von Krankheiten und ähnliche Wege unterliefen immer wieder den Anspruch des Arbeitsdienstes, die totale Lagererfahrung herzustellen.142 Aus vielen Erinnerungen - seien sie von Männern, die dem Dienst aufgeschlossen oder kritisch gegenüberstanden - wird jedoch deutlich, dass der Arbeitsdienst insgesamt seinen Auftrag erfüllte, die jungen Männer auf Wehrdienst und Krieg vorzubereiten. Er gewöhnte an Drill und lehrte so Unterordnung, stärkte zugleich die körperliche Verfassung und lehrte Fähigkeiten, auf welche die Arbeitsmänner später zurückgreifen konnten. Während die Ordnungsübungen auf das »Schleifen« während des Wehrdienstes vorbereiteten, vermittelten Teile der Leibeserziehung Kenntnisse, die im Krieg über Leben und Tod entscheiden konnten. Wie sich ein Arbeitsmann erinnerte, war es vor allem die Geländeschulung im Arbeitsdienst, die ihm im Zweiten Weltkrieg zustatten kam: »Ich habe für meinen späteren Einsatz im Krieg viel gebrauchen können. Tarnen und Einbuddeln im Arbeitsdienst zu lernen hat mir später im Zweiten Weltkrieg mehr als einmal das Leben gerettet.«143 Auch das Ziel, den körperlichen Zustand der jungen Männer insgesamt zu verbessern, dürfte der Arbeitsdienst erreicht haben - das Zusammenspiel aus körperlicher Arbeit, Ordnungsübungen und Leibeserziehung hatte eine kräftigende Wirkung. Hierl selbst wies immer wieder auf den mangelhaften körperlichen Zustand des männlichen Nachwuchses bei Eintritt in den Dienst hin und rechtfertigte so die Existenz und die Notwendigkeit seiner Organisation. Diese Selbstlegitimation über die angebliche Unzulänglichkeit des Nachwuchses war für den Arbeitsdienst von essentieller Bedeutung, da zunehmend auch die HJ, andere Parteiorganisationen, aber besonders ab 1935 auch die Wehrmacht die »Stählung« der gesamten männlichen Jugend zu ihrem Auftrag machten. Vor diesem Hintergrund ist es zum Beispiel zu verstehen, dass Hierl Anfang 1936 an Hitler und andere Spitzen des Regimes einen Bericht über den 1. Halbjahrgang 1915 sandte. Die jungen Männer, die im Herbst 1935 den ersten Pflichtjahrgang des Arbeitsdienstes stellten, unterschieden sich demnach regional nach Ernährungszustand und Kraft, seien in beiderlei Hinsicht insgesamt aber zufriedenstellend. Dagegen ließe die Durchbildung der Körper sehr zu wünschen übrig, besonders bei dem bäuerlichen Nachwuchs, der einen Großteil des Halbjahrgangs ausmachte: »Ein grosser Teil der Arbeitsmänner ist 141 Vgl. Wagner, Arbeitsdienst, v.a. S. 10-28; Ditfurth, S. 136. 142 Vgl. z.B. Cranz, S. 185-187. 143 Interview Augstein; ähnlich Interview Schreiber; vgl. auch Hausmann, S. 613.

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bereits krumm gearbeitet«. In dem internen Bericht wurden die Folgen, die landwirtschaftliche Arbeit häufig hatte, somit unverhohlen ausgesprochen was in krassem Gegensatz zum stark idealisierten, romantischen Bild des Landlebens stand, das der Arbeitsdienst in der Öffentlichkeit verbreitete.144 Eine detailliertere, regionale Studie über denselben Jahrgang kam zu dem gleichen Ergebnis. Sie erklärte ganz wie Hierl, dass angesichts des Zustands der Jugend der körperlichen Erziehung durch den Arbeitsdienst eine unverzichtbare Aufgabe zukomme; immer wieder wurde mit diesen Ausführungen auch die Forderung nach einer Verlängerung der Arbeitsdienstzeit verbunden. 145 Dieses in düsteren Farben gemalte Bild breitete der Dienst selbstverständlich nicht gegenüber der Bevölkerung aus; Hierl setzte diese Strategie in den Diskussionen innerhalb der Machtelite des Regimes aber auch in späteren Jahren - etwa in einem 1938 an Himmler gesandten Uberblick - ein, um den Erziehungsauftrag seiner Organisation zu rechtfertigen. Ausdrücklich hielt er dort fest, dass eine positive Wirkung der HJ auf den physischen Zustand des Nachwuchses nicht feststellbar sei.146 Wenn diese Quellen aufgrund der Legitimationsbedürfnisse des Arbeitsdienstes mit Vorsicht zu verwenden sind, so gilt das gleichermaßen auch für Hierls Meldungen über die Kräftigung, mit welcher die Jugendlichen ihre Dienstzeit angeblich abschlössen. Der Arbeitsdienst behauptete das sehr häufig, belegte es aber nur selten. Die bereits erwähnte Regionalstudie, welche den Körperzustand beim Eintritt in den Dienst akribisch aufgeschlüsselt hatte, hielt zum Beispiel ohne Beleg fest, dass sich die jungen Männer am Ende ihrer Dienstzeit durchschnittlich in einem besseren körperlichen Zustand befänden.147 Die Verbesserungen lediglich zu behaupten und gelegentlich noch mit einigen Fotos von kräftigen jungen Männern zu versehen war die Strategie, auf die der Dienst zumeist zurückgriff Auch die Statistiken zu den Gewichtszunahmen dienten diesem Ziel - die freilich aber nicht per se preisgaben, ob die zusätzlichen Pfunde einer Verbesserung oder einer Verschlechterung der Konstitution entsprachen. Auf einem ernstzunehmenden ärztlichen Gutachten fußte dagegen der Befund für den Arbeitsgau XXI (Rheinland), der eine kräftigende Wirkung festhielt.148 Auch für eine Abteilung des Arbeitsgaus Franken legte ein Arzt eine seriös aufgemachte Untersuchung vor, aus der ebenfalls hervorging, dass die Arbeitsdienstzeit sich positiv auf die Körperentwicklung der Jugendlichen ausgewirkt habe.149 Schließlich ließ Paul Seipp in seiner Disserta144 BA/B, R 1501/5102, RAF, Erfahrungen mit dem 1. Halbjahrgang 1915, 18.1.1936. 145 Vgl. Petersen, S. 21f. 146 BA/F, M F B l/SF-01/16218, Hierl an Himmler, 10.2.1938 und Anlage. 147 Vgl. Petersen, S. 95. 148 Vgl. BA/F, M F B 1 / W F - l 0 / 2 2 6 2 8 , Gutachten über Tauglichkeit im Arbeitsgau XXI, 25.9.1934. 149 Vgl. Schinnerer, S. 25f.

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tion 1935 einzelne Arbeitsmänner selbst sprechen; die von ihm ausgewählten Quellen bestätigten qualitativ die quantifizierenden Aussagen der ärztlichen Statistiken.150 Insgesamt kann man davon ausgehen, dass aufgrund des Charakters des Dienstes die jungen Männer tatsächlich gestärkt aus Hierls Organisation hervorgingen. Angesichts der kurzen Dienstzeit dürfte der Erfolg - gemessen an den selbst definierten Zielen - aber nicht durchschlagend gewesen sein. Z u gleich lässt sich die ertüchtigende Wirkung des Dienstes nicht isolieren, da er Glied in einer Kette ähnlicher Einrichtungen war und auch sein sollte. Festhalten lässt sichjedoch, dass angesichts einer zwar nicht idealen, immerhin aber gesicherten Ernährung, eines Lebens, das im Wesentlichen von körperlicher Arbeit, Sport und Exerzieren geprägt war, und in einer Einrichtung, die für die aus einseitiger Belastung resultierenden Schäden ein Bewusstsein hatte, die Verfassung sich durchschnittlich verbessert haben dürfte. Da die »Stählung« der Körper eine der zentralen Aufgaben des Dienstes und damit auch eine seiner wichtigsten Legitimationen darstellte, er sich aber mit diesem Auftrag weder allein auf weitem Feld befand, noch eindeutige Erfolge verbuchen konnte, war schon die schiere Fortexistenz der Einrichtung über das Jahr 1935 hinaus ein sichtlicher Erfolg für Hierl.

2.2. Erziehungsziel »Männlichkeit« Es würde zu kurz greifen, die Körper- und Charakterbildung nur auf die kurzund mittelfristige, instrumenteile Umsetzung von Zielen wie der Ertüchtigung und Disziplinierung für Arbeit und Krieg zu reduzieren. Der Anspruch, die jungen Männer umzuformen, reichte auch in das Feld der Geschlechterdefinition. Der Arbeitsdienst wollte während der Dienstmonate in den abgelegenen Männer-Lagern ein spezifisches, stabiles männliches Selbstverständnis implementieren. So war der Arbeitsdienst auch eine »Schule der Männlichkeit«, um einen Begriff des Berliner Pädagogik- und Philosophieprofessors Friedrich Paulsen, den dieser 1902 auf das Heer angewandt hatte, auf Hierls Organisation zu übertragen.151 Wie bereits erörtert, wurde mit der Einführung der Arbeitsdienstpflicht für Männer 1935 die Zugehörigkeit zum Arbeitsdienst wesentlich über das Geschlecht definiert. Andere mögliche Kriterien der Differenzierung - zum Beispiel Klasse oder Konfession - spielten dagegen abgesehen vom Antisemitismus keine Rolle; sie sollten aufgehoben werden. Gleichzeitig war zwar de jure auch die allgemeine Arbeitsdienstpflicht für Frauen eingeführt worden, de facto wurde sie noch weniger verwirklicht als die für

150 Vgl. Seipp, S. 39f. 151 Paulsen, S. 471.

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Männer. Vor allem aber blieben die Dienste für die beiden Geschlechter streng voneinander getrennt. Demnach war das Geschlecht das wichtigste Kriterium der Gemeinschaftsbildung in Hierls Organisation. Zugleich aber - und das soll hier näher erörtert werden - stellte »Männlichkeit« keine Substanz dar, sondern ein erklärtes Erziehungsziel. Der Arbeitsdienst hatte ein normatives Bild von Männlichkeit, das keinen Raum für alternative Verständnisformen ließ.152 Damit war diese Institution im nationalsozialistischen Deutschland freilich nicht allein, sondern der Arbeitsdienst stellte nur eine von zahlreichen erzieherischen Kräften des Regimes dar, die mit einem jeweils ähnlichen Geschlechterverständnis auf den Nachwuchs einwirken sollten. Wie erste Ansätze zur Erforschung dieses Bereichs gezeigt haben, reagierten die Nationalsozialisten damit auf Herausforderungen an das maskuline Rollenmuster, an das sie selbst anknüpften. George Mosse hat die These vertreten, dass sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in vielen westlichen Gesellschaften ein weitgehend geschlossenes Idealbild des Mannes herausgebildet hatte. Es umfasste sowohl den Körper als auch die diesem zugeschriebenen Werte. Kraft und Vitalität, zugleich auch Selbstkontrolle, waren demnach wesentliche Merkmale des Ideals, das Johann Joachim Winckelmann in der bekannten Wendung von der »edlen Einfalt und stillen Größe« zusammengefasst hatte und auf das sich auch die Nationalsozialisten bezogen.153 Transportiert wurde das Verständnis im 19. Jahrhundert nicht zuletzt durch das Militär. Es entwickelte nun seine durchschlagende Wirkung, da es in den Wertekanon der Mittelklasse aufgenommen wurde. 154 Mit seiner Wehrpflicht wurde besonders das preußische Heer zu einer einflussreichen, prägenden Instanz. Es wollte körperlich abgehärtete, opferbereite, willensstarke, zugleich aber auch beherrschte, kameradschaftliche und anti-individualistische Männer formen.155 Körperkraft und Selbstkontrolle gingen miteinander einher, und sie wurden hauptsächlich gefördert, um für die Interessen des Staates eingesetzt zu werden. Der Kanon an Eigenschaften und Tugenden wurde seit der Wende zum 20. Jahrhundert in zwei Wellen erschüttert. Am Fin de Siècle wurde das überlieferte Bild der Maskulinität zum einen durch die Frauenrechtsbewegung und andere Frauengruppen angegriffen, die aus ihrem traditionellen Rollenbild ausbrechen wollten - das bis dahin dominante Frauenbild hatte das Selbst-

152 Damit kopierte der Arbeitsdienst die Rolle, die in der Moderne allgemein dem Militär zukommt, Vgl. Frevert, Nation; allgemein Bock, Gleichheit, S. 277-320; Scott, S. 27-75; Butler. 153 Winckelmann, S. 38. 154 Vgl. Eisenberg, v.a. S. 47-56. 155 Vgl. Mosse, v.a. S. 27-56; neuerdings Frevert, Nation. Diese Frage ist im Kontext dieser Arbeit aber nur von nachrangiger Bedeutung, da im Zentrum der Analyse das N S - B i l d steht. Festhalten lässt sich auch, dass es an ein ähnliches, älteres Modell anknüpfte; umstritten ist nur, wie alt dieses war, bzw. ab wann es breitenwirksam wurde.

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Verständnis der Männer wesentlich stabilisiert. Neben »unweiblichen Frauen« waren es zum anderen »weibliche Männer«, die unter den Vorzeichen der Dekadenz das Winckelmann'sche Ideal in Frage stellten. Ein Prototyp dieser Richtungwar Oscar Wilde. Das überkommene Bild konnte sich im Ersten Weltkrieg noch einmal stabilisieren - vielleicht sich sogar jetzt erst gänzlich durchsetzen. Allerdings wurde es in der Weimarer Republik noch radikaler herausgefordert: N u n schienen sich die Lebensstile der Geschlechter sogar anzugleichen, was traditionellen Vorstellungen ebenso widersprach wie die noch breitere Präsenz von Männern, die vom herkömmlichen Muster abwichen. Weiter verunsichert wurde die traditionelle Geschlechterdefinition durch die Weltwirtschaftskrise. Gleichzeitig schöpfte das traditionelle Bild der Maskulinität im Kriegserlebnis frische Kraft - es wurde durch Autoren wie Ernst Jünger neu gefasst und verbreitet. Auch der Nationalsozialismus war Teil dieser Abwehrbewegung, und er bemühte sich, sein Verständnis von Männlichkeit besonders über Sozialisationsinstitutionen wie den Arbeitsdienst weiterzugeben. Ein wesentlicher Bestandteil des maskulinen Ideals der NSDAP und anderer Gruppierungen der völkischen Rechten war ihr Feindbild. Uber dessen Analyse lässt sich auch das positive Modell fassen. Besonders im Stereotyp des »Juden« flössen alle negativen Eigenschaften zusammen, die den männlichen Anti-Typ vom »Arier« - und in Hierls Organisation vom Arbeitsmann - unterschieden.156 Ein weiterer männlicher Anti-Typ für den Arbeitsmann war der Bürger mit seinem elitären Arbeitsbegriff, der manuelle Tätigkeiten scheue. Dieses Feindbild wurde aber mit weniger Brutalität vorgetragen. Diese Befunde für den Arbeitsdienst ordnen sich ganz in die Ideologie des Nationalsozialismus ein. Allerdings wurde der antisemitische männliche Anti-Typ in Hierls Organisation in den ersten Jahren nach 1933 seltener dargestellt als das Ideal des deutschen Arbeitsmannes selbst. Im wertneutralen Sinne war der Rassismus in Hierls Organisation somit lange eher positiv als negativ.157 Das Bild des Arbeitsmannes hatte zudem einen positiv besetzen Gegenpol im Modell der »Arierin«, der »deutschen Frau«. Die Arbeitsmänner wurden grundsätzlich ermahnt, mit dem »deutschen Mädel« so umzugehen, wie sie ihre Mutter oder Schwester behandelt wissen wollten: »Die Mädchen sind nicht auf der Welt, damit die Männer Lust und sinnlichen Genuß an ihnen haben, sondern sie erfüllen am höchsten ihren Lebenssinn, wenn sie in der Ehe Mütter werden und wenn das Volk durch sie weiterlebt.«158 Dagegen wurde Promiskuität als »unmännliches Verhalten« verworfen, das den Mann unfähig mache, gesunde Nachkommen zu zeugen. Ohne Ursachen und Wirkungen genauer zu benennen, wurde die »sinnlose, zügellose und wahllose Erfüllung des Geschlechtstriebes« mit ansteckenden Geschlechtskrankheiten zusam156 Vgl. Mosse, S. 107-201. 157 Vgl. z.B. Edel, Volksaufartung, S. 1097 und Kapitel III.3.1. dieser Arbeit. 158 Gönner, S. 264f.

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mengebracht. 159 Abschreckung, nicht Aufklärung war das Leitmotiv. Auch damit hob sich die Praxis des Arbeitsdienstes nicht v o m Nationalsozialismus im U m g a n g mit Sexualität gegenüber Jugendlichen ab, allerdings auch nicht von derjenigen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts allgemein. 160 Geschlechtsverkehr diente demnach zwar der »Erhaltung unserer Rasse«, er wurde aber ganz in den Kontext der Ehe gestellt. Damit hatte der Arbeitsdienst ein dem mainstream des Regimes entsprechendes Geschlechterverständnis, das unter rassistischen Vorzeichen an traditionelle Vorstellungen von Monogamie und Ehe anknüpfte. Dagegen positionierte etwa die SS das rassistische Denken so sehr in den Mittelpunkt, dass Moralvorstellungen wie die der monogamen Ehe weitgehend aufgegeben wurden: Solange es sich u m »arischen« Nachwuchs handelte, war dort die Frage der Beziehung zwischen den Eltern nachrangig. 161 Insgesamt hatte der Arbeitsdienst einen verklemmten U m g a n g mit d e m T h e m a Sexualität, das zumeist einfach beschwiegen wurde. Das gilt m e h r noch f ü r H o m o s e xualität - sie war so sehr tabu u n d für einen »richtigen« Arbeitsmann u n d e n k bar, dass sie in den Publikationen normalerweise nicht einmal erwähnt wurde. Dasselbe galt f u r den weiblichen Anti-Typ, das heißt f ü r die negativ besetzte Frauenrolle. U b e r den U m g a n g mit J ü d i n n e n und anderen Frauen, die nicht d e m NS-Ideal v o m »deutschen Mädel« entsprachen, blieben die Veröffentlichungen des Arbeitsdienstes f ü r M ä n n e r zumeist still - solche Kontakte sollten wohl nicht einmal in den Bereich des Möglichen erhoben werden. Dass der Arbeitsdienst diese Form wählte, u m Sexualität abzuhandeln, erklärt sich nicht zuletzt aus der bereits erwähnten Tendenz, m e h r über »Volksgenossen« als über »Gemeinschaftsfremde« zu sprechen. Die pornographischen Züge, die der Antisemitismus etwa in Streichers Stürmer annahm, finden sich in die Publikationen des Arbeitsdienstes kaum. Insgesamt hatte der Nationalsozialismus demnach zwei Formen, mit d e m T h e m a umzugehen: Verklemmt, spießig u n d vage, w e n n es u m die eigenen Zöglinge ging; sowie anzüglich, reißerisch und pornographisch, w e n n die Sexualität von J u d e n und anderen » U n t e r m e n schen« dargestellt wurde. R a u m f ü r einen offenen, aufklärerischen u n d präzisen U m g a n g mit d e m T h e m a gab es daneben offensichtlich nicht. 162 Die Rolle, die »dem deutschen Mädel« in diesem Rollenverständnis zugewiesen wurde, zeigt sich etwa an der D e u t u n g des Arbeitsdienstes für die weibliche Jugend. Gemäß dem offiziellen Schrifttum dürfe dieser nicht den Arbeitsdienst für M ä n n e r nachahmen. In Hierls Worten handele es sich u m keine »stilwidrigen Frauenbataillone«, 163 ihre Aufgabe sei vielmehr »Mütterdienst«. 164 159 160 161 162 163 164

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Ebd., S. 253. Vgl. Benninghaus, S. 243-247. Vgl. Wendt, Deutschland, S. 251f. Vgl. ebd., S. 247-263. HM, Schriften, Bd. 2, S. 249 (1936). Ebd., Bd. 1, Bd. 2, S. 378 (1936).

Der doppeldeutige Begriff verwies vor allem darauf, dass die jungen Frauen Dienst an Müttern zu leisten hatten. Zugleich enthielt er die wichtigste Aufgabe, die den Arbeitsmaiden für ihre Zukunft zugedacht war: das Muttersein, weswegen sie im Arbeitsdienst auf »ihren Beruf als Mutter und für ihre Verantwortlichkeit als Mutter innerhalb der Volksgemeinschaft« vorzubereiten seien. Andere Aufgaben und Tätigkeiten wurden im Schulungsmaterial, zumindest des Arbeitsdienstes für die männliche Jugend der Vorkriegszeit, zumeist nicht erwähnt, sondern die Frauen wurden weitgehend auf Mutterschaft und Familie festgelegt.165 Dieses Frauenbild war jedoch nicht repräsentativ für den Nationalsozialismus insgesamt, der in seiner Propaganda Frauen auch Raum in anderen Bereichen ließ - und damit sogar ein vielgestaltigeres Rollenverständnis hatte als die Vereinigten Staaten der 1930er Jahre, wo ähnliche Konzepte wie die im RAD vertretenen vorherrschten. 166 Zur extrem antiemanzipatorischen Stoßrichtung der Geschlechtervorstellungen des deutschen Männer-Arbeitsdienstes passte auch, dass es kein der Mutterschaft entsprechendes Konzept von Vaterschaft gab. Vielmehr war die Eltern-Kind-Beziehung auf das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn reduziert. Diese Tendenz lässt sich wiederum allgemein im nationalsozialistischen Geschlechterverständnis finden.167 Die Frau sei dagegen »von Natur körperlich schwächer als der Mann«, was diesen »zu Schutz und Hilfeleistung« sowie zu »Ritterlichkeit« verpflichte. 168 Die Grenzen, die dieses Geschlechtermodell zwischen Mann und Frau aufbaute, waren eindeutig definiert. Sie wurden mit hierarchischen und essentialisierenden Begriffen legitimiert. Demnach entspreche die unterschiedliche Rollenverteilung nur der »Natur« des jeweiligen Geschlechts. Die polare Definition der Geschlechter wurzelte nicht nur in alten abendländischen Traditionen, sie war darüber hinaus im Kaiserreich rassistisch fundiert worden. Danach war es eine spezifische Eigenschaft der »Arier«, klar voneinander getrennte Kategorien von Mann und Frau zu haben, während sie sich etwa bei Juden verwischten. 169 In den Schriften des Arbeitsdienstes gab es für Frauen keinen Raum in der Sphäre des Politischen, und auch aus dem ökonomischen Bereich sollten sie verdrängt werden. 170 Dieses Frauenbild korrespondierte freilich nicht direkt mit der nationalsozialistischen Politik. So nahm zum Beispiel von 165 Beyer, S. 111; vgl. auch Gaupp, S. 46-53; vgl. dagegen Rupp, S. 42—48, die zeigt, dass das Frauenbild im Arbeitsdienst fur die weibliche Jugend wesentlich vielseitiger war; insgesamt unterschieden sich demnach die Rollenverständnisse zwischen männlichem und weiblichem Arbeitsdienst. Viele der Studien, die sich schwerpunktmäßig dem Arbeitsdienst fiir die weibliche Jugend gewidmet haben, attestieren auch diesem ein ähnliches Geschlechterbild; vgl. z.B. Miller-Kipp, S. 103-129. 166 167 168 169 170

Vgl. Rupp, v.a. S. 167-177. Vgl. Weyrather, v.a. S. 46-48. Gönner, S. 253-255, 264f. Vgl. Bock, Gleichheit, S. 281f. Vgl. z.B. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 249f.

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1933 bis 1945 die Frauenarbeit nicht ab, sondern sie stieg an.171 Die Ideologie, die den j u n g e n M ä n n e r n im Arbeitsdienst vermittelt wurde, war demnach nicht deckungsgleich mit der Praxis des Regimes. Aber nicht n u r durch die Vermittlung eines Gegenmodells des »deutschen Mädels« u n d die Abgrenzung v o m männlichen und weiblichen Anti-Typ wurde die Männlichkeitsvorstellung des Arbeitsdienstes transportiert. Das Ideal klang auch im Kontext der Ernährung, von O r d n u n g s ü b u n g e n und Leibeserziehung an. Es spiegelte sich zudem im Gesundheitsunterricht wider, in d e m der Dienst Grundkenntnisse der Hygiene u n d der Prävention von Krankheiten vermittelte. 172 Besonders aussagekräftig ist die Haltung, die Hierls Organisation zu Alkohol u n d Nikotin vertrat. Sie erklärte den j u n g e n Männern, dass der übermäßige, fortgesetzte Konsum beider Drogen d e m Körper Schaden z u f ü ge.173 Zumindest in den Publikationen des RAD aus den späten 1930er Jahren wurde das Rauchen allgemein als Bedrohung f ü r die Männlichkeit gesehen, da sie bei fortwährendem Konsum Nervosität zur Folge habe. Diese Krankheit galt f ü r einen »richtigen« M a n n - besonders seit d e m Ersten Weltkrieg - als unangemessen. 174 In der Theorie war der unterstellte Z u s a m m e n h a n g zwischen körperlicher und charakterlicher Reinheit Grundlage des Hygieneunterrichts. Wer demnach nicht auf ein ordentliches Außeres achte, habe auch innere Defizite. Ahnliche Inhalte bezüglich des Nikotinkonsums vermittelten, wie Robert N . Proctor gezeigt hat, in den späten 1930er Jahren auch die HJ und der B D M ihren Zöglingen aus denselben rassenhygienischen Gründen. 1 7 5 Gegenüber der Öffentlichkeit u n d besonders gegenüber besorgten Eltern warb der Dienst damit, dass er die Jugendlichen v o m Rauchen u n d dem Alkoholmissbrauch fernhalte, u n d tatsächlich w u r d e in manchen Lagern Alkohol an die Arbeitsmänner n u r mit besonderer Genehmigung und unter Aufsicht ausgegeben. 176 Dass in vielen anderen Standorten gerade das Führerkorps überdurchschnittlich viel Alkohol konsumierte u n d den Jugendlichen so ein negatives Beispiel setzte, zeigt die Unzulänglichkeiten bei der Vermittlung dieser Vorstellungen. Eine Zusammenfassung des Anspruchs des Arbeitsdienstes, zu einer so verstandenen Männlichkeit zu erziehen, bietet der Artikel eines Truppführers im Deutschen Arbeitsdienst. Seiner M e i n u n g nach diente die Körperformung dem Ziel, »einen Richtmann zu schaffen im Sinne des neuen Staates.« Hinter dem Wort »Richtmann« verbarg sich ein Idealtyp, der »körperliche Leistungsfähigkeit und Gewandtheit, Härte, Willensstärke, Mut, Entschlußkraft, Zucht, O r d 171 172 173 174 175 176

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Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Winkler, Frauenarbeit, S. 42-65. z.B. Reich, Gesundheitserziehung, S. 258-261. Gönner, S. 255-257; Henze, S. 195. Radkau, Zeitalter; Mosse, S. 112-118. Proctor, S. 435-488. VB 21.3.1939.

nungsliebe, Kameradschaft, Wehr- und Opferbereitschaft für Volk und Land« in sich vereinen sollte.177 Damit waren die Qualitäten, die der Arbeitsmann und der nationalsozialistische Mann überhaupt verkörpern sollte, noch einmal zusammengefasst. Noch häufiger und noch intensiver als in solchen schriftlichen Quellen wurde das Männlichkeitsideal des Dienstes jedoch in Fotos und Zeichnungen transportiert, die Hierls Organisation in Büchern, Zeitschriften, Zeitungen und anderswo veröffentlichte. Sie sollten das Ergebnis der Körperformung im Arbeitsdienst verdeutlichen, denn im Körper der Arbeitsmänner fand das Männlichkeitsideal des Dienstes seinen deutlichsten Ausdruck. An den Abbildungen fällt auf, dass die jungen Männer zumeist auf zwei Arten gezeigt wurden. Die eine Darstellungsform zeigte sie in ihrer Uniform, sehr häufig bei Ordnungsübungen oder Paraden. Die Uniformen erfüllten über ihren Schnitt den klassischen Auftrag solcher Kleidung. Die reichsweit einheitliche Tracht setzte sich aus einem Rock mit offenem Kragen und langer Hose aus meliertem erdbraunem Tuch zusammen. Dazu kam ein Braunhemd mit schwarzem Binder und Stiefeln. Die Bekleidung wurde ergänzt durch die eigens kreierte »Spessartmütze«, die Hierl selbst zugeschrieben wurde und sich 1934 durchsetzte.178 Außerdem wurde ein differenziertes, militärähnliches System von Kragenspiegeln sowie Schulterklappen- und stücken eingeführt, um die Dienstgrade zu unterscheiden. 179 Die Uniformen betonten die Schultern, machten die Taille dagegen schmal und ließen den Körper insgesamt kantig, kräftig und athletisch erscheinen. Zugleich lagen Jacke und Hose eng an und verlangten in den Worten eines RAD-Autors »knappe Bewegungen und gerade, aufrechte Haltung.« Allerdings wirkte die Uniform auch praktisch - ihr primärer Zweck war dem Anschein nach nicht die Zierde, sondern die Funktionalität, was Einsatzbereitschaft verkörperte. Das verdeutlichen zum Beispiel der offene Kragen und die aufgesetzten Taschen. Vor allem nahmen die Uniformen ihren Trägern die Individualität, besonders wenn die Arbeitsmänner in Formationen auftraten. Sie bildeten dann einen Gegenpol zu jener unstrukturierten, amorphen Masse, von der sich der Nationalsozialismus so sehr abzugrenzen suchte. Zugleich kennzeichneten sie die Zugehörigkeit der jungen Männer zum Arbeitsdienst, zumal sie die »Einheitstracht« auch in der Freizeit außerhalb des Lagers tragen mussten. 180 Diese Charakteristika, welche die Kleidung des RAD gleich jeder Uniform kennzeichnen, konnten freilich nicht verhindern, dass Hierls Organisation zumindest aufgrund ihrer 177 Bahnen, S. 33. 178 Der Dienstanzug glich der Ausgehuniform, war aber aus leichterem Stoff und lockerer geschnitten; vgl. Wagner, Arbeitsdienst, S. 238. Seiferts volkskundliche Arbeit beschäftigt sich leider nicht ausfuhrlicher mit der Uniform. 179 Vgl. Conner, S. 173 mit dem System von 1939. 180 Petersen, S. 66-68, Zitat S. 67.

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»Spessartmütze« immer wieder zum Spottobjekt wurde. Noch vergleichsweise freundlich war die Bezeichnung »Nebelspalter«;181 kaum im Sinne Hierls dürfte der Name »Arsch mit Griff« gewesen sein, den der Hut laut Günter Grass wegen seiner Farbe und seiner Form hatte.182

Auf den Reichsparteitagen hoben sich von der gleichförmigen, uniformierten Masse der einfachen Arbeitsmänner lediglich die Lehrgangsteilnehmer der Führerschulen ab: Sie marschierten mit freiem Oberkörper auf 184 Durch ihre Nacktheit stachen sie aus den Uniformen, die das Gesicht der Nürnberger Massenaufläufe prägten, hervor; das maskuline Ideal physischer Kraft, die zugleich durch äußerste Disziplin gezügelt wird, spiegelte sich in den ausgesucht kräftigen jungen Männern deutlich wider. 181 182 183 184

Tagebuch Karl Leisner 1999, S. 19. Grass, S. 101. Arbeitsmann 2.5.1936. Vgl. Mallebrin, S. 75.

Die Abbildung halbnackter Arbeitsmänner war allgemein die zweite Darstellungsform, die sich in den Quellen findet. Spärlich bekleidet waren die j u n gen Männer primär bei der Arbeit - folgt man einer Vielzahl von Fotos aus den RAD-Publikationen. Auffallend häufig sind die Angehörigen der Organisation mit freiem Oberkörper abgebildet und tragen ansonsten nur Arbeitshosen und Stiefel. 185 Bedenkt man die in Deutschland vorherrschenden Temperaturen, dürfte auf der Hand liegen, was Archivalien bestätigen: Die Aufnahmen waren kein einfaches »Abbild« des Lageralltags. Sie wurden vom Arbeitsdienst sorgfältig und mit einem propagandistischen Auftrag ausgewählt und geben deswegen vor allem Aufschluss über das Selbstbild des Dienstes. An den Fotos fällt zudem auf, dass die jungen Männer zumeist ein athletisches Äußeres hatten. Legt man zwecks einer groben Gliederung die - ihrerseits freilich nicht unproblematischen - drei Konstitutionstypen an, so lässt sich feststellen, dass wenige Männer mit extrem asthenischem, das heißt langgliedrigem, schmalem Körperbau abgebildet waren. Arbeitsmänner mit einer prononciert pyknischen und somit kurzleibigen, untersetzten Konstitution wurden sogar so gut wie nie abgelichtet. Die meisten Fotografierten entsprachen dem athletischen Typ, sie waren aber oft eher schlank als muskulös. Die jungen Männer waren durchtrainiert, aber in der Regel keine muskelbepackten Vorzeigeathleten, wie sie zum Beispiel der nationalsozialistische Bildhauer Arno Breker mit Vorliebe schuf Die Fotos waren demnach idealisierend, aber nicht unrealistisch. Selbstverständlich waren keine Männer mit Missbildungen oder Verkrüppelungen abgebildet. Die Männer entsprachen außerdem den nationalsozialistischen Rassevorstellungen. Freilich waren nicht alle, aber auch nicht wenige blond; häufig hatten sie gerade, eher strenge Gesichtszüge. Sie waren nicht nur zumeist gutaussehend, sondern machten einen gesunden, sogar makellosen Eindruck. Da die Körpererziehung ihrem Anspruch nach immer auch Charaktererziehung war, begnügten sich die Bilder nicht damit, die gestärkte Physis der Männer abzubilden. Denn angeblich zeichneten sich die charakterlichen Veränderungen, die der Arbeitsdienst bewirke, auch in den Gesichtern der jungen Männer ab. 186 Der Arbeitsdienst wurde einer Initiation gleichgesetzt, die die Gesichtszüge der jungen Männer zum Positiven verändere. Wiederum war es das Erlebnis, dem eine prägende Kraft zugebilligt wurde. Daneben knüpfte der Arbeitsdienst wie der Nationalsozialismus allgemein an das Männlichkeitsbild an, das sich laut Mosse seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts herausgebildet hatte. Lediglich einige Aspekte akzentuierte er stärker. Neben der Ausrichtung auf die G e meinschaft und den Rassismus spielte fur das NS-Regime die Vorbereitung auf einen künftigen Krieg eine noch größere Rolle als in den Jahrzehnten davor, 185 Zur Bedeutung der Nacktheit Wildmann, S. 40f. 186 Vgl. z.B. Vater, S. 19.

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obwohl diese Dimension bereits im Wilhelminismus an Bedeutung gewonnen hatte. 187 D e r männliche N a c h w u c h s w u r d e so f ü r Musterung, Wehrdienst u n d Krieg präpariert. Sowohl Tauglichkeitsquote u n d Tauglichkeitsgrad als auch die innere Bereitschaft, begeistert zu kämpfen, sollten über die Körpererziehung erhöht werden. Dabei vermittelte der Arbeitsdienst vor allem eine Kultur des Dienens u n d Opferns. I m m e r wieder w u r d e betont, dass der Körper nicht d e m Individuum, sondern der »Volksgemeinschaft« gehöre u n d hauptsächlich nach deren Interessen einzusetzen sei - der Kult des Opfers u n d Selbstopfers spielte im Arbeitsdienst eine größere Rolle als die Vorstellung des Tötens. Dass die Bildpropaganda den Alltag der Körpererziehung im Arbeitsdienst stark idealisiert wiedergab, lässt sich auf zwei Ebenen zeigen. Z u m einen verdeutlichen das, wie bereits gezeigt wurde, schriftliche D o k u m e n t e . Z u m anderen machen aber auch die Fotos selbst gelegentlich darauf aufmerksam. Besonders offensichtlich wird das bei Retuschen, denen m a n die nachträglichen Veränderungen ansieht. Ein f ü r den R A D peinliches Beispiel ist eine Abbildung im Jahrbuch des Rekhsarbeitsdienstes, bei der Hierl aufgrund einer misslungenen Bildmanipulation drei A r m e hatte - was kaum d e m nationalsozialistischen Männlichkeitsideal entsprach. 188 Zusammenfassend hatte die Körperausbildung sowohl die körperliche als auch die charakterliche Prägung der j u n g e n M ä n n e r z u m Ziel. 189 Der Arbeitsdienst hatte die Aufgabe, die Mangelerscheinungen, welche vor allem Folge der Weltwirtschaftskrise waren, auszuräumen u n d die M ä n n e r f u r Arbeit u n d Krieg zu ertüchtigen. Darüber hinaus lehrten besonders die O r d n u n g s ü b u n g e n bedingungslosen Gehorsam, U n t e r o r d n u n g u n d allgemein Disziplin, während mit der Leibeserziehung neben der Kräftigung auch die Absicht verfolgt wurde, den j u n g e n M ä n n e r n Opfersinn zu lehren. Der Schwerpunkt lag eindeutig darauf, leicht aktivierbare, körperlich leistungsfähige, willige Befehlsempfänger u n d nicht eigenverantwortliche Individuen zu schaffen. Trotzdem sollten die M ä n n e r in der Lage sein, im R a h m e n vorgegebener N o r m e n eigene Initiativen zu entwickeln. Diese Befunde ähneln denen, die A r n o Klönne f ü r die HJ herausgearbeitet hat - beide NS-Institutionen, u n d mit ihnen wahrscheinlich viele andere, folgten denselben Zielen. 190 Z u d e m hatte der Arbeitsdienst (wie wohl auch die anderen Einrichtungen) noch allgemeiner den Auftrag, darauf aufbauend den Jugendlichen ein spezifisches Männlichkeitsverständnis zu vermitteln. Auch dieses war primär physisch definiert, sollte letztlich aber auch zu charakterlicher Reife f ü h r e n .

187 Vgl. Eisenberg. 188 Vgl. JB-RAD 4 (1940), S. 103. 189 Vgl. auch die sozialpsychologische Deutung bei Theweleit, Bd. 2, S. 178-204, 260-287. 190 Vgl. Klönne, S. 82-84. In Bezug auf ihr Männlichkeitsverständnis sind die HJ und die anderen Einrichtungen bisher nicht untersucht worden.

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Medium der Erziehungsbemühungen war der Körper der Arbeitsmänner. Er war der Gradmesser für den Erfolg des Arbeitsdienstes. In kondensierter Form sollte er die Leistung der Einrichtung bei allen vier Aufträgen verdeutlichen, die Hierls Organisation bezüglich der Physis der ihr Unterworfenen hatte: den humanitären, den kapitalistisch-ökonomischen, den wehrpolitischen und schließlich auch das ideologische Projekt, den Angehörigen des Dienstes das rassistische, nationalsozialistische Männlichkeitsverständnis zu implantieren. Der Körper des jungen Mannes bildete demnach den ganzen Prozess der physischen und charakterlichen Bildung ab, die er im Arbeitsdienst zu durchlaufen hatte; kein Zentimeter blieb unbeachtet, unvermessen und unverbessert. Noch deutlicher trat die Menschenverachtung im anderen Standbein der Erziehung, dem politischen Unterricht, zu Tage.

3. »Die Schule der Nation«: Politische Indoktrination und organisierte Freizeit

3.1. Staatspolitischer U n t e r r i c h t u n d andere F o r m e n der Indoktrination Der Arbeitsdienst beließ es nicht bei einer affektiven Formung. In gewissem Umfang vermittelte er, besonders im Rahmen des »Staatspolitischen Unterrichts«, auch Wissen. Anders als die anderen Bereiche des Lageralltags, die primär auf das »Erlebnis« setzten, kamen hierbei auch traditionelle Methoden schulischer Bildung zum Einsatz. Die jungen Männer wurden auf historischpolitischem, ökonomischem und kulturellem Gebiet unterrichtet, es gab Schulstunden mit Wiederholungen und Lernkontrollen. Allerdings sollte das Bildungswissen nicht um seiner selbst Willen angehäuft werden, und der Dienst war nicht daran interessiert, den Intellekt der Männer zu steigern. Vielmehr war der Staatspolitische Unterricht dazu da, um - wie Seifert treffend bemerkt hat - »einen rationalisierten Umgang mit der Ideologie zu ermöglichen«. 191 Denn diese Stunden hatten als offizielles Ziel die »Bewußtseins- und Willensbildung, Vermittlung der Kenntnis vom Wert und der Notwendigkeit der Gemeinschaft, Festlegung auf die nationalsozialistischen Grundbegriffe und Erlebnis der nationalsozialistischen Weltanschauung«. Aus der Perspektive des RAD ging es so gerade nicht um die Vermittlung von Faktenwissen, sondern der »großen Zusammenhänge«. 192 Deswegen galt es 191 Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 185. Gelegentlich wurde dieser Teil des Dienstes auch nationalpolitischer Unterricht, bzw. Erziehung genannt. 192 Vgl. Petersen, S. 74; allgemein Jonas, S. 187-207.

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zum Beispiel auch nicht als Erfolg, wenn die Arbeitsmänner in der Lage waren, das Parteiprogramm auswendig herzusagen; entscheidend war vielmehr, dass sie daran glaubten. Einige Kernelemente des Unterrichts hatte Stellrecht bereits in seinem Buch aus den letzten Tagen der Weimarer Republik umrissen. 193 Im Sommer 1933 arbeitete die Reichsleitung ein Programm für den Unterricht aus, das ab Dezember des Jahres gelten sollte. Im Oktober wurden die Unterrichtsleiter zu dreiwöchigen Lehrgängen einberufen; letztlich begann der Staatspolitische Unterricht in geordneten Bahnen aber erst einige Monate später als geplant.194 Als Textgrundlage wurde noch Ende 1933 Will Deckers Der deutsche Weg eingeführt, das bald als der »Katechismus des Arbeitsdienstes« galt. Während sich Deckers Buch primär an die Lehrkräfte wandte, richteten sich die ebenfalls bereits 1933 von Hermann Kretzschmann zusammengestellten Bausteine zum Dritten Reich in erster Linie an die Arbeitsmänner selbst.195 Das »grundlegende Lehrbuch«, so Kretzschmann, der Leiter der Unterrichtsabteilung in der Reichsleitung des Arbeitsdienstes und später der Reichsschule war, stamme aber aus einer anderen Feder: Den zentralen Platz nehme Hitlers Mein Kampf ein.196 Seit 1935 begann der Unterricht damit, dass die neu Eingezogenen einen kurzen Lebenslaufschreiben mussten. Er war die Grundlage, auf der sich die neu aufgenommenen Arbeitsmänner in den ersten Diensttagen kennen lernten. Nach Abfassung der Texte erzählten sich die jungen Männer unter Anleitung der Truppführer wechselseitig ihr bisheriges Leben; der biographische Zugang sollte ein erstes Gefühl der Verbundenheit stiften.197 Zugleich sollten sich die Dienstführer anhand der Lebensläufe ein Bild über die Jugendlichen machen. 198 Der Reichsarbeitsführer selbst wollte über besondere Auffälligkeiten informiert werden, und die selbst verfassten Lebensläufe wurden als Möglichkeit gesehen, um potentielle Gegner und Störenfriede frühzeitig auszumachen. Geradezu idealtypisch widersprach zum Beispiel der Lebenslauf, den der junge Nicolaus Sombart verfasste, den nationalsozialistischen Erwartungen. Seinen Text begann er mit den Worten: »Was ich bin und weiß, verdanke ich der Bibliothek meines Vaters und dem Salon meiner Mutter.« Die Schikane durch die gesamte Abteilungsleitung folgte der elitären Selbsteinschätzung auf dem Fuß - allerdings zur Verwunderung des jungen Sombart.199

193 Vgl. Stellrecht, Der deutsche Arbeitsdienst, S. 12-17. 194 Vgl. den in Dt. AD 3 (1933), S. 384 abgedruckten Erlaß und BA/B, R 2301/5645, RL-AD an Bezirksleitungen, 31.5.1933. 195 Vgl. Decker, Weg; Kretzschmann, Bausteine; später auch: Gönner. 196 Kretzschmann, Unterricht, S. 1008. 197 Vgl. Petersen, S. 75f. 198 Vgl. BA/B, R 1501/5622, Protokoll der 7. Arbeitsgauführertagung, 7.-9.3.1935. 199 Sombart, S. 51.

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Erst in der dritten Dienstwoche begann der eigentliche Staatspolitische U n terricht. Bis dahin hatten bereits die Arbeit auf den Baustellen und der normale Dienstbetrieb begonnen. Der Beginn des Unterrichts wurde absichtlich zeitlich verzögert; die jungen Männer sollten in den anderen Dienstbereichen bereits erste Erfahrungen gemacht haben. An diese Erlebnisse knüpfte der Staatspolitische Unterricht an, vertiefte sie und ordnete sie in größere Zusammenhänge ein.200 So stand auch er in engem Zusammenhang mit der Erlebniserziehung und letztlich unter deren Primat. Die Zeit, die der Staatspolitische Unterricht einnahm, variierte in den verschiedenen Jahren. 1935 zum Beispiel wurde nachmittags an drei Tagen jeweils für 35 Minuten, 1938 während der ersten drei Dienstmonate drei, während der zweiten vier Stunden wöchentlich unterrichtet. Auch die Unterteilung und Bezeichnung der Stoffgebiete innerhalb des Staatspolitischen Unterrichts änderte sich zwischen 1933 und 1945 immer wieder.201 Zugleich blieb innerhalb eines grob geordneten Plans die Durchführung den Arbeitsgauen überlassen. Z u größeren inhaltlichen Veränderungen kam es aber erst im Zweiten Weltkrieg. Angesichts der Konzentration auf die Arbeit auf den Baustellen und an der Front wurde der Unterricht immer stärker auf die Zeitgeschichte eingeengt, 1944 bestand er nur noch aus der Geschichte des aktuellen Krieges.202 In vielen überlieferten Dienstplänen liegt der Schwerpunkt des Unterrichts auf der weltanschaulichen Schulung. Im Arbeitsgau Franken umfasste sie 1935 immerhin die Hälfte der Stunden, während sich die Volkskunde (Geschichte) und die Heimat- und Erdkunde die restlichen Stunden ungefähr teilten. Unter Weltanschauung verbarg sich die Geschichte der NSDAP und ihre Ideologie; dem Parteiprogramm waren laut diesem Plan allein vier Sitzungen gewidmet.203 Wie sich bereits daran ablesen lässt, stand somit - anders als Michael Jonas in der Kernthese seiner Dissertation behauptet hat - die Verherrlichung Preußens keineswegs im Zentrum des Unterrichts, des Dienstes oder auch des nationalsozialistischen Geschichtsbezugs allgemein.204 Das verdeutlichen auch die Inhalte des Geschichtsunterrichts, dem zweiten Teilgebiet der Schulung. Es handelte sich um eine teleologische, in groben, geglätteten Zügen erzählte Form der Geschichtsschreibung, in der das »Volk«, mehr noch aber »große Männer« als die entscheidenden Akteure auftraten. Geschichte habe den Auftrag, »zu ergründen, wie das Leben unseres Volkes auf der Grundlage unserer rassenmäßigen Zusammensetzung innerhalb unseres Raumes sich herausgebildet hat. Wir sehen dann unsere Zeit als Ergebnis einer langen Entwicklung und erkennen die Ansatzpunkte für unsere eigenen völki200 201 202 203 204

Vgl. Petersen, S. 76. Vgl. Schinnerer, S. 27; Petersen, S. 74f. Vgl.Jonas, S. 199-207. Schinnerer, S. 28f. Vgl. Jonas; dagegen Mommsen, Preußentum, S. 29—41.

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sehen Aufgaben.«205 Damit sind die Kernelemente des Geschichtsbildes bereits wiedergegeben: der völkische Rassismus mit seiner Essentialisierung von »Volk«, die nationalgeschichtliche Verengung und die Teleologie auf die Gegenwart. Letztlich war dieser Teil des Unterrichts durch einen »ungeschichtlichen Geschichtsbezug« charakterisiert.206 Historische Gestalten - und in geringerem Umfang auch der Kollektivakteur »Volk« - wurden in erster Linie als anonyme Symbolträger deutscher Macht und somit als Vorbilder gesehen. Dagegen war eine tiefenscharfe Analyse von Faktoren wie Persönlichkeit, Handlungsspielräumen oder zeitlichem Kontext nicht vorgesehen. Letztlich wollte der Geschichtsunterricht auf sorgfältig ausgewählte Vorläufer verweisen, vor deren Hintergrund das »Dritte Reich« umso heller erstrahlen sollte, und nur über den Bezug zum Nationalsozialismus wurde ihnen Bedeutung verliehen. Dieser instrumentale, zweckbezogene Zugang zu der Unterrichtsmaterie, der auch die anderen Teilfächer des Staatspolitischen Unterrichts prägte, war ein allgemeines Charakteristikum des Nationalsozialismus. Er diente der Legitimation und Stabilisierung des Regimes. Die Volkskunde, das dritte Teilgebiet, setzte sich aus der Familienkunde und der Rassenlehre inklusive der Erbgesundheitslehre zusammen. Zugleich waren Rassismus und Antisemitismus Kerngedanken, die sich wie rote Fäden durch die anderen Bereiche der Erziehung zogen, besonders durch die weltanschauliche Schulung. In einem Dienstplan von 1935 gab es als deren Teil zum Beispiel eine Unterrichtsstunde mit dem Titel »Der Jude als Feind des deutschen Volkes«. Dass der Antisemitismus eine zentrale Rolle spielte, zeigt allein die Tatsache, dass eine weitere Stunde des weltanschaulichen Unterrichts den Titel trug: »Warum sind wir Antisemiten?«207 Anders als seine Apologeten nach 1945 behaupteten, war der Antisemitismus insofern ein Kernbestandteil der Erziehung im Arbeitsdienst.208 Früher und stärker noch als in staatlichen Einrichtungen wie der Schule oder der Wehrmacht wurde dieser Gedanke in das Lehrmaterial aufgenommen; auch in dieser Hinsicht zeigte sich die Einrichtung ganz als Kind der Partei. Im Vergleich zu SA, SS oder HJ wurden im rassistischen Weltbild des Arbeitsdienstes jedoch in den ersten Jahren nach der Machtübertragung die im wertneutralen Sinne positiven Elemente der NS-Gesellschaftsvorstellung- das Erwähltsein und die Auslese der »Arier« - stärker betont als der »Kampf gegen das Judentum«. 209 Wenn man den Arbeitsmann, eines der wichtigsten Mittel zur Indoktrination der Angehörigen der Organisation, als Gradmesser nimmt, so 205 206 207 August 208 209

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Gönner, S. 14. Kroll, S. 351; vgl. auch Gies, v.a. S. 76-98. Schinnerer, S. 28f. Das war zugleich der Titel einer programmatischen Rede Hitlers vom 13. 1920. Vgl. z.B. tOäbe, S. 8-13; Hiert, Dienst, S. 69-113. Vgl. zu den Vorstellungen in SA, SS und HJ Gerhardt, S. 521.

schwenkte der RAD aber spätestens 1937 auf den Kurs der anderen N S - O r g a nisationen ein. Nunmehr wurde auch hier ein radikaler Antisemitismus auf rassistischer Grundlage gebetsmühlenhaft wiederholt. 1937 wurden zum Beispiel antisemitische Pogrome in Polen geschildert, die als berechtigte Reaktion gegen »diese schwärende Wunde an seinem [dem polnischen; d. Vf.] Volkskörper« interpretiert wurden. 210 Es ist nachrangig, dass dem Text zufolge die Gewaltaktionen nicht von Deutschen, sondern von nichtjüdischen Polen verübt wurden. Denn das Ziel dieser und ähnlicher Aussagen war es nichtsdestoweniger, unter den Arbeitsmännern einen gewaltbereiten, radikalen Antisemitismus zu fördern. Dieser sollte im Zweiten Weltkrieg zu einer notwendigen allerdings nicht hinreichenden - Bedingung für den Genozid an den europäischen Juden werden. Im Unterricht wie auch in anderem Propagandamaterial war mit dem radikalen Antisemitismus ein scharfer Antibolschewismus eng verbunden. N i m m t man wiederum den Arbeitsmann als Quelle, so intensivierte sich auch dieser ungefähr 1937. Häufig wurden beide Feindbilder amalgamiert, wie vor allem die Karikaturen zeigen: Die abgebildeten Sowjets entsprachen häufig dem antisemitischen Judenbild. 211 Formal änderte sich der Kanon der Unterrichtsfächer in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre insofern, als nunmehr unter der Volkskunde primär die Geschichte verstanden wurde, die dann als eigenes Fach nicht mehr bestand. 212 Daran zeigt sich die extrem deterministische Sicht auf die Vergangenheit und die Gegenwart, die im Arbeitsdienst noch stärker ausgeprägt war als im Nationalsozialismus allgemein. Demnach leitete sich Geschichte primär aus biologischen Sachverhalten ab.213 Die Heimatkunde schließlich sollte ausgehend von der Landschaft, in dem sich das jeweilige Lager befand, ein Heimat- und Naturempfinden sowie volkskundliche, geographische und volkswirtschaftliche Grundkenntnisse vermitteln. Das Unterrichtsfach Reichsarbeitsdienst, das erst ungefähr 1936 in den Kanon aufgenommen wurde, stellte die Geschichte der Institution dar und hatte den Auftrag, deren Existenz und die Notwendigkeit der Arbeitsdienstpflicht gegenüber den jungen Männern zu rechtfertigen. 1939 wurde dem Fach sogar eine bevorzugte Stellung gegeben, was angesichts der Erlebnisorientierung des Unterrichts konsequent war.214 So setzte sich die Linie Deckers gegen die von Laasch und Stellrecht durch. Letztere hatten die germanische Vorgeschichte, Preußen, die Bauernkultur und insgesamt eine deutschtümeln210 Arbeitsmann 10.7.1937; ähnlich z.B. Arbeitsmann 23.7.1938. 211 Vgl. z.B. Arbeitsmann 5.6.1937; Arbeitsmann 6.11.1937. 212 Vgl. Gönner, S. 239f. 213 Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 187. 214 Vgl. Gönner, S. 239; ferner N A R A / C P , R G 242, Τ 81/110, Staatspolitischer Unterricht April-Juni 1938.

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de Agrarromantik in den Vordergrund stellen wollen. Dagegen stand Decker für einen prononciert gegenwartsbezogenen Unterricht, in dem das Erlebnis eine größere Rolle spielte.215 Die verschiedenen Teilgebiete des Staatspolitischen Unterrichts legen leicht den Schluss nahe, dass es sich doch um einen vielseitigen, einigermaßen anspruchsvollen Unterricht gehandelt habe. Jedoch vermittelte der Dienst primär Parolen, ein geschlossenes ideologisches System konnte er nicht anbieten.216 Wenngleich all das typisch für den mainstream des Nationalsozialismus war, trieb der Arbeitsdienst diese Tendenzen doch auf die Spitze. Schlaglichtartig ablesen lässt sich das vor allem an der Geschwindigkeit, mit dem der Dienst seine Themen behandelte; so war zum Beispiel der preußischen Geschichte vom Markgrafen Friedrich I. bis zum König Friedrich II. lediglich eine Stunde gewidmet; die darauf folgende Stunde behandelte immerhin die Zeit von den »Freiheitskriegen zum Bismarckreich (das zweite Reich)«. Lediglich bei der Darstellung der Ereignisse seit 1914 sowie der Parteigeschichte und der Ideologie der NSDAP ging der Unterricht etwas in die Tiefe.217 Die fehlende Durchdringung des Stoffes entsprach aber ganz Hierls Vorgaben, da man sich seiner Meinung nach mit dem Einfachsten begnügen müsse, zumal ohnehin das »Erlebnis« im Zentrum der Erziehung stehe.218 Damit unterschied sich der Unterricht des Arbeitsdienstes grundsätzlich nicht von dem in anderen nationalsozialistischen Einrichtungen. Denn der Hauptgrund für die Oberflächlichkeit war die affektive, antirationale Zielrichtung, die dem Regime allgemein entsprach. Der fehlende Tiefgang hatte in Hierls Organisation aber noch eine spezifische Ursache, die dazu führte, dass der Unterricht hier noch banaler und oberflächlicher war: die sehr unterschiedlichen Bildungshorizonte der Arbeitsmänner, denn Studenten und Jugendliche ohne Volksschulabschluss dienten hier nebeneinander. Hätte der Dienst auf die verschiedenen Bedürfnisse der jungen Männer eingehen wollen, so hätte er sein Schulungsprogramm entweder aufgeben oder aber verschiedene Kurse j e nach Vorwissen und intellektueller Fähigkeit anbieten müssen. Dieser Gedanke widersprach dem Dienstjedoch ganz. Allerdings schränkte das uneinheitliche Bildungsniveau der Männer die Wirkung des Unterrichts von vornherein ein. Die Wissensvermittlung diente trotzdem zum einen dem Ziel, dem Glauben an die NS-Ideologie ein Faktengerüst und simple Argumentationsstrukturen zu unterlegen. Zum anderen bot die Schulung dem Arbeitsdienst die Gelegenheit, den jungen Männern die Bedeutung der unternommenen Arbeiten sowie der Körperformung im Dienst selbst zu erklären; sie hatte insgesamt einen sinnstiftenden Auftrag. Das brachte Decker in seinem Buch 215 216 217 218

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Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 428f. Vgl. Lingelbach, S. 143-146. NARA/CP, RG 242, Τ 81/110, AGL 24 an Gruppen u.a., 23.9.1935. Vgl. BA/B, R 1501/8365, Protokoll der 9. Arbeitsgaufìihrertagung, 18./19.10.1935.

zum Staatspolitischen Unterricht pointiert zum Ausdruck, wenn er meinte, es sei »sinnlos, noch soviel Kubikmeter Erde im Arbeitsdienst zu bewegen, wenn nicht jeder, der vor dieser Erde steht, weiß, wofür wir sie bewegen.«219 In seinen Vermittlungsformen war der Unterricht auffallend modern. Er setzte nicht nur auf das gesprochene Wort, sondern auch auf die Visualisierung. Darum hatte in späteren Jahren jede Abteilung ein Radio, einen Filmapparat und ein Epidiaskop sowie die zugehörigen Bilder und Filme. Außerdem waren die Abteilungen mit Landkarten ausgerüstet, die einen anschaulichen und lebendigen Unterricht ermöglichten. 220 Als von »höchstem erzieherischem Wert« galt ferner die Anlage von Bildersammlungen, der Bau von Modellen oder graphisches Zeichnen durch die jungen Männer selbst. Schließlich wurden die Führer der unteren Ebenen, die für die Erziehung verantwortlich waren, immer wieder ermahnt, keinen Frontalunterricht zu halten und »jegliche Schulmeisterei« zu vermeiden. Der Unterricht müsse die Jugendlichen zur »tätigen Mitarbeit« anzuregen.221 Die modernen didaktischen Mittel boten somit viele und vielseitige Anreize, die Unterrichtsinhalte aufzunehmen. Aber nicht nur der Staatspolitische Unterricht diente der Indoktrination im oben beschriebenen Sinne. Andere Elemente wirkten sekundierend in diese Richtung, besonders der viertelstündige Morgenunterricht. In dessen Zentrum stand die Ausgabe der Tageslosung für das jeweilige Lager. Damit knüpfte der Dienst an christliche Traditionen, die Jugendbewegung und die militärische Parole an. 1935/36 wurde ein Kanon an Losungen systematisiert in zwei Bänden von der Reichsleitung herausgegeben. Das Geleitwort verwies auf die Funktion, die Losungen seit Alters her hätten. Wer sie kenne, »gehört zu uns und zu unserer Gemeinschaft. Wer die Losung nicht hört oder nicht hören will, gehört zu den Fremden, den Feinden.« Jede Abteilungen wählte eine Tageslosung, die im Morgenunterricht kurz erläutert wurde. Stand am Nachmittag Staatspolitischer Unterricht an, so musste sich dessen Inhalt ebenfalls auf die Losung beziehen und das am Morgen kurz Vermittelte weiter ausbauen.222 Einem weiteren Element, das zu diesem Erziehungskonzept gehörte, hat Michael Jonas einen wesentlichen Teil seiner Dissertation gewidmet: den Ehrennamen der Arbeitsdienstabteilungen. Diese wurden auf Initiative der Reichsleitung des Arbeitsdienstes ab 1935/36 eingeführt. Mit den Benennungen knüpfte der Dienst an eine militärische Tradition an, die im Nationalsozialismus auf den RAD und die Divisionen der Waffen-SS übertragen wurde; ansonsten gab es in keiner NS-Institution ein derart ausgearbeitetes Ehrennamenritual. Manche Namen erinnerten an deutsche Landschaften und Regi219 220 221 222

Decker, Weg, S. 10. Vgl. Petersen, S. 78; Kretzschmann, Unterricht, S. 1007. NARA/CP, RG 242, Τ 81/110, AGL 2 4 an Gruppen u.a., 23.9.1935. Berendt, Zitate S. 3; vgl. auch Schinnerer, S. 27-30.

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onen, mehrheitlich aber an Personen aus dem nationalsozialistischen Heldenkanon in Politik und Kultur. Namen wie Friedrich II. oder Bismarck traten gleich mehrmals au£ Interessanterweise lässt sich keine einzige Frau nachweisen, derer der Männerbund Arbeitsdienst gedacht hätte. Wie Jonas gezeigt hat, entstammte die größte Gruppe von Personen mit einem politischen Hintergrund der Zeit seit 1914; auch hier stand - wie im Staatspolitischen Unterricht - somit der unmittelbare Bezug zum Regime im Vordergrund. Zudem wurden auch die Ehrennamen nach regionalen Spezifika ausgesucht. Besonders die Feierstunden anlässlich der Namensverleihungen mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft der Region boten sich dafür an, einen konkreten Bezug zwischen dem Lager und der Geographie und Geschichte der Umgebung herzustellen; auch in diesem Fall sollte die nationalsozialistische Ideologie über ein Ereignis transportiert werden. Wie Jonas aber auch zeigt, wurde das Gedenken an die Namenspaten in den Abteilungen oft nur schlecht gepflegt. Das spiegelt sich daran wider, dass sich von den rund 300 ehemaligen Arbeitsmännern, die er befragte, nur 35 % an den Ehrennamen ihrer Abteilung erinnern konnten. Das Potential einer affektiven politischen Schulung, das die Vergabe der Namen bot, wurde demnach nur schlecht genutzt.223 Allgemein stellt sich die Frage, inwieweit der Alltag im Lager den Vorstellungen für den Staatspolitischen Unterricht entsprach. Gravierende Probleme bei der Umsetzung des Erziehungsprogramms gab es vor allem in den ersten Jahren. Dabei stellte die verzögerte Erstellung des Unterrichtskonzepts, das erst 1934 vorlag, noch ein kleineres Problem dar. Viel gewichtiger waren die Schwierigkeiten des Dienstes, geeignete Führer für den Unterricht zu finden. Die bereits erwähnte Umfrage in den 13 Arbeitsdienstbezirken über den Verlauf des Arbeitsdienstes für Abiturienten im Sommerhalbjahr 1933 war mit vielen Führern besonders in Hinblick auf ihre pädagogische Kompetenz hart ins Gericht gegangen. Z u m politischen Unterricht war dort zum Beispiel im Telegrammstil zu lesen: »Trotz guter planmäßiger Anordnungen ist Schulung schlecht. Schulleiter verstehen mit gegebenen Themen nichts anzufangen.« Nicht in allen Bezirken waren die Zustände ähnlich verheerend. Die Einschätzung entsprach aber dem Tenor der Meldungen. 224 Dass es mancherorts auch noch im folgenden Sommer solche Probleme gab, führte Arbeitsführer Paul Seipp in seiner Dissertation 1934 darauf zurück, dass damals die höheren und mittleren Führer, noch nicht aber das Unterführerkorps nationalsozialistischen Vorstellungen entsprachen - auf dieser Ebene, mit der die Arbeitsmänner in direkten Kontakt kamen, sei der Austauschprozess noch nicht abgeschlossen.

223 Vgl. Jonas, S. 216-242,268-285. So relativieren seine eigenen Ergebnisse seine Thesen von der besonderen Bedeutung der Preußenverherrlichung einerseits und der hohen erzieherischen Bedeutung der Ehrennamen andererseits. 224 BA/B, R 1501/5102, RMI, Verhandlungsniederschrift, 21.9.1933.

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Politische Schulung gebe es daher in manchen Abteilungen nur bei schlechtem Wetter, inhaltlich sei sie häufig nicht überzeugend. 225 Diese Schwierigkeiten ordnen sich nahtlos in die Anfangsprobleme des Dienstes ein, die seine radikale Umstrukturierung 1933 zur Folge hatte. Den pädagogischen Problemen versuchte die »Schule der Nation« zu begegnen, indem sie auf »Unterrichtshelfer« zurückgriff. Es handelte sich um einfache Arbeitsmänner, die ihrem Wissen nach den Führern aber oft überlegen waren: Abiturienten und Studenten. Eigentlich sollte der Abteilungsführer den Staatspolitischen Unterricht leiten - was zeigt, wie hoch der Anspruch war, der mit dem erzieherischen Programm verbunden war.226 Aufgrund der vielseitigen Belastungen war der Führer oft jedoch nicht in der Lage, Unterricht in angemessener Form abzuhalten. Aber auch das Ersatzpersonal der Unterrichtshelfer schloss die Lücke nicht. Seipp beklagte 1934, dass zu selten auf solche Hilfsausbilder zurückgegriffen werde - offensichtlich ließen sich inkompetente oder überforderte Arbeitsdienstführer nur ungern durch Untergeordnete helfen.227 Im folgenden Jahr, 1935, leitete Hierl auf einer Führertagung einen Richtungswechsel ein - fortan sollte man möglichst auf die Unterrichtshelfer verzichten und die eigentlichen Führer unterrichten lassen. Der Reichsarbeitsführer kritisierte, dass die Helfer bisher oft von allen Dienstobliegenheiten befreit worden waren - was dem Gleichheitsideal und dem totalen Zugriffauf alle Angehörigen der Belegschaft widersprach. Jedoch musste Hierl konzedieren, dass noch immer viele reguläre Führer den Anforderungen des Unterrichts nicht gewachsen seien.228 Auch noch 1936 musste Hierl eingestehen, dass das Führerkorps »noch nicht immer in allen Sätteln« sicher sitze.229 Insofern stellte die politische Schulung ein Problem dar, das den Dienst weit über die Anfangsphase hinaus begleitete. Das zeigen auch die verschiedensten Berichte von Arbeitsmännern über den Unterricht, die den lehrenden Führern oft schlechte Noten ausstellten. Nicht alle gingen so weit, von den »verblödeten Vorträge[n] eines Unterbannkrüppels [sie!]« zu sprechen - viele fühlten sich aber offensichtlich wenig angesprochen.230 Angesichts der Vermittlungsprobleme boten die modernen Unterrichtsmittel wie Filme oder Radioübertragungen, von denen bereits die Rede war, die Möglichkeit, Defizite des Lehrpersonals zu relativieren - ausgleichen konnten sie diese freilich nicht. Ein eindeutiges didaktisches Konzept wurde dem Staatspolitischen Unterricht außerdem nicht zugrunde gelegt. Laut Decker würde der eine Lehrer »am stärksten im Vortrag wirken, ein anderer, dessen Vortrag 225 226 227 228 229 230

Vgl. Seipp, S. 81-85. Vgl. BA/B, R 1501/5622, Stamm an RMI, 11.3.1935. Vgl. Seipp, S. 84f. Vgl. BA/B, R 1501/5622, Protokoll der 7. Arbeitsgauführertagung, 7.-9.3.1935. Vgl. BA/B, R 2301/5653, Protokoll der 10. Arbeitsgauführertagung, 879.2.1936. Berichte Neu Beginnen 1996, S. 463 (1935).

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nur ermüden würde, kann in Arbeitsgemeinschaften das stärkste Interesse aller wachrufen«. Insgesamt sei der Staatspolitische Unterricht eine »Aufgabe, die ohne Schema gelöst werden« müsse.231 Diese didaktische Flexibilität, die angesichts unerfahrener Führer eher wie Beliebigkeit wirkt, war so ein weiterer Grund für die ernsten Probleme bei der Umsetzung des Unterrichts. Der Erfolg der politischen Indoktrination wurde aber durch eine Reihe von weiteren Faktoren neben der Unfähigkeit der Führer, der Heterogenität der Männer und den Anlaufschwierigkeiten in den ersten Jahren nach der Machtübertragung eingeschränkt. Einer erfolgreichen Ideologisierung widersprach auch die Größe der Gruppen. Häufig wurde der Unterricht für die ganze Abteilung gemeinsam erteilt, und da diese bis zu 180 Arbeitsmänner umfasste, konnte die Wirkung nicht durchschlagend sein. Problematisch war zudem, dass die Staatspolitische Schulung in die späten Nachmittagsstunden fiel, in denen die Männer nach einem langen Arbeitstag kaum noch aufnahmefähig waren. Ferner war das wöchentliche Zeitbudget für diesen Unterricht mit drei bis vier Stunden eher knapp bemessen. 232 Schließlich war mit dem pädagogischen Anspruch auch die kurze Dienstdauer nicht vereinbar. In dem halben Jahr, das die Arbeitsmänner ab 1935 der Einrichtung angehörten, ließen sich selbst die allgemeinsten Zusammenhänge kaum vermitteln. Aus der Perspektive des Dienstes war es deswegen sinnvoll und rational, ständig auf eine Verlängerung der Dienstzeit zu pochen. 233 Trotzdem wies der Reichsarbeitsführer häufig auf die Bedeutung der politischen Indoktrination hin. Wie bei der Körperformung bediente sich Hierl dabei in erster Linie der argumentativen Strategie, die Defizite der Jugendlichen offen zu legen - vor diesem Hintergrund sollte der pädagogische Auftrag des Dienstes unanfechtbar wirken. Die bereits vorgestellten Berichte über den Zustand der Jugendlichen gingen nicht nur auf deren körperliche Verfassung ein, sondern noch ausführlicher auf ihre geistige Fähigkeiten, ihr Wissen und ihre politische Haltung; laut einem Bericht biete der RAD ein »lückenloses und ungeschminktes Bild von der geistigen und körperlichen Verfassung der heutigen schulentlassenen Jugend«.234 Insgesamt zeichneten die überlieferten Reporte ein verheerendes Bild. So kam etwa der Bericht über den ersten Halbjahrgang an Dienstpflichtigen, den Hierl Anfang 1936 an Hitler und andere schickte, zu dem Ergebnis, dass die »geistige Aufnahmefähigkeit« der jungen Männer »im Durchschnitt ausserordentlich eng begrenzt« sei. Zudem werde aus dem ganzen Reich gemeldet, dass »der Mehrzahl der Arbeitsmänner selbst die primitivsten Schulkenntnisse« fehlten. Vor allem aber ließen das politische

231 232 233 234

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Decker, Erziehung, S. 987-989, Zitate S. 987, 989. Vgl. Petersen, S. 75-80. Vgl. auch Hansen, S. 69f. BA/B, R 1501/5102, Arbeitsgau X, Bericht über die Rundfrage v o m 11.3.1935.

Wissen und die ideologische Durchdringung im Sinne des Regimes sehr zu wünschen übrig: »Auch die d e m Arbeitsdienst zeitlich vorausgehende Vorbildung und Beeinflussung in politischer Beziehung ist völlig ungenügend, die politische Unreife und Unerfahrenheit ist, insbesondere beim Landersatz, teilweise erschütternd. Viele haben sich mit den geschichtlichen Ereignissen nach d e m Jahre 1918 kaum befasst; über die Geschehnisse der letzten 3 Jahre herrschen z u m grossen Teil nebelhafte Vorstellungen; von nationalsozialistischer Lebensauffassung weiss ein erschreckend grosser Teil nur sehr wenig. [... ] D e r Tiefstand der politischen Vorbildung wird durch die verhältnismässig zahlreichen Fälle beleuchtet, in denen die neu eingestellten Arbeitsmänner nicht die Bilder nationalsozialistischer Führer, ja nicht einmal das Bild des Führers selbst erkannten oder in denen es kaum möglich war, aus einer ganzen Abteilung (150 Mann!) die N a m e n der bekanntesten nationalsozialistischen Vorkämpfer zu erfahren.«

Besonders in rein katholischen Gegenden sei, so Hierl, die Schulbildung unzureichend. Zugleich führe die »schädliche Wirkung des politischen Katholizismus« dazu, dass viele Arbeitsmänner dieser Konfession dem Nationalsozialismus verschlossen seien. Diese jungen Männer seien »stark gehemmt« und müssten erst »aufgelockert« werden. Einziger Lichtblick war laut Bericht der »gute Wille« des Halbjahrgangs und sein »eifriges Bestreben, allen Anforderungen zu genügen«. Die Ausführungen schlossen mit der Forderung, angesichts der katastrophalen Zustände die Dienstzeit über das vorgesehene halbe Jahr hinaus zu verlängern.235 Somit hatten dieser und ähnliche Berichte - wie bereits im Unterkapitel zur Körperformung erörtert wurde - die Funktion, gegenüber der politischen Entscheidungselite des Regimes die Existenz und die Ansprüche des Arbeitsdienstes zu begründen. Zugleich war dieser Lagebericht kein Einzelfall. Ahnlich äußerte sich Hierl zum Beispiel gegenüber Darre noch Ende 1937.236 Eine detaillierte Aufstellung des Arbeitsgaus X (Niederschlesien) unter Arbeitsmännern des Sommer 1935 kam ferner zu ähnlichen Ergebnissen. Etwa bei der Frage nach berühmten Heerführern des Weltkrieges habe es viele »abwegige Antworten« gegeben; insgesamt wurden die politisch-historischen Fragen von 23,3 % der Jugendlichen schlecht oder gar nicht, von 45,9 % mittelmäßig und nur von 30,8 % gut gelöst. Wiederum verweisen manche Antworten der jungen Männer auf politische Nonkonformität, etwa wenn als Antwort auf die Frage, wer der »unter jüdischer Führung stwhende [sie!] Weltfeind« sei, unter anderem geantwortet wurde: »Musolini [sic!], Faschismuss [sie!] und Adolf Hitler«.237 Solche Antworten gäbe es vor allem in rein katholischen Gegenden, in denen zugleich das

235 Ebd., RAF, Erfahrungen mit dem 1. Halbjahrgang 1915, 18.1.1936. Mit »Landersatz« waren die Arbeitsmänner aus ländlichen Gebieten gemeint. 236 Vgl. ebd., Hierl an Darré, 21.12.1937. 237 Ebd., Arbeitsgau X, Bericht über die Rundfrage vom 11.3.1935.

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Schulwissen besonders gering, der Anteil von Analphabeten überdurchschnittlich hoch sei. Auch wenn die Berichte die Erfahrungen in den Lagern sicherlich teilweise widerspiegelten, so hatten sie doch vor allem eine legitimierende Funktion. Wie auch im Bereich der Körperformung versuchte der Dienst so, seine Ansprüche gegenüber möglichen Rivalen, die sich mit ähnlichem erzieherischen Auftrag an die Jugend wandten und um dieselben Ressourcen konkurrierten, geltend zu machen. Von diesen grenzte sich der Arbeitsdienst scharf ab, was am Beispiel der Wehrmacht kurz ausgeführt werden soll. Nicht nur in den Auseinandersetzungen innerhalb der Elite, sondern auch gegenüber der Öffentlichkeit stellte Hierls Organisation seinen pädagogischen Auftrag und vor allem die politische Schulung als Spezifika dar. Dieses Element unterscheide den Arbeitsdienst angeblich grundsätzlich vom Wehrdienst. Der bekannte nationalsozialistische Journalist Gunter d'Alquen erklärte zum Beispiel, dass die Erziehungsarbeit des Militärs »bewußt unpolitisch« sei. Die »weltanschaulich-politische Vorschulung« des Arbeitsdienstes sei deswegen die notwendige Voraussetzung für den Wehrdienst. Hier lerne der junge Mann erst, »warum und wozu er einmal Soldat ist!«238 Tatsächlich verloren solche Gegenüberstellungen jedoch zunehmend an Gültigkeit, da auch die Wehrmacht unter dem Leitbild des »politischen Soldaten« immer stärker im nationalsozialistischen Sinne erzieherisch wirkte. Insgesamt reihte sich das Militär seit Herbst 1933 und verstärkt seit Januar 1936 in die Kette von Erziehungsinstitutionen ein, die im Sinne des Nationalsozialismus auf die deutsche Bevölkerung und besonders auf den männlichen Nachwuchs einwirkten. Auch im Vergleich mit den Lehrstoffen anderer NS-Organisationen ergibt sich kein spezifisches Profil des Arbeitsdienstes. Themen und Thesen waren in einem ganzen Ring an Institutionen ähnlich - seien dies nun Parteigliederungen wie die SA, die SS, angeschlossene Verbände wie die DAF oder schließlich auch klassische Erziehungsmächte wie die Schule oder eben das Militär. Außerdem wurde dieser Ring immer breiter. Jeweils dominierte die Charaktererziehung mit Inhalten, die nationalsozialistisch geprägt waren; häufig - gerade im Falle der Wehrmacht - entstand das Schulungsmaterial in Z u sammenarbeit mit anderen Erziehungsinstitutionen. Zusammengefasst hatte die Erziehung jeweils zum Ziel, den »neuen deutschen Menschen« zu formen. 239 Angesichts solcher Überschneidungen wurde es für den Arbeitsdienst zunehmend wichtiger zu begründen, warum gerade er mit der Zeit junger Männer eine ökonomisch zunehmend knappe Ressource für erzieherische Zwecke einforderte.

238 VB 2.6.1935; ähnlich Seipp, S. 132-140. 239 Vgl. Messerschmidt, S. 190-214.

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Die Konkurrenzlage erklärt auch, warum der Arbeitsdienst in den Berichten immer wieder daraufhinwies, dass der Unterricht durch andere NS-Institutionen keine große Wirkung zeitigte. In dem Bericht über den ersten Halbjahrgang 1935 wurde festgestellt, dass »selbst SA und SS Männer [...] politisch ungeschult« seien.240 Dieser Befund wurde nicht genauer quantifiziert - in der vagen Andeutung lag vielmehr die Kraft des Arguments. Noch 1938 hob der Arbeitsdienst in einem ähnlichen Report hervor, dass die HJ keine anhaltend positive Wirkung auf die männliche Jugend hinterlassen habe.241 Allerdings gibt es vom Arbeitsdienst keine Quellen, die in ähnlicher Form die Lernerfolge während der Dienstmonate systematisch erfasst und ausgewertet hätten. Statt solcher quantitativer Quellen sind lediglich vereinzelte, qualitative Aussagen überliefert. Somit lässt sich nur darüber spekulieren, ob es dem Dienst gelang, die Basis an Faktenwissen, vor allem aber die politische Uberzeugung, zu verändern. Angesichts der kurzen Dienstzeit und der Probleme, die politische Indoktrination zu organisieren, dürfte der Erfolg nicht durchschlagend gewesen sein. Da der Dienst jedoch in eine Reihe ähnlich wirkender Institutionen eingebettet war, trug er gleichwohl zur Ideologisierungdes Nachwuchses bei. Auf systemischer Ebene kann man den Erfolg des Erziehungsprogramms dagegen wesentlich präziser umschreiben. Es gelang Hierl offensichtlich, Adolf Hitler mehrfach von der Notwendigkeit des Arbeitsdienstes als »Schule der Nation« zu überzeugen; den oben dargestellten Bericht über den Halbjahrgang 1935 etwa nahm der »Führer« persönlich »mit großem Interesse« zur Kenntnis.242 Hitlers Rückhalt zeigte sich bereits bei den ersten Plänen zur Einführung der Arbeitsdienstpflicht 1933 und erneut 1935, als der Diktator Widerstände von Wirtschaft, Militär und Teilen der Staats- und Parteispitze zurückstellte. Auch in den folgenden Jahren unterstützte Hitler Hierl und wies Vorschläge, den Dienst aufzulösen oder in einer anderen Organisation aufgehen zu lassen, zurück. Das Hauptargument, mit dem der »Führer« die Eigenständigkeit und die Notwendigkeit der Existenz des Arbeitsdienstes begründete, lag in dessen pädagogischem Auftrag. Die politische Indoktrination und die Funktion als »Wiege der Volksgemeinschaft« lagen ihm sehr am Herzen. De facto erfüllte Hierls Organisation diese Aufgaben aber in immer geringerem Umfang: Angesichts der zunehmend intensiveren Baustellenarbeit und des militärischen Einsatzes, von denen noch die Rede sein wird, sank die für die Erziehung reservierte Zeit auf ein Minimum, in vielen Abteilungen fand im Zweiten Weltkrieg gar kein Staatspolitischer Unterricht mehr statt.243 Allerdings erhielt sich der Glau-

240 241 242 243

BA/B, R 1501/5102, RAF, Erfahrungen mit dem 1. Halbjahrgang 1915, 18.1.1936. BA/F, M F B l/SF-01/16218, Hierl an Himmler, 10.2.1938 und Anlage. BA/B, R 43 11/518, Vermerk Rkei, 3.4.1936. Vgl .Jonas, S. 203-207.

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be an die Schulung und Formung durch geregelte Arbeit. Als noch wichtiger erwies sich die Tatsache, dass der Reichsarbeitsdienst trotz aller Defizite nach wie vor die Unterstützung des »Führers« hatte. Das Wohlwollen des »Führers« zeigte sich zum Beispiel auch noch Mitte und erneut im Herbst 1944, als er betonte, dass aus erzieherischen Gründen »alle deutschen Männer und Frauen [...] soweit nur irgendmöglich durch die Schule des Reichsarbeitsdienstes gehen« müssten.244 Hierl konnte Hitler immer wieder für den Dienst gewinnen auch wenn der Lageralltag und die Leistungen auf dem Gebiet der Erziehung oft bescheidener ausfielen, als man den Diktator glauben machte. Die gelungene Überzeugungsarbeit bei Hitler war letztlich der Hauptfaktor für den institutionellen Erhalt des Arbeitsdienstes. In der Verschleierung der Defizite einerseits wie der Betonung der angeblichen Leistungen gegenüber dem »Führer« andererseits lag so insgesamt der größte Erfolg der Organisation von 1933 bis 1945.

3.2. Feierabendgestaltung als Lernkontrolle Relativiert wurden die Unzulänglichkeiten des Unterrichts dadurch, dass auch andere Teile des Tagesablaufs dessen pädagogische Wirkung direkt unterstützten. Mehr noch als beim Morgenunterricht - bei dem sich die Probleme mit den Führern in demselben Maße stellten wie bei der nachmittäglichen politischen Schulung - oder bei den Ehrennamen galt das für die organisierte Freizeit. Die Feierabendgestaltung hat Wolfgang Seifert in das Zentrum seiner Dissertation gestellt und so umfassend wie erschöpfend behandelt. Er zeigt, dass sie nicht ein apolitischer Appendix, sondern ein Teil der Erziehung war. Besonders zum Staatspolitischen Unterricht stand sie in einem engen Verhältnis. In beiden Fällen wirkte der Dienst direkt erzieherisch - was bei der eigentlichen Arbeit oder auch der Ordnung der Lager nur vermittelt geschah. Anders als die politische Schulung, die trocken und langweilig geraten konnte, sollten die Abendstunden in unterhaltsamer Form pädagogisch wirken.245 Zweimal wöchentlich begingen alle Männer den Feierabend unter Leitung des Abteilungsführers gemeinsam; an zwei weiteren Abenden der Woche waren sie in »Neigungsgruppen« unter Aufsicht eines Spezialführers für Feierabendgestaltung eingebunden. Auch an diesen Stunden war die Teilnahme obligatorisch. So standen Singen und Musizieren, Basteln oder Theaterspielen jeweils unter dem Primat der Gemeinschaftsleistung.246 Individuelle Beiträge,

244 Vgl. BA/B, R 43 II/520a, Bormann an U m m e r s , 6.5.1944; BA/B, N S 6/351, v.a. Bormann an Reichs- und Gauleiter, 23.8.1944. 245 Vgl. Seifert, Kulturarbeit. 246 Vgl. Petersen, S. 92.

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die sich nicht in einen größeren Zusammenhang einfügten, wurden dagegen unterdrückt. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass es aus ideologischen Gründen beim Singen keine Solisten gab, um die Homogenität zu wahren. 247 Der Alltag der Freizeitgestaltung zeichnete sich durch das regelmäßige, stets ähnliche und kontrollierte Zusammenwirken der jungen Männer in Gruppen innerhalb des Lagers aus. Als Beispiel aus der Fülle an Aktivitäten soll hier das Kasperlespiel etwas genauer vorgestellt werden; an dieser scheinbar harmlosen Tätigkeit zeigt sich die politische Grundintention der Freizeitaktivitäten. Wie Seifert verdeutlicht, war das Kasperlespiel im Arbeitsdienst so angesehen und verbreitet wie im Nationalsozialismus insgesamt - es konfligierte offensichtlich auch nicht mit dem NS-Männlichkeitsideal. Die Arbeitsmänner bastelten die Fingerpuppen selbst und führten selbstverfasste, traditionelle oder zeitgenössisch-nationalsozialistische Spiele auf. Normalerweise handelte es sich um ein Stegreifspiel, dem kein ausformulierter Text, sondern nur eine grobe Ausarbeitung zugrunde lag. Außerdem war die Aufführungsform interaktiv, da die Handlung durch Reaktionen des Publikums vorangetrieben wurde. Somit wurde den Spielern ein gewisses Improvisationstalent abverlangt. Wie Seifert zeigt, lief das Spiel bis 1937 in traditionellen Bahnen; die Gegenfiguren des Kasperle waren zum Beispiel der Räuber oder der Teufel. Ab 1938 traten weitere, spezifisch nationalsozialistische Charaktere hinzu, wie der Jude, der Meckerer und der Spießbürger. In solchen Spielen durfte Kasperle zwar Lausbubenstreiche und Prügeleien anzetteln. Insgesamt stellte er aber eine positive Identifikationsfigur dar, die das »gesunde Volksempfinden« verkörpern sollte. In diesem Modell blieb für Kasperles Gegenspieler nur die Rolle des absolut Bösen. Solche Stücke gab das Reichsinstitut für Puppenspiel in Stuttgart heraus, und auf diese und Ähnliche griff der RAD zurück. So wurde etwa im Zweiten Weltkrieg ein aggressives, antienglisches Spiel aufgeführt, in welchem Kasperle Churchill und Chamberlain gegenübergestellt wurde; pikanterweise übernahm er so Hitlers Rolle. Das Stück endete damit, dass Kasperle seine beiden Feinde besiegte und diese - als Höhepunkt des Stücks - von der klassischen Spielfigur des Krokodils aufgefressen wurden. Es ist offensichtlich, wie sehr das scheinbar unschuldige Kasperletheater die gesellschaftlichen Vorstellungen und die Ideologie des Nationalsozialismus reproduzierte. So knüpfte es an Spielformen der Arbeiterbewegung vor 1933 an und tat selbstverständlich alles, um diese Bezüge zu verdecken. Politischen Inhalts waren auch die Stücke, die Angehörige des Arbeitsdienstes selbst schrieben und in denen häufig Episoden aus dem Lageralltag aufgeführt wurden. In diesem Fall konnten die Arbeitsmänner - sowohl als Darsteller wie auch als Publikum - direkt an ihre eigenen Erfahrungen anknüpfen; die Erlebniser247 Das Folgende nach Seifert, Kulturarbeit, S. 189-311; grundlegend als Quelle Berendt/ Kretzschmann.

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ziehung fand einen Höhepunkt, da im Erlebnis Theater das des Arbeitsdienstes nachgespielt, mehr noch aber geordnet und gedeutet wurde. 248 Aufgeführt wurden solche Spiele nicht nur vor den Arbeitsmännern, sondern auch vor der Bevölkerung der Gemeinden, welche die Arbeitslager umgaben. Das verweist auf zwei weitere Funktionen, welche die Freizeitgestaltung neben der Erziehung der jungen Männer hatte: Sie sollte zum einen auf die Bevölkerung einwirken. Die Lager wurden als Möglichkeit verstanden, um der Landbevölkerung den Nationalsozialismus näher zu bringen. Der Dienst sollte zum anderen einen Beitrag zur Erneuerung der Volkskultur leisten. Die Spiele des Arbeitsdienstes für Männer richteten sich an die Erwachsenen der Gemeinden im Umfeld, während der Arbeitsdienst für Frauen auch für Kinder Kasperletheater spielte. Seifert sieht im Kasperlespiel zu Recht ein völlig ideologisiertes Propagandamittel, das sich nicht nur an die Arbeitsmänner, sondern an die ganze Bevölkerung wandte.249 Ahnliche Aufgaben hatten auch die anderen Elemente der Freizeitgestaltung - ob es sich nun um Basteln, Singen oder die Verschönerung des Lagers handelte; manche, wie das Wandern, hatten zudem in besonders hohem Maße die Aufgabe, die Naturverbundenheit zu fördern. Immer verpflichtete sich der Arbeitsdienst einem Laienkulturansatz, der auf eine reduktionistische Natürlichkeit setzte. Diese schränkte ihrerseits die Ästhetik, die Werkstoffe und die Tätigkeitsfelder ein und legte sie auf Schlichtheit und ungekünstelte Einfachheit fest. Dieser Kulturbegriff wurde im Arbeitsdienst mit historischen und rassistischen Argumenten begründet; man setzte auf »Altbewährtes« und einen kanonisierten Fundus germanisch-deutscher Kultur, die sich de facto aus vorhandenen wie aus erfundenen Traditionen zusammensetzte. Zugleich war der Reduktionismus die Form, welche der knappen Finanzlage des Dienstes in den ersten Jahren nach 1933 entsprach. Wiederum stand das gemeinsame Erlebnis im Zentrum der Aktivitäten, weswegen Einzelaktivitäten verpönt waren. Wie beim Kasperlespiel sollten nicht nur die Arbeitsmänner zusammengeführt werden. Dieser Teil des Tagesablaufes hatte auch den Auftrag, eine Außenwirkung herbeizuführen: Bunte Abende, an denen zum Beispiel vom Arbeitsdienst Gebasteltes den Kindern umliegender Gemeinden geschenkt wurde, hatten einen propagandistischen Auftrag - sie sollten die Akzeptanz des Arbeitsdienstes wie des Nationalsozialismus bei der Bevölkerung erhöhen. 250 Vor allem in Grenznähe gab es sogar Patenschaften von Abteilungen für Dörfer: Gemeinsame Feiern hatten den expliziten Auftrag, »das Deutschtum zu stärken und zu unverlierbarem Besitz zu machen.«251 Dieses volkstumspolitische Ziel war ein

248 249 250 251

264

Vgl. z.B. VB 3.12.1937. Vgl. insgesamt Seifert, Kulturarbeit, S. 285-296; Berendt/Kretzschmann, S. 39f. Vgl. Faaz, S. 30f. Scheller, Feierstunden, S. 64; radikalisiert in Körber, Volkstumsarbeit, S. 23.

wesentlicher Grund dafür, dass ab 1937 vermehrt Lager in Grenznähe verlegt wurden. 252 Zusätzlich hatte die verplante Freizeit schließlich das Ziel, die künftige Feierabendgestaltung der jungen Männer zu prägen. Ahnlich wie in der NSFreizeitorganisation Kraft durch Freude (KdF) der Arbeiterschaft gezielt Formen vermittelt werden sollte, freie Zeit »sinnvoll« zu nutzen, sollte es der Arbeitsdienst gegenüber seinen Angehörigen tun.253 Hierl kleidete diesen Auftrag in folgende Worte: »Was hier aus dem schöpferischen Geiste einer neuen Jugend unter der Leitung erfahrener Männer sich gestaltet, ist bestimmt j ü d i sches Gift und patriotischen Kitsch aus unserem Volksgeschmack zu verdrängen und neue nationale Kulturformen zu gestalten.«254 Deswegen sollte letztlich im Arbeitsdienst »die Kultur unseres Volkes von morgen« entstehen. 255 Der »kulturschöpferische« Auftrag konnte sich aber nicht voll entfalten. Die Kulturarbeit wurde nie zu einem dritten, gleichberechtigten Standbein neben der Arbeit und der Erziehung. So blieb die Freizeitgestaltung primär »der verlängerte Arm der Erziehung« oder deren »Lernkontrolle«.256 Das sprach Hierl auch offen aus. Er nannte die Feierabende »eine unentbehrliche Ergänzung des Staatspolitischen Unterrichts zum Zwecke nationalsozialistischer Erziehung«.257 Die sekundierende Rolle der Freizeitgestaltung ging so weit, dass das Verhalten der Arbeitsmänner auch in diesen Stunden Grundlage für deren Bewertung war. 1935 teilte das Reichsstudentenwerk zum Beispiel mit, dass das Freizeitverhalten im Arbeitsdienst in das Urteil über die jungen Männer einfließe und mit darüber entscheide, ob ein Abiturient für die Hochschulförderung geeignet sei.258 Was Sophie Scholl über ihre Zeit beim Arbeitsdienst für Frauen schrieb, galt insofern auch für das Pendant für Männer: »Wir leben sozusagen wie Gefangene, da nicht nur Arbeit, sondern auch Freizeit zum Dienst wird«.259 Auch Bereiche der Freizeitgestaltung, in denen man weniger kontrollierte und durchherrschte Nischen hätte vermuten können, gingen ganz in dem Konzept der Überwachung und Erziehung auf Ein Beispiel dafür bietet das Lesen. Es war eine der wenigen Tätigkeiten, die nicht in der Gemeinschaft stattfand und somit in der Zeitgestaltung, dem Tempo und der Art der Verarbeitung des Erlebten den jungen Männern potentiell größere Freiräume ließ. Der

252 [1938], 253 254 255 256 257 258 259

Vgl. BA/B, R 1501/5607, Bericht RMI über die Förderung der Grenzgebiete, ohne Datum Petersen, S. 92. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 362-369, Zitat S. 368 (1935). Scheller, Feierabend, S. 89. Seifert, Kulturarbeit, S. 189-311, Zitate S. 195, 171. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 245-248, Zitat S. 247 (1936). Vgl. BA/B, R 4901/890, Reichsstudentenwerk an RL-AD, 5.7.1935. Zitat in Vinke, S. 82.

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Dienst beschränkte diese jedoch systematisch. Das zeigt sich z u m einen am Bestand der Lagerbibliotheken. Deren Bestände waren selbstverständlich am nationalsozialistischen Lesekanon ausgerichtet. 1934 führte eine Aufstellung z u m Beispiel aus, welche Periodika in den Lagerbibliotheken anzuschaffen seien. Für die 216 M a n n einer Abteilung waren demnach zwei Exemplare des Völkischen Beobachters, zwei örtliche Zeitungen, zwei Exemplare der Deutschen Wehr - einer eher anspruchsvollen, wöchentlich erscheinenden wehrpolitischen Zeitschrift - zwei sonstige Zeitschriften, eine Lagerzeitung u n d ein Exemplar des Deutschen Arbeitsdienstes, der Führerzeitung der Organisation, vorgesehen. 260 Die Anschaffungsliste w u r d e in den folgenden Jahren n u r geringfügig verändert. Sie setzte sich zusammen aus Parteitageszeitungen, Fachblättern zur Unterrichts- und Freizeitgestaltung und aus Periodika, welche die j u n g e n M ä n n e r auf den Wehrdienst u n d das Soldatsein vorbereiteten. 261 Die eigentlichen Buchbestände schöpften aus verschiedenen Quellen. N e ben Geschenken der Partei oder von Dritten wurde der Hauptanteil durch den Dienst selbst angeschafft. In der Anfangszeit w u r d e n selbstverständlich die v o m Weimarer FAD ü b e r n o m m e n e n Bücher nach politischen Kriterien ausgedünnt; so gab es auch in den Lagern des Arbeitsdienstes Bücherverbrennungen. 262 Insgesamt überwachte die Reichsleitung den Aufbau der Bestände und lenkte ihn von oben. Das Verordnungsblatt der Reichsleitung spiegelt ihn genau wider - jedes für den Arbeitsdienst zugelassene Werk ist darin verzeichnet. Die Bücherlisten, die insgesamt viele Dutzend Titel umfassten, entsprachen in ihrer Grundausrichtung derjenigen der Zeitschriften u n d Zeitungen; allein dem rein unterhaltenden Element w u r d e m e h r Platz eingeräumt. 263 Trotzdem galt auch hier, dass neben Anleitungen für den Dienstgebrauch politische Indoktrination und Kriegsvorbereitung im Mittelpunkt standen. Doch nicht n u r der Kanon der vorhandenen Literatur führte dazu, dass auch in diesem Bereich der Freizeitgestaltung die Entfaltungsmöglichkeiten der J u gendlichen eng begrenzt waren. M e h r noch war die Zeitknappheit der G r u n d , w a r u m selbst leseinteressierte Arbeitsmänner die Bibliothek kaum nutzen konnten. Dabei stellte - zumindest nach einer regionalen U m f r a g e von 1935 dies die mit Abstand beliebteste Freizeitbeschäftigung dar.264 Klagen über zu wenig Freizeit, u m ein Buch zur H a n d zu nehmen, äußerten viele Arbeitsmänner bereits während des Werkhalbjahrs 1933; eine Befragung von Jonas unter ehemaligen RAD-Angehörigen verschiedener Dienstjahre k o m m t zu demselben Ergebnis. 265 260 Vgl. BA/B, R 2301/5658, RL-AD, Haushaltsentwurf, ohne Datum [Frühjahr 1934], 261 Vgl. BA/B, R 2301/5659, RAF an Abteilungsführer, 6.5.1935; BA/B, R 2301/5660, Vermerk RH, 30.4.1936. 262 Vgl .Jonas, S. 198f. 263 Vgl. Berendt, S. 58-62; VO-Bl. RAD, z.B. die Aufstellung v o m 22.12.1937. 264 Vgl. BA/B, R 1501/5102, Arbeitsgau X, Bericht über die Rundfrage v o m 11.3.1935. 265 Vgl. ebd., RMI, Verhandlungsniederschrift, 21.9.1933Jonas, S. 199.

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Die anhaltenden Probleme in diesem Bereich weisen auf die Überbeanspruchung der Organisation hin. D e r selbst gestellte Anspruch, ein ausgefeiltes Freizeitprogramm zu bieten, ließ sich angesichts der steigenden Anforderungen an die Arbeitsleistung des Dienstes immer weniger erfüllen; deswegen geriet gegen Ende der 1930er Jahre das elaborierte System der Freizeitgestaltung immer m e h r unter Druck. Auch diese Entwicklung fand ihren H ö h e p u n k t und Abschluss während des Zweiten Weltkrieges. Das verdeutlicht ein Interview, das Hierl nach dem Polenfeldzug d e m Völkischen Beobachter gab. Danach war zumindest während der Kriegswochen im Osten die organisierte Freizeit ganz aufgegeben worden; der Reichsarbeitsführer meinte nun: »Wenn viel gearbeitet wird, halte ich ausgiebigen Schlaf für die beste Freizeitgestaltung.« 266 Dieses Problem sollte die Ausgestaltung der Abende aber erst im Zweiten Weltkrieg grundlegend in Frage stellen. In den Friedensjahren traten z u m Basteln, d e m Lesen oder dem Schauspiel, die zumeist den Lagertag beendeten, die »einmaligen Feiern«. A m wichtigsten waren die Reichsparteitage in Nürnberg, da sie mit speziellen Vorbereitungen und der Anreise der Arbeitsmänner verb u n d e n waren. 267 Daneben w u r d e eine Reihe weiterer »einmaliger Feiern« begangen, die sich im Wesentlichen am nationalsozialistischen Festkalender orientierten: der »Heldengedenktag« im März, der z u m »Nationalen Feiertag« umfunktionierte 1. Mai, die Sonnwendfeier sowie der 9. N o v e m b e r als Gedenktag f u r die »Gefallenen der Bewegung«. Die Anlässe wurden entweder mit der Bevölkerung der umliegenden Gemeinden oder von den Abteilungen allein in ihrem Lager gefeiert. 268 Außer der Reihe gab es zudem arbeitsdienstspezifische festliche Anlässe, etwa bei der Beendigung eines Bauabschnittes oder der Verleihung von Ehrennamen an eine Abteilung. Wie an anderer Stelle näher ausgeführt, 269 dienten besonders diese Feste der Beschwörung einer kollektiven Identität. Darunter wird hier die Identifizierung von Menschen untereinander verstanden, das heißt die Vermittlung einer Vorstellung von Gleichheit oder Gleichartigkeit mit anderen. 270 Der Dienst versuchte - wie der Nationalsozialismus insgesamt - bei maßgeblichen identitätsprägenden Faktoren wie der politischen Einstellung, der ökonomischen Klassenlage, der Konfession, der Zuschreibung zu einer Generation, der regionalen Identität, d e m Geschlechterverständnis u n d der sozialen Verortung die bisherige Identifikation zugunsten eines neuen Wir-Gefühls zu ersetzen. Politische Vorstellungen, die dem Regime widersprachen, sollten ebenso wie konfessionelle Bindungen möglichst ganz unterdrückt werden. Ein Bewusstsein regionaler Identität wurde akzeptiert, allerdings nur, w e n n es völkisch definiert 266 267 268 269 270

VB 19.11.1939. Vgl. Patel, Schule, S. 309-311. Vgl. Petersen, S. 93; allgemein zum Festkalender Reichel, Schein, S. 209-221. Vgl. Patel, Schule, S. 301-316. Vgl. zusammenfassend Eisenstadt/Giesen, S. 72-102.

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war und letztlich im Konzept einer Regionen übergreifenden »Volksgemeinschaft« aufgehoben war. Ökonomische Klassenlagen und daraus resultierende soziale Ungleichheit wurde außerdem nicht aktiv bekämpft, sondern hauptsächlich durch rhetorische Worthülsen wie die von der »arische [n] Auffassung vom Segen und vom Adel der Arbeit« vernebelt.271 Eine Tätigkeit galt zudem nur dann als wertvoll, wenn sie in Bezug zur Gemeinschaft stand. Männlichkeit sollte primär physisch definiert werden, und in einer von Männern dominierten Gesellschaft die Disziplin und alle anderen Eigenschaften stärken, die einem Rassen- und Vernichtungskrieg dienlich waren. Im Rahmen eines Jugendkultes sollten sich die Arbeitsmänner schließlich als erste Kohorte in einer Abfolge von Generationen sehen, die die nationalsozialistischen Gesellschaftsvorstellungen gänzlich umsetze. Am Ende dieser Redefinition von Identität standen so ein völkisch definiertes, rassistisches Verständnis, das an ein System der Inklusion und Exklusion gebunden war; eine sozialharmonische Vorstellung, in der es keinen Raum für den geordneten Meinungsstreit und für Pluralismus gab; ein weniger sozialpolitisches als symbolisches Gleichheitsversprechen und schließlich eine generationale Erfahrung, die in Analogie zur Schützengrabengemeinschaft des Ersten Weltkrieges verherrlicht wurde. Primordial war der Identitätsbegriff, weil er sich auf vermeintlich ursprüngliche, unveränderliche, unhinterfragbare und mit Wertvorstellungen aufgeladene Merkmale bezog, vor allem auf Rasse und Geschlecht.272 Zugleich war der Ausschluss konstitutiver Bestandteil dieser Identitätskonstruktion, denn im Bild des Juden liefen alle Merkmale des Anti-Typs des Arbeitsdienstes wie des Nationalsozialismus allgemein zusammen. Der Antisemitismus floss in die Erziehung ein, er prägte aber auch - wie bereits ausgeführt - die Organisation des Dienstes, da Juden prinzipiell vom Arbeitsdienst ferngehalten wurden. Zur Erziehung trat ein primär antisemitisches, letztlich allgemein rassistisches System der Inklusion und Exklusion. Grenzüberschreitungen von außen nach innen waren nicht möglich; dass heißt, das Juden keine Chance hatten, aufgenommen zu werden. Den umgekehrten Weg gab es im Fall massiven Fehlverhaltens und anderer Arten der Nonkonformität allerdings sehr wohl; vor allem die Erziehung war Mittel, um darüber zu befinden. Jedoch wurde in diesem Fall die Exklusion häufig mit »rassischer Minderwertigkeit« begründet. Allerdings grenzte sich der Dienst nicht nur nach einer Seite, das heißt gegen einen Anti-Typ, ab. Vielmehr wirkte auch ein spezifisches Frauenbild, das heißt ein Gegentyp der »arischen Frau«, im »Männerbund« Arbeitsdienst ex negativo gemeinschaftsbildend: In den Lagern waren nur Männer. Daran änderte auch die Ausweitung des Frauenarbeitsdienstes 1939 nichts, da die Lagersysteme für 271 Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 29-49 (1931/32), Zitat S. 38. 272 Primordial ist nach Eisenstadt/Giessen ein Identitätsverständnis, das dieses an scheinbar ursprüngliche, unhinterfragbare und essentialisierende Unterscheidungen knüpft.

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beide Geschlechter immer voneinander getrennt blieben. In diesem Fall wie gegenüber dem Anti-Typ wurde Differenz primordial begründet, das heißt mit dem angeblich »natürlichen« Unterschied zwischen »arischen« Männern und Frauen. Weitere, nachrangige Kriterien traten hinzu, etwa die körperliche Unversehrtheit. Wie bei der Haltung gegenüber den Juden zeigt sich hier, dass die Gemeinschaftsbildung nicht nur symbolisch stattfand, sondern mit einem Prozess auf der Ebene sozialer Differenzierung und allgemein sozio-ökonomischer und politischer Partizipation und Verteilung kommunizierte. Korrelierenden Charakter hatten die Prozesse freilich nicht, denn in manchen Fragen standen Identitätskonstruktion und -rhetorik unter anderen Vorzeichen als die Sozialpolitik des Regimes: Z u m Beispiel besagte das Gleichheitsversprechen nicht, dass fortan alle Arbeiten - abgesehen von der Zeit im Arbeitsdienst gleich bezahlt und bestehende soziale Unterschiede zwischen Klassen und Schichten durch radikale politische Einschnitte beseitigt werden sollten. Gleichwohl betrieb das Regime eine gezielte Identitätspolitik, die den »Volksgenossen« ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vermitteln sollte. Diese Politikwar Teil des nationalsozialistischen Versuchs, sich die Zustimmung der Bevölkerung zu sichern, da das »Dritte Reich« als plebiszitäre Diktatur nicht nur auf Terror, sondern zugleich auch auf Akzeptanz durch die Deutschen setzte. Zugleich sollte so die nationalsozialistische Ideologie implantiert werden. Selbstverständlich handelte es sich nicht nur u m Vorstellungen, die allein die Nationalsozialisten vertraten und die der Bevölkerung somit von außen übergestülpt wurden, viele wurzelten vielmehr in der deutschen Ideengeschichte. Schließlich stellt sich die Frage, welche Wirkungen die Identitätspolitik des Arbeitsdienstes, die in einem engen Verhältnis zu allen seinen anderen Erziehungsaufträgen stand, zeitigte. Erstens ließ sich das bisher vorgestellte Programm der Identitätsprägung nur teilweise in die Praxis umsetzen. Auf allen diskutierten Ebenen wurde der Dienst dem selbst formulierten Anspruch nicht gerecht. De facto war die Zeitplanung in vielen Lagern keineswegs so rigide, wie es die Vorgaben aus der Reichsleitung des Dienstes in Berlin forderten. Auch der Erziehungsanspruch, zu dem der identitätspolitische Auftrag in einem engen Verhältnis stand, musste im Zuge der verschärften Kriegsvorbereitungen Ende der 1930er Jahre eingeschränkt werden; davon wird in Z u sammenhang mit der praktischen Arbeit des Dienstes noch die Rede sein. Ferner konnte er aufgrund der bereits dargestellten organisatorischen und strukturellen Probleme nur teilweise umgesetzt werden. Zugleich wurde die Wirkung durch die kurze Dienstzeit verringert. Die sechs Monate Arbeitsdienst dürften keinen durchschlagenden Einfluss auf die Männer gehabt haben. 273 Zweitens waren die sechs Friedensjahre des »Dritten Reiches« zu kurz, 273 Vgl. Paul, Lager, S. 103f; Köhler, Arbeitsdienst, S. 2 5 0 - 2 6 8 .

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um umfassende Einstellungsveränderungen bei einem großen Teil der Bevölkerung zu bewirken. Die Gesamtzahl von drei Millionen Männern, die den Arbeitsdienst durchliefen, ist zwar stattlich. Allerdings handelt es sich nur um einen Bruchteil der Bevölkerung. Drittens wurde die Wirkung dadurch verringert, dass die Disziplinierung eine markante Rolle spielte. Sie lehrte den Männern die bedingungslose Unterordnung und das Befolgen von Befehlen. Dieser Faktor wirkte selbstverständlich auch auf die Identität der Männer ein. Wie autobiographische Quellen zeigen, war dies aber ein Hauptgrund, wenn Arbeitsmänner den Dienst ablehnten. 274 Auch diejenigen, die dem Dienst und seinen Zielen gegenüber aufgeschlossen waren, hoben die Bedeutung dieses Faktors hervor.275 Insgesamt war die Disziplinierung damit ein Kernpunkt des Programms der Identitätsformung. So wurden die Angehörigen des Dienstes zu einer »Disziplingemeinschaft«, die sich in erster Linie durch die Bereitschaft zur Unterordnung und ein entsprechendes Arbeitsethos auszeichnete. Es lässt sich insgesamt kaum sagen, inwieweit es dem Dienst gelang, eine NS-spezifische kollektive Identität zu formen und zu verankern. Eine Einschätzungwird auch durch die Tatsache erschwert, dass sich der Einfluss dieser einen Sozialisationsinstitution nicht isolieren lässt. Der Arbeitsdienst wie alle anderen Erziehungseinrichtungen hatte den Auftrag, aus Deutschen »Volksgenossen« zu machen, aus der deutschen Gesellschaft eine »Volksgemeinschaft«. Dieses Wir-Gefühl wurde zwar auch auf anderen Wegen, etwa über die Medien, kommuniziert. Der Arbeitsdienst war jedoch wegen seiner besonderen Regimenähe und aufgrund seiner hohen Einflussmöglichkeit eine der wichtigsten derartigen Erziehungsmächte. Zugleich war es typisch für das Regime, sich bei einem derart umfassenden Auftrag nicht auf eine einzige Einrichtung zu verlassen. Vielmehr ermöglichten die verschiedenen Institutionen immer wieder Initiationserlebnisse, welche die sukzessive Inklusion des Nachwuchses in die »Volksgemeinschaft« vorantreiben sollten. Die Verkettung ähnlich wirkender Einflüsse war ein positiver Faktor bei dem Versuch, eine kollektive Identität zu vermitteln. Mindestens ebenso wichtig war die Tatsache, dass die Vorstellungen des Nationalsozialismus an Konzepte und Denktraditionen anknüpfen konnten, die schon vor 1933 in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet gewesen waren, sei es an den Nationalismus, den Antisemitismus, autoritäre Denkmuster oder an eine spezifische Geschlechterdefinition. Die nationalsozialistische Diktatur kombinierte und radikalisierte diese und ähnliche Konzepte, fasste sie aber nicht völlig neu. Dies und die Verkettung ähnlich wirkender Einflüsse waren erfolgversprechende Faktoren bei dem Versuch, eine kollektive Identität zu prägen. Wenn man Aufzeichnungen von Arbeitsmännern und der Memoirenliteratur glaubt, so war der Dienst in einem Gebiet relativ erfolgreich: Er trug tat274 Vgl. Ditfurth, S. 134-141; Eppler, S. 130-133; Sombart, S. 51f; Hausmann, S. 607-618. 275 Vgl. Seipp; Kläbe.

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sächlich dazu bei, Klassen- und Standesdünkel und allgemein soziale Vorurteile unter den Arbeitsmännern abzubauen. Die gemeinsame Arbeit und das gemeinsame Leben von Deutschen mit den verschiedensten Hintergründen stellte eine intensive Form des Kontakts dar, die die vorhandenen Vorstellungen über andere Schichten zumindest auf den Prüfstand stellte. Freilich gibt es auch Erinnerungen, aus denen primär die Bestätigung ohnehin vorhandener Vorurteile dringt; nicht wenige betonen aber, dass der Austausch den eigenen Horizont geweitet habe.276 Von dieser ansatzweisen Verwirklichung eines neuen Gemeinschaftsgefühls waren freilich alle ausgeschlossen, die »ausgemerzt« werden sollten. Wenn man unter Modernisierung eine Ausweitung der Rechte und Chancen sowie einen Abbau von Vorurteilen versteht, der sich auf alle Mitglieder einer Gesellschaft bezieht, kann dem Arbeitsdienst somit keine modernisierende Leistung attestiert werden. Allerdings wollte er sich ohnehin nicht an diesem Leisten messen lassen - ebenso wenig wie der Nationalsozialismus allgemein.277 Insgesamt aber war der Arbeitsdienst ein nicht unbedeutender Faktor in der Identitätspolitik des »Dritten Reiches«. Durch seine praktische Arbeit, aber auch durch die in ihm geleistete Erziehung und nicht zuletzt in den Festen und Feiern sollte die »Volksgemeinschaft« symbolisiert und aufgebaut werden. Bei der politischen Indoktrination blieb der Arbeitsdienst zwar aufgrund vielfältiger Probleme hinter seinem selbst gesteckten Ziel zurück. Dafür leistete er einen umso größeren Beitrag dazu, unter den Männern bedingungslose Disziplin herzustellen. U n d wenn die Forschung immer wieder festgehalten hat, dass große Teile der männlichen Jugend und der jungen Erwachsenen Deutschlands zumindest bis zur Kriegswende von Stalingrad 1942/43 dem Nationalsozialismus und seinem Gemeinschaftsversprechen positiv gegenüberstanden, 278 so war die Identitätspolitik des Regimes ein Grund dafür. Freilich war der Reichsarbeitsdienst für Männer nur ein kleines Rad in diesem Mechanismus - er liefert jedoch eine Teilerklärung für den hohen Grad an Akzeptanz, auf die sich das nationalsozialistische Regime die längste Zeit stützen konnte.279 Die Nagelprobe der pädagogischen Praxis erlebte das Erziehungsprogramm des Arbeitsdienstes jedoch nicht im Feld der Erziehung selbst, sondern durch die Verknappung der Zeit, die für diese Aufgabe zur Verfügung stand. Sie wurde immer mehr zugunsten der Arbeit als dem anderen Ziel des Dienstes einge276 Vgl. z.B. die zahlreichen (teilweise auch kritischen) bei Seipp versammelten Eindrücke von Arbeitsmännern; außerdem etwa Tagebuch Karl Leisner 1999, z.B. S. 55; U S H M M , RG 02-106, Manuskript Askevold und Ditfurth, S. 134-141, laut dem das klassenübergreifende Zusammengehörigkeitsgefühl in gemeinsamer Frontstellung zum RAD entstand. 277 Vgl. dazu Frei, Nationalsozialismus, S. 380-387; dagegen v.a. Zitelmann, S. 205-227. 278 Vgl. z.B. Któnne, S. 228f. 279 Vgl. zu den Gründen für die Loyalität der Deutschen auch Wendt, Deutschland, S. 655657.

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schränkt. Bevor auf die Probleme eingegangen wird, die dadurch entstanden, soll zunächst die Erziehung im C C C analysiert werden.

4. Erziehung im Civilian Conservation Corps 1. N o c h weniger als im Falle des deutschen Arbeitsdienstes lässt sich für das Civilian Conservation Corps eine verbindliche Erziehungstheorie definieren; der Dienst war zu sehr eine überstürzt eingerichtete, flexible Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, als dass er von Anfang an einen durchdachten pädagogischen Auftrag hätte haben können. Vielmehr bestand zunächst lediglich die Absicht, die jungen Männer durch Arbeit zur Arbeit zu erziehen. 280 Deswegen war, als das Corps im Frühsommer 1933 eingerichtet wurde, zwar von einer erzieherischen Wirkung, aber noch nicht von einer explizit pädagogischen Dimension oder gar einer Erziehungstheorie die Rede. 281 So wurde dem C C C erst im Nachhinein ein systematisches Erziehungsprogramm beigegeben. Die Initiative dazu ging vom Leiter für die Rekrutenauswahl im Arbeitsministerium, W. Frank Persons, aus. Bereits Mitte Mai 1933 legte er Fechner ein pädagogisches Konzept für das Corps vor. Denn wenn es auch in den ersten Jahren noch keine genauen Statistiken zum Bildungsgrad der enrollees und besonders zum Ausmaß des Analphabetismus gab, so wurde doch schon 1933 deutlich, dass viele der jungen Männer über erschreckend wenig Wissen und Alltagskompetenz verfügten. 282 Spontan und unkoodiniert hatten deswegen einige Lager bereits im Sommer 1933 Kurse eingeführt. Fechner war allerdings von Persons' Initiative wenig begeistert, und die Armee lehnte sie zunächst ab. Sie war misstrauisch, dass »long-haired men and shorthaired women« - womit die Pädagogen gemeint waren - die Lagerdisziplin durcheinanderbringen könnten. Kaum weniger neurotisch waren die Furcht vor linksextremen Umtrieben und die Angst der Armee sowie Fechners, Kompetenzen abgeben zu müssen. 283 Persons erhielt aber bald die Unterstützung des Federal Commissioner of Education George F. Zook, der in einem Gespräch Roosevelt für ein solches Projekt interessieren konnte. Nolens volens mussten sich Fechner und die Armee n u n darauf einlassen, sie konnten aber wichtige Zugeständnisse erwirken. Das Kon280 Vgl. ECW 1934a, v.a. S. 10.

281 Vgl. Herliky, S. 25-33. 282 Vgl. ECW 1934a; später genauer z.B. Aydelotf, Griffing. 283 Zitiert nach Salmond, Corps, S. 48.

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zept w u r d e zwar von Zooks Office of Education, das d e m Innenministerium zugehörte, ausgearbeitet; als Leiter des Erziehungsprogramms einigten sich die beteiligten Stellen mit Clarence S. Marsh auf einen profilierten Pädagogen. Mit der U m s e t z u n g w u r d e n jedoch die n e u n Armeekorpskommandanten betraut, denen j e ein vom Office ofEducation ausgewählter Berater beigegeben war. Dieselbe Konstruktion w u r d e auf Lagerebene eingerichtet, und sie stellte letztlich die Kontrolle der Armee sicher. 284 Angesichts der herausragenden Bedeutung des Militärs bei der Organisation des C C C war der Kompromiss eine pragmatische Lösung. Er verdeutlicht, dass die Erziehung d e m C C C erst im Nachhinein in bereits existierende Machtstrukturen eingefügt wurde. 285 Allerdings hatte dies für das pädagogische Programm die Konsequenz, dass aufgrund der ablehnenden Haltung des Militärs die Ausbildungsinitiative n u r langsam Formen annahm. 286 Die pädagogischen Vorstellungen in dieser Phase des C C C bündelt ein offizielles H a n d b u c h , das sich an die Erzieher wandte. Abstraktes Ziel war es danach, die j u n g e n M ä n n e r auf die Berufswelt vorzubereiten u n d sie zu »citizens better equipped mentally and morally for their duties as such and with a better knowledge of the Government under which they live, and of all that that Government means« zu machen. Diese grundlegenden Ausführungen enthielten sich der Bestimmung eines Menschenbildes oder anderer Kernwerte, sondern gingen pragmatisch zu den Hauptzielen über, die unter diesen Auspizien zu verfolgen seien. Demnach sollten »self-expression, self-entertainment, and self-culture« der Männer ebenso gesteigert werden wie die Fähigkeit zur Einordnung in eine Gruppe. Weiterhin hatte das Erziehungsprogramm die Aufgabe, ihnen die soziale und ökonomische Lage Amerikas zu erklären »to the end that each man may cooperate intelligently in improving these conditions«. Die U m g a n g s f o r m e n und der Gesundheitszustand der Freiwilligen sollten ebenso verbessert werden wie ihr berufsqualifizierendes Wissen. Schließlich hatte der Dienst auch den Auftrag, die Liebe zur N a t u r zu wecken und den j u n g e n Männern ein Leben auf dem Land nahe zu bringen. 287 Diese Gedanken lassen sich insgesamt der Progressive Education Movement zuordnen. Die pädagogische Richtung, deren bekanntester Vertreter J o h n Dewey (1859-1952) war, setzte auf die Neugierde und das Interesse der Zöglinge und methodisch auf ein pragmatisches und praxisnahes Experimentieren, u m den Menschen auf die Rolle als verantwortungsbewusstes Mitglied der Gesellschaft vorzubereiten. 288 Diese Position vertrat auch Marsh. In d e m Konzept meinte 284 Vgl. Herlihy, v.a. S. 44-54; Salmond, Corps, S. 47-50. 285 Vgl. Herlihy, S. 55. 286 Vgl. Hill, School, S. 11-21. 287 Secretary of War 1934, S. 1, 3f; dazu v.a. Herlihy, S. 59-62. Das Handbuch wurde vom Kriegsministerium publiziert, aber vom Offue of Education erarbeitet. 288 Vgl. Stieglitz, Percent, S. 61-63.

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Erziehung insgesamt die Vermittlung von Schulwissen, eine F o r m u n g der Körper, Berufsausbildung u n d einen staatspolitischen Unterricht. Der Einfluss der Progressive Education erklärt auch, w a r u m Freiwilligkeit der Teilnahme, Flexibilität bei der Wahl der Kurse, das Fehlen eines Zensurensystems und die Orientierung an den Bedürfnissen der enrollees Kernelemente des Projekts waren. 289 Mit dem Erfolg für die progressives war der Richtungsstreit u m das Erziehungsprogramm aber keineswegs beendet. D e n n viele professionelle Pädagogen, nicht zuletzt Marsh selbst, hatten noch weiterreichende Pläne. Sie wollten das C C C als Experimentierfeld und Ausgangspunkt f ü r neue Formen des U n terrichts in allen pädagogischen Einrichtungen nutzen. 290 So feierte die linksliberale Zeitschrift New Republic z u m Beispiel, dass es in einer Corps Area Diskussionsrunden zu Grundsatzfragen gebe, etwa nach der Z u k u n f t der Familie. Als deren Ergebnis hätten die j u n g e n M ä n n e r festgestellt, dass »the oldfashioned family is n o longer needed in American life«.291 Solche Thesen waren für den amerikanischen mainstream, m e h r noch aber für die Armee mit ihren konservativen Werten ein rotes Tuch. D e n n im Gegensatz zu den professionellen Pädagogen hielten es Fechner, das Militär, aber auch Roosevelt für weitgehend ausreichend, die Jugendlichen in praktischen Berufen auszubilden und ihnen Werte wie U n t e r o r d n u n g und Disziplin beizubringen. 292 Dagegen wollten die Pädagogen aus den Reihen der progressives vor allem Tugenden wie Selbstbestimmung und Eigenverantwortung vermitteln. Zwischen beiden Lagern gab es lediglich den Minimalkonsens, wonach das Corps d e m characterbuilding dienen sollte, das heißt, dass die j u n g e n Männer in den Lagern Eigendisziplin lernen und auf die Bedürfnisse der Erwerbswelt vorbereitet werden sollten. Ab 1935 konnten die Armee und Fechner, die zumeist den Präsidenten auf ihrer Seite hatten, sich i m m e r m e h r mit ihren Vorstellungen durchsetzen. Deutliches Anzeichen der Veränderungen war Marshs Rücktritt im Sommer 1935, dessen Budgetforderungen u n d Reformideen immer wieder an Fechner gescheitert waren. 293 Sein im Juli des Jahres berufener Nachfolger, Howard Oxley, führte in den folgenden Jahren den Konflikt fort; aber auch er konnte die autoritäre Wende nicht verhindern. Ein neues Lehrbuch für das Unterrichtspersonal im C C C , das 1935 zwar ebenfalls das Office ofEducation erstellte, aber der Linie Fechners und der Armee entsprach, legte demgemäß fest: »Teaching is the process of controlling, directing, or managing the thinking of the student so that he will be able to do and to understand the thing which you plan to teach 289 Vgl. H D 24.11.1934. 290 Vgl. z.B. Aydeiott, Persons, S. 323-325; noch radikaler McKay, S. 369. 291 Mitchell, S. 127-129, Zitat S. 128. 292 Vgl. z.B. H D 24.11.1934. 293 Vgl. zu dem Konflikt, der in der Öffentlichkeit ansonsten heruntergespielt wurde, Mitchell, S. 127-129; apologetisch zur Rolle der Armee: Johnson, S. 140f.

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him.«294 Die Zeit der Experimente und eines offenen Erziehungskonzepts war demnach vorüber. Das verdeutlicht auch der Wandel der eingesetzten didaktischen Methoden. Nicht mehr die Ideale der Progressive Education, sondern herbartianistische Unterrichtsprinzipien wurden nun der Erziehung zugrunde gelegt: Das Schulungsprogramm wurde kaum noch an den Bedürfnissen der Freiwilligen ausgerichtet, sondern diese wurden auf die Rolle passiver Rezipienten reduziert.295 Dagegen traten die Lehrer in den Mittelpunkt des didaktischen Denkens, das stärker auf äußere Disziplin und Kontrolle setzte und nicht mehr auf die »comradeship in the quest of knowledge« zwischen Lehrern und Schülern, von der man noch 1934 gesprochen hatte.296

2. Bevor der Frage nachgegangen wird, wie sich die konzeptionellen Richtungsstreitigkeiten im Unterrichtsprogramm niederschlugen, wird zunächst auch für den amerikanischen Arbeitsdienst die Ordnung von Zeit und Raum der Lager erörtert.297 In diesem Bereich wirkte sich der Einfluss der U.S. Army ebenfalls aus; dass sie 1933 als einzige Institution in der Lage war, die Mobilisierung des C C C zu übernehmen, sollte wesentliche Konsequenzen für das Erscheinungsbild der Standorte haben. Die Lager des C C C entsprachen dem geschlossenen Typus, da sie diejungen Männer nicht nur für die eigentliche Arbeitszeit, sondern rund um die Uhr versorgten. Neben pragmatischen Notwendigkeiten, von denen noch die Rede sein wird, sollte damit einem besonders hilfsbedürftigen Teil der Bevölkerung möglichst umfassende Hilfe zukommen. Der bereits erwähnte Persons erklärte zum Beispiel: »For the period of camp service, an enrollee's life is completely bound up with his camp. It is for him a complete community«.298 Die Größe der Abteilungen und damit der Lager des C C C wurde - ganz wie in Deutschland - normiert; so wurden die Einheiten und die Lager einheitlich und übersichtlich. Die normale company setzte sich 1933 aus 200 Freiwilligen zusätzlich der Führer zusammen. In späteren Jahren wurde die Sollgröße gelegentlich geändert, sie blieb aber immer zentral geregelt und weitgehend standardisiert. Anders als im deutschen Arbeitsdienst wurde die Einheitlichkeit j e doch zugunsten der ArbeitsefFektivität teilweise durchbrochen. Neben den eigentlichen Kompanielagern gab es auch Außenlager. Bis zu 10 % einer Abtei294 Office o f Education 1935, S. 3. 295 Vgl. Herlihy, S. 68-93; auch kurz zu der sich auf Johann Friedrich Herbart (1776-1841) berufenden Richtung der Pädagogik. 296 M L R 39 (1934), S. 375-377. 297 Vgl. auch Patet, Lager, S. 93-116. 298 Persons, S. 325.

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lung durften in diesen side camps untergebracht werden. Sie wurden nicht vom Militär beaufsichtigt, sondern von der Behörde, die das jeweilige Arbeitsprojekt leitete, und nur am Wochenende kehrte die Belegschaft in ihr Abteilungslager und damit in die Kontrolle der Armee zurück. So konnten auch kleinere Projekte erledigt werden, für die der Einsatz einer vollen Abteilung nicht sinnvoll gewesen wäre.299 Damit war der amerikanische Dienst stärker auf das Kriterium der Arbeitsleistung ausgerichtet als sein deutsches Pendant. Γ

Abb. 6: Aufriss eines typischen CCC-Lagers.

Die Gebäudeform unterschied sich zunächst deutlich von der des RAD. Die ersten Abteilungen des Corps wurden 1933 in Zeltlagern untergebracht. Das entsprach ganz dem improvisierten Charakter der Einrichtung. Im August 1933 beschloss Roosevelt, das Corps über die ursprünglich bewilligten sechs Monate hinaus fortzusetzen. N u n wurde es sinnvoll, über dauerhafte Unterkünfte zu diskutieren, und noch Ende 1933 entstanden erste, feste Holzbauten. Seit 1934 experimentierte man in manchen Gegenden mit transportablen Baracken, ab 1936 wurde nur noch dieser Typ angeschafft.301 Ähnlich wie in Deutschland setzte sich die Form durch, die aufgrund ihrer Mobilität und der geringen Kosten die effizienteste war. Die Aufstellung der Lager entsprach im Wesentlichen derjenigen von Kasernen. Die vier oder fünf Holzbaracken, die in den späteren Jahren normalerweise ein Lager bildeten, formten zusammen mit 299 Vgl. NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, 19.7.1933. 300 Harby, S. 24. 301 Vgl. NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, 4.10.1934; Otis, S. 71-80.

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den Verwaltungsgebäuden ein Hufeisen oder umrahmten einen rechteckigen Platz.302 So gingen Transparenz und die Möglichkeit, das Lager gut kontrollieren zu können, miteinander einher; der Raum war parzelliert und segmentiert. Dabei entwarf die Armee keine neuen Pläne, wie die Gebäude auf dem Gelände anzuordnen seien, sondern griff lediglich auf ihre bewährten Muster zurück. Angesichts der geringen Siedlungsdichte weiter Gebiete der USA ergab es sich ferner von selbst, dass viele Abteilungen abgeschieden lagen.303 Durch Lagerform und Gebäudetyp, durch Lageranordnung und geographische Lage erlaubten die Lager einen hohen kontrollierenden und disziplinierenden Zugriff auf die Individuen. Entscheidend dafür, dass die camps 1933 diese Form annahmen, war eine pragmatische Notwendigkeit. Allein das Militär war damals in den USA in der Lage, binnen kürzester Zeit ein Lagersystem dieser Größe aufzubauen - und nur, wenn es in den ihm vertrauten Bahnen agieren konnte. Daraus erklärt sich, warum der Aufbau der Lager dem militärischer Organisationen formal fast ganz entsprach. Allerdings war dieses Ergebnis nicht nur praktischen Gründen geschuldet. Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise, zum Jahreswechsel 1932/33, fürchteten breite Teile der Bevölkerung in den USA eine Zunahme von politischem Extremismus und Kriminalität.304 Deswegen trugen die Offiziere in der Anfangszeit in den Lagern Waffen.305 Insofern lässt es sich nicht nur auf pragmatische Erwägungen zurückführen, dass die Lager des CCC einen derart hohen Zugriff auf die jungen Männer erlaubten. Kontrolle, Disziplinierung und Normalisierung waren durchaus erwünscht. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Untersuchung der camps auf der Ebene unterhalb der Abteilung. Wie im deutschen Fall bildeten sich hier Lebens· und Arbeitsgemeinschaften. Sie waren aber wesentlich weniger statisch und weniger hierarchisch als im RAD, worauf später noch eingegangen wird. Allerdings wurden auch hier teilweise Strafen kollektiv ausgesprochen. Gerade in den Anfangsjahren machten die Offiziere von ihren Strafkompetenzen exzessiv Gebrauch. Auf Streiks oder Meutereien reagierten sie, ohne den vorgesehenen Prozess durchzuführen, immer wieder mit massenhaften Entlassungen.306 Die halbmilitärische Disziplinarmacht der Offiziere, die in der Öffentlichkeit stets heruntergespielt wurde,307 korrespondierte so mit der weitgehend am Militär orientierten Ordnung des Raumes. Die Entsprechung erfuhr dadurch eine Relativierung, dass das Corps dem Peerdruck, das heißt der wechselseitigen, normalisierenden Wirkung der Jugendlichen aufeinander, einen 302 303 304 305 306 307

Vgl. ebd., S. 72. Vgl. ECW 1934b, S. 5. Vgl. Pandiatii, S. 348-358; Killigrew, S. 284-288. Vgl. Herlihy, S. 74. Vgl. z.B. NARA/CP, RG 35/3.4, Department of War an Fechner, 14.6.1935. Vgl. Killigrew, S. 322-330.

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höheren Stellenwert einräumte als sein deutsches Pendant. 308 M a n c h e der amerikanischen Lagerleiter förderten explizit die Eigenverantwortung der Belegschaften. In diesem Fall wurden die j u n g e n Männer formell an der Lagerorganisation beteiligt. Wegen kleinerer Vergehen angeklagte enrollees wurden von den in Selbstverwaltung gebildeten kangaroo courts der Belegschaft abgeurteilt. Dieses System funktionierte in manchen Lagern gut, in anderen kam es zu Missbrauch. 309 D e n n o c h besaßen manche Abteilungen ein Mitspracherecht, wodurch die strengen, hierarchischen Kontrollmechanismen, die durch die Raumgestaltung der Lager angelegt waren, relativiert u n d teilweise sogar durchbrochen wurden. Allerdings galt das keineswegs f ü r alle Lager, sondern war von der Persönlichkeit des leitenden Offiziers abhängig. M a n kann festhalten, dass die räumliche Lagerordnung eine kollektive Disziplinierung ermöglichte und dass dies vor allem anfangs auch gewollt war. Es gab einen Minimalkonsens in der amerikanischen Öffentlichkeit, wonach das Corps diese Funktion auch erfüllen sollte. Die Art der U m s e t z u n g unterschied sich j e doch von Lager zu Lager, so dass sich kein eindeutiger Befund ergibt. Offensichtlich ist dagegen, dass die räumliche Struktur der Lager an militärische O r d n u n g und damit an eine spezifische Form der Disziplinierung gewöhnte. Die Gruppierung der Gebäude, die strikte Trennung von Mannschaften und Führern, die klare Abgrenzung des Geländes nach außen u n d weitere Elemente unterscheiden sich kaum von der Lagerorganisation des Militärs selbst, was sich wiederum weitgehend aus der Entstehungsgeschichte des C C C erklärt. Schließlich korrespondierte die geographische Lage der camps mit der Idee, die j u n g e n M ä n n e r der N a t u r auszusetzen. Der Kontakt mit der N a t u r sollte das /rowiier-Erlebnis unter den Bedingungen des 20. Jahrhunderts erneuern. Rund 40 Jahre nach dem Ende der Westexpansion der USA, d e m der Historiker Frederick Turner so große Bedeutung f ü r die amerikanische Mentalität beigemessen hat, sollten die Männer in den abgeschiedenen Lagern den m y t h e n u m rankten Pioniergeist in sich erwecken. So sollten sie für ein einfaches, hartes Leben auf d e m Land gewonnen werden. Dieser Gedanke entsprach einer Agrarromantik, wie sie nicht zuletzt Präsident Roosevelt selbst verkörperte. Insgesamt war der Versuch, die Naturverbundenheit der j u n g e n M ä n n e r zu steigern, einer der Erziehungsaufträge des C C C . Er w u r d e durch die Wahl der Lagerstandorte direkt gefordert. Die Verherrlichung von frontier und Arbeit in der N a t u r transportierte zugleich das Männlichkeitsideal des C C C , das auf körperliche Kraft u n d ruggedness setzte. 310 Die abgelegenen Standorte verhinder-

308 Vgl. Dearborn, Opportunity, S. 301. 309 Vgl. Harper, S. 44f. 310 Vgl. Stieglitz, Percent, S. 184-201; ders., Generation, S. 403-429. Vgl. zum/ronter-Begriff auch Kapitel III.4. dieser Arbeit; Turner, S. 1-38.

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ten auch, dass das Corps lokal ansässigen Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten wegnahm. Insofern war eine isolierte Lage auch wirtschaftspolitisch erwünscht. Insgesamt ermöglichte die räumliche Gestaltung der Lager des Civilian Conservation Corps einen totalen Zugriff auf die j u n g e n Männer. Die Frage, ob dieses Potential genutzt w u r d e u n d in welchem Verhältnis es z u m Erziehungsideal stand, wird bei der U n t e r s u c h u n g der zeitlichen O r d n u n g und des Alltags der Lager weiter zu erörtern sein. Es ist jedoch offensichtlich, dass die camps an das Militärische gewöhnten, was die D i m e n s i o n e n von Disziplinierung und Kontrolle noch verstärkte. Außerdem spiegelte die häufig isolierte Lage nicht nur praktische und arbeitsmarktpolitische Erwägungen wider, sondern sie korrelierte auch mit d e m Erziehungsauftrag des C C C , ein spezifisches Natur- und Männlichkeitsideal zu befördern. Auch die O r d n u n g der Zeit war im amerikanischen Arbeitsdienst durchorganisiert, wie der Tagesablauf zeigt. Die Wochenenden waren frei, falls nicht samstags Arbeitszeit nachgeholt w e r d e n musste, die unter der Woche wegen schlechten Wetters oder anderer widriger Bedingungen ausgefallen war. Außerdem konnten die j u n g e n Männer jederzeit in Notfällen eingesetzt werden. Ansonsten gab es samstags Freizeit- und Fortbildungsangebote, und der Sonntag stand zur freien Verfügung.

Tab. 5: Tagesablauf im C C C 3 " 6.00 U h r 6.30 6.45 7.00 7.45 12.00 16.00 bis 17.00 17.00 17.30 ab 18.00 22.00

Wecken, Waschen, Bettenbau Frühsport Frühstück Morgenappell Aufbruch zur Arbeit Mittagessen bei der Arbeit Rückkehr von der Arbeit Zur freien Verfügung Flaggenparade/Appell Abendessen Abendunterricht in verschiedenen Fächern Zapfenstreich

311 Vgl. Harper, S. 51; Satmond, Corps, S. 137-142. Der Tagesablauf wird in verschiedenen Darstellungen leicht abweichend angegeben; die Grundstruktur entspricht sich aber jeweils.

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Die Zeiteinteilung war aber wesentlich weniger verbindlich als in Deutschland. N a c h Abstimmung mit dem camp commander wurde es den j u n g e n M ä n n e r n z u m Beispiel mancherorts erlaubt, die N a c h t außerhalb des Lagers zu verbringen. Außerdem mussten die enrollees an den Abendveranstaltungen nach 18.00 U h r nicht unbedingt teilnehmen. Vielmehr war fast das gesamte Ausbildungsprogramm an den Abenden freiwillig, was das C C C grundsätzlich v o m RAD unterscheidet. So ließ der amerikanische Dienst seinen Angehörigen Rückzugsmöglichkeiten u n d R a u m für die individuelle Verarbeitung der Erlebnisse. Z u d e m erlaubte er ein gewisses Maß an Individualität, da die Jugendlichen aus einem Angebot von Veranstaltungen auswählen konnten; die feste Einbindung in Gruppen wurde durch diese Wahlfreiheit relativiert. Außerdem waren die Lager weniger stark nach außen abgeschüttet als in Deutschland. Vor allem die Kirchen hatten in institutionalisierter Form Z u gang: Protestantische, katholische, aber auch jüdische Geistliche hielten zumeist ökumenische - Gottesdienste ab und waren auch in die Gestaltung des Freizeitprogramms eingebunden. 3 1 2 D e r Kirchgang war freiwillig; manche enrollees fanden aber, »it was usually a little difficult to avoid it«.313 Die Geschlossenheit der Lager wurde ferner dadurch aufgebrochen, dass viele Kurse des Abendprogramms von Kräften der umliegenden Gemeinden unterrichtet wurden. Da es unter dem Lehrpersonal viele Frauen gab, wurde zudem der Charakter des Corps als M ä n n e r b u n d geschwächt. 314 In einer anderen Richtung war die Freiheit der Jugendlichen jedoch äußerst begrenzt, w e n n es u m Kontakte mit der Außenwelt ging. Die Offiziere verboten jede Form kommunistischer Einflussnahme u n d reagierten auf solche mit harten Sanktionen. Berechtigte, sachliche Kritik der Freiwilligen an Missständen in den Lagern - etwa im Bereich der Lebensmittelversorgung-wurden zudem nicht selten als k o m m u n i s tische Infiltration diffamiert u n d mit Massenentlassungen geahndet. 315 Die Sensibilität des Corps in diesem Bereich zeigte sich auch daran, dass in vielen regulären Berichten über die Zustände in den camps in einer extra Rubrik vermerkt wurde, ob es kommunistische Aktivitäten gebe. 316 Darüber hinaus schränkte die autoritärere Linie, die besonders ab 1935 im C C C an Einfluss gewann, einige der Wahlfreiheiten f ü r die Zeit nach 18.00 U h r ein. So wäre es falsch, von einer bedingungslosen Freiwilligkeit der Teilnahme an den Ausbildungs- und Freizeitaktivitäten auszugehen. Das Lager312 Vgl. Brasted. 313 Walker, S. 50; diese Dimension fehlt bei Mäher, S. 198-209. 314 Vgl. Hill, School, S. 22-28. 315 Vgl. NARA/CP, RG 35/2, Procedural Manuals, Box 2, Forest Service Handbook, S. 127; NARA/CP, RG 35/3.4, Camp Inspection Reports, z.B. Adjudant General's Office an Fechner, 14.6.1935; N Y H T 10.1.1935. 316 Vgl. NARA/CP, RG 35/3.4, Camp Inspection Reports, z.B. Alabama, SP-3, 24.10.1936; California, P-298,18.2.1936; Minnesota, F-23, 10.10.1935. Erst in der 2. Hälfte der 1930er Jahre nahm diese Furcht ab.

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personal legte den Mannschaften nahe, die Kurse zu besuchen. Gelegentlich wurde mit sanftem Druck nachgeholfen. 317 Wiederum hing es wesentlich von der konkreten Lagerleitung ab, wie autoritär das Erziehungsprogramm umgesetzt wurde. So bleibt das Ergebnis hier ebenfalls widersprüchlich. Ambivalent war das Corps auch bei der Frage, inwieweit die Zeitgestaltung sich auf das Militär bezog. Die Synchronisierung und Koordinierung der Abläufe zeigt ebenso Anleihen beim Tagesablauf des modernen Militärs wie z u m Beispiel die Flaggenparade. Dagegen betonte das Corps selbst stets seinen zivilen Charakter - davon kündete schon sein N a m e . Ferner enthielt das Erziehungsprogramm als Teil des Tagesablaufes keine Waffenausbildung, sogar vormilitärische Elemente wie Marschieren oder Drill waren die längste Zeit verboten. Selbst als sich in der amerikanischen Gesellschaft ein Konsens herausgebildet hatte, dass es angesichts der Kriegsgefahr in Europa sinnvoll wäre, den M ä n n e r n ein militärisches Basistraining zu geben, schreckten Fechner u n d Roosevelt davor zurück, während aus den Reihen der Armee diese Ausbildung immer wieder gefordert wurde. Die Militarisierung des Corps am Ende der 1930er vollzog sich schleppend, u n d das über die Lagerordnung angelegte Potential der Einübung des Militärischen wurde nicht voll ausgeschöpft. Zugleich betonten führende Vertreter des C C C immer wieder, dass die Belegschaften durch ihre Arbeitsdienstzeit die wichtigsten Werte des Soldaten bereits vermittelt b e k o m m e n hätten - auch ohne paramilitärische Elemente. 318 Dieses Argument w u r d e jedoch vor allem eingesetzt, u m gegen die E i n f u h r u n g eines militärischen Trainings zu plädieren. 319 Insgesamt entschieden sich die U S A auch in dieser Frage für keinen eindeutigen Kurs, was mit der komplexen Frage der amerikanischen Haltung z u m Wehrdienst u n d zu einer möglichen Kriegsbeteiligung in Ubersee zusammenhängt. Dagegen spiegelte sich im Tagesablauf eindeutig die Idee wider, in den Belegschaften über den Kontakt mit der N a t u r einen Pioniergeist u n d ein an körperlicher Kraft ausgerichtetes Männlichkeitsideal zu fördern. Ahnlich wie im RAD wurde grundsätzlich im Freien gearbeitet; viele der Ausbildungs- u n d Freizeitaktivitäten standen ebenfalls in engem Z u s a m m e n h a n g mit der Natur. Insgesamt war die Praxis des Corps bei der räumlichen u n d zeitlichen O r d n u n g der Lager ambivalent und vom jeweiligen Lagerkommandanten abhängig. Er konnte bestimmen, wie hierarchisch er seine Abteilung f u h r e n wollte von ihm hing ab, wie sehr sich ein camp dem »totalen Lager« annäherte. Die Lagergestaltung war in Bezug auf die Erziehung teilweise gewünscht u n d teilweise das Ergebnis praktischer Erfordernisse. Ihre totalen Potentiale w u r 317 Vgl. Hill, School, S. 23-28; Stieglitz, Percent, S. 143-147. 318 Vgl. Hearings 1939, S. 9; vgl. zur komplizierten Geschichte der vormilitärischen Übungen und ihrer Bedeutung in der amerikanischen Gesellschaft der 1920er und 1930er Jahre Ekirch, S. 217-233. 319 Vgl. Salmond, Corps, S. 116-120, 193-199.

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den zwar einerseits nicht vollständig genutzt, andererseits trat das Corps auch nicht eindeutig für das Ideal selbstbestimmter, mündiger und gleichberechtigter Bürger in einer Demokratie ein. Das zeigt sich besonders am dunkelsten Kapitel der Geschichte des C C C , dem Umgang mit den African Americans und ihrer Segregation und Diskriminierung. Die Defizite waren nicht zuletzt durch die Dominanz des Militärs angelegt. Dieses Segment der amerikanischen Gesellschaft vertrat Wertvorstellungen, die stärker von Autorität, Disziplin und Unterordnung geprägt waren als die Gesellschaft insgesamt. Fechner als Direktor des C C C verkörperte Ideen, die den Traditionen und Werten des Militärs ähnlicher waren als der Gesamtgesellschaft oder gar den reformorientierten New Dealers. Zugleich wurden die eher traditionellen Tendenzen aber immer durch das politisch-gesellschaftliche Gesamtsystem kontrolliert. Der Einfluss der Gesellschaft bewirkte, dass das Corps den totalen, disziplinierenden Zugriff auf die jungen Männer nur teilweise nutzte und dass es auch Ansätze gab, sie zur Mündigkeit und Eigenverantwortung zu erziehen.

3. Die Bedeutung der Disziplinierung wird somit bei der Ausgestaltung der Lager offenkundig. Ihren Härtetest erlebte sie aber in der pädagogischen Praxis, die sich in die Felder Körperformung, Berufsausbildung, Vermittlung schulähnlichen Wissens und weitere Freizeitangebote unterscheiden lässt. Auch der amerikanische Arbeitsdienst hatte den Auftrag, die Körper der Freiwilligen zu kräftigen und zu formen. Der Körperkult des C C C kam etwa zum Ausdruck, wenn der offizielle Rechenschaftsbericht für 1940 festhielt: »The tanned, healthy, well-muscled men who are discharged from the Corps at the end o f their enrollment are in marked contrast to the pale, oft-times stoopshouldered, undernourished youths who replace them in the camps.«320 Das Civilian Conservation Corps wurde geradezu als Transformationsinstanz dargestellt, welche körperliche Mängel aller Art beseitige. Die positive Wirkung wurde zum einen auf die gute Ernährung während der Dienstmonate zurückgeführt. Die Gewichtszunahmen, welche sich als Folge einstellten, gab das Corps als Erfolgsnachrichten aus.321 Denn angesichts der Großen Depression litten viele Jugendliche auch in den U S A an Fehl- und Mangelernährung. Der Arbeitsdienst hatte deswegen einen fürsorgerischen und humanitären Auftrag; er war Teil der Erweiterung des amerikanischen Sozialstaats, der vor 1933 nur in Ansätzen vorhanden gewesen war und vom N e w Deal wesentlich vorangebracht wurde. 322 320 C C C 1940, S. 8. 321 Vgl. z.B. H D 24.6.1933. 322 Angesichts der Nöte breitester Schichten in den U S A überkritisch Stieglitz, Percent, S. 187.

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Die Verherrlichung der Menge u n d der Qualität des Essens als Werbestrategie konnte jedoch auch in ihr Gegenteil umschlagen. Wie Michael Sherraden in seiner Dissertation gezeigt hat, war die Frage der Ernährung das wichtigste Kriterium f ü r die Zufriedenheit der M ä n n e r - im positiven wie im negativen Sinne. 323 Unzureichende oder schlechte Qualität von Lebensmitteln führte immer wieder zu U n r u h e n , die sich bis zu Streiks ganzer Lager ausweiten konnten. Die Reaktionen der Offiziere zeigen deren disziplinarische Härte in reinster Form. Wie bereits ausgeführt, verhängten sie als Sanktionen häufig Kollektivstrafen, oft entließen sie Freiwillige fristlos und ohne A n h ö r u n g oder Verfahren. 324 N o c h wichtiger f ü r die Formung der Körper als die Ernährung war z u m anderen die schwere Arbeit, der die j u n g e n Männer knapp acht Stunden am Tag nachgingen; sie wird im vierten Kapitel näher erörtert. Aber auch in der verbleibenden Zeit nach 18.00 Uhr, über welche die Jugendlichen grundsätzlich frei verfügen konnten, gab es viele Angebote, die in dieser Richtung wirkten, vor allem der v o m C C C ausdrücklich geförderte Sport. Alle Lager boten solche Aktivitäten an; 1942 hatten 90 % der Lager eigene Sportanlagen, ferner wurden oft die Einrichtungen umliegender Gemeinden genutzt. 325 Eine Aufstellung über enrollees des Jahres 1935 zeigt, dass Sport das mit Abstand beliebteste H o b by war.326 Im Gegensatz z u m deutschen Arbeitsdienst förderte das C C C nicht nur Breiten-, sondern auch Spitzenbegabungen. Die Mannschaften der einzelnen companies wurden von nicht wenigen Freiwilligen als Möglichkeit z u m Einstieg in eine Karriere als Profisportler und damit als soziale Aufstiegschance gesehen. Zugleich stellte das C C C für professionelle teams ein Rekrutierungsfeld dar. Das führte aber auch zu Klagen darüber, dass die vorhandenen Einrichtungen in manchen Lagern von wenigen, ausgewählten enrollees monopolisiert wurden. 327 Der körperlichen Ertüchtigung diente auch der kurze Morgensport. Die Gymnastik wärmte die Männer zudem für die Arbeit auf und lockerte sie, was einseitige Belastungen ausgleichen sollte. Die disziplinierende Wirkung der Körperbildung wurde dagegen besonders offensichtlich, als das Corps im August 1941 nach langjährigen Diskussionen - wenige Monate vor seiner Auflösung - einen viertelstündigen, militärähnlichen Drill einführte, der den deutschen O r d n u n g s ü b u n g e n ähnlich war. N u n lernten auch die Freiwilligen das Marschieren und Exerzieren; angeblich nur, u m »the basic health und physical training programs« zu ergänzen, de facto mit Blick auf die steigende Wahr-

323 324 325 326 327

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Sherraden, Corps, S. 117-178, v.a. 152-155. z.B. N Y T 9.1.1935; C T 16.1.1935. Holland/Hill, S. 203. Griffing, S. 22; ferner Dearborn, Lifetime, S. 39. z.B. H D 24.8.1933; Holland/Hill, S. 203-205.

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scheinlichkeit eines amerikanischen Kriegseintritts. 328 Doch bereits zuvor waren manche Abteilungen intensiv gedrillt worden. Einige wenige, ausgewählte companies paradierten z u m Beispiel anlässlich der zweiten Inaugurationsfeier Roosevelts 1937 u n d w u r d e n darauf entsprechend vorbereitet. 329 Außerdem wurde in den conditioning camps, mit denen die Dienstzeit im C C C begann, marschiert u n d exerziert. 330 Die späte E i n f ü h r u n g des allgemeinen Drills und die lange heftige Diskussion, die ihr voranging, zeigen aber, wie umstritten dieses Element war und wie lange sich Roosevelt u n d Fechner dagegen gewehrt hatten. Im C C C war die militärische Disziplinierung somit nicht besonders ausgeprägt, lediglich Disziplinierung im allgemeinen Sinne als die Herstellung eines Unterordnungsverhältnisses gehörte zu den Aufträgen, die der Dienst während seiner ganzen Bestehenszeit konsequent verfolgte. Dementsprechend war das Ziel der Formung weniger die Vorbereitung auf einen Krieg als die allgemeine Disziplinierung. Zugleich sollte der Dienst an die Arbeitswelt gewöhnen. Während in Deutschland die disziplinierende Funktion in diesem Z u s a m m e n h a n g immer eher verdeckt wurde, sprach m a n sie aufgrund eines anderen Arbeitsverständnisses in den U S A offen aus. D e n Jugendlichen wurde vermittelt, dass das Corps nicht nur durch seine Berufsausbildung, sondern auch durch die kräftigende, ordnende und normalisierende Wirkung ihre Chancen auf d e m Arbeitsmarkt verbessern würde. So gab ein Bericht über das C C C stolz wieder, dass viele Arbeitgeber positiv über die »steadiness, promptness, and capacity to carry out orders« der CCC boys berichteten. 331 McEntee pries außerdem 1940 das Corps dafür, dass es sein Ausbildungsprogramm unmittelbar an die Bedürfnisse der Industrie anpasse. 332 Trotzdem trug die Ertüchtigung auch zur Kriegsvorbereitung bei, wenngleich die Bundesadministration, im Gegensatz zur Armee, diesen Aspekt immer herunterspielte. Aber auch viele Männer, die im Zweiten Weltkrieg als Soldaten dienten, verstanden die Zeit im C C C als gute Vorbereitung auf das Militär; laut einem ehemaligem Freiwilligen seien sie an das Barackenleben u n d die Disziplin gewöhnt gewesen. 333 Das dritte Element, das neben der guten Versorgung mit N a h r u n g und der Kräftigung bei Arbeit u n d in der Freizeit f ü r das physische Wohlergehen der j u n g e n M ä n n e r sorgte, stellte nach Angaben des Dienstes die Lagerhygiene dar. Diese w u r d e sorgsam kontrolliert, und die Männer mussten penibel auf persönliche Sauberkeit u n d O r d n u n g achten. Alkoholkonsum war in vielen Abteilungen ein Entlassungsgrund. Allgemein führte das Corps einen Kampf gegen 328 329 330 331 332 333

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Zur Diskussion um den militärischen Drill Vgl. Kapitel III. dieser Arbeit. Vgl. NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, 8.1.1937. Vgl. Lasswell, S. ll;Hoyf, S. 51-63. Holland/Hill,S.2AÌ. Vgl. McEntee, CCC, S. 309. Uys, S. 233; Hill, Shadow, S. 136.

Krankheiten aller Art, nicht zuletzt gegen Geschlechtskrankheiten. Hierbei setzte das C C C stärker auf Abschreckung denn auf Aufklärung, so dass sich auch in diesem Bereich ein Primat der Disziplinierung konstatieren lässt.334 Fragt man nach dem Erfolg bei d e m Versuch, die körperliche Gesundheit der j u n g e n Männer zu verbessern, so lässt sich auch im Fall des C C C nur schwer eine generalisierende Aussage machen. Die unterschiedlich langen Dienstzeiten, die verschiedenen Hintergründe der enrollees beim Eintritt in das Corps u n d die uneinheitlichen Bedingungen in den über 1.000 CCC-Lagern in ein e m Gesamtzeitraum von fast zehn Jahren verbieten dies. Insgesamt dürften Ernährung, Arbeit u n d Lebensbedingungen aber kräftigend gewirkt haben; die Gewichtszunahmen sind dafür ein ebenso deutlicher Indikator wie die Krankheits- u n d Mortalitätsraten, die deutlich unter denjenigen der Armee, beziehungsweise aller j u n g e n Männer dieser Alterskohorten, lagen.335 Vor d e m Hintergrund des Körperkultes ist es wenig erstaunlich, dass auch der amerikanische Arbeitsdienst den Auftrag hatte, den Jugendlichen ein spezifisches Männlichkeitsverständnis zu vermitteln. Wie Olaf Stieglitz gezeigt hat, reagierte der Dienst nicht nur auf die Verunsicherungen der traditionellen Geschlechterdefinition, welche die Weltwirtschaftskrise mit sich brachte, sondern allgemein auf ein langsames Aufweichen überlieferter Geschlechterbilder. Das vom C C C propagierte Ideal definierte Männlichkeit physisch über körperliche Kraft u n d Gesundheit, verband damit aber zugleich Tugenden wie moralische Stabilität, Mut, Konzentration, Naturverbundenheit, Geistesgegenwart und Opferbereitschaft. Transportiert wurde es in erster Linie über Fotos u n d Zeichnungen, welche die j u n g e n M ä n n e r halbnackt oder in körperbetonenden, militärähnlichen U n i f o r m e n zeigten. 336 Der Wertekanon entsprach d e m der Mittelklasse des späten 19. Jahrhunderts, er w u r d e n u n aber mit Eigenschaften wie Härte, Aggressivität und Gewalt verbunden, die durch die Moralvorstellungen zugleich gebändigt werden sollten. Zugleich waren diese Eigenschaften mit dem frontier-Mythos verknüpft. Idealtypisch drückte das ein Leserbrief an die New York Times aus: »Our lost frontier is found again. [... ] M a n h o o d is being built up in the open by the old struggle against nature [,..]«. 337 So wurde die Arbeitsdienstzeit z u m männlichen Initiationsritus stili—

334 Vgl. Hill, School, S. 57; ECW 1936, S. 10-13; insgesamt Stieglitz, Percent, S. 187-192; Gorham, Practices, S. 229-249. 335 Vgl. Holland/Hill, S. 194. Die Sterblichkeitsraten wurden genau beobachtet; vgl. C C C 1939, S. 21. Auch zu allen anderen Fragen, etwa den Gewichtszunahmen, führte das C C C genaue Statistiken. 336 Vgl. Stieglitz, Percent, S. 184-201; ders., Generation, S. 403^129; jüngst mit einer Differenzierung zwischen »schwarzen« und »weißen« Männlichkeiten, ders., Black, S. 60-80; dagegen zu unkritisch: Mäher, S. 186-197. 337 N Y T 4.6.1933.

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Abb. 7: Foto eines enrollees aus einer B r o s c h ü r e des C C C m i t Originalbildunterschrift: »Healthy and happy - he has a j o b , and likes it«.339

siert, was am besten zum Ausdruck kam, als James McEntee 1940 einem Buch über das C C C den Titel gab: »Now they are men«. 338 Sichtbarster Ausdruck dieses Prozesses sollte der kräftige, gesunde Körper des enrollees sein; er war - wie Stieglitz ihn treffend bezeichnet hat - das »Signifikat« des Erfolges des CCC. 3 4 0 Als Anti-Typ wurde ihm das Bild des schwachen, missgebildeten u n d gekrümmten Stadtmenschen entgegengesetzt, und auf moralischer Ebene primär der Verbrecher. Der Dienst betonte stets, dass er 3 3 8 McEntee,

Men.

339 C C C 1941, S. 33.

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weder Besserungsanstalt n o c h Gefängnis sei; dass die Härte der Bedingungen nicht Strafe, sondern H e r a u s f o r d e r u n g zur B e w ä h r u n g darstelle. Ein p r o n o n ciert rassistisches E l e m e n t findet sich in d e m Männlichkeitsideal nicht, w e n n gleich die Abbildungen des idealen Freiwilligen auffallend selten Schwarze oder A n g e h ö r i g e anderer ethnischer M i n d e r h e i t e n zeigen. N a c h diesem »schwachen« Rassismus war der Repräsentant »des« enrollees ein j u n g e r weißer M a n n . Das Ziel war die geordnete Persönlichkeit, die nicht zuletzt Sekundärtugenden wie O r d n u n g , Sauberkeit u n d Disziplin verkörpern sollte. Wie Stieglitz zeigt, transportierte das C C C zugleich ein konservatives Bild von Familie u n d der Rolle der Frau in der Gesellschaft. So setzte sich der positiv besetzte, weibliche Gegen-Typ z u m C C C boy deutlich v o n d e n freizügigen Besucherinnen von Dance-Halls ab, die den enrollees als promiskuitiv, moralisch m i n d e r wertig u n d eines richtigen M a n n e s u n w ü r d i g dargestellt wurden. 3 4 1 D e r v o m C C C explizit verfolgte H a u p t a u f t r a g lag aber auf einer anderen Ebene: der S c h u l u n g u n d Ausbildung der j u n g e n M ä n n e r in einer Vielzahl von Fächern. D e r wichtigste Z w e i g war die Berufsausbildung, die deren C h a n c e n auf d e m Arbeitsmarkt verbessern sollte. Viele der Abendkurse, die in der Freizeit nach 18.00 U h r angeboten w u r d e n , standen in unmittelbarem Z u s a m m e n hang mit der Arbeit, der die Jugendlichen tagsüber nachgingen. In der Regel dauerten sie drei Monate, u n d häufig w u r d e n sie danach auf einem Fortgeschrittenen-Niveau fortgesetzt; allerdings gab es auch kürzere Einheiten. 3 4 2 Die gezielte Berufsausbildung ergänzte die Kenntnisse, welche die j u n g e n M ä n n e r »on the job« lernten, u n d sie w u r d e ab 1937 bewusster gefördert. 3 4 3 Die eigentlichen vocational classes w a r e n von Angehörigen der technischen Dienste u n d der A r m e e bereits seit d e m F r ü h s o m m e r 1933 angeboten worden. 3 4 4 Ab 1934 w u r de das Kurssystem ausgebaut u n d n u n m e h r v o n den educational advisers verwaltet. N e b e n diesen boten n u n m e h r abgesehen v o m Personal des C C C Lehrer u n d andere qualifizierte Kräfte umliegender G e m e i n d e n oder auch enrollees selbst U n t e r r i c h t an. I m Kanon der Abendkurse, der n e b e n d e n vocational classes auch Sport sowie Schul- u n d Universitätsklassen oder K u n s t s t u n d e n u m schloss, d o m i n i e r t e n die handwerklichen Tätigkeiten u n d die b e r u f s o r i e n tierenden Kurse. 1935 machten sie 40 % der Gesamtzahl aus, in den folgenden Jahren pendelte sich ihr Anteil sogar bei ungefähr 50 % ein - das entsprach der Linie der A r m e e u n d Fechners, weniger aber den Intentionen professioneller Pädagogen. 3 4 5 Das P r o g r a m m war in H u n d e r t e verschiedene Kurse aufge-

340 341 342 343 344 345

Stieglitz, Percent, S. 185; ders., Black, S. 60-80 zur »schwarzen« Männlichkeit. Vgl. Hill, School, S. 9; Stieglitz, Percent, S. 190-201. Vgl. Oxley, Education, S. 8. Vgl. C C C 1942, S. 6f. Vgl. z.B. ECW 1934b, S. 7. Vgl. Hill, School, S. 45; ECW 1936, S. 20; CCC 1938, S. 26; CCC 1939, S. 47.

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fächert, wobei das Spektrum z u m Beispiel Straßenbau, Forstwirtschaft, Autoreparatur, Kochen, Verwaltungswesen oder technisches Zeichnen umfasste. 346 Selbstverständlich waren die meisten Freiwilligen entsprechend ihrer Vorbild u n g am Ende des Kurses nicht voll f ü r den jeweiligen Beruf qualifiziert. Immerhin konnten sie aber als angelernte Arbeiter, manchmal auch als Vorarbeiter eingesetzt werden. M e h r strebten die meisten M ä n n e r ohnehin nicht an. Eine U m f r a g e von 1935 zeigt, dass kein einziger enrollee in einer Gruppe von knapp 400 damit rechnete, unmittelbar im Anschluss an seine Dienstzeit in einen akademischen Beruf zu k o m m e n ; auf die Frage, welchen Tätigkeiten sie in zehn Jahren voraussichtlich nachgehen würden, gaben lediglich 12 % akademische Tätigkeiten an, weitere 15 % andere höhere Berufe, während die Mehrzahl ihre Z u k u n f t als Farmer oder Arbeiter sah.347 Im Gegensatz zu den offiziellen Statistiken, die solche Unterschiede verbargen, zeigen zahlreiche Oral history-Quellen, dass das Berufsausbildungsprogramm nicht ganz frei von rassistischer Diskriminierung war. Zwar waren die Kurse, die Afro-Amerikanern angeboten wurden, weitgehend mit denen in »weißen« Lagern identisch. Allerdings gab es in den segregierten Lagern der African Americans überdurchschnittlich häufig Kurse im Kochen u n d Servieren - gering qualifizierte Arbeiten, die traditionellerweise als »Negro jobs« galten. Angesichts des weit verbreiteten Rassismus in der amerikanischen Bevölker u n g war dies einerseits diskriminierend, andererseits aber nicht grundlos. Ansonsten wären Afra-Amerikaner für Berufe qualifiziert worden, in die sie kaum vermittelbar waren. 348 Insofern wäre es falsch, allein das C C C f ü r ein Problem verantwortlich zu machen, das die gesamte amerikanischen Gesellschaft betraf - das Corps reproduzierte jedoch auch über sein Erziehungssystem vorhandene Strukturen der Ungleichheit, u n d es muss sich vorwerfen lassen, dass es nicht aktiver versuchte, sie zu beseitigen. Mit der Berufsausbildung übernahm das C C C insgesamt einen Teil der Aufgabe, die normalerweise der Wirtschaft zukommt. D e n n der Dienst verbesserte nicht n u r die employability der j u n g e n Männer; zugleich entlastete er auch U n ternehmen v o m kostenintensiven Auftrag der Ausbildung. Indes ist es fraglich, ob es d e m C C C tatsächlich gelang, die Chancen der enrollees auf d e m Arbeitsmarkt zu verbessern, auch w e n n es neben der Berufsausbildung Vermittlungsangebote der Lager u n d institutionalisierte Kontakte mit lokalen Betrieben gab.349 Nach einer Aufstellung von 1934 über knapp 90.000 ehemalige enrollees fanden nur 20 % nach ihrer Entlassung aus dem Corps eine Arbeit; eine Statistik von 1935, die einen Überblick über drei Jahrgänge gab, kam auf durchschnitt-

346 347 348 349

288

Vgl. Dearborn, Lifetime, S. 51-121. Vgl. Hill, School, S. 42-50. Vgl. Salmond, Negro, S. 88; Cole, Youth, S. 99; ders., Experience. Vgl. Hill, School, S. 51.

lieh 28 %.350 Oral tetory-Quellen bestätigen, dass viele M ä n n e r das im Rückblick ähnlich sahen. Demnach half ihnen das vocational training kaum; wertvoll sei vielmehr die Erfahrung gewesen, überhaupt eine Arbeit zu haben. 351 Dieses Ergebnis lässt sich wiederum nicht primär auf Defizite des C C C zurückführen, sondern auf die schlechte Konjunkturlage in den ersten Jahren des N e w Deal. Allerdings blieb der Anteil der Arbeitslosen unter den C C C boys damit deutlich über d e m des Bevölkerungsdurchschnitts - die Teilnahme am Corps k o n n te somit die Benachteiligung, die die Männer aufgrund ihres Alters und ihres sozialen Hintergrunds mit sich brachten, nicht aufheben. 352 Das relativiert die Bedeutung des Ausbildungsprogramms deutlich. Für die letzten Jahre vor d e m amerikanischen Kriegseintritt sind keine solche Zahlen überliefert - weil das C C C angesichts der anziehenden Kriegswirtschaft ab 1941 aber Probleme hatte, überhaupt Freiwillige zu finden,353 dürften auch Ehemalige n u n zumeist eine Anstellung gefunden haben. Das heißt umgekehrt freilich nicht, dass es dann das vocational training des C C C war, das den Weg z u m Erfolg ebnete; entscheidend war vielmehr die verbesserte Lage am Arbeitsmarkt. Im Kontext der Berufsausbildung des Corps gibt es eine erstaunliche Entwicklung, die die Forschung bisher übersehen hat. Ein Zweig des vocational training war nämlich direkt von Deutschland inspiriert - nota bene vom nationalsozialistischen Deutschland. Ende der 1930er Jahre diskutierten die Vereinigten Staaten vor d e m Hintergrund der aufziehenden Kriegsgefahr intensiv die Frage, ob die Berufsausbildung des C C C auf militärische Bedürfnisse u m zustellen sei. Ende 1938 wurde ein Schulungsprogramm für »air mechanics« erwogen, u m d e m Fachkräftemangel im Flugzeugbau zu begegnen. Hintergrund war die Einsicht, dass in den U S A im Gegensatz zu Ländern wie Deutschland zu wenig Fachkräfte f ü r den Bau, die Wartung u n d den Betrieb von Flugzeugen vorhanden waren. Als Expertise, wie das Problem zu bekämpfen sei, zog die amerikanische Bundes-Administration auch deutsche Erfahrungen vergleichend heran, vor allem die der Flieger-HJ, in der es eine derartige Ausbildung gab. M a n erwog, bei privaten Flugzeugherstellern Schulen einzurichten, in denen momentane oder ehemalige Angehörige des C C C ausgebildet würden. Wie die Akten des White House zeigen, wurden die Vorschläge nicht nur ausführlich erörtert, sondern auf persönliches Geheiß Roosevelts einige Monate später auch umgesetzt: Für C C C boys, deren Entlassung anstand, gab es fortan ein gezieltes Vermittlungsverfahren in Ausbildungsplätze als »air mechanics«. 354

350 351 352 353 konnte 354

Vgl. MLR 39 (1934), S. 308-310. Vgl. Cole, Youth, S. 103,133-135. Vgl. Great Depression, S. 257. Vgl. CCC 1941, S. 4: Bis 1939 kamen aufjede CCC-Stelle 2 - 5 Bewerber, ab April 1941 die Quote nicht erfüllt werden. Vgl. NARA/HP, OF 58B, Box 4, v.a. Memo Hopkins, 15.8.1938; NARA/CP, RG 407, Box

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Dieser Prozess interkulturellen Transfers, der eine modifizierte Ü b e r n a h m e deutscher Erfahrungen am Ende eines Lernprozesses darstellte, reiht sich in einen größeren Z u s a m m e n h a n g ein. D e n n allgemein setzte der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika angesichts des wachsenden Problemdrucks, der sich vor allem aus der Kriegsgefahr ergab, Ende der 1930er Jahre auf ein äußerst unkonventionelles Mittel: Er ließ sich persönlich umfassend über den deutschen Arbeitsdienst informieren. Von der amerikanischen Botschaft in Berlin forderte Roosevelt einen Bericht über den RAD an - keineswegs aber, u m Propagandamaterial gegen das »Dritte Reich« zu gewinnen, sondern u m zu prüfen, ob sich v o m deutschen Fall lernen ließe. Die Botschaft setzte H e n r y R Leverich auf den Fall an, der - wie die Akten des State Department zeigen bereits in den Jahren davor einige Einschätzungen z u m RAD geschrieben hatte. Im Juli 1938 legte der Diplomat seinen gewichtigen, 60 Schreibmaschinenseiten starken Report vor, der in kurzer Zeit z u m Präsidenten gelangte. Die Studie war eine umfassende, auf gründlicher Recherche beruhende, sachliche Darstellung des RAD, die sich einer eigenen Wertung weitgehend enthielt. Sie beruhte auf einem mehrtätigen Besuch Leverichs in einem deutschen Arbeitsdienstlager - der Kontakt zu Hierls Reichsleitung war über das Auswärtige Amt hergestellt worden. 355 Der amerikanische Präsident las die Arbeit nicht selbst, er ließ sich jedoch zusammenfassend darüber berichten. 356 Außerdem kursierte sie in den mit dem C C C befassten Behörden. 357 Auch andere Expertisen z u m deutschen Arbeitsdienst dokumentieren das hohe amerikanische Interesse an d e m Pendant jenseits des Atlantiks. 358 In diesen Fällen handelt es sich jedoch u m Wahrnehmungen, f ü r die sich im Gegensatz z u m Fall der »air mechanics« keine direkt messbaren Auswirkungen auf das C C C oder andere amerikanische Institutionen nachweisen lassen. Trotzdem ist es aufschlussreich, dass sich die oberste Spitze der amerikanischen Demokratie derart intensiv mit der deutschen Einrichtung beschäftigte und sich offensichtlich nicht scheute, von einer feindlichen Diktatur zu lernen. Uberraschenderweise regte sich kein öffentlicher Widerstand gegen diese Lernprozesse. D e n n über das brisanteste Projekt, die Anverwandlung deutscher Erfahrungen bei der Ausbildung von Luftfahrtmechanikern, konnte man

47, v.a. Fechner an Adjutant General, 23.5.1939; zu ähnlichen Kursen in der NYA Leuchtenburg, Analogue, S. 140. 355 Vgl. PA/B, R 47647, Hierl an RMI u.a., 25.4.1938. 356 Vgl. NARA/CP, RG 59/862.504/545, Wilson an Secretary of State, 29.7.1938; NARA/HP, O F 58B, Box 4, Welles an FDR, 22.12.1938. 357 Vgl. z.B. NARA/HP, C T P , Box 3, Confidential Remarks [Stellungnahme des Präsidentenberaters Taussig zu Berichten von Leverich und Holland] 1938; NARA/CP, RG 35.2, Box 770, Fechner an U.S. Veterans Administration, 14.1.1939 und Anlage. 358 Weitere Berichte über den RAD aus verschiedenen Jahren sind überliefert in: NARA/CP, RG 59/862; NARA/HP, O F 58B, Box 4; NARA/CP, RG 35.2, Box 770.

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auch in der New York Times lesen. Es löste im Amerika des Jahres 1938 trotzdem keinen Sturm aus, dass die demokratische Bundes-Administration ernsthaft erwog, von der deutschen Diktatur zu lernen. 359 Anders als in den ersten Jahren des N e w Deal wurde n u n nicht m e h r mit allen Mitteln versucht, die U n t e r schiede zwischen dem RAD und d e m C C C zu betonen; angesichts der Z u spitzung der außenpolitischen Lage, die einen Krieg, und zwar einen Krieg, in dem auch die U S A gegen Deutschland kämpfen würden, immer wahrscheinlicher machte, handelte es sich u m eine auf den ersten Blick erstaunliche Veränderung. Z u den vocational classes kamen die Kurse, die Schul- und Universitätswissen vermittelten. In ihrer Mehrzahl sollten sie die elementaren Lücken schließen, welche viele der enrollees hatten. 1936 setzte sich z u m Beispiel mehr als die Hälfte der Belegschaft aus M ä n n e r n zusammen, die die achte Klasse nicht beendet hatten. Während 46 % in eine high school gegangen waren, hatte n u r ein Drittel diese auch abgeschlossen. Drei Prozent hatten ein college besucht, aber nur 0,2 % der Männer zwischen 18 und 25 waren von diesem auch graduiert. 360 Insgesamt war so der Anteil der M ä n n e r mit coZ/ege-Erfahrung gleich hoch wie derjenige der Analphabeten: Auch er lag bei knapp drei Prozent. 361 Deswegen blieben z u m einen die Gruppen, die auf College- und Universitätsniveau unterrichtet wurden, in den Lagern stets klein und eher selten. Da es aber Fernkurse von höheren Bildungseinrichtungen gab, konnten einzelne Angehörige des Corps sich auch akademisch fortbilden und qualifizierte Abschlüsse ablegen. Für das obere Ende der Ausbildungsskala richtete der N e w Deal 1935 zudem ein attraktiveres Angebot ein als das C C C : die National Youth Administration. Sie vergab Teilzeitjobs an bedürftige high school- u n d college-Studenten. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Angehörigen der NYA nicht in Lagern kaserniert wurden, sondern in ihrem normalen U m f e l d bleiben konnten, war diese Möglichkeit für viele die interessantere. 362 Z u m anderen überwogen im C C C Kurse, die den Jugendlichen elementares Wissen beibringen sollten. Deswegen wurden einige Klassen - vor allem die Lese- u n d Schreibkurse für Analphabeten, aber auch Vorlesungen in Sicherheits- u n d Hygienemaßnahmen und ähnlich grundsätzliche Programme - ab 1937 obligatorisch. 363 Diese waren bei den M ä n n e r n nicht sehr beliebt, zumal sie oft im Frontalunterricht abgehalten wurden. Da viele Freiwillige schlechte Erinnerungen an ihre Schulzeit hatten, wäre eine offenere Unterrichtsform wahrscheinlich erfolgreicher gewesen, aber nach der autoritären Wende von 359 Vgl. NYT 15.12.1938 und die ausbleibende Reaktion in der Presse, die deren Durchsicht zeigt. Für ein solches Programm hatte sich bereits ausgesprochen: NYT 28.8.1939. 360 Vgl. MLR 43 (1936), S. 1203-1205. Die Verteilung schwankte über die verschiedenen Jahre. 1939 hatten z.B. 13 % einen Highschool-Abschiuss. 361 1936: 2,5 % (ECW 1936, S. 19); 1938: 3 % (CCC 1938, S. 26). 362 Vgl. zur NYA v.a. Reiman.

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1935 war daran nicht zu denken. 364 Allerdings war n u r ungefähr die Hälfte der Kurse an ein gewisses Vorwissen gebunden, die andere Hälfte dagegen hatte integrierenden Charakter u n d vereinigte bei Fächern wie amerikanischer Staatsbürgerkunde, Biologie oder Ahnlichem enrollees mit verschiedenen Wissenshorizonten. 365 Gleichwohl reihte sich das Civilian Conservation Corps insgesamt in die verschiedenen Anstrengungen des N e w Deal ein, schulische Defizite, die besonders durch die Weltwirtschaftskrise hervorgerufen worden waren, zu kompensieren. Vor der Depression war das Bildungswesen im Wesentlichen von den K o m m u n e n , in geringerem U m f a n g noch von den Einzelstaaten, kaum aber vom Bund finanziert und organisiert worden. Angesichts der Großen Krise, die auch eine Krise des Bildungssystems darstellte, stärkte der N e w Deal jedoch weniger die vorhandenen Ausbildungswege, sondern baute mit Organisationen wie dem C C C oder der NYA Parallelinstitutionen auf die von der Bundesadministration nicht nur initiiert, sondern auch finanziert, verwaltet und konzeptionell bestimmt wurden. 3 6 6 Weitere Kurse w u r d e n in verschiedenen Bereichen der Freizeitgestaltung angeboten, etwa Sport, von dem bereits die Rede war, oder in Bastelarbeiten und anderen Hobbys wie Theaterspielen, d e m Erstellen von Lagerzeitungen oder der Musik. Auch im C C C stand der Gedanke im Vordergrund, den j u n g e n M ä n n e r n den nützlichen Einsatz von Zeit f ü r die Stunden nach der Arbeit zu vermitteln. Freizeit bedeutete sowohl die Wiederherstellung der Arbeitskraft als auch die Aufnahme von sinnvollen Aktivitäten. Die organisierte Freizeit sollte das H e r u m l u n g e r n in gangs und Apathie, Zeitverschwendung oder gar kriminelle Aktivitäten vermeiden. Manchen Hobbys gingen die Jugendlichen selbstverständlich auch außerhalb des organisierten Programms nach, wie es ihnen auch freistand, die lagereigenen Bibliotheken zu besuchen. Solche waren seit 1933 eingerichtet worden; außerdem gab es travelling libraries. Viel Geld stand den Abteilungen für den Ankauf von Büchern jedoch nicht zur Verfugung, so dass sie auf Spenden und Stiftungen angewiesen waren. 367 Nach d e m Sport war das Lesen die zweitliebste Beschäftigung der Männer; vor allem Westernromane und populär gehaltene naturwissenschaftliche Zeitschriften wurden gerne gelesen. 368 Die Disziplinierung und Kontrolle der Freiwilligen zeigt sich nicht zuletzt am Kanon der Bücher, der ihnen verfügbar gemacht wurde: Kommunistische 363 Vgl. Stieglitz, Percent, S. 146. 364 Vgl. Griffing, S. 17. 365 Vgl. Hill, School, S. 35-41. 366 Allgemein bewirkte der N e w Deal in der Schulbildung kaum eine Stärkung der bisherigen Strukturen; vgl. z.B. Leuchtenburg, Roosevelt, S. 121-123. 367 Vgl. Stieglitz, Percent, S. 178. 368 Vgl. Griffing, S. 22f.

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Publikationen waren verboten. Darüber hinaus w u r d e n diese von den Offizieren auch konfisziert, w e n n sie bei enrollees gefunden wurden, u n d die Vorfälle weitergemeldet. 369 Aber nicht n u r die Veröffentlichungen der radikalen Linken, sondern auch linksliberale Zeitschriften wie die New Republk oder The Nation sollten in die Lager keinen Eingang finden. D e r größte Skandal im Bereich der Zensur war das Verbot von William F. Ogburns »You and Machines« im N o vember 1934.370 Fechner war das eigens f ü r das C C C erstellte Textbuch, das den j u n g e n M ä n n e r n die Weltwirtschaftskrise erklären sollte, zu pessimistisch und zu technikskeptisch; tatsächlich war der Inhalt weniger kritisch als einige der Reden Roosevelts. D e n n o c h verbot Fechner die Schrift kurzerhand. Der Commissioner of Education Z o o k initiierte daraufhin eine Welle an Protestbriefen. Auch dieser öffentlich vorgetragene Protest konnte aber keine Revision des Verbots erwirken, denn nicht n u r die Armee, sondern auch Roosevelt solidarisierte sich mit Fechner. 371 Die oberste Leitung des Corps verfolgte in dieser Frage einen konservativen, restriktiven Kurs, der einer Erziehung der j u n g e n M ä n n e r zu mündigen, kritischen Bürgern in einer Demokratie kaum entsprach. Alle Kurse - seien sie berufsvorbereitender, schulähnlicher oder freizeitorientierter Art - litten in den ersten Jahren unter der unzureichenden finanziellen Ausstattung des pädagogischen Bereichs. 1935 etwa konnten die educational advisers der Lager z u m Beispiel lediglich über $ 100 jährlich verfügen. 372 Das änderte sich erst 1937 grundlegend, als das Gesetz zur Fortführung des Corps den Erziehungsanspruch unterstrich und das Budget für diesen Bereich m e h r als verdoppelt wurde. Ein grundsätzliches Problem stellten aber nicht nur die unzureichenden Bedingungen für das pädagogische Programm dar. H i n z u kamen die oft inkompetenten Lehrer, nicht zuletzt dann, w e n n es sich u m Praktiker aus den technischen Diensten handelte. Ferner mussten es die segregierten »schwarzen« Lager als Diskriminierung empfinden, dass sie zumeist weißes Lehrpersonal hatten. 373 Bei professionellen Pädagogen, vor allem den educational advisers, kam es zudem häufig zu Reibungen mit der militärischen Leitung. Die daraus resultierenden Frustrationen führten dazu, dass mehr als die Hälfte der advisers nach dem ersten Jahr das C C C wieder verlassen hatte. 374 369 Vgl. z.B. NARA/HP, O F 268, Box 3, Early an Chief of Staff und Fechner, 18.6.1935; NARA/CP, RG 35/2, Personal Correspondence of the Director, Box 4, David Bickel an FDR, 9.10.1935 sowie das Verbot der kommunistischen Zeitschrift Champion of the Youth in den Lagem; vgl. dazu Gower, Conservatism, S. 282-285. 370 Vgl. Ogburn. 371 Vgl. NARA/HP, O F 268, Box 7, mit zahlreichen Briefen; ebd., Box 2, McKinney an Early, 16.11.1934; zur öffentlichen Reaktion z.B. N Y T 2.12.1934. 372 Vgl. Harby, v.a. S. 34. 373 Vgl. Gower, Struggle, S. 123-135. Es war geradezu undenkbar, African Americans als Lehrer in »weißen« Lagern einzusetzen. 374 Vgl. Hill, School, v.a. S. 14-21, 29-34, 56-58; Stieglitz, Percent, S. 149.

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Das E r z i e h u n g s p r o g r a m m des Civilian Conservation C o r p s stand d e m n a c h großen Anfangsschwierigkeiten gegenüber. Die Probleme w u r d e n d u r c h die geschickte Politik relativiert, auch in diesem Bereich primär v o r h a n d e n e institutionelle Ressourcen zu nutzen: So gaben z u m Beispiel Angehörige der technischen Dienste vocational classes, w ä h r e n d Offiziere über Verwaltungsaufgaben sprachen u n d Lehrer benachbarter Schulen Lesen u n d Schreiben unterrichteten. D u r c h die Festlegung, in erster Linie elementares Wissen vermitteln zu wollen u n d das C o r p s nicht z u m Ausgangspunkt einer u m f a s s e n d e n R e f o r m des Erziehungssektors zu m a c h e n , w u r d e es a u ß e r d e m vermieden, einen übergroßen A n s p r u c h aufzubauen, an d e m die pädagogische Praxis notwendigerweise hätte scheitern müssen. Gemessen an der Teilnahmequote, an der das C C C selbst den Erfolg der classes maß, war der U n t e r r i c h t auf den ersten Blick erfolgreich. 1936 besuchten 74 %, im Folgejahr bereits ungefähr 83 % der M ä n n e r Kurse, 1939 w a r e n es 91 %, 1941 - als das C o r p s bereits in einer Existenzkrise steckte - i m m e r h i n n o c h 83 %.375 Allerdings war die Teilnahme, wie bereits ausgeführt, häufig nicht freiwillig, so dass sich mit i h n e n keine Erfolgsstory schreiben lässt. Die Offiziere bauten einen moralischen D r u c k auf, an d e n classes t e i l z u n e h m e n ; in dieser R i c h t u n g wirkte auch das Schulungsmaterial. 3 7 6 In m a n c h e n Lagern w u r d e n darüber hinaus subtile Mittel eingesetzt, u m die Q u o t e zu erhöhen, etwa ein Punktesystem zur Evaluation der Gesamtleistung der Männer, in welches das Engagement a m Kurssystem maßgeblich einfloss. Andere verwandten drakonischere Mittel u n d schalteten z u m Beispiel in allen R ä u m e n außer den U n t e r richtszimmern das Licht aus, so dass die Kurse quasi keine K o n k u r r e n z hatten. 377 Solche E l e m e n t e k a m e n vor allem nach der p r o g r a m m a t i s c h e n N e u b e s t i m m u n g 1935 i m m e r verstärkt Einsatz. Wie aber gezeigt w u r d e , spiegelte sich auch bei den Inhalten der E r z i e h u n g die Wende zu e i n e m autoritäreren Modell wider. Die kritischen S t i m m e n , die auf eine Rückorientierung zu den Werten des H a n d b u c h s drängten, m a c h t e n sich zwar weiterhin bemerkbar, sie k o n n t e n sich aber nicht durchsetzen. 3 7 8 All die Bereiche der E r z i e h u n g vermittelten nicht n u r ein spezifisches Verständnis v o n Männlichkeit, sondern auch von Bürgerschaft. Diese beiden Be375 Vgl. Oxley, Education, S. 1; E C W 1 9 3 7 , S. 7; C C C 1939, S. 45; C C C 1941, S. 7, 11 (Die Zahlen für 1937 und 1941 sind Schätzzahlen, bei denen die Gesamtzahl der Kurse durch die Gesamtzahl der enrollees geteilt wurde; v.a. da ein Mann auch mehr als einen Kurs belegen konnte, ist diese Prozentzahl ungenau). 376 Vgl. Dearborn, Lifetime, S. 222. 377 Vgl. Holland/Hill, S. 27f, 204. Oxley, Education, S. 8, empfahl ersteres ausdrücklich. 378 Vgl. Herlihy, S. 77-85. Die Gesetze von 1937 und 1939 brachten diesbezüglich keine Veränderungen. Daran änderten auch ihre Pilotversuche in Lagern der fünften corps area nichts; vgl. dazu Holland/Hill, S. 224-228. Vgl. außerdem zu dem Sharon-Experiment Kapitel II.4.

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reiche waren jedoch eng miteinander verbunden, wie ein im C C C tätiger Kaplan verdeutlichte: »The American ideal o f citizenship is far more than non-alien residence. [ . . . ] An American citizen, in the highest sense o f the term, is a person of value as an individual who has been rescued from obscurity, endowed with self-respect, dignity and social, and economic opportunity - a >man< in the completed sense of the word.«379

Dass die Werte, die das Corps vor allem nach 1935 den j u n g e n M ä n n e r n vermittelte, im Bereich der U n t e r o r d n u n g lagen, drückten auch Kenneth Holland und Frank E. Hill 1942 in einer Studie aus. Sie unterschieden die conforming von der contributing citizenship. Erstere bestand demnach aus Grundwerten, die ein Individuum brauche, u m sozial interagieren zu können - unabhängig vom politischen Kontext. Solche Merkmale, vor allem aus d e m Bereich der Sekundärtugenden, vermittelte ihrer M e i n u n g nach das Corps. Davon unterschieden sie die contributing citizenship, das heißt Werte, die zur eigenständigen Partizipation in einer Demokratie notwendig sind wie die Fähigkeit, in einer selbstverwalteten Gruppe Verantwortung zu übernehmen, allgemeine Interessen zu vertreten oder grundlegende politische Probleme zu durchdringen. In diesem Bereich, so Holland und Hill, leiste das Corps dagegen kaum einen Beitrag. In einem Paradoxon brachten sie so die ambivalente Erziehungspraxis des Corps auf den Punkt: Es versuche, »to teach the principles of democracy within an authoritarian atmosphere.« 380 Das mit Rosenstock verbundene Experiment in Mt. Sharon stellte den umfassendsten Versuch dar, das Paradoxon aufzuheben und über das C C C die contributing citizenship zu stärken - allein, wie bereits dargestellt, dieser Kommunitarismus avant la lettre konnte sich nicht durchsetzen. Trotz dieser Defizite muss man festhalten, dass in diesem Bereich eine relative Gleichbehandlung unabhängig von der Hautfarbe stattfand. Afro-Amerikaner wie die Angehörigen aller anderer Ethnien wurden auf Fleiß, Einsatzbereitschaft und - vor allem als die außenpolitische Lage immer angespannter wurde - Patriotismus eingeschworen; für die African Americans war demnach das Hauptproblem, überhaupt in das Corps aufgenommen zu werden. Waren sie einmal enrollees geworden, gab es für sie kein abweichendes Erziehungsprogramm, sieht man einmal von subtileren Spielarten der Diskriminierung wie dem leicht veränderten Spektrum der vocational classes ab. D e n Freiwilligen, von denen die Mehrzahl aus der Unterschicht kam, w u r d e ein klarer Horizont gezogen, den sie anstreben sollten - wahrscheinlich aber auch nicht überschreiten würden.

379 Orr, S. 26. 380 Holtand/Hill, S. 222-232, Zitat S. 224; vgl. auch Gorham, Service, S. 142-146; Stieglitz, Percent, S. 202-222.

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Im Gegensatz z u m deutschen Arbeitsdienst war die Erziehung kaum Teil eines Konzepts, ein »Wir«-Gefühl, das heißt eine kollektive Identität, herzustellen. Vergleichsweise selten w u r d e die E r f a h r u n g thematisiert, dass in den Lagern des C C C enrollees mit den verschiedensten ethnischen, sozialen, regionalen, religiösen und politischen Hintergründen aufeinander träfen. Einige wenige Quellen idealisierten diese Erfahrung als einen »melting pot« u n d als Möglichkeit, den angeblich so ausgeprägten Individualismus der Amerikaner durch einen im Lager erlernten Gemeinsinn auszutarieren. 381 Solche Aussagen fallen jedoch gerade durch ihre Seltenheit auf Einmal m e h r treten die grundsätzlichen Unterschiede in der politischen Kultur der beiden Gesellschaften hervor: die stärker staats- u n d gemeinschaftsbezogene in Deutschland und die primär auf das Individuum ausgerichtete in den USA. 382 Dabei hätten gemeinschaftsbildende Rituale wie die Flaggenparaden, vor allem aber die gemeinsame Arbeit, durchaus auch in den U S A Anknüpfungspunkte f ü r die Förd e r u n g eines »Wir«-Verständnisses gegeben. Im Gegensatz dazu wirkte das C C C in erster Linie auf die personale Identität der j u n g e n Männer ein. Die Leitbegriffe der Erziehung waren Disziplin und Unterordnung, u n d das Ziel lag in der Hilfe zur Selbsthilfe und weniger in der Gemeinschaftsbildung.

5. Vergleichende Zwischenbilanz Sowohl der deutsche als auch der amerikanische Arbeitsdienst hatten einen erzieherischen Auftrag. D e r Stellenwert, welcher der Erziehung beigemessen wurde, war jedoch unterschiedlich. Im Reichsarbeitsdienst standen nominell u n d lange Zeit auch faktisch alle übrigen Fragen unter d e m Primat des pädagogischen Auftrags, während das Civilian Conservation Corps immer primär als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit einer erzieherischen Komponente gesehen wurde. Alle weiterreichenden Versuche, etwa der Progressive Education Movement, konnten sich dagegen nicht durchsetzen. Inhaltlich schwankten ihre Ansätze zwischen Konzepten, die das Corps zu einer wichtigen, demokratischen pädagogischen Einrichtung gemacht hätten, und solchen, die aufgrund ihres radikal antiautoritären Kerns in der amerikanischen Gesellschaft nicht durchsetzbar waren. Bei allen theoretischen Mängeln verfügte der RAD im Vergleich z u m C C C über eine relativ elaborierte Erziehungskonzeption, bei der über das »Erlebnis« »Kameradschaft« u n d »Volksgemeinschaft« inszeniert und als Ideal vermittelt werden sollten. Manche seiner Methoden, z u m Beispiel die Visualisierung, der Einsatz der damals neuesten Medien und Ahnliches mehr, erscheinen äußerst modern. Dagegen herrschte in den U S A stets ein pragmati-

381 H D 26.10.1935. 382 Vgl. zur politischen Kultur Zöllner, S. 259-326.

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scher Quietismus in Fragen von Letztbegründungen und eindeutigen Zielvorstellungen vor, und auch in seinen didaktischen Methoden war das Corps weniger verbindlich. Die damals weltweit verbreitete Vorstellung, dass die Depression nicht zuletzt durch eine stärkere soziale Mischung überwunden werden könnte, spielte im Corps aufgrund der anderen politischen Kultur eine nachgeordnete Rolle im Vergleich zu Deutschland. Der geringere Anspruch war zugleich ein Grund für den relativen Erfolg des C C C , während umgekehrt der RAD an den hohen Erwartungen, die an ihn gerichtet wurden, beinahe scheitern musste. Auf der Ebene der Erziehungspraxis gab es jedoch auffallende Ähnlichkeiten zwischen den beiden Diensten. Das verdeutlicht die herausragende Rolle, die die Disziplinierung spielte, wie sich primär am System der Lager zeigt. Allgemein muss der Idealtypus des totalen Lagers, das über die Ordnung von Zeit und Raum den absoluten Zugriff auf die Individuen ermöglicht, sie kontrolliert, diszipliniert, nicht aber zu Eigenverantwortung und Selbständigkeit erzieht, als ein Signum der Moderne gesehen werden, dem in der Zwischenkriegszeit in vielen Gesellschaften ein hohes ordnungsschaffendes Potential zugesprochen wurde. 383 Gemessen an diesem Idealtypus stellte der deutsche Arbeitsdienst konzeptionell den Versuch dar, die totale Lagererfahrung herzustellen. Wenn die Praxis diesem Ideal nicht entsprach, so war das im Wesentlichen ökonomischen und organisatorisch-strukturellen Problemen zuzuschreiben. Die Art der Lagerorganisation in Deutschland stand außerdem in einem sehr engen Verhältnis zum Erziehungsmodell des RAD. Sie war für diese Bedingung, Mittel und Spiegel. Denn disziplinierende Kontrolle, Gewöhnung an das Militärische und Bezug zum nationalsozialistischen Natur- und Männlichkeitsbild waren auch Kernelemente der Erziehungsaufgabe des RAD. Die Lager des C C C waren auf den ersten Blick noch stärker am Militär orientiert, zumal sie direkt von der Armee konzipiert, eingerichtet und geleitet wurden. Somit hatte auch der amerikanische Arbeitsdienst das Potential, zum totalen Lagersystem zu werden. Es gibt aber keine Hinweise dafür, dass er bei der Lagergestaltung vom nationalsozialistischen Pendant geprägt wurde. Die Elemente der Disziplinierung, der Überwachung und der Gewöhnung an das Militärische ergaben sich in den USA teils aus praktischen Notwendigkeiten, sie waren teils auch gewünscht. Mit diesen Vorgaben gingen die Lagerkommandanten jedoch sehr unterschiedlich um, weswegen sich der Befund von Lager zu Lager unterscheidet. Die Tendenz, ein totales System herzustellen, konnte sich aufgrund der Rückbindung des Corps an eine demokratische, pluralistische Gesellschaft bei weitem nicht durchsetzen. Werte und Konzepte wie 383 Vgl. Bauman Jahrhundert, S. 81-99; HeAert, Jahrhundert, S. 11-27. Allerdings ist paradoxerweise auch die emanzipatorische Gegenvorstellung typisch für die Moderne. Wenn das totale Lager hier als Signum der Moderne bezeichnet wird, heißt das nicht, dass es nicht in geringerem Umfang (etwa den Klöstern) bereits zuvor ähnliche Erscheinungen gegeben hätte.

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Dauerhaftigkeit des Corps, Arbeitsdienstpflicht u n d Militarisierung, die das amerikanische Militär vertrat, hatten aber auffallend viele Ähnlichkeiten zu den Entwicklungen des deutschen Dienstes. Die kontrafaktische Frage, ob die totalen Elemente nicht weiter an Einfluss gewonnen hätten, wäre es zu sozialen U n r u h e n oder politischer Destabilisierung gekommen, muss bejaht werden. Angesichts des Ausbleibens solcher Krisen behaupteten sich die Prinzipien der Wahlfreiheit, der Selbstbestimmung und des Individualismus immer wieder gegen normierende und disziplinierende Tendenzen. Insgesamt gab es ein labiles Gleichgewicht zwischen diesen Polen, das im C C C ständig neu austariert wurde; die Auseinandersetzung zwischen den Extremen spiegelt sich in allen Teilbereichen der Erziehungspraxis wider. Die Defizite, die das fragwürdige Demokratieverständnis des C C C zur Folge hatte, wurden aber nicht nur durch die stets vorhandenen anti-totalen Einflüsse relativiert. In diese Richtung wirkte auch die Tatsache, dass der Arbeitsdienst mit seinem spezifischen Erziehungsprofil einen transitorischen Charakter hatte. Davor u n d danach (und teilweise auch während ihrer Dienstzeit) konnten die enrollees andere pädagogische Angebote w a h r n e h m e n , die im Sinne der contributing citizenship wirkten. In Deutschland dagegen war der Arbeitsdienst n u r eine Station in einer ganzen Serie von Sozialisationsinstitutionen, die sich ähnlich wie der R A D d e m Idealtypus des totalen Lagers weitgehend annäherten. Beide Lagersysteme waren nicht n u r Mittel der Massenmobilisierung, sondern standen auch in einem Spannungsverhältnis zu dieser. Beide Nationen setzten gesellschaftliche Dynamiken frei, w e n n sie eine staatliche Politik der Massenmotivation u n d -lenkung betrieben, u n d sie reagierten zugleich auf die Erschütterungen, die die Große Depression verursacht hatte. Die destabilisierenden Potentiale wurden über das statische System der Lager eingefangen und verlangsamt, gebändigt und diszipliniert. Diese Kanalisierung und Mäßigung war einer der Hauptaufträge beider Dienste. Trotz des auffallend ähnlichen disziplinierenden Auftrags divergierten die Erziehungsinhalte der beiden Einrichtungen. Formal bestand der Unterschied, dass das C C C neben den Bereichen, die auch der RAD übernahm, Schul- und vor allem berufsqualifizierendes Wissen vermittelte. Das erklärt sich in erster Linie daraus, dass Deutschland die Weltwirtschaftskrise wesentlich schneller überwand u n d somit die Arbeitsmänner schon bald nicht m e h r auf eine zusätzliche Berufsausbildung angewiesen waren, u m nach ihrer Dienstzeit eine Beschäftigung zu finden. Z u d e m gab es - wovon bisher noch nicht die Rede war - in Deutschland ein Äquivalent zu den vocational classes und der Berufsvermittlung des C C C : die Organisation Arbeitsdank. Dabei handelte es sich u m eine - bisher quasi unerforschte - im Herbst 1933 v o m Arbeitsdienst eingerichtete Förder- u n d Traditionsorganisation. Ihr Auftrag lag in der Berufsberatung

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von Arbeitsmännern und der Vermittlung von Ehemaligen in die Wirtschaft. Zudem baute auch diese Organisation Lager auf, die sogenannten Arbeitsdanklager, in die ehemalige Arbeitsmänner aufgenommen wurden, die nach ihrer Arbeitsdienstzeit keine reguläre Anstellung fanden und nicht bei der Landhilfe, den Notstandsarbeiten oder anderen Beschäftigungsprogrammen untergebracht werden konnten. Damit knüpfte der Arbeitsdank an das »Notwerk der deutschen Jugend« aus den letzten Monaten der Weimarer Republik an. Es handelte sich nur nominell um eine große Organisation, da alle Arbeitsmänner korporativ Mitglieder des Arbeitsdank wurden. In dessen eigenen Lagern gebunden waren dagegen nur einige tausend Mann. 384 Trotzdem wurde so zum einen die Dienstzeit prolongiert. Hier fänden, glaubt man einem halboffiziellen Kommentar, die jungen Männer die »liebgewordene Lagerdisziplin und gute Kameradschaft« des Arbeitsdienstes wieder; tatsächlich ähnelten sich beide Einrichtungen weitgehend. 385 Z u m anderen bot der Arbeitsdank eine Schulung in landwirtschaftlichen Berufen an, die ihn dem C C C ähnlich machte. 386 Letztlich blieb der Arbeitsdank jedoch eine Episode in der Arbeitsmarktpolitik des nationalsozialistischen Deutschlands. Aufgrund von Kompetenzstreitigkeiten und inneren Problemen erlangte die Organisation nie wirkliche Bedeutung, außerdem wurde sie angesichts der Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit bald überflüssig. Teile der Organisation wurden deswegen 1935 der Deutschen Arbeitsfront zugeschlagen, und 1937 wurde der Arbeitsdank schließlich aufgelöst.387 Hätte das Problem der Massenarbeitslosigkeit weiterbestanden, so hätten diese und ähnliche Einrichtungen als Auffangbecken und Fortbildungsinstanzen vermutlich weiter existiert - denn das Regime war sich bewusst, dass es sich aus ideologischen Gründen nicht leisten konnte, Tausende Arbeitsmänner nach der Dienstzeit wieder in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. Auch inhaltlich meinte Erziehung in RAD und C C C Verschiedenes. In Deutschland sollten die jungen Männer hauptsächlich auf einen künftigen Krieg vorbereitet werden. Als zweiter roter Faden zog sich daneben ein radikaler Antisemitismus auf rassistischer Grundlage durch Konzeption und Praxis der Erziehung. Beide Ziele entsprachen dem institutionellen Gefüge des Dienstes und seinen Zugangsbedingungen, sie fanden sich zudem in fast allen nationalsozialistischen Erziehungseinrichtungen wieder. Der Arbeitsdienst war keine apolitische Insel, sondern er ordnete sich inhaltlich in die Reihe der NS-Organisationen ein. Allerdings blieb er bei der Vermittlung der nationalsozialistischen Ideologie hinter dem selbstgesetzten Ziel deutlich zurück. Der 384 Genaue Zahlen sind nicht überliefert; vgl. aber Vorstand. 385 Hamburger Tageblatt 20.3.1936. 386 Vgl. Vorstand; vgl. zum Arbeitsdank ferner BA/B, R 36, v.a. 1946; BA/B, R 3903/220; BA/ B, N S 22/767. Daneben übernahm die heterogene Organisation weitere Aufgaben, v.a. bis zum Erlass des AD-Versorgungsgesetzes bot es Finanzhilfen für das Führerkorps. 387 Vgl. VB 19.5.1937.

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Staatspolitische Unterricht konnte sich aus einer Vielzahl von G r ü n d e n nie zu einem effektiven Erziehungsmodul entwickeln. Angesichts der U b e r f o r d e r u n g des Lehrpersonals und anderer strukturell h e m m e n d e r Faktoren konnte in diesem Bereich kein großer Erfolg erzielt werden, zumal die auffallend m o dernen didaktischen Methoden von den Kommissköpfen, die sie oft umsetzen sollten, eher beargwöhnt als angewandt wurden. Da nationalsozialistisches Gedankengut jedoch in alle Teile des Dienstes verwoben war u n d die Erzieh u n g ohnehin unter d e m Primat der körperlichen Schulung u n d Disziplinierung stand, war Hierls Organisation dennoch nicht n u r ihrem Anspruch nach, sondern auch faktisch ein wichtiges pädagogisches Instrument der N S Diktatur. D e n n bei der »Stählung der Körper« durch Arbeit, O r d n u n g s ü b u n gen u n d Sport, bei der Vermittlung eines spezifisch nationalsozialistischen Männlichkeitsbewusstseins und einer kollektiven Identität war die Einrichtung wesentlich erfolgreicher als beim politischen Unterricht. Dagegen wurde in den U S A die aktive Kriegsvorbereitung erst spät und nach langen Kontroversen in das Erziehungsprogramm aufgenommen. Mit militärischem Drill, mit auf die Kriegserfordernisse angepassten Berufskursen und ein e m verstärkten Patriotismus reagierte das C C C auf die Aggressionen Deutschlands, Japans und anderer Staaten, die einen Kriegseintritt der U S A immer wahrscheinlicher machten. Das Männlichkeitsideal und die Geschlechterordnung, die das Corps vermittelte, waren zwar ähnlich polar und hierarchisch wie in Deutschland, u n d es zielte ebenfalls auf eine abgehärtete und körperorientierte, geordnete, mit Sekundärtugenden ausgestattete Persönlichkeit. Weniger ausgeprägt waren jedoch die Ausrichtung auf die Gemeinschaft, auf einen künftigen Krieg und der Rassismus. Besonders die rassistische Komponente, die auf den Zugang z u m C C C keinen geringen Einfluss hatte, spielte im pädagogischen Programm keine wesentliche Rolle - das Corps muss sich lediglich vorwerfen lassen, bestehende Ungleichheiten nicht aktiv bekämpft zu haben. Keineswegs alle, immerhin aber einige Einrichtungen des N e w Deal, etwa die National Youth Administration, waren weitaus bemühter als das C C C , den tief in der Gesellschaft verankerten Rassismus zu bekämpfen. 388 Das darf die fundamentalen Unterschiede zwischen RAD und C C C nicht verwischen: Der Rassismus in den U S A blieb immer implizit, während das NS-Regime eine deutlich radikalere, explizite Form ausbaute. D e r Antisemitismus, der im Kern der nationalsozialistischen Rassenideologie stand, war seinerseits eine wenngleich nicht hinreichende - Bedingung für die Shoa. Im Bereich der Erziehung, in dem sich in manchen Fragen die größte Distanz zwischen den beiden Diensten feststellen lässt, kam es zugleich zu der engsten Form des Austausches. Die amerikanische Seite, u n d vor allem Präsident 388 Vgl. z.B. McElvaine, S. 190f; Kifer; Stoff.

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Roosevelt selbst, war in einem auffallenden Maße offen gegenüber Anregungen aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Wie gezeigt wurde, schlug sich das in verschiedenen Fragen nieder; am deutlichsten in der modifizierten Übernahme der Ausbildung von Luftfahrtmechanikern nach dem Vorbild der Flieger-HJ. In diesem Fall handelte es sich nicht nur um Wahrnehmung, sondern um »interkulturellen Transfer«. Im Rahmen der Schlussbetrachtung wird noch zu fragen sein, wie diese Bereitschaft der amerikanischen Demokratie, von der deutschen Diktatur zu lernen, insgesamt zu werten ist. Anfangsschwierigkeiten hatten beide Einrichtungen mit ihrem Lehrpersonal - die Reibungsverluste aufgrund von Fehlbesetzungen, Kompetenzstreitigkeiten sowie der unzureichenden finanziellen und organisatorischen Ausstattung ähnelten sich in beiden Ländern. Das C C C bekämpfte das Problem jedoch geschickter, weil es zum einen ein weniger umfassendes Erziehungsziel hatte. Nicht der »neue Mann« als Teil der »Volksgemeinschaft« sollte hier geformt werden, sondern - in Einklang mit der amerikanischen politischen Kultur - das sich bewährende Individuum. Ferner waren die meisten pädagogischen Elemente, die über die Disziplinierung hinausgingen, nur als Angebote formuliert. Zum anderen nutzte das Corps das vorhandene Krisenlösungspotential wiederum besser als der deutsche Dienst. Der RAD überforderte sein Führerkorps völlig, da es fur Bereiche zuständig war, die im C C C auf die Offiziere, die Angehörigen der technischen Dienste und externe Lehrkräfte verteilt waren. Dass der Anspruch beider Dienste trotzdem weit reichte, zeigt sich daran, dass selbst die Freizeit - wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß - Teil des geordneten Tagesablaufs war. Es entsprach dem Zeitgeist, unter ihr mehr als nur die Reproduktion der Arbeitsfähigkeit zu verstehen. Angesichts des internationalen Trends zu kürzeren Arbeitszeiten waren sich alle modernen Industriegesellschaften bewusst, dass die individuell verfügbare Zeit für breite Bevölkerungsgruppen zunehmen würde. Die Arbeitsdienste stehen in diesem Kontext für den Versuch, mit diesem Phänomen umzugehen. Sie wollten den Jugendlichen ordnende und sinnvolle - zugleich gesellschaftlich stabilisierende - Tätigkeiten für die freien Stunden vermitteln; es ging um die Disziplinierung der freien Zeit. In der Freizeit sollten die erzieherischen und allgemein die gesellschaftspolitischen Vorstellungen, die die Einrichtungen lehrten, gefestigt werden. Im RAD galt die Freizeit sogar explizit als »Lernkontrolle«. Das Corps eröffnete den jungen Männern dagegen einen breiteren Gestaltungsraum. Der spezifische Beitrag der Erziehung zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise und zur Stabilisierung der jeweiligen Gesellschaft lag, ähnlich wie im Bereich der Organisation, bei beiden Arbeitsdiensten primär darin, junge arbeitslose Männer zu geordneten, disziplinierten Mitgliedern der Gesellschaft zu machen: Arbeitsfähigkeit statt Verwahrlosung, Arbeitswilligkeit und disziplinierte Unterordnung statt Protest, ein an Härte orientiertes Männlichkeits301

ideal statt Verweichlichung, Unauffálligkeit statt Kriminalität und Devianz stand auf den Fahnen des deutschen wie des amerikanischen Arbeitsdienstes. Diese Gemeinsamkeiten mögen angesichts der grundsätzlichen Unterschiede in der politischen Kultur beider Gesellschaften eher erstaunen, sie erklären sich aus dem Krisendruck durch die Große Depression und allgemein aus dem Normalitätsverständnis moderner Gesellschaften. Auch nachdem NS-Deutschland die ökonomische Krise überwunden hatte, bedurfte es solchermaßen gezüchtigter »Volksgenossen«, weswegen sich am Erziehungsauftrag des RAD nach 1935 nichts änderte. Rassismus und Kriegsvorbereitung, die sich im C C C kaum finden, prägten nicht nur den nationalsozialistischen Arbeitsdienst, sondern auch allgemein den Weg, den das Regime aus der Krise der 1930er Jahre wählte. Sein ökonomischer Erfolg war auf Sand gebaut, und es brauchte daher möglichst viele gedrillte, kriegsbereite Rassisten, um aufbauend auf militärischen Konflikten zumindest eine Zeit lang fortzubestehen. Die Erziehung im RAD entsprach somit der Systemlogik der Krisenüberwindung des »Dritten Reiches«. Diese führte in den Abgrund der Vernichtung und der Selbstzerstörung. Das halbautoritäre Erziehungsideal des C C C trug zwar dazu bei, die amerikanische Gesellschaft der 1930er Jahre stabil zu halten. Es erzog die enrollees aber keineswegs konsequent zu eigenverantwortlichen, mündigen Bürgern in einer Demokratie. Somit entfaltete es nicht sein volles Potential zur Bekämpfung der Großen Depression. Im Bereich der Erziehung gibt es daher, da Kontrolle und Disziplinierung in vielen Lagern dies- und jenseits des Atlantik im Zentrum der erzieherischen Praxis standen, nicht nur wesentliche Unterschiede, sondern auch viele Gemeinsamkeiten. Ähnlich verhält es sich in der Kontinuitätsfrage für die deutsche Einrichtung vor und nach 1933. Allerdings hatte es vor 1933 weder eine verbindliche Lagerstruktur noch entsprechende Erziehungstheorien, -inhalte oder -Vermittlungsformen gegeben, da diese Fragen ganz im Ermessen des j e weiligen Dienstträgers lagen. Da die Nationalsozialisten sich im FAD kaum engagiert hatten und auch Konzepte, die sich von ihrem drastisch unterschieden, vielen Lagern zugrunde lagen, überwiegen in diesem Bereich die Brüche. Mehr Gemeinsamkeiten hatten der Reichsarbeitsdienst und das Civilian Conservation Corps bezüglich der von ihnen unternommenen Arbeiten, die im Folgenden untersucht werden.

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IV In »the grandeurs of nature«: Die Arbeit der Dienste

Besonders viele Ähnlichkeiten bestanden zwischen den Arbeiten, mit denen beide Dienste beschäftigt waren. Dies- wie jenseits des Atlantiks machten Forst- und Bodenverbesserungsarbeiten einen wesentlichen Anteil aus, in beiden Ländern wurde der Arbeitsdienst aber auch zum Katastrophenschutz oder bei kulturpolitischen Projekten eingesetzt. Unterschiedlich war der Stellenwert, der diesen Tätigkeiten jeweils offiziell zugemessen wurde. Während die praktische Arbeit der Hauptauftrag des C C C war, wurde diese in Deutschland der erzieherischen Aufgabe untergeordnet. Gleichwohl trat auch hier laut Hierl zur »Arbeit am deutschen Menschen« die »Arbeit am deutschen Boden«.1 Diese hat in der Forschung bisher so gut wie keine Aufmerksamkeit gefunden - was besonders auffallt, da die Arbeit der größte Einzelposten unter den Dienststunden ausmachte. Sie soll hier in Hinblick auf Arbeitsfelder, Planung, Arbeitsbegriff und die Umsetzung auf den Baustellen analysiert werden, bevor einem Ausblick auf die Tätigkeiten des C C C ein Vergleich folgt. Letztlich sollen die Effektivität und die Effizienz der Dienste bei ihren Projekten einander gegenübergestellt werden. Exakt lassen sich diese jedoch weder für den RAD noch für das C C C bestimmen, da die Zustände in den verschiedenen Jahren in den über 1.000 Lagern sehr verschieden waren. Aufgrund der Struktur des statistischen Materials ist es schon für jeden der beiden Dienste unmöglich, die Gesamtleistung anzugeben. Denn die Tätigkeitsformen wurden nicht durchgängig in derselben Bemessungsgrundlage berechnet, sondern bei gebauten Straßen zum Beispiel in Kilometern, bei gepflanzten Bäumen in Stück. Deswegen ist kein genauer, direkter Leistungsvergleich zwischen RAD und C C C möglich. Allerdings gibt es für beide Dienste komparative Einschätzungen zu anderen Einrichtungen, die ähnlichen Aufgaben nachgingen, sei es im Rahmen der freien Wirtschaft oder einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Daher können vergleichende Tendenzaussagen dennoch gemacht werden. Im Folgenden wird zunächst untersucht, welche Projekttypen der deutsche Dienst am Ende der Weimarer Republik und in den ersten Jahren des nationalsozialistischen Regimes verfolgte, um so qualitativ und quantitativ nach Kon1 Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 173-187 (1934), Zitat S. 174.

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tinuitäten und Brüchen bei den Einsatzformen zu fragen. Anschließend werden die einzelnen Arbeitsformen, die der Dienst von 1933 bis 1945 unternahm, kurz vorgestellt. Da an der Planung und Realisierung der Projekte die Gemeinden und die Landeskulturbehörden maßgeblich beteiligt waren, wird in einem zweiten Unterkapitel ihrem Einfluss nachgegangen sowie der Frage, wie der Dienst seine Arbeiten von der privaten Wirtschaft abgrenzte. Anschließend folgt eine begriffsgeschichtliche Analyse zum Begriff der »Arbeit« im Arbeitsdienst. Sie verdeutlicht den Anspruch und das ideologische Programm, mit dem Hierl und seine Organisation bei ihren Einsätzen antraten, woran sie sich im Nationalsozialismus messen lassen wollten und im Folgenden auch gemessen werden sollen. Eine Weiterentwicklung der Arbeitsformen war die Verlagerung auf Großprojekte ab 1935. Als ein besonders markantes Beispiel wird der Einsatz bei Bodenverbesserungen in den emsländischen Mooren untersucht. Die Erntehilfe, die sich qualitativ von den anderen Einsatzformen des Dienstes unterschied, wird im nächsten Unterkapitel analysiert. Schließlich wird ein weiteres Großprojekt erörtert: Die Bauarbeiten am Westwall ab 1938. Hiervon ausgehend folgt ein kurzer Uberblick auf die Einsätze während des Zweiten Weltkrieges.

1. Arbeitsplanung und Arbeitsfelder des deutschen Arbeitsdienstes

1.1. Kampf u m die »Brotfreiheit«: Die Projekttypen »Gefördert werden dürfen nur gemeinnützige zusätzliche Arbeiten, die ohne die Förderung auch nicht im Weg der Notstandsarbeiten bereitgestellt werden können, insbesondere Bodenverbesserungen, Herrichtungen von Siedlungs- und Kleingartenland, örtliche Verkehrsverbesserungen und Arbeiten, die der Hebung der Volksgesundheit dienen.«2

Mit diesen lapidaren Worten umriss die Notverordnung von 6. Juni 1931 den Charakter der Arbeiten, die der FAD übernehmen konnte. Eine weitere Verordnung führte einige Wochen später aus, dass die Erfüllung der Kriterien durch die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, beziehungsweise den dieser nachgeordneten Landesarbeitsämtern, festzustellen sei.3 Wenig später präzisierte der Präsident der Reichsanstalt die Vorgaben. Er führte aus, dass die Arbeitsleistung ernsthaft sein müsse, wenngleich er keine tägliche Arbeitsdauer festlegte. Ferner bestimmte er, dass der Begriff der Ge2 RGBl. 1931,1, S. 295. 3 Vgl. ebd. 1931,1, S. 398.

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meinnützigkeit »nicht engherzig« auszulegen sei - demnach sollten auch Arbeiten gefördert werden, von denen ein eingeschränkter Personenkreis, wie zum Beispiel Verbände oder Genossenschaften, und nicht die Allgemeinheit profitierte. Lediglich solche Projekte blieben ausgeschlossen, die nur Einzelpersonen oder einem Privatinteresse dienten. Auch das Kriterium der Zusätzlichkeit wurde weit definiert. Einerseits sollte der FAD keine Arbeiten unternehmen, die auch in einem freien Arbeitsverhältnis durchgeführt werden konnten. Da die Projekte andererseits sinnvoll sein sollten, musste als Nachweis der Zusätzlichkeit nur gezeigt werden, dass die Arbeit »ohne Förderung entweder überhaupt nicht oder nicht zu dieser Zeit oder in dem geplanten Umfange durchgeführt werden könnte«. Eine letzte Bedingung für die sinnvollen, ernsthaft betriebenen, gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeiten war das Prinzip der »Subsidiarität«: Wo immer möglich sollten Projekte als Notstandsarbeiten ausgeführt werden; nur wenn dies nicht in Frage kam, kam der FAD zum Zuge. 4 Das formale Regelwerk blieb vergleichsweise vage, und das musste es auch sein, da es sich tendenziell ausschloss, dass eine Arbeit zugleich sinnvoll und zusätzlich war. Statt überdetaillierten juristischen Vorgaben wurde die Auswahl der Projekte weitgehend in das Ermessen der erfahrenen Beamten der Landesarbeitsämter gelegt; schließlich hatten sie jedes einzelne Vorhaben zu prüfen. Aus dem Kreis der Arbeiten wurden im Juli 1931 manche hervorgehoben, denn die Landesarbeitsämter konnten bestimmte Projekte für »volkswirtschaftlich wertvoll« erklären. Bei solchen Vorhaben waren Vergünstigungen möglich, da hier die Freiwilligen nach einer Mindesteinsatzdauer von zwölf Wochen in den Genuss der Siedlungsgutschrift kommen konnten, von der bereits berichtet wurde. Der Dienstträger hatte zudem den Vorteil, dass dieser Projekttyp über die normalen zwanzig Wochen auf maximal die doppelte Zeit verlängert werden konnte. 5 »Volkswirtschaftlich wertvoll« waren Arbeiten, die der Allgemeinheit und nicht nur einem eingeschränkten Personenkreis dienten, vor allem die Bodenverbesserungen. Arbeiten zur »Hebung der Volksgesundheit«, wie der Bau von Sportanlagen, Freibädern oder Jugendherbergen, erfüllten diese Kriterien dagegen nie. Somit schuf das Reich indirekte Anreize, vor allem »volkswirtschaftlich wertvolle« Projekte zu unternehmen. Dass die Träger vergleichsweise großen Spielraum bei der Auswahl der Projekte hatten, zeigen die quantitativen Veränderungen am Ubergang von der Weimarer Republik zum NS-Regime. Ende Februar 1932 entfiel mit 43 % der Löwenanteil auf Projekte zur Hebung der »Volksgesundheit« - was sich vor allem daraus erklärt, dass solche Arbeiten zumeist kleiner waren als die anderen Projekttypen und weniger technische und organisatorische Schwierigkeiten 4 RABI. 1931,1, S. 180; vgl. allgemein Köhler, Arbeitsdienst, S. 93f; Pieper, S. 146-149. 5 Vgl. RGBl. 1931,1, S. 401.

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mit sich brachten. Häufig war bei solchen Vorhaben der Träger der Arbeit eine Organisation, die unmittelbar von deren Ergebnissen profitierte, zum Beispiel ein Turnverband, der sich eine Sportanlage schuf. Arbeiten, die dagegen volkswirtschaftlich wertvoll waren, wurden meist von öffentlich-rechtlichen Körperschaften übernommen. Das war zum Beispiel bei Bodenverbesserungsarbeiten der Fall. Der Anteil dieser aufwendigen Projekte lag Ende Februar 1932 nur bei 18,6 %.6 Allerdings steckte die Organisation damals noch in den Kinderschuhen. 7 Mit dem Anstieg der Freiwilligenzahl 1932 verschob sich auch die Zusammensetzung der verschiedenen Projekttypen zugunsten der »volkswirtschaftlich Wertvollen«. Ende Dezember 1932 waren nur noch knapp 11 % der Freiwilligen bei Maßnahmen zur »Hebung der Volksgesundheit beschäftigt«, lediglich einen Monat später, am 31. Januar 1933, sogar nur noch 6 %.8 Wie in allen anderen Bereichen des FAD, betonten die Nationalsozialisten auch bei den Arbeitsprojekten die Unterschiede zwischen ihrer Haltung und der Praxis des Weimarer Arbeitsdienstes. Hatte Hierl noch 1930 auch für den Einsatz des Dienstes bei qualifizierten Arbeiten plädiert, wollte er seit 1932 die Einrichtung bei solchen nicht mehr verwendet wissen, sondern nur noch bei »volkswirtschaftlich wertvollen«, aber unqualifizierten Tätigkeiten. 9 Diese Prioritäten schlugen sich tatsächlich in den Arbeiten nieder, die der Dienst am Anfang des »Dritten Reiches« verfolgte. So waren Ende September 1933 bereits 45,1 % der jungen Männer bei Bodenverbesserungen, 19,7 % bei Verkehrsverbesserungen, 9,7 % bei Forstarbeiten, 6,2 % bei Stadtrandsiedlungen und bei der Bauernsiedlung nur 1,8 % eingesetzt. Die sogenannten volkswirtschaftlich wertvollen Arbeiten machten zusammen über 80 % aller Tätigkeiten aus.10 Knapp zwei Jahre später, im Juli 1935, war nach gewissen Schwankungen der Anteil der Bodenverbesserungen weiter auf 56,8 % gestiegen; der Anteil der volkswirtschaftlich wertvollen Arbeit hatte damit knapp 90 % erreicht.11 Wenn man die Einsatzformen einander direkt gegenüberstellt, zeigen sich am Ubergang zum NS-Regime Verschiebungen im Vergleich zu den in Weimar verfolgten Arbeitsfeldern. Fragt man jedoch auf der Ebene von Prozessen, so setzten die Nationalsozialisten lediglich Tendenzen weiter durch, die schon die Vorgaben des Reichskommissars Syrup seit 1931 angestoßen hatten. Diese Ähnlichkeiten versuchte Hierl - wie auch bei anderen Fragen - stets zu verdecken, und er betonte den Bruch mit dem »Weimarer System«.12 Unterschiedlich 6 Vgl. Funcke, Freiwilliger Arbeitsdienst, S. 126f. 7 Vgl. RABI. 1932, II, S. 128. 8 Vgl. ebd. 1933, II, Beilage 4, S. 12; Beilage 7, S. 12; Syrup, S. 381-390. 9 Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 14-16 (1930); ebd., S. 84 (1932). 10 Vgl. BA/B, R 72/325, RL-AD, Statistik, 12.10.1933. Diese Zahlen sind insofern nicht ganz zuverlässig, da in geringem U m f a n g weibliche Freiwillige eingerechnet waren. 11 Vgl. BA/B, R 2301/5638, Statistik AD, Juli 1935; vgl. ferner Humann, S. 80f. 12 Vgl. z.B. Grote/Erb, S. 63; Stellrecht, Der deutsche Arbeitsdienst, S. 74.

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war allerdings der ideologische Hintergrund: Denn anders als die Politik der Präsidialkabinette, die zwar zeitweise ebenfalls für den Siedlungsgedanken eingetreten war, betteten die Nationalsozialisten die Einrichtung konsequent in ein völkisch-rassistisches Konzept von »Blut und Boden« ein. 13 Während Hierl zum Beispiel bei der Gestaltung der Standorte alles daran setzte, nur noch geschlossene, möglichst gleich große und abgelegene Lager einzurichten, hatte er es bei der Umstrukturierung der Arbeitsmaßnahmen offensichtlich weniger eilig. Wenn bei der Machtübertragung ungefähr 70 % und fast zwei Jahre später, im Juli 1 9 3 5 , 9 0 % der Arbeiten »volkswirtschaftlich wertvoll« waren, so stellte dies eine langsamere und vorsichtigere Reorientierung dar als die Veränderung der Lagerform auf den »geschlossenen« Typ und als die Gleichschaltung der Dienstträger. Quantitativ vergleichend lässt sich daran nachvollziehen, dass der NS-Diktatur am Arbeitsdienst vor allem aus erzieherischen Gründen gelegen war. Im Folgenden sollen die Einsatzformen aber weniger quantitativ als qualitativ verfolgt werden. Eine quantitative Herangehensweise ist problematisch, da ab 1934 die glaubwürdigen Quellen zum Umfang der Projekttypen sehr spärlich werden. Archivalische Dokumente sind nur in unzureichender Zahl überliefert, ferner sind die Bemessungsgrundlagen nicht immer identisch, so dass sich kein klares Gesamtbild ergibt. 14 Die veröffentlichten Quellen wiederum sind unzuverlässig. Das zeigt sich zum Beispiel an den offensichtlich unvollständigen Auflistungen während des Krieges, als manche Einsatzformen grundsätzlich nicht erwähnt wurden. 15 Darauf haben die bisherigen Studien zum NS-Arbeitsdienst nicht aufmerksam gemacht, sondern zumeist einfach die offiziellen Angaben reproduziert. 16 Das veröffentlichte Material lässt zwar gesicherte Schlüsse zu über das Bild, das der Arbeitsdienst von sich in der Öffentlichkeit vermitteln wollte, ansonsten taugt es nur zu Tendenzaussagen. Zudem ist die qualitative Untersuchung, die hier unternommen werden soll, aussagekräftiger als eine rein quantitative, da sie Einblicke in die Konflikte und Kooperationen des Dienstes mit anderen NS-Institutionen gibt und somit seinen Ort im Machtgefüge des Regimes ausleuchtet. Deswegen werden zuerst 13 Vgl. Syrup, S. 385; zu Stegerwaids Plänen Köhler, Arbeitsdienst, S. 1 0 4 - 1 1 3 , 1 9 2 - 2 0 9 ; ders., Arbeitsbeschaffung, S. 276-307. 14 Aufgrund der Quellenlage lässt sich z.B. nicht systematisch die ökonomische Effizienz der Einsätze mit anderen, an ähnlichen Projekten beschäftigten Organisationen vergleichen. Außerdem gab es »die« Effizienz des Dienstes grundsätzlich nicht: In den verschiedenen Jahren unterschied sich die tägliche Arbeitszeit, ferner war der Dienst bei den unterschiedlichen Projekttypen verschieden leistungsfähig; letztlich hing die Qualität und der Umfang der Arbeit sogar von lokalen Faktoren, wie dem Krankenstand, dem Wetter und nicht zuletzt der konkreten Einsatzleitung ab; makroökonomische Faktoren wie Preisschwankungen u.ä. kommen hinzu. 15 Vgl. z.B. Kampmann, Deutschland, S. 15-17, wo die Arbeiten im Festungsbau seit 1938 nicht erwähnt werden. 16 Vgl. jüngst Seifert, Kulturarbeit, S. 153-159; der lediglich bei den Großeinsätzen misstrauisch ist, die Arbeitsleistungen dennoch nach den offiziellen Angaben reproduziert.

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die Prioritäten bei der Projektvergabe erörtert, die der Arbeitsdienst in den ersten Jahren aufstellte, um dann auf den Charakter der einzelnen Arbeitstypen einzugehen. Der Reichskommissar für den Arbeitsdienst legte bereits im April 1933 fest, dass alle laufenden Maßnahmen - außer denen des nationalsozialistischen Dienstträgers und des Stahlhelm - nur noch fortgeführt werden durften, wenn sie »volkswirtschaftlich wertvoll« waren oder durch die Aufhebung des Projektes größere Kosten entstünden. 17 Seine Prioritäten präzisierte er in einem Erlass vom Juni 1933: »Die Arbeitsvorhaben des Arbeitsdienstes sollen der Verbreiterung der Ernährungsgrundlage des deutschen Volkes und zugleich der U m schichtung der Bevölkerung und der Erziehung zur Bodenständigkeit dienen. Deshalb sind in erster Linie Landeskulturarbeiten, das heißt Bodenverbesserungen aller Art einschließlich Flussregulierungen, Hochwasserschutz nebst den zugehörigen Wegebau- und Forstarbeiten im Arbeitsdienst zu fördern.«18 Da zudem die Auswahl der Projekte den Präsidenten der Landesarbeitsämtern oblag, diese ihre Kompetenz im März 1933 jedoch an die neu besetzten Bezirksleitungen und bald darauf an die Arbeitsgauleitungen abgeben mussten, hatte das Regime bald die Möglichkeit, nur noch die ihm genehmen Projekte zu fordern und gleichzeitig weniger sinnvolle Projekte weiterzuführen, wenn sie vom eigenen Dienstträger unternommen wurden. 19 Im Juli 1934 ordnete die Reichsleitung des Dienstes den Arbeitseinsatz grundsätzlich. Die Erweiterung des Kulturlandes und die Siedlungsvorbereitung blieben die wichtigsten Aufgaben des Dienstes, da sich bei ihnen die Ziele des Arbeitsdienstes besonders gut verwirklichen ließen: »die wirtschaftlichen, weil diese Arbeiten sowohl in wirksamster Weise die Unabhängigkeit unserer Volkswirtschaft, besonders in der Ernährung, erhöhen [...]; die erzieherischen, weil sie unsere Jugend durch gesunde Arbeit, die ihren Kräften angepaßt werden kann, zur Bodenverbundenheit zurückführen.« N u n wurden die Tätigkeiten des Dienstes außerdem detailliert aufgelistet. Die »Hauptaufgaben« waren demnach: 1. Landeskulturarbeiten; 2. Forstarbeiten; 3. Bauernsiedlungsarbeiten; 4. Stadtsiedlungsarbeiten; 5. Wegebauarbeiten. Z u diesen traten ferner als »Nebenaufgaben«: 6. Hilfsarbeiten für den Bau der Reichsautobahnen; 7. Anlage von Flugplätzen; 8. Bau von Thingplätzen; 9. Neuanlage von Feuerlöschteichen und Unterständen für den Luftschutz; 10. Katastrophenschutz und 11. Erntehilfe. 20 In den »Richtlinien« wurde somit die Bedeutung eines Projekttyps nicht nur mit einem ökonomischen Argument, sondern auch mit dem erzieherischen 17 18 19 20

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RABI. 1933,1,124. BA/B, R 2301/5648, RL-AD an Bezirksleitungen, 8.6.1933. Vgl. ebd., RL-AD an AGL, 17.10.1933. Bayr. HStA, ML/3448, RL-AD, Regelung des Arbeitseinsatzes, 4.7.1934.

Motiv begründet, dass es für die »Bodenverbundenheit« der Arbeitsmänner zu sorgen hätte. Tatsächlich waren es noch weitere erzieherische Bedürfnisse, die zu dieser Prioritätenliste führten. Denn um dem nationalsozialistischen Ideal der »totalen Lagererfahrung« zu entsprechen, mussten die Arbeiten die Verwendung größerer Gruppen bei der prinzipiell gleichen, leicht erlernbaren Arbeit zulassen. Zudem hatte der Einsatzbedarf für das jeweilige Projekt hoch zu sein, damit sich mittelfristig die Einrichtung mindestens eines Arbeitslagers und der geschlossene Einsatz einer Abteilung lohnten. Zugleich sollte man die Arbeiten in die Länge ziehen können. Angesichts der Erziehung war die Baustellenzeit relativ kurz, weswegen Tätigkeiten ungünstig waren, die in kürzester Zeit unter Hochdruck erledigt werden mussten. Die Bedeutung dieser arbeitspragmatischen Kriterien hatte bereits Syrup 1932 betont. Da der Dienst damals auf eine trägerabhängige, flexible, kleinteilige und eher kurzfristig Arbeitsplanung gesetzt hatte, konnten sich diese Trends vor 1933 aber erst ansatzweise abzeichnen. 21 Insgesamt bauten die Nationalsozialisten auch in diesem Fall lediglich eine bereits zuvor verfolgte Politik aus, für die zu einem guten Teil praktische Gründe sprachen. Da nach 1933 der erzieherische Aspekt enorm an Bedeutung gewann, war es nur konsequent, dass noch in dem Jahr alle damit unvereinbaren Einsatztypen verboten wurden. 22 »Hacke und Schaufel« waren die hauptsächlich vom Arbeitsdienst verwandten Werkzeuge. Hierls Organisation setzte kaum Maschinen ein, sondern erledigte ihre Projekte in arbeitsintensiver Handarbeit. Neben einfachem Werkzeug mussten sich die Jugendlichen vor allem auf ihre Muskeln verlassen. Selbst wenn sie Baumaterialien oder Erde in Loren auf Eisenbahnschienen transportierten, wurden zum Antrieb meistens keine Lokomotiven eingesetzt, sondern die jungen Männer schoben die einzelnen Wagen. Bagger, Lastwagen und andere moderne Arbeitsmittel standen dem Dienst ebenfalls nur selten zur Verfugung. Daran sollte sich bis 1938 nichts Wesentliches ändern. 23 Die arbeitsintensive Einsatzform lässt sich auf drei Gründe zurückführen. Erstens war sie pädagogisch motiviert. So kamen sich die jungen Männer besonders nahe; die »Arbeitsgemeinschaft« war Vorstufe der »Volksgemeinschaft«. Der unmittelbare Kontakt mit dem »deutschen Boden« sollte die Jugendlichen zudem in der »Heimaterde« verwurzeln und sie für ein Leben im ländlichen Raum motivieren. Diese Idee resultierte aus einer Technikfeindschaft, welche Teile des Nationalsozialismus prägten. Daneben hätten Bagger und ähnliche Geräte speziell geschultes Personal erfordert, was wiederum dem Ideal des gleichen Einsatzes aller widersprach. Schließlich korrespondierte die harte körperliche Arbeit mit dem Männlichkeitsideal des Dienstes. Zweitens hatte es finanzielle Gründe, dass keine Maschinen angeschafft wurden. Das 21 Vgl. Syrup, S. 386. 22 Vgl. BA/B, R 2301/5648, RK-FAD an Bezirksführer, 3.5.1933. 23 Vgl. auch noch BA/B, R 2301/5651, v.a. RAF an AGF, 1.7.1939.

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dafür notwendige Geld war nicht vorhanden, zumal Hierl ohnehin während des ganzen NS-Regimes erbittert um jeden Pfennig kämpfen musste. Noch wichtiger waren drittens arbeitsmarktpolitische Argumente. Der Arbeitsdienst hatte in den ersten Jahren ökonomisch die Hauptaufgabe, Arbeitslose zu beschäftigen. Dabei ging es nicht um Effektivität und Effizienz, sondern darum, die jungen Männer irgendeiner Tätigkeit zuzuführen, um so - teils scheinbar, teils tatsächlich - das Problem der Massenarbeitslosigkeit zu überwinden. Der Arbeitsdienst setzte nach 1933 nicht auf eine material- und kapitalintensive Ausrichtung des Programms, die in höherem Maße sekundäre Beschäftigungseffekte zur Folge gehabt hätte. Vielmehr ging es darum, mit möglichst geringem Aufwand eine maximale Zahl von Arbeitslosen von der Straße zu holen. Diese Einsatzform war aber kein besonderes Merkmal des Arbeitsdienstes, sondern ein allgemeines Charakteristikum der unmittelbaren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des Regimes - Notstandsarbeiten, Landhilfe oder etwa Landdienst gingen den grundsätzlich gleichen Tätigkeiten nach. Für all diese Projekte galt wie für den Arbeitsdienst, dass auf technische Großgeräte wann immer möglich verzichtet wurde. Insofern entsprachen die Formen, in denen der Arbeitsdienst verwandt wurden, ganz den Vorschlägen, die Reichsarbeitsminister Seid te im April 1933 zur Reorganisation der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unter Einschluss des Arbeitsdienstes gemacht hatte und die danach umgesetzt wurden. 24 Die Arbeitsform kam jedoch in besonderem Maße den erzieherischen Notwendigkeiten des Arbeitsdienstes entgegen, die ihn von reinen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unterschied. Diese Ausrichtung schloss eine Produktivitätserhöhung durch Rationalisierung und Maschineneinsatz und damit eine Modernisierung in diesen Sektoren aus. 1933 und 1934 stellte das vor dem Hintergrund der Massenarbeitslosigkeit kein Problem dar. In späteren Jahren aber sollten sich daraus für Hierls Organisation ernsthafte Probleme ergeben, wie noch zu zeigen sein wird. Jedoch war der arbeitsintensive Einsatz wiederum keine Neuerung nach 1933. Der Weimarer FAD war aus finanzpolitischen, arbeitsmarktpolitischen, nachrangig auch erzieherischen Gründen - das heißt der grundsätzlich gleichen Motivation - auf dieselbe Art eingesetzt worden. 25 Im Folgenden sollen die Projekttypen, die der Dienst verfolgte, einzeln beleuchtet werden. Die Landeskulturarbeiten wurden allen genannten Anforderungen besonders gut gerecht. Deswegen war es durchaus sinnvoll, dass sie wie schon seit 1932 - während der nationalsozialistischen Herrschaft die erste »Hauptaufgabe« des Dienstes darstellten. Sie standen nicht nur im Zentrum der Tätigkeiten des Arbeitsdienstes, sondern auch der Notstandsarbeiten und an-

24 Vgl. BA/B, R 1501/25384, Seldte an Lammers, 27.4.1933; zur Differenzierung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Marcon. 25 Vgl. Wendt, Deutschland, S. 170-186; Stelzner, S. 53-113.

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derer Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Bei den Landeskulturarbeiten handelte es sich um ein vielseitiges Arbeitsgebiet. Zumeist wurde der Begriff synonym mit Bodenverbesserung und mit Melioration gebraucht. Im engeren Sinne umfassten die Bodenverbesserungen sowohl die Be- als auch die Entwässerung von Kulturland. Die verstärkte Wasserversorgung einer Fläche als auch die Dränung dienen dem Ziel, den Boden für die landwirtschaftliche Nutzung zu optimieren. Bei Wiesen zum Beispiel hemmt stauende Nässe das Wachstum ökonomisch wertvoller Kulturgräser. In diesen und ähnlich gelagerten Fällen, bei denen eine Uberversorgung mit Wasser vorliegt, muss der Grundwasserspiegel durch den Bau von offenen Gräben und Dränungen - das heißt unterirdisch verlegten Abzugsrohren - gesenkt werden. Dafür ist eine Vorflutregelung notwendig, um das Wasser von dem Gelände in Bäche und Flüsse abzuleiten. Besonders große und aufwendige Projekte in diesem Bereich gab es in den Mooren. Diese Arbeiten wie auch ihr Gegenstück, die Bewässerungen, bei denen über ein Grabensystem den agrarischen Flächen Wasser zugeführt wird, dienen letztlich der Ertragssteigerung - in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Das Ziel der Ertragssteigerung stellt die weitere Definition des Begriffs Bodenverbesserung dar; darunter fallen neben der Verbesserung der Wasserversorgung die Urbarmachung von Ödland, Eindeichungen, Einebnungen, Hochwasserschutz und die Flurbereinigung. 26 All diese Arbeiten nahm der Arbeitsdienst ebenfalls vor. Die Landeskulturarbeiten erfüllten alle Kriterien des Arbeitsdienstes. Nicht nur den erzieherischen wurden sie gerecht, sondern sie ließen sich auch arbeitsintensiv durchführen, was den fiskalischen und arbeitsmarktpolitischen Vorgaben entsprach. So hatte 1933 Stellrecht ausgeführt, dass damals etwa 500 Firmen mit insgesamt ca. 40.000 Beschäftigen mit Bodenverbesserungen beschäftigt seien. Dabei gebe es in diesem Bereich einen Arbeitsbedarf der es mühelos erlaube, eine Millionen Personen über zehn Jahre zu beschäftigen. 27 Angesichts der immensen Aufgaben stelle der Arbeitsdienst deswegen keine Konkurrenz zur freien Wirtschaft dar, zumal viele der privat Beschäftigten als Vorarbeiter für den Arbeitsdienst gebraucht würden. 28 Grundsätzlich galten alle Kriterien, welche die Landeskulturarbeiten prägten, auch für die Forstarbeiten. So wurden Aufforstungen zum Hochwasserschutz vorgenommen, aber auch allgemein zur Erweiterung und Verbesserung der Holzwirtschaft. Waldblößen, Schadensgebiete, minderwertiges Acker- und Ödland forstete der Dienst auf, ferner nahm er Waldarbeiten wie das Ausasten von Bäumen vor, um die Qualität des Holzes zu steigern.29

26 27 28 29

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Stellrecht, D e r deutsche Arbeitsdienst, S. 42-62; Bohte, S. 11-53. Stellrecht, D e r deutsche Arbeitsdienst, S. 74. ebd., S. 40f. Bistram 1934, S. 58.

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Eng verbunden mit den Landeskultur- und den Forstarbeiten war der Wegebau. Bei unerschlossenem Gelände war er die Bedingung, um weitere Arbeiten durchzuführen. Wege und kleine Straßen trugen außerdem dazu bei, dass ein Gebiet künftig besser agrarisch genutzt werden konnte. Solche Infrastrukturmaßnahmen spielten vor allem im Norden und Nordosten Deutschlands eine größere Rolle, während der Dienst im Süden des Reiches häufig bei Flurbereinigungen eingesetzt wurde. 30 Im wahrsten Sinne des Wortes exotisch muten dagegen Experimente an, in Deutschland Yuccapalmen zu pflanzen - all diese Versuche dienten dem Ziel, Deutschland vom Import agrarischer Produkte unabhängig zu machen. 31 Nahe verwandt mit allen bisher genannten Einsatzmöglichkeiten waren die Arbeiten, die der Dienst im Rahmen der ländlichen und städtischen Siedlung vornahm. Im ländlichen Raum hob er Gruben aus, baute Wege und übernahm allgemein Erdarbeiten. Weiter hatte er die Aufgabe, die für Neubauern notwendigen agrarischen Flächen vorzubereiten. Analog sollte Hierls Organisation an den Rändern der Städte die Möglichkeit fur die Bevölkerung schaffen, einen Teil ihrer Lebensmittel selbst herzustellen. Die Anlagen sollten nicht nur ihren Beitrag leisten, um Deutschlands Selbstversorgung mit landwirtschaftlichen Gütern zu sichern, sondern sie dienten auch der »Auflockerung der Großstädte bei den drohenden Luftangriffen eines Zukunftkrieges.« 32 Das zeigt einmal mehr die wehrpolitische Dimension, die allen Planungen auch zugrunde lag. Zugleich ist damit erneut die erzieherische Komponente des Dienstes angesprochen, der unter völkisch-rassistischen Vorzeichen die »Bodenverbundenheit« und den »Siedlungswillen« der Arbeitsmänner stärken sollte.33 Die Stadtrandsiedlung verlor für den Dienst jedoch zunehmend an Bedeutung angeblich fehlte dem Dienst in diesem Bereich ein Kooperationspartner, wie er für die ländliche Siedlung im Reichsnährstand zur Verfügung stand. 34 Wie bereits im Kapitel zur Lagerorganisation dargestellt, war tatsächlich aber ein anderer Faktor ausschlaggebend. 1934 einigte sich Hierl mit dem Präsidenten der Reichsanstalt darauf, dass in der Nähe größerer Ballungszentren der Arbeitsdienst nicht mehr zum Einsatz kommen sollte, da dort Notstandsarbeiter in ausreichender Zahl zur Verfügung standen. Daraus erklärt sich, warum dieser Bereich Mitte 1935 nur noch 4 % ausmachte. Ab 1936 spielte das Siedlungswesen insgesamt nur noch eine geringe Rolle, da es den Prioritäten des Vierjahresplanes und der »Erzeugungsschlacht« untergeordnet wurde. Bedenkt man, dass die Siedlung neben dem »Kampf um die Nährfreiheit« allgemein das offizielle Hauptziel des Arbeitsdienstes war, überrascht diese Entwicklung. Sie 30 31 32 33 34

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Vgl. ebd. Vgl. Puttkamer, S. 40. Stellrecht, D e r deutsche Arbeitsdienst, S. 64, allgemein 62-65. Vgl. z.B. Doleschal, S. 307-332. Vgl. Tholens, Arbeitsdienst, S. 717-720.

zeigt, dass die Agrarromantiker unter den NS-Entscheidungsträgern an Einfluss verloren, je mehr die Kriegsvorbereitung an Bedeutung gewann. 35 Außerdem wurde der Dienst im nationalsozialistischen Deutschland immer wieder bei Aufgaben eingesetzt, die eigentlich ins Ressort der Feuerwehr, der Technischen Nothilfe und ähnlicher Organisationen fielen: dem Katastrophenschutz. Diese Verwendungsform ging auf einen Vorschlag des Anhaltischen Staatsministeriums vom August 1933 zurück. 36 In Notfällen waren dem Dienst zwar seine Spaten und Hacken eine wichtige Hilfe, zusätzlich wurde aber weiteres Werkzeug und Großgerät angeschafft. So gab es eigens Katastrophenschutzwagen, und noch 1936 sah der Haushalt des Arbeitsdienstes immerhin zwei Millionen Reichsmark für die Anschaffung von Spezialgerät für diese Einsätze vor.37 Bei Bränden und Überschwemmungen, Deich- und Windbrüchen, größeren Unfällen sowie anderen Katastrophen wurden die Männer künftig angefordert. Zu Großeinsätzen kam es besonders im folgenden Jahr in den Schneeund Windbruchgebieten Westdeutschlands, wo sich monatelang 12.000 Arbeitsmänner an Aufräumarbeiten beteiligten.38 Es war aber die direkte Hilfe in den ländlichen Gemeinden, in deren Nähe die Abteilungen zumeist stationiert waren, welche das Ansehen des Arbeitsdienstes bei der Bevölkerung, vor allem den Katastrophenopfern, besonders steigerte. Hier retteten die Arbeitsmänner oft Leben und Besitz. Es handelte sich somit um eine Einsatzform, die eine sehr viel unmittelbarere Art der Unterstützung der ländlichen Bevölkerung darstellte als die Bodenverbesserungen und sich dementsprechend für eine propagandistische Verarbeitung auch hervorragend eignete - und selbstverständlich entsprechend genutzt wurde. 39 Legitimiert wurde die Einsatzform damit, dass es zwar das primäre Ziel des Dienstes sei, »dem deutschen Volksvermögen neue Werte zu schaffen«, zugleich sei es jedoch »ebenso wichtig, die kostbaren Güter des gesamten deutschen Volkes zu wahren und zu erhalten«. Eigenen Angaben zufolge verhütete der Arbeitsdienst durch seine Katastropheneinsätze allein im Rechnungsjahr 1934/35 Schaden in Höhe von über sieben Millionen Reichsmark. 40 Eine ähnliche Argumentation findet man bei der Rechtfertigung der Ernteeinsätze; aufgrund ihrer Bedeutung werden sie in einem späteren Kapitel eigens beurteilt.

35 Vgl. Bohle, S. 47. 36 Vgl. BA/B, R 2301/5645, v.a. Anhaltisches Staatsministerium an RL-AD, 3.8.1933; Müller, Arbeitsdienst, S. 447-450. 37 Vgl. BA/B, R 2301/5707, Richtlinien, 9.8.1938; BA/B, R 2/4542, RAF an Körner, 12.11.1936. 38 Vgl. BA/B, R 2301/5662, RAF an AGF XXb u.a., 28.5.1935; Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 366f, 375f (1936). 3 9 Vgl. z.B. VB 22.8.1934. 40 Dt. A D 5 (1935), S. 951f; Zitat S. 952.

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Aber auch andere Arbeitsformen dienten nicht der Herstellung der Autarkie und der Siedlung. In geringem Umfang war der Arbeitsdienst an Projekten von kulturpolitischer Bedeutung beteiligt. Dabei handelte es sich um geologische und archäologische Grabungen, die in der Aufstellung von 1934 nicht aufgeführt wurden. All diese Projekte machten zu keinem Zeitpunkt einen wesentlichen Anteil am Gesamtvolumen der Arbeiten aus. Bereits vor 1933 hatte der FAD bei solchen Aufgaben geholfen. 41 Im »Dritten Reich« wurden sie aber besonders verherrlicht. Z u m einen sei so der Wissenschaft gedient.42 Vor allem aber würde den jungen Männern »Heimatkunde und deutsche Geschichte anschaulich und eindringlich« vermittelt. Konkret half der Arbeitsdienst zum Beispiel bei den Grabungen an der Ritterburg Göltzsch in Sachsen.43 An einem geologischen Projekt war er etwa auf einem Kalkplateau aus der Tertiärzeit in Rheinhessen beteiligt.44 Die erzieherische Wirkung, die diesen Arbeiten unterstellt wurde, ordnet sich somit in die Traditionsstiftung und Legitimation des Dienstes ein, wie sie sich zum Beispiel auch an den Lagernamen oder den Bastelarbeiten ablesen lässt. Ebenfalls im kulturpolitischen Bereich angesiedelt, aber um einiges wichtiger, war der Bau von Thingstätten in den ersten Jahren des Regimes. Ende 1933 bat das Reichspropagandaministerium Hierl, seine Organisation für die Errichtung von zunächst 20 der Freilichtarenen einzusetzen. Hierl einigte sich wenig später mit Goebbels darauf, dass der Arbeitsdienst in Absprache mit dem Propagandaministerium die Thingplätze bauen sollte. Hintergrund war der Versuch, eine NS-gemäße Form des Volksschauspiels und dafür geeignete Aufführungsorte zu schaffen. Nicht nur wenige Schauspieler, sondern große Gruppen - etwa die nationalsozialistischen Massenorganisationen - sollten hier auftreten, um in einer Mischung aus politischer Kundgebung und überdimensionalem Volkstheater unter sakralen Vorzeichen die »Volksgemeinschaft« zu feiern - und somit diese herzustellen. Offiziell gefordert und organisatorisch getragen wurde die Thingbewegung neben dem Propagandaministerium vom Reichsbund der deutschen Freilicht- und Volksschauspiele.45 Diese Art von Tätigkeit diente zwar, ganz wie die archäologischen Grabungen, nicht der Gewinnung der »Brotfreiheit« oder der Siedlung. Der Reichsarbeitsführer rechtfertigte die Einsatzform jedoch damit, dass beim Bau der Thingstätten »eindrucksvoll die große Vergangenheit unserer Geschichte mit der Gegenwart« verknüpft werde, was der erzieherischen Aufgabe des Dienstes entspreche. 46 In diesen Kontext ließ sich die Anlage der Freiluftarenen tatsäch41 42 43 44 45 46

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Vgl. BA/B, R 2301/5648, v.a. RL-AD an Berufsvereinigung der Prähistoriker, 19.5.1933. Vgl. Faaz, S. 31. Laasch, S. 89; vgl. z.B. auch: Dt. A D 3 (1933), S. 276. Vgl. Faaz, S. 31. Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 154, 418. BA/B, R 2301/5648, RL-AD an AGL, 27.3.1934.

lieh gut einpassen. Denn bei den Projekten versinnbildlichte der Arbeitsdienst dem Anspruch nach nicht nur über seine Lagergemeinschaften, sondern auch über seine Arbeit in besonderem Maße eine kulturelle und völkische Erneuerung Deutschlands. Demnach schuf der Arbeitsdienst, seinerseits Vorbild und Verwirklichung der »Volksgemeinschaft« im Kleinen, die Bedingungen für deren Umsetzung im Großen. Von der ideologischen Wirkung, die in der Berichterstattung über den Thingstättenbau stets betont wurde, profitierten Arbeitsdienst und Thingspielbewegung gleichermaßen. Z u d e m konnte der Dienst über seine Beteiligung an den kulturpolitischen Projekten, denen internationale Aufmerksamkeit gewiss war, in den Anfangsjahren des Regimes einmal mehr seinen angeblich friedfertigen Charakter betonen. Nach der grundsätzlichen Einigung zum Thingbau vom Jahresende 1933 folgten zunächst aber keine praktischen Schritte. Erst im Frühjahr 1934 liefen die Planungen an. Mitte April legte Hierl fest, dass maximal zwei derartige Stätten pro Arbeitsgau errichtet werden sollten. Demnach nahm der Arbeitsdienst wesentlichen Einfluss auf die Auswahl der Standorte. 47 Wie Rainer Stommer gezeigt hat, wurde beim Bau der Thingstätten die mit dem Arbeitsdienst verbundene Volksgemeinschafts-Ideologie besonders sorgfältig inszeniert. 48 Dazu eigneten sich der jeweilige feierliche erste Spatenstich, die Eröffnungen, aber auch die Thingspiele selbst. Die Bemühungen des Dienstes, auf die Spielkonzeption und Aufführungspraxis Einfluss zu nehmen, blieben zwar vergleichsweise erfolglos, aber im Gegensatz zu dem geringen Stellenwert, den die Arbeiten in diesem Bereich einnahmen, hatte Hierls Organisation bei den Festveranstaltungen eine exponierte Rolle. Ein besonders eklatantes Beispiel stellte der erste Spatenstich für den Thingplatz Halle-Brandberge im Februar 1934 dar. Z u dem feierlichen Anlass ließ Hierl 3.000 Arbeitsmänner aufmarschieren und einen Sprechchor aufführen - während auf der Baustelle danach lediglich 160 Freiwillige arbeiteten. Da viele der Anlagen, die ursprünglich für ungefährj e 1.000 Besucher konzipiert worden waren, nach überarbeiteten Planungen von 1934 das Zehn- bis Zwanzigfache fassen sollten, stieß das Leistungsvermögen des Dienstes bald an seine Grenzen. Besonders für die vermehrt anfallenden technisch komplizierten Aufgaben mussten in größerem Umfang privat beschäftigte Facharbeiter herangezogen werden. Ferner konnte Hierl oft nicht genug Männer stellen, so dass neben privat beschäftigten Kräften auch Notstandsarbeiter eingesetzt wurden. Der Anteil der letzten beiden Gruppen wurde in der Propaganda jedoch stets heruntergespielt. Ganz in diesem Sinne pries etwa Goebbels Hierls Männer bei der Einweihung der Heidelberger Thingstätte im Juni 1935.49 Angesichts des Termindrucks, unter dem die Projekte standen, mussten Hierls Männer mit 47 Vgl. ebd., v.a. RL-AD an AGL, 27.3.1934. 48 Vgl. Stommer, Volksgemeinschaft, v.a. S. 51-115. 49 Vgl. seine Rede in: VB 24.6.1935.

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Höchsttempo in Schichten arbeiten, was ebenfalls in einem Spannungsverhältnis zum öffentlich propagierten Bild und dem Tagesablauf stand.50 Aus Gründen, die nicht direkt mit dem Arbeitsdienst zusammenhingen, scheiterte die Thingbewegung. Deswegen nahm Hierls Organisation bald kaum noch derartige Aufführungsorte in Angriff, auch wenn noch 1938 einzelne Projekte fertiggestellt wurden. 51 Sichtbarster Ausdruck des Bedeutungsverlusts der Thingbewegung war ein Kurswechsel Goebbels'. Ende 1935 verbot er, die Begriffe »Thing« und »Thingstätte« in Zusammenhang mit der Partei zu bringen, und stoppte so die ganze Bewegung.52 Somit blieb auch das Engagement des Dienstes in diesem Bereich eine Episode. Wären jedoch die ursprünglichen Planungen, nach denen bis zu 60 Stätten gebaut worden wären, verwirklicht worden, so hätte der Bau der Freiluftarenen über Jahre hinaus einen beträchtlichen Anteil seiner Arbeiten ausgemacht. Der Einsatz hatte primär Propagandafunktion, und er richtete sich nicht nur an die deutsche Bevölkerung, sondern auch an das Ausland. Diese Aufgabe wurde ab Mitte der 1930er Jahre zwar zunehmend unnötig, da das Reich inzwischen deutlich an außenpolitischem Spielraum gewonnen hatte.53 In geringem Umfang wurde der Dienst nach 1933 für weitere kulturpolitische Aufgaben eingesetzt. Häufig changierte seine Funktion dabei zwischen der einer Arbeitstruppe und der einer repräsentativen Staffage. Hierls Organisation war Teil des Inszenierungsapparates des Regimes, weswegen es nicht verwundert, dass zum Beispiel bei den Olympischen Spielen 1936 Arbeitsdienstabteilungen neben Organisationen wie der SS, der Wehrmacht oder der Polizei Hilfs-, Ordnungs- und Arbeitsaufgaben übernahmen. 54 Auch beim Winterhilfswerk wurden Arbeitsmänner eingesetzt, 1937 in der Weihnachtsund Neujahrszeit sogar für die Postbeförderung. 55 Kann man bei diesen Aufträgen kaum noch von einer kulturpolitischen Funktion sprechen, so sind darunter wieder eindeutiger die Reichsparteitagsauftritte zu subsumieren. Noch weniger als andere Arbeitsformen waren diese produktiv und volkswirtschaftlich wertvoll - sie dienten vielmehr der Selbstinszenierung und der Mobilisierung breiter Massen für politische Ziele. Allerdings legitimierten sie den Arbeitsdienst fast ebenso sehr wie die von ihm geleistete Arbeit - wie die Bedeutung der Parteitagsauftritte des Dienstes gezeigt hat.

50 Vgl. Stommer, Volksgemeinschaft, v.a. S. 51-115; ders., Alltag, S. 149-173; zusammenfassend Seifert, Kulturarbeit, S. 298-308, jeweils auch zu den vielseitigen Gründen für den Bedeutungsverlust. 51 Vgl. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 365 (1935). 52 Vgl. Stommer, Alltag, S. 149-173. 53 Vgl. Seiferl, Kulturarbeit, S. 300f. 54 Vgl. z.B. Arbeitsmann 22.2.1936. 55 Vgl. BA/B, R 72/325, RL-AD, Statistik, 12.10.1933; Hieri, Schriften, Bd. 1, S. 295 (1935); BA/B, R 2301/5648, RAF an AGF, 26.10.1937.

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Noch 1936 arbeitete der RAD zum Beispiel am Bau eines Sportstadions fur 15.000 Personen in Donaueschingen am Rand des Schwarzwalds.56 Kulturpolitisch bedeutsam war das Projekt nicht - vielmehr fiel es in die Kategorie der Arbeiten »zur Hebung der Volksgesundheit«. Diese Projekte wurden aber offiziell seit 1933 nicht mehr unternommen, weswegen die nationalsozialistische Propaganda und Praxis auch hier auseinander fielen. Wenn der Dienst in den meisten Publikationen sich gegen derart »unnütze« Vorhaben verwahrte, tauchen sie in Bildbänden des Dienstes dagegen immer wieder auf. Umgekehrt gab es auch Projekte von nationalpolitischer Bedeutung, die dem Arbeitsdienst immer wieder zugeschrieben wurden und werden, bei denen er aber kaum eingesetzt wurde. Vor allem spielte er beim Bau der Autobahnen keine wichtige Rolle. Die Verordnung vom Juli 1934 hatte den Autobahnbau unter den »Nebenaufgaben« aufgeführt. Im September desselben Jahres wies der Reichsarbeitsführer nach Absprache mit der Direktion der Reichsautobahnen seine Arbeitsgauführer an, »sofort die erforderlichen Schritte für einen bestmöglichen Einsatz des Arbeitsdienstes bei den Reichsautobahnen zu ergreifen.« Demnach konnte seine Organisation, wo lokale Arbeitskräfte fehlten, vor allem bei »Aufschließungsarbeiten (Bodenverbesserung und Wegebau)«, aber auch »für die Herstellung des Straßenplanums« verwandt werden. 57 Ausgeschlossen wurden selbstverständlich alle qualifizierten Arbeiten. Hierl und Fritz Todt, der den Bau der Autobahnen leitete, hatten sich wenige Tage davor auf den Einsatz geeinigt, der auf einen mehrfach ausgesprochenen Wunsch des Arbeitsdienstes zurückging. 38 Projekte in entsprechendem U m fang nahm der Dienst jedoch nicht auf. Denn diese Projekte verlangten tendenziell einen hohen Einsatz von Material und von Finanzmitteln, weniger aber von manueller Arbeit.59 Damit widersprachen sie den Prämissen, unter denen der Arbeitsdienst eingesetzt werden sollte. Laut Wolfgang Seifert hielt Todt die Arbeitsmänner außerdem für zu unerfahren und wollte sie deswegen auf seinen Baustellen nicht verwenden. 60 Eine Quelle aus dem Jahr 1937 scheint ihm Recht zu geben. Damals beklagte sich Todt bei Hierl, dass ein Arbeitsmann beim Bau der Alpenquerstraße durchschnittlich nur 32 % der Leistung eines Lohnarbeiters erbringe - Todt forderte deswegen mehr Geräte und eine Verstärkung der Mannschaften des Dienstes. 61 Dan Silverman, der sich jüngst ebenfalls mit dieser Frage beschäftigt hat, verwies auf zwei weitere Gründe: Z u m einen sollten die Autobahnen wo immer möglich durch Arbeitslose gebaut werden, zu denen Hierls Arbeitsmänner seit Sommer 1933 nicht mehr gezählt wurden. Z u m anderen fürchtete Todt, dass Hierl im Fall einer massiven 56 57 58 59 60 61

Vgl. VB 25.9.1936. BA/B, R 2301/5648, RAF an AGL, 18.9.1934. Vgl. ebd., Direktion Reichsautobahnen an RK-FAD, 10.9.1934. Vgl. Carack, S. 23. Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 154f. Vgl. BA/B, R 2/4552, Todt an Hierl, 15.2.1937; vgl. zum Alpeneinsatz ferner Scheins, S. 54.

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Beteiligung ihm den Rang als Organisator des Prestigeobjekts ablaufen könnte.62 Die Maßnahmen des Arbeitsdienstes, die dem Ausbau der Infrastruktur dienten, lagen somit im Wesentlichen im Wege-, und nicht im Autobahnenbau. Eine Verbesserung der Verkehrssysteme stellte auch die Anlage von Flugplätzen dar, die in den Richtlinien von 1934 ebenfalls unter den »Nebenaufgaben« angeführt wurde. Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Einsatzformen dienten diese Projekte aber keineswegs primär harmlosen, zivilen Zielen. Leider ist weder aus archivalischem noch aus veröffentlichtem Material etwas über das quantitative Ausmaß dieser Einsatzform bekannt. Eine Presseanweisung vom Oktober 1934 verdeutlicht aber, in welchem Kontext die Anlagen standen. Dort wurden Meldungen über den »Bau von Flugplätzen und Übungsplätzen des Reichsheeres« durch den Arbeitsdienst ausdrücklich verboten. 63 Denn in diesem Fall ebenso wie bei den »Unterständen für den Luftschutz« handelte es sich im Gegensatz zu den bisher erörterten Projekten um militärische Aufgaben, die dem Genfer Verbot widersprachen. Dasselbe gilt zum Beispiel für den Bau von Wehranlagen in Ostpreußen, bei denen mehrere tausend Arbeitsmänner für die Reichswehr eingesetzt wurden. 64 Wenngleich sich das Ausmaß dieser Tätigkeiten nicht quantifizieren lässt, kann man davon ausgehen, dass sie bis 1938 keinen hohen Anteil ausmachten. Allzu leicht hätten sie sonst das Misstrauen der Siegermächte des Ersten Weltkrieges erweckt, was sich Hitler in den ersten Jahren nach der Machtübertragung nicht leisten konnte. In nachgeordnetem Umfang leistete der Dienst trotzdem auch in der Friedensphase des Regimes mit seinen Arbeitsprojekten einen direkten Beitrag zur Kriegsvorbereitung. Quantitativ wenig bedeutsam - wenngleich ebenfalls bezeichnend für den Charakter des Arbeitsdienstes im »Dritten Reich« - war auch ein anderes Tätigkeitsfeld: Wie verschiedene, versprengte Quellen zeigen, beteiligte sich der Arbeitsdienst in der Anfangsphase des Regimes direkt an Repressions- und Terrormaßnahmen. 1933 baute er das KZ Dachau mit auf, zeitgleich bewachten in Thüringen im KZ Nohra Angehörige des Arbeitsdienstes KZ-Häftlinge. 65 Solche Aufgaben dürften lediglich solche Arbeitsmänner übernommen haben, die der Partei und dem NS-Dienstträger auf das Engste verbunden waren; um ein größeres Aufgabenfeld des Dienstes handelte es sich sicher nicht. Zugleich stand diese Einsatzform aber in Kontinuität zur Verwendung von N S Arbeitsdienstverbänden als parteieigene Schlägertruppen in Anhalt, Oldenburg und anderswo im Reich am Ende der Weimarer Republik. 62 63 64 die in 65 117.

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Vgl. Silverman, E c o n o m y , S. 187-190. NS-Presseanweisungen, Bd. 2, S. 425. Vgl. z.B. Deutschland-Berichte 1980, Bd. 3 (1936), S. 1344 u n d die in BA/B, Z S g 145/3 u n d BA/B, Z S g l 4 5 / l gesammelten E r i n n e r u n g e n ehemaliger Arbeitsmänner. Vgl. Stokes, S. 189-210, sowie weitere Beiträge in d e m Band; zu Dachau S. 14; zu N o h r a S.

Die Projekte im primären Bereich verband ihre moderne und anthropozentrische Sicht der Natur. Die Natur wurde ausschließlich über ihren Nutzen für den Menschen erfasst.66 Angesichts der irrationalen Agrarromantik, mit der die Aussagen des Dienstes garniert wurden, darf die instrumentale Ausrichtung der Arbeiten, denen immer die rationale Analyse menschlicher Bedürfnisse und deren Befriedigung zugrunde lag, nicht übersehen werden. Das moderne Naturverständnis drückt sich am prägnantesten in den Fotoaufnahmen des Dienstes aus. Häufig wurde dort der ursprüngliche Zustand mit dem eines Landschaftsabschnitts nach Arbeitsende gegenübergestellt. Der Arbeitsdienst kontrastierte zum Beispiel das Bild eines unbegradigten, mäandernden Bachs mit dem Foto eines in einem Betonbett auf kürzestem Weg geführten Verlauf die Begradigung wurde als stolze Leistung des Dienstes ausgewiesen.67 Vorwürfe, die bereits damals an den Arbeitsdienst gerichtet wurden, die »Versteppung« und Verschandelung der Natur zu befördern, wehrte Hierl lange Zeit mit dem Hinweis ab, dass nicht er, sondern die Landeskulturbehörden für die Projektauswahl zuständig seien. Wenn es im Nationalsozialismus auch antimodernistische Strömungen gab, etwa um Heinrich Himmler, so lag dem Arbeitsdienst und vielen anderen Institutionen ein modernes, rationales Naturbild zugrunde. In dieser Frage gab es somit nicht eme nationalsozialistische Sichtweise, aber die moderne, rationale konnte sich letztlich durchsetzen. 68 Das heißt freilich nicht, dass der Dienst seine Projekte auch mit modernen, rationellen Methoden vorangetrieben und dass er im politischen Sinne moderne Ziele verfolgt hätte. Insgesamt lässt sich eine hohe Kontinuität zwischen den Einsatzformen und teilweise auch ihren Begründungen vor und nach 1933 feststellen. Das Regime setzte mit einem Mehr an Staatsintervention die Tendenzen weiter durch, welche im FAD umgesetzt worden waren. Allerdings band sich der NS-Staat nie selbst durch die eigenen Vorgaben, sondern verfolgte immer auch Projekte, die diesen nicht entsprachen. Der Kanon an arbeitsmarktpolitischen, wehrpolitischen, arbeitspragmatischen, erzieherischen, kulturpolitischen und ökonomischen Zielen, den schon der Weimarer FAD mit seinen Projekten verfolgt hatte, wurde von den Nationalsozialisten weitgehend übernommen. Lediglich zwei Aspekte traten nun stärker hervor. Z u m einen die erzieherische Dimension, auf die die Einsatzplanung zunehmend abgestellt wurde, so dass zum Beispiel Arbeiten ausgeschlossen wurden, bei denen nicht alle Männer gleich ver66 Radkau, N a t u r , S. 13-17 weist zu Recht d a r a u f h i n , dass diese U n t e r s c h e i d u n g f ü r eine Umweltgeschichte wenig sinnvoll ist. Dagegen bietet sie sich f u r die Analyse historischer U m w e l t verständnisse d u r c h a u s an. 67 Vgl. z.B. die Abbildungen in Graefe. 68 Vgl. Hieri, Schriften, Bd. 2, S. 400 (1938). Vgl. als Beispiel f u r die Kritik an d e n Meliorationsarbeiten v.a. die Artikel des »Reichslandschaftsanwalts« Seifert, z.B. Seiferl, Wasserwirtschaft oder auch grundsätzlich Schoenichen; dagegen Buck; vermittelnd Klose.

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Abb. 8: Foto von Arbeitsmännern aus einer Publikation des RAD.69

wandt werden konnten. Z u m anderen wurde der Dienst stärker auf einen künftigen Krieg ausgerichtet. Die Beiträge des Arbeitsdienstes zur Herstellung der »Brotfreiheit« und zum Siedlungswesen dienten jetzt der indirekten Vorbereitung auf künftige Konflikte. Unmittelbar trug der Arbeitsdienst zur Kriegsvorbereitung zudem durch den Bau von Landebahnen und Unterständen bei, die er bis 1938 in geringem Umfang verrichtete. Dagegen blieb das Engagement bei kulturpolitischen Projekten - sei es im Rahmen der Thingbewegung oder bei archäologischen Ausgrabungen-vergleichsweise nebensächlich; sie war nie mehr als ein Randphänomen. 69 Gönner, S. 144.

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Ein Faktor, der die Arbeitstypen zumindest in den ersten Jahren nach der Machtübertragung an Hitler wesentlich prägte, wurde bisher noch ausgeblendet, obwohl es sich nicht zuletzt auf ihn zurückführen lässt, dass die Kontinuitäten bei den Arbeitsprojekten über das Jahr 1933 hinaus so hoch waren: der Anteil von Gemeinden und Landesbehörden an der Organisation der Einsätze. Ihnen soll deswegen im Folgenden nachgegangen werden sowie der Frage, inwieweit die Tätigkeiten des Dienstes eine Konkurrenz zur privaten Wirtschaft darstellten.

1.2. Kooperation und Chaos: Projektplanung und -abstimmung am Anfang des NS-Regimes Einen wesentlichen Anteil an der Organisation des Arbeitsdienstes hatten die Gemeinden, die neben anderen als »Träger der Arbeit« auftraten. Von diesen zu unterscheiden waren die »Träger des Dienstes«. Denn während letztere für die Organisation der Freiwilligen zuständig waren, sollten die Träger der Arbeit »als Bauherren die volle wirtschaftliche, technische und finanzielle Verantwortung für die Arbeiten übernehmen«.70 Dienstträger waren in der Weimarer Republik eine Vielzahl von Vereinigungen gewesen - sie wurden 1933 zugunsten des nationalsozialistischen Arbeitsdienstes gleichgeschaltet. Träger der Arbeit waren dagegen Gemeinden, die Länder und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie private Zusammenschlüsse wie zum Beispiel Sportvereine. Vor allem bei den größer angelegten Projekten kooperierten die Träger der Arbeit häufig mit den Kulturbaubehörden, um die anspruchsvolle Einsatzplanung vorzunehmen. Für die Gemeinden brachte die Errichtung eines Arbeitsdienstlagers innerhalb ihres Bezirkes sowohl Vorteile als auch Belastungen. In die Pflicht genommen wurden sie, da sie seit 1931 auf Verlangen des zuständigen Bezirkskommissars gegen eine »angemessene Entschädigung« Unterkunft und Verpflegung für die Freiwilligen zu stellen hatten.71 Bald wurden sie praktisch sogar gezwungen, kostenlos für eine Unterkunft der Abteilungen zu sorgen.72 Deswegen stürzten sich viele Gemeinden in Unkosten. Man muß unterscheiden zwischen Gemeinden, die selbst auch als Träger der Arbeit auftraten, und jenen Kommunen, in denen ein anderer Träger der Arbeit ein Vorhaben unterhielt. Die Finanzierung eines Lagers lagjedoch in beiden Fällen bei ihnen. Das belastete ihre Haushalte bis zum Äußersten, zumal ihre Mittel aufgrund der Wirt-

70 Symp, S. 381-390, Zitat S. 384. 71 RGBl. 1931,1, S. 399-401; ZitatS. 401. 72 Vgl. Bayr. HStA, MJu/15006, Salisko an Ziegler, 9.1.1934.

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schaftskrise ohnehin häufig erschöpft waren - und viele Gemeinden beim Bau der Lager zu großzügig kalkulierten. 73 Allerdings profitierten die Kommunen auch von den Lagern. Z u m einen konnten so Aufgaben, die ihnen direkt nutzten und ansonsten liegen blieben, ausgeführt werden. War die Kommune selbst Träger der Arbeit, konnte sie den Einsatz noch besser an ihren Bedürfnissen ausrichten. Z u m anderen waren die Lager eine wichtige Hilfe für die lokale Wirtschaft. Sie brachten Beschäftigung für Zulieferer aller Art. Die Aufnahme eines Lagers hatte somit einen ähnlich stimulierenden Effekt wie zum Beispiel eine Garnison, und angesichts der katastrophalen ökonomischen Lage Deutschlands war dieser Wirtschaftsfaktor wichtig. Drittens profitierten Gemeinden und Gemeindeverbände von den Arbeitskohorten, da sie, wenn sie ein Lager unterhielten, leichter versuchen konnten, ihre Arbeitslosen dem Dienst zuzuführen. Für die Gemeinden war vor allem die Unterbringung von Empfängern der Wohlfahrtsunterstützung interessant, da die Kommunen und nicht das Reich für diese aufkommen mussten, und da diese Arbeitslosen maßgeblich die Finanznot der Gemeinden in der Wirtschaftskrise verursachten. 74 Die Waage zwischen Vor- und Nachteilen senkte sich am Anfang des »Dritten Reiches« jedoch für die Gemeinden eindeutig auf die ungünstige Seite. Schon in den letzten Monaten der Weimarer Republik, als Syrups Pläne, die Zahl der offenen Lager deutlich einzuschränken, bekannt wurden, hatten sich neben vielen Dienstträgern die Gemeinden gegen solche Anstrengungen gewehrt - denn gerade kleinere Städte hatten offene Maßnahmen unterhalten und protestierten nun gegen deren Schließung. 75 Gravierendere Folgen hatten 1933 für die Kommunen die Arbeitsausfälle und Unsicherheiten, welche die Gleichschaltung mit sich brachte. 76 Neben der Frage der Kostenverteilung war 1933 eines der Hauptprobleme die Unklarheit, welche Größe der Arbeitsdienst künftig haben würde. Nach der Absage an die Arbeitsdienstpflicht sah es so aus, als stünde eine wesentliche Verkleinerung bevor. So ist nicht weiter erstaunlich, dass viele Gemeinden und Gemeindeverbände dem Arbeitsdienst, auf den sie so große Hoffnungen gesetzt hatten, nunmehr skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden. 77 Verhandlungen auf nachgeordneten Ebenen führten zunächst zu keiner Klärung. In einer Besprechung zwischen Angehörigen der Reichsleitung des Arbeitsdienstes und dem Deutschen Gemeindetag im Oktober 1933 versuchte Hierls Vertreter, die Kommunen zu beruhigen. Er konzedierte, dass ihre Klagen 7 3 Vgl. z.B. B A / B , R 3 6 / 1 9 1 5 , Denkschrift Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, ohne Datum [Anfang 1 9 3 4 ] ; B A / B , R 3 6 / 1 9 2 1 , Hierl an D G T , 3.10.1933. 7 4 Vgl. RGBl. 1 9 3 2 , 1 , S. 2 5 1 , 3 5 3 ; Winkler, Katastrophe, S. 2 3 - 2 6 ; 4 1 5 f 7 5 Vgl. B A / B , R 3 6 / 1 9 4 2 . 7 6 Vgl. B A / B , R 1 5 0 1 / 2 5 3 8 4 , Seldte an Rkei, 2 7 . 4 . 1 9 3 3 . 7 7 Vgl. B A / B , R 2 / 4 5 2 0 , Vermerk RMI, Oktober 1933.

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berechtigt seien.78 Am 13. Dezember 1933 kam es zwischen Gemeindetag und Arbeitsdienst zu einer Einigung darüber, wer künftig welche Kosten zu tragen habe.79 Die Abmachung wurde aber sehr bald Makulatur, da Reichsrechnungshof und Reichsfinanzministerium von den Gemeinden forderten, sich finanziell stärker einzubringen. Außerdem konnte sich der Arbeitsdienst aufgrund seiner verheerenden Haushaltslage nicht an eingegangene Bindungen halten. So wurden Verträge zwischen Arbeitsdienstgliederungen und Gemeinden abgeschlossen, die nicht der Verfügung vom Dezember 1933 entsprachen. 80 Insgesamt hatten die deutschen Kommunen auch 1934 Grund genug zur Klage über Hierls Organisation. Denn dass die Missstände keineswegs beseitigt waren, zeigen zum Beispiel die Zustände im Ruhrgebiet. Der dortige Arbeitsgau stellte Wohlfahrtserwerbslose nur gegen eine Zuzahlung von 25 Reichsmark in den Dienst ein. Das war durch keine reichsweite Verordnung gedeckt, setzte die Gemeinden aber unter Druck. Entweder sie zahlten, oder der Arbeitsdienst, der seit Dezember 1933 die Rekrutierung seiner Angehörigen selbst vornahm, suchte sich andere Freiwillige.81 Der Deutsche Gemeindetag, der von diesem und ähnlichen Abkommen im Ruhrgebiet erfahren hatte, forderte den Arbeitsdienst auf, diese Praxis einzustellen. Hierl verwies in seiner Antwort darauf dass die Beihilfen der Gemeinden gänzlich freiwillig und »unter Vermeidung irgend eines [sie!] Druckes« zu Stande gekommen seien.82 So wahrte er sein Gesicht; der Gemeindetag konnte daraus aber die beruhigende Nachricht entnehmen, dass eventuelle Forderungen der Arbeitsgauleitungen nicht den Anordnungen der Reichsleitung entsprächen. Er informierte die betroffenen Städte des Ruhrgebietes dementsprechend, dass sie zur Zahlung nicht verpflichtet seien.83 Auch in anderen Arbeitsgauen kam es zu ähnlichen Erpressungsversuchen. 84 In den ersten beiden Jahren des Regimes belastete die Finanzierungsfrage das Verhältnis zwischen Gemeindetag und Arbeitsdienst deutlich. Aus diesen und aus organisatorischen Problemen riet der Deutsche Gemeindetag den Kommunen zur Vorsicht. Er erklärte ihnen im Mai 1934 vertraulich, »daß Arbeitsdienstlager neu nur dann errichtet werden sollen, wenn nicht nur die Frage der Finanzierung, sondern auch die Frage der Durchführung der Arbeit von der Reichsleitung des Arbeitsdienstes geklärt ist.«85 Mit der Einfuhrung der Arbeitsdienstpflicht 1935 stellten sich die Gemeinden auf den Standpunkt, dass 78 Vgl. BA/B, R 36/1915, Besprechungsnotiz D G T , 27.10.1933. 79 Vgl. BA/B, R 2301/5691, RL-AD an AGL u.a., 15.12.1933. 80 Vgl. BA/B, R 36/1937, D G T an RMI, 3.2.1935. 81 Vgl. BA/B, R 3903/220, v.a. Präsident des LAA Rheinland an Präsident der REAVAV, 17.1.1934 und Anlage. 82 BA/B, R 36/1947, v.a. D G T an RL-AD, 2.3.1934. 83 Vgl. ebd., D G T an Oberbürgermeister von Krefeld u.a., 22.6.1934. 84 Vgl. BA/B, R 36/1921, v.a. D G T an RL-AD, 12.9.1933; Schinnerer, S. 55f. 85 BA/B, R 36/1915, D G T an Bayerischen Gemeindetag, 5.5.1934.

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die Kosten fìir die Lager künftig vom Reich zu tragen seien - statt gemeindeeigener Unterkünfte solle man auf »Reichsbaracken« des Arbeitsdienst-Typs zurückgreifen. 86 Auch noch in den folgenden Jahren stritten Gemeindetag und Arbeitsdienst erbittert über die Unterkunftsverträge und andere Fragen. 87 Letztlich hatte auch Hierl einwachsendes Interesse daran, seine Abteilungen in reichseigenen Baracken unterzubringen, um Auseinandersetzungen zu umgehen. Aufgrund der verbesserten Finanzlage und der allgemeinen Konsolidierung des Dienstes war es in den folgenden Jahren möglich, den Anteil der Barackenlager zu steigern, und immer häufiger wurden sie aus Reichsmitteln bezahlt. Damit löste sich die enge Bindung zwischen Arbeitsdienst und Gemeinden, welche in den ersten Jahren für so viele Probleme gesorgt hatte. Das schwierige Verhältnis von Arbeitsdienst und Gemeinden kreiste zwar primär um Fragen der Finanzierung, hatte aber auch gravierende Folgen für die Arbeitsprojekte. Die Kritik der Gemeinden zu diesem Punkt nahm zum Beispiel in einer Denkschrift aus dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft wesentlichen Raum ein. Demnach seien viele Arbeitsdienstführer aufgrund ihres militärischen Hintergrundes für Fragen der Arbeitsplanung gänzlich inkompetent. 88 Noch harscher fiel das Verdikt des bayerischen Regierungsbaurats Salisko aus, der eng mit dem Arbeitsdienst zusammenarbeitete. Salisko beklagte Anfang 1934, dass die Bezirksführer des Arbeitsdienstes nicht bereit seien, mit den Landeskulturbehörden bei der Arbeitsplanung zu kooperieren. Letztlich gebe es grundsätzlich verschiedene Auffassungen von den eigenen Aufgaben: »Während wir [die Landeskulturbehörden; d. Vf.] das Hauptgewicht darauf legten, dass der Arbeitsdienst dort eingesetzt werden müßte, wo die wichtigsten und dringlichsten volkswirtschaftlichen Arbeiten sind, legten die Bezirksführer bezw. [sie! ] ihre Vertreter den Hauptwert darauf, möglichst bald die vorgeschriebene Zahl von Lagern zu errichten, wobei die Frage der Arbeitsbeschaffung für sie erst in zweiter Linie kam.« Der Dienst versuche, sich in technischen Fragen von den Landesbehörden unabhängig zu machen, was wegen der fehlenden Verwaltungserfahrung der höheren Arbeitsdienstführer zu groben Missständen führe. Laut Salisko müsse als Grundsatz gelten: »>Der Arbeitsdienst wird dort eingesetzt, wo volkswirtschaftlich wertvolle Arbeiten vorhanden sind, die ohne Arbeitsdienst nicht gemacht werden könnenArbeitslager bekommen jene Gemeinden, die möglichst viel dafür aufwenden, für diese Lager wird dann Arbeit gesuchte«89 Damit war angedeutet, dass es über alle Gegensätze hinweg eine strukturkonservative Allianz zwischen Arbeitsdienst und Gemein86 Vgl. BA/B, R 36/1912, Vermerk DGT, 8.11.1935. 87 Vgl. BA/B, R 36/1913, 1914, 1924. 88 Vgl. BA/B, R 36/1915, Denkschrift Bayerisches Staatsministerium fur Wirtschaft, ohne Datum [Anfang 1934], 89 Bayr. HStA, MJu/15006, Salisko an Ziegler, 9.1.1934.

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den gab, die einen sinnvollen Arbeitseinsatz erschwerte. Denn die Gemeinden hatten ein vitales Interesse daran, ein Arbeitslager möglichst lange an ihrem Ort zu halten, wenn sie sich für dessen Errichtung in Unkosten gestürzt hatten. So wurden Projekte oft fortgesetzt, obwohl sie sinnlos geworden waren. Die Gemeinden trugen deswegen eine Mitverantwortung an den Unzulänglichkeiten des Arbeitsdienstes. 90 Fragt man nach den Folgen dieser Probleme für die Arbeitseffektivität des Dienstes, so ergibt sich kein eindeutiger Befund, und es kann einen solchen auch nicht geben. Ein genaues Ergebnis ließe sich nur gewinnen, würde man für jedes der weit über 1.000 Lager für die verschiedenen Monate die Leistungen erfassen können; externe Einflüsse, wie zum Beispiel das Wetter oder die Jahreszeit, wären mit einzubeziehen. Tendenzaussagen lassen sich aber sehr wohl machen. So wird in der bayerischen Denkschrift ausgeführt, dass die Arbeitsleistung der jungen Männer sehr verschieden sei. Allgemein leisteten die Arbeitsmänner in der täglichen Arbeitszeit von sechs Stunden demnach maximal die Hälfte dessen, was Lohnarbeiter in acht Stunden erbrächten - und manchmal auch noch weniger.91 Verschiedene Quellen sprechen davon, dass der RAD rund 30 % der normalen Arbeitsleistung schaffe, auch wenn regional Spitzenwerte von über 90 % erreicht wurden. 92 Dass vielerorts bereits die 100 %-ige Leistung, sogar von gelernten Arbeitern, erreicht werde, behauptete demgegenüber der Arbeitsführer Tholens 1934 öffentlich. 93 Jedoch erscheint wesentlich realistischer, was Paul Humann im selben Jahr in seiner Dissertation zusammentrug. Demnach gab es eine Schwankungsbreite von 30 bis 90 %, nach den Berechnungen von Schellenberg vor 1933 im Durchschnitt ungefähr 55 % der Normalarbeitsleistung, wenn man als Vergleichsmaßstab einen achtstündigen Arbeitstag anlegt.94 Angesichts der Probleme durch die Gleichschaltung des Dienstes dürfte sie nach der Machtübertragung kaum gestiegen sein. Legt man jedoch auch nur die Tagesarbeitsleistung eines ungelernten Arbeiters der freien Wirtschaft als Vergleichsmaßstab an, musste das Arbeitsergebnis, das ein Arbeitsmann erbrachte, schon aufgrund seiner kürzeren Tagesarbeitszeit und des geringeren Maschineneinsatzes deutlich niedriger sein. Paul Garack hatte in seiner wirtschaftswissenschaftlichen Dissertation 1933 gefordert, die wöchentliche Arbeitsdauer auf mindestens 36 Stunden festzulegen, alles andere sei »Spielerei«.95 Tatsächlich arbeitete der Dienst in den ersten Jahren des 90 Vgl. mit einem Beispiel aus einem anderen Reichsteil BA/B, R 2/4519, Vermerk RFM, 3.1.1934. 91 Vgl. BA/B, R 36/1915, Denkschrift Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, ohne Datum [Anfang 1934]. 92 Vgl. z.B. Berichte N e u Beginnen 1996, S. 246 (1934), 539 (1935); BA/B, R 2/4552, Todt an Hierl, 15.2.1937; BA/B, R 2/4519, RH an RFM, 17.3.1934. 93 Vgl. Tholens, Wirtschaftlichkeit, S. 996-998. 94 Vgl. Humann, S. 42; Schernberg, S. 120f. 95 Ebd., S. 8.

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Regimes deutlich kürzer, so dass seine Leistung wesentlich hinter der von privat Beschäftigten zurückbleiben musste. Kritik an den chaotischen Zuständen im Arbeitsdienst kam nicht nur von den Gemeinden, sondern auch von den Kulturbauämtern und anderen Landesbehörden, die in die Arbeitseinsatzplanung stärker eingebunden werden wollten.96 Sie verfügten über die notwendigen Fachkenntnisse, um den Dienst besser einzusetzen. Aus Ressortegoismus setzte Hierl nur zögerlich die Kooperation fort, die seit Weimarer Tagen entstanden war. Denn auch in diesem Bereich nutzte der nationalsozialistische Arbeitsdienst die ihm angebotenen institutionellen Ressourcen nicht. Es dauerte Jahre, bis einerseits das Führerkorps des Dienstes über genügend Fachkenntnisse verfügte, um eigenständig eine sinnvolle Planung vornehmen zu können, und bis sich andererseits doch eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Kulturbaubehörden einspielte. Letztlich ergänzen diese Befunde das Bild von den organisatorischen Schwierigkeiten des Arbeitsdienstes in den ersten eineinhalb Jahren nach der Machtübertragung. Die überhastete Gleichschaltung, die fehlende Fachkenntnis der Führer, die Unwilligkeit, klare Verhältnisse zu schaffen und mit fachkundigen und erfahrenen Institutionen zu kooperieren, sorgten für Missstände, die Hierls Organisation erst 1934/1935 langsam beseitigen konnte. Einmal mehr zeigt sich, wie hoch auch die materiellen Kosten waren, die das Regime für die radikale Gleichschaltung der komplexen Institution Arbeitsdienst bezahlen musste. Wenn somit zahlreiche Quellen von den Auseinandersetzungen mit den Landeskulturbehörden und den Gemeinden künden, fällt auf, dass die Archivalien zum Verhältnis zu Unternehmen der privaten Wirtschaft kaum Auskunft geben. Offensichtlich gab es in diesem Bereich, zumindest ab 1934, kaum Reibungen. Angesichts der fließenden Grenzen zwischen den Aufgaben, die Hierls Organisation übernahm, und von Projekten, die auch für Unternehmen interessant waren, kann das auf den ersten Blick nur erstaunen, zumal aus den letzten Monaten der Weimarer Republik Proteste gegen Maßnahmen des FAD überliefert sind. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre waren die Auftragsbücher der meisten Unternehmen gut gefüllt, und sie fanden genug Arbeit, so dass sie nicht die Konkurrenz des Arbeitsdienstes fürchten mussten. In den ersten Jahren nach der »Machtergreifung« war das aber nicht der Fall. Dass es trotzdem wohl nicht zu größeren Rivalitäten kam, lässt sich nur mit einer in dieser Frage geschickten Politik des Arbeitsdienstes erklären. Der Hauptgrund fur die Reibungslosigkeit dürfte in der Verlagerung der Tätigkeiten zu den Bodenverbesserungen gelegen haben, die Syrup bereits vor 1933 eingeleitet hatte. Denn in diesem Bereich gab es kaum private Firmen, zu denen der Dienst in Konkurrenz hätte treten müssen. 96 Vgl. Baumgärtl, S. 12f.

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In der Nische der Bodenverbesserungen musste sich der Arbeitsdienst zwar nicht von Unternehmen, allerdings aber von anderen öffentlich finanzierten Maßnahmen des NS-Staats abgrenzen. Vor allem die Arbeitsbeschaffungsprogramme gingen grundsätzlich ähnlichen Aufgaben nach wie Hierls Organisation. Da Notstandsarbeiter zumeist Männern wurden, die verheiratet oder mindestens 25 Jahre alt waren - denen man insgesamt die Trennung von ihrem Wohnsitz nicht zumuten wollte - , kam es 1934 zu der bereits dargestellten Aufteilung der Arbeitsgebiete. Während die Notstandsarbeiter in der Regel in der Nähe von Städten eingesetzt wurden, so dass sie nach der Arbeit zu ihrem Wohnsitz zurückkehren konnten, wurde der Arbeitsdienst in abgelegenen Gegenden untergebracht. 97 Auch wenn der Prozess der Verlagerung der jeweiligen Einheiten 1935 rioch keineswegs abgeschlossen war, konnten unnötige Rivalitäten ähnlich wie gegenüber der privaten Wirtschaft durch Verhandlungen vermieden werden. Die Abgrenzung der Tätigkeiten des Dienstes von denen der privaten Wirtschaft stellte sich aber noch in einer anderen Hinsicht. Bereits in der Weimarer Republik hatten sich vor allem Interessenverbände des Handwerks darüber beschwert, dass der Arbeitsdienst über seine Art, Bekleidung und Ausrüstung zu beschaffen und zu reparieren, eine Konkurrenz für sie darstelle.98 Ahnliche Probleme stellten sich auch noch 1933. Weiterhin übten die Interessenverbände der Wirtschaft Druck aus, solche Praktiken einzustellen. 99 Vor diesem Hintergrund legte sich die NSDAP im ersten Jahr nach der »Machtergreifung« darauf fest, möglichst viele Aufträge der privaten Wirtschaft zu überlassen. Bekleidung und Ausrüstung der Arbeitsmänner sollten bei Unternehmen gekauft werden, und der Dienst übernahm nur kleinere Reparaturen selbst.100 Gegenüber der Öffentlichkeit rechtfertigte der Reichsarbeitsführer die Kosten, die so zusätzlich entstanden, mit den sich daraus ergebenden BeschäftigungsefFekten.101 Letztlich sollte so eine kostenintensive, nachfrageorientierte Politik die Wirtschaft beleben. Neben einer Auslastung der Produktion hatte sie zum Ziel, indirekte BeschäftigungsefFekte zu bewirken. In kleinem Umfang produzierte der Arbeitsdienst jedoch weiterhin Möbel und andere Einrichtungsgegenstände für den Eigenbedarf. Das geschah künftig nicht mehr während der Arbeitszeit, im Freizeitprogramm hatte es aus angeblich erzieherischen Gründen nach 1933 aber seinen festen Platz. Dem Ideal des 97 Vgl. BA/B, R 3903/220, RL-AD an Präsident der RfAVAV, 28.2.1934 und Anlage. 98 Vgl. BA/B, R 3101/13616, v.a. Reichsverband des Deutschen Handwerks an RK-FAD, 4.11.1932. 99 Vgl. z.B. Bayr. HStA, MWi/3135, Handwerkskammer Oberbayern an Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertag, 4.3.1933; BA/B, R 1501/25372, v.a. Müller-Brandenburg an Reichsverband der Deutschen Industrie, 16.5.1933; allgemein BA/B, R3101/13616; BA/B, R3905/ 63. 100 BA/B, R 2301/5662, RK-FAD an RDA, 3.8.1933; Wiens, S. 171. 101 Vgl. Scheins, S. 26f.

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nachfrageorientierten, kaufkraftstimulierenden Wirtschaftens entsprach auch nicht ganz, dass der Dienst einen Teil seiner Lebensmittel selbst erzeugte. Viele Arbeitsdienstlager hatten größere Gemüsefelder, manche besserten ihre Speisezettel durch Schweinehaltung auf 102 Der Hauptgrund für solche Maßnahmen war in der Anfangszeit die unklare Finanzlage des Dienstes. Zugleich hatte das zum einen zur Folge, dass ein Teil der Männer nicht an den eigentlichen Projekten arbeitete. Z u m anderen wurden der Landwirtschaft Aufträge vorenthalten. Wenngleich man den Umfang der Tätigkeiten des Dienstes, die bezüglich Einkleidung, Ernährung und Ausrüstung in Konkurrenz zur privaten Wirtschaft standen, nicht überschätzen darf, gilt doch festzuhalten, dass Hierl angesichts der angespannten Haushaltslage pragmatische Kompromisse finden musste. Lediglich für die ersten Monate des Regimes ist die Kritik der freien Wirtschaft an solchen Ubergriffen des Dienstes überliefert. Über die Ursachen lassen sich nur begründbare Annahmen anstellen. Dass die Verbände derart eingeschüchtert wurden, dass sie Protest nicht mehr wagten, ist wenig wahrscheinlich. Vielmehr war es wohl die in dieser Frage erfolgreiche Politik des Arbeitsdienstes sowie ab Mitte der 1930er Jahre die gute Auftragslage der U n ternehmen, welche dazu führten, dass sie in Hierls Organisation keinen Rivalen sahen. Insgesamt war im Gegensatz zum konfliktbeladenen Verhältnis zu den Gemeinden die Abgrenzung von der privaten Wirtschaft erfolgreich.

2. Glorifizierung und pragmatische Kompromisse: Vorstellung und Praxis der Arbeit im deutschen Arbeitsdienst

2.1. »Jeder Spatenstich ein G e b e t f ü r Deutschland«: Das Arbeitsverständnis Wie im Bereich der Tätigkeiten, die der Dienst unternahm, grenzte sich die Einrichtung nach 1933 auch in ihrem Verständnis von »Arbeit« so weit wie möglich von der Weimarer Republik ab. Der Dienst und seine Projekte wurden als genuin nationalsozialistische Errungenschaft gepriesen, zugleich aber in eine angebliche, Jahrtausende überdauernde Tradition von den Germanen über die Ostkolonisierung des Deutschen Ordens bis hin zu den Bodenverbesserungen Friedrichs II. gestellt.103 Gleichzeitig betonten der Reichsarbeitsführer und andere Angehörige des Dienstes in einer nicht endenden Flut von Reden und Artikeln nach 1933 die Unterschiede zwischen der Wertung von Arbeit vor

102 Vgl. Schinnerer, S. 54f; BA/B, R 2301/5653, Protokoll der 10. Tagung der AGF, 8./9.2.1936. 103 Vgl. z.B. Gönner, S. 104-107.

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und nach der Machtübertragung. Das stets gleiche Argument brachte Hierl zum Ausdruck, als er zum Beispiel auf dem Reichsparteitag 1933 erklärte: »Liberalistische Auffassung sah in der Arbeit nur ein Mittel zum Gelderwerb [...]. Für uns bedeutet Arbeit den Inhalt des Lebens. In der Arbeit erkennen wir eine Schwester des Kampfes. Ein Dasein ohne Arbeit und Lebenskampf erscheint uns als eine dumpfe Krankenstube. Liberalistische Auffassung wertete die Arbeit nach dem, was sie für den einzelnen eintrug, wir schätzen die Arbeit nach ihrem Werte für die Volksgemeinschaft.« 104

Hierl polemisierte gegen die »liberalistische Auffassung« von Arbeit, die er zumeist mit der Weimarer Republik gleichsetzte. Er lieferte ein grob verzerrendes und vereinfachendes Bild der Wertung von »Arbeit« vor 1933, denn tatsächlich war damals vielerlei darunter verstanden worden. Seit den »Ökonomisten« von Adam Smith bis Friedrich List hatte es die Denktradition der »nationalen Arbeit« gegeben, an welche die Nationalsozialisten direkt anknüpften. 105 Der Reichsarbeitsführer verstand »Arbeit« grundsätzlich als Tätigkeit, die dem Leben ihren Sinn verleihe und letztlich die Existenz eines Menschen legitimiere. Vor allem galt Arbeit nur als wertvoll, wenn sie der »Volksgemeinschaft« diente. In derselben Rede kritisierte Hierl zudem den »Hochmut«, mit dem die »liberalistische Auffassung« auf Handarbeiter herabgesehen habe. Dagegen gelte im »Dritten Reich«: »Wir wollen dem deutschen Arbeiter seine Ehre geben, die ist ihm unentbehrlicher als Tariflöhne, weil er ein Deutscher ist. Wir wollen das Wort >Arbeiter< zum Ehrentitel für jeden Deutschen machen, deshalb soll jeder junge Deutsche eine gewisse Zeit seines Lebens als Handarbeiter Ehrendienst tun für sein Volk.«106 Dieser Gedanke stellt keine logische Konsequenz aus der ersten Überlegung dar. Er war mit Ersterem aber gut vereinbar, und beide zusammen bezogen die Tätigkeiten auf die »Volksgemeinschaft«. Deswegen war es auch konsequent, die »Arbeit« - besonders im Arbeitsdienst als »Ehrendienst« zu preisen. Der Zusammenhang, der zwischen Arbeitsdienst und »Volksgemeinschaft« hergestellt wurde, weist insgesamt fünf Elemente auf Die Verherrlichung einfacher Handarbeit war erstens Teil des Versuches, die Arbeiterschaft für das Regime zu gewinnen. Vor und nach 1933 legte sich die nationalsozialistische Programmatik nicht auf eine soziale Klasse oder Schicht fest, die sie ausschließlich umwarb. Vielmehr gab es schichtenspezifische Integrationsangebote. Die Betonung des Wertes von (Hand-)Arbeit richtete sich in erster Linie an die Arbeiterschaft. Indem ihr symbolisch ein gleichberechtigter Platz neben allen 104 Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 3 4 5 - 3 4 9 (1933), Zitat S. 345. 105 Vgl. Conze, S. 208-215; Lüdtke, Honor, S. 67-109; zum Arbeitsverständnis des RADjüngst auch Hansen, S. 58-60. Es geht hier weniger darum, die Frage nach Kontinuität über 1933 hinaus zu stellen, sondern den nationalsozialistischen ArbeitsbegrifFzu fassen, u m ihn anschließend mit der Praxis des Regimes zu kontrastieren. 106 Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 3 4 5 - 3 4 9 (1933), Zitat S. 345.

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anderen »Volksgenossen« angeboten wurde, sollte sie in die nationalsozialistische Herrschaft eingeschlossen werden. 107 Hintergrund war die von Hitler in Mein Kampf vorgenommene Trennung in einen materiellen und einen ideellen Arbeitsbegriff. Danach galt jede Arbeit als gleich wertvoll, wenn sie der »Volksgemeinschaft« diente - was aber nicht hieß, dass alle Tätigkeiten gleich bezahlt werden sollten.108 Es handelte sich somit primär um das Angebot einer symbolischen Anerkennung, nicht einer materiellen Besserstellung, mit dem der Nationalsozialismus die Arbeiterschaft zu umgarnen versuchte. Dieser Aspekt war für den Arbeitsdienst besonders wichtig, da seine Angehörigen primär aus den Reihen der Arbeiterschaft kamen. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise bot er besonders ihnen einen Ausweg aus dem Elend der Massenarbeitslosigkeit. Die Umwerbung des sozialdemokratisch oder kommunistisch geprägten Arbeitermilieus spielte vor allem in den ersten Jahren nach der Machtübertragung in den öffentlichen Aussagen des Arbeitsdienstes eine wichtige Rolle. Das zeigt sich an der häufigen Verwendung von Begriffen wie »deutscher Sozialismus«, oder »sozialistisches Arbeitsheer« im Arbeitsdienst, die dem Vokabular der Arbeiterbewegung entnommen waren.109 Der Arbeitsdienst schmückte sich mit einem antikapitalistischen Pathos, den weder er noch das Regime insgesamt je in eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse oder in eine Abkehr von der kapitalistischen Wirtschaftsordnung umzusetzen gedachte. Zugleich kennzeichnet diese Propaganda die nationalsozialistische Herrschaft als plebiszitäre Diktatur, die nicht nur über Terror, sondern auch über werbende Angebote die Bevölkerung für sich zu gewinnen versuchte. Zweitens hatten die Angehörigen des Dienstes für die symbolische Anerkennung ihrer Arbeit einen hohen Preis zu zahlen: die Unterordnung unter die Interessen der »Volksgemeinschaft«, die selbstverständlich die Staats- und Parteiführung festlegte. Abgesehen von seiner Erziehungsideologie war es die Ausrichtung auf die Allgemeinheit, die die Einführung der allgemeinen, gleichen Arbeitsdienstpflicht rechtfertigte. Denn das gemeinsame Arbeiten sollte den »Kitt« für die »Volksgemeinschaft« formen. 110 So wurden die Anerkennung von Handarbeit und die Ableistung eines gemeinnützigen Dienstes auf Pflichtbasis miteinander verbunden. Dieses Verständnis von »Arbeit« war drittens allgemein das Einfallstor für umfassende staatliche Eingriffe in Arbeitsmarkt und Wirtschaft. Der Gedanke der Dienstverpflichtung zum Nutzen der »Volksgemeinschaft«, der Hierls Organisation zugrunde lag, wurde nach 1933 immer weiter in Richtung auf eine

107 Vgl. auch Schneider, S. 1 4 1 - 1 4 6 ; Schmitz-Beming, 108 Vgl. Hitler, S. 483. 109 Z.B.

Biallas.

110 Krüger, Arbeitsdienst, S. 1 6 1 - 1 6 4 , Zitat S. 163.

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S. 4 1 - 4 3 .

allgemeine Arbeitspflicht f ü r beide Geschlechter ausgeweitet. 111 Insofern bildete Hierls Organisation nur einen Ausschnitt und zugleich den Vorreiter bei der Propagierung und U m s e t z u n g dieser Idee, die man als eine Universalisierung des Dienstgedankens charakterisieren kann. Viertens wurde so nicht nur Hierls Organisation allgemein glorifiziert, sondern insbesondere deren konkrete Arbeiten. Im Gegensatz z u m Weimarer Arbeitsdienst, dessen Tätigkeiten kaum ideologisch aufgeladen wurden, ergab sich nach 1933 in zwingender Konsequenz aus der Arbeitsideologie, dass der Dienst nur Projekte ü b e r n e h m e n durfte, die der »Volksgemeinschaft« dienten. Z u m Beispiel war es mit der Wertung von »Arbeit« nach 1933 unvereinbar, dass lediglich eine Gruppe von den Früchten des Arbeitsdienstes profitierte, und deswegen geradezu notwendig, dass der Dienst gemeinnützige Aufgaben im Bereich der Bodenverbesserungen und des Siedlungswesen in das Z e n t r u m seiner Tätigkeiten stellte. Da »Arbeit« immer im Kontext des »deutschen Bodens« gedacht wurde und da der Dienst die Aufgabe hatte, »Blut und Boden unseres Volkes wieder in Verbindung zu bringen«, boten sich diese Arbeitsformen besonders an.112 Ein fünftes Element war die Sakralisierung von »Arbeit«. Sie lässt sich kaum von der bereits dargestellten Glorifizierung als »Ehrendienst« trennen, war qualitativ aber noch eine Steigerung über Formeln wie »Arbeit adelt« hinaus, was über den Eingangstoren mancher Arbeitsdienstlager stand. 113 Bereits Ende 1933 hatte Hierl in der Zeitschrift Arbeitgeber geschrieben, »daß rechte Arbeit nicht n u r im Dienst am Götzen M a m m o n , sondern wahrer Gottesdienst« sei.114 Vor allem in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre setzte der Reichsarbeitsführer Begriffe aus dem Bereich des Sakralen immer wieder in Bezug zu seiner Organisation u n d ihrer Tätigkeit. Auf d e m Reichsparteitag 1937 legte er z u m Beispiel ein regelrechtes Glaubensbekenntnis ab: »Indem wir so mit Herz und H a n d unserem Volke dienen, glauben wir auch Gott zu dienen, der die Völker geschaffen und uns in unser Volk gestellt hat. Damit wird uns unser Arbeitsdienst im tiefsten Sinne auch z u m Gottesdienst.« 115 Diese Formel wurde in der Presse u n d vor allem in den Schriften des Reichsarbeitsdienstes danach immer wieder verwandt. 116 Auch in diesem Fall waren die Nationalsozialisten nicht die ersten, die Arbeit derart überhöhten - schon der viktorianische Schriftsteller Thomas Carlyle z u m Beispiel hatte befunden, dass das Arbeiten dem Beten gleichkäme. 117 Auf d e m Reichsparteitag von 1937 priesen die Arbeitsmänner in 111 112 113 114 115 116 117

Vgl. Götz, Gemeinschaft. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 3 5 0 - 3 5 9 (1934), Zitat S. 357. Vgl. zur Sakralisierung auch Hansen, S. 59f. Hierl, Zukunft, S. 414f, Zitat S. 414. Ders., Schriften, Bd. 2, S. 3 8 0 - 3 8 3 (1937), Zitat S. 382. Vgl. z.B. Mitteldeutsche National-Zeitung 9.9.1938; Scheller, Feierstunden, S. 64. Vgl. Come, S. 199.

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einem Lied jeden Spatenstich als »Gebet für Deutschland«.118 Dieser Gedanke war so wenig neu wie spezifisch deutsch, nun wurde er aber konsequent und breitenwirksam an das Konzept der »Volksgemeinschaft« gebunden. Zentral an diesen und den anderen Begriffen ist, dass sie nicht nur von der kleinen Elite des Regimes benutzt wurden - vielmehr reproduzierten die Angehörigen des Arbeitsdienstes sie und ihre Inhalte Tag für Tag. Dies geschah in allen Teilen des Tagesablaufs. So wurde der Arbeitsdienst nicht nur an den Begriff der »Ehre« geknüpft, sondern ein profaner Gegenstand und eine profane Tätigkeit letztlich sakralisiert. Das religiöse Vokabular bezog sich mit der »Volksgemeinschaft« jedoch auf einen innerweltlichen Gegenstand.119 Diese fünf Elemente in Bezug auf die Volksgemeinschaft prägten nicht nur das Verständnis von »Arbeit« selbst, sondern sie spiegelten sich in geringerem Umfang auch in vielen verwandten Ausdrücken des Arbeitsdienstes wider. Seit dem 15. November 1933 nannte sich Staatssekretär Hierl, der damals noch dem Reichskommissar Seldte untergeordnet war, »Reichsarbeitsführer«.120 Der Begriff war eine Zumutung. Er blieb zwar vage, legte aber nahe, dass dieser »Führer« die Arbeit im Auftrag des Reiches organisiere. Eigentlich hätte der Titel dem Leiter der Deutschen Arbeitsfront, dem Reichsarbeitsminister oder in späteren Jahren dem Beauftragten für den Vierjahresplan zugestanden, am ehesten sogar einer Person, die alle diese Aufgaben in sich vereint hätte. Dass ein vergleichsweise unbedeutender Staatssekretär sich damit schmückte, verdeutlicht zum einen seine weitreichenden Ansprüche. Da Hierl sich den Titel wenige Monate nach der vorläufigen Absage an die Arbeitsdienstpflicht gab, erinnerte die Bezeichnung an das Ziel ihrer Einfuhrung, denn dass ein »Reichsarbeitsführer« nur für einige zehntausend Freiwillige zuständig sein sollte, war schwer vorstellbar. Zugleich ließ sich der Titel mit dem umfassenden Anspruch des Arbeitsdienstes rechtfertigen, den er über sein Arbeitsverständnis und dessen Anbindung an das halbutopische Projekt der »Volksgemeinschaft« hatte. Schließlich war Hierls Titel Ausdruck der Rivalitäten zwischen dem Nationalsozialisten und dem ihm vorgesetzten Stahlhelmer Seldte - in diesem Konflikt nutzte Hierl seine phantasievolle Amtsbezeichnung, um seinen Anspruch auf die Führung der Organisation geltend zu machen. Die gleiche Aufgabe hatte 1933 auch die Bezeichnung »Reichsleitung« für die Zentrale des Arbeitsdienstes, die durch die damalige Gesetzeslage nicht gedeckt war. Analog dazu hatte der Gesetzentwurf zur Einführung der Arbeitsdienstpflicht vom Mai 1933 die Angehörigen der Organisation »Reichsdienstarbeiter« 118 Reichsarbeitsdienst 1937, S. 8. 119 Dieser begriffsgeschichtliche Befund ließe sich zu der größeren, in letzter Zeit wieder verstärkt diskutierten Frage ausdehnen, inwieweit der Nationalsozialismus eine politische Religion war; vgl. jüngst dazu z.B. Winkler, Weg, Bd. 2, v.a. S. 1 - 8 und Burleigh. 120 BA/B, R 2301/5638, RL-AD an AGL u.a., 15.11.1933. Hierl hatte sich den Titel 1933 arrogiert. Offiziell trug er ihn erst seit 1935; vgl. RGBl. 1935,1, S. 1215.

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genannt.121 In den ersten Monaten nach der Machtübertragung benutzten viele Autoren aber noch, ganz wie in der Weimarer Republik, neutrale Ausdrücke wie »Freiwillige« oder »Arbeitsdienstwillige«. Während sich »Reichsarbeitsführer« nach 1933 durchsetzte, war dem Begriff »Reichsdienstarbeiter« keine Karriere beschieden, in die öffentliche Sprache ging er nicht ein. Das war bei dem kürzeren Ausdruck »Reichsarbeiter« anders. Er findet sich in zahlreichen Büchern und Artikeln der ersten Jahre des Regimes, an einflussreicher Stelle bereits in Stellrechts grundlegender Ausarbeitung, die Anfang 1933 auf den Markt kam.122 Aber auch dieser Begriff wurde nach 1935 kaum noch verwandt. Seit Herbst 1934 sprach man immer häufiger vom »Arbeitsmann« - ein Ausdruck, der im 15. Jahrhundert synonym zu Handwerker, im 19. Jahrhundert zu Arbeiter eingesetzt wurde. Hierl gebrauchte die Bezeichnung an prominenter Stelle erstmals auf dem Reichsparteitag 1934.123 Der Begriff wurde danach von der Presse dankbar aufgegriffen. 124 Wieder einmal war es der Reichsarbeitsführer, der in Bezug auf den Arbeitsdienst einem Ausdruck zum Erfolg verhalf Das heißt nicht, dass er den Terminus selbst prägte. Aber nur wenn er ihn gebrauchte, wurde er in den Begriffskanon aufgenommen. Die Bezeichnung war schlicht, und da sie auf den Begriff des Reiches mit seiner eigenen, vielseitigen Deutung verzichtete,125 ließ sie sich noch besser mit dem Konzept der »Volksgemeinschaft« zusammenbringen. In »Arbeitsmann« bündelten sich die nationalsozialistischen Konzepte von Arbeit und von Männlichkeit, was analog für das »Arbeitsmaiden« der weiblichen Angehörigen des Dienstes gilt. Institutionalisiert wurde der Begriff endgültig, als gleichzeitig zur Einfuhrung der Arbeitsdienstpflicht im Herbst 1935 die wöchentlich erscheinende Zeitung Der Arbeitsmann. Zeitung des Reichsarbeitsdienstesfür Führer und Gefolgschaft als offizielles Organ des Dienstes aufgelegt wurde. Die Begriffsgeschichte lässt sich in diesem Fall nicht von der Pressegeschichte trennen. Der Arbeitsdienst wurde seit Ende 1933 immer mehr zu einer Institution, die ein Monopol der Selbstdeutung errichtete. Während im Frühjahr und Sommer 1933 die Presse noch Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Vorstellungen zum Arbeitsdienst gewesen war,126 wurde ab Ende 1933 das öffentlich vermittelte Bild immer hermetischer und statischer. Auch in diesem Bereich wurde der freie, vielseitige Diskurs radikal beschränkt, und künftig stammten fast alle über den Arbeitsdienst handelnden Artikel und Bücher aus der Feder von Angehörigen dieser Organisation selbst oder gaben deren Sicht wieder. 121 122 123 124 125 126

BA/B, R 2301/5645, RAM an RH, 29.5.1933 und Anlage. Vgl. Stellrecht, Der deutsche Arbeitsdienst, S. 82, ferner z.B. Grafenstein, S. 28. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 350-351 (1934), Zitat S. 350. Vgl. z.B. VB 7.9.1934; Der Deutsche 8.9.1934; GER 7.10.1934. Vgl. Winkler, Weg, Bd. 2, S. 6-8. Vgl. Kapitel 1.2.1. dieser Arbeit.

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Die vereinzelten nonkonformen Äußerungen, die sich danach noch in der Presse fanden, wurden genau registriert und in härtester Form angegriffen. Z u m Beispiel schlug im Dezember 1933 Domenicus Zorn, ein ehemaliger Oberregierungsrat, der sich bereits zuvor zum Arbeitsdienst geäußert hatte, in der Berliner Börsenzeitung einen U m b a u des Arbeitsdienstes auf liberaler Basis vor, die den nationalsozialistischen Vorstellungen diametral widersprach. Dagegen wurde in der regimenahen Presse nicht nur polemisiert, sondern Goebbels' Angriff drohte dem Beamten sogar mit KZ. 127 Danach gab es in der Tagespresse kaum noch spektakuläre Versuche, die nationalsozialistische Deutungshoheit zu Fragen des Arbeitsdienstes zu durchbrechen. Der von Hierl kontrollierte Diskurs konnte sich weitgehend ungestört selbst reproduzieren. Lediglich von zwei Seiten gab es auch künftig Kritik. Z u m einen äußerten sich andere NS-Machtapparate immer wieder in Fachzeitschriften, Broschüren und Ahnlichem kritisch zum Arbeitsdienst; Stellrechts bereits erwähntes Buch von 1934 ist ein gutes Beispiel dafür. Z u m anderen wurden in den folgenden Jahren selten auch nonkonforme Äußerungen veröffentlicht. Auch diese wurden vom Arbeitsdienst aufgegriffen und gebrandmarkt. Wie weitgehend der Dienst sein Auslegungsmonopol durchgesetzt hatte, zeigt sich aber daran, dass noch in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre Bücher kritisiert wurden, die 1933 erschienen waren - offensichtlich gingen dem NS-Arbeitsdienst die Gegner aus, die er zu seiner Selbstdarstellung brauchte. 128 Insgesamt kann man festhalten, dass ab Ende 1933 die hier vorgestellten Ansichten zum Arbeitsdienst und seinem Arbeitsverständnis kanonisiert waren und nicht mehr durch alternative Entwürfe in Frage gestellt wurden. Z u der Ausrichtung auf die »Volksgemeinschaft« mit allen ihren Implikationen trat als zweite Dimension des Arbeitsbegriffes der Rassismus. Vor allem hatte die Wertung der Arbeit nach 1933 eine dezidiert antisemitische Stoßrichtung. 129 Hierl hob zum Beispiel 1935 in einer Rede hervor, dass der Arbeitsdienst »Erziehungsmittel zur Abkehr von der materialistischen Arbeitsauffassung« sei, welche ihrerseits »von einem Juden geprägt und von einem stumpfsinnigen, müden, hoffnungslosen Volk nachgebetet worden« sei. 130 Bereits in einer grundlegenden Rede im Jahre 1920 und erneut in Mein Kampf war Hitler zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen, da er unterstellte, dass Juden »Parasiten« seien, die auf Kosten der aus Idealismus arbeitenden »Arier« lebten.131 Der Antisemitismus, der aus diesen Zeilen spricht, kam im Arbeitsmann, der sich an Führer und Dienstpflichtige gleichermaßen richtete, be127 Vgl. B B Z 10.12.1933; als Reaktionen: B B Z 13.12.1933; V B 14.12.1933; A N 14.12.1933. 128 Vgl. Müller, Verkündigung; dazu Arbeitsmann 13.6.1936; Chwala\ dazu Arbeitsmann 10.10.1936; Die Bewegung 38 (1936). 129 Vgl. Conze, S. 215; Köhler, Arbeitsdienst, S. 246f. 130 Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 222-229 (1935), Zitat S. 227. 131 Hitler, S. 325-335, 482f; zur Rede von 1920 Campbell, S. 314f.

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sonders ab 1937 i m m e r häufiger u n d offener zu Wort. 132 Es waren somit nicht n u r einige Reden, in denen diese Seite des Arbeitsverständnisses seinen Ausdruck fand, sondern eine Vielzahl von Äußerungen verschiedenster Art. Z u gleich war der Antisemitismus aber n u r Teil eines völkischen Rassismus. Der Arbeitsbegriff w u r d e in einen positiven u n d einen negativen gespalten, u n d die Z u o r d n u n g von Individuen u n d ganzen Völkern erfolgte jeweils nach rassistischen Kriterien. Selbstverständlich standen d e m n a c h die »Arier« u n d ihr Arbeitsverständnis an oberster, die J u d e n an unterster Stelle. Ferner, so der Arbeitsführer Decker, sei Arbeit »das große Auslesemittel, in d e m die Schwachen von den Starken gesondert werden«, es sei das »Kampfgesetz des M e n schen«. 133 Der vulgäre Sozialdarwinismus dieser Zeilen verdeutlicht, dass das Arbeitsverständnis des Arbeitsdienstes antisemitisch, letztlich aber auch allgemein rassistisch u n d biologistisch war. Die rassistische Komponente war ebenfalls Teil der U m w e r b u n g der Angehörigen des Dienstes - »Ehrendienst« sollte es n u r f ü r den »rassisch wertvollen« Teil des Volkes geben. Als logische Konsequenz trat zu der Inklusion die Exklusion. »Gemeinschaftsfremde« w u r d e n grundsätzlich von der als »Ehrendienst« überhöhten, rassistisch definierten u n d auf die »Volksgemeinschaft« orientierten Arbeit ausgeschlossen. Z u dieser deterministischen Dimension trat die voluntaristische. Wer sich der Mitarbeit u n d der U n t e r w e r f u n g unter das nationalsozialistische Arbeitsethos verweigerte, w u r d e ebenfalls aus der G e m e i n schaft ausgestoßen. Insofern war die Arbeit in besonderem Maße die Instanz, über die »Volksgenossen« u n d »Gemeinschaftsfremde« unterschieden wurden. N o c h wichtiger f ü r die Arbeitsprojekte des Dienstes war die Folgerung, dass es aufgrund der ideologischen Aufladung unmöglich war, dass der exkludierte Teil der Bevölkerung denselben Projekten nachgehen könnte wie die »Volksgenossen« im Arbeitsdienst u n d anderen Organisationen. So w u r d e n vor allem die Bodenverbesserungen als exklusive Arbeit dargestellt. Dagegen sei es u n d e n k bar, dass »Gemeinschaftsfremde« in demselben Bereich arbeiteten, d e n n die Glorifizierung ließ sich nicht auf die konkreten Projekte beziehen, sondern n u r grundsätzlich auf den Arbeitstyp. Die dritte Tendenz, die sich am Begriff der »Arbeit« im Arbeitsdienst beobachten lässt, war die Militarisierung des Arbeitsverständnisses. Darunter wird hier sowohl der Gebrauch militärischer Begriffe u n d Metaphern als auch die geistige Vorbereitung auf einen Krieg über die Verbindung des Konzeptes von »Arbeit« mit d e m von »Krieg« verstanden. Sie n a h m schon vor 1933 in den nationalsozialistischen Publikationen breiten R a u m ein. 134 Daran änderte sich zunächst auch nach der Machtübertragung nichts. In der Zeitschrift Arbeiterin Vgl. z.B. Arbeitsmann 17.7.1937; ferner Kapitel III.3.1. dieser Arbeit. 133 Decker, Weg, S. 21 ; vgl. auch Krüger, Arbeitsdienst, S. 161-164. 134 Vgl. Hieri, Schriften, Bd. 2, S. 29-49 (1931/32).

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tum, dem Organ der Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation, veröffentlichte zum Beispiel Bernhard Köhler im Juli 1933 einen Artikel, in dem er den Anfang des Nibelungenliedes zitierte. Wenn dort von »helden lobebasren, von grôzer arebeit« die Rede sei, so der Leiter der Kommission für Wirtschaftspolitik in der Reichsleitung der NSDAP, sei das folgendermaßen zu deuten: »Arbeit und Krieg sind die zwei Formen, in denen sich der Kampf des einzelnen wie des Volkes um das Leben abspielt. Im Grunde sind Arbeit und Krieg dasselbe, kommen aus demselben Urgesetz des Lebens und haben den gleichen ewigen Sinn. Arbeiter und Krieger sind eins: Volksgenossen im Kampf.«135 Nachdem Hitler die Einführung der Arbeitsdienstpflicht im Sommer 1933 hatte vertagen müssen, wurde die kriegerische Dimension einige Monate lang ins zweite Glied verwiesen. Umso häufiger wurde nun die Arbeit des Dienstes als Friedenswerk dargestellt.136 Auch damit ordnete sich die begriffliche Füllung von »Arbeit« allgemein in diejenige des Regimes ein - denn in den ersten Jahren diente gerade das scheinbar harmlose Arbeitsverständnis dazu, die einsetzende Aufrüstung zu verdecken.137 Zumindest der Arbeitsdienst hielt diese Linie aber nicht lange durch. Wenige Monate später häuften sich wieder Aussagen, die die Organisation in den Kontext einer Kultur der Kriegsvorbereitung stellten. Im Januar 1934 erklärte Hierl vor Studenten der Berliner Universität: »Jeder Deutsche soll Arbeiter und Kämpfer für sein Volk sein. [... ] Die Männer, die im Frieden ihrem Volke mit dem Spaten, der Waffe des Friedens, dienen, sind seelisch auch bereit, zum Schutze der Friedensarbeit und der Ehre ihres Volkes ihr Leben einzusetzen.«138 Die Tendenz, die militärische Dimension von »Arbeit« hervorzuheben, verstärkte sich noch, als im März 1935 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde und ein halbes Jahr später die Arbeitsdienstpflicht folgte. Das lässt sich auch qualitativ belegen. So findet sich zum Beispiel im Arbeitsmann ab November 1935 über mehrere Monate hinweg mindestens ein einseitiger Artikel zu militärischen Fragen. Diese Artikel stechen aus der Zeitschrift hervor, da diese sich ansonsten lediglich mit Problemen beschäftigte, die den Arbeitsdienst direkt betrafen. Somit war es nicht nur eine Militarisierung des Arbeitsbegriffes, die den Dienst in den Kontext des Militärischen rückte.139 Parallel zur Erweiterung des außenpolitischen Spielraumes gewann so die Militarisierung des Arbeitsverständnisses an Bedeutung, um sich ab 1935/36 auf einem hohen Niveau einzupendeln - auf dem sie bis zum U n tergang 1945 bleiben sollte. Der Bedeutungsgewinn der militaristischen Komponente des Arbeitsbegriffes lässt sich besonders an einer Metapher ablesen, die sich als Bezeichnung für 135 136 137 138 139

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Köhler, Sinn, S. 13f, Zitat S. 13. Vgl. Dt. A D 3 (1933), S. 263f. Vgl. Schneider, S. 485. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 133-149 (1934), Zitate S. 133, 142. Vgl. Arbeitsmann 1935, 1936.

die Angehörigen des Dienstes schon etablieren konnte, bevor sich der Begriff »Arbeitsmann« durchgesetzt hatte: die Wendung »Soldaten der Arbeit«. Einmal mehr war es Hierl, der den Ausdruck in einer öffentlichen Rede gebrauchte und so in Zusammenhang mit dem Arbeitsdienst hoffähig machte. Bei einer Fahnenweihe an Hitlers Geburtstag im April 1934 führte er aus, dass sich die Männer des Arbeitsdienstes »Soldaten der Arbeit« nannten, nicht aber, weil der Dienst »eine verkappte militärische Einrichtung« sei, »sondern weil das Wort >Soldat< für uns Ausdruck einer bestimmten seelischen Haltung ist.« Das Soldatentum definierte Hierl mit Begriffen wie »Selbstaufopferung«, »Ehre«, »Pflichtgefühl, Manneszucht und Kameradschaft.«140 Wurden die Ausdrücke »Soldat der Arbeit« und »Arbeitsmann« zumeist synonym verwandt, so betonte Hierl 1935 die Unterschiede zwischen beiden Ausdrücken. Demnach wurde der »Arbeitsmann« erst mit Hilfe der Ordnungsübungen zum »Soldaten der Arbeit«.141 Offensichtlich war es die vormilitärische Ausbildung, durch die sich für Hierl die jungen Männer diesen Titel verdienten. Das Verhältnis zwischen den beiden Begriffen wurde nicht immer gleich gefasst - festhalten lässt sich jedoch, dass die Metapher »Soldat der Arbeit« den Kanon an »Tugenden« umriss, den der Arbeitsdienst den jungen Männern einimpfen wollte. Die Militarisierung des Arbeitsverständnisses, das über den Arbeitsdienst hinaus allgemein im NS-Regime zu finden ist, könnte man als eine nichtintendierte Trivialisierung des Krieges verstehen. Einen geregelten, maximal achtstündigen Einsatz bei der Bodenkultivierung mit Begriffen wie »Kampf«, »Selbstaufopferung« oder dem Einsatz des Lebens zusammenzubringen, verharmloste den Krieg, da der Einsatz der Arbeitsmänner unvergleichlich weniger riskant und psychisch und physisch belastend war als der von Kombattanten. Es wäre aber zu einfach, die militaristische Sprache als Ausweis des operettenhaften Charakters des Arbeitsdienstes zu werten. Denn der Meinungselite des Arbeitsdienstes und des Nationalsozialismus allgemein, die diese Begriffe prägte, war klar, dass die Sprache des Krieges nicht nur ein linguistisches Referenzsystem sein sollte. Sie sollte vielmehr auf eine Zukunft vorbereiten, in der sich die meisten Angehörigen des Dienstes bald wiederfinden würden. Der Bezug zum Krieg legitimierte den Dienst in einer Gesellschaft, die sich mit maximaler Anstrengung auf einen solchen vorbereitete. Insgesamt wurde somit die Arbeit des Arbeitsdienstes in dreierlei Hinsicht ideologisch überhöht. Sie wurde direkt auf die »Volksgemeinschaft« bezogen, schöpfte ihren Wert nur aus dem Nutzen für sie und half dabei, sie zu bilden. Zugleich hatte »Arbeit« eine rassistische und vor allem antisemitische Dimension. Schließlich war es als drittes Element die Militarisierung, welche abgesehen von einer kurzen Abmilderung Mitte 1933 den Arbeitsbegriff prägte, und 140 Hieri, Schriften, Bd. 2, S. 163f (1934), Zitate S. 163f. 141 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 194 (1935).

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damit der geistigen Kriegsvorbereitung Vorschub leistete. Dieser Aspekt ebenso wie der rassistische wurde in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre noch radikalisiert. Es handelte sich n u r scheinbar u m eine Gegenbewegung, w e n n nach 1935 das unterhaltende Element im offiziellen RAD-Schrifttum ausgebaut wurde und es im Arbeitsmann u n d anderen Organen Witzseiten u n d Ähnliches gab. Diese Tendenz findet sich allgemein in der NS-Presse, den ästhetischen Produkten und der Politik jener Jahre wieder. 142 U b e r grundsätzliche Fragen ließ sich nichts Neues mehr sagen; die redundanten Besinnungsartikel verloren ihre mobilisierende Kraft. Ein größeres und attraktiveres Freizeitangebot, dessen Ausdruck die Witzseiten ebenso waren wie die Reisen der KdF, sollten statt dessen n u n die Bevölkerung für das Regime gewinnen. Allerdings hatte nicht nur der Arbeitsdienst das hier dargestellte Arbeitsverständnis. Das zeigt neben den Bezügen zu Hitler z u m Beispiel in Meyers Lexikon von 1936, das eine allgemein verbindliche Definition für die Zeit des Nationalsozialismus gibt. Danach war Arbeit »jeder zielbewußte Einsatz geistiger oder körperlicher Kräfte für ein Werk, das - sei es in einem noch so geringem Maße - dem ganzen des Volkes dient.« Demnach sei Arbeit die »sozialistische Pflicht des Volksgenossen und nicht - wie es d i e j ü d . Ethik hinstellt - ein notwendiges, aus dem Sündenfall erwachsenes Übel.« D e r Artikel schloss damit, dass zur Vermittlung dieser Arbeitsauffassung primär drei Institutionen dienten: der Arbeitsdienst, die Deutsche Arbeitsfront und das Arbeitsrecht. 143 Abgesehen v o m Militarismus wurden hier die wesentlichen Dimensionen des nationalsozialistischen Arbeitsverständnisses zusammengefasst. D a m i t entsprechen die begriffsgeschichtlichen Befunde für den Arbeitsdienst c u m grano salis denjenigen f ü r den mainstream des Nationalsozialismus. 144 Ferner zeigt der Eintrag, welche herausgehobene Stellung Hierls Organisation f ü r die Wertung von Arbeit als einer zentralen Kategorie im »Dritten Reich« hatte. Es gab aber auch intellektuelle Angebote, den Arbeitsbegriff genauer zu bestimmen, die der Arbeitsdienst nicht rezipierte. Ein solches erhielt der Arbeitsdienst von unerwarteter Seite im Mai 1933. In seiner berüchtigten Rektoratsrede fragte Martin Heidegger nach den Aufgaben, der Stellung u n d d e m Selbstverständnis, das Studenten haben sollten, u m »dem deutschen Schicksal in seiner äußersten N o t standzuhalten«. Dreierlei Bindungen hatte die Studentenschaft seiner M e i n u n g nach einzugehen. Die erste sei die zur »Volksgemeinschaft«, sie verpflichte z u m »mittragenden und mithandelnden Teilhaben am M ü h e n , Trachten und Können aller Stände und Glieder des Volkes«. Diese Bindung verwirkliche sich Heidegger zufolge am besten im Arbeitsdienst. I h m 142 Vgl. z.B. Stommer, Alltag, S. 151. 143 Meyers Lexikon, Bd. 1, S. 496f, Zitat S. 496. 144 G e n a u e r e Differenzierungen bei Campbell, S. 312-375; ihre A u s f ü h r u n g e n z u m Arbeitsdienst (S. 329) vernachlässigen, dass in Bezug auf die hier diskutierte Frage Hierl u n d Stellrecht einer M e i n u n g waren.

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stellte der Freiburger Philosoph zwei weitere Elemente zur Seite: den Wehrdienst und den »Wissensdienst«, das heißt einen geistigen Auftrag, der weit über eine »schnelle Abrichtung zu einem >vornehmen< Beruf« hinausgehe. Die drei Bindungen - »durch das Volk an das Geschick des Staates im geistigen Auftrag« - drückten sich für ihn in der Trias »Arbeitsdienst, Wehrdienst und Wissensdienst« aus.145 Der Philosoph selbst interessierte sich von den drei Diensten primär für den »Wissensdienst«, der in sein Ressort fiel und ein Vehikel sein sollte, die deutsche Universität umzuformen. In den Monaten nach der Rektoratsrede entwickelte er ein Konzept vom »Wissenschaftslager« und erprobte es auch in der Praxis.146 Dass Heidegger Kontakt zum Arbeitsdienst aufnahm, ist dagegen nicht bekannt. Umgekehrt tat Hierl auch nichts, um seine Organisation mit dem berühmten Professor zu schmücken, er wurde weder Hausphilosoph noch Aushängeschild. Lediglich in einigen randständigen Schriften der Arbeitsdienstliteratur wurde Heideggers Rede positiv vermerkt. 147 Dass es zu keinem Kontakt kam, ist umso auffallender, da Heidegger nicht nur dieses eine Mal über den Arbeitsdienst sprach oder schrieb - es handelte sich keineswegs um eine intellektuelle Eintagsfliege. In mehreren Beiträgen, von denen einer im ganzen süd- und westdeutschen Raum über Rundfunk ausgestrahlt wurde, wiederholte er seinen Gedanken. 148 Insgesamt waren die Ausführungen des Freiburger Philosophen zum Arbeitsdienst kurz und nicht sehr originell. Dass seine Worte bei Hierl nicht auf Resonanz stießen, hatte wahrscheinlich mit Hierls Engstirnigkeit zu tun, der die propagandistischen Möglichkeiten übersah, die eine Zusammenarbeit mit dem Philosophen eröffnet hätte. Auch die Anknüpfungspunkte zum Schriftsteller Gottfried Benn nahm Hierl nicht auf: 1933 forderte dieser die Jugend auf, »die Lenden zu gürten und die Wurfschaufel in die Hand zu nehmen«. 149 Auch auf ein weit ausgefeilteres intellektuelles Angebot ging der NS-Arbeitsdienst nicht ein. In seinem im Oktober 1932 veröffentlichten Buch Der Arbeiter hatte Ernst Jünger seine Gegenwart als den Übergang von der sich auflösenden bürgerlichen Gesellschaft zur Herrschaft des Arbeiters gedeutet. In dem Werk forderte er die Arbeitsdienstpflicht als die »Morgengabe des Arbeiters an den Staat«. Sie sei die Nachfolgerin der allgemeinen Wehrpflicht und übernehme deren Rolle bezüglich »Erziehung, Durchdringung und einheitliche[r] Zucht«. Ferner räume sie die »alberne Überheblichkeit«, Handarbeit als minderwertig zu sehen, aus. Die neue Pflicht, durch die die Wehrpflicht im bisherigen Sinne 145 Heidegger, S. 14-17. 146 Vgl. Ott, S. 214-223; insgesamt Safranski, S. 274-297. 147 Vgl. Feld, S. 18f. 148 Vgl. Freiburger Zeitung 27.11.1933; Der Alemanne 25.11.1933; vgl. femer Der Alemanne 1.2.1934; Freiburger Zeitung 24.1.1934; dazu auch Fartas, S. 181-189. 149 Benn, S. 20.

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unnötig werde, beziehe sich »nicht nur auf die waffenfähige Mannschaft, sondern auf die Gesamtbevölkerung«.150 Zwischen Jüngers Konzept und dem nationalsozialistischen Arbeitsdienst gab es wichtige Bezüge, und es mag verwundern, dass Hierl auch die Anregungen des Pour le mérite-Trâgers und Schriftstellers nicht aufgriff zumal sich die beiden seit den 1920er Jahren persönlich kannten. 151 Ahnlich wie Hierls Organisation und wie bereits Hitler in Mein Kampf universalisierte Jünger den Typus des Arbeiters und verband damit eine Aufwertung von Handarbeit. Auch eine Militarisierung und Ausrichtung auf einen künftigen Krieg findet sich bereits bei Jünger. Wenn sich die Arbeitsdienst-Literatur nach 1933 trotzdem nicht auf ihn bezog, so hatte das mit der Stahlhelmvergangenheit des Autors und seiner schwierigen Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus zu tun. Vor allem aber trennte Jünger nicht scharf zwischen Arbeitsdienstpflicht und einer allgemeinen Arbeitspflicht. Das widersprach Hierls Definition und Programmatik wenngleich auch der Reichsarbeitsführer diese Grenzen später durch das Projekt des Nationalen Hilfsdienstes tendenziell aufheben wollte. Jüngers ästhetisierenden, visionären Ausführungen konnte man zudem nur schwer einen realen Zusammenhang zur harten Arbeit in einem solchen Dienst abnehmen. Wie bei Heidegger war bei Jünger schließlich der Staat die Bezugsgröße und nicht - wie bei den Nationalsozialisten - das Volk. Aus diesen Gründen wurde auch Der Arbeiter nicht zur Bibel des Arbeitsdienstes. Allerdings fand Jünger in Heidegger einen gründlichen Leser, dessen oben ausgeführte Vorstellungen zum Arbeitsdienst direkt von Jünger beeinflusst waren. So blieben Hierl und Hitler die alleinigen Bezugspunkte im RAD-Schrifttum, was zugleich die angeblich rein nationalsozialistischen Wurzeln des Dienstes belegen sollte. Heideggers und vor allem Jüngers Vorstellungen hätten die Attraktivität des Dienstes in rechtsintellektuellen Kreisen erhöht. Während Hierls Organisation durch ihren Arbeitsbegriff gezielt die Arbeiterschaft umwarb, war sie offensichtlich an einer solchen Strategie nicht interessiert. Trotzdem stellte das Arbeitsverständnis des Dienstes ein ungeheures ideologisches Gepäck dar, und ebenso auffallend war die nachgeordnete Stellung des Konzepts von Leistung in diesem Kontext. Wenn im Folgenden einzelne Projekte und Arbeitstypen genauer untersucht werden, wird deswegen zu fragen sein, in welchem Verhältnis die Praxis des Dienstes zu dieser Ideologie stand.

150 Jünger, S. 288f. 151 Das offizielle Arbeitsdienst-Schrifttum stellte keine Bezüge zu Jünger her; vgl. lediglich Hußmantt, S. 12,14,27f und FZ 4.2.1933. Z u m Kontakt zwischen Jünger und Hierl vgl. Erb/Grote, S. 45.

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2.2. Die »Moorsoldaten«? Das G r o ß p r o j e k t im Emsland als Beispiel f ü r d e n D e u t u n g s k a m p f Ab 1934, verstärkt ab 1935, änderte sich der Charakter der Tätigkeiten des Arbeitsdienstes. In höherem Maße als zuvor arbeitete Hierls Organisation nun an Großprojekten. Oft handelte es sich um Vorhaben, bei denen der Dienst auch zuvor in geringerem Umfang eingesetzt worden war. Im September 1935 konnte der Reichsarbeitsführer auf dem Reichsparteitag bereits berichten, dass von den 1260 Abteilungen des Dienstes knapp 13 % bei solchen Großarbeiten eingesetzt seien.152 Wichtige Großprojekte waren die Moorkultivierung im Emsland, im Havel- und Rhinluch sowie im Spottebruch, die Landgewinnung an der Nordseeküste Schleswigs, Kultivierungsarbeiten im Westerwald und an der Rhön und schließlich der Ausbau von Wasserläufen, etwa im Straubinger Donaubecken. 153 Die Massierung von Abteilungen in bestimmten Räumen machte die Einsatzplanung und die Arbeitsorganisation weniger aufwendig. Außerdem wurde der RAD nun häufiger auf Land eingesetzt, das dem Reich oder den deutschen Staaten gehörte - was die Planung und den Einsatz ebenfalls vereinfachte. Insofern ermöglichte die Verlagerung vieler Einheiten zumindest theoretisch eine effizientere und reibungslosere Arbeit. Eines der wichtigsten Vorhaben waren die Kultivierungsarbeiten in den emsländischen Mooren. Zeitweise war dieses Vorhaben das größte Projekt des Dienstes. Es soll hier als Beispiel für die zivilen Großprojekte des Arbeitsdienstes in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre untersucht werden, da es besonders aufschlussreich ist. In der strukturschwachen Gegend an der Grenze zu den Niederlanden übernahm der Dienst vorwiegend Entwässerungsaufgaben. 154 Das ehrgeizige Regionalprojekt, das der Arbeitsdienst Anfang 1935 begann, sollte eine Fläche von 80 mal 35 Kilometern urbar machen. Im Februar 1935 meldete der Arbeitsdienst der Öffentlichkeit, dass sich 4.000 Mann im Emsland befänden. 155 Die Abteilungen bildeten zunächst einen Teil des Arbeitsgaus XIX (Niedersachsen West), ab Februar 1937 den eigens eingerichteten Arbeitsgau XXXI (Emsland).156 Einer veröffentlichten Zahl zufolge liefen bis 1937 nacheinander über 45.000 Arbeitsmänner durch diese Moorlager - wenngleich die Summe, wie noch zu zeigen sein wird, übertrieben war, verdeutlicht sie doch, welche Bedeutung das Regime dem Projekt gegenüber der Öffentlichkeit beimaß.157

152 153 154 155 156 157

Vgl. Hieri, Schriften, Bd. 2, S. 363f (1935). Vgl. WIS 18 (1938), S. 126-130; Müller-Brandenburg, Leistungen, S. 13. Vgl. z.B. Krüger, Aufgabe, S. 14. Vgl. Dt. AD 9 (1935), S. 258-265. Vgl. BA/B, R 2/4530, Vermerk RFM, 8.7.1936. Vgl. Wendt, Kameradschaft, S. 5.

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War die Emslandkultivierung 1933 vom NS-Arbeitsdienst primär unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsbeschaffung fortgeführt worden, so änderte sich mit dem Beginn des Großprojektes zwei Jahre später die Begründung des Einsatzes. Die Arbeiten wurden gegenüber der Bevölkerung als besonders dringlich dargestellt, da auf der anderen Seite der Grenze, in den Niederlanden, »weite fruchtbare Felder, sattgrüne Saaten, gesunde große Bauernhöfe« lägen, während sich im unmittelbaren Anschluss, auf deutscher Seite, »eine braunschwarze, trostlose sumpfige Wüste« erstrecke. Dieser »Schandfleck« müsse schnellstens beseitigt werden. 158 Zugleich wurde der Einsatz in diesen Mooren noch mehr als andere Projekte glorifiziert und zu einem nationalsozialistischen Prestigeobjekt verklärt. Arbeitsmänner im ganzen Reich wurden dazu aufgerufen, sich als Freiwillige für die besonders harte Arbeit zu melden. Zugleich stachen die Abteilungen aus den anderen hervor, da ihre Angehörigen an ihren Uniformen ein schwarzes Band mit der silbernen Aufschrift »Emsland« trugen.159 In einer Ansprache betonte Hierl gegenüber den Emslandabteilungen, wie »ehrend« es für sie sei, »hier als Auslese des ganzen deutschen Arbeitsdienstes auf diesem vorgeschobenen Posten für deutsche Kultur« zu arbeiten.160 Der Reichsarbeitsführer verschwieg dabei freilich, dass der Stahlhelm bereits am Ende der Weimarer Republik Planungen für ein Arbeitsdienstprojekt im Emsland unternommen hatte, welches das nationalsozialistische Engagement weit in den Schatten gestellt hätte.161 Die »Ehrendienst«-Ideologie, mit der das Regime die Arbeit des Dienstes ideologisch überhöhte, übersetzte sich auch beim Emslandprojekt in eine Flut von Propagandaartikeln. Laut Arbeitsdienstführer Alfred Krüger tradiere die im Emsland eingesetzte Jugend in besonderem Maße »das Vermächtnis von Langemarck«, dem berühmt-berüchtigten Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs. Ein höheres Kompliment konnte man einem zivilen Arbeitseinsatz im Wertekanon des Nationalsozialismus kaum machen. 162 Gebetsmühlenhaft wurde wiederholt, dass Arbeitsdienst Ehrendienst sei. Mit solchen Äußerungen warb der Dienst um die Arbeitsmänner, deren Aufgabe laut Hierl auf keinen Fall einer Form von »Zwangsarbeit« gleichen dürfe. 163 Deswegen war es ein Teil der Arbeitsdienst-Programmatik, dass »Dienstunwürdige« nicht die gleichen Arten von Arbeit übernehmen durften wie der Arbeitsdienst. In diesem Sinne äußerte sich zum Beispiel einer der engsten Mitarbeiter Hierls schon vor dem Beginn des Großprojektes gegenüber dem von Joseph Goebbels in Berlin herausgegebenen Die Frage, ob für Bodenkultivierungen sowohl der Arbeitsdienst 158 159 160 161 162 163

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Dt. A D 9 (1935), S. 263. Vgl. BA/B, R 2301/5662, RAF an AGL, 9.1.1935. Dt. A D 9 (1935), S. 265. Vgl. zu den Planungen BA/B, R 43/1/2086; BA/B, R 72/319. Krüger, Kapital, S. 357-361, Zitat S. 359. Hierl, Schriften, Bd. 2, z.B. S. 392 (1937).

als auch KZ-Häftlinge eingesetzt werden könnten, verneinte er vehement, da dies mit dem Charakter des Arbeitsdienstes unvereinbar sei. Schließlich sei es eine Ehre, »an der Kultivierung deutschen Bodens und deutscher Erde zu schaffen«, und somit undenkbar, dafür auch Häftlinge zu verwenden. 154 Allerdings widersprach die Praxis des Regimes dem hier postulierten Anspruch. Denn anders als man annehmen könnte, arbeiteten im Emsland an den Kultivierungsarbeiten nicht nur »Volksgenossen«. Vielmehr gingen auch Häftlinge unter extremen, viel härteren Bedingungen der grundsätzlich gleichen Arbeit nach wie Hierls Männer. Dabei handelte es sich zum einen um K Z Häftlinge. Bereits 1933 war neben anderen Konzentrationslagern das KZ Esterwegen eingerichtet worden, das in den ersten Jahren nach der Machtübertragung das größte und wichtigste derartige Lager neben Dachau war. In Esterwegen wurden viele prominente Intellektuelle und Politiker der Weimarer Republik inhaftiert, gequält und manche auch ermordet. Unter den Häftlingen waren die sozialdemokratischen Politiker Julius Leber und Theodor Haubach sowie der spätere Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky. 165 So kollidierte das ideologische Programm des Arbeitsdienstes mit den Interessen des preußischen Innenministeriums, dem die KZ zunächst unterstanden, und später mit denen der SS. Denn das Nebeneinander der Lager von Arbeitsdienst und Häftlingen untergrub die Glaubwürdigkeit der Idee des »Ehrendienstes«. Doch Hierls Anspruch wurde ebenso massiv von einer anderen Seite in Frage gestellt. Denn nicht nur Arbeitsdienstler und KZ-Häftlinge arbeiteten im Moor, sondern auch Strafgefangene unter der Aufsicht des Reichsjustizministeriums. Sie wurden in kleinerem Rahmen schon seit 1923, verstärkt ab 1934 in der Region herangezogen. 166 Insgesamt gingen im Emsland »Volksgenossen« und »Gemeinschaftsfremde« nur wenige Kilometer voneinander entfernt der grundsätzlich gleichen Tätigkeit nach - und widersprachen damit der nationalsozialistischen Arbeitsideologie diametral. In dieser Situation griff der Reichsarbeitsführer auf drei Strategien zurück, um den exklusiven Anspruch des Dienstes auf das Projekt - und grundsätzlich alle ähnlichen - durchzusetzen. Erstens verhandelte er direkt mit der SS und dem Reichsjustizministerium, um zu erreichen, dass nur noch der Arbeitsdienst bei Bodenkultivierungen arbeiten dürfe. Allerdings musste er sich bereits vor dem Beginn des Großeinsatzes auf einen Kompromiss einlassen. Bevor seine Organisation die Arbeit im großen Rahmen im Emsland aufnahm, fand am 6. Dezember 1934 eine interministerielle Besprechung statt. Darin wurde festgelegt, dass im südlichen Teil der Region 7.700 Angehörige des Reichsarbeitsdienstes »Ehrendienst« verrichten sollten, während wenige Kilo164 AN 15.9.1933. Ottos Artikel beruhte auf einem Gespräch mit Stellrecht. 165 Vgl. zu den KZ im Emsland Kosthorst/Walter, Bd. 1, S. 74-512. 166 Vgl. ebd., v.a. S. 527-553.

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meter entfernt, im nördlichen Teil, 5.500 Strafgefangene eingesetzt wurden. Uber die Aufteilung wurde 1936 erneut diskutiert. Der Reichsarbeitsführer schlug nun vor, die Tätigkeit des Arbeitsdienstes im Emsland auszudehnen. 167 Sein Ziel war es selbstverständlich, dass allein seine Organisation im Emsland und überhaupt keine Gefangenen mehr dort beschäftigt würden. Das sprach er gelegentlich auch offen aus.168 Zweitens setzte Hierl die Medien ein, um die ideologisch begründeten Interessen seiner Organisation zu propagieren - ganz, wie er es zum Beispiel schon 1934 und danach in den Auseinandersetzungen um den Ernteeinsatz getan hatte. Das Kalkül war einfach: Wenn die Presse und möglichst auch andere Medien nur oft genug über seine Organisation und den exklusiven Charakter ihrer Tätigkeit als »Ehrendienst« berichteten, mussten die beiden anderen Organisationen und Hitler als oberste Entscheidungsinstanz irgendwann einsehen, dass nicht gleichzeitig Häftlinge für dieselbe Arbeit eingesetzt werden konnten. So wurden die Medien und die Öffentlichkeit zu einer Art Fürsprecher, denn die Artikel richteten sich nur nachrangig an die Bevölkerung, sondern primär an die politischen Entscheidungsträger des Regimes. Auch in einer zweiten Hinsicht konnten die Pressekampagnen nützlich sein. Die Chancen standen gut, dass die Artikel Hitler direkt erreichten - es war bekannt, dass er die Presse aufmerksam verfolgte. Demgegenüber war es oft schwierig, den »Führer« direkt zu sprechen, zumal für Personen wie Hierl, die in der Machthierarchie der NS-Herrschaft nur in der zweiten Reihe standen. Hitler schirmte sich zunehmend ab und war oft kein guter Zuhörer, sondern erging sich lieber selbst in Monologen. Insofern konnte ein gut platzierter Zeitungsbericht wirkungsvoller sein als der Versuch, den »Führer« selbst zu sprechen. Bei diesem Medienstreit gab es aber verschiedene Diskursebenen, die sich daran ablesen lassen, ob das eigentliche Problem - die Konkurrenzsituation benannt wurde oder nicht. In den Verhandlungen, die man aus archivalischen Quellen erschließen kann, wurde die Rivalität direkt ausgesprochen. Sehr selten fand sich eine derart offene Kritik auch in Zeitschriften, die sich an den Arbeitsdienst selbst wandten. Eines der wenigen Beispiele ist die Veröffentlichung einer Rede Hierls vom Februar 1935, die er bei Beginn des Großprojektes vor seinen Emslandabteilungen hielt. Der Reichsarbeitsführer betonte, es sei »unerträglich«, dass für dieselbe Arbeit wie die des Dienstes auch Häftlinge eingesetzt würden. 169 Die Kritik erreichte nicht nur einige hundert angetretene Arbeitsmänner, sondern durch ihre Veröffentlichung im Deutschen Arbeitsdienst auch Hierls Organisation generell. Dagegen blieb in Aussagen, die sich an die breite Öffentlichkeit wandten, die Kritik an der anderen Institution 167 Vgl. BA/B, R 2/4530, Vermerk RFM, 8.7.1936. 168 Vgl. ebd., Darre an Gürtner, 20.7.1936. 169 Vgl. Dt. AD 9 (1935), S. 264.

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normalerweise implizit. Der ideologische Anspruch des Dienstes wurde ausgebreitet, so dass nur derjenige, der ohnehin von den Gefangenen wusste, verstand, dass diese Fragen umstritten waren. Das zeigt die Grenzen, innerhalb derer sich der Diskurs abspielte. Die Rivalitäten wurden zwar erbittert ausgetragen. Gegenüber den eigenen M ä n n e r n wurde mit offenen Karten gespielt zumal sie teilweise ohnehin mit dem unmittelbaren Nebeneinander mit Häftlingen konfrontiert waren. Gegenüber der Bevölkerung versuchte Hierl aber, den »schönen Schein« des Regimes zu wahren, indem er es vermied, andere nationalsozialistische Einrichtungen offen zu kritisieren. Das war zugleich allgemein Praxis im »Führerstaat«. Als Medien setzte der Arbeitsdienst seine eigenen Publikationen ein. N o c h wichtiger war, dass weit über seine eigenen Organe hinaus Zeitungen Artikel veröffentlichten, die die »Ehrendienst«-Propaganda verbreiteten. Z u m einen handelte es sich u m Beiträge in Form von Berichten, Interviews, wiedergegebenen Reden und Ahnlichem, die direkt von Angehörigen des Arbeitsdienstes stammten, bzw. deren Sicht wiedergaben. Z u m anderen verkündeten auch Journalisten, die für die Zeitungen selbst arbeiteten, in ihren Artikeln immer wieder das Anliegen des Arbeitsdienstes. 170 Aber auch hinter diesen Beiträgen stand oft Hierls Organisation. D e n n selbstverständlich hatte der Arbeitsdienst eine Presseabteilung, die gezielt in diesem Sinne wirkte u n d z u m Beispiel Pressefahrten ins Emsland organisierte. 171 So hoffte der Arbeitsdienst, dass die Journalisten über den »Ehrendienst« in der Region freundlich berichten w ü r den. Die gleiche Botschaft trugen neben den Zeitungen aber auch andere M e dien, etwa Riefenstahls Film »Triumph des Willens«. Riefenstahl gab die weitreichenden Ansprüche Hierls wider - und verlieh ihnen dadurch zusätzliche Kraft. 172 Ferner ging der Ehrendienst-Gedanke auch in die Fachpresse ein, etwa in juristische Zeitschriften. 173 Drittens schließlich bemühte sich der Reichsarbeitsfuhrer darum, die Berichterstattung über die Häftlingsarbeit zu unterbinden. N o c h bevor der Großeinsatz seiner Organisation im Emsland begann, wandte er sich im Juni 1934 in einem Telegramm empört an H e r m a n n Göring als d e m preußischen Ministerpräsidenten. Hierl beklagte, dass der Preußische Pressedienst falsch über das Kultivierungsprojekt im Emsland gemeldet habe - d e n n dort w u r d e über die Häftlingsarbeit referiert. Hierl bat »im N a m e n von 250000 Soldaten der Arbeit« Göring u m Ehrenschutz. 174 Hierls Protest konnte jedoch nicht verhindern, dass

170 Vgl. z.B. Arbeitsmann 6.3.1937; Loye, S. 55-57; VB 2.11.1934; BT 22.4.1933. 171 Vgl. Kampmann, Amt, S. 44-46; BA/B, R 1501/5622, Protokoll der 7. Tagung der Arbeitsgaufiihrer vom 7.-9.3.1935. 172 Vgl. zum Arbeitsdienst in Riefenstahls Film Hinton, S. 25-62. 173 Vgl. z.B. Stamm, S. 432-435; Maunz, S. 353-357. 174 BA/B, R 43 11/516, Hierl an Göring, 8.6.1934.

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im Sommer 1934 und in den Jahren danach die Presse über den Einsatz der Strafgefangenen im Emsland berichtete.175 Auch wenn das letzte der drei Mittel sich bald als ungeeignet erwies, errang Hierl mit der Kombination aus direkten Verhandlungen und Propagandafeldzug zumindest einen Etappensieg. Zum Jahreswechsel 1936/37 wurde das KZ Esterwegen aufgelöst. Die Auflösung von Esterwegen erklärte im Januar 1937 Reichsführer-SS Heinrich Himmler folgendermaßen: »Dieses Lager im Emsland habe ich aufgelöst auf die Vorstellungen des Reichsarbeitsführers Hierl hin, der mir ebenso wie die Justiz erklärte, es sei falsch, wenn man dem einen sage, der Dienst im Moor, der Dienst, ein Land urbar zu machen, sei ein Ehrendienst, während man den anderen als Häftling dort hinsetze [...] Das ist in der Tat unlogisch, und ich habe nach einem halben oder dreiviertel Jahr das Lager in Esterwege [sie!] aufgelöst und habe es in die Nähe von Oranienburg nach Sachsenhausen verlegt.«176

Himmler begründete die Auflösung von Esterwegen mit der Ehrendienst-Ideologie. Wäre dieser Schritt aber durch Hierls Propagandafeldzug oder sein schieres Argument herbeigeführt wurden, hätte Himmler, ganz wie er es sagte, das KZ nach kurzer Zeit auflösen müssen. Tatsächlich dauerte es aber vier konfliktreiche Jahre, bis sich der Reichsführer-SS zu diesem Schritt entschied. Himmlers Handeln wurde offensichtlich auch nicht durch die Tatsache beschleunigt, dass er ein ehemaliger Artamane war. Dabei hatte sich diese völkische Vereinigung in den 1920er Jahren besonders beim Aufbau freiwilliger Arbeitsdienstlager engagiert.177 Absurd war sein Argument, dass ihn auch »die Justiz« von der Notwendigkeit, Esterwegen aufzugeben, überzeugt habe - denn schließlich wurde durch sie der Ehrendienst-Charakter des Arbeitsdienstes ebenso sehr herausgefordert wie durch die KZ-Häftlinge. Primär andere Gründe bewogen Himmler zur Auflösung des Lagers. Ab 1936 wurden die KZ aus ökonomischen Motiven zentralisiert. Gegen den Standort im Emsland sprachen auch seine Nähe zur Grenze, was für die Landesverteidigung unzweckmäßig schien und zudem Fluchtversuche aussichtsreicher machte.178 So war die »Ehrendienst«-Propaganda des Arbeitsdienstes nur ein nachgeordneter Faktor aus einem ganzen Bündel an Gründen für die Schließung des KZ. Trotzdem ist auch dieses Element bedeutsam, da es einen Einblick in das Denken und die Strategie des Reichsarbeitsfuhrers erlaubt - der glaubte, dass der Appell an die Öffentlichkeit ein wirkungsvolles Mittel darstelle. Ein makaberes Detail sei nicht verschwiegen. Hierl wollte, als sich die Auflösung des KZ abzeichnete, das Lager als Standort für den RAD übernehmen. Er 175 176 177 178

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Vgl. z.B. K Ö Z 9.6.1934. U u F , Bd. 11, Nr. 2486, S. 16-29, Zitat S. 19. Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 31-33. Vgl. Sofiky, S. 45f.

beabsichtigte, darin vier Abteilungen unterzubringen, und verhandelte ohne Absprache mit dem Reichsjustizministerium darüber mit der SS, die ihm den Wunsch gewährte und ihm das Lager verkaufte. Der Reichsarbeitsführer schreckte offensichtlich vor keinem Mittel zurück, um seinen Einfluss im Emsland auszuweiten. Damit verstieß Hierl zugleich gegen die Ubereinkunft vom Dezember 1934. Denn das KZ lag im nördlichen Teil der Region, in der eigentlich Strafgefangene eingesetzt wurden. 179 Auf dessen Protest musste Hierl letztlich das Lager an das Justizministerium abtreten.180 Eine solche Indifferenz gegenüber dem ursprünglichen Verwendungszweck zeigte Hierl aber nicht nur in diesem Fall. Bereits 1935 hatte der Arbeitsdienst ein Lager bezogen, das ursprünglich für Gefangene vorgesehen gewesen war.181 Hierls morbider Eifer verdeutlicht noch einmal die strukturellen Ähnlichkeiten zwischen den Lagersystemen fur »Volksgenossen« und »Gemeinschaftsfremde«. Wenige Änderungen genügten, um aus einem Konzentrationslager einen Ort der Erziehung für den positiv ausgewählten Teil der Jugend zu machen. Zugleich zeigen sich am Emslandeinsatz auch organisatorische Probleme des Arbeitsdienstes. Hierl bemühte sich zwar mit allen Mitteln, seinen Einflussbereich in der Region auszudehnen. Zur gleichen Zeit war er aber nicht in der Lage, die an ihn gestellten Erwartungen zu erfüllen. Aus Gründen, die sich aus den Akten leider nicht rekonstruieren lassen, konnte er die erforderlichen Abteilungen nicht stellen - festhalten kann man aber, dass die Arbeitskräfteplanung des Dienstes unzureichend war. Denn die Übereinkunft vom Dezember 1934 hatte vorgesehen, dass der Arbeitsdienst etwa 7.700 Mann im Emsland beschäftigen sollte. Bis 1936 taten dort de facto jedoch nur ungefähr 3.500 Arbeitsmänner Dienst. Dies wurde bei einer Besprechung der Reichsministerien am 7. Juli 1936 diskutiert. Sollte der Arbeitsdienst mit dem bisherigen Tempo weiterarbeiten, waren demnach statt der ursprünglich veranschlagten zehn Jahre voraussichtlich dreißig nötig. Deswegen wurde der Arbeitsdienst aufgefordert, sofort weitere 4.500 Mann ins Feld zu führen. Hierls Vertreter konnte aber lediglich weitere 3.800 Arbeitsmänner versprechen, und diese auch erst ab Frühjahr 1937.182 Auf die Nichterfüllung der vorgegebenen Quoten hatte der Leiter der Reichsstelle für Raumordnung, Reichsminister Hanns Kerrl, bereits Ende Juni 1936 aufmerksam gemacht. Auch nach der Besprechung AnfangJuli blieb Kerrl skeptisch. Ende Juli referierte er eine Einschätzung des Regierungspräsidenten von Osnabrück, wonach dieser zum einen anzweifelte, dass Hierl die Zahl der Abteilungen entsprechend den Vorgaben würde steigern können, und zum 179 Vgl. 180 Vgl. 590-644. 181 Vgl. 182 Vgl.

BA/B, R 2/4530, v.a. Vermerk RFM, 8.7.1936. ebd., Kerrl an RFM, 6.1.1937; vgl. auch die Dokumente in Kosthorst/Waller, Bd. 1, S. Dt. A D 9 (1935), S. 263. BA/B, R 2/4530, Vermerk RFM, 8.7.1936.

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anderen, ob in einem solchen Fall angesichts der Häufung von Einheiten auf engem Raum praktische Arbeit noch möglich sei. Z u der Kritik an der Einsatzplanung des Reichsarbeitsdienstes trat die an der Effizienz und der Effektivität. Zwar ging für Kerrl auch die Häftlingsarbeit zu langsam voran, letztlich war er sich aber mit dem Reichsfinanzministerium einig, dass deren Einsatz »weitaus schneller, intensiver und billiger« sei als der des Arbeitsdienstes. 183 Denn schließlich arbeiteten die Häftlinge im Sommer ungefähr zehn Stunden täglich, Hierls Männer jedoch kaum mehr als fünf Hinzu kam, dass die Arbeitsmänner nach verhältnismäßig kurzer Zeit ausgetauscht wurden. 184 Die Möglichkeit, seine Männer über den vermehrten Einsatz von Großmaschinen oder Schichtarbeit effizienter zu machen, schloss Hierl kategorisch aus.185 Laut einer Einschätzung vom Dezember 1936 durch den Regierungspräsidenten von Osnabrück leisteten die Strafgefangenen deswegen dreimal soviel wie die Männer des RAD.186 Es bedeutete auch keinen wirklichen Erfolg Hierls, dass der Reichsjustizminister sich verpflichtete, nur solche Strafgefangene einzusetzen, »die nach Verbüssung der Strafe wieder in die Volksgemeinschaft aufgenommen werden sollen« - damit war zwar der Ehrendienst-Ideologie des Arbeitsdienstes oberflächlich Genüge getan, nicht aber Hierls Expansionsträumen. 187 Die massive Kritik am Arbeitsdienst und seiner Arbeitsorganisation und leistung blieb vorerst jedoch ohne Konsequenzen. Die Perspektive Kerrls und der Kulturbaubehörden, die Ende 1936 Überlegungen anstellten, die Emslanderschließung ausschließlich den Gefangenen zu überlassen,188 konnte sich noch nicht gegen den RAD durchsetzen. Vielmehr erreichte Hierl in einer Vereinbarung mit dem Reichsjustizministerium sogar, dass der EhrendienstAnspruch seiner Organisation noch einmal abgesichert wurde. Ferner einigten sich beide Seiten darauf, dass der Arbeitsdienst die schwere Kultivierungsarbeit an die Häftlinge abgeben und nur leichtere, abschließende Aufgaben übernehmen solle.189 So behauptete sich der Reichsarbeitsführer 1936 - auch wenn es ihm umgekehrt nicht gelang, die Strafgefangenen ähnlich den KZ-Häftlingen aus dem Emsland herauszudrängen. Anfang 1937 wurde Kerrl von Göring damit beauftragt, im Rahmen des Vierjahresplanes alle Arbeiten im Emsland zu koordinieren, um sie möglichst schnell zu beenden. Kerrl bestätigte am 6. Januar noch einmal die bisherige regionale Teilung zwischen Arbeitsdienst und Justizverwaltung. Außerdem 183 184 185 186 187 188 189

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Ebd., v.a. Vermerk RFM, 8.7.1936. Vgl. ebd., Kerrl an RFM, 25.7.1936. Vgl. BA/B, R 1501/5622, Protokoll der 8. Arbeitsgauführertagung, 28729.6.1935. Vgl. Kosthorst/Walter, Bd. 1, S. 598-600. BA/B, R 2/4530, Kerrl an RAM, 25.6.1936. Vgl. Kosthorst/Walter, Bd. 1, S. 542, 595-598. Vgl. ebd., S. 601f.

sollte die Zahl der Arbeitsmänner bis zum 1. April auf 10.000, die der Gefangenen auf 11.000 gesteigert werden. Der deutschen Presse wurde es verboten, über diese Änderungen zu berichten. 190 Da parallel zum Ausbau des RAD-Einsatzes auch mehr Strafgefangene eingesetzt wurden, bedeutete dies wiederum keinen Erfolg für Hierl. Letztlich wurde die Expansion der Arbeiten sogar zu einem Problem für den RAD. Einmal mehr war der Reichsarbeitsführer nicht in der Lage, seine Versprechungen einzuhalten. Ein Grund lag darin, dass Gliederungen des RAD sich immer wieder weigerten, die Einsatzplanungen Kerrls umzusetzen. 191 Vor diesem Hintergrund gewannen Mitte 1937 die Pläne, den RAD ganz aus den emsländischen Staatsmooren herauszunehmen, an Bedeutung. Angesichts der Kritik durch den Osnabrücker Regierungspräsidenten und andere regionale Behörden diskutierte eine Ministerrunde im Oktober 1937 erneut über die Arbeitsverteilung. Hierl wurde nahegelegt, seine Männer aus dem Staatsgebiet, das er bisher bearbeitet hatte, zurückzuziehen, was der Reichsarbeitsführer mit Verweis auf den Ehrendienst-Charakter der Arbeit des RAD zunächst ablehnte. Doch schon Ende Dezember musste sich Hierl bereit erklären, alle in den linksemsischen Staatsmooren eingesetzten Abteilungen abzuziehen und nur noch in Privatgebieten einzusetzen.192 Grund für die Niederlage war die höhere Effektivität der Strafgefangenen. Zudem gab es Beschwerden über die geringe Arbeitszeit der Männer angesichts anderer Tätigkeiten, etwa dem Exerzierdienst als Vorbereitung für den Parteitagsauftritt, aber auch Fristenüberschreitungen und arbeitstechnisch unzureichend geschulte Führer wurden beklagt.193 Der RAD war zwar auch weiterhin mit Abteilungen in der Region vertreten, aber kaum noch auf staatlichem Land. Mitte 1938 zog er viele Abteilungen aus der Region ab, worüber die Presse wiederum ausdrücklich nicht berichten durfte. 194 Im August 1938 löste der Reichsarbeitsführer die eigene Arbeitsgauleitung für das Emsland auf Somit verlor Hierl das 1935 aufgenommene Großprojekt. 195 Der Rückzug des RAD machte den Weg frei für eine Expansion des Lagersystems für Strafgefangene. Entscheidend für die Niederlage Hierls waren die geringe Effektivität seiner Männer, mit der vor allem die landwirtschaftlichen Behörden unzufrieden waren. In diesem Fall halfen auch ideologische Argumente nicht weiter. Die geringe Leistung, die vor allem aus mangelnder Arbeitseinsatzplanung, der geringen Kooperationsbereitschaft und dem Primat 190 Vgl. NS-Presseanweisungen, Bd. 5 (1937), S. 55. 191 Dokumentiert in Kosthorst/Walter, Bd. 1, S. 653-665. 192 Vgl. ebd., S. 666-701. 193 Vgl. BA/B, R 2 /4530, v.a. RAF an Kerrl, 29.12.1937. 194 Vgl. NS-Presseanweisungen, Bd. 6 (1938), S. 419. 195 Vgl. NARA/CP, RG 242, Τ 81/110, Aktenvermerk über die Arbeitsgaufiihrerbesprechung vom 6.6.1938; ferner Kosthorst/Walter, Bd. 1, S. 719-726.

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der Erziehung resultierte, gab den Ausschlag für die Niederlage des RAD im Emsland. Daneben waren die organisatorischen Probleme und die Reibungen mit Behörden, mit denen der RAD zusammenarbeiten musste, ernst zu nehmen, und sie machten Hierl zu einem unzuverlässigen Partner. Aber diese Probleme bildeten nicht die wichtigste Ursache für die größere Effektivität der Häftlinge. Denn hier konkurrierten Institutionen, die zwar beide gleichermaßen wenig Maschinen einsetzten, aber in sehr unterschiedlichem Ausmaß auf die ihnen Unterstellten zugreifen konnten. Die Strafgefangenen und KZHäftlinge verrichteten Sklavenarbeit unter den härtesten Bedingungen. Dagegen waren im RAD aus erzieherischen Gründen die Arbeitsbedingungen weniger drakonisch und die Arbeitszeit deutlich kürzer. Die Unterschiede zwischen der Situation der »Moorsoldaten«, wie sie in dem berühmten Lied der KZHäftlinge im Emsland festgehalten wurde, und den Arbeitsmännern sind eklatant. Aber die größere Leistung der Häftlinge war nicht der einzige Grund dafür, dass sich die Justizverwaltung durchsetzte. Denn ganz wie Hierl nutzte auch sie die Medien, um ihre Interessen zu vertreten. Sie trat mit einem weitreichenden Anspruch auf der zugleich mit dem des Arbeitsdienstes konkurrierte, denn auch sie pries ihre Standorte im Emsland als Musterlager. Dabei richtete sie sich ebenfalls an ein Fachpublikum und an die Massenpresse. 196 Der breitenwirksame Propagandafeldzug gewann nach dem Abzug des RAD noch an Bedeutung. N u n m e h r wurde die Emslandkultivierung der Häftlinge anderen Großaufgaben des »Dritten Reiches« gleichgestellt, etwa dem Autobahnbau, und als nationalpolitisches Prestigeprojekt behandelt. 197 Die medialen Auseinandersetzungen verdeutlichen allgemein, dass die Presse von rivalisierenden Institutionen eingesetzt wurde. Im Konflikt um das Emsland richteten sich beide Seiten an die Öffentlichkeit. Es handelte sich um zwei verschiedene Diskurse, die sich nicht direkt aufeinander bezogen, da die jeweilige Gegenseite normalerweise nicht erwähnt wurde. Allerdings überlappten sie, da sowohl in der Fach- als auch in der allgemeinen Presse Artikel Seite an Seite standen, deren Aussagen nicht miteinander vereinbar waren. Dabei zielten die Artikel beider Institutionen wiederum weniger auf die Bevölkerung als vielmehr auf den unmittelbaren Rivalen und die Entscheidungsträger in dem Konflikt. So zeigen sich am Emslandeinsatz nicht nur die Probleme, die der RAD in Hinblick auf Arbeitsplanung, Einsatzorganisation und Effizienz auch noch in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre hatte, als viele Abteilungen zu Großprojekten abgestellt wurden, sondern auch äußere Herausforderungen.

196 Vgl. Marx, S. 364-373; Kellerhals, S. 442-463. 197 Vgl. z.B. K Ö Z 9.6.1934; ferner die in Kosthorst/Walter, Bd. 1, S. 1030-1160 abgedruckten Artikel.

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Angesichts der Probleme des Arbeitsdienstes ist es wenig erstaunlich, dass sich die Gesamtleistung des Regimes bei der G e w i n n u n g der »Brotfreiheit« eher bescheiden ausnimmt. Trotz aller »Blut und Boden«-Romantik, trotz aller offiziellen Propagandanachrichten über Reagrarisierungsprojekte und Landgewinnung und trotz des Nebeneinanders mehrerer Organisationen bei der praktischen Arbeit waren die Erfolge nicht überwältigend. Die gesamte Siedlungsfläche, die zwischen 1933 u n d 1940 neu geschaffen w u r d e , lag mit 518.422 Hektar unter den 744.208 Hektar, die von 1919 bis 1932 dazugekomm e n waren. Prozentual war somit umgerechnet auf ein Jahr das nationalsozialistische Engagement ungefähr 30 % stärker als das der Weimarer »Systemzeit« - eine deutliche Steigerungsrate, die aber keineswegs d e m radikalen Kurswechsel gleichkam, den das Regime sich zusprach. Deswegen gelang es NS-Deutschland auch nicht, von landwirtschaftlichen Importen unabhängig zu werden. 198 An den Konflikten u m die Meliorationen wird daneben die Inkonsistenz des nationalsozialistischen Arbeitsverständnisses deutlich. Die Verherrlichung mancher Tätigkeiten, denen ein grundlegend ehrenhafter Charakter unterstellt wurde, war Teil des idealisierten Selbstbildes nach 1933. Es verblasst aber, wenn man es an der Praxis des Regimes misst - wie der Einsatz von Strafgefangenen, KZ-Häftlingen und Arbeitsdienstangehörigen im Emsland zeigt. Die Debatte u m den Arbeitseinsatz an der niederländischen Grenze stellt aber n u r einen Ausschnitt der Konflikte dar, die Hierls Organisation u m ihre Tätigkeiten und deren Ehrencharakter führte. Auch bei anderen Großprojekten, etwa in Schleswig-Holstein, arbeiteten Häftlinge u n d Arbeitsmänner nebeneinander.199 U m den Einsatz im Emsland wurden die Kontroversen jedoch besonders hart ausgefochten, und in den M o o r e n des Emslands wurde mit der Niederlage Hierls der Ehrendienst-Charakter und damit der Erziehungsanspruch, den die Organisation seit 1933 propagiert hatte, am stärksten untergraben. Diese verlorene Schlacht war aber eine vergleichsweise kleine Niederlage im Vergleich zu den Folgen der Ernteeinsätze des RAD, die das Erziehungsmodell und damit die primäre Aufgabe des Arbeitsdienstes noch grundsätzlicher in Frage stellten.

198 Vgl. Bohte, S. 47. Mit der Gegenüberstellung ist lediglich eine Tendenzaussage gemacht, da zur Neugewinnung von Flächen die Optimierung bereits genutzter kam. Festhalten lässt sich auf jeden Fall, dass die Autarkie nicht erreicht wurde. 199 Vgl. z.B. Stokes, S. 198-201.

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3. Arbeitsdienst am Werk: Neue Herausforderungen bei den Großeinsätzen ab 1937

3.1. Von der »Nebenaufgabe« zum »Tannenbergeinsatz«: Die Erntehilfe Ein Arbeitsfeld, das nicht regional begrenzt war und das den erzieherischen Auftrag des Dienstes letztlich noch mehr herausforderte als es das Nebeneinander von Häftlingen und Arbeitsmännern im Emsland tat, war die Erntehilfe. Problematisch für die Analyse dieser Tätigkeit ist, dass sich angesichts der Quellenlage noch mehr als in anderen Fragen Veränderungen fast nur qualitativ, kaum aber quantitativ nachvollziehen lassen. Festhalten lässt sich jedoch, dass Einheiten des Freiwilligen Arbeitsdienstes bereits vor 1933 bei der Ernte mitgeholfen hatten, und auch die NSDAP schloss diese Verwendung der Organisation nicht grundsätzlich aus. Stellrecht hatte 1933 betont, dass nur bei einem Mangel an regulären Arbeitskräften der Arbeitsdienst zu solchen Tätigkeiten herangezogen werden dürfe. Da die Gefahr bestand, dass der Dienst zu einer Konkurrenz für normale Arbeitskräfte werden konnte und dass Grundbesitzer zu ihrem Vorteil vorschnell einen Einsatzbedarf anmeldeten, sollten Stellrechts Planung zufolge die Bauern den Arbeitsdienst zum Tariflohn für seine Leistung bezahlen.200 Trotz der Massenarbeitslosigkeit war in manchen Teilen Deutschlands bereits im Sommer 1933 ein Mangel an Erntehelfern zu befürchten. Neben anderen Organisationen wurde der Arbeitsdienst nun in die Planungen einbezogen, wie dieses Problem zu bekämpfen sei. Hierls Reaktion entsprach ganz den Vorstellungen Stellrechts. Im Juli 1933 wies er die Arbeitsdienstlager an, Bitten um Hilfe seitens der Landwirtschaft nachzukommen. U m Missbrauch vorzubeugen, forderte der Reichsarbeitsführer die Grundbesitzer jedoch auf, »Beträge in Höhe der sonst zu zahlenden Löhne an das Arbeitslager abzuführen«. 201 Im Sommer 1933 wurde der Dienst tatsächlich auf dieser Grundlage eingesetzt, allerdings nur in geringem Umfang. 202 In einer offiziellen Statistik von Ende September 1933 wurde diese Tätigkeitsform nicht einmal gesondert aufgelistet.203 War 1933 die Erntehilfe noch ein Randphänomen, so wurde sie im nächsten Jahr schon dringender eingefordert. Das Reichsarbeitsministerium wollte nun, dass die landwirtschaftlichen Arbeiter, die sich freiwillig für den Arbeitsdienst 2 0 0 Vgl. Stellrecht, D e r deutsche Arbeitsdienst, S. 73. 2 0 1 BA/B, R 2 3 0 1 / 5 6 5 3 , Hierl an Bezirksleitungen, 7.7.1933. 2 0 2 Vgl. H a m b u r g e r Fremdenblatt 14.7.1933. 2 0 3 Vgl. BA/B, R 72/325, R L - A D , Statistik, 12.10.1933.

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gemeldet hatten, aus der Organisation zu entlassen seien, damit sie wieder für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. Entsprechend war, zumindest in manchen Regionen, schon 1933 verfahren worden. 204 Ende März 1934 gab Hierl eine entsprechende Anordnung heraus, allerdings war der 31. des Monats ohnehin ein turnusmäßiger Entlassungstermin. 205 Einen Monat später wandte er sich jedoch gegen diese Politik. Denn gerade diese Arbeitsmänner, die sechs bis acht Prozent der Belegschaft ausmachten, bedürften »dringend« der »Erziehung zum Gemeinschaftsleben«. Weiter schlug der Reichsarbeitsführer vor, die Deckung des Bedarfs der Landwirtschaft über Arbeitslose und andere Gruppen zu regeln, aber »erst in letzter Linie durch den Arbeitsdienst«. Lediglich auf zwei Arten sei der Arbeitsdienst zu helfen bereit: Z u m einen sollten im Rahmen eines Arbeitsplatztauschverfahrens Dienstmänner aus der Landwirtschaft, die sich freiwillig zur Entlassung meldeten, dem primären Sektor zugeführt werden. Z u m anderen bot Hierl für Notfälle an, dass »geschlossene Verbände [des Arbeitsdienstes; d. Vf.] für kurze Zeit zur Verfügung gestellt werden«.206 So wurden auch 1934 in geringem Umfang Abteilungen zur Erntehilfe eingesetzt. Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung ist die bereits erwähnte Regelung für den Arbeitseinsatz des Dienstes im Juli 1934 zu verstehen. Hier wurde die Erntehilfe nur als letzte der »Nebenaufgaben« angeführt. 207 Die Ablehnung dieser Tätigkeit erklärt sich nicht nur aus dem Problem der Abgrenzung zur privaten Wirtschaft, sondern vor allem daraus, dass sie mit dem Erziehungsgedanken der Organisation nur schwer vereinbar war. Denn Landeskultur- und Forstarbeiten erlaubten es, eine gleichmäßige und vergleichsweise kurze Tagesarbeitszeit festzulegen, ohne dass die Projekte notwendigerweise darunter litten. Die Erntearbeit dagegen verlangte grundsätzlich einen ganz anderen Einsatz. Hier musste in den entsprechenden Wochen mit maximaler Leistung gearbeitet werden, auf Erziehung, organisierte Freizeit oder Wochenenden konnte dagegen keine Rücksicht genommen werden. Zudem war die Erntearbeit kaum mit der Orientierung an einem gleichförmigen Lagersystem zu vereinbaren. Im Ernteeinsatz mussten die Männer mobil sein, um dem wechselnden Bedarf nachkommen zu können. Drittens schließlich widersprach der Einsatz geschlossener Einheiten den anfallenden Arbeiten. Häufig waren für die Verwendung ganzer Abteilungen bei der Ernte die Felder zu klein, und die logistischen Vorarbeiten, die dafür notwendig wurden, standen in keinem Verhältnis zum Nutzen. Die Erntearbeit war somit mit dem Erziehungsauftrag des Dienstes kaum vereinbar.208 Die strukturellen Unter204 Vgl. Bayr. HStA, REpp/496, Bezirksleitung Bayern-Ost an Lager und Schulen, 27.7.1933; vgl. auch AdR, Teil II, Nr. 73, S. 271. 205 Vgl. StA Mü, LAAFr/688, Präsident der RfÄVAV an LAÄ und Arbeitsämter, 29.3.1934. 206 BA/B, R 2301/5648, Hierl an RAM, 23.4.1934. 207 Bayr. HStA, ML/3348, RL-AD, Regelung des Arbeitseinsatzes, 4.7.1934. 208 Vgl. dagegen Seifert, Kulturarbeit, S. 153f.

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schiede zwischen der Einsatzform des Arbeitsdienstes und den Erfordernissen der Erntearbeit mussten zu einer großen Herausforderung werden, sollte der Mangel an anderen Erntehelfern drastisch zunehmen. Insofern handelte es sich um situationsbedingte Ausnahmen, wenn der Arbeitsdienst 1934 mancherorts ein vitales Interesse an der Erntehilfe entwickelte. In einigen Gegenden, etwa in Sachsen, nutzte er den Einsatz als Finanzquelle, indem er den Bauern die Arbeitsmänner aufdrängte, um sie dafür teuer bezahlen zu lassen.209 Diese Form der Wegelagerei ist lediglich vor dem Hintergrund der Finanzprobleme zu erklären, die viele Lager bis 1934 plagten. Tatsächlich musste Hierl angesichts der zunehmenden Knappheit an Landarbeitern bereits 1935 deutliche Konzessionen zuungunsten des Erziehungsauftrages seiner Organisation machen. Am 15. Juni des Jahres verfügte er, dass Arbeitsdienstangehörige für maximal drei Wochen zur Erntehilfe vom Arbeitsdienst beurlaubt werden konnten, sofern im Betrieb ihrer Eltern ein akuter Bedarf bestand. Für diese Zeit waren sie ganz aus dem Alltag des Arbeitsdienstes herausgelöst. Als zweite Möglichkeit konnten Arbeitsmänner, die selbst keinem H o f entstammten, für ebenfalls bis zu drei Wochen in einen landwirtschaftlichen Betrieb kommandiert werden; in diesem Fall galt die Zeit als Arbeitsdienst. Wann immer es möglich war, sollten die Kommandierten »in der Abteilungsunterkunft wohnen. Die Lagerordnung bleibt für sie in Kraft.« So ging der Reichsarbeitsführer zwar auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft ein, versuchte aber zugleich, vom Erziehungsprogramm so viel wie möglich zu retten. Wiederum hatten die Grundbesitzer für den Arbeitsdienst zu zahlen, und auch in diesem Fall war es primär die Organisation selbst, die von den Einkünften profitierte. Außerdem stellte der Reichsarbeitsführer strenge Kriterien auf, die es zu erfüllen galt, damit der Arbeitsdienst zum Einsatz kam.210 Diese und weitere Kriterien, die die Beantragung von Arbeitsmännern erschwerten, änderten jedoch nichts daran, dass ab Mitte 1935 der Erziehungsgedanke für die Beurlaubten für maximal drei Wochen völlig aufgehoben und für die Kommandierten in verschiedenem Ausmaß eingeschränkt wurde. Auch im Herbst des Jahres wurden noch Angehörige des Arbeitsdienstes so eingesetzt. Hierl forderte seine Arbeitsgauführer aber auf, »im Einzelfall eingehendst zu prüfen, ob ein derartiger Notstand vorhanden ist«211 - er tat somit alles, um den U m fang der Einsätze gering zu halten. Dass Hierl mit der Entwicklung unzufrieden war, wird in seiner Rede vom 16. November 1935 deutlich. Er betonte zunächst, dass der RAD »an der Seite des Reichsnährstandes« stehe. Der Arbeitsdienst sei aber »nicht dazu da, um raffgierigen Bauern, die sich die Einstellung von Knechten, Mägden und Ernte209 Vgl. Deutschland-Berichte 1980, Bd. 1 (1934), S. 223. 210 Vgl. z.B. BA/B, R 2301/5648, v.a. Reichsbauernführer an Landesbauernführerschaften u.a., 13.4.1935; StA Mü, LAAFr/688, Präsident der RfAVAV an LAÄ und Arbeitsämter, 16.7.1935. 211 BA/B, R 2301/5648, RAF an AGF u.a., 31.10.1935.

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arbeitern leisten können, diese Kräfte zu ersparen.« Ebenso müsse berücksichtigt werden, dass der RAD »auch und vor allem eine Schule der Nation zu sein« habe. Deswegen dürfe die Arbeitszeit acht Stunden inklusive der Marschzeiten nicht überschreiten, aus diesem Grund brauche man das Erziehungsprogramm, die Verwendung ganzer Abteilungen und die gemeinsame Unterbringung in Lagern. Den Gedanken fasste Hierl mit den Worten zusammen: »An die genannten Bedingungen ist der Einsatz des Reichsarbeitsdienstes geknüpft, daran ist nichts zu ändern.«212 Allein, seine großen Worte halfen dem Arbeitsdienst nicht. Denn für 1936 war keine Entspannung der Lage in Sicht. Bereits im Februar rechnete der Dienst angesichts des verschärften Mangels an landwirtschaftlichen Kräften damit, auch im kommenden Sommer in erheblichem Umfang zur Ernte herangezogen zu werden. 2 ' 3 Ende Mai 1936 setzte Hierl jedoch die ein Jahr zuvor erlassene Verfugung außer Kraft und schränkte die Möglichkeiten von Kommandierungen und Beurlaubungen ein.214 Dieser Schritt zeigt, wie sehr sich der Reichsarbeitsführer bemühte, die Ausnahmen von der möglichst totalen Erfassung der Arbeitsmänner zu beseitigen. Zwei Wochen später brachen jedoch angesichts der zugespitzten Lage in der Landwirtschaft alle Dämme. Hierl erließ nun: »Zur Einbringung der zu erwartenden großen Ernte ist seitens des Reichsarbeitsdienstes jede mögliche Hilfe zu leisten. Erntehilfe geht jeder anderen aufschiebbaren Arbeit vor.« Deswegen sei »im weitestgehenden Maße« Einzelurlaub zu gewähren, und die Kommandierungen wurden ebenfalls ausgeweitet. Von einer zeitlichen Beschränkung auf wenige Wochen war nicht mehr die Rede.215 Wiederum galten diese Regelungen nicht nur im Sommer, sondern auch noch für die Hackfruchternte Ende Oktober. 216 Selbstverständlich betrafen die Entwicklungen nicht alle Arbeitsdienstabteilungen, und außerdem wurde die Einrichtung nur für die Zeit der Ernte gezwungen, Konzessionen auf Kosten ihres Anspruchs als »Erziehungsschule« zuzulassen. Allerdings wurde so ihr pädagogischer Auftrag untergraben. Z u gleich erwuchs daraus ein Problem für die normalen Arbeitsprojekte des Dienstes. Sie mussten unterbrochen werden, was je nach Art der Tätigkeit und Stand der Bauarbeiten alle bisher unternommenen Bemühungen gefährden konnte. Aufjeden Fall verringerten die kurzfristigen Unterbrechungen für den Ernteeinsatz die Arbeitsleistung und -effizienz des Dienstes bei seinen normalen Projekten erheblich, und selbstverständlich blieb Kritik am RAD seitens der Gemeinden, der Kulturbaubehörden und anderer Institutionen nicht aus.217 212 Hieri, Schriften, Bd. 2, S. 222-229 (1935), Zitate S. 223, 225. 213 Vgl. BA/B, R 2301/5653, Protokoll der 10. Arbeitsgauführertagung am 8./9.2.1936. 214 Vgl. BA/B, R 2301/5648, RAF an AGF, 28.5.1936. 215 Ebd., RAF an AGF u.a., 13.7.1936. 216 Vgl. ebd., RAF an AGF u.a., 21.10.1936. 217 Vgl. Bayr. HStA, M173448, v.a. AGF XXX an Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft u.a., 23.7.1937.

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Wie schwer es d e m RAD selbst fiel, die Veränderungen zu rechtfertigen, zeigt sich am offiziellen Bericht seiner Reichsleitung über das Werk der Organisation in den Haushaltsjahren 1935 u n d 1936. Hier w u r d e unter den Arbeitsaufgaben der Ernteeinsatz nicht eigens erwähnt. 218 Zugleich wirft dies einmal m e h r ein Licht darauf, wie unzuverlässig die veröffentlichten Quellen sind. Auf einer ähnlichen Grundlage wie 1936 w u r d e n die Arbeitsmänner 1937 eingesetzt. A m 5. April 1937 räumte Hierl ein, dass die Hilfe f ü r den Reichsnährstand bei der Ernte Vorrang vor den anderen Aufgaben habe; der geschlossene Einsatz von Abteilungen sei »anzustreben«. Zentral an der Verordnung war ferner, dass die Arbeitszeit n u n m e h r der tariflichen O r d n u n g angepasst w u r d e - w o m i t sie von bislang acht Stunden inklusive der Marschzeiten auf ungefähr zehn Stunden ausgeweitet werden konnte. 219 Erst jetzt, vier Jahre nach der Machtübertragung, wurde die Arbeitszeit und damit der wesentlichste Faktor zur Bestimmung der Arbeitsleistung m e h r als »Spielerei«.220 Insgesamt n a h m in j e n e m Sommer der Ernteeinsatz neue Dimensionen an. Laut einer Schätzung des Reichsnährstandes fehlten der Landwirtschaft im Juli 60.000 Arbeitskräfte, u n d vom Arbeitsdienst solle demnach »in vollem Umfang« Gebrauch gemacht werden, u m die Lücken zu füllen. 221 Folgt man einigermaßen zuverlässigen Zahlen, so leistete der Dienst gegenüber den 920.000 Tagewerken Erntehilfe von 1936 allein zwischen April und September 1937 rund 3 Millionen Tagewerke. War 1936 somit das Jahr gewesen, in dem die Bestimmungen geschaffen wurden, die eine großzügige Verwendung des RAD bei der Ernte erlaubten, w u r d e n diese 1937 in größerem U m f a n g in die Praxis umgesetzt. Die Zeitschrift Wirtschaft und Statistik meldete, dass der Anteil der Erntearbeiten im gesamten Haushaltsjahr 1936 7 % betragen habe, im Sommerhalbjahr 1937 dagegen 33,2 %.222 In manchen Regionen, wie den agrarisch geprägten Arbeitsgauen Mecklenburg und P o m m e r n - O s t , waren sogar m e h r als die Hälfte der Arbeitsmänner bei der Ernte. Vor allem die Landeskulturarbeiten w u r d e n deswegen eingeschränkt. 223 Zusammenfassend berichtete Hierl Göring am 18. Oktober 1937 über die Folgen, die diese Einsatzform f ü r den R A D hatte. Danach habe die Bauernhilfe zu »untragbaren Mißständen geführt, weil die aus d e m Wesen des Reichsarbeitsdienstes sich ergebenden Lebensnotwendigkeiten in U m f a n g u n d Art des Einsatzes zu wenig berücksichtigt wurden.« Die meisten Arbeitsmänner hätten vier bis f ü n f ihrer sechseinhalb Dienstmonate in kleinen G r u p p e n 218 Vgl. Reichsleitung 1937, S. 31. 219 BA/B, R 2/4530, V e r o r d n u n g RAD, 5.4.1937. Z u d e n komplizierten, uneinheitlich geh a n d h a b t e n Regelungen der Arbeitszeit vgl. Schneider, S. 547-552. 220 Vgl. als Anzeichen der Verschärfung auch BA/B, R 2/4532, G ö r i n g an Krosigk, 26.3.1937. 221 StA M ü , LAAFr/688, Präsident der RfAVAV an LAÄ, 16.7.1937. 222 Vgl. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 384f (1937). 223 Vgl. W I S 18 (1938), S. 126-130.

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außerhalb der »Lagergemeinschaft« verbracht, weswegen der Dienst seinem erzieherischen Anliegen kaum habe nachkommen können. Der Reichsarbeitsführer beklagte sich, dass viele Landwirte und untere Bauernführer im Arbeitsdienst »eine bequeme und billige Dienstbotenversorgung« sähen. Er schloss mit den Worten, dass er sich weiterhin ganz für die erzieherischen Belange seiner Organisation einsetzen werde, denn »mit der Zerstörung des Reichsarbeitsdienstes würde ein Block aus dem Fundament des nationalsozialistischen Reiches herausgerissen werden«.224 Gegenüber der Öffentlichkeit trat Hierl - freilich in etwas abgeschwächter Form - mit ähnlichen Argumenten auf und forderte ebenfalls das Primat der Erziehung für seine Organisation. 225 Allerdings nobilitierte er gelegentlich die Erntehilfe auch zum »Ehrendienst«.226 Dieses Element blieb aber - gerade im Vergleich zum Emsland-Einsatz - vergleichsweise wenig ausgeprägt; der Arbeitsdienst hätte sich ansonsten nur einmal mehr in eine Bredouille begeben. Denn angesichts des Notstands wurden auch in der Ernte Häftlinge eingesetzt.227 Dass Erntedienst nun trotzdem gelegentlich als »Ehrendienst« gepriesen wurde, zeigt die Aporie des Reichsarbeitsdienstes: Einerseits war aufgrund seiner ideologischen Überhöhung jede von ihm unternommene Arbeit a priori ehrenhaft, andererseits tat Hierl alles, um die Erntehilfe als Tätigkeitsform, die mit dem »totalen Lager« schlecht vereinbar war, zu unterbinden. U n d wenn es verständlich war, dass Hierl sich beim Beauftragten für den Vierjahresplan bitterlich beklagte, gilt es doch festzuhalten, dass der Reichsarbeitsführer keine totale Niederlage einstecken musste. Er sprach Göring gegenüber davon, dass seine Männer »in kleinen Gruppen« eingesetzt worden seien. Denn abgesehen von den Beurlaubten wurden die meisten »Soldaten der Arbeit« zumindest in Trupps von normalerweise 15 Mann auf die Höfe geschickt, sie blieben in kleinen Gemeinschaften. Die Forderungen der Landwirtschaft, auch einzelne Männer zugeteilt zu bekommen, konnte Hierl weitgehend abwehren. 228 Aber nicht nur durch den Verweis auf die erzieherischen und organisatorischen Bedürfnisse seiner Organisation versuchte Hierl, den Ernteeinsatz einzuschränken. Seit dem Jahreswechsel 1936/37 verhandelte er zugleich mit den einschlägigen Ministerien über den Nationalen Hilfsdienst, von dem bereits berichtet wurde. Neben anderen Zielen wollte der Reichsarbeitsführer diese Einrichtung auch aufbauen, um den Arbeitsdienst von der Erntehilfe zu entlasten. Wie gezeigt wurde, scheiterte sein Vorstoß im Februar 1937. Es gab allerdings auch andere Vorschläge zur Lösung des Arbeitskräftemangels. Es wurde zum Beispiel erörtert, einen Teil der Winterquote des Arbeitsdienstes 224 225 226 227 228

BA/B, R 2/4532, Hierl an Göring, 18.10.1937. Vgl. z.B. Hierì, Schriften, Bd. 2, S. 383-393 (1937). Vgl. z.B. BA/B, R 2/4530, Verordnung RAD, 5.4.1937. Vgl. Deutsche Wochenschau 15 (1938), S. 13. Vgl. Stothfang, S. 626-632.

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bereits einen Monat früher einzuziehen oder die Sommerquote etwas länger einzubehalten, so dass im Herbst für einige Wochen beide Kontingente gleichzeitig verfügbar wären; auch Hierl machte im Februar 1937 einen derartigen Vorschlag.229 Diese Verhandlungen zogen sich fast das gesamte Jahr 1937 hin. Kompliziert wurden sie nicht zuletzt dadurch, dass die Termine jeweils mit dem Einziehungstermin der Wehrmacht abgestimmt werden mussten, und weil das Reichsfinanzministerium die Mehrkosten fürchtete. Schließlich setzte sich die Initiative aber durch. Hitlers Erlass vom 24. November 1937 legte fest, dass ab dem 1. Oktober 1938 die Stärke des Arbeitsdienstes im Winter zwei Fünftel der Gesamtzahl der Dienstpflichtigen eines Jahres, im Sommer drei Fünftel eines Jahrgangs betragen solle.230 So konnten von Frühjahr bis Herbst mehr Arbeitsmänner in der Landwirtschaft aushelfen. Entsprechend musste die Kapazität des Dienstes erweitert werden. Die Einigung ging zwar auf einen Vorschlag Hierls zurück, bedeutete zugleich aber auch einen Rückschlag für den Reichsarbeitsführer. Mehr noch als bisher wurde der RAD nach den Bedürfnissen des Ernteeinsatzes organisiert. Selbst die Versuche, in der Öffentlichkeit die Vereinbarkeit von Erntehilfe und Erziehungsanspruch zu demonstrieren, konnten das Spannungsverhältnis zwischen beiden Zielen nicht überdecken. 231 Zwar konnte Hierl weiterhin den massenhaften Einzeleinsatz seiner Männer verhindern. Zugleich machte die zunehmend drängendere Lage der Landwirtschaft immer durchgreifendere Maßnahmen nötig. Außerdem wurden immer mehr Institutionen in die Frage über die künftige Ausrichtung des Arbeitsdienstes verwickelt. Göring, der von dessen erzieherischem Anliegen nicht überzeugt war, hatte als Beauftragter für den Vierjahresplan nun umfassende Entscheidungskompetenzen. 232 Als neuer Verhandlungspartner in Fragen, die den RAD betrafen, trat ferner Himmler auf - der auf die Bedürfnisse Hierls stärker einging als Göring. Andere, wie zum Beispiel Darré und das Reichskriegsministerium, waren ebenfalls primär an der Leistung der Organisation beim Ernteeinsatz interessiert. Erklärt sich dies beim Reichsernährungsminister und Reichsbauernführer von selbst, so lag es bei der Wehrmacht darin begründet, dass auch ihre Truppen um Hilfe gebeten wurden - dementsprechend plädierte sie dafür, dass der Arbeitsdienst möglichst viele der Aufgaben übernehmen solle.233 Hitler dagegen spielte in den Erörterungen keine wesentliche Rolle - lediglich Hierl versuchte immer wieder, mit dem Hinweis auf den Ehrendienstcharakter seiner Organisation, der dem »Führerwillen« entspreche, seine Interessen durchzusetzen. 234 229 Vgl. BA/B, R 2/4532, v.a. Denkschrift Hierl, 23.2.1937. 230 Vgl. RGBl. 1937,1, S. 1298. 231 Vgl. FZ 2.12.1937. 232 Vgl. BA/B, R 2/4532, Göring an Krosigk, 26.3.1937. 233 Vgl. BA/B, R 1501/5102, Hierl an Darré, 21.12.1937; StA Mü, LAAFr/679, Blomberg an Präsident der RfAVAV, 19.10.1937. 234 Vgl. zum »Führerwillen« Longerich, Propagandisten, v.a. S. 332-337.

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Ähnlich wie 1937 wurde der Dienst auch im folgenden Jahr eingesetzt - die Probleme der Landwirtschaft hatten sich weiter verschärft. Vorsichtigen Schätzungen von Experten der nationalsozialistischen Agrarpolitik zufolge fehlten im primären Sektor nun über 10 % der notwendigen Arbeitskräfte, was 250.000 Landarbeitern entsprach.235 Einer nicht ganz zuverlässigen Quelle nach beurlaubte der Arbeitsdienst in jenem Sommer allein 70.000 Mann für Arbeiten in der Landwirtschaft. 236 Rückblickend stellte Hierl auf dem Reichsparteitag im September 1938 fest, dass im laufenden Jahr der landwirtschaftliche Ersatz ausschließlich im Winter in den RAD berufen worden sei. Vom »erzieherischen und arbeitsmäßigen Standpunkt« sei zwar eine stärkere Mischung wünschenswert, angesichts des Landarbeitermangels aber nicht möglich. Der Reichsarbeitsführer betonte einmal mehr, dass seine Organisation in den zurückliegenden Monaten »den Bedürfnissen und Wünschen des Reichsnährstandes bis an die äußerste Grenze des Möglichen und Zulässigen« entgegengekommen sei. Kritisch vermerkte er, dass der RAD bei der Ernte der Landwirtschaft nicht nur helfe, sondern auch schade - schließlich blieben die Meliorationsarbeiten liegen, von denen der primäre Sektor langfristig weit mehr profitiere.237 In einem wesentlichen Punkt konnte sich Hierl indessen durchsetzen. Abgesehen von den Beurlaubten wurden die jungen Männer weiterhin in geschlossenen Gruppen von jeweils mindestens 15 Mann eingesetzt.238 Damit blieb die Grundvoraussetzung für ein erzieherisches Minimalprogramm erhalten. Ständig musste sich der Reichsarbeitsfiihrer aber gegen die Forderungen nach einer Ausweitung von Einzelkommandierungen, der Möglichkeit von Einzelunterbringung und gegen eine Verlängerung der Arbeitszeit wehren. Besonders die Arbeitsdauer war nun einmal mehr umstritten. Seit 1937 war die tägliche Arbeitszeit bereits von acht auf zehn Stunden inklusive Pausen und Marschzeiten verlängert worden, was einer effektiven Arbeitsphase von sieben bis acht Stunden entsprach. In einer Besprechung vom 14. März 1939 wehrte sich Hierl gegen die Forderung, die eigentliche Arbeitszeit auf zehn Stunden zu steigern, und er war nur bereit, die Jugendlichen über die Gesamtarbeitszeit von zehn Stunden hinaus im Einsatz zu belassen, wenn die Überstunden an anderen Tagen durch Arbeitsausfall abgegolten würden. Nachdem in den Jahren zuvor der Einsatz des Reichsarbeitsdienstes immer weniger an seinen eigenen Bedürfnissen ausgerichtet gewesen war, gelang es Hierl nun, den Erziehungsanspruch, wenngleich auf niedrigem Niveau, zu konsolidieren. Damit wurde der Dienst nicht vollständig den Kriterien der wirtschaftlichen Effekti-

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Vgl. Comi/Gies, S. 291. Vgl. IfZ, MA 479, O K W an O K H , 18.8.1938. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 3 9 6 - 4 1 0 (1938), Zitat S. 397f. Vgl. Arbeitsmann 13.8.1938.

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vität angepasst.239 Diese Verhandlungen zeigen, wie hart Hierl die Zugeständnisse an das erzieherische Anliegen des Dienstes erkämpfte und dass sie für ihn einen relativen Erfolg darstellten. Welche Folgen dieses zähe Ringen für die Arbeitsmänner hatte, zeigt der Briefeines Arbeitsmannes vom Sommer 1938. Danach schloss sich an die harten Arbeitstage bei der Ernte noch der Dienst an, der bis 22.00 oder 23.00 U h r dauerte - dennoch wurde um 5.00 U h r geweckt. Als einzigen Lichtblick empfand der junge Mann den herannahenden Entlassungstermin, an dem »alles einmal vorbei sein« werde.240 Da sich 1939 der Landarbeitermangel dramatisch zuspitzte, musste Hierl einmal mehr einer Ausweitung des Einsatzes seiner Organisation in der Landwirtschaft zustimmen. Denn durch die angespannte außenpolitische Lage kamen weniger ausländische Wanderarbeiter - vor allem aus Polen - ins Reich als in den Jahren zuvor.241 Insofern war der RAD mehr noch als zuvor aufgefordert, seine Arbeitskraft einzubringen. Anders als bisher sollte er nun nicht mehr nur während den Stoßzeiten der Ernte helfen, sondern allgemein bei Arbeiten in der Landwirtschaft. Im April 1939 musste Hierl genehmigen, dass bis zu 55.000 Arbeitsmänner als Ersatz für die fehlenden Wanderarbeiter und weitere 45.000 als Ersatz für fehlende Gesindekräfte einzusetzen seien; das war mehr als ein Viertel der Gesamtstärke des RAD. Auch wenn es Hierl war, der den Einsatz letztlich genehmigte, hatte nicht er diese Entscheidung gefällt, sondern Göring.242 Aber auch für diese Einsatzformen galt, dass jeweils mindestens zehn Männer zusammen eingesetzt wurden. 243 Die Männer wurden vor allem in landwirtschaftlichen Veredlungsbetrieben benötigt. Doch auch von den übrigen Abteilungen sollte nach den Wünschen des Reichsernährungsministeriums ein wesentlicher Teil für die Landwirtschaft verfügbar sein; nach einer Schätzung ging es von maximal weiteren 50.000 Mann zur Erntehilfe aus. Nach diesem Szenario wäre knapp die Hälfte des Arbeitsdienstes direkt in der Landwirtschaft beschäftigt worden bei Tätigkeiten, die nur fünf Jahre zuvor noch als »Nebenaufgaben« bezeichnet worden oder gar nicht vorgesehen gewesen waren.244 Das hatte selbstverständlich für die normalen Arbeiten des Dienstes dramatische Konsequenzen. Der Arbeitsgau Bayern-Hochland verfügte zum Beispiel, dass von den vier Zügen jeder Abteilungje einer als Ersatz für die Wander- und Gesindearbeiter zu verwenden 239 Vgl. BA/B, R 3601/1995, v.a. Besprechungsnotiz 15.3.1939. 240 Deutschland-Berichte 1980, Bd. 5 (1938), S. 848. 241 Vgl. z.B. BA/B, N S 10/35, Darre an OKW, 19.5.1938; BA/B, R1501/5363, Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft an den Vorsitzenden des Ministerrats für die Reichsverteidigung u.a., 10.10.1939; allgemein Corni/Gies, v.a. S. 280-297. 242 Vgl. BA/B, R 3601/1995, Vermerk RAM, 6.4.1939. 243 Vgl. ebd., RAM an RAF, 19.5.1939. 244 Vgl. BA/B, R 2301/5649, RAF an AGF, 13.4.1939; BA/B, R 3601/1995, RAM an Präsident der LAÄ u.a., 14.4.1939.

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sei. Da Erntearbeiten in einem noch nicht abschätzbaren Umfang hinzukämen, gab der Arbeitsgauführer die Anweisung, dass »mit allen Mitteln versucht werden [solle], von jeder Abteilung 1 Zug« auf den normalen Baustellen zu belassen. Der Arbeitsgauführer rechnete demnach damit, dass mindestens dreiviertel des Arbeitsdienstes zur direkten Hilfe der Landwirtschaft eingesetzt werden würden. 245 Tatsächlich wurden neben den 100.000 Arbeitsmännern, die bereits im April fest für die Mithilfe im primären Sektor eingeplant worden waren, im Sommer weitere für Ernteeinsätze gebraucht. Besonders in Ostpreußen fehlten 1939 Zehntausende Erntehelfer. Deswegen wurden für den »Tannenberg-Einsatz« der Bezug auf das Schlachtfeld zeigt einmal mehr die Militarisierung der Sprache im RAD - zusätzlich zu den Abteilungen des Arbeitsgaus I im Sommer 16.000 Arbeitsmänner in den Nordosten des Reiches verlegt. Der gesteigerte Bedarf führte aber nicht einmal in diesem Fall dazu, dass die Männer mit effizienteren Methoden eingesetzt worden wären. Weiterhin handelte es sich um Handarbeit mit geringem Einsatz von Maschinen. In Ostpreußen gab es zum Beispiel seit 1936 einige hochmobile Einheiten, über die auch die Presse ausführlich berichtete. Bei den »motorisierten Erntehilfszügen« wurden die Arbeitsmänner zwar per Lastwagen schnell transportiert. Allerdings zeichneten sich die Abteilungen neben ihrer Mobilität dadurch aus, dass die Männer besonders gut mit Handsensen umgehen konnten. 246 Das Problem, dass erzieherische und organisatorische Ziele mit den Erfordernissen des Ernteeinsatzes konfligierten, trat jedoch nicht nur beim Arbeitsdienst auf. Auch andere Organisationen, etwa die Wehrmacht, die HJ oder die »Studentische Erntehilfe« wurden angesichts des Landarbeitermangels zur Unterstützung des Reichsnährstandes eingesetzt, und auch bei diesen hatte das Folgen für die anderen Aufgaben.247 So musste die Wehrmacht größere Konzessionen auf Kosten ihrer eigenen Interessen machen. Der Reichskriegsminister bestimmte zum Beispiel im Februar 1937, dass unter anderem Soldaten in Sonderfällen geschlossen zur Erntehilfe geführt werden konnten. 248 Insofern stellte der Ernteeinsatz für viele Institutionen des nationalsozialistischen Regimes eine besondere Herausforderung dar, und für jede Organisation wäre eigens zu prüfen, wie sehr sie ihre Interessen bei dem Einsatz behaupten konnte. Besonders schwierig war das Arbeitsfeld jedoch für solche Einrichtungen, die neben einem ökonomischen auch einen erzieherischen Auftrag hatten, der mit den spezifischen Einsatzformen der Erntearbeit nur schwer vereinbar war und eine solche Organisation war der RAD. Insgesamt musste sich Hierl auf wesentliche Konzessionen gegenüber der erzieherischen Seite des Dienstes 245 246 247 248

Bayr. HStA, M173448, AGF X X X an Kulturbauämter u.a., 5.5.1939. Vgl. Arbeitsmann 29.7.1939. Vgl. Comi/Giess, S. 280-297. Vgl. BA/B, R 2/4532, Vermerk RFM, 12.6.1937.

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einlassen. Er war aber in der Lage, den Dienst diesbezüglich auf einem niedrigen Niveau zu festigen. So musste zwar das Primat der Erziehung, nicht aber diese insgesamt aufgegeben werden. Trotzdem wurden die Elemente der »totalen Institution« für die in der Landwirtschaft verwandten Abteilungen deutlich abgeschwächt. Entsprechend nannte ein NS-kritischer Arbeitsmann des Sommerhalbjahres 1937 den Ernteeinsatz in seinen auf Englisch verfassten Memoiren eines der »highlights« des Dienstes, da man während dieser Zeit »free of all military drill and coercion« gewesen sei.249 Die Ernteeinsätze des RAD erlauben zugleich Einblicke in die Krisenstrategie des Nationalsozialismus gegen Landflucht, Landarbeitermangel und Urbanisierung. In den 1930er Jahren verschärfte sich der Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften zunehmend. Von allen Erwerbspersonen arbeiteten 1933 noch 28,9 %, 1939 nur noch 25,9 % in der Landwirtschaft, der Anteil der jungen Arbeitskräfte fiel in noch viel höherem Maße. Das zeigt, dass den Bemühungen des Regimes, junge Arbeitskräfte für agrarische Berufe zu motivieren, kein Erfolg beschieden war. Damit ist nicht zuletzt der Arbeitsdienst gemeint, der über den »Dienst am deutschen Boden« explizit dieses Ziel verfolgte und dabei nicht nur erzieherisch wirkte, sondern anfänglich auch ökonomische Anreize in Form der Siedlungsgutschriften bot. Diese Maßnahmen bildeten freilich nur einen Ausschnitt der Bemühungen des Nationalsozialismus, der Verstädterung und der Verlagerung auf den sekundären Sektor entgegenzuwirken. Es gab zum Beispiel auch Verbesserungen für landwirtschaftliche Lohnarbeiter und gesetzliche Zwangsmaßnahmen, die die Abwanderung der ländlichen Bevölkerung in die Städte unterbinden sollten. Letztlich war die Politik der NS-Diktatur jedoch inkonsequent, da einerseits die Jugendlichen über den Arbeitsdienst und ähnliche Einrichtungen für landwirtschaftliche Berufe gewonnen werden sollten, der Nationalsozialismus den tatsächlich Interessierten andererseits aber kaum Perspektiven bot. Auch blieben die Arbeitsbedingungen und Löhne in der Industrie attraktiver.250 Interessanterweise war die Diskrepanz zwischen ideologischem Anspruch und steuerungspolitischer Umsetzung manchen Entscheidungsträgern durchaus bewusst, wie etwa einige Äußerungen Hierls belegen.251 Ein Beispiel für die ambivalente, halbherzige Politik bietet der Arbeitsdienst, der Anfang 1934 die Siedlungsgutschriften aufgab und der selbstverständlich durch die Vermittlung seiner Blut-und-Boden-Ideologie allein keinen wesentlichen Beitrag dazu leisten konnte, die Zurückdrängung des primären Sektors in Deutschland aufzuhalten. Mit diesen und ähnlichen Mitteln allein ließ sich diese allgemeine Tendenz moderner Gesellschaften nicht einmal wesentlich verlangsamen. Gemessen an dem arbeitsmarktpolitischen

249 U S H M M , RG 02-106, Manuskript Askevold, S. 22. 250 Vgl. Helkrmann, S. 23-25; Comi/Gies, S. 280-297. 251 Vgl. z.B. Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 385 (1937).

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Ziel, durch seine Erziehung eine Rückorientierung auf das Land bei denjungen Männern zu bewirken, scheiterte Hierls Organisation. Noch ambivalenter erscheint die Rolle des Dienstes, wenn man die Ernteeinsätze untersucht. In diesem Kontext wirkte Hierls Organisation gegenüber den ideologischen Zielen des Regimes in einem dialektischen Sinne dysfunktional. Denn gerade der Einsatz des Arbeitsdienstes und ähnlicher Organisationen offerierten eine Notlösung für die Probleme des primären Sektors und reduzierten damit den Krisendruck, dem Landarbeitermangel durch grundsätzliche Maßnahmen zu begegnen. Insofern widersprach der Einsatz des Arbeitsdienstes dem Versuch, die Schwierigkeiten langfristig zu lösen und wurde durch seine praktische Arbeit selbst ein Teil des Problems. Diese Dialektik trat noch deutlicher zu Tage, als es dem Arbeitsdienst gelang, einen Kompromiss zwischen seinem erzieherischen Anliegen und den Notwendigkeiten des Ernteeinsatzes zu finden. Das System von pragmatischen Notlösungen, das der völkischen Ideologie diametral widersprach, wurde im Krieg noch ausgebaut durch den verstärkten Einsatz von Fremd- und Zwangsarbeitern. Da aber auch Arbeitsmänner und andere »Volksgenossen« weiterhin im primären Sektor arbeiteten, zeigt sich einmal mehr die Inkonsistenz des nationalsozialistischen Arbeitsbegriffes.

3.2. »Unter Spaten und Gewehr«: Westwalleinsatz und Militarisierung Im Sommer 1938 änderte sich für einen Teil der Arbeitsmänner der Charakter der Arbeit grundsätzlich. Nun wurden viele Abteilungen zum ersten Mal bei einem Vorhaben eingesetzt, das direkt militärischen Nutzen hatte: dem Bau des Westwalls. Nunmehr übernahm der RAD nicht nur Aufgaben, welche die Bedingung der Möglichkeit für die Kriegsfuhrung schufen - um solche hatte es sich etwa bei den Meliorationsarbeiten oder dem Ernteeinsatz gehandelt. Vielmehr arbeitete der Dienst jetzt bei unmittelbar kriegswichtigen Projekten mit. In geringerem Umfang waren Arbeitsmänner bereits zuvor zum Bau von Luftschutzunterständen, militärisch genutzten Flugplätzen und im Osten beim Ausbau von Grenzbefestigungen herangezogen worden.252 Nun aber handelte es sich um ein Großprojekt. Am 28. Mai 1938 hatte Hitler den Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, Fritz Todt, beauftragt, an der deutschen Westgrenze eine Festungszone zu errichten. Ursprünglicher Fertigstellungstermin - der aber nicht eingehalten werden konnte - war der 1. Oktober desselben Jahres. Denn für den Angriffauf die Tschechoslowakei, den Hitler für den Oktober erwog, sollte die deutsche Westgrenze gesichert sein. Im 252 Vgl. BA/F, M F B l/WF-10/22628, Generalstab des Heeres an Verteiler, 30.10.1937.

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Juni 1938 stattete der Diktator Todt mit der Vollmacht aus, alle seines Erachtens notwendigen Arbeitskräfte und Materialien einzusetzen. An dem gigantischen Projekt wurde neben privaten Firmen, der Organisation Todt und der Wehrmacht auch der RAD beteiligt.253 Zwischen Mai 1938 und September 1939 entstanden umfangreiche Verteidigungsanlagen. Da Hitler die Tschechoslowakei auch ohne Krieg bekam, entfiel der unmittelbare Anlass für den Bau des Walles, der für die Alliierten 1944 kein ernsthaftes Hindernis darstellte. Aus dem ganzen Reich wurden im Frühsommer 1938 RAD-Abteilungen für den »Limes«-Einsatz, wie das Projekt intern genannt wurde, zusammengezogen. Anfang Juni 1938 waren es bereits rund 16.000 Arbeitsmänner, Anfang August 55.000, und schließlich sogar 100.000 Mann.254 Insgesamt stand nun die Mehrheit aller Abteilungen entweder im Ernteeinsatz oder am Westwall und somit bei Aufgaben, die ursprünglich nicht vorgesehen gewesen waren. Zu den Baustellen an der Westgrenze des Reichs wurden viele der Abteilungen verlagert, die zuvor im Emsland eingesetzt worden waren.255 Beim Bau der 630 km langen Befestigungslinie mit Betonhöckern, Bunkern und befestigten Unterständen von Basel bis Aachen übernahm der RAD vor allem Erdarbeiten. Er erstellte Straßen und Wege, beteiligte sich aber auch am Bau von Festungen und Stacheldrahthindernissen. Wenngleich Hierls Organisation auch bei Betonierarbeiten eingesetzt wurde,256 überwogen doch weiterhin die unqualifizierten Aufgaben. Die erzieherische Ausrichtung des Dienstes wurde für diese Abteilungen weiter zurückgedrängt. Die Anzahl der Stunden auf der Baustelle war so lange wie davor nur bei den Ernteeinsätzen, und der Samstag wurde zum normalen Arbeitstag. Anfang 1939 betrug im RAD die Gesamtarbeitszeit auf den Baustellen grundsätzlich 48 Stunden pro Woche im Sommer und im Winter immerhin 40 Stunden.257 Die jungen Männer arbeiteten teilweise in Schichten, auch am Sonntag gab es nun Dienstpflichten.258 Hierl brachte das auf den Punkt, wenn er die betroffenen Arbeitsgauführern instruierte: »Höchste Steigerung der Leistung ist der allein entscheidende Gesichtspunkt.«259 So setzte sich die Orientierung an der Effektivität weiter durch, die sich bei den Ernteeinsätzen verstärkt hatte und die im Zweiten Weltkrieg ganz die Oberhand gewinnen sollte. Die Widerstände, welche die zusätzlichen Arbeitsbelastungen bei den Jugendlichen erzeugten, lassen sich an einem Propagandaroman über den Westwalleinsatz 253 Vgl. Kühne, Westwall, S. 16-39. 254 Vgl. BA/F, M F B l/WF-03/23094, Oberbefehlshaber des H e e r e s an H G r K d o 2 , 3 . 6 . 1 9 3 8 . 255 Vgl. die in N A R A / C P , R G 242, Τ 81/110 überlieferten Berichte der G r u p p e n f ü h r e r besprechungen im Arbeitsgau W. 2 5 6 Vgl. BA/F, M F B l / W F - 0 3 / 2 3 0 9 4 , H G r K d o 2 an O K H , 22.10.1938; Arbeitsgau X X I V 1940, S. 4 3 - 4 5 . 2 5 7 Vgl. Bayr. H S t A , M L / 3 4 4 8 , A G F X X X an Reichsstatthalter v o n Bayern u.a., 4.1.1939. 258 Vgl. Arbeitsgau X X I V 1940, S. 24f. 2 5 9 BA/F, M F B l/WF-03/23094, R A F an A G F W u.a., 15.6.1938.

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des RAD besonders deutlich ablesen. Hier wird der Protest junger Männer verbalisiert. Die Protagonisten der Handlung weisen die Kritik jedoch zurück und fordern das Opfer für die Gemeinschaft, so dass das Protestpotential letztlich in der NS-Ideologie aufgehoben wird.260 Noch deutlicher äußerte sich der Problemdruck, der aus der vergrößerten Arbeitsbelastung resultierte, in einer Anordnung des Arbeitsführers Busse für die ihm unterstellten, am Westwall eingesetzten Abteilungen. Busse stellte fest, dass ein System gefunden werden müsse, um »die Arbeitsfreude unserer Arbeitsmänner und ihre Leistungen im weitgehenden Masse zu steigern.« Seiner Meinung nach bestand das zweckmäßigste Mittel dazu in der Anerkennung herausragenden Einsatzes, was am besten durch die Gewährung von Freizeit möglich sei. Busse befahl seinen Abteilungen, jeweils für Halb- oder Ganztrupps Tagesaufgaben zu definieren, die sich an einem »sehr guten Durchschnitt der Arbeitsleistung der an der Baustelle eingesetzten Trupps« orientieren sollten. Wenn Einheiten ihr Tagessoll schneller beendeten als vorgesehen, durften sie die Baustelle vorzeitig verlassen und im Lager völlig frei über ihre Zeit verfugen, bis »der nächste, ordentlich eingesetzte Dienst wieder beginnt«. Busse nannte das »absolute Freizeit« im Gegensatz zu den organisierten Feierabenden. Er ließ darauf achten, dass in den Trupps kräftigere und schwächere Männer jeweils gut gemischt waren und bestand darauf, dass alle Pausen minutiös eingehalten wurden, damit die Jugendlichen keinen körperlichen Schaden nähmen. 261 Die Überlieferungslage lässt keine Schlüsse zu, ob dieses Modell von allen Abteilungen am Westwall übernommen wurde, ein Sonderfall war oder von einer höheren Instanz nach einiger Zeit verboten wurde. Allerdings führte der Arbeitsgau Bayern-Hochland Anfang 1939 eine ähnliche Regelung ein.262 Die gestiegenen Herausforderungen machten es nötig, die Einsatzplanung einerseits an Leistungskriterien auszurichten und andererseits die Unzufriedenheit der jungen Männer in Grenzen zu halten. Dagegen musste die erzieherische Seite ins zweite Glied treten. Es wird deutlich, dass derartige Impulse nicht immer von außen an den RAD herangetragen wurden, sondern teilweise auch als Reaktion auf externe Anforderungen aus der Organisation selbst kamen. Im Endergebnis wurde der totale Zugriff auf die Individuen, welcher der nationalsozialistischen Lageridee entsprach, relativiert. Die Männer erhielten Anreize, härter zu arbeiten, um sich dem Zugriff der »totalen Institution« Arbeitsdienst zu entziehen - eine Entwicklung, die dem Arbeitsdienstkonzept diametral widersprach. Zu der qualitativen Veränderung der Arbeit und ihres Verhältnisses zur Erziehung trat eine weitere, noch wichtigere Umstellung. Die Abteilungen im 260 Vgl. Harfe. 261 NARA/CP, RG 242, Τ 81/109, Führer der Gruppe W II, 1. Arbeitsanordnung der Gruppe WII, 5.8.1938. 262 Vgl. Bayr. HStA, M1V3448, AGF XXX an Kulturbauämter u.a., 17.1.1939.

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Westwalleinsatz wurden an Waffen ausgebildet. Bereits 1933 hatte es Erwägungen gegeben, Teile des Arbeitsdienstes im Mobilisierungs- und Kriegsfall für den Grenzschutz einzusetzen. Das dafür notwendige militärische Training hatte damals die Intervention der Versailler Siegermächte verhindert. Auch 1935, bei Einführung der Arbeitsdienstpflicht, hatte das Regime die Militarisierung noch nicht gewagt. 1938 dagegen schätzte es die Lage anders ein. Auf Befehl Hitlers wurde Ende Juni des Jahres festgelegt, dass die am Westwall eingesetzten RAD-Abteilungen durch Ausbilder der Wehrmacht an Waffen geschult werden sollten - die Militarisierung erfolgte somit vorerst nicht reichsweit, sondern regional. Das Generalkommando des XII. Armeekorps hielt dazu fest: »Ziel der Ausbildung ist es, die Angehörigen des Arbeitsdienstes im Laufe von etwa 3 Monaten militärisch zu schulen, dass sie in der Lage sind, für beschränkte Zeit einen gewissen Befestigungsabschnitt zu verteidigen.« Die Ausbildung »formaler und exerziermäßiger Dinge« sei dagegen nicht vorgesehen. 263 Während die Mannschaften nur an leichten Waffen ausgebildet wurden, erhielten die Arbeitsdienstführer auch eine Einweisung in den Gebrauch schwerer Maschinengewehre und von Panzerabwehrkanonen. 264 RAD und Wehrmacht stritten sich jedoch schon bald darüber, wie viel Zeit für die Ausbildung nötig sei. Hitler musste erneut entscheiden und legte fest, dass die jungen Männer 2/3 der Zeit arbeiten und 1/3 der Zeit an Waffen ausgebildet werden sollten. Das hieß zugleich, dass das neue Element im Tagesablauf des RAD zu Lasten der Arbeit und nicht der Erziehung gehen sollte - was der Tendenz, die Arbeitseffektivität ins Zentrum zu stellen, widersprach. Daran zeigt sich, dass dem Reichsarbeitsführer die Erziehung und vor allem die Arbeit wichtiger war als die militärische Ausbildung.265 Das mag erstaunen, da der ehemalige Generalstabsoffizier Hierl zuvor einer militärischen Ausbildung aufgeschlossen gewesen war. Aber zum einen war ihm die Erziehung ein wirkliches Anliegen. Z u m anderen ging er nun, wahrscheinlich als Lehre aus dem Debakel im Emsland, davon aus, dass seine Organisation am Wert und Umfang ihrer Arbeit gemessen werde - und nicht an ihrer militärischen Schlagkraft. Zudem war ihm mit seinem professionell militärischen Hintergrund klar, dass seine »Soldaten der Arbeit« sich auch bei 15 bis 20 Stunden militärischem Training pro Woche nicht in einen schlagkräftigen Kampfverband verwandeln ließen. Das zuständige Heeresgruppenkommando beklagte allerdings, dass der RAD nicht zur Verteidigung beitragen könne: Ausbildungsstand und Kampfkraft seien aufgrund der Schulungsdauer zu gering. Dazu komme, dass ein »er-

263 BA/F, M F B l/WF-03/23097, Generalkommando XII. Armeekorps an 33. Division u.a., 25.6.1938; dagegen Jonas, S. 163. 264 Vgl. NARA/CP, RG 242, Τ 81/110, Aktenvermerk über die Arbeitsgauführerbesprechung am 6.6.1938.

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heblicher Teil der Abteilungsführer und Unterführer« keine militärische Ausbildung habe. Letztlich wäre der Einsatz derartiger Einheiten »keine Hilfe, sondern eine Belastung und Gefahr« und liefe im Ernstfall »auf ein sinnloses Hinopfern mangelhaft ausgebildeter und geführter Truppeneinheiten hinaus«. So schlug das Gruppenkommando dem Oberkommando zunächst vor, von der militärischen Ausbildung ganz abzusehen. Als sich das nicht durchsetzen ließ, plädierte es zumindest dafür, die RAD-Einheiten lediglich zur Bewachung und nicht zur Verteidigung vom Wehranlagen einzuplanen. 266 Ähnlich stellte Ende Oktober 1938 die Oberste Heeresleitung gegenüber dem Oberkommando der Wehrmacht fest, dass die Verwendung des RAD als »Sicherheits-Besatzung nur eine Notlösung war.« Falls man den Arbeitsdienst weiter brauche, dann lediglich als Baueinheit. Dagegen sei eine weitere »militärische Ausbildung des RAD [... ] nicht notwendig und hinsichtlich der Beanspruchung der aktiven Truppe unerwünscht.« 267 Die Wehrmacht kritisierte außerdem die geringe Kooperationsbereitschaft der obersten RAD-Leitung, bei der »Prestige und Geltungsbedürfnis« im Vordergrund stünden. 268 Dabei war der Arbeitsdienst auf Befehl Hitlers und auf Grundlage der Besonderen Anlage 7 des Mobilisierungsplanes des Heeres am 15. September 1938 der Wehrmacht unterstellt worden. 269 Am 10. September 1938 wurde Hierls Organisation im Rahmen des Westwall-Projekts tatsächlich der Wehrmacht zugeschlagen, behielt aber teilweise ihre Eigenständigkeit. Denn das Oberkommando der Wehrmacht sollte die Ausbildung des Arbeitsdienstes im Einvernehmen mit dem Reichsarbeitsfuhrer regeln, die Arbeitsvorhaben übernahm der Dienst selbständig.270 Hierl brüskierte die Wehrmacht jedoch immer wieder, indem er ohne Absprache Entscheidungen fällte.271 Die Zusammenarbeit verlief somit keineswegs reibungslos. Die Unterstellung, nicht aber der Konflikt endete am 20. Oktober 1938 mit Ausnahme der im Westen an Befestigungen bauenden Abteilungen.272 Angesichts der Reibungen und Probleme zwischen RAD und Wehrmacht darf man es insofern nicht überbewerten, wenn sich beide Seiten am Ende dieser Phase enger Zusammenarbeit artig beieinander bedankten. 273 265 Vgl. BA/F, MFB l/WF-03/23095, HGrKdo 2 an OKH, 22.7.1938; BA/F, MFB l/WF-03/ 23097, HGrKdo 2 an OKH, 15.7.1938. 266 BA/F, MFB l/WF-03/23094, Notiz HGrKdo 2, 25.8.1938; vgl. auch die Akte allgemein. 267 BA/F, RH 2/1161, OKH an OKW, 27.10.1938. 268 BA/F, MFB l/WF-03/23095, HGrKdo 2 an OKH, 16.7.1938. 269 BA/F, MFB l/WF-10/13235, Hierl an AGF u.a., 15.1.1936. 270 Vgl. BA/F, MFB l/WF-01/9352, Keitel an Oberbefehlshaber des Heeres u.a., 14.9.1938. 271 Vgl. BA/F, MFB l/WF-03/23095, HGrKdo 2 an OKH, 16.7.1938; BA/F, MFB l/WF-0323094, v.a. Oberbefehlshaber des Heeres an RAF, 9.6.1938. 272 Vgl. BA/F, MFB l/WF-03/23097, Hitler an OKW u.a., 21.10.1938. 273 Vgl. BA/F, MFB l/WF-03/23094, HGrKdo 2 an Hierl, 12.10.1938; BA/F, MFB l/WF-03/ 23095, Hierl an Adam, 21.10.1938.

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Die Geschichte der Militarisierung des RAD gibt somit Aufschluss über die Interessenlage der Akteure. Hierl war die militärische Ausbildung weniger wichtig als die Beteiligung an der Prestigebaustelle Westwall. Außerdem hatte für den Reichsarbeitsfuhrer die Erziehung weiterhin Priorität. Aber auch die Wehrmacht hatte kein großes Interesse an einem militärisch ausgebildeten RAD. Soweit aus den Quellen ersichtlich ist, war es Hitler selbst, der die Militarisierung des Arbeitsdienstes wollte. Es war eines der wenigen Male, dass der »Führer« eine Entscheidung bezüglich der Arbeit von Hierls Organisation fällte, ansonsten interessierte sie ihn nicht weiter. Das belegt, dass Hitler nur an der erzieherischen und kriegsvorbereitenden Funktion des Dienstes interessiert war, die sich in seine in Mein Kampf entwickelte Konzeption einpasste. Der Arbeitseinsatz und seine Ausrichtung waren für ihn dagegen unwichtig. Der Diktator befahl die Fortsetzung des WafFentrainings, dem Wehrmacht und Arbeitsdienst ohne Enthusiasmus gegenüberstanden. Es ergab sich ein salomonischer Kompromiss: Am Ende war der Arbeitsdienst weder militärisch gut vorgebildet, noch leistete er besonders viel auf den Baustellen.274 Im September 1939 musste der Arbeitsdienst zugeben, dass »die Arbeitsleistung von 4 Arbeitsmännern der eines gelernten Arbeiters gleichzusetzen sei«.275 Ein völlig neues Phänomen war die Waffenausbildung für den Dienst jedoch nicht. Als »Geheime Reichssache« kommandierte der Arbeitsgauleiter des Gaus Franken, Waldemar Henrici, schon im Mai 1937 ausgewählte Führer des RAD zu »Milit. Kurse [n]« ab.276 Dieses und einige andere versprengte, als geheim eingestufte Dokumente deuten darauf hin, dass manche Führer des RAD bereits vor dem Westwallbau eine erste militärische Ausbildung erhielten, die Quellenlage lässt aber keine genaueren Schlüsse zu. Gleiches gilt für die angebliche militärische Ausbildung der einfachen Arbeitsmänner, von der gelegentlich zum Beispiel in den Deutschland-Berichten die Rede ist.277 Festhalten lässt sich, dass weder die Mannschaften noch die Führer des Arbeitsdienstes vor 1938 ein durchgängiges, systematisches militärisches Ausbildungsprogramm durchliefen. 278 Angesichts der brisanten Waffenausbildung erstaunt es nicht, dass für die Westwallarbeiter besondere Sicherheitsmaßnahmen galten. Im Arbeitsgau W zu dem zeitweise alle Gaue, die am Westwall bauten, zusammengelegt waren279 - w u r d e n seit dem Beginn des »Limes«-Einsatzes die jungen Männer zweimal monatlich über Maßnahmen zur Geheimhaltung und Sabotageabwehr be274 Vgl. BA/F, MFB l/WF-03/23097, Generalkommando VI an HGrKdo 2, 30.6.1938. 275 BA/B, R 2/4530, Vermerk RFM, 25.8.1939. 276 NARA/CP, RG 242, Τ 580/934, Henrici an Gruppenführer u.a., 4.5.1937. 277 Vgl. Deutschland-Berichte 1980, Bd. 1 (1934), S. 224; ebd., S. 644. 278 NARA/CP, RG 242, Τ 81/110, Aktenvermerk über die Arbeitsgaufiihrerbesprechung vom 6.6.1938; BA/B, R 2/4532, Denkschrift Hierl, 23.2.1937. 279 Vgl. Jonas, S. 163.

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lehrt.280 Allgemein wurde die Öffentlichkeit über den Westwalleinsatz zunächst nicht, und später nur vage informiert. 281 Auf dem Reichsparteitag im Herbst des Jahres rechtfertigte Hierl den Einsatz, von dem er nur in Andeutungen sprach, damit, dass seine Organisation helfe, einen »starken Zaun« um den großen Garten anzulegen, den er bewirtschafte. 282 Erst jetzt durften Reporter in eingeschränkter Form über den Westwalleinsatz berichten. 283 Der Reichsarbeitsführer hatte ferner bereits vor dem Beginn der Arbeiten befohlen: »Ausländer, Volksdeutsche fremder Staatsangehörigkeit und Reichsdeutsche fremdnationaler Minderheiten dürfen im Bereich des Arbeitsgaues W nicht eingesetzt werden. Dasselbe gilt für Arbeitsmänner, gegen deren politische Zuverlässigkeit Bedenken bestehen.«284 Das verdeutlicht, wie eng die Grenzen des nationalsozialistischen Gleichheitsversprechens im Zeichen der »Volksgemeinschaft« waren. Bei diesem heiklen Einsatz dienten als Merkmal für Zuverlässigkeit politische, vor allem aber nationalistische und in nationalsozialistischer Perspektive rassische Kriterien. So wurden die Grenzen von Inklusion und Exklusion einmal mehr neu vermessen und in diesem Fall enger gezogen. Somit standen viele Arbeitsmänner nun tatsächlich erstmals »unter Spaten und Gewehr« - wie Werner Flack in seinem Roman von 1939 über den RAD am Westwall geschrieben hat.285 Es ist jedoch schwierig, die Militarisierung begrifflich genau zu fassen. Denn so wie sich der Arbeitsdienst zu Beginn des Regimes in staatsrechtlicher Hinsicht nicht eindeutig bestimmen ließ, glich er nun bezüglich seines Verhältnisses zum Militär dem Pufendorf'schen »monstrum«. In gewisser Hinsicht wurde der RAD 1938 zu einer paramilitärischen Organisation, wenn man darunter die Schulung an Waffen versteht, die nicht im Rahmen eines stehenden Heeres erfolgt. In zweierlei Hinsicht wich er aber zugleich vom paramilitärischen Paradigma ab. Z u m einen wurde die militärische Ausbildung lediglich regional eingeführt. Zudem wurden die Männer nur an Waffen ausgebildet, allem Anschein nach waren sie aber nicht mit solchen ausgerüstet. Demnach blieb der RAD hinter dem Typus einer paramilitärischen Organisation zurück. Z u m anderen hatte Hierls Organisation aber bereits Elemente einer genuin militärischen Einrichtung. Denn die Ausbildung erfolgte durch die Wehrmacht und - solange der RAD ihr unterstellt war - sogar in deren Rahmen. Die Kennzeichnung als »vormilitärisch«, die sich in den Quellen für diesen Zustand findet, wird den Tatsachen auf jeden Fall nicht gerecht.286 Vormilitärisch war Hierls Organisation von 1933 bis 1938: Vor dem 280 Vgl. N A R A / C P , R G 242, Τ 81/110, Bericht ü b e r 3. G r u p p e n f ü h r e r b e s p r e c h u n g im Arbeitsgau W , 12.5.1938. 281 Vgl. NS-Presseanweisungen, Bd. 6 (1938), S. 446. 282 Hierl, Schriften, Bd. 2, S. 3 9 6 - 4 1 0 (1938), Zitat S. 402. 283 Vgl. NS-Presseanweisungen, Bd. 6 (1938), S. 860, 1004. 284 N A R A / C P , R G 242, Τ 580/934, Erlass RAF, 28.4.1938. 285 Flack, S. 51. 286 So auch die Definition im D u d e n ; dagegen unpassend charakterisiert z.B. bei Keim, S. 73.

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Hintergrund der Intervention der Versailler Siegermächte wurden in diesem Zeitraum die jungen Männer körperlich und geistig auf den Wehrdienst vorbereitet, nicht aber systematisch an Waffen geschult. Hierl hatte dies nach dem Genfer Veto ausdrücklich verboten und in den ersten Jahren nach 1933 aus Gründen der außenpolitischen Abschirmung die Einhaltung strikt überwacht.287 Der Dienst entsprach der Definition einer vormilitärischen Einrichtung, auch wenn in diesem Zeitraum ausgewählte Führer heimlich an Waffen geschult wurden. Für die Zeit, die im zweiten Halbjahr 1938 einsetzte, wird man den RAD am ehesten »halbmilitärisch« nennen können. Seit Dezember 1938 erhielten alle RAD-Männer eine Ausbildung mit Infanteriewaffen durch ihre Führer, nachdem diese von 14-tägigen Lehrgängen bei der Wehrmacht zurückgekehrt waren. Trotzdem sollte der RAD »die Schule der sozialen und arbeitsethischen Erziehung der Jugend« bleiben, weswegen die Ausbildungszeit nicht verringert werden durfte. Vielmehr wurde wiederum die Arbeitsdauer verringert als Ausgleich für das militärische Training.288 Da der RAD auch künftig kein dauerhaft bewaffneter Verband war, sondern seine Angehörigen lediglich eine kurze Ausbildung erfuhren, handelte es sich weiterhin um eine »halbmilitärische« Organisation. Außerdem verschärfte Hierl die Disziplinarmöglichkeiten. Da der RAD nun in größerem Umfang in Arbeiten der Landesverteidigung eingebunden wurde, sei besondere Vorsicht und unter Androhung einer Anklage mit fahrlässigem Landesverrat Geheimhaltung geboten.289 Schon im März 1939 hatte Hierl darum gebeten, dass angesichts der bevorstehenden Ernteaufgaben, die einen immer größeren Anteil an den Arbeitsvorhaben des Arbeitsdienstes einnahmen, »der Reichsarbeitsdienst in geringerem Maße als bisher für die West- und Ostbefestigungsarbeiten« herangezogen werde. Das Reichsernährungsministerium schloss sich selbstverständlich dieser Idee an.290 Gleichzeitig waren aber 70.000 Arbeitsmänner in die Arbeiten am Westwall eingebunden, ferner wurden parallel 35.000 Mann für den Bau der Befestigungsanlagen an der Ostgrenze Deutschlands angefordert, 291 kurz darauf waren tatsächlich 100.000 im Westen und 25.000 im Osten eingesetzt.292 Sogar im September 1939 standen von den 1.700 Abteilungen des RAD immer noch 300 am Westwall.293 Das Oberkommando der Wehrmacht war sich zwar bewusst, wie gering die militärische Schlagkraft dieser Einheiten war. Dennoch 287 Vgl. BA/F, MFB l/WF-10/22628, RL-AD an AGF, 7.2.1934. 288 NARA/CP, RG 242, Τ 580/934, v.a. Henrici an Gruppenführer u.a., 9.12.1938. 289 Vgl. ebd., v.a. Henrici an Gruppenführer u.a., 1.11.1938. 290 BA/B, R 3601/1995, Vermerk RAM, 15.3.1939. 291 Vgl. ebd., Besprechungsniederschrift 14.3.1939. 292 Vgl. ebd., Vermerk RAM, 21.4.1939. 293 Vgl. BA/B, R 2/4545, Niederschrift über Besprechung zwischen RFM und RAD, 29.9.1939.

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sollten sie - in den Worten des Oberkommandierenden der Wehrmacht Keitel - bei »einem überraschenden feindlichen Angriff« als Sicherheitsbesatzungen herangezogen werden. 294 So bildeten die schlecht ausgebildeten Heranwachsenden einen Teil jener »wenige [n], aber auserlesene [n] und für die besonderen Anforderungen des Festungskampfes sorgfältig ausgebildete [n] Truppen«, die für den Krieg gegen Polen Deutschland im Westen den Rücken freihalten sollten.295 Die Einsatzformen während des Zweiten Weltkriegs, auf die hier noch kurz eingegangen werden soll, knüpften an diejenigen an, die 1937/38 ins Zentrum getreten waren. Insgesamt entfernte sich der RAD stetig von seinen ursprünglichen Projekttypen. Damit ging einher, dass das Primat der Erziehung, das der Organisation seit 1933 offiziell zugrunde gelegen hatte, aufgegeben werden musste. Wie auch die Organisation Todt und die Technische Nothilfe wurde der RAD im Zweiten Weltkrieg Teil der weitgehenden Mobilisierung der Arbeitskraft für den Kriegseinsatz, die einen wichtigen Anteil an den anfänglichen Kriegserfolgen Deutschlands hatte. Er übernahm nun Aufgaben, die direkten militärischen Nutzen hatten. Die motorisierte, hochmobile Wehrmacht brauchte ein gutes Straßen- und Verkehrsnetz, und der RAD und ähnliche Organisationen stellten es bereit. Schon mit der Mobilisierung wurden die meisten Arbeitsdienstabteilungen im August 1939 als aus zwei Baubataillonen bestehende Baukompanien der Wehrmacht unterstellt - und folgten ihr in den nächsten Jahren an die meisten Kriegsschauplätze. Dabei leistete der RAD militärische Hilfsdienste, er baute zum Beispiel Straßen aus oder verbesserte sie, reparierte Brücken und beseitigte Trümmer. An eine Erziehung im Sinne der Vorkriegszeit war bereits in diesen ersten Kriegsmonaten nicht mehr zu denken - nun hielt Hierl Schlaf für den besten Ausgleich zur eigentlichen Arbeit.296 Nach dem Sieg über Polen wurden Ende 1939 die Baubataillone aufgelöst und die Einheiten wieder dem Reichsarbeitsführer unterstellt. Alle Abteilungen außer denjenigen, die weiter am Ost- oder am Westwall eingesetzt blieben, waren nun wieder bei zivilen Projekten tätig. Wenngleich es sich häufig um Bodenverbesserungen und Ahnliches handelte, wurden sie jedoch unter neuen Vorzeichen durchgeführt: »Vordringliche Aufgaben des Reichsarbeitsdienstes während des Krieges sind Arbeiten im Interesse der Kriegführung.« Deswegen hatten die »Anforderungen des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht auf den Arbeitseinsatz« absolute Priorität.297 Mit dem Beginn der Kampfhandlungen im Westen wurden viele Abteilungen im Rahmen der Luftwaffe eingesetzt, 294 295 296 297

Vgl. IfZ, MA 479, OKW an OKH, 18.8.1938. Kühne, Westwall, S. 40. Vgl. VB 19.11.1939. RGBl. 1939,1, S. 2465.

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etwa beim Bau von Behelfsrollbahnen und Feldflugplätzen. Allerdings unterstützte der RAD auch wieder das Heer. Neben solchen Tätigkeiten im Hinterland der Front stimmte Hierl 1940 zu, dass Abteilungen »im Hinblick auf die hochgespannten Forderungen« für unqualifizierte Arbeiten in der Rüstungsindustrie verwandt werden könnten. Weiterhin bestand der Reichsarbeitsführer darauf dass die Arbeitsmänner zumindest in Trupps eingesetzt wurden. 298 Schließlich ging der RAD Bodenverbesserungen und ähnlichen Projekten im Reich und den »eingegliederten Ostgebieten« nach. Die umfangreichen Planungen, die eroberten Ostgebiete für Landeskulturarbeiten zu nutzen, konnten aber aufgrund der Kriegserfordernisse in keinem nennenswerten Umfang umgesetzt werden. Trotzdem verstand sich der RAD als Werkzeug der »Volkstumsarbeit« und der »Kolonisation«.299 Vor dem Uberfall auf die Sowjetunion errichteten Abteilungen des Arbeitsdienstes riesige getarnte Munitionslager. Ab Ende Juni 1941 folgten die mit Fahrrädern oder Lastwagen und französischen oder belgischen Beutewaffen ausgerüsteten Einheiten direkt der Truppe. Wiederum bauten sie Behelfsbrücken und übernahmen andere Aufgaben, die Pioniertruppen und zivilen Arbeitskräften in modernen Kriegen zufallen. 1941 bahnte sich aber eine Veränderung an, die sich in einem schleichenden Prozeß 1942 immer weiter durchsetzen sollte: Der RAD wandelte sich immer mehr von einer Bautruppe der Wehrmacht zu einer von dieser abhängigen Kampftruppe. Das zeigte sich daran, dass die Arbeitsmänner im Ostkrieg bei der Bewachung von Kriegsgefangenen und dem Kampf gegen »Partisanen« eingesetzt wurden. Der Anteil des Reichsarbeitsdienstes an diesem dunklen Kapitel der Geschichte der Wehrmacht ist bisher unerforscht, und dürfte angesichts der schlechten Quellenlage auch künftig nur schwer zu klären sein.300 Zumindest einzelne Abteilungen waren jedoch direkt an Verbrechen des nationalsozialistischen Rassenkrieges beteiligt. Darüber gibt zum Beispiel eine Standortchronik des RAD aus dem Wartheland von 1941 Aufschluss. Danach zerstörten im Sommer des Jahres Männer der RAD-Baukommandos Turek und Uniejow einen jüdischen Friedhof, um mit dem Baumaterial eine Trup298 BA/F, M F B l/WF-01/9802, RAF an OKW, 6.10.1940 und allgemein diese Akte. 299 Vgl. die - cum grano salis - auch für den Arbeitsdienst für Männer geltenden Aussagen von Maschmann, v.a. S. 94-137; Körber, Volkstumsarbeit; zu den Planungen NARA/CP, RG 242, Τ 81/ 109, v.a. Denkschrift RAD, 1941. 300 Vgl. z.B. Looks/Fischer. Ein Beleg für Misshandlungen von Zivilpersonen gibt U S H M M Photo Archives W/S#85110; dieses und ähnliche Fotos lassen aber keine Aussagen darüber zu, von welcher Ebene die Verbrechen angeordnet waren und in welchem U m f a n g der R A D an ihnen beteiligt war. Andere Fotos zeigen die Überwachung von polnischen Zwangsarbeitern durch den R A D (ebd., z.B. W / S # 7 6 2 0 9 ; W / S # 7 6 2 1 0 ; W / S # 5 0 9 6 7 ) , sowie die Exekution eines polnischen Kriegsgefangenen (ebd., W/S#50095). Die Akte eines Verfahrens gegen einen RAD-Führer, der zwei entflohene KZ-Häftlinge Mitte April 1945 erschießen ließ, weist ebenfalls auf die Partizipation des RAD an den Verbrechen NS-Deutschlands hin, vgl. IfZ, G m 04.02, Strafverfahren gegen R.P., 1957.

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penunterkunft zu bauen. Bei den Arbeiten wurden Juden zwangsverpflichtet und von Arbeitsmännern überwacht. Als sich Anfang Juni ein Vertreter der jüdischen Gemeinde - so die Chronik weiter - über die Zerstörung des Friedhofs beschwert habe, sei er von den RAD-Männern »handgreiflich [... ] belehrt [worden], daß die schöne Zeit des >auserwählten Volkes< für alle Zeiten vorbei« sei. Vom selben Tag stammt der folgende Eintrag: »In Uniejow ist noch kein Getto errichtet, die Juden laufen noch frei herum. Eine Sonderaktion des Reichsarbeitsdienstes hatte Erfolg. Kein Jude läßt sich mehr auf den Straßen blicken, wenn ein Angehöriger des RAD erscheint.« Auch an der nächsten Stufe der Verfolgungspolitik nahm der RAD teil: Als im September 1941 ein Getto gebildet wurde, stellte der Arbeitsdienst zur »Unterstützung der Gendarmerie« eigens »10 Arbeitsmänner zur Überwachung der Aktion« ab.301 Von ähnlichen Einsätzen berichtete sogar das offizielle RAD-Schrifttum bereits 1939 über den Polenfeldzug mit einem perversen Stolz. Auch dort überwachten Arbeitsmänner Kriegsgefangene, und die Schikanierung polnischer Juden wird offen geschildert.302 Ein drittes Beispiel stammt aus dem Sommer 1942. Nachdem als Reaktion auf das Attentat auf Reinhard Heydrich in dem westböhmischen Dorf Lidice alle Männer erschossen sowie Frauen und Kinder in KZ verschleppt worden waren, machten in Zusammenarbeit mit anderen Formationen drei RAD-Abteilungen den Ort dem Erdboden gleich. Zuvor hatten die Arbeitsmänner Gräber geschändet, um von den Toten Wertsachen zu stehlen; allgemein übernahm der RAD die Aufgabe, den Besitz der Ermordeten und Verschleppten zusammenzufassen. Bei der Fahndung nach den Heydrich-Attentätern wurde der RAD außerdem bei Personenkontrollen eingesetzt.303 Letztlich sind über das Ausmaß der Beteiligung an der Shoa und anderen Verbrechen an der Zivilbevölkerung aufgrund der schlechten Quellenlage keine genauen Aussagen möglich. Festhalten lässt sich aber, dass der RAD anders, als dies seine Apologeten nach 1945 behaupteten - auch in dieser Hinsicht nicht unbelastet ist. Eine unmittelbare Beteiligung an Erschießungen oder anderen Formen der Ermordung lässt sich zwar bisher nicht nachweisen. Der Arbeitsdienst hatte aber am Aufbau jener Gettos direkten Anteil, in denen die Lebensumstände so schlecht waren, dass Schätzungen zufolge allein im Warthegau und im Generalgouvernement 500.000Juden starben.304 Somit deutet sich eine Linie der Beteiligung an Verbrechen an, die von der KZ-Bewachung 1933 über die Schikanierung polnischer Juden bis hin zum »Partisanenkrieg« und vernichtungsantisemitischen Aktionen reicht. Dass der RAD sich zumindest ab 1942 immer mehr zu einer schlecht ausgebildeten, halbimprovisierten Kampftruppe veränderte, zeigte sich im August/ 301 302 303 304

BA/B, ZSg 145/57, Chronik der Abteilungen des Sundorts Uniejow, 1941. Vgl. Decker, Spaten, S. 68, 71. Vgl. Naumann, S. 24—41. Vgl. Ihlberg, S. 1292.

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September 1942. Damals kämpften einige RAD-Abteilungen im Rahmen der 9. Armee bei der Abwehrschlacht von Rshew an der vordersten Front. Im Tagesbefehl vom 7. September lobte Generaloberst Model die Arbeitsmänner für ihren Einsatz, da sie »zu der Abwehr zahlreicher mit großer Menschen- und Materialüberlegenheit geführter FeindangrifFe hervorragend beigetragen« hätten.305 Solche Aufgaben hatte Hierl noch 1939 streng untersagt - im Krieg gegen die Sowjetunion waren jedoch keine Rücksichten mehr möglich. Noch vor der Wende von Stalingrad wurden Arbeitsmänner immer wieder in Krisensituationen als Soldaten eingesetzt. Primär aufgrund dieser Belastungen für die oft erst 17-jährigen Arbeitsdienstpflichtigen wurde der RAD 1943 aus dem gesamten Ostfeldzug abgezogen, an dem im Herbst 1942 immerhin 427 Abteilungen beteiligt gewesen waren. Künftig wurde er bei militärischen Bauprojekten im Reich und in Frankreich eingesetzt, etwa bei der Anlage des Atlantikwalles oder von Abschussrampen für V 2-Raketen. 306 Da das zweite Aufgabenfeld nach dem Abzug aus dem Ostfeldzug die Luftverteidigung wurde, kam der Abzug aus dem Osten keiner Rückentwicklung des Charakters zu einer Bautruppe der Wehrmacht gleich. Ab September 1942 wurden als Folge der verlustreichen Kämpfe im Osten reguläre Soldaten, die zuvor in der Flaksicherung des Reiches eingesetzt worden waren, in den Osten kommandiert. Dafür bildete der RAD im August 1943 zunächst 240 Flakbatterien, 1944 sogar fast 400.307 Wenn im Herbst 1942 der Flakeinsatz noch weniger gefährlich erschien als die Verwendung im Hinterland der russischen Front, sollte sich dies spätestens mit dem Beginn des Flächenbombardements deutscher Städte im folgenden Jahr ändern. 308 So wurde die Waffenausbildung für den RAD während des Krieges zunehmend wichtiger.309 Dagegen trat die Arbeitsschulung wie auch die politische Indoktrination ganz in den Hintergrund; Ende 1944 wurde die praktische Arbeit ganz zugunsten der militärischen Ausbildung und des Kriegseinsatzes aufgegeben.310 Als sich die Front der Reichsgrenze näherte, wurden die Flakbatterien immer häufiger im Erdkampf eingesetzt, wo die schlecht ausgebildeten, oft aber verbissen kämpfenden Arbeitsmänner wie zuvor im Ostfeldzug große Verluste zu verzeichnen hatten. Im Januar 1945 hatte das OKW noch verfügt, dass die Angehörigen des Jahrgangs 1928 - es handelte sich um Sechzehnjährige - »keinesfalls vorzeitig im Kampf verbraucht werden« dürften, sondern erst auszubilden seien. Deswegen wurden alle RAD-Männer des Jahrganges aus den Frontabschnitten abgezogen 305 BA/F, Msg 2/1512, Tagesbefehl Model, 7.9.1942. 306 Vgl.Jonas, S. 170f. 307 Vgl. AdP, Teil 1, Nr. 17111; BA/B, R 2301/5640, Ansprache Hierl, 22.2.1944; BA/F, Msg 2/144, Ausarbeitung Kumpf, 1954. 308 Vgl. Wendt, Deutschland, S. 644. 309 Vgl. Seifert, Kulturarbeit, S. 91. 310 Vgl. BA/B, ZSg 145/9, Befehl Führer der Gruppe 12, 15.12.1944; »Führer-Erlasse«, Nr. 361, S. 454.

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- in denen sie demnach zuvor bereits eingesetzt worden waren.311 Die Zurückhaltung ließ sich aber nicht lange aufrechterhalten. Am 31. März 1945 gab Hierl bekannt, dass binnen zwei Wochen drei Infanteriedivisionen aus den Reihen des RAD aufzustellen seien. Sie sollten bei der Verteidigung Berlins eingesetzt werden. Die Verbände, die oft fälschlicherweise als RAD-Divisionen bezeichnet werden, waren normale Wehrmachtseinheiten, die sich aber fast ausschließlich aus Hierls Männern zusammensetzten. Es handelte sich um 15.000 bis 16.000 Angehörige des RAD. Die Einheiten, die »mit geringen Ausnahmen noch keine MG-Ausbildung« absolviert hatten, verfügten nur über eine »infanteristische Grundausbildung«, weswegen ihr Kampfwert sehr gering war.312 So fanden in den letzten Kriegstagen noch einige tausend Menschen in einem gänzlich sinnlosen Krieg den Tod. Zumindest eine der drei, die Division »Friedrich Ludwig Jahn«, wurde bereits in der Aufstellungsphase von russischen Verbänden aufgerieben. 313 In den Endkämpfen um Berlin fiel am 3. Mai 1945 noch der fanatische Will Decker, dessen aus verschiedenen RAD-Einheiten zusammengewürfelte »Kampfgruppe Decker« Teil des letzten Aufgebots bildete.314 Bei Kriegsbeginn war der RAD Teil des elaborierten und differenzierten Systems von Arbeitskräften, die der Wehrmacht zuarbeiteten. Insgesamt gab es eine Verteilung der Kriegsaufgaben, innerhalb derer der Arbeitsdienst und ähnliche Organisationen der kämpfenden Truppe als Baukommando Aufgaben abnahmen. Als sich der totale Kriegjedoch gegen das Reich wandte, verlor der Arbeitsdienst seine Spezialisierung. Er ähnelte immer mehr einer Feuerwehr im wörtlichen wie im übertragenen Sinne - , die bei einer Vielzahl von Aufgaben eingesetzt wurde. 315 Zudem hatte er einflussreiche Feinde, nicht zuletzt Göring. Die Hauptlegitimation für die Fortexistenz dieser Einrichtung war die Hoffnung auf den »Endsieg«, nach dem er zu seinen zivilen Projekten und dem Erziehungsauftrag zurückkehren sollte. Angesichts der Heterogenität der Ziele im Krieg ist es schwierig, die Position der Organisation und ihr Verhältnis zur Wehrmacht zu beschreiben. Völkerrechtlich galten die Arbeitsmänner nicht als Soldaten, da sie keinen Wehrdienst im Sinne des Wehrgesetzes leisteten, auch wenn sie seit 1942 immer häufiger direkt in die Kampfhandlungen mit einbezogen wurden. Deswegen muss man diese »improvisierte Wehrmachtseinrichtung« für die erste Kriegsphase bis 1941/42 wiederum als halbmilitärische 311 BA/F, M F B l/WF-01/1666, v.a. O K W an C h e f des Generalstabs des Heeres u.a., 29.1.1945. 312 Vgl. BA/F, M F B l/WF-01/1647, Winter an Wenck, 7.4.1945; BA/F, RH 2/1123, RAF an RAD, 31.3.1945. 313 Vgl. Pechmann. 314 Vgl. zusammenfassend zum Kriegseinsatz Müller-Brandenburg, Reichsarbeitsdienst, S. 1340; Khusch, S. 11-25; Mallebrin, S. 106-109 (alle freilich unkritisch); Jörn«, S. 164-174; Seifert, Kulturarbeit, S. 87-92. 315 Vgl. Vagts, S. 1-12.

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Einrichtung bezeichnen, während sie danach bis zur deutschen Kapitulation fast nicht m e h r von den regulären Streitkräften zu unterscheiden war.316

4. Arbeit im Civilian Conservation Corps 1. »[S] imple work, not interfering with normal employment, and confining itself to forestry, the prevention of soil erosion, flood control and similar projects« sollte laut Roosevelt im Z e n t r u m der Arbeit des Civilian Conservation Corps stehen, das er im Frühjahr 1933 einrichten wollte. 317 Wenn hier drei Bereiche umrissen wurden, in denen der amerikanische Arbeitsdienst beschäftigt werden sollte, hielt der nur wenige Tage später verabschiedete Gesetzestext allgemein fest, das Corps habe die Aufgabe »to provide for the restoration of the country's depleted natural resources and the advancement of an orderly program of useful public works«. 318 Wie die unscharf umrissenen Arbeiten außerdem organisiert und geleitet werden sollten, wurde hier jedoch nicht festgelegt. Erst mit der Mobilisierung des C C C im Frühjahr 1933 wurden diese Fragen beantwortet. Roosevelt, der besonders in den ersten Monaten den Aufbau des C C C wesentlich prägte, interessierte sich vordringlich für das Forstwesen, mit dem er sich bereits viele Jahre beschäftigt hatte. Das C C C sollte seiner M e i n u n g nach vor allem in diesem Bereich helfen, die immensen Schäden, die durch Naturkatastrophen, Vernachlässigung und Raubbau entstanden waren, a b z u g l e i chen. Allgemein betonte die Literatur der 1930er Jahre die Probleme, die die europäischen Siedler in Nordamerika seit d e m 17. Jahrhundert in der N a t u r verursacht hätten und die es n u n wieder gut zu machen gelte.319 Wie auch in anderen Bereichen setzte die Bundesadministration bei der Arbeitsorganisation auf vorhandene institutionelle Ressourcen: Verschiedene bereits existierende Einrichtungen w u r d e n mit der technischen Seite der Arbeiten betraut. Damit wiederholte sich der Prozess der Arbeitsteilung, den das C o r p s im G r o ß e n prägte, im Kleinen. D e r Forest Service, eine d e m U.S. Department of Agriculture (USDA) unterstellte Behörde, war 1933 zwar überfordert, die camps zu organisieren und zu leiten - das musste die Armee übernehmen. Allerdings wurde er n u n der größte der technischen Dienste, welche die

316 1958. 317 318 319

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BA/F, Msg 2/144, Ausarbeitung Kumpf, 1954; IfZ, MS145/5, Aufzeichnung Absolon, Public Papers 1938, Bd. 2 (1933), S. 80-84, Zitat S. 80. ECW 1934a, S. 13. Vgl. FRC 1957, allgemein Mäher.

Einsatzplanung, Arbeitsorganisation und die Baustellenleitung übernahmen. In den ersten sechs Monaten des C C C fielen 82 % aller Projekte in seinen Kompetenzbereich. H i n z u kamen als weitere technische Dienste eine Vielzahl kleinerer Behörden. Der National Park Service, seinerseits Teil des Innenministeriums, organisierte 1933 immerhin 11 % aller Arbeitsvorhaben, ferner hatten in geringem U m f a n g z u m Beispiel das Bureau ofPlant Industry und das Bureau of Entomology, die alle z u m U S D A gehörten, auf den Baustellen das Sagen. Z u d e m trat die Armee auf Militärgebieten als technischer Dienst auf In späteren Jahren lief der Soil Conservation Service, der Teil des Landwirtschaftsministeriums war, dem National Park Service den Rang als zweitwichtigster Dienst ab.320 Das Projekt, das eine Abteilung des C C C übernahm, hing somit vom C h a rakter u n d Profil der jeweils mit der Arbeit betrauten technischen Behörde ab. Bei über 150 verschiedenen Arbeitstypen ergab sich ein breites Spektrum an Tätigkeiten, das die Verbesserung der technischen Infrastruktur, Projekte zur Steigerung des Ertrags an landwirtschaftlichen Gütern, Naturschutz, Katastropheneinsätze und kulturpolitische Aufgaben umfasste. Die verschiedenen Einsatzformen waren nicht systematisch den einzelnen Diensten zugeordnet, sondern viele Organisationen leiteten Projekte ähnlichen Typs. Die technischen Dienste entsprachen dabei nur oberflächlich den »Trägern der Arbeit« in Deutschland. D e n n während sie in den U S A Teil der institutionellen Struktur des Corps selbst waren, handelte es sich beim RAD u m externe Behörden. So musste sich das Corps mit seiner breiten, offenen Systemstruktur vor allem mit inneren Fragen beschäftigen, während Kooperation oder Konkurrenz mit externen Einrichtungen die Arbeit des RAD prägten. Aufgrund der institutionellen Struktur hatten auch die Gemeinden anders als in Deutschland keinen direkten Anteil am C C C . Für Gebäude, Fahrräder oder andere Ausrüstungsgegenstände mussten sie nicht aufkommen. Das heißt nicht, dass sie kein Interesse an den camps gehabt hätten. Auch die Abteilungen des C C C gaben der lokalen Wirtschaft positive Impulse. Deswegen bemühten sich die Gemeinden - wie auch die counties und die Einzelstaaten - , möglichst viele Lager zugeteilt zu bekommen, u n d benutzten dafür sämtliche Mittel der Einflussnahme, die es in einer Demokratie gibt. Kongressabgeordnete u n d andere Politiker wandten sich direkt an Roosevelt, sie wiesen auf die nachteiligen ökonomischen Folgen hin, falls ein Lager nicht bewilligt oder abgezogen werde.321 Lediglich die Lager der African Americans waren unbeliebt, und das C C C hatte oft große Probleme, Standorte zu finden, in denen diesen C C C boys nicht der Hass der »weißen« Nachbargemeinden entgegenschlug. Deswegen wurden

320 Vgl. ECW 1934a, S. 7-9; CCC 1940, S. 82; Salmond, Corps, S. 121. 321 Vgl. z.B. NARA/HP, OF 268, Box 3, v.a. Fechner an FDR, 3.1.1936; Salmond, Corps, S. 102-104; Mäher, S. 213-240.

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überdurchschnittlich viele ihrer Abteilungen auf militärischem Sperrgebiet eingesetzt. 322 U n t e r den Tätigkeiten des amerikanischen Arbeitsdienstes wurde der Arbeit in den Wäldern immer ein privilegierter Platz zugestanden. An ihr hatte der Präsident persönlich ein großes Interesse, u n d sie wurde in der öffentlichen Selbstdarstellung des C C C in den Mittelpunkt gerückt. Z u m einen sollte das Corps den Zustand der Forste verbessern. Die M ä n n e r pflanzten Millionen von Bäum e n - w e s w e g e n sich das C C C seinen populären Spitznamen als »Roosevelt's Tree Army« redlich verdiente. 323 In einem typischen Jahr handelte es sich allein auf Land im Bundesbesitz u m über 270 Millionen j u n g e Bäume. Insgesamt summierte sich die Zahl auf m e h r als die Hälfte der Bäume, die überhaupt je in der amerikanischen Geschichte gepflanzt wurden. 324 Z u m anderen leistete das C C C einen wesentlichen Beitrag z u m Schutz bestehender Wälder. Bis 1942 hatten die M ä n n e r fast 6,5 Millionen Mann-Tage bei der Bekämpfung von Bränden verbracht, im gleichen Zeitraum wurde so wenig Land durch Feuer vernichtet wie nie. Weniger dramatisch als die Katastropheneinsätze, bei denen insgesamt 47 enrollees ihr Leben ließen, war die präventive Arbeit gegen Waldbrände. Das C C C legte Feuerschneisen an, beseitigte Unterholz, errichtete H u n d e r t e von T ü r m e n zur Feuerwacht und patrouillierte durch gefährdete Gebiete. Weiter spielten die v o m C C C gebauten Transportstraßen u n d Telefonlinien, die selbstverständlich auch andere Z w e cke erfüllten, eine wichtige Rolle im Kampf gegen Waldbrände. Das Corps wurde zudem gegen Krankheiten und Insekten eingesetzt. Schließlich legten die j u n g e n M ä n n e r Freizeitanlagen wie Picknickplätze und H ü t t e n an, u m die Wälder und Parks für Wanderer und Touristen zu erschließen. 325 Die C C C boys arbeiteten aber nicht nur in den Wäldern. Daneben säten sie etwa im Westen der U S A Gras, u m Erosion zu bekämpfen. Für die Projekte wurde in vielen Bundesstaaten sogar eigens Land angekauft. Diese Aufgaben leitete als technischer Dienst häufig der Soil Conservation Service. Dieser Dienst, aber auch das Bureau of Agricultural Engineering oder die Division of Grazing nahm e n außerdem in größerem U m f a n g Bodenverbesserungen, vor allem Dränungen, vor.326

322 Eine diskriminierende E i n f l u s s n a h m e F D R s aus wahltaktischen G r ü n d e n z.B. in N A R A / H P , O F 268, Box 5, v.a. W o o d r i n g an F D R , 6.7.1938; allgemein Cower, Conservatism, S. 123-135. 323 324 325 326

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Z.B. Mitchell, S. 64-66, Zitat S. 64; zu d e n Tätigkeiten j e t z t auch Mäher, v.a. S. 78-143. Vgl. E C W 1936, S. 29. 1940: 287 Mio. auf allen Landtypen (Holland/Hill, S. 114). Vgl. Salmond, Corps, S. 121; E C W 1936, S. 2 9 - 2 8 . Vgl. U S D A 1939.

Abb. 9: Foto von enrollees aus einer Publikation des C C C mit Originalbildunterschrift: »Working amid nature's grandeur«. 327

Ein weiteres Aufgabenfeld war der Hochwasserschutz mit der Anlage von Wasserreservoirs und dem Bau von Dämmen. 1938 meldete das Corps, dass es im vergangenen Jahr neben einigen kleineren Staudämmen im südlichem Montana den Anita Dam, eine Erdaufschüttung von dreihundert Metern Länge, errichtet habe. Der im folgenden Jahr vollendete Damm am Tangipahoa River in Mississippi war sogar doppelt so lang.328 Noch spektakulärer waren zwei der Öffentlichkeit kaum bekannte Projekte unter der Leitung des Corps of 327 CCC, Work, S. 55. 328 Vgl. CCC 1938, S. 41f; CCC 1939, S. 59.

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Engineers der U.S. Army: die Arbeiten z u m Hochwasserschutz am Winooski River in Vermont und am Walkill River im Staat N e w York. Allein zur Bändigung des Winooski River w u r d e n drei große D ä m m e gebaut. Diese Arbeiten in Vermont bildeten zeitweise das größte Projekt, bei d e m das C C C eingesetzt wurde. 329 Dazu kam die bereits erwähnte Brandbekämpfung. Allerdings w u r d e das C C C auch bei anderen Arten von Naturkatastrophen eingesetzt. Z u m Beispiel musste es sich nach den verheerenden Ü b e r s c h w e m m u n g e n an der Ostküste der U S A im März 1936 bewähren - und leistete in den Worten des Präsidenten »extraordinarily good work«. Die M ä n n e r retteten Leben und Besitz, sie bewachten das Eigentum evakuierter und vertriebener Menschen, beseitigten Trümmer, und ausgewählte Männer wurden in der Krise sogar mit Polizeiaufgaben betraut. 330 Gerade solche spektakulären Einsätze, die das Ansehen des Corps in der Öffentlichkeit steigerten, w u r d e n immer wieder genutzt, u m f ü r ein dauerhaftes C C C zu werben. So hielt Happy Days z u m Beispiel fest: »There Will Be M o r e Floods« - u n d für deren Bekämpfung brauche man das Corps. 331 Außerdem wurden Abteilungen im Tierschutz beschäftigt. Sie legten z u m Beispiel Reservate für Wasservögel u n d andere Tiere an.332 Insgesamt hatte das C C C bei Aufgaben in der Forst- und Landwirtschaft zwei Zielperspektiven. Z u m einen sollte es in qualitativer und in quantitativer Hinsicht die Leistungsfähigkeit landwirtschaftlich genutzter Flächen steigern. Z u m anderen übernahm das Corps Projekte, die in den Naturschutz fielen. Hintergrund waren die Zerstörungen vergangener Jahrzehnte u n d Jahrhunderte gepaart mit der naturromantischen Sicht, wonach die N a t u r f ü r die Erholung u n d Erbauung der Menschen geschont oder wiederhergestellt werden müsse. Damit verkörperten die Projekte eine Abwendung von d e m /ronrier-Verständnis der Jahrhundertwende, laut dem die Ressourcen unerschöpflich seien u n d deswegen bedenkenlos ausgenutzt werden könnten. Die v o m N e w Deal neu interpretierte ^raniier lag darin, das Vorhandene zu schützen. 333 Die Gebiete w u r d e n aber nicht sich selbst überlassen. Vor allem ab 1935 w u r d e n sie auch f ü r die touristische N u t z u n g erschlossen, wie etwa der Bau von Ubernachtungsgelegenheiten und Rastplätzen in national und und in state parks zeigt. Die »grandeurs of nature« sollten gut erreichbar sein.334 Wenn es somit - anders als im R A D - viele naturbezogene Projekte gab, die nicht eine Steigerung der Agrarproduktion bezweckten, stand auch bei ihnen eine Indienstnahme für menschliche Bedürfnisse im Mittelpunkt. N e b e n dem Freizeitwert sollte der Tourismus Ar329 330 331 332 333 334

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Vgl. E C W 1 9 3 6 , S. 15f; vgl. auch Johnson, S. 203-209. Public Papers 1938, Bd. 5, S. 140-143 (1936), Zitat S. 140. H D 4.12.1937. Vgl. E C W 1936, S. 32. Vgl. zum frontier- Begriff und seinen Wandlungen Slotkin, v.a. S. 231-277. Oliver/Dudley, S. 82.

beitsplätze schaffen. 335 Das verdeutlicht etwa das zeitweise größte Regionalprojekt unter der Aufsicht des National Park Service, das aus Hochwasserschutzund Dränungsmaßnahmen in Skokie Valley im Bundesstaat Illinois bestand. Es diente als Naherholungsgebiet für die Bevölkerung von Chicago. 336 Insgesamt hatte der amerikanische Arbeitsdienst somit ein modernes anthropozentrisches Bild von der Natur, das diese über ihren N u t z e n f ü r den M e n schen definierte. 337 Im Gegensatz zur direkt instrumentalen Ausrichtung in Deutschland auf die Agrarproduktion war in den USA, vor allem in der zweiten Hälfte derl930er Jahre, in diesem R a h m e n auch R a u m für Naturschutz. Eine physiozentrische Perspektive, die die Achtung vor jeglicher Form von Leben betont und religiös oder allgemein ethisch begründet hätte, war dagegen selten. Eine der Ausnahmen stellte ein Leserbrief an die New York Times dar, dessen Verfasser die vom C C C gebauten Straßen beklagte, weil sie die entlegensten Winkel f ü r den »casual tourist« erreichbar machten. Daraus ergebe sich letztlich: »The Roosevelt administration and the C C C are destroying or desecrating all the magnificent gifts God bestowed on us. A few years hence we shall have no national forests, but only national botanical gardens.« 338 Diese Sichtweise war zwar nicht mehrheitsfähig. Wie Cornelius Mäher jedoch kürzlich zeigte, hat das Corps f ü r die Umweltgeschichte der USA trotzdem in zweierlei Hinsicht eine herausragende Bedeutung: Z u m einen popularisierte es den Gedanken der conservation, der in der Progressive era lediglich von einer sozial exklusiven Gruppe diskutiert worden war, jetzt unter Millionen C C C boys, den Anrainergemeinden der Lager und der amerikanischen Bevölkerung insgesamt. Z u m anderen änderte sich das Umweltverständnis inhaltlich: N e b e n dem utilitaristischen Gedanken einer möglichst optimalen, ökonomischen N u t z u n g der Ressource N a t u r wurde n u n auch deren Freizeitwert betont; manche Amerkaner gingen sogar so weit, die N a t u r möglichst unbelassen und u m ihrer selbst Willen schützen zu wollen. 339 Insgesamt bildeten die Debatten, die sich am Corps in diesem Bereich entzündeten, somit den Ubergang von der Industrie- zur Konsumgesellschaft ab. Z u den Arbeiten in der N a t u r kamen Projekte mit kulturhistorischer Bedeutung, vor allem im R a h m e n des National Park Service (NPS). Z u m Beispiel pflegte das Corps das Gelände der Schlacht von Gettysburg, w o im Juli 1863 die Truppen der Nordstaaten den Konföderierten eine kriegswichtige Niederlage beigebracht hatten. 340 In Kalifornien baute das Corps die Mission la Purísima 335 Vgl. zu der anthropozentrischen, der physiozentrischen und der naturromantischen Natursicht Brockhaus Enzyklopädie 1991, Bd. 15, S. 384-387. 336 Vgl. C C C 1938, S. 46. 337 Vgl. zum Naturverständnis des N e w Deal auch Radkau, Natur, S. 210-215; Mäher. 338 NYT 15.10.1934; vgl. z.B. auch JoF 33 (1935), S. 955-957, und Mäher, S. 276-304.

339 Vgl. Mäher. 340 Vgl. CCC 1939, S. 58f; allgemein ECW 1936, S. 39.

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wieder auf, ein Gebäudeensemble aus dem späten 18. Jahrhundert, das völlig zerfallen war. Die verantwortlichen Stellen hatten keine Bedenken gegenüber einer fragwürdigen Rekonstruktion, d e n n kritische Stimmen von Historikern blieben ungehört. 341 So leisteten die j u n g e n Männer angeblich ihren Beitrag »[in] aiding in dozens of ways the recapturing of America's epochs«.342 D e n Projekten wurde eine erzieherische Wirkung unterstellt, die die Identifikation der Jugendlichen mit der Nation, ihren Kulturgütern und ihrer Geschichte herbeiführen sollte. Allerdings w u r d e die Propaganda nie in so großem Maßstab betrieben wie im deutschen Arbeitsdienst. Analog dazu war der Einsatz des C C C bei politischen Veranstaltungen wie Paraden oder Ähnlichem die seltene Ausnahme, und nicht, wie im Fall des RAD, die Regel: Im Unterschied z u m RAD war das C C C keine offizielle staatliche Repräsentationstruppe. Es liegen n u r wenige Statistiken vor, aus denen die Verteilung unter die verschiedenen Arbeitstypen hervorgeht. Offensichtlich hatte das Corps kein Interesse daran, solche zu veröffentlichen, sondern beließ es sogar in denjährlichen Rechenschaftsberichten des Direktors lieber bei der beispielhaften Beschreib u n g seiner Aufgaben. Insofern folgte die bisherige Aufstellung u n d Gewichtung der Tätigkeiten den Annual Reports u n d anderen suggestiven öffentlichen Selbstbeschreibungen, die die bisherige Forschung unreflektiert reproduziert hat. Tatsächlich lagen die Schwerpunkte aber in anderen Bereichen, als das Corps glauben machte. Vor allem die Forstarbeiten nahmen einen deutlich geringeren Anteil ein, als man gewöhnlich vermutet. Es war zwar richtig, dass das Corps jährlich über 200 Millionen Bäume pflanzte. Das machte aber nur 5 % seiner Tätigkeiten aus.343 Einige versprengte Statistiken erlauben ein exakteres Bild. Bereits 1933 meldeten von den 1.520 camps nur 337, dass sie f ü r Pflanzarbeiten eingesetzt seien, 293 zählten die Erosionsbekämpfung zu ihren Aufgabengebieten, während der Großteil der Abteilungen ausschließlich oder teilweise bei technischen Infrastrukturmaßnahmen wie dem Bau von Straßen, Gebäuden oder auch der CCC-Lager verwandt wurde. 344 Die noch aufschlussreicheren Zahlen, die f u r 1935 vorliegen, bestätigen dieses Bild. Danach addierte sich der Anteil für Verkehrsverbesserungen auf 37,2 %, f ü r Landeskulturarbeiten inklusive aller M a ß n a h m e n im Forstwesen und z u m Tierschutz auf 20,3 %, für Naturschutzmaßnahmen auf 13,2 %, für den Bau von Häusern auf 13,7 %, für M a ß n a h m e n zur Freizeitgestaltung auf 11,2 % u n d f ü r alle andere Typen auf 4,4 %.345 1941 lag der Anteil der Infrastrukturmaßnahmen bei knapp 341 Vgl. Savage, v.a. S. 59-61; ferner C C C 1938, S. 47. 342 C C C 1941, S. 58. 343 Vgl. Pack, S. 29; vgl. auch n o c h die unkritische Sicht bei Mäher. 344 Vgl. E C W 1934a, S. 26, 34f. Bei dieser Statistik w a r e n M e h r f a c h n e n n u n g e n möglich, so dass sich kein klares Profil ergibt. Vgl. als Definition technischer Infrastruktur Brockhaus Enzyklopädie 1991, Bd. 10, S. 501. 345 Vgl. Morell, S. 289 (Prozentual nach abgeschlossenen Arbeiten).

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50 %, während Naturschutz und Bodenverbesserung zusammen weniger als die Hälfte ausmachten. 346 Der Schwerpunkt der Arbeiten lag deswegen nicht in der Forstwirtschaft, sondern bei technischen Infrastrukturmaßnahmen, vor allem dem Straßen-, Wasser- und Häuserbau und der Verbesserung der Kommunikationsstrukturen. Die Frage nach den Gründen für die Divergenz zwischen den öffentlichen Äußerungen und der tatsächlichen Gewichtung der Arbeiten führt in das Feld begründbarer Annahmen. Die Bedeutung des Corps ließ sich gerade im Bereich des Naturschutzes propagandistisch gut verwerten - vom Aussterben bedrohten Tieren oder kranken Bäumen zu helfen machte sich besser als der Bau von Straßen, zudem entsprach das der persönlichen Vorliebe des Präsidenten. Außerdem verdeckte das Corps so die Nähe seiner Projekte zu denen der privaten Wirtschaft und gab möglichen Konkurrenzängsten von Bauunternehmern und Arbeitslosen nicht zusätzliche Nahrung. Ein dritter Grund hängt mit der Rolle der Armee bei den Arbeitsprojekten zusammen; davon wird noch die Rede sein. Die Form, in der das C C C die Arbeiten unternahm, war zunächst der deutschen ähnlich. Auch in den Vereinigten Staaten handelte es sich um arbeitsintensive, zusätzliche Handarbeit mit geringem technischen Aufwand an abgelegenen Orten. Das erklärt sich erstens aus der ursprünglichen Motivation der Einrichtung. Das C C C wurde als Beschäftigungsmaßnahme für ungelernte Jugendliche geschaffen. Vor diesem arbeitsmarktpolitischen Hintergrund ging es wie in Deutschland angesichts der Weltwirtschaftskrise weniger um eine Maximierung von Leistung und Effizienz, sondern um eine einigermaßen sinnvolle Beschäftigung junger Arbeitsloser. Eng damit verbunden war eine zweite Begründung: Arbeitsmarktpolitisch war es sinnvoll, die jungen Männer in möglichst abgelegenen Gegenden zu beschäftigen, damit sie regulären Arbeitskräften und Unternehmen der privaten Wirtschaft keine Jobs oder Projekte wegnahmen. Die Wahl der abgeschiedenen Standorte war demnach nicht nur durch den/rcmiier-Mythos und das Männlichkeitsbild des Corps, sondern auch arbeitspragmatisch motiviert. Drittens hatte die Beschäftigungsform finanzpolitische Gründe, wie bei der Frage nach dem Mechanisierungsgrad noch nähern zu erörtern sein wird. Trotzdem war das Corps stärker an Leistung orientiert als sein deutsches Pendant. Das verdeutlicht die tägliche Arbeitszeit, die sehr bald nach der Gründung des C C C von sechs auf acht Stunden erhöht wurde; wöchentlich wurde vierzig Stunden gearbeitet. Auch wenn sich die technischen Dienste gelegentlich beschwerten, dass die vorgegebenen Zeiten immer wieder unterschritten wurden, war allein aufgrund der Vierzigstundenwoche die praktische Arbeit im 346 Vgl. School Life 27 (1942), S. 148.

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amerikanischen Arbeitsdienst mehr als eine »Spielerei«.347 Trotzdem war sie im amerikanischen Kontext eher kurz: 1929, an der Schwelle zur Weltwirtschaftskrise, hatten in den USA über 80 % der Arbeitenden eine Wochenarbeitszeit von über 48 Stunden. Im Zuge der Krise wurde auch in Amerika die Arbeitszeit verringert, aber der wöchentliche Baustellendienst der CCC boys blieb trotzdem weit unterdurchschnittlich. Inwieweit das Corps statt Handarbeit schwere Maschinen einsetzen sollte, blieb dabei umstritten. 1933 erklärte Roosevelt der Öffentlichkeit, dass es zu den Vorteilen des Corps gehöre, dass »the intervention ofvery little machinery« notwendig sei.348 Bald diskutierte auch der Advisory Council die Frage, und es gab einen Konsens, dass vorhandene Maschinen der technischen Dienste genutzt werden sollten.349 Diese hatten ein Interesse daran, die Leistung zu optimieren. Ihre Sicht konnte sich zwar nicht vollständig durchsetzen, sie prägte das Corps dennoch wesentlich.350 Das verdeutlicht auch der Charakter vieler Projekte des C C C . Die zahlreichen, aufwendigen Dammbauten wären mit der simplen Technik des RAD kaum möglich gewesen. Ungefähr ab 1935 baute das Corps deshalb seinen Maschinenpark massiv aus. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre hatte jede Abteilung 15 bis 20 schwere Maschinen, vor allem Lastwagen und Traktoren. Der Gesamtwert des Maschinenparks betrug 1937 stolze $ 40 Millionen.351 Eine Ausrichtung auf das Kriterium der Arbeitseffizienz bedeutete es auch, wenn zur optimalen Verwendung der teuren Geräte in manchen Abteilungen bereits 1933 Schichtarbeit inklusive Nachtschichten eingeführt wurde. 352 Wenn Fechner noch 1939 das Corps trotzdem eine »unskilled, mobile force« nannte, so war das teilweise wiederum Augenwischerei, die mögliche Konkurrenzlagen zur privaten Wirtschaft kaschieren sollte.353 Erst in den letzten Jahren des Corps waren vielen Kritikern die hohen Kosten, die das Corps verschlang, ein Dorn im Auge, weswegen das hohe Technisierungsniveau nicht bis 1942 gehalten werden konnte. Obwohl sich der Mechanisierungs- und Rationalisierungsgrad des C C C nicht mehr genau feststellen lässt, war der amerikanische Arbeitsdienst der Logik der Arbeit und der Maschine stärker unterworfen als der deutsche über die längste Zeit hinweg. Das fiel den Amerikanern auch selbst auf: Ein Bericht McEntees an Roosevelt konstatierte, dass im Vergleich zu den USA alle Projek-

347 Vgl. Brown, Comments, S. 213; Fechner, Hopes, S. 10. 348 Public Papers 1938, Bd. 2 (1933), S. 160-168, Zitat S. 162. 349 Vgl. NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, 5.6.1933. 350 Vgl. Morrell, S. 290. 351 Vgl. C C C 1938, S. 13; vgl. auch C C C 1941, S. 23; ferner C C C 1942, S. 2. 352 Vgl. Harper, S. 76; NARA/CP, RG 35/2, Procedural Manuals, Box 2, Forest Service Handbook, S. 432. 353 Fechner, Hopes, S. 10-12, 30, Zitat S. 30.

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te des deutschen Arbeitsdienstes »simple« seien und »little machinery and few materials« bedürften. 354 Offensichtlich gab es so auch in den USA einen Unterschied zwischen der öffentlichen Selbstdarstellung und dem tatsächlichen Tätigkeitsprofil des Dienstes. Dieses spiegelte sich teilweise auch im Arbeitsverständnis des Corps wider.

2. Wie im Bereich der Erziehung war der Anspruch, mit dem das C C C seine Arbeiten verband, weniger weitreichend als in Deutschland. Die Leistungen des Corps für die Allgemeinheit wurden häufig betont; stolz wandte es sich mit seinen Tätigkeitsberichten an die Öffentlichkeit. Allerdings ist es bezeichnend, dass es darüber hinaus in den Reden und Veröffentlichungen des C C C kaum Überlegungen zum Begriff der Arbeit und seiner Wertung gab. Vielmehr standen die konkreten Vorhaben ganz im Mittelpunkt, und die Arbeit der Freiwilligen wurde nicht zu einem nationalen Prestigeprojekt stilisiert. Arbeitsdienst galt nicht als »Ehrendienst«, sondern er stand unter dem Leitthema »We can take it«. Das Motto wies die Zeit im Corps als eine Probe aus, der sich jeder der Männer einzeln zu unterziehen und in der er sich zu bewähren hatte. Sie kreiste um schwere, körperliche Arbeit - und wenn der Einsatz von Maschinen diese gelegentlich erleichterte, reflektierte der Arbeitsbegriff das nicht. Für Freiwillige, die angesichts der Herausforderung versagten, gab es kein Verständnis. Sie wurden als »disturbers« oder als »goldbrickers« gebrandmarkt, grundsätzlich hatte das Individuum arbeitswillig und leistungsfähig zu sein. Dann sei ihm im C C C und in der Berufswelt auch Erfolg beschieden.355 Dieses Leistungsdenken hatte jedoch keine rassistischen Züge. Wie bereits erörtert, gab es in der Rekrutierungspraxis, dem Lageralltag und manchen Erziehungsinhalten Diskriminierung und Segregation auf rassistischer Grundlage; eine ideologische Erklärung oder Sinnstiftung über den Arbeitsbegriff erfuhren sie aber nicht. Die geleistete Arbeit wurde insgesamt in Bezug auf das Individuum, weniger aber auf die Gemeinschaft glorifiziert. Explizit sakralisiert wurden die Tätigkeiten nicht, wenngleich sie aus der puritanischen Konzeption des sich auf Erden bewährenden Individuums schöpften. Das Verhältnis zwischen dem Arbeitsverständnis und der Gemeinschaft brachte Ray Hoyt auf den Punkt, wenn er erklärte:

354 NARA/HP, OF 268, Box 5, McEntee an FDR, 29.9.1938. 355 Vgl. Darling. »Goldbrickers« sind Drückeberger.

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»Earlier trails had been built and other lands had been cleared of fire hazards by men to whom the labor was nothing but toil, at so much per hour. But there has been something personal in the work of the C.C.C, men; something of themselves has been laid with each mile of new road and each acre of timber saved from fire or blight. There has grown up among the men of this new forest army from the towns and cities a spirit that is new. [...] It is a patriotism that involves trees and hillsides and streams, and is fused with one's interest in one's family and one's own future, and too, one's feeling of gratitude toward a government that has given rather than taken away.«356 H o y t definierte Patriotismus als eine naturromantisch eingefärbte Reflexion des enrollees über seine Person, die eigene Z u k u n f t u n d die Familie. Die herausragende Stellung, welche der Propaganda-Experte der W i r k u n g auf den einzeln e n u n d sein unmittelbares U m f e l d beimaß, spiegelte den in der politischen Kultur der U S A stark ausgeprägten Individualismus wider. Erst danach nannte H o y t die Dankbarkeit gegenüber der Regierung. D e r Freiwillige sollte u n m i t telbar gegenüber Roosevelt u n d seiner Administration Loyalität e m p f i n d e n , die B i n d u n g an den Staat war d e m g e g e n ü b e r nachrangig. So war das C o r p s i m m e r auch Ausdruck eines paternalistischen Verständnisses v o n Wohlfahrtsstaatlichkeit u n d ein W a h l k a m p f i n s t r u m e n t Roosevelts u n d der D e m o k r a t e n . Zugleich äußerte sich hieran das ebenfalls tief in der politischen Kultur der U S A verankerte Misstrauen gegenüber »dem Staat«. Dass »Arbeit« im C C C nicht »Ehrendienst« an einer Gemeinschaft, sondern primär das Werk eines sich b e w ä h r e n den I n d i v i d u u m s war, verdeutlicht auch die Gegenprobe. Die S t i m m e n , die betonten, dass das C C C die C h a n c e böte, die O r i e n t i e r u n g am Eigeninteresse zugunsten eines Dienstes an der G e m e i n s c h a f t zu schwächen, blieben i m m e r vereinzelt. 357 D e r B e f u n d z u m Arbeitsverständnis bestätigt somit die Ergebnisse zur pädagogischen Seite des Dienstes, bei der ein gemeinschaftsbildender Auftrag ebenfalls nicht im Z e n t r u m stand. W e n n H o y t Arbeit nicht n u r als bezahlte Leistung verstanden wissen wollte, so bejahte das C o r p s gleichwohl die kapitalistische Wirtschaftsordnung. Das zeigt sich nicht n u r an der individualistischen, kompetitiven Sicht auf Arbeit, sondern z u m Beispiel auch a m Profil u n d Ziel des vocational training.358 Dieses tendenziell wirtschaftsliberale C r e d o stand aber in e i n e m Spannungsverhältnis zur tatsächlichen Lage der Jugendlichen, die auf d e m Arbeitsmarkt fast c h a n cenlos waren. N o c h weniger vertrug sich diese Einstellung m i t der staatsinterventionistischen Politik des N e w Deal, die gerade nicht auf die Selbstheilungskräfte des Marktes u n d auf das I n d i v i d u u m setzte, sondern massive staatliche Eingriffe f ü r n o t w e n d i g hielt. Letztlich brachte sich der N e w Deal so in die paradoxe Lage, dass er mit staatsinterventionistischen Mitteln j u n g e n 356 Hoyt, S. 3. 357 Vgl. Osgood/Glaser, v.a. S. 10,31. 358 Z u ä h n l i c h e n Ergebnissen k o m m e n die Begriffsgeschichten f ü r d e n N e w Deal zu »success« bei Carroll, v.a. S. 139-146; ferner zu »liberty« Foner, S. 195-218.

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Arbeitslosen half, i h n e n zugleich aber ein wirtschaftsliberales Arbeitsideal vermittelte. A u f g e h o b e n - nicht aber aufgelöst - w u r d e dieses Spannungsverhältnis d u r c h eine Militarisierung des Arbeitsbegriffs. Allein a u f g r u n d des prägenden Anteils der A r m e e an der Organisation des C C C lag es nahe, dass die Einricht u n g in der Öffentlichkeit in die N ä h e des Militärs gerückt w u r d e . Sie w u r d e als »Roosevelt's Tree Army«, als »Labor Army« oder als »army of conservation« b e zeichnet u n d die enrollees als »soil soldiers«. 359 Das war m e h r als eine Laune des Feuilletons. D e n n wie William E. L e u c h t e n b u r g in e i n e m seit langem z u m Klassiker gewordenen Aufsatz gezeigt hat, spielte die Sprache des Militärs u n d der Bezug z u m Krieg im N e w Deal allgemein eine zentrale Rolle. »The analogue of war« stellte eines der wichtigsten D e u t u n g s m u s t e r dar, m i t d e m die U S A die G r o ß e Depression zu b e k ä m p f e n suchten. Seit 1929 interpretierten viele Amerikaner die Krise als eine kriegsähnliche Bedrohung, die wie ein äußerer Feind niedergerungen w e r d e n musste. Z u m e i s t w u r d e eine direkte Analogie z u m Ersten Weltkrieg gezogen. Dieser war i m Zeithorizont der 1930er Jahre nicht n u r besonders präsent, sondern er hatte auch ein bis dahin ungekanntes M a ß an Staatsinterventionismus mit sich gebracht, auf das n u n ebenfalls erneut rekurriert wurde. 3 6 0 Diese Abkehr v o m Wirtschaftsliberalismus der 1920er J a h re war die Bedingung f ü r die Möglichkeit, das C C C einzurichten, f ü r dessen Arbeitsverständnis war j e d o c h die metaphorische E b e n e n o c h wichtiger. Das C o r p s w u r d e als S t u r m t r u p p e im K a m p f gegen die Depression verklärt. Die Mobilisierung zehntausender j u n g e r M ä n n e r u n d Arbeitsformen, die bei Katastrophenhilfen lebensgefährlich sein konnten, legten solche Parallelen auch nahe. Zugleich w u r d e die Krise d u r c h die Gleichsetzung mit e i n e m äußeren Feind externalisiert u n d zu einem Problem erklärt, das d u r c h einen nationalen Kraftakt gelöst w e r d e n könnte. Ihren Ausdruck fand die M e t a p h o r i k z u m Beispiel in e i n e m Artikel über das C C C , der mit den Worten begann: »America has a n e w army and has sent it to war.«361 Anders als hier gab es auch eine zivilere Variante der Analogiebildung. In diesem Fall war der bereits erwähnte William J a m e s der Bezugspunkt. Schon 1910 hatte der in Harvard lehrende Philosoph u n d Pazifist die H o f f n u n g geäußert, Krieg d u r c h ein moralisches Äquivalent abschaffen zu k ö n n e n . D e r Arbeitsdienst sollte die d u r c h militärische Auseinandersetzungen geförderten Prozesse der Gemeinschaftsbildung, der Disziplinierung u n d der Herausbild u n g v o n Männlichkeit kompensatorisch ü b e r n e h m e n . Auch w e n n Roosevelt, der in Harvard bei J a m e s studiert hatte, dessen Einfluss auf die Entstehungsgeschichte des C o r p s stets abstritt, w u r d e das Arbeitserlebnis im C C C in der 359 Z.B. CT 27.3.1933; Literary Digest 115, 15.4.1933; Lacy, der den Begriff »soil soldiers« besonders popularisierte. 360 Vgl. Leuchtenburg, Analogue, S. 81-143. 361 Doty, S. 31; vgl. z.B. auch H D 1.7.1933; NYT 8.2.1934.

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Öffentlichkeit immer wieder vor dem Hintergrund der Ausführungen von James gedeutet.362 Die Militarisierung des Arbeitsbegriffes im C C C war somit entweder in ein größeres Konzept eingebettet, das den Kampf gegen die Wirtschaftskrise als eine Herausforderung verstand, die dem Ersten Weltkrieg gleiche. In diesem Fall war der Bezug zum Krieg primär retrospektiv, vor allem aber metaphorisch im Sinne eines Analogon. Bei der zweiten Möglichkeit stand eine kompensatorische, pazifistische Überlegung Pate. Dass die Militarisierung des Begriffs lange Zeit keine ausgeprägt aggressive, prospektive Seite hatte, korrelierte mit der Vermeidung jeglicher militärähnlichen Aktivität im Corps bis Ende der 1930er Jahre. Erst 1940/41, als der Kriegseintritt der USA immer wahrscheinlicher wurde und die Diskussion um ein paramilitärisches Training für das C C C ihren Höhepunkt erreichte, änderten sich die Vorzeichen der militärischen Dimension des Arbeitsverständnisses. Künftig handelte es sich um die Vorbereitung auf einen künftigen Konflikt. Parallel dazu wurde der Bezug zwischen den Projekten und den Bedürfnissen der Nation und ihrer Verteidigung stärker betont. Nunmehr hieß es, die Arbeit »contributes to the Nation's strength and to its defense.«363 Insgesamt war »Arbeit« im C C C trotzdem vergleichsweise wenig ideologisch aufgeladen, und die Militarisierung des Begriffs hatte lange Zeit einen grundlegend anderen Charakter als in Deutschland. Man hielt sich in den USA nicht lange mit Besinnungsaufsätzen zum Wert und Verständnis der Arbeit auf. Der pragmatischen Einstellung zu den Tätigkeiten entsprach auch, dass diese nicht so sehr glorifiziert wurden, als dass sich daraus ein Ausschließlichkeitsanspruch ergeben hätte. Denn wenngleich das C C C stets betonte, dass Häftlinge und auf Bewährung Entlassene keinen Platz in seinen Reihen hätten, behauptete es nie, dass seine Arbeiten so ehrenwert seien, als dass sie nicht auch von Häftlingen übernommen werden könnten. Damit ersparte sich das C C C die Probleme, die dem RAD - zum Beispiel im Emsland - massiv zu schaffen machten.

362 Vgl .James, Equivalent. Moley, einer der wichtigsten Berater Roosevelts in dessen Anfangszeit als Präsident, wies auf den Einfluss von James auf das C C C hin; vgl. dazu insgesamt NARA/ HP, O F 268, Box 2, Notiz Keller, 11.11.1934; ebd., Box 11, v.a. Robinson an FDR, 17.2.1939. In der öffentlichen Diskussion u m das C C C wurde auf James Bezug g e n o m m e n z.B. in T i m e 6.2.1939, S. 10-12; Mitchell, S. 129. 363 FSA/CCC 1941, [unpaginiert].

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3. Die Schwierigkeiten, denen der amerikanische Arbeitsdienst gegenüberstand, lagen auf anderen Gebieten. Die drei wichtigsten Probleme, die insgesamt gute Einblicke in die Arbeitsorganisation und -umsetzung des C C C geben, sollen deswegen kurz umrissen werden: die Abgrenzung von der privaten Wirtschaft, die Schwierigkeiten mit der U.S. Army und das Problem der Militarisierung der Projekte Anfang der 1940er Jahre. Sie darzustellen ist erforderlich, um anschließend die Fragen nach der Effizienz und der Effektivität des Dienstes erörtern zu können. Erstens musste sich auch das C C C gegenüber der privaten Wirtschaft abgrenzen. Dies war das wichtigste und zugleich das vielschichtigste Problem, bezogen auf die Projekte des Dienstes. Z u m einen musste das Corps sich bei der Materialbeschaffung zur freien Wirtschaft verhalten. Abgesehen von geringen Startschwierigkeiten gab es in diesem Bereich nach 1933 kaum Probleme. Hier wirkte sich Roosevelts geschickter Schachzug aus, dass er mit Fechner einen profilierten Gewerkschaftler zum Direktor des C C C gemacht hatte, der selbstverständlich ein großes Interesse daran hatte, keine Konkurrenzsituationen zur Wirtschaft und der organisierten Arbeit aufkommen zu lassen. Lediglich der Aufbau von Lagern führte gelegentlich zu kleineren Streitigkeiten.364 Für Kleidung, Nahrung und Unterkünfte war die Armee zuständig, und sie nutzte zur Ergänzung der Bestände die ihr vertrauten Wege. Auch in diesem Bereich war es ein Erfolgsrezept, sich auf die vorhandenen institutionellen Ressourcen und eingespielten Routinen zu verlassen.365 Z u m anderen gab es das Problem, die eigenen Arbeitsprojekte von denjenigen der privaten Wirtschaft abzugrenzen. Seit 1933 betonte das Corps - ganz, wie das auch der RAD in Deutschland tat - die Zusätzlichkeit seiner Tätigkeiten, die keine regulären Arbeitsplätze gefährdeten. 366 Wie die Akten des C C C zeigen, gab es trotz der vielen Infrastrukturmaßnahmen tatsächlich nur selten Beschwerden, dass Abteilungen Arbeiten übernommen hatten, die eine Konkurrenz zur privaten Wirtschaft darstellten. Die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel.367 Problematischer war die Abgrenzungsfrage auf einem bestimmten Landtyp: Denn das C C C arbeitete sowohl auf Boden, der dem Bund gehörte, wie auch

364 Vgl. dazu, besonders zu den Problemen des Jahres 1933, Johnson, S. 178-199; der sie aber überbewertet. 365 Vgl. z.B. ECW 1936, S. 1; zum Skandal NARA/HP, OF 268, Box 1, v.a. Zeugenaussage Fechner, 6.6.1933, Salmond, Corps, S. 44f. 366 Vgl. Joint Hearings 1933, S. 4-26, 46-49. 367 Vgl. NARA/CP, RG 35/3.4, Camp Inspection Reports, N e w York, SP-16, v.a. Roberts, American Federation of Labor, an McEntee, 15.8.1935; ebd., Kenlan an McEntee, 21.7.1934.

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auf dem von Einzelstaaten, counties, Gemeinden oder Privatpersonen.368 Immer wieder erwiesen sich die Arbeiten auf Privatland als problematisch, da die Gefahr bestand, dass das C C C den betroffenen Besitzern Wettbewerbsvorteile verschaffte. Bereits in den gemeinsamen Anhörungen der beiden Häuser des Kongresses wurde im März 1933 die Frage eingehend erörtert. Der Chef des Forest Service Stuart versicherte den Kongressabgeordneten, dass nur Arbeiten auf nichtstaatlichem Land durchgeführt werden sollten, die durch bereits bestehende Gesetze gedeckt seien.369 Es handelte sich zum Beispiel um Maßnahmen zur Prävention von Hochwasser, Erosion oder Waldbränden. Bei diesen musste das Corps oft zum Schutz des Gemeinwohls und zur Sicherung von Staatsboden angrenzenden Privatbesitz mitbearbeiten. Allerdings ließ sich das Corps dann für seinen Aufwand entschädigen. Ein Handbuch des Forest Service hielt fest, dass Waldbesitzer, denen das C C C half, dem jeweiligen Lager Holz für Bauzwecke oder als Brennstoff zur Verfügung stellen mussten. In diesem Fall handelte es sich um ein gentlemen's agreement, bei dem man auf Mengenangaben und Ahnliches verzichte. Wurde das Corps auf Privatland zu Demonstrationszwecken zur Vermittlung besserer Anbaumethoden tätig, so galten genau definierte Höchstgrenzen.370 Obwohl die Formen verschieden waren, gab es insgesamt doch ein System zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Als schwierig erwies sich dagegen die Frage, wer in den Genuss dieser Tätigkeiten kommen sollte. Allerdings war es Roosevelt persönlich, der 1933 auf diesen Projekten insistiert hatte. Zudem waren nur er selbst und Fechner befugt, jedem einzelnen derartigen Antrag zuzustimmen - und Roosevelt machte von dieser Kompetenz auch Gebrauch.371 Nicht die Fachleute des C C C , sondern der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika glaubte zum Beispiel darüber befinden zu müssen, ob die Flussbegradigung in Yerington, Nevada, den Ansprüchen gerecht wurde. Fechners Entscheidungsschwäche korrespondierte in diesem Fall mit dem bekannten Problem, dass Roosevelt nicht delegieren konnte und eigene und fremde Beschlüsse häufig umstieß. Zugleich eröffneten die Unklarheiten Tür und Tor für Ungerechtigkeiten und Einflussnahmen - denn die betroffenen Landbesitzer hatten ein Interesse daran, das C C C auf ihr Land zu bekommen, und sie schalteten Kongressabgeordnete und andere Politiker für sich ein.372 Das Corps hätte deswegen gut daran getan, solche Arbeiten ganz zu meiden, oder zumindest eine klare Regelung zu finden, aufgrund derer Entscheidungen 368 369 370 442. 371 372

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Vgl. E C W 1934a, S. 9. Vgl. Joint Hearings 1933, S. 6 - 2 1 . Vgl. NARA/CP, RG 35/2, Procedural Manuals, Box 2, Forest Service Handbook, S. 4 3 9 Vgl. F R C 1957, Nr. 133; NARA/HP, OF 268, Box 1, Memo 18.4.1933. Vgl. ebd., Box 4, v.a. Fechner an FDR, 17.11.1937.

nach rationalen Kriterien auf einer niedrigen Ebene hätten gefällt werden können. Für die Effektivität auf den Baustellen hatten diese Probleme zwar kaum Konsequenzen. Definiert man den Auftrag des C C C jedoch darüber, Besitz des Bundes oder der Einzelstaaten zu schützen und zu verbessern, w u r d e die Leistung deutlich vermindert, wenn zeitweise ein Viertel aller Lager an Projekten auf Privatgrund arbeitete. 373 Aber auch der umgekehrte Befund ist zulässig: Das Corps arbeitete zu so weiten Teilen auf Privatbesitz, da dort der Bedarf besonders groß war. Wie Frederick Morrell, der Vertreter des Forest Service in Fechners Advisory Council, 1936 anmerkte, wäre es sinnvoll gewesen, noch mehr Abteilungen auf Privatland zu beschäftigen, ansonsten gingen sie weniger wichtigen Aufgaben auf Bundesland nach. Definiert man die Leistung des C C C über den N u t z e n der Projekte - unabhängig davon, wer von ihnen profitierte - , blieb das C C C hinter d e m O p t i m u m zurück, weil es zu wenig auf Privatland arbeitete. 374 Das Problem der Abgrenzung von der privaten Wirtschaft stellte sich aber nicht nur bei Privatland, sondern auch bei einem besonderen Arbeitstyp. Ganz wie in Deutschland w u r d e auch an das C C C immer wieder die Forderung herangetragen, bei der Ernte zu helfen. Im Sommer 1937 traten verschiedene Bundesstaaten mit dieser Bitte an das Corps - Minnesota z u m Beispiel wollte alle enrollees dort für 60 Tage zur Getreideernte freigestellt bekommen. Damals kam das C C C der Bitte nicht nach. Lediglich bei Katastrophen sei es legitim, die regulären Arbeiten zu unterbrechen. 375 D e n n auch das C C C hatte einen Kanon an Arbeitsfeldern ausgebildet, die sich mit seiner Organisationsstruktur und seiner erzieherischen Seite verbinden ließen, und die Erntearbeit gehörte offensichtlich nicht dazu. Hier zeigt sich, dass auch das Corps durch seinen pädagogischen Auftrag und der Notwendigkeit, sich von der privaten Wirtschaft abzugrenzen, Eigeninteressen entwickelt hatte, die es von einer hochflexiblen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme unterschieden. Als sich im Sommer 1941 der Landarbeitermangel in den Erntegebieten verschärfte, konnte das Corps den restriktiven Kurs nicht durchhalten. Im Kreuzfeuer öffentlicher Kritik - dem Corps wurde n u n »boondoggling«, das heißt staatlich finanzierte Zeitverschwendung, vorgeworfen - musste das Corps einen Kurswechsel einleiten. 376 Roosevelt genehmigte n u n , dass enrollees zur Erntehilfe an private Betriebe ausgeliehen werden konnten. Sie waren jedoch weiterhin in ihren Lagern untergebracht, und die neuen Arbeitgeber mussten das Corps fur die Leistung bezahlen. 377 Der amerikanische Arbeitsdienst schlug 373 1937 gab es insgesamt 2069 Lager, vgl. ECW 1937, S. 16.

374 Vgl. Morreil, S. 288. 375 Vgl. NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, 21.7.1937. 376 Vgl. Star (Indianapolis) 31.3.1941. 377 Vgl. Ickes 1954, Bd. 3, S. 620 (Eintrag vom 28.9.1941); gegen einen Farmeinsatz auch noch NARA/CP, RG 35/2, Advisory Council, 8.7.1941.

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damit den Weg ein, den der RAD bereits einige Jahre zuvor angesichts der grundsätzlich gleichen Herausforderung gegangen war. Zynisch könnte man bemerken, dass es lediglich die anhaltende Arbeitslosigkeit war, die das Corps lange Zeit vor d e m Schicksal des R A D bewahrte. Als das Corps zu Neuorientierungen aufgefordert wurde, verhielt es sich nur wenig flexibler als sein deutsches Pendant. Zweitens hatte die zentrale Stellung der Armee gravierende Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Corps. Wichtigster Reibungspunkt zwischen den technischen Diensten und Fechner einerseits und der Armee andererseits war das Problem des overhead. D e n n die Offiziere stellten j u n g e Männer von den eigentlichen Arbeiten frei, u m Tätigkeiten in den Lagern zu übernehmen, etwa deren Aufbau und Instandhaltung, oder Aufgaben wie Kochen und Putzen. Das war sinnvoll, da ansonsten externe Kräfte dafür hätten bezahlt werden müssen. Zugleich verringerte es jedoch die Leistung des Corps auf den Baustellen, vor allem w e n n das overhead - wie in manchen Lagern im Sommer 1933 - 50 % der Gesamtbelegschaft ausmachte. Als Chief Forester Stuart Fechner auf das Problem aufmerksam machte, konnte dieser es n u r an die Armee weitermelden, da sie die Entscheidungshoheit darüber hatte. Deren Versuche, den Missstand auszuräumen, erwiesen sich als halbherzig. Zugleich war Roosevelt nicht bereit, Fechner die Frage entscheiden zu lassen. Der Direktor musste es dabei bewenden lassen, der Armee vorzuschlagen, die Zahl des overhead auf 23 M a n n pro Abteilung zu reduzieren - das entsprach immerhin noch 12 % der Gesamtmannschaft. 378 Die Armee hielt sich jedoch nicht an die Empfehlung. Im April 1934 wurde z u m Beispiel berichtet, dass etwa in der 1. corps area durchschnittlich 47 enrollees zu solchen lagerinternen Diensten abgestellt wurden; das waren immerhin 24 % der Belegschaft. Die technischen Dienste beschwerten sich darüber immer wieder zu Recht, die Armee konnte aber durchsetzen, dass diese Frage nie in die Verantwortung des Direktors des C C C überging. 379 D e n n sie sah in der Kritik den Versuch, ihr die alleinige Zuständigkeit für die Lager zu nehmen. Außerdem rechtfertigte sie die hohen Zahlen damit, dass es primär darauf ankomme, die Jugendlichen in irgendeiner Form sinnvoll zu beschäftigen - was im R a h m e n der camps ebenso möglich sei wie auf den Baustellen. Das erklärt auch, w a r u m in der bereits zitierten Leistungsbilanz von 1935 der Bau von Häusern u n d anderen Anlagen einen derart großen Anteil einnahm. Dagegen sahen die technischen Dienste und Fechner das Corps als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, deren Wert an den Leistungen auf den Baustellen gemessen werde. Sie warfen d e m Militär vor, die 378 Vgl. ebd., Advisory Council, 3.7.1933, 19.7.1933, 24.7.1933, 26.10.1933; zusammenfassend auch Johnson, S. 101-106; abwegig dagegen Sherraden, Corps, S. 182. 379 Vgl. NARA/CP, RG 35/2, v.a. Advisory Council, 9.4.1934; zur Kritik der technischen Dienste vgl. z.B. JoF 34 (1936), S. 303-307; Paige, S. 54.

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Lager seien unnötig »dolled up«.380 Wie der Erfolg der Armee zeigt, konnte sich in diesem Fall das Argument der Effektivität aber nicht durchsetzen. Die Leistung des Corps wurde durch die Kompetenzzuweisung, die im Frühjahr 1933 Bedingung f ü r die schnelle Mobilisierung gewesen war, wesentlich beeinträchtigt. Ähnliche Reibungen, die aus der 1933 getroffenen Machtverteilung herrührten, gab es auch in anderen Fragen. Z u m Beispiel traten die technischen Dienste aus arbeitsorganisatorischen G r ü n d e n dafür ein, die Lagergrößen noch flexibler zu gestalten, als es die Unterteilung in main camps und side camps zuließ. Auch dieser Vorschlag scheiterte am Widerstand der Armee, die einen Einflussverlust fürchtete. Sie pochte auf das Primat der disziplinierenden O r d n u n g , die sich angeblich n u r in den Hauptlagern verwirklichen lasse. D e r Streit u m die Frage, ob Maschinen und Fahrzeuge in zentralen Werkstätten gewartet und repariert werden sollten oder von der Armee u n d den technischen Diensten, entwickelte sich sogar zu einer schweren Belastungsprobe für das Corps. 381 Das Problem hatte aber weniger verheerende Auswirkungen auf die Leistung des Corps als das große overhead. Charles Johnson hat trotzdem nicht unrecht mit seiner These, dass die Reibungen zwischen der Armee und den technischen Diensten gering blieben. 382 Dies lässt sich jedoch nicht mit dem Ausbleiben von Problemen erklären, sondern mit der Resignation, in die Fechner und der Dienst angesichts der einflussreichen Position der Armee und ihrer starren Haltung fielen. Für die Leistung auf den Baustellen zeitigte das Arbeitsverständnis des Militärs, das sich am Primat der disziplinierenden Kontrolle und nicht an der Leistung orientierte, trotzdem nachteilige Wirkungen. Drittens stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Militarisierung des Corps auf die Projekte und die Effektivität der Einrichtung hatte. Ahnlich wie sich das C C C lange gegen die E i n f ü h r u n g eines militärischen Drills sträubte, schreckte es auch davor zurück, die Baustellenarbeit an militärischen Prioritäten zu orientieren. Grundsätzlich spricht daraus die Tatsache, dass die U S A im Rahmen des regulären Militärs seinen Bedarf an außenpolitischer Sicherheit decken konnte, während sich Deutschland - vor allem vor dem Hintergrund des Versailler Vertrages - seit Weimarer Tagen auf halbverdeckte, ergänzende Maßnahmen wie den Arbeitsdienst stützte. Obwohl, wie U m f r a g e n zeigen, eine deutliche M e h r h e i t der amerikanischen Bevölkerung spätestens seit Herbst 1939 eine Militarisierung befürwortete, zögerte Roosevelt vor d e m Hintergrund seiner komplexen Politik eines möglichen überseeischen militäri-

380 Vgl. z.B. Brown, Comments, S. 213. 381 Vgl. zur Lagergröße Johnson, S. 94—99; Paige, S. 57f; zu den »repair shops« Salmond, Corps, S. 175f. 382 Vg\.J€hnson, S. 91.

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sehen Engagements weiterhin. 3 8 3 Auch nach Ausbruch des Z w e i t e n Weltkrieges w u r d e so kein Bezug zwischen d e n Tätigkeiten des C C C u n d militärischen Zielen hergestellt. N o c h M i t t e 1941 hielt das C C C zwar fest, dass es n e b e n der A r m e e u n d der M a r i n e d e n größten Beitrag zur Verteidigung der N a t i o n leiste. Die Arbeitsprojekte blieben j e d o c h im Wesentlichen dieselben wie bisher. 384 Anders war lediglich der Kontext, in den die Tätigkeiten gestellt w u r d e n . Viele der Arbeiten - so hielt eine Publikation fest - »parallel those d o n e by engineer troops«. 385 N u r die 12.000 enrollees, die im F r ü h j a h r 1941 auf Militärgebieten eingesetzt w u r d e n , gingen teilweise auch inhaltlich n e u e n Aufgaben nach. D e n n sie verbesserten nicht die zivile technische Infrastruktur, sondern bauten Schießanlagen, Feldflugplätze u n d Ahnliches. 3 8 6 Erst nach d e m Kriegseintritt der U S A w u r d e n die Arbeiten auf die Interessen des Kriegs orientiert. Das »Victory war program«, das ab J a n u a r 1942 die Grundlage des C C C bildete, sah vor, dass k ü n f t i g 200 Lager auf Militärgebiet stationiert sein sollten, weitere 150 zur kriegswichtigen Prävention v o n Waldbränden im Westen der U S A . Angesichts der drastischen R e d u k t i o n des C C C - im J u n i 1942 gab es insgesamt n u r n o c h knapp 400 Lager - kam dies einer N e u o r d n u n g der Tätigkeiten gleich. 387 Dass die Vorbeugung u n d der K a m p f gegen Feuer einen derart wichtigen Posten ausmachten, war einer Intervention Roosevelts zu verdanken. D e n n der Präsident, d e m die Wälder besonders a m H e r z e n lagen, sah folgende Gefahr: »It is obvious that m a n y of t h e m [the forests; d. Vf.] will be deliberately set o n fire if the Japs attack there«. Deswegen leiste das C o r p s »essential war work«, i n d e m es auch künftig im Kampf gegen Waldbrände eingesetzt werde. W ü r d e m a n es aus dieser Aufgabe abziehen, müsste eine andere Organisation sie ü b e r n e h m e n - »probably at a net increased cost«. 388 D a m i t w a r b der Präsident im F r ü h s o m m e r 1942 f ü r die Fortexistenz des C C C . D o c h auch sein persönliches Einschreiten k o n n t e nicht verhindern, dass n o c h E n d e J u n i beschlossen w u r d e , das C o r p s aufzulösen. Verglichen mit d e n militärischen Projekten wie d e m B u n kerbau, die der R A D zumindest ab 1938 u n t e r n a h m , behielt das C C C somit auch bei seinen Baustellenarbeiten sein ziviles Gesicht relativ lange. Erst als Reaktion auf den Eintritt der U S A in den Krieg w u r d e das C o r p s f ü r Aufgaben zuständig, die denjenigen des R A D nach 1938 entsprachen. 3 8 9 D a ein Teil der 383 Vgl. NYT 1.10.1939; vgl. insgesamt auch Salmond, Corps, S. 116-120, 194-196, 209. 384 Vgl. NARA/HP, PMC, Box 39, v.a. M e m o ECW, 18.7.1941. 385 FSA/CCC 1941, [unpaginiert], 386 Vgl. ebd.; ferner NARA/CP, RG 35/3.1, Box 4; allgemein Johnson, S. 200-218. 387 Vgl. C C C 1942, S. 2-6; zur Zahl der Lager Charleston Post, 15.6.1942. 388 FRC 1957, v.a. Nr. 1079. 389 Es war selbstverständlich wenig sinnvoll, in den USA Bunkeranlagen zu bauen - deswegen war die Zuarbeit auf den Militärgebieten das funktionale Äquivalent zum Westwalleinsatz und ähnlichen Projekten des RAD. Umgekehrt stellte in Deutschland die Waldbrandgefahr keinen ähnlichen Faktor dar wie in den USA. Die Entsprechung in den beiden Ländern lag darin, dass der Schwerpunkt auf direkt militärische Projekte gesetzt wurde und sekundierend Kernressourcen (in Deutschland Ackerboden, in den USA die Wälder) geschützt und genutzt wurden.

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Tätigkeiten den bis 1941 u n t e r n o m m e n e n entsprach und lediglich in einen anderen Kontext gestellt wurde, und da auch die anderen strukturell nicht den zuvor verfolgten Projekten widersprachen, hatte der Einbau des C C C in den war effort nur kleine Veränderungen zur Folge und war dementsprechend leistungsneutral. O h n e große nachteilige Folgen für die Effektivität des Corps war auch die Personalpolitik - kontrafaktisch muss diese Frage, die d e m RAD so große Probleme bereitete, kurz erörtert werden. Es erwies sich als wichtiger Vorteil des C C C , die erfahrenen Kräfte aus verschiedenen Bundesbehörden heranziehen zu können. Für die Baustellenarbeit war die Mitarbeit der technischen Dienste zentral, in denen aller Sachverstand, dessen das Corps bedurfte, gebündelt war. Z u d e m gab es Neueinstellungen, weil das Personal der kooperierenden Behörden für das C C C nicht ausreichte. In diesem Bereich wurde aber vergleichsweise wenig Missbrauch betrieben, das heißt n u r wenige Posten wurden statt nach dem Leistungsprinzip nach politischen Kriterien besetzt. Da es sich u m sensible Positionen, etwa als educational adviser, oder - was für die Arbeit noch wichtiger war - als Vorarbeiter oder Angehöriger der technischen Dienste handelte, hätte ansonsten die Effektivität des Corps deutlich verringert werden können. Die technischen Dienste beschwerten sich zwar immer wieder über political influence, insgesamt wurde dadurch die Leistungsfähigkeit des Corps aber nicht wesentlich gemindert. Auch im Vergleich zu anderen N e w DealBehörden, etwa der Notstandsarbeiten unter Aufsicht der WPA, war die politische Patronage im C C C wenig ausgeprägt. 390 Wenn man die Frage nach ökonomischer Effektivität und Effizienz des Corps stellt, muss zwischen vermeidbaren und unvermeidbaren Problemen unterschieden werden. Kaum zu umgehen waren die Reibungsverluste in der Anfangszeit, die sich aus der überhasteten Einrichtung des Corps erklären. 1933 lagen keine Schubladenpläne vor, wie eine so große Arbeitstruppe sinnvoll einzusetzen sei. Deswegen wurden in den ersten Monaten auch weniger sinnvolle Projekte vorgenommen, u n d es kam zu Leerlauf Außerdem hatten die technischen Dienste 1933 oft überzogene Vorstellungen, da sie von den Freiwilligen die Leistung erfahrener Arbeiter erwarteten. 391 Auch die verzögert einsetzende und nicht konsequent betriebene Mechanisierung und Rationalisierung stellte ein Problem dar. Die im Vergleich zur freien Wirtschaft kürzere Arbeitszeit ließ sich angesichts des erzieherischen Auftrags, den das C C C hatte u n d durch den es sich von einer bloßen Arbeitsbeschaffungsinstitution unterschied, kaum vermeiden. Auch die Kosten, die durch den Transport von enrollees aus dem bevölkerungsreichen Osten der USA, in dem es vergleichsweise wenig Bedarf an 390 Vgl. JoF 31 (1933), S. 914-919; JoF 32 (1934), S. 397-399; insgesamt auch Salmond, Corps, S. 42, 104-106. 391 Vgl Guthrie, S. 942.

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Arbeiten nach Art des C C C gab, in den d ü n n besiedelten Westen, in d e m das Corps an vielen O r t e n eingesetzt werden konnte, waren kaum zu umgehen. Andere Probleme hängen mit der organisatorischen Struktur des C C C zusammen. D e r Rückgriff auf vorhandene institutionelle Ressourcen war die wichtigste Bedingung f ü r den Erfolg der Einrichtung. Das zeigt die Kooperation mit verschiedenen technischen Diensten, die bei ihren Aufgaben eingespielt waren, oder die Aufnahme der local experienced men in die Lager. Die Professionalität der zusammenarbeitenden Organisationen war auch der Hauptgrund, w a r u m es bei der Materialbeschaffung und bei der Projektauswahl zu so wenigen Reibungen mit der privaten Wirtschaft kam. So konnte das Corps in vielen Bereichen berechtigterweise stolz auf seine Leistungen sein.392 Das Zusammenwirken verschiedener Institutionen mit divergierenden Interessen führte jedoch bei der Arbeit ähnlich wie bei der Erziehung zu Defiziten. Diese zeigen sich besonders, w e n n man das Corps an seiner Arbeitsleistung auf den Baustellen misst. Dass die Armee ein anderes Verständnis v o m Zweck des Corps hatte und auf eine disziplinierende Beschäftigungstherapie setzte, war mit dem offiziellen Ziel des C C C u n d seiner öffentlichen Selbstdarstellung nicht vereinbar. So minderten die overheads die Effektivität des C C C wesentlich. Der problematische Einfluss der Armee war auch ein Grund, w a r u m das Corps seine Leistungen nicht gegenüber der Öffentlichkeit aufschlüsselte, sondern es bei summarischen und vagen Aussagen beließ. Das stand in krassem Gegensatz zu den Veröffentlichungen über die erzieherische Seite des Dienstes, die statistisch zu jeder n u r denkbaren Frage Auskunft gaben. Nachteilig wirkten sich auch die mehrfachen Richtungswechsel Roosevelts aus, von d e n e n bereits im Organisationskapitel berichtet wurde. Seine Schaukelpolitik bezüglich der Größe der Einrichtung machte eine vorausschauende Planung unmöglich. Das schlug sich auch in der Effizienz nieder, besonders, w e n n bereits angefangene Arbeiten unverrichtet liegengelassen w u r d e n - u m in manchen Fällen einige Zeit später mit großem Aufwand wieder aufgenommen zu werden. Auch dieses Problem wurzelte in der organisatorischen Struktur des Corps, in die der Präsident immer wieder intervenierte. Insofern war der Rückgriff auf die institutionellen Ressourcen nicht nur eine Vorbedingung für die schnelle Mobilisierung des Corps und für seinen relativen Erfolg. Er war zugleich auch Vorbelastung, zumal keine organisatorischen Reformen in Angriff g e n o m m e n wurden, u m die daraus resultierenden Defizite auszugleichen. Welche Konsequenzen die leistungsmindernden Faktoren insgesamt hatten, lässt sich nur schwer sagen, da kaum vergleichende Einschätzungen vorliegen. 392 Vgl. z.B. Brown, Comments, S. 212. 393 Vgl. Pack, S. 28f, 58.

394 Vgl. CCC 1942, S. 13; Sherraden, Corps, S. 180f. 395 Vgl. z.B. JoF 34 (1936), S. 303-307.

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Ähnlich wie in Deutschland blieb die Effektivität j e d o c h hinter der von privat Beschäftigten zurück. Z u diesem Ergebnis kam 1934 eine vergleichende Analyse, bei der eine Abteilung eine Zeit lang in direktem Vergleich zu einem privaten U n t e r n e h m e n eingesetzt w u r d e . N a c h dieser Q u e l l e erbrachten die enrollees aber i m m e r h i n 72 % der Leistung der Arbeiter. Die H a u p t g r ü n d e f ü r den U n t e r s c h i e d lagen danach in der kürzeren Arbeitszeit u n d der fehlenden Qualifikation der C C C boys.i9i D e r Abschlußbericht des C C C hielt d e m gegenüber fest, dass insgesamt die Leistung des C C C zwischen 82 u n d 90 % derjenigen der privaten Wirtschaft betragen habe. 394 In Bezug auf die Mittel, die notwendig waren, u m dieses Ziel zu erreichen, zeichneten besonders die technischen Dienste ein düsteres Bild. Aber auch hier w u r d e n keine genauen Angaben gemacht. 3 9 5 G e m e s s e n an e i n e m anderen Maßstab schnitt das C o r p s nicht schlecht ab. Eine Dissertation aus d e n 1930er J a h r e n kam zu d e m Ergebnis, dass das C C C im Vergleich zu anderen ArbeitsbeschafFungsmaßnahmen des N e w Deal »a greater a m o u n t of w o r k accomplished in the same time as well as a m o r e widespread popular approval« aufweisen k ö n n e . Dieser Sicht w u r d e nicht einmal von den massivsten Kritikern der Arbeitsleistung des Corps, den technischen Diensten, widersprochen; viele teilten sie sogar. 396 Allerdings wiesen alle diese Ansätze von Vergleichen ein grundlegendes Defizit auf: Es handelte sich lediglich u m Tendenzaussagen, d e n e n keine nachvollziehbaren B e r e c h n u n g e n z u g r u n d e lagen. Diese w a r e n auch k a u m möglich, da die Bedingungen in den Lagern verschiedenen Typs in den unterschiedlichen G e g e n d e n der U S A zu m e h r e r e n Z e i t p u n k t e n hätten analysiert w e r d e n müssen, u m zu einigermaßen gesicherten Ergebnissen zu k o m m e n . Z u d e m bereitete das C o r p s selbst die f ü r vergleichende Statistiken notwendigen Z a h l e n nicht auf. D e r E i n d r u c k eines Vertreters eines Steuerzahlerbundes war zutreffend, w e n n er bemängelte: »We felt that there was inefficiency w h e n w e tried to figure the cost, t h o u g h if any m a n in existance k n o w s the cost, I w o u l d like to m e e t h i m - w e could n o t find him.« 397 Das C o r p s selbst war an einer derartigen Aufstellung nicht interessiert. Sie lässt sich auch aus d e m h e u t e vorliegenden Datenmaterial nicht m e h r vergleic h e n d generieren. Festhalten lässt sich j e d o c h , dass die amerikanische Ö f f e n t lichkeit keine kritischen Fragen an die Arbeitsleistung des C o r p s stellte, s o n d e r n sich m i t d e n M e l d u n g e n ü b e r heroische Katastropheneinsätze u n d M i l l i o n e n gepflanzter B ä u m e z u f r i e d e n gab. Keine unabhängigen Studien w u r d e n in Auftrag gegeben, kein Untersuchungsausschuss b e r u f e n u n d nicht einmal b o h r e n d e Fragen gestellt. Politik, Wirtschaft oder auch die Presse b e t o n ten dagegen stets die humanitäre u n d die erzieherische Leistung des C C C . So 396 Harper, S. 90. 397 JoF 3 4 (1936), S. 303-319, Zitat S. 306.

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hielt z u m Beispiel die Zeitung Boston Evening Transcript Anfang 1935 fest: »It is, perhaps, not too m u c h to say that they [the enrollees; d. V f ] have benefited more than the forests«. 398 Wenn das Civilian Conservation Corps seiner Entstehung, seinem offiziellen Hauptauftrag u n d auch seiner Selbstdarstellung nach primär ein Arbeitsprogramm war, lagen in der Praxis die Schwerpunkte doch auf der wohlfahrtsstaatlichen Dimension der Einrichtung u n d der Disziplinierung. Ansonsten wären Leistung u n d Effizienz genauer beobachtet, vergleichend analysiert u n d öffentlich diskutiert worden; ansonsten hätte zumindest nach der Mobilisierungsphase die institutionelle Struktur an der Logik der Projekte orientiert werden müssen. So spielte die Baustellenarbeit de facto stets eine nachgeordnete Rolle, wenngleich das Corps offiziell vor allem als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme galt.

5. Vergleichende Zwischenbilanz Der zweite Auftrag neben der Erziehung war im C C C wie im RAD die praktische Arbeit. Während sie im Reichsarbeitsdienst in der Programmatik und in der Praxis der pädagogischen Seite nachgeordnet war, stand sie gemäß den offiziellen Verlautbarungen im Z e n t r u m des Civilian Conservation Corps. Wie aber gezeigt wurde, hatten in den U S A das humanitäre u n d das erzieherische Anliegen ein deutlich größeres Gewicht auf die Konzeption des Einsatzes, als es die Selbstdarstellung des C C C vermuten ließ. An der erzieherischen Wirkung, u n d weniger an seiner praktischen Leistung, w u r d e das C C C auch in der amerikanischen Öffentlichkeit gemessen. Deswegen war der Stellenwert, den die Arbeit auf den Baustellen in den beiden Einrichtungen hatte, auffallend ähnlich. Auch die Projekttypen, denen die beiden Organisationen nachgingen, entsprachen einander weitgehend. Bodenverbesserungen inklusive Forstarbeiten, Infrastrukturmaßnahmen, Katastrophenschutz u n d kulturpolitische Aufträgen führte das C C C wie der RAD aus. Wenngleich sich die geographischen Bedingungen und Details der Einsatzbedingungen dies- und jenseits des Atlantiks voneinander unterschieden, lassen sich deutliche Parallelen konstatieren. U n terschiedlich war jedoch die Gewichtung der einzelnen Teilbereiche. Während Deutschland auf die G e w i n n u n g der Unabhängigkeit von landwirtschaftlichen Importen zielte und deswegen bis 1938 die Bodenverbesserungen privilegierte, u m für einen künftigen Krieg autark zu sein, machten in den U S A die technischen Infrastrukturmaßnahmen über die Hälfte aller Arbeiten aus. D e n n die Vereinigten Staaten hatten kein Defizit an Lebensmitteln, u n d manche Initiati398 Boston Evening Transcript 3.1.1935.

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ven des N e w Deal, z u m Beispiel der Agricultural Adjustment Act, zielten sogar auf einen Abbau von Überschüssen an landwirtschaftlichen Produkten ab und nicht auf eine Leistungssteigerung. Während der Naturschutz ein wichtiges Aufgabenfeld des C C C war, spielte er im RAD keine Rolle. Das verweist einerseits auf die größeren ökologischen Probleme der U S A und auf ein an Einfluss gewinnendes Krisenbewusstsein. Andererseits zeigt es die maximale Anstrengung, mit der sich das NS-Regime auf einen Angriffskrieg vorbereitete. Wichtige Parallelen gab es beim Naturverständnis, auf d e m die Projekte in beiden Ländern fußten: Jeweils handelte es sich u m eine anthropozentrische moderne Sicht, die die Natur primär als Ressource u n d über ihren N u t z e n f ü r den Menschen definierte. Im »Dritten Reich« verdeckte die irrationale Romantik damit lediglich die höchst rationale Ausrichtung auf Ertragssteigerung u n d außenpolitische Aggression. In den U S A hingegen war das C C C Ausgangspunkt einer neuen, kritischen Auseinandersetzung mit der Natur, und das einseitige Interesse an deren möglichst effizienten, ökonomischen N u t z u n g w u r d e nachhaltig erschüttert. In beiden Ländern drückte zudem die Wertschätzung der Land- und Forstwirtschaft den Diensten ihren Stempel auf - Arbeiten im sekundären oder im tertiären Sektor nahmen jeweils n u r einen geringen U m f a n g ein, obwohl es sich u m moderne Industriegesellschaften handelte. Wie der Vergleich zeigt, sprachen für die Privilegierung des primären Sektors nicht n u r arbeitsmarktpolitische, fiskalische und arbeitspraktische Gründe, sondern sie war auch Ausdruck eines Zeitgeistes, der mit der schweren Handarbeit und d e m Kontakt mit dem »Boden« besondere Werte verband. Diese Sicht war eine Reaktion auf die Modernisierungsschübe und -krisen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Viele m o d e r n e Industriegesellschaften antworteten damals mit ähnlichen, rückwärtsgewandten Vorstellungen, die zugleich auf die Wiederherstellung vorindustrieller Sozialbeziehungen zielten. Während die R ü c k w e n d u n g in Deutschland auf einem Konsens in der politischen Elite beruhte, war sie in den USA keine communis opinio. Anders als Roosevelt oder etwa die Regionalist Movement mit ihrer Modernisierungskritik favorisierten viele - auch einflussreiche Berater und Minister des Präsidenten - ein weniger retrospektives M o dell im Kampf gegen die N o t . Die Wahl der Projekte hatte zugleich zur Folge, dass weder der deutsche noch der amerikanische Dienst einen substantiellen Beitrag zur U b e r w i n d u n g der Wirtschaftskrise leisten konnten. Ihre Maßnahm e n lagen nicht in j e n e n Wirtschaftsbereichen, die für die Konjunktur u n d die U b e r w i n d u n g der Depression zentral waren. Projekte mit genuin militärischer Bedeutung verfolgten beide Dienste lange Zeit nicht. Diese äußerliche Ähnlichkeit fußte aber auf unterschiedlichen M o tiven: Internationale Interventionen bewirkten, dass das Reich dahin gehende Planungen 1933 unterdrücken musste. Dabei hatte Deutschland schon in der Weimarer Republik, geprägt durch die strikten Beschränkungen des Versailler

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Vertrages und die nur sozialpsychologisch erklärbaren, hieraus resultierenden Traumata, alles unternommen, um sein vermeintliches Sicherheitsdefizit zu kompensieren. Diesem Ziel dienten der Aufbau der »schwarzen Reichswehr« und alle Formen vor- und paramilitärischer Ertüchtigung, auch im Rahmen des FAD. Das Genfer Veto 1933 legte für mehrere Jahre die daran anknüpfenden Pläne Hierls auf Eis. Erst 1935 glaubte das Regime, ausreichend außenpolitischen Spielraum gewonnen zu haben, und führte noch kurz vor der Arbeitsdienst- die Wehrpflicht ein. Mit der Wehrpflicht ab 1935 konnte das Reich seine reale und vermeintliche Sicherheitslücke zunächst schließen, so dass der RAD vorläufig ganz auf sein ideologisches Ziel festgelegt wurde. Als die nationalsozialistische Herrschaft 1938 ihre militärischen Anstrengungen noch einmal steigerte, verwandelte sich der RAD in eine Bautruppe der Wehrmacht. Besonders ab 1941/42 wurde er aber immer häufiger direkt in die Kampfhandlungen miteinbezogen, weswegen er bei Kriegsende eine von den regulären Streitkräften abhängige und kaum von ihnen zu unterscheidende Truppe war. Der Reichsarbeitsdienst beteiligte sich in diesem Rahmen auch an den Verbrechen des nationalsozialistischen Krieges, sei es bei der Shoa oder der Bekämpfung von »Partisanen«. Es bedarf zwar weiterer Forschungen, um seinen Anteil ermessen zu können. Festhalten lässt sich bereits jetzt, dass der RAD jenen Prozess der Verrohung durchlief, der sich nicht nur bei den Tätern, sondern auch bei vielen anderen NS-Institutionen im Zweiten Weltkrieg beobachten lässt. In den USA war die Distanz zu militärischen Einsatzformen dagegen Teil jenes Gründungskonsenses, der das C C C 1933 ermöglicht hatte. Z u m einen konnten die USA ihren Sicherheitsbedarf im Rahmen ihrer regulären Streitkräfte befriedigen, und es gab einen öffentlichen Konsens, dass dazu nicht einmal eine allgemeine Wehrpflicht notwendig sei. Daneben war es das Argument »Reichsarbeitsdienst« und allgemein der Faschismusvorwurf, die bewirkten, dass das Corps weder ein Waffentraining vornahm noch Arbeitsprojekte mit direkt militärischem Charakter unterhielt. Erst nach dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 wurden diese Elemente auch im C C C eingeführt. Danach näherte sich der Charakter der beiden Dienste wiederum weitgehend einander an. Jeweils wurden die meisten Einheiten zu Bautruppen für die bewaffneten Verbände. Die übrigen Abteilungen gingen den bisherigen Projekten nach, die nun jedoch in unmittelbarem Bezug zur Kriegswirtschaft standen. Die zivile Restverwendung war zentral für die Selbstlegitimation beider Einrichtungen. Sie erinnerte an das ursprüngliche Anliegen der Organisation und war damit ein Argument für ihre Fortexistenz. Da beide Dienste in dieser Phase ihr bisheriges, spezifisches Profil verloren, mehrten sich in Deutschland wie in den USA die Stimmen, die auf eine Auflösung der Arbeitsdienste drangen. Die Fortfuhrung ziviler Projekte entsprach damit in beiden Ländern dem Interesse des Arbeitsdienstes an systemischem Selbsterhalt. Der größere politische Kon-

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text unterschied sich jedoch in den beiden Ländern. Hierauf ist zurückzuführen, dass das nationalsozialistische Deutschland bei Kriegsausbruch die Bautruppen des R A D für kriegswichtig hielt, während sich in den U S A wenige Monate nach dem Kriegseintritt ein Konsens herausbildete, demzufolge das Corps nicht mehr gebraucht wurde. Allerdings war die Auflösung des C C C nicht die demokratische Alternative zum Einbau des R A D in die Kriegsfuhrung. Auch die amerikanische Demokratie hätte ihren Arbeitsdienst zu der Arbeitstruppe ausbauen können, zu der der Nationalsozialismus den R A D machte, und manche Militärexperten in den U S A blickten nach 1942 mit gewissem Neid auf Hierls Organisation, zu der es in den U S A kein Äquivalent gab. 399 Es war somit primär die konkrete politische Konstellation, die zur Auflösung des Corps führte. Angesichts der anhaltenden Widerstände gegen eine Militarisierung der Einrichtung und gegen eine soziale Öffnung über den Kreis der Arbeitslosen hinaus war es jedoch eine konsequente Entscheidung, die in Einklang mit der vorhergehenden Entwicklung stand. Die strukturellen Ähnlichkeiten der Dienste, die jeweils auf ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Erziehung unter Vermeidung von Konkurrenzsituationen zur privaten Wirtschaft setzten, zeigen sich auch bei ihren ähnlichen Reaktionen auf die Forderung, bei der Ernte mitzuhelfen. Der R A D wandte sich vor allem wegen der Unmöglichkeit, den umfassenden Erziehungsanspruch mit dieser Arbeitsform zu verbinden, gegen die Erntehilfe. Dagegen begründete das C C C seinen Protest gegen diese Einsatzform häufig mit der Abgrenzung von der privaten Wirtschaft. Insgesamt finden sich trotzdem in beiden Diensten ähnliche Argumentationsmuster. Lediglich die andere Wirtschaftsentwicklung in den U S A bewirkte, dass das C C C erst spät und weniger umfassend bei dieser Aufgabe eingesetzt wurde als der RAD. Das wiederum verdeutlicht, dass entgegen der öffentlichen Selbstdarstellung auch der amerikanische Arbeitsdienst keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme war, die flexibel für verschiedenste Tätigkeiten verwandt werden konnte, ohne dass die ursprüngliche organisatorische Struktur massiv in Frage gestellt worden wäre. Vor dem vergleichenden Hintergrund zeigt sich, dass die abwehrende Reaktion Hierls strukturelle Gründe hat, die mit dem allgemeinen Charakter von Arbeitsdiensten zusammenhängt. Vergleicht man die beiden Einrichtungen in Hinblick auf ihre ökonomische Effektivität und Effizienz, so muss zunächst festgestellt werden, dass sich für keinen der beiden Dienste definitive Aussagen machen lassen. Während das beim R A D angesichts der Quellenlage und der Legitimationsbedürfnisse einer Diktatur, in der kaum ungeschönte Einschätzungen veröffentlicht wurden, 399 Vgl. Vagts, S. 1-12. Vagts war brisanterweise wie Rosenstock ein im Exil lebender deutscher Historiker.

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wenig erstaunt, erklärt sich dieser Befund für das C C C aus der vergleichsweise nachrangigen Bedeutung der praktischen Arbeit und der daraus resultierenden Leistungsdefizite. Die Effektivität des C C C in Bezug auf den nationalen Kontext wurde wesentlich dadurch bestimmt, dass es sich im Kontext des N e w Deal um ein eher kleines Programm handelte. Da es nur einen geringen Prozentsatz der jungen Amerikaner beschäftigte, konnte die Gesamtwirkung seiner Arbeiten nichtsehr groß sein. In der Nische der von ihm übernommenen Maßnahmen, etwa bei technischen Infrastrukturmaßnahmen, dem Brandschutz und dem Pflanzen von Bäumen, entfaltete das Corps gleichwohl eine eindrucksvolle Wirkung. Dagegen war der RAD bezogen auf die deutsche Bevölkerung und auch auf die Zahl möglicher Arbeitsprojekte deutlich größer. Angesichts seiner weitreichenden Pläne im Meliorationswesen scheiterte er aber, da sich mit seinen maschinenarmen Methoden und den organisatorischen Problemen keine wesentliche Ertragssteigerung erzielen ließ. Auch dem RAD stand eine Vielzahl ähnlicher Einrichtungen zur Seite. Bodenverbesserung nahmen auch Arbeiter der privaten Wirtschaft und Notstandsarbeiter vor, bei der Ernte halfen auch Soldaten und Strafgefangene, beim Westwall die Organisation Todt und bei Bränden die Feuerwehr und die Technische Nothilfe. Aufgrund der Vielfalt der unternommenen Projekte und der unterschiedlichen möglichen Komparanden sind auf dieser allgemeinen Ebene kaum Einschätzungen möglich.400 Etwas genauere Aussagen lassen sich dagegen zur Leistungsfähigkeit der Dienste im Vergleich zur privaten Wirtschaft machen. Während das Corps ungefähr 70 % der Leistung der privaten Wirtschaft erbrachte, lag der Anteil beim deutschen Dienst deutlich darunter und dürfte durchschnittlich wesentlich unter 50 % gelegen haben.401 Bei allen Problemen, eine solche generalisierende Aussage zu machen, weisen die verschiedenen Quellen auf eine derart geringe Leistung des Dienstes hin, und sie legen außerdem nahe, dass diese vor allem im Zuge der Militarisierung 1938/39 noch einmal deutlich sank und eher weniger als ein Drittel derjenigen der privaten Wirtschaft betrug. Pro Mann-Tag war die Effektivität im C C C , soweit man den wenigen vorhandenen Quellen glauben kann, insgesamt deutlich höher als im RAD. Die Hauptgründe für die höhere Leistung des Corps liegen im umfangreicheren Einsatz von Maschinen und der längeren Arbeitszeit. Letztere wurde in Deutschland erst im Zuge der Ernteeinsätze 1937 auf ein ökonomisch einiger-

400 Vgl. zu der U n m ö g l i c h k e i t eines solchen Vergleichs auch die Ü b e r l e g u n g e n bei Gassert, N e w Deal; vgl. zu d e n unterschiedlichen Ergebnissen der Wirtschaftlichkeitsrechnung, w e n n m a n statt volkswirtschaftlichen privatwirtschaftliche Maßstäbe anlegt, N A R A / C P , R G 242, Τ 81/109, Denkschrift RAD, 1941. 401 Vgl. auch Holland, Youth, S. 126.

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maßen sinnvolles Maß angehoben. Zugleich war die technische Anleitung im C C C professioneller, und das Corps hatte durch die Berufsausbildung und das training on thejob zudem bessere Arbeitsmänner als der RAD. H i n z u kamen die zahlreichen organisatorischen Probleme des RAD. Auch die Tatsache, dass die soil soldiers häufig deutlich länger in der Einrichtung verweilten als die »Soldaten der Arbeit« und damit über mehr Erfahrung verfügten, erhöhte die relative Leistung des C C C . Eine weitere Ursache für den Leistungsunterschied war die jeweilige Einbettung der technischen Leitung in die beiden Dienste. Beim RAD lag das Interesse an einer möglichst hohen Effektivität u n d Effizienz weniger in der Organisation selbst, sondern externalisiert bei den Landeskulturbehörden, den Gemeinden und d e m Beauftragten f ü r den Vierjahresplan. Deren funktionales Äquivalent in den U S A bildeten die technischen Dienste, die selbst ein Teil der organisatorischen Struktur und damit des »Systems« C C C waren. Durch die Eingliederung in die Institution wurde die Arbeitseffizienz im Corps ernster g e n o m m e n als in Deutschland. Dort hielten viele R A D - F ü h r e r die Arbeit fur weniger wichtig als die disziplinierende Kontrolle; sie waren zudem durch die ihnen abverlangte Mehrfachqualifikation in den Bereichen Erziehung und Arbeit überfordert. Die Frontlagen glichen sich jedoch. D e n n auch in den U S A gab es einen Konflikt zwischen der Sicht, dass die enrollees primär aus G r ü n d e n der Disziplin zu arbeiten hätten, und einer Orientierung an der Leistung auf den Baustellen. In Deutschland w u r d e die Auseinandersetzung zwischen d e m System Arbeitsdienst u n d seiner U m w e l t ausgefochten, und es gab organisationsintern keinen ausgleichenden Pol in Form der technischen Dienste. Die von Dritten geäußerte Kritik am R A D fiel harsch aus. Im chaotischen Amterdschungel des NS-Regimes unterhalb der Ebene des Diktators bewirkte sie keine leistungssteigernden Veränderungen, sondern häufig w u r d e sogar die Existenzberechtigung des Dienstes infrage gestellt. Das zeigt sich vor allem an den Auseinandersetzungen zwischen Hierl und Göring. Insgesamt schnitt das C C C so in seiner Leistung nicht nur im Vergleich zu anderen Arbeitsbeschaffungsprogrammen des N e w Deal gut ab, sondern auch im Vergleich z u m RAD, selbst w e n n seine Leistung gleichfalls notwendigerweise unter der von privat Beschäftigten blieb: Dort war der Technisierungsgrad noch ausgereifter, die Arbeitszeit länger und die Grundqualifikation der Arbeitskräfte höher. Bei der Beurteilung der ökonomischen Effizienz als dem Mitteleinsatz zur Erreichung dieses Ziels hilft ein Kostenvergleich zwischen den beiden Diensten weiter, der 1938 auf Initiative Roosevelts v o m C C C vorgenommen wurde. Er kam zu dem Ergebnis, dass die beiden Einrichtungen bezogen auf die Kosten pro M a n n ungefähr gleich teuer seien, w e n n m a n die $ 25, welche die enrollees in der Regel an ihre Familien abführten, außer Acht lasse. Die vergleichende Studie benannte die zahlreichen Probleme, die einer solchen Gegenüberstellung im Wege standen, ihr Ergebnis aber dürfte den tatsächlichen Verhältnissen

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sehr nahe gekommen sein. 402 Einer ähnlichen Effizienz stand somit eine deutlich höhere Leistung des C C C gegenüber. A m e n o r m e n Anspruch, den der RAD an seine Arbeiten stellte, musste er letztlich in zweierlei Hinsicht scheitern. Erstens hatten Stellrecht und andere 1933 die Sicht vertreten, dass der Arbeitsdienst das Patentrezept sei, u m mittelfristig alle ökonomischen Probleme zugleich zu lösen. Dass der Arbeitsdienst die hohen Ansprüche nicht erfüllen konnte, lag auf der H a n d - das Ziel der makroökonomischen Rentabilität war ebenso illusorisch wie die Vorstellung, dass diese Organisation einen wesentlichen Beitrag zur Autarkie Deutschlands leisten könne. Diese Erkenntnis musste der Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg machen, als sich erwies, dass die »Brotfreiheit« keineswegs realisiert worden war. Selbstverständlich war in Deutschland die Sicht, dass der Arbeitsdienst das Allheilmittel sei, nicht weit verbreitet. Die Organisation musste sich in der Machtelite des Regimes aber an diesen Aussagen immer wieder messen lassen. Zweitens war der Arbeitsbegriff der Organisation extrem aufgeladen, vor allem, da er die als »Ehrendienst« überhöhte Arbeit f ü r »Volksgenossen« reservierte und gleichzeitig der Leistung nur eine nachgeordnete Bedeutung einräumte. Die ideologischen Dilemmata, in die der RAD sich brachte, da gleichzeitig »Gemeinschaftsfremde« an grundsätzlich denselben Projekttypen u n d gelegentlich in unmittelbarer Nachbarschaft z u m Reichsarbeitsdienst eingesetzt wurden, untergruben den Anspruch der Organisation. Wie sich zeigte, war das Regime trotz aller Versuche Hierls nicht bereit, die ideologische Perspektive ökonomischen Überlegungen überzuordnen. Vor allem im Zuge der verschärften Kriegsvorbereitungen im R a h m e n des Vierjahresplans konnte Hierl seine auf der exklusiven Arbeitsdienstideologie fußenden Forderungen immer weniger durchsetzen. So wurde die Erziehung zugunsten der Arbeit immer weiter zurückgedrängt, bis sie im Krieg ganz aufgegeben werden musste. Das C C C hatte in beiderlei Hinsicht keine derart umfassenden Ziele. Ihm w u r d e nicht die Aufgabe zugeschrieben, die Konjunktur im Alleingang zu stimulieren. Roosevelts Worte, dass die U S A »bold, persistent experimentation« brauchten, 403 dass über eine Vielzahl von Initiativen und Ansätzen die Krise kumulativ zu überwinden sei, ohne auf einen master plan zu bauen, formte den Hintergrund f ü r das C C C wie fur den N e w Deal im allgemeinen. Seine erzieherische Seite behielt der Dienst bis zu seiner Auflösung, und lediglich deren Inhalte änderten sich über die Jahre in einem gewissen Maß. Z u d e m wurde die Arbeit des Corps nicht z u m »Ehrendienst am Volk« überhöht, sondern als Bewährungsprobe f ü r das Individuum verstanden. Damit stand es grundsätzlich in Einklang mit der politischen Kultur der USA. Zugleich begab es sich aber in 402 Vgl. Ν AR/VHP, OF 268, Box 5, McEntee an FDR, 29.9.1938. 403 Public Papers, Bd. 1, S. 639-647 (1932), Zitat S. 646.

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die Aporie, dass ein nach wirtschaftsliberalem Ideal geformter homo oeconomicus über einen staatsinterventionistischen Arbeitsdienst restituiert werden sollte. Dieses konzeptionelle Spannungsverhältnis fiel jedoch vergleichsweise wenig ins Gewicht, da sich das Corps kaum mit Grundsatzerörterungen z u m Arbeitsbegriff aufhielt. Ein Vergleich zwischen der Arbeitsdimension des FAD der Weimarer Republik und des nationalsozialistischen Arbeitsdienstes würde auf noch größere Ähnlichkeiten stoßen als die Gegenüberstellung z u m C C C . Vor 1933 wurden dieselben Projekttypen aus denselben G r ü n d e n verfolgt, und die Planungen zur paramilitärischen N u t z u n g waren weit fortgeschritten. Aus diesem und weiteren G r ü n d e n waren auch Effizienz und Effektivität des FAD eher gering - diesbezüglich hatte der NS-Dienst am meisten mit seiner Vorläuferorganisation gemeinsam. Aufgrund der Pluralität der Dienstträger vor der Machtübertragung ist es nicht möglich, das Arbeitsverständnis des FAD zu definieren - j e d e r Dienstträger vertrat und äußerte seine eigenen Vorstellungen, und diese entsprachen teilweise den nationalsozialistischen, teilweise widersprachen sie ihnen diametral. Genauere Untersuchungen würden jedoch zeigen, dass die Tendenzen zur Sakralisierung und Militarisierung u n d Schlüsselbegriffe wie »Reich«, »Volksgemeinschaft« und weitere auch bei Trägern z u m Einsatz kamen, die den Nationalsozialisten feindlich gesinnt waren und diese Vorstellungen mit anderen Inhalten füllten. Selbst w e n n man ihr Engagement als Versuch deutet, zur B e k ä m p f u n g des Nationalsozialismus beizutragen, konnte das »Dritte Reich« häufig einfach an ihre Begriffe und Ideen anknüpfen. Fragt m a n abschließend danach, welchen Beitrag die praktische Arbeit der beiden Einrichtungen jeweils zur U b e r w i n d u n g der Weltwirtschaftskrise leistete, so ergibt sich w i e d e r u m ein ähnlicher Befund. D u r c h die gewählten Tätigkeitsformen, aufgrund ihrer Größe, durch die arbeitsintensive Art, in der die Tätigkeiten bestritten wurden, und durch die vergleichsweise geringe ökonomische Effizienz u n d Effektivität waren weder R A D noch C C C wesentliche Säulen im wirtschaftspolitischen Kampf gegen die Große Depression. Einige dieser Faktoren erklären sich aus der basalen Struktur von Arbeitsdiensten: Arbeitslose j u n g e Männer mit tendenziell geringem und auf jeden Fall unterschiedlichem Qualifikationsniveau können nicht so viel leisten wie Arbeitn e h m e r der privaten Wirtschaft - vor allem dieser Faktor beschränkte das Krisenlösungspotential der Einrichtungen grundsätzlich. Allerdings hätte ein größerer Dienst im ökonomisch relevanteren sekundären Sektor mit einer optimierten Maschinennutzung verwandt werden können. D e facto blieb das C C C , das über seine bessere Arbeitsorganisation das Potential dazu hatte, im Kontext des N e w Deal immer zu klein. Der relativ größere RAD dagegen erlangte durch seine Defizite bei der Konzeption u n d der U m s e t z u n g der Arbeiten nie den Rang einer der wichtigeren Initiativen im Kampf gegen die Krise.

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Schluss und Ausblick

Sowohl der deutsche als auch der amerikanische Arbeitsdienst wurden als Mittel im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit eingerichtet. Beide hatten darüber hinaus einen Erziehungsauftrag. Auf sozialpsychologischer Ebene resultierten diese Institutionen aus dem ungeheuren Problemdruck, dem die Zeitgenossen ausgesetzt waren. Denn das Zusammenfallen der beschleunigten Veränderung in allen Lebensbereichen mit massiven Modernisierungskrisen in Form der Großen Depression ließ vorhandene, vor allem wirtschaftsliberale Krisenlösungskonzepte obsolet erscheinen. In dieser Situation gewannen Arbeitsdienste weltweit an Bedeutung, und in manchen Gesellschaften galten sie geradezu als Wundermittel. Welchen Anteil hatten diese Einrichtungen tatsächlich an der Bekämpfung der Krise in Deutschland und den USA? Wie hier gezeigt wurde, leisteten beide Arbeitsdienste angesichts ihrer Größe, ihrer Finanzierungsform, wegen der Art der von ihnen unternommenen Projekte, ihres arbeitsintensiven Einsatzes und im Fall des C C C der angebotenen Berufsausbildung keinen signifikanten Beitrag zur ökonomischen Uberwindung der Großen Depression. Zudem standen beide Institutionen die längste Zeit unter dem Primat der Erziehung, wenngleich das C C C von sich selbst behauptete, hauptsächlich an praktischer Arbeit interessiert zu sein. Beide Gesellschaften konnten die Depression erst durch massive Rüstungsanstrengungen und die Umwandlung in eine Kriegsgesellschaft bewältigen.1 Die formale Ähnlichkeit soll freilich nicht überdecken, dass dies in Deutschland als Resultat einer aggressiven, auf einen rassistischen Vernichtungskrieg ausgerichteten Politik geschah, während die USA sich eher unwillig angesichts des heraufziehenden Zweiten Weltkrieges zu Rüstungsmaßnahmen gezwungen sahen. Der geringe Beitrag zur ökonomischen Uberwindung der Krise steht beim deutschen Dienst in einem krassen Spannungsverhältnis zu seinen Zielen und seiner Selbstdarstellung, während das C C C ein etwas angemesseneres Bild von sich selbst hatte und nach außen vermittelte. Zugleich gelang es aber beiden Einrichtungen, einen wesentlichen Teil der arbeitslosen männlichen Jugend zu binden. Im Kanon von insgesamt unzureichenden sozialstaatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit nahm der Arbeitsdienst in beiden Gesellschaften eine herausragende Rolle ein. In Deutschland war er 1 Vgl. zu Deutschland z.B. Herbst, Deutschland, S. 97-99; zu den USAMcEtvaine, S. 306-349.

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kurzzeitig das größte Beschäftigungsprogramm für Arbeitslose überhaupt, in den USA zumindest zeitweise das wichtigste Angebot für junge Erwerbslose. Man würde den Diensten jedoch nicht gerecht werden, wenn man sie nur nach ihrer ökonomischen und ihrer beschäftigungspolitischen Bedeutung im Kampf gegen die Depression bewerten würde. Die Weltwirtschaftskrise war weit mehr als nur ein Problem der Ökonomie, und neben ihren politischen und sozialen Folgen prägte sie nicht zuletzt das Lebensgefühl der Menschen. In diesem Kontext waren beide Organisationen wichtige Instrumente zur Linderung der Krise, denn sie stellten jeweils Mittel symbolischer Politik dar. Die Arbeitsdienste vermittelten nicht nur den betroffenen Jugendlichen, sondern der gesamten Bevölkerung das Gefühl, dass die Zeit des Stillstands und der Resignation angesichts der Lage vorüber sei und dass der Staat nunmehr kraftvoll reagiere. Einen solchen Aufbruchscharakter transportierte das C C C besonders über die Bilder von jungen, kräftigen Männern. Die Botschaft lautete, dass durch die harte körperliche Arbeit in der Natur der/roniter-Mythos wiedererweckt werde und es zu einer ähnlichen Mobilisierung der Kräfte komme, wie sie der Erste Weltkrieg für die USA mit sich gebracht habe. Das depressionsgeschüttelte Amerika rekurrierte somit auf vorhandene Mythen, um ein neues Selbstbewusstsein aufzubauen. Dagegen fragte selbst die politische Opposition lange Zeit nicht nach wirtschaftlicher Effektivität und Effizienz, nach vollbrachten Leistungen des Corps und dafür aufgewandten Kosten. Freilich übernahm der N e w Deal die vorgefundenen Mythen nicht einfach, sondern er passte sie den momentanen Bedürfnissen an. Das zeigte sich etwa an der neuen, eher fortschrittsskeptischen und ansatzweise sogar ökologischen Interpretation von frontier.

Auch wenn die deutschen Arbeitsmänner Wälder aufforsteten oder singend durch verarmte Viertel zur Arbeit marschierten, handelte es sich weniger um einen ökonomisch sinnvollen, allokationseffizienten Einsatz, sondern um ein rituell aufgeladenes, nationales Symbol für den Willen, den Kampf gegen die Große Depression und andere Probleme der Gesellschaft aufzunehmen. Die Evokation einer Aufbruchsstimmung und nicht die Arbeitsergebnisse hatten demnach in Deutschland ebenfalls lange Zeit obersten Stellenwert. Auch die Mechanismen der symbolischen Politik ähnelten denen der USA. Hier waren es hauptsächlich die Schützengraben-Gemeinschaft des Ersten Weltkrieges und die damit verbundene Idee der »Volksgemeinschaft«, die ein Gefühl von positiver Veränderung hervorrufen sollten. Wenn man die Inhalte der Mythen vergleicht, sticht der höhere Gemeinschaftsbezug sowie die rassistisch und aggressiv-militärische Dimension im deutschen Fall ins Auge. Der Arbeitsdienst trug somit zur Integration auf affektiver Ebene in die nationalsozialistische »Volksgemeinschaft« bei. Einen tatsächlichen, substantiellen Beitrag zum Abbau sozialer Unterschiede zwischen den »Volksgenossen« leistete er dagegen 408

nicht - und wollte er auch gar nicht erreichen. Auf einer anderen Ebene hatte er allerdings einen gewissen Erfolg: Glaubt man zumindest der Memoirenliteratur, so trug der Arbeitsdienst zum Abbau von sozialen Vorurteilen und von Klassen- und Standesdünkel durchaus bei. Da dieser Prozess jedoch stets an ein rigides System der Inklusion und der Exklusion, der »Auslese« und der »Ausmerze« gekoppelt war, kann man dem Dienst keine modernisierende Leistung attestieren. 2 Dagegen lag in den Vereinigten Staaten das Schwergewicht auf dem Individuum, und selbst das Kriegserlebnis der Jahre 1917 und 1918 wurde kaum unter genuin militärischen oder gar außenpolitisch aggressiven Vorzeichen gedeutet. Diese grundlegenden Unterschiede erklären sich ihrerseits aus der jeweiligen politischen Kultur der beiden Gesellschaften. Trotzdem war den Diensten die sozio-kulturelle Bedeutung als Symbole einer neuen, besseren Zeit gemeinsam. Insofern stellten sie nicht nur zielgenaue Hilfen für ein Segment d e r j ungen Arbeitslosen dar, sondern auch eine propagandistisch genutzte Form der staatlich gelenkten Motivation und Mobilisierung der Massen. Pointiert könnte man beide Dienste sogar als Rituale der Mobilisierung deuten - sie bekräftigten den Mythos vom Aufbruch der Gesellschaft durch eine stetige, gleichbleibende und hauptsächlich rituelle Handlung von Hunderttausenden junger Männer. Im Fall des deutschen Arbeitsdienstes kommt die symbolische Dimension besonders prägnant bei den Reichsparteitagsauftritten der Organisation zum Ausdruck. Sie sollten nicht nur die deutsche Bevölkerung vom Wert des Arbeitsdienstes überzeugen. Vielmehr waren die Aufmärsche und allgemein die symbolische Bedeutung der Einrichtung auch für die Absicherung des Arbeitsdienstes im Machtgefüge des Regimes zentral. Hierl wusste, dass eine gelungene Präsentation bei den Nürnberger Massenspektakeln Hitler eher überzeugen würde als eine positive Leistungsbilanz im Kampf um die Autarkie an agrarischen Gütern. Da der Rückhalt beim »Führer« der wichtigste Grund war, warum der Arbeitsdienst in vielen Auseinandersetzungen mit rivalisierenden N S Institutionen seine schiere Existenz behaupten konnte, ist die Bedeutung dieses Faktors sehr hoch zu veranschlagen. Was für das C C C gilt, trifft so auch für den RAD zu: Es war der klandestine Hauptauftrag des deutschen Arbeitsdienstes während der nationalsozialistischen Herrschaft, Instrument symbolischer Politik zu sein. Damit war der Arbeitsdienst freilich nicht allein: Auch andere Organisationen und Prestigeobjekte des NS-Staates standen viel weniger unter dem Primat ökonomischer Überlegungen oder sachlicher Dringlichkeit, als man vielleicht meinen mag. Ein Beispiel dafür bieten die nationalsozialistischen Autobahnen. Auch sie hatten in geringerem Umfang eine arbeitspolitische oder militärische 2 Vgl. Frei, Nationalsozialismus, S. 380-387; dagegen v.a. Zitelmann, S. 205-227.

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Funktion als oft angenommen und dafür den Auftrag, propagandistisch zu wirken und politische Symbole der Integration zu sein.3 Die wichtigste Ursache für die Bedeutung der symbolischen Dimension im Arbeitsdienst liegt in einer Vorstellung Hitlers, die dieser bereits in Mein Kampf geäußert hatte. Demnach glaubte der spätere Diktator grundsätzlich nicht an die Möglichkeit, dass Deutschland über eine Verbesserung seiner Agrarflächen die Autarkie erringen könne. Seiner Meinung nach ließ sich diese nur auf dem Schlachtfeld gewinnen. Deswegen wurde es 1933 zur offiziellen Hauptaufgabe des Dienstes, die Arbeitsmänner zu »erziehen«. Dahinter verbargen sich eine körperliche »Ertüchtigung«, die Vermittlungeines spezifischen Männlichkeitsbildes, die Disziplinierung und die Indoktrination mit der NS-Ideologie inklusive eines rassistischen Verständnisses kollektiver Identität. So sollten letztlich einsatzbereite, überzeugte Soldaten für einen künftigen Krieg geschaffen werden. Im C C C dagegen waren unter dem Begriff Erziehung eine Vielzahl verschiedener, rivalisierender Ansätze vereinigt, die sich letztlich nur auf die Hervorhebung einer autoritären Disziplinierung einigen konnten. In diesem Punkt traf sich trotz aller Unterschiede in der pädagogischen Konzeption die Praxis des deutschen und des amerikanischen Arbeitsdienstes. Unter dem Primat der Disziplinierung sollten die Dynamiken, die durch die Wirtschaftskrise freigesetzt worden waren und die die Stabilität der Gesellschaft bedrohten, kanalisiert und eingefangen werden. Dass das Medium Arbeitsdienst dazu besonders geeignet sei, war jedoch nicht nur in Deutschland und den USA eine weit verbreitete Meinung, sondern entsprach allgemein dem Zeitgeist in vielen Industrienationen. Insgesamt waren beide Dienste somit nicht nur wirksame Instrumente der symbolischen Politik, sondern auch der Disziplinierung - darin ist der zweite, sozialhistorische Beitrag der Institutionen zur Bekämpfung der Krise zu sehen. Damit ist bereits eine Teilantwort zur Frage nach der Genuinität der nationalsozialistischen Einrichtung gegeben. Aber auch andere Elemente, die die beiden Arbeitsdienste prägten, lassen sich mit dem Zeitgeist der 1930er Jahre erklären: das Konzept des »totalen Lagers« mit seinen organisatorischen Anleihen beim Militär sowie die Vorstellung, dass sich gesellschaftspolitische Gegensätze über eine soziale Mischung aufheben ließen; die Zielvorstellung von Reagrarisierung und das Ideal harter, körperlicher Arbeit mit wenig Einsatz von Technik und Wissen; eine Verklärung vormoderner Sozialbeziehungen sowie schließlich das Konzept, dass Integration in Gesellschaften am besten über Arbeit bewerkstelligt werde. Alle diese zeitspezifischen Elemente prägten übrigens auch den Arbeitsdienst der Weimarer Republik. Die Originalität des NSArbeitsdienstes bestand lediglich darin, nicht originell gewesen zu sein, son3 Vgl. Reichel, Schein, S. 278-281.

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dern an bestehende Ideenkonglomerate angeknüpft zu haben. Auffallend häufig wurde jedoch die jeweils extremste Lösung gewählt. Wenn zum Beispiel Hierl seine Arbeitsdienst-Gedanken relativ früh und eigenständig formulierte, stach diese Position lediglich durch ihre Radikalität aus den Meinungen hervor, die im völkisch-nationalen Lager Gemeingut waren. Das C C C verfolgte dagegen ansatzweise eine modernere Vorstellung, die statt auf Handarbeit auf Integration durch Bildung setzte. Diese Linie konnte sich im Civilian Conservation Corps jedoch nicht voll entfalten. Mit seinem eher traditionellen Verständnis von Sozialstaatlichkeit, das sich etwa am Ausschluss von Frauen, der Diskriminierung und Segregation der African Americans oder den autoritären Erziehungsinhalten zeigt, war das Corps zwar im Kontext des New Deal nicht ganz untypisch. Allerdings gab es einflussreiche, emanzipatorischere Gegentendenzen. Deswegen war das »totale Lager« in den USA die Ausnahme, während es in Deutschland die Regel darstellte. Allgemein gesprochen ordnet sich das Subsystem Arbeitsdienst mit seinem Charakter nahtlos in die Politik des NS-Regimes ein, während das C C C nicht direkt repräsentativ für den N e w Deal war. Wenn die Disziplinierung im Corps nie ganz die Härte annahm, die den deutschen Dienst auszeichnete, lässt sich dies unmittelbar auf die vielseitige Rückbindung des C C C an eine pluralistische, demokratische Gesellschaft und allgemeiner auf die andere politische Kultur und die größeren Liberalitätsressourcen der USA zurückführen. Diese Faktoren erklären auch, warum der Arbeitsdienst in den Vereinigten Staaten immer freiwillig blieb. Letztlich zielte das Corps auf die Integration der jungen Männer als unabhängige Individuen. Es blieb zwar hinter dem Ideal zurück, sie zu mündigen Staatsbürgern zu erziehen, setzte aber auf ein gewisses Maß an Eigenverantwortlichkeit, Selbständigkeit und politischer Partizipation. Dagegen war das Paradigma des deutschen Dienstes eine Zwangsintegration ohne politische Teilhabe, die zudem immer durch die Drohung der Exklusion begleitet wurde. Das verweist auf einen zweiten fundamentalen Unterschied zwischen beiden Einrichtungen: Zu dem radikalen, völkischen Antisemitismus und Rassismus, der neben der Kriegsvorbereitung den nationalsozialistischen Dienst wie ein roter Faden durchzog, gab es im C C C kein funktionales Äquivalent. Der diskriminatorische Rassismus, der die Rekrutierungspraxis gegenüber den African Americans prägte, war zwar ein Missstand des Corps, er gehörte aber nicht zu seiner Programmatik und wurde von Teilen der Organisation sogar aktiv bekämpft. In institutioneller Hinsicht unterschieden sich die beiden Dienste außerdem dadurch, dass der RAD weitgehend selbstreferentiell war und sich von äußeren Anregungen abkapselte. Dagegen bildete das C C C kein geschlossenes System, sondern holte bei Richtungsentscheidungen Expertisen von außen ein. Es schöpfte aus den engen Kontakten zu einer Vielzahl von Behörden, was sich allein aus seiner offenen Organisationsstruktur erklärt. Sogar zum nationalsozi411

alistischen Arbeitsdienst bestanden Kontakte. Dies war besonders prekär, da sich das C C C lange Zeit so weit wie möglich von seinem deutschen Pendant abgegrenzt hatte und Amerika manche Optionen für das Corps aus diesem Grund tabuisierte. So stand etwa eine Militarisierung unter grundsätzlichem Faschismusverdacht, wenngleich de facto auch ein militarisierter Dienst mit einem demokratischen System vereinbar war. Zu einem Wandel kam es erst 1938. N u n war es jedoch der amerikanische Präsident selbst, der angesichts bevorstehender Veränderungen des Corps anregte, Vergleichserfahrungen aus dem nationalsozialistischen Deutschland heranzuziehen. Manche der deutschen Maßnahmen wurden daraufhin in den USA nicht nur perzipiert, sondern auch modifiziert übernommen und damit anverwandelt. Ironischerweise geschah dies just zu dem Zeitpunkt, als der RAD selbst massiv unter Druck geriet. Es gab somit eine Ungleichzeitigkeit zwischen der inneren Entwicklung des deutschen Dienstes und seiner Reputation außerhalb des Reiches. Denn in den letzten Vorkriegsjahren wurde Hierls Organisation zu einem Aushängeschild des Regimes, und nicht nur in den USA, sondern auch in vielen anderen Staaten war das Interesse am RAD groß. Wie sind diese Transfers zwischen der deutschen Diktatur und der amerikanischen Demokratie allgemein zu deuten? Erstens stellte die Wahrnehmung nationalsozialistischer Maßnahmen nur eine von mehreren Quellen dar, aus denen der US-Reformdiskurs schöpfte. Die Vereinigten Staaten kopierten die Maßnahmen nicht eins zu eins; sie betonten vielmehr die grundsätzlichen Unterschiede zwischen ihren und den deutschen politischen Zielen. Das wird besonders deutlich in einem Brief, in dem sich Roosevelt für den erwähnten Bericht Leverichs über den RAD mit den Worten bedankte: »All of this helps us in planning, even though our methods are of the democratic variety!«4 Im direkten Austausch mit den deutschen Stellen legten die amerikanischen Vertreter jedoch eine erstaunliche Aufgeschlossenheit an den Tag, die aus heutiger Sicht befremdlich wirkt. Für die Einblicke, die dem Diplomaten Leverich in den RAD gewährt wurde, bedankte sich der US-Botschafter Wilson nicht nur bei Hierl in einem freundlichen Brief persönlich. Er vergaß auch nicht zu erzählen, dass Leverich, der einige Tage im RAD gearbeitet hatte, »mit Stolz seine verarbeiteten Hände« zeige.5 Auch zwischen den Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit von RAD und C C C , die regelmäßig Material austauschten, herrschte insgesamt ein freundlicher Umgangston. 6 Dieser Kontakt ist seinerseits eine wichtige Teilerklärung dafür, dass sich der Reichsarbeitsdienst dem C C C haushoch überlegen fühlte. Der Austausch verkörpert aber auch eine kompromittierende Form der Annäherung der amerikanischen Demokratie an die deutsche Diktatur. 4 NARA/HP, PSF, Box 32, FDR an Wilson, 3.9.1938. 5 PA/B, R 98850, Wilson an Hierl, 27.6.1938. 6 Vgl. PA/B, R 98850.

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Allerdings lassen sich keine Hinweise finden, dass die USA Maßnahmen nacheiferten, die der nationalsozialistischen Ideologie entsprochen hätten. Im politisch wertneutraleren Bereich, wie etwa bei der Qualifizierung junger Männer für die Luftfahrt, war das anders. Allgemein zeigen die Beispiele damit, wie stark die USA in internationale Debatten eingebunden waren und immer wieder aus Erfahrungen anderer Länder lernten - ein Sachverhalt, der im öffentlichen Bewusstsein der Vereinigten Staaten ebenso wie in der amerikanischen Geschichtsschreibung häufig übersehen wird. 7 Zweitens zeigt die modifizierte Übernahme einzelner Elemente aus dem RAD, dass sich auch von der nationalsozialistischen Herrschaft lernen ließ. Das Regime war keineswegs gänzlich irrational, und manche seiner wirtschaftsund sozialpolitischen Initiativen erfüllten die an sie gestellten Aufgaben. Bezogen auf ihren direkten, unmittelbaren Zweck waren einige erfolgreich und sinnvoll. Zwar dienten sie in Deutschland zwischen 1933 und 1945 letztlich zwei untrennbar miteinander verbundenen Zielen: der Kriegsvorbereitung und -fuhrung einerseits und der Umsetzung der nationalsozialistischen Rassenideologie andererseits. Gelöst aus diesem Zusammenhang und auf eine andere Gesellschaft und eine andere politische Kultur übertragen, konnten sie jedoch mit neuem Sinn gefüllt werden. So war es möglich, dass sie auch in einem demokratischen Kontext wie dem des N e w Deal funktionierten. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass es sich bei der intensiven Analyse des NS-Arbeitsdienstes durch amerikanische Experten um keinen Einzelfall handelt. Das zeigen die amerikanischen Akten. So wurden Ende der 1930er Jahre auch andere nationalsozialistische Institutionen wie etwa die Freizeitorganisation Kraft durch Freude oder die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von amerikanischen Experten untersucht. Auch ihre Ergebnisse gingen durch die Hände des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika mit dem Ziel, Lehren für die eigene Politik daraus zu ziehen. 8 Das deutet drittens auf ein allgemeines Phänomen hin: Es zeigt, dass moderne Gesellschaften nicht nur politisch und wirtschaftlich sowie gelegentlich militärisch miteinander kooperieren und konkurrieren. Vielmehr beobachten ihre Funktions- und Meinungseliten einander auch. Sie sind zudem bis zu einem gewissen Grad bereit, voneinander zu lernen. Deswegen ist es besonders bei modernen Gesellschaften notwendig, nicht nur zu vergleichen, sondern auch Fragen wechselseitiger Wahrnehmung und des Transfers zu untersuchen. Wie eine derartige, transnationale Historiographie aussehen könnte, wurde hier zu zeigen versucht. Nicht nur durch die Offenheit gegenüber Anregungen, 7 Vgl. jüngst erst die Debatte um Rodgers, der die sozialpolitischen Anleihen der USA bei europäischen Demokratien für die Zeit von 1870 bis 1945 untersucht (ohne auf Transfers vom »Dritten Reich« einzugehen); zur transnationalen Weitung der amerkanischen Geschichte allgemein Bender. 8 Vgl. NARA/HP, PSF, Box 157 zu Arbeitsbeschaffungen und Box 32 zur KdF.

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sondern auch wegen einer Organisationsstruktur, die sich weitgehend auf vorhandene institutionelle Ressourcen stützte, zeichnete sich das Corps insgesamt durch die hohe innere Funktionsfähigkeit aus, die dem deutschen Arbeitsdienst fehlte. Welchen Beitrag leisteten die Arbeitsdienste nun zur Kriegsvorbereitung, mit der beide Gesellschaften letztlich die Wirtschaftskrise überwanden? Welche Phasen lassen sich außerdem in der Geschichte der Institutionen unterscheiden? Für den amerikanischen Arbeitsdienst konnte diese Arbeit die Zäsuren, die die bisherige Forschung ausgemacht hat, bestätigen. Nach einer dramatischen, kurzen Aufbauphase 1933 entwickelte sich das Corps lange Zeit relativ ruhig fort. Selbst Roosevelts Schaukelpolitik bezüglich der Größe der Einrichtung führte aufgrund des moderierenden Kurses, den der Kongress und das C C C selbst einnahmen, letztlich zu keinen allzu großen Erschütterungen. Problematischer wurde die Lage der Einrichtung erst 1937/38, als sich die Zusammenarbeit zwischen Fechner und den kooperierenden Behörden verschlechterte. Die Funktionsfähigkeit des C C C nahm nun aus rein organisationsinternen Gründen, die nicht einmal in direktem Zusammenhang zur Gesamtentwicklung der amerikanischen Gesellschaft standen, ab. In eine Existenzkrise aber geriet das Corps durch äußere Entwicklungen. Als sich Mitte 1941 die Uberwindung der Massenarbeitslosigkeit abzeichnete, erhöhte sich der Druck auf das Civilian Conservation Corps, und letztlich war das Ende der Großen Depression die Hauptursache für seine Abschaffung im Juni 1942. Somit leistete das Corps keinen wesentlichen, direkten Beitrag zur Kriegsvorbereitung, sondern gab durch seine Auflösung die in ihm gebundenen Kapazitäten für dieses und für andere Ziele frei. Dagegen hat für den deutschen Dienst das Jahr 1935, das aufgrund der staatsrechtlichen Einführung der Arbeitsdienstpflicht von der bisherigen Forschung als Zäsur gesehen wird, weder auf organisatorischer noch auf erzieherischer oder arbeitspraktischer Ebene einen Schwellencharakter. Nach der Transformationsphase von 1933 bis 1934 mit der Gleichschaltung und der beginnenden Konsolidierung des Arbeitsdienstes kam es erst 1937/38 zu größeren Veränderungen. In der - freilich recht kurzen - Zwischenphase von 1934 bis 1937 gelang es Hierl, seine Organisation zu stabilisieren und zu einer wichtigen NSErziehungsinstitution zu machen. Hätte der Reichsarbeitsführer den Nationalen Hilfsdienst und die allgemeine Arbeitsdienstpflicht faktisch durchsetzen können, wäre der RAD zudem in die erste Reihe der Institutionen im Amterdschungel des Regimes aufgerückt. Aber auch ohne diesen Bedeutungszuwachs ist die erzieherische Wirkung des Arbeitsdienstes und aller anderen, ähnlichen Einrichtungen nicht zu unterschätzen. Selbst wenn der Staatspolitische Unterricht in Hierls Organisation unter wesentlichen strukturellen Mängeln litt und sein Indoktrinationspotential nie wirklich entfalten konnte, wurde dies 414

dadurch aufgewogen, dass grundsätzlich alle Elemente des Tagesablaufes eine im Sinne des Nationalsozialismus - pädagogische Wirkung hatten. Zudem ging es weniger um die Vermittlung formalen Wissens als um die Vorbereitung gehorsamer Soldaten für einen rassistisch und ökonomisch motivierten Vernichtungskrieg. Bei diesem Auftrag hatten die Sozialisationsinstitutionen des Regimes bekanntlich einigen Erfolg - anders lässt sich die hohe Akzeptanz, die die NS-Herrschaft bis Kriegsende bei der Bevölkerung allgemein und besonders bei der Jugend hatte, nicht erklären.9 In der pädagogischen Dimension führte der Arbeitsdienst demnach keineswegs ein »Schattendasein«, und primär in dieser Hinsicht ist sein Beitrag zur Kriegsvorbereitung in der Friedensphase des Regimes zu sehen. 1937 wurde der deutsche Arbeitsdienst jedoch organisatorisch durch die Ernteeinsätze massiv in Frage gestellt. Mit dem Baubeginn des Westwalls ein Jahr später verlor der RAD nicht nur zeitweise seine Unabhängigkeit, sondern er musste das Primat der expliziten Erziehung, unter dem die Einrichtung bisher gestanden hatte, zugunsten eines effizienteren Arbeitseinsatzes aufgeben. Erstjetzt wurde die Institution hauptsächlich an ihrer Leistung zur forcierten Kriegsvorbereitung gemessen; sie versank nun in das »Schattendasein«, das laut Benz bereits 1933 begonnen hatte. Außerdem wurden die jungen Männer in mehreren Schüben militarisiert, so dass sich der RAD von einer vor- in eine halbmilitärische Organisation verwandelte. Gegenüber der Zäsur von 1938 brachte der Kriegsbeginn ein Jahr später nur noch kleinere Veränderungen mit sich. Insofern zeigt sich auch an der Geschichte des deutschen Arbeitsdienstes die Bedeutung der Jahre 1937/38, die sich in zahlreichen anderen Bereichen dieser deutschen Diktatur feststellen lässt: In jenem Zeitraum erfuhren zum Beispiel die Verfolgung der Juden und die Außenpolitik ebenfalls einen immens radikalisierenden Schub. 10 Die Jahre 1937/38 brachten in ideologischer Hinsicht für den RAD jedoch gerade keine Radikalisierung, sondern eine Einschränkung des Erziehungsanspruchs zugunsten der Bedürfnisse der Rüstungswirtschaft und des geplanten Krieges. Spätestens jetzt mussten alle Pläne, den RAD zum Richtplatz über den Wert eines »Volksgenossen« anhand seiner Bewährung im Arbeitsdienst zu machen, aufgegeben werden. Eine systematische, weitere Selektion unter denen, die zunächst der »Volksgemeinschaft« zugerechnet worden waren, unterblieb, was sich etwa daran zeigte, dass das Benotungssystem im Arbeitsdienst nie wirkliche Aussagekraft erreichte. Ahnliche Entwicklungen lassen sich in anderen Bereichen des Regimes feststellen. Zum Beispiel musste im Zuge der forcierten Kriegsvorbereitung auch die rassenpolitische Umsiedlungspolitik aufgegeben werden, die für die Rhön geplant war. Außerdem verlor die SS in der 9 Vgl. Schneider, S. 406-411; Kühne, Männerbund, S. 165-169. 10 Vgl. zur Judenverfolgung z.B. Friedländer, Longerich, Politik, S. 153-207; zur Arbeiterschaft Schneider, S. 121-492; insgesamt zur Bedeutung der Jahre 1937/38 Frei, Führerstaat, S. 130-132.

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zweiten Kriegshälfte z u n e h m e n d ihren Charakter als elitärer, auf rassistischen Kriterien beruhender Verband. 11 Es bedarf aber weiterer Forschungen, u m Ausmaß u n d Zeitpunkt der Radikalitäts- und Utopiereduktion in der Politik gegenüber den »Volksgenossen« besser einschätzen zu können. Die partielle Deradikalisierung in der Politik gegenüber den »Volksgenossen« ging mit einer zeitgleich beschleunigten, kumulativen Radikalisierung gegenüber allen »Gemeinschaftsfremden« einher. 12 Die beiden Prozesse liefen jedoch nicht nur gleichzeitig ab, sondern sie standen in einem dialektischen Verhältnis zueinander: N u r weil die quasi-utopischen Gesellschaftsvorstellungen gegenüber den »Volksgenossen« nicht weiter verfolgt wurden, konnte das Regime seine Kräfte bei der Verfolgung und Vernichtung der »Gemeinschaftsfremden« b ü n deln. Insgesamt führte die U b e r w i n d u n g der Großen Depression, die beide Gesellschaften zu unterschiedlichen Zeitpunkten bewerkstelligten, den deutschen u n d den amerikanischen Arbeitsdienst in eine Existenzkrise - j eweils war ihr ursprünglicher beschäftigungspolitischer Auftrag obsolet geworden. Roosevelt musste deswegen das C C C auflösen. Dagegen versuchte der Nationalsozialismus, dem RAD neue Aufgaben zu geben. Das Erziehungsziel, das bereits 1933 offiziell ins Z e n t r u m der Aktivitäten getreten war, wurde mit der sich abzeichnenden Ü b e r w i n d u n g der Massenarbeitslosigkeit und der gleichzeitigen E i n f ü h r u n g der Arbeitsdienstpflicht 1935 zur wichtigsten Daseinsberechtigung des Dienstes. Bald danach jedoch geriet er aufgrund der ökonomischen und militärischen Bedürfnisse erneut massiv unter Druck. Insgesamt entwickelte sich der RAD immer m e h r zu einer Art Feuerwehr, die dort eingesetzt wurde, w o die Krisenhaftigkeit des Regimes am deutlichsten z u m Ausdruck kam - staatliche Lenkungsversuche in allen nur denkbaren Bereichen der Gesellschaft zogen immer noch weitere Eingriffe nach sich. Der Arbeitsdienst war eine Institution, die auf den verschiedensten Schauplätzen Engpässe abfederte, etwa den durch die NS-Diktatur selbst herbeigeführten Mangel an polnischen Landarbeitern. Im Zweiten Weltkrieg sprang er außerdem immer häufiger als Lückenbüßer an der Front ein. Wollte man die Phase ab 1938 noch einmal unterteilen, läge die Zäsur ungefähr 1941/42. Bis dahin wurde ein deutlich verkleinerter und in seinem Anspruch beschnittener RAD primär als Bautruppe der Wehrmacht eingesetzt. Seit d e m Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion wandelte er sich bis Kriegsende immer m e h r zu einer kämpfenden Hilfstruppe, die kaum noch von regulären Einheiten zu unterscheiden war. Angesichts der Verbrechen der Wehrmacht als Teil des nationalsozialistischen Rassenkrieges mag es wenig erstaunen, dass auch der RAD an völkerrechtswidrigen, verbrecherischen Aktionen beteiligt war, sei es im Kampf gegen »Par11 Vgl. Hohmann; zur SS Wegner, S. 263-317. 12 Vgl. zur kumulativen Radikalisierung Mommsen, Radikalisierung, S. 785-790.

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tisanen« oder im Kontext der Judenvernichtung. 13 Allerdings bedarf es weiterer Forschungen zum Ausmaß der Verbrechen des RAD. Er war in dieser Phase jedoch noch in einer anderen Form direkt Teil der Rassenpolitik des Regimes: Im Rahmen der Politik der »Umvolkung« wurde er in größerem Umfang zur Bewährungsinstanz für »eindeutschungsfähige« West- und Osteuropäer. Institutionell entwickelte sich der im Machtgefüge des Regimes zunehmend bedeutungslose RAD zu einer Krake, deren Arme sich in den verschiedensten Einsatzbereichen festsaugten. Längst hatte er sein spezifisches Profil verloren. Zugleich übernahm er Aufgaben, die bereits an andere NS-Institutionen vergeben waren. Und je zahlreicher die Reviere wurden, in denen der Arbeitsdienst wilderte, desto mehr potentielle Rivalen hatte er, die um dieselben Ressourcen zur Erfüllung derselben Aufgaben kämpften. N u r sein Interesse an Selbsterhalt und das Vertrauen, das Hierl bei Hitler genoss, erklären, warum der RAD trotz mächtiger Gegner, die seine Auflösung forderten, bis Kriegsende weiter existierte. Diese Entwicklung war aber nicht spezifisch für den Arbeitsdienst. Eine ähnlich krisenhafte Aufblähung der Funktionen bei gleichzeitigem Profilverlust lässt sich auch bei anderen NS-Organisationen feststellen, etwa bei der Deutschen Arbeitsfront. 14 Fragt man zusammenfassend nach dem Verhältnis der deutschen Arbeitsdienste vor und nach 1933 sowie dem amerikanischen Pendant, so zeigt sich, dass zwischen FAD und C C C ähnlich viele Unterschiede bestanden wie zwischen dem zwischen RAD und dem C C C einerseits und zwischen dem deutschen Arbeitsdienst vor und nach 1933 andererseits. Der Arbeitsdienst der Weimarer Republik ist wegen der Kürze seiner Existenz und der Vielzahl an Dimensionen und Plänen, die sich mit ihm verbanden, nur schwer auf einen Nenner zu bringen: Er changierte zwischen sozialpädagogischen, etatistischen, militaristischen, völkischen und sogar kommunitaristischen Vorstellungen. Insgesamt verband ihn mit dem nationalsozialistischen Dienst im Gegensatz zum C C C die Orientierung auf die Gemeinschaft. Dagegen kreiste das Corps stärker um das Individuum. Anders als in den USA war in Deutschland außerdem schon in der Weimarer Republik der Arbeitsdienst in den Kontext von militärischer Ausbildung und Aufrüstung gestellt worden. In Deutschland ging man ferner im Gegensatz zu den USA immer davon aus, dass die Einrichtung dauerhaft gebraucht werde. Außerdem deutete sich bereits vor der Machtübertragung eine Verschärfung der Zugangskriterien an, so dass die allgemeine Arbeitsdienstpflicht ebenfalls Ursprünge in Weimarer Tagen hatte. Den deutschen Arbeitsdiensten vor und nach 1933 war zudem im Gegensatz zum C C C gemeinsam,

13 Vgl. als Gesamtdarstellungen, in die die neueren Deutungen bereits eingeflossen sind, etwa Winkler, Weg, Bd. 2, S. 71-115; Burleigh, v.a. S. 656-768. 14 Vgl. Siegel.

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dass sie keine Berufsausbildung vornahmen. Letzteres verortet den amerikanischen Dienst in den Vorstellungen der berufspädagogischen Praxis und anderen, sozialpädagogisch und ökonomisch motivierten Konzepten. Dagegen konnte sich der demokratische Kommunitarismus, den Rosenstock und andere dem Corps geben wollten, nicht entfalten. Die Ähnlichkeiten zwischen dem FAD und dem Arbeitsdienst des NS-Regimes können den scharfen Bruch, den die Gleichschaltung 1933 bedeutete, nicht überdecken. Diese kam in vielerlei Hinsicht eher einem Neuanfang als nur einem Umbau gleich. Aber zum Beispiel auch die hochflexible, weitgehend nichtstaatliche Struktur des FAD hatte mit dem C C C nicht mehr gemeinsam als mit dem NS-Arbeitsdienst, der seinerseits in den ersten Jahren nach 1933 weitgehend völkisch-nationalistischen Vorstellungen entsprach, um dann zunehmend einen militärischen Charakter zu entwickeln. In einer Gegenüberstellung zum amerikanischen Dienst treten so die tieferliegenden Kontinuitäten in der Entwicklung vom FAD zum NS-Arbeitsdienst deutlich hervor. Insgesamt handelt es sich jedoch um ein komplexes Verhältnis zwischen den drei Einrichtungen der 1930er Jahre, die alle drei ähnlich viele Gemeinsamkeiten und Unterschiede miteinander hatten. 1945 war in den Augen der Zeitgenossen der Arbeitsdienst-Gedanke für Deutschland keineswegs grundsätzlich diskreditiert. Verschiedenste Gruppen verstanden ihn weiterhin als adäquate Antwort auf gesellschaftliche Probleme. Manche wollten den RAD - freilich unter anderen Vorzeichen - sogar weiterführen. Dies schlug zum Beispiel bereits 1944 das Oberste Hauptquartier der Alliierten in einem Strategiepapier für die Zeit nach einem Sieg über Deutschland vor. Der Dienst sollte demnach nicht nur beim Wiederaufbau des zerstörten Landes helfen, sondern mit einer anderen inhaltlichen Ausrichtung ein »valuable educational factor in post-war Germany« werden. 15 Allerdings verfolgten die Siegermächte diese Idee nach der deutschen Kapitulation nicht weiter, sondern sie lösten den RAD auf Vor diesem Hintergrund ist es jedoch wenig verwunderlich, dass auch viele Deutsche weiterhin über einen Arbeitsdienst nachdachten. In den westdeutschen Debatten meldeten sich nach Kriegsende viele der zwischen 1933 und 1945 unterdrückten Reformpädagogen zu Wort, die sich bereits im FAD engagiert hatten. 1947 forderte etwa der Erziehungswissenschaftler und Philosoph Herman Nohl einen Dienst unter gesellschaftspolitischen Vorzeichen.16 Insgesamt gab es in den Nachkriegsjahren eine intensive Diskussion über einen freiwilligen oder pflichtmäßigen Arbeitsdienst. Er war als Mittel gegen zwei der dringendsten Probleme jener Jahre gedacht: die Jugendarbeitslosigkeit und die 15 Supreme Headquarters 1944, S. 2. 16 Vgl. Nohl, S. 298f (1947).

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Kriegszerstörungen. Wiederum traten in vielen Vorschlägen zu den ökonomischen auch sozialpädagogische Argumente, und insgesamt wurden viele Positionen der Weimarer Zeit wiederbelebt.17 Selbst das völkische Ideenkonglomerat erwachte unter dem Deckmantel, einen europäischen Friedensdienst schaffen zu wollen, zu neuem Leben. Denn eine über Deutschland hinausgreifende, letztlich aber dem NS-Arbeitsdienst ähnliche Einrichtung wollten vor allem ehemalige Angehörige des RAD errichten. Wortführer dieser Riege von Apologeten war bis zu seinem Tod 1955 Hierl selbst. Diese Stimmen blieben jedoch marginal.18 Das Jahr 1955 wurde in den Arbeitsdienst-Debatten der Bundesrepublik aber nicht wegen Hierls Tod, sondern aus einem anderen Grund zum Einschnitt: Mit der Einführung der Wehrpflicht im November des Jahres ebbte die Diskussion um einen Pflichtdienst ab. Anders als im NS-Staat war eine Doppelbelastung junger Männer durch Arbeitsdienst und Wehrdienst nicht konsensfähig. Allerdings hat auch der Zivildienst, der 1960 aufgebaute Ersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer, arbeitsdienstähnliche Züge, wenngleich ihm verschiedene definierende Merkmale, etwa die gemeinsame Unterbringung in Lagern, fehlen. Wie prägend die Vorstellungswelt der Zeit der Weltwirtschaftskrise bei seiner Einführung noch war, zeigt sich jedoch daran, dass der erste Gesetzentwurf für die Einrichtung von 1957 nicht Arbeiten im sozialen Bereich, sondern in der Bodenverbesserung und der Neulandgewinnung vorsah. Auch in der damaligen öffentlichen Debatte über den Zivildienst wurde auf die Erfahrungen des RAD verwiesen. Unter anderem gab es den Vorschlag, die jungen Männer in Lagern zu kasernieren und deren Leiter hauptsächlich aus dem Führerkorps des nationalsozialistischen Arbeitsdienstes zu rekrutieren. Dieses Schicksal blieb dem Zivildienst bekanntlich erspart.19 Während nach 1955 die Debatte um einen Pflichtdienst abflaute, hatten Freiwilligendienste weiterhin viele Anhänger. In verschiedenen Formen und unterschiedlicher Nähe zu Arbeitsdiensten im eingangs definierten Sinne wurden manche dieser Initiativen auch umgesetzt. Beispiele wären die internationalen Lager der Kriegsgräberfürsorge seit 1953, die von der Evangelischen Kirche initiierte Aktion Sühnezeichen oder das Freiwillige Soziale Jahr. In der Folgezeit kamen immer neue Organisationen dazu, wobei sich seit den 1950er Jahren eine Inhaltsverschiebung vom Wiederaufbau Deutschlands zu zunächst sozialen Diensten im nationalen Kontext und später zu Umweltprojekten und zur internationalen Zusammenarbeit feststellen lässt. Eines der neuesten Projekte ist der Europäische Freiwilligendienst für Jugendliche, der 1998 von der Europäischen Union eingerichtet wurde und der Jugendlichen die Möglich17 Vgl. zu den Debatten der Nachkriegszeit Gestrich, S. 101-104; Hafeneger, S. 174-210. 18 Vgl. z.B. Hierl, Gedanken; ders., Idee, S. 3 5 - 4 1 ; ders., Dienst; sowie zahlreiche Beiträge in der Zeitschrift Nation Europa und das Mitteilungsblatt ehemaliger Arbeitsdienstangehöriger, das die längste Zeit unter dem Titel Die Notgemeinschaft publiziert wurde (1993 eingestellt). 19 Vgl. Raichle, S. 27-29.

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keit gibt, sich auf freiwilliger Basis bei gemeinnützigen Projekten in einem anderen EU-Land zu engagieren.20 Viele der unterschiedlichen Programme verbindet, dass sie sich explizit vom nationalsozialistischen Arbeitsdienst abgrenzen. In den Debatten der 1950er Jahre war daneben der FAD allen Diskutanten geläufig und diente in manchen Vorschlägen als positiver Bezugspunkt. Seitdem ist er aus dem öffentlichen Bewusstsein und als politisches Argument zurückgetreten. 21 Trotzdem ist es bezeichnend, dass keines der wichtigeren westdeutschen Projekte den Namen »Arbeitsdienst« trägt - dieser Begriff schien offensichtlich durch die historischen Erfahrungen diskreditiert. Die D D R ging in dieser Frage einen anderen Weg. Im Sommer 1952 beschloss der Ministerrat der DDR, den »Dienst für Deutschland« aufzubauen. Wenngleich in offiziellen Verlautbarungen die pädagogische Dimension, die die Einrichtung bekommen sollte, hervorgehoben wurde, handelte es sich letztlich um eine paramilitärische Verfügungstruppe. Den Plänen zufolge sollten alle jungen Männer und Frauen einen halbjährigen Pflichtdienst ableisten. Die Organisation hatte große Ähnlichkeit zum Reichsarbeitsdienst. Selbstverständlich wurde dies nicht offen ausgesprochen, wenngleich sich die Planer direkt auf die nationalsozialistischen Erfahrungen bezogen. Beim Aufbau der Organisation ergaben sich jedoch zahlreiche Probleme, die vor allem auf Dilettantismus zurückzuführen sind. Sie überstiegen sogar die des NS-Arbeitsdienstes in der Phase der Gleichschaltung von 1933 bis 1934. Deswegen scheiterte dieser wichtigste arbeitsdienstähnliche Anlauf der D D R bereits im folgenden Jahr.22 Insgesamt lässt sich festhalten, dass bis zum Fall der Mauer trotz allem antifaschistischem Gestus die D D R den NS-Arbeitsdienst positiver rezipierte als den FAD, während es sich in der Bundesrepublik umgekehrt verhielt. Auch seit der Wiedervereinigung wird das Thema diskutiert. Auf größere Resonanz stieß 1996 eine Aufsatzserie in der Wochenzeitung Die Zeit, die durch ein Plädoyer der Soziologin Sibylle Tönnies zugunsten eines Arbeitsdienstes ausgelöst worden war. Aber auch Stimmen, die sich gegen jede Form von Arbeitsdienst und Arbeitspflicht aussprechen, wurden laut. In die Richtung eines freiwilligen Arbeitsdienstes wies daneben 1998 eine von der Robert Bosch Stiftung unterstützte Initiative einer unabhängigen, parteiübergreifenden Kommission, die maßgeblich von jungen Bundestagsabgeordneten getragen wurde. Sie forderte ein breites Angebot an Möglichkeiten für Jugendliche, sich für ein Jahr freiwillig im sozialen Bereich zu engagieren. In jüngster Zeit schließlich wurde angesichts der Strukturreform der Bundeswehr und ihrer Verkleinerung eine allgemeine Dienstpflicht als Ersatz für die Wehrpflicht ebenso erwogen wie 20 Vgl. Gestrick, S. 102-104; zum Freiwilligen insgesamt Guggenberger. 21 Vgl. Hafeneger, S. 195-199. 22 Vgl. Buddrus.

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eine Stärkung der Freiwilligendienste. 23 Ähnlich wie in der Weimarer Republik changieren die Debatten häufig zwischen einem Arbeitsdienst auf freiwilliger oder verpflichtender Basis und der Arbeitspflicht. Viele der Vorschläge argumentieren außerdem nicht nur mit ökonomischen u n d arbeitsmarktpolitischen Bedürfnissen oder einem vermeintlichen Erziehungsbedarf der Jugendlichen, sondern stellen Arbeitsdienst in den Kontext von Wehrdienst. Im wiedervereinigten Deutschland werden, anders als in der Weimarer Republik, mit arbeitsdienstähnlichen Projekten jedoch keine paramilitärischen Ziele verbunden, sondern Probleme der Partizipation u n d der Grundpflichten in einer Demokratie. Typologisch sind sie deswegen im Kommunitarismus zu verorten. In den U S A ist das C C C seit 1945 noch häufiger positiver Orientierungspunkt für politische Initiativen geworden. Mehrere seitdem eingerichtete Freiwilligenorganisationen bezogen sich explizit auf Roosevelts Arbeitsdienst u n d übernahmen einige seiner Elemente. Z u nennen wären etwa das unter Präsid e n t j o h n F. Kennedy eingerichtete Peace Corps, das unter seinem Nachfolger Lyndon B. Johnson verwirklichte National Job Corps, Bill Clintons AmeriCorps oder regionale und lokale Initiativen. Das 1976 gegründete California Conservation Corps bezieht sich schon durch seinen N a m e n auf das C C C . Wenngleich sich die vom C C C abgeleiteten Lehren unterschieden, so fällt doch die weitgehend ungebrochen positive Sicht auf die Einrichtung in verschiedenen politischen Lagern bis in die jüngste Zeit auf.24 Die Wertschätzung wird zudem durch den Verband ehemaliger C C C boys sowie durch den schmalen, aber stetigen Strom von enthusiastischen Memoiren der in die Jahre gekommenen enrollees gefestigt. 25 Schließlich w u r d e das positive öffentliche Bild des C C C , an dem die kritischeren Forschungsergebnisse der letzten Jahre bisher wenig geändert haben, in den letzten Jahren auch in Deutschland verbreitet, vor allem in der oben ausgeführten Zeii-Debatte von 1996.26 Dagegen konnte hier gezeigt werden, dass das C C C keineswegs zu den helleren Kapiteln des N e w Deal gehört. Ebenso wenig kann der FAD ein direktes Vorbild f ü r heutige Dienstformen sein. Anknüpfen ließe sich lediglich an die Ansätze, die in die Richtung eines demokratischen Kommunitarismus wiesen und die dies- und jenseits des Atlantiks eng mit d e m N a m e n Eugen Rosenstock-Huessy verbunden sind. An diese Ideen sollte anknüpfen, wer heute über

23 Vgl. die Zeit-Artikelserie ausgehend von dem Artikel von S. Tönnies in: Die Zeit 29, 12.7.1996; vgl. als Forum der Gegner z.B. die Beiträge in Frankfurter Arbeitslosenzentrum 1998; zur Bosch Stiftung, inklusive des Manifests und einer Vielzahl sekundierender Beiträge Guggenberger. 24 Vgl. Gorham, Service, v.a. S. 5 - 7 , 3 1 - 5 1 ; Herlihy-, Eberly/Sherraden-, Humphreys, S. 47-62. 25 Vgl. zum Verband, der National Association of Civilian Conservation Corps Alumni, Hill, Shadow, S. 142. 26 Vgl. den Artikel von M. GrefFrath in: Die Zeit 34,16.8.1996; differenzierter z.B. Tönnies, S. 82f.

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einen Arbeitsdienst nachdenkt - und damit an Konzepte, die sich in der Z w i schenkriegszeit in Deutschland und in den U S A aus strukturellen Gründen, vor dem Hintergrund des Zeitgeistes u n d konkreter historischer Konstellationen jeweils nicht durchsetzen konnten. Vorbildcharakter kann am allerwenigsten der nationalsozialistische Arbeitsdienst für sich reklamieren. Wie diese Arbeit zeigen konnte, stand er in einem engen Verhältnis zur Rassen- u n d Vernichtungspolitik des Regimes: Ü b e r seine Zugangskriterien, seine Erziehungsinhalte u n d seine Aufgaben, wie der Beteiligung an Verfolgungsaktionen im Osten, war er direkt in die dunkelsten Kapitel der Geschichte der nationalsozialistischen Herrschaft involviert. Zugleich hatte er, wie auch viele andere NS-Institutionen, im dialektischen Sinne an den Verbrechen Anteil, da die Reduktion seines Erziehungsauftrags u n d die Verlagerung auf kriegswichtigere Tätigkeiten erst die Kapazitäten freisetzte, die das Regime für Terror und Krieg brauchte. Auch in einem weiteren Sinn gab es ein besonderes Verhältnis zwischen den Arbeitsmännern u n d den Untaten des Nationalsozialismus: Nicht n u r direkte Zusammenhänge u n d ein dialektisches Verhältnis verbinden sie, sondern auch eine besondere Nähe. Diese äußerte sich in der Ü b e r n a h m e der RAD-Baracken durch die KZ ebenso wie in der grundsätzlich identischen Struktur der jeweiligen Lagersysteme oder auch in den Erziehungsphrasen, die zumindest in den frühen KZ, den Strafgefangenen- und Arbeitserziehungslagern auffallende Ähnlichkeiten aufweisen zu denen im Arbeitsdienst. 27 Insofern entschied jeweils n u r der politische Kontext, ob das Modul Lager der Erziehung u n d Disziplinierung von »Volksgenossen« oder der Bestrafung und Vernichtung von »Gemeinschaftsfremden« dienen sollte. Die Lager selbst waren demnach wertneutrale, vielseitig einsetzbare Bausteine. Die instrumenteile Vernunft, die sich am Lager wie in einem Brennglas zeigt, kennzeichnete zusammen mit der manichäischen Diskriminierung und Vernichtung von »Gemeinschaftsfremden« den Nationalsozialismus als eine pathologische Entwicklungsform der Moderne. Weder intentional noch funktional bewirkte das Regime insgesamt eine wesentliche Modernisierung der deutschen Gesellschaft. Es wählte aber höchst rationale, moderne Mittel zur U m s e t z u n g gänzlich irrationaler Ziele. 28 In diesem Z u s a m m e n h a n g stellt das Lager ein bisher unterschätztes Signum des Nationalsozialismus dar: Darunter ist nicht n u r - wie das bisher in der Forschung und mehr noch in der Öffentlichkeit gesehen wurde - das System 27 Vgl. z.B. zur Programmatik der Strafgefangenenlager Freister, S. 72-92; auf die Ähnlichkeit der Phrasen weist auch hin: Stokes, S. 200. 28 Vgl. Peukert, Volksgenossen, v.a. S. 296; Bauman, Moderne; zur Debatte zum Verhältnis von Nationalsozialismus und Modernisierung zusammenfassend Gerhardt, S. 506; Mommsen, Noch einmal, S. 3 9 1 ^ 0 2 ; Wendt, Deutschland, S. 690-707; Frei, Nationalsozialismus, S. 367-387.

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von Terror und Vernichtung von »Gemeinschaftsfremden« zu verstehen. Denn zur »Ausmerze« trat die »Auslese« der »Volksgenossen«, und letztere war mit einem erzieherischen Auftrag verbunden. Wenn diese Arbeit untersucht hat, inwieweit sich die Lager des Arbeitsdienstes »totalen Lagern« im oben definierten Sinne annäherten, ließe sich dies ebenso für die Einrichtungen der HJ, des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps und weiterer Institutionen tun, die ähnlich organisiert waren wie der Arbeitsdienst. Sie bildeten gemeinsam ein dichtes Netz über das gesamte Reich. Die Lager richteten sich primär an die Jugend und die Elite, ihrem Anspruch nach sollten sie aber immer wieder alle »Volksgenossen« umfassen. Sie alle kamen dem hier erörterten Typus des totalen Lagers sehr nahe. Und wenn sich das nationalsozialistische Deutschland nicht in ein einziges »Kerker-Kontinuum« 29 von Lagern auch für den positiv definierten Teil der Bevölkerung verwandelte, so ist dies im Wesentlichen aus der Priorität zu erklären, welche die Vernichtung der »Gemeinschaftsfremden« gegenüber der Disziplinierung und Selektion der »Volksgenossen« hatte.

29 Foucault, S. 384.

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Abkiirzungsverzeichnis

AA AD ADGB AdP AdR AGF AGL AN BA/B BA/BDC BA/F BBZ BDM BT CCC CT DAF DAZ DGT DHV DINTA DP DST DT Dt. AD ECW FAD FDR FRC FSA FZ GER Gestapa GStA HD HGrKo HJ HRP 424

Arbeitsamt Arbeitsdienst Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund Akten der Partei-Kanzlei Akten der Reichskanzlei Arbeitsgauführer Arbeitsgauleitung Der Angriff Bundesarchiv, Berlin Bundesarchiv, ehemaliges Berlin Document Center Bundesarchiv, Freiburg Berliner Börsenzeitung Bund deutscher Mädel Berliner Tageblatt Civilian Conservation Corps Chicago Daily Tribune Deutsche Arbeitsfront Deutsche Allgemeine Zeitung Deutscher Gemeindetag Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband Deutsches Institut für technische Arbeitsschulung Democratic Party Deutscher Städtetag Der Deutsche Deutscher Arbeitsdienst Emergency Conservation Work Freiwilliger Arbeitsdienst Franklin Delano Roosevelt Franklin D. Roosevelt and Conservation Federal Security Agency Frankfurter Zeitung Germania Geheimes Staatspolizeiamt Geheimes Staatsarchiv Happy Days Heeresgruppenkommando Hitler-Jugend Hitler. Reden und Proklamationen

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Hitler. Reden. Schriften. Anordnungen Hauptstaatsarchiv Institut für Zeitgeschichte Internationale Zeitschrift für Erziehung Jahrbuch des Reichsarbeitsdienstes Journal of Forestry Kraft durch Freude Kölnische Zeitung Kommunistische Partei Deutschlands Kreuz-Zeitung Kölnische Volkszeitung Konzentrationslager Landesarbeitsamt/ämter Landesarbeitsamt Freising Local Experienced Men Library o f Congress (Bayerisches) Staatsministerium des Innern Monthly Labor Review München National Archives and Record Administration/College Park National Archives and Record Administration/Hyde Park National Park Service Nationalsozialismus, nationalsozialistisch Nationalsozialistischer Arbeitsdienst Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund Nationalsozialistische Monatshefte National Youth Administration New York Herald Tribune New York Times Oberkommando des Heeres Oberkommando der Wehrmacht Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin Reichsarbeitsblatt Reichsarbeitsdienst Reichsarbeitsführer Reichsarbeitsministerium Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft Reichsverband Deutscher Arbeitsdienstvereine Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Reichsstatthalter Epp Reichsfinanzministerium Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Reichsgesetzblatt Rechnungshof des Deutschen Reiches Reichskommissar

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Reichskanzlei Reichsleitung Reichsministerium des Innern Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Sturm-Abteilungen SchutzstafFel Staatsarchiv Stenographische Berichte Der Stahlhelm Statistisches Jahrbuch des Deutschen Reiches (Bayerische) Staatskanzlei Tagebücher von Joseph Goebbels United States Department of Agriculture United States Holocaust Memorial Museum Ursachen und Folgen Völkischer Beobachter Verordnungsblatt Vossische Zeitung Verein zur Umschulung freiwilliger Arbeitskräfte Wirtschaft und Statistik Works Progress Administration

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Ehemaliges Berlin Document Center (BA/BDC) Diverse kleinere Bestände Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (PA/B) Abteilung Inland Abteilung IV Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg (BA/F) MFB 1 Archivfilme des Militärarchivs Potsdam MSg 2 Militärgeschichtliche Sammlung RH 1 Oberbefehlshaber des Heeres - Adjudantur RH 2 Oberkommando des Heeres/Generalstab des Heeres R H 19 III Heeresgruppenkommando C - Nord - Kurland Bayrisches Hauptstaatsarchiv, München (Bayr. HStA) MWi Staatsministerium für Wirtschaft ML Staatsministerium des Innern und für Wirtschaft, Abt. Landwirtschaft MK Staatsministerium für Kultur MJu Staatsministerium der Justiz MF Staatsministerium der Finanzen REpp Reichsstatthalter Epp StK Staatskanzlei Staatsarchiv, München (StA Mü) LAAFr Landesarbeitsamt Freising Institut für Zeitgeschichte, München (IfZ) Mikrofilmserie MA Diverse kleinere Bestände Geheimes Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Ruiturbesitz, Berlin (GStA) Rep. 77 Preußisches Innenministerium Rep. 84a Preußisches Justizministerium National Archives and Record Administration, College Park (NARA/CP) RG 35 Records of the Civilian Conservation Corps RG 59 General Records of the Department of State RG 242 Captured German Documents RG 238 Records of the U.S. Nuremberg War Crimes Trials Interrogations, 1946-1949 RG 407 Records of the Adjutant General's Office National Archives and Record Administration, Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park (NARA/HP) AWP Aubrey Williams Papers CTP Charles W Taussig Papers

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DP ERP HHP JRP LHP OF PFF PSF PMC ROP SWP

Democratic Party. Women's Division. National Committee Papers Eleanor Roosevelt Papers Harry Hopkins Papers James Roosevelt Papers Louis M. Howe Papers Official Files of the President President's Private Files President's Secretary Files Printed Materials Collection James H. Rowe Jr. Papers Sumner Welles Papers. Official Correspondance

United States Holocaust Memorial Museum, Washington ( U S H M M ) RG 02 Survivor Testimonies RG 15.007 RSHA Records of the Institute of National Memory, Warschau RG 18002 M Latvian Central State Historical Archive (Riga) Records, 19411944. Reichskommissariat für das Ostland USPA U S H M M Photo Archives Library of Congress. Manuscript Division, Washington (LoC) GMP George Van Horn Moseley Papers

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Personenregister

Seitenangaben fur alle Personen werden vollständig aufgeführt mit einer Ausnahme: Konstantin Hierl, Chef des deutschen Arbeitsdienstes und Reichsarbeitsführer. Das Buch kommt in weiten Teilen einer Biographie seiner Person gleich, so dass wegen der Vielzahl der Fundstellen eine vollständige Aufnahme der Seiten, auf denen sein Name auftaucht, nicht sinnvoll ist.

Alquen, Gunter d' 260 Arnhold, Karl 40, 235 Aumann, Josef 35, 39, 51 Baden-Powell, Robert 38 Bäumer, Gertrud 33 Bäumler, Alfred 208 Bebel, August 32 Beck, Ludwig 113 Benn, Gottfried 339 Benz, Wolfgang 21, 32, 121f., 415 Berle, Adolf 163 Berlin, Isaiah 15 Bertram, Adolf 85 Best, Werner 64, 192 Bismarck, Otto von 256 Bloch, Marc 26 Blomberg, Werner von 76f., 153 Brauns, Heinrich 51 Breker, Arno 247 Brüning, Heinrich 11,39,51-55,57 Bühler, Karl 22 Büsch, Otto 18 Busse, Wilhelm 365 Cabarrus, Teresa (Madame Tallien) 33 Carlyle, Thomas 331 Cérésole, Pierre 41 Chamberlain, Neville 263 Churchill, Winston 263 Clinton, Bill 421

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Couzen, James 50 Croon, Helmuth 20£ Darré, Richard Walther 101, 259, 358 De Priest, Oscar 180 Decker, Will 67, 102, 120, 124, 208, 250, 253f., 257,335, 375 Dewey, John 273 Dudek, Peter 22, 32, 68 Duesterberg, Theodor 68, 76£ Eisenbeck, Martin 67 Erb, Herbert (Freiherr von Stetten-Erb) 123 Faulhaber, Michael von 85 Faupel, Wilhelm 85 Fechner, Robert 163-168, 174, 176, 179, 181, 184, 191f., 272, 274, 281f, 284, 287, 293, 384, 389-393, 414 Flack, Werner 369 Foucault, Michel 23, 209, 234 Frankfurter, Felix 163 Frick, Wilhelm 74, 87, 91, 99£, 111,119, 131,153 Friedrich I., Kurfürst von Brandenburg 254 Friedrich II., König von Preussen 100, 254, 256,328 Garack, Paul 325

Garraty, John 16 Goebbels joseph 72,100,108,114,314316, 334, 342 Goffman, Erving 209 Goltz, Kolmar Freiherr von der 38, 233 Gorham, Eric 23 Göring, Hermann 74, 113f., 118, 164, 345, 348, 356-358, 360,375, 403 Götz, Norbert 22, 113 Grass, Günter 246 Green, William 160, 163 Grüttner, Michael 156 Giirtner, Franz 91 Hansen, Michael 27 Haubach, Theodor 343 Hedin, Sven 11 Heidegger, Martin 338-340 Henrici, Waldemar 368 Herbert, Johann Friedrich 275 Herbst, Ludolf 195 Hertzl, Theodor 34 Heß, Rudolf 112,154 Heydrich, Reinhard 373 Hierl, Konstantin 19fE Hilberg, Raul 141 Hill, Frank E. 295 Himmler, Heinrich 119-121, 238, 319, 346, 358 Hindenburg, Paul von 74, 99 Hitler, Adolf 15, 60, 62-66, 68, 69-72, 74-78, 80, 82, 85, 87f„ 90-92, 94-102, 104, 111, 114-116, 119-123, 142, 144, 151, 160, 192, 200, 202f„ 208, 226, 236f„ 250, 258f., 261-263, 318, 321, 330,334,336-338,340,344,358,363f., 366-368, 409f., 417 Holland, Kenneth 295 Hölz, Christoph 218 Hoover, Herbert 48-50 Hopkins, Harry 163f, 174, 184 Hördt, Philipp 208 Hoyt, Ray 385f Hugenberg, Alfred 75, 77 Hühnlein, Adolf 111 Humann, Paul 325

Ickes, Harold 164,172 Jahn, Friedrich Ludwig 37,228, 232,375 James, William 34, 49, 387f Johnson, Charles 393 Johnson, Lyndon B. 169, 421 Jonas, Michael 22, 251, 255f, 266 Jullien, Marc-Antoine 33 Jünger, Ernst 38, 205, 241, 339f Kälin [Präsident des Landesarbeitsamtes Südwest] 60 Keitel, Wilhelm 371 Kennedy, John F. 421 Kerrl, Hanns 347-349 Keynes, John Maynard 194 Klönne, Arno 248 Kocka, Jürgen 16 Köhler, Henning 21, 32, 35, 336 Kortzfleisch, Ida von 33 Kretzschmann, Hermann 67, 250 Krieck, Ernst 199, 203, 207£ Krosigk, Lutz Graf Schwerin von 77, 79, 90f, 97,106£, 194 Krüger, Alfred 108,342 Laasch, Hermann 253 Lammers, Hans Heinrich 94, 97 Lancelle, Otto 68, 85, 102f„ 124 Landon, Alfred M. 166 Lange, Helene 33 Leber, Julius 343 Leuchtenburg, William E. 387 Leverich, Henry Ρ 290,412 Lingelbach, Karl-Christoph 22 List, Friedrich 329 LudendorfF, Erich 62 Ludendorff, Mathilde 62 Mäher, Cornelius 23, 381 Mahnken, Heinrich 71, 75-77, 83 Marsh, Clarence S. 199, 273Í Maunz, Theodor 107 McEntee, James 168, 176, 182, 284, 286, 384 McKellar, Kenneth 169

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McNutt, Paul 168 Model, Walter 374 Moore, Barrington 16 Morrell, Frederick 391 Mosse, George L. 240, 247 Müller-Brandenburg, Herrmann 11 Of. Mussolini, Benito 11,259 Napoleon I. Bonaparte 37 Nehru, Jawaharlal 11 Neurath, Konstantin Freiherr von 81 Nohl, Herman 418 Ogburn, William F. 293 Ossietzky, Carl von 343 Oxley, Howard 274 Pandiani, John 188 Papen, Franz von 46, 54-56, 59, 76,130£ Paulmann, Johannes 25 Paulsen, Friedrich 239 Persons, Frank 180, 272 Petersen, Hellmut 236 Popper, Josef 34, 37 Proctor, Robert N . 244 Pufendorf Samuel 103,368 Reinhardt, Fritz 91, 148 Rider, Melvin 166 Riefenstahl, Leni 104,345 Röhm, Ernst 63, 66, 70, 98£, 191 Roosevelt, Eleanor 176, 177, 178, 194 Roosevelt, Franklin D. 13,15,18, 23, 50, 82, 110, 159-169, 172, 175£, 177£, 181-185, 190, 192,194, 272, 274, 276, 278,281,284,289f., 293,301,376-378, 381, 384, 386£, 389-394, 396, 399, 403f., 412, 414, 416, 421 Roosevelt, James 167 Rosenberg, Alfred 64 Rosenstock-Huessy, Eugen 40, 175£, 295, 418, 421 Salisko [Regierungsbaurat] 324 Salmond,John 23 Schacht, Hjalmar 106, 113, 133

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Scharnhorst, Gerhard Johann David von 201 Schellenberg, Ernst 325 Schirach, Baidur von 95f Schlaghecke, Wilhelm 213 Schleicher, Kurt von 46, 58£, 131 Schlicker, Wolfgang 21, 32 Schneider, Michael 22, 225 Scholl, Sophie 265 Scholz-Klink, Gertrud 115 Schöpke, Karl 228 Schulz, Paul 66f., 70-72, 95 Seeckt, Hans von 61f., 64 Seifert, Wolfgang 22, 215, 223, 249, 262264, 317 Seipp, Paul 92, 216, 224, 238, 256f. Seldte, Franz 74-77, 85-87,90f„ 97, 99£, 106,310, 332 Sherraden, Michael W. 283 Shirer, William 101 Silverman, Dan 22, 149, 317 Smith, Adam 329 Sombart, Nicolaus 250 Stamm, Kurt 123 Stellrecht, Helmut 67, 71, 94-96, 128, 236, 250, 253, 311, 334, 352, 404 Stieglitz, Olaf 23, 285-287 Stierling, Griffion 96 Stommer, Rainer 315 Strasser, Gregor 62£, 66, 71f, 95 Stratenwerth, Georg 76f Streicher, Julius 242 Stuart, Robert 390£ Surén, Hans 230, 235 Syrup, Friedrich 55, 60, 69, 74, 76, 133, 210, 306, 309, 322, 326 Tenorth, Heinz-Elmar 28 Tholens, Hermann 325 Thomas, Elbert D. 17 Todt, Fritz 235, 317, 363f, 371, 402 Tönnies, Sibylle 420 Turner, Frederick Jackson 278 Van H o r n Moseley, George 182

Wagner, Hermann 120 Wagner, Horst 236 Weber, Max 206 Wheeler, Burton K. 173 Wilde, Oscar 241 Wilson, Hugh 412 Winckelmann, Johann Joachim 240

Winkler, Heinrich August 16 Witt, Peter-Christian 18 Woodring, Harry 161 Wurm, Theophil 121 Zook, George F. 272f, 293 Zorn, Domenicus 334

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Andrea Tech

Arbeitserziehungslager in Nordwestdeutschland 1940-1945 Andrea Tech untersucht die Geschichte der nationalsozialistischen .Arbeitserziehungslager" - der Haftlager der Gestapo - und zieht hierzu exemplarisch Lager in Nordwestdeutschland (Lahde, Liebenau, Bremen-Farge) heran. Sie analysiert die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Herausbildung der „Idee" einer Arbeitserziehungshaft und zeichnet die Entwicklung der Kriegswirtschaft vor dem Hintergrund ideologischer, sicherheitspolitischer und wirtschaftlicher Interessen nach. Ihre Dokumentation der formalen Grundlagen und des Betriebs der Arbeitserziehungslager ermöglicht eine Verortung des Stellenwertes dieses Lagertyps innerhalb des NS-Lagersystems. Darüber hinaus liefert die Untersuchung der relevanten Erlasse für SS, Sicherheitspolizei und SD neue Erkenntnisse über Einweisungsgründe, Haftdauer und Behandlung der Häftlinge.

Wolfgang Zollitsch

Arbeiter zwischen Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Jahre 1928-1936 Die Arbeiterschaft hat der nationalsozialistischen Herrschaft viel weniger Widerstand entgegengesetzt, als die Zeitgenossen und die Nationalsozialisten selbst erwartet hatten. Das hat eine Vorgeschichte, bei ihr setzt Wolfgang Zollitsch ein und fragt nach den Zusammenhängen zwischen Lage und Erfahrungen der Arbeiterschaft in der Weltwirtschaftskrise und ihrer Integration in das „Dritte Reich". An vier Unternehmen und Branchen werden die wichtigsten Faktoren dieser Integration untersucht. Es wird deutlich, wie tief die Erfahrung von Unsicherheit, Ohnmacht und Not das Bewußtsein der Arbeiter geprägt hat. Die Weltwirtschaftskrise erweist sich als ein Schlüssel zum Verständnis der Sozialgeschichte des „Dritten Reiches".

Dirk Blasius

Carl Schmitt Preußischer Staatsrat in Hitlers Reich „Die Provokation, Carl Schmitt eben nicht als gelehrten Strategen auftreten zu lassen, sondern ihn im Streit der nationalsozialistischen Paladine um Einfluß und Gunst zum politischen Statisten zu degradieren, verkörpert den Reiz dieser Studie. Hierbei ist es Dirk Blasius nicht nur gelungen, einige Akten und Nachlässe erstmals zu konsultieren, sondern gerade auch bekannte Bestände unter veränderten Gesichtspunkten zu betrachten. Umso mehr darf für das Buch erhofft werden, in der unüberschaubaren Menge der jährlichen Publikationen zum Thema ,Carl Schmitt' nicht unterzugehen." Jus Commune „Er geht unvoreingenommen an die Aufgabe heran, Carl Schmitts Weg als .Preußens Staatsrat in Hitlers Reich' zu verfolgen. Außerdem versteht er es, bei seiner Recherche Quellen fruchtbar zu machen, die noch der Erschließung harrten ... Er zeigt den Schmitt der ersten NS-Jahre als einen der eifrigsten und auch einflußreichsten Juristen des neues Staates, als einen Mann eben, der es nicht bei der Theorie beließ. In dieser Beziehung fügt Dirk Blasius dem Bild des ebenso Verehrten wie viel Gescholtenen absolut Neues hinzu." Frankfurter Allgemeine Zeitung

Anselm Doering-Manteuffel

Wie westlich sind die Deutschen? Amerikanisierung und Westernisierung im 20. Jahrhundert Die Westorientierung der entstehenden Bundesrepublik beschränkte sich nicht auf die Einbindung inwestliche Bündnis. Die Einflußnahme vor allem der USA auf Deutschland betraf neben der Neuordnung von Staat und Wirtschaft auch die gesellschaftliche und kulturelle Wirklichkeit. Hinzu kam die zunehmende Einwirkung auf die Alltagswelt, auf Kleidung, Moden oder öffentliches Gebaren. Neben dieser Amerikanisierung beeinflußte ein zweites Phänomen die Entwicklung der Bundesrepublik: Die Westernisierung, die Herausbildung einer gemeinsamen Werteordnung in den Gesellschaften diesseits und jenseits des Nordatlantik, ist als anhaltender Austausch von politischen Ideen zwischen amerikanischen und westeuropäischen Kreisen zu verstehen. Kommunikationszentren waren nach dem Zweiten Weltkrieg Intellektuellenzirkel aus Journalisten, Künstlern, Verbandsfunktionären und Politikern. Auf deutscher Seite gehörten Persönlichkeiten wie Ernst Reuter, Willy Brandt, Carlo Schmid oder Adolf Grimme dazu. „Das Buch bietet einen spannenden, fundierten Einblick in die Thematik, der anschaulich bleibt, ohne detailverliebt zu sein und zugleich der Komplexität des Themas gerecht wird." Zeitschrift für Politikwissenschaft

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 156: Uwe Fraunholz

151: Heinz-Gerhard Haupt (Hg.)

Motorphobia

Das Ende der Zünfte

Anti-automobiler Protest in Kaiserreich und Weimarer Republik

Ein europäischer Vergleich

2002. 318 Seiten mit 6 Tabellen, 10 Schaubildern und 5 Abbildungen, kartoniert ISBN 3-525-35137-2

155: Rita Aldenhoff-Hübinger

2002. 285 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-35167-4

150: Dieter Gosewinkel

Einbürgern und Ausschließen

Agrarpolitik und Protektionismus

Die Nationalisierung der Staatsangehörigkeit vom Deutschen Bund bis zur Bundesrepublik Deutschland

Deutschland und Frankreich im Vergleich 1879-1914

2001. 472 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-35165-8

2002. 257 Seiten mit 14 Tabellen und 2 Abbildungen, kartoniert. ISBN 3-525-35136-4

149: Christoph Nonn

154: Moritz Föllmer

Die Verteidigung der bürgerlichen Nation Industrielle und hohe Beamte in Deutschland und Frankreich 1900-1930 2002. 368 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-35168-2

153: Barbara Weinmann

Eine andere Bürgergesellschaft

Klassischer Republikanismus und Kommunalismus im Kanton Zürich im späten 18. und 19. Jahrhundert

Die Ruhrbergbaukrise Entindustrialisierung und Politik 1958-1969 2001. 422 Seiten mit 5 Tabellen im Anhang, kartoniert. ISBN 3-525-35164-X

148: Monika Wienfort

Patrimonialgerichte in Preußen Ländliche Gesellschaft und bürgerliches Recht 1770-1848/49 2001. 404 Seiten mit 20 Tabellen, kartoniert ISBN 3-525-35163-1

2002. 391 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-35169-0

152: Sebastian Prüfer

Sozialismus statt Religion Die deutsche Sozialdemokratie vor der religiösen Frage 1863-1890 2002. 391 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-35166-6

V&R

Vandenhoeck &. Ruprecht