Sämtliche Werke: Teil 2 [2 Teilbände ed.]
 9783110545487, 9783110540406

Table of contents :
Inhalt
Texte
Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs
Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten
Mythologischer Almanach für Damen
Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen
Kommentar
Inhalt
Benutzungshinweise
Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs
Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten
Mythologischer Almanach für Damen
Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen
Abbildungen
Abbildungsnachweise
Personen- und Werkregister
Register der mythologischen Namen und Orte

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Karl Philipp Moritz Smtliche Werke ——— Band 4 Teil 2

Karl Philipp Moritz Smtliche Werke Kritische und kommentierte Ausgabe Herausgegeben von Martin Disselkamp, Anneliese Klingenberg, Albert Meier, Conrad Wiedemann und Christof Wingertszahn

Band 4/2

De Gruyter

Karl Philipp Moritz Schriften zur Mythologie und Altertumskunde Teil 2: Gçtterlehre und andere mythologische Schriften I: Text Herausgegeben von Martin Disselkamp

De Gruyter

Kritische und kommentierte Moritz-Ausgabe gefçrdert von der Hamburger Stiftung zur Fçrderung von Wissenschaft und Kultur und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Gedruckt mit Untersttzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

ISBN 978-3-484-15700-2 (Gesamtwerk) ISBN 978-3-11-054040-6 (Band 4/2) eISBN 978-3-11-054548-7 (PDF) eISBN 978-3-11-054574-6 (EPUB)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.dnb.de abrufbar.

 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: pagina GmbH, Tbingen Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Gçttingen Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Texte Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs von Karl Philipp Moritz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten . . . . . . . .

5

Mythologischer Almanach für Damen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

269

Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen . . . . . . .

329

Kommentar Benutzungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zu diesem Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Editorische Abkürzungen und Zeichen 3. Allgemeine Abkürzungen . . . . . . . . . . . 4. Abgekürzt zitierte Werke von Moritz . 5. Abgekürzt zitierte Literatur . . . . . . . . .

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371 371 375 376 378 381

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434 434 434 436

Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs von Karl Philipp Moritz Überlieferung . . . . . 1. Textgrundlage 2. Varianten . . . . Stellenerläuterungen

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VI

Inhalt

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Textgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mythenkritik der Aufklärung: Das Chaos der Mythologie . . . . . . . 3. Mythographische Vielstimmigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Lexika und Kompendien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Allegorische Mythendeutung und Euhemerismus . . . . . . . . . . . . . . 6. Lehrbücher für die Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Christian Gottlob Heyne und Friedrich Gedike . . . . . . . . . . . . . . . 8. Antike Quellen und Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Ästhetische Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Mythologische Erfahrungsseelenkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Heroen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dokumente zur Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitgenössische Rezensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Rezeptionszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

439 439 443 447 447 455 460 463 466 471 475 482 489 496 504 508 516 525 525 530 554 590

Mythologischer Almanach für Damen Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Textgrundlage . . . . . . . . . . . . 2. Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitgenössische Rezensionen . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . .

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Inhalt

VII

Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Textgrundlage . . . . . . . . . . . . . 2. Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dokumente zur Entstehung . . 2. Zeitgenössische Rezensionen . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1026

Abbildungen Abbildungen zur Götterlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungen zum Mythologischen Almanach für Damen . . . . . . . . Abbildungen zum Mythologischen Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 1068 . . 1099 .. ..

1112 1115

Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1117 Register der mythologischen Namen und Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1138

Texte

Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs von K. P. Moritz

5

10

15

20

25

Wenn das Studium der Mythologie nützlich werden soll; so muß es erst an und für sich interessant gemacht werden. Das wird es aber nicht durch blos historische Bearbeitung, welche bisher in allen mythologischen Lehrbüchern geherrscht hat. – Historisch bearbeitet ermüdet das Studium der Mythologie sehr bald durch seine Trockenheit, und bringt der Jugend schon im Voraus einen Ekel vor den klassischen Dichtern der Alten bey, zu deren Verständniß es doch nützen soll. Ein mythologisches Lehrbuch kann aber nie zu dem wahren Verständniß der Alten führen, wenn es ihre schönen Dichtungen nicht selber, i m p o e t i s c h e n S i n n g e n o m m e n , als schön wieder darstellt, und sie im Ganzen als e i n e h ö h e r e S p r a c h e , als s c h ö n e S y m b o l e nimmt, wodurch die Alten das Wesen der Dinge bezeichneten; der ungeheuern Masse, Erde, Meer und Luft Umriß und Bildung gaben, und auf die Weise das Leblose gleichsam beseelten, und es sich wieder näher brachten. – Kurz, die Mythologie der Alten muß in dem Sinne genommen werden, wie sie von den Dichtern selbst genommen und angewandt ist. – Ihre Entstehung bleibt immer etwas Untergeordnetes, Zufälliges, worauf es bey einem mythologischen Lehrbuche, welches zu einer Einleitung in die klassischen Dichter bestimmt ist, weit weniger ankommt, als auf den Geist des Ganzen, welcher die Dichtungen beseelt. – Ich habe den Entwurf zu einem solchen mythologischen Lehrbuche, bey meinem Aufenthalt in Rom, zum Theil schon ausgearbeitet, und bin nun gesonnen ihn auszuführen, und dies Werk, welches ohngefähr ein Alphabet stark werden wird, im Verlage der königl. akademischen Kunst- und Buchhandlung, herauszugeben. Moritz

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. 5

Zusammengestellt von

Karl Philipp Moritz.

10

Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittnen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums.

15

Berlin, bei Johann Friedrich Unger, 1791.

〈Abb. 1〉 〈I〉

6

〈III〉

〈IV〉

Götterlehre

Ich habe es versucht, die mythologischen Dichtungen der Alten in dem Sinne darzustellen, worin sie von den vorzüglichsten Dichtern und bildenden Künstlern des Alterthums selbst, a l s e i n e S p r a c h e d e r P h a n t a s i e , benutzt und ihren Werken eingewebt sind, deren aufmerksame Betrachtung, mir durch das Labyrinth dieser Dichtungen zum Leitfaden gedient hat. Die Abdrücke von den Gemmen aus der Lippertschen Daktyliothek und aus der Stoschischen Sammlung habe ich mit dem H e r r n P r o f e s s o r K a r s t e n s , der die Zeichnungen zu den Kupfern verfertigt hat, gemeinschaftlich ausgewählt, um, so viel es sich thun ließ, diejenigen vorzuziehen, deren Werth zugleich mit in ihrer Schönheit, und der Kunst, womit die Darstellung ausgeführt ist, besteht.

5

10

7

Inhalt.

V

Seite. Gesichtspunkt für die mythologischen Dichtungen

5

1 〈13〉

Die Erzeugung der Götter

13 〈20〉

Der Götterkrieg

20 〈24〉

Die Bildung der Menschen

31 〈30〉

Die Nacht und das Fatum, das über Götter und Menschen herrscht 44 〈38〉 Die alten Götter 10

Amor Die himmlische Venus Aurora Helios

15

Selene Hekate Oceanus Die Oceaniden Mnemosyne Themis Pontus Nereus Thaumas Eurybia Phorkys und die schöne Ceto oder die Erzeugung der Ungeheuer Die Flüsse Proteus Chiron

20

25

53 〈43〉 〈44〉 〈45〉 〈46〉 〈46〉 Seite. 59 〈47〉 60 〈48〉 61 〈49〉 63 〈50〉 66 〈52〉 66 〈52〉 69 〈53〉 70 〈54〉 73 〈56〉 73 〈56〉 54 56 57 58

74 76 76 77

〈57〉 〈58〉 〈59〉 〈59〉

VI

8

Götterlehre

Atlas Nemesis Prometheus Jupiter, der Vater der Götter Die Eifersucht der Juno Vesta Ceres Jupiter

77 〈59〉 78 〈59〉 78 〈60〉 79 〈60〉 82 84 85 85

VII

Die neue Bildung des Menschengeschlechts Ogyges Inachus Cekrops Deukalion Die alten Einwohner von Arkadien Der Dodonische Wald Die menschenähnliche Bildung der Götter Jupiter Juno Apollo Neptun Minerva Mars Venus Diana Ceres Vulkan Vesta Merkur Die Erde

〈62〉 〈63〉 〈64〉 〈64〉 Seite.

89 〈66〉 92 93 95 96 97 97

〈68〉 〈68〉 〈69〉 〈70〉 〈70〉 〈71〉

5

10

15

98 〈71〉 99 105 109 115 121 127 131 135 140 145 151 155 163

〈72〉 〈76〉 〈78〉 〈82〉 〈86〉 〈89〉 〈91〉 〈94〉 〈97〉 〈100〉 〈104〉 〈106〉 〈111〉

20

25

30

Inhalt

Cybele Bachus

9

Seite. 164 〈112〉 167 〈113〉

VIII

Die heiligen Wohnplätze der Götter unter den Menschen 179 〈120〉 5

10

15

20

Kreta Dodona Delos Delphi Argos Olympia Athen Cypern Gnidus Cythere Lemnos Ephesus Thracien Arkadien Phrygien Das götterähnliche Menschengeschlecht Perseus Bellerophon Herkules

25

30

Die zwölf Arbeiten des Herkules Der Nemäische Löwe Die Lernäische Schlange Der Erymanthische Eber Der Hirsch der Diana Die Stymphaliden Das Wehrgehenk der Königin der Amazonen

180 181 183 184 188 189 191 191 192 192 193 193 194 196 197

〈121〉 〈121〉 〈123〉 〈123〉 〈126〉 〈126〉 〈127〉 〈128〉 〈128〉 〈129〉 〈129〉 〈129〉 〈130〉 〈131〉 〈132〉

200 〈133〉 205 〈136〉 212 〈140〉 216 〈142〉 Seite. 225 〈148〉 225 〈148〉 226 〈149〉 227 〈150〉 228 〈150〉 229 〈151〉 230 〈151〉

IX

10

Götterlehre

Der Stall des Augias 231 Der Kretensische Stier 232 Die Rosse des Diomedes 233 Der dreiköpfigte Geryon 234 Die goldenen Aepfel der Hesperiden 235 Der Höllenhund Cerberus 236 Die Thaten des Herkules, welche er nicht auf fremden Befehl vollführt hat 238 Die Befreiung der Hesione 239 Die Ueberwindung des Antäus, Busiris und Kakus 240 Die Befreiung der Alceste aus der Unterwelt 242 Die Befreiung des Prometheus von seinen Qualen 244 Die Aufrichtung der Säulen an der Meerenge zwischen Europa und Afrika 244 Die Vermählungen des Herkules und seine Vergehungen und Schwächen 246 Des Herkules letzte Duldung und seine Vergötterung 251 X

Kastor und Pollux Jason Die Fahrt der Argonauten Meleager Die Kalydonische Jagd Atalante Minos Dädalus Theseus

〈152〉 〈153〉 〈153〉 〈154〉 〈155〉 〈156〉 〈157〉 〈157〉 〈158〉 〈159〉 〈160〉

5

10

〈160〉

〈162〉 〈165〉 Seite. 253 〈166〉 257 〈168〉 262 〈171〉 276 〈180〉 276 〈180〉 278 〈181〉 279 〈182〉 283 〈184〉 287 〈187〉

15

20

25

Die Wesen, welche das Band zwischen Göttern und Menschen knüpfen 301 〈195〉 Genien Musen Liebesgötter

301 〈195〉 302 〈196〉 309 〈200〉

30

Inhalt

5

Grazien Horen Nymphen Satyrn Faunen Pan Sylvan Penaten Priapus

10

15

Komus Hymen Orpheus Chiron Aeskulap Hygea Die Lieblinge der Götter

20

25

Ganymed Atys Tithonus Anchises Adonis Hyacinthus Cyparissus Leukothoe Endymion Acis Peleus Die tragischen Dichtungen

30

Theben Kadmus

11

311 〈201〉 313 〈202〉 314 〈203〉 315 〈204〉 317 〈205〉 319 〈206〉 321 〈207〉 323 〈208〉 323 〈209〉 Seite. 324 〈209〉 325 〈210〉 325 〈210〉 325 〈210〉 326 〈211〉 328 〈212〉 330 〈212〉 330 〈213〉 333 〈215〉 334 〈215〉 335 〈216〉 336 〈217〉 338 〈218〉 338 〈218〉 339 〈219〉 340 〈219〉 341 〈220〉 342 〈220〉 344 〈221〉 346 〈223〉 346 〈223〉

XI

12

Götterlehre

Oedipus Eteokles und Polynices Der Thebanische Krieg XII

Die Pelopiden Troja Niobe Cephalus und Prokris Phaeton Die Schattenwelt Pluto Furien Die Strafen der Verurtheilten im Tartarus Tantalus Ixion Phlegyas Die Danaiden Sisyphus Amor und Psyche

351 〈226〉 355 〈229〉 356 〈229〉 Seite. 362 〈233〉 370 〈238〉 382 〈246〉 383 〈246〉 384 〈247〉

5

386 〈248〉

10

387 〈248〉 392 〈251〉 392 〈252〉 393 〈252〉 394 〈253〉 395 〈254〉 396 〈254〉 396 〈254〉 397 〈255〉

15

13

Gesichtspunkt für die mythologischen Dichtungen.

5

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30

Die mythologischen Dichtungen müssen als eine Sprache der Phantasie betrachtet werden: Als eine solche genommen, machen sie gleichsam eine Welt für sich aus, und sind aus dem Zusammenhange der wirklichen Dinge herausgehoben. Die Phantasie herrscht in ihrem eigenen Gebiete nach Wohlgefallen, und stößt nirgends an. Ihr Wesen ist zu formen und zu bilden; wozu sie sich einen weiten Spielraum schaft, indem sie sorgfältig alle abstrakten und metaphysischen Begriffe meidet, welche ihre Bildungen stören könnten. Sie scheuet den Begriff einer metaphysischen Unendlichkeit und Unumschränktheit am allermeisten, weil ihre zarten Schöpfungen, wie in einer öden Wüste, sich plötzlich darin verlieren würden. Sie flieht den Begriff eines anfangslosen Daseyns; alles ist bei ihr Entstehung, Zeugen und Gebähren, bis in die älteste Göttergeschichte. Keines der höhern Wesen, welche die Phantasie sich darstellt, ist von Ewigkeit; keines von ganz unumschränkter Macht. Auch meidet die Phantasie den Begriff der Allgegenwart, der das Leben und die Bewegung in ihrer Götterwelt hemmen würde. Sie sucht vielmehr so viel wie möglich, ihre Bildungen an Zeit und Ort zu knüpfen; sie ruht und schwebt gern über der Wirklichkeit; weil aber die zu große Nähe und Deutlichkeit des Wirklichen ihrem dämmernden Lichte schaden würde, so schmiegt sie sich am liebsten an die dunkle Geschichte der Vorwelt an, wo Zeit und Ort oft selber noch schwankend und unbestimmt sind, und sie desto freiern Spielraum hat: Jupiter, der Vater der Götter und Menschen wird a u f d e r I n s e l K r e t a mit der Milch einer Ziege gesäugt, und von den Nymphen des Waldes erzogen. Dadurch nun, daß in den mythologischen Dichtungen zugleich eine geheime Spur zu der ältesten verlohren gegangenen Geschichte

〈1〉

2

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5

Götterlehre

verborgen liegt, werden sie ehrwürdiger, weil sie kein leeres Traumbild oder bloßes Spiel des Witzes sind, das in die Luft zerflattert, sondern durch ihre innige Verwebung mit den ältesten Begebenheiten, ein Gewicht erhalten, wodurch ihre Auflösung in bloße Allegorie verhindert wird. Die Göttergeschichte der Alten durch allerlei Ausdeutungen zu bloßen Allegorien umbilden zu wollen, ist ein eben so thörichtes Unternehmen, als wenn man diese Dichtungen durch allerlei gezwungene Erklärungen in lauter wahre Geschichte zu verwandeln sucht. Die Hand, welche den Schleier, der diese Dichtungen bedeckt, ganz hinwegziehen will, verletzt zugleich das zarte Gewebe der Phantasie, und stößt alsdann statt der gehoften Ent- deckungen auf lauter Widersprüche und Ungereimtheiten. Um an diesen schönen Dichtungen nichts zu verderben, ist es nöthig, sie zuerst, ohne Rücksicht auf etwas, das sie bedeuten sollen, grade so zu nehmen w i e s i e s i n d , und soviel wie möglich mit einem Ueberblick das Ganze zu betrachten, um auch den entfernteren Beziehungen und Verhältnissen zwischen den einzeln Bruchstücken, die uns noch übrig sind, allmälich auf die Spur zu kommen. Denn wenn man z. B. auch sagt: Jupiter bedeutet die obere Luft; so drückt man doch dadurch nichts weniger, als den Begriff J u p i t e r aus, wozu alles das mitgerechnet werden muß, was die Phantasie einmal hineingelegt, und wodurch dieser Begriff an und für sich selbst eine Art von Vollständigkeit erhalten hat, ohne erst außer sich selbst noch etwas andeuten zu dürfen. Der Begriff J u p i t e r bedeutet in dem Gebiete der Phantasie z u e r s t sich selbst, so wie der Begriff C ä s a r in der Reihe der wirklichen Dinge den Cäsar selbst bedeutet. Denn wer würde wohl z. B. bei dem Anblick der Bildsäule des Jupiter von Phidias Meisterhand, zuerst an die öbere Luft gedacht haben, die durch den Jupiter bezeichnet werden soll, als wer alles Gefühl für Erhabenheit und Schönheit verläugnet hätte, und im Stande gewesen wäre, das höchste Werk der Kunst, wie eine Hieroglyphe oder einen todten Buchstaben zu betrachten, der seinen ganzen Werth nur dadurch hat, weil er etwas außer sich bedeutet.

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Gesichtspunkt für die mythologischen Dichtungen

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15

Ein wahres Kunstwerk, eine schöne Dichtung ist etwas in sich Fertiges und Vollendetes, das um sein selbst willen da ist, und dessen Werth in ihm selber, und in dem wohlgeordneten Verhältniß seiner Theile liegt; da hingegen die bloßen Hiroglyphen oder Buchstaben an sich so ungestaltet seyn können, wie sie wollen, wenn sie nur das bezeichnen, was man sich dabei denken soll. Der müßte wenig von den hohen Dichterschönheiten des Homer gerührt seyn, der nach Durchlesung desselben noch fragen könnte: was bedeutet die Iliade? was bedeutet die Odyssee? Alles, was eine schöne Dichtung bedeutet, liegt ja in ihr selber; sie spiegelt in ihrem großen oder kleinen Umfange, die Verhältnisse der Dinge, das Leben und die Schicksale der Menschen ab; sie lehrt auch Lebensweisheit, nach Horazens Ausspruch, besser als Krantor und Chrysipp. Aber alles dieses ist den dichterischen Schönheiten untergeordnet, und nicht der Hauptendzweck der Poesie; denn eben darum lehrt sie besser, weil Lehren nicht ihr Zweck ist; weil die Lehre selbst sich dem Schönen unterordnet, und dadurch Anmuth und Reitz gewinnt. In den mythologischen Dichtungen ist nun die Lehre freilich so sehr untergeordnet, daß sie ja nicht darin gesucht werden muß, wenn das ganze Gewebe dieser Dichtungen uns nicht als frevelhaft erscheinen soll. Denn der Mensch ist in diesen poetischen Darstellungen der höhern Wesen so etwas Untergeordnetes, daß auf ihn überhaupt, und also auch auf seine moralischen Bedürfnisse wenig Rücksicht genommen wird. Er ist oft ein Spiel der höhern Mächte, die über alle Rechenschaft erhaben, ihn nach Gefallen erhöhen und stürzen, und nicht sowohl die Beleidigungen strafen, welche die Menschen sich untereinander zufügen, als vielmehr jeden Anschein von Eingriff in die Vorrechte der Götter auf das schrecklichste ahnden. Diese höhern Mächte sind nichts weniger, als moralische Wesen. Die M a c h t ist immer bei ihnen der Hauptbegriff, dem alles übrige untergeordnet ist. Die immerwährende Jugendkraft, welche sie besitzen, äußert sich bei ihnen in ihrer ganzen üppigen Fülle.

6

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16

8

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Götterlehre

Denn da ein jedes dieser von der Phantasie gebornen Wesen, in gewisser Rücksicht, die ganze Natur mit allen ihren üppigen Auswüchsen, und ihrem ganzen schwellenden Ueberfluß in sich darstellt, so ist es, als eine solche Darstellung, über alle Begriffe der Moralität erhaben. Weil man weder von der ganzen Natur sagen kann, daß sie ausschweife; noch dem Löwen seinen Grimm, dem Adler seine Raubsucht; oder der giftigen Schlange ihre Schädlichkeit, zum Frevel anrechnen darf. Weil aber die Phantasie die allgemeinen Begriffe fliehet, und ihre Bildungen, so viel wie möglich, individuell zu machen sucht, so überträgt sie den Begriff der höhern obwaltenden Macht auf Wesen, die sie als wirklich darstellt, denen sie Geschlechtsregister, Geburt und Nahmen, und menschliche Gestalt beilegt. Sie läßt so viel wie möglich die Wesen, die sie schaft, in das Reich der Wirklichkeit spielen. Die Götter vermählen sich mit den Töchtern der Menschen, und erzeugen mit ihnen die Helden, welche durch k ü h n e Thaten zur Unsterblichkeit reifen. Hier ist es nun, wo das Gebiet der Phantasie und der Wirklichkeit am nächsten aneinander grenzt, und wo es darauf ankommt, das, was Sprache der Phantasie oder mythologische Dichtung ist, auch bloß als solche zu betrachten, und vor allen voreiligen historischen Ausdeutungen sich zu hüten. Denn diese Mischung des Wahren, mit der Dichtung in der ältesten Geschichte, macht an unserm Gesichtskreise, so weit wir in die Ferne zurückblicken, gleichsam den dämmernden Horizont aus. Soll uns hier eine neue Morgenröthe aufgehen, so ist es nöthig, die mythologischen Dichtungen, als alte Völkersagen, so viel wie möglich von einander zu scheiden, um den Faden ihrer allmähligen Verwebungen und Uebertragungen wieder aufzufinden. In dieser Rücksicht die ältesten Völkersagen, welche auf uns gekommen sind, nebeneinander zu stellen, ist das Geschäft einer allgemeinen Mythologie, wozu die gegenwärtige, welche auf die Götterlehre der Griechen und Römer beschränkt ist, nur von fern die Hand bieten kann.

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In das Gebiet der Phantasie, welches wir nun betreten wollen, soll uns ein Dichter führen, der ihr Lob am wahrsten gesungen hat.

Meine Göttin.

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Welcher Unsterblichen Soll der höchste Preis seyn? Mit niemand streit’ ich, Aber ich geb’ ihn Der ewig beweglichen, Immer neuen, Seltsamsten Tochter Jovis, Seinem Schooßkinde, Der Phantasie. Denn ihr hat er Alle Launen, Die er sonst nur allein Sich vorbehält, Zugestanden, Und hat seine Freude An der Thörin. Sie mag rosenbekränzt Mit dem Lilienstängel Blumenthäler betreten, Sommervögeln gebieten, Und leichtnährenden Thau Mit Bienenlippen Von Blüthen saugen: Oder sie mag Mit fliegendem Haar

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Und düsterm Blicke Im Winde sausen Um Felsenwände, Und tausendfarbig, Wie Morgen und Abend, Immer wechselnd, Wie Mondesblicke, Den Sterblichen scheinen. Laßt uns alle Den Vater preisen! Den alten, hohen, Der solch eine schöne, Unverwelkliche Gattin Den sterblichen Menschen Gesellen mögen! Denn uns allein Hat er sie verbunden Mit Himmelsband, Und ihr geboten, In Freud’ und Elend, Als treue Gattin, Nicht zu entweichen. Alle die andern Armen Geschlechter Der kinderreichen, Lebendigen Erde Wandeln und weiden Im dunkeln Genuß Und trüben Schmerzen Des augenblicklichen,

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Beschränkten Lebens, Gebeugt vom Joche Der Nothdurft.

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Uns aber hat er Seine gewandteste, Verzärtelte Tochter, Freut euch! gegönnt! Begegnet ihr lieblich, Wie einer Geliebten, Laßt ihr die Würde Der Frauen im Haus. Und daß die alte Schwiegermutter Weisheit Das zarte Seelchen Ja nicht beleid’ge! Doch kenn’ ich ihre Schwester, Die ältere, gesetztere, Meine stille Freundin: O daß die erst Mit dem Lichte des Lebens Sich von mir wende, Die edle Treiberin, Trösterin, Hofnung! Göthe.

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Die Erzeugung der Götter. Da wo das Auge der Phantasie nicht weiter trägt ist Chaos, Nacht, und Finsterniß; und doch trug die schöne Einbildungskraft der Griechen auch in diese Nacht einen sanften Schimmer, der selbst ihre Furchtbarkeit reitzend macht. – Zuerst ist das Chaos, dann die weite Erde, der finstere Tartarus – und A m o r , der schönste unter den unsterblichen Göttern. Gleich im Anfange dieser Dichtungen vereinigen sich die entgegengesetzten Enden der Dinge; an das Furchtbarste und Schrecklichste grenzt das Liebenswürdigste. – Das Gebildete und Schöne entwickelt sich aus dem Unförmlichen und Ungebildeten. – Das Licht steigt aus der Finsterniß empor. – Die Nacht vermählt sich mit dem Erebus, dem alten Sitze der Finsterniß und gebiert den A e t h e r und den Ta g . Die Nacht ist reich an mannigfaltigen Geburten, denn sie hüllt alle die Gestalten in sich ein, welche das Licht des Tages vor unserm Blick entfaltet. Das Finstere, Irrdische und Tiefe ist die Mutter des Himmlischen, Hohen, und Leuchtenden. Die Erde erzeugt aus sich selbst den U r a n o s oder den Himmel, der sie umwölbet. Es ist die dunkele und feste Körpermasse, welche von Licht und Klarheit umgeben den Saamen der Dinge in sich einschließt, und aus deren Schoße alle Erzeugungen sich entwickeln. Nachdem die Erde auch aus sich selber die Berge und den P o n t u s oder das Meer erzeugt hat, vermählt sie sich mit dem umwölbenden Uranos, und gebiert ihm starke Söhne und Töchter, die selbst ihrem Erzeuger furchtbar werden. Hundertärmige Riesen, den K o t t u s , G y g e s , und B r i a r e u s ; ungeheure Cyklopen, den B r o n t e s , S t e r o p e s , und A r g e s ; herrschsüchtige und mit weit um sich greifender Macht gerüstete Titanen, den C ö u s , K r i u s , H y p e r i o n , und J a p e t ; den O c e a n u s ; die mächtigen T i t a n i d e n , die T h i a , die R h e a , die T h e m i s , die M n e m o s y n e , die P h ö b e , die T h e t h y s , und den S a t u r n u s oder K r o n o s , den jüngsten unter den Titanen.

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Diese Kinder der Erde und des Himmels aber erblicken das Licht des Tages nicht; sondern werden von ihrem Erzeuger, der ihre angebohrne Macht scheuet, sobald sie gebohren sind, wieder in den Tartarus eingekerkert. Das C h a o s behauptet noch seine Rechte. Die Bildungen schwan- ken noch zwischen Unterdrückung und Empörung. – Die Erde seufzt in ihren innersten Tiefen über das Schicksal ihrer Kinder, und denkt auf Rache; sie schmiedet die erste Sichel, und giebt sie als ein rächendes Werkzeug dem Saturnus, ihrem jüngsten Sohne. Die wilden Erzeugungen müssen aufhören; U r a n o s , der seine eigenen Kinder in nächtlichem Dunkel gefangen hält, muß seiner Herrschaft entsetzt werden. – Sein jüngster Sohn S a t u r n u s überlistet ihn, da er sich mit der Erde begattet, und entmannet seinen Erzeuger mit der Sichel, die ihm seine Mutter gab. Aus den Blutstropfen, welche die Erde auffängt, entstehen in der Folge der Zeit die rächerischen Furien, die furchtbaren, den Göttern drohenden Giganten, und die Nymphen Meliä, welche die Berge bewohnen. – Die dem U r a n o s entnommene Zeugungskraft befruchtet das Meer, aus dessen Schaum A p h r o d i t e , die Göttin der Liebe empor steigt. – Aus Streit und Empörung der ursprünglichen Wesen gegeneinander entwickelt und bildet sich das Schöne. Nun vermählen sich die Kinder des Himmels und der Erde, und pflanzen das Geschlecht der Titanen fort. – C ö u s mit der P h ö b e , einer Tochter des Himmels, zeugt die L a t o n a , welche nachher die Vermählte des J u p i t e r , und die A s t e r i a , welche die Mutter der H e c a t e ward. – H y p e r i o n mit der T h i a , einer Tochter des Himmels, zeugt die A u r o r a , den H e l i o s oder Sonnengott, und die L u n a . – O c e a n u s mit der Te t h y s , einer Tochter des Himmels, erzeugt die Flüsse und Quellen. – J a p e t vermählt sich mit der K l y m e n e , einer Tochter des O c e a n u s , und erzeugt mit ihr die Titanen, A t l a s , M e n ö t i o s , den P r o m e t h e u s , der die Menschen bildete, und den E p i m e t h e u s . – K r i u s mit der E u r y b i a , einer Tochter des P o n t u s , erzeugt die Titanen, A s t r ä u s , P a l l a s und P e r s e s .

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S a t u r n u s vermählt sich mit seiner Schwester der R h e a , und mit ihm hebt eine Reihe von neuen Göttererzeugungen an, wodurch die Alten in der Zukunft verdrängt werden sollen. Die bleibenden Gestalten gewinnen endlich die Oberhand; aber sie müssen vorher noch lange mit der alles zerstörenden Zeit, und dem alles verschlingenden Chaos kämpfen. Saturnus ist zugleich ein Bild dieser zerstörenden Zeit. Er, der seinen Erzeuger entmannt hat, verschlingt seine eigenen Kinder, so wie sie gebohren werden: denn ihm ist von seiner Mutter, der Erde, geweißagt worden, daß einer seiner Söhne ihn seiner Herrschaft berauben werde. So rächte sich der an seinem Erzeuger verübte Frevel; Saturnus fürchtet gleich diesem, die sich empörende Macht, und während er über seine Brüder, die Titanen herrschte, hielt er den- noch, gleich dem U r a n o s , die hundertärmigen Riesen und Cyklopen, in dem Tartarus eingekerkert. Von seinen Kindern fürchtet er Verderben; denn noch lehnet das Neuentstandene sich gegen seinen Ursprung auf, der es wieder zu vernichten droht. So wie die Erde seufzte, daß der umwölbende Himmel ihre Kinder in ihrem Schooße gefangen hielt, so seufzt nun R h e a über die Grausamkeit der alles zerstörenden, ihre eigenen Bildungen verschlingenden Macht, mit welcher sie vermählt ist. Und da sie den J u p i t e r , den künftigen Beherrscher der Götter und Menschen gebähren soll, so fleht sie die Erde und den gestirnten Himmel um die Erhaltung ihres noch ungebohrnen Kindes an. Die uralten Gottheiten sind ihrer Herrschaft entsetzt, und haben nur noch Einfluß durch Weißagung und Rath; sie rathen ihrer Tochter, wie sie den J u p i t e r , sobald sie ihn gebohren, in eine fruchtbare Gegend, in Kreta, verbergen soll. – Die wilde umherschweifende Phantasie heftet sich nun auf einen Fleck der Erde, und findet auf dem Eilande, wo dies Götterkind erzogen werden soll, den ersten Ruheplatz. Auf den Rath ihrer Mutter Erde wickelt die R h e a einen Stein in Windeln, und giebt ihn dem S a t u r n u s , statt des neugebohrnen Götterkindes, zu verschlingen. Durch diesen bedeutungs- vollen Stein, dessen bei den Alten so oft Erwähnung geschieht, sind der

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Zerstörung ihre Grenzen gesetzt; die zerstörende Macht hat zum erstenmale das Leblose statt des Lebenden mit ihrer vernichtenden Gewalt ergriffen, und das Lebende und Gebildete hat Zeit gewonnen gleichsam verstohlner Weise sich an das Licht emporzudrängen. Allein es ist noch vor den Verfolgungen seines allverschlingenden Ursprungs nicht gesichert. Darum müssen die Erzieher des Götterkindes auf der Insel Kreta, die K u r e t e n oder K o r y b a n t e n , deren Wesen und Ursprung in geheimnißvolles Dunkel gehüllt ist, mit ihren Spießen und Schilden ein immerwährendes Getöse machen, damit S a t u r n u s die Stimme des weinenden Kindes nicht vernehme. – Denn die zerstörenden Kräfte lauern, das zarte Gebildete, in seinem ersten Aufkeimen, wo möglich, wieder zu zernichten. Die Erziehung des J u p i t e r auf der Insel Kreta macht eines der reizendsten Bilder der Phantasie; ihn säugt die Ziege A m a l t h e a , welche in der Folge unter die Sterne versetzt, und ihr Horn zum Horn des Ueberflusses erhöhet wird. Die Tauben bringen ihm Nahrung, goldgefärbte Bienen führen ihm Honig zu, und Nymphen des Waldes sind seine Pflegerinnen. Schnell entwickeln sich nun die Kräfte dieses künftigen Beherrschers der Götter und Menschen. Das Ende von dem alten Reiche des S a t u r n u s nähert sich. Denn fünf seiner Kinder sind noch, außer dem J u p i t e r , von seiner zerstörenden Macht gerettet. Die den Erdkreis mit heiliger Glut belebende Ve s t a , die befruchtende C e r e s , J u n o , N e p t u n , und P l u t o . Mit diesen kündigt J u p i t e r dem S a t u r n u s , und den T i t a n e n , welche dem S a t u r n u s beistehen, den Krieg an, nachdem er vorher die C y k l o p e n aus ihrem Kerker befreiet, und diese ihn dafür mit dem Donner und dem leuchtenden Blitze begabt hatten. Und nun scheiden sich die neuern Götter, die vom S a t u r n u s und der R h e a abstammen, von den alten Gottheiten oder den T i t a n e n , welche Kinder des Himmels und der Erde sind.

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Der Götterkrieg. Die T i t a n e n sind das Empörende, welches sich gegen jede Oberherrschaft auflehnt; es sind die u n m i t t e l b a r e n Kinder des Himmels und der Erde, deren weit um sich greifende Macht keine Grenzen kennet, und keine Einschränkung duldet. J u p i t e r aber hatte sich den Weg zu der Alleinherrschaft schon gebahnet, indem er die hundertärmigen Riesen, K o t t u s , G y g e s , und B r i a r e u s , und die C y k l o p e n , die unter dem U r a n o s und S a t u r n u s gefangen gehalten wurden, aus ihrem Kerker befreiet, und dadurch den Donner und Blitz in seine Gewalt bekommen hatte. Die neuern Götter, mit dem J u p i t e r an ihrer Spitze, versammleten sich auf dem Olymp; die T i t a n e n ihnen gegenüber auf dem Othrys, und der Götterkrieg hub an. – Zehn Jahre dauerte schon der Kampf der neuern Götter mit den T i t a n e n , als der Sieg noch unentschieden war, bis J u p i t e r sich den Beistand der hundertärmigen Riesen erbat, die ihm die Befreiung aus ihrem Kerker dankten. Als diese nun an dem Treffen Theil nahmen, so faßten sie ungeheure Felsen in ihre hundert Hände, um sie auf die T i t a n e n zu schleudern, welche in geschlossenen Phalangen in Schlachtordnung standen. Als nun die Götter auf einander den ersten Angriff thaten, so wallte das Meer hoch auf, die Erde seufzte, der Himmel ächzte, und der hohe Olymp wurde vom Gipfel bis zur Wurzel erschüttert. Die Blitze flogen schaarenweise aus J u p i t e r s starker Hand, der Donner rollte, der Wald entzündete sich, das Meer siedete, und heißer Dampf und Nebel hüllte die T i t a n e n ein. K o t t u s , G y g e s , und B r i a r e u s standen voran im Göttertreffen, und mit jedem Wurf schleuderten sie dreihundert Felsenstücke auf die Häupter der T i t a n e n herab. Da lenkte sich der Sieg auf die Seite des Donnerers. Die T i t a n e n stürzten nieder, und wurden so weit in den Tartarus hinabgeschleudert, als hoch der Himmel über der Erde ist.

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Nun theilten die drei siegreichen Söhne des S a t u r n u s das alte Reich der T i t a n e n unter sich; J u p i t e r beherrschte den Himmel, N e p t u n das Meer, und P l u t o die Unterwelt. Die hundertärmigen Riesen aber bewachten den Eingang zu dem furchtbaren Kerker, der die T i t a n e n gefangen hielt. J u p i t e r s Blitz beherrschte nun zwar die Götter, allein sein Reich stand noch nicht fest. Die Erde seufzte aufs neue über die Schmach ihrer Kinder, die im dunkeln Kerker saßen. Mit den Blutstropfen befruchtet, die sie bei der Entmannung des U r a n o s in ihrem Schooße aufnahm, gebahr sie in den phlegräischen Gefilden die himmelanstürmenden G i g a n t e n mit drohender Stirn und Drachenfüßen, bereit die Schmach der T i t a n e n zu rächen. Zu Boden geworfen, waren sie nicht besiegt, denn mit jeder Berührung ihrer Mutter Erde gewannen sie neue Kräfte. – P o r p h y r i o n und A l c y o n e u s , O r o m e d o n und E n c e l a d u s , R h ö t u s und der tapfre M i m a s huben am stolzesten ihre Häupter empor; sie schleuderten Eichen und Felsenstücke mit jugendlicher Kraft gen Himmel, und achteten J u p i t e r s Blitze nicht. In dem hier beigefügten, nach einem der schönsten Werke des Alterthums verfertigten Umriß, heben die mächtigen Söhne der Erde, unter J u p i t e r s Donnerwagen zu Boden gestreckt, dennoch gegen ihn ihr drohendes Haupt empor. – Macht ist gegen Macht empört – einer der erhabensten Gegenstände, den je die bildende Kunst benutzte. Daraus, daß in den mythologischen Dichtungen die G i g a n t e n den Göttern entgegengesetzt werden, sieht man auch, daß die Alten den Göttern keine u n g e h e u r e Größe beilegten. Das G e b i l d e t e hatte bei ihnen immer den Vorzug vor der M a s s e ; und die ungeheuren Wesen, welche die Phantasie sich schuf, entstanden nur um von der in die hohe Menschenbildung eingehüllten Götterkraft besiegt zu werden, und unter ihrer eigenen Unförmlichkeit zu erliegen. Gerade die Vermeidung des Ungeheuren, das edle Maaß, wodurch allen Bildungen ihre Grenzen vorgeschrieben wurden, ist ein Hauptzug in der schönen Kunst der Alten; und nicht umsonst drehet sich

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ihre Phantasie in den ältesten Dichtungen immer um die Vorstellung, daß das Unförmliche, Ungebildete, Unbegrenzte, erst vertilgt und besiegt werden muß, ehe der Lauf der Dinge in sein Gleis kömmt. Die ganze Dichtung des Götterkrieges scheint sich mit auf diese Vorstellung zu gründen. U r a n o s oder die weitausgebreitete Himmelswölbung ließ sich noch unter keinem Bilde fassen; was die Phantasie sich dachte, war noch zu weit ausgebreitet, unförmlich und gestaltlos; dem U r a n o s wurden seine eigenen Erzeugungen furchtbar, seine Kinder, die T i t a n e n , empörten sich gegen ihn, und sein Reich entschwand in Nacht und Dunkel. Der Name der T i t a n e n zeigt schon das weit um sich Greifende, G r e n z e n l o s e , in ihrem Wesen an, wodurch die Bildungen, welche sich die Phantasie von ihnen macht, schwankend und unbestimmt werden. Die Phantasie flieht vor dem Grenzenlosen und Unbeschränkten; die neuen Götter siegen, das Reich der T i t a n e n hört auf, und ihre Gestalten treten gleichsam in Nebel zurück, wodurch sie nur noch schwach hervorschimmern. An der Stelle des T i t a n e n H e l i o s oder des Sonnengottes steht der ewig junge A p o l l mit Pfeil und Bogen. Unbestimmt und schwankend schimmert das Bild vom H e l i o s durch, und die Phantasie verwechselt in den Werken der Dichtkunst oft beide mit einander. So steht an der Stelle des alten O c e a n u s , N e p t u n mit seinem Dreizack, und beherrscht die Fluthen des Meers. Demohngeachtet aber bleiben die alten Gottheiten noch immer ehrwürdig, denn sie waren den neuern Göttern nicht etwa wie das Verderbliche und Hassenswürdige dem Wohlthätigen und Guten entgegengesetzt; sondern Macht empörte sich gegen Macht; Macht siegte über Macht, und das Besiegte selbst blieb in seinem Sturz noch groß. So wie man sich nehmlich unter dem Reiche der T i t a n e n und unter der Herrschaft des S a - t u r n u s , der seine eigenen Kinder verschlang, noch das Grenzenlose, Chaotische, Ungebildete dachte, worauf die Einbildungskraft nicht haften kann; so verknüpfte man doch wieder mit dieser Vorstellung von dem Ungebildeten, Umherschweifenden, und Grenzenlosen, das keinem Zwange unterworfen ist, den

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Begriff von F r e i h e i t und G l e i c h h e i t , der unter der Alleinherrschaft des Einzigen, der mit dem Donner bewafnet war, nicht mehr statt finden konnte. Man versetzte daher das goldene Zeitalter unter die Regierung des S a t u r n u s ; welcher, nachdem er in dem Götterkriege seiner zerstörenden Macht beraubt war, nach einer alten Sage, dem Schicksal der übrigen T i t a n e n , die in den Tartarus geschleudert wurden, entfloh, und sich in den mit Bergen umschlossenen Ebenen von L a t i u m verbarg, wohin er das goldene Zeitalter brachte, indem er in einem Schiffe auf dem Tiberstrome, beim J a n u s anlangte, und mit ihm vereint, die Menschen mit Weisheit und Güte beherrschte. Diese Dichtung ist vorzüglich schön, wegen des Ueberganges vom Kriegerischen und Zerstörenden, zum Friedlichen und Sanften. Während daß J u p i t e r noch immer in Gefahr der Herrschaft entsetzt zu werden, seine Blitze gegen die G i g a n t e n schleudert, ist S a t u r n u s fern von dem verderblichen Götterkriege in Latium ange- langt, wo unter ihm sich die glücklichen Zeiten bilden, die nachher in den Liedern der Menschen als ein entflohenes Gut besungen, und vergeblich zurück gewünscht wurden. So ist er auf einer alten Gemme, wovon hier der Umriß beigefügt ist, mit der Sense in der Hand, auf einem Schiffe, wovon nur der Schnabel oder das Vordertheil sichtbar ist, abgebildet, neben dem Schiffe sieht man einen Theil einer Mauer und eines Gebäudes hervorragen, wahrscheinlich weil an den Ufern der Tiber vom S a t u r n u s , die alte Stadt S a t u r n i a auf den nachmaligen Hügeln Roms erbauet wurde. Auf diese Weise ist nun S a t u r n u s bald ein Bild der alleszerstörenden Zeit, bald ein König, der zu einer gewissen Zeit in Latium herrschte. Die Erzählungen von ihm sind weder bloße Allegorien, noch bloße Geschichte, sondern beides zusammengenommen, und nach den Gesetzen der Einbildungskraft verwebt. Dieß ist auch der Fall bei den Erzählungen von den übrigen Gottheiten, die wir durchgängig als schöne Dichtungen nehmen, und durch zu bestimmte Ausdeutungen nicht verderben müssen. Denn da die ganze Religion der

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Alten eine Religion der Phantasie und nicht des Verstandes war, so ist auch ihre Götterlehre ein schöner Traum, der zwar viel Bedeutung und Zusammenhang in sich hat, auch zuweilen erhabene Aussichten giebt, von dem man aber die Genauigkeit und Bestimmtheit der Ideen im wachenden Zustande nicht fordern muß. Ob nun J u p i t e r gleich die T i t a n e n in den Tartarus verbannt, und über die G i g a n t e n zuletzt die Inseln des Meeres mit rauchenden Vulkanen gewälzt hatte, so war dennoch sein Reich noch nicht befestigt; denn die Erde zürnte aufs neue über die Gefangenschaft ihrer Kinder, und gebahr, nachdem sie sich mit dem Tartarus begattet hatte, den T i p h ö u s , ihren jüngsten Sohn. Das furchtbarste Ungeheuer, das je aus der dunkeln Nacht emporstieg; dessen hundert Drachenhäupter mit schwarzen Zungen leckten, und mit feurigen Augen blitzten; das bald verständliche Laute von sich gab, und bald mit hundert verschiedenen Stimmen der Thiere des Waldes heulte und brüllte, daß die Berge davon wiederhallten. Nun wäre es um die Herrschaft der neuen Götter gethan gewesen, wenn J u p i t e r nicht schleunig seinen Blitz ergriffen, und ihn unaufhörlich auf das Ungeheuer geschleudert hätte, so lange bis Erd’ und Himmel in Flammen stand, und der Weltbau erschüttert ward, so daß P l u t o , der König der Schatten, und die T i t a n e n im Tartarus über das unaufhörliche Getöse erbebten, das über ihren Häuptern rollte. Der Sieg über dies Ungeheuer wurde dem J u p i t e r am schwersten unter allen, und drohte ihm selber den Untergang. Er freute sich daher dieses Sieges nicht, sondern schleuderte den T i p h ö u s , als er zu Boden gesunken war, trauervoll in den Tartarus hinab. Denn dem Herrscher der Götter, drohte stets Gefahr, nicht nur von fremder Macht, sondern auch von seinen eigenen Entschließungen. So weißagte ihm, als er sich mit der weisheitbegabten M e t i s , einer Tochter des O c e a n u s vermählt hatte, ein Orakelspruch, daß sie ihm einen Sohn gebären, und daß dieser zugleich mit der Weisheit seiner Mutter, und der Macht seines Vaters ausgerüstet, die Götter alle beherrschen würde.

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Um dem vorzubeugen zog J u p i t e r die weisheitbegabte M e t i s mit schmeichelnden Lockungen in sich hinüber, und gebahr nun selbst die M i n e r v a , welche bewafnet aus seinem Haupte hervorsprang. – Eine ähnliche Gefahr drohte ihm noch einmal, da er sich mit der T h e t i s begatten wollte, von der ein Orakelspruch geweißagt hatte, sie würde einen Sohn gebähren, d e r w ü r d e m ä c h t i g e r a l s s e i n Va t e r s e y n . So fürchtet sich in diesen Dichtungen das Mächtigste immer vor noch etwas Mächtigerm. Bei dem Begriff der ganz unumschränkten Macht hingegen hört alle Dichtung auf, und die Phantasie hat keinen Spielraum mehr. Man muß daher die Verstandesbegriffe auf keine Weise hiemit vermengen, da man überdem, eins dem andern unbeschadet, jedes für sich abgesondert, sehr wohl betrachten kann. In der folgenden Zeit wurden sogar zwei Söhne des N e p t u n , die derselbe mit der I p h i m e d i a , einer Tochter des A l o e u s erzeugte, und welche daher die A l o i d e n hießen, dem J u p i t e r furchtbar. Ihre Namen waren, O t u s und E p h i a l t e s ; sie ragten im Schmuck der Jugend und Schönheit mit Riesengröße zum Himmel empor, und drohten den unsterblichen Göttern, indem sie Berge auf einander thürmten, auf den Olymp den Ossa, und auf den Ossa den Pelion wältzten, um so den Himmel zu ersteigen, welches ihnen gelungen wäre, wenn sie die Jahre der Mannbarkeit erreicht hätten. Aber A p o l l o erlegte sie mit seinen Pfeilen, ehe noch das weiche Milchhaar ihr Kinn bedeckte. Selbst die Sterblichen wagten es also sich gegen die Götter aufzulehnen, welche daher auch eifersüchtig, auf jede höhere Entwickelung mensch- licher Kräfte waren; jede Ueberhebung auf das schärfste ahndeten, und den armen Sterblichen anfänglich sogar das Feuer mißgönnten. Denn die Menschen mußten noch den Haß der Götter gegen die T i t a n e n tragen, weil sie von einem Abkömmling derselben, dem P r o m e t h e u s , gebildet und ins Leben hervorgerufen waren.

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Die Bildung der Menschen. So untergeordnet ist in diesen Dichtungen der Ursprung der Menschen, daß sie nicht einmal den herrschenden Göttern, sondern einem Abkömmlinge der T i t a n e n , ihr Daseyn danken. Denn P r o m e t h e u s , welcher die Menschen aus Thon bildete, war ein Sohn des J a p e t , der außer ihm noch drei Söhne erzeugt hatte, den A t l a s , M e n ö t i u s , und E p i m e t h e u s , die alle den Göttern verhaßt waren. J a p e t , der Stammvater der Menschen, lag schon vom J u p i t e r mit den übrigen T i t a n e n in den Tartarus hinabgeschleudert; sein starker Sohn , M e n ö t i u s , wurde wegen seiner den Göttern furchtbaren Macht, und übermüthigem Stolz, von Jupiters Blitz erschlagen, in den Erebus hinabgestürzt. Dem A t l a s legte J u p i t e r die ganze Last des Himmels auf seine Schultern; den P r o m e t h e u s selber ließ er zuletzt an einen Felsen schmieden, wo ein Geier unaufhörlich an seinem Eingeweide nagte; und den E p i m e t h e u s ließ er das Unglück über die Menschen bringen. So verhaßt war den Göttern das Geschlecht des J a p e t , woraus der Mensch entsprang, auf den in der Folge die unzähligen Leiden sich zusammenhäuften, wodurch er die Schuld des ihm mißgönnten Daseyns vielfach büßen mußte. P r o m e t h e u s befeuchtete die noch von den himmlischen Theilchen geschwängerte Erde mit Wasser, und machte den Menschen nach dem Bilde der Götter, so daß er allein seinen Blick gen Himmel empor hebt, indeß alle andern Thiere ihr Haupt zur Erde neigen. Den Göttern selber also konnte die Phantasie keine höhere Bildung als die Menschenbildung beilegen, weil nichts mehr über die erhabene aufrechte Stellung geht, in welcher sich gleichsam die ganze Natur verjüngt, und erst zum Anschauen von sich selber kömmt. Denn die Strahlen der Sonne leuchten, aber das Auge des Menschen siehet. – Der Donner rollt, und die Stürme des Meeres brausen, aber die Zunge des Menschen redet vernehmliche Töne. – Die Mor-

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genröthe schimmert in ihrer Pracht, aber die Gesichtszüge des Menschen sind sprechend und bedeutend. Es scheint als müsse die unermeßliche Natur sich erst in diese zarten Umrisse schmiegen, um sich selbst zu fassen, und wieder umfaßt zu werden. Um die göttliche Gestalt abzubilden gab es nichts Höheres, als Aug’ und Nase, und Stirn und Augenbraunen, als Wang’ und Mund und Kinn; weil wir nur von dem, was lebt und diese Gestalt hat, wissen können, daß es Vorstellungen habe wie wir, und daß wir Gedanken und Worte mit ihm wechseln können. P r o m e t h e u s ist daher auf den alten Kunstwerken ganz wie der b i l d e n d e K ü n s t l e r dargestellt, so wie auch auf dem hier beigefügten Umriß, nach einem antiken geschnittenen Steine, wo zu seinen Füßen eine Vase, und vor ihm ein menschlicher Torso steht, den er, so wie jene, aus Thon gebildet, und dessen Vollendung er zum einzigen Augenmerk seiner ganzen Denkkraft gemacht zu haben scheint. Als es dem P r o m e t h e u s gelungen war, die göttliche Gestalt wieder außer sich darzustellen, brannte er vor Begierde, sein Werk zu vollenden: und er stieg hinauf zum Sonnenwagen, und zündete da die Fackel an, von deren Gluth er seinen Bildungen die ätherische Flamme in den Busen hauchte, und ihnen Wärme und Leben gab. So ist er hier zum zweitenmal abgebildet, sitzend mit der Fackel in der Hand, über der ein Schmetterling schwebt, welcher den b e s e e l e n d e n H a u c h andeutet, wodurch die todte Masse belebt wird. Der bildende Künstler ist zum Schöpfer geworden; seine Bildungen werden ihm gleich. Daß Prometheus selbst ein Schöpfer göttlicher Bildungen wurde, darüber zürnte Jupiter, und dachte darauf, wie er die Menschen verderben wollte. Als daher Prometheus einst einen Stier schlachtete, und um den Jupiter zu versuchen, das Fleisch und die Knochen jedes in eine Haut gewickelt besonders legte, damit Jupiter wählen möchte, so wählte dieser m i t F l e i ß den schlechtern Theil, um wegen des Betruges auf den Prometheus zürnen zu können, und seinen Zorn an den Sterblichen auszulassen, die er nun plötzlich des Feuers beraubte.

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Denn an dem Prometheus selber seinen Haß auszuüben wagte Jupiter damals noch nicht; er suchte ihm nur sein Werk zu verderben; aber auch dies gelang ihm nicht; denn Prometheus, der den Jammer der Menschen nicht dulden konnte, stieg wiederum zum Sonnenwagen, und entwendete aufs neue den ätherischen Funken, den er in dem Marke der röhrichten Pflanze verbarg, und ihn den Sterblichen vom Himmel wiederbrachte. Als nun Jupiter von fern den Glanz des Feuers unter den Menschen erblickte, so dachte er aufs neue, wie er sie durch ihre eigene Thorheit strafen wollte; während daß Prometheus fortfuhr die Menschen alle nützliche Künste zu lehren, welche der Gebrauch des Feuers möglich macht, und was die größte Wohlthat war, ihnen den Blick in die Zukunft benahm, damit sie unvermeidliche Uebel nicht voraus sehen möchten. Dem Jupiter also gleichsam zum Trotz suchte Prometheus seine Menschenschöpfung und Menschenbildung zu vollenden, ob er gleich selber wußte, daß er dereinst schrecklich würde dafür büßen müssen. – Dieß ungleiche Verhältniß der Menschen zu den herrschenden Göttern gab nachher den Stoff zu den tragischen Dichtungen, deren Geist in den folgenden Zeilen athmet, worin ein Dichter unserer Zeiten den Prometheus, i m N a h m e n d e r M e n s c h e n , d e r e n J a m m e r e r i n s e i n e m B u s e n t r ä g t , redend einführt.

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Prometheus. Bedecke deinen Himmel, Zevs, Mit Wolkendunst, Und übe, dem Knaben gleich, Der Disteln köpft, An Eichen dich und Bergeshöhn; Mußt mir meine Erde Doch lassen stehn,

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Und meine Hütte, die du nicht gebaut, Und meinen Herd, Um dessen Gluth Du mich beneidest. 5

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Ich kenne nichts ärmers Unter der Sonn’ als euch Götter! Ihr nähret kümmerlich Von Opfersteuern Und Gebetshauch Eure Majestät, Und darbtet, wären Nicht Kinder und Bettler Hoffnungsvolle Thoren. Da ich ein Kind war, Nicht wußte wo aus noch ein, Kehrt’ ich mein verirrtes Auge Zur Sonne, als wenn drüber wär’ Ein Ohr zu hören meine Klage, Ein Herz wie mein’s Sich des Bedrängten zu erbarmen. Wer half mir Wider der Titanen Uebermuth? Wer rettete vom Tode mich Von Sklaverey? Hast du nicht alles selbst vollendet, Heilig glühend Herz? Und glühtest jung und gut, Betrogen, Rettungsdank Dem Schlafenden da droben?

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Ich dich ehren? Wofür? Hast du die Schmerzen gelindert Je des Beladenen? Hast du die Thränen gestillet Je des Geängsteten? Hat nicht mich zum Manne geschmiedet Die allmächtige Zeit, Und das ewige Schicksal Meine Herrn und deine?

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Wähntest du etwa, Ich sollte das Leben hassen, In Wüsten fliehen, Weil nicht alle Blüthenträume reiften?

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Hier sitz’ ich, forme Menschen Nach meinem Bilde, Ein Geschlecht, das mir gleich sey, Zu leiden, zu weinen, Zu genießen und zu freuen sich, Und dein nicht zu achten, Wie ich! Göthe.

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Nun ließ aber Jupiter, der über den Raub des Feuers noch immer zürnte, eine weibliche Ge- stalt von Götterhänden bilden, die er mit allen Gaben ausgeschmückt, Pandora nannte, und sandte sie mit allen verführerischen Reitzen, und mit einer Büchse, worin das ganze Heer von Uebeln, das den Menschen drohte, verschlossen war, zum Prometheus, der bald den Betrug erkannte, und dieß gefährliche Geschenk der Götter ausschlug. Da konnte Jupiter seinem Zorn nicht länger Einhalt thun, sondern ließ den Prometheus, für seine Klugheit zu büßen, an einen Felsen

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schmieden; und das Unglück kam demohngeachtet über die Menschen; denn der unvorsichtige Epimetheus, des Prometheus Bruder, ließ sich, obgleich gewarnt, durch die Reitze der P a n d o r a bethören, welche, sobald er sich mit ihr vermählt hatte, die Büchse eröfnete, woraus sich plötzlich alles Unheil über die ganze Erde, und über das Menschengeschlecht verbreitete. Sie machte schnell den Deckel wieder zu, ehe noch die Hofnung entschlüpfte, welche, nach Jupiters Rathschluß, allein zurück blieb, um einst noch zu rechter Zeit, den Sterblichen Trost zu gewähren. Die verführerischen Reitze zu der sinnlichen Lust, brachten also auch nach dieser Dichtung zuerst das Unglück über die Menschen. Der thörichte Epimetheus vereitelte bald die vorsehende Weisheit des Prometheus. Vernunft und Thor- heit waren sogleich bei der Bildung und Entstehung des Menschen miteinander im Kampfe. Prometheus duldete nun an den Felsen geschmiedet, in seiner Person, die Qualen des Menschengeschlechts, das ihm seine Bildung dankte; die immerwährende Unruhe, und die rastlose stets unbefriedigte Begier der Sterblichen. – Es ist der vom Jupiter gesandte Geier, der dem Prometheus an der immer wieder wachsenden Leber, dem Sitz der Begierden, nagt. So ist dieser Dulder für die Menschheit abgebildet, die Hände auf den Rücken gefesselt, sitzend, an den Felsen geschmiedet mit dem Geier auf dem Knie. – Die vier Abbildungen auf der hier beigefügten Kupfertafel, geben einen vollständigen Ueberblick von dieser Dichtung der Alten: Prometheus bildet den Menschen; er raubt die ätherische Flamme; Pandora, sitzend, eröfnet die Büchse, woraus das Unglück über die Menschen kömmt; und Prometheus duldet an den Felsen geschmiedet. Nachdem aus der Büchse der Pandora sich das Unglück über die Menschen verbreitet hatte, schickte Jupiter eine Sündfluth, welche das Menschengeschlecht vollends vertilgte, so daß niemand übrig blieb, als ein einziges Paar, D e u k a l i o n , ein Sohn des Prometheus, und P y r r h a , eine Tochter des Epimetheus, deren schwimmender Na- chen, sich auf dem Berge Parnassus niederließ, wo ein Orakel der Themis war, das sie wegen der Zukunft um Rath befragten.

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Und das Orakel that den Ausspruch, sie sollten, um die einsame Erde wieder zu bevölkern, mit verhülltem Antlitz, d i e G e b e i n e i h r e r M u t t e r h i n t e r s i c h w e r f e n . Sie deuteten diesen geheimnißvollen Ausspruch auf die Steine, welche sie als die harten und festen Theile ihrer Mutter Erde hinter sich warfen, und gleichsam von der wunderbaren neuen Bildung ehrfurchtsvoll ihre Blicke wegwandten. Und als sie sich umsahen, war aus den h a r t e n K i e s e l s t e i n e n ein neues Geschlecht der Menschen entsprossen, deren harte Herzen keine Gefahr und keine Drohung scheuen; die kühn das Meer beschiffen; den wilden Stürmen trotz bieten, und in der blutigen Feldschlacht dem Tod’ ins Angesicht sehen. Es ist merkwürdig, daß in diesen alten Dichtungen der Ursprung der Menschen immer schon ihre Anlage zum Unbiegsamen, Harten und Kriegerischen in sich faßt. So mußte Kadmus in dem einsamen Böotien, auf den Befehl der Götter, d i e Z ä h n e d e s v o n i h m e r l e g t e n D r a c h e n in die Erde säen, um seine gefallenen Krieger zu ersetzen. Und aus dieser Saat des Kadmus keimten geharnischte Männer auf, die ihre Schwerdter gegen einander kehrten, und eher vom Streit nicht ruhten, bis nur noch fünfe von ihnen übrig waren, die dem Kadmus beistanden. In diese Bilder hüllte die Phantasie der Alten die Entstehung der Menschen ein, die im ewigen Zwiste mit sich selber von außen oder von innen, die Spitze ihrer inwohnenden Kraft gegen sich selber kehren, und gleichsam mit angestammter Grausamkeit, in ihr eigenes Eingeweide wüthen. Die Qualen des Prometheus dauerten daher so lange, bis ein Sterblicher durch Tapferkeit und unüberwindlichen Muth sich den Weg zur Unsterblichkeit und zum Sitz der Götter bahnte, und das Menschengeschlecht mit dem Jupiter gleichsam wieder aussöhnte. – Es ist H e r k u l e s , Jupiters und Alkmenens Sohn, der endlich mit seinen Pfeilen den Geier tödtet, und mit Jupiters Einwilligung den Prometheus von seiner langen Qual befreiet.

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Allein die goldenen Jahre der Sterblichen versetzte die Phantasie in jene Zeiten hin, wo noch kein Jupiter mit dem Donner herrschte, unter die Regierung des Saturnus, wohin man sich alles längst Vergangene, die graue Vorzeit dachte, die zwar gleich dem Saturnus, der seine Kinder verschlang, die vorüberrollenden Jahre in Vergessenheit begrub, aber auch keine Spur von blutigen Kriegen, zerstörten Städten, und unter- jochten Völkern zurückließ, welches den Hauptstoff der Geschichte ausmacht, seitdem die Menschen anfingen, ihre Begebenheiten aufzuzeichnen. Wie die Götter lebten die Menschen damals, als noch Freiheit und Gleichheit herrschte, in Sicherheit, ohne Mühe und Sorgen; und von den Beschwerlichkeiten des Alters unbedrückt. Die Erde trug ihnen Früchte, ohne mühsam bebaut zu werden; unwissend was Krankheit war, starben sie, wie von sanftem Schlummer übermannt; und wenn der Schooß der Erde ihren Staub aufnahm, so wurden die Seelen der Abgeschiedenen, in leichte Luft gehüllt, die Schutzgeister der Ueberlebenden. So schildern die Dichter jene goldnen Zeiten, worauf die Phantasie, von den geräuschvollen Scenen der geschäftigen Welt ermüdet, so gern verweilt. – Nachher aber wurden die Sterblichen die Mühebeladensten unter allen Geschöpfen, und die Dichter schildern die Arbeit und Beschwerden des kummervollen Lebens der Menschen immer im Gegensatz gegen den sorgenfreien Zustand der seeligen Götter. Um die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit des Lebens zu bezeichnen, wurde zum dankbaren Andenken des Prometheus in Athen ein schönes Fest gefeiert; ihm war nemlich in einiger Entfernung von der Stadt ein Altar errichtet, von welchem man bis zur Stadt einen Wettlauf mit Fackeln hielt. Wer mit brennender Fackel das Ziel erreichte, trug den Preis davon. Der erste, dessen Fackel unterwegens auslöschte, trat seine Stelle dem Zweiten, dieser die seinige dem Dritten ab, und so fort; wenn alle Fackeln verlöschten, so trug keiner den Sieg davon.

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Die Alten liebten in ihren Dichtungen vorzüglich den tragischen Stoff, wozu das Verhältniß der Menschen gegen die Götter, so wie sie es sich dachten, nicht wenig beitrug. Auf die armen Sterblichen wird wenig Rücksicht genommen; sie sind den Göttern oft ein Spiel: ihnen bleibt nichts übrig, a l s s i c h d e r e i s e r n e n N o t h w e n d i g k e i t , und dem unwandelbaren Schicksal zu fügen, dessen Oberherrschaft sich über Götter und Menschen erstreckt.

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Die Nacht und das Fatum, das über Götter und Menschen herrscht.

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Als Jupiter einst auf den Gott des Schlafs erzürnt war, so hüllte diesen die Nacht in ihren Mantel, und Jupiter hielt seinen Zorn zurück, denn er fürchtete sich, die schnelle Nacht zu betrüben . Es giebt also etwas, wovor die Götter selber Scheu tragen. Es ist das nächtliche geheimnißvolle Dunkel, worin sich noch etwas über Götter und Menschen Obwaltendes verhüllt, das die Begriffe der Sterblichen übersteigt. Die Nacht verbirgt, verhüllt; darum ist sie die Mutter alles Schönen, so wie alles Furchtbaren. Aus ihrem Schooße wird des Tages Glanz gebohren, worin alle Bildungen sich entfalten. Und sie ist auch die Mutter: Des in Dunkel gehüllten S c h i c k s a l s ; Der unerbittlichen Parzen L a c h e s i s , K l o t h o und A t r o p o s ; Der rächenden N e m e s i s , die verborgene Vergehungen straft; Der Brüder S c h l a f und To d , wovon der eine die Menschen sanft und milde besucht, der andre aber ein eisernes Herz im Busen trägt. – Sie ist ferner die Mutter der ganzen Schaar d e r Tr ä u m e ;

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Der f a b e l h a f t e n H e s p e r i d e n , welche an den entferntesten Ufern des Oceans die goldne Frucht bewahren; Des B e t r u g e s , der sich in Dunkel hüllt; Der h ä m i s c h e n Ta d e l s u c h t ; Des n a g e n d e n K u m m e r s ; Der M ü h e , welche das Ende wünscht; Des H u n g e r s ; Des verderblichen K r i e g e s ; Der Z w e i d e u t i g k e i t e n im Reden, und Des M e i n e i d e s . Alle diese Geburten der Nacht sind dasjenige, was sich entweder dem Blick der Sterblichen entzieht, oder was die Phantasie selbst gern in nächtliches Dunkel hüllt. Eine hier beigefügte Abbildung der Nacht, wie sie den Tod und den Schlaf in ihren Mantel hüllt, und aus einer Felsengrotte zu ihren Füßen, die phantastischen Gestalten der Träume hervorblicken, ist von dem neuern Künstler, der die Umrisse zu diesem Werk gezeichnet, nach einer Beschreibung des Pausanias entworfen. Pausanias erzählt nemlich, daß er auf dem Kasten des Cypselus auf der einen Seite desselben, die Nacht in weiblicher Gestalt abgebildet gesehen, wie sie zwei Knaben mit verschränkten, oder über einander geschlagenen Füßen in ihren beiden Armen hielt, wovon der eine weiß, der andre schwarz war; der eine schlief, der andere zu schlafen schien. In der hier beigefügten Abbildung ist der Tod durch eine umgekehrte Fackel und der Schlaf durch einen Mohnstengel bezeichnet. Die Nacht selbst ist, als die fruchtbare Gebährerin aller Dinge in jugendlicher Kraft und Schönheit dargestellt. So ist sie auch auf einer antiken Gemme, deren Umriß ebenfalls hier beigefügt ist, abgebildet, wie sie unter dem umschattenden Wipfel eines Baumes, dem Morpheus und seinen Brüdern Mohn austheilet. Der bildende Traumgott Morpheus, ein Sohn des Schlafs, steht in schöner jugendlicher Gestalt vor ihr, und empfängt den Mohn aus ihren Händen, indeß die Brüder des Morpheus, ebenfals Götter der

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Träume und Kinder des Schlafes, hinter ihr gebückt gehen, um die übrigen von ihr ausgestreueten Mohnstengel aufzulesen. Man sieht, wie die Alten das Dunkle und Furchtbare in reitzende Bilder einkleideten; und wie sie demohngeachtet für das h ö c h s t e Tr a g i s c h e empfänglich waren, indem sie sich unter dem von der Nacht gebohrnen unvermeidlichen Schicksal oder dem F a t u m das Höhere Obwaltende dachten, dessen altes Reich, und dessen dunkle Pläne weit außer dem menschlichen Gesichtskreise liegen; Dessen Spuren man in dem vielfältigen Jammer laß, der die Menschheit drückt; indem man das U n b e k a n n t e ahndete, unter dessen Macht die untergeordneten Kräfte sich beugen müssen , und ein wunderbares Gefallen selbst an der Darstellung schrecklicher Ereignisse, und verwüstender Zerstörung fand, indem die Einbildungskraft mit Vergnügen sich in das Gebiet der Nacht und der öden Schattenwelt verirrte. Demohngeachtet stellt sich uns in den schönen Dichtungen der Alten kein einziges ganz hassens und verabscheuungswürdiges Wesen dar. – Die unerbittlichen Parzen, welche die Nacht gebohren hat, und selbst die rächerischen Furien, sind immer noch ein Gegenstand der Verehrung der Sterblichen. Selbst die Sorgen und der drückende Kummer gehören in der Vorstellungsart der Alten mit zu dem Gebiet des dunkeln Obwaltenden, daß die stolzen Wünsche der Sterblichen hemmt, und dem Endlichen seine Grenzen vorschreibt. Alle diese furchtbaren Dinge treten mit in der Reihe der Göttergestalten auf, und werden nicht als ausgeschlossen gedacht, weil sie sich in dem n o t h w e n d i g e n Z u s a m m e n h a n g e d e r D i n g e mit befinden. Dieser nothwendige Zusammenhang der Dinge oder die N o t h w e n d i g k e i t selber, welche die Griechen E i m a r m e n e nannten , war eben jene in furchtbares Dunkel gehüllte Gottheit, welche mit unsichtbarem Scepter alle übrigen beherrschte und deren Dienerinnen die unerbittlichen P a r z e n waren.

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K l o t h o hält den Rocken, L a c h e s i s spinnt den Lebensfaden, und A t r o p o s mit der furchtbaren Scheere schneidet ihn ab. Die Parzen bezeichnen die furchtbare, schreckliche Macht, der selbst die Götter unterworfen sind, und sind doch weiblich und schön gebildet, s p i n n e n d , und in den Gesang der Sirenen stimmend. Alles ist leicht und zart bei der unbegrenzten höchsten Macht. Nichts Beschwerliches, Unbehülfliches findet hier mehr statt; aller Widerstand des Mächtigern erreicht auf diesem Gipfel seine Endschaft. Es bedarf nur der leichtesten Berührung mit den Fingerspitzen, um den Umwälzungen der Dinge ihre Bahnen, dem Mächtigen seine Schranken vorzuschreiben. Es ist d i e l e i c h t e s t e A r b e i t v o n w e i b l i c h e n H ä n d e n , wodurch der geheimnißvolle Umlauf der Dinge gelenkt wird. Das schöne Bild von dem zart gesponnenen, mit der leichtesten Mühe zerschnittenen Lebensfaden ist durch kein andres zu ersetzen. – Der Faden reißt nicht, sondern wird absichtlich von der Hand der Parze mit dem trennenden Eisen durchschnitten. – Die Ursache des Aufhörens liegt in der Willkür der höhern Mächte, bei denen das schon fest beschlossen ist, was Götter und Menschen noch zu bewirken oder zu verhindern sich bemühen. Vergeblich wünscht Jupiter, dem Fatum zuwider, seinem Sohne Sarpedon im Treffen vor Troja, das Leben zu erhalten. Weh mir, ruft er aus, daß mein Sarpedon jetzt, n a c h d e m S c h l u ß d e s S c h i c k s a l s , durch die Hand des Patroklus fallen muß! und ob er nun gleich dem Fatum zuwider ihn gerne retten möchte; s o m u ß e s s i c h d o c h s o f ü g e n , daß er auf den Rath der Juno, ihn erst durch die Hand des Patroklus fallen läßt, und ihn dann dem Tode und dem süßen Schlummer übergiebt, die ihn in seine Heimath bringen, wo seine Freunde und Brüder ihn beweinen. Dem Ulysses ist vom Schicksal bestimmt, nach der Zerstörung von Troja zehn Jahre umher zu irren, und ohne seine Gefährten, nach vielen Kummer, in seine Heimath wieder zurückzukehren. – Und gerade da, wo alles am angenehmsten und einladendsten scheinet,

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lauert immer die meiste Gefahr; wie in dem ruhigen Hafen der Lästrigonen; bei dem Gesange der Sirenen, und beim Zaubertrank der Circe. – Ulysses mag das Ziel seiner Wünsche noch so nahe vor sich sehen, so wird er doch immer wieder weit davon verschlagen; seine Thränen und seine heißesten Wünsche sind vergebens, – bis endlich, d a e s d a s S c h i c k s a l w i l l , die Phäazier, auf ihrem Schiffe, ihn s c h l a f e n d in seine Heimath bringen. An die Vorstellung von den Parzen schloß sich in der Phantasie der Alten das Bild von den rächerischen Furien an, und diese beiden Dichtungen gehen zuweilen unmerklich ineinander über. Auch die quälenden Furien sind furchtbare, schreckliche und dennoch v e r e h r t e geheimnißvolle Wesen; aus den Blutstropfen, welche bei der ersten Gewaltthätigkeit, bei der Entmannung des Uranos die Erde auffing, erzeugt; mit Schlangenhaaren, und Dolchen in den Händen; uner- bittliche Göttinnen, den Frevel und das Unrecht zu strafen. In ähnlicher Gestalt, wie die erste Figur, nach einem antiken geschnittenen Steine aus der Stoschischen Sammlung, auf der hier beigefügten Kupfertafel, mit dem Dolch und fliegendem Haar, scheint man sich zuweilen dasjenige gedacht zu haben, was man das f e i n d s e e l i g e S c h i c k s a l , oder das s c h w a r z e Ve r h ä n g n i ß nannte, und womit man den erhabenen Begriff der N o t h w e n d i g k e i t noch nicht verknüpfte, in welchem sich alles in Harmonie auflößt, und das Schreckenvolle verschwindet. Lachesis, diejenige von den Parzen, welche den Faden spinnt, und irgendwo d i e s c h ö n e To c h t e r d e r N o t h w e n d i g k e i t genannt wird, ist hier, ebenfalls nach einem geschnittenen Steine aus der Stoschischen Sammlung, in jugendlicher Schönheit abgebildet, sitzend und spinnend, einen Rocken vor, den andern hinter sich, u n d z u ihren Füßen eine komische und eine tragische Maske. Da man selten Abbildungen von den Parzen findet, so hat dieß Denkmal aus dem Alterthum einen desto größern Werth; und das B e d e u t e n d e in dieser Darstellung macht dasselbe doppelt anzie-

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hend. Die tragische und komische Maske zu den Füßen der Parze ist eine der glücklichsten Anspie- lungen auf das Leben, wenn man einen Blick auf dasselbe m i t a l l e n s e i n e n e r n s t e n u n d k o m i s c h e n Scenen wirft, wozu der zarte jungfräuliche Finger der hohen Schicksalsgöttin den Faden drehet, indem die einen ihr n i c h t w i c h t i g e r als die andern sind. Auf eine ähnliche Weise, in ruhiger Stellung, sich auf eine Säule stützend, in der Linken den Rocken sorglos haltend, und gleichsam m i t d e m S c h i c k s a l s f a d e n s p i e l e n d , ist die Parze noch einmal auf einem andern geschnittenen Steine in der Stoschischen Sammlung abgebildet, wovon der Umriß ebenfalls hier beigefügt ist. Diese ruhige Stellung der hohen Schicksalsgöttin, womit sie auf die weitaussehenden Plane gleichsam lächelnd herabsieht, ist eine vorzüglich schöne Idee des alten Künstlers, von dem sich diese Bildung herschreibt. – Während daß Götter ihre ganze Macht, und Sterbliche alle ihre Kräfte aufbieten, um ihre Endzwecke und Absichten durchzusetzen, hält die hohe Göttin, spielend den Faden in der Hand, an welchem sie die Umwälzungen der Dinge, und die stolzesten Entwürfe der Könige lenkt. –

Die alten Götter. Die Scheidung zwischen den alten und neuen Göttern giebt den mythologischen Dichtungen einen vorzüglichen Reitz. Die alten Gottheiten sind, wie wir schon bemerkt haben, gleichsam in Nebel zurück getreten, woraus sie nur noch schwach hervorschimmern, indeß die neuen Götter in dem Gebiete der Phantasie ihren Platz behaupten, und durch die bildende Kunst bestimmte Formen erhalten, in welche sich die verkörperte Macht und Hoheit kleidet, und ein Gegenstand der Verehrung der Sterblichen in Tempeln und heiligen Hainen wird. Durch die alten Gottheiten aber sind die neuen gleichsam v o r g e b i l d e t . – Das Erhabene und Göttliche, w a s i m m e r s c h o n d a

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w a r , läßt die Phantasie in erneuerter und jugendlicher Gestalt, von unsterblichen oder von sterblichen Müttern, wieder gebohren werden, und giebt ihm Geschlechtsfolge, Nahmen und Geburtsort, um es näher mit den Begriffen der Sterblichen zu vereinen, und mit ihren Schicksalen zu verweben. Weil demohngeachtet aber die Phantasie sich an keine bestimmte Folge ihrer Erscheinungen bindet, so ist oft eine und dieselbe Gottheit, unter verschiedenen Gestalten, m e h r m a l da. Denn die Begriffe vom Göttlichen und Erhabenen w a r e n i m m e r ; allein sie hüllten sich von Zeit zu Zeit in menschliche Geschichten ein, die sich, ihrer Aehnlichkeit wegen, ineinander verlohren, und labyrintisch verflochten haben; so daß in dem Zauberspiegel der dunkeln Vorzeit, fast alle Göttergestalten, gleichsam i m v e r g r ö ß e r n d e n W i d e r s c h e i n e , s i c h n o c h e i n m a l d a r s t e l l e n ; welches die Dichter wohl genutzt haben, deren Einbildungskraft, durch den Reitz des Fabelhaften in dieser dunkeln Verwebung mehrerer Geschichten, einen desto freiern Spielraum fand.

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Ist der älteste unter den Göttern. Er war v o r a l l e n E r z e u g u n g e n da, und regte zuerst das unfruchtbare C h a o s an, daß es die Finsterniß gebahr, woraus der Aether und der Tag hervorging. Der komische Dichter Aristophanes führt diese alte Dichtung scherzend an, indem er die Vögel redend einführt, wie sie alle den geheimnißvollen ursprünglichen Wesen F l ü g e l beilegen, um sie dadurch sich ähnlich zu bilden, und ihren eigenen erhabenen Ursprung in ihnen wieder zu finden. Sie lassen daher den Amor selbst ehe er das Chaos befruchtet, aus einem E i hervorgehen. Die schwarzgeflügelte Nacht, heißt es, brachte das erste Ei in dem weiten Schooße des Erebus hervor, aus dem nach einiger Zeit der reitzende Amor, mit goldenen F l ü g e l n versehen, hervorkam, und indem er sich mit dem g e f l ü g e l t e n Chaos vermählte, zuerst das Geschlecht der Vögel erzeugte.

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Man sieht also, daß diese Dichtungen, von den komischen Dichtern eben sowohl scherzhaft, als von den tragischen Dichtern tragisch genommen wurden; weil man sie einmal als eine Sprache der Phantasie betrachtete, worin sich Gedanken jeder Art hüllen ließen, und selbst die gewöhnlichsten Dinge einen neuen Glanz und eine blühende Farbe erhielten. Die Dichtung vom Amor bleibt auch selber noch in der scherzhaften Einkleidung des komischen Dichters schön. – Dieser älteste Amor ist vorzüglich der erhabene Begriff von der alles erregenden und befruchtenden L i e b e selber. – Unter den n e u e n G ö t t e r n wird Amor von der Venus gebohren, und Mars ist sein Erzeuger. – Es ist der geflügelte Knabe mit Pfeil und Bogen. – Die Wirkung von seinem Geschoß sind die schmer- zenden Wunden der Liebe – und seine Macht ist Göttern und Menschen furchtbar.

Die himmlische Venus. Sie ist das erste Schöne, was sich aus Streit und Empörung der ursprünglichen Wesen gegen einander entwickelt und gebildet hat. – Saturnus entmannet den Uranos. Die dem Uranos entnommene Zeugungskraft befruchtet das Meer; und aus dem Schaume der Meereswellen steigt Aphrodite, die Göttin der Liebe, empor. In ihr bildet sich die himmlische Zeugungskraft zu dem vollkommenen Schönen, das alle Wesen beherrscht, und welchem von Göttern und Menschen gehuldigt wird. Unter den n e u e n G ö t t e r n ist Venus eine Tochter des Jupiter, die er mit der D i o n e einer Tochter des Aether erzeugte. – Sie trägt unter den Göttinnen den Preis der Schönheit davon. – Sie ist mit dem Vulkan vermählt, und pflegt mit dem Mars, dem rauhen Kriegsgott, verstohlner Liebe. Die Vorstellungen von den Göttern sind erhabener, je dunkler und unbestimmter sie sind, und je weiter sie in das Alterthum zurücktreten; sie werden aber immer reitzender und mannichfaltiger je näher das Göttliche mit dem Menschlichen sich verknüpft; und jene

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erhabenen Vorstellungen schimmern dennoch immer durch, weil die Phantasie die Zartheit und Bildsamkeit des Neuen mit der Hoheit des Alten wieder überkleidet.

Aurora. H y p e r i o n , ein Sohn des Himmels und der Erde, erzeugte mit der T h i a , einer Tochter des Himmels, die A u r o r a , den H e l i o s , und die S e l e n e . Anstatt des Helios und der Selene treten unter den neuen Göttern A p o l l und D i a n a auf. Aurora aber schimmert, selbst unter den neuen Gottheiten, in ursprünglicher Schönheit und Jugend hervor. Sie vermählt sich mit dem A s t r ä u s aus dem Titanengeschlechte, einem Sohne des K r i u s , und gebiehrt die s t a r k e n W i n d e , und den M o r g e n s t e r n . – Man siehet, daß sie zu den alten Göttergestalten gehört, die eigentlich als erhabene N a t u r e r s c h e i n u n g e n betrachtet wurden, und welche die Einbildungskraft nur gleichsam mit w e n i g e n g r o ß e n U m r i s s e n , als zu Personen gebildete Wesen darstellte. – Sie erscheint in der Frühe, aus der dunkeln Luft, mit Rosenfingern den Schleier der Nacht aufhebend, und leuchtet den Sterblichen eine Weile, und verschwindet wieder vor dem Glanz des Tages. 58

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Helios. Der Lenker des Sonnenwagens ist ebenfalls eine von den Göttergestalten, die nur durch wenige große Umrisse, als zu Personen gebildete Wesen dargestellt sind. Denn es ist immer die leuchtende Sonne selbst, welche in den Bildern vom Helios durchschimmert. Das Haupt des Helios ist mit Strahlen umgeben. Er leuchtet den sterblichen Menschen und den unsterblichen Göttern. Er siehet und höret alles, und entdeckt das Verborgene. Ihm waren auf der Insel Sicilien die feisten Rinder heilig, die ohne Hirten weideten, und an denen er sich ergötzte, so oft er am Himmel aufging und unterging.

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Als die Gefährten des Ulysses einige dieser Rinder geschlachtet hatten so drohte der Sonnengott, daß er i n d e n O r k u s h i n a b s t e i g e n , u n d u n t e r d e n To d t e n l e u c h t e n w o l l e , wenn Jupiter den Frevel nicht rächte. Und Jupiter zerschmetterte bald das Schiff des Ulysses, dessen Gefährten alle ein Raub der Wellen wurden. Zuweilen führt der Sonnengott auch von den Titanen, aus deren Geschlechte er war, den Nahmen T i t a n ; und von seinem Erzeuger, mit dem er in den alten Dichtungen zuweilen verwechselt wird; den Nahmen H y p e r i o n , der das Hohe und Erhabene bezeichnet. Unter den n e u e n G ö t t e r n heißt der Lenker des Sonnenwagens A p o l l o , und ist ein Sohn Jupiters, der ihn und die D i a n a mit der L a t o n a erzeugte, die aus dem Titanengeschlechte eine Tochter des C ö u s und der P h ö b e war. Dieser Apollo ist eine bis auf die feinsten Züge a u s g e b i l d e t e Göttergestalt, von der Phantasie mit dem Reitze ewiger Jugend und Schönheit geschmückt; der fernhintreffende Gott, den silbernen Bogen spannend, und der Vater der Dichter, die goldne Zitter schlagend. Da nun Apollo nicht zu gleicher Zeit auf Erden der Gott der Dichtkunst und der Tonkunst seyn, die Götter im Olymp mit Saitenspiel und Gesang ergötzen, und auch den Sonnenwagen lenken kann; so scheint es, als habe die Phantasie der Dichter, den Apollo und Helios sich zu e i n e m Wesen gebildet, daß sich gleichsam in sich selbst verjüngt, indem es im Himmel als leuchtende Sonne v o n A l t e r s h e r auf und untergeht, und auf Erden in jugendlicher Schönheit, n e u g e b o h r e n , wandelnd, mit goldenen Locken, ein unsterblicher Jüngling, die Herzen der Götter und Menschen mit Saitenspiel und Gesang erfreuet.

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Selene. 30

Das Geschäft der Selene oder der Luna, ebenfalls einer Tochter des Hyperion, ist, mit ihrem sanften Scheine die Nacht zu erleuchten. – Unter den n e u e n Gottheiten heißt diejenige, welche den Wagen des Mondes lenkt, D i a n a , und ist eine Tochter des Jupiter, die er, so wie den Apollo, mit der Latona erzeugte.

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Götterlehre

Diana ist gleich dem Apoll mit Köcher und Bogen abgebildet; denn sie ist zugleich die Göttin der J a g d . In ihr hat sich die Tochter Hyperions verjüngt, mit der sie, so wie Apollo mit dem Helios, gleichsam ein Wesen ausmacht; indem sie am Himmel v o n A l t e r s h e r , als Luna, allnächtlich den Wagen des Mondes lenkt, und auf Erden in jugendlicher Schönheit n e u g e b o h r e n , von ihren Nymphen begleitet, mit Köcher und Bogen einhergeht, und in den Wäldern sich mit der Jagd ergötzt. So wie Selene und Helios, von dem Titanen Hyperion, sind Apollo und Diana, vom J u p i t e r erzeugt, der die Titanen verdrängt hat, und von dem sich nun die Reihe der neuen Göttererzeugungen herschreibt, weswegen er d e r Va t e r d e r G ö t t e r heißt.

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Hekate.

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Der Titane C ö u s erzeugte mit der P h ö b e , einer Tochter des Himmels, außer der Latona auch die A s t e r i a . Diese vermählte sich mit dem P e r - s e s einem Sohne des Titanen K r i u s , und gebahr ihm die H e k a t e , welche, obgleich aus dem Geschlecht der Titanen entsprossen, vom Jupiter vorzüglich geehrt wurde. Denn sie gehört zu den nächtlichen geheimnißvollen Wesen, deren Macht sich weit erstreckt. Sie ist zugleich eine Art von Schicksalsgöttin, in deren Händen das Loos der Menschen steht; sie theilt nach Gefallen Sieg und Ruhm aus; sie herrscht über Erde, Meer, und Lüfte; den neugebohrnen Kindern giebt sie Wachsthum und Gedeihen; und alle verborgenen Z a u b e r k r ä f t e stehen ihr zu Gebote. Auch diese alte geheimnißvolle Gottheit läßt die Phantasie in der Gestalt der n ä c h t l i c h l e u c h t e n d e n Diana sich verjüngen, und mit dieser gleichsam neu wieder gebohren werden. – Die neue Gottheit, worauf Gedanke und Einbildung einmal haftet, zieht das Aehnliche und Verwandte in sich hinüber, und überformt es in sich.

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Die alten Götter

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Oceanus.

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Ein Sohn des Himmels und der Erde, vermählte sich mit der Tethys, einer Tochter des Himmels, und erzeugte die Flüsse und Quellen. Er nahm an dem Götterkriege keinen Antheil; demohngeachtet aber ist er unter die alten Gottheiten zurückgewichen, die durch die Verehrung der neuen Götter gleichsam in Schatten gestellt sind. Denn als Jupiter die Titanen besiegt hatte, so theilte er sich mit seinen Brüdern, dem Neptun und Pluto, in die Oberherrschaft, so daß Jupiter den Himmel, N e p t u n d a s M e e r , und Pluto die Unterwelt beherrschte. Neptun ist also der König über die Gewässer, und des Oceanus wird selten mehr gedacht; obgleich die äußersten Grenzen der Erde, da wo nach der alten Vorstellungsart, die Sonne ins Meer sank, das eigentliche Gebiet des a l t e n O c e a n u s sind, das aber gleichsam zu entfernt liegt, als daß die Phantasie darauf hätte haften können. N e p t u n hingegen bezeichnet die Meeresfluthen, in so fern sie mit Schiffen befahren werden, und er entweder Stürme erregt, oder mit seinem mächtigen Dreizack die Meereswogen bändigt. Darum wurden ihm allenthalben Tempel erbaut, Altäre geweiht, und Opfer dargebracht. Als Juno einst, bei dem Kriege vor Troja, um den Jupiter zu überlisten, sich den Liebeeinflößenden Gürtel der Venus erbat, so that sie es unter dem Vorwande, sie wolle sich dieses Gürtels bedienen, um an den Grenzen der Erde, bei dem Oceanus und der Tethys, von denen sie zu der Zeit des Saturnus liebevoll gepflegt und erzogen sey, einen alten Zwist, wodurch dies Götterpaar schon lange entzweiet wäre, beizulegen. – Diese beiden alten Gottheiten werden also wie ganz entfernt von der Regierung und den Geschäften der neuen Götter dargestellt; und ihrer nur gedacht, indem ihre alten Zwiste der Juno zum Vorwande dienen, den Gürtel der Venus zu erhalten, womit sie den Jupiter überlisten will.

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Götterlehre

Die Oceaniden. Die Söhne und Töchter des Oceanus sind die Flüsse und Quellen. Die Töchter des Oceans werden von dem ersten tragischen Dichter der Griechen aufgeführt, wie sie den P r o m e t h e u s , der an den Felsen geschmiedet ist, beklagen, und über die Tyrannei des neuen Herrschers der Götter mit ihm seufzen.

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Metis. Eine Tochter des Oceans vermählte sich mit dem Jupiter; allein sie ward ihm furchtbar, weil sie einen Sohn gebähren sollte, der über alle Götter herrschen würde. – Jupiter zog sie in sich hinüber und gebahr selbst von ihr die Minerva aus seinem Haupte.

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Eurynome.

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Eine Tochter des Oceans vermählte sich ebenfalls mit dem Jupiter, und gebahr ihm die Gra- zien A g l a j a , T h a l i a , und E u p h r o s i n e , deren Augen Liebe einflößen, und die freundlich unter den Augenbraunen hervorblicken.

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Styx. Die geehrteste unter den Töchtern des Oceans, die mit dem P a l l a s aus dem Titanengeschlechte, einem Sohne des K r i u s sich vermählte, und ihm die mächtigen Söhne, K a m p f und S i e g , G e w a l t und S t ä r k e gebahr. Auf den Rath ihres Erzeugers ging die Styx mit ihren Söhnen, in dem Götterkriege, zu dem Jupiter über; und seit der Zeit haben ihre Söhne beständig beim Jupiter ihren Sitz.

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G e w a l t und S t ä r k e mußten auf den Befehl des Jupiter den Prometheus zu dem Felsen führen, woran er geschmiedet wurde. Jupiter siegte mit List über die Titanen, indem er die stärksten von ihnen zu seiner Parthei zu ziehen wußte. Die drei Söhne des Titanen K r i u s , Pallas mit der Styx, Perses mit der Asteria der Mutter der Hekate, und Asträus mit der Aurora vermählt, treten in Dunkel zurück, und die folgenden Dichtungen scheinen vorauszusetzen, daß sie in dem Götterkriege, g e g e n den Jupiter gestritten, und mit ihrem Erzeuger und den übrigen Titanen in den Tartarus geschleudert sind. Bei diesen Titanen im Tartarus und bei der furchtbaren Styx, dem unterirdischen Quell, dessen Wasser im nächtlichen Dunkel vom hoch sich wölbenden Felsen träufelt, und den Fluß bildet, über welchen keine Rückkehr statt findet, schwören die Götter den schrecklichen unverletzlichen Schwur, von dessen Banden keine Macht im Himmel und auf Erden befreien kann. Die h o h e n Götter können nur bei dem T i e f e n schwören, wo Nacht und Finsterniß herrscht, wo aber auch zugleich die G r u n d f e s t e der Dinge ist, auf der die Erhaltung des Daseyns aller Wesen beruht. Denn da, wo sich die schwarze Styx ergießt, ist der finstre Tartarus mit eherner Mauer umschlossen, und von d r e i f a c h e r Nacht umgeben. Hier ist es, wo die Titanen im dunkeln Kerker sitzen. Hier sind aber auch zugleich nach der alten Dichtung die G r u n d s ä u l e n der Erde, des Meeres und des gestirnten Himmels. Hier an den entfernten Ufern des Oceans ist auch die unaufhörlich mit schwarzen Wolken bedeckte Wohnung der Nacht; und A t l a s der Sohn des Japet steht davor, mit unermüdetem Haupt und Händen die Last des Himmels tragend. Da, wo Tag und Nacht einander sich stets begegnen, und niemals beisammen wohnen. Hier war es auch, wo Kottus, Gyges, und Briareus in den Tiefen des Oceans ihre Behausung hatten, und den Eingang zu dem Kerker der Titanen bewachten.

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Götterlehre

Mnemosyne. Auch diese schöne Bildung der Phantasie gehört zu den alten Gottheiten; denn sie ist eine Tochter des Himmels und der Erde. Ihr schöner Nahme bezeichnet das D e n k e n d e , sich Z u r ü c k e r i n n e r n d e , welches in ihr aus der Vermählung des Himmels mit der Erde entstand. – Sie blieb jungfräulich unter den Titanen, bis Jupiter sich mit ihr vermählte, und d i e M u s e n mit ihr erzeugte, die den Schatz des Wissens unter sich theilten, den ihre erhabene Mutter vereint besaß.

Themis.

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Auch diese war eine Tochter des Himmels und der Erde, welche Prometheus bei dem tragischen Dichter, der ihn leidend darstellt, seine M u t t e r nennt, die ihm, wie auch die Erde, als eine Gestalt unter vielen Nahmen, die Zukunft weißagte. Wir haben schon bemerkt, daß die alten Götter noch durch Rath und Weißagung Einfluß hat- ten. Die Erde selber war das älteste Orakel, und an diese schloß sich am nächsten die Themis an, welche nach der Ueberschwemmung der Erde, dem Deukalion und der Pyrrha, auf dem Parnaß, den schon angeführten Orakelspruch ertheilte, sie sollten, um das Menschengeschlecht wieder herzustellen, die Gebeine ihrer Mutter mit verhülltem Antlitz hinter sich werfen. Die Themis lehrte den Prometheus in die Zukunft blicken, und da die Titanen in dem Götterkriege seinem Rath nicht folgten, so ging er mit ihr zum Jupiter über, dem er durch klugen Rath die Titanen besiegen half, wofür dieser ihn nachher mit Schmach und Pein belohnte. Mit der Themis aber vermählte sich Jupiter, und erzeugte mit ihr die Eunomia, Dice, und Irene, welche auch Horen genannt wurden; Göttinnen der Eintracht befördernden Gerechtigkeit und Gefährtinnen der Grazien, welche ebenfalls Töchter des Jupiter, Hand in Hand geschlungen, ein schönes Sinnbild wohlwollender Freundschaft sind.

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Themis selber behauptet auch unter den neuen Gottheiten, als die Göttin der G e r e c h t i g k e i t ihren Platz. So wie sie dem Prometheus die Zukunft enthüllte, nahm sie sich auch der Menschen an, die sein Werk waren, und durch die Befolgung ihres Orakelspruchs nach der Deukalio- nischen Ueberschwemmung, aufs neue aus h a r t e n S t e i n e n wieder gebildet wurden. – Auch erwähnen die alten Dichtungen der A s t r ä a einer Tochter der Themis, die von den Schutzgöttinnen der Sterblichen am längsten bei ihnen verweilte, bis sie zuletzt gen Himmel entfloh, da der Frevel der Menschen überhand nahm, und weder G e r e c h t i g k e i t noch S c h e u mehr galt. Weil die Themis dem Jupiter die Zukunft oder den Schluß des Schicksals enthüllte, so läßt eine besondere Dichtung auch die Parzen Lachesis, Klotho und Atropos, die Töchter der alten Nacht, vom Jupiter wieder erzeugt, und von der Themis gebohren werden. Die Parzen sind also in diesen Dichtungen eine doppelte Erscheinung, einmal als Töchter der alten Nacht und als Dienerinnen des Schicksals, über den Jupiter weit erhaben; und dann als Töchter des Jupiter, die n a c h d e m W i l l e n d e s S c h i c k s a l s , seine Rathschlüsse vollziehen. Die d o p p e l t e n E r s c h e i n u n g e n der Göttergestalten, sind in diesem traumähnlichen Gewebe der Phantasie nicht selten; was vor dem Jupiter da war, wird, da der Lauf der Zeiten mit ihm aufs neue beginnt, noch einmal wieder von ihm erzeugt, um seine Macht zu verherrlichen, und ihn zum Va t e r d e r G ö t t e r zu erheben. – Die Dichter haben von jeher das Schwankende in die- sen Dichtungen zu ihrem Vortheil benutzt, und sich ihrer als einer h ö h e r n S p r a c h e bedient, um das Erhabene anzudeuten, was oft vor den trunkenen Sinnen schwebt, und der Gedanke nicht fassen kann.

Pontus. 30

Die Erde erzeugte aus sich selber den Uranos oder den Himmel, der sie umwölbet; die hohen Berge mit ihren waldigten Gipfeln; und den P o n t u s oder das unfruchtbare Meer; hierauf gebahr sie erst, indem

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Götterlehre

sie sich mit dem Himmel vermählte den entfernten grundlosen Ocean. Den P o n t u s oder das m i t t e l l ä n d i s c h e bekannte befahrne Meer, trägt die Erde, so wie die Berge, gleichsam i n i h r e m S c h o o ß e , das heißt in dieser Dichtung, sie hat diese großen Erscheinungen aus sich selbst erzeugt; und aus den aufsteigenden Nebeldünsten hat sie den umwölbenden Luftkreis um sich her gewebt. Da aber, wo der Himmel sich gleichsam mit ihr vermählt, indem seine Wölbung auf ihr zu ruhen scheint, am ä u ß e r s t e n w e s t l i c h e n H o r i z o n t e , wo die Sonne ins Meer sinkt, breitet sich erst in weiten Kreisen der unbekannte unbegrenzte Ocean um sie her, der nach der alten Dichtung, aus der Berührung oder Begattung des Himmels und der Erde gebohren ward. Der Pontus oder das Meer, das die Erde in ihrem Schooße trägt, vermählte sich mit seiner Mutter Erde, und erzeugte mit ihr den sanften N e r e u s , den T h a u m a s , die E u r y b i a , die ein eisernes Herz im Busen trägt, den P h o r k y s und die schöne C e t o .

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Nereus.

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In dem Nereus gab die Dichtung der sanften ruhigen Meeresfläche Persönlichkeit und Bildung. Er ist wahrhaft und milde, und vergißt des Rechts und der Billigkeit nie; liebt Mäßigung und haßt Gewalt. Mit ruhigem Blick schaut er in die Zukunft hin, und sagt die kommenden Schicksale vorher. Ein Dichter aus dem Alterthum führt ihn redend ein, wie er bei W i n d u n d M e e r e s s t i l l e , dem Paris, welcher die Helena aus Griechenland entführt, das Schicksal von Troja vorher verkündigt. Er vermählte sich mit der D o r i s , der schönen Tochter des Ocean; und dieses Götterpaar, sich zärtlich umarmend, und auf den Wellen des Meeres sanft emporgetragen, ist eines der schönsten Bilder der Phantasie aus jenen Zeiten, wo man den großen unübersehbaren Massen so gern Form und Bildung gab. – Nereus, der Gott der ruhigen Meeresfläche, erzeugte mit der D o r i s , der Tochter des Ocean:

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Die Nereiden.

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Ihrer ist eben so wie der Töchter des Ocean eine große Zahl. – Das wüste Meer wurde durch diese Bildungen der Phantasie ein Aufenthalt hoher Wesen, die da, wo Sterbliche ihr Grab finden würden, ihre glänzende Wohnung hatten, und von Zeit zu Zeit sich auf der stillen Meeresfläche zeigten, welches zu reitzenden Dichtungen Anlaß gab. So stieg einst G a l a t e a , eine Tochter des Nereus, aus den Wellen empor, welche der Riese Polyphem erblickte, der sich plötzlich vom Pfeil der Liebe verwundet fühlte, und so oft sie nachher sich zeigte, ihr sein Leid vergeblich klagte. T h e t i s , eine Tochter des Nereus, welche mit der Tethys, einer Tochter des Himmels und Vermählten des Oceans, nicht zu verwechseln ist, wurde, eben so wie die M e t i s , dem Jupiter, der sich mit ihr vermählen wollte, furchtbar, als ihn die Prophezeihung schreckte: sie würde einen Sohn gebähren, der würde mächtiger als sein Vater seyn. Durch die Veranstaltung der Götter wurde sie daher mit dem Könige Peleus vermählt, der den Achill mit ihr erzeugte, welcher mächtiger als sein Vater wurde; denn die Thetis tauchte ihn in den Styx, wodurch er, ausgenommen an der Ferse, woran sie ihn hielt, unverwundbar ward, aber auch gerade an dieser einzigen verwundbaren Stelle, in dem Kriege vor Troja, die tödtliche Wunde empfing. Noch sagt die Dichtung, daß diese Thetis einst, da die neuen Götter den Jupiter binden wollten, und der wahrsagende Nereus ihr dieß entdeckte, den hundertärmigen B r i a r e u s aus der Tiefe des Meers hervorrief, der sich neben den Donnerer setzte, worauf es keiner der Götter wagte, die Hand an den Jupiter zu legen. Mit der A m p h i t r i t e , einer Tochter des Nereus, vermählte sich N e p t u n ; sie tritt also unter den neuen Gottheiten majestätisch auf, und wird abgebildet, wie sie gleich dem Gott, dem sie vermählt ist, den mächtigen Dreizack in der Hand hält, und die wilden Fluthen bändigt. Von funfzig Töchtern des Nereus sind die Nahmen aufgezeichnet, allein nur wenige unter ihnen sind in die fernere Geschichte der

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Götter verflochten; die übrigen machen das Gefolge glänzend, wenn Thetis oder Amphitrite aus dem Meer emporsteigt. 73

Thaumas. Das S t a u n e n und die Ve r w u n d e r u n g über die großen Erscheinungen der Natur, ist aus dem Meer erzeugt, und wird, obgleich nur mit wenigen Umrissen, in dem T h a u m a s , einem Sohne des Pontus als persönlich dargestellt. Thaumas vermählt sich mit der E l e k t r a , einer Tochter des Ocean, und erzeugt mit ihr die b e w u n d e r n s w ü r d i g s t e E r s c h e i n u n g , den vielfarbigten Regenbogen, der wegen der S c h n e l l i g k e i t , womit seine Füße die Erde berühren, indeß sein Haupt noch in die Wolken ragt, unter dem Nahmen I r i s , als die B o t i n der Götter dargestellt wird, die in der neuen Göttergeschichte zum öftern handelnd wieder auftritt. T h a u m a s mit der Elektra erzeugte auch die s c h n e l l e n geflügelten H a r p y e n , Aello und Ocypete, den Sterblichen e i n S c h r e c k e n , die, gleich den reißenden Wirbelwinden, dem Meer entsteigen, und unaufhaltsam ihren Raub mit sich hinwegführen.

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Eurybia. Eine Tochter des Pontus, die ein eisernes Herz im Busen trägt, und mit dem Titanen K r i u s sich vermählt, dem sie die starken Söhne, A s t r ä u s , P a l l a s , und P e r s e s gebiehrt; sie ist eine dunkle Erscheinung, die in Nacht zurücktritt.

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Phorkys und die schöne Ceto

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die Erzeugung der Ungeheuer.

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Phorkys, ein Sohn des P o n t u s , erzeugte mit der schönen Ceto, einer Tochter des Pontus: Die G r ä e n : D i n o , P e p h r e d o , und E n y o ; die ewigen alten drei schwanenweißen Jungfrauen, die von ihrer Geburt an g r a u waren, nur einen Zahn und ein Auge hatten, und an den äußersten Grenzen der Erde wohnten, wo die Behausung der Nacht ist, und wo sie nie von der Sonne, noch von dem Lichte des Mondes beschienen wurden. Die G o r g o n e n , Schwestern der Gräen, mit furchtbarem Antlitz und Schlangenhaaren, E u r y a l e , S t h e n o , und M e d u s a . Den D r a c h e n , der an den äußersten Grenzen der Erde die goldenen Aepfel der Hesperiden bewacht. Aus dem Blute der Medusa, da sie vom Perseus enthauptet wurde, sprang C h r y s a o r mit goldnem Schwerdte, und der g e f l ü g e l t e P e g a s u s hervor. Chrysaor vermählte sich mit der Kallirhoe, einer Tochter des Oceans, und erzeugte mit ihr den dreiköpfigten G e r y o n und die E c h i d n a , halb Nymphe mit schwarzen Augen und blühenden Wangen, und halb ein ungeheurer Drache; mit dieser erzeugte Ty p h a o n , ein heulender Sturmwind: Den dreiköpfigten Hund C e r b e r u s ; Den zweiköpfigten Hund O r t h r u s ; Die L e r n ä i s c h e S c h l a n g e ; Die f e u e r s p e i e n d e C h i m ä r a , mit dem Antlitz des Löwen, dem Leib der Ziege, und dem Schweif des Drachen, – und zuletzt gebahr die Echidna, nachdem sie sich mit dem O r t h r u s begattet hatte, Den n e m ä i s c h e n Löwen, und

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Die räthselhafte S p h i n x mit dem jungfräulichen Antlitz und den Löwenklauen. Dieß ist die Nachkommenschaft des Phorkys und der schönen Ceto. – Die Erzeugung der Ungeheuer endigt sich mit der Geburt des G e h e i m n i ß v o l l e n und R ä t h s e l h a f t e n , worin die alten Aussprüche und dunkeln Sagen der Vorzeit gehüllet sind. – Und so wie die Nacht die Mutter des Verborgenen, Unbekannten ist, wie z. B. der Hesperiden, die an den entferntesten Ufern des Oceans die goldnen Aepfel bewahren; so läßt die Phantasie die Ungeheuer, wie z. B. den Drachen, der diese goldene Frucht bewacht, dem M e e r entstammen. Allein diese Ungeheuer entstehen nur, um in der Folge die Tapferkeit und den Muth zu prüfen, und von Götterentstammten Helden besiegt zu werden, die durch kühne Thaten sich den Weg zur Unsterblichkeit bahnen.

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Die Flüsse. Auch den Flüssen gab die Einbildungskraft Persönlichkeit. – Sie gehören als Söhne des Oceans zu den alten Gottheiten, und sind zum Theil in die folgende Göttergeschichte als handelnde Wesen mit verflochten, wie z. B. S k a m a n d e r , A c h e l o u s , P e n e u s , A l p h ä u s , Inachus. Die Bildung der Flußgötter giebt zu schönen Dichtungen Anlaß; der Stammvater eines Volks, z. B. dessen Ursprung nicht weiter zu erforschen ist, heißt der Sohn des Flusses, an welchem seine Nachkommen wohnen. Durch diese Dichtungen knüpfte die leblose Natur sich näher an die Menschen an, und man dachte sich gleichsam näher mit ihr v e r w a n d t .

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Proteus.

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Ein Sohn des Oceans und der Tethys; der Hüter der Meerkälber; welcher gleich der geheim- nißvollen Natur, die unter tausend abwechselnden Gestalten den forschenden Blicken der Sterblichen entschlüpft, sich in Feuer und Wasser, Thier und Pflanze verwandeln konnte, und nur denen, die unter jeder Verwandelung ihn mit starken Armen fest hielten, zuletzt in seiner eigenen Gestalt erschien, und ihnen das Wa h r e entdeckte.

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Chiron. 10

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Schon Saturnus pflog einer verstohlnen Liebe mit der P h i l y r a , einer Tochter des Flußgottes Asopus. Indem er sich mit ihr begattete, verwandelte er sich, um die eifersüchtigen Blicke der R h e a zu täuschen, in ein Pferd, und erzeugte mit der Philyra den Chiron, der halb Mensch halb Pferd, dennoch Schätze hoher Weisheit in sich schloß, und in der Folge der Erzieher von Königen und Helden ward, die ihm ihre Tugenden und ihre Bildung dankten.

Atlas.

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Unter den Nachkommen der Titanen ist Atlas einer von den großen Göttergestalten, die in die Folge der fabelhaften Geschichte zum öftern wieder verflochten werden: Jupiter vermählte sich mit seiner Tochter der M a j a , und erzeugte mit ihr den M e r k u r , welcher daher ein Enkel des Atlas heißt.

Nemesis. 25

Sie ist, wie die Parzen, eine Tochter der Nacht; sie hemmet Stolz und Uebermuth, straft und belohnt nach gerechtem M a a ß , und ahndet verborgnen Frevel. Sie gehört unter den alten Gottheiten zu den hohen geheimnißvollen Wesen, die von Göttern und Menschen mit

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Ehrfurcht betrachtet werden. Und unter den neuen Göttern behauptet sie bleibend und herrschend ihren Platz.

Prometheus. Der We i s e s t e unter den Titanen, dessen schöpferischer Genius die Menschen bildete, hat, wie die meisten alten Gottheiten, nur noch durch Weißagung und Rath in die Folge der Göttergeschichte Einfluß; seine große Erscheinung tritt in Nebel zurück.

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Jupiter, der Vater der Götter.

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In der Darstellung der alten Götter spielt die Phantasie der Dichter mit lauter großen Bildern. – Es sind die großen Erscheinungen der Natur; der Himmel und die Erde, das Meer, die Morgenröthe, die Macht der sich empörenden Elemente unter dem Bilde der Titanen, die strahlende Sonne und der leuchtende Mond, welche alle nur mit w e n i g e n Z ü g e n , als persönliche Wesen dargestellt, in Reihe und Glied mit stehen, und mehr Stoff für die Dichtkunst als für die bildende Kunst darbieten. Aus dem Nebel dieser Erscheinungen treten die neuen Göttergestalten in Sonnenglanz hervor. – Der mächtige Donnergott mit dem Adler zu seinen Füßen; Neptun, der Erderschütterer, mit dem mächtigen Dreizack; die majestätische Juno; der ewig junge Apoll mit dem silbernen Bogen; die blauäugigte Minerva mit Helm und Spieß; die goldne Aphrodite; die jungfräuliche Diana mit Köcher und Bogen; der eherne Kriegsgott, Mars; Merkur, der schnelle Götterbote. – Auf den Jupiter selber fällt der höchste Glanz zurück; denn er ist der E r z e u g e r der strahlenden Gestalten, die in j u g e n d l i c h e r S c h ö n h e i t neu hervorgehen. – Neptun und Pluto, Juno, Vesta und die befruchtende Ceres sind unter den neuen Göttern mit ihm zu-

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gleich vom Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren; vom Jupiter selber ist die größre Zahl der neuen Götter entsprossen. Unter den alten Gottheiten erzeugte Jupiter schon: Mit der M e t i s , einer Tochter des Oceans, die Minerva; Mit der M n e m o s y n e , einer Tochter des Himmels, die Musen; Mit der T h e m i s , einer Tochter des Himmels, die Göttinnen der Eintracht und Gerechtigkeit; Mit der E u r y n o m e , einer Tochter des Oceans, die Grazien; Mit der L a t o n a , einer Tochter des Cöus und der Phöbe, den Apoll und die Diana; Mit der M a j a , einer Tochter des Atlas, den Merkur. Allein alle diese hohen Göttinnen und erhabnen Mütter himmlischer Wesen, treten dennoch in Schatten zurück, gegen die herrschende J u n o , die vor allen das Recht behauptet, die Vermählte des Donnergottes zu seyn, und deren E i f e r s u c h t dem Jupiter, nachdem er schon lange die Titanen besiegt, und die Giganten überwunden hat, noch oft den Glanz seiner Göttermacht verleidet. In die G ö t t e r e h e des Jupiter und der Juno trug die Dichtung auch die menschlichen Verhältnisse hinüber, welche nach den Begriffen einer G o t t h e i t d e s Ve r s t a n d e s freilich thöricht und lächerlich waren, aber nicht nach dem Begriff einer G o t t h e i t d e r P h a n t a s i e , deren nachahmende Bildungskraft sich eben sowohl ihre Götter nach dem Bilde der Menschen, als ihre Menschen nach dem Bilde der Götter schuf, leise ahndend, daß die Menschheit beides in sich vereinigt. In diesem Sinne ist Juno auch d i e G ö t t i n d e r E h e , und gebahr dem Jupiter die L u c i n a oder I l i t h y a , welche den Schwangern bei ihrer Entbindung beisteht. Mit ihr erzeugte Jupiter auch die H e b e , oder die Göttin der Jugend, ein Sinnbild der Fortpflanzung, wodurch die Gattung immer neu gebohren, in ewiger Jugend sich erhält. Diese Göttin ist dereinst dem Herkules, wenn er durch große und schöne Thaten sich die Unsterblichkeit erworben, zum Lohn der Tugend und Tapferkeit bestimmt.

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Juno gebahr aber auch dem Jupiter den unversöhnlichen M a r s , den schrecklichen Kriegesgott, auf welchen Jupiter oftmals zürnte, und ihn vom Himmel zu schleudern drohte, aber seiner schonte, weil er sein eigener Sohn war. Den Vu l k a n gebahr die Juno ohne Begattung, dem Jupiter zum Trotz, weil dieser die Minerva aus seinem Haupte gebohren hatte. – Es sind die beiden b i l d e n d e n G o t t h e i t e n , in deren Hervorbringung Jupiter und Juno wetteifern. – Was nun aber die Entwickelung des Hohen und Göttlichen verhindert und erschwert, das ist bei den Erzeugungen des Jupiter

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Die Eifersucht der Juno.

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Eben so wie Jupiter, da er kaum gebohren war, nur mit Mühe vor den Nachstellungen der verfolgenden zerstörenden Macht gerettet werden konnte, und seine Wächter um seine Lagerstatt ein wildes Getöse erheben mußten, damit Saturnus die Stimme des w e i n e n d e n K i n d e s nicht vernehmen möchte; So suchte auch die Tochter des Saturnus, das neugebildete Hohe und Göttliche, wo möglich, in seinem Keime zu zerstören, und seine Geburt mit furchtbarer Macht zu hindern, damit es nie das Licht des Tages erblicken möchte. Als die s a n f t e L a t o n a den Apollo und die Diana, dem Jupiter gebähren sollte, so ließ Juno sie durch einen Drachen verfolgen, u n d beschwur die Erde, ihr keinen Platz zur Entbindung zu v e r g ö n n e n . – Die Insel D e l o s war, als ein schwimmendes Eiland, das keine bleibende Stätte hatte, nicht mit unter dem Schwur begriffen; hier fand Latona erst, wo ihr Fuß ruhen konnte. Dieses Eiland war es, wo sie zwischen einem Oehlbaum und Palmbaum zuerst die Diana und dann den Apollo gebahr. Da S e m e l e , die Tochter des Kadmus in Theben, vom Jupiter den Bachus gebähren sollte, so wußte Juno, unter der Gestalt ihrer Amme, sie mit schwarzem Trug zu überreden, sie solle den Jupiter schwören lassen, er wolle ihr eben so erscheinen, als wenn er der Juno Bett

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bestiege; Jupiter erschien ihr in der Gestalt des Donnergottes, und Semele ward ein Raub der Flammen; den jungen Bachus rettete Jupiter und verbarg ihn in seine Hüfte. Und als nachher Alkmene vom H e r k u l e s , dem Sohne des Jupiter, entbunden werden sollte, so setzte sich Juno vor der Thür des Hauses auf einem Steine nieder, mit beiden Händen ihre Knie umschlungen , und machte auf die Weise der Mutter des Herkules die Entbindung schwer. Den Herkules selbst verfolgte sie von seiner Kindheit an, wodurch sein Heldenmuth geprüft, seine Brust gestählt, und ihm der Weg zur Unsterblichkeit und zum Sitz der Götter gebahnet wurde. Von der Eifersucht der Juno ist, nach einer wohlerfundenen Dichtung, selbst ein Gestirn am Himmel ein unauslöschliches Zeichen. Sie verwandelte nemlich die vom Jupiter geliebte Nymphe Kallisto in eine Bärin, die nachher von ihm unter die Sterne versetzt ward. Da bat die Juno den Ocean, er möchte diese neue glänzende Gestalt am Himmel nicht in seinen Schooß aufnehmen – und dieß Gestirn geht niemals unter. Die Eifersucht der Juno haucht diesen Dichtungen Leben ein, so wie die Winde das stille Meer aufregen. Auch ist diese Eifersucht an sich selbst e r h a b e n , weil sie nicht ohnmächtig, sondern mit Götterkraft und Hoheit verknüpft, den Gott des Donners selber auf dem höchsten Gipfel seiner Macht b e s c h r ä n k t .

Vesta, 25

Die den Erdkreis mit heiliger Gluth belebt, ist selbst unter den neuen Göttern ein geheimnißvolles Wesen; sie blieb jungfräulich unter den Töchtern des Saturnus und der Rhea, und der keusche Schleier hüllt ihre Bildung ein. –

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Ceres. Mit ihr, der alles befruchtenden und alles ernährenden Göttin, die vom Saturnus erzeugt, und aus dem Schooß der Rhea gebohren ward, erzeugte Jupiter die jungfräuliche P r o s e r p i n a , die, vom Pluto entführt, in der Unterwelt die Königin der Schatten ward. Pluto und Proserpina sind also unter den n e u e n G ö t t e r n die Beherrscher des Orkus oder der Schattenwelt. – Der Ta r t a r u s ist eine der größren Erscheinungen aus dem Zeitraume der a l t e n G ö t t e r ; – er ist, t i e f u n t e r d e m O r k u s , mit eherner Mauer umgeben, und dreifacher Nacht umgossen, der Aufenthalt der T i t a n e n , die ewiges Dunkel gefangen hält. Diese sind nun besiegt, und Jupiter, Neptun, und Pluto haben sich in die Herrschaft über Erde, Meer, und Luft getheilt. – Das Chaos hat sich gebildet; – die Elemente haben sich gesondert; – aber des Himmels Glanz umgiebt den herrschenden

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Jupiter.

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Er hat auf dem Olymp den höchsten Sitz; – er winket mit den Augenbraunen, und der Olymp erbebt; – er ist das umgebende Ganze selber; – vor ihm beugt sich der Erdkreis; er lächelt, und der ganze Himmel heitert mit einemmal sich auf. – Mit seiner Macht und Hoheit vereint sich die ganze F ü l l e d e r J u g e n d k r a f t , welche durch nichts gehemmt ist. – Der Himmel faßt die Fülle seines Wesens nicht. – Um seine Götterkraft in manchem H e l d e n s t a m m e auf Erden fortzupflanzen, richtete er auf die Töchter der Sterblichen seine Blicke; und damit sie Semelens Schicksal nicht erführen, hüllte der Allesdurchwebende in täuschende Gestalten seine Gottheit ein. Von seinem hohen Sitze senkte er sich, in dem g o l d n e n R e g e n , in Danaens Schooß hernieder, und erzeugte mit ihr den tapfern P e r s e u s , der die Ungeheuer mit mächtigem Arm besiegte.

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Mit dem majestätischen S c h w a n e n h a l s e schmiegte er sich an L e d a s Busen, und sie gebahr den edelmüthigen P o l l u x , und die göttliche H e l e n a , das schönste Weib auf Erden, aus Jupiters Umarmung. In der Kraft des m u t h i g e n S t i e r s , lud er mit sanftem Blick, die jungfräuliche Europa auf seinen Rücken ein, und trug sie durch die Meeresfluthen an Kretas Ufer, wo er den M i n o s mit ihr erzeugte, der den Völkern Gesetze gab, und über sie mit Macht und Weisheit herrschte. Auch die T h i e r g e s t a l t e n sind in diesen Dichtungen heilig, wo man unter dem Bilde der Gott- heit die g a n z e N a t u r verehrte, und nichts Unedles in der Vorstellung lag, den höchsten unter den Göttern in irgend einer der Gestalten der allumfassenden Natur sich verhüllt zu denken. Daß nun eine widerstrebende, eifersüchtige, und d o c h a u c h e r h a b e n e M a c h t die höchste Macht zu beschränken, und ihre Plane zu vereiteln sucht; daß Jupiters v e r s t o h l n e n U m a r m u n g e n die tapfern Söhne entstammen, ist ganz in dem Geiste dieser Dichtungen, wo alles Schöne und Starke, was sich entwickeln und bilden soll, mit Widerstand und Schwierigkeiten kämpfen, und manche Noth und Gefahr bestehen muß, bis sein Werth erprobt ist. Von nun ist die Göttergeschichte in die Geschichte der Menschen verflochten und verwebt. – Die Götterkriege haben nun aufgehört, und was die seeligen Götter noch b e s c h ä f t i g t , das sind die Schicksale der Sterblichen, mit denen ihre Macht, den einen hebend und den andern stürzend zum öftern gern ihr Spiel treibt; – zum öftern aber auch der hohen Heldentugend und Tapferkeit sich annimmt; zuerst am Kampf des Helden sich ergötzt, und dann mit Unsterblichkeit den Sieger lohnt. – Nun ist es aber das Verhältniß des Donnergottes zu der hohen Juno, worin die Ve r w i c k e - l u n g dieser Geschichten größtentheils sich gründet. Ihre verfolgende Eifersucht ist es, die den Helden ihre schwere Laufbahn vorschreibt. – So bildet sich das Gewebe dieser Dichtungen aus einem erhabenen Punkte, und knüpft sich immer wieder an die Majestät der herrschenden Gottheit an.

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Die neue Bildung des

Menschengeschlechts.

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Nachdem das Menschengeschlecht nun einmal da war, so schien es unvertilgbar zu seyn. – Jupiter schickte vergeblich seine Sündfluth; – es wuchs aus Kieselsteinen, und keimte aus Drachenzähnen wieder auf. – Dem Schlamm der feuchten Erde entsproßten Menschen, und Menschen entstammten den Eichen des Waldes, der ihnen Nahrung gab. Allein das goldene Zeitalter war entflohen, und noch waren die Künste nicht erfunden, die das harte Leben der Menschen sanft und erträglich machen. – Des Feuers beraubt, war dieß Geschlecht nun das unseeligste unter allen, und mußte durch manche Noth sein unverschuldetes Daseyn büßen. – Bis selbst, durch diese Noth gedrungen, der langverborgene Götterfunken sich endlich in den Tiefgesunkenen wieder regte, und sie a u s e i g e n e r K r a f t nun wurden, wozu kein Gott sie bilden konnte; indem sie jedes Gut, mit unverdrossenem Fleiß, sich selbst verschaften, dessen Besitz sie nun der Wohlthat keines Gottes mehr verdankten. Als Hasser des Prometheus und der Titanen Feind, suchte Jupiter durch die Beraubung des Feuers, die Menschen zu verderben. – Aber als die über ihren eigenen Zorn erhabene , ruhige, mit dem Schicksal einverstandene Macht, sahe er aus der Unterdrückung, die sein eigenes Werk war, ein neues Geschlecht hervorgehen, das durch Ausharren, Kraft, und Duldung, den Göttern ähnlich ward. – So stellt ein Dichter aus dem Alterthum in folgenden Zeilen, den Jupiter nicht als den Hasser, sondern als den Wohlthäter und Va t e r d e r M e n s c h e n dar. Selbst der Vater beschied dem Feldbau Müh, und bestellt’ ihn Erst durch Kunst, mit Sorgen den Geist der Sterblichen schärfend;

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Daß nicht starrte sein Reich in des Schlummers dumpfer Betäubung.

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Nie vor Jupiter bauten das Fruchtfeld ackernde Pflüger; Weder Mal noch Theilung durchschnitt die gemeinsamen Fluren: Alle suchten für alle; ja selbst die Erde, da niemand Forderte, trug unsklavisch und gern. Doch Jupiters Rathschluß Gab ihr tödtendes Gift der schwarz aufschwellenden Natter, Sandte die hungrigen Wölfe zum Raub’ und regte das Meer auf, Schüttelt’ ihr Honig den Bäumen herab, und entrückte das Feuer, Hieß auch stocken den Wein, der in schlängelnden Bächen umherfloß; Daß der Gebrauch allmälig die mancherlei Künste mit regen Sinnen erzwäng’ und den nährenden Halm in Furchen erzeugte, Auch das verborgene Feuer entschlüg’ aus den Adern des Kiesels. Jetzo führte zuerst der Strom die gehöhleten Erlen; Jetzo gab dem Gestirne der Steuerer Zahlen und Nahmen, Merkend Plejad’ und die leuchtende Bärin Lykaons. Jetzo laurte die Schling’ im Gesträuch, und die Rute voll zähes Vogelleims; es drohten die Hund’ um den mächtigen Bergwald. Dort nun fuhr in die Tiefe des breiten Stromes das Wurfnetz Rauschend hinab, dort schwebt’ in dem Meer das triefende Zuggarn. Jetzo starrte das Eisen, es klang die knarrende Säge; Denn sonst pflegte der Keil den klüftigen Stamm zu zerspalten; Jetzo kamen die Künst’ und Erfindungen. Alles besieget; Unverdrossener Fleiß, und die Noth des dringenden Mangels. Virgil. Von Vo ß übersetzt.

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Da nun Prometheus in Schatten zurückgewichen ist, und eine neue Menschenerzeugung anhebt, so sind, außer dem Deukalion die Stammväter oder neuen Schöpfer des Menschengeschlechts, mit denen es gleichsam aus der Vergessenheit wieder emporragt: Ogyges, Cekrops und Inachus.

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Götterlehre

Ogyges.

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In die Zeiten des Ogyges fällt eine Ueberschwemmung, die noch älter als die Deukalionische ist. – Der Gesichtskreis schließt sich mit dieser O g y g i s c h e n F l u t h , über welche selbst die fabelhafte Geschichte nicht weiter hinausgeht. Ogyges, welcher die Gegend beherrschte, die in der Folge der Zeit A t t i k a und B ö o t i e n hieß, erzeugte mit der Thebe, einer Tochter des Jupiter, den E l e u s i n u s , der damals schon die Stadt E l e u s i s erbauete, in welcher nachher die Eleusinischen Geheimnisse gestiftet wurden.

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Inachus.

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Auf den Inachus, einen Sohn des Oceans, wird ein großer Theil der ältesten Geschichte zurückgeführt. – Dieser Inachus war ein Strom, der die Fluren von Argolis im Pelopponeß bewässerte. – Die Dichtung gab ihm Persönlichkeit, und machte ihn selber zum Stammvater des Menschengeschlechts, das an seinen Ufern sich ausgebreitet hatte. Sein Sohn P h o r o n e u s lehrte die Menschen den Gebrauch des Feuers wieder, und beredete sie, sich gemeinschaftliche Wohnplätze zu erbauen, da sie vorher zerstreut in Wäldern lebten. – Er war einer der ältesten Wohlthäter des gleichsam wiedergebohrnen Menschengeschlechts. J o , eine Tochter des Inachus, wurde vom Jupiter geliebt und von der Juno verfolgt, in die Gestalt einer Kuh verwandelt, in rasender Wuth auf dem ganzen Erdkreise umhergetrieben, bis sie endlich in Aegypten einen Ruheplatz fand, wo sie göttlich verehrt wurde, und Jupiter den E p a p h u s mit ihr erzeugte. – Von diesem E p a p h u s stammte ein königlich Geschlecht, das lange nachher in Griechenland wieder herrschte, und dessen Recht zur Oberherrschaft auf seinen Ursprung vom a l t e n I n a c h u s sich stützte. Mit der L y b i a , einer Tochter des ägyptischen Königes E p a p h u s , erzeugte Neptun den B e l u s und A g e n o r . –

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A g e n o r herrschte zu Tyrus; K a d m u s , welcher Theben erbauete, u n d d i e e r s t e S c h r i f t n a c h G r i e c h e n l a n d b r a c h t e , war sein Sohn, und die vom Jupiter entführte E u r o p a seine Tochter. – Die Tochter des Kadmus war S e m e l e , die den B a c h u s gebahr. B e l u s , der andere Enkel des E p a p h u s , erzeugte den D a n a u s , und A e g y p t u s . Danaus kam nach Griechenland, und herrschte über A r g o s ; von ihm stammte A k r i s i u s ab, mit dessen Tochter, der D a n a e , Jupiter in einem goldnen Regen sich vermählte, und den Perseus mit ihr erzeugte. A l c ä u s war ein Sohn des P e r s e u s ; und eine Enkelin des Alcäus war A l k m e n e , die Mutter des H e r k u l e s . – Dieß sind die vornehmsten Erzeugungen aus dem von Inachus abgeleiteten Heldenstamme. Weil man nun nicht weiter als bis auf den Inachus, den Stamm der ältesten Könige und Helden zurückzuführen vermochte; so heißt es nachher in der Dichtersprache: du magst vom a l t e n I n a c h u s dein Geschlecht herleiten, so bleibst du doch ein Opfer des unerbittlichen Orkus!

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Cekrops. 20

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Mit ihm bildete sich in der Gegend von A t t i k a ein Geschlecht von Menschen, die er lehrte, in Hütten zusammen zu wohnen; und unter denen er zuerst den E h e s t a n d einführte, weswegen man ihn mit doppeltem Antlitz, einem männlichen und weiblichen gebildet hat. – Aus dem nachmaligen Stamme der atheniensischen Könige, welche vom E r e c h t h e u s die Erechthiden hießen, war T h e s e u s der berühmteste Held. A t h e n wurde nachher die gebildetste unter den Städten Griechenlands, und bis in die älteste fabelhafte Geschichte derselben, ist die Idee von b i l d e n d e r K u n s t die herrschende. – Neptun und Minerva, die auch Pallas A t h e n e heißt, wetteiferten, nach wessen Nahmen die neu sich bildende Stadt benannt werden sollte; Mi- nerva trug den Sieg davon, und nach ihrem Nahmen wurde die Stadt A t h e n genannt.

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Deukalion. Obgleich Deukalion als der eigentliche Wiederhersteller des vertilgten Menschengeschlechts betrachtet wurde; so sehen wir doch, wie ältere Sagen sich an diese Dichtung anschließen, und die neue Menschenschöpfung oder Menschenbildung des Deukalion nur a u f e i n e n T h e i l v o n G r i e c h e n l a n d beschränken. A m p h y k t i o n , ein Sohn des Deukalion, stiftete zuerst eine heilige Verbindung unter mehreren Völkern, die durch g e m e i n s c h a f t l i c h e B e r a t h s c h l a g u n g e n gleichsam zu einem Volke sich vereinigten. – Diese heilige Stiftung wurde lange nachher nach seinem Nahmen die Ve r s a m m l u n g d e r A m p h y k t i o n e n genannt. H e l l e n , der zweite Sohn des Deukalion, herrschte in T h e s s a l i e n , und erzeugte den A e o l u s ; den Stammvater vieler Helden. Die berühmtesten aus dem A e o l i s c h e n Heldenstamme, sind Meleager, Jason, und Bellerophon. Meleager überwand den K a l y d o n i s c h e n E b e r ; Bellerophon besiegte die C h i m ä r a ; und Jason erbeutete das g o l d n e F l i e ß . 97

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Die alten Einwohner von Arkadien. Unter diesen dachte man sich die ä l t e s t e n M e n s c h e n , die schon vor irgend einer Zeitrechnung da waren; welches man in die Dichtung einkleidete, s i e w ä r e n e h e r , a l s d e r M o n d , g e w e s e n . – Auch bei diesem Geschlechte der Menschen artete die ursprüngliche Einfalt und Unschuld der Sitten dergestalt in Laster und Bosheit aus, daß Jupiter einst so lange seine Blitze auf Arkadien fallen ließ, b i s endlich selbst die Erde ihre Arme ausstreckte und ihn um Erbarmung flehte.

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Der Dodonische Wald.

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In C h a o n i e n , einer Gegend von Epirus, war der Dodonische Eichenwald, worin sich ein Orakel des Jupiter befand, und in welchen man auch den Aufenthalt von dem uralten Geschlecht der Menschen versetzte, die noch keine andere Nahrung als E i c h e l n kannten.

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Wir haben schon bemerkt, daß die Phantasie sich eben sowohl i h r e Götter nach dem Bilde der Menschen, als ihre Menschen nach dem Bilde der Götter schuf. – Das U n e n d l i c h e , U n b e g r e n z t e , ohne Gestalt und Form, ist ein untröstlicher Anblick. – D a s G e b i l d e t e s u c h t s i c h a n d e m G e b i l d e t e n f e s t z u h a l t e n . – Und so wie dem Schiffer, der Land erblickt, sein Muth erhöhet, und seine Kraft belebt wird; so ist für die Phantasie der tröstliche Umriß einer Menschenbildung das sichere Steuer, woran sie auf dem Ocean der großen Erscheinungen der Natur sich fest hält. – Dieß Gefühl war bei den Alten vorzüglich lebhaft. – Die unendlichen Massen, die den Menschen umgeben, Himmel, Erd’ und Meer, erhielten in ihrer heitern Imagination Bildung und Form. – Man suchte die Z a r t h e i t des Gebildeten, mit der S t ä r k e des Ungebildeten zu vereinen; und gleich wie in dem hohen aufrechten Körperbau des Menschen, die Festigkeit des Eichenstammes sich mit der Biegsamkeit des zarten Halms verknüpft; so verband sein schöpferischer Genius auch mit der Stärke des tobenden Elements, und mit der Majestät des rollenden Donners, die Züge der r e d e n d e n M e n s c h e n l i p p e , die winkenden Augenbraunen, und das sprechende Auge. –

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Jupiter.

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Die Bildung, welcher die schaffende Phantasie den Donner in die Hand gab, mußte über jede Menschenbildung erhaben, und doch mit ihr harmonisch seyn; weil eine d e n k e n d e Macht bezeichnet werden sollte, die nur durch Züge des redenden Antlitzes ausgedrückt werden kann; und bis zu dem Gipfel hub die bildende Kunst der Griechen, durch ihren Gegenstand selbst geheiligt, sich empor; daß sie menschenähnliche, und doch über die Menschenbildung erhabene Göttergestalten schuf, in welchen alles Z u f ä l l i g e ausgeschlossen, und alle w e s e n t l i c h e n Züge von Macht und Hoheit vereinigt sind. So wie nun aber der Begriff der M a c h t in der Vorstellungsart der Alten von ihren Göttern und Helden fast immer der herrschende ist; so ist auch in ihren erhabensten Götterbildungen der Ausdruck der M a c h t das Ueberwiegende. Jupiters schweres Haupt, aus dem die Weisheit gebohren ward, senkt sich vorwärts über; – es waltet über den Wechsel der Dinge; – es wägt die Umwälzungen. – Doch zieht die ewig heitre Stirn sich nie in s i n n e n d e Falten. Am unbeschränktesten ist die Macht des Donnergottes; – es ist die mindermächtige Juno, die den Jupiter ü b e r l i s t e t ; – und Merkur der Götterbote, der nur die Befehle der höhern Mächte vollzieht, ist der L i s t i g s t e unter den Göttern. Auch stellt die bildende Kunst der Alten den Jupiter am häufigsten dar, wie er gleichsam in seiner ganzen Macht sich fühlt, und dieser Macht sich freut. – So ist er auf der hier beigefügten Kupfertafel, nach dem Abdrucke einer antiken Gemme in der Lippertschen Daktyliothek, sitzend abgebildet, den Donner in der Rechten, den Zepter in der Linken, und den Adler zu seinen Füßen. Auf eben dieser Kupfertafel befindet sich noch, ebenfalls aus der Lippertschen Daktyliothek, der Umriß einer Büste des Jupiter, mit dem Mantel bekleidet, und mit der königlichen Binde um das Haupt; daneben ein Jupiterskopf mit Widderhörnern; und unten zur Gegeneinanderstellung, ein geschleierter Saturnuskopf, mit einer Kugel auf

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demselben, und einem sichelähnlichen Zepter, der im Nacken hervorragt. Der Kopf mit Widderhörnern bezeichnet den Jupiter A m m o n , der in L y b i e n , wo er Orakelsprüche ertheilte, unter dieser Gestalt verehrt wurde. Und in dieser Bildung tritt selbst Jupiter unter die a l t e n G ö t t e r g e s t a l t e n zurück, wo er, nicht mit dem Donner bewafnet, n u r w e i ß a g e n d seine Gottheit offenbart, obgleich die bildende Kunst der Alten auch in diese Darstellung den Ausdruck der Macht des Donnergottes zum Theil übertragen hat. In dem geschleierten Saturnuskopf aber tritt eine alte in Schatten zurückgewichene Göttergestalt im Gegensatz gegen die n e u e h e r r s c h e n d e auf. – Es ist der seines alten Reichs entsetzte Erzeuger des Jupiter; den aber die Sterblichen noch immer, als den Stifter des goldnen Zeitalters, unter einer s a n f t e r n u n d m i l d e r n Gestalt verehrten. Bart und Haupthaar sind beim Jupiter bezeichnend in Ansehung der inwohnenden Kraft und jugendlichen Stärke, welche in den dichtgekräuselten Locken sich zusammendrängt. »Er winket mit den schwarzen Augenbraunen; – er schüttelt die ambrosischen Locken auf seinem unsterblichen Haupte, – und der Olymp erbebt. –« Bei dem ältesten Dichter spricht Jupiter selber, indem er den übrigen Göttern drohet, auf folgende Weise, die Macht seines Wesens aus: Eine goldne Kette will ich aus meiner Hand vom Himmel zur Erde senken; versucht es, all’ ihr Götter und Göttinnen, und hängt das Gewicht eurer ganzen vereinten Macht an diese Kette; es wird euch nicht gelingen, den höchsten Jupiter vom Himmel zur Erde herabzuziehen; dieser aber wird die Kette, mit leichter Hand, u n d m i t i h r E r d’ u n d M e e r g e n H i m m e l h e b e n , u n d s i e a n s e i n e m h o h e n S i t z b e f e s t i g e n , d a ß d i e We l t a n i h r s c h w e b e n d hängt. Hieraus erhellet deutlich, daß man sich zu dem erhabensten Begriff vom Jupiter das u m g e b e n d e G a n z e selber als Urbild dachte.

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– Da sich nun in dem Begriff dieser Umgebung a l l e s veredelt; was Wunder denn, daß man die Helden, deren Erzeuger man nicht wußte, Söhne des Jupiter nannte, der in täuschenden Verwandlungen sie mit ihren Müttern erzeugte. – Denn mit dieser Gottheit, die das Spielende und Zarte, so wie das Majestätische und Hohe in sich vereinte, und selber sich in tausend Gestalten hüllte, konnte die Phantasie noch frei in kühnen Bildern scherzen; sie durfte sich mit an die goldne Kette hängen, den Jupiter vom Himmel herab zu ziehen; so wurde sie selber zum Himmel empor gezogen. – Und hier ist es, wo demohngeachtet die Gottheit über die Menschheit, selbst in diesen Dichtungen, überschwenglich sich emporhebt. – In den folgenden Zeilen hat ein neuer Dichter diesen Abstand ganz im Geiste der Alten besungen:

Gränzen der Menschheit. Wenn der uralte, Heilige Vater Mit gelassener Hand Aus rollenden Wolken Segnende Blitze Ueber die Erde sä’t, Küß’ ich den letzten Saum seines Kleides, Kindliche Schauer, Treu in der Brust. Denn mit Göttern Soll sich nicht messen Irgend ein Mensch. Hebt er sich aufwärts,

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Und berührt Mit dem Scheitel die Sterne, Nirgends haften dann Die unsichern Sohlen, Und mit ihm spielen Wolken und Winde. Steht er mit festen, Markigen Knochen Auf der wohlgegründeten, Dauernden Erde; Reicht er nicht auf, Nur mit der Eiche Oder der Rebe Sich zu vergleichen. Was unterscheidet Götter von Menschen? Daß viele Wellen Vor jenen wandeln, Ein ewiger Strom: Uns hebt die Welle, Verschlingt die Welle, Und wir versinken. Ein kleiner Ring Begränzt unser Leben, Und viele Geschlechter Reihen sich dauernd An ihres Daseyns Unendliche Kette. Göthe.

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Nichts Höheres aber konnte man sich denken, als den umwölbenden A e t h e r , in welchem alle Bildungen und Gestalten ruhen; dieser war daher auch Jupiters höchstes Urbild. – So sang ein Dichter aus dem Alterthum: D u s i e h s t d e n e r h a b e n e n u n g e m e s s e n e n A e t h e r , d e r m i t s a n f t e r U m g e b u n g d i e E r d’ u m f a ß t ; d e n sollst du für die höchste Gottheit, du sollst für Jupiter ihn halten!

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Unter der Juno dachte man sich das Erhabne mit der Macht vereinte Schöne. – Der Juno hohes Urbild war der L u f t k r e i s , w e l c h e r d i e E r d e u m g i e b t ; dieser v e r m ä h l t e sich mit dem ewigen Aether, der auf ihm ruht. – In der vom Glanz der Sonne durchschimmerten Atmosphäre bildet sich der vielfarbigte Regenbogen. Dieser ist wiederum das Urbild der schnellen Götterbotin, welche die Befehle der Juno vollzieht. Es ist die glänzende I r i s , eine Tochter des Thaumas, welche, wenn sie in den Wolken steht, die Gegenwart der hohen Himmelskönigin verkündigt. Der Regenbogen spiegelt den majestätischen Schweif der P f a u e n , die den Wagen der Juno i n d e n Wo l k e n ziehn. – Alles ist übereinstim- mend in dieser schönen Dichtung; die Harmonie des Ganzen wird durch kein einziges Bild gestört. Die erhabene Juno heißt die h e r r s c h e n d e , g r o ß ä u g i g t e , w e i ß a r m i g t e ; – es ist nicht sanfter Reitz der Augen, der ihre Bildung zeichnet; sondern Ehrfurcht einprägende Größe – und von dem übrigen Umriß dieser Göttergestalt berührt die Dichtkunst nur die Schönheit des m ä c h t i g e n A r m s . So wie nun aber gleich den Stürmen, die das Meer aufregen, die E i f e r s u c h t der Juno den Dichtungen Leben einhaucht; so sind ihr Urbild auch die tobenden Elemente, wovon das ganze Spiel der menschlichen Leidenschaften im Kleinen ein Abdruck ist.

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Die Elemente sind im Streit; sie zürnen in Ungewittern, verdrängen und unterdrücken einander; berauben und rächen sich. – Der Felsen kracht im tobenden Meere, und unter dem Windstoß heult die Welle. – Dieß alles aber beschränkt sich nur auf die niedre Atmosphäre. U e b e r dieser ist alles bleibend und regelmäßig. – A l l e s h a t R a u m g e n u g ; – im stillen Aether vollenden die Weltkörper ihre Bahnen, und nichts verdrängt, nichts hemmt das andre. – Krieg und Empörung sind erst da, wo das ungemessene Ganze sich in die kleinern Punkte zusammendrängt, wo es sich aneinanderreibt, stößt und lebendig wird. – Da ist die immerwährende Werkstatt der Bildung und Zerstörung; aber auch der Sitz der Wehklage, des Zorns, des Jammers. – Da muß Hektor fallen; – Hekuba muß ihr Haar zerraufen, – und Troja ein Raub der Flammen werden. – Aber der Gipfel des hohen Olymp ragt über die Wolken in den umwölbenden Aether empor. – Dahin versetzt die Einbildungskraft den Wohnsitz der s e e l i g e n G ö t t e r , die, selbst über Sorgen und Ungemach erhaben, bei frohem Saitenspiel, den süßen Nektar schlürfen, und lächeln, daß sie der mühebeladenen Sterblichen wegen sich entzweien konnten. So knüpft die Phantasie die menschenähnliche Gestalt der Götter beständig wieder an ihr himmlisches Urbild an. – Der Schwan in Ledas Schooße umwölbt im blauen Aether Erde, Meer, und Luft. – Juno, die Königin, umströmt den Erdkreis in dem zarten durchsichtigen Nebeldunste, worin der Regenbogen mit glänzenden Farben spielt. – Als Juno sich einst empörte, hing Jupiter in dem Luftkreise, den sie selbst beherrschte, schwere Amboße an ihre Füße. – Das Hohe und Erhabene mußte die S c h m a c h d e s N i e d e r z i e h e n s dulden – und alle Himmlische trauerten bei dem Anblick. – Da wir nichts Uebermenschliches k e n n e n , so konnte mit den erhabenen aus der Natur genommenen Bildern auch nur das Menschliche sich verknüpfen. – Es ist daher als ob die Menschheit selber in diesen Dichtungen sich näher mit der großen Natur verwebte, und sich in süßen Träumen an sie anschmiegt.

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J u n o bezeichnet nun in einer höhern Sprache die hohe Gebietende, über den sanften Liebreitz selbst erhabene Schönheit. – Als Juno den Jupiter mit Liebreitz fesseln wollte, so mußte sie erst den Gürtel der Venus leihen, deren sanftere Schönheit schon vorher den Preis davon trug, als der Hirt auf Idas Gipfel den kühnen entscheidenden Ausspruch that. Da nun Juno sich schmückt, dem Jupiter zu gefallen, so ordnet sie, in ihrem Schlafgemach, ihr glänzendes Haar in Locken; sie salbet sich mit dem Oehle der Götter, wovon der Wohlgeruch, sobald es nur geregt wird, vom Himmel bis zur Erde sich verbreitet. Sie zieht ihr göttliches Kleid an, das von der Minerva selbst gewebt ist, und hakt es auf der Brust mit goldenen Haken zu. – Sie umgürtet sich mit ihrem Gürtel, und bindet an ihre Füße die glänzenden Schuhe; den Gürtel der Venus aber verbirgt sie in ihrem Busen. – So vollendet sich diese schöne Dichtung, indem sie von ihrem hohen Urbilde allmälig niedersteigt, und bei der Darstellung der Königin des Himmels, auch nicht den k l e i n s t e n w e i b l i c h e n S c h m u c k vergißt. – Auf der hier beigefügten Kupfertafel befindet sich im Umriß, nach antiken geschnittenen Steinen aus der Lippertschen Daktyliothek, außer einem Kopf der Juno, noch eine Abbildung von ihr, wo sie der bildende Künstler, s i t z e n d a u f J u p i t e r s A d l e r , den Zepter in der Hand, und einen Schleier über sich schwebend haltend, ihr Haupt mit Sternen umgeben, gleichsam auf dem Gipfel ihrer Hoheit, darstellt.

Apollo. Das erste Urbild des Apollo ist der S o n n e n s t r a h l i n e w i g e m J u g e n d g l a n z e . – Den hüllt die Menschenbildung in sich ein, und hebt mit ihm zum Ideal der Schönheit sich empor, wo der Ausdruck der z e r s t ö r e n d e n M a c h t selbst in die Harmonie der jugendlichen Züge sich verliert. – Die hohe Bildung des Apollo stellt die ewig junge Menschheit in sich dar, die gleich den Blättern auf den immergrünenden Bäumen;

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nur durch den a l l m ä l i g e n A b f a l l u n d Z e r s t ö r u n g d e s Ve r w e l k t e n , sich in ihrer immerwährenden Blüthe, und frischen Farbe erhält. Der Gott der Schönheit und Jugend, den Saitenspiel und Gesang erfreut, trägt auch den Köcher auf seiner Schulter, spannt den silbernen Bogen, und sendet zürnend seine Pfeile, daß sie verderbliche Seuchen bringen, oder er tödtet auch mit s a n f t e m G e s c h o ß die Menschen. Unter den Dichtungen der Alten ist diese eine der erhabensten und liebenswürdigsten, weil sie selbst den Begriff der Zerstörung, ohne davor zurückzubeben, in den Begriff der Jugend und Schönheit wieder auflößt, und auf diese Weise dem g a n z E n t g e g e n g e s e t z t e n dennoch einen harmonischen Einklang giebt. Daher scheint auch die bildende Kunst der Alten in der schönsten Darstellung vom Apollo, die unsre Zeiten noch besitzen, ein Ideal von Schönheit erreicht zu haben, die alles Uebrige in sich faßt, und deren Anblick, wegen des unendlich Mannichfaltigen, was sie in sich begreift, die Seele mit Staunen erfüllt. Apollo und Diana sind die verschwisterten Todesgötter, – sie theilen sich in die Gattung: – Jener nimmt sich den M a n n , und diese das We i b zum Ziele; und wen das A l t e r beschleicht, den tödten sie mit s a n f t e m P f e i l ; damit die G a t t u n g sich in ewiger Jugend erhalte, während daß Bildung und Zerstörung immer gleichen Schritt hält. Gleich den vom Vater der Götter gesandten Tauben, die vor der gefahrvollen Scylla vorbeifliegend, beständig eine aus ihrer Mitte verlieren, die vom Jupiter sogleich ersetzt wird, d a m i t d i e Z a h l v o l l b l e i b e ; macht auch ein Menschengeschlecht u n m e r k l i c h dem andern Platz, und wer von Alter und Schwachheit übermannt, entschlummert, den hat in der Dichtersprache Diana oder Apollo mit sanftem Pfeil getödtet. Daß dieß die Vorstellungsart der Alten war, erhellet aus ihrer Sprache. – Das kleine glückliche Eiland, wo ich gebohren bin, erzählt der Hirt Eumäus dem Ulysses, liegt unter einem gesunden wohlthätigen Himmelsstrich; k e i n e v e r h a ß t e K r a n k h e i t raft da die Men-

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schen hin; sondern wenn nun das Alter da ist, so kommen Diana und Apoll mit ihrem silbernen Bogen, und tödten die Menschen mit ihrem s a n f t e n P f e i l . – Wenn Ulysses in der Unterwelt den Schatten seiner Mutter frägt, wie sie gestorben sey; so giebt sie ihm zur Antwort: mich hat nicht Dianens s a n f t e r Pfeil getödtet, auch hat mich k e i n e K r a n k h e i t dahin geraft; sondern mein Verlangen nach dir, und mein Kummer um dich, mein Sohn, haben mich des süssen Lebens beraubt. Wenn aber der Gott mit dem silbernen Bogen auf das Heer der Griechen zürnend, eine Pest in ihr Lager schickt, die plötzlich Mann auf Mann dahin raft, das unaufhörlich die Scheiterhaufen der Verstorbenen lodern; so schreitet er wie die Nacht einher, spannt den silbernen Bogen, und sendet die v e r d e r b l i c h e n P f e i l e in das Lager der Griechen. Allein der jugendliche Gott des Todes zürnt nicht immer; der, dessen Pfeil verwundet, heilt auch wieder; – er selbst wird unter dem Nahmen der H e i l e n d e mit einer Hand voll Kräuter abgebildet; – auch zeugte er den sanften A e s k u l a p , der Mittel für jeden Schmerz und jede Krankheit wußte; und selbst durch seine Kunst vom Tod’ erretten konnte. Gleichwie nun in den wohlthätigen und verderblichen Sonnenstrahlen, und in der befruchtenden und Verwesung brütenden Sonnenwärme, das Bildende mit dem Zerstörenden sich vereint, so war auch hier das Furchtbare mit dem Sanften in der Göttergestalt verknüpft, die jene Strahlen und jene Wärme, als ihr erhabnes Urbild in sich faßte. Daher giebt diesen Trost ein Dichter aus dem Alterthum, indem er das Gemüth zu sanfter Freud’ aufheitert: »wenn du jetzt trauern mußt, so wird es nicht stets so seyn! N i c h t i m m e r s p a n n t A p o l l o den Bogen, zuweilen weckt er auch aufs neue wieder zum Saitenspiel die schweigende Muse!« Bei allen diesen Dichtungen schimmert das Bild vom H e l i o s durch; – es ist der erfreuende Sonnenstrahl, welcher das Herz zu Saitenspiel und Gesang belebt. – So ehrte Aurora den M e m n o n ,

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ihren früh verstorbenen Sohn, indem seine metallene Gedächtnißsäule in Aegypten, so oft die Strahlen der aufgehenden Sonne sie berührten, mit s a n f t e m K l a n g ertönte. Aber es ist auch der alles entdeckende, alles enthüllende Strahl, der in dem w a h r s a g e n d e n Apollo sich verjüngt. – Eben eine solche verjüngte Erscheinung ist A p o l l o d e r H i r t ; denn nach der alten Dichtung wurden schon die Heerden, die ohne Hirten weiden, v o n der allsehenden Sonne gehütet. Alle diese großen Bilder aber fügen sich in zartere Umrisse, da Apollo vom Jupiter erzeugt, und von der sanften Latona gebohren wird. – er weidet die Heerden des Admet; begeistert die wahrsagende Pythia; und führt die Chöre der Musen an. – Nach seiner Geburt entwickelt sich schnell die in ihm wohnende Götterkraft. Auf D e l o s entwindet er sich dem Schooß der Mutter. – Die hohen Göttinnen Themis, Rhea, Dione und Amphitrite, sind bei seiner Geburt zugegen; – sie wickelten ihn in zarte Windeln; – allein er sog die Brust der Mutter nicht; – ihm reichte Themis Nektar und Ambrosia dar. – Und als ihn nun zum erstenmal die Götterkost genährt, da hielten seine Bande ihn nicht mehr; auf seinen Füßen stand der blühende Götterknabe, und auch das Band der Zunge war gelöst: Die goldne Zitter, sprach er, soll meine Freude seyn, der gekrümmte Bogen meine Lust, und in Orakelsprüchen will ich die dunkle Zukunft prophezeihen. – Und als er dieß gesagt, so schritt er schon als ewig blühender Jüngling majestätisch über die Berge und Inseln einher; er kam zur felsigten Pytho, und stieg von da zum Olymp hinauf, s c h n e l l w i e e i n G e d a n k e , in die Versammlung der übrigen Götter. – Da herrschte auf einmal Gesang und Saitenspiel; die Grazien und die Horen tanzten, und die Musen sangen mit wechselnden Stimmen, die Freuden der seeligen Götter, und d e n K u m m e r d e r M e n s c h e n , d i e k e i n M i t t e l f i n d e n , d e m To d e u n d d e m A l t e r z u e n t g e hen. –

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Als er nun vom Olymp herabstieg, so tödtete er den Drachen P y t h o n , auf dem Fleck, wo künftig seine Orakelsprüche sich über den Erdkreis verbreiten sollten. Den getödteten Drachen ließ d i e S o n n e i n Ve r w e s u n g ü b e r g e h e n ; von dieser Verwesung ward er Python, und Apollo selbst von dieser That der P y t h i s c h e benannt. – Hier stand auf einem hohen Felsen der Tempel des Apollo; und über der Oefnung einer Höhle stand der Dreifuß, auf welchem die Priesterin saß, die auch den Nahmen P y t h i a führte, und durch deren Mund der Gott die Zukunft offenbarte. So ist er auf der hier beigefügten Kupfertafel nach einem antiken geschnittenen Steine, der als ein Meisterwerk der griechischen Kunst berühmt ist, abgebildet, wie er a u f d e m H a u p t e d e r P y t h i a , welche die Opferschaale in der Hand hält, seine Leyer s t i m m t . – Er flößte der Priesterin, die seine Göttersprüche verkündigen sollte, selber die himmlischen Harmonien ein, die ihr den Blick in die Zukunft gaben. Die andre Abbildung des Apollo, ebenfalls nach einer antiken Gemme, stellt ihn dar, auf einen attischen Pfeiler gelehnt; in der Linken den Bogen; die Leyer zu seinen Füßen. – Man sieht in ihm den Gott, den, nach des Dichters Ausdruck, der blitzende Bogen schmückt, der aber auch den Chören der Musen sich zugesellt, und der die zerschellten Glieder durch h e i l e n d e K u n s t erquickt. –

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So wie die hohen Göttergestalten P o n t u s , O c e a n u s , und N e r e u s in Schatten zurückgewichen sind, steigt nun in herrschender Majestät Neptun empor, den mächtigen Dreizack in der Hand, womit er die empörten Wogen ebnet, daß auf der stillen Meeresfläche sich sanfte Furchen bilden. Was s c h n e l l s i c h f o r t b e w e g t , ergötzt den Herrscher der Wasserwogen; zu Lande lenkt er R o ß und Wagen; und auf dem Meere sind die schnellen Schiffe seine Lust. – Er schlug die Erde mit seinem Dreizack, da sprang das R o ß hervor. –

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Mit der Medusa erzeugte er den g e f l ü g e l t e n P e g a s u s , der noch aus ihrem Blute hervorsprang, als sie vom Perseus enthauptet ward. – Ceres verwandelte sich in ein Pferd, um seiner Umarmung zu entfliehen, allein er verfolgte sie in ähnlicher Gestalt, und zeugte mit ihr den A r i o n das edelste, mit der Schnelligkeit des Windes begabte Roß, das Könige und Helden trug, und bei den Kampfspielen in Griechenland seinen Reiter abwarf, und selbst für sich den Preis davon trug. Wir sehen in diesen Dichtungen die Thierwelt mit der Götterwelt immer nahe verknüpft. – Das Thier wird als ein hohes Sinnbild der Natur betrachtet, worin die Gottheit selbst sich wieder darstellt. In der ägyptischen Götterlehre hüllte die Gottheit sich in lauter Thiergestalten, welches in einer sinnreichen Dichtung heißt, die Götter wären aus Furcht vor den Giganten nach Aegypten geflohen, und hätten dort sich alle in Thiere verwandelt. Obgleich mit dem Donnergott von einem Vater erzeugt, ist dennoch Neptun, gleich dem Element, das er beherrscht, die untergeordnete Macht. – Da Iris in dem Kriege vor Troja dem Neptun die Drohung des Jupiter überbringt; er möge sich ja mit des Donnerers Macht nicht messen, und ablassen den Griechen beizustehen; so antwortet ihr der Erderschüttrer: »Jupiter sey so mächtig er wolle, so hat er doch sehr stolz geredet! sind wir nicht alle drei vom Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren? ist nicht unter uns das Reich getheilt? Er mag seine Söhne und Töchter, aber nicht mich mit solchen Worten schrecken!« – Iris stellt ihm vor: » d e n ä l t e r n B r u d e r s c h ü t z t d i e M a c h t d e r E r y n n e n ! « Und Neptun giebt dem Donnrer nach, und sagt die sanften Worte: »Du hast sehr wohl gesprochen, o Göttin, und es ist gut, wenn auch ein Bote das Nützliche weiß.« Das Urbild des Neptun ist die ungeheure Wasserfläche, d i e gleichsam auf das Erhabene zürnt, und es sich gleich z u m a c h e n s t r e b t . – Als die Griechen in der Belagerung von Troja nahe am Ufer des Meeres um ihre Schiffe eine Mauer, zu einem Bollwerk gegen die Feinde errichtet hatten; so zürnte Neptun darüber und beklagte sich beim Jupiter: »Der Ruhm dieser Mauer, sagte er,

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wird sich verbreiten, so weit sich das Licht erstreckt; der meinigen aber, die ich einst dem Laomedon um Troja erbaute, wird man vergessen!« Da antwortete ihm Jupiter: »o du großer Erderschüttrer; mich sollt’ es nicht wundern, wenn ein andrer, nicht so mächtiger Gott, ein solches Werk sich anfechten ließe; aber dein Ruhm verbreitet sich ja schon so weit sich das Licht erstreckt, – und du wirst ja, so bald die Griechen hinweg sind, die Mauer ins Meer versenken, und die Ufer mit Sand bedecken, daß keine Spur von ihr übrig bleibt.« – Mit diesen Worten verwieß Jupiter dem Neptun diese Art von kindischer Mißgunst gegen ein Werk der sterblichen Menschen. Allein es ist das zürnende Element, und seine gleichsam kindische gedankenlose Macht, die durch den Mund der Götter spricht; wenn nun die Dichtung dem tobenden Elemente Bildung und Sprache giebt, so drücken seine Worte auch die Natur seines Wesens aus; das Wort bezeichnet selbst die u n b e h ü l f l i c h e Macht, und sinkt wieder u n t e r die Menschenrede herab, in welcher der l e i c h t e Gedanke herrscht. Auch die Erzeugungen des Neptun sind größtentheils ungeheuer. – Die A l o i d e n , seine Söhne, welche auf den Olymp den Ossa wälzten, wurden selbst dem Jupiter furchtbar. – Den ungeheuren Polyphem, einen Sohn des Neptun, hatte der k l u g h e i t b e g a b t e Ulysses seines Auges beraubt; von der Zeit an verfolgte Neptun den Ulysses mit unversöhnlichem Haß. Er vereitelte ihm so lang er konnte die Rückkehr in sein Vaterland; und da diese nach dem Schluß des Schicksals dennoch zuletzt erfolgen mußte, so nahm er an dem unschuldigen Schiffe der gastfreien Phäacier, die den Ulysses nach Ithaka gebracht hatten, seine Rache, indem er es auf der Rückkehr in einen Fels verwandelte. So gefahrvoll war es, selbst für den G ü n s t l i n g d e r M i n e r v a , die ungeheure Macht des starken Elementes, und was mit ihr v e r w a n d t war, zum Zorn gereitzt zu haben. – Als einst die Musen auf dem Helikon Gesang und Seitenspiel so mächtig ertönen ließen, daß alles rund umher belebt ward, und selbst

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der Berg zu ihren Füßen hüpfte. – Da zürnte Neptun und sandte den Pegasus hinauf, daß er dem zu kühn gen Himmel sich Erhebenden Grenzen setzen sollte; als dieser nun auf dem Gipfel des Helikon mit dem Fuße stampfte, war alles wieder in dem ruhigern, sanftern Gleise, und unter seinem stampfenden Fuße brach der Dichterquell hervor, der von des Rosses Tritt die Hippokrene heißt. Im Kriege vor Troja saß Neptun auf der Spitze des waldigten Samos, und sahe dem Tref- fen zu. – Er zürnte heftig auf den Jupiter, daß er den Trojanern Sieg gab. – Er stieg vom Berge hinunter; der Berg erbebte unter seinem Fußtritt. – Drei Schritte that er vorwärts, und mit dem vierten war er in A e g e , wo tief im Meere sein Pallast ist. – Er bestieg seinen Wagen, und fuhr auf den Wellen daher. – Die Heere der Wasserwelt stiegen empor, und erkannten ihren König. – Das Meer wich ehrfurchtsvoll zu beiden Seiten, – und schnell flog der Wagen des Gottes, daß die eherne Axe unbenetzt blieb. – In dem zornigen Blick des Neptun mahlt sich das tobende Element; – so ist er auf der hier beigefügten Kupfertafel, nach einem antiken geschnittenen Steine aus der Lippertschen Daktyliothek im Umriß abgebildet; in der Rechten den Dreizack haltend, und mit der erhobenen Linken die Zügel zusammenfassend, woran er die stolzen Rosse vor seinem Wagen lenkt, während daß sein Gewand im Sturmwinde flattert. – Auf eben dieser Kupfertafel ist Neptun, nach einer andern Gemme aus Lipperts Daktyliothek, noch einmal abgebildet, wie er m i t d e m g a n z e n G e w i c h t s e i n e r M a c h t , den Dreizack auf der Schulter, die Hand auf den Rücken haltend, aus dem Meere auf einen Felsen steigt. – Die Dichtkunst sowohl als die bildende Kunst stellt zwar den König der Gewässer in ähnlicher Majestät, wie den Jupiter dar; nur bleibt der Ausdruck von Macht und Hoheit immer untergeordnet. – Es ist nicht die ruhige, erhabene, mit dem Wink der Augenbraunen gebietende Macht, mit deren Lächeln sich der ganze Himmel aufheitert, und welche nur selten zürnen darf, weil sie am wenigsten beschränkt ist. – Vielmehr ist beim Neptun der Ausdruck des Zorns

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der herrschende. – Er schilt die Winde, die auf die Veranlassung der Juno ohne seinen Wink die Wellen des Meeres aufthürmten; und sein quos ego! womit er sie bedrohet, ist dasjenige, dessen Ausdruck die bildende Kunst, auch in neuern Zeiten, am öftersten versucht hat.

Minerva.

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Als die blauäugigte Göttin aus Jupiters unsterblichem Haupte mit glänzenden Waffen hervorsprang, so bebte der Olymp; die Erd’ und das Meer erzitterte; und der Lenker des Sonnenwagens hielt seine schnaubenden Rosse an, bis sie die göttlichen Waffen von ihrer Schulter nahm. Aus keiner Mutter Schooß gebohren, war ihre B r u s t s o k a l t , w i e d e r S t a h l , d e r s i e b e d e c k t e . – Sie näherte sich dem m ä n n l i c h G r o ß e n , und weiblicher Zärtlichkeit war ihr Busen ganz verschlossen. Der Mangel an weiblicher Zärtlichkeit aber ist mit Zerstörungssucht verknüpft, welche stets mit jenem in gleichem Grade zunimmt. – Es ist die s a n f t e Venus, die nur aus Liebe zum Adonis mit ihm die Rehe verfolgt; die k ä l t e r e Diana findet an der Jagd und an der Zerstörung selbst schon ihre Lust, indeß sie doch zuweilen noch mit verstohlner Zärtlichkeit sich an Endymions Schönheit weidet. Der kalten jungfräulichen Minerva aber ist jedes Gefühl von Zärtlichkeit und schmachtender Sehnsucht fremd; – sie findet daher auch gleich dem Kriegesgott am Schlachtgetümmel und an zerstörten Städten ihr Ergötzen, nur daß sie nicht von jenem die rauhe Wildheit hat, weil sie zugleich die friedlichen Künste schützt. Z u r ü c k s c h r e c k e n d e K ä l t e macht den Hauptzug in dem Wesen dieser erhabenen Götterbildung aus, wodurch sie zur grausamen Zerstörung, und zur m ü h s a m e n A r b e i t d e s We b e n s , zur Erfindung nützlicher Künste, und zur Lenkung der aufgebrachten Gemüther der Helden, gleich fähig ist. Als Achill im Begriff war gegen den Agamemnon sein Schwerdt zu ziehen, so stand plötz- lich, ihm allein nur sichtbar, die blauäugigte

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Göttin hinter ihm, mit schrecklichem Blick – bei seinem gelben Haar ihn fassend – und hielt mit weisem Rath den jungen Held zurück, – daß er am silbernen Griff sein Schwerdt wieder in die Scheide drückte. So ist die himmlische P a l l a s mitten im Kriege selbst noch Friedensstifterin. – Die wilde Bellona hingegen, welche mit fliegendem Haar, die Geißel in der einen, die Waffen in der andern Hand, den Wagen des Kriegesgottes lenkt, ist eine untergeordnete Göttergestalt. In ihr ist nicht die erhabene Friedensstifterin, die Erfinderin der Künste noch mitten im wüthenden Treffen sichtbar; sondern nur die rasende Wuth; die Grausamkeit; die Mordlust; und die Zerstörung für sich allein. Daß in Minervens hoher Götterbildung, so wie beim Apollo, das ganz Entgegengesetzte sich zusammenfindet, macht eben diese Dichtung schön, welche hier gleichsam zu einer höhern Sprache wird, die eine ganze Anzahl harmonisch ineinander tönender Begriffe, die sonst zerstreut und einzeln sind, in einem Ausdruck zusammenfaßt. So ist Minerva die verwundende und die heilende; die zerstörende und die bildende; eben die Göttin, welche am Waffengetümmel und an der tobenden Feldschlacht sich ergötzt, lehrt auch die Menschen die Kunst zu weben, und aus den Oliven das Oehl zu pressen. Die furchtbare Zerstörerin der Städte, wetteifert mit dem Neptun nach wessen Nahmen die gebildetste Stadt, die je den Erdkreis zierte, genannt werden sollte; und als der König der Gewässer mit seinem Dreizack das kriegerische Roß hervorrief, so ließ sie den friedlichen Oehlbaum aus der Erde sprossen, und gab der Stadt, worin die Künste blühen sollten, ihren sanftern Nahmen. Die Wildheit des Kriegerischen war bei dieser Göttergestalt durch ihre Weiblichkeit gemildert, und die Weichheit und Sanftheit des Friedens und der bildenden Künste, lag unter der kriegerischen Gestalt verdeckt. – Was man sich selten zusammendenkt, und was in diesem s c h ö n e n G a n z e n der Natur doch eingehüllt noch schlummert, das rief die hohe Dichtung in eine einzige vielumfassende Göttergestalt herauf, und hauchte dem neu sich bildenden Begriffe Leben ein.

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Ohngeachtet des Entgegengesetzten stört doch keins der Bilder, welche diese Dichtung in sich vereinigt, die Harmonie des Ganzen. – Alles deutet auf k a l t e überlegende Weisheit, welche nie die Stimme der Leidenschaft hört, und zugleich in das Zurückschreckende der gänzlichen Unzärtlichkeit sich einhüllt. Das versteinernde Haupt der Medusa drohet auf dem Schilde, welcher Minervens Brust bedeckt; – es ist der düstre freudenlose Nachtvogel, der über ihrem Haupte schwebt. – Sie selber ist es, die den duldenden, standhaften, k a l t e n , und verschlagenen Ulysses in Schutz nimmt, und die aufgebrachten Helden zur Kaltblütigkeit zurückruft. – Auch wird in diesen Dichtungen die sanftre kriegerische Macht der ungestümern als überlegen dargestellt. Da nemlich in dem Kriege vor Troja zuletzt die Götter selber, nachdem sie die Parthei der Griechen oder Trojaner nahmen, sich zum Streit auffordern; so tritt der wilde Kriegsgott Mars gegen die sanftre und erhabnere Pallas auf, und rennt mit seiner Lanze wüthend gegen ihren Schild an, wogegen selbst Jupiters Blitze nichts vermögen. Sie aber tritt ein wenig zurück, und hebt mit starker Hand vom Felde einen ungeheuren Grenzstein auf, den schleudert sie gegen die Stirne des Kriegesgottes, daß er darnieder fällt, und sieben Joch Landes deckt. – Demohngeachtet aber läßt die Dichtung auch die Züge dieser männlichstarken erhabnen Göttin ganz leise wieder ins We i b l i c h e übergehen. – Denn da sie die Flöte erfunden hatte, und in der klaren Fluth sich spiegelnd, sahe, daß durch das Blasen sich ihr Gesicht entstellte, so warf sie die Flöte weg, die Marsyas nachher zu seinem Unglück fand. Auch war sie, gleich der Juno, eifersüchtig, daß Venus den goldnen Apfel, als den Preis der Schönheit, aus Paris Hand erhielt. Sie ruhte gleich der Juno nicht eher, bis Troja in Flammen stand, des Priamus Geschlecht vertilgt, und ihre Rache befriedigt war. – Die Götterbildung wird menschenähnlich, und stellt die Rachsucht selbst, wegen der M a c h t , mit der sie ausgeübt wird, in hoher d i c h t e r i s c h e r Schönheit dar.

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Eine einfache und schöne Darstellung der Minerva im Brustbilde, nach einem antiken geschnittnen Steine aus der Lippertschen Daktyliothek, befindet sich auf der hier beigefügten Kupfertafel; und darunter das Haupt der Medusa, wie es die Alten gebildet haben, so daß es groß in seinen Zügen und schrecklich, dennoch schön ist. – Dieß Haupt, vom Körper abgesondert, macht in seinen großen Zügen gleichsam für sich ein Ganzes aus, und stellt sich wie eine furchtbare Erscheinung dar; – so fürchtet Ulysses in der Unterwelt als sich die Schatten schaarenweise zu ihm drängen, daß Proserpina endlich das H a u p t d e r G o r g o ihm entgegen senden möchte, und eilet, dem tödtlichen Anblick zu entfliehen.

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Auch dem Furchtbaren und Schrecklichen, dem verderblichen Kriege selber, gab die Einbildungskraft der Alten Persönlichkeit und Bildung, und milderte selbst dadurch den Begriff des Wilden und Ungestümen, das durch die Heere wie ein Wetter hinfährt; Wagen zertrümmert; Helme zerschellt; den Tapfern wie den Feigen, im wirbelnden Sturme zu Boden wirft; und über der grauenvollen Verwüstung triumphiert. Die menschenähnliche Bildung, worin die Dichtung diese furchtbare Erscheinung hüllte, und sie dem Chor der seeligen Götter zugesellte; gab nun dem Krieger auch ein hohes Urbild, das über ihm in Majestät gehüllt war, und das er durch Kühnheit und Tapferkeit nachahmend in sich übertrug. Demohngeachtet verliert sich zuweilen in den Dichtungen die menschenähnliche Bildung des Mars wieder in den Begriff des streitenden Heers. – Als er selbst im Treffen vor Troja, mit Hülfe der Minerva, von dem tapfern Diomedes verwundet wurde, so b r ü l l t e e r w i e z e h n t a u s e n d M a n n im Schlachtgetümmel, – und Furcht und Entsetzen kam die Trojaner und Griechen an, als sie den ehernen Kriegsgott brüllen hörten. – Dieser aber erschien dem Diomed wie nächtliches Dunkel, das vor dem Sturme hergeht, als er in Wolken gehüllt zum Himmel aufstieg.

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Und als er nun hier beim Jupiter sich beklagte, so schalt ihn dieser mit zürnenden Worten: belästige mich nicht mit deinen Klagen, U n b e s t ä n d i g e r , der du mir der verhaßteste unter allen Göttern bist, die den Olymp bewohnen. – Denn du hast nur Gefallen an Krieg und Streit – in dir wohnet ganz d i e G e m ü t h s a r t d e i n e r M u t t e r , – und wärst du der Sohn eines andern Gottes und nicht mein Sohn, so lägst du längst schon tiefer, als Uranos Söhne liegen. Die U n b e s t ä n d i g k e i t des Mars, welche ihm auch Minerva vorwirft, die ihn einen U e b e r l ä u f e r schilt, der es bald mit dem einem Heer, bald mit dem andern hält, ist wiederum der Begriff des Krieges selber, den die Dichtkunst hier als ein Wesen darstellt, das gleichsam um sein selbst willen da ist, unbekümmert, wer überwunden wird oder siegt; wenn nur das Schlachtgetümmel fortwährt. So zürnen die erhabenern und eben deswegen auch sanftern Gottheiten, Minerva und Jupiter auf den ungestümen und unbeständigen Mars, – der aber demohngeachtet als ein hohes Wesen seinen Sitz unter den himmlischen Göttern hat, und dem auf Erden Tempel und Altäre geweiht sind. Auch wußte der wilde Mars mit seinem jugendlichen Ungestüm die sanfte Venus selbst zu fesseln, die ihrem Gatten dem kunstreichen bildenden Vulkan, den zerstörenden Kriegsgott vorzog, mit dem sie ein verstohlnes Liebesbündniß knüpfte. – Aus diesem verstohlnen Bündniß des Sanften mit dem Ungestümen, entstand H a r m o n i a , der Venus schöne Tochter, die mit Kadmus, dem Stifter und Erbauer von Theben, sich vermählte. – Auf der Untreue der Venus verweilt die bildende Kunst der Alten und ihre Dichtkunst gern. – Vulkanus zürnt vergeblich; die Schönheit bindet sich an kein Gesetz; sie ist über allen Zwang erhaben; und das v e r d e r b l i c h e J u g e n d l i c h e , ist, was ihr wohl gefällt. So wie nun Venus mit Zärtlichkeit den Kriegesgott fesselt; so hält Minerva ihn mit Weisheit von seinem Ungestüm zurück. – Denn als einst Jupiters drohendes Verbot den Göttern untersagt hatte, in den Krieg der Trojaner und Griechen sich zu mischen, und Mars vernahm, sein Sohn Askalaphus sey erschlagen; so ließ er seine Diener, das

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S c h r e c k e n und das E n t s e t z e n die Pferde vor seinen Wagen spannen, und legte seine leuchtenden Waffen an. Zürnt nicht, ihr Götter, sprach er, daß ich den Tod meines Sohnes räche, wenn Jupiter selbst auch seine Blitze auf mich schleudert. – Da sprang Minerva zu, riß ihm den ehernen Spieß aus seiner starken Hand, den Helm vom Haupte, den Schild von seiner Schulter. – Rasender, sprach sie, willst du uns alle ins Verderben stürzen, wenn aufs höchste Jupiters Zorn gereitzt ist! – Laß ab zu zürnen, denn mancher ist erschlagen, der stärker war als dein Sohn, und mancher Stärkere wird noch fallen; – wer kann die Sterblichen vom Tode befreien! – so sprach sie, und brachte den Mars zu seinem Sitz zurück. Wer sieht nicht, durch alle diese menschenähnlichen Darstellungen der Götter, die großen Bilder und Gedanken durchschimmern, welche diesen Dichtungen Hoheit und Würde geben; – es sind immer die Begriffe von wilder Zerstörung, Sanftheit des Erhabenen, hohem Reitz des Schönen, und von lenkender Weisheit, die auf mannichfaltige Weise ineinander spielen, und unter der Decke des Menschenähnlichen sich verhüllen. Auf der hier beigefügten Kupfertafel ist nach einem antiken geschnittenen Steine aus der Lippertschen Daktyliothek, der Kriegesgott abgebildet, wie er, sich mit der Rechten stützend, und Spieß und Schild in der Linken tragend, vom Gipfel des umwölkten Olymps herniedersteigt. – Auf eben dieser Tafel ist Venus mit dem Liebesgott, ebenfalls nach einem antiken geschnittenen Steine, im Umriß abgebildet.

Venus.

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Man verehrte in dieser reitzenden Göttergestalt, den heiligen Trieb der alle Wesen fortpflanzt. – Die Fülle der Lebenskraft, die in die nachkommenden Geschlechter sich ergießt. – Den Reitz der Schönheit, der zur Vermählung anlockt; – sie war es, welche den Blick der Götter selbst auf Jugend und Schönheit in sterblichen Hüllen lenkte, und triumphirend ihrer Macht sich freute, bis auch sie erlag, dem

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blühenden Anchises sich in die Arme werfend; von welchem sie A e n e a s , den göttergleichen Held gebahr. – So wie nun aber jener sanfte wohlthätige Trieb, auch oft verderblich wird, und über ganze Nationen Krieg und Unheil bringt, so stellt die sanfteste unter den Göttinnen, sich in den Dichtungen der Alten, auch als ein furchtbares Wesen dar. Sie hatte den Paris, der ihr vor allen Göttinnen den Preis der Schönheit zuerkannte, das schönste Weib versprochen; nun stiftete sie selbst ihn an, dem griechischen Menelaus seine Gattin, die Helena, zu entführen, und flößte dieser selbst zuerst den Wankelmuth und die Treulosigkeit in den Busen ein. So hielt sie dem Paris ihr Wort, ganz unbekümmert, was für Zerstörung und Jammer daraus entstehen würde. – Im Kriege vor Troja hüllte sie den Paris, als Menelaus im Zweikampf ihn tödten wollte, in nächtliches Dunkel ein, und führte ihn in sein duftendes Schlafgemach, wo sie selber die Helena zu ihm rief. – Und als diese, ihre Schuld bereuend, sich weigerte, der Liebesgöttin Ruf zu folgen, so sprach Venus mit zürnenden Worten: Elende! reitze mich nicht, damit ich nicht eben so sehr dich hasse, als ich bis jetzt dich liebte. – Unter den Trojanern und Griechen stifte ich dennoch verderblichen Hader an, dich aber soll ein unseeliges Schicksal treffen! – Und nun läßt die gebietende Venus, dem rechtmäßigen erzürnten Gatten gleichsam zum Trotz, den wollüstigen Paris die Freuden der Liebe genießen. – Wenn nun diese Göttergestalt zugleich die k a l t e Weisheit der Minerva, oder den Ernst der Themis, in sich vereinte, so würde sie freilich nicht so u n g e r e c h t , um die verderbliche Lust eines einzigen Lieblings zu begünstigen, der alles verwüstenden Zerstörung, die sie dadurch veranlaßt, ruhig zusehn. Dann wäre sie aber auch nicht mehr a u s s c h l i e ß e n d die Göttin der Liebe; sie bliebe kein Gegenstand der Phantasie; und wäre nicht mehr die hohe dichterische Darstellung desjenigen, was in der ganzen Natur mit unwiderstehlichem Reitze unaufhörlich fortwirkt, unbekümmert, ob es Spuren blutiger Kriege oder glücklich durchlebter Menschenalter hinter sich zurück läßt. –

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Ueberhaupt ist es das Mangelhafte, oder die gleichsam f e h l e n d e n Züge, in den Erscheinungen der Göttergestalten, was denselben den höchsten Reitz giebt, und wodurch eben diese Dichtungen ineinander verflochten werden. Der hohen Juno mangelt es an sanftem Liebreitz; sie muß den Gürtel der Venus borgen. – Die überlegende Weisheit fehlt dem mächtigen Kriegesgotte; Minerva lenkt seinen Ungestüm. Venus besitzt den höchsten Liebreitz; aber Minerva, der es ganz an weiblicher Zärtlichkeit mangelt, ist ihr an Macht weit überlegen. Im Treffen vor Troja, wo zuletzt die Götter selber sich zum Streit auffordern, und Venus den Trojanern, Minerva den Griechen beisteht, giebt Minerva der Venus, die dem Mars zu Hülfe eilt, mit starker Hand einen Schlag auf die Brust, daß ihre Knie sinken; und Minerva sagt triumphierend: mögen doch alle, die den Trojanern beistehen, der Venus an Tapferkeit und Kühnheit gleichen! Als Venus vom Diomed in die Hand verwundet gen Himmel stieg, und bei ihrer Mutter Dione über die verwegene Kühnheit der Sterblichen sich beklagte; so spottete Minerva ihrer mit den Worten: gewiß hat Venus irgend eine schöne geschmückte Griechin überreden wollen, daß sie ihren geliebten Trojanern folgen möchte, und beim Liebkosen hat sie sich in die goldene Schnalle die zarte Hand geritzt. Da lächelte der Vater der Götter und Menschen, rief die Venus zu sich, und sprach zu ihr mit sanften Worten: Die kriegerischen Geschäfte, mein Kind, sind nicht dein Werk; die Freuden der Hochzeit zu bereiten, ist dein süß Geschäft; laß du nur für das wilde Kriegsgetümmel Mars und Minerva sorgen! So s c h e r z t e in diesen Dichtungen der Alten die Phantasie in kühnen Bildern, mit der Gottheit, die sie sich in den kleinsten Zügen nach dem Bilde der Menschen schuf, und dennoch die größten und erhabensten Erscheinungen der alles umfassenden Natur beständig zu ihrem hohen Urbilde nahm. Die Horen empfangen die Venus, wenn sie, nach der alten Dichtung, dem Meer entsteigt; sie ziehen ihr göttliche Kleider an, setzen ihr aufs unsterbliche Haupt die goldene Krone; schmücken ihr mit

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goldenem Geschmeide Hals und Arme; und hängen blitzende Ohrgehänge in ihre durchlöcherten Ohren; – so mahlt sich bis auf den kleinsten weiblichen S c h m u c k das Bild der hohen Göttin aus. – Der Venus waren vom Jupiter die G r a z i e n zugesellt – in ihrem Gefolge waren die Liebesgötter, – vor ihren Wagen waren Tauben gespannt. – Alles ist sanft und weich in diesem Bilde; – doch ist der Liebesgott mit Bogen und Pfeil bewafnet, und stellt die furchtbare Macht seiner himmlischen Mutter, der alles besiegenden Göttin, in sich dar. –

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Drei himmlische Göttinnen sind über die Macht der Venus erhaben. – Minerva, welche dem Kriege vorsteht, und nützliche Künste die Menschen lehrt. – Die jungfräuliche Ve s t a , welche bei Jupiters Haupte schwur, sich nie einem Manne zu vermählen – und D i a n a , mit dem goldenen Bogen, die sich der Pfeile freut, an schattigten Wäldern ihre Lust hat, und an der Verfolgung der schnellen Hirsche sich ergötzt. – Als Jupiter, den sie schmeichelnd bat, ihr den jungfräulichen Stand vergönnte, so nahm sie Pfeil und Bogen, zündete ihre Fackel bei Jupiters Blitzen an, und ging, von ihren Nymphen begleitet, hoch in den Wäldern einher, und auf den stürmischen Gipfeln. – Sie spannt den goldenen Bogen, und sendet die tödtlichen Pfeile ab; die Spitzen der Berge zittern. – Vom Aechzen des Wildes ertönt der Wald, – hoch über alle ihre Nymphen ragt die Göttin mit Stirn und Haupt empor, und wendet ihr Geschoß nach allen Seiten. Doch vergißt die hohe Göttin auch im Getümmel der Jagd des himmlischen Bruders nicht. – Und wenn sie gnug mit Jagen sich ergötzt hat, so spannt sie den goldnen Bogen ab, und eilet nach Delphi, zu dem Sitze des leuchtenden Apollo, – da hängt sie ihren Bogen auf, und führt die Chöre der Musen und Grazien an, welche das Lob der himmlischen Latona singen, die solche Kinder gebahr. –

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Als die Schwester des Apollo schimmert Diana am hellsten hervor, weil dieser seinen Glanz mit auf sie wirft – so wie sie mit ihm vereint, die Kinder der Niobe mit schrecklichen Pfeilen tödtet; so richtet sie auch mit ihm vereint ihr s a n f t e s G e s c h o ß auf die Geschlechter der Menschen, die gleich den welkenden Blättern, der blühenden Nachkommenschaft allmälig weichen. Nach einer schönen Dichtung übte sich Diana zu diesem Geschäft zuerst an Bäumen, dann an Thieren, und zuletzt an einer u n g e r e c h t e n Stadt, wo sie die Menschen mit verderblichen, Krankheit und Seuchen bringenden Pfeilen erlegte. Das Urbild der Diana ist der l e u c h t e n d e M o n d , der k a l t und k e u s c h in nächtlicher Stille über die Wälder seinen Glanz ausstreuet. – Diese Keuschheit der Diana selber aber ist ein furchtbarer Zug in ihrem Wesen. – Den Jäger Aktäon, der sie im Bade erblickte, ließ sie, in einen Hirsch verwandelt, von seinen eigenen Hunden zerrissen, ihrer jungfräulichen Schamhaftigkeit ein schreckliches Opfer werden. Und als eine Priesterin der Diana ihren Tempel durch die Annahme der Besuche ihres geliebten Jünglings in demselben entweihte, bestrafte die Göttin das ganze Land mit Pest und Seuchen, bis man das schuldige Paar ihr selber zum Opfer brachte. – Ihr widmeten sich die Jungfrauen, die das Gelübde der Keuschheit thaten, dessen Verletzung sie mit grausamen Strafen rächte. Wenn Jungfrauen, die dieß Gelübde thaten, sich dennoch, ihren Entschluß bereuend, vermählen wollten, so zitterten sie vor Dianens Rache, und suchten die zürnende Göttin mit Opfern zu versöhnen. Diana und Venus waren die allerentgegengesetztesten unter den himmlischen Göttergestalten. – Demohngeachtet wurden beide verehrt. – Die ausschweifende Lust der einen, und die Keuschheit der andern war über Lob und Tadel der Sterblichen weit erhaben, die eine wie die andre, gleich wohlthätig und gleich furchtbar. Als aber die mächtige Diana in dem Treffen vor Troja, die m ä c h t i g e r e Juno zum Streit aufforderte, so fühlte sie die starken Arme der Vermählten des Donnergottes. – Das Wild auf den Bergen, sprach Juno, kannst du tödten, aber nicht mit Mächtigern streiten!

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Darauf faßte sie die beiden Hände der Diana an dem Gelenke in ihre Linke zusammen, nahm mit der Rechten den Köcher von Dianens Schulter, und schlug sie damit auf beide Wangen, daß die Pfeile zur Erden fielen – und gleich der furchtsamen Taube vor dem Habicht, floh die sonst so mächtige Göttin weinend davon, und ließ ihren Köcher zurück, welchen Latona wieder aufhob, und die zerstreueten Pfeile wieder auflaß. So menschenähnlich auch diese hohen Göttergestalten handeln, ist dennoch diese Dichtung groß und schön, sobald man sie nicht einzeln, sondern im Sinn des Ganzen dieser Dichtung nimmt. – Derselbe furchtbare Köcher, aus welchem die tödtlichen Pfeile sich über das Geschlecht der Sterblichen verbreiten, ist ein leichtes Spielwerk in den Händen der erhabenen Juno, die ihn als ein Werkzeug braucht, den Uebermuth der Mindermächtigen zu bestrafen, deren erröthende Wange, von einer stärkern Hand die Schläge des rasselnden Köchers fühlt, mit welchem sie sonst furcht- bar einhergeht. – Es giebt kein treffenderes Bild der tief gedemüthigten weiblichen Macht als dieß. Der weisere Apoll antwortet dem Neptun, der ihn zum Streit auffordert: warum sollte ich mit dir der elenden Sterblichen wegen fechten, die gleich den Blättern auf den Bäumen, nur eine Zeitlang dauern, und bald verwelken! – Laß uns vom Kampf abstehen; sie mögen unter einander sich selbst bekriegen! Auf der hier beigefügten Kupfertafel befindet sich eine Abbildung der Diana nach einem antiken geschnittenen Steine, wo sie, im aufgeschürzten Kleide, auf einen attischen Pfeiler gelehnt, in ruhiger Stellung steht, den Köcher und Bogen auf der Schulter, und als die Erleuchterin der Nacht mit einer Fackel in der Hand, welche sie auszulöschen im Begriff ist. Hinter ihr ragt ein Berg hervor, welcher sie als die Göttin bezeichnet, die auf den waldigten Gipfeln einhergehend, die Spur des Wildes verfolgt. Auf eben dieser Kupfertafel befindet sich auch eine Abbildung der Ceres nach einem antiken geschnittenen Steine. – In der Rechten hält

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sie eine Sichel, in der Linken eine Fackel, die sie auf dem Aetna anzündete, um ihre geraubte Tochter in den verborgensten Winkeln der Erde zu suchen. Zu ihren Füßen schmiegen sich die Drachen, die ihren Wagen zogen.

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Ceres. Unter den drei hohen Göttinnen, die vom Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren sind, ist Juno allein die Königin des Himmels. – C e r e s und Ve s t a sind auf E r d e n wohlthätige Wesen, wovon die eine den nährenden Halm hervorruft; die andre selbst jungfräulich, dennoch den Schooß der Erde mit heiliger fruchtbarmachender Wärme durchglüht. Mit der Ceres erzeugte der Vater der Götter die jungfräuliche Proserpina, welcher des Lichtes süßer Anblick nur kurze Zeit gewährt war – denn nur zu bald wurde Jugend und Schönheit ein Opfer des unerbittlichen Orkus. – Da sie in sorgenfreier Unschuld mit ihren Gespielinnen auf der Wiese Blumen sammlet, schlingt schon der König der Schrecken die starken Arme um sie her, und hebt die umsonst sich sträubende auf seinen mit schwarzen Rossen bespannten Wagen. – Zürnend und mitleidsvoll versucht die Nymphe Cyane die schnaubenden Rosse aufzuhalten. – Pluto aber stampft mit seinem zweizackigten Zepter von Ebenholz den Boden, und öfnet sich mitten durch die Klüfte der Erde zu seinem unterirdischen Pallast einen Weg. Ceres aber, da sie den Raub ihrer Tochter vernimmt, unwissend wer sie entführte, zündet auf dem f l a m m e n d e n A e t n a ihre Fackel an, setzt sich auf ihren mit Drachen bespannten Wagen, und sucht ihre Tochter in den verborgensten Winkeln der Erde, wohin kein Strahl der Sonne drang. – Sie sucht die Nacht zu erleuchten; das Verborgene aufzudecken; u m d a s Ve r l o h r n e u n d E n t s c h w u n dene, was ihr so nah verwandt ist, wieder ans Licht zu bringen. –

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Nachdem sie ihre Tochter nun vergebens auf der ganzen Erde gesucht hatte, so kam sie endlich in E l e u s i s , einem Flecken in Attika, ermüdet an. – Mit der Macht der Gottheit verknüpft die schöne Dichtung m e n s c h l i c h e s Leiden. – Die erhabene Göttin war jammervoll – sie setzte sich betrübt auf einem Steine nieder – bis der gastfreie Celeus sie in seine Wohnung einlud, ohngeachtet sein Haus voll Trauer war, weil sein geliebter Sohn in letzten Zügen lag. Die Göttin nahm an dieser Trauer Theil, weil sie den Schmerz über den Verlust eines Kindes in seiner ganzen Größe selber kannte. – Nun aber that sie, was als Göttin ihr ein Leichtes war; sie machte des Celeus Sohn gesund. Auch wollte sie die U n s t e r b l i c h k e i t dem blühenden Knaben schenken, indem sie ihn alle Nacht auf ihrem Schooße in Flammen hüllte, um alles Sterbliche an ihm zu tilgen; bis durch den ungestümen Schrei, und durch die unzeitige Furcht der Mutter, welche die Ceres einst bei diesem Geschäft belauschte, auch dieser Wunsch der Göttin vereitelt ward. Dennoch setzte sie ihrer Wohlthätigkeit keine Schranken; sie gab dem Tr i p t o l e m u s des Celeus älterm Sohne, einen Wagen mit fliegenden Drachen bespannt, und schenkte ihm den edlen Waizen, daß er ihn auf der ganzen Erde mit vollen Händen ausstreuen, und Seegen allenthalben seine Spur begleiten sollte. Endlich entdeckte nun auch der Ceres die allsehende Sonne den Aufenthalt ihrer Tochter, – da forderte sie die gewaltsam Geraubte zürnend vom Orkus wieder, – und Jupiter selber bewilligte Proserpinens Rückkehr, unter der Bedingung, daß von der Kost in Plutos Reiche ihre Lippe noch unberührt sey. Proserpina aber hatte dem Reitz nicht widerstanden, aus einem Granatapfel einige Körner zu verzehren, – nun war sie dem Orkus eigen, und konnte keine Rückkehr hoffen. Dennoch bewirkte ihre mächtige Mutter, daß sie nur e i n e n T h e i l d e s J a h r e s beim Pluto verweilen durfte, den andern aber wieder auf der Oberwelt des himmlischen Lichts genösse, damit die

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liebende Mutter sich a l l j ä h r l i c h der wiedergefundenen Tochter freue. Durch alle diese Dichtungen schimmern die Begriffe von der geheimnißvollen Entwickelung des Keims im Schooß der Erde, von dem innern verborgenen Leben der Natur hervor. – Es giebt keine Erscheinung in der Natur, wo L e b e n und To d , dem Ansehen nach, näher aneinander grenzen, als da, wo das Saamenkorn, dem Auge ganz verdeckt, im Schooß der Erde vergraben, und gänzlich verschwunden ist; und dennoch grade auf dem Punkte, wo das Leben ganz seine Endschaft zu erreichen scheint, ein neues Leben anhebt. Durch den sanften Schooß der Ceres pflanzen sich bis in das dunkle Reich des Pluto die himmlischen Einflüsse fort. – Pluto heißt auch der stygische oder unterirdische Jupiter; und mit ihm vermählt sich des himmlischen Jupiters reitzende Tochter, in welcher die Dichtung die entgegengesetzten Begriffe von L e b e n und To d zusammenfaßt, und durch welche sich zwischen dem H o h e n und T i e f e n ein zartes geheimnißvolles Band knüpft. Auf den M a r m o r s ä r g e n der Alten findet man oft den Raub der Proserpina abgebildet, – und bei den geheimnißvollen Festen, welche der Ceres und der Proserpina gefeiert wurden, scheint es, als habe man grade dieß Aneinandergrenzen des Furchtbaren und Schönen, zum Augenmerk genommen, um die Gemüther der Eingeweihten mit einem sanften Staunen zu erfüllen, wenn das ganz E n t g e g e n g e s e t z t e sich am Ende in Harmonie auflößte. – An die Vorstellung vom A c k e r b a u , welche den Menschen nachher so gewöhnlich und alltäglich geworden ist, knüpften sich in jenen Zeiten, wo man noch die Gaben der Natur gleichsam u n m i t t e l b a r aus ihrer Hand empfing, erhabne und schöne Begriffe an; – es war die Menschheit und ihre h ö h e r e B i l d u n g selber, die man in dieser einfachen Vorstellung wiederfand, unter welcher man sich auch die ganze Natur mit ihren wunderbarsten abwechselnden Erscheinungen dachte, und sich an dieselbe u n t e r a l l e n i h r e n G e s t a l t e n , so nahe wie möglich anschloß.

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Unter den hohen Göttergestalten ist C e r e s eine der sanftesten und mildesten; demohngeachtet ließ sie auch den E r y s i c h t h o n , welcher an einem ihr geweihten heiligen Haine Frevel verübte, ihre furchtbare Macht empfinden. – Sie selber warnte ihn zuvor, da er im Begriff war die heilige Pappel umzuhauen; als er aber dennoch den grausamen Hieb vollführte, so mußte er für sein Vergehen gegen die alles ernährende Göttin, mit e w i g n i c h t z u s t i l l e n d e m H u n g e r , büßen. Und als sie ihre verlohrne Tochter auf dem ganzen Erdkreis suchend, einst lechzend und ermattet in eine Hütte einkehrte, wo sie begierig trinkend, von einem Knaben verspottet ward, so duldete sie die Schmach nicht, sondern besprengte den kindischen Frevler mit Wassertropfen, der plötzlich in eine Eidexe verwandelt, von der furchtbaren Macht der Göttin ein Zeuge ward.

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Das Mühsame und Beschwerliche der Arbeit in der mit Rauch und Dampf erfüllten Werkstatt, zusammengedacht mit der erhabnen Kunst, die unermüdet hier mit schaffendem Geiste wirkt, hüllte die Phantasie der Alten in eine eigene hohe Götterbildung ein, bei welcher alle Kraft sich in den mächtigen Arm vereint, der den gewaltigen Hammer auf dem Ambos führt, indeß die gelähmten Füße hinken. Wetteifernd mit dem Jupiter hatte Juno den Vulkan, wie dieser die Minerva, aus sich selbst gebohren und erzeugt. – Jupiter aber schleuderte ihn vom Himmel hinab; er sollte in den glänzenden Reihen des hohen Götterchors nicht aufgenommen seyn. – Der Rauch, der schwarze Dampf, die halberstickte Flamme, vereinte sich mit dem reinen Aether nicht, und widerstrebte dem Begriff von Klarheit, Schönheit, und hoher Götterwürde. – Die H ä ß l i c h k e i t Vulkans ist ihm ein bittrer Vorwurf. Und dennoch nahm die Phantasie auch diese Götterbildung unter den Glanz des Hohen und Himmlischen, durch den Weg des K o m i s c h e n wieder auf. – Die seeligen Götter gerathen in ein unend-

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liches Lachen, wenn der hinkende Vulkan das Amt des Ganymed verwaltend, und selbst über sein Gebrechen scherzend, den mit Nektar gefüllten Becher in der Versammlung der Götter umherreicht. – Die kühne Einbildungskraft der Alten aber wußte das K o m i s c h e selber wieder mit Göttermacht und Hoheit, und einer über alles Menschliche erhabnen Würde zu umkleiden, wodurch sie eine Schattirung mehr erhielten, die ihren Dichtungen einen unnachahmlichen Reitz giebt. Der Hinkende, wegen seiner Häßlichkeit vom Himmel geschleuderte Sohn der Juno, welcher unbehülflich das Amt des zarten Ganymed verrichtet, ist in der mechanischen Kunst vortreflich; bei dieser schaden ihm die gelähmten Füße nicht; auch schmälert sein Sturtz vom Himmel die Macht und Hoheit nicht, wodurch er ein Gegenstand der Verehrung der Völker wird. In seiner Schmiede führt er auf dem Ambos mit mächtigen Schlägen selbst den Hammer; – aber Luft und Feuer stehen ihm zu Gebote. – Die Blasebälge athmen auf seinen Wink, und hauchen die Flamme schwächer oder stärker an; – jeder seiner Gedanken führt schnell mit Götterkraft sich aus, und unter seinen bildenden Händen tritt majestätisch das Werk hervor. Ihm ist es ein Leichtes seinen Bildungen Leben einzuhauchen; – er schmiedet zwanzig Dreifüße auf goldenen Rädern rollend, welche auf seinen Wink in die Versammlung der Götter gehen und wiederkehren. – Auch hat er sich goldne Mägde gebildet, die Leben und Bewegung haben, und ihn im Gehen stützen. – Wenn er aus seiner Schmiede tritt, so trägt er ein königlich Gewand und Scepter; – auch ist in ihm die hohe bildende Kunst, obgleich in unansehnliche Gestalt verhüllt, doch mit der S c h ö n h e i t selbst vermählt; – durch diese Vermählung mit der Venus aber, erhält das Komische in den Zügen der Götterbildung des Vulkan den höchsten Reitz, weil auch die Eifersucht sich dazu gesellt. – Das künstliche Netz, welches der eifersüchtige Gatte um den Mars und die Venus schmiedet, und alle Götter herbeiruft, um über sein Unglück sich zu beklagen, ist in den Dichtungen der Alten unter

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Göttern und Menschen zu einer belustigenden Fabel geworden, wodurch der finstre Ernst gemildert, und das Gemüth zu frohem Lächeln aufgeheitert wird. In der Götterbildung des Vulkan aber findet sich das ganz Entgegengesetzte zusammen, was die Alten vorzüglich in ihren Dichtungen liebten; in ihm vermählt sich die Häßlichkeit mit der Schönheit selber; – das Komische ist in ihm mit Würde; die Schwachheit mit der Stärke, die Lähmung des Fußes mit der Kraft des mächtigen Arms vereint. – Es ist, wie wir schon bemerkt haben, gleichsam das M a n g e l h a f t e , oder die fehlenden Züge, wodurch auch diese Göttergestalt sich an die übrigen anschließt. Wie hoch aber die Kunst das Eisen zu schmieden von den Alten geschätzt wurde, erhellet auch aus dieser Dichtung, wo sie unter allen Künsten allein das ausschließende Geschäft eines Gottes ist, der selber mit in dem Rathe der hohen Götter sitzt. Ob nun gleich Vulkan erst unter den neuen Göttern auftritt, so schimmert dennoch auch sein Urbild unter den alten Göttergestalten dunkel hervor; – die Kureten oder Korybanten, welche den Jupiter auf der Insel Kreta bewachten, waren nach einer alten Sage, seine Abkömmlinge; auch war er einer der ältesten oder die älteste unter den Aegyptischen Gottheiten. Die Kureten machten schon ein Getöse mit Waffen, die von Eisen geschmiedet waren. – Die Cyklopen hatten schon vorher, ehe Jupiters Reich begann, in den Höhlen der Erde den Blitz und den Donner bereitet, und die Erde selber hatte schon eine Sichel geschmiedet, womit Saturnus seinen Erzeuger entmannte. Auch waren eine Art geheimnißvoller Götterbildungen aus dem höchsten Alterthum, welche unter dem Nahmen der K a b i r e n in Aegypten und Samothracien verehrt wurden, nach einer alten Sage, Söhne oder Abkömmlinge des Vulkan, dessen Erscheinung hiedurch auf einmal weit zurücktritt, und in den Nebel der grauen Vorzeit sich verhüllt. Schön und bedeutend ist es in diesen Dichtungen, daß die b i l d e n d e n Götter einander hülfreich sind. – Als Prometheus die Men-

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schen bildete, so standen Minerva und Vulkan ihm bei. – Vulkan aber mußte nachher selber auf Jupiters Befehl den Prometheus an den Felsen schmieden, welches er nach der Darstellung des tragischen Dichters, da er dem Donnerer nicht widerstreben durfte, mit lautem Jammer that. Auch wünschte Vulkan, obgleich vergeblich, sich mit der Minerva zu vermählen. – Und als er gewaltsam sich ihrer zu bemächtigen suchte, wurde, während daß er mit der Göttin kämpfte, die Erde von seiner Zeugungskraft befruchtet, und gebahr den E r i c h t h o n i u s mit D r a c h e n f ü ß e n , den Minerva selbst in Schutz nahm, und ihn den Einwohnern ihrer geliebten Stadt Athen zum Könige setzte, wo er, um seine ungestalten Füße zu verbergen, den vierrädrigen bedeckten Wagen erfand. – Die Drachengestalt und Drachenfüße bezeichnen in diesen Dichtungen fast immer das der E r d e entsprossene, mit der Erde nah verwandte, – so bildet die Phantasie die himmelanstürmenden Giganten, als Kinder der E r d e mit Drachenfüßen; und auch der Wagen der Ceres, die die Erde befruchtet, ist mit Drachen bespannt. Ganz m e n s c h e n ä h n l i c h stellt die Dichtung den Gott der Flammen dar, wie er, um die Thetis zu empfangen, die zu ihm kömmt, um für ihren geliebten Sohn Achilles einen neuen Schild und Rüstung zu erbitten, sich mit dem nassen Schwamme, erst Brust und Nacken, Gesicht und Hände wäscht, um mit dem Schmutz der Arbeit nicht vor der besuchenden Göttin zu erscheinen. Als er aber in dem Treffen vor Troja auf den Befehl seiner Mutter sich mit seinen Flammen dem Flußgott S k a m a n d e r widersetzte, der mit seinen anschwellenden Fluthen den Achill verfolgte; so begann ein furchtbarer Kampf zwischen den beiden entgegengesetzten Elementen. Zuerst verbrannte Vulkan das Feld mit allen Todten; – dann richtete er die leuchtende Flamme gegen den hochaufschwellenden Strom, daß das Schilf an seinen Ufern verbrannte, das Wasser siedete, und die Fische geängstiget wurden. – Da flehte der Flußgott die Juno um Erbarmung an, – und Vulkan ließ ab ihn zu ängstigen, da seine Mutter es ihm befahl, und zu ihm sprach: höre auf, es ist nicht

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billig, daß e i n u n s t e r b l i c h e r G o t t d e r s t e r b l i c h e n M e n schen wegen so gequält werde! Auf der hier beigefügten Kupfertafel befindet sich im Umriß nach antiken geschnittnen Steinen aus der Lippertschen Daktyliothek, außer einem Kopf des Vulkan, noch eine Abbildung desselben, wie er einen Pfeil schmiedet, und ihm zur Seite Venus mit dem Kupido steht, der nach den Pfeilen greift, die Venus in der Hand hält.

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So wie Vulkan die zerstörende, und auch die bildende Flamme, das verzehrende Feuer, und die alles zerschmelzende Gluth bezeichnet; so ist der Ve s t a höheres Urbild das heilige glühende Leben der Natur, das u n s i c h t b a r mit sanfter Wärme, durch alle Wesen sich verbreitet. Es ist die reine Flamme in dem keuschen Busen der hohen Himmelsgöttin, welche als ein erhabnes Sinnbild auf dem Altar der Vesta loderte, und wenn sie verloschen war, nur durch den elektrischen, durch R e i b u n g hervorgelockten Funken, sich wieder entzünden durfte. Unter diesem hohen Sinnbilde wurde das umgebende Ganze selber in seinem geheimsten Mittelpunkte verehrt, wo Gestalt und Bildung aufhörte, und der runde, umwölbende Tempel, mit dem Altar und der darauf lodernden Flamme, selbst das Bild der inwohnenden Gottheit war. Dieser uralte Gottesdienst verflochte sich auch in das schöne häusliche Leben der Alten: Man dankte der Vesta jede wohlthätige Wirkung des Feuers, die auf Erhaltung und Ernährung abzweckt. – Sie war es, welche die Menschen lehrte, sich auf dem h e i l i g e n Heerde die nährende Kost zu bereiten. Auch das Häuserbauen lehrte Vesta die Menschen, – und so wie das umgebende Ganze selber ihr Tempel war, so war auch die schützende Umgebung des Menschen ihr wohlthätiges Werk, das ihr die Sterblichen dankten; denn der Eintritt zu jeglichem Hause und der Vorhof waren ihr heilig.

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Es war ein reines dankbares Gefühl bei den Alten, wodurch sie jede e i n z e l n e Wohlthat der Natur, unter irgend einem bezeichnenden Sinnbilde b e s o n d e r s anerkannten; – es war eine schöne Idee, d e r heiligen Flamme, welche wohlthätig den Menschen dient, gleichsam wieder zu pflegen, und unbefleckte Jungfrauen, als die heiligsten Priesterinnen, ihrem immerwährenden Dienste zu weihen. Für das Feuer, welches allenthalben den Menschen nützt, gab es auch einen Fleck, wo es nie durch den Gebrauch zu menschlichem Bedürfniß herabgezogen, stets um sein selbst willen loderte, und die Ehrfurcht der Sterblichen auf sich zog. Wenn die Kunst der Alten es wagte, die Vesta abzubilden, so trug die geheimnißvolle Göttin eine Fackel in der Hand, aber der keusche Schleyer hüllte dennoch ihre Bildung ein. – Auf der hier beigefügten Kupfertafel befindet sich eine Abbildung der Vesta, nach einem antiken geschnittenen Steine aus der Lippertschen Daktyliothek, die aber so zusammengesetzt, und räthselhaft ist, daß man leicht sieht, der Künstler habe vorzüglich nur das G e h e i m n i ß v o l l e in dem Begriff von dieser Gottheit selbst bezeichnen wollen. Pluto oder der stygische Jupiter, der auch Jupiter Serapis heißt, sitzt auf einem Throne, und legt, in der Linken den Scepter haltend, seine Rechte auf eine geflügelte Thiergestalt. – Zu seiner Linken steht Harpokrates, der Gott des Still- schweigens, mit dem Finger auf dem Munde, und zur Rechten die g e s c h l e i e r t e Ve s t a mit der Fackel in der Hand. Auch hält Harpokrates ein Horn des Ueberflusses. – Lauter Sinnbilder des T i e f e n , Ve r b o r g e n e n , G e h e i m n i ß v o l l e n , im Innersten der Natur, woraus sich unaufhörlich L e b e n und F ü l l e ergießt. Unter der Abbildung der Vesta mit der Fackel, denkt man sich eine ältere Vesta, welche mit der E r d e einerlei ist, die unter mannichfaltigen Nahmen auch diesen trägt. – Allein die ähnlichen alten und neuen Göttergestalten verlieren sich in den Dichtungen der Alten ineinander; und da die Erde, als eine der alten Gottheiten unter den neuen herrschenden Göttern nicht mit auftritt, so scheint sie in der

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Ve s t a , wie Helios im Apollo, sich gleichsam verjüngt zu haben, und wohnt in ihr dem Rath der himmlischen Götter bei. Auf eben dieser Kupfertafel befindet sich auch, nach einem schönen antiken geschnittenen Steine, eine Abbildung des M e r k u r , der als der G o t t d e r We g e den Altar, worauf ein antiker Meilenzeiger steht, mit seinem Stabe berührt. Auf dem Altare liegt ein Stab, zum Zeichen, daß die Reisenden dem Merkur, wenn sie die Reise vollbracht, ihre Wanderstäbe weihten. – Zum Zeichen der Sicherheit der Wege, windet sich der friedliche Oehlzweig um die Meilensäule. Merkur trägt auf dem Haupte den geflügelten Hut, und ist mit einem kurzen Mantel bekleidet. Merkur und Vesta waren beide die Menschen lehrende wohlthätige Wesen, und der Gesang vereint ihr Lob. In allen Häusern und Pallästen der Götter und der Menschen hat Vesta ihren eignen Sitz, und ihre alte Ehre; – der e r s t e n u n d d e r l e t z t e n Ve s t a wird bei jedem Gastmahle süßer Wein mit Ehrfurcht ausgegossen. – Der Sohn des Jupiter und der Maja, der Bote der Götter mit dem goldenen Stabe, der Geber vieles Guten, bewohnet mit der Vesta die Häuser der Sterblichen, und beide sind einander lieb, w e i l b e i d e , in schöner Uebereinstimmung, nützliche Künste lehren. –

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In diese leichte Götterbildung hüllte die Phantasie der Alten die Begriffe von s c h n e l l e r E r f i n d u n g s k r a f t , L i s t , und G e w a n d t h e i t ein, die sich sowohl in der t ä u s c h e n d e n U e b e r r e d u n g , als in dem leicht vollführten scherzenden D i e b s t a h l zeigte, worüber selbst der Beraubte, wenn er die kühne Schalkheit wahrnahm, lächeln mußte. – Schalkheit und List ist hier mit der Macht der Gottheit und mit Unsterblichkeit gepaart, – denn nichts war unheilig in der Vorstellungsart der Alten, was aus dem mannichfaltigen Bildungstriebe der Natur hervorging, und, wenn gleich durch sich selber schadend, dennoch den Stoff des Schönen und Nützlichen in sich enthielt.

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Die Phantasie setzt ihren Göttergestalten keine Schranken, – sie läßt bei jeglicher den herrschenden inwohnenden Trieb in seinem w e i t e s t e n U m f a n g e spielen, und führt ihn gern bis auf den Punkt des S c h ä d l i c h e n hin; eben weil in diesen Dichtungen die großen Massen von L i c h t und S c h a t t e n , und die furchtbaren G e g e n s ä t z e in der Natur sich zusammendrängen, die sonst das Auge nur zerstreut und einzeln wahrnimmt; und weil gewissermaßen jede Göttergestalt, das We s e n d e r D i n g e selbst, aus irgend einem erhabenen Gesichtspunkt betrachtet, in sich zusammenfaßt. In dieser Rücksicht ist die Dichtung vom Merkur eine der schönsten und vielumfassendsten. – Er ist der behende G ö t t e r b o t e – der Gott der R e d e – der Gott der We g e – in ihm verjüngt sich das s c h n e l l e g e f l ü g e l t e Wo r t , und wiederholt sich auf seinen Lippen, wenn er die Befehle der Götter überbringt. – Darum ist auch sein erhabenstes Urbild die R e d e selber, welche als der zarteste Hauch der Luft sich in den mächtigen Zusammenhang der Dinge gleichsam s t e h l e n m u ß , um durch den Ge- danken und die Klugheit zu ersetzen, was ihrer Wirksamkeit an Macht abgeht. – Auch lieh die Phantasie der Alten gern dem Worte F l ü g e l , weil es vom schnellen Hauch begleitet erst hörbar wird; und wenn der Laut nicht über die Lippen kam, so war ihr schöner Ausdruck: d e m Wo r te fehlten die Flügel. Die Z u n g e der Opferthiere war dem Merkur geweiht; Milch und Honig brachte man dem Gott der sanft hinströmenden Unterredung dar. – Aus seinem Munde senkte sich, nach einer dichterischen Darstellung, vom Himmel eine goldne Kette nieder, bis zu dem lauschenden Ohre der Sterblichen, die der süße Wohllaut von seinen Lippen mit mächtigem Zauber lenkte. – Unwiderstehlich ist seine Macht, den Zwist zu schlichten , das Streitende zu versöhnen, und das Mißtönende harmonisch zu verbinden. – Dem Schooß der Mutter noch nicht lange entwunden, schlug er mit seinem goldnen Stabe zwischen zwei erzürnte miteinander streitende Schlangen, – und diese vergaßen plötzlich ihrer Wuth, und

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wickelten sich vereint, in sanften Krümmungen um den Stab, bis an die Spitze, wo ihre Häupter in ewiger Eintracht sich begegnen. Es giebt kein schöneres Sinnbild, um die Versöhnung und den Frieden, so wie die harmonische Verbindung des Widerstreitenden und Ent- gegengesetzten zu bezeichnen, als diesen Schlangenumwundenen Stab, der, in der Hand des Götterboten, der Herold seiner Macht ist. Nichts ist reizender als die dichterischen Schilderungen der Alten von der schnell sich entwickelnden Götterkraft, die gleichsam lange vorher schon war, und nun in verjüngter Gestalt aus dem Schooß der Mutter neu gebohren, die Fülle ihres Wesens, welche sie in sich spürt, nicht lange durch Windeln und durch die Wiege beschränken läßt. Während daß Juno schlief, hatte Jupiter in verstohlner Umarmung mit der holden Maja den Merkur in einer schattigten Höhle erzeugt. – Und als die Zeit der Entbindung da war, so wurde am frühen Morgen der Götterknabe gebohren, am Mittag schlug er schon die von ihm selbst erfundene Laute, und am Abend entwandte er die Rinder des Apollo. Die Laute erfand er, da er am ersten Mittage sich aus der Wiege stahl, und indem er über die Schwelle trat, eine Schildkröte ihm entgegen kam, deren umwölbende Schaale ihm sogleich ein schickliches Werkzeug schien, um von dem Klange darauf gespannter Saiten wiederzutönen. – Wenn du todt bist, sprach er zu der Schildkröte, dann wird erst dein Gesang anheben. – Und als er ihr nun das Leben geraubt hatte, und die Umwölbung leer war, spannte er sieben aus Sehnen geflochtene miteinander tönende Saiten darüber, und schlug sie mit dem klangentlockenden Stäbchen, jeden einzelnen Ton versuchend, der tief im Bauch der Wölbung wiederhallte. Nun konnte er auch der Lust zu singen nicht widerstehen, und besang, die Laute schlagend, was nur sein Auge erblickte; die Dreifüße und Gefäße in seiner Mutter Hause; aber er sang auch schon mit höherm Schwunge, Jupiters Liebesbündniß mit der holden Maja, als seiner eigenen Gottheit Ursprung.

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Als nun am Abend die Sonne sich in den Ocean tauchte, war er schon auf den Piräischen Gebirgen, wo die Heerden der unsterblichen Götter weiden. Funfzig entwandte er von Apollos Rindern, und trieb sie mit manchem listigen Kunstgriff über Berg und Thal, daß niemand die Spur des Raubes entdecken konnte, wenn nicht ein Greis, der auf dem Felde grub, den Knaben mit den Rindern vor sich her bemerkt, und ihn dem Apollo verrathen hätte. Als er nun am Alpheusstrome zwei von den Rindern geschlachtet, u n d s i e s i c h s e l b e r g e o p f e r t h a t t e , so löschte er wieder das Feuer aus, verscharrte die Asche in den Sand, und warf die Schuh von grünern Reisern, womit er die Fußstapfen unkenntlich zu machen gesucht, in den vorüberströmenden Alpheus, damit auch hier sich keine Spur mehr zeige. Dieß alles that er bei Nacht und hellem Mondenschein. – Als nun der Tag anbrach, da schlich er sich leise wieder in die Wohnung seiner Mutter, und legte sich in die Wiege, die Windeln um sich her, die Laute, als sein liebstes Spielwerk, mit der Linken haltend. Und als nun Apollo wegen der geraubten Rinder zürnend kam, so stellte sich der Räuber, als ob er in der Wiege in süßem Schlummer läge, die Laute unterm Arme. Apollo drohte, ihn in den Tartarus zu schleudern, wenn er nicht schnell den Ort anzeigte, wo die entwandten Rinder wären. Da antwortete der listige Knabe mit den Augen blinzelnd: wie grausam redest du, Latonens Sohn, einen kleinen Knaben an, der gestern gebohren ist, und dem ganz andre Dinge lieb sind, als Rinder hinwegzutreiben; der sich nach süßem Schlummer, und nach der Brust der Mutter sehnt; und dessen Füße viel zu weich und zart sind, als daß sie rauhe Pfade betreten könnten. – Doch will ich bei meines Vaters Jupiters Haupte schwören, daß ich die Rinder weder selber entwandt habe, noch den Thäter weiß. Und als sie nun beide, um ihren Streit zu schlichten, vor dem Vater der Götter auf dem Olymp erscheinen, so bringt zuerst Apollo wegen der entwandten Rinder seine Klage vor. – Merkur aber stand in Windeln da, um durch sein zartes Alter selbst die Klage zu widerlegen.

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Seh’ ich denn wohl, so sprach er zum Jupiter, einem starken Manne gleich, der Rinder hinwegzutreiben vermag? – Gewiß sollst du, mein Erzeuger selbst, die Wahrheit von mir hören: ich lag in süßem Schlummer, und habe die Schwelle unsrer Wohnung nicht überschritten; – du weißt auch selber wohl, daß ich nicht schuldig bin; doch will ichs auch durch den größten Schwur betheuern; und jenem einst sein grausames Wort vergelten; du aber stehe dem jüngern bei! So sprach Merkur mit den Augen blinzelnd, und Jupiter lächelte über den Knaben, d a ß e r s o s c h ö n u n d k l u g d e n D i e b s t a h l zu leugnen wußte. – Zugleich befahl er dem Merkur, den Ort zu zeigen, wo die Rinder verborgen wären. Als dieser nun Jupiters Befehl gehorchte, ward auch Apollo wieder mit ihm versöhnet; und die vom Merkur erfundene Laute war der Versöhnung Unterpfand. Denn als der Gott der Harmonien ganz entzückt den lieblichen Ton vernahm, der fähig ist, Liebe und Freude und Schlummer zu bewirken, gewann er auch den klugen Erfinder lieb, und sprach: die Erfindung sey der funfzig geraubten Rinder werth! – Da schenkte ihm Merkur die Laute, und Apollo war über den Besitz des kostbaren Schatzes hocherfreut; damit ihm dieser aber vollkommen gesichert sey, so bat er den Merkur, ihm noch bei dem Styx zu schwören, daß er die sanft ertönende Laute i h r e m n u n m e h r i g e n B e s i t z e r n i e wieder entwenden wolle. Apollo schenkte nachher dem Merkur den goldenen Stab, der alle Zwiste schlichtet; – jetzt aber kehrten die beiden N a h v e r w a n d t e n Hand in Hand geschlungen zum Olymp zurück; es war die Kunst, die ein schönes Band zwischen ihnen knüpfte, und Jupiter freute sich ihrer Eintracht. – Merkur wird nun der Götterbote; – er ist die b e h e n d e M a c h t – das s c h n e l l s i c h B e w e g e n d e unter den hohen Göttergestalten, die gleichsam fest gegründet in ihrer Majestät, den schnellen erfindungsreichen Gedanken vom Himmel zur Erde senden, und wenn er wiederkehrt, ihn in ihrem hohen Rath aufnehmen.

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Auch die Kunst zu ringen, und d u r c h B e h e n d i g k e i t d e r S t ä r k e überlegen zu seyn, lehrte Merkur die Menschen. Alles, wodurch der zarte Gedanke, sich in der Dinge geheimste Fugen stehlend, des mächtigen Zusammenhangs Meister wird, ist das Werk des leichten Götterboten. Er stieg vom hohen Olymp ins Reich des Pluto nieder. – Die Seelen der Verstorbenen führt er mit seinem Stabe der öden Schattenwelt, der dunkeln Behausung der Todten zu; er selber steigt wieder zum Olymp empor, wo ewiger Glanz und Klarheit herrscht. –

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Die Erde.

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Obgleich die Erde, die den umwölbenden Uranos aus sich gebahr, und sich mit ihm vermählte, unter die uralten über Bildung und Form erhabenen Erscheinungen, worauf die Phantasie noch nicht haften kann, zurücktritt; so hat dennoch die bildende Kunst versucht, auch diese Göttergestalt durch allegorische Darstellung zu bezeichnen. So ist auf der hier beigefügten Kupfertafel, nach einem antiken geschnittenen Steine, die alles ernährende Erde gebildet, in ruhiger Stellung am Boden sitzend, und mit ihrer Rechten den Stamm eines Baums umfassend, dessen Zweige sich ü b e r i h r e m H a u p t e ausbreiten. Neben ihr liegt ein Horn des Ueberflusses; mit der Linken berührt sie die neben ihr ruhende H i m m e l s k u g e l ; vor ihr steht die Siegesgöttin; und unter dem Bilde zweier kleinen weiblichen Figuren, welche Gefäße in den Händen tragen, bringen die w e c h s e l n d e n J a h r e s z e i t e n der seegnenden Mutter ihre Gaben dar. Von der Göttin C y b e l e , unter welchem Nahmen R h e a , eine Tochter der Erde, und des Saturnus Vermählte, als die g r o ß e M u t t e r oder d i e M u t t e r a l l e r G ö t t e r verehrt ward, befindet sich auf eben dieser Tafel eine Abbildung nach einem antiken geschnittenen Steine aus der Stoschischen Sammlung; wo die mächtige Göttin dargestellt ist, auf einem Löwen reitend, das leuchtende Gestirn zu ihrer Rechten; zu ihrer Linken den gehörnten Mond; die Handpauke nah am Haupte haltend, und gleichsam auf das Getöse lauschend.

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Cybele.

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In dieser fremden Göttergestalt, die P h r y g i s c h e n Ursprungs war, verjüngte sich die Dichtung von der R h e a , welche, da sie den Jupiter gebohren, statt seiner einen eingewickelten S t e i n dem Saturnus zu verschlingen gab, und heimlich auf der Insel Kreta das Götterkind erziehen ließ, um welches die Korybanten mit ihren Waffen ein w i l d e s G e t ö s e machten, damit Saturnus nicht die Stimme des weinenden Kindes hörte. An diese alte Sage knüpften sich die Begriffe von Entstehung und Erzeugung des Gebildeten an. – Es war die M u t t e r a l l e r D i n g e , welche die zerstörende Obermacht zu täuschen, das zarte Gebildete vom Untergange zu retten, und es heimlich und sorgsam zu pflegen wußte; so wie die a l l b e f r u c h t e n d e N a t u r es mit dem zarten Keime macht, den sie im Schooß der Erde vor Wind und Stürmen schützt. So war das Urbild der C y b e l e die große Erzeugungskraft, die alle Naturen bändigt; den Löwen zähmt; den Schooß der Erde befruchtet. – Man dachte sie sich, als die Beherrscherin der Elemente; den Anfang aller Zeiten; die höchste Himmelsgöttin; die Königin der Unterwelt; und selber als das U r b i l d jeder Gottheit, die wegen der immer herrschenden, erzeugenden und gebährenden Kraft, in ihr sich weiblich darstellt. Ob aber gleich diese Göttin auf einem mit Löwen bespannten Wagen, und mit einer Mauer- oder Thurmkrone auf dem Haupte abgebildet wurde, wodurch ihre alles bändigende Macht, und zugleich ihre Herrschaft über den mit Städten besäeten Erdkreis dargestellt werden sollte; so war doch diese Abbildung gleichsam nur eine äußere Ueberkleidung ihres unbegreiflichen gestaltlosen Wesens, welches man sich grade unter dem U n f ö r m l i c h e n am ehrwürdigsten dachte. – Im Tempel der großen Mutter in Pessinunt war es ein kleiner schwarzgrauer, unebener, spitziger Stein, a n w e l c h e m d i e I d e e v o n G e s t a l t u n d F o r m a m w e n i g s t e n h a f t e n k o n n t e , der die verehrte Mutter der Dinge bezeichnete. –

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Es war derselbe Begriff von diesem hohen Wesen, das sich auch in die Gestalt der ägyptischen I s i s hüllte, auf deren Tempel geschrieben stand: i c h b i n a l l e s , w a s d a i s t , w a s d a w a r , w a s d a seyn wird, und meinen Schleier hat kein Sterblicher aufgedeckt. So verehrt nun diese große Göttin selber war, so verächtlich waren größtentheils ihre Priester, an welchen sie dafür, daß sie sich ihr gleichsam z u s e h r n ä h e r n w o l l t e n , eine furchtbare Rache nahm. – Die Priester der Cybele entmannten in ihrer fanatischen Wuth sich selber, und geißelten und zerfleischten sich. – Sie liefen in wilder Begeisterung mit fliegendem Haar umher, das Haupt in den Nacken und von einer Seite zur andern werfend. – Die hohe Göttin sahe den Trupp entmannter Weichlinge gleichsam t r i u m p h i e r e n d in ihrem Gefolge. – Es war die üppigste, ausschweifendste, sich selbst überströmende und in zerfleischende Wuth ausartende L e b e n s f ü l l e , welche den Zug der g r o ß e n E r z e u g e r i n , der m ä c h t i g e n L ö w e n b ä n d i g e r i n allenthalben begleitete. Die große Mutter selber aber blieb stets verehrt. – Der Gottheit schadete die Raserei ihrer Priester nicht, – und der Begriff von ihr behielt unter allem Mißbrauch ihrer Hoheit, seine ursprüngliche Erhabenheit, indem man in ihr, unter jeder Benennung, nichts anders als die allerzeugende, allbefruchtende und allbelebende M u t t e r N a t u r , selbst verehrte.

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Obgleich von sterblichen Müttern gebohren, sind Bachus und Herkules dennoch dem Chore der himmlischen Götter zugesellt. B a c h u s aber ist demohngeachtet die höhere Göttergestalt – in ihm offenbart sich gleich die ganze Fülle seines Wesens, und er hat unmittelbar unter den himmlischen Göttern seinen Sitz, wozu sich Herkules durch unüberwindlichen Heldenmuth den Weg erst bahnen muß.

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Dieser tritt daher auch in den Dichtungen der Alten erst unter den götterähnlichen Helden auf, indeß sich Bachus gleich dem Chor der Götter anschließt. – Des Bachus hohes Urbild war die innre schwellende Lebensfülle der Natur, womit sie dem G e w e i h t e n begeisternden Genuß und süßen Taumel aus ihrem schäumenden Becher schenkt. – Der Dienst des Bachus war daher, so wie der Dienst der Ceres, geheimnißvoll; – denn beide Gottheiten sind ein Sinnbild der ganzen wohlthätigen Natur, die keines Sterblichen Blick umfaßt, und deren Heiligthum keiner ungestraft entweiht. – Die Dichtung von der Geburt des Bachus selber enthält einen hohen Sinn. – Die eifersüchtige Juno verleitet S e m e l e n zu dem thörichten Wunsche, in Jupiters Umarmung a u c h s e i n e G o t t h e i t z u u m f a s s e n , – sie fordert vom Jupiter erst den unverletzlichen Schwur, ihre Bitte zu erfüllen, und nun verlangt sie, daß er in seiner wahren Göttergestalt bei ihr erscheinen solle – Jupiter nähert sich ihr mit seinem Donner, sie aber wird, v o m B l i t z e r s c h l a g e n , ein Opfer ihres vermessenen Wunsches. – Den jungen Bachus reißt der Donnergott aus der Mutter Schooße, und verbirgt ihn, bis zur Zeit der Geburt in seine eigene Hüfte. – Das Sterbliche wird zerstört, ehe das Unsterbliche hervorgeht. – D i e Menschheit kann den Glanz der Gottheit nicht ertragen, und wird vor ihrer furchtbaren Majestät vernichtet. – Merkur trug nun den jungen Bachus zu den Nymphen, die ihn erziehen sollten, und die In- seln und Länder streiten sich um den Vorzug, die wohlthätige Gottheit, welche die Menschen den Weinbau lehrte, in ihrem Schooße gepflegt zu haben. Als Knaben stellen die Dichtungen den Bachus dar, wie er gleichsam halb in süßem Schlummer taumelnd, noch nicht die ganze Fülle seines Wesens faßt, und vor den Beleidigungen der Menschen furchtsam scheint, – bis sich auf einmal durch wunderbare Ereignisse seine furchtbare Macht entdeckt.

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Lykurgus, ein König in Thracien, verfolgte die Pflegerinnen des Bachus auf dem Berge N y s a und verwundete sie mit seinem Beile. – Bachus selber warf sich vor Schrecken ins Meer, wo ihn die T h e t i s in ihre Arme aufnahm, die ehemals auch den Vulkan bei sich verbarg, als Jupiter ihn vom Himmel geschleudert hatte. – Lykurgus aber wurde für seinen Frevel von den Göttern mit Blindheit bestraft, und lebte nicht lange mehr, d e n n e r w a r d e n u n s t e r b l i c h e n G ö t tern verhaßt. – Als Seeräuber einst den Bachus, den sie für den Sohn eines Königs hielten, in Hofnung eines kostbaren Lösegelds, entführen und binden wollten, so fielen dem lächelnden Knaben die Banden von selber ab; und da sie dennoch seine Gottheit nicht erkannten, so ergoß sich erst ein duftender Strom von Weine durch das Schiff; dann breitete sich plötzlich bis zum höchsten Segel ein Weinstock aus, an welchem schwere Trauben hingen; um den Mastbaum wand sich dunkler Epheu; und mit Weinlaub waren alle Ruder bekränzt. – Auf dem Verdeck des Schiffes aber zeigte sich ein Löwe und warf die grimmigen drohenden Blicke umher. – Da ergriff die Frevler Angst und grauenvolles Entsetzen; zur Flucht stand ihnen kein Weg mehr offen; sie sprangen vom Schiffe ins Meer, wo sie sich plötzlich als Delphinen krümmend, Zeugen von der Macht der alles besiegenden Gottheit wurden. P e n t h e u s , ein König in Theben, d e r g l e i c h d e m B a c h u s e i n E n k e l d e s K a d m u s w a r , und der Verehrung der neuen Gottheit, welcher alles Volk Altäre weihte, sich spottend widersetzte, mußte, gleich den Frevlern auf dem Schiffe, des Weingottes furchtbare Macht empfinden. Unter der Gestalt eines Jünglings aus dem Gefolge des Bachus erschien der Gott ihm selber, und warnte ihn durch die Erzählung von dem Schicksal, das die frevelnden Männer traf, die den mächtigen Pflanzer der Reben, auf ihrem Schiffe gebunden entführen wollten. Pentheus, noch mehr vom Zorn entbrannt, ließ den vermeinten Jüngling ins Gefängniß wer- fen, und zu seiner Marter und Hinrichtung die grausamen Werkzeuge bringen. –

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Plötzlich stürzte das Gefängniß ein, der Gott schüttelte seine Banden ab; und Pentheus, der voll rasender Wuth, auf dem Berge Cythäron, die Priesterinnen des Bachus verfolgte, ward von seiner eigenen Mutter und ihren Schwestern, die in der wilden Begeisterung, ihn für einen Löwen ansahen, in Stücken zerrissen, und sein Haupt im Triumph emporgetragen. Der Zug des Bachus in Indien ist eine schöne und erhabne Dichtung. – Mit einem Kriegesheer von Männern und Weibern, das mit freudigem Getümmel einherzog, breitete er seine w o h l t h ä t i g e n Eroberungen bis an den Ganges aus. – Er lehrte die besiegten Völker höhern Lebensgenuß, den Weinbau, und G e s e t z e . – In seiner Götterbildung verehrten die Sterblichen das Hohe, Freudenreiche des Genusses, was in die menschliche Natur verwebt ist, als ein für sich bestehendes hohes Wesen, das in der Gestalt des ewig blühenden Knaben, Löwen und Tyger bändigt, die seinen Wagen ziehen, und im göttlich süßen Taumel, unter dem Schall der Flöten und Trommeln, vom Aufgange bis zum Niedergange durch die Länder aller Nationen triumphierend seinen Einzug hält. In d r e i Jahren vollendete Bachus seinen siegreichen, die Völker der Erde beglückenden Zug, zu dessen Andenken stets nachher, so oft drei Jahre verflossen waren, die Feste gefeiert wurden, an denen das freudige Getümmel, womit der Zug des Bachus begleitet war, aufs neue von den Bergen widerhallte. – Die Priesterinnen des Bachus mit zerstreutem Haar, auf den Bergen umher schweifend, erfüllten die Luft mit dem Getöse ihrer Trommeln, und mit ihrem wilden Geschrei: E v o h e B a c h u s ! – Der drohende Thyrsusstab in ihrer Hand, an dem die farbigten Bänder wehten, während daß unter dem Fichtenapfel sich oben die verwundende Spitze barg, bezeichnete den schönen Feldzug, wo das Furchtbare und Kriegerische, unter Gesang und Flötenspiel verborgen lauschte. – Diese begeisterten Priesterinnen des Bachus, welche auch B a c h a n t i n n e n hießen, sind ein erhabner Gegenstand der Poesie. – Eine Bachantin ist gleichsam über die Menschheit erhaben. – Von der

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Macht der Gottheit erfüllt, sind die Grenzen der Menschheit ihr zu enge. – So schildert ein Dichter aus dem Alterthum die Begeisterte, wie sie auf dem Gipfel des Gebirges, den sie bewußtlos erstiegen hat, auf einmal vom Schlummer erwacht, und nun den Hebrus und das ganze mit Schnee bedeckte Thrazien vor sich liegen sieht. – Die Gefahr ist süß, ruft der Dichter aus, dem Gott zu folgen, der mit grünendem Laube die Schläfe umkränzt hat. – Eben diese Anstrengung aller Kräfte, dieß Emporstreben in der wilden furchtbaren Begeisterung ist es, wodurch dieß Bild so schön wird. Auch das Alter wird in dem Gefolge des Bachus berauscht vom Lebensgenuß und taumelnd mit aufgeführt. – Auf seinem Esel reitet der alte Silen mit schwerem Haupte, von Satyrn und Faunen gestützt, und macht in dem jugendlichen Gemählde den reitzendsten Kontrast. Ohngeachtet dieses L ä c h e r l i c h e n wurde Silen in den Dichtungen der Alten, als ein hohes We s e n dargestellt. – Ihm wird eine hohe Kenntniß göttlicher Dinge zugeschrieben, und seine Trunkenheit selber wurde sinnbildlich auf den hohen Taumel, worin sein Nachdenken über die erhabensten Dinge ihn versetzte, gedeutet. – Auch war er nebst dem weisheitbegabten Chiron, der Erzieher des jungen Bachus. Zwei Hirtenknaben binden einst den trunkenen, schlummernden Silen, – weil sich ein Gott, den Sterbliche im Schlummer binden können, durch die Gewährung einer Bitte lösen muß; – schalkhaft mahlt die Nymphe mit dem Saft der Beeren des Trunknen Schläfe roth, – und da nun Silen erwacht, so fordern die Hirten nichts weiter als ein Lied von ihm zum Lösegelde. Und nun ertönet hohe Weisheit von den Lippen, die der Nektartrank der süßen Trauben netzte. – Er singt der Dinge Entstehung, und ihren wunderbaren Wechsel. – Die Hirten lauschen entzückt auf den Gesang, und halten dieses Lied ihrer höchsten Wünsche werth. – Auch diese schöne Dichtung zeigt, wie die Alten das Komische selber wieder mit Würde zu überkleiden wußten, und einen Vereinigungspunkt für lachenden Scherz und himmlische Hoheit fanden,

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der uns entschwunden scheint. – In Elis in Griechenland hatte Silen einen eigenen Tempel, wo man ihm göttliche Ehre erzeigte. – Der schalkhaft lächelnde F a u n , der boshaft spottende S a t y r gehörten mit in das Gefolge des Bachus, worin sich alles vereinigte, was bei jugendlicher Schalkhaftigkeit und frohem Leichtsinn durch eine höhere Natur, über die Sorgen und Pflichten der Sterblichen erhaben, und durch menschliche Bedürfnisse auf keinen Grad der Mäßigung beschränkt war. Denn in dem hohen Sinnbilde, welches den frölichen Genuß des Lebens selbst bezeichnet, der über den ganzen Erdkreis sich mittheilend und verbreitend, k e i n e G r e n z e n k e n n t , mußte auch die Darstellung des höchsten Genusses unbeschränkt seyn, und alles das sich in der Dichtung zusammenfinden, was, wenn es wirklich wäre, die Menschheit zerstören würde. – Denn freilich ist es die Allgewalt des Genusses, die furchtbar über den Menschen wandelt, und eben so wohlthätig wie sie ist, auch wieder Verderben drohet. – Eben der Dichter aus dem Alterthum, welcher mit hoher Begeisterung das Lob des Bachus singt, ermahnt daher die Trinker, des blutigen Zanks sich zu enthalten, – und führt zum warnenden Beispiel das Gefecht der Centauren und Lapithen an, welche vom Wein erhitzt des gastfreundschaftlichen Mahls vergaßen, und von wilder Mordlust hingerissen, im rasenden Getümmel gegeneinander stürmten, bis die Leichname der Erschlagnen den Boden deckten. Ohngeachtet dieser drohenden Gefahr war aber dennoch hoher Lebensgenuß, und selbst die wilde Freude, bei den Alten in der Reihe der Dinge mitgezählt, und von den Festen der Götter nicht ausgeschlossen. – Das Leben war ein saftvoller Baum, der ungehindert in Aeste und Zweige emporschoß, und den auch seine üppigen Auswüchse nicht entstellten. Bis zu der hellsten Flamme wurden die Leidenschaften angefacht, und hielten dennoch alle gleich mächtig, sich die mehrste Zeit einander im schönen Gleichgewicht. – Heldenruhm, Triumphe, frohlockende Gesänge, und hohe Lebensfreuden, waren im immerwähren-

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den Gefolge: durch diesen süßen Wechsel wurde das Gemüth stets offen und frei erhalten; geheime Wünsche und Gedanken durften noch unter keiner Larve von falscher Bescheidenheit und Demuth sich verstecken. – Sobald man ein Bachanal sich ohne Ueppigkeit denken wollte, würde es aufhören, ein Gegenstand der Kunst zu seyn; denn gerade die Wildheit, das Taumeln, das Schwingen des Thyrsusstabes, die Ausgelassenheit, der Muthwille, macht das Schöne bei diesen frohen Wesen aus, die nur in der Einbildungskraft ihr Daseyn hatten, und bei den Festen der Alten in einer Art von Schauspiel dargestellt, den düstern Ernst verscheuchten. Auf den Marmorsärgen der Alten findet man häufig Bachanale abgebildet. – Um selbst noch hier den Ernst mit frohem Lächeln, die Trauer mit der Fröhlichkeit zu vermählen, ist gerade der Punkt gewählt, wo Tod und Leben auf dem Gipfel der Lust am nächsten aneinander grenzen. – Denn der höchste Genuß grenzt an das Tragische, – er droht Verderben und Untergang, – dasselbe, was die Menschengattung, mit jugendlichem Feuer beseelet, untergräbt und zerstört sie auch. – Da nun durch das frohe Getümmel des Bachus die höchste Fülle der Lust bezeichnet werden soll, so ist ein gemäßigtes Bachanal kein Bachanal; eben so wie eine sanfte Juno keine Juno; ein ehrlicher Merkur kein Merkur; ein enthaltsamer kalter Jupiter kein Jupiter; und eine dem Vulkan getreue Venus keine Venus ist. – In der Göttergestalt des ewig jungen Bachus verjüngten sich nun auch, so wie bei den übrigen Göttern, die ähnlichen Erscheinungen, welche die Vorwelt in dunkle Sagen hüllte. – Demohngeachtet gab es noch einen Indischen oder Aegyptischen Bachus, welcher bärtig dargestellt wurde, und dessen Abbildung man nicht selten unter den alten Denkmälern findet. – Die goldnen Hörner auf dem Haupte des Bachus, welche die bildende Kunst der Griechen versteckte, oder sie nur ein wenig hervorscheinen ließ, geben dieser Dichtung ebenfalls ein Gepräge des hohen Alterthums, wo das H o r n auf die erhabensten Begriffe von inwohnender wohlthätiger Götterkraft, und unbesiegter Stärke deutet. –

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Unter den Thieren ist der gefleckte Panther dem Bachus geweiht; – es ist die Wuth, die Grausamkeit selber, welche durch ihn gezähmt wird, und sich zu seinen Füßen schmiegt. Der immergrünende Epheu, die Schlange, die sich verjüngt, indem sie ihr Fell abstreift, sind schöne Sinnbilder der nie verwelkenden Jugend, worin die Göttergestalt des Bachus dem Apollo gleicht, nur das die bildende Kunst der Alten den Bachus weicher und weiblicher, mit stärkern Hüften, darstellt. – Auf der hier beigefügten Kupfertafel befindet sich eine Abbildung des Bachus nach einem schönen antiken geschnittenen Steine aus der Lippertschen Daktyliothek: Bachus sitzt auf einem Wagen, der von zwei Panthern gezogen wird; auf den Panthern sitzen Liebesgötter, von denen der eine die Flöte spielt. Das Grausame und Wilde schmiegt sich unter die Herrschaft des Sanften und Frölichen. Auf eben dieser Tafel ist auch S i l e n nach einem antiken geschnittenen Steine abgebildet, in seiner Rechten eine Hippe, und mit der Linken sich auf eine Leyer stützend. – Ein schönes Sinnbild des hohen Taumels, der in harmonische Gesänge überströmt.

Die heiligen Wohnplätze der Götter unter den Menschen. Die Phantasie der Alten ließ ihre Dichtungen, über der Wirklichkeit schwebend, allmälig sich vom Himmel zur Erde niedersenken. – Sie heiligte die Plätze, wo, nach der Sage der Vorwelt, die junge Gottheit neugebohren, zuerst in jugendlichem Glanz hervortrat; oder wo ein Land oder eine Insel so glücklich war, in ihrem Schooße ein Götterkind zu pflegen. – Sie weihte auch die Oerter, wo in Orakelsprüchen die Gottheit ihre Gegenwart offenbarte; und jeder Platz, den irgend eine Gottheit, nach der alten Sage, zu ihrem Lieblingsaufenthalte sich wählte, ward in der Dichtersprache zu einem schönen Nahmen, an welchen sich der

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Begriff der Gottheit selber knüpfte, die unter irgend einer besondern bedeutenden Gestalt auf diesem Fleck verehrt ward. Nun fand die Einbildungskraft so viele Ruhepunkte, worauf sie sich heften konnte, als Tempel waren, welche die Menschen den über den Wolken thronenden Göttern weihten, die oft zu ihnen herniederstiegen, und in ihre geringsten Angelegenheiten sich mit zärtlicher Sorgfalt mischten.

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Auf diesem Eilande senkte sich, durch irgend eine in Dunkel gehüllte Veranlassung, zuerst die kühne Dichtung nieder, welche den höchsten Jupiter auf dem I d a mit der Stimme des neugebohrnen Kindes weinen, und nach der süßen Nahrung und Pflege sich sehnen ließ. – In der Diktäischen Grotte wurde das Götterkind erzogen, und durch das Getöse, welches die Korybanten machten, wurden, nach einer artigen Dichtung, die Bienen herbeigelockt, die den Jupiter mit ihrem Honig nährten, dem auch die Tauben in ihrem Schnabel übers Meer Ambrosia zuführten, indeß die Ziege Amalthea mit ihrer Milch ihn säugte. Auch legte man dem Jupiter von dem Berge, wo seine Kindheit gepflegt war, den Zunahmen des I d ä i s c h e n bei. – Bei Troja war ein Berg, der auch den Nahmen I d a führte, – der G a r g a r u s war dieses Berges höchster Gipfel; – hier übersah Jupiter das Schlachtfeld der Griechen und Trojaner, und wog mit der furchtbaren Waage wechselsweise Sieg und Tod den streitenden Heeren zu.

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Dodona.

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In dem Dodonischen Walde, in Epirus, welches vormals Chaonien hieß, und wo die ältesten Bewohner der Erde, nach der Sage der Vorzeit, von Eicheln lebten, war ein Orakel des Jupiter. Dieß Orakel war das älteste in Griechenland. Aus Theben in Aegypten, entflohen, nach der uralten Dichtung, zwei Tauben des

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Jupiter, wovon die eine sich nach Lybien, die andre nach Dodona wandte, um Jupiters Rathschlüsse den Menschen kund zu thun. Unter dem schönen Bilde der redenden Taube stellt die alte Dichtung die wahrsagende Priesterin dar, welche zuerst in den Wald von Epirus kam, und die unaufmerksamen Menschen auf das sanfte Gemurmel eines Quelles lauschen lehrte, der den Fuß einer Eiche netzte, und dessen wechselnden Tönen sie eine geheime Deutung auf die Zukunft gab. Nachher wurden auf diesem Fleck zwei Säulen errichtet; auf der einen stand ein ehernes Becken; auf der andern die Bildsäule eines Knaben, mit einer metallenen Ruthe, die der Wind bewegen konnte, und welche, so oft sich nur ein Lüftchen regte, an das helltönende Becken schlug. Aus dem Getöne des Erztes wurde nun, wie vorher aus dem Murmeln des Quelles, die dunkle Zukunft prophezeit. – Es war der wechselnde Hauch der alles umströmenden Luft, deren geheime Sprache man durch das sanftberührte Metall zu vernehmen lauschte. – Es war die umgebende sprachlose Natur, womit der Mensch sich gleichsam in vertraute Gespräche einzulassen, und künftige Ereignisse, die sich in ihr bilden, von ihr zu erforschen wünschte. Die Deutung aus einem zufälligen Getöne ist der natürlichste Anfang der Orakelsprüche, weil das Gemüth ohnedem geneigt ist, dem Klange, den das Ohr vernimmt, die Wünsche des Herzens unterzulegen, die gern aus jedem Geräusche widerhallen. – Auch war es kein Wunder, daß die Sehnsucht, irgend einenWunsch so gut als erfüllt zu wissen, sich willig täuschen ließ. Selbst aus den Höhlungen der Bäume in dem dodonischen Walde ließen die Priester ihre Orakelsprüche hören, welches die Dichtung in die Fabel kleidet, daß die dem Jupiter geweihten Eichen selbst geredet, und die Zukunft enthüllet haben. – Die immer thätige Phantasie suchte auch hier das Leblose zu beleben. – Die gegenwärtige Gottheit erfüllte den ganzen ihr geweihten Hain, und jedes Rauschen des Blattes war bedeutend.

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Delos.

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Die Länder und Inseln zittern, auf denen Latona den fernhintreffenden Apoll gebähren will; – kein hervorragendes Eiland wagt es, den Gott in seinem Schooße zu tragen. – Bis Latona endlich das rauhe unfruchtbare Delos besteigt, und ihm verspricht, daß ein Tempel auf seinem felsigten Boden erbauet werden soll, zu welchem alle Völker Geschenke und Hekatomben bringen werden, wenn es den fernhintreffenden Gott in seinen Schooß aufnimmt. Da schwebte Delos zwischen Freude und Furcht, daß, wenn sein Nahme gleich zu ewigen Zeiten glänzte, der Gott, sobald er das Licht erblickte, es wegen seines rauhen Bodens verachten, und in den Abgrund des Meeres zürnend versenken möchte. Latona mußte mit dem unverletzlichen Schwur der Götter dem besorgten Eilande schwören, daß auf ihm der erste Tempel dem Apollo erbaut werden, und auf seinem Altar beständig die Opferflamme lodern solle. Und nun war Delos hocherfreut, daß der fernhintreffende Gott es zu seiner Wiege wählte. – Denn Reichthümer strömten nun von allen Seiten dem unfruchtbaren Eilande zu, – und die Jungfrauen von Delos sangen einen Lobgesang, w o r i n a l l e V ö l k e r i h r e e i g e n e n Wo r t e u n d i h r e e i g e - n e n T ö n e w i e d e r z u h ö r e n glaubten; so harmonisch war des Liedes Klang. Auch fügte das glückliche Delos seinen Nahmen dem Nahmen des Gottes bei. – Von dem felsigten Berge Cynthus auf Delos, den der Gott mit dem silbernen Bogen oft bestieg, hieß er der C y n t h i s c h e , von Delos selber, der D e l i s c h e A p o l l .

Delphi.

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Am Abhange des Parnasses war schon in den ältesten Zeiten eine Höhlung in der Erde, woraus ein betäubender Dampf aufstieg, der diejenigen, welche sich der Oefnung näherten, in eine Art von Wahnwitz versetzte, worin sie zuweilen wie im begeisternden Taumel, sich selber unbewußt, von hohen Dingen sprachen, entfernte Begriffe an-

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einander knüpften, und eine Art von dunkler Dichtersprache redeten, die eben so wie das Murmeln des Baches, oder wie der Klang des Dodonischen Erztes, auf mannichfaltige Weise gedeutet werden konnte. In den ältesten Zeiten war es die E r d e s e l b e r , welche hier unmittelbar ihre Orakelsprüche ertheilte. – Zu den Zeiten des Deukalion war es T h e m i s , eine Tochter des Himmels und der Erde, welche hier die dunkle Zukunft und den Schluß des Schicksals den Sterblichen offenbarte. – Apollo tödtete den Drachen Python, der dieß Heiligthum bewachte, und bemächtigte sich selber des Platzes, wo er von nun an durch die begeisterte Priesterin, die von dem getödteten Drachen P y t h i a hieß, in Orakelsprüchen seine Gottheit offenbarte. Als Apollo nun hier sein Heiligthum gründen wollte, erblickte er von fern ein segelndes Handelsschiff aus Kreta, – plötzlich sprang er ins Meer und warf sich in der Gestalt eines ungeheuren Delphins in das Schiff der Kretensischen Männer, – und zwang es, vor allen Küsten und vor Pylos, wohin es segeln sollte, vorbei, in den Hafen von Krissa einzulaufen, wo er den Männern plötzlich in seiner majestätischen Jünglingsgestalt erschien, und ihnen verkündigte, daß sie nie in ihr Vaterland wiederkehren, sondern in seinem Tempel als Priester ihm dienen würden. Und die Kretenser folgten mit Lobgesängen dem anführenden Gotte zu seinem Heiligthum, an dem felsigten Abhange des Parnasses. – Als sie aber die unfruchtbare Gegend erblickten, flehten sie zum Apoll um Hülfe gegen Armuth und Mangel; – dieser blickte sie lächelnd an, und sagte: o ihr thörichten Menschen, die ihr euch selber Sorgen macht, u n d m ü h s a m e A r b e i t a u s s i n n t , vernehmt ein leichtes Wort: hier halte ein jeder das Opfermesser in seiner rechten Hand, und schlachte unaufhörlich Opfer, die hier von allen Seiten aus allen Ländern zuströmen werden. – Nun wurde D e l p h i nahe am Tempel des Apollo erbauet, und seine Einwohner wurden reich und glücklich, wie der untrügliche Gott geweißagt hatte. –

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Ueber der dampfenden Höhle stand der goldene Dreyfuß, auf welchen sich die Pythia setzte, wenn sie drei Tage gefastet, den Saft aus den Blättern des Lorbeerbaums gesogen, und im Kastalischen Quell sich gebadet hatte. Dann wurde sie von den Priestern mit Gewalt ins Heiligthum geführt. – Sobald sie auf dem Dreifuße saß, und der aufsteigende begeisternde Dampf auf sie zu wirken anhub, sträubte sich ihr Haar empor; ihr Blick wurde wild; der Mund fing an zu schäumen; Zittern ergriff ihren ganzen Körper. – Sie arbeitete mit Gewalt sich loszureißen, und ihr Geheul erscholl im ganzen Tempel. – Bis nach und nach einzelne abgebrochene Laute der Sprache über ihre Lippen kamen, – d i e j e d e r D e u t u n g f ä h i g , von den Priestern aufgezeichnet, und zu Orakelsprüchen im abgemessenen Silbenfall gebildet wurden. – Indeß man die ohnmächtige Pythia in ihre Zelle führte, wo sie nur langsam von der Ermattung sich erhohlte. Es war gleichsam die Gegenwart des Gottes, welcher die Pythia selbst erfüllte, dessen Joch sie kämpfend und sich sträubend von sich abzuschütteln, und seiner überwältigenden Macht, so lange sie konnte, zu widerstehen suchte, bis sie endlich besiegt die eingehauchten Götterworte aussprach – und kraftloß niedersank. – Wenn die Pythia auf dem Dreifuße saß, so war sie von den Priestern des Heiligthums ganz umgeben. – Zwei Priesterinnen hielten die Ungeweihten ab, sich ihr zu nähern. – Das Heiligthum selber war mit Lorberzweigen ganz verdeckt; und selbst der angezündete Weihrauch hüllte alles in eine Wolke, wie in geheimnißvolles Dunkel ein, das keine frevelnde Neugier zu erforschen wagte. – Auch würde sich die Sehnsucht der Sterblichen, daß es wirklich einen Blick für sie in die Zukunft geben möchte, diese Täuschung ungern haben nehmen lassen, wenn einer auch den Vorhang hätte hinwegziehen wollen; – denn das, worüber man das Orakel fragte, waren größtentheils sehnsuchtsvolle Wünsche für die Zukunft, wozu man d i e U e b e r e i n s t i m m u n g d e r G o t t h e i t erflehte. – Und die Täuschung der ganzen Scene selber, worin sich der zweideutige Ausspruch hüllte, war doch dichterisch schön. –

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Argos. Juno nennt unter ihren geliebten Städten Argos selbst zuerst. – Da sie den Jupiter anliegt, die Zerstörung des ihr v e r h a ß t e n Troja ihr endlich zu gewähren, so sucht sie gleichsam mit ihm einen Tausch zu treffen. Drei Städte, sagt sie, sind mir unter allen die liebsten: A r g o s , Sparta, und Mycen; dennoch geb’ ich sie gern, so bald du willst, dir Preis, wenn nur die Mauern von Troja endlich stürzen! Das Fatum, das über alles waltet, läßt die Zerstörung ihren ungehemmten Schritt gehen. – Der hohe Götterwille selber fügt sich seinen Planen, und den Göttern selber ist nichts so theuer und kostbar, das nicht ein Opfer wird, sobald sein Ziel herannaht. – In Argos wurden der Juno die H e r ä e n gefeiert, die von ihrer griechischen Benennung H e r a den Nahmen führten, wobei die Priesterin der Juno, wie im Triumph, auf einem Wagen zum Tempel der Götter fuhr, und eine Hekatombe von weißen Rindern ihr zum Opfer brachte. Die Göttin wurde hier vorzüglich in ihrer o b e r s t e n P r i e s t e r i n verehrt, – an welche Verehrung sich die schöne Erzählung vom Kleobis und Biton knüpft, deren kindliche Ehrfurcht gegen ihre Mutter, eine Priesterin zu Argos, sich so weit erstreckte, daß sie den Wagen ihrer Mutter, dessen Gespann von weißen Rindern nicht schnell genug herbeizuschaffen war, selber fünf und vierzig Stadien weit, bis zum Tempel der Juno zogen; wo sie auf das Gebet ihrer Mutter, daß die Göttin ihnen das wünschenswertheste Glück ertheilen möchte, nach einer frohen Mahlzeit sanft entschlummerten, u n d a u s d e m Schlummer nicht erwachten.

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Olympia. Hier senkte sich die erhabene Idee von dem Olympischen Jupiter durch die bildende Kunst des P h i d i a s vom Himmel zur Erde nieder. –

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Jeder Ausdruck von Majestät und Würde vereinigte sich in diesem Meisterwerck der Kunst, – man sahe den Gott, mit dessen Lächeln sich der Himmel aufheitert – und der mit dem Wink seiner Augenbraunen, und mit dem Nicken seines Hauptes den großen Olymp erschüttert. Die Bildsäule war in kolossalischer Größe aus Gold und Elfenbein verfertigt; – in der Rechten hielt der Gott eine Viktoria, in der Linken den künstlich gearbeiteten Zepter, auf dessen Spitze ein Adler saß. – Auf dem goldenen Mantel waren die mannichfaltigen Gattungen der Thiere und Blumen in schimmernder Pracht gebildet. Der Thron des Gottes glänzte von Gold und Edelsteinen – zu Jupiters Haupt und Füßen, und an den Wänden des Tempels waren fast alle mythologischen Dichtungen der Alten in erhabener Arbeit dargestellt. – Die Majestät der ganzen Götterwelt umgab den Thron und die Bildsäule des Jupiter, die von dem Fußboden bis zum Gewölbe des Tempels reichte. Bei Olympia wurden auch dem Jupiter zu Ehren alle vier Jahre die O l y m p i s c h e n S p i e l e gefeiert. Der Zwischenraum von einer Feier dieser Spiele bis zur andern hieß eine O l y m p i a d e , und in ganz Griechenland bediente man sich dieser Zeitrechnung nach Olympiaden, weil die Olympischen Spiele die allgemeinste Aufmerksamkeit auf sich zogen, und unter allem, woran sich die Einbildungskraft bei der Rückerinnerung festhalten konnte, das Glänzendste waren. Den Tempel des Olympischen Jupiters umgab ein heiliger Hain, worin die Bildsäulen der Ueberwinder in den Olympischen Spielen, von den berühmtesten Meistern verfertigt, errichtet waren. – Die Menschheit schloß sich in der Verehrung ihrer eigenen Würde vertraulich an die Gottheit an.

Athen. 30

In dieser Lieblingsstadt der Göttin der bildenden Künste erhob sich der Geist bis zu dem höchsten Schwunge der Gedanken, wo die Menschheit, in den darstellenden Werken der Kunst sich spiegelnd,

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gleichsam erst sich s e l b s t b e w u ß t w u r d e , da sonst ein Geschlecht nach dem andern in einer Art von dumpfer Betäubung die kurze Spanne des Lebens durchträumte, und keine Spur von sich zurückließ. Die Panathenäen, welche hier der Minerva zu Ehren gefeiert wurden, waren ein schönes Fest, worin die ganze Stadt, durch Wetteifern in den Künsten, sich gleichsam von neuem der Göttin heiligte. Auch war die Bildsäule der Göttin in ihrem Tempel zu Athen, gleich der des Olympischen Jupiters, aus Gold und Elfenbein verfertigt, ein Werk des P h i d i a s , in welches sich auch hier die Majestät der Gottheit vom Himmel zur Erde niedersenkte.

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Cypern.

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Hier trugen die Wellen die Göttin der Liebe, als sie aus dem Schaume des Meers emporstieg, sanft ans Ufer. – Auf dieser anmuthigen Insel waren ihr ganze Städte, Haine, Tempel, und Altäre geweiht. Ihr Lieblingssitz war P a p h o s , wo man in ihrem Tempel von allen Seiten Geschenke darbrachte, und Gelübde that. – Von der Verehrung, womit hier alle Völker der Göttin der Schönheit huldigten, hieß sie die K ö n i g i n v o n P a p h o s . – Von A m a t h u n t und I d a l i u m in Cypern führte sie die dichterischen Nahmen I d a l i a und A m a thusia.

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Gnidus. Nach Gnidus wallfahrtete man aus den entferntesten Ländern, um in der Venus des P r a x i t e l e s die in alle Wesen Liebe einhauchende Gottheit zu verehren, welche durch die bildende Kunst, in menschlicher Gestalt dem Auge sichtbar gemacht, in einem offenen Tempel, dem Blick der Sterblichen enthüllet, da stand, und die Bewunderung aller Völker auf sich zog.

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Cythere.

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Auf diesem Eilande war der älteste Tempel der Venus in Griechenland. – Der Begriff von der Göttin selber war mit ihrem Aufenthalt auf Cythere so oft zusammengedacht, daß beide Nahmen zu einem wurden, und in der Dichtersprache die Göttin der Liebe C y t h e r e heißt.

Lemnos.

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Auf der Insel Lemnos, wo es häufige Erdbeben und feuerspeiende Berge gab, und in dem dampfenden Aetna in Sicilien, wo von dem Feuer, das sich vergebens einen Ausweg suchte, zum öftern ein unterirdischer Donner erscholl, ließ die Dichtung in den Höhlen der Erde die mächtigen Hammerschläge der Cyklopen in der Werkstätte des Vulkan ertönen. Auch nahm die Insel Lemnos den Gott der Flammen in ihrem Schooße auf, da Jupiter, wie einen Blitzstrahl ihn vom Himmel schleuderte. – Lemnos blieb dem Vulkan geweiht, indem der Begriff von seiner Götterbildung vorzüglich auf diesem Fleck sich an die Erde knüpfte.

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Ganz Asien wetteiferte, um den Tempel der Diana von Ephesus zu schmücken, in welchem die Bildsäule der Göttin m i t v i e l e n B r ü s t e n stand, um die alles ernährende Natur anzudeuten, die man sich hier unter dem Bilde der Diana dachte; so wie man zum öftern in einer Göttergestalt, deren Nahme einmal herrschend geworden war, die Verehrung der übrigen aufnahm, und sie sich zu einer Art von Pantheon schuf. Aus den entferntesten Ländern wurden Wallfahrten zu dem Tempel der Diana von Ephesus angestellt, welcher als einer der erhabensten Göttersitze zugleich durch seine äußere Pracht, die das Werk

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vieler Könige war, die Sterblichen zur Verehrung der inwohnenden Gottheit einlud.

Thracien.

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Der Hauptsitz der Verehrung des Kriegesgottes ist Thracien, wohin die Dichtkunst überhaupt das Wilde, Grausame und Ungestüme versetzt. So warf Diomedes, ein Thracier und ein Sohn des Mars die Fremden, deren er sich bemächtigen konnte, seinen Pferden vor, von denen sie zerfleischt und verzehrt wurden. Er übte diese Grausamkeit so lange, bis Herkules ihn erschlug. Ein Sohn des Mars und ein Thracier war auch Te r e u s , welcher die Philomele ihrer Zunge beraubte, damit sie die Frevelthat, die er an ihr verübte, nicht entdecken möchte. – Der stürmende B o r e a s hatte nach den Dichtungen der Alten seine Wohnung in Thracien, weswegen die Menschen, die jenseit wohnten, die Hyperboreer hießen; die Bachantinnen, unter dem Nahmen der B i s t o n i d e n , mit Schlangenknoten in ihr Haar geschlungen, schweiften auf dem Thracischen Gebirge umher. Demohngeachtet war Thracien auch das Vaterland des Orpheus, der durch seinen Gesang und durch die Töne seiner Leyer die Wildheit der Thiere des Waldes zähmte, und Bäume und Felsen sich bewegen ließ. Durch sein mächtiges Saitenspiel ließ selbst der Orkus sich bewegen, ihm seine Gattin Eurydice zurückzugeben, nur sollte er nicht eher nach ihr sich umsehen, als bis er sie wieder auf die Oberwelt zum Anblick des Tages und des himmlischen Lichts gebracht. – Da sie nun bald der öden Schattenwelt entstiegen waren; so zog die zärtliche Besorgniß, und der zweifelnde Gedanke, ob sein geliebtes Weib ihm wirklich folge, den Blick des Gatten, ihm selbst fast unbewußt, ein einzigesmal zurück, und nun war Eurydice auf immer für ihn verlohren, – ihr Bild verschwand in Nacht und Dunkel, – und seine ganze süße Hofnung w a r e i n Tr a u m .

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Die Freude seines Lebens war nun entflohen; – die Leyer schwieg; – das wütende Geschrei der Bachantinnen erscholl auf dem t h r a c i s c h e n Gebirge; – sie zürnten auf den Dichter, dem nach Eurydicens Verlust das ganze weibliche Geschlecht verhaßt war; – von den schrecklichbegeisterten Mänaden zerfleischt und in Stücken gerissen ward der Göttersohn ein Opfer ihrer rasenden Wuth. –

Arkadien.

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In den mythologischen Dichtungen der Alten erscheint Arkadien nicht ganz in dem reitzenden Lichte des süßen Schäferlebens, dessen Scenen die neuere Dichtkunst fast immer in dies Land versetzt, und mit dessen Nahmen sich schon etwas Sanftes und Einladendes in dieser dichterischen Vorstellungsart verknüpft. Bei den Alten hingegen war mit der Idee von der Einfachheit der Sitten bei den Arkadiern zugleich der Begriff von einer gewissen R o h h e i t und Tr ä g h e i t verbunden, die man den Bewohnern dieses Hirtenlandes zuschrieb. – Auch war es nicht das sanfteste Klima, was in Arkadien herrschte, vielmehr war es wegen seiner gebirgigten Lage rauher, als die umliegenden Gegenden. Daß aber die H i r t e n g ö t t e r , nach der Sage der Vorzeit, hier vorzüglich ihre Gegenwart offenbarten, und h i e r s o g a r i h r e n U r s p r u n g h a t t e n ; daß die alten Dichtungen auf dem Berge C y l l e n e in Arkadien selbst die neugebohrne Göttergestalt des Merkur zuerst hervortreten ließen. – Dieß gab der gebirgigten Gegend, wo die Nacht des Waldes überdem die Göttergestalten, welche die Einbildungskraft sich schuf, gleichsam in Dunkel hüllte, eine vorzügliche Heiligkeit. – Der Nahme des Landes und die Nahmen der einzelnen Berge, die es in sich faßt, wurden in der Dichtersprache der Alten bedeutungsvoll, indem sie den Aufenthalt höherer Wesen unter den sterblichen Menschen bezeichneten.

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Phrygien.

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In einer Gegend von Phrygien war es, wo nach der schönen alten Dichtung Jupiter und Merkur unerkannt unter den Menschen umherwandelten und ihre Thaten prüften. Als sie eines Abends, wie ermüdete Reisende, eine Herberge suchten, blieben die Thüren der Reichen und Begüterten ihnen verschlossen. – P h i l e m o n und B a u c i s , ein paar bejahrte Eheleute, nahmen die Wandrer gastfreundlich in ihre arme Hütte auf. Die alte Baucis war beschäftigt, ihre einzige Gans zu greifen und zu schlachten, um die willkommenen Gäste, so gut es in ihrem Vermögen stand, zu bewirthen. – Die Gans aber entfloh, und suchte Schutz unter Jupiters Füßen, der ihr das Leben rettete; worauf die Götter sich zu erkennen gaben, und das fromme Ehepaar auf einen benachbarten Hügel führten, von welchem sie die Verwüstung übersehen konnten, womit die Götter die Hartherzigkeit der Bewohner dieser Gegend straften. Die Häuser und Palläste der Reichen wurden ein Raub der Ueberschwemmung, indeß die arme gastfreundliche Hütte noch immer aus den Fluthen hervorragte, und zum Erstaunen ihrer alten Bewohner sich in einen prächtigen Tempel verwandelte. Als nun Jupiter den gastfreundlichen Alten befahl, sich eine Gabe von ihm zu erbitten, so war Philemons und Baucis höchster Wunsch: in jenem neuentstandenen Tempel, dem Jupiter, d e m B e s c h ü t z e r d e s G a s t r e c h t s , und dem Belohner der Gastfreundschaftlichkeit, zu opfern, und sein Priesterthum zu verwalten. Diese Bitte ward ihnen gewährt, und noch ein Wunsch verstattet; – allein dem glücklichen Paar blieb nichts mehr zu wünschen übrig, als: b e i d e z u g l e i c h e r Z e i t z u s t e r b e n . – Auch dieß geschah. Zwei Bäume, eine Eiche und eine Linde, die den Tempel beschatteten, wurden noch lange nachher zum Andenken des frommen Paars Philemon und Baucis genannt. In diesen und ähnlichen Sagen der Vorwelt erkannte und verehrte man die furchtbare und wohlthätige Macht der Gottheit. – D e m

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g a s t f r e u n d s c h a f t l i c h e n J u p i t e r wurden allenthalben Altäre errichtet. – Die ankommenden Fremden standen unter seinem Schutze; – einen Gast- freund betrachtete man als heilig und unverletzlich; – man verehrte unter den Gästen und Fremdlingen die Götter, welche selber zum öftern vom Himmel herabgestiegen waren, und unter dieser Gestalt den Menschen sich offenbart hatten.

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Als N e s t o r , welcher zwei Menschenalter durchlebt hatte, und nun schon im dritten über Pylos herrschte, in der Belagerung von Troja den Streit des Achilles und Agamemnon zu schlichten suchte; so leitete er seine Rede mit der Erinnerung ein, daß er mit s t ä r k e r n M ä n n e r n gelebt habe, als das jetzige Zeitalter sie hervorbringe; mit einem C ä n e u s , D r y a s , P i r i t h o u s und T h e s e u s , mit denen niemand von den jetzigen Menschen es wagen würde, sich in einen Wettkampf einzulassen, – und daß diese dennoch ihn gehört, und seinen Rath befolgt hätten. – Achilles und Agamemnon möchten dieserwegen ein Gleiches thun. So schildert Nestor die Helden v o r dem Trojanischen Kriege; und der Dichter der Iliade selber schildert wiederum die Helden im Trojanischen Kriege, wie sie die Menschen seiner Zeit an Stärke übertrafen. – Hektor, sagt er, ergriff einen Stein, den zwei der stärksten Männer zu unsern Zeiten nur mit Mühe vom Boden auf den Wagen zu heben vermöchten, – den schleuderte Hektor mit leichter Mühe gegen das Thor der griechischen Mauer, daß mit einemmale die Thüren aus ihren Angeln sprangen. Die Menschen, welche zuerst vom Prometheus aus Thon gebildet, den herrschenden Göttern verhaßt, des Feuers beraubt, durch mehrere Ueberschwemmungen bis auf wenige vertilgt wurden, und da sich dennoch ihr Geschlecht fortpflanzte, Jahrhunderte hindurch in

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dumpfer Betäubung gleich den Thieren des Feldes lebten, arbeiteten sich allmälig aus diesem dumpfen Zustande durch e i g n e A n s t r e n g u n g heraus, und wurden durch edles Selbstbewußtseyn und durch die Anwendung ihrer inwohnenden Kräfte den unsterblichen Göttern ähnlich. – Die Menschheit lernte in den Götterähnlichen Helden, die aus ihr entstammten, sich selber schätzen, und ihren eigenen Werth verehren. – Auch wurde nun die Gottheit gleichsam den Menschen wieder versöhnt. – Die Götter nahmen an den Begebenheiten und Schicksalen der Menschen immer nähern Antheil. – Das Göttliche und Menschliche rückte in der Einbildungskraft i m m e r n ä h e r z u s a m m e n , bis endlich in dem Kriege vor Troja sich die Götter sogar in das Treffen der Menschen mit einließen, und von Sterblichen verwundet wurden. – Keine Benennung kömmt daher auch häufiger in der Dichtersprache der Alten vor, als die des G ö t t e r ä h n l i c h e n oder des G ö t t e r g l e i c h e n , womit die Helden der Vorzeit gerühmt und der A d e l der Menschheit gepriesen wird. P e r s e u s , K a d m u s , H e r k u l e s , T h e s e u s , J a s o n sind die berühmtesten Heldennahmen. – Die Geschichte des Perseus hüllt sich am meisten in dunkle Fabeln ein, und tritt am weitesten in das entfernte Alterthum der Heldenzeit zurück. Um des Perseus irdische Abstammung zu verfolgen, steigen wir wieder bis zum a l t e n I n a c h u s hinauf, mit dessen Tochter J o Jupiter in Aegypten den E p a p h u s erzeugte. – Die königliche Tochter des Epaphus, L y b i a , gebahr von Neptuns Umarmung den B e l u s und A g e n o r . – Belus erzeugte den D a n a u s und A e g y p t u s . D a n a u s schifte nach Griechenland, um seine Ansprüche auf das von seinem Ahnherrn Inachus ihm angestammte Königreich Argos gegen den G e l a n o r , der damals diese Gegend beherrschte, zu behaupten. Das Volk sollte den Ausspruch thun, und während es noch unschlüssig war, fiel ein Wolf in eine Heerde von Kühen und besiegte den Stier, der sie vertheidigte.

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Diese unvermuthete Erscheinung nahm man von den Göttern als ein Zeichen an, daß der F r e m d e und nicht der Einheimische herrschen solle; – man schrieb dieß Zeichen dem wahrsagenden Apollo zu, welchem Danaus wegen der Sendung des Wo l f e s , unter dem Nahmen des L y c i s c h e n Apollo, einen Tempel erbaute. Danaus lehrte die Argiver Brunnen graben, und größere und bequemere Schiffe bauen. – Nach der alten Sage hatte er funfzig Töchter, so wie sein Bruder Aegyptus funfzig Söhne. – Die funfzig Söhne des Aegyptus kamen nach Griechenland, um mit den Töchtern des Danaus sich zu vermählen. – Dem Danaus aber war geweißagt worden, daß einer seiner Tochtermänner ihn der Herrschaft entsetzen würde. Die alten Könige fürchteten, w i e d i e a l t e n G ö t t e r , ihre eigenen Kinder und Nachkommen. – Danaus befahl seinen Töchtern, die sich mit den Söhnen des Aegyptus vermählten, ihre Männer in der ersten Nacht zu ermorden, welches sie thaten, bis auf die H y p e r m n e s t r a , die, mit ihrer eigenen Gefahr, den L y n c e u s , ihren geliebten Gatten, entfliehen ließ. Eine, sagt ein Dichter aus dem Alterthum, eine unter vielen, ihres geliebten Jünglings werth, hinterging mit glorreicher List des Vaters Grausamkeit, und ewig glänzt ihr Ruhm. Steh auf, rief sie dem schlummernden Gatten zu, damit nicht, ehe du es vermuthest, ewiger Schlaf dich drücke! fliehe meinen Vater, und meine blutdürstigen Schwestern, die ihre Männer, wie junge Löwenbrut, zerreißen. – Mein Herz ist aus weichern Stoff. – Dich tödten kann ich nicht, und werde dich nicht in diesen Mauern gefangen halten. Mag mein Vater mich mit schweren Ketten belasten, weil ich mitleidsvoll des Gatten schonte, oder mag er mich in die ödeste Wüste verjagen! Geh, wohin dich Füße und Winde tragen, so lange Venus und die Nacht dich schützt; geh unter glücklichen Zeichen! und ätze, meiner eingedenk, dereinst auf meinen Grabstein deine Klag’ um mich! Lynceus entfloh, aber er kehrte wieder; denn Danaus wurde mit seiner Tochter ausgesöhnt, und von dem treuen Paare Lynceus und

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Hypermnestra stammten Perseus und Herkules, die göttergleichen Helden ab. Die grausame That der übrigen Töchter des Danaus blieb nicht unbestraft; – sie mußten noch in der Unterwelt für ihren Frevel büßen. A b a s , ein Sohn des Lynceus, herrschte nach seines Vaters Tode über Argos, und hinter- ließ zwei Söhne, den P r ö t u s und A k r i s i u s , die sich zu verschiedenen Zeiten einander die Oberherrschaft streitig machten. – P e r s e u s war des Akrisius Enkel.

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Perseus.

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Akrisius befürchtete wieder Ve r d e r b e n v o n s e i n e n N a c h k o m m e n . – Ihm war geweißagt worden, daß einer seiner Enkel ihn tödten würde; – er verschloß daher seine einzige Tochter, die D a n a e , in einen ehernen Thurm, um die Weißagung zu vereiteln. Allein durch eine Oefnung in dem Dache senkte sich Jupiter in einem goldenen Regen in Danaens Schooß hernieder, und erzeugte mit ihr den Perseus, welchen Akrisius, sobald er gebohren war, nebst der Mutter, in einem zerbrechlichen Nachen, den Wellen übergab. Die wohlthätigen Meergöttinnen nahmen den Göttersohn mit seiner Mutter sanft in den Schooß der Wasserwogen auf, und ließen den Nachen an dem Strande der kleinen Insel Seriphus auf dem griechischen Meere landen, wo Polydektes, der Beherrscher der Insel, Mutter und Kind aufnahm, und für die Erziehung des jungen Perseus sorgte. Und nun nahete die Zeit heran, wo die Ungeheuer, welche die Nacht oder das ungestüme Element aus seinem Schooße gebohren hatte, von den aufkeimenden Helden besiegt, und der Erdkreis von seinen Plagen befreiet werden sollte. Die erste und kühnste That, welche Perseus, sobald er die angestammte Götterkraft in sich fühlte, unternahm, war, das Verderben bringende, versteinernde Haupt der Medusa von ihrem Körper zu trennen, und dieser Schreckengestalt sich selber zu bemächtigen. Mit dem unsichtbarmachenden Helm des Orkus; den Flügeln des Merkur; und dem Schilde der Minerva, von den Göttern selber aus-

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gerüstet, unternahm er die kühne That mit weggewandtem Blick, indem er das Bild der schlummernden Medusa erst in dem Spiegel seines Schildes sahe, und Minerva unsichtbar den Arm ihm lenkte, damit er nicht seines Ziels verfehlte. Als nun Perseus den tödlichen Hieb vollführt hatte, so seufzten und ächzten Stheno und Euryale, die beiden unsterblichen Schwestern der Medusa, so laut über diesen Anblick, und das Zischen der Schlangen auf ihren Häuptern tönte so kläglich in ihr Aechzen, daß Minerva, dadurch gerührt, eine Flöte erfand, wodurch sie die Vorstellung dieser traurigen Töne, durch verschiedene Arten des Schalls sie nachahmend, wieder zu erwecken suchte. – Mitten im furchtbaren blutigen Werke schimmert die Göttin der Künste hervor. – Mit dem Neptun hatte Medusa das Heiligthum der Minerva entweiht; darum hatte diese ihren Tod beschlossen. – Demohngeachtet sprang, vom Neptun erzeugt, der geflügelte Pegasus aus ihrem Blute hervor, der, auf den Befehl der Götter, die Ueberwinder der Ungeheuer, den P e r s e u s , und nach ihm den B e l l e r o p h o n trug. Mit dem versteinernden Haupte, in der Hand, schwebte nun Perseus über Meer und Ländern. – Den Atlas, der ihm den Zugang zu den Gärten der Hesperiden versagte, verwandelte er durch den Anblick des Medusenhauptes i n e i n G e b i r g e , das nachher stets den Nahmen dieses Sohnes des Japet führte. Nach dieser ersten Ausübung seiner Macht, die ihm der Besitz des Hauptes der Medusa verlieh, sahe Perseus auf die Phönizische Küste hinunterblickend ein Mädchen, an einen Felsen geschmiedet, und ein Ungeheuer, sie zu verschlingen , aus dem Meer aufsteigend, indeß ihre Eltern verzweiflungsvoll die Hände ringend am Ufer standen. – Perseus stürzte sich auf das Ungeheuer nieder, das gerade seinen Raub zu verschlingen im Begriff war, und befreiete die schöne A n d r o m e d a , welche den Zorn der beleidigten Gottheit, über die Vermessenheit ihrer Mutter zu versöhnen, als ein schuldloses Opfer, da stand. – Denn K a s s i o p e j a , die Mutter der Andromeda und Gemahlin des C e p h e u s , hatte es gewagt, den mächtigen N e r e i d e n an Schönheit

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sich gleich zu schätzen, – und nun verheerten Plagen das Land, die nach dem Orakelspruch des Jupiter Ammon nicht eher aufhören sollten, bis Andromeda, von einem Seeungeheuer verschlungen, den Frevel der Mutter gebüßt hätte. Die Eltern der Andromeda, welche selber Zeugen ihrer Rettung waren, vermählten mit Freuden dem edlen Perseus ihre Tochter. – P h i n e u s aber, des Cepheus Bruder, dem Andromeda vorher versprochen war, trat bei dem Vermählungsfeste mit bewafneten Männern in den Hochzeitsaal, und drang wüthend auf den Perseus ein, den nur das Haupt der Medusa retten konnte, indem er seinen Freunden zurief, ihr Antlitz hinwegzuwenden, und den Phineus mit seinem Gefolge versteinerte. Nach diesen Thaten führte Perseus seine Vermählte nach Seriphus, wo er den Polydektes und seine Mutter wieder sahe. – Gegen den Polydektes selber, der ihm aus Furcht nach dem Leben stand, mußte er das versteinernde Haupt der Medusa kehren, und dieser mußte in Fels verwandelt für seinen feigen Argwohn büßen. Da nun Perseus erfuhr, daß sein Ahnherr A k r i s i u s vom Prötus seines Königreichs beraubt sey, so eilte er großmüthig, statt sich zu rächen, mit seiner Mutter und seiner Vermählten nach Griechenland, um den Akrisius in sein Reich wieder einzusetzen. Er überwand und tödtete den Prötus, und übergab dem Akrisius wieder die königliche Würde, der nun in seinem gefürchteten Enkel, seinen Freund und Wohlthäter, voll Dank und Freude umarmte. Allein der tragische Ausgang lauerte dennoch im Hinterhalte; das Schicksal, welches mit den Hofnungen der Menschen spielt, hatte bei diesem verführerischen Anschein, die alte Drohung noch nicht zurückgenommen. Perseus, welcher wußte, wie sehr Akrisius an der Geschicklichkeit seines Enkels in jeder Leibesübung sich ergötzte, wollte ihm eines Tages von seiner Fertigkeit eine Probe ablegen. – Die unglückseelige Wurfscheibe fuhr aus der starken Hand, und flog, wie vom bösen Dämon gelenkt, dem Akrisius an das Haupt, der todt darnieder sank.

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Hierüber brachte Perseus seine übrigen Tage in Schwermuth zu, indem er unverschuldet sich dennoch einen Vatermörder schalt. – Der Aufenthalt in Argos ward ihm unerträglich. – Er bewog den Sohn des Prötus zu einem Tausche seiner Länder, und als er Argos verlassen hatte, so fand er auch in Tyrinth, der Hauptstadt des andern Reiches, noch keine Ruhe, sondern baute, um des Vergangnen so wenig wie möglich sich zu erinnern, die neue Stadt Mycene. – Das Haupt der Medusa wurde vom Perseus der Minerva geweiht, die es in die mächtige A e g i d e , ihren leuchtenden Schild, versetzte, wo es ein bedeutendes Symbol ihrer furchtbaren Macht, und der z u r ü c k s c h r e c k e n d e n K ä l t e , als des Hauptzugs in ihrem Wesen, wurde. P e r s e u s selber und die Hauptpersonen aus seiner Geschichte, A n d r o m e d a , K a s s i o p e j a , u . s . w . , sind in den Dichtungen der Alten unter die Gestirne versetzt, welche noch itzt diesen Nahmen führen. Auf die Weise wurden im eigentlichen Sinne die Helden des Alterthums bis an den Himmel erhoben, und ihren Nahmen das d a u r e n d s t e und g l ä n z e n d s t e Denkmal gestiftet. – Unter den Kindem, welche Perseus mit der Andromeda erzeugte, war A l c ä u s , der Vater des A m p h i t r y o , der mit der Mutter des Herkules vermählt war; – E l e k t r y o war der Va- ter der A l k m e n e , die mit dem Amphitryo vermählt war, und vom Jupiter den Herkules gebahr. – Ein dritter Sohn, Nahmens S t h e n e l u s , war der Vater des E u r y s t h e u s , der Mycene beherrschte, und welchem Herkules dienen mußte. Obgleich dem Perseus auch an einigen Orten Tempel und Altäre errichtet waren, und er der ä l t e s t e unter den berühmten Helden der Vorzeit ist, so war dennoch der glänzendste Ruhm dem H e r k u l e s aufgespart, der die größten Mühseeligkeiten des Lebens trug, und vom Haß der Juno von Kindheit an verfolgt, sich endlich durch ausharrende Geduld den Weg zur Unsterblichkeit und zum Sitz der Götter bahnte. –

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Des Perseus Ruhm und Thaten wurden durch Alkmenens Sohn verdunkelt, dem man allenthalben Tempel und Altäre erbaute, und ihn, nachdem er seine Laufbahn auf Erden, mit Ruhm gekrönt, vollendet hatte, d e n G ö t t e r n d e s H i m m e l s zugesellte. Die Heldenrolle des Perseus aber ist liebenswürdiger, und hat bei ihrem grauen Alterthume viel Aehnliches mit dem Rittermäßigen der neuern Zeiten. – Eine schöne und bedeutende Abbildung des Perseus, nach einem antiken geschnittenen Steine, befindet sich auf der hier beigefügten Kupfertafel, wo er stehend dargestellt ist, das Schwerdt in der rechten Hand, d a s H a u p t d e r M e d u s a m i t d e r L i n k e n a u f d e n R ü c k e n h a l t e n d . – Diese Darstellung faßt gleichsam die ganze Dichtung von dem Haupte der Medusa in sich, weil sie am deutlichsten die furchtbare Kraft desselben bezeichnet, wodurch der Held, der dessen Anblick selbst vermied, und es nur gegen seine Feinde kehrte, unüberwindlich war. Auf eben dieser Tafel ist B e l l e r o p h o n abgebildet, mit Helm und Spieß bewafnet, auf dem geflügelten Pegasus in den Lüften reitend, mit der Chimära den Kampf beginnend, welche die bildende Kunst n i c h t g a n z i n d e r u n g e h e u r e n G e s t a l t , womit sie die Dichtung schildert, darstellt. –

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Eben der P r ö t u s , der seinen Bruder A k r i s i u s des Reichs entsetzt hatte, und der zuletzt vom Perseus, dem Enkel des Akrisius, überwunden und getödtet ward, gab auch dem Bellerophon, durch einen falschen Verdacht gereitzt, den ersten Anlaß zu seinen Heldenthaten. Bellerophon war nemlich ein Enkel des Sisyphus, welcher Korinth erbaute, und selbst ein Urenkel des D e u k a l i o n und ein Sohn des A e o l u s war, von dem der Aeolische Heldenstamm in manchen Zweigen der fürstlichen Geschlechter Griechenlands sich ausbreitete. Wegen einer Mordthat mußte Bellerophon aus Korinth entfliehen, und nahm zum Prötus seine Zuflucht, der damals über Argos herrschte, und sein Verbrechen aussöhnte.

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Des Prötus Vermählte war A n t e a , eine Tochter des Königs Jobates in Lycien. Eine zärtliche Leidenschaft, die sie gegen den Jüngling faßte, und welche dieser standhaft von sich wieß, verwandelte sich in Haß. – Sie forderte selbst den Prötus zur Rache gegen den Bellerophon auf, den sie mit schwarzem Trug beschuldigte, daß er sie zur Untreue habe verleiten wollen. Dem Prötus waren die Rechte der Gastfreundschaft zu heilig, als daß er selbst den Bellerophon hätte tödten sollen; er schickte ihn nach Lycien zum J o b a t e s , dem Vater der Antea, mit einem Briefe, welcher den Auftrag enthielt, an dem Ueberbringer das ihm angeschuldigte Vergehen durch dessen Tod zu rächen. Allein Jobates las erst diesen Brief, nachdem er den Bellerophon schon gastfreundlich bewirthet hatte, und scheute sich ebenfalls in ihm das h e i l i g e G a s t r e c h t zu verletzen; – er stellte daher den Tod des Fremden dem Zufall heim, indem er ihn zu den gefahrvollsten Unternehmungen sandte, wobei sein Untergang unvermeidlich schien. Unter den Ungeheuern, die von dem Phorkys und der schönen Ceto abstammen, und wovon die schrekliche G o r g o schon vom Perseus überwunden ist, tritt nun die feuerspeiende C h i m ä r a , mit dem Kopfe des Löwen, dem Leib der Ziege, und Schweif des Drachen in dieser Dichtung auf, um Bellerophons Heldenmuth zu prüfen, und von des Sisyphus tapfern Enkel besiegt zu werden, zu welcher That die Götter den Pegasus, der den Perseus trug, auch ihm gewährten. Aus den Lüften kämpfte er nun mit dem Ungeheuer, daß er, nach einem fürchterlichen Streite, endlich überwand. – Es sind lauter unnatürliche Erzeugungen, welche von den Göttern und Helden nach und nach aus der Reihe der Dinge hinweggetilgt werden; – es scheint fast als sollten diese Dichtungen anspielen, daß Traum und Wahrheit, Wirklichkeit und Blendwerk gleichsam lange vorher miteinander im Kampfe lagen, ehe die Dinge sich in der Vorstellung ordnen konnten, und ihre feste und bleibende Gestalt erhielten. – Das Werk der Helden war es, die unnatürlichen Erscheinungen und Blendwerke zu verscheuchen, und Ordnung, Licht und Wahrheit

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um sich her zu schaffen. – Die Sphynx stürzte einen jeden von dem Felsen, der ihr Räthsel nicht lösen konnte; kaum hatte Oedipus es aufgelößt, so stürzte sie sich selbst herab. – Nicht genug, daß Bellerophon die Chimära, die Pest des Landes, überwunden hatte, mußte er auch noch die Feinde des Jobates, die tapfern Solymer und die Amazonen bekriegen; und als er auch von dieser Unternehmung siegreich zurückkehrte, lauerte noch im Hinterhalt ein Trupp von Lyciern auf ihn, die ihn ermorden sollten. Als er auch diese schlug und der drohenden Gefahr aufs neue entging; so erkannte Jobates endlich, daß der Held aus g ö t t l i c h e m G e s c h l e c h t e sey, vermählte ihm seine Tochter, und theilte sein Königreich mit ihm. – Allein auch dieses Heldenglück war nicht von Dauer. – Als Bellerophon, seiner Siege froh, sich einst mit dem geflügelten Pegasus in die Lüfte schwang, und sich dem Sitz der Götter nähern wollte, so stürzten ihn diese so tief herab, als hoch er gestiegen war; – sie schickten eine Bremse, deren Stich den Pegasus rasend machte, der hoch in der Luft sich bäumend seinen Reiter abwarf. Der, welcher vorher ein Liebling der Götter war, schien ihnen von nun an verhaßt zu seyn. – Sein niederbeugender Fall und Kummer über häusliches Unglück kürzte seine Tage, – einsam, vor den Menschen verborgen, überließ er sich ganz der finstern Schwermuth, bis ihn sein Gram verzehrte.

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Herkules. Der erste tragische Dichter der Griechen läßt den P r o m e t h e u s , der an den Felsen geschmiedet der unglücklichen Jo seine Leiden klagt, die Geburt seines Befreiers, des Herkules, vorher verkündigen. Jo, welche in eine Kuh verwandelt, durch Junos Eifersucht auf dem ganzen Erdkreise in rasender Wuth umhergetrieben wurde, kam nehmlich auch in die einsame Gegend, wo Prometheus duldete, der alle ihre Schicksale ihr enthüllte, und ihr kund that, einer ihrer Nachkommen, der d r e i z e h n t e von ihr, werde sein Erretter seyn. Die

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d r e i z e h n in ununterbrochener Geschlechtsfolge aber sind J o , E p a phus, Lybia, Belus, Danaus, Lynceus, Abas, Akrisius, Danae, Perseus, Alcäus, Alkmene, Herkules. Zwei der furchtbarsten Erzeugungen des Phorkys und der schönen Ceto sind schon vom Perseus und Bellerophon überwunden; – allein die größten Thaten sind dem Herkules aufgespart, der Ungeheuer besiegen, Tyrannen beugen, und selbst der Ungerechtigkeit des Donnergottes ein Ziel setzen muß, indem er den Prometheus, der für seine den Menschen erwiesenen Wohlthaten noch immer büßen mußte, endlich von seiner Qual befreit. In die irdische Abstammung des Herkules hatten die Parzen sein künftiges Schicksal schon verwebt, – zum Herrschen gebohren, wurd’ er durch die Macht der Fügung gezwungen, zu gehorchen, und seine glorreichsten Thaten auf den Befehl eines Schwächeren, der ihn fürchtete, zu vollführen. Elyktrio, Sthenelus, Alcäus, Mestor, waren die Söhne des Perseus. Elyktrio folgte dem Perseus in der Regierung zu Mycene. Die Kinder des Alcäus waren Anaxo und Amphitryo. – Mit der Anaxo vermählte sich Elyktrio, der zu Mycene herrschte, und erzeugte mit ihr A l k m e n e n , die Mutter des Herkules. – Amphitryo, der Sohn des Alcäus, welcher wegen seiner Schwester Anaxo dem Elyktrio nun doppelt verwandt war, lebte an dessen Hofe, und hatte die sicherste Hofnung, in der Regierung ihm zu folgen; weil Elyktrio seine Tochter Alkmene, die nächste Erbin seines Reiches, mit dem Amphitryo zu vermählen schon fest beschlossen hatte. Allein schon schwebte der unglückliche Zufall näher, der dem Amphitryo seine Aussichten vereitelte, und in der Folge auf das Schicksal des Herkules einen daurenden Einfluß hatte. – Taphius nemlich, ein Enkel des M e s t o r , eines Sohns des Perseus, errichtete auf der Insel Taphos eine Pflanzstadt, deren Bewohner sich wegen der weiten Entfernung von ihrem Vaterlande auch Teleboer nannten. Nach dem Tode des Taphius machte dessen Sohn und Nachfolger P t e r e l a u s , wegen seiner Abstammung vom Mestor, einem Sohne des Perseus, Ansprüche auf seinen Antheil an der Erbschaft von My-

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cene, und schickte seine Kinder dahin, um seine Forderung geltend zu machen. Als Elyktrio sich weigerte etwas herauszugeben, so verwüsteten die Söhne des Pterelaus mit ihrem Volke das Land, und führten des Königs Heerden hinweg. – Die Söhne des Elyktrio versammelten nun auch ein Heer, und ließen sich mit den Söhnen des Pterelaus in ein Treffen ein, worin die Anführer von beiden Theilen umkamen, so daß von den Söhnen des Elyktrio nur der einzige Lycimnus, und von den Söhnen des Pterelaus nur der einzige Everes übrig blieb. Elyktrio, um den Tod seiner Kinder zu rächen, überließ seiner Tochter Alkmene und dem Amphitryo die Regierung, mit dem Versprechen, dem Amphitryo seine Tochter zu vermählen, sobald er von den Teleboern siegreich zurückkehren würde. – Er kehrte siegreich zurück, und brachte auch die Heerden wieder, welche die Feinde ihm geraubt hatten. Amphitryo, nun seines Glücks gewiß, eilte ihm freudenvoll entgegen, und als von der wiedereroberten Heerde eine Kuh entspringen wollte, warf Amphitryo mit einer Keule nach ihr – und traf den Elyktrio, welcher todt darnieder fiel. Dieser unglückliche Zufall war es, der den Amphitryo des Königreichs Mycene beraubte, und zugleich zu dem künftigen Schicksal des Herkules den ersten Grund enthielt. – Denn obgleich die That des Amphitryo unvorsetzlich war, so lud sie doch den Haß des Volks auf ihn. – Sthenelus, der Bruder des erschlagenen Elyktrio, bemächtigte sich daher mit leichter Mühe der Oberherrschaft über Mycene; und Amphitryo flüchtete nach Theben, wohin ihm Alkmene folgte. Kreon, der zu Theben herrschte, nahm beide in Schutz. Alkmene aber wollte sich mit dem Amphitryo nicht eher vermählen, bis er, um den Tod ihrer Brüder zu rächen, die Teleboer aufs neue bekriegt und den Pterelaus überwunden hätte. Amphitryo trat mit dem Cephalus, Eleus, und einigen andern benachbarten Fürsten in ein Bündniß, um die Inseln der Taphier oder Teleboer zu bekriegen. – Pterelaus wurde besiegt, und Amphitryo

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schenkte die eroberten Inseln seinen Bundesgenossen, wovon die eine, welche noch itzt Cefalonia heißt, von dem Cephalus ihren Nahmen Cephalene erhielt. Alkmenens Reitze hatten indeß den Donnergott von seinem hohen Sitze herabgezogen. – In der Gestalt des Amphitryo, der nun siegreich zurückkehrte, genoß er ihrer Umarmung, und verlängerte zu einer d r e i f a c h e n D a u e r die Nacht, worin er den Herkules mit ihr erzeugte. – Unbeschadet der Ehrfurcht gegen das Göttliche und Erhabene, benutzten die komischen Dichter der Alten diesen Stoff, indem sie das lächerliche Verhältniß des wahren Amphitryo gegen den Jupiter in der Gestalt desselben auf der Schaubühne darstellten, und beide darauf erscheinen ließen. – Die komische Muse der Alten durfte es sich erlauben, in dergleichen kühnen Darstellungen selbst mit dem Donnergott zu scherzen, der zu den Töchtern der Sterblichen sich herabließ. Dem Amphitryo, der auf Alkmenen zürnte, gab Jupiter endlich selber, um ihn zu besänftigen, seine Gottheit zu erkennen; und indeß Alkmene nun zugleich mit dem Herkules und mit einem Sohne des wirklichen Amphitryo schwanger war; und dem Sthenelus, der zu Mycene herrschte, ebenfalls ein Sohn gebohren werden sollte, gieng Folgendes im Rathe der Götter vor: An dem Tage nehmlich, an welchem Herkules gebohren werden sollte, sprach Jupiter rühmend in der Versammlung der Götter: Heute, alle ihr Götter und Göttinnen, verkündige ich euch, wird aus dem Geschlechte der Menschen, das von mir abstammt, ein Held gebohren werden, der über alle seine Nachbaren herrschen wird! Listen ersinnend sprach die hohe Juno: ich zweifele dennoch an der Erfüllung deiner Worte, wenn du nicht mit dem unverletzlichen Schwur der Götter schwörst, daß derjenige, welcher h e u t e aus dem Geschlechte der Menschen, das von dir abstammt, gebohren wird, über alle seine Nachbaren herrschen soll. Kaum hatte Jupiter den unverletzlichen Schwur gethan, als Juno den Olymp verließ, und schon in Argos war, wo die Vermählte des

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Sthenelus erst im siebenten Monathe mit dem Eurystheus schwanger gieng, dessen Geburt die mächtige Juno schnell beförderte, obgleich die Zahl der Monden noch nicht voll war. – Alkmenens Niederkunft aber hielt sie auf, und kehrte nun triumphirend zum Olymp zurück. Nun ist schon der Held gebohren, sprach sie zum Jupiter, der die Argiver beherrschen wird. – Er ist aus dem Geschlechte der Menschen, das von dir abstammt; denn es ist Eurystheus, ein Sohn des Sthenelus, dessen Vater Perseus dein Erzeugter war. Keinem Unwürdigen ist also das verheißne Königreich beschieden. Da nun Jupiter seinen Schwur nicht zurücknehmen, und sich an der Juno nicht rächen konnte, so ergriff er die A t e , oder die Schaden stiftende Macht, welche eine Tochter Jupiters, u n d s e l b e r m i t i n d e r R e i h e d e r G ö t t e r w a r , bei ihrem glänzenden Haar, und schleuderte sie vom Himmel zur Erde herunter, mit dem unverbrüchlichen Schwur, daß sie nie zum Olymp zurückkehren solle, – seitdem wandelt sie über den Häuptern der Menschen einher, und säet, wo sie kann, Verderben und Zwietracht aus; – wenn daher Streitende sich versöhnten, so schoben sie auf die A t e den Anfang ihres Zwistes. Das Schicksal selber hatte dem Herkules die härtesten Prüfungen zugedacht, welche Götter und Menschen nicht hintertreiben konnten. Eurystheus war nun durch den Schwur des Jupiter zum Herrscher gebohren; und durch eben diesen Schwur gebunden, konnte Jupiter seinen geliebten Sohn von der harten Dienstbarkeit nicht befreien. – Alkmene gebahr zwei Söhne, den Herkules vom Jupiter, und den Iphikles von ihrem Gemahl Amphitryo. Wer von beiden der Sohn des Donnergottes sey, offenbarte sich schon, da noch ein hohler Schild, den Amphitryo vom Pterelaus erbeutet hatte, die Wiege der Kinder war, und Juno zwei Schlangen schickte, die den Herkules tödten sollten, der sie mit seiner zarten Hand in der Wiege erdrückte. Nun legte Jupiter, da er einst die Juno schlummernd fand, den Herkules ihr an die Brust, und dieser sog ihr unbewußt die Göttermilch. – Als aber Juno erwachte, so schleuderte sie den kühnen Säugling weit von sich hinweg, und verschüttete auf des Himmels Wölbung die Tropfen Milch, die ihrer Brust entfielen, und deren Spur die Milchstraße bildete, auf welcher die Götter wandeln.

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Die Dichtung wird hier kolossal; der Luftkreis selber, durch welchen die Sterne schimmern, tritt als der Juno erstes Urbild auf, und färbt sich von der Milch, welche den Brüsten der hohen Himmelskönigin entströmte; – jenes Urbild wurde vorausgesetzt, wenn die Dichtung den weißlichten Streif am Himmel die Milch der Juno nennt. Auf Jupiters Befehl mußte Merkur nun den Herkules seinen Erziehern übergeben, die ihn in den kriegerischen sowohl als in den sanften Künsten unterwiesen. Unter den Lehrern und Erziehern des Herkules waren selbst Göttersöhne; in der Musik unterwieß ihn L i n u s , ein Sohn des Apollo; C h i r o n , der weise Centaur, in der Arzneiund Kräuterkunde. – In den kriegerischen Künsten waren die berühmtesten Helden der damaligen Zeit, in jedem besondern Fache, seine Lehrer. Da nun Herkules unter diesen Beschäftigungen zu den Jünglingsjahren gekommen war, begab er sich einst, über sein künftiges Schicksal nach- denkend in die Einsamkeit, und setzte sich in Betrachtungen vertieft auf einem Scheidewege nieder. – Hier war es, wo die Wollust und die Tugend ihm erschienen, wovon die erstre ihm jeglichen Genuß einer frohen sorgenfreien Jugend anbot, wenn er ihr folgen wollte, – die letztre ihm zwar mühevolle Tage verkündigte, aber in der Zukunft Ruhm und Unsterblichkeit verhieß, wenn er sie zur Führerin wählte. Die Tugend siegte in diesem Wettstreit; der Jüngling folgte ihr mit sicherm Schritte, fest entschlossen, jedes Schicksal, das ihm bevorstehe, mit Muth und Standhaftigkeit zu tragen, sich keiner Last zu weigern, und keine Arbeit, sey sie noch so schwer, zu scheuen. – Die Eifersucht der Juno, die nicht ruhte, hatte schon dem Amphitryo selber Furcht und Argwohn eingehaucht, der den jungen Herkules an den Hof des Eurystheus nach Mycene schickte, wo ihm von Zeit zu Zeit die gefährlichsten Unternehmungen und die ungeheuersten Arbeiten aufgetragen wurden, die seinen Muth und seine Standhaftigkeit auf die höchste Probe setzten.

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Als nun Herkules auf seiner Reise das Orakel zu Delphi wegen seines künftigen Schicksals fragte; so gab die Pythia ihm zur Antwort: zwölf Arbeiten müsse er auf des Eurystheus Befehl voll- enden, und wenn er diese vollendet habe, sey ihm die Unsterblichkeit bestimmt. –

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Die zwölf Arbeiten des Herkules. Der Nemäische Löwe.

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Als Herkules, noch im Jünglingsalter, bei dem Walde von Nemea die Heerden des Eurystheus hütete, verwüstete ein Löwe, d e s s e n H a u t k e i n P f e i l d u r c h d r i n g e n k o n n t e , die Gegend rund umher, und drohte den Heerden Unglück. Die erste der zwölf Arbeiten, welche Eurystheus dem Herkules anbefahl, war, dieses Raubthier zu erlegen. – Der junge Herkules säumte nicht, die Spur des Löwen zu verfolgen, mit dem er sich, als er ihn traf, in Kampf einließ, und ihn mit e i g n e r H a n d erwürgte, weil kein Eisen ihn verwunden konnte. Zum Andenken dieser ersten That, die allein schon für die Vollführung der übrigen bürgte, trug Herkules nachher beständig die Haut des Löwen um seine Schultern; und diese wurde nun nebst der K e u l e , die er von dem Aste eines wilden Oehlbaums sich selber schnitt, das äußere Merkmal seiner unüberwindlichen Stärke, und seines unbesiegbaren Heldenmuths. Herkules brachte den Löwen nach Mycene; der verzagte Eurystheus aber befahl ihm, von nun an nicht mehr in die Stadt zu kommen, sondern vor den Thoren von seinen vollführten Thaten Rechenschaft abzulegen.

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Die Lernäische Schlange.

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In dem Sumpfe von Lerna bei Argos, hielt sich die vielköpfigte Hydra auf, deren in der Stammtafel der Ungeheuer, die vom Phorkys und der schönen Ceto sproßten, schon gedacht ist. Die Zeit der Helden war der Tod der Ungeheuer, die der Arm der Göttersöhne, eins nach dem andern von der Erde tilgte; und Herkules ließ nun, so wie Perseus mit der Gorgo, und Bellerophon mit der feuerspeienden Chimära, auf den Befehl des Eurystheus, mit der vielköpfigten Hydra in den furchtbaren Kampf sich ein. So wie er einen Kopf des Ungeheuers mit seinem sichelförmigen Schwerdt vom Rumpfe trennte, wuchs aus dem Blut ein neuer wieder, bis in der äußersten Gefahr, welche dem Helden drohte, sein Gefährte Jolaus, des Iphikles Sohn, mit Feuerbränden, die er aus dem nahgelegenen Walde hohlte, nach jedem Hieb des Herkules, sogleich die Wunde zubrannte, ehe noch aus dem Blute ein neuer Kopf emporschoß. Nun aber erschwerte J u n o dem Herkules seinen Sieg, indem sie einen Seekrebs schickte, der dem Held, so wie er kämpfte, an den Fersen nagte, und ihn sich umzuwenden zwang. – Auch diesen Angriff bestand der Sohn des Donnergottes; und grub nach langem Kampf das letzte Haupt der Hydra, das unverletzlich war, tief in die Erde, und wälzte einen ungeheuren Stein darüber. Zum Lohn für seine Arbeit tauchte er in das vergoßne Blut der Hydra seine Pfeile, die durch das tödtliche Gift nun doppelt furchtbar waren, und über ihren Besitzer, selbst durch seines Feindes Tod, dereinst noch Qual und Verderben bringen sollten. Wenn unüberwindlicher Muth und Standhaftigkeit, bei der Ueberwindung unzähliger Hindernisse und immer erneuerter Gefahren, irgend durch ein treffendes Sinnbild bezeichnet wird, so ist es in dieser Dichtung von dem Siege des Herkules über das vielköpfigte Ungeheuer. – Alte und neuere Dichter haben daher dieß Bild auch stets genützt, weil es sich durch kein bedeutenderes ersetzen läßt.

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Der Erymanthische Eber.

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Ein ungeheurer Eber aus dem Erymanthischen Gebürge verwüstete die Fluren von Arkadien. – Dem Eurystheus war dieß erwünscht, um den Herkules zu einer neuen gefährlichen Unternehmung auszuschicken. Dem Ueberwinder des Nemäischen Löwen, und der vielköpfigten Hydra, war es ein Leichtes, den Eber zu fangen, welchen er gebunden dem Eurystheus brachte, der vor Schrecken über den Anblick des Ungeheuers sich in ein ehernes Faß verkroch. In dieser lächerlichen Stellung ist Eurystheus auf einem antiken geschnittenen Steine abgebildet. – Der auffallende Kontrast zwischen der Stärke und dem Heldenmuth des Gehorchenden, und der Schwäche und Verzagtheit des Befehlenden, welcher durch diese ganze Dichtung herrscht, giebt ihr ein desto lebhafteres Interesse. – Dadurch, daß der Held s i c h ü b e r w i n d e t , nach dem Schluß des Schicksals dem Schwächern zu gehorchen, erhalten seine kühnsten Thaten einen doppelten Werth, weil er erst sich selber zum Gehorsam, und dann die Ungeheuer zum Weichen zwingt.

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Der Hirsch der Diana.

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Um nicht nur die Stärke, sondern auch die Geschwindigkeit und Behendigkeit des Herkules zu prüfen, mußte eine neue wunderbare Erscheinung sich ereignen. Auf dem Berge Mänelus ließ nemlich ein Hirsch mit goldenem Geweih sich sehen, welcher, obgleich der Diana geheiligt, den Wunsch eines jeden, ihn zu besitzen, auf sich zog. Eurystheus, der nur befehlen durfte, befahl dem Herkules diesen kostbaren Hirsch lebendig zu fangen, und ihn nach Mycene zu bringen. – Herkules, ohne sich zu weigern, verfolgte ein Jahrlang unermüdet die Spur des schnellen Hirsches, bis er ihn endlich in einem Dickicht fing, und ihn auf seinen Schultern dem Eurystheus lebendig brachte.

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Die Stymphaliden.

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Eine Art gräßlicher Vögel hielt sich an dem Stymphalischen See in Arkadien auf. Die Einbildungskraft der Dichter mahlt ihr Bild auf das fürchterlichste aus; sie hatten eherne Klauen und Schnäbel, mit denen sie verwunden und tödten, und jede Waffenrüstung durchbohren konnten; auch waren sie nach einigen Dichtungen mit Spießen bewafnet, die sie auf die Angreifenden warfen. Der Ort, wo diese Vögel im Sumpf und Gebüsch ihre Wohnung hatten, war unzugänglich. – Eurystheus befahl dem Herkules diese Ungeheuer zu bekämpfen, und Minerva, die dem Helden wohl wollte, schenkte ihm eine eherne Pauke, durch deren Geräusch er die Vögel aus ihrem Sumpfe schreckte, und so bald er sie in der Luft erblickte, seinen Bogen spannte, und mit seinen Pfeilen sie erschoß. Es schien als ob der Held an jeder Gattung von Ungeheuern sich versuchen sollte; daher ließ ihn die Dichtung, nachdem er den Löwen besiegt, die Hydra getödtet, und den Eber gebändigt hatte, auch mit den Vögeln unter dem Himmel kämpfen.

Das Wehrgehenk der Königin der Amazonen. 20

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Schon Bellerophon mußte gegen die Amazonen fechten, – und auch Eurystheus versäumte nicht, dem Herkules diese gefahrvolle Unternehmung aufzutragen. – Die Idee von den Amazonen, die ihre neugebohrnen Söhne von sich schickten, und ihre Töchter zu Waffenübungen und zum Kriege erzogen, ist an sich schon dichterisch schön, und wir finden sie häufig in die Dichtungen der Alten eingewebt. – Auch die bildende Kunst der Alten verweilte gern auf diesem Gegenstande, und man findet auf Marmorsärgen zum öftern Amazonenschlachten dargestellt, wo die männliche Tapferkeit mit der weiblichen Bildung verknüpft, im Angriff und im Sinken, den reitzendsten Kontrast darbietet. Vom Kriegsgott selber besaß die Königin der Amazonen das kostbare Wehrgehenk, das Herkules erbeuten sollte, und das von der Tap-

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ferkeit selbst vertheidigt ohne unüberwindlichen Heldenmuth nicht zu erstreiten war. Theseus begleitete den Herkules auf diesem Zuge, und am Flusse T h e r m o d o n begann die Schlacht, wo Herkules über die Bundesgenossen der Amazonen siegte, die Königin selbst gefangen nahm, und, nachdem er auf diesem Wege noch manche andre große That vollführt, das kostbare Wehrgehenk dem Eurystheus brachte.

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Der Stall des Augias.

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Augias, der in Elis herrschte, und ein Sohn der Sonne hieß, war wegen der vielen Heerden, die er besaß, einer der reichsten Fürsten seiner Zeit. Und weil man damals den Reichthum nach dem Besitz von vielen Heerden schätzte, so waren auch die Beschäftigungen, welche hierauf Bezug hatten, noch nicht erniedrigend; und einen Stall zu reinigen, war damals noch keine so unwürdige Beschäftigung, wie wir sie uns jetzt nach unsern Begriffen denken. Augias hatte nemlich nach der Dichtung, die den Helden die Arbeiten gern so schwer wie möglich macht, dreitausend Rinder in seinen Ställen stehen, und diese Ställe waren seit dreißig Jahren nicht gereinigt. – Herkules übernahm auf den Befehl des Eurystheus die Reinigung der Ställe, mit dem Beding in wenigen Tagen die ungeheure Arbeit zu vollenden, wofür ihm Augias, der an der Möglichkeit der Ausführung zweifelte, den zehnten Theil seiner Heerden zum Lohn versprach. Herkules aber leitete den Alpheus durch die Ställe, und verrichtete nun die Arbeit, die jedermann für unmöglich hielt, an einem Tage mit leichter Mühe. – Augias aber verweigerte ihm den Lohn, worauf ihn Herkules bekriegte und tödtete, und den P h y l e u s des Augias Sohn, der edler wie sein Vater dachte, zum Nachfolger im Reiche ernannte. Von den erbeuteten Schätzen aber bauete Herkules dem Olympischen Jupiter einen Tempel, und erneuerte die Olympischen Spiele. – So krönte er seine Arbeit in den Ställen des Augias.

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Der Kretensische Stier.

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Neptun, der auf die Einwohner von Kreta zürnte, weil sie seine Gottheit nicht genug verehrten, schickte einen wüthenden Stier auf ihre Insel, welcher Feuer aus der Nase blies, und weil ihn niemand anzugreifen wagte, das Land umher verwüstete. Kaum hatte Eurystheus dies vernommen, so befahl er dem Herkules, diesen Stier lebendig zu fahen. – E s i s t d i e K ö r p e r k r a f t des Helden, welche sich gleichsam gegen die ganze T h i e r w e l t m i ß t , indem sich Herkules auch dieses vom Neptun gesandten Stiers bemächtigt, und ihn auf seiner Schulter nach Mycene bringt. Die mannichfaltigen Abbildungen des Herkules, worunter sich auch diese befindet, wie er den Stier auf der Schulter trägt, machen daher ein schönes Ganzes aus, weil der Ausdruck von k ö r p e r l i c h e r S t ä r k e in jeder Darstellung herrschend ist, und die bildende Kunst keinen reichern Stoff als diesen finden konnte, um das, was den Löwen besiegt, und die ganze Thierwelt sich unterjocht, in jeder Muskel zu bezeichnen.

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Die Rosse des Diomedes. 20

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Diomedes, ein König in Thracien, und ein Sohn des Mars, besaß vier feuerspeiende Rosse, die er mit Menschenfleisch sättigte, und denen er die Fremdlinge, die er auffing, selbst zur Speise vorwarf. Da das Gerücht von dieser Grausamkeit allenthalben erscholl, so befahl Eurystheus dem Herkules, ihm die feuerspeienden Rosse zu bringen, – und Herkules, der diese That vollführte, ließ auch den Diomedes für seine Tyrannei die g e r e c h t e S t r a f e erdulden, indem er ihn seinen eigenen Rossen vorwarf, und auf die Weise den an den Fremdlingen verübten Frevel rächte. Die Grausamkeit gegen d i e F r e m d e n ist in den Dichtungen der Alten, welche das Gastrecht über alles heilig hielten, das höchste Merkmal von boshafter Tyrannei und Ungerechtigkeit; – man be-

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trachtete diese Tyrannen, welche die Fremden quälten und tödteten, wie Ungeheuer; und es war das Geschäft der Helden, sie von der Erde zu vertilgen. Man findet auf alten Denkmalen die Rosse des Diomedes abgebildet, wie sie vor einer Krippe stehen, in welcher ein Mensch ausgestreckt liegt, und Diomedes aufrecht darneben steht. – Auch findet man den Herkules im Kampf mit den flammenathmenden Rossen dargestellt.

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Der dreiköpfigte Geryon.

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In der Stammtafel der Ungeheuer ist des dreiköpfigten Geryon schon gedacht. Chrysaor, der aus dem Blute der Medusa entsprang, vermählte sich mit der Kallirhoe, einer Tochter des Oceans, und erzeugte mit ihr den dreiköpfigten Riesen G e r y o n , und die E c h i d n a , die halb Nymphe halb Drache, den dreiköpfigten Hund Cerberus, den zweiköpfigten Hund Orthrus, die Lernäische Schlange, die feuerspeiende Chimära, und die Sphinx, gebahr. Der zweiköpfigte Hund Orthrus nebst dem Hirten Eurytion bewachten die Heerden des Geryon, dessen Wohnsitz die Dichtungen an die entferntesten Ufer des Oceans hin versetzen. Das Kostbarste, worin man damals den größten Reichthum setzte, hatte ein Ungeheuer im Besitz, – und der Ruf von den schönen Heerden des Geryon erscholl so weit, daß Eurystheus dem Herkules befahl, diese Heerden hinwegzuführen, und sie als einen kostbaren Schatz, von jenen äußersten Enden der Erde, nach Mycene zu bringen. Herkules bahnte sich seinen Weg über Berge und Felsen, und führte auf diesem weiten Zuge noch viele andre große Thaten aus. – Den zweiköpfigten Hund Orthrus und den Eurytion erschlug er, und bemächtigte sich der Ochsen des Geryon, die er vor sich hertrieb. – Als nun der dreiköpfigte Geryon selber auf ihn zustürzend sich ihm widersetzen wollte, erschlug er auch diesen mit seiner Keule, und befreiete die Erde aufs neue von einem ihrer furchtbarsten Ungeheuer.

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Die goldenen Aepfel der Hesperiden.

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Das Allerkostbarste, was man sich in der weitesten Entfernung, und am unmöglichsten zu erreichen dachte, waren die goldenen Aepfel in den Gärten der Hesperiden, an den Gestaden des Atlantischen Meers. Der Drache, welcher diese Aepfel bewachte, war eine Erzeugung des Phorkys und der schönen Ceto, und in der Reihe der Ungeheuer ist seiner schon gedacht. Die Hesperiden selber waren Töchter der Nacht. – Ihr Daseyn und ihr Ursprung waren in Dunkel gehüllt. – Ihre Nahmen waren Aegle, Erythia und Arethusa. – Dem Eurystheus die goldene Frucht nach Griechenland zu bringen, war nun die eilfte von den Arbeiten, welche Herkules, gehorchend dem fremden Befehl, vollbringen mußte. Er tödtete den Drachen, nachdem er vorher durch einen Trank ihn eingeschläfert hatte, und pflückte, n a h a m Z i e l e s e i n e r L a u f b a h n , die goldene Frucht. – In den Abbildungen vom Herkules sieht man auch den Baum mit der goldenen Frucht, um den sich ein Drache windet, vor welchem Herkules mit der Schaale steht, die den einschläfernden Trank enthielt. – Die Hesperiden stehen traurend über den Verlust des Schatzes, den sie bewahrten.

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Der Höllenhund Cerberus. Nun mußte Herkules noch die letzte Probe seines Heldenmuths bestehen. – Nicht genug, daß er auf der Oberwelt die Ungeheuer besiegt hatte, hieß Eurystheus ihn hinab zu den Schatten steigen, und den dreiköpfigten Hund Cerberus, den Wächter an Plutos Thor, hinauf ans Licht zu ziehen. Die Dichtung von den zwölf Arbeiten des Herkules schließt sich mit der gefahrvollsten Unternehmung unter allen. – Dem Tode selbst i n s e i n e m G e b i e t e zu trotzen; – in seinen offenen Schlund freiwillig hinabzusteigen, – und mit dem König der Schrecken im Kampf es aufzunehmen.

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Ehe Herkules seine ihm aufgegebene Reise in die Unterwelt begann, l i e ß e r v o r h e r i n d i e E l e u s i n i s c h e n M y s t e r i e n s i c h e i n w e i h e n , gleichsam um auf Tod und Leben bei dieser Unternehmung gefaßt zu seyn; – dann stieg er bei dem Vorgebirge T ä n a r u m in die weite Höhle hinab, die zu der Behausung der Schatten führt. Er zwang den Charon, ihn über den Styx zu fahren. – Da erblickte er den Cerberus, und die ihm wohlbekannten Helden, den Theseus und Pirithous an Felsen geschmiedet, – sie hatten die vermessene That begonnen, zu den Schatten hinabzusteigen, um Proserpinen, die Königin der Todten selber, dem Pluto zu entführen, – und nun war ihnen die Rückkehr auf ewig untersagt. Demohngeachtet gelang es dem Herkules, den Theseus zu befreien, nachdem er den Cerberus gebändigt hatte, der bis zum Pallast des Pluto vor ihm floh. – Und so wie Herkules ihn verfolgend sich dem düstern Pallast näherte, färbte sich der Kranz von Pappeln auf seinem Haupte schwarz. Hier kämpfte er mit dem Pluto selber und lößte Theseus Bande; vergebens aber versuchte er es, den Pirithous zu befrein, den Plutos ganze Macht zurückhielt. – Siegreich brachte nun Herkules den Cerberus auf die Oberwelt, wo von seinem Geifer eine giftige Wurzel sich erzeugte. Der erschrockne Eurystheus ertrug den furchtbaren Anblick nicht, – und Herkules entließ den schwarzen Hüter des Höllenthors, den er zwischen seinen Knien gebändigt hielt, nun auch der Quaal, das Licht zu schauen. – Die Schreckengestalt sank wieder zur Unterwelt herab. – Des Herkules Arbeiten waren nun vollbracht. –

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Die Thaten des Herkules, welche er nicht auf fremden Befehl vollführt hat.

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Von den A r b e i t e n des Herkules kann man seine T h a t e n unterscheiden, welche er aus eigenem Antriebe, gleichsam in der Zwischenzeit vollführte, die ihm von den aufgegebenen Arbeiten übrig blieb, und worin seine unerschöpfliche Kraft und Heldenstärke sich doppelt offenbarte.

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Die Befreiung der Hesione. 10

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Herkules begleitete die Argonauten auf ihrem Zuge nach Kolchis; entfernte sich aber von den übrigen, indem er in der Gegend von Troja ans Land stieg, um den H y l a s , seinen Liebling zu suchen, der Wasser zu schöpfen ausgieng und nicht wieder kam. – Die Najaden hatten den schönen Knaben geraubt, und in den Brunnen herabgezogen; Herkules ließ vergeblich von dem Nahmen Hylas das ganze Ufer wiedertönen. Er setzte nun seine Reise mit den Argonauten nicht weiter fort, sondern gieng nach Troja, wo L a o m e d o n herrschte, der die Götter Neptun und Apollo selber, welche, in menschenähnlicher Gestalt, die Mauern um seine Stadt zu bauen sich hernieder ließen, um ihren Lohn betrog. – Der Frevel des Laomedon blieb nicht lange unbestraft. – Der König der Wasserfluthen drohte mit einer Ueberschwemmung Troja den Untergang, und war, nach dem Ausspruch des Orakels, nur durch die Aufopferung der Hesione, des Laomedons Tochter zu versöhnen; die nun, gleich der Andromeda, an einen Felsen geschmiedet, von einem Meerungeheuer verschlungen werden sollte, gerade als Herkules ankam, und dies Schauspiel sich seinen Augen darbot. Nicht so zärtlich wie Perseus, übernahm Herkules erst gegen einen Zug von köstlichen Pferden, die ihm Laomedon zum Lohn versprach, die Hesione zu befreien. – Laomedon aber, der schon die Götter be-

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trogen hatte, betrog auch den Herkules, und wagte es, ihm die Rosse zu verweigern, sobald er seine Tochter wieder in Freiheit sahe. Da griff Herkules Troja an, eroberte sie mit stürmender Hand, und erschlug den falschen wortbrüchigen König Laomedon. – Seinem Begleiter den Te l a m o n , der zuerst die Mauer erstieg, vermählte er die gerettete H e s i o n e , und verstattete ihr, für einen der Gefangenen von Laomedons Hause das Leben zu erbitten. Hesione wählte ihren Bruder P o d a r c i s , welcher nachher sich Priamus nannte, und zu künftigem Jammer aufgespart, über Troja herrschte, dessen zweite Eroberung und schreckliche Zerstörung vom Schicksal schon beschlossen war.

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Die Ueberwindung des Antäus, Busiris und Kakus. Als Herkules auf seinem westlichen Zuge nach Lybien kam, so stieß er auf den Riesen A n t ä u s , dessen Grausamkeit gegen d i e F r e m d e n , ihn zum Ungeheuer machte, das ein mächtiger Arm vertilgen mußte. Antäus zwang nehmlich die ankommenden Fremden mit ihm zu ringen, und wenn er sie überwunden hatte, erwürgte er sie, und pflanzte die Schädel um seine Wohnung auf. – Was ihn im Kampf unüberwindlich machte, war d i e B e r ü h r u n g s e i n e r M u t t e r E r d e , wodurch sich, wenn er niedergeworfen wurde, seine Kraft nur verdoppelte. Herkules Arme aber faßten ihn um den Leib, und hielten ihn i n d e n L ü f t e n s c h w e b e n d , bis er von des Helden Kraft erdrückt, seinen Geist aushauchte. – In dieser Stellung, wie er den Riesen Antäus erdrückt, findet man auf den Denkmälern der Alten den Herkules zum öftern dargestellt. B u s i r i s war ein grausamer König in Aegypten, der nebst seinen beiden Söhnen alle Gewaltthätigkeit a n F r e m d e n verübte, denen er auflauern ließ, und wenn er sie fing, ermordete. – Dem Herkules, der dieses Weges zog, war ein ähnliches Schicksal zugedacht, allein er erschlug den Busiris mit seinen Söhnen, und machte auch diese Straße für den Wanderer sicher.

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Als Herkules mit den Rindern des Geryon, die er von den entfernten Ufern des Oceans nach Griechenland brachte, bis in die Gegend des nachmaligen Roms, beim Tiberfluß am Aventinischen Berge gekommen war, schlummerte er bei seinen Heerden ein; und aus seiner Höhle am Aventinischen Berge kam der ungeheure flammenspeiende Kakus, dessen beständiges Geschäft es war, die Fremden zu berauben. Dieser zog von den Ochsen einen nach dem andern bei den Schwänzen in seine Höhle, um durch die entgegengesetzte Spur den Suchenden zu täuschen. Als Herkules nun erwachte, und die geraubten Ochsen vermißte, verleitete ihn, da er sie suchen wollte, die falsche Spur, und schon wollte er weiter ziehen, als er das Gebrüll seiner Ochsen, aus des Kakus Höhle vernahm, mit dem er sich nun in Kampf einließ, ihm bald seinen Raub abjagte, und mit seiner Keule ihn zu Boden schlug. Hier war es, wo Karmenta, die Mutter des Evander, der damals diese Gegend beherrschte, dem Herkules seine Gottheit prophezeihte, und wo noch bei seinem Leben der erste Altar ihm errichtet ward. – Auf antiken geschnittenen Steinen findet man mehrmals den Herkules abgebildet, wie er bei seinen Heerden schlummert, indeß Kakus die Ochsen rückwärts in seine Höhle zieht.

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Die Befreiung der Alceste aus der Unterwelt.

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Herkules, welcher die Tyrannen vertilgte, die gegen die Fremden grausam waren, belohnte auch auf eine edle Weise die gastfreundliche Aufnahme, die er beim König A d m e t u s fand. Dieser Admet war mit der A l c e s t e , einer Tochter des Pelias vermählt. – Er wurde krank, und konnte, nach dem Ausspruch des Orakels, nicht anders sein Leben fristen, als wenn jemand freiwillig für ihn sich dem Tode weihte. – Alceste weihte sich heimlich den Göttern zum Todesopfer für ihren Gemahl; – sie wurde krank, und die Genesung des Admet hielt nun mit ihrer zunehmenden Krankheit gleichen Schritt. – Sie war verschieden, da Herkules beim Admet als Gast einkehrte.

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Das Gastrecht war dem Admet so heilig, daß er dem Herkules anfänglich seine Trauer verschwieg. – Als dieser aber den Tod der Alceste vernahm, versprach er seinem Gastfreunde, das geliebte Weib, es koste auch was es wolle, ihm aus dem Orkus zurückzuführen. Und nun umfaßte Herkules d e n To d m i t s t a r k e n A r m e n , und hielt ihn fest, bis er die Gattin seines Freundes ihm wiedergab, und sich die Trauer nun in neue hochzeitliche Freude und süße Gespräche verwandelte. 244

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Die Befreiung des Prometheus von seinen Qualen. In dem Herkules war die Menschheit gleichsam bis zu dem Gipfel ihrer Größe emporgestiegen. Und auch der Duldung des Prometheus, an dessen Leber noch immer der Geier nagte, war nun ihr Ziel gesetzt. Jupiter willigte selber in die Befreiung des Prometheus ein, nachdem ihm dieser zum Lösegelde die lange verborgene Weißagung offenbart hatte: Thetis würde einen Sohn gebähren, der würde mächtiger, als sein Vater seyn. Da nun Jupiter schon entschlossen war, die Thetis zu umarmen, so drohte ihm, ohne die Warnung des Prometheus, das Ende seiner Macht, deren Besitz er nun aufs neue, dem von ihm so hart gequälten Bilder der Menschen dankte. – Nun spannte der Sohn des Donnergottes den Bogen, und erschoß den Geier, der dem Prometheus die Leber nagte. Die Bande des an den Felsen Geschmiedeten fielen ab.

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Die Aufrichtung der Säulen an der Meerenge zwischen Europa und Afrika. 245

Die Dichtungen von den Thaten des Herkules werden am Ende ganz k o l o s s a l , und verlieren sich in dem Begriff einer Kraft, der Götter und Menschen nicht widerstehen können, und die das Unmögliche möglich macht. – Als Apollo einst sich weigerte, dem Herkules wahr zu sagen, so nahm er den goldnen Dreifuß weg, bis jener sein Verlangen erfüllte. –

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Die Götter im Olymp beklagen sich über ihn, daß er einst selbst die Juno verwundet, und den Pluto mit seinen Pfeilen nicht verschont habe. Als auf seiner Fahrt nach Westen die Sonne ihm zu heiß schien, so spannte er seinen Bogen, und schoß nach dem Lenker des Sonnenwagens, der durch ein großes goldnes Trinkgefäß ihn zu versöhnen suchte. – Auch mit dem Neptun, da dieser einen Sturm schickte, nahm es Herkules auf, und schoß seine Pfeile auf ihn ab. Dieser, um ihn zu besänftigen, ließ schnell die Sturmwinde schweigen, und ließ die Wellen das goldne Trinkgefäß emportragen, dessen sich Herkules wegen seiner Größe zugleich statt eines Fahrzeuges auf dem Meere bediente, ohne zu fürchten, daß es untersänke, da selbst der König der Gewässer und die Wasserwogen ihm unterthänig waren. Da er nun auf seinem Zuge nach Westen an das äußerste Ende der Erde kam, durchbrach er die Erdenge zwischen Europa und Afrika, und vereinte das Weltmeer mit dem mittelländischen Meere. Da richtete er an der Meerenge, zum Andenken seiner vollbrachten Thaten, und um das Ziel seiner Reisen zu bezeichnen, auf den gegen einander über liegenden Bergen K a l p e und A b y l a z w e i S ä u l e n auf; zu deren Andenken die Nachwelt jene beiden Berge selber d i e S ä u l e n d e s H e r k u l e s nannte. Die Einbildungskraft konnte in dieser Dichtung sich nicht höher schwingen; denn erst da, wo nach der Vorstellungsart der Alten, der Erdkreis selbst sich endigt, und die Sonne ins Meer sinkt, war das Ziel der mächtigen Heldenlaufbahn. – Nur noch ein Zug wurde hinzugesetzt: Der, welcher den Prometheus befreiete, half auch auf eine Weile, d e m A t l a s d e n H i m m e l t r a g e n , und nahm die ewig drückende Last von Japets Sohn auf seine Schultern, um jenem eine kleine Zeit Erleichterung zu verschaffen. – So findet man auch auf alten Denkmälern den Herkules abgebildet, den Himmelsglobus auf den Schultern tragend.

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Die Vermählungen des Herkules und seine Vergehungen und Schwächen.

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Dieß sind nun außer den zwölf Arbeiten des Herkules seine vorzüglichsten Thaten. Die Dichtungen schreiben ihm noch viel mehrere zu, weil alles, wozu Standhaftigkeit, Heldenmuth und Stärke gehörte, sich gerne an diesen Nahmen knüpfte, der einmal alles Göttliche in sich faßte, was durch die Körperkraft sich offenbart. Wenn aber bei irgend einer Götter- oder Heldengestalt der Begriff der Macht und Stärke über alles andre überwiegend ist, so ist dies beim Herkules der Fall, der gleichsam die aus ihrem ersten Schlummer erwachte Menschheit, im Gefühl ihrer ganzen Kraft, o h n e m ü ß i g e s D e n k e n , in sich abbildet; immer rastloß irgend ein Ziel verfolgend, unbekümmert, was um ihn her steht oder fällt. – Der Begriff von einem Helden, war in der Vorstellungsart der Alten, mit dem Begriff von einem Weisen, gemeiniglich nicht verknüpft. – Selbst beim Ulysses geht die Weisheit in Verschlagenheit über, und bei dem weisen Nestor ist durch das Alter die Heldenkraft schon gelähmt. – Bei den Helden findet sich immer viel Licht und Schatten, und Herkules selbst muß noch mit manchen Schwächen für seine Heldenstärke büßen. – In seinen Vermählungen, und in seinen Ausschweifungen in der Liebe fand Herkules sein Unglück, und zuletzt einen qualenvollen Tod, welcher demohngeachtet der Uebergang zur Unsterblichkeit für ihn war. Zuerst vermählte Kreon, Thebens Fürst, ihm seine Tochter Megara, zur Dankbarkeit für einen wichtigen Dienst, den Herkules ihm geleistet, welcher durch seine Tapferkeit die Stadt von einem lästigen Tribut befreite, den sie den O r c h o m e n i e r n zahlen mußten. Nachdem er nun acht Kinder mit der Megara erzeugt hatte, versetzte Juno ihn in eine rasende Wuth, worin er Mutter und Kinder erschlug, deren abgeschiedenen Seelen man nachher in Theben jährlich Todtenopfer brachte.

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Um diese schreckliche, obgleich unverschuldete That, zu büßen, unterzog sich Herkules desto freiwilliger den Arbeiten, die ihm Eurystheus anbefahl, bis, nahe an der Vollendung seiner Thaten, eine neue Liebe ihn fesselte, und er sich, ohngeachtet des tragischen Ausganges seiner ersten Ehe, zum zweitenmal vermählte. Er kam nehmlich auf einem seiner Züge nach Kalydon zum König O e n e u s , und sahe dessen schöne Tochter D e j a n i r a , welche dem Flußgott A c h e l o u s schon verlobt war. Mit diesem ließ sich Herkules in einen Zweikampf ein, und da er ihn überwunden hatte, war Dejanira der Preis des Sieges. Als nun Herkules auf seiner Reise mit der Dejanira an den Fluß Evenus kam, an dessen Gestade der Centaur N e s s u s seine Wohnung hatte, so trug er diesem auf, die Dejanira auf seinem Rücken durch den Strom zu tragen. – Nessus wollte diese Gelegenheit nutzen, um die Vermählte des Herkules zu entführen; als diese aber um Hülfe schrie, spannte Herkules schnell den Bogen, und durchschoß den Centaur mit einem in das Blut der Lernäischen Schlange getauchten Pfeil. Nessus gab sterbend der Dejanira eine Hand voll von seinem Blute, als ein kostbares Geschenk, in eine Flasche, und verhieß ihr, daß sie durch dies Mittel auf immer des Herkules Zuneigung sich versichern, und jede fremde Liebe aus seiner Brust verscheuchen könne, wenn sie dereinst ein dicht am Leibe anliegendes Gewand mit diesem Blute bestriche, und es dem Herkules, um es anzulegen, schickte. Herkules, der nun wieder auf Thaten ausgieng, entfernte sich von Zeit zu Zeit von der Dejanira. Einst blieb er lange, ohne daß Dejanira etwas von ihm vernahm. Ihn fesselte eine neue Liebe, die ihn mehr als alle seine überstandenen Gefahren darniederbeugte, weil sie ihn zu einer ungerechten That verleitete. Als Herkules nehmlich auf einem seiner letzten Züge nach Euboä kam, erblickte er J o l e n , die Tochter des E u r y t u s , der über O e c h a l i e n herrschte. Er ward von J o l e n s Reitzen schnell besiegt, und warb um sie bei ihrem Vater. – Als dieser sein Verlangen abschlug, verließ er zürnend und auf Rache denkend die Wohnung seines Gastfreundes.

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Und als bald darauf I p h i t u s , des Eurytus Sohn, beim Herkules seine entlaufenen Stutten suchte, führte ihn dieser, der selber die Stutten bei sich verbarg, auf einen Hügel, und stürzte den Sohn seines Gastfreundes, ehe dieser sichs versahe, vom jähen Felsen herab. Durch diese That befleckte Herkules seinen Ruhm, und mußte auch auf den Befehl der Götter auf eine schändliche Weise dafür büßen. – Er mußte sich der wollüstigen Königin O m p h a l e in Lydien zum Sklaven verkaufen lassen, und weibliche Geschäfte auf ihren Befehl verrichten. Hier stellt die bildende Kunst Omphalen mit der Löwenhaut umgeben, und mit der Keule in der Hand, den Herkules aber in Weiberkleidern am Rocken spinnend dar. – Der Held, der seine Laufbahn nun vollendet hatte, mußte vor seiner Vergötterung noch das Loos der Sterblichkeit empfinden, und so tief von seiner Größe sinken, als hoch er gestiegen war. Allein die bestimmte Zeit dieser Dienstbarkeit verfloß; und nun rüstete Herkules sich gegen den E u r y t u s , der seine Tochter J o l e ihm versagt hatte. Mit stürmender Hand eroberte er die Stadt Oechalia und zerstörte sie; erschlug den Eurytus selber; nahm J o l e n gefangen, und schickte sie als eine Sklavin seiner eigenen Gemahlin Dejanira zu. Dejanira nahm die J o l e gütig auf. – Als sie aber durch das Gerücht vernahm, daß eben diese Gefangene ihre Nebenbuhlerin sey; da glaubte sie, daß es Zeit wäre, von dem Geschenk des Nessus Gebrauch zu machen, wodurch die Liebe des Herkules ihr versichert, und jede fremde Zuneigung aus seiner Brust verscheucht würde. Sie nahm des todten Nessus langverwahrtes Blut, und färbte damit ein köstliches Unterkleid, das sie dem Herkules durch den L i c h a s versiegelt entgegenschickte, mit der Bitte, es nicht eher zu tragen, als bis er sich an einem Opfertage schön geschmückt, den Göttern damit gezeigt habe.

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Des Herkules letzte Duldung und seine Vergötterung.

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Schon lange hatte ein Orakelspruch dem Herkules geweißagt, daß er den Tod von keinem Lebenden, sondern nur von einem Todten befürchten dürfe. – Diese Prophezeihung war nun ihrer Erfüllung nahe. – Auf dem Vorgebirge C e n ä u m von Euboä, errichtete Herkules, nach dem Siege über den Eurytus, dem Jupiter Altäre, und war die Opferthiere zu schlachten im Begriff, als L i c h a s ihm das Geschenk der Dejanira überbrachte. Herkules freute sich des Geschenks, und zog sogleich das Kleid als einen festlichen Schmuck zum Opfer an; brachte nun eine Hekatombe den Göttern dar, und ließ die Flamme von den Altären gen Himmel lodern; als plötzlich das Gewand wie angeleimt an seinem Körper klebte, und Zuckungen durch alle seine Glieder fuhren. – Es war das Gift der Hydra, die er selbst erlegt hatte, das nun sein Innerstes verzehrte. Er rief dem unglücklichen L i c h a s , der ihm das Kleid gebracht, und schleuderte ihn, da der Schmerz in seinem Eingeweide wüthete an einen Felsen, an welchem sein Schädel zerschmettert ward. – Mitten in seinen Qualen ließ Herkules sich nach Trachina bringen. – Kaum aber hatte Dejanira die Würkung ihres Geschenks vernommen, so gab sie verzweiflungsvoll sich selbst den Tod. Hyllus, ein Sohn des Herkules, den er mit der Dejanira erzeugte, stand ihm in seinen Qualen bei, und brachte auf seinen Befehl ihn auf den Berg O e t a , wo Herkules auf dem lodernden Scheiterhaufen seine Leiden durch einen freiwilligen Tod zu enden beschlossen hatte, indem er zugleich dem Hyllus seine geliebte J o l e empfahl, und Pfeile und Bogen seinem treuen Gefährten, dem P h i l o k t e t , des Päas Sohn, zum Erbtheil hinterließ. Als Herkules nun den Scheiterhaufen bestiegen hatte, und die lodernde Flamme ihn umgab, da heiterte sich sein Antlitz auf; – Er hatte die Leiden der Menschheit ausgeduldet, und ihre Schwächen

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abgebüßt; – die sterbliche, den Schmerzen unterworfene Hülle fiel von ihm ab; – sein Schattenbild sank nur zum Orkus nieder; – s e i n e i g e n e s S e l b s t stieg in die Versammlung der Götter zum Olymp empor. – Juno war versöhnt, – und Hebe, d i e G ö t t i n d e r e w i g e n J u g e n d , ward nach des Schicksals Schluß, dem neuen Gott vermählt. Auf der hier beigefügten Kupfertafel befinden sich nur zwei Abbildungen vom Herkules. Die erste, nach einem antiken geschnittenen Steine, stellt ihn als Jüngling dar, wie er den Nemäischen Löwen erdrückt; die andre, ebenfalls nach einer antiken Gemme, wie er nach vollendeter Laufbahn, von seiner vollbrachten Arbeit ausruht.

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Kastor und Pollux.

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O e b a l u s , ein König in Lacedemon, aus einem Zweige vom alten Stamme des Inachus entsprossen, erzeugte den Ty n d a r e u s , der ihm in der Regierung folgte, und mit der L e d a , einer Tochter des T h e s t i u s sich vermählte. Die Schönheit der Leda zog den Jupiter von seinem Sitz herab; er senkte sich an den Ufern des Eurotas in der Gestalt e i n e s S c h w a n s zu ihr hernieder, oder nahm vielmehr seine Zuflucht in ihrem Schooße, indem die Venus in der Gestalt eines Adlers ihn verfolgte. L e d a , die zugleich vom Jupiter und vom Tyndareus schwanger war, gebahr zwei Eier, wovon das eine den K a s t o r und P o l l u x , das andre die K l y t e m n e s t r a und H e l e n a in sich einschloß. Von den Kindern der Leda, die aus den Eiern hervorgingen, waren Pollux und Helena aus Jupiters Umarmung, Kastor und Klytemnestra aber vom Tyndareus erzeugt. – Unsterblich waren Pollux und Helena, Kastor und Klytemnestra aber sterblich. Ohngeachtet der Verschiedenheit ihrer Abstammung waren Kastor und Pollux unzertrennlich. – Beide waren tapfer und heldenmüthig; und beide waren in edler Leibesübung geschickt; Kastor vorzüglich in der Kunst zu reiten und Pferde zu bändigen; Pollux in der Kunst zu ringen.

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Kastor und Pollux waren auch die Zeitgenossen der berühmtesten Helden, und begleiteten die Argonauten auf ihrer Fahrt nach Colchis, wo Pollux unterwegens den A m y k u s , einen Sohn Neptuns, der jeden Fremden zum Gefecht mit Streitkolben hohnsprechend aufzufordern pflegte, im Zweikampf schlug. Auch sahe man einst auf dieser Fahrt, bei einem schrecklichen Sturme, zwei Flammen über den Häuptern des Kastor und Pollux lodern, als der Sturm sich legte; – worauf man diese beiden Feuer, so oft sie nachher den Schiffern auf dem Meere im Sturm erschienen, Kastor und Pollux nannte, und von ihnen Rettung und Hülfe sich versprach. Ueberhaupt richtete man in den größten Gefahren, sowohl zu Wasser als zu Lande, an den Kastor und Pollux sein Gebet, welche man beide unter dem Nahmen der D i o s k u r e n oder der Söhne des Jupiters, als den Nothleidenden zu jeder Zeit gewärtige, hülfleistende Wesen, vor allen andern ehrte. Da sie von dem Argonautenzuge wiederkehrten, hatte Theseus ihre Schwester die Helena, welche nachher dem Paris folgte, entführt, und sie seiner Mutter A e t h r a in Aphidnä zur Aufsicht übergeben. – Kastor und Pollux eroberten die Stadt, befreieten ihre Schwester, und nahmen die Mutter des Theseus als Gefangene mit; verübten aber nicht die mindeste Gewaltthätigkeit in der Stadt noch in dem Attischen Gebiete. – Diese schonende Großmuth war es, weswegen die Athenienser sie vorzüglich ehrten. – Die scho- nende Güte, welche die Heldenthaten des Kastor und Pollux begleitete, flößte den Sterblichen das vorzügliche Zutrauen ein, womit man sie nachher als Rettung und Hülfe gewährende Götter ehrte. Aber auch die Treue, womit dieß unzertrennliche Paar sich selber einander in Gefahren beistand, machte die göttergleichen Helden den Menschen zum Gegenstande der Lieb’ und des Vertrauens, und ist zugleich einer der schönsten Züge, welche die Dichtung in das glänzende Zeitalter der Helden eingewebt hat. Als nehmlich Kastor und Pollux um die Töchter des L e u c i p p u s , P h ö b e und I l a i r a , sich bewarben, und erst mit ihren Nebenbuh-

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lern, den Söhnen des A p h a r e u s , I d a s und L y n c e u s , jeder um seine Geliebte kämpfen mußten, wurde Lynceus zwar vom Kastor getödtet, Kastor selber aber, d e r n i c h t u n s t e r b l i c h w a r , vom Idas überwunden und erschlagen. Ob nun Pollux gleich den Tod seines Bruders an dem Idas rächte, so konnte er dennoch den Todten nicht wieder aufwecken; und flehte dem Jupiter, ihm selber das Leben zu nehmen, oder zu vergönnen, daß er mit seinem Bruder seine Unsterblichkeit theilen dürfe. Jupiter gewährte die Bitte, und Pollux stieg nun wechselnd den einen Tag mit seinem Bruder ins Schattenreich hinab, um sich des andern Tages unter dem Antlitz des Himmels wieder mit ihm des Lebens zu erfreuen. Dem Kastor und Pollux waren häufig Tempel und Altäre geweiht. – Die Einbildungskraft ließ sie zuweilen in großen Gefahren den Sterblichen erscheinen. – Dann waren es zwei Jünglinge auf weißen Pferden, in glänzender Waffenrüstung, mit Flämmchen oder Sternchen über ihren Häuptern. So wurden sie gemeiniglich abgebildet, entweder nebeneinander reitend, oder nebeneinander stehend, und jeder ein Pferd am Zügel haltend, mit gesenkten Lanzen, und Sternchen auf den Häuptern. Auf diese letztre Art sind sie auch auf der hier beigefügten Kupfertafel nach einem antiken geschnittenen Steine abgebildet. Auf dieser Kupfertafel befinden sich, ebenfalls im Umriß, nach einer antiken Gemme, die bloßen Köpfe des Kastor und Pollux mit den Sternchen darüber.

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Jason war aus dem Aeolischen Heldenstamme entsprossen, aber kein Göttersohn; und Juno selber, welche die Söhne des Jupiter mit ihrem Haß verfolgte, nahm ihn in ihren Schutz. – A e o l u s , Deukalions Enkel, der in T h e s s a l i e n herrschte, erzeugte den S a l m o n e u s , S i s y p h u s , A t h a m a s , und K r e t h e u s . – Salmoneus wurde von Jupiters Blitz erschlagen; Sisyphus mußte in

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der Unterwelt für seine Macht auf Erden büßen, und Athamas starb in Raserei. Ty r o , eine Tochter des Salmoneus, gebahr, ehe sie vermählt wurde, von Neptuns Umarmung den P e l i a s , und N e l e u s . – Und da sie mit ihres Vaters Bruder, dem K r e t h e u s sich vermählte, gebahr sie ihm den A e s o n , der seinem Vater in der Regierung folgte, und welcher J a s o n , den göttergleichen Helden, mit der A l c i m e d e erzeugte. P e l i a s aber, des Aesons Bruder von mütterlicher Seite, beraubte diesen seines Throns, ohne ihn demohngeachtet aus J o l k o s zu verjagen, welches der Sitz der Könige von Thessalien war. – Den Jason aber, da er kaum gebohren war, suchte Pelias als einen ihm gefährlichen Sprößling von Aesons Hause, aus dem Wege zu räumen. Aeson und Alcimede, welche die Absicht des Tyrannen merkten, streuten aus, daß Jason krank, und bald darauf, daß er gestorben sey, indeß daß seine Mutter ihn auf den Berg P e l i o n zu dem weisen C h i r o n brachte, welcher, obgleich in ungeheurer Gestalt, halb Mensch halb Pferd, in jeder Wissenschaft erfahren, sich in seiner einsamen Grotte der Erziehung der jungen Helden annahm; und unter dessen Leitung auch Herkules seine edle Laufbahn antrat. Als Jason zu den Jünglingsjahren gekommen war, und schon der männliche Muth in seiner Brust erwachte, gieng er, nach dem Ausspruch des Orakels, mit der Haut des Leoparden über seinen Schultern, und mit zwei Lanzen bewafnet, nach Jolkos an des Pelias Hof. Dem Pelias aber war geweißagt, er solle vor dem sich hüten, der einst mit e i n e m S c h u h , und mit dem andern Fuß entblößt vor ihm erscheinen würde. – Als nun Jason auf dem Wege nach Jolkos über den Fluß Anaurus zu gehen im Begriff war, erschien ihm Juno in der Gestalt einer alten Frau, und bat, sie über den Fluß zu tragen. – Als Jason sie hinübertrug, blieb ihm der eine Schuh im Schlamme stekken, und nun erschien er also mit dem einen Fuße entblößt in Jolkos vor dem Pallaste des Pelias, der bei seinem Anblick mit Schrecken und Bestürzung an den Ausspruch des Orakels dachte.

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Auf die Frage, wer er sey, forderte Jason nun vor allem Volke vom Pelias die Krone wieder, die dieser dem Aeson, Jasons Vater, unrechtmäßiger Weise entrissen hatte. – Die Einkünfte des Reichs sollten dem Pelias dennoch bleiben, nur der Oberherrschaft solle er sich begeben! Pelias, welcher bei diesem Antrage in die Seele des jungen Helden blickte, zweifelte nicht, ihn durch den anspornenden Reitz zu irgend einer ruhmvollen That für jetzt noch zu entfernen. – Er stellte sich, als sey er bereit, die Krone niederzulegen, wenn nur die Manen des P h r y x u s , der auch vom Aeolus stammte, und in dem entfernten K o l c h i s seinen Tod fand, erst versöhnt, und das g o l d n e F l i e ß , was jener dorthin gebracht, erst wieder erbeutet wäre. Dieser Phryxus, welcher in Kolchis starb, war nehmlich ein Sohn des A t h a m a s , und des Aeolus Enkel. – Athamas, der in Böotien herrschte, hatte mit der N e p h e l e den P h r y x u s und die H e l l e erzeugt, nachher aber mit der I n o , des Kadmus Tochter, sich vermählt, die jene beiden Kinder des Athamas mit stiefmütterlichem Haß verfolgte, und ihren Tod beschloß. Nephele erschien ihren Kindern, und entdeckte ihnen die Gefahr, worin sie schwebten, Schlachtopfer von Inos Haß zu werden, wenn sie nicht schnell die Flucht ergriffen, zu deren Beförderung schon ein W i d d e r m i t g o l d n e m F e l l bereit stand, der auf den Wink der Götter den Phryxus und die Helle über Länder und Meere auf seinem Rücken trug. Die Fahrt ging gegen Morgen nach dem entfernten Kolchis, wo Aeetes, ein Sohn der Sonne herrschte. – Helle, die Schwester des Phryxus aber sank unterwegens in die Fluthen, und das Meer, wo sie untersank, wurde nach ihrem Nahmen der H e l l e s p o n t genannt. Phryxus langte in Kolchis beim Aeetes an, wo er den Widder, der ihn trug, den Göttern zum Opfer brachte, und das goldne Fell des Widders, oder g o l d n e F l i e ß , als ein kostbares Heiligthum, in einem geweihten Haine aufhing; er selber vermählte sich mit der Tochter des Königs und starb im fremden Lande.

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Das goldne Fließ in Kolchis, wovon das Gerücht erscholl, erweckte schon lange die Sehnsucht aller, die etwas Köstliches zu erstreben wünschten. Es war im f e r n e n O s t e n das, was in Westen die goldnen Aepfel der Hesperiden waren; man dachte sich darunter etwas, das der größten Mühe, Anstrengung und Gefahren werth sey. – So wie denn überhaupt bei den Alten das Bild vom Widder und vom hochwolligten Widderfell vorzüglich den Begriff des R e i c h t h u m s in sich faßte, wodurch denn auch die Dichtung von dem goldnen Fließ, in so fern man sich darunter Reichthum und Schätze dachte, natürlich veranlaßt wurde. Das Wunderbare aber, und die weite Entfernung lockte am meisten den Muth der Helden an; und Jason hatte kaum des Pelias Wort vernommen, so war auch schon sein Muth zur rühmlichen That entflammt, er verpflichtete sich das goldne Fließ zu hohlen, und zu Gefährten der kühnen Unternehmung lud er Griechenlands berühmteste Helden ein.

Die Fahrt der Argonauten.

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Zu der Fahrt nach Kolchis wurde aus Fichten vom Berge Pelion ein Schiff erbaut, das größer als alle bisherigen, und dennoch leicht zum Segeln war; weswegen man es A r g o , die S c h n e l l s e g e l n d e , nannte, und diejenigen, welche darauf nach Kolchis schifften, die A r g o n a u t e n hießen. Aus dem Walde zu Dodona, wo die Eichen wahrsagten, war der Mast genommen; und man betrachtete nun die Argo gleichsam als ein beseeltes, mit dem Schicksal einverstandenes Wesen, dem man sich desto sicherer anvertrauete. Die folgenden Nahmen glänzten vorzüglich unter der Zahl der Helden, die den Jason begleiteten: Herkules; K a s t o r und P o l l u x ; K a l a i s und Z e t e s , die Söhne des Boreas; P e l e u s , der Vater des Achilles;

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A d m e t , der Gemahl der Alceste; N e l e u s , der Vater des Nestor; Meleager; Orpheus; Te l a m o n , der Vater des Ajax; M e n ö t i u s , der Vater des Patroklus; L y n c e u s , der Sohn des Aphareus; Theseus; Pirithous. Die Väter der berühmtesten Helden, die im Trojanischen Kriege glänzten, sind auf der Fahrt nach Kolchis zum Theil noch selbst in blühender Jugend. – Ein Heldengeschlecht geht hier voran, um mit vereinten Kräften einen kostbaren Schatz den Händen der Barbaren zu entreißen; so wie nachher das zweite Heldengeschlecht vereint durch Trojas Zerstörung den Raub der Schönheit rächte. Bei günstigem Winde segelt nun die A r g o aus dem Hafen von Jolkos in Thessalien ab. – Orpheus schlug die Harfe, und sein Gesang belebte den Muth bei drohenden Gefahren; – des Lynceus scharfer Blick durchdrang die fernste Gegend, – und der schiffahrtskundige T i p h y s lenkte mit weiser Hand das Steuerruder. Die Fahrt der Argonauten war eine zeitlang glücklich von statten gegangen, als sich plötzlich ein Sturm erhub, der sie nöthigte, in den Hafen von L e m n o s einzulaufen. Merkwürdig ist es, daß einige der Helden bei diesem Sturm gelobten, sich in die S a m o t h r a c i s c h e n Geheimnisse einweihen zu lassen; eben so wie Herkules, da er zu der gefahrvollsten Unternehmung in die Unterwelt hinabstieg, sich erst in die Eleusinischen Geheimnisse einweihen ließ. In Lemnos drohte den Argonauten eine größre Gefahr, als selbst der Sturm war, der sie dorthin verschlug. Die Schönheit und die Liebkosungen der Lemnierinnen fesselten die Helden, und verweilten ihre Fahrt nach Kolchis auf eine geraume Zeit. Kurz vor der Ankunft der Argonauten hatten nehmlich die Einwohnerinnen von Lemnos alle Männer auf ihrer Insel ermordet; nur H y p s i p y l e hatte ihrem Vater, dem Könige T h o a s , das Leben er-

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halten. Der Zorn der Venus gegen die Lemnierinnen, welche die mächtige Göttin nicht gnug verehrten, veranlaßte diese schreckliche That. Die zürnende Göttin flößte den Männern von Lemnos, welche mit den Thraciern Krieg führten, eine unüberwindliche Abneigung gegen ihre Weiber ein, statt deren sie sich Thracische Sklavinnen zu Beischläferinnen wählten; welche Schmach die Weiber von Lemnos nicht ertrugen, sondern alle ihre Männer, die nicht in Thracien zurückgeblieben waren, in einer Nacht im Schlafe ermordeten. Als nun die Argonauten in Lemnos landen wollten, so widersetzten sich ihnen zuerst die Weiber, weil sie glaubten, es wären ihre aus Thracien rückkehrende Männer, welche den Tod der Ermordeten rächen wollten. Sobald sie aber ihren Irrthum einsahen, nahmen sie die Fremden mit offnen Armen auf, welche nun zwei Jahr auf dieser Insel blieben, wo Jason mit der Hypsipyle zwei Söhne, den T h o a s und den E u n e u s erzeugte. Von Lemnos segelten die Argonauten nach Samothracien, wo die E i n w e i h u n g i n d i e G e h e i m n i s s e den Helden zu ihrer gefahrvollen Unternehmung neuen Muth gab. Als sie bei Tr o a s landeten, wurden sie von dem Herkules, der den Hylas suchte, und von dem Telamon, dem Gefährten des Herkules, verlassen. Am Fuße des D i n d y m u s lag die Stadt Z y z i k u s , in welcher ein König gleiches Nahmens herrschte, der die Argonauten, als sie hier landeten, gütig aufnahm, und mit Geschenken sie entließ. Da nun in der Nacht ein Sturm das Schiff wieder in den Hafen trieb, hielt Cycikus aus Irrthum die Landenden für Feinde, und wurde, da er sie angriff, von Jason im Gefecht erschlagen, der zur Aussöhnung dieser, obgleich unvorsetzlichen That, der Mutter der Götter auf dem Berge Dindymus Opfer brachte, und ihr einen Tempel baute. Die Argonauten, welche immer nach Osten zu ihren Lauf richteten, landeten nun in Bebrycien an, wo A m y k u s herrschte, der zum Gefecht mit Streitkolben jeden Fremden aufforderte, und welchen Pollux im Zweikampf überwand. –

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Auf ihrer weitern Fahrt von hier wurden die kühnen Schiffer durch einen Sturm an die Küste von Thracien verschlagen, und landeten zu S a l m y d e s s a , wo der von den Göttern bestrafte wahrsagende und blinde P h i n e u s herrschte, den unaufhörlich die H a r p y e n , die Töchter des T h a u m a s quälten, deren unter den Erzeugungen der a l t e n G ö t t e r schon gedacht ist. Phineus war mit einer Tochter des Boreas vermählt, mit welcher er zwei Söhne erzeugte, die er dem stiefmütterlichen Haß seiner zweiten Gemahlin I d e a Preis gab, auf deren Anstiften und Verläumdung er sie des Augenlichts beraubte, und nun durch seine eigene Blindheit für dieß Verbrechen büßte, indeß die wahrsagenden Harpyen, C e l ä n o , A e l l o , und O c y p e t e , welche ein jungfräuliches Antlitz hatten, und übrigens gräßlichen Raubvögeln gleich gestaltet waren, dem P h i n e u s alle Speise, die er genießen wollte, entrissen oder besudelten. Phineus, der in die Zukunft blickte, gab den Argonauten weise Rathschläge zur Fortsetzung ihrer Reise, und einen Wegweiser durch die C y a n e i - s c h e n Felsen, oder S y m p l e g a d e n , deren Durchfahrt den Argonauten nun bevorstand. K a l a i s und Z e t e s , die Söhne des Boreas, welche beflügelt waren, verjagten zur Dankbarkeit die H a r p y e n von des Phineus Tische, und verfolgten sie bis an die S t r o p h a d i s c h e n Inseln, wo sie auf den Befehl der Götter von ihrer Verfolgung abließen, und zu den Argonauten wieder zurückkehrten; von welcher Rückkehr auch jene Inseln bei den Alten ihren Nahmen führten. Die C y a n e e n oder S y m p l e g a d e n , durch welche die Argonauten nun schiffen mußten, waren zwei Felsen, die am Eingange des schwarzen Meeres einander gegenüber lagen, und nach den verschiedenen Richtungen, worin man sich ihnen näherte, durch einen optischen Betrug, sich b a l d z u ö f n e n , und b a l d z u s c h l i e ß e n schienen, woher die alte Dichtung entstand, daß diese Felsen beweglich wären, und sich wirklich so wie Scheeren auf und zuthäten, welches den Durchgang der Schiffe durch dieselben äußerst gefahrvoll machte. – Sehr natürlich ist daher auch die Dichtung, daß, seitdem die

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Argonauten die Durchfahrt einmal gewagt hatten, und also der optische Betrug entdeckt war, Neptun diese Felsen b e f e s t i g t habe. – Nach glücklich vollendeter Durchfahrt durch die Symplegaden, ward nun in dem Gebiet des L y k u s angelandet, welcher, von Geburt ein Grieche, die Fremdlinge aus seinem Vaterlande mit offnem Arm aufnahm. Hier starb Tiphys, der Steuermann der Argo, an dessen Stelle A n c ä u s trat; worauf die weitere Fahrt nach Kolchis vor sich gieng, wo endlich die geweihte A r g o , nachdem sie lange das Meer durchschnitten, und manchen Sturm erlitten hatte, an das gewünschte Ufer stieß. Allein hier war es, wo die größte Gefahr dem Jason drohte, wogegen ihn aber auch schon im Voraus die Gunst der Götter schützte. – A e e t e s nahm die Argonauten nicht unfreundlich auf; schrieb aber dem Jason, der das goldne Fließ begehrte, solche Bedingungen vor, deren Erfüllung er selbst für unmöglich hielt; weil unter den Gefahren, die er ausgedacht, der kühnste Held nothwendig erliegen mußte! Zuerst sollte Jason, um den Besitz des goldnen Fließes sich zu erwerben, zwei flammenathmende, dem Vulkan geweihte Stiere an einen diamantnen Pflugschaar spannen, und reißen damit vier Morgen eines noch nie gepflügten, dem Mars geweihten Feldes auf. – Dann sollte er den Rest der Drachenzähne des K a d m u s , welche Aeetes besaß, in die gepflügten Furchen säen, und die geharnischten Männer, die aus der furchtbaren Saat erwachsen würden, alle bis auf einen tödten; und wenn er das gethan, den Drachen, der das goldne Fließ bewachte, bekämpfen und erlegen. M e d e a , eine Tochter des Aeetes, mächtig in Zauberkünsten, hatte kaum den Jason erblickt, als durch den Einfluß und die Veranstaltung der Götter, die den Helden schützten, eine zärtliche Neigung gegen ihn, sich in ihrem Busen regte, die bald bis zur heftigsten Flamme der Leidenschaft emporschoß. Beim Tempel der H e k a t e , die mächtige Göttin anzuflehen, begegneten sich Jason und Medea. Medea entdeckte dem Jason ihre Liebe, und wenn er ihr Treue schwüre, versprach sie, in den Gefahren,

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die ihm drohten, ihm mächtig beizustehen, und ihm zu helfen, sein glorreiches Unternehmen sicher zu vollführen. Jason schwur ihr Treue; Medea erwiederte den Schwur, und machte durch ihre Zauberkraft den Helden unüberwindlich, sie gab ihm einen Stein, um ihn unter die aufkeimende Saat der geharnischten Männer hinzuschleudern, und gab ihm Kräuter und einen Trank, den Drachen einzuschläfern. Als Jason mit seinen Gefährten nun am andern Tage, in Gegenwart des Königs und des Volks auf dem Felde des Mars erschien, und man nun im Begriff war, zuerst die flammenathmen- den Stiere loßzulassen, stand alles stumm und schweigend auf den Ausgang harrend. – Wild und schnaubend stürzten die Stiere auf den Helden loß, allein die Zauberkraft, womit Medea ihn begabt hatte, machte sie plötzlich zahm; sie beugten willig ihren Nacken unter das Joch, indem sie Jason an den Pflug spannte, und auf dem F e l d e d e s M a r s die Furchen zog, worin er die Zähne des Drachen säte. Als nun plötzlich die Saat der geharnischten Männer aus dem Boden keimte, die alle ihre Schwerdter gegen den Jason kehrten, so warf dieser in ihre Mitte den bezaubernden Kieselstein, der ihre Herzen verhärtete, daß sie mit wechselseitiger Wuth sich selbst aufrieben, und mit ihren todten Körpern den Boden deckten, woraus sie kaum erst entsprossen waren. Ehe noch der König und das Volk von seinem Erstaunen sich erhohlte, eilte Jason schon, den Drachen einzuschläfern; er tödtete das Ungeheuer, und triumphirend hielt seine Rechte das goldne Fließ empor. – Siegreich kehrte er nun mit seinen Gefährten in sein Schiff zurück. Heimlich in nächtlicher Stille ihres Vaters Haus verlassend, um ihrem Geliebten nachzufolgen, begab sich Medea auf das Schiff, das in der Nacht noch unter Segel ging. Aeetes, welcher bald die Flucht seiner Tochter inne ward, verfolgte die schnellsegelnde Argo mit seinen Schiffen; als nun beim Ausfluß der Donau, Medea die nahen Segel ihres Vaters erblickte, griff sie zu einem verzweifelten und grausamen Mittel, um sich und ihren Geliebten aus der Gefahr zu retten.

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Sie hatte ihren kleinen Bruder A b s y r t u s , gleichsam als Geißel mitgenommen, und da sie kein andres Rettungsmittel sahe, tödtete und zerstückte sie ihn; stellte Haupt und Hände auf einem hohen Felsen aus, und streuete die übrigen Glieder an dem Ufer hier und da umher, damit durch diesen jammervollen Anblick, und bei dem Sammlen der Glieder seines Sohnes, der Vater sich verweilte, und die Fliehenden zu verfolgen abließe. – Um diese Frevelthat zu bezeichnen, wurden einige kleine Inseln in dieser Gegend nachher die A b s y r t i s c h e n genannt. Die Argonauten, denen P h i n e u s gerathen hatte, sie sollten durch einen andern Weg, als den, welchen sie gekommen wären, in ihr Vaterland zurückkehren, schifften nun die Donau hinauf, und da sie auf diesem Flusse nicht weiter kommen konnten, läßt die Dichtung sie das leichtgebaute Schiff eine Strecke von vielen Meilen über Berg und Thal, bis an den adriatischen Meerbusen auf ihren Schultern tragen. Als sie sich hier nun wieder einschiften, ließ die Argo aus der Eiche des Dodonischen Waldes folgenden Orakelspruch ertönen: daß ihnen die Rückkehr in ihr Vaterland nicht eher bestimmt sey, bis Jason und Medea erst von dem Mord des Absyrtus loßgesprochen, und durch die auferlegte Büßung ihr Verbrechen ausgesöhnt sey. Um dieser Aussöhnung willen liefen sie in den Hafen von A e e a , dem Aufenthalt der C i r c e , einer Tochter der Sonne, und Schwester des Aeetes ein, die sich aber weigerte, auf die Bitte des Jason und der Medea, den Mord des Absyrtus durch die gebräuchlichen Opfer auszusöhnen, und ihnen verkündigte, daß sie nicht eher als auf dem Vorgebürge M a l e a ihre Schuld würden tilgen können. Von hier schiften nun die Argonauten, u n t e r d e m S c h u t z d e r J u n o , glücklich durch die Scylla und Charybdis. – Durch des Orpheus Ueberredung vermieden sie die Gefahr, die ihnen von den S i r e n e n drohte, und kamen nun auf der Insel der Phäacier an, wo sie auf die Flotte der Kolchier trafen, die hier auf einem andern Wege den Fliehenden gerade entgegen kam, und die Medea, wenn sie dem Jason noch nicht vermählt wäre, wieder zurückverlangten.

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Alcinous, der König der Phäacier, ließ noch in derselben Nacht den Jason und die Medea die Gebräuche der Vermählung feiern, und verkündigte diese Verbindung am andern Morgen den Abgeordneten von Kolchis, die nun mit ihrer Flotte wieder den Rückweg nahmen. Die Argonauten gingen nun wieder unter Segel, und suchten dem Vorgebürge Malea sich zu nähern, als plötzlich ein Sturm sie an die Lybischen Sandbänke warf, wo sie in einem der Seen sich verwickelt sahen, als ihnen ein Triton erschien, der gegen das Geschenk eines köstlichen Dreifußes, den Jason im Schiffe mit sich führte, ihnen einen Weg zu zeigen versprach, wo sie der Gefahr entrinnen könnten. Jason schenkte den Dreifuß dem Triton, der sich daran ergötzte, und dem E u p h e m u s , einem von den Argonauten, dessen Nachkommen über Lybien herrschten, als ein bedeutendes Geschenk, e i n e E r d s c h o l l e gab; als diese Erdscholle in der Folge ins Meer fiel, weißagte Medea dem Euphemus, daß seine Nachkommen nun noch nicht sobald in Lybien herrschen würden. Endlich langte nun die Argo bei dem Vorgebürge Malea an, wo nach der Circe Verheißung, Jason und Medea von dem Mord des Absyrtus ausgesöhnt, sich nun das nahe Ende der langen Reise versprechen durften. – Ohne irgend einen neuen Unfall liefen die Argonauten glücklich in den Hafen von Jolkos ein. – Die A r g o weihte Jason auf dem Corinthischen Isthmus dem Neptun, und die folgenden Dichtungen lassen sie als ein leuchtendes Gestirn am Himmel glänzen. Das goldne Fließ war nun erbeutet, allein die Absicht, weswegen Jason sich allen diesen Gefahren unterzogen hatte, war vereitelt, weil sein Vater Aeson, eben so wie Pelias, nun schon ein abgelebter kindischer Greiß, der glorreichen Thaten seines Sohnes sich nicht mehr freuen konnte. – Und nun war Jasons erste Bitte an Medeen, durch die Gewalt der magischen Kräfte, w o m ö g l i c h s e i n e n Va t e r z u v e r j ü n g e n . – Medea ließ dem Aeson aus verborgenen Kräutern den neuen Lebenssaft durch alle Adern strömen, und dieser fühlte plötzlich die Rückkehr seiner muntern Jugend und neue Lebenskraft; indeß die

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Töchter des P e l i a s , den Versuch der Medea thöricht nachahmend, ihrem Vater, den sie auch verjüngen wollten, das Leben raubten, so daß dem Aeson nun allein die Herrschaft blieb. Jason begab sich mit der Medea nach Korinth, das vormals Ephyra hieß, und vom Aeetes, dem Vater der Medea, ehe er nach dem fruchtbarern Kolchis gieng, beherrscht ward. Medea bemächtigte sich der Regierung für den Jason, welchem, nachdem er hier zehn Jahr mit ihr verlebt, so wie dem Herkules, Perseus, und Bellerophon, ein tragisches Schicksal noch zuletzt bevorstand. Medeens überdrüssig, war Jason im Begriff sich mit der fürstlichen Tochter K r e o n s zu vermählen, uneingedenk der Rache, verachteter Eifersucht und verschmähter Treue. Medea stellte sich sanft und duldend; sie schickte selber der Braut ein Hochzeitkleid. Kaum hatte diese es angelegt, so fühlte sie schon die Flamme ihr Innerstes verzehren und starb einen qualenvollen Tod. – Nun ließ Medea ihrer Rache freien Lauf; auf Kreons Pallast ließ sie Feuer regnen; den Kreon selbst einen Raub der Flammen werden; – ermordete ihre beiden Kinder, die Jason mit ihr erzeugt hatte, und eilte darauf in ihren mit Drachen bespannten Wagen durch die Lüfte, indem sie den Jason seinem Gram und der Verzweiflung überließ, die seine Tage kürzte, und ihm den Rest seines Lebens verbitterte. Auf der hier beigefügten Kupfertafel sind Jason und Medea, sich einander die Hände gebend, nebst Jasons Waffenträger, nach einem antiken Basrelief aus Winkelmanns Monumenten, abgebildet, indeß der mit dem Drachen umwundne Lorbeerbaum den Sieg des Jason schon im Voraus andeutet, der mit Medeens Zauberkräften ausgerüstet, seiner Waffen, die an der Wand hängen, nicht mehr bedarf, und leichtbekleidet ohne Harnisch dasteht. Auf eben dieser Tafel ist, nach einer antiken Gemme, auch M e l e a g e r und der Kopf des Kalydonischen Ebers vor ihm, dargestellt.

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Meleager. O e n e u s , der in Kalydon herrschte, war ein Vater berühmter Kinder; der D e j a n i r a , die dem Herkules vermählt war; des M e l e a g e r , und des Ty d e u s , dessen tapferer Sohn D i o m e d e s im Trojanischen Kriege es mit den Göttern selbst im Streit aufnahm. – Dieser Oeneus hatte das Unglück, den Zorn der D i a n a auf sich und sein Land zu laden, weil er beim Opfer sie vergaß, da er den übrigen Göttern für den Wachsthum der Früchte des Feldes dankte. Diana schickte einen ungeheuren Eber in das Kalydonische Gebiet, der die aufkeimende Saat zernichtete, die Aecker verwüstete, und den Einwohnern des Landes rund umher Tod und Verderben drohte. – Oeneus erbat sich den Beistand der Helden, dies Ungeheuer zu erlegen; und dies war wiederum eine Unternehmung, welche, so wie die Fahrt der Argonauten, die gleichzeitigen berühmtesten Helden Griechenlands vereinte.

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Die Kalydonische Jagd.

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Bei der Jagd des Kalydonischen Ebers versammleten sich zum Theil die Helden wieder, die auf der Fahrt nach Kolchis manche Gefahr zusammen überstanden hatten. Die berühmtesten von den Argonauten, welche mit dem M e l e a g e r , dem Sohn des Oeneus, gegen das Ungeheuer kämpften, waren Jason; K a s t o r und P o l l u x ; I d a s und L y n c e u s ; Peleus; Te l a m o n ; Admetus; P i r i t h o u s und T h e s e u s . Zu diesem glänzenden Haufen gesellten sich die Brüder der A l t h e a , der Vermählten des Oeneus, einer Tochter des T h e s t i u s , der in P l e u r o n herrschte; und A t a l a n t e , die Tochter des S c h ö n e u s ,

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eines arkadischen Fürsten, die gleich der Diana selber die Jagd liebte, und sich dem jungfräulichen Stande gewidmet hatte. Atalante verwundete zuerst mit ihrem Pfeil den Eber; und nun erlegte Meleager das Ungeheuer, hieb ihm den Kopf ab, und überreichte ihn der Atalante, als der Siegerin, die den Preis in diesem Kampfe davon getragen hatte. – Die Söhne des Thestius, Brüder der Althäa, der Mutter des Meleager, machten den Preis der Atalante streitig; und nun erregte Diana, die ihrem Zorn noch keine Grenzen setzte, zwischen dem Meleager und den Söhnen des Thestius einen Streit, der zu einem blutigen Kriege wurde, und dieser Begebenheit e i n e n t r a g i s c h e n A u s g a n g gab. Meleager tödtete im Gefecht seiner Mutter Brüder. Als diese nun die Leichname der Erschlagenen erblickte, schwur sie, den Tod der Brüder an ihrem eigenen Sohne zu rächen. Die Parzen hatten nehmlich bei der Geburt des Meleager ein Scheit Holz nah an die Flamme auf den Heerd gelegt, mit dem Bedeuten, daß der Althäa Sohn so lange leben würde, als die Flamme nicht dies Holz verzehrte. Althäa hatte, wie ein köstliches Kleinod, bis jetzt dies Scheit Holz aufbewahrt; nun warf sie es in die lichte Flamme, mit lauten Verwünschungen gegen ihren Sohn, der plötzlich von verzehrender Gluth sein Inneres ausgetrocknet, seine Gebeine zermalmet fühlte, und unter zuckender Qual verschied. – Kaum aber vernahm Althäa die schreckliche Wirkung, von dem, was sie gethan, so gab sie aus Reue und Verzweiflung sich selbst den Tod.

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Atalante. Auch Atalante freute sich ihres Sieges nicht lange; sie vermied so lange sie konnte, sich zu vermählen, weil unvermeidliches Unglück in der Ehe, nach einer Weißagung, ihr bevorstand. Um nun die Freier abzuschrecken, trug sie jedem, der um sie warb, einen Wettlauf an. Dem, welcher sie besiegen würde, versprach sie sich zu ergeben; dem Besiegten aber war der Tod bestimmt.

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H i p p o m e n e s , der diesem gefährlichen Wettlauf sich unterzog, flehte die Venus um Beistand an, die ihm drei goldne Aepfel schenkte, welche er einen nach dem andern im Laufen fallen ließ, und als Atalante diese Aepfel, sie bewundernd, aufhub, vor ihr das Ziel erreichte. – Allein Hippomenes vergaß des Dankes, den er der Venus schuldig war, und Atalante mußte, da sie mit ihm vermählt war, zugleich auch sein Vergehen gegen die Göttin büßen, auf deren Anstiften beide ein Heiligthum der C y b e l e entweihten, welche mit furchtbarer Gewalt das frevelnde, d u r c h d a s B a n d d e r E h e v e r k n ü p f t e P a a r , in Löwen verwandelte, die u n t e r e i n e m J o c h ihren Wagen zogen.

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Minos.

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In der Gestalt des muthigen Stiers, worin die Alten gern, als ein Sinnbild der Stärke, die Gottheit hüllten, entführte Jupiter die E u r o p a , des Agenors Tochter, nach Kreta, wo er den M i n o s mit ihr erzeugte, der, seines erhabenen Ursprungs würdig, den Völkern Gesetze gab, und sie zuerst zu einem Staate durch weise Einrichtung bildete. Die Dichtung läßt den Minos in einer Grotte auf dem Ida von Zeit zu Zeit mit dem Jupiter geheime Unterredungen pflegen, deren Inhalt er, als die Grundlage seiner Gesetzgebung, dem horchenden Volke bekannt macht. Wegen seiner weisen Regierung eignete die Dichtung dem Minos, nebst seinem Bruder und Rathgeber R a d a m a n t h u s , als den gerechtesten Menschen, das Richteramt über die Todten zu; zu diesen beiden gesellte sie den A e a k u s , des Peleus Vater, und, nach einer andern Sage, auch den Tr i p t o l e m u s , der ein Wohlthäter der Menschen war. M i n o s , des Gesetzgebers Enkel, war ein tapfrer und kriegrischer Fürst, der das mittelländische Meer von Seeräubern befreite, und die Fahrt auf demselben wieder sicher machte. – Allein ihn betrafen Unglücksfälle, wodurch seine glorreichsten Siege ihm vergällt, sein Leben verbittert wurde.

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Die Vermählte des Minos war P a s i p h a e , eine Tochter der Sonne und Schwester des Aeetes. – Venus warf auf dieß Geschlecht einen alten Haß, weil H e l i o s oder die Sonne einst ihr Liebesverständniß mit dem Mars entdeckt und verrathen hatte. Sie flößte der Pasiphae zu einem Stier, den Neptun aus dem Meere steigen ließ, eine schändliche Liebe ein. – Während der Abwesenheit des Minos beging Pasiphae das unnatürliche Verbrechen, und gebahr ein Ungeheuer, halb Mensch halb Stier, das unter dem Nahmen des M i n o t a u r u s zum öftern in diesen Dichtungen auftritt. D ä d a l u s , der kunstverständigste Bildner und Baumeister, welcher damals lebte, hatte sich wegen eines Verbrechens aus Athen nach Kreta geflüchtet; und Minos, um die Schande seines Hauses den Blicken der Menschen und dem Antlitz des Tages zu verbergen, trug dem Dädalus auf, ein unterirdisches Gewölbe, mit unzähligen irreführenden Gängen, ihm zu erbauen. Dieß war das berühmte Labyrinth in dessen Mitte der Minotaurus eingeschlossen, nur von denen erblickt wurde, die ihm zur Strafe als Opfer vorgeworfen wurden, und um ihren Tod zu finden, das Labyrinth betraten. A n d r o g e u s , ein Sohn des Minos, war während der Zeit nach Athen gereist, um dort, mit vielen andern Fremden, den Atheniensischen Spielen beizuwohnen, wo er bei allen Kämpfen den Preis davon trug, und durch den Beifall des ganzen Volks, den er sich erwarb, die Eifersucht und den Verdacht des kinderlosen A e g e u s rege machte, der damals Athen beherrschte, und den hofnungsvollen Sohn des Minos meuchelmörderischer Weise ermorden ließ. Kaum hatte Minos dieß neue Unglück seines Hauses vernommen, so kam er mit seiner ganzen Macht, den grausamen und schändlichen Mord zu rächen. – Zuerst belagerte er N i s a , wo N i s u s , ein Bruder des Aegeus herrschte. – Den Nisus verrieth seine eigne Tochter Scylla, indem sie eine gelbe Haarlocke, wodurch er unüberwindlich war, von seinem Haupte schnitt, und sie dem Minos brachte, gegen den sie von Liebe entbrannt, der Pflicht und kindlichen Zärtlichkeit vergaß, und nach Verdienst bestraft wurde, indem sich Minos zwar ihres Ge-

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schenks bediente, die Verrätherin aber mit Zorn und Verachtung von sich stieß. Als Minos die Stadt Nisa, welche nachher Megara hieß, erobert hatte, rückte er gerade auf Athen, das schon vorher von Dürre und Hungersnoth gedrückt, der Götter Zorn empfand, und unter seinem traurigen Schicksal seufzte. Als zu dem allen noch das Orakel den Ausspruch that: die Götter würden nicht aufhören, Unglück über die Stadt zu schicken, bis dieselbe dem Minos für den Mord seines Sohnes, erst völlige Genugthuung geleistet; so schickten sie Abgeordnete an den König von Kreta, die ihn in flehender Gestalt um Frieden baten. Die harte Bedingung des Friedens war, daß die Athenienser dem Minos jährlich sieben der schönsten Knaben, und sieben der schönsten Mäd- chen nach Kreta schicken mußten, wo sie um den Mord des A n d r o g e u s abzubüßen, als Schlachtopfer für ihr Vaterland, dem Minotaurus zur Beute wurden. Als Theseus endlich den Minotaurus erlegte, und mit der A r i a d n e , des Minos Tochter entflohe, schloß Minos, da er sich weiter nicht rächen konnte, den Athenienser D ä d a l u s , nebst seinem Sohn I k a r u s , in das von dem Künstler selbst erbaute Labyrinth. – Dem Dädalus aber bot die Kunst ein Mittel dar, mit seinem Sohn dem Kerker zu entfliehn. K o k a l u s , ein Fürst in Sicilien, nahm den Dädalus auf; und lud den Minos, welcher kam, und die Ausliefrung des Dädalus verlangte, selbst zu einer Unterredung ein, stellte sich freundlich gegen ihn, und bewirthete ihn in seinem Hause, wo er hinterlistiger Weise ihn zuletzt im Bade erstickte. – So fand Minos, der tapfre Krieger, da er den K ü n s t l e r verfolgte, den die Götter schützten, in einem fremden Lande seinen Tod.

Dädalus. In dem der Minerva geweihten Athen entwickelten sich zuerst die bildenden Künste, und hatten unter den Beschäftigungen der Men-

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schen einen hohen Rang. – Dädalus, der aus dem königlichen Geschlecht der E r e c h t h i d e n stammte, gab, nach der Dichtung, den Bildsäulen, die er verfertigte, Leben und Bewegung. Er war es, der zuerst die dicht aneinander geschloßnen Füße, so wie man sie noch an den ägyptischen Bildsäulen sieht, voneinander trennte, die dicht anliegenden Aerme vom Rumpfe lößte, und seinen Bildsäulen eine f o r t s c h r e i t e n d e Stellung gab. – Was Wunder, daß dieser ganz neue Anblick jeden in Erstaunen setzte, und die Sage veranlaßte, daß die Bildsäulen des Dädalus sich bewegten. In diesem ersten Schritt des Dädalus in der Kunst, lag etwas Hohes und Göttliches, das die Verehrung und Bewundrung der Nachwelt auf sich zog, und den Nahmen des Künstlers unsterblich machte, der dennoch seinen Ruhm durch eine grausame und schwarze That befleckte. Unter seiner Anführung bildete sich ein Jüngling, Nahmens Ta l u s , ein Sohn der Schwester des Dädalus. – Als dieser einst mit dem Kinnbacken einer Schlange ein Stück Holz voneinanderschnitt, kam er auf den Gedanken, die Schärfe der Zähne im Eisen nachzuahmen, und so erfand er die S ä g e , eines der nützlichsten Werkzeuge, dessen die Menschen sich bedienen. Auch die Erfindung der T ö p f e r s c h e i b e war das Werk des Talus. Dädalus, über die Fortschritte seines Lehrlings eifersüchtig, warf einen tödtlichen Haß auf ihn. – Der grausamste K ü n s t l e r n e i d war schon mit der ersten Entstehung der Kunst verwebt. – Dädalus führte den Jüngling auf eine steile Anhöhe, wovon er, ehe jener es sich versahe, ihn hinunterstürzte, und so den Ta l u s durch seinen Fall für die Erfindungen büßen ließ, womit er seinen Meister überfliegen wollte. Als die grausame That des Dädalus kund wurde, ward er zum Tode verdammt, und mußte aus Athen entfliehen, worauf er erst eine Zeitlang flüchtig umher irrte, bis er in Kreta bei dem Könige Minos, dem er das L a b y r i n t h erbaute, eine Zuflucht fand. Als Minos aber nachher den Dädalus mit seinem Sohn I k a r u s in dem von dem Künstler selbst erbauten Labyrinthe gefangen hielt; so

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strebte die eingehemmte Kunst, selbst das Unmögliche zu versuchen, und weil nur ein Ausgang nach oben war, mit a n g e s e t z t e n k ü n s t l i c h e n F l ü g e l n sich in die Lüfte emporzuheben. Dädalus suchte mit klebenden Wachs die Fugen der Flügel zu verbinden, und legte sie sich und seinem Sohn an, den er vorher sich üben ließ, allmälig sich emporzuschwingen. Als sie nun die Reise durch die Luft antraten, warnte Dädalus seinen Sohn, ja nicht zu hoch im Fluge sich zu erheben! – Dieser aber vergaß der Warnung, – da schmolzen ihm die Flügel im Sonnenstrahl, und er fand in dem Meere seinen Tod, das man nach seinen Nahmen das I k a r i s c h e nannte. – Dädalus, der den Ta l u s stürzte, sah nun zu seiner Qual den Fall seines eignen Sohnes, den er nicht retten konnte. Er selber ließ sich in Sicilien nieder, wo K o k a l u s ihn gastfreundlich aufnahm, und ihn vor der Verfolgung des Minos schützte, dem er bei einem Besuch sogar das Leben raubte, und auf die Weise den Dädalus sicher stellte, welcher zur Dankbarkeit verschiedne große Werke in dem Gebiete des Kokalus unternahm; Kanäle und Teiche grub; ein Schloß auf einem Felsen erbaute; den Gipfel des Berges E r y x ebnete; und zuletzt eine goldne Kuh, von ihm selbst verfertigt, der E r y c i n i s c h e n Ve n u s weihte. Geraume Zeit nachher fand man noch Spuren von seinen Werken; – sein Nahme ward zum Sprichwort, worunter man alles sinnreich Erfundne und Künstliche mit einemmal begriff. – Auf einer antiken Gemme, deren Umriß auf der hier beigefügten Kupfertafel sich befindet, ist Dädalus dargestellt, wie er sitzend und sinnend an dem vor ihm stehenden k ü n s t l i c h e n F l ü g e l noch mit bildender Hand arbeitet. – Auf eben dieser Tafel befindet sich auch, nach einem antiken geschnittnen Steine, eine Abbildung des T h e s e u s , der einen großen Stein aufhebt, worunter Schuh und Schwerdt seines Vaters verborgen lagen.

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A e g e u s , ein Sohn des Atheniensischen Königs P a n d i o n , welchem er in der Regierung folgte, that, weil er ohne Kinder blieb, eine Reise nach Delphi, um das Orakel des Apollo um Rath zu fragen. Die Pythia befahl ihm, er solle, bis nach seiner Zurückkunft in Athen, alles Umgangs mit Weibern sich enthalten; und gerade dieß Verbot bewirkte, daß er zum Gegentheil sich verleiten ließ. Er kehrte auf seinem Rückwege in Tr ö z e n e , beim P i t t h e u s , einem Sohn des P e l o p s ein, und vermählte sich heimlich mit dessen Tochter A e t h r a . – Als Aegeus von Tr ö z e n e abreiste, verbarg er unter einem großen Steine sein Schwerdt und seine Schuhe, und befahl der Aethra, wenn sie einen Sohn gebähren sollte, denselben nicht eher zu ihm nach Athen zu schicken, als bis er stark genug wäre, den Stein hinwegzuwälzen, worunter seines Vaters Schwerdt und Schuhe verborgen lagen. Aethra gebahr den Theseus, der unter des weisen Pittheus Aufsicht vom C h o n i d a s erzogen ward; die Athenienser verehrten in der Folge, so oft sie das Fest des Theseus feierten, auch das Andenken von diesem C h o n i d a s dem E r z i e h e r des Helden. Als Theseus erwachsen war, führte ihn seine Mutter zu dem Steine, woran seine Stärke sich prüfen sollte, und welchen er aufhob und darunter das Schwerdt und die Schuh seines Vaters fand, so wie die obige Abbildung ihn darstellt. – Das S t e i n a u f h e b e n ist bedeutend in den Dichtungen von der Heldenzeit, und wird beständig als ein Merkmahl von der Stärke angeführt, wodurch das damalige Geschlecht der Menschen sich von den folgenden schwächern Erzeugungen unterschied. Als Theseus nun seine Reise nach Athen antrat, so wählte er, durch das Beispiel des Herkules angefeuert, den gefährlichsten Weg zu Lande, wo er mit Räubern kämpfen mußte, die die Straßen unsicher machten, und auf eine grausame Weise die Fremden behandelten, die sie in ihre Gewalt bekamen.

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Ob nun Theseus gleich den Herkules sich zum Muster nahm, so unterscheidet er sich dennoch durch eine gewisse Feinheit der Züge in seinem Wesen, von jenem rohen Thebanischen Helden, der als ein kolossalisches Sinnbild von Körperkraft und unüberwindlicher Stärke, überall in den Dichtungen auftritt, und in dem Ausdruck dieser Kraft auch durch die b i l d e n d e K u n s t sich darstellt, welche dem Theseus einen schlankern Wuchs und feinere Züge giebt. Als Theseus, mit seines Vaters Schwerdt bewafnet, von Trözen auf den Isthmus zuwandernd, durch die Länder von E p i d a u r u s kam, stieß er zuerst auf den wegen seiner Grausamkeit berüchtigten P e r i p h e t e s , der bei seiner Riesenstärke bloß mit einer Keule bewafnet, den Reisenden furchtbar war; als er es wagte, den Theseus anzugreifen, schlug dieser ihn zu Boden und tödtete ihn, und trug nachher beständig, zum Andenken seines ersten Sieges, die Keule des Periphetes. Da er nun auf dem Isthmus von Korinth anlangte, mußte er mit einem noch grausamern Mörder, dem S i n n i s kämpfen, den man den Fichtenbeuger nannte, weil er die Fremden zwischen zwei zur Erde gebeugten und schnell wieder in die Höhe fahrenden Fichten festgebunden, zu seiner Lust zu zerreißen pflegte. Als Theseus ihn überwunden hatte, ließ er mit der von dem Mörder selbst erfundnen Todesart, ihn für seine Grausamkeit und seinen Frevel büßen. Auch befreite Theseus die Länder, durch welche er reiste, von Ungeheuern, und tödtete unter andern die K r o m m y o n i s c h e Sau, welche dem ganzen Lande furchtbar, überall Schaden stiftete und die Aecker verwüstete. – Als er hierauf an die Gränzen von M e g a r a kam, überwand er den S k i r o n , und stürzte ihn von demselbigen steilen Fels ins Meer, von welchem dieser Tyrann die Reisenden, die vorbeikamen, hinunter zu stürzen pflegte. In Eleusis mußte Theseus mit dem K e r k y o n kämpfen, den er überwand und tödtete; und als er nicht weit davon in H e r m i o n e anlangte, besiegte er den D a m a s t e s , den man wegen der besondern Art von Grausamkeit, womit er die Fremden mißhandelte, den A u s d e h n e r oder P r o k r u s t e s nannte.

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Dieser Prokrustes hatte nehmlich zwei eiserne Betten von verschiedner Länge, worinn er die Fremden legte. Die kurzen Personen legte er in das lange, und dehnte ihre Körper mit Gewalt bis zu der Länge des Bettes aus; die langen Personen legte er in das kurze, und was über die Länge des Bettes reichte, hieb er von ihren Füßen ab. Es scheint, als wolle diese Dichtung die Verletzung des Gastrechtes in ihrem hassenswürdigsten Lichte darstellen; denn man kann sich nichts Grausamers denken, als daß selbst die Lagerstätte, die den müden Wandrer erquicken sollte, von dem Tyrannen zur Folterbank gemacht wurde. Die Heiligkeit des Gastrechts war es, unter dessen Schutz die Menschen zuerst einander sich mittheilen, und wechselseitig sich bilden konnten. Die Störer dieses heiligen Gastrechts zu vertilgen, ist das Werk der Helden, welche Wohlthäter der Menschen sind, wie Theseus war, der den Prokrustes erst die von ihm selbst erfundne Marter dulden ließ, und dann von diesem Ungeheuer die Erde befreite. Als Theseus nun in Athen anlangte, erkannte ihn Aegeus an dem Schwerdt und Schuhen für seinen Sohn, worüber die Söhne des P a l l a s eines Bruders des Aegeus, die schon mit der Hoffnung dem kinderlosen Aegeus in der Regierung zu folgen sich geschmeichelt hatten, einen Aufruhr erregten, den aber Theseus in seiner Entstehung dämpfte. Nun war es gerade das dritte Jahr, in welchem die Athenienser dem Minos, wegen der Ermordung seines Sohns Androgeus, den traurigen Tribut bezahlen mußten, der darin bestand, sieben der schönsten Jünglinge oder Knaben, und sieben der schönsten Mädchen, aus edlem Blut entsprossen, nach Kreta überzuschiffen, wo sie im Labyrinth dem Minotaurus zur Beute wurden. So lange dieß Ungeheuer nicht erlegt war, hatten die Athenienser keine Befreiung von dem traurigen Tribut zu hoffen. Als nun die Jünglinge und Mädchen schon das Todes-Looß gezogen hatten, und zu Schlachtopfern für dieß Jahr bestimmt, eingeschifft wer- den sollten, bot sich Theseus freiwillig zum Opfer für sein Vaterland in die Zahl der übrigen Jünglinge dar, weil er, in Ahndung seiner Heldenkraft, den Minotaurus zu erlegen hoffte.

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Vor der Abreise that Theseus dem Apollo ein Gelübde, jährlich zu seinem Tempel ein Schiff mit Opfern und Geschenken nach der Insel D e l o s zu schicken, wenn ihm sein Unternehmen glückte. Als er nun auch noch das Orakel befragte, gab dieses ihm zur Antwort, er werde dann glücklich seyn, w e n n e r d i e L i e b e z u r F ü h r e r i n w ä h l te. – Mit seinem Vater traf Theseus noch vorher die Abrede, daß, bei der Rückkehr des Schiffes, statt des schwarzen ein weißes Seegel den glücklichen Ausgang des Unternehmens ihm verkündigen sollte. Bald langte nun das Schiff mit günstigem Winde in Kreta an, und kaum waren die übersandten Opfer dem Minos vorgestellt, als A r i a d n e , des Minos Tochter, ihre Blicke auf den Theseus warf, dessen Heldenwuchs und Schönheit auf die Königstochter einen unauslöschlichen Eindruck machte. Nun wählte auch Theseus, nach dem Ausspruch des Orakels, die Liebe zur Führerin, indem er aus den Händen der Ariadne den Knäul empfing, der ihm einen sichern Ausgang aus dem Labyrinth verschafte. Mit dem Faden der Ariadne in der Hand, stieg er nun muthig mit seinen Gefährten in die unterirrdische Wölbung nieder, bis er selbst an den Aufenthalt des Minotaurus kam, mit dem er sich in Kampf einließ, und ihn mit Hülfe der Rathschläge Ariadnens überwand. Da nun dieß Ungeheuer erlegt war, so waren die Athenienser auch von dem Tribut befreit, und ihre zum Tode bestimmten Söhne und Töchter dankten dem Theseus nun ihr Leben. So stellt ein Gemählde in Herkulanum den Helden dar, wie zarte Knaben, die dem Tode geweiht waren, die Händ’ ihm küssen, und zärtlich seine Knie umschlingen. Ariadne entfloh mit ihrem geliebten Theseus; – sie landeten auf N a x o s , wo Theseus auf den Befehl der Götter sie verließ, weil Ariadnens Reitze den Bachus selber gefesselt hatten, der hier die einsame verlaßne Schöne unter nächtlichem Himmel schlummernd fand, und da sie erwachte, zum Zeichen seiner Gottheit die Krone von ihrem Haupte gen Himmel warf, wo sie als ein leuchtendes Sternbild glänzte, und Zeuge der Vermählung der Ariadne und des Bachus war.

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Ehe nun Theseus nach Athen zurückkehrte, seegelte er, um dem Apollo sein Gelübde zu bezahlen, nach der Insel D e l o s , wo er zugleich der Venus, wegen des Beistandes, den sie ihm geleistet, eine vom D ä d a l u s verfertigte Bildsäule weihte. Und um das Andenken seines Sieges über den Minotaurus zu erhalten, stiftete Theseus auf dieser Insel einen Tanz, worinn man die Krümmungen des Labyrinths nachahmte. Mit der größten Sorgfalt beobachteten die Athenienser stets nachher dieß heilige Gelübde. Mit demselbigen Schiffe, auf welchem Theseus aus Kreta wiederkehrte, schickten sie jährlich Abgeordnete, mit Oehlzweigen bekränzt, nach der Insel Delos. Auch suchten sie das heilige Schiff gleichsam unvergänglich zu erhalten, indem sie es nie mit einem neuen vertauschten, sondern durch immer neuen Zusatz, was die Zeit davon zerstörte, zu ergänzen suchten, um sich die Vorstellung zu erhalten, daß dieses d a s s e l b e Schiff sey, welches den Theseus trug. Auch war es nicht erlaubt, so lange dieß Schiff auf seiner Fahrt nach der Insel Delos unterwegens blieb, in Athen die Verurtheilten hinzurichten. Denn da durch dieß Gelübde die Rettung der Atheniensischen Jugend gefeiert wurde, so durfte man während der Zeit dem Tode kein Opfer bringen. Von Delos segelte Theseus nun gerade auf Athen, die Bothschaft der frohen Begebenheit zu bringen, welche dennoch nicht ohne einen t r a g i s c h e n A u s g a n g blieb. Da nehmlich A e g e u s von einem Felsen mit ängstlicher Besorgniß dem kommenden Schiffe entgegen sahe, und das s c h w a r z e S e g e l erblickte, welches der Steuermann mit dem weißen zu vertauschen aus der Acht gelassen, stürzte er sich voll Verzweiflung, weil er nun alles für verlohren hielt, vom Felsen in das Meer herab, welches nachher nach seinem Nahmen das A e g e i s c h e hieß. Den Theseus empfingen die Athenienser mit lautem Jubel, als ihren Schutzgott, dem sie allein ihre Rettung dankten. – Als Theseus nun in der Regierung dem Aegeus folgte, nutzte er die Liebe des Volks dazu, um einer weisen Gesetzgebung Eingang zu verschaffen.

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Er schuf zuerst den Staat, indem er das zerstreute Volk, so viel wie möglich, in eine einzige Stadt zu versammlen suchte, und es in Klassen theilte. Auch setzte er, im Einverständniß mit den benachbarten Völkern, dem Attischen Gebiete seine festen Grenzen. – Und weil es ihm gelungen war, nach seiner Einsicht das Volk zu l e n k e n , so führte er zuerst den Dienst der P i t h o , der Göttin der U e b e r r e d u n g , ein. Großmüthig begab er darauf sich selbst des größten Theils seiner Gewalt, weil er schon damals, nach einem Orakelspruch, Athen zu einem F r e i s t a a t zu bilden suchte. – Zu Ehren des Neptun, den das Gerücht für seinen Vater ausgab, erneuerte er auch die I s t h m i s c h e n Spiele, zu welchen man aus ganz Griechenland sich versammlete, und wodurch die Mittheilung und wechselseitige Bildung der Völker vorzüglich mit befördert ward. Demohngeachtet ruhte Theseus auch von den kriegrischen Geschäften nicht. Als er den Herkules begleitete, und ihm beim Flusse T h e r m o d o n die Amazonen besiegen half, vermählte dieser ihm zur Dankbarkeit die gefangne Königin A n t i o p e , mit welcher Theseus den H i p p o l y t erzeugte. – Die Amazonen fielen hierauf ins Attische Gebiet, wo Theseus sie zum zweitenmal besiegte. Einen liebenswürdigen Zug in der Geschichte des Theseus, macht noch die u n z e r t r e n n l i c h e F r e u n d s c h a f t aus, die zwischen ihm, und dem P i r i t h o u s herrschte. Dieser Pirithous war ein Thessalischer Fürst, und herrschte über die L a p i t h e n . Seine Freundschaft mit dem Theseus war entstanden, da sie einstmals, ein jeder eifersüchtig auf des andern Ruhm, im Zweikampf ihre Stärke und Tapferkeit versuchten, und auf einmal von wechselseitiger Achtung und Zuneigung angezogen, dem Streit ein Ende machten, und Hand in Hand ein unzertrennliches Bündniß knüpften. Keine Gefahr war nun so groß, worin die Helden sich nicht einander zur Seite standen. – Pirithous war in einen Krieg mit den C e n t a u r e n , einem Thessalischen Volke, verwickelt, welche die Dichtung, weil sie zuerst beständig zu Pferde stritten, gleichsam wie an das Roß gewachsen, halb als Menschen, halb als Pferde, darstellt.

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Als Pirithous nun mit der H i p p o d a m i a sich vermählte, lud er außer dem Herkules, Theseus, und mehrern berühmten Helden, bei einem Waffenstillstande, auch die Centauren zu seinem Hochzeitmahle, welche zuletzt vom Wein erhitzt, noch während dem Gastmahl einen Streit anhuben, und die Hippodamia selber zu entführen drohten, wenn Herkules und Theseus nicht dem Pirithous tapfer beigestanden, und der Centauren Uebermuth bestraft hätten, die von dieser Zeit an in jedem Treffen die Flucht ergriffen, bis sie zuletzt vom Herkules, Pirithous und Theseus gänzlich besiegt und geschlagen wurden. – Dieß ist der berühmte Streit der C e n t a u r e n und L a p i t h e n , worauf die Dichtkunst und die bildende Kunst der Alten oft verweilt. Auch die Gegenstände ihrer zärtlichen Wünsche, halfen sie sich einer für den andern mit erstreiten. Pirithous half dem Theseus die Helena entführen, welche dieser seiner Mutter Aethra in Aphidnä zur Aufsicht übergab, um wieder dem Pirithous beizustehen, der nach dem Tode der Hippodamia, um gleichsam an dem Pluto sich zu rächen, entschlossen war, die Proserpina selber aus der Unterwelt zu entführen. – Eine Dichtung, die sehr bedeutend ein Unternehmen bezeichnet, mit welchem unvermeidliche Todesgefahr verknüpft ist. – Theseus, seinem Freunde bis in den Tod getreu, stieg mit ihm in das Reich der Schatten; wo Pluto, als die vermeßne That mißlang, die beiden an Ketten gefangen hielt; bis Herkules in der Folge den Cerberus bändigte, und zugleich die Bande des Theseus lößte; den Pirithous aber zu befreien, vergebens seine Macht anwandte, so daß nun doch der Tod das treuste Freundschaftsbündniß trennte. Von nun an huben auch die Unglücksfälle des Theseus an, die den Rest seiner Tage ihm verbitterten. Ihn traf das Schicksal der größten Helden, deren ruhmvolles Leben ein tragischer Ausgang schloß. Als er nach Athen zurückkam, fand er das undankbare und unbeständige Volk durch seine Feinde gegen sich aufgewiegelt. Hierzu kam noch häusliches Unglück. – Nach dem Tode der Antiope hatte Theseus mit der P h ä d r a , einer Tochter des Minos, und

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Schwester der Ariadne sich vermählt. – Der Haß der Venus gegen die Pasiphae verfolgte auch ihre Tochter, der sie eine strafbare Liebe zum Hippolytus, dem mit der Antiope erzeugten Sohn des Theseus einflößte. Als aber der Jüngling ihrem Antrage kein Gehör gab, verwandelte sich ihre verschmähte Liebe in Haß; und sie verläumdete den Hippolyt beim Theseus, als habe er selber sie zur Untreue verleiten wollen. Theseus, von schnellem Zorn entbrannt, erinnerte sich, daß ihm Neptun verheißen, den nächsten Wunsch, den er thun würde, zu gewähren; und nun verwünschte Theseus seinen Sohn, der grade um diese Zeit am Ufer des Meers mit seinen Rossen den Wagen lenkte. Kaum war der Fluch über Theseus Lippen gekommen, so stieg ein Meerungeheuer aus der Tiefe empor, vor dessen Anblick des Hippolytus Pferde scheuten, und den Unglücklichen schleiften und zerrissen. Als Phädra dieß vernahm, gab sie sich selbst den Tod, und Theseus, der zu spät die Unschuld seines Sohns erfuhr, war der Verzweiflung nahe. Die Unzufriedenheit des Volks war während der Zeit noch höher gestiegen, und Theseus endlich des Undanks müde, verbannte sich selber aus Athen, und sprach, ehe er sich zur Abreise einschifte, an einem Orte, der nachher der Ort der Verwünschungen hieß, gegen die Athenienser die bittersten Flüche aus. Er glaubte nun auf der Insel S c y r u s seine übrigen Tage in Ruhe zu verleben; allein der verräthrische L y k o m e d e s , welcher in Scyrus herrschte, verletzte aus Furcht vor des Theseus Feinden, das heilige Gastrecht. – Unter dem falschen Vorwande, ihm die Insel zu zeigen, führte Lykomedes den Theseus auf eine steile Anhöhe, und stürzte, ehe dieser es sich versahe, ihn von dem steilen Felsen herab. – So fiel der Held, dem Griechenland Ruhe und Sicherheit, sein Vaterland seine Rettung dankte. Nach seinem Tode bauten die Athenienser dem Theseus Tempel und Altäre, verehrten ihn wie einen Halbgott, brachten ihm Opfer dar, und stifteten Feste ihm zu Ehren. – Man fand in der Folge in

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Scyrus des Theseus Sarg, der durch seine Größe die damals Lebenden in Erstaunen setzte. – Ein Tempel des vergötterten Theseus in Athen, hieß das Theseum, worin die Thaten des Helden geschildert waren. – So ehrte die spätere Nachwelt das Andenken jenes götterähnlichen Geschlechts der Menschen, bei denen der Prometheische Funken, der in ihrem Busen glühte, zur hellen Flamme emporschlug.

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So wie die Dichtung vom Himmel zur Erde nieder steigt, v e r v i e l f ä l t i g e n sich die Göttergestalten. – Die Einbildungskraft belebt die Quellen, Haine, und Berge. – Unter dem Bilde der Gottheit wird zuletzt die ganze leblose Natur geweiht, in welche der Mensch so innig sich verwebt fühlt, und sich so nahe an sie schließt, daß durch dieß Band die Götter- und Menschenwelt, ein schönes Ganze wird.

Genien. Die Genien, oder Schutzgötter der Menschen waren es vorzüglich, wodurch, in der Vorstellung der Alten, die Menschheit sich am nächsten an die Gottheit anschloß. Die höchste Gottheit selber vervielfältigte sich gleichsam durch diese Wesen, in so fern sie über jeden e i n z e l n e n Sterblichen wach- te, und ihn, von seiner Geburt an bis zum Tode, an ihrer Hand durchs Leben führte. – In diesem schönen Sinne war es, daß die Männer bei i h r e m Jupiter, und die Frauen bei i h r e r Juno schwuren, indem sie unter dieser Benennung sich ihren e i g e n e n Genius, oder ihre besondre schützende Gottheit dachten. An ihren Geburtstagen brachten die Alten ihrem Genius Opfer, der unter der Gestalt eines schönen Jünglings abgebildet war, dessen Haupt sie mit Blumen umkränzten. –

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Ein jeder verehrte auf die Weise, durch ein zartes Gefühl gedrungen, i n s i c h etwas G ö t t l i c h e s und H ö h e r e s , als er, in seiner Beschränktheit und Einzelnheit, selber war; und dem er nun, wie einer Gottheit, Opfer brachte, und gleichsam durch Verehrung das zu ersetzen suchte, was ihm an deutlicher Erkenntniß seines eigenen Wesens und seines göttlichen Ursprungs abging. Nach einer andern Dichtung, sind die Seelen der Verstorbnen, aus dem goldnen Zeitalter der Menschen, als untadliche in die Gottheit übergegangne Wesen, die Schutzgötter der Lebenden.

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Die Dichtung läßt diese himmlischen Wesen vom J u p i t e r und der M n e m o s y n e abstammen. – Mnemosyne, deren in der Reihe der a l t e n G o t t h e i t e n schon gedacht ist, war eine Tochter des H i m m e l s und der E r d e , und eine Schwester des Saturnus. – Durch die himmlischen Einflüsse, welche bei ihrer Bildung mit den irdischen sich vermählten, ward zuerst die E r i n n r u n g s k r a f t , die Mutter alles Wissens und Denkens, in ihr gebohren. – Neun Nächte lang umarmte Jupiter die Mnemosyne, als er die Musen mit ihr erzeugte. Einer der ältesten Dichter singt das Lob der Musen: sie gießen auf die Lippen des Menschen, welchem sie günstig sind, den Thau der sanften Ueberredung aus; sie geben ihm Weisheit, Recht zu sprechen, Zwiste zu schlichten, und machen ihn unter seinem Volke berühmt. – Den Dichter aber lehren sie selbst auf Bergeshöhen, und im einsamen Thale, die göttlichen Gesänge, welche jedem, der sie vernimmt, die Sorgen und den Kummer aus der Brust verscheuchen. Die Nahmen der neun Schwestern bezeichnen Tonkunst, Freude, Tanz, Gesang, und Liebe; sie heißen: Klio; Melpomene; Thalia; Kalliope;

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Te r p s i c h o r e ; Euterpe; Erato; Urania; Polyhymnia. Musik, Gesang und Tanz sind eigentlich das Geschäft der Musen; in der Folge hat die spielende Dichtung einer jeden irgend eine besondre Beschäftigung zugetheilt: so ist nun K l i o die Muse der Geschichte; K a l l i o p e des Heldengedichts; M e l p o m e n e die tragische, T h a l i a die komische Muse; auf P o l y h y m n i e n s Lippen wohnt die Beredtsamkeit; U r a n i e n s Blick gen Himmel mißt und umfaßt den Lauf der Sterne. Die übrigen drei, E u t e r p e , Te r p s i c h o r e und E r a t o , theilen sich in Musik, Gesang und Tanz. – E u t e r p e spielt die Flöte; Te r p s i c h o r e tanzt; E r a t o singt der Liebe süße Lieder. – Doch werden die besondern Beschäftigungen der Musen in den Dichtungen oft verwechselt. So wie die Alten überhaupt die Götter des Himmels gern nach ihren Wohnplätzen unter den Menschen zu benennen pflegten, so erhielten auch die Musen von den Bergen, die sie bewohnten, und von den Quellen, die diesen Bergen entströmten, wohltönende Nahmen, womit die Dichter ihren Beistand sich erflehten. Der vorzüglichste Aufenthalt der Musen waren die berühmten Berge: P a r n a s s u s , P i n d u s , H e l i k o n . Auf dem Gipfel des Helikon entsprang vom Fußtritt des Pegasus die begeisternde H i p p o k r e n e und A g a n i p p e . – Am Fuße des Parnassus strömte der K a s t a l i s c h e Quell; auch die mit immerwährender Fülle sich ergießende P i m p l e a , auf einem Berge, gleiches Nahmens, war den Musen heilig, auf deren Lippen nie der Strom des rühmenden Gesanges und der süßen Rede versiegte. P i e r i n n e n hießen die Musen von P i e r i e n , wo die Dichtung ihren Geburtsort hin versetzte. – Apollo schließt sich unter den himmlischen Göttern dem Chor der Musen am nächsten an. – Unter seinem Vorsitz auf dem Gipfel des Parnaß ertönt ihr Saitenspiel. – Die bildende Kunst der Alten stellt sogar zuweilen den Apollo unter den

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Musen in reitzender Schönheit w e i b l i c h g e k l e i d e t dar. – Apollo, der unter dem Nahmen M u s a g e t e s , den Chor der Musen anführt, ist eine der schönsten Dichtungen des Alterthums, woran auch die bildende Kunst der neuern sich versucht hat. – Merkwürdig ist es, daß auch H e r k u l e s unter dem Nahmen M u s a g e t e s , als der Anführer der Musen, bei den Alten verehrt wurde, und man auf die Weise der Körperkraft, und den Leibesübungen die geistigen Vorzüge zugesellte, und beide sich unter einem Sinnbilde dachte. Einst wurden die Musen von den S i r e n e n zum Wettstreit im Singen aufgefordert, und als sie jene mit leichter Mühe besiegten, so war die Strafe der Vermeßnen, daß die Musen ihnen die Federn aus den Flügeln rupften, und solche nachher zum Zeichen ihres Sieges auf den Köpfen trugen. Man findet daher die Musen zum öftern mit diesem Hauptschmuck gebildet. Auf einem alten Denkmale ist eine Sirene dargestellt, bis auf die Mitte des Leibes wie eine Jungfrau, nach unten zu wie ein Vogel gestaltet, mit großen Flügeln auf dem Rücken, zwei Flöten in den Händen, und sich betrübt nach der Muse umsehend, welche stolz auf ihren Sieg, mit der einen Hand den Flügel der Sirene hält, indeß sie mit der andern ihr die Federn ausrupft. Der Gesang der Musen war treu und wahr; falsch und verführerisch aber die schmeichelnden Lieder der Sirenen, womit sie die Vorbeischiffenden an ihr Ufer in Tod und Verderben lockten; – so wie auch ihre jungfräuliche Gestalt in das Ungeheure sich verlohr. – Die Dichtung von dem Siege der Musen über die Sirenen ist daher schön und bedeutend! Ueberhaupt lassen die alten Dichtungen gegen angemaßte Kunsttalente immer ein sehr strenges Urtheil ergehen. Der Satyr M a r s y a s wurde vom Apollo g e s c h u n d e n , weil er auf ein zu hohes Kunsttalent Anspruch machte, und es wagte, mit dem Gott der Tonkunst selber in einem Wettstreit auf der Flöte es aufzunehmen. – Diese Dichtungen selber scheinen bei den Alten eine Art von Erbitterung gegen alles Mittelmäßige und Schlechte in der Kunst vorauszusetzen.

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– Auch T h a m y r i s , ein König in Thracien mußte für seine Eitelkeit büßen, da er sich rühmend und seiner Talente in der Musik und Dichtkunst sich überhebend, die Musen selber zum Wettstreit aufzufordern wagte, die ihn mit Blindheit straften, und der Gabe zu dichten ihn ganz beraubten. Was nun die Abbildungen der Musen anbetrift, so findet man sie am öftersten dargestellt mit einem Vo l u m e n , mit z w e i F l ö t e n , oder mit einer L e y e r in der Hand. – Das Volumen oder die Pergamentrolle bezeichnet entweder die K l i o als die Muse der Geschichte, oder die Polyhymnia als die Muse der Beredtsamkeit. – Bei den Flöten denkt man sich die Euterpe als die Muse der Tonkunst; und bei der Leyer die Erato, als die Muse der Liebe einflößenden Gesänge. – Melpomene, die tragische Muse, wird an der tragischen, Thalia die komische Muse, an der komischen Larve erkannt. – Kalliope, als die Muse des Heldengedichts, soll sich durch die Tuba, Terpsichore, die Muse der Tanzkunst, durch eine tanzende Stel- lung unterscheiden. – Urania zeichnet durch ihren gen Himmel erhobnen Blick sich aus. Indeß sind alle diese Darstellungen bei den Alten mehr willkürlich gewesen. – Die vielfache Zahl der Musen bezeichnete die Harmonie der schönen Künste, welche verschwistert Hand in Hand gehen, und nie zu scharf eine von der andern abgesondert werden müssen. So stellt auch in den Abbildungen der Alten eine jede einzelne Muse gleichsam die übrigen in sich dar; und erst in neuern Zeiten hat man mit pedantischer Genauigkeit einer jeden Muse ihr eignes bestimmtes Geschäft anzuweisen gesucht. Die Einbildungskraft der Alten ließ sich hierbei freien Spielraum. – Man sieht auf alten Marmorsärgen die versammleten Musen auf mehr als einerlei Art, und in abwechselnden Stellungen abgebildet. – Ein Gemählde in den Herkulanischen Alterthümern, ist das einzige, welches die neun Musen ganz genau voneinander unterschieden darstellt, weil unter der Abbildung einer jeden auch ihr N a h m e befindlich ist. – Es scheint aber, als habe dieser Künstler eben deswegen zu der Unterschrift der Nahmen seine Zuflucht nehmen müssen, weil er selbst die äußern Merkmale seiner Musen, auch nach den damaligen Begriffen, nicht genug unterscheidend und bezeichnend fand.

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Auf der hier beigefügten Kupfertafel ist nach einer schönen antiken Gemme, die Muse stehend abgebildet, wie sie die Leyer stimmt. – Eine Darstellung, wodurch nicht eine einzelne Muse ausschließend, sondern d i e M u s e überhaupt bezeichnet wird, in so fern die Tonkunst, nach den ältesten Begriffen, ihr Hauptgeschäft ist. – Denn mit der Tonkunst entwickelten sich zuerst die schlummernden Kräfte für die übrigen Künste. – Musik, Gesang und Tanz war, wie wir schon bemerkt haben, das Hauptgeschäft der Musen, und es giebt keine eigne Muse für die b i l d e n d e n K ü n s t e . Auf eben dieser Kupfertafel ist auch nach einer antiken Gemme, ein L i e b e s g o t t abgebildet, welcher den Löwen, auf dem er reitet, mit den h a r m o n i s c h e n T ö n e n s e i n e r L e y e r zähmt, wodurch der Künstler in einem schönen Sinnbilde die vereinte Macht der Liebe und Tonkunst ausdrückt.

Liebesgötter.

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Auch die Göttergestalt des Amor vervielfältigte sich in der Einbildungskraft der Alten; die Liebesgötter, welche allenthalben in den Dichtungen unter reitzenden Gestalten erscheinen, sind gleichsam Funken seines Wesens; und die Dichtkunst ist unerschöpflich in schönen sinnbildlichen Darstellungen dieser alles besiegenden Gottheit. So findet man den Liebesgott dargestellt, wie er Jupiters Donnerkeil zerbricht; wie er mit des Herkules Löwenhaut umgeben, und mit seiner Keule bewafnet ist; oder wie er auf den Helm des Mars tritt, dessen Schild und Wurfspieß vor ihm liegen. Unter dem griechischen Nahmen E r o s und A n t e r o s , L i e b e und G e g e n l i e b e , stellt die bildende Kunst der Alten zwei Liebesgötter dar, die um einen Palmzweig streiten, gleichsam um den Wetteifer in der wechselseitigen Liebe zu bezeichnen. In allerlei Arten von Beschäftigungen stellte man die Liebesgötter dar. So sieht man auf einem alten Denkmale, wo ein Weinstock sich um einen Ulmbaum schlingt, oben auf dem Baume sitzend einen Liebesgott, der Trauben pflückt, indeß zwei andre Liebesgötter unter dem Baume stehend warten. –

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Jagend, fischend, zu Wasser das Ruder, zu Lande den Wagen lenkend, und sogar die mechanischen Arbeiten der Handwerker emsig betreibend findet man die Liebesgötter auf alten Gemmen und Gemählden. Weil aber in der Vorstellungsart der Alten auch jedes Geschäft s e i n e n G e n i u s hatte, so geht hier die Dichtung von den Liebesgöttern wieder in den Begriff von den G e n i e n über, und diese zarten Wesen der Einbildungskraft verlieren sich ineinander. –

Grazien. 10

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Die hohen blendenden Reitze der mächtigen Liebesgöttin, vervielfältigen sich in den G r a z i e n oder C h a r i t i n n e n , und wurden wohlthätig, sanft und milde. Vom Himmel senkten die drei Huldgöttinnen zu den Sterblichen sich hernieder, um die schönen Empfindungen der D a n k b a r k e i t und des w e c h s e l s e i t i g e n Wo h l w o l l e n s in jeden Busen einzuflößen. Auch waren sie es, welche vor allen andern Göttern, den Menschen die süße G a b e z u g e f a l l e n ertheilten. Sie hießen mit ihren besondern Nahmen A g l a j a , T h a l i a , und E u p h r o s y n e , und waren vom Jupiter mit der E u r y n o m e , der schönen Tochter des Oceans, erzeugt, die unter den a l t e n G o t t h e i t e n in den Dichtungen schon mit aufgetreten ist. Den Grazien waren allenthalben Tempel und Altäre errichtet; – um ihre Gunst flehte jedes Alter und jeder Stand; – ihnen huldigten Künste und Wissenschaften; – auf ihren Altären zündete man täglich Weihrauch an; – bei jedem frohen Gastmahl waren sie die Losung, und man nannte mit Ehrfurcht ihre Nahmen. Dem Amor und den Musen wurden die Grazien zugesellt; oft hatten sie mit dem Amor, öfter noch mit den Musen, gemeinschaftlich einen Tem- pel; sie umgaben selbst Jupiters Thron; – im Himmel und auf Erden erkannte man ihre Herrschaft, und huldigte ihrem Einfluß, ohne welchen die Schönheit selber zum todten Gemählde wird. Denn durch die Grazien, in tanzender Stellung abgebildet, wird vorzüglich d e r R e i t z d e r B e w e g u n g im Gang, Gebehrden und

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Mienen ausgedrückt, wodurch die Schönheit am meisten die Seele fesselt. – H a n d i n H a n d geschlungen wandelnd bezeichneten sie wieder jede sanfte Empfindung des Herzens, die in Zuneigung, Freundschaft, und Wohlthun sich ergießt. – Gewiß mußte die religiöse Verehrung dieser schönen Wesen auf das Leben und die Denkart der Alten einen unverkennbaren Einfluß haben. Um gleichsam zu bezeichnen, daß bei den ausschweifendsten Bildungen der Phantasie, die Grazie dennoch versteckt seyn, und die Grenze bezeichnen müsse, machte man hohle Bildsäulen von Satyrn, worin man, wenn sie eröfnet wurden, k l e i n e B i l d e r d e r G r a z i e n fand. Auf der hier beigefügten Kupfertafel befindet sich außer den Grazien, nach einer antiken Gemme, noch eine der H o r e n oder J a h r s z e i t e n , vor einer Art von Altar stehend, mit Palmblättern auf dem Haupte, und tanzend Früchte in den Händen tragend, nach einem antiken Marmorwerk aus Winkelmanns Monumenten. Die andern beiden Figuren auf eben diesem Denkmale sind auf ähnliche Weise sich zum Tanz bewegend dargestellt, nur mit dem Unterschiede, daß zu den Füßen der einen, welche den F r ü h l i n g bezeichnet, eine Blume aufsprosset; und zu den Füßen der andern, die den W i n t e r andeutet, auf der Altar ähnlichen Erhöhung von aufeinander gelegten Steinen, ein kleines Feuer lodert. Da nun die erste Figur, mit den Früchten, den H e r b s t abbildet, so finden in dieser sinnbildlichen Darstellung nur drei Jahrszeiten statt, weil man unter dem Merkmale der reifen Früchte, in jenem wärmern Himmelsstrich, sowohl den Sommer als Herbst begriff. – In einigen ältern Dichtungen ist die Zahl der Horen nur zwei, weil man das ganze Jahr in Sommer und Winter theilte.

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Horen. Unter dem Nahmen der H o r e n wurden in den Dichtungen der Alten sowohl die Göttinnen der G e r e c h t i g k e i t , welche Jupiter mit der T h e m i s erzeugte, als auch die J a h r s z e i t e n begriffen, welche

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gleichsam mit g e r e c h t e r Theilung ihrer Wohlthaten, durch ihren immerwährenden Wechsel, das schöne G l e i c h g e w i c h t in der Natur erhalten, und mit abgemeßnen Schritten tanzend und einander folgend, ihren bestimmten Lauf vollenden. Es giebt kein schönres Bild, um sich darunter die Flucht der Zeit zu denken, als die tanzenden Horen, welche daher auch in den Dichtungen zu den Grazien sich gesellen, und gemeinschaftlich mit ihnen Tänze aufführen. – Auch die Horen stehen um Jupiters Thron, und ihr Geschäft ist die T h ü r e n d e s H i m m e l s zu öfnen und zu schließen, indem sie ihn bald in finstre Wolken hüllen, und bald mit neuem Glanz ihn wieder aufheitern. – Auch spannten die Horen jeden Morgen die Rosse an den S o n n e n w a g e n , und waren zugleich Dienerinnen der Juno, die über den L u f t k r e i s herrscht.

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Nymphen. Die unerschöpfliche Dichtungskraft der Alten schuf sich Wesen, wodurch die Phantasie die l e b l o s e N a t u r b e s e e l t e . Die Quellen, die Berge, die Wälder, die einzelnen Bäume, hatten ihre Nymphen. – Man knüpfte gern die Idee von etwas Göttlichem an das Feste und Bleibende, was die einzelnen Menschengeschlechter überlebt; an den festgegründeten Berg, den immerströmenden Quell, und die tausendjährige Eiche. – Alle diese Dichtungen aber waren gleichsam nur der Wiederschein vom Gefühl erhöhter Menschheit, der sich aus dem Spiegel der ganzen Natur zurückwarf, und wie ein reitzendes Blendwerk über der Wirklichkeit gaukelnd schwebte. So schweifte die O r e a d e auf den B e r g e n umher, um mit ihren Schwestern, im Gefolge der Diana, die Spur des Wildes zu verfolgen; jeder zärtlichen Neigung ihr Herz verschließend, so wie die strenge Göttin, die sie begleitete. Mit ihrem Wasserkruge saß, in der einsamen Mittagsstunde, die N a j a d e am Q u e l l , und ließ mit sanften Murmeln, des Baches klare

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Fluth hinströmen. – Gefährlich aber waren die Liebkosungen der Najaden; sie umarmten den schönen H y l a s , des Herkules Liebling, als er Wasser schöpfte, und zogen ihn zu sich in den Brunnen herab. – Vergebens rief Herkules seinen Nahmen, nie ward sein Liebling mehr gesehen. Im heiligen Dunkel des Wa l d e s wohnten die D r y a d e n ; und die H a m a d r y a d e bewohnte ihren e i n z i g e n B a u m , mit dem sie gebohren ward und starb. – Wer einen solchen Baum erhielt, dem dankte die Nymphe ihr Leben. – so ward selbst die leblose Natur ein Gegenstand des theilnehmenden Wohlwollens der Sterblichen.

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Satyrn. 316

In das Dunkel des Waldes versetzt die Dichtung auch die S a t y r n mit Hörnern und Ziegen- füßen. – Diese Wesen machen gleichsam einen Schlußpunkt für die Thierwelt und die Menschenwelt, worin sich das Getrennte in einer neuen Erscheinung spielend wieder zusammen findet. Es ist der leichte Ziegenfuß, welcher sich in dieser Dichtung scherzend der Menschenbildung anschmiegt. – Jugendliche Schalkhaftigkeit, und unbesorgter Leichtsinn zeichnen die Bildung dieser Wesen aus, welche, obgleich sterblich, dennoch durch eine höhere Natur, über die Sorgen und den Kummer der Menschen erhaben sind. Die bildende Kunst stellte erst diese Wesen der Phantasie dem Auge dar; und der Glaube an ihre Würklichkeit mußte sich desto länger erhalten, weil, nach den Volksbegriffen, keiner ungestraft eine Nymphe oder einen Waldgott sehen durfte. Statt also dem wirklichen Daseyn dieser Wesen nachzuforschen, suchte vielmehr ein jeder vor ihrer unvermutheten Erscheinung in einsamen Gegenden sich zu hüten; und nur der begeisterte Dichter sahe im Gefolge des Bachus, auf dem einsamen Felsen, Nymphen, die auf des Gottes Lehren horchten, und Bockfüßige Satyrn, die mit spitzen Ohren lauschten.

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In den Satyrn hat die bildende Kunst die menschliche Gestalt so nahe wie möglich an die thierische grenzend, darzustellen gesucht. – Ein Satyr, auf einer antiken Gemme, der mit einem Bock sich stößt, ist von diesem kaum durch etwas mehr, als den Leib und die Arme unterschieden, weil die Bocksgestalt sogar bis auf die Gesichtszüge sich erstreckt, die obgleich menschenähnlich, dennoch eine thierische Natur ausdrücken. Sehr komisch ist die Stellung des Satyrs, der beim Anlauf mit den Hörnern die Hände auf den Rücken hält, um gleichsam jedes Vortheils über den Bock sich zu begeben. Diese komischen Gestalten machen in dem Gefolge des Bachus unter den Nymphen, Genien, und Liebesgöttern den reitzendsten Kontrast, – so daß es scheinet, als wenn sie in diesen Gruppen, und überhaupt unter den Göttergestalten nicht fehlen dürften, weil in diesen halb göttlichen und halb thierischen Wesen, in deren Miene sich Lachen und Spott vereint, die Dichtung gleichsam erst ihre Vollständigkeit erhält, und mit ihnen den Zug beschließt.

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Faunen.

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Die Faunen sind von den Satyrn, wenigstens in den Werken der bildenden Kunst verschieden. – Sie werden völlig in menschlicher Gestalt nur mit Ziegenohren und einem Ziegenschwanze abgebildet. – Aber auch ohne diese Merkmale ist die Bildung eines Faunen leicht zu kennen, weil ihre Gesichtszüge, weder zart noch edel, nur thierische oder sinnliche Begierden und sinnlichen Genuß ausdrücken. – Demohngeachtet findet man unter den alten Denkmälern Faunen von bewundernswürdiger Schönheit, wo dennoch die Gesichtszüge immer noch jene halbthierische, sinnliche Natur bezeichnen. Man siehet die Faunen auf den alten Denkmälern tanzend, sitzend, Kränze flechtend, mit Ziegen spielend, junge Faunen auf dem Knie wiegend, und in viel mehrern reitzenden Stellungen abgebildet, wo die Phantasie mit dieser Idee auf die mannigfaltigste Weise spielt. So läßt ein alter Faun ein junges Mädchen auf seinem Fuße tanzen; – ein andrer Faun dreht das Rad an einem Brunnen, um einer

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Götterlehre

Nymphe Wasser zu schöpfen, die während der Zeit seinen Thyrsus hält. – Zwei Faunen sitzen einander gegenüber, und der eine ist im Begriff dem andern einen Dorn aus dem Fuße zu ziehen. – Ein andrer tränkt einen jungen Faun aus einem großen Weingefäß. – So wechseln die reitzenden Darstellungen ab. Man sieht, daß d i e S o r g l o s i g k e i t bei diesen Wesen ein Hauptzug ist, wodurch sie den Göttern ähnlich sind, und von den Menschen sich unterscheiden, nach den Worten des alten Dichters: 319

Den Menschen gaben die Götter vielen Kummer zu tragen; Sie selber aber sind s o r g l o s .

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Pan.

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Das ganze Geschlecht der Satyrn und Faunen wurde gleichsam auf einmal unter der Göttergestalt des Pan begriffen, in welcher sich diese Dichtung wieder v e r e i n z e l t e ; denn die Bildung des Pan ist übrigens von der Bildung der Satyrn nicht verschieden, ausgenommen, daß Pan einen Mantel oder eine Bockshaut um die Schultern, und einen gekrümmten Schäferstab oder eine siebenröhrige Flöte in den Händen trägt. – Die übrigen Waldgötter mit den Ziegenfüßen hießen von ihm auch A e g i p a n e n . Der siebenröhrigen Flöte schreibt die Dichtung folgenden Ursprung zu: als P a n die Nymphe S y r i n x , von Lieb’ entbrannt, verfolgte, und diese bis an den Fluß L a d o n vor ihm flohe, wo ihr Lauf gehemmt war, ward sie plötzlich in ein S c h i l f r o h r verwandelt, welches Pan umarmte. – Der Wind, der in das Rohr blies, brachte klagende Töne hervor; und Pan suchte diese Töne wieder zu erwecken, indem er sieben Rohre, das folgende immer um ein bestimmtes Maaß kürzer als das vorhergehende, zusammenfügte, und so die Hirtenflöte erfand, welche nach dem Nahmen der verwandelten Nymphe S y r i n x hieß. Nach einigen Dichtungen ist Pan ein Sohn M e r k u r s , und so wie dieser, auch in A r k a d i e n gebohren, wo sein vorzüglichster Aufent-

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halt auf dem Berge L y c ä u s war. – Andre Sagen lassen ihn unter den ä l t e s t e n Gottheiten schon mit auftreten, wo er auf eine geheimnißvolle Weise, das G a n z e , und die N a t u r d e r D i n g e bezeichnet. – Auch den gekrümmten Hirtenstab ließ man nicht ohne Bedeutung seyn, sondern auf die Wiederkehr der Jahreszeiten, und den Kreislauf der Dinge durch seine Gestalt hinweisen. – Man dachte sich unter dem Pan ein Wesen, halb wohlthätig und halb furchtbar; – und eben weil dieser Begriff so schwankend war, schuf sich die Einbildungskraft unter demselben allerlei Schreckbilder. – Irgend ein Getöse oder furchtbare Stimmen, die man in nächtlicher Stille, oder vom einsamen Ufer her zu vernehmen glaubte, schrieb man dem Pan zu; – weswegen man nachher auch ein jedes Entsetzen, wovon man selbst die Ursache nicht wußte, oder wovon der Grund bloß in der Einbildung lag, ein p a n i s c h e s Schrecken nannte. Die Hirten, welche vorzüglich den Pan verehrten, fürchteten dennoch seinen Anblick; sie flehten ihn aber um den Schutz ihrer Heerden an, und brachten ihm häufig Opfer dar. – Denn an diese Gottheit, welche selber w i e s i e die Hirtenflöte blies, und den krummen Schäferstab in der Hand trug, durften die Hirten und die Bewohner der Fluren sich am nächsten anschließen, und theilnehmende Vorsorge und Beistand von ihr erwarten.

Sylvan.

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Der eigentliche Gott der Wälder, den einige Dichtungen den übrigen noch hinzufügen, wird vom Pan nur wenig verschieden abgebildet, außer daß er, um gleichsam die Nacht des Waldes zu bezeichnen, einen Cypressenzweig in der Hand trägt, der zugleich das Freudenlose und Melancholische seines einsamen Aufenthalts mit bedeuten sollte, weswegen er auch den Landleuten furchtbar war. Auf der hier beigefügten Kupfertafel befindet sich unten, nach einem antiken geschnittenen Steine, ein t a n z e n d e r F a u n ; und oben eine sehr getreue Darstellung im Umriß von einem der schönsten Werke des Alterthums, das unter dem Nahmen, d e r S i e g e l r i n g d e s M i c h e l A n g e l o , allgemein berühmt ist.

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Man sieht hier Nymphen, Satyrn, Faunen, Liebesgötter, in eine einzige schöne Gruppe vereinigt, in deren Mitte eine edle Mannsgestalt, mit einem Roß an der Hand, emporragt. Die Weinranken, welche an zwei Ulmbäumen sich hinaufwinden, bilden eine Laube, worüber zwei kleine Liebesgötter eine Decke ausbreiten. – Einige von den weiblichen Figuren tragen Körbe mit Weintrauben angefüllt auf den Köpfen; andre am Boden sitzend, sind vorzüglich mit einem K i n d e beschäftigt, das sich der einen an den Busen schmiegt, und auf die Erziehung des j u n g e n B a c h u s von den Nymphen, dieß Kunstwerk deuten läßt. Zu der Gruppe der sitzenden Figuren gesellt sich ein Faun, der knieend neuen Wein in eine Schale gießt. – Hinter ihm steht ein Satyr und bläst auf einem Horn. – Am Ende trägt ein Knabe noch ein Gefäß mit Wein herzu. – Vorzüglich schön ist die Stellung der beiden weiblichen Figuren auf der andern Seite, wovon sich die eine mit dem Korbe auf dem Haupte, zu ihrer Gefährtin niederbückt. – Neben diesen beiden Figuren hält eine dritte ihren Arm in die Höhe, um dem einen Liebesgott eine Schale zu reichen. – Und nichts kann reitzender seyn, als, wie die beiden Liebesgötter, um auch am Genuß mit Theil zu nehmen, von oben ihre Hände ausstrecken, der eine nach der emporgehaltnen Schale, der andre nach dem Korbe voll Trauben, den eine von den Nymphen auf dem Haupte trägt.

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Penaten. Eine Art von Genien oder Schutzgöttern bei den Alten, waren die Penaten, welche auch L a r e n hießen. Jede Stadt hatte ihre besondre Schutzgötter, und jede Familie, und jedes Haus die seinigen. In diesen Wesen, d i e d e n M e n s c h e n s o n a h e w a r e n , vervielfältigten die hohen Gottheiten, aus denen man sich seine Schutzgötter wählte, gleichsam ihre Gegenwart. Der Hausgötter oder L a r e n waren gemeiniglich zwei, die auf dem h e i l i g e n H e e r d e ihren Wohnplatz hatten, und wie Jünglinge mit einem Hut und Reisestabe, und einem Hunde neben sich abgebildet

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waren. Man bekränzte sie mit Blumen, und von den Speisen, die auf dem Heerde zubereitet wurden, brachte man ihnen Opfer dar. – Sie waren Zeugen vom Genuß des häuslichen Glücks. – Das Alltägliche und Gewöhnliche wurde durch ihre Gegenwart geheiligt, und jedes Haus gewissermaßen zu einem Tempel geweiht. –

Priapus.

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Da bei den Alten noch nichts unheilig war, was die Natur gebeut, und das Geheimniß der Erzeugung und Fortpflanzung von ihnen als etwas Göttliches betrachtet wurde, wodurch die Gattung bei dem immerwährenden Abfall durch Alter und Krankheit, sich in ewiger Jugend erhält; so hatte auch die sonderbare Götterbildung des Priapus, mit einem ausgestreckten großen männlichen Zeugungsgliede, für sie nichts Anstößiges. Zuweilen aus Stein, zuweilen nur aus Holz gearbeitet, und von den Hüften bis zum Fuß wie ein spitzzulaufender Pfeiler gestaltet, mit einem krummen Gartenmesser in der Hand, war Priapus der Hüter der Gärten und Weinberge. – Man brachte ihm Milch, Honig und Wein zum Opfer dar, damit er den Früchten Gedeihen gebe, und die Diebe verjage. – Unbeschadet seiner Verehrung aber verknüpfte man dennoch den Begriff von H ä ß l i c h k e i t mit seiner Gestalt, welche zugleich dazu dienen mußte, – d i e V ö g e l z u v e r s c h e u c h e n .

Komus.

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Mit einer gesenkten Fackel in der Hand, und mit herabgesunknem Haupte, schlaftrunken an eine Thür sich lehnend, wurde Komus, der Vorsteher nächtlicher Schmäuse, frohen Lebensgenusses, muntrer Laune, heitrer Scherze, und geselliger Freuden, von den Alten gebildet, und sie hielten den Genius des frohen Lebensgenusses nicht für unwürdig in der Reihe der Göttergestalten mit aufzutreten.

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Hymen. Ein schöner Jüngling mit der hochzeitlichen Fackel in der Hand, war der Genius oder der Gott der E h e n . – Ihm zu Ehren wurden Loblieder bei jeder Vermählungsfeier gesungen; die Gegenwart dieser Gottheit krönte den heiligen Bund, und weihte die Freuden des Hochzeitmals.

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Orpheus. Wie ein vom Himmel gesandtes Wesen lehrte Orpheus zuerst die Sterblichen auf die harmonischen Töne lauschen, indem er das Lob der Gottheit sang. – Er ist auf der hier beigefügten Kupfertafel nach einer antiken Gemme abgebildet, mit der Leyer in der Hand, die Thiere des Waldes um ihn her versammlet; ein bedeutendes Sinnbild, wie er durch die Macht der Tonkunst die wilden Naturen zähmte, und aus dem dumpfen thierischen Schlummer das Geschlecht der Menschen weckte. – Auf eben dieser Tafel ist, nach einem antiken geschnittnen Steine, der weise C h i r o n , den jungen Achilles in der Tonkunst unterrichtend, dargestellt.

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Chiron. 326

Obgleich des Chiron, wegen seiner unmittelbaren Abstammung vom Saturnus, in der Reihe der a l t e n Göttergestalten schon gedacht ist; so tritt er doch auch vorzüglich unter den Wesen mit auf, welche das Band zwischen Göttern und Menschen knüpfen. – Denn seiner Führung und seinem göttlichen Unterricht dankten die Helden, welche selbst nachher die Zahl der Götter vermehrten, in ihrer frühesten Jugend ihre Bildung. Nichts ist rührender, als die Worte, womit er, nach einem Dichter des Alterthums, den jungen Achill entließ: O Sohn der Thetis, dich erwartet das Land des A s s a r a k u s , das der kalte S k a m a n d e r , und der schlammigte S i m o i s durchschnei-

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det. – Von da haben dir die Parzen die Rückkehr abgeschnitten, und auf dem blauen Rücken des Meeres führt deine Mutter dich nicht zurück! – darum vergiß der Sorgen beim Wein und Saitenspiel, und verscheuche den Kummer durch süße Gespräche!

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Aeskulap. Auch der erste Anfang der Heilkunde wurde von den Alten als etwas Göttliches betrachtet. – Man dachte sich denjenigen, welcher zuerst diese Kunst im Leben übte, und selbst ihr Opfer wurde, auch noch nach seinem Tode als ein wohlthätiges, menschenfreundliches Wesen, zu dem die Kranken nicht unerhört um Hülfe flehen durften. Apollo erzeugte nehmlich den Aeskulap mit der K o r o n i s , der Tochter eines Thessalischen Königs. Als Koronis mit dem I s c h y s einer heimlichen Liebe pflog, bestrafte Apollo ihre Untreue mit dem Tode; den Aeskulap aber, mit dem sie schwanger war, rettete er noch, da sie schon auf dem Scheiterhaufen lag. Nun wurde der Göttersohn in der Höhle des weisen Chiron erzogen, der ihn in jeglicher Wissenschaft, und vorzüglich in der K r ä u t e r k u n d e unterwieß, welche Wissenschaft Aeskulap zu einer Wohlthäterin der Menschheit machte, indem er die Kräfte der Pflanzen erforschend, die mannichfaltigsten Heilmittel für die mannichfaltigen Krankheiten des Körpers daraus erfand. Er trieb diese Kunst so weit, daß die Dichtung von ihm sagt, es sey ihm mehrere Male gelungen, den Todten selbst wieder Leben einzuhauchen. – Darüber zürnte die immerzerstörende Macht, das immerverschlingende Grab, und die Gewalt des schrecklichen Pluto, die den Erwecker der Todten, als einen kühnen und vermeßnen Frevler beim Donnerer verklagte. Dieser ließ den Aeskulap, s o w i e d e n P r o m e t h e u s , für seine Wohlthat an den Menschen büßen – und schleuderte seine Blitze auf das schuldlose Haupt. – Der die Schmerzen der Menschen linderte und ihre Krankheiten heilte, ward auf die Weise selbst ein Opfer seiner wohlthätigen Kunst. –

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Nach seinem Tode wurden ihm Haine, Tempel und Altäre geweiht; – vorzüglich wurde er zu E p i d a u r u s in Griechenland verehrt. – Seine Söhne M a c h a o n und P o d a l i r i u s , waren im Trojanischen Kriege als Anführer und Helden, und zugleich wegen ihrer großen Wissenschaft in der Heilkunde, berühmt. Dem Aeskulap war die Schlange, als ein Bild der Genesung und Gesundheit, heilig; vermuthlich in so fern man sich unter ihr ein sich selbst v e r j ü n g e n d e s , und durch die Abstreifung der Haut sich gleichsam wieder e r n e u e r n d e s Wesen dachte. Neben dem Aeskulap findet man zuweilen einen kleinen Knaben abgebildet, mit einer Mütze auf dem Kopfe, und in einen Mantel ganz eingehüllt. Sein Nahme ist Te l e s p h o r u s , und seine Kindergestalt, und sonderbare Umhüllung, scheinet auf irgend eine Weise auf den Zustand der W i e d e r g e n e s e n d e n anzuspielen. – Auf der hier beigefügten Kupfertafel sind Aeskulap und H y g e a , beide nach antiken geschnittnen Steinen, im Umriß abgebildet.

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Hygea. 〈Abb. 26〉 329

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Hygea, eine Tochter des Aeskulap, wurde sogar als die G ö t t i n d e r G e s u n d h e i t selbst ver- ehrt. – Auch zu ihr gesellt sich die wohlthätige heilbringende Schlange, und wird aus einer flachen Schale von ihr gespeist. – Die Erhaltung der Gesundheit ist ihr Geschäft; und sie bringt als eine milde Gabe diese Wohlthat von den Göttern zu den Sterblichen hernieder. –

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Die Lieblinge der Götter. Die Dichtungen von den Lieblingen der Götter erhalten einen vorzüglichen Reitz durch eine Art von schwermüthigen trüben Dämmerschein, der sie umhüllt. – Wenn Jugend und Schönheit ein Raub des Todes wurden, so hieß es, irgend eine Gottheit habe ihren Lieb-

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Die Lieblinge der Götter

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ling von der Erd’ entführt. – Auf die Weise ward die Trauer mit Freude vermischt; und die Klage um den Todten gemildert. – Man findet daher auch diese Dichtungen auf den Marmorsärgen der Alten am häufigsten dargestellt.

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Ganymed. Vom Ganymedes, einem Sohn des Tr o s und Urenkel des D a r d a n u s , des ersten Stifters von Troja, sagt der Dichter: Er war der schönste unter den sterblichen Menschen. – Die Götter selbst e n t f ü h r t e n i h n , s e i n e r S c h ö n h e i t w e g e n – damit er dem Jupiter den Becher reichte, und in der Gesellschaft der Unsterblichen wäre. In der Gestalt des Adlers, welcher den Donner trug, entführte Jupiter seinen Liebling, von dem Gipfel des Ida, und trug ihn sanft in den gekrümmten Klauen, schwebend, von der Erd’ empor. In diese schöne Dichtung hüllte die tröstende Phantasie den frühen Verlust des Jünglings ein, dessen Jugend und Schönheit man sich unmöglich als sterblich denken konnte, und daher sein Ve r s c h w i n d e n , als eine Hinwegrückung von der Erde zum Sitz der unsterblichen Götter sich erklärte. In diese Sehnsucht nach dem Genuß eines höhern Daseyns, lößt, nach der erhabnen Darstellung eines neuern Dichters, die schöne Fabel vom Ganymed sich auf: Ganymed.

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Wie im Morgenglanze Du rings mich anglühst, Frühling, Geliebter! Mit tausendfacher Liebeswonne Sich an mein Herz drängt Deiner ewigen Wärme Heilig Gefühl,

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Unendliche Schöne! Daß ich dich fassen möcht’ In diesen Arm! 332

Ach, an deinem Busen Lieg’ ich, schmachte, Und deine Blumen, dein Gras Drängen sich an mein Herz. Du kühlst den brennenden Durst meines Busens, Lieblicher Morgenwind, Ruft drein die Nachtigal Liebend nach mir aus dem Nebelthal. Ich komm’! Ich komm! Wohin? Ach, wohin?

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Hinauf! Hinauf strebt’s! Es schweben die Wolken Abwärts, die Wolken Neigen sich der sehnenden Liebe. Mir! Mir! In euerm Schooße Aufwärts! Umfangend umfangen! Aufwärts an deinem Busen, Allliebender Vater!

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Göthe.

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An der Göttertafel den Nektar einzuschenken, war nun das Geschäft des Ganymedes. – Vor ihm verwaltete H e b e , die Tochter der Juno, dieses Amt, bis sie durch einen Fehltritt desselben verlustig wurde, indem sie einst im Fallen, durch eine unanständige Stellung, die Grazie entweihte, welche bei diesem hohen Götteramte jede Bewegung begleiten mußte.

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Atys.

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Auch C y b e l e , die ernsthafte Mutter der Götter, wählte sich den schönen Knaben Atys zu ihrem Lieblinge. – Er verließ seine väterlichen Fluren, und eilte in die phrygischen Wälder, um dem Dienste der strengen und keuschen Göttin sich ganz zu widmen. Als er aber einst ihres Verbots vergaß, der Liebe nie zu pflegen, und von den Reitzen der schönen Nymphe S a n g a r i s hingerissen, mit dieser der Liebe pflog; brach über ihn und den Gegenstand seiner Liebe der Zorn der Göttin aus. – Er selber bestrafte sich durch E n t m a n n u n g für sein Vergehen, und mußte durch immerwiederkehrende Anfälle von Raserei für seinen zu nahen Umgang mit der zu hoch erhabnen, geheimnißvollen Gottheit büßen. Eine schöne Dichtung aus dem Alterthum stellt ihn dar, am Ufer des Meeres stehend, und eine kleine Weile seines Bewußtseyns mächtig, sehnsuchtsvoll nach dem entfernten Ufer hinüberblickend, wo er im Schooße seiner Eltern, und mit seinen Gespielen, der Kindheit süßen Traum verlebte. Aber ihm nähert sich die Göttin auf ihrem mit Löwen bespannten Wagen, – und plötzlich ergreift den Atys wieder rasende Wuth; er eilt des Berges waldigten Gipfel hinauf, um alle Tage seines Lebens in weibischer Weichlichkeit der mächtigen Göttin zu dienen.

Tithonus.

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Dieser schöne Jüngling war ein Sohn des trojanischen Königs Laomedon und Bruder des Priamus. – Die Dichtung hüllte seinen Verlust in die Fabel ein, daß A u r o r a ihn einst bei seinen Heerden erblickt, und wegen seiner Schönheit ihn entführt habe. Sie erbat vom Jupiter für ihn die Unsterblichkeit, und ihre Bitte ward ihr gewährt. – Nun hieß es in der Dichtersprache, daß Aurora jeden Morgen aus dem Bette des Tithonus emporstiege, um am Himmel zu glänzen. Aurora erzeugte mit ihm den M e m n o n , dessen schon gedacht ist, wie die metallne Seule, die nach seinem Tode ihm

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errichtet wurde, einen hellen Klang von sich gab, so oft die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne sie beschienen. Das Glück des Tithonus aber, in Aurorens Arm zu ruhen, blieb dennoch unvollkommen. Aurora hatte aus der Acht gelassen, mit der Un- sterblichkeit zugleich die B e f r e i u n g v o m A l t e r für ihn vom Jupiter zu erbitten. Und nun welkte ihr Liebling von Alter und Schwachheit aufgezehrt dahin, daß kaum noch die Stimme von ihm übrig blieb, und er zuletzt selber die Göttin bat, sein Wesen aufzulösen. – Kein Glück, sagt daher ein Dichter des Alterthums, kein Glück ist durchaus vollkommen! – Den jungen Achilles rafte ein schneller Tod dahin; – den Tithonus zehrte ein langsames Alter auf; – seine Unsterblichkeit selbst ward ihm zur Bürde.

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Anchises.

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Merkwürdig ist die Anrede der Ve n u s an ihren Liebling Anchises, dessen schon gedacht ist, daß er den Held Aeneas mit ihr erzeugte. – Sie spricht zu ihm, da sie als Göttin sich ihm zu erkennen giebt: sey ohne Furcht! d u w i r s t n i c h t s S c h l i m m e s w e g e n m e i n e r L i e b e erdulden. – Ich werde nicht, wie Aurora für ihren Tithonus, die Unsterblichkeit für dich erbitten; sondern dich wird das schnelle Alter, so wie die andern Sterblichen überschleichen. – Die Nymphen des Waldes aber sollen den Sohn, den ich gebähre, erziehen. – Wenn er mannbar ist, sollst du an seiner göttergleichen Gestalt dich weiden. Und wenn dich jemand frägt, wer diesen Sohn gebohren, so sollst du sagen: eine der Nymphen, die diese Berge bewohnen; – rühmst du dich aber thöricht, daß du in Cytherens Arm geruht, so wird dich Jupiters Blitz zerschmettern! Dieß präge tief dir ein, und fürchte den Zorn der Götter!

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Adonis.

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Die Liebe der Venus zu dem schönen Jüngling Adonis ging bald i n d i e K l a g e u m s e i n e n To d hinüber. – Adonis war ein Sohn der M y r r h a , der Tochter des C i n y r a s , mit dem sie im nächtlichen Dunkel, ihm selber unbewußt, eine Zeitlang blutschändrischer Liebe pflog, bis einst zufällig die gräßliche Scene erleuchtet wurde, und der Vater unter tausend Verwünschungen und Flüchen, mit dem tödtenden Eisen seine Tochter verfolgte, die bis nach Arabien flohe, wo sie ihr Vergehen bereuend, so lange Thränen weinte, bis sie zuletzt in eine Myrrhe verwandelt, das Bewußtseyn von ihrer That verlohr. Noch während ihrer Verwandlung ward Adonis von ihr gebohren, den die Nymphen des Waldes erzogen, und welchen Venus, da er ein Jüngling war, vor allen zu ihrem Lieblinge wählte, und weil sie keinen Augenblick ihn verlassen wollte, sogar einen Theil ihrer Sanftheit ablegte, und auf der Jagd der Hirsche und Rehe ihn begleitete. So oft er aber allein die Spur der reißenden und gefährlichen Thiere verfolgte, warnete sie ihn jedesmal, wenn er von ihr ging, sein ihr so theures Leben nicht in Gefahr zu setzen. – Allein bei dem jungen Adonis überwand sein kühner Muth die Zärtlichkeit, – er folgte der Warnung der Göttin nicht. Schon schwebte sein schwarzes Verhängniß über ihm; – er stieß auf einen ergrimmten Eber; – schoß vergebens seinen Jagdspieß ab; – schon senkte des Ebers weißer Zahn sich in des Jünglings Hüfte. – Häufiges Blut entströmte der Wunde, und Venus, welche schon mit Angst und Zagen ahndungsvoll ihren Liebling suchte, fand ihn erblaßt in seinem Blute liegend. Vergebens suchte sie ihn ins Leben zurückzurufen, und klagte zürnend das Schicksal an. – Allmälig verwandelte ihre Verzweiflung sich in sanftre Traurigkeit; – sie ließ aus ihres Lieblings Asche die A n e m o n e entsprießen, und gab ihm dadurch eine Art von Unsterblichkeit. – Dem Adonis wurde ein Fest gefeiert, wo die Weiber seinen Tod beklagten, und indem sie Körbe mit Blumen ins Wasser stürzten, des

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Lebens kurze Blüthe beweinten. – Es scheint, als ob die Klage um den Adonis, welche im Orient allgemein war, sich auf noch eine weit ältere Dichtung gründe, die in diese Einkleidung der neuern griechischen Fabel sich gehüllt hat. 338

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Hyacinthus.

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Ein Liebling des Apollo war der schöne Hyacinthus, ein Sohn des Oebalus, eines Lacedemonischen Fürsten. – Apollo und sein Liebling wetteiferten einst im Scheibenwerfen; – aus der Hand des Gottes flog die Wurfscheibe, – und B o r e a s auf den Apollo eifersüchtig, lenkte sie in der Luft, und trieb sie an des Jünglings Haupt, welcher todt darniedersank. – Apollo ließ aus seines Lieblings Asche die Hyacinthe hervorgehen; und die Lacedämonier feierten jährlich ein Fest bei dem Grabe des schönen Jünglings, der in des Lebens Blüthe ein Raub des Todes ward.

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Cyparissus.

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Auch diesem Liebling des Apollo war nur ein kurzes Alter bestimmt. – Der schöne Knabe besaß einen zahmen Hirsch, der ihm vorzüglich lieb war, und von seiner Kindheit an ihm Freude machte. – Diesen erschoß er unversehens im Dunkel des Waldes; und sein zu weiches Herz ließ ihn diese That so sehr bereuen, daß er unaufhörlich traurend die einsamsten Schatten suchte, und sich in Kurzem zu Tode härmte. – Als er gestorben war, so ließ Apollo aus seinem Grabe die dunkle Cypresse emporsteigen, die den Nahmen des Entschlummerten verewigte, und immer ein Sinnbild der Trauer blieb. – Man siehet aus dieser, so wie aus den vorhergehenden Dichtungen, was Jugend und Schönheit, vom Tode dahingeraft, auf jene sanften Gemüther für einen unauslöschlichen Eindruck machten.

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Leukothoe.

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Ohngeachtet Apollo selber der Gott der Jugend und Schönheit war, so war er doch selten in der Liebe glücklich. – Leukothoe, des O r c h a m u s Tochter, pflog mit dem Apollo einer verstohlnen Liebe. – K l y t i e , eine andre Geliebte des Apollo hierüber eifersüchtig, verrieth dem strengen Orchamus das Liebesverständniß seiner Tochter. Dieser vergrub sie lebendig in die Erde, und Apollo, der sie nicht retten konnte, ließ zum bleibenden Andenken ihrer Zärtlichkeit und ihres Schicksals, die We i h r a u c h s t a u d e aus ihrem Grabe emporwachsen. K l y t i e hatte nun durch ihren Verrath des Gottes Liebe auf immer verscherzt; – untröstlich darüber kehrte sie neun Tage lang, ohne Speise und Trank zu nehmen, ihr Antlitz nach der S o n n e , dem glänzenden Urbilde des Gottes mit dem silbernen Bogen. – Zuletzt ward sie, von Gram und Kummer aufgezehrt, in eine Blume verwandelt, in welcher Gestalt sie immer noch wie ehmals, sich n a c h der Sonne wendet. Auch D a p h n e entschlüpfte der Umarmung des Apollo. – Als sie von ihm verfolgt nicht weiter fliehen konnte, flehte sie ihren Vater, den Flußgott P e n e u s um Rettung an, und dieser verwandelte sie in einen Lorbeerbaum, der nachher dem Apollo beständig heilig war, und mit dessen Zweigen er seine Schläfe umkränzte. – So täuschen den G o t t d e r D i c h t e r in diesen Fabeln seine Wünsche. – L o r b e e r , der sein Haar umkränzt, We i h r a u c h , der ihm duftet, sind sein Ersatz für den Genuß versagter Liebe.

Endymion.

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Unter allen Lieblingen der Götter hat die Dichtung den schönen Jäger Endymion des größten Vorzugs gewürdigt, weil D i a n a , die strenge Göttin der Keuschheit selber, von seinen Reitzen gefesselt, die Macht der Liebe empfindet. –

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Auf dem einsamen Gebirge L a t m u s in K a r i e n war Endymions Aufenthalt. – Er jagte beim nächtlichen Schein des Mondes in den Wäldern, bis er ermüdet entschlummerte. – Schlummernd erblickte ihn einst Diana, als sie mit ihrer Fackel die Nacht erleuchtend am Himmel aufstieg, – alles war einsam und still; – sie hielt die Rosse vor ihrem Wagen an, und senkte sich langsam aus der Höhe bis zu der Lippe des Schlummrers nieder, die sie zum erstenmal mit heißer Liebe küßte. Oft senkte sie nun nachher den Schlummer auf Endymions Augenlieder, der schlafend des Glücks genoß, das Göttern und Menschen noch nie zu Theil ward. – Unter dem schönen Sinnbilde vom schlummernden Endymion ließ ein zartes Gefühl die Alten den Tod darstellen; und man sieht auf ihren Marmorsärgen, welche die Asche früh verblühter Jünglinge umschlossen, den glücklichen Schläfer abgebildet, wie Diana auf ihrem Wagen zu seinen Kuß sich herniedersenkt.

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Acis. Den schönen Schäfer A c i s in Sicilien liebte G a l a t e a , eine der N e r e i d e n . – Vergebens warb der ungeheure Polyphem um ihre Gunst. – Als er aber einst am Fuß des Aetna die Nymphe den schönen Acis umarmend erblickte, riß er voll wüthender Eifersucht einen Felsen los, und schleuderte ihn, die Liebenden zu zerschmettern. – Die Nymphe entfloh ins Meer, den Acis traf der Stein, und plötzlich lößte sein Wesen in einen Bach sich auf, der nachher seinen Nahmen führte. 342

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Peleus.

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Einer der glücklichsten Sterblichen war Peleus, der Sohn des gerechtesten Fürsten, der Vater des tapfersten Helden, und der Gemahl einer Göttin, die vom Jupiter selbst geliebt war. – Eben die T h e t i s , des N e r e u s Tochter, vor deren Umarmung Prometheus den Jupiter warnte, war es, welche mit dem Peleus, des

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A e a k u s Sohn, obgleich sich eine Zeitlang sträubend, auf aller Götter Zureden sich vermählte, und von dem Peleus den A c h i l l gebahr, der m ä c h t i g e r a l s s e i n Va t e r , den glänzendsten Heldenruhm erwarb. Bei der Hochzeit des Peleus waren alle Götter versammlet, nur war E r i s , die Göttin der Zwietracht ausgeschlossen. – Und diese warf in das glänzende Gemach den goldnen Apfel mit der unglückbringenden Inschrift, die ihn der S c h ö n s t e n unter den Göttinnen weihte. – Diese glänzende Hochzeitfeier enthielt den ersten Keim zu dem verderblichen Kriege, der Troja verwüstete, und Griechenland seiner tapfern Söhne beraubte. – Auch des Peleus Glück war nicht von Dauer; – ihn überschlich das drückende Alter; – er überlebte seinen tapfern Sohn. – Vom Gram gebeugt, und kummervoll beschloß er seine Tage. Von den Lieblingen der Götter ist auf der hier beigefügten Kupfertafel, nach einem antiken geschnittnen Steine G a n y m e d e s dargestellt, wie Jupiter in der Gestalt des Adlers ihn entführt. – Auch ist auf eben dieser Tafel, nach einer andern antiken Gemme, der Sturz des P h a e t o n abgebildet.

Die tragischen Dichtungen. Daß die Alten überhaupt in ihren Dichtungen das Tr a g i s c h e liebten, siehet man aus der ganzen Folge ihrer Götter- und Heldengeschichte. – D a s u n g l e i c h e Ve r h ä l t n i ß d e r M e n s c h e n z u d e n G ö t t e r n , welches schon von ihrer Entstehung an sich offenbarte, ist fast in jeder Dichtung auf irgend eine Weise in ein auffallendes Licht gestellt. – Die Götter erhöhen und stürzen nach Gefallen. – Jeder Versuch eines Sterblichen mit ihrer Macht und Hoheit sich zu messen, wird auf das schrecklichste geahndet. – Ihr zu naher Umgang bringt oft ihren Lieblingen selbst den Tod. – Ihre wohlthätige Macht wird von der furchtbaren überwogen. –

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Allein es gab ein F a t u m , das über Götter und Menschen herrschte. – Durch dieß Fatum fühlten die Sterblichen sich den Göttern gleich gesetzt, wenn in den hohen tragischen Dichtungen gegen den Druck der Obermacht die langverhaltne Erbittrung endlich ausbrach. Folgender Gesang eines neuern Dichters hallt jene furchtbaren Töne wieder, und reißt den Horcher an die tragische Schaubühne der Alten hin: Es fürchte die Götter Das Menschengeschlecht! Sie halten die Herrschaft In ewigen Händen, Und können sie brauchen, Wie’s ihnen gefällt. Der fürchte sie doppelt, Den je sie erheben! Auf Klippen und Wolken Sind Stühle bereitet Um goldene Tische. Erhebet ein Zwist sich: So stürzen die Gäste, Geschmäht und geschändet, In nächtliche Tiefen, Und harren vergebens, Im Finstern gebunden, Gerechten Gerichtes. Sie aber, sie bleiben In ewigen Festen An goldenen Tischen. Sie schreiten von Bergen Zu Bergen hinüber;

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Aus Schlünden der Tiefe Dampft ihnen der Athem Erstickter Titanen, Gleich Opfergerüchen, Ein leichtes Gewölke.

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Es wenden die Herrscher Ihr segnendes Auge Von ganzen Geschlechtern, Und meiden, im Enkel Die eh’mals geliebten, Still redenden Züge Des Ahnherrn zu sehn. Göthens Iphigenie.

Theben. 15

Vorzüglich war T h e b e n in Griechenland der Schauplatz der tragischen Begebenheiten, welche auf der Bühne dargestellt, die schmerzlichsüße Theilnehmung an dem Jammer der Vorwelt in jedem Busen weckten, und ein ganzes mitempfindendes Volk zur höhern Bildung veredelten.

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A g e n o r , dessen Tochter E u r o p a vom Jupiter entführt ward, war auch der Vater des Kadmus, dem er befahl, die entführte Tochter in allen Ländern aufzusuchen, und ohne sie vor ihm nicht wieder zu erscheinen. – So rächte die z ü r n e n d e E i f e r s u c h t d e r J u n o sich an Agenors Hause. Wie ein Flüchtling mußte Kadmus umherirren, und durfte, da er seine Schwester nirgends fand, in seine väterliche Heimath nicht wiederkehren, sondern mußte im fremden Lande sich einen Wohnsitz suchen.

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Er kam nach Böotien in Griechenland, und wählte es, einem Orakelspruch zu Folge, zu seinem Aufenthalt. Als er nun seine Gefährten, um Wasser zu einem Opfer zu schöpfen, in ein dem M a r s geweihtes Gehölze schickte, wurden sie von einem ungeheuren Drachen, dem Hüter dieses heiligen Hains, getödtet. Kadmus erlegte dieß Ungeheuer, und mußte, auf den Befehl der Minerva, die Zähne des Drachen in die Erde säen. – Aus dieser Saat keimten geharnischte Männer auf, die sogleich ihre Schwerdter gegeneinander zückten, und sich einander erschlugen, bis auf fünf, die dem Kadmus Theben erbauen halfen. Diese Dichtung von den Kriegern, die aus der Saat der Drachenzähne entsprossen, sich selbst einander aufreiben, ist schon ein dunkles Vorbild von alle dem Jammer und der Zwietracht, welche die Nachkommen des Kadmus einst ihre Schwerdter gegen sich selber kehren, und sie in ihr Eingeweide wüthen läßt. Kadmus, der Stifter von Theben, vermählte sich nun mit der H a r m o n i a , einer Tochter des M a r s und der Ve n u s , und bildete das Volk, das er um sich her versammelte, und dem er zuerst die S c h r i f t z e i c h e n mittheilte, die er aus P h ö n i z i e n mit sich hieher gebracht. Er lebte mit der H a r m o n i a bis in sein spätestes Alter. – Um diesem Paar eine Art von Unsterblichkeit zu geben, sagt die Dichtung, daß beide zuletzt in Schlangen verwandelt wurden. Die Kinder des Kadmus, welche er mit der H a r m o n i a oder H e r m i o n e erzeugte, waren I n o , A g a v e , A u t o n o e , S e m e l e , und ein Sohn Nahmens P o l y d o r u s . – S e m e l e , die Mutter des Bachus, deren schon öfter gedacht ist, kam in Flammen um, weil sie auf Anstiften der Juno, den thörichten unwiderruflichen Wunsch gethan hatte, ihren Liebhaber, den Donnergott, in seiner ganzen Majestät zu sehen. A g a v e vermählte sich mit dem E c h i o n , einem der übriggebliebnen von denen, die aus der Saat der Drachenzähne entsprossen waren, welcher den P e n t h e u s mit ihr erzeugte. – Dieser P e n t h e u s , welcher sich spottend der Verehrung des Bachus widersetzte, und dessen Priesterinnen verfolgte, wurde, wie schon gedacht ist, von

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seiner eignen Mutter und den übrigen Bachantinnen, die ihn für ein reißendes Thier ansahen, zerfleischt. Die I n o verfolgte der Zorn der Juno, weil sie den jungen Bachus säugte. – Sie war mit dem A t h a m a s vermählt. – Diesen ergriff eine rasende Wuth, in welcher er ihren ersten Sohn L e a r c h u s an einem Felsen zerschmetterte; und da sie mit ihrem jüngsten Sohn M e l i c e r t e s vor ihm flohe, bis an eine Felsenspitze am Meere sie verfolgte. Hier stürzte Ino sich mit ihrem Sohn herab, und ward sammt ihm von den Wellen emporgetragen. – Beide wurden unter die Meergötter aufgenommen, – und Ino ward unter dem Nahmen L e u k o t h e a verehrt. A u t o n o e , die vierte Tochter des Kadmus, vermählte sich mit dem A r i s t ä u s , der den A k t ä o n mit ihr erzeugte, dessen schon gedacht ist, wie ihn seine eignen Hunde zerrissen, als Diana, die er im Bade erblickte, um seinen Frevel zu strafen, ihn in einen Hirsch verwandelt hatte. Dieß sind die Schicksale der Töchter des Kadmus, welche ein feindseliges Verhängniß und den Haß der Juno, der auf ihres Vaters Hause ruhte, mehr oder weniger tragen mußten. Kadmus selber begab sich in seinem Alter nach I l l y r i e n , wo, nach der Fabel, seine Verwandlung vorging. – Die Herrschaft über Theben überließ er seinem Sohn, dem P o l y d o r , welcher den L a b d a k u s erzeugte, der ihm wieder in der Regierung folgte. Labdakus vermählte sich mit der N y k t e i s , einer Tochter des N y k t e u s , und erzeugte mit ihr den L a j u s , der noch minderjährig war, als sein Vater starb, und an dessen Stelle L y k u s , ein Bruder des Nykteus, über Theben herrschte. A n t i o p e , eine Tochter des Nykteus, ward vom Jupiter geliebt, von ihrem Vater aber verstoßen; sie rettete sich zum E p o p e u s , dem Könige von S i c y o n , der sich mit ihr vermählte. Lykus aber, der dem sterbenden Nykteus versprochen hatte, ihn an seiner Tochter zu rächen, erschlug den E p o p e u s , und führte die Antiope gefangen nach Theben, wo er sie seiner Gemahlin D i r c e übergab, von der sie auf das grausamste mißhandelt wurde.

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Antiope hatte vom Jupiter den A m p h i o n und Z e t h u s gebohren, die heimlich erzogen wurden. – Sobald sie ein Mittel fand, zu entrinnen, eilte sie zu ihren Söhnen, und forderte sie auf, die Schmach ihrer Mutter zu rächen. – Amphion und Zethus drangen in Theben ein, erschlugen den Lykus, verjagten den Lajus, und banden die D i r c e , welche ihre Mutter so grausam mißhandelt hatte, an die Hörner eines wilden Stiers, von dem sie zerrissen ward. Amphion erbaute nun die Mauern von Theben, und schloß die Stadt mit sieben Thoren ein. – Die Ueberredungskunst, womit Amphion zu diesem Werke die rohen Einwohner zu ermuntern wußte, hüllt die Dichtung in die schöne Fabel ein, daß er durch die Töne seiner Leyer d i e S t e i n e selbst bewegt habe, sich zusammenzufügen, und zu Mauern und Thürmen sich zu bilden. Nach dem Tode des Amphion und Zethus riefen die Thebaner den verjagten Lajus, des Labdakus Sohn zurück, und gaben ihm die Herrschaft wieder, worauf er mit der J o k a s t e , der Schwester des K r e o n , eines Thebanischen Fürsten, sich vermählte.

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Dem Lajus war geweißagt worden, daß sein Sohn ihn erschlagen würde. – Als ihm daher Jokaste den O e d i p u s gebahr, so ließ er ihn in einer wüsten Gegend aussetzen. Der vertraute Bediente, der dieß Geschäft verrichtete, band das Kind mit den Füßen an einen Baum. In diesem Zustande fand es P h o r b a s , der Aufseher der Heerden des Königs P o l y b i u s , der Korinth beherrschte. Dieser nahm das Kind, als es ihm Phorbas brachte, selbst an Kindes statt an, und man gab ihm von seinen g e s c h w o l l n e n F ü ß e n , den Nahmen O e d i pus. Die Pflegeältern des Oedipus verhehlten sorgfältig vor ihm die Ungewißheit seiner Abkunft, so daß er von Kindheit an, sie für seine wahren El- tern hielt, bis in seinen Jünglingsjahren einige beunruhigende Zweifel ihn bewogen, das Orakel des Apollo um Rath zu fragen.

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Das Orakel berührte den eigentlichen Punkt seiner Abkunft nicht, sondern warnte ihn nur, v o r d e r R ü c k k e h r i n s e i n Va t e r l a n d , w e i l e r d a s e l b s t s e i n e n Va t e r t ö d t e n , u n d s e i n e e i g n e M u t t e r z u m We i b e n e h m e n w ü r d e . – Oedipus suchte seinem Schicksal zu entgehen, indem er sich freiwillig von Korinth verbannte, das er noch immer für sein Vaterland hielt. – In dieser Rücksicht begab er sich auf den Weg nach Theben, und ging unwissend seinem Schicksal entgegen. Denn schon auf der Reise stieß er in einem engen Wege auf den Lajus, dem er nicht ausweichen wollte, und darüber mit ihm und seinem Gefolge in einen Streit gerieth, wovon das Ende war, daß Oedipus unwissend seinen eignen Vater erschlug, und auf die Weise ein Theil des Orakels in Erfüllung ging. Als Oedipus nach Theben kam, fand er die S p h i n x , ein von der Echidna gebohrnes, und von der Juno gesandtes geflügeltes Ungeheuer in Löwengestalt und mit jungfräulichem Antlitz, die Einwohner ängstigend. Auf einem Felsen nicht weit von Theben saß die Sphinx, und gab den Vorbeigehenden ein Räthsel auf: was für ein Thier am Morgen auf vier, am Tage auf zwei, am Abend auf drei Füßen gehe? Wer dieß Räthsel nicht errieth, den stürzte sie von dem Felsen herab. Oedipus kam und deutete das Räthsel: der Mensch als Kind am frühesten Morgen seines Lebens, wälze sich auf H ä n d e n u n d F ü ß e n fort; am langen Tage des Lebens, wo noch die Kraft in seinen Gliedern wohnt, wandle er aufrecht auf z w e i F ü ß e n ; am Abend, wenn das Alter ihn überschleicht, gehe er gebückt am Stabe, und setze auf die Weise den d r i t t e n F u ß sich an. Nun tödtete Oedipus die Sphinx, oder, nach einer andern bedeutendern Sage, stürzte sie sich vom Felsen herab, sobald er das Räthsel errathen hatte. – Da nun Lajus todt war, ohne daß man seinen Mörder wußte; so hatte man demjenigen, der das Räthsel der Sphinx auflösen, und von diesem Ungeheuer das Land befreien würde, verheißen, daß die Königin sich mit ihm vermählen, und ihm die Herrschaft über Theben zum Brautschatz bringen solle.

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Dem Oedipus ward nun dieß von vielen Tausenden beneidete anscheinende Glück zu Theil, womit der schreckliche Orakelspruch ganz und ohne Schonung in Erfüllung ging; indem er sich mit J o k a s t e n , der Königin, vermählte, n a h m e r u n w i s s e n d s e i n e e i g n e M u t t e r z u m We i b e , n a c h d e m e r s e i n e n Va t e r e r schlagen hatte. Eine Weile Lebensgenuß verstattete ihm noch sein feindseliges Geschick, indem es vor alle diese Gräuel einen Vorhang zog. Oedipus erzeugte mit der Jokaste zwei Söhne, E t e o k l e s und P o l y n i c e s ; und zwei Töchter A n t i g o n e und I s m e n e – eben so unwissend über sein eignes Schicksal, als über das künftige Schicksal seiner Kinder. Die Tage dieser glücklichen Unwissenheit sollten nicht lange mehr dauern. Ueber Theben kam eine verwüstende Pest. Oedipus selber that den Vorschlag, das Orakel zu befragen, ob etwa irgend ein einzelner Mann den Zorn der Götter auf sich geladen? und ob das ganze Land vielleicht die Schuld eines Einzelnen büßen müsse? – Man folgte seinem Rath, und der furchtbare Ausspruch traf ihn selber. – Er ruhte nicht nachzuforschen, bis er die Wahrheit ans Licht bringen, oder die Verläumdung zu Schanden machen würde; und mit jeder Nachforschung entwickelte sich immer klärer die gräßliche Geschichte. Als endlich nun kein Zweifel mehr übrig war, und Oedipus mit schrecklicher Gewißheit, der Blutschande und des Vatermords sich schuldig fand, so vermochte er nicht länger des Tages Glanz zu tragen, und blendete sich selber. – Die un- glückliche Jokaste gab sich mit dem Strange den Tod. – Und Oedipus irrte, des Augenlichts beraubt, von seiner Tochter A n t i g o n e geführt, beladen mit dem Haß der Götter, bis an seinen Tod im fremden Land’ umher. Dem Oedipus folgten in der Regierung seine beiden Söhne, E t e o k l e s und P o l y n i c e s , dergestalt, daß beide abwechselnd, ein Jahr um das andre, die Herrschaft führen sollten. – Aber auch diese traf das feindselige Verhängniß, das auf Theben und den Nachkommen des Kadmus ruhte.

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Eteokles und Polynices.

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Diese beiden wurden ein Opfer ihres Zwistes, der aus Neid und Herrschsucht sich entspann. – Eteokles trat die Regierung an. – Das erste Jahr verfloß, – und Eteokles, der einmal im Besitz war, weigerte sich, dem Polynices auf das andre Jahr die Herrschaft abzutreten. – Polynices ging aus Theben und begab sich zum A d r a s t u s , der über A r g o s herrschte. Dieser nahm ihn gütig auf, versprach ihm seinen Beistand, und vermählte ihm seine Tochter. – Auch Ty d e u s , des O e n e u s Sohn, und Bruder des M e l e a g e r , begab sich um eben diese Zeit zum Könige Adrastus, weil er aus Kalydon flüchten mußte, und diesem vermählte Adrastus seine andre Tochter. Um nun dem Polynices seinen Antheil an der Herrschaft über Theben wieder zu verschaffen, schickte Adrastus erst den Tydeus zum Eteokles, um Unterhandlung mit ihm zu pflegen. Da aber dieser, noch ehe er nach Theben kam, von einem Hinterhalt, den Eteokles ihm gelegt, verräthrisch überfallen wurde, und nachdem er mit Mühe sich gerettet hatte, mit der Nachricht von dieser Verrätherei nach Argos zurückkehrte; so rüstete Adrastus sich schleunig zum Kriege gegen den Eteokles.

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Der Thebanische Krieg. Zu der Unternehmung gegen Theben vereinigte sich A d r a s t u s mit seinen beiden Tochtermännern, dem Ty d e u s , und dem P o l y n i c e s , um dessentwillen er den Krieg anhub. – Zu ihnen gesellte sich der tapfre K a p a n e u s aus Messene; H i p p o m e d o n , ein Sohn der Schwester des Adrastus; und P a r t h e n o p ä u s , ein schöner und tapfrer Jüngling aus Arkadien, dessen Mutter A t a l a n t a war. Mit der E r i p h y l e , einer Schwester des Adrastus, war A m p h i a r a u s vermählt, den man an diesem Zuge Theil zu nehmen lange vergebens zu überreden sich bemühte, weil sein Geist in die Zukunft blickte, und nicht nur das Unglück, das die Belagrer von Theben treffen würde, voraussahe, sondern auch sicher wußte, daß in diesem Kriege ihm sein Tod bevorstand.

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Er verbarg daher den Ort seines Aufenthalts vor dem Adrast und Polynices, bis seine eigne Gemahlin Eriphyle, durch ein kostbares Halsgeschmeide, das ihr Polynices schenkte, gewonnen, den Ort seines Aufenthalts entdeckte, und Amphiaraus nun wider Willen an diesem Kriege Theil zu nehmen, genöthigt wurde. Nun waren also der Anführer s i e b e n : Adrastus; Polynices; Ty d e u s ; Amphiaraus; Kapaneus; Parthenopäus; Hippomedon. Allein schon unterwegens auf ihrem Zuge, ereignete sich ein tragischer Zufall. – H y p s i p y l e , deren in der Geschichte der Argonauten schon gedacht ist, hatte nach der Abreise des Jason, von dem sie einen Sohn gebahr, vor den übrigen Weibern aus Lemnos flüchten müssen, weil sie ihrem Vater T h o a s das Leben gerettet. – Sie ward am Ufer des Meers, wohin sie sich zu retten suchte, von Seeräubern gefangen, die sie dem L y k u r g u s verkauften, welcher sie zur Säugamme seines Sohnes A r c h e m o r u s machte. Da nun das vereinte Heer durch das Gebiet des Lykurgus zog; so fanden sie des Thoas königliche Tochter allein in einem Gehölze, dem Knaben Archemorus die Brust darreichend. – Sie eilte, den vor Durst verschmachtenden Griechen, die sie um Beistand flehten, eine Quelle zu zeigen, und ließ den Knaben Archemorus allein im Grase liegen. Als nun Hypsipyle an den Ort, wo sie ihren Säugling ließ, zurückkehrte, hatte diesen während der Zeit eine Schlange getödtet. Die Griechen, über diese Begebenheit bestürzt und niedergeschlagen, hielten dem Kinde ein prächtiges Leichenbegängniß, und stifteten ihm zu Ehren Spiele, welche nachher zu bestimmten Zeiten wiederhohlt wurden. Nach dieser vollbrachten To d t e n f e i e r , setzte das Kriegsheer seinen Zug fort, und kam vor Theben an. Die sieben Heerführer theilten

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sich, um die sieben Thore von Theben mit ihren Haufen zu besetzen, und durch eine Belagrung die Stadt zu zwingen. E t e o k l e s stellte einem jeden der Anführer in dem Heere des Adrastus seinen Mann entgegen. Dem Tydeus den M e n a l i p p u s ; dem Kapaneus den P o l y p h o n t e s ; dem Hippomedon den H y p e r b i u s ; dem Parthenopäus den A k t o r ; dem Amphiaraus den L a s t h e n e s ; er selber stellte sich gegen den P o l y n i c e s , seinen Bruder. Und nun begann, indem die Belagerten einen Ausfall thaten, das für Sieger und Besiegte gleich unglückseelige Treffen. H i p p o m e d o n und P a r t h e n o p ä u s fielen; K a p a n e u s , der die Mauer erstieg, wurde vom Blitz getödtet; Ty d e u s vom Menalippus erschlagen; und E t e o k l e s und P o l y n i c e s kamen beide im Zweikampf um; den A m p h i a r a u s verschlang die Erde; nur A d r a s t u s entfloh auf seinem schnellen Roß A r i o n , dessen schon bei den Erzeugungen des N e p t u n gedacht ist. Die Regentschaft in Theben fiel dem K r e o n , dem Bruder der Jokaste zu. – Dieser befahl, den Leichnam des Eteokles mit allen Ehrenbezeugungen zu begraben. – Den Körper des Polynices aber verbot er, bei Todesstrafe, mit Erde zu bedecken, und ließ ihn, so wie die übrigen Leichname der Gebliebnen von Adrastus Heer, unter freiem Himmel, den Vögeln zum Raube liegen. A n t i g o n e , des Oedipus Tochter, und Schwester des Polynices achtete Kreons Verbot, und die Gefahr des Todes nicht, sondern stahl sich bei einer mondhellen Nacht vor die Stadt hinaus, wo ihre Hände ihres Bruders Leichnam mit Sand bedeckten. – Als sie für diese That lebendig ein Raub des Grabes werden sollte, kam sie dem Urtheil schnell zuvor, und gab mit dem Strange sich selbst den Tod. H ä m o n , Kreons Sohn, welcher sie zärtlich liebte, stieß verzweiflungsvoll sein Schwerdt sich in die Brust, da er Antigonen, als ein Opfer von seines Vaters Grausamkeit, in ihrem Kerker todt fand. H ä m o n s Mutter überlebte den Verlust ihres Sohnes nicht; und verwaißt stand nun K r e o n da, und klagte verzweiflungsvoll sich selber und sein Verhängniß an.

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A d r a s t u s hatte indeß den T h e s e u s um Beistand angefleht, und dieser kam vor Theben, schlug die Thebaner, und zwang sie, die Leichname der Gebliebnen von des Adrastus Heere zum Begräbniß auszuliefern. Alle die Unglücksfälle, womit dieser Krieg begleitet war, hatten dennoch nicht die Erbittrung ausgelöscht, welche zehn Jahre nachher bei den Söhnen der Erschlagnen zu einem zweiten Kriege ausbrach, der, weil ihn die N a c h k o m m e n der vorigen Feldherren führten, der Krieg der E p i g o n e n hieß. Ein Sohn des Eteokles war L a o d a m a s , der nach dem Kreon über Theben herrschte. – T h e r s a n d e r , des Polynices Sohn, unterstützt von den Söhnen der erschlagnen Feldherren, und dem A e g i a l e u s , des Adrastus Sohn, rückte aufs neue vor Theben, besiegte den L a o d a m a s und bemächtigte sich nun der Herrschaft wieder, die seinem Vater Polynices unrechtmäßig entrissen war. – Laodamas aber entflohe nach I l l y r i e n , dem alten Zufluchtsorte des K a d m u s , als er Theben verließ. In diesem Kriege blieb von den Anführern nur A e g i a l e u s , dessen Vater Adrastus in dem ersten Thebanischen Kriege nur allein sich rettete, da alle übrigen Feldherren fielen. Nach einem antiken geschnittnen Stein aus der S t o s c h i s c h e n Sammlung, einem der seltensten und schätzbarsten Denkmäler aus dem ganzen Alterthum, befindet sich auf der hier beigefügten Kupfertafel eine Abbildung der Helden, welche in dem ersten Thebanischen Kriege, vom Adrastus angeführt, Theben belagerten. Von den sieben Helden sind nur fünfe dargestellt, deren Namen auf dem alten Denkmale selbst mit eingegraben sind, wo sowohl die Schrift als die Zeichnung der Figuren das hohe Alterthum des Werks beweißt. – Die Helden sind: Adrastus; Ty d e u s ; Polynices; Amphiaraus; Parthenopäus.

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Sie scheinen nach einem erlittnen Verlust aufs neue sich zu berathschlagen. In der Mitte sitzt A m p h i a r a u s , seinen Tod, und den Tod der übrigen voraussehend, mit niedergeschlagnem Blick. – Ihm gegenüber P o l y n i c e s in Nachdenken und Traurigkeit versenkt, den Kopf auf die Hand gestützt. – Neben dem Amphiaraus sitzt P a r t h e n o p ä u s , und schlägt in ruhiger überlegender Stellung die Hände um das Knie zusammen. – A d r a s t u s ist aufgestanden und scheint, mit Schild und Lanze bewafnet, entschlossen wieder ins Treffen zu eilen. – Ty d e u s folgt ihm, ebenfalls bewafnet, allein mit weniger Muth und niedergeschlagnem Blick. Vom Polynices mit dem Kopf auf die Hand gestützt, bis zum Adrastus, der entschlossen ins Treffen eilt, ist gleichsam eine Stuffenfolge der innern Gemüthsbewegungen auf diesem alten Kunstwerke ausgedrückt. – Auf eben dieser Tafel ist nach einer antiken Gemme O e d i p u s d a r g e s t e l l t , wie er im Begriff ist, die S p h i n x zu tödten.

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Die Pelopiden.

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P e l o p s , ein Sohn des Tantalus, der von den Göttern erhöhet und gestürzt ward, kam nach Griechenland zum Könige von P i s a , O e n o - m a u s , der ihn gastfreundlich aufnahm. – Pelops warb um die schöne H i p p o d a m i a , des Königs Tochter. Allein dem Oenomaus war geweißagt worden, daß sein Eidam ihn tödten würde. – Ein jeder, der um Hippodamien warb, mußte daher mit ihm zu Wagen einen Wettlauf halten, und wen er, ehe sie ans Ziel kamen erreichen konnte, der ward von ihm mit dem Schwerdt getödtet. Pelops wußte den M y r t i l u s , des Oenomaus edlen Wagenlenker durch lockende Versprechungen zu bewegen, den Wagen des Oenomaus dergestalt einzurichten, daß er mitten im Lauf nothwendig zertrümmern mußte. Der König stürzte, und verlohr sein Leben. – Pelops vermählte sich mit Hippodamien, und weil er dem Myrtilus sein Versprechen nicht halten wollte, so stürzte er auch diesen, ehe er es sich versahe, von einem Fels ins Meer, welches nachher von ihm das M y r t o i s c h e hieß.

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Allein nach dieser That, traf schnell ein Unglück nach dem andern des Pelops Haus; obgleich seine Macht sich stets vergrößerte, und man die ganze Halbinsel von Griechenland, worin er so viel beherrschte, nach seinem Nahmen P e l o p o n e s u s nannte. Mit der Hippodamia erzeugte Pelops den A t r e u s und T h y e s t . Diese brachten ihren Bru- der C h r y s i p p u s , welchen Pelops mit der A s t y o c h e erzeugte, ums Leben, weil sie des Vaters Liebe zu ihm nicht dulden konnten. Hippodamia, welche Pelops für die Stifterin dieses Mordes hielt, gab sich selber den Tod. Thyest und Atreus flüchteten. Atreus begab sich nach Mycene zum E u r y s t h e u s , der seine Tochter A e r o p e mit ihm vermählte, und nach dessen Tode er über Mycene herrschte. – Thyest war ihm dahin gefolgt, und nahm am Glück des Atreus Theil; – allein er entehrte bald seines Bruders Bette, indem er mit der A e r o p e , des Atreus Gattin, zwei Söhne erzeugte. Als Atreus die Frevelthat erfuhr, verjagte er den Thyest mit den von ihm erzeugten Söhnen aus dem Reiche. Thyest auf Rache sinnend, hatte seinem Bruder einen Sohn entwandt, welchen er als den seinigen auferzog, und nachdem er mit Haß und Wuth gegen den Atreus seine Seele erfüllt hatte, ihn abschickte, um den schrecklichsten Mord unwissend zu begehen. Unter den grausamsten Martern ließ Atreus den Jüngling hinrichten, dessen Versuch man entdeckt hatte, und erfuhr zu spät, daß er statt seines Bruders Sohn den eignen getödtet habe. Verstellt, und auf noch höhere Rache sinnend, versöhnte sich Atreus zum Schein mit seinem Bruder; schlachtete dessen beide Söhne, und tischte das Fleisch dem Thyestes auf, welchem er nach genoßnem Mahle Haupt und Hände entgegen warf. Die Sonne, sagt die Dichtung, wandte schnell ihren Lauf zurück, um diese Scene nicht zu beleuchten. Ein neuer Dichter läßt I p h i g e n i e n , die auch aus des Pelops Hause und Dianens Priesterin war, dem Könige T h o a s in Ta u r i s , diese Gräuel erzählen:

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Schon Pelops, der gewaltig wollende, Des Tantalus geliebter Sohn, erwarb Sich durch Verrath und Mord das schönste Weib, Des Oenomaus Tochter, Hippodamien. Sie bringt den Wünschen des Gemahls zwei Söhne, Thyest und Atreus. – Neidisch sehen sie Des Vaters Liebe zu dem ersten Sohn Aus einem andern Bette, wachsend an. Der Haß verbindet sie, und heimlich wagt Das Paar im Brudermord die erste That. Der Vater wähnet Hippodamien, Die Mörderin, und grimmig fordert er Von ihr den Sohn zurück, und sie entleibt Sich selbst – – – – – – – – – – Nach ihres Vaters Tode, Gebieten Atreus und Thyest der Stadt Gemeinsam herrschend. Lange konnte nicht Die Eintracht dauern. Bald entehrt Thyest Des Bruders Bette. Rächend treibet Atreus Ihn aus dem Reiche. Mördrisch hatte schon Thyest auf schwere Thaten sinnend, lange Dem Bruder einen Sohn entwandt, und heimlich Ihn als den seinen schmeichelnd auferzogen. Dem füllet er die Brust mit Wuth und Rache, Und sendet ihn zur Königsstadt, daß er Im Oheim seinen eignen Vater morde. Des Jünglings Vorsatz wird entdeckt; der König Straft grausam den gesandten Mörder, wähnend, Er tödte seines Bruders Sohn. Zu spät Erfährt er, wer vor seinen trunknen Augen Gemartert stirbt; und die Begier der Rache

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Aus seiner Brust zu tilgen, sinnt er still Auf unerhörte That. Er scheint gelassen, Gleichgültig und versöhnt, und lockt den Bruder Mit seinen beiden Söhnen in das Reich Zurück, ergreift die Knaben, schlachtet sie, Und setzt die eckle schaudervolle Speise Dem Vater bei dem ersten Mahle vor. Und da Thyest von seinem Fleische sich Gesättigt, eine Wehmut ihn ergreift, Er nach den Kindern fragt, den Tritt, die Stimme Der Knaben an des Saales Thüre schon Zu hören glaubt, wirft Atreus grinsend, Ihm Haupt und Füße der Erschlagnen hin. – – – – – – – – Es wendete die Sonn’ ihr Antlitz weg, Und ihren Wagen aus dem ewgen Gleise – – Göthens Iphigenie. 367

Thyestes erzeugte in Blutschande mit seiner eignen Tochter P e l o p i a den A e g i s t h u s , der, als er erwachsen war, den Atreus tödtete, und dessen Söhne A g a m e m n o n und M e n e l a u s verjagte, worauf Thyestes den Thron bestieg. Die vertriebnen Söhne des Atreus vermählten sich mit den Töchtern des Ty n d a r u s ; Agamemnon mit der K l y t e m n e s t r a , und mit der H e l e n a Menelaus. Sie rächten des Atreus Tod; verjagten den Thyestes; und Agamemnon erhielt seines Vaters Reich, und herrschte zu M y c e n e , wo er mit der Klytemnestra die I p h i g e n i e , E l e k t r a , und den O r e s t erzeugte; Menelaus folgte dem Ty n d a r u s in der Herrschaft über S p a r t a . Als Agamemnon nun das Heer der Griechen gegen die Trojaner anführte, versöhnte er sich mit dem Aegisthus; verzieh ihm seines Vaters Tod, und vertraute sogar die Sorge für Klytemnestra, und für sein Haus ihm an. – Aegisthus aber mißbrauchte dieß Vertrauen; verleitete die Klytemnestra zur Untreue gegen den Agamemnon; und

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als dieser nach der Eroberung von Troja wieder in seine Heimath kehrte, ward er vom Aegisthus und seinem eignen Weibe mitten unter dem Gastmahl ermordet, das man bei seiner Ankunft, dem Scheine nach, ihm zu Ehren mit erdichteter Freude anstellte. Von den Kindern des Agamemnon war I p h i g e n i e schon bei der Fahrt nach Troja, wo sie für Griechenlands Wohl geopfert werden sollte, von Dianen nach Ta u r i s entrückt. – O r e s t e s wurde von seiner Schwester Elektra erhalten, die ihn heimlich zu dem mit der Schwester des Agamemnon vermählten Könige S t r o p h i u s schickte, welcher zu Phocis herrschte, und mit dessen Sohn P y l a d e s Orestes ein unzertrennliches Freundschaftsbündniß knüpfte. – Nur E l e k t r a blieb zu Hause den Mißhandlungen ihrer entarteten Mutter ausgesetzt. Klytemnestra vermählte sich nun ohne Scheu mit dem A e g i s t h u s , und setzte ihm selber die Krone auf, die er behauptete, bis Orestes in Begleitung des Pylades kam, um seines Vaters Tod zu rächen. Sie streuten ein falsches Gerücht vom Tode des Orestes aus, worüber Aegisthus und Klytemnestra vor Freude außer sich, ihr schwarzes Verhängniß nicht ahndeten. Orest erschlug mit eigner Hand s e i n e M u t t e r und den A e g i s t h , die Mörder seines Vaters. Weil er aber s e i n e M u t t e r getödtet hatte, ward er von den Furien verfolgt umhergetrieben, und keine Aussöhnung vermochte, das Andenken dieser That bei ihm auszulöschen, bis ein Orakelspruch des Apollo ihm Befreiung von seiner Qual verhieß, wenn er nach Tauris gehen, und die Bild- säule der Diana von dort nach Griechenland entführen würde. Orest begab sich mit seinem getreuen Pylades auf die Reise, und als sie in Tauris anlangten, sollten sie beide oder einer von ihnen nach dem alten barbarischen Gebrauch, der alle Fremden traf, der Göttin geopfert werden. Hier war es, wo jeder der beiden Freunde großmüthig sein Leben für den andern darbot. Orestes aber gab sich seiner Schwester Iphigenie, der Priesterin Dianens zu erkennen, und diese fand ein Mittel, die Bildsäule der Diana auf ihres Bruders Schiff zu bringen, und mit ihm und seinem

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treuen Freunde nach Griechenland zu entfliehen. Der Orakelspruch des Apollo wurde erfüllt; Orestes ward von den quälenden Furien befreit, und herrschte ruhig zu Mycene; der Zorn der Götter über Pelops Haus schien endlich zu ermüden. Der neue Dichter der Iphigenie auf Tauris gibt der alten Dichtung eine feine Wendung. Er läßt den Orakelspruch des Apollo, dem Orestes Ruhe verheißen, w e n n e r d i e S c h w e s t e r , d i e w i d e r W i l l e n i m H e i l i g t h u m z u Ta u r i s b l i e b e , n a c h G r i e c h e n l a n d b r i n g e n w ü r d e . Dieß mußte Orest nothwendig auf Dianen, die Schwester des Apollo deuten, weil er von dem Aufenthalt seiner eignen Schwester in Tauris noch nichts wußte. Nach diesem Ausspruch durfte Iphigenie die Bildsäule der Diana nicht entwenden, und keinen Verrath an ihrem Wohlthäter dem Könige T h o a s begehen, von dem sie großmüthig entlassen wird.

Troja.

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Außerhalb Griechenland war Troja der vorzüglichste Schauplatz der tragischen Begebenheiten, welche in Gesängen der Nachwelt überliefert, und auf der Schaubühne dargestellt, in immerwährendem Andenken sich erhielten. – Vom unerbittlichen Fatum selber war die Zerstörung von Troja einmal beschlossen; zu ihrem Untergang mußte sich alles fügen; und Götter und Menschen vermochten nichts gegen den Schluß des Schicksals. Als E r i s , bei der Vermählung des Peleus mit der Thetis, in das hochzeitliche Gemach, wo alle Götter und Göttinnen versamlet waren, den goldnen Apfel mit der Inschrift warf, die ihn d e r S c h ö n s t e n zutheilte, so wurden J u n o , Ve n u s , und M i n e r v a , unter allen Göttinnen, um den Preis der Schönheit zu wetteifern, einstimmig am würdigsten erkannt. Ein unbefangner Hirt, der auf dem I d a weidete, sollte den Ausspruch thun. Dieser Hirt war P a r i s , ein Sohn des P r i a m u s , der über Troja herrschte. Als die Göttinnen vor ihm er- schienen, und den entscheidenden Ausspruch von ihm verlangten, mußten sie sich ent-

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kleiden; – eine jede von ihnen versprach ihm heimlich eine Belohnung, wenn er den Apfel ihr zutheilte; Juno versprach ihm Macht und Reichthümer, Minerva Weisheit, Venus das schönste Weib auf Erden, – und Paris theilte den goldnen Apfel der Venus zu. Von dieser Zeit an hegten Juno und Minerva nicht nur gegen den Paris, sondern gegen das ganze Haus des Priamus einen tiefen Groll im Busen; während daß Venus darauf dachte, ihr Versprechen dem Paris zu erfüllen. Das schönste Weib auf Erden war H e l e n a , welche Jupiter in der Gestalt des Schwans mit der L e d a erzeugte; die vom Theseus in ihrer Kindheit schon einmal entführt, von ihren Brüdern K a s t o r und P o l l u x aber wieder nach Sparta zurückgebracht ward, wo sie mit dem Menelaus des Agamemnons Bruder sich vermählte. P a r i s schifte nach Griechenland, und ward vom Menelaus gastfreundlich aufgenommen; während dessen Abwesenheit es durch die Veranstaltung der Venus ihm gelang, die Helena zu entführen. Als er nach Troja zurücksegelte, und die Winde schwiegen, prophezeihte der wahrsagende Meergott N e r e u s ihm alles Unglück, was für Troja aus dieser Entführung erwachsen würde; und nicht lange blieb die Erfüllung aus. Ganz Griechenland nahm an dem Schicksal des Menelaus Theil. Gegen den Paris waren alle Gemüther wegen der Verletzung des heiligen Gastrechts aufgebracht; auch hielt man die S c h ö n h e i t selber für wichtig genug, um ihren Raub als den Raub von etwas Kostbarem zu betrachten, das man der Mühe wohl werth achtete, um es den Händen der Barbaren mit Kriegesmacht wieder zu entreißen. Als eine Gesandschaft an den Priamus, die Helena vergeblich zurückgefordert hatte, verbanden sich die Fürsten Griechenlands mit einem Schwur zum Kriege gegen Troja, und theilten dem Agamemnon, welcher der mächtigste unter ihnen war, den Oberbefehl im Heere zu. Ein jeder rüstete Schiffe aus, und in dem Hafen von A u l i s versammlete sich die griechische Flotte. Die vornehmsten Anführer in diesem Kriege, deren fast aller schon gedacht ist, waren:

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Agamemnon; Menelaus; Nestor; D i o m e d e s , des Tydeus Sohn; A j a x , der Sohn des Telamon; Ulysses; A c h i l l e s , Peleus Sohn; P a t r o k l u s , des Menötius Sohn; Podalirius, Söhne des Aeskulap; Machaon, P h i l o k t e t , der letzte Gefährte des Herkules. S t h e n e l u s , des Kapaneus Sohn; T h e r s a n d e r , des Polynices Sohn; I d o m e n e u s , des Minos Enkel. Als nun das ganze Heer in Aulis versammlet war, zürnte Diana auf den Agamemnon, weil er einen ihr geweihten Hirsch getödtet hatte. – Man harrte lange vergebens, und es erhub sich kein günstiger Wind, mit dem die Flotte auslaufen konnte. Diana forderte durch den Mund des Priesters die Tochter des Agamemnon selbst zum Versöhnungsopfer. I p h i g e n i e wurde, begleitet von ihrer Mutter, zum Altar geführt; und schon war der Opferstahl gezückt, als Diana in einer Wolke Iphigenien nach Ta u r i s in ihr Heiligthum entrückte; statt der verschwundnen Iphigenie aber stand ein Reh zum Opfer am Altar. Diana war nun versöhnt; die Flotte segelte nach Troja ab; und I l i u m die eigentliche Stadt oder Burg des Königreichs Troja ward belagert. – Neun Jahr lang hatte, nach der Voraussagung des wahrsagenden Priesters K a l c h a s , die Belag- rung schon gewährt, als erst im zehnten das Verhängniß von Troja näher rückte. Die hohen himmlischen Götter alle nahmen an diesem Kriege Theil: Jupiter hielt des Schicksals Wage. Auf der Seite der Griechen standen Juno, Minerva, Neptun, Vulkan, Merkur; auf der Trojaner Seite, Venus, Apoll, Diana, und Latona. Mars, als der Gott des Krieges selber, ging von einem Heere zum andern, von den Griechen zu den Trojanern über.

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Wie nun die Götter an diesem Kriege Theil nehmen; von Sterblichen verwundet werden; sich selber in dem Treffen der Griechen und Trojaner einander zum Streit auffordern; und wie die Göttergestalten in ihren Zügen sich unterscheiden; dieß alles ist in dem Abschnitt: d i e m e n s c h e n ä h n l i c h e B i l d u n g d e r G ö t t e r , schon erwähnt, und auf die Weise ein großer Theil der Geschichte des Trojanischen Krieges in jene Schilderung schon vorläufig eingewebt. Was nun im zehnten Jahr der Belagrung die Erobrung von Troja verzögerte, war d e r Z o r n d e s A c h i l l e s , der mit dem Agamemnon sich entzweite, und eine Zeitlang am Kriege keinen Theil nahm. – Als nehmlich Agamemnon sich weigerte, die gefangne zur Beute ihm zugefallne C h r y s e i s , ihrem Vater, einem Priester des Apollo, gegen ein Lösegeld, auf sein Bitten, zurückzugeben; so hörte Apollo das Flehen des verwaißten Vaters, und sandte zürnend seine Pfeile in das Lager der Griechen, daß eine Pest entstand, welche verheerend um sich greifend, zahlloses Volk hinrafte. Durch den Mund des Priesters K a l c h a s ward es offenbar, durch wessen Schuld die Griechen leiden mußten. Als Agamemnon nun die C h r y s e i s zurückzusenden sich länger nicht weigern konnte, verlangte er, daß die Griechen ihn für den Verlust seiner Beute schadlos hielten. Da schalt Achill ihn seines Stolzes, und seines Eigennutzes wegen; und als ihm Agamemnon drohte, war er schon im Begriff gegen ihn das Schwerdt zu zücken, hätte nicht an den gelben Locken Minerva selbst ihn zurückgehalten. Agamemnon aber, der auf die Schadloßhaltung um desto mehr bestand, ließ, um sich zu rächen, die schöne B r i s e i s aus dem Zelte des Achilles in das seinige hohlen. – Da flehte Achill am einsamen Ufer des Meeres seine Mutter T h e t i s an, sie möchte den Jupiter bewegen, von nun an den Trojanern beizustehn, damit die Griechen ihn vermissen, und seinen Zorn empfinden möchten. Jupiter gewährte der Thetis Bitte, und gab den Trojanern Sieg, an deren Spitze H e k t o r , der Sohn des Priamus fochte, und sich unsterblichen Ruhm erwarb. Vergebens suchten nun die Griechen den Achill wieder zu versöhnen. Sein Sinn blieb unbeweglich. Bis endlich

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die Trojaner soweit vordrangen, daß sie Feuer in die griechischen Schiffe warfen; da gab Achilles seinem Busenfreunde, dem P a t r o k l u s , seine Rüstung, und schickte ihn statt seiner mit einem Haufen, den Griechen beizustehn. Des Patroklus Fall war schon beschlossen; allein vorher erwarb er sich noch glänzenden Ruhm; S a r p e d o n , Jupiters Erzeugter, und viel andre tapfre Helden fielen vor seinem Schwerdte. – Als aber sein Verhängniß nahte, so stand in Nacht gehüllt, Apollo dicht hinter ihm. – Auf Nacken und Schultern schlug er ihn mit der flachen Hand, daß sich sein Auge verdunkelte; er warf seinen Helm ihm vom Haupte, daß er unter den Füßen der Pferde rollte; in seiner Hand zerbrach er den schweren ehernen Spieß, und lößte ihm selber den Panzer auf. – Patroklus stand betäubt mit wankendem Knie; Hektor gab ihm den tödtlichen Stoß. Die Seele des Patroklus stieg zum Orkus, u n d t r a u erte über ihr Schicksal, weil sie die jugendliche Kraft zurückließ. Als nun Achilles des Patroklus Tod vernahm, so schwand auf einmal sein Zorn dahin. – Jammernd und wehklagend um den Todten, fand ihn seine Mutter, die aus der Tiefe des Meeres emporstieg. Ob diese ihm gleich verkündigte, daß nach des Hektors Tode sein Fall beschlossen sey, so schwur er dennoch des Freundes Tod zu rächen, gleichviel, was ihn für ein Schicksal treffen möge! Als Thetis ihn fest entschlossen sahe, suchte sie ihn die übrigen kurzen Tage zu trösten und aufzuheitern; versprach und brachte ihm eine kostbare Waffenrüstung vom Vulkan geschmiedet, womit Achill ins Treffen ging, nachdem sich Agamemnon wieder mit ihm versöhnt, und ihm die B r i s e i s unberührt zurückgegeben hatte. Nun eilte auch der Zeitpunkt heran, wo Hektor fallen, sein alter Vater P r i a m u s und seine Mutter H e k u b a um ihn jammern, und seine Gattin A n d r o m a c h e mit lauter Wehklage ihn betrauren sollte. – Das Heer der Trojaner flüchtete in die Stadt; Hektor blieb allein zurück, um mit dem Achill den Kampf im Felde zu bestehen; als dieser ihm aber nahe kam, und die göttliche Waffenrüstung dem Hektor in die Augen blitzte, ergriff ihn plötzliches Schrecken; – er

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nahm die Flucht, und dreimal jagte Achill ihn um die Mauern von Troja; so lange hatte Apoll dem Hektor sein Knie gestärkt; als zum viertenmale der Lauf begann, nahm Jupiter die Wagschale in die Hand, und legte zwei todbringende Loose darauf, das eine des Hektors, das andre des Achilles, und Hektors Schale sank bis zum Orkus nieder. – Da verließ ihn Apollo. Die beiden Helden fochten; Hektor fiel; und Achilles band ihn mit den Füßen an seinen Wagen, und schleifte ihn im Staube um die Mauern von Troja, daß H e k u b a heulend ihr Haar zerraufte, und der alte Priamus flehend seine Hände ausstreckte. Das Leichenbegängniß des Patroklus wurde nun mit öffentlichen Kampfspielen im Lager der Griechen gefeiert, während daß Hektors Leichnam unbegraben lag. Allein in nächtlicher Stille vom Merkur geleitet, kam der Greis Priamus selber in des Achilles Zelt, umfaßte dessen Knie, und flehte ihn um den Leichnam seines Sohnes. Die Götter hatten schon des Achilles Herz erweicht; er dachte an seinen alten Vater Peleus, der auch nun bald den Tod seines Sohnes betrauern würde, und gewährte dem Priamus seiner Bitte, der mit dem Leichnam Hektors schnell nach Troja eilte, und ihm mit allem Volke die Todtenfeier hielt. Auch war das Verhängniß des Achilles nun nicht mehr weit entfernt; nachdem er noch einige ruhmvolle Thaten vollbracht, traf vom Apollo gelenkt, des Paris tödtlicher Pfeil ihm in die F e r s e , wo er allein verwundbar war. Um seine Waffen entstand ein trauriger Streit; die Griechen sprachen sie dem Ulysses zu; worüber A j a x , welcher nach dem Achill der tapferste unter den Griechen war, aus Mißmuth sich selbst entleibte. P a r i s ward bald nachher vom P h i l o k t e t mit einem der Pfeile getödtet, die in das Blut der Lernäischen Schlange getaucht, vom Herkules ihm hinterlassen waren. Auch war der Fall von Troja nun beschlossen, das nach so viel Blutvergießen, dennoch am Ende nicht mit Macht, sondern mit L i s t erobert werden mußte. Auf den Rath des U l y s s e s wurde nehmlich ein ungeheuer großes h ö l z e r n e s P f e r d gebaut, in dessen Bauch die Helden sich versteck-

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ten, während daß das Heer der Griechen sich auf die Schiffe begab, und die Küste von Troja zum Schein verließ. – Nur S i n o n blieb zurück, und stellte sich als ein Flüchtling, der von den Griechen verfolgt, bei den Trojanern um Schutz und Hülfe flehte, und gleichsam wie ein Geheimniß ihnen entdeckte, daß das hölzerne Pferd erbaut sey, um die Minerva zu versöhnen, weil die Griechen das P a l l a d i u m , eine Bildsäule dieser Göttin, welche das Unterpfand des Reichs war, aus Troja entwendet hatten. – Hierzu kam noch, daß der Priester L a o k o o n , der vor dem Pferde warnte, und mit dem Spieß in dessen Seite fuhr, von zwei großen Schlangen, die übers Meer kamen, mit seinen Söhnen umwunden, und getödtet ward. Nach dieser schrecklichen Begebenheit blieb an S i n o n s Aussage kein Zweifel übrig; man eilte in vollem Jubel dieß neue Unterpfand der Wohlfahrt des Reichs in die Stadt zu bringen; Knaben und junge Mädchen freuten sich, mit an das Seil zu fassen; man riß einen Theil der Mauern nieder; das Pferd stand mitten in I l i u m . – Man frohlockte bis tief in die Nacht, und alles war zuletzt vom Taumel der Freude berauscht, entschlummert; als Sinon an des hölzernen Pferdes Bauch die Leiter setzte, die Thür sich öfnete, und die Helden leise hinunterstiegen. In der Nähe stand schon das griechische Heer; das Zeichen mit der angezündeten Fackel ward gegeben; durch die niedergerißne Mauer drang man in die Stadt; und während noch der Schlummer die Augenlieder seiner Einwohner deckte, war Troja schon ein Raub der Flammen. An seinem Hausaltare ward der Greis Priamus vom P y r r h u s getödtet; Hekuba und Andromache, und die Töchter des Priamus wurden gefangen hinweggeführt. – Die Herrlichkeit von Troja war in Schutt und Asche versunken. Doch mußten die Griechen auch bei ihrer Rückkehr noch für ihren theuer erkauften Sieg mit mancherlei Unglücksfällen büßen. Am meisten unter allen U l y s s e s , der zehn Jahre umherirrte, ehe er seine geliebte Heimath wieder erblickte. Mit Gefahr und List entkam er dem Cyklopen P o l y p h e m , der, nach seinen Gefährten, auch ihn zu verschlingen drohte. Aus dem stillen trügerischen Hafen der men-

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schenfressenden L ä s t r y g o n e n , eines Riesenvolkes, entrann er nur mit einem einzigen Schiffe, womit er auf der Insel der mächtigen C i r c e landete, und ohne von ihrem Zaubertranke besiegt zu werden, ein Jahr bei ihr verweilte. Dann stieg er ins Reich der Schatten; schiffte, an den Mastbaum gebunden, nachdem er die Ohren seiner Gefährten mit Wachs verklebt, vor den S i r e n e n vorüber, und hörte ohne Gefahr ihren verführerischen Gesang; zwischen dem Strudel C h a r y b d i s , und der felsigten S c y l l a , schifte er die schmale gefährliche Straße hindurch, und landete an einer Insel, wo seine Gefährten, wider sein Verbot, der Sonne geweihte Rinder schlachteten und verzehrten. Sobald das Schiff aufs Meer kam, ward es von Jupiters Blitz zerschmettert; des Ulysses Gefährten kamen um; er rettete sich allein, und schwamm an die Insel der K a l y p s o , die ihm Unsterblichkeit versprach, wenn er mit ihr sich vermählen wolle, und ihn, so sehr er sich auch nach seiner Heimath sehnte, geraume Zeit zurückhielt, bis sie, auf den Befehl der Götter, auf einem von ihm selbst gebauten Floß mit günstigem Winde, ihn entließ. Als er nah an I t h a k a war, erblickte ihn Neptun, der wegen seines Sohns, des Polyphem noch auf ihn zürnte, dem Ulysses, um ihm zu entfliehen, sein einziges Auge ausbrannte. – Plötzlich wurde das Meer vom Sturmwind aufgeregt. Von seinem Floß herabgeworfen, ein Raub der ungestümen Wellen, verzagte Ulyß, am Felsen angeklammert, im wilden Sturme nicht; schwimmend rettete er sich mit Gefahr und Noth auf die Insel der P h ä a c i e r , die ihn gastfreundlich aufnahmen, und mit Geschenken überhäuft in seine Heimath sandten, wo er seine treue Gattinn P e n e l o p e , seinen Vater L a e r t e s , und seinen Sohn Te l e m a c h wieder fand. Er tödtete zuerst die ungerechten und übermüthigen Freier P e n e l o p e n s , die schon seit Langem seine Habe aufzehrten, und des jungen Telemachs Tod einmüthig beschlossen hatten. Nun herrschte er wieder in seinem Reiche; die Seelen der getödteten Freier führte Merkur in die Unterwelt. Auf der hier beigefügten Kupfertafel ist, nach antiken geschnittnen Steinen, P a r i s , wie er den goldnen Apfel Aphroditen zutheilt, und A c h i l l am Grabe des Patroklus opfernd, abgebildet.

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Niobe.

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Mit dem Könige A m p h i o n , der über Theben herrschte, war Niobe, die Tochter des Tantalus vermählt; – sie gebahr dem Amphion sieben Söhne und sieben Töchter, und spottete einst übermüthig der Verehrung der L a t o n a , welche nur einen Sohn, und eine Tochter gebohren. Kaum waren die frevelnden Worte über ihre Lippen, so flogen schon die unsichtbaren Pfeile des Apollo und der Diana in der Luft. – Mit dem nie verfehlenden Bogen tödtete Apollo ihre sieben Söhne; und Diana mit furchtbarem Geschoß tödtete ihre sieben Töchter. – Auf einmal aller ihrer Kinder beraubt, ward Niobe in Thränen aufgelößt, in einen Stein verwandelt, der auf dem Berge S i p y l o n noch immer von Thränen träufelnd, ein Zeuge ihres ewigen Kummers ward.

Cephalus und Prokris.

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Cephalus, ein Sohn des D e j o n e u s , war mit der Prokris des E r e c h t h e u s Tochter erst kurze Zeit vermählt, als er einst am frühen Morgen auf dem H y m e t t i s c h e n Gebürge jagte, wo Aurora ihn entführte. – Da er zu seiner inniggeliebten Prokris wiederzukehren wünschte, entließ ihn Aurora mit dem Bedeuten, es werde mit seiner Vermählten ihm nicht nach Wunsch ergehen. Diese Worte fachten die Eifersucht in seinem Busen an; unter einer Verkleidung suchte er die Liebe der Prokris zu gewinnen; und als sie ihm kaum einen Schein der Hoffnung blicken ließ, so gab er sich zu erkennen, und klagte sie der Untreue an, worauf sie unwillig ihn verließ. Als Cephalus nun nach einiger Zeit sich wieder mit ihr versöhnte, ward Prokris von Eifersucht gequält, weil sie vernahm, daß ihr Gemahl die Nymphe A u r a liebte, mit der er auf der Jagd verstohlnen Umgangs pflege. Einst versteckte Prokris sich im Gebüsch, um ihren Gatten zu belauschen. Dieser seufzte, erhitzt vom Jagen, unter dem Nahmen A u r a , nach nichts als nach der k ü h l e n L u f t . Prokris

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aber, welche den Nahmen ihrer Nebenbuhlerin von seinen Lippen zu hören glaubte, regte sich im Gebüsch. Cephalus meinte das Rauschen von einem versteckten Wild zu hören, wornach er seinen Jagdspieß warf, der seine unglückliche Gattin traf, welche sterbend ihren Irrthum erst erkannte. –

Phaeton.

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In Aegypten, wo Jupiter mit der J o den E p a p h u s erzeugte, hatte auch K l y m e n e dem H e l i o s oder dem Sonnengotte den P h a e t o n gebohren. Diesem warf einst E p a p h u s vor, daß er kein Sohn der Sonne sey, sondern daß seine Mutter sich dessen nur fälschlich rühme. – Um auf die glänzendste Weise diesen bittern Vorwurf zu widerlegen, begab sich Phaeton, auf Anstiften seiner Mutter, selber zum Pallast des Sonnengottes, und ließ sich erst von ihm beim Styx zuschwören, daß er seine Bitte gewähren wolle; dann bat er ihn, daß er nur einen Tag den Sonnenwagen lenken dürfe. H e l i o s , der den Schwur nicht widerrufen konnte, mußte die unglückliche Bitte seinem Sohn gewähren, der voller Muth den Wagen besteigend, die Sonnenpferde antrieb, welche bald ihren Führer vermissend, aus dem Gleise wichen, zuerst dem Himmel und dann der Erde zu nahe kamen, daß Berg und Wald sich entzündete, und Quellen und Flüsse versiegten; da flehte die Erde den Jupiter um Hülfe an, welcher seine Blitze auf den Phaeton schleuderte, der in den Fluß E r i d a n u s stürzte, wo seine drei Schwestern, die Sonnentöchter oder H e l i a d e n , L a m p e t i a , P h a e t u s a , und A e g l e ihn so lange beweinten, bis sie in Pappelbäume verwandelt wurden, und auch als solche noch Zähren vergossen, die sich zu dem durchsichtigen B e r n s t e i n in der Fluth verhärteten. – C y g n u s , des Jünglings Freund, betrauerte seinen Tod so lange, bis durch den Schmerz sein Wesen aufgelößt, in die Gestalt des Schwans hinüberging, der immer auf der Fluth verweilte, welche den Phaeton verschlang. Mit Freund und Schwestern, die um ihn klagen, findet man auch auf den antiken Marmorsärgen, den Sturz des Phaeton abgebildet.

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Die Schattenwelt. Der Ta r t a r u s oder E r e b u s war eigentlich die Wohnung der Nacht, da wo man sich die Sonne untersinkend dachte, am äußersten Ende der Erde, wo auch die Behausung des P l u t o war, u n t e r w e l c h e r die gestürzten Titanen, die Söhne des Himmels, im dunkeln Gefängniß trauern mußten. – Da waren aber auch in dem a t l a n t i s c h e n O c e a n , nahe an den Grenzen der Nacht, die Inseln der Seeligen, auf denen ein ewiger Frühling herrschte. – An eben diesem dämmernden Horizonte ruhte der Himmel auf des Atlas Schultern. – Auch hatte die Einbildungskraft die fabelhaften Gärten der H e s p e r i d e n hieher versetzt, und die Hesperiden selber waren Kinder der Nacht. – So wie aber irgend ein Land von Griechenland w e s t w ä r t s lag, es mochte nun näher oder entfernter seyn, trug die Phantasie jene schwankenden Begriffe darauf über. In Griechenland selber dachte man sich bei dem Vorgebirge T ä n a r u m einen Eingang in das Reich des Pluto; und in T h e s p r o t i e n , dem w e s t l i c h s t e n Theile von Griechenland strömten die Flüsse A c h e r o n und K o c y t u s , welche diese Nahmen würklich führten; auch war es in dieser Gegend, wo T h e s e u s und P i r i t h o u s zu den Schatten stiegen. – Weiter westwärts übers Meer an den Küsten Italiens dachte man sich bei dem Gift aushauchenden See Av e r n u s , über den kein Vogel fliegen konnte, einen Eingang in die Unterwelt; zuletzt ließ man bis an die Wohnung der Nacht, am westlichsten Ufer des Oceans, das weite Reich des Pluto grenzen; – gleichsam, als ob man gern an die Vorstellung vom S o n n e n u n t e r g a n g , auch die Ideen des Aufhörens und Verschwindens knüpfte.

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Pluto. Der König der Unterwelt hieß bei den Griechen A d e s oder A i d e s , der Unsichtbare, Unbekannte; – selbst sein Nahme bezeichnete das Dunkel, in welches noch kein sterbliches Auge blickte. – Er hieß auch

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der unterirdische oder s t y g i s c h e Jupiter; weil ihn die bildende Kunst dem Jupiter ähnlich, nur mit finstrerm Blick darstellte. Er hielt einen zweizackigten Zepter von Ebenholz in der Hand, und trug auf dem Haupte eine eiserne Krone; sein Helm machte u n s i c h t b a r , wen er bedeckte. Zum öftern ward er auch mit einem Getreidemaaß auf dem Haupte, als dem Sinnbilde der Fruchtbarkeit der auf ihm ruhenden Erdenfläche, abgebildet; dann hieß er Jupiter S e r a p i s , oder der Aegyptische Jupiter. – Wie Jugend und Schönheit unmittelbar oder durch Alter und Verwelken, der zerstörenden Macht, dem Grabe und der Verwesung zum Raube werden, ist in die schöne Dichtung, von der Entführung P r o s e r p i n e n s durch den Pluto, eingehüllt. Diese Dichtung ist ausführlich in die den Erzählungen von der Unterwelt so nah verwandte Göttergeschichte der C e r e s eingewebt. – Proserpina, die Tochter der Ceres ward, nachdem sie lange vergebens sich gesträubt, vom Pluto zur Königin der Schatten auf seinen Thron erhoben. – Diese Königin der Unterwelt hieß bei den Griechen P e r s e p h o n e , welcher Nahme selbst schon auf Zerstörung und Verwesung deutet. – In dem unterirdischen Pallaste sitzen nun, in melancholischer Eintracht, Pluto und Proserpina nebeneinander auf ihrem düstern Throne, und herrschen über das öde Reich der Todten. – Der dreiköpfigte C e r b e r u s wacht am Höllenthore, und auf seinem morschen Kahne fährt C h a r o n die Todten über den Fluß, den keiner je zurückschifft. – Die unterirdischen Gewässer, welche den Erebus umgeben, sind schon durch ihre Nahmen furchtbar: mit den Seufzern der Sterbenden fließt der A c h e r o n ; der schwarze K o c y t u s mit dem Ge- heul der Klage um die Todten; P y r i p h l e g e t o n wälzt sich mit Flammen fort; des über alles furchtbaren S t y x ist in dem Abschnitt von den a l t e n G ö t t e r n schon gedacht; nur aus dem wohlthätigen L e t h e trinken die Seelen der Abgeschiednen Vergessenheit der Sorgen und alles Kummers, der sie im Leben drückte. – Auch deutete im Grunde die ganze Dichtung vom Ades oder Pluto auf das G r a b , dessen enge Grenzen die Phantasie zu einer Schattenwelt sich erweiterte. Man nannte daher auch in den Dichtungen das

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Reich des Pluto ein ö d e s , l e e r e s R e i c h , und seine Behausung ein e n g e s H a u s . – Auf Grab und Verwesung zielt der m o r s c h e Kahn des Charon, der auf dem schwarzen sumpfigten Flusse, welcher kaum nur fortkriecht, des Schlammes viel durch seine Ritzen schöpft, sobald ihn eine ungewohnte Last beschwert. Auch werden die Todten immer wie in einer Art von Tr a u m w e l t dargestellt; sie selbst sind leere Schattenbilder, die erscheinen und verschwinden, und denen doch die Entbehrung von demjenigen fühlbar ist, was sie besaßen; die immer noch wie im Leben thätig zu seyn sich fruchtlos anstrengen, wie einer, der im ängstlichen Traume vergebens sich abarbeitet, indem er zu schreien sich bemüht, und kaum einen schwachen Laut hervorbringt. Als Ulysses auf den Befehl der Circe zu den Schatten stieg, versammleten sich um die Grube, in welche er das schwarze Blut der Opferthiere fließen ließ, die Seelen der abgeschiednen Jünglinge, Jungfrauen, Männer im Kriege getödtet, und Greise, die vieles erlitten hatten. – Seine Mutter erschien ihm, und als er sie umarmen wollte, wich ihr Schatten zurück; sie lehrte ihn, daß die Seele, sobald der Körper zerstört ist, w i e e i n Tr a u m , davon flieht. Der Schatten des Agamemnon streckte nach dem Ulyß seine Arme aus, aber i n d e n G l i e d e r n w a r k e i n e K r a f t m e h r . – Ulysses redete den Schatten des Achilles an, und prieß ihn glücklich, weil er im Leben berühmt gewesen, und nun auch geehrt unter den Todten sey; da antwortete Achill, e r w o l l e , w e n n e s i h m m ö g l i c h w ä r e , i n s Leben zurückzukehren, lieber kümmerlich einem arm e n Ta g e l ö h n e r s e l b s t u m Ta g e l o h n d i e n e n , a l s h i e r i n d e r U n t e r w e l t ü b e r a l l e To d t e n h e r r s c h e n . Auch des H e r k u l e s Schattenbild sah Ulysses hier, obgleich e r s e l b e r unter den unsterblichen Göttern seinen Sitz hat. A e n e a s , welcher, um seinen Vater A n c h i s e s zu sehen, zu den Schatten stieg, hörte, sobald er vom Charon über den Fluß gesetzt, am jenseitigen Ufer ausstieg, das Geschrei und Weinen der Kinder, die gleich nach ihrer Geburt gestorben waren, ohne des süßen Lebens genossen zu haben; – nächst diesem war der Aufenthalt der unschul-

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dig zum Tode Verurtheilten, und derjenigen, welche selbst Hand an sich gelegt, weil ihnen der Tag und das Licht verhaßt war, und die nun gern die drückendste Armuth und die schwerste Arbeit erdulden würden, um zur Oberwelt wieder zurückzukehren, wenn es das unerbittliche Fatum verstattete. Dann kamen die Trauergefilde, worin diejenigen wandelten, denen unglückliche Liebe das Leben kürzte. – Zur Linken war der Tartarus, in welchem die Verächter der Götter ihren Frevel büßten; zur Rechten war E l y s i u m , der Aufenthalt der Seeligen, und vorzüglich der Seelen der Menschen aus den bessern goldnen Zeiten, die noch mit keinen Verbrechen sich befleckt hatten. Hier war es auch, wo Aeneas seinen Vater Anchises fand, welcher ihn über Geburt und Tod, über Werden und Vergehen geheimnißvolle Dinge lehrte, und die dunkle Zukunft vor seinem Blick enthüllte. Auf der hier beigefügten Kupfertafel ist, nach antiken geschnittnen Steinen, Pluto, als J u p i t e r S e r a p i s mit dem Cerberus ihm zur Seite, und C h a r o n abgebildet, in dessen Kahn ein Abgeschiedner steigt, dem, vom Merkur herbeigeführt, der mürrische Charon selbst mit Freundlichkeit die Hand reicht.

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T i s i p h o n e , die Rächerin des Mordes; M e g ä r a , die drohende; A l e k t o , die nimmer ruhende; – strenge und unerbittliche Göttinnen, das Unrecht und den Frevel zu strafen, mit Schlangenhaaren auf dem Haupte, und Dolchen und Fackeln in den Händen. – Sie quälten den Verbrecher mit schrecklichen Erscheinungen; – sie verfolgten O r e s t , den Muttermörder, und ließen ihm keine Rast. – Die Ehrfurcht gegen sie ging so weit, daß man sich kaum getraute, ihre Nahmen zu nennen; – doch suchte man durch Gebet und Opfer sie zu versöhnen.

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Die Strafen der Verurtheilten im Tartarus. Die Verdammten im Tartarus sind nicht sowohl zum eigentlichen Leiden, als vielmehr zu einer z w e c k l o s e n T h ä t i g k e i t , in so fern dieselbe ein Bild des mühevollen Lebens ist, verurtheilt. – Ihre Strafe scheint zu seyn, daß selbst noch in die Behausung der Todten ihr r a s t l o s e s L e b e n sie verfolgt, und ihre grenzenlosen Bestrebungen nach einem zu hohen Ziele, wodurch sie den Göttern sich verhaßt machten, die es nicht dulden können, wenn Sterbliche, auf irgend eine Weise, ihnen zu sehr sich nähern wollen.

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Tantalus.

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Diesen weisen König, der in L y d i e n herrschte, stellt die Dichtung als einen Liebling der Götter dar. Er saß mit Jupiter selbst zu Tische, der an seinen Gesprächen, und an dem hohen Sinn seiner Rede sich ergötzte; allein – zum Knecht zu groß, und zum Gesellen des großen Donnrers nur ein Mensch, Göthens Iphigenie.

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verging er sich einstens mit zu dreisten Worten gegen den Jupiter, der ihn so tief hinunterstürzte, als hoch er ihn erhoben hatte. – Des Tantalus Strafe war, vor Durst verschmachtend stets die klare Fluth zu sehen, die bis ans Kinn vor ihm emporstieg, und schnell zurückwich, sobald er die Lippe benetzen wollte; – und über sich stets mit Sehnsucht den niedergesenkten früchtebeladnen Zweig zu sehen, der schnell in die Höhe wich, sobald er darnach seine Hand ausstreckte. Diese Strafe selber war gleichsam nur eine F o r t s e t z u n g s e i n e s L e b e n s ; ein Bild jener nie gestillten Begier, in das Wesen der Dinge, und in die Geheimnisse der Götter einzudringen, welche Begier ihn verleitete, selbst seinen Sohn zu schlachten, und ihn mit andern Speisen den Göttern vorzusetzen, um ihre Unterscheidungskraft zu prüfen. Wenn irgend etwas die furchtbare Neu- gier der Sterblichen, das

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Geheimnißvolle zu ergründen, bezeichnet, so ist es diese schreckliche Dichtung. – Es ist der Raub, den die Menschheit an sich selbst begeht, um die Grundursache ihres Daseyns zu erforschen. – Die Götter belebten des Tantalus Sohn, den P e l o p s , wieder; und die Dichtung rechtfertigt durch diese That des Tantalus seine Strafe. Alle seine übrigen Vergehungen waren Eingriffe in die Vorzüge der Götter. – Er entwandte ihnen die Götterspeise, damit sie von sterblichen Lippen sollte gekostet werden. – Auch stahl er den Hund des Jupiter, der dessen Heiligthum in Kreta bewachte, an welchem Raube auch P a n d a r u s Theil nahm, den die Götter mit dem Tode straften, und dessen Töchter noch seinen Frevel büßten. – Es war das kühne Geschlecht des J a p e t , das sich empörend, und seine Grenzen überschreitend, den unversöhnlichen Haß der Götter auf sich lud.

Ixion. 15

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Fast ein gleiches Schicksal mit dem Tantalus hatte I x i o n , der in Thessalien herrschte; er wurde auch an die Tafel der Götter aufgenommen, wo die Reitze der Juno ihn seiner Sterblichkeit vergessen ließen. – Er ruhte nicht eher, als bis er glaubte, das Ziel seiner Wünsche erreicht zu haben; allein ihn täuschte auf dem Gipfel seines eingebildeten Glücks ein Blendwerk: s t a t t d e r J u n o u m a r m t e e r e i n e Wo l k e ; aus dieser Umarmung entstand wiederum ein täuschendes Bild, ein bloßes Geschöpf der Phantasie, die fabelhaften Centauren, wo Mann und Roß ein Körper sind. Die vermeßnen Ansprüche dieses Sterblichen auf die Umfassung des Hohen und Himmlischen wurden nicht nur getäuscht, sondern auch bestraft. – Ixion ward plötzlich von dieser Höhe in den Tartarus hinabgeschleudert, wo er an ein Rad gefesselt, sich ewig im Kreise drehet, und so für seine frevelnden Wünsche büßet, die ihn die Grenzen der Menschheit übersteigen ließen. Die immerwährende U n r u h e bleibt, aber sie ist z w e c k l o ß , gleich dem mühevollen Rade menschlicher Bestrebungen, die sich nur um sich selber drehen.

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Phlegyas.

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Einer der tapfersten und kriegrischsten Fürsten Griechenlands war Phlegyas, der eine Stadt erbaute, die er nach seinem Nahmen nannte, und sie mit den ausgesuchtesten, tapfersten Kriegern bevölkerte. Man nannte sie die Söhne des Mars, und Schrecken ging vor ihnen her, wohin sie kamen. – Als nun Apollo dem Phlegyas seine Tochter K o r o n i s entführte, so setzte dieser seinem Zorn und seiner Rache keine Grenzen, sondern brach auf, eroberte D e l p h i , und verbrannte den Tempel des Apollo. Dafür schwebt nun in der Unterwelt ein drohender Felsen ewig über seinem Haupte. Die immerwährende Gefahr, die er im Treffen aufsuchte, begleitete den wilden Krieger auch in den Tartarus hinab, und ist ein furchtbares Bild von dem Loose der Sterblichen, über deren Haupte beständig das in Dunkel gehüllte Schicksal schwebt, welches Verderben und Zerstörung drohet, indeß das beklemmte Gemüth von Furcht und Zweifel geängstigt wird.

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Die Danaiden. Der funfzig Töchter des D a n a u s , Königs in A r g o s , ist schon gedacht, wie sie auf den Befehl ihres Vaters, die H y p e r m n e s t r a ausgenommen, alle in einer Nacht ihre Männer ermordeten. Auch diese mußten in der Unterwelt durch z w e c k l o s e M ü h e für ihr Verbrechen büßen. Sie mußten in löchrichte Gefäße unaufhörlich Wasser schöpfen, und so i n j e d e m A u g e n b l i c k d i e F r u c h t i h r e r A r beit zerrinnen sehn.

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Sisyphus.

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S i s y p h u s , welcher Korinth beherrschte, war einer der t h ä t i g s t e n und weisesten Regenten seiner Zeit, und dennoch ist seine Strafe in der Unter- welt, auf die Spitze eines Berges einen großen Stein zu wälzen, der immer durch seine Schwere wieder hinunter rollt, so daß dem Unglücklichen, der unaufhörlich sich abarbeitet,

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kein Augenblick der Ruhe und Erholung gestattet ist. – Sisyphus erreichte ein h o h e s A l t e r , weswegen die Dichtung von ihm sagt, er habe die unterirdischen Götter betrogen, die ihn auf sein Versprechen, gleich wieder zurückzukehren, einst aus dem Orkus entlassen hätten, und denen er frevelnd sein Wort gebrochen. – Indem er, nach dieser Dichtung, seine Tage über das bestimmte Ziel zu verlängern suchte, so war es gleichsam der immer wieder herabrollende Stein, die m ü h s e l i g e A r b e i t d e s L e b e n s , die er sich selbst aufs neue wählte, und welche nun, als Schattenbild, im Tode ihn noch verfolgte. Auf der hier beigefügten Kupfertafel ist, nach einer antiken Gemme, S i s y p h u s den Stein in die Höhe wälzend, abgebildet; und nach einem antiken Basrelief sind Amor und Psyche sich umarmend dargestellt.

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Eine der reitzendsten Dichtungen ist die vom Amor und der Psyche. – Unter der Psyche mit S c h m e t t e r l i n g s f l ü g e l n abgebildet, dachte man sich gleichsam ein zartes geistiges Wesen, das aus einer gröbern Hülle sich emporschwingend, und verfeinert zu einem höhern Daseyn, zu schön für diese Erde, durch Amors Liebe selbst beglückt, zuletzt mit ihm vermählt ward, und an der Seeligkeit der himmlischen Götter Theil nahm. – Der Nahme Psyche selbst bedeutet sowohl einen Schmetterling als die S e e l e . – Die zartesten Begriffe von Tod und Leben sind dieser Dichtung eingewebt, welche gleichsam über die Schauer der Schattenwelt einen sanften Schleier deckt. Auf Erden war Psyche die jüngste von drei Königstöchtern; und sie blieb unvermählt, weil wegen ihrer himmlischen Schönheit kein Sterblicher es wagte, sich um sie zu bewerben. Auf den Befehl eines Orakelspruchs mußten ihre Eltern und Freunde sie w i e z u m To d e , i m L e i c h e n s c h m u c k , auf einen hohen Berg begleiten, und an dem Rande eines jähen Abgrundes sie verlassen. – Sobald sich Psyche allein sahe, ward sie von einem Zephir sanft emporgetragen, und in ein anmuthiges Gefilde, wo ein glänzender Pallast stand, zu Amors

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u n s i c h t b a r e n Umarmungen hinweggerückt. – Oft warnte Amors Stimme sie, bei dem Verlust seiner Liebe, niemals, wer ihr Liebhaber sey? neugierig nachzuforschen. Mitten aber im Genuß eines himmlischen Glücks, sehnte Psyche, zu ihrem Schaden, den- noch zu ihren Schwestern sich zurück, welche, auf ihren Wunsch vom Zephir hergetragen, in ihrem Aufenthalt sie besuchten, und ihr Glück beneidend, sie auf den Argwohn brachten, ihr unsichtbarer Liebhaber sey ein furchtbares Ungeheuer, von dem sie sich befreien, und es mit scharfem Eisen im Schlafe tödten müsse. – Die Schwestern wurden vom Zephir wieder hinweggetragen, und Psyche befolgte thöricht ihren Rath. – Kaum war es Nacht und Amor eingeschlummert, so trat sie mit einer Lampe und mit dem gezückten Dolche vor ihm hin, als sie statt eines Ungeheuers, den schönsten unter den unsterblichen Göttern, den himmlischen Amor selbst erblickte. Zitternd hielt sie die Lampe in der Hand, aus der ein Tropfen heißes Oehl auf Amors Schulter fiel, worüber er erwachte, und da er Psychen und das tödtliche Werkzeug sahe, zürnend sie verließ. Voll Verzweiflung, Amors Liebe verscherzt zu haben, suchte Psyche ihr Daseyn zu vernichten, und stürzte sich in den nächsten Fluß; allein die Wellen trugen sie an das jenseitige Ufer sanft hinüber, wo P a n , der Gott der Heerden, ihr den Trost gab, daß sie hoffen dürfe, für ihr Vergehen noch einst Verzeihung zu erhalten. – Die Schwestern der Psyche aber, welche die Folgen ihres Raths wohl vermutheten, wünschten nun selbst die Stelle der Verstoßnen einzunehmen, und stellten sich eine nach der andern auf die Felsenspitze, wo sie glaubten, daß der Zephir sie nach dem gewünschten Aufenthalt bringen würde; allein sie stürzten in die Tiefe hinab, und büßten ihren Neid, und den Verrath an ihrer Schwester, mit dem Tode. Um den Amor aufzusuchen, schweifte Psyche vergebens auf der ganzen Erd’ umher; sie flehte zuletzt die Venus selber um Erbarmung an, welche heftig auf sie zürnend, und auf ihre Schönheit eifersüchtig, ihr die härtesten Prüfungen, und die schwersten Arbeiten auferlegte, deren Ausführung oft unmöglich schien, – und die sie dennoch mit Hülfe wohlthätiger Wesen vollbrachte, welche Amor, d e r s i e s t e t s

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n o c h l i e b t e , ihr zum Beistande schickte. Psyche aber mußte lange für ihre Thorheit büßen, und des verscherzten Glücks erst wieder würdig werden. – Zuletzt befahl ihr Venus, selbst in die Unterwelt hinabzusteigen, und von der Proserpina eine Büchse zu fordern, welche hohe Schönheitsreitze in sich enthielte. Nun glaubte Psyche, sie müsse sterben, um in die Unterwelt zu kommen. Allein eine Stimme belehrte sie, von jeder Vorsicht, die sie nehmen, und warnte sie vor jeder Gefahr, die sie vermeiden müsse. Sie durfte Kuchen und Fährgeld nicht vergessen, jenen um den Cerberus zu besänftigen, dieses um den Charon zu befriedigen, der ihr, so wie den Todten, das Geld aus dem Munde nehmen mußte. Es waren n u r d i e G e b r ä u c h e d e s S t e r b e n s , welche von der Psyche beobachtet wurden, sie selber kehrte ans Licht empor; auch durfte sie sich dem Orkus durch nichts verbindlich machen, und an dem G a s t m a h l P r o s e r p i n e n s keinen Antheil nehmen, sondern auf der Erde sitzend nur schwarzes Brod verzehren. Vor allem aber mußte sie die Büchse mit den Schönheitsreitzen uneröfnet der Venus überbringen; und Psyche, welche nun in so vielen Proben bestanden war, erlag in dieser letztern. Kaum war sie der Unterwelt entstiegen, so nahm sie den Deckel von der Büchse, aus welcher ein höllischer Dampf ihr entgegenstieg, der sie in einen tiefen Todesschlummer senkte, von welchem Amor, der schon lange unsichtbar über ihr schwebte, sie wieder weckte, und über diesen zweiten Rückfall in Eitelkeit und Neugier ihr nur sanfte Vorwürfe machte; denn schon war sein Entschluß gefaßt, sich mit der Psyche zu vermählen; sie ward auf seine Bitte beim Jupiter unter die Zahl der Götter aufgenommen; auch Venus ward versöhnt; Gesang und Sai- tenspiel ertönte, und das ganze Chor der Götter nahm an der Hochzeitfeier des h i m m l i s c h e n A m o r s Theil, mit welchem Psyche, wie der Götterfunken mit seinem Ursprunge, sich vermählte.

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Register. Abas 204. Absyrtus 271. Abyla 246. Achelous 76. 248. Acheron 387. 388. Achilles 72. 325. 326. 342. 373 bis 378. 390. Acis 341. Ades 387. Admetus 113. 243. 262. Adonis 336. 337. Adrastus 355 bis 361. Aeakus 280. Aeea 272. Aeetes 260. 261. 268 bis 271. Aege 120. Aegeus 281. 282. 287. 291. 292. 294. 295. Aegialeus 361. Aegide 210. Aegipanen 319. Aegisthus 367. 368. Aegle, Hesperide 236. Heliade 385. Aegyptischer Bachus 177. Aegyptischer Jupiter 388. Aegyptus 202. 203. Aello 73. 266. Aeneas 131. 335. 390. 391. Aeolus 96. 212. 257. 258. Aerope 364. Aeskulap 326 bis 328. Aeson 258. 274. Aetna 193. Aethra 255. 287. 288. Agamemnon 367. 368. 372 bis 375. 377. 390. Aganippe 305. Agave 348.

Agenor 94. 346. 347. 349. Aglaja 64 Ajax 372. 378. Aides 387. Akrisius 205. 209. Aktäon 137. 349. Aktor 359. Alcäus 210. 217. Alceste 242. 243. Alcimede 258. Alcinous 272. 273. Alcyoneus 22. Alekto 392. Alkmene 217 bis 222. Aloeus 29. Aloiden 29. Alphäus 76. Alpheus 159. 160. 232. Althea 277. 278. Amalthea 18. Amathunt 192. Amathusia 192. Amazonen 215. 230. 231. Ambrosia 180. 394. Ammon (Jupiter) 101. 208. Amphiaraus 356. 357. 359. Amphion 350. 351. 382. Amphitrite 72. 113. Amphitryo 217 bis 220. 222. 224. Amphyktion 96. Amphyktionen 96. Amor 54 bis 56. 309. 311. 397 bis 402. Amykus 254. 266. Anaurus 259. Anaxo 217. Ancäus 268. Anchises 131. 335. 336. 390. 391. Androgeus 281.

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Andromache 377. 380. Andromeda 207. 208. 210. Antäus 240. 241. Antea 213. Anteros 310. Antigone 354. 355. 359. 360. Antiope, Amazonenkönigin 296. Antiope 350. Aphareus 256. Aphidnä 255. Aphrodite 56. 79. 191. Apollo 29. 83. 109 bis 115. 139. 159 bis 162. 183 bis 187. 203. 223. 239. 245. 287. 292. 305. 307. 327. 338 bis 340. 352. 368. 369. 374 bis 378. 383. 395. 396. Archemorus 358. Arethusa 236. Arges 14. Argo 262. 272 bis 274. Argolis 93. Argonauten 262 bis 275. Argos 188. 189. 203. Ariadne 292. 293. Arion 116. 359. Aristäus 349. Arkadien 97. 196. 197. Askalaphus 129. Asopus 77. Assarakus 326. Asteria 60. 61. Asträa 68. Asträus 16. 57. 64. Astyoche 364 Atalante 356 Atalante 277 bis 279. Ate 222. Athamas 258. 260. 349. Athen 42. 43. 95. 96. 150. 191. 255. 281 bis 283. 287. 288. 291 bis 295. 298 bis 300.

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Athene (Pallas) 95. Atlas 16. 31. 65. 77. 207. 246. 386. Atreus 363 bis 367. Atropos 44. 48. 68. Attika 93. 95. 295. 296. Atys 333. 334. Augias 231. 232. Aulis 372. Aura 384. Aurora 16. 57. 113. 334. 335. 383. Autonoe 348. 349. Avernus 387. Bachanal 176. 177. Bachantinnen 172. 173. 195. Bachus 167 bis 178. 293. 316. 317. 349. Baucis 197. 198. Bebrycien 266. Bellerophon 212 bis 215. Bellona 123. Belus 202. Bistoniden 194. Biton 188. 189. Böotien 40. 93. 260. 347. Boreas 194. 262. 266. 338. Briareus 14. 20. 21. 66. 72. Briseis 375. 377. Brontes 14. Busiris 241. Cäneus 200. Cefalonia 219. Cekrops 92. 95. Celäno 266. Celeus 141. 142. Cenäum 251. Centauren 223. 296. 297. 395. Cephalene 219. Cephalus 219. 383. 384. Cepheus 208. Cerberus 75. 236 bis 238. 388. 391. 401.

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Götterlehre

Ceres 19. 85. 116. 139 bis 145. 168. Ceto 70. 74 bis 76. 214. 226. Chaonien 97. 181. Charitinnen 311. Charon 237. 388. 389. 391. 401. Charybdis 272. 381. Chimära 75. 96. 212. 214. Chiron 77. 173. 223. 258. 325 bis 327. Chonidas 287. 288. Chrysaor 74. 75. Chryseis 374. 375. Chrysippus 363. 364. Cinyras 336. Circe 272. 381. 390. Cöus 14. 15. Corintischer Isthmus 274. Cyane 140. Cyaneen 266. 267. Cybele 164 bis 167. 279. 333. 334. Cycikus 265. Cygnus 385. Cyklopen 14. 17. 19. 149. 193. Cyllene 196. Cynthus 184. Cyparissus 338. 339. Cypern 191. 192. Cypselus 46. Cythäron 171. Cythere 192. 336. Dädalus 283 bis 286. 293. Damastes 290. Danae 205. Danaiden 396. Danaus 202 bis 204. Daphne 340. Dardanus 330. Dejanira 248 bis 252. Dejoneus 383. Delos 83. 183. 184. 292 bis 294. Delphi 136. 184 bis 187. 224. 287. 396.

Delphinen 170. 185. Deukalion 39. 40. 96. Diana 60. 61. 83. 110. 135 bis 139. 193. 194. 228. 276. 277. 340. 341. 373. 374. 383. Dice 67. Diktäische Grotte 180. Dindymus 265. Dino 74. Diomedes, Sohn des Mars 233. 234. Diomedes, Tydeus Sohn 127. 128 133. 276. 372. Dione 56. 113. 134. Dioskuren 255. Dirce 350. Dodona 97. 181. 182. 262. Donau 271. Doris 70. 71. 72. Dryaden 315. Dryas 200. Echidna 74. 75. Echion 348. Eimarmene 48. Elektra, Tochter des Ocean 73. Elektra, Agamemnons Tochter 367. 368. Elektryo 210. Eleus 219. Eleusinus 93. Eleusis 93. 141. 237. 290. Elis 174. 231. Elyktrio 217 bis 219. Elysium 391. Enceladus 22. Endymion 340. 341. Enyo 74. Epaphus 94. 384. Ephesus 193. 194. Ephialtes 29. Ephyra 274. Epidaurus 289. 328.

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Epigonen 360. Epimetheus 16. 38. 39. Epirus 97. 181. Epopeus 350. Erato 304. 307. Erebus 13. 386 bis 388. Erechthiden 95. 284. Erechtheus 95. 383. Erichthonius 150. Ericinische Venus 286. Eridanus 385. Eriphyle 356. 357. Eris 342. Eros 310. Erymanthischer Eber 227. 228. Erynnen 117. Erysichthon 144. Erythia 236. Eryx 286. Eteokles 354 bis 360. Euboä 249. 251. Eumäus 111. Euneus 265. Eunomia 67. Euphemus 273. Euphrosine 64. Europa 279. Eurotas 254. Euryale 74. 206. Eurybia 70. 73. Eurydice 195. Eurynome 63. 64. Eurystheus 221 bis 238. 364. Eurytion 235. Eurytus 249. 250. Euterpe 304. 307. Evander 242. Evenus 248. Everes 218. Fatum 44 bis 52. Faunen 174. 317 bis 319.

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Fließ 260 bis 262. 268 bis 270. Furien 15. 50. 392. Galatea 71. 341. Ganymedes 330 bis 333. 343. Gargarus 180. Gelanor 202. Genien 301. 302. 310. Geryon 234. 235. Giganten 22. 23. 27. Gnidus 192. Göthe 9 bis 12 35 bis 37. 103. 104. 331. 332. 345. 346. 365. 366. 369. 370. 393. Gorgo 126. Gorgonen 74. Gräen 74. Grazien 311 bis 313. Gyges 14. 20. 21. 66. Hämon 360. Hamadryade 315. Harmonia 348. Harpokrates 153. 154. Harpyen 73. 266. 267. Hebe 81. 253. 332. Hebrus 173. Hekate 60. 61. Hektor 201. 375 bis 378. Hekuba 377. 378. 380. Helena 131. 132. 254. 255. 367. 371. 372. Heliaden 385. Helikon 119. 305. Helios 57 bis 59. 113. 280. 384. 385. Helle 260. 261. Hellen 96. Hellespont 261. Hera 188. Heräen 188. Herkules 216 bis 253. 288. 296. 297. 305. 315. 390. Hermione 290.

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Götterlehre

Hermione, Tochter des Mars 348. Hesione 239. 240. Hesperiden 45. 235. 236. 386. Hippodamia 297. Hippodamia, Oenomaus Tochter 363. 364. Hippokrene 119. 305. Hippolytus 296. 298. 299. Hippomedon 356 bis 359. Hippomenes 279. Homer 200. 201. Horen 67. 134. 312 bis 314. Hyacinthus 338. Hydra 226. 227. Hygea 328. 329. Hylas 239. Hyllus 252. Hymen 325. Hymettisches Gebürge 383. Hyperbius 358. 359. Hyperboreer 194. Hyperion 14. 16. 58. Hypermnestra 203. 204. Hypsipyle 264. 265. 357. 358. Janus 25. Japet 14. 16. Jason 257 bis 275. 277. 357. Ida 180. 280. 331. 370. Idäischer Jupiter 180. Idalia 192. Idalium 192. Idas 256. 277. Idea 266. Idomeneus 373. Ikarus 283. 285. 286. Ilaira 256. Ilithya 81. Ilium 373. 380. Illyrien 349. 361. Inachus 92 bis 95. 253. Indischer Bachus 177.

Ino 260. 348. 349. Jo 93. 94. 216. Jobates 213. 215. Jokaste 351. 353 bis 355. Jolaus 226. Jole 249 bis 252. Jolkos 258. 259. 263. 273. Iphigenie 365. 367 bis 370. 373. Iphikles 222. 226. Iphimedia 29. Iphitus 250. Irene 67. Iris 73. 105. 117. Ischys 327. Isis 166. Ismene 354. Isthmische Spiele 295. Isthmus 274. 289. Ithaka 119. 381. Juno 49. 79 bis 84. 93. 105 bis 109. 121. 138. 151. 158. 188. 189. 221 bis 224. 226. 245. 248. 253. 257. 259. 272. 314. 347. 349. 352. 370. 371. 374. 394. 395. Jupiter 17 bis 30. 31. 34. 37 bis 39. 44. 49. 56. 58. 61. 63. 64. 67. 68. 72. 79 bis 88. 93. 94. 97. 99 bis 105. 107. 111. 117. 120. 128. 129. 134. 135. 142. 145. 149. 161. 162. 168. 180 bis 182. 189. 190. 197. 198. 205. 220 bis 223. 244. 251. 254 bis 256. 279. 280. 302. 303. 327. 331. 343. 350. 374 bis 377. 385. 393. 394. 401. Ixion 394. 395. Kabiren 149. Kadmus 346 bis 351. Kakus 242. Kalais 262. 267. Kalchas 373. 375. Kalliope 303. 304. 307. Kallirhoe 74.

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Kallisto 84. Kalpe 246. Kalydon 276. Kalydonischer Eber 275 bis 277. Kalydonische Jagd 276 bis 278. Kalypso 381. Kapaneus 356 bis 359. 373. Karien 340. Karmenta 242. Kassiopeja 208. 210. Kastalischer Quell 186. 305. Kastor 253 bis 257. 262. 277. Kerkyon 290. Kleobis 188. Klio 303. 304. 307. Klotho 44. 48. 68. Klymene 16. 384. Klytemnestra 254. 367. 368. Klytie 339. 340. Kocytus 387. 388. Kokalus 283. 286. Kolchis 260. 261. 268. Komus 324. Korinth 212. 274. 289. 351. 396. Koronis 327. 395. Korybanten 18. 148. 149. Kottus 14. 20. 21. 66. Kreon 219. 247. 248. 275. 351. 359. 360. Kreta 180. 232. 279. 281 bis 283. 292. 394. Kretensische Männer 185. Kretensischer Stier 232. 233. Kretheus 258. Krissa 185. Krius 14. 16. 64. Krommyonische Sau 289. Kronos 14. Kupido 151. Kureten 18. 148. 149. Labdakus 349. 350.

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Labyrinth 281. Lacedämonier 338. Lacedemon 253. Lachesis 44. 48. 51. 52. 68. Ladon 319. Laertes 382. Lästrygonen 381. Lajus 350 bis 354. Lamedon 118. Lampetia 385. Laodamas 360. 361. Laokoon 379. Laomedon 239. 240. 334. Lapithen 296. 297. Laren 323. Lasthenes 359. Latium 25. Latmus 340. Latona 15. 80. 82. 83. 136. 138. 183. 374. 382. Learchus 349. Leda 253. 254. Lemnierinnen 264. Lemnos 193. 263 bis 265. Lerna 226. Lernäische Schlange 75. 226. 227. Lethe 389. Leucippus 256. Leukothea 349. Leukothoe 339. 340. Lichas 251. 252. Liebesgötter 309. 310. Linus 223. Lucina 81. Luna 16. 59. 60. Lybia 202. Lybien 101. 181. 240. 273. Lybische Sandbänke 273. Lycäus 320. Lycien 213. Lycier 215.

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Götterlehre

Lycimnus 218. Lycischer Apollo 203. Lydien 250. 393. Lykomedes 299. 300. Lykurgus 169. 357. 358. Lykus 267. 350. Lynceus, Sohn des Aegyptus 203. 204. Lynceus, Sohn des Aphareus 256. 263. 277. Machaon 328. Mänaden 195. Mänalus 228. Maja 77. Malea 272. 273. Mars 55. 81. 82. 125. 127 bis 130. 133. 147. 194. 268. 280. 347. 348. 374. 395. Marsyas 126. 306. 307. Medea 269 bis 275. Medusa 74. 126. 206 bis 208. 210. 212. Megära 392. Megara, Kreons Tochter 247. 248. Megara, die Stadt 282. 290. Meleager 263. 275 bis 278. Meliä 15. Melicertes 349. Melpomene 303. 304. 307. Memnon 113. 334. Menalippus 358. 359. Menelaus 367. 371. 372. Menötius, Sohn des Japet 16. 31. Menötius, Vater des Patroklus 263. Merkur 154 bis 163. 168. 196. 197. 206. 223. 320. 374. 378. 382. 391. Messene 356. Mestor 217. 218. Metis 63. Mimas 22.

Minerva 63. 95. 96. 121 bis 130. 133. 134. 149. 150. 191. 206. 207. 210. 229. 347. 370. 371. 374. Minos, der Gesetzgeber 279. 280. Minos, dessen Enkel 280 bis 283. 291. 292. 298. 373. Minotaurus 281 bis 283. 293. Mnemosyne 66. 302. 303. Morpheus 46. Musagetes 305. Musen 66. 302 bis 309. 311. Mycene 188. 210. Myrrha 336. Myrtilus 363. Myrtoisches Meer 363. Najaden 315. Naxos 293. Nemäischer Löwe 75. 225. 253. Neleus 258. 262. Nemea 225. Nemesis 78. Nephele 260. Neptun 19. 29. 62. 72. 94. 115 bis 121. 124. 139. 202. 232. 239. 274. 280. 299. 374. 381. 382. Nereiden 71. 72. 208. Nereus 70 bis 72. 115. 371. Nessus 248. 249. Nestor 200. 247. 262. 372. Niobe 382. 383. Nisa 282. Nisus 282. Nykteis 350. Nykteus 350. Nymphen 314. 315. Nysa 169. Oceaniden 63 bis 66. Oceanus 16. 61 bis 66. 70. 73. 74. 76. 84. Ocypete 73. 266. Oebalus 253. 338.

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Oechalia 250. Oechalien 249. Oedipus 351 bis 355. Oeneus 276. 277. Oenomaus 362. 363. Oeta 252. Ogyges 92. 93. Olymp 20. 21. 29. 85. 163. Olympia 189. 190. Olympiade 190. Olympische Spiele 190. 232. Omphale 250. Orakel 186. 187. 208. 243. 259. 282. 287. 292. 295. 347. 352. 354. 368. 369. Orchamus 339. Orchomenier 248. Oreade 315. Orest 367 bis 369. Orkus 58. 85. Oromedon 22. Orpheus 195. 263. 272. 325. Orthrus 75. 335. Ossa 29. Othrys 20. Otus 29. Päas 252. Palladium 379. Pallas, der Titane 16. 64. Pallas, Bruder des Aegeus 291. Pallas Athene 95. Pan 319 bis 321. 399. Panathenäen 191. Pandarus 394. Pandion 287. Pandora 38. 39. Paphos 192. Paris 131. 132. 370 bis 372. 378. 379. 382. Parnassus 40. 184. 185. 305. Parthenopäus 356 bis 359.

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Parzen 44. 47 bis 51. 68. 278. Pasiphae 280. 281. 298. Patroklus 373. 376. 378. Pegasus 119. 207. 212. 214. 215. 305. Peleus 262. 277. 342. Pelias 243. 258 bis 262. 274. Pelion 29. 258. 262. Pelopia 367. Pelopiden 362 bis 370. Peloponesus 363. Pelops 287. 362 bis 364. 369. 394. Penaten 323. Penelope 382. Peneus 76. 340. Pentheus 170. 171. 348. Pephredo 74. Periphetes 289. Persephone 388. Perses 16. 60. 61. 64. Perseus 202. 205 bis 212. Pessinunt 166. Phäacier 119. 272. 382. Phädra 298. 299. Phaeton 343. 384. 385. Phaetusa 385. Phidias 189. 191. Philemon 197. 198. Philoktetes 252. 373. 379. Philomele 194. Philyra 77. Phineus 208. 266. 267. 271. Phlegräische Gefilde 22. Phlegyas 395. 396. Phocis 368. Phöbe, Titanide 14. 15. Phöbe, Tochter des Leucippus 256. Phönizien 348. Phönizische Küste 207. Phorbas 351. Phorkys 70. 74 bis 76. Phoroneus 93.

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Götterlehre

Phrygien 164. 197 bis 199. Phryxus 260. 261. Phyleus 232. Pierien 305. Pierinnen 305. Pimplea 305. Pindus 305. Piräische Gebirge 159. Pirithous 200. 263. 277. 296 bis 298. 387. Pisa 362. Pitho 295. Pittheus 287. Pleuron 277. Pluto 19. 21. 140. 142. 143. 237. 238. 327. 386 bis 391. Podalirius 328. 373. Podarcis 240. Pollux 253 bis 257. 277. Polybius 351. Polydektes 205. 208. 209. Polydorus 348. 349. Polyhymnia 304. 307. Polynices 354 bis 361. Polyphem 71. 341. 380 bis 382. Polyphontes 358. Pontus 69. 70. Porphyrion 22. Praxiteles 192. Priamus 240. 370 bis 372. 375. 378. 380. Priapus 323. 324. Prötus 205. 209. 210. 212. 213. Prokris 383. 384. Prokrustes 290. 291. Prometheus 16. 30 bis 43. 63. 64. 66. 67. 78. 149. 216. 244. Proserpina 85. 140. 142. 143 297. 388. 400. 401. Proteus 76. 77. Psyche 397 bis 402.

Pterelaus 218. 219. 222. Pylades 368. 369. Pylos 185. 200. Pyriphlegeton 389. Pyrrha 39. Pyrrhus 380. Pythia 115. 185 bis 187. Pythischer Apollo 114. Pytho 114. Python 114. Radamanthus 280. Rhea 14. 16. 17. 77. 113. 164. Rhötus 22. Salmoneus 258. Samos 119. Salmydessa 266. Samothracien 149. 265. Samothracische Geheimnisse 264. Sangaris 333. Sarpedon 49. Saturnia 26. Saturnus 14 bis 21. 24 bis 26. 62. 63. 77. 101. Satyrn 173. 174. 315 bis 317. 319. Schöneus 277. Scylla 111. 272. 381. Scylla, Tochter des Nisus 282. Scyrus 299. 300. Selene 57. 59. 60. Semele 168. 348. Serapis (Jupiter) 153. 388. 391. Seriphus 205. 208. Sicilien 58. 193. 286. 341. Sicyon 350. Silen 173. 174. 178. Simois 326. Sinnis 289. Sinon 379. 380. Sipylon 383. Sirenen 306. 381. Sisyphus 212. 258. 396. 397.

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Skamander 76. 150. 151. 326. Skiron 290. Solymer 215. Sparta 188. 367. 371. Sphinx 75. 352. 353. Steropes 14. Sthenelus, Perseus Sohn 217. 219 bis 221. Sthenelus, Kapaneus Sohn 373. Stheno 74. 206. Strophadische Inseln 267. Strophius 368. Stygischer Jupiter 387. Stymphaliden 229. 230. Stymphalischer See 387. Styx 64 bis 66. Sylvan 321. 322. Symplegaden 267. Syrinx, die Nymphe 319. Tänarum 237. 386. Talus 284. 285. Tantalus 382. 393. 394. Taphier 219. Taphius 217. 218. Taphos 217. Tartarus 65. 85. 386 bis 396. Tauris 365. 368. 369. 373. Telamon 240. 263. 265. 277. Teleboer 218. 219. Telemach 382. Telesphorus 328. Tereus 194. Terpsichore 304. 307. Tethys 14. 61. 62. Thalia, die Grazie 64. Die Muse 303. 304. 307. Thamyris 307. Thaumas 70. 73. Thebanischer Krieg 356 bis 362. Thebe 93. Theben 248. 346 bis 362.

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Themis 14. 40. 66 bis 69. 113. 184. Thermodon 231. Thersander 360. 361. 373. Theseum 300. Theseus 200. 263. 277. 287 bis 300. 360. 387. Thesprotien 386. Thessalien 96. 258. 263. 296. 327. 394. Thestius 253. 277. Thetis (die Tochter des Nereus) 71. 72. 76. 150. 169. 342. 375 bis 377. Thia 14. 16. Thoas, Vater der Hypsipyle 264. Sohn der Hypsipyle 265. König in Tauris 365. Thracien 169. 194. 195. Thracisches Gebirge 195. Thyest 363 bis 365. 367. Thyphaon 75. Thyrsusstab 172. 176. Tiphöus 27. 28. Tiphys 263. 268. Tisiphone 392. Titan 58. Titanen 14 bis 16. 19 bis 22. 24. 30. 31. 64. 65. 67. 386. Titaniden 14. Tithonus 334. 335. Trachina 252. Triptolemus 142. 280. Troas 265. Trözene 287. 289. Troja 117 bis 120. 125. 127 bis 129. 132 bis 134. 138. 139. 150. 151. 180. 188. 200. 239. 240. 330. 370 bis 382. Tros 330. Tydeus 276. 355 bis 359. Tyndareus 253. 254. 367. Tyrinth 210. Tyro 258. Tyrus 94.

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Götterlehre

Ulysses 50. 58. 111. 119. 125. 126. 372. 378 bis 382. 390. Urania 304. 308. Uranos 14. 15. 17. 23. 24. Venus 55. 56. 129 bis 135. 137. 147. 151. 192. 254. 264. 279. 280. 286. 293. 298. 311. 335 bis 337. 370. 371. 374. 399. 401.

Vesta 84. 135. 140. 151 bis 155. Vulkan 145 bis 151. 169. 193. 374. 377. Zetes 262. 267. Zethus 350. Zyzikus 265.

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Mythologischer

Almanach für

Damen. 5

Herausgegeben von

Karl Philipp Moritz.

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Berlin. Bei Johann Friedrich Unger. 1792.

〈Abb. 32; *1r〉

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Mythologischer Almanach für Damen

*2〈r〉

Vorbericht.

〈*2v〉

Ich habe in diesem Almanach die Nebeneinanderstellung der griechischen Götter mit den Hymnen durchflochten, welche ihnen zu Ehren von den Alten gesungen wurden. Diese Hymnen habe ich theils ganz theils stellenweise den Schilderungen der Göttergestalten, in freier Uebersetzung, einverwebt, damit sie uns gleichsam ein Bild von der L i t u r g i e der Alten geben. Wenn dieser Almanach Beifall findet, so wird er sich künftig ausführlich über die schönen Dichtungen der Alten, über ihre Feste, und in der Folge auch über die n o r d i s c h e M y t h o l o g i e ausbreiten.

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Die zwölf himmlischen Götter. Jupiter.

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Der Vater der Götter und Menschen, wie ihn die Alten sich als den Beherrscher des Himmels dachten, ist auf einer alten Gemme abgebildet auf seinem Throne sitzend, den Zepter in der Linken, und in seiner Rechten den Donnerkeil. Der Erdkreis ist der Schemel seiner Füße. – Unter ihm wogt und wallt das Meer, und aus der Fluth ragt Neptun, das über ihm aufgeschwellte Seegel in beide Hände fassend, und in der Rechten den mächtigen Dreizack haltend, mit Haupt und Brust empor. Zur Rechten und zur Linken des Donnergottes gesellen sich zu ihm die himmlischen Gefährten seiner Macht. Der Friedenstiftende Merkur mit dem Schlangenumwundenen Stabe, den Beutel in der Hand, und den Hahn zu seinen Füßen, auf der einen, und der Kriegesgott mit Schild und Lanze auf der andern Seite. Die rauhe zerstörende, und die mit sanfter Ueberredung wieder vereinigende Macht, stehen auf des Allherrschenden Wink bereit, entweder Kriegesheere ins Schlachtfeld zu führen, Reiche zu zerstören, und Städte zu zermalmen, oder friedliche Bündnisse zu schließen,

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Jupiter

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und gegeneinander erbitterte Könige und Völker wieder zu versöhnen. In den zwölf Sternbildern die den Lauf des Jahres bezeichnen, umschließt gleichsam der ganze Himmel diese glänzende Götterversammlung, und umkleidet mit seinem strahlenden Schimmer die obwaltenden Mächte, die, nach der Vorstellungsart der Alten, über den Wechsel der Dinge herrschten. Eine Abbildung dieser antiken Gemme schmückt den Titel dieses kleinen Werks. Diese Versammlung der Götter, vom Z o d i a k u s umgeben, ist die b e d e u t e n d s t e Zierde eines mythologischen Allmanachs.

Jupiters Geburt.

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Saturnus, das Bild der alles verschlingenden Zeit, vermählte sich mit seiner Schwester der Rhea, und verschlang seine eignen Kinder, so wie sie gebohren wurden. Rhea seufzte über die Grausamkeit der alles zerstörenden, ihre eignen Bildungen verschlingenden Macht, mit welcher sie vermählt war. Da sie nun den Jupiter, den künftigen Beherrscher der Götter und Menschen gebähren sollte, so flehte sie die Erde und den gestirnten Himmel um die Erhaltung ihres noch ungebohrnen Kindes an. Himmel und Erde, die alten Götter, welche selber ihrer Herrschaft schon entsetzt waren, riethen der Rhea ihrer Tochter, wie sie den Jupiter, sobald sie ihn gebohren, in einer fruchtbaren Gegend in Kreta verbergen solle. Auf den Rath ihrer Mutter wickelte auch Rhea einen Stein in Windeln, und gab ihn dem Saturnus statt des neu gebohrnen Götterkindes zu verschlingen. Allein es war vor den Verfolgungen seines allverschlingenden Ursprungs noch nicht gesichert. Darum mußten die Erzieher des Götterkindes auf der Insel Kreta, die Kureten oder Korybanten, deren Wesen selbst in geheimnißvolles Dunkel gehüllt ist, mit ihren Spie-

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Mythologischer Almanach für Damen

ßen und Schilden ein immerwährendes Getöse machen, damit Saturnus die Stimme des weinenden Kindes nicht vernehme. – Deswegen ertönte der alte Hymnus dem Jupiter zu Ehren: Hymnus. Dich umtanzten die Kureten Und schlugen an ihre Waffen, Damit Saturnus nur den Klang der Schilde Und deine weinende Stimme nicht vernehme.

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Die Erziehung des Jupiter auf der Insel Kreta. Ihn säugte die Ziege Amalthea, welche in der Folge unter die Sterne versetzt, und ihr Horn zum Horn des Ueberflusses erhöhet wurde. Die Tauben brachten ihm Nahrung, goldgefärbte Bienen führten ihm Honig zu, und Nymphen des Waldes waren seine Pflegerinnen. Nichts ist reizender, als die Schilderung der Kindheit des Jupiter in dem alten Hymnus:

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Hymnus.

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Dich Jupiter empfingen die Diktäischen Nymphen, Der Korybanten Gefährtinnen, in ihre offnen Arme, Dich wiegte Adrastea in der goldnen Wiege In sanften Schlummer ein. Du aber sogest an den Brüsten Der Ziege Amalthea, Und Bienen trugen dir süßen Honig zu. Die Götter, ob sie gleich wie die Sterblichen gebohren werden, wachsen in den Dichtungen der Alten schnell empor, und ihre angebohrne Götterkraft wird durch die Fesseln der Kindheit nur kurze Zeit gehemmt, deswegen ertönte vom Jupiter der heilige Gesang:

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Hymnus.

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Schön war dein Wuchs, schön dein Gedeihen O himmlischer Jupiter! Zum Jüngling schossest du schnell empor, Dem Kinn entkeimte früh das wollichte Haar.

Die Kriege des Donnergottes.

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Die uralten Gottheiten waren H i m m e l und E r d e . Die Erde vermählte sich mit dem U r a n o s oder umwölbenden Himmel, und gebahr ihm die h u n d e r t ä r m i g e n R i e s e n und C y k l o p e n , die selbst ihrem Erzeuger furchtbar, von ihm in den Tartarus eingekerkert wurden, wo sie das Licht des Tages nicht erblickten. Nun seufzte die Erde in ihren innersten Tiefen über das Schicksal ihrer Kinder, und sann auf Rache; sie schmiedete die erste Sichel, und gab sie, als ein rächendes Werkzeug ihrem jüngsten Sohne, dem S a t u r n u s , der seinen Erzeuger überlistete, und ihn, da er sich mit der Erde begattete, mit der Sichel entmannte, die ihm seine Mutter gab. Die Kinder des Himmels und der Erde vermählten sich nun. Sie erhielten von ihrer uneingeschränkten weit um sich greifenden Macht, da noch kein eigentlicher Alleinherrscher unter den Göttern war, ihre Benennung T i t a n e n , worunter man sich die u n m i t t e l b a r e n Kinder des Himmels und der Erde, als das Empörende dachte, welches sich gegen jede Oberherrschaft auflehnt, und keine Einschränkung duldet. Der jüngste unter den u n m i t t e l b a r e n Kindern des Himmels und der Erde war Saturnus, der sich mit seiner Schwester Rhea vermählte. Dieser, welcher seinen Erzeuger entmannt hatte, verschlang auch seine eigenen Kinder, so wie sie gebohren wurden. Den Jupiter rettete seine Mutter Rhea; auch Neptun und Pluto, Juno, Vesta und Ceres entschlüpften wieder ihrem allesverschlingenden Erzeuger. Saturnus hielt indes die Cyklopen und die hundertär-

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migen Riesen, aus Furcht vor ihrer Macht, eben so wie ehemals sein Vater Uranos, in der Gefangenschaft. Sobald nun die hohe Götterkraft in dem Jupiter sich entwickelt hatte, rüstete er sich zum Kriege gegen seinen verfolgenden Erzeuger, und gegen die Tita- nen, welche dem Saturnus Beistand leisteten. Zu dem Ende befreite er die Cyklopen aus ihrem Kerker, die ihn dafür mit dem Donner und dem leuchtenden Blitze begabten. Dem Jupiter leisteten seine Miterzeugten ihren Beistand, und versammelten sich, ihn an ihrer Spitze, auf dem Olymp; die Titanen ihnen gegenüber auf dem Othrys; und der Götterkrieg hub an. – Zehn Jahre dauerte schon der Kampf der neuern Götter mit den T i t a n e n , als der Sieg noch unentschieden war, bis J u p i t e r sich den Beistand der hundertärmigen Riesen erbat, die ihm die Befreiung aus ihrem Kerker dankten. Als diese nun an dem Treffen Theil nahmen, so faßten sie ungeheure Felsen in ihre hundert Hände, um sie auf die T i t a n e n zu schleudern, welche in geschlossenen Phalangen in Schlachtordnung standen. Als nun die Götter aufeinander den ersten Angriff thaten, so wallte das Meer hoch auf, die Erde seufzte, der Himmel ächzte, und der hohe Olymp wurde vom Gipfel bis zur Wurzel erschüttert. Die Blitze flogen schaarenweise aus J u p i t e r s starker Hand, der Donner rollte, der Wald entzündete sich, das Meer siedete, und heißer Dampf und Nebel hüllte die T i t a n e n ein. K o t t u s , G y g e s , und B r i a r e u s die Hundertärmigen, standen voran im Göttertreffen, und mit jedem Wurf schleuderten sie dreihundert Felsenstücke auf die Häupter der T i t a n e n herab. Da lenkte sich der Sieg auf die Seite des Donnerers. Die T i t a n e n stürzten nieder, und wurden so weit in den Tartarus hinabgeschleudert, als hoch der Himmel über der Erde ist. Unter den Titanen trat auch der a l t e O c e a n u s auf die Seite des Jupiter; und die S t y x eine Tochter des Oceanus gieng in dem Götterkriege, auf den Rath ihres Erzeugers, mit ihren beiden Söhnen G e w a l t und S t ä r k e , ebenfalls zum Jupiter über; und seit der Zeit haben diese beiden Söhne der Styx beständig beim Jupiter ihren Sitz.

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Jupiter

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– Mit ihrem Beistande herrschte der Donnergott über die Titanen, wie der Hymnus sagt:

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Zum Könige der Götter machte dich nicht das Looß, Sondern des Armes Kraft; Und deine Diener, G e w a l t und S t ä r k e , Die neben deinem Throne stehn.

Der Gigantenkrieg.

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Die drei siegreichen Söhne des S a t u r n u s theilten nun das alte Reich der T i t a n e n unter sich; J u p i t e r beherrschte den Himmel, N e p t u n das Meer, und P l u t o die Unterwelt. Die hundertärmigen Riesen aber bewachten den Eingang zu dem furchtbaren Kerker, der die T i t a n e n gefangen hielt. J u p i t e r s Blitz beherrschte nun zwar die Götter, allein sein Reich stand noch nicht fest. Die Erde seufzte aufs neue über die S c h m a c h ihrer Kinder, die im dunkeln Kerker saßen. Mit den Blutstropfen befruchtet, die sie bei der Entmannung des U r a n o s in ihrem Schooße aufnahm, gebar sie in den phlegräischen Gefilden die himmelanstürmenden G i g a n t e n mit drohender Stirne und Drachenfüßen, bereit die Schmach der T i t a n e n zu rächen. Zu Boden geworfen, waren sie nicht besiegt, denn mit jeder Berührung ihrer Mutter Erde gewannen sie neue Kräfte. – P o r p h i r i o n und A l c y o n e u s , O r o m e d o n und E n c e l a d u s , R h ö t u s und der tapfere M i m a s huben am stolzesten ihre Häupter empor; sie schleuderten Eichen und Felsenstücke mit jugendlicher Kraft gen Himmel, und achteten J u p i t e r s Blitze nicht. Juno, Minerva und Vulkan halfen dem Jupiter die Giganten besiegen. – Diesen Sieg des Jupiter über die Giganten besingt der Hymnus eines römischen Dichters:

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Hymnus.

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Was vermochte der tapfere Mimas, Was Porphyrions drohende Faust, Des Rhötus Wüthen, und des verwegnen Enceladus Gen Himmel geschleuderte Eichenstämme, Gegen der Pallas tönenden Schild! Hier stand Vulkan nach Kampf und Streit begierig, Hier Juno des Donnergottes Vermählte, Und Apollo, der nie den Köcher Von seiner Schulter nimmt. – – Die Macht, von Weißheit nicht gelenkt, Stürzt unter ihrer eignen Last zu Boden; Gemäßigte Gewalt wird von den Göttern Noch höher emporgehoben; Den frevelnden Mächtigen trift ihr Haß.

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Auch Bacchus, in Löwengestalt, war in dem Gigantenkriege ein mächtiger Beistand des Donnergottes, wie ein an den Bacchus gerichteter Hymnus des römischen Dichters sagt: Als die Schaar der Giganten Den Himmel zu stürmen drohte, Da warfest du mit Löwenklauen Und schrecklichem Löwenrachen Den Rhökus vom Olymp zu Boden. 21

Der Sieg über die Giganten wurde nachher fast immer in Jupiters Lob mit eingeflochten, wie in folgendem Hymnus: Ueber Völker herrschen Könige mit furchtbarer Macht, Ueber die Könige herrscht Jupiter Der mächtige Gigantenbesieger, Der mit dem Wink seiner Augenbraunen Den Wechsel der Dinge lenkt.

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Jupiters Kampf mit dem Riesen Tiphöus.

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Ob nun J u p i t e r gleich die T i t a n e n in den Tartarus verbannt, und über die G i g a n t e n zuletzt die Inseln des Meeres mit rauchenden Vulkanen gewälzt hatte, so war dennoch sein Reich noch nicht befestigt; denn die Erde zürnte aufs neue über die Gefangenschaft ihrer Kinder, und gebahr, nachdem sie sich mit dem Tartarus begattet hatte, den T i p h ö u s , ihren jüngsten Sohn. Das furchtbarste Ungeheuer, das je aus der dunkeln Nacht emporstieg; dessen hundert Drachenhäupter mit schwar- zen Zungen leckten, und mit feurigen Augen blitzten; das bald verständliche Laute von sich gab, und bald mit hundert verschiedenen Stimmen der Thiere des Waldes heulte und brüllte, daß die Berge davon wiederhallten. Nun wäre es um die Herrschaft der neuen Götter gethan gewesen, wenn J u p i t e r nicht schleunig seinen Blitz ergriffen, und ihn unaufhörlich auf das Ungeheuer geschleudert hätte, so lange bis Erd’ und Himmel in Flammen stand, und der Weltbau erschüttert ward, so daß P l u t o , der König der Schatten, und die T i t a n e n im Tartarus über das unaufhörliche Getöse erbebten, das über ihren Häuptern rollte. Der Sieg über dies Ungeheuer wurde dem Jupiter am schwersten unter allen, und drohte ihm selber den Untergang. Er freute sich daher dieses Sieges nicht, sondern schleuderte den T i p h ö u s , als er zu Boden gesunken war, trauervoll in den Tartarus hinab.

Die Vermählungen des Jupiter. 25

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Als Jupiter sich mit der weisheitbegabten M e t i s , einer Tochter des O c e a n u s vermählt hatte, weißagte ihm ein Orakelspruch, daß sie ihm einen Sohn gebären, und daß dieser zugleich mit der Weisheit seiner Mutter, und der Macht seines Vaters ausgerüstet, die Götter alle beherrschen würde. Um dem vorzubeugen, zog J u p i t e r die weisheitbegabte M e t i s mit schmeichelnden Lockungen in sich hinüber, und gebahr nun selbst die M i n e r v a , welche bewafnet aus seinem Haupte hervorsprang. –

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Mit der M n e m o s y n e , einer Tochter des Himmels, vermählte er sich, und erzeugte mit ihr die Musen. Mit der T h e m i s , einer Tochter des Himmels, erzeugte er die Göttinnen der Eintracht und Gerechtigkeit. Mit der E u r y n o m e , einer Tochter des Oceans, erzeugte er die Grazien. Mit der L a t o n a , einer Tochter des Titanen Cöus und der Phöbe, erzeugte er den Apoll und die Diana. Mit der M a j a , einer Tochter des Atlas, erzeugte er den Merkur. Allein alle diese hohen Göttinnen und erhabenen Mütter himmlischer Wesen, treten dennoch in Schatten zurück, gegen die herrschende J u n o , die vor allen das Recht behauptete, die Vermählte des Donnergottes zu seyn, und deren E i f e r s u c h t dem J u p i t e r , nachdem er schon lange die Titanen besiegt, und die Giganten überwunden hatte, noch oft den Glanz seiner Göttermacht verleidete.

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Die Verwandlungen des Jupiter. Mit der Macht und Hoheit vereint sich in dem Jupiter, die ganze Fülle der J u g e n d k r a f t , welche durch nichts gehemmt ist. – Der Himmel faßt die Fülle seines Wesens nicht. – Um seine Götterkraft in manchem H e l d e n s t a m m e auf Erden fortzupflanzen, richtete er auf die Töchter der Sterblichen seine Blicke; und damit sie Semelens Schicksal nicht erführen, hüllte der Allesumwebende in täuschende Gestalten seine Gottheit ein. Von seinem hohen Sitze senkte er sich, in dem g o l d e n e n R e g e n , in Danaens Schooß hernieder, und erzeugte mit ihr den tapfern P e r s e u s , der die Ungeheuer mit mächtigem Arm besiegte. Mit dem majestätischen S c h w a n e n h a l s e schmiegte er sich an L e d a s Busen, und sie gebahr den edelmüthigen P o l l u x , und die göttliche H e l e n a , das schönste Weib auf Erden, aus Jupiters Umarmung. In der Kraft des m u t h i g e n Stiers, lud er mit sanftem Blick die jungfräuliche Europa auf seinen Rücken ein, und trug sie durch die

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Meeresfluthen an K r e t a s Ufer, wo er den M i n o s mit ihr erzeugte, der den Völkern Gesetze gab, und über sie mit Macht und Weisheit herrschte. Auch die Thiergestalten sind in diesen Dichtungen heilig, wo man unter dem Bilde der Gottheit die ganze N a t u r verehrte, und nichts unedles in der Vorstellung lag, den Höchsten unter den Göttern in irgend einer der Gestalten der allumfassenden Natur sich verhüllt zu denken.

Die Majestät des Donnergottes. 10

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Er hat auf dem Olymp den höchsten Sitz; er winket mit den Augenbraunen, und der Olymp erbebt; er ist das umgebende Ganze selber; vor ihm beugt sich der Erdkreis; er lächelt und der ganze Himmel heitert mit einemmal sich auf. – Die Bildung, welcher die schaffende Phantasie den Donner in die Hand gab, mußte über jede Menschenbildung erhaben, und doch mit ihr harmonisch seyn; weil eine d e n k e n d e Macht bezeichnet werden sollte, die nur durch Züge des redenden Antlitzes ausgedrückt werden kann; und bis zu dem Gipfel hub die bildende Kunst der Griechen, durch ihren Gegenstand selbst geheiligt, sich empor, daß sie menschenähnliche, und doch über die Menschenbildung erhabene Göttergestalten schuf, in welchen alles Z u f ä l l i g e ausgeschlossen, und alle w e s e n t l i c h e n Züge von Macht und Hoheit vereinigt sind. So wie nun aber der Begriff der M a c h t in der Vorstellungsart der Alten von ihren Göttern und Helden fast immer der herrschende ist; so ist auch in ihren erhabensten Götterbildungen der Ausdruck der M a c h t das Ueberwiegende. Jupiters schweres Haupt, aus dem die Weisheit gebohren ward, senkt sich vorwärts über; – es waltet über den Wechsel der Dinge; – es wägt die Umwälzungen. – Doch zieht die ewig heitre Stirn sich nie in s i n n e n d e Falten. Auch stellt die bildende Kunst der Alten den Jupiter am häufigsten dar, wie er gleichsam in seiner ganzen Macht sich fühlt, und dieser Macht sich freut. –

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Bart und Haupthaar sind beim Jupiter bezeichnend in Ansehung der inwohnenden Kraft und jugendlichen Stärke, welche in den dicht gekräuselten Locken sich zusammendrängt. Bei dem ältesten Dichter spricht Jupiter selber, indem er den übrigen Göttern drohet, auf folgende Weise, die Macht seines Wesens aus: »Eine goldene Kette will ich aus meiner Hand vom Himmel zur Erde senken; versucht es, all’ ihr Götter und Göttinnen, und hängt das Gewicht eurer ganzen vereinten Macht an diese Kette, es wird euch nicht gelingen, den höchsten Jupiter vom Himmel zur Erde herabzuziehen; dieser aber wird die Kette, mit leichter Hand, u n d m i t i h r Erd’ und Meer gen Himmel heben, und sie an seinem h o h e n S i t z e b e f e s t i g e n , d a ß d i e We l t a n i h r s c h w e b e n d hängt.« Hieraus erhellet deutlich, daß man sich zu dem erhabensten Begriff vom Jupiter das u m g e b e n d e G a n z e selber als Urbild dachte. – Da sich nun in dem Begriff dieser Umgebung alles veredelt; was Wunder denn, daß man die Helden, deren Erzeuger man nicht wußte, Söhne des Jupiter nannte, der in täuschenden Verwandlungen sie mit ihren Müttern erzeugte. – Denn mit dieser Gottheit, die das Spielende und Zarte, so wie das Majestätische und Hohe in sich vereinte, und selber sich in tausend Gestalten hüllte, konnte die Phantasie noch frei in kühnen Bildern scherzen; sie durfte sich mit an die goldene Kette hängen, den Jupiter vom Himmel herab zu ziehen; so wurde sie selber zum Himmel emporgezogen. Eine der höchsten Gottheit würdige Beschreibung enthält der folgende Hymnus des römischen Odensängers:

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Hymnus. Vor allen sing’ ich ihn, Der Erd’ und Meer beherrschend, Die Schicksale der Götter und Menschen,

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Den Wechsel des Jahres, Und den Lauf der Zeiten, lenkt. Von dem nichts Größres, als er selbst, erzeugt ward, Ihn, dem nichts g l e i c h , und n i c h t s a m n ä c h s t e n kömmt. Die Herrschaft des Jupiter über die Könige der Erden macht ihn zum höchsten Herrscher, dem nicht etwa so wie den andern Göttern nur ein besondrer Zweig der Regierungsgeschäfte zugefallen ist, sondern der alles lenkt, und über alles waltet:

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Hymnus. Die Könige der Erden sind dir unterthan; Die über den Ackersmann, den Krieger, und den Rudrer herrschen; Denn alles steht in ihrer Macht.

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Die Schmiede huldigen dem Vulkan, Dem Mars die Krieger, Die Jäger der Diana, Dem Phöbus, wer der Harfe melodische Töne kennt; Dem Jupiter aber die Könige, die der Gottheit selbst sich nähern; Ihnen giebst du Städte zu beschützen, Du selber aber thronest Auf deinem hohen Sitze Und schauest, wer mit Gerechtigkeit Oder mit Ungerechtigkeit das Volk beherrscht. Der folgende Hymnus bezeichnet den Jupiter in seiner höchsten Macht, als den Beherrscher der übrigen Götter:

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Indem wir dem Jupiter Wein ausgießen, Wen singen wir würdiger, als ihn selber, Den immer großen, immer herrschenden Gigantenbesieger, Der den Göttern Befehle ertheilt.

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Themis, welche mit dem Jupiter vermählt war, und den Blick in die Zukunft besaß, war deswegen eine Vertraute des Donnergottes, und vermehrte seine Majestät, indem ihre Weißheit sich zu seiner Macht gesellte; der Gesang läßt daher auch ihren Nahmen zum Preise des Jupiter ertönen:

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Hymnus. Den Jupiter, den höchsten unter den Göttern, Den Großen, will ich singen, Den unbegrenzten mächtigen Donnerer, Der im vertraulichen Gespräche, Oft bei der heiligen Themis sitzt. Sey uns, du mächtiger Donnerer, Erhabenster König, sey uns gnädig! Ueber die religiöse Vorstellungsart der Alten giebt das folgende Gebet an den Jupiter einen schönen Aufschluß, woraus zugleich die Offenherzigkeit und Naivität in ihren Bitten hervorleuchtet, als man noch keinen geheimen Wunsch der Seele vor sich selber zu verbergen suchte. 40

Sey uns gegrüßt, erhabner Sohn Saturns, Geber alles Guten, Geber alles Glücks! Wer kann würdig deinen Ruhm erhöhen? Niemand wird es, niemand kann es; Wer könnte Jovis Ruhm erhöhen? Sey, Vater, dreimal uns gegrüßt! Gieb Tugend uns und Güter dieser Erde Denn ohne Güter dieser Erde Beglückt uns Tugend nicht, Und Reichthum macht nicht ohne Tugend froh, Gewähre also Tugend und Reichthum unserm Flehn!

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Juno.

〈Abb. 34〉 41

(Die zweite Kupfertafel.)

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Auf einer antiken Gemme ist Juno abgebildet, in herrschender Stellung auf einem Throne sitzend; mit sieben Sternen ihr Haupt umgeben; die Rechte majestätisch emporgehoben, und mit dem linken Arm sich stützend; über der Lehne ihres erhabenen Stuhls die Köpfe des Phöbus und der Luna schwebend. In dem erhabenen Luftkreise, den sie beherrscht, erscheinen auf ihren Wink die leuchtenden Sterne am Firmament; die Nacht entflieht, der Tag bricht an, und Phöbus und Luna begrüßen sich in dem Gebiete der hohen Himmelsgöttinn.

Das Urbild der Juno.

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Der Juno hohes Urbild ist der L u f t k r e i s , welcher die Erde umgiebt; dieser vermählt sich mit dem ewigen Aether, der auf ihm ruht. – In der vom Glanz durchschimmerten Atmosphäre bildet sich der vielfarbigte Regenbogen. Dieser ist wiederum das Urbild der schnellen Götterbotin, welche die Befehle der Juno vollzieht. Es ist die glänzende I r i s , welche, wenn sie in den Wolken steht, die Gegenwart der hohen Himmelsköniginn verkündigt. Der Regenbogen spiegelt den majestätischen Schweif d e r P f a u e n , die den Wagen der Juno in den Wo l k e n ziehn. – Alles ist übereinstimmend in dieser schönen Dichtung; die Harmonie des Ganzen wird durch kein einziges Bild gestört.

Die Eifersucht der Juno. 25

Als die s a n f t e Latona den Apollo und die Diana, dem Jupiter gebähren sollte, so ließ Juno sie durch einen Drachen verfolgen, u n d beschwur die Erde, ihr keinen Platz zur Entbindung zu g ö n n e n . – Die Insel Delos war, als ein schwimmendes Eiland das keine bleibende Stätte hatte, nicht mit unter dem Schwure begriffen;

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hier fand Latona erst, wo ihr Fuß ruhen konnte. Dieses Eiland war es, wo sie zwischen einem Oehlbaum und Palmbaum zuerst die Diana und dann den Apollo gebahr. Da S e m e l e , die Tochter des Cadmus in Theben, vom Jupiter den Bachus gebähren sollte, so wußte Juno, unter der Gestalt ihrer Amme, sie mit schwarzem Trug zu überreden, sie solle den Jupiter schwören lassen, daß er ihr eben so erscheine, als wenn er der Juno Bett bestiege; Jupiter erschien ihr in der Gestalt des Donnergottes, und Semele ward ein Raub der Flammen; den jungen Bachus rettete Jupiter und verbarg ihn in seine Hüfte. Als nachher Alkmene vom H e r k u l e s , dem Sohne des Jupiter, entbunden werden sollte, so setzte sich Juno vor der Thür des Hauses auf einem Steine nieder, mit beiden Händen ihre Knie umschlungen, und machte auf die Weise der Mutter des Herkules die Entbindung schwer. Den Herkules selbst verfolgte sie von seiner Kindheit an, wodurch sein Heldenmuth geprüft, seine Brust gestählt, und ihm der Weg zur Unsterblichkeit und zum Sitz der Götter gebahnt wurde. Von der Eifersucht der Juno ist, nach einer wohlerfundenen Dichtung, selbst ein Gestirn am Himmel ein unauslöschliches Zeichen. Sie verwandelte nehmlich die vom Jupiter geliebte Nymphe Kallisto in eine Bärin, die nachher von ihm unter die Sterne versetzt ward. Da bat die Juno den Ocean, er möchte diese neue glänzende Gestalt nicht in seinen Schooß aufnehmen – und dies Gestirn geht niemals unter. Die Eifersucht der Juno haucht den Dichtungen der Alten Leben ein, so wie die Winde das stille Meer aufregen. Auch ist diese Eifersucht an sich selbst erhaben, weil sie nicht ohnmächtig, sondern mit Götterkraft und Hoheit verknüpft, den Gott des Donners selber auf dem höchsten Gipfel seiner Macht b e s c h r ä n k t .

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Die Majestät der Juno. Die erhabene Juno heißt die h e r r s c h e n d e , g r o ß ä u g i g t e , w e i ß a r m i g t e ; – Jupiter, der Schwan in Ledas Schooße umwölbt im blauen Aether Erde, Meer, und Luft. – Juno, die Königin, umströmt

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den Erdkreis in dem zarten durchsichtigen Nebeldunste, worin der Regenbogen mit glänzenden Farben spielt. J u n o bezeichnet in einer höhern Sprache die hohe Gebietende, über den sanften Liebreitz selbst erhabene Schönheit. – Als Juno den Jupiter mit Liebreitz fesseln wollte, so mußte sie erst den Gürtel der Venus leihen, deren sanftere Schönheit schon vorher den Preis davon trug, als der Hirt auf Idas Gipfel den kühnen entscheidenden Ausspruch that. Da nun Juno sich schmückt, dem Jupiter zu gefallen, so ordnet sie, in ihrem Schlafgemach, ihr glänzendes Haar in Locken; sie salbet sich mit dem Oehle der Götter, wovon der Wohlgeruch, sobald es nur geregt wird, vom Himmel bis zur Erde sich verbreitet. Sie zieht ihr göttliches Kleid an, das von der Minerva selber gewebt ist, und hakt es auf der Brust mit goldenen Haken zu. – Sie umgürtet sich mit ihrem Gürtel, und bindet an ihre Füße die glänzenden Schuhe; den Gürtel der Venus aber verbirgt sie in ihrem Busen. – So vollendet sich diese schöne Dichtung, indem sie von ihrem hohen Urbilde allmälig niedersteigt, und bei der Darstellung der Königin des Himmels, auch nicht den k l e i n s t e n w e i b l i c h e n S c h m u c k vergißt. – Homerischer Hymnus an die Juno.

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Der Juno töne mein Lied, die auf dem goldnen Throne sitzt! Der von der Rhea gebohrnen, unsterblichen Königin, mit dem Herrscherblick; Der Schwester und Vermählten des donnernden Jupiters; Der Glänzenden, die zugleich mit dem Jupiter, der sich der Blitze freut, Von allen Göttern im weiten Olymp bewundernd verehrt wird.

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Minerva. (Die dritte Kupfertafel.) Minerva, die Beschützerin der Städte, so wie sie auf der Burg Athens in ihrem Tempel verehrt wurde, ist, auf einer antiken Gemme, sitzend abgebildet; ihr Haupt bedeckt ein Helm; in ihrem linken Arme ruht die Lanze, und in der Rechten hält sie eine geflügelte Viktoria; neben ihr steht ihr Schild, auf welchem das Haupt der Medusa drohet.

〈Abb. 35〉 53

Die Geburt der Minerva. Als die blauäugigte Göttin aus Jupiters unsterblichem Haupte mit glänzenden Waffen hervorsprang, so bebte der Olymp; die Erde und das Meer erzitterte; und der Lenker des Sonnenwagens hielt seine schnaubenden Rosse an, bis sie die göttlichen Waffen von ihrer Schulter nahm. Aus keiner Mutter Schooß gebohren, war ihre B r u s t s o k a l t , wie der S t a h l , der sie bedeckte. – Sie näherte sich dem m ä n n l i c h G r o ß e n , und weiblicher Zärtlichkeit war ihr Busen ganz verschlossen.

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Minerva die kriegerische. Der kalten jungfräulichen Minerva ist jedes Gefühl von Zärtlichkeit und schmachtender Sehnsucht fremd; – sie findet daher auch, gleich dem Kriegesgotte, am Schlachtgetümmel und an zerstörten Städten ihr Ergötzen, nur daß sie nicht von jenem die rauhe Wildheit hat, weil sie zugleich die friedlichen Künste schützt. Z u r ü c k s c h r e c k e n d e K ä l t e macht den Hauptzug in dem Wesen dieser erhabenen Götterbildung aus, wodurch sie zur grausamen Zerstörung, und zur m ü h s a m e n A r b e i t d e s We b e n s , zur Erfindung nützlicher Künste, und zur Lenkung der aufgebrachten Gemüther der Helden, gleich fähig ist. Im Treffen vor Troja, wo zuletzt die Götter selber sich zum Streit auffordern, und Venus den Trojanern, Minerva den Griechen beisteht,

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giebt Minerva der Venus, die dem Mars zu Hülfe eilt, mit starker Hand einen Schlag auf die Brust, daß ihre Knie sinken; und Minerva sagt triumphirend: mögen doch alle, die den Trojanern beistehen, der Venus an Tapferkeit und Kühnheit gleichen! Als Venus vom Diomed in die Hand verwundet gen Himmel stieg, und bei ihrer Mutter Dione über die verwegene Kühnheit der Sterblichen sich beklagte; so spottete Minerva ihrer mit den Wor- ten: gewiß hat Venus irgend eine schöne geschmückte Griechin überreden wollen, daß sie ihren geliebten Trojanern folgen möchte, und beim Liebkosen hat sie sich in die goldene Schnalle die zarte Hand geritzt. Da lächelte der Vater der Götter und Menschen, rief die Venus zu sich, und sprach zu ihr mit sanften Worten: Die kriegerischen Geschäfte, mein Kind, sind nicht dein Werk; die Freuden der Hochzeit zu bereiten, ist dein süß Geschäft, laß du nur für das wilde Kriegsgetümmel Mars und Minerva sorgen. In dem Kriege vor Troja tritt der wilde Kriegsgott Mars gegen die sanftre und erhabnere Pallas auf, und rennt mit seiner Lanze wüthend gegen ihren Schild an, wogegen selbst Jupiters Blitze nichts vermögen. Sie aber tritt ein wenig zurück, und hebt mit starker Hand vom Felde einen ungeheuren Grenzstein auf, den schleudert sie gegen die Stirne des Kriegesgottes, daß er darnieder fällt, und sieben Joch Landes deckt. – Der kriegerischen Minerva zu Ehren sang der Hymnus:

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Tritt hervor, o Minerva, Du Städteverwüsterin! Du mit dem goldnen Helme, Die am Gerassel der Schilde Und an dem Stampfen der Rosse sich ergötzt! Bei der Feier ihres Festes war alles Weichliche und Weibische verbannt, wie der Hymnus lehrt:

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Hymnus. Bringt der Pallas keine duftende Salben Und keinen Spiegel dar, ihr Mädchen, Sondern ihrem heiligen Baume entquollnes Männerstärkendes Oehl, Mit welchem Herkules und Kastor Zum Kampf die Glieder salben.

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Alles deutet bei der Minerva auf kalte überlegende Weißheit, welche nie die Stimme der Leidenschaft hört, und zugleich in das Zurückschreckende der gänzlichen U n z ä r t l i c h k e i t sich einhüllt. Das versteinernde Haupt der Medusa drohet auf dem Schilde, welcher Miner- vens Brust bedeckt; – es ist der düstre freudenlose Nachtvogel, der über ihrem Haupte schwebt. – Sie selber ist es, die den duldenden, standhaften, k a l t e n , und verschlagenen Ulysses, in Schutz nimmt, und die aufgebrachten Helden zur Kaltblütigkeit zurückruft. Diese Eigenschaften der Minerva drückt der Hymnus aus:

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Hymnus. Pallas Minerva, die erhabene Göttin, Die blauäugigte, v e r s c h l a g e n e , Die jungfräuliche, h a r t h e r z i g e , Die mächtige Beschützerin der Städte, will ich singen!

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Minerva die friedliche. Als Achill im Begriff war gegen den Agamemnon sein Schwerdt zu ziehen, so stand plötzlich, ihm allein nur sichtbar, die blauäugigte Göttin hinter ihm, mit schrecklichem Blick – bei seinem gelben Haar ihn fassend – und hielt mit weisem Rath den jungen Held zurück, daß er am silbernen Griff sein Schwerdt wieder in die Scheide drückte. – So ist die himmlische P a l l a s mitten im Kriege selbst noch Friedensstifterin.

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Minerva ist die verwundende und die heilende; die zerstörende und die bildende; eben die Göttin, welche am Waffen- getümmel und an der tobenden Feldschlacht sich ergötzt, lehrt auch die Menschen die Kunst zu weben, und aus den Oliven das Oehl zu pressen. Die furchtbare Zerstörerin der Städte, wetteifert mit dem Neptun nach wessen Nahmen die gebildetste Stadt, die je den Erdkreis zierte, genannt werden sollte; und als der König der Gewässer mit seinem Dreizack das kriegerische Roß hervorrief, so ließ sie den friedlichen Oehlbaum aus der Erde sprossen, und gab der Stadt, worin die Künste blühen sollten, ihren sanften Nahmen. Die Wildheit des Kriegerischen war bei dieser Göttergestalt durch ihre Weiblichkeit gemildert, und die Weichheit und Sanftheit des Friedens und der bildenden Künste, lag unter der kriegerischen Gestalt verdeckt. – Zu Argos wurde das Fest der Minerva gefeiert, indem ihre Bildsäule in dem Inachus gewaschen, und dann von neuem geschmückt wurde:

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Hymnus. Hinaus, ihr Priesterinnen der Pallas, an den Strom! Ich habe schon das Wiehern der heiligen Rosse vernommen; Die Göttin fährt geschmückt einher; Drum eilt, ihr mit den gelben Locken, Ihr Töchter von Argos, eilt! Dann wurde die seegnende Göttin, die Beschützerin der Städte mit freudigem Zuruf empfangen: Hymnus.

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Empfangt die Göttin, ihr Mädchen von Argos, Empfangt sie mit freudigem Zuruf, Mit Gelübden, und mit Gesängen: Sey uns gegrüßt, o Göttin, Bewahre und schütze unsre Stadt, Und seegne unsre Fluren!

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Neptun. (Die vierte Kupfertafel.) In jugendlicher Majestät ist der König der Wasserwelt auf einer antiken Gemme abgebildet; auf einem Meerpferde reitend, um dessen Hals sich seine Linke schmiegt, während daß in der Rechten sein Dreizack ruht. Stolz bäumt das Roß sich auf der Wasserfläche, weil es den Beherrscher der Meeresfluthen auf seinem Rücken trägt.

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Das Urbild des Neptunus. Die Unterlage dieser Götterbildung ist das tobende Element, die ungeheure Wasserfläche, d i e g l e i c h s a m a u f d a s E r h a b e n e z ü r n t , u n d e s s i c h g l e i c h z u m a c h e n s t r e b t . – Als die Griechen in der Belagerung von Troja nahe am Ufer des Meeres um ihre Schiffe eine Mauer, zu einem Bollwerk gegen die Feinde errichtet hatten; so zürnte Neptun darüber und beklagte sich beim Jupiter: »Der Ruhm dieser Mauer, sagte er, wird sich verbreiten, so weit sich das Licht erstreckt; der meinigen aber, die ich einst dem Laomedon um Troja erbaute, wird man vergessen!« Da antwortete ihm Jupiter: »o du großer Erderschütterer, mich sollte es nicht wundern, wenn ein andrer, nicht so mächtiger Gott, ein solches Werk sich anfechten ließe; aber dein Ruhm verbreitet sich ja schon so weit sich das Licht erstreckt. – Und du wirst ja, so bald die Griechen hinweg sind, die Mauer ins Meer versenken, und die Ufer mit Sand bedecken, daß keine Spur von ihr übrig bleibt.« – Mit diesen Worten verwieß Jupiter dem Neptun diese Art von kindischer Misgunst gegen ein Werk der sterblichen Menschen. Als einst die Musen auf dem Helikon Gesang und Saitenspiel so mächtig ertönen ließen, daß alles rund umher belebt ward, und selbst der Berg zu ihren Füßen hüpfte. – Da zürnte Neptun und sandte den Pegasus hinauf, daß er dem zu kühn gen Himmel sich Erhebenden Gränzen setzen sollte; als dieser nun auf dem Gipfel des Helikon mit dem Fuße stampfte, war alles wieder in dem ruhigern, sanftern Glei-

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se, und unter seinem stampfenden Fuße brach der Dichterquell hervor, der von des Rosses Tritt die Hippokrene heißt.

Die untergeordnete Macht Neptuns. 5

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Obgleich mit dem Donnergott von einem Vater erzeugt, ist dennoch Neptun, gleich dem Elemente, das er beherrscht, die untergeordnete Macht. – Da Iris in dem Kriege vor Troja dem Neptun die Drohung des Jupiter überbringt; er möchte sich ja mit des Donnrers Macht nicht messen, und ablassen den Griechen beizustehen; so antwortet ihr der Erderschüttrer: »Jupiter sey so mächtig er wolle, so hat er doch sehr stolz geredet! sind wir nicht alle drei vom Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren? ist nicht unter uns das Reich getheilt? Er mag seine Söhne und Töchter, aber nicht mich mit solchen Worten schrecken!« – Iris stellte ihm vor: » d e n ä l t e r n B r u d e r s c h ü t z t d i e M a c h t d e r E r y n n e n ! « Und Neptun giebt dem Donnerer nach, und sagt die sanften Worte: »Du hast sehr wohl gesprochen, o Göttin, und es ist gut, wenn auch ein Bote das Nützliche weiß.«

Die Majestät des Neptunus.

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Im Kriege vor Troja saß Neptun auf der Spitze des waldigten Samos, und sahe dem Treffen zu. – Er zürnte heftig auf den Jupiter, daß er den Trojanern Sieg gab. – Er stieg vom Berge hinunter; der Berg erbebte unter seinem Fußtritt. – Drey Schritte that er vorwärts, und mit dem vierten war er in A e g e , wo tief im Meere sein Pallast ist. – Er bestieg seinen Wagen, und fuhr auf den Wellen daher. – Die Heere der Wasserwelt stiegen empor, und erkannten ihren König. – Das Meer wich ehr- furchtsvoll zu beiden Seiten, – und schnell flog der Wagen des Gottes, daß die eherne Achse unbenetzt blieb. – Die Dichtkunst sowohl als die bildende Kunst stellt zwar den König der Gewässer in ähnlicher Majestät wie den Jupiter dar; nur bleibt der Ausdruck von Macht und Hoheit immer untergeordnet. –

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Was s c h n e l l s i c h f o r t b e w e g t ergötzt den Herrscher der Wasserwogen; zu Lande lenkt er R o ß und Wagen; und auf dem Meere sind die Schiffe seine Lust; der Hymnus singt von ihm: Hymnus. Neptun, den Mächtigen, den Erhabenen will ich singen, Der Erd’ und Meer erschüttert! – Ihm ward ein doppelt Looß zu Theil; Er zähmt das Roß, und lenkt die Schiffe. Heil ihm, dem Erdumgürter, den im Sturme Der zagende Schiffer um Rettung fleht!

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Am Feste Neptuns fordert das Lied des römischen Odensängers zur Freude und zum Genuß des Lebens auf: Was beginn ich am Feste Neptuns? Hervor mit dem alten Cäkuber! Denn siehe, schon neigt sich der Mittag; Drum laß zum Genuß uns eilen! Wir wollen wechselsweise Neptun, den mächtigen König, und das Haar Der Nereiden singen! 〈Abb. 37〉 73

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Apollo. (Die fünfte Kupfertafel.) Der Gott der Harmonien, ist auf einer antiken Gemme abgebildet, mit der Rechten auf den Stamm eines Baums sich stützend, und in der Linken die Leyer haltend, um welche Cupido ihn bittet, der flehend vor ihm steht. Die Liebe vereint sich mit der unwiderstehlichen Macht der Tonkunst, um Herzen zu besiegen. Durch die Zusammenstellung dieser beiden Göttergestalten ist ein schöner Ge- danke in schönen Formen ausgedrückt, so daß dieser Ausdruck selber, den Gedanken spiegelt und ihn zur Vollendung bringt.

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Auf Delos entwindet er sich dem Schooß der Mutter. – Die hohen Göttinnen, Themis, Rhea, Dione und Amphitrite, sind bei seiner Geburt zugegen; – sie wickelten ihn in zarte Windeln; – allein er sog die Brust der Mutter nicht; – ihm reichte Themis Nektar und Ambrosia dar. – Und als ihn nun zum erstenmal die Götterkost genährt, da hielten seine Bande ihn nicht mehr; auf seinen Füßen stand der blühende Götterknabe, und auch das Band der Zunge war gelößt: Die goldne Zitter, sprach er, soll meine Freu- de seyn, der gekrümmte Bogen meine Lust, und in Orakelsprüchen will ich die dunkle Zukunft prophezeihen. – Das kleine Eiland selber, auf welchem Apollo gebohren wurde, war ein Gegenstand der Verehrung bei den Alten, und wurde, gleich dem Apollo selbst, besungen:

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Die heilige Delos will ich singen, Die Wiege des Apollo! – Vor allen heiligen Inseln, Die dem Meer entsteigen, Ist sie des Liedes werth, Weil sie den Gott der Lieder In ihrem Schooße trug. – Dem Dichter zürnt Apollo, Der Delos nicht gedenkt; Drum will ich Delos singen, Damit Apoll mich liebe! Dich, geliebtes Eiland, Umflogen siebenmal die Schwäne Und sangen, während daß Latona Den göttlichen Sohn gebahr.

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Sie hatten noch nicht zum achtenmal gesungen, Als der Mutter Schooße Sich der Gott entwand. Da jauchzten die Nymphen des Flusses, Daß des Aethers Wölbung Vom Jubel wiedertönte. Du, Delos, sprachst: zwar bin ich unfruchtbar, Doch trägt Apoll von mir den Nahmen, Und liebt vor allen Ländern Und allen Inseln mich! Vom Aufgange und vom Niedergange, Und vom unbekannten Norden, Bringt man die Erstlinge der Früchte, O glückliche Insel, in deinen Schooß. Welcher Kaufmann, welcher Schiffer Im Aegeischen Meere, Seegelt vor dich vorüber, und hemmt nicht seinen Lauf, Bis er den festlichen Gang um deinen Altar vollendet? Sey uns gegrüßt, o heilige Mutter, Die in ihrem Schooße die Inseln trägt! Auch Apollo sey uns gegrüßt, Und Diana, Latonens Erzeugte!

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Apollo der Gott der Jugend und der Gott des Todes. Apollo und Diana sind die verschwisterten Todesgötter, – sie theilen sich in die Gattung: – Jener nimmt sich den M a n n , und diese das We i b zum Ziele; und wen das A l t e r beschleicht, den tödten sie mit s a n f t e m P f e i l ; damit die G a t t u n g sich in ewiger Jugend erhalte, während daß Bildung und Zerstörung immer gleichen Schritt hält. Gleich den vom Vater der Götter gesandten Tauben, die vor der gefahrvollen Scylla vorbeifliegend, beständig eine aus ihrer Mitte verlieren, die vom Jupiter sogleich ersetzt wird, d a m i t d i e Z a h l v o l l bleibe; macht auch ein Menschengeschlecht u n m e r k l i c h

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dem andern P l a t z , und wer von Alter und Schwachheit übermannt, entschlummert, den hat in der Dichtersprache Diana oder Apollo mit sanftem Pfeil getödtet. Daß dies die Vorstellungsart der Alten war, erhellet aus ihrer Sprache. – Das kleine glückliche Eiland, wo ich gebohren bin, erzählt der Hirt Eumäus dem Ulysses, liegt unter einem gesunden wohlthätigen Himmelsstrich; k e i n e v e r h a ß t e K r a n k h e i t raft da die Menschen hin; sondern wenn nun das Alter da ist, so kommen Diana und Apoll mit ihrem silbernen Bogen, und töd- ten die Menschen mit ihrem sanften Pfeil. – Wenn Ulysses in der Unterwelt den Schatten seiner Mutter frägt, wie sie gestorben sey; so giebt sie ihm zur Antwort: mich hat nicht Dianens s a n f t e r Pfeil getödtet, auch hat mich keine K r a n k h e i t dahin geraft; sondern mein Verlangen nach dir, und mein Kummer um dich, mein Sohn, haben mich des süßen Lebens beraubt. Wenn aber der Gott mit dem silbernen Bogen auf das Heer der Griechen zürnend, eine Pest in ihr Lager schickt, die plötzlich Mann auf Mann dahin raft, daß unaufhörlich die Scheiterhaufen der Verstorbenen lodern; so schreitet er wie die Nacht einher, spannt den silbernen Bogen, und sendet die v e r d e r b l i c h e n P f e i l e in das Lager der Griechen. Allein der jugendliche Gott des Todes zürnt nicht immer; der, dessen Pfeil verwundet, heilt auch wieder; – er selbst wird unter dem Nahmen der H e i l e n d e mit einer Hand voll Kräuter abgebildet; – auch zeugte er den sanften Aeskulap, der Mittel für jeden Schmerz und jede Krankheit wußte; und selbst durch seine Kunst vom Tod’ erretten konnte. Gleichwie nun in den wohlthätigen und verderblichen Sonnenstrahlen, und in der befruchtenden und Verwesung brütenden Sonnenwärme, das Bildende mit dem Zerstörenden sich vereint, so war auch hier das Furchtbare mit dem Sanften in der Göttergestalt verknüpft, die jene Strahlen und jene Wärme, als ihr erhabnes Urbild in sich faßt.

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Das Urbild des Apollo.

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Unter den Dichtungen der Alten ist die vom Apollo eine der erhabensten und liebenswürdigsten, weil sie selbst den Begriff der Zerstörung, ohne davor zurückzubeben, in den Begriff der Jugend und Schönheit wieder auflößt, und auf die Weise dem g a n z E n t g e g e n g e s e t z t e n dennoch einen harmonischen Einklang giebt. Das erste Urbild des Apollo ist der S o n n e n s t r a h l i n e w i g e m J u g e n d g l a n z e . – Den hüllt die Menschenbildung in sich ein, und hebt mit ihm zum Ideal der Schönheit sich empor, wo der Ausdruck der z e r s t ö r e n d e n M a c h t selbst in die Harmonie der jugendlichen Züge sich verliert. – Die hohe Bildung des Apollo stellt die ewig junge Menschheit in sich dar, die gleich den Blättern auf den immergrünenden Bäumen, durch den a l l m ä l i g e n A b f a l l u n d Z e r s t ö r u n g d e s Ve r w e l k t e n , sich in ihrer immerwährenden Blüthe, und frischen Farbe erhält.

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H e l i o s oder der Sonnengott. H e l i o s heißt unter den a l t e n G ö t t e r n der Lenker des Sonnenwagens. Sein Haupt ist mit Strahlen umgeben, er leuchtet den sterblichen Menschen und den unsterblichen Göttern; er sieht und hört alles und entdeckt das Verborgne. Es ist die leuchtende Sonne selbst, welche in den Bildern vom Helios durchschimmert. Eben dieser Lenker des Sonnenwagens heißt Apollo unter den n e u e n G ö t t e r n , und ist ein Sohn des Jupiter, der ihn und die Diana mit der Latona erzeugte. Es ist der fernhin treffende Gott, den silbernen Bogen spannend, und der Vater der Dichter, die goldne Zitter schlagend. Da nun Apollo nicht zu gleicher Zeit auf Erden der Gott der Dichtkunst und der Tonkunst seyn, die Götter im Olymp mit Saitenspiel und Gesang ergötzen, und auch den Sonnenwagen lenken kann; so scheint es, als habe die Phantasie der Dichter, den Apollo und Helios

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sich zu e i n e m Wesen gebildet, daß sich gleichsam in sich selbst verjüngt, indem es im Himmel als leuchtende Sonne v o n A l t e r s her auf und untergeht, und auf Erden in jugendlicher Schönheit, n e u g e b o h r e n , wandelnd, mit goldenen Locken, ein unsterblicher Jüngling, die Herzen der Götter und Menschen mit Saitenspiel und Gesang erfreut.

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Auf zum Tanz, ihr Jünglinge, Auf zum Saitenspiel, Denn der Gott ist nahe! Die Leier des Jünglings muß nicht schweigen, Es muß sein Fuß nicht ruhen, Wenn der Gott sich nahet – Ewig jung und ewig schön, Des Bogens und des Liedes mächtig; In die Zukunft schauend, Wandelt er einher, – Wo von seinen Locken Balsam nieder träufelt Da gedeiht die Flur. So viel Blumen der Frühling färbt, Wenn der Zephir wehet, Sollen deinen Altar schmücken! Immer soll die Flamme lodern, Nie der gestrige Funken In der Asche glimmen! Aus reiner Quelle fließt Das Lied, das dir ertönet! – Erhabner König, sey gegrüßt!

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Der wahrsagende Apollo. Als Apollo in Delphi sein Heiligthum gründen wollte, erblickte er von fern ein segelndes Handelsschiff aus Kreta, – plötzlich sprang er ins Meer und warf sich in der Gestalt eines ungeheuren Delphins in das Schiff der Kretensischen Männer, – und zwang es, vor allen Küsten und vor Pylos, wohin es segeln sollte, vorbei, in den Hafen von Krissa einzulaufen, wo er den Männern plötzlich in seiner majestätischen Gestalt erschien, und ihnen verkündigte, daß sie nie in ihr Vaterland wiederkehren, son- dern in seinem Tempel als Priester ihm dienen würden. Und die Kretenser folgten mit Lobgesängen dem anführenden Gotte zu seinem Heiligthum, an dem felsigten Abhange des Parnasses. – Als sie aber die unfruchtbare Gegend erblickten, flehten sie zum Apoll um Hülfe gegen Armuth und Mangel. – Dieser blickte sie lächelnd an, und sagte: o ihr thörichten Menschen, die ihr euch selber Sorgen macht, u n d m ü h s a m e A r b e i t a u s s i n n t , vernehmt ein leichtes Wort: hier halte ein jeder das Opfermesser in seiner rechten Hand, und schlachte unaufhörlich Opfer, die hier von allen Seiten aus allen Ländern zuströmen werden. – Nun wurde D e l p h i nahe am Tempel des Apollo erbauet, und seine Einwohner wurden reich und glücklich, wie der untrügliche Gott geweißagt hatte. –

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Apollo der Gott der Dichtkunst. Als Apollo von der felsigten Pytho, schnell wie ein Gedanke, zum Olymp hinauf stieg, und in die Versammlung der Götter trat; da herrschte auf einmal Gesang und Saitenspiel; die Grazien und die Horen tanzten, und die Musen sangen mit wechselnden Stimmen, die Freuden der seeligen Götter, und den Kummer der Menschen, die kein Mittel finden, dem Tode und dem Alter zu entgehen. Schön ist die Bitte des römischen Odensängers, womit er vom Apollo nicht Reichthümer und Schätze, sondern die wahren Güter des Lebens sich erfleht:

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Was fleht der Dichter vom Apollo, Indem er aus der Opferschale Den ersten Wein ausgießt? – Mit Weißheit und mit frohem Muthe Des Lebens zu genießen, Und eines ehrenvollen Alters sich zu freun, Dem noch nicht ganz das Saitenspiel verstummt!

Diana.

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(Die sechste Kupfertafel.) 10

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Die Göttin der Wälder und der Jagd ist auf einer antiken Gemme stehend abgebildet, mit einem zarten leichten Gewande bekleidet. Ein Hirsch steht neben ihr; sie faßt ihn mit der Linken beim Geweih, und hält in der rechten Hand den Bogen. Die Göttin scherzet mit dem Wilde, das sie verfolgt, und das auf ihren Wink der Flucht vergißt, und willig sich greifen läßt.

Das Urbild der Diana.

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Das Urbild der Diana ist der l e u c h t e n d e M o n d , der k a l t und k e u s c h in nächtlicher Stille über die Wälder seinen Glanz ausstreuet. – Diese Keuschheit der Diana selber aber ist ein furchtbarer Zug in ihrem Wesen. – Den Jäger Aktäon, der sie im Bade erblickte, ließ sie, in einen Hirsch verwandelt, von seinen eignen Hunden zerrissen, ihrer jungfräulichen Schamhaftigkeit ein schreckliches Opfer werden. Und als eine Priesterin der Diana ihren Tempel durch die Annahme der Besuche ihres geliebten Jünglings in demselben entweihte, bestrafte die Göttin das ganze Land mit Pest und Seuchen, bis man das schuldige Paar ihr selber zum Opfer brachte. – Ihr widmeten sich die Jungfrauen, die das Gelübde der Keuschheit thaten, dessen Verletzung sie mit grausamen Strafen rächte.

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Wenn Jungfrauen, die dies Gelübde thaten, sich dennoch, ihren Entschluß bereuend, vermählen wollten, so zitterten sie vor Dianens Rache, und suchten die zürnende Göttin mit Opfern zu versöhnen.

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Diana die Göttin des Todes. Als die Schwester des Apolls schimmert Diana am hellsten hervor, weil dieser seinen Glanz mit auf sie wirft – so wie sie mit ihm vereint, die Kinder der Niobe mit schrecklichen Pfeilen tödtet; so richtet sie auch mit ihm vereint ihr s a n f t e s G e s c h o ß auf die Geschlechter der Menschen, die gleich den welkenden Blättern, der blühenden Nachkommenschaft allmälig weichen. Nach einer schönen Dichtung übte sich Diana zu diesem Geschäfte zuerst an Bäumen, dann an Thieren, und zuletzt an einer u n g e r e c h t e n Stadt, wo sie die Menschen mit verderblichen, Krankheit und Seuchen bringenden Pfeilen erlegte. Hymnus.

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Dem Apollo. Apollo sanft und gütig Verbirg den Pfeil im Köcher, Höre der Knaben Bitte! Der Diana.

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Zweigehörnte L u n a , Königin des Himmels, Höre der Mädchen Flehn! Hymnus. Dem Apollo und der Diana.

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Ihr edlen Jungfrauen und ihr, berühmter Väter Söhne, Die ihr im Schutz der Delischen Göttin steht, Welche die schnellen Füchse und Rehe

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Diana

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Mit ihrem Bogen ereilt, Merkt auf der Töne Maaß, Und meinen Fingerschlag! Singt melodisch den Sohn Latonens, Singt melodisch die wachsende Luna, Die den Wechsel des Jahres bringt Und den Früchten Gedeihen giebt. Wenn du, Mädchen, einst vermählt bist Wirst du noch erzählen: Ich sang am sekularischen Feste Ein Lied, das den Göttern wohlgefiel, Und das der Sänger H o r a z mich lehrte.

Die Majestät der Diana. 15

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Als Jupiter, den sie schmeichelnd bat, ihr den jungfräulichen Stand vergönnte, so nahm sie Pfeil und Bogen, zündete ihre Fackel bei Jupiters Blitzen an, und gieng von ihren Nymphen begleitet, hoch in den Wäldern einher, und auf den stürmischen Gipfeln. Sie spannt den goldnen Bogen, und sendet die tödtlichen Pfeile ab: die Spitzen der Berge zittern. – Vom Aechzen des Wildes ertönt der Wald – hoch über alle Nymphen ragt die Göttin mit Stirn und Haupt empor, und wendet ihr Geschoß nach allen Seiten. Doch vergißt die hohe Göttin auch im Getümmel der Jagd des himmlischen Bruders nicht. – Und wenn sie genug mit Jagen sich ergötzt hat, so spannt sie den goldnen Bogen ab, und eilet nach Delphi, zu dem Sitze des leuchtenden Apollo, – da hängt sie ihren Bogen auf, und führt die Chöre der Musen und Grazien an, welche das Lob der himmlischen Latona singen, die solche Kinder gebahr. –

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Hymnus. Dem Apollo. Ihr Jünglinge singt das blühende Tempe, Und Delos, das den Gott gebar, Den der Köcher schmückt, Und die goldne Leyer! 103

Der Diana. Ihr Jungfrauen singt der Göttin, Die sich der Flüsse und der Wälder freut, Und auf dem beschneiten Algidus, In der Nacht des Erymanthus, Oder auf des grünen Kragus Gipfel, Im strahlenden Götterglanz erscheint!

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Venus. (Die siebente Kupfertafel.)

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Kupido flehet die Venus schmeichelnd um den Pfeil, welchen sie mit der Rechten in die Höhe haltend, seinem Verlangen noch entzieht, indem sie schalkhaft auf ihn herunterblickt, gleichsam als ob sie sagen wollte: daß dieser Pfeil ein zu gefährliches Werkzeug in der Hand des leichtfertigen unbesonnenen Knaben sey!

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Das Urbild der Venus. Man verehrte in dieser reitzenden Göttergestalt, den heiligen Trieb der alle Wesen fortpflanzt. – Die Fülle der Lebenskraft, die in die nachkommenden Geschlechter sich ergießt. – Den Reitz der Schönheit, der zur Vermählung anlockt. – Sie war es, welche den Blick der Götter selbst auf Jugend und Schönheit in sterblichen Hüllen lenkte, und triumphirend ihrer Macht sich freute, bis auch sie erlag, dem blühenden Anchises sich in die Arme werfend, von welchem sie A e n e a s , den göttergleichen Held gebahr. –

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Venus

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So wie nun aber jener sanfte, wohlthätige Trieb, auch oft verderblich wird, und über ganze Nationen Krieg und Unheil bringt, so stellt die sanfteste unter den Göttinnen, sich in den Dichtungen der Alten, auch als ein furchtbares Wesen dar.

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Die heiligen Wohnplätze der Venus.

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Cypern.

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Hier trugen die Wellen die Göttin der Liebe, als sie aus dem Schaume des Meeres emporstieg, sanft ans Ufer. – Auf dieser anmuthigen Insel waren ihr ganze Städte, Haine, Tempel, und Altäre geweiht. Ihr Lieblingssitz war P a p h o s , wo man in ihrem Tempel von allen Seiten Geschenke darbrachte, und Gelübde that. – Von der Verehrung, womit hier alle Völker der Göttin der Schönheit huldigten, hieß sie die K ö n i g i n von P a p h o s . – Von Amathunt und I d a l i u m in Cypern führte sie die dichterischen Nahmen I d a l i a und A m a thusia.

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Gnidus.

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Nach Gnidus wallfahrtete man aus den entferntesten Ländern, um in der Venus des Praxiteles die in alle Wesen Liebe einhauchende Gottheit zu verehren, welche durch die bildende Kunst, in menschlicher Gestalt dem Auge sichtbar gemacht, in einem offenen Tempel, dem Blicke der Sterblichen enthüllet, da stand, und die Verwunderung aller Völker auf sich zog. Cythere.

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Auf diesem Eilande war der älteste Tempel der Venus in Griechenland. – Der Begriff von der Göttin selber war mit ihrem Aufenthalt auf Cythere so oft zusammengedacht, daß beide Nahmen zu einem wurden, und in der Dichtersprache die Göttin der Liebe Cythere heißt.

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Hymnus.

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O Venus, Königin von Gnidus und von Paphos, Wende den Blick von deinem geliebten Cypern, Und eile in Glycerens Wohnung, Die mit heißem Gebet dich ruft, Indem sie duftenden Weihrauch Auf deinen Altar streut! Mit dir sey der muthwillige Knabe, Und die Grazien mit gelößtem Gürtel, Die Jugend, deine frohe Gefährtin, Und der behende Merkurius!

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Die furchtbare Macht der Venus. Sie hatte dem Paris, der ihr vor allen Göttinnen den Preis der Schönheit zuerkannte, das schönste Weib versprochen; nun stiftete sie selbst ihn an, dem griechischen Menelaus seine Gattin die Helena, zu entführen, und flößte dieser selbst zuerst den Wankelmuth und die Treulosigkeit in den Busen ein. So hielt sie dem Paris ihr Wort, ganz unbekümmert, was für Zerstörung und Jammer daraus entstehen würde. – Im Kriege vor Troja hüllte sie den Paris, als Menelaus im Zweikampf ihn tödten wollte, in nächtliches Dunkel ein, und führte ihn in sein duftendes Schlafgemach, wo sie selber die Helena zu ihm rief. – Und als diese, ihre Schuld bereuend, sich weigerte, der Liebesgöttin Ruf zu folgen, so sprach Venus mit zürnenden Worten: Elende! reitze mich nicht, damit ich nicht eben so sehr dich hasse, als ich bis jetzt dich liebte. – Unter den Trojanern und Griechen stifte ich dennoch verderblichen Hader an, dich aber soll ein unseeliges Schicksal treffen! – Und nun läßt die gebietende Venus, dem rechtmäßig erzürnten Gatten gleichsam zum Trotz, den wollüstigen Paris die Freuden der Liebe genießen. – Wenn nun diese Göttergestalt zugleich die kalte

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Venus

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Weisheit der Minerva, oder den Ernst der Themis, in sich vereinte, so würde sie freilich nicht so u n g e r e c h t , um die verderbliche Wollust eines einzigen Lieblings zu begünstigen, der alles verwüstenden Zerstörung, die sie dadurch veranlaßt, ruhig zusehn. Dann wäre sie aber auch nicht mehr a u s s c h l i e ß e n d die Göttin der Liebe; sie bliebe kein Gegenstand der Phantasie, und wäre nicht mehr die hohe dichterische Darstellung desjenigen, was in der ganzen Natur mit unwiderstehlichem Reitze unaufhörlich fortwirkt, unbekümmert, ob es Spuren blutiger Kriege oder glücklich durchlebter Menschenalter hinter sich zurück läßt. – Merkwürdig ist die Anrede der Ve n u s an ihren Liebling Anchises, der mit ihr den Held Aeneas erzeugte. – Sie spricht zu ihm, da sie als Göttin sich ihm zu erkennen giebt: sey ohne Furcht! d u w i r s t n i c h t s S c h l i m m e s w e g e n m e i n e r L i e b e erdulden. – Ich werde nicht, wie Aurora für ihren Tithonus, die Unsterblichkeit für dich erbitten; sondern dich wird das schnelle Alter, so wie die andern Sterblichen überschleichen. – Die Nymphen des Waldes aber sollen den Sohn, den ich gebähre, erziehen. – Wenn er mannbar ist, sollst du an seiner göttergleichen Gestalt dich weiden. Und wenn dich jemand frägt, wer diesen Sohn gebohren, so sollst du sagen: eine der Nymphen, die diese Berge bewohnen; – rühmst du dich aber thöricht, daß du in Cytherens Arm geruht, so wird dich Jupiters Blitz zerschmettern! Dieß präge tief dir ein, und fürchte den Zorn der Götter! Der römische Odendichter flehet die grausame Venus um Schonung an: Aufs neue soll der Kampf anheben? Ich bitte dich Venus, schone! schone! Das zehnte Lustrum ist entflohn, Höre auf, du grausame Mutter der süßen Triebe, Den widerstrebenden Nacken, Der schon den Druck der Jahre fühlt, Noch unter dein sanftes Joch zu beugen!

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Eben dieser Dichter flehet die mächtige Venus an, die Sprödigkeit zu bestrafen: Die du, o Göttliche, das glückliche Cypern beherrschest, Mächtige Königin! Nur einmal rühre Chloen mit deiner Geißel, Die Uebermüthige, Stolze!

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Die Majestät der Venus. Die Horen empfangen die Venus, wenn sie, nach der alten Dichtung, dem Meere entsteigt; sie ziehen ihr göttliche Kleider an, setzen ihr aufs unsterbliche Haupt die goldenen Krone, schmücken ihr mit goldenem Geschmeide Hals und Arme, und hängen blitzende Ohrgehänge in ihre durchlöcherten Ohren; – so mahlt sich bis auf den kleinsten weiblichen Schmuck das Bild der hohen Göttin aus. – Der Venus waren vom Jupiter die G r a z i e n zugesellt – in ihrem Gefolge waren die Liebesgötter, – vor ihren Wagen waren Tauben gespannt. Alles ist sanft und weich in diesem Bilde; – doch ist der Liebesgott mit Bogen und Pfeil bewafnet, und stellt die furchtbare Macht seiner himmlischen Mutter, der alles besiegenden Göttin, in sich dar. – Hymnus. Die Göttin will ich singen, Welche süße Gaben Den Sterblichen verleiht, Die mit holdem Antlitz Immer schalkhaft lächelt. – Sey gegrüßt, o Göttin! Hauche dem Gesange, Der dich rühmend preiset, Süßen Wohllaut ein!

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Mars

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Mars.

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(Die achte Kupfertafel.) Auf einer antiken Gemme ist der Kriegesgott und Venus ihm zur Seiten abgebildet. Beide sind im schnellen Lauf begriffen. Sie trägt den Friedensstab in ihrer Rechten und er den Spieß auf seiner Schulter. Mit Sträuben und weggewandtem Blick folgt die sanfte friedliche Göttin dem Mars, mit dem sie verbotener Liebe pflog, ins Schlachtgetümmel. Er aber reißt unwiderstehlich mit gewaltigem Arm sie fort, und macht sie selbst zur Theilnehmerin des verderblichen Zwistes.

Das Urbild des Mars.

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〈Abb. 40〉 119

Auch dem Furchtbaren und Schrecklichen, dem verderblichen Kriege selber, gab die Einbildungskraft der Alten Persönlichkeit und Bildung, und milderte selbst dadurch den Begriff des Wilden und Ungestümen, das durch die Heere wie ein Wetter hinfährt; Wagen zertrümmert; Helme zerschellt; den Tapfern mit dem Feigen, im wirbelnden Sturme zu Boden wirft; und über der grauenvollen Verwüstung triumphiret. Die menschenähnliche Bildung, worin die Dichtung diese furchtbare Erscheinung hüllte, und sie dem Chor der seeligen Götter zugesellte, gab nun dem Krieger auch ein hohes Urbild, das über ihm in Majestät gehüllt war, und das er durch Kühnheit und Tapferkeit in sich übertrug. Demohngeachtet verliert sich zuweilen in den Dichtungen die menschenähnliche Bildung des Mars wieder in den Begriff des streitenden Heers. – Als er selbst im Treffen vor Troja, mit Hülfe der Minerva, von dem tapfern Diomedes verwundet wurde, s o b r ü l l t e e r w i e z e h n t a u s e n d M a n n im Schlachtgetümmel, – und Furcht und Entsetzen kam die Trojaner und Griechen an, als sie den ehernen Kriegesgott brüllen hörten. – Dieser aber erschien dem Diomed wie nächtliches Dunkel, das vor dem Sturm hergeht, als er in Wolken gehüllt zum Himmel aufstieg.

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Und als er nun hier beim Jupiter sich beklagte, so schalt ihn dieser mit zürnenden Worten: belästige mich nicht mit deinen Klagen, U n b e s t ä n d i g e r , der du mir der verhaßteste unter allen Göttern bist, die den Olymp bewohnen. – Denn du hast nur Gefallen an Krieg und Streit, – in dir wohnt ganz die G e m ü t h s a r t d e i n e r M u t t e r , – und wärst du der Sohn eines andern Gottes und nicht mein Sohn, so lägst du längst schon tiefer, als Uranos Söhne liegen. Die U n b e s t ä n d i g k e i t des Mars, welche ihm auch Minerva vorwirft, die ihn einen U e b e r l ä u f e r schilt, der es bald mit dem einen Heere, bald mit dem andern hält, ist wiederum der Begriff des Krieges selber, den die Dichtkunst hier als ein Wesen darstellt, das gleichsam um sein selbst willen da ist, unbekümmert, wer überwunden wird oder siegt, wenn nur das Schlachtgetümmel fortwährt.

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Mars und Venus im verstohlenen Liebesbündniß. Der wilde Mars wußte mit seinem jugendlichen Ungestüm die sanfte Venus selbst zu fesseln, die ihrem Gatten dem kunstreichen bildenden Vulkan, den zerstörenden Kriegsgott vorzog, mit dem sie ein verstohlnes Liebesbündniß knüpfte. – Aus diesem verstohlnen Bündniß des Sanften mit dem Ungestümen, entstand H a r m o n i a , der Venus schöne Tochter, die mit Kadmus dem Stifter und Erbauer von Theben, sich vermählte. – Auf der Untreue der Venus verweilt die bildende Kunst der Alten und ihre Dichtkunst gern. – Vulkanus zürnt vergeblich, die Schönheit bindet sich an kein Gesetz; sie ist über allen Zwang erhaben; und das v e r d e r b l i c h e J u g e n d l i c h e , ist, was ihr wohlgefällt.

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Der Ungestüm des Kriegesgottes. So wie Venus mit Zärtlichkeit den Kriegesgott fesselt; so hält Minerva ihn mit Weisheit von seinem Ungestüm zurück. – Denn als einst Jupiters drohendes Verbot den Göttern untersagt hatte, in den Krieg der Trojaner und Griechen sich zu mischen, und Mars vernahm, sein

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Sohn Askalaphus sey erschlagen; so ließ er seine Diener, das S c h r e k k e n und das E n t s e t z e n die Pferde vor seinen Wagen spannen, und legte seine leuchtenden Waffen an. Zürnt nicht, ihr Götter, sprach er, daß ich den Tod meines Sohnes räche, wenn Jupiter selbst auch seine Blitze auf mich schleudert. – Da sprang Minerva zu, riß ihm den ehernen Spieß aus seiner Hand, den Helm vom Haupte, den Schild von seiner Schulter. – Rasender, sprach sie, willst du uns alle ins Verderben stürzen, wenn aufs höchste Jupiters Zorn gereitzt ist! – Laß ab zu zürnen, denn mancher ist erschlagen, der stärker war als dein Sohn, und mancher Stärkere wird noch fallen; – wer kann die Sterblichen vom Tode befreien! so sprach sie, und brachte den Mars zu seinem Sitz zurück. So zürnen die erhabenern und eben deswegen auch sanftern Gottheiten, auf den ungestümen und unbeständigen Mars, – der aber demohngeachtet als ein hohes Wesen seinen Sitz unter den himmlischen Göttern hat, und dem auf Erden Tempel und Altäre geweiht sind.

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Hymnus. 20

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O Mars, mit Riesenstärke Und Löwenmuth begabt, Du, mit dem goldnen Helme, In ehrner Rüstung strahlend, Mit Spieß und Schild bewafnet, Auf deinem Götterwagen, Beschützer des Olympus, Der den Sieg verleihet, Helfer der gerechten Rache, Geber der entschloßnen Kühnheit, Höre unsre Bitte: Daß mit unerschrocknem Muthe Dein göttlicher Einfluß uns beseele, Damit wir die Gefahr

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Von unsern Häuptern wenden! Und daß es uns an Kraft nicht mangle, Den Zorn in unsrer Brust zu zähmen, Der ein Kind des Irrthums ist!

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Vulkan.

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(Die neunte Kupfertafel.) Auf einer antiken Gemme ist Vulkanus abgebildet, auf einem Felsen sitzend, und auf dem Ambos einen von den Fittichen schmiedend, die Jupiters Donnerkeile beflügeln. Der kraftvolle Arm hebt sich hoch empor, um mit dem Hammer auf den Ambos die mächtigen Schläge zu vollführen, während daß der Blick des kunstreichen Gottes, mit weiser Aufmerksamkeit auf sein Werk sich heftet. 〈Abb. 41〉 131

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Das Urbild des Vulkan. Das Mühsame und Beschwerliche der Arbeit in der mit Rauch und Dampf erfüllten Werkstatt, zusammengedacht mit der erhabenen Kunst, die unermüdet hier mit schaffendem Geiste wirkt, hüllte die Phantasie in eine eigene hohe Götterbildung ein, bei welcher alle Kraft sich in dem mächtigen Arm vereint, der den gewaltigen Hammer auf den Ambos führt, indeß die gelähmten Füße hinken. Wetteifernd mit dem Jupiter hatte Juno den Vulkan, wie dieser die Minerva, aus sich selbst gebohren und erzeugt. – Jupiter aber schleuderte ihn vom Himmel herab; er sollte in den glänzenden Reihen des hohen Göttersitzes nicht aufgenommen seyn. – Der Rauch, der schwarze Dampf, die halberstickte Flamme, vereinte sich mit dem reinen A e t h e r nicht, und widerstrebte dem Begriff von Klarheit, Schönheit, und hoher Götterwürde. – D i e H ä ß l i c h k e i t Vulkans ist ihm ein bitterer Vorwurf. Und dennoch nahm die Phantasie auch diese Götterbildung unter den Glanz des Hohen und Himmlischen, durch den Weg des K o -

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Vulkan

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m i s c h e n wieder auf. – Die seeligen Götter gerathen in ein unendliches Lachen, wenn der hinkende Vulkan das Amt des Ganymed verwaltend, und selbst über sein Gebrechen scherzend, den mit Nektar gefüllten Becher in der Versammlung der Götter umherreicht. Die kühne Einbildungskraft der Alten aber wußte das K o m i s c h e selber wieder mit Göttermacht und Hoheit, und einer über alles Menschliche erhabnen Würde zu umkleiden, wodurch sie eine Schattirung mehr erhielten, die ihren Dichtungen einen unnachahmlichen Reitz giebt.

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Die Majestät des Vulkan.

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Der hinkende, wegen seiner Häßlichkeit vom Himmel geschleuderte Sohn der Juno, welcher unbehülflich das Amt des zarten Ganymed verrichtet, ist in der mechanischen Kunst vortreflich; bei dieser schaden ihm die gelähmten Füße nicht; auch schmälert sein Sturz vom Himmel die Macht und Hoheit nicht, wodurch er ein Gegenstand der Verehrung der Völker wird. In seiner Schmiede führt er auf dem Ambos mit mächtigen Schlägen selbst den Hammer; – aber Luft und Feuer stehen ihm zu Gebote. – Die Blasebälge athmen auf seinen Wink, und hauchen die Flammen stärker oder schwächer an; – jeder seiner Gedanken führt schnell mit Götterkraft sich aus, und unter seinen bildenden Händen tritt majestätisch das Werk hervor. Ihm ist es ein Leichtes seinen Bildungen Leben einzuhauchen; – er schmiedet zwanzig Dreifüße auf goldenen Rädern rollend, welche auf seinen Wink in die Versammlung der Götter gehen und wiederkehren. – Auch hat er sich goldne Mägde gebildet, die Leben und Bewegung haben, und ihn im Gehen stützen. – Wenn er aus seiner Schmiede tritt, so trägt er ein königlich Gewand und Scepter; – auch ist in ihm die hohe bildende Kunst, obgleich in unansehnliche Gestalt verhüllt, doch mit der S c h ö n h e i t selbst vermählt; – durch diese Vermählung mit der Venus aber, erhält das Komische in den Zügen der Götterbildung des Vulkan den höchsten Reitz, weil auch die Eifersucht sich dazu gesellt. –

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Die Eifersucht des Vulkanus. Das künstliche Netz, welches der eifersüchtige Gatte um den Mars und die Venus schmiedet, und alle Götter herbeiruft, um über sein Unglück sich zu beklagen, ist in den Dichtungen der Alten unter Göttern und Menschen zu einer belustigenden Fabel geworden, wodurch der finstre Ernst gemildert, und das Gemüth zu frohem Lächeln aufgeheitert wird. In der Götterbildung des Vulkan aber findet sich das ganz Entgegengesetzte zusammen, was die Alten vorzüglich in ihren Dichtungen liebten; in ihm vermählt sich die Häßlichkeit mit der Schönheit selber; – das Komische ist in ihm mit Würde, die Schwachheit mit der Stärke, die Lähmung des Fußes mit der Macht des mächtigen Arms vereint. –

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Der Kampf des Vulkan mit dem Flußgott Skamander. Als Vulkan in dem Treffen vor Troja auf den Befehl seiner Mutter sich mit seinen Flammen dem Flußgott S k a m a n d e r widersetzte, der mit seinen anschwellenden Fluthen den Achill verfolgte; so begann ein furchtbarer Kampf zwischen den beiden entgegengesetzten Elementen. Zuerst verbrannte Vulkan das Feld mit allen Todten; – dann richtete er die leuchtende Flamme gegen den hochaufschwellenden Strom, daß das Schilf an seinen Ufern verbrannte, das Wasser siedete, und die Fische geängsti- get wurden. – Da flehte der Flußgott die Juno um Erbarmung an, – und Vulkan ließ ab ihn zu ängstigen, da seine Mutter es ihm befahl, und zu ihm sprach: höre auf, es ist nicht billig, daß e i n u n s t e r b l i c h e r G o t t d e r s t e r b l i c h e n M e n schen wegen so gequält werde!

Vulkan und Minerva, die bildenden Gottheiten. Vulkan wünschte, obgleich vergeblich, sich mit der Minerva zu vermählen. – Und als er gewaltsam sich ihrer zu bemächtigen suchte,

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wurde, während daß er mit der Göttin kämpfte, die Erde von seiner Zeugungskraft befruchtet, und gebahr den E r i c h t h o n i u s mit D r a c h e n f ü ß e n , den Minerva selbst in Schutz nahm, und ihn den Einwohnern ihrer geliebten Stadt Athen zum Könige setzte, wo er, um seine ungestalten Füße zu verbergen, den vierrädrigen bedeckten Wagen erfand. – Die Drachengestalt und Drachenfüße bezeichnen in diesen Dichtungen fast immer das der E r d e Entsprossene, mit der Erde nah Verwandte, – so bildet die Phantasie die himmelanstürmenden Giganten, als Kinder der E r d e mit Drachenfüßen; und auch der Wagen der Ceres, die die Erde befruchtet, ist mit Drachen bespannt. Schön und bedeutend ist es in diesen Dichtungen, daß die bildenden Götter einander hülfreich sind. – Als Prometheus die Menschen schuf, so standen Minerva und Vulkan ihm bei – und der Hymnus preißt den Vulkan und die Minerva wegen ihrer Verdienste um das Menschengeschlecht: Hymnus.

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Sing o Muse mit lieblichen Tönen, Vulkan, den trefflichen Künstler, Der mit der blauäugichten Göttin vereint, Die Menschen auf Erden bildete, Die vorher, gleich den Thieren des Waldes, In den Höhlen der Berge wohnten. Nun aber, vom Vulkan gelehrt, Bringen sie in ihren Häusern, Vergnügt und froh ihr Leben zu. Gott Vulkanus, sey uns gnädig, Verleih uns Tugend, gewähr’ uns Glück!

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Ceres. (Die zehnte Kupfertafel.) Auf einer antiken Gemme ist Ceres abgebildet mit dem Füllhorn in der rechten und Aehren in der linken Hand, auf einem hohen Wagen sitzend, welchen zwei Elephanten ziehen. Um die Elephanten zu regieren, sitzt ein Jüngling auf dem Nacken des einen, auf dem andern ein bärtiger Mann. Die Kolossen der Thierwelt beugen ihren Nacken unter das sanfte Joch der alles ernährenden Göttin.

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Das Urbild der Ceres. Unter den drei hohen Göttinnen, die vom Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren sind, ist Juno allein die Königin des Himmels. – C e r e s und Ve s t a sind auf E r d e n wohlthätige Wesen, wovon die eine den nährenden Halm hervorruft; die andre selbst jungfräulich, dennoch den Schooß der Erde mit heiliger fruchtbarmachender Wärme durchglüht. An die Vorstellung vom A c k e r b a u , welche den Menschen nachher so gewöhnlich und alltäglich geworden ist, knüpften sich in jenen Zeiten, wo man noch die Gaben der Natur gleichsam u n m i t t e l b a r aus ihrer Hand empfing, erhabne und schöne Begriffe an; es war die Menschheit und ihre höhere B i l d u n g selber, die man in dieser einfachen Vorstellung wiederfand, unter welcher man sich auch die ganze Natur mit ihren wunderbarsten abwechselnden Erscheinungen dachte, und sich an dieselbe u n t e r a l l e n i h r e n G e s t a l t e n , so nahe wie möglich anschloß.

Proserpinens Raub. Mit der Ceres erzeugte der Vater der Götter die jungfräuliche Proserpina, welcher des Lichtes süßer Anblick nur kurze Zeit gewährt war – denn nur zu bald wurde Jugend und Schönheit ein Opfer des unerbittlichen Orkus. –

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Da sie in sorgenfreier Unschuld mit ihren Gespielinnen auf der Wiese Blumen sammlet, schlingt schon der König der Schrecken die starken Arme um sie her, und hebt die umsonst sich sträubende auf seinen mit schwarzen Rossen bespannten Wagen. – Zürnend und mitleidsvoll versucht die Nymphe Cyane die schnaubenden Rosse aufzuhalten. – Pluto aber stampft mit seinem zweizackigten Zepter von Ebenholz den Boden, und öfnet sich mitten durch die Klüfte der Erde zu seinem unterirdischen Pallast einen Weg. Ceres aber, da sie den Raub ihrer Tochter vernimmt, unwissend wer sie entführte, zündet auf dem f l a m m e n d e n A e t n a ihre Fackel an, setzt sich auf ihren mit Drachen bespannten Wagen, und sucht ihre Tochter in den verborgensten Winkeln der Erde, wohin kein Strahl der Sonne drang. – Sie sucht die Nacht zu erleuchten; das Verborgene aufzudecken; u m d a s Ve r l o h r n e u n d E n t schwundene, was ihr so nah verwandt ist, wieder ans L i c h t z u bringen. – Nachdem sie ihre Tochter nun vergebens auf der ganzen Erde gesucht hat, so kam sie endlich in E l e u s i s , einem Flecken in Attika, ermüdet an. – Mit der Macht der Gottheit verknüpft die schöne Dichtung m e n s c h l i c h e s L e i d e n . – Die erhabene Göttin war jammervoll – sie setzte sich betrübt auf einem Steine nieder – bis der gastfreie Celeus sie in seine Wohnung einlud, ohngeachtet sein Haus voll Trauer war, weil sein geliebter Sohn in letzten Zügen lag. Die Göttin nahm an dieser Trauer Theil, weil sie den Schmerz über den Verlust eines Kindes in seiner ganzen Größe kannte. – Nun aber that sie, was als Göttin ihr ein Leichtes war; sie machte des Celeus Sohn gesund. Auch wollte sie die U n s t e r b l i c h k e i t dem blühenden Knaben schenken, indem sie ihn alle Nacht auf ihrem Schooße in Flammen hüllte, um alles Sterbliche an ihm zu tilgen; bis durch den ungestümen Schrei, und durch die unzeitige Furcht der Mutter, welche die Ceres einst bei diesem Geschäft belauschte, auch dieser Wunsch der Göttin vereitelt wurde.

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Dennoch setzte sie ihrer Wohlthätigkeit keine Schranken; sie gab dem Tr i p - t o l e m u s , des Celeus älterm Sohne, einen Wagen mit fliegenden Drachen bespannt, und schenkte ihm den edlen Waizen, daß er ihn auf der ganzen Erde mit vollen Händen ausstreuen, und Seegen allenthalben seine Spur begleiten sollte. Endlich entdeckte nun auch der Ceres die allsehende Sonne den Aufenthalt ihrer Tochter, – da forderte sie die gewaltsam Geraubte zürnend vom Orkus wieder, – und Jupiter selber bewilligte Proserpinens Rückkehr, unter der Bedingung, daß von der Kost in Plutos Reiche ihre Lippe noch unberührt sey. Proserpine aber hatte dem Reitz nicht widerstanden, aus einem Granatapfel einige Körner zu verzehren, – nun war sie dem Orkus eigen, und konnte keine Rückkehr hoffen. Dennoch bewirkte ihre mächtige Mutter, daß sie nur einen Theil des J a h r e s beim Pluto verweilen dürfte, den andern aber wieder auf der Oberwelt des himmlischen Lichts genösse, damit die liebende Mutter sich a l l j ä h r l i c h der wiedergefundenen Tochter freue.

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Die Deutung von Proserpinens Raube.

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Durch alle diese Dichtungen schimmern die Begriffe von der geheimnißvollen Entwickelung des Keims im Schooß der Erde, von dem innern verborgenen Leben der Natur hervor. – Es giebt keine Erscheinung in der Natur, wo L e b e n und To d , dem Ansehen nach, näher aneinander grenzen, als da, wo das Saamenkorn, dem Auge ganz verdeckt, im Schooß der Erde vergraben, und gänzlich verschwunden ist; und dennoch grade auf dem Punkte, wo das Leben seine Endschaft zu erreichen scheint, ein neues Leben anhebt. Durch den sanften Schooß der Ceres pflanzen sich bis in das dunkle Reich des Pluto die himmlischen Einflüsse fort. – Pluto heißt auch der stygische oder unterirdische Jupiter; und mit ihm vermählt sich des himmlischen Jupiters reitzende Tochter, in welcher die Dichtung die entgegengesetzten Begriffe von L e b e n und To d zusammenfaßt, und durch welche sich zwischen dem H o h e n und T i e f e n ein zartes geheimnißvolles Band knüpft.

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Auf den M a r m o r s ä r g e n der Alten findet man oft den Raub der Proserpina abgebildet, – und bei den ge- heimnißvollen Festen, welche der Ceres und der Proserpina gefeiert wurden, scheint es, als habe man grade dieß Aneinandergrenzen des Furchtbaren und Schönen, zum Augenmerk genommen, um die Gemüther der Eingeweihten mit einem sanften Staunen zu erfüllen, wenn das ganz E n t g e g e n g e s e t z t e sich am Ende in Harmonie auflößte. –

Die strafende Macht der Ceres. 10

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Unter den hohen Göttergestalten ist C e r e s eine der sanftesten und mildesten; demohngeachtet ließ sie auch den Erysichthon, welcher an einem ihr geweihten heiligen Haine Frevel verübte, ihre furchtbare Macht empfinden. – Sie selber warnte ihn zwar, da er im Begriff war die heilige Pappel umzuhauen; als er aber dennoch den grausamen Hieb vollführte, so mußte er für sein Vergehen gegen die alles ernährende Göttin, mit e w i g n i c h t z u s t i l l e n d e m H u n g e r , büßen. Und als sie ihre verlohrne Tochter auf dem ganzen Erdkreis suchend, einst lechzend und ermattet in eine Hütte einkehrte, wo sie begierig trinkend, von einem Knaben verspottet ward, so duldete sie die Schmach nicht, sondern besprengte den kindischen Frevler mit Wassertropfen, der plötzlich in eine Eidexe verwandelt, von der furchtbaren Macht der Göttin ein Zeuge ward.

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Hymnus.

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Der hohen Ceres töne mein Gesang Und der jungfräulichen Proserpina! Sey uns gegrüßt o Göttin, Seegne unsre Fluren Sey unsern Liedern hold! Hymnus.

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Sey uns gegrüßt, o Ceres, Allernährende, Allbefruchtende,

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Die du den Städten Gesetze gabst, Die ersten Aehren schnittest Die ersten Garben bandest, Und durch der Stiere Tritt Das erste Korn zermalmtest, Als Triptolem dein Schüler war. – Singt ihr Jungfrauen, und ihr Frauen: Sey uns gegrüßt, o Ceres, Allernährende Göttin! – So wie die Trägerinnen Mit Gold gefüllte Körbe Auf ihren Häuptern tragen, So ström’ uns Reichthum zu! – Sey uns gegrüßt, o Göttin; Erhalt’ in Eintracht unsern Staat, Bring unsre Saat zur Reife, Den Früchten der Erde gieb Gedeihen, Den Bäumen edles Obst, Den Stieren fette Weide, Dem Acker volle Aehren! – Gewähr’ uns süßen Frieden, Daß der Pflüger erndte, was er ausgesät! Erhabne Göttin sey uns gnädig, Und höre unser Flehn!

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Vesta. (Die eilfte Kupfertafel.) Der Tempel der Vesta, welcher noch itzt in Rom am Ufer der Tiber steht, ist gewölbt und rund, mit einem Säulengange umgeben, welcher die Vorhalle zu dem innern Heiligthum bildete, das, von einer

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Vesta

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Marmorwand umschlossen, die heilige Flamme aus dem Dunkel hervorschimmern ließ, und selber die geheimnißvolle Gottheit bezeichnete, welche über Form und Bildung erhaben, unter der reinen Flamme in diesem Heiligthume verehrt wurde. 5

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Das Urbild der Vesta. So wie Vulkan die zerstörende, und auch die bildende Flamme, das verzehrende Feuer, und die alles zerschmelzende Gluth bezeichnet; so ist der Ve s t a höheres Urbild das heilige glühende Leben der Natur, das u n s i c h t b a r mit sanfter Wärme, durch alle Wesen sich verbreitet. Es ist die reine Flamme in dem keuschen Busen der hohen Himmelsgöttin, welche als ein erhabnes Sinnbild auf dem Altar der Vesta loderte, und wenn sie verloschen war, nur durch den elektrischen, durch R e i b u n g hervorgelockten Funken, sich wieder entzünden durfte.

Das heilige Feuer der Vesta.

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〈Abb. 43〉 161

Dieser uralte Gottesdienst verflochte sich mit in das schöne häusliche Leben der Alten: Man dankte der Vesta jede wohlthätige Wirkung des Feuers, die auf Erhaltung und Ernährung abzweckt. – Sie war es, welche die Menschen lehrte, sich auf dem h e i l i g e n Heerde die nährende Kost zu bereiten. Auch das Häuserbauen lehrte Vesta die Menschen, – und so wie das umgebende Ganze selber ihr Tempel war, so war auch die schützende Umgebung des Menschen ihr wohlthätiges Werk, das ihr die Sterblichen dankten; denn der Eintritt zu jeglichem Hause und der Vorhof waren ihr heilig. Es war ein reines dankbares Gefühl bei den Alten, wodurch sie jede e i n z e l n e Wohlthat der Natur, unter irgend einem bezeichnenden Sinnbilde b e s o n d e r s anerkannten; – es war eine schöne Idee, d e r heiligen Flamme, welche wohlthätig den Menschen

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dient, gleichsam wieder zu pflegen, und unbefleckte Jungfrauen, als die heiligsten Priesterinnen, ihrem immerwährenden Dienste zu weihen. Für das Feuer, welches allenthalben den Menschen nützt, gab es auch einen Fleck, wo es nie durch den Gebrauch zu menschlichem Bedürfniß herabgezogen, stets um sein selbst willen loderte, und die Ehrfurcht der Sterblichen auf sich zog.

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Hymnus. Vesta, Jupiters Vertraute Sorgsame Beschützerin Des heiligen Hauses zu Delphos, Steige zu diesem Hause herab; Laß unsre Lobgesänge Dir wohlgefällig seyn!

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Vesta und Merkur. Vesta und Merkur waren beide die Menschen lehrende wohlthätige Wesen, und der Gesang vereint ihr Lob. In allen Häusern und Pallästen der Götter und der Menschen hat Vesta ihren eignen Sitz, und ihre alte Ehre; der e r s t e n u n d d e r l e t z t e n Vesta wird bei jedem Gastmahle süßer Wein mit Ehrfurcht ausgegossen. Der Sohn des Jupiter und der Maja, der Bote der Götter mit dem goldenen Stabe, der Geber vieles Guten, bewohnet mit der Vesta die Häuser der Sterblichen, und beide sind einander lieb, w e i l b e i d e , in schöner Uebereinstimmung, nützliche Künste lehren. – Hymnus. D e r Ve s t a u n d d e m M e r k u r . Heilige Vesta, und du Götterbote Mit dem goldnen Stabe,

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Merkur

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Die ihr vereint der Menschen Werk Mit eurem Götterhauch beseelet, Seyd diesem Hause gnädig! – Sey gegrüßt Saturnus Tochter! Sey gegrüßt du Sohn der Maja! Beiden tönt mein Lobgesang.

Merkur.

〈Abb. 44〉 167

(Die zwölfte Kupfertafel.) 10

In reitzender Jünglingsgestalt ist Merkurius abgebildet, um die Rechte den Mantel gewunden, in der Linken den Friedensstab. Auf seinem Antlitz herrscht die täuschende Miene der Unschuld, hinter welcher die behende List, und liebenswürdige Schalkheit sich verbirgt.

Das Urbild des Merkur. 15

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In diese leichte Götterbildung hüllte die Phantasie der Alten die Begriffe von schneller E r f i n d u n g s k r a f t , L i s t , und G e w a n d h e i t ein, die sich sowohl in der t ä u s c h e n d e n U e b e r r e d u n g , als in dem leicht vollführten scherzenden D i e b s t a h l zeigte, worüber selbst der Beraubte, wenn er die kühne Schalkheit wahrnahm, lächeln mußte. – Schalkheit und List ist hier mit der Macht der Gottheit und mit Unsterblichkeit gepaart, – denn nichts war unheilig in der Vorstellungsart der Alten, was aus dem mannichfaltigen Bildungs- triebe der Natur hervorgieng, und, wenn gleich durch sich selber schadend, dennoch den Stoff des Schönen und Nützlichen in sich enthält. Die Phantasie setzt ihren Göttergestalten keine Schranken, – sie läßt bei jeglicher den herrschenden inwohnenden Trieb in seinem weitesten U m f a n g e spielen, und führt ihn gern bis auf den Punkt des S c h ä d l i c h e n hin; eben weil in diesen Dichtungen die großen

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Massen von L i c h t und S c h a t t e n , und die furchtbaren G e g e n s ä t z e in der Natur sich zusammendrängen, die sonst das Auge nur zerstreut und einzeln wahrnimmt; und weil gewissermaßen jede Göttergestalt, das We s e n d e r D i n g e selbst, aus irgend einem erhabenen Gesichtspunkt betrachtet, in sich zusammenfaßt. In dieser Rücksicht ist die Dichtung vom Merkur eine der schönsten und vielumfassendsten. – Er ist der behende G ö t t e r b o t e – der Gott der R e d e – der Gott der We g e – in ihm verjüngt sich das schnelle g e f l ü g e l t e Wo r t , und wiederhohlt sich auf seinen Lippen, wenn er die Befehle der Götter überbringt. – Darum ist auch sein erhabenstes Urbild die R e d e selber, welche als der zarteste Hauch der Luft sich in den mächtigen Zusammenhang der Dinge gleichsam s t e h l e n m u ß , um, durch den Gedanken und die Klugheit zu ersetzen, was ihrer Wirksamkeit an Macht abgeht. – Auch lieh die Phantasie der Alten gern dem Worte F l ü g e l , weil es vom schnellen Hauch begleitet erst hörbar wird; und wenn der Laut nicht über die Lippen kam, so war ihr schöner Ausdruck: d e m Wo r te fehlten Flügel. Die Zunge der Opferthiere war dem Merkur geweiht; Milch und Honig brachte man dem Gott der sanft hinströmenden Unterredung dar. – Aus seinem Munde senkte sich, nach einer dichterischen Darstellung, vom Himmel eine goldne Kette nieder, bis zu dem lauschenden Ohre der Sterblichen, die der süße Wohllaut von seinen Lippen mit mächtigem Zauber lenkte. –

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Merkur der Sohn der Maja. Nichts ist reitzender als die dichterischen Schilderungen der Alten von der schnell sich entwickelnden Götterkraft, die gleichsam lange vorher schon war, und nur in verjüngter Gestalt aus dem Schooß der Mutter neu gebohren, die Fülle ihres Wesens, welche sie in sich spürt, nicht lange durch Windeln und durch die Wiege beschränken läßt.

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Merkur

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Während daß Juno schlief, hatte Jupiter in verstohlner Umarmung mit der holden Maja den Merkur in einer schattigten Höhle erzeugt. – Und als die Zeit der Entbindung da war, so wurde am frühen Morgen der Götterknabe gebohren, am Mittag schlug er schon die von ihm selbst erfundene Laute, und am Abend entwandte er die Rinder des Apollo.

Merkur, der Erfinder der Laute.

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Die Laute erfand er, da er am ersten Mittage sich aus der Wiege stahl, und indem er über die Schwelle trat, eine Schildkröte ihm entgegen kam, deren umwölbende Schaale ihm sogleich ein schickliches Werkzeug schien, um von dem Klange darauf gespannter Saiten wiederzutönen. – Wenn du todt bist, sprach er zu der Schildkröte, dann wird erst dein Gesang anheben. – Und als er ihr nun das Leben geraubt hatte, und die Umwölbung leer war, spannte er sieben aus Sehnen geflochtene miteinander tönende Saiten darüber, und schlug sie mit dem klangentlockenden Stäbchen, jeden einzelnen Ton versuchend, der tief im Bauch der Wölbung wiederhallte. Nun konnte er der Lust zu singen nicht widerstehen, und besang, die Laute schlagend, was nur sein Auge erblickte; die Dreifüße und Gefäße in seiner Mutter Hause; aber er sang auch schon mit höherm Schwunge, Jupiters Liebesbündniß mit der holden Maja, als seiner eigenen Gottheit Ursprung.

Merkur und Apollo. 25

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Als nun am Abend die Sonne sich in den Ocean tauchte, war er schon auf den Piräischen Gebirgen, wo die Heerden der unsterblichen Götter weiden. Funfzig entwandte er von Apollos Rindern, und trieb sie mit manchem listigen Kunstgriff über Berg und Thal, daß niemand die Spur des Raubes entdecken konnte, wenn nicht ein Greis, der auf dem Felde grub, den Knaben mit den Rindern vor sich her bemerkt, und ihn dem Apollo verrathen hätte.

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Als er nun am Alpheusstrome zwei von den Rindern geschlachtet, und s i e s i c h s e l b e r g e o p f e r t h a t t e , so löschte er wieder das Feuer aus, verscharrte die Asche in den Sand, und warf die Schuh von grünern Reisern, womit er die Fußstapfen unkenntlich zu machen gesucht, in den vorüberströmenden Alpheus, damit auch hier sich keine Spur mehr zeige. Dieß alles that er bei Nacht und hellem Mondenschein. – Als nun der Ta g anbrach, da schlich er sich leise wieder in die Wohnung seiner Mutter, und legte sich in die Wiege, die Windeln um sich her, die Laute als sein liebstes Spielwerk, mit der Linken haltend. Und als nun Apollo wegen der geraubten Rinder zürnend kam, so stellte sich der Räuber, als ob er in der Wiege in süßem Schlummer läge, die Laute unterm Arme. Apollo drohte, ihn in den Tartarus zu schleudern, wenn er nicht schnell den Ort anzeigte, wo die entwandten Rinder wären. Da antwortete der listige Knabe mit den Augen blinzelnd: wie grausam redest du, Latonens Sohn, einen kleinen Knaben an, der gestern gebohren ist, und dem ganz andre Dinge lieb sind, als Rinder hinwegzutreiben; der sich nach süßem Schlummer, und nach der Brust der Mutter sehnt; und dessen Füße viel zu weich und zart sind, als daß sie rauhe Pfade betreten könnten. – Doch will ich bei meines Vaters Jupiters Haupte schwören, daß ich die Rinder weder selber entwandt habe, noch den Thäter weiß. Und als sie nun beide, um ihren Streit zu schlichten, vor dem Vater der Götter auf dem Olymp erscheinen, so bringt zuerst Apollo wegen der entwandten Rinder seine Klage vor. – Merkur aber stand in Windeln da, um durch sein zartes Alter selbst die Klage zu widerlegen. Seh’ ich denn wohl, so sprach er zum Jupiter, einem starken Manne gleich, der Rinder hinwegzutreiben vermag? – Gewiß sollst du, mein Erzeuger selbst, die Wahrheit von mir hören: ich lag in süßem Schlummer, und habe die Schwelle unsrer Wohnung nicht überschritten; – du weißt auch selber wohl, daß ich nicht schuldig bin; doch will ichs auch durch den größten Schwur betheuern; und jenem einst sein grausames Wort vergelten; du aber stehe dem jüngern bei!

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Merkur

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So sprach Merkur mit den Augen blinzelnd, und Jupiter lächelte über den Knaben, d a ß e r s o s c h ö n u n d k l u g d e n D i e b s t a h l zu leugnen wußte. Zugleich befahl er dem Merkur, den Ort zu zeigen, wo die Rinder wären. Als dieser nun Jupiters Befehl gehorchte, ward auch Apollo wieder mit ihm versöhnet; und die vom Merkur erfunde- ne Laute war der Versöhnung Unterpfand. Denn als der Gott der Harmonien ganz entzückt den lieblichen Ton vernahm, der fähig ist, Liebe und Freude und Schlummer zu bewirken, gewann er auch den klugen Erfinder lieb, und sprach: die Erfindung sey der funfzig geraubten Rinder werth! – Da schenkte ihm Merkur die Laute, und Apollo war über den Besitz des kostbaren Schatzes hocherfreut; damit ihm dieser aber vollkommen gesichert sey, so bat er den Merkur, ihm noch bei dem Styx zu schwören, daß er die sanftertönende Laute i h r e m n u n m e h r i g e n B e s i t z e r n i e wieder entwenden wolle.

Der Friedensstab des Merkur.

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Apollo schenkte nachher dem Merkur den goldenen Stab, der alle Zwiste schlichtet; – unwiderstehlich ist seine Macht, das S t r e i t e n d e zu versöhnen, und das Mißtönende harmonisch zu verbinden. – Mit diesem goldnen Stabe schlug Merkur zwischen zwei erzürnte miteinander streitende Schlangen, – und diese vergaßen plötzlich ihrer Wuth, und wickelten sich vereint, in sanften Krümmungen um den Stab, bis an die Spitze, wo ihre Häupter in ewiger Eintracht sich begegnen. Es giebt kein schöneres Sinnbild, um die Versöhnung und den Frieden, so wie die harmonische Verbindung des Widerstreitenden und Entgegengesetzten zu bezeichnen, als diesen Schlangenumwundenen Stab, der, in der Hand des Götterboten, der Herold seiner Macht ist.

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Mythologischer Almanach für Damen

Merkur der Götterbote. Merkur wird der Götterbote; – er ist die b e h e n d e M a c h t – d a s s c h n e l l s i c h B e w e g e n d e unter den hohen Göttergestalten, die gleichsam fest gegründet in ihrer Majestät, den schnellen erfindungsreichen Gedanken vom Himmel zur Erde senden, und wenn er wiederkehrt, ihn in ihren hohen Rath aufnehmen.

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Merkur der Gott des Ringens. Auch die Kunst zu ringen, und d u r c h B e h e n d i g k e i t d e r S t ä r k e überlegen zu seyn, lehrte Merkur die Menschen. Alles, wodurch der zarte Gedanke, sich in der Dinge geheimste Fugen stehlend, des mächtigen Zusammenhangs Meister wird, ist das Werk des leichten Götterboten.

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Merkur, der Führer der Todten. Er steigt vom hohen Olymp ins Reich des Pluto nieder. – Die Seelen der Verstorbenen führt er mit seinem Stabe der öden Schattenwelt, der dunkeln Behausung der Todten zu; er selber steigt wieder zum Olymp empor, wo ewiger Glanz und Klarheit herrscht. –

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Hymnus.

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Den Herrscher von Cyllene, Merkur, den Götterboten, Den mächtigen will ich singen, Den Atlas Tochter, Maja, Dem Jupiter gebahr. – Juno lag im süßen Schlummer, Während mit dem Gott des Donners, In der dunkeln Felsengrotte Maja Liebe pflog. –

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Merkur

Jovis und der Maja Sohn, Geber schöner Gaben, Sey gegrüßt Merkur!

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Mythologisches

Wörterbuch zum

Gebrauch 5

für Schulen, von

Karl Philipp Moritz,

10

Königlich Preußischem Hofrath und Professor, ordentl. Mitgliede der Königlichen Akademie der Wissenschaften und des Senats der Akademie der bildenden Künste zu Berlin.

Berlin, 1793. 15

Bei Christian Gottfried Schöne.

Mythologisches

Wörterbuch zum

Gebrauch 5

für Schulen, von

Karl Philipp Moritz, Königl. Preußischem Hofrath und Professor. 10

Nach dessen Tode fortgesetzt von

Valentin Heinrich Schmidt, Prorektor der Köllnischen Stadtschule. 15

Mit dem Bildnisse des verstorbenen Moritz.

Berlin, 1794. Bei Christian Gottfried Schöne.

〈Widmung〉

〈III〉

Den Herren Oberkonsistorialräthen Teller und Zöllner, Ephoren des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums; imgleichen dem Direktor desselben, Herrn Oberkonsistorialrath Gedike ergebenst zugeeignet. 5

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Vorrede 〈von Valentin Heinrich Schmidt〉 Abas. Ein Sohn des L y n c e u s und der H y p e r m n e s t r a , einer Tochter des Danaus. Er herrschte über Argos vier und zwanzig Jahre, und erzeugte den Akrisius und Prötus. In Phocis erbauete er eine Stadt, die er nach seinem Namen Abas nannte. Durch seine Tapferkeit war er so sehr das Schrecken seiner Feinde, daß selbst nach seinem Tode, der bloße Anblick seines Schildes sie noch in die Flucht jagte. Den Namen Abas führte auch der Metanira Sohn, ein Knabe, welcher der Göttin Ceres spottete, da sie ihre verlorne Tochter suchte, und in der Hütte der Metanira, die ihr Wasser reichte, begierig trank. Einige Tropfen, die sie auf den spottenden Knaben sprützte, verwandelten ihn plötzlich in eine fleckigte Eidexe. So mußte der Sohn der Metanira seinen Vorwitz büßen. Abderus. Ein Sohn des E r i m u s aus Lokris, begleitete den Herkules auf seinem Zuge nach Thracien, als dieser dem Eurystheus die feuerspeienden Rosse des Diomedes bringen sollte. Schon hatte Herkules sich der Rosse bemächtiget, als er mit den Bistoniden in einen Kampf gerieth. Er übergab die Rosse dem Abderus, der, zu schwach sie zu bändigen, von ihnen getödtet und zerfleischt wurde. Herkules baute ihm zu Ehren die Stadt Abdera, an dem Orte, wo sich sein Grab befand. Abeona. Eine der allegorischen Gottheiten bei den Römern, welche von Abeo, ich gehe weg, ihren Namen führte, und der man die Abreisenden oder Weggehenden anbefahl. Man legte auf diese Weise den bloßen Begriffen oder Gedanken Persönlichkeit bei, und schuf sich auf jede Veranlassung und für jeden besondern Fall eine eigene Gottheit.

〈V〉–XIV 〈3〉

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Mythologisches Wörterbuch

Absyrtus. Ein Sohn des Aeetes, Königs in Kolchis. Als Medea, die Tochter des Aeetes mit dem Jason entfloh, so nahm sie ihren Bruder, den Knaben Absyrtus, gleichsam als Geißel mit; und als sie von ihrem Vater verfolgt wurde, der sie an dem Pontus Euxinus schon einzuholen im Begriff war, so brachte sie den Knaben um, zerstückte seinen Leib, und streute am Ufer seine Glieder aus; Kopf und Hände aber stellte sie auf einen erhabenen Felsen, damit ihr Vater im Vorbeiseegeln die Züge seines Sohns erkennen, und durch diesen Anblick in seiner schnellen Verfolgung möchte aufgehalten werden. Dies grausame Mittel verfehlte seiner Wirkung nicht; Aeetes hemmte seinen Lauf, und ließ die zerstreuten Glieder des Absyrtus erst sammeln und begraben. Während dieser Zögerung bekam Medea Zeit zur Flucht; von der Zerstückelung des Absyrtus, bekam nachher die Stadt To m i ihren Namen, aus welcher der Dichter Ovidius seine Klagen schrieb, und die noch jetzt von ihrer ehemaligen Benennung den Namen To m i s w a r führt. Abundantia. Die Göttin des Ueberflusses bei den Römern. Eine weibliche Gestalt, mit Blumen bekränzt, senkt ein Füllhorn in der rechten Hand zur Erde, und in der linken hält sie ein Bund von Aehren. So findet man diese Gottheit auf Münzen und alten Denkmälern abgebildet. Acacesius. Der Unschädliche, ein Beiname des Merkur. Eine Stadt in Arkadien führte den Namen Acacesium, und Merkur wurde unter diesem Namen hier verehrt; auch zu Megalopolis, der Hauptstadt Arkadiens, war dem Merkurius Acacesius ein Tempel geweiht. Akakus hieß der Pflegevater Merkurs, Lycaons Sohn. Weil man sich den Mer- kur in gewissem Verstande als eine listige und schadende Gottheit dachte; so zeichnete ihn der Beiname Acacesius, der Unschädliche, besonders aus, und man verknüpfte hiermit die schöne Dichtung, daß Hygea, oder die Göttin der Gesundheit, dem Merkurius Acacesius am nächsten wohne. Acarnas. Alkmäons und der Kallirhoe Sohn. Phegeus von Psophis hatte den Vater des Acarnas erschlagen; die Mutter Kallirhoe erflehte vom Jupiter, daß ihre beiden Söhne, Acarnas und Amphoterus, aus

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Absyrtus – Acastus

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Knaben plötzlich Männer wurden, um ihres Vaters Tod zu rächen. Acarnas und Amphoterus erschlugen den Phegeus und seine Kinder; darauf zogen sie nach Epyrus, und nahmen einen Strich Landes ein, der zwischen dem Flusse Achelous und dem ambracischen Meerbusen liegt, und nachher vom Acarnas den Namen Acarnanien führte. Acastus. Ein Sohn des Pelias; einer der griechischen Helden, die vor dem Trojanischen Kriege lebten. An den berühmtesten Thaten dieses Zeitraums nahm er Antheil; in seiner Jugend half er den Calydonischen Eber tödten; mit den Argonauten schiffte er nach Colchis, um das goldne Vlies zu erobern. Als Medea, nach der Rückkunft der Argonauten, durch ihre Zauberkünste, Jasons Vater verjüngt hatte, hinterging sie die Töchter des Pelias, daß diese den Versuch einer ähnlichen Verjüngung mit ihrem Vater machten, welcher darüber sein Leben verlor, weil Medea das rechte Zauberstück die Töchter des Greises nicht gelehrt hatte. Des Pelias Sohn, Acastus, stellte seinem getödteten Vater zu Ehren, feierliche Leichenspiele zu Jolcus an. Die berühmtesten griechischen Helden der damaligen Zeit wetteiferten bei diesen Spielen. Im Wettlauf erhielten Zethus, Calais und Castor den Preis; Pollux im Gefechte mit dem Streitkolben; Telamon mit der Wurfscheibe; Peleus im Ringen; Meleager mit dem Wurfspieße; Bellerophon im Pferderennen; Jolaus mit dem vierspännigen Wagen; Cephalus mit der Schleuder; Eurytus im Schießen mit Pfeilen; Olympus mit der Pfeife; Orpheus mit der Cither; Linus im Singen; und Eumolpus im Singen zu der Pfeife des Olympus. Des Acastus Gemahlin Astydamia verliebte sich bei diesen Spielen in den Peleus; als dieser ihr kein Gehör gab, wälzete sie ihre Schuld auf ihn, und klagte ihn verläumderischer Weise beim Acastus an. Acastus, um sich an dem Peleus zu rächen, nahm ihn mit sich auf die Jagd und raubte ihm, da er schlief, sein Schwert. Die Centauren überfielen den Unbewehrten, und würden ihn getödtet haben, wenn Chiron ihn nicht gerettet hätte. Peleus überfiel nun, um sich zu rächen, die Stadt Jolcus, nahm Astydamien gefangen, ließ sie hinrichten, ihren Leib zerstückeln, und die Glieder rund umher zerstreuen.

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Acca-Larentia. Ihr zu Ehren feierte das römische Volk am 28sten December ein eigenes Fest, welches die Larentinalien hieß. AccaLarentia war eine Art von römischer L a i s , welche durch den Wucher mit ihren Reizen, sich ein damals fast unermeßliches Vermögen erworben hatte, wovon sie nach ihrem Tode das römische Volk zum Erben einsetzte. Diese Großmuth deckte nun bei ihr jeden Fehltritt im Leben zu, worüber das dankbare römische Volk einen Schleier hüllte, und ihr Gedächtniß durch ein eigenes Fest verehrte, das von ihr die Benennung Larentinalien führte. Sie wurde nehmlich beim Ve l a b r u m , in der Gegend, wo Romulus und Remus gefunden waren, und wo jetzt die Kirche S t . G e o r g i o im Ve l a b r o steht, begraben, und jährlich wurde ihren Manen ein Opfer gebracht, wobei man zugleich den Jupiter, in so fern er das Leben giebt und nimmt, verehrte. Nach einem alten Volksmährchen gelangte Acca-Larentia durch einen sehr sonderbaren Zufall zu ihren großen Glücksgütern. Herkules und sein Tempelwächter würfelten nehmlich einstmals aus Langerweile, wer von beiden dem andern eine gute Abendmahlzeit, und auf die Nacht eine Beischläferin verschaffen solle; Herkules gewann, und der Tempelwächter mußte die Wette bezahlen. Dieser schaffte also ein Abendessen für den Herkules, und lud die bekannte Acca-Larentia auf die Nacht in dessen Tempel ein. Da nun Herkules es vorzüglich in seiner Gewalt hatte, reich zu machen, so ließ er auch die Acca-Larentia nicht leer ausgehen, sondern rieth ihr, daß sie ja an dem folgenden Tage, von der Gelegenheit, die sich ihr darbieten würde, Gebrauch machen solle. Nun war sie kaum aus dem Tempel wieder zu Hause angelangt, als ihr der reiche Karucius seine Hand anbot, die sie, auf den Rath des Herkules, nicht ausschlug, und auch sehr bald durch den Tod des Karucius zum Besitz aller seiner Reichthümer gelangte, wovon sie denn eben das römische Volk zum Erben ernannte. Einige hielten auch diese Acca-Larentia selbst für die Pflegemutter des Romulus und Remus, welche eben diesen Namen führte, und

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Acca-Larentia – Achelous

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auch nicht in dem Rufe der Enthaltsamkeit stand; diese sollte sich denn nach dem Tode ihres Mannes, des Faustulus, ebenfalls mit einem gewissen reichen Karucius vermählt, zuletzt ihr ganzes Vermögen dem römischen Volke zum Erbtheil vermacht, und Romulus deswegen ihr zu Ehren, und auch aus Dankbarkeit für die von ihr genossne Pflege, die Larentinalien gestiftet haben. Achelous. Ein Fluß, der in Griechenland auf dem Berge Pindus entspringt, Aetolien und Akarnanien von einander scheidet, und endlich in das jonische Meer fällt. – Die Verwandlungen des Achelous in eine Schlange und Ochsen sind schöne Anspielungen auf die Krümmung seines Laufes, und auf das brüllende Geräusch, womit er fortströmt. – In der Stammtafel der Götter ist dieser Fluß ein Sohn des alten Oceans und der Erde. Er warb zugleich mit dem Herkules um die Dejanira, die Tochter des Oeneus, Königs von Calydonien. Ein Zweikampf zwischen ihm und den Herkules sollte entscheiden, wem die schöne Prinzessin zu Theile würde. – Als nun der Flußgott mit Gewalt nichts mehr gegen den Herkules vermochte, so nahm er zu Verstellungskünsten seine Zuflucht und verwandelte sich in eine ungeheure Schlange. Herkules aber, der schon in der Wiege zwei Schlangen mit eigener Hand erdrückt, und die vielköpfigte Hydra besiegt hatte, verlachte diesen Angriff, und war im Begriffe, die Schlange zu erwürgen, als Achelous plötzlich in der Gestalt eines grimmigen Stiers erschien. Herkules aber ergriff den Stier beim Horne, und streckte ihn in den Sand, auch brach er ihm das eine Horn ab; welches darauf zum Horne des Ueberflusses erhöhet wurde. Achelous erzeugte mit der Kalliope die Sirenen, und seine übrigen Töchter waren Kalirrhoe, Dirce und Castalia. – Bei seinem Ausflusse ins Meer spülte er so viel Land hinweg, daß fünf Inseln daraus entstanden, welche ehemals die E c h i n a d i s c h e n , und jetzt die C u r z o l i s c h e n , Inseln heißen.

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Acheron. Unter diesem Namen gab es drei Flüsse: den einen bei der Stadt Heraklea an dem Pontus, mit einer unergründlich tiefen Höhle; den andern in Epirus, in der Landschaft Thesprotien; dieser entsprang unterhalb Dodona, und fiel bei der Stadt Ambracia in die See; jetzt führt er den Namen Ve l i c h i ; den dritten in Italien, in dem heutigen Kalabrien, der so mit Bergen und Wald umgeben war, daß ihn weder die aufgehende noch die untergehende Sonne bescheinen konnte. – In der Stammtafel der Götter ist der Acheron ein Sohn der Ceres und der Erde. Sein Name heißt o h n e F r e u d e oder der Tr a u e r f l u ß . – Die Titanen tranken aus dem Acheron, als sie sich gegen die Götter empörten, und den Himmel stürmten. – Darüber strafte ihn Jupiter, und verwandelte sein süßes in gallenbitteres Wasser. – Ueber den Acheron mußten zuerst die Seelen der Verstorbenen gehen; in dieser Dichtung deutet er auf des Todes Erstarrung und Unempfindlichkeit. – Der Acheron zeugte mit der Nacht die Furien, Alekto, Megära und Tisi- phone; mit der Erde die Styx; mit der Nymphe Gorgyra den Ascalaphus; und wiederum mit der Styx die Viktoria. – Seine Fluth schwillt von den Thränen an, die von den mühebeladenen Sterblichen geweint werden. Achilles. Ein Sohn des Peleus, und der Thetis. Als er geboren war, tauchte ihn seine Mutter in den Styx, wodurch er am ganzen Körper unverwundbar wurde, ausgenommen an der Ferse, woran ihn seine Mutter hielt. Der weise Centaur Chiron erzog den Knaben Achill, und unterwies ihn in der Arzneikunde und Musik. Weil seine Mutter Thetis wußte, daß er in dem Trojanischen Kriege seinen Tod finden würde, so suchte sie durch List diesem Schicksal vorzubeugen. Sie verbarg nehmlich den jungen Achill in seinem neunten Jahre in die Kleidung eines Mädchens, und übergab ihn, unter dem Namen Pyrrha, dem Könige Lykomedes auf der Insel Scyrus, der ihn unter dieser Gestalt mit seiner Tochter Deidamia erzog, welche aber von dem jungen Achilles schwanger wurde, und den Pyrrhus gebahr. Der Priester Calchas hatte den Griechen geweißagt, daß sie ohne den Achilles Troja nicht erobern würden. Ulysses und Diomedes wurden also abgeschickt, um in der Behausung des Lykomedes den jungen Achilles

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Acheron – Achilles

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aufzusuchen. Ulysses bediente sich, um den Achilles zu entdecken, der folgenden schönen List: Er ließ unter andern Sachen einen Schild und Spieß in die Wohnung der Mädchen im Hause des Lykomedes bringen, und an der Thür einen Lerm erregen, als ob Feinde vorhanden wären; nun flohen die Mädchen, Achilles aber ergriff den Schild und Spieß, und rüstete sich zur Gegenwehr. Auf diese Weise wurde der junge Held erkannt, und mußte nun mit vor Troja ziehen. – Was im zehnten Jahre der Belagerung die Eroberung von Troja verzögerte, war d e r Z o r n d e s A c h i l l e s , der mit dem Agamemnon sich entzweite, und eine Zeitlang am Kriege keinen Theil nahm. – Als nehmlich Agamemnon sich weigerte, die gefangne, zur Beute ihm zugefallne, C h r y s e i s ihrem Vater, einem Priester des Apollo, gegen ein Lösegeld, auf sein Bitten, zurückzugeben; so hörte Apollo das Flehen des verwaißten Vaters, und sandte zürnend seine Pfeile in das Lager der Griechen, daß eine Pest entstand, welche verheerend um sich greifend, zahlloses Volk hinrafte. Durch den Mund des Priesters Kalchas ward es offenbar, durch wessen Schuld die Griechen leiden mußten. Als Agamemnon nun die C h r y s e i s zurückzusenden länger nicht weigern konnte, verlangte er, daß die Griechen ihn für den Verlust seiner Beute schadlos hielten. Da schalt Achill ihn seines Stolzes und seines Eigennutzes wegen; und als ihm Agamemnon drohte, war er schon im Begriff, gegen ihn das Schwert zu zücken, hätte nicht an den gelben Locken Minerva selbst ihn zurückgehalten. Agamemnon aber, der auf die Schadloshaltung um desto mehr bestand, ließ, um sich zu rächen, die schöne B r i s e i s aus dem Zelte des Achilles in das seinige holen. – Da flehte Achill am einsamen Ufer des Meeres seine Mutter T h e t i s an, sie möchte den Jupiter bewegen, von nun an den Trojanern beizustehn, damit die Griechen ihn vermissen, und seinen Zorn empfinden möchten. Jupiter gewährte der Thetis Bitte, und gab den Trojanern Sieg, an deren Spitze H e k t o r , der Sohn des Priamus fochte, und sich unsterblichen Ruhm erwarb.

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Vergebens suchten nun die Griechen den Achill wieder zu versöhnen. Sein Sinn blieb unbeweglich. Bis endlich die Trojaner so weit vordrangen, daß sie Feuer in die griechischen Schiffe warfen; da gab Achilles seinem Busenfreunde, dem P a t r o k l u s seine Rüstung, und schickte ihn statt seiner mit einem Haufen, den Griechen beizustehn. Des Patroklus Fall war schon beschlossen; allein vorher erwarb er sich noch glänzenden Ruhm; S a r p e d o n , Jupiters Erzeugter, und viele andre tapfre Helden fielen vor seinem Schwerte. – Als aber sein Verhängniß nahte, so stand, in Nacht gehüllt, Apollo dicht hinter ihm. – Auf Nacken und Schultern schlug er ihn mit der flachen Hand, daß sich sein Auge verdunkelte; er warf seinen Helm ihm vom Haupte, daß er unter den Füßen der Pferde rollte; in seiner Hand zerbrach er den schweren ehernen Spieß, und löste ihm selber den Panzer auf. – Patroklus stand betäubt mit wankendem Knie; Hektor gab ihm den tödtlichen Stoß. Die Seele des Patroklus stieg zum Orkus u n d t r a u e r t e ü b e r i h r S c h i c k s a l , w e i l s i e d i e jugendliche Kraft zurück ließ. Als nun Achilles des Patroklus Tod vernahm, so schwand auf einmal sein Zorn dahin. – Jammernd und wehklagend um den Todten, fand ihn seine Mut- ter, die aus der Tiefe des Meeres empor stieg. Ob diese ihm gleich verkündigte, daß nach des Hektors Tode sein Fall beschlossen sey, so schwur er dennoch des Freundes Tod zu rächen, gleichviel, was ihn für ein Schicksal treffen möge! Als Thetis ihn fest entschlossen sahe, suchte sie ihn die übrigen kurzen Tage zu trösten und aufzuheitern; versprach und brachte ihm eine kostbare Waffenrüstung vom Vulkan geschmiedet, womit Achill ins Treffen ging, nachdem sich Agamemnon wieder mit ihm versöhnt, und ihm die B r i s e i s unberührt zurückgegeben hatte. Nun eilte auch der Zeitpunkt heran, wo Hektor fallen, sein alter Vater P r i a m u s und seine Mutter H e k u b a um ihn jammern, und seine Gattin A n d r o m a c h e mit lauter Wehklage ihn betrauern sollte. – Das Heer der Trojaner flüchtete in die Stadt; Hektor blieb allein zurück, um mit dem Achill den Kampf im Felde zu bestehen; als dieser ihm aber nahe kam, und die göttliche Waffenrüstung dem

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Achilles – Acis

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Hektor in die Augen blitzte, ergriff ihn plötzliches Schrecken: – er nahm die Flucht, und dreimal jagte Achill ihn um die Mauern von Troja; so lange hatte Apoll dem Hektor seine Knie gestärkt; als zum viertenmale der Lauf begann, nahm Jupiter die Wagschale in die Hand, und legte zwei todbringende Loose darauf, das eine des Hektors, das andre des Achilles, und Hektors Schale sank bis zum Orkus nieder. – Da verließ ihn Apollo. Die beiden Helden fochten; Hektor fiel; und Achilles band ihn mit den Füßen an seinen Wagen und schleifte ihn im Staube um die Mauern von Troja, daß H e k u b a heulend ihr Haar zerraufte und der alte Priamus flehend seine Hände ausstreckte. Das Leichenbegängniß des Patroklus wurde nun mit öffentlichen Kampfspielen im Lager der Griechen gefeiert, während daß Hektors Leichnam unbegraben lag. Allein in nächtlicher Stille vom Merkur geleitet, kam der Greis Priamus selber in des Achilles Zelt, umfaßte dessen Knie, und flehte ihn um den Leichnam seines Sohnes. Die Götter hatten schon des Achilles Herz erweicht; er dachte an seinen alten Vater Peleus, der auch nun bald den Tod seines Sohnes betrauern würde, und gewährte dem Priamus seiner Bitte, der mit dem Leichnam Hektors schnell nach Troja eilte, und ihm mit allem Volk die Todtenfeier hielt. Auch war das Verhängniß des Achilles nun nicht mehr weit entfernt; nachdem er noch einige ruhm- volle Thaten vollbracht, traf, vom Apollo gelenkt, des Paris tödtlicher Pfeil ihm in d i e F e r s e , wo er allein verwundbar war. Um seine Waffen entstand ein trauriger Streit; die Griechen sprachen sie dem Ulysses zu, worüber A j a x , welcher nach dem Achill der Tapferste unter den Griechen war, aus Mißmuth sich selbst entleibte. Acidalia. Zu Orchomenus in Böotien war der acidalische Quell, worin die Grazien badeten. Von diesem Quell führte die Göttin der Liebe den Namen: Ve n u s A c i d a l i a . Acis. Den schönen Schäfer Acis in Sicilien liebte G a l a t e a , eine der N e r e i d e n . – Vergebens warb der ungeheure Polyphem um ihre Gunst – Als er aber einst am Fuß des Aetna die Nymphe den schönen

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Acis umarmend erblickte, riß er voll wüthender Eifersucht einen Felsen los, und schleuderte ihn, die Liebenden zu zerschmettern. – Die Nymphe entfloh ins Meer, den Acis traf der Stein, und plötzlich lößte sein Wesen in einen Bach sich auf, der nachher seinen Namen führte. Acrisius. König zu Argos in Griechenland; des Helden Perseus Ahnherr. Acrisius erzeugte die Danae, und das Orakel weissagte ihm den Tod von der Hand des Sohnes, den sie gebähren würde. Um die Erfüllung des Orakels zu vereiteln, verschloß Acrisius die Danae in einen ehernen Thurm. Jupiter verwandelte sich in einen goldenen Regen, und senkte sich in Danaens Schooß; auf die Weise erzeugte er mit ihr den Perseus. Als Acrisius dies vernahm, ließ er Mutter und Kind in einen Nachen auf das ungestüme Meer aussetzen, und glaubte, daß sie hier ihren gewissen Tod finden würden. Allein der Nachen trieb an eine Insel, und Danae mit dem Perseus ward gerettet. Das Orakel ging ohngeachtet aller Bemühungen des Acrisius, in Erfüllung. Perseus besuchte, da er im männlichen Alter war, seinen Ahnherrn; und weit entfernt von dem Gedanken, ihn zu tödten, mußte es bei dem Spiele mit der Wurfscheibe der Zufall fügen, daß ein unglücklicher Wurf aus der Hand des Perseus seinen alten Ahnherrn Acrisius traf, und ihn tödtlich verwundete. Actäon. Ein Sohn des Aristäus und der Autonoe, einer Tochter des Kadmus. Er war ein Zögling des Centauren Chiron, von dem er vozüglich in der Kunst zu jagen unterrichtet wurde. Er hielt sich eine große Anzahl Jagdhunde, deren Namen sogar von den Dichtern des Alterthums der Nachwelt überlie- fert sind. Allein diese Hunde, welche die Freude seines Lebens waren, brachten ihm auch den Tod. Denn, als er einst im Dickicht jagte, wo Diana sich mit ihren Nymphen badete, enthielt er sich nicht, daß Heiligthum der Göttinn durch seine neugierigen Blicke zu entweihen. Diana spähete den Frevler aus, besprengte ihn mit dem Wasser worin sie sich badete, und auf seinem Haupte wuchs plötzlich ein Hirschgeweih. Er selbst, in einen Hirsch verwandelt, wurde von seinen eigenen Hunden verfolgt und zerrissen. Auf die Weise mußte er für seinen vorwitzigen Frevel büßen.

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Acis – Adonis

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Adeona. Eine Römische Gottheit. Sie hat ihren Namen von adeo, ich gehe hinzu; und wurde angerufen, um den Zugang oder Zutritt zu irgend etwas zu beglücken; so wie Abeona von abeo, ich gehe weg, ihren Namen hatte, und angerufen wurde, um den Abschied oder das Verlassen zu segnen. Ades. Mit diesem Namen benannten die Griechen den Pluto oder den König der Schatten. Ades heißt der Unsichtbare, und deutet auf die dunkle Zukunft jenseit des Grabes. Admet. Ein König in Griechenland, war mit der Alceste, einer Tochter des Pelias, vermählt und lebte mit ihr in sehr vergnügter Ehe. Als Apollo vom Jupiter aus dem Himmel verstoßen war, weidete er die Heerden des Admet, und wirkte bei den Parzen aus, daß sie das Lebensziel des Admet verlängern sollten, wenn einer seiner Geliebten freiwillig für ihn zu sterben sich entschlösse. Seine Gattin wußte um dies Geheimniß und weihte sich, als sein Lebensziel herannahete, freiwillig für ihn den Todesgöttern. So wie sie das unwiederrufliche Gelübde gethan hatte, genaß Admet, sie aber sank in Todesschlummer. – Als nun der verwaiste Gatte über seinen Verlust untröstlich war, besuchte ihn Herkules als seinen Gastfreund. Diesem klagte er seinen Kummer, und Herkules stieg in die Unterwelt hinab, und hielt den unerbittlichen Pluto selbst, so lange mit starken Armen fest, bis er seine Beute wieder entlassen hatte. Herkules führte nun dem entzückten Gemahl seine schon betrauerte Gattin wieder zu, und das Leichengepränge verwandelte sich in hochzeitliche Freude. Adonis. Ein Sohn des Cinyras und der Myrrha. Myrrha wurde gegen ihren eigenen Vater Cinyras durch die Macht der Venus von Liebe entbrannt, und genoß, ihm unbewußt, im nächtlichen Dunkel seiner Umarmung, als plötzlich ihre Amme mit der Lampe hereintrat, und die entsetzliche Blutschande beleuchtete. Cinyras, der mit Schrecken aus seinem wollüstigen Traum erwachte, verfluchte seine Tochter und verfolgte sie mit entblößtem Schwerdte über Land und Meer. Sie flohe bis nach Arabien, wo die Götter aus Erbarmung sie in den Baum verwandelten, der ihren Namen (Myrrha) führt. Cinyras aber hieb mit seinem Schwerdte noch in den Baum, und aus der

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Oeffnung, welche dadurch entstand, ward Adonis geboren. Die Nymphen erzogen ihn, und Venus selber erwählte ihn zu ihrem Lieblinge. Er war der schönste unter den Jünglingen; die Jagd war sein Ergötzen; auch Venus nahm Pfeil und Bogen und verfolgte mit ihm die Hirsche und die furchtsamen Rehe; nur warnte sie ihn vor dem gefährlichen Kampfe mit den grimmigen Thieren des Waldes, weil der drohende Verlust ihres Lieblings ihr schon ahndete. Ihre Warnungen waren vergeblich. Ein wilder Eber stieß dem Adonis im Walde auf. Der muthige Jüngling vergaß der warnenden Stimme seiner schützenden Göttin, er ließ sich in den Kampf ein, und der Zahn des Ebers schlug die tödtliche Wunde in seine Hüfte. Venus auf ihrem mit Tauben bespannten Wagen eilte zu seiner Rettung zu spät herbei. Sie ritzte sich die Hände ringend in einem Rosenstrauche, und von dem Blute, das aus ihrem Finger floß, rötheten sich die vormals weißen Rosen. Aus der Asche ihres Lieblings, den sie nicht wieder erwecken konnte, ließ sie die Anemone hervorsprossen. Zu Amathunt in Cypern hatte Adonis mit der Venus einen Tempel. Ihm zu Ehren wurde an mehreren Orten jährlich ein Trauerfest gefeiert. Am ersten Tage dieses Festes ging man in Trauerkleidern. Die Frauen klagten mit zerstreutem Haar, und schlugen sich an die Brust. An öffentlichen Orten in der Stadt wurden Bilder eines in der Blüte seiner Jahre hinsterbenden Jünglings aufgestellt. Frauen in Trauerkleidern feierten Leichenbegängnisse, wobei sie weinten und klagten. Man trug Gefäße voll Erde, in welche Getreide, Blumen, Kräuter und Früchte gesäet waren, und welche man Adonis Gärten nannte, umher, und versenkte sie am Schluß des Festes ins Meer oder in einen Fluß. Am letzten Tage des Festes verwandelte sich die Trauer in Freude, weil man die Auferstehung oder Vergötterung des Adonis feierte. Adrast. Ein König in Argos. Ihm hatte das Orakel geweissagt, daß er die eine von seinen Töchtern mit einem Löwen und die andere mit einem wil- den Eber vermählen würde. Nun besuchten ihn einst die beiden Helden Polinyces von Theben, und Tydeus von Kalydon, wovon der erstere zum Andenken des Herkules eine Löwenhaut, der andere aber zur Erinnerung an den Kampf mit dem Kalydonischen

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Eber, eine wilde Schweinshaut trug. Adrast hielt nun den Orakelspruch für erfüllt, und vermählte mit den beiden Helden seine Töchter. Polinyces war von seinem Bruder, mit dem er die Herrschaft wechselsweise führen sollte, aus Theben verjagt worden. Adrast leistete nun dem Polinyces Beistand gegen seinen Bruder; und Theben ward von sieben Helden belagert, welche hier bis auf den Adrast ins gesammt ihren Tod fanden. Adrast allein rettete sich mit der Flucht, durch die Schnelligkeit seines Pferdes, das von dem Neptun erzeugt, den Namen Arion führte. Zehn Jahre nachher zog Adrast aufs neue mit den Söhnen der erschlagenen Helden vor Theben, welches er nun eroberte und zerstörte. Er verlor seinen einzigen Sohn, und starb vor Schmerz über diesen Verlust. Nach seinem Tode wurden ihm Tempel und Altäre geweiht. Aeakus. Ein Sohn Jupiters und der Europa. Er herrschte über die Insel Aegina mit so viel Weis- heit und Gerechtigkeit, daß ihm zu seiner Zeit das Lob des Besten unter den Königen zu Theile ward. Als einst in Griechenland eine große Dürre und Hungersnoth herrschte, ertheilte das Orakel den Ausspruch, daß niemand als Aeakus durch sein Gebet die Götter zu versöhnen und die allgemeine Noth abzuwenden vermöchte. Es kamen daher abgeordnete von ganz Griechenland zum Aeakus und fleheten ihn um seine Vermittelung bei den erzürnten Göttern an. Auf das Gebet des Aeakus erfolgte sogleich ein allgemeiner erquickender Regen. Die eifersüchtige Juno aber haßte den frommen Aeakus, und sandte eine furchtbare Schlange, welche das Wasser von Aegina vergiftete, wodurch Aeakus in kurzem aller seiner Unterthanen beraubt wurde. Dieser flehte zum Jupiter, daß er ihn selbst auch den Tod gewähren oder seine Insel wieder bevölkern möchte. Während dem Gebete erblickte er einen Haufen Ameisen an einer alten Eiche, und wünschte sich in Gedanken eine solche Zahl von Unterthanen, als Jupiter plötzlich seinen stillen Wunsch erhörte, und aus diesen Ameisen Menschen schuf, die nun auch nach ihrer Verwandlung noch ihre vormalige Emsigkeit behielten, und eines der fleißigsten und betriebsamsten Völker wurden. Wegen seiner Gerechtigkeitsliebe wurde der König Aeakus nach seinem Tode zu einem

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von den drei Richtern erkoren, welche das Schicksal der Verstorbenen in der Unterwelt entscheiden, und über Strafe und Belohnung den unwiderruflichen Ausspruch thun. Aeakus war mit der Endeis einer Tochter des Centauren Chiron vermählt, und erzeugte mit ihr den Peleus und Telamon. In Griechenland wurde Aeakus nach seinem Tode als ein Halbgott verehrt. Aega. Eine Tochter der Sonne. Als die Titanen den Himmel stürmten, so wurden sie durch den Glanz der Aega geblendet, und baten ihre Mutter die Erde, sie zu verfinstern. Die Erde verbarg hierauf die Aega in einer ihrer Höhlen, wo sie in Ziegengestalt den jungen Jupiter mit ihrer Milch ernährte. Die Ziegenhaut der Aega diente nach ihrem Tode dem Jupiter zu einem glänzenden undurchdringlichen Schilde, welches den Namen Aegide führte. Aegäon. Ein Sohn des Himmels und der Erde. Bei den Menschen hieß er Aegäon, bei den Göttern Briareus. Er hatte hundert Arme und funfzig Köpfe. Von ihm wurde der Eingang zum Tartarus bewacht, wo die Titanen eingekerkert waren, die sich gegen die Götter empört hatten. Aegis. Der furchtbare Schild der Minerva von der schuppigten Haut eines Ungeheuers, das sie selbst erlegt hatte. Homer schildert die Rüstung der Minerva, wie sie sich die Schulter mit der schrecklichen Aegis deckt, von welcher hundert goldne Quasten hangen, und um welche die Furcht und das Schrecken schweben; auf ihrer Oberfläche wohnet die Zwietracht und der Durst nach Blut; in ihrer Mitte droht das Haupt der Medusa, dessen Anblick die Menschen versteinert. Aeneas. Ein Sohn der Venus, welchen sie vom Anchises gebahr. Bis ins fünfte Jahr wurde Aeneas von den Nymphen des Waldes erzogen, worauf der Centaur Chiron ihn in seine Heldenschule nahm. Als er mannbar war, so vermählte ihm der Trojanische König Priamus seine Tochter Creusa. In der Belagerung von Troja bewieß sich Aeneas als einen der tapfersten Helden. Und als Troja von den Griechen erobert und zerstört wurde, so trug Aeneas seinen alten Vater Anchises auf dem Rücken durch die Flammen, während er seinen kleinen Sohn an

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der Hand führte, und Creusa ihm folgte. Als er nach einiger Zeit sich umsah, war Creusa verschwunden, und er stürzte sich aufs neue in die Flammen, um seine verlorne Gattin zu suchen, welche er aber nie wiederfand. Die Griechen verstatteten nun dem kleinen Ueberrest der Trojaner einen freien Abzug, und ließen zugleich durch einen Ausruf kund thun, daß ein jeder mitnehmen könne, was ihm vor allen lieb und werth sey, worauf Aeneas zuerst nach seinen Hausgöttern griff, und diese hinweg trug. Die Dichter welche seinen Ruhm besingen, legen ihm daher auch den Namen des frommen Aeneas bei. Nachdem nun Aeneas lange herumgeirrt war, um für sich und sein gerettetes Volk einen Zufluchtsort zu suchen, wurde er an die Küste von Afrika nach Lybien durch Sturm verschlagen, wo die Königinn Dido ihn gütig aufnahm, und von Liebe gegen ihn entbrannt wurde. Als nun Aeneas auf den Befehl der Götter sie verließ, so brachte sie aus Verzweifelung sich selbst ums Leben. Aeneas landete nun endlich in Italien, welches die Götter zu seinem bleibenden Wohnsitz bestimmt hatten. Hier stieg er mit der Sybille von Kuma zur Unterwelt hinab, wo er den Schatten seines Vaters Anchises, der während der Zeit gestorben war, wieder fand. Nun segelte er weiter, und lief in die Mündung der Tiber ein, wo er landete, und von dem Könige Latinus die Erlaubniß erhielt, eine Stadt zu bauen. Latinus verlobte auch dem Aeneas seine Tochter Lavinia. Weil diese aber dem Turnus, einem Könige der Rutuler, schon verheißen war, so mußte sie Aeneas erst mit blutigem Streite erkämpfen. Denn Turnus kündigte nun dem Könige Latinus mit seinen Bundesgenossen den Krieg an. Als er nun in zwei Schlachten überwunden war, forderte er den Aeneas zum Zweikampfe auf, worin er seinen Tod fand. Aeneas baute nun der Lavinia zu Ehren die Stadt Lavinium. Nach dem Tode des Latinus erhielt er auch dessen Königreich, und benannte ihm zu Ehren die Trojaner und alten Einwohner des Landes, welche nun zusammen ein Volk ausmachten, mit einem gemeinschaftlichen Namen, die Lateiner. Die Rutuler griffen unter der Anführung des Königes Mezentius aufs neue zu den Waffen, und Aeneas verschwand in einem Gefechte an dem Flusse Numicus aus dem Gesichte der Sterblichen. Ihm wurde

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daher an diesem Flusse ein Tempel und Altar errichtet, wo man ihm göttliche Ehre erwieß. Aeolus. Der Gott der Winde. In einer großen Höhle in Thrazien hatte er die Winde eingekerkert, und ließ von Zeit zu Zeit wehen, welchen er wollte. Zuweilen ließ er sich durch die Bitte irgend einer Gottheit bewegen, denjenigen Wind wehen zu lassen, welcher ihren Absichten zuträglich war. Dem Ulysses gab Aeolus einen ledernen Schlauch mit auf sein Schiff, welcher die Winde in sich enthielt, die dem Ulysses auf seiner Fahrt entgegen waren. Die Gefährten des Ulysses bildeten sich ein, daß in dem Schlauch ein Schatz verborgen wäre, und eröffneten ihn, während daß Ulysses schlief, worauf die Winde alle heraus flogen, und ein entsetzlicher Sturm entstand, welcher den Ulysses wieder von seiner Bahn verschlug. Die Dichter schildern den Aeolus wie er in seiner weiten Höhle die kämpfenden Winde mit Gefängniß und Banden zähmet; und wie sie unwillig und mit Geheul um die Schranken des Berges rauschen. Aeolus auf dem Gipfel, mit dem Zepter in der Hand besänftigt und mäßigt ihre Wuth, weil sie sonst Meer und Land mit sich fortreissen, und im allgemeinen Aufruhr die Natur der Dinge zerstören würden. Aeskulap. Der Gott der Aerzte. Er war ein Sohn des Apollo, welchen dieser mit der Koronis, einer Tochter des Königs Phlegyas in Thessalien, erzeugte. Apollo tödtete die Koronis aus Eifersucht, und da ihr Leichnam schon auf dem Scheiterhaufen lag, ward Aeskulap, mit dem sie schwanger war, noch durch die Macht des Apollo, und durch die Hülfe des Merkur, von ihr genommen. Er ward sogleich dem Centauren Chiron vom Apollo zur Erziehung und zum Unterricht übergeben. Dieser unterwieß ihn in Künsten und Wissenschaften, und vorzüglich in der Arzneikunde, worinn es Aeskulap so weit brachte, daß er zuletzt durch seine Kunst selbst Todte wieder auferweckte. Pluto beklagte sich hierüber beim Jupiter, weil die Ordnung und der Lauf der Dinge dadurch gestört, und die ihm gebührenden Todesopfer entrissen würden. Jupiter, über diese Auflehnung eines Sterblichen gegen die Macht der Götter zürnend, tödtete den Aeskulap mit seinem Blitze. Apollo, über den Tod seines geliebten Sohnes

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von Zorn entbrannt, erschoß mit seinen Pfeilen die Cyklopen, welche die Donnerkeile geschmiedet hatten, worüber er vom Jupiter eine Zeitlang aus dem Sitze der Götter verjagt wurde, und auf Erden dem Könige Admet seine Heerden weidete. Dem Aeskulap wurden in ganz Griechenland Tempel und Altäre geweiht. In Epidaurus, seinem Geburtsorte, wurde er vorzüglich verehrt; er hatte hier eine Bildsäule von Gold und Elfenbein, und noch bei der Stadt einen heiligen Hain, in welchen weder jemand sterben noch gebohren werden durfte. Auf einen Ausspruch des Orakels kamen die Römer nach Epidaurus, um den Gott Aeskulap nach ihrer Stadt zu führen. Eine Schlange, die unter der Bildsäule des Gottes hervorkam, begab sich freiwillig in das Schiff der Römer; und als sie die Tiber hinauf fuhren, und an die Insel kamen, welche sich innerhalb Rom an diesem Flusse bildet, sprang die Schlange ans Ufer, und verbarg sich in dem Schilfe. Man erbaute also dem Aeskulap auf dieser Insel einen Tempel, und eine Pest, welche damals in Rom wüthete, hörte nun plötzlich auf. Noch jetzt befindet sich auf dieser Insel ein Krankenhospital, und wo der Tempel des Aeskulaps stand, ist dem heiligen Bartholomeus eine Kirche erbaut. Dem Aeskulap wurde ein Hahn geopfert, und wenn jemand durch seine Hülfe glaubte genesen zu seyn, so hing er im Tempel des Aeskulap ein Täfelchen auf, worauf die Arzneimittel, deren er sich bedient hatte, verzeichnet waren. Seine Mutter Koronis wurde an verschiedenen Orten mit ihm zugleich verehrt. Aeskulap wurde abgebildet wie ein ältlicher Mann, mit sanftem Blicke, einem langen Barte, in der linken Hand einen knotigen, mit einer Schlange umwundenen, Stab haltend. Neben ihm findet man zuweilen einen Hahn, und vor ihm zu seinen Füßen zuweilen einen Hund abgebildet. Seine Söhne waren Machaon und Podalirius, welche mit den Griechen in den trojanischen Krieg zogen. Seine Tochter war Hygea, die Göttin der Gesundheit. Aeternitas. Die Ewigkeit. Eine allegorische Gottheit bei den Römern, welche man auf den Münzen abgebildet findet. Sie hält die stralenden Häupter der Sonne und des Mondes in ihren Händen.

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Auch findet man sie in der Gestalt, wie sie in einem Zirkel eingeschlossen ist, und eine Erdkugel hält, worauf ein Adler sitzt. Auf andern Abbildungen hält sie eine Schlange in der Hand, welche an ihrem Schweife nagt. In einer schönen und bedeutenden Darstellung ist sie mit einem Schleier bedeckt. Aether. Ein Sohn des Chaos und der Finsterniß, welcher sich mit dem Tage vermählte und mit ihm den Himmel, die Erde und das Meer erzeugte. Agamemnon. Ein König in Griechenland. Sein Bruder war Menelaus, welchem Paris seine Gemalin, die Helena, nach Troja entführte. In dem Kriege, womit die Griechen, dieses Raubes wegen, Troja überzogen, führte Agamemnon den Ober- befehl. Als nun das Griechische Heer in Aulis versammelt war, tödtete Agamemnon eine der Diana geweihte Hindin, und erzürnte dadurch diese mächtige Göttin, welche eine Windstille sandte, die den Griechen das Auslaufen mit ihrer Flotte unmöglich machte. Der Zorn der Göttin wurde nicht eher versöhnet, bis Agamemnon sich entschloß, auf den Ausspruch des Priesters Calchas ihr seine eigene Tochter Iphigenia zu opfern. Als nun Iphigenia am Altare stand, und der Opferstahl schon auf ihre Brust gezückt war, so rückte Diana, von Mitleid bewogen, sie in einer Wolke hinweg, und an ihrer Stelle stand eine zu opfernde Hindin da. Nach der Eroberung von Troja erhielt Agamemnon die Cassandra, eine Tochter des Priamus, zur Beute, und langte glücklich in Griechenland an. Seine Gemalin war Clytemnestra, eine Schwester der Helena. Diese buhlte während seiner Abwesenheit mit dem Aegisth, und als Agamemnon zurückkehrte, ermordete sie ihn mit Hülfe ihres Buhlen bei einem Gastmahle, wo sie ihm ein Hemde überwarf, worin er sich verwickeln mußte, und die Gegenwehr ihm unmöglich gemacht wurde. Er wurde nach seinem Tode von den Griechen wie ein Halbgott verehrt. Aganippe. Ein Quell auf dem Berge Helikon. Dieser Quell war den Musen geweiht, und wer daraus trank, wurde zur Poesie begeistert. Die Musen selber führten von diesem Quelle den Beinamen Aganippiden.

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Aglauros. Die Tochter des Cekrops, eines Königs von Athen. Ihre beiden Schwestern hießen Herse und Pandrosus. Minerva gab diesen drei Königstöchtern in einem zugemachten Korbe das Kind Erichthonius mit Schlangenfüßen in Verwahrung. Auf Anstiften der Aglauros hoben sie, wider das Verbot der Göttin, von dem Korbe den Deckel auf, und wurden alle drei für ihre Neugierde durch eine plötzliche Raserei bestraft, welche sie antrieb, sich ins Meer zu stürzen. Aglauros hatte einen Tempel zu Athen, worin die Jünglinge einen Eid ablegten, daß sie bis zum Tode für ihr Vaterland fechten wollten. Ajax. Einer von den Griechischen Helden, welcher Troja belagern half. Er erzürnte die Göttin Minerva, weil er in ihrem Tempel der Cassandra, einer Tochter des Priamus, Gewalt anthat. Auf seiner Rückkehr nach Griechenland ergriff ihn ein Sturm zur See, und Minerva tödtete ihn mit Jupiters Blitzen. Ajax. Ein Sohn des Telamon, welcher von dem vorigen, der ein Sohn des Oileus war, unterschieden werden muß. Er zog mit dem Griechischen Heere, nebst seinem Bruder Telamon, vor Troja. Nächst dem Achilles war er der Tapferste unter den Griechen. Gegen das Ende des trojanischen Krieges ließ er sich mit dem Hektor, einem Sohne des Priamus und dem Tapfersten unter den Trojanern, in einen Zweikampf ein. Weil sie sich einander an Kräften gewachsen waren, so blieb nach langem Kampfe der Sieg noch unentschieden; sie gingen endlich friedlich auseinander, und Ajax verehrte dem Hektor zum Andenken seinen Gürtel, so wie dieser ihm sein Schwerdt. Beiden gereichten diese Geschenke zum Verderben; an dem Gürtel schleifte nachher Achilles den Leichnam des Hektors um die Mauern von Troja, und mit dem Schwerdte entleibte Ajax aus Verzweiflung zuletzt sich selber. Nach dem Tode des Achilles mußte entschieden werden, wer seine Waffenrüstung erhalten sollte. Ajax und Ulysses machten darauf gleiche Ansprüche. Als nun Ulysses auf den Ausspruch der Grie- chen sie erhielt, so gerieth Ajax hierüber in Raserei, und wüthete mit seinem Schwerdte unter einer Heerde von Schafen, die er, so wie er sie tödtete, mit den Namen der Griechischen Feldherrn benannte, welche der Gegenstand seines Zorns und seiner Rachsucht

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waren. Seine Verzweiflung stieg zuletzt aufs höchste, und er tödtete sich mit dem Schwerdte, das Hektor ihm geschenkt hatte. Er wurde auf dem Sigäischen Vorgebürge begraben, und aus seiner Asche sproßte die Hyacinthe hervor. In seiner Vaterstadt Salamin war ihm ein Tempel erbaut, worin sich seine Bildsäule aus Ebenholz befand; auch wurde ihm jährlich hier ein Fest gefeiert. Als Ulysses auf seiner Rückkehr nach Griechenland Schiffbruch litte, so wurden die Waffen des Achilles von den Wellen des Meers wieder an die Küste von Troja und an des Ajax Grabmahl getrieben, gleichsam als ob selbst die leblose Natur das dem Ajax zugefügte Unrecht wieder vergüten wollte. Aidoneus. Ein König der Molosser, welchen die Dichtung auch mit dem Pluto zu einem Wesen schuf. Dieser Aidoneus war es, der die Proserpina, eine Tochter der Ceres, in Sicilien raubte. Theseus und Pirithous wollten ihm die Proserpina wieder entführen, wurden aber vom Aidoneus gefesselt und gefangen gehalten, bis Herkules zwar den Theseus wieder befreite, aber den Pirithous aus der Gewalt des Aidoneus nicht retten konnte. Albunea. Die Tiburtinische Sybille. Sie wurde bei Tibur an dem Flusse Anio in einem Haine verehrt. Alcides. Ein Beiname des Hercules, welchen er von seinem Großvater Alcäus erhielt. Alcinous. Ein König der Phäacier. Die alten Dichter rühmen besonders die Gärten des Alcinous. Als Ulysses auf seiner Rückkehr nach Griechenland Schiffbruch litte, und sich mit Schwimmen an die Insel der Phäacier rettete, so nahm ihn Alcinous gütig auf, und sandte ihn mit einem Schiffe nach Ithaka. Alkmäon. Ein Sohn des Amphiaraus und der Eryphyle. In dem zweiten berühmten Feldzuge wider Theben wurde er zum Oberhaupte der Epigonen erwählt. Er tödtete den Sohn des Eterokles, Laodamas, in einem Zweikampfe, und eroberte und zerstörte die Stadt Theben. Die Mutter des Alkmäon hatte dessen Vater durch Verrätherei den Feinden überliefert, und seinen Tod bewürkt. Nun rächte der Sohn diesen Frevel an seiner eignen Mutter; als er sie aber getödtet hatte, wurde er von den Furien verfolgt, so daß er nirgends eine

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Ajax – Alkmene

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bleibende Stätte fand. Denn seine sterbende Mutter hatte jedes Land, daß ihn aufnehmen würde, verflucht. Das Orakel befahl ihm ein Land zu suchen, welches erst nach dem Tode seiner Mutter entstanden, und also nicht mit unter dem mütterlichen Fluche begriffen sey. Nach langen Umherschweifen, kam er zuletzt auf eine Insel, welche der Fluß Achelous gebildet hatte; und hier war es, wo zuerst sein Fuß ruhen konnte. Er vermählte sich nun mit der Kallirhoe, einer Tochter des Achelous. Alkmene. Die Mutter des Hercules. Eine Tochter des Elektryo und der Anaxo. Ihre Brüder waren von den Söhnen des Pterelaus erschlagen, und Alkmene erklärte sich, daß sie nur dem ihre Hand geben wolle, der den Tod ihrer Brüder rächen würde. Amphitryo, des Alcäus Sohn, ging diese Bedingung ein; allein ehe er noch aus dem Kriege gegen die Söhne des Pterelaus siegreich zurück kam, nahm Jupiter selber die Gestalt des Amphitryo an, und genoß der Umarmung der Alkmene eine Nacht lang, welche er bis zu der Dauer von drei Nächten verlängerte, und mit der Alkmene den Herkules erzeugte. Am- phitryo kehrte also zu spät zurück, und vernahm von dem Wahrsager Tiresias, daß der Donnergott selbst bei Alkmenen seine Stelle vertreten habe. Alkmene gebahr nachher zwei Söhne, den Herkules vom Jupiter um eine Nacht eher, und den Iphiklus vom Amphitryo um eine Nacht später. Ueber der Geburt des Herkules brachte sie sieben Tage und Nächte zu, weil die eifersüchtige Juno die Göttin der Gebährerinnen, Ilythia, schickte, daß sie vor Alkmenens Thür, auf einem Steine sitzend, die Niederkunft der Gebährenden verhindern mußte. Eine Magd der Alkmene, mit Namen Galanthis, bemerkte die Ilithya, und täuschte sie durch die Nachricht, daß ihre Gebietherin schon entbunden sey, worauf die Göttin den Zauber lößte, und Alkmene nun erst entbunden wurde. Als aber Ilithya den Betrug wahrnahm, so verwandelte sie die Galanthis in eine Wiesel. Alkmene überlebte ihren Sohn Herkules, und starb erst in einem hohen Alter. Nach dem Tode des Herkules wurde sie von dessen Feinde dem Euristeus verfolgt, bis Hyllus, ein Sohn des Herkules, diesen erlegte. Als sie gestorben war, sandte Jupiter den

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Merkurius, der sie aus ihrem Sarge emporhob, und an ihre Stelle einen Stein in denselben senkte, wodurch der Sarg so schwer wurde, daß ihn die Träger nicht mehr fortbewegen konnten. Man setzte den Sarg nieder und fand den Stein darin. Die Thebaner weihten daher der Alkmene einen Tempel und einen heiligen Hain, worin sie ihr göttliche Ehre erwiesen. Alcyone. Die Vermählte des Königs Ceyx, den sie mit vorzüglicher Treue liebte. Ceyx mußte einst, um das Orakel zu befragen, eine Reise über Meer thun. Alcyone flehte während dieser Zeit die Götter Tag und Nacht um seinen Schutz an. Allein ihr Flehen war vergeblich. Als sie auf seine Wiederkunft harrend einst am Ufer des Meeres stand, und in die Ferne blickte, um das Schiff zu entdecken, welches ihren Gatten ihr wieder bringen sollte, sah sie zu ihren Füßen seinen Leichnam schwimmen, den die Wellen ans Ufer trieben. Voll Verzweiflung stürzte sie sich in die Fluth, die Götter aber verwandelten sie aus Erbarmen in den Vogel, der ihren Namen führt. Wenn dieser Vogel gegen den Winter sein Nest baut, so ist gemeiniglich das Meer sehr still und ruhig. Alpheus. Ein Sohn des Oceans und der Thetis. Dieser liebte die Nymphe Arethusa, welche beständig vor ihm flohe. Als sie die Götter vor der Verfolgung des Alpheus um Rettung anflehete, wurde sie von ihnen in der Insel Ortygia in einen Quell verwandelt. Alpheus aber flehte ebenfalls die Götter an, daß er zu einem Flusse ward, der unter der Erde und dem Meere fortströmte, um sich mit dem Quell Arethusa zu vermischen. Althäa . Eine Tochter des Thestius und Vermählte des Oeneus, Königs von Kalydon. Als sie den Meleager gebohren hatte, und dieser sieben Tage alt war, so traten die Parzen in ihr Zimmer, und deuteten auf ein Scheit Holz, das auf dem Heerde brannte: so lange würde Meleager leben, bis dieß Stück Holz in Asche verwandelt wäre. Althäa riß daher den Brand, so schnell sie konnte, aus dem Feuer, und verbarg ihn sorgfältig in einen Kasten. Als nun in der Folge Meleager die Brüder seiner Mutter umbrachte, nahm diese eine schreckliche Rache an ihrem eignen Sohne, indem sie das lange verwahrte Scheit Holz ins

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Feuer warf; und so wie dies von den Flammen verzehrt wurde, mußte Meleager unter zuckenden Qualen sterben. Als sie aber ihres Sohnes Tod vernahm, brachte sie aus Verzweiflung sich selbst ums Leben. Amalthea. Die Erzieherin des Jupiter auf der Insel Kreta, wo sie ihn mit der Milch einer Ziege ernährte. Diese Ziege zerbrach einst an einem Baume ihr Horn, welches Amalthea aufhob, es mit frischen Kräutern umwand, und mit Früchten angefüllt, dem kleinen Jupiter darbrachte. Dies Horn wurde nun zum Horne des Ueberflusses geweiht, und vom Jupiter unter die Sterne versetzt. Amazonen. Diese kriegerischen Weiber führten ihren Namen von der Beraubung der einen Brust, welche sie allen Mädchen gleich nach der Geburt abbrannten, damit sie ihnen im Fechten nicht hinderlich sey. Ihr Hauptsitz war in Asien am Flusse Thermodon. Sie hatten ihre eigne Königin, und duldeten unter sich keine Männer. Damit aber ihr Geschlecht nicht unterginge, so begaben sie sich zu gewissen Zeiten an die Gränzen ihres Landes, wo die benachbarten Männer ihnen beiwohnten. Die Mädchen welche sie gebahren, unterrichteten sie in Kriegsübungen, bis sie selbst die Waffen führen konnten; die Knaben tödteten sie entweder, oder brachten sie ihren Vätern wieder; denjenigen, welche sie bei sich behielten, lähmten sie in der Kindheit schon die Glieder, um sie zum Kriegdienste auf immer unfähig zu machen. Keine der Amazonen durfte eher einem Manne beiwohnen, als bis sie erst einen Feind erlegt hatte. Das Amazonen Kleid bedeckte nur die Knie, und ihre rechte Seite war bis unter die Brust entblößt. Statt der Harnische bedeckten sie sich mit großen Schlangen Häuten, und waren mit Streitäxten bewaffnet. Sie fochten sowohl zu Pferde als zu Fuße. Unter den zwölf Arbeiten, welche Euristeus dem Herkules auflegte, war auch diese, daß Herkules das goldne Wehrgehenk der Königin der Amazonen Orithya erobern mußte, indem er mit neun Schiffen an ihrem Ufer landete. Orithya führte auswärts Krieg; und es war dem Herkules um desto leichter, die Amazonen zu überwinden. Er führte die Schwestern der Orithya, Menalippe und Hippolyte gefangen hinweg; mit der Hippolite vermählte sich Theseus, welcher mit dem Herkules gegen die Amazonen fochte. Orithya kam mit

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einem Heere, um ihre Schwester zu befreien; allein sie ward vom Theseus überwunden, und in die Flucht geschlagen. Penthesilea folgte der Orithya, und zog dem Priamos zu Hülfe nach Troja, wo sie mit dem größten Theile des Heeres ihren Tod fand. Das Heer der Amazonen wurde nun von Zeit zu Zeit immer mehr geschwächt, und zuletzt von den benachbar- ten Völkern ganz aufgerieben. Zu Alexanders des Großen Zeiten lebte noch die Amazonenköniginn Thalestris, welche diesen König besuchte; nachher schweigt die Geschichte ganz von ihnen. Ambrosia. Die Speise der Götter, welche von der Unsterblichkeit selber ihren Namen führte. Wer von dieser Götterspeise kostete, wurde dadurch unsterblich. Thetis bestrich ihren Sohn Achilles mit Ambrosia, als sie ihn in die Flammen legte, damit das Sterbliche an ihm verzehrt würde. Amicitia. Die Freundschaft. Eine allegorische Gottheit bei den Römern. Sie wurde abgebildet wie eine Jungfrau, mit entblößtem Haupte und einem schlechtem Rocke bekleidet, auf dessen Saume geschrieben stand: Tod und Leben; auf ihrer Stirne standen die Worte: Sommer und Winter. Ihre Brust war bis auf das Herz eröffnet, worauf sie mit dem Finger zeigte, und wo man die Worte laß: fern und nahe. Ammon. Der Egyptische Jupiter. Als Bachus einst mit seinem Heere durch die Sandwüste von Lybien zog, und man vor Durst beinahe verschmachtete, erschien ein Widder, welcher, da er verfolgt wurde, das Heer an einen frischen Quell führte, und ver- schwand; man hielt diesen Widder für den Jupiter Ammon, und ihm wurde an dem Orte, wo er verschwunden war, ein Tempel erbaut, wo seine Bildsäule nicht mit dem Blitzstrale, sondern mit gewundenen Hörnern stand. Durch den Jupiter Ammon wurde vornehmlich die zurück kehrende Sonne im Frühlinge bezeichnet, weswegen man auch den Widder zum ersten Zeichen des Thierkreises machte. Amor. Ist der älteste unter den Göttern. Er war v o r a l l e n E r z e u g u n g e n da, und regte zuerst das unfruchtbare C h a o s an, daß es die Finsterniß gebahr, woraus der Aether und der Tag hervorging.

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Der komische Dichter A r i s t o p h a n e s führt diese alte Dichtung scherzend an, indem er die Vögel redend einführt, wie sie alle den geheimnißvollen ursprünglichen Wesen F l ü g e l beilegen, um sie dadurch sich ähnlich zu bilden, und ihren eigenen erhabenen Ursprung in ihnen wieder zu finden. Sie lassen daher den Amor selbst, ehe er das Chaos befruchtet, aus einem E i hervorgehen. Die schwarzgeflügelte Nacht, heißt es, brachte das erste Ei in dem weiten Schooße des Erebus hervor, aus dem nach einiger Zeit der reizende Amor, mit goldenen F l ü g e l n versehen, hervorkam, und indem er sich mit dem g e - f l ü g e l t e n Chaos vermählte, zuerst das Geschlecht der Vögel erzeugte. Man sieht also, daß diese Dichtungen, von den komischen Dichtern eben sowohl scherzhaft, als von den tragischen Dichtern tragisch genommen wurden; weil man sie einmal als eine Sprache der Phantasie betrachtete, worin sich Gedanken jeder Art hüllen ließen, und selbst die gewöhnlichsten Dinge einen neuen Glanz und eine blühende Farbe erhielten. Die Dichtung von Amor bleibt auch selber noch in der scherzhaften Einkleidung des komischen Dichters schön. – Dieser älteste A m o r ist vorzüglich der erhabene Begriff von der alles erregenden und befruchtenden L i e b e selber. – Unter den n e u e n G ö t t e r n wird Amor von der Venus gebohren, und Mars ist sein Erzeuger. – Es ist der geflügelte Knabe mit Pfeil und Bogen. – Die Wirkungen von seinem Geschosse sind die schmerzenden Wunden der Liebe – und seine Macht ist Göttern und Menschen furchtbar. Amoretten. Liebesgötter. Auch die Göttergestalt des Amors vervielfältigte sich in der Einbildungskraft der Alten; die Liebesgötter, welche allenthalben in den Dichtungen unter reizenden Gestalten erscheinen, sind gleichsam Funken seines Wesens; und die Dichtkunst ist unerschöpflich in schönen sinnbildlichen Darstellungen dieser alles besiegenden Gottheit. So findet man den Liebesgott dargestellt, wie er Jupiters Donnerkeil zerbricht; wie er mit des Herkules Löwenhaut umgeben, und mit seiner Keule bewaffnet ist; oder wie er auf den Helm des Mars tritt, dessen Schild und Wurfspieß vor ihm liegen.

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Unter den Griechischen Namen E r o s und A n t e r o s , L i e b e und G e g e n l i e b e , stellt die bildende Kunst der Alten zwei Liebesgötter dar, die um einen Palmzweig streiten, gleichsam um den Wetteifer in der wechselseitigen Liebe zu bezeigen. In allerlei Arten von Beschäftigungen stellte man die Liebesgötter dar. So sieht man auf einem alten Denkmahle, wo ein Weinstock sich um einen Ulmbaum schlingt, oben auf dem Baume sitzend, einen Liebesgott, der Trauben pflückt, indeß zwei andre Liebesgötter unter dem Baume stehend warten. – Jagend, fischend, zu Wasser das Ruder, zu Lande den Wagen lenkend, und sogar die mechanischen Arbeiten der Handwerker emsig betreibend, findet man die Liebesgötter auf alten Gemmen und Gemälden. Weil aber in der Vorstellungsart der Alten auch jedes Ge- schäft s e i n e n G e n i u s hatte, so geht hier die Dichtung von den Liebesgöttern wieder in den Begriff von G e n i e n über, und diese zarten Wesen der Einbildungskraft verlieren sich in einander. Amphiaraus. Ein berühmter Wahrsager. Er war einer von den sieben Helden, welche gegen Theben fochten, und alle bis auf den Adrastus ums Leben kamen. Er sah voraus, daß er dort seinen Tod finden würde und verbarg sich daher auf das sorgfältigste, um nicht an diesem Feldzuge Theil zu nehmen. Seine Gemahlin Eryphyle, welche allein um seinen Aufenthalt wußte, verrieth ihn gegen ein goldnes Halsband, welches Minerva einst der Harmonia bei ihrer Vermählung mit dem Kadmus geschenkt hatte, und wodurch in der Folge Unglück und Unheil gestiftet wurde. Amphiaraus zog also nun mit gegen Theben, wo er bewieß daß es ihm an Muth und Tapferkeit nicht fehle. Er tödtete von den Feinden den Melanippus, dessen Gehirn er aus Rache und Grausamkeit verzehrte, und dadurch sich die Minerva zur Feindin machte. Jupiter selber spaltete mit einem Blitzstrahle den Boden zu des Amphiaraus Füßen, so daß er mit Pferd und Wagen von der Erde verschlungen wurde. Die Oropier bauten den Amphiaraus an dem Orte wo er verschlungen war, einen Tempel, und errichteten ihm eine Bildsäule, welche man wegen der Zukunft um Rath fragte. Wer die Zukunft erfahren wollte, mußte einen Taglang

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fasten, und drei Tage lang sich des Weines enthalten, alsdenn einen Widder opfern, und sich auf dessen Fell im Tempel des Amphiaraus schlafen legen, worauf ihm dann im Traume die Zukunft offenbaret wurde. Neben dem Tempel war ein dem Amphiaraus geweihter Quell, in welchen diejenigen, welche das Orakel befragt hatten, eine goldene oder silberne Münze werfen mußten. Alcmäon, ein Sohn des Amphiaraus, rächete an seiner eignen Mutter Eryphile den Frevel, welchen sie an seinem Vater verübt hatte, und brachte sie mit eigner Hand ums Leben. Amphictyon. Ein Sohn des Deukalion. Er herrschte in den ältesten Zeiten über Athen, und war der Stifter des großen Senats von ganz Griechenland, wozu die einzelnen Städte ihre Abgeordnete schickten, welche nach seinem Namen die Amphictyonen hießen. In Themophyle, wo dieser Senat sich versammelte, war auch dem Amphictyon selber ein Tempel geweiht. Amphilochus. Ein Sohn des Amphiaraus. Ein eben so berühmter Wahrsager wie sein Vater. Er zog mit in den Trojanischen Krieg, und nach Endigung desselben baute er in Epirus die Stadt Amphilochium. Die Oropier verehrten ihn zugleich mit seinem Vater, in Athen war ihm ein Altar geweiht; und zu Mallus in Cilicien ertheilte er Orakelsprüche. Amphion. Ein Sohn des Jupiters und der Antiope, welche aus Furcht vor ihrem Vater sich zu dem Epopeus nach Sicyon begab, und sich mit ihm vermählte. Ihres Vaters Bruder eroberte Sicyon, er schlug den Epopeus, und führte die Antiope gefangen nach Theben zurück. Diese gebahr auf dem Wege den Amphion und Zethus als Zwillinge, und beide wurden ausgesetzt. Ein Hirt fand diese Kinder, und gab dem Amphion seinen Namen von dem Umstande, daß ihn seine Mutter am Wege gebohren hatte. Amphion wurde unter den Hirten erzogen. Apollo selber schenkte ihm eine Leyer, und die Musen waren seine Lehrerinnen. Antiope welche indeß gefangen nach Theben gebracht war, wurde von der Dirce ihres Vaters Bruder Gemahlin, auf das grausamste gequält, bis sie Gelegenheit fand, zu entfliehen. Als nun ihre Söhne Amphion und Zethus das Unrecht er-

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fuhren, welches ihrer Mutter wiederfahren war, zogen sie vor Theben, eroberten die Stadt, und rächten an der Dirce die ihrer Mutter zugefügte Schmach. Sie banden nehmlich die Dirce mit den Haaren an einen wilden Stier, und ließen sie von diesem zu Tode schleifen. A m p h i o n erbaute die Mauern von Theben und schloß die Stadt mit sieben Thoren ein. – Die Ueberredungskunst, womit Amphion zu diesem Werke die rohen Einwohner zu ermuntern wußte, hüllt die Dichtung in die schöne Fabel ein, daß er durch die Töne seiner Leyer die S t e i n e selbst bewegt habe, sich zusammen zu fügen, und zu Mauern und Thürmen sich zu bilden. Bei dem Grabe des Amphion zeigte man einige schlechte und grobe Steine, welche sehr heilig gehalten wurden, weil man sie für einige von denen hielt, welche ehmals den Tönen der Leyer des Amphion folgsam gewesen waren, und auf seinen Ruf sich von selber zusammen gefügt hatten. Die Gemahlin des Amphion war Niobe, eine Tochter des Phrygischen Königes Tantalus. Mit dieser erzeugte er sieben Söhne und sieben Töchter, welche vom Apollo und der Diana zu gleicher Zeit mit Pfeilen getödtet wurden, weil Niobe durch Stolz und Uebermuth die Göttin Latona erzürnt hatte. Amphitrite. Eine Tochter des Oceanus und der Tethys. Mit ihr vermählte sich Neptun, und erhob sie zur Königinn der Gewässer. Neptun erzeugte mit ihr den Triton. Sie wird neben dem Neptun auf einem Wagen stehend abgebildet, mit einem über ihrem Haupte flatternden Schleier. Zuweilen sitzt sie auf einem Delphine, oder steht auf einem Muschelwagen, welcher von Delphinen gezogen wird. Amphitryo. Ein Sohn des Alcäus. Eliktryo, König in Mycene, gab dem Amphitryo den Auftrag, ihm die Rinder wieder einzulösen, welche ihm von den Söhnen des Pterelaus geraubt waren, wogegen er ihm seine Tochter Alkmene zur Ehe versprach. Amphitryo brachte die Rinder, war aber so unglücklich, durch einen Wurf mit der Keule, nach einem der Stiere, den Eliktryo zu tödten. Amphitryo mußte daher nach Theben flüchten, wo er von dem Könige Kreon wegen seines unvorsetzlichen Mordes, ausgesöhnt wurde. Alkmene aber wollte sich nicht eher mit ihm vermählen, bis er an den Söhnen des

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Pterelaus den Tod ihrer Brüder rächen würde. Kreon leistete nun dem Amphitryo in diesem Feldzuge seinen Bei- stand. Die Tochter des Pterelaus Komätho verrieth aus Liebe gegen den Amphitryo ihren eigenen Vater, welchem sie sein Haar abschnitt, worin seine Kraft verborgen lag, und dadurch dem Amphitryo die Eroberung dieses Königreichs erleichterte. Als nun Amphitryo siegreich nach Theben zurück kehrte, hatte Jupiter während der Zeit seine Gestalt angenommen, und der Umarmung der Alkmene genossen. Amphitryo erzeugte demohngeachtet noch mit der Alkmene den Iphikles. Diese ward nehmlich von Zwillingen entbunden, vom welchen Herkules den Jupiter, Iphikles aber den Amphitryo für seinen Erzeuger erkannte. Als beide Kinder acht Monat alt waren, nahten sich ihrer Wiege zwei große Schlangen; Iphikles bemühte sich zu entfliehen; Herkules aber ergriff die Schlangen und zerdrückte sie mit seinen kleinen Händen. Anadyomene. Ein Beiname der Venus welcher ihr Emporsteigen aus dem Meere bezeichnete. Anaxarete. Sie lebte in der Insel Cypern, und war die Schönste ihres Geschlechts. Ein Jüngling, Namens Iphis, wurde durch die Liebe zu ihr, welche sie verspottet zur Verzweifelung gebracht, und tödtete sich vor ihrem Hause. Als sein Leichnam vorbeigetragen wurde, stand Anaxarete am Fenster, und spottete des Todten, worauf sie von der Venus zur Strafe in einen Steine verwandelt wurde. Ancäus. Ein Sohn der Althäa. Er zog mit den Argonauten nach Kolchis, und wurde nach dem Tode des Tiphys zum Steuermanne der Argo erwählt. Er war König von Samos. Hier pflanzte er einen Weinberg, wovon ein Wahrsager ihn prophezeite, daß er dessen Wein nicht kosten würde. Da nun Ancäus schon eine Traube in der Hand hatte, um den Saft aus ihr zu pressen, so verlachte er den Wahrsager. In demselben Augenblick aber kam ein Bote, und brachte die Nachricht, daß ein schrecklicher Eber den Weinberg verwüstete. Ancäus legte daher die Traube aus der Hand, um den Eber zu tödten, von welchem er aber ums Leben gebracht wurde und also von der Frucht seines Weinberges, nach der Prophezeiung des Wahrsagers, keinen Tropfen genoß.

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Anchises. Ein Sohn des Assarakus. Er weidete die Heerden bei Troja, und war als Jüngling so schön gebildet, daß die Göttin Venus selber ihn zu ihrem Lieblinge wählte, indem sie unter der Gestalt einer Nymphe zu ihm kam, wo Anchises den Aeneas mit ihr erzeugte, den sie am Flusse Simois gebahr. Als Venus sich dem Anchises zu erkennen gab, so sagte sie folgende Worte zu ihm: Sey ohne Furcht! d u w i r s t n i c h t s S c h l i m m e s w e g e n m e i n e r L i e b e erdulden. Ich werde nicht, wie Aurora für ihren Tithonus, die Unsterblichkeit für dich erbitten; sondern dich wird das schnelle Alter, so wie die andern Sterblichen überschleichen. Die Nymphen des Waldes aber sollen den Sohn, den ich gebähre, erziehen. – Wenn er mannbar ist, sollst du an seiner Göttergleichen Gestalt dich weiden. Und wenn dich jemand frägt, wer diesen Sohn gebohren, so sollst du sagen: »eine der Nymphen, die diese Berge bewohnen;« – rühmst du dich aber thöricht, daß du in Cytherens Arm geruht, so wird dich Jupiters Blitz zerschmettern! Dieß präge tief dir ein, und fürchte den Zorn der Götter! Andromeda. Eine Tochter Cepheus, König in Aethiopien, und der Kassiopäja. Als Kassiopäja, stolz auf ihre Schönheit, sich vor den Meergöttinnen, oder den Nereiden, den Vorzug anmaßte, so fleheten diese den Neptun um Rache an. Neptun erhörte die Bitte der Nereiden und überschwemmte des Cepheus Land mit Wasserfluthen; auch schuf er ein verwüstendes Meerungeheuer, welches nicht eher aufhören sollte, das Land zu verheeren, bis Cepheus seine eigne Tochter Andromeda diesem Ungeheuer zu verschlingen gäbe. Andromeda wurde also an einen Felsen geschmiedet, und erwartete ihren Todt, als Perseus, mit dem Haupte der Medusa bewaffnet, auf dem geflügelten Pegasus in diese Gegend kam, und die leidende Schöne erblickte. Perseus überwand das Ungeheuer, und rettete die Andromeda, welche er sich von ihrem Vater Cepheus zur Gattin erbat. Dieser willigte in sein Gesuch; aber Phineus des Cepheus Bruder, welcher vorher schon mit der Andromeda verlobt war, trat plötzlich bei der Vermählung des Perseus in den hochzeitlichen Saal, und suchte mit den Waffen seine Ansprüche geltend zu machen, als Perseus gegen ihn und seine Anhänger das

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Haupt der Medusa kehrte, wodurch sie alle in Stein verwandelt wurden. Perseus, Cepheus, Kassiopäja, und Andromeda wurden unter die Sterne versetzt. Auf die Weise wurden im eigentlichen Sinne die Helden des Alterthums bis an den Himmel erhoben, und ihrem Namen das dauernste und glänzenste Denkmahl gestiftet. Annaperanna. Man verehrte unter der Benennung A n n a P e r a n n a etwas I m m e r d a u e r n d e s , Wo h l t h ä t i g e s , daß man selber nicht genau zu bestimmen wußte. Das Volk feierte dies Fest unter freiem Himmel oder unter Zelten, und man trank sich so viele Becher Wein zu, als Jahre man sich einander zu Leben wünschte. Die Idee von F o r t d a u e r des Guten wurde auch schon durch den Namen dieser Gottheit, die man durch frohen Genuß des Lebens ehrte, bezeichnet. Das Volk erneuerte aber bei diesem Feste noch ein besonderes Andenken an eine Begebenheit, die ihm vorzüglich wichtig war. Es zog nehmlich einstmals, da es sich vom Senat bedrückt glaubte, aus der Stadt, und lagerte sich in einiger Entfernung von Rom auf dem heiligen Berge, so lange, bis ihm die verlangten Tribunen oder Volksvorsteher, die es aus seiner eigenen Mitte wählen konnte, vom Senat bewilligt wurden. Da nun während der Zeit die Lebensmittel, womit man sich versehn hatte, aufgezehrt waren, brachte eine alte Frau Namens Anna, aus dem Flecken Bovillä bei Rom gebürtig, alle Morgen früh mit freigebigen Händen Kuchen dar, die sie selbst zu dem Ende gebacken hatte, und sie noch warm unter das Volk austheilte. Dankbar erinnerte man sich nun immer noch dieser Wohlthat, und feierte unter der Benennung der Anna Perenna zugleich das Andenken dieser guten Alten, welcher das Volk schon damals als es wieder in die Stadt zurückkehrte, eine Denksäule errichtet hatte, und die also durch jene wohlthätige Handlung gleichsam unsterblich geworden war. Angerona. Die Sorgen und Bekümmernisse, welche das Gemüth beängstigen, personificirte man sich zu einer Gottheit, welche A n g e r o n a hieß, und, wie man glaubte, die Macht besaß, dergleichen Beängstigungen zu verursachen, und auch wiederum davon zu be-

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freien, deswegen man sich mit Gebeten und Opfern an sie wandte, damit sie dergleichen Bekümmernisse des Gemüths sowohl, als auch insbesondre eine körperliche Krankheit, welche Angina hieß, und einst bei dem römischen Volke epidemisch um sich griff, gnädig von den Bittenden abwenden möge. Antäus. Ein Sohn der Erde und ungeheuerer Riese. Er herrschte in Libyen, und zwang einen jeden Fremden, der sein Gebiet betrat, mit ihm zu ringen. Bei seiner ungeheuern Größe und Stärke aber war es ihm ein leichtes, den Sieg zu erhalten, worauf er denn niemals des Besiegten schonte, sondern ihn ohne Barmherzigkeit ums Leben brachte. Er wohnte in einer Höhle, unter einem großen Felsen, wo er auf der bloßen Erde schlief, weil er aus dieser, so wie er auf ihr lag, immer neue Kräfte zog. Seine Speise war das Fleisch der Löwen, die er fing. Als Herkules auf seinem Zuge, wo er die Rinder des Geryon dem Euristeus brachte, in Lybien landete, wurde er auch von dem Riesen Antäus zum Zweikampfe aufgefordert. Sie waren sich einander gewachsen, und kämpften lange, ehe der Sieg entschieden war. Endlich warf Herkules den Antäus zu Boden; als dieser aber kaum die Erde berührte, so zog er aus ihr neue Stärke, und erhub sich wieder mit erneuerter Kraft zum Streite. Als dies einigemahl geschehen war, so schloß Herkules, daß die Berührung der Erde seinen Gegner unüberwindlich machte. Er umfaßte ihn also mit unwiderstehlicher Gewalt, hob ihm von der Erde empor, und erdrückte ihn mit seinen mächtigen Armen in der Luft. Anteros. Ein Sohn des Mars und der Venus. Er war der Gott der Gegenliebe, so wie Amor oder Eros der Gott der Liebe. Die Dichtung sagt, daß Amor in seiner ersten Kindheit nicht habe wachsen wollen, bis Venus erst den Anteros geboren hatte, worauf denn Eros anfing, zuzunehmen, seine Flügel ausbreitete, und vergnügt war, wenn Anteros ihm nicht fehlte, so bald aber dieser sich entfernte, ward er wieder traurig, und ließ die Flügel sinken. Die Altäre des Eros und des Anteros standen gemeiniglich nebeneinander. Auf einem Gemählde waren Eros und Anteros abgebildet, wie der letztere dem ersteren einen Palmzweig aus der Hand zu winden suchte, wahrscheinlich um den Wetteifer in der Liebe zu bezeichnen.

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Antinous. Ein schöner Jüngling aus Bithynien, und Liebling des Kaisers Hadrian. Als dieser Jüngling in dem Nilstrome ertrank, erbaute Hadrian ihm in Ehren die Stadt Antinopolis; er weihte ihn Tempel und Altäre, und ließ ihm göttliche Ehre erweisen. Auch wurde nach seinen Namen ein Gestirn am Himmel benannt. Weil unter dem Kaiser Hadrian die schönen Künste blühten, so findet man mehrere Bildsäulen und Brustbilder vom Antinous, welche uns aus dem Alterthum übrig geblieben sind. Man kennt ihn an dem etwas herabhängenden Haupte und melancholisch gesenkten Blicke. Anubis. Eine Aegyptische Gottheit. Ein Sohn des Osiris, dessen Jäger er war, wobei er das Fell eines Hundes um sich trug. Er wurde daher auch mit einem Hundskopfe abgebildet, in der Linken einen Merkuriusstab, in der Rechten einen Palmzweig haltend. Ihm waren die Hunde heilig, und in seinem Tempel waren ihm eigene Hunde geweiht, welche ihm zu Ehren unterhalten wurden. Er wurde sowohl unter die Himmlischen als unterirrdischen Götter gezählt. Als dem himmlischen Gotte wurde ihm ein weißer, als den unterirrdischen aber ein schwarzer Hahn geopfert. Für das Urbild des Anubis hielt man den Hundsstern oder Sirius, dessen Aufgang den Aegyptiern verkündigte, daß der Nil bald austreten, und das Land bewässern würde. Die Bildsäule des Anubis wurde auch an die Wege gestellt, wo sie statt der Beine und Füße in einigen spitzigen Steinen ausliefen, und wegen der Aehnlichkeit mit den griechischen Hermen, den Namen Hermanubis erhielt. Aphrodite. Einer der gewöhnlichsten Beinamen der Venus, welcher auf ihre Erzeugung aus dem Schaume des Meeres deutet. Apis. Eine ägyptische Gottheit. Er wurde in der Gestalt eines Ochsen gebildet. Die Kuh, welche diesen Gott gebahr, mußte durch einen Strahl vom Himmel befruchtet seyn. Ein Zeichen dieses heiligen Ochsen war, daß er auf der rechten Seite einen weißlichen Fleck in Gestalt des zunehmenden Mondes hatte. Unter der Zunge mußte er einen Knoten oder schwarzen Fleck haben, welchen man den Käfer nannte. Die- ser Ochse hatte zu Memphis seinen Aufenthalt, wo ihm eine prächtige Wohnung erbauet war, dessen Vorhöfe mit Säulen

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eingeschlossen wurden. In einem dieser Vorhöfe war das Behältniß für die Kuh, die ihn gebohren hatte. Man ließ ihn zuweilen in diesen Hof, damit das Volk seines Anschauens gewürdiget wurde. Sonst aber war es erlaubt, ihn durch ein Fenster in dem Gemache, das er bewohnte, zu betrachten. Er hatte aber zwei Gemächer, die man seine Ruhelager nannte, und woraus man Glück oder Unglück prophezeihte, nachdem er in das eine oder in das andere ging. Er ruhte hier auf kostbaren Teppichen, wurde sauber gewaschen, mit köstlichen Salben gesalbet, und ihm duftete beständiger Weihrauch. Die schönsten und auserlesensten Kühe wurden in besondern Behältnissen für ihn aufbewahrt, damit er nach Gefallen, so oft er wollte, seine Lust büßen konnte. Es waren große freie Plätze, und Vorhöfe für ihn gebaut, damit es ihm nicht an Raum fehlte, sich mit Laufen und Springen zu ergötzen. In seinem Bezirke befand sich ein eigener Brunnen, aus welchem er nur allein getränkt wurde. Die Dauer seines Lebens aber durfte ihr Ziel nicht überschreiten; sie war auf so viele Jahre festgesetzt, als das ägyptische Al- phabet Buchstaben enthält, nehmlich auf fünf und zwanzig. Sobald diese Zeit verflossen war, wurde er in einem geweihten tiefen Brunnen ersäuft, an einem Orte, der nur den Priestern bekannt war, und den sonst niemand, bei schwerer Strafe, vorwitzig ausspähen durfte. Starb nun der Ochse vor dieser Zeit durch Zufall oder eines natürlichen Todes, so wurde ihm ein prächtiges Leichenbegängniß veranstaltet, wozu alle Aegyptische Provinzen ihre Beisteuer gaben. Sein Grabmahl war nicht weit von Memphis, in einem alten Tempel des Jupiter Serapis, dessen Ehrenpforten den Namen Lethe und Kocytus oder Vergessenheit und Wehklagen führten. Man brachte den Leichnam des Apis auf einem Schiffe hierher, wo derjenige, welcher ihn in Empfang nahm, mit der Larve des dreiköpfigten Cerberus bedeckt war. Die Priester gebährdeten sich kläglich; das ganze Volk klagte und weinte laut; und man beschor sich den Kopf zum Zeichen der tiefsten Trauer. Die Wehklagen dauerten so lange, bis der neue Gott gefunden war, welchen zu suchen, die Priester das ganze Land durchzogen. So bald nun der neue Gott mit allen erforderlichen Zeichen gefunden war, verwandelte sich das Trauern

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Apis

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in ein allgemeines Freudenfest. Dem jungen Apis, welcher nehmlich als Kalb schon zum Gott bestimmt war, wurde gegen Sonnenaufgang eine Hütte gebauet, worin er erst vier Wochen lang gesäuget wurde. Mit dem Eintritte des Neumondes kamen die Priester und Propheten, ihn abzuholen, Sie führten ihn nach der Nilstadt, wo er vierzig Tage lang gefuttert wurde, und wo es allein den Weibern vergönnt war, ihn zu sehen. Nach Verlauf dieser Zeit wurde er auf einem kleinen Fahrzeuge, worauf ein vergoldetes Haus gebauet war, nach Memphis geführet, wohin ihn hundert Priester begleiteten, und andere hundert Priester ihn empfingen. Weil er nun in seiner Wohnung zwei Gemächer hatte, so gab man wohl Achtung, in welches er gehen würde, um daraus das Schicksal des Landes zu prophezeihen. Der Apis war der Sonne und dem Monde geweiht, deren Bilder man auf geschnittenen Steinen an seiner Stirne findet. Ihm durften nur rothe Ochsen geopfert werden; befand sich nur ein schwarzes oder weißes Haar an ihnen, so waren sie zum Opfer untauglich. Der Geburtstag des Apis führte den Namen Gotteserscheinung, und wurde mit Opfern, Tänzen und Gastmahlen von dem ganzen Volke gefeiert. Wenn der Apis ausgeführt und dem Volke gezeigt wurde, so machten die öffentlichen Gerichtsdiener vor ihm Platz, geschmückte Knaben begleiteten ihn, und sangen Loblieder ihm zu Ehren. Man findet den Apis abgebildet in einem kleinen Nachen, die Isis vor ihm sitzend, und ihn mit ihren Brüsten säugend. Auf den Münzen des Hadrian findet man ihn abgebildet mit dem zunehmenden Monde, und einem Füllhorne vor ihm. Die Dichtung sagte, daß die Seele des Osiris in den Apis gefahren, und durch ihn unsterblich geworden sey. In so fern man sich aber den Stier, als ein Bild des Ackerbaues dachte, welchen man unter diesem Bilde selbst göttlich verehrte, erhält diese Dichtung ihre würdigste Deutung.

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Karl Philipp Moritz Smtliche Werke ——— Band 4 Teil 2

Karl Philipp Moritz Smtliche Werke Kritische und kommentierte Ausgabe Herausgegeben von Martin Disselkamp, Anneliese Klingenberg, Albert Meier, Conrad Wiedemann und Christof Wingertszahn

Band 4/2

De Gruyter

Karl Philipp Moritz Schriften zur Mythologie und Altertumskunde Teil 2: Gçtterlehre und andere mythologische Schriften II: Kommentar Herausgegeben von Martin Disselkamp

De Gruyter

Kritische und kommentierte Moritz-Ausgabe gefçrdert von der Hamburger Stiftung zur Fçrderung von Wissenschaft und Kultur und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Gedruckt mit Untersttzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

ISBN 978-3-484-15700-2 (Gesamtwerk) ISBN 978-3-11-054040-6 (Band 4/2) eISBN 978-3-11-054548-7 (PDF) eISBN 978-3-11-054574-6 (EPUB)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.dnb.de abrufbar.

 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: pagina GmbH, Tbingen Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Gçttingen Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Kommentar Benutzungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zu diesem Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Editorische Abkürzungen und Zeichen 3. Allgemeine Abkürzungen . . . . . . . . . . . 4. Abgekürzt zitierte Werke von Moritz . 5. Abgekürzt zitierte Literatur . . . . . . . . .

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Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Textgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mythenkritik der Aufklärung: Das Chaos der Mythologie . . . . . . . 3. Mythographische Vielstimmigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Lexika und Kompendien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Allegorische Mythendeutung und Euhemerismus . . . . . . . . . . . . . . 6. Lehrbücher für die Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Christian Gottlob Heyne und Friedrich Gedike . . . . . . . . . . . . . . . 8. Antike Quellen und Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs von Karl Philipp Moritz Überlieferung . . . . . 1. Textgrundlage 2. Varianten . . . . Stellenerläuterungen

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Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten

VI

Inhalt

9. Ästhetische Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Mythologische Erfahrungsseelenkunde . . . . . . . . . . . . 11. Heroen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dokumente zur Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitgenössische Rezensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Rezeptionszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Mythologischer Almanach für Damen Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Textgrundlage . . . . . . . . . . . . 2. Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitgenössische Rezensionen . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . .

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Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Textgrundlage . . . . . . . . . . . . . 2. Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dokumente zur Entstehung . . 2. Zeitgenössische Rezensionen . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1026

Abbildungen Abbildungen zur Götterlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1068 Abbildungen zum Mythologischen Almanach für Damen . . . . . . . . . . 1099 Abbildungen zum Mythologischen Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1112

Inhalt Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

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Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1117 Register der mythologischen Namen und Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1138

Kommentar

Benutzungshinweise 1. Zu diesem Band Band 4/2 der Kritischen Moritz-Ausgabe enthält die Schriften zur Mythologie. Hauptgegenstand des Bands ist die seit der Erstausgabe von 1791 immer wieder aufgelegte Götterlehre; sie wird begleitet vom Mythologischen Almanach für Damen (1792), der im Kern ein Auszug aus der Götterlehre ist, und den ersten 67 Seiten des Mythologischen Wörterbuchs zum Gebrauch für Schulen (1794), die Moritz verfasst hat. Den größeren mythologischen Schriften geht die Subkriptionseinladung zur Götterlehre voran, die Moritz 1789 in der MonatsSchrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin, in der Allgemeinen Literatur-Zeitung, im Journal des Luxus und der Moden und im Teutschen Merkur veröffentlichte. Mit dem Erscheinen von Band 4/2 ist die Edition von Moritz’ altertumskundlichen Schriften im Rahmen der Kritischen Moritz-Ausgabe abgeschlossen. In Hinblick auf die Textkritik verlangen die mythologischen Schriften nur nach begrenztem Aufwand. Keine von ihnen ist zu Moritz’ Lebzeiten mit seinem Einverständnis ein zweites Mal aufgelegt worden; allerdings existiert von der Götterlehre ein erstmals 1792 in Wien erschienener Raubdruck. Der Götterlehre gehen keine anderen mythologischen Schriften voraus, die textkritisch zu berücksichtigen wären; Berührungspunkte mit Anthusa waren allerdings im Einzelfall zu notieren. Hingegen fußt der Mythologische Almanach auf der Götterlehre. Teile der von ihm verfassten Einträge des Mythologischen Wörterbuchs hat Moritz der Anthusa und der Götterlehre entnommen. Eine kritische Ausgabe von mythologischen Schriften steht unter besonderen Bedingungen. Was die Mythenstoffe betrifft, so stützt sich Moritz für seine einschlägigen Publikationen neben antiken Dichtungen auf mythographische Beiträge aus dem 18. Jahrhundert. Solche fußen ihrerseits auf mythologiebezogenen Schriften der gesamten Frühen Neuzeit und des Mittelalters, schließlich jedoch auf einem Mix aus antiken Quellen – unter anderem mythographischen Schriften,

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Benutzungshinweise

Kommentaren, Dramen, Oden- und Hymnenliteratur und epischen Dichtungen von Homer bis zur Spätantike. Seit der Antike werden Mythen in unterschiedlichen Versionen überliefert, zu denen in neueren Beiträgen voneinander abweichende Deutungsansätze hinzukommen. Komplexität und Überlagerungen der Überlieferung führen dazu, dass nicht in jedem Fall entschieden werden kann, aus welcher Quelle Moritz seine mythologischen Kenntnisse bezog. Moritz’ Beiträgen zur Mythologie liegen jedenfalls, wie jeder anderen mythologischen Schrift, komplex abgestufte stoffliche Genealogien voraus, die – vielleicht anders als auf sonstigen Gebieten – unter Einschluss von Fehlstellen sogar zum großen Teil überschaut werden können. Dafür, dass solche Verästelungen philologisch gut aufbereitet und in lexikalischer Form zugänglich sind, haben bereits Autoren des 18. und vorangehender Jahrhunderte den Grund gelegt. Moritz’ mythologische Schriften basieren auf solchen Voraussetzungen, ohne sich selbst an der philologischen Arbeit zu beteiligen. Bis zu einem gewissen Grad ist es die Aufgabe einer kritischen Ausgabe, Verzweigungen sichtbar zu machen, die die Götterlehre selbst verschweigt. Allerdings ist es weder möglich noch erforderlich, anlässlich eines Kommentars zu mythographischen Schriften das gesamte verfügbare Wissen über Genealogie und Diversität des Stoffs zusammenzufassen. Für den ohnehin umfangreichen Stellenkommentar hat sich der Herausgeber, um ein weiteres Ausufern zu vermeiden, die folgenden Beschränkungen auferlegt: Angegeben sind die von Moritz verwendeten Quellen, soweit sie identifiziert werden können, darüber hinaus auch abweichende Fundstellen in zeitgenössischen Schriften zur Mythologie, die Moritz vermutlich kannte. Wenn immer möglich, sind im Kommentar auch wichtige antike Überlieferungsträger zum jeweiligen Thema angeführt – zunächst dann, wenn Moritz selbst auf antike Originalquellen zurückgreift. Antike Fundstellen, auf die sich neuere Mythographen beziehen, werden aber auch aufgeführt, wenn kein Zweifel daran besteht, dass Moritz’ Texte auf der Mythographie des 18. Jahrhunderts fußen. Ein großer Teil der Verweise auf griechische Quellen ist mit Angaben zu ausgewählten, wenn möglich zu jüngeren, in einzelnen Fällen zu erst nach der Götterlehre erschienenen zeitgenössischen Übersetzungen hinterlegt, die leicht in digitalisierter Form aus dem Internet abgerufen werden können; es sei darauf hingewiesen, dass in manchen Fällen weitere Übersetzungen vorlagen. Zu den mehr oder weniger standardisierten Kapitel-, Paragraphen- und Zeilen- kommen in diesen Fällen Seitenangaben hinzu. Da das Lateinische den Zeitgenossen näher stand, wurde auf eine systematische Dokumentation von Übersetzungen aus dem La-

Zu diesem Band

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teinischen verzichtet. Eher entlegene antike Fundstellen (Kommentarliteratur, spätantike Mythographien, fragmentarische Sekundärüberlieferungen) sind nur im begründeten Ausnahmefall berücksichtigt. Mit Blick auf die neuere Forschungsliteratur zur Mythologie stehen die rasch greifbaren Nachschlagewerke an erster Stelle. Einige Hinweise zu den mythologischen Namen und zu ihrer Schreibweise: Abweichend vom zeitgenössischen Gebrauch werden in den vom Herausgeber verantworteten Teilen der Ausgabe durchgehend die griechischen mythologischen Namen bzw. die griechischen Namenformen benutzt – es sei denn, dem bestimmten Kontext nach ist eine Verwendung der lateinischen angezeigt. Im Register findet keine Unterscheidung etwa zwischen Asklepios und Aesculapius statt, doch sind, soweit erforderlich, die lateinischen Namensformen in Klammern angegeben. – Zeitgenössische Drucke, die in Fraktur gesetzt sind, unterscheiden nicht zwischen I und J. In der Wiedergabe aus der Frakturschrift beginnen griechische und lateinische Namen, in denen auf anlautendes J/I ein Vokal folgt, grundsätzlich mit J. – Antike Namen sind nur sparsam emendiert, da es schwierig ist, zwischen üblichen Varianten und Druckfehlern zu unterscheiden. Die nach heutigem Maßstab korrekte Form findet sich, wo es notwendig schien, in den Stellenerläuterungen. Hervorhebungen im Text sind durch S p e r r u n g , Antiqua im Rahmen von Fraktursatz ist durch eine Groteskschrift umgesetzt. Lemmata im Mythologischen Wörterbuch sind durch Fettdruck gekennzeichnet Texte von Moritz und seinen Zeitgenossen sowie Moritz’ Quellen stehen in einer Serifenschrift. Editorische Eingriffe in den edierten Text und Kommentare des Herausgebers sind durch serifenlose Editorschrift gekennzeichnet. Einfügungen des Herausgebers in den edierten Text stehen in Winkelklammern (Ç È). Alle bei eindeutigen Druckerversehen vorgenommenen Korrekturen sind in den Varianten verzeichnet. Die Arbeit an der Ausgabe der mythologischen Schriften, die in der MoritzArbeitsstelle an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften entstand, wurde finanziert durch die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Ohne diese Unterstützung wäre die Ausgabe nicht zustande gekommen. Der Stiftung gilt deshalb der erste Dank. Viele der benötigten Materialien konnten mit finanzieller Unterstützung durch das Collegium pro Academia beschafft werden. Auch diesem Förderverein der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sei nachdrücklich gedankt. Ein dritter Dank geht an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die die Drucklegung mit einem namhaften Druckkostenzuschuss unterstützt hat.

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Benutzungshinweise

Für Hilfe, Kritik und Ratschläge bin ich vielen Personen verpflichtet – namentlich Conrad Wiedemann, Christof Wingertszahn, Anneliese Klingenberg, Albert Meier (dem die Ausgabe viele stilistische Verbesserungen verdankt), Claudia Sedlarz, Stefan Goldmann, Michael Rölcke, Yvonne Pauly, Eric Moormann, Gertrud PlatzHorster, Jörg Lang, Tatjana Brie, Agnes Schwarzmaier, Stefan Knödler, Regine Zeller und Wolfgang Knobloch. Besonderen Dank verdienen Harald Damaschke, der einen bereits kollationierten Text der Götterlehre zur Verfügung stellte, als die Arbeit an der Edition begann, und Jürgen Jahnke, der das Manuskript einer Prüfung unterzog, bevor es in den Druck ging. Martin Disselkamp

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2. Editorische Abkürzungen und Zeichen Schriftarten

Texte von Moritz und seinen Zeitgenossen sowie Moritz’ Quellen stehen in einer Serifenschrift. Hervorhebungen im Text sind durch Sperrung, Antiquapassagen (zur Markierung von Fremdwörtern) in einer Groteskschrift gekennzeichnet. Editorkommentare stehen in der serifenlosen Editorschrift.

Autortext: Grundschrift: Walbaum Hervorhebung: g e s p e r r t e Wa l b a u m Antiqua: OfficinaSerif-Book Editortext: Grundschrift: GILL light Im kritischen Apparat verwendete Zeichen

〈Hinzufügung〉 D J

Absatz- bzw. Zeilenwechsel Hinzufügung des Editors in Winkelklammern selbständiger Druck Druck in Perodikum

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3. Allgemeine Abkürzungen Abb. Art. Aufl. Ausg. Bd./Bde. bearb. bes. Bl. bzw. ca. ders. d. h. d. i. ed. eingel. Erl./erl. etc. f. ff. geb. ggf. gr. GStA Preuß. Kulturbesitz hrsg. ital. Jg. Jh. Kat. lat. Ms. Ndr. Nr. o. ä.

Abbildung Artikel Auflage Ausgabe Band/Bände bearbeitet besonders Blatt beziehungsweise circa derselbe das heißt das ist edidit eingeleitet Erläuterungen/erläutert et cetera folgende folgende (Plural) geboren gegebenenfalls griechisch Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz herausgegeben italienisch Jahrgang Jahrhundert Katalog lateinisch Manuskript Nachdruck Nummer oder ähnlich

Allgemeine Abkürzungen o. O. Rez. röm. s. S. s. v. sog. Sp. St. Suppl. u. u. a. u. ö. Übers./übers. v. V. v. a. v. Chr. vgl. wörtl. z. B. z. T.

ohne Ortsangabe Rezension römisch siehe Seite sub voce sogenannt Spalte Stück Supplement(e) und unter anderem und öfter Übersetzung/übersetzt von Vers vor allem vor Christi Geburt vergleiche wörtlich zum Beispiel zum Teil

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4. Abgekürzt zitierte Werke von Moritz AdBs Allgemeiner deutscher Briefsteller, welcher eine kleine deutsche Sprachlehre, die Hauptregeln des Styls und eine vollständige Beispielsammlung aller Gattungen von Briefen enthält. Von Karl Philipp Moritz, Königlich Preußischem Hofrath und Professor, ordentlichem Mitgliede der Akademie der Wissenschaften und des Senats der Akademie der bildenden Künste in Berlin, Berlin 1793. Anthusa ANUOYSA oder Roms Alterthümer. Ein Buch für die Menschheit. Die heiligen Gebräuche der Römer. Von Karl Philipp Moritz. Mit achtzehn in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums, Berlin 1791.

AR Anton Reiser. Ein psychologischer Roman. Herausgegeben von Karl Philipp Moritz. 4 Bde., Berlin 1785–1790. Aussichten Aussichten zu einer Experimentalseelenlehre an Herrn Direktor Gedike von Carl Philipp Moritz. (Bei der Jubelfeier des Werderschen Gymnasiums.), Berlin 1782. BNS Ueber die bildende Nachahmung des Schönen. von Karl Philipp Moritz, Braunschweig 1788. BPL Beiträge zur Philosophie des Lebens aus dem Tagebuche eines Freimäurers, Berlin 1780. DS Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Moritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit, Berlin 1782. DW Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz, Berlin 1786.

Abgekürzt zitierte Werke von Moritz

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FTG Fragmente aus dem Tagebuche eines Geistersehers. Von dem Verfasser Anton Reisers, Berlin 1787. GL Die große Loge oder der Freimaurer mit Wage und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin 1793. Götterlehre Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittnen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums, Berlin 1791. Ideal einer vollkommnen Zeitung Ideal einer vollkommnen Zeitung. Von Karl Philipp Moriz, Professor am Berlinischen Gymnasium, Berlin 1784. KL Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik welche auch zum Theil für Lehrer und Denker geschrieben ist. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz Professor am Berlinischen Gymnasium. Mit sieben Kupfertafeln von Dan. Chodowiecky, Berlin 1786. KMA Kritische Moritz-Ausgabe. Hrsg. v. Anneliese Klingenberg, Albert Meier, Conrad Wiedemann und Christof Wingertszahn, Berlin, New York 2005ff. Lesebuch für Kinder Lesebuch für Kinder von K. P. Moritz als ein Pendant zu dessen A B C Buch, welches zugleich eine natürliche Anleitung zum Denken für Kinder enthält. Mit Churfürstl. Sächsisch. gnädigster Freiheit, Berlin 1792. LP Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz. Herausgegeben von Carl Friedrich Klischnig, Berlin 1796. Myth. Alm. Mythologischer Almanach für Damen. Herausgegeben von Karl Philipp Moritz, Berlin 1792. Myth. Wb. Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen, von Karl Philipp Mo-

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Benutzungshinweise

ritz, Königl. Preußischem Hofrath und Professor. Nach dessen Tode fortgesetzt von Valentin Heinrich Schmidt, Prorektor der Köllnischen Stadtschule. Mit dem Bildnisse des verstorbenen Moritz, Berlin 1794. MzE GNVUI SAYTON oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch

für Gelehrte und Ungelehrte. Mit Unterstützung mehrerer Wahrheitsfreunde herausgegeben von Carl Philipp Moritz, 10 Bde., Berlin 1783–1793 〈Bd. V–VI hrsg. von Moritz und C. F. Pockels; Bd. IX–X hrsg. von Moritz und Salomon Maimon〉. NC Die neue Cecilia. Letzte Blätter von Karl Philipp Moritz, Berlin 1794. Neues A. B. C. Buch Neues A. B. C. Buch welches zugleich eine Anleitung zum Denken für Kinder enthält mit Kupfern von Karl Philip Moritz. Professor bei der Academie der bildenden Künste in Berlin, Berlin 1790 RDE Reisen eines Deutschen in England im Jahr 1782. In Briefen an Herrn Direktor Gedike von Carl Philip Moritz, Berlin 1783. RDI Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788. In Briefen von Karl Philipp Moritz, 3 Bde., Berlin 1792–1793. VP Versuch einer deutschen Prosodie. Dem Könige von Preussen gewidmet von Karl Philipp Moriz, Berlin 1786. VS Vorlesungen über den Styl oder praktische Anweisung zu einer guten Schreibart in Beispielen aus den vorzüglichsten Schriftstellern von Karl Philipp Moritz, Königl. Preußischem Hofrath und Professor, ordentlichem Mitgliede der Königl. Akademie der Wissenschaften und des Senats der Akademie der bildenden Künste zu Berlin, 2 Bde., Berlin 1793–1794. VTO Vorbegriffe zu einer Theorie der Ornamente von Karl Philipp Moritz. Mit Kupfern, Berlin 1793.

Abgekürzt zitierte Literatur

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VZ »Vossische Zeitung«; 1779–1784 unter dem Titel: Berlinische privilegirte Staatsund gelehrte Zeitung, ab 1785: Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen. Weihnachtsgeschenk Weihnachtsgeschenk für meine Freunde von Carl Philipp Moritz. Am 24sten des Christmonats, Berlin 1779.

5. Abgekürzt zitierte Literatur 〈Anonym〉, Anmerkungen über die zwölff erstern Bücher der Iliade 〈Anonym〉, Anmerkungen über die zwölff erstern Bücher der Iliade des Homers nach der teutschen Uebersetzung des 1. Bands 1771, 〈o. O.〉 1773. 〈Anonym〉, Antichita` d´Ercolano 〈Anonym〉, Le antichita` d‘Ercolano esposte, 8 Bde., Neapel 1757–1792. 〈Anonym〉, Beiträge zur Lebensgeschichte 〈Anonym〉, Beiträge zur Lebensgeschichte Johann Friedrich Ungers, Berlin 1924. 〈Anonym〉, Characteristick der Alten Mysterien 〈Anonym〉, Characteristick der Alten Mysterien für Gelehrte und Ungelehrte, Freymäurer und Fremde, aus den Original-Schriftstellern, Franckfurt und Leipzig 1787. 〈Anonym〉, Erläuterte Geschichte 〈Anonym〉, Erläuterte Geschichte von dem Geschlecht des Jupiters nicht weniger als von den Argonautischen und andern Helden welche vor und zur Zeit der Eroberung des trojanischen Reichs gelebet haben, und in den Schriften der Alten, nach den fabelhaften Götterlehren, berühmt geworden sind, ja noch heut zu Tage allenthalben in den Gedichten, Schauspielen, und durch die Malerund Bildhauerkunst, erhoben werden. Aus den bewährtesten Nachrichten zusammen getragen und historisch abgefasset, auch mit Landkarten versehen und durch alten Denkmälern bewähret, von einer Gesellschaft gelehrter Leute, Frankfurt und Leipzig 1753.

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Benutzungshinweise

〈Anonym〉, Kurtzgefaßtes mythologisches Wörterbuch 〈Anonym〉, Kurtzgefaßtes mythologisches Wörterbuch welches Nebst der Heidnischen Götterlehre die Bildungen Der Tugenden und Laster, Jahreszeiten Monate, Welttheile, Künste und Wissenschaften In Alphabetischer Ordnung vorträgt Sowohl zum Gebrauche der Schulen und Verständnisse alter Schriftsteller als auch zum Nutzen der Mahler, Bildhauer, und andrer Künstler entworfen, Berlin 1752. ADB Allgemeine deutsche Biographie, hrsg. durch die Historische Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, 45 Bde., 10 Nachtragsbde. und 1 Registerbd., Leipzig 1875–1912. Adelung 〈Johann Christoph Adelung〉, Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches Der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen, 5 Teile, Leipzig 1774–1786. Adler 1988 Hans Adler, Fundus Animae – der Grund der Seele. Zur Gnoseologie des Dunklen in der Aufklärung, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 62 (1988), S. 197–220. Aebi 2012 Adrian Aebi Farahmand, Die Sprache und das Schöne. Karl Philipp Moritz’ Sprachreflexionen in Verbindung mit seiner Ästhetik, Berlin, Boston 2012. Aischylos (Werner) Aischylos. Tragödien und Fragmente, hrsg. und übers. v. Oskar Werner, München 1959. Aischylos, Prometheus in Fesseln (Schlosser) Prometheus in Fesseln Aus dem Griechischen des Aeschylus Uebersetzt von J. G. Schlosser, Basel 1784. Anthologia latina Anthologia latina sive poesis latinae supplementum. Pars prior: Carmina in codicibus scripta. Recensuit Alexander Riese. Fasciculus I: Libri Salmasiani aliorumque carmina, Leipzig 1869.

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Nahmen und Beynahmen, eigentlichen Bildungen, physicalischen und moralischen dienlichen Deutungen und anderen mehr, Aus sicheren und zuverläßlichen Auctoribus, mit dieser durchgänglichen und genauen Anführung entfasset, Anbey ein so nöthiges, als nützliches Genealogicon Mythistoricum, mit angehänget, Alles aber zum Nutzen und Gebrauch nicht nur derer Studirenden, sondern auch fürnehmlich vieler Künstler und anderer politen Leute, nicht weniger zulänglich, als deutlich zusammen gebracht ist, Leipzig 1724 〈2. Aufl. 1741〉. Hederich, Lexicon Benjamin Hederichs, ehemal. Rect. zu Großenhayn Gründliches mythologisches Lexicon […]. Zu besserm Verständnisse der schönen Künste und Wissenschaften nicht nur für Studierende, sondern auch viele Künstler und Liebhaber der alten Kunstwerke, sorgfältigst durchgesehen, ansehnlich vermehret und verbessert von Johann Joachim Schwaben, öffentl. Lehrer der Weltweish. und fr. Künste zu Leipzig, des gr. Fürstencoll. Colleg. daselbst, und der Universitätsbibliothek Aufseher, Leipzig 1770, Ndr. Darmstadt 1996. Heeren Arn〈old〉 Herm〈ann〉 Lud〈wig〉 Heeren, Christian Gottlob Heyne. Biographisch dargestellt, Göttingen 1813. Heidenreich 2006 Marianne Heidenreich, Christian Gottlob Heyne und die Alte Geschichte, Leipzig 2006. Heil 2013 Matthäus Heil, Heroen. Halbgötter aus dem antiken Griechenland, in: Ästhetischer Heroismus. Konzeptionelle und figurative Paradigmen des Helden, hrsg. v. Nikolas Immer, Mareen van Marwyck, Bielefeld 2013, S. 29–48. Held 2009 Heinz Georg Held, Barbarische Geschichten, naturhafte Bildersprache, Allegorien der ’Humanität’. Zur Theorie des Mythos in der Kunstperiode, in: Winckelmann und die Mythologie der Klassik. Narrative Tendenzen in der Ekphrase der Kunstperiode, hrsg. v. Heinz Georg Held, Tübingen 2009, S. 189–215. Henkel/Schöne 1996 Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, hrsg. v. Arthur Henkel und Albrecht Schöne. Taschenausgabe, Stuttgart, Weimar 1996.

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Hesiod, Theogonie (Schönberger) Hesiod, Theogonie. Griechisch/Deutsch, übers. und hrsg. v. Otto Schönberger, Stuttgart 1999. Hesiod, Theogonie (Voss) Hesiod, Theogonie, oder der Götter und Göttinnen Geschlecht, in: Hesiods Werke und Orfeus der Argonaut von Johann Heinrich Voss, Heidelberg 1806, S. 75–161. Hesiod, Werke und Tage (Schönberger) Hesiod, Werke und Tage. Griechisch/Deutsch, übers. und hrsg. v. Otto Schönberger, bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 2007. Hesiod, Werke und Tage (Voss) Hesiod, Hauslehren, in: Hesiods Werke und Orfeus der Argonaut von Johann Heinrich Voss, Heidelberg 1806, S. 3–74. Hesiodi ascraei quae exstant Hesiodi ascraei quae exstant ex recensione Thomae Robinsoni Ç. . .È, Leipzig 1778. Heyne, De Theogonia De Theogonia Ab Hesiodo Condita. Ad Herodoti Lib. II. c. 52. Commentatio Recitata D. XVII. Iun. MDCCLXXIX, A Chr〈istian〉 G〈ottlob〉 Heyne, in: Commentationes Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis Per Annum MDCCLXXIX, Bd. 2 (1780), S. 125–154. Heyne, Ueber den Kasten des Cypselus 〈Christian Gottlob Heyne〉, Ueber den Kasten des Cypselus ein altes Kunstwerk zu Olympia mit erhobnen Figuren nach dem Pausanias. Eine Vorlesung in der Kön. Deutschen Gesellschaft zu Göttingen den 24. Februar 1770, Göttingen 〈o. J.〉. Heyne, Ueber den Ursprung Christian Gottlob Heyne, Ueber den Ursprung und die Veranlassungen der Homerischen Fabeln. Eine Vorlesung des Herrn Hofrath C. G. Heyne den 6ten September, 1777. in der Göttingl. 〈!〉 Königl. Societät der Wissenschaften gehalten. Aus dem Lateinischen übersetzt, in: Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste. Dreyundzwanzigsten Bandes Erstes Stück, Leipzig 1779, S. 5–53.

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Homer, Ilias (Ueberbleibsel) Das berühmteste Ueberbleibsel aus dem griechischen Alterthum: Homers Ilias oder Beschreibung der Eroberung des trojanischen Reichs: den deutschen Lesern mitgetheilet von einer Gesellschaft gelehrter Leute, und mit einer Landkarte versehen, und mit vier und zwanzig saubern Kupferstichen, nach Picartischer Zeichung, gezieret, Frankfurt und Leipzig 1754. Homer, Odyssee (Voss) Homers Odüßee übersezt von Johann Heinrich Voß, Hamburg 1781. Homer, Odyssee (Weiher) Homer, Odyssee. Griechisch/Deutsch, Übertragung v. Anton Weiher, 3. Aufl., 〈München〉 1967. Homeri Odyssea Homeri Odyssea, Batrachomyomachia, Hymni, & Epigrammata Graece & Latine. Graeca ad principem H. Stephani, ut & ad primam omnium Demetrii Chalcondylae editionem, atque insuper ad codd. mss. sunt excussa. Ex Latinis Editis Selecta sunt optima, verum ita interpolata, ut nov. plane versio videri possit. Curante Stephano Berglero, Transylvano, Padua 1744. Homerische Hymnen (Pfeiff) Homerische Hymnen. Übertragung, Einführung und Erl. v. Karl Arno Pfeiff. Hrsg. v. Gerd von der Gönna und Erika Simon, Tübingen 2002. Homerische Hymnen (Weiher) Homerische Hymnen. Griechisch/Deutsch, hrsg. v. Anton Weiher, 3. Aufl., München 1970. Homeric Hymns The Homeric Hymns, edited by T. W. Allen, W. R. Halliday and E. E. Sikes. Second edition, Oxford 1936, Ndr. Amsterdam 1963. Horaz, De arte poetica (Schäfer) Quintus Horatius Flaccus, Ars Poetica. Die Dichtkunst. Lateinisch/Deutsch, übers. und mit einem Nachwort hrsg. v. Eckart Schäfer, Stuttgart 2011. Horaz, Episteln (Helm) Q. Horatius Flaccus, Satiren und Briefe. Lateinisch/Deutsch, eingel. und übers. v. Rudolf Helm, Zürich, Stuttgart 1962.

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Abgekürzt zitierte Literatur

427

Storch 1997 Mythos Orpheus. Texte von Vergil bis Ingeborg Bachmann, hrsg. v. Wolfgang Storch, Leipzig 1997. Stosch, Gemmae Gemmae Antiquae Caelatae, Scalptorum Nominibus Insignitae. Ad ipsas Gemmas, aut Earum Ectypos Delineatae & Aeri incisae, Per Bernardum Picart. Ex Praecipuis Europae Museis selegit & Commentariis illustravit Philippus De Stosch, Polon. Regis & Sax. Electoris Consiliarius. Ad Imp. Caes. Carolum Sextum P.F.A.C.H.R. Gallice` reddidit H. P. De Limiers Ç. . .È, Amsterdam 1724. Strabon (Penzel) Des Strabo eines alten stoischen Weltweisen aus der Stadt Amasia gebürtig allgemeine Erdbeschreibung Ç. . .È. Abraham Jacob Penzel hat sie aus dem Griechischen übersetzt. Durchgehends von neuen disponirt, mit Anmerkungen, Zusätzen, erläuternden Rissen, einigen Landcharten, und vollständigen Registern versehn. 4 Bde., Lemgo 1775–1777. Strich 1910 Fritz Strich, Die Mythologie in der deutschen Literatur von Klopstock bis Wagner, Halle a. S. 1910. Sulzer, Theorie Allgemeine Theorie der Schönen Künste in einzeln, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter auf einander folgenden, Artikeln abgehandelt, von Johann George Sulzer, Mitglied der Königlichen Academie der Wissenschaften in Berlin etc. Neue vermehrte zweyte Auflage. Vier Teile und Registerbd., Leipzig 1792, Ndr. Hildesheim, Zürich, New York 1994. Szleza´k 1999 Thomas Alexander Szleza´k, Ödipus nach Sophokles, in: Antike Mythen in der europäischen Tradition, hrsg. v. Heinz Hofmann, Tübingen 1999, S. 199–220. Tausch 1999 Harald Tausch, Carstens und Homer, in: Kat. Wiedergeburt griechischer Götter und Helden – Homer in der Kunst der Goethezeit. Eine Ausstellung der Winckelmann-Gesellschaft Stendal, hrsg. v. Max Kunze, Mainz 〈1999〉, S. 260–267. Tausend 1992 Klaus Tausend, Amphiktyonie und Symmachie. Formen zwischenstaatlicher Beziehungen im archaischen Griechenland, Stuttgart 1992.

428

Benutzungshinweise

Thieme/Becker Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, begründet v. Ulrich Thieme und Felix Becker, hrsg. v. Ulrich Thieme, Leipzig, 1907–1950. Thukydides, Geschichte (Heilman) Des Thucydides acht Bücher der Geschichte aus dem griechischen mit vielen kritischen Anmerkungen übersezt von Johan David Heilman, Lemgo 1760. Todorov 1995 Tzvetan Todorov, Symboltheorien, Tübingen 1995. Trempler 2001 Jörg Trempler, Das Wandbildprogramm von Karl Friedrich Schinkel. Altes Museum Berlin, Berlin 2001. Trousson 1964 Raymond Trousson, Le the`me de Prome´the´e dans la litte´rature europe´ene, 2 Bde., Genf 1964. Tyson 1932 Stuart L. Tyson, The Caduceus, in: The Scientific Monthly 43, No. 6 (1932), S. 492–498. Usener 1899 Hermann Usener, Die Sintfluthsagen, Bonn 1899. Venuti, Collectanea antiquitatum Ridolfino Venuti, Collectanea Antiquitatum Romanarum Quas Centum Tabulis Aeneis Incisas Et A Rodulphino Venuti Notis Illustratas Exhibet Antonius Borioni, Rom 1736. Vergil, Aeneis (Fink) P. Vergilius Maro, Aeneis. Lateinisch/Deutsch, hrsg. und übers. v. Gerhard Fink, Düsseldorf, Zürich 2005. Vergil, Bucolica (Albrecht) P. Vergilius Maro, Bucolica. Hirtengedichte. Studienausgabe. Lateinisch/ Deutsch, übers., Anmerkungen, interpretierender Kommentar und Nachwort v. Michael von Albrecht, Stuttgart 2001. Vergil, Georgica (Voss) Publii Virgilii Maronis Georgicon Libri Quatuor. Des Publius Virgilius Maro Landbau, Vier Gesänge. Übersezt Und Erklärt von Johann Heinrich Voss, Eutin 1789.

Abgekürzt zitierte Literatur

429

Vietta 1986 Silvio Vietta, Literarische Phantasie: Theorie und Geschichte. Barock und Aufklärung, Stuttgart 1986. Visser 1997 Edzard Visser, Homers Katalog der Schiffe, Stuttgart, Leipzig 1997. Volkmann Historisch-kritische Nachrichten von Italien, welche eine genaue Beschreibung dieses Landes, der Sitten und Gebräuche, der Regierungsform, Handlung, Oekonomie, des Zustandes der Wissenschaften, und insonderheit der Werke der Kunst nebst einer Beurtheilung derselben enthalten. Ç. . .È zusammengetragen von D. J〈ohann〉 J〈acob〉 Volkmann, 3 Bde., Leipzig 1770/71. Voss, Hesiodus vom westlichen Ende der Welt Johann Heinrich Voss, Hesiodus vom westlichen Ende der Welt. (Theogonie 713 ff.), in: Musen Almanach für 1789, herausgegeben von J. H. Voß, Hamburg, S. 56–69. Voss, Mythologische Briefe Mythologische Briefe von Johann Heinrich Voss, 2 Bde., Königsberg 1794. Vossius, De theologia gentili Gerardi Joannis Vossii De Theologia Gentili, Et Physiologia Christiana; Sive De Origine Ac Progressu Idololatriae; Deque Naturae Mirandis, Quibus Homo Adducitur Ad Deum, Libri IX 〈Opera, Bd. 5〉, Amsterdam 1700. Walker 1995 Henry J. Walker, Theseus and Athens, New York, Oxford 1995. Wegner 2015 Reinhard Wegner, Die Vergangenheit im Blick. Karl Philipp Moritz und seine Strategie der Antikendarstellung in den Illustrationen zu den Reisen eines Deutschen in Italien 1786–1788, in: Kosmos Antike. Zur Rezeption und Transformation antiker Ideen in der Kunst. Festschrift für Dieter Blume, hrsg. v. Maren Heun, Stephan Rößler, Benjamin Rux, Weimar 2015, S. 233–240. Wiegand Carl Samuel Wiegand, Versuch einer kurzgefassten Mythologie für Anfänger, Eisenach 1792.

430

Benutzungshinweise

Wieland, Sämmtliche Werke Christoph Martin Wieland, Sämmtliche Werke, Leipzig 1794–1811, Ndr. Hamburg 1984. Wiesend 2003 Reinhard Wiesend, Der gesungene Gesang. Implikationen und Wandlungen eines Orpheus-Motivs in der Oper, in: Blick auf Orpheus. 2500 Jahre europäischer Rezeptionsgeschichte eines antiken Mythos, hrsg. v. Christine MundtEspi´n, Tübingen, Basel 2003, S. 223–240. Wietig 2005 Christina Wietig, Zur Kulturgeschichte des Bartes von der Antike bis zur Gegenwart, phil. Fak. Diss., Hamburg 2005. Wilde, Gemmae selectae Gemmae Selectae Antiquae E Museo Jacobi de Wilde, Sive L. Tabulae Diis Deabusque Gentilium Ornatae. Per Possessorem Coniecturis, Veterumque Poetarum Carminibus Illustratae, Amsterdam 1703. Wilhelmy 1989 Petra Wilhelmy, Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780–1914), Berlin, New York 1989. Williamson 2004 George S. Williamson, The Longing for Myth in Germany. Religion and Aesthetic Culture from Romanticism to Nietzsche, Chicago, London 2004. Winckelmann, Allegorie 〈Johann Joachim Winckelmann〉, Versuch einer Allegorie, besonders für die Kunst, Dresden 1766. Winckelmann, Anmerkungen Johann Joachim Winckelmann, Anmerkungen über die Geschichte der Kunst des Alterthums, Dresden 1767. Winckelmann, Description Description Des Pierres Grave´es Du Feu Baron De Stosch Dedie´e A Son Eminence Monsieur Le Cardinal Ale´xandre Albani Par Monsieur L’Abbe´ Winckelmann Bibliothecaire De Son Eminence, Florenz 1760. Winckelmann, Erläuterung 〈Johann Joachim Winckelmann〉, Erläuterung der Gedanken von der Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst; und Beant-

Abgekürzt zitierte Literatur

431

wortung des Sendschreibens über diese Gedanken. 1756, in: ders., Gedanken, S. 99–172. Winckelmann, Gedanken 〈Johann Joachim Winckelmann〉, Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst. Zweyte vermehrte Auflage, Dresden und Leipzig 1756. Winckelmann, Geschichte Johann Joachim Winckelmann, Geschichte der Kunst der Alterthums, Dresden 1764. Winckelmann, Geschichte 1776 Johann 〈Joachim〉 Winckelmann, Geschichte der Kunst des Alterthums. Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben, und dem Fürsten Wenzel von Kaunitz-Rietberg gewidmet von der kaiserlichen Akademie der bildenden Künste, 2 Bde., Wien 1776. Winckelmann, Kleine Schriften Johann Joachim Winckelmann, Kleine Schriften. Vorreden. Entwürfe, hrsg. v. Walther Rehm. Mit einer Einleitung v. Hellmut Sichtermann, Berlin 1968. Winckelmann, Monumenti antichi inediti Johann Joachim Winckelmann, Monumenti antichi inediti spiegati ed illustrati, Roma 1767, hrsg. v. Adolf H. Borbein und Max Kunze, bearb. v. Max Kunze und Axel Rügler (Johann Joachim Winckelmann, Schriften und Nachlaß, Text: Bd. 6/1; Kommentar: Bd. 6/2), Mainz 2011; 2014. Winckelmann, Sendschreiben Johann Joachim Winckelmann, Sendschreiben von den Herculanischen Entdeckungen Ç. . .È, Dresden 1762. Wind 1939 Edgar Wind, ›Hercules‹ and ›Orpheus‹: Two Mock-Heroic Designs by Dürer, in: Journal of the Warburg Institute 2 , No. 3 (1939), S. 206–218. Wingertszahn 2010 Christof Wingertszahn, »Armer Moritz!« Karl Gotthold Lenz’ und Andreas Riems Totengericht über Karl Philipp Moritz, in: »Das Dort ist nun Hier geworden«. Karl Philipp Moritz heute, hrsg. v. Christof Wingertszahn unter Mitarbeit v. Yvonne Pauly, Hannover-Laatzen 2010, S. 235–251.

432

Benutzungshinweise

Wissowa 1902 Georg Wissowa, Religion und Kultus der Römer, München 1902 (Handbuch der klassischen Altertums-Wissenschaft in systematischer Darstellung mit besonderer Rücksicht auf Geschichte und Methodik der einzelnen Disziplinen, hrsg. v. Iwan von Müller, fünfter Band, vierte Abteilung). Wolff, Deutsche Metaphysik Christian Wolff, Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt. Mit einer Einleitung und einem kritischen Apparat v. Charles A. Corr, Hildesheim, Zürich, New York 1983 (Gesammelte Werke I/2). Wolff, Discursus praeliminaris Christian Wolff, Discursus praeliminaris de philosophia in genere. Einleitende Abhandlung über Philosophie im Allgemeinen. Historisch-kritische Ausgabe, übers., eingel. und hrsg. v. Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl, StuttgartBad Cannstatt 1996. Wutrich 1995 Thimothy Richard Wutrich, Prometheus and Faust. The Promethean Revolt in Drama from Classical Antiquity to Goethe, Westport, London 1995. Xenophon, Sokratische Denkwürdigkeiten (Heinze) Xenophons Vier Bücher Sokratischer Denkwürdigkeiten aus dem Griechischen übersetzt. und mit historischen und kritischen Anmerkungen erläutert von Johann Michael Heinze, Weimar 1777. Zazoff/Zazoff 1983 Peter und Hilde Zazoff, Gemmensammler und Gemmenforscher. Von einer noblen Passion zur Wissenschaft, München 1983. Zedler Grosses, vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden Ç. . .È, 64 Bde., 4 Supplementbde., Halle und Leipzig 1732–1750. Zelle 1987 Carsten Zelle, »Angenehmes Grauen«. Literaturhistorische Beiträge zur Ästhetik des Schrecklichen im achtzehnten Jahrhundert, Hamburg 1987.

Abgekürzt zitierte Literatur

433

Zeller 2003 Dieter Zeller, Orpheus in der griechischen Antike: Gestalt und Gestaltungen, in: Blick auf Orpheus. 2500 Jahre europäischer Rezeptionsgeschichte eines antiken Mythos, hrsg. v. Christine Mundt-Espi´n, Tübingen, Basel 2003, S. 35–51. Zimmermann 2009 Bernhard Zimmermann, Sein und Schein im König Oidipus des Sophokles, in: Mythische Wiederkehr. Der Ödipus- und Medea-Mythos im Wandel der Zeiten, hrsg. v. Bernhard Zimmermann, Freiburg i. Br. etc. 2009, S. 63–79. Zusanek 2009 Harald Zusanek, Poseidon, Frankfurt/M. 2009.

434

Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs von K. P. Moritz Überlieferung 1. Textgrundlage J1

Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs von K. P. Moritz. In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin, Bd. 3, Zweyten Jahrgangs zweytes Stück 〈1789〉. 〈Der Zeit-

J2

Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs von K. P. Moritz. In: Intelligenzblatt der Allgem. Literatur-Zeitung Numero 83. Sonnabends den 4ten Julius 1789. Sp. 699f. Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs von K. P. Moritz. In: Intelligenz-Blatt des Journals des Luxus und der Moden. Nr. 7. Julius 1789. S. CXII. Mythologisches Lehrbuch von K. P. Moritz. In: No. 8. Der Teutsche Merkur. August 1789. S. 223f.

schrift vorausgehende Verlagsanzeigen〉, unpaginiert.

J3

J4

Grundlage für den edierten Text: J1

2. Varianten 3,1–2 Ankündigung Ç. . .È M o r i t z ] Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs von K. P. Moritz J2 Mythologisches Lehrbuch von K. P. Moritz. J4 3,3 soll;] soll, J2 3,5 blos] bloß J2 3,5 historische] histotische J2

Varianten 3,13 3,15 3,16 3,23 3,24 3,24 3,25 3,27

e i n e ] eine J3 J4 bezeichneten;] bezeichneten, J4 gaben,] gaben; J3 beseelt. –] belebt. – J3 beseelt. J4 mythologischen] Mythologischen J2 Aufenthalt] Aufenthalte J3 gesonnen] gesonnen, J2 Verlage] Verlag J2 J3 J4

Überblickskommentar Vgl. den Überblickskommentar zur Götterlehre.

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436

Stellenerläuterungen 3,1–2 Ankündigung Ç. . .È Moritz] Die Subskriptionsanzeige zur Götterlehre besteht aus zwei Teilen, zu denen im Teutschen Merkur eine Fußnote von Christoph Martin Wieland hinzukommt. Nur der erste, mit M o r i t z gezeichnete ist Moritz selbst zuzuordnen und wird hier als edierter Text dargeboten. – Im Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung ist die Ankündigung unter der Rubrik Literarische Anzeigen, im Teutschen Merkur unter der Rubrik Vermischte Litterarische Nachrichten eingerückt. Wieland, Herausgeber der Zeitschrift, kannte Moritz seit einem Besuch in Weimar im Jahr 1785 persönlich (Klischnig, S. 133f.) und sah ihn während seines dortigen Aufenthalts im Winter 1788/89 erneut. Man darf annehmen, dass Moritz den Text der Subskriptionsanzeige ebenso an Wieland übersandte wie später die durch einen Brief vom 29. September 1792 dokumentierte, offenbar jedoch unerfüllt gebliebene Bitte, die Publikation vermutlich des ersten Teils von RDI im Teutschen Merkur zu annoncieren. Vgl. auch den Brief vom 28. Juli 1789 an Bertuch mit der Bitte, ein Avertissement betreffend die Auseinandersetzung mit Joachim Heinrich Campe in die Allgemeine Literatur-Zeitung und das Journal des Luxus und der Moden einzurücken (die Briefe jeweils in KMA 13). 3,5 historische Bearbeitung] Die Subskriptionsanzeige konfrontiert einen historischen mit einem p o e t i s c h e n Mythenbegriff. Zum Begriff des Historischen s. Art. H i s t o r i e , in: Zedler 13, Sp. 281: Wenn nun andre etwas zeugen, oder

wenn wir selber etwas aufzeichnen, das in der That geschehen ist, so wird solches die Historie genennet. Die Historie ist also nichts anders als Erfahrungen, welche wir von andern bekommen, und wegen ihres Zeugnisses davor halten, daß sie würcklich geschehen sind. Alles was geschiehet, gehöret in die Historie. Konkret zielt Moritz’ Begriff der historischen Bearbeitung auf Traditionen des philologisch-kritischen Umgangs mit Mythen. Deren Gegenstand sind Ursprung, Überlieferung, historische Interpretation, in jedem Fall kritische Beurteilung von Mythenerzählungen. Für entsprechende Hinweise vergleiche man den Überblickskommentar zur Götterlehre. Zur Mythenphilologie gehört im Fall von Textausgaben der erschöpfende Kommentar, der antiquarisches Wissen

Stellenerläuterungen

437

kompiliert. Der Begriff des Historischen verbindet sich deshalb gern mit dem des Gründlichen; vgl. z. B. Art. Rechts-Historie, in: Zedler 30, Sp. 1488. Hingegen verzichtet eine p o e t i s c h e Annäherung an Mythen nach Moritz’ Begriff auf philologische Ambitionen, erhebt aber dafür den Anspruch, die Überlieferungen in ihrem literarischen Charakter zu erfassen und sie als Dichtungen zu würdigen und darzustellen. Aus dieser Perspektive erschließen sich Mythen erst dann, wenn man sie als komplexe und komprimierte poetische Bildersprache mit ausgeprägtem Bezug auf universelle Grundphänomene von Natur und Menschheit (das Wesen der Dinge) begreift, letztlich als h ö h e r e S p r a c h e . Mit dieser Unterscheidung hängt die im Folgenden knapp entwickelte Differenzierung zwischen historischzufälligen Einzeldaten und dem Wesentlichen zusammen. 3,13–14 h ö h e r e S p r a c h e Ç. . .È s c h ö n e S y m b o l e ] Den Ausdruck h ö h e r e S p r a c h e verwendet Moritz mehrfach in der Götterlehre, auch in RDI 3, S. 142; 185. Der Terminus bezeichnet vor allem das Vermögen des Schönen, die Disparität der Erscheinungen zu umgreifen und zuletzt die Vollkommenheit der Natur anschaubar zu vertreten. Vgl. Erl. zu S. 13,3–4 im vorliegenden Band mit weiteren Verweisen. Mit dem Terminus h ö h e r e S p r a c h e ist s c h ö n e S y m b o l e so gut wie gleichgesetzt. Während in Moritz’ Werk der Symbolbegriff sonst unterschiedliche Schattierungen besitzt – vgl. die ausführlichen Erl. in Anthusa, KMA 4/1, zu S. 19,24 –, fällt er daher an der vorliegenden Stelle mit dem in den ästhetischen Schriften entwickelten Begriff des Kunstwerks zusammen, das durch seine innere Vollendung eine Vorstellung vom Naturganzen vermittelt. 3,14–16 wodurch die Alten Ç. . .È Bildung gaben] Anspielung auf die Kernthese der Götterlehre von der Transformation des Chaotischen in das als schöne Form Fassbare (in dem ersteres gleichwohl erhalten bleibt). Vgl. z. B. S. 60,10–24 sowie den Überblickskommentar zur Götterlehre, S. 489–495. 3,16–17 das Leblose Ç. . .È brachten] Die Annäherung an die leblose Natur im Mythos ist zu wiederholten Malen Gegenstand der Götterlehre. Vgl. vor allem S. 195,9–14 und Erl. 3,20 Zufälliges] Das Vorhaben, Zufälliges aus der Mythologie zu verbannen, verweist auf den Zusammenhang zwischen Mythologie, Kunst bzw. Dichtung und ästhetischer Theorie; denn das Schöne kommt, Moritz’ Aufsatz Die metaphysische Schönheitslinie zufolge, zur Erscheinung, insofern abgeschnitten wird, was den Eindruck innerer Zweckmäßigkeit stört. Vgl. DgL, KMA 6, S. 366f.; ferner S. 72,9–10 mit den weiterführenden Erl. im vorliegenden Band. 3,23–28 Ich habe den Entwurf Ç. . .È herauszugeben] Zur Entstehung der Götterlehre vgl. S. 450–455 im vorliegenden Band.

438

Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs

3,26 Alphabet] Anders als Buchseiten wurden Druckbögen mit Buchstaben bezeichnet. Im Oktavformat (16 Seiten pro Bogen) entsprach ein Alphabet von 23 Bögen 368 Druckseiten. 3,28 herauszugeben] In J4 folgt an dieser Stelle eine mit Asterisk angehängte Fußnote des Zeitschriftenherausgebers Wieland: Hr. M o r i t z realisiert durch

dieses Werk einen meiner lebhaftesten Wünsche, und niemand ist geschickter als er, ihn vortreflich auszuführen. W. 3,29 M o r i t z ] Im Anschluss an Moritz’ Einladung meldet sich der Verleger zu Wort, um das Erscheinungsbild des Drucks zu beschreiben und Details des Subskriptionsverfahrens zu erläutern: Unterschriebene Handlung, welche den

Verlag dieses Werks, das wenigstens mit 30 Kupfern, nach den besten Antiken gezeichnet und gestochen, versehen wird, übernommen hat, bietet dem Publikum und den Schulen dasselbe auf S u b s c r i p t i o n , für den äußerst geringen Preis von E i n e m Thaler an, um die Anschaffung desselben zu erleichtern. Sie setzt hierdurch den Subscriptionstermin bis zum 1. Oktober d. J. fest, nach dessen Ablauf dieses Buch nicht anders als zu 1 Rthlr. 12 Gr. abgelassen werden kann. Das Werk erscheint in der Ostermesse 1790. Diejenigen, welche sich für dieses nützliche Werk interessiren und Subscribenten sammeln wollen, erhalten für ihre Bemühung das eilfte Exemplar umsonst. Briefe und Gelder, bey Ablieferung der Exemplare, werden Franco eingesandt, dagegen die Versendung der Exemplare auf Kosten der Handlung bis Leipzig geschieht. Berlin, den 27. May 1789. K ö n i g l . P r e u ß . A k a d e m . K u n s t - u n d B u c h h a n d l u n g . So gut wie identische Ankündigungen im Anschluss an J2, J3 und J4.

439

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten Überlieferung 1. Textgrundlage 1

D Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammen-

gestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittnen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Berlin, bei Johann Friedrich Unger, 1791. S. 〈III〉–〈IV〉 unbetiteltes Vorwort; S. V–XII Inhaltsverzeichnis; S. 〈1〉–402 Haupttext; S. 403–416 Register. Paginierungsfehler: S. 450 statt 350. Format: 8°. Satzspiegel: 12 x 6,8 cm. Fraktur. 28 Zeilen pro Seite. Hervorhebungen durch Fettdruck; abgesetzte Zitate aus Gedichten und Dramen in kleinerem Schriftgrad. Der Druck enthält keine Kustoden. Die Recto-Seiten der jeweils ersten beiden Blätter eines Druckbogens sind mit einer Druckbogenzählung markiert (A/A2–Cc/Cc2). 30 unpaginierte Kupferstichseiten, davon die erste als Frontispiz, die weiteren nach S. 32, 46, 50, 100, 108, 114, 120, 126, 130, 138, 150, 152, 162, 178, 212, 252, 256, 274, 286, 308, 312, 320, 324, 328, 342, 362, 382, 390, 396. Viele der Kupferstiche sind mit Künstlersignaturen versehen – so unter dem Frontispiz links: J Carstens del〈ineavit〉; rechts: J J Tassaert sc〈a〉lp〈sit〉. Die Anweisungen an den Buchbinder für die Platzierung der Tafeln nach S. 212 und 324 sind miteinander vertauscht, die Tafeln selbst daher wohl in der Regel falsch eingebunden.

440

Götterlehre Druckvorlage: Bayerische Staatsbibliothek München, Signatur: Ant. 481 e; Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Signatur: Ant. Graec. 430.y. Druckvorlage für die Abbildungen: Goethe-Museum Düsseldorf/Antonund-Katharina Kippenberg-Stiftung, Signatur: KK 5612.

D2 ANUOYSA oder Roms Alterthümer. Ein Buch für die Menschheit.

Die heiligen Gebräuche der Römer. Von Karl Philipp Moritz. Mit achtzehn in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denk- mälern des Alterthums. Berlin, bei Friedrich Maurer, 1791. Textkritisch berücksichtigte Passagen aus Anthusa: KMA 4/1, S. 60,11–25; 61,12–24; 64,24–32; 65,1–23; 66,1–6 Grundlage für den edierten Text: D1

Textkritisch nicht berücksichtigte Neuauflagen und Raubdrucke bis zum Jahr 1861

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Von Karl Philipp Moritz. Mit sechs und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Wien, bey Franz Haas, Buchhändler. 1792. 〈12〉, VIII, 180 〈recte: 380〉 S. Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen, nach antiken geschnittnen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Zweite unveränderte aber wohlfeilere Ausgabe. Preis 1 Rthlr. Berlin, bei Johann Friedrich Unger. 1795. XII, 320 S. Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Von Karl Philipp Moritz. Mit sechs und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Wien und Prag, bey Franz Haas, Buchhändler. 1798. 〈12〉, VIII, 180 〈recte: 380〉 S.

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Von Karl Philipp Moritz. Mit sechs und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen nach

Überlieferung

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antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmählern des Alterthums. Zweyte Auflage. Wien und Prag, bey Franz Haas, Buchhändler. 1801. 〈12〉 VIII, 380 S.

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen, nach antiken geschnittnen Steinen und andern Denkmä- lern des Alterthums. Wien, 1802. Bey Anton Pichler. XII, 332 S. Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen, nach antiken geschnittnen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Dritte unveränderte Ausgabe. Preis 1 Rthlr. Berlin, bei Johann Friedrich Unger. 1804. XII, 320 S. Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Von Karl Philipp Moritz. Mit sechs und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Zweyte Auflage. Wien und Prag, bey Franz Haas, Buchhändler. 1807. Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen, nach antik geschnittenen Steinen und andern Denkmäh-lern des Alterthums. Wien, 1809. Gedruckt bey Anton Pichler. XII, 323 S.

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen, nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Vierte unveränderte Ausgabe. Preis 1 Rthlr. Berlin, bei A. W. Schade. 1816. XII, 320 S. Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen, nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Fünfte sorgfältig durchgesehene und verbesserte Ausgabe. Preis 1 Rthlr. Berlin, bei Aug. Wilh. Schade. 1819. XIII + 1, 319 S. Erste überarbeitete Auflage mit neuer Vorrede.

442

Götterlehre

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen, nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmählern des Alterthums. Fünfte sorgfältig durchgesehene und verbesserte Ausgabe. Wien, 1824. Gedruckt und im Verlage bey Anton Pichler. XII, 318 S. Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten von Karl Philipp Moritz weil. Mittglied der Academie der Künste Zu Berlin Mit 65 Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthum’s neu gezeichnet v: W. Herbig, gest. v. L. Meyer 6te neu durchgesehene und verbesserte Original-Ausgabe Berlin, 1825 bei Friedrich August Herbig. XII, 318 S. Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten von Karl Philipp Moritz weil. Mittglied der Academie der Künste Zu Berlin Mit 65 Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthum’s neu gezeichnet v: W. Herbig, gest. v. L. Meyer Siebente Original-Ausgabe. Berlin, 1832 bei Friedrich August Herbig. XII, 305 S.

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten von Karl Philipp Moritz, weil. Mitglied der Academie der Künste zu Berlin. Mit 65 Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Achte Auflage. Berlin. Verlag von F. A. Herbig. 1843. X, 301 S.

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten von Karl Philipp Moritz, weil. Mitglied der Akademie der Künste zu Berlin. Mit 65 Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Neunte Auflage. Berlin, Verlag von F. A. Herbig. 1848. VIII, 287 S.

Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten von Karl Philipp Moritz. Mit 66 in Holz geschnittenen Abbildungen. Zehnte Auflage, umgearbeitet und herausgegeben von Dr. Frederichs. Berlin. Verlag von F. A. Herbig. 1861. VIII, 348 S.

Varianten

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Übersetzungen, Teilübersetzungen und fremdsprachige Bearbeitungen

Fictions Mythologiques des anciens par Charles Philippe Moritz traduit de l’Allemand v. Albertine Necker-de Saussure. Manuskript, Bibliothe`que de Gene`ve, Ms. fr. 4455/1.

Mitologia starozˇytnych Greko´w i Rzymian Ç. . .È przez Karla Philipa Moritza; przeł. przez A. Kuszan´skiego z przyła˛czeniem 63 na miedzi rytych płaskoryso´w Ç. . .È. Wrocł: W. B. Karn 1820. Mythological Fictions Of The Greeks And Romans. By Charles Philip Moritz. Translated From The Fifth Edition In German, With Improvements, By C〈harles〉 F〈rederick〉 W〈illiam〉 J〈aeger〉. New-York: G. & C. & H. Carvill, 108 Broadway. 1830. Karl Philipp Moritz’s Guderlære, oversat og tilligemed et Omrids af den nordiske Mythologie udgivet af Christian Winther. Med 65 Afbildninger. Kjøbenhavn. Paa P. G. Philipsens Forlag. Trykt i BiancoLunos Bogtrykkeri. 1847. K. F. Moritz, Ba´jeslovı´ rˇeku˚v a rˇ´ımanu˚v. Prˇelozˇil, zpracoval a cˇa´strecˇne doplnil Va´cslav Veverka. V Praze, Tiskem a Na´kladem F. Sˇima´cˇka 1910. Sara Congregati, Traduzione e analisi dell’opera Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten (1791) di Karl Philipp Moritz, 〈Florenz 2017〉, http:hdl.handle.net/2158/1093947

2. Varianten 34,27 zum] znm D1 42,21 was] w a s D1 44,1 läßt] lätzt D1 45,17 ursprünglichen] ursprünglicheu D1 52,28 und] nnd D1 53,14 werden] worden D1 57,14 äußersten] außersten D1

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Götterlehre

64,18 umgebende] In einem Teil der Auflage, so im Exemplar Bayerische Staatsbibliothek, Ant. 481 e: Umgebende D1 66,21 Titanen Feind] Titanenfeind D1 73,17 Jupiter] Jnpiter D1 80,34 Memnon] Memmon D1 84,2 Laomedon] Lamedon D1 84,9 bleibt.«] bleibt. D1 89,13 und] nnd D1 92,17 Liebesgöttin] Liebesgöttiu D1 112,10 D i n g e , ] D i n g e D2 112,11–12 das Ç. . .È Untergange] und das zarte Gebildete aus dem Rachen des Allverschlingenden D2 112,12 und es] es D2 112,12 pflegen] pflegen, und zur Reife zu bringen D2 112,13 wußte;] wußte, D2 112,13–14 zarten Keime] Keime D2 112,16 So war Ç. . .È C y b e l e ] Freilich war kein eigentlich deutlicher Be-

griff mit der Verehrung dieser Gottheit verknüpft, eben weil man in ihr dasjenige verehrte, was man nicht deutlich begreiffen konnte; D2 112,17 bändigt;] bändigt, D2 112,17 zähmt;] zähmt, D2 112,17–18 befruchtet Ç. . .È als] befruchtet; die Mutter aller Dinge; D2 112,18 Elemente;] Elemente, D2 112,20 und selber als das] das D2 112,20 die] welches unter mancherlei Nahmen und Gestalten auf dem ganzen Erdkreis verehrt, und D2 112,21 immer herrschenden,] immerwährenden D2 112,21–22 Kraft, in ihr sich weiblich darstellt] Kraft als w e i b l i c h dargestellt wurde D2 112,23 Ob aber gleich diese Göttin] Denn obgleich die Göttin Cybele D2 112,23 einem] einen D2 112,24 Mauer-] Mauer D2 112,29 grade] gerade D2 112,29 U n f ö r m l i c h e n ] Unförmlichen D2 112,30 dachte. –] dachte. D2 112,31 Im Tempel Ç. . .È war es] Der König Attalus nahm die Gesandten freundlich auf, und führte sie nach Pessinunt, wo D2

Varianten

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112,31–32 kleiner Ç. . .È w e l c h e m ] kleiner unebener spitziger Stein, von schwarzgrauer Farbe, an welchem D2 112,33–34 der die] die D2 112,34 der Dinge] aller Dinge D2 112,34 bezeichnete. –] bezeichnete. D2 113,3 stand: i c h ] stand: // I c h D2 113,3 a l l e s , ] a l l e s D2 113,4 w i r d , ] w i r d ; D2 113,7–8 ihr gleichsam] ihr D2 113,8 w o l l t e n ] wollten D2 113,8 eine] gleichsam eine D2 113,9 nahm. –] nahm. D2 113,10–13 Die Priester Ç. . .È zerfleischten sich.] In ihrer fanatischen

Wuth entmannten sie sich selber; sie geißelten und zerfleischten sich, Ç. . .È D2 113,12 Haar] Haar, wie Bachanten D2 113,12 das] und warfen das D2 113,13 andern werfend] andern D2 113,13 Die hohe Göttin sahe] Ç. . .È der großen Göttin zu weihen, die D2 113,14 t r i u m p h i e r e n d ] t r i u m p h i r e n d D2 113,15 Gefolge.] Gefolge sahe, Ç. . .È D2 113,16 war] war nicht sowohl Ertödtung als vielmehr D2 113,16 üppigste,] üppigste D2 113,16 ausschweifendste,] ausschweifendste D2 113,16 überströmende] überströmende, D2 113,17 L e b e n s f ü l l e ] Lebensfülle D2 113,18–19 g r o ß e n Ç. . .È L ö w e n b ä n d i g e r i n ] großen Erzeugerin der mächtigen Löwenbändigerin D2 113,20 große Mutter] g r o ß e M u t t e r D2 113,20 verehrt. –] verehrt. D2 113,21 nicht, –] nicht, D2 113,23 ihr,] ihr D2 113,23 Benennung,] Benennung D2 113,24 allerzeugende, allbefruchtende und allbelebende] Allerzeugende, Allbefruchtende, und Allbelebende D2 113,25 N a t u r , ] N a t u r D2

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Götterlehre

137,6 Euryale] Euryane D1 140,24 Perseus] Prötus D1 137,33 Gemahlin] Gemahiin D1 141,10 Ueberbringer] Uebringer D1 147,7 Jupiters] Jupites D1 154,12 Kallirhoe] Kallirohe D1 162,22 Unglück] Uuglück D1 164,18–19 Oechalia] Oechelia D1 170,23 und] uud D1 177,33 Fliehenden] Fiehenden D1 179,2 ihrem] ihren D1 183,30 verrieth] verrieht D1 186,2 nach] uach D1 189,34 Jünglinge] Jüngilnge D1 190,26 in] im D1 208,6 weiblichen] weiblicheu D1 209,7 unheilig] nnheilig D1 215,4 Dienste] Dinste D1 215,30 Memnon] Mnemon D1 235,31 trunknen] trnnknen D1 237,25 Bildsäule] Bildfäule D1 241,21 Stolzes] Solzes D1 264,30 Memnon] Memmon D1

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Überblickskommentar 1. Entstehung Über die Entstehung der Götterlehre sind wir nur im Umriss unterrichtet. Auskünfte des Verfassers über seine Arbeit an dem Werk sind rar, Handschriften oder Vorstufen und Notizen nicht überliefert. Wahrscheinlich nahm Moritz die Beschäftigung mit dem Projekt während seines Italienaufenthalts 1786–1788 auf und schrieb das Werk in Berlin nieder. Moritz’ Kontakte mit dem Gegenstand reichen hingegen erheblich weiter zurück. Sporadisch hinterließ die klassische Mythologie auch vor der Götterlehre schon Spuren, die auf ihre feste Rolle in der Bildungswelt des Verfassers schließen lassen. Wir können voraussetzen, dass Moritz in dieser Hinsicht keine Ausnahme ist, sondern für einen Lateinschüler des mittleren 18. Jahrhunderts und für das zeitgenössische Bildungswissen im Allgemeinen den Regelfall repräsentiert.1 Moritz legt insofern Zeugnis von der Gegenwart der Mythologie in der Welt der Aufklärung ab. Von mythologischen Kenntnissen, die Moritz früh erwarb, ist im autobiographischen Roman Anton Reiser zu hören. Mit Billigung ausgerechnet des Radikalpietisten Johann Friedrich von Fleischbein, zu dessen Anhängern Moritz’ Vater Johann Gottlieb gehörte,2 bekommt Reiser schon vor Beginn seiner Gymnasialzeit die Acerra philologica (Das philologische Weihrauchkästchen) von Peter Lauremberg in die Hand.3 In dieser Sammlung moraldidaktisch aufbereiteter

1

Vgl. die Beobachtungen von Scheer 2014, S. 3–5 über die Rolle der Mythologie bei Christian Gottlob Heyne vor seiner Berufung zum Professor in Göttingen. 2 Zu Fleischbein und seinem Kreis vgl. AR, KMA 1, S. 11–13 mit den Erl. sowie den Überblickskommentar ebd., S. 606–611. 3 Peter Lauremberg, Acerra Philologica. Das ist: Zweyhundert außerlesene, nützliche,

lustige, und denckwürdige Historien und Discursen, Zusammen gebracht aus den berühmsten Griechischen und Lateinischen Scribenten Ç. . .È, Rostock 1633.

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Götterlehre

Nacherzählungen antiker Mythen und Dichtungen liest Reiser nun die Geschichte von Troja, vom Ulysses, von der Circe, vom Tartarus und Elysium, und war sehr bald mit allen Göttern und Göttinnen des Heidenthums bekannt. Dass Reiser sich gar nicht ungeneigt zeigt, die heidnische Göttergeschichte mit allem, was da hineinschlug, wirklich zu glauben,4 deutet nicht allein auf das exzessive Lesen voraus, dem der Protagonist phasenweise verfällt, sondern auch auf die Sonderrolle, die der nach Vernunft- und Moralmaßstäben bedenklichen Mythologie im 18. Jahrhundert vorbehalten bleibt. Schon im Anton Reiser mag der Mythologie überdies ein therapeutischer Sinn in der Auseinandersetzung mit quietistischen Abtötungsgeboten zukommen. – Während der Hutmacherlehre bei Simon Lobenstein in Braunschweig vom Herbst 1768 bis 1770 sieht man Reiser damit beschäftigt, mythologische Kenntnisse an einen Mitlehrburschen weiterzureichen.5 Da Moritz kein altsprachliches Universitätsstudium absolviert hat, scheinen die Kenntnisse vor allem lateinischer Texte, auf die er bei der Arbeit an der Götterlehre zurückgreift, in letzter Instanz auf seine Schulzeit zurückzugehen. Im Rahmen des altsprachlichen Unterrichts an der Hohen Schule in Hannover, die er 1771–76 besuchte, wurden antike Autoren gelesen, die sich mit griechischer Mythologie befassen bzw. gelegentlich mythologische Motive aufgreifen – unter ihnen Ovid, Vergil und Horaz.6 Die Mythologie spielte im Unterricht der klassischen Sprachen in der Regel die Rolle einer Hilfsdisziplin.7 In Hannover wurde die »Fabellehre« neben Geschichte und »Altertümern« zur Horaz-Erklärung herangezogen.8 Die

4

AR, KMA 1, S. 26f. und Erl. AR, KMA 1, S. 55. 6 Eybisch 1909, S. 33. Für Details zu Schulbesuch und Kenntnis antiker Autoren Anthusa, KMA 4/1, Überblickskommentar, S. 342–347, zum lat. Lektürekanon besonders S. 345f., allgemein auch die in Myth. Wb., Vorrede, S. VIII aufgezählte Literatur. – Mythologischen Stoffen begegnete Moritz während seiner Schulzeit auch im Theater, so 1771 anlässlich der Aufführung des Hercules auf dem Oeta von Johann Benjamin Michaelis durch die Seylersche Truppe in Hannover (AR, KMA 1, S. 188,19 und Erl.). 7 Vgl. z. B. Eschenburg, Handbuch, S. 259: für uns sind sie 〈die mythologischen Erzählungen〉 5

Denkmäler der Dichtkraft und des Aberglaubens früherer Zeiten, aber zugleich lehrreiche und nothwendige Hülfskenntnisse, zum richtigern Verstande der griechischen und römischen Schriftsteller, vornehmlich der Dichter, und zur bessern Beurtheilung ihrer Gebräuche, Vorstellungsarten und Kunstwerke. 8

Eybisch 1909, S. 34.

Entstehung

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Mythologie war seinerzeit jedoch im Begriff, sich aus einer bloß dienenden Funktion zu emanzipieren. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass Moritz schon als Schüler einen Vorbegriff von den wohl avanciertesten Mythentheorien seiner Zeit fassen konnte, da der Direktor Johann Daniel Schumann (an der Schule ab 1774 tätig) in Göttingen bei Johann Matthias Gesner studiert hatte; wichtiger noch dürfte sein, dass der Rektor Heinrich Philipp Sextroh Vorlesungen Christian Gottlob Heynes gehört hatte,9 auf dessen einschlägige Lehren zurückzukommen sein wird. Mit Blick auf die griechische Literatur zeichnet sich, wenigstens im Umriss, eine Konstellation ab, die über den traditionellen Unterricht hinausweist. Die Götterlehre setzt eine Hochschätzung der poetischen Qualitäten griechischer Autoren (Homer, Hesiod, Hymnendichter) voraus, die das herkömmliche, auf die Bedürfnisse angehender Theologen zugeschnittene Curriculum hinter sich lässt. Auch wenn die Intensität des Unterrichts im Griechischen nicht entfernt an den Lateinunterricht heranreichte, wurde an der Hohen Schule bis zu einem gewissen Grad bereits klassisches Griechisch vermittelt.10 Es ist anzunehmen, dass Moritz zudem eine beginnende neuhumanistische Strömung aufgenommen hat. Zwar las er Homer nicht ohne lateinische Übersetzung.11 Gleichwohl macht sich, auch schon vor dem Beginn der Arbeit an den mythologischen Schriften, ein gewisser Ehrgeiz im Umgang mit griechischer Dichtung bemerkbar. Anton Reiser führt, auf Werthers Spuren, eine griechisch-lateinische Homer-Ausgabe mit sich;12 auf dem Weg nach Erfurt lässt sich der Protagonist Feder und Papier in der Absicht reichen, eine von den Hymnen des Homers in deutsche Hexameter zu übersetzen.13 Aus der Zeit des Zusammenlebens mit Karl Friedrich Klischnig zwischen 1783 und 1786 ist von schwärmerischer Lektüre in den homerischen Epen zu hören.14 Eine Vielzahl von Homer-Paraphrasen nebst einer Auswahl aus den genannten Hymnen, auch aus Kallimachos, ist mehr oder weniger verdeckt in die Götterlehre eingearbeitet; im Mythologischen Almanach für Damen sind Hymnen in Ausschnitten übersetzt. Es ist vorstellbar, dass in Hymnen-Übersetzungen die frühesten Vorstufen für die Arbeit an der Götterlehre zu suchen sind. 9

Zu Sextroh Eybisch 1909, S. 30f. Zu Schumann ebd., S. 47. Anthusa, KMA 4/1, Überblickskommentar, S. 346. Zu Gesner Fornaro 2004, S. 〈108〉. 10 Eybisch 1909, S. 34. 11 Klischnig, S. 100. 12 AR, KMA 1, S. 322,12 und Erl.; 329; 331; 339; 363. 13 AR, KMA 1, S. 342. 14 Klischnig, S. 99.

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Als Lehrer am Grauen Kloster in Berlin (November 1778 bis August 1786) erteilte Moritz unter anderem Lateinunterricht. Mit dem Umstand, dass er in dieser Funktion auch von mythologischen Gegenständen handeln musste, mögen die knappen Ausführungen über die Grenze zwischen der w i r k l i c h e n We l t und I d e e n w e l t im Zusammenhang stehen, die der Verfasser 1786 in den Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik einrückte und im selben Jahr unter dem Titel Die Schöpfung der Götterwelt erneut in der Zeitschrift Denkwürdigkeiten publizierte.15 In diesem Artikel sieht man Moritz bereits auf dem Weg zur späteren Deutung der Mythologie als Sprache der Phantasie. Auch sonst streut der Verfasser bei Gelegenheit mythologische Anspielungen in seine Schriften ein.16 Anlässe, ein mythologisches Überblickswerk zu verfassen, lieferten jedoch erst zusätzliche Umstände. In Hinblick auf Moritz’ schriftstellerische Schwerpunkte steht die Götterlehre im Zusammenhang mit einer Neuorientierung, die sich seit der Mitte der achtziger Jahre abzeichnet – mit der Hinwendung zu Fragen der ästhetischen Theorie. Erstes Ergebnis solcher Interessen war der 1785 in der Berlinischen Monatsschrift publizierte Aufsatz Versuch einer Vereinigung

aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten, in dem der Verfasser Kerngedanken seines Aufsatzes Ueber die bildende Nachahmung des Schönen (1788) vorbereitet.17 Diesem Kontext verdanken sich Perspektiven der Götterlehre, die von den bisherigen mythographischen Hauptwegen abweichen und über sie hinausführen. Nicht weniger bedeutsam ist die Affinität der Götterlehre zu psychologischen Interessen, die Moritz zeitgleich entwickelte. Die ersten Hinweise auf eine eingehendere Beschäftigung mit der Mythologie fallen in die Zeit von Moritz’ Italienreise (August 1786 – September/Oktober 1788). Zu ihr entschloss sich der Verfasser vielleicht schon in der Absicht, das Lehramt am Gymnasium zum Grauen Kloster, das er mit Reiseantritt aufgab,18 gegen ein solches an der Akademie der Künste einzutauschen, die kurz zuvor in

15

KL, KMA 6, S. 189f.; DW, KMA 11, S. 36f. Vgl. etwa den Hinweis auf Herakles’ Kerberos-Arbeit in AR, KMA 1, S. 419. 17 Vgl. auch Eybisch 1909, S. 139, und Sedlarz 2014, S. 145, mit Quellenhinweisen zu Moritz’ Berliner Vorlesungen »über schöne Wissenschaften« seit 1783. 18 Schreiben an den Magistrat der Stadt Berlin, 21. August 1786, in: Eybisch 1909, S. 197f; KMA 13. S. zum Folgenden jeweils die Dokumente zur Entstehung. 16

Entstehung

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einen Reformprozess unter der Leitung des Ministers Friedrich Anton von Heynitz eingetreten war.19 Spätestens im Herbst 1787 befand sich der in Rom weilende Moritz in Verhandlungen über eine neu einzurichtende Professur an der Akademie, wo mein Geschäft wäre, den jungen Künstlern griechische und römische Geschichte, Mythologie und Althertümer vorzutragen.20 Ob der Unterricht in solchen Stoffen auch mit Blick auf die Ausbildung in Provinzial-Kunstschulen von Belang war, die dem Reglement der Akademie der Künste von 1790 zufolge vorgesehen waren, bliebe eigens zu prüfen.21 Den Bedarf der Akademie an der Vermittlung mythologischer Kenntnisse bezeugt wenigstens indirekt die bildkünstlerische Präsenz mythologischer Stoffe im Berliner Stadtbild. Erinnert sei an eine Reihe von Bauwerken mit ausgeprägtem Mythologiebezug – zunächst an Johann Gottfried Schadows 1790 in der Dorotheenstädtischen Kirche platziertes Grabmal Alexanders von der Mark, eines ›natürlichen Sohns‹ des Königs Friedrich Wilhelm II. (heute in der Alten Nationalgalerie).22 Bei dem unter Mitwirkung von Schadow realisierten mythologisch-christlichen Bildprogramm, mit dem das zweifellos ehrgeizigste Bauprojekt aufwartet, das zur Entstehungszeit der Götterlehre in Berlin verfolgt wurde – das 1788–1791 nach Plänen von Carl Gotthard Langhans errichtete Brandenburger Tor – standen Karl Wilhelm Ramlers kurzgefasste Mythologie und seine Allegorischen Personen zum Gebrauche der bildenden Künstler Pate, die kurz vor der Götterlehre – im Jahr 1790 – herauskamen.23 Ramler war seit 1786 Mitglied der Akademie der Künste. Moritz’ Beschäftigung mit der Mythologie muss, alles in allem, im

19

Klingenberg 2010, S. 214; ausführlich zur »Vorgeschichte der Italienreise« Sedlarz 2010b, S. 29–36; zur Akademiereform ebd., S. 243–246. 20 Brief an den Freiherrn von Heynitz, 13.10.1787, in: Eybisch 1909, S. 222. Bereits am 5. Mai 1787 (Eybisch 1909, S. 216; jeweils KMA 13) hatte Moritz in einem Brief an die Bergrätin Standtke berichtet, der Graf Lucchesini wolle sich bei Heynitz für ihn verwenden. 21 Für eine exemplarische Studie zur Provinzialkunstschule von Breslau vgl. Sedlarz 2010a. 22 Vgl. Pöthe 2014, S. 272–277. Eine Beschreibung dieses Denkmals im Anhang zum Katalog der Akademie-Ausstellung 1791 (Die Kataloge der Berliner Akademie-Ausstellungen 1786–1850, bearbeitet von Helmut Börsch-Supan, 1, Berlin 1971). Die Beschreibung ist erneut gedruckt in VTO, S. 107–110 (KMA 3). 23 Vgl. Pöthe 2014, S. 256–258. Für die Deutung der Reliefs überhaupt s. ebd., S. 249–259. Zur Rezeption vor allem der Allegorischen Personen in der zeitgenössischen Berliner Kunst vgl. Badstübner-Gröger 2003. Zu Schadows Beiträgen zum Brandenburger Tor vgl. Hans Mackowsky, Art. Schadow, in: Thieme/Becker 29, S. 542.

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Zusammenhang mit der klassizistischen Kunst- und Geschmackspolitik betrachtet werden, die seit der zweiten Hälfte der 1780er Jahre in Berlin betrieben wurde. Die Götterlehre steht mit am Beginn einer altertumskundlich orientierten Stadtkultur im Berlin des ausgehenden 18. Jahrhunderts.24 Folgt man der von Moritz selbst verfassten Ankündigung der Götterlehre, die im Sommer 1789 in der Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin, im Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung, im Journal des Luxus und der Moden sowie im Teutschen Merkur erschien, so entstand das Grundgerüst des Werks in Rom. Moritz meldet, er habe den Entwurf Ç. . .È bey meinem Aufenthalt in Rom, zum Theil schon ausgearbeitet.25 Goethes Italienische Reise scheint dies zu bestätigen;26 ein Anhaltspunkt für die schon von Zeitgenossen vertretene und in der älteren Forschung vorherrschende Meinung, die Ideen, die der Götterlehre wie auch den ästhetischen Schriften zugrunde liegen, seien im Wesentlichen von Goethe inspiriert,27 ergibt sich daraus jedoch nicht. Allerdings dürfte die Götterlehre in mancher Hinsicht überhaupt von der Künstler- und Literatenkooperation in Rom profitiert haben, zumal mit weiteren Gesprächspartnern unter den deutschen Künstlern und Altertumskennern zu rechnen ist.28 Unter ihnen war ohne Zweifel Aloys Hirt, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts selbst eine mythologische Schrift publizierte.29 Eine späte, indirekte Nachricht aus Zacharias Werners Tagebüchern, deren Plausibilität im Detail bezweifelt werden mag, könnte immerhin nachträglich bestätigen, dass Moritz in Rom Grundgedanken zur Mythologie entwickelte und das Thema mit anderen besprach. Werner zufolge zeigte ihm Friedrich Müller (»Maler Müller«), von dessen finanzieller Misere Moritz gelegentlich in einem Brief an Goethe spricht,30 am 30. November 1810 ein noch unvollendetes und unpublizier24

Disselkamp 2006; Pöthe 2014, S. 197; Sedlarz 2014. S. 3,23–25 im vorliegenden Band. 26 Goethe, Italienische Reise, HA, Bd 11, S. 391. 27 Der klassische Beitrag zu diesem Zweig der Moritz-Forschung ist Fahrner 1932 – ein Essay, der einem Hymnus auf Goethe gleichkommt. »Moritz«, so Fahrner (S. 20), »hätte es 〈das Werk〉 ohne Goethes Nähe nicht schreiben können und es ist sein Bestes, daß es durch und durch Goethisch ist.« Vgl. aber z. B. Todorov 1995, S. 144–146. 28 Vgl. Sedlarz 2010b, S. 145–200. 29 Aloys Hirt, Bilderbuch für Mythologie, Archäologie und Kunst. Erstes Heft: Die Tempelgötter, Berlin 1805. Zweites Heft: Die Untergötter oder Dämonen, Berlin, Leipzig 1816. 30 Brief an Goethe, 9.8.1788, in: Eybisch 1909, S. 236 (KMA 13). 25

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tes Gedicht mit dem Titel Harmonie, dessen erstem Gesang Moritz seine griechisch-mythologischen Ideen entlehnt habe.31 Moritz’ Lehrtätigkeit an der Akademie der Künste stand von ihrem Beginn im Februar 1789 an auch im Zeichen der Mythologie. Heynitz, Kurator der Akademie, begründet Anfang 1789 seinen Antrag beim König auf Moritz’ Anstellung als Professor mit der Notwendigkeit, Unterricht in der theorie der schönen Künste,

und dahin gehörigen Wißenschaften überhaupt, besonders auch in der Griechischen und Römischen Geschichte, Mythologie und Alterthümern erteilen zu lassen.32 Dabei konnte er sich wohl bereits auf Moritz’ handschriftlich überlieferten E n t w u r f z u d e m v o l l s t ä n d i g e n Vo r t r a g e e i n e r

Theorie der schönen Künste, für Zöglinge einer Akademie d e r K ü n s t e stützen, dem zufolge die antike Kunst auch in ihren ästhetischen Qualitäten ohne g r i e c h i s c h e u n d r ö m i s c h e G e s c h i c h t e , M y t h o l o g i e , u n d A l t e r t h ü m e r unzugänglich bleibt.33 Öffentliche Vorlesungen über Theorie der schönen Künste und Alterthumskunde, wie auch über Mythologie sind im Reglement der Akademie verankert, an dessen Formulierung Moritz mitwirkte und das im Januar 1790 erlassen wurde.34 Vorlesungen mit

31

Die Tagebücher des Zacharias Werner. Erläuterungen von Oswald Floeck, Leipzig 1940, S. 214. Vgl. auch die zweifelnden Erl. ebd., S. 261 sowie die Bemerkungen von Strich 1910, S. 289 (für den Hinweis auf Zacharias Werners Tagebuch ist Stefan Goldmann zu danken). – Teile des im Nachlass wohl komplett erhaltenen Gedichts Harmonia sind abgedruckt bei Bernhard Seuffert, Maler Müller, Berlin 1877, Anhang, S. 594–604. Im ersten Gesang, der nach Werners Aussage fast die ganze griechische Mythologie von einer neuen Seite aufgefaßt enthält, bevölkert Müller die Natur mit einem bunten, bacchantisch-festlichen Zug mythologischer Figuren, der sich letztlich der Harmonia und ihrem Sohn Phantasus, eigentlich aber der Kunst verdankt. Auch wenn gewisse Berührungspunkte bestehen, enthält das Gedicht eher eine allegorische Bilderwelt weitgehend konventionellen Charakters, während Moritz zufolge die Mythologie schwer zu tolerierende Widersprüche in Form einer Sprache der Phantasie verarbeitet. 32 Heynitz an Friedrich Wilhelm II., Berlin, 13.2.1789, Acta betreffend den Unterricht in der Theorie der schönen Künste und Alterthumskunde, auch Mithologie. GStA Preuß. Kulturbesitz, Rep. 76 alt, Abt. III, No. 76, Bl. 17, 1 S., 2° (KMA 13). Den Prozess einer genaueren Bestimmung von Moritz’ Lehrtätigkeit beschreibt Sedlarz 2014, S. 161–163. Zu Moritz’ Berufung an die Akademie im Detail Sedlarz 2010b, S. 246–250. 33 Eybisch 1909, S. 241f. 34

Reglement für die Academie der bildenden Künste und mechanischen Wißenschaften d. d. Berlin den 26ten Jenner (Acta betreffend den Unterricht in der

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Götterlehre

Mythologiebezug bot Moritz jeweils zu Beginn der Jahre 1790, 1791 und 1793 an.35 Nach einem Briefzeugnis Alexander von Humboldts entwickelten sich diese Lehrveranstaltungen über die Eleven und Scholaren der Akademie hinaus zum gesellschaftlichen Ereignis.36 Während an der Affinität von Moritz’ Tätigkeit an der Akademie der Künste zur Mythologie kein Zweifel besteht, fließen die Nachrichten über die Arbeit an der Götterlehre in Berlin spärlich. Auf ihre bevorstehende Niederschrift nimmt Moritz in der Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs Bezug; das Versprechen des Verlegers Unger,37 das Werk werde in der Ostermesse 1790 erscheinen, blieb allerdings uneingelöst. Als eine Art Nebenprodukt mag man den Aufsatz Minerva ansehen, den Moritz 1789 in der Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin drucken ließ;38 die für die Götterlehre wichtige Ambivalenz der griechischen Götter ist dort schon angelegt. Darüber hinaus äußert sich der Verfasser nur an einer überlieferten Briefstelle zur Götterlehre. In einem Schreiben vom 21. Juli 1790 an den Maler Alexander Macco in Rom berichtet er von seiner Arbeit an einem mythologischen

Lehrbuche, was wie ich hoffe auch für den Künstler interessant werden soll.39 Man darf demnach annehmen, dass die Niederschrift zwischen jeweils der zweiten Hälfte der Jahre 1789 und 1790 erfolgte. Vermutlich entstand die Götterlehre mehr oder weniger parallel zu Anthusa (erschienen zur Ostermesse

Theorie der schönen Künste und Alterthumskunde, auch Mithologie. GStA Preuß. Kulturbesitz, Rep. 76 alt, Abt. III, No. 76, Bl. 33, 2 S. 2°); KMA 13. Vgl. Klingenberg 1996, S. 139f. 35 Sedlarz 2010b, S. 263; Sedlarz 2014, S. 175. 36 Alexander von Humboldt an Wilhelm Gabriel Wegener, 27. März 1789, in: Jugendbriefe Alexander von Humboldts an Wilhelm Gabriel Wegener, hrsg. v. Albert Leitzmann, Leipzig 1896, S. 54f. Vgl. Klingenberg 2010, S. 225. 37 Zur Vorgeschichte von Moritz’ Kontakten mit dem Verleger Johann Friedrich Unger (1753–1804) vgl. den Überblickskommentar zu DW, KMA 11, S. 340f. Unger erhielt am 11. September 1788 von der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften das Patent als akademischer Künstler und Buchdrucker und wurde am 17. Juli 1790 mit einer von Moritz als dermaligem Sekretär mitunterzeichneten Urkunde zum ordentlichen Senatsmitglied der Akademie ernannt. Vgl. 〈Anonym〉, Beiträge zur Lebensgeschichte. 38 Minerva, in: Monats-Schrift der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 (1789), 3. Bd., 2. St., S. 70–73 (KMA 3). 39 Eybisch 1909, S. 250f.

Mythenkritik der Aufklärung

455

1791) und zu den Reisen eines Deutschen in Italien (erschienen 1792/1793). Der Katalog der Michaelismesse 1790 verzeichnet das Werk unter dem Titel die mythologischen Dichtungen der Alten unter den Fertig gewordenen Schriften.40 Das gedruckte Buch, auf dem Titelblatt auf das Jahr 1791 datiert, muss im Januar desselben Jahres vorgelegen haben; zu dieser Zeit sprechen die Akademieakten erstmals von der nun herausgekommenen Mythologie. Die Götterlehre sollte als Grundlage der im März 1791 beginnenden Vorlesungsreihe über Mythologie und Alterthümer dienen; eine Reihe von Exemplaren wurde unentgeltlich an ausgewählte Akademiezöglinge verteilt.41 Die Übersendung eines Exemplars an den König verband Moritz mit dem Versuch, Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften zu finden. Damit löste er allerdings eine kleine Affäre aus und blieb zunächst erfolglos.42

2. Mythenkritik der Aufklärung: Das Chaos der Mythologie Den engeren literarischen Hintergrund der Götterlehre bildet die Mythenkunde des 18. Jahrhunderts. Zeitgenössische Autoren, die sich mit einschlägigen Fragen befassen, setzen, auch wenn sie Mythen als attraktiven Untersuchungsgegenstand identifizieren, gewisse Standards der Mythenkritik oder doch der Distanzierung von der Mythologie voraus.43 Während die Aufklärungsmythographie in vielen

40

41

Allgemeines Verzeichniß der Bücher, welche in der Frankfurter und Leipziger Michaelmesse des 1790 Jahres entweder ganz neu gedruckt, oder sonst verbessert, wieder aufgeleget worden sind, auch inskünftige noch herauskommen sollen, Leipzig, S. 244. Vgl. Extract. aus dem Academischen Protocoll d. d. Berlin, den 15ten Januar (Acta

betreffend den Unterricht in der Theorie der schönen Künste und Alterthumskunde, auch Mithologie. GStA Preuß. Kulturbesitz, Rep. 76 alt, Abt. III, No. 76, Bl. 40, 1 S., 2°); Extract aus dem Academischen Protocoll d. d. Berlin den 26ten Februar 1791 (Acta betreffend den Unterricht in der Theorie der schönen Künste und Alterthumskunde, auch Mithologie. GStA Preuß. Kulturbesitz, Rep. 76 alt, Abt. III, No. 76, Bl. 47, 1 S., 2°); KMA 13. Einschlägige Dokumente: Acta betreffend den Unterricht in der Theorie der schönen Künste und Alterthumskunde, auch Mithologie. GStA Preuß. Kulturbesitz, Rep. 76 alt, Abt. III, No. 76, Bl. 41, 42, 43, 44, 45; 46, 53; Harnack 1900, 1/2, S. 509. Vgl. KMA 13. 43 Vgl. dagegen den Relativierungsversuch von Simonis 2001, S. 101–108. 42

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Götterlehre

Details unterschiedliche Wege einschlägt, bildet die Mythenkritik ihr habitusartiges Fundament. Mythenkritische Töne sind in Beiträgen zu vernehmen, die Moritz sicher oder wahrscheinlich verwendet hat, unter ihnen vor allem diejenigen von Antoine Banier und Christian Tobias Damm. Mythenkritik bildet eine charakteristische Hintergrunderscheinung der Götterlehre. Einen formelartig verwendeten Akzent setzt das Stichwort Chaos: Das Aufklärungsjahrhundert nimmt die antiken Götter- und Heldenerzählungen zunächst generell als Tohuwabohu wahr. Vom schauernden Chaos ehrwürdigen Alterthums weiß Heinrich Wolfgang Behrisch,44 vom Chaos der Mythologie, dem kein Systematisierungsversuch beikommen könne, wissen Karl Wilhelm Ramler45 und Johann Gottlieb Buhle.46 Auch der mit Moritz befreundete Friedrich Gedike, der in der Heyne-Nachfolge mit Mythenallegorese und Euhemerismus abrechnet, kennt das Labyrinth der Mythologie und greift das Stichwort des Chaos auf.47 Die Frage, welche Möglichkeiten bestanden, mit der mythologischen Unordnung zu verfahren, besetzt in der Mythenkunde des 18. Jahrhunderts die Position eines Leitproblems. Gründe für die mythenspezifische Konfusion suchen Kritiker in S i n n l i c h k e i t , E i n b i l d u n g e n 48 und Unwissenheit. Philosophisch verstoßen Mythen gegen das Gesetz von Ursache und Wirkung, wovor uns eine aufgeklärtere Naturlehre in Sicherheit setzen hilft,49 poetologisch gegen die Grundsätze der Wahrscheinlichkeit und der Naturnachahmung.50 Als Residuum des Unwahren bilden sie einen exemplarischen Fall des A b e r g l a u b e n s .51 In welchem Maß Mythen von Vernunft und Natur abgeleitete Regeln missachten, zeigt ihr oft skandalöser Gehalt. Kann man wohl irgend etwas seltsamers sich einbilden, so fragt Banier, als die Vorstellung, welche die Poeten von ihren Göttern ma-

chen? Was soll man von diesem Mischmasche von Macht und Schwachheit, von Ewigkeit und Tod, von Glückseligkeit und Schmerzen, von Ruhe und 44

Behrisch, S. VI. Ramler, Mythologie 1, S. XI. 46 Johann Gottlieb Buhle, Geschichte des philosophirenden menschlichen Verstandes. Erster Theil, Lemgo 1793, S. 119f. 47 Gedike, Ueber die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie, in: Vermischte Schriften, S. 63f., 83, 85. 48 Damm, Einleitung, S. 〈1〉. Allgemein zum Thema ›Mythos und Aufklärung‹ Poser 1979. 49 Banier 1, Vorrede des Uebersetzers, S. 15. 50 Vgl. z. B. Banier 1, S. 79–88. 51 Damm, Einleitung, S. 2; Banier 1, Vorrede des Uebersetzers, S. 13. 45

Mythenkritik der Aufklärung

457

Unruhe sagen?52 Antike Literatur mythologischen Charakters ist vor diesem Hintergrund einer Doppelbeleuchtung ausgesetzt: Während die homerischen Epen als Vertreter ihrer Gattung kanonisiert sind, bleiben sie dem Inhalt nach von Kritik nicht verschont – berichten sie doch, wie eine ganze Stadt der verletzten Eitelkeit zweier Göttinnen wegen in Schutt und Asche gelegt wird.53 Einführungen in die Mythologie für den Schulgebrauch befinden sich deshalb in einer Zwickmühle. Sie befassen sich mit Überlieferungen, deren Gegenstand in vieler Hinsicht geeignet scheint, Abscheu zu erregen, und tragen zugleich selbst dazu bei, diesen Stoff vor dem Vergessenwerden zu bewahren. Johann Bernhard Basedow nimmt in sein pädagogisches Elementarwerk (zweite Auflage 1785) das Kapitel Etwas aus der Mythologie oder Fabellehre nur als Konzession an den konventionellen Bildungsbedarf auf: Ein Menschenfreund muß sogar wün-

schen, daß keine Mythologie sey, und daß ihre Erkenntniß, wegen der alten in gewisser Betrachtung guten Bücher und Künste, den Wohlerzognen nothwendig zu bleiben aufhöre.54 Heinrich Braun zufolge kann einen solchen Einwand zwar höchstens ein Trivialist oder Dorfpedant vorbringen;55 mit mythenkritischen Anmerkungen spart aber auch Braun nicht. In dem vernichtenden Urteil, das die Vorrede des Theologen Johann Adolf Schlegel zu seiner Übersetzung des ersten Bandes von Baniers Erläuterung der Götterlehre fällt, mag das Schreckbild der Chimäre mitklingen, mit dem Horaz seine Ars poetica einleitet:56 Es ist wahr; das System der alten Götterlehre ist, in sich betrachtet, so übel zusammen hängend, so widersprechend, so ungeheuer, daß nichts den Stolz der Menschen so sehr demüthigen kann, als die Betrachtung, daß nicht etwan bloß einige Blödsinnige und Aberwitzige, sondern sogar ganze Völker, selbst die, so sich den größten Ruf der Weisheit erworben hatten, Aegyptier, Griechen und Römer, ja, außer einem kleinen verachteten Winkel der Welt, der ganze Erdkreis mit einem Munde dieses Gewebe von Thorheiten und Ungereimtheiten für

52

Banier 1, S. 282. So jedenfalls Banier 1, S. 283. Einen Extremfall der Homer-Kritik repräsentieren die anonym erschienenen Anmerkungen über die zwölff erstern Bücher der Iliade (1773), deren Verfasser dem Ependichter allenthalben handwerkliche Fehler nachweisen will. 54 〈Johann Bernhard Basedow〉, Das Basedowsche Elementarwerk. Ein Vorrath der besten Erkenntnisse zum Lernen, Lehren, Wiederholen und Nachdenken. Dritter Band. Zur Zeit Kaiser Josephs II. Zweite sehr verbesserte Auflage, Leipzig 1785, S. 219. 55 Braun, Vorrede, unpaginiert. 56 Vgl. Horaz, De arte poetica, 1–13. 53

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Götterlehre

Wahrheiten gehalten haben. Es ist, nebst dem Unglauben das traurigste Zeugniß, in was für Ausschweifungen eine menschliche Vernunft sich zu verlieren vermögend sey, welche die Handleitung der göttlichen Offenbarung verläßt, um sich selbst den Weg zu weisen.57 Als Indikator der Wirrnis, die in Mythen herrscht, gilt schließlich die Art und Weise ihrer Überlieferung. Mythen wurden mündlich tradiert und spät gesammelt, entwickelten sich mit lokalen Unterschieden, erfuhren niemals eine Fixierung in heiligen Texten und liegen in Versionen vor, die voneinander abweichen bzw. sich widersprechen.58 Es sind Erzählungen, die sich auf keinen bestimmten Urheber zurückführen lassen, fortwährendem regellosen Wandel unterliegen und keiner planenden Autorität gehorchen. Theologisch wurden Mythen deshalb in einem Gegensatz zum geoffenbarten Wort Gottes gesehen, wie es die Bibel kodifiziert.59 Die Formel vom Chaos der Mythologie bezieht sich nicht zuletzt auf die Erfahrung, dass es so gut wie unmöglich ist, Mythenerzählungen auf ein bestimmtes, ursprüngliches, authentisches, kanonisiertes Erscheinungsbild festzulegen, weil, wie Herder formuliert, die Alten nie ein Fabelsystem gekannt, das sie wie Luthers Catechismus hergebetet.60 Der polemische Ton und die Abwehrmaßnahmen, die Aufklärungsautoren gegen das Durcheinander einleiten, gleichen hingegen einer Angstreaktion. Sie scheinen von der Befürchtung geleitet zu sein, dass von Mythen eine Bedrohung der Vernunft in ihrem Universalitätsanspruch ausgehen könne; gefährdet wäre damit auch die Überzeugung von der vernunftkonformen und geordneten Verfasstheit der Schöpfung. Antoine Banier schreibt: Die größte Schwierigkeit, die einem Mythologisten bey seiner Arbeit aufstößt, besteht darinnen, wie er das Chaos der verschiednen Meynungen über eine und eben dieselbe Fabel, die er auf so viele und so von einander verschiedne Arten 57

Banier 1, Vorrede des Uebersetzers, S. 9f. Beispiele für theologische Vorbehalte, wie Schlegel sie gegenüber der Mythologie geltend macht, findet man auch bei Hager, vor allem S. 3–5. 58 Berns 2011, S. 87f. 59 Vgl. Banier 1, Vorrede des Uebersetzers, S. 18: Wenn man auf die Frage, wo und wenn

die Abgötterey entstanden sey, etwas zuverlässiges antworten will: So muß solches allein aus der Schrift, als derjenigen Urkunde geschöpft werden, welche sich nicht nur durch ihr Alterthum, sondern auch durch ihren Innhalt als die annehmungswürdigste anpreist. 60 Johann Gottfried Herder, Vom neuern Gebrauch der Mythologie, in: Sämmtliche Werke 1, S. 445.

Mythenkritik der Aufklärung

459

erzählt findet, daß es sie alle miteinander zu vereinigen unmöglich ist, aus der Verwirrung bringen will.61 Aus der Sicht der Spätaufklärung können Wahrnehmung und Beurteilung des Chaotischen anders ausfallen als bei Banier und Johann Adolf Schlegel. Christoph Martin Wieland, der sich der Überlegenheit der neueren Zeit über den Mythenglauben nicht mehr in gleicher Weise sicher ist, greift zwar ebenfalls noch das Stichwort vom Chaos auf, sieht sich in der Vorrede zum zweiten Band seiner Lukian-Übersetzung von 1788/89 aber schon dazu veranlasst, die klassische Mythologie nah an die christliche Ära heranzurücken. Seine Bemerkungen klingen wie eine Reaktion auf Johann Adolf Schlegel: Die Göttergeschichte der Griechen ist bekanntermaßen ein wahres Chaos, worin alles wider einander fährt und nichts zusammenhängt. Nicht ein einziges Abentheuer, nicht eine einzige That ihrer Götter und Götterkinder, die nicht von Verschiedenen auf ganz verschiedene Weise erzählt wurde; alles, sogar ihre Genealogie, ist mit Dunkelheit, Verwirrung und Widersprüchen angefüllt. Ç. . .È Wie abgeschmackt es uns auch vorkommen mag, dass das Griechische Volk jemals an die wundervolle Geburt der Minerva oder des Bacchus, oder an irgend eines der kindischen Mährchen, über welche Lukian in seinen Göttergesprächen spottet, buchstäblich geglaubt haben sollte: so können wir dieß doch eben so wenig läugnen, als daß eine Zeit war, wo beynahe die ganze Christenheit an das Mährchen vom großen Christoffel, und an hundert andere eben so glaubwürdige Geschichten buchstäblich glaubte.62 Moritz’ Götterlehre hält eine eigene Antwort auf die Herausforderung durch die mythologische Konfusion bereit. Folgt man dem Avant-propos, so diente dem Verfasser die aufmerksame Betrachtung antiker Schriften mit Mythologiebezug durch das Labyrinth dieser Dichtungen zum Leitfaden.63 Die Rede von einem Labyrinth knüpft an zeitgenössische Formulierungen zum mythologischen Chaos an; die Reihe der verwendeten Einführungen in die Mythologie lässt keinen Zweifel daran, dass Moritz sich auch über die Tücken der Mythenüberlieferung im Klaren war. Im Begriff des Labyrinthischen ist dieses Wissen bereits eingeschlossen: Die Begriffe vom Göttlichen und Erhabenen, so erfährt man, hüllten sich

von Zeit zu Zeit in menschliche Geschichten ein, die sich, ihrer Aehnlich-

Banier 1, S. 50f. Vgl. auch 〈Anonym〉, Neue Welt- und Menschengeschichte, S. 683. Lukian, Sämtliche Werke 2, Vorrede, S. 5–7. Vgl. Held 2009, S. 192. 63 S. 6,5–6 im vorliegenden Band. 61

62

460

Götterlehre

keit wegen, ineinander verlohren, und labyrintisch verflochten haben.64 Anders als seine Vorläufer weiß Moritz jedoch, dass das Durcheinander der Mythologie keine ferne und fremdartige, daher auch keine mit dem Instrumentarium des Rationalismus kontrollierbare Erfahrung ist. Die Einsicht, dass die eigene, moderne Welt nicht durch Ordnung bestimmt sei, bildet den Ausgangspunkt der

Götterlehre.65

3. Mythographische Vielstimmigkeit Die Götterlehre stand nicht vor der Aufgabe, einen vernachlässigten Stoff zu neuer Geltung zu bringen. Für das ohnehin breite Interesse an klassischer Mythologie wirkten auch Moritz’ Berliner Vorlesungen keineswegs konstitutiv. Die Götterlehre und ihr längerfristiger Erfolg wären kaum ohne ein gut informiertes oder doch ohne ein auf mythologische Themen vorbereitetes Publikum vorstellbar. Moritz’ Buch zielt geradezu auf eine Konstellation, in der über die Mythologie eine relativ weitgestreute Leserschaft erreicht werden konnte. Um die Präsenz der antiken Mythen im 18. Jahrhundert zu würdigen, wäre es allerdings notwendig, ihre Vermittlung auch außerhalb des kritischen Wissens von der Mythologie zu berücksichtigen – vor allem in den verschiedenen Sparten der bildenden Kunst, der Musik, hier in erster Linie auf der Opernbühne, und der Literatur.66 Wenn die Aufklärung als »eine für die Erforschung der Mythologie äußerst unfruchtbare Zeit«67 bewertet wird, kann dieses Urteil gleichwohl ein gewisses Maß an Plausibilität beanspruchen, insofern hergebrachte »Modelle der Mythenexegese und Verfahren der Mythenkritik«68 (Euhemerismus, allegorische Mythendeutung, Etymologie, Vergleich mit biblischen Überlieferungen69) weiterhin An64

S. 44,8–12 im vorliegenden Band. Wenn Moritz zugleich den produktiven Sinn des Chaos als Natur wahrnimmt, so hat er einen Vorläufer in Johann Georg Jacobi, Götterlehre, in: Iris 1774, 1. Bd., 1. Stück, S. 22–32, hier: S. 32. 66 Für ein Modell der Differenzen vgl. Starobinski 1990. 67 Jamme 1991, S. 19. – Für einen Überblick über Auseinandersetzungen mit der Mythologie in der Zeit der Aufklärung vgl. Buchholz 1990, S. 19–31. 68 Berns 2011, S. 90. 69 Zu dieser Tradition der Mythenauslegung seit dem 17. Jh. (Gerhard Johannes Vossius, Samuel Bochart, Pierre Daniel Huet u. a.) vgl. Gruppe 1921, S. 47–53; für das 18. Jh. ebd., S. 58–62. 65

Mythographische Vielstimmigkeit

461

wendung fanden. Gleichzeitig mag das Verdikt über die Mythenforschung des 18. Jahrhunderts auf den Umstand zielen, dass sich das Zeitalter der Vernunft mit Mythenerzählungen und mythischen Welterklärungen auf Kriegsfuß stellt. Zutreffend ist es jedoch nur, solange Kerngeschäfte zeitgenössischer Mythenkunde unberücksichtigt oder unterbewertet bleiben – vor allem die philologische Konsolidierung, die historische und kulturanthropologische Differenzierung und die Popularisierung. Autoren des 18. Jahrhunderts beschäftigten sich breit, intensiv und ernsthaft mit mythologischen Überlieferungen.70 Für die Mythenforschung oder die Verwendung mythologischer Stoffe öffneten sich im Aufklärungszeitalter neue Freiräume. Folgt man etwa Karl Wilhelm Ramler, so hatte der Mythos als längst überwundene Erscheinung viel von seiner Gefährlichkeit verloren und konnte nunmehr als Bild- und Stoffreservoir dienen: Es ist ein Vortheil für die gesunde

Vernunft, daß man dem Wunderbaren dieser Göttergeschichte nicht mehrern Glauben giebt, als einer poetischen Vorstellung auf dem Theater.71 Mythenforschungen und mythentheoretische Debatten des 18. Jahrhunderts können an dieser Stelle nicht repräsentativ vorgestellt, sondern nur im Ausschnitt berücksichtigt werden. Ein aktueller Gesamtüberblick über die Mythenkunde der Aufklärung steht ebenso wenig zur Verfügung wie eine vollständige Bibliographie.72 Ein Versuch, die neueren mythographischen Quellen der Götterlehre zu identifizieren, bleibt mit Unsicherheitsfaktoren behaftet, deren Gründe in Eigenarten des Gegenstands liegen. Mythologische Erzählungen stehen, wie wir gesehen haben, nicht in der Gestalt kodifizierter Texte zur Verfügung, sondern müssen aus einer Vielzahl disparater Quellen unterschiedlicher Provenienz gewonnen werden; allenthalben ist überdies mit Überlieferungslücken zu rechnen. Die Bestandsaufnahme war vor Moritz zum Beispiel Teil der großen mythenkundlichen Unternehmungen des 16. und 17. Jahrhunderts (Giraldi, Conti, Vossius).73 Es ist unwahrscheinlich, dass Moritz für die Arbeit an der Götterlehre die lateinische Literatur der Frühen Neuzeit genutzt hat. An neueren Beiträgen zur Mythologie verwendet er, soweit erkennbar, ausschließlich solche des 18. Jahrhun-

70

Vgl. Gisi 2007, S. 191f. Ramler, Mythologie 1, S. V. Zu Ramler als Mythologe Guilbert 1999, S. 194–200. 72 Vgl. aber Gruppe 1921, der reichhaltiges Material liefert, freilich verbunden mit einer Überblicksdarstellung, die den jeweiligen ›Fortschritt‹ der Mythenforschung bewertet. 73 Für eine kritische Würdigung von Giraldi und Conti vgl. Gruppe 1921, S. 32–35; zu Vossius ebd., S. 47–50. 71

462

Götterlehre

derts. Überblicksdarstellungen aus dieser Zeit machen ihrerseits Gebrauch von antiken Quellen und älteren neuzeitlichen Mythenforschungen.74 Mythologische Überlieferungen, zum Teil einzelne Formulierungen, besitzen deshalb nicht selten Stammbäume, die weit zurückverfolgt werden könnten. Je nach Gesichtspunkt und Auswahl fallen auch in neuzeitlichen Beiträgen Erscheinungsbild und Deutung mythologischer Erzählungen unterschiedlich aus, während gleichzeitig die Verflechtungen zwischen ihnen unübersehbar bleiben. In der Selektion von Informationen, in Deutungsperspektiven und Detailinterpretationen sind mythenkundliche Schriften seit der Renaissance inhomogen und verlängern, alles in allem, perspektivisch das mythologische Chaos in die Gegenwart des 18. Jahrhunderts, ja, sie potenzieren es; denn es stellt sich nicht allein die Frage nach der Kohärenz mythologischer Erzählungen, sondern auch die nach ihrer Bedeutung, schließlich aber die nach dem Begriff des Mythos.75 Obwohl Moritz mit Vorliebe an dichterische Quellen der Antike anschließt und sich nicht auf gelehrte Meinungsverschiedenheiten einlässt, zeugt sein Buch in mancher Hinsicht von den verschlungenen Pfaden, auf denen alte Mythenstoffe über den Hellenismus, den römischen Religionen-Synkretismus und Kompilatoren des Mittelalters sowie der Frühen Neuzeit das 18. Jahrhundert erreichten.76 Auch aus der Götterlehre spricht die Vielzahl der Stimmen, die sich auf langen Traditionswegen in die Mythologie eingeschaltet hatten. Buchstäblich alles, was Moritz an mythologischem Wissen vermittelt, besitzt eine verwickelte Vorgeschichte. Durch wie viele Hände die mythologischen Erzählungen gegangen sind, die die Götterlehre präsentiert, kann in der Form eines Kommentars nicht dargestellt werden; welche Hände es jeweils waren, die sich in die Ausformung bestimmter Mythenversionen einschalteten, bleibt nicht selten unklar. Die Auseinandersetzung mit mythologischen Divergenzen ist kein bloßes Editorenexerzitium. Das Stimmengewirr repräsentiert exemplarisch die ModerneErfahrung des Vielfältigen und Geteilten. Deshalb gehört das Thema zum Kernbereich der Problemstellungen, mit denen sich die Götterlehre beschäftigt. Jedoch stellt sich die Frage, von welchen Labyrinthen die Götterlehre handelt und wie der Verfasser mit den babylonischen Voraussetzungen verfährt. An der phi-

74

Man vergleiche das kommentierte Verzeichniß der in diesem Buche angeführten Schriftsteller, das Hederich, Lexicon, Sp. XV–LIV, seinem Nachschlagewerk voranstellt.

75

Vgl. Guilbert 2001, S. 45. Vgl. Seznec 1990, passim.

76

Lexika und Kompendien

463

lologischen Kritik der verästelten Überlieferungen beteiligt sich Moritz nicht. Verglichen mit der zeitgenössischen Mythographie verlagert die Götterlehre, wie wir sehen werden, das Chaos ›nach innen‹; die Komplexität, die Moritz vorfindet, ist zuletzt psychologischer Natur. Dem Begriff des Gesichtspunkts, mit dem er das Einleitungskapitel überschreibt, liegt die Absicht zugrunde, der Herausforderung durch Disparitätserfahrungen mithilfe ästhetischer Betrachtung zu begegnen.

4. Lexika und Kompendien Aus der gemeinsamen Einsicht in das mythologische Chaos zogen Autoren von mythologischen Lexika und handbuchartigen Darstellungen eigene Konsequenzen. Das 18. Jahrhundert hindurch wird mythologisches Wissen in lexikalischer Gestalt vermittelt. Einschlägige Lemmata haben an wichtigen Nachschlagewerken ihren Anteil, etwa an Bayles Historischem und Critischem Wörterbuch (zuerst 1697), ebenso an Diderots und d’Alemberts Encyclope´die (1751–1772).77 Die Forschung weist mit Recht darauf hin, dass allein das Wissen, das in einschlägigen Zedler-Artikeln versammelt ist, »die stattlichste deutschsprachige Mythographie« ergeben würde.78 Die lexikographischen Unternehmungen, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts begonnen wurden, bilden auch den Kontext von Benjamin Hederichs (1675–1748) Gründlichem mythologischem Lexicon, einem spezialisierten Nachschlagewerk, das 1724 erstmals erschien, 1741 wiederaufgelegt wurde und 1770 in einer von Johann Joachim Schwabe (1714–1784) überarbeiteten und erweiterten Fassung neu herauskam.79 Seinen Nachruhm verdankt Hederichs Lexicon unter anderem dem Umstand, dass auch Goethe mythologische Kenntnisse daraus bezog; Goethe kannte offenbar die Ausgaben von 1724 und 1770 und bevorzugte anscheinend die ältere.80 Einzelne Stellen deuten darauf hin,

77

Encyclope´die, Ou Dictionnaire Raisonne´ Des Sciences, Des Arts Et Des Me´tiers, Par

Une Socie´te´ De Gens De Lettres. Mis en ordre & publie´ par M. Diderot, de l’Acade´mie Royale des Sciences & des Belles-Lettres de Prusse; & quant a la Partie Mathe´matique, par M. D’Alembert, de L’Acade´mie Royale des Sciences de Paris, de celle de Prusse, & de la Socie´te´ Royale de Londres, 17 Textbde., 11 Tafelbde., Paris 1751–1772. 78 Berns 2011, S. 142f. 79 Zu Hederich als Lexikograph Killy 〈o. J.〉, S. 1–12. 80 Vgl. Goethe an Schiller, 25. Oktober 1797, in: Johann Wolfgang Goethe, Sämtliche Werke.

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Götterlehre

dass Moritz den ›Hederich‹, dessen Ausgabe von 1770 er später dem Mythologischen Wörterbuch zugrunde legte, auch bei der Arbeit an der Götterlehre benutzt hat.81 In den Erläuterungen zur Götterlehre dient das Lexicon darüber hinaus als Referenzwerk für das zeitgenössische mythologische Wissen. Unter den Optionen, die zur Verfügung standen, um die verworrenen mythologischen Überlieferungen in eine geordnete Form zu bringen, wählen Lexikographen des 18. Jahrhunderts die der alphabetischen Verzettelung. Hederichs Lexicon bemächtigt sich des Wirrwarrs mithilfe einer Logik des Sammelns und Ordnens.82 Es beschränkt sich im Wesentlichen darauf, zu den mythologischen Figuren alle dem Verfasser zugänglichen Informationen zusammenzustellen. Anders als mythenkundliche Publikationen vor allem der zweiten Jahrhunderthälfte hat Hederich keinen Anteil an historischen Rekonstruktionsversuchen und unterscheidet nicht zwischen Entwicklungsstufen mythologischer Erzählungen. Die Versionen früher Autoren wie Homer und Hesiod finden sich deshalb in bunter Folge neben Tragikern, hellenistischen und römischen Dichtern, Mythographen und Scholiasten.83 Schon dem Selbstverständnis des Verfassers nach ist das Lexicon eine Kompilationsarbeit, die, ohne ein bestimmtes mythologisches System zu vertreten, dem Benutzer in dichter Packung ein Maximum an Material zur Verfügung stellt. Statt selbst Alter, Herkunft und Bedeutung unterschiedlicher Versionen zu ermitteln, schaltet Hederich ohne Kommentar Serien voneinander abweichender Versionen hintereinander.84 Spätere Erklärungsversuche sind in umfangreicheren Ar-

Briefe, Tagebücher und Gespräche 31, hrsg. v. Völker C. Dörr und Norbert Oellers, Frankfurt am Main 1998, S. 445f. 81 Vgl. z. B. Erl. zu S. 102,18–20 im vorliegenden Band. Zu Hederichs Lexicon, auch unter dem Aspekt eines Vergleichs zwischen den beiden Fassungen, vgl. Held 2009, S. 194–201. Differenzen zwischen den Drucken von 1724 und 1770 sind vor allem in Schwabes Entscheidung begründet, bildlichen Darstellungen ein erheblich höheres Gewicht einzuräumen. Zu diesem Zweck greift der Bearbeiter zu Winckelmann, Lippert, Montfaucon und anderen einschlägigen Autoren. Schon diese Neuorientierung dürfte die jüngere Fassung für Moritz als die ergiebigere haben erscheinen lassen. Ein Nachweis ist allerdings schwer zu führen. 82 Vgl. für das Beispiel des Herakles Kray 1994, S. 52f. 83 Für ein beliebiges Beispiel vergleiche man den Art. Ulysses, in: Hederich, Lexicon, Sp. 2468–2477, in dem der Verfasser vor allem die in der homerischen Odyssee fehlenden Informationen zu Leben, Taten und Familienverhältnissen des Heros aus späteren Quellen ergänzt.

Lexika und Kompendien

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tikeln unter den Überschriften Eigentliche Historie oder Wahre Beschaffenheit85 (für euhemeristische Deutungen) und Anderweitige Deutung86 (für allegorische Interpretationen), ebenfalls kommentarlos, zusammengestellt. Das Nachschlagewerk transformiert seinen Gegenstand und entfernt ihn weit von seinen Ausgangspunkten, indem es die Mythologie in eine Vielzahl von Fragmenten zerlegt. Einen grundsätzlich vergleichbaren Weg geht das voluminöse handbuchartige Werk Die Götter der alten Griechen und Römer nach ihren Herkünften,

Thaten, Nachkommenschaften, Tempeln, Vorstellungen, Benennungen und Bedeutungen nach Anleitung der klassischen Schriftsteller und der Werke der Kunst (1777/1778) von Philipp Gottlieb Seeger, an dem schon beim Erscheinen die fehlende Konsequenz im Aufbau bemängelt wurde.87 Das Handbuch, dessen Verfasser (1751–1774) zum Zeitpunkt des Erscheinens bereits verstorben war,88 ist nicht für die diskursive Lektüre geschrieben; denn Seeger widmet Göttern und einigen Heroen je einzelne Kapitel, die er, wie der Titel zu verstehen gibt, in wiederkehrende, ›topische‹ Abteilungen gliedert. Vor allem die Angaben zu Vorstellungen (bildlichen Darstellungen), Benennungen (Beinamen) und Bedeutungen zeigen, dass Die Götter der alten Griechen und Römer einen Rahmen bildet, der dazu bestimmt ist, eine Vielzahl disparater – allerdings nicht immer verlässlicher – Einzelinformationen, zahlreiche Zitate aus antiken Schriften eingeschlossen, in übersichtlicher Form zu präsentieren.89 Bereits der anonyme Autor der Vorrede zum zweiten Band sieht sich genötigt, Seegers Arbeit gegen den Vorwurf eines Rezensenten in Schutz zu nehmen, daß der Verfasser nur ein Compilator sey; Ç. . .È daß aller Ruhm, den man ihm zugestehen könne, nur darinnen bestehe, wie er eine neue Auflage des H e d e r i c h s Ç. . .È besorgen

könnte; daß er in die Klasse unbesonnener Ausschreiber gehöre.90

84

Vgl. als Beispiel den Art. Lycaon, in: Hederich, Lexicon, Sp. 1486f., wo der Verfasser die Untaten des Heros in unterschiedlichen Versionen referiert. 85 Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2256 (im Art. Sphinx). 86 Vgl. für beliebige Beispiele Hederich, Lexicon, Sp. 417; 915; 1032f.; 1386. 87 Vgl. die ungezeichnete Rez. in: Erlangische Gelehrte Anmerkungen 1777, S. 713–717. 88 Für den Lebenslauf in Gestalt eines Nachrufs vgl. Seeger 2, Vorrede, S. XII–XXXII. 89 In diesem Aufbau orientiert sich Seeger offenbar an Hagers vergleichbar strukturierter Kurzer Einleitung in die Göttergeschichte der alten Griechen und Römer (1762). 90 Seeger 2, Vorrede, S. XIf.

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Götterlehre

Trotz ihrer unterschiedlichen Gestalt verfolgen beide Arbeiten die Absicht, homogenisiertes mythologisches Wissen in rasch lokalisierbarer und leicht abrufbarer Gestalt zur Verfügung zu stellen. Sie bieten sich als Instrumente für Schüler, aber auch für Gelehrte auf der Suche nach Hilfestellung für das Verständnis antiker Texte an, ebenso als Bildungsfundus für Weltleute. Moritz dürfte sie als Stofflieferanten geschätzt haben, als er Material für seine eigene Mytheninterpretation zusammenstellte. In der Götterlehre finden sich jedenfalls auch Mythenvarianten eher entlegener Provenienz. Gleichzeitig praktizieren beide Werke jedoch einen Umgang mit mythologischen Stoffen, von dem Moritz sich mit der Götterlehre abwendet. Das Gründliche mythologische Lexicon und die Götter der alten Griechen und Römer zeigen die mythologischen Erscheinungen in sorgsam herauspräparierter Dekontextualisierung. Sie repräsentieren geradezu die Zerlegung in Einzelerscheinungen, die Moritz’ Ästhetik generell verdächtig ist, und machen das Phantastische der griechischen Mythenwelt bereits in ihrer Darstellungsweise unschädlich. In der Konsequenz illustrieren sie das ›Ermüdende‹ (mehr oder weniger) akribischer Bestandsaufnahmen, von dem die Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs spricht. Die Götterlehre legt es, wie wir sehen werden, im Gegenzug darauf an, einen Bezug der mythologischen Einzelphänomene auf die als organischer Zusammenhang begriffene Totalität der Natur sichtbar zu machen, zu der aus Moritz’ Perspektive allein die Phantasie den Zugang eröffnen kann.

5. Allegorische Mythendeutung und Euhemerismus Gelehrte Autoren des 16. bis 18. Jahrhunderts verwenden eine Reihe von Deutungsansätzen, die dazu bestimmt waren, den Wirrwarr der Mythologie für Leser der Gegenwart nutzbar zu machen. Zu Positionen der vorangehenden oder zeitgenössischen Mythographie bezieht Moritz im einleitenden Gesichtspunkt-Kapitel kritisch Stellung. Fast versteht es sich jedoch von selbst, dass seine Kritik nur einen Teil des Sachverhalts abbildet. In mehrfacher Hinsicht steht die Götterlehre in der Schuld der vorangehenden Mythenkunde: Sie zehrt von dem stofflichen Kenntnisstand, den die Mythographie erarbeitet hatte, und setzt den Rationalisierungsschub der Aufklärung, darüber hinaus anthropologische und ethnographische Debatten voraus, die auch mit Blick auf Mythentheorien geführt wurden bzw. an denen sich die mythologische Literatur beteiligte. Im Gesichtspunkt-Kapitel sind es zwei Varianten der Mytheninterpretation mit jeweils antiker Vorgeschichte, die Moritz zurückweist. Beiden liegt die Absicht

Allegorische Mythendeutung und Euhemerismus

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zugrunde, in das mythologische Durcheinander ein gewisses Maß an Rationalität einzuführen: Die Göttergeschichte der Alten durch allerlei Ausdeutungen zu

bloßen Allegorien umbilden zu wollen, ist ein ebenso thörichtes Unternehmen, als wenn man diese Dichtungen durch allerlei gezwungene Erklärungen in lauter wahre Geschichte zu verwandeln sucht.91 Der Begriff der Allegorie bezieht sich auf eine alte Tradition gelehrten Umgangs mit antiken Mythen. Das Verfahren, Mythenerzählungen als Allegorien zu entschlüsseln und sie so dem Verständnishorizont der jeweils eigenen Zeit zu öffnen und zu rationalisieren, geht wohl auf das fünfte vorchristliche Jahrhundert zurück92 und gehört in der Frühen Neuzeit zu den Standardmethoden der Mytheninterpretation.93 Eines der differenziertesten Beispiele allegorischer Mythenexegese ist Francis Bacons (1561–1626) Abhandlung De Sapientia Veterum (London 1619), wonach eine verborgene Lehre und Allegorie mit vielen der alten Sagen beabsichtigt wurde.94 Auch im 18. Jahrhundert bleibt die Vorstellung von allegorisch angelegten Mythenfiguren in gewissem Umfang präsent, speziell mit Blick auf Naturerscheinungen.95 Bedenken gegen die allegorische Ausdeutung von Mythen im 18. Jahrhundert verdichten sich im Umfeld der Götterlehre. Die Kritiker behaupten nicht schlechthin die Abwesenheit von Allegorien in den Mythen, sondern bezweifeln die Vorstellung von Mythen als komplexer allegorischer Verkleidung etwa philosophischer Lehren bzw. distanzieren sich vom gegenwärtigen Gebrauch mythologischer Motive in diesem Sinn.96 Zu den Gegnern der Mythenallegorese gehört Charles de Brosses (1709–1777), der in Du Culte des Dieux Fe´tiches, ou Paralle`le de

l’ancienne Re´ligion de l’E´gypte avec la Re´ligion actuelle de la Nigritie (Paris 1760), mit Blick vor allem auf die Ägypter, die Vorstellung von Mythen als gelehrten Allegorien zur Mystifikation erklärt und für eine Deutung unter dem Aspekt primitiver Religiosität plädiert:

91

S. 14,4–9 im vorliegenden Band mit den Erl. Brisson 1996, S. 43. 93 Vgl. den Überblick bei Seznec 1990, S. 65–94. 94 Bacon, Weisheit der Alten, S. 8. 95 Vgl. z. B. Damm, Einleitung, S. 2. S. ansonsten auch Behrisch, S. 51; 59; 157; 194; 199f.; 275; Sulzer, Theorie 1, S. 78. 96 Vgl. z. B. Herder, Vom neuern Gebrauch der Mythologie, in: Sämmtliche Werke 1, der aber sogar Bacon mit Respekt beurteilt (S. 434; 447). 92

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Götterlehre

Das Mischmasch der alten Mythologie ist für die Neuern nichts, als ein unerklärliches Chaos oder blos willkührliches Räthsel gewesen, so lange man sich der figürlichen Erklärung der neuplatonischen Philosophen bediente; eine Erklärungsart, die wilden und unwissenden Nationen eine Kentniß der verborgensten Ursachen der Natur beylegte und unter dem Haufen läppischer Gebräuche dummer und roher Menschen die geistigen Ideen der tiefsinnigsten Metaphysick zu entdecken glaubte.97 In der ›Kunstmythologie‹ allerdings besetzt die allegorische Verwendung von Mythenmotiven einen festen Platz – so auch bei Johann Joachim Winckelmann.98 Der Berliner Poet Karl Wilhelm Ramler, mit dem Moritz bekannt war,99 veröffentlichte 1788 in mehreren Folgen in der Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin die Allegorischen Personen, die 1791 in Buchform erschienen. Moritz’ eigener 1789 in derselben Zeitschrift gedruckter allegoriekritischer Aufsatz Ueber die Allegorie100 mag als eine Antwort auf Ramler zu verstehen sein; es ist gleichwohl nicht ausgeschlossen, dass Moritz Ramlers dem Erscheinungsdatum nach fast als Parallelunternehmen zur Götterlehre 1790 publizierte kurzgefaßte Mythologie zur Kenntnis nahm und im Einzelfall bei der Arbeit an der Götterlehre konsultierte. – Selbst Kritiker der Mythenallegorese konzedieren im Übrigen, dass einzelne Mythen allegorischen Charakter besitzen.101 Ein generelles Verdikt über allegorische Mythendeutungen spricht nicht einmal Moritz aus; die Götterlehre enthält selbst Mythen allegorischen Charakters (z. B. Herakles am Scheideweg).

97

〈Charles de Brosses〉, Du Culte des Dieux Fe´tiches, ou Paralle`le de l’ancienne Religion de l’Egypte avec la Religion actuelle de Nigritie, 〈Genf〉 1760; hier zitiert nach der deutschen Übersetzung von 1785 (Brosses, Ueber den Dienst, S. 1). Vgl. z. B. auch Banier 1, S. 58f.: der vornehmste Gegenstand der Poeten dabey 〈in den Fabeln〉 ist gewesen, die

Geschichte ihrer Helden darein zu verfassen; und man entfernt sich von ihrem wahren Endzwecke, wenn man sich bloß an die Allegorien hält. 98

Disselkamp 2015. Vgl. aber die Allegorienkritik, auch mit Blick auf mythologisches Personal, von Dubos 1, S. 172–199. 99 Vgl. die Dokumente zur Moritz’ Tätigkeit an der Berliner Akademie der Wissenschaften (KMA 13). 100 Ueber die Allegorie, in: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 (1789), 3. Bd., 2. St., S. 49–54 (KMA 3). 101 Vgl. Banier 1, S. 43f.; 55.

Allegorische Mythendeutung und Euhemerismus

469

Außer der allegorischen Mytheninterpretation lehnt Moritz die Suche nach der

wahren Geschichte ab. Der sogenannte Euhemerismus – der Begriff ist nach dem Namen des griechischen Autors Euhemeros (4./3. Jh. v. Chr.)102 gebildet – bezeichnet die seit der späteren Antike diskutierte, zumal unter den Kirchenvätern103 beliebte Methode, Mythenerzählungen und mythologischen Figuren ihre göttliche Aura zu nehmen und sie auf historische Personen bzw. Vorgänge zurückzuführen. Euhemeristisch betrachtet, erweist sich z. B. Jupiter als Name mehrerer antiker Könige, von denen der wichtigste nichts mehr, als ein Mensch, gewesen, der endlich in Kreta gestorben und begraben worden.104 Das Entmythisierungsverfahren des Euhemerismus ist, nach dem Vorbild vor allem französischer Autoren, ein im 18. Jahrhundert oft beschrittener Weg der Mythenrationalisierung, über den Zeitgenossen debattierten und den sie mit Blick auf seine historischen Wurzeln untersuchten.105 Prominentester Verfechter des Euhemerismus war Abbe´ Antoine Banier (1673–1741), dessen Explication historique des fables (zuerst 1713) zwischen 1754 und 1766 in einer Übersetzung von Johann Adolf Schlegel, Johann August Schlegel und Johann Matthias Schröckh herauskam.106 Diese Übersetzung ist eine Hauptquelle der Götterlehre. Banier war Mitglied der Pariser Acade´mie des inscriptions et belles-lettres, in deren Rahmen maßgebende Beiträge der ersten beiden Drittel des 18. Jahrhunderts zur Mythenforschung erschienen.107 In seiner methodisch konsequenten und stofflich breiten Anlage muss Baniers Erläuterung der Götterlehre und Fabeln aus der Geschichte, die noch über die europäischen Mythen hinausgreift, als ernstzunehmender Versuch eines systematisch rationalisierenden Zugangs zu den mythologischen Überlieferungen bewertet wer-

102

Vgl. Art. Euhemeros in: DNP 4, Sp. 235f. Vgl. z. B. Augustinus, De civitate dei 6,7. 104 Hederich, Lexicon, Sp. 1413. 105 Sevin, Ueber das Leben; Fourmont, Ueber das Werk; Foucher, Ueber das System. Vgl. Fornaro 2004, S. 169–171. 106 Erstausgabe: Antoine Banier: Explication historique des fables, ou` l’on de´couvre leur 103

origine et leur conformite´ avec l’Histoire ancienne et ou l’on rapporte les E´poques des He´ros et des principaux E´venement, 2 Bde., Haag 1713/1714. Weitere, erheblich umgearbeitete Auflagen Paris 1715 und Paris 1738/1740. Zu Baniers Werk Gruppe 1921, S. 67–69. 107 Zu den Mythenforschungen an der Acade´mie Gruppe 1921, S. 64–73. Zu wichtigen mythengeschichtlichen Beiträgen des 18. Jhs. vgl. den Überblick bei Gisi 2007, S. 155–234.

470

Götterlehre

den. Banier nimmt an, dass das Gros der griechischen Mythen in seinem Ursprung historische Ereignisse betraf, die durch die Unwissenheit der Völker, durch die Kunstgriffe der Priester, oder durch die Denkungsart der Poeten108 in die Gestalt phantastisch verzerrter und übertriebener Erzählungen gebracht wurden. Die überlieferten Mythen sind daher aus seiner Sicht im Wesentlichen Verfälschungen. Die Fabeln, so erläutert Banier, müssen bloß für schöne Einklei-

dungen angesehen werden, welche der Wahrheiten der alten Historie unsern Augen verbergen.109 Dem Mythenkundler stellt sich die Aufgabe, diese Hülle methodisch zu entfernen und den verschütteten ursprünglichen Gehalt wieder freizulegen.110 Banier tritt mit dem doppelten Anspruch an, das Willkürliche mythologischer Erzählungen zu beseitigen und die Vielfalt frühneuzeitlicher Mythentheorien durch ein Erklärungsmodell von höherer Plausibilität zu ersetzen. Wenn Banier in den fünf umfangreichen Bänden der Übersetzung mythologische Überlieferungen einschließlich ihrer jeweiligen Varianten einer kritischen Prüfung unterwirft, bewahrt er in Hinblick auf den historischen Kerngehalt den Mythos vor der völligen Entwertung, setzt aber die Nichtigkeit der Fabeln in ihrer überlieferten poetischen Gestalt bereits voraus: die Anlage der Fabeln muß man für

etwas wahres und historisches ansehen, und dagegen glauben, daß alle Zierrathen derselben falsch sind.111 Es gehört allerdings zu den Paradoxien des Unternehmens, dass Banier die antiken Erzählungen ausführlich vor den Lesern ausbreitet und im Vertrauen auf die Plausibilität seines Ansatzes, vielfach ohne die Stütze weiterer Zeugnisse, ein hohes Maß an Phantasie investiert, um sie in eine Art dynastischer Fürsten- und Heldengeschichte umzugießen. Zweifel an der allgemeinen Anwendbarkeit des Euhemerismus melden sich in einschlägigen Debatten schon um die Jahrhundertmitte.112

108

Banier 1, S. 65. – Für weitere mit mehr oder minder großem Aufwand verfahrende Ansätze historischer Mytheninterpretation vgl. Heidenreich 2006, S. 472f. 109 Banier 1, S. 54. 110 Ebd.., S. 49–54. 111 Ebd., S. 64f. 112 Vgl. Gedikes Euhemerismus-Kritik (Über die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie, in: Vermischte Schriften, S. 83–91); namentlich verweist Gedike auf Antoine Banier, den er gleichwohl mit Achtung beurteilt. S. ferner Fornaro 2004, S. 170 über Bergier, Ursprung; Gisi 2007, S. 195–198. Für einen Überblick über Debatten vor allem französischer Mythentheoretiker des mittleren 18. Jhs. vgl. im Übrigen ebd., S. 193–207.

Lehrbücher für die Schule

471

In der Hochschätzung von Banier weiß sich Moritz einig mit zeitgenössischen Autoren. Zumal in seinem enzyklopädischen Anspruch ist Baniers Werk für die Mythenkunde der zweiten Jahrhunderthälfte eine Instanz von Gewicht. Winckelmann zieht es zu Rate;113 Heyne rezensiert es zunächst wohlwollend,114 kritisiert Baniers Erklärungen jedoch bei anderer Gelegenheit als ein Gewäsch, ohne Kenntniß und ohne Urtheil.115 – Baniers und Moritz’ mythologische Positionen scheinen allerdings unvereinbar zu sein. Denn während Banier den mythologischen Erzählungen alles poetische Beiwerk nehmen will, betont Moritz die Notwendigkeit, Mythen zuerst, ohne Rücksicht auf etwas, das sie bedeuten sollen, grade so zu nehmen w i e s i e s i n d .116 Doch tatsächlich setzt die Götterlehre die Distanzierungsleistung, die Banier erbracht hatte, voraus. Es wundert daher nicht, dass sich wiederholt Spuren des euhemeristischen Zugriffs auf Mythen in Moritz’ Werk finden.117

6. Lehrbücher für die Schule Mythologische Kenntnisse sind im 18. Jahrhundert fester Bestandteil des Bildungswissens sowohl mit Blick auf die Schule als auch mit Blick auf die ›Allgemeinbildung‹. Die Mythologie verdiene es, so schreibt Hederich in der Erstauflage seines Gründlichen mythologischen Lexicons von 1724, daß nicht nur Gelehrte,

sondern auch viele Künstler und alle polite Leute, einige Kenntniß von ihr fassen.118 Der Einleitung eines mythologischen Wörterbuchs der Jahrhundertmitte zufolge gehöret die Mythologie

113 114

115

116 117

118

Vgl. z. B. Winckelmann, Allegorie, S. 34. 〈Christian Gottlob Heyne〉, Rez. der d e u t s c h e n U e b e r s e t z u n g d e r E r l ä u t e r u n g d e r G ö t t e r l e h r e v o n B a n i e r , Bd. 4 und 5, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 1766, S. 1001–1003. 〈Christian Gottlob Heyne〉, Rez. von Joachim von Sandrart, Teutsche Academie der Bau-, Bildhauer- und Maler-Kunst Ç. . .È. Neue Ausgabe, Bd. 2, 2, Nürnberg 1772, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 1772, S. 812–815, hier: S. 815 S. 14,15–16 im vorliegenden Band. Vgl. z. B. Moritz’ Bemerkung über Sisyphos’ h o h e s A l t e r , S. 255,1–5 und Erl. im vorliegenden Band. Vgl. auch S. 226,9–13 und Erl. im vorliegenden Band. Hederich, Lexicon, S. XI.

472

Götterlehre

für die gantze Welt. Sie hat sich bis auf diesen Tag in einer allgemeinen Nothwendigkeit erhalten. Vornehmlich kann sie kein Gelehrter missen. Am allermeisten aber ist sie in den Schulen, und bey den griechischen und römischen Auctoren, unentbehrlich. Als unverzichtbar gilt sie auch für die B i l d h a u e r , für die M a h l e r und für andere K ü n s t l e r .119 Die Mythologie, obgleich nicht allezeit so beschaffen, daß sie iedesmal Tugend und Religion sehr empfölen, ist nach Seybold trotzdem für den Künstler, für jeden Gelehrten, für den Menschen und für den Philosophen ein nüzliches Studium.120 Altertumskundlich gesehen war in Deutschland die Mythologie bis zu den Forschungen des Göttinger Altphilologen Christian Gottlob Heyne in erster Linie eine Sache der Schulleute und Popularschriftsteller.121 Mit seinen drei mythenbezogenen Werken – der Götterlehre, dem Mythologischen Almanach für Damen und dem Mythologischen Lexikon für Schulen – deckt Moritz die Felder Kunstakademie, Allgemeinbildung und Schule ab. Die Götterlehre findet ihren Platz unter den Einführungen für den Gebrauch an Bildungseinrichtungen, offenbar einem verlegerischen Erfolgsmodell.122 Moritz setzt sich in dem Mythologiebuch

〈Anonym〉, Kurtzgefaßtes mythologisches Wörterbuch, Vorrede (unpaginiert), § 11, 12. Die Vorrede ist nicht vom Verfasser des Wörterbuchs geschrieben. Vgl. auch Banier 1, Vorrede des Uebersetzers, S. 11f. 120 Seybold, Einleitung, S. 2f.; 〈Heinrich Braun〉, Gedanken über die Erziehung und den 119

öffentlichen Unterricht in Trivial- Real- und lateinischen Schulen nach den katholischen Schulverfassungen Oberdeutschlandes, 〈o. O.〉 1774, S. 173. 121

Für einen kurzen Überblick über die Handbuch- und Einführungsliteratur des 18. Jhs. vgl. Gruppe 1921, S. 91–94. 122 Außer den Einführungen von Damm und Seybold gehört auch Brauns Einleitung in die Götterlehre (zuerst 1762; hier verwendet ist die zweite Auflage 1776) in diese Kategorie, ebenso Klausing (1781), das Mythologiekapitel aus Eschenburg, Handbuch, S. 257–320 (1783), Holl, Kurzer Unterricht von der Mythologie (1789), sowie Degen, Kurzer Begrif der Mythologie (1790). In irgendeinem Sinn eigenständige Mythologiekonzeptionen darf man von dieser Literatur nicht erwarten. – Zu den Mythologiebüchern ohne historisch-kritischen oder programmatischen Anspruch mag man 〈Georg August von Breitenbauch〉, Begeben-

heiten der Götter und Helden nach denen Erzählungen des Ovidius und anderer Mythologen mit Erklärungen und Anmerkungen über den Ursprung der griechischen Götter, Gotha, Langensalza 1778 rechnen. Dieses Werk besteht großenteils aus einer Nacherzählung einzelner Heroenmythen.

Lehrbücher für die Schule

473

nicht allein mit ideengeschichtlich belangreichen Positionen der Mythographie oder der Ästhetik auseinander, sondern positioniert sich auch, wenn diese Formulierung erlaubt ist, in einem bereits erschlossenen Markt. Von den Einführungen für den Schulgebrauch hat Moritz vermutlich zwei verwendet. Übereinstimmungen bestehen in erster Linie mit der Einleitung in die

Götter-Lehre und Fabel-Geschichte der alten Griechischen und Römischen Welt von Christian Tobias Damm, deren erste Auflage 1763 erschienen war, in zweiter Instanz auch mit der Einleitung in die Griechische und Römische Mythologie von David Christoph Seybold (1779). Beide Werke entstammen der Feder von Schulmännern. Auf je unterschiedliche Weise partizipieren sie an der historischen Differenzierung, unter deren Vorzeichen sich die Mythenforschung zunehmend den aus der Sicht des 18. Jahrhunderts sperrigen Aspekten des Mythos zuwandte. Was die kulturanthropologisch interessierte Mythenhistorisierung betrifft, scheinen Moritz mit Christian Gottlob Heyne und seiner Schule jedoch weiterreichende Ansätze zur Verfügung gestanden zu haben. Für die Götterlehre waren vermutlich auch die Einführungen von Seybold und Damm vor allem in stofflicher Hinsicht von Belang. Damm (1699–1778) wirkte als Rektor am Köllnischen Gymnasium in Berlin. Da diese Schule 1766 mit dem Gymnasium zum Grauen Kloster verschmolzen wurde, gehört Damm, der für einige Monate auch Johann Joachim Winckelmann unterrichtete,123 zu Moritz’ Vorgängern im Lehramt. Damm war ein rege tätiger Altphilologe, der im Vorfeld des Neuhumanismus die griechische Sprache und Dichtkunst zur Geltung zu bringen suchte. Auf ihn gehen Prosaübersetzungen der Pindarischen Oden und der Homerischen Epen zurück, ebenso ein etymologisches Wörterbuch der Sprache Homers und Pindars.124 Damms Einleitung in die Götter-Lehre wurde bis in das beginnende 19. Jahrhundert immer wieder aufgelegt, ab 1786 in einer von Friedrich Schulz, ab 1803 in einer von Konrad Levezow125 überarbeiteten Version (jeweils mit neuen Illustrationen). Moritz hat das Buch in 123

Vgl. Justi 1956, 1, S. 42. Christian Tobias Damm, Novum lexicon Graecum etymologicum et reale, cui pro basi substratae sunt concordantiae et elucidationes Homericae et Pindaricae, Berlin 1774; Homer, Ilias (Damm); Pindar (Damm). Vgl. Conrad Bursian, Art. Damm, Christian Tobias, in: ADB 4 (1876), S. 718–719. 125 Christian Tobias Damm, Mythologie der Griechen und Römer. Mit acht und zwanzig neuen, nach Antiken gestochenen Kupfern, nach der von Friedrich Schulz veranstalteten Ausgabe aufs neue bearbeitet von Jakob Andreas Konrad Levezow, Berlin 1803. 124

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Götterlehre

seiner bis 1783 erschienenen Gestalt benutzt.126 – Seybold (1747–1804) lehrte 1775–1795 an Gymnasien in Speyer, Grünstadt und Bruchsweiler, bevor er 1796 eine Professur an der Universität von Tübingen annahm.127 Zwar fehlt es bei Damm nicht an Kritik an der Nichtigkeit der Vielgötterey, doch befindet sich der Verfasser bereits auf dem Weg zu einer kulturanthropologisch differenzierenden Sicht auf die Antike. Schon ein zeitgenössischer Rezensent erkennt, dass Damm verhüten will, daß man sie 〈die Götterwelt〉 nicht,

wie gewöhnlich, gerade hin als ein Geschöpf des Unsinns und des Aberglaubens betrachte.128 Aus Damms Sicht ist die Mythologie Zeugnis einer frühen, von Sinnlichkeit und Einbildungskraft bestimmten und daher leicht verführbaren Menschheit.129 Der Verfasser arbeitet in sein Werk den Ansatz zu einer Geschichte der griechischen Mythologie ein, indem er zwischen den ältesten Überlieferungen – Homer und Hesiod – und später entstandenen Varianten unterscheidet: Unter der ä l t e s t e n F a b e l verstehen wir die Erdichtungen und Erzählungen, die in den Schriften des H o m e r vorkommen: Unter der neuern aber die, welche in den Zeiten nach dem Homer auf die Bahn gebracht worden sind. Die Letztern sind fast unendlich, und lassen sich weder alle in eine solche kurze Einleitung bringen, wie diese seyn solte; noch auch alle auf eine nutzbare Art ausdeuten oder anwenden.130 Seybold hatte schon im Schreiben über den Homer (1772), einem Plädoyer für das Homer-Studium wohl vor allem an den Schulen, verlangt, die poetischen

126

Vgl. z. B. Christian Tobias Damm, Einleitung in die Götter=Lehre und Fabel=Geschichte der alten Griechischen und Römischen Welt. Nebst einem Anhang und ganz neuen Kupfern. Neue völlig umgearbeitete Auflage, Berlin 1786, S. 60f., wo die

Bemerkung über die Verehrung des Phallos getilgt ist, die Moritz wohl S. 209,7–13 und Erl. verwendet hat. Vgl. ferner die Bemerkungen über die Unterweltströme S. 249,25–28 und Erl., die nicht mit der Ausgabe von 1786, S. 37f., wohl aber mit derjenigen von 1783, S. 106 übereinstimmen. 127 Theodor Schön, Art. Seybold, David Christoph, in: ADB 34 (1892), S. 79–80. 128 Rez. von Einleitung in die Götter-Lere und Fabel-Geschichte der ältesten Grie-

chischen und Römischen Welt. Nebst einem Anhange und nöthigen Kupfern. Durch Christ. Tob. Damm, Rector des Köln. Gymn. zu Berlin. Vierte verbesserte Auflage, Berlin 1775, in: Allgemeine Deutsche Bibliothek 34, 1. Stück (1778), S. 267–271, hier: S. 268. 129 Vgl. Damm, Einleitung, S. 1–4. 130 Damm, Einleitung, Vorbericht, unpaginiert.

Christian Gottlob Heyne und Friedrich Gedike

475

Schönheiten von Ilias und Odyssee unter Berücksichtigung archaischer Sitten und Lebensumstände als den Gesichtspunkt zu erschließen, aus welchem man von den w a h r e n Flecken und w a h r e n Schönheiten des Homers urtheilen muß.131 In der Einleitung in die Griechische und Römische Mythologie der alten Schriftsteller für Jünglinge (1779) nimmt der Verfasser diesen Faden auf und lässt die Mythologie in den Zeiten wurzeln, da die Menschen in der

Kindheit der Begriffe waren, und weder Künste noch Wissenschaften hatten.132 Damit ist der Mythos im Wesentlichen der Kritik entzogen und der historischen Erkundung der menschheitlichen Frühzeit überantwortet. Methodisch will Seybold zwei Hauptfehler bey den bisherigen mythologischen Schriftstellern, unter ihnen namentlich Banier, korrigieren: erstlich den, daß ihre

Nachrichten aus den alten Schriftstellern j e d e s Z e i t a l t e r s zusammengetragen waren, zweitens die Vermischung des griechischen Volksglaubens mit der politischen Mythologie der Römer. Anders als in seiner Zeit üblich – und anders als Moritz – setzt er die Götter der Griechen auch in den Besiz ihrer N a t i o n a l n a m e n wieder ein, differenziert also zwischen griechischen und römischen Götternamen.133

7. Christian Gottlob Heyne und Friedrich Gedike Bis auf weiteres gibt es nicht viele handfeste Anhaltspunkte für die Annahme, dass Moritz Arbeiten Christian Gottlob Heynes (1729–1812) gelesen hätte.134 Dass einem Autor, der sich um 1790 mit der Mythologie befasste, Heynes Thesen entgangen sein könnten, ist aber äußerst unwahrscheinlich. Obwohl Heyne, welcher gewiß die größeste Stärke in diesem Studium hat, keine ausführliche Darstellung zu Fragen der Mythologie hinterließ, gilt er bereits unter Zeitgenossen als Autorität und steht auch bei der Nachwelt in dem Ruf, einen wissenschafts-

131

Seybold, Schreiben über den Homer, S. 42. Seybold, Einleitung, S. 12. 133 Seybold, Einleitung, Vorrede, unpaginiert. 134 Vgl. aber z. B. die von Heyne vertretene und von Moritz wiedergegebene Theorie, der zufolge die Erde aus den aufsteigenden Nebeldünsten Ç. . .È den umwölbenden Luftkreis gebildet habe; s. S. 54,6 und Erl. im vorliegenden Band. 132

476

Götterlehre

geschichtlichen Wendepunkt zu bezeichnen.135 Johann Matthias Schröckh etwa geht in der Vorrede zum fünften Band der von Moritz verwendeten BanierÜbersetzung auf Heynes Mythentheorie ein.136 Über seinen Freund Friedrich Gedike (1754–1803) kam Moritz ohnehin so gut wie sicher mit Heynes Ansichten in Kontakt, folglich auch mit den ethnographischen, anthropologischen, mythengeschichtlichen und sprachhistorischen Debatten, die Heyne aufgreift. Für Johann Heinrich Voss war Heynes Mythentheorie so bedeutsam, dass er in den Mythologischen Briefen (1794) den Kampf gegen sie aufnahm.137 – Auf den ersten Blick beziehen Heyne und Moritz einander entgegengesetzte Positionen; gleichwohl sind Anschlusspunkte zu notieren. Auch Heyne liegt daran, endlich Licht und Ordnung in eine Art der Kenntnisse 〈zu〉 bringen, welche gemeiniglich ein verworrenes Chaos aus ganz heterogenen Theilen ist.138 Nach Friedrich Gedike, der sich auf ihn beruft, ist es allerdings ebenso unmöglich, die Vielzahl mythologischer Überlieferungen zu einem Ganzen zusammenzusetzen wie die Ruinen von Persepolis, Palmyra, Babylon, Pästum und andern großen Städten des Alterthums; denn am Ende würde doch dies neue aus den alten Trümmern zusammengesetzte Gebäude die widersinnigste und geschmakloseste Komposition sein, ohne Ebenmaß, ohne Festigkeit, ohne Bequemlichkeit, ohne Schönheit. Ueberall würde die gesunde Vernunft, überall der gute Geschmak sich beleidigt fühlen.139 Anstelle von Systembildungen sieht Heyne unter solchen Bedingungen eine konsequentere Historisierung angezeigt. Der Altphilologe unterscheidet die Mythenerzählungen im eigentlichen Sinn, die in mündlicher Überlieferung ihre Wurzeln haben, von dem poetischen Gebrauch, den Homer und die nachfolgenden Dich-

135

Seeger 2, Vorrede, S. VIII. Für einen Überblick über die Beurteilung von Heyne in der Forschungsgeschichte und für eine Gesamteinschätzung seiner Leistungen vgl. Scheer 2014, S. 1–3; 24–28. 136 Banier 5, S. 19–24. 137 Vgl. z. B. die mit I. m. gezeichnete Rez. des ersten Bands von Voss’ Schrift, in: Oberdeutsche Allgemeine Litteraturzeitung, Oktober 1794, 123. St., Sp. 769–776. S. Held 2009, S. 204–206. Zu Heyne und Voss Fornaro 2004, S. 112f. 138 Heyne, Vorrede, in: Hermann, Handbuch 1, unpaginiert. 139 Gedike, Ueber die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie, in: Vermischte Schriften, S. 61f. Gedike nennt Heyne ebd., S. 92. Zu Gedikes Aufsatz Gisi 2007, S. 394–399.

Christian Gottlob Heyne und Friedrich Gedike

477

ter von ihnen machen,140 trennt also den Mythos von der Mythologie.141 Schon die frühesten überlieferten Epen repräsentieren demnach eine spätere Erscheinungsform des Mythos. Heynes kritische Perspektive schärft den Blick für den Umstand, dass Mythen niemals in ›authentischer‹ Form die Gegenwart erreichen, sondern nur in einer durch viele Bearbeitungsinstanzen gefilterten Gestalt. Widersprüchlichkeit und Konfusion der Mythen gehen nach Heyne auf lokale Erzähltraditionen und auf willkürliche Veränderungen durch die tragischen Dichter, die bildenden Künstler, die Redner und die Sophisten zurück, überliefert durch Erklärer und Scholiasten, Mythographen und Grammatiker.142 Dem Forscher fällt die Aufgabe zu, Mythen wieder auf ihren Kerngehalt zu reduzieren.143 Man werde, so Heyne, nie in der Mythologie zu Etwas Gesundem gelangen Ç. . .È, bis man nicht die Mythologie der ältern Zeitalter rein vortragen und

von der spätern Dichter Gebrauche absondern, alsdann die Mythologie der alten Lyriker, der Tragiker, der Alexandrinischen Dichter u. s. w. jede für sich stellen wird.144 Einen solchen Versuch unternimmt das Handbuch der Mythologie von Martin Gottfried Hermann, dessen erster und zweiter Band 1787 und 1790, also nur wenig früher als Moritz’ Götterlehre, mit Vorreden von Heyne in Berlin und Stettin erschienen. Zeitgenössische Rezensenten ergreifen wiederholt die Gelegenheit, das Handbuch der Mythologie mit der Götterlehre zu konfrontieren und die Differenzen zu notieren.145 Moritz hat sich allem Anschein nach mit Hermann nicht auseinandergesetzt.

140

Heyne, Ueber den Ursprung, S. 14f. Zur Verwurzelung der Mythen im vorschriftlichen Zeitalter Heidenreich 2006, S. 489. 141 Gisi 2007, S. 402. 142 〈Christian Gottlob Heyne, von einigen insgemein nicht so genau bemerkten Quellen

und Veranlassungen der vielen Unrichtigkeiten, welche theils in den mythischen Geschichten selbst, theils in der Erklärung derselben vorkommen?〉, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 1764, S. 1257–1261, hier: S. 1259f.; Heidenreich 2006, S. 467; Scheer 2014, S. 16f. Heidenreich 2006, S. 471–496; Scheer 2014, S. 21. 144 〈Christian Gottlob Heyne〉, Rez. von Handbuch der Mythologie aus Homer und He143

siod, mit erläuternden Anmerkungen begleitet. Von Martin Gottfried Hermann. Nebst einer Vorrede des Hrn. Hofr. Heyne, Berlin 1787, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 1787, S. 1386–1388, hier: S. 1386. Vgl. Heeren, S. 195–197. 145 Vgl. Nr. 10 und Nr. 12 unter den Rezensionen zur Götterlehre im vorliegenden Band.

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Götterlehre

Mythen dokumentieren nach Heyne Kultur und Sprache von Menschen des archaischen Zeitalters.146 Gedike sekundiert: Zur richtigen Beurtheilung der

Mythologie ist durchaus nothwendig, daß man ganz die Kultur seines Zeitalters vergesse, und sich in die Rohheit und Ideenarmuth eines wilden Volks hineindenke.147 Mit dieser These gewinnt Heyne Anschluss an kulturanthropologische Interessen des 18. Jahrhunderts am »esprit des nations« (Montesquieu, Helve´tius),148 näherhin an Geschichtsmodelle, die individuelle mit menschheitsgeschichtlichen Entwicklungsstufen analog setzen. Schon Fontenelle hatte die Mythenforschung mit der Absicht begründet, nähere Einsichten in den menschlichen Geist und seine Schwächen zu gewinnen: Eclaircissons, s’il se peut, cette matiere, so ruft er aus, e´tudions l’esprit humain dans une de ses plus e´tranges

productions; c’est-la` bien souvent qu’il se donne le mieux a` connoıˆtre.149 Doch selbst der Mythenkritiker Johann Adolf Schlegel präsentiert eine Reihe von Aspekten (Moral, Religion, Geschichte), unter denen die Auseinandersetzung mit der Mythologie betrieben werden solle.150 Insofern Autoren der Aufklärung den Blick für das historisch Besondere und die Andersartigkeit von Mythen schärfen, bereiten sie die Neubewertungen des Mythos am Ende des 18. Jahrhunderts vor.151 Die Vorstellung von einer Phylogenese nach ontogenetischem Muster fußt auf Ansätzen vergleichender Ethnographie, die Heyne vor allem in der Gestalt von Beschreibungen primitiver Kulturen in Reiseberichten kannte.152 Der Altertumskundler, der über seine Quellen nur selten Auskunft gibt, scheint darüber hinaus religionsgeschichtliche Studien wie die von Charles de Brosses,153 Giambattista Vicos Theorie mythischen Denkens als Ausdrucksform einer frühen Entwicklungs-

146

Vgl. Heyne, Ueber den Ursprung, S. 10–14, mit dem Versuch einer Rekonstruktion der Entstehung vorhomerischer Kosmogonien. 147 Gedike, Ueber die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie, in: Vermischte Schriften, S. 92. 148 Vgl. Fornaro 2004, S. 117. 149 Fontenelle, De l’origine, S. 354. 150 Banier 1, Vorrede des Uebersetzers, S. 12–18. 151 Jamme 1998a, S. 160–162. 152 Vgl. Horstmann 1972, S. 62f.; 79f. Fornaro 2004, S. 114; 118–122; 154–161; für das Interesse am Vergleich zwischen Griechen und primitiven Kulturen s. Fornaro, passim; Gisi 2007, S. 220. 153 Brosses, Ueber den Dienst.

Christian Gottlob Heyne und Friedrich Gedike

479

stufe der Menschheit in der Scienza nuova154 und Theorien über den Ursprung der Sprache zur Kenntnis genommen zu haben.155 Da Heyne Annahmen über die Beschaffenheit archaischer Kulturen schon voraussetzt, mündet seine Mythenkunde jedoch allenfalls in Grenzen in eine Kulturgeschichte der Frühzeit ein.156 – Der Ausblick auf eine vergleichende Mythenforschung, den Moritz im Gesichtspunkt–Kapitel der Götterlehre gibt, könnte darauf schließen lassen, dass er von dem ethnographischen Kontext wusste, auf den auch Gedike verweist.157 Es ist darüber hinaus nicht ausgeschlossen, dass Moritz Herders mythenbezogene Überlegungen kannte, deren Ausgangspunkt Heynes Mythenforschungen sind.158 Als menschheitsgeschichtlich frühe Zeugnisse unterliegen Mythen bei Heyne nicht dem Verdacht des poetisch Verfälschten. Unter der Voraussetzung, dass den Mythenerzählungen ein von ihrem kulturellen Kontext abhängiger Sinn zukommt, ist das mythologische Denken von der Wahrheitsfrage entlastet.159 Mythen gehorchen, als archaische Formen des Erklärens und Erinnerns, eigenen Gesetzen: M y -

t h o l o g i e ist an und für sich die ä l t e s t e G e s c h i c h t e u n d ä l t e s t e P h i l o s o p h i e ; d e r I n b e g r i f f d e r a l t e n Vo l k s - u n d S t a m m s s a g e n , a u s g e d r ü c k t i n d e r a l t e n r o h e n S p r a c h e ; und von dieser Seite erhält sie einen neuen Werth, als U e b e r b l e i b s e l d e r ä l t e s t e n Vo r s t e l l u n g s a r t e n u n d A u s d r ü c k e .160 Die These von der Mythologie als ä l t e s t e r P h i l o s o p h i e hatte, wenngleich in deutlicher abweisendem Sinn, zuvor schon Fontenelle vertreten.161 Als uralte Überlieferungen können Mythen Heyne zufolge nicht nicht nach gegenwärtigen Maßstäben bewertet werden. Zwar bestreitet er z. B. nicht die Anwendbarkeit des Allegoriebegriffs überhaupt, wohl

154

Vgl. Gisi 2007, S. 210–215; Czepluch 2009, S. 25. Zu Heyne und Vico Fornaro 2004, S. 151–154. 155 Zu Heynes Quellen Horstmann 1972, S. 82–84; Heidenreich 2006, S. 431–448. 156 Heidenreich 2006, S. 493–495; Scheer 2014, S. 19. 157 Gedike, Ueber die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie, in: Vermischte Schriften, S. 92. 158 Vgl. Gisi 2007, S. 227–234; für den Zusammenhang zwischen Moritz und Herder s. Meier 2000, S. 198. 159 Knatz 1999, S. 249f. Für einen knappen Überblick über Heynes Mythentheorie vgl. Buchholz 1990, S. 33–40. 160 Heyne, Vorrede, in: Hermann, Handbuch 1, unpaginiert. Vgl. Fornaro 2004, S. 115. 161 Fontenelle, De l’origine, S. 378. Zu Heyne im Verhältnis zu Fontenelle Fornaro 2004, S. 161–165.

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Götterlehre

aber im Sinn von witziger Einkleidung und zierlichen Hüllen für ihre Gedanken, wie er sie neueren Autoren zuordnet. Die mythische Bildsprache war nach Heyne die Gestalt, die die älteste Geschichte sowohl als die älteste Philosophie und Theologie unter Menschen annahmen, die in hohem Grad durch sinnliche Eindrücke affizierbar waren, über keine abstrakte Begrifflichkeit verfügten und sich physischen Uebeln unmittelbar ausgesetzt sahen.162 In einer Formulierung des Heyne-Biographen Heeren ist nunmehr die richtige

Ansicht der Mythologie auch der einzige wahre Schlüssel zur Kunde des höhern Alterthums.163 Damit befindet sich die Mythenkunde auf dem Weg zu einem eigenwertigen altphilologischen Kenntnisbereich,164 der nicht lediglich subsidiären Charakter hat. Das Studium der Mythologie, so Gedike, erscheint jetzt nicht mehr nur mit Blick auf das Verständnis von antiken Texten und von Kunstwerken angezeigt, sondern vor allem deshalb, weil sie aus Trümmern von den

Ideen der uralten Vorwelt besteht, die jedem denkenden Kopf unendlich wichtiger sein müssen als öde Steinhaufen und verrostete Geräthschaften des Alterthums.165 Mythologie bietet aus dieser Perspektive einen privilegierten Zugang zu menschheitsgeschichtlichen Grundlagenkenntnissen und hat auf dieselbe Legitimation Anspruch wie Sprachgeschichte und Ethnographie: so lange

man den Menschen nur aus einem Zeitraum und aus einem Himmelsstrich kennt, ist alle unsre Menschenkenntniß zwar für gesellschaftliche Verhältnisse zureichend, aber für Philosophie und Religion sehr unzulänglich.166 Insofern Heyne zufolge der Mythos eine frühzeitliche Form der Welterklärung ist, deren fremdartiges Wesen nur mit historisch-kritischen Mitteln rekonstruiert werden kann, stehen seine Ideen im Gegensatz zur Götterlehre. Für eine Erforschung historischer und kulturgeographischer Dimensionen des Mythos gibt es bei

〈Christian Gottlob Heyne, De caussis fabularum seu mythorum veterum physicis〉, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 1764, S. 953–955, hier: S. 954f.; Heyne, Ueber den Ursprung, S. 13f. Gedike, Ueber die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie, in: Vermischte Schriften, S. 93–97. Zu Friedrich Gedikes Kritik an allegorischen Mythendeutungen vgl. darüber hinaus die Erl. zu S. 14,20; vielleicht auch Seybold, Einleitung, S. 405–409. 163 Heeren, S. 194. 164 Vgl. Horstmann 1972, S. 63–71; Scheer 2014, S. 24f. 165 Gedike, Ueber die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie, in: Vermischte Schriften, S. 63. 166 Heyne, Vorrede, in: Hermann, Handbuch 1, unpaginiert. 162

Christian Gottlob Heyne und Friedrich Gedike

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Moritz weder Platz noch Anlass; denn anders als bei Heyne gilt in der Götterlehre der Mythos gerade in seinen poetischen Erscheinungsformen als unhintergehbare Bildsprache. Die Lösung, die Moritz für das Chaos der Mythologie findet, liegt nicht in historischen Analysen, sondern in der ästhetischen Kontemplation. Moritz verabschiedet sich von der historisch-empiristischen Mythographie der Aufklärung, wie Heyne sie vertritt, und entwickelt kein Interesse an einer methodischen und nachprüfbaren Rückführung überlieferter Mythenvarianten auf ihre Urform und an ihrem historischen oder ›physikalischen‹ Gehalt. Trotzdem scheint Heynes Mythentheorie zu Moritz’ Ausgangspunkten zu zählen. Heynes Überlegungen sind zwar kein geeignetes Hilfsmittel, um Problemstellungen der Götterlehre zu beschreiben, bilden aber einen äußeren Rahmen, den Moritz mit seiner eigenen Perspektive auf die griechische Mythologie füllen konnte. Allem anderen voran gilt dies für die Aufwertung des Mythos als Forschungsgegenstand, die Moritz in eine solche als Gegenstand ästhetischer Aufmerksamkeit und psychologischen Interesses verwandelt. Wie bei Heyne emanzipiert sich bei Moritz die Mythologie aus der Rolle einer altertumskundlichen Hilfsdisziplin und wird zu einem eigenständigen Objekt der Betrachtung. Noch über Heynes Mythologie-Ideen hinaus tritt die Götterlehre mit dem Anspruch auf, Grundlagenfragen der Konstitution des Individuums anzufassen (vgl. weiter unten). Aus der nur für bestimmte Zwecke erforderlichen Mythologie wird so ein Hauptgegenstand von allgemeinem Interesse. Entschiedene historische Distanznahme ist bei Heyne die Bedingung dafür, dass Mythenüberlieferungen ohne Rücksicht auf Überzeugungen der Aufklärung zur Erforschung freigegeben und in ihrem besonderen Charakter verstanden werden können. Kraft seiner Andersartigkeit gewinnt der Mythos auch bei Moritz ein Aufklärungspotential, denn er kann, darin Reisebüchern und ethnographischen Erkundungen vergleichbar, die eigene Erfahrungswelt erkenntnisträchtig in ungewohntem Licht erscheinen lassen. Ähnlich wie Heyne verschiebt Moritz den Akzent von der Bedeutung oder vom Wahrheitsgehalt auf die Form,167 und zwar im spezifischen Sinn einer poetischen Sprache. Mit der Unterscheidung zwischen dem ursprünglichen Mythos und dessen poetischer Verwertung bei Homer und seinen Nachfolgern schuf Heyne auch für Moritz’ poetischen Mythosbegriff die Voraussetzungen.168 Es ist die poetische

167 168

Zu dieser Verschiebung Gisi 2007, S. 192. So die These von Gisi 2007, S. 409. Einen Versuch, die Aufklärung als Voraussetzung u. a. der

482

Götterlehre

Form, die Moritz im Unterschied zu Autoren, die Modelle rationalistischer Mythenreduktion entwickeln, als eine Sprache der Phantasie anerkennt, die auch gegenwärtige Leser anspricht. Heynes Lehren legen schließlich den Grund dafür, dass Moritz den Versuch unternehmen konnte, Mythen nicht nur als schulischen oder akademischen Lehrstoff zu betrachten. Denn erst im Zeichen historischer Distanzierung wird die Frage möglich, ob und auf welche Weise sich eine ›neue Mythologie‹ – ein Schlagwort insbesondere der Frühromantik, das Moritz noch nicht verwendet169 – anvisieren lasse. Wenn Moritz dem Mythos die Kraft zutraut, in poetischer Gestalt metaphysische Grundfragen zu behandeln, liefern Heynes Arbeiten dafür die mythentheoretischen Voraussetzungen.170

8. Antike Quellen und Übersetzungen Hier mehr, dort weniger hat Moritz bei der Arbeit an der Götterlehre auf antike – im Original griechische wie lateinische – Quellen zurückgegriffen. Ein Blick auf deren Verwendung enthüllt den Collage-Charakter bedeutender Teile der Götterlehre. Da Moritz in erheblichem Umfang Stoff einarbeitet, dessen Kenntnis er der Mythenkunde des 18. Jahrhunderts verdankt, sei im Folgenden auch eine ›Negativliste‹ antiker Autoren genannt, die er mit einiger Sicherheit nicht konsultiert hat. Wenn man von Hinweisen auf Homer und Horaz im Gesichtspunkt-Kapitel absieht, nennt Moritz in der Götterlehre nur drei antike Verfasser beim Namen: Aristophanes, Pausanias und Vergil.171 Gleichwohl zehrt die Götterlehre vor allem in ihrer ersten Hälfte von der intensiven Verwendung einer Auswahl antiker Originalquellen. Moritz selbst deutet an, dass die homerischen Epen eine der wichtigen Grundlagen der Kapitel über die olympischen Götter bilden, deren Charak-

»neuen Mythologie« zu fassen, unternimmt auch Matuschek 2014. – Guilbert 1999, vor allem S. 200–218, scheint hingegen die Ansicht zu vertreten, dass Heyne und Moritz vor allem in einem Gegensatzverhältnis zueinander stehen. 169 Die Formel erscheint, unter skeptischen Vorzeichen, wohl erstmals in Herders Aufsatz Vom neuern Gebrauch der Mythologie, in: Sämmtliche Werke 1, S. 426–449, hier: S. 444. Vgl. Frank 1982, S. 131. 170 Vgl. Starobinski 1990, v. a. S. 343–390. 171 S. 44,22; 39,18; 67,27 im vorliegenden Band.

Antike Quellen und Übersetzungen

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terzüge er in erster Linie anhand von Homer-Stellen umreißt.172 Seine Götterlehre fällt in eine Epoche intensiver Übersetzungsaktivitäten aus dem Griechischen, die sich parallel zu dem anwachsenden Interesse an der Mythologie entwickelten und hier in ihrer Breite bis hin zu den Mehrfachübertragungen einzelner Werke nicht dokumentiert werden können. Als Moritz an der Götterlehre arbeitete, lagen allein fünf Komplettübersetzungen der Ilias ins Deutsche vor, die nach 1750 erschienen waren – zwei davon (Bodmer und Stolberg) in Versform, die übrigen in Prosa.173 Dass Moritz die Voss-Übersetzung der Odyssee kannte, die 1781 erstmals herausgekommen war, ist mehrfach bezeugt, unter anderem in den Reisen eines Deutschen in Italien, wo der Verfasser auf dem Weg nach Neapel aus diesem Werk vorliest.174 Ob sich der Hinweis auf Voss’ unübertrefliche Uebersetzung des Homers in dem Aufsatz Der Dichter im Tempel der Natur (1793) auch schon auf die Ilias-Übersetzung bezieht, die im selben Jahr gedruckt wurde,175 mag dahingestellt bleiben. Mit epischer Literatur zum Argonautenzug – den hellenistischen Argonautika des Apollonios von Rhodos (3. Jh. v. Chr.), den (lateinischen) Argonautica des Valerius Flaccus (1. Jh. n. Chr.) und den Orphischen Argonautika (vermutlich 5. Jh. n. Chr.) – scheint Moritz sich nicht beschäftigt zu haben. Auch Moritz’ Kenntnis der sogenannten homerischen – tatsächlich nachhomerischen – Hymnen, einer Sammlung von dreiunddreißig Preisgesängen an die Götter, zeichnet sich in der Götterlehre deutlich ab.176 Besonders von einigen der umfangreicheren unter ihnen (an Apollon, Hermes und Aphrodite) macht Moritz ebenso intensiven Gebrauch wie von den Hymnen auf Zeus, Apollon, Artemis und Delos des alexandrinischen Gelehrten und Dichters Kallimachos (geb. vor 300 v. Chr.). Die meisten homerischen Hymnen und Hymnen von Kallimachos lagen in einer aktuellen Versübersetzung (1782) aus der Feder von Christian Graf

172

Vgl. S. 241,1–7 im vorliegenden Band. Es handelt sich um die anonyme Übersetzung von 1754 (Homer, Ilias [Ueberbleibsel]) sowie um die Übertragungen von Damm (1770), Kütner (1771–1773), Bodmer (1778) und Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1778). 174 RDI 2, S. 14f. Vgl. auch das Zitat aus der Odyssee-Übersetzung in VS, S. 129 (KMA 3). Moritz hatte Voss schon 1782 anlässlich einer Reise nach Hamburg persönlich kennengelernt; vgl. Eybisch 1909, S. 102. 175 Der Dichter im Tempel der Natur, in: Deutsche Monatsschrift 1793, 1. Bd., S. 72–78, hier: S. 74 (KMA 3). – Homers Ilias von Johann Heinrich Voss, 2 Bde., Altona 1793. 176 Vgl. Becker 1995, S. 244. 173

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Götterlehre

zu Stolberg vor. Denkbar ist, dass Moritz die Hymnen Pindars (522 oder 518–nach 446 v. Chr.) verwendet hat, die in Prosaübersetzungen von Christian Tobias Damm (1770/71), teilweise auch von Moritz’ Berliner Freund Friedrich Gedike (1777/1779) zur Verfügung standen. Von den Dramatikern scheint Moritz zu Aischylos’ (525/524–456/455 v. Chr.) Prometheus in Fesseln, Sophokles’ (497/496–406/405 v. Chr.) Trachinierinnen, möglicherweise auch zu König Oidipus, darüber hinaus zu Euripides’ (485/484 oder 480–406 v. Chr.) Alkestis und vielleicht zu dessen Bakchen (die alle in zeitgenössischen Übersetzungen vorlagen) gegriffen zu haben.177 Zwar wusste er von weiterer Theaterliteratur zum Thebanischen und zum Trojanischen Sagenkreis; direkten Eingang in die Götterlehre hat sie jedoch nicht gefunden. Dass Moritz im Übrigen nicht in jedem Fall die Originalquellen zu Rate zog, zeigt ausgerechnet das Beispiel des namentlich genannten Aristophanes (zwischen 450 und 444–um 380 v. Chr.). Die Götterlehre referiert die ›Ornithogonie‹, die der Dichter in die Komödie Die Vögel einschaltet. Der Wortlaut spricht aber dafür, dass Moritz seine Informationen aus Banier bezog.178 Wahrscheinlich kannte Moritz die Stolbergsche Ilias-Übersetzung.179 Allerdings lässt sich nicht zwingend nachweisen, dass er für die Götterlehre Übersetzungen griechischer Quellen ins Deutsche herangezogen hätte. Auch wenn die HomerParaphrasen sich zuweilen mit vorliegenden Übertragungen berühren,180 hat keine von ihnen den Charakter eines Zitats. In Einzelfällen gibt der Verfasser den Sinn der antiken Texte detailgetreuer wieder, als die Übertragungen es tun.181 Im Mythologischen Almanach für Damen verwendet er auch Homerische Hymnen, die in der Stolbergschen Übersetzung nicht berücksichtigt sind.182 Ein ähnliches Bild ergibt sich für Hesiod (um 700 v. Chr.), dessen Theogonie den ersten Kapiteln

177

Aischylos, Prometheus in Fesseln (Schlosser, 1784). Sophokles, König Oidipus (Tragödien [Stolberg] 2, S. 118–230); Sophokles, Die Trachinierinnen (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 99–192 (1787); Euripides, Alkestis (Seybold, 1774). 178 Vgl. S. 44,22–32 und Erl. im vorliegenden Band. 179 Vgl. BNS, S. 45 (KMA 3), wo Moritz Zeilen aus der Ilias im Versmaß einfügt, die Stolbergs Übersetzung sehr nahe stehen (Homer, Ilias, 3,164–165; 156–158, [Stolberg] 1, S. 79). 180 Vgl. z. B. die Rettung des Schlafs durch die Nacht vor Zeus’ Zorn, S. 38,12–14 und Erl. im vorliegenden Band. S. auch S. 289,19–23 und Erl. Dass Moritz über Voss‘ Übertragung der Odyssee hinaus Übersetzungen ins Deutsche kannte, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen. 181 Vgl. S. 94,20–25 und Erl. im vorliegenden Band. 182 Vgl. S. 313,18–28, 317,23–27 und 326,19–327,3 mit den Erl. im vorliegenden Band.

Antike Quellen und Übersetzungen

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zugrunde liegt und darüber hinaus das Strukturmodell für größere Teile der Götterlehre abgibt. Zu Moritz’ Zeit lag nur eine vollständige Prosaübersetzung von 1788 in deutscher Sprache vor, die offenbar nicht dem griechischen Original folgt, sondern einer französischen Vorlage.183 Von Voss’ 1806 erschienener TheogonieÜbersetzung, die in den Stellenerläuterungen verwendet wird, war erst ein Ausschnitt zur Titanomachie veröffentlicht.184 So könnte der Anschein entstehen, als hätte Moritz griechische Dichtungen auf der Grundlage eigener Lektüre des jeweiligen Originals paraphrasiert. Vermutlich verfügte er jedoch nicht über die Kenntnisse, die es ihm erlaubt hätten, direkte Übertragungen aus den griechischen Texten vorzunehmen.185 Deshalb ist wahrscheinlich, dass er sich, wie es für die gemeinsame Homer-Lektüre auch Klischnig andeutet,186 synoptischer griechisch-lateinischer Ausgaben bediente. Für die lateinische Dichtung genügt der Hinweis, dass Moritz eine Reihe klassischer Werke mit Mythologiebezug für die Götterlehre verwendet hat. Zu nennen sind die Aeneis, die Georgica und die Bucolica von Vergil (70–19 v. Chr.), die Metamorphosen und die Fasti von Ovid (43 v. Chr.–etwa 17 n. Chr.), die Oden des Horaz (65–8 v. Chr.), gelegentlich Catull.187 Ob Moritz selbst auch zu Ovids Heroides, zur Ars Amatoria, den Amores und den Tristia griff, ist unklar. Trotz der Spuren, die diese Werke in der Götterlehre hinterlassen haben, mag man auch bezweifeln, dass Moritz die Dichtungen des Publius Papinius Statius (ca. 40–96 n. Chr.) – die Thebais und die unvollendet gebliebene Achilleis – oder Lucans (39–65 n. Chr.) Pharsalia verwendet hat. Zahlreiche Mythenerzählungen sind erst in späten Quellen erhalten oder jedenfalls zusammengefasst – bei Historiographen bzw. Mythographen wie Diodorus Siculus (1. Jh. v. Chr.) und Apollodoros (vermutlich 1. oder 2. Jh. n. Christus), in der Griechenland-Periegese des Pausanias (etwa 115–180), in Strabons (etwa 63 v. Chr.–23 n. Chr.) Erdbeschreibung, in den Göttergesprächen und anderen Schriften von Lukian (etwa 120–180) oder bei Plutarch (etwa 45–125), dessen 183

Enthalten in Bergier, Ursprung 1, S. 305–348. Diese Schrift ist eine Übersetzung von Nicolas Sylvestre Bergier: L’origine du paganisme: et le sens des fables de´couvert par une explication suivie des poe¨sies d’He´siode, Paris 1767, zweite Auflage 1774. Zu Bergier vgl. Gruppe 1921, S. 76f. 184 Voss, Hesiodus vom westlichen Ende der Welt, S. 59–69. 185 Vgl. KMA 4/1, Überblickskommentar, S. 342–347. 186 Klischnig, S. 99. 187 Vgl. S. 215,13–21 und Erl. im vorliegenden Band.

486

Götterlehre

Theseus-Biographie für die Götterlehre von Belang ist. Zu erwähnen sind auch lateinische Mythographen und Kommentatoren wie Hyginus (2. Jh. n. Chr.), Servius (4. Jh.), Fulgentius (6. Jh.) und weitere. Dass Moritz diese Literatur entgangen sein könnte, ist völlig ausgeschlossen. Alle genannten griechischen Schriften lagen zu Moritz’ Zeit in mehr oder weniger aktuellen Komplettübersetzungen ins Deutsche vor.188 Für Mythenkenner der Neuzeit, die Mythenüberlieferungen mit den Instrumenten der Philologie untersuchen, sind vor allem die Mythographen, die das meiste Licht Ç. . .È über die eigentliche Beschaffenheit der alten Fabelgeschichte zu verbreiten scheinen,189 stets Hauptzeugen. Von der Bibliothek des Apollodor hat Heyne sogar eine kommentierte Ausgabe veranstaltet.190 Trotzdem scheint es, als hätte hingegen Moritz darauf verzichtet, die genannten Schriften überhaupt oder doch systematisch zu heranzuziehen, deren Mythenversionen in der Regel stattdessen auf dem Umweg über zeitgenössische Darstellungen Eingang in die Götterlehre fanden. Die Akzentverschiebung vor allem von den »Scholiasten und Kompilatoren der Spätzeit«191 auf griechische Dichter, allen voran Homer, kann in ihrer Bedeutung für die Götterlehre kaum hoch genug veranschlagt werden. Gewiss – die HomerVerehrung hat ihre eigene Vorgeschichte. Doch innerhalb der mythologischen Literatur signalisiert diese Umorientierung Moritz’ Abkehr von Verfahrensweisen und Interessenschwerpunkten ganzer Generationen frühneuzeitlicher Mythenkenner. Moritz bewertet den poetischen Charakter des Mythos neu und kann nun auch aktuelle Problemstellungen mit Blick auf die antike Mythologie verhandeln. Ohne diese Wendung wäre vermutlich das Konzept einer Sprache der Phantasie nicht vorstellbar gewesen. Hoheit und Würde,192 die nach Moritz die antiken Dichtungen kennzeichnen, übernimmt er als ›hohen Ton‹ in Sprache und literarische Gestalt der Götterlehre. Der Mythologische Almanach für Damen bringt das Muster zum Vorschein, nach dem auch schon die ersten Teile der Götterlehre angelegt sind und das 188

Apollodoros (Meusel, 1768); Diodorus Siculus (Stroth, 1782); Pausanias (Goldhagen, 1766); Strabon (Penzel, 1757–1777); Lukian, Sämtliche Werke (1788–1789); Plutarch, Lebensbeschreibungen (Kind, 1745–1754). 189 Eschenburg, Handbuch, S. 260. 190

Apollodori Atheniensis bibliothecae libri tres. Ad codd. mss. fidem recensiti a

Chr〈istian〉 〈G〉ottlob Heyne, Göttingen 1782. Seznec 1990, S. 175f. 192 Vgl. S. 91,14 im vorliegenden Band. 191

Antike Quellen und Übersetzungen

487

vielleicht im Idealfall das Gestaltungsprinzip des Werks insgesamt hätte abgeben sollen. Moritz zieht die antiken Schriften nicht in der Absicht heran, sie mit den Mitteln der Philologie zu vergleichen und auf Widersprüche und Abhängigkeiten zu prüfen, die Herkunft der Fassungen zu rekonstruieren oder Stammbäume aufzustellen. Er versucht auch nicht, den mythologischen Wirrwarr rationalisierend aufzulösen oder historisch zu erklären. Überhaupt findet der antike Stoff in die Götterlehre nicht als Untersuchungsobjekt oder Belegmaterial Eingang. Aus Moritz’ Sicht bilden die mythologischen Dichtungen der Alten193 ein umfassenderes Gewebe, aus dem sich die erhaltenen Dichtungen und bildkünstlerischen Monumente speisen. Die Götterlehre zielt darauf, sich durch Wahl des richtigen Gesichtspunkts und Rekombination der Quellen diesem ›Text‹ wieder anzunähern. Es ist ihr Programm, durch die Verknüpfung zitatnaher Paraphrasen »die Vorstellung eines umfassenden, in sich kohärenten, aber durch die Zeitläufte verlorenen mythologischen Meta-Textes« zu vermitteln, »den es mit Hilfe der überlieferten, aus demselben durchgehenden Stoff verfertigten Kunstwerke zu rekonstruieren gelte.«194 Zu diesem Zweck verbindet Moritz Werke heterogener Beschaffenheit, Herkunft und Entstehungszeit in eher assoziativer Reihung195 miteinander. Im Almanach, für den Moritz die Kapitel über die olympischen Götter aus der Götterlehre ausgliederte, wechseln erzählende bzw. reflektierende Prosa und Übersetzungen aus antiken ›Hymnen‹ einander ab. Wie exemplarisch das Artemis/Diana-Kapitel zeigen mag,196 liegt in verdeckter Form vor allem der ersten Hälfte der Götterlehre ein ähnliches Verfahren zugrunde. Das Kapitel besteht fast vollständig aus Paraphrasen aus dem Homerischen Hymnus 5 an Aphrodite, dem Homerischen Hymnus 27 an Artemis, dem Hymnus auf Artemis von Kallimachos, der Ilias und Ovids Metamorphosen. Hinzu kommen eine indirekte Pausanias-Referenz und die Beschreibungen von zwei Gemmen. Die Paraphrasen aus antiken Dichtungen entfernen sich nicht weit von Übersetzungen, wollen sich stilistisch der jeweiligen Vorlage anpassen und sind passagenweise sogar metrisch gestaltet.197 Über die Frage, ob Moritz eigene Übersetzungsversuche, die ihm be193

Vgl. S. 6,1 im vorliegenden Band. Held 2009, S. 208. 195 Vgl. als Beispiel S. 107,10–23, wo Moritz im Hermes-Kapitel an die ›geflügelte‹ bzw. ›ungeflügelte‹ Rede erinnert. 196 Vgl. S. 94,10–97,4 im vorliegenden Band. 197 Vgl. S. 94,20–25 und Erl. 194

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Götterlehre

reits vorlagen, in den Text eingearbeitet hat, wäre allenfalls zu spekulieren. Die Formulierung im Titel der Götterlehre, der zufolge Moritz das Werk zusammengestellt hat, mag sich jedenfalls nicht zuletzt auf die Komposition des Texts aus antiken Texten beziehen. Die Götterlehre vollzieht eine Annäherung an antike Dichtung, insbesondere an Homer, als Inbegriff höchster Kunst überhaupt, um so den Begriff mythologischer Dichtung als Kunst nachvollziehbar werden zu lassen: die Empfindung des Schönen, die, dem Aufsatz In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können zufolge, nach Lesung des Homer als Spur auf dem Grund unsers Wesens zurückbleibt.198 Allerdings vermeidet der Text die Illusion, aus ihm ertöne unmittelbar die Stimme des antiken Mythos. Moritz verweist, in der Regel ohne Autoren und Titel zu nennen, auf Quellen, die er zugrunde legt, macht gelegentlich Referate aus poetischen Werken als solche kenntlich,199 stellt Verknüpfungen her, bietet im Einzelfall sogar rationalisierende Deutungen an und bleibt stets als Statthalter der im Gesichtspunkt-Kapitel formulierten Programmatik erkennbar. In der Götterlehre, die von einem sich in Bildern präsentierenden Gegenstand handelt, führt insofern eine Reflexionsinstanz die Feder. Die Götterlehre selbst gibt sich als weitere Vermittlungsstufe in der langen und verwickelten Reihe mythologischer Quellen zu erkennen. Zu seinem Gegenstand hält Moritz letztlich eine ähnliche Distanz ein, wie sie in der mythenkritischen Literatur der Aufklärungszeit regiert. Dieser Abstand lässt sich auch in ästhetischen Begriffen beschreiben: Die mythologische Erfahrungswelt der Griechen kehrt in der Götterlehre unter dem Vorzeichen von Poesie und Kunst wieder.200 Dass die Götterlehre »die griechische Mythologie als ein geschlossenes Kunstwerk darstellt«,201 wird man dennoch bezweifeln dürfen. Auch aus Moritz’ Sicht steht jedenfalls außer Frage, dass die Gegenwart nicht unmittelbar an die antike Mythologie anschließen kann. Moritz’ Blick auf Mythologie als Poesie setzt, in diesem Sinn, eine gründliche Entgötterung des griechischen Götterhimmels voraus. 198

199

In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 4. St., S. 205 (KMA 3). Vgl. S. 95,7–8: Nach einer schönen Dichtung übte sich Diana zu diesem Geschäft

zuerst an Bäumen. 200

Vgl. Jamme 1998a, S. 164f.; dasselbe in Jamme 2013, S. 171f.; Jamme 1998b, S. 45–55; dasselbe in Jamme 2013, S. 185–194. Vgl. auch Simonis 1994, S. 502. 201 Strich 1910, S. 291.

Ästhetische Bezüge

489

Die Götterlehre vollzieht einerseits ›interessierte‹ Annäherungen an mythologische Dichtungen der Antike und geht andererseits kommentierend auf Abstand zu ihnen; sie greift auf die poetische Kraft phantastischer Mythenerzählungen zurück, um im Zurückgreifen die eigene Reflexionsarbeit herauszustellen. Die mythologischen Dichtungen, deren poetischen Charakter sie hervorhebt, bleiben in der Götterlehre aus zweiter Hand referierte Fragmente. Letztlich steht die Götterlehre vor der Frage, auf welche Weise die poetische Dynamik der antiken Mythologie zu dem begrifflichen und ordnenden Interesse der Aufklärung ins Verhältnis gesetzt werden kann. Das Werk hat insofern Anteil an dem grundlegenden Dilemma des Klassizismus, der antike Überlieferungen weiterführen will, ohne direkt an sie anschließen zu können.202 Die gefilterte Weitergabe der antiken Dichtersprache scheint das Projekt zu verfolgen, unter Modernitätsbedingungen einen neuen Mythendiskurs zu eröffnen. Indem Moritz Texte der ältesten Dichter in moderner Einfassung tradiert, fügt er schließlich der sprachhistorischen Erinnerungskette, auf die er in der Deutschen Sprachlehre für die Damen eingeht, ein neues Glied hinzu.203

9. Ästhetische Bezüge Die Götterlehre erhebt – wie Christian Gottlob Heyne auf dem Gebiet der Altertumswissenschaft – den Anspruch, Mythologie »nicht nur 〈als〉 Grundwissen für gesellschaftliche Konversation, nicht 〈als〉 Spielerei für junge Adlige und ambitionierte Bürgersöhne« zu vermitteln.204 Vielmehr will sie den Blick der Zeitgenossen auf die Mythologie neu justieren – in Moritz’ Terminologie: den Lesern den richtigen Gesichtspunkt nahelegen. Während die Philologie nach Moritz’ Urteil zur Petrifikation des Mythos neigt, soll die Götterlehre ihn als phantastische poetische Produktionsmaschine verständlich machen. In der Ankündigung eines mythologischen Lehrbuchs erklärt der Verfasser seine Absicht, die Trockenheit einer bloß historischen Bearbeitung des Stoffs zu überwinden, um das Studium der Mythologie nützlich und interessant zu gestalten.205 Von demselben

202

Vgl. Engell 1981, S. 246. Vgl. unten S. 500. 204 Scheer 2014, S. 9. 205 S. 3,3–10 im vorliegenden Band. 203

490

Götterlehre

Grundgestus weiß Goethe aus Rom zu berichten: Moritz verfolge die Absicht, eine

Götterlehre der Alten in rein menschlichem Sinn zu schreiben.206 Die Frage, von welcher Art für Moritz das Interesse sein mag, das das Publikum im ausgehenden 18. Jahrhundert an der Mythologie entwickeln konnte, wird näher zu betrachten sein. Vorerst sei festgehalten, dass die Götterlehre als erste mythenkundliche Schrift die klassischen Mythen zum Gegenstand ästhetischer Betrachtung macht. Moritz versteht den Mythos nicht nur als Schatzkammer von Erzählungen und Bildmotiven, sondern erklärt ihn zum Modellfall von Dichtung und Kunst. Hingegen hatte etwa Winckelmann die Mythen, mit deren Hilfe er Kunstwerke deutet und allegorisch auslegt, nicht selbst ästhetisch gewürdigt.207 Vermutlich darf man Moritz auch zu den ersten zählen, die »mythisches Denken nicht als historische Reminiszenz sondern als Elementarereignis mitten in unserer Gegenwart«208 begreifen. Dabei muss der Umgang mit dem Mythos, eigentlich aber letzterer selbst einen Wandel durchlaufen: Während »Mythos explanans 〈ist und〉 erst für den Philologen Ç. . .È zum explanandum« wird,209 billigt ihm Moritz umgekehrt unter gewandelten Voraussetzungen ein neues Erkenntnispotential zu. Banier und andere Autoren hatten mythologische Überlieferungen mit den Waffen des Rationalismus bewerten und Anstößiges unschädlich machen wollen. Hingegen sind Chaos- und Labyrinth-Erfahrungen in der Götterlehre nicht schon vorab durch Ordnungskategorien des Aufklärungszeitalters erledigt und lassen sich nicht als das Fremde, Vergangene und längst Überwundene an die Grenzen der überschaubaren Geschichte verschieben. Die Götterlehre tritt im Gegenteil unter den Bedingungen einer Erosion überkommener Orientierungsparadigmata an. Moritz’ Mythologie-Konzeption wurzelt, angesichts einer antagonistisch strukturierten Welt, in Traumatisierungen, gegen die keine starken Schutzmechanismen zur Verfügung standen.210 Das Interesse des Verfassers zieht die griechische Mythologie als poetische Auseinandersetzung mit einer Krisenkonstellation auf sich. Wichtige Fragestellungen, mit denen Moritz sich beschäftigt, und entscheidende Perspektiven, die er entwickelt, werden verständlich, wenn man die Götterlehre auf den Kontext seiner Schriften zur Ästhetik (einschließlich des Gesichtspunkt-

206

Johann Wolfgang Goethe, Italienische Reise, HA 11, S. 391. Vgl. Disselkamp 2015. 208 Picht 1987, S. 489. 209 Burkert 2009, S. 44. 210 Vgl. Pfotenhauer 1991; Friedrich 1994. 207

Ästhetische Bezüge

491

Kapitels) bezieht. Zu den Neuerungen, die der Verfasser in die Mythenkunde einführt, gehört jedenfalls der Umstand, dass er mythologische Stofftraditionen mit Deutungsmustern verbindet, die er aus der ästhetischen Theorie gewinnt. Das Durcheinander, das der Mythologe vorfindet, steht in einem Analogieverhältnis zu der Konfusion, mit der sich Moritz als Ästhetiker konfrontiert sieht. Hinzu kommen erfahrungsseelenkundliche Querverbindungen. Im Gesichtspunkt-Kapitel gibt Moritz seinem Misstrauen hinsichtlich der Reichweite von überlieferten Kategorien und Semantiken im Umgang mit der Mythologie Ausdruck. Ausgangspunkt der Götterlehre sind Zweifel daran, dass das gewohnte Instrumentarium in der Lage sei, es mit dem disparaten Charakter der Mythen aufzunehmen. Tugendkategorien versagen den Dienst: Götter, so weiß der Verfasser, sind nichts weniger, als moralische Wesen.211 Nicht anders ergeht es abstrakten und metaphysischen Begriffen (Unendlichkeit, Unumschränktheit, Allgegenwart etc.), die das Potential besitzen könnten, das Durcheinander vorgreifend zu strukturieren.212 Außer Kraft gesetzt sind sogar Überzeugungen, die die Zuordnung von Zeichen und Bedeutung betreffen. In mythologischen Zusammenhängen haben konventionelle Referenzierungssysteme ihre Anwendbarkeit verloren. Versuche, mythologische Bilder allegorisch oder historisch aufzulösen, sind zum Scheitern verurteilt; wenn Moritz es ablehnt, das höchste

Werk der Kunst, wie eine Hieroglyphe oder einen todten Buchstaben zu betrachten,213 lässt er die Ahnung aufscheinen, dass es überhaupt unmöglich sein möchte, die Welt mithilfe von allgemeinen begrifflichen Schematisierungen als Sinnzusammenhang zu erfassen. Ein Leser mythologischer Erzählungen, der es sich nicht nehmen ließe, von der Gültigkeit des Vertrauten auszugehen, müsste mit Frustrationserfahrungen rechnen; denn er würde auf nichts als Widersprüche und Ungereimtheiten stoßen.214 Eine weitere Konsequenz liegt nahe: Eine Welt, deren zusammenhangstiftende Strukturen unbekannt bleiben, kann auch nicht im Sinn der Aufklärungspoetik als geordnetes Ganzes in Kunst und Dichtung mimetisch dargestellt werden.215 Moritz trägt solche Einsichten vor, wie um obsolete Ideen zugunsten von

211

S. 15,32 im vorliegenden Band. S. 13,7–21 im vorliegenden Band. 213 S. 14,32–33 im vorliegenden Band. 214 S. 14,12–13 im vorliegenden Band. 215 Vgl. Schneider 2002. 212

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besseren aufzugeben. Doch auch eine andere Perspektive ist möglich: Die Götterlehre tritt die Flucht nach vorn an, weil sie grundlegende Irritationen voraussetzt. Um solche Herausforderungen anzunehmen, schlägt Moritz vor, mythologische Bilder und Erzählungen als Kunst zu betrachten. Dabei setzt er die Aufwertung der d u n k e l a h n d e n d e n Thatkraft zum höchsten Erkenntnisvermögen voraus, die der Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen vollzieht. Das mythologische Chaos mit seinen ›dunklen‹ Erscheinungen, das mit den Mitteln der u n t e r s c h e i d e n d e n Denkkraft216 nicht aufgelöst werden kann, verkörpert geradezu beispielhaft die konfuse bzw. dunkle Erkenntnis, die seit Alexander Gottlieb Baumgarten im Zentrum der philosophischen Ästhetik steht. Georg Friedrich Meier schreibt: Die dunkele Erkentniß ist das Chaos in der Seele, der rohe

Klumpen Materie, den die schöpferische Kraft der Seele bearbeitet, und aus welchem sie nach und nach alle klare Erkentniß zusammensetzt.217 In seinen grundsätzlichen Äußerungen zum Umgang mit mythologischen Stoffen lehnt sich Moritz an den Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen an. Danach scheint allein ein Kunstwerk als für sich bestehendes Ganzes218 die Anschauung einer Totalität möglich zu machen, die weder empirisch an der Natur noch begrifflich erlangt werden kann. Moritz sieht Mythen als Dichtungen an, die keiner Auslegung mit Blick auf etwas außer sich219 unterworfen werden dürfen, da sie gleichsam eine Welt für sich220 bilden. Statt mithilfe von begrifflichen Vorstrukturierungen an der Zerteilung der Schöpfung mitzuwirken, erteilen Mythen in ihrer Selbstreferentialität Auskunft über die Natur insgesamt:

Alles, was eine schöne Dichtung bedeutet, liegt ja in ihr selber; sie spiegelt

216 217

BNS, S. 23 (KMA 3). Meier, Vernunftlehre, § 159, S. 195. Vgl. Baumgarten, Aesthetica, § 6, S. 3: Obiici posset

nostrae scientiae 4) indigna philosophis et infra horizontem eorum esse posita sensitiua, phantasmata, fabulas, affectuum perturbationes, e. c. (Man könnte gegen unsere Wissenschaft 〈die Aesthetik〉 einwenden, sinnliche Wahrnehmungen, Einbildungen, Sagen und Gefühlsverwirrungen wären unwürdige Gegenstände für die Philosophen und lägen unterhalb ihres Horizonts). S. auch Erl. zu S. 13,24–26 im vorliegenden Band. BNS, S. 16 (KMA 3). 219 S. 14,34 im vorliegenden Band. Vgl. für einen Überblick über das Programm der Götterlehre Schrimpf 1967; Buchholz 1990, S. 63–72. 220 S. 13,5 im vorliegenden Band. 218

Ästhetische Bezüge

493

in ihrem großen oder kleinen Umfange, die Verhältnisse der Dinge, das Leben und die Schicksale der Menschen ab.221 In diesem Sinn konzipiert Moritz die Mythologie als Sprache der Phantasie oder auch, in einer Formel, die im Text mehrfach wiederkehrt, als höhere Sprache.222 Insofern Mythen dem Anspruch nach das Allgemeinste anzeigen, scheinen sie auch als gemeinsame Sprache aller zu taugen. Eine Götterlehre, die sich in dieser Absicht an einen weiten Leserkreis wendet, betreibt Popularaufklärung in einem emphatischen Sinn. Höchste Erscheinungsform des Kunstschönen ist nach Moritz die menschliche Gestalt. Die griechische Mythologie beschreibt, jedenfalls aus dem Gesichtspunkt der Götterlehre, von den chaotischen Ursprüngen über die amorphen und chimärenartigen Ungeheuer der Frühzeit bis zu den olympischen Göttern und halbgöttlichen Heroen die fortschreitende Ausbildung anthropomorpher Erscheinungen im Sinn einer Transformation des Chaos durch Individuation und Form.223 Auf vergleichbare Erkenntnisse zielt der Anton Reiser, dessen Titelfigur eine unzureichend strukturierte Biographie bewältigen muss. Der Erzähler sieht die Gefahr aufziehen, dass der beschriebene Lebensweg kein sinnvolles Ganzes ergeben und überall nur Zwecklosigkeit, abgerißne Fäden, Verwirrung, Nacht und Dunkelheit224 zu finden sein möchten. Anton Reiser selbst entwickelt Konterstrategien: Er sucht den Überblick von erhöhten Punkten aus, treibt philosophische Studien und schreibt in sein Tagebuch. Der Erzähler hingegen stellt sich die Aufgabe, Entwicklungslinien und Ariadnefäden sichtbar zu machen. Ein analoges Amt weist Moritz der Kunst zu. Dem Aufsatz Einfachheit und Klarheit (1792) zufolge soll der klassizistische Stil nach dem Vorbild antiker Kunstwerke für Über-

221

S. 15,10–12 im vorliegenden Band. S. 16,20; 78,1 u. ö. im vorliegenden Band. Für eine konsequente Interpretation der Götterlehre unter dem Phantasie-Aspekt vgl. Barth 1991, S. 106–115. 223 Vgl. Williamson 2004, S. 38–40. 224 AR, KMA 1, S. 106. Dasselbe Bild schon in dem Gedicht Leben und Trennung, in: Weihnachtsgeschenk, S. 15f. (KMA 2), beim Rückblick des Sprechers auf das eigene Leben: 222

Doch, welch ein Bild voll Dunkelheit! / Wie mancher abgerißne Faden / Liegt hie und da verwirrt zerstreut, / Und ward gesponnen, um zu schaden. – Zum selben Komplex auch Moritz’ Ideal einer vollkommnen Zeitung (1784), S. 12; 8 (KMA 10), wonach es deren Aufgabe ist, angesichts der Menge der Menschen und der Mannigfaltigkeit in ihren Charakteren, Beschäftigungen, und Verbindungen auf Ordnungsstrukturen und Akzentuierungen hinzuarbeiten und aus der immerwährenden Ebbe und Fluth von Begebenheiten dasjenige herausheben, was die Menschheit interessirt.

494

Götterlehre

schaubarkeit einstehen: So wie der gebildete Geist im Denken Ordnung, Licht und Klarheit liebt, so muß auch in der Kunst das Wohlgeordnete, was leicht zu durchschauen und ohne Mühe zu umfassen ist, vor dem Verwikkelten, Verwirrten, und Unbehülflichen nothwendig den Vorzug haben.225 Allerdings stellt die Götterlehre ihren Lesern das Schöne nicht als in sich ruhende Totalität vor Augen. Wer die mythologische Schrift allzu umstandslos als Umsetzung eines Bekenntnisses zu einem klassizistisch-statischen Kunstideal deuten wollte, müsste die Augen vor der Unruhe verschließen, die Moritz’ mythologische Welt beherrscht und auch seine ästhetischen Überlegungen bestimmt.226 Während das Schöne wie in Moritz’ Hestia-Mythos nach der einen Seite dazu neigt, sich in Gestaltlosigkeit zu verlieren,227 steht es nach der anderen in einem Konfliktverhältnis zu den Transformationen und zur Vielfalt mythologischer Erscheinungen. Der Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung gibt zu erkennen, dass das Schöne nur in Bildungs- und Vernichtungsbewegungen angestrebt und allenfalls im Moment der Vollendung vom Künstler festgehalten werden kann.228 Auch die Götter der Griechen unterliegen Metamorphose- bzw. Verjüngungs-prozessen. Mythengeschichtlich stützt sich Moritz für diese Idee auf die Folge der Göttergenerationen, wie Hesiod sie in der Theogonie entwirft.229 Entscheidend für die Weiterführung und Uminterpretation von Hesiod sind Vorstellungen, die sich an das neuplatonische Motiv der aurea catena Homeri anlagern. Auf welcher Quellengrundlage sich Moritz auf einschlägige Traditionen einließ, insbesondere, ob er hermetistische Naturspekulationen zur Kenntnis genommen hat, ist schwer zu ermitteln; das Bild der Kette der Wesen kehrt jedoch in seinen Schriften mehrfach wieder.230 Dem Modell der Kette der Wesen zufolge besteht die Schöpfung in stufenweisen Transformationen zwischen polaren Zuständen. Gleichwohl sind die

225 226

Einfachheit und Klarheit, in: Deutsche Monatsschrift 1792, 2. Bd., S. 34 (KMA 3).

Vgl. Schrimpf 1967, S. 182–192; Simonis 2001, S. 122–127; Schreiber 2012, S. 48–59; Gödde 2010, S. 162–166; Jahnke 2014. 227 Vgl. S. 104–106 und Erl. im vorliegenden Band. 228 Zu der These, dass im Hintergrund der Bildungs- und Zerstörungsprozesse, wie Moritz sie beobachtet, eine Auseinandersetzung mit Irritationen stattfindet, die von der zeitgenössischen Naturwissenschaft ausgehen, vgl. Schneider 1999, S. 182f. 229 Vgl. Erl. zu S. 20,1 im vorliegenden Band. 230 Vgl. z. B. VZ, 65. St., 31. Mai 1785 (KMA 10); Fortsetzung der Revision der drei ersten Bände dieses Magazins, in: MzE 4, 3 (1786, KMA 12), S. 2; Anthusa, KMA 4/1, S. 242.

Ästhetische Bezüge

495

Eigenschaften der äußersten Pole, so gegensätzlich sie ausfallen, in allen einzelnen mehr oder weniger individualisierten Erscheinungsformen der Natur zu jeder Zeit vorhanden.231 Analog zu dieser Idee liegt den Umformungen in der Götterlehre nach der einen Seite eine Entwicklungslogik zugrunde, die fortschreitend zu ›höheren‹ Schöpfungen führt. Nach der anderen Seite hingegen bleiben die Grenzen zwischen den olympischen Gottheiten und ihren Vorstufen, etwa zwischen der jüngeren und der älteren Aphrodite, Apollon und Helios, Artemis und Selene oder auch Poseidon und Okeanos durchlässig.232 Der Übergänglichkeit der mythologischen Erscheinungen tragen Moritz’ Darstellungsstrategien Rechnung. Statt das Schöne als stabilen Gegenstand der Anschauung zu zeigen, vollzieht die Götterlehre unruhige Bewegungen zwischen einander widerstreitenden Bildern. Das Apollon-Kapitel betrifft diejenige Gottheit, in der Menschenbildung zum Ideal der Schönheit sich empor〈hebt〉, wo der

Ausdruck der z e r s t ö r e n d e n M a c h t selbst in die Harmonie der jugendlichen Züge sich verliert.233 Nichts wäre allerdings schwerer zu fassen als der Augenblick des Sich-Verlierens der Zerstörung in den harmonischen Gesamteindruck. Denn kaum, dass Moritz Apollon vorgestellt hat, löst er seine Erscheinung in einen Prozess der Selbsterhaltung durch Vernichtung auf: Die hohe Bildung des

Apollo stellt die ewig junge Menschheit in sich dar, die gleich den Blättern auf den immergrünenden Bäumen; nur durch den a l l m ä l i g e n A b f a l l u n d Z e r s t ö r u n g d e s Ve r w e l k t e n , sich in ihrer immerwährenden Blüthe, und frischen Farbe erhält. Der ganze Beginn des Kapitels beschreibt ein Hin und Zurück zwischen den in Bildern aus mythologischen Quellen repräsentierten Polen des Bildens und Zerstörens. Unversehens verwandelt sich der Gott der Schönheit und Jugend in den Gott mit dem silbernen Bogen, der gleich darauf wieder als Apollo Medicus erscheint. Apollon wird auf diese Weise zu einer Art Vexierbild, in dessen einer Seite die jeweils andere zum Vorschein kommt und dessen Identität niemals als ganze festgehalten werden kann. Als in sich ruhende Erscheinungsform eines Ideals bleibt der Gott, jedenfalls in einer sprachlichen Darstellung, ungreifbar. So mag am Ende offen bleiben, ob die Götterlehre als Antwort auf eine Problemlage verstanden werden sollte oder nicht doch eher als deren tiefreichende Analyse. 231

Zu Quellen- und Forschungsliteratur vgl. die Hinweise in den Erl. zu S. 74,8–10. Zu Aphrodite S. 45,15–46,3; zu Helios S. 46,21–47,27; zu Selene S. 47,28–48,12; zu Okeanos S. 49,2–32. 233 Zum Folgenden S. 78,25–81,8 im vorliegenden Band. Vgl. Gödde 2010, S. 167–172. 232

496

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10. Mythologische Erfahrungsseelenkunde Moritz entzieht die Götterbilder einer semantischen und allegorischen Fixierung und verwandelt sie in vieldeutige, sogar widersprüchliche Gebilde. Im selben Maß nähert er sie Gegenständen und Erkenntnisverfahren an, die sein mikroskopisches Seelenauge234 im Kontext erfahrungsseelenkundlicher Überlegungen identifiziert beziehungsweise entwickelt. Daraus ergibt sich eine weitere Deutungsoption besonders für das Dunkle und Chaotische der Mythologie. Die Idee, dass ein Zusammenhang zwischen Moritz’ mythologischen und seinen psychologischen Interessen bestehe, ist nicht neu. Schon 1955 schrieb Karl Kere´nyi, bei Carl Gustav Jung dringe die Tiefenpsychologie »zu jener Vereinigung des Entgegengesetzten vor, die der psychologisch tief interessierte und resonanzfähige Moritz in den griechischen Göttergestalten erfahren hat.«235 1783 und 1786, mehrere Jahre vor Beginn der Arbeit an der Mythologie, behandelte Moritz Themen, die mit denen der Götterlehre in einem Verwandtschaftsverhältnis stehen, in einem ganz anderen Kontext – in Beiträgen über frühkindliche Erinnerungen und zur Sprachpsychologie. Im Licht solcher Überlegungen gleicht die Mythologie einer tiefenpsychologischen Tauchfahrt in Bildern. Die Verbindung von Mythologie und Psychologie ist die wohl innovativste Leistung der Götterlehre. Die philosophische Vorgeschichte von Moritz’ erfahrungsseelenkundlichen Interessen und ihre philosophischen und psychologischen Dimensionen können an dieser Stelle nicht verfolgt werden.236 Im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde beginnt Moritz, das Vorbewusste – wenn man so will: das »Es« – zu erkunden, und stößt dabei auf eine Konstellation von äußerster Spannung und Paradoxie: Moritz tastet sich zu der Ahnung vor, dass f ü r s i c h b e s t e h e n d e We s e n oder ein für sich bestehendes Daseyn Anteil an einem unpersönlichen und übermächtigen vorhergehenden und nachfolgenden Ganzen haben, aus dem sie herausragen und in dem sie ebenso wieder versinken und sich auflösen wie eine Welle in der umgebenden Wasserfläche.237 Während sich der Blick auf die höchste Stufe klassizistischer Abgrenzung

234

Knebel an Herder (2. 2. 1789), in: Johann Wolfgang Goethe, Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche, II. Abteilung 3, hrsg. v. Karl Eibl, Frankfurt/M. 1991, S. 456. 235 Kere´nyi 1955, S. 270. 236 Vgl. z. B. Riedel 1994. Zu psychologischen Tiefendimensionen in Moritz’ autobiographischer Symbolik Pfotenhauer 1982/1983/1984.

Mythologische Erfahrungsseelenkunde

497

und Form richtet und während Moritz den Anspruch auf wenigstens ephemere Individuation formuliert, entdeckt er auch in der Götterlehre im selben Augenblick einen identitätskonstitutiven Bereich, der sich der Steuerung entzieht und, wie es scheint, eigenen Gesetzen gehorcht. Das Gewicht, das der Einsicht in die Begrenztheit selbstbewusster Individualität zukommt, und die Herausforderung, die von diesem Wissen ausgehen musste, sind kaum hoch genug zu veranschlagen. Die Erforschung dieser Zone besitzt für den Seelenkenner eine ebenso hohe Priorität wie die Untersuchung der menschheitsgeschichtlichen Frühzeit für den Mythenhistoriker. Sinnzusammenhänge, in denen individuelle Lebenserfahrungen stehen, würden sich nämlich erst in Kenntnis des Bands erschließen, das unsern

gegenwärtigen Zustand an irgend einen vergangenen knüpft, wenn anders dasjenige, was jetzt unser I c h ausmacht schon einmal, in andern Verhältnissen, da war. Analoge Gedanken formuliert Moritz in der Rede bey der Aufnahme in die königliche Akademie der Wissenschaften den 13. Oktober 1791 mit Blick auf die Wissenschaften. Er deutet darin Grundzüge einer allgemeinen Theorie der menschlichen Kultur an, die dem psychologischen Interesse an den amorphen Wurzeln des Individualisierten ähnlich sind: Nichts ist demüthigender für den Geist des Menschen, als die erstaunliche Disharmonie zwischen dem Umfange der Kenntnisse, die in seinem Gesichtskreise liegen, und zwischen der kurzen Dauer des Individuums, in welchem diese Kenntnisse zum Anschauen kommen sollen. Nichts ist aber auch erhebender, als der Gedanke, daß der Geist des Menschen, über seine eigne Individualität emporragend, mit der Vorwelt und der Nachwelt in harmonischer Eintracht durch ein geheimes Band verknüpft, durch diese kurze Spanne des Lebens nicht beschränkt wird. Denn was wäre sonst der Grund, daß seinen Betrachtungen die graue Vorzeit eben so wichtig, und oft noch wichtiger, als der wirkliche Moment seines Daseyns ist; und daß er den Saamen so freygebig ausstreuet, wovon er oft im voraus weiß, daß ihn die späte Folgezeit erst zur Reife bringt.238 237

Vgl., soweit nicht anders angegeben, für die folgenden Ausführungen die Fortsetzung der Revision der drei ersten Bände, in: MzE 4, 3 (1786), S. 2–4; zusätzlich den Aufsatz Erinnerungen aus den frühesten Jahren der Kindheit, ebd. 1, 1 (1783), S. 65–70 (jeweils KMA 12). Beide Texte zusammen sind nochmals in DgL (KMA 6), S. 393–395 abgedruckt. Für die Forschung s. mit weiterführenden Hinweisen Raguse 2010, S. 57–59. Ein Versuch, Verbindungen zwischen erfahrungsseelenkundlichen Interessen und der Götterlehre anzudeuten, auch bei Jahnke 2014, S. 170f.

238

Ueber die Vereinfachung der menschlichen Kenntnisse. Eine Rede bey der Auf-

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Aus Moritz’ Sicht, so scheint es, gestattet auch die Mythologie einen Blick auf das Ganze, das jeder individuellen Erscheinung vorausliegt. Ohne die Einsicht in solche Zusammenhänge würde sich der Eindruck der Konfusion durchsetzen. An diesem Punkt greift erneut das Bild des Labyrinthischen, das Moritz nicht nur in der Götterlehre verwendet, um kontingente Konstellationen zu bezeichnen, die das Potential besitzen, melancholische Verstimmungen auszulösen. Labyrinthisch in diesem Sinn ist, folgt man Moritz, nicht etwa das Vorbewusste, sondern die in ihrer Beschaffenheit nicht erkannte Welt individualisierter Erfahrungen. Ist der Pfad so dunkel – so ruft der Verfasser in den Beiträgen zur Philosophie des Lebens (1780) aus, über welchen mich die Hand des Ewigen leitet, oder hab’ ich

vielleicht meinen Führer verlassen, und irre nun, einsam und verloren, im schrecklichen Labyrinth umher? Wer ist mein Führer, daß ich ihn wieder finde?239 Im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde schreibt Moritz, das Individuum sehe sich gleichsam in ein L a b y r i n t h versetzt, woraus wir den Faden nicht wieder zurück finden können. Der Erfahrungsseelenkundler, der das Vorbewusste zu seinem Gegenstand macht, arbeitet an dem ebenso individualwie sozialtherapeutischen, darüber hinaus philosophischen Vorhaben, den F a d e n sichtbar zu machen, w o d u r c h w i r i n d e r K e t t e d e r We s e n b e f e s t i g t s i n d . Es ist abzusehen, wie nah das ›Forschungsvorhaben‹ des Magazins an Ideen heranführt, die Moritz in dem Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen entwickelt. Denn in diesem Essay sucht der Verfasser einen Weg zu bestimmen, um zur Anschauung eines Ganzen zu gelangen, das das Individuelle umschließt und sich begrifflichen Operationen entzieht.240 Sei es psychologisch, sei es ästhetisch erwartet Moritz in jedem Fall Aufklärung über Sinnzusammenhänge gerade mit Blick auf einen Bereich, in dem das Individuelle endet und sogar der Vernichtung anheimfällt. Zutritt zu dieser Dimension gewinnt der Seelenkundler mithilfe der Erinnerung, vor allem der frühesten Kindheitserinnerungen, die, wie Moritz im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde

nahme in die königliche Akademie der Wissenschaften den 13. Oktober 1791, in: Deutsche Monatsschrift 1791, 3. Bd., S. 269f. (KMA 13). Vgl. auch verwandte Überlegungen in Anthusa, KMA 4/1, S. 17f. BPL, S. 66 (KMA 2). 240 Vgl. BNS, S. 50 (KMA 3): Allein unser Begriff des Schönen verliert sich zuletzt doch 239

immer wieder in den Begriff der N a c h a h m u n g von etwas, worinn das Vollendete sich wieder zu vollenden, und unser eignes Wesen, in jeder Aeußrung seines Daseyns, uns unbewußt, sich aufzulösen strebt.

Mythologische Erfahrungsseelenkunde

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andeutet, auf einen vorindividuellen Zustand zurückweisen können.241 Solchen Erinnerungen fällt damit eine elementar sinnkonstitutive Aufgabe zu. In der Götterlehre repräsentiert die Mnemosyne, die im Besitz der Gesamtheit des Wissens ist, das ihre Töchter, die Musen, unter sich teilen, geradezu das Verhältnis von anfänglicher Ganzheit und anschließender Differenzierung242 – gemäß dem Modell, das Moritz in seiner Akademierede entwickelt: Die vielfache Zahl der Musen

bezeichnete die Harmonie der schönen Künste, welche verschwistert Hand in Hand gehen, und nie zu scharf eine von der andern abgesondert werden müssen.243 Moritz weiß, dass Kindheitserinnerungen eine nicht unmittelbar zugängliche Grauzone sind. Er bezweifelt sogar, dass dieser Bereich ohne Aufgabe der eigenen Identität zur Gänze erkundet werden kann, und lässt bei dieser Gelegenheit im Magazin Einsichten der frühen Romantiker anklingen; die Aussicht, die sich dem Forscher eröfnete, müße ihn dem Wahnwitz nahe bringen, er müßte noth-

wendig seine isolirte Ichheit, seine Persönlichkeit verlieren: er würde lebend aufhören, zu seyn. An diesem Punkt zeigt sich eine dichte Verbindung zwischen den erfahrungsseelenkundlichen Aspekten der Götterlehre und Moritz‘ Begriff des Tragischen; erst angesichts des ›dionysischen‹ Moments der Vernichtung kann danach die Grenze zwischen dem Einzelnen und der Gattung überwunden werden.244 Auf die komplementären Extreme von Isolation und Aufhebung der Individualität lassen sich auch Goethes Hymnen Prometheus und Ganymed beziehen, die Moritz in die Götterlehre aufgenommen hat. – Wer von der Erfahrungsseelenkunde Antworten auf Existenzfragen erwartet, befindet sich jedenfalls in einer widersprüchlichen Lage: An den Bedingungen des eigenen Daseins leidend, sucht er dort nach Linderung, wo er sie nur um den Preis völliger Selbstaufgabe finden könnte – womöglich in der Absicht, die höchstmögliche Stufe der Individualisierung anzustreben. Um Wirksamkeit und fortdauernde Präsenz des Vorbewussten dingfest zu machen, entwickelt Moritz im Magazin erste methodische Ansätze. Spuren, die dieser Bereich hinterlässt, findet er außer in unwillkürlichen frühkindlichen245 Erin241

Fortsetzung der Revision der drei ersten Bände, in: MzE 4, 3 (1786), S. 2 (KMA 12). Vgl.

Raguse 1994. S. 52,1–9 im vorliegenden Band. 243 S. 199,19–21 im vorliegenden Band. 244 Vgl. Costazza 1999, S. 454–465. 245 Vgl. Aussichten, S. 15 (KMA 12): Der Beobachter des Menschen muss auf die Erinnrun242

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nerungen, die über das bewusst Aufgenommene hinausweisen, in unpersönlichen Ausdrücken, die das bezeichnen, was sowohl in unsrem Körper, als in den

innersten Tiefen unsrer Seele vorgehet, und wovon wir uns nur dunkle Begriffe machen können.246 In der Deutschen Sprachlehre für die Damen (1782) sind es die in der Sprache aufbewahrten Erinnerungen, die für Ordnung in den labyrinthischen Vorstellungen vom eigenen Leben sorgen: Und jene süße Erinnerung an unsre verfloßnen Tage, was wäre sie ohne die Sprache? Ein ödes Labyrinth halbverwischter Eindrücke, durch tausend Lücken unterbrochen, worinn sich wiederum die Gegenwart eines jeden Tages verlieren würde. Allein die Sprache ist der unzerstörbare Knäuel, von welchem wir den Faden abwickeln, der uns aus diesem Labyrinthe unsrer Vorstellungen den einzigen Weg zeigt.247 Die mythographische Literatur, die Moritz vorfindet, macht sich die historischphilologische Rekonstruktion menschheitsgeschichtlich früher Überlieferungen zur Aufgabe, die niemals schriftlich fixiert wurden und sich aus dem erhaltenen Material allenfalls erschließen lassen. Auf dem Weg zu Ursprüngen befindet sich auch die Götterlehre – doch ersetzt Moritz die Grabungen in der historischen Vergangenheit durch eine Rekonstruktion des Vorbewussten, das er in mythologischen Bildern aufbewahrt sieht. Die Götterlehre wendet sich Konstitutionsfragen des Individuums zu. Wenigstens bis zu einem gewissen Grad scheint diese Schwerpunktverlagerung in Christian Gottlob Heynes Erkenntnissen bereits vorbereitet zu sein, der die Frühzeit der Menschheit zur Kindheit analog setzt. Wegen des psychologischen Akzents braucht sich Moritz jedoch nicht auf die historisch ältesten Zeugnisse zu beschränken. Der Bezug auf den impersonalen Kontext des Individuellen ist aus seiner Sicht in die Dichtungen mit Mythologiebezug eingelagert. Selbst im Darstellungsverfahren, das Paraphrasen aus antiken Texten auf ähnliche Weise ineinander übergehen lässt wie die individualisierbaren Götter-

gen aus den frühesten Jahren der Kindheit aufmerksam seyn, und nichts für unwichtig halten, was jemals einen vorzüglich starken Eindruck auf ihn gemacht hat, so daß die Erinnrung daran sich noch immer zwischen seine übrigen Gedanken drängt. 246 Sprache in psychologischer Rücksicht, in: MzE 1, 1 (1783), S. 105 (KMA 12). 247 DS, S. 166; vgl. ferner Auch eine Hypothese über die Schöpfungsgeschichte Mosis, in: Berlinische Monatsschrift, Bd. 3 (1784), S. 336f. (jeweils KMA 7) sowie nochmals in LP, S. 337.

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figuren untereinander und mit dem umgebenden Ganzen, kehrt der Bezug des Einzelnen auf das Unpersönliche wieder. In der Götterlehre nimmt jedenfalls das Wissen Gestalt an, dass das sich selbst reflektierende Einzelwesen partikelartig in einem Meer des dem Bewusstsein Unzugänglichen schwimmt, an dem es zu jeder Zeit Anteil hat. Im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde rät Moritz, sich den Ahndungen

und Träumen von einem vergangnen oder künftigen Daseyn andrer Art, wie das Gegenwärtige, nur in Form eines S p i e l s hinzugeben.248 Als geeignetes Spielmaterial bietet sich in der Götterlehre die Mythologie an; denn das Buch rekonstruiert den Anteil am ursprünglichen unpersönlichen Chaos, den jede olympische Gottheit in sich trägt. Die Götterlehre geht, darin vergleichbar den Erinnerungen aus den frühesten Jahren der Kindheit, den unscharfen Spuren einer nichtindividualisierten Vorvergangenheit nach – dem Uralten, Dunklen und Geheimnisträchtigen: Ein jeder verehrte auf die Weise, durch ein zartes Gefühl gedrungen, i n s i c h etwas G ö t t l i c h e s und H ö h e r e s , als er, in seiner Beschränktheit und Einzelnheit, selber war; und dem er nun, wie einer Gottheit, Opfer brachte, und gleichsam durch Verehrung das zu ersetzen suchte, was ihm an deutlicher Erkenntniß seines eigenen Wesens und seines göttlichen Ursprungs abging.249 Dafür setzt der Verfasser nicht selten Beziehungen zwischen der griechischen und ägyptischen Mythologie ein, die seit der Renaissance, aber auf den Spuren antiker Autoren, unter ihnen vor allem Herodot, im 18. Jahrhundert auch im Freimaurerkontext, konstruiert worden waren und eine Rolle in Debatten über die Ursprünge der Mythologie spielten,250 ebenso Informationen über nichtolympische Gottheiten (Kureten, Korybanten, Kabeiren) und Mysterienkulte.251 Mit Blick auf die Mysterien fußt das Werk mindestens indirekt auf einer einschlägigen Literatur des Aufklärungszeitalters.252 – Diese Spuren bezeichnet der Verfasser mit dem vielfach

248

Fortsetzung der Revision der drei ersten Bände, in: MzE 4, 3 (1786), S. 3f. (KMA 12).

249

S. 196,1–6 im vorliegenden Band. Vgl. z. B. Seznec 1990, S. 179f.; Fornaro 2004, S. 146; S. 102,27–29; 121,29–122,5 im vorliegenden Band. 251 Vgl. S. 23,7–8; 68,9 und Erl. im vorliegenden Band. 252 Als Beispiele vergleiche man Schumacher (1754); Born, Ueber die Mysterien der Aegyptier (1784); 〈Anonym〉, Die Mysterien der Ceres von Eleusis. Vertheidigt gegen die Spöt250

tereyen des Verfassers des Horus und in dem Endzwecke ihrer Stiftung verglichen

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Götterlehre

in der Götterlehre verwendeten Begriff des Urbilds, der also nicht auf eine allegorische Bedeutung verweist, sondern das Allgemeine meint, oder auch das Ursprüngliche, an dem alles Individuelle Anteil hat. Das scheinbar in sich geschlossene, individualisierte Götterbild steht ebenso mit dem individualitätsauflösenden Grund im Bunde, dem es entstammt, wie die in Hexameter gefassten Sprüche der Orakelpriester von Delphi mit dem unartikulierten Geheul der Pythia.253 Fast möchte es scheinen, als würden in dem Zusammenspiel von Göttererscheinungen der älteren und der jüngeren Generation, zwischen anthropomorphem Götterbild und »Urbild« bereits Problemstellungen anklingen, die in der Literatur des 19. Jahrhunderts im Zeichen des Doppelgängermotivs behandelt werden. Am Kybele-Kapitel lässt sich beispielhaft das Verhältnis von individueller Erscheinung und hintergründiger Dekomposition studieren. Auf dem Kupferstich zeigt sich die Göttin nach übereinstimmender Identifikation durch zeitgenössische Kenner der Materie mit ihren Attributen Löwen, Handpauke, Sonne und Mond. Doch dieselbe Götterfigur befindet sich bei näherem Zusehen in fliegender Auflösung; denn die bildliche Darstellung der Göttin ist gleichsam nur eine äußere

Ueberkleidung ihres unbegreiflichen gestaltlosen Wesens, welches man sich gerade unter dem U n f ö r m l i c h e n am ehrwürdigsten dachte.254 Die Handpauke verweist auf den orgiastischen Kult, der ihr zugeordnet ist und mit dessen individualitätssprengender Dynamik Moritz auch andere Gottheiten (Hephaistos, Dionysos) in Zusammenhang bringt.255 Der Kastrationsritus der Kybelepriester lässt sogar sexuelle Identitäten zweifelhaft werden. Aber vor allem scheint Kybele als M u t t e r a l l e r D i n g e , als U r b i l d jeder Gottheit und Repräsentantin der Produktivität der Natur schlechthin, in der sich tendenziell alle Gottheiten mischen, im Ungewissen zu zerfließen. Deshalb wird sie auf der anderen Seite in einem Meteorstein verehrt, a n w e l c h e m d i e I d e e v o n G e s t a l t u n d F o r m a m w e n i g s t e n h a f t e n k o n n t e , darin mit Hestia vergleichbar, deren Rundtempel um eine letztlich gestaltlose Flamme errichtet ist.256 mit dem Endzwecke der Stiftung der Freimäurergesellschaft . Gedruckt im Thale Josaphat 1785; 〈Anonym〉, Characteristick der Alten Mysterien (1787). 253 Vgl. S. 125,10–14 im vorliegenden Band. 254 Dieses und die folgenden Zitate S. 112,10–34 im vorliegenden Band; s. Abb. 15. 255 Vgl. die Verbindung zwischen Hephaistos und den Kureten und Korybanten (S. 102,18–20 mit Erl. und Querverweisen); ferner das Dionysos/Bacchus-Kapitel insgesamt (S. 113,26–120,18) jeweils im vorliegenden Band. 256 Vgl. S. 104,9–23 und Erl. im vorliegenden Band.

Mythologische Erfahrungsseelenkunde

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Insofern die Gottheiten im Chaos fußen, in dem keine Unterscheidungen stattfinden, können sie psychologisch komplexe Eigenschaften besitzen, die im Reich der Begriffe einander ausschließen würden. Auf verwirrende Weise fallen in der Götterlehre ›Bilden‹ und Zerstören, Heilen und Vernichten,257 das Menschliche und das Tierische,258 der ›hohe Mut‹ der Heroen und ihr moralisches Versagen oder ihre mit Depressionserfahrungen gepaarte Ohnmacht,259 das Erhabene und das Komische, das Schöne und das Hässliche oder Ungeheure zusammen. Im Hephaistos-Kapitel scheint die gesamte, auf Abgrenzung und Differenzierung ausgerichtete Aufklärungssemantik ins Wanken zu geraten: In der Götterbildung des Vulkan aber findet sich das ganz Entgegengesetzte zusammen, was die Alten vorzüglich in ihren Dichtungen liebten; in ihm vermählt sich die Häßlichkeit mit der Schönheit selber; – das Komische ist in ihm mit Würde; die Schwachheit mit der Stärke, die Lähmung des Fußes mit der Kraft des mächtigen Arms vereint.260 Das Etikett der »ästhetischen Mythologie«, das die Forschung der Götterlehre verliehen hat,261 ist durchaus nicht irreführend, bedarf aber einer näheren Bestimmung, wenn es nicht zu kurz greifen soll. Klassizistische Formstrenge verbindet sich in der Götterlehre auf begrifflich schwer fassbare Weise mit der ursprünglichen Formlosigkeit des Chaos, die zu ersterer im denkbar größten Spannungsverhältnis steht. Ein Auskommen ist weder mit der Welt der Individualisierung, die ›labyrinthisch‹ wäre, noch mit den amorphen »Ungeheuern« der Urzeit jeweils für sich genommen möglich. Die Götterlehre macht es sich zur Aufgabe, Fäden sichtbar werden zu lassen, die beide miteinander verbinden, verzichtet aber auf jeden Versuch, die Widersprüche zu harmonisieren. Offenheit und Beweglichkeit, die aus solchen Vorbedingungen entstehen oder notwendig werden, verweisen auf die Anforderungen der Sinn- und Identitätskonstitution in einer unzuverlässigen und irregulären Erfahrungswelt.262 257

Vgl. die Ausführungen über Apollon und Athene/Minerva, S. 78,25–82,23 und 86,5–89,11 im vorliegenden Band. 258 Vgl. das Poseidon/Neptun-Kapitel, S. 82,24–86,4 im vorliegenden Band, in dem Moritz den Meeresgott, in Abgrenzung zu Zeus, mit Tieren, Ungeheuern, dem Kindlichen und heftigen Affekten assoziiert. 259 Vgl. das Bellerophon-Kapitel, S. 140,22–142,23 im vorliegenden Band. 260 S. 102,4–9 im vorliegenden Band. 261 Jamme 1998b; dasselbe in Jamme 2013, S. 185–198. 262 Vgl. Jahnke 2014, S. 169.

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11. Heroen In der Forschung ist es nicht unüblich, die Götterlehre vor allem vom einleitenden Gesichtspunkt-Kapitel her zu betrachen und für Einzelaspekte Belegmaterial aus dem übrigen Korpus der Schrift zu gewinnen. Deshalb bleiben quantitativ nicht unbedeutende Teile der Götterlehre, besonders in der zweiten Hälfte des Werks, hier vor allem die Ausführungen über die Heroen, in bisherigen Untersuchungen unterrepräsentiert. Für diese Asymmetrie gibt es Gründe: Aus der Perspektive der Editionsphilologie betrachtet sind die Heroen-Kapitel von anderer Beschaffenheit als die Ausführungen über die Götter. Die Götterlehre ist ohnehin kein völlig homogenes Werk; es wäre eigens zu diskutieren, ob sie ein klar identifizierbares Zentrum besitzt, das die Gesamtheit der in ihr enthaltenen mythologischen Erzählungen integrieren kann.263 Auf jeden Fall will es scheinen, als wäre auf die Heroen die Programmatik des Gesichtspunkt-Kapitels nicht im vollen Umfang anwendbar. – In der griechischen Kultur sind Heroen Dämonen, die oft einen ausgeprägten lokalen, zuweilen einen panhellenischen Bezug besitzen und kultische Verehrung genießen.264 Als halbgöttliche Wesen, die gern in die Rolle von Stadt- und Dynastiegründern schlüpfen, sind sie in hohem Maß mit praktischen Herausforderungen konfrontiert (selbst dann, wenn solche ›wunderbaren‹ Charakter tragen, im Kampf gegen das Uralte in der Gestalt chimärenartiger Ungeheuer bestehen oder auf göttliche Veranlassung zurückgehen). Die Tragiker beziehen ihre Stoffe ebenfalls aus den Heroenmythen. Ihr Gegenstand ist nicht allein das Eingreifen von Gottheiten in menschliche Verhältnisse; auf dem Theater werden Konflikte um Macht, Recht und Moral ausgetragen. Wenn es, Moritz zufolge, die Leistung der Griechen ist, mithilfe der Mythen eine sonst nicht zu entwirrende Welt in der Gestalt des Schönen fassbar zu machen, übernehmen in der Götterlehre die Heroen die Aufgabe, den dazu erforderlichen Schaffensprozess selbst zu thematisieren. Gerade in den Heroenerzählungen nimmt die Götterlehre, so betrachtet, eine selbstreferentielle Wendung.265 Moritz hebt die kulturkonstituierende, formschaffende Kraft der Heroen hervor, die wie Herakles, Perseus und Bellerophon Ungeheuer beseitigen, wie Theseus Unholde

263

Zur Inhomogenität Becker 1995, S. 245. Vgl. Heil 2013. 265 Vgl. auch zum Folgenden, Costazza 1999, S. 385–396; s. ferner Costazza 1995. 264

Heroen

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besiegen, wie Kadmos die Schrift nach Griechenland bringen und wie der Erfinder und Bildhauer Daidalos Urheber menschlicher Gestalten in der Kunst sind. Deshalb können die Heroen in der Ökonomie der Götterlehre nach der Darstellung amorpher Erscheinungen des ursprünglichen Chaos und der olympischen Götter eine Scharnierfunktion übernehmen. In den Heroen, bei denen der Promethei-

sche Funken, der in ihrem Busen glühte, zur hellen Flamme emporschlug,266 grenzen Menschen- und Götterwelt nah aneinander. So scheinen sie geeignet zu sein, besonders sinnfällig die Überhöhung des Erfahrbaren in der Kunst zu repräsentieren – das Band, durch das die Götter- und Menschenwelt, ein schönes Ganze wird.267 Die Menschheit, so erklärt Moritz, lernte in den Götterähn-

lichen Helden, die aus ihr entstammten, sich selber schätzen, und ihren eigenen Werth verehren. – Auch wurde nun die Gottheit gleichsam den Menschen wieder versöhnt.268 Die Helden sind, nach einem Stichwort aus dem Vorbericht zu Anthusa, in besonderem Maß zuständig für die We i h u n g d e s w ü r k l i c h e n L e b e n s .269 Als Schaffende wie als Leidende partizipieren die Heroen an den Bildungs- und Zerstörungsbewegungen, denen Moritz das Schöne unterworfen sieht. In der Verlaufskurve des Heldenlebens folgt, so bei Perseus, Bellerophon, Jason und Theseus, aber nicht weniger bei den Götterlieblingen Adonis und Peleus oder den zu Strafen im Hades veurteilten Tantalos, Ixion und Sisyphos, auf den heroischen Glanz ein auch selbstverschuldetes, düsteres, tragisches, von Leid bestimmtes Ende,270 für das Moritz zufolge zuletzt das Fatum verantwortlich ist, welches mit den Hofnungen der Menschen spielt.271 Die Versöhnung von Göttern und Menschen gelingt erst in der Selbstauflösung der Heroen, in der nachträglichen kultischen Verehrung, die ihnen zuteil wird, oder in der Überlieferung einschlägiger Erzählungen in der Mythologie. Besonders nachdrücklich kennzeichnet Moritz diesen Umstand mit Blick auf Herakles, der nach vielen Großtaten und Verfehlungen im Augenblick höchsten Leids den Feuertod wählt, um zur Metamorphose in einen Gott, zu Apotheose und Erhebung zu den Sternen zu gelangen.272 266

S. 195,5–6 im vorliegenden Band. S. 195,14 im vorliegenden Band. 268 S. 134,6–9 im vorliegenden Band. 269 Anthusa, KMA 4/1, S. 9. 270 Vgl. S. 138,25–139,8; 142,13–23; 179,16–21; 194,24–31; 217,21–218,4; 221,11–14; 252,11252,11– 253,13–253,13; 253,15–31; 254,25–255,13. 271 S. 138,26 im vorliegenden Band. 272 Vgl. die Hinweise in den Erl. zu S. 142,24; 165,31. 267

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In erzählerischer Hinsicht scheint Moritz allerdings bei dem Vorhaben, die Verbindung zwischen Götter- und Menschenwelt in den Heroen darzustellen, auf bezeichnende Schwierigkeiten gestoßen zu sein. Solche treten nicht zufällig in dem Moment auf, in dem die übliche allegorische Deutung der Heldentaten273 keine Option mehr bildete. Unter diesem Aspekt spielen literarische Eigenarten der Heroenkapitel ihre Rolle. Paraphrasen griechischer Originaltexte, die dicht aufeinander folgen, wird man in ihnen vergebens suchen; denn Moritz stützt sich mit Blick auf die Heroen in höherem Maß auf mythenkundliche Schriften des 18. Jahrhunderts. Einen überlieferungsgeschichtlichen Grund hat dieser Befund in dem Umstand, dass viele heroische Abenteuer nicht in frühen Epen oder überhaupt in poetischer Form überliefert sind. Als Quellen kommen stattdessen in größerem Umfang, wenngleich nicht ausschließlich, mythographische Schriften der späteren Antike in Betracht. Auf dem Weg über die Mythenkunde des Aufklärungszeitalters gelangte auch die Mehrzahl mykenischer und thebanischer Sagenstoffe in die Götterlehre, die bevorzugter Gegenstand überlieferter Tragödien sind. Den Mythographen liegt an Bestandsaufnahmen, handlungsorientierten Zusammenfassungen und Systematisierungen, an der genealogischen Homogenisierung des Stoffs und gelegentlich der Rationalisierung des allzu unglaubwürdig Gewordenen. Auf den Spuren solcher Überlieferungen sieht sich auch Moritz dazu veranlasst, den Leser mit einer Vielzahl genealogisch kompliziert vernetzter Figuren und Handlungsstränge zu konfrontieren. Beispiele finden sich zu Beginn der Herakles-Vita, am Anfang der Argonautensage und im Referat der mykenischen Sagen.274 Aber auch für die Zusammenfassungen der trojanischen Sagen, für die sich Moritz, soweit möglich, auf die Ilias und die Odyssee stützt,275 und von Sophokles’ König Oidipus, auf dessen dramaturgische Anlage er Bezug nimmt,276 beschränkt sich die Götterlehre auf eine Wiedergabe der Handlung am Leitfaden der Chronologie. Wenn die Götterlehre sich, etwa mit Blick auf Herakles, Theseus und Jason, ausführlicher den Heroenviten widmet, ist sie tatsächlich im Begriff, zusammen mit

273

Man denke noch an die Rolle, die Herakles im Reliefprogramm des Brandenburger Tors zufällt; s. Pöthe 2014, S. 249–359. 274 Zu Herakles S. 142,28–148,5; zu Jason S. 168,27–170,33; zum mykenischen Sagenkreis S. 233,17–238,14 jeweils im vorliegenden Band. 275 Vgl. S. 238,15–245,34 im vorliegenden Band. 276 S. 226,19–228,27 im vorliegenden Band.

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den Helden im Gewirr kontingenter Ereignisse zu versinken, zuletzt in jenem Labyrinth der Mythologie, für dessen poetische Betrachtung sie ein Modell zur Verfügung stellen möchte. In den Helden-Paraphrasen bekommt die antagonistisch strukturierte Welt der Menschen ein hohes Eigengewicht. Von den beiden Perspektiven, die der Verfasser im Hera-Kapitel entwickelt – derjenigen auf Krieg und Empörung unter den Menschen und derjenigen vom alle Konflikte überragenden Olymp – gewinnt mit Blick auf die Heroen erstere die Oberhand.277 Es mag offen bleiben, ob überall ein hinreichend tragfähiger Gesichtspunkt zur Verfügung steht, von dem aus sich das Gewirr einzelner Vorgänge und genealogischer Zusammenhänge erschließen lässt. Fast scheint es jedenfalls, als würde auf einige Kapitel der Götterlehre das Verdikt zutreffen, das Moritz in dem Aufsatz Die metaphysische Schönheitslinie (1793) über Erzählungen fällt, die das Ziel der inneren Zweckmäßigkeit verfehlen: Läuft die krumme Linie zu parallel

mit der geraden Linie des großen Cirkels, so kömmt ein langweiliges historisches Gedicht heraus, wo die Erzählung des Trojanischen Krieges von den Eiern der Leda anhebt.278 Bei der Bearbeitung der Heroenthematik stößt Moritz zuletzt auf eine allgemeinere Problemstellung des Aufklärungszeitalters. Vielen Autoren des 18. Jahrhunderts ist, trotz mancher Reserven gegen heroische Traditionen, daran gelegen, an solche Überlieferungen anzuschließen.279 Heroische Ambitionen der literarischen Aufklärung und der Klassik waren jedoch mit wenig Erfolg gesegnet oder zum Abbruch verurteilt. Goethes und Schillers Versuche, mit Achilleus und Herakles Heroen des griechischen Mythos wiederzubeleben, blieben, aus welchen Gründen im Detail auch immer, unvollendet.280 Den Hintergrund dieses Scheiterns bildet die Frage, wie sich angesichts von vernunftgeleiteter Kritik, Empirismus und anthropologischer Differenzierung heroische Idealität überzeugend veranschaulichen lasse. Bekanntlich kommen Schillers Dramenhelden dem Ideal erst im Moment ihres Untergangs nahe, in dem es keine Anschaubarkeit mehr entfalten kann. Spuren desselben Problems finden sich auch an anderer Stelle in Moritz’ Werk. Anton Reiser, das literarische Alter Ego des Verfassers, entwickelt den Ehrgeiz, bei Theaterproduktionen der Hohen Schule von Hannover in der Helden-

277

Vgl. S. 77,9–20 im vorliegenden Band. DgL, KMA 6, S. 365. 279 Für einige Beispiele vgl. Disselkamp 2002, S. 1–15. 280 Zu Goethe vgl. Dreisbach 1994; zu Schiller s. Habel 1971; Barone 2006. 278

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rolle zu erscheinen. Letztere würde vermutlich einen geeigneten Gesichtspunkt abgeben, um Harmonie und Wohlklang im Untereinandergeworfenen und Verwirrten281 sichtbar zu machen. Statt zur Deutung von Reisers Erfahrungen beizutragen, erweisen sich die heroischen Ambitionen jedoch als Symptom seines Leidens an der eigenen Welt – als Fluchtphantasien mit Kompensationsaufgaben: Und dann konnte er auf dem Theater alles seyn, wozu er in der wirklichen Welt nie Gelegenheit hatte – und was er doch so oft zu seyn wünschte – großmüthig, wohlthätig, edel, standhaft, über alles Demüthigende und Erniedrigende erhaben – wie schmachtete er, diese Empfindungen, die ihm so natürlich zu seyn schienen, und die er doch stets entbehren mußte, nun einmal durch ein kurzes täuschendes Spiel der Phantasie in sich wirklich zu machen –.282

12. Abbildungen Die Rolle, die bildende Kunst in der Götterlehre spielt, steht im Zusammenhang mit Moritz’ Tätigkeit an der Berliner Akademie der Künste. Teil der Götterlehre ist eine Serie von 65 Kupfern, die nach Vorzeichnungen von Asmus Jakob Carstens durch Jean Joseph Franc¸ois Tassaert gestochen wurden. Von den Vorlagen ist der größere Teil der Lippertschen Dactyliothec entnommen, von deren Katalog Moritz auch Gebrauch für seine Beschreibungen macht. Der von Winckelmann katalogisierten Gemmensammlung des Barons Philipp von Stosch entstammen die meisten der übrigen Abbildungen. Auf jede der genannten Kollektionen besaß Moritz Zugriff, denn sie standen der Akademie der Künste in Form eines Exemplars bzw. einer Abdruckserie zu Ausbildungszwecken zur Verfügung.283 Im Vorwort, in dem Moritz auf die Zeichnungen und ihre Entstehung verweist, bleiben weitere Abbildungsquellen unerwähnt: Carstens entwarf die Nacht mit ihren Kindern Tod und Schlaf nach einer literarischen Vorlage (Pausanias).284 Im Einzelfall griffen Moritz und Carstens zu Illustrationen aus Johann Joachim Winckelmanns Monumenti antichi inediti (1767).285 Auch über die Abbildungen hinaus

281

AR, KMA 1, S. 106. AR, KMA 1, S. 167f. 283 Vgl. Sedlarz 2012, S. 36. 284 S. 39,14–18 im vorliegenden Band. 285 S. 179,22–28; 202,13–28 jeweils mit den Erl. im vorliegenden Band. 282

Abbildungen

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bezieht sich die Götterlehre, zuweilen verdeckt, auf antike Kunstwerke, von denen Moritz manche nicht selbst gesehen hat.286 Das Kapitel über Faunen und Satyrn fußt zu einem nicht geringen Teil auf Gemmen, die weder ausdrücklich genannt werden noch unter die Abbildungen aufgenommen sind.287 Bildbeigaben waren zu Moritz’ Zeit häufiger Bestandteil der mythologischen Einführungsliteratur. Unter den Schriften, die Moritz sicher oder wahrscheinlich für die Götterlehre verwendet hat, sind diejenigen von Damm, Seybold, Seeger und Ramler mit Kupferstichen illustriert. Dass solche bei Banier fehlen, begründet der Verfasser selbst unter Verweis auf die Kosten; in der Vorrede zum fünften Band gibt auch einer der Übersetzer sein Bedauern zu erkennen.288 Banier und Hederich (dessen Lexicon ebenfalls keine Abbildungen enthält) beziehen sich gleichwohl regelmäßig auf bildliche Darstellungen. Insofern mythenkundliche Einführungen des 18. Jahrhunderts auch an Künstler adressiert sind, bestehen Berührungspunkte mit der Tradition ikonographischer Werke mit Cartari und Sandrart als Hauptbeispielen der Frühen Neuzeit.289 In der Hauptsache dürften Abbildungen in mythologischen Handbüchern dazu bestimmt gewesen sein, die Betrachter in die Ikonographie von Göttern und Helden einzuführen. In den genannten Drucken fällt den Kupferstichen daher eine illustrative oder erklärende, in jedem Fall eine ergänzende Aufgabe zu. In der Regel sind die Kupferstiche in der Einführungsliteratur nicht Gegenstand von besonderen Erläuterungen. Welchen Geschmacksstandards Bildbeigaben zu Einführungen in

286

Vgl. S. 209,23–24 und Erl. im vorliegenden Band die Beschreibung des Komos nach einer Bildbeschreibung des Flavius Philostratos. Zu berücksichtigen sind auch nicht oder nur in Kopie überlieferte Skulpturen wie die Zeus- und Athene-Statuen des Phidias (S. 126,29126,29–127,16–127,16 und 128,8–11), die von Praxiteles geschaffene Aphrodite von Knidos (S. 128,23–28), die Artemis-Statue im Tempel von Ephesos (S. 129,21–23) etc. 287 Vgl. S. 200,15–201,7; S. 205,27–206,5 mit den Erl. im vorliegenden Band. S. ferner u. a. die wiederholten Hinweise auf röm. Marmorsärge vor allem aus dem Kapitolinischen Museum, aber auch aus der Villa Borghese, die in der Götterlehre nicht abgebildet sind (S. 99,18–19, 119,12–13, 151,26–29, 199,27–28, 220,12–16, 247,30–32), ebenso auf den Apollon im Belvedere (S. 79,14–18). 288 Banier 1, Vorrede des Verfassers, S. 70; Bd. 5, S. 25–27. Für weitere illustrierte mythologische Werke vgl. z. B. Baumgärtner, Geschichte der Götter. 289 Zu nennen ist noch Reinhold, Akademie der bildenden schönen Künste (1788). Das Werk enthält S. 22–246 ein alphabetisches, unter ikonographischen Aspekten erläutertes Verzeichnis mythologischer Figuren.

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die Mythologie folgen und welche Nähe zu antiken Vorlagen sie aufweisen sollten, war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allerdings strittig. Schröckh klagt: In

den mythologischen Compendiis insonderheit sind die Abbildungen der Götter gerade so beschaffen, wie man sie machen müßte, wenn man die Absicht hätte, der Welt einen Abscheu an der Mythologie beyzubringen.290 Bei Damm posieren die Gottheiten, deren Darstellung keine antiken Vorlagen zugrunde liegen, nach zeitgenössischer Erfindung unter Zuhilfenahme antiquarischen Wissens vor Landschafts-, Architektur oder Interieurstaffagen.291 Besonders die anspruchslosen Illustrationen zu Seegers Götter der alten Griechen und Römer sind weit von einer Individualisierung der Götterfiguren entfernt; die Figuren gleichen Schauspielern, die mithilfe wechselnder Requisiten ihre jeweilige Rolle kenntlich machen möchten.292 Auf solche Darstellungen zielen Seybolds kritische Bemerkungen: Dem Lehrer der Jugend wird lieb seyn, daß nun sein

Jüngling, statt der Karrikaturen im P o m e y , D a m m , S e e g e r e t c . bessere Abbildungen der vornehmsten Götter in die Hand erhält.293 Seybolds Einleitung in die Griechische und Römische Mythologie enthält Stiche, die sich auf antike Vorlagen beziehen.294 Hingegen handelt es sich bei den nach Carstens’ Zeichnungen gefertigten Stichen, die in Ramlers kurzgefaßter Mythologie abgedruckt sind, um »eigene Figurenerfindungen«.295 Diese Illustrationen zeigen eine Galerie antikisierender, teilweise in Nischen platzierter Statuen und eine Serie gemmenartiger Bildfelder.296 Insofern Moritz sich, von Ausnahmen abgesehen, auf Gemmen stützt, schließt er mit der Götterlehre an eine ausgedehnte Literatur zu den ›geschnittenen Steinen‹ an;297 insofern die Götterlehre auch darüber hinaus auf antike Kunst 290

Banier 5, S. 26. Für Beispiele vgl. das Apollon-Kupfer in Damm, Einleitung, nach S. 16. Teil der Überarbeitung von Damms Einleitung für die Ausgabe von 1786 war ein Austausch aller Kupferstiche, die ihre Staffage weitgehend einbüßten. Vgl. das Apollon-Kupfer in Damm, Einleitung 1786, nach S. 14. – Vgl. auch die Abbildungen bei Braun und Hager. 292 Man vergleiche z. B. die Jupiter-, Minos-, Saturn- und Janus-Abbildungen (Seeger 1, jeweils nach S. XVI; 10; 368; 382). 293 Seybold, Einleitung, Vorrede (unpaginiert). 294 Vgl. die Ceres-Abbildung nach S. 138 nach Lippert, Dactyliothec 1, S. 44, Nr. 97. Die Vorlage ist identisch mit der von Moritz’ Abbildung 12, S. 96,33–97,4 und Erl. im vorliegenden Band. 295 Büttner 1983, S. 97; s. Kamphausen 1941, S. 107f. 296 Vgl. als Beispiel Ramler, Mythologie 1, nach S. 34 (Juno, Minerva, Komus, Jokus). 297 Als Beispiele für spezialisierte Literatur unter Einschluss von Abbildungen seien außer Lippert, 291

Abbildungen

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Bezug nimmt, bilden Publikationen antiker Monumente ihren weiteren Rahmen. Antike Plastik, Sarkophagreliefs und die Wandgemälde von Herculaneum waren z. B. in Montfaucons Antiquite´ explique´e, den Antichita` d’Ercolano, Caylus’ Recueil d’antiquite´s, Winckelmanns Monumenti antichi inediti und Bottaris Museo Capitolino in repräsentativ gedruckten Quart- oder sogar Foliobänden zugänglich, von denen Moritz anscheinend die beiden letztgenannten bei der Arbeit an der Götterlehre konsultiert hat. Ein Informationsauftrag im Sinn der genannten Einführungsliteratur steht bei Carstens’ Zeichnungen zur Götterlehre nicht im Mittelpunkt. Aus ihnen erfährt der Betrachter nicht allein, mithilfe welcher Accessoires Artemis, Hephaistos oder Hermes identifiziert werden können. Stattdessen stehen die Darstellungen in einer Verbindung mit der Kunstprogrammatik der Götterlehre – mit der Theorie von der Anschaubarkeit des Naturganzen in der Gestalt von poetischen bzw. mythologischen Bildern. In der Fähigkeit, das Schöne augenblicklich erscheinen zu lassen, sind, Moritz zufolge, bildliche Darstellungen der sprachlichen Schilderung sogar überlegen: Durch das redende Organ beschreibt die menschliche Ge-

stalt sich selber in allen Aeußrungen ihres Wesens – da aber, wo das wesentliche Schöne selbst auf ihrer Oberfläche sich entfaltet, verstummt die Zunge, und macht der weisern Hand des bildenden Künstlers Platz.298 Verglichen mit anderen mythologischen Schriften sucht die Götterlehre das Verhältnis zwischen mythographischem Text und Abbildung neu zu bestimmen – oder vielmehr gehört dieses Verhältnis zu den Problemstellungen, an denen Moritz arbeitet. Über das Zusammenwirken von Moritz und Asmus Jakob Carstens wissen wir wenig; sie bleibt Gegenstand von Hypothesen.299 Umso mehr ist es ange-

Dactyliothec; Stosch, Gemmae; Rossi, Gemme antiche figurate und Mariette, Traite´ des pierres grave´es genannt. 298 In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 4. St., S. 204. 299 Zu berücksichtigen wären die in der Moritz-Forschung ungern angeführten äußerst lakonischen Bemerkungen von Fernow, Leben des Künstlers Asmus Jakob Carstens, S. 87f., über die Arbeiten, welche C a r s t e n s in Berlin für Buchhändler gezeichnet hat – nämlich für Ramlers und Moritz’ Mythologiewerke. Dort heißt es u. a.: C a r s t e n s legte auf seine

für Buchhändler gemachten Arbeiten, die, wie er sagte, noch überdies von den Kupferstechern verhunzt wurden, nicht den geringsten Werth, und sie sind fast alle ohne seinen Namen gestochen worden.

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Götterlehre

zeigt, einen Hinweis aus dem Vorwort programmatisch zu lesen. Moritz bringt dort Text und Bild, vertreten durch Autor und Künstler, in ein Kollegialitätsverhältnis. Carstens und Moritz, so erfährt man, wählten die Abbildungen gemeinschaftlich aus. Dass Moritz auf jede Kupferabbildung im Text verweist oder sie beschreibt, ist Ausdruck ihrer veränderten Rolle. Carstens übernimmt von den Gemmen – geschnittene Steine meist kleinen bis winzigen Formats, die in der Antike als Siegel- oder Schmucksteine getragen wurden – die ovale Form.300 Dem Schnitt verdanken die Gemmen eine reliefartige räumliche Dimension, dem Stein und seiner Bearbeitung spezifische Materialeigenschaften. Zeitgenössische Kataloge und Stichwerke mit antiquarischen Ambitionen, die Gemmen, oft in erheblicher Vergrößerung, reproduzieren, legen Wert auf die zeichnerische Andeutung von materialer Beschaffenheit und Dreidimensionalität. Zwei von den in der Götterlehre wiedergegebenen Gemmen finden sich zuvor schon in Winckelmanns Monumenti antichi inediti.301 Für Winckelmann war die Abbildungstreue von Belang, die dem Betrachter ein Höchstmaß an Informationen über die originale Vorlage vermitteln sollte (Beleuchtungsverhältnisse, Lichtreflexe, Schattenwurf, Materialien, Räumlichkeit, Beschriftung). Gemessen an der Opulenz, mit der vor allem antiquarische Prachtwerke im Stil der Antichita` d’Ercolano und von Bottaris Museo Capitolino auftreten, setzt Carstens auf visuelle Sparsamkeit. Er unterwirft die Abbildungen der Götterlehre einer hart durchgreifenden Reduktionslogik, die in einem Zusammenhang mit seinen ästhetischen Positionen steht. Da die Vorlagen teilweise Beschädigungen aufweisen und an Größe durch die Kupferstiche in der Regel um ein Vielfaches übertroffen werden, bestand Carstens’ Arbeit aber auch im Ergänzen des Undeutlichen oder Unausgeführten. Getilgt werden alle rhetorischen, persuasiven und schmückenden Darstellungsmittel, an denen es auch in den Illustrationen kleinformatig publizierter mythologischer Einführungswerke des 18. Jahrhunderts nicht fehlt. Landschaftliche Staffage, ›Draperie‹ und konventionelle Posen fallen den Streichungen zum Opfer; dasselbe gilt für technischen Aufwand, Abbildungsgröße und Detailreichtum, mit denen antiquarische Publikationen prunken. Die Abbil-

300 301

Vgl. Wegner 2015, S. 237. Für die Transformationen durch Carstens’ Wiedergabe im Vergleich mit den Originalen bzw. mit Winckelmann vgl. vor allem Büttner 1983, S. 99–102; Münter 2005, S. 49–52. Vgl. auch Kamphausen 1941, S. 109f. S. Moritz’ Beschreibungen S. 25,19–24; 232,20–233,14 mit den Erl. im vorliegenden Band.

Abbildungen

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dungen verzichten schließlich auf eine detailgenaue Wiedergabe charakteristischer äußerer Merkmale. Schraffuren, Schattierungen, Differenzierungen des Materials und Schriftzeichen sind ebenso getilgt wie Andeutungen von Räumlichkeit. Die Stücke erscheinen insofern als verkürzt um eine Geschichte, auf die für den Augenblick Spezifisches zurückgeht bzw. in der sich Zufälliges wie Produktions- und Gebrauchsspuren an sie anlagert. Damit partizipieren sie an dem Vorhaben der Götterlehre, ihren Gegenstand nicht ›historisch‹ zu behandeln. Hinfällig werden aber auch manche Anzeichen eines mimetischen Verhältnisses zur empirischen Welt, schließlich, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad, das Imitieren der jeweiligen Vorlage. So ist den Stichen eine doppelte Blickrichtung eigen: Sie beziehen sich auf die Antike, um gleichzeitig Eigenes zu entwickeln.302 Ergebnis des Tilgens sind Konturzeichnungen artifiziellen Charakters, die als Verwandlung des Ungeheuren in umgrenzte Formen am Verjüngungs-Konzept der Götterlehre teilhaben. Die Darstellungen isolieren ihre Gegenstände von historischen und erfahrungsweltlichen Kontexten und gewinnen so, obwohl sie sich an antiken Vorbildern orientieren, bis zu einem gewissen Grad Anschluss an Moritz’ Theorie einer nichtmimetisch verstandenen Kunstautonomie, näherhin an seine Umriss-Theorie.303 Folgt man dem 1793, d. h. nach der Götterlehre erschienenen Aufsatz Die metaphysische Schönheitslinie, so ist es die Aufgabe der gebogenen Schönheitslinien, innerhalb der Welt als unzusammenhängend erscheinender Mittel und Zwecke (vorgestellt als parallele Wahrheitslinien) durch geeignete Einschnitte das Bild einer vollendeten inneren Rundung hervorzubringen, in der sich das Disparate zu einem harmonischen Ganzen verbunden findet. Alles Akzidentelle, Zufällige und Dysfunktionale muss im Verlauf des künstlerischen Schaffensprozesses getilgt werden: Das Gehörige weglassen ist also

eigentlich das wahre Wesen der Kunst, die mehr negativ, als positiv zu Werke gehen muß, wenn sie gefallen soll. Wie jener große Zeichner von sich sagte; er habe einen schönen Kopf mehr durch Auslöschen als durch Zeichnen hervorgebracht.304 Der Minimalismus der Umrissdarstellungen scheint, so gesehen, ein geeignetes Verfahren zu sein, um mit Kunstmitteln das Labyrinthische zu bewältigen. Insofern die Abbildungen das nur Äußerliche – den Auswuchs von Schuppen, Haar, und Federn – ablegen, scheinen sie jene

302

Vgl. Busch 1988, S. 130. Vgl. den Überblick bei Kurbjuhn 2014, S. 427–504. 304 DgL, KMA 6, S. 366f. Vgl. Münter 2005, S. 52f. 303

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Nacktheit zu zeigen, die das innre Wesen des Gebildeten allenthalben auf seiner Oberfläche durchschimmern läßt. Näher betrachtet ist nach Moritz vorzugsweise Körperschönheit in der Lage, die Vollkommenheit der Natur sichtbar zu machen.305 Während sich die Carstens-Zeichnungen von mythologischen und antiquarischen Darstellungskonventionen des 18. Jahrhunderts und von der materialen Beschaffenheit der Vorlagen entfernen, wollen sie den ›Geist‹ der griechischen Mythologie freilegen. Der vermittelte Charakter der Zeichnungen – in vielen Fällen Abdrucke von Stichen nach Vorzeichnungen, die sich auf Abgüsse gar nicht zugänglicher, ihrerseits schon Vorlagen voraussetzender Originalsteine beziehen – fällt dabei nicht ins Gewicht oder bezeichnet dieselbe Reflexionsdistanz, die Moritz’ Umgang mit poetischen Quellen aus der Antike charakterisiert. Für die Auswahl der Vorlagen, unter denen sich auch solche aus der Zeit der Renaissance finden, gaben anscheinend nicht antiquarische Kriterien (Alter, Epochenzuordnung, Echtheit) den Ausschlag; entscheidend war vielmehr, dass die Gemmen, unter ihnen viele, die »der römischen Kunst um die Zeitwende« zuzurechnen sind,306 den Gesichtspunkt repräsentieren konnten, von dem aus sich Moritz zufolge die griechische Mythologie erschließt. Der Verfasser war sich aber darüber im Klaren, dass der Text nicht unbedingt auf Abbildungen angewiesen ist; »um Kunst zu sein«, bedarf in der Götterlehre der Mythos »trotz der Carstenschen Illustrationen der bildenden Kunst so wenig Ç. . .È wie umgekehrt die Plastik und Malerei ihrer.«307 Als Kenner von Lessings Laokoon308 wusste er auch, dass beide Medien unterschiedlichen Gesetzen unterliegen. Als Text erbringt die Götterlehre Leistungen, die den Umrisszeichnungen nicht ohne Weiteres abgelesen werden können. Im Vergleich zwischen Text und Bildern drängt sich die Frage auf, wie sich die Zeichnungen zu den zeitabhängigen Entwicklungsperspektiven, den Metamorphosen der mythologischen Welt, der Präsenz der Urbilder in den anthropomorphen Göttergestalten, überhaupt zu 305

In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 4. St.,

S. 164 (KMA 3). Büttner 1983, S. 98. 307 Pfotenhauer 1991, S. 71. 308 Vgl. z. B. In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 4. St., S. 161f. (KMA 3). 306

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dem Götter- und Heldengewimmel der mythologischen Erzählungen positionieren. Als Nachahmungen antiker Vorlagen bleiben die Illustrationen zwar in höherem Grad an ihren Gegenstand gebunden als Carstens’ selbständige Zeichnungen. Dennoch könnten sie an einer Tendenz Anteil haben, die August Wilhelm Schlegel mit Blick auf die Zeichnungen von John Flaxman charakterisiert: Ihre Zeichen

werden fast Hieroglyphen, wie die des Dichters; die Phantasie wird aufgefordert zu ergänzen, und nach der empfangenen Anregung selbständig fortzubilden, statt daß das aufgeführte Gemälde sie durch entgegenkommende Befriedigung gefangen nimmt.309 Auch an den Konturzeichnungen aus der Götterlehre wäre dann Carstens’ Tendenz abzulesen, sich vom Gegenstand zu lösen, »um dem Unsagbaren Ç. . .È vom Bildganzen her Ausdruck zu verleihen.«310 Ob und auf welche Weise die Abbildungen, ähnlich den beschriebenen und erklärten Götterfiguren, auf das Dunkle, Geheimnisvolle, nur in Ahnungen Zugängliche hin durchschaubar sind, mag hier offen bleiben.311 Eine Sonderrolle spielt vielleicht die ohne antike Vorlage gezeichnete Nacht mit ihren Kindern; denn in der unteren Bildsektion lässt Carstens die Träume als Widerlager der anthropomorphen Gottheiten zum Vorschein kommen. Im Wiener Raubdruck von 1792 erlangen, ohne Moritz’ Einwirkung, Carstens’ Konturenzeichnungen ihre Dreidimensionalität zurück.312 In analoger Weise weicht Moritz selbst in der Nachfolgepublikation, dem Mythologischen Almanach für Damen, von dem Weg ab, den er in der Götterlehre eingeschlagen hatte. 309

August Wilhelm Schlegel: Ueber Zeichnungen zu Gedichten und John Flaxman’s Umrisse, in: Athenaeum. Zweiten Bandes erstes Stück, Berlin 1799, S. 205. Vgl. Busch 1988, S. 119, im Übrigen ferner ebd., S. 117–131. 310 Tausch 1999, S. 263; s. auch ebd., S. 265. Vgl. Einem 1958, der, mit Bezug auf den späteren Karton Die Nacht mit ihren Kindern, feststellt, Carstens’ Kunst erschöpfe »sich nicht im Sichtbaren« und appelliere »mit dem Thema des Gesanges 〈der Parzen〉 an das Unsichtbare«. 311 Auf diese Frage könnte man Moritz’ Hinweis in BNS, S. 48 (KMA 3) beziehen: Denn das

höchste Schöne der bildenden Künste, faßt dieselbe Summe der Zerstöhrung, i n e i n a n d e r g e h ü l l t , auf einmal in sich, welche die erhabenste Dichtkunst, nach dem Maaß des Schönen, a u s e i n a n d e r g e h ü l l t , in furchtbarer Folge uns vor Augen legt. 312

Dasselbe gilt nicht für den Druck von 1802 bei Anton Pichler, wo Konturzeichnungen nach dem Muster der Originalausgabe zugrunde gelegt sind.

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13. Rezeption Die Rezeptionsgeschichte der Götterlehre ist ungeschrieben. Die folgenden Bemerkungen verstehen sich als vorläufig. – In gewisser Weise hatten schon die frühen Rezensionen die wichtigste Voraussetzung für die Karriere des Werks benannt. Die Götterlehre steht an einer Weggabelung, an der sich zwei mythologische Perspektiven trennen: die altertumswissenschaftliche Rekonstruktion und die Betrachtung der Mythologie als Dichtung, an die unter bestimmten Bedingungen die neuere Zeit anknüpfen kann. Die Rezensenten ergreifen nicht durchweg Moritz’ Partei; denn einige von ihnen votieren für eine philologische, »gründliche« Behandlung des Stoffs und merken gelegentlich Ungenauigkeiten oder fehlende historische Differenzierung in der Götterlehre an. In der historischen Mythenforschung des 19. Jahrhunderts spielt, so weit erkennbar, die Götterlehre keine Rolle; nur ausnahmsweise erfährt Moritz eine Korrektur.313 Eine solche erfolgt allerdings in der Götterlehre-Ausgabe von 1861 (s. u.). Eine produktive Aufnahme fand die Götterlehre vor allem in der idealistischen Philosophie und in der romantischen Poetologie. Hingegen ist es nicht übertrieben, für die Rezeption wenigstens von einem partialen Negativbefund zu sprechen. Namhafte Autoren, die mythologischen Fragen nahestanden und teilweise Moritz persönlich kannten, erwähnen das Werk – wenigstens das abgeschlossene – überhaupt nicht oder kaum, darunter Herder, Schiller, Hölderlin und Kleist. Bei Goethe, der sich in Rom aufhielt, als Moritz mit den Vorarbeiten begann, finden sich Hinweise von Aussagekraft beinahe nur in der Italienischen Reise.314 Immerhin lobt

313

Vgl. F. G. Welcker, Griechische Götterlehre 1, Göttingen 1857, S. 603, Anm. 12, zu Moritz’ Deutung des k a l t und k e u s c h leuchtenden Monds als Urbild der Artemis (S. 95,11–12 im vorliegenden Band). 314 Eine Ausnahme: Friederike Brun berichtet am 12.7.1795, in: Johann Wolfgang Goethe, Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche 31, hrsg. v. Volker C. Dörr und Norbert Oellers, S. 94, dass Goethe in einem Gespräch in Karlsbad auf Moritz’ Idee von der Entstehung des Gebildeten aus dem Formlosen Bezug genommen habe. In einem Tagebucheintrag vom 26.〈2.〉1807, ebd. 33, hrsg. v. Rose Unterberger, S. 167 kommt Goethe auf die Carstenschen Konturen zu Moritz Götterlehre zu sprechen. – Parasidou Alden 1988 hebt gelegentlich »Moritz Einfluß« auf Goethes Faust II hervor (S. 104). Die Dissertation stellt jedoch nur mit Blick auf allgemeine Konzepte (Mythos, Kunst, Phantasie, Metamorphose etc.) eine Verwandtschaft fest; philologisch überzeugende Nachweise zu Goethes Moritz-Rezeption gelingen ihr nicht.

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Körner die Götterlehre in einem Brief an Schiller.315 Gründe für das weitgehende Stillschweigen der Weimarer Literaten, sofern es sich nicht dem Zufall verdankt, mag gerade Schillers wichtigster eigener Beitrag zum poetischen Umgang mit mythologischen Stoffen zu erkennen geben – das in der Erstfassung 1788, vor der Götterlehre, im Teutschen Merkur veröffentlichte philosophische Gedicht Die Götter Griechenlands:316 Anders als Moritz behandelt Schiller die mythologischen Gebilde nicht als Labyrinth, sondern stellt aus ›sentimentalischer‹ Perspektive der Gegenwart eine arkadische Welt gegenüber. Sein GriechenlandEntwurf verzichtet daher auf die formsprengende Dynamik und die psychologische Tiefendimension der Götterlehre. Die Fragen, ob das Riskante der Götterlehre sich mit der Weimarer Kunstprogrammatik vereinbaren ließ und in welcher Beziehung die Götterlehre zu den mythologiebezogenen Weimarer Preisaufgaben stehen könnte,317 mögen gleichwohl bis auf weiteres als offen angesehen sein. Hingegen braucht es nicht als Zufall zu gelten, dass Moritz’ Ansätze bei Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854), der in seinen mythologischen Schriften Moritz zitiert, und überhaupt in der frühen Romantik auf fruchtbaren Boden fielen. Die Götterlehre steht Pate bei der Entwicklung romantisch-idealistischer Mythosbegriffe um 1800. Auch August Wilhelm (1767–1845) und Friedrich Schlegel (1772–1829) berufen sich auf das Werk. Die genannten Autoren identifizieren gerade Moritz’ Kombination von Formorientierung mit formsprengender Dynamik, von Bildung und Zerstörung im Rahmen einer Theorie des Mythos als höchster Form der Poesie als Ausgangs-, in gewisser Weise auch als Zielpunkt der eigenen ästhetischen Programmatik. Unter der Voraussetzung einer skeptischen Einschätzung der Poesie-Affinität ihrer Gegenwart suchen sie Anschluss an die Idee eines poetischen Mythos. Da sie die antiken Mythen in ihrer Entstehung fest an eine weit zurückliegende Epoche gebunden sehen, stoßen sie auf die Frage, auf welche Weise im postmythologischen Zeitalter eine eigene ›neue Mythologie‹ entwickelt werden könne. Dabei vollziehen sie Moritz’ Schritt nach, die Mythenhistorisierung als Ausgangspunkt für eine Mythenpoetisierung zu betrachten. Unter dem Eindruck von Heynes Forschungen nehmen Schelling in seiner Magisterabhandlung sowie August Wilhelm und Friedrich Schlegel ihren Ausgangs-

315

Körner an Schiller, 13. April 1791, Schiller NA 23/1, Weimar 1991, S. 61. Vgl. die Dokumente zur Rezeption der Götterlehre im vorliegenden Band. 316 Schiller NA 1, S. 190–195. 317 Für solche Zusammenhänge s. Berghahn 2005, S. 32; 41.

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punkt bei der These vom historisch Besonderen der Mythen; die ältesten Urkunden aller Völker, so erklärt Schelling, beginnen mit M y t h o l o g i e .318 Gleichzeitig nähert sich August Wilhelm Schlegel Moritz’ Formel von Mythen als dichterischer Sprache der Phantasie an, distanziert sich allerdings zugleich von ihr, insofern sie Mythen als willkürliche Schöpfungen erscheinen lässt, und entwikkelt sie weiter. In den Jenaer Vorlesungen über Philosophische Kunstlehre (1798/1799) weist er die Mythen als Bildersprache der menschlichen Vernunft und der verschwisterten Phantasie319 der Frühzeit zu. Mythen sind, wie er auch in den Berliner Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst (1801/1802) erläutert, kollektive und spontane, im Gang der menschlichen Cultur wesentliche, und unabsichtliche Schöpfung der Fantasie. Im selben Zusammenhang bestimmt Schlegel die Poesie als künstliche Herstellung jenes mythischen Zustandes, ein freywilliges und waches Träumen.320 Auch im Detail lassen sich Anlehnungen an Moritz feststellen.321

318

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Ueber Mythen, historische Sagen und Philosopheme der ältesten Welt, in: Historisch-kritische Ausgabe, hrsg. v. Hans Michael Baumgartner, Wilhelm G. Jacobs, Hermann Krings und Hermann Zeltner 1/1, Stuttgart 1976, S. 195. – Zur romantischen Rezeption der Götterlehre Hubert 1971, S. 194–209; Hampton 2013, S. 187–191. Zum idealistischen und romantischen Konzept einer neuen Mythologie Frank 1982, S. 188–211. 319 August Wilhelm Schlegel, Vorlesungen über philosophische Kunstlehre. Gehalten an der Universität Jena in den Jahren 1798–1799, in: Kritische Ausgabe der Vorlesungen 1: Vorlesungen über Ästhetik I [1798–1803], hrsg. v. Ernst Behler, Paderborn u. a. 1989, S. 49; vgl. die Dokumente zur Rezeption der Götterlehre im vorliegenden Band. 320 August Wilhelm Schlegel, Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst. Gehalten zu Berlin in den Jahren 1801–1804 (hier: 1801–1802), ebd., S. 441; vgl. die Dokumente zur Rezeption der Götterlehre im vorliegenden Band. Auch in den Jenaer Vorlesungen hatte Schlegel schon von einer neuen Mythologie gesprochen, diese allerdings auf eine falsche Ansicht des Epos zurückgeführt und als Beispiele die verfehlten Versuche christlicher Dichter (Tasso, Milton, Klopstock) genannt, aus der heiligen Schrift eine Mythologie zusammenzusetzen (ebd., S. 59). 321 Vgl. ebd., S. 444 über Zeus und Juno als obere bzw. untere Luft, ferner über die Wassergottheiten Oceanus (das feste Land umgebendes Wasser), Neptun (die bewegte und wellenschlagende See) und Nereus (die stille Meerestiefe). Ferner ebd., S. 445 über die Aufgabenverteilung zwischen Minerva (verständige Tapferkeit) und Bellona (wilde Kampfwuth). S. 447 über das in Gestalt einer Genealogie dargestellte Fortschreiten vom Amorphen zum Anthropomorphen.

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Die unpublizierte Übersetzung der Götterlehre ins Französische von Albertine Necker de Saussure (1766–1841) steht mit August Wilhelm Schlegels Interesse an diesem Werk in Verbindung; die Übersetzerin verfolgt aber gleichzeitig einen eigenen Weg. Necker de Saussure war Cousine von Germaine de Stae¨l und verkehrte zwischen 1797 und 1817 mit den Mitgliedern des »Groupe de Coppet«.322 In dieser Zeit übersetzte sie unter anderem die Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur (1809–1811) von Schlegel, der zwischen 1804 und 1817 Sekretär von Germaine de Stae¨l war – während Schlegel Necker de Saussures Notice sur le caracte`re et les e´crits de Madame de Stae¨l (1820) ins Deutsche übertrug. Das Manuskript der Götterlehre-Übersetzung entstand, auf der Grundlage der zweiten Auflage von 1795, vermutlich 1814/1815. Unter den Dokumenten zur Rezeption ist in der vorliegenden Ausgabe der Discours pre´liminaire, den die Übersetzerin den Fictions mythologiques voranstellt, erstmals gedruckt. Necker de Saussure wendet sich darin von der gelehrten Mythenphilologie, von der rationalistischen Mythenkritik und von konventionalisierten mythologischen Bildern ab und hält ihnen die Mythologie als Zeugnis einer ursprünglichen Religiosität und als elementare und verdichtete sinnliche Bildsprache entgegen. Folgt man der Verfasserin, so kann die Mythologie, recht behandelt, vitalisierend und korrigierend auf den Geschmack einwirken; sie ist überdies besonders geeignet, die Vorstellungskraft von Kindern anzuregen. Necker de Saussure ist es auch, die bemerkt, dass Moritz in Teilen der Götterlehre stillschweigend Stellen aus der antiken Dichtung miteinander verschmilzt. Der Discous pre´liminaire insgesamt stimmt von den hier wiedergegebenen Rezensionen und Rezeptionszeugnissen das enthusiastischste Lob auf die Götterlehre als ouvrage du premier rang en Allemagne an. Schelling greift in der Philosophie der Kunst (1802/1803) die Idee einer irreduziblen poetischen Symbolsprache auf, für die er sich auch in vielen mythologischen Details an Moritz orientiert.323 Historisch ist der Mythos für Schelling ein Ausgangsphänomen, auf das sich die Moderne unter eigentlich mythenfeindlichen

322

Zu Person und Werk im Überblick Delisle 2002, S. 117–145. Ebd., S. 155f. der Abdruck einer Stelle aus dem Aphrodite-Kapitel der Götterlehre. Zur Datierung der Übersetzung und zum Verhältnis zu Schlegel s. Knödler 2016. 323 Knatz 1999, S. 261–274; speziell zu Moritz S. 264f. Für die Verbindungslinien von Moritz zu Schelling die ins Einzelne gehende Untersuchung von Barth 1991, S. 162–194. Vgl. daneben, auch zu Friedrich Schlegel, Simonis 2001; Berghahn 2012, S. 156f.

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Subjektivitätsbedingungen wieder zubewegen muss. Doch gleichzeitig entwickelt Schelling einen Begriff des Mythos als Bewusstseinsform von universaler Geltung. Mythologische Bilder, die als symbolische Repräsentanz des Ganzen keiner Analyse zugänglich sind, erscheinen als das wahre Universum an sich, Bild des

Lebens und des wundervollen Chaos in der göttlichen Imagination; selbst schon Poesie und doch für sich wieder Stoff und Element der Poesie.324 Für die Vorstellung von für sich bestehenden mythologischen Bildern, in denen jeweils das Allgemeine angeschaut werden kann, sieht Schelling in Moritz den entscheidenden Gewährsmann.325 In seiner Münchner Vorlesung über Philosophie der Mythologie, die dem Mythos einen religiösen Grund zuweist, wird hingegen die Götterlehre zum Randphänomen – zu einer möglichen Betrachtungsweise, die aber für den Ursprung der Mythologie kein Erklärungsmonopol besitzt.326 In der Rede über die Mythologie, die in das Gespräch über die Poesie (1800) eingeschaltet ist, scheint auch Friedrich Schlegel, der in seinen Briefen ausdrücklich auf die Götterlehre zu sprechen kommt, auf Moritz zurückzugreifen. Auf die Götterlehre weist Schlegels allgemeine Bestimmung des Mythos. Die Idee einer Ordnung, die im Chaos besteht, stützt sich, wie es scheint, auf Moritz’ Vorstellung vom Chaos des Naturganzen, in dem alles Individuelle aufgeht: Aber die höchste Schönheit, ja die höchste Ordnung ist denn doch nur die des Chaos, nämlich eines solchen, welches nur auf die Berührung der Liebe wartet, um sich zu einer harmonischen Welt zu entfalten, eines solchen wie es auch die alte Mythologie und Poesie war. Denn Mythologie und Poesie, beide sind eins und unzertrennlich.327 Ausgehend von dem dezentrierten Charakter der modernen Poesie postuliert Schlegel deren Remythisierung unter Modernitätsbedingungen. – Ob über die

324

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Philosophie der Kunst (Vorlesung, gehalten 1802/03 in Jena, erneut 1804 und 1805 in Würzburg), in: Ausgewählte Schriften 2, hrsg. v. Manfred Frank, Frankfurt/M. 1985, S. 234. Für Affinitäten zu Moritz vgl. sonst vor allem S. 222f. über die Bewegung von der ursprünglichen Formlosigkeit zu den anthropomorphen Göttern. 325 Ebd., S. 239f.; vgl. die Rezeptionsdokumente zur Götterlehre im vorliegenden Band. 326 F. W. J. Schelling, Philosophie der Mythologie. Nachschrift der letzten Münchener Vorlesungen 1841, hrsg. v. Andreas Roser und Hoger Schulten. Mit einer Einleitung von Walter E. Ehrhardt, Stuttgart-Bad Cannstatt 1996, S. 31. 327 KSA 2, S. 313. Vgl. Jahnke 2014, S. 169. Zu den Briefzeugnissen die Dokumente zur Rezeption der Götterlehre im vorliegenden Band.

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Mythologie hinausführende Vorstellungen von antagonistischen Grundkräften – »die Hölderlinschen Begriffe des ›Aorgischen‹ (Natur) und ›Organischen‹ (Kunst) und Nietzsches ›Dionysisches‹ und ›Apollinisches‹«328 – mit Moritz in einen genetischen Zusammenhang gebracht werden können, mag dahingestellt bleiben. Verbindungen zwischen der Götterlehre und der bildenden Kunst des beginnenden 19. Jahrhunderts deuten sich mit Blick auf den Steinschneider Giovanni Calandrelli (1784–1853) sowie auf den Maler und Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) an. Calandrelli zeichnete auf einen 1816 ergangenen Auftrag des Prinzen Stanislaw Poniatowski hin zahlreiche Entwürfe für Gemmen, wovon sich 90 auf die Götterlehre stützen.329 – Schinkel legte Exzerpte aus Moritz’ Schrift an, als er an dem Wandbildprogramm für das Alte Museum (Eröffnung 1830) in Berlin arbeitete; die Gemälde wurden erst nach seinem Tod ausgeführt und im zweiten Weltkrieg zerstört. Anscheinend war unter anderem Moritz’ Idee der Göttermetamorphosen für Schinkel von Interesse.330 In welchem Umfang und auf welche Weise die Götterlehre darüber hinaus die Kunstausbildung an der Akademie der Künste oder die Berliner Kunstszene beeinflusst haben mag, wäre weiter zu untersuchen. In einer weniger spektakulären, aber nachhaltigen Rezeptionsvariante übernimmt die Götterlehre eine eher didaktische Rolle. Bis 1861 erlebte das Buch zehn Auflagen in Berlin; hinzu kommen sieben vermutlich unautorisierte Auflagen, die zwischen 1792 und 1824 in Wien und Prag erschienen. Noch vor dem Allgemeinen deutschen Briefsteller (KMA 9), der zwischen 1793 und 1832 zehnmal aufgelegt wurde, ist die Götterlehre das bis weit in das 19. Jahrhundert erfolgreichste Werk aus Moritz’ Feder. Übersetzungen in die polnische, englische, dänische, tschechische und (unpubliziert) französische Sprache kommen hinzu. Zu nennen ist ferner eine dänische Bearbeitung von Damms Einleitung in die Götter-Lehre in der von Jakob Andreas Konrad Levezow überarbeiteten Version von 1803,331 die 1805 erschien. Für dieses Werk griff der Bearbeiter, wo es angebracht schien, auch auf Moritz zurück.332 Ihre Karriere im 19. Jahrhundert verdankt 328

Schrimpf 1967, S. 182. Platz-Horster 2005. 330 Trempler 2001, S. 39 mit Anm. 115, 46f., 53 u. ö. Schinkels Notizen sind dokumentiert ebd., S. 213–219, bes. S. 213f., 218f. 331 Vgl. oben Anm. 125. 332 Den grædske og romerske Mythologie. Efter de nyeste Udgaver af Damms og Moriz’s Haandbøger. Oversat af Malthe Møller, Student. Med 29 Kobbere. Kjøbenhavn, 1805. Trykt 329

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die Götterlehre wohl hauptsächlich dem Umstand, dass sie sich in die Serie der Einführungswerke einreihen konnte, die dem Schulgebrauch dienten, aber auch für ein allgemeineres Lesepublikum von Interesse waren.333 Diese Aufnahme des Werks muss unverzüglich nach seinem Erscheinen eingesetzt haben. Bereits 1792 stellt Carl Samuel Wiegand in seinem Versuch einer kurzgefassten Mythologie für Anfänger fest, es seien unterdessen zwey vortrefliche mythologische Werke von R a m l e r , und von M o r i t z erschienen.334 August Hermann Niemeyer empfiehlt 1802 die Götterlehre neben weiteren mythologischen Einführungen (Seybold, Ramler u. a.) für die Geschmacksbildung von Schülern.335 Demselben Zweck ordnet sich die 1830 in New York erschienene Übersetzung ins Englische zu. Die Götterlehre, so weiß der deutsche Übersetzer zu berichten,

ranks among the favorite school-books used in the Gymnasia of Germany.336 Die Serie der Wiederauflagen dokumentiert allerdings eine fortschreitende Distanzierung von dem Werk:337 Die Vorrede zur fünften Auflage von 1819 ver-

paa Fr. Brummers Forlag, hos Sebastian Popp. Für Informationen über diesen Druck danke ich Lars Hansen, Det Kongelige Bibliotek, Kopenhagen. 333 Vgl. die Vorrede in Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusam-

mengestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen, nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Fünfte sorgfältig durchgesehene und verbesserte Ausgabe, Berlin 1819, S. 〈V〉f., die von einem beliebten Schulbuch spricht, in dem auch der Gelehrtere von Moritzens glücklicher Fassungsgabe überrascht werde. Vgl. die Dokumente zur Rezeption der Götterlehre im vorliegenden Band. Schon im Erscheinungsjahr empfiehlt Wolfgang Walther, Verleger der ohne Verfasserangabe erschienenen Mythologie durch Vorstellung der schönsten Stücke des Alterthums mit Kupfern erläutert, Erlangen 1791, die Götterlehre zusammen mit den Werken von Ramler und Seybold als mythologische Einführung (Vorbericht, S. 4). Wiegand, Vorrede, unpaginiert. 335 August Hermann Niemeyer, Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts für Eltern, Hauslehrer und Schulmänner. Erster Theil. Fünfte neuverbesserte Auflage, Halle 1802, S. 476. 336 Mythological Fictions of the Greeks and Romans. By Charles Philipp Moritz. Translated from the fifth edition in German, With Improvements, By C〈harles〉 F〈rederick〉 W〈illiam〉 J〈aeger〉, New York 1830, S. 〈V〉. Vgl. die Dokumente zur Rezeption der Götterlehre im vorliegenden Band. 337 Zum Folgenden vgl. jeweils die Rezeptionszeugnisse im Dokumententeil des vorliegenden Bands. 334

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weist bereits auf den Zuwachs an mythologischem Wissen seit dem ersten Erscheinen der Götterlehre, verteidigt aber die Entscheidung, Eingriffe in den Text auf die behutsame Ergänzung griechischer Namen zu beschränken. Wenig Zurückhaltung übt hingegen der Herausgeber der zehnten Auflage (1861). Frederichs unterstreicht, dass die Götterlehre nunmehr überholt sei; an die Stelle des ä s t h e t i s c h e n müsse das c u l t u r h i s t o r i s c h e Interesse an der Mythologie treten. Die Bearbeitung, der Frederichs vor allem die Götterkapitel unterwirft, will den schönen Schein durch geschichtliche Wahrheit ersetzen und beseitigt zu diesem Zweck Kernstücke von Moritz’ Mythologie. Damit ist der Punkt erreicht, an dem ein historisierender Blick auf Moritz’ Text einsetzen könnte. Ein eigenes Zeugnis für den Erfolg der Götterlehre sind die stillschweigenden Übernahmen in anderen mythologischen Werken.338 Schon 1796 schließt Fried-

338

Für wörtliche Übernahmen vgl. zwei Beispiele aus dem Herakles-Mythos. Moritz (S. 143,16–20 im vorliegenden Band): Elyktrio, Sthenelus, Alcäus, Mestor, waren die

Söhne des Perseus. Elyktrio folgte dem Perseus in der Regierung zu Mycene. Die Kinder des Alcäus waren Anaxo und Amphitryo. – Mit der Anaxo vermählte sich Elyktrio, der zu Mycene herrschte, und erzeugte mit ihr Alkmenen, die Mutter des Herkules. J. F. Niemeyer, Mythologie der Griechen, Römer, Aegypter, Nordländer, Wenden und Slawen, 3. mit Register vermehrte Auflage, Leipzig 1855, S. 162; der Verfasser reproduziert auch einen Fehler (Elyktrio statt des korrekten Elektryo): Die Söhne des Perseus waren: Elyktrio, Sthenelus, Alkäus, Mestor; und die Kinder des Alkäus waren: A n a x o und A m p h i t r y o . – Elyktrio, welcher dem Perseus zu Mykene in der Regierung gefolgt war, heirathete die Anaxo und zeugte mit ihr A l k m e n e n , die Mutter des Herkules. – Moritz (S. 146,30–35 im vorliegenden Band): Nun legte Jupiter, da er einst die Juno schlummernd fand, den Herkules ihr an die Brust, und dieser sog ihr unbewußt die Göttermilch. – Als aber Juno erwachte, so schleuderte sie den kühnen Säugling weit von sich hinweg, und verschüttete auf des Himmels Wölbung die Tropfen Milch, die ihrer Brust entfielen, und deren Spur die Milchstraße bildete, auf welcher die Götter wandeln. T〈orkel〉 Baden, Von der Unbrauchbarkeit der nordischen Mythologie für die bildenden Künste, in: Miscellanea Maximam Partem Critica, hrsg. v. Frid. 〈Friedrich〉 Traug〈ott〉 Friedemann und J〈oachim〉 D〈ietrich〉 Godofr. 〈Gottfried〉 Seebode 1, Teil 3, Hildesheim 1822, S. 417–446, hier: S. 424:

Jupiter legte, als er einst Juno schlummernd fand, den kleinen Herkules ihr an die Brust, u. dieser sog ihr unbewußt die Göttermilch. Als aber Juno erwachte, schleuderte sie den kühnen Säugling weit von sich weg, u. verschüttete auf des Himmels Wölbung die Tropfen Milch, die ihrer Brust entfielen, u. deren Spur die Milchstraße bildeten, auf welcher die Götter wandelten. – Costazza 1999, S. 391 weist darauf

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rich Eberhard Rambach (1767–1826), ab 1794 neben seiner Tätigkeit am Friedrichwerderschen Gymnasium Moritz’ Nachfolger als Akademieprofessor, an die Götterlehre an. Rambach übernimmt, ohne den Urheber zu nennen, Moritz’ Schwerpunktverlagerung von dem tiefern hieroglyphischen Sinn der mythologischen Dichtungen auf die Dichtung selbst und ihre Darstellung; ebenso greift er das Stichwort der Sprache der Phantasie auf.339 Konzeptionelle Entscheidungen trifft Rambach in Anlehnung an Moritz, vor allem mit Blick auf den Aufbau nach Göttergenerationen und die Verwendung von Zitaten aus antiken Epen-, Tragödien- und Hymnendichtern sowie aus den Werken von Goethe und Schiller. Allerdings fußt seine Ansicht der Mythologie weder auf komplexen ästhetischen Begriffen, noch übernimmt oder ersetzt Rambach die psychologischen Tiefendimensionen der Götterlehre. Die im Zusammenhang mit der Vorlesungstätigkeit des Verfassers entworfene Ansicht befindet sich stattdessen auf dem Weg zu einem eher akademischen Klassizismus.

hin, dass auch noch Gottfried Benn sich bei Gelegenheit stillschweigend Formulierungen aus der Götterlehre zu eigen macht. 339 Rambach, S. 16f. Zur Phantasie z. B. auch S. 54. Zu den Bedingungen von Rambachs Tätigkeit an der Akademie der Künste Sedlarz 2014, S. 167f., Anm. 119.

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Dokumente 1. Dokumente zur Entstehung1 1. Moritz an Friedrich Anton von Heynitz, Rom, 13. Oktober 1787.

Da mir Ew. Hochfreiherrliche Exzellenz zu einer Lehrstelle bei der Akademie der schönen Künste, wo mein Geschäft wäre, den jungen Künstlern griechische und römische Geschichte, Mythologie und Alterthümer vorzutragen, durch den Herrn Bergrath Standtke die gnädige Versicherung haben ertheilen lassen; und ich meinen Aufenthalt in Rom nur noch bis zum künftigen Frühjahr festgesetzt habe; so wage ich es, Ew. Hochfreiherrl. Exzellenz um die Bestätigung jener gnädigen Versicherung unterthänigst zu bitten. 2. Friedrich Anton von Heynitz an Moritz, 8. November 1787.

Ich bin wohl überzeugt, daß Ew. Hochedelgeb. der Academie der Künste und mechanischen Wißenschaften sehr nützlich werden würden, wenn Sie, Ihren, mir unterm 13ten v. M. geäußerten Wunsch gemäß, den Zöglingen derselben lehrreichen Unterricht in der Griechischen und Römischen Geschichte, Mythologie und Alterthümern, ertheilen könten; und ich wünsche daher dieses nicht nur, zum Besten der Academie selbst, sondern werde auch meiner Seits alles sehr gern beytragen, daß Sie diese Professur von des Königs Majestät erhalten.

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Briefzeugnisse und weitere im Manuskript überlieferte Dokumente sind, soweit möglich, nach den Handschriften wiedergegeben. Für eine vollständige Dokumentation s. KMA 13.

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3. Karl Philipp Moritz, Entwurf zu dem vollständigen Vortrage einer Theorie der schönen Künste für Zöglinge einer Akademie der Künste, Berlin, 8. Februar 1789.

Da nun aber 2.) Der Begriff des Schönen durch die Betrachtung der vollkommensten Kunstwerke, d i e e i n m a l d a s i n d , erst vollständig werden kann; die Werke der Alten aber ohne g r i e c h i s c h e u n d r ö m i s c h e G e s c h i c h t e , M y t h o l o g i e , u n d A l t e r t h ü m e r , nicht völlig verstanden, und in ihrer eigentlichen, b e d e u t u n g s v o l l e n Schönheit, empfunden werden können; so ist es nöthig, daß alles Große und Schöne aus der Geschichte der vergangnen Zeiten, nicht bloß vor das Gedächtniß, sondern vorzüglich vor die E i n b i l d u n g s k r a f t der jungen Künstler gestellt werde, um zu eignen kühnen Kunstentwürfen ihren Muth immer mehr anzufeuern; damit sie selbst, durch Hervorbringung ächter eigner Kunstwerke, wiederum auf ihr Zeitalter wirken, und der gute Geschmack selbst, durch das Daseyn solcher Kunstwerke, immer mehr befestigt werde. 4. Extract aus dem Reglement für die Academie der bildenden Künste und mechanischen Wißenschaften. Berlin d. d. Berlin den 26ten Jenner 1790.

Theorie und Alterthumskunde Sollen über Theorie der schönen Künste und Alterthumskunde, wie auch über Mythologie in den Winter-Monathen von einem eignen academischen Lehrer öffentliche Vorlesungen gehalten, und solche von den Eleven, welche des höhern academischen Unterrichts genießen, unausgesetzt besucht werden. 5. Moritz an Alexander Macco, Rom 〈recte: Berlin〉. d. 21sten Juli. 1790.

Ich habe seit der Zeit den vierten Theil von Anton Reiser herausgegeben. und arbeite jetzt an einem mythologischen Lehrbuche, was wie ich hoffe auch für den Künstler interessant werden soll; davon werde ich Ihnen, wenn es fertig ist, auch ein Exemplar überschicken.

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6. Friedrich Anton von Heynitz an Friedrich Wilhelm II., Berlin den 24n Januar 1791.

Der, als Lehrer der Theorie der schönen Künste, bey der mir anvertrauten Kunst Academie, angestelte Professor Moritz, hat behufs seiner, nun bald wieder zu eröffnenden öffentlichen Vorlesungen, eine eigene, ganze zwekmäßige Mythologie, mit Kupfern begleitet herausgegeben. E. K. M. richten Höchstdero Aufmerksamkeit gern auf jedes nützliche, und eben darum hoffe ich auch, daß E. K. M. dies, für die studirenden jungen Künstler, gewis sehr nützliche Buch, wovon ich Höchstdenenselben ein Exemplar unterthänigst anbey überreiche, dero gnädigsten Beyfalls würdigen, und mir huldreichst erlauben werden, dies dem Verfaßer, zu seiner Aufmunterung und seinem Fleis, in E. K. M. höchsteÇmÈ Nahmen versichern zu dürfen. Als eine besonders gnädige Aufnahme seines Werks, würde es der auch in andren Fächern der Litteratur sich schon bekandt gemachte Verfaßer, ansehen wenn E. K. M. ihn mit der Mitgliedschafft bey der Academie der Wißenschaften zu begnadigen geruhen wolten, um ihm, bey dem mäßigen Gehalt, das er aus der Kunst Acad. Casse erhält, den Weg zu seiner dereinstigen Verbeßerung, bey entÇsteÈhenden Vacanzen zu bahnen Ich stelle daher devotest anheim: ob E. K. M. hochstdero desfalsigen gnädigsten Willens Meynung, dem Grafen v. Hertzberg zu eröffnen, und desselben Guthachten darüber zu erfordern geruhen wollen Ç. . .È 7. Johann Christoph von Woellner an Friedrich Wilhelm II., Berlin, 25. Januar 1791, in: Harnack 1, S. 509.

Der Professor Moritz ist geschickt und des Ministre v. Heinitz rechte Hand bei der Academie der bildenden Künste, ob er gleich von der Seite nichts taugt. Indessen ist er jetzt sehr stille, vielleicht aus Furcht, vielleicht aber auch daß er sich gebessert haben mag. Die vorliegende Mythologie hat er nach Anleitung der Gemmen und Antiquen in SansSouci geschrieben, und macht ihm solche alle Ehre. Ein Mitglied der Academie der Wissenschaften könnte er wohl werden, nun aber ist anjetzo keine Vacanz, oder er müßte als Surnumeraire angestellet werden, wenn dieses Ew.Königl. Majestät dem p Grafen v. Hertzberg anzubefehlen geruhen.

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8. Extract aus dem Academischen Protocoll d. d. Berlin den 26ten Februar 1791.

Der Herr Professor Moritz zeigte an, daß er morgen über 8. Tage sein Collegium über Mythologie eröfnen werde, welches, wie im vorigen Jahre des Sontags von 11. bis 1. Uhr, in dem unteren, für die Architectonische Schule, erbaueten Saal, gelesen werden soll. Herr Moritz wird das desfalsige Avertissement für die Zeitungen entwerfen, und des Herrn Curatoris Excellenz vorlegen, und da 20. Exemplare der Moritzschen Götter Lehre, unter die Studierende bey der Academie vertheilt werden sollen. so wird Herr p Eckert am nächsten Sonnabend ein Verzeichnis vorlegen, an welche Subjecte diese 20 Exemplare mit Nutzen zu vertheilen sind. 9. Zeitungsinserat, Vossische Zeitung, 28. Februar 1791.

Vom 13ten Merz an, werde ich Sontagsvormittags von 11 bis 1 Uhr, in dem Hörsaale der Akademie der bildenden Künste, über Mythologie und Alterthümer wiederum Vorlesungen halten, und dabei meine G ö t t e r l e h r e , welche mit 65 Kupfern für 1 Rthl 12 Gr im U n g e r s c h e n Verlage zu haben ist, zum Grunde legen. Für diejenigen, welche außer den Mitgliedern und Eleven der Akademie an diesen Vorlesungen Theil nehmen wollen, beträgt das Honorarium einen Friedrichsd’or, welcher voraus bezahlt wird. 10. Karl Friedrich Klischnig, Anton Reiser. Ein psychologischer Roman. Fünfter und letzter Theil, Berlin 1794, S. 198f.

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Die meisten und vorzüglichsten Künstler schätzten seine Kenntnisse, und verehrten seine Bemühungen, die dahin zielten, den bildenden Künsten einen größern Einfluß in das gemeine Leben, auf Manufakturen und Gewerbe zu verschaffen. Sie sahen ein, wie nothwendig angehenden Künstlern seine Vorlesungen, sowohl über die Theorie der schönen Künste, als über die Mythologie waren, und vereinigten sich gern mit ihm zu Ausführung seiner guten Ideen.

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11. Die Tagebücher des Dichters Zacharias Werner, hrsg. und erl. v. Oswald Floeck. Texte, Leipzig 1939, S. 214.

30. ÇNovember 1810È – Gebet. Frühstücken, Gang zu Thorwaldsen, der nicht zu Hause, zum Maler Müller, der mir eine passable Ballade und zwei Gesänge eines sehr schönen Gedichts, Harmonie, zeigt, besonders der erste, der fast die ganze griechische Mythologie von einer neuen Seite aufgefaßt enthält, und aus dem Moritz nach Müllers Versicherung seine griechischmythologischen Ideen entlehnt hat, ist mit einer erstaunenswürdigen Fülle jugendlich üppiger Phantasie geschrieben. Der zweite enthält die Schilderung der Dichter (Homer führt die Reihe der alten, Shakespeare die der neuen an). Der dritte und vierte noch unvollendete Gesang, soll jener die andern Künstler, dieser den Bezug der Harmonie auf Müllers wirklich ächt poetisches Gemüth schildern. 12. Goethe, Italienische Reise, Zweiter römischer Aufenthalt (erschienen 1829), August 1787, in: HA 11, S. 391.

Indessen hatte Moritz sich um die alte Mythologie bemüht; er war nach Rom gekommen, um nach früherer Art durch eine Reisebeschreibung sich die Mittel einer Reise zu verschaffen. Ein Buchhändler hatte ihm Vorschuß geleistet; aber bei seinem Aufenthalt in Rom wurde er bald gewahr, daß ein leichtes loses Tagebuch nicht ungestraft verfaßt werden könne. Durch tagtägliche Gespräche, durch Anschauen so vieler wichtiger Kunstwerke regte sich in ihm der Gedanke, eine Götterlehre der Alten in rein menschlichem Sinne zu schreiben und solche mit belehrenden Umrissen nach geschnittenen Steinen künftig herauszugeben. Er arbeitete fleißig daran, und unser Verein ermangelte nicht, sich mit demselben einwirkend darüber zu unterhalten.

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2. Zeitgenössische Rezensionen 1. Göttingische gelehrte Anzeigen, 1. Bd., 16. Stück, 27. Januar 1791, S. 154–158 (Christian Gottlob Heyne).

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Bey Unger: Götterlehre, oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von K a r l P h i l i p p M o r i t z . Mit 65 in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. 1791. Octav 402 Seiten, und noch Register der Namen. Den Gesichtspunkt dieser Mythologie recht gefaßt, kann man nicht anders, als sie für ein in seiner Art vortreffliches Werk erklären. Mythologie, als Sprache der Phantasie betrachtet, wie sie von den vorzüglichen Dichtern und bildenden Künstlern des Alterthums eingeführt, in ihre Werke eingewebt ist, und wie sie jetzt noch für Poesie und Kunst von Gebrauch seyn kann; also Mythologie unserm Gefühle näher gebracht; sie, ein Geschöpf der Phantasie, und von Phantasie, durch Genie geleitet, dargestellt. Gelehrte Forschung, Philosophie der Fabel, konnte und mußte hier verbannt seyn; es ist die Fabel, so wie sie Gegenstand der Phantasie ist, brauchbar für Dichter und Künstler, und von beyden schon gebraucht; ein Gewebe von sinnlichen Bildern, ein Gebäude, worinn sich die Phantasie gefällt, und selbst der Verstand, von ihr geleitet, gern darinn verweilt; dahingegen nackte Verstandesbegriffe in die Fabel nicht gehören; sie zerstören sie; also kein abstracter Begriff von Allmacht der Gottheit, u. s. w. sondern eine Macht, der andre Mächte widerstehen, die Jupiter überwinden muß, während daß er selbst dem Fatum unterliegt. Hr. M. hat dabey nicht versäumt, verschiedene Aufklärungen und Erläuterungen der Neuern sich zu Nutze zu machen, und doch dabey seinem eignen Genie und Witz freyes Spiel zu lassen, theils in der gefälligen Stellung, Behandlung und Verbindung des Einzelnen, auch wohl in der Auswahl (denn unter mehrern Erzählungen und Behandlungen einer Fabel hatte er die Freyheit, die anmuthigere zu wählen), theils in der schönen Anordnung des Ganzen, theils in einzelnen sinnreichen Bemerkungen, scharfsinnigen Zusammenstellungen und eignen Wahrnehmungen. So fein, so sinnreich dachten sich freylich die Alten nicht alles; noch weniger ahndeten sie eine solche Vereinigung des Ganzen; den ältern Dichtern war immer alles nur e i n z e l n B i l d , oder G r u p p e , Geburt des Augenblicks des Gefühls oder der bildenden Imagination. Aber warum sollte man mit einer Phantasie zürnen,

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die mit Feinheit und Scharfsinn, und nach der Analogie, selbst nach dem Vorgang Apollodors und anderer, die heterogenen Theile zusammenzustellen und in Verbindung zu bringen sucht? Dazu kömmt ein feiner Ton der Erzählung, Colorit der Sprache, wie sie einer erhöhten Phantasie zukömmt; zuweilen auch wohl mit einem zu kühnen Flug: z. B. S. 54. Glücklich sind auch einige schickliche neuere Poesien eingemischt, und zwar von Göthe, als demjenigen unsrer Dichter, der das hohe Lyrische, und das trotzige Tragische, aus den Alten am glücklichsten übertragen hat. Mit Recht erinnert der Verf., die Fabel gehet durch Allegorie oder jede andre Auflösung für die Phantasie verlohren. Die Fabeln der alten Cosmogonie oder Theogonie (unsrer Vorstellung nach blos im Einzelnen erfunden, bearbeitet und gestellt, aber nachher vom Hesiod zusammengewebt) sind hier sinnreich und anmuthig an einander gekettet, und in eine Verbindung durch bildende Phantasie gebracht. Die alte Götterfabel vor dem Jupiter wird dargestellt als eine Welt von wilden und rohen Dichtungen, die vor dem Zeitalter der schönen Phantasie vorausgehet; vor dem Gebildeten und Schönen der Formen das Ungebildete und Unförmliche; Erst Chaos, Nacht, Finsterniß, lauter wilde Erzeugungen, ungeheure Größen, Kräfte, aber empörend und zerstörend. Dagegen haben diese Fabeln mehr Schreckliches und Erhabnes, die Fabeln der neuen Götter mehr Reizendes und Anmuthiges. Also folget Herrschaft des Jupiters. Die alte Götterwelt tritt ins Dunkle zurück; dagegen erscheinen die neuen Göttergestalten in Sonnenglanz. Nun sind die Götter nach den Menschen gebildet. Auf sie folget das götterähnliche Menschengeschlecht, die Heroen; (denn sonderbar ist der Gang des schwachen menschlichen Verstandes. Die Philosophie sagt, Gottheit muß mit der Menschheit in gar keine Verbindung gebracht werden; jene ist unendlich über alles erhaben; mit ihr ist nichts zu vergleichen. Religion hingegen hat es auf so vielfache Weise versucht, Menschen und Gottheit einander näher zu bringen: erst Götter nach Menschen gebildet, dann wieder Menschen nach Göttern). Die Wesen, welche zwischen Göttern und Menschen das Band knüpfen. Die Lieblinge der Götter. Die tragischen Dichtungen. Die Unterwelt. Gut nutzt die Phantasie des Hrn. M. die Begriffe: daß in der Dichterfabel Stärke und Macht überall das Ueberwiegende ist; daß ohne Widerstand keine sinnliche Aeusserung der Macht ist; das Zerstörende, das in der ganzen Natur liegt, und der neuen Geburt den Weg bahnt; das Schädliche und Nützliche, das sich einander die Waage hält; Alles vom rohen, aber gesunden, Menschenverstand wahrgenommen

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und durch die Phantasie bearbeitet. Auch gut gefaßt, daß die Fabeln der alten Gottheiten auf mehrere der Neuern übertragen sind, als von Helios auf den Apollo; von Gäa auf Vesta. Viele rohe Fabeln sind ins Feinere gebildet, als von Ceres, von Vulcan, von Vesta, von Cybele (fast zu viel S. 166). (Schon der frühe Dichter webte die physische Fabel in seine Dichterfabel: wo konnte auch sonst Mannigfaltigkeit für so viele sich ähnliche Gottheiten seyn, wenn nicht der Dichter die Naturkräfte, welche jene ehemals bezeichneten, auf sie übertragen hätte? Neptuns Macht und Stärke erhält das Eigne durch die Bilder vom Element des Meers; Mars, von den Bildern des Kriegs; Venus von der bildenden Natur und von der Vereinigung der Elemente. So Jupiter, Juno s. w.). Daß die Helden immer am Ende des Lebens unglücklich sind, ist wohl aus dem Gebrauch der Fabel für Tragiker abzuleiten; ein unglücklicher leidender Held ist das Wirksamste für die Bühne. Eine feine Bemerkung: wie fähig die Fabel ist, eine Menge Begriffe in einander zu fassen und zu vereinigen; denn wie viel ganz verschiedene Begriffe sind im Mercur, in Minerven vereinigt (S. 123). Einzelne kleine Unrichtigkeiten aufzuspähen, ist unsre Sache nicht. Bey einer künftigen Auflage, die nicht ausbleiben kann, wünschen wir die richtige Schreibart an die Stelle einiger unrichtigen: Es muß geschrieben seyn: Tirynth, Sphinx, Electryon, Euphrosyne, Licymnius, Klytämnestra, Harpyien, Phaethon, Phaethusa, Melanippe, Berg Mänalus, Alcestis, Lacedämon, Callirrhoe, Podarces, Bacchus, Libya, Amphictyon, Ägä. Typhaon und Typhoeus sind beyde ein und dasselbe Wesen. Das tönende Erz zu Dodona war vom Orakel verschieden, und gehört in späte Zeiten. Polyhymnia, als Muse der Beredsamkeit, kömmt uns fremd vor. Die Kupfertafeln enthalten von Hrn. Prof. Karsten geschickt verfertigte Umrisse von Figuren, meistens nach den Lippertischen Pasten, und sind zu dem Zweck hinlänglich: Indessen bietet sich hier mit der Zeit eine größere Unternehmung dar. Zu S. 39 muß Epimetheus, nicht Pandora, die sitzende Figur seyn. Vesta S. 153 läßt sich einst austauschen; keine geflügelte Figur, sondern ein übel gezeichneter Cerberus, liegt neben Jupiter Serapis; Vesta hält einen Stab, oder Scepter; der vermeynte Griff daran ist blos eine Falte vom Gewand. Was S. 178 Silen hält, wird keine Hippe, sondern ein Plectrum seyn, die Lyra zu schlagen.

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2. Würzburger gelehrte Anzeigen, 38. St., Mittwoch, 11. Mai 1791, S. 369–374.

Bey Lesung dieses schönen Buches wird mancher denken, was S c h i l l e r in seinen Göttern Griechenlands gesungen hat: Schöne Welt, wo bist du? kehre wieder, Holdes Blütenalter der Natur! Ach! nur in dem Feenland der Lieder Lebt noch deine goldne Spur. In diesem lieblichen Feenlande hat Hr. M. die holden Blumen der Dichtung von den mythologischen Götterwesen der Vorwelt gesammlet, sie zwar nicht durchgehends mit philosophischem Geiste geordnet, aber mit dem Sinne des Alterthums ihre Reitze kurz enthüllt. Der Gesichtspunct, aus welchem diese Zusammenstellung angesehen werden müsse, wird in der Vorrede von dem Verf. so angegeben: »Ich habe es versucht, die mythologischen Dichtungen der Alten in dem Sinne darzustellen, worin sie von den vorzüglichsten Dichtern und bildenden Künstlern des Alterthumes selbst, a l s e i n e S p r a c h e d e r P h a n t a s i e , benutzt und ihren Werken eingewebt sind, deren aufmerksame Betrachtung mir durch das Labyrinth dieser Dichtungen zum Leidfaden Ç!È gedienet hat. Die Abdrücke von den Gemmen aus der Lippertischen Daktyliothek und aus der Stoschischen Sammlung habe ich mit dem Hrn. Prof. K a r s t e n s , der die Zeichnungen zu den Kupfern verfertiget hat, gemeinschaftlich ausgewählt, um, soviel es sich thun ließ, diejenigen vorzuziehen, deren Werth zugleich mit ihrer Schönheit und der Kunst, womit die Darstellung ausgeführt ist, besteht.« Welche Gestalt das Ganze unter der Hand des Verf. gewonnen hat, wird man aus folgender Angabe sehen: Gesichtspunct für die mythologischen Dichtungen; Erzeugung der Götter; Götterkrieg; Bildung der Menschen; Nacht und Fatum, das über Götter und Menschen herrscht; a l t e G ö t t e r , als: Amor, die himmlische Venus, Aurora, Helios, Selene, Hekate, Oceanus, die Oceaniden, Mnemosyne, Themis, Pontus, Nereus, Thaumas, Eurybia, Phorkys und die schöne Ceto, oder die Erzeugung der Ungeheuer, die Flüsse, Proteus, Chiron, Atlas, Nemesis, Prometheus; J u p i t e r d e r Va t e r d e r G ö t t e r , Eifersucht der Juno, Vesta, Ceres, Jupiter; d i e n e u e B i l d u n g d e s M e n s c h e n g e s c h l e c h t s , Ogyges, Inachus, Cekrops, Deukalion, die alten Einwohner von Arkadien, der Dodonische Wald; d i e m e n s c h e n ä h n l i c h e B i l d u n g der Götter,

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Jupiter, Juno, Apollo, Neptun, Minerva, Mars, Venus, Diana, Ceres, Vulcan, Vesta, Mercur, die Erde, Cybele, Bacchus; d i e h e i l i g e n Wo h n p l ä t z e d e r G ö t t e r u n t e r d e n M e n s c h e n , Kreta, Dodona, Delos, Delphi, Argos, Olympia, Athen, Cypern, Gnidus, Cythere, Lemnus, Ephesus, Thracien, Arkadien, Phrygien; d a s g ö t t e r ä h n l i c h e M e n s c h e n g e s c h l e c h t , Perseus, Bellerophon, Herkules; d i e z w ö l f A r b e i t e n d e s H e r k u l e s , der Nemäische Löwe, die Cernäische Ç!È Schlange, der Erymanthische Eber, der Hirsch der Diana, die Stymphaliden, das Wehrgehenk der Königinn der Amazonen, der Stall des Augias, der kretensische Stier, die Rosse des Diomedes, der dreyköpfige Geryon, die goldenen Aepfel der Hesperiden, der Höllenhund Cerberus; d i e T h a t e n d e s H e r kules, welche er nicht auf fremden Befehl vollführt hat, die Befreyung der Hesione, die Ueberwindung des Antäus, Busiris und Kakus, die Befreyung der Alceste aus der Unterwelt, die Befreyung des Prometheus von seinen Qualen, die Aufrichtung der Säulen an der Meerenge zwischen Europa und Afrika; d i e Ve r m ä h l u n g e n d e s H e r k u l e s u n d s e i n e Ve r g e h u n g e n u n d S c h w ä c h e n ; d e s H e r k u l e s l e t z t e D u l d u n g u n d s e i n e Ve r g ö t t e r u n g , Kastor und Pollux, Jason, die Fahrt der Argonauten, Melnager, Ç!È die kalydonische Jagd, Atalante, Minos, Dädalus, Theseus. D i e We s e n , w e l c h e d a s B a n d z w i s c h e n G ö t t e r n u n d M e n s c h e n k n ü p f e n , Genien, Musen, Liebesgötter, Grazien, Horen, Nymphen, Satyrn, Faunen, Pan, Sylvan, Penaten, Priapus, Komus, Hymen, Orpheus, Chiron, Aeskulap, Hygna Ç!È; L i e b l i n g e d e r G ö t t e r , Ganymed, Atys, Tithonus, Anchises, Adonis, Hyacinthus, Cyparissus, Leukothoe, Endymion, Acis, Peleus; t r a g i s c h e D i c h t u n g , T h e b e n , Kadmus, Oedipus, Eteocles und Polymices, Ç!È thebanischer Krieg, Pelopiden, Troja, Niobe, Cephalus und Prokris, Phaeton; d i e S c h a t t e n w e l t , Pluto, Furien; d i e S t r a f e n d e r Ve r u r t h e i l t e n i m Ta r t a r u s , Tantalus, Ixion, Phlegyas, die Danaiden, Sisyphus; A m o r u n d P s y c h e . Herr M o r i t z hat die mythologischen Dichtungen zwar mit vielem Fleiße gesammelt, in einer angenehmen, nur oft etwas zu dichterischen Sprache, erzählt, allein auf ihre G e n e a l o g i e und auf die mit ihnen in verschiedenen Zeiten und bey verschiedenen Völkern vorgenommene verschiedene Behandlung scheint er weniger Rücksicht genommen zu haben. Davon werden wir unten bey Bacchus eine Probe geben. In dem kurzen Gesichtspuncte, den er für die mythologischen Dichtungen vorausschickt,

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nimmt er freylich die Wesen gleich für das an, was sie in dem Gebiete der Dichtung sind: allein für manchen Leser möchte es doch nicht unangenehm gewesen seyn, am Anfange dieses Werkes des Verfassers Raisennement Ç!È über die E n t s t e h u n g der alten Fabeln, die Homer so glücklich zu benutzen wußte, so wie über den eigentlichen Begriff einer alten Gottheit theils in den Theogonien, theils überhaupt bey den alten Dichtern zu lesen. U n s e r n so wenig als den philosophischen Begriff G o t t darf man dort freylich nicht suchen. Die Benennung T h e o s diente bloß dazu, p e r s o n i f i c i r t e A b s t r a c t e damit zu bezeichnen. Was war diesen aber nun für eine Gestalt zu geben? Unter den Formen, welche die Natur hiezu biethet, war bloß zwischen der thierischen und menschlichen zu wählen. Waren aber beyde hinreichend? Oder waren nicht vielmehr beyde, s o w i e s i e s i n d , unschicklich? Weil nun jene personificirten Abstracte mit ausserordentlichen, ungewöhnlichen, übermenschlichen Wirkungen vorgestellt wurden, so gab man ihnen den Namen T h e o i , oder handelnde Wesen, die zwar mit den Menschen Aehnlichkeit haben, aber in Ansehung ihrer Größe, Macht und Stärke über dieselben um ein Beträchtliches erhaben sind. Diese wahrscheinlich zum Behufe der Abbildung gewisser philosophischer Ideen in der Physik erfundenen personificirten Abstracte wurden ohne Zweifel schon vor Homer von den Dichtern als würkliche, handelnde Wesen angenommen. Homer erst gab ihnen eine neue festere Gestalt, bildete sie nach den Menschen, nicht seines, sondern des Heldenalters, zu, und so erhielten sie nach und nach durch die von den Gottheiten anderer Nationen entlehnten Ausschmückungen verschiedene Attribute und Gestalten. Wir führen noch an, was wir oben in Ansehung des Bacchus gesagt haben. An folgenden Hauptfäden nämlich hängt hier die Geschichte dieser Gottheit zusammen. Sein hohes Urbild war die i n n e r e s c h w e l l e n d e L e b e n s f ü l l e der Natur, (wozu diese bombastische, strozende Bezeichnung? Warum nicht einfacher, kunstloser und deutlicher, wie H e y n e : Bacchus ist das Symbol der Zeugungskraft der fruchtbaren Natur?) womit sie dem G e w e i h t e n b e g e i s t e r n d e n Genuß und s ü s s e n Ta u m e l aus ihrem s c h ä u m e n d e n Becher schenkt; die Dichtung von seiner Geburt und seinem Alter, als einem e w i g b l ü h e n d e n K n a b e n ; (sollte wohl J ü n g l i n g heißen, wie Dichter und Künstler ihn nur kennen) von seiner Gefangennehmung, der Strafe des Pentheus, seinem Zuge nach Indien, seiner Bildung, seinem verschiedenen Gefolge; (unter welchem die

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Musen fehlen, zu welcher Idee vergl. H e y n e de Musarum religione in Comment. Gött. Vol. VIII. S. 36. die Begeisterung der Dichter Anlaß gab) seinen Attributen u. s. f. Unsers Erachtens hat Herr H e r m a n n (im Handbuche der Mythologie zw. B. S. 150. fgg.) die Fabel des Bacchus weit besser geordnet und erklärt. Der Grundbegriff nämlich ist die Z e u g u n g s k r a f t d e r N a t u r . An diesen knüpfte sich der von der Cultur des Lebens und der Gesellschaft, wozu der Land- und Weinbau nicht wenig beytragen. Weil zur verbesserten Lebensart der Menschen an einigen Orten mit dem Ackerbaue, an andern mit dem Weinbaue der Anfang gemacht wurde, so verehrte man daher Bacchus und Ceres überall als die Schöpfer des gesitteten Lebens. Allen großen und verdienstvollen Veränderungen feyerte die Vorzeit zum Andenken F e s t e , daher also die B a c c h u s f e s t e (teletai), in welchen symbolisch der Uebergang von der rohen zur cultivirtern Lebensart vorgestellt wurde. Nachdem sich allmählig der Schlüssel zu jener symbolischen Feyer verloren hatte, blieben bloß die rasenden und sinnlosen Feyerlichkeiten übrig, welche phönicischen, ägyptischen und thracischen Ursprunges waren. Alles dieß übertrug man in der Folge auf den t h e b a n i s c h e n Bacchus, einen einheimischen Heros. Weil endlich jene Feste einen hohen Genuß sinnlicher Freuden darboten, so blieb zuletzt nichts übrig, als die Idee, daß Bacchus überhaupt der Freudengeber sey. – Wäre diese Entwicklung der Idee des Bacchus vorausgeschickt gewesen, so hätten die verschiedenen mythologischen Dichtungen füglicher angereiht werden können. Ausserdem dringt sich uns noch eine Bemerkung auf. Hr. M. nämlich scheint den Göttern des Alterthums vor unserm Begriffe von einem unendlichen, unumschränkten, unkörperlichen Wesen z u r D i c h t u n g einen großen Vorzug zu geben, und sich hierin ganz auf Herrn S c h i l l e r s Seite zu neigen. So sagt er z. B. S. 98. »Das U n e n d l i c h e , U n b e g r ä n z t e , ohne Gestalt und Form ist ein u n t r ö s t l i c h e r Anblick.« Sed hic non erat locus, und wir sollten überhaupt glauben, K l o p s t o c k habe mit seiner Messiade vollkommen bewiesen, daß auch ein u n e n d l i c h e s Wesen den Sänger zur h o h e n D i c h t u n g hinreichend Stoff geben könne. – Bey einer folgenden Auflage, die dieses Buch ohne Zweifel erleben wird, möchte es übrigens rathsam seyn, daß der Hr. Verf. manche zu oft wiederholte, vielleicht Lieblingsausdrücke mit anderen vertausche. So heißt es z. B. S. 1. 2.: wozu sie (die Phantasie) sich einen weiten S p i e l r a u m schafft,

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und gleich darauf: wo sie desto freyern Spielraum hat. So auch S. 163 und 166. der Ausdruck: die Idee und Phantasie k a n n h a f t e n . Auch die Kupferplatten sind nicht alle richtig gestellt. So ist S. 212 von dem Bellerophon die Rede, und auf dem zu dieser Seite bestimmten Kupfer sieht man den Orpheus und Chiron, welche jene Seite nichts angehen, so wie der S. 325. vorgestellte Perseus und Bellerophon zu S. 212. gehört. Auch S. 153. wird auf eine Abbildung der Vesta verwiesen, die man aber daselbst nicht findet. 3. Allgemeine Literatur-Zeitung, 3. Bd., Nr. 180, Sonnabend, 2. Juli 1791, Sp. 14–16.

Da die mythologischen Dichtungen der Alten von Hn. M. in dem Sinne dargestellt werden, worinn sie von den vorzüglichsten Dichtern und bildenden Künstlern des Alterthums, a l s e i n e S p r a c h e d e r P h a n t a s i e , behandelt worden sind, so ergiebt sich aus diesem eignen Geständniß des Vf., daß sein Buch keine kritische Behandlung der Mythologie, nicht Philosophie der Fabel, folglich keine G ö t t e r l e h r e , nicht einmal eine Geschichte der Götter, sondern eine Schilderung der Gottheiten, als Dichterwesen, enthalten soll. Diesen Zweck hat auch der Vf. immer vor Augen gehabt, ungeachtet er mit freygebiger Hand noch mehr spendet, als er verspricht, und theils die Hauptmomente der mythischen Geschichte und die allmählichen Verwandlungen und Ausschmückungen der Mythen berührt, theils in einige Gegenden des Fabellandes die Fackel der Philosophie, welche andre vor ihm angesteckt hatten, hineinträgt. Nicht also für den kritischen und philosophischen Forscher ist dieses Buch eigentlich bestimmt, sondern es ist ein schönes Geschenk, das der Vf. den Freunden der Musen macht, die sich gern an den Dichtungen der Bildner und Sänger ergötzen, und die, trotz philosophischer und religiöser Aufklärung, unter den schönen Wesen der Fabelwelt sich wohl befinden. Die ganze Religion der Alten ist dem Vf. eine Religion der Phantasie nicht des Verstandes; ihre Götterlehre ein schöner Traum, der zwar viel Bedeutung und Zusammenhang in sich hat, auch zuweilen erhabene Aussichten giebt, von dem man aber die Genauigkeit und Bestimmtheit der Ideen im wachenden Zustande nicht fodern darf. Nur Griechenlands Götter sind es, die der Vf. als die herrlichsten Producte einer begeisterten Phantasie darstellt: die barbarische Fabel, selbst die altrömische weiß nichts von jenen lieblichen Dichtungen.

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Die mythologischen Dichtungen, um die Resultate der Einleitung mitzutheilen, als Sprache der Phantasie betrachtet, machen eine Welt für sich aus, in der sie nach Wohlgefallen herrschen. Ihr Wesen ist zu bilden; ihr Gebiet reicht so weit, als die Sinne und die Phantasie. Die Begriffe des Verstandes und der Vernunft sind ihnen fremd. Sie schweben gern über der Wirklichkeit, aber sie lieben es, sich der Vorwelt anzuschmiegen, um durch das Schwankende der Zeiten und Oerter in ihren Schöpfungen vollkommne Freyheit zu behalten. Durch ihre Vereinigung mit den ältesten Begebenheiten erhalten sie mehr Gewicht, und verhindern ihre Auflösung in bloße Allegorie. »Die Hand, welche den Schleyer, der diese Dichtungen bedeckt, ganz hinwegziehen will, verletzt zugleich das zarte Gewebe der Phantasie, und stößt alsdann, statt der gehofften Entdeckungen, auf lauter Widersprüche und Ungereimtheiten.« (Dies ist zu allgemein gesagt. Das schöne Bild der Phantasie verschwindet freylich durch die Auflösung, aber nicht immer ist es Unsinn, was hinter der Hülle verborgen liegt; oft zeigt sich ein wahrer Begriff aus der physischen oder moralischen Welt, wie der Vf. selbst von d e n a l t e n G ö t t e r n gesteht. Nur in dem Sinne hat der Vf. Recht, daß man nicht alles im Bilde deuteln muß, was bloß Dichterlaune und Dichterschmuck ist.) Man muß zuerst diese schönen Dichtungen nehmen, wie sie sind; sie sind in sich vollendet, ihr Werth liegt in ihnen. Die Menschen sind darinn den Göttern so untergeordnet, daß auf sie und ihre sittlichen Bedürfnisse wenig Rücksicht genommen wird. Sie sind oft das Spiel der höhern Mächte, die, über alle Begriffe der Moralität erhaben, durch hohe Macht und Kraft sich auszeichnen, aber, wie die Sterblichen, zeugen und gezeugt werden, und sogar mit den Menschen sich vermählen. Es würde zu weit führen, wenn wir den Vf. in die einzelnen Schilderungen der Gottheiten begleiten wollten: wie sehr würde auch ein trockner Auszug gegen diese schöne Einfalt der Erzählung und gegen die mit Witz, Scharfsinn und Geschmack ausgeführte Darstellung abstechen! Dieses Chaos von zerstreuten, unzusammenhängenden, verschiedenartigen Dichtungen zu ordnen, und unter leicht zu übersehende Gesichtspuncte zu bringen, war nur das Werk eines lichtvollen Kopfes, und, wenn der kritische Forscher es auch nicht billigen möchte, daß Dichtungen verschiedner Zeiten, Oerter und Arten, gleich als zu einem Ganzen gehörig behandelt werden, so wird den Vf. der Dank und Beyfall jeder schönen Seele, welche für die Gebilde des Phantasienspiels Sinn hat, schadlos halten. Wir bemerken nur noch die Fäden, an welche Hr. M. seine Erzählungen gereiht hat. Die

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Erzeugung der Götter. Der Götterkrieg. Die Bildung der Menschen. Die Macht 〈!〉 und das Fatum. Die alten Götter. Die neue Bildung des Menschengeschlechts. Die menschenähnliche Bildung der Götter. Die heiligen Wohnplätze der Götter unter den Menschen. Das götterähnliche Menschengeschlecht. Die Wesen, welche das Band zwischen Göttern und Menschen knüpfen. Die Lieblinge der Götter. Die tragischen Dichtungen. Die Schattenwelt. Den Beschluß macht die reizende Dichtung von Amor und Psyche, welche deswegen sich an das Todtenreich anschließt, weil die zartesten Begriffe vom Tod und Leben derselben eingewebt sind, und gleichsam über die Schauer der Schattenwelt einen sanften Schleyer decken. Die gut gerathnen Zeichnungen zu den Kupfern sind von Hn. Prof. K a r s t e n s verfertigt, und bestehen in einer Auswahl vom Ç!È Gemmen aus Lippert und Stosch, die für die Jugend zu Beförderung anschaulicher Erkenntniß nützlich seyn werden. Die zu S. 51 vorgestellte F u r i e hat wenig Ausdruck, und hätte sollen gegen eine andre mit Schlangengeißeln und Fackel, dergleichen auf halberhabnen Werken mehrere vorkommen, vertauscht werden. Beyfall und weitre Nachahmung verdient die nach Pausanias entworfene Zeichnung der Macht, Ç!È in deren Schooße die Genies des Schlafes und des Todes ruhen. Nur beruht die Vorstellung der Knaben mit verschränkten Füßen auf einer auch von Lessing gemachten Mißdeutung des griechischen Worts (diestrammeÂnoi), die bereits H e y n e über den Kasten des Cypselus gerügt hat. 4. Neue Leipziger gelehrte Anzeigen oder Nachrichten von neuen Büchern und kleinen Schriften besonders der Chursächsischen Universitäten, Schulen und Lande. Auf das Jahr 1791. 2. Bd., Julius bis December, S. 494f.

Die Absicht ist, die mythologischen Dichtungen der Alten (also Griechen und Römer, alte und spätere Ideen) in dem Sinne darzustellen, worin sie von den vorzüglichsten Dichtern und bildenden Künstlern des Alterthums selbst, als eine S p r a c h e d e r P h a n t a s i e , benutzt und eingewebt sind (folglich nicht auf ihre Quellen und ihren vollen Sinn zurück zu gehen). Dieser Gesichtspunkt wird in der Einleitung angegeben, und der Satz ausgeführt: daß die mythologischen Dichtungen als Sprache der Phantasie betrachtet werden müssen, eine Welt für sich ausmachen, und aus dem wirklichen Zusammenhange der Dinge herausgehoben sind. Hierauf werden diese Dichtungen in folgender Ordnung durchgegangen: Erzeugung

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der Götter; Götterkrieg; Bildung des Menschen (sollte die Fabel vom Prometheus nicht später stehen?) die Nacht und das Fatum, das über Götter und Menschen herrscht, alte Götter (Amor, himmlische Venus bis auf Nemesis und Prometheus – auch hier manche, denen der Rang des Alterthums streitig gemacht werden könnte); Jupiter, Vater der Götter; neue Bildung des Menschengeschlechts (Ogyges, Inachus, Cecrops, Deucalion, alte Bewohner Ar-cadiens, Dodonischer Wald); menschenähnliche Bildung der Götter (Jupiter, Juno u. s. f.); die heiligen Wohnplätze der Götter unter den Menschen (Kreta, Dodona, Delos u. s. f.), das götterähnliche Menschengeschlecht (sehr umständlich vom Hercules); die Wesen, welche das Band zwischen Göttern und Menschen knüpfen (Genien, Musen, Liebesgötter u. s. f.); Lieblinge der Götter (Ganymed u. s. f.); tragische Dichtungen (von Theben, den Pelopiden, Troja &c.); die Unterwelt (Pluto, Furien, Strafen der Verurtheilten, Amor und Psyche). Der kritische Forscher der Mythologie wird oft weniger befriedigt werden, als der Künstler und Dichter, und als der Dilettant, dem es auch auf die Rechtschreibung manches Namens eben nicht sehr ankommen wird. 5. Humanistisches Magazin, 4. Bd., 3. St., 1791, S. 277–281, hier: S. 278–280 (g.; Sammelrezension zu Ramler, Mythologie und Moritz, Götterlehre).

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Diese beiden neuen Mythologien haben ohngefähr einerlei Bestimmung, da sie beide nicht sowohl dem Gelehrten und dem Erklärer der Schriften der Griechen und Römer als den Dilettanten und Künstlern gewidmet sind. Sie führen daher auch nicht die Stellen der alten Auktoren, aus welchen sie geschöpft sind, an, sondern enthalten nur das Resultat, in wie fern es jener Absicht entspricht. Die Ordnung, in welcher Hr. R. die Götter und Halbgötter auftreten läßt, ist im Ganzen eben die, nach welcher die Systeme der Mythologien gewöhnlich abgefaßt werden; Hr. M . hingegen macht folgende neue Abtheilungen: 〈folgt die Gliederung der Götterlehre〉 . Dieser Plan entspricht dem Zwecke des Hrn. Verf. Er ist ein Plan der Phantasie, – und für diese schrieb Hr. M o r i z allein – folglich weder der Geschichte der Dichtungen ganz treu, noch genau zusammenhängend. Die einzelnen Vorstellungen sind auch nur von den v o r z ü g l i c h s t e n Dichtern und bildenden Künstlern der Alten angenommen und ausgewählt, wie sie der Absicht am besten entsprachen. Nicht selten sind sie in der Kopie verschönert um der Phantasie des Lesers ein volles und reizendes Bild darzubieten. Hr. R.

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bleibt den Quellen getreuer, und deutet auch den physischen, moralischen oder historischen Sinn an, welchen die Dichtungen wahrscheinlich haben. Beide Schriftsteller werden gewiß auch hier, wo sie sich ihrer bekannten Stärke in der Darstellung mit nicht geringerm Glück als sonst bedient haben, mit Vergnügen gelesen werden. Zu ihrer Vergleichung wollen wir ein kurzes Beispiel hersetzen: 〈Folgen Zitate zu Nereus/Doris bei Ramler, Mythologie 1, S. 296 und Moritz, Götterlehre, S. 70 (S. 54,19–31 im vorliegenden Band)〉. 6. Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung, 109. St., Mittwoch, 14. September 1791, Sp. 525–528 (H.).

Der berühmte Hr. Prof. M o r i z hat hier die mythologischen Dichtungen der Alten in dem Sinne dargestellt, worin sie von den v o r z ü g l i c h s t e n Dichtern und bildenden Künstlern des Alterthums selbst a l s e i n e S p r a c h e d e r P h a n t a s i e , benutzt, und ihren Werken eingewebt sind, deren aufmerksame Betrachtung dem Verf. durch das Labyrinth dieser Dichtungen zum Leitfaden gedient hat. Die Abdrücke von den Gemmen aus der Lippertschen Dactyliothek, und aus der Stoschischen Sammlung hat er mit dem Professor K a r s t e n s , der die Zeichnungen zu den Kupfern verfertiget hat, gemeinschaftlich ausgewählt, um diejenigen vorzuziehen, deren Werth zugleich mit ihrer Schönheit, und der Kunst, womit die Darstellung ausgeführt ist, besteht. Die schöne philosophische Einleitung führt auf obigen Gesichtspunct hin durch weitere Ausführung des Satzes, daß die mythologischen Dichtungen, als eine Sprache der Phantasie betrachtet, gleichsam eine Welt für sich ausmachen, und aus dem Zusammenhange der wirklichen Dinge herausgehoben sind. Diesem Satze gemäß werden diese Dichtungen selbst in der folgenden Ordnung durchgangen: 1) die Erzeugung der Götter; 2) der Götterkieg; 3) die Bildung der Menschen; 4) die Nacht und das Fatum, das über Götter und Menschen herrscht; 5) die alten Götter; 6) Jupiter, Vater der Götter; 7) die neue Bildung des Menschengeschlechts; 8) die menschenähnliche Bildung der Götter; 9) die heiligen Wohnplätze der Götter unter den Menschen; 10) das götterähnliche Menschengeschlecht; 11) die zwölf Arbeiten des Herkules; 12) die Thaten des Herkules, welche er nicht auf fremden Befehl vollführt hat; 13) die Vermählung des Herkules, und seine Vergehungen und Schwächen; 14) des Herkules letzte Duldung, und seine Vergötterung; 15) Die

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Wesen, welche das Band zwischen Göttern und Menschen knüpfen; 16) die Lieblinge der Götter; 17) die tragischen Dichtungen; 18) die Schattenwelt; 19) Amor und Psyche. Schon aus dieser Classification wird man schliessen können, daß die Götterlehre nicht nach dem gemeinen Schlage sey. Scheint schon der Verfasser für Künstler und Dichter am vorzüglichsten gesorgt zu haben; so wird doch auch jeder andere Liebhaber der mythologischen Dichtungen des Alterthums hinlängliche Nahrung finden. – Möchte dieses Buch in recht viele Hände studierender Jünglinge kommen, die sich nicht, wie es so oft der Fall ist, durch grobe Unwissenheit in diesem Fache auf Reisen beym Anblicke der Kunstsachen dieser Art prostituiren wollen. Man wird die Sprache des Werkchens nicht erst von uns gelobt wissen wollen, da man vom Hrn. Pr. M o r i t z einen edlen und gedrängten Ausdruck bereits gewohnt ist. Nur hätten wir die immer wiederhohlten Worte weggewünscht: Auf dieser Ku- pfertafel befindet sich u. s. w. Auch nicht minder gewünscht, ein wenig mehr Sorgfalt auf den richtigen Abdruck manches Nahmens zu finden, ob- gleich Druckfehler das Buch sonst gar nicht entstellen. 7. Neueste Critische Nachrichten, 17. Bd., 1791, 43. St., S. 340–342, hier: S. 341f. (Sammelrezension zu Moritz, Anthusa; Moritz, Götterlehre und Ramler, Mythologie).

Gewöhnlich bringt man in die Vorstellungen von der Religion, Mythologie und Lebensart der alten Völker, immer zu viel von den heutigen hinein, wovon sie doch so ganz dem Geist als der Form nach verschieden waren. Ihre Religion zweckte nicht auf Aufklärung des Verstandes, auf Unterricht und Moralität ab, und hatte keine Beziehung auf die Zukunft. Sie hatten keine Dogmatik, keine Katechismen. Ihre Götterlehre und Mythologie war Sprache glühender Phantasie, von Dichtern und Künstlern eingeführt, ihre Bilder zu verschiedenen Zeiten daher verschieden geformet. Ihre Religion war äußerliche Gebräuche, die ihnen bald ihre Geschichte versinnlichet lesen ließen, und bald Weihung des würklichen Lebens zu frohem Lebensgenuß, zur Erhöhung von Bürgertugend, Patriotismus und Heroismus war, und die eben daher so viel Einfluß in das bürgerliche Leben hatte. Es war dabei zwar feierlicher Ernst, aber immer mit frohem Scherz, selbst mit etwas Comischen, das Wahre immer mit dem Bildlichen vermischt, eine Religion nicht des Verstandes und des Herzens, sondern mehr der Einbil-

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dungskraft. Von dieser Seite sieht Hr. Prof. Moritz die Götterlehre und die Gebräuche der Römer mit philosophischem Blick an. Darnach erklärt er sie, und das mit Grazie und oft glücklichem Witz, mit seiner Beurtheilungskraft, scharfsinnigen Bemerkungen und dichterischer Zusammenstellung. Der mehreste Theil der heiligen Gebräuche der Römer waren ihre Opfer und Feste. Leztere sind besonders nach den Monathen und Tagen derselben, worin sie gefeiert wurden, vorzüglich dargestellt. Da der Verf. mit Werken und Resultaten der Phantasie zu thun hatte; so hat eigenes lebhaftes Genie, eigene Einbildungskraft, die in Rom selbst durch den Anblick jener Reste des Alterthums erhöhet war, ihm oft auf die Spur geholfen. Beide Werke sind erstes mit 18 und letzteres mit 65 Abbildungen, theils nach den Pasten der Lippertschen Daktiliothek, theils aus andern Denkmälern des Alterthums, z. E. aus dem Werke des Onuphrius Panuvinius von den Circensischen Spielen, genommen. Daß da, wo die Phantasie so von allen Seiten spielt, eben diese Phantasie andern bisweilen andere Bilder vormalen dürfte, ist natürlich. Hrn. Prof. Ramlers Mythologie ist ohne alle gelehrte Untersuchungen, philosophische Anmerkungen noch sinnreiche Vermuthungen, blos für angehende junge Dichter und bildende Künstler geschrieben, die sich an den Werken der Alten vergnügen, die Dichter und das Spiel ihrer Phantasie verstehen, und die Monumente der alten Kunst kennen und gehörig gebrauchen wollen. Ç. . .È

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8. Neue nürnbergische gelehrte Zeitung, 97. St., Dienstag, 6. Dezember 1791, S. 774–776.

Die Götterlehre der Griechen und Römer ist zu verschiedenen Zeiten auch aus verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet und nach verschiedenen Grundsätzen bearbeitet worden, wobey aber doch immer die grosse Verwirrung, welche zuerst durch Heyne’s Scharfblick entwickelt wurde, nicht gehoben worden ist. Herr Moriz hat in diesem Werke sich einen ganz neuen Gesichtspunkt gewählt, der besonders für den Dichter und Künstler der interessanteste ist, aber freilich den historischen Forscher und Kritiker keine befriedigende Aussichten in die dunklen Gefilde der Mythologie verschaffet. Er hat es nemlich versucht, die mythologischen Dichtungen der Alten in dem Sinne darzustellen, worinn sie von den vorzüglichsten Dichtern und bildenden Künstlern des Alterthums selbst, als eine Sprache

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der Phantasie benutzt, und ihren Werken eingewebt sind. Und er hat diesen Versuch auch schön und glücklich ausgeführt. Selbst mit einer reichen Einbildungskraft ausgerüstet, findet er diese zerstreuten Dichtungen der Phantasie glücklich zusammen, und stellt sie in einer schönen Sprache in einem geschmackvollen Ganzen dar. Die Geschichte der Heroen erzählt er oft mit den Worten der Dichter selbst. Eben dieser von ihm gewählte Gesichtspunkt macht, daß man die Einwürfe vergißt, welche man ihm wegen mancher etwas schwankenden und unbestimmten Erklärung machen könnte. S. 26 giebt er selbst bey Gelegenheit eines Beyspiels die Grundsätze an die Hand, nach welchen er gearbeitet hat, und auch beurtheilet seyn will. »Saturnus, sagt er, ist bald ein Bild der alles zerstörenden Zeit, bald ein König, der zu einer gewissen Zeit in Latium herrschte. Die Erzählungen von ihm sind weder bloße Allegorien, noch bloße Geschichte, sondern beides zusammen genommen, und nach den Gesetzen der Einbildungskraft verwebt. Dieß ist auch der Fall bey den Erzählungen von den übrigen Gottheiten, die wir durchgängig als schöne Dichtungen nehmen, und durch allzu bestimmte Ausdeutungen nicht verderben müssen. Denn da die ganze Religion der Alten eine Religion der Phantasie und nicht des Verstandes war, so ist auch ihre Götterlehre ein schöner Traum, der zwar viel Bedeutung und Zusammenhang in sich hat, auch zuweilen erhabene Aussichten giebt, von dem man aber die Genauigkeit und Bestimmtheit der Ideen im wachenden Zustande nicht fordern kann.« – Die Abdrücke der Gemmen aus der Lippertischen Daktyliothek und aus der Stoschischen Sammlung hat Hr. Prof. Karstens gezeichnet, und Hr. Tassaert gestochen. Bey ihrer Auswahl sind diejenigen vorgezogen worden, deren Werth zugleich mit in ihrer Schönheit, und der Kunst, womit die Darstellung ausgeführt ist, besteht. 9. Gothaische gelehrte Zeitungen, 44. St., 2. Juni 1792, S. 402–404.

Götterlehre, oder mythologische Dichtungen der Alten. Z u s a m m e n g e s t e l l t v o n K a r l P h i l i p p M o r i t z . Mit 65 in Kupfer gestochenen Antiken nach geschnittenen Steinen. Bey Unger. 1791. 416 Seiten in 8. (1 rthlr. 12 gl.) Wir würden mit einer weitläuftigern Anzeige dieses in seiner Art klaßischen Werks des Hrn. Hofraths Moritz viel zu spät kommen, da das Publikum schon längst über seinen Werth entschieden hat.

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Bey einer so großen, und fast jährlich vermehrten Menge von Einleitungen und kurzen Uebersichten der griechischen und römischen Mythologie, war doch unsers Wissens noch kein solcher Abriß für den Dichterliebhaber und Künstler vorhanden, worin die mythologischen Dichtungen der Alten in dem Sinne dargestellt worden wären, worin sie von den vorzüglichsten Dichtern und Künstlern des Alterthums selbst benutzt, und in so mannichfaltige und liebliche Formen eingekleidet worden sind, a l s e i n e S p r a c h e d e r P h a n t a s i e . Und gerade aus diesem jedem Dilettanten, jedem Künstler so interessanten Gesichtspunkte, hat der Verf. die alte Fabel durchaus in dieser Götterlehre behandelt. Seine eigne blühende Phantasie und sein Aufenthalt in Italien begünstigte diese Behandlungsart, die durch eine geschmackvolle Auswahl der besten Abbildungen nach alten Gemmen in der Lippertschen und Stoschischen Sammlung, die H r . P r o f . K a r s t e n s sehr richtig gezeichnet, und H r . Ta s s a e r t gestochen hat, noch mehr Beziehung und Leben erhalten hat. Wir wollen für diejenigen, welche dies Buch noch nicht genau kennen sollten, nur die Hauptrubriken hersetzen, welche einen jeden von der lichtvollen Anordnung der so verwickelten ältern und neuern Mythen überzeugen, und auf die Ausführung selbst begierig machen müssen. Gesichtspunkt für die mythologischen Dichtungen. (Eine Phantasieenwelt nicht allegorischer, sondern durch ein bestimmtes Local und feste Umrisse sinnlich verkörperter, idealisirter Wesen.) Die Erzeugung der Götter. Der Götterkrieg. Die Bildung der Menschen. Die Nacht und das Fatum. Die alten Götter, (Amor, Venus, Urania, Helios, Selene, Themis, Oceanus u. s. w. Hierher rechnet der Verf. auch die N e m e s i s , die doch als Adrastea nur attisches Local, übrigens aber gewiß eine spätere, und vielleicht orientalischen Ursprungs ist. S. Buonarotti Osserv. supr. alcun. Medagl. P. 219 seqq.) Jupiter, der Vater der Götter. Die neue Bildung des Menschengeschlechts. (So weit geht das Gebiete der frühern Cosmogonien und Theogonien.) Die menschenähnliche Bildung der Götter. Die heiligen Wohnplätze der Götter unter den Menschen. Das götterähnliche Menschengeschlecht, oder die Heroen. Die Wesen, welche das Band zwischen Göttern und Menschen knüpfen, als Genien, Musen, Grazien, Ho- ren u. s. w. Die Lieblinge der Götter. (Diese zwey Rubriken haben uns vorzüglich gut ausgeführt geschienen. Denn hier ist wahre Symbolensprache der Phantasie.) Die tragischen Dichtungen. Die Schattenwelt. Amor und Psyche. – Dies alles ist nun mit einer ganz eigenen Zartheit und Feinheit ausgeführt, auch durch die Einflechtung kleiner Hymnen

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von Göthe zu einem wahren Kunstgebilde gar lieblich geformt. Indessen möchte doch der Alterthumskenner und Philolog bey dieser Manier noch manche erhebliche Erinnerung zu machen haben. Die Phantasie des Hrn. Hofr. erblickt auch da oft nur schöne Künstler- und Dichter-Phantasien, wo gründliche Sprach- und Alterthumskunde bestimmte physikalische oder historische Veranlassungen finden muß. So wird bey der ganzen Entstehung der ältern Mythen viel zu wenig auf die kindisch rohen Begriffe jener ältesten wilden Völkerschaften, auf den Fetischendienst und das eingeschränkte Local Rücksicht genommen. So hat, um nur noch ein paar Beyspiele anzuführen, der Hr. Verf. beym Vulkan S. 145. zwar recht viel Treffendes über diese aus so ungleichartigen Theilen zusammengesetzte Gottheit gesagt, und besonders das Komische daran, das schon in der Homerischen Darstellung des hinkenden, seine eigene Hahnreyschaft offenbarenden Vulkans unverkennbar da steht, sehr gut bemerkt. Aber zwey Winke erwarteten wir dennoch zur Aufklärung dieses sonderbaren Fabelgemisches. Alle sitzende Gewerbe und Handwerke (to banayson) waren im Alterthum verachtet. Hieraus erklärt sich Vulkans h i n k e n d e Gestalt. Hieraus seine verunglückten Liebesanträge an die Minerva, und der daraus wundersam genug entsprungene Erichthonius w i e d e r m i t D r a c h e n f ü s s e n . Dann sollte auch darüber ein Fingerzeig gegeben seyn, daß Vulkan das wilde, unterirrdische Feuer bezeichne, das sich durch feuerspeyende Berge in Lemnos (Sophocl. Philoctet. 987. 800) dem Aetna, den Liparischen Inseln u. s. w. Luft machte, Metalle schmolz und verschlackte, und so den Menschen die erste Idee von Metallarbeiten durchs Feuer darbot. So hätten wir nun auch bey der Vesta S. 151. dies vorangeschickt, die Vesta sey eigentlich das sorgfältig aufbewahrte Hausfeuer, das man, ehe die leichte Kunst, es anzuzünden, wenn man wollte, erfunden wurde, immer brennend erhalten mußte. So war in jeder Stadt das Prytaneum der Aufbewahrungsplatz des stets brennenden Feuers. (S. die Intt. ad Theocrit. 21, 36.) So durfte auch in spätern Zeiten das Feuer der Vesta nur auf jene alte Weise durchs R e i b e n d e s H o l z e s wieder angezündet werden, wenn es durch Nachlässigkeit der Vestalinnen ausgelöscht war. Was also der Hr. Verf. von der reinen keuschen Flamme sagt, die durch die Vesta versinnbildet werde, so ist dies zwar ein schönes Bild der Phantasie, aber doch nicht eigentlich in den Vorstellungen des Alterthums gegründet. Diese Beyspiele werden hoffentlich zureichend seyn, um den Sinn unsrer obigen Bemerkung deutlich zu machen, womit wir jedoch dem Verdienste des Hrn. Verf. keineswegs zu

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nahe treten wollen, der absichtlich allen Anschein von Gelehrsamkeit bey dieser Ausarbeitung vermied, so daß im ganzen Buche auch kein einziges Citatum zu finden, und es also auch von dieser Seite eben so gut zu einer reitzenden und unterhaltenden Lectüre für Damen geschickt ist, als der Ç. . .È m y t h o l o g i s c h e A l m a n a c h f ü r D a m e n 〈folgt eine Rezension des mythologischen Almanachs〉. 10. Allgemeine deutsche Bibliothek, 110. Bd., 2. St., 1792, S. 530–539, hier: S. 536–539 (Be., d. i. Johann Georg Schilling; Sammelrezension zu Hermann, Handbuch 2 und Moritz, Götterlehre).

2. Recensent glaubte sich aus dem Gebiete der Minerva in das Reich der Grazien versetzt, als er nach Durchlesung des H e r m a n n i s c h e n Handbuchs diese M o r i t z i s c h e Götterlehre zur Hand nahm, so hauchet hier alles liebliche Anmuth, fern von ernster Gelehrsamkeit und tiefforschender Kritik, wodurch sich das andre Werk so rühmlich auszeichnet. H e r m a n n s Zweck war, die alte Mythologie nach ihrer wahren oder wahrscheinlichen Entstehung aus den wirklichen cosmogonischen, physischen und moralischen Ideen der Urwelt zum Behuf gelehrter Leser der Alten zu entwickeln, und dazu wurde Gelehrsamkeit und tiefes Eindringen in den Geist der alten Fabel, dazu wurde Trennung der verschiedenen Zeitperioden erfordert; M o r i t z versuchte es, die mythologischen Dichtungen der Alten überhaupt und ohne weitere Rücksicht auf Zeitfolge, als die in den Dichtungen selbst lag, in dem Sinne, worin sie von den vorzüglichsten D i c h t e r n und b i l d e n d e n K ü n s t l e r n des Alterthums selbst benutzt wurden, mit einem Worte, als eine Sprache der Phantasie darzustellen, und dadurch sein Buch auch für den Nichtgelehrten, der aber gern in dem weiten Gebiete der Einbildungskraft umherschweift, zu einer angenehmen Lectüre zu machen. Dort findet der Leser die M y t h o l o g i e s e l b s t hier die mythologischen D i c h t u n g e n . Natürlich würde man also M . zu nahe treten, wenn man sein Werk mit dem Hermannischen aus einem Gesichtspunkte betrachten, und nach einem Maasstabe beurtheilen wollte; oder wenn man hier kritische und philologische Gelehrsamkeit, ernste Untersuchung und Hebung von Schwierigkeiten und Widersprüchen, die man etwa hie und da in der alten Götterlehre antrift, suchte. Nein, »die mythologischen Dichtungen, sagt der Verf. (S. 1.) machen als eine Sprache der Phantasie genommen gleichsam eine Welt für sich aus, und in ihrem eig-

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nen Gebiete herrscht die Phantasie nach Wohlgefallen, und stößt nirgends an. Die Hand also, welche den Schleier, der diese Dichtungen bedeckt, ganz hinwegziehen will, verletzt zugleich das zarte Gewebe der Phantasie, und stößt alsdann anstatt der gehoften Entdeckungen auf lauter Widersprüche und Ungereimheiten.« Aber dennoch wird auch der denkende und philosophische Forscher dieß Buch nicht unbefriedigt weglegen, denn das schöne darinn aufgestellte Gemälde unterhält nicht blos die Phantasie, sondern auch der Verstand findet in der Betrachtung desselben reichliche Nahrung. Mitten unter den Schilderungen des Fluges, den die Phantasie in den mythologischen Dichtungen nahm, findet man unvermerkt Winke zur Deutung der Dichtersprache, und zur Enthüllung des Fabelschleyers, die von einer genauen Bekanntschaft mit dem Geiste des Alterthums zeugen. Denn so sehr es, um an diesen schönen Dichtungen nichts zu verderben, nöthig ist, heißt es S. 4., sie zuerst, ohne Rücksicht auf etwas, das sie bedeuten sollen, grade so zu nehmen, w i e s i e s i n d , so haben sie doch, wie der Verf. an andern Stellen des vorangeschickten Gesichtspunkts für die mythologischen Dichtungen sehr schön und richtig bemerkt, ihre Bedeutung in sich selber; so spiegeln sie in ihrem großen oder kleinen Umfange, die Verhältniße der Dinge, das Leben und die Schicksale der Menschen ab, und lehren Lebensweisheit besser als Krantor und Chrysipp; so liegt endlich in ihnen zugleich eine geheime Spur zu der ältesten verlohren gegangenen Geschichte verborgen, wodurch sie ehrwürdiger werden und ein Gewicht erhalten, das ihre Auflösung in bloße Allegorie verhindert. Und diese in ihnen verborgen liegenden Spuren alter Weisheit und Geschichte hat der Verf. nicht unbemerkt gelaßen, und dadurch manchen Gesichtspunkt angegeben, der zu richtigen Aufschlüßen Anlaß geben kann. Auch von dieser Seite also empfiehlt sich das Buch dem Kenner und zeichnet sich vor vielen andern, selbst neuern Mythologien aus. Was übrigens die Ordnung anbetrift, in welcher er die alten mythologischen Dichtungen aufgestellt hat, so ist sie folgende. Nach einer vorausgeschickten Einleitung, welche den Gesichtspunkt für die mythologischen Dichtungen angiebt, werden die Ideen welche sich die Phantasie von Erzeugung der Götter, dem Götterkriege, der Bildung der Menschen, der Nacht und dem Fatum und überhaupt von den alten Göttern vor dem Jupiter schuf, vorgetragen. Dann folgt die neue Götter-Epoche, an deren Spitze Jupiter steht; die neue Bildung des Menschengeschlechts; die Götter selbst in Rück- sicht ihrer menschenähnlichen Bildung; ihre heiligen

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Wohnplätze unter den Menschen; die unmittelbaren Abkömmlinge der Götter oder das götterähnliche Menschengeschlecht, bey welchem Abschnitt die Geschichte des Hercules am ausführlichsten behandelt ist. Nun kommen die Wesen, welche das Band zwischen Göttern und Menschen knüpfen, und die Menschen, welche besonders Lieblinge der Götter waren. Endlich die tragischen Dichtungen und die Schattenwelt. Das schöne Ganze beschießt die reizende Dichtung vom Amor und der Psyche, in welche die zartesten Begriffe von Tod und Leben eingewebt sind, und welche gleichsam über die Schauer der Schattenwelt einen sanften Schleier deckt. – Die Schreibart ist leicht und fließend und einer schönen Dichtung angemessen. Hier eine ungesuchte Probe. 〈Folgen Auszüge aus dem Apoll-Kapitel der Götterlehre.〉 Die beygefügten Abdrücke solcher Gemmen aus der Lippertschen Dactyliothek aus der Stoschischen Sammlung, de- ren Werth zugleich mit ihrer Schönheit, und der Kunst, womit die Darstellung ausgeführt ist, besteht, so wie die hie und da eingestreuten Gedichte von Göthe u. a. verschönern noch das Ganze, und machen die Sprache der Phantasie anschaulicher.

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11. Allgemeine deutsche Bibliothek, 111. Bd., 1. St., 1792, S. 238–240 (Dm., d. i. Johann Joachim Eschenburg).

Sehr vortheilhaft hebt sich dieses mythologische Lesebuch aus der so zahlreichen Menge derer hervor, welche von Ausländern und Deutschen, mehr zwar für den eigentlichen Jugendunterricht, als für die Unterhaltung des Lesers, geschrieben sind. Zwar hat uns Herr Prof. R a m l e r unlängst eine mehr für diesen letztern Zweck bearbeitete Mythologie geliefert, deren Werth und Brauchbarkeit unverkennbar ist. Dadurch aber wurde das hier anzuzeigende Buch doch nichts weniger als überflüssig; denn es bedarf nur einer flüchtigen Vergleichung mit jenem, um sogleich die Verschiedenheit des Gesichtspunkts sowohl, als der ganzen Behandlungsart beyder Schriftsteller wahrzunehmen. Herr M o r i t z hat in beyder Rücksicht sehr viel Eigenthümliches, und gieng von dem gewöhnlichen Pfade, den Herr R a m l e r überall fast gar zu treu blieb, vornehmlich dadurch ab, daß er die mythologischen Dichtungen der Alten in d e m Sinne darzustellen versuchte, worin sie von den vorzüglichsten Dichtern und bildenden Künstlern des Alterthums selbst, als eine S p r a c h e d e r P h a n t a s i e , benutzt, und ihren Werken eingewebt sind. Eine zwar nicht durchaus neue, aber doch gewiß

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sehr glückliche Idee; und wohl unstreitig die zweckmäßigste und fruchtbarste von allen, wenn es darauf ankommt, Dichtern und Künstlern, und Dilettanten von beyderley Art, das Studium der Mythologie von der rechten Seite darzustellen, und ihnen den Unterricht darüber anwendbar und angenehm zu machen. In der E i n l e i t u n g des Verf. findet man diesen Gesichtspunkt der mythologischen Dichtungen noch genauer, und, unsrer Ueberzeugung nach, sehr richtig bestimmt. Als Sprache der Phantasie machten die Mythen der Griechen und Römer gleichsam eine Welt für sich aus, und sind aus dem Zusammenhange der wirklichen Dinge herausgezogen. Die Göttergeschichte der Alten durch allerley Ausdeutungen zu bloßen Allegorieen umbilden zu wollen, ist ein eben so thörichtes Unternehmen, als wenn man diese Dichtungen durch allerley gezwungene Erklärungen in lauter wahre Geschichte zu verwandeln sucht. Man muß sie gerade so nehmen, wie sie sind, und, so viel möglich, mit Einem Ueberblicke das Ganze betrachten, um auch den entferntern Beziehungen und Verhältnissen allmählig auf die Spur zu kommen. Alles, was eine schöne Dichtung b e d e u t e t , liegt in ihr selber; aber alles dieses ist den dichterischen Schönheiten untergeordnet, und nicht der Hauptendzweck der Poesie. Freylich aber läßt die Phantasie, so viel wie möglich, die Wesen, die sie schaft, in das Reich der Wirklichkeit spielen. Und hier muß man das, was Sprache der Phantasie, oder mythologische Dichtung ist, auch blos als solche zu betrachten suchen, und vor allen voreiligen historischen Ausdeutungen sich hüten. Denn diese Mischung des Wahren mit der Dichtung in der ältesten Geschichte macht an unserm Gesichtskreise, so weit wir in die Ferne zurückblicken, gleichsam den dämmernden Horizont aus. Soll uns hier eine neue Morgenröthe aufgehen, so ist es nöthig, die mythologischen Dichtungen, als alte Völkersagen, so viel wie möglich von einander zu scheiden, um den Faden ihrer allmähligen Verwebungen und Uebertragungen wieder aufzufinden. In dieser Rücksicht muß daher die allgemeinere Mythologie die ältesten Völkersagen, welche auf uns gekommen sind, neben einander stellen. Und dieß geschieht hier, wenn gleich nur summarisch, mit der Götterlehre der Griechen und Römer. Die Ordnung, welche der Verf. bey dieser Zusammenstellung befolgt hat, wird sich am besten aus der Anzeige der Hauptrubriken abnehmen lassen, welche folgende sind: 〈folgt die Gliederung der Götterlehre〉. In der ganzen Ausführung dieses Plans, in seiner Erzählungsart, in den einge-

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streuten feinen, auf Kunst und Geschmack und Philosophie kurz hindeutenden Bemerkungen, kurz, in der Bearbeitung dieses ganzen Buchs wird der Leser gewiß viele Befriedigung und mannichfaltige Belehrung finden. Die beygefügten, nur im Umriß radirten, Kupfer hat der Verfasser aus der Lippertschen Daktyliothek und der Stoschischen Sammlung mit Hrn. Prof. K a r s t e n s , der die Zeichnungen dazu verfertigte, gemeinschaftlich ausgewählt, und dabey vorzüglich auf diejenigen gesehen, deren Werth zugleich mit ihrer Schönheit, und der Kunst besteht, womit die Darstellung ausgeführt ist. 12. Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung, 20. St., Freitag, 15. Februar 1793, Sp. 326–329, hier: 327–329 (Sx.).

Diese Schrift, die Recensent mit Vergnügen, und nicht ohne Belehrung gelesen hat, und die gewiß dem Verf. Ehre macht, läuft Gefahr, sehr verschieden beurtheilet, vielleicht hier gelobt, und dort getadelt zu werden. Alles kommt nämlich auf den Gesichtspunct an, aus welchem der eine oder der andere die Mythologie der Alten betrachtet, und zu welchem Zwecke man sie bearbeiten will. Wir haben neuerlich durch den Fleiß und die scharfsinnige Gelehrsamkeit des Hrn. H e r m a n n s ein Handbuch der Mythologie erhalten, das für den gelehrten und kritischen Forscher dieses bisher nur sparsam, und nicht sehr glücklich bearbeiteten Faches der alten Litteratur so viel schätzenswerthe, meisterhaft zusammengestellte, und entwickelte Unterrichte enthält, als man nur billiger Weise fordern, und erwarten kann. Aber mit ihm kann Hr. M o r i t z aus bald anzugebenden Gründen nicht verglichen werden. Hr. H e r m a n n lieferte eine schöne Frucht seines kritischen Scharfsinnes für den, der Geschmack daran hat, und sie zu genießen weiß; aber auch Hr. M . hat nicht weniger seinem Zwecke Genüge geleistet. Außer diesen beyden hat auch neuerlich Hr. R a m l e r eine M y t h o l o g i e und a l l e g o r i s c h e P e r s o n e n als Anfang jener Mythologie z u m G e b r a u c h b i l d e n d e r K ü n s t l e r herausgegeben; aber R a m l e r s berühmtem Nahmen unbeschadet gesteht Rec., bey ihm am wenigsten Befriedigung und Erfüllung dessen, was er von R . wünschte und erwartete, gefunden zu haben. Für r o h e bildende Künstler (die aber, wenn sie noch solche Belehrungen aus der Mythologie nöthig haben, nur abusive b i l d e n d e K ü n s t l e r heissen mögen) mag nun solche Compilation ihren Nutzen haben; außer dem aber ist sie eine viel zu tro-

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ckene und magere Erzählung dessen, was man bey älteren und neueren von mythologischen Fabeln findet. R a m l e r kann daher auch mit keinem der beyden vorhin genannten gleichzeitigen Bearbeiter in Vergleichung gestellt werden. Hr. M o r i t z ist, so viel wir wissen, der erste, der es versuchte, die mythologischen Dichtungen der Alten in dem Sinne darzustellen, worin sie von den vorzüglichsten Dichtern und bildenden Künstlern des A l t e r t h u m s selbst als eine S p r a c h e d e r P h a n t a s i e benützt, und ihren Werken eingewebt sind. So bald man diesen Gesichtspunct aus den Augen verliert, oder vielleicht tief- gelehrte, mit philologischer und kritischer Gelehrsamkeit ausgeschmückte Untersuchungen erwartet, so wird man sich getäuscht finden. Damit will Rec. aber keineswegs sagen, daß nicht auch dazu, die mythologischen Dichtungen als Sprache der Phantasie darzustellen, gründliche Kenntnisse nöthig wären, und aus Hrn. M . Schrift nicht auch wirklich hervorleuchten; sondern er will damit nur anzeigen, daß der Verf. die Kunst verstanden habe, mit Verläugnung alles gelehrten Ansehens seine Ideen über die mythologischen Dichtungen der Alten in einer solchen Form vorzutragen, und in ein solches Gewand zu kleiden, daß auch der Leser, der nicht von Profession ist, wenn er übrigens nur durch einige Lectüre sich gebildet hat, und Geschmack an den Mythen der Alten findet, sein Buch mit Nutzen und Vergnügen lesen kann. Was ist aber überhaupt von dem Gesichtspuncte zu halten, aus welchem Hr. M . die Mythologie betrachtet? Freylich ein zusammenhängendes Lehrgebäude wird man nie daraus zusammensetzen können; die Theile sind zu heterogen, als daß sie sich zu einem harmonirenden Ganzen verbinden ließen: unglücklicher Weise hat immer der eine Commentator zu viel, der andere zu wenig darin gefunden. Die Göttergeschichte der Alten kann weder zur bloßen Allegorie gedeutelt, noch durchaus in wahre Geschichte verwandelt werden. Nehmen wir aber jene Dichtungen, wie sie sind, und das müssen wir doch wohl, wenn wir sie nicht verkennen wollen, so läßt sich doch hier und da den Beziehungen und Verhältnissen zwischen den Bruchstücken (denn Bruchstücke sind es doch immer) auf die Spur kommen. Zur Erläuterung diene ein Beyspiel aus Hrn. R . Schrift. Jupiter, sagt man, bedeutet die obere Luft. Aber das heißt nichts gesagt. Vielmehr bedeutet der Begriff J u p i t e r nach Hrn. M . in dem Gebiethe der Phantasie zuerst sich selbst, so wie der Begriff Cäsar in der Reihe der wirklichen Dinge den Cäsar selbst bedeutet. Denn wer würde wohl z. B. bey dem Anblicke der Bildsäule des Jupiters von Phidias Meisterhand zuerst an die obere Luft gedacht haben,

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die durch den Jupiter bezeichnet werden soll, als wer alles Gefühl für Erhabenheit und Schönheit verläugnet hätte, und im Stande gewesen wäre, das höchste Werk der Kunst wie eine Hieroglyphe, oder einen todten Buchstaben zu betrachten, der seinen ganzen Werth nur dadurch hat, weil er etwas außer sich bedeutet? Ganz recht sagt der Verf.: Der müßte wenig von den hohen Dichterschönheiten des Homers gerührt seyn, der nach Durchlesung desselben noch fragen könnte: Was bedeutet die Iliade? Was bedeutet die Odyssee? Alles, was eine schöne Dichtung bedeutet, liegt ja in ihr selbst: sie spiegelt in ihrem großen und kleinen Umfange die Verhältnisse der Dinge, das Leben und die Schicksale der Menschen ab, sie lehrt auch Lebensweisheit nach Horazens Ausspruch, besser als Krantor und Chrysipp. – In den mythologischen Dichtungen ist nun die Lehre freylich so sehr untergeordnet, daß sie ja nicht darin gesucht werden muß, wenn das ganze Gewebe dieser Dichtungen uns nicht als frevelhaft erscheinen soll. Nach diesen und ähnlichen Grundsätzen hat Hr. M . mit seiner bekannten feurigen, aber lieblichen Phantasie über die mythologischen Dichtungen der alten Griechen und Römer auf eine Art commentirt, daß man gerne in diesen Gefilden der Einbildungskraft verweilt, und nicht ohne Nutzen und mit neuen Aufschlüssen, die zum richtigen Verstehen der alten Dichter und Kunstwerke dienen, bereichert zurückkehrt. Rec., der Hrn. M . Phantasien mit Cicero’s Schrift de natura Deorum in der Hand gelesen hat, ist dabey auf verschiedene Contraste gestossen, die er hier aufzustellen Willens war: da es aber der Raum jetzt verbiethet, weil es zu weitläufigeren Betrachtungen leiten würde, als diese Blätter fassen können, so muß er dieß auf eine andere Gelegenheit versparen. Er kann jedoch nicht unterlassen, die Leser auf eine solche Vergleichung aufmerksam zu machen, weil er aus Erfahrung weiß, daß sie zu lehrreichen und nützlichen Resultaten führt. Die Abhandlungen des Verf. sind folgende: D i e E r z e u g u n g d e r Götter, Götterkrieg, Bildung der Menschen, die Nacht und das Fatum, das über Götter und Menschen herrscht, die alt e n G ö t t e r , J u p i t e r , d e r Va t e r d e r G ö t t e r , d i e n e u e B i l d u n g des Menschengeschlechts, die menschenähnliche Bildung d e r G ö t t e r , d i e h e i l i g e n Wo h n p l ä t z e d e r G ö t t e r u n t e r d e n M e n s c h e n , d a s g ö t t e r ä h n l i c h e M e n s c h e n g e s c h l e c h t (sehr ausführlich vom Herkules), d i e We s e n , w e l c h e d a s B a n d z w i s c h e n Göttern und Menschen knüpfen, die Lieblinge der Götter,

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d i e t r a g i s c h e n D i c h t u n g e n , d i e S c h a t t e n w e l t . – Die 65 in Kupfer gestochenen Abbildungen sind aus der Lippert’schen Dakyliothek 〈!〉 und der Stoschischen Sammlung; die Zeichnungen hat Hr. Prof. K a r s t e n s verfertigt.

3. Weitere Rezeptionszeugnisse 1. 〈H. C. G. Demme〉: Die griechische Götterlehre. Ein erzählender Dialog, in: Der Neue Teutsche Merkur vom Jahre 1791. 3. Stück. März 1791, S. 298–329. 〈S. 301–303:〉

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»Eine Übersetzung?« fragte ich mit einem Zeichen von Neugier, als ob ich das Buch sehen wollte. – Nicht so schnell, Herr Pfarrer, rief sie schalkhaft, und zog das Buch geschwind zurück; sie müssen errathen, was es ist, wenn sie wollen, daß ich es ihnen zeigen soll. – »Ey, mein Fräulein, wenn ich alle griechische Blumen, die ihnen gefallen können, errathen wollte, so müßte ich nicht nur den Apollo, sondern auch die Minerva um ihre göttliche Begeisterung bitten.« – Immerhin, rief sie mit einem Ausdruck von kindlicher Freude. Eine Begeisterung von diesen beyden wäre mein eigner Wunsch; denn das sind gerade die beyden Gottheiten, die ich durch das Büchelchen unaussprechlich lieb gewonnen habe. Sie können nicht glauben, fuhr sie mit Lebhaftigkeit fort, wie angenehm ich von diesen beyden Himmelsbewohnern überrascht worden bin. Ich hielt sie für Wesen, die mich weiter nicht viel angiengen; ja, ich wunderte mich oft, wie kluge Leute solchen Traumbildern im Ernst hätten opfern können. Nun aber, da ich weiß, wie es mit diesen Göttern eigentlich steht, was sie bedeuten, und wie schön und sinnreich sie sind; – ja, jetzt wäre ich beynahe selbst im Stande, diesen beyden und noch einigen andern Götterchen die veralteten Weihrauchopfer wieder zu erneuern. Ich konnte mich nicht enthalten, ein wenig zu lächeln. Sie lachen mich aus, sagte sie sanfterröthend. Schon gut; ich kann mich nicht ausdrücken; aber meine Empfindungen lasse ich mir nicht abstreiten. Ich weiß noch, als ob’s heute geschähe, wie ich zum erstenmahl den Homer und Ovids Verwandlungen laß. Die Götter waren aller Orten so geschäftig; sie verwikkelten sich immer in die schweresten Händel; und dennoch nahm ich niemals an ihnen selbst, sondern immer nur an den Menschen Theil, die

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von ihrer Macht beschützt oder verfolgt wurden. Ich liebte den edeln Hektor, und haßte den betrüglichen Apollo; ich bedauerte die künstliche Arachne und ärgerte mich über die neidische Minerva; mit einem Worte, diese griechischen Götter waren mir bey ihren mehresten Handlungen von Herzen zuwider. Mit dieser Abneigung fange ich gestern an zu lesen; und auf einmal erscheinen mir diese Verhaßten in einem solchen schönen Glanze, in einer solchen überirdischen Hoheit, daß mein voriger Haß nicht nur verschwindet, sondern sich noch obendrein in die zärtlichste Liebe verwandelt. Die Begeisterung, worein die liebe junge Dame durch den Apollo und die Minerva zufälliger Weise gerathen war, ersparte mir das Bedürfniß einer eignen. Ich merkte leicht, daß dieses verborgne wunderthätige Büchelchen, dessen Nahmen ich errathen sollte, nichts anders seyn könnte, als irgend eine neue Erklärung der griechischen Götterlehre; und da ich selbst in der Absicht gekommen war, um dem Fräulein die neueste und beste Schrift dieser Art mitzutheilen, so war es weiter nicht schwer, das aufgegebene Räthsel zu lösen. »Wirklich, mein Fräulein, sagt’ ich, als sie ein wenig einhielt, dieß ist in meinem Leben das erstemal, daß mich Apollo und Minerva mit ihrer rathenden Weisheit begeistert haben; was könnten aber auch diese beyden Gottheiten durch eine so liebenswürdige Priesterin nicht alles bewirken?« – Wie? fiel sie mir mit gesenktem Blick’ ins Wort; sie hätten mein Räthsel schon errathen? – Wie sollt’ ich nicht, mein Fräulein? Der Duft verräth die Blume und die Morgenröthe den Tag; sie reden von der eben herausgekommnen G ö t t e r l e h r e des Herrn M o r i t z ; nicht wahr?« – Ach, sagte sie etwas verdrieslich, sie haben das Buch schon gelesen; das ist Schade! Ich wollte ihnen so vieles davon erzählen; aber da sie schon alles wissen, so ist mir meine Freude mit einemmahl in den Brunnen gefallen. – »Nicht doch, mein Fräulein; sie schwebt bloß hinab, um sich zu erfrischen; Ç. . .È.«

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Sie schien einige Zeit zu sinnen, was sie sagen wollte; hierauf hob sie lächelnd wieder an: Ja, nun weiß ich nicht, wo ich mit meinem Glaubensbekenntniße zuerst anfangen soll. – »Fangen sie da an, mein Fräulein, wo sie vorher stehen gelieben sind: sie rühmten, das Büchelchen habe ihnen die alten griechischen Götter weit liebenswürdiger gemacht, als sie ihnen im Homer und Ovid vorgekommen wären.

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Recht, fiel sie ein; das ist ein Hauptstück von dem, was ich ihnen sagen wollte. Da ist z. B. der listige Schelm Merkur; wenn ich von ihm las, wie er als Säugling dem Apollo die Rinder wegtreibt, wie er den geschwätzigen Battus in einen Stein verwandelt, wie er mit seinem Flötenspiel den hundertäugigen Argus einschläfert, und die abgeschiednen Seelen durch die Macht seines Schlangenstabes in das Unterreich führt; wenn ich diese und andre dergleichen Dinge von ihm las: so fand ich zwar viel Freude an diesen artigen Spielen der Einbildung; aber es war die Freude eines Kindes, dem man ein lustiges Mährchen erzählt. Kaum aber kommt Hr. M o r i t z und erklärt mir, was alle diese Dichtungen eigentlich bedeuten, wie genau alle die kleinen Erzählungen an einander hängen, und wie man sie daher auch alle zusammennehmen müsse, wenn man verstehen wolle, was für ein schöner großer Sinn in der Abbildung dieses Gottes enthalten sey; kaum hab’ ich alle diese Geheimnisse auf fünf oder sechs kleinen Octavseitchen erfahren: so scheint mir ein neues Licht; der täuschende Betrüger verwandelt sich in den Erfinder der Rede und der süßtönenden Laute; ich sehe den Gott, und in seinen kleinen irr-dischen Schwänken einen Sinn, den ich nun beynahe nicht mehr umfassen kann. Sagen sie mir aufrichtig, ob sie mir in dem allen beystimmen? Sie sahe mich forschend an und schwieg. Ich scheute mich zu reden; denn was konnte ich sagen, das wahrer und verständlicher gewesen wäre, als das, was sie mit so viel Wärme und Zartheit ausgesprochen hatte. Doch, weil ich besorgte, sie möchte mein Zaudern unrecht auslegen, so gab ich auf ihre Frage folgendes zur Antwort. »Ich weiß beynahe nicht, wie ich das wenige, was ich zu sagen habe, ausdrücken soll; sie haben in den ihrigen auch meine Empfindung beschrieben. Der Scharfsinn, der reiche Witz und feine Geschmack, womit dieser Verfasser so verschiedene Züge der Dichtung in eine einzige glänzende Gestalt zusammen zu fügen weiß, haben mich oft auf das angenehmste überrascht. Ich kannte, um bey dem vorigen Beyspiel zu bleiben, die mehresten einzelnen Characterzüge, aus denen er das schöne Götterbild des Merkur zusammensetzt; ich wußte, der Schlangenstab bedeute Eintracht und Frieden; die einschläfernde Süßigkeit des Flötenspiels deute auf die unwiderstehliche Gewalt der Ueberredung, und was dergleichen mehr war; allein bey aller dieser Weisheit war es mir doch noch niemals in den Sinn gekommen, die vor mir liegenden einzelnen Umrisse zu vereinigen, und daraus einen festen, bestimmten Charakter zu bilden, der sich von

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allen übrigen unterscheide, und nur in sich selbst reich und mannigfaltig sey. Ç. . .È« 〈S. 310–312:〉 Ç. . .È ich muß bekennen, daß ich in dem ersten Buche dieser Art, das mir vor

vielen Jahren in die Hände fiel, auch nicht ein einziges kleines Gelenke von ihr 〈der goldenen Kette〉 wahrgenommen habe. Der Verfasser fieng mit dem Jupiter an; er vertheilte die Götter in Große und Kleine; nennte alle ihre Nahmen, Thaten, Weiber und Kinder, und brachte mich durch diese künstliche Vertheilung in ein solches Gewirre von Vätern und Müttern, Söhnen und Töchtern, daß ich nicht mehr wußte, wer von allen diesen Göttern und Halbgöttern der älteste oder der jüngste sey. Dieses Wirrwarrs konnte ich seidem nie wieder los werden; der griechische Götterglaube blieb für mich ein verwickelter Knäuel seltsamer Mährchen, der weder Anfang noch Ende hatte, und ich wußte nicht, ob ich in Ansehung des Zusammenhangs den Indischen oder den Griechischen vorziehen sollte. »In dieser Verwirrung mögen sie leicht den größten Theil ihrer lieben Landsleute zu Gefährten gehabt haben, mein Fraulein: denn, einige gelehrte Alterthumskenner abgerechnet, werden sich wohl die wenigsten von den teutschen Lesern und Leserinnen in den Irrgängen dieses alten Zaubergartens zurecht gefunden haben.« – Das freut mich, sagte sie lachend, daß ich ansehnliche Gesellschaft habe: so sehr ich auch die Einsamkeit liebe, so möchte ich doch nicht gern die einzige seyn, die sich irgendwo verwirrt oder verwickelt hätte. Doch hoffentlich werden nun alle diese lieben Gefährten in der angenehmsten Entwickelung begriffen seyn, da uns Herr M o r i t z das alte dunkle Schloß neuer- lich in ein so helles, wohlgeordnetes, eingangbares Gebäude verwandelt hat. Zwar scheint in den beyden ersten Vorhöfen noch eine Art von Dämmerung zu herrschen: aber es wird immer lichter, je tiefer man hinein geht; und gegen die Mitte zu wird es so reitzend, daß man weder umwenden noch ausruhen mag, ohne vorher jeden kleinen Seitengang durchwandelt zu haben. »So hätten sie, wenn ich ihre Vergleichung recht verstehe, an der neugeordneten Götterlehre des Herr M o r i t z doch auch einen Fehler gefunden, mein Fräulein?« – So stark möchte ich mich eben nicht ausdrücken, gab sie zur Antwort; denn ich weiß nicht, ob die Schuld an mir oder an dem Buche liegt, daß ich die ersten Capitel von der Erzeugung und dem Streite der Götter nicht halb so gut verstanden habe als die übrigen, wo von ihrer

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Gestalt und ihrer nähern Verbindung mit den Menschen gehandelt wird. Sagen sie mir aufrichtig, was sie sich bey den Riesen mit den hundert Armen und den abscheulichen Drachenfüßen eigentlich denken? Für mich sind diese Ungeheuer lauter räthselhafte Sphinxe; und wenn ich an Ihre von dem Apollo und der Minerva empfangene Begeisterung glauben soll, so müssen sie mir diese Räthsel noch lösen. 〈S. 313–316:〉

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»Erinnern sie sich noch, mein Fräulein, wie Herr M o r i t z diese Dichtung deutet?« – Sehr wohl, sagte sie. Die Ceres, spricht er, sey ein Bild der Erde; ihre verlohrne Tochter ein Bild des in der Erde verborgnen Saamenkorns; und die Fackel ein Bild der Sonne, die auf ihrer weiten Laufbahn den jungen Keim nicht eher wahrnimmt, als bis er hervortreibt. – »Warum mögen ihnen wohl diese Bilder gefallen, mein Fräulein?« – Das ist leicht zu beantworten; weil ich sie verstehe. – »Gut; aber können sie mir nicht auch sagen, wodurch diese Bilder so leicht und so verständlich werden?« – Je nun, weil sie mich an lauter bekannte Dinge erinnern.« – Schön, mein Fräulein. Wenn also ein Bild für mich Bedeutung haben soll, so muß es mich an etwas erinnern, das mir schon bekannt ist; oder mit andern Worten, es muß mir Erfahrungen aus der Natur- und Menschenwelt in das Gedächtniß bringen?« – Richtig, mein Herr; nur weiter. »Das Bild wird für mich sinnreich, wenn es so beschaffen ist, daß es auf einmahl eine ganze Menge solcher Erfahrungen oder allgemeiner Wahrheiten in meiner Seele aufregen kann?« – Das begreift sich; nur weiter. »Ein Bild wird für mich reitzend, wenn ich seinen innern Sinn ohne viele Mühe entdecke; wenn mir seine Bedeutung gleichsam auf den ersten Blick in die Seele springt?« – Nicht anders; aber wo wollen sie mit dem allen hin? »Ich bin schon am Ende, mein Fräulein; wir haben nichts mehr übrig als die Anwendung. Sie rühmten vorhin, Hr. M o r i t z habe ihnen die Gestalten des schönen, jugendlichen Apollo und der kalten, zurückschreckenden Minerva durch seine Erklärung überaus reitzend und liebenswürdig gemacht: wie gieng das wohl zu? Warum kamen ihnen diese Götterbilder nach der Erklärung schöner und sinnreicher vor, als sie ihnen vorher geschienen hatten?« – Wollten sie die Anwendung von ihrer Betrachtung nicht lieber selbst machen, Hr. Pfarrer? Die Anwendungen hören Layen meiner Art immer am liebsten. – »Das ist zwar nicht in der Ordnung, mein liebes Fräulein; doch einmahl ist nicht oft und zweymahl nicht immer. –

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»Wir schreiten also unserm Vorhaben gemäß nunmehro zu der Anwendung, und fragen, warum unserm lieben Fräulein der Apollo und die Minerva nach der bewußten Erklärung weit sinnreicher geschienen habe als vorher? Kam es nicht daher, weil ihr diese Erklärung in der Bildung des Einen die sich ewig verjüngende Lebenskraft der Natur, und in der Bildung der andern die ruhige, alles besiegende Weisheit des menschlichen Geistes erkennen lehrte? Eben die Bilder, bey denen sie sich vorher nur an eine oder die andere allgemeine Wahrheit erinnerte, wurden nun vielumfassende, bedeutungsvolle Zeichen, die ganze Reihen schöner Empfindungen und Gedanken in ihrer Seele hervor riefen. Wie mit dem Apollo und der Minerva, eben so gieng es ihr mit allen übrigen Göttergestalten. Es sind Spiegel der Natur und der Menschheit; Erziehung und Unterricht hatten ihr diese Spiegel mit einem dunkeln Schleyer überzogen. Der Schleyer fiel; die Musen und Grazien nahmen ihn weg; und nun strahlten ihr Himmel und Erde mit dem lieblichsten Farbenspiel aus diesen glänzenden Bildern entgegen. In dem zornigen Neptun wallt und tobt das ungestümme Meer; in der hohen Juno spiegelt sich der Luftkreis mit den flimmernden Sternen; in der lachenden Venus gaukeln die Reitze und Täuschungen der sinnlichen Liebe; mit dem verfolgten Herkules kämpft leidet und stirbt jeder mühselige Erdensohn; mit der zärtlichen Psyche irrt und trauert jedes leichtgläubige, betrogene, schwache Menschenherz. So schlagen diese Bilder von allen Seiten bald an die leblose, bald an die lebendige Natur an; aus allen ihren Zügen spricht ein denkender Geist, der gleich dem unsern empfindet und ordnet; unsre innigsten Gefühle, unsre geheimsten Ahndungen liegen in ihren zarten Umrissen verborgen: und was brauchen wir zu thun, um das alles in ihnen zu finden? Müssen wir grübeln und rathen, oder messen und rechnen? Nichts weniger als das! Sie erinnern durch sanfte Geberden; sie lehren mit lachendem Munde; sie warnen und strafen mit süssen lockenden Blicken; sie treiben mit reicher Erfahrung und Weisheit ein freundliches Spiel. Dürfen wir uns nun noch wundern, wenn Bilder dieser Art einem jungen Gemüthe, dem sie ihre vorborgene Schönheit zum erstenmahl enthüllen, so reitzend, so sinnreich und liebenswürdig vorkommen?« 〈S. 319–322:〉 »Ç. . .È Die Griechen suchten den usprünglichen Zustand der Welt durch

Bilder vorzustellen; sie ließen den Himmel und die Erde ungeheure Riesen

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gebähren; sie ließen diese wilden Geburten gegen einander streiten, bis zuletzt Ordnung und Schönheit die Oberhand behielten. Diese Dichtungen sind groß und kühn; aber sie haben für uns nicht viel Reitz, weil sie auf Naturbegebenheiten anspielen, die wir nirgends mehr vor Augen haben, sondern erst durch mühsames Nachdenken errathen müssen. Die Alten, die sich diese Bilder ersannen, werden sich freylich allerley artige Dinge dabey gedacht haben: allein, da wir ihre Muthmaßungen über den usprünglichen Zustand der Welt theils verlohren, theils mit andern eben so ungewissen Muthmaßungen vertauscht haben: so wäre es das größte Wunder, das Jupiter mit seinen Brüdern, Basen, Kindern und Enkeln bewirken könnte, wenn uns die Dichtungen von seiner Geburt, von seinem Streite mit den Titanen und Giganten, und von einigen andern solchen ursprünglichen Begebenheiten, auf einmahl sinnreich und bedeutungsvoll vorkämen.« Die Dame schien zu überlegen. Und nun meynen sie, fieng sie bald hernach wieder an, deswegen habe auch Herr M o r i t z diese Dichtungen fast gar nicht gedeutet? –»Gewiß, mein Fräulein: denn wie er sich in seinem ganzen Werkchen vor allen gewagten Muthmaßungen und spitzfindigen Deutungen in Acht nimmt; wie er die verschiednen Sagen, Dichtungen und Bilder immer nur von derjenigen Seite aufstellt, von welcher sie das allgemeine Menschengefühl berühren: eben so verhält er sich besonders bey den Bildern des Ursprungs, wo die mehresten Götter, die in der Folge auftreten, gleichsam noch in der Wiege liegen. Er mag in dieser frühen Dämmerung, wo alles zu sehr in einander fließt, weder deuten noch ausmahlen; er giebt den hervor ragenden Gestalten mit einigen flüchtigen Zügen nur die äussersten, nothwendigsten Umrisse; und so eilt er, ohne seinen Blick irgendwo auf der neblichten Tiefe zu befestigen, mit schnellen, rüstigen Schwingen hinüber in die schöne, wohlgeordnete, bilderreiche Welt.« Nun, so mag er uns da um so willkommner seyn, erwiederte die Dame mit einem tiefem Athemzuge. Mir wenigstens, fuhr sie fort, gefallen die neuen und jungen Götter, wie Herr M o r i t z gar wohl unterscheidet, ohne alle Vergleichung besser, als jene alten Hundertärme und Drachenfüße, die weiter nichts zu thun haben, als Berge über einander zutragen, den schönen blauen Himmel zu stürmen und die seligen Götter mit Quadersteinen zu werfen. Ich könnte mich beynahe freuen, daß Jupiter die wilden Friedensstöhrer in den Tartarus eingesperrt hat.

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2. Körner an Schiller, 13. April 1791, Schiller NA 23/1, Weimar 1991, S. 61.

Hast du schon Moritzens Mythologie gelesen? Lies sie, du wirst viel Gutes darin finden. Er vermeidet die Fehler der gewöhnlichen Pedanterie und behandelt die alten Dichtungen mit Geist und Kunstgefühl. In vielen Stellen erkenne ich Goethens Ideen, und vielleicht ist der ganze Gesichtspunkt von ihm entlehnt. 3. Friedrich Schlegel an August Wilhelm Schlegel, 26. August 1791, in: KSA 23, S. 18–23, hier: S. 21.

Von einigem Nutzen ist mir ein neues Buch von Moritz; Anthusa (ein Beyname von Rom) oder die Feste Roms gewesen. Es gefällt mir besser als die griechische Mythologie, und wenn er so fortfährt, so glaube ich kann er noch sehr gut werden. – Ueberhaupt aber, beyläufig gesagt, glaube ich möchte er wohl den Winckelmann in der Philosophie und in der Gelehrsamkeit machen; die Manier ist nun wohl da, der Geist aber fehlet. 4. 〈Friedrich H. Knoblauch〉, Ruinen aus einer Büsten Gallerie, Berlinischer Gelehrten und Künstler, London 〈d. i. Görlitz〉 1792, S. 153.

Die neueste Kunstschrift des Herrn Hofraths ist G ö t t e r l e h r e o d e r m y t h o l o g i s c h e D i c h t u n g e n d e r A l t e n . (Berlin, 1791). Weil wir aber von der Kunst nicht so große Erkenntnisse haben, um ein solches Werk ausführlich zu skelettiren; so überlassen wir dies den Gliedern der Akademie. Indeß Grund der Mythe, Volkssage an sich, dichterischer Schmuk und philosophisches Räsonnement über alles das – könnte leicht jenes Moment seyn, worauf hier nicht Rüksicht genug genommen ist. Sie ist übrigens immer schön, scharfsinnig und geschmakvoll dargestellt. 5. Friedrich Schlegel an August Wilhelm Schlegel, 13. November 1793, in: KSA 23, S. 155–157, hier: S. 156f.

Ich fand vor einigen Jahren in der Anthusa nur Manier und Styl vollendet; denn reichhaltiger mußte wohl die Mythologie ausfallen. Ich finde darin Deutungen über den Ursprung dieser Götterwelt aus der ewigen Menschennatur in ihrer freysten Entwicklung, die mir so fein als neu erschei-

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nen. Auch kann ich diesen Gegenstand nicht für schon erschöpft halten, so wenig wie das ganze Griechische Alterthum, so weit wir es nutzen können. Viele der Männer, die Du nennst, sind nach meiner Meynung der Sache nicht gleich, oder kennen sie nur sehr aus der Ferne wie Forster und Schiller. Heyne ist doch wohl eigentlich nicht einmal ein scharfer Denker, geschweige ein Mensch. Herder vereinigt Kentniß und Sinn; hat aber doch dafür nicht viel gegeben. Moritzens Art erscheint mir ganz neu, ein geringer Anfang eines sehr umfassenden Werkes. – 6. Karl Friedrich Klischnig, Anton Reiser. Ein psychologischer Roman. Fünfter und letzter Theil, Berlin 1794, S. 262.

33. Götterlehre, oder mythologische Dichtungen der Alten, mit Kupfern 1790. Ganz von den gewöhnlichen Mythologien unterschieden, da sie vorzüglich den schönen, nothwendigen Zusammenhang bei Bildung der Götter zeigt. Sie gehört mit zu seinen reifsten Werken und ist dasjenige, was ihm die meiste Mühe gemacht hat. Für Künstler kann es eine Fundgrube neuer Ideen werden. 7. August Wilhelm Schlegel, 〈Athenäum-Fragment Nr. 203〉 (1798), in: KSA 2, S. 197.

Moritz liebte den griechischen Gebrauch der geschlechtlosen Adjektive für Abstrakte, und suchte etwas Geheimnisvolles darin. Man könnte in seiner Sprache von der M y t h o l o g i e und A n t h u s a sagen, daß das Menschliche dem Heiligen sich hier überall zu nähern und das Denkende im Sinnbildlichen sich wieder zu erkennen sucht, aber sich manchmal selbst nicht versteht. 8. August Wilhelm Schlegel, Vorlesungen über philosophische Kunstlehre. Gehalten an der Universität Jena in den Jahren 1798–1799, in: Kritische Ausgabe der Vorlesungen 1: Vorlesungen über Ästhetik I [1798–1803]. Mit Kommentar und Nachwort hrsg. v. Ernst Behler, Paderborn u. a. 1989, S. 49.

Der Mythus richtet sich nach den Bedürfnissen eines Volkes, nicht ist er bloß Produkt der Phantasie, wie Moritz in seiner Mythologie, die sonst, wie

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seine Anthusa, sehr lesenswert ist, behauptet. Die Griechen lebten umgeben von ihren Göttern und religiösen Gebräuchen; für sie waren daher die Mythen anschaulich; für uns weniger, außer für die Gelehrten. 9. August Wilhelm Schlegel, Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst. Gehalten zu Berlin in den Jahren 1801–1804 (hier: 1801–1802), in: Kritische Ausgabe der Vorlesungen 1: Vorlesungen über Ästhetik I [1789–1803]. Mit Kommentar und Nachwort hrsg. v. Ernst Behler, Paderborn u. a. 1989, S. 441.

Dieß deutet auf eine Epoche des menschlichen Geistes, wo die Fantasie herrschend ist, aber nicht zum vollen Bewußtseyn ihrer Herrschaft kommen kann, weil noch keine reine Scheidung zwischen ihr und dem Verstande, als der eigentlich entgegengesetzten Kraft, vorgefallen ist. Wir können uns selbige und die mythische Weltschöpfung recht gut unter dem Bilde des Traumes deutlich machen, während dessen auch niemals ein Zweifel an der Realität der vorübergehenden Bilder eintritt, wenn sie auch noch so unzusammenhängend, und sogar widersprechend sind. Moriz hat dieß vortrefflich auf die alte Mythologie angewandt, und gezeigt, wie eben deswegen der Mangel an Methode und System darin nicht störend einwirkte, und das scheinbar Chaotische mit innrer Harmonie und poetischer Consistenz bestehen konnte. Der Zeitpunkt, wo der mythische Glaube aufhört und eine prosaische Ansicht der Dinge an seine Stelle tritt, würde demnach dem Erwachen zu vergleichen seyn, welches die Herrschaft der Fantasie durch Sorgen und Geschäfte, wobey der Verstand die Oberhand hat, aufhebt. Die Poesie ist eine künstliche Herstellung jenes mythischen Zustandes, ein freywilliges und waches Träumen. 〈Ebd., S. 447:〉

Wir sehn dabey, daß das formlosere, ungeheure immer durch das gebildetere, menschlichere verdrängt wird, woraus aber nicht folgt, daß die der Genealogie nach jüngeren Gottheiten auch jüngere Mythen ausmachen, wie Moriz fast anzunehmen scheint: vielmehr könnte umgekehrt die Dichtung mit der nähern Gegenwart angefangen haben, und erst allmählig in den dunkleren Schooß der Urwelt vorgedrungen seyn.

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10. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Philosophie der Kunst (Vorlesung, gehalten 1802/03 in Jena, erneut 1804 und 1805 in Würzburg), in: Ausgewählte Schriften 2, hrsg. v. Manfred Frank, Frankfurt/M. 1985, S. 239f.

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Als ein nothwendiger F o l g e s a t z geht nun aus dieser ganzen Untersuchung hervor: die Mythologie überhaupt und jede Dichtung derselben insbesondere ist weder schematisch noch allegorisch, sondern s y m b o l i s c h zu begreifen. Denn die Forderung der absoluten Kunstdarstellung ist: Darstellung mit v ö l l i g e r I n d i f f e r e n z , so nämlich, daß das Allgemeine ganz das Besondere, das Besondere zugleich das ganze Allgemeine ist, nicht es bedeutet. Diese Forderung ist poetisch gelöst in der Mythologie. Denn jede Gestalt in ihr ist zu nehmen als das, was sie ist, denn eben dadurch wird sie auch genommen als das, was sie bedeutet. Die Bedeutung ist hier zugleich das Seyn selbst, übergegangen in den Gegenstand, mit ihm eins. Sobald wir diese Wesen etwas b e d e u t e n lassen, sind sie selbst n i c h t s m e h r . Allein die Realität ist bei ihnen mit der Idealität eins Ç. . .È, d. h. auch ihre I d e e , ihr Begriff, wird zerstört, wofern sie nicht als wirklich gedacht werden. Ihr höchster Reiz beruht eben darauf, daß sie, indem sie bloß s i n d ohne alle Beziehung – in sich selbst absolut –, doch zugleich immer die Bedeutung durchschimmern lassen. Wir begnügen uns allerdings nicht mit dem bloßen b e d e u t u n g s l o s e n S e y n , dergleichen z. B. das bloße Bild gibt, aber ebensowenig mit der bloßen Bedeutung, sondern wir wollen, was Gegenstand der absoluten Kunstdarstellung seyn soll, so concret, nur sich selbst gleich wie das Bild, und doch so allgemein und sinnvoll wie der Begriff; daher die deutsche Sprache Symbol vortrefflich als Sinnbild wiedergibt. Selbst an den Naturwesen, z. B. der Pflanze ist die Allegorie nicht zu verkennen, sie ist gleichsam die anticipirte sittliche Schönheit, sie würde aber keinen Reiz für die Phantasie, keine Befriedigung für die Anschauung enthalten, wenn sie um dieser Bedeutung willen und nicht zuerst um ihrer selbst willen wäre. Eben in diesem unabsichtlichen, unbefangenen, nach außen unzweckmäßigen Seyn doch zugleich das Bedeutende, Sinnvolle zu erkennen, entzückt uns. Es als Absicht darin zu erblicken, hebt den Gegenstand selbst für uns auf, der, da er seiner Natur nach absolut seyn soll, um keines Zwecks willen, der außer ihm liegt, daseyn darf.

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Es ist ein großes Verdienst, das sich unter den Deutschen und überhaupt zuerst M o r i t z gemacht hat, die Mythologie in dieser ihrer poetischen Absolutheit darzustellen. Obgleich die letzte Vollendung der Ansicht bei ihm fehlt, und er nur zeigen kann, daß es mit diesen Dichtungen so sey, nicht aber die Nothwendigkeit und den Grund davon, so waltet doch in seiner Darstellung durchaus der poetische Sinn, und vielleicht sind die Spuren Goethes darin erkennbar, der diese Ansichten durchaus in seinen eignen Werken ausgedrückt und sie ohne Zweifel auch in Moritz geweckt hat. 11. Clemens Brentano, Brief an Bettine Brentano, undatiert, in: Clemens Brentano. Sämtliche Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe, hrsg. v. Jürgen Behrens, Konrad Feilchenfeldt, Wolfgang Frühwald, Christoph Perels, Hartwig Schultz, 30: Briefe, zweiter Band. 〈Bettine von Arnim〉: »Clemens Brentano’s Frühlingskranz« und handschriftlich überlieferte Briefe Brentanos an Bettine 1800–1803, hrsg. v. Lieselotte Kinskofer, Stuttgart, Berlin, Köln 1990, S. 37–42, hier: S. 41.

Ich schicke Dir hier M o r i t z e n s Götterlehre, und wünsche daß Du sie mit Ruhe, ohne Mühe, und mit Genuß durchlesest. Du mußt nicht drinn herumhüpfen und ein Anekdotenbuch draus machen, denn diese Götterlehre ist eine solche andre Welt, die sich das gebildetste Volk, die Griechen erschaffen hatten, und kann Dir selbst und Deinem Geiste nur wohlthätig werden, wenn sie in Dir, in ihrer großen edlen Folge, gleichsam während dem Lesen entsteht. Du sollst besonders suchen den Gesichtspunkt für die mythologischen Dichtungen zu begreifen, das wird Dich aus Deinem Emigrantenverhängniß hoffentlich ein bischen ablösen. 12. Julius v〈on〉 Voß, Geschichte eines bei Jena gefangnen preußischen Offiziers. Mit einem Gemälde von Berlin im Winter 1806/7. Erster Theil, Berlin 1807, S. 148f.

Ganz ohne Vorkenntnisse sind sie nicht. Lesen sie nebenher allgemeine Geschichte, auch halten sie einige Hülfswörterbücher zur Hand, eine wissenschaftliche Enzyklopädie, einen Batteux oder Sulzer etwa, (zur Vorschule des Jean Paul, so wie überhaupt zu den originellen Schriften dieses polyhistorischen Dichters ist es noch nicht Zeit) blos berichtende Götterlehren eines Damm, oder Ramler, noch keine, die das Symbolische aufsucht, wie die von Moritz, oder die gar die reitzenden Dichtungen der

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Vorzeit in chemische Prozesse auflösen will. Zuvor erbaue sich die Phantasie Freudentempel, dem Lebensalter, wo die Vernunft ihren Genuß im Zerstören sucht, (weil sie stolzer auf Kräfte wird, wie auf Hingebungen) bleibe etwas aufgespaart. 13. Albertine Necker de Saussure, Discours pre´liminaire sur l’e´tude de la mythologie et sur la vie et les e´crits de Morits, in: Fictions Mythologiques des anciens par Charles Philippe Moritz traduit de l’Allemand. Manuskript, Bibliothe`que de Gene`ve, Ms. fr. 4455/1, Bl. 16–27. Die Entstehungszeit des undatierten Ms. aus dem handschriftlichen Nachlass von Albertine Necker de Saussure ist erschlossen (s. Knödler 2016). Der Discours pre´liminaire ist im Ms. zweifach enthalten: Eine erste Version, doppelseitig und einspaltig auf längs in der Mitte geteiltes Papier geschrieben, weist Ergänzungen und Korrekturen auf. Die zweite Version ist, wie die nachfolgende Übersetzung der Götterlehre, doppelseitig mit Korrekturrand geschrieben. In dieses Manuskript sind die meisten der Korrekturen aus der zuerst genannten Fassung zuzüglich von Varianten und einigen Streichungen übernommen. Diese Fassung, die ihrerseits zahlreiche Korrekturen enthält, ist einschließlich einer Lemmaliste für das Register und Satzanweisungen zu Register und Inhaltsverzeichnis für den Druck vorbereitet. Die Wiedergabe bietet die zweite Version der Einleitung, in der Annahme, dass sie als Reinschrift zu gelten hat. 16r

L’ouvrage dont nous donnons la traduction est dans son genre un ouvrage du premier rang en Allemagne. On en fait de nouvelles e´ditions, a` mesure que les anciennes sont e´puise´es, et comme il appartient a` la fois a` 〈la〉 litte´rature et a` l’enseignement, il sert a` instruire la jeunesse, a` e´tendre les ide´es des gens du monde et a` guider les artistes. Pour les sujets meˆmes qui forment de temps imme´morial le patrimoine des lettres, il est autant de points de vue divers que de peuples diffe´rents, et ces points de vue doivent tous nous intere´sser. Si l’opinion des Allemands me´rite de faire autorite´ dans quelque genre, c’est sans doute relativement a` l’e´tude de l’antiquite´ puisque d’un aveu ge´ne´ral, l’illustre Winkellman est de tous les auteurs modernes, celui qui a le mieux saisi l’esprit des arts antiques. L’enthousiasme dont il e´toit pe´ne´tre´ a passe´ dans sa nation, il a anime´ d’un nouveau souffle de vie des e´tudes dont l’inte´reˆt se perdoit chaque jour, et a` sa voix le ge´nie des beaux arts a

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e´tendu ses conqueˆtes sur le domaine de l’e´rudition. Aucun ouvrage dans lequel un profond savoir ne seroit pas uni au talent de saisir l’imagination, ne re´ussiroit en Allemagne, et celui-ci ou` respire le gout de l’antiquite´, ou` les plus beaux morceaux de la poe´sie et les monuments les plus pre´cieux de la sculpture antiques, viennent a` l’appui d’une foule d’ide´es charmantes, y a me´rite´ un succe`s durable. Il y a eu certainement en France de savans antiquaires, et habiles critiques, des commentateurs infatigables. Tous les faits ont e´te´ recueillis et enre´gistre´s avec le plus grand soin, les connoissances positives ont e´te´ mises de plusieurs manie`res a` la porte´e universelle et dans les arts du dessin, l’adoption des formes antiques a produit une re´volution heureuse, mais nous faisons nous ge´ne´ralement une ide´e juste, une ide´e anime´e de l’esprit des arts anciens, de son origine premie`re l’esprit de la religion payenne? Les couleurs non purement imaginaires mais vrayes et locales caracte´risentelles dans les sujets mythologiques, les productions de nos Artistes, et de nos litte´rateurs? C’est ce qu’on pourroit mettre en doute, et les e´trangers ont de´cide´ cette question bien nettement contre nous. A la ve´rite´, quelquesuns de nos savans ont eu des ide´es fe´condes et lumineuses sur les langues et sur la mythologie des peuples anciens. Toutefois comme ils ont surtout traite´ des points conteste´s, leurs opinions sont, jusqu’a` un certain point, reste´es des opinions individuelles et n’ont pas rec¸u le sceau d’un assentiment universel. D’ailleurs des ouvrages d’un difficile acce`s et qui supposent beaucoup de connoissances pre´liminaires, ne peuvent pas donner le mouvement aux arts et a` la litte´rature d’une nation. Les livres e´le´mentaires ont une importance bien plus ge´ne´rale; s’ils sont froids, secs, insipides et superficiels, ils impriment ces caracte`res a` toutes les ide´es qui s’y associent, et en inspirant une sorte de de´gout pour de certains sujets ils influent sur la masse des opinions et des productions d’un peuple De quelle manie`re, en mettant les savants a` part, de quelle manie`re nos plus grands litte´rateurs ont-ils conside´re´ la religion payenne? Comme une succession de feˆtes pompeuses, comme un brillant pre´texte pour e´taler les merveilles de tous les arts. Ils ont releve´, souvent avec beaucoup de charmes, ce qu’elle avoit de riant, de gracieux, de voluptueux; mais ont-ils fait sentir ce qu’elle avoit de terrible? Et cependant, elle avoit un coˆte´ terrible; toute religion doit en avoir un, sans quoi elle ne seroit pas un lien qui embrasse les craintes, ansi que les espe´rances de l’homme. Plus on remonte vers la haute antiquite´, c’est a` dire vers le temps ou` son genie primitif animoit encore le

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paganisme, plus on voit dominer les ide´es e´nergiques, mysterieuses, effrayantes attache´es a` ce culte de la nature. Ces ide´es les avons nous bien saisies, nos peintres et nos poe`tes les ont-ils fortement exprime´es? Cette meˆme de la fatalite´, bien reconnue et bien signale´e par nous a-t’elle jamais pris, dans nos trage´dies mythologiques, cette majeste´ sombre et terrible qu’elle a dans les trage´dies grecques? Que le paganisme ait eu un cote´ se´rieux, que les hommes aient e´te´ de bonne fois lorsqu’ils ont commence´ a` invoquer des divinite´s mensonge`res, a` leur e´lever des temples, a` leur sacrifier des victimes, c’est ce qu’il est impossible de nier. Une foule de sentiments vrais se rattachent a` la plus fausse des religions, parce que la religion est un besoin de l’aˆme et tient a` ce qu’il y a en nous de plus intime et de plus involontaire. Quels que soient les objets de son culte, l’imagination leur accorde toujours ce qui lui est ne´cessaire de trouver en eux, la puissance, la grandeur, la sympathie pour les douleurs humaines, et par la` quelques traits de la beaute´ morale. C’est a` ces attributs qu’elle s’adresse; et de meˆme qu’en implorant la pitie´ d’un de nos semblables, nous laissons de coˆte´ les circonstances particulie`res a` l’individu pour faire un appel a` sa qualite´ d’homme, de meˆme lorsque les anciens invoquoient Jupiter ou Apollon, ils mettoient vraisemblablement en oubli les traits distinctifs de cet eˆtre chime´rique pour ne s’arreˆter qu’a` sa qualite´ de Dieu. Toute religion pour celui qui souffre et qui prie se re´duit a` l’ide´e d’une puissance supe´rieure dont il est entendu. La religion de la prie`re est donc sous un certain rapport, toujours vraie, toujours elle remonte a` la source infinie des graces et des consolations, et sans doute que ces voeux mal adresse´s n’ont jamais cesse´ de parvenir au pied du trone de l’Eternel. Mais comme, a` cette ve´rite´ de sentiment dont on peut de´couvrir l’expression dans tout culte since`re, le paganisme a re´uni une multitude d’ide´es et d’images qui pour eˆtre poe´tiquement belles, n’en sont pas moins aux yeux de la raison bizarres et extravagantes il est re´sulte´ de la` un me´lange e´tonnant de notions e´leve´es et de reˆves 〈de〉 l’imagination, et cette religion, inde´pendamment de tous les motifs qui en rendent l’e´tude ne´cessaire, doit a` jamais eˆtre l’objet des me´ditations et de l’examen du philosophe. Sans doute le Paganisme ne paroit d’abord s’adresser qu’aux sens. Toutefois il ne faut pas uniquement en juger, par les formes qu’il a reveˆtues chez les Athe´niens peuple le´ger, peuple raisonneur et tellement passionne´ pour les arts, que l’ide´al de la sculpture fut a` ses yeux l’ide´al de la divinite´.

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Des sentiments bien plus profonds, bien plus intimes, bien plus lie´s a` tout l’ensemble de l’existence ont re´gne´ chez les Romains, avant qu’ils eussent adopte´s les moeurs des nations vaincues, et avant que les beaux-arts toujours un peu profanes, se fussent empare´s des sujets religieux. Ovide traite de´ja` de la mythologie en moderne, et n’y voit que la matie`re de tableaux charmants et de jolis vers. La religion est loin d’eˆtre celle de Numa, mais celle de Numa est bien plus digne de nous inte´resser, parceque c’est elle qui a donne´ aux Romains leur premie`re et leur plus noble impulsion. Il faut donc rechercher l’esprit du paganisme dans les temps ou` cet esprit existoit encore, ou` il exerc¸oit un grand empire sur les aˆmes, ou` il s’est exprime´ par des institutions merveilleuses, durables, lie´es aux institutions politiques ainsi qu’a` l’ensemble des opinions et des meurs. Il est, on doit l’avouer, tout un ordre d’ide´es auquel nos ouvrages sur la religion des anciens nous laissent comple`tement e´trangers.* Si nous restons froids et indiffe´rents au re´cit de ces fables qui jadis ont enflamme´ le ge´nie des plus grands poe`tes, l’on ne peut pas en accuser uniquement le changement des circonstances. Il existe des de´fauts dans notre manie`re d’instruire, et quoique ce que je vais dire a` ce sujet regarde particulie`rement la mythologie, il seroit possible d’en faire une application plus ge´ne´rale. Et d’abord on ne´glige beaucoup trop de s’emparer de l’imagination. On expose avec e´le´gance, mais sans aucune chaleur, ces fictions charmantes, et l’on ne de´veloppe pas meˆme l’ide´e eleve´e qu’elles renferment. Il semble que l’auteur demande tacitement pardon au lecteur de l’entretenir de ces fables absurdes. Absurdes, en effet si l’on rompt le lien qui les unit a` tout un ensemble de pense´es, mais bien belles et bien curieuses si l’on conside`re ce lien. Quelle importance auroient pour nous les faits historiques s’ils ne faisoient pas naıˆtre des sentiments et des ide´es. Celui qui les posse´deroit * Je ne pre´tends pas dire que quelques uns de nos livres de mythologie ne soyent pas bien faits dans leur genre. L’un entr’autres, le dictionnaire d Mr Millin, est aussi complet et aussi instructif que possible, mais sa forme s’oppose a` toute lecture suivie et par conse´quent a` toute impression ge´ne´rale. C’est encore un ouvrage fort estimable que la mythologie compare´e a` l’histoire de Mr l’Abbe´ de Tressan. Toutefois le point de vue historique choisi par l’auteur de´colore singulie`rement la fable, et peuteˆtre a-t-il philosophiquement moins d’intereˆt que le point de vue poe´tique, parceque les sentiments et les ide´es qui se sont rattache´es a` ces fictions ont pour nous une importance plus re´elle que les faits incertains auxquels on attribue leur origine.

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tous, pourroit eˆtre un homme superficiel. Les faits par eux meˆmes, restent aussi e´trangers a` notre aˆme que le sont les objets visibles a` la glace qui les re´fle´chit. Il n’y a que ce qu’ils excitent en nous qui nous appartienne. S’il en est ainsi meˆme des faits ve´ritables, que seroient les faits reconnus faux de la mythologie sans leur rapport avec le coeur humain? Assure´ment ce que j’appelle s’adresser a` l’imagination n’est pas traiter la mythologie avec cette fadeur madrigalique qui l’a longtemps infeste´e, source e´ternelle de l’ennui dont nous sommes saisis aux seuls noms de Ve´nus, des Graces, d’Apollon et des neufs soeurs. Ce de´faut est maintenant insupportable a` tous les bons esprits. Cependant un autre de´faut devenu plus commun, la froideur didactique, est e´galement destructif du but qu’on se propose. On veut nous apprendre a` entendre les poe`tes, mais ne nous apprend-on pas plutoˆt a` ne pas les entendre? Si l’on ne nous enseignoit rien du tout et que ces beaux noms bien sonores des eˆtres mythologiques se presentassent a` nous au moment ou` la poe´sie prend l’essor le plus e´leve´, l’ide´e confuse qu’il s’agit de puissances surnaturelles s’empareroit infailliblement de notre imagination et la metroit au niveau de celle des poe`tes. Mais si nous allons chercher leur histoire et que nous n’y trouvions que des naissances, des morts, quelques aventures absurdes qui le paroissent encore davantage par le ton raisonnable avec lequel elles sont racconte´es, et le simple expose´ des fonctions que ces Dieux e´toient cense´s remplir, il est clair que tout le prestige disparoitra, et que les poe`tes ne seront plus des poe`tes pour nous. Que demandons nous en effet aux poe`tes, si ce n’est qu’ils nous sortent des froides re´gions de la vie habituelle, qu’ils nous e´le`vent, qu’ils nous animent, qu’ils nous communiquent leur inspiration? Le rhythme estil autre chose qu’un moyen d’imprimer a` nos pense´es une marche rapide et cependant majestueuse par cela meˆme qu’elle est mesure´e? Et si apre`s la perte immense que nous a de´ja` fait e´prouver l’oubli presque total de la partie musicale des langues anciennes, il se trouve encore que nous n’attachions plus le meˆme sens aux meˆmes images, que deviendront pour nous, les tre´sors de la poe´sie antique? Faut-il s’e´tonner qu’ils perdent chaque jour de leur valeur a nos yeux et que les ge´ne´rations se transmettent les unes aux autres des symboles qui repre´sentent graduellement moins d’ide´es et finiront par n’en plus repre´senter du tout? Meˆme pour les choses uniquement destine´es aux enfants, l’on a tort de ne´gliger tout-a`-fait la part de l’imagination. L’imagination est la faculte´ de l’enfance. C’est elle qui par ses associations rapides lui fait deviner ce que la

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vie ne lui a point appris. Si on laisse l’imagination s’engourdir pendant le premier aˆge, elle ne se re´veillera jamais. De plus elle est intime´ment lie´e a` la me´moire, et surtout a` la me´moire conservatrice; car il ne faut pas croire que ce qui se re´cite le plus facilement soit toujours ce qui se retient le mieux. Ajoutons que l’imagination, faculte´ qui existe bien inde´pendamment de nous chez les enfans, prend une fausse direction quand on ne lui en donne pas une bonne, et qu’elle sera e´ternellement frappe´e du cote´ risible ou du cote´ voluptueux des fictions mythologiques, si l’on ne commence pas par la fixer sur le sens e´leve´ qu’elles renferment. Mais ce sens dira-t’on, est il a` la porte´e de l’enfance? Oui sans doute, pour l’ordinaire, et souvent plus qu’a` la notre. Les enfants e´prouvent plus vivement que nous les sensations qui nous sont communes avec eux. Moins touche´s de l’ensemble de la nature, ils sont plus frappe´s de les de´tails; un arc-en-ciel, un orage, le tonnerre produisent sur eux plus d’effet, et c’est un sentiment analogue au leur qui s’est exprime´ dans la mythologie. Quand l’homme a donne´ la figure et la vie aux objets sublimes dont il est entoure´, il a e´te´ guide´ par l’imagination et par le genre d’imagination qui appartient a` l’enfance. La connoissance qui manque aux enfants celle des relations des eˆtres entr’eux, nous fait trouver les fables absurdes. Le sentiment qu’ils e´prouvent avec vivacite´, celui des relations de l’homme avec l’univers, leur en fait entrevoir le sens e la beaute´. L’imagination rapproche les objets les plus disparates, lorque’ils produisent sur nous la meˆme impression. Elle associe le vieux Ne´re´e, divinite´ calme, since`re, pe´ne´trant l’avenir a` l’ide´e de la surface tranquille de la mer, et Neptune passione´, aveugle dans sa cole`re a` celle des flots souleve´s; elle place dans le ciel e´toile´ les he´ros du premier aˆge, parce que l’e´clat d’une gloire immortelle se lie pour elle avec les feux du firmament; elle n’est point inconse´quente dans sa sphe`re, mais elle est la faculte´ de saisir les harmonies, comme le raisonnement est celle de juger des rapports. Un autre de´faut de notre manie`re d’instruire, c’est qu’elle n’est point assez impartiale. Dans le but de servir certaines causes, nous de´pre´cions tout ce que nous imaginons qui pourroit leur nuire. Mais rien ne nuit a` la ve´rite´ que l’erreur, et n’est-ce pas induire en erreur que de pre´senter les objets sous une face unique et de´favorable? Notre motif est fort respectable quand il s’agit des grands inte´reˆts de la religion et des moeurs. Sans doute le perfectionement moral de l’enfant et de l’homme est le but le plus important que puisse se proposer un e´crivain, mais ce qu’on demande a` l’instituteur, c’est

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de faire concourir a` ce meˆme but les faculte´s intellectuelles comple`tement de´veloppe´es, et leur de´veloppement n’aura jamais lieu si dans chaque e´tude, on ne rend pas une pleine justice a` toutes les opinions a` tous les syste`mes. Une fois le paganisme de´truit, il est devenu inutile de le de´nigrer. Si l’on se permettoit la partialite´, il faudroit relever ce qui ennoblit l’espe`ce humaine et non ce qui la de´grade. Le me´pris fle´trit l’aˆme, et pour peu qu’il soit injuste il re´tre´cit l’esprit. Plus on s’e´le`ve a` une grande hauteur, plus on de´couvre ce qui explique toutes les erreurs, et le point de vue le plus e´tendu est aussi le plus honorable pour l’humanite´. Il est toujours une manie`re ge´ne´rale de savoir son sujet, qui le fait rentrer sous les grandes lois de la religion et de la morale, sans qu’il soit ne´cessaire de le de´figurer en de´tail. Une premie`re explication franche et naturelle le soin facile d’e´carter les images voluptueuses rendent innocentes toutes les e´tudes, et en particulier la mythologie. Une atmosphe`re de purete´ entoure les chefs-d’oeuvres des arts antiques. La poe´sie et la sculpture des premiers aˆges ne sont pas des imitations se´duisantes, ce sont des cre´ations ide´ales qui participent a` une nature immortelle, et celui-la` seul qui en alte´roit la beaute´, pourroit les rendre dangereuses. La plupart des mythologues modernes se croyent oblige´s tout en enseignant la religion payenne d’en de´montrer l’absurdite´. Mais le soin constant de prouver l’absurdite´ d’une doctrine est contraire a` l’enseignement de cette doctrine meˆme. Rien dans les institutions ge´ne´rales et durables des peuples n’est tout a` fait absurde, si on l’envisage sous le juste point de vue. Ce que nous demandons a` celui qui entreprend de nous faire connoitre tout un syste`me d’ide´es, c’est de nous placer tellement au centre de ce syste`me qu’il nous paroisse naturel. Il faut nous obtenir de le juger jusqu’a` ce qu’il nous soit assez familier, pour que nous puissions a` volonte´ nous mettre en dedans ou en dehors; et relativement a la mythologie pour que nous soyons a` notre choix des anciens ou des modernes. La chance de devenir Payens, me´ritet’elle que nous renoncions a nous pe´ne´trer de l’esprit de l’antiquite´? La vraye religion a-t’elle donc besoin que sa sainte beaute´ soit releve´e par une telle comparaison? N’est-il pas plus religieux ainsi que plus neuf et plus piquant de montrer comment ce sentiment, si impe´rieux, si ardent, si universel, le besoin de la Divinite´ s’est exprime´ dans le paganisme? Comment l’homme mise´rable et isole´ sur la terre a e´te´ demander secours et protection a` tout ce qui l’entoure, a` la nature inanime´e elle-meˆme, plutoˆt que de rester sans appui? Puisque, selon un de nos grands ge´nies, les fausses religions

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prouvent la vraie, l’ide´e fondamentale du paganisme, celle d’adorer la Divinite´ dans les oeuvres, de chercher le Cre´ateur dans la cre´ation, est sans doute une belle ide´e. C’est du moins la plus naturelle qui ait pu se pre´senter a` des hommes prive´s des lumie`res de la re´ve´lation, et guide´s par une imagination passione´e, bien plus que par la raison. C’est aussi en se pe´ne´trant de l’esprit ge´ne´ral de la religion payenne, que l’on comprendra qu’il ne faut pas la juger d’apre`s des principes de moralite´ mal pre´sente´s, qui tendroient a` la faire conside´rer sous un faux jour. Il faut y voir le culte de la nature, celui de l’ordre ge´ne´ral de l’univers. Mais comme cette notion e´toit trop vaste et trop confuse pour eˆtre saisie par l’imagination des anciens, elle a duˆ se de´composer. L’univers a e´te´ divise´ par la pense´e et lorsque les roˆles se sont pour ainsi dire distribue´s, les repre´sentans des phe´nome`nes moraux et phisiques n’ont pu se montrer comme des mode`les de vertu. En effet les eˆtres phisiques dans leur de´ification ont duˆ garder leur caracte`re. La mer a duˆ eˆtre furieuse, le vent impe´tueux, la foudre destructrice. De meˆme quand l’imagination effraye´e de la violence des passions humaines, les a invoque´es comme des puissances surnaturelles dont il falloit de´tourner le courroux, ces passions ont e´te´ repre´sente´es dans leur plus haut degre´ d’exaltation par les Divinite´s qui en ont offert les emble`mes. L’amour du carnage, n’a pu eˆtre figure´ par un Etre plein d’humanite´, et l’ivresse par un Etre tempe´rant. Ainsi chacun des Dieux, pris isole´ment a duˆ sortir des bornes de la moralite´. De plus les faits ve´ritables sur lesquelles ces ide´es d’imagination se sont appuye´es, y ont encore allie´ l’histoire des foiblesses humaines, en sorte que de toutes parts on s’est e´carte´ de la beaute´ morale, pour viser seulement a` la beaute´ poe´tique. Qu’il re´sulte de ce qui pre´ce`de que le paganisme est une religion fausse, un culte sujet a` d’innombrables abus, c’est assure´ment bien e´vident. Mais une fois qu’on en aura reconnu le principe, qu’on aura e´tabli que des Dieux, repre´sentant des forces morales et physiques de la nature, sont ne´cessairement en dehors de toute ide´e de blame ou de louange, il me semble que l’on pourra s’e´pargner dans les de´tails bien des frais d’indignation vertueuse. Ne sent-en pas de´ja` qu’il est ridicule de citer un a` un les Dieux de la fable devant notre tribunal de censure, pour les renvoyer confondus. Peuton s’empeˆcher de sourire quand on entend accabler de reproches les grands eˆtres de la cosmogonie, les contemporains de Cakos, le ciel, la terre, le vieil Oce´anos. Comment n’avoir pas senti les beaute´s que renferment aussi ces fictions antiques. Quelle expression e´nergique de l’horreur qu’inspire la

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tyrannie, n’est pas cette fable de la Terre! Cette fable qui nous dit qu’avant qu’il y eut des arts, avant qu’il y eut des instruments d’agriculture, l a t e r r e e l l e - m eˆ m e f o r g e a l a p r e m i e` r e f a m i l l e p o u r p u n i r l’ o p p r e s s e u r d e s e s e n f a n t s . L’on fait une se´ve`re re´primande aux Muses sur ce qu’elles ont arrache´ des plumes aux Sire`nes apre`s les avoir vaincues dans un combat de chant, et assure´ment les Muses ont eu grand tort. C’est toujours bien fait de blamer l’insolence des succe`s frivoles, mais pourtant le vrai sens, le sens admirable de cet embleˆme n’est-il pas q u e m eˆ m e p o u r l a b e a u t e´ d e l e u r c h a n t , l e s c h a s t e s M u s e s l’ e m p o r t e n t s u r l e s S i r e` n e s c o r r u p t r i c e s ? Et ce bouquet de plumes qui depuis ce combat a toujours orne´ la teˆte des Muses, n’est-il pas le vrai trophe´e d’une vanite´ fe´minine? Ne voit-on pas l’orgueil de la parure joint a` celui de la victoire et du talent, dans ces Muses qui marchent triomphantes, la teˆte orne´e d’un panache altier. Ce que je demande donc aux Mythologues c’est de relever davantage la beaute´ poe´tique de la fable. Qu’ils nous montrent a` l’exemple de Moritz cet univers fantastique ou` toutes les formes sont si caracte´rise´es et ne´anmoins si belles, si e´clatantes et pourtant si harmonieuses; ou` tout est si naturel dans les sentiments, si merveilleux dans les faits, ou` tout est symbole sans cesser d’eˆtre vie et mouvement, ou` tout n’est un moment passion que pour redevenir, bientoˆt jouissance et se´re´nite´. Qu’ils e´voquent ces eˆtres innombrables qui remplissent de leur brillante existence le ciel lumineux, l’onde azure´e, le noir Tartare, et partagent meˆme notre brillant se´jour. Voyons ces Dieux, tels que les poe`tes nous en ont fait des peintures si originales, ces Dieux qui venant au monde comme de foibles enfants sont enveloppe´s d’abord apre`s leur naissance, dans des langes et des maillots, mais qui de´ployant en peu d’heures la divine e´nergie de leur eˆtre, se de´livrent de leurs entraves et tout rayonnants de jeunesse et de beaute´, marchent de montagne en montagne en manifestant leur puissance par des chants prophe´tiques et par des exploits prodigieux. Voyons ces De´esses, en qui l’e´clat de la majeste´ divine voile si le´ge`rement une femme charmante, traverser le ciel dans leurs chars rapides, pour obe´ir aux mouvements dont leurs coeurs sont agite´s. Voyons ces eˆtres purs et sereins, ces Graˆces, ces Muses, ces Heures fugitives, dans lesquelles une ide´e douce se dessine avec tant de charme et de le´gerete´. Amusons nous des figures grotesques de ces Faunes, de ces Satyres, de ces Sylvaines qui introduisent l’ivresse joyeuse et la gaiete´ maligne dans le corte`ge des Dieux. Et quand devant nous apparoitront ces monstres e´nig-

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matiques, sortis des te´ne`bres de l’antiquite´ orientale, admirons comment la poe´sie et la sculpture grecques ont donne´ a` l’alliance des formes les plus he´te´roge`nes, une sorte d’harmonie et de beaute´. Enfin lorsque la race humaine elle-meˆme fixera nos regards dans ce merveilleux tableau, voyons l’imagination des anciens devenir plus noble et plus sage et nous montrer le Dieu dans l’homme comme elle avoit fait percer l’homme a` travers le Dieu. Partout la poe´sie fabuleuse a signale´ le rayon divin dont l’aˆme est forme´e; sous la forme d’un ge´nie tute´laire, elle a de´ifie´ chaque mortel perfectione´; elle a e´leve´ au rang des Dieux le 〈!〉 he´ros les plus illustres, elle a partout de´veloppe´ cette ide´e premie`re, que c’est l’e´tincelle ce´leste de´robe´e par Prome´the´e qui anime le coeur de l’homme. Tout cet ensemble est bizarre sans doute; aucun syste`me re´gulier, aucun but moral, ne s’y laisse de´couvrir. Le ge´nie des arts y a tout cre´e´, et il n’a voulu qu’exciter l’admiration. Cependant comme c’est une loi de l’esprit humain que la beaute´ la plus sublime soit aussi la beaute´ morale, il re´sulte de ce que ces fables sont belles (et le temps n’a respecte´ que les belles), il re´sulte dis-je que des pense´es tre`s-e´leve´es y sont exprime´es avec une force et une grandeur surprenantes. L’e´tablissement de l’ordre dans l’univers, la victoire remporte´e par la race humaine sur les animaux fe´roces, les bienfaits de la le´gislation et des arts qui soutiennent ou embellissent la vie, y sont ce´le´bre´s dans les fables des Titans, d’Hercule, de Cadmus, de Ce´re`s, d’Orphe´e ete, 〈!〉 par les images les plus vives et les plus frappantes. Quelques traits de Jupiter conviennent au maitre de l’univers et plusieurs de ceux de Minerve a` la sagesse Divine... N’y a-t’il donc que du blame a` jeter sur toutes ces fictions? Si l’on s’obstinoit a` pre´senter l’histoire sous le point de vue unique de la moralite´, ne sent-on pas qu’il n’y auroit rien de si aise´ que d’exciter un scandale continuel? Mais pourquoi engager un combat inutile, entre l’inte´reˆt de l’instruction et celui de la vertu? N’est-ce pas toujours un peu compromettre le plus important des deux, et se re´signer a` s’estimer heureux si l’on ne sacrifie que l’autre? Il n’existe que deux moyens de nous transporter dans l’esprit des anciens et ge´ne´ralement dans celui des autres hommes, une inspiration analogue a` la leur et l’analyse exacte de leurs sentiments et de leurs pense´es. De ces moyens le premier n’est gue`re a` notre porte´e, quand il s’agit de l’antiquite´. C’est au milieu du tumulte des feˆtes nationales c’est au bruit des acclamations populaires, c’est dans les temples de Divinite´s craintes et adore´es que le feu de la poe´sie a de lui-meˆme e´clate´. Si les livres re´ussissent quelquefois

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a` en faire revivre parmi nous des e´tincelles, c’est lorsque toutes les expressions qu’ils renferment re´veillent des images vives et anime´es qui en excitent d’autres a` leur tour. C’est donc la route de l’e´tude, du travail assidu, enfin d’une analyse approfondie, qui peut conduire dans ce genre a` quelques re´sultats heureux, ce n’est meˆme que par cette voye qu’on peut arriver a` sentir la poe´sie antique, car le gout vif pour les poe`tes est de´ja` un commencement d’inspiration. Cette analyse elle-meˆme passe pour avoir e´te´ e´trange`re aux anciens. Il est probable qu’a` une e´poque tre`s-recule´e, il a re´gne´ en Italie e en Gre`ce une religion d’origine Indienne ou Egyptienne, dont les dogmes assez purs et me´taphysiques, ont pu se conserver, pour un petit nombre d’hommes e´claire´s, dans les myste`res d’E´leusis et dans les e´coles des philosophes; mais les Grecs de`s les temps d’Home`re et d’Hesiode e´toient peu adonne´s aux me´ditations contemplatives. Ardens, passione´s, mobiles, ils n’e´prouvoient que le besoin d’exhaler les sentiments dont ils e´toient anime´s. Les beaux-arts, la poe´sie, la mythologie elle-meˆme e´toient pour eux un langage, un moyen de donner une forme vivante a` leurs e´motions. C’est parce qu’ils e´vitoient les ide´es me´taphysiques qu’ils ont eu une mythologie. C’est parce que les attributs inhe´rents a` la divinite´, la force, la puissance, l’e´ternite´ ne pouvoient pas entrer dans leur esprit comme ide´es ge´ne´rales, qu’ils ont cre´e´ des eˆtres forts, des eˆtres puissants, des eˆtres toujours jeunes, mais c’est seulement lorsque nous sommes en e´tat de retraduire ces formes en ide´es, que leur mythologie a un sens pour nous. Nous mettons, objectera-t’on peuteˆtre, plus de finesse a` tout cela que les anciens n’en mettoient eux-meˆmes et nous leur preˆtons bien plus de pense´es qu’ils n’en avoient? C’est possible mais il ne s’ensuit pas de la` qu’ils n’ayent point de´pose´ dans leurs Cre´ations les germes de ces pense´es. Ils e´toient au centre d’une sphe`re d’activite´ particulie`re, leurs fictions, leurs productions de toute espe`ce, portoient l’empreinte de leur manie`re de sentir; ils cre´oient en artistes, et les artistes n’ont pas toujours distinctement la connoissance de ce qu’ils expriment par des images ou des tons. Ils font passer de leurs aˆmes, dans leurs oeuvres, ce qu’ils ne sauroient ou ne daigneroient point, expliquer par la parole. Mais la parole n’en est pas moins l’interpreˆte universel, l’interpreˆte imme´diat de l’aˆme, comme celui des beaux arts, et elle fait rentrer dans le domaine des ide´es distinctes ce qui ne sembloit pas y appartenir. Les anciens ont eu la part cre´atrice, la part du ge´nie, ils ont donne´ la forme a` la pense´e, nous avons la part de de 〈!〉 l’esprit, nous de´couvrons la pense´e dont chaque forme

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est l’expression. S’ils posse´doient le don le plus brillant, celui qui nous est e´chu n’en comple`te pas moins ici-bas le glorieux appanage de l’homme. Il e´toit en effet accorde´ a` cet eˆtre, place´ au point de contact du monde moral, et du monde physique, de dominer en quelque manie`re sur tous les deux, et de faire passer a` volonte´ ses propres sentiments de l’un dans l’autre. Mais dira-t’on le sens que l’on attribue aux fictions mythologiques est-il incontestable, et ne risquons nous point de prendre les re´veries de notre imagination, pour les cre´ations de celle des anciens? Sans doute, dans tout ce qui n’est pas ve´rite´ de calcul, il y a une plus ou moins grande chance d’erreur, mais il y a certitude comple`te d’erreur, si l’on s’imagine que toutes ces fictions ne signifioient rien et c’est ce qui arrive, lorsqu’on s’habitue a n’y attacher aucune ide´e. D’ailleurs les auteurs tels que Moritz, qui ont rassemble´ avec soin, toutes les lumie`res que fournissent les plus beaux morceaux de la sculpture et de la poe´sie antiques, ont diminue´ autant que possible le risque de s’e´garer. Ils ont suivi la marche la plus sage, la plus judicieuse, la plus propre a` inspirer le gout des beaux-arts et celui de l’antiquite´. Exciter l’inte´reˆt dans ce genre est plus important, que pre´server de l’erreur. Le doute philosophique, le jugement tenu en suspens, peuvent eˆtre fort utiles dans l’e´tude de la nature, mais non dans celle des poe`tes. Une fois la premie`re impression manque´e, elle ne se retrouve jamais, et c’est a pre´parer cette premie`re impression, que servent les livres de mythologie. L’auteur de l’ouvrage dont nous donnons la traduction, Charles Philippe Moritz ne´ en 1753, e´toit un homme doue´ de 〈!〉 prodigieusement d’esprit, d’une belle imagination, et posse´dant d’immenses connoissances. Sa re´putation est grande en Allemagne et l’eut e´te´ dans le reste de l’Europe, s’il n’avoit pas dissipe´ quelques uns de ces moyens, dans une lutte ine´gale et sans-cesse renouvelle´e contre la mauvaise fortune. L’oppression des circonstances exte´rieures ne put e´touffer le beau talent de Moritz, mais elle augmenta la bizarrerie naturelle de son caracte`re, comme elle alte´ra sa sante´ et il mourut a` l’aˆge de trente cinq ans des suites de ses chagrins, au moment ou` son me´rite lui avoit enfin procure´ une existence plus heureuse. Il a lui-meˆme e´crit l’histoire de sa vie, sous le titre d’ A n t o i n e R e i s e r , r o m a n p s y c h o l o g i q u e . Ce singulier ouvrage, contient les observations, les plus curieuses sur le coeur humain et particulie`rement sur l’enfance, mais la lecture en est pe´nible parce qu’elle pre´sente sans-cesse le plus triste des spectacles, celui de grandes faculte´s intellectuelles aux prises avec tous les genres de mise`re.

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Moritz a laisse´ plusieurs e´crits estime´s sur la langue Allemande, sur les arts et sur l’e´tude de l’antiquite´, mais les ouvrages qui fondent principalement sa re´putation sont l e v o y a g e d’ u n A l l e m a n d e n I t a l i e p e n d a n t l e s a n n e´ e s 1 7 8 6 e t 1 7 8 7 , monument tre`s pre´cieux a` ce qu’on dit sous le rapport des arts et de l’e´rudition; l e s f i c t i o n s m i t h o l o g i q u e s et* l’ A n t h o ¨ı z a o u e s p r i t d e s a n t i q u i t e´ s r o m a i n e s . Ce dernier livre entie`rement compose´ dans le sens de celui qui va nous occuper, est tre`scurieux, tre`s-piquant tre`s-original, il re´ve`le l’esprit des feˆtes nationales ainsi que des usages domestiques des anciens Romains, et montre comment chez ce peuple pieux, la vie toute entie`re e´toit un culte. Quant a` cet ouvrage ci, il a e´te´ dicte´ par les deux genres d’esprit qui seuls peuvent transporter les modernes au sein de l’antiquite´, l’esprit d’analyse, et l’esprit poe´tique. Aucun des deux n’y de´truit l’effet de l’autre, les ide´es les plus fines y sont pre´sente´es avec chaleur, et l’on voit que c’est un sentiment de´licat des beaux-arts bien plus que le de´sir de briller, qui leur a donne´ la naissance. A quoi Moritz re´ussit surtout avec une sagacite´ merveilleuse, c’est a` trouver l’ide´e centrale d’une Divinite´, l’ide´e vers laquelle convergent les attributs divers qui la caracte´risent. On peut voir comment il fait un meˆme eˆtre de la paisible De´esse des des 〈!〉 arts, et de celle de la guerre, de Minerve et de Pallas; comment Mercure, Dieu du larcin, est bien Mercure, Dieu de l’e´loquence. Il oppose encore d’une manie`re neuve et inte´ressante, le re`gne des anciens Dieux de race Titanique a` celui des nouvelles Divinite´s, de l’Olympe, et par la` e´claircit l’ensemble de la Mythologie. Les plus grandes Divinite´s lui ont surtout fourni le sujet de morceaux charmants. L’histoire des he´ros rec¸oit un grand me´rite, du choix heureux qu’a fait l’auteur entre les versions des meˆmes fables, et du soin qu’il a pris d’aider la me´moire, en liant le plus possible, les unes aux autres toutes ces fictions. Il est si e´vident qu’il a voulu donner la couleur antique a` sa composition qu’il y a fondu, sans toujours les de´signer, plusieurs fragmens des anciens poe`tes. Ces morceaux pre´sente´s de la sorte y re´pandent un agre´ment singulier, parcequ’ils font l’effet des paroles d’un oracle qui impose silence a` toute contradiction. Les fictions mythologiques de Moritz e´toient extreˆmement difficiles a` traduire. L’espe`ce de poe´sie metaphysique qui re`gne parfois dans l’origi-

* Rome florissante, un des noms mystiques de Rome.

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nal, est une langue distincte de l’autre et il falloit chercher des analogues dans les ide´es ainsi que dans les tournures franc¸oises. Cet ouvrage me´ritoit un pareil travail. Nous n’en posse´dons aucun, sur ce sujet, qui soit d’un inte´reˆt e´gal, qui puisse, avec moins de frais d’e´tude, nous apprendre a` jouir des monuments des arts, a` appre´cier les richesses de nos Muse´es et celles que l’Italie a conserve´es. Il peut enflammer le ge´nie de quelqu’un de nos grands e´crivains, il peut donner une direction mieux de´termine´e au talent de nos artistes, il re´pand une teinte vive et brillante sur des tableaux que le temps avoit de´colore´s, et pre´sente en un mot sous un aspect tout-a`-fait neuf, le plus use´ des sujets, la mythologie. 14. Verlagsankündigung zur fünften Auflage, angebunden an: Nachrichten von dem Leben des Königlich Preußischen Geheimen-Rathes und Doktors der Arzeneiwissenschaft Ernst Ludwig Heim, gesammelt zur Feier seines 50jährigen Doktor-Jubiläums den 15ten April 1822. Zweite Auflage. Berlin, 1823. Bei Friedrich August Herbig.

Nicht leicht wird ein Werk entstehen, welches mit so großer Wohlfeilheit (20 Bogen Text und 65 Abbildungen für 1 rtl.) eine solche Gründlichkeit und hinreißende Anmuth der Schreibart verbindet, wodurch es, was wohl selten der Fall ist, eine nöthige Wissenschaft mit Vergnügen wohlfeil und gründlich zu erlernen, ganz allein sich eignet. Moritz Götterlehre hat ihren ehrenvollen Platz, als ein in sich selbst vollendetes, meisterhaftes Werk seit Jahren so fest behauptet, daß trotz des Nachdrucks und mancher Nachahmungen fünf starke Auflagen erforderlich wurden. Selbst der Kunstfreund und Gelehrte wird durch Moritz’s glückliche Fassungsgabe überrascht, und auf den eigentlichen Lebenspunkt einer alten Dichtung geführt, die durch seinen Vortrag erst einen einleuchtenden, sinnlichen Bestand erhält.

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15. Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen, nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Fünfte sorgfältig durchgesehene und verbesserte Ausgabe, Berlin 1819. 〈V〉

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Vorrede zu dieser neuen Ausgabe. Moritz’s Götterlehre erscheint hier zum fünftenmal fast unverändert. Das Werk eines Verstorbenen umzuarbeiten hat immer einen Schein von Gewaltthätigkeit, und bei einem beliebten Schulbuch ist es doppelt mislich. Eben deshalb ist auch die Anordnung durchaus beibehalten. Nur wo durch ganz leichte Aenderungen sich ein Misverständniß heben oder etwas bedeutend bessern ließ, hat man es für erlaubt gehalten, sie vorzunehmen. Man vergleiche deshalb, z. B. S. 196, 234, 258, 267, 274, 296, 297 etc. Wer von den vielfältigen neuesten Entdeckungen in der griechischen Götterlehre gehört hat, denkt vielleicht, Moritzens kleines Werk sey nunmehr unbrauchbar. Wir sind nicht dieser Meinung. Wahrhaft gründlich lassen die Religionen des Alterthums sich nur geschichtlich darstellen, in ihrem Zusammenhange und ihren Umbildungen, als Theil des allgemeinen geistigen Fortlebens des Menschengeschlechts. Ein solches Werk ist bis jetzt nicht entstanden, oder auch nur versucht worden. Auf jeden Fall aber liegen die dazu nöthigen Untersuchungen nicht blos, sondern großentheils auch die Ergebnisse außer dem Kreise des Schulunterrichts. Was hingegen sonst vielfältig neues vorgebracht worden, möchte sehr oft bei näherer Prüfung sich nicht bewähren. Statt einer erschöpfenden heidnischen Theologie, deren Kenntniß weder leicht, noch erfreulich, noch allgemein wünschenswerth seyn dürfte; findet man hier eine geistreiche, lebendige Darstellung der geläufigsten Dichterbilder, in immer anmuthigem, geschmackvollem Vortrag; für ein Schulbuch eine sehr wichtige Empfehlung. Auch der Gelehrtere wird indeß oft durch Moritzens glückliche Fassungsgabe überrascht; ohne zu wissen, wie schwierig die strenge Beweisführung mancher seiner Sätze seyn dürfte, trifft er dennoch nicht selten, wie durch Ahndung; den eigentlichen Lebenspunkt einer alten Dichtung, und die Fabel erhält, durch ihn vorgetragen, einen einleuchtenden, sinnlichen Bestand. Eine eben so wesentliche Empfehlung ist es, daß das Werk durchgehends auf eine Reihe sehr glücklich ausgewählter antiker Darstellungen sich

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bezieht. Diese sind zugleich einer der wenigen Reste von dem Talente eines der begabtesten deutschen Künstler, den leider das Schicksal in der Blüthe des Lebens wegraffte. Fernow hat in A s m u n d Ç!È J a c o b K a r s t e n s Lebensbeschreibung gezeigt, wieviel Deutschland und die Kunst an ihm verloren. Die S. 32 erwähnte Darstellung der Nacht ist eine seiner glücklichsten Erfindungen, und die vielfältig versuchten Nachbildungen derselben bürgen dafür, daß sie unsterblich seyn wird. Ueber die Rechtschreibung der griechischen Namen ist es nöthig, hier eine Erklärung zu geben. Moritz folgt darin der zu seiner Zeit üblichen Weise, wonach die lateinische Form der Namen als Richtschnur galt. Dies ist beibehalten, obgleich man jetzt gewönlich den griechischen Buchstaben unmittelbar folgt, nicht Ocean schreibt, sondern Okeanos, nicht Ulysses und Teucer, sondern Odysseus und Teukros. Für jenes spricht aber der herkommliche deutsche Gebrauch, so wie der aller benachbarten Sprachen; und er dürfte deshalb mit der Zeit auch wol unter uns wieder der beliebtere werden. Allein bei diesem Buche tritt noch ein besonderer Grund ein. Moritz bedient sich nehmlich durchaus der lateinischen Götternamen, auch wo sie ganz von den griechischen abweichen; er sagt niemals Hera, Hephästos, Artemis, sondern beständig Juno, Vulkan, Diana; wie der gewönliche Gebrauch noch immer es mit sich bringt. Dieß allenthalben zu ändern, hätte unzählige kleinliche Correcturen verlangt, und den Wohllaut der Rede meistens zerstört. Eins aber konnte nicht ohne das andere geschehen, obwol sich unter uns Bücher genug finden, wo von Mars und Aphrodite, Neptun und Okeanos, Zeus und Juno neben einander die Rede ist, ohne daß die Schreiber den argen Uebelstand wahrnehmen. Um indeß zu keiner gerechten Klage über Unvollständigkeit Anlaß zu geben, sind in den Ueberschriften die gewöhnlichen griechischen Götternamen neben die lateinischen gesetzt worden, und bei den kosmogonischen Wesen zugleich die deutsche Bedeutung der Namen angemerkt, wo es mit einem einzelnen Worte geschehen konnte; weil gewönlich der Zusammenhang der Dichtungen sofort dadurch seinen Aufschluß erhält. B e r l i n , im September 1819.

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16. Mythological Fictions Of The Greeks And Romans. By Charles Philip Moritz. Translated From The Fifth Edition In German, With Improvements, By C〈harles〉 F〈rederick〉 W〈illiam〉 J〈aeger〉, New-York 1830. ÇiiiÈ

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A d v e r t i s e m e n t Çdes HerausgebersÈ. The work now offered to the public was translated by Mr. C h a r l e s F r e d e r i c k W i l l i a m J a e g e r , native of Germany, and a graduate of the University of Giessen. The editor was introduced to him by the Rev. Mr. Schaeffer, a pastor of the Evangelical Lutheran church in this city, and regrets that his return to Germany has prevented him from cultivating an acquaintance with a scholar so extensive and accurate in his acquirements, and so unassuming in his character. Mr. Jaeger spent about three years in this country, and had acquired a sufficient knowledge of the English language to enable him to write and speak it with considerable facility. Ç. . .È The immediate avocation and daily duties of the editor do not allow him to devote much time and study to Greek and Latin classics. Still he is well aware of the importance of making them the ground-work of a thorough education, and cannot but indulge the hope, that this little work of Moritz may be of use in advancing among us a department of literature, which it must be confessed is not estimated as its importance merits. The author seems to have entered into the spirit which pervades remote antiquity, and to have written his work under the excitement of the feelings which characterize the age of imagination; so much so indeed, that at times the reader might almost suppose that it is the well attested truth of history which is presented to his view and not the fictions of mythological fable. N e w Yo r k , J a n u a r y , 1830 S. H. T.

Tr a n s l a t o r’ s p r e f a c e . The work from which the present translation is made, ranks among the favourite school-books used in the Gymnasia of Germany. It contains, in a small compass, all the important matter connected with the subject which the title-page announces. The arrangement is judicious, simple, and alike easily comprehended and retained in the memory. Though it treats of a very delicate subject, and one which is particularly difficult to be properly explained to young persons, the author has surmounted its difficulties, and

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stands distinguished among the writers on Mythology, by the chasteness of his language. His pure and elevated feeling has led him to avoid the dangerous tendency, which so frequently prevails in our own enlightened age, and even with regard to religious subjects, where it might least be expected, to despise and ridicule what we cannot approve. In compiling his work, he did not forget that it was his duty to behold himself, and to make his readers behold, former times and past generations, as far as possible, in their own light, and not in that of the nineteenth century; and thus he has succeeded in discovering and pointing out some beautiful features of his subject. These may be considered as the principal reasons why this work has met with so favourable a reception in Germany, that in the space of a few years the fifth edition has been called for. Although the book is principally intended for the use of young persons, the various hints here and there thrown out by the author, relating to the connexion between fiction and reality, may render it attractive also to the more advanced scholar. In fact, the arrangement of the whole is adapted to every class of readers. In the preface to the first edition, the author himself thus concisely states the design of his work: »I have at- tempted to represent the Mythological Fictions of the Ancients in the sense in which they are applied by the principal poets and artists – a s a l a n g u a g e o f F a n c y ; and an attentive consideration of their works has been my clew through the labyrinth of these Fictions.« In that to the fifth edition, the editor expresses himself as follows: »Instead of a complete heathen theology, acquaintance with which is neither easily attained, nor pursued with pleasure, and in regard to which it is even not to be wished that it should be more extensively diffused, we here find an ingenious and lively representation of such poetic fictions as most frequently occur. And even the truly learned will often be surprised at the happy conceptions of Moritz, who, not aware of the difficulty of proving many of his positions, frequently touches with great felicity the vital point of an ancient fiction; and the fable, related by him, acquires an evident and intelligible consistency.« This fifth edition, as it appears from the foregoing paragraph, was not published under the inspection of the author. Moritz is no more; but his name lives in the grateful remembrance of thousands, who were led by him, in an easy and agreeable manner, into a field of literature, attractive in itself, and necessary to be traversed, in order to understand and enjoy the writers of antiquitity.

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17. Albertine Necker de Saussure, Die Erziehung des Menschen auf seinen verschiedenen Altersstufen. Uebersetzung des Werkes: De l’e´ducation progressive ou Etude du cours de la vie par Madame Necker de Saussure, von A. von Hogguer und K. von Wangenheim, mit einigen Anmerkungen des Letzteren. Zweiter Theil, Hamburg 1838, S. 369f.

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Alle Völker von lebhafter Einbildungskraft haben ihre Legenden, Lieder und Sagen voll des Wunderbaren in volksthümlichen Dichtungsweisen gehabt, und uns, die wir nichts von alle dem mehr haben, sollte es nicht erlaubt seyn, in Ermangelung eines Besseren dasjenige unsern Kindern zu geben, was auf sie wie Poesie wirken, ihre Gedanken beflügeln, die Bande des Gewöhnlichen lüften und sie für Augenblicke in schönere Regionen versetzen könnte? Auch Kinder haben Stunden der Erschlaffung, wo sie etwas bedürfen, das ihr Gefühl auf heilsame Weise wieder beseelen kann. Solchen Gedanken steht aber die heutige Erziehung so ferne, daß sie nicht einmal von dem Wunderbaren Vortheil ziehen mag, welches in der, unter den Lehrgegenständen beibehaltenen, M y t h o l o g i e liegt; und doch sollte dieses ätherische Gebäude, welches ein Werk der Einbildungskraft ist, dieser auch wieder geweiht seyn. Fabeln und Sagen, die unter dem blendenden Schleier reizender Dichtungen hervorblitzen und so zu unserer Kenntniß gelangen, werden den Kindern entfärbt, somit entstellt vorgetragen. Der oft sehr erhabene Sinn des Symbols bleibt ihnen verborgen und die Form erscheint dann um so anstößiger, je mehr sie sich ihrer Bedeutung und ihrer Schönheit beraubt zeigen lassen muß. Lieber sollen sie sich über die Vorstellung, daß Saturn seine Kinder verschlingt, entsetzen, als daß man sie in jenem Bilde das Bild der Zeit sehen lasse, die ihre eigenen Schöpfungen zerstört. Man gibt ihnen Thatsachen, die in ihrer Nacktheit abgeschmackt sind, deren Erklärung aber Kindern in einem Alter, dem die mysteröse Hülle der Allegorie noch gefällt, sehr anziehend seyn würde. Wie kommt es, daß noch keiner der großen Gelehrten Frankreichs den, in Deutschland z. B. schon von C. Ph. M o r i t z mit Erfolg gemachten, Versuch gewagt hat, Kinder mit dem Geiste antiker Dichtungen und Kunstwerke vertraut zu machen, ohne dabei im Mindesten ihr Sittlichkeitsgefühl zu gefährden?

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18. F. W. J. Schelling, Philosophie der Mythologie. Nachschrift der letzten Münchener Vorlesungen 1841, hrsg. v. Andreas Roser und Holger Schulten. Mit einer Einleitung von Walter E. Ehrhardt, Stuttgart-Bad Cannstadt 1996, S. 31.

Ç. . .È auch angenommen, diese absolut poetische Erklärung sei nicht wirklich behauptet worden, so gibt es doch solche, die bloß von einer poetischen Ansicht der Mythologie wissen wollen, die nämlich gezeigt haben, daß ihnen jedes Forschen nach dem Grunde der Götter, überhaupt jede Forschung nach einem realen Sinn derselben zuwider sey. Der Grund ist die Zärtlichkeit für das Poetische. Was diese Furcht betrifft, so ist sie ungegründet, denn das Ergebniß würde sich nur auf den Ursprung beziehen, denn sogar diejenigen, welche in den Mythen irgend einen physicalischen Sinn legen, wollen nicht, daß man an diesen Sinn gerade auch bei den Dichtern glaube. Man könnte hier zugleich auf das bekannte und empfehlenswerthe Buch von Moriz verweisen, wo der rein poetische Sinn dargestellt ist.

19. W〈illibald〉 Alexis, Anton Reiser, in: Literarhistorisches Taschenbuch. Herausgegeben von R. E. Prutz. Fünfter Jahrgang, Hannover 1847, S. 1–71, hier: S. 17f.

Weshalb denn einen Mann aus der Vergessenheit vorrufen, der vielleicht seiner Zeit von Bedeutung war, dessen Persönlichkeit und Werke aber im großen Strom der Bildung untergegangen sind? Und wenn er für seine Stadt eine Notabilität war, so gehört er in das gelehrte Berlin: wozu aber eine allgemeinere Aufmerksamkeit für ihn aufrufen wollen? – Moritz ist als Schriftsteller nicht untergegangen. Zwar leben von seinen fünfzig Werken nur wenige fort, seine Reisebeschreibungen sind veraltet, seine Schulbücher und Grammatiken von andern verdrängt; aber eines, wer kennt es nicht? Moritz’ Götterlehre, lebt in immer erneuten Auflagen. Ja das schönste Zeugniß für den frischen Geist, mit welchem Moritz damals den deutschen Kunstfleiß zum Studium der Antiken zurückzu-führen bestrebt war, ist die Antwort unseres Schinkel, die er einst auf die Frage gab, woher er die meisten Anschauungen seiner genialen Compositionen entnommen? Aus Moritz Götterlehre, sagte er unbefangen denen, welche ein tiefsinniges, gelehrtes Studium verborgener Quellen erwarteten.

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20. Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten von Karl Philipp Moritz. Mit 66 in Holz geschnittenen Abbildungen. Zehnte Auflage, umgearbeitet und herausgegeben von Dr. 〈Friedrich Christoph Leonhard〉 Frederichs, Berlin 1861. ÇIIIÈ

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Vorwort zur zehnten Auflage. Die Mythologie eines Volkes enthält die Geschichte seines mythischen Glaubens. Es ist daher die Aufgabe des Mythologen, die gewordenen Mythen und Sagen in ihrem Werden darzulegen und somit ein Bild von der allmähligen Entwickelung des Volksglaubens zu geben. Diese Aufgabe hat deswegen ihre besonderen Schwierigkeiten, weil die Mythen und Sagen als Erzeugnisse einer langen Entwickelung uns größtentheils in einer Gestalt überliefert sind, unter deren Hülle die Ablagerungen früherer Glaubensperioden oft bis zur Unkenntlichkeit verborgen liegen. Auf der Grundlage einer richtigen geschichts-philosophischen Anschauung kann die allein angemessene Methode, in welcher sich die mythologische Forschung bewegt, nur die h i s t o r i s c h - v e r g l e i c h e n d e sein und zwar in der Weise, daß zunächst die Mythen und Sagen der Völker, welche eine gemeinschaftliche Sprachentwickelung von der Urzeit her durchlebt haben, in den Kreis der vergleichenden Forschung gezogen werden. Denn sowie die sprachverwandten Völkerstämme vor ihrer Trennung einen gemeinsam errungenen Sprachschatz besaßen, so haben sie auch gleiche Elemente des mythischen Glaubens entwickelt; die g r i e c h i s c h e Mythologie ist daher nur ein Zweig der allgemeinen i n d o - g e r m a n i s c h e n und muß im Lichte dieser erforscht und dargestellt werden. Eine solche Behandlungsweise ist indeß erst in neuester Zeit unter dem Einflusse der sprachvergleichenden Wissenschaft angebahnt und noch in den Anfängen. Daher sind der auf diesem Wege gewonnenen Resultate noch wenige und erfreuen sich noch keineswegs der vollständigen Anerkennung Seitens der Mythologen von Fach, von denen ein Jeder die alten Bahnen fortwandelnd seine besondere Methode befolgt. Die Aufgabe des Bearbeiters einer Mythologie, welche nicht für gelehrte Mythologen, sondern für ein gebildetes Publicum überhaupt bestimmt ist, konnte also nur die sein, die Resultate der mythologischen Forschung, welche in mehreren großen in den letzten Jahren erschienenen Werken vorliegen, soweit es schon thunlich war, nach jenen Prinzipien zu bearbeiten. Dies ist jedoch nur in der eigentlichen G ö t t e r l e h r e versucht. Denn was die H e r o e n s a g e betrifft, so sind die

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darauf bezüglichen Forschungen auf dem angegebenen Wege noch am wenigsten weit gediehen, so daß eine durchgreifende Umgestaltung auch dieses Theils der Mythologie für ein größeres Publicum der Zukunft angehört. Die Heroensage ist daher im Wesentlichen nach den früheren Auflagen abgedruckt, was auch aus dem Grunde um so unbedenklicher geschehen konnte, weil das Interesse der Gebildeten an derselben weit mehr, als bei den Göttermythen ein rein stoffliches ist. Die Götterlehre ist durchsichtiger, klarer und daher in ihrer Entwickelung leichter zum allgemeinen Verständniß zu bringen. In der Gestalt aber, wie dieselbe in den früheren Auflagen enthalten war, konnte sie nicht mehr genügen, sondern es war eine durchgreifende Umgestaltung derselben nothwendig. Denn das Interesse, das man gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, in welcher Zeit M o r i t z sein Werk herausgab, an der griechischen Mythologie nahm, war überwiegend ein ä s t h e t i s c h e s , was zu einer Zeit erklärlich war, wo die bildende Kunst der Hellenen durch Winckelmann dem Geiste neu erschlossen war und überall Bewunderung und Begeisterung erweckt hatte. M o r i t z erkannte ganz richtig im Gegensatz zu der verkehrten Ansicht, als ob in allen Mythen und Sagen ein System speculativer Sätze über Götter und über die Entstehung der Dinge versteckt liege, den Ursprung derselben in der Phantasie, aber nicht in der Phantasie des Volkes im Allgemeinen, sondern einzelner Dichter. Daher nannte er Mythen und Sagen Dichtungen und behandelte sie ausschließlich wie Kunstproducte, in welchen sich, wie in der Poesie überhaupt, die Verhältnisse der Dinge, das Leben und die Schicksale der Menschen spiegelten. In den Göttern sah er Begriffe und Ideen, namentlich die der M a c h t in persönliche Gestalten eingehüllt, deren erhabene Züge aus den großen Erscheinungen der Natur entlehnt sind, welche für die Götter die Urbilder abgaben. Dieser Auffassung entspricht die Scheu, welche der Verfasser vor der Deutung der Mythen und Sagen hatte. Denn, heißt es in der Einleitung, die Hand, welche den Schleier, der diese Dichtungen bedeckt, ganz hinwegziehen will, verletzt zugleich das zarte Gewebe der Phantasie und stößt alsdann statt der gehofften Entdeckungen auf lauter Widersprüche und Ungereimtheiten. Diese Anschauungsweise, so sehr sie als Moment in der mythologischen Methode berechtigt ist, dringt, wenn sie einseitig fest gehalten wird, nicht auf den Grund der Sache. Mögen wir uns noch so sehr der dichterischen Schönheiten der Mythen und Sagen erfreuen, so steht doch höher, als der schöne Schein die geschichtliche Wahrheit, welche wir in denselben als

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Aeußerungen des Volksglaubens in seinen Anfängen, seiner Blüthe und seinem Untergange zu erforschen streben. Also nicht lediglich das ä s t h e t i s c h e , sondern vornehmlich das c u l t u r h i s t o r i s c h e Interesse ist es, welches uns zur Betrachtung der Mythologie eines Volkes führt. Die Form des Werkes, die Gliederung der Theile, ist im Wesentlichen dieselbe geblieben. Zwar ist der Beginn der Mythologie mit Kosmogonie und Theogonie nicht angemessen, weil dadurch leicht die Meinung erregt wird, als seien in diesem Abschnitt auch die ältesten Mythen enthalten, während umgekehrt die theogonischen und kosmogonischen Mythen einer sehr späten Periode, der Zeit der beginnenden philosophischen Speculation, angehören. Aber hier glaubte der Herausgeber sich durch die alte Form des Buches gebunden, wie denn überhaupt es aus naheliegenden Gründen als gerechtfertigt erscheinen wird, daß die Umarbeitung sich in den einzelnen Theilen mehr oder weniger enge an das alte Werk angeschlossen hat. Der Umstand, daß uns die Disciplinen des griechischen Alterthums zuerst durch das Medium der lateinischen Sprache überliefert sind, hat die Folge gehabt, daß unter andern die Namen der griechischen Götter und Heroen in lateinischer Form in den Sprachgebrauch übergegangen sind. Auch Moritz gebrauchte nur die latinisirten Formen und erst in einer späteren Auflage wurden die griechischen Namen in Parenthese hinzugefügt, während in der gegenwärtigen Auflage die Sache umgekehrt ist. Denn man ist mit Recht in der neueren Zeit von der Latinisirung griechischer Namen zurückgekommen und hat denselben ihre ursprüngliche Form wiedergegeben. Da indeß manche griechische Götter- und Heroennamen besonders durch den Einfluß unserer Poesie sich im Sprachgebrauch eingebürgert haben, so wird man in einer nicht für Fachmänner bestimmten Mythologie eine consequente Durchführung der griechischen Schreibweise der Namen nicht erwarten können. Das Ohr des Publicums muß sich an den griechischen Klang längst bekannter Namen erst allmälig gewöhnen. Möge das Moritz’sche Werk auch in der gegenwärtigen Gestalt beifällig aufgenommen werden! B e r l i n , October 1861. Dr. F r e d e r i c h s .

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21. Cosima Wagner, Die Tagebücher, ediert und kommentiert von Martin Gregor-Dellin und Dietrich Mack, 2 Bde., München, Zürich 1976, 1, S. 227, Mittwoch, 4. Mai 1870.

Wie uns das Frühstücksgespräch auf 〈Hans〉 Richter und seinen Aufenthalt in Paris (er hat Notre Dame n i c h t und im Louvre b l o ß Napoleon’s Stiefel gesehen) bringt, sagt R〈ichard〉: »Ja wer in der Kindheit nichts von den ›Alten Griechen‹ gehört hat, der ist für die Schönheit verloren. Alle meine späteren Empfindungen von der Häßlichkeit unsrer jetzigen Welt stammen von dem Anblick der Bilder in der Mythologie von Moritz. Perseus mit dem schönen Helm und sonst in nackter Gestalt entzückte mich und flößte mir Abscheu ein vor unsrem ganzen Militärwesen, zugeknöpft ausgestopft mit ihren Orden.«

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Stellenerläuterungen 6,3–4 S p r a c h e d e r P h a n t a s i e ] Vgl. die Erl. zu S. 13,3–4. 6,4–6 deren aufmerksame Ç. . .È Leitfaden gedient hat] Anspielung auf die Ariadne-Erzählung, die ihrerseits Gegenstand der Götterlehre ist (S. 190,15–22). Den Begriff Labyrinth verwendet Moritz an weiteren Stellen seines Werks – so in der Deutschen Sprachlehre für die Damen (1782) mit Blick auf die strukturierende Funktion der Sprache im Erinnerungshaushalt: Und jene süße Erinnerung

an unsre verfloßnen Tage, was wäre sie ohne die Sprache? Ein ödes Labyrinth halbverwischter Eindrücke, durch tausend Lücken unterbrochen, worinn sich wiederum die Gegenwart eines jeden Tages verlieren würde. Allein die Sprache ist der unzerstörbare Knäuel, von welchem wir den Faden abwickeln, der uns aus diesem Labyrinthe unsrer Vorstellungen den einzigen Weg zeigt (DS, S. 166; KMA 7). Damit rückt Labyrinth in die Nähe etwa des biographischen Wirrwarrs (Zwecklosigkeit, abgerißne Fäden, Verwirrung, Nacht und Dunkelheit, AR, KMA 1, S. 106), den Moritz im Anton Reiser erzählerisch auflösen will. – Als Gegenprogramm zu Labyrinth dient die aufmerksame Betrachtung. Der Begriff der Aufmerksamkeit (vgl. Costazza 1999, S. 51–76) bezeichnet in ästhetischen Debatten des 18. Jhs. das Verfahren, einen Gegenstand aus seinem Zusammenhang herauszuheben. Vgl. Sulzer, Theorie 2, S. 292: Man kann die Aufmerksamkeit so stark auf einen Theil richten, daß man das Ganze, dem er zugehöret, kaum gewahr wird. Dem Zusammenhang nach – vgl. das Einleitungskapitel (Gesichtspunkt für die mythologischen Dichtungen, S. 13,1–2) mit den Erl. – bezieht sich aufmerksame Betrachtung auch auf das synthetisierende Betrachten als die Attitüde, die einem Kunstwerk gemäß ist (s. den Aufsatz Ueber den Begriff des in sich selbst Vollendeten, in: GL, KMA 6, S. 355; BNS, S. 39f.; KMA 3). Mit dem Begriff der aufmerksamen Betrachtung antizipiert Moritz insofern den im Einleitungskapitel entwikkelten methodologischen Grundsatz, mythologische Erzählungen nicht zu deuten, sondern sie grade so zu nehmen w i e s i e s i n d (S. 14,16). An anderer Stelle mahnt er zur ruhigen Betrachtung der Natur und Kunst, als eines einzigen großen Ganzen (Grundlinien zu einer künftigen Theorie der schönen Kün-

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ste, in: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 ([1789], 3. Bd., 2. St., S. 74–77, hier: S. 77 [KMA 3]) als einzig angemessener Attitüde im Umgang mit dem Schönen. Der Anlage nach widmet sich die Götterlehre insgesamt der ästhetischen Kontemplation mythologischer Bilder als Strategie der Auseinandersetzung mit Kontingenzerfahrungen. Auch auf die Götterlehre könnte die Formel von dem schönen Labyrinth, worin das Auge sich verliert gemünzt sein, die sich auf Raffaels Loggien im Vatikan bezieht (RDI 3, S. 233, KMA 5/2; VTO, S. 28, KMA 3). 6,6–7 Gemmen aus der Lippertschen Daktyliothek] Die Lippertsche Daktyliothek ist eine von dem Dresdner Zeichner und Bildformer Philipp Daniel Lippert (1702–1785) hergestellte Sammlung von Abdrücken dem Programm nach durchweg antiker Gemmen, tatsächlich allerdings auch solcher aus der Zeit der Renaissance. Moritz verwendete die Dactyliothec von 1767 (Supplementband 1776) mit 2000 bzw. 1049 Abdrücken, die Vorläuferpublikationen aus den Jahren 1753–1762 (mit lat. Begleitbüchern) folgte. Die Abdrucksammlung von 1767 wurde ergänzt um Kommentarbände in deutscher Sprache, die nicht nur die Gemmen beschreiben und erklären, sondern deren mythologischer Teil auch wie ein mythologisches Nachschlagewerk konsultiert werden kann. Diesen Kommentar hat Moritz für die Arbeit an der Götterlehre intensiv genutzt; in vielen Gemmenbeschreibungen hält er sich eng an die Vorlage. Zu Lippert und seiner Dactyliothec s. die einschlägigen Beiträge im Kat. Daktyliotheken 2006; Knüppel 2009, S. 61–64. – Moritz hatte zur Zeit seiner Arbeit an der Götterlehre Zugriff auf das Exemplar der Dactyliothec, das der Berliner Akademie der Wissenschaften gehörte und sich als Leihgabe in den Händen der Akademie der Künste befand (Sedlarz 2012, S. 36). Anlässlich einer Revision im Jahr 1793 wurde er für Unordnung, Beschädigungen und Lücken dieses Exemplars verantwortlich gemacht. Vgl. die Hinweise und Quellenangaben in KMA 4/1, Überblickskommentar, S. 381–383. 6,7 Stoschischen Sammlung] Die Stoschische Sammlung ist eine Gemmensammlung, die der deutsche Diplomat und Antiquar Philipp von Stosch (1691–1757), der von 1731 bis zu seinem Tod in Florenz wohnte, über mehrere Jahrzehnte hin angelegt hatte. Sie bestand aus mehr als dreitausend Originalen, unter ihnen allerdings auch erst später als solche identifizierte Steine nachantiker Provenienz, und rund 28000 Abformungen. Zu Philipp von Stosch s. Zazoff/Zazoff 1983, S. 3–67. Nach dem Tod des Sammlers kamen die Gemmen in den Besitz seines Neffen Heinrich Wilhelm Muzell-Stosch (1732–1782), der die Abdrucksammlung an den schottischen Steinschneider James Tassie (1736–1799) verkaufte. Zu den Originalstücken existierte seit 1760 ein von Johann Joachim Win-

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ckelmann (1717–1768) geschriebener Catalogue raisonne´ (Winckelmann, Description), der allerdings keine Abbildungen enthält. Diesen Teil der Sammlung erwarb im Jahr 1764 Friedrich II. von Preußen. Die Gemmen gingen damit in den königlichen Antikenbestand ein und wurden im Potsdamer Antikentempel aufbewahrt; s. Zazoff/Zazoff 1983, S. 131–134. Heute befinden sie sich im Besitz der Antikensammlung Berlin. – Moritz’ Formulierung deutet an, dass den einschlägigen Illustrationen der Götterlehre Abdrücke nach der Stoschischen Sammlung zugrunde lagen. Solche wurden nach Moritz’ Amtsantritt als Professor von der Berliner Akademie der Künste zu Unterrichtszwecken beschafft und standen dort spätestens ab Januar 1790 zur Verfügung (Sedlarz 2012, S. 36). Eine Bemerkung des preußischen Staats- und Justizministers Johann Christoph von Woellner (1732–1800) bestätigt, dass für die Götterlehre die in Potsdam aufbewahrte Gemmensammlung genutzt wurde: Die vorliegende Mythologie hat er 〈Moritz〉 nach Anleitung der Gemmen und Antiquen in SansSouci geschrieben, und macht ihm solche alle Ehre (Woellner an Friedrich Wilhelm II., Berlin, 25. Januar 1791, abgedruckt in Harnack 1900, 1, S. 509; KMA 13; s. die Dokumente zur Entstehung im vorliegenden Band). 6,8 K a r s t e n s ] Asmus Jakob Carstens (1754–1798), geb. in Schleswig, künstlerische Ausbildung in Kopenhagen, mehrjährige Tätigkeit als Porträtmaler in Lübeck. Ab dem Frühjahr 1788 in Berlin, wo er zwei Jahre später, laut einem Protokollvermerk von Moritz vom 27. Februar 1790, zum Professor und Lehrer der Gypsklasse berufen wurde (GStA Preuß. Kulturbesitz, HA I, Rep. 76 alt, Abt. III, No. 12: Acta betreffend die von dem Herrn Prof. Moritz abgehaltenen Protokolle 1789–1793; KMA 13). 1792 Reise nach Rom; dort wirkte Carstens, bei fortschreitender Entfremdung von der Berliner Akademie, bis zu seinem Tod vor allem als Historienmaler, der mythologische Stoffe bearbeitete. – Von Carstens stammen die Vorzeichnungen für die Illustrationen der Götterlehre, die er zwischen Moritz’ Rückkehr aus Italien im Februar 1789 und dem Erscheinen des Buchs angefertigt haben muss, während die Druckplatten von dem Kupferstecher Jean Joseph Franc¸ois Tassaert (1765–1835; s. Thieme/Becker 32, S. 453) hergestellt wurden. Carl Ludwig Fernows Carstens-Biographie zufolge hatte der Verleger der Götterlehre und Holzschneider Johann Friedrich Unger (1753–1894) nach Carstens’ Zeichnungen auch Holzschnitte hergestellt (Fernow, Leben des Künstlers Asmus Jakob Carstens, S. 87). Zwei von ihnen könnten nach Büttner 1983, S. 97 in der zweiten Auflage der Götterlehre die beiden Frontispiz-Kupferstiche ersetzt haben. – Auf Carstens gehen auch die Illustrationen der kurzgefaßten Mythologie (1790) von Karl Wilhelm Ramler zurück, die anders als die meisten Stiche der

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Götterlehre nicht nach antiken Vorlagen gezeichnet sind. S. auch Art. Carstens, Asmus, in: Thieme/Becker 5, S. 84f. 6,10–12 deren Werth Ç. . .È besteht] In Moritz’ Formulierung sind nur ästhetische, hingegen keine historischen Auswahlkriterien ausdrücklich genannt. Die Illustrationen verfolgen demnach keine antiquarischen oder historisch-kritischen Absichten und zielen nicht auf eine Stilgeschichte, sondern halten den Leser zur Betrachtung mythologischer Szenen als Kunstwerke an. Insofern ordnet sich die Auswahl der Programmatik der Götterlehre insgesamt zu. Im Endeffekt öffnet die Formulierung einen weiten Spielraum für Entscheidungen nach Moritz’ bzw. Carstens’ eigenen ästhetischen Grundsätzen. Vgl. Büttner 1983, S. 98–102. 13,1 Gesichtspunkt] Erkenntnistheoretischer Leitbegriff für die Grundanlage der Götterlehre. Der Begriff setzt sich mit dem ›Labyrinthischen‹ auseinander; in dieser Hinsicht spezifiziert er das Konzept der aufmerksamen Betrachtung (s. S. 6,4–6 und Erl.). Er betrifft die Frage, auf welche Weise sich ein Ort bestimmen lasse, von dem aus die Welt der Erscheinungen als Zusammenhang wahrgenommen werden kann (KMA 11, Erl. zu S. 9,2). In FTG liest man: Und was war mein

Kummer? – war er nicht eben in dieser Verstimmung meiner Phantasie gegründet, die der feste Anblick der mich umgebenden Natur wieder heilte. – Was war es anders, als daß mein Auge den unrechten Gesichtspunkt gefaßt hatte, aus der ich diese schöne Welt betrachtete, in der ich nun anfing, Verwirrung und Unordnung, Unglück und Jammer zu sehen, wohin ich blickte, und zu ahnden, wohin ich nicht blickte? (FTG, S. 7f., KMA 2. Vgl. z. B. auch Der letzte Zweck des menschlichen Denkens, in: GL, KMA 6, S. 407–410) In Moritz’ Werk besteht eine Beziehung zwischen dem Gesichtspunkt-Konzept und der Idee des in sich vollendeten Kunstschönen, das den objektiv ›richtigen‹ Gesichtspunkt in sich enthält (Grundlinien zu einer künftigen Theorie der schönen Künste, in: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 (1789), 3. Bd., 2. St., S. 74–77, hier: S. 75f. (KMA 3); Costazza 1996, S. 156–164; Sedlarz 2010b, S. 266–272; Aebi 2012, S. 189–208). – Bezogen auf die Mythologie greift Moritz mit dem GesichtspunktKonzept in eine nicht erst auf Vertreter der Aufklärung zurückführende Debatte über geeignete Ansätze für die Beurteilung der antiken Sagenwelt ein. Auf dem Gebiet der Mythenforschung und der Mytheninterpretation herrschen, Banier 1, S. 6 zufolge, Vielfalt, Willkür und Beliebigkeit: Da die Fabeln einen mannigfal-

tigen Sinn haben, und gleichsam so viele Hüllen sind, unter welche die Alten verschiedne Wahrheiten versteckt haben: so haben diejenigen, die es unternommen haben, sie auszulegen, sich in verschiedne Partheyen ge-

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theilt; und jeder hat dasjenige darinnen zu entdecken geglaubt, was er nach der besondern, ihm eignen Beschaffenheit seines Verstandes, oder nach der Verschiedenheit des Plans, dem er bey seinem Studieren gefolgt ist, darinnen vor andern gern hat finden wollen. Deshalb wird der Ruf nach Gesichtspunkten für die Beurteilung von Mythen laut. Im Schreiben über den Homer (1772) versucht David Christoph Seybold in historischen Sitten und Umständen den Gesichtspunkt zu bestimmen, aus dem die homerischen Epen zu beurteilen sind (S. 11; 42f.). Johann Joachim Eschenburg schreibt in Handbuch, S. 259: Man

muß nur immer den G e s i c h t s p u n k t , in welchem die griechische und römische Nation die mythologischen Erzählungen betrachteten, von demjenigen unterscheiden, in welchem wir, durch eine höhere Offenbarung belehrt, und bey anderweitigen Absichten, sie anzusehen pflegen. Für jene waren sie wirkliche R e l i g i o n s g e s c h i c h t e , und größtentheils Gegenstände des Volksglaubens; für uns sind sie Denkmäler der Dichtkraft und des Aberglaubens früherer Zeiten, aber zugleich lehrreiche und nothwendige Hülfskenntnisse, zum richtigern Verstande der griechischen und römischen Schriftsteller, vornehmlich der Dichter, und zur bessern Beurtheilung ihrer Gebräuche, Vorstellungsarten und Kunstwerke. In Christian Gottlob Heynes Vorrede zu Hermann, Handbuch 1, S. a2v heißt es: Um es nicht bey einer bloßen Verbeugung gegen die Leser dieser Schrift bewenden zu lassen, will ich e i n i g e B e t r a c h t u n g e n beyfügen, welche d i e M y t h o l o g i e i n d e n g e h ö r i g e n G e s i c h t s p u n k t s t e l l e n , und vielleicht das Urtheil derjenigen ein wenig einlenken können, die die Mythologie ganz aus dem Kreis der Kenntnisse, selbst für den gelehrtern Unterricht, verbannen wollen. Wenn Moritz die Götterlehre einem Gesichtspunkt unterstellt, führt er schließlich eine selbstreflexive Ebene in die Darstellung ein, mit der sich seine Nach- und Neuerzählung antiker Mythen von dem antiken Modus des Mythenerzählens unterscheidet. 13,1–2 mythologischen Dichtungen] Dass sich Genealogien, Beinamen, Zuständigkeitsbereiche und Aussehen der Götter Dichtern verdanken, behauptet mit einer gewissen kritischen Distanz schon Herodot 2,53, (Goldhagen), S. 142 mit Blick auf Homer und Hesiod. Rationalistische Mythenkritiker des 18. Jhs. bewerten e r d i c h t e t e G o t t h e i t e n und e r d i c h t e t e E r z ä h l u n g e n als Produkt von unvernünftiger S i n n l i c h k e i t und E i n b i l d u n g e n (Damm, Einleitung, S. 1). Das Erscheinungsbild mythischer Erzählungen und Figuren unterliegt aus dieser Sicht dem Täuschungsverdacht. Bis zu einem gewissen Grad bewegt sich noch Christian Gottlob Heyne in derselben skeptischen Spur, wenn er die Theorie

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entwickelt, dass Mythen die ä l t e s t e G e s c h i c h t e u n d ä l t e s t e P h i l o s o p h i e seien, ihre überlieferten literarischen Versionen hingegen mehr nicht, als Dichterideen, welche entweder die Bedürfniß des Dichters, oder die Ueppigkeit des Witzes und der Laune in Umlauf gebracht hat; und eine ähnliche Umschaffung haben sie unter der Hand des Künstlers erfahren, für den sie nicht mehr Denkmal der alten Welt, sondern Fundgrube von Künstlerideen geworden sind (Heyne, Vorrede, in: Hermann, Handbuch 1, S. a3r f.). Moritz greift die Aufwertung der Mythologie zum eigenständigen Forschungsgebiet, wie Heyne sie vornimmt, auf, betrachtet aber als aussagekräftigen Gegenstand der Mythenkunde gerade die poetischen Bilder. Für Details s. den Überblickskommentar. 13,3–4 Sprache der Phantasie] Erkenntnistheoretisch, anthropologisch und ästhetisch assoziationsreicher Zentralbegriff von Moritz’ Mythentheorie, gebildet vielleicht in Anlehnung an Fahnenwörter der Aufklärung wie Sprache der Vernunft und Sprache des Herzens. Auf die Götterwelt als Produkt der Einbildungskraft hatte Moritz bereits in KL, KMA 6, S. 189f., und in DW, KMA 11, S. 36f., hingewiesen. Die Formel Sprache der Phantasie setzt sich mit negativ wertenden Phantasiebegriffen frühaufklärerischer Provenienz auseinander (Phantasie als willkürliche, wahrheitswidrige und nicht fixierbare Vorstellung bzw. als das zugehörige Vermögen), die weite Teile der Mythenkritik der Aufklärung dominieren und zu einer kritischen Beurteilung mythologischer Erzählungen Anlass geben. Kritik an der unkontrollierten Phantasie bildet den Hintergrund, wenn Johann Adolf Schlegel in der Vorrede (1754) zu der von ihm aus dem Französischen übersetzten Erläuterung der Götterlehre und Fabeln aus der Geschichte von Antoine Banier Mythen mit Romanen vergleicht: Mythen seien einem Romane ähnlicher, als einer Geschichte (Banier 1, S. 21). Moritz selbst nahm an Debatten über Phänomenologie, Pathogenese und Therapie (übermäßiger) Phantasieaktivität teil. In Gestalt von extensiver Romanlektüre und Theatromanie lässt er Anton Reiser die Folgen einer Evasion in Bilder der Phantasie erfahren (vgl. z. B. AR, KMA 1, S. 167–183; Vietta 1986, S. 223–241; Begemann 1987, S. 257–313). Das Vielfältige, Willkürliche und Ungeordnete, das sich einer Systematisierung entzieht, bleibt, vielleicht auch im Sinn einer latenten Bedrohung, in Moritz’ Ausdruck Sprache der Phantasie enthalten; vgl. z. B. den Aufsatz Einfachheit und Klarheit, wo Moritz die antiken Künstler mit der Einbildungskraft und mit dem Verstande zugleich von den Künstlern mit der Einbildungskraft unterscheidet, die sich mit einer Art von Vergnügen in Labyrinthe verleiten lassen (Einfachheit und Klarheit, in: Deutsche Monatsschrift 1792, 2. Bd., S. 34–37,

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hier: S. 36; KMA 3). Nicht zufällig findet man im Umfeld des Phantasiebegriffs bei Gelegenheit den Traum (s. S. 27,34–28,5 im vorliegenden Band). – Einen Strukturaspekt bringt die Andeutung ins Spiel, dass die mythologischen Erzählungen nach dem Muster einer Sprache organisiert sind. Insofern steht der Begriff in Beziehung zu Moritz’ sprachwissenschaftlichen Interessen. – Im Rahmen der Götterlehre bezeichnet Sprache der Phantasie den beinahe amimetischen und keinem Zweck unterworfenen Charakter, den Moritz zufolge mythologische Erzählungen besitzen. Das Maß an Konfusion, das vor dem Hintergrund der Aufklärungsdebatten im Phantasiebegriff aufbewahrt ist, wird durch Querverbindungen des Terminus zu Moritz’ ästhetischer Theorie aufgefangen, insbesondere zu der Idee des Kunstschönen, das nicht durch Nachahmung, sondern durch vollkommene Selbstbezüglichkeit bestimmt ist (BNS, S. 16f.; KMA 3). Für das vollendete Kunstwerk hatte der Verfasser schon in dem Aufsatz Die metaphysische Schönheitslinie eine mythologische Dichtung – die Ilias – als Beispiel herangezogen (GL, KMA 6, S. 361f.; der Aufsatz entstand wohl schon vor Moritz’ Italienreise; vgl. ebd., Erl. zu S. 360,22). Der Bezug auf die Autonomietheorie begründet wohl auch den Begriff der h ö h e r n S p r a c h e , den Moritz an anderen Stellen verwendet (s. S. 53,26; 78,1; 87,15 im vorliegenden Band). 13,10 abstrakten und metaphysischen Begriffe] Die Gegenüberstellung von mythologischer Bilderwelt und abstrakter Begrifflichkeit, die auch Christian Gottlieb Heynes Mythentheorie zugrunde liegt, bezieht sich auf die Schulphilosophie des 18. Jhs. Christian Wolffs Metaphysik – Moritz kannte die sog. Deutsche Metaphysik (Erstauflage: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der

Seele des Menschen, Auch allen Dingen überhaupt, Den Liebhabern der Wahrheit mitgetheilet, Halle 1720; vgl. AR, KMA 1, S. 217,9–10 und Erl.) – ist, einer Formulierung des Zedler zufolge, eine Wissenschafft von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, die Ontologie, Kosmologie, Psychologie und natürliche Theologie einschließt (Art. Metaphysick, in: Zedler 20, Sp. 1260; dazu Wolffs Metaphysik-Definition im Discursus praeliminaris, § 79, S. 86f.). Die von Moritz gebotenen Spezifikationen (metaphysische Unendlichkeit und Unum-

schränktheit; anfangsloses Daseyn; Ewigkeit; unumschränkte Macht; Allgegenwart) fallen als Gottesattribute in das Gebiet der natürlichen Theologie und werden wenigstens der Sache nach in Wolffs Deutscher Metaphysik an entsprechender Stelle diskutiert (vgl. Wolff, Deutsche Metaphysik, S. 576–578; 661; 664f.). Dass die Gegenstände der Metaphysik nicht in anschaubarer, sondern nur in begrifflicher Gestalt zur Verfügung stehen, spielt z. B. in den Sonderbaren Zweifeln und Trostgründen eines hypochondrischen Metaphysikers eine

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Rolle, wo Moritz erläutert, dass die nur Gott mögliche augenblickliche Anschauung der Schöpfung insgesamt den Menschen ihres zeitlichen Daseins wegen vorenthalten bleibe (MzE 8, 1 [1791], S. 64–71 [KMA 12]; vgl. Wolff, Deutsche Metaphysik, S. 589; 592; 661). – In der Einschätzung, dass die antike Mythologie, die aus an Personen und Orte gebundenen, vorstellbaren Erzählungen besteht, sich in Opposition zur philosophischen Metaphysik befinde, trifft sich Moritz mit Martin Gottfried Hermann, der an den antiken Göttererscheinungen das Zusammentreffen von physischer Vollkommenheit mit metaphysischer Unvollkommenheit notiert (Hermann, Handbuch 1, S. 2); ferner mit Friedrich Gedike, der schon die metaphysischen Allegorieen (Gedike, Ueber die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie, in: Vermischte Schriften, S. 74) der Neuplatoniker als Verfälschung der Mythologie ansieht: Die Mythologie ward nun unter ihren Händen ein Gewebe der feinsten Spekulation über Gott und die Welt (ebd., S. 73). – Allerdings vollzieht Moritz keine Wendung gegen metaphysische Spekulation schlechthin. Er selbst schlägt eine Brücke zwischen Ästhetik und Metaphysik, wenn er annimmt, dass ein Analogieverhältnis zwischen dem vollkommen Schönen und dem Naturganzen besteht, das jedoch nicht wahrgenommen werden kann (BNS, S. 19f.; Grundlinien zu einer künftigen Theorie der schönen Künste, in: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 [1789], 3. Bd., 2. St., S. 74–77, hier: S. 76; jeweils KMA 3). Vgl. dazu auch den Aufsatz Die metaphysische Schönheitslinie, in: GL, KMA 6, S. 360–367. 13,22–23 ihre Bildungen Ç. . .È knüpfen] Die Lokalisierung von Mythenerzählungen bzw. die mythologischen Hauptorte sind Gegenstand eines eigenen Kapitels der Götterlehre (vgl. S. 120,19–20). Moritz’ einschlägige Beobachtungen stehen im weiteren Zusammenhang mit seinem grundsätzlichen Interesse an der beschreibenden Erschließung von Räumen. Erinnert sei an das Zusammenspiel von rhythmisiertem Jahreskreis, Rom-Topographie und kultischer Praxis in Anthusa, KMA 4/1, und an die Bemühungen um einen Modus der Stadtraum- und Kunstbeschreibung in den Reisen eines Deutschen in Italien (KMA 5/2; vgl. Sedlarz 2010b, S. 111–129). Im Rahmen der Götterlehre ordnet sich die Verbindung von Mythologie und Topographie dem Gesamtprogramm einer poetischen Transformation der Erfahrungswelt zu, das auch in Moritz’ Deutung von anthropomorphen Göttern und halbgöttlichen Heroen wirksam ist. 13,24–26 Deutlichkeit des Wirklichen Ç. . .È dunkle Geschichte der Vorwelt] Die Begriffe der Deutlichkeit und des Dunklen entstammen der Erkenntnistheorie der Aufklärung: Deutlich sind Gegenstände, deren Eigenschaften un-

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terschieden und bezeichnet werden können, dunkel solche, die sich nicht klar von anderen abgrenzen lassen; vgl. Wolff, Deutsche Metaphysik, § 199; 208, S. 111; 116. Das Dunkle ist seit Leibniz Ausgangspunkt jeder Erkenntnis, bleibt jedoch in der Hierarchie hinter der klaren (die zwischen Gegenständen unterscheidet, ebd., § 201, S. 112) und deutlichen Erkenntnis zurück. Moritz wertet die dunkle Erkenntnis, die seit Alexander Gottlieb Baumgartens Entwicklung der Ästhetik als eigener philosophischer Unterdisziplin wachsende Aufmerksamkeit auf sich zog (vgl. Adler 1988), zur höchsten Erkenntnisform auf. Folgt man dem Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen, so besteht ein Zugang zum grossen Granzen der Natur überhaupt nur im Modus dunkler Ahndung (BNS, S. 22 u. ö.; KMA 3; Costazza 1999, S. 92f.). In der Götterlehre erscheinen die dunklen und amorphen Urbilder als wesentlicher Teil der Mythologie – vgl. z. B. S. 20,17–18 und Erl. im vorliegenden Band –, wenn nicht sogar das mythologische Durcheinander überhaupt Inbegriff des Dunklen ist. 13,28–30 Jupiter Ç. . .È erzogen] Vgl. S. 23,13–18 und Erl. 13,31–14,1 daß in den mythologischen Dichtungen Ç. . .È verborgen liegt] Die Formulierung scheint zu dem folgenden Verdikt über die Verwandlung der Mythen in lauter wahre Geschichte in einem Spannungsverhältnis zu stehen. Eine Lösung ergibt sich aus Christian Gottlob Heynes Schriften zur Mythologie (hier besonders: Vorrede, in: Hermann, Handbuch 1, unpaginiert) und Friedrich Gedikes in mancher Hinsicht an Heyne anschließendem Aufsatz Ueber die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie, in: Vermischte Schriften, S. 98–100. Abzulehnen ist danach die umstandslose Auflösung und Übersetzung von Mythen in allegorische oder historische Bedeutungen. Stattdessen sind Mythen archaische Ausdrucksformen historischer Erfahrungen, philosophischer Reflexion und ›physikalischer‹ Modelle. 14,4 bloße Allegorie] Zur Tradition der allegorischen Mythendeutung vgl. den Überblickskommentar S. 467f.. – Für Moritz’ Wendung gegen die Allegorese als Hauptwerkzeug der Mytheninterpretation ist die Beobachtung ausschlaggebend, dass bei einer Allegorie die entscheidenden Sinndimensionen jenseits der bildlichen Darstellung zu suchen sind. Den weiteren Zusammenhang dieser Kritik bildet das Theorem der Kunstautonomie, dem zufolge für ein vollendetes Kunstwerk die mannichfaltigen Beziehungen der einzelnen Theile zum Ganzen (BNS, S. 18; KMA 3) ausschlaggebend sind, während es keineswegs noch etwas außer sich selber anzeigen und bedeuten soll (RDI 3, S. 89; KMA 5/2). In der Auseinandersetzung mit Allegorien postuliert Moritz das Koinzidieren von Erscheinung und Bedeutung in Kunstwerken; vgl. Ueber die Allegorie, in: Monats-Schrift der

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Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 (1789), 3. Bd., 2. St., S. 49–54, hier: S. 50 (KMA 3): Das wahre Schöne besteht aber darin, daß eine Sache bloß sich selbst bedeute, sich selbst bezeichne, sich selbst umfasse, ein in sich vollendetes Ganze sey. Mit der Kritik an der Mythenallegorese macht der Verfasser den Weg zu einer polysemantischen Mythendeutung frei. Allerdings schließt die Formel von der bloßen Allegorie allegorische Interpretationen nicht für jeden Einzelfall aus, sondern bestreitet ihre generelle und prioritäre Verwendbarkeit als Zugang zu den Mythen. Vgl. S. 27,29–31 und Erl.; Todorov 1995, S. 157f. 14,9 wahre Geschichte] Anspielung auf den sog. Euhemerismus – die Deutung von Mythen als poetische Verfälschungen und Übertreibungen eines tatsächlichen (›historischen‹) Sachverhalts. Für Details vgl. den Überblickskommentar S. 469–471 im vorliegenden Band. 14,16 grade so Ç. . .È w i e s i e s i n d ] Bezug auf Moritz’ Idee, dass das Schöne weder eine (z. B. moralische) Botschaft zu transportieren habe (s. S. 15,13–18 und Erl.) noch beliebig reformuliert werden könne. In dem Aufsatz In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 5. St., S. 205 (KMA 3) erläutert der Verfasser: Und so müssen auch bei der Beschreibung des

Schönen durch Linien, diese Linien selbst, zusammengenommen, das Schöne seyn, welches nie anders als durch sich selbst bezeichnet werden kann, weil es eben da erst seinen Anfang nimmt, wo die Sache mit ihrer Bezeichnung eins wird. 14,20 Jupiter bedeutet die obere Luft] Die obere Luft ist der aiÆuhÂr (aithe´r), den die Götter atmen – im Gegensatz zum aÆhÂr (ae´r), der erdnahen Atmosphäre. Aither erscheint z. T. als eigenständiges Wesen, etwa bei Hesiod, Theogonie, 124–125, (Voss), S. 87, wo Erebos und Nacht ihn erzeugen. Ebenfalls antiken, aber späteren Ursprungs ist die Identifikation von Zeus und Aither. Sie spielt in stoischen Naturspekulationen bzw. in der stoischen Tendenz eine Rolle, mythologische Figuren einer physikalischen Deutung zu unterwerfen. Danach fällt Zeus mit dem »die grobe Materie durchdringenden, bewegenden und formenden (selbst aber doch auch materiellen) feurigen Hauch« (Ziegler, Art. Zeus, in: Roscher 6, Sp. 701) zusammen; vgl. z. B. Cicero, De natura deorum 2,65. Auch röm. Dichtung (Vergil, Aeneis 12,140; Georgica 2,325; Lucrez, De rerum natura 1,251) und Patristik (Augustinus, De civitate dei 4,10) nehmen auf diese Gleichsetzung Bezug. Das Motiv findet man in der Renaissancemythographie wieder – z. B. bei Conti, Mythologiae, S. 67–69 (unter Verwendung zahlreicher wei-

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terer Textstellen), später bei Vossius, De theologia gentili, S. 787f. Mythenkundlichen Schriften des 18. Jhs. sind die Gleichsetzung von Zeus und oberer Luft sowie die Gegenüberstellung von Zeus/Aither und Hera/Aer als allegorische Deutungsmöglichkeit bekannt (Hager, S. 63; Hederich, Lexicon, Sp. 1414; Damm, Einleitung, S. 6f.; 11; Ramler, Mythologie 1, S. 32; Hermann, Handbuch 1, S. 73f.; 283f.); Heyne, Ueber den Ursprung, S. 18 scheint sie für ein Element vorhomerischer Kosmogonien zu halten. – Vor allem Allegorienkritiker unter den Mythenkennern des 18. Jhs. bezweifeln die Deutung von Zeus als oberer Luft; vgl. z. B. Banier 1, S. 60. In einem Aufsatz, der zuerst 1791, im Erscheinungsjahr der Götterlehre, in der Berlinischen Monatsschrift publiziert wurde, zieht der mit Moritz befreundete Berliner Pädagoge und Altphilologe Friedrich Gedike die Deutung von Zeus als Aither als Argument gegen die Mythenallegorese heran. Gedike hält daran fest, dass Mythen in historischer Perspektive philosophisch unreife Erzählungen seien, die einer frühen Kulturstufe entstammten. Doch gerade deshalb gilt ihm die ZeusAllegorese als Beispiel für die Beliebigkeit allegorischer Mytheninterpretation – für die Strategie der Stoiker, fast jede Art des Aberglaubens zu vertheidigen oder

doch zu entschuldigen, und durch die Zauberlaterne der Allegorie Unsinn in Sinn, Träume der Phantasie in Räsonnements der Vernunft zu verwandeln (Gedike, Über die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie, in: Vermischte Schriften, S. 68f.) und die Einzelgottheiten zu allegorischen Erscheinungsformen des einzigen Gottes zu erklären: So ward der Aether Jupiter; die untere Luft (wegen ihrer Verbindung mit der oberen Luft und der Einwirkung der letztern) Juno, Jupiters Schwester und Gattin (ebd., S. 69). – Bei der Deutung der Moritz-Stelle ist allerdings Behutsamkeit angezeigt; denn der Verfasser, der schon in KL (KMA 6, S. 189) und in DW (KMA 11, S. 36) auf die Deutung von Zeus als Personifikation von Luft und Himmel zurückgegriffen hatte, hält auch in der Götterlehre an späteren Stellen am Zusammenhang zwischen Zeus und Aither sowie zwischen Hera und Aer fest, dessen allegorische Interpretation er im Gesichtspunkt-Kapitel ablehnt. Die Gegenüberstellung von Aither und Aer in den mythologischen Personen von Zeus und Hera strukturiert sogar die beiden ersten Kapitel über die olympischen Götter insgesamt und bildet dort die Gelenkstelle für die Verbindung zwischen Mythologie und Kunsttheorie. Vgl. S. 64,18–19; 76,10–12; 76,28–77,13 jeweils mit den Erl. Zu Moritz’ nicht allegorisch gemeintem Urbild-Begriff in diesem Zusammenhang s. den Überblickskommentar, S. 501f. 14,29 Bildsäule Ç. . .È Meisterhand] Vgl. S. 126,29–127,16 mit den Erl.

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14,33 Hieroglyphe Ç. . .È Buchstaben] Die Unterscheidung zwischen der Hieroglyphe, verstanden als Zeichen, das auf eine ihm äußerliche Bedeutung verweist (s. Anthusa, KMA 4/1, S. 48,28 und Erl.), bzw. dem Buchstaben auf der einen und dem Kunstwerk auf der anderen Seite steht auch an anderen Stellen von Moritz’ Werk im Zusammenhang mit der Allegoriekritik; vgl. RDI 3, S. 91 (KMA 5/2):

Wenn auf die Weise die Allegorie der innern Schönheit einer Figur widerspricht, und dieselbe aufhebt, so scheint sie mir in den schönen Künsten ganz unzulässig, und hat nur den Werth einer Hieroglyphe, nicht aber eines Kunstwerks. Zur Hieroglyphe ferner Moritz’ Aufsatz Ueber die Allegorie, in: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 (1789), 3. Bd., 2. St., S. 49–54, hier: S. 50 (KMA 3). Zum Buchstaben s. ebd., S. 53; RDI 3, S. 89 (KMA 5/2). Allerdings ist umgekehrt auch Moritz’ Lob auf die Fähigkeit geschriebener bzw. gedruckter Buchstaben zu beachten, Laute zu symbolisieren und Botschaften zu vermitteln (KL, KMA 6, S. 164–168 bzw. Lesebuch für Kinder, KMA 6, S. 261f. sowie DW, KMA 11, S. 24–27; zur Zeichentheorie auch Bezold 1984, S. 83f.). 15,1–4 Ein wahres Kunstwerk Ç. . .È Theile liegt] Den Begriff des in sich selbst Vollendeten, das keinem Nutzen dient, hatte Moritz bereits in dem Aufsatz

Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten aus dem Jahr 1785 (KMA 3) entwickelt; hier nach Ueber den Begriff des in sich selbst Vollendeten, in: GL, KMA 6, S. 354: Bei der Betrachtung des Schönen aber wälze ich den Zweck aus mir in den Gegenstand selbst zurück: ich betrachte ihn, als etwas, nicht in mir, sondern in sich selbst Vollendetes, das also in sich ein Ganzes ausmacht, und mir um sein selbst willen Vergnügen gewährt; indem ich dem schönen Gegenstande nicht sowohl eine Beziehung auf mich, als mir vielmehr eine Beziehung auf ihn gebe. Zu vergleichen ist darüber hinaus BNS (KMA 3). 15,7–9 Homer Ç. . .È Odyssee] Moritz’ Schriften bezeugen seit dem Anton Reiser (dort gern stilisiert nach dem Muster von Goethes Werther) eine Verehrung der Homer zugeschriebenen Epen (vgl. z. B. AR, KMA 1, S. 331; s. im Übrigen das Register). Auch sonst beruft sich Moritz hier und dort auf Homer, Muster aller Muster (VS 2, S. 18, KMA 3); vgl. BNS, S. 45 (KMA 3); Die Signatur des Schönen, in: GL, KMA 6, S. 334; Die metaphysische Schönheitslinie, ebd., S. 361f. Zur Rolle der homerischen Epen und der ihrem Verfasser fälschlich zugeschriebenen Homerischen Hymnen in der Götterlehre und zu Moritz’ Umgang mit den Originaltexten vgl. den Überblickskommentar S. 482–489.

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15,13–14 Horazens Ç. . .È Chrysipp] Horaz, Episteln 1,2,1–4: Troiani belli

scriptorem, Maxime Lolli, / dum tu declamas Romae, Praeneste relegi; / qui, quid sit pulcrum, quid turpe, quid utile, quid non, / planius ac melius Chrysippo et Crantore dicit. (Helm, S. 217: Lollius Maximus, während zu Rom du der Redekunst huldigst, / Las ich aufs neu in Praeneste den Sänger des troischen Krieges; / Sagt er mir doch, was schön, was häßlich, was frommt und was nicht frommt, / Besser und deutlicher noch als je Chrysippus und Crantor). Chrysipp (3. Jh. v. Chr.) war ein stoischer (s. Art. Chrysippos [2], in: DNP 2, Sp. 1177–1183), Krantor hingegen ein akademischer Philosoph (s. Art. Krantor, in: DNP 6, Sp. 805). – Dem Kontext nach ist das Horaz-Zitat der Auseinandersetzung mit wirkungstheoretisch ausgerichteten Kunstkonzeptionen zugeordnet. Die Belehrung wird in der frühen und mittleren Aufklärung, oft unter Berufung auf Horaz, De arte poetica, 333–334, neben dem Vergnügen als eine der Hauptaufgaben bestimmt, die Kunst zu übernehmen hat. Folgt man Gottsched, so soll sich z. B. in der Fabel unter der erzählten Begebenheit eine moralische Lehre verbergen (Johann Christoph Gottsched, Versuch einer Critischen Dichtkunst, in: Ausgewählte Werke, hrsg. v. Joachim Birke und Brigitte Birke 6/1, Berlin, New York 1973, S. 204f.). Im Zeichen des Autonomiepostulats, dem zufolge das Schöne seinen Zweck nicht außer sich (Ueber den Begriff des in sich selbst Vollendeten, in: GL, KMA 6, S. 355) hat, trennt hingegen Moritz das Schöne vom Nützlichen; Gegenstand der Kunst ist nur ersteres. Vgl. z. B. BNS, S. 15 (KMA 3): Wir können also das Schöne im Allgemeinen auf keine andre

Weise erkennen, als in so fern wir es dem Nützlichen entgegenstellen, und es davon so scharf wie möglich unterscheiden. 15,18 Anmuth und Reitz] Anmuthigkeit ist, Sulzer, Theorie 1, S. 150 zufolge, die Eigenschaft eines Gegenstandes, wodurch er, im Ganzen betrachtet, das Gemüth mit einem sanften und stillen Vergnügen rührt. Dies entspricht in etwa Moritz’ Charakterisierung der durch Betrachtung einer schönen Oberfläche ausgelösten Empfindungen: Sie wirft einen sanften Schein in unsre Seele bzw. weckt eine angenehme Empfindung (BNS, S. 9; KMA 3). Eine ähnliche Bedeutung besitzt in Moritz’ Sprachgebrauch das ›Reizende‹; vgl. z. B. die Bemerkung, wonach bei den Griechen auch die Nacht einen sanften Schimmer 〈erhielt〉, der selbst ihre Furchtbarkeit reitzend macht (S. 20,4–5). Vgl. ferner S. 201,32–202,2 und Erl. zum Begriff der Grazie. 15,23–31 Denn der Mensch Ç. . .È ahnden] Das Gefälle zwischen Göttern und Menschen ist Gegenstand der Prometheus-Kapitels (S. 30,1–38,8) und der Ausführungen über die tragischen Dichtungen (S. 221,20–247,32).

Stellenerläuterungen

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16,23–33 Denn diese Mischung Ç. . .È bieten kann] Einordnung der Götterlehre in das Programm einer allgemeinen vergleichenden Mythenforschung, in der sich mit der Absage an den Euhemerismus das Vorhaben einer Erkundung menschheitsgeschichtlich möglichst ursprünglicher Zeugnisse verbinden soll. In dem knappen Entwurf, besonders in der Formel von der Mischung des Wahren, mit der Dichtung in der ältesten Geschichte, klingt die Bewertung von Mythen als Ausdruckform nicht begrifflich, sondern bildlich sich verständigender Kulturen an, wie man sie bei Heyne und Herder findet (Fornaro 2004, S. 110f.; 114f.). Der Verweis auf eine vergleichende Mythenkunde steht im Kontext des im 18. Jh. sich entwickelnden ethnographischen Interesses an Mythen. Auch der Mythenforscher Heyne versucht, die prähistorische Mythenwelt zu verstehen, indem er zum Vergleich primitive amerikanische Kulturen in den Blick nimmt (Horstmann 1972, S. 76f.; 79f.; Fornaro 2004, S. 175). Gedike, Über die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie, in: Vermischte Schriften, S. 92 knüpft seinerseits an Heyne an: Ueberhaupt ist die Vorstellungsart aller rohen Völker

sich äußerst ähnlich, und die Aehnlichkeit ihrer Volkssagen und Mythen ist daher kein Wunder. Daher gewährt das Studium der Denkungsart und Sitten der wilden Völkerschaften in Amerika und Nordasien ungemein viel Licht für die Mythologie, ein Gesichtspunkt, worauf Heyne fast zuerst aufmerksam gemacht hat. So lässt sich erahnen, dass Moritz an die mythische Bildersprache (bzw. Sprache der Phantasie) als eine Art allgemeiner (Ur-)Sprache der Menschheit denkt. Von der historischen Distanzierung, die Heyne favorisiert (Horstmann 1972, S. 76), unterscheidet sich Moritz’ Vorhaben in der Annahme, von der Beschäftigung mit den Mythen dürfe die Gegenwart eine neue Morgenröthe erwarten. In dieser Vorstellung geht ihm z. B. Herders Aufsatz Vom neuern Gebrauch der Mythologie (1767; Sämmtliche Werke 1, S. 426–449) voraus, der sich allerdings nur mit der Möglichkeit befasst, die Literatur mit Hilfe mythologischer Bilder zu erneuern. Da die Mythenbilder die eigene Zeit ansprechen sollen, gibt Moritz auch dem Entwirren der Fäden einen eigenen Sinn. Statt sich den Mythen im Geist philologischer Rekonstruktion zu nähern, stellt er Erzählungen und deutende Hinweise zusammen, die geeignet scheinen, das Konzept einer universalen poetischen Sprache der Phantasie zu vermitteln. 16,25 dämmernden Horizont] Der Horizont, an dem das Bekannte in das Unbekannte bzw. rational nicht Erfassbare übergeht, erscheint auch an anderen Stellen der Götterlehre als eigentlicher Schauplatz des Mythos. Vgl. S. 54,9–10 sowie 248,8–9.

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17,3–19,24 Meine Göttin Ç. . .È Göthe] Das Gedicht, das Goethe 1780 als Briefbeilage an Charlotte von Stein sandte, ist erstmals gedruckt in Goethe’s Schriften 8, S. 189–192. Von dem Erstdruck weicht Moritz in Details ab (Thörinn – Gattinn /

Dem – Gattinn – In dunkelm – Freundinn – Treiberinn – Trösterinn, Hoffnung). – Die Ode auf die dichterische Phantasie setzt Goethe vermutlich den eigenen Erfahrungen als Weimarer Beamter entgegen; vgl. Goethe, HA 1, S. 558. Moritz dürfte dichte Verbindungen mit der Programmatik der Götterlehre gesehen haben: die Mehrwertigkeit der Phantasie, die heitere wie düstere Bilder erzeugen kann, sowie ihre Fähigkeit, Kreatürlichkeit und Nothdurft des Menschen zu überwinden, als Jupiters Geschenk mit einem Himmelsband den Anschluss an das Göttliche zu gewinnen und so auch angesichts von Widrigkeiten sinnstiftend zu wirken. Für Differenzen zwischen Goethe und Moritz vgl. Schreiber 2012, S. 48–55. 17,23 Sommervögeln] Schmetterlingen. 20,1 Die Erzeugung der Götter] Das Kapitel Die Erzeugung der Götter folgt in der Hauptsache Hesiods Theogonie, aus der Moritz Verse paraphrasiert, im Einzelfall auch annähernd übersetzt und kommentiert. Die etwas ungewöhnliche Formulierung, die Moritz für die Überschrift wählt, ist eine Übersetzung des gr. bzw. des ins Lat. übertragenen Werktitels (Deorum generatio). Die Erzählung, die Moritz zusammenstellt, steht auf dem Boden der Wiederentdeckung Hesiods seit der Renaissance. Hesiod-Übersetzungen in die lat. Sprache lagen seit der Übertragung aus der Feder von Nicolaus Valla (1471) vor (Panofsky 1992, S. 27; vgl. auch Trousson 1964, 1, S. 87). Es ist anzunehmen, dass Moritz sich eines synoptischen gr.-lat. Drucks bedient hat. Solche Ausgaben wurden im 18. Jh. wiederholt mit philologischem Kommentar veröffentlicht. Für einen in zeitlicher Nähe zur Götterlehre erschienenen Druck vgl. Hesiodi ascraei quae exstant (aus dem Jahr 1778). – Der Theogonie entnimmt der Verfasser das Generationenmodell und die Entwicklungsperspektive, nach der er Teile der Götterlehre organisiert. Für eine zeitgenössische Interpretation des Generationenschemas, wonach sich unter dem Erzeugen das Verursachen, Hervorbringen, Bewirken und Verändern verbirgt, vgl. Heyne, De Theogonia, S. 135f. Mit der Entscheidung, die Generationenfolge der Theogonie als narrative Struktur zu übernehmen, betritt Moritz in der Mythographie des 18. Jhs. Neuland. Während zeitgenössische Mythologien in der Regel auf den Mythos als historisches Phänomen zielen, richtet sich Moritz’ Interesse auf die Logik mythologischen Erzählens. – In den Mittelpunkt der Theogonie stellt Hesiod die fortschreitende Ausbildung von Rechtsbegriffen und moralischen Kategorien. Hingegen wendet Moritz das Entwicklungsschema auf eine Verwand-

Stellenerläuterungen

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lung des ursprünglichen Chaos in anthropomorphe Götter- und Heldenfiguren an, die sich der poetisch verfahrenden Phantasie verdankt; er unterlegt diesem Schema keinen moralischen, sondern einen ästhetischen Sinn. Bei aller Nähe entfernt sich Moritz von Hesiods Linearentwicklung darin, dass er sie mit der Rekursionslogik der Metamorphose – s. Schrimpf 1967, S. 180 – anreichert; vgl. Erl. zu S. 30,29. Ihr zufolge wird das jeweils Ältere durch das jeweils Jüngere bzw. das Formlose durch das Gestaltete oder das Dunkle durch das Helle nicht ersetzt, sondern bleibt darin enthalten (s. Gödde 2010, S. 173–179). – Moritz hält sich nicht an den Aufbau des Epos, sondern arrangiert einzelne Episoden und das Auftreten einzelner Figuren neu und weicht im Übrigen auch im Einzelnen von den Angaben ab, die aus der Theogonie zu gewinnen waren. Für einen Überblick auch Banier 1, S. 213–221; für knappe Erwähnungen des Zusammenhangs zwischen Theogonie und Götterlehre vgl. Gödde 2010, S. 164; Lande 2010, S. 252. 20,5–7 Zuerst Ç. . .È Göttern] Hesiod, Theogonie, 116–122, (Voss), S. 87: Siehe,

vor allem zuerst ward Chaos; aber nach diesem / Ward die gebreitete Erd’, ein daurender Siz den gesamten / Ewigen, welche bewohnen die Höhn des beschneiten Olympos, / Tartaros Graun auch im Schooße des weitumwanderten Erdreichs, / Eros zugleich, der, geschmückt vor den Ewigen allen mit Schönheit, / Sanft auflösend, den Menschen gesamt und den ewigen Göttern / Bändiget tief im Busen den Geist und bedachtsamen Rathschluß. Zu Hesiods Vorstellung vom Chaos als ursprünglichem »Dunst- und Nebelmeer« vgl. Karl 1967, S. 9–20. Für die Formel von Amor als dem schönsten unter den unsterblichen Göttern vgl. Banier 1, S. 213. 20,8–12 die entgegengesetzten Ç. . .È Finsterniß empor] Die Vorstellung, dass Begriffe entgegengesetzten oder schwer vereinbaren Gehalts – das Dunkle und das Helle, das Konstruktive und das Destruktive, das Erhabene und das Komische –, obwohl in ihrem Spannungsverhältnis konflikthaltig, ästhetisch betrachtet einander nicht ausschließen müssen, sondern Benachbartes, Verwandtes, ja gleichzeitig Vorhandenes bezeichnen können, ist strukturbildend für die Götterlehre. Vgl. etwa die Ausführungen über Apollon (S. 78,27–30 und Erl). Dieselbe Figur verwendet Moritz auch in dem Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen; vgl. BNS, S. 44f. (KMA 3) über das Zusammenspiel des Schönen und des Schädlichen. In der vorliegenden Fassung, der zufolge das Geformte und das Amorphe ein Nachbarschaftsverhältnis pflegen bzw. genetisch miteinander verbunden sind, betrifft die Koexistenz des Widersprüchlichen unmittelbar die Bedingungen einer klassizistischen Ästhetik.

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20,12–14 Die Nacht Ç. . .È den Ta g ] Hesiod, Theogonie, 123–125, (Voss), S. 87: Erebos ward aus dem Chaos, es ward die dunkele Nacht auch. / Dann

aus der Nacht ward Äther und Hemera, Göttin des Lichtes, / Welche sie beide gebar von des Erebos trauter Empfängnis. 20,17–18 Das Finstere Ç. . .È Leuchtenden] Das Verhältnis zwischen dem Finsteren, das sich in seinen Eigenschaften der Erkenntnis entzieht, und der strahlenden und individualisierten Erscheinung etwa der olympischen Götter gehört zu den Basisthemen der Götterlehre. Gemäß der Metamorphosetheorie, die Moritz dem Werk zugrunde legt (vgl. Erl. zu S. 30,29), bleibt auch in genealogisch jüngeren mythologischen Phänomenen das Finstere erhalten. Die Bemerkung über die Erde weist insofern auf die späteren Götterkapitel voraus und setzt das Finstere zu ihnen in Beziehung. 20,18–19 Die Erde Ç. . .È umwölbet] Hesiod, Theogonie, 126–128, (Voss), S. 87f.: Aber die Erde zuerst erzeugete, ähnlich ihr selber, / Ihn den ster-

nichten Himmel, daß ganz er umher sie bedeckte, / Stets unerschütterte Veste zu sein den seligen Göttern. 20,19–22 Es ist Ç. . .È entwickeln] Vielleicht in Anlehnung an den Homerischen Hymnus 30 an die Allmutter Erde, 1–2, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 106: Erde du Mutter Aller, du Festgegründete, singen / Will ich, Aelteste dich, du aller Lebenden Amme! 20,23–24 Nachdem Ç. . .È erzeugt hat] Hesiod, Theogonie, 129–132, (Voss), S. 88: Auch die hohen Gebirge, der Göttinnen liebliche Wohnung, / Zeugete sie, wo Nymfen durch waldige Krümmen umhergehn. / Auch das verödete Meer mit türmender Woge gebar sie, / Ohne befruchtende Liebe, den Pontos. 20,24–27 vermählt Ç. . .È B r i a r e u s ] Hesiod, Theogonie, 147–153, (Voss), S. 89f.: Andere wurden annoch von Erd’ und Himmel gezeuget, / Drei großmächtige Söhn’ und gewaltige, graulich zu nennen: / Kottos, und Gyges zugleich, und Briareos, stolze Gebrüder. / Hundert Riesenarm’ entstrebeten ihren Schultern / Ungeschlacht, und funfzig entsezliche Häupter auf jedem / Wuchsen daher von der Schulter, bei ungeheueren Gliedern; / Groß war aber die Kraft bei der großen Gestalt, und unnahbar. Apollodoros 1,1, (Meusel), S. 3 nennt die Riesen wegen ihrer hundert Arme ëEkatoÂgxeirew (Hekato´ncheires, lat. Centimani; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 661). 20,28 Ungeheure Ç. . .È A r g e s ] Hesiod, Theogonie, 139–140, (Voss), S. 89:

Wieder gebar sie darauf die ungeheuren Kyklopen, / Brontes, und Steropes auch, und Arges, troziger Kühnheit.

Stellenerläuterungen

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20,29–30 herrschsüchtige Ç. . .È gerüstete Titanen] Wohl nach Damm, Einleitung, S. 133: Die Brüder des Saturnus nebst ihren Söhnen, heißen mit einem

allgemeinen Namen die T i t a n e n , welches Wort von ihrer Macht und Ansehnlichkeit, die sich w e i t e r s t r e c k t , hergenommen zu seyn scheint. 20,30–33 C ö u s Ç. . .È den Titanen] Hesiod, Theogonie, 132–137, (Voss), S. 88: aber nach diesem / Zeugte der Himmel mit ihr des Okeanos strudelnden Herscher, / Köos auch, und Kreios, Japetos, und Hyperion, / Theia sodann, und Rheia, Mnemosyne dann, mit der Themis, / Föbe die goldgekränzte sodann, und die lieblich Tethys. / Dann erwuchs auch der jüngste, der unausforschliche Kronos. 20,32 Thethys] Die korrekte Schreibung ist Tethys (ThÂuyw). 21,1–4 Diese Kinder Ç. . .È eingekerkert] Hesiod, Theogonie, 154–157, (Voss), S. 90: Jene, so viel von Gäa und Uranos wurden erzeuget, / Waren der schrecklichsten Art, und verhaßt dem eigenen Vater, / Seit dem Beginn; und wie eines davon nur eben hervorging, / Barg sie alle hinweg, und ließ sie nimmer an Tagslicht, / Dort im Winkel des Lands; denn es freute sich schädlicher Unthat / Uranos. Ein Bericht über das Einsperren der Cyclopen und Titanen findet sich auch in Hesiod, Theogonie, 617–623, (Voss), S. 128. 21,6–7 Die Erde Ç. . .È Sichel] Hesiod, Theogonie, 159–162, (Voss), S. 90: Doch es erseufzt’ im Innersten Gäa die Riesin, / Schwer beklemmt; und zum Trug’ ersann sie verderbliche Arglist. / Schnell, nachdem sie bereitet den Stof grauschimmerndes Demants, / Schuf sie die mächtige Hipp’, und gab den Erzeugten Belehrung. 21,8 giebt sie Ç. . .È dem Saturnus] Hesiod, Theogonie, 174–175, (Voss), S. 91f. 21,12–17 Sein jüngster Ç. . .È Meliä] Hesiod, Theogonie, 176–187, (Voss), S. 92f.: Jezt herführend die Nacht kam Uranos, und um die Gäa / Breitet’ er liebend sich aus, voll Lüsternheit übergedehnet, / Ringsher. Aber es fuhr aus dem Halte der Sohn mit der Linken / Aufwärts, und mit der Rechten ergrif er die mächtige Hippe, / Lang und scharfgezahnt, und die Scham des eigenen Vaters / Mähet’ er schleunig hinweg, und zurück die geschwungene warf er / Hinter sich. Jene nunmehr floh nicht aus der Hand ihm vergebens; / Denn so viel auch Tropfen entrieselten purpurnes Blutes, / All’ empfind sie die Erd’; und in rollender Jahre Vollendung / Wuchsen Erinnyen gräßlich hervor, und große Giganten, / Hell von Waffen umblinkt, langragende Speer’ in den Händen, / Auch die man melische Nymfen benamt im unendlichen Weltraum. Zu Gaia und ihrer Nachkommenschaft im Überblick Hederich, Lexicon, Sp. 2310. Die Meliai sind Baumnymphen, der

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Wortbedeutung nach Eschennymphen. Vgl. Hager, S. 471f.; Keil, Art. Melia, in: RE 15/1, Sp. 504–506. 21,17–19 Die d e m U r a n o s Ç. . .È empor steigt] Vgl. Hesiod, Theogonie, 188–200, (Voss), S. 93. Vgl. aber auch S. 93,32–94,2 und Erl. in diesem Band. 21,23–26 C ö u s Ç. . .È H e c a t e ward] Hesiod, Theogonie, 404–411, (Voss), S. 110f. 21,26–28 H y p e r i o n Ç. . .È L u n a ] Hesiod, Theogonie, 371–374, (Voss), S. 107f.: Theia gebar voll Glanzes den Helios, und die Selene, / Eos auch, die

allen den Erdbewohnenden leuchtet, / Und den Unsterblichen rings im weitumwölbenden Himmel; / Diese gebar einst Theia der liebenden Macht Hyperions. 21,28–29 O c e a n u s Ç. . .È Quellen] Hesiod, Theogonie, 337–345; 367–370, (Voss), S. 104f.; 107. Vgl. S. 58,17–21 mit den Erl., wo Moritz die Namen einiger Flüsse erwähnt. 21,29–32 J a p e t Ç. . .È E p i m e t h e u s ] Hesiod, Theogonie, 507–520, (Voss), S. 119f. 21,32–33 K r i u s Ç. . .È P e r s e s ] Hesiod, Theogonie, 375–377, (Voss), S. 108:

Aber dem Krios gebar Eurybia mächtige Söhne, / Pallas samt Asträos, die hoch vorragende Göttin, / Perses auch, der vor allen an kundigem Geiste sich ausnahm. 22,1 S a t u r n u s Ç. . .È R h e a ] Hesiod, Theogonie, 453, (Voss), S. 114. 22,6–7 Saturnus Ç. . .È Zeit] Die Verbindung zwischen Saturn und der Zeit hat ihren Grund in einer Gleichsetzung des gr. Namens KroÂnow (Kro´nos) mit XroÂnow (Chro´nos). Letzterer ist eine allegorische Personifikation der Zeit. Diese Identifikation war bereits in der gr. Antike üblich und ist Autoren des 18. Jhs. geläufig; vgl. z. B. Hederich, Lexicon, Sp. 2163f.; Damm, Einleitung, S. 55; Heyne, De Theogonia, S. 140. Da Moritz in der Regel nicht die gr. Namen verwendet, sondern ihre lat. Entsprechungen, kann ein Leser der Götterlehre den etymologischen Zusammenhang nicht ohne Vorwissen erkennen. – Allerdings bleibt unter Moritz’ Zeitgenossen die KroÂnow / XroÂnow-Etymologie nicht unwidersprochen; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2164; Pluche, Histoire du ciel, S. 358. – Für die neuere Forschung vgl. Maximilian Mayer, Art. Kronos, in: Roscher 2, Sp. 1546–1548; Waser, Art. Chronos 2), in: RE 3, Sp. 2482; Pohlenz, Art. Kronos, in: RE 11/2, Sp. 1986f. Beiträge noch in aktuellen Nachschlagewerken urteilen zurückhaltend; vgl. Eleutheria D. Serbeti, Art. Kronos, in: LIMC 6/1, Sp. 143; Art. Chronos, in: DNP 2, Sp. 1174; Art. Kronos, in: DNP 6, Sp. 864.

Stellenerläuterungen

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22,7–10 Er, der Ç. . .È berauben werde] Hesiod, Theogonie, 459–465, (Voss), S. 115: Diese verschlang nun Kronos, der schreckliche, so wie ein jeder / Aus

der Gebärerin heiligem Schooß auf die Kniee gesezt ward: / Dessen besorgt, daß nicht der erhabenen Uranionen / Einst ein anderer nähme die Königswürde der Götter. / Denn ihm vertraut’ einst Gäa und Uranos sternige Gottheit, / Daß von dem eigenen Sohne bevor ihm stände Bezwingung, / Ihm, wie gewaltig er war, durch Zeus des erhabenen Rathschluß. 22,10–14 So rächte Ç. . .È eingekerkert] Rückbezug auf S. 21,1–4. Kyklopen und Hekatoncheiren waren nach Hesiod, Theogonie, 149–152, S. 90 schon von ihrem Vater Uranos im Tartaros eingesperrt worden. Zu ihrer vorübergehenden Befreiung und erneuten Einkerkerung durch Kronos vgl. Apollodoros 1,3–4, (Meusel), S. 4. 22,18–23 so seufzt Ç. . .È Kindes an] Hesiod, Theogonie, 467–472, (Voss), S. 115f.: gebeugt ward Rhea von Unmut. / Aber da Zeus nun nahte, der

Götter und Sterblichen Vater, / Zu der Geburt, jezt bat sie mit Flehn die trautesten Eltern, / Beide, die Gäa zugleich, und Uranos sternige Gottheit, / Auszusinnen den Rath, wie geheim sie möchte gebären / Ihren Sohn. 22,24–25 Die uralten Ç. . .È Rath] Vgl. die ähnlichen Bemerkungen über Prometheus und Zeus Ammon (S. 60,5–7; 73,6–10 jeweils mit den Erl.). 22,25–27 sie rathen Ç. . .È verbergen soll] Hesiod, Theogonie, 474–479, (Voss), S. 116. 22,31–33 Auf den Rath Ç. . .È verschlingen] Hesiod, Theogonie, 485–488, (Voss), S. 117. Vgl., auch mit Blick auf den Stein, dessen bei den Alten so oft Erwähnung geschieht, ebenso die in den Erl. zu S. 23,6–18 angegebenen Quellen. 23,6–18 Darum müssen Ç. . .È Pflegerinnen] Zeus’ Kindheitsgeschichte, von vielen antiken Autoren in zahlreichen Varianten erzählt und bis in die Neuzeit Gegenstand der bildenden Kunst (vgl. Martin Henig, Art. Amaltheia, in: LIMC 1/1, S. 582–584 sowie die Abb. ebd., 1/2, S. 437f.; Pigler 1974, 2, S. 141f.), ist in der von Moritz dargebotenen Gestalt das Resultat einer Mythenkontamination mit langer Vorgeschichte. Die älteste, für die Götterlehre allerdings nicht maßgebende Version ist Hesiod, Theogonie, 479–484, (Voss), S. 117. Moritz kannte, vielleicht auch schon bei der Arbeit an der Götterlehre, den Zeus-Hymnus des Kallimachos (ca. 320 – nach 240 v. Chr.), aus dem er einschlägige Teile (Kallimachos, Hymnus auf Zeus, 46–54, [Kütner], S. 25f.) im Mythologischen Almanach für Damen (1792) übersetzt (S. 272,5–23 in diesem Band). Kallimachos berichtet über Nymphen, Korybanten, den in Moritz’ Übertragung nicht berücksichtigten apotropäi-

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schen (Unheil abwendenden) Lärm, die Ziege Amaltheia sowie über Bienen, die Honig herbeischaffen. Ein Sonderfall ist die Goldfärbung der Bienen, die zu Diodorus Siculus 5,70,5, (Stroth) 2, S. 269f. zurückführt: Dort verleiht Zeus den Bienen die goldene Farbe nachträglich zum Andenken. Die Erzählung vom unter die Sterne versetzten Horn des Überflusses überliefert Ovid, Fasti 5,111–128, der weitere gr. Quellen voraussetzt (Aratos, Eratosthenes). In den Fasti ist es allerdings die Nymphe, die den Namen Amaltheia trägt. Ovids Version findet später Eingang in die noch von Moritz verfassten Teile von Myth. Wb. (S. 355,4–9 in diesem Band). Die Quellen, unter ihnen auch Apollodoros 1,5, (Meusel), S. 4f., Hyginus, Fabulae 139, Vergil, Georgica 4,149–152, (Voss), S. 258f. und Strabon 10,3,11, (Prenzel) 2, S. 1314f., enthalten im Übrigen weitere Varianten, die Moritz nicht berücksichtigt bzw. die seiner Version widersprechen. Zu vergleichen ist ferner Conti, Mythologiae, S. 55–57, der auch, unter Berufung auf die frühhellenistische Dichterin Moiro von Byzanz, die Nachricht von den Tauben referiert (vgl. auch Hager, S. 49) und, neben weiteren Versionen, die von Moritz ausgewählten Einzelheiten bringt. Für eine weniger detaillierte Zusammenstellung – sie enthält z. B. nicht die Erzählung von der Goldfärbung der Bienen – vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1403, der sich seinerseits auf Conti stützt; ferner Maternus 2, S. 7f. 23,7–8 K u r e t e n Ç. . .È Dunkel gehüllt ist] Die Kureten werden mit vielen gr. Schauplätzen in Zusammenhang gebracht; der Kult dieser Gottheiten, für den ein Waffentanz charakteristisch ist, besaß jedoch einen Schwerpunkt auf Kreta. Vgl. Schwenn, Art. Kureten, in: RE 11/2, Sp. 2202–2209. Auch auf die Korybanten, Dämonen kleinasiatischer, sonst jedoch unklarer Herkunft, bezog sich ein Mysterienkult mit orgiastischen Tanzritualen, der mit dem Kybele-Kult in Zusammenhang stand und sich seit dem späten 7. Jh. v. Chr. in die gr. Welt ausbreitete (Schwenn, Art. Korybanten, in: RE 11/2, Sp. 1441–1446; Bowden 2010, S. 91). Eine genaue Unterscheidung zwischen Kureten, Korybanten und Kabeiren sowie weiteren Gottheiten, die seit dem einschlägigen Exkurs in Strabons Erdbeschreibung 10,3, (Prenzel) 2, S. 1303–1326 immer wieder versucht wurde, blieb wegen der widersprüchlichen Nachrichten anderer antiker Autoren, die Strabon referiert, gleichwohl ein ungelöstes Dauerthema der frühneuzeitlichen Mythographie. Bei Strabon 10,3,7, (Prenzel) 2, S. 1310 liest man: Einige wollen, daß die Namen der

Kureten, Korybanten, Kabyren, idäischen Daktylen und Telchinier, alle mit einander ein und dieselben Leute bezeichne; da hingegen andere sie zwar für verwandt, aber doch durch einige kleine Unähnlichkeit für verschieden voneinander ansehn. Zur einschlägigen mythographischen Debatte Giraldi, Historia, Sp. 23; Hager, S. 342f.; Banier 2, S. 500–502. – In der Götterlehre

Stellenerläuterungen

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dienen Kureten, Korybanten und Kabeiren als Paradebeispiele für das Wilde, Ungeformte, Geheimnisvolle und Dunkle, das Moritz auch noch in allen anthropomorphen Gottheiten als vorhanden ansieht. Vgl. S. 20,17–18 und Erl.; zu den Kureten, Korybanten und Kabeiren S. 102,16–32 mit den Erl. 23,19–20 Schnell Ç. . .È Menschen] Hesiod, Theogonie, 492–493, (Voss), S. 117: Schleuniges Triebs nun wuchsen die Kraft und die stattlichen Glieder / Jenem Beherscher empor. Vgl. aber auch Kallimachos, Hymnus auf Zeus, 55–56, (Kütner), S. 26 (Myth. Alm., S. 273,2–5 und Erl. in diesem Band). 23,21–24 Denn fünf Ç. . .È P l u t o ] Zur Reihe der Kinder von Kronos und Rhea Hesiod, Theogonie, 453–458, (Voss), S. 114f.: Rheia, gesellt zum Kronos, gebar

hochherliche Kinder, / Hestia, und, mit Demeter, die goldgeschuhete Here, / Dann des Aı¨des Macht, der in unterirdischer Wohnung / Haust, unerbarmendes Sinns, und den brausenden Ländererschüttrer, / Auch den waltenden Zeus, der Götter und Sterblichen Vater, / Dem, wenn er Donner entschwingt, das gebreitete Land weit aufbebt. Zu ihrer Befreiung – Kronos, der sie verschlungen hatte (V. 459–462, [Voss], S. 115), würgt sie wieder hervor – vgl. V. 493–496, (Voss), S. 117f. – Für den Unterweltgott verwendet Moritz durchweg den auch schon im gr. Sprachbereich »seit den Tragikern« (5. Jh. v. Chr.) üblichen Namen Pluto (s. Stefan-Christian Dahlinger, Art. Hades, in: LIMC 4/1, S. 367). 23,26–28 nachdem er Ç. . .È begabt hatten] Hesiod, Theogonie, 501–505, (Voss), S. 118: Auch aus verderblichen Banden die Oheim’, Uranos Söhne, /

Löset’ er, welche der Vater mit thörichtem Sinne gefesselt. / Diese vergalten ihm dann aus dankbarem Herzen die Wohlthat; / Denn sie gewähreten Donner und Bliz, und rollender Wetter / Leuchtungen: welche zuvor einhüllete Gäa die Riesin. Zu den Kyklopen als Kindern des Uranos vgl. S. 20,28 und Erl. 24,1 Götterkrieg] Knappe Zusammenfassung der ausführlichen Erzählung von der Titanomachie, die in Hesiod, Theogonie, 617–728, (Voss), S. 128–137 einen eigenen Schwerpunkt bildet. 24,7–10 indem er Ç. . .È bekommen hatte] Rückgriff auf S. 20,27–21,4 und 23,26–28. Vgl. auch jeweils die Erl. 24,11–13 Die neuern Götter Ç. . .È Othrys] Zur Verteilung von Göttern und Titanen auf Olymp und Othrys Hesiod, Theogonie, 630–633, (Voss), S. 129. 24,13–16 Zehn Jahre Ç. . .È dankten] Nach Hesiod, Theogonie, 635–663, (Voss), S. 129–132, der auf den zehnjährigen Kampf verweist und breit die Bewirtung von Kronos’ Kindern und, in Rede und Gegenrede, den Beschluss zum gemeinsamen Kampf gegen die Titanen darstellt.

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24,17–22 Als diese Ç. . .È erschüttert] Hesiod, Theogonie, 671–681, (Voss), S. 132f.: Hundert Riesenarm’ entstrebeten ihren Schultern, / Aller zugleich;

und funfzig entsezliche Häupter auf jedem / Wuchsen daher von der Schulter, bei ungeheueren Gliedern. / Jezt den Titanen entgegen gestellt zu grauser Befehdung, / Trugen sie steiles Geklipp mit nervichten Fäusten umklammert. / Drüben auch die Titanen befestigten ihre Geschwader, / Freudiges Muts. Da erschien, was Händ’ und Kräfte vermochten, / Hier und dort. Laut rauschte die Flut des unendlichen Meeres, / Laut auch krachte die Erd’, und es dröhnte der wölbende Himmel, / Mächtig bewegt, ja von unten erbebten die Höhn des Olympos, / Durch der Unsterblichen Schwung. 24,19 Phalangen] Plural von Phalanx; der Begriff bezeichnet geschlossene gr. Schlachtformationen. Vgl. Art. Phalanx, in: KlP 4, Sp. 698. 24,23–25 Die Blitze Ç. . .È T i t a n e n ein] Hesiod, Theogonie, 690–697, (Voss), S. 134: Siehe, die Wetter, / Schlag auf Schlag, mit Geroll und zuk-

kenden Leuchtungen flogen / Rasch aus der nervichten Hand, und schlängelten heilige Flamme, / Häufiges Flugs; weit krachte das nahrungsprossende Erdreich / Brennend empor, und in Glut rings knatterte mächtige Waldung. / Auf nun brauste die Erd’, und der Strom des Okeanos ringsum, / Auch das verödete Meer; und die erdgebornen Titanen / Ängstete heißes Gedünst. 24,26–31 K o t t u s Ç. . .È Erde ist] Hesiod, Theogonie, 713–720, (Voss), S. 136: Jen’ im Vordergewühl erregten die Schlacht des Entsezens, / Kottos, Bria´reos auch, und der rastlos kämpfende Gyges, / Die dreihundert Felsen zugleich mit gewaltigen Armen / Schleuderten, Wurf an Wurf; daß weit ihr Geschoß den Titanen / Schattete. Jezt in die Kluft des weitumwanderten Erdreichs / Scheuchten sie jene hinab, und legeten schmerzende Band’ an, / Mit obsiegender Hand, wie sehr unbändig sie trozten, / So weit unter der Erd’, als über der Erd’ ist der Himmel. 25,1–3 Nun theilten Ç. . .È die Unterwelt] Vgl. S. 49,7–10 und Erl. 25,3–5 Die hundertärmigen Ç. . .È gefangen hielt] Hesiod, Theogonie, 729–735, (Voss), S. 137f. 25,8–18 Mit den Blutstropfen Ç. . .È Blitze nicht] Zur Genealogie der Giganten nach Hesiod vgl. schon S. 21,12–17 und Erl. Die vorliegende Stelle setzt jedoch andere Quellen voraus, zumal die Gigantomachie, anders als die Titanomachie, in der Theogonie nicht erwähnt wird. Auf die Gigantomachie nehmen aber zahlreiche literarische Texte der Antike Bezug, unter ihnen die fragmentarisch überlie-

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ferte Gigantomachia des spätrömischen Dichters Claudian. Titanomachie und Gigantomachie werden nicht immer genau auseinandergehalten. – Wichtige Teile von Moritz’ Version haben ihren Ursprung bei Apollodoros 1,34, (Meusel), S. 13:

Te l l u s , unwillig über die Titanen, zeugte mit dem U r a n u s die G i g a n t e n , die an Grösse der Körper ungeheuer, und an Stärke unbezwingbar waren. Ihre Gesichtsbildung war schrecklich, ihr Haar auf dem Kopfe und am Kinne ausserordentlich stark, und hatten schuppigte Drachenfüsse. Sie hielten sich, nach einigen Nachrichten, zu Phlegra, nach andern aber, zu Pellene auf. Sie schleuderten Felsenstücke und angezündete Eichen in den Himmel. – Die Bemerkung über die revitalisierende Kraft der Berührung mit der Erde dürfte letztlich eine verallgemeinernde Umdeutung einer Formulierung sein, die Apollodoros nur auf Alkyoneus bezieht: Dieser Gigant sei unsterblich gewesen, so lange er in dem Lande, wo er gebohren war, stritte (Apollodoros 1,35, [Meusel], S. 13); vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1153. Möglicherweise liegt eine Kontamination mit dem Antaios-Mythos vor (vgl. S. 158,13–27). Eine Parallele zwischen beiden sieht Banier 3, S. 33. – Eine Quelle, die alle von Moritz angeführten Namen kennt, ist nicht nachgewiesen. Von den Namen, die Moritz aufzählt, nennt Apollodor in seiner anschließenden Beschreibung der Gigantenschlacht nur Porphyrion und Alkyoneus (1,35–38, [Meusel], S. 13f.); der Gigantenkatalog bei Hyginus, Fabulae, Praefatio 4 enthält von Moritz’ Liste Enkelados. Mimas, Porphyrion, Rhoitos und Enkelados werden in Horaz, Oden 3,4,53–56 genannt. Für den Mythologischen Almanach für Damen hat Moritz aus dieser Horaz-Ode die Zeilen 53–68 mit einigen Kürzungen übersetzt (S. 276,2–15 in diesem Band.). Die umfangreiche Reihe von Gigantennamen, die Hederich, Lexicon, Sp. 1152 – vgl. auch ebd., Tab. V. –, nennt, schließt alle von Moritz aufgezählten ein – bis auf Oromedon, dem aber ein besonderer Artikel gewidmet ist (ebd., Sp. 1809). Für ihn beruft sich Hederich zutreffend auf Properz 3,9,48. Vgl. aber auch Damm, Einleitung, S. 134: Andre solche Riesen hießen P o r p h y r i o n , O r o m e d o n , G y a s , M i m a s . Für Details vgl. die ausführliche Liste der Giganten bei Waser, Art. Giganten, in: RE, Supplementbd. 3, Sp. 738–759. 25,10 phlegräischen Gefilden] Für die Phlegräischen Felder als einen der mythischen Aufenthaltsorte der Giganten vgl. z. B. Banier 3, S. 32 unter Berufung auf Apollodoros 1,34, (Meusel), S. 13; Hederich, Lexicon, Sp. 1153. Gr. Quellen lokalisieren das Phlegra der Giganten ursprünglich in einem unbestimmten Norden. Genauere Festlegungen kommen sekundär hinzu; vgl. E. Oberhummer, Art. Phlegra, in: RE 20/1, Sp. 264f. Eine dieser Lokalisierungen betrifft ein vulkanisch aktives Gebiet in der italienischen Landschaft Kampanien (Waser, Art. Giganten, in: RE,

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Supplementbd. 3, Sp. 662). In RDI 2, S. 42f. (KMA 5/2), beschreibt Moritz unter erneuter Bezugnahme auf die Geburt der Giganten und die Gigantomachie seinen Besuch in den Phlegräischen Feldern, die er zusammen mit dem angrenzenden Posillipo als Beispielfall für die enge Nachbarschaft von Schönem und Schrecklichen ansieht. 25,19–24 In dem hier beigefügten Ç. . .È Kunst benutzte] Abb. 1. Einer der beiden als Frontispiz der Götterlehre verwendeten Kupferstiche, »nach dem Gipsabguß des berühmten, von Athenion signierten Sardonyx-Kameo in der Sammlung Farnese« (Platz-Horster 2005, S. 57), eines hellenistischen oder kaiserzeitlichen Stücks, heute in Neapel, Museo Nazionale; vgl. Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Kommentarbd., S. 215. Winckelmann hatte den Stein als Titelkupfer des zweiten Teils von Geschichte, S. 313 eingesetzt; vgl. auch ders., Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 152, Nr. 10. Der Stein entspricht Lippert, Dactyliothec 1, S. 11, Nr. 26 (Schublade 1/1). Die Differenzen zwischen der antiquarischen Wiedergabe bei Winckelmann und der gleichzeitig auf den Kontur reduzierenden und dramatisierenden Darstellung in der Götterlehre untersucht Münter 2005, S. 49–51. 26,11–12 Der Name der T i t a n e n Ç. . .È in ihrem Wesen an] Vgl. Damm, Einleitung, S. 133: Die Brüder des Saturnus nebst ihren Söhnen, heißen mit

einem allgemeinen Namen die Titanen, welches Wort von ihrer Macht und Ansehnlichkeit, die sich weit erstreckt, hergenommen zu seyn scheint. Hintergrund ist vermutlich Hesiod, Theogonie, 207–210, (Voss), S. 94: Jen’ izt nannte Titanen mit strafendem Namen der Vater / Uranos, gegen die Kinder entbrannt, die er selber gezeuget; / Denn er sprach, ausstreckend die Hand in frevelem Leichtsinn / Hätten sie Großes verübt, dem einst nachfolgte die Ahndung. 26,18–19 T i t a n e n H e l i o s Ç. . .È P f e i l u n d B o g e n ] Zum Verhältnis zwischen Helios und Apoll s. S. 47,10–12 und Erl. 27,1 F r e i h e i t und G l e i c h h e i t ] Die Formel, die Moritz S. 37,10–11 erneut verwendet, bezieht sich auf die naturrechtliche Idee, der zufolge ursprüngliche Naturstandsverhältnisse unter den Bedingungen gesellschaftlicher Verfasstheit durch rechtliche und soziale Bindungen ersetzt wurden. Zur Sache Dann 1980. Folgt man Anthusa, KMA 4/1, S. 150f. mit den Erl., so vergegenwärtigte das röm. Fest der Saturnalien diesen Naturstand. Vgl. Friedrich Gedikes erstmals 1783 veröffentlichten Aufsatz Ueber den Ursprung der Weihnachtsgeschenke, in: Vermischte Schriften, S. 207 (s. dazu Anthusa, KMA 4/1, Erl. zu S. 151,2): Die Satur-

nalien waren ein Bild des ehmaligen goldnen Zeitalters, da noch keine

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Verschiedenheit der Stände Menschen von Menschen trennte, da noch völlige Gleichheit und Freiheit unter den Menschen herrschte, und es ebenso wenig einen Herrn als einen Sklaven gab. 27,4–11 Man versetzte Ç. . .È beherrschte] An zwei Stellen der Götterlehre nimmt Moritz den Mythos vom goldenen Zeitalter Saturns auf, wobei er sich jeweils auf unterschiedliche antike Vorlagen bezieht (s. S. 37,10–17 und Erl.). Zu den bekannteren Quellen gehören Hesiod, Werke und Tage, 109–126, (Voss) S. 14f.; Vergil, Bucolica 4; Georgica 1,121–146 (diese Verse werden S. 66,30–67,28 in der Götterlehre zitiert – vgl. dort auch die Erl.); Georgica 2,536–540; Ovid, Amores 3,8; Metamorphosen 1,90–113. Doch allein Vergil, Aeneis 8,314–327 und Ovid, Fasti 1,227–254 lokalisieren diese Ära in Latium, wo Saturn, von Jupiter vertrieben, gemeinsam mit Janus, dem mehrgesichtigen, in Rom verehrten Gott der Tore und Durchgänge sowie des Anfangs (s. Art. Ianus, in: KlP 2, Sp. 1311–1314), regiert habe. Zu den antiken Quellen zwischen Hesiod und Ovid s. Kubusch 1986. 27,20–24 einer alten Gemme Ç. . .È hervorragen] Abb. 1. Abgebildet als Frontispiz der Götterlehre. Lippert, Dactyliothec 1, S. 1, Nr. 2 (Schublade 1/1): S a -

t u r n u s , in ganzer Gestalt. Er sitzet bis auf den halben Leib nackend auf einem Schiffe, dessen Vordertheil oder Schnabel nur zu sehen ist, und hält mit der rechten Hand eine Sense. Hinter ihm ist ein Theil einer Stadtmauer, über welche ein Theil eines Tempels hervorstehet. 27,24–26 weil an den Ufern Ç. . .È erbauet wurde] Vergil, Aeneis 8, 355–358. Der latinische König Euandros spricht zu Aineias: haec duo praeterea disiectis oppida muris, / reliquias veterumque vides monumenta virorum. / hanc Ianus pater, hanc Saturnus condidit arcem: / Ianiculum huic, illi fuerat Saturnia nomen (Fink, S. 371: Weiterhin siehst du diese beiden Bergfestungen mit ihren geborstenen Mauern, Reste und Mahnmale nur an alte Helden: Diese da hat Vater Ianus, die dort Saturnus gegründet. Ianiculum hieß diese, jene Saturnia). 27,29–31 Die Erzählungen Ç. . .È verwebt] Rückbezug auf das GesichtspunktKapitel, in dem sich Moritz mit der Betrachtung von Mythen als bloßen Allegorien und bloßer Geschichte auseinandersetzt (S. 14,4–9 mit den Erl.). Vgl. die ähnlichen Formulierungen, die er in Anthusa, KMA 4/1, S. 150,13–18 im Zusammenhang mit dem goldenen Zeitalter gebraucht. 28,6–8 Ob nun J u p i t e r Ç. . .È gewälzt hatte] Zu den Titanen vgl. S. 24,26–31 und Erl. – Die Olympier besiegen die Giganten auf unterschiedliche Weise; zwei der Riesen werden unter Inseln begraben: Apollodoros 1,37–38, (Meusel), S. 14

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zufolge wirft Athene Sizilien auf Enkelados, Poseidon hingegen einen Teil von Kos auf Polybotes. Zeus greift mittels der Blitze in den Kampf ein. Vgl. Banier 3, S. 34; Hederich, Lexicon, Sp. 1154. 28,10–26 gebahr Ç. . .È Tartarus hinab] Hesiod, Theogonie, 820–868, (Voss), S. 145–149: Aber nachdem die Titanen hinab vom Himmel gedrängt Zeus, /

Brachte den jüngsten Sohn, den Tyfo´eus, Gäa die Riesin, / Durch des Tartaros Lieb’, und die Huld der goldenen Kypris. / Ihm sind Hände verliehn, die ein Werk vornehmen mit Nachdruck, / Rüstige Füße zugleich, dem gewaltigen; und von den Schultern / Wanden sich hundert Häupter des graunvoll schlängelnden Drachen, / Leckend mit finsteren Zungen umher, und der gräßlichen Häupter / Jeglichem zuckt’ aus den Augen ein Glutstral unter den Wimpern; / So aus den Häuptern gesamt, wenn er schauete, brannt’ es wie Feuer. / Auch war hallende Stimm’ in allen entsezlichen Häuptern, / Von vielartigem Wundergetön: denn in häufigem Wechsel / Lautete jezt für die Götter verständliches; jezo hinwieder / Scholl es, wie dumpfes Gebrüll des in Wut anrasenden Stieres; / Jezo gleich, wie des Löwen von unaufhaltsamer Kühnheit; / Jezo gleich dem Gebelfer der Hündelein tönet’ es seltsam; / Jezo wie gellendes Pfeifen, daß rings nachhallten die Berghöhn. / Und bald kam an dem Tag’ unheilsame That zur Vollendung, / Daß Er Sterbliche so wie Unsterbliche jezo beherschte; / Hätte nicht scharf es bemerkt der Menschen und Ewigen Vater. / Ernst nun schwang er die Donner, und donnerte; rings in dem Aufruhr / Toste das Land graunvoll, und der wölbende Himmel von oben, / Auch des Okeanos Strom, Meerflut und tartarischer Abgrund. / Ja dem unsterblichen Fuß erbebten die Höhn des Olympos, / Als sich der Herscher erhub; und tiefauf dröhnte das Erdreich. / Beiden entloderte Brand, um das finstere Meer sich verbreitend, / Hier von dem Donner und Bliz, und dort von der Flamme des Scheusals, / Von glutwirbelndem Sturm, und zuckendem Strale der Wetter. / Auf nun brauste die Erd’, und der Himmel umher, und die Meerflut; / Und die Gestad’ umtobt’ unermeßliches Wogengetümmel, / Durch der Unsterblichen Schwung; und es schwankte das All in Erschüttrung. / Aı¨des selber erschrak, der unteren Todten Gebieter, / Auch der Titanen Geschlecht im Tartaros drunten um Kronos, / Vor dem unendlichen Lerm und dem furchtbaren Kampf der Entscheidung. / Als nun seine Gewalt Zeus sammelte, nahm er die Waffen, / Bliz und Donner zugleich, und lodernde Keile des Wetters, / Schlug dann hoch vom Olympos im Ansprung: alle gesamt nun / Sengt’ er die gräßlichen Häupter hinweg des

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gewaltigen Scheusals. / Aber nachdem er ihn jezt mit schmetternden Schlägen gebändigt, / Sank er gelenklos hin; und es seufzte die mächtige Erd’ auf. / Lodernde Glut entströmte dem niedergedonnerten Herscher, / In des Gebirgs Waldthalen, von Felsabhängen umdunkelt, / Wo er erlag; weit brannte die mächtige Erd’ in des Wetters / Stürmischer Loh’, und zerfloß, dem schmelzenden Zinne vergleichbar, / Welches der Jünglinge Kunst im wohlgehöhleten Tiegel / Glühete; oder wie Eisen, das stark vor allem Metall ist, / In des Gebirgs Waldthalen von flammender Hize gebändigt, / Schmilzt in dem heiligen Grund, durch künstliche Hand des Hefästos: / Also zerschmolz auch die Erd’ in stralender Lohe des Feuers. / Zeus dann schwang ihn ergrimmt in des Tartaros räumigen Abgrund. Während Voss, wie auch schon Bergier, Ursprung 1, S. 341, den gr. Ausdruck uymvÂì aÆkaxvÂn (thymo´ akacho´n; Hesiod, Theogonie, 868) mit ergrimmt bzw. im Zorn wiedergibt, handelt Zeus in der lat. Übersetzung animo moestus (mit traurigem Gemüt; Hesiodi ascraei quae exstant, S. 151). Dieser Deutung schließt sich Moritz an. – Zu Typhoeus bzw. Typhon auch S. 57,22–23 und Erl. 28,29–29,2 So weißagte Ç. . .È hinüber] Hesiod, Theogonie, 886–900, (Voss), S. 150f. zufolge unterbricht Zeus die Serie von Auflehnungen gegen den eigenen Vater bzw. Vorgänger, indem er die weissagende Metis und ihre Kinder in den eigenen Leib aufnimmt: Zeus nun, der König der Götter, erkohr als erste

Genossin, / Metis, die kundigste weit vor sterblichen Menschen und Göttern. / Aber da ihr, zu gebären die heilige Pallas Athene, / Nahte die Zeit, jezt listig mit sanft einnehmenden Worten / Teuscht’ er ihr Herz, und barg im eigenen Bauche die Göttin, / So wie Gäa befahl, und des sternichten Uranos Ausspruch. / Denn das riethen ihm beide, damit die Herschergewalt nicht / Nähme, für Zeus, ein andrer der ewigwaltenden Götter. / Denn ihr beschied, zu gebären verständige Kinder, das Schicksal: / Erst die Tritogeneia, des Zeus blauäugige Tochter, / Gleich dem erhabenen Vater an Kraft und weiser Entschließung. / Hierauf war auch den Sohn ihr bestimmt zu gebären, der künftig / Götter und Menschen zugleich mit gewaltigem Geiste beherschte. / Aber zuvor barg Zeus im eigenen Bauche die Göttin, / Daß ihm solche hinfort ankündete Gutes und Böses. Dass Zeus ein Orakel befragt, behauptet Seeger 1, S. 9. Eine Quelle für Moritz’ Bemerkung, dass laut Orakelspruch Metis’ Sohn mit der Weisheit seiner Mutter, und der Macht seines Vaters ausgestattet sein sollte, ist nicht ermittelt. Zu Metis vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1612.

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28,30 Tochter des O c e a n u s ] Hesiod, Theogonie, 358, (Voss), S. 106 führt Metis unter den Töchtern des Okeanos und der Tethys auf. 29,2–4 gebahr nun Ç. . .È hervorsprang] Hesiod, Theogonie, 924–926, (Voss), S. 153f.: Ihm aus dem eigenen Haupt fuhr Zeus blauäugige Tochter, /

Schrecklich, umrauscht vom Gewühl, Heerführerin, nimmer bezwungne / Herscherin, die an Getöse sich freut, und an Kampf und Entscheidung. Vgl. auch Homerischer Hymnus 28 an Athena, 4–6, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 104: Tritogeneia, der Städte Schutz, die der weise Kronion / Selbst aus heiligem Haupte gebar, mit kriegrischer Rüstung / Stralend von Golde, bewafnet. Moritz verwendet diesen Hymnus für das Minerva-Kapitel S. 86,6–10 im vorliegenden Band. Vgl. ferner Apollodoros 1,20, (Meusel), S. 9 sowie Lukian, Göttergespräche 13 (Hephaistos und Zeus; Sämtliche Werke 2, S. 55). 29,4–7 Eine ähnliche Ç. . .È Va t e r s e y n ] Vgl. S. 55,11–15 und Erl. in diesem Band. 29,14–24 In der folgenden Zeit Ç. . .È bedeckte] Homer, Odyssee 11,305–320, (Voss), S. 216f.: Drauf kam Ifimedeia, die Ehegenoßin Aloeus, / Rühmend,

sie habe geruht in Poseidaons Umarmung. / Und sie gebar zween Söhne, wiewohl ihr Leben nur kurz war: / Otos voll göttlicher Kraft, und den ruchtbaren Efialtäs. / Diese waren die längsten von allen Erdebewohnern, / Und bei weitem die schönsten, nach jenem berühmten Orion. / Denn im neunten Jahre, da maß neun Ellen die Breite / Ihres Rumpfes, da maß neun Klaftern die Höhe des Hauptes. / Und sie drohten sogar den Unsterblichen, ihren Olümpos / Mit verheerendem Sturm und Schlachtengetümmel zu füllen. / Oßa mühten sie sich auf Olümpos zu sezen, auf Oßa / Pelions Waldgebirg, um hinauf in den Himmel zu steigen. / Und sie hättens vollbracht, wär’ ihre Jugend gereifet. / Aber sie traf Zeus Sohn, den die reizende Läto geboren, / Beide mit Todesgeschoß, eh unter den Schläfen des Bartes / Blume wuchs, und den Kinn die zarten Sprößlinge bräunten. 30,5 P r o m e t h e u s ] Für den Prometheus-Mythos existieren dichte und verzweigte abendländische Traditionsketten. Für die europäischen Traditionen der Mythenrezeption war der Prometheus-Mythos von besonderem Interesse, weil er nicht allein mit Blick auf den Ursprung der Menschheit gedeutet, sondern von Beginn an auch auf die Begründung einer menschlichen Kultur jenseits der Götterwelt bezogen wurde (Müller 2003, S. 30–41). In Hesiods Theogonie ist Prometheus ein Frevler, der es mit der von Zeus verkörperten Weltordnung aufnimmt. Seine Hybris (Art. Prometheus, in: DNP 10, Sp. 403) und seine Provoka-

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tionen (Pucci 2009, S. 58–62) führen zur verdienten Trennung und Hierarchisierung von Götter- und Menschenwelt, die bis zu diesem Zeitpunkt, d. h. im goldenen Zeitalter (vgl. S. 27,4–19 sowie 37,10–24 mit den Erl.) noch nicht bestanden hatten. Moritz’ Darstellung setzt demgegenüber eine Neubewertung der Prometheus-Figur voraus, deren Ansätze ebenfalls in der gr. Antike zu finden sind. Zu den Eckpunkten der Umdeutung gehören die folgenden Texte: Der gefesselte Prometheus, der – bei umstrittener Verfasserschaft (vgl. z. B. Bees 1993, S. 4–14) – Aischylos zugeschrieben wird. In dieser Tragödie erscheint Prometheus als Helfer der Menschen und als »Wohltäter, Menschenfreund und Kulturbringer« (Art. Prometheus, in: DNP 10, Sp. 403; vgl. Kubusch 1986, S. 11–15), der Zeus’ Entscheidungen ausgeliefert ist und ihnen gleichzeitig widersteht. – Giovanni Boccaccio, der in seinem mythologischen Handbuch De genealogia deorum zwei Prometheus-Figuren unterscheidet – eine, die Gott als Schöpfer des natürlichen Menschen (homo naturalis) vertritt, und eine andere, die, wie in einem zweiten Schöpfungsakt, den mit Tugenden und Wissenschaften ausgestatteten Kulturmenschen (homo civilis) hervorbringt und innerweltliche Gestaltungsmöglichkeiten für sich beansprucht (Boccaccio, S. 100–103; vgl. Trousson 1964, 1, S. 87–91). – Francis Bacon, Weisheit der Alten, S. 64–75, in dessen allegorischer Auslegung Prometheus den auf die menschliche Gesellschaft bezogenen Wissenschafts- und Forschergeist repräsentiert (vgl. Trousson 1964, 1, S. 110–116). – Shaftesbury, der den Künstler zum second Maker, zum just Prometheus under Jove aufwertet (Soliloquy, or, Advice to an Author, in: Shaftesbury, S. 179; vgl. Trousson 1964, S. 222–227). – Schließlich Goethe, dessen im Schöpfungsprozess gegen die Götterwelt sich autonom setzender Prometheus in der Götterlehre komplett zitiert ist (s. S. 32,23–34,22 und Erl.). Innerhalb der Götterlehre reiht Moritz den Titan als Menschenschöpfer in die Serie der Künstlerfiguren ein (vgl. S. 31,10–11), die das Werk durchzieht. 30,5–7 P r o m e t h e u s Ç. . .È E p i m e t h e u s ] Hesiod, Theogonie, 507–511, (Voss), S. 119: Aber Iapetos führte die reizende Okeanine / Klymene heim

zum Gemach, und bestieg das gemeinsame Lager. / Diese gebar ihm Atlas, den Sohn unbändiger Kühnheit, / Ferner den ehrsuchtvollen Menötios, auch den Prometheus, / Reich an Entwurf, und gewandt, und den thörichten Sohn Epimetheus. Andere Quellen nennen abweichende Genealogien (vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1324; 2091) – unter ihnen Aischylos’ Prometheus in Fesseln, der den Protagonisten von Gaia bzw. Themis abstammen lässt (s. S. 52,11–14 und Erl.).

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30,8 verhaßt] Das Motiv des Hasses, mit dem in der Götterlehre die Götter die Titanen, die Nachkommen Japets einschließlich des Prometheus, in der Folge auch die Menschheit insgesamt überziehen – vgl. auch S. 29,29–30; 30,18–21 – , entstammt nicht Hesiods Epen, wo Strafen jeweils auf Verstöße gegen die zu etablierende Ordnung folgen (vgl. Wutrich 1995, S. 15). Eher wurzelt es in Aischylos’ Prometheus in Fesseln, auf den sich Moritz mehrfach bezieht (s. S. 50,2–6; 52,11–14; 52,22–26; 103,1–5; 142,25–32). Als Moritz an der Götterlehre arbeitete, lag von dieser Tragödie bereits eine Komplettübersetzung vor (Aischylos: Prometheus in Fesseln [Schlosser]). Aischylos’ Prometheus, möglicherweise das Mittelstück einer Trilogie, deren erster und letzter Teil verloren sind, inszeniert, historisch vor dem Hintergrund der noch jungen Demokratie in Athen (Wutrich 1995, S. 27–30), eine Auseinandersetzung um menschliche und göttliche Koexistenz (Trousson 1964, 1, S. 40). Als Prometheus’ Gegenspieler tritt der tyrannisch handelnde Zeus auf, dessen Überlegenheit allerdings nicht unbegrenzt ist. Das Spannungsverhältnis zwischen Götter- und Menschenwelt eröffnet einen weiteren Spielraum menschlichen Handelns und Gestaltens, als er bei Hesiod vorhanden ist (s. die Interpretation von Trousson 1964, 1, S. 17–40). Erst mit dem Widerspiel zwischen einer letztlich willkürlichen Verfolgung durch die Götter und der Wahrnehmung eigener Entscheidungsgewalt des Titanen bzw., in der Folge, einem eigenen Existenzrecht der Menschen, das nur im Konflikt erstritten werden kann, bekommt der Prometheus-Mythos den tragischen Zuschnitt, den Hesiod nicht kennt, den Moritz ihm aber attestiert (s. S. 32,18–19 und 38,1–8). Wohl um diesen Konflikt in Szene zu setzen, blendet Aischylos den Opferfrevel (vgl. Wutrich 1995, S. 11) und die Pandora-Erzählung aus. Verglichen mit Prometheus in Fesseln erfährt die Konfliktkonstellation in der Götterlehre eine psychologische Wendung, insofern menschliche Naturanlagen einen Anteil an ihr haben, wenn sie nicht sogar ihren Kern bilden (s. S. 35,9–23). 30,9–10 J a p e t Ç. . .È hinabgeschleudert] Zum Ausgang der Titanomachie vgl. S. 24,26–31 und Erl. im vorliegenden Band. 30,11–17 M e n ö t i u s Ç. . .È über die Menschen bringen] Hesiod, Theogonie, 511–525, (Voss), S. 119f.: Klymene gebar den thörichten Sohn Epimetheus,

/ Der vom Beginn Weh schuf den erfindsamen Menschenkindern; / Weil er zuerst als Gattin von Zeus die gebildete Jungfrau / Annahm. Aber den Trozer Menötios sandte Kronion / Zeus in des Erebos Schlund mit schmetternder Flamme des Donners, / Wegen des frevelen Muts und der übergewaltsamen Mannskraft. / Atlas hält aus Zwang den weitumwölbenden Himmel. Ç. . .È Fest dann zwängt’ er 〈Zeus〉 in Bande den rathgeübten Pro-

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metheus, / Mit den gewaltsamen Banden die mittele Seule durchschlingend; / Und ihm sandt’ er daher den weitgeflügelten Adler, / Der die unsterbliche Leber ihm fraß; doch völlig umher wuchs / Alles bei Nacht, was bei Tage der mächtige Vogel geschmauset. Vgl. Banier 1, S. 218. 30,22–25 P r o m e t h e u s Ç. . .È neigen] Die Erzählung von Prometheus als Schöpfer des Menschen entstammt nicht Hesiods Epen, sondern ist erst seit dem 4. Jh. v. Chr. bezeugt (vgl. Luginbühl 1992, S. 224–228). Moritz’ Formulierung geht zurück auf Ovid, Metamorphosen 1,76–87: Sanctius his animal mentisque

capacius altae / deerat adhuc et quod dominari in cetera posset. / natus homo est, sive hunc divino semine fecit / ille opifex rerum, mundi melioris origo, / sive recens tellus seductaque nuper ab alto / aethere cognati retinebat semina caeli; / quam satus Iapeto mixtam fluvialibus undis / finxit in effigiem moderantum cuncta deorum. / pronaque cum spectent animalia cetera terram, / os homini sublime dedit, caelumque videre / iussit et erectos ad sidera tollere vultus. (Fink, S. 13: Noch fehlte ein Wesen, edler als diese Tiere und eher als sie befähigt zu hohen Gedanken, auf daß es die Herrschaft über alles übrige ausüben könnte – da trat der Mensch in die Welt, sei es, daß ihn aus göttlichem Samen jener Baumeister des Alls, der Schöpfer einer besseren Ordnung, hervorgehen ließ, oder daß die junge, eben erst vom hohen Äther getrennte Erde noch Samenkörner des verwandten Himmels enthielt. Diese Erde formte, vermischt mit Wasser vom Flusse, Prometheus, des Iapetos Sohn, nach dem Bild der alles regierenden Götter. Und während die anderen Wesen gebeugt zu Boden blicken, gab er dem Menschen ein hoch erhobenes Antlitz, hieß ihn den Himmel betrachten und sein Gesicht stolz zu den Sternen erheben). Aus affirmativer wie kritischer Perspektive sind Ovids Zeilen eine Referenzstelle für alteuropäische Debatten über den aufrechten Gang und die Position des Menschen im Schöpfungsganzen, die in den Metamorphosen als privilegiert bestimmt ist (Bayertz 2013, S. 13–15). Moritz (vgl. auch RDI 3, S. 184 [KMA 5/2]; VTO, S. 14 [KMA 3]) greift auf die Metamorphosen-Stelle zu einem Zeitpunkt zurück, zu dem die Überzeugung von der Vorzugsstellung des Menschen unter dem Eindruck von Metaphysikkritik und empirischer Naturerkundung längst in Frage stand. Zu den Denkern, die die kosmologische Sonderrolle des Menschen in Zweifel ziehen, gehören Montaigne, bei dem der aufrechte Gang Resultat einer kontingenten Entscheidung Gottes wird, ebenso Descartes und La Mettrie, in dessen Homme machine (1748) die aufrechte Haltung als mechanisches Phänomen erscheint, das physikalischen Gesetzen folgt. Die Götterlehre steht allerdings ihrerseits im Kon-

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text von Bemühungen, gegen die Naturwissenschaften an der Sonderrolle des Menschen festzuhalten, wie Herder sie in den Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1784–1791) unternahm (Bayertz 2013, S. 155–158; 165–171; 207–220). 30,26–31,9 Den Göttern Ç. . .È wechseln können] Das Spiegelverhältnis zwischen Natur und Mensch, das in der Kunst verdoppelt wird, behandelt Moritz in dem Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen; vgl. BNS, S. 20 (KMA 3): Von dem reellen und vollendeten Schönen also, was unmittelbar

sich selten entwickeln kann, schuf die Natur doch m i t t e l b a r den Wiederschein durch Wesen in denen sich ihr Bild so lebhaft abdrückte, daß es sich ihr selber in ihre eigene Schöpfung wieder entgegenwarf. – Und so brachte sie, durch diesen verdoppelten Wiederschein sich in sich selber spiegelnd, über ihrer Realität schwebend und gauckelnd, ein Blendwerk hervor, das für ein s t e r b l i c h e s Auge noch reizender, als sie selber ist. Zur Lehre von der menschlichen Gestalt als höchstem Gegenstand der Kunst, weil sie die inwohnende Vollkommenheit der Natur am deutlichsten durch ihre zarte Oberfläche schimmern, und uns, wie in einem hellen Spiegel, auf den Grund, unsres eigenen Wesens, durch sich schauen läßt, vgl. den Aufsatz In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 4. St., S. 164 (KMA 3). S. auch S. 72,4–10 mit den Erl. im vorliegenden Band. 30,29 verjüngt] Dem Begriff des Verjüngens, den Moritz in der Götterlehre und in anderen Schriften vielfach verwendet, fällt in dem Entwicklungskonzept, nach dem die Generationenfolge der Götter organisiert ist, als Bezeichnung von Metamorphoseprozessen eine Schlüsselrolle zu. In dem Begriff fließen Vorstellungen von Wandlung und Konstanz, Entwicklung und Wiederholung, Zerstörung und Erneuerung, Labyrinth und schöner Totalität zusammen. Verjüngung bezeichnet eine Veränderung in der Zeit (vgl. DW, KMA 11, S. 218,6; ferner S. 108,8–12 in diesem Band) und ist als naturförmige Verwandlung gedacht: Lasset

unsre große Lehrerinn, die Natur, uns fragen: wo hört der Kreislauf ihrer immer sich aus sich selbst entwickelnden, verjüngenden und verschönernden Bildungen auf, wo hebt er an? (Der Dichter im Tempel der Natur, in: Deutsche Monatsschrift 1793, 1. Bd., S. 72–78, hier: S. 77; vgl. auch In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 1 [1788], 2. Bd., 4. St., S. 166 [jeweils KMA 3]; ferner Die Signatur des Schönen, in: GL, KMA 6, S. 331f.; Anthusa, KMA 4/1, S. 52,17.) In der Götterlehre besteht im Sinn erneuernder

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Transformation zwischen Helios und Apoll ebenso ein Verjüngungs-Verhältnis wie zwischen Selene und Artemis, Gaia und Hestia oder Rhea und Kybele (s. S. 47,20–27; 48,2–8; 81,4–8; 105,33–106,2; 112,2–3). Der Vorgang des Verjüngens löscht das Vergangene nicht aus, sondern unterbindet im Gegenteil sein Absterben und hält es präsent; vgl. das Symbol der sich häutenden und verjüngenden Schlange als Bild der Genesung und Gesundheit (S. 212,6–9; vgl. auch S. 120,4–6). Insofern sind in dem Begriff ein Geschichtsmodell und eine gedächtnisgestützte Kulturtheorie enthalten. Das Verjüngungs-Konzept erklärt, aus welchem Grund und in welcher Weise eine Aneignung historischer Tatbestände stattfinden sollte, ebenso, welcher Gewinn davon zu erwarten ist: Das Vergangne ist

nicht vergangen, so lange es in jedes kommende Geschlecht sich noch mit unauslöschbaren Spuren drückt – und das Alte ist nicht alt geworden, so lange es noch in jeder neu aufkeimenden Einbildungskraft sich wieder verjüngen muß (Ueber die Würde des Studiums der Alterthümer, KMA 4/1, S. 5,28–31; ebenso in Anthusa, ebd., S. 18,6–9). – In Moritz’ Sprachgebrauch besitzt der Verjüngungs-Begriff andererseits den räumlichen Index einer Formung des Formlosen, zum Beispiel mit Blick auf die Überführung von Naturphänomenen oder anderen eher unbestimmten Erscheinungen in anthropomorphe Götterfiguren (s. S. 107,11–14 zu Hermes, in dem sich die Rede verjüngt) und auf die Verkleinerung des Übergroßen. In diesem Sinn schafft Verjüngung die Voraussetzungen dafür, dass ansonsten nicht als Ganzes Erfassbares, letztlich die Totalität der Natur, in reduziertem Maßstab wahrgenommen werden kann: Weil nun aber

dieser Abdruck des höchsten Schönen nothwendig an etwas haften muß, so wählt die bildende Kraft durch ihre I n d i v i d u a l i t ä t bestimmt, irgend einen sichtbaren, hörbaren, oder der Einbildungskraft faßbaren Gegenstand, auf den sie den Abglantz des höchsten Schönen in verjüngendem Maaßstabe überträgt (Der bildende Genius, in: GL, KMA 6, S. 377f.; s. BNS, S. 24f. S. auch VS 1, S. 144; jeweils KMA 3). So macht z. B. der Anblick der wollichten Heerde unter dem Schatten eines Baumes die Seele fähig, nach einem verjüngten Maßstabe die Größe und Schönheit dieses unbegreiflichen Weltalls zu messen (FTG, S. 6; KMA 2). Auch der Blick von oben bewirkt die Verjüngung des Komplexen und potentiell Disharmonischen zum überschaubaren Ganzen (RDI 3, S. 241f.; KMA 5/2). In Gestalt des Verjüngens setzen sich schließlich Naturprozesse in das nach dem Modell des Jahreskreislaufs gestaltete Kulturleben des antiken Rom fort (RDI 3, S. 220; KMA 5/2), ebenso in die Kunst: Denn ist sie 〈die Natur〉 es nicht, die mütterlich lehrend, nun Aug’ und Hand des Künstlers 〈Tizian〉 leitete, um in den Spiegel seines Genius sich

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selber verjüngt und verschönert wieder darzustellen? (RDI 3, S. 24; KMA 5/2) Allerdings weiß Moritz, dass das Verjüngen Leid verursacht und, bezogen auf den Einzelfall, ein Vernichtungsrisiko mit sich bringt: Die Natur liebt die Verjüngung; sie zerstört, um immer aufs neue wieder hervorzubringen (FTG, S. 11; KMA 2). Man vergleiche auch die scheiternde Verjüngungs-Kur, die die Töchter des Pelias nach Medeas Muster an ihrem Vater versuchen (S. 178,30–179,3 im vorliegenden Band). In dem Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen erläutert der Verfasser, dass das Schöne nur prozessual, auf dem Weg ununterbrochener nachahmender Kunstproduktion und unter Zerstörung des minder Vollkommenen, angestrebt werden kann. Beides, Zerstörung und Bildung, geht in den Verjüngungs-Begriff ein, der Erhaltung wie Fortentwicklung einschließt: Tod und Zerstöhrung selbst verlieren sich in den Begriff der ewig bildenden Nachahmung des über die Bildung selbst e r h a b n e n S c h ö n e n , dem nicht anders als, durch i m m e r w ä h r e n d s i c h v e r j ü n g e n d e s D a s e y n , nachgeahmt werden kann (BNS, S. 51f.; KMA 3). Verjüngung ist schließlich verwandt mit Moritz’ Begriff der Vereinfachung, der keine Simplifikation meint, sondern eine ohne Komplexitätsverlust bewerkstelligte Reduktion auf das Überschaubare. In diesem Sinn mag Vereinfachung, von Moritz als Leistung der Akademie der Wissenschaften betrachtet, ebenso als das literarische Verfahren verstanden werden, das dem Umgang mit den vielfach tradierten und diversifizierten Gegenständen der Mythologie in der Götterlehre zugrunde liegt; das Mythologiebuch leistet insofern selbst Verjüngungs-Arbeit: Je mehr nun aber die menschlichen Kenntnisse sich verviel-

fältigen, je unübersehbarer ihr Umfang, und je reicher von der Aussaat verflossener Jahrhunderte von Zeit zu Zeit die Erndte wird, um desto nöthiger scheint es zu seyn, daß die Kräfte des menschlichen Geistes, auf die edelste Benutzung dieses Reichthums, auf Organisation des Stoffs, und auf Vereinfachung des Vielfachen hinarbeiten (Ueber die Vereinfachung der menschlichen Kenntnisse. Eine Rede bey der Aufnahme in die königliche Akademie der Wissenschaften den 13. Oktober 1791, in: Deutsche Monatsschrift 1791, 3. Bd., S. 269–272, hier: S. 270; KMA 13). 31,2 sprechend und bedeutend] Vgl. Erl. zu S. 71,25–27. 31,12–16 Umriß Ç. . .È haben scheint] Abb. 3. Lippert, Dactyliothec 2, S. 2, Nr. 2 (Schublade 2/1). 31,19–21 er stieg Ç. . .È Leben gab] Die Götterlehre berichtet von einem zweimaligen Feuerdiebstahl. Dass Prometheus das Feuer entwendet, um den neu geschaffenen Menschen Leben zu geben, entspricht einer Version des Mythos, die

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sich in der lat. Kommentarliteratur und bei Fulgentius, Mythologiae 2,9 findet (Musäus 2005, S. 169–176). Zum zweiten Diebstahl vgl. S. 31,33–32,7 und Erl. Eine antike Fassung, in der beide Diebstähle zu einer einzigen Erzählung verbunden wären, wurde nicht ermittelt. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2091f.; Lippert, Dactyliothec 2, S. 2, Nr. 4. 31,22–24 So ist er hier Ç. . .È belebt wird] Abb. 3. Lippert, Dactyliothec 2, S. 2, Nr. 3 (Schublade 2/1): Des P r o m e t h e u s gebildeter Mensch war ohne Le-

ben und Sinne. Minerva bewunderte dieses Gemächte, und versprach ihm, wenn er etwas von dem 〈!〉 himmlischen Gaben dazu verlangte, wollte sie ihm dazu verhelfen. Sie nahm ihn auch auf ihrem Schilde mit in den Himmel. Da er sah, daß alles durchs himmlische Feuer belebt wurde, zündete er in geheim seine Ruthe an dem Wagen der Sonne an. Dieses Feuer hielt er an die Brust seines Menschen, und dadurch wurde er lebendig. Prometheus sitzet hier auf dem Olympus, und hält die angezündete Fackel danieder. Ueber derselben flieget ein Papillion, der, wie ich schon im vorigen Tausend erwähnet habe, das Symbolum der Seele ist. Zum Schmetterling als Bild der Seele vgl. auch S. 255,21–22 und Erl. im vorliegenden Band. 31,29–33 Als daher Ç. . .È können] Zum Opferbetrug vgl. Hesiod, Theogonie, 535–555, (Voss), S. 121–123, wo die Episode allerdings nicht als Teil der gegen die Menschen gerichteten Pläne des Göttervaters erzählt wird, sondern das Kräftemessen zwischen Zeus und dem verschlagenen Prometheus illustriert. – Bei Hesiod verbirgt Prometheus einerseits Fleisch und Innereien unter dem Pansen und bedeckt andererseits das Gerippe – wie bei Moritz – eines Stiers mit Fett. Bei Conti, Mythologiae, S. 207, 〈Anonym〉, Erläuterte Geschichte, S. 228, Banier 3, S. 216 und Hederich, Lexikon, Sp. 2092 schlachtet er hingegen zwei Stiere und verbirgt – wie bei Moritz – einerseits das Fleisch, andererseits die Knochen unter je einer Haut. 31,33–32,7 seinen Zorn Ç. . .È wiederbrachte] Vgl. Hesiod, Theogonie, 560–569, (Voss), S. 123f.; Werke und Tage, 49–52, (Voss), S. 9 (verkürzt auch Apollodoros 1,45, [Meusel], S. 16; s. ferner Hyginus, De astronomia 2,15). Allerdings berichtet Hesiod nichts vom Diebstahl bei der Sonne. Die röhrichte Pflanze, in der Prometheus das Feuer transportiert, ist nach Hesiod und Apollodoros (falsch übersetzt bei Meusel) ein Narthexrohr. Das Mark der Narthexpflanze lässt sich entzünden, ohne dass die Rinde mitverbrennt. 32,10–14 während daß Prometheus Ç. . .È sehen möchten] Aischylos, Prometheus in Fesseln, 247–254, (Schlosser), S. 55f.

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32,19 tragischen Dichtungen] Vgl. in den Erl. zu S. 30,8 die Hinweise zu Aischylos’ Prometheus in Fesseln. 32,23–34,22 Prometheus Ç. . .È G ö t h e ] Einem größeren Publikum war Goethes Prometheus-Hymne, die nicht genau datiert werden kann, mit einiger Wahrscheinlichkeit jedoch im Zusammenhang mit dem Fragment gebliebenen Prometheus-Drama von 1773 entstand, erst bekannt, seitdem Friedrich Heinrich Jacobi sie unautorisiert im Rahmen seiner Schrift Über die Lehre des Spinoza in Briefen an Herrn Moses Mendelssohn, Breslau 1785, veröffentlicht hatte. Moritz, der auch in DW auf die Hymne anspielt (KMA 11, S. 196,29–197,4), übernimmt allerdings nicht den Text dieses Erstdrucks, sondern legt die Fassung der ersten von Goethe selbst veranstalteten Veröffentlichung in Goethe’s Schriften 8, S. 207–209 zugrunde. Von dieser Version, die sich in Wortlaut, Strophen- und Zeileneinteilung, Orthographie und Zeichensetzung von der älteren unterscheidet, weicht Moritz’ Abdruck nur in wenigen Details ab (Unter der Sonn’ als euch,

Götter! – Ein Herz wie mein’s, – Die allmächtige Zeit / Und das ewige Schicksal). Die Hymne übertrifft die bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Bearbeitungen des Prometheus-Stoffs in der Oppositionshaltung, aus der heraus Prometheus als Schaffender nicht allein das Verhältnis zwischen Menschen und Göttern neu bestimmen will, sondern mithilfe mythologischer Bilder den Welterklärungsanspruch des Mythos insgesamt bestreitet (Philipp Theison, Art. Prometheus, in: DNP, Supplementbd. 5, S. 613f.). 34,23–35,9 Nun ließ Ç. . .È gewähren] In der von Moritz erzählten Form weist der Prometheus-Pandora-Mythos auf Hesiod, Werke und Tage, 42–105, (Voss), S. 8–14 als frühestes schriftliches Zeugnis zurück; mit einer nicht schriftlich überlieferten Vorgeschichte ist zu rechnen (Trousson 1964, 1, S. 11f.). Die auf Zeus’ Geheiß geschaffene Pandora ist nach Hesiod, Werke und Tage, 83–89 für Epimetheus bestimmt, der Prometheus’ Ratschlag missachtet, von Zeus keine Gaben anzunehmen. Das Übel besteht in Pandora selbst, denn mit ihr gelangen zweigeschlechtliche Fortpflanzung, Arbeit und Tod in die Welt. Die (vor den Werken und Tagen entstandene) Theogonie spricht in V. 570–612, (Voss), S. 124–127 ebenfalls von einer Jungfrau, die als Strafe für die Menschen von den Göttern geschaffen sei, nennt aber weder den Namen Pandora, noch berichtet sie von ihrem Fass. Auch in der Theogonie fällt die Erschaffung der Jungfrau mit der derjenigen der Frau als kaloÁn kakoÂn (kalo´n kako´n, Hesiod, Theogonie, 585) zusammen: Zeus habe die Weiber zum Unheil sterblichen Männern / Ç. . .È eingeführt (Hesiod, Theogonie, 600–602, [Voss], S. 126). – Ein seit langer Zeit bekanntes Interpretationsproblem bildet das Fass, das Pandora bei Hesiod öffnet

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und bis auf die Hoffnung entleert. Neueren Deutungen zufolge enthält das Fass nicht die Übel, die sich in der Welt verbreiten; vielmehr gilt es als Vorratsbehältnis, dessen Inhalt Pandora verbraucht (vgl. Musäus 2005, S. 13–66; Renger/ Musäus 2002, S. 201f.). Was zurückbleibt, könnte – negativ – die ›eitle Hoffnung‹ (Riedel 2012, S. 28f.) oder – positiv – die Erwartung durch Arbeit zu erwirtschaftender Ernten sein (Rösler 2012, S. 52f. Zur Diskussion aber auch Luginbühl 1992, S. 213–224). Die Interpretation, der zufolge in dem Fass Übel enthalten sind, ist allerdings ihrerseits schon antiken Ursprungs (Musäus 2005, S. 67–71; Renger/ Musäus 2002, S. 61; 63; 203–206). Die viel kleiner dimensionierte und leicht transportable Büchse, die sich nicht bereits an Ort und Stelle befindet, mit der Zeus Pandora ausstattet und der die Übel entweichen, wurde erst mit den Adagia 1,1,31, S. 34 des Erasmus von Rotterdam Bestandteil des Mythos und der Pandora-Ikonographie (Panofsky 1992, S. 27–38; Musäus 2005, S. 179–182; Renger/Musäus 2002, S. 190; Riedel 2012, S. 34), fand seitdem allerdings sprichwörtliche Verbreitung. Den Adagia entstammt auch die Variante, der zufolge Prometheus selbst das Geschenk ausschlägt, bevor Epimetheus es annimmt. Das Pandora-Exemplum illustriert in den Adagia das Sprichwort Malo accepto stultus sapit (Der Törichte wird erst klug, wenn er ein Übel erfahren hat): Diese also 〈Pandora〉

schickt Iuppiter, überhäuft mit allen Gaben der Schönheit, des Schmucks, des Geistes und der Sprache, mit einer Büchse, sehr schön anzusehen, die aber in sich alle Arten von Mißlichkeiten birgt, zu Prometheus. Dieser lehnt das Geschenk ab und ermahnt seinen Bruder, wenn irgendein Geschenk während seiner Abwesenheit ankäme, solle er es nicht annehmen. Pandora kommt abermals, überredet Epimetheus und schenkt ihm die Büchse. Sobald er [oder sie] sie geöffnet hatte und, als die Krankheiten herausflogen, Iuppiters Unglücksgaben bemerkte, begann er, allzu spät, klug zu werden (Übersetzung nach Renger/Musäus 2002, S. 73). In dieser Gestalt geben frühneuzeitliche Mythographen die Erzählung wieder, z. B. Conti, Mythologiae, S. 207f.; Banier 3, S. 217; 〈Anonym〉, Erläuterte Geschichte, S. 28; Hederich, Lexicon, Sp. 1872f. 34,30 Da konnte Ç. . .È Einhalt thun] Wegen der Vielzahl gegen die Götter gerichteter Taten ist in den mythologischen Erzählungen Prometheus’ Fesselung unterschiedlich motiviert. Der Umstand, dass Hesiod über die Bestrafung berichtet, bevor er von den Taten erzählt, sorgt in der Theogonie für ein gewisses Maß an Unschärfe. Da in der Theogonie die Frau nicht als Geschenk für Prometheus erschaffen wird, kommt sie auch als Anlass für die Bestrafung nicht in Betracht. In vielen neuzeitlichen Versionen gibt der Feuerdiebstahl den Anstoß zur Bestrafung

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(s. z. B. Damm, Einleitung, S. 131; Hederich, Lexicon, Sp. 2092f.). Dass Zeus Prometheus an den Felsen schmieden lässt, weil die Strafe, die Pandora überbringen soll, wirkungslos bleibt, berichten auch Conti, Mythologiae, S. 208 und Banier 3, S. 217. 34,30–35,1 sondern ließ Ç. . .È schmieden] Zur Fesselung des Prometheus vgl. schon S. 30,14–17 und Erl. Die Fesselung ist Gegenstand von Hesiods Theogonie, nicht hingegen der Werke und Tage. Moritz übernimmt allerdings weder Hesiods Bericht, in dem Prometheus an einen Pfahl gebunden wird (Theogonie, 521–522, [Voss], S. 120), noch die nicht Hesiodische Überlieferung, der zufolge die Bestrafung des Prometheus im Kaukasus stattfindet (Rösler 2012, S. 48). Dass Prometheus an einen Felsen geschmiedet wird (der sich in der Einöde Skythiens befindet), ist Aischylos, Prometheus in Fesseln, 1–11, (Schlosser), S. 27–29 zu entnehmen. 35,2 unvorsichtige Epimetheus] Anspielung auf die übliche Auslegung der Namen, die schon bei Hesiod, Theogonie, 510–511, (Voss), S. 119 angedeutet ist; Prometheus gilt als einer, der vorher berathschlaget (Hederich, Lexicon, Sp. 2090), Epimetheus hingegen als einer, der in der Sache selbst erst lernet oder der erst nach geschehener That berathschlagen will, was zu thun sey (ebd., Sp. 1013). 35,20 Sitz der Begierden] Vgl. Damm, Einleitung, S. 306, bei dem die Bemerkung über die Leber im Zusammenhang mit der Tityos-Sage steht. Damm zufolge erleidet Tityos nach seinem Tod eine ähnliche Strafe wie Prometheus, weil er Leto, die Mutter von Apoll und Artemis, vergewaltigt habe. Bei Damm liest man: Die

Dichter haben das nach ihrer Art erzählt: und endlich hat man was a l l e g o r i s c h e s und s i t t l i c h e s zu seinem Namen hinzugefügt. Denn die Leber heisset ein Sitz der Begierden, und das A u s f r e s s e n der Leber soll die immer wiederkommende Erneuerung der Begierde, nebst dem peinlichen oder beunruhigenden derselben vorstellen. Vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 2391f. Als antike Bezugsstellen kommen Homer, Odyssee 11,576–581, (Voss), S. 226; Vergil, Aeneis 6,595–600; Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 6,596 in Frage. – Dass die Begierden in der Leber ihren Sitz haben, gehört zum humoralpathologischen Wissen der Frühen Neuzeit; vgl. Johann Huart’s Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften. Aus dem Spanischen übersetzt von Gotthold Ephraim Leßing. Zweyte verbesserte, mit Anmerkungen und Zusätzen vermehrte Auflage von Johann Jakob Ebert, Wittenberg und Zerbst 1785, S. 407. 35,21–23 So ist dieser Dulder Ç. . .È auf dem Knie] Abb. 3; Winckelmann, Description, S. 316, Nr. III/10; nach Furtwängler 1896, Nr. 4127 eine Paste aus dem ersten Jh. vor oder nach Christus; Büttner 1983, S. 122, Anm. 36.

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35,24–28 Die vier Abbildungen Ç. . .È geschmiedet] Zu Prometheus als Menschenbildner und zum Flammenraub s. S. 31,12–16; 31,22–26 und Erl. Die PandoraDarstellung, Abb. 3, entspricht Lippert, Dactyliothec 2, S. 3, Nr. 5 (Schublade 2/1). 35,29–36,12 Nachdem Ç. . .È Angesicht sehen] Den Mythos von Deukalion und Pyrrha, von dem die Mythographie der Frühen Neuzeit auf der Grundlage antiker Überlieferungen zahlreiche Details und weitere Varianten kennt (vgl. z. B. Conti, Mythologiae, S. 587–590; Hederich, Lexicon, Sp. 897–901; vgl. auch Usener 1899, S. 31–43), fasst Moritz nach Ovid, Metamorphosen 1,253–415 zusammen, wo die Sintflut in der allgemeinen Verderbnis begründet ist, die das Menschengeschlecht ergriffen hat. Einschlägig sind insbesondere V. 313–329 (Deukalion und Pyrrha überleben als einzige die Flut und erreichen im Nachen den Parnass) sowie V. 367–415 (sie befragen das dort gelegene Orakel der Themis, deuten dessen Auskunft und bringen mittels der Steine das harte Geschlecht – genus durum, V. 414; vgl. auch Vergil, Georgica 1,63 – der Menschen hervor). Für Varianten vgl. Apollodoros 1,46–48, (Meusel), S. 16f. – Wohl ohne Vorbild ist Moritz’ Entscheidung, die Erzählung zeitlich und kausal mit dem Pandora-Mythos zu verknüpfen, sie zusammen mit einem knappen Seitenblick auf den Kadmos-Mythos als weiteres Beispiel für Härte und Konfliktualität als Eigenschaften des Menschengeschlechts im Rahmen des Prometheus-Mythos zu referieren und dabei drei Schöpfungsgeschichten (Prometheus, Deukalion und Pyrrha, Kadmos) nebeneinander zu stellen. 35,34–35 Parnassus Ç. . .È Themis war] Vgl. Erl. zu S. 52,16–17. 36,15 Kadmus] Vgl. S. 223,20–224,15 mit den Erl. 36,31–34 Es ist H e r k u l e s Ç. . .È befreiet] Zu Prometheus’ Befreiung durch Herakles s. S. 160,13–22 und Erl. 37,1–9 Allein die goldenen Ç. . .È aufzuzeichnen] Zum Mythos vom goldenen Zeitalter vgl. die ähnlichen Formulierungen in Anthusa, KMA 4/1, S. 150,19–33. 37,10–17 Wie die Götter Ç. . .È Ueberlebenden] Anders als an der ersten, an Vergil und Ovid erinnernden Stelle, an der Moritz vom goldenen Zeitalter spricht (S. 27,4–11), lehnt er sich hier an Hesiod, Werke und Tage, 109–126, (Voss), S. 14f. an. Bei Hesiod begründet der Prometheus-Pandora-Mythos eine Trennung zwischen Götter- und Menschenwelt, die im goldenen Zeitalter noch nicht vollzogen ist: Als gleichartig erwuchsen die Götter und sterblichen Menschen; / Erst

ein goldnes Geschlecht der vielfach redenden Menschen / Schufen die Götter hervor, der olympischen Höhen Bewohner. / Jen’ izt wurden von Kronos beherscht, da dem Himmel er vorstand; / Und sie lebten wie Götter, mit stets unsorgsamer Seele, / Von Arbeiten entfernt und Bekümmernis. Selber des Alters / Leiden war nicht; nein immer sich gleich an Händen

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und Füßen, / Freuten sie sich der Gelage, von jeglichem Übel entäußert, / Reich an Heerden der Flur, und geliebt den seligen Göttern; / Und wie in Schlaf hinsinkend, verschieden sie. Jegliches Gut auch / Hatten sie; Frucht gewährte das nahrungsprossende Erdreich / Immer von selbst, vielfach’ und unendliche; und nach Gefallen / Schaften sie ruhig ihr Werk im Überschwange der Güter. / Aber nachdem nun jenes Geschlecht absenkte das Schicksal, / Werden sie fromme Dämonen der oberen Erde genennet, / Gute, des Wehs Abwehrer, der sterblichen Menschen Behüter, / Welche die Obhut tragen des Rechts und der schnöden Vergehung, / Dicht in Nebel gehüllt, ringsum durchwandelnd das Erdreich, / Geber des Wohls: dies ward ihr königlich glänzendes Ehramt. Moritz lässt die Frage unbeantwortet, auf welche Weise die Idee von einem paradiesischen goldenen Zeitalter, das in der Vergangenheit liegt, mit derjenigen eines Prometheus vereinbart werden könne, der die Menschen als Konfliktwesen schafft und ihre Fortentwicklung (s. S. 32,11) initiiert. Zu diesem Grundproblem des Mythos mit Blick auf die gr. und röm. Literatur s. Kubusch 1986; Müller 2003, S. 33–41; 391–409. – Eine genaue Entsprechung zu der Verwandlung der Seelen der Abgeschiedenen in Schutzgeister der Ueberlebenden enthalten Hesiods Verse nicht, in denen es vielmehr die Menschen des goldenen Zeitalters sind, die nach dessen Ende als Schutzgeister auf der Erde wirken. Speziell zu Hesiods Weltaltermythos Luginbühl 1992, S. 197–211. 37,20–24 Nachher Ç. . .È Götter] Vgl. die in den Erl. zu S. 27,4–11 zusammengestellten Quellen. Zum Gegensatz zwischen der von Sorgen belasteten Menschenund der von ihnen freien Götterwelt vgl. das Homer-Zitat S. 206,9–10 und Erl. 37,25–33 Um die Flüchtigkeit Ç. . .È Sieg davon] Die Bemerkung bezieht sich auf die sog. Promethien; vgl. Deubner 1956, S. 211f. Pausanias 1,30,2, (Goldhagen) 1, S. 133 berichtet darüber: In der Akademie selbst ist ein Altar des Pro-

metheus. Von diesem laufen die Leute mit brennenden Fackeln in die Stadt: und es kommt bei dem Spiele darauf an, daß man mit einer brennenden Fackel bis an den bestimmten Ort kommt. Wem sie vorher auslöscht, der muß dem folgenden, oder dieser dem dritten den Sieg überlassen. Pausanias’ Bericht wird z. B. referiert von Conti, Mythologiae, S. 210; 〈Anonym〉, Erläuterte Geschichte, S. 34f.; Hederich, Lexicon, Sp. 2096. Die Deutung, der zufolge der Fackellauf die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit des Lebens bezeichne, dürfte von Moritz stammen. 38,1–3 Die Alten Ç. . .È beitrug] Vorgriff auf das Kapitel über die tragischen Dichtungen; vgl. S. 221,20.

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38,5–8 d e r e i s e r n e n N o t h w e n d i g k e i t Ç. . .È e r s t r e c k t ] Mit dem Akzent, den Moritz im Zusammenhang mit dem Tragischen auf das Schicksal legt (vgl. auch BNS, v. a. S. 42–52, KMA 3), unterscheidet er sich von vorangehenden Konzeptionen des Tragischen im 18. Jh.; im Vordergrund stehen dort Willensfreiheit, Schuld und individuelle Verwicklungen. Für eine Diskussion einschlägiger Positionen vgl. Costazza 1999, v. a. S. 434–439. – In mythologischer Hinsicht sind für die Ausführungen zu N o t h w e n d i g k e i t und S c h i c k s a l – neben antiken Quellen – die Kapitel in Banier 4, S. 109–136 grundlegend, die Parzen und Furien behandeln. Von Banier übernimmt Moritz auch, wenngleich mit Verschiebungen in der Bewertung, die Semantik des Dunklen und Geheimnisvollen. Die Unentrinnbarkeit von Schicksal und Notwendigkeit ist im Übrigen ein Basisthema der antiken Literatur – auch bei Autoren bzw. in Texten, die Moritz für die Götterlehre verwendet: Homer lässt in der Ilias (6,487–489, [Stolberg] 1, S. 171) Hektor sprechen: Gegen das Schicksal wird mich keiner hinab zu den Schatten / Sen-

den; seinem Geschick ist wohl kein Mensch noch entronnen, / Nicht der Feige, eben so wenig der tapferste Streiter. Bei Aischylos, Prometheus in Fesseln, 515–518, (Schlosser), S. 75–77 liest man: C h o r . Und wer hat ihn beschlossen, den unverbrüchlichen Rath? P r o m e t h e u s . Die drey Schwestern des Verhängnisses, und die Erynnen, die nichts vergessen. C h o r . Werden die mehr vermögen, als Zeus-Kronion? P r o m e t h e u s . Gewiß! Auch er kann nicht ändern, was sie verhängen. Aus dem letzten Chorlied in Euripides, Alkestis, 962–983, (Seybold), S. 66f.: Ich forschte in den Schriften / Der Weisen, aber fand / Nichts mächtiger als die N o t h w e n d i g k e i t . Von ihr kann nichts erretten, nicht / Was einst der Thracier auf seine Blätter / Schrieb, selber nicht die Mittel, / Die seinem Aesculap / Der Gott der Kräuter gab, / Den armen Sterblichen zur Rettung. / Ç. . .È Was Jupiter beschleußt, / verrichtet er durch dich. / Du, du zerbrichst das Eisen / Der Chalyber und nichts / Kann deinen stolzen Nacken beugen. Zu S c h i c k s a l und N o t h w e n d i g k e i t im Übrigen S. 40,3–42,3 mit den Erl. Speziell zu ihrer Macht auch über die Götter Conti, Mythologiae, S. 137; Hederich, Lexicon, Sp. 1880; Banier 4, S. 126; ferner S. 41,22–42,8 mit den Erl. in diesem Band. Zur möglichen Rezeption durch Wilhelm von Humboldt s. Costazza 1999, S. 392f. 38,12–14 Als Jupiter Ç. . .È b e t r ü b e n ] Homer, Ilias 14,258–261, (Stolberg) 2, S. 46f., lässt den Schlaf folgendermaßen sprechen: Zeus hätte vom Himmel / In

die Fluten des Meers mich stürzend auf ewig verborgen / Hätte die Nacht mich nicht, die Götter und Menschen besieget, / und zu welcher ich floh, gerettet; da ließ er sein Zürnen, / Denn er scheute sich, die schnelle Nacht

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zu betrüben. – Moritz’ vielleicht an die Stolberg-Übersetzung angelehnte Formulierung d e n n e r f ü r c h t e t e s i c h , d i e s c h n e l l e N a c h t z u b e t r ü b e n ist ein vollständiger Hexameter. 38,21 Aus ihrem Schooße Ç. . .È gebohren] Hesiod, Theogonie, 124–125, (Voss), S. 87. Hederich, Lexicon, Sp. 1745. 38,23–39,5 die Mutter Ç. . .È K u m m e r s ] Moritz orientiert sich an dem Katalog der Kinder der Nacht, den Hesiod aufzählt. Er übergeht dabei Ker (KhÂr) bzw. die Keren als Verkörperung des gewaltsamen Tods (vgl. aber S. 42,21–25 und Erl.), Liebe (FiloÂthw, Philo´tes) und Alter (GhÄraw, Ge´ras). Der n a g e n d e K u m m e r (Moritz) bzw. die hart anfechtende Mühsal (Voss) ist OiÆzyÂw (Oizy´s [Hesiod, Theogonie, 214]), lat. aerumna (vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 112); die h ä m i s c h e Ta d e l s u c h t entspricht Momos (vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1660). – Hesiod, Theogonie, 211–225, (Voss), S. 94f.: Kinder der Nacht sind das grause Geschick, und die dunkele Ker auch, / Samt dem Tod’, und dem Schlaf, und dem schwärmenden Volke der Träume; / Keinem gesellt in Liebe gebar sie die finstere Göttin. / Weiter den Momos darauf, und die hart anfechtende Mühsal, / Hesperiden zugleich, jenseit der Okeanosströmung, / Die Goldäpfel bewachen, und Goldfrucht tragende Bäume; / Auch die Pönen gebar sie, die grausam strafenden Keren, / Welche, der Menschen und Götter Vergehungen strenge verfolgend, / Nie, die Göttinnen! ruhn vom schrecklichen Grimme des Zornes, / Bis sie verderbliche Rach’ an jedem geübt, der gesündigt. / Jezo die Nemesis auch, den sterblichen Menschen zum Unheil, / Zeugte die Nacht; hierauf den Betrug und die Liebe gebar sie, / Auch unseliges Alter, und hart anringende Zwietracht. Vgl. auch Banier 1, S. 214f. 38,25 Parzen Ç. . .È A t r o p o s ] Die Moiren, lat. Parzen, die Hesiod, Theogonie, 217–218, (Voss), S. 95 als Töchter der Nacht nennt, erscheinen an späterer Stelle desselben Werks erneut, jetzt aber als Töchter des Zeus und der Themis, der Göttin der Gerechtigkeit (V. 904–906, [Voss], S. 152). Zu diesem Problem Banier, Dissertation sur les Parques, S. 25f., sowie Banier 4, S. 124. Vielleicht um dem Widerspruch zu entgehen ersetzt Voss in seiner Übersetzung der Theogonie an der erstgenannten Stelle die Moiren durch die Pönen – Poine´ ist eine Straf- und Rachegottheit, die in der Theogonie nicht genannt wird (s. Erl. zu S. 38,23–39,5). Moritz setzt sich mit der doppelten Genealogie in der Götterlehre S. 53,11–19 auseinander. 38,27–28 Brüder S c h l a f Ç. . .È Busen trägt] Die Charakterisierung von Schlaf und Tod, die in Hesiod, Theogonie, 212, (Voss), S. 94 als Abkömmlinge der Nacht genannt sind, orientiert sich an Hesiod, Theogonie, 762–766, (Voss), S. 140: Jener

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〈der Schlaf〉 geht auf der Erd’ und dem weiten Rücken des Meeres / Ruhig

immer umher und freundlich den Menschenkindern. / Diesem starrt von Eisen der Sinn, und das eherne Herz ist / Mitleidslos in der Brust; und welchen er hascht von den Menschen, / Hält er fest: ein Entsezen sogar unsterblichen Göttern. Die Formel von den Brüdern S c h l a f und To d stammt allerdings aus Homer, Ilias 16,672; 682, (Stolberg) 2, S. 114. 39,6–10 Der M ü h e Ç. . .È M e i n e i d e s ] Die folgende Reihe geht auf Hesiod, Theogonie, 226–232, (Voss), S. 95f. zurück. Daraus lässt Moritz u. a. Vergessen, Schmerzen, Zwietracht und Gesetzlosigkeit unberücksichtigt: Eris, der Zwietracht Göttin, gebar mühselige Arbeit, / Auch Vergessenheit, Hunger zugleich, und thränende Schwermut, / Kriegesschlacht, und Gefecht, und Mord, und Männervertilgung, / Hader, und teuschende Wort’, und Gegenworte des Eifers, / Ungesez, und Schuld, die traut umgehn mit einander; / Auch den Eid, der am meisten den sterblichen Erdebewohnern / Schaden bringt, wenn einer mit Fleiß Meineide geschworen. Die von Moritz genannten Gottheiten stammen bei Hesiod allerdings nicht direkt von der Nacht ´ ris), dem Streit, die ihrerseits eine Tochter der Nacht ist; ab, sondern von ÍEriw (E vgl. auch Bergier, Ursprung 1, S. 315. In der Zuordnung zur Nacht könnte Moritz Banier 1, S. 214f. oder auch Hederich, Lexicon, Sp. 1746 folgen. Letzterer zählt zu den Kindern der Nacht auch die von Hesiod als Nachkommenschaft der Eris angeführte Reihe (den K u m m e r , den H a d e r , die Ve r g e s s e n h e i t , den

H u n g e r , den S c h m e r z , den S t r e i t , den M o r d , die S c h l a c h t e n , die N i e d e r l a g e n , die Z ä n k e r e y e n , die L ü g e n , die Ve r a c h t u n g d e r G e s e t z e , die M i s h a n d l u n g , und den E i d s c h w u r ). 39,14–18 Abbildung der Nacht Ç. . .È entworfen] Abb. 4. Unter den Stichen, die in die Götterlehre aufgenommen wurden, ist Die Nacht mit ihren Kindern Schlaf und Tod ein Ausnahmefall, insofern Asmus Jakob Carstens für die Vorzeichnung keine Bildvorlage antiker Provenienz, sondern nur Pausanias’ Beschreibung zur Verfügung stand. Dasselbe Thema behandelte Carstens in seinen röm. Jahren noch einmal (Die Nacht mit ihren Kindern). S. Einem 1958; Büttner 1983, S. 104f. 39,18–24 Beschreibung des Pausanias Ç. . .È zu schlafen schien] Den Kasten des Cypselus, der nicht erhalten ist, beschreibt Pausanias ausführlich in seiner Griechenland-Periegese (Pausanias 5,17,5–5,19, [Goldhagen] 1, S. 631–640). KyÂcelow (Ky´pselos, vermutlich 657–627 v. Chr.), ein Tyrann von Korinth, wurde nach Herodot 5,92 b–e, (Goldhagen), S. 425–427 als Kind von seiner Mutter Labda vor einem Mordanschlag der regierenden Herrscherfamilie der Bakchiaden in

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einem Kasten (kyceÂlh, kypse´le) gerettet. Diesen Behälter, tatsächlich jedoch ein mit Elfenbeinintarsien und Schnitzwerk verziertes Schaustück aus Zedernholz, datiert auf die Zeit um 600 v. Chr., brachten, Pausanias zufolge, Kypselos’ Nachkommen als Votivgabe in den Heratempel von Olympia (vgl. die Art. Kypselos und Kypseloslade in DNP 6, Sp. 997f.). Für einen Versuch, die darauf angebrachten mythologischen Szenen in ihrer räumlichen Anordnung zu rekonstruieren, vgl. Heyne, Ueber den Kasten des Cypselos, Ausfaltblatt nach S. 72. Auf den Bildfeldern fand sich auch eine Darstellung der Nacht mit Tod und Schlaf; die Übersetzung vergröbert, insofern ihr zufolge auch der schwarze Knabe schläft (statt dem Schlafenden zu gleichen): Nun wollen wir herumgehen und erstlich die Fi-

guren auf der linken Seite des Kastens anzeigen. Erst zeiget sich eine Frau, die auf der rechten Hand einen weissen, und auf der linken einen schwarzen Knaben trägt, die beyde schlafen, und beyde krumme Beine haben. Die Ueberschriften zeigen an, was man doch auch ohne dieselben merken kann, daß der eine der Tod, der andre der Schlaf, und die Frau die Nacht, ihre Pflegemutter sey (Pausanias 5,18,1, [Goldhagen] 1, S. 634). – Lessing, Wie die Alten den Tod gebildet (1769), in: Werke und Briefe 6, S. 723 wertet diese Beschreibung als Belegstelle für die Verwandtschaft von Tod und Schlaf in antiken Darstellungen. Während Lessing die Darstellung der Schrecken des Todes in Gestalt eines scheußlichen Gerippes dem Christentum zur Last legt und ihr das alte heitere Bild des Todes als eines schlafenden Jünglings gegenüberstellt (ebd., S. 778), versucht Herder in seinem gleichnamigen Aufsatz (1774, in: Sämmtliche Werke 5, S. 656–675; umgearbeitet und erweitert ebd. 15, S. 429–485), den Moritz einem Brief vom 17. Februar 1787 an den Verfasser zufolge kannte (abgedruckt bei Eybisch 1909, S. 209–211; KMA 13), bei gleichzeitiger Distanzierung von Lessings religionskritischem Gestus nachzuweisen, dass die antike Kunst weder ein einheitliches noch ein eigentliches Bild des Todes kannte. Auch in der von Pausanias beschriebenen Darstellung umgehe sie den Tod und stelle stattdessen den schlafenden Toten nebst dessen eigenem Lebensgenius als B r u d e r d e s S c h l a f s vor (Herder, Wie die Alten den Tod gebildet? In: Sämmtliche Werke 5, S. 665). Weitere Hinweise in Anthusa, KMA 4/1, Erl. zu S. 254,14–18. Zu Tod und Schlaf auch der Endymion-Mythos S. 220,12–16 mit den Erl. im vorliegenden Band. – Bei der Deutung der Formulierung aÆmfoteÂroyw diestrammeÂnoyw toyÁw poÂdaw (Pausanias 5,18,1) orientiert sich Moritz an Lessing, der ältere Übersetzungen (krumme Beine; vgl. die Übertragung von Goldhagen) durch ü b e r e i n a n d e r g e s c h l a g e n e Füße als natürliche Schlafhaltung ersetzen möchte (Lessing, Laokoon, in: Werke und Briefe 5/2, S. 96f., Anm., sowie ders., Wie die Alten den

Stellenerläuterungen

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Tod gebildet, in: Werke und Briefe 6, S. 731–735; dagegen Herder, Wie die Alten den Tod gebildet? In: Sämmtliche Werke 5, S. 671f.). Folgt man hingegen Heyne, so spricht Pausanias von gebogenen und auswärts gekrümmten Füßen (Ueber den Kasten des Cypselos, S. 28), die das Schwache und Kraftlose überhaupt, und insbesondere an dem Schlafe und dem Tode den Zustand der Entkräftung (ebd., S. 31) ausdrücken sollen. 39,29–40,2 antiken Gemme Ç. . .È aufzulesen] Abb. 4. Lippert, Dactyliothec 1, S. 97f., Nr. 226 (Schublade 1/5). Das Original befindet sich heute in Paris, Bibliothe`que Nationale. Kris hält die Gemme nicht für ein antikes Stück, sondern für ein Werk des italienischen Gemmenschneiders Valerio Belli (ca. 1468–1546). Thema der Darstellung ist Kris zufolge eher »Ceres, die Kunst des Ackerbaues lehrend« (Kris 1929, 1, S. 164, Nr. 211; vgl. Büttner 1983, S. 99; 104). 39,32–40,1 Morpheus Ç. . .È Kinder des Schlafes] Literarische Belegstelle für Morpheus’ Abkunft vom Schlaf, für seine Fähigkeit, sich in der Gestalt menschlicher Traumbilder zu zeigen, und für seine Brüder Eikelos/Phobetor und Phantasos, die, ebenfalls nächtens, in tierischer bzw. gegenständlicher Form erscheinen, ist Ovid, Metamorphosen 11,633–647. Vgl. Banier 4, S. 149; Hederich, Lexicon, Sp. 1664f. 40,12–13 wunderbares Gefallen Ç. . .È Zerstörung] Die Formulierung schließt an Theorien des 18. Jhs. zum Erhabenen an, die sich mit dem Vergnügen an nichtschönen, schreckenerregenden Gegenständen befassen. In einer Reihe von Veröffentlichungen, die perspektivisch auf eine Trennung von ästhetischen und moralischen Urteilen zulaufen, beschäftigt sich Moses Mendelssohn mit diesem Thema; vgl. Rhapsodie, oder Zusätze zu den Briefen über die Empfindungen (1771), in: JubA, S. 383f.: Das im Erdbeben untergegangene L i s s a b o n reizte

unzehlige Menschen, diese schreckliche Verwüstung in Augenschein zu nehmen. Nach dem Blutbade bey *** eilten alle unsere Bürger auf das mit Leichen besäete Schlachtfeld. Der Weise selbst, der mit Vergnügen durch seinen Tod dieses Uebel verhindert haben würde, watete, nach geschehener That, durch Menschenblut, und empfand ein schauervolles Ergötzen bey Betrachtung dieser schrecklichen Stäte. S. auch Sulzer, Theorie 2, S. 97–114; vgl. im Übrigen Zelle 1987, S. 315–378. Mit der Transformation des Leidbringenden in Kunst beschäftigt sich Moritz auch in dem Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen, besonders im Schlussteil (BNS, S. 40–52, KMA 3). Zum Ganzen Costazza 1995. 40,18–20 Die unerbittlichen Parzen Ç. . .È der Sterblichen] Vgl. Conti, Mythologiae, S. 145: Cum gravissimae scelerum ultrices haberentur Eumenides, magna fuit earum reverentia apud omnes gentes (Obwohl die Eumeniden

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als strengste Rächerinnen von Verbrechen galten, genossen sie hohe Verehrung bei allen Heiden). Banier 4, S. 116: So furchtbare Göttinnen wurden mit ganz besondrer Sorgfalt verehrt. Zur Verehrung von Moiren und Eumeniden bzw. Erinyen ebd., S. 116–120; 133f.; ders., Dissertation sur les Parques, S. 45–47; ders., Dissertation sur les Furies, S. 67–72. Vgl. ferner Vossius, De theologia gentili, S. 828; Hederich, Lexicon, Sp. 1129f.; 1882f. Auf die Verehrung der Parzen im antiken Rom – im Zusammenhang mit den Ludi saeculares – verweist Moritz in Anthusa, KMA 4/1, S. 182; 193f.; 204 mit den Erl. Zu den Eumeniden im Übrigen S. 251,19–28 mit den Erl. in diesem Band. 40,21 Sorgen und der drückende Kummer] Vgl. die Serie ›dunkler‹ Gottheiten, die S. 38,23–39,10 aufgezählt werden. Allerdings sind die Sorgen in diesem Katalog nicht enthalten. 40,27–30 Z u s a m m e n h a n g e Ç. . .È E i m a r m e n e ] Eimarmene bzw. eiëmarmeÂnh (Heimarme´ne), die als Bezeichnung für Nothwendigkeit mit ÆAnaÂgkh (Ana´nke) bzw. Necessitas konkurriert, ist zunächst ein philosophischer Begriff, unter dem seit den Vorsokratikern im sechsten vorchristlichen Jh. Fragen der Schicksalsmacht diskutiert wurden, mit besonderer Intensität in der stoischen Philosophie seit dem 4./3. Jh. v. Chr. Erst sekundär sind einschlägige Kulthandlungen und Personifikationen zu beobachten; s. Gundel, Art. Heimarmene, in: RE 7/2, Sp. 2622–2645. Die Identifikation von Heimarmene mit Ananke findet sich auch in orphischen Theogonien; vgl. Erika Simon, Art. Ananke, in: LIMC 1/1, S. 757f. Wenn Moritz’ Formulierungen sich nicht schon auf Platons Mythos vom Jenseits (S. 41,5–14 und Erl.) beziehen, könnte ihnen zuletzt auch Cicero, De divinatione 1,125 zugrunde liegen: fatum autem id appello, quod Graeci eiëmarmeÂnhn, id

est ordinem seriemque causarum, cum causae causa nexa rem ex se gignat. ea est ex omni aeternitate fluens veritas sempiterna (Schäublin, S. 125: Mit ›Schicksal‹ aber meine ich das, was die Griechen mit dem Begriff heimarme´ne erfassen, d. h. die Reihung und Verkettung der Ursachen, da eine Ursache, mit der andern verknüpft, je eine Wirkung aus sich hervorgehen läßt. Das ist die aus aller Ewigkeit fließende wesenhafte Notwendigkeit, die kein Ende kennt). Aus dieser Schrift übersetzt Moritz einen Ausschnitt in DW (KMA 11, S. 133f.). – In der mythographischen Literatur der Frühen Neuzeit spielt Heimarmene alles in allem nur eine Nebenrolle. Vossius, De theologia gentili, S. 202 stellt im Rahmen einer ausführlichen Diskussion schicksalsbezogener Begriffe auf der Basis zahlreicher antiker Quellen fest, Fatum, quod Graecis eiëmarmeÂnh, ac peprvmeÂnh, idem esse ac Parcam, sive MoiÄran (dass das Fatum, das

bei den Griechen Heimarme´ne bzw. Peprome´ne heißt, mit der Parze bzw.

Stellenerläuterungen

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der Moira identisch ist). Vgl. ebd., S. 212–214 zum stoischen Fatum. Banier 3, S. 760 zufolge ist ganz augenscheinlich, daß man sie 〈Fortuna, die Göttin des Glücks〉 von dem Schicksale, oder demjenigen Verhängnisse, welches die Griechen E i m a r m e n e nannten, nicht unterschieden habe. Vgl. auch ebd. 4, S. 126; 131f. Banier, Dissertation sur les Parques, S. 39f. 40,32–33 deren Dienerinnen die unerbittlichen P a r z e n waren] Banier 4, S. 125f.: Da das Verhängniß eine blinde Gottheit war, die alle Dinge vermittelst einer Macht einrichtete, deren Wirkungen sie weder zuvorkommen, noch wehren konnte, so mußten derselben Dienerinnen zugegeben werden, die ihre Befehle vollstreckten, und man ersann daher die drey P a r z e n . Vgl. ferner Banier, Dissertation sur les Parques, S. 28f.; 36. S. aber auch Banier 4, S. 129f. mit einer Diskussion über weitere Dienstverhältnisse der Parzen. 41,1–2 K l o t h o Ç. . .È schneidet ihn ab] Die Formulierung lehnt sich an einen in verschiedenen Varianten anonym überlieferten lat. Merkspruch an (Anthologia latina 792, S. 258): Tres sunt fatales quae ducunt fila sorores: / Clotho colum baiulat, Lachesis trahit, Atropos occat. Banier, Dissertation sur les Parques, S. 31; Banier 4, S. 127: Clotho colum retinet, Lachesis net, & Atropos occat. Aus mythologischen Kompilationen des 17. und beginnenden 18. Jhs. zitiert Hederich, Lexicon, Sp. 1881 diese Version: C l o t h o fert fusum, L a c h e s i s rotat, A t r o p o s occat. Ferner: C l o t h o colum gestat, L a c h e s i s net, & A t r o p o s occat. Diese letzte Variante auch bei Hager, S. 546. Hederich paraphrasiert die semantisch eigenartigen Verse folgendermaßen: Klotho hielt von ihnen einen Rocken,

Lachesis spann von solchem einen Faden, und wenn selbiger so lang war, als er seyn sollte, so schnitt ihn Atropos mit einer Scheere ab. 41,3–4 der selbst die Götter unterworfen sind] Vgl. S. 38,5–8; 41,22–30. 41,4–5 weiblich und schön gebildet] Dass die Eumeniden schön gebildet seien, schreibt Winckelmann, Geschichte 1776 1, S. 310, über bildliche Überlieferungen: Es finden sich dieselben insgemein bey dem Tode des Meleagers, und sind schöne Jungfrauen, mit oder ohne Flügel auf dem Haupte. Vgl. auch Moritz’ Beschreibung von Darstellungen der Parzen auf Münzen aus der Sammlung Stosch S. 42,26–43,19 in diesem Band. – In RDI 2, S. 121 (KMA 5/2); VTO, S. 105 (KMA 3) sind die Parzen als Verzierung eines antiken Sarkophagdekkels erwähnt. Eine weitere Beschreibung in VTO, S. 109 (KMA 3) betrifft den Gebrauch, den Johann Gottfried Schadow bei dem Grabmal des Grafen Alexander von der Mark von dem Parzenmotiv macht. 41,5–14 in den Gesang Ç. . .È gelenkt wird] Die Passage geht, wie schon Einem 1958, S. 32 feststellt, zurück auf den Schlussmythos in Platons Politeia, wo der

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Götterlehre

Philosoph das kosmologische Modell einer harmonischen Gestalt der Welt entwickelt (Platon, Politeia 10,617b–d, [Kleuker], S. 754f.): Das ganze Spindelwerk

drehet sich in dem Schoße der Nothwendigkeit. Auf jeden einzelnen der Zirkel dieses Wirbelwerks aber ist oben eine Sirene gesetzt, die mit im Kreise umgehet, und immer einen und denselben Ton mit starker Stimme hören lässet; daher aus allen diesen acht Tönen eine vollkommene Harmonie im Zusammenklange erschallt. / Um das Wirbelwerk sitzen in gleichen Entfernungen drei andere, jede auf einem Throne, nämlich die Töchter der Nothwendigkeit, die Gewalthaberinnen des Schicksals, in weißes Gewand gekleidet, und Kronen auf dem Haupte tragend, Lachesis und Klotho und Atropos, welche mit in die Harmonie der Sirenen stimmen. Ç. . .È Dazu berührt die Klotho dann und wann mit ihrer rechten Hand das Aeußere des Spindelwerks, und drückt ihm dadurch die umkreisende Bewegung ein, und eben so greift Atropos mit ihrer linken in die innere Wirbel, um die innere Bewegung zu unterhalten, Lachesis hingegen berührt so wohl mit der rechten als linken Hand bald das äußere des Spindelwerks, bald das Innere der Wirbel. Wahrscheinlich hat Moritz jedoch nicht Platon konsultiert, sondern Banier (Dissertation sur les Parques, S. 51; Banier 4, S. 130f.), der Platons Kosmologie referiert. Platons Mythos könnte in der Götterlehre als Bezugspunkt für die Idee dienen, dass die von den Eumeniden repräsentierte Nothwendigkeit den Charakter einer allgemeinen Gesetzlichkeit besitzt, nicht etwa den einer willkürlich agierenden Gewalt. 41,11 Umwälzungen] Astronomisch bezeichnet Moritz als Umwälzungen die gesetzmäßigen Kreisbewegungen der Himmelskörper. Vgl. z. B. Anthusa, KMA 4/1, S. 251,25–30: Der siebenmalige Umlauf selber aber, welcher nach der wie-

derkehrenden Stundenzahl v i e r u n d z w a n z i g m a l wiederhohlt wurde, hatte, nebst den Schranken, wo man auslief, und deren gerade z w ö l f e , nach der Zahl der himmlischen Zeichen waren, zugleich eine geheimnißvolle Bedeutung auf die Umwälzung des Sonnenjahrs und den bestimmten Lauf der Zeit. – Umwälzung taugt im weiteren Sinn zur Beschreibung des Naturganzen; vgl. KL, KMA 6, S. 193: So wie nun nicht das Stillstehende, sondern das Lebende und sich Bewegende, diese unaufhörliche U m w ä l z u n g und K r e i s l a u f in den Dingen das eigentliche Wesen der We l t ausmacht – . Für weitere Belege in der Götterlehre vgl. S. 43,18; 72,17. – Allerdings schließt Umwälzung auch die Vernichtung des Individuellen ein, die Gegenstand von Moritz’ ästhetischer Theorie ist; vgl. Der Dichter im Tempel der Natur, in: Deutsche Monatsschrift 1793, 1. Bd., S. 72–78, hier, S. 76 (KMA 3):

Stellenerläuterungen

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Wohin wir blicken, sehen wir eine immerwährende Bildung des Einzelnen zum Ganzen und dieses Ganzen wieder zu einem größern, und immer größern, uns zuletzt undenkbarem Etwas, das unsre stammelnde Zunge, da wo sie den sich immer selbst umwälzenden Begriffen nicht weiter folgen kann, in der letzten Anstrengung ihrer Kraft, das All, das große Ganze, die Natur nennt. Vgl. auch LP, S. 357f. 41,23–30 Sarpedon Ç. . .È beweinen] Der lykische König Sarpedon ist nach Homer, Ilias 6,196–199, (Stolberg) 1, S. 160 Sohn des Zeus und der Laodameia sowie mütterlicherseits Enkel des Bellerophontes. Moritz spielt auf Sarpedons Tod im Kampf gegen Patroklos an (Ilias 16,419–683, [Stolberg] 2, S. 105–114), v. a. auf 16,433–438, (Stolberg) 2, S. 105, wo Zeus spricht: Wehe mir, daß Sarpädon,

mein Liebling unter den Menschen, / Soll erliegen der Hand Patroklos’, des Menoitiaden! / Zwiefach theilt sich noch mein Herz, mit wankendem Vorsaz: / Ob ich ihn lebend entreisse dem thränenerregenden Kampfe, / Und hinüber ihn bringe zu Lükias reichem Volke; / Oder unter die Faust des Menoitiaden ihn thue. Ferner ebd. 16,450–457, (Stolberg) 2, S. 106 (aus Heras Antwort): Aber wo er dir wehrt ist, sein dein Herz sich bekümmert; / O so wollest du zwar ihn in der blutigen Feldschlacht / Lassen sterben unter der Hand des Menoitiaden: / Aber wenn die Seel’ ihn mit dem Leben verlassen, / Uebergieb ihn dann dem Tod’ und dem sanften Schlafe; / Daß sie ihn bis zum Volke des großen Lükiens bringen. / Seine Brüder werden ihn dort und Freunde bestatten, / Ihm mit Hügel und Grabstein die Ehre der Todten erzeigen. Vgl. auch ebd. 16,667–683, (Stolberg) 2, S. 114. Dass nicht einmal die Götter das Todeslos abwenden können, sagt auch Homer, Odyssee 3,236–238, (Voss), S. 53f. 41,31 Ulysses] Vgl. die ausführlichere Zusammenfassung von Homers Odyssee S. 244,31–245,31 in diesem Band. 42,1–2 ruhigen Hafen der Lästrigonen] Zwischen dem Besuch auf der Insel des Windgotts Aiolos und der Weiterfahrt zur Zauberin Kirke geraten Odysseus und seine Gefährten zu den Laistrygonen (Homer, Odyssee 10,80–132, [Voss], S. 186–188). Über deren Hafen heißt es in Odyssee 10,87–94, (Voss), S. 186: Jezo

erreichten wir den treflichen Hafen, den ringsum / Himmelanstrebende Felsen von beiden Seiten umschließen, / Und wo vorn in der Mündung sich zwo vorragende Spizen / Gegen einander drehn; ein enggeschloßener Eingang! / Meine Gefährten lenkten die gleichgezimmerten Schiffe / Alle hinein in die Bucht, und banden sie dicht bei einander / Fest; denn niemals erhob sich eine Welle darinnen, / Weder groß noch klein; rings herschet

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Götterlehre

spiegelnde Stille. Die Laistrygonen erweisen sich im Fortgang der Handlung als kannibalische Riesen, denen – bis auf dasjenige des Odysseus – alle Schiffe samt ihren Besatzungen zum Opfer fallen. In RDI 2, S. 14f. (KMA 5/2) zitiert Moritz diese Verse im Zusammenhang mit der Beschreibung des Hafens von Formia, den er im Anschluss an röm. Autoren, z. B. Cicero, Epistolae ad Atticum 2,13,2, für den Schauplatz der Laistrygonen-Episode hält. Vgl. auch S. 244,34–245,2 in diesem Band. 42,2 Gesange der Sirenen] In Homers Odyssee ziehen die beiden Sirenen vorüberfahrende Seeleute mit unwiderstehlich schönem Gesang an, um sie anschließend umzubringen. Dieser Herausforderung begegnet Odysseus, indem er seinen Gefährten die Ohren mit Wachs verstopft, während er selbst sich am Mast festbinden lässt. Vgl. Homer, Odyssee 12,39–54; 158–200 (Voss), S. 230f.; 235f. 42,2–3 Zaubertrank der Circe] Nach dem Laistrygonen-Abenteuer kommt Odysseus zu der Zauberin Kirke, die seine Gefährten auf der Insel Aiaia mit Hilfe eines Weingemischs in Schweine verwandelt. Odysseus selbst widersteht mit Hermes’ Hilfe der Verzauberung, sorgt für die Rückverwandlung der Gefährten und verbringt anschließend ein Jahr bei Kirke. Vgl. Homer, Odyssee 10,135–574, (Voss), S. 188–204. 42,4–5 Ulysses mag Ç. . .È weit davon verschlagen] Anspielung auf Homer, Odyssee 10,17–55, (Voss), S. 184f., wo die Gefährten des Odysseus den mit Winden gefüllen Schlauch des Aiolos, des Herschers der Winde, öffnen, als in der Nacht bereits die Wachtfeuer von Ithaka in Sicht kommen. Die aus dem Schlauch entweichenden Winde treiben das Schiff wieder nach Aiolia zurück. 42,7–8 die Phäazier Ç. . .È in seine Heimath bringen] Für die Phaiaken verwendet Moritz unterschiedliche Schreibweisen. Vgl. z. B. S. 84,28–29 (Phäacier). – Die Heimkehr des schlafenden Odysseus im Schiff der Phaiaken nach Ithaka ist dargestellt in Homer, Odyssee 13,70–125, (Voss), S. 248–250. 42,12–13 furchtbare, Ç. . .È Wesen] Vgl. S. 40,18–20 und Erl. Allgemein zu den Eumeniden auch S. 251,19–28 mit den Erl. 42,13–15 aus den Blutstropfen Ç. . .È erzeugt] Vgl. S. 21,12–17 und Erl. 42,15–16 Schlangenhaaren, und Dolchen in den Händen] Zur antiken Ikonographie der Eumeniden vgl. Banier 4, S. 121 über nicht genauer identifizierte Schaumünzen aus Lyrba in Kleinasien und Mastaura in Lykien, erstere aus der Zeit des jungen G o r d i a n s (wohl Kaiser Gordian III. [238–244]): Auf diesen sind sie mit Schlangen, mit Schlüsseln, mit brennenden Fackeln, und mit Dolchen in ihren Händen vorgestellt, ohne daß ihre Gesichtszüge etwas schreckliches an sich hätten. Vgl. ferner ebd., S. 120f.; ders., Dissertation sur les Furies,

Stellenerläuterungen

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S. 72–76. Das Motiv der Schlangenhaare – oder wenigstens der mit Schlangen umwundenen Haare – ist seit Aischylos literarisch bezeugt; vgl. Aischylos, Choephoren (Das Totenopfer), 1048–1050, (Werner), S. 181: Hah, was für Weiber

sind das, nach Gorgonen Art / In Grau gekleidet und das Haar umflochten rings / Mit Schlangenknäueln? Ferner Vergil, Aeneis 7,341–353; Horaz, Oden 2,13,35–36. Zu den Dolchen s. jedoch die folgende Erl. 42,18–20 die erste Figur Ç. . .È fliegendem Haar] Abb. 5. Winckelmann erklärt in den Nachrichten von dem berühmten Stoßischen Museo in Florenz, in: Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste 5 (1759), S. 23–33, hier: S. 30: Wir haben sie 〈eine Furie〉 auf einem Carniol im Laufe mit fliegendem Rocke und Haaren, und einem Dolche in der Hand. Hingegen meldet derselbe Verfasser in der ein Jahr später erschienenen Description Des Pierres Grave´es Du Feu Baron De Stosch (S. 84, Nr. II/356) gerade wegen des Dolchs Zweifel an: Une femme courant en robe longue, les cheveux e´pars, & un poignard en main. La premie´re ide´e qui se pre´sente en regardant cette figure, est de la prendre pour une Furie. On figuroit les Furies comme celleci terribles, & avec une robe qui leur arrivoit jusqu’aux pieds: mais on n’a pas encore trouve´ ces De´esses avec un poignard a` la main; elles tiennes des flambeaux sur deux Urnes Etrusques et sur des Me´dailles. Ç. . .È / Je n’ose pas absolument appeller la figure de cette pierre une Furie; mais je ne saurois trouver une de´nomination qui lui convienne mieux. Lessing, Laokoon, in: Werke und Briefe 5/2, S. 87, Anm. 3 schließt sich den Bedenken an; mindestens jedoch hält er die Darstellung für ästhetisch unbeträchtlich. Furtwängler 1896, Nr. 343 deutet die Darstellung auf dem Karneol aus dem 5.–4. Jh. v. Chr. als tanzende Bakchantin. Vgl. Büttner 1983, S. 123, Anm. 46. Eine zeitgenössische Abbildung bei Schlichtegroll, Choix, Tafel 46. 42,21–25 f e i n d s e e l i g e S c h i c k s a l Ç. . .È verschwindet] Wohl ein Rückbezug auf Hesiod, Theogonie, 211: NyÁj d’ eÍthke stygeroÂn te MoÂron kaiÁ KhÄra meÂlainan. In der lat. Übersetzung (Hesiodi ascraei quae exstant, S. 46): Nox praeterea peperit odiosum Fatum, et Parcam atram. Vgl. schon S. 38,23–39,5 und Erl. in diesem Band. Das s c h w a r z e Ve r h ä n g n i ß kennt auch Homer. Vgl. Odyssee 3,240–242, (Voss), S. 53: Mentor, rede nicht weiter davon, wie

sehr wir auch trauren! / Jener wird nimmermehr heimkehren; sondern es weihten / Ihn die Unsterblichen längst dem schwarzen Todesverhängnis. – Hingegen könnte der erhabene Begriff der N o t h w e n d i g k e i t auf die philosophische Idee einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit verweisen (s. Erl. zu S. 41,5–14). Vgl. auch Costazza 1999, S. 439 mit Quellenangaben, wonach Moritz

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an dieser Stelle zwischen dem antiken Schicksalsbegriff und einem modernen Harmoniebegriff der Schöpfung unterscheidet. 42,26–43,6 Lachesis Ç. . .È n i c h t w i c h t i g e r als die andern sind] Abb. 5. Winckelmann, Description, S. 85, Nr. II/358: Lache´sis une des Parques, assise

sur un Masque Comique, & ayant devant elle un Masque Tragique en profil: elle file a` la quenouille la destine´e de l’homme; et derrie´re elle il y a une autre quenouille. B a n i e r se plaint encore a` ce sujet, qu’il ne nous reste non plus aucune figure des Parques. Mais c’est encore mal-a`-propos: car la figure d’une Parque sur une Urne fameuse, qui est maintenant au Capitole, n’est point e´quivoque. Ç. . .È Les deux Masques de notre pierre peuvent signifier, que la Parque dispose des Destins des He´ros, dont le Masque Tragique est le symbole, e´galement que de ceux des simples mortels, dont la vie prive´e est figure´e par le Masque Comique. Furtwängler 1896, Nr. 7376 zufolge könnte auf dem kaiserzeitlichen Karneol Dionysos dargestellt sein. Eine zeitgenössische Abbildung bei Schlichtegroll, Choix, Tafel 47. Zu Moritz’ – im Verhältnis zu Winckelmann – anderslautender, eher symbolischer als allegorischer Deutung der Gemme Disselkamp 2015, S. 31–33. 42,27 d i e s c h ö n e To c h t e r d e r N o t h w e n d i g k e i t ] In dieser Form nicht nachgewiesen. Als Tochter der Nothwendigkeit erscheint Lachesis z. B. bei Platon, Politeia 10,617d, (Kleuker), S. 755, wo ein Prophet den Seelen ihr Geschick mit folgenden Worten verkündet: Der Spruch der Jungfrau Lachesis,

der Tochter der Nothwendigkeit! 42,32 Da man selten Ç. . .È findet] Vgl. Banier, Dissertation sur le Parques, S. 47; Banier 4, S. 134. Folgt man Banier, so ist keine antike Abbildung der Parzen überliefert; vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1882. Auf Baniers Behauptung bezieht sich Winckelmanns kritische Bemerkung in der Description Des Pierres Grave´es (Erl. zu S. 42,26–43,6). 43,3–4 e r n s t e n u n d k o m i s c h e n Scenen] Zur Affinität des Ernsten bzw. Hohen und Tragischen zum Komischen bzw. Scherzhaften, wie Moritz sie in antiken Mythen beobachtet, vgl. auch S. 45,1–6; 101,4–8. Das Zusammenspiel von Ernstem und Komischem ist eine Erscheinungsform der polaren Mehrdeutigkeit, die Moritz allenthalben in mythologischen Bildern erkennt. 43,7–11 Auf eine ähnliche Weise Ç. . .È hier beigefügt ist] Abb. 5. Winckelmann, Description, S. 84f., Nr. II/357: Une des Parques nue au dessus de la

ceinture, appuye´e contre une colonne: elle tient de la main droite une quenouille, & de la gauche le fuseau avec lequel elle file. Nach Furtwängler 1896, Nr. 1047 zeigt die hellenistische Glaspaste vielmehr Aphrodite mit einem Blattfächer in der linken Hand. Vgl. Büttner 1983, S. 103f.

Stellenerläuterungen

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44,11 labyrintisch] Zum Begriff des Labyrinthischen vgl. S. 6,4–6 und Erl. 44,19–21 Ist der älteste Ç. . .È der Tag hervorging] Vgl. S. 20,5–14 mit den Erl. 44,22–32 Aristophanes Ç. . .È erzeugte] In Aristophanes’ (zwischen 450 und 444–380 v. Chr.) Komödie Die Vögel (ÍOrniuew, 414 v. Chr.) entreißen die Vögel, angeleitet von den entlaufenen Athenern Euelpides und Peisetairos, den Göttern die Weltherrschaft, indem sie eine Stadt in der Luft errichten, die den Verkehr zwischen der Erde und den Olympiern unterbindet. Auch ideologisch beanspruchen die Vögel gegenüber den Göttern das Präzedenzrecht. Ihr Chor trägt eine eigene Weltentstehungsgeschichte vor, die parodierend Hesiods Theogonie anklingen lässt und von orphischen Spekulationen Gebrauch macht; vgl. Mondolfo 1931. Diese ›Ornithogonie‹ (ebd., S. 433) setzt mit dem geflügelten Chaos, Nacht, Erebos und Tartaros ein, von denen die schwarzumflügelte Nacht das Urei gebiert. Dem Ei entschlüpft Eros, Der am Rücken mit zwei Goldfittigen glänzt und im Nest die Vögel ausbrütet, noch bevor das Geschlecht der Unsterblichen das Licht erblickt (Aristophanes, Die Vögel, 693–703, [Voss], S. 155f.). Moritz hat vermutlich nicht auf das Original zurückgegriffen, sondern referiert Banier 1, S. 222: Die schwarzgeflügelte N a c h t brachte das erste Ey

in dem weiten Schooße des E r e b u s hervor, aus dem nach einiger Zeit die wohlthätige L i e b e mit goldnen Flügeln versehen, hervorkam. Aus der Vereinigung der L i e b e und des C h a o s entstanden die Menschen und die Thiere. – Zur zunehmenden Beachtung, die das Stück seit den 90er Jahren des 18. Jhs. fand, s. Friedländer 1969, S. 534–555. 45,10–12 Unter den n e u e n G ö t t e r n Ç. . .È Pfeil und Bogen] Eros (lat. Amor oder Cupido) als unberechenbarer Sohn der Aphrodite mit Pfeil und Bogen ist eine Erscheinung erst des Hellenismus, für die sich in der späteren antiken Literatur Beispiele finden; s. etwa Apollonios, Argonautika 3,84–166, (Bodmer), S. 100–103. Als Sohn des Ares erscheint Eros erstmals im 6./5. Jh. v. Chr. bei dem Lyriker Simonides von Keos; vgl. Waser, Art. Eros 1), in: RE 6/1, Sp. 488. Die Idee, dass von zwei verschiedenen Gottheiten desselben Namens die Rede sei, findet sich, wenngleich ohne Bezug auf die Vorstellung von Genealogie und Metamorphose, auch bei Banier 3, S. 292, Anm. **). Moritz’ Formulierungen könnten andeuten, dass sich die Beschreibung auch auf die Vielzahl bildlicher Darstellungen bezieht, die schon die antike, ebenso die nachantike Kunstgeschichte von dieser Gottheit kennt. Für weitere Varianten der Genealogie und Eros’ Präsenz in der bildenden Kunst der Antike s. Banier 3, S. 304–311. Vgl. Christian Aye´, Pascale Linant de Bellefonds, Art. Eros, in: LIMC 3/1, S. 850–852; Nicole Blanc, Franc¸oise Gury, Art. Amor, Cupido, ebd., S. 952–954; Bettina Full, Art. Eros, in: DNP, Supplementbd. 5, S. 262–272.

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45,18–20 Saturnus Ç. . .È empor] Vgl. S. 21,17–19 und Erl. 45,24–25 Unter den n e u e n G ö t t e r n Ç. . .È erzeugte ] Als Tochter der Dione und des Zeus tritt Aphrodite schon in Homer, Ilias 5,370–371; 428, (Stolberg) 1, S. 130; 133 auf; vgl. ferner Hyginus, Fabulae, Praefatio 19. Zu Dione als Tochter des Aether Hyginus, Fabulae, Praefatio 3; Hederich, Lexicon, Sp. 940. – Für Aphrodite kennt die Mythologie allerdings weitere Genealogien, was bereits in der Antike Anlass gab, mehrere Gottheiten dieses Namens anzunehmen. Vgl. Cicero, De natura deorum 3,60; Banier 3, S. 285; Hederich, Lexicon, Sp. 2437f. Diese Vervielfältigung der Aphrodite, die bei Cicero und noch in der Mythographie des 18. Jhs. als Nebeneinander mehrerer Möglichkeiten erscheint, deutet Moritz in die Transformation einer älteren in eine jüngere Gottheit um. 45,25–26 Sie trägt Ç. . .È Schönheit davon] Anspielung auf das Urteil des Paris; vgl. S. 238,29–239,4 und Erl. im vorliegenden Band. 45,26–28 Sie ist mit dem Vulkan Ç. . .È verstohlner Liebe] Vgl. S. 90,19–22 und Erl. im vorliegenden Band. 46,5–7 H y p e r i o n Ç. . .È S e l e n e ] Vgl. S. 21,26–28 und Erl. Zur Genealogie von Hyperion und Theia, die Hesiod zufolge von Uranos und Gaia abstammen, vgl. S. 20,30–33 und Erl. – Vgl. aber auch Erl. zu S. 46,26–27. 46,7–8 Anstatt des Helios Ç. . .È D i a n a auf] Vgl. S. 46,21–48,12; 78,25–82,23; 94,10–97,4 mit den Erl. im vorliegenden Band. 46,11–13 Sie vermählt sich Ç. . .È M o r g e n s t e r n ] Hesiod, Theogonie, 378–382, (Voss), S. 108: Eos gebar dem Asträos die Wind’ unbändiges Mutes,

/ Zefyros, blaßumschaurt, und Boreas, stürmisch im Anlauf, / Notos auch, da in Liebe zum Gott sich die Göttin gelagert. / Auch den Fosforos jezo gebar die heilige Frühe, / Samt den leuchtenden Sternen, womit sich kränzet der Himmel. Zu Astraios’ Genealogie vgl. S. 21,32–33 und Erl. 46,18 Rosenfingern] ëRododaÂktylow (rhododa´ktylos, rosenfingrig) ist, etwa in den homerischen Epen, ein stereotypes Epitheton der Eos. Vgl. z. B. Homer, Odyssee 2,1–2, (Voss), S. 27: Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern

erwachte, / Sprang er vom Lager empor der geliebte Sohn des Odüßeus. 46,22 Sonnenwagens] Die frühesten Belege für den mit Pferden bespannten Sonnenwagen finden sich in der griechischen Lyrik, z. B. Homerischer Hymnus 31 an Helios, 13–16, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 107: es schimmert / Um ihn herum ein helles Gewand, von dem Odem

der Winde / Zart gewebt; und unter ihm schnauben die muthigen Hengste. / Ruhe gebietet er ihnen am Abend, vom goldenen Seßel / Seines Wagens, und sendet vom Himmel herab in das Meer sie. Vgl. Art. Helios, in: KlP 2, Sp. 999–1001.

Stellenerläuterungen

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46,26 Das Haupt des Helios ist mit Strahlen umgeben] Vgl. Homerischer Hymnus 31 an Helios, 9–13, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 107: mit schrekenden Angen 〈!〉 / Schaut er hervor aus dem goldenen Helme, glühende Stralen / Blitzen um ihn! und glänzende Loken, des Haupts, und der Schläfen / Wallen schön um sein weitleuchtendes Antliz. Bei Ovid, Metamorphosen 2,40–41; 124 besitzt Helios eine Strahlenkrone, die er seinem Sohn Phaethon auf den Kopf setzt, als letzterer versucht, den Sonnenwagen zu lenken. Zu bildlichen Darstellungen des Helios im Übrigen Banier 3, S. 371–375. Zu Helios’ Ikonographie auch Damm, Einleitung, S. 16f. 46,26–27 Er leuchtet Ç. . .È unsterblichen Göttern] Homerischer Hymnus 31 an Helios, 4–8, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 107: Hyperion erkannte Eürüfäeßa / Seine Schwester, die hochberühmte,

da ward sie der schönsten / Kinder Mutter, Selänä der schöngelokten, und Aeos / Mit den Rosenarmen, und Hälios, der unermüdet, / Aenlich den Göttern, leuchtet den Himlischen, leuchtet den Menschen. 46,27–28 Er siehet Ç. . .È das Verborgene] Homer, Ilias 3,277, (Stolberg) 1, S. 83: du Sonne, die alles siehest und alles hörest. Homer, Odyssee 12,322–323, (Voss), S. 241: Diese Rinder und Schafe sind jenes furchtbaren Gottes / Hälios Eigenthum, der alles siehet und höret. Nach Homer, Odyssee 8,269–271, (Voss), S. 150 ist es Helios, der Ares und Aphrodite auf des hohen Feuerbeherrschers 〈Hephaistos’〉 Lager ertappt und die Nachricht an das Licht bringt: Doch plözlich bracht’ ihm 〈Hephaistos〉 die Botschaft / Hälios, der sie gesehn in ihrer geheimen Umarmung. Vgl. auch Homerischer Hymnus 2 an Demeter, 62–87, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 114f., wo der Sonnengott, Späher der Götter und Menschen, Auskunft über den Verbleib der von Hades entführten Persephone erteilt. Ferner Ovid, Metamorphosen 4,171f.: primus adulterium Veneris cum Marte putatur / hic vidisse deus: videt hic deus omnia primus (Fink, S. 179: Als erster soll

die Liebschaft der Venus mit Mars dieser Gott bemerkt haben – bemerkt dieser Gott doch alles als erster); ebd. 7,96. 46,28–29 ihm waren auf der Insel Ç. . .È ohne Hirten weideten] Homer lokalisiert das Abenteuer des Odysseus mit den Herden des Helios (Homer, Odyssee 12,260–425, [Voss], S. 239–244) auf der Insel Thrinakie (Homer, Odyssee 12,127, [Voss], S. 234). Deren Identifikation mit Sizilien ist antiken Ursprungs, gilt aber als nicht gesichert; vgl. Art. Thrinakie, in: KlP 5, Sp. 789. – In der Odyssee sind die Herden des Sonnengotts nicht hirtenlos; vielmehr versehen zwei Töchter des Helios das Hirtenamt (Homer, Odyssee 12,131–136, [Voss], S. 234): Zwo

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Göttinnen pflegen der Weide, / Lieblichgelockte Nümfen, Lampetia und Faetusa, / Die mit der schönen Neaira der Hochhinwandelnde zeugte. / Denn die göttliche Mutter, sobald sie die Töchter erzogen, / Sandte sie fern hinweg in Trinakia’s Insel, des Vaters / Fette Schafe zu hüten und sein schwerwandelndes Hornvieh. S. aber Damm, Einleitung, S. 16: R i n d e r , oder ander V i e h d e r S o n n e , dergleichen in der O d y s s e e vorkommen, hießen schönes und fettes Weide-Vieh, das Tag und Nacht o h n e H i r t e n auf der Weide gieng, und das daher für heilig geachtet wurde, dass sich niemand daran vergriffe. Ebd., S. 283: Sonst heisset Vieh, das A p o l l o hütet, solch Vieh, das ohne Hirten, blos unter der Aufsicht der Sonne, auf seiner Weide in der Wildniß gehet. 46,29–47,5 an denen er sich ergötzte Ç. . .È Raub der Wellen wurden] Homer, Odyssee 12,378–388, (Voss), S. 243: Rächt mich an den Gefährten Odüßeus, des Sohnes Laertäs, / Welche mir übermütig die Rinder getödtet, die Freude / Meiner Tage, so oft ich den sternichten Himmel hinanstieg, / Oder wieder hinab vom Himmel zur Erde mich wandte! / Büßen die Frevler mir nicht vollgültige Buße des Raubes; / Steig’ ich hinab in Aı¨däs Reich, und leuchte den Todten! / Ihm antwortete drauf der Wolkenversammler Kronion: / Hälios, leuchte forthin den unsterblichen Göttern des Himmels, / Und den sterblichen Menschen auf lebenschenkender Erde. / Bald will ich jenen das rüstige Schiff mit dem flammenden Donner, / Mitten im dunkeln Meer, in kleine Trümmer zerschmettern! S. ferner ebd. 12,403–419, (Voss), S. 244. 47,7 den Nahmen T i t a n ] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2233: Denn unge-

achtet er selbst einer von den Titanen war, und daher auch öfters T i t a n genennet wird, so hielt er es doch nicht mit ihnen, sondern blieb auf Jupiters Seite. 47,7–8 seinem Erzeuger Ç. . .È verwechselt wird] Für eine Diskussion über die Frage, ob Hyperion und Helios Vater und Sohn seien oder vielmehr ein und dieselbe mythologische Erscheinung unter verschiedenen Namen vgl. Banier 3, S. 370f.; Damm, Einleitung, S. 15. 47,9 H y p e r i o n , der das Hohe und Erhabene bezeichnet] Homer verwendet Hyperion als Beinamen von Helios. Vgl. Odyssee 1,8; 1,24; 12,263; 12,374. Voss, S. 239 übersetzt den Namen mit hochhinwandelnd (S. 9f.; 243 ist Hyperion nicht spezifisch übersetzt). Vgl. auch Damm, Einleitung, S. 15: weil sie 〈die Sonne〉 hoch über uns stehet oder gehet, heißet sie H y p e r i o n . Nach Jessen, Art. Hyperion, in: RE 9/1, Sp. 287 ist der Name »eine Komparativ-Bildung yëperiÂvn zu yÏperow wie superior zu superus«.

Stellenerläuterungen

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47,10–12 Unter den n e u e n G ö t t e r n Ç. . .È der L a t o n a erzeugte] Die Formulierung betrifft das seit langem diskutierte Verhältnis von Helios und Apollon. Bei Homer und Hesiod sind beide deutlich geschiedene Einzelgötter. Als Belegstellen mögen Hinweise auf Helios genügen, etwa Homer, Odyssee 8,270–271, (Voss), S. 150; Hesiod, Theogonie, 371–374, (Voss), S. 107f. Literarische Belege für eine Vermischung von Helios und Apoll liegen erst für das 5., Entsprechendes in der bildenden Kunst für das 4. Jh. v. Chr. vor (vgl. Wassilis Lambrinudakis u. a., in: Art. Apollon, in: LIMC 2/1, S. 244). Unter Mythenkennern der Frühen Neuzeit bestand über das Verhältnis der Gottheiten kein Einvernehmen: Banier 3, S. 367–375 votiert im Rahmen einer Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Meinung für zwei unterschiedliche Götter. Damm, Einleitung, S. 17 scheint einen identischen Kern unter verschiedenen Namen zu vermuten: Eben diese Sonne

aber heißet bey den Griechen und Römern auch A p o l l o und P h ö b u s ; und unter diesen beyden Nahmen sind die Erdichtungen noch weit mannigfaltiger. Voneinander abweichende Ansichten findet man bis in die neuere Zeit; vgl. Jessen, Art. Helios, in: RE 8/1, Sp. 75f. Die Idee, dass die gr. Mythologie die Transformation des älteren Helios in den jüngeren Apoll zeige, scheint Moritz’ Eigentum zu sein. – Für bildliche Darstellungen des mit Helios identifizierten Apollon vgl. Wassilis Lambrinudakis u. a., in: Art. Apollon, in: LIMC 2/1, S. 244f. Für die Genealogie von Apoll und Artemis vgl. Hesiod, Theogonie, 918–920, (Voss), S. 153: Leto gebar den Apollon, und Artemis, froh des Geschosses, / Beide

vom holdesten Wuchs vor den sämtlichen Uranionen, / Leto, gesellt in Liebe dem Donnerer Zeus Kronion. Vgl. auch Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 14–15, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 3. 47,12–13 L a t o n a Ç. . .È der P h ö b e war] Vgl. S. 21,23–26 und Erl. 47,16 der fernhintreffende Gott] Fern treffend (eëkhboÂlow [hekebo´los, Homer, Ilias 1,14 und 21]; eëkaÂergow [heka´ergos, Homer, Ilias 1,479; 7,34; 9,564; 22,220]; eëkaÂtow [heka´tos, Homer, Ilias 7,83; 20,295]; vgl. Homer, Ilias [Stolberg] 1, S. 12; 176; 178; 239; Bd. 2, S. 256) ist in der Ilias und im Anschluss an Homer bei späteren Dichtern ein stereotypes Epitheton des Apoll. 47,16–17 den silbernen Bogen spannend] Vgl. Homer, Ilias 1,49, (Stolberg) 1, S. 13: fürchterlich scholl der silberne Bogen! In der Ilias, z. B. 1,37; 24,758, (Stolberg) 1, S. 12; Bd. 2, S. 431 und bei späteren Dichtern erscheint Apoll auch stereotyp als aÆrgyroÂtojow (argyro´toxos, mit silbernem Bogen). 47,17 Vater der Dichter] Vgl. für diese Formel z. B. Conti, Mythologiae, S. 231: Fuerunt Ç. . .È Musae in eius tutela creditae, quarum & dux & pater Apollo fuit existimatus. (Seinem Schutz waren die Musen anvertraut, als deren

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Götterlehre

Anführer und Vater er galt). 〈Anonym〉, Erläuterte Geschichte, S. 89: Er war der Gott, Beschützer und Vater der Dichter, Musikverständigen und Redner. 47,17 die goldne Zitter] Vgl. Pindar, Pythische Oden 1,1–2, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 6: Goldene Harfe Apollons, du der violenlokkigen Musen mitgebietende Lenkerin. Die Goldene Harfe ist allerdings im vorliegenden Fall keine Kithara, sondern eine Phorminx. 47,22–23 in sich selbst verjüngt] Zum Konzept der Verjüngung vgl. Erl. zu S. 30,29. 47,29–30 Tochter des Hyperion] Vgl. S. 21,26–28 und Erl. 47,30 mit ihrem sanften Scheine die Nacht zu erleuchten] Vgl. Homerischer Hymnus 32 an Selene, 3–5, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 108: Himmelerfüllender Glanz entwallt dem unsterblichen

Haupte / Und umstralet die Erd’, und schmükt sie mit leuchtendem Schimmer. / Von der goldenen Krone der Göttin verbreiten die Stralen / Weit sich umher, und erhellen das mitternächtliche Dunkel. 47,31–32 Unter den n e u e n Gottheiten Ç. . .È D i a n a ] Cicero, De natura deorum 2,68: Dianam autem et lunam eandem esse putant (Blank-Sangmeister, S. 179: hingegen gelten Diana und der Mond als identisch). Zur Identifikation von Artemis mit dem Mond in der zeitgenössischen Mythographie vgl. z. B. Banier 3, S. 430–442; Maternus 2, S. 55. Auch Teile der neueren Forschung halten Selene und Artemis für ursprünglich identisch; vgl. Roscher, Art. Mondgöttin, in: Roscher 2, S. 3183f.; Franc¸oise Gury, Art. Selene, Luna, in: LIMC 7/1, S. 706. Moritz’ Eigentum ist die Theorie einer Metamorphose von Selene in Artemis. 47,31–32 welche den Wagen des Mondes lenkt] Im Homerischen Hymnus 32 an Selene, 9–11, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 108 ist Selene mit einem Gespann unterwegs: (es harret am Wagen / Ihr

hochhalsiges helles Gespann!) und wenn sie nun plözlich / Strebet empor, und treibet die Roße mit wallenden Mähnen, / Siehe! dann stralt sie vom Himmel herab mit dem hellsten der Schimmer. 48,1–10 Diana, vom J u p i t e r erzeugt] Zu Artemis s. S. 94,10–97,4 und Erl., zu ihrer Abstammung S. 47,10–12 und Erl. im vorliegenden Band. 48,12 Va t e r d e r G ö t t e r ] Homer, Ilias 5,426, (Stolberg) 1, S. 132; Vergil, Aeneis 1,65; 254. 48,14–16 Der Titane C ö u s Ç. . .È P e r s e s ] Hesiod, Theogonie, 404–410, (Voss), S. 110f.

Stellenerläuterungen

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48,16 einem Sohne Ç. . .È K r i u s ] Vgl. S. 56,21–22 und Erl. im vorliegenden Band. 48,16–23 gebahr ihm Ç. . .È Gedeihen] Vgl. Banier 1, S. 217; zu Hekate als Geburtshelferin ebd., S. 368. Grundlage ist der Hekate-Hymnus in Hesiod, Theogonie, 411–452, den Heyne, De Theogonia, S. 145f., als gänzlich orphischen Kosmogonien geschuldet, als Unikat innerhalb der Theogonie und als schlagenden Beleg für den Konglomeratcharakter des Werks bewertet. Wichtig vor allem V. 411–415, (Voss), S. 111: Und sie empfing vom Gatten die Hekate, welche

vor allen / Zeus Kronion geehrt, und glänzende Gaben ihr darbot, / Schicksalsmacht auf der Erd’ und dem endlos wildernden Meere; / Auch vom sternigen Himmel zugleich ward Ehrengeschenk ihr, / Und hoch ist sie vor allen geehrt den unsterblichen Göttern. V. 429–433, (Voss), S. 112: Welchem sie will, dem naht sie mit Hülf’ und kräftigem Beistand; / Und hoch raget er, welchen sie will, in des Volkes Versammlung. / Wann zur vertilgenden Schlacht ausziehn die gerüsteten Männer, / Dann auch, welchen sie will, naht stets mit Hülfe die Göttin, / Huldreich Sieg zu verleihn, und Ruhm zu gewähren und Obmacht. V. 450–452, (Voss), S. 114: Und sie hieß der Kronid’ als der Jünglinge Nährerin walten, / Welche nach ihr aufblickten zum Glanz der erleuchtenden Eos. / So vom Beginn der Jugend Ernährerin. 48,24 alle verborgenen Ç. . .È Gebote] Hekates Zuständigkeit für die Zauberei – bzw. die dämonische Seite dieser Gottheit – ist nicht Gegenstand von Hesiods

Theogonie, seit der gr. Klassik aber gut belegt. Vgl. Euripides, Medea, 395–398, (Werke [Bothe]) 1, S. 20: Denn wahrlich, bei der Göttin, die vor allem ich / Am höchsten ehre, und zur Helferin erkohr, / Hekate, die meines Heerdes Heiligthum bewohnt, / Freu’n soll der Frevler keiner sich, die mich betrübt. Apollonios, Argonautika 3,528–530, (Bodmer), S. 114 (u. ö.): Ich sagte / Dir schon ein leises wort von dem mädchen, die in den künsten, / Die sie von Perseus 〈!〉 tochter der Hekate lernet, sehr stark ist. Theokrit 2, (Idyllen [Kütner]), S. 11f. Ferner Diodorus Siculus 4,45,2, (Stroth) 2, S. 85: Perses zeugte eine Tochter, Namens H e k a t e , die ihren Vater noch im Frevel und Ungerechtigkeit übertraf Ç. . .È. Ueberdies besaß sie eine grosse Geschicklichkeit in Mischung tödtlicher Gifte, und erfand den sogenannten Schierling. Auch bei Ovid, Metamorphosen 7,194 ruft Medea Hekate als adiutrixÇ. . .È cantusque artisque magorum an (Fink, S. 325: als Helferin bei Beschwörung und Zauberkunst); vgl. ferner ebd. 7,174 sowie 6,139; Damm, Einleitung, S. 25; Bergier, Ursprung 2, S. 174.

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Götterlehre

48,25–27 Auch diese alte Ç. . .È gebohren werden] Der auch historisch erweisliche Zusammenhang zwischen Hekate und Artemis (vgl. Schreiber, Art. Artemis, in: Roscher 1, Sp. 571f.) gehört zum verbreiteten mythographischen Wissen der Frühen Neuzeit. Vgl. Vossius, De theologia gentili, S. 166–168; Hederich, Lexicon, Sp. 1207; Bergier, Ursprung 2, S. 167–175. Weder die genannten Autoren noch die neuere Forschung nehmen jedoch eine Zuordnung von Hekate und Artemis zu unterschiedlichen Göttergenerationen vor. 49,2 Ein Sohn des Himmels und der Erde] Vgl. zu Okeanos’ Genealogie neben Hesiod, Theogonie, 132–133, (Voss), S. 88 – dazu schon S. 20,30–33 und Erl. – auch Apollodoros 1,2, (Meusel), S. 4. Für weitere, abweichende Genealogien s. z. B. Hederich, Lexicon, Sp. 1758. 49,2–3 vermählte sich Ç. . .È Quellen] Zur Genealogie der Tethys vgl. S. 20,30–33. Zu Tethys und Okeanos als Eltern der Ströme vgl. S. 50,2 und Erl. 49,3–4 Er nahm an dem Götterkriege keinen Antheil] Die Herkunft dieser Nachricht ist nicht klar. Apollodoros 1,3, (Meusel), S. 4 schließt Okeanos nicht von der Beteiligung am Kampf zwischen den Olympiern und den Titanen aus, sondern von Uranos’ Entmannung, an der sich Okeanos’ Brüder beteiligen, die Titanen Koios, Hyperion, Krios, Japetos und Kronos. Vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1758f. Vielleicht denkt Moritz auch an Homer, Ilias 14,201–204, (Stolberg) 2, S. 44. Diesen Versen zufolge bringt Rhea ihre Tochter bei Okeanos und Tethys in Sicherheit, während Zeus Kronos besiegt. 49,7–10 Denn als Jupiter die Titanen Ç. . .È beherrschte] Apollodoros 1,7, (Meusel), S. 5: Dann looseten sie um das Reich. J u p i t e r bekam die Herrschaft im Himmel; N e p t u n im Meere; und P l u t o in der Hölle. Ohne Zusammenhang mit dem Sieg über die Titanen auch Homerischer Hymnus 2 an Demeter, 85–87, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 115. – Vgl. z. B. Hederich, Lexicon, Sp. 1711. 49,12–14 die äußersten Grenzen Ç. . .È des a l t e n O c e a n u s sind] Zur Lokalisierung des Okeanos vgl. Erl. zu S. 155,4. 49,16–18 N e p t u n hingegen Ç. . .È Meereswogen bändigt] Einerseits mag sich die Stelle auf die Abenteuer des Odysseus beziehen, den Poseidon für die Blendung seines Sohns Polyphem mit Stürmen und Schiffbrüchen straft; vgl. z. B. Homer, Odyssee 5,282–379, (Voss), S. 105–109 über Odysseus auf dem Weg zu den Phaiaken. Andererseits spielt sie auf die Bändigung der von Hera entfachten Stürme durch Poseidon in Vergils Aeneis an; vgl. dazu S. 86,1–3 und Erl. 49,18–20 Darum wurden Ç. . .È dargebracht] Zum Poseidon–Kult vgl. Banier 2, S. 532–534; Hederich, Lexicon, Sp. 1718–1720.

Stellenerläuterungen

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49,21–27 Als Juno einst Ç. . .È beizulegen] Homer, Ilias 14,197–207, (Stolberg) 2, S. 44f.: Listensinnend erwiederte ihr 〈Aphrodite〉 die göttliche Härä:

/ Gieb mir Liebesgefühl und schmachtende Sehnsucht, mit welcher / Du unsterbliche Götter besiegst und sterbliche Menschen. / Denn ich geh zu den Grenzen der vielernährenden Erde, / Okeon den Vater der Götter, und Täthüs die Mutter, / Zu besuchen; sie haben vordem in ihren Palästen / Mich erzogen, und nahmen mich auf aus den Armen der Reia, / Als der fernhindonnernde Zeus Kronion den Kronos / Unter die Erde warf und die wilden Fluten des Meeres. / Diese will ich besuchen, und alte Zwiste vergleichen. / Denn schon lange haben sie sich einander vermieden, / Sich aus Groll des Betts und der Liebesumarmung enthalten. Vgl. auch Homer, Ilias 14,300–306, (Stolberg) 2, S. 48. 50,2 Die Söhne Ç. . .È Quellen] Für eine Katalog von 25 Söhnen und vierzig Töchtern des Okeanos und der Tethys, verbunden mit dem Hinweis, dass ihre tatsächliche Zahl erheblich größer sei, vgl. Hesiod, Theogonie, 337–370, (Voss), S. 104–107. 50,2–6 Die Töchter des Oceans Ç. . .È seufzen] In Aischylos’ Tragödie Prometheus in Fesseln setzt sich der Chor aus Okeaniden zusammen. Prometheus spricht sie an als Thetis Töchter; / Töchter des alles um- / strömenden Oceans (Aischylos, Prometheus in Fesseln, 137–140, [Schlosser], S. 40). Einschlägig sind z. B. die folgenden an Prometheus gerichteten Worte des Chors: Ich

bejammre / Deine Leiden, / Und des Mitleids / Warme Thräne / Netzt mir die Wangen um dich! / Zevs verhängt das / unerbittlich; / Nur gehorsam / Dem Gesetze / Seines Willens, / Geiselt mit eisernen Ruthen, / Sein gewaltiger Zorn, die / Alten Götter (ebd., 398–405, [Schlosser], S. 65f. Vgl. aber auch V. 128–192, [Schlosser], S. 39–45). Zu Problemstellungen der Tragödie im Zusammenhang mit dem Prometheus-Mythos vgl. Erl. zu S. 30,8 im vorliegenden Band. 50,7–11 Metis Ç. . .È aus seinem Haupte] Vgl. S. 28,29–29,4 mit den Erl. 50,12–16 Eurynome Ç. . .È hervorblicken] Hesiod, Theogonie, 907–911, (Voss), S. 152: Auch drei Chariten bracht’ ihm Eurynome, rosige Jungfraun,

/ Sie, des Okeanos Tochter, geschmückt mit reizender Schönheit: / Tha´lia, lieblich an Wuchs, Eufro´syne, samt der Aglaja: / Diesen entträuft von der Wimper im Anblick süßes Verlangen, / Schmelzendes; denn sie blicken so hold aus der Brauen Umwölbung. Hesiod, Theogonie, 358, (Voss), S. 106 führt Eurynome im Katalog der Okeaniden auf. Zu den Grazien vgl. S. 61,8 und, ausführlich, S. 201,8–202,28 im vorliegenden Band.

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Götterlehre

50,17–18 Styx Ç. . .È Töchtern des Oceans] Hesiod, Theogonie, 361, (Voss), S. 106 nennt unter den Okeaniden Styx auch, welche vor allen in höherer

Würde hervorragt. 50,18–24 die mit dem P a l l a s Ç. . .È Jupiter ihren Sitz] Zur Genealogie des Pallas vgl. S. 21,32–33 und Erl.; 56,21–22. Die vorliegende Stelle paraphrasiert Hesiod, Theogonie, 383–398, (Voss), S. 108–110: Styx, des Okeanos Tochter,

gebar aus des Pallas Gemeinschaft / Zelos zugleich im Palast, und die hold anwandelnde Nike; / Dann auch Kraft und Gewalt, hochherliche Kinder, gebar sie. / Nimmer von Zeus ist ihnen entfernt, Haus weder, noch Sizung, / Nimmer ein Gang, wo nicht der geleitende Gott sie daherführt; / Sondern sie wohnen mit Zeus, dem Donnerer, immer gemeinsam. / Denn das ordnete Styx, die unsterbliche Okeanine, / Jenes Tags, da umher der olympische Stralenentschwinger / Alle die ewigen Götter berief zum hohen Olympos. / Welcher Gott, so sprach er, mit ihm die Titanen bekämpfte, / Niemals sollt’ der der Ehren beraubt sein, sondern ein jeder / Trüge die vorige Würd’ in der ewigen Götter Versammlung; / Aber wer ganz ungeehrt und amtlos wäre bei Kronos, / Würd’ er zu Amt und Ehre, wie recht und billig, erheben. / Siehe, zuerst kam Styx, die unsterbliche, nach dem Olympos, / Führend die Kinder zugleich, auf den Rath des lieben Erzeugers. 51,1–2 G e w a l t und S t ä r k e Ç. . .È geschmiedet wurde] Aischylos, Prometheus in Fesseln, 1–87, (Schlosser), S. 27–36. 51,3–4 Jupiter siegte Ç. . .È zu ziehen wußte] Rückbezug auf S. 24,6–16 im vorliegenden Band (Zeus gewinnt den Beistand von Hekatoncheiren und Kyklopen). 51,5–10 Die drei Söhne Ç. . .È geschleudert sind] Die Abkunft der genannten Titanen von Krios und Eurybia und die Verbindung von Pallas mit Styx, Perses mit Asteria und Astraios mit Eos fasst Apollodoros 1,8–9, (Meusel), S. 5f. in wenigen Worten zusammen. Vgl. zu diesen Titanen, ihrer Genealogie, ihren Heiratsverbindungen und ihrer Nachkommenschaft auch S. 46,11–13; 48,15–17; 56,21 mit den Erl. – Im Zusammenhang mit der Titanomachie wird nur Pallas namentlich genannt. Vgl. dazu ebenfalls Apollodoros 1,37, (Meusel), S. 14, der erzählt, wie Athene dem Pallas die Haut abzieht, mit der sie anschließend sich selbst bedeckt. Vergleichbare Nachrichten sind über Astraios und Perses nicht zu finden. 51,11–13 Bei diesen Ç. . .È den Fluß bildet] Vgl. die topographische Beschreibung bei Hesiod, Theogonie, 784–789, (Voss), S. 142: Zeus dann sendet die Iris,

zum großen Schwure der Götter / Fern in goldener Schale das ruchtbare Wasser zu bringen, / Welches kalt aus der Jähe des unersteiglichen Felsens

Stellenerläuterungen

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/ Niederrinnt, und sich unter das weitumwanderte Erdreich / Durch schwarzdunkele Nacht kraftvoll aus dem heiligen Strome / Stürzt, des Okeanos Arm. Schon seit der Antike wird diese Topographie mit dem Wasserfall des Flusses Styx bzw. Mavroneri in Arkadien in Verbindung gebracht; vgl. Karl 1967, S. 91f. 51,14–16 schwören die Götter Ç. . .È befreien kann] Hesiod, Theogonie, 399–400, (Voss), S. 110: Sie 〈Styx〉 nun ehrete Zeus, und verlieh ausneh-

mende Gaben: / Denn sie selbst bestimmt’ er zum heiligen Schwure der Götter. Dass die Götter auch bei den Titanen schwören, sagt Hesiod hingegen nicht. Zu der Strafe, mit der der Schwur beim Styx bewehrt ist (ein Jahr ohne Atem, Nektar und Ambrosia, neun Jahre Ausschluss aus dem Kreis der Götter), vgl. Hesiod, Theogonie, 793–806, (Voss), S. 142f. Auf den Schwur beim Styx nimmt Homer mehrfach Bezug; vgl. z. B. Ilias 15,36–38, (Stolberg) 2, S. 60: Sieh es wisse

die Erd’, es wisse oben der Himmel, / Und des unterwallenden Stüx Gewässer, (der größte / Und der fürchterlichste Eid der seligen Götter!); vgl. auch 14,271, (Stolberg) 2, S. 47; Odyssee 5,185–186, (Voss), S. 102. S. Banier 1, S. 216f.; Bd. 4, S. 55. 51,21–23 ist der finstre Ç. . .È Nacht umgeben] Hesiod, Theogonie, 726–727, (Voss), S. 137: Ehrnes Geheg’ umläuft den Tartaros; aber umher ruht / Dreifach gelagerte Nacht an dem Eingang. Zur Unterwelttopographie auch für das Folgende, Banier 4, S. 15–19 (einschließlich des Versuchs, sie auf die ›wirkliche‹ Geographie zu beziehen); Bergier, Ursprung 2, S. 255–260; Voss, Hesiodus vom westlichen Ende der Welt, S. 56f.; Karl 1967, S. 69–106 (auch im Vergleich zwischen Hesiod und Homer; zu letzterem S. 64,9–10 und Erl.). 51,23 Hier ist es Ç. . .È sitzen] Hesiod, Theogonie, 729–731 (Voss, S. 137): Alda

sind die Titanen im nachtenden Schlunde des Dunkels / Eingehemmt, nach dem Rathe des schwarzumwölkten Kronion, / Tief in der dumpfigen Kluft, am Rand der unendlichen Erde. 51,23–25 Hier sind Ç. . .È Himmels] Hesiod, Theogonie, 736–738, (Voss), S. 138: Dort sind der dunkelen Erd’, und des finstern tartarischen Abgrunds, / Auch des verödeten Meers, und des sternumfunkelten Himmels, / Aller Beginn’ und Enden sind dort mit einander versammelt. Dieselben Zeilen werden wiederholt als V. 807–809, (Voss), S. 144. 51,26–30 Hier an den Ç. . .È wohnen] Hesiod, Theogonie, 744–751, (Voss), S. 138f.: Auch der düsteren Nacht graunvolle Behausung / Steht aldort, in Gewölk von dunkeler Bläue gehüllet. / Vor ihr trägt Ia´petos Sohn 〈Atlas〉

das Gewölbe des Himmels, / Hoch dastehend, mit Haupt und unermü-

654

Götterlehre

deten Armen, / Unverrückt: wo die Nacht und Hemera, ferne sich wandelnd, / Eine die andre begrüßt, um die mächtige Schwelle des Erzes / Schwingend den Lauf. Wann die eine hinabsteigt, gehet die andre / Schon aus der Pfort’, und nie sind im Inneren beide geherbergt. 51,31–33 Hier war es Ç. . .È bewachten] Hesiod, Theogonie, 735 –736, (Voss), S. 138: Gyges auch, und der stolze Bria´reos, neben dem Kottos, / Wohnen daselbst, als Wächter dem Ägiserschütterer dienend. Ähnlich V. 815–819, (Voss), S. 144f. 52,3 sie ist eine Tochter des Himmels und der Erde] Hesiod, Theogonie, 135, (Voss), S. 88. Vgl. S. 20,30–33 und Erl. 52,3–5 Ihr schöner Nahme Ç. . .È Z u r ü c k e r i n n e r n d e ] Diodorus Siculus 5,67,3, (Stroth) 2, S. 264: Was die weiblichen T i t a n e n betrift, so soll

M n e m o s y n e die Schlüsse erfunden, und einem jeden Dinge den Namen gegeben haben, womit wir es benennen, und untereinander darüber sprechen; welche Erfindung einige dem M e r k u r beylegen. Man legt auch dieser Göttinn diejenige Würkung der menschlichen Seele, welche das Erinnerungs- und Gedächtnißvermögen genannt wird, bey; wovon sie auch diesen ihren Namen erhalten hat. Auf Diodor stützen sich Banier 3, S. 231f. und Hederich, Lexicon, Sp. 1654f. Mnemosyne ist eine allegorische Gottheit. Vgl. Eitrem, Art. Mnemosyne, in: RE 15/2, Sp. 2265–2267. – Gleichzeitig spielt der Verfasser auf aktuelle Diskussionen bzw. eigene Interessen an. Zum Verhältnis von Erinnerung und Denkvermögen äußert sich Moritz in seinen pädagogischen Schriften. Danach kann nur mit Hilfe der Erinnerung die zeitliche Konsekution als Zusammenhang gefasst und dem Selbstbewußtseyn e i n v e r l e i b t werden. In der Folge gilt: Alles unser Denken ist daher gewissermaßen ein E r i n n e r n – ein U m f a s s e n gewisser Begriffe mit andern (KL, KMA 6, S. 210). Da, zumal dem Anton Reiser und dem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde zufolge, die Erinnerung Verbindungen zur frühen Kindheit herstellen kann (vgl. z. B. AR, KMA 1, S. 35f.; MzE 1, 1 [1783], S. 65–70), steht sie auch im Kontakt mit dem für die Götterlehre insgesamt wichtigen Thema der Indidivualitätskonstitution; vgl. dazu den Überblickskommentar. Zu zeitgenössischen Theorien des Gedächtnisses und zum Verhältnis von Gedächtnis und Einbildungskraft vgl. Dürbeck 1998, S. 205–229. 52,6 Sie blieb jungfräulich unter den Titanen] Eine Belegstelle für die von Moritz eigens hervorgehobene Jungfräulichkeit der Mnemosyne bis zu ihrer Verbindung mit Zeus wurde nicht ermittelt.

Stellenerläuterungen

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52,6–7 bis Jupiter Ç. . .È erzeugte] Hesiod, Theogonie, 915–917, (Voss), S. 153:

Von Mnemo´syne dann, der schöngelockten, entbrannt’ er / Der die Musen entstammen, geziert mit goldenem Haarband, / Neun, der festlichen Schmäuse vergnügt, und des frohen Gesanges. Vgl. auch ebd., 53–62, (Voss), S. 81f.; S. 196,11–17 im vorliegenden Band. 52,7–9 die den Schatz Ç. . .È vereint besaß] Vermutlich eine Bemerkung, die auf Moritz selbst zurückgeht und sich auf die Idee von der Einheit des Vielfältigen bzw. von der Vervielfältigung des Einen bezieht. Vgl., erneut zu den Musen, S. 199,19–23 und Erl. 52,11–14 Auch diese Ç. . .È weißagte] In Aischylos, Prometheus in Fesseln, 209–213 (Schlosser), S. 49f., erklärt der Protagonist Themis und Gaia zu seiner Mutter, die unter verschiedenen Namen erscheine: Aber mir hatte meine

Mutter, Themis, und die Erde, ein Geist in zwey Namen, mehr als einmal gesagt, daß nicht Gewalt, sondern List allein uns gegen unsere Obern helfen könnte. Mit der Formulierung eine Gestalt unter vielen Nahmen schließt Moritz an das Ende des unmittelbar vorangehenden Mnemosyne-Abschnitts an. 52,16–17 Die Erde selber Ç. . .È Themis an] Aischylos, Eumeniden, 1–4, (Werner), S. 187 beginnt, mit Bezug auf das Orakel von Delphi, mit einem Anruf der Pythia an Gottheiten der Weissagung: Zuerst durch Anruf von den Göttern ehr

ich hoch / Die Urwahrsagrin Gaia; nach ihr Themis dann, / Die ja als zweite dies, der Mutter, Heiligtum / In Hut nahm, wie es heißt. Möglicherweise bezieht sich Moritz jedoch auf Banier 1, S. 696: A e s c h y l u s sagt in dem Eingange seines Trauerspiels, welches die E u m e n i d e n heißt, daß die E r d e die erste Gottheit gewesen, die daselbst Göttersprüche ertheilt habe; nachher sey solches von der T h e m i s Ç. . .È geschehen. Zu Themis als Orakelgottheit auch Hederich, Lexicon, Sp. 2335. – Moritz lässt Gaia in der Götterlehre in prophetischer Rolle auftreten, insofern sie Kronos’ Sturz durch einen seiner Söhne voraussagt und einen Ratschlag zur Rettung von Zeus erteilt; s. S. 22,7–10 und 22,31–33 mit den Erl. 52,17–21 Themis Ç. . .È hinter sich werfen] Themis gehört nach Hesiod zu den Kindern von Gaia und Uranos; vgl. S. 20,30–33 und Erl. Zu ihrer Rolle im Mythos von Deukalion und Pyrrha s. S. 35,29–36,12 und Erl. 52,22–26 Die Themis Ç. . .È belohnte] Bezugsstelle ist Aischylos, Prometheus in Fesseln, 197–241, (Schlosser), S. 46–54. Dort berichtet Prometheus dem Chor der Okeaniden, aus welchem Grund er an den Felsen geschmiedet sei. Dieser Erzählung zufolge hatten die Titanen Prometheus’ Empfehlung missachtet, im

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Götterlehre

Kampf gegen die Götter List statt Gewalt anzuwenden. Umgekehrt verdanke Zeus den Sieg über die Titanen dem Umstand, dass er Prometheus’ Rat angenommen habe. Zeus’ Rache erleide Prometheus dafür, dass er sich als einziger dem Plan des Göttervaters in den Weg gestellt habe, nach dem Sieg über die Titanen die Menschheit insgesamt zu vertilgen und durch ein anderes Geschlecht zu ersetzen. Die Bemerkung, der zufolge Prometheus die Kunst des Weissagens von Themis erlernt habe, dürfte sich auf den Umstand beziehen, dass der Titan den Ratschlag ›List vor Gewalt‹ von Themis/Gaia übernimmt (V. 212–213). 52,27–29 Mit der Themis Ç. . .È befördernden Gerechtigkeit] Hesiod, Theogonie, 901–903, (Voss), S. 151f.: Themis, darauf Zeus Gattin, die herliche,

bracht’ ihm die Horen, / Dike, Euno´mia dann, und die blühende Tochter Eirene: / Welche dem Menschengeschlecht vollzeitigen alles Beginnen. – Zu den Horen als Göttinnen der Gerechtigkeit vgl. die Übertragung der sprechenden Namen bei Hederich, Lexicon, Sp. 1291 nach Lucius Annaeus Cornutus 29: und bedeutete E u n o m i a , die guten Gesetze oder die rechtmäßige

Austheilung, welche einem jeden das Seinige giebt; D i c e die Ausübung der Gerechtigkeit oder die Entscheidung gerichtlicher Streitigkeiten; I r e n e , den Frieden. Ein Teil auch der neueren Forschung betrachtet die Horen überhaupt als Erscheinungsformen der Themis (Vassiliki Machaira, Art. Horai, in: LIMC 5/1, S. 502). 52,29–30 Gefährtinnen der Grazien] Bei Hederich, Lexicon, Sp. 1289 liest man, die Horen seien Jupiters und der Themis Töchter, und Gefährtinnen der Gratien. Der Ausdruck Gefährtinnen der Grazien könnte letztlich von dem bei Hederich angeführten Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 223 stammen, der die Horen compagne delle Grazie nennt. Winckelmann wie Hederich berufen sich auf Pausanias 2,17,4, (Goldhagen) 1, S. 252, der über ein Hera-Standbild in einem Tempel nicht weit von Mykene schreibt: Sie trägt eine

Krone, woran die Gratien und Horen abgebildet sind. 52,30 Töchter des Jupiter] Vgl. S. 50,12–16 und Erl. 52,30–31 Hand in Hand geschlungen] Zum Tanz der Grazien vgl. die ähnliche Formulierung S. 202,2–4 in diesem Band. Sofern Moritz ein gemeinsames Auftreten von Horen und Chariten (Grazien) meint, kann sich die Stelle auch auf die Beschreibung des Tanzes im Homerischen Hymnus 3 an Apollon sowie auf weitere literarische Belegstellen beziehen; vgl. S. 81,26–33 und S. 203,6–8. Auch die Horen werden tanzend dargestellt; vgl. z. B. Homerischer Hymnus 6 an Aphrodite, 11–13, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 77, wo die Horen die in Zypern anlangende Aphrodite mit dem Schmuck zieren, mit

Stellenerläuterungen

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welchen sie selber / Prangen, die Goldgeschmükten Horen, so oft sie erscheinen / In der Götter reizendem Tanz, und im Hause des Vaters.– Abb. 23 zeigt die Umrisszeichnung einer der Horen unter einer Darstellung der Grazien. Vgl. dazu auch S. 202,12–16 jeweils mit den Erl. 53,7–10 A s t r ä a Ç. . .È S c h e u mehr galt] Die Erzählung von der Gerechtigkeit (DiÂkh, Dı´ke), die im ehernen Zeitalter (oder später) die Menschen verlässt und sich in die Welt der Unsterblichen zurückzieht, geht zurück auf Hesiod, Werke und Tage, 196–200. Nach Hesiod ist es allerdings nicht die Gerechtigkeit, sondern es sind AiÆdvÁw kaiÁ NeÂmesiw (Aido´s kai Ne´mesis; Schönberger, S. 17: Anstand und Ehrgefühl; Voss, S. 21: Scham und heilige Scheu), die die Welt der Menschen verlassen. Auf diese Formel dürfte sich zuletzt Moritz’ Wendung weder G e r e c h t i g k e i t noch S c h e u beziehen; vgl. allerdings auch das folgende Hyginus-Zitat. – Für die Genealogie der Astraia schließt Moritz an eine weitere Tradition an, die zu den Phainomena, einem astronomischen Lehrgedicht des Aratos von Soloi (3. Jh. v. Chr.), zurückführt. Hyginus, De astronomia 2,25 referiert seinerseits Arats Erläuterungen zur Entstehung des Sternbilds Jungfrau: Hanc He-

siodus Iovis et Themidis filiam dicit, Aratus autem Astraei et Aurorae filiam existimari, quae eodem tempore fuerit cum aurea saecula hominum et eorum principem fuisse demonstrat; quam propter diligentiam et aequitatem Iustitiam appellatam; neque illo tempore ab hominibus exteras nationes bello lacessitas esse neque navigio quemquam usum, sed agris colendis vitam agere consuesse; sed post eorum obitum qui sint nati, eos minus officiosos, magis avaros coepisse fieri; quare minus Iustitiam inter homines esse versatam; denique causam pervenisse usque eo dum diceretur aeneum genus hominum natum; itaque iam non potuisse pati amplius et ad sidera evolasse (Diese nennt Hesiod eine Tochter des Jupiter und der Themis, Aratos hingegen zeigt, dass sie als Tochter des Astraeus und der Aurora zu betrachten sei, die während des goldenen Zeitalters der Menschen als deren Fürstin gelebt habe; wegen ihrer Gewissenhaftigkeit und ihrer Billigkeit sei sie Gerechtigkeit genannt worden; und zu jener Zeit seien weder fremde Völker von den Menschen zum Krieg herausgefordert worden noch die Seefahrt im Gebrauch gewesen; vielmehr sei man gewohnt gewesen, das Leben mit dem Ackerbau zu verbringen. Aber die, die nach dem Hingang dieser Menschen geboren worden seien, hätten begonnen, weniger dienstfertig und habgieriger zu werden, weshalb die Gerechtigkeit unter den Menschen seltener geworden sei. Schließlich sei es dahin gekommen, dass man sagte, das eherne Menschengeschlecht sei geboren; deshalb habe

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Götterlehre

sie es nicht mehr ertragen können und sei zu den Gestirnen entflohen). – Der Name Astraia selbst ist – auch wenn eine ältere Vorgeschichte für ihn angenommen werden darf – erstmals bei Ovid, Metamorphosen 1,150–151 belegt, an dem sich Moritz auch in anderer Hinsicht orientiert: victa iacet pietas, et virgo caede madentis, / ultima caelestum, terras Astraea reliquit (Fink, S. 19: Über-

wältigt liegt die Nächstenliebe am Boden, und als letzte der Himmlischen verläßt die Göttin der Gerechtigkeit, die Jungfrau Astraia, die vom Mord bluttriefende Erde). – Unberücksichtigt bleibt in Moritz’ Version Vergil, Bucolica 4,6, der im Zeitalter des Augustus die virgo aus dem Exil wieder zurückkehren lässt. – Während für die gr. und röm. Antike die Textgrundlage relativ schmal bleibt, erlebte die auch im Mittelalter nicht vergessene Astraia in der Frühen Neuzeit eine beachtliche literarische Karriere; vgl. z. B. den 1607–1627 erschienenen monumentalen Schäferroman Astre´e von Honore´ d’Urfe´ (1568–1625). Auch in der Literatur des 18. Jhs. (Friedrich von Derschau, Herder, Nikolaus Götz) ist Astraia präsent. Vgl. für einen Überblick Mestwerdt 1972. 53,11–19 Weil die Themis Ç. . .È Rathschlüsse vollziehen] Die Passage bezieht sich auf die beiden Genealogien, die Hesiod für die Moiren angibt. Letztere werden zunächst unter den Kindern der Nacht aufgeführt, erscheinen jedoch an späterer Stelle als Töchter des Zeus und der Themis (vgl. S. 38,25 und Erl.). Für diesen Widerspruch findet Moritz eine Deutung in dem Metamorphose- bzw. Verjüngungs-Modell, das er der Götterlehre zugrunde legt (vgl. Erl. zu S. 30,29). 53,26 h ö h e r n S p r a c h e ] Vgl. S. 13,3–4 und Erl. 53,30 Die Erde erzeugte Ç. . .È den Himmel] Vgl. S. 20,18–19 und Erl. 53,31–32 die hohen Berge Ç. . .È das unfruchtbare Meer] Vgl. S. 20,23–24 und Erl. 53,32–54,2 hierauf gebahr sie Ç. . .È O c e a n ] Vgl. S. 20,30–33. Der Ausdruck grundlosen Ocean greift das gr. ÆVkeanoÁn bauydiÂnhn (Okeano´n bathydı´nen, Hesiod, Theogonie, 133) auf, bzw., in der lat. Version, Oceanum profundos vortices habentem (Hesiodi ascraei quae exstant, S. 32). Hesiod, Theogonie, (Voss), S. 88 übersetzt: des Okeanos strudelnden Herscher. 54,3–6 Den P o n t u s Ç. . .È aus sich selbst erzeugt] Vgl. S. 20,23–24 und Erl. Zum Bezug auf das Mittelmeer Hederich, Lexicon, Sp. 2066: Da noch andere wollen, daß ihn d i e E r d e ohne Mann gezeuget: Ç. . .È so wird er nicht

ungeschicklich von dem innern Meere verstanden. 54,6 Nebeldünsten] Zur Entstehung der Luft aus aufsteigenden Dünsten vgl. Heyne, Ueber den Ursprung, S. 22f., dem zufolge einer Homer-Stelle (Ilias 14,201–204, [Stolberg] 2, S. 44) eine entsprechende Idee aus vorhomerischen

Stellenerläuterungen

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Kosmogonien zugrunde liegt: In einer anderen Stelle erwähnt Juno, daß sie

damals, als Jupiter den Kronus in den Tartarus hinabgestoßen, beym Oceanus und der Thetis sey erzogen worden. Auch diesen Zug hat Homer aus einem alten Gedichte entlehnt, wo bey der ersten Bildung der Dinge der Ursprung der Luft oder der Wolken aus dem Wasser oder den Dünsten, welche aus der Erde in die Höhe steigen und von der Luft eingesaugt werden, beschrieben war. 54,14–16 Der Pontus Ç. . .È N e r e u s ] Vgl. S. 54,20–21 und Erl. 54,16–17 den T h a u m a s Ç. . .È C e t o ] Hesiod, Theogonie, 237–239, (Voss), S. 96: Weiter den mächtigen Thaumas darauf, und den mutigen Forkys, / Zeugt’ er 〈Pontos〉, der Gäa gesellt, und die rosenwangige Keto, / Auch Eurybia, starr wie des Demants Härte gesinnet. Die lat. Übersetzung lautet, ganz Moritz’ Paraphrase entsprechend (Hesiodi ascraei quae exstant, S. 60): Eurybiamque, ferreum in pectore animum habentem. Vgl. Banier 1, S. 215. 54,20–21 Er ist wahrhaft Ç. . .È haßt Gewalt] Hesiod, Theogonie, 233–236, (Voss), S. 96: Nereus, den wahrhaften Gott, den untrüglichen, zeugete Pontos, / Ihn den ältesten Sohn; man nennt ihn aber den Meergreis, / Weil er unfehlbar ist, ein Freundlicher, welcher, dem Unfug / Nimmer geneigt, nur gerechten und freundlichen Handlungen nachsinnt. 54,24–26 Ein Dichter Ç. . .È vorher verkündigt] Die Weissagung des Nereus, der während der Seereise die Winde zum Stillstand bringt, um dem Entführer Paris den Untergang von Troja anzukündigen, ist Gegenstand von Horaz, Oden 1,15. 54,27–55,1 Er vermählte sich Ç. . .È Die Nereiden] Hesiod, Theogonie, 240–242, (Voss), S. 97: Nereus aber gewann hochherliche Kinder von

Nymfen / In dem verödeten Meer, und der ringellockigen Doris, / Ihr des Okeanos Tochter, des allumgrenzenden Stromes. Vgl. auch Apollodoros 1,8; 11, (Meusel), S. 5f. 54,28–30 dieses GötterpaarÇ. . .È Bilder der Phantasie] Vermutlich bezieht sich Moritz auf Lippert, Dactyliothec 1, S. 29f., Nr. 71: Man kann nichts schöners

sehen, als was dieser Stein ausdrücket. Es ist die zärtliche Liebe des N e r e u s , eines Sohnes des Pontus und der Erde, und seiner Gemahlinn, der D o r i s , des Oceanus und der Tethys Tochter. Ç. . .È Nereus umfasset mit dem rechten Arme die Doris, und trägt auf der linken Schulter ein Ruder; beyde aber haben in ihrem Schooße eins von ihren Kindern, welches sich an sie schmieget, und Doris hilft noch einem andern mit der Hand, welches aus dem Meere an sie herauf klettert. Cupido und ein Delphin schwimmen voran, die ihnen gleichsam den Weg zeigen; und dieß zeiget ihre gegen

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Götterlehre

einander habende Liebe an. Maria Pipili, Art. Nereus, in: LIMC 6/1, S. 829, Nr. 59; 60 versieht Doris-Darstellungen (mit Nereus) mit einem Fragezeichen. Passende literarische Erwähnungen von Nereus und Doris als zärtlichem Paar sind nicht ermittelt. 55,7–10 So stieg einst G a l a t e a Ç. . .È vergeblich klagte] Galateia erscheint bei Homer, Ilias 18,45, (Stolberg) 2, S. 156 und Hesiod, Theogonie, 250, (Voss), S. 97 in den Katalogen der Nereustöchter. Das Motiv von Polyphems in mancher Hinsicht asymmetrischer Liebe zu Galateia, wenn auch wohl älteren Ursprungs, wurde – mit unterschiedlichem Ausgang – vor allem seit der Zeit des Hellenismus in der Literatur behandelt; vgl. Theokrit 6; 11 (Idyllen [Kütner]), S. 36–38; 60–63. Die bekannteste Fassung der Erzählung, die zugleich Moritz’ Version am nächsten steht, findet sich in Ovid, Metamorphosen 13,738–895. Allerdings stimmt die Ovid-Version mit der Erzählung in der Götterlehre nicht völlig überein: In den Mittelpunkt stellt Ovid Polyphems Klage- und Werbungslied um die unterdessen mit Akis kosende Galateia. Ihren literarischen Reiz bezieht die Darstellung vor allem aus dem Versuch des rustikalen und hässlichen Polyphem, die eigenen Vorzüge zu preisen. Erst gegen Ende bemerkt der Kyklop die Nymphe und ihren Liebhaber, den er mit einem Felsblock niederstreckt. Galateia verwandelt Akis daraufhin in einen Fluss bzw. Flussgott. Auf die Erzählung von Galateia und Akis auf Ovid-Grundlage kommt Moritz S. 220,18–24 zurück. Vgl. Sandra Monto´n Subias, Art. Galateia, in: LIMC 5/1, S. 1000. 55,11–17 T h e t i s Ç. . .È Peleus vermählt] Thetis wird von Homer, z. B. Ilias 18,35–51, (Stolberg) 2, S. 156f., ebenso von Hesiod, Theogonie, 244, (Voss), S. 97 unter den Töchtern des Nereus aufgeführt. Die Erzählung von der auf Thetis bezogenen Prophezeiung findet sich z. B. bei Pindar, Isthmische Oden 8,26–47, (Damm) 3, S. 180–182; Ovid, Metamorphosen 11,221–228; Apollodoros 3,169, (Meusel), S. 154; Hyginus, Fabulae 54; Hyginus, De astronomia 2,15. Das nicht vollständig preisgegebene Wissen um die Weissagung ist auch das Faustpfand, das in Aischylos, Prometheus in Fesseln, 764–770, (Schlosser), S. 101 der Protagonist gegen Zeus in der Hand hat. 55,11–13 welche Ç. . .È nicht zu verwechseln ist] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2360: Sonst ist sie nicht mit der Te t h y s zu vermengen, wiewohl viel-

fältig geschieht, weil sie deren Enkelinn, und also eine ganz andere war, obwohl sonst beyder Namen ziemlich einerley klingen. Ähnlich Ramler, Mythologie 1, S. 289. 55,18–21 denn die Thetis Ç. . .È Wunde empfing] Sowohl der Versuch, den zu einem frühen Tod bestimmten Achill unverwundbar zu machen, als auch das Ende

Stellenerläuterungen

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des Helden werden in unterschiedlichen Varianten erzählt. Die Ilias deutet auf Achills Tod durch Apolls Pfeil voraus (Homer, Ilias 21,277–278, [Stolberg] 2, S. 229); in der Odyssee erfährt man von Achills Tod im Kampf um Troja (Homer, Odyssee 24,36–37, [Voss], S. 450). Die von Moritz referierte Version von der weitgehenden Unverwundbarkeit und dem Tod des Achilleus ist, wenngleich vielleicht älterer Provenienz, erstmals durch das Fragment gebliebene Epos Achilleis des röm. Dichters Publius Papinius Statius 1,269–271 bezeugt (Burgess 2009, S. 9). Zu der verbliebenen verwundbaren Stelle, die zu seinem Tod führt, Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 6,57: Achilles a matre tinctus in Stygiam Ç. . .È paludem toto corpore invulnerabilis fuit, excepta parte qua tentus est Ç. . .È: qui

cum amatam Polyxenam, ut in templo acciperet, statuisset, insidiis Paridis post simulacrum latentis occisus est. Unde fingitur quod tenente [arcum] Apolline Paris direxerit tela: et bene [ait] direxit, quasi ad solum vulnerabilem locum. (Achill, der von seiner Mutter in den See Styx getaucht wurde, war am ganzen Körper unverwundbar, außer an der Stelle, an der er gehalten wurde. Als er beschlossen hatte, die geliebte Polyxena im Tempel zu empfangen, wurde er durch die Hinterlist des Paris, der sich hinter einem Standbild verborgen hatte, getötet. Daher wird erdichtet, Paris habe den Pfeil auf sein Ziel gerichtet, während Apoll den Bogen hielt. Und er zielte gut, sozusagen auf die einzige verwundbare Stelle). Auf die Ferse bezieht sich Hyginus, Fabulae 107: Hectore sepulto cum Achilles circa moenia Troianorum uagaretur ac diceret se solum Troiam expugnasse, Apollo iratus Alexandrum Parin se simulans talum, quem mortalem habuisse dicitur, sagitta percussit et occidit. (Als Achill nach dem Begräbnis des Hektor um die Mauern der Trojaner strich und sich rühmte, allein Troja bezwungen zu haben, geriet Apoll in Zorn, und in der Gestalt des Paris durchbohrte er Achills Ferse, die, wie man sagt, verwundbar war, mit einem Pfeil und tötete ihn. Zu Achills Tod auch Vergil, Aeneis 6,56–58; Ovid, Metamorphosen 12,580–606, die jedoch weder Achills Unverwundbarkeit noch die Ferse erwähnen. Als zeitgenössische Quellen vgl. Banier 5, S. 223; 228; Hederich, Lexicon, Sp. 33; 36–38, die auch weitere Varianten referieren. 55,22–26 Noch sagt die Dichtung Ç. . .È Jupiter zu legen] Auf diese Episode, auf die auch spätere Autoren anspielen, beruft sich bei Homer, Ilias 1,396–406, (Stolberg) 1, S. 25f. Achilleus, der seine Mutter Thetis um Beistand bittet, nachdem Agamemnon ihm die erbeutete Briseis genommen hat. Dass es Nereus gewesen sei, der Thetis von dem Anschlag auf Zeus benachrichtigt habe, sagt Homer allerdings nicht: Sieh’ ich habe dich oft in meines Vaters Palaste / Rühmen

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Götterlehre

gehört, daß unter allen Unsterblichen du nur / Von dem Haupte des Wolkenversammlers schmähliches Unglück / Wandtest, als die Olümpier ihn zu binden beschlossen, / Härä, Poseidon, und die kriegrische Pallas Athänä. / Denn du kamst und freytest Kronion von diesen Gefahren, / Als du den hundertarmichten Riesen auf den Olümpos / Ruftest, den Briareus die Götter, die sterblichen Menschen / Nennen Aigaion; er ist noch stärker, als selber sein Vater. / Dieser sezte sich neben Kronion mit trozender Stärke; / Da erschraken die Götter, und durften Kronion nicht binden. 55,27–28 Mit der A m p h i t r i t e Ç. . .È N e p t u n ] Bei Homer ist Amphitrite noch nicht als eigenständige mythologische Gestalt auszumachen, sondern eher als Personifikation des Meers (vgl. z. B. Homer, Odyssee 5,422; 12,60, [Voss], S. 110; 231). Hingegen führt Hesiod, Theogonie, 243, (Voss), S. 97 Amphitrite unter den Nereiden auf. Ebd., 930–933, (Voss), S. 154 werden Amphitrite und Poseidon als Eltern des Triton erwähnt, der gemeinsam mit ihnen im Meer wohnt. Zu Amphitrite mit weiteren Quellen und Versionen Hederich, Lexicon, Sp. 236–239. Vgl. Sophia Kaempf-Dimitriadou, Art. Amphitrite, in: LIMC 1/1, S. 724f. 55,28–31 sie tritt also Ç. . .È Fluthen bändigt] Zu Amphitrites Fähigkeit, zusammen mit ihren Schwestern das Meer zu beruhigen, vgl. Hesiod, Theogonie, 251–254, (Voss), S. 97f.: Auch Hippothoe dann, und Hipponome, rosiges

Armes, / Auch Kymo´doke, welche die Wog’ in der dunkelnden Salzflut, / Und raschwandelnder Wind’ Anhauch, mit Kymatolege / Leicht zu besänftigen weiß, und der rüstigen Amfitrite. Für bildliche Darstellungen der Antike in zeitgenössischen Drucken und nach zeitgenössischer Deutung vgl. Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 210, Nr. 43 mit den Erl. S. 217f.; S. 352, Nr. 110 mit den Erl. S. 353 (dazu Kommentarbd., S. 296; 475f. mit Korrekturen); Lippert, Dactyliothec 1, S. 28f., Nr. 69 (Schublade 1/2). Dort erscheint die Göttin jedoch jeweils ohne Dreizack. Moritz konnte sich aber auf Damm, Einleitung, S. 45 berufen; vgl. auch Ramler, Mythologie 1, S. 60. Worauf sich jenseits von Damm die Nachricht bezieht, dass Amphitrite den Dreizack trägt, ist nicht klar. Möglicherweise ist das Zepter gemeint, das die Göttin in manchen Darstellungen führt; vgl. z. B. Sophia Kempf-Dimitriadou, Art. Amphitrite, in: LIMC 1/1, S. 726–731, Nr. 16; 50; 79; 84. Zur Ikonographie der Amphitrite im Übrigen auch Cartari, S. 135; Hederich, Lexicon, Sp. 238f.; Prange, S. 29. 55,28 majestätisch] Die Begriffe majestätisch bzw. Majestät, mit denen Moritz immer wieder in der Götterlehre das Auftreten mythologischer Figuren beschreibt, besetzen auch eine wichtige Stelle in der Kunsttheorie des Verfassers. Dort bezeichnen sie das vollständige Zusammenfallen von Innerem und Äußerem

Stellenerläuterungen

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bzw. das Erscheinen innerer Größe in sichtbarer Gestalt. Das Sichtbarwerden von der Dinge Zusammenhang im Majestätischen trifft in der Götterlehre mehr als auf Amphitrite auf Zeus zu: Aus der höchsten Mischung des Schönen mit dem

Edlen, da wo das äußere Schöne ganz in Ausdruck innrer Würde und Hohheit übergeht, erwächst der Begriff des Majestätischen – Denken wir uns das Majestätische belebt, so muss es die Welt beherrschen, der Dinge Zusammenhang in sich fassen; der Erdkreis muß vor ihm sich beugen (BNS, S. 18; KMA 3). 55,32 funfzig Ç. . .È aufgezeichnet] S. die Liste von Hesiod, Theogonie, 240–264, (Voss), S. 97–99. Auch Homer, Ilias 18,39–48, (Stolberg) 2, S. 156f. zählt die Namen von Töchtern des Nereus auf. 56,1–2 die übrigen Ç. . .È emporsteigt] Für die Beschreibung einer AmphitriteStatue mit Tritonen und Nereiden zusammen mit Poseidon auf einem von Pferden gezogenen Wagen vgl. Pausanias 2,1,8, (Goldhagen) 1, S. 199f.; für antike bildliche Darstellungen in zeitgenössischen Drucken vgl. mit Bezug auf Amphitrite z. B. das röm. Mosaik, das Bellori, Le Pitture Antiche, Tafel 18 und S. 21f. wiedergibt bzw. beschreibt (Hochzeitszug der Amphitrite). S. im Übrigen Sophia Kempf-Dimitriadou, Art. Amphitrite, in: LIMC 1/1, S. 730, zu Darstellungen des »Hochzeitszugs von Amphitrite und Poseidon im Meerthiasos«. Dasselbe Thema ist auch Gegenstand neuzeitlicher Kunst; vgl. Pigler 1974, 2, S. 21. Worauf sich der Hinweis auf Thetis bezieht, ist nicht ermittelt. 56,4–7 Das S t a u n e n Ç. . .È persönlich dargestellt] Für Thaumas’ Abkunft s. S. 54,16–17 und Erl. – Schon in der Antike, ebenso in der Moritz verfügbaren Literatur wurde der Name Thaumas auf das gr. Verb uaymaÂzein (thauma´zein, staunen) zurückgeführt. Vgl. Hesiodi ascraei quae exstant, Kommentar zu V. 237, S. 60; Banier 1, S. 93; Hederich, Lexicon, Sp. 2330. Neuere Vermutungen verweisen eher auf einen Ortsbezug. Vgl. Höfer, Art. Thaumas, in: Roscher 5, Sp. 535f. – In der Ästhetik der zweiten Hälfte des 18. Jhs. ist die Verwunderung eine kontemplative Attitüde. Vgl. Meier, Anfangsgründe 1, § 147, S. 332: Die Ve r w u n d e -

r u n g ist eine anschauende Erkentnis der Neuigkeit, folglich müßen die neuen Gedanken eine Verwunderuug 〈!〉 erwecken können, oder sie müssen w u n d e r b a r seyn, wenn sie um der Neuigkeit willen lebhaft werden sollen. Folglich ist das Wunderbare eine der lichtesten und hellesten aesthetischen Farben. Vgl. Moritz’ Aufsatz Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten (1785, KMA 3), hier nach Ueber den Begriff des in sich selbst Vollendeten, in: GL, KMA 6, S. 356: das süße Staunen, das angenehme Vergessen unserer selbst bei der Betrachtung eines schönen Kunstwerks.

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56,8–16 Thaumas Ç. . .È Ocypete] Hesiod, Theogonie, 265–269, (Voss), S. 99:

Thaumas erkohr des tiefen Okeanos Tochter Elektra / Sich zum Weib’: ihm gebar sie die hurtige Iris, darauf auch / Schöngelockte Harpyen, Okypete, samt der Ae¨llo: / Welche der Wind’ Anhauch und himmlische Vögel erreichen, / Rasch mit der Fittige Schwung; denn sie heben sich über die Luft hin. 56,8 E l e k t r a , einer Tochter des Ocean] Hesiod führt Elektra in der Theogonie, 349, (Voss), S. 105 unter den Töchtern des Okeanos und der Tethys auf. Zu ihnen S. 49,2–3 und 50,2 sowie die Erl. – »Ursprünglich eine wohl vorgriechische Lichtgöttin«, differenziert sich Elektra in den erhaltenen Überlieferungen in unterschiedliche Figuren mit je eigener Genealogie. Außer der Okeanide, die in der Theogonie genannt wird, gehört zu dieser Reihe auch die Agamemnontochter des mykenischen Sagenkreises (Bethe, Art. Elektra, in: RE 5/2, Sp. 2309–2311), von der Moritz an späterer Stelle der Götterlehre handelt; vgl. S. 236,18–237,13. 56,9–14 die b e w u n d e r n s w ü r d i g s t e Ç. . .È wieder auftritt] In der Ilias erscheint Iris einerseits als Regenbogen (vgl. Homer, Ilias 11,27, [Stolberg] 1, S. 272), andererseits als Götterbotin (z. B. ebd. 8,397–425, [Stolberg] 1, S. 210f.). Ob schon bei Homer eine Verbindung zwischen beiden Rollen besteht, bleibt ungewiss. Seit jedoch Hesiod Iris genealogisch in die Nähe von Wasser (Okeanos) und Licht (Elektra) gerückt hatte, scheint dieser Zusammenhang festzustehen. Auch bei Vergil, z. B. Aeneis 5,657–658 und in Ovid, Metamorphosen, z. B. 11,589–591, wird Iris als Regenbogen sichtbar oder bewegt sich auf einem solchen. Die rationalistische Mythographie des 18. Jhs. betont deshalb den physikalischen Ursprung der Gottheit (s. Banier 1, S. 93; Hederich, Lexicon, Sp. 1372). – In der Ilias (vgl. die oben genannte Stelle aus dem achten Gesang sowie Homer, Ilias 15,53–58, [Stolberg] 2, S. 61) und in den Homerischen Hymnen (vgl. z. B. Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 102–114, Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg], S. 8f.) ist sie als Botin vor allem in den Diensten von Zeus und Hera unterwegs. Seit dem Hellenismus, auch bei den genannten röm. Dichtern, wird sie zur Dienerin der Hera/Juno. – U. a. Vergil, Aeneis 9,5 (Thaumantias) und Ovid, Metamorphosen 14,845 (Thaumantea) bzw. 11,647 (Thaumantis) benennen sie mit ihrem Patronym und stellen, die entsprechende Etymologie vorausgesetzt, schon damit eine Verbindung zum Staunen bzw. zur Bewunderung her. – Vgl. Weicker, Art. Iris, in: RE 9/2, Sp. 2038f.; Anneliese Kossatz-Deissmann, Art. Iris I, in: LIMC 5/1, S. 741f. 56,16–18 den Sterblichen Ç. . .È hinwegführen] In Homer, Odyssee 20,60–78, (Voss), S. 386f. treten die Harpyien als Verkörperungen plötzlicher Winde auf und

Stellenerläuterungen

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sind zuständig für das unerklärliche Verschwinden von Personen. Bei späteren Autoren wie Vergil rauben die Harpyien Speisen und besudeln, was sie nicht forttragen können. In Moritz’ Beschreibung könnte Vergil, Aeneis 3,210–262, anklingen, wo Aineias von seinem Aufenthalt auf den Strophaden berichtet. Über die Harpyien, die auch die Speisen der Seefahrer rauben und Unheil prophezeien, heißt es V. 214–215: Tristius haud illis monstrum nec saevior ulla / pestis et ira deum Stygiis sese extulit undis (Fink, S. 117: Kein schrecklicheres Un-

wesen als sie, kein grimmigeres Scheusal und Werkzeug göttlicher Rache entstieg je den Wassern der Styx). 56,19–20 Eurybia Ç. . .È Busen trägt] Vgl. für den Quellennachweis und die Genealogie der Eurybia S. 54,16–17 und Erl., wo Moritz eine identische Formulierung verwendet. 56,21–22 mit dem Titanen K r i u s Ç. . .È P e r s e s gebiehrt] Vgl. S. 21,32–33 und Erl. 57,4–5 Phorkys Ç. . .È Tochter des Pontus] Zur Genealogie von Phorkys und Keto vgl. S. 54,16–17 und Erl. Zu ihren Nachkommen, die im Folgenden aufgezählt werden, Banier 1, S. 215f. 57,6–11 Die G r ä e n Ç. . .È beschienen wurden] Zu den von Geburt an grauhaarigen Graien als Töchtern von Phorkys und Keto s. Hesiod, Theogonie, 270–273, (Voss), S. 99, der allerdings nur Pemphredo und Enyo nennt: Keto

gebar dem Forkys die rosenwangigen Gräen, / Seit der Geburt schon grau, die drum Grauhaarige nennen / So unsterbliche Götter, wie sterbliche Erdebewohner, / Schön Pefredo im Schmuck, und im Safranmantel Enyo. Moritz bezieht sich vor allem auf Aischylos, Prometheus in Fesseln, 794–797, (Schlosser), S. 103f., wo Prometheus auf die Graien als eine der Gefahren verweist, die Io auf ihrem Weg erwarten: da wohnen die Pforziden, die ewige Alten, die

schwanenweisse drey Jungfrauen, die alle drey zusammen nur ein Auge haben, und nur einen Zahn; und nie von den Strahlen der Sonne beschienen werden, noch von dem Lichte des Mondes. Vom Namen der dritten Graie (Deino) und dem gemeinsamen Besitz von Zahn und Auge berichtet Apollodoros 2,37, (Meusel), S. 58. Fast alle Informationen, die Moritz verwendet, mit Ausnahme der Schwanenfarbe, sind versammelt bei Hederich, Lexicon, Sp. 1174f. und 1996f. Die von Moritz gebrauchte Namenform Pephredo statt, wie bei Hesiod und Apollodoros, Pemphredo war üblich (vgl. Hederich, Banier 1, S. 215 sowie Voss’ Hesiod-Übersetzung). Der Konflikt zwischen schwanweiß und grau in Moritz’ Version kann seinen Grund im Kompilationscharakter der Stelle haben.

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57,12–13 Die G o r g o n e n Ç. . .È M e d u s a ] Zur Genealogie Hesiod, Theogonie, 274–276, (Voss), S. 99f.: Auch der Gorgonen Geschlecht, jenseit des

Okeanos wohnend, / Hart an der Grenze der Nacht, bei den singenden Hesperiden, / Stheino, Eury´ale auch, und die jammervolle Medusa. Das furchtbare Antlitz und die Schlangenhaare kann Moritz von Aischylos übernommen haben; vgl. Aischylos, Prometheus in Fesseln, 798–800, (Schlosser), S. 104f.: Neben ihnen 〈den Graien〉 wohnen die drey menschenfeindliche Gorgonen mit ihren Schlangen-Haaren, ihre Schwestern. Die kann kein Sterblicher ansehn, und leben. Vgl. auch S. 136,27–30 im Rahmen der PerseusSage. 57,14–15 Den D r a c h e n Ç. . .È bewacht] Hesiod, Theogonie, 333–335, (Voss), S. 104: Keto gebar auch den jüngsten, genaht in Liebe dem Forkys, /

Ihn, den entsezlichen Drachen, der tief in der westlichen Erdbucht, / Draußen am Ende des Alls, hochgoldene Äpfel behütet. Die Hesperiden und ihre Goldäpfel führt Hesiod unter den Töchtern der Nacht auf; vgl. S. 38,23–39,5 und Erl. im vorliegenden Band. Zur Lokalisierung des Gartens vgl. auch S. 155,4 und Erl. 57,16–18 Aus dem Blute Ç. . .È hervor] Hesiod, Theogonie, 280–283, (Voss), S. 100: Aber da Perseus jezo das Haupt ihr vom Halse gehauen, / Stürmte

der große Chrysaor hervor, und Pegasos wiehernd. / Pegasos wurde benamt von den nahen Okeanosquellen; / Und von dem goldenen Schwert, das die Händ’ ihm füllte, Chrysaor. In V. 278–279 ist angedeutet, dass Poseidon der Erzeuger des Pferds ist. 57,19–20 Chrysaor Ç. . .È G e r y o n ] Hesiod, Theogonie, 287–288, (Voss), S. 100f.: Den dreihauptigen Riesen Geryones zeugte Chrysaor, / Mit der Kalliroe buhlend, des edlen Okeanos Tochter. Ebd., 351, (Voss), S. 106 zählt Hesiod Kallirhoe unter den Okeaniden auf. 57,21–22 E c h i d n a Ç. . .È Drache] Hesiod, Theogonie, 295–300, (Voss), S. 101f.: Jene 〈wohl: Kallirhoe〉 gebar von neuem ein unausringbares Scheusal,

/ Ungleich sterblichen Menschen sowohl, wie unsterblichen Göttern, / In dem gehöhleten Fels, die grausame Göttin Echidna: / Halb schönwangige Nymfe, mit freudiger Schnelle des Blickes, / Halb unermeßliche Schlang’, in furchtbare Größe gedehnet, / Buntgefleckt, rohfressend, im Schooß des heiligen Landes. Unter Mythographen gehen allerdings die Meinungen über Echidnas Eltern auseinander. Banier 1, S. 215 votiert wie Moritz, während Hederich, Lexicon, Sp. 967 Phorkys für den Vater hält (damit Keto für die Mutter); so auch Hesiod, Theogonie (Schönberger), S. 27.

Stellenerläuterungen

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57,22–58,2 mit dieser erzeugte Ç. . .È Löwenklauen] Die Aufzählung der Ungeheuer, die aus der Verbindung von Echidna und Typhon (bzw., bei Hesiod, Typhaon) hervorgehen, folgt Hesiod, Theogonie, 306–327, (Voss), S. 102–104:

Ihr dann, sagen sie, nahte mit traulicher Liebe Tyfaon, / Ein unbändiger Wind, der freudigblickenden Jungfrau, / Und die begattete trug und gebar hartherzige Kinder. / Siehe, den Orthros gebar sie zuerst, des Gery´ones Wachthund; / Hierauf trug sie das grause, das unaussprechliche Scheusal, / Kerberos, Aı¨des Hund mit ehernem Laut, den Verschlinger, / Voll schamloser Gewalt, den funfzighauptigen Wütrich. / Drauf zum dritten gebar sie die unheilsinnende Hyder / Lerna’s, welche genährt die lilienarmige Here, / Ewigen Groll nachtragend der hohen Kraft Herakles. / Ç. . .È / Auch die Chimära gebar sie, die flammende Glut mit Gewalt blies, / Ungeheuer und graß, machtvoll und stümisches Anlaufs. / Und sie erhub drei Häupter: des funkelnden Löwen war eines, / Dieses der Geiß, und jenes des machtvoll schlängelnden Drachen. / Ihr gab Pegasos Tod, und der tapfere Bellerofontes. / Auch die verderbliche Fix, zum Weh der Kadmeier, gebar sie / Durch des Orthros Verein, und den nemeiäischen Löwen. Einer neueren Übersetzung zufolge wäre hingegen die Sequenz der Ungeheuer als Generationenfolge zu verstehen: Direkte Nachkommen von Echidna und Typhon sind danach Orthos, Kerberos und die Lernäische Hydra; Chimaira wird von der Hydra geboren und erzeugt ihrerseits mit Orthos die Sphinx und den Nemeischen Löwen (Hesiod, Theogonie [Schönberger], S. 28f.). 57,22–23 Ty p h a o n , ein heulender Sturmwind] Typhon erscheint in Hesiods Theogonie an zwei Stellen – zunächst als derjenige, der zusammen mit Echidna eine Reihe von Ungeheuern erzeugt, später hingegen, unter der Namenform Typhoeus, als gefährliches Monster, das einen Angriff auf Zeus unternimmt (Hesiod, Theogonie, 820–868, [Voss], S. 145–149; vgl. S. 28,10–26 und Erl. im vorliegenden Band). Schon der Mythographie des 18. Jhs. zufolge (vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2418–2424), ebenso nach jüngerer Einschätzung (vgl. Art. Typhoeus, in: KlP 5, Sp. 1022f.) sind beide identisch. Hingegen stellt Moritz keine Verbindung zwischen den genannten Stellen her; mindestens bleibt der Zusammenhang unerkennbar. Diese Trennung zwischen Typhon und Typhoeus deckt sich nicht mit der Unterscheidung zwischen dem gr. und dem ägyptischen Typhon, wie sie in der zeitgenössischen Mythographie vorkommt (vgl. Erl. zu S. 83,13–15). – Für den ägyptischen Typhon stellt Hederich, Lexicon, Sp. 2430 fest: Jedoch scheint es,

daß man eigentlich den heißen, austrocknenden und schädlichen Wind, besonders den Südwind, der für Aegypten so schrecklich ist, dadurch be-

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zeichnen wollen. – Folgt man dem Homerischen Hymnus 3 an Apollon, 305–356, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 19–22, den Moritz gut kannte, so wird Typhon als Sohn der Hera vom Python erzogen, den Apollon in Delphi erlegt. Vgl. dazu S. 82,1–6 und Erl. 57,24 Den dreiköpfigten Hund C e r b e r u s ] Während Kerberos nach Hesiod, Theogonie, 311–312, (Voss), S. 102f. fünfzig Köpfe besitzt, teilt ihm z. B. Apollodoros 2,122, (Meusel), S. 83 drei Köpfe zu und stattet ihn überdies mit Drachenschwanz und Schlangen auf dem Rücken aus. Für weitere Versionen Hederich, Lexicon, Sp. 669. 57,25 Den zweiköpfigten Hund O r t h r u s ] Korrekt ist nach Apollodor Orthos/Orthus; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1822. Dass Orthos zwei Köpfe besitzt, schreibt Apollodoros 2,106, (Meusel), S. 78 im Zusammenhang mit Herakles’ Geryon-Arbeit: Der Hund, der sie 〈die Rinder des Geryon〉 bewachte, hieß O r -

t h r u s , hatte zwey Köpfe, und war von der E c h i d n a und vom Ty p h o n erzeugt. 57,27–28 Die f e u e r s p e i e n d e C h i m ä r a Ç. . .È des Drachen] Die Vorstellungen von der Chimaira sind nicht in allen Quellen gleich. Moritz’ Beschreibung orientiert sich an Hesiod (vgl. Erl. zu S. 57,22–58,2), insofern das Ungeheuer Flammen speit; sonst folgt sie Homer, Ilias 6,181–182, (Stolberg) 1, S. 159: Vorn

ein Löwe, hinten ein Drache, die Mitte des Leibes / Einer Geiß, sie athmete fürchterlich sprühende Flammen. Vgl. auch Apollodoros 2,31, (Meusel), S. 56 und Hyginus, Fabulae 57. S. ferner Hyginus, Fabulae 151. Etwas anders Ovid, Metamorphosen 9,647–648. S. Damm, Einleitung, S. 147, vor allem jedoch Banier 4, S. 368, der die Chimaira überhaupt einem eingehenden Erklärungsversuch unterwirft. 58,1–2 Die räthselhafte S p h i n x Ç. . .È Löwenklauen] Das Aussehen der Sphinx, über das Hesiod keine Auskunft gibt, beschreibt Apollodoros 3,52, (Meusel), S. 119f. folgendermaßen: Sie hatte das Gesicht eines Frauenzimmers, die

Brust, die Füsse und den Schwanz eines Löwen, und die Flügel eines Vogels. Aus Anlass des Oidipus–Mythos erwähnt Moritz auch die Flügel (s. S. 227,14–16). Die Sphinx ist auf Abb. 28 dargestellt, die Moritz im Zusammenhang mit dem Oidipus-Mythos in die G ö t t e r l e h r e aufgenommen hat (s. S. 233,14–16; vgl. auch S. 227,14–228,10 jeweils mit den Erl.). 58,3 Dieß ist Ç. . .È Ceto] Beinahe wörtlich nach Hesiod, Theogonie, 336: toyÄto meÁn eÆk KhtoyÄw kaiÁ FoÂrkynow geÂnow eÆstiÂn. Vgl. Hesiod, Theogonie, (Voss), S. 104.

Stellenerläuterungen

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58,8–9 Hesperiden Ç. . .È bewahren] Vgl. S. 38,23–39,5 und Erl. 58,9–11 so läßt Ç. . .È entstammen] Rückgriff auf S. 57,14–15 und 54,17, wonach die Schlange bzw. der Drache von Keto, letztere hingegen von Pontos, dem Meer, abstammen. 58,18–21 Söhne des Oceans Ç. . .È I n a c h u s ] Die Aufzählung der von Okeanos gezeugten und von Tethys geborenen Flüsse folgt auch bei Hesiod, Theogonie, 337–345, (Voss), S. 104f. unmittelbar auf die Liste der Nachkommen der Echidna. Hesiods Serie von Flussnamen ist reichhaltiger als die von Moritz angeführte. Hingegen fehlt in Hesiods Katalog der Inachos. 58,20 S k a m a n d e r ] Der Skamandros ist ein Fluss in der kleinasiatischen Landschaft Troas, der im Ida-Gebirge entspringt. In seiner Eigenschaft als Flussgott gilt Skamandros als Ahnherr des Königsgeschlechts von Troja. Vgl. Bürchner, Münzer, Art. Skamandros 1), in: RE 3A/1, Sp. 429–434. Der Kampf zwischen Skamandros und Achilleus ist Gegenstand von Homer, Ilias 21,1–384, (Stolberg) 2, S. 219–233. 58,20 A c h e l o u s ] Größter gr. Fluss, Grenzfluss zwischen Aitolia und Akarnania, zugleich der in ganz Griechenland verehrte Flussgott; vgl. Stoll, Art. Acheloos, in: Roscher 1, Sp. 6–9. Von den zahlreichen Erwähnungen in der gr. und röm. Literatur übernimmt Moritz in die Götterlehre die Erzählung über Acheloos’ Kampf mit Herakles um Deianeira; vgl. S. 163,6–10. 58,20 P e n e u s ] Hauptfluss der thessalischen Ebene und Flussgott. Über die Nachkommenschaft des Peneios berichtet Diodorus Siculus 4,69,1–2, (Stroth) 2, S. 134: O k e a n und T h e t y s 〈!〉 hatten, den Fabeln zufolge, viele Kinder,

welche ihren Namen Flüssen gaben; unter welchen auch P e n e u s war, von dem der P e n e u s in Theßalien seinen Namen hat. Dieser legte sich zu einer Nymphe, Namens K r e u s a , und zeugte mit ihr den H y p s e u s und S t i l b e , mit welcher A p o l l den L a p i t h e s und K e n t a u r zeugte. L a p i t h e s wohnte um den Fluß P e n e u s , und herrschte über diese Gegenden. An die Figur des Peneios knüpft auch die Erzählung von der Liebe Apolls zu der Peneiostochter Daphne an (Ovid, Metamorphosen 1,452–564; Hyginus, Fabulae 203), auf die Moritz an späterer Stelle der Götterlehre eingeht (s. S. 219,18–22). 58,20 A l p h ä u s ] Hauptfluss von Arkadien, Messenien und Elis auf der Peloponnes. Der gr. Name ist Alpheios, die übliche latinisierte Form, die Moritz an späteren Stellen verwendet, Alpheus; vgl. S. 109,8–13; 152,25 im vorliegenden Band. Schon in den Homerischen Epen erscheint Alpheios gleichzeitig als Flussgott und Stammvater eines gr. Herrschergeschlechts; vgl. Homer, Ilias 5,541–546,

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(Stolberg) 1, S. 137: Nun ermordet Aineias der Danaer tapferste Kämpfer, /

Kräthon und Orsilochos, die Zwillingssöhne Diokläs. / In der wohlgebaueten Färä wohnet’ ihr Vater, / Reich an Gütern, sein Stamm entsproßte dem Strome Alfeios, / Der mit breiten Fluten der Pülier Erde durchwallet. / Dieser zeugte Orsilochos, vieler Menschen Beherrscher. Vgl. auch Homer, Odyssee 3,488–489, (Voss), S. 62. Den Mythos von Alpheios und der Nymphe Arethusa referiert Moritz knapp in Myth. Wb., S. 354,19–25 im vorliegenden Band. S. Wentzel, Art. Alpheios 2), in: RE 1, Sp. 1631–1636. 58,21 I n a c h u s ] Hauptfluss der gr. Landschaft Argolis auf der Peloponnes. Apollodoros 2,1, (Meusel), S. 47 führt Inachos als Sohn des Okeanos und der Tethys sowie als Namengeber des Flusses Inachos an. Apollodor zufolge stammt von Inachos das ganze Geschlecht der Herrscher von Argolis ab. Vgl. ferner Pausanias 2,15,5, (Goldhagen) 1, S. 247f., der Inachos ebenfalls als Flussgott kennt. Für abweichende Genealogien s. Hyginus, Fabulae 143; 145. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1343f. sowie ebd., Sp. 1759; Kroll, Art. Inachos, in: RE 9/2, Sp. 1218f. Inachos als Stammvater des Menschengeschlechts ist in der Götterlehre S. 68,11–69,18 ein eigenes Kapitel gewidmet. 59,2 Ein Sohn des Oceans und der Tethys] Überlieferungen zu Proteus’ Genealogie setzen erst spät ein; vgl. Hans Herter, Art. Proteus. 1), in: RE 23/1, Sp. 943. So bezeichnet Apollodoros 2,105, (Meusel), S. 78 Proteus als Sohn des Poseidon. Die Nachricht, Proteus sei Sohn des Okeanos und der Tethys, findet sich als sehr indirektes, nicht weiter verifiziertes Referat bei Conti, Mythologiae, S. 556: Xan-

tipus vero scripsit in rebus Lydiae Proteum Oceani & Tethyros a` quisbusdam creditum fuisse filium (Xanthippus aber schrieb in den Res Lydiae, dass manche glauben, Proteus sei ein Sohn des Okeanos und der Tethys gewesen). Hederich, Lexicon, Sp. 2107 gibt diese Nachricht wieder. 59,2–8 der Hüter Ç. . .È entdeckte] Moritz orientiert sich an der ältesten literarischen Belegstelle für Proteus’ Verwandlungskünste und für den rechten Weg, seiner habhaft zu werden. In Homers Odyssee begehrt Menelaos mit der Hilfe von Proteus’ Tochter Eidothea von dem Meergott, der Robben hütet, Auskunft über die eigene Zukunft und das Schicksal anderer gr. Helden nach der Abfahrt von Troja (Homer, Odyssee 4,454–461, [Voss], S. 80): Plözlich fuhren wir auf mit

Geschrei, und schlangen die Hände / Schnell um den Greis; doch dieser vergaß der betrieglichen Kunst nicht. / Erstlich ward er ein Leu mit fürchterlichwallender Mähne, / Drauf ein Pardel, ein bläulicher Drach’, und ein zürnender Eber, / Floß dann als Waßer dahin, und rauscht’ als ein Baum in den Wolken. / Aber wir hielten ihn fest mit unerschrockener Seele. / Als

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nun der zaubernde Greis ermüdete sich zu verwandeln, / Da begann er selber mich anzureden. Vgl. auch ebd. 382–424, (Voss), S. 77–79. Moritz kannte aber wohl auch Vergil, Georgica 4,387–452, (Voss), S. 292–301, wo es Aristaios ist, der Proteus’ Zukunftswissen in Anspruch nimmt. Bei Vergil muss Proteus nicht nur festgehalten, sondern auch gefesselt werden. Vgl. ferner Ovid, Metamorphosen 8,738–744 (wo nur von den Verwandlungen, nicht vom Weissagen die Rede ist). 59,10–14 Schon Saturnus Ç. . .È halb Pferd] Hesiod, Theogonie, 1001–1002, (Voss), S. 159 bezeichnet Chiron als Sohn der Philyra. In der von Moritz referierten ausführlicheren Gestalt wird der Mythos zuerst von Apollonios von Rhodos in den Argonautika 2,1231–1241, (Bodmer), S. 96 überliefert: Folgende nacht blieb ihnen 〈den Argonauten〉 am rüken die insel Philyris. / Hier wars, wo mit

Philyra, der Uranide, Saturnus, / Heimlichen Umgang pflegte, vor Rheia verstohlen, in tagen, / Da er in dem Olymp die Titanen beherrscht’, und in Kreta / Jupiter noch in der grotte des Ida bey seinen Kureten / Lebete, die sein pflegten; die Göttinn erhascht’ ihn am arme, / Seiner geliebten, er raffte sich auf und lief in die weite, / In ein wieherndes pferd mit langer mähne verwandelt. / Auch Philyra vertauschte vor scham die insel Philyris / Mit dem gebirg der Pelasgen, hier ward sie von Chiron entbunden. / Den sie Saturn gebahr, war die frucht der verbotenen liebe, /Aehnlich von oben dem Gott, von unten dem pferd mit dem roßschweif. Für spätere, verkürzte Anspielungen und Versionen, z. T. mit weiteren Varianten, s. Hyginus, Fabulae 138; Ovid, Metamorphosen 6,126; Vergil, Georgica 3,92–94. Zu den Quellen, die Moritz verwendet haben kann, gehören Banier 4, S. 464; Hederich, Lexicon, Sp. 707. 59,10–11 P h i l y r a , einer Tochter des Flußgottes Asopus] Die Geographie des antiken Griechenland kennt mehrere Flüsse mit dem Namen Asopos, so den »Hauptfluss des südlichen Boiotiens« und denjenigen »von Phliaria und Sikyonia«. – Asopos ist auch der gleichnamige Flussgott (Wagner, Art. Asopos, in: RE 2, Sp. 1705–1708), mythologisch bedeutsam vor allem durch seine zahlreichen Töchter (Wilisch, Art. Asopos, in: Roscher 1, Sp. 642–644; vgl. u. a. Apollodoros 2,5; 3,156; 3,161, [Meusel], S. 48; 150; 152; Diodorus Siculus 4,72, [Stroth] 2, S. 138–140). Einen Hinweis auf die Abstammung der Philyra, die sonst in der Regel als Tochter des Okeanos gilt, von Asopos gibt es an eher entlegener Stelle – in den Scholien zu Pindars neunter Pythischer Ode; vgl. auch hierzu den genannten REArtikel von Wagner. Diese Nachricht kehrt wieder bei Damm, Einleitung, S. 170.

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59,14–16 Schätze hoher Weisheit Ç. . .È ihre Bildung dankten] In verschiedenen mythologischen Zusammenhängen erscheint Chiron als Lehrer der Heilkunst, der Musik und der Jagd; vgl. Art. Chiron, in: KlP 1, Sp. 1149. Zu seinen Zöglingen werden neben anderen Dionysos (S. 117,20–21), Herakles (S. 147,9–14), Jason (S. 169,9–19), Asklepios (S. 211,16–18) und Achilleus gezählt (Homer, Ilias 11,831–832, [Stolberg] 1, S. 302 u. a.; vgl. S. 210,16–17 jeweils mit den Erl.); weitere bei Hederich, Lexicon, Sp. 707f. Auf Chiron in seiner Rolle als Heldenerzieher kommt Moritz S. 210,18–211,4 zurück. 59,18 Unter den Nachkommen der Titanen ist Atlas] Vgl. S. 21,29–32 und Erl. im vorliegenden Band. 59,20–21 Jupiter vermählte sich Ç. . .È den M e r k u r ] Hesiod, Theogonie, 938–939, (Voss), S. 155: Maja, des Atlas Tochter, bestieg Zeus heiliges Lager, / Und den Hermes gebar sie, der Götter gepriesenen Herold. Vgl. S. 108,13–14 und Erl. im vorliegenden Band. Für abweichende Hermes-Genealogien s. Hederich, Lexicon, Sp. 1592. 59,22 Enkel des Atlas] Ovid, Heroides 16,61–62 aus der Erzählung über das Parisurteil: constitit ante oculos actus velocibus alis / Atlantis magni Pleı¨onesque nepos (Hoffmann u. a., S. 177: Halt machte vor meinen Augen, getrieben von schnellen Flügeln, der Enkel des großen Atlas und der Pleione). 59,24 Sie ist, wie die Parzen, eine Tochter der Nacht] Vgl. S. 38,23–39,5 und Erl. im vorliegenden Band. 59,24–25 sie hemmet Stolz und Uebermuth] Damm, Einleitung, S. 89: Aus-

ser den bürgerlichen Belohnungen oder Bestrafungen, wurde der Nemesis überhaupt die B e s t r a f u n g a l l e s U e b e r m u t h e s und lasterhaften S t o l z e s , und alles dessen was v o n d e r O b r i g k e i t nicht bestraft wird oder bestraft werden kann, zugeschrieben. S. Hederich, Lexicon, Sp. 1701f. 59,25 straft und belohnt nach gerechtem M a a ß ] Damm, Einleitung, S. 88: In so so 〈!〉 ferne aber die bürgerliche Gerechtigkeit sich unter den Menschen, durch S t r a f e n wider die Bösen, und durch B e l o h n u n g der Guten, zu behaupten sucht, heisset sie N e m e s i s , welcher griechische Name theils ein g e h ö r i g e s Z u t h e i l e n , theils und vornehmlich aber ein U e b e l n e h m e n , einen b i l l i g e n U n w i l l e n , bezeichnet. Denn es wird die S t r a f g e r e c h t i g k e i t , die alles Bösesthun übel nimmt, und gerne gleiches mit gleichem vergilt, unter diesem Namen besonders bezeichnet. 60,1–2 Und unter den neuen Ç. . .È ihren Platz] Mehr als an den Kult der Nemesis (vgl. z. B. Pausanias 1,33,2, [Goldhagen] 1, S. 143; Hederich, Lexicon, Sp. 1705f.) ist wohl an ihre Rolle in der Literatur zu denken – vgl. Euripides, Phoi-

Stellenerläuterungen

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nissen 183–184, (Bothe) 1, S. 86; Kallimachos, Hymnus auf Demeter, 56, (Kütner), S. 90; Sophokles, Elektra, 792–793, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 55. – Vgl. Pavlina Karanastassi, Art. Nemesis, in: LIMC 6/1, Sp. 733–736. 60,4–5 dessen schöpferischer Ç. . .È bildete] Vgl. S. 30,22–31,26 im vorliegenden Band. 60,5–7 hat Ç. . .È in die Folge der Göttergeschichte Einfluß] Die Bemerkung zielt wohl vor allem auf Aischylos’ Tragödie Prometheus in Fesseln, wo der Protagonist in der Rolle eines Weissagenden auftritt. Vgl. z. B. Erl. zu S. 52,22–26 sowie 55,11–17 im vorliegenden Band. – Vgl. im Übrigen die ähnlichen Bemerkungen über Kronos/Saturn (S. 22,24–25) und Zeus Ammon (S. 73,6–10 und Erl.). 60,19–20 Der mächtige Ç. . .È Füßen] Vgl. S. 72,25–28 und Erl. sowie Abb. 6. 60,20–21 Neptun Ç. . .È Dreizack] Erderschütterer (eÆnosiÂxuvn, enosı´chthon und verwandte Begriffe) ist ein stereotypes Epitheton des Poseidon in den homerischen Epen. Vgl. S. 84,4–9 und Erl. im vorliegenden Band.; s. auch Homer, Odyssee 13,146; 159, (Voss), S. 251f. Über Poseidons Zuständigkeit für Erdbeben vgl. z. B. Damm, Einleitung, S. 42. – Zum Dreizack als Poseidons Attribut vgl. S. 82,27–33 und 85,17–22 mit den Erl. und Abb. 9. 60,21 die majestätische Juno] Vgl. Damm, Einleitung, S. 12: Juno wird g e b i l d e t als eine majestätisch-schöne, wohlgewachsene, Frau. 60,21–22 der ewig junge Apoll mit dem silbernen Bogen] Zu Apolls ewiger Jugend vgl. S. 78,26–79,3; zum Attribut des silbernen Bogens S. 47,16–17; 79,5–7 jeweils mit den Erl. 60,22 die blauäugigte Minerva mit Helm und Spieß] Zu den Attributen der Athene vgl. S. 86,6–10 und 89,1–5 mit den Erl. und Abb. 10. 60,22–23 die goldne Aphrodite] Golden ist ein Epitheton der Aphrodite (xryseÂh ÆAfrodiÂth, chryse´e¨ Aphrodı´te) z. B. bei Homer (Odyssee 8,337, [Voss], S. 152) und Hesiod (Theogonie, 823, [Voss], S. 145). 60,23 die jungfräuliche Diana mit Köcher und Bogen] Zu Artemis’ Jungfräulichkeit s. S. 94,11–95,26. Zu ihrer Ikonographie und ihren Attributen vgl. S. 96,24–32 mit den Erl. und Abb. 12. 60,23–24 der eherne Kriegsgott, Mars] Zum Epitheton des Ehernen vgl. Erl. zu S. 89,27–33 im vorliegenden Band. 60,27–61,1 Neptun und Pluto Ç. . .È von der Rhea gebohren] Hesiod, Theogonie, 453–458, (Voss), S. 114f. Vgl. S. 23,21–24 und Erl. im vorliegenden Band. 61,4 Mit der M e t i s Ç. . .È Minerva] Der folgende Katalog ist Hesiod, Theogonie, 886–939, (Voss), S. 150–155 entnommen, wo der Autor die neue Weltordnung des Zeus in Gestalt seiner Nachkommen entstehen lässt. – Zu Metis und Athene vgl. S. 28,29–29,2 und Erl. im vorliegenden Band.

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61,5 Mit der M n e m o s y n e Ç. . .È die Musen] Zur Abstammung der Mnemosyne S. 20,30–33 und Erl.; zur Abstammung der Musen S. 52,6–7 und Erl. 61,6–7 Mit der T h e m i s Ç. . .È Eintracht und Gerechtigkeit] Gemeint sind die Horen; vgl. S. 52,27–29 und Erl. 61,8 Mit der E u r y n o m e Ç. . .È die Grazien] Zur Genealogie der Eurynome und zur Abstammung der Grazien S. 50,12–16 und Erl. 61,9–10 Mit der L a t o n a Ç. . .È den Apoll und die Diana] Zur Abstammung der Leto vgl. S. 21,23–26 und Erl.; zur Genealogie von Apoll und Artemis S. 47,10–12 und Erl. 61,11 Mit der M a j a Ç. . .È den Merkur] Vgl. S. 59,20–21 und Erl. 61,20–22 G o t t h e i t d e s Ve r s t a n d e s Ç. . .È P h a n t a s i e ] Die Gegenüberstellung von G o t t h e i t d e s Ve r s t a n d e s und G o t t h e i t d e r P h a n t a s i e entspricht den Reserven, die Moritz im einleitenden Gesichtspunkt-Kapitel gegenüber metaphysischen Begriffen bzw. einer auf sie gestützten Religion mitsamt entsprechenden Mustern der Mythendeutung (Allegorie, Hieroglyphe, Euhemerismus) zu erkennen gibt. Vgl. v. a. S. 13,10 und Erl. 61,26 d i e G ö t t i n d e r E h e ] Vgl. Damm, Einleitung, S. 12: Juno gehörete Ç. . .È vornehmlich unter die Gottheiten, denen die Besorgung und Beschüt-

zung der Ve r h e i r a t u n g e n zugeschrieben wurde. Daher kamen die griechischen Beinamen, Z y g i a , G a m e l i a , Te l i a , und die lateinischen P r o n u b a , J u g a , A d u l t a ; welche insgesammt das VerheirathungsGeschäfte bezeichnen. Vgl. Anneliese Kossatz-Deissmann, Art. Hera, in: LIMC 4/1, S. 660. 61,26–28 gebahr dem Jupiter Ç. . .È die H e b e ] Hesiod, Theogonie, 921–922, (Voss), S. 153: Dieser 〈Zeus〉 erkohr nun Here zulezt als blühende Gattin; /

Und sie gebar die Hebe, mit Eileithya und Ares, / Ihrem Gemahl beiwohnend, dem waltenden Herrscher der Welt Zeus. Hebe wird auch von Homer, Odyssee 11,603–604, (Voss), S. 227 als Tochter von Zeus und Hera genannt. 61,27–28 L u c i n a oder I l i t h y a Ç. . .È Entbindung beisteht] Die Zuständigkeit von Eileithyia, über die sich Hesiod nicht äußert, für die Geburtshilfe ist z. B. belegt bei Homer, Ilias 11,269–271; 19,119, (Stolberg) 1, S. 281; Bd. 2, S. 185, wo jeweils von mehreren Eileithyien die Rede ist, sowie im Homerischen Hymnus 3 an Apollon, 97–116, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 8f. Eileithyia wurde gelegentlich mit anderen Geburtsgöttinnen vermischt, unter ihnen Artemis, Hera und Juno Lucina (vgl. Ricardo Olmos, Art. Eileithyia, in: LIMC 3/1, S. 685f.; Pingiatoglou 1981, S. 91–119). – Lucina war ursprünglich eine »latinische Geburtsgöttin«, die sich später, »als ihre Gestalt durch den Kult Festigung erhielt,

Stellenerläuterungen

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an Iuno anschloß« (Latte, Art. Lucina, in: RE 13/2, Sp. 1648f.) und unter dem Namen Juno Lucina verehrt wurde (vgl. Roscher, Art. Iuno, in: Roscher 2, Sp. 579–585). – In der Mythographie des 18. Jhs. bleibt die Identität von Eileithyia und Lucina mehrdeutig: Hederich, Lexicon, Sp. 910; 1476, Damm, Einleitung, S. 12; 24 und Maternus 2, S. 58 wissen, dass Lucina ein Beiname von Juno und Diana ist (zur häufigen Gleichsetzung von Diana und Lucina auch Banier 3, S. 433; Birt, Art. Diana, in: Roscher 1, Sp. 1007 unter Verweis auf Cicero, De natura deorum 2,68). Moritz kennt die dichten Beziehungen, in denen Lucina zu Juno steht, und geht in Anthusa, KMA 4/1, S. 52f. auf sie ein; zu Diana als Geburtshelferin ebd., S. 194. Gleichwohl werden Lucina und Eileithyia im 18. Jh. regelmäßig auch als selbständige Gottheit miteinander gleichgesetzt; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1340f.; Damm, Einleitung, S. 24. Dafür konnte man sich z. B. auf Horaz, Carmen saeculare, 13–16 berufen. 61,28–30 H e b e Ç. . .È Jugend sich erhält] Vgl. Damm, Einleitung, S. 14: Eine

To c h t e r der Juno heißet H e b e , welcher griechische Nahme die f r i s c h e m a n n b a r e J u g e n d bezeichnet. Lateinisch heißet sie J u v e n t a s . Denn durch Verheirathung und Geburt Ç. . .È wird immer frische Jugend, an statt der abgehenden Alten, beym menschlichen Geschlecht erhalten. Vgl. AnneFrance Laurens, Art. Hebe 1, in: LIMC 4/1, S. 458f. 61,30–33 Diese Göttin Ç. . .È Tapferkeit bestimmt] Hesiod, Theogonie, 950–955, (Voss), S. 156: Hebe kohr sich Herakles, der tapfere Sohn der

Alkmene, / Als er mit Kraft und Gewalt mühselige Kämpfe vollendet, / Daß sie, Tochter des Zeus und der goldgeschuheten Here, / Edle Genossin ihm wär’ auf dem schneebedeckten Olympos: / Seliger, der, da er Großes hinausführt’, unter den Göttern / Wohnt, dem Leiden entrückt, in Unsterblichkeit, nimmer veraltend! Vgl. auch Homer, Odyssee 11,601–604, (Voss), S. 227, ferner S. 165,31–166,6 und Erl. im vorliegenden Band. 62,1 Juno gebahr Ç. . .È M a r s ] Hesiod, Theogonie, 922–923, (Voss), S. 153. 62,2–4 auf welchen Jupiter Ç. . .È S o h n w a r ] Vgl. S. 90,1–7 und Erl. 62,5–6 Den Vu l k a n Ç. . .È gebohren hatte] Hesiod, Theogonie, 927–929, (Voss), S. 154: Here gebar den Hefästos darauf 〈d. h. nach Athenes Geburt〉,

ohn’ alle Gemeinschaft, / Aus sich selbst, denn sie zürnt’ und eiferte ihrem Gemahle, / Ihn, der an Kunst vorraget den sämtlichen Uranionen. 62,12–16 Eben so Ç. . .È vernehmen möchte] Vgl. S. 22,15–23,18 mit den Erl. 62,21–28 Als die s a n f t e L a t o n a Ç. . .È Apollo gebahr] Lukian, Iris und Poseidon (Meergöttergespräche 9; Sämtliche Werke) 2, S. 95: I r i s . Neptun! Jupiter will, daß du die von Sicilien abgerissene herumirrende Insel, die bis

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jetzt noch unter dem Wasser schwimmt, anhalten und heraufziehen sollst, so daß sie mitten im Aegäischen Meere sichtbar werde und auf einer dauerhaften Grundfeste ruhig sitzen bleibe. // N e p t u n . Es soll geschehen, Iris. Aber was kann es ihm nützen, wenn sie nun über dem Wasser ist und still steht? // I r i s . L a t o n a soll sich auf dieser Insel ihrer Bürde entledigen und es ist hohe Zeit; denn sie hat schon starke Wehen. // N e p t u n . Wie? kann sie denn nicht eben so gut im Himmel gebähren? oder, falls auch dort kein Platz wäre, hat denn die ganze Erde nicht Raum genug für die Kinder die sie gebähren wird? // I r i s . Nein! denn Juno hat die Erde mit einem großen Eide gebunden, der kreissenden Latona keinen Ort zum Gebähren einzuräumen. Zum Glück ist diese Insel nicht unter dem Eide begriffen, weil sie damals noch unsichtbar war. // N e p t u n . Nun versteh’ ichs! – Im Apoll-Kapitel fasst Moritz den Geburtsmythos des Gottes nach dem Homerischen Hymnus 3 an Apollon zusammen. Vgl. S. 81,14–82,6 mit den Erl. Weitere Quellen zum selben Gegenstand, teilweise mit Varianten, Ergänzungen und Ausmalungen des Mythos: Ovid, Metamorphosen 6,184–192; 332–336; Vergil, Aeneis 3,73–77; Kallimachos, Hymnus auf Delos, 35–259, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 226–238; Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 3,73. 62,27 zwischen einem Oehlbaum und Palmbaum] Wohl im Anschluss an Ovid, Metamorphosen 6,335–336: illic incumbens cum Palladis arbore palmae / edidit invita geminos Latona noverca (Fink, S. 285: Gelehnt an eine

Palme und den Ölbaum der Pallas, brachte Latona dort Zwillinge zur Welt, der Stiefmutter zum Verdruß). Im Homerischen Hymnus 3 an Apollon, 116–119 und in Kallimachos’ Hymnus auf Delos, 209–211, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 9; 235 umfasst Leto hingegen eine Palme oder lehnt sich daran. Die Frage der beiden Bäume wird später von Voss, Mythologische Briefe 3, S. 121–123 einer genaueren Diskussion unter Verwendung weiterer Quellen gewürdigt. Vgl. auch Damm, Einleitung, S. 30: zwischen einem

Palmen- und Lorber-Baume. 62,29–63,3 Da S e m e l e Ç. . .È in seine Hüfte] Hesiod, Theogonie, 940–942, (Voss), S. 155 erwähnt Dionysos’ Abstammung von Zeus und Semele. Moritz’ Erzählung folgt jedoch Ovid, Metamorphosen 3,253–315. In der Hauptsache, nicht in allen Details, besteht Übereinstimmung mit Apollodoros 3,26–27, (Meusel), S. 111. Moritz erzählt denselben Mythos nochmals S. 114,12–20, zu Beginn des Bacchus-Kapitels.

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62,30 Bachus] Die Schreibweise Bachus (statt des korrekten Bacchus – gr. Bakchos) ist in der Mythenkunde des 18. Jhs. nicht üblich, aber gelegentlich nachweisbar. Vgl. Heinrich Braun, Kurze Mythologie, zum Nutzen der studierenden Jugend und allen Liebhabern der schönen Wissenschaften, Augsburg 1762, S. 13. 63,4–8 Und als nachher Alkmene Ç. . .È die Entbindung schwer] Ungenaue Wiedergabe von Ovid, Metamorphosen 9,297–300: utque meos audit gemi-

tus, subsedit in illa / ante fores ara dextroque a poplite laevum / pressa genu digitis inter se pectine iunctis / sustinuit partus (Fink, S. 445: Sobald sie 〈Juno〉 mein Stöhnen vernahm, ließ sie sich auf jenem Altar draußen vor der Tür nieder, klemmte ihr linkes Knie in die rechte Kniekehle, spreizte die Finger, verschränkte sie fest ineinander und hinderte meine Entbindung). 63,8–9 Den Herkules selbst verfolgte sie von seiner Kindheit an] Vgl. im einzelnen die wiederholten Hinweise im Herkules-Kapitel S. 147,28 u. ö. 63,12–18 Von der Eifersucht Ç. . .È niemals unter] Knappe, auf das Wesentliche reduzierte Wiedergabe des um das Sternbild des Großen Bären, seine Entstehung und seine astronomischen Eigenarten kreisenden Kallisto-Mythos nach Ovid, Metamorphosen 2,402–532. Für weitere Ausmalungen und Varianten der Erzählung vgl. u. a. auch Ovid, Fasti 2,153–192; Apollodoros 3,100–101, (Meusel), S. 133f.; Hyginus, Fabulae 177; Hyginus, De astronomia 2,1. Dass der Große Bär nicht in die Fluten des Ozeanes sich tauchet, hatte schon Homer, Ilias 18,487–489, (Stolberg) 2, S. 173 im Rahmen der Beschreibung des Schilds des Achill vermerkt. S. auch Hederich, Lexicon, Sp. 609f. 63,25–28 Die den Erdkreis Ç. . .È ihre Bildung ein] Zu Hestia, ihren mythologischen Eigenschaften und ihrer Ikonographie vgl. das Vesta-Kapitel der Götterlehre, S. 104,8–106,21 mit den Erl. sowie Abb. 14. Für Hestias Jungfräulichkeit vgl. auch S. 94,11–17 und Erl. Zu ihrer Genealogie vgl. S. 23,21–24 und Erl. 64,2–7 Mit ihr Ç. . .È der Schattenwelt] Zur Genealogie der Demeter vgl. S. 23,21–24. Zu Demeter, Persephone und Hades S. 97,5–100,14 mit den Erl. 64,9–10 er ist, t i e f u n t e r d e m O r k u s Ç. . .È umgossen] Vgl. Homer, Ilias 8,13–16, (Stolberg) 1, S. 195, wo Zeus den Göttern unter Androhung von Strafen untersagt, in den Kampf um Troja einzugreifen: Oder ich hasch’ ihn, und

schleudr’ ihn hinab in des Tartaros Dunkel, / Fern in den tiefsten Schlund des unterirdischen Abgrunds, / Hinter eisernen Thoren und einer ehernen Schwelle, / Tiefer als Aidäs, so weit vom Himmel die Erde, / Daß er kenne, wie viel ich stärker, als alle Götter. Für das Hesiod entnommene Motiv der dreifachen Nacht und den Aufenthalt der T i t a n e n s. S. 51,21–23 und Erl.

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64,12–13 Diese sind nun besiegt Ç. . .È Luft getheilt] Zur Titanomachie vgl. S. 24,1–25,5 mit den Erl. Zur Teilung der Herrschaft unter den Kronossöhnen vgl. S. 49,7–10 und Erl. 64,17–18 er winket Ç. . .È erbebt] Homer, Ilias 1,528–530, (Stolberg) 1, S. 31:

Spricht’s, und bewegt die schwarzen Braunen, und nickt mit dem Haupte, / Vorwärts wallt das ambrosiaduftende Haar des Beherrschers / Am unsterblichen Haupt, und erschüttert den grossen Olümpos. Auf dieselben Verse bezieht sich Moritz u. a. S. 71,26 und 127,3–5. 64,18–19 er ist das umgebende Ganze selber] Mythologisch bezieht sich die Formulierung auf die Vorstellung von Zeus als Verkörperung des Aither; vgl. S. 14,20 und Erl. sowie S. 76,1–7. Hingegen verweist sie im Rahmen von Moritz’ ästhetischen Ideen und seiner kunsttheoretischen Terminologie auf die Totalität der Natur – das grosse Ganze bzw. umgebende Ganze (BNS, S. 34, KMA 3) – als Bezugspunkt der Darstellung des Schönen in der Kunst. 64,19–20 er lächelt Ç. . .È mit einemmal sich auf] Vergil, Aeneis 1,254–255:

Olli subridens hominum sator atque deorum / voltu, quo caelum tempestatesque serenat (Fink, S. 23: Ihr 〈Venus〉 wandte lächelnd der Vater der Menschen und Götter das Antlitz zu, mit dem er Himmel und Wetter aufheitert). 64,25–26 Semelens Schicksal] Vgl. S. 62,29–63,3 und Erl. 64,28–30 Von seinem Ç. . .È Arm besiegte] Während schon Homer in der Ilias auf Zeus’ Liebe zu Danae anspielt (Ilias 14,319–320, [Stolberg] 2, S. 49), ist der Mythos vom goldenen Regen als eine von zwei Versionen des Berichts über die Erzeugung des Perseus erst spät belegt. Vgl. Apollodoros 2,34–35, (Meusel), S. 57; Hyginus, Fabulae 63; Horaz, Oden 3,16,1–11. Moritz kommt u. a. im Rahmen des Perseus-Mythos auf dieselbe Erzählung in ihrem weiteren Kontext zurück; vgl. S. 136,10–17. – Zu Danaes Vorfahren gehört die ebenfalls von Zeus geliebte Io, zu ihren Nachkommen hingegen nicht allein ihr Sohn Perseus, sondern auch Herakles; vgl. S. 68,22–69,13 mit den Erl. im Rahmen des Inachos-Kapitels sowie S. 142,28–143,3 im Rahmen des Herakles-Kapitels. Vgl. im Übrigen Damm, Einleitung, S. 139f.; Hederich, Lexicon, Sp. 861–864. 65,1–4 Mit dem majestätischen Ç. . .È Jupiters Umarmung] Angaben für die Abstammungsverhältnisse von Kastor, Polydeukes (Pollux) und Helena sind seit Homer in verwirrender Vielfalt überliefert. Variant in hac fabula, so ruft ein Kommentator aus, mirum in modum mythographi (Auctores Mythographi latini, Kommentar zu Hyginus, Fabulae 77). Für einen Überblick s. Stoll, Art. Leda, in: Roscher 2, Sp. 1922–1925. Die von Moritz angedeutete Version – Zeus zeugt

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mit Leda Polydeukes und Helena, Tyndareos in derselben Nacht Kastor – findet sich, ebenso wie die Verwandlung in den Schwan, bei Apollodoros 3,126, (Meusel), S. 142. Leda mit dem Schwan ist darüber hinaus seit der Antike ein beliebter Gegenstand der bildenden Kunst. Moritz’ Wendung von dem an Ledas Brust sich schmiegenden Schwanenhals bezieht sich vermutlich nicht auf eine literarische Vorlage, sondern auf die breite ikonographische Tradition, die sich an die Erzählung anschließt. Für antike Beispiele in zeitgenössischen Kupferstichen vgl. etwa Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, Tafel 195. S. auch die Hinweise bei Hederich, Lexicon, Sp. 1446–1448. Für Renaissance und Barockzeit vgl. Pigler 1974, 2, S. 156–160; Poeschel 2009, S. 304. 65,3–4 Umarmung] Moritz wählt »Umarmung«, um gr. Umschreibungen der Beiwohnung wie eÆn filoÂthti mighÂnai (en philo´teti mige´nai) wiederzugeben. Desselben Ausdrucks bedienten sich schon zuvor Übersetzer wie Christian Graf zu Stolberg. Vgl. seine Übertragung von V. 3–4 des Homerischen Hymnus 4 an Hermes, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 32: den Majä, / Maja die Schöngelokte gebar aus Kronions Umarmung. Moritz verwendet die Formel aber auch – wie im vorliegenden Fall – ohne unmittelbaren Bezug auf einen entsprechenden gr. Ausdruck. 65,5–9 In der Kraft Ç. . .È Weisheit herrschte] Zu Zeus, Europa und ihren Nachkommen vgl. Apollodoros 3,2–3, (Meusel), S. 103; s. auch Hyginus, Fabulae 178. Eine besonders farbenfroh ausgemalte Version bietet Ovid, Metamorphosen 2,833–875, der auch über den Blick des Stiers spricht (V. 857–858): nullae in fronte minae, nec formidabile lumen: / pacem vultus habet (Fink, S. 117: Nicht bedrohlich ist seine Stirn, sein Blick nicht erschreckend, Friedfertigkeit spricht aus seinem Gesicht). Zu Minos vgl. das einschlägige Kapitel der Götterlehre, bes. S. 182,13–27, mit den Erl. Die Formulierung, mit der das genannte Kapitel beginnt, ist fast identisch mit der vorliegenden. 65,15–21 Daß nun eine widerstrebende Ç. . .È Werth erprobt ist] Rückbezug auf die Grundidee vom nichtmetaphysischen Charakter mythologischer Erzählungen und Bilder (vgl. S. 13,10 und Erl.), in deren Phantasiewelt es kein Wesen von ganz unumschränkter Macht (S. 13,19) und keine Begriffe von absoluter Geltung gebe. Gleichzeitig entspricht die Vorstellung vom Entstehen des Schönen und Starken aus konfliktbestimmten Voraussetzungen Moritz’ Kunsttheorie, der zufolge fortgesetztes Zerstören eine Produktionsbedingung des Schönen ist. Vgl. BNS, S. 42 (KMA 3): Es scheint nichts Höheres zu geben, dem die Aufopfe-

rung selbst wieder müßte aufgeopfert werden. – Und das Schöne hinwegwünschen, weil unter ihm die Stärke erliegt, hiesse auch, die Stärke hinweg

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wünschen, weil unter ihm die Schwäche erliegt; den Menschen, weil er mit zerstöhrender Hand die freie Thierwelt sich unterjocht; die ganze lebende Welt, weil sie unaufhörlich die unschuldige Pflanzenwelt zerstöhrt; und zuletzt auch die leblose Pflanzenwelt, weil sie die unzerstöhrbaren Theile des organisirten Stoffs, aus ihrer natürlichen Gleichheit reißt, und sie, durch die trügerische Bildung und Form zum erstenmale der Zerstöhrung unterwirft. 65,30–33 Nun ist es aber das Verhältniß Ç. . .È vorschreibt] Für die Verfolgung von Mythengestalten durch die eifersüchtige Hera vgl. die Beispiele S. 62,21–63,11 mit den Erl. Die Formulierung von der schweren Laufbahn, die Hera den Helden bereitet, trifft vor allem auf Herakles zu. Vgl. aber z. B. auch den Kadmos-Mythos S. 223,21–29 mit den Erl. 66,5–6 Jupiter schickte Ç. . .È Kieselsteinen] Vgl. den Mythos von Deukalion und Pyrrha, S. 35,29–36,12 und Erl. 66,6–7 keimte aus Drachenzähnen wieder auf] Vgl. den Kadmos-Mythos, S. 224,6–15. 66,7–9 Dem Schlamm Ç. . .È Nahrung gab] Im Anschluss an den DeukalionMythos, in dem die Menschen aus Steinen entstehen, schreibt Damm, Einleitung, S. 137: Von den E r s t e n M e n s c h e n auf unsrer Erde macht die Fabel gar

eine elende Beschreibung. Sie sagt, sie wären größten theils aus dem erwärmten Schlamme der Erde hervor gekommen: sie hätten, wie das andre Vieh, gelebt: sie hätten sich von Eicheln und wilden Baumfrüchten ernährt. Die Vorstellung von der Geburt der Menschen aus Erde und Wasser ist in der gr. Mythologie weit verbreitet und wurde auch in philosophische Systeme integriert bzw. von Philosophen aufgegriffen (Xenophanes; Demokrit; Platon). Für einen Überblick und Interpretationsansätze vgl. Luginbühl 1992, S. 100–136; 247; 249–251. Zu den einschlägigen Erzählungen gehört der Kadmos-Mythos, der ein Kriegergeschlecht aus auf die Erde geworfenen Drachenzähnen entstehen lässt (s. Luginbühl 1992, S. 106–111). Vgl. auch Moritz’ Bemerkungen zum ErichthoniosMythos, S. 103,6–18. Dass die von Prometheus geformten Menschen gemeint sein könnten (s. S. 30,22–25 und Erl.), schließt die Formulierung hingegen aus. – Zur Abstammung der Menschen von Eichen Vergil, Aeneis 8,314–318. Dort erläutert König Euandros dem Aineias die Vorgeschichte des saturnischen goldenen Zeitalters in Latium: ›Haec nemora indigenae Fauni Nymphaeque tenebant /gens-

que virum truncis et duro robore nata, / quis neque mos neque cultus erat, nec iungere tauros / aut componere opes norant aut parcere parto, / sed rami atque asper victu venatus alebat‹ (Fink, S. 369: »In diesen Wäldern

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hausten einst heimische Faune und Nymphen, dazu ein Menschenschlag, Baumstämmen und hartem Eichholz entsprossen. Sie kannten weder Gesittung noch Ackerbau und wußten weder Stiere ins Joch zu spannen noch Besitz anzusammeln oder Erworbenes aufzusparen. Vielmehr ernährten sie fruchttragende Zweige und, ein schwieriger Lebensunterhalt, die Jagd.«) Die Vergil-Stelle steht im weiteren Kontext mythischer Vorstellungen von der Anthropogenese aus Bäumen, die allerdings für gr. Mythen nur in Spuren belegt ist. Vgl. etwa Homer, Odyssee 19,162–163, (Voss), S. 367, wo Penelope sich, wohl unter Anspielung auf einen Baummythos, nach Odysseus’ Abkunft erkundigt, und Hesiod, Werke und Tage, 143–145, (Voss), S. 17, wo Zeus das dritte, eherne Geschlecht der Menschen aus Eschen erschafft. S. Luginbühl 1992, S. 203–208. 66,10 das goldene Zeitalter war entflohen] Vgl. S. 27,4–11 und 37,10–17 mit den Erl. 66,12 Des Feuers beraubt] Anspielung auf den Entzug des Feuers, das Prometheus geraubt hatte, durch Zeus. Allerdings verträgt sich der Hinweis auf den Feuerentzug nicht gut mit der Version des Mythos, die Moritz S. 31,29–32,7 im vorliegenden Band erzählt; denn ihr zufolge stiehlt Prometheus anschließend das Feuer ein zweites Mal für die Menschen. 66,23–24 mit dem Schicksal einverstandene Macht] Mit dem Schicksal einverstanden verwendet Moritz hier und S. 171,25 im Sinn von »des künftigen Geschicks kundig«. 66,30–67,28 Selbst der Vater Ç. . .È Von Vo ß übersetzt] Moritz übernimmt die deutsche Version von Vergil, Georgica 1,121–146, aus der Übertragung von Johann Heinrich Voss, S. 19–21, die soeben erst (1789) mit synoptisch abgedrucktem lat. Originaltext erschienen war. Der in die Götterlehre aufgenommene Text weicht in Details der Orthographie und der Zeichensetzung von der Vorlage ab und enthält S. 67,17 (entspricht Vergil, Georgica 1,138) eine Auslassung (schärfend: –

Raub’, – Feuer. – umherfloß: – allmählich – regem – erzwäng’, – Jezo – Jezo – Plejad’ und Hyad’ – Jezo – Wurfnez – Jezo – Jezo – besieget). – Innerhalb des ersten Lehrgedichts über den Landbau bilden die zitierten Zeilen einen Exkurs, in dem Vergil die Notwendigkeit lebenserhaltender Arbeit begründet. Dazu greift er auf den Mythos vom saturnischen Goldenen Zeitalter (vgl. S. 27,4–11 sowie S. 37,10–17 mit den Erl.) zurück, dem er in scharfem Kontrast Jupiters Epoche folgen lässt. Anders als in Hesiods Version dieses Mythos greift Jupiter bei Vergil nicht ein, um einem von den Menschen verursachten Niedergang Einhalt zu gebieten, sondern führt selbst die Not herbei, durch die sich die Menschen zu fortwährenden Anstrengungen und zur Erfindung von Techniken der

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Naturbearbeitung gezwungen sehen. Über die Interpretation dieses Umstands bestehen bis in die neuere Forschung Meinungsdifferenzen. Folgt man Moritz, so trägt Jupiter durch sein Handeln zur Entwicklung menschlicher Selbstbehauptungsfertigkeiten bei. Auch aktuelle Diskussionbeiträge bewerten die »Unterwerfung der Natur« als »Teil eines göttlichen Planes« und die Passage insgesamt als Rechtfertigung für Jupiter (Heckel 1998, S. 42–48). Als möglich gilt aber auch eine pessimistischere Lesart. Ihr zufolge wäre Jupiter, der ohnehin nicht mehr Hesiods Göttervater entspreche, »poetische Chiffre für die kosmische Katastrophe selbst, die das Ende des Paradieses und die Nötigung zur Arbeit bewirkt« (Erren 2003, S. 95; zum Ganzen ebd., S. 79–102). 67,17 Merkend Plejad’ und die leuchtende Bärin Lykaons] Sternbilder, die schon in frühesten antiken Zeugnissen genannt werden. Homer, Ilias 18,484–489, (Stolberg) 2, S. 173 erwähnt im Rahmen der Beschreibung von Achilleus’ Schild neben Orion die drei von Vergil aufgezählten Konstellationen, die z. B. als Orientierungshilfe in der Seefahrt, z. T. auch als Merkzeichen für Beginn und Ende der auf See weniger gefährlichen Saison dienten. Im Einzelnen nennt Vergil die Plejaden (das Siebengestirn), die von Moritz auch auf Kosten des Metrums ausgelassenen Hyaden (vermutlich schon in der Antike eine Gruppe von Sternen im Kopf des Stiers) und den Großen Bären, den er ähnlich wie Ovid, Fasti 3,793 (Lycaoniam Ç. . .È Arkton) als Lycaonis Arcton anspricht. Lykaon gilt als ältester König von Arkadien und als Vater der in Bärengestalt zu den Sternen erhobenen Kallisto (vgl. S. 63,12–18 und Erl.). Vgl. Art. Pleiaden, in: KlP 4, Sp. 922f.; Gundel, Art. Hyaden, in: RE 8/2, Sp. 2615–2624; Wagner, Art. Arktos, in: RE 2, Sp. 1172f. 67,29–33 Da nun Prometheus Ç. . .È Ogyges, Cekrops und Inachus] Die folgenden Erzählungen und Genealogien behandeln die mythischen Anfänge der zusammen mit Herrschaftsgebieten und Städten jetzt erstmals individualisierten und namentlich benannten Menschen. An diesen Erzählungen bestand seit langem ein universalhistorisches Interesse, da sie als frühe, wenngleich nicht unbedingt zuverlässige Zeugnisse der Völkergeschichte bewertet wurden, die es mit der biblischen Zeitrechnung zu synchronisieren galt. Banier 4, S. 187–196 geht auf die Versuche ein, auf der Basis gr. Königsreihen eine frühe Chronologie zu etablieren. Vgl. im Übrigen z. B. Henninges, Theatrum genealogicum 1, S. 387f.; 391 etc.; Marsham, Canon chronicus, S. 83–86 sowie 129–132; Gatterer, Handbuch, S. 278. Mit Blick auf die Versuche, eine genealogische Ordnung in die Mythologie zu bringen, zehrt Moritz von den Vorleistungen frühneuzeitlicher Gelehrter, ohne in Hinsicht auf Vollständigkeit und Komplexität an sie anschließen zu wollen. Statt die Bemühungen um historische Deutung und chronologische Einordnung der Mythen-

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erzählungen fortzusetzen, betrachtet Moritz sie als Dichtungen, die den Übergang von der menschenlosen oder menschenarmen Vorzeit zum Zeitalter menschlicher Kultur (Herrschaft, Vergesellschaftung, Städtebau, Schrift) und der Koexistenz von Göttern und Menschen betreffen. 68,2–3 In die Zeiten des Ogyges Ç. . .È Deukalionische ist] Die relative Chronologie der weniger prominent überlieferten ogygischen und der deukalionischen Überschwemmung wurde bereits in der Antike festgelegt; vgl. Wörner, Art. Ogygos 1, in: Roscher 3, Sp. 686. S. Damm, Einleitung, S. 150: Lange vor dem Deu-

kalion soll ein Fürst in Griechenland, Namens O g y g e s , gelebt haben, zu dessen Zeiten gleichfalls eine gewaltige Wasserfluth über die griechischen Lande sich ergossen haben soll. – Mythenkenner des 18. Jhs. diskutieren auch über die absolute Chronologie. Nach Banier 4, S. 223–230, bes. 228 sowie S. 242–255, bes. 248 fiel die ogygische Flut in das Jahr 1796 v. Chr., während deukalionische erst auf 1380 oder 1390 v. Chr. zu datieren ist. – Zu den Überschwemmungsmythen vgl. Usener 1899, S. 31–45. 68,6–7 Ogyges, welcher die Gegend Ç. . .È B ö o t i e n hieß] Hinweise auf Ogygos finden sich verstreut und fragmentiert in antiken Quellen; vgl. J. Miller, Art. Ogygos 1), in: RE 17/2, Sp. 2076–2078. Moritz bezieht sich auf mythologische Überlieferungen, denen zufolge Ogygos ein sehr früher König von Boiotien (Pausanias 9,5,1, [Goldhagen] 2, S. 377) bzw. von Athen (ebd. 1,38,7 [Goldhagen] 1, S. 163) war. Für die zeitgenössische Kenntnis dieser Figur vgl. Banier 4, S. 227; Hederich, Lexicon, Sp. 1778f. 68,7–9 erzeugte mit der Thebe Ç. . .È erbauete] Vgl. Banier 4, S. 227: Dieser Fürst 〈Ogyges〉 hatte die T h e b e , eine Tochter des J u p i t e r und der J o -

d a m e , geheyrathet, von welcher er zween Söhne bekam, den C a d m u s , und den E l e u s i n , welcher die Stadt Eleusis gebauet hat. Baniers Feststellungen liegen verstreute und schwankende Quellenangaben zugrunde. Zu Eleusis bzw. Eleusinos (vgl. Hyginus, Fabulae 147) als Sohn des Ogygos Pausanias 1,38,7, (Goldhagen) 1, S. 163, der wie Hederich, Lexicon, Sp. 983 auch eine alternative Genealogie kennt. Für Quellen zur Verbindung von Ogygos mit Thebe vgl. Stoll, Art. Iodama, in: Roscher 2, Sp. 284; J. Miller, Art. Ogygos 1), in: RE 17/2, Sp. 2077. Zu Thebe, einer eponymen Heroine von Theben, als Tochter des Zeus mit Quellenangaben Felix Stähelin, Art. Thebe 1), in: RE 5A/2, Sp. 1594. In manchen Genealogien gilt Thebe als Tochter anderer Gottheiten bzw. Heroen; vgl. Höfer, Art. Thebe I., in: Roscher 5, Sp. 552f. Antike Quellen, in denen Thebe ausdrücklich als Mutter des Eleusinos genannt wäre, wurden nicht ermittelt.

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68,9 Eleusinischen Geheimnisse] Die eleusinischen Mysterien waren jährlich wiederkehrende Feierlichkeiten im Rahmen des Demeter- und Persephone-Kults, die unter Beobachtung strenger Geheimhaltungsregeln im Demeter-Heiligtum von Eleusis abgehalten wurden. Vgl. Kloft 2006, S. 17–25; Bowden 2010, S. 26–48. – Die Mysterien waren, auch aus freimaurerischer Sicht, im 18. Jahrhundert wiederholt Gegenstand von Untersuchungen und Spekulationen. Für das einschlägige Wissen, das zu Moritz’ Zeit zur Verfügung stand, bzw. die einschlägigen Debatten vergleiche man etwa Hager, S. 360f.; Banier 4, S. 91–100 und die dort verzeichnete weitere Literatur; ferner Starck, S. 95–169; Meiners. Moritz erwähnt die Mysterien an weiteren Stellen. Vgl. S. 99,19–24 und Erl., ferner im Zusammenhang mit Dionysos (S. 114,6–7) und den Herakles–Mythen (S. 156,2–3). Vgl. auch Anthusa, KMA 4/1, S. 76,22–23 und Erl. 68,12–16 Auf den Inachus Ç. . .È ausgebreitet hatte] Antike Hauptquelle für den an Inachos anschließenden Stammbaum ist das zweite Buch von Apollodoros’ Bibliothek; für Inachos und Phoroneus vgl. Apollodoros 2,1, (Meusel), S. 47. Apollodor unterscheidet zwischen der auf Prometheus zurückgehenden Deukalionischen (1,46) und der Inachischen Genealogie. Überblicksdarstellungen in Stammbaumform, die Moritz zugänglich waren, findet man z. B. bei Banier 4, nach S. 222; Vgl. auch ebd., S. 210–212; Hederich, Lexicon, Tab. XVIII; XX. Zum Inachos als Flussgott S. 58,21 und Erl. im vorliegenden Band. 68,14 Pelopponeß] Verschrieben für Peloponeß. Die heutige Schreibweise ist Peloponnes. Zedler 27, Sp. 208 verzeichnet die Schreibweise mit einem und mit zwei n. 68,17–21 P h o r o n e u s Ç. . .È Menschengeschlechts] Die Nachrichten über Phoroneus als Kulturbringer haben ihre Wurzel in zwei Pausanias-Stellen. Vgl. Pausanias 2,15,5, (Goldhagen) 1, S. 248: Phoroneus hat die Menschen zuerst in

eine Gemeinschaft zusammen gebracht, die bis dahin zerstreuet und einzeln gewohnet hatten. Pausanias 2,19,5, (Goldhagen) 1, S. 259 berichtet ferner, dass die Bewohner von Argos im Tempel des Apollon Lykios ein Feuer zu entzünden pflegten, das sie das Feuer des Phoroneus nennen. Denn sie gestehen

nicht ein, daß Prometheus den Menschen das Feuer gegeben; sondern schreiben die Erfindung desselben dem Phoroneus zu. Phoroneus nach Prometheus erneut das Feuer holen zu lassen und ihn damit einer neuen Generation zuzuordnen, ist wohl eine Entscheidung von Moritz. – Phoroneus gilt auch in neueren Darstellungen als mythischer »Urmensch« (Weizsäcker, Art. Phoroneus, in: Roscher 3, Sp. 2435), als »Stammherr der Argiver, Ursprung des pelasgischen Geschlechts auf der Peloponnes« (Johanna Schmidt, Art. Phoroneus, in: RE 20/1,

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Sp. 645f.), das auf den Titan Japet (zu seiner Genealogie S. 20,30–33) zurückgeht, während die Hellenen sich von Deukalion herleiten. 68,22–28 J o , eine Tochter Ç. . .È wieder herrschte] Auf das Notwendigste reduzierte Zusammenfassung des Io-Mythos nach Ovid, Metamorphosen 1,587–749. Ovids Erzählung enthält eine Vielzahl an Details und farbenfroh ausgemalten Szenen, die in der Götterlehre unberücksichtigt bleiben. Für weitere Versionen des Mythos vgl. z. B. Apollodoros 2,5–10, (Meusel), S. 48–50; Hyginus, Fabulae 145. 68,30–31 Mit der L y b i a Ç. . .È B e l u s und A g e n o r ] Nicht unübliche, aber inkorrekte Schreibung für Libye/Libya. Zur Sache Apollodoros 2,10, (Meusel), S. 50. 69,1 A g e n o r herrschte zu Tyrus] Zu Agenor und seinem Zweig des Inachischen Stamms vgl. Apollodoros 2,10; 3,1–2, (Meusel), S. 50; 103. Apollodoros weist allerdings lediglich darauf hin, dass Agenor nach Phoinike ging. Vergil, Aeneis 1,338 nennt hingegen Tyros Agenoris urbem (die Stadt des Agenor). Über die Frage, ob Agenor in Tyros, in Sidon oder in beiden Städten geherrscht habe, äußern sich Quellen aus dem 18. Jh. unterschiedlich. Vgl. z. B. Gatterer, Handbuch, S. 278; Damm, Einleitung, S. 152. 69,1 K a d m u s ] Zu Kadmos vgl. S. 223,21–224,20 mit den Erl. 69,3 die vom Jupiter entführte E u r o p a ] Vgl. S. 65,5–9 und Erl. 69,4 S e m e l e , die den B a c h u s gebahr] Vgl. S. 62,29–63,3 und Erl. 69,5–11 B e l u s Ç. . .È H e r k u l e s ] Hauptquelle für den Zweig der Nachkommenschaft der Io bzw., nach ihr, des Inachos, der über Belos zu Herakles führt, ist Apollodoros. Für Belos, Danaos und Aigyptos vgl. Apollodoros 2,11–13, (Meusel), S. 50f.; zu Akrisios ebd. 2,24, (Meusel), S. 53f.; zu Danae und Perseus ebd. 2,26 und 34–35, (Meusel), S. 54; 57. Vgl. ferner S. 64,28–30 und Erl. im vorliegenden Band. Zu Alkaios, Alkmene und Herakles Apollodoros 2,49; 52; 61, (Meusel), S. 61f; 64f. Die bei Io einsetzende Herakles-Genealogie ist auch Gegenstand des HeraklesKapitels; vgl. S. 142,32–143,3 und Erl. 69,16–18 du magst Ç. . .È unerbittlichen Orkus] Horaz, Oden 2,3,21–24: di-

vesne prisco natus ab Inacho / nil interest an pauper et infima / de gente sub divo moreris, / victima nil miserantis Orci (Kytzler, S. 77: Ob reich du, ein Sproß des uralten Inachos, / keinen Unterschied macht es, oder ob arm und aus niederstem / Volke unter freiem Himmel du hausest, / Opfer des unerbittlichen Orkus). 69,19–24 Cecrops Ç. . .È w e i b l i c h e n gebildet hat] Kekrops ist in der Mythologie der erste autochthone König von Attika (vgl. Apollodoros 3,177, [Meusel],

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S. 157); er spielt zugleich die Rolle eines Kulturbringers. Die Doppelgesichtigkeit ist abgeleitet aus der Doppelnatur des Kekrops, der zugleich Mensch und Schlange gewesen sein soll, und bezieht sich auf die ihm zugeschriebene Einführung der Monogamie. Vgl. Eitrem, Art. Kekrops, in: RE 11/1, Sp. 128. Moritz orientiert sich an Damm, Einleitung, S. 188f., der wie Banier 4, S. 232–236 einer späteren Fassung (vgl. Art. Krekrops, in: KlP 3, Sp. 176) des Mythos folgt, nach der Kekrops aus Ägypten stammt: K e k r o p s Ç. . .È kam aus Aegypten in die Gegend von

A t h e n , etwa um die Zeit des Ausganges der Ebräer aus Aegypten: er sammlete die zerstreuet wohnende Leute in kleine Städte und Dörfer; und führete bey ihnen einen ordentlichen E h e s t a n d ein, da sie vorher nach Art andrer Thiere sich begattet hatten: und daher wurde dieser Kekrops nachher D i p h y e s , der Doppelte, zu benamet; man bildete ihn auch mit zwey Gesichtern, einem männlichen und einem weiblichen. Kekrops-Darstellungen mit zwey Gesichtern sind bei Irmgard Kasper-Butz/Ingrid Krauskopf, Art. Kekrops, in: LIMC 6/1, S. 1084–1091 nicht verzeichnet. 69,24–26 Aus dem nachmaligen Ç. . .È berühmteste Held] Vgl. Damm, Einleitung, S. 191: Unter den atheniensischen Fürsten ist kein berühmterer, aus der fabelhaften Zeit, als T h e s e u s . Zu den Erechthiden ebd., S. 189: Ein anderer Atheniensischer König hieß E r e c h t h e u s , Pandions Sohn, und

des Erichthonius Enkel; dessen Andenken zu Athen in besonderm Werthe war, und die edlen Familien höreten es gerne, wenn sie E r e c h t h i d e r genennet wurden. Für Theseus’ Stammbaum vgl. Hederich, Lexicon, Tab. XXIX. Zu Theseus im Übrigen S. 187,1–195,6 im vorliegenden Band. 69,28–29 bis in die älteste Ç. . .È die herrschende] Zu Athen als Ort der bildenden Kunst vgl. S. 127,30–128,4 und Erl. im vorliegenden Band. 69,29–33 Neptun und Minerva Ç. . .È A t h e n genannt] Vgl. Erl. zu S. 82,32–33. 70,2–3 Obgleich Deukalion Ç. . .È betrachtet wurde] Zu Deukalion als Wiederhersteller der Menschheit vgl. S. 35,29–36,12 und Erl. im vorliegenden Band. 70,7–12 A m p h y k t i o n Ç. . .È A m p h y k t i o n e n genannt] Der korrekte Name ist ÆAmfiktyÂvn (Amphikty´on); vgl. z. B. Apollodoros 1,49, (Meusel), S. 17; ferner Hederich, Lexicon, Sp. 224. Hederich ist es aber auch, der ebd. sowie Sp. 901 die falsche Form Amphyktion bzw. Amphyktionen verwendet. Zur Sache ebd., Sp. 224: Amphiktyon wird insgemein für den Angeber der be-

rühmten Versammlung der Amphyktionen gehalten, welches so viel, als ein allgemeiner Rath, oder Parlament der Griechen war, und erlangete damit endlich so viel, daß ihm selbst ein Tempel in den Thermopylis, wo besagte Amphyktionen zusammen kamen, errichtet wurde. Vgl. auch Ba-

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nier 4, S. 257. Antike Quellen für diese Nachricht sind Dionysios von Halikarnassos, Antiquitates Romanae 4,25,3–5, (Benzler) 1, S. 434f., sowie, für den Tempel des Amphiktyon, Herodot 7,200, (Goldhagen), S. 602. – Nach gegenwärtigem Kenntnisstand war die Amphiktyonie seit der archaischen Zeit eine Form der Verbindung von Stämmen bzw. Städten, die sich um gemeinsame Kultheiligtümer bildete. Welchen Anteil politische oder wirtschaftliche Interessen an diesen Bünden hatten, ist in der Forschung umstritten. Vgl. Art. ÆAmfiktyoniÂa, in: KlP 1, Sp. 611–613; Tausend 1992, S. 57–63. Etymologisch wird der Begriff üblicherweise auf amphi-ktiones zurückgeführt, »die in der Umgebung leben« (Art. Amphiktyonia, in: DNP 1, Sp. 611–613). Demgegenüber ist die Verbindung zwischen dem Heros Amphiktyon und den Amphiktyonien eine nachträgliche Konstruktion mit etymologischer Begründung. Vgl. Pausanias 10,8,1, (Goldhagen) 2, S. 509 über Delphi: Die Versammlung der Griechen, die hier gehalten wird, hat, wie die

meisten sagen, Amphiktyon, Deukalions Sohn, angeordnet, und daher sollen die Abgeordnete den Namen der A m p h i k t y o n e n bekommen haben. Androtion aber saget in der attischen Geschichte, es wären anfänglich nur die, so um Delph herum wohnen, zusammen gekommen, mit einander Rath zu halten, und daher Amphiktiones genannt worden; die erste Schreibart aber sey nachher gebräuchlicher worden. 70,13–14 H e l l e n Ç. . .È T h e s s a l i e n ] Banier 4, S. 257f. Vgl. auch Damm, Einleitung, S. 137. Eine abweichende Genealogie bei Hederich, Lexicon, Sp. 1232. 70,14–16 erzeugte Ç. . .È Bellerophon] Folgt man Apollodoros 1,49–51, (Meusel), S. 17f., so stammen von Hellen, nach dem die Hellenen benannt seien, außer Aiolos, dem König der Aiolier, auch Xuthos, Herr über die Peloponnes, und Doros, Namengeber der Dorer ab. Die weitere Nachkommenschaft von Hellen unter Einschluss von Meleagros, Jason und Bellerophontes ist Gegenstand von Apollodoros 1,50–85, (Meusel), S. 17–27. Einen Eindruck von der Komplexität dieser Genealogien vermitteln die Stammbaumgraphiken bei Hederich, Lexicon, Tab. XXV; XXVI. – Moritz’ Absatz über die aiolischen Heroen konkretisiert die Bemerkung, dass die Nachkommenschaft des Deukalion nur e i n e n T h e i l v o n G r i e c h e n l a n d (S. 70,6) betreffe. Der Absatz enthält insofern das Gegenstück zu der Inachischen Genealogie der Argiver (vgl. S. 68,12–21 mit den Erl.). 70,16–18 Meleager Ç. . .È g o l d n e F l i e ß ] Zu Meleagros und der Kalydonischen Jagd vgl. S. 180,9–181,24; zu Bellerophons Sieg über die Chimaira vgl. S. 141,18–24; zu Jason und dem goldenen Vlies vgl. S. 170,8–179,30, jeweils mit den Erl.

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70,18 F l i e ß ] Vlies ist hier gebraucht im Sinn von wolliges Fell, ein Fell auf welchem noch das Haar oder die Wolle befindlich sind (Adelung 2, Sp. 206). Moritz verwendet durchgehend die vorliegende Schreibweise, die in der zeitgenössischen Orthographie nicht unüblich ist (vgl. auch Banier 4, S. 550f. u. ö.). S. hingegen Hederich, Lexicon, Sp. 1329 (Vließ). Zu den orthographischen Varianten DWb 26, Sp. 388–390. 70,22–24 Unter diesen Ç. . .È a l s d e r M o n d , g e w e s e n ] Ovid, Fasti 2,289–292: ante Iovem genitum terras habuisse feruntur / Arcades, et luna

gens prior illa fuit. / vita feris simils, nullos agitata per usus: / artis adhuc expers et rude volgus erat (Holzberg, S. 65: Vor der Geburt des Jupiter hatten ihr Land die Arkader, / Heißt’s, und es war ihr Geschlecht älter sogar als der Mond. / Ähnlich den wilden Tieren verbrachten sie nutzlos ihr Leben, / Waren ein rohes Volk, kannten die Künste noch nicht). Vgl. Damm, Einleitung, S. 201. 70,25–29 Auch bei diesem Ç. . .È u m E r b a r m u n g ] Bezug auf den von Apollodoros 3,96–99, (Meusel), S. 132f. überlieferten Lykaon-Mythos, dem zufolge Zeus diesen König der Arkader samt seinen Söhnen für ihren Stolz und ihre Gottlosigkeit büßen lässt. Vgl. Damm, Einleitung, S. 201; Hederich, Lexicon, Sp. 1488 (der sich auf eine andere Quelle beruft), ferner Hager, S. 58f. 71,1–5 Der Dodonische Wald Ç. . .È E i c h e l n kannten] Zum Orakel von Dodona vgl. S. 121,25–122,33 mit den Erl. 71,10–19 Das U n e n d l i c h e Ç. . .È Bildung und Form] Als Kontext der Bemerkungen kommt Moritz’ Metaphysikkritik in Frage, insofern sie sich gegen abstrakte, der Phantasie nicht fassbare Begriffe etwa von Unendlichkeit und Unumschränktheit wendet; vgl. S. 13,10 und Erl. Gleichzeitig stehen die Sätze im Zusammenhang mit der Bildungslogik, der nach Moritz die mythologischen Vorstellungen von der Entstehung der Götter und Menschen folgen. Danach führt der Weg vom ungeformten Chaos über die frühen Ungeheuer und die anthropomorphe Götterwelt bis zu den Heroen, vor allem bis zu dem Halbgott Herakles. Vgl. Schrimpf (1967), S. 179f. S. ferner Erl. zu S. 30,29 im vorliegenden Band. 71,25–27 die Züge Ç. . .È sprechende Auge] Die winkenden Augenbraunen beziehen sich speziell auf Zeus; vgl. S. 64,17–18 und Erl. Das sprechende Auge ist in der Literatur des 18. Jhs. und auch später ein wiederholt gebrauchtes Bild für Lebhaftigkeit und Anziehungskraft der Augen. Vgl. z. B. Gotthold Ephraim Lessing, Hamburgische Dramaturgie, Ankündigung, in: Werke und Briefe 6, S. 186:

Eine schöne Figur, eine bezaubernde Miene, ein sprechendes Auge, ein reizender Tritt, ein lieblicher Ton, eine melodische Stimme: sind Dinge, die

Stellenerläuterungen

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sich nicht wohl mit Worten ausdrücken lassen. Vgl. auch S. 72,5 im vorliegenden Band den Ausdruck des redenden Antlitzes. Von Moritz vergleiche man noch NC, S. 62 (KMA 2): Ich suchte, noch eh sie in die Thüre ging, einen Vorsprung zu gewinnen, und blickte in ihr Antlitz; ich sah unter den umschattenden braunen Locken die denkende Stirn, das sprechende Auge, und unter diesem die Morgenröthe der Wangen, den Purpur der Lippen, die sanfte Ründung des Kinnes. Im Kontext stehen die Formeln für das anthropomorph G e b i l d e t e (s. S. 71,12) als Inbegriff des selbstbezüglichen Schönen ein, gemäß dem Beginn des Aufsatzes Ueber die Allegorie, in: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 (1789), 3. Bd., 2. St., S. 49–54, hier: S. 49 (KMA 3): In so fern eine Figur sprechend ist, in so fern sie bedeutend ist, nur in so fern ist sie schön. – / Dieß Sprechende und Bedeutende muß aber ja in dem rechten Sinne genommen werden: Die Figur, in so fern sie schön ist, soll nichts bedeuten, und von nichts sprechen, was a u ß e r ihr ist, sondern sie soll nur von sich selber, von ihrem innern Wesen durch ihre äußere Oberfläche gleichsam sprechen, soll durch sich selbst bedeutend werden. Vgl. auch VTO, S. 41 (KMA 3). S. ferner die folgende Erl. zum Begriff der d e n k e n d e n Macht. 72,4–6 weil eine d e n k e n d e Macht Ç. . .È ausgedrückt werden kann] Als d e n k e n d e Macht, die sich redend artikuliert und die Totalität der Natur repräsentiert, ist Zeus seinem Bruder Poseidon entgegensetzt und übergeordnet, der dem Animalischen, Ungezügelten und Ungeordneten nahesteht; vgl. S. 84,12–18 in diesem Band. Auch an weiteren Stellen seines Werks deutet Moritz die Denk- und Redefertigkeit als höchste erreichbare Individualisierungsstufe – so in dem Aufsatz In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In:

Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 4. St., S. 166f. (KMA 3): Und mit der allervollkommensten B e s t i m m t h e i t in der Gestalt des Menschen, die bis auf die feinsten Züge sich erstreckt, tritt endlich, in dem beweglichsten Theile des Organs, die r e d e n d e S t i m m e selbst ein, welche als das Resultat der vollkommensten Bestimmtheit, nun auch alles übrige in der Natur b e s t i m m t , und durch das Wort ihm seine Grenzen vorschreibt. Die denkende Kraft, als der edelste Theil unsers Wesens, offenbart sich, wie Moritz an anderer Stelle erklärt, durch die Sprache (RDI 3, S. 142 [KMA 5/2]). 72,9–10 in welchen alles Z u f ä l l i g e Ç. . .È vereinigt sind] Der Ausschluss des Z u f ä l l i g e n – im Sinn einer Ablehnung des nicht Notwendigen, Überflüssigen – und die Beschränkung auf das Wesentliche sind ein klassizistischer Stil-

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grundsatz. Vgl. Winckelmann, Gedanken, S. 16f.: Die Linie, welche das Völlige der Natur von dem Ueberflüßigen derselben scheidet, ist sehr klein, und die größten neueren Meister sind über diese nicht allezeit greifliche Grenze auf beyden Seiten zu sehr abgewichen. Derjenige, welcher einen ausgehungerten Contour vermeiden wollen, ist in die Schwulst verfallen; der diese vermeiden wollen, in das Magere. Bei Moritz finden sich einschlägige Formulierungen in dem Aufsatz In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 4. St., S. 164 (KMA 3): Denn die Nacktheit selbst entsteht ja aus der vollkommensten B e s t i m m t h e i t aller Theile, wodurch alles Zufällige von der vollendeten Bildung ausgeschlossen wird, und nur das Wesentliche auf der Oberfläche erscheint. In Die metaphysische Schönheitslinie ist zweckmäßiges Tilgen eine Bedingung für die vollkommene Selbstbezüglichkeit des Schönen: Das Gehörige weglassen ist also eigentlich das wahre Wesen der Kunst, die mehr negativ, als positiv zu Werke gehen muß, wenn sie gefallen soll (GL, KMA 6, S. 366f.). Vgl. auch VS 2, S. 118 (KMA 3): Bei den Übungen im Geschäftsstil muß ein Hauptaugenmerk sein, alles Überflüssige und nicht zur Sache Gehörige abzuschneiden, und sich insbesondere vor den gleichbedeutenden Ausdrücken in Acht zu nehmen. 72,15 aus dem die Weisheit gebohren ward] Bezug auf die Geburt der Athene aus Zeus’ Haupt; vgl. S. 29,2–4; 86,6–10; 88,3–5 (zum Begriff der Weisheit). 72,16 senkt sich vorwärts über] Vermutlich mit Bezug auf die in den Erl. zu S. 64,17–18 angeführte Stelle aus Homers Ilias. 72,17 Umwälzungen] Vgl. Erl. zu S. 41,11. 72,17–18 Doch zieht Ç. . .È s i n n e n d e Falten] Vgl. Winckelmann, Geschichte 1776, 1, S. 289: Jupiter wurde mit einem immerwährenden heiteren Blicke gebildet. Vgl. auch ebd., S. 290. 72,20 Juno Ç. . .È ü b e r l i s t e t ] Um die Aufmerksamkeit des Göttervaters von den Auseinandersetzungen um Troja abzulenken und Poseidon Gelegenheit zum ungestörten Eingreifen in den Krieg auf Seiten der Griechen zu geben, überlistet Hera in Homer, Ilias 14,153–360, (Stolberg) 2, S. 43–50 Zeus mit der Hilfe von Aphrodites Gürtel und mit Unterstützung des Schlafs. Moritz verwendet diese Episode, einschließlich der anschließenden Auseinandersetzungen zwischen beiden Göttern, als mythologische Grundlage des Jupiter- und des Juno-Kapitels. 72,25–28 Kupfertafel Ç. . .È zu seinen Füßen] Abb. 6. Vermutlich Lippert, Dactyliothec 1, S. 6f., Nr. 16 (Schublade 1/1) – ein winziger Stein, dessen Details (muskulöser Oberkörper, Blitz, Adler etc.) von Carstens erheblich deutlicher und ein-

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drucksvoller dargestellt sind als auf dem Original. Es ist nicht auszuschließen, dass der Zeichner sich zugleich an Nr. 17 orientiert, wo jedoch der Blitz eher das Aussehen einer Fackel hat. 72,30–31 der Umriß einer Büste Ç. . .È um das Haupt] Abb. 6. Lippert, Dactyliothec 1, S. 6, Nr. 12 (Schublade 1/1). Lippert identifiziert die Binde als Diadem. Im Original ist das glattgezogene Haar, das bei Carstens wie eine Kappe wirkt, besser als solches zu erkennen. 72,32 ein Jupiterskopf mit Widderhörnern] Abb. 6. Lippert, Dactyliothec 1, S. 3, Nr. 5 (Schublade 1/1). 72,33–73,2 ein geschleierter Ç. . .È hervorragt] Abb. 6. Lippert, Dactyliothec 1, S. 1, Nr. 1 (Schublade 1/1): Der Kopf des S a t u r n u s , geschleyert, und auf

demselben eine Kugel; hinten im Nacken raget sein Scepter hervor, der die Gestalt einer Sichel hat. 73,3–5 Der Kopf mit Widderhörnern Ç. . .È verehrt wurde] Ammon ist der gr. Name des ägyptischen Gottes Amun, der seit dem Mittleren Reich im ägyptischen Theben als Götterkönig verehrt wurde; vgl. Art. Amun, in: DNP 1, Sp. 632. Gr. Autoren setzen Ammon mit Zeus gleich; vgl. z. B. Pindar, Pythische Oden 4,16, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 131, ferner Herodot 2,42, (Goldhagen), S. 136: Denn den Jupiter nennen die Egypter Ammon. – Bildlich konnte Amun unter anderem mit einem Widderkopf dargestellt werden. An der vorliegenden Stelle ist jedoch der Typus des Zeus Ammon mit Widderhörnern an den Schläfen eines anthropomorphen Kopfs gemeint; vgl. Ovid, Metamorphosen 5,527–528; Jean Leclant, Gise`le Clerc, Art. Ammon, in: LIMC 1/1, S. 666–689. – Ein Amun-Orakel, das auch von Griechen befragt wurde, bestand in der Oase Siwa, die auf dem Gebiet des heutigen Ägypten in der libyschen Wüste liegt. Vgl. Art. Ammon, in: KlP 1, Sp. 304f. Folgt man Herodot 2,54–57, (Goldhagen), S. 142–144, so waren das Zeusheiligtum von Dodona und das Amun-Heiligtum in Siwa Parallelgründungen, die auf Priesterinnen aus dem ägyptischen Theben zurückgingen; vgl. S. 121,29–122,5 und Erl. im vorliegenden Band. – Für den zeitgenössischen Kenntnisstand vgl. z. B. das Kapitel Das Orakel des Hammons bei Banier 1, S. 689–692, ferner ebd. 3, S. 134. Auch für seine Ausführungen über das Orakel von Dodona hat sich Moritz wohl ebd. 1, S. 681–689 informiert; vgl. S. 121,25–122,33 mit den Erl. im vorliegenden Band. S. aber auch Damm, Einleitung, S. 8f.; Hederich, Lexicon, Sp. 213–218. 73,6–10 Und in dieser Bildung Ç. . .È übertragen hat] Nach S. 60,3–7 in diesem Band tritt auch Prometheus als in der mythologischen Genealogie überholte Gottheit später nicht mehr handelnd in Erscheinung, sondern wird nur noch pro-

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phetisch aktiv. – Mit Blick auf Zeus Ammon könnte Moritz sich auf Lipperts Kommentar zu einem ägyptischen Jaspis beziehen, der diese Gottheit zeigt (Dactyliothec 1, S. 3f., Nr. 6). Lippert führt Lucanus, Pharsalia 9,511–514 an, der Zeus Ammon ohne die Attribute von Blitz und Donner auftreten lässt. In Lipperts Übersetzung lauten die Lucan-Verse folgendermaßen: Man kam zu dem Tempel,

welchen, den einzigen in Lybien, die ungesitteten, wilden Garamanten haben. Hier stehet der weissagende Jupiter, wie man erzählet, aber nicht mit blitzenden Donnern bewaffnet, oder wie der unsrige, sondern mit gewundenen Hörnern gebildet: sein Name ist Ammon. – Gleichwohl zeigt die Gemme selbst Zeus Ammon mit dem Donnerkeil. Entsprechend lautet Lipperts Kommentar: Stehend hält er in seiner rechten Hand den Donnerkeil, und mit seiner Linken den Scepter. Für die Darstellung eines Zeus Ammon mit Donnerkeil vgl. auch Winckelmann, Description, S. 44f., Nr. II/76 (von Furtwängler 1896 nicht verzeichnet). 73,13–16 Es ist der seines alten Reichs Ç. . .È Gestalt verehrten] Vgl. S. 27,4–29 und 37,1–20 mit den Erl. in diesem Band. 73,17–19 Bart und Haupthaar Ç. . .È sich zusammendrängt] Für den ikonographischen Kontext vgl. Banier 3, S. 130: Aber die gewöhnlichste Art, ihn 〈Jupiter〉 abzuschildern, war diese, daß man ihn in der Gestalt eines maje-

stätischen und bärtigen Menschen vorstellte, der auf einem Throne sitzt. Vgl. auch Lippert, Dactyliothec 1, S. 5, Nr. 11 über einen Jupiterkopf: Sein mai-

estätisches Ansehen, seine zwinkernten Augen, wie sie Homer in der Ilias beschreibet, und sein straubigter Bart, alles dieses macht denselben sehr kenntbar. Der Geschichte der Barttracht – vgl. Wietig 2005 – widmet sich im Übrigen eine Reihe von Traktaten auch mit antiquarischem Schwerpunkt; vgl. die Angaben bei Fabricius, Bibliographia antiquaria, S. 846–851. Für die zweite Hälfte des 18. Jhs. s. z. B. 〈Augustin Fange´〉, Me´moires pour servir a l’histoire de la barbe de l’homme, Lüttich 1774. 73,20–22 Er winket Ç. . .È erbebt] Vgl. S. 64,17–18 und Erl. 73,25–32 Eine goldne Kette Ç. . .È s c h w e b e n d h ä n g t ] Homer, Ilias 8,18–26, (Stolberg) 1, S. 195f.: Auf wohlan! versucht es, ihr Götter, damit ihr

es wisset, / Eine güldene Kette hinab vom Himmel zu senken; / Hängt euch alle daran, ihr Götter und Göttinnen, / Dennoch zöget ihr nicht vom Himmel herunter zur Erde / Zeus, den waltenden Gott, mit eurer mühsamen Arbeit. / Aber wenn dann ich ergriffe die goldene Kette, / Zög’ ich in die Höhe mit euch das Meer und die Erde, / Wickelte um den Gipfel des hohen Olümpos die Kette / Dann, und sähe schweben das Meer und die Erd’ und die Götter.

Stellenerläuterungen

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73,34 das u m g e b e n d e G a n z e selber als Urbild] Bezug auf die Vorstellung von Zeus als Verkörperung des Aither (s. S. 14,20; 64,18–19 jeweils mit den Erl.), auf die Moritz am Ende des Jupiter-Kapitels und im Juno-Kapitel zurückkommt (S. 76,11–12; 77,22–26). – Mit dem Begriff des Urbilds, den Moritz fortan immer wieder verwendet, bezeichnet der Verfasser das Ungeformte oder auch Dunkle, Archaische, das individualisierten mythologischen Erscheinungen zugrunde liegt und in ihnen sichtbar bleibt. 74,2–4 daß man die Helden Ç. . .È Müttern erzeugte] An Heldensöhnen, die Zeus, in unterschiedliche Erscheinungen verwandelt, erzeugt, sind in der Götterlehre erwähnt: Perseus (mit Danae, als goldener Regen; vgl. S. 64,28–30); Herakles (mit Alkmene, als Amphitryon; vgl. S. 145,4–8); Minos, Rhadamanthys und Aiakos bzw. Triptolemos (mit Europa, als Stier; vgl. S. 182,13–27); Polydeukes/ Pollux und Helena (mit Leda, als Schwan; vgl. S. 65,1–4). 74,8–10 sie durfte sich Ç. . .È empor gezogen] Moritz deutet die Kette – bei Homer primär ein Instrument von Zeus’ Machtdemonstration gegenüber den anderen Göttern, nach Heyne allerdings auf der Basis einer ursprünglich kosmologischen Vorstellung von der vom Aether herniedersteigenden Ordnung der Elemente (Heyne, Ueber den Ursprung, S. 20) – als Bild für die Verbindung zwischen olympischer (göttlicher) und menschlicher Welt. In VP, S. 113 (KMA 3) und in VZ, 114. St., 21. September 1784 (KMA 10) zitiert Moritz Karl Wilhelm Ramlers Ode auf einen Granatapfel, in der das Bild ähnlich verwendet ist. In dieser Rolle gerät die Kette in einen Zusammenhang mit der Idee von der »Kette der Wesen«, der zufolge die Schöpfung auf der Basis der Prinzipien von »Fülle«, »Kontinuität« und »Abstufung« als »Erschaffung aller nur denkbaren Seinsformen vom Höchsten zum Niedrigsten« (Lovejoy 1985, S. 81; 83) organisiert ist. Vgl. dazu auch VZ, 65. St., 31. Mai 1785 (KMA 10); Fortsetzung der Revision der drei ersten Bände dieses Magazins, in: MzE 4, 3 (1786), S. 2 (KMA 12). Ausgehend von der neuplatonischen Philosophie wird dieser Gedanke im 18. Jh. u. a. von Leibniz, Alexander Pope (Vom Menschen, S. 30–37) und Mendelssohn wie auch in hermetistischen Naturspekulationen weiterentwickelt. Für einen Überblick über die Verwendung des homerischen Bilds vgl. Ohly 1990; dort S. 412–415, Anm. 1 auch ausführliche bibliographische Angaben. Die Moritz-Forschung verweist, auch mit Blick auf den Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen, gelegentlich auf dieses Modell einer Schöpfung, in dem polar Entgegengesetztes (oben/unten; grob/fein; gut/böse etc.) als gleichursprünglich miteinander vereint ist. Vgl. v. a. Saine 1971, S. 51–59; Gödde 2010, S. 173–175; Anthusa, KMA 4/1, Erl. zu S. 17,34–18,1. – Ob Moritz hermetistische bzw. alchemistische Abhandlungen zur

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Kenntnis genommen hat (zu dieser Frage Gödde), mag dahingestellt bleiben. Zu vergleichen wäre vor allem 〈Anton Joseph Kirchweger〉, Aurea catena Homeri.

Oder Eine Beschreibung Von dem Ursprung der Natur und natürlichen Dingen, Frankfurt, Leipzig 1723. Kirchweger nimmt das homerische Bild zum Ausgangspunkt für sein dynamisches Kontinuitätssystem der Natur. Darin befinden sich, im Rahmen einer hierarchischen Ordnung, einander entgegengesetzte Substanzen, in denen das jeweils Andersartige stets vorhanden ist, in fortwährenden Transformations-, Bildungs- und Dekompositionsprozessen, die der Verfasser nach dem Muster der alchemistischen Grundoperationen beschreibt. Vgl. Sahmland 2004, S. 65–68. S. in zweiter Linie auch 〈Johann Erhard Neithold〉, Experientia

Naxagorae, Secundum Annulos Platonicos, Et Catenam Auream Homeri. Worinnen der wahrhaffte Process, Universal-Medicin zu elaboriren / so wohl vor den menschlichen Leib / Als die Metalla zu verbessern; klar und aufrichtig vor Augen lieget, Frankfurt/M. 1723. 74,15–75,29 Gränzen der Menschheit Ç. . .È G ö t h e ] Das 1781 oder etwas früher entstandene Gedicht wurde erstmals 1789 in Goethe’s Schriften 8, S. 212–214 gedruckt. Von der Druckfassung, die Moritz zeichengenau übernimmt, weicht die erhaltene Handschrift in der letzten Strophe ab (reihen sie dauernd). In den von ihm selbst verantworteten Ausgaben stellt Goethe das Gedicht mit den in der Götterlehre ebenfalls komplett wiedergegebenen Hymnen Prometheus (S. 32,23–34,22) und Ganymed (S. 213,22–214,25 jeweils im vorliegenden Band) sowie mit der Ode Das Göttliche zusammen (Goethe’s Schriften 8, S. 207–218). Vor allem in der zweiten und dritten Strophe besteht ein motivisch dichter, aber distanzierender Bezug von Gränzen der Menschheit auf die beiden Sturm- und Drang-Hymnen. – Moritz’ Anknüpfungspunkt ist die Kette. Die Götterlehre kann insofern als frühes Zeugnis für eine Rezeption gelten, die das Gedicht mit dem Motiv der catena aurea in Verbindung bringt. Vgl. auch Ohly 1990, S. 437. Aus der Sicht der Götterlehre mag Gränzen der Menschheit, vom Bild der Kette her betrachtet, sowohl die Übermacht vergegenwärtigen, die antike Mythen den Göttern zusprechen, als auch die Kontinuitätsbeziehung zwischen Menschen- und Götterwelt. Den ästhetischen Ideen, die in die Götterlehre integriert sind, entspricht es, dass Goethe unter den Bedingungen der Endlichkeit gleichwohl den Menschen in Gestalt des Rings (letzte Strophe) einen anschaulichen Vorschein des Vollkommenen, vielleicht auch ein Symbol des vollkommen Schönen, zuzugestehen scheint. Vgl. Goethe, HA 1, S. 558f.; Terence James Reed, Grenzen der Menschheit, in: Goethe-Handbuch 1, S. 198–202; Segebrecht 2004.

Stellenerläuterungen

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76,4–7 D u s i e h s t Ç. . .È i h n h a l t e n ] Übersetzung eines wohl von Cicero selbst ins Lat. übertragenen, in die Abhandlung De natura deorum übernommenen Euripides-Zitats, dessen Kontext weder erhalten noch bekannt ist (Cicero, De natura deorum 2,65): Vides sublime fusum immoderatum aethera, / qui

terram tenero circumiectu amplectitur: / hunc summum habeto divum, hunc perhibeto Iovem! 76,10–12 Der Juno Ç. . .È ruht] Vgl. Cicero, De natura deorum 2,66: Aer autem, ut Stoici disputant, interiectus inter mare et caelum Iunonis nomine consecratur, quae est soror et coniux Iovis, quod ei et similitudo est aetheris et cum eo summa coniunctio (Blank-Sangmeister, S. 175: Die Luft nun, die sich nach stoischer Lehre zwischen Meer und Himmel erstreckt, wird unter Iunos Namen verehrt; sie ist Iuppiters Schwester und Gattin, weil sie Ähnlichkeit mit dem Äther aufweist und mit ihm in engster Verbindung steht). Zum Zusammenspiel von Aither und Aer S. 14,20 und Erl. 76,13–18 In der vom Glanz Ç. . .È Himmelskönigin verkündigt] Zu Iris vgl. S. 56,9–14 und Erl. 76,19–20 P f a u e n Ç. . .È i n d e n Wo l k e n ziehn] Vgl. Ovid, Metamorphosen 2,531–532 aus dem Kallisto-Mythos (s. S. 63,12–18 und Erl.), wo Hera mit Erfolg die Unterstützung der Meeresgötter Okeanos und Thetis gegen die Nymphe erbittet: Di maris adnuerant: habili Saturnia curru / ingreditur liquidum pavonibus aethera pictis (Fink, S. 97: Die Götter des Meeres nickten ihr

Gewährung, und im leichten Wagen kehrt Juno zum hellen Äther zurück, von bunten Pfauen gezogen). Pfauen waren »der Hera/Juno heilig« (Art. Pfau, in: DNP 9, Sp. 690). Vgl. auch Banier 3, S. 165; Hederich, Lexicon, Sp. 1399; Maternus 2, S. 33. Nach Anthusa, KMA 4/1, S. 72,21 wurden in Rom anlässlich der Kampfspiele, die die Cerealien eröffneten, im Rahmen eines Aufzugs Götterbilder gezeigt, unter ihnen Juno mit dem majestätischen Pfau. 76,23–24 h e r r s c h e n d e , g r o ß ä u g i g t e , w e i ß a r m i g t e ] Stereotype Epitheta der Hera in den homerischen Epen und darüber hinaus: poÂtnia (po´tnia, Herrin, Gebieterin); bovÄpiw (boo´pis, wörtlich: kuhäugig, d. h. mit großen Augen), regelmäßig in Kombination mit poÂtnia – vgl. z. B. Homer, Ilias 14,159; 222; 263; leykvÂlenow (leuko´lenos, mit weißen Ellenbogen, weißarmig); vgl. z. B. Homer, Ilias 14,277, (Stolberg) 2, S. 43; 45; 47. 76,28–77,13 So wie nun aber Ç. . .È des Zorns, des Jammers] Bezug auf das Verhältnis von Hera als Aer zu Zeus als Aither, das mit der von Moritz in der Abhandlung Ueber die bildende Nachahmung des Schönen angenommenen hierarchischen Organisation der Natur in Verbindung steht. Danach ist das Leben

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der Einzelgeschöpfe, die Teil eines größeren Ganzen sind, von Konflikten bestimmt und bringt Leiderfahrungen mit sich; doch geht das Einzelne zugleich in der Harmonie des Naturganzen auf (BNS, S. 40–46 [KMA 3]). Für dasselbe Verhältnis aus erkenntnistheoretischer Perspektive vgl. ebd., S. 23: Je lebhafter spiegelnd das

Organ von der d u n k e l a h n d e n d e n Thatkraft, durch die u n t e r s c h e i d e n d e Denkkraft, bis zu dem h e l l s e h e n d e n Auge, und d e u t l i c h v e r n e h m e n d e n Ohre, wird; um desto vollständiger und lebendiger werden zwar die Begriffe, aber um destomehr v e r d r ä n g e n sie sich auch, und schliessen einander aus. 77,13–14 Da muß Hektor Ç. . .È Flammen werden] Homer berichtet in Ilias 22,131–361, (Stolberg) 2, S. 249–258 vom Kampf zwischen Achilleus und Hektor, in dem letzterer unterliegt und stirbt. Hekabe, Hektors Mutter, beklagt den Tod ihres Sohns und die Schändung seiner Leiche durch Achilleus (Homer, Ilias 22,405–407, [Stolberg] 2, S. 360): Die Mutter / Riß die Haare sich aus, und

warf den glänzenden Schleyer / Weit von sich weg, sie sah auf den Sohn mit schreyendem Jammer. Eroberung und Einäscherung von Troja sind Gegenstand anderer Quellen. Vgl. S. 243,7–10 und 243,33–244,28 mit den Erl. in diesem Band. Eine der vorliegenden ähnliche Formulierung verwendet Moritz in BNS, S. 45: Der Kampf muss also durchgekämpft, das grosse Opfer muss darge-

bracht werden. – Das Geklirr der Waffen, und das Geschrei der Sterbenden muss gen Himmel tönen – Hektor muss fallen, und Hekuba ihr Haar zerraufen. Vgl. Berghahn 2012, S. 150. 77,17–20 die, selbst über Sorgen Ç. . .È entzweien konnten] Vgl. Homer, Ilias 1,573–576, (Stolberg) 1, S. 32f., wo Hephaistos Hera nach einem Streit mit Zeus versöhnlich stimmt: Götter, was sollen wir noch für Ebentheuer erwarten, /

Wenn ihr wegen sterblicher Menschen so sehr euch entzweyet, / Mit Getümmel den Himmel erfüllet! Die Freuden des Mahles / Werden schwinden dahin, vom lauten Zwiste verscheuchet. Zur Differenz zwischen der mit Sorgen belasteten Menschen- und der über den Kummer erhabenen Götterwelt vgl. auch das Homer-Zitat S. 206,9–10 und Erl. 77,18 süßen Nektar] Nektar ist in der Mythologie zusammen mit Ambrosia exklusives Nahrungsmittel der Götter, die hingegen weder Brot noch Wein zu sich nehmen (Homer, Ilias 5,341, [Stolberg] 1, S. 129). In der Regel gilt Nektar als Getränk, doch enthalten die Quellen über die Beschaffenheit von Nektar und Ambrosia unterschiedliche Nachrichten. Vgl. Art. Nektar, in: DNP 8, Sp. 807. 77,22–23 Der Schwan in Ledas Schooße] Vgl. S. 65,1–4 und Erl.

Stellenerläuterungen

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77,27–30 Als Juno Ç. . .È bei dem Anblick] Vgl. Homer, Ilias 15,18–25, (Stolberg) 2, S. 59f., wo Zeus, von Hera verführt und zum Schlafen gebracht, sie nach seinem Erwachen erzürnt an die Strafe erinnert, mit der er sie für die Verfolgung von Herakles hatte büßen lassen: Hast du etwa vergessen, wie ich in die Höhe

dich schweben / Ließ, dir an den Füssen zween grosse Ambosse hängte, / Und mit unzerbrechlichen goldnen Fesseln die Hände / Band? Du schwebtest hoch, von Wolken des Himmels umgeben. / Deinetwegen traurten die Götter des hohen Olümpos, / Standen um dich herum, und durften dich dennoch nicht lösen; / Denn ich hätte den ersten gefaßt, und hätt’ ihn geschleudert / Von der Schwelle des Himmels; er wäre kraftlos gefallen / Auf die Erde; noch wäre mein Zorn nicht worden gestillet. 78,1 höhern Sprache] Vgl. S. 13,3–4 und Erl. 78,2–4 Als Juno Ç. . .È leihen] Homer, Ilias 14,190–223, (Stolberg) 2, S. 44f. Vgl. S. 49,21–27 und Erl. im vorliegenden Band. 78,4–6 deren sanftere Schönheit Ç. . .È Ausspruch that] Anspielung auf die Vorgeschichte des Trojanischen Kriegs – hier: das Parisurteil. Vgl. S. 238,29–239,4 und Erl. im vorliegenden Band. Die kleinasiatische Ida ist eine südöstlich der Landschaft Troas gelegene Gebirgsregion (vgl. Art. Ida 2., in: KlP 2, Sp. 1337), in der Paris zur Zeit des Urteils das Hirtenamt versieht. 78,7–14 Da nun Juno Ç. . .È glänzenden Schuhe] Homer, Ilias 14,166–186, (Stolberg) 2, S. 43f. Dort putzt sich Hera heraus, um Zeus zu verführen: Eilend

ging sie hinein in ihre Gemächer, des theuren / Sohnes Häfaistos Werk, mit dichten Thüren versehen, / Und geheimem Schlosse, das jedem Gotte versteckt war. / Hier ging Härä hinein, und schloß die glänzenden Thüren / Hinter sich zu. Mit Ambrosia salbt sie die reizenden Glieder, / Und mit lieblichem, göttlichduftendem Oele des Himmels, / Dessen Geruch, so bald es im festen Palaste Kronions / Nur gerührt ward, Himmel und Erde mit Wohlgeruch füllte. / Hiermit salbete sie die schönen Glieder. Ihr Haupthaar / Ordnete sie mit den Händen, es floß in glänzenden Locken / Wallend hinab vom unsterblichen Haupt der göttlichen Härä. / Himmlisch war ihr Gewand, die Arbeit von Pallas Athänä, / Fein und künstlichschön, mit mancherley Bildergewebe; / Dieses hakte sie, unter der Brust, mit güldenen Häklein; / Und nahm eine Scherpe, mit hundert Quästen behangen; / Henkte dreyfache künstlich geschliffne Edelsteine / In die Ohren; sie glänzten mit stralenversendendem Schimmer. / Eine neue prächtige Haube bedeckte der Göttin / Scheitel mit blendender Weisse, wie Stralen der leuchtenden Sonne. / Zierliche Solen band sie unter die glänzenden Füsse.

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Götterlehre

78,14 den Gürtel Ç. . .È Busen] Homer, Ilias 14,223, (Stolberg) 2, S. 45: Lächelnd legt sie alsbald an ihren Busen den Gürtel. 78,20 einem Kopf der Juno] Abb. 7. Lippert, Dactyliothec 1, S. 21, Nr. 53 (Schublade 1/2): Der Kopfputz ist königlich, mit einem Diadem, und die Haare sind in Zöpfe geflochten, wo auch etwas von ihrem Schleyer zu sehen ist. Eine treffliche Zeichnung, wo alles groß und edel ist. Für einen weiteren Kupferstich (mit umgekehrter Blickrichtung) vgl. Mariette, Traite´ des pierres grave´es 2, Tafel 3. 78,20–24 eine Abbildung von ihr Ç. . .È Hoheit, darstellt] Abb. 7. Lippert, Dactyliothec 1, S. 22, Nr. 55 (Schublade 1/2): Hier sitzet die J u n o auf dem

Adler des Jupiters, und hält nebst dem Scepter ihren Schleyer, der sich als ein Cirkel über ihr ausbreitet. Ihr Haupt ist mit sieben Sternen umgeben. Vgl. auch Winckelmann, Description, S. 53, Nr. II/131 (von Furtwängler 1896 nicht verzeichnet); Büttner 1983, Anm. 37. 78,26 S o n n e n s t r a h l ] Den Hintergrund von Moritz’ Formulierung bildet die These von der Transformation des älteren Sonnengotts Helios in den jüngeren Apollon. Vgl. dazu S. 47,10–12 und Erl. 78,26–27 i n e w i g e m J u g e n d g l a n z e ] Vgl. Kallimachos, Hymnus auf Apollon, 36: kaiÁ meÁn aÆeiÁ kaloÁw kaiÁ aÆeiÁ neÂow (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 207: Foebos ist ewig mit Schönheit geschmükt und ein ewiger Jüngling). In Myth. Alm., S. 297,14 in diesem Band überträgt Moritz diesen Vers ins Deutsche. S. auch Ovid, Metamorphosen 1,563 sowie die von Lippert, Dactyliothec 1, S. 63, Nr. 150 angeführte Stelle aus Tibull 1,4,37–38: Solis

aeterna est Baccho Phoeboque iuventas: / nam decet intonsus crinis utrumque deum (Übers. nach Lippert: Nur allein Phöbus und Bacchus blühen in einer ewigen Jugend: denn diese beyden Gottheiten zieret ein unbeschornes Haar). Vgl. aber auch DW, KMA 11, S. 14: Sie 〈die Natur〉 aber ist sich immer gleich und jugendlich – ihr sanfter Hauch erquickt mit jedem Frühling die Erde, ihr belebender Strahl weckt mit jedem Morgen die schlummernde Welt zu neuer Thätigkeit. 78,27–30 Den hüllt Ç. . .È Züge sich verliert] Dass Apollon Aspekte besitzt, die als gegensätzlich betrachtet werden können (bilden bzw. heilen/zerstören und töten), ist antiken Quellen im Prinzip nicht unbekannt. Vgl. z. B. den Homerischen Hymnus 3 an Apollon, auf den sich die Götterlehre in der Darstellung von Apolls Geburt und seinem Kampf mit dem Python stützt (s. S. 81,14–82,6 mit den Erl.). Der Hymnus lässt den Gott als Bogenträger, als tojofoÂrow (toxopho´ros), erscheinen, dem sogar die anderen Olympier mit Respekt begegnen, wie auch als

Stellenerläuterungen

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Kitharöden und Musageten, der ihnen zum Tanz aufspielt (Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 1–13; 182–206; Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg], S. 3; 12f.). Auch Mythenkennern des 18. Jhs. ist dieser Umstand geläufig, doch wird er nicht zum Gegenstand einer besonderen Betrachtung; vgl. z. B. Damm, Einleitung, S. 17–22. Schon bei Horaz ist aber an zwei von Moritz verwendeten Stellen die Möglichkeit angelegt, das bloß Unterschiedliche als Spannungsbeziehung zu deuten; vgl. S. 80,28–31 und 82,20–23. Es ist diese Sichtweise, die Moritz aufgreift und für eigene Zwecke verwendet. Ähnlich lautende Formulierungen in dem Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen lassen erkennen, dass der Verfasser Apollon – wie im Übrigen auch jedes andere gelungene Kunstwerk, darüber hinaus die im Prinzip ähnlich strukturierten Darstellungen der anderen olympischen Götter – gerade in dieser Hinsicht als Bild des Schönen verstanden wissen will. Gemäß dem Analogieverhältnis zwischen Naturganzem und autonomem Kunstwerk, das Moritz postuliert, muss dem Bild des Gottes die Natur insgesamt, einschließlich ihrer destruktiven Kräfte, eingeschrieben sein: Tod und Zerstöhrung selbst verlieren sich in den Begriff der e w i g

bildenden Nachahmung des über die Bildung selbst erhabn e n S c h ö n e n , dem nicht anders als, durch i m m e r w ä h r e n d s i c h v e r j ü n g e n d e s D a s e y n , nachgeahmt werden kann (BNS, S. 51f. [KMA 3]). Insofern Apollons jugendliche Idealschönheit A b f a l l u n d Z e r s t ö r u n g d e s Ve r w e l k t e n voraussetzt oder umgreift, ist sie ein Beispiel für Moritz’ Verjüngungs-Konzept, dem zufolge vollendete Kunstschönheit nur in einem kontinuierlichen Produktionsprozess realisiert werden kann, in dessen Verlauf das minder Vollkommene der Vernichtung anheimfällt; vgl. Erl. zu S. 30,29. 79,5–7 trägt auch Ç. . .È Seuchen bringen] Homer, Ilias 1,44–52, (Stolberg) 1, S. 13: Zürnend stieg er herab von den Gipfeln des hohen Olümpos; / Um die

Schultern hing sein Geschoß und zierlicher Köcher; / Es erklangen die Pfeil’ an der Schulter des zürnenden Gottes. / Als er einherging, furchtbar und düster wie Schrecken der Nächte. / Einsam sezte sich Foibos, und legte einen der Pfeile / Auf den Bogen; fürchterlich scholl der silberne Bogen! / Nur Maulthiere trift er zuerst und Hunde der Griechen; / Aber nachdem er gegen sie selbst die verderbenden Pfeile / Sandte, loderten häufig die Scheiterhaufen der Leichen. Zum Zusammenhang vgl. Moritz’ Zusammenfassung S. 241,8–16 mit den Erl. – Um (wie im vorliegenden Zusammenhang) die in das Schöne eingelagerte Zerstöhrung des Schwächern durch das Stärkre, und des Unvollkommnern, durch das Vollkommnere (BNS, S. 49 [KMA 3]) zu illustrieren, verwendet Moritz das Apollon-Beispiel auch im Aufsatz Ueber die

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Götterlehre

bildende Nachahmung des Schönen (BNS, S. 48 [KMA 3]), wobei er Formulierungen gebraucht, die Stolbergs Übersetzung entnommen sein können: Und ist es nicht die durch die reinste Imagination zum Gott verkörperte Jugend und Schönheit selbst, welche mit sanftem Geschoß die Menschen tödtet; oder mit Köcher und Bogen zürnend einher tritt, düster und furchtbar, wie Schrecken der Nächte – den silbernen Bogen spannt – und die verderbenden Pfeile in das Lager der Griechen sendet? 79,7 s a n f t e m G e s c h o ß ] Apollon und seine Schwester Artemis verfügen in den Homerischen Epen über aÆganaÁ beÂlea (agana´ be´lea, sanfte Pfeile), die unter Vermeidung von Hunger und Krankheit einen plötzlichen Tod herbeiführen. Vgl. Homer, Ilias 24,759, (Stolberg) 2, S. 431; Homer, Odyssee 3,280; 5,124; 11,173; 11,199; 15,411, (Voss), S. 54; 99; 211f.; 298. Die sanften Pfeile stehen im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen; vgl. S. 80,3, 80,6, ferner S. 95,4. Moritz interpretiert sie als Gelenkstelle in dem kontinuierlichen Metamorphose- und Regenerations- bzw. Verjüngungs-Prozess (s. Erl. zu S. 30,29), der, auch um den Preis von Leid und Tod im Einzelfall, zur Erhaltung des Schönen insgesamt bzw. der G a t t u n g notwendig ist; vgl. S. 79,22–30. 79,14–18 Daher scheint auch Ç. . .È Staunen erfüllt] Die Statue des sog. Apollon im Belvedere, eine röm. Marmorkopie nach einem verlorenen gr. Bronzeoriginal aus dem 4. Jh. v. Chr., das dem Bildhauer Leochares zugeschrieben wird und charakteristische Rollen des Gottes (Seher, Kitharöde, Rächer) in sich vereinigt. S. Simon 1985, S. 118; Erika Simon, Art. Apollon, in: LIMC 2/1, S. 381f. Die Ende des 15. Jhs. wiederaufgefundene Statue ist benannt nach ihrem Aufstellungsort, dem Belvederehof in den Vatikanischen Museen. In den Reisen eines Deutschen in Italien unternimmt Moritz mehrfach Anläufe zu einer beschreibenden Annäherung an die Plastik (RDI 3, S. 141f.; 155–158; 183–185; KMA 5/2; zu Moritz’ Beschreibungsverfahren Sedlarz 2010b, v. a. S. 205–210). Dort entwickelt der Verfasser auch die Idee von einem Kunstwerk, dessen Schönheit in der Fähigkeit besteht, das Vielfältige in sich zu vereinen. Vgl. RDI 3, S. 155f.: Weil nun alle dieß

Mannichfaltige doch nur ein einziges vollkommenes Ganze ausmacht, so sieht man hier alles Schöne, was man sehen kann, a u f e i n m a l , der Begriff von Zeit verschwindet, und alles drängt sich in einen Moment zusammen, der immer dauern könnte, wenn wir bloß betrachtende Wesen wären. – Die Vorstellung von Apollon als Ideal von Schönheit setzt Moritz’ Beschäftigung mit Johann Joachim Winckelmann voraus, durch dessen einschlägige Beschreibung in der Geschichte der Kunst des Alterthums aus dem Jahr 1764 (Winckelmann, Geschichte, S. 392f.) die Statue des Apollon im Belevedere zur

Stellenerläuterungen

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Ikone des Klassizismus geworden war. Moritz wendet sich unter zwei Gesichtspunkten gegen den Allegoriebegriff des Archäologen (In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 (1789), 3. Bd., 1. St., S. 4 [KMA 3]; RDI 3, S. 156–158 [KMA 5/2]): Winckelmann taste die Integrität des Kunstwerks an, indem er es in ein Konglomerat ikonographisch verwertbarer Einzelaspekte zerlege, und er beziehe die Skulptur auf das Reich unkörperlicher Schönheiten (Winckelmann, Geschichte, S. 392). Demgegenüber legt Moritz Wert darauf, dass das Kunstwerk kraft seiner Schönheit das Ideal in sich verkörpere, statt ein nicht sichtbares Ideal lediglich zu vertreten. Vgl. RDI 3, S. 157f. (KMA 5/2): Die Kunst

mit ihrem Geiste soll in das Reich der körperlichen Schönheiten immer tiefer dringen, und alles Geistige bis zum Ausdruck durch den Körper führen; sie soll den Geist mit Schönheiten, die in der Natur würklich sind, erfüllen, um sich bis zum Ideal der höchsten K ö r p e r s c h ö n h e i t zu erheben. 79,19–21 sie theilen Ç. . .È zum Ziele] Vermutlich bezieht sich Moritz auf den Niobe-Mythos (S. 246,2–14 und Erl. im vorliegenden Band). 79,24–27 Gleich den Ç. . .È v o l l b l e i b e ] Homer, Odyssee 12,62–65, (Voss), S. 231: Selbst kein fliegender Vogel, noch selbst die schüchternen Tauben /

Eilen vorbei, die Zeus dem Vater Ambrosia bringen; / Sondern der glatte Fels raubt eine von ihnen beständig! / Aber der Vater erschafft eine andre, die Zahl zu ergänzen. 79,32–80,3 Das kleine glückliche Eiland Ç. . .È s a n f t e n P f e i l ] Homer, Odyssee 15,403–411, (Voss), S. 298: Eine der Inseln im Meer heißt Süria, wenn du sie kennest, / Ueber Ortügia hin, wo die Sonnenwende zu sehn ist. / Groß ist diese nicht sehr von Umfang, aber doch fruchtbar, / Reich an Schafen und Rindern, an Wein und schönem Getreide. / Nimmer besucht der Hunger, und nimmer eine der andern / Schrecklichen Seuchen das Volk, die die armen Sterblichen hinrafft. / Sondern wann in der Stadt die Menschen das Alter erreichen, / Kömmt die Freundin der Pfeil’ und der Gott des silbernen Bogens, / Welche sie unversehens mit sanften Geschoßen erlegen. Zum mythischen Ortygia und zu Syrie Johanna Schmidt, Art. Ortygia 4), in: RE 18/2, Sp. 1522–1526. 80,4–5 Wenn Ulysses Ç. . .È gestorben sey] Homer, Odyssee 11,170–173, (Voss), S. 211: Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit: / Wel-

ches Schicksal bezwang dich des schlummergebenden Todes? / Zehrte dich Krankheit aus? Oder traf dich die Freundin der Pfeile / Artemis unversehns mit ihrem sanften Geschoße?

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Götterlehre

80,5–8 mich hat Ç. . .È beraubt] Homer, Odyssee 11,198–203, (Voss), S. 212:

Sohn, mich tödtete nicht die Freundin der treffenden Pfeile / Artemis unversehns mit ihrem sanften Geschoße. / Auch besiegten mich nicht Krankheiten, welche gewöhnlich / Mit verzehrendem Schmerze den Geist den Gliedern entreißen. / Bloß das Verlangen nach dir, und die Angst, mein edler Odüßeus, / Dein holdseliges Bild nahm deiner Mutter das Leben! 80,9–14 Wenn aber der Gott Ç. . .È Lager der Griechen] Vgl. S. 79,5–7 und Erl. 80,16–17 er selbst wird Ç. . .È abgebildet] Vgl. Lippert, Dactyliothec 1, S. 70, Nr. 164: Man kann mit Gewißheit von diesem Steine behaupten, daß er den A p o l l o M e d i c u s vorstellet, ob ihn gleich viele zum Triptolemus machen wollen. Aber es sind keine Aehren, sondern ein Büschel Kräuter, die Apollo in der Hand hat. Zu Apolls gr. Beinamen als Heiler vgl. Damm, Einleitung, S. 21: Als ein A r z t heißet er daher P ä a n , von dem griechischen Worte p a i n oder p ä i n , welches unter andern auch b e s o r g e n , h e i l e n , bedeutet. Ç. . .È Gleichfals als Arzt hatte er den Beinahmen O u l i o s , von dem Worte o u l i n , welches g e s u n d u n d w o h l u n d v o l l s t ä n d i g s e y n heißet. S. ferner Hederich, Lexicon, Sp. 1836, auch zu weiteren Deutungen des Beinamens Paian. Zu Apollon als Heiler und seinem Verhältnis zu Asklepios in der Antike Graf 2008, S. 79–102. 80,18 A e s k u l a p ] Vgl. S. 211,5–212,16 mit den Erl. 80,28–31 wenn du jetzt Ç. . .È M u s e ] Horaz, Oden 2,10,17–20: non, si male

nunc, et olim / sic erit: quondam cithara tacentem / suscitat Musam neque semper arcum / tendit Apollo (Kytzler, S. 89: Nicht wenn es übel jetzt steht, wird später / es auch so sein; zuzeiten mit der Kithara die schweigende / Muse erweckt, nicht ständig den Bogen / spannet Apollon). 80,32–33 Bei allen Ç. . .È H e l i o s durch] Zu Moritz’ Idee einer Verjüngung des älteren Helios in Apollon vgl. S. 47,10–12 und Erl. 80,34–81,3 So ehrte Aurora Ç. . .È K l a n g ertönte] Memnon ist Sohn der Eos und des Tithonos (zu ihnen S. 215,22–216,13 mit den Erl.) und König von Ägypten bzw. von Äthiopien; vgl. Hesiod, Theogonie, 984–985, (Voss), S. 158. Auch in den Troja-Mythen spielt Memnon eine Rolle: In dem nicht erhaltenen Epos Aithiopis, das vielleicht schon dem Autor der Ilias bekannt war, besiegt Memnon Achilleus’ Gefährten Antilochos und wird selbst von Achill getötet. – Die Lokalisierung seines Grabmals in Ägypten – eine von vielen Alternativen – ist »vor der Ptolemäerzeit nicht nachweisbar« (Anneliese Kossatz-Deissmann, Art. Memnon, in: LIMC 6/1, S. 448–450). Die Überlieferung von dem Klangwunder bezieht sich auf die erst spät mit dem gr. Mythos in Verbindung gebrachten sog. Memnonskolosse

Stellenerläuterungen

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aus dem 14. Jh. v. Chr., die in Wirklichkeit den ägyptischen König Amenhotep III. darstellen und am Eingang seines Begräbnistempels errichtet wurden, vor allem auf die nördliche dieser beiden Monumentalplastiken, die nach wie vor im ägyptischen Theben zu sehen sind. Die Memnonskolosse bestehen nicht aus Metall, sondern sind aus Stein gehauen; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1579. S. gleichwohl Damm, Einleitung, S. 231: Bey der grossen Aegyptischen Stadt Theben wurde dem

Memnon eine Gedächtnißsäule von Metall aufgestellet, die des Morgens, sobald die Strahlen der aufgehenden Sonne sie berühret, einen harmonischen klagenden Ton von sich hören ließ. – Die akustische Erscheinung geht vermutlich auf einen Riss zurück, der bei einem Erdbeben im Jahr 27 v. Chr. entstand, ist aber seit einer Restauration zur Zeit des röm. Kaisers Septimius Severus (Regierungszeit 193–211) nicht mehr zu vernehmen. Vgl. Art. Memnonskolosse, in: Lexikon der Ägyptologie 4, Sp. 23f. In antiken Quellen wird sie wiederholt erwähnt; vgl. z. B. Plinius, Naturalis historia 36,58; Tacitus, Annalen 2,61; Pausanias 1,42,3, (Goldhagen) 1, S. 179: Der übrige Theil ist noch sitzend auf seiner

alten Stelle, und giebt alle Tage, wenn die Sonne aufgehet, einen hellen Laut von sich, den man mit dem Tone einer Saite, die auf der Laute oder Leyer zerspringet, vergleichen möchte. – Die Mythographie des 18. Jhs. diskutiert und deutet ihrerseits diese Überlieferungen; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1578–1580, der schließlich ein mechanisches Kunststück Ç. . .È oder sonst eine andere Betrügerey der Pfaffen dahinter argwöhnt. Statt sich auf Rationalisierungsversuche und auf die Frage nach dem ›wahren‹ Sachverhalt einzulassen, nimmt Moritz die Überlieferung als Erzählung zur Kenntnis und integriert sie in sein Konzept einer mythologischen Sprache der Phantasie. Zu diesem Stichwort S. 13,3–4 und Erl. 81,4 der alles entdeckende, alles enthüllende Strahl] Übertragung einer schon von Homer auf Helios gemünzten Formel auf Apollon; vgl. S. 46,27–28 und Erl. 81,7–8 wurden schon die Heerden Ç. . .È S o n n e g e h ü t e t ] Zur Frage der ohne Hirten weidenden Herden des Helios vgl. S. 46,28–29 und Erl. 81,11 er weidet Ç. . .È Admet] Zu dieser Episode vgl. Euripides, Alkestis, 1–8, (Seybold), S. 5; Apollodoros 1,105; 3,122, (Meusel), S. 32; 141; Hyginus, Fabulae 49. Danach ist der einjährige Hirtendienst von Zeus als Strafe verhängt: Zeus hatte Apolls Sohn Asklepios mit dem Donnerkeil getötet; dafür hatte sich Apoll revanchiert, indem er die Kyklopen umbrachte, von denen Zeus den Donnerkeil erhalten hatte (vgl. S. 23,26–28 und Erl.). Eine seit dem Hellenismus übliche Version – Apoll dient Admet aus Liebe zu ihm — bei Kallimachos, Hymnus auf

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Apollon, 48–54, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 207. Eine Anspielung auch bei Ovid, Metamorphosen 2,679–685. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 63; 331; Banier 3, S. 420f.; Damm, Einleitung, S. 283. – Admetos, der schon in Homers Ilias Erwähnung findet (2,714, [Stolberg] 1, S. 63), ist König von Pherai in Thessalien; im Kontext der Herakles-Mythen erscheint er als Gatte der Alkestis (vgl. S. 159,21–160,8 mit den Erl.), ferner als Teilnehmer am Argonautenzug (vgl. S. 172,1) und an der Kalydonischen Jagd (s. S. 180,27). Vgl. Wentzel, Art. Admetos, in: RE 1, Sp. 377–380. 81,14–24 Auf D e l o s Ç. . .È prophezeihen] Die folgende Erzählung von Apolls Geburt, seinem ersten Auftreten unter den Göttern und seinem Wirken in Delphi ist dem dritten Homerischen Hymnus entnommen, an dessen Stil und Wortlaut sie sich anlehnt. Zu Apolls Geburt vgl. – unter Auslassung der Intrige, mit der die eifersüchtige Hera die Geburtsgöttin Eileithyia von dem Geschehen auf Delos fernhalten will – Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 91–132, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 8–10: Läto erduldet’ ach! neun Tag’ und ach! neun Nächte / Quälende Wehen, Hoffnungslos! der Göttinnen Beste / Kamen hülfreich zu der Gebährerin, Reia, Diona, / Themis die Prüfende, Amfitritä kläglich seufzend; / Und der Unsterblichen mehr. / Ç. . .È Nun betrat Eileithüja, die Helferin, Dälos und plözlich / Kam die Geburt, und ergrif die Gebährerin, sterbend schlang sie / Um den Palmbaum beide Arm’, und stemte die Kniee / Gegen die weiche Wiese, da lächelte freudig die Erde / Und Er sprang hervor an’s Licht! die Göttinnen schrieen! / Dich, o Foebos, wuschen, nach heiligem Brauche, Kronions / Töchter, im lautern Quell, und hüllten in glänzende, zarte, / Dich in neue Gewand’, umwunden mit goldenen Binden. / Nicht die Mutter säugte den Sohn, nicht Läto Apollon, / Sondern Themis bot ihm dar aus unsterblichen Händen / Süßen Nektar, und Ambrosia: Läto frohlokte / Daß sie gebohren habe, den Starken, den Bogenspanner! / Aber nachdem du gekostet, o Foebos, unsterbliche Speise, / Hielten nicht mehr, dich strebenden Knaben, die goldenen Binden, / Dich nicht mehr die hemmenden Bande – sie waren gelöset! / Plözlich rufte mit heller Stimme Foebos Apollon: / Mein soll sein die Leier, und mein der Bogen! den Menschen / Soll mein Spruch verkunden 〈!〉 Zeus wahrhaftigen Rathschluß! 81,25–26 Und als Ç. . .È einher] Vgl. Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 140–145, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 10: Foebos, Fernhertreffer mit deinem silbernen Bogen! / Oftmal, Apollon, besteigst du den Gipfel des felsigen Künthos, / Und zu den Inseln wandelst du

Stellenerläuterungen

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oft, und ihren Bewohnern, / Dir sind viele Tempel geweih’t, und schattige Haine, / Alle Höhen gefielen dir stets, und ragende Gipfel / Steiler Gebirg’, und die Ströme, die sich in den Ozean stürzen. 81,26–33 Er kam Ç. . .È e n t g e h e n ] Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 182–196, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 12f.: Läto’s Sohn, der hochberühmten, wandelt, und rühret / Seine hohle Leier, und geht zur felsigen Pütho. / Schöne Gewand’ umhüllen ihn duftend, liebliche Töne / Schweben unter dem Finger empor, aus den goldenen Saiten. / Von der Erde zu dem Olümp, zum Haufe 〈!〉 Kronionis / Geht er, wie ein Gedanke so schnell, zur Götterversammlung. / Plözlich erwachet den Göttern die Lust des Lied’s und der Leier; / Dann erschallen in Wechselgesängen die lieblichen Stimmen / Aller Musen, sie singen der Götter unsterbliche Gaben, / Und die Sorgen der Menschen erregt von den ewigen Göttern. / Ach sie leben bekümmert und hülflos, unvermögend / Rettung gegen den Tod zu erfinden, und gegen das Alter! / Aber es tanzen den Reigen, mit festgeschlungenen Händen, / Harmonia und Häbä; Küthärä die Tochter Kronions, / Und die Grazien, schöngelokt, und die weisen Horen. 81,27 Pytho] Pytho ist ein älterer, in seiner Etymologie nicht geklärter, vor allem in der Dichtersprache verwendeter Name von Delphi, von dem sich Pythia und vermutlich auch Pythios (ein Beiname des Apollon) herleiten. Vgl. S. Lauffer, Art. Pytho, in: RE 24/1, Sp. 569–580. 82,1 Als er nun vom Olymp herabstieg] In Anlehnung an Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 216, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 14: Gen Pierien gingst du zuerst vom hohen Olümpos. 82,1–6 tödtete Ç. . .È P y t h i s c h e benannt] Zur Tötung des Python Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 356–374, v. a. 370–374, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 22f.: und Nacht umhüllte die Augen des

Drachen / Und er verweßte vom heiligen Stral der Sonne getroffen. / Seitdem heißet Pütho der Drach’, und Püthios nennen / König Föbus Apollon die Völker, weil dort von dem scharfen / Mächtigen Stral der Sonne das Ungeheuer verweßte. Den Zusammenhang zwischen dem Namen Python und der Verwesung der Schlange stellt der Hymnendichter auf etymologischem Weg her, indem er Python auf das Verb pyÂuv bzw. katapyÂuv (py´tho/katapy´tho, vermodern lassen; vgl. den Kommentar in Homeric Hymns, S. 371) zurückführt. Stolberg verweist in seiner Übersetzung auf diesen Sachverhalt in einer Fußnote; bei Moritz geht die Information hingegen verloren. Für einen

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Götterlehre

Leser der Götterlehre, der den gr. Text nicht vor Augen hat, dürfte die Stelle unverständlich bleiben. Aus welchem Grund Moritz das »Namens-Aition« (Homerische Hymnen [Pfeif], S. 109), die Ursprungserzählung des Hymnendichters, im Rahmen einer Paraphrase wiedergibt, obwohl dazu, anders als in einer Übersetzung, keine Notwendigkeit bestand, mag dahingestellt bleiben. – Folgt man Winckelmann, Geschichte, S. 392f., so verkörpert der Apoll im Belevedere den Gott in der (rächenden und kulturbringenden) Rolle, in der ihn der Hymnus an der vorliegenden Stelle zeigt. In seinen eigenen Beschreibungsversuchen – vgl. Erl. zu S. 79,14–18 – greift Moritz diesen Gedanken nicht auf. 82,6–10 Hier stand Ç. . .È offenbarte] Vgl. Damm, Einleitung, S. 19: Der Tempel

stunde auf einem hohen Felsen, der eine tiefe Höhle hatte. Eine Priesterin, welche die P y t h i a zubenahmet wurde, bekam aus derselben Höle die Kraft, jedesmahl auf vorgetragene Fragen eine Antwort zu geben; die sie, auf einem g ü l d e n e n d r e i f ü ß i g e n S t u h l e sitzend, die meiste Zeit in griechischen Versen aussprach. Zum Orakel von Delphi im Übrigen S. 123,26–125,35 mit den Erl. im vorliegenden Band. 82,11–15 So ist er Ç. . .È s e i n e L e y e r s t i m m t ] Abb. 8. Wohl Lippert, Dactyliothec 1, S. 72, Nr. 173 (Schublade 1/4): Es ist eins von den Meisterstücken

der griechischen Kunst; Handlung, Contrast, und Ausdruck – alles ist groß und edel. A p o l l o stimmet seine Leyer, welche er auf den Kopf seiner Priesterinn, der Pythia, die in der Hand eine Opferschüssel hält, gestellet hat. Eine Allegorie, die sehr schön ist. Vgl. aber auch ebd., S. 73, Nr. 174. 82,18–20 Die andre Abbildung Ç. . .È zu seinen Füßen] Abb. 8. Lippert, Dactyliothec 1, S. 68, Nr. 161 (Schublade 1/4): A p o l l o , auf einen attischen Pfeiler aufgelehnt, hält in der linken Hand den Bogen; zu seinen Füßen aber ist die Leyer. 82,20–23 Man sieht in ihm Ç. . .È durch h e i l e n d e K u n s t erquickt] Horaz, Carmen saeculare, 61–64: Augur et fulgente decorus arcu / Phoebus acceptusque novem Camenis, / qui salutari levat arte fessos / corporis artus (Horaz, Oden, Kytzler, S. 235: Der Seher im Schmuck des glänzenden Bogens, / Phoibos, Freund der neun Musen, / der mit heilender Kunst erleichtert die ermüdeten / Glieder des Körpers). 82,25 P o n t u s , O c e a n u s , und N e r e u s ] Einordnung des Poseidon in das Modell der Metamorphose bzw. Verjüngung der Göttergestalten. Zu Pontos und Nereus vgl. S. 53,29–54,32; zu Okeanos, auch unter dem Aspekt der Transformationen der Göttergenerationen, S. 26,22–23 und 49,1–32.

Stellenerläuterungen

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82,27–29 den mächtigen Dreizack Ç. . .È Furchen bilden] Moritz unterstellt das Neptun-Kapitel dem Hauptaspekt des Vergleichs oder der Konkurrenz mit Zeus. Letzteren ordnet er dem auch räumlich, im wörtlichen Sinn, Erhabenen, sich in die Höhe Erhebenden, zugleich dem Ruhigen und Heiteren zu, während Poseidon bestrebt ist, das Hohe einzuebnen, und zum Heftigen und Geschwinden neigt. Das Bild des die Wogen glättenden Poseidon entstammt demselben literarischen Kontext wie der Hinweis auf den zornigen Gott am Ende des Kapitels (S. 86,1–3 und Erl.; dort auch zum Zusammenhang); vgl. Vergil, Aeneis 1,145–147:

levat ipse tridenti / et vastas aperit syrtis et temperat aequor / atque rotis summas levibus perlabitur undas (Fink, S. 17: Neptun selbst hilft mit dem Dreizack nach, öffnet die weiten Syrten, beruhigt das Meer und schwebt auf leichtem Wagen über die Wellenkämme dahin). 82,31–32 zu Lande Ç. . .È seine Lust] Homerischer Hymnus 22 an Poseidon, 3–5, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 97. In Myth. Alm. überträgt Moritz selbst die Stelle ins Deutsche; vgl. S. 292,5–10 und Erl. in diesem Band. 82,32–33 Er schlug Ç. . .È R o ß hervor] Eine Anspielung auf den Mythos, dem zufolge Poseidon das Pferd erschaffen hat, findet sich bei Vergil, Georgica 1,12–14, im Rahmen eines Anrufs an die Götter: tuque, o cui prima frementem / fudit equum magno tellus percussa tridenti, / Neptune (Voss, S. 5: Auch du, dem

die Erde das erste / Brausende Roß hinströmt’, erschüttert vom mächtigen Dreizack, / Komm, Neptun). S. dazu Servius, Kommentar zu Vergil, Georgica 1,12. Vergils Dichtung war Moritz gut bekannt; er gibt S. 66,30–67,28 aus ihr eine längere Passage in der Vossischen Übersetzung wieder. – Der Kontext, Poseidons Wettstreit mit Athene um das Namenspatronat über die Stadt Athen, ist im Prinzip in vielen Quellen überliefert; vgl. z. B. Apollodoros 3,178, (Meusel), S. 157; Ovid, Metamorphosen 6,70–82, wo Poseidon allerdings Wasser entspringen lässt. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1712; Anthusa, KMA 4/1, S. 249,23–26 und Erl. 83,1–3 Mit der Medusa Ç. . .È Perseus enthauptet ward] Hesiod, Theogonie, 277–281, (Voss), S. 100: Sie 〈Medusa〉 war sterblich allein, doch Tod so wenig wie Alter / Kannten die zwo 〈Stheno und Euryale, die beiden anderen Gorgonen〉: mit der einen verband sich der Finstergelockte 〈Poseidon〉, / Auf

sanftgrasiger Wies’, in des Frühlinges Blumengewimmel. / Aber da Perseus jezo das Haupt ihr vom Halse gehauen, / Stürmte der große Chrysaor hervor, und Pegasos wiehernd.

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Götterlehre

83,3–5 Ceres Ç. . .È A r i o n ] Vgl. Pausanias 8,25,5–7, (Goldhagen) 2, S. 278f., der von der Zeugung des Wunderpferds Areion als Lokalsage aus Arkadien berichtet: Als sie 〈Demeter〉 herum zog, ihre Tochter zu suchen, soll ihr Neptun nach-

gegangen seyn, sie verliebt zu umarmen. Sie verwandelte sich, wie man saget, in ein Pferd, und gieng mit den Pferden des Onkus auf der Weide. Neptun merkte den Betrug, verwandelte sich in einen Hengst, und erlangete seinen Zweck. Ç. . .È Ceres soll von dem Neptun eine Tochter, deren Namen ungeweihete Leute nicht wissen dürfen, und das Pferd Arion gebohren, auch Neptun zuerst bey den Arkadiern, wie sie vorgeben, den Zunamen Hippius der angeführten Ursachen wegen bekommen haben. 83,5–6 A r i o n Ç. . .È Roß] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 418 unter Berufung auf Lactantius Placidus’ Kommentar zu Statius’ Thebais: Das Pferd war dabey so geschwind im Laufen, daß es selbst die Winde und Wolken übertraf. Vgl. auch Ramler, Mythologie 1, S. 44: Dieses Pferd Ç. . .È war so schnell, wie der Wind. 83,6–8 das Könige und Helden Ç. . .È den Preis davontrug] Die Episode geht auf die Thebais zurück, ein Epos des röm. Dichters Publius Papinius Statius (ca. 40–96); sie steht daher im Zusammenhang mit dem Mythos von den Sieben gegen Theben (vgl. S. 229,20–233,14 mit den Erl.). Näherhin entstammt die Episode dem Bericht über das Wagenrennen, das im Rahmen der Leichenspiele für Opheltes, einen Sohn des Königs Lykurgos von Nemea, veranstaltet wird. Die Leichenspiele für Opheltes sind zugleich einer der Ursprungsmythen der Nemeischen Spiele; vgl. z. B. auch Apollodoros 3,66, (Meusel), S. 124. Über Areion, der zuvor in Poseidons Dienst gestanden habe, schreibt Statius, Thebais 6,311–315:

Nec minor in terris bella Eurysthea gerentem / Amphitryoniadem alto per gramina sulco / duxerat, illi etiam ferus indocilisque teneri. / Mox diuum dono regis dignatus Adrasti / imperia et multum mediis mansueuerat annis. / Tunc rector genero Polynici indulget agendum (Schönberger, S. 104: Nicht weniger rasch an Land, hatte er Amphitryons Sohn, der für Eurystheus Abenteuer bestand, tiefe Spuren ziehend durch Wiesen geführt, doch blieb er selbst jenem Helden wild und unbändig. Später wurde er durch Güte der Götter gewürdigt, König Adrastus zu dienen, war auch im Lauf der Jahre viel zahmer geworden. Damals überließ ihn sein Herr dem Schwiegersohn Polynices als Wagenpferd). Im Verlauf des Rennens lässt Areion, erschreckt vom Haupt der Medusa, das Apoll emporhebt, seinen Lenker Polyneikes vom Wagen stürzen und erreicht das Ziel als erster, wenn auch, da führerlos, nicht als Sieger; vgl. Statius, Thebais 6,528–530: Forsitan et uicto prior

Stellenerläuterungen

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isset Arione Cygnus, / sed uetat aequoreus uinci pater: hinc uice iusta / gloria mansit equo, cessit uictoria uati (Schönberger, S. 108: Und vielleicht hätte Cygnus Arion geschlagen und wäre Erster geworden, hätte der Herrscher des Meeres die Niederlage nicht verhindert. So blieb in gerechter Verteilung dem Pferd der Ruhm und der Sieg dem Seher). Sieger des Rennens ist bei Statius der Wahrsager Amphiaraos, einer der Teilnehmer am Feldzug gegen Theben. – Moritz’ Formulierung steht dem ungenauen Referat von Ramler, Mythologie 1, S. 45 nahe. 83,13–15 welches in einer sinnreichen Ç. . .È Thiere verwandelt] Vgl. Ovid, Metamorphosen 5,318–331, wo im Wettstreit mit den Musen eine der Pieriden (der Töchter des Pieros) die fein ausgemalte Erzählung vorträgt. Mit dem Bericht über die Verwandlung der Götter in Tiere gibt sie allerdings die Olympier der Lächerlichkeit preis und legt despektierliches Betragen an den Tag. Plutarch, Über Isis und Osiris 270, E–F, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 467 bezweifelt die Glaubwürdigkeit der Erzählung. Vgl. ferner Apollodoros 1,41, (Meusel), S. 15. – Die Erzählung von den Reißaus nehmenden Göttern, die sich, in Tiere verwandelt, in Ägypten verstecken, entstammt dem Typhon-Mythos, auf den bereits frühere Stellen der Götterlehre zu sprechen gekommen waren; vgl. S. 57,22–23 sowie 28,10–26 jeweils mit den Erl.; denn Typhon ist es, vor dem die Götter fliehen. Vor allem die in erster Linie auf der Grundlage von Plutarch untersuchten Verbindungen zur ägyptischen Religion machten den Typhon-Mythos zu einem attraktiven Forschungsgebiet für die zeitgenössische Mythographie. Zu den ägyptischen Bezügen vgl. Banier 2, S. 100–146, speziell zu Flucht und Verwandlung der Götter S. 106f. Hederich, Lexicon, Sp. 2421. 83,18–20 Da Iris Ç. . .È beizustehen] Homer, Ilias 15,158–167, (Stolberg) 2, S. 65: Schnelle Iris, eile zum Könige Poseidaon; / Sag’ ihm, was ich gebiet’,

und bring’ ihm redlich die Botschaft. / Heiß ihm, zu entsagen dem Kampf, die Schlacht zu verlassen, / Zu den Göttern, oder zu gehn zum heiligen Meere. / Wird er meine Befehle nicht hören, mein nicht achten; / Siehe, so wird er nach diesem in seinem Herzen empfinden, / Daß er, stark wie er ist, wohl dennoch mich zu bestehen / Nicht vermag; ich bin ihm überlegen an Stärke, / Und bin älter als er: und gleichwohl scheints ihm ein kleines, / Sich mit mir zu vergleichen, den alle übrigen scheuen. Zu Iris und ihrer Rolle als Götterbotin vgl. S. 56,9–14 und Erl. 83,20–25 so antwortet ihr der Erderschüttrer Ç. . .È schrecken] Homer, Ilias 15,184–199, (Stolberg) 2, S. 66: Mit Unwillen sprach der berühmte Gestad-

erschüttrer: / Traun! so mächtig er ist, doch übermütig gesprochen! / Also

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will er mich zwingen, und dennoch sind wir von gleicher / Würde! Denn drey Söhne gebahr dem Kronos die Reia: / Zeus Kronion, mich und Aidäs den König der Schatten. / Dreyfach theilten wir alles, und gleiche Würde blieb jedem. / Als wir warfen die Loose, bekam ich das Meer zu beherrschen; / Und Aidäs, der König der Schatten, das nächtliche Dunkel; / Zeus Kronion den weiten Himmel, die Luft und die Wolken / Allen blieb die Erde gemein und der hohe Olümpos. / Darum werd’ ich nicht Kronion gehorchen; er mag nur / Ruhig, stark wie er ist, sein drittes Antheil beherrschen, / Muß, gleich einem Schwachen, mir mit den Händen nicht dräuen! / Seine Töchter und Söhne, welch’ er selber gezeugt hat, / Mag er gebietrisch beherrschen; sie müssen aus Zwang ihm gehorchen. 83,25–28 d e n ä l t e r n Ç. . .È Nützliche weiß] Homer, Ilias 15,204–207, (Stolberg) 2, S. 66f.: Und du weist’s, die Erinnen begleiten die ältern Brüder. / Ihr erwiederte Poseidon, der Erschüttrer der Erde: / Göttin Iris, du hast mit Weisheit solches gesprochen, / Und es ist gut, wenn Boten wissen, was sich geziemet. Zu den Rachegottheiten der Erynnen bzw. Erinyen, Eumeniden oder lat. Furien vgl. S. 251,19–28. 83,34–84,3 Der Ruhm Ç. . .È vergessen] Homer, Ilias 7,451–453, (Stolberg) 1, S. 191: Hochberühmt wird diese, so weit der Morgen erröthet, / Jene wird

vergessen, die ich und Foibos Apollon / Laomedon dem Helden mit vieler Arbeit erbauet. Die Stelle bezieht sie sich einerseits auf den Mythos von der Errichtung der trojanischen Stadtmauer durch Poseidon und Apollon zur Zeit des trojanischen Königs Laomedon; vgl. dazu S. 157,17–24 und Erl. Andererseits ist die Rede von der Achaiermauer, deren Errichtung zum Schutz des gr. Lagers Nestor vorgeschlagen hatte (Homer, Ilias 7,327–343, [Stolberg] 1, S. 187). 84,4–9 o du großer Ç. . .È übrig bleibt] Homer: Ilias 7,455–463, (Stolberg) 1, S. 191f.: Welch ein Wort entfiel dir, mächtiger Erderschüttrer? / Einem der

andern Unsterblichen möchte der Griechen Erfindung / Furchtbar scheinen, welcher an Kräften und Mut dir nicht gliche; / Ewig daurt dein Ruhm, so weit der Morgen erröthet. / Aber siehe, sobald die hauptumlockten Achaier / Mit den Schiffen zurück ins theure Vaterland ziehen; / Dann sollst du die ganze Mauer hinein in die Wogen / Stürzen, und übersanden das ganze lange Gestade; / Daß von Grund aus schwinde das große Werk der Achaier. 84,20–21 Die A l o i d e n Ç. . .È dem Jupiter furchtbar] Vgl. S. 29,14–24 und Erl.

Stellenerläuterungen

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84,21–25 Den ungeheuren Polyphem Ç. . .È in sein Vaterland] Zur Polyphem-Episode vgl. S. 244,32–34, zu Poseidons Zorn S. 245,17–20 jeweils mit den Erl. 84,22 k l u g h e i t s b e g a b t e Ulysses] Vgl. S. 88,8–10 und Erl. 84,27–29 so nahm er Ç. . .È in einen Fels verwandelte] Homer, Odyssee 13,125–187, (Voss), S. 250–253. 84,30 G ü n s t l i n g d e r M i n e r v a ] Vgl. S. 88,8–10 und Erl. 84,33–85,6 Als einst die Musen Ç. . .È die Hippokrene heißt] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1910. Als antike Quelle vgl. einerseits die nüchternere, auch etwas anders lautende Fassung, die der Mythograph Antoninus Liberalis, Metamorphoses 9, (Jacobs), S. 94f., unter Berufung auf den Dichter Nikandros bietet; vgl. Trempler 2001, S. 62. Den Kontext bildet der Wettstreit zwischen Pieriden und Musen: So lange nun die Töchter des Pierus sangen, war Alles düster, und

nichts stimmte in dem Reigen zusammen; beim Gesange der Musen aber stand der Himmel und die Sterne, das Meer und die Flüsse fest, und der Helikon wuchs vor Lust zum Himmel empor, bis ihn auf Poseidons Geheiß der Pegasus hemmte, indem er mit dem Hufe den Scheitel [des Berges] schlug. Dass der Hufschlag die Hippokrene (Rossquelle) entspringen ließ, berichten andererseits z. B. Ovid, Fasti 3,449–456; Metamorphosen 5,250–268; Hyginus, De astronomia 2,18; Pausanias 9,31,3, (Goldhagen) 2, S. 448. Schon Hesiod, Theogonie, 6, (Voss), S. 77 bringt die Quelle mit den Musen in Zusammenhang. – Die Quelle befindet sich unterhalb des Helikon-Gipfels (Art. Hippokrene, in: KlP 2, Sp. 1172). Zum Helikon vgl. auch S. 197,23–25 mit den Erl. 85,7–15 Im Kriege Ç. . .È unbenetzt blieb] Vgl. Homer, Ilias 13,10–31, (Stolberg) 2, S. 〈3〉f.: Des ward bald gewahr der erderschütternde König; / Denn

er sah herab auf der Heere Waffengemenge, / Von dem obersten waldichten Gipfel des thräkischen Samos, / Ida überschauend, die Stadt, und die Schiffe der Griechen. / Alda saß er, dem Meer entstiegen; der überwundnen / Danaer jammerte ihn, und heftig zürnt’ er Kronion. / Sieh er stieg herab vom steinichten Gipfel des Berges; / Eilend schritt er einher, es bebten Wald und Gebürge / Unter dem Tritt der unsterblichen Füße des Poseidaon, / Dreymal hebt sich sein Schritt, der vierte bringt ihn gen Aigai. / Hier ist in der Tiefe des Meers sein Tempel erbauet, / Hochberühmt, von Golde schimmernd und unvergänglich. / Alda spannt’ er die Rosse, mit ehernen fliegenden Füßen / Und mit wallenden goldnen Mähnen, vor seinen Wagen. / Selber rüstet’ er sich mit Gold, die wohlgeflochtne / Goldne Geissel ergriff er, und sezte sich in den Wagen. / Ueber die Wogen

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fuhr er; es tanzten unter dem Gotte, / Ihren Klüften entschlüpfend, die Ungeheuer der Tiefe, / Sie erkannten den König des Meers; die freudigen Fluten / Wichen von beyden Seiten zurück; es flogen die Rosse / Eilend einher, und ohne zu nezen die ehernen Axen; / Zu den Schiffen brachten ihn bald die flüchtigen Springer. 85,11 A e g e ] Der neueren Forschung zufolge ist das homerische Aigai nicht lokalisierbar und kann keinem der unter diesem Namen bekannten gr. Orte sicher zugeordnet werden. Ob überhaupt eine bestimmte topographische Stelle gemeint ist, lässt die Forschung offen. Vgl. Janko 1992, S. 44f.; Zusanek 2009, S. 85. 85,17–22 beigefügten Kupfertafel Ç. . .È im Sturmwinde flattert] Abb. 9. Lippert, Dactyliothec 1, S. 26, Nr. 63 (Schublade 1/2): N e p t u n wird auf seinem

Wagen von vier Pferden gezogen, welche er mit den Zügeln regieret. In der rechten hat er seinen Scepter, und sein leicht Gewand wird von den Winden getrieben; seine Stellung selbst ist majestätisch und gebietherisch, und der Contrast ist so beschaffen, wie er sich zu einer heftigen Handlung schicket. Von Kris 1929, 1, S. 169, Nr. 286 als Werk von Giovanni dei Bernardi (1494–1553) nach einem Stich von Marcantonio Raimondi (1475–1534) identifiziert; heute in London, British Museum. Vgl. Büttner 1983, S. 99. 85,23–27 Auf eben dieser Kupfertafel Ç. . .È einen Felsen steigt] Abb. 9. Lippert, Dactyliothec 1, S. 24, Nr. 59 (Schublade 1,2): N e p t u n u s steiget aus dem

Meere an ein steinigtes Ufer herauf. Er trägt auf der linken Schulter seinen Scepter, und seine rechte Hand leget er hinten auf den Rücken. Die Zeichnung ist von großer Richtigkeit, und von griechischem Geschmack. 85,31–33 die ruhige, erhabene Ç. . .È zürnen darf] Vergleich von Poseidon mit dem Erscheinungsbild, das in vorangehenden Textpassagen Zeus zuordnet wird: Zum Wink der Augenbraunen vgl. S. 64,17–18; zum Lächeln, das den Himmel aufheitert S. 64,19–20; zum serenen Erscheinungsbild S. 72,17–18 jeweils mit den Erl. 86,1–3 Er schilt die Winde Ç. . .È bedrohet] Zu Beginn von Vergils Aeneis verfolgt Hera mit Hilfe der Winde die Flotte des Aineias. Diesem Sturm setzt Poseidon scheltend ein Ende (Vergil, Aeneis 1,133–136): iam caelum terramque meo

sine numine, venti, / miscere et tantas audetis tollere moles? / quos ego ...! sed motos praestat compondere fluctus; / post mihi non simili poena commissa luetis (Fink, S. 17: Schon wagt ihr es, ihr Winde, Himmel und Meer ohne mein Geheiß durcheinanderzubringen und solche Wellenberge aufzutürmen? Euch werd’ ich – doch besser ist es, die aufgewühlten Wogen zu glätten. Später werdet ihr mir mit unterschiedlicher Strafe für euer Vergehen büßen).

Stellenerläuterungen

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86,3–4 dessen Ausdruck Ç. . .È versucht hat] Was die antike Kunst betrifft, zielt die Bemerkung wohl unmittelbar auf die S. 85,17–22 beschriebene Gemme. Lippert bringt diesen Stein mit der Vergil-Stelle in Zusammenhang, die er ausführlich zitiert (Lippert, Dactyliothec 1, S. 26f., Nr. 63). In der Neuzeit ist quos ego ein Motiv vor allem der Malerei des 15. bis 18. Jhs. Genannt seien ein Kupferstich nach einer Zeichnung von Raffael (vgl. Jones/Penny 1983, S. 180–183), Rubens’ gleichnamiges, vermutlich 1634 entstandenes Gemälde, das sich heute in der Galerie Alte Meister in Dresden befindet, und ein Deckenfresko von Pietro da Cortona in der Galleria des Palazzo Doria Pamphilj in Rom. Auch wenn Moritz dieses Fresko in RDI nicht erwähnt, kann er es gekannt haben. Für weitere Bearbeitungen vgl. Pigler 1974, 2, S. 191; Lücke/Lücke, Mythologie 2006, S. 664. 86,5 Minerva] Für eine Vorstufe des Minerva-Kapitels vgl. Moritz’ Aufsatz Minerva, in: Monats-Schrift der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 (1789), 3. Bd., 2. St., S. 70–73 (KMA 3). 86,6–10 Als die blauäugigte Ç. . .È Schulter nahm] Homerischer Hymnus 28 an Athena, 1–16, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 104: Pallas sing ich die hehre Göttin, die Jungfrau mit blauen / Augen Ç. . .È die

der weise Kronion / Selbst aus heiligem Haupte gebar, mit kriegrischer Rüstung, / Stralend von Golde, bewafnet. Ç. . .È Plözlich schwang sie den Speer: da dröhnte der hohe Olümpos / Furchtbar unter der mächtigen Pallas! Es scholl von der Erde / Schreklich empor! Es hob sich mit seinen purpurnen Wogen / Hoch das empörte brausende Meer! – Nun standen die Fluten / Still! denn sieh’! es hielt der stralende Sohn Hüperions / Seine fliegenden Roße zurük, bis Pallas Athänä / Hatte von ihren unsterblichen Schultern die göttliche Rüstung / Abgelegt. Der Lenker des Sonnenwagens bzw. der Sohn Hüperions ist Helios; vgl. S. 21,26–28 und Erl. 86,6 blauäugigte] GlaykvÄpiw (glauko´pis), stereotypes Attribut der Athene (vgl. z. B. Homer, Ilias 5,719; 825; 853), das als mit blauen Augen bzw. blauäugig (z. B. Homer, Ilias [Stolberg] 1, S. 148; Homer, Ilias [Bodmer], S. 87; Homer, Ilias [Kütner] 1, S. 112), aber auch als hellsehend (Homer, Ilias [Damm], S. 194) o. ä. wiedergegeben wird. 86,17–18 Es ist die s a n f t e Venus Ç. . .È die Rehe verfolgt] Vgl. S. 217,12–15 mit den Erl. 86,18–20 die k ä l t e r e Diana Ç. . .È Schönheit weidet] Vgl. S. 219,26–220,16 mit den Erl. 86,22–24 sie findet Ç. . .È ihr Ergötzen] Vgl. Homerischer Hymnus 11 an Athena, 1–3, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 86: Pallas

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Athänä, die Städtebeschützerin will ich besingen, / Sie, die Schrekliche, welche mit Aräs kriegrischer Thaten / Sich erfreuet, der Schlacht, und des Kriegs, und verwüsteter Städte. Ferner Homerischer Hymnus 5 an Aphrodite, 10–11, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 62: ihr gefallen die Krieg’ und die Thaten des Aräs, / Ihr der Kampf und die Schlacht. S. auch Kallimachos, Hymnus auf das Bad der Pallas, 43–44, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 243. Moritz übersetzt diese Zeilen in Myth. Alm., S. 287,24–28 im vorliegenden Band. 86,28–29 A r b e i t d e s We b e n s Ç. . .È nützlicher Künste] Athenes Affinität zur Webkunst ist vielfach belegt. Bei Homer ist das Kleid, das Hera anlegt, um Zeus zu verführen und zu hintergehen, von Athene gewebt; vgl. Homer, Ilias 14,178–179, (Stolberg) 2, S. 43. Vgl. ferner Homerischer Hymnus 5 an Aphrodite, 10–11, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 62: ihr gefallen Ç. . .È die köstlichen Werke des Webstuhls. Als Weberin tritt Athene auch im Wettstreit mit Arachne in Erscheinung; vgl. Ovid, Metamorphosen 6,5–145. – Zu den weiteren Künsten vor allem Ovid, Fasti 3,817–833, wo Minerva als Schutzgöttin nicht nur der Garn- und Tuchproduktion, sondern auch des Schuhmacherhandwerks, der Bildhauerei etc. gepriesen wird. Zusammenfassend schreibt Ovid, ebd. 3,833: mille dea est operum (Holzberg, S. 145: Schutzgöttin ist sie von tausend Künsten) – schließlich auch der Dichtkunst. Vgl. Anthusa, KMA 4/1, S. 58,1–2 und Erl. S. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1626f., und Banier 3, S. 259f., denen zufolge Athene als Erfinderin solcher Künste angesehen wurde. – Statt die Kriegerin und die Hausgöttin Athene wie eine künstlerische Werkeinheit zu betrachten, versuchen neuere Forschungen, die unterschiedliche Provenienz solcher Eigenschaften und die Entwicklungsstadien der Götterfigur zu bestimmen; vgl. Art. Athena, in: KlP 1, Sp. 681–686. 86,31–87,4 Als Achill Ç. . .È Scheide drückte] Die Szene betrifft die Wut des Päläiaden Achilleus (Homer, Ilias 1,1, [Stolberg] 1, S. 〈11〉), der sich von Agamemnon gedemütigt fühlt, weil er dem Heerführer der Griechen die erbeutete Briseis abtreten muss. Homer, Ilias 1,193–201, (Stolberg) 1, S. 18: Da er also

zweifelnd sein Schwert aus der Scheide hervorzog, / Kam Athänä vom Himmel herab; es sandte sie Härä, / Welche beyde Könige liebte, beyde beschüzte. / Hinter ihm stand sie, und faßte die goldnen Locken des Jünglings; / Ihm erschien sie allein, der andern sah sie nicht einer. / Päleus Sohn erschrack, und wandte schnell sich, erkannte / Pallas Athänä, sah die furchtbaren Augen der Göttin. Statt zum Angriff überzugehen, schlägt Achilleus an das silberne Heft mit der nervichten Rechte, / Stieß zurück in die

Stellenerläuterungen

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Scheide sein grosses Schwert, und gehorchte / Pallas Befehl (Homer, Ilias 1,219–221, [Stolberg] 1, S. 19). 87,6–12 Die wilde Bellona Ç. . .È f ü r s i c h a l l e i n ] Bellona ist eine nicht deutlich individualisierte blutrünstige Kriegsgöttin, die von den Römern mit der gr. Enyo gleichgesetzt wurde. Letztere ist aber nicht, wie z. B. Banier 3, S. 265 glaubt, identisch mit der gleichnamigen Graie; zur ihr S. 57,6–11 und Erl. im vorliegenden Band. – Bei Homer ist Enyo mit Athene und Ares assoziiert (Homer, Ilias 5,333; 592f., [Stolberg] 1, S. 129; 139). Unter Mythographen des 18. Jhs. steht zwar fest, dass Enyo/Bellona und Athene unterschiedliche Gottheiten sind, doch werden im Einzelfall mit Blick auf bildliche Darstellungen Abgrenzungsprobleme notiert (Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 126 mit Kupferabbildungen; Hederich, Lexicon, Sp. 539, wo Moritz’ einzelne Angaben zu Enyos/Bellonas Erscheinungsbild versammelt sind – vgl. auch Hager, S. 252f.; Banier 3, S. 248; 265; Lippert, Dactyliothec 1, S. 54f., Nr. 124). – Unter den verstreuten antiken Belegstellen spielt Statius eine Hauptrolle. Für die fliegenden Haare vgl. Statius, Thebais 7,72–74, wo Bellona auch Mars’ Wagen lenkt. Für die Peitsche vgl. Vergil, Aeneis 8,703, für die Waffen z. B. Statius, Thebais 4,5–7, wo Bellona in der einen Hand eine Fackel, in der anderen einen Speer führt. Ein literarischer oder bildlicher Beleg, dem zufolge Bellona gleichzeitig in der einen Hand die Geißel schwingt und in der anderen Waffen trägt, wurde nicht ermittelt. Vgl. Proksch, Art. Bellona, in: Roscher 1, Sp. 774–777; Ruth Michael Gais, Art. Enyo, in: LIMC 3/1, S. 746f. 87,13–17 Daß in Minervens Ç. . .È zusammenfaßt] Zum Zusammenfallen des Disparaten bei Apollon vgl. S. 78,27–30 und Erl. – Banier 3, S. 248 weiß, dass Athene sehr unterschiedliche Eigenschaften in sich vereinigt, betrachtet sie aber als zwei eigentlich getrennte Aspekte, die nicht systematisch aufeinander bezogen sind, sondern nebeneinander bestehen: P a l l a s , M i n e r v a und A t h e n e

waren bey den Griechen nicht mehr, als Eine Gottheit, mit dem einzigen Unterschiede, daß M i n e r v a eigentlich die Göttinn der Wissenschaften und Künste; und P a l l a s , die ihren Namen von dem G i g a n t e n P a l l a s , ihrem Vater angenommen hatte, diejenige war, welche dem Kriege vorstund. 87,15 höhern Sprache] Vgl. S. 13,3–4 und Erl. 87,18 die heilende] Auf Athenes Zuständigkeit für die Heilkunst bezieht sich in Athen ihr Beiname Hygieia (E. Thraemer, Art. Hygieia, in: Roscher 1/2, Sp. 2772), auf den samt dem Schlangenattribut auch Winckelmann, Allegorie, S. 49 verweist. Zeitgenössische Mythographen und Antiquare kennen einschlägige Belege; vgl. Banier 3, S. 261; Lippert, Dactyliothec 1, S. 52f., 57, Nr. 119; 132. Stosch, Gemmae,

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S. 16 nennt Plinius, Naturalis historia 22,44 sowie Pausanias 1,23,4, (Goldhagen) 1, S. 97f. Vgl. ferner die Andeutung in Ovid, Fasti 3,827–828: vos quoque,

Phoebea morbos qui pellitis arte, / munera de vestris pauca referte deae (Holzberg, S. 145: Ihr auch, die ihr mit Phöbus’ Kunst die Krankheiten forttreibt, / Gebt von dem, was ihr habt, etwas an Pallas auch ab). Moritz kannte diese Textstelle; vgl. Erl. zu S. 86,28–29. 87,21 aus den Oliven das Oehl zu pressen] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1627 mit Bezug u. a. auf Diodorus Siculus 5,73,7, (Stroth) 2, S. 275. 87,22–27 wetteifert mit dem Neptun Ç. . .È ihren sanftern Nahmen] Vgl. Erl. zu S. 82,32–33. Zu Athen als gebildester Stadt s. S. 127,29–128,11. 88,6–7 Das versteinernde Ç. . .È bedeckt] Der Schild ist die mit dem Haupt der Medusa verzierte, bei Homer primär Zeus zugeordnete, aber auch von Athene und Apoll geführte Aigis (Homer, Ilias 2,446–449; 5,738–742; 21,400–401, [Stolberg] 1, S. 53; 144; Bd. 2, S. 234; vgl. auch Vergil, Aeneis 8,435–438; Ovid, Metamorphosen 4,801–802). – Für die zeitgenössische Altertumskunde vgl. J. F. Facius,

Ueber die Aegis. Eine antiquarische Abhandlung insbesondere zur Erläuterung der Stellen davon im Homer und Virgil, Erlangen 1774. In der bildenden Kunst ist die Aigis ein Standardattribut der Athene. S. Banier 3, S. 263–265; Hederich, Lexicon, Sp. 1637; Lippert, Dactyliothec 1, S. 49f., Nr. 108 und weitere Stellen im Minerva-Kapitel (S. 49–58). 88,7–8 der düstre Ç. . .È schwebt] Die Eule, sonst gern als Zeichen der Klugheit gedeutet (Hederich, Lexicon, Sp. 1637), Damm zufolge erst durch die neuere Fabel, also nach Homer der Athene zugeeignet (Damm, Einleitung, S. 38), wird auch in der zeitgenössischen Gemmenliteratur als Attribut der Göttin angeführt; vgl. Lippert, Dactyliothec 1, S. 57f., Nr. 136; 137. Dass die Eule über Athenes Haupt schwebt, mag sich auf Hederich, Lexicon, Sp. 1630 stützen, dem zufolge der Vogel als Helmzier der Göttin anzutreffen ist. 88,8–10 die den duldenden Ç. . .È in Schutz nimmt] In der Odyssee wird der Held schon in der Rolle des Dulders eingeführt (Odyssee 1,4, [Voss], S. 9) und stereotyp als der herliche Dulder Odüßeus (polyÂtlaw diÄow ÆOdyÂsseyw, poly´tlas dı´os Ody´sseus; z. B. Odyssee 16,186; 225; 258, [Voss], S. 311–313) sowie als der erfindungsreiche Odüßeus (polyÂmhtiw ÆOdyÂsseyw, poly´metis Ody´sseus; Beispiele: 16,201; 17,453, [Voss], S. 311; 338) bezeichnet. Athene ist in dem Epos so gut wie omnipräsent und führt bei Odysseus’ Rückkehr nach Ithaka Regie, indem sie die Handlung koordiniert, günstige Beschlüsse in der Götterversammlung veranlasst, sich Odysseus in verlarvter Gestalt zeigt und in den Kampf mit den Freiern eingreift. Athene hat schließlich (fast) das letzte Wort, denn sie stiftet am Ende des

Stellenerläuterungen

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Epos Frieden zwischen Odysseus und den Verwandten der Freier (ebd. 15,1–43; 1,26–95; 7,14–81; 13,221–252; 22,205–301, [Voss], S. 283f.; 10–13; 127–130; 254f.; 423–427). In der Gestalt menschlicher Personen, auch im Traum, erscheint sie wichtigen Helferinnen und Helfern, so Odysseus’ Sohn Telemachos (ebd. 1,96–323 [Voss], S. 13–22) und der phaiakischen Königstochter Nausikaa (ebd. 6,13–47, [Voss], S. 114–116). 88,10–11 die aufgebrachten Ç. . .È zurückruft] Vgl. S. 86,31–87,4 und Erl. 88,13–22 Da nemlich Ç. . .È Landes deckt] Homer, Ilias 21,391–408, (Stolberg) 2, S. 234: Aräs begann; er stürzte zuerst auf Pallas Athänä / Mit dem ehernen Speer, und rief mit schmählichen Worten: / Ç. . .È / Also sprach er,

und stieß mit dem Speer die schreckliche Aigis, / Welche nicht zu zertrümmern vermöchten die Blize Kronions; / Diese stieß der Blutbetriefte mit mächtigem Speere. / Rückwärts wich sie; hub auf einen eckichten schwarzen / Grossen Stein, zur Grenze gesezt von Männern der Vorzeit, / Traf den Nacken des stürmenden Aräs, und warf ihn zu Boden. / Sieben Morgen Landes bedeckt’ er fallend; sein Haupthaar / Ward bestäubt, die Rüstung rasselte. Die zeitgenössischen Übersetzungen sind sich darin einig, dass Athenes Stein den Nacken, nicht die Stirn des Kriegsgotts trifft; vgl. Homer, Ilias (Bodmer) 1, S. 347; Homer, Ilias (Kütner) 2, S. 203. 88,25–28 Denn da sie die Flöte Ç. . .È zu seinem Unglück fand] Moritz paraphrasiert den Beginn des Marsyas-Mythos wohl nach Ovid, Fasti 6,697–710, wenngleich dort der Name des Satyrs nicht genannt wird. Auch in Anthusa, KMA 4/1, S. 115,16–25 übernimmt Moritz die Erzählung von Ovid, der aus ihr den Ursprung des röm. Fests der Quinquatrien herleitet. Vgl. ferner Hyginus, Fabulae 165. Anders als bei Apollodoros 1,24, (Meusel), S. 10 und Pausanias 1,24,1, (Goldhagen) 1, S. 101 schaut Athene bei Hyginus und Ovid das eigene Spiegelbild im Wasser. 88,29–32 Auch war sie Ç. . .È befriedigt war] Vgl. S. 238,23–239,8 mit den Erl. 89,1–3 Eine einfache und schöne Darstellung Ç. . .È Kupfertafel] Abb. 10. Lippert, Dactyliothec 1, S. 51f., Nr. 113 (Schublade 1/3). Das Original trägt am Rand eine Beschriftung, die Carstens nicht wiedergibt. 89,4–5 Haupt der Medusa Ç. . .È dennoch schön ist] Abb. 10. Die Abbildung gibt die sog. Medusa Rondanini wieder. Auf dasselbe Kunstwerk dürfte sich die Beschreibung in RDI 3, S. 44f. (KMA 5/2) beziehen. Zur Zeit von Moritz’ Italienreise befand sich die Medusenmaske im Palazzo Rondanini in Rom; seit 1814 ist sie im Besitz der Glyptothek in München. Gemäß verbreiteter Anschauung handelt es sich um die Kopie eines gr. Originals aus dem 5. Jh. v. Chr. Die ursprüngliche Maske

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war nach Buschor 1958, S. 38 Schildemblem der von Phidias geschaffenen Athena Parthenos. Für andere Datierungen s. Orazio Paoletti, Art. Gorgones Romanae, in: LIMC 4/1, S. 347f., Nr. 25. – Mit der doppelten Empfindung, die die zugleich schreckliche und schöne Medusa im Betrachter auslöst, hatte sich schon Mendelssohn befasst. Vgl. Rhapsodie, oder Zusätze zu den Briefen über die Empfindungen (1771), in: JubA 1, S. 388: Allein auch wo die Gefahr unüberwindlich

ist, hat sie noch immer etwas Reizendes für die Seele, und ich glaube, wenn ein Phönix erschiene, oder das Haupt der Medusa zu sehen wäre; so würde zwar ein jeder die Gefahr scheuen, und die Augen wegwenden, aber sicherlich einen mächtigen Reiz zu widerstehen, und gleichsam mit sich selbst zu kämpfen haben. Goethe schließt sich Moritz’ Bewunderung an und notiert ebenfalls den Zwiespalt zwischen Tod und Leben, zwischen Schmerz und Wollust (Italienische Reise, HA 11, S. 546). 89,6–7 Dieß Haupt Ç. . .È ein Ganzes aus] Mit der Vorstellung von dem Schönen, das sich einem Akt des Zerstörens verdankt, schließt Moritz an Gedanken aus BNS, S. 42 (KMA 3) an. Vgl. auch den Beginn des Aufsatzes In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 4. St., S. 159–161 (KMA 3), wo Moritz die Idee des selbstreferenziellen Kunstwerks am Beispiel des Mythos der Philomele entwickelt, die ihre Verstümmelung in einem Webstück verarbeitet. S. Schneider 1999, S. 169f. 89,8–11 so fürchtet Ulysses Ç. . .È Anblick zu entfliehen] Homer, Odyssee 11,634–637, (Voss), S. 228: Fürchtend, es sende mir jezo die strenge Per-

sefoneia / Tief aus der Nacht die Schreckengestalt des gorgonischen Unholds, / Floh ich eilend von dannen zum Schiffe, befahl den Gefährten, / Hurtig zu steigen ins Schiff, und die Seile vom Ufer zu lösen. 89,27–33 Als er selbst Ç. . .È aufstieg] Homer, Ilias 5,855–867, (Stolberg) 1, S. 148f.: Nun schwingt gegen Aräs der schlachterfahrne Tüdeidäs / Seinen ehernen Speer, den richtet gegen die Nieren / Pallas, wo sich die Enden des prächtigen Gürtels begegnen; / Da traf Diomädäs den Gott. Nun zog er die Lanze / Wieder zurück, es brüllte der eherne Aräs; so schreyen / In der blutigen Schlacht zehntausend Männer auf einmal. / Schrecken befiel die Troer, und Schrecken befiel die Argeier, / Bey dem lauten Gebrülle des unersättlichen Kriegers. / Wie, vom schwülen Hauchen des wehenden Windes erhoben, / Düstre Dünste dem Schooße der dicken Wolken entsteigen; / Also schien der eherne Aräs dem Tüdeı¨den, / Da er, in Wolken gehüllet, dem grossen Himmel sich zuschwang. Für das Epitheton des Eher-

Stellenerläuterungen

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´ res) vgl. auch Homer, Ilias 5,704, (Stolberg) 1, nen (xaÂlkeow ÍArew, cha´lkeos A S. 143. 90,1–7 Und als Ç. . .È Söhne liegen] Für Ares’ Klagen s. Homer, Ilias 5,872–887, (Stolberg) 1, S. 149f. Zeus’ Antwort ebd., 5,888–898, (Stolberg) 1, S. 150: Zürnend schaute auf ihn, und sprach der Wolkenversammler: / Winsle nicht hier an meiner Seite, du Uebergänger! / Unter allen Göttern, des hohen Olümpos Bewohnern, / Haß’ ich dich; du liebest den Zwist, den Streit und die Zwietracht, / Hast den unerträglichen starren Sinn deiner Mutter, / Welchen ich kaum mit Müh und vielen Worten noch breche; / Und ich wähne, durch ihr Anstiften leidest du solches. / Dennoch will ich dich von diesem Schmerze befreyen; / Du bist meines Geschlechts, mir hat dich Härä gebohren. / Stammtest du Verderber von einem der übrigen Götter, / Lange lägest du unter den Uranionen vergraben! Zur Ares’ Genealogie vgl. S. 62,1. Die Uranionen bzw. (bei Moritz) Uranos Söhne sind die Titanen, die nach ihrer Niederlage gegen die olympischen Götter in den Tartaros verbannt wurden; vgl. S. 24,26–31 und Erl. 90,8–10 Die U n b e s t ä n d i g k e i t Ç. . .È mit dem andern hält] Vgl. Homer, Ilias 5,830–834, (Stolberg) 1, S. 147f., wo Athene den Diomedes folgendermaßen anredet: Treffe von nahe und sonder Scheu den stürmenden Aräs, / Ihn den

rasenden Unglückstifter und Uebergänger, / Welcher vormals mir und auch der Härä versprochen, / Mit den Troern zu kämpfen, zu helfen den Söhnen von Argos, / Deß gedenket er nicht, und ist im Heere der Troer. 90,19–22 Auch wußte Ç. . .È knüpfte] In Homer, Odyssee 8,266–366, (Voss), S. 149–153 trägt Demodokos, der blinde (ebd. 8,64, [Voss], S. 142) Sänger der Phaiaken, die Erzählung von Ares und Aphrodite vor, deren Liebesverhältnis Helios entdeckt und die von Hephaistos auf frischer Tat ertappt und unter dem Gelächter der Götter in einem goldenen Netz gefangen werden. Dieselbe Episode nehmen u. a. Hyginus, Fabulae 148; Ovid, Metamorphosen 4,171–189 und Lukian, Göttergespräche 21 (Apollon und Hermes; Sämtliche Werke 2, S. 123–125) wieder auf. 90,23–25 Aus diesem verstohlnen Ç. . .È sich vermählte] Vgl. Damm, Einleitung, S. 74; Hederich, Lexicon, Sp. 1188f.; 1526. Vor allem in Boiotien und im dort gelegenen Theben wurden Aphrodite und Ares, außerhalb der Odyssee-Überlieferung und daher auch ohne Bezug auf die Untreue, als Eltern der Harmonia sowie, wegen deren Verbindung mit Kadmos (vgl. S. 224,16–17), als Begründer der thebanischen Königsgenealogie und Schutzgötter der Stadt verehrt. Vgl. Aischylos, Sieben gegen Theben, 135–144; Robert Fleischer, Art. Aphrodite, in: LIMC 2/1,

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S. 123. Harmonia gilt als »Prototyp einer glücklichen Ehefrau« und »Schutzgöttin des Bürgerverbandes« (Art. Harmonia, in: KlP 2, Sp. 941). Über ihre Verbindung mit Kadmos berichtet schon der seinerseits boiotische Hesiod, Theogonie, 937; 975, (Voss), S. 154; 158. Mit der in Homers Odyssee ausgemalten Ehebruchszene bringt Hyginus, Fabulae 148 dieses Abstammungsverhältnis in Zusammenhang. 90,26 Auf der Untreue Ç. . .È bildende Kunst] »Aphrodite und Ares« ist ein beliebter Gegenstand der antiken Kunst. Mehrere Beispiele bei Lippert, Dactyliothec 1, S. 116–119, Nr. 266–273; S. 131, Nr. 304; Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 188, Nr. 27; 28 (dazu Kommentarbd., S. 262f.). Vgl. Erika Simon, Art. Ares/Mars, in: LIMC 2/1, S. 549. 90,32–33 Jupiters Ç. . .È mischen] Zeus spricht das Verbot in Homer, Ilias 8,5–17, (Stolberg) 1, S. 195 aus. Drohend ist es nicht, weil es noch bevorstünde, sondern weil es für den Fall der Zuwiderhandlung mit Strafankündigungen verbunden ist. 90,33–91,11 Mars vernahm Ç. . .È zu seinem Sitz zurück] Zum Tod des Askalaphos vgl. Homer, Ilias 13,518–525, (Stolberg) 2, S. 22. Hera überbringt die Nachricht in der Götterversammlung dem Ares; s. Homer, Ilias 15,110–142, (Stolberg) 2, S. 63f.: Eben izt geschah ein grosses Unglück dem Aräs, / Denn es

fiel in der Schlacht sein Liebling unter den Menschen / Askalafos, von welchem er saget, dass er sein Sohn sey. / Also sprach sie; Aräs schlug seine mächtigen Lenden / Mit den Händen, und sprach zu den Göttern mit klagenden Worten: / Zürnet nicht, ihr Götter, des hohen Olümpos Bewohner, / Daß ich nun hinuntergeh zu den Schiffen der Griechen, / Meinen Sohn zu rächen; und träfen die Blize Kronions / Mich, und streckten mich blutig und staubicht unter die Leichen. / Sprach es; seinen Söhnen, Graun und Entsezen, befahl er, / Anzuspannen die Ross’; er griff zur stralenden Rüstung. / Sieh er hätte noch grössern Zorn Kronions erreget, / Wo nicht, für die Unsterblichen alle fürchtend, Athänä / Wär’ aus dem Vorsaal gekommen von ihrem verlassenen Size. / Diese riß ihm vom Haupte den Helm, den Schild von den Schultern, / Aus der starken Hand des Gottes die eherne Lanze; / Und sie schalt mit diesen Worten den stürmenden Aräs: / Rasender, Unbesonnener, rennst ins Verderben! Vergebens / Hast du Ohren zu hören, bist unverschämet und sinnlos? / Hörtest du nicht die Rede der Göttin mit weißen Armen, / Welche vom Olümpier Zeus Kronion zu uns kam? / Oder hast du beschlossen, was Böses umsonst zu erdulden, / Um gezwungen und traurig zurück zum Olümpos zu kehren? / Willst du großes Unheil stiften den übrigen Göttern? / Denn gleich würd’ er die übermü-

Stellenerläuterungen

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tigen Troer verlassen / Und die Griechen, gegen uns den Olümp zu durchstürmen, / Einen nach dem andern, auch wer nicht schuldig, ergreifend. / Drum entsage dem Zorn ob deines verwundeten Sohnes! / Mancher andre, stärker als er, im Streite geübter, / Fiel und wird noch fallen; denn sieh es wäre nicht möglich, / Aller sterblichen Menschen Geschlecht vom Tode zu retten. / Also sprach sie, und hieß sich sezen den stürmenden Aräs. 90,34–91,1 das S c h r e c k e n ] Adelung 4, Sp. 264 verzeichnet Schrecken sowohl als maskuline als auch als neutrale Variante. Letztere, im Oberdeutschen am gangbarsten, werde auch von manchen Hochdeutschen Schriftstellern in der höhern Schreibart gebraucht. 91,19–23 beigefügten Kupfertafel Ç. . .È herniedersteigt] Abb. 11. Lippert, Dactyliothec 1, S. 130, Nr. 302 (Schublade 1/7): Gravelle will, daß M a r s hier vom thracischen Gebürge steigen soll. Aber wer wird wohl hier Gebürge sehen? Wolken sehe ich wohl, aber keine Gebürge, und auf diese Art haben sie die alten Steinschneider niemals abgebildet. Mars trägt den Schild am linken Arme, und hält mit eben der Hand seinen Spieß; in der rechten aber hat er einen Stein. 91,23–25 Auf eben dieser Tafel Ç. . .È im Umriß abgebildet] Abb. 11. Vgl. die detaillierte allegorische Deutung bei Lippert, Dactyliothec 1, S. 113f., Nr. 252 (Schublade 1/6): Venus greifet mit der rechten auf das Haupt. Ç. . .È Es soll wohl

diese Stellung den Verstand ausdrücken, den sie vor andern Göttinnen zu haben glaubte, weil sie alles beherrschet. So viel ich sehe, so giebt sie dem Cupido, ich weis nicht was. Vermuthlich sollen es die zween Pfeile bedeuten, von welchen der Dichter redet Ç. . .È. Hinter der Venus ist eine Fackel, die ihr besonders eigen war, wie man auf Münzen und andern Denkmälern findet. Der Papilion bedeutet allemal die Seele. Dieser flieget über die Fackel: denn des Papilions Eigenschaft ist auch, daß er gerne nach dem Lichte flieget, aber sich auch gemeiniglich dabey verbrennt. Wenn dieß alles zusammen genommen wird, so kann man leicht zugeben, daß das Bild hier die Venus vorstellen soll, welche die Seele plaget. Der Dichter, der von den beiden Pfeilen des Amor spricht, ist Ovid, Metamorphosen 1,468–469. 91,30–92,2 sie war es Ç. . .È Held gebahr] Homerischer Hymnus 5 an Aphrodite, 249–255, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 74f.: Vormals ehrten sie meine Reden, und meine Gebote, / Denn mein Wille beherschte die Götter alle, vermählte / Stets die Unsterblichen alle mit Weibern sterblicher Menschen; / Fürder darf ich nicht mehr bei den Göttern die Sterblichen nennen. Ç. . .È Unter den Gürtel trag’ ich, von mensch-

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lichem Saamen empfangen, / Einen Sohn. Das »Liebesabenteuer« (Homerische Hymnen [Pfeiff], S. 121) mit Anchises ist Hauptgegenstand des Hymnus. Zur Geburt des trojanischen Helden Aineias, die aus der Perspektive des Hymnus noch in der Zukunft liegt, vgl. V. 196–199, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 72. Dass Aineias aus der Verbindung von Aphrodite mit Anchises hervorgeht, wird auch in der Ilias mehrfach erwähnt (z. B. Homer, Ilias 2,819–821; 5,311–318; 20,203–209, [Stolberg] 1, S. 67; 128; Bd. 2, S. 206), ebenso in Hesiod, Theogonie, 1008–1010, (Voss), S. 160. 92,7–10 Sie hatte den Paris Ç. . .È zu entführen] Vgl. S. 238,29–239,16 mit den Erl. 92,10–11 flößte dieser Ç. . .È in den Busen ein] Im Vergleich mit der Ilias gibt Moritz der Helena-Handlung eine psychologische Wendung; denn Wankelmuth und Treulosigkeit der Helena sind wenigstens nicht direkt und ausdrücklich Gegenstand des Epos. Der Skandalfall ist dort vielmehr unter dem Vorzeichen von Ehrverlust und Schande dargestellt; s. Ilias 3,172–176; 242; 399–412; 428–436; 24,761–775, (Stolberg) 1, S. 79; 82; 88; Bd. 2, S. 431f. Vgl. Austin 1994, S. 23–50. Schon die antike Literatur hat aber, jenseits von Homer, das Zwielicht, das auf Helena fällt, als fruchtbare literarische Herausforderung angenommen. Vgl. z. B. Ovid, Heroides 16 und 17, wo sich die noch mit Menelaos verheiratete Helena im Dialog mit Paris als letztlich nicht unverführbar erweist. Vgl. ferner Vergil, Aeneis 2,567–587, wo Aineias Helena die Schuld an Trojas Untergang gibt (s. aber auch die Gegenrede seiner Mutter, ebd. 594–620), sowie umgekehrt ebd. 6,494–530, wo Deiphobos, nach Paris’ Tod mit Helena verheiratet, ihr Verrat vorwirft. 92,13–16 Im Kriege Ç. . .È zu ihm rief] Homer, Ilias 3,379–383, (Stolberg) 1, S. 87: Abermal stürzet er 〈Menelaos〉, heiß vor Begierde, gegen den Troer 〈Paris〉 / Mit dem ehernen Speer; Afroditä mit göttlicher Stärke / Sonder Müh entreißt ihn dem Griechen, hüllt ihn in Nebel, / Und bringt ihn ins duftende Schlafgemach eilend hinüber. / Ferner suchet die Göttin sein Weib Ç. . .È. 92,17–18 Und als diese Ç. . .È Ruf zu folgen] Psychologisierende Ausdeutung von Homer, Ilias 3,399–412, (Stolberg) 1, S. 88. Für den Ependichter steht der Schaden im Vordergrund, den Helenas Ehre erlitten hat oder weiter erleiden könnte. 92,18–22 Elende Ç. . .È Schicksal treffen] Homer, Ilias 3,414–417, (Stolberg) 1, S. 88f.: Reize mich nicht! Ich könnte mich dir, o Thörin, entziehen, / Und

dich eben so hassen, als ich dich herzlich geliebet, / Könnte zwischen den

Stellenerläuterungen

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Troern und Griechen tödtende Zwietracht / Stiften, und dich dem traurigsten Schicksale überlassen. 92,23–25 Und nun läßt Ç. . .È genießen] Homer, Ilias 3,447–448, (Stolberg) 1, S. 90. 93,1–4 Überhaupt ist es das Mangelhafte Ç. . .È verflochten werden] Mit der Akzentuierung des Mangelhaften schließt Moritz an die Metaphysikkritik des einleitenden Gesichtspunkt-Kapitels an, wonach die gr. Mythologie metaphysisch unvollkommene, aber anschaubare und ästhetisch als schön qualifizierbare Gebilde bereithält; s. S. 13,7–21 mit den Erl. Vgl. auch BNS, S. 23 (KMA 3): Wo sie 〈die Begriffe〉 sich also am wenigsten einander ausschliessen, und ihrer am

m e i s t e n neben einander bestehen können, das kann nur da seyn, wo sie am u n v o l l s t ä n d i g s t e n sind, wo bloß ihre Anfänge oder ersten Anlässe zusammentreffen, die eben durch ihr Mangelhaftes und Unvollständiges, in sich selber den immerwährenden, unwiderstehlichen Reiz bilden, der sie zur vollständigen Wirklichkeit bringt. 93,5–6 Der hohen Juno Ç. . .È der Venus borgen] Vgl. S. 49,21–27; 78,1–6 mit den Erl. 93,6–7 Die überlegende Weisheit Ç. . .È Ungestüm] Vgl. S. 90,33–91,11 und Erl. 93,11–15 giebt Minerva der Venus Ç. . .È Kühnheit gleichen] Homer, Ilias 21,423–431, (Stolberg) 2, S. 235: Athänä verfolgte sie eilend mit freudigem

Herzen, / Stürmte gegen sie an, und schlug mit nervichter Rechte / Ihre Brüste; da schwankte sie athemlos hin auf den Boden. / Also lagen sie beyd’ 〈Aphrodite und Ares〉 auf der allernährenden Erde. / Aber Athänä rief mit frohen geflügelten Worten: / Möchten alle Beschirmer der Troer also fallen, / Wenn sie streiten gegen die rüstigen Schaaren der Griechen! / Möchten sie mutig seyn und stark wie Afroditä, / Als sie meine Rechte bestand, um Aräs zu schüzen! 93,16–26 Als Venus Ç. . .È Minerva sorgen] Zur Klage der Aphrodite Homer, Ilias 5,330–380, (Stolberg) 1, S. 129–131. Vgl. weiter ebd. 5,422–430, (Stolberg) 1, S. 132f.: Küpris wollte wohl eine der griechischen Weiber bewegen, / Einem Troer zu folgen, den sie nun liebet mit Inbrunst, / Und da streichelte sie mit der Hand das Achaı¨sche Weiblein, / Und da rizte sie sich an einer güldenen Nadel. / Also spricht sie 〈Athene〉, es lächelt der Vater der Götter und Menschen, / Rief der Afroditä, und sprach zur rosichten Göttin: / Liebes Kind, nicht dir gehören die Thaten des Krieges; / Dein sind liebliche Spiele der Buhlschaft, Freuden der Ehe: / Jene laß dem stürmenden Aräs und Pallas Athänä.

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Götterlehre

93,32–94,2 Die Horen empfangen Ç. . .È durchlöcherten Ohren] Aphrodites Ankunft auf Zypern, die Moritz an anderer Stelle nach Hesiod referiert (s. S. 21,17–19 und Erl.), ist hier dargestellt nach dem Homerischen Hymnus 6 an Aphrodite, 5–13, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 77:

Es empfingen die Goldgeschmükten / Horen sie freudig, und legten ihr an unsterbliche Kleider, / Krönten das göttliche Haupt mit einer zierlichen, schönen, / Goldnen Krone, sie schmükten der Ohren Löcher mit Blumen, / Von gepriesenem Erz, und Blumen von köstlichem Golde; / Ihren zarten Hals und glänzenden Busen umkränzten / Sie mit goldenem Brustgeschmeide, mit welchen sie selber / Prangen, die Goldgeschmükten Horen, so oft sie erscheinen / In der Götter reizendem Tanz, und im Hause des Vaters. Zu den Horen vgl. S. 202,29–203,14 mit den Erl. S. Becker 1995, S. 244. 94,4–7 Der Venus Ç. . .È mit Bogen und Pfeil bewafnet] Für einen auf der zeitgenössischen antiquarischen Literatur basierenden Überblick über die Ikonographie der Aphrodite, der auch die von Moritz angeführten Attribute betrifft, vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2439–2444. Zu Eros vgl. S. 45,10–12, zu Aphrodite und den Grazien vgl. S. 201,8–202,28 mit den Erl. 94,11–17 Drei himmlische Göttinnen Ç. . .È ergötzt] Homerischer Hymnus 5 an Aphrodite, 7–28, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 62f.: Nur drei Herzen vermag Afroditä nicht täuschend zu lenken /

Nicht Athänä, mit blauen Augen, die Tochter Kronions / Denn Küthereia’s Werke gefallen nicht Pallas Athänä, / Sondern ihr gefallen die Krieg’ und die Thaten des Aräs, / Ihr der Kampf und die Schlacht; und die köstlichen Werke des Webstuhls. / Ç. . .È Nimmer zwang zur Liebe die Schönbekränzte Küthärä / Artemis welche das Jagdgeschrei liebt und die goldenen Pfeile; / Sie hat Gefallen am Bogen und an der tödtenden Wildjagd, / Und an der Leier, dem Reigen, dem weiterschallenden Jauchzen, / Und an den schattigen Hainen und Städten gerechter Bewohner. / Istia 〈Hestia〉 widersteht ihr auch die aelteste Tochter / Kronos Ç. . .È 〈Sie〉 faßte das heilige Haupt des donnernden Gottes / Faßt’ es, und schwur den mächtigen unverbrüchlichen Eidschwur / Jungfrau ewig zu bleiben, die Hohe Heilige Göttin! 94,18–19 Als Jupiter Ç. . .È Stand vergönnte] Artemis’ Bitte an Zeus, ihr zusammen mit weiteren Ausstattungsmerkmalen (u. a. Pfeil und Bogen, Nymphen als Gefolgschaft) die Jungfräulichkeit zu gewähren, ist als eine Art häuslicher Szene – Artemis sitzt als Kind auf den Knien ihres Vaters – ausgemalt in Kallimachos, Hymnus auf Artemis, 4–40, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 211f.

Stellenerläuterungen

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94,19–20 zündete ihre Fackel bei Jupiters Blitzen an] Kallimachos, Hymnus auf Artemis, 116–118, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 216: Göttin wo hiebst du die Fichte zur Fackel, wo nahmst du die Flammen? / Auf dem Olümpos hiebst du die Fichte, die Blize Kronions / Gossen ewige Gluten darauf, da flammte die Fackel! 94,20 von ihren Nymphen begleitet] Nymphen als Begleiterinnen, insbesondere als Jagdgenossinnen, sind wiederholt Gegenstand von Kallimachos’ Hymnus auf Artemis. Vgl. V. 15–17 für Artemis’ Wunsch nach Nymphen als Dienerinnen; 40–45, wo Artemis sich kretische Nymphen auswählt. Die um die Göttin tanzenden Nymphen sowie Nymphen aus ihrem Jagdgefolge, namentlich aufgezählt, erscheinen ebd., 170–224, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 211–213; 219–222. Vgl. auch S. 203,27–30 und Erl. 94,20–25 hoch in den Wäldern Ç. . .È nach allen Seiten] Paraphrase des Homerischen Hymnus 27 an Artemis, 4–10, die sich einer metrischen Übersetzung annähert (vgl. Berghahn 2012, S. 152); hoch in den Wäldern einher, und auf den stürmischen Gipfeln, ebenso spannt den goldenen Bogen, und sendet die tödtlichen Pfeile sind vollständige Hexameter. Vgl. Gedichte aus dem Griechischen übersetzt (Stolberg), S. 102: Sie die auf schattigen Bergen, und

Lüfte durchsäuselten Gipfeln / Sich erfreuet der Jagd, und spannet den goldenen Bogen. / Tödlich ist ihr Geschoß! es zittern hoher Gebirge / Scheitel! Es schallet das grimmige Brüllen der reißenden Thiere / Weit umher im dunkeln Forst, es bebet die Erde, / Und mit seinen Fischen das Meer! die furchtbare Göttin / Fleucht mit spähendem Blick, und tödtet des Wildes Geschlechte. Moritz’ Wiedergabe steht dem Original in Details näher als Stolbergs Übersetzung. Vgl. auch die lat. Übersetzung in Homeri Odyssea, S. 711. 94,24–25 hoch über alle Ç. . .È empor] Ovid, Metamorphosen 3,181–182 aus der Aktaion-Erzählung, wo die Nymphen vergeblich versuchen, dem Jäger die Sicht auf die badende Artemis zu verstellen: tamen altior illis / ipsa dea est colloque tenus supereminet omnis (Fink, S. 131: Allein, höher gewachsen als sie ist die Göttin selbst; um Haupteslänge überragt sie alle). Vgl. auch Vergil, Aeneis 1,500–501: illa pharetram / fert umero gradiensque deas supereminet omnis (Fink, S. 39: jene trägt den Köcher über der Schulter, schreitet einher und überragt dabei alle die Nymphen). 94,27–31 Und wenn sie Ç. . .È Kinder gebahr] Homerischer Hymnus 27 an Artemis, 11–22, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 102f.:

Aber wenn sie ihr Herz gelabt, und gestillt die Begierde / Hat der Jagd und der tödtenden Pfeile, dann löß’t sie den Bogen, / Und dann geht sie zum

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Götterlehre

herlichen Pallast Foebos Apollon, / Ihres geliebten Bruders, zum reichen Delfischen Volke. / Musen und Grazien ruft sie herbei zum lieblichen Tanze. / Bogen und Köcher hängt sie auf, an der Seule des Tempels / Und nun tritt sie hervor die geschmükte stralende Göttin! / Führerin ihres Reigens! es tönen der Grazien Stimmen / Und der Musen! Sie singen Läto die Mutter der Kinder / Welche prangen unter den Göttern mit Weisheit und Thaten. / Heil euch Kinder Zeus, und Läto der Schöngelokten, / Euer will ich gedenken, und anderer Feiergesänge. 95,3 die Kinder der Niobe Ç. . .È tödtet] Vgl. S. 246,1–14 mit den Erl. 95,3–6 so richtet sie Ç. . .È allmälig weichen] Vgl. S. 79,7–80,8 mit den Erl. 95,7–10 Nach einer schönen Dichtung Ç. . .È Pfeilen erlegte] Kallimachos, Hymnus auf Artemis, 120–128, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 217: Dreimal prüftest du, Göttin, deinen silbernen Bogen, / Trafst mit dem Erstlingswurfe die Ulme, dann trafst du die Eiche, / Trafst mit dem dritten Wurf ein reißendes Thier, doch der vierte / Traf ein anderes Ziel. Dein Bogen klang, und geschlagen / War der Verbrecher Stadt, die gegen sich selbst und das Gastrecht / Frevelthaten hatten vollbracht, nun hascht sie die Strafe! / Unglükselig ist Land und Volk dem du zürnest, o Göttin! / Hagel vernichtet die Saat, und die Pest verzehret die Heerden / Greise streuen ihr silbernes Haar auf die Urne der Kinder; / Deine Pfeile treffen die Weiber, sie jammern und sterben, / Unvermögend die Frucht zu gebähren, und wenn du das Leben / Ihnen fristest so hascht auf der Flucht der Gebährerin Schmerz sie. / Jedes Unglük trift Ihn dem du zürnest, o Göttin! 95,11 Das Urbild der Diana ist der l e u c h t e n d e M o n d ] Vgl. S. 47,31–48,8 mit den Erl. 95,14–17 Den Jäger Aktäon Ç. . .È Opfer werden] Die Aktaion-Episode, die u. a. auch von Apollodoros 3,30–31, (Meusel), S. 112 und Hyginus, Fabulae 181, sonst mit Varianten tradiert wird, übernimmt Moritz wohl aus Ovid, Metamorphosen 3,138–252. Auf Ovids Erzählung hatte er sich schon S. 94,24–25 im selben Kapitel bezogen. Für die reiche ikonographische Überlieferung, die sich an die antike Erzählung anschließt, vgl. Pigler 1974, 2, S. 68–74. 95,18–21 Und als eine Priesterin Ç. . .È zum Opfer brachte] Anspielung auf den Mythos von der Artemispriesterin Komaitho und Melanippos (zuweilen auch Menalippos; der Pausanias-Übersetzer verwendet beide Varianten), den Pausanias 7,19,2–5, (Goldhagen) 2, S. 169f., hier: S. 170 als Lokalsage aus Patrai (jetzt: Patras) in der gr. Landschaft Achaia überliefert: Komaitho und Melanippos, zu

Stellenerläuterungen

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deren Verbindung die Väter ihre Einwilligung verweigern, stillten den heftigen

Trieb ihrer Liebe selbst in dem Tempel der Diana, und würden ihn auch immerfort als ihre Hochzeitkammer gebraucht haben. Aber Diana ließ die Einwohner gleich ihren Zorn hart empfinden: die Erde trug keine Früchte, ungewöhnliche Krankheiten befielen die Menschen, und es sturben viel mehrere, als sonst zu sterben pflegten. Als sie ihre Zuflucht zu dem delphischen Orakel nahmen, legte die Pythia dem Menalippus und der Komätho die Schuld dieser Plagen bey, und that dabey den Ausspruch, daß sie erstlich die beyden Personen selbst, und denn auch alle Jahre eine Jungfrau und einen Knaben, und zwar die schönsten, der Diana opfern sollten. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1560. 95,21–23 Ihr widmeten sich Ç. . .È Strafen rächte] Einschlägig für die strengen Keuschheitsregeln, die für die Artemis-Priesterschaft gelten, ist – außer Pausanias’ Referat der Erzählung von Komaitho und Melanippos – auch Pausanias 8,13,1, (Goldhagen) 2, S. 244, wo der Verfasser über den Artemis-Kult in Orchomenos (Arkadien) schreibt: Die Priesterin und der Priester sind verpflichtet, die

Keuschheit nicht allein durch die Enthaltung von der ehelichen Beywohnung, sondern auch in allen andern Dingen, in ihrem ganzen Leben zu bewahren. Sie dürfen sich nicht wie andere baden, essen und trinken, ja auch nicht in das Haus einer Privatperson gehen. Alles dieses müssen auch die Priester der Diana zu Ephesus, die H e s t i a t o r e s , oder E s s e n e s , doch nur auf ein Jahr beobachten. Von Strafen berichtet Pausanias allerdings nur im Zusammenhang mit dem Artemiskult von Patrai. 95,24–26 Wenn Jungfrauen Ç. . .È Opfern zu versöhnen] Hederich, Lexicon, Sp. 911f., der sich seinerseits auf Conti, Mythologiae, S. 491 (recte: 178) beruft. Conti trägt eine Reihe von gr. Quellen zusammen. 95,32–96,7 Als aber die mächtige Diana Ç. . .È wieder auflaß] Homer, Ilias 21,479–503, (Stolberg) 2, S. 237f.: Aber es zürnte die hohe Bettgenossin Kro-

nions; / Also schalt sie die Göttin, die ihrer Pfeile sich freuet: / Dreiste Hündin! du unterstehst dich, mir zu begegnen? / Sieh es wird dir sauer werden, mich zu bestehen! / Bogenträgerin, welche Kronion unter den Weibern / Hat zum Löwen gesezet, zu morden, wie dich gelüstet. / Traun es wäre dir besser, die wilden Thiere zu tödten / Und die Hirsche, als mit mächtigen Göttern zu kämpfen! / Hast du Lust, des Kampfes zu kosten; wohlan, so erfahre, / Wie viel stärker ich bin, wenn du es wagest zu trozen! / Sprach’s, und ergriff mit der Linken die beyden Hände der Göttin, / Mit der Rechten riß sie ihr von der Schulter den Köcher, / Gab mit den eignen

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Pfeilen auf beyde Wangen ihr Streiche; / Artemis wandte sich hin und her, es fielen die Pfeile. / Weinend floh die Göttin, gleich einer schüchternen Taube, / Die, vom Falken verfolgt, in eine Felsenkluft flüchtet, / Denn noch will das Schicksal ihr das Leben erhalten; / Weinend floh sie, und ließ zurück die Pfeil’ und den Köcher. Ç. . .È Läto nahm von der Erde den Bogen, und raffte der Tochter / Pfeile zusammen; sie lagen zerstreut in staubichtem Kreise. 96,20–23 warum sollte ich Ç. . .È selbst bekriegen] Homer, Ilias 21,462–467, (Stolberg) 2, S. 236: Erderschüttrer, du würdest ja selber des Unsinns mich zeihen, / So ich kämpfen wollte mit dir, der elenden Menschen / Wegen, welche grünen, gleich Blättern an Bäumen, der Erde / Früchte geniessend, und dann gleich Blättern an Bäumen verwelken. / Drum laß uns entsagen dem Kampf, laß Sterbliche fechten. 96,24–32 beigefügten Kupfertafel Ç. . .È Wildes verfolgt] Abb. 12. Moritz’ Beschreibung bezieht sich auf Lippert, Dactyliothec 1, S. 88f., Nr. 210: D i a n a , in einem kurzen Jagdkleide, hat sich auf einen attischen Pfeiler gelehnt, und hält eine Fackel nieder, die sie an einem Hügel auszulöschen scheinet. Hinter ihr ist ein anderer großer Berg Ç. . .È. Die einfältige und ruhige Stellung ist reizend: Denn das leichte ungezwungene, und doch dabey edle, fällt sogleich in die Augen. Vgl. Winckelmann, Description, S. 77, Nr. II/294. – Die Abbildung hingegen entspricht Lippert, Dactyliothec 1, S. 89, Nr. 211 (jeweils Schublade 1/5), wo der zweite Berg in Artemis’ Rücken fehlt und die Göttin (nach Lippert) einen Bogen hält, statt eine Fackel auszulöschen. Möglicher Grund der Unstimmigkeit ist eine ungenaue Absprache zwischen Autor und Zeichner. 96,33–97,4 Auf eben dieser Kupfertafel Ç. . .È Wagen zogen] Abb. 12. Lippert, Dactyliothec 1, S. 44, Nr. 97 (Schublade 1/3): Die C e r e s , wie sie in ganzer

Gestalt eilend fortschreitet. In der rechten Hand hält sie eine Sichel, und in der linken eine Fackel, welche die Göttinn am Berge Aetna anzündete, um ihre Tochter zu suchen, die der Pluto geraubet hatte. Zu ihren Füßen sieht man die Schlangen oder Drachen, die ihren Wagen zogen. 97,6–7 drei hohen Göttinnen Ç. . .È gebohren sind] Vgl. S. 23,21–24 und Erl. 97,9–11 die andre Ç. . .È durchglüht] Zu Hestias Jungfräulichkeit vgl. S. 94,11–17 und Erl.; zu ihrer Zuständigkeit für das wärmende Feuer vgl. S. 104,9–105,11 mit den Erl. im vorliegenden Band. 97,16–19 Da sie Ç. . .È Wagen] Den Demeter-Mythos referiert Moritz in Anthusa, KMA 4/1, S. 74,13–76,8 mit den Erl., analog zur vorliegenden Erzählung, S. 97,24– 99,10, mit Berührungen in Formulierungsdetails. Passagen mit besonderer Nähe

Stellenerläuterungen

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beider Fassungen sind in den folgen Erl. angemerkt. Als Hauptquellen wählt Moritz in beiden Fällen Ovids Fasti und seine Metamorphosen, von denen er allerdings in Details abweicht. Hingegen umgeht er den in vielen Einzelheiten ähnlichen, aber ausladenderen Homerischen Hymnus 2 an Demeter. Im Hymnus begründet der Demeter-Mythos den Demeter-Kult von Eleusis, in den Fasti hingegen das röm. Ceresfest, die Cerealien, die am 12. April gefeiert wurden. – Zentraler Aspekt des Demeter-Kapitels ist das im Zusammenspiel mit dem Persephone-Mythos hergestellte Ausgleichsverhältnis von Tod und Leben; s. dazu Siegrist 1962, S. 46–53; vgl. auch Petersdorff 1996, S. 79–83. Dieser Gesichtspunkt steht, strukturell mit der Darstellung der übrigen olympischen Götter vergleichbar, in Verbindung mit Moritz’ Kunsttheorie; vgl. S. 78,27–30 und Erl. im vorliegenden Band zu Apollon als Musen- und Todesgott. Zur europäischen Rezeption des Mythos seit dem Mittelalter vgl. Anton 1967. – Die Entführung ist dargestellt in Ovid, Fasti 4,423–450; Metamorphosen 5,385–408. Das Detail der Rappen (Ovid, Fasti 4,446; Metamorphosen 5,360) fehlt im homerischen Hymnus, der nur von Hades’ unsterblichen Roßen spricht; vgl. z. B. Homerischer Hymnus 2 an Demeter, 18, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 112. 97,20–23 Zürnend Ç. . .È Weg] Für die Episode von der Nymphe Kyane, die vergebens die Entführung zu verhindern sucht und anschließend vor Kummer buchstäblich in Tränen zerfließt, während Pluto mit seinem Zepter den Weg in die Unterwelt öffnet, um mit Beute und Pferdegespann im Abgrund zu verschwinden, vgl. Ovid, Metamorphosen 5,409–437. 97,21–22 zweizackigten Zepter von Ebenholz] Zu diesem Attribut vgl. Erl. zu S. 249,3–4. 97,24–98,12 Ceres aber Ç. . .È Celeus Sohn gesund] Für die Suche nach Persephone vgl. Ovid, Fasti 4,491–502; Metamorphosen 5,438–445, wo jedoch in diesem Zusammenhang der Drachenwagen nicht erwähnt ist. Für Demeters Ankunft in Eleusis und den Wiederbelebungsmythos vgl. Ovid, Fasti 4,503–548. Die gesamte Eleusis-Episode bleibt in den Metamorphosen ausgespart. Vgl. auch den Homerischen Hymnus 2 an Demeter, 96–235, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 116–123, der erheblich reicher an Details ist und Abweichungen enthält: Dort sind es z. B. Keleos’ Töchter, nicht Keleos selbst, die die Göttin in das Haus einladen; Keleos’ Sohn liegt im Hymnus nicht im Sterben; Demeter übernimmt, in der Gestalt einer alten Frau, seine Pflege und Aufzucht. Im Hymnus bereitet die Erzählung unmittelbar den Bericht über die Gründung des Demeter-Heiligtums und die Stiftung des Demeter-Kults vor.

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97,24–98,6 Ceres aber Ç. . .È Steine nieder] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 74,13–21. 98,13–18 Auch wollte sie Ç. . .È vereitelt ward] In Hinsicht auf die Läuterung des Knaben stützt sich Moritz wohl auf Maternus, der sich seinerseits auf Apollodoros 1,31, (Meusel), S. 12 beruft. In Übereinstimmung mit Maternus berichtet Moritz nicht, dass – wie bei Apollodor – das Kind bei dem Schrei seiner Mutter verbrennt. Vgl. Maternus 3, S. 202: C e l e u s hatte einen Prinzen D e i p h o n s ,

den die C e r e s lieb gewann, auf ihren Schoß nahm, und unsterblich machen wollte. Das zu bewirken, legte sie ihn alle Nächte in das Feuer, um alles Sterbliche von ihm abzubrennen. D e i p h o n s wuchs zusehens heran, und seine Mutter wurde begierig, zu erfahren, was die C e r e s mit ihm vorhätte. Wie sie daher sich auf das Lauren legte, und einstens in der Nacht sahe, daß ihr Sohn ganz mit Feuer bedeckt war, erhob sie ein gewaltig Geschrey. Zur wiederholten Läuterung vgl. auch den Homerischen Hymnus 2 an Demeter, 239–240, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 123. Hingegen berichtet Ovid, Fasti 4,553–554 von einem einmaligen Vorgang. Zur Quellenlage vgl. KMA 4/1, Erl. zu S. 74,9–76,12. 98,19–23 sie gab Ç. . .È begleiten sollte] Vgl. Maternus 3, S. 202, der Apollodoros 1,32, (Meusel), S. 12 paraphrasiert. Zur Triptolemos-Episode ferner knapp Ovid, Metamorphosen 5,642–647. 98,24–99,2 Endlich entdeckte Ç. . .È Tochter freue] Moritz folgt der Handlung, wie Ovid, Fasti 4,581–618 sie knapp resümiert. Vgl. auch Ovid, Metamorphosen 5,487–571; in den Metamorphosen ist es allerdings die Nymphe Arethusa, die über Persephones Verbleib Auskunft erteilt. – Im homerischen Hymnus, in dem Demeter bereits vor ihrer Ankunft in Eleusis durch Helios über Persephones Aufenthaltsort informiert wurde (Homerischer Hymnus 2 an Demeter, 62–87, Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg], S. 114f.), bilden die Verhandlungen unter den Göttern einen eigenen Schwerpunkt; sie münden in einen Kompromiss zwischen den Ansprüchen von Fruchtbarkeit und Tod (ebd., 292–489, Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg], S. 126–136). 98,24 allsehende Sonne] Vgl. Ovid, Fasti 4,582: qui late facta diurna videt (Holzberg, S. 181: Er sieht, was unter Tage geschieht!). Für die stereotype Allsichtigkeit des Sonnengotts kannte Moritz aber auch gr. Quellen. Vgl. S. 46,27–28 und Erl. 99,3–10 Durch alle diese Ç. . .È Leben anhebt] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 76,3–8.

Stellenerläuterungen

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99,12–13 Pluto heißt Ç. . .È unterirdische Jupiter] Vgl. S. 249,1 und Erl. 99,18–19 Auf den M a r m o r s ä r g e n Ç. . .È abgebildet] Vgl. Bottari, Museo Capitolino 4, Tafel 55, der zu Beginn seiner Erl. (S. 281–290) darauf verweist, dass Persephone häufiger Gegenstand von Sarkophagreliefs sei, weil solche Abbildungen – allegorisch interpretiert – den Abstieg der Seelen in die Unterwelt bedeuteten. S. Sichtermann/Koch 1975, S. 56–59, speziell S. 57f. (Kat. Nr. 61) mit den Abb. – In Anthusa, KMA 4/1, S. 74,24–28 (mit den Erl.) deutet Moritz Sarkophagreliefs, die den Raub der Persephone zum Gegenstand haben, als sinnbildliche Darstellungen des Todes. Zu Hades und Persephone in der Unterwelt auch S. 249,19–21 und Erl. 99,19–24 geheimnißvollen Festen Ç. . .È in Harmonie auflößte] Zu den eleusinischen Mysterien vgl. Erl. zu S. 68,9. Moritz deutet die Mysterien als Psychodrama, in dessen Verlauf die kunsttheoretische Vorstellung von dem aus Spannungen und Gegensätzen resultierenden Schönen (vgl. z. B. die Ausführungen über Apollon S. 78,27–30 und Erl. im vorliegenden Band) inszeniert wird. Der Verfasser könnte sich auf die Einweihungsdramaturgie samt effektvoller theatralischer Lichtund Tonregie beziehen, wie Banier 4, S. 96 sie, wohl unter Verwendung von Plutarch, Fragment 168 (vgl. Burkert 1991, S. 77; Bowden 2010, S. 40), darstellt: So-

dann giengen die M y s t e n in das Heiligthum, dessen Vorhang der Priester aufzog, und überall herrschte noch die größte Dunkelheit. Einen Augenblick darauf ließ ein helles Licht die prächtig geschmückte Bildsäule der C e r e s vor ihren Augen erscheinen. Indem sie dieselbe betrachteten, verschwand dieß Licht nochmals, und alles war von neuem in die dickste Finstesniß 〈!〉 verhüllet. Die Donnerschläge, die sich hören liessen, die Blitze, die auf allen Seiten leuchteten, der Donner, der mitten in das Heiligthum schlug, und unzähliche ungeheure Bilder, die allenthalben erschienen, erfüllten die Eingeweihten mit Furcht und Schrecken. Doch einen Augenblick darauf erfolgte wieder eine völlige Stille, und man entdeckte in einem hellen Lichte eine angenehme Wiese, auf welcher man nunmehr tanzte und sich erlustigte. Ç. . .È Dieß Schauspiel aber mußte um so viel angenehmer seyn, da es auf eine Nacht folgte, in welcher man nichts, als lauter traurige und schreckliche Dinge, gesehen hatte. Eine ähnliche Bildlichkeit scheint der Vorrede zum ersten Stück des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde zugrunde zu liegen (Bd. 1, 1 [1783], S. 1; KMA 12; freundlicher Hinweis von Stefan Goldmann). 99,25–28 A c k e r b a u Ç. . .È schöne Begriffe an] Vgl. Damm, Einleitung, S. 57: Durch den Ackerbau genossen die Menschen die K o r n - F r ü c h t e Ç. . .È.

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Diese große G a b e d e r E r d e , die Hervorbringung des Kornes vermittelst des Ackerbaues, wurde vergöttert. 100,2–8 E r y s i c h t h o n Ç. . .È büßen] Den Erysichthon-Mythos gibt Moritz nach Kallimachos, Hymnus auf Demeter, bes. 31–67, (Kütner), S. 88–91 wieder, aus dem er in Myth. Alm., S. 317,29–318,25 Teile übersetzt. Eine erheblich davon abweichende Version findet sich bei Ovid, Metamorphosen 8,745–885. Anders als in Moritz’ Paraphrase und im Hymnus legt Erysichthon bei Ovid Hand an eine Eiche, die er fällt, während die gleichzeitig sterbende Baumnymphe ihm seine Strafe ankündigt. 100,9–14 Und als Ç. . .È Zeuge ward] Ovid, Metamorphosen 5,446–461. 100,16–18 Das Mühsame Ç. . .È Geiste wirkt] Moritz unterstellt das Kapitel dem Verhältnis zwischen der Arbeit bzw. dem häßlichen und komischen Erscheinungsbild und kunsthandwerklicher Meisterschaft des Schmiedegotts, der u. a. in der Lage ist, verschiedene Automaten zu produzieren; in der zuletzt genannten Hinsicht gerät Hephaistos in die Nähe des Menschenbildners Prometheus, des Kitharöden Apollon sowie von Hermes, Daidalos und weiteren mythologischen Künstlerfiguren der Götterlehre, auch wenn er als Vertreter einer Ars mechanica (s. S. 101,11 und Erl.) erscheint. Da sich in Hephaistos das Hässliche und das Komische mit dem Schönen und Erhabenen vereinen (vgl. S. 102,4–9), repräsentiert der Gott – wie auf ihre Weise auch andere Göttererscheinungen – die mit Leid verbundenen Spannungen, die sich, Moritz’ ästhetischer Theorie zufolge, in den Begriff des höchsten Schönen in der Erscheinung auflösen sollen (BNS, S. 44, KMA 3). Zur Kombination des Ernsthaften mit dem Komischen in der Antike s. auch Anthusa, KMA 4/1, S. 105,12 mit Bezug auf Vesta. – Dem Vulkan-Kapitel legt Moritz vor allem, sich eng an die Vorlage haltend, den 18. Gesang der Ilias zugrunde, in dem Homer berichtet, wie der Gott auf Thetis’ Bitten eine neue Rüstung für ihren Sohn Achilleus anfertigt. Auf den Schild selbst, dessen Verzierung mit einem Bildprogramm Homer ausführlich beschreibt, geht Moritz nicht ein (Ilias 18,478–608, [Stolberg] 2, S. 173–178). 100,22–23 Wetteifernd Ç. . .È gebohren und erzeugt] Vgl. S. 62,5–6 und Erl. 100,23–25 Jupiter aber Ç. . .È aufgenommen seyn] Hephaistos selbst erinnert in der Ilias, zur Erheiterung der Götter, Hera an diese Episode, um sie vom Widerstand gegen Zeus’ Ratschlüsse abzubringen. Homer, Ilias 1,590–593, (Stolberg) 1, S. 33: Siehe schon einmal hat er 〈Zeus〉, als ich dir zu helfen herbey-

sprang, / Mich bey der Fersen ergriffen, und über die Veste des Himmels / Mich geschleudert; ich fiel, bis spät am Abend die Sonne / Sank, in Lämnos fiel ich hinein, und glaubte zu sterben. Die Begründung, der zufolge He-

Stellenerläuterungen

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phaistos seiner Hässlichkeit wegen in den glänzenden Reihen des hohen Götterchors nicht aufgenommen werden sollte, gewinnt Moritz wohl aus dem zweiten, abweichenden Bericht über Hephaistos’ Sturz, auf den Moritz im Anschluss anspielt. Dort ist es seine Mutter Hera, die den Sturz wegen seines Gebrechens verursacht. 100,32–101,3 Die seeligen Ç. . .È umherreicht] Homer, Ilias 1,597–600, (Stolberg) 1, S. 33: Von der rechten Seite beginnend, schenket er allen / Göttern

aus einem Kelche die süssen Ströme des Nektars; / Langes Gelächter entstand im Kreise der seligen Götter, / Da sie den ämsig bedienenden Sohn der Härä erblickten. Die Bemerkung, dass Hephaistos über sein eigenes Gebrechen scherze, setzt vermutlich die übliche, nicht durch Homer, aber durch Lukian gedeckte Interpretation voraus, derzufolge der Gott seinen Hinkfuß dem Sturz verdankt (Lukian, Von den Opfern 6; Sämtliche Werke 5, S. 222; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2484). 101,1 Amt des Ganymed] Vgl. S. 213,5–214,31 mit den Erl. 101,9–10 wegen Ç. . .È Juno] Hephaistos erwähnt die Episode im Gespräch mit Thetis. In Homer, Ilias 18,395–397, (Stolberg) 2, S. 170 spricht Hephaistos die Besucherin an als Göttin! welche mich rettete, als ich nach tiefem Falle /

Schmerzen erlitt, durch den unverschämten Willen der Mutter, / Die verbergen mich wollte, dieweil ich lahm war. Moritz kannte auch den Homerischen Hymnus 3 an Apollon, 316–320, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 20, der auf dieselbe Episode anspielt. 101,11 mechanischen Kunst] Unter dem Begriff der Artes mechanicae (der mechanischen Künste) wird in Mittelalter und Früher Neuzeit eine in Zahl und Systematik schwankende Reihe von handwerklichen Tätigkeiten zusammengefasst, die sich durch praktische Ausrichtung, den Bezug auf die Lebenserhaltung und die Vermittlung durch Erfahrung von den Wissenschaften unterschieden, speziell von den Artes liberales (den freien Künsten). Die Artes mechanicae schließen die Metallbearbeitung (Ars metallaria) ein; vgl. Bacher 2000. Insofern in der Gestalt von Hephaistos die mechanische Kunst Berücksichtigung in der Götterlehre findet, mag eine Verbindung zu Name und Programm der Berliner Akademie der Künste und Mechanischen Wissenschaften (vgl. Pevsner 1986, S. 162) bestehen, an der Moritz seit 1789 arbeitete und an deren Reform er beteiligt war. Denn außer der Kunst widmete sich die Akademie auch der Ausbreitung des guten Geschmacks unter den Handwerkern; vgl. Sedlarz 2005, S. 248f. 101,15–16 führt er Ç. . .È den Hammer] Homer, Ilias 18,475–477, (Stolberg) 2, S. 173: Hephaistos richtete Ç. . .È / Seinen grossen Ambos, und ergriff mit der

einen / Hand den starken Hammer, mit der andern die Zange.

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101,17–18 Die Blasebälge Ç. . .È stärker an] Homer, Ilias 18,470–473, (Stolberg) 2, S. 172: Zwanzig Blasebälge bliesen gegen die Tiegel, / Und sie

athmeten alle feuererweckende Hauche; / Eilender athmeten sie, wenn des Gottes Befehle sie trieben; / Oder bliesen langsam zu langsamer Arbeit. 101,21–24 er schmiedet Ç. . .È wiederkehren] Homer, Ilias 18,373–377, (Stolberg) 2, S. 169: Denn er hatte zwanzig Dreyfüße eben vollendet, / Daß sie stünden an der Wand der prächtigen Halle. / Diese liefen auf goldenen Rädern, daß sie von selber / Zu der göttlichen Schaar der Gäste zu rollen vermöchten, / Und auch wieder zurück. 101,24–27 Auch hat er Ç. . .È Gewand und Scepter] Die bezogenen Verse – Homer, Ilias 18,416–421, (Stolberg) 2, S. 170f. – zeigen Hephaistos, der sich auf die Unterredung mit Thetis vorbereitet: Er Nahm Gewand und Zepter, und ging heraus aus der Thüre / Hinkend; goldene Mägde begleiteten stüzend den König: / Lebenden Menschen waren sie gleich, und blühten wie Jungfraun, / Ja sie hatten Verstand und Stimme des Menschen und Kräfte, / Hatten von den unsterblichen Göttern Künste gelernet; / Diese unterstüzten den König. 101,29 Vermählung mit der Venus] Erst in der Odyssee und in vielen späteren Quellen erscheint Aphrodite als Hephaistos’ Gattin. In der Ilias ist er vielmehr mit Charis verheiratet (Homer, Ilias 18,382, [Stolberg] 2, S. 169); Hesiod nennt seine Frau Aglaia, eine der Grazien (Chariten; Theogonie, 945, [Voss], S. 155). 101,32–102,1 Das künstliche Netz Ç. . .È Fabel geworden] Vgl. S. 90,19–22 und Erl. 102,4–9 In der Götterbildung Ç. . .È Arms vereint] Über die Vereinigung des Gegensätzlichen in den gr. Göttern vgl. S. 78,27–30 und Erl. (zu Apollon). 102,9–10 Es ist Ç. . .È M a n g e l h a f t e ] Vgl. S. 93,1–4 und Erl. 102,18–20 die Kureten Ç. . .È Abkömmlinge] Zu den Kureten und Korybanten vgl. S. 23,7–8 und Erl. Ihre Abstammung von Hephaistos ist eine der Genealogien, die Hederich, Lexicon, Sp. 815f. anführt. Danach zeugt Hephaistos die Kureten mit der Nymphe Kabera, des Proteus Tochter. Für diese Nachricht beruft sich Hederich auf Conti, Mythologiae (s. dort S. 641–643), der allerdings an der angegebenen Stelle nicht von Hephaistos als Vater der Kureten spricht. Ob Hederich einen anderen Zeugen für dieselbe Genealogie hätte benennen können, bleibt vorerst offen. – Unabhängig davon scheint eine Verwechslung vorzuliegen, die Hederichs Lexicon wenigstens dokumentiert, vielleicht aber auch verursacht. Denn in einem anderen Artikel bezeichnet Hederich, Lexicon, Sp. 580, darin Giraldi, Historia, Sp. 23 folgend, Kabeira und Hephaistos/Vulcanus stattdessen als

Stellenerläuterungen

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Eltern der Kabeiren; vgl. dazu auch Banier 2, S. 483. Zu den Kabeiren S. 102,27–32 mit den Erl. im vorliegenden Band; zu Hephaistos und Kabeira als ihren Eltern Erl. zu S. 102,30. 102,20–21 einer der ältesten Ç. . .È Aegyptischen Gottheiten] Der Identifikation von Hephaistos als ägyptischem Gott liegt seine Gleichsetzung mit dem in Memphis verehrten Ptah zugrunde, »the divine artist or craftsman« (Art. Ptah, in: Lexikon der Ägyptologie 4, Sp. 1178). Cicero, De natura deorum 3,22,55–56 nimmt auf diese Gleichsetzung ausdrücklich Bezug. – Als antike Referenzstelle von Moritz’ Formulierung kommt Diodorus Siculus 1,13,3, (Stroth) 1, S. 26f. in Betracht. Dort erläutert der Verfasser, dass Hephaistos manchen Priestern als erster König von Ägypten gelte, der dort noch vor Kronos regiert habe; vgl. Born, Ueber die Mysterien der Aegyptier, S. 29. Für mythographische Quellen des 18. Jhs. vgl. Banier 2, S. 482: Wenn wir dem H e r o d o t u s Glauben beymessen: So waren

die K a b i r e n Söhne des Vu l k a n s , des ältesten unter den ägyptischen Göttern. Vgl. auch ebd., S. 496f.; Bd. 3, S. 331; dieselbe Formel (Vulcain, la plus ancienne divinite´ de l’Egypte) bei Fr´eret, Oeuvres comple`tes 18, S. 52. – Wenn Moritz Hephaistos’ Verbindung nach Ägypten hervorhebt, klingt zugleich das zeitgenössische Interesse an ägyptischen Mysterien an, das über die Frühe Neuzeit auf die gr. Ägypten-Rezeption in der Zeit des Hellenismus (vgl. z. B. Burkert 2002, S. 16–22) zurückgeht und auch die Freimaurerei der Aufklärungszeit betrifft (Hornung 1999, S. 121–132). Mit ägyptischen Geheimkulten beschäftigen sich im 18. Jh. eigene Publikationen (vgl. z. B. 〈Anonym〉, Characteristick der alten Mysterien; Schumacher). Moritz selbst gab 1793 Bremer, Die symbolische Weisheit der Aegyptier heraus; vgl. KMA 11, S. 728f. Die Mysterien samt ihren Ritualen waren ferner, im zustimmenden wie im kritisch ablehnenden Sinn, Gegenstand einer Reihe fiktionaler Texte des 18. Jhs. Für Beispiele vgl. Assmann/Ebeling 2011. 102,22–23 Die Kureten Ç. . .È geschmiedet waren] Vgl. S. 23,7–8 und Erl. – S. Diodorus Siculus 5,65,4, (Stroth) 2, S. 261. – Fre´ret, Oeuvres comple`tes 18, S. 37 bestätigt die von Moritz angedeutete Affinität der Kureten zur Metallurgie: Diodor schreibe ihnen unter anderem die Kunst des Schmelzens und der Metallbearbeitung zu. 102,23–25 Die Cyklopen Ç. . .È Donner bereitet] Dass Zeus Donner und Blitz von den Kyklopen erhält, berichtet Hesiod in der Theogonie; vgl. S. 23,26–28; 24,7–10 und Erl. In Hinblick auf die Vorstellung von den Kyklopen als Schmieden, die Donner und Blitz erzeugen und Zeus zur Verfügung stellen, dürfte Moritz eher an Vergil, Aeneis 8,417–453 denken, wo man die Kyklopen vasto Ç. . .È in antro (in einer ungeheuren Höhle) bei der Arbeit sieht, oder an Ovid, Metamorpho-

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sen 1,259; 3,305. Einen Einblick in die Schmiedewerkstatt auf der Insel Lipari hatte schon zuvor Kallimachos, Hymnus auf Artemis, 46–61, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 213f., gewährt; dort haben die Kyklopen allerdings andere Werkstücke in Arbeit. 102,25–26 die Erde Ç. . .È entmannte] Vgl. S. 21,6–7 und Erl. 102,27–29 geheimnißvoller Götterbildungen Ç. . .È verehrt wurden] Über die Kabeiroi ist wenig Sicheres bekannt. Kabeiren waren nichthomerische Gottheiten wohl nichtgriechischer Provenienz. Herodot 2,51, (Goldhagen), S. 141 führt ihren Ursprung auf die vorhellenische Bevölkerung (Pelasger) zurück. Der Mysterienkult, der auf der vor der thrakischen Küste in der nördlichen Ägäis gelegenen Insel Samothrake beheimatet war, galt demselben Autor zufolge diesen Dämonen. Vgl. Kern, Art. Kabeiros und Kabeiroi, in: RE 10/2, bes. Sp. 1401; 1423–1437. Dass die auf Samothrake verehrten »großen Götter« mit den Kabeiren identisch waren, gilt in der neueren Forschung allerdings nicht als ausgemacht; vgl. Bowden 2010, S. 49–67. – Hingegen diskutiert Banier die Herkunft des Kabeiren-Kults, als dessen Gegenstand er allerhand Schändliches und Unanständiges vermutet, aus Phönizien oder Ägypten. Vgl. Banier 2, S. 480–499, ferner Fre´ret, Oeuvres comple`tes 18, S. 51–77. Wohl wegen der widersprüchlichen Aussagen in den Quellen, wegen des vermuteten orientalischen Ursprungs, vor allem jedoch wegen des esoterischen und orgiastischen, gleichzeitig im Unbestimmten bleibenden Kults auf Samothrake zählt Banier die Gottheiten zu den besonders mysteriösen Erscheinungen der antiken Mythologie. Vgl. Banier 2, S. 480: Nichts ist in dem Alterthume

berühmter, als die K a b i r e n und ihre Geheimnisse; aber nichts ist zu gleicher Zeit ungewisser, als der Ursprung dieser Götter. Das anhaltende oder sogar ansteigende Interesse an dem Mysterienkult bezeugt später Friedrich Wilhelm Joseph Schellings Schrift Über die Gottheiten von Samothrake, Tübingen 1815. 102,30 Söhne oder Abkömmlinge des Vulkan] Vgl. Herodot 3,37, (Goldhagen), S. 230. Der gr. Historiograph berichtet, dass der persische Großkönig Kambyses (Regierungszeit 529–522 v. Chr.) nach der Eroberung von Ägypten im Jahr 525 v. Chr. in Memphis zunächst den Hephaistos-Tempel, darauf den Tempel der Kabeiren aufgesucht habe: Er kam auch in den Tempel der Kabirer, in wel-

chen niemand als dem Priester zu gehen erlaubt ist. Diese Bilder hat er nach vieler Verspottung verbrannt: es sind dieselben den Bildnissen des Vulkans gleich, von welchem sie herzustammen vorgeben. S. ferner Strabon 10,3,21, (Prenzel) 2, S. 1323: P h e r e k y d e s will, Ç. . .È Vu l k a n 〈hätte〉 mit der K a b i r a , einer Tochter des Proteus, die drey K a b i r e n und eben so viele

Stellenerläuterungen

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Nymphen K a b i r i d e n gezeugt. Zur Interpretation dieser Stelle Banier 2, S. 482f. Vgl. auch Fre´ret, Oeuvres comple`tes 18, S. 58f. 102,34–103,1 Als Prometheus Ç. . .È Vulkan ihm bei] Vermutlich bezieht sich Moritz auf den Homerischen Hymnus 20 an Hephaistos, den er in Myth. Alm., S. 313,18–28 im vorliegenden Band, in diesem Sinn übersetzt. Tatsächlich beteiligen sich, wie auch die lat. Übersetzung (Homeri Odyssea, S. 707) zeigt, die beiden Götter dem Hymnus zufolge jedoch nicht an der Erschaffung der Menschen, sondern helfen ihnen, den unzivilisierten Urzustand zu überwinden. – Ein Beleg für Hephaistos’ Assistenz bei der Erschaffung der Menschen wurde auch sonst nicht ermittelt. Athenes Anteil an der Erschaffung des Menschen ist hingegen wiederholt bezeugt. In RDI 2, S. 119 (KMA 5/2) – auch in VTO, S. 103 (KMA 3) – beschreibt Moritz ein röm. Sarkophagrelief im Kapitolinischen Museum in Rom: Prometheus

bildet den Menschen aus Thon; Minerva steht ihm bei, und setzt dem Neugebildeten einen Schmetterling aufs Haupt, um gleichsam den Geist ihm einzuflößen. Vgl. die entsprechende Abb. bei Bottari, Museo Capitolino 4, Tafel 25 sowie die Erl. ebd., S. 129–140. Auch nach Lukian, Prometheus 13, (Sämtliche Werke) 2, S. 23f. hilft Athene bei der Erschaffung der Menschen; vgl. Banier 3, S. 222. S. ferner Fulgentius, Mythologiae 2,9; Hederich, Lexicon, Sp. 2091f. – Im Übrigen kennen die Quellen auch ein Konkurrenzverhältnis der genannten Götter zu Prometheus: Nach Platon, Protagoras 321c–322a raubt der Titan die mechanischen Künste von Athene und Hephaistos. – Im PrometheusKapitel (S. 30,1–35,28 im vorliegenden Band) bleibt die Mitwirkung der beiden Götter unerwähnt. 103,1–5 Vulkan Ç. . .È that] In Aischylos’ Tragödie Prometheus in Fesseln schmiedet Hephaistos zusammen mit Kratos (Kraft) und Bia (Gewalt), Dienern des Zeus, unter Klagen über das Schicksal des Bestraften den Protagonisten an den Felsen; vgl. Aischylos, Prometheus in Fesseln 66, (Schlosser), S. 34: Armer, armer Freund! was ich leide mit dir! Auf Prometheus in Fesseln greift Moritz widerholt zurück; vgl. Erl. zu S. 30,8. 103,6–13 Auch wünschte Ç. . .È Wagen erfand] Die Erichthonios-Erzählung ist komponiert aus Details, die sich, mit weiteren Varianten und Einzelheiten, bei Apollodoros 3,188–190, (Meusel), S. 160f. und Servius, Kommentar zu Vergil, Georgica 3,113 finden. S. daneben auch Hyginus, Fabulae 166. Alle von Moritz verwendeten Elemente sind jedoch versammelt bei Hederich, Lexicon, Sp. 1029–1032. – Banier 4, S. 236 und Damm, Einleitung, S. 189 verzichten darauf, den Mythos von Hephaistos’ Vergewaltigungsversuch zu referieren. Damm schreibt: Den schmutzigen Streit des Vulkans, mit der Minerva, der zu der

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Ankunft dieses Erichthonins Anlaß gegeben; mag man sich anderwärts erzehlen lassen. – Für Goethe war Hederichs Referat (in der Ausgabe von 1724) Anlass für eine Bemerkung im Brief an Schiller, 25. Oktober 1797, in: Johann Wolfgang Goethe, Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche 31, hrsg. v. Völker C. Dörr und Norbert Oellers, Frankfurt/Main 1998, S. 445f.: Ihnen ist die

Zudringlichkeit des Vulkans gegen Minerven bekannt, wodurch Erichtonius produziert wurde. Haben Sie Gelegenheit so lesen Sie diese Fabel ja in der altern Ausgabe des Hedrichs nach, und denken dabei: daß Raphael daher Gelegenheit zu einer der angenehmsten Kompositionen genommen hat. 103,14–16 Die Drachengestalt Ç. . .È Erde nah verwandte] Vgl. Erl. zu S. 66,7–9. 103,16–17 die himmelanstürmenden Ç. . .È mit Drachenfüßen] Zu den Giganten und ihrer Ausstattung mit Drachenfüßen vgl. S. 25,10–18. 103,17–18 der Wagen der Ceres Ç. . .È mit Drachen bespannt] Vgl. S. 96,33–97,4 mit der zugehörigen Abb. 12 und S. 97,24–98,12 sowie jeweils die Erl. 103,20–22 die Thetis Ç. . .È erbitten] Homer, Ilias 18,428–461, (Stolberg) 2, S. 171f. 103,22–23 sich Ç. . .È wäscht] Homer, Ilias 18,414–415, (Stolberg) 2, S. 170:

Beyde Hände wusch er alsdann, das Gesicht und den starken / Nacken, nebst der haarichten Brust, mit einem Schwamme. 103,25–104,2 Als er Ç. . .È g e q u ä l t w e r d e ] Homer, Ilias 21,328–382, (Stolberg) 2, S. 231–233. Heras Aufforderung an Hephaistos ebd. 21,379–380, (Stolberg) 2, S. 233: Höre, berühmter Häfaistos, laß ab, mein Sohn; es geziemt

sich / Nicht, der Sterblichen wegen der Götter einen zu quälen. 104,5 Kopf des Vulkan] Abb. 13. Lippert, Dactyliothec 1, S. 99, Nr. 227 (Schublade 1/5). 104,5–7 Abbildung Ç. . .È in der Hand hält] Abb. 13. Lippert, Dactyliothec 1, S. 101, Nr. 231 (Schublade 1/6): Ein großer Stein. Vu l k a n schmiedet hier, auf

Verlangen der Ve n u s , Pfeile, und vielleicht für den C u p i d o . Die Venus hält schon zween Pfeile in der Hand, nach welchen Cupido, der in der rechten Hand einen Bogen, und auf dem Rücken einen leeren Köcher trägt, zu langen scheinet. Ich glaube, es ist ein Werk des berühmten Valerius Vincentini. Gemeint ist der Steinschneider Valerio Belli aus Vicenza (1468– 1546).

Stellenerläuterungen

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104,9–13 So wie Vulkan Ç. . .È sich verbreitet] Das Vesta-Kapitel steht bis in die Formulierungen den entsprechenden Ausführungen in Anthusa nahe und fußt in der Hauptsache auf den Quellen, die Moritz auch dort verwendet. Deshalb ist durchweg Anthusa, KMA 4/1, S. 100–107 mit den Erl. zu vergleichen. – Bei der Gegenüberstellung von Hestia und Hephaistos – zu ihr auch Anthusa, KMA 4/1, S. 102 – könnte sich Moritz an Damm, Einleitung, S. 71f. orientieren, der zwischen dem erwärmenden und ernährenden Feuer der Hestia und Hephaistos’ Feuer der Handwerker und Künstler unterscheidet. Wenn daher, so schreibt Damm,

Götter-Bilder g e p a a r e t werden solten, so wurden die Bilder der Ve s t a und des Vu l k a n s neben einander gesetzet. Maternus 2, S. 40 zufolge bedeutet Vesta bey den Römern theils das Feuer, welches sich in der Erde befindet, theils das Feuer, welches auf den Altären und Feuerheerden angezündet wird. 104,14 keuschen Busen] Zu Hestias Jungfräulichkeit vgl. S. 94,11–17 und Erl. 104,16–18 wenn sie verloschen war Ç. . .È wieder entzünden durfte] Vgl. Maternus 2, S. 43; 188. Anthusa, KMA 4/1, S. 107 und Erl. 104,19–23 Unter diesem hohen Sinnbilde Ç. . .È Gottheit war] Aus eigener Anschauung kannte Moritz den angeblich der Vesta geweihten Rundtempel in Rom, bei dem es sich tatsächlich wohl um eine Verehrungsstätte des Hercules Invictus handelt (Rakob/Heilmeyer 1973, S. 37f.), und den Vestatempel von Tivoli. Auf beide geht der Verfasser in RDI ein (zum röm. Rundtempel RDI 3, S. 124; s. die einschlägige Kupfertafel zum Mythologischen Almanach für Damen im vorliegenden Band [Abb. 43]; zum Vestatempel in Tivoli RDI 2, S. 124; s. die zugehörige Kupfertafel [KMA 5/2]). Vgl. ferner ausführlich Anthusa, KMA 4/1, S. 100f. Rundtempel der Hestia sind schon aus Griechenland bekannt; vgl. Süß, Art. Hestia, in: RE 8/1, Sp. 1286. – Die Deutung der Rundform als Sinnbild für das umgebende Ganze lässt sich inspirieren von pythagoreisch bzw. stoisch angeleiteten Vorstellungen von einer Analogie zwischen Tempel, Erde und Kosmos, wie Ovid, Fasti 6,267–282 sie entwickelt. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2453; Maternus 2, S. 42. Allerdings bezieht sich Ovid nicht auf das Moritz bekannte Bauwerk, sondern auf einen Vesta-Tempel auf dem Forum Romanum. Zum Ganzen Anthusa, KMA 4/1, Erl. zu S. 100,3–4. Moritz kontextualisiert die architektonisch-kosmologische Analogiebildung neu und bringt sie mit der eigenen Theorie von dem Zusammenhang zwischen dem Kunstschönen und dem Naturganzen (vgl. BNS, S. 19 [KMA 3]) in Verbindung. Zum Begriff des umgebenden Ganzen, den Moritz auch in BNS verwendet und mythologisch sonst gern Zeus zuordnet, vgl. S. 64,18–19 und Erl. – Dass Vesta oft ohne bildliche Repräsentanz, allein in der

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Gestalt des Feuers, verehrt wurde, schreiben z. B. Maternus 2, S. 40; Damm, Einleitung, S. 70f. Die Behauptung von Vestas Bildlosigkeit verallgemeinert primär auf den röm. Vestatempel bezogene Ovid-Verse (Fasti 6,295–298). Vgl. besonders Fasti 6,298: effigiem nullam Vesta nec ignis habet (Holzberg, S. 261: Vesta und Feuer, die zwei haben nun einmal kein Bild). Vgl. jedoch die relativierenden bzw. korrigierenden Hinweise in Anthusa, KMA 4/1 Erl. zu S. 102,3. – Mit Blick auf Moritz’ ästhetische Theorie bedarf der Umstand einer eigenen Interpretation, dass das Schöne, dessen Wesen in seiner Anschaubarkeit besteht – laut BNS, S. 17 (KMA 3) soll es i n u n s r e S i n n e f a l l e n – in seinem Kern doch ohne Gestalt bleibt bzw. durch eine Flamme vertreten wird. 104,25–26 Man dankte der Vesta Ç. . .È Ernährung abzweckt] Zum Zusammenhang zwischen dem Vesta-Kult und der Verarbeitung von Getreide zu Brot vgl. Ovid, Fasti 6,311–394; Maternus 3, S. 274f. 104,29 Auch das Häuserbauen lehrte Vesta die Menschen] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2451 unter Berufung auf Diodorus Siculus 5,68,1, (Stroth) 2, S. 265f. 104,32–33 der Eintritt Ç. . .È waren ihr heilig] Vgl. Ovid, Fasti 6,302–304; Maternus 2, S. 40. 105,5–7 u n b e f l e c k t e J u n g f r a u e n Ç. . .È z u w e i h e n ] Zum Vesta-Kult, den Vestalinnen und der ihnen verordneten, mit der Todesstrafe bewehrten Keuschheit Hederich, Lexicon, Sp. 2452–2454; Maternus 2, S. 43–45; 183–198. 105,9–10 nie durch den Gebrauch Ç. . .È loderte] Moritz bringt das um sein selbst willen lodernde Feuer, wie schon den Rundtempel insgesamt, in dem es sich befindet, mit der Idee des keinem Zweck unterworfenen Schönen in Zusammenhang, die er in dem Aufsatz Versuch einer Vereinigung aller schönen

Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten (zuerst 1785 [KMA 3]; unter dem Titel Ueber den Begriff des in sich selbst Vollendeten wieder in GL, KMA 6, S. 353–360) entwickelt und in der in Italien entstandenen Abhandlung Ueber die bildende Nachahmung des Schönen (1788; KMA 3) weiterverfolgt. Vgl. BNS, S. 16: Hieraus sehen wir also, daß eine Sache, um nicht nützlich seyn zu dürfen, nothwendig ein für sich bestehendes Ganze seyn müsse, und daß also mit dem Begriff des Schönen der Begriff von einem für sich bestehenden Ganzen unzertrennlich verknüpft ist. Vgl. Anthusa, KMA 4/1, S. 102,34–103,3 und Erl. 105,12–14 Wenn die Kunst Ç. . .È Bildung ein] Vgl. Damm, Einleitung, S. 70f.; Hederich, Lexicon, Sp. 2455; Maternus 2, S. 40. 105,15–25 Abbildung der Vesta Ç. . .È des Ueberflusses] Abb. 14. Lippert, Dactyliothec 1, S. 293, Nr. 863 (Schublade 1/17): Wenn jemals ein Werk sonderbar

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ist, so ists gewiß das gegenwärtige: denn die Zusammensetzung ägyptischer und griechischer Figuren ist nicht gar gewöhnlich. Dieß giebt zu erkennen, daß es in spätern Zeiten ist verfertigt worden, wo man schon diese verschiedenen Götter unter einander mengete. J u p i t e r S e r a p i s sitzet hier auf seinem Throne, und hat unter den Füssen einen Schemmel. Er leget seine rechte Hand auf den Kopf eines geflügelten Thieres, so eine Löwengestalt hat, und in der linken hält er den Scepter. Ve s t a stehet zu seiner rechten, mit einer Fackel in der linken, und mit einem kurzen Scepter in der rechten Hand. Auf der andern Seite stehet H a r p o c r a t e s auf einem Altar, an welchem unten ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln sitzet. Er legt den Finger an den Mund, und setzet ein Horn des Ueberflusses mit der Spitze desselben auf eine Hermensäule des Pans, oder des Priapus. Da hier Vesta zu sehen ist, so muß es die ältere seyn, welche die Großmutter des Jupiters war, und die man gemeiniglich mit einer hohen Fackel in Händen bildet. Die jüngere Vesta wurde besonders bey den Römern verehret. Jene bedeutete die Erde, diese aber das Feuer. 105,20 stygische Jupiter Ç. . .È Jupiter Serapis heißt] Zu Hades als stygischem Jupiter vgl. S. 249,1 und Erl.; zum Namen Jupiter Serapis S. 249,5–8 und Erl. 105,23–24 Harpokrates Ç. . .È auf dem Munde] Zur Interpretation der ägyptischen Gottheit als Gott des Stillschweigens s. Banier 2, S. 194; ferner S. 203f. zum Horn des Überflusses als Attribut des Harpokrates. Derselbe Gott, wenngleich ungenannt, ist es, der bei Ovid, Metamorphosen 9,692 premit vocem digitoque silentia suadet (Fink, S. 471: der den Finger auf den Mund legt und Schweigen gebietet). – Banier, ebd., S. 196–204 diskutiert aber auch zustimmend die schon von älteren Mythographen vertretene Ansicht, dass Harpokrates als Sohn des Osiris und der Isis mit Horus identisch und demzufolge ein Sonnengott sei. Entschiedener Hederich, Lexicon, Sp. 1191f., der Harpokrates als Sonnengottheit, den Bezug auf die Verschwiegenheit hingegen als nachträgliche gr.-röm. Deutung der von Moritz beschriebenen Geste identifiziert. Zur Ikonographie Hederich, Lexicon, Sp. 1193–1195; Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 2/2, S. 300–305 sowie die zugehörigen Abbildungen auf Tafel 123 und 124. 105,29–106,1 Unter der Abbildung der Vesta Ç. . .È verjüngt zu haben] Die Meinung, dass die Antike zwei Göttinnen namens Hestia/Vesta gekannt habe, wird wiederholt, unter Bezug auf Spekulationen älterer Gelehrter (z. B. Conti, Mythologiae, S. 594), von Mythographen des 18. Jhs. referiert. Danach soll die ältere von beiden Gattin und Mutter oder auch Tochter des Uranos/Coelus und Allegorie der Erde, die jüngere hingegen Tochter von Saturn/Kronos und Ops oder Rhea

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und Allegorie des Feuers sein. Für die Gleichsetzung von Hestia/Vesta mit Gaia/Tellus (Erde) stützte man sich auf Ovid, Fasti 6,460. Vgl. Hager, S. 316–318; 325f. (der drei Göttinnen desselben Namens kennt); Maternus 2, S. 38f.; 183; Bd. 3, S. 272; Banier 3, S. 631; Hederich, Lexicon, Sp. 2451. Dass es in Wirklichkeit nur eine Hestia gebe, vermuteten schon andere Zeitgenossen; vgl. Damm, Einleitung, S. 71f.; Anthusa, KMA 4/1, S. 102,9–16 und Erl. – Moritz konnte die Lehre von den beiden Göttinnen in sein Modell der verjüngenden genealogischen Transformation aufnehmen und ihr damit eine neue Bedeutung zuweisen. 106,3–11 Auf eben dieser Kupfertafel Ç. . .È Mantel bekleidet] Abb. 14. Lippert, Dactyliothec 1, S. 141, Nr. 339 (Schublade 1/8): Mariette, und noch vor

ihm Gravelle, nennen hier den M e r k u r i u s den Vorsteher der Wege und der Reisenden. Die Säule, vor welcher ein Altar stehet, und auf welchem etwas, wie ein krummer Stab gebildet, lieget, nennen diese Gelehrten ein Wegemaaß, welches eben das ist, was bey uns ein Meilenzeiger, oder ein Wegweiser heißt. Merkurius berühret den Altar mit dem Untertheile seines Stabes. Er ist mit Ç. . .È dem Mantel, oder der Penula Ç. . .È bekleidet, und hat auf dem Haupte den Petasus Ç. . .È. Der auf dem Altare liegende Stab soll bedeuten, daß die Reisenden, nach Endigung ihrer Reise, dem Merkurius ihre Wanderstäbe heiligten. Ç. . .È der um die Säule gewundene Oelzweig, ist ein Symbolum von der Sicherheit der Wege und des Friedens, welchem Merkurius vorgesetzt war. Kurzer Mantel (eigentlich nicht die röm. Paenula, sondern die anders geschnittene und getragene Chlamys; vgl. die einschlägigen Art. in DNP 9, Sp. 142 und DNP 2, Sp. 1133) und Hut (Petasos) mit Flügeln sind häufig wiederkehrende Attribute von Hermes; vgl. den Überblick bei Hederich, Lexicon, Sp. 1598–1600; Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 126–133, bes. S. 127. 106,13–21 der Gesang vereint Ç. . .È K ü n s t e l e h r e n ] Paraphrase des Homerischen Hymnus 29 an Hestia, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 105, in dem zusammen mit der Göttin auch Hermes gepriesen wird:

Istiä die du in allen erhab’nen Pallästen der Götter / Und der Erdewandelnden Menschen zum Erbtheil erlangt hast / Einen ewigen Wohnsiz und uralte Verehrung; / Eine herliche Gab’ und Ehr’! Es fließet, o Göttin, / Dir, an allen Festen der Menschen, zuerst und zulezt dir, / Süßer Opferwein, zu deinem Ruhme vergoßen! / Und du Sohn Kronions und Maja’s, du Argos Besieger / Milder Geber guter Gaben, du Bote der Götter / Sei uns günstig und hilf uns, zugleich mit der hehren und lieben / Istiä! denn ihr bewohnet beide der irdischen Menschen / Schöne Häuser, und waltet beide mit gütigem Herzen / Ueber ihre rühmlichen Thaten, ihr blühenden Götter! /

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Heil dir Kronos Tochter, und dir o Majagebohrner! / Euer will ich gedenken und andrer Feiergesänge. Vor allem am Schluss der Paraphrase (Der Sohn des Jupiter Ç. . .È K ü n s t e l e h r e n ) hält sich Moritz enger an den Wortlaut des Hymnus als Stolberg. Vgl. auch die lat. Übersetzung in: Homeri Odyssea, S. 712. 106,31–107,9 was aus Ç. . .È zusammenfaßt] Die Passage nimmt Gedanken auf, die Moritz im Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen (1788) entwickelt hatte: Das Schöne repräsentiert, ohne Rücksicht auf den Nutzen (vgl. BNS, S. 13; KMA 3) und ohne Ansehen des Konstruktiven oder Destruktiven, die Natur in ihrer Gesamtheit. In der Götterlehre befindet sich jede der olympischen Gottheiten in diesem Sinn in einem Analogieverhältnis zum Naturganzen. 107,11–12 der behende G ö t t e r b o t e Ç. . .È Gott der We g e ] Zusammenstellung von Zuständigkeiten, wie man sie in einschlägigen Einführungen und Nachschlagewerken findet. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1593. Auch Damm, Einleitung, S. 83f., stellt die R e d e k u n s t als leitenden Aspekt dar, wenn sie auch nicht organisierender Gesichtspunkt seiner ganzen Darstellung ist. 107,13 g e f l ü g e l t e Wo r t ] Geflügelte Worte (eÍpea pteroÂenta, e´pea ptero´enta) – im Sinn von Worten, die, einmal ausgesprochen, rasch den Hörer erreichen – ist ein stereotyper Ausdruck, der sich häufig in den Homerischen Epen (vgl. z. B. Homer, Ilias 4,69; 92; 284, [Stolberg] 1, S. 95f.; 103), auch in den Homerischen Hymnen (z. B. Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 435; Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg], S. 53) findet. Wenn Moritz die geflügelte Rede als Hermes’ Urbild betrachtet, spielt er indirekt auf die Hermes-Ikonographie an, zu der Flügel an Hut, Stab und Füßen gehören können; vgl. Damm, Einleitung, S. 85f.; Hederich, Lexicon, Sp. 1599. 107,22–23 d e m Wo r t e f e h l t e n d i e F l ü g e l ] Die Bemerkung bezieht sich auf die metaphorische Verwendung des gr. Adjektivs aÍpterow (a´pteros, ohne Flügel) bei Homer, Odyssee 17,57, wo Telemachos mit seiner Mutter Penelope spricht: vÎw aÍr’ eÆfvÂnhsen, thÄì d’ aÍpterow eÍpleto myÄuow (Weiher, S. 459: Also ließ er verlauten, doch ihr versagten die Worte). In der lat. Übersetzung in Homeri Odyssea, S. 419 bleibt das Bild erhalten: Sic locutus est. illi q u a s i impennatum h a u d e v o l a v i t verbum. Hingegen ist bei Homer, Odyssee (Voss), S. 324 der originale Wortlaut nicht wiederzuerkennen: Also sprach er zu ihr, und redete

nicht in die Winde. 107,24–26 Die Z u n g e Ç. . .È Unterredung dar] Banier 3, S. 356 beruft sich auf Lucius Annaeus Cornutus 16,4 und Giraldi, De Sacrificiis, in: Historia, Sp. 542. Banier schreibt: Dem Dienste M e r k u r s war nichts besondres eigen, außer dieses, daß man ihm die Zungen der Opferthiere darbrachte, um dadurch

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die Beredsamkeit dieses Gottes anzuzeigen; aus eben dieser Ursache brachte man ihm Honig und Milch dar. Zum Zungenopfer auch Maternus 2, S. 84 mit Anm. 5), der weitere Belege anführt. Vgl. ferner Eitrem, Art. Hermes, in: RE 8/1, Sp. 782. 107,26–29 Aus seinem Munde Ç. . .È Zauber lenkte] Ursprung des Motivs ist Lukians Text Herakles, (Sämtliche Werke) 5, S. 281–288. Der Erzähler berichtet von einem wohl fiktiven Gemälde, das den gallischen Herakles zeigt, der mit der Kraft der Beredsamkeit, symbolisiert durch Ketten aus Gold und Bernstein, Menschen hinter sich herzieht. Die Ketten führen von Herakles’ Zunge zu den Ohren der Menschen; denn bei den Galliern, so erfährt der Leser, übernimmt Herakles die Rolle des gr. Hermes als des Gottes der Beredsamkeit. Für eine Diskussion des Texts im Rahmen kosmologisch-allegorischer Deutungen der catena aurea – zu letzterer auch S. 74,8–10 und Erl. – vgl. Le´veˆque 1959, S. 40f. – Die Ikonographie der Renaissance griff das Motiv als Allegorie der Eloquenz und ihrer die Tapferkeit übertreffenden Kraft auf, oft mit Bezug auf Herakles; vgl. z. B. Cartari, S. 188. In diesem Sinn findet man es auch in Emblemsammlungen; vgl. Henkel/Schöne 1996, Sp. 1651f. Hingegen nimmt Albrecht Dürer in einer Zeichnung des ausgehenden 15. Jhs. gewissermaßen eine Rückübertragung auf Hermes vor. Ohne Quellenangabe ist das Motiv als Teil des Hermes-Mythos erwähnt bei Conti, Mythologiae, S. 290; Banier 3, S. 351. Hederich, Lexicon, Sp. 1778 nimmt auf das Ketten-Motiv unter dem Stichwort Ogmion Bezug – dem Namen, unter dem nach Lukian Herakles in Gallien verehrt wurde. Vgl. mit weiteren Beispielen und Abbildungen Wind 1939, S. 208–211. 107,32–108,2 Dem Schooß der Mutter Ç. . .È sich begegnen] Vielleicht nach Lippert, Dactyliothec 1, S. 135, Nr. 319; s. auch Banier 3, S. 353; Damm, Einleitung, S. 86. Auf jeden Fall handelt es sich um eine freie Paraphrase von Hyginus, De astronomia 2,7, der eine der Entstehungsgeschichten für die beiden Schlangen des Caduceus (des Hermesstabs) referiert; vgl. Tyson 1932, S. 494f. Hyginus bezeichnet den Caduceus nämlich als virgulam pacis. Zum Caduceus als Symbol des Friedens auch Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 127; Hager, S. 114. Für weitere Belege s. Eitrem, Art. Hermes, in: RE 8/1, Sp. 783. – Das Motiv der ineinander geschlungenen Schlangen, die Eintracht nach anfänglichem Streit symbolisieren, kehrt am Ende des Hermes-Kapitels in Gestalt der Hand in Hand geschlungen zum Olymp zurückkehrenden Götter Hermes und Apollon wieder. Im Kontext der Götterlehre ist es nicht lediglich als Sinnbild des Friedens, sondern zuletzt als ein solches der Kunst zu verstehen.

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108,9–11 Götterkraft Ç. . .È neu gebohren] Zu Moritz’ Verjüngungs-Begriff vgl. Erl. zu S. 30,29. 108,13–14 Während Ç. . .È erzeugt] Die weitaus wichtigste Quelle des HermesKapitels ist der vierte, mit 580 Zeilen der umfangreichste der Homerischen Hymnen, der nicht später als im siebenten vorchristlichen Jh. entstanden sein soll (Homeric Hymns, S. 273f.). Der Hymnus lässt Hermes in einer Vielzahl von Rollen auftreten – als Musiker, Viehdieb, Erfinder, Wahrsager und Olympier (Homeric Hymns, S. 268) – und stellt dabei, nicht zuletzt im Ton von Humor und Burleske (Homeric Hymns, S. 269), das Rasche und Schelmenartige in den Mittelpunkt. Diese Rollenvielfalt subsumiert Moritz allerdings dem einen Aspekt des Kunstschönen. – Zur vorliegenden Stelle Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 3–9, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 32: Hermäs den Göt-

terboten, den Majä, / Maja die Schöngelokte gebar aus Kronions Umarmung. / Einsam bewohnte die Nümpfe, (sie flohe der Götterversammlung,) / Eine schattige Höhle, wo Zeus in nächtlicher Stund’ einst, / Härä feßelt’ indeß ein sanfter Schlummer! verborgen / Allen Göttern und Menschen umarmte die züchtige Nümpfe. Zu Hermes als Sohn von Zeus und Maia vgl., mit Blick auf Hesiod, S. 59,20–21 und Erl. 108,15–21 so wurde Ç. . .È entgegen kam] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 17–28, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 32f.: Ihn

gebar der Morgen, am Mittag spielt’ er die Leier, / Und am Abend stahl er die Rinder Foebos Apollon. Ç. . .È Als er sich losgerißen hatte vom Leibe der Mutter, / Kont’ ihn nicht halten die vierte Stund in der heiligen Wiege, / Plözlich sprang er empor, und suchte die Rinder Apollon! / Da er trat aus der Halle, der Hochgewölbten, da fand er / Eine Schildkröt’, und in ihr unendlichen Reichthum. / Vor des Vorhofs Schwelle da weidet’ im blühenden Grase / Sie, und ging ihm entgegen mit langsamschreitenden Füßen. 108,24–25 Wenn Ç. . .È anheben] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 38, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 33: wenn du gestorben bist, singest du lieblich! 108,25–29 Und als er Ç. . .È wiederhallte] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 41–54, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 34: Dort durchstach er sie mit einem Pfriemen von blankem / Eisen, und raubte das Leben dem Bergbewohnenden Thiere. / Ç. . .È / Durch der Steingepanzerten Rüken bohrt er izt Löcher, / Und zog schilfene Röhren hindurch in gemeßenen Räumen, / Spannte rund umher, mit weisem Ersinnen, ein Stiel-

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fell Çrecte wohl: StierfellÈ, / Sezt ein Joch darauf mit zween Knäufen gezieret, / Und zog sieben harmonische Saiten darüber von Schafdarm. / Als er kunstreich hatte vollendet das liebliche Spielwerk, / Hielt’ er es hoch empor, und horchte jeglicher Saite. / Mächtig erklangen sie uuter 〈!〉 der Hand des Gottes. Anders als in Stolbergs Übersetzung ist das von Moritz genannte Stäbchen, das plhÄktron (Plektron), im gr. Text enthalten. Vgl. auch die lat. Übersetzung in Homeri Odyssea, S. 655. 108,31–34 besang Ç. . .È Ursprung] Gegenüber dem Homerischen Hymnus 4 an Hermes, 57–61, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 34f., kehrt Moritz die Reihenfolge der von Hermes besungenen Gegenstände um: Zeus

Kronion, und Maja mit schwebenden Füßen, besang er, / Wie sie sich ehmals hatten mit buhlenden Küßen geliebkoßt, / Seine eigne Geburt, und seinen herlichen Namen. / Prieß er, und rühmte die Mägde, die prächtigen Grotten der Nümpfe, / Ihre stralenden Becher, und Beken, und köstlichen Hausrath. Unter den Hausgeräten nennt der gr. Text auch Dreifüße (triÂpodaw, trı´podas). 109,1–4 Als nun Ç. . .È Berg und Thal] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 68–78, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 35: Ueber der Erde ging izt mit ihren Roßen und Wagen / Nieder zum Ozean die Sonne; der laufende Hermäs / War indeßen zu Pieros schattigem Berge gekommen, / Wo der seeligen Götter unsterbliche Rinder in Hürden / Weideten, auf stets keimendem Grase duftender Wiesen. / Maja Sohn, der Zielerreicher, der Mörder des Argos / Sonderte von der Heerde funfzig brüllende Kühe, / Trieb die irrenden hin und her in dem sandigen Felde, / Ihrer Tritte Stapfen verwirrend, dann wandt’ er sie, schlauer / Ränke voll, daß die lezten die ersten wurden, die ersten / Füße die lezten; So trieb er die Heerd’, und auch selbst ging er rüklings. 109,5–7 wenn nicht ein Greis Ç. . .È verrathen hätte] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 87–93; 185–212, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 36; 41f. 109,8–14 Als er nun am Alpheusstrome Ç. . .È Mondenschein] Knappe Zusammenfassung des Opferrituals, das der Gott im Homerischen Hymnus 4 an Hermes, 101–141, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 37–39 ausführt. Vgl. den Kommentar in Homeric Hymns, S. 305f. 109,15–17 Als nun der Tag Ç. . .È haltend] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 142–153, bes. 150–153, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 39: Eilend verkroch er sich in die Wiege, der Ränkerfinder, / Und

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umwand mit den Binden die Schultern, dann zog er die Füße / Spielend unter den Wiegendeken, hinauf zu den Händen, / Und in der Linken hielt’ er die lieblich tönende Leier. 109,18–20 Und als nun Apollo Ç. . .È unterm Arme] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 233–242, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 43f. 109,20–22 Apollo drohte Ç. . .È Rinder wären] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 254–256, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 44:

Kind in der Wiege, zeige mir an, wo hast du die Kühe! / Gleich izt! oder wir werden, wie sich’s nicht ziemt, uns entzweien, / Warlich ich will dich schleudernd werfen hinab in den Orkos. 109,23–30 Da antwortete Ç. . .È Thäter weiß] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 261–279, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 44f.: Hermäs erwiedert’ ihm schnell, mit listigen Worten, und sagte: / Welches harte Wort hast du, o Foebos, gesprochen / Ç. . .È / Das ist nicht mein Werk! Nein! ich hab’ andre Sorgen, / Meine Sorg’ ist der Schlaf, und die Milch in den Brüsten der Mutter, / Wickelbinden um meine Schultern, und laulige Bäder! / Ç. . .È / Gestern gebohren! zart die Füß’! und steinig der Boden! / Einen schweren Eid, so du willst, bei dem Haupte des Vaters / Schwör’ ich, daß ich nicht! ich nicht sei! der Thäter des Diebstalls, 〈!〉 / Daß ich keinen andern sahe, welcher dir raubte / Deine Kühe! von dir vernehm’ ich zuerst das Gerüchte. / Also sprach er, und blinzte mit schnell sich bewegenden Wimpern, / Zog die Augenbraunen, und blikte hierhin und dorthin. 109,31–33 Und als Ç. . .È Klage vor] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 327–364, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 48–50. 109,33–110,12 Merkur aber stand Ç. . .È verborgen wären] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 377–394, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 51: Auch siehet er selber / Daß ich nicht aenlich sei dem mächtigen Heerdentreiber. / Glaube mir Zeus, der du sagst du seist mein liebender Vater, / Daß ich weder die Schwelle betratt noch die Rinder nach Hause / Führte! Ç. . .È daß ich nicht schuldig / Sei, das weißt du, O Vater, mit kräftigem Eide beschwör’ ichs / Bei den prächtig geschmükten Säälen der ewigen Götter! / Diesem werd’ ich vielleicht dereinst die trotzende Rede, / Diesem Starken, vergelten! Erbarme dich Vater des Jüngsten! / Also sprach er und winkte schlau mit den Augen; die Arme / Waren ihm noch umhüllt mit den Wikelbinden, so stand er. / Da Kronion die Ränke des Kleinen sah’ und wie listig / Er, und wie kek den Diebstal leugnete, lacht’ er von

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Herzen! / Beiden gebot er liebreich die Eintracht. Foebos befahl er / Seine verlorne Rinder zu suchen; und Hermäs den Ort ihm / Wo er sie habe verborgen, ohn’ alle List zu entdeken. 110,13–18 die vom Merkur erfundene Ç. . .È Rinder werth] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 434–437, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 53f.: Plözlich ergrif die Lust unwiederstehlich Apollon / Und er redt’ ihn an, und sagte die fliegenden Worte: / Rindermörder, du Schalk, du Künstler, Genoße des Gastmahls, / Traun! es ist funfzig Rinder werth dein ersonnenes Kunstwerk! 110,18–19 Da schenkte Ç. . .È Laute] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 464–496, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 55f. 110,21–23 bat Ç. . .È w o l l e ] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 514–520, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 57f.: Maja Sohn, du Ränkersinner, ich fürchte du werdest / Meine Leier mir einst, und den krummen Bogen entwenden, / Laß dir genügen am Ruhm, den Zeus dir gab, zu vollbringen / Unter den Menschen auf Erden mannigfaltige Thaten. / Wenn du mir aber willst schwören der Götter kräftigen Eidschwur / Mit dem Haupte winkend, oder beim furchtbaren Stüxstrom, / Lieber! so thust du alles was ich im Herzen begehre. 110,24–25 Apollo Ç. . .È schlichtet] Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 528–532, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 58f.: Siehe da hast du ein sichres Denkmaal, daß du vor allen / Göttern im Herzen theuer mir bist, ich dich ehre vor allen, / Dein sei der unvergängliche Stab der mit dreifachgespaltnen / Blättern grünet, der goldene Stab, dein sichrer Berather, / Er der alle großen Thaten und Worte der Götter, / Alle die ich im Rathe Kronions erlerne, bestätigt! Moritz’ Interpretation, der zufolge der Stab alle Zwiste schlichtet, kann sich nicht auf den Hymnus berufen, sondern greift auf eine Formulierung des Kapitelanfangs zurück, wo Moritz Hermes die Macht zuschreibt, den Zwist zu schlichten, das Streitende zu versöhnen, und das Mißtönende harmonisch zu verbinden; vgl. S. 107,30–32. Auch die anschließende Wendung von dem durch die Kunst geknüpften Band, die eine Zutat des Verfassers ist, stellt einen Zusammenhang mit dem Beginn des Kapitels her. Dort unterstellt Moritz den Gott – wie eigentlich alle olympischen Götter und die gr. Mythologie überhaupt – der Generalthese von der Verbindung des Widerstreitenden durch das Kunstschöne. Vgl. S. 106,31–107,9 und Erl. 110,25–28 jetzt aber kehrten Ç. . .È ihrer Eintracht] Im Homerischen Hymnus 4 an Hermes, 504–507, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stol-

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berg]), S. 57 geht die gemeinsame Rückkehr zum Olymp Hermes’ Eid und der Übergabe des Caduceus voran: Wieder zurük zum hohen Olümpos / Gingen die beiden Söhnen 〈!〉 Kronions, die Hochberühmten, / Sich an dem Sai-

tenspiel’ ergözend; da freute der Vater / Sich und hieß sie sich beid’ umarmen. 110,29 Merkur Ç. . .È Götterbote] Vgl. die in Gedichte aus dem Griechischen übersetzt (Stolberg), S. 58 allenfalls verknappt berücksichtigten Verse 526–527 des Homerischen Hymnus 4 an Hermes (Homerische Hymnen [Pfeiff]), S. 56, wo Apollon spricht: Denn zu dem höchsten Mittler der Götter und Menschen

will ich dich machen. 111,1–2 die Kunst zu ringen Ç. . .È die Menschen] Vielleicht formuliert mit Blick auf Horaz, Oden 1,10,1–4, wo Beredsamkeit und Wettstreit in der Palaestra sich als Zivilisierungsfaktoren in enger Nachbarschaft finden: Mercuri, facunde nepos

Atlantis, / qui feros cultus hominum recentum / voce formasti catus et decorae / more palaestrae (Kytzler, S. 23–25: Merkur, beredter Enkel des Atlas, / der du die wilden Sitten der Menschen der Vorzeit / durch die Sprache geformt scharfen Sinns und durch des schönen / Wettkampfs Regel). S. auch Lippert, Dactyliothec 1, S. 137, Nr. 326. 111,6–8 Er stieg Ç. . .È Todten zu] Hermes in der Rolle des Psychopompos. S. Homer, Odyssee 24,1–13, (Voss), S. 449, wo Hermes die von Odysseus getöteten Freier in die Welt der Schatten führt. Im Homerischen Hymnus 4 an Hermes, 572, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 61 ist der Gott der Eine wahrhaftige Bote zu Aidäs Behausung. Zu Hermes Psychopompos ferner (u. a.) Aischylos, Choephoren, 1; Eumeniden, 90–91; Vergil, Aeneis 4,242–243; Horaz, Oden 1,10,17–20. – In RDI 2, S. 119; 121 (KMA 5/2) – s. auch VTO, S. 106 (KMA 3) – beschreibt Moritz röm. Sarkophagreliefs, die unter anderem Merkur 〈zeigen〉, welcher die Seelen zur Unterwelt geleitet. Zur Identifikation s. dort die Erl. Vgl. Bottari, Museo Capitolino 4, Tafel 25; 29; s. auch ebd., Tafel 44. – Eitrem, Art. Hermes, in: RE 8/1, Sp. 789f.; Mirto 2012, S. 23f. 111,11–12 die Erde Ç. . .È vermählte] Vgl. S. 20,18–25. 111,15 allegorische Darstellung] Zu Moritz’ Allegoriekritik bzw. zur Einschränkung der Verwendung von Allegorien vgl. S. 14,4 und Erl. 111,16–24 antiken geschnittenen Steine Ç. . .È Gaben dar] Abb. 15. Lippert, Dactyliothec 1, S. 41f., Nr. 92 (Schublade 1/2): Es ist das Bild der Erde, oder, wie man sagt, die Göttin Te l l u s . Ç. . .È Eine weibliche Figur sitzet auf dem

Boden, und umfasset mit ihrem rechten Arme den Stamm eines Baums, der sich über ihr ausbreitet. Neben ihr liegt ein Horn des Ueberflusses. Mit der

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linken berühret sie eine bey ihr stehende Himmelskugel, und vor ihr stehet die Siegesgöttinn. Hinter der Himmelskugel, die mit dem gewöhnlichen Gürtel und Sternen besetzt ist, sind zwo kleine Figuren, welche Gefäße in Händen tragen Ç. . .È. Die Figuren bringen ihre Gaben dar, und stellen die Jahreszeiten vor. 111,25–27 C y b e l e Ç. . .È verehrt ward] Moritz entwirft ein Bild von Kybele als Fruchtbarkeits- und Muttergottheit (dazu aus der Sicht der neueren Forschung Schwenn, Art. Kybele, in: RE 11/2, Sp. 2255–2257), das, auch mit seinen orientalisch-mysteriösen Qualitäten und dem orgiastischen Kult, besonders eindrucksvoll eine Schicht der Götterlehre sichtbar werden lässt, in der die Stabilität abgrenzbarer Individualitäten und Identitäten aufgegeben ist zugunsten von ›ursprünglicher‹ Grenzüberschreitung, Übergänglichkeit und Auflösung. Mit Blick auf die Kastration der Kybele-Priester betrifft dies auch die geschlechtliche Eindeutigkeit der Göttin. Dabei schließt der Verfasser an Debatten über die Identifikation von Kybele mit anderen Gottheiten an. Die neuere Forschung geht davon aus, dass eine Reihe von namentlich bekannten Gottheiten mit der Mater Deorum oder Magna Mater bzw., wie Moritz schreibt, der großen Mutter (S. 112,31) assoziiert wurde; vgl. Bowden 2010, S. 84f. – Die Gleichsetzung von Kybele mit Rhea, wie z. B. Lukian, Göttergespräche 20 (Aphrodite und Eros; Sämtliche Werke) 2, S. 64–66 sie voraussetzt, geht auf ältere Quellen zurück. Für entsprechende Nachweise s. Anthusa, KMA 4/1, Erl. zu S. 64,12. Der Mythographie des 18. Jhs. ist diese Identifikation geläufig; vgl. Damm, Einleitung, S. 52–54, der Erde (hier: E r a ), Rhea und Kybele zu einer einzigen Gottheit erklärt. – Hellenistischen Ursprungs, genauer: ein Produkt der Ptolemäerherrschaft in Ägypten ist die Annäherung der Kybele an Isis (vgl. Assmann 2000, S. 20), die in antiken Mythographien dokumentiert ist, unter Mythenkundlern der Frühen Neuzeit diskutiert und von Moritz vorausgesetzt wird. Allgemein wissen die Mythographen des 18. Jhs., dass in antiken Göttern überhaupt eine Anzahl von heterogenen Traditionen zusammenfließen kann, wie auch umgekehrt, dass sich einzelne Gottheiten nicht immer scharf voneinander scheiden lassen bzw. dass sich hinter unterschiedlichen Namen dieselbe Erscheinung verbergen kann; vgl. 〈Anonym〉, Characteristick der Alten Mysterien, S. 45–49; mit Blick auf das Zusammenfallen gr. und orientalischer Muttergottheiten (Isis, Gaia, Hestia, Demeter, Rhea, Kybele) ebd., S. 54f. Mythenkenner der Aufklärung versuchen, die Vermischung von Gottheiten rückgängig zu machen und das synthetische Kybele-Bild in seine Bestandteile zu zerlegen. Vgl. z. B. Hederich, Lexicon, Sp. 823f.; Baumgärtner, Geschichte der vier ältesten Gottheiten, S. 35–39.

Stellenerläuterungen

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111,28–32 Abbildung Ç. . .È Getöse lauschend] Abb. 15. Winckelmann, Description, S. 35, Nr. II/12 (nach Furtwängler 1896, Nr. 1438 eine frührömische Paste; vgl. auch Furtwängler 1900, 27/18). Getöse bezieht sich über die abgebildete Trommel hinaus auf den im Anschluss erwähnten Waffentanz der Kureten und Korybanten, gleichzeitig auf karnevaleske und ekstatische Umzugsrituale im Rahmen der röm. Festlichkeiten zu Ehren von Kybele; vgl. Ovid, Fasti 4,179–372. Zu denken ist aber auch an den Umzug anlässlich des Isisfests, den Apuleius in den Metamorphosen 11,8–12 (Rode) 2, S. 204–209 beschreibt. Vgl. Anthusa, KMA 4/1, Erl. zu S. 63,15–16. 112,2 fremden Göttergestalt Ç. . .È Ursprungs] Vgl. Maternus 3, S. 177: Es war

das die C y b e l e , eine P h r y g i s c h e und ganz fremde Göttinn, welche nach der alten römischen Einrichtung und Verordnung, schlechterdings in dem römischen Gebiete nicht hätte sollen verehret werden. Über die Herkunft des Kybele-Kults aus Phrygien, einer Landschaft in Zentralanatolien (vgl. Art. Phrygia, in: KlP 4, Sp. 825f.), bzw. den starken Phrygien-Bezug besteht in der Mythographie des 18. Jhs., aber auch noch in der neueren Forschung Einvernehmen. Vgl. Banier 1, S. 570; Damm, Einleitung, S. 54; Hederich, Lexicon, Sp. 826; Burkert 1991, S. 40f.; Roller 1999, S. 63–115. 112,3–8 verjüngte sich Ç. . .È weinenden Kindes hörte] Ovid, Fasti 4,197–214 erklärt das röm. Fest der Ludi Megalenses bzw. Megalensien, das der Mater Magna, d. h. der Kybele gewidmet war und vom 4. bis zum 10. April dauerte (s. Habel, Art. Ludi publici, in: RE, Supplementbd. 3/1, Sp. 626–628; Art. Ludi, in: DNP 7, Sp. 483), als rituelle Wiederholung von Jupiters Rettung durch Rhea auf Kreta. Vgl. aber auch Lucrez, De rerum natura 2,629–639. In der Götterlehre greift Moritz den Zusammenhang, den Ovid postuliert, auf, um ihn auf das eigene Modell der Verjüngung zu beziehen. Zu Zeus auf Kreta S. 22,31–23,18 mit den Erl. im vorliegenden Band. 112,10–22 Es war die M u t t e r Ç. . .È weiblich darstellt] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 64,24–29 und 60,12–21. Die Titulatur der Göttin bezieht sich streng genommen nicht auf Kybele, denn sie ist aus der Selbstvorstellung der Isis im elften Buch des Metamorphosen-Romans des Apuleius abgeleitet. Isis erscheint dort dem Protagonisten, der in Isthmia bei Korinth weilt, im Traum. Historisch entstammen die Formeln der ägyptisierenden Isistheologie der Ptolemäerzeit und spiegeln deren Universalitätsanspruch; vgl. Assmann 2000, S. 40f. Apuleius, Metamorphosen 11,5 (Rode) 2, S. 199f.: Ich, Allmutter Natur, Beherrscherin der Ele-

mente, erstgebohrnes Kind der Zeit, Höchste der Gottheiten, Königin der Manen, Erste der Himmlischen; Ich, die in mir allein die Gestalt aller

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Götterlehre

Götter und Göttinnen vereine; mit Einem Wink über des Himmels lichte Gewölbe, die heilsamen Lüfte des Meers, und der Unterwelt klägliche Schatten gebiete; die alleinige Gottheit, welche unter so mancherlei Gestalt, so verschiedenen Bräuchen, und vielerlei Namen der ganze Erdkreis verehret – Denn mich nennen die Erstgebohrnen aller Menschen, die Phrygier, P e s s i n u n t i s c h e G ö t t e r - M u t t e r . Ich heiße den Atheniensern, Kindern ihres eignen Landes, K e k r o p i s c h e M i n e r v a ; den eiländischen Kypriern, P a p h i s c h e Ve n u s ; den Pfeilführenden Kretern, D i c t y n n i s c h e D i a n a ; den dreizüngigen Siciliern S t y g i s c h e P r o s e r p i n a ; den Eleusinern, A l t - G ö t t i n C e r e s . Andere nennen mich J u n o ; andere B e l l o n a ; andere H e k a t e ; R h a m n u s i a andere. Sie aber, welche die aufgehende Sonne mit ihren ersten Stralen beleuchtet; die Aethiopier, auch die Arier, und die Besizer der ältsten Weisheit, die Aegyptier, mit den angemessensten eigensten Gebräuchen mich verehrend, geben meinen wahren Namen mir, Königin I s i s . In der Mythographie war die Apuleius-Stelle allgemein bekannt. Zu vergleichen sind z. B. die Zitate und Paraphrasen, die sich bei Banier 2, S. 79, Hederich, Lexicon, Sp. 1386, Baumgärtner, Geschichte der vier ältesten Gottheiten, S. 43–45 und Ramler, Mythologie 2, S. 464 finden. Dem Roman entnimmt Moritz in der Götterlehre auch die Erzählung von Amor und Psyche; vgl. Erl. zu S. 255,14. – Zu der Lehre, daß I s i s und O s i r i s fast alle Götter des Heidenthums in sich faßten, unter ihnen Kybele, vgl. auch Banier 2, S. 81. 112,17 den Löwen zähmt] Zu Kybele in der Rolle der Löwenzähmerin Ovid, Fasti 4,215–218. 112,23–30 Ob aber gleich Ç. . .È ehrwürdigsten dachte] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 61,17–24. Die Deutung der Mauerkrone als Zeichen weltumspannender Herrschaft könnte sich auf Vergil, Aeneis 6,784–787 stützen. Dort sagt Anchises seinem Sohn Aineias, der ihn in der Unterwelt aufsucht, die röm. Weltherrschaft voraus; dabei vergleicht er die Stadt mit Kybele, die er mit einem ihrer Beinamen als Berecyntia anspricht: qualis Berecyntia mater / invehitur curru

Phrygias turrita per urbes, / laeta deum partu, centum complexa nepotes, / omnis caelicolas, omnes supera alta tenentis (Fink, S. 291: So fährt die Mutter vom Ida auf ihrem Wagen durch Phrygiens Städte, mauergekrönt. Froh über göttliche Söhne blickt sie voll Liebe auf hundert Enkel, alle Himmelsbewohner, alle daheim im hohen Olymp). Erinnert sei ferner an Lucrez, De rerum natura 2,598–660, v. a. 606–611. Zu den Attributen von Löwenwagen und Mauerkrone Ovid, Fasti 4,218–221, ferner z. B. Hager, S. 326f.; Damm, Ein-

Stellenerläuterungen

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leitung, S. 52; Hederich, Lexicon, Sp. 829f. Vgl. auch Baumgärtner, Geschichte der vier ältesten Gottheiten, S. 49. Eine Ursprungserzählung des Löwenattributs liefert der Mythos von Atalante und Hippomenes, auf den Moritz an anderer Stelle eingeht; vgl. S. 182,6–11. 112,31–34 Im Tempel Ç. . .È Dinge bezeichnete] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 61,12–16. Zur Beheimatung des Kybele-Kults in Kleinasien vgl. Erl. zu S. 112,2. Pessinus (im zeitgenössischen Sprachgebrauch Pessinunt, so auch bei Maternus 3, S. 181f.) war eine Stadt in Phrygien, die ein Kybele-Heiligtum beherbergte (vgl. Schwenn, Art. Kybele, in: RE 11/2, Sp. 2251f.). Über den seit 204 v. Chr. in Rom aufgestellten Meteorstein (Art. Mater Magna, in: KlP 3, Sp. 1074) schreibt Maternus 3, S. 182f.: Dieser Stein soll nicht groß gewesen seyn, so, daß ein Mensch

ihn recht bequem in einer Hand hat halten können, von schwarzgrauer Farbe, sehr spitzig und uneben. Vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 829. Die Überlieferung, der zufolge der röm. Kybele-Kult und der Stein aus Pessinus stammen – vgl. z. B. Livius, Ab urbe condita 9,10,5 – bleibt in der jüngeren Forschung nicht unwidersprochen. Vgl. Roller 1999, S. 268–271. 113,2 I s i s ] Schutz- und Muttergottheit ägyptischer Herkunft, deren Kult sich während der Ptolemäerherrschaft in den ganzen östlichen Mittelmeerraum, ab dem ersten nachchristlichen Jh. auch nach Rom ausbreitete. Vgl. Art. Isis, in: KlP 2, Sp. 1463f.; Hornung 1999, S. 71f.; 74f.; Bowden 2010, S. 156–180. Zur Identifikation von Kybele mit Isis bzw. zur Verwechslung beider in der Geschichte der Mythographie äußern sich z. B. Pluche, Histoire du ciel, S. 196–198; Baumgärtner, Geschichte der vier ältesten Gottheiten, S. 48; Ramler, Mythologie 2, S. 464. Wenn Moritz die Gleichsetzung von Kybele mit Isis wenigstens implizit aufgreift, bringt er erstere in einen Zusammenhang mit ägyptischen Mysterien. Vgl. Erl. zu S. 102,20–21. – In RDI 2 (KMA 5/2), S. 66f. beschreibt Moritz einen Isistempel in Pompeji, der auch auf der zugehörigen Kupferillustration dargestellt ist; vgl. Sedlarz 2010b, S. 63–66. 113,2–5 i c h b i n a l l e s Ç. . .È S t e r b l i c h e r a u f g e d e c k t ] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 60,22–25. Die Sentenz ist als Inschrift des Heiligthums der M i n e r v a in Sais in Ägypten überliefert bei Plutarch, Über Isis und Osiris 9,354 C, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 384. In der Version der Götterlehre ist die Formel fast identisch mit der Variante, die sich 1793 in der von Moritz herausgegebenen Schrift von Bremer, Die symbolische Weisheit der Aegyptier, S. 153 findet: Ich bin alles was war, ist, und seyn wird, und meinen Schleier hat noch kein Sterblicher aufgedeckt. Zu Bremer vgl. KMA 11, S. 301 sowie den zugehörigen Apparat. Bereits 1784 hatte Moritz in der Vossischen

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Zeitung eine Übersetzung der Sentenz zitiert, die er, als Anmerkung zu der Ode Lob der Stadt Berlin von Karl Wilhelm Ramler, im Lesebuch für alle Stände zur Beförderung edler Grundsätze, ächten Geschmacks und nützlicher Kenntnisse, hrsg. v. Johann Friedrich Zöllner. Fünfter Theil, Berlin 1784, S. 40 gefunden hatte (VZ, 114. St., 21. September 1784, S. 886). Diese Formulierung verwendet Ramler erneut in seiner kurzgefaßten Mythologie von 1790, 2, S. 465. Vgl. auch Banier 2, S. 78f.; 176; Born, Ueber die Mysterien der Aegyptier, S. 70. Zu den weiteren Zusammenhängen und zur Karriere der Formel im ausgehenden 18. Jh. Klatt 1985a und Klatt 1985b sowie die Erl. zur angegebenen Anthusa-Stelle. 113,6–9 So verehrt nun Ç. . .È Rache nahm] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 64,30–32. 113,6–7 so verächtlich waren größtentheils ihre Priester] Vgl. Banier 1, S. 565: Keine Priester sind in dem Alterthume berühmter, und zu gleicher

Zeit verächtlicher, als die P r i e s t e r d e r C y b e l e , die man G a l l e n , oder A r c h i g a l l e n Ç. . .È hieß. Folgt man weiter Banier, der sich seinerseits auf Apuleius’ Beschreibung der Prozession zu Ehren der Isis im elften Buch der Metamorphosen bezieht (Apuleius, Metamorphosen 91,8–12 [Rode] 2, S. 204–209), so waren die Galloi Leute aus dem niedrigsten Pöbel; Schwärmer, Unsinnige, und Bösewichter, welche die ehrlosesten Unzüchtigkeiten verübten. 113,10–11 Die Priester Ç. . .È zerfleischten sich] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 65,1–2. 113,10–15 Die Priester Ç. . .È in ihrem Gefolge] Zur Kastration der Priester als Merkmal des (in Pessinus beheimateten; s. Burkert 1991, S. 40) Kybele-Kults vgl. Banier 1, S. 568. Banier stützt sich auf Lukians Bericht über das Hauptfest des Tempels von Hierapolis in Syrien (Lukian, Von der Syrischen Göttin 51; Sämtliche Werke 5, S. 342f.). Lukian, ebd. 15,6, (Sämtliche Werke) 5, S. 305 und Ovid, Fasti 4,221–246 unterstreichen die Verbindung zwischen dem Selbstentmannungsritual und dem Mythos von Kybele und Attis (Atys), dem Moritz ein eigenes Kapitel widmet; vgl. S. 215,1–21. Zum ekstatischen Auftreten der Kybele-Priester – hier: der Korybanten – vgl. Lukian, Göttergespräche 20 (Aphrodite und Eros; Sämtliche Werke 2, S. 65); dort auch das Detail der fliegenden Haare. Vgl. ferner, mit Bezug auf die röm. Megalensien, die sich über mehrere Tage erstreckten (s. Anthusa, KMA 4/1, Erl. zu S. 59,32), Maternus 3, S. 186. Von geschüttelten Haaren spricht auch Ovid, Fasti 4,244. Vgl. ferner ebd., 4,179–190 zu dem Festzug, bei dem die Priester ein Bild der Göttin umhertrugen. – Für die neuere Diskussion des Kastrationsthemas s. Bowden 2010, S. 96–98; 101. – Den Ausdruck entmannte

Stellenerläuterungen

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Weichlinge wählt Moritz vielleicht in Anlehnung an Ovid, Fasti 4,243, der die Kybele-Priester als molles ministri bezeichnet. 113,11–13 Sie liefen Ç. . .È andern werfend] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 65,17–19. 113,13–15 Die hohe Ç. . .È Gefolge] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 65,10–11. 113,16–19 Es war die üppigste Ç. . .È begleitete] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 65, 20–23. 113,20–25 Die große Mutter Ç. . .È selbst verehrte] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 66,1–6. – In der »ägyptisierenden Freimaurerei« (Klatt 1985a, S. 102) spielt die aus antiken Quellen gewonnene Vorstellung von Isis als Mutter Natur eine Rolle. Born, Ueber die Mysterien der Aegyptier, S. 22 zitiert ohne genauere Herkunftsangabe aus Plutarchs Traktat Über Isis und Osiris: Die Kenntniß der Natur ist der Endzweck unsrer Anwendung. Diese Zeugerinn, Näherinn und Erhalterinn aller Geschöpfe verehren wir unter dem Bilde der Isis. – In der Götterlehre stiftet der Begriff der M u t t e r N a t u r aber auch eine Verbindung zu der im Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen entwickelten Idee von der insgesamt schönen Natur, die Widerstreitendes in sich vereint und im Kunstwerk symbolisch angeschaut werden kann (BNS, S. 39–41 [KMA 3]). 113,20–23 Der Gottheit Ç. . .È Erhabenheit] Ihr volles Gewicht bekommt Moritz’ Bewertung der orgiastischen Aspekte des Kybele-Kults als für sich fragwürdig, in der Gesamtschau jedoch gerechtfertigt, wenn man sie mit dem Abscheu vergleicht, den andere Kommentatoren zu erkennen geben. S. Hederich, Lexicon, Sp. 823, der vom Unwesen ihrer Priester spricht; ferner ebd., S. 829. Banier 1, S. 569 bemerkt zum Kastrationsritus (nicht ohne ihn zuvor ausführlich beschrieben zu haben): Man weis, daß dieser barbarische Gebrauch dem A t y s , dem

Lieblinge der C y b e l e zu Ehren ausgeübt wurde, der selbst das Beyspiel davon gegeben hatte. Doch wir wollen über diese Ehrlosigkeiten den Vorhang fallen lassen. Gewissermaßen zur Ehrenrettung gesitteterer Römer schreibt Maternus 3, S. 192: Endlich zeige ich an, daß viele Heiden über diese Gräuel und Narrheiten selbst erröthet sind, und daher allerley Auslegung ersonnen haben, dieselben dadurch zu entschuldigen. 114,5–7 womit sie dem G e w e i h t e n Ç. . .È geheimnißvoll] Gemeint sind kultische Praktiken, die sich auf Dionysos beziehen und von denen die Bakchen des Euripides in mancher Hinsicht ein – wenngleich indirektes – Zeugnis ablegen könnten. Zu den Dionysos-Mysterien mit Diskussion weiterer schriftlicher Quellen und archäologischer Befunde Hamdorf 1986, S. 34–36; Merkelbach 1988,

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S. 73–87; 96–120; Burkert 1991, S. 80–82 u. ö.; Bowden 2010, S. 105–136. Zum eleusinischen Demeter-Kult vgl. S. 68,9 und Erl. im vorliegenden Band. – Vermutlich denkt Moritz auch an bildliche Darstellungen; vgl. S. 119,12–13 und 207,31–208,22 jeweils mit den Erl. 114,12–26 Die eifersüchtige Juno Ç. . .È erziehen sollten] Vgl. S. 62,29–63,3 und Erl. 114,26–28 Inseln und Länder Ç. . .È gepflegt zu haben] Vgl. Homerischer Hymnus 1 an Dionysos, 1–9 (in Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg] nicht enthalten), sodann Diodorus Siculus 3,66,1, (Stroth) 1, S. 429: Ueber

die Ehre ihn gebohren zu haben, streiten sich verschiedene griechische Staaten. Die Eleenser, Naxier, die Einwohner von Eleutherä, die Tejer und viele andere behaupten, daß er bey ihnen gebohren worden. Banier 3, S. 456–458 führt mehrere mögliche Geburts- oder Erziehungsorte an (z. B. Achaia, Phönizien, Naxos, Arabien, Ägypten) und kommentiert diese Vielfalt folgendermaßen (S. 457): Fanden wohl diese ernsthaften Schriftsteller ein Vergnügen

daran, einem Gotte, der unsterblich seyn sollte, so viel Säugammen zu geben? Oder verblendete sie nicht vielmehr die Begierde, es glaublich zu machen, daß alle Götter aus Griechenland gebürtig wären, so sehr, daß sie das Lächerliche in so vielen ausschweifenden Erzählungen nicht wahrnahmen? 114,27–28 welche die Menschen den Weinbau lehrte] Diodorus Siculus 1,15,8; 4,2,5, (Stroth) 1, S. 30; Bd. 2, S. 5 u. ö.; Banier 3, S. 467. 114,29–31 Als Knaben Ç. . .È Wesens faßt] Wohl in Anlehnung an Winckelmann, Geschichte, S. 161: Das Bild des Bacchus ist ein schöner Knabe, welcher die

Gränzen des Frühlings des Lebens und der Jünglingschaft betritt, bey welchem die Regung der Wollust wie die zarte Spitze einer Pflanze zu keimen anfängt, und welcher wie zwischen Schlummer und Wachen, in einem entzückenden Traume halb versenkt, die Bilder desselben zu sammlen, und sich wahr zu machen anfängt. Seybold, Einleitung, S. 174 zitiert diese Stelle im Bacchus-Kapitel. 115,1–8 Lykurgus, ein König Ç. . .È G ö t t e r n v e r h a ß t ] In Homer, Ilias 6,130–140, (Stolberg) 1, S. 157f. führt Diomedes die Lykurgos-Episode als Beispiel dafür an, dass es sinnlos sei, gegen Götter zu kämpfen: Drüas Sohn, der starke

Lükurgos, lebte nicht lange, / Welcher sich mit den Göttern, des Himmels Bewohnern, entzweyte, / Und des wütenden Dionüsos Ammen verfolgte / Vom geweihten Nüssäischen Gipfel. Da warfen sie alle / Ihre Weinlaubstäbe dahin; der Mörder Lükurgos / Stach sie mit einem Stachel des Trei-

Stellenerläuterungen

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bers; aber erschrocken / Tauchte Dionüsos hinab in die Fluten des Meeres, / Thetis nahm den zitternden auf in ihrem Schoosse, / Denn ihn hatten des dräuenden Mannes Schrecken ergriffen. / Aber Lükurgos zürnten die Götter des hohen Olümpos, / Und mit Blindheit strafte ihn Zeus; auch lebt’ er nicht lange, / Denn er war den unsterblichen Göttern allen verhasset. 115,2 N y s a ] Zwar erhoben in der Antike zahlreiche Regionen den Anspruch, Nysa zu sein, doch tatsächlich ist diese Gegend nicht lokalisierbar. Nysa bedeutet »Nymphenland«. Vgl. Kern, Art. Dionysos, in: RE 5/1, Sp. 1035f. 115,4–5 Vulkan Ç. . .È geschleudert hatte] Homers Ilias berichtet zweimal auf unterschiedliche Weise vom Sturz des Hephaistos vom Olymp. Bei Thetis findet Hephaistos nicht Aufnahme, nachdem Zeus, sondern nachdem Hera ihn hinabgeworfen hat. Zum erstgenannten Fall s. S. 100,23–25 und Erl., zum zuletzt genannten Homer, Ilias 18,395–398, (Stolberg) 2, S. 170 sowie S. 101,9–10 und Erl. im vorliegenden Band. 115,9–11 Als Seeräuber Ç. . .È von selber ab] Die Seeräuber-Episode ist nach dem Homerischen Hymnus 7 an Dionysos paraphrasiert. Zur Entführung und zum Abfallen der Fesseln s. V. 6–14, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 79. Moritz kannte allerdings auch Ovids opulenter ausgestattete Version (Metamorphosen 3,582–691; vgl. Erl. zu S. 115,23–116,6). 115,12–21 ergoß sich Ç. . .È Delphinen krümmend] Homerischer Hymnus 7 an Dionysos, 35–53, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 80f.: Sieh’ es sprudelte Wein im Schif, und rieselt’ in Bächen, / Süßer

lieblichduftender Wein; Ambrosische Rüche / Stiegen empor, und Schauer ergrif die staunenden Schiffer. / Plözlich verbreitete sich, mit windenden Reben ein Weinstok / Ueber die Segel zum Wimpel empor, es hingen der Trauben / Viel hernieder, und Efeuranken umschlungen den Mastbaum, / Blühend erhoben sie sich, mit Blumen und lieblichen Beeren. / Alle Ruder waren geschmükt mit Kränzen, es sahen / Solches die Schiffer, und flehten dem Steurer, hin zum Gestade / Eilend zu streben. – Nun stand, ein grimmiger Löwe, verwandelt / Auf des Schiffes Höhe, der Gott, und brüllte gewaltig. / Ç. . .È aber von oben / Blikte mit Flammenauge der Löwe! – Sie flohen erschrocken / Drängten sich um den Steurer herum, den weisen Medeidäs. / Zitternd standen sie; plözlich ergrif mit stürzendem Anfall / Er den Fürsten, die übrigen, meidend ihr tödtendes Schiksal, / Stürzend sich alle, sobald sie es sah’n, zugleich in die Wogen. / Und sie wurden Delfine!

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115,23–116,6 P e n t h e u s Ç. . .È emporgetragen] Im Wesentlichen eine Paraphrase des Pentheus-Mythos nach Ovid, Metamorphosen 3,511–731; nur Ovid legt die Seeräuber-Episode (ebd. 582–691) in die Pentheus-Erzählung ein. Die Grundbestandteile des Mythos, vor allem das Motiv der Mutter, die gemeinsam mit ihren Schwestern den eigenen Sohn zerfleischt, gehen auf Euripides’ Tragödie Die Bakchen zurück. Dieses Werk hinterlässt in Moritz’ Paraphrase auch eine unmittelbare Spur: Bei Euripides verwechseln die rasenden Frauen ihr Opfer wie in der Götterlehre mit einem Löwen (vgl. z. B. V. 1277– 1284, Werke, [Bothe] 3, S. 244), bei Ovid hingegen mit einem Eber (Metamorphosen 3,714–715). Vgl. dazu auch Hederich, Lexicon, Sp. 1940f. – Moritz orientiert sich nicht an der knappen Fassung von Theokrit 26 (Idyllen [Kütner]), S. 146–148. – Bei rationalistischen Mythenkennern des 18. Jhs. besitzt Pentheus einen guten Leumund, denn er repräsentiert in der Auseinandersetzung mit seinen versoffenen Unterthanen (Hederich, Lexicon, Sp. 1941) bzw. mit dem Unwesen (Damm, Einleitung, S. 157) der orgiastischen dionysischen Rituale die Stimme der Besonnenheit; vgl. z. B. Banier 4, S. 289f.: A g a v e , die Gemahlinn des E c h i o n , sahe den unglückli-

chen P e n t h e u s , ihren Sohn, durch die B a c c h a n t i n n e n zerreissen, weil er sich den Schandthaten hatte widersetzen wollen, welche sich unter die Cärimonien des B a c c h u s gemengt hatten. Vgl. auch Hager, S. 137. – Zu Dionysos und Pentheus als Nachkommen des Kadmos vgl. S. 224,23–32. 116,7 Zug des Bacchus in Indien] Der Mythos von Dionysos’ Eroberungsfahrt bis nach Indien steht im Zusammenhang mit dem Indienzug Alexanders des Großen (326–325 v. Chr.) und wurde dann in bildlichen Darstellungen und Dichtungen immer wieder verarbeitet, am umfassendsten in den Dionysiaka des Nonnos aus dem ausgehenden vierten nachchristlichen Jh. (vgl. Kern, Art. Dionysos, in: RE 5/1, Sp. 1039f.). Moritz scheint sich an Banier zu orientieren (vgl. die folgenden Erl.), der seinerseits die einschlägigen Passagen aus Diodorus Siculus’ Bericht (1,17–20, [Stroth] 1, S. 32–38) über den Feldzug des mit Dionysos identifizierten Osiris nach Äthiopien, Arabien, Indien, Europa und überhaupt durch die ganze Welt (ebd. 1,20,3 [Stroth] 1, S. 38) sowie entsprechende Ausführungen über Dionysos selbst zugrunde legt (3,63,4–3,64,6 [Stroth] 1, S. 426–429; 4,2,6–4,3,2, [Stroth] 2, S. 5f.). – Zu den älteren Formen des orgiastischen Dionysos-Kults und der Dionysos-Aufzüge vgl. Hamdorf 1986, S. 15–19. 116,8–11 Mit einem Kriegesheer Ç. . .È Weinbau, und G e s e t z e ] Vgl. Banier 2, S. 94f. über den Indienzug des mit Dionysos identifizierten Osiris: Zu diesem Ende 〈der Eroberung von Indien〉 habe er ein Kriegsheer angeworben,

welches aus Personen männlichen und weiblichen Geschlechts bestanden

Stellenerläuterungen

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habe Ç. . .È. Ueberall habe er Spuren seiner Wohlthaten zurück gelassen, die damals noch ganz wilden Menschen gegen die Annehmlichkeiten der bürgerlichen Gesellschaft empfindlich gemacht, sie in dem Feldbau unterrichtet, sie gelehrt, wie sie Städte und Dörfer anlegen sollten; und sey, nachdem er an allen Orten, durch die er gegangen, Säulen und andre Denkmäler errichten und seine Thaten darauf eingraben lassen, mit Ehre überhäuft zurückgekommen. Hier sieht man Ç. . .È die von den Poeten so sehr besungnen Eroberungen des berühmten D i o n y s o s oder B a c c h u s . Mit Blick auf das Getümmel mag Moritz auch an bildliche Darstellungen antiker Provenienz denken, etwa an ein Sarkophagrelief aus dem Capitolinischen Museum, dessen Gegenstand Dionysos’ Triumphzug in Indien ist (Bottari, Museo Capitolino 4, Tafel 63 mit den Erl. S. 339–350). Vgl. ferner Lippert, Dactyliothec 1, S. 160f., Nr. 380–381. Zu Dionysos als Lehrer des Weinbaus vgl. auch Erl. zu S. 114,27–28. 116,15–16 Löwen und Tyger Ç. . .È Wagen ziehen] Vgl. S. 120,9–14 und Erl. 116,16–26 im göttlich süßen Taumel Ç. . .È E v o h e B a c h u s ] Vgl. Banier 3, S. 480f.: Da B a c c h u s drey Jahre damit zugebracht hatte, Indien zu er-

obern, oder vielmehr zu durchstreichen: So feyerte man nach verfloßnen zwey Jahren allezeit in dem dritten die Tr i e t e r i k e n , und man glaubte, daß binnen dieser Feyer B a c c h u s die Menschen besuche, und mit ihnen Umgang pflege. Ç. . .È Die Jungfrauen trugen Thyrsen, und schienen eben sowohl, als die Matronen, von einer Begeisterung ergriffen zu seyn; sie theilten sich in Haufen, und liefen mit zerstreuten Haaren unter gräßlichen Geberden und Verdrehungen des Leibes herum, indem sie das Haupt auf eine fürchterliche Weise schüttelten, und Beseßnen in allen Stücken ähnlich schienen. Sie machten mit ihren Trommeln und Cymbeln ein großes Getöse, und schryen aus vollem Halse: E v o h e B a c c h e . Vgl. auch ebd., S. 467f.; Seybold, Einleitung, S. 180f. S. Diodorus Siculus 4,3,3, (Stroth) 2, S. 6. Zu dem dionysischen Aufzug vgl. z. B. ferner Catull 64,251–264. – Baniers Bewertung des Fests, das er im Übrigen ausführlich schildert, steht in markantem Gegensatz zu Moritz’ Darstellung; vgl. z. B. Banier 3, S. 485f.: Doch wir wollen den

Vorhang vor diese Ehrlosigkeiten fallen lassen; wir wollen nur noch erinnern, daß an diesen Festtagen alle Laster begangen wurden, denen die Trunkenheit, das Beyspiel, die Sicherheit vor Strafe, und die allerzügelloseste Frechheit Vorschub thaten. Für eine zeitgenössische Stimme, die Dionysos verurteilt, vgl. auch Hager, S. 119; ihm zufolge ist er der Heerführer aller Trunkenbolde und Gott aller Naßküttel.

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116,17–18 vom Aufgange Ç. . .È Einzug hält] Vgl. Banier 2, S. 95 über den Indienzug des mit Dionysos identifizierten Osiris: Seine 〈Dionysos’〉 Reise sey ein beständiger Triumph gewesen. Eben dieser Schriftsteller 〈Diodorus Siculus〉

sagt, daß er anfangs ganz Aethiopien durchstrichen habe, wo er Dämme aufführen lassen, den zu gewaltigen Ueberschwemmungen des Nils abzuwehren; von dannen sey er durch Arabien und Indien gereist, und hierauf nach Europa gekommen, wo er durch Thracien und die benachbarten Gegenden gegangen sey. 116,27–29 Thyrsusstab Ç. . .È Spitze barg] Der Thyrsos, der entweder aus Efeubzw. Weinranken besteht oder ein mit Wein- oder Efeulaub geschmückter Stab ist, dient in bildlichen Darstellungen als Attribut des Dionysos und seiner Anhänger. Literarisch ist er seit dem späten 5. Jh. v. Chr. nachweisbar, erstmals in Euripides, Bakchen (vgl. z. B. V. 1054, Werke, [Bothe] 3, S. 234). Erst im späten Hellenismus bzw. in der frühen röm. Kaiserzeit kann die Spitze des Thyrsos auf Abbildungen die Form eines Pinienzapfens annehmen. Vgl. Papen 1905; Lorentz, Art. Thyrsos, in: RE 6A/1, Sp. 747–752. Die Überlieferung, der zufolge zuweilen die Bakchantinnen zur Überraschung der Feinde als Thyrsosstäbe getarnte Lanzen zum Einsatz brachten, findet man bei Diodorus Siculus 3,65,3, (Stroth) 1, S. 427. – Nach Diodor, auch nach Banier 3, S. 471; 487, der ersteren referiert, verbarg sich die Spitze der Waffe nicht unter einem Pinienzapfen, sondern zwischen Blattwerk. Vgl. jedoch Lippert, Dactyliothec 1, S. 184, Nr. 460, der den Thyrsos wie Moritz beschreibt. 116,28 Fichtenapfel] Adelung 3, Sp. 1082 zufolge ist die Pinie eine Art der Fichten. – Fichtenapfel erklärt Adelung ebd. 2, Sp. 142 als Bezeichung für den Fichtenzapfen. 117,3–8 So schildert Ç. . .È umkränzt hat] Horaz, Oden 3,25. Der Enthusiasmus der Bakchantin dient in der Ode als Vergleichspunkt für den poetischen Raptus, der den Sprecher erfasst, während er den Kaiser besingen will: Quo me, Bacche, rapis tui / plenum? Ç. . .È non secus in iugis // exsomnis stupet Euhias /

Hebrum prospiciens et nive candidam / Thracen ac pede barbaro / lustratam Rhodopen, ut mihi devio // ripas et vacuum nemus / mirari libet. Ç. . .È dulce periculum est, / o Lenaee, sequi deum / cingentem viridi tempora pampino (Kytzler, S. 171: Wohin, Bakchos, reißest du mich, von dir / erfüllt? Ç. . .È Nicht anders auf den Bergesjochen // schlaflos staunt verzückt die Bakchantin, / wenn den Hebros sie schaut und vom Schnee weiß / Thrakien und nur von barbarischen Füßen / betreten Rhodope, als ich, ferne vom Pfad, // die Ufer und den einsamen Hain / freudig bewundere. Ç. . .È Süß ist die Gefahr, / o Lenaeus, zu folgen dem Gott, / umkränzt die

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Schläfe mit grünendem Weinlaub). Der Hebros (neugriechisch Euros, bulgarisch Maritza) ist ein Fluss in Thrakien, der in Bulgarien entspringt und als Grenzfluss zwischen Griechenland und der Türkei in die Ägäis mündet, Rhodope ein thrakisches Gebirgsmassiv, heute in Bulgarien und Griechenland. Vgl. Art. Hebros, in: KlP 2, Sp. 963; Art. Rhodope, ebd. 4, Sp. 1420. 117,13–14 Auf seinem Esel Ç. . .È Faunen gestützt] Vgl. die Beschreibung eines Reliefs bei Banier 3, S. 480: S i l e n , der auf einem Esel reitet, und seiner Gewohnheit nach trunken ist, folgt hinter demselben 〈einem Elefanten〉, von F a u n e n , S a t y r e n und N y m p h e n begleitet Ç. . .È. Zu Silen als ein alter dicker Mann vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2213. S. ferner Seybold, Einleitung, S. 183. Silenos war zunächst eine eigenständige Waldgottheit, die später in das Gefolge des Dionysos integriert wurde. Von Satyros ist Silen nicht klar unterschieden; sein Bild als kahlköpfiger Greis ist seit dem 5. Jh. v. Chr. nachweisbar. Vgl. Art. SilenosSatyros, in: KlP 5, Sp. 191f. Vgl. S. 204,11–206,10 im vorliegenden Band. 117,20–21 Auch war er Ç. . .È Bachus] Unter Verweis auf den spätrömischen Dichter Marcus Aurelius Olympius Nemesianus identifiziert Seybold, Einleitung, S. 183 Silen als Erzieher des jungen B a c c h u s . Moritz könnte auch an Ovid, Metamorphosen 11,99 denken; weitere Hinweise betreffen Sophokles’ verlorenes Satyrspiel Dionysiskos sowie Euripides, Kyklops; vgl. Art. Silen, in: DNP 11, Sp. 553. – Die Nachricht, dass Dionysos auch Schüler des Kentauren Chiron gewesen sei, geht auf eine versteckte Quelle zurück, die Hederich, Lexicon, Sp. 708f. namhaft macht – auf eine Formulierung aus der Neuen Geschichte (KainhÁ iëstoriÂa, Kaine´ historı´a) des Ptolemaios Chennos (1. Jh. n. Chr.), die im Werk des Byzantiners Photios I. (9. Jh. n. Chr.) überliefert ist, hier zitiert nach Historiae poeticae scriptores antiqui Ç. . .È Graece et Latine, 〈hrsg. v. Thomas Gale〉, Paris 1675, S. 321: Refert quoque Dionysium fuisse Chironis amasium, & ab eodem commessationes, bacchationesque ac sacrificia didicisse (Er 〈Ptolemaios〉 berichtet auch, dass Dionysos Geliebter des Chiron war, von dem er das Abhalten von Gelagen, das bacchantische Schwärmen und das Darbringen von Opfern erlernte). 117,22–31 Zwei Hirtenknaben Ç. . .È Wünsche werth] Paraphrase der Erzählung, die Vergil in Bucolica 6 dem Hirten Tityrus in den Mund legt: Der betrunken eingeschlafene, von Chromis und Mnasyllos gefesselte und von der Naiade Aegle mit Maulbeersaft bemalte Silen löst sich durch Gesang aus, dessen Gegenstände zunächst eine Kosmogonie, anschließend eine Serie mythologischer Stoffe sind. 117,32–34 Auch diese Ç. . .È fanden] Vgl. S. 45,1–8; 100,30–101,3.

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118,1–2 In Elis Ç. . .È Ehre erzeigte] Banier 3, S. 690 und Hederich, Lexicon, Sp. 2213 mit Bezug auf Pausanias 6,24,8, (Goldhagen) 2, S. 92. Elis ist eine Landschaft im Nordwesten der Peloponnes; vgl. Art. Elis, in: KlP 2, Sp. 249. 118,3–4 Der schalkhaft lächelnde F a u n Ç. . .È Gefolge des Bachus] Vgl. z. B. die Darstellung gr. Dionysos-Aufzüge bei Banier 3, S. 484f. 118,12–14 und alles das Ç. . .È zerstören würde] Vgl. BNS, S. 44 (KMA 3): Und

so wie jedes Schöne in der Erscheinung nur in dem Maasse schön ist, als es nicht nützlich zu seyn braucht, so ist es auch nur in dem Maasse schön, als es, wenn es wirklich wäre, schädlich seyn würde. 118,18–24 Eben der Dichter Ç. . .È Boden deckten] Horaz, Oden 1,18,5–9 preist den Weingenuss, um gleichzeitig unter Verweis auf die Lapithenschlacht zur Mäßigung anzuhalten: quis post vina gravem militiam aut pauperiem crepat?

/ quis non te potius, Bacche pater, teque, decens Venus? / ac ne quis modici transiliat munera Liberi, / Centaurea monet cum Lapithis rixa super mero / debellata (Kytzler, S. 41: Wer wollte nach dem Wein von schwerem Kriegsdienst und Armut reden? / Wer nicht lieber von dir, Bakchos Vater, und dir, reizende Venus? / Doch daß nicht einer übertrete die Riten des maßvollen Liber, / Kentaurenkampf mit den Lapithen warnt davor, überm Wein / ausgefochten). – Da Horaz auf die Schlacht (vgl. Art. Lapithai, in: KlP 3, Sp. 490f.) zwischen dem Riesenstamm der edlen Lapithen und den Kentauren, wilden Pferdmenschen, ohne Nennung von Details anspielt, scheint Moritz noch an eine weitere Quelle zu denken – vermutlich an Ovid, Metamorphosen 12,210–535, wo das Gemetzel höchst anschaulich zelebriert wird. – Erwähnt ist die Schlacht schon in Homer, Ilias 1,263–271 (vgl. die Paraphrase S. 133,10–17 und Erl. im vorliegenden Band); 2,740–744, (Stolberg) 1, S. 21; 64; Odyssee 21,295–304, (Voss), S. 410. Vgl. auch Valerius Flaccus, Argonautica 1,140–148. 119,3 Larve von falscher Bescheidenheit und Demuth] Zum Gegensatz zwischen innerweltlichem Eigenwertbewusstsein von Menschen der Antike und (christlicher) Demut vgl. Winckelmann, Allegorie, S. 14: Von der christlichen

Demuth hatte das Alterthum noch weniger Begrif, weil dieselbe in der Selbstverläugnung und also in einer gewaltsamen und mit der menschlichen Natur streitenden Fassung bestehet. Es sagen ihre großen Männer das Gute von sich mit eben der Zuversicht mit welcher sie es von anderen sagen, weil sie glaubeten, der Mensch müsse sich seines Werths bewußt seyn, um sich vor der Niederträchtigkeit zu verwahren. Die Demuth der Alten gieng nur bis zur Bescheidenheit, welche ohne Schminke seyn sollte, dahingegen jene fast beständig von der Verstellung begleitet und von dem

Stellenerläuterungen

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Stolze selbst verlarvet wird. Zum Assoziationshorizont von Moritz’ Formel gehört die stets mit Heuchelei verbundene Attitüde der E r t ö d t u n g und Ve r l e u g n u n g bei den Quietisten Guyonscher Prägung, unter deren Vorzeichen im Anton Reiser die Erziehung der Titelfigur stattfindet (AR, KMA 1, S. 11; 45f.). 119,5 Bachanal] Die Bacchanalien waren röm. Feiern zu Ehren des Bacchus/Dionysos. Zu ihnen Anthusa, KMA 4/1, S. 57,13 und Erl. Vgl. im Übrigen S. 114,5–7 und Erl. im vorliegenden Band zum Dionysos-Kult. Seinem Interesse am Ekstatischen in Mythologie und Kultus entsprechend geht Moritz weder hier noch in Anthusa auf die Restriktionen ein, die ein Senatsbeschluss aus dem Jahr 186 v. Chr. der Feier der Bacchanalien auferlegte. Hingegen nimmt Banier 4, S. 489 diesen Vorgang beifällig zur Kenntnis. Zum Sachverhalt auch Maternus 3, S. 141–164, der den Bericht von Livius, Ab urbe condita 39,8–19 dokumentiert. 119,12–13 Auf den Marmorsärgen Ç. . .È Bachanale abgebildet] Für Beispiele s. Bottari, Museo Capitolino 4, Tafel 49 mit den Erl. S. 255–258 sowie ebd., Tafel 60 (Kindheit und Knabenalter des Dionysos) mit den Erl. S. 319–326. Vgl. auch Merkelbach 1988 (z. B. Abb. 58; 74–77; 79–81). 119,25 ewig jungen Bacchus] Vgl. Ovid, Fasti 3,773: sive quod ipse puer semper iuvenisque videris (Holzberg, S. 141: Sei’s, weil du 〈Bacchus〉 selber als Knabe immer erscheinst und als Jüngling); Metamorphosen 4,17–20; Tibull 1,4,37–38; Lippert, Dactyliothec 1, S. 152, Nr. 361. Zu vergleichen sind auch die Erl. zu S. 78,26–27. 119,28–29 Indischen Ç. . .È dargestellt wurde] Vgl. Banier 3, S. 460 unter Bezug auf Diodorus Siculus 3,63,3, (Stroth) 1, S. 424. Vgl. auch ebd. 4,5,2, (Stroth) 2, S. 10. 119,30–31 goldnen Hörner] Hinweise zur Darstellung des Dionysos mit Hörnern bei Banier 3, S. 460 und Lippert, Dactyliothec 1, S. 153, Nr. 363. Beide beziehen sich auf Diodorus Siculus 3,64,2, (Stroth) 1, S. 425. Vgl. ferner Hager, S. 144. – Moritz könnte wie Lippert eine Verbindung zu Zeus Ammon andeuten wollen (S. 73,3–5 und Erl. im vorliegenden Band). 120,1–3 der gefleckte Panther Ç. . .È Füßen schmiegt] Vgl. Banier 3, S. 475: Ich habe zu sagen vergessen, daß das Pantherthier dem B a c c h u s geheiligt gewesen, und die Ursache davon war diese, weil dieß Thier sehr hitziger Natur ist; eine Eigenschaft, welche dem Weine gleichfals zukömmt. Oder weil B a c c h u s der O s i r i s der Aegyptier, und also das Sinnbild der Sonne war; und so zeigte, nach der Meinung einiger Schriftsteller, das Pantherthier durch seine Flecken die Sterne an. Vgl. Art. Dionysos, in: KlP 2, Sp. 82; Art. Panther, in: KlP 4, Sp. 476.

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120,4–6 Der immergrünende Epheu Ç. . .È verwelkenden Jugend] Banier 3, S. 486f.: Der Epheu, der bey dieser Cärimonie 〈den Dionysos-Mysterien der Griechen〉 überall angetroffen wird, war dem B a c c h u s ganz besonders heilig Ç. . .È. Die wahre Ursache aber ist die, daß diese allezeit grüne Pflanze

die Jugend des B a c c h u s andeutet, der, wie man sagte, niemals altert; das ist die unwandelbare Kraft und Fruchtbarkeit der Sonne. // Die Schlangen, womit der geheimnißvolle Korb umwunden war, und viele von denen, die diesem Feste beywohnten, entweder im Leibriemen oder auf andre Weise bey sich trugen, bedeuteten eben dieses, da sie Thiere sind, die sich jährlich verjüngen, wenn sie ihre alte Haut ablegen. Allgemein zur Selbsterneuerungsfähigkeit der Schlange z. B. auch Abbe´ Bazin 〈d. i. Voltaire〉, Die Philosophie der Geschichte des verstorbenen Herrn Abtes Bazin übersetzt und mit Anmerkungen begleitet von Johann Jakob Harder, Leipzig 1768, S. 49: Unter den Thieren mußte ihnen 〈den Menschen des Altertums〉 die Schlange mit vorzüglicherm Verstande begabt scheinen, weil sie glauben mußten, daß sie sich verjünge, wenn sie sahen, daß sie manchmal ihre Haut abwürfe. Sie konnte sich folglich dadurch, daß sie den Balg verwürfe, jederzeit jugendlich erhalten: also war sie unsterblich. Zum Konzept der Verjüngung in der Götterlehre vgl. Erl. zu S. 30,29. 120,9–14 Abbildung des Bachus Ç. . .È Sanften und Frölichen] Abb. 16. Lippert, Dactyliothec 1, S. 159, Nr. 376 (Schublade 1/8): B a c c h u s , auf einem Wagen, wird von zween säugenden Tigern gezogen, auf welchen zween Liebesgötter reiten, von denen der erste in den Händen einen Palmenzweig führet, und der andere auf einer Flöte bläst; diese alle aber regieret Bacchus allein mit seinem Stabe. Was kann dieses wohl anders, als die artigste Allegorie seyn, daß Wein und Liebe alles bezwingen? Den Palmzweig und die Flöte übernimmt Carstens nicht. – In der Literatur findet sich der von Tigern gezogene Wagen des Dionysos bei Vergil, Aeneis 6,804–805. Vgl. auch Martial 8,26. Lippert zieht beide Stellen heran. S. die ähnliche Beschreibung von Banier 3, S. 480: Diejenigen beyden Denkmäler, welche den Triumph dieses

Gottes nach der Eroberung Indiens vorstellen, sind gleichfals sehr prächtig. Dieser Gott zeigt sich auf denselben auf einem Wagen, der von Löwen oder Panthern gezogen wird. – Adelung 3, Sp. 645 kennt die Vertauschung von Tiger und Panther: Die ältern Schriftsteller hielten den Panther, den Parder und den Leoparden irrig für drey oder doch zwey verschiedene Arten von Thieren, dagegen andere sie mit dem Tieger verwechseln.

Stellenerläuterungen

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120,15–17 S i l e n Ç. . .È Leyer stützend] Abb. 16. Lippert, Dactyliothec 1, S. 167, Nr. 393 (Schublade 1/9): S i l e n u s , welcher mit Efeu gekrönet auf einem Hügel sitzet, hält eine Leyer, die er aufs linke Knie aufgesetzt hat. Die Hippe, auf die nicht Lippert, wohl aber Carstens und Moritz aufmerksam machen, ist nach Adelung 2, Sp. 1200 eine Benennung verschiedener krummer Werkzeuge sowohl zum Hauen, als zum Schneiden, im einzelnen u. a. ein krummes Messer zum Beschneiden der Bäume und Weinstöcke bzw. eine G a r t e n -

h i p p e , W i n z e r h i p p e , welche letztere auch das Rebmesser, S t o c k m e s s e r , We i n m e s s e r genannt wird. 121,3–5 Nun fand Ç. . .È Göttern weihten] Die Stelle nimmt Bezug auf eine Formulierung aus dem Einleitungskapitel (Gesichtspunkt für die mythologischen Dichtungen), der zufolge die Phantasie ihre Bildungen an Zeit und Ort zu knüpfen sucht (S. 13,22–23). Für weitere Hinweise zu Moritz’ Interesse an räumlicher Fixierung vgl. dort die Erl. 121,10–18 den höchsten Jupiter Ç. . .È säugte] Zu diesem Mythos S. 23,6–18 und Erl. 121,11 I d a ] Das höchste Gebirgsmassiv auf Kreta, im Zentrum der Insel gelegen. Über die Frage, an welchem Ort auf Kreta Zeus auferzogen wurde, äußern sich die Quellen uneindeutig bzw. widersprechen einander. Hesiod, Theogonie, 477–484, (Voss), S. 116f. lokalisiert das Geschehen in Lyktos bzw. am Aigaion. Diodorus Siculus 5,70,2, (Stroth) 2, S. 269 zufolge wächst Zeus in einer Höhle des Ida-Gebirges heran. Kallimachos nennt im Hymnus auf Zeus, 47; 50–51, (Kütner), S. 25f. die Eschennymphen vom Dikte-Gebirge, die Zeus gepflegt hätten, und den Honig vom Ida-Gebirge, der ihm zugute gekommen sei. Strabon 10,4,8, (Penzel) 2, S. 1331 erwähnt die Höhle des Jupiter, macht aber keine Angaben über ihre Lage. Der Archäologie ist die sog. Zeusgrotte bzw. die Höhle von Psychro im IdaGebirge als frühe Kultstätte bekannt. Vgl. Art. Ida 1., in: KlP 2, Sp. 1336f. 121,13 Diktäischen Grotte] Diktäisch bezieht sich auf das Dikte-Gebirge im Südosten von Kreta; s. Art. Dikte, in: KlP 2, Sp. 26. Dort wurde (wie im Ida-Gebirge) ebenfalls der Schauplatz lokalisiert, an dem Zeus geboren worden oder aufgewachsen sei; vgl. Apollodoros 1,5, (Meusel), S. 4. »Diktäisch« ist einer von Zeus’ Beinamen; vgl. Strabon 10,4,6, (Penzel) 2, S. 1329; Hederich, Lexicon, Sp. 1413. In Moritz’ Angaben, nach denen Zeus auf dem Ida-Gebirge, aber in der diktäischen Grotte auferzogen worden sein soll, bleiben die Widersprüche der Quellen erhalten. 121,14–15 durch das Getöse Ç. . .È herbeigelockt] Vgl. Vergil, Georgica 4,149–152: Nunc age, naturas apibus quas Iuppiter ipse / addidit, expe-

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diam, pro qua mercede, canoros / Curetum sonitus crepitantiaque aera secutae, / Dictaeo caeli regem pavere sub antro (Voss, S. 259: Auf, nun will ich der Bienen Natur, die Iupiter selber / Jenen verlieh, auslegen: um welchen Lohn sie, dem lauten / Trommelgeroll der Kureten und klapperndem Erze gehorsam / In diktäischer Grotte des Himmels König genähret). S. auch Voss’ Erl. ebd., S. 258f. 121,20 Zunahmen des I d ä i s c h e n ] Den Beinamen Idaios führt Zeus schon bei Homer, Ilias 16,605; der Name wird in Homer, Ilias (Stolberg) 2, S. 111 stattdessen mit Kronion wiedergegeben. Vgl. auch Vergil, Aeneis 9,672. 121,21–24 I d a Ç. . .È Heeren zu] Der Gargaros ist die höchste Erhebung des (kleinasiatischen) Ida-Gebirges südöstlich der Landschaft Troas. Auf dem Gargaros wurden Kybele und Zeus verehrt. Vgl. Art. Ida 2., in: KlP 2, Sp. 1337. In Homers Ilias, in der der Gargaros ausdrücklich genannt wird, spielt das Ida-Gebirge als Zeus’ Aufenthaltsort eine Rolle. Vgl. Homer, Ilias 8,47–74, (Stolberg) 1, S. 197f., wo Zeus, vom Ida-Gebirge herab den Kampf beobachtend, die Todeslose in der Waage über das Kriegsglück von Trojanern und Griechen entscheiden lässt. 121,26–27 Epirus, welches vormals Chaonien hieß] Grundlage des Abschnitts über das Orakel von Dodona ist vermutlich das entsprechende Kapitel bei Banier 1, S. 681–689. – Das antike Epeiros ist nordwestlich von Griechenland gelegen. Als geographischer Name ist Epeiros (wörtl.: Festland) erst ab der zweiten Hälfte des 4. Jh. v. Chr. nachweisbar (vgl. Art. Epeiros, in: KlP 2, Sp. 284–287). Die Landschaft Chaonien lag im Norden von Epeiros, im Wesentlichen auf dem Gebiet des heutigen Albanien. Entsprechend bezeichnet Moritz sie S. 71,2 als Gegend von Epirus. In poetischer Ausdrucksweise konnte Chaonien jedoch mit Epeiros gleichgesetzt werden (Art. Chaones, Chaonia, in: KlP 1, Sp. 1128f.). 121,27–28 wo die ältesten Ç. . .È von Eicheln lebten] Als ursprüngliche Bewohner von Dodona nennen antike Quellen die Pelasger (als Bezeichnung für die vorhellenische Bevölkerung von Griechenland; vgl. Dieterle 2007, S. 28). Strabon 7,7,10, (Penzel) 2, S. 969 schreibt: Das Orakel von Dodona ist nach dem

Berichte des E p h o r u s von den P e l a s g e r n gestiftet worden, welches Volk von allen denen, so in den alten Zeiten in Griechenland umher geschweifet, das allerälteste seyn soll. Das hohe Alter verbindet Strabon allerdings mit der Wertung des Barbarischen. – Für den Verzehr von Eicheln vgl. Vergil,

Georgica 1,147–149, wo Demeter angesichts der Mangelerfahrungen, die Zeus nach dem Ende des goldenen Zeitalters verhängt hat, die Menschen zum Ackerbau anleitet: prima Ceres ferro mortalis vertere terram / instituit; quum iam

glandes atque arbuta sacrae / deficerent silvae et victum Dodona negaret

Stellenerläuterungen

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(Voss, S. 21: Ceres zuerst hat die Menschen, das Land mit Eisen zu kehren, /

Angeführt, da bereits Hagäpfel und nährende Eicheln / Fehlten im heiligen Wald’, und Dodona hungrig sie abwies). Vgl. ferner Ovid, Fasti 4,401–402; Anthusa, KMA 4/1, Erl. zu S. 73,19–20. – Zur Ernährung der E r s t e n M e n s c h e n mit Eicheln und wilden Baumfrüchten auch Damm, Einleitung, S. 137. Wenn Banier 1, S. 682f. suggeriert, dass die Nachricht über die Ernährung mit Eicheln von Herodot stamme, so ist dies irreführend. 121,29 Dieß Orakel war das älteste in Griechenland] Vgl. Herodot 2,52, (Goldhagen), S. 142 über die kultische Praxis der Pelasger: Denn dieses Orakel

wird für das älteste in Griechenland gehalten, und war zu der Zeit nur allein vorhanden. – Die frühesten literarischen Hinweise auf das dodonische Heiligtum bzw. auf das Orakel finden sich bei Homer und sind damit älter als die ersten Erwähnungen des Orakels von Delphi; vgl. Ilias 16,233–235, (Stolberg) 2, S. 97f.; Odyssee 14,327–330; 19,296–299, (Voss), S. 275; 372. 121,29–122,5 Aus Theben Ç. . .È von Epirus kam] Vgl. S. 73,3–5 und Erl. im vorliegenden Band. Für die Ursprungssage und für die Erklärung, der zufolge sich unter dem Bild der Tauben die Priesterinnen verbergen sollen, vgl. Herodot 2,55–57, (Goldhagen), S. 143f. Banier 1, S. 683f. diskutiert diese Deutung. Zur Herodot-Stelle und zu einschlägigen Forschungsmeinungen vgl. Dieterle 2007, S. 48–58. 122,5–8 die unaufmerksamen Ç. . .È auf die Zukunft gab] Die Erzählung von der Orakelquelle wurzelt in Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 3,466: circa hoc

templum quercus inmanis fuisse dicitur, ex cuius radicibus fons manabat, qui suo murmure instinctu deorum diversis oracula reddebat (Übers. Dieterle 2007, S. 307: Bei diesem Tempel soll eine gewaltige Eiche gestanden haben, aus deren Wurzeln eine Quelle floß, die mit ihrem Plätschern auf Betreiben der Götter den Leuten Orakel gab). Anders als Moritz stellt Servius die Überlieferung von der Quelle als Alternative zur Erzählung von den Tauben dar. Archäologische Befunde, die Servius’ Bericht vom Vorhandensein einer Quelle bestätigen könnten, gibt es nicht; vgl. Dieterle 2007, S. 59. 122,9–15 Nachher wurden Ç. . .È Zukunft prophezeit] Von bronzenen Gongs, die in Dodona zum Klingen gebracht wurden, berichtet Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 3,466; für weitere Quellen s. Dieterle 2007, S. 307; 315. Die vorliegende Beschreibung, die sich vermutlich auf eine Votivgabe bezieht, geht auf die fragmentarisch überlieferten Ethnika des spätantiken Grammatikers Stephanos von Byzanz (6. Jh. n. Chr.) zurück (Dieterle 2007, S. 339). Vgl. dazu Banier 1, S. 685, Anm. 727. – Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist nicht sicher, ob dem Metall-

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gefäß mantische Fähigkeiten zugesprochen wurden. Vgl. Art. Dodona, in: DNP 3, Sp. 723–726; Dieterle 2007, S. 62–67. 122,15–26 Es war der wechselnde Hauch Ç. . .È täuschen ließ] In DW (1786) hatte Moritz unter der Überschrift Volks-Aberglauben kritische Bemerkungen Ciceros aus der Schrift De divinatione zur Frage der prophetischen Zeichendeutung wiedergegeben (KMA 11, S. 133f.). Ohne die reflektierende Distanz zu dieser Art von Täuschung aufzugeben, schlägt er an der vorliegenden Stelle die Weissagung der Sprache der Phantasie (vgl. S. 13,3–4 und Erl.) zu; sie wird gewürdigt als ein Weg, mit Hilfe von Naturerscheinungen Zugang zur Erfahrung des umgebenden Ganzen (vgl. S. 64,18–19) zu gewinnen. Die alles umströmende Luft verweist auf Zeus als Aither; vgl. S. 14,20 und Erl. In dem Aufsatz In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 4. St., S. 167f. (KMA 3) entwickelt Moritz in diesem Sinn eine Stufenfolge, die vom Blätterrauschen bis zur artikulierten Sprache führt: Und ist es nicht

derselbe Hauch der Luft, welcher in den Blättern des Baumes rauscht, in der Kehle der Nachtigall zu schmelzenden Tönen, und auf der redenden Lippe des Menschen zum verständlichen Laut sich bildet? 122,27–30 Selbst aus den Höhlungen Ç. . .È enthüllet haben] Homer, Odyssee 14,327–328, (Voss), S. 275 zufolge war in Dodona Zeus’ Stimme aus dem Rauschen der Eichen zu vernehmen: Jener 〈Odysseus〉 war, wie es hieß, nach Dodona gegangen, aus Gottes / Hochgewipfelter Eiche Kronions Willen zu hören. Vgl. auch Aischylos, Prometheus in Fesseln, 829–835, (Schlosser), S. 110f. Die rationalisierende Erklärung, der zufolge in Wirklichkeit Priester sprachen, die sich in Hohlräumen der Bäume verbargen, findet sich bei Banier 1, S. 687. 123,2–17 Die Länder Ç. . .È Wiege wählte] Das Delos-Kapitel fußt auf dem Homerischen Hymnus 3 an Apollon. Derselbe Hymnus ist auch eine Hauptquelle für das Kapitel über Apollon (vgl. 81,14–82,6 mit den Erl.). – In V. 19–46 des Hymnus zählt der Hymnendichter die Inseln auf, von denen aus Angst vor Hera selbst der Früchtebegabtesten keine (V. 48, Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg], S. 5) bereit ist, die mit Apoll schwangere Leto aufzunehmen. Den Zusammenhang – Hera verfolgt Leto, weil Zeus mit ihr die Geschwister Artemis und Apollon gezeugt hat – setzt der Hymnus voraus, ohne auf ihn einzugehen. – Delos hingegen, die Insel mit rauhen kiesligen Boden (V. 72, ebd., S. 7), gewährt Leto Zuflucht, die zuvor die Errichtung eines Tempels für Apollon gelobt hat: Warlich hier soll Foebos Altar, im duftenden Tempel / Ewig

stehn, und ewig wird er, vor allen dich ehren! / Als sie hatte geschworen,

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und nun vollendet den Eidschwur / Freute sich höchlich des Königs Geburt, die jauchzende Dälos (V. 87–90, ebd., S. 7). 123,7 Hekatomben] Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 57, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 6. Eine Hekatombe ist ein Opfer von vielen, wörtlich: von hundert Tieren. S. Stengel, Art. ëEkatoÂmbh, in: RE 7/2, Sp. 2786f. 123,17–21 Denn Reichthümer Ç. . .È K l a n g ] Der Homerische Hymnus 3 an Apollon, 151–164, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 11 bezieht sich auf wiederkehrende Festereignisse zu Ehren von Apollon: Warlich es

würde der Fremdling von deinen versammelten Schaaren / Wähnen, daß es Unsterbliche frei von der Bürde des Alters / Wären, säh’ er die Männer, und säh’ er die lieblichen Weiber, / Säh’ er die schnellen Schiffe mit mannigfaltigem Reichthum, / Säh’ er, ihnen staunt wer sie sieht! Die ewiggepries’nen / Dälischen Mädchen, die Dienerinnen des Fernhertreffers. / Foebos Apollon singen sie erst in Feiergesängen, / Läto singen sie dann, und die Göttin der Jagd und der Pfeile, / Auch gedenken sie preisend in Lobgesängen der Vorzeit, / Männer und Weiber. Ihr Lied bezaubert der Menschen Geschlechte! / Aller Menschen Stimmen und Töne wissen sie kunstreich / Nachzuahmen, es würd’ ein jeder die seine zu hören / Wähnen, denn es erschallen vielfach schon und lieblich die Lieder. 123,23–24 felsigten Ç. . .È bestieg] Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 141, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 10: Oftmal, Apollon, besteigst du den Gipfel des felsigen Künthos. Der Kynthos ist eine Erhebung auf der Insel Delos; vgl. Bürchner, Art. Kynthos, in: RE 12/1, Sp. 42. 123,24–25 C y n t h i s c h e Ç. . .È D e l i s c h e A p o l l ] Für die Beinamen Cynthius und Delius (gr. Kynthios, Delios) vgl. z. B. Damm, Einleitung, S. 18f.; Hederich, Lexicon, Sp. 338. Da sich auf dem Kynthos ein Heiligtum des Zeus und der Athene befand, tragen auch diese beiden Götter den Beinamen Kynthios bzw. Kynthia. Vgl. Art. Kynthos, in: KlP 3, Sp. 402. 123,27 Parnasses] Vgl. S. 197,23 mit den Erl. 123,27–124,9 eine Höhlung Ç. . .È offenbarte] Vgl. Banier 1, S. 696–700; S. 82,6–10 und Erl. im vorliegenden Band. Zum Themis-Orakel s. auch S. 52,16–17 und Erl. 124,10–11 Apollo Ç. . .È selber des Platzes] S. 82,1–10 und Erl. im vorliegenden Band. Vgl. ferner Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 383–387, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 23, wonach der Gott selbst an Ort und Stelle einen Altar errichtet.

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124,14–31 Als Apollo Ç. . .È zuströmen werden] Der Homerische Hymnus 3 an Apollon, 388–539, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 23–31 berichtet über die Gründung des Apollon-Heiligtums in Delphi durch Priester kretischer Herkunft. Vermutlich führt er damit den Namen Delphi auf den u. a. auf Kreta ausgeübten Kult des Apollon Delphinios zurück. Zu dieser Epiklese des Gottes Wernicke, Art. Apollon, in: RE 2, Sp. 47f. – Für Apolls Anrede an die Ankommenden aus Kreta s. Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 532–537, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 30f.: Kindische, Kum-

merbelastete Menschen, die ihr im Herzen / Heget Sorgen, und Bangigkeiten, und lästige Mühe! / Euch verkünd’ ich ein leichtes Mittel, das sollt ihr bedenken. / Jeder halt’ in der Rechten ein schneidendes Meßer und würge / Rastlos, Lämmerheerden die mir unzählbar zum Opfer / Bringen werden der Erdegebohrnen berühmte Geschlechte. 124,18 Pylos] Der Homerische Hymnus 3 an Apollon, 424, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 25 erwähnt Pülos das sandige Land (PyÂlon hÆmauoÂenta, Py´lon ematho´enta). Der Hymnus bedient sich damit desselben Attributs wie die homerischen Epen, wenn sie von Nestors Heimat sprechen; vgl. z. B. Homer, Ilias 9,153, (Stolberg) 1, S. 224. Die Forschung vermutet dieses Pylos in der Landschaft Triphylien auf der Peloponnes; vgl. Art. Pylos, in: KlP 4, Sp. 1249–1251. 124,19 Krissa] Homerischer Hymnus 3 an Apollon, 430–439, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 25f. Während Stolberg von Krißa spricht, lautet der Name der in der Landschaft Phokis unweit von Delphi gelegenen Hafenstadt, die schon in Homer, Ilias 2,520, (Stolberg) 1, S. 56 erwähnt wird, im gr. Text KriÂsa (Krı´sa); vgl. Art. Krisa, in: KlP 3, Sp. 348. 124,33 seine Einwohner wurden reich und glücklich] Zum Reichtum der Einwohner von Delphi, der auf Kriegsbeute, Gelübden und Geschenken beruhe, vgl. Banier 1, S. 700; Damm, Einleitung, S. 308. 125,1–16 Ueber der dampfenden Höhle Ç. . .È Ermattung sich erhohlte] Die Darstellung des Orakelritus folgt Banier 1, S. 703–705: Die Priesterinn selbst

bereitete sich zu ihrer Amtsverrichtung zu; sie fastete drey Tage lang, und, ehe sie den Dreyfuß bestieg, badete sie sich in dem Brunnen K a s t a l i a . Sie wusch sich darinnen ordentlicher Weise die Füße und Hände, manchmal auch den ganzen Leib Ç. . .È. Darauf ließ man sie Lorbeerblätter kauen, die gleichfalls bey diesem Brunnen abgepflückt worden waren. Ç. . .È Nunmehr ergriffen die Priester, die man auch P r o p h e t e n nannte, die P y t h i a , führten sie in das Heiligthum, und setzten sie auf den Dreyfuß. So bald als

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der göttliche Dampf zu wirken anfieng, sah man, wie die Haare auf ihrem Haupte sich sträubten; ihr Blick wurde wild, ihr Mund fieng an zu schäumen; und eine jählinge und gewaltsame Erschütterung ergriff ihren ganzen Leib. In diesem Zustande suchte sie sich von den Propheten loszureißen, die sie als mit Zwange zurückhielten, und ihr Geschrey und Geheul erscholl in dem ganzen Tempel, und erfüllte alle Zuschauer mit einem heiligen Schauer. Endlich konnte sie dem Gotte, der sie trieb, nicht länger widerstehen; sie überließ sich ihm, und brachte von Zeit zu Zeit einige verstümmelte Worte hervor, welche die Propheten sorgfältig auffaßten, sie in Ordnung brachten, und ihnen nebst dem Sylbenmaaße eines Verses, eine Verbindung gaben, die sie in dem Munde der Priesterinn nicht gehabt hatten. Wenn das Orakel ausgesprochen war, nahm man sie wieder von dem Dreyfusse hinweg, sie in ihre Zelle zurückzuführen, wo sie verschiedne Tage zubrachte, sich von ihrer Ermüdung zu erhohlen. Man vergleiche aber die kritisch kommentierende Fußnote 752 des Übersetzers ebd., S. 705f. 125,22–27 Wenn die Pythia Ç. . .È zu erforschen wagte] Banier 1, S. 707: Da

das Heiligthum, wo sich die P y t h i a befand, mit Lorbeerzweigen verdeckt war; da die Priesterinn von Propheten und Poeten umringt war, und da noch über dieses zwo Frauen zugegen waren, welche die Unheiligen abhielten, sich derselben zu nähern: So konnte man nicht ganz genau wissen, was daselbst vorgieng. – Für die Bemerkung über den Weihrauch bezieht sich Moritz auf Anm. 755 des Übersetzers ebd., S. 708: Dieses geheimnißvolle Wesen, durch welches man unheiligen Augen alles, was vorgieng, sorgfältig zu verbergen suchte vermehrt den Verdacht eines Priesterbetrugs gar sehr. Das häufige Räuchern half vermuthlich zu eben diesem Endzwecke das Seinige beytragen. Die P y t h i a konnte nicht von ihrer Begeisterung ergriffen werden, und weissagen, wenn nicht alle Blicke zurückgehalten wurden, sie zu bemerken. Die Anmerkung unterstreicht die Differenz zwischen dem Banier-Traktat, dessen Entmythisierungsabsichten vom Übersetzer mitgetragen werden, und dem Gebrauch, den Moritz mit Blick auf die Mythologie als Sprache der Phantasie (vgl. S. 13,3–4) von Banier macht. 126,2–8 Juno Ç. . .È stürzen] Homer, Ilias 4,51–57, (Stolberg) 1, S. 95: Drey erwählte Sädte 〈!〉 sind mir von allen die liebsten, / Argos, Spartä und Mü-

känä mit breiten Strassen. / Diese magst du zerstören, wenn sie gehässig dir werden; / Keine will ich beschüzen, und will dir keine misgönnen. / Wenn ich es thäte, gewönn’ ich nichts; denn du bist viel stärker. / Aber auch du mußt mir nicht meine Arbeit vereiteln. Heras Feindschaft gegen Troja hat,

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außerhalb der Ilias, ihre Wurzel in dem Umstand, dass Paris, Sohn des Trojanerkönigs Priamos, nicht ihr oder Athene, sondern Aphrodite den Preis der Schönheit zugesprochen hatte. Vgl. S. 238,23–239,8 mit den Erl. in diesem Band. 126,9–12 Das Fatum Ç. . .È Ziel herannaht] Vgl. S. 38,5–43,19 mit den Erl. 126,13–17 die H e r ä e n Ç. . .È zum Opfer brachte] Die Heraien von Argos waren im antiken Griechenland das bedeutendste Fest zu Ehren der Hera; weitere wurden auf Aigina, auf Samos etc. gefeiert. Für den Bericht über die Prozession s. Palaiphatos 51, (Meineke), S. 87f. sowie Scholien zu Pindar, Olympische Oden 7,152; Hederich, Lexicon, Sp. 1397f.; Art. Heraia, in: KlP 2, Sp. 1031. Zur Hecatombe von weißen Rindern Klausing, S. 35. 126,16 Hekatombe] Vgl. Erl zu S. 123,7. 126,19–27 Kleobis und Biton Ç. . .È n i c h t e r w a c h t e n ] Vgl. Herodot 1,31, (Goldhagen), S. 15f.; Hyginus, Fabulae 254; Plutarch, Solon 27,5, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 472f.; Banier 3, S. 167f. Die weißen Rinder findet man bei Palaiphatos, 51, (Meineke), S. 87f. Moritz übernimmt die weiße Farbe, von der Banier nicht spricht, wohl aus Hederichs Bericht über die Prozession anlässlich der Heraien (Lexicon, Sp. 1397). S. auch Klausing, S. 35. 126,23 Stadien] Das Stadion ist ein antikes Längenmaß von 600 Fuß, entsprechend einer Strecke zwischen ca. 177,6 und 192,3 Metern. Vgl. Art. Stadion, in: KlP 5, Sp. 336f. 127,2–3 den Gott Ç. . .È aufheitert] Vgl. Erl. zu S. 64,19–20. 127,3–5 Wink seiner Augenbraunen Ç. . .È erschüttert] Vgl. Erl. zu S. 64,17–18. 127,6–16 Die Bildsäule Ç. . .È des Tempels reichte] Die von dem Bildhauer Phidias (ca. 500/490–430/420 v. Chr.) geschaffene, um 430 v. Chr. vollendete monumentale Statue im Zeustempel von Olympia ist nicht erhalten. Beschrieben wird sie am ausführlichsten von Pausanias 5,11, (Goldhagen) 1, S. 601–606. Moritz’ Darstellung folgt Pausanias’ Angaben, könnte sich aber tatsächlich an Banier 1, S. 440–443 orientieren. Zu Phidias und der Statue Brodersen 1996, S. 58–69; Günther 2004, S. 50–53. 127,17–18 Bei Olympia Ç. . .È S p i e l e gefeiert] Wichtigste Quelle für Entstehung, Geschichte und Ablauf der olympischen Spiele, die, mit Unterbrechungen, für die Zeit zwischen dem 8. Jh. v. Chr. und 393 n. Chr., ein Jahr vor ihrem Verbot, dokumentiert sind (vgl. Art. Olympia, in: KlP 4, Sp. 286f.), ist für die Altertumskunde des 18. Jhs. Pausanias 5,7,6–5,9, (Goldhagen) 1, S. 588–596. Vgl. z. B. Banier 5, S. 485–495 sowie Goldhagen, in: Pausanias (Goldhagen) 1, S. 710–720. 127,18–23 Der Zwischenraum Ç. . .È das Glänzendste waren] Zur Rolle der Olympiaden als Grundlage einer gemeinsamen Zeitrechnung im politisch zersplit-

Stellenerläuterungen

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terten Griechenland vgl. z. B. Banier 5, S. 489; über ihre Bedeutung für die neuere Chronologie Banier 1, S. 118f. Moritz räumt den Olympiaden breiteren Raum ein als den olympischen Spielen. Allerdings interessiert er sich für die Olympiaden nicht als Instrument der Zeitrechnung. Mit seiner Deutung schließt er vielmehr an den Hauptgesichtspunkt des Kapitels über die heiligen Wohnplätze der Götter unter den Menschen an. Das Kapitel befasst sich mit topographischen Kristallisationspunkten der mythologischen Phantasie, die räumlich und historisch das Gedächtnis der Griechen strukturieren. Vgl. S. 121,3–5 und Erl. 127,24–26 Den Tempel Ç. . .È errichtet waren] Banier 5, S. 495: Rund um die-

sen Tempel herum befand sich ein geheiligter Wald, oder Hayn, Namens A l t i s , in welchem 〈man〉 außer den Capellen, Altären und andern den Göttern gewiedmeten Denkmälern Ç. . .È die Bildsäulen, und zwar alle von der Hand der berühmtesten Bildhauer sah, welche denenjenigen zu Ehren aufgerichtet waren, die in diesen Spielen den Preiß davon getragen hatten. Baniers Bemerkungen fußen auf Pausanias, der sich mit großer Ausführlichkeit über die Statuen äußert, die in der Altis (wörtlich: Hain; vgl. Art. Olympia, in: KlP 4, Sp. 279), dem zentralen Tempelbezirk von Olympia, platziert waren; speziell zu den Statuen der Olympioniken Pausanias 6,1–18, (Goldhagen) 2, S. 1–67. Vgl. Günther 2004, S. 115–139. 127,30–128,4 In dieser Lieblingsstadt Ç. . .È zurückließ] Zu Athene als Namengeberin von Athen vgl. Erl. zu S. 82,32–33. – Moritz’ Bemerkung über Athen liegt zuletzt der mit Tempeln, Altären, Statuen, Grabmälern und Gemälden als Erinnerungs- und Verehrungsstätten besetzte athenische Stadtraum zugrunde, wie Pausanias ihn beschreibt; zu vergleichen ist die gesamte Athen-Passage (Pausanias 1,2–30, [Goldhagen] 1, S. 8–135). Im Hintergrund steht vielleicht auch Winckelmanns Entwurf eines Griechenland, das sich nicht in erster Linie in staatlicher Gestalt zeigt, sondern sich vorrangig im Kultus des Kunstschönen konstituiert (Winckelmann, Geschichte, S. 129–140). Die Idee, dass das Andenken an große Leistungen, das sich an die Statuen knüpft, konstitutiv für die Kunstorientierung der Griechen sei, spielt bei Winckelmann eine Rolle; den Gedanken, dass dieselbe Memorialkultur entscheidend für die Ausbildung eines identitätsstiftenden Kollektivgedächtnisses der Athener gewesen sei, findet man auch sonst in der Literatur des 18. Jhs. Vgl. J〈ohann〉 G〈eorg〉 Zimmermann, Vom Nationalstolze. Vierte, um die Hälfte vermehrte, und durchaus verbesserte Auflage Zürich 1768, S. 249–252. – Hingegen setzt die Bemerkung, der zufolge es der Menschheit mit Hilfe der Kunst (nicht etwa der Philosophie) gelingt, ein Bewusstsein von sich selbst zu gewinnen, Moritz’ Ideen zur Mythologie in Verbindung mit seiner ästhetischen

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Theorie voraus. Kunstwerke zu betrachten oder sich mit der als Dichtung verstandenen Mythologie zu beschäftigen führt danach zur Einsicht in die Partizipation an dem Höchstmaß an Schönheit, das in der Natur insgesamt verkörpert ist: Dann

steigt in seinen ruhigsten Momenten die Geschichte der Vorwelt, das ganze wunderbare Gewebe des Menschenlebens in alle seinen Zweigen vor ihm auf (BNS, S. 35f. [KMA 3]). 128,5–7 Die Panathenäen Ç. . .È heiligte] Die Panathenaien, die nach mythologischer Überlieferung von Erichthonios (vgl. S. 103,6–13) als Athenaien ins Leben gerufen und von Theseus als Panathenaien fortgeführt wurden, fanden nach Auskunft der frühneuzeitlichen Mythographie im Jahresrhythmus (kleine Panathenaien) bzw. im Vierjahresrhythmus (große Panathenaien) statt. Mythenkenner des 18. Jhs., etwa Banier 3, S. 249–252, berufen sich für Detailinformationen auf Johannes Meursius, Panathenaea. Sive, De Minervae Illo Gemino Festo, Liber Singularis, in: Thesaurus Graecarum Antiquitatum, contextus & designatus ab Jacobo Gronovio 7, Leiden 1699, Sp. 77–108. Außer sportlichen umfassten die Panathenaien musische Anteile (vgl. ebd., Sp. 91f.; Hederich, Lexicon, Sp. 1633– 1635), u. a. in den Disziplinen Rhapsodie, Kitharodie und Chorgesang; vgl. Kotsidu 1990, S. 27–62. 128,8–10 die Bildsäule Ç. . .È P h i d i a s ] Das nicht erhaltene, von Phidias geschaffene Standbild der Athena Parthenos, geweiht 438 v. Chr., im Jahr der Vollendung des Athenetempels, des Parthenon, auf der Athener Akropolis. Pausanias 1,24,5, (Goldhagen) 1, S. 104 beginnt seine (detailliertere) Beschreibung: Ihr Bildniß selbst ist aus Elfenbein und Golde verfertiget. Vgl. aber auch Plinius, Naturalis historia 36,18; Banier 3, S. 249. 128,13–14 Hier trugen Ç. . .È ans Ufer] Vgl. S. 21,17–19 und 93,32–94,2 jeweils mit den Erl. 128,16–21 Ihr Lieblingssitz Ç. . .È A m a t h u s i a ] Zu den Beinamen und Verehrungsstätten sowie zum Aphroditekult Hederich, Lexicon, Sp. 203; 1336; 1877f.; 2444–2446; Banier 3, S. 295–301; Damm, Einleitung, S. 77f.; Seybold, Einleitung, S. 110–112. Paphos – das alte Paphos (Palaipaphos), nicht die hellenistische Stadt –, Idalion und Amathus (im 18. Jh. meist Amathunt) waren antike Städte auf Zypern, von denen Paphos und Amathus Aphroditeheiligtümer beherbergten, während für Idalion mindestens kultische Verehrung der Göttin bezeugt ist; vgl. Kat. Zypern 2010. – Der Aphroditetempel von Paphos wird z. B. erwähnt im Homerischen Hymnus 5 an Aphrodite, 59, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 65. Vgl. auch Vergil, Aeneis 1,415–417 sowie ebd. 10,51–52: est Amathus, est celsa mihi Paphos atque Cythera / Idaliaeque domus (Fink,

Stellenerläuterungen

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S. 449: Ich habe Amathus, habe das stolze Paphus, Cythera und meinen Tempel von Idalia). Über den Aphroditetempel von Paphos und den dort ausgeübten Kult vgl. Tacitus, Historien 2,2–3. – Die paphische und die amathusische Venus werden z. B. bei Ovid, Amores 3,15,15 und Tacitus, Annalen 3,62 genannt, die Venus Idalia bei Vergil, Aeneis 5,760. Schiller ruft Venus Amathusia in seinem Gedicht Die Götter Griechenlands an (Schiller NA 1, S. 190). – Für die Formel K ö n i g i n v o n P a p h o s s. Horaz, Oden 1,30,1: O Venus regina Cnidi Paphique (Kytzler, S. 57: O Venus, Königin von Knidos und von Paphos). 128,23–28 Nach Gnidus Ç. . .È auf sich zog] Knidos ist eine antike Hafenstadt in Karien im Südwesten von Kleinasien. Vgl. Bürchner, Art. Knidos 1), in: RE 11/1, Sp. 914–921. Über die Aphrodite von Knidos, die der gr. Bildhauer Praxiteles (ca. 390–ca. 320 v. Chr.) wohl zwischen 360 und 330 v. Chr. antiken Meinungen zufolge als erste vollplastische monumentale weibliche Aktfigur schuf, informiert Plinius, Naturalis historia 36,20–21, auf den zuletzt auch Moritz’ Ausführungen zurückgehen. Nach Plinius hatte Praxiteles zwei Aphroditestatuen angefertigt, von denen die Bewohner der Insel Kos zu ihrem Nachteil die bekleidete vorzogen; denn den Ruhm trug die unbekleidete davon, die in Knidos aufgestellt wurde, und zwar in einem Tempel, der nach zwei Seiten geöffnet werden konnte. Plinius schreibt: opera eius 〈Praxitelis〉 sunt Athenis in Ceramico, sed ante omnia est

non solum Praxitelis, verum in toto orbe terrarum Venus, quam ut viderent, multi navigaverunt Cnidum. Ç. . .È illo enim signo Praxiteles nobilitavit Cnidum. aedicula eius tota aperitur, ut conspici possit undique effigies deae, favente ipsa, ut creditur, facta. Nec minor ex quacumque parte admiratio est (Denso 2, S. 779f.: Praxiteles’ Werke sind zu Athen auf dem Töpferplatze 〈dem Kerameikos〉: doch geht vor alle, und nicht allein vor des P r a x i t e l e s , sondern auch vor die Werke in der ganzen Welt, die Ve n u s : welche zu sehen viele nach Gnidus gesegelt sind. Ç. . .È durch dieses Bildniß hat P r a x i t e l e s Gnidus berühmt gemacht. Seine Kapelle wird ganz geöffnet, damit die Gestalt der Göttinn von allen Orten her gesehen werden könne, und man glaubt, daß ihr diese That gefalle. Von allen Seiten her ist die Bewunderung gleich groß. Von der Knidia existieren Kopien; das Original ist nicht erhalten. Vgl. Havelock 1995; Robert Fleischer, Art. Aphrodite, in: LIMC 2/1, S. 49f. 129,2–6 Auf diesem Eilande Ç. . .È C y t h e r e heißt] Pausanias 3,23,1, (Goldhagen) 1, S. 423f. zufolge ist der Aphroditetempel auf der Insel Kythera vor der Südspitze der Peloponnes der älteste unter allen, so die Venus in Griechenland hat. Auf diese Stelle beziehen sich Banier 3, S. 290 und Seybold, Einleitung, S. 113. Schon Hesiod, Theogonie, 192–198, (Voss), S. 93 nennt die Insel als ersten

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Ankunftsort, Kythereia, sonst auch Kythere/Cythere hingegen als Beinamen der Aphrodite. Vgl. z. B. auch Ausonius, Epigrammata 40: Nec bis cincta Diana placet, nec nuda Cythere (weder gefällt die doppelt gegürtete Diana, noch die nackte Cythere). Für die Mythenkunde des 18. Jhs. s. Hederich, Lexicon, Sp. 848 und Ramler, Mythologie 1, S. 106, für die Dichtung z. B. Wieland, Das Urtheil des Paris, in: Sämmtliche Werke 10, S. 154. – Ob Kythe´reia und Ky´thera (der Name der Insel) etymologisch miteinander in Verbindung stehen, gilt in der Forschung aber als ungewiss; vgl. Prehn, Art. Kythereia, in: RE 12/1, Sp. 217f.; Robert Fleischer, Art. Aphrodite, in: LIMC 2/1, S. 2. 129,8–9 Auf der Insel Lemnos Ç. . .È Berge gab] Die besondere Verbindung zwischen Hephaistos und Lemnos erwähnt Homer, Odyssee 8,283–284; 293–294, (Voss), S. 150f. Von Hephaistos’ Schmiede auf Lemnos spricht Cicero, De natura deorum 3,55. Für die Mythographie des 18. Jhs. vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2488; Banier 3, S. 331f. Für den Kult des Hephaistos und der Kabeiren auf Lemnos vgl. Fredrich, Art. Lemnos, in: RE 12/2, Sp. 1929. 129,9–13 dampfenden Aetna Ç. . .È Vulkan ertönen] Vgl. Vergil, Aeneis 8,416–420: insula Sicanium iuxta latus Aeoliamque / erigitur Liparen, fu-

mantibus ardua saxis, / quam subter specus et Cyclopum exesa caminis / antra Aetnaea tonant validique incudibus ictus (Fink, S. 375: Unweit von Siziliens Küste und des Aeolus Lipare erhebt sich steil eine Insel mit feuerspeienden Bergen. Unter ihr ist eine Höhle und, von der Zyklopen Kaminen durchzogen, des Ätna Geklüft von Donnergetöse erfüllt). Der Aiolos der Vergil-Stelle ist nicht der Stammvater der Aiolier, sondern der gleichnamige Windgott, dessen Sitz Vergil auf Lipari lokalisiert; vgl. Art. Aiolos, in: KlP 1, Sp. 184. 129,14–16 Auch nahm die Insel Ç. . .È schleuderte] Vgl. Erl. zu S. 100,23–25. 129,20–21 Ganz Asien Ç. . .È schmücken] Vgl. Banier 1, S. 432 nach Plinius, Naturalis historia 36,95. Zu dem Tempel im Übrigen Banier 1, S. 432–437. – Gemeint ist das spätklassische Artemision aus dem späten 4. Jh. v. Chr., dessen archaischer Vorgängerbau aus dem 6. Jh. v. Chr. einem Brand zum Opfer gefallen war. Vgl. Brodersen 1996, S. 70–77; Ohnesorg 2008; Bammer 2008. 129,21–23 die Bildsäule Ç. . .È Diana dachte] Vgl. Banier 3, S. 439: Das darf ich

gleichwohl nicht unerinnert lassen, daß die D i a n a d e r E p h e s e r mit einer großen Anzahl von Brüsten und mit andern Wahrzeichen abgebildet wird, welche die Erde und die C y b e l e , oder vielmehr die Natur selbst, die durch diese Göttin vorgestellt wird, andeuteten. Die neuere Forschung widerspricht der Deutung, der zufolge das in Kopie überlieferte Artemis-Standbild

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eine Vielzahl von Brüsten zeigte. Vielmehr handle es sich um eine Brustbedeckung aus Ziegenfell, die Fruchtbarkeit und Wohlstand symbolisiere. Vgl. Morris 2008. 129,23–26 wie man zum öftern Ç. . .È Pantheon schuf] Pantheon ist wörtlich ein allen Göttern geweihtes Heiligtum. Namentlich bezeichnet der Begriff das zur Zeit des Kaisers Hadrian (Regierungszeit 117–138; zur Baugeschichte Art. Pantheion, Pantheon, in: KlP 4, Sp. 471–473) errichtete Kuppelbauwerk in Rom, das Moritz kannte (RDI 3, S. 103; KMA 5/2). Was die Vermischung mehrerer Göttergestalten zu einer einzigen betrifft, so denkt der Verfasser vermutlich an die von Banier mit Artemis in Verbindung gebrachte Kybele (vgl. die vorangehende Erl.). Im Kybele-Kapitel notiert Moritz die Nähe dieser Göttin zu Rhea und Isis und bezeichnet sie als U r b i l d jeder Gottheit. Vgl. S. 112,1–113,25 mit den Erl. 129,27–130,2 Aus den entferntesten Ç. . .È einlud] Vgl. Banier 1, S. 434: Die

Reichthümer dieses Tempels mußten unermeßlich seyn, weil so viel Könige zur Auszierung desselben das Ihrige beygetragen hatten, und in ganz Asien so wohl wegen der Andacht, als wegen des ungemeinen Zulaufs der vielen Leute, die zu Ephesus von fremden Oertern ankamen, nichts so berühmt war, als dieses Gebäude. 130,4 Der Hauptsitz Ç. . .È ist Thracien] Thrakien, eine von verschiedenen Stämmen besiedelte Landschaft, deren Ausdehnung nicht exakt bestimmt werden kann, lag nordöstlich der gr. Kerngebiete am Schwarzen Meer. Vgl. Art. Thrake, in: KlP 5, Sp. 777–781. – Die Verbindung zwischen Ares und Thrakien ist seit Homer belegt (Homer, Ilias 13,301, [Stolberg] 2, S. 14; Odyssee 8,361, [Voss], S. 153). Vgl. ferner Kallimachos, Hymnus auf Delos, 63–64, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 228; Herodot 5,7; 7,76, (Goldhagen), S. 382; 549. Vergil bzeichnet Thrakien als Mavortia tellus (Georgica 4,462) oder terra Ç. . .È Mavortia (Aeneis 3,13). Für die neuzeitliche Mythographie vgl. vor allem Conti, Mythologiae, S. 106: apud Thraces eximie` colebatur Mars Ç. . .È Est enim Ç. . .È Deus Thracum Mars (bei den Thrakern wurde Mars besonders hoch verehrt Ç. . .È Denn Ç. . .È Mars ist ein Gott der Thraker). Ein knapper Hinweis auf die Verehrung des Ares bei den Thrakern auch bei Hederich, Lexicon, Sp. 1527. Damm, Einleitung, S. 92 berichtet von einem T h r a c i s c h e n M a r s mit dem Beinamen E n i a l i o s (Enyalios, als Beiname bereits von Homer verwendet, ist allerdings ursprünglich ein »karischer Schlachtdämon«; Art. Ares, in: KlP 1, Sp. 527), womit angedeutet sei, daß die Mordbegierde Ç. . .È vorzüglich in den Thracischen Landen ihre Liebhaber gefunden habe. Zu Ares als »Gott thrakischer Stämme in Griechenland« Tümpel, Art. Ares 2), in: RE 2, Sp. 642–644.

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130,6–9 Diomedes Ç. . .È erschlug] Vgl. S. 153,19–154,8 mit den Erl. 130,10–12 Ein Sohn des Mars Ç. . .È entdecken möchte] Ausführlich und detailreich dargestellt von Ovid, Metamorphosen 6,424–674. Vgl. Apollodoros 3,193–195, (Meusel), S. 162f., der auch auf Tereus’ Abstammung von Ares verweist. – Auf den Bericht, den die stumme Philomele ihrer Schwester Prokne in Form eines Webstücks übersendet, bezieht sich Moritz in dem Aufsatz In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 4. St., S. 159–161 (KMA 3). 130,13–15 Der stürmende B o r e a s Ç. . .È Hyperboreer hießen] Der Nordwind Boreas wird von Homer, Ilias 20,223–224, (Stolberg) 2, S. 207 erwähnt, wo er in Pferdegestalt erscheint. Vgl. auch Homer, Odyssee 9,67–68, (Voss), S. 164. Hesiod, Theogonie, 870, (Voss), S. 149 nennt Boreas als einen der feuchten Winde (vgl. auch Erl. zu S. 46,11–13). Für seine Zuordnung zu Thrakien vgl. Kallimachos, Hymnus auf Delos, 65, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 228, für die Mythographie des 18. Jhs. vor allem Damm, Einleitung, S. 36, der auch auf den Zusammenhang mit dem Begriff H y p e r b o r e e r verweist. Das zeitgenössische Wissen ist zusammengefasst bei Hederich, Lexicon, Sp. 556–560. Vgl. Wernicke, Art. Boreas, in: RE 3, Sp. 720–730. 130,14 jenseit] Adelung 2, Sp. 1435 lässt jenseit als stilistisch höherwertige Form neben jenseits zu. 130,15–17 die Bacchantinnen Ç. . .È Gebirge umher] Horaz, Oden 2,19,18–20:

tu separatis uvidus in iugis / nodo coerces viperino / Bistonidum sine fraude crinis (Kytzler, S. 109: du 〈Bacchus〉, auf entfernten Gipfeln, weinbeseligt, / bindest mit dem Knoten aus Schlangen / ohne Schaden der Mänaden Haar). Seybold, Einleitung, S. 184 führt B i s t o n i d e n als eine der Alternativbezeichnungen für M ä n a d e n an. Die Bistonen waren ein thrakischer Volksstamm, der im Ruf des Kriegerischen stand. Die Orphischen Argonautika 78, (Voss), S. 245 sprechen Orpheus als in Bistonia Fürst der heerdereichen Kikonen an. Vgl. Oberhummer, Art. Bistones, in: RE 3, Sp. 504f. 130,18–131,6 Demohngeachtet war Thracien Ç. . .È rasenden Wuth] Ovid, Metamorphosen 10,1–77; 11,1–84; Vergil, Georgica 4,454–527. Beide Dichter sind sich aber darin einig, dass Eurydikes Tod Orpheus’ Singen kein Ende setzt. Bei Ovid treffen ihn die Mänaden sogar mitten im Gesang an. Moritz referiert nicht die tröstliche Wendung, die die Erzählung bei Ovid, Metamorphosen 11,61–66 nimmt; dort kommt es zu einer Wiedervereinigung in der Welt der Schatten. – Zu Orpheus, speziell auch zur Zähmung der Tiere, S. 210,7–15 in diesem Band.

Stellenerläuterungen

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131,7 Arkadien] Gebirgslandschaft im Zentrum der Peloponnes; vgl. Hirschfeld, Art. Arkadia, in: RE 2, Sp. 1118–1120. 131,9–12 reitzenden Lichte Ç. . .È verknüpft] Die Bemerkung zielt allgemein auf die bukolische Arkadien-Idee der Neuzeit, die eine epochen-, grenzen- und medienüberschreitende abendländische Erscheinung ist. Die Anfänge literarischer Arkadien-Vorstellungen, die sich von der wirklichen Landschaft auf der Peloponnes lösen, liegen aber schon in Vergils Bucolica; vgl. Snell 1944. Für die zweite Hälfte des 18. Jhs. darf man, davon absehend, dass Arkadien-Referenzen in ihrer Vielzahl nicht zu überschauen sind, besonders an die tugendempfindsame Naturutopie denken, die Salomon Gessner in der Gestalt außerordentlich erfolgreicher und breit rezipierter Idyllensammlungen entworfen hat (〈Salomon Gessner〉, Idyllen von dem Verfasser des Daphnis, Zürich 1756; Salomon Gessner, Denis Diderot, Moralische Erzählungen und Idyllen, Zürich 1772). Moritz kannte und schätzte Gessners Werke; vgl. etwa AR, KMA 1, S. 178; Der Dichter im Tempel der Natur, in: Deutsche Monatsschrift 1793, 1. Bd., S. 72–78, hier: S. 74; 〈Anmerkungen zu Daniel Jenisch: Borussias〉, in: 〈Daniel Jenisch〉: Borussias in zwölf Gesängen. Zweyter Band. VII–XII. Gesang, Berlin 1794, S. 367–382, hier: S. 372 (jeweils KMA 3). Zur Geschichte der Arkadien-Utopien im Überblick Garber 2009. – Für Moritz’ gespaltenes Verhältnis zu Arkadienvisionen vgl. z. B. FTG, S. 65f. (KMA 2):

Aber freilich, w e n n a l l e M e n s c h e n S c h a f e g e h ü t e t h ä t t e n , so wären sie zwar an sich wohl ganz glücklich gewesen. Aber was wäre denn aus unsrer Geschichte geworden? Insofern Moritz die antike von der modernen Arkadien-Literatur unterscheidet, könnte er z. B. an Herder anschließen, der die Darstellung ›natürlicher‹ Leidenschaften gegen die ›gekünstelten‹ moralischen Empfindungen der Gessnerschen Hirten ausspielt. Vgl. Johann Gottfried Herder, Theokrit und Geßner, in: Über die deutsche Literatur. Zweite Sammlung (Werke in zehn Bänden 1: Frühe Schriften 1764–1772, hrsg. v. Ulrich Gaier, Frankfurt/M. 1985, S. 351–361). Im Rahmen der Götterlehre steht die Differenzierung vielleicht im Zusammenhang mit der Absicht, mythologische Stoffe keinem moralischen Belehrungszweck zu unterwerfen; vgl. S. 15,15–16,7. 131,13–16 Bei den Alten Ç. . .È Hirtenlandes zuschrieb] Vermutlich denkt Moritz an Ovid, Fasti 2,289–302. Auf diese Passage bezieht sich der Verfasser auch S. 70,22–24; für die Anfangsverse vgl. dort die Erl. 131,16–18 nicht das sanfteste Ç. . .È umliegenden Gegenden] Dass Arkadien von rauem Charakter sei, schreibt z. B. Friedrich Gedike, Ueber Dialekte, besonders die griechischen, in: ders., Vermischte Schriften, S. 160 im Rahmen von Überlegungen zum Zusammenhang von klimatischen und geographischen Bedin-

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gungen, Kollektivcharakter und Sprache: Das platte Attika und der gebirgige

Peloponnes, das heitere sanfte Ionien und das rauhe Arkadien mußten nothwendig die allgemeine Nationalsprache auf ganz verschiedne und entgegengesetze Art modificiren. 131,19–21 H i r t e n g ö t t e r Ç. . .È U r s p r u n g h a t t e n ] Vgl. Damm, Einleitung, S. 201: Die große Landschaft A r k a d i e n lag mitten im Peloponnes oder dem heutigen Morea: und diese bergige Landschaft war wegen ihrer H i r t e n berühmet. Die H i r t e n g ö t t e r gehöreten fast alle in diesem Lande zu Hause, und selbst auch der Merkur. Im einzelnen ist vor allem an den in Arkadien beheimateten Pan zu denken. Im einschlägigen Kapitel der Götterlehre stellt Moritz fest, dass Pan eine Art Sammelbezeichnung auch für andere auf das Landleben bezogene Götter (Faunen, Satyrn) sei; vgl. S. 206,11–207,21 mit den Erl. 131,21–23 auf dem Berge C y l l e n e Ç. . .È hervortreten ließen] Die Kyllene ist ein Gebirgsmassiv im Nordosten von Arkadien; vgl. Art. Kyllene, in: KlP 3, Sp. 395f. Eine dort gelegene Höhle ist dem Mythos zufolge Hermes’ Geburtsort. Vgl. den Homerischen Hymnus 4 an Hermes, der zu Beginn – V. 1–2, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 32 – die Muse auffordert, Hermes zu besingen, den Sohn Kronions und Maja’s, Ç. . .È / Der Külänä beherscht, und die Lämmerernährenden Triften / Seiner Arkadia. An späterer Stelle – V. 228–230, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 43 – kommt Apollon auf der Suche nach seiner Rinderherde, die Hermes entwendet hat, zum Wälderernährenden Berge Küllänä, / Zu der schattigen Felsen-

kluft, wo die göttliche Nümpfe / Maja, Zeus Kronions Erzeugten gebohren hatte. Zu dem Gebrauch, den Moritz von dem Hymnus macht, vgl. S. 108,13–111,8 mit den Erl. 131,26–29 die Nahmen der einzelnen Berge Ç. . .È bezeichneten] Die Bemerkung zielt auf die mythische Transformation der gr. Geographie als den Gesichtspunkt, dem das Kapitel über die heiligen Wohnplätze der Götter unterstellt ist. Außer dem Gebirgszug Kyllene kommt aus der Götterlehre auch der Lykaion als Aufenthaltsort des Gottes Pan in Frage; vgl. S. 207,1 und Erl. Zum Lykaion ferner Pausanias 8,38,5, (Goldhagen) 2, S. 319. Ob sich Moritz an der vorliegenden Stelle darüber hinaus auf bestimmte Erhebungen bezieht, bleibt unklar. Im Übrigen sei auf das Arkadien-Buch in Pausanias’ Reisebeschreibung verwiesen, das verschiedentlich Berge als bestimmten Gottheiten heilig oder als Orte von Kultstätten nennt. Vgl. z. B. Pausanias 8,24,4; 8,36,3; 8,42,1, (Goldhagen) 2, S. 272; 311f.; 328.

Stellenerläuterungen

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132,1 Phrygien] Vgl. Erl. zu S. 112,2. 132,2–31 In einer Gegend Ç. . .È Baucis genannt] Verknappende, in Details freie Paraphrase von Ovid, Metamorphosen 8,623–731. Jenseits von Moritz’ Wiedergabe war die Erzählung von Interesse, weil sie Anschlussmöglichkeiten für die Luxuskritik bot. Moritz kann z. B. die gleichnamige Verserzählung von Jean de La Fontaine gekannt haben (Fables Choisies Mises En Vers Ç. . .È, Nouvelle Edition Augmente´e de petites Notes pour en faciliter l’intelligence, Amsterdam 1739, S. 326–331), ebenso die auf La Fontaine fußende Version von Friedrich von Hagedorn (Fabeln und Erzehlungen, Frankfurt/Main 1753, S. 140–149). Beide heben, wie auch die Götterlehre, stärker als Ovid den Gegensatz zwischen Schloß (Luxus) und Hütte (Einfalt) hervor. In charakteristischen Abweichungen von Ovid besteht Übereinstimmung mit der Version des Mythos, die sich bei Ramler, Mythologie 1, S. 18f. findet. Über die Gans schreibt Ramler, darin seinerseits an La Fontaine anknüpfend: diese aber rettete sich unter Jupiters Füsse, der ihr das Leben erhielt. Wie Moritz, jedoch anders als Ovid, erzählt auch Ramler von zwei aufeinander folgenden Bitten um das Priestertum im Tempel und den gemeinsamen Tod, von denen die zweite nach Zeus’ nochmaliger Aufforderung vorgebracht wird. – Folgt man Ovid, so werden in den Bäumen Philemon und Baukis als zu Göttern erhobene Gottesdiener verehrt; dass die Bäume den Namen der Verehrten tragen, sagt Ovid nicht. 132,23–24 B e s c h ü t z e r Ç. . .È der Gastfreundschaftlichkeit] Zeus Xenios, Schutzgott des Gastrechts, auf den Moritz auch in RDI 3, S. 8f. (KMA 5/2) anspielt. Vgl. Weinreich, Art. Xenios, in: Roscher 5, Sp. 522–525. In den Homerischen Epen ist das Gastrecht ein wichtiger Teil der Normen, nach denen sich die aristokratische Gesellschaft richtet; vgl. Gioia 1986, S. 31–48; Hiltbrunner 2005, bes. S. 26–33. Bei Homer, auch bei Hesiod wird im Zusammenhang mit dem Gastrecht regelmäßig Zeus angerufen; vgl. Homer, Ilias 3,351–354; 13,622–625, (Stolberg) 1, S. 86; Bd. 2, S. 26; Odyssee 9,268–271, (Voss), S. 172; Hesiod, Werke und Tage, 326–334, (Voss), S. 32f. S. auch das Trankopfer, das Dido in Vergil, Aeneis 1,728–736 dem Jupiter Hospitalis darbringt. Der Beiname Xenios oder Hospitalis war den Altertumskundlern bekannt; vgl. z. B. Banier 3, S. 114; Hederich, Lexicon, Sp. 2494; Damm, Einleitung, S. 9. Einige zeitgenössische Erläuterungen zum gr. Gastrecht bei Eschenburg, Handbuch, S. 352f. Zur Gastfreundschaft auch S. 189,6–16 mit den Erl. im vorliegenden Band. 132,33–133,2 D e m g a s t f r e u n d s c h a f t l i c h e n Ç. . .È errichtet] Worauf sich Moritz’ Bemerkung stützt, ist nicht ermittelt. Vgl. aber z. B. Ovid, Metamorphosen 10,224 über einen – allerdings durch den Mord an einem Fremden ent-

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weihten – Altar des Jupiter Hospes vor der Tür der Kerasten. Für Angaben zum Kult s. Weinreich, Art. Xenios, in: Roscher 5, Sp. 523f. 133,8–9 N e s t o r Ç. . .È über Pylos herrschte] Nestor repräsentiert in den Homerischen Epen unter den Griechen die Idealfigur des Ratgebers, dessen Weisheit in der Vorzeit wurzelt, um in die Gegenwart der Erzählung hineinzuwirken. Vgl. Weizsäcker, Art. Nestor, in: Roscher 3, Sp. 289. Moritz bezieht sich auf Homer, Ilias 1,247–252, (Stolberg) 1, S. 20: da hub sich / Nestor mit milden Worten,

der liebliche Redner von Pülos, / Dessen Munde die Stimme wie süsser Honig entgleitet, / Nestor, welcher schon zwey Geschlechte der Menschen auf Erden, / Welche zu seiner Zeit gebohren wurden und lebten, / Sterben sah in der göttlichen Pülos, das dritte beherrscht’ er. Vgl. auch Homer, Odyssee 3,244–246, (Voss), S. 53. Zu Pylos Erl. zu S. 124,18. 133,10 Streit des Achilles und Agamemnon] Vgl. S. 241,8–30 und Erl. 133,10–17 so leitete er seine Rede Ç. . .È ein Gleiches thun] Homer, Ilias 1,260–274, (Stolberg) 1, S. 20f.: Und ich habe vordem mit stärkern Männern gelebet, / Als ihr seyd; noch haben mich nicht die Männer verachtet. / Ihres gleichen sah’ ich noch nicht, und werd’ es nicht sehen, / Wie Peirithoos war und Drüas, die Hirten der Völker, / Kaineus, Exadios und der göttliche Polüfämos, / Thäseus, Aigeus Sohn, den unsterblichen Göttern zu gleichen. / Diese waren die stärksten von allen sterblichen Menschen, / Waren selber die stärksten, und fochten nur mit den stärksten; / Sie vertilgten in schrecklicher Schlacht die Kentauren der Berge. / Und mit diesen hab’ ich gelebet, da ich von Pülos / Fern aus dem Lande der Apier kam, denn sie riefen mir selber. / Und ich kämpfte, so gut ichs vermochte; keiner der Menschen, / Welche die Erd’ izt trägt, vermöcht’ es, mit ihnen zu kämpfen; / Dennoch hörten sie meinen Rath, und gehorchten mir oftmal. / Darum folgt mir auch ihr, denn folgen ist wahrlich das beste! Homer spielt auf die Lapithenschlacht an (vgl. S. 118,18–24; 193,1–12 jeweils mit den Erl.). Den von Moritz erwähnten Namen begegnet man in Ovids Metamorphosen wieder, wo der Kampf ausführlich dargestellt ist. Dryas (Metamorphosen 12,290–299), Kaineus (vgl. ebd. 12,169–209; s. auch den Argonautenkatalog von Apollodoros 1,112, [Meusel], S. 34) und Peirithoos (vgl. S. 172,9 und Erl.) zählen zu dem thessalischen Volksstamm der Lapithen. Peirithoos’ Freund Theseus ist Gegenstand eines eigenen Kapitels der Götterlehre. 133,22–26 Hektor Ç. . .È aus ihren Angeln sprangen] Moritz bezieht sich auf die Erzählung vom Kampf um die Schiffe, wo die Troer in das Lager der Griechen eindringen; vgl. Homer, Ilias 12,445–462, (Stolberg) 1, S. 320: Einen Stein erhub

Stellenerläuterungen

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von dem Boden Hektor, er hatte / Außen vor dem Thore gelegen, dick von unten, / Oben spiz; ihn würden mit Hebeln nicht zween Männer / Leichtlich von der Erd’ erheben auf einen Wagen, / Wie die Menschen nun sind: es schwang ihn der Priamide / Sonder Mühe, gestärkt vom Sohn des listigen Kronos. / Wie ein Schäfer leicht von einem Widder die Wolle / Trägt in einer Hand, und kaum des Gewichtes gewahr wird; / So trug Hektor den Stein zu den beyden Flügeln des Thores, / Welche, hoch und stark und verriegelt, den Eingang versperrten. / Dicht ging er hinzu; nun stand er, und stemmte die Kniee / Auseinander, und warf die Mitte der Flügelthore, / Beyde Angeln der Pforten zerschmetternd; mit schwerem Gewichte / Wälzte der Stein sich hinein, dumpf schollen die Tore, die Riegel / Gaben nach, zersplittert fielen die Bretter der Thüren / Unter des Steines Last. 133,27–29 vom Prometheus Ç. . .È vertilgt wurden] Vgl. S. 35,29–36,12; 66,4–22; 68,1–5 jeweils mit den Erl. 134,1–5 arbeiteten sich Ç. . .È Göttern ähnlich] Die Bemerkung bezieht sich auf die Stelle aus Vergils Georgica, die Moritz S. 66,24–67,28 kommentiert und ausführlich zitiert. Vgl. dort auch die Erl. 134,12–14 bis endlich Ç. . .È verwundet wurden] Vgl. allgemein S. 240,29–241,7 mit den Erl., speziell hingegen den fünften Gesang aus der Ilias, wo Diomedes Aphrodite und Ares verwundet. Dazu im vorliegenden Band S. 89,27–33 und 93,16–21 mit den Erl. 134,15–17 Keine Benennung Ç. . .È G ö t t e r g l e i c h e n ] Göttergleich oder auch göttlich (diÄow, dı´os) ist ein stereotypes Attribut homerischer Helden. Vgl. z. B. Homer, Ilias 5,467; 471; 601, (Stolberg) 1, S. 134; 139 mit Bezug auf Hektor; ebd. 5,705, (Stolberg) 1, S. 143 (Teutras, ähnlich den Göttern); Odyssee 7,230, (Voss), S. 135 (der göttergleiche Odüßeus). 134,24–28 zum a l t e n I n a c h u s Ç. . .È nach Griechenland] Vgl. S. 68,22–69,9 mit den Erl. Der Fluss Inachos ist Stammvater in der argivischen Königsgenealogie (vgl. auch Erl. zu S. 58,21), so wie Perseus ein argivischer Heros ist. – Anstelle von L y b i a wäre Libye/Libya korrekt. 134,28–135,7 um seine Ansprüche Ç. . .È Schiffe bauen] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 868f.; Seybold, Einleitung, S. 283f.; Pausanias 2,19,3–4, (Goldhagen) 1, S. 258f. Zum Transfer des Wissens über den Schiffbau durch Danaos vgl. Plinius, Naturalis historia 7,206; Hyginus, Fabulae 277. Für die von Seybold erwähnte Nachricht über den Brunnenbau s. Strabon 1,2,15; 8,6,8, (Penzel) 1, S. 79; Bd. 2, S. 1091. Vgl. Bernhard, Art. Danaos, in: Roscher 1, Sp. 954.

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135,7–18 funfzig Töchter Ç. . .È entfliehen ließ] Vgl. Banier 4, S. 218f.; Seybold, Einleitung, S. 284f.; Apollodoros 2,12; 15–21, (Meusel), S. 50–53. Apollodor führt wie Hyginus, Fabulae 170 die Söhne des Aigyptos und die Töchter des Danaos namentlich auf. 135,13 w i e d i e a l t e n G ö t t e r ] Vgl. S. 22,7–10 und Erl. zu Kronos, der seine Kinder verschlingt, weil ihm geweissagt wurde, dass er seine Herrschaft an einen Sohn verlieren werde; ferner S. 50,7–11 und 55,11–15 zu Zeus’ Furcht vor den Kindern von Metis und Thetis. 135,19–32 Eine, sagt ein Dichter Ç. . .È deine Klag’ um mich] So gut wie wörtliche Prosaübersetzung der fünf Schlussstrophen aus Horaz, Oden 3,11: una

de multis face nuptiali / digna periurum fuit in parentem / splendide mendax et in omne virgo / nobilis aevom, // ›surge‹ quae dixit iuveni marito, / ›surge, ne longus tibi somnus unde / non times detur; socerum et scelestas / falle sorores, // quae velut nactae vitulos leaenae / singulos eheu lacerant: ego illis / mollior nec te feriam neque intra / claustra tenebo. // me pater saevis oneret catenis, / quod viro clemens misero peperci, / me vel extremos Numidarum in agros / classe releget: // i pedes quo te rapiunt et aurae, / dum favet nox et Venus, i secundo / omine et nostri memorem sepulcro / scalpe querelam.‹ (Kytzler, S. 145–147: Eine einzige von den vielen, der Hochzeitsfackel / würdig, hat sich gegen den eidvergessenen Vater / herrlich treulos gezeigt, eine junge Frau, für alle / Zeiten voll Ruhm. // »Steh auf«, sprach sie zu dem jungen Gemahl, / »steh auf, damit dir nicht allzulanger Schlaf, woher / nichts du fürchtest, zuteil werde! Den Schwiegervater und die frevelnden / Schwestern täusche, // die, wie Löwinnen gefangene Kälber, / die Gatten einzeln – weh! – zerfleischen! Ich aber bin mehr als sie / sanften Sinnes, nicht werd ich dich töten, nicht im / verschlossenen Hause halten. // Mich mag mein Vater beschweren mit grausamen Ketten, / weil ich den Ehemann erbarmend im Unglück verschont, / mich mag er gar an die Grenzen der numidischen Länder / auf dem Schiffe verbannen: // Geh, wohin die Füße dich führen und die Lüfte, / solange dich schützt die Nacht und Venus! Geh mit glücklichem / Vorzeichen – und für mich zum Gedächtnis aufs Grabmal / meißle den Klagegesang!«) 135,33 Lynceus entfloh] Lynkeus’ Flucht ist, in unterschiedlichen Versionen, z. B. Gegenstand von Pausanias 2,25,4, (Goldhagen) 1, S. 280 sowie von Ovid,

Heroides 14; den Brief legt Ovid der zurückgebliebenen Hypermnestra in die Feder.

Stellenerläuterungen

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135,33–34 Danaus Ç. . .È ausgesöhnt] Vgl. Banier 2, S. 219, vielleicht mit Bezug auf Apollodoros 2,22, (Meusel), S. 53. Anders Banier 4, S. 171f. sowie Damm, Einleitung, S. 207, dem zufolge Lynkeus seinen grausamen Schwiegervater vom Throne stößt. 136,1 Herkules] Vgl. S. 142,25–143,3 mit den Erl. 136,3–4 sie mußten Ç. . .È büßen] Vgl. S. 254,17–22 und Erl. 136,5–8 A b a s Ç. . .È streitig machten] Apollodoros 2,24, (Meusel), S. 53f. 136,10–22 Akrisius Ç. . .È Perseus sorgte] Die Erzählung folgt im Wesentlichen Hyginus, Fabulae 63. Vgl. mit manchen Abweichungen auch Apollodoros 2,34–36, (Meusel), S. 57. Der eherne Turm, in den Akrisios Danae einschließt, entstammt Horaz, Oden 3,16,1. Zum Ganzen Banier 4, S. 324–326. Die von Moritz herangezogenen und weitere Varianten bei Hederich, Lexicon, Sp. 50; 862f. 136,31–137,4 Mit dem unsichtbarmachenden Ç. . .È Ziels verfehlte] Für die Mythographie des 18. Jhs. vgl. Banier 4, S. 332; Seybold, Einleitung, S. 289, für Moritz’ Fassung jedoch vor allem Hederich, Lexicon, Sp. 1168. Über Perseus’ Ausrüstung mit Reisehut, Helm, geflügelten Schuhen, Schild, Umhängetasche und Sichel und über deren Herkunft kursieren unterschiedliche Versionen. Vgl. mit Abweichungen Apollodoros 2,37–41; 46, (Meusel), S. 58f.; 60; Hyginus, De astronomia 2,12; Pausanias 3,17,3, (Goldhagen) 1, S. 399f. 137,5–11 Als nun Perseus Ç. . .È zu erwecken suchte] S. Banier 4, S. 329, dem zufolge M i n e r v a Ç. . .È von der Melodie, welche die Seufzer der G o r g o -

n e n und das Zischen ihrer Schlangen erregte, besonders gerührt wurde, und ich weiß nicht was vor eine Reizung in der Vermischung dieser traurigen Töne fand. Um die Vorstellung davon wieder zu erwecken, erfand sie eine Flöte, welche dieselben nachahmte, gab dieselbe den Menschen, und indem sie eine Anspielung auf das erste Muster derselben machte, nannte sie die verschiedenen Arten des Schalls, die man aus derselben hervorbrachte, e i n e H a r m o n i e v o n m e h r e r n K ö p f e n . Baniers Bemerkungen sind eine paraphrasierende Auslegung von Pindar, Pythische Oden 12, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 244–247. Zu den Gorgonen vgl. S. 57,12–13 und Erl. im vorliegenden Band. 137,13–14 Mit dem Neptun Ç. . .È entweiht] Nach Ovid, Metamorphosen 4,792–800 wird Medusa, zunächst eine berühmte Schönheit, von Poseidon im Athenetempel verführt; die Göttin bestraft Medusa, indem sie ihre Haare in Schlangen verwandelt. Vgl. Banier 4, S. 331.

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137,14–16 Demohngeachtet Ç. . .È Blute hervor] Vgl. S. 57,16–18 und Erl., ferner Ovid, Metamorphosen 4,785. S. Banier 4, S. 331. 137,17 P e r s e u s Ç. . .È B e l l e r o p h o n ] Dass Perseus auf Pegasos geritten sei, sagen die Quellen nicht. Bei Ovid, Metamorphosen 4,665–667 und Apollodoros 2,38–39, (Meusel), S. 58 ist der Heros mit Hilfe von Flügelschuhen unterwegs; nach Lukian, Meergöttergespräche 14 (Triton und die Nereiden; Sämtliche Werke 2, S. 106) hat ihm Athene Flügel verliehen. Von Pegasos spricht gleichwohl Banier 4, S. 355. Vermutlich liegt eine Verwechslung mit Bellerophon vor; zu ihm S. 141,24–26 und Erl. im vorliegenden Band. 137,18–22 Mit dem versteinernden Ç. . .È Japet führte] Ovid, Metamorphosen 4,617–662. 137,24–138,6 sahe Perseus Ç. . .È Perseus ihre Tochter] Für die Rettung der Andromeda mit anschließender Hochzeit vgl. die reich ausgemalte Darstellung von Ovid, Metamorphosen 4,663–764, der Moritz Details entnommen hat – z. B. die klagenden Eltern am Ufer und den Angriff auf das Ungeheuer im Sturzflug. Zum Ganzen mit einigen Varianten auch Apollodoros 2,43–44, (Meusel), S. 59f.; Hyginus, Fabulae 64; Lukian, Meergöttergespräche 14 (Triton und die Nereiden; Sämtliche Werke 2, S. 104–108). Ein Überblick über die Stoffüberlieferung bei Klimek-Winter 1993, S. 1–21. Der Andromeda-Mythos liefert die Vorlage für neuere literarische Bearbeitungen (vgl. z. B. 〈Johann Adam Braun〉, Andromeda und Perseus. Ein Duodrama, Halle 1780), begründet jedoch vor allem eine reiche ikonographische Tradition. Zum Motiv der Befreiung der Andromeda vgl. die Zusammenstellung bei Pigler 1974, 2, S. 21–26. 137,24 Phönizische Küste] Ovid, Metamorphosen 4,669 lokalisiert, wie z. B. auch Apollodoros 2,43, (Meusel), S. 59, die Handlung in Äthiopien. Ihn referieren Banier 4, S. 331; Seybold, Einleitung, S. 290; Hederich, Lexicon, Sp. 261. Hingegen begründet Banier 4, S. 356–362 unter Berufung auf Plinius, Naturalis historia 5,128 und weitere Quellen (Flavius Josephus, Strabon, Pomponius Mela), dass das Äthiopien des Andromeda-Mythos nicht südlich von Ägypten in Afrika zu finden sei; Schauplatz sei vielmehr Joppe, das moderne Jaffa, in Phönizien; vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 262; Damm, Einleitung, S. 144. Die Widersprüche zwischen den Quellen haben, folgt man Hederich, Lexicon, Sp. 263, ihren Grund in Ungenauigkeiten der antiken Geographie: Sie rühren daher, daß die Alten alles In-

dien und Aethiopien genennet, was jenseits des mittelländischen Meeres liegt. Zu den Lokalisierungsdifferenzen bei antiken Autoren Bömer 1976, S. 198f. 137,30–32 welche den Zorn Ç. . .È da stand] Ovid, Metamorphosen 4,670–671: Illic inmeritam maternae pendere linguae / Andromedan poe-

Stellenerläuterungen

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nas iniustus iusserat Ammon (Fink, S. 211: Hier sollte unschuldig für vermessene Reden der Mutter Andromeda nach Ammons hartem Spruch büßen). Vgl. Banier 4, S. 354. 137,33–138,4 K a s s i o p e j a Ç. . .È Mutter gebüßt hätte] Für den KassiopeiaMythos vgl. Apollodoros 2,43, (Meusel), S. 59; Banier 4, S. 354f.; Seybold, Einleitung, S. 290. – Zu Zeus Ammon und seinem Orakel vgl. S. 73,3–5 und Erl. 138,7–12 P h i n e u s aber Ç. . .È versteinerte] Ovid, Metamorphosen 5,1–235 (mit detaillierter Darstellung der Saalschlacht zwischen Perseus mit seiner Gefolgschaft und Phineus mit seinen Anhängern). Vgl. auch Apollodoros 2,44, (Meusel), S. 60; Banier 4, S. 355; Damm, Einleitung, S. 144f.; Seybold, Einleitung, S. 290. 138,13–17 Nach diesen Thaten Ç. . .È Argwohn büßen] Quellengrundlage sind vor allem Hyginus, Fabulae 64 (der als einziger Furcht als Handlungsmotiv des Polydektes ausmacht) und Apollodoros 2,45, (Meusel), S. 60 (der von Perseus’ Wiedersehen mit seiner Mutter [Danae] spricht). Vgl. daneben Ovid, Metamorphosen 5,242–249; Banier 4, S. 362; Damm, Einleitung, S. 145. 138,18–23 Da nun Perseus Ç. . .È königliche Würde] Ovid, Metamorphosen 5,236–241. Vgl. Damm, Einleitung, S. 146 (der auch Perseus’ Großmuth betont); Hederich, Lexicon, Sp. 2089. Der Verzicht auf Rache bezieht sich auf den Umstand, dass Akrisios, um dem geweissagten Tod durch Perseus’ Hand zu entgehen, zunächst seine Mutter Danae eingesperrt und dann Perseus zusammen mit ihr auf dem Meer ausgesetzt hatte; vgl. S. 136,10–17. 138,25 Allein der tragische Ç. . .È Hinterhalte] Das Zusammenspiel von Heldenlaufbahn und tragischem Ende ist ein leitender Gesichtspunkt von Moritz’ Ausführungen über die Heroen, deren Glanztaten auf einen ›dunklen‹ Hintergrund bezogen bleiben. Zu Herakles’ Ende S. 165,1–166,11, zu Jason S. 179,8–21, zu Bellerophontes S. 142,19–23, zu Theseus S. 193,28–194,31 jeweils mit den Erl. 138,29–33 Perseus, welcher wußte Ç. . .È darnieder sank] Paraphrase von Banier 4, S. 362f., dessen Darstellung auf Pausanias 2,16,3, (Goldhagen) 1, S. 249 fußt. Dass der Diskus Akrisios am Kopf trifft, geht auf Hyginus, Fabulae 63 zurück. Für Varianten vgl. die Hyginus-Stelle und Apollodoros 2,47, (Meusel), S. 60f. Auf letzteren stützt sich z. B. Hederich, Lexicon, Sp. 50. 139,1–8 Hierüber brachte Ç. . .È M y c e n e ] Vgl. Banier 4, S. 363 unter Berufung auf Pausanias 2,16,3, (Goldhagen) 1, S. 249. Beide berichten allerdings lediglich von Perseus’ Scham angesichts der Schande des Mords. Dass Perseus zwischenzeitlich in Tiryns geherrscht habe, sagt Apollodoros 2,48, (Meusel), S. 61, der auch für Varianten zu vergleichen ist. Die Spekulation über die Unruhe, die Perseus von Argos über Tiryns nach Mykene treibt, scheint Moritz’ Eigentum zu sein. Vgl. Sey-

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Götterlehre

bold, Einleitung, S. 293, dem zufolge das Motiv für den Wechsel von Tiryns nach Mykene unbekannt ist. Zur Schwermuth der Helden vgl. auch S. 142,19–23 und Erl. 139,5 Tyrinth] Dieselbe Namenform bei Banier 4, S. 362 (Tyrinthus); Seybold, Einleitung, S. 293. TiÂrynw (Tı´ryns) war eine Stadt in Argolis, deren Ruinen nicht weit von Argos und vom heutigen Nauplion liegen. Vgl. Art. Tiryns, in: KlP 5, Sp. 864–866. Zu Proitos als Herrscher von Tiryns vgl. Apollodoros 2,25, (Meusel), S. 54. 139,8 M y c e n e ] Mykene war eine Stadt in Argolis, deren bedeutendste Phasen im zweiten Jahrtausend v. Chr. lagen. Von Mykene zeugen archäologische Reste aus unterschiedlichen Epochen. Die Stadt ist Namengeberin der mykenischen Kultur mit ihrer Blüte in der späten Bronzezeit. Vgl. Art. Mykenai, in: DNP 8, Sp. 571f. sowie Art. Mykenische Kultur und Archäologie, ebd., Sp. 577–587. Für die Mythologie ist Mykene von Belang als Wohn- bzw. Herkunftsort der Pelopiden (Nachkommen des Pelops) bzw. Atriden (Nachkommen seines Sohns Atreus) und als Schauplatz von Erzählungen, die diesem Geschlecht gelten. Vgl. S. 233,17–238,14 mit den Erl. 139,9–13 Das Haupt der Medusa Ç. . .È Wesen, wurde] Zum Medusenhaupt als Athenes Schildzier vgl. Apollodoros 2,46, (Meusel), S. 60; Damm, Einleitung, S. 146, ferner S. 88,6–7; 89,4–5 und Erl. im vorliegenden Band. Zur z u r ü c k s c h r e c k e n d e n K ä l t e als Wesenzug der Athene s. S. 86,26–30. 139,14–17 P e r s e u s selber Ç. . .È Nahmen führen] Banier 4, S. 363. Für eine antike Quelle zur Verewigung von Kepheus, Kassiopeia, Andromeda und Perseus in Gestalt von Sternbildern vgl. Hyginus, De astronomia 2,9–12. Von den weiteren Beteiligten sind auch das Ungeheuer aus dem Meer (ebd. 2,31), das Gorgonenhaupt als Teil des Perseus-Sternbilds (ebd. 3,11) und Pegasos (ebd. 3,7 u. ö.) am Sternhimmel zu sehen. Vgl. Platania 2009, S. 103–121. 139,21–27 Unter den Kindern Ç. . .È dienen mußte] Zu Herakles’ Genealogie vgl. S. 142,32–143,3 sowie S. 143,16–23 jeweils mit den Erl. Zu Eurystheus s. S. 145,33–146,4. S. auch Apollodoros 2,53, (Meusel), S. 62. 139,28 Tempel und Altäre] Unter Verweis auf Pausanias 2,18,1, (Goldhagen) 1, S. 253 nennt Banier 4, S. 364 Verehrungsstätten in Argos, auf der Insel Seriphos und in Athen. 140,1–2 Alkmenens Sohn Ç. . .È erbaute] Zur Herakles-Verehrung bei den Griechen und darüber hinaus vgl. Banier 4, S. 657–659, im Übrigen Art. Herakles, in: KlP 2, Sp. 1052.

Stellenerläuterungen

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140,5–7 Die Heldenrolle Ç. . .È neuern Zeiten] Abgesehen von dem gesamten Erscheinungsbild der beiden Helden dürfte sich die Bemerkung auf den Umstand beziehen, dass Perseus großmüthig die Herrschaft des Akrisios wiederherstellt, der doch Danae und ihn auf dem Meer ausgesetzt hatte; vgl. S. 138,18–23 und Erl. An anderer Stelle verweist Moritz auf die handfestere Moral des Herakles, der Hesione gegen Lohn befreit, während der zärtlichere Perseus (S. 157,28–158,2) Andromeda ohne Bedingungen erlöst; vgl. Ovid, Metamorphosen 4,695–703; 757–758. 140,8–12 Abbildung des Perseus Ç. . .È R ü c k e n h a l t e n d ] Abb. 17. Im gebundenen Druck wegen fehlerhafter Kennzeichnung für den Buchbinder in der Regel vertauscht mit Abb 25. Winckelmann, Description, S. 339, Nr. III/127; Lippert, Dactyliothec 2, S. 5, Nr. 11 (Schublade 2/1): P e r s e u s fortschreitend, hält

in der Rechten das Schwerd vor sich nieder, mit der Linken aber den Kopf der Medusa auf dem Rücken, um durch ungefähres Anschauen nicht schädlich zu seyn. Nach Furtwängler 1896, Nr. 4233 eine Paste aus dem ersten Jh. vor oder nach Christus; vgl. Büttner 1983, S. 122, Anm. 36. 140,17–21 B e l l e r o p h o n Ç. . .È darstellt] Abb. 17. Im gebundenen Druck gemäß fehlerhafter Kennzeichung für den Buchbinder in der Regel vertauscht mit Abb. 25. Lippert, Dactyliothec 2, S. 9, Nr. 29 (Schublade 2/1). 140,23–25 P r ö t u s Ç. . .È getödtet ward] Vgl. S. 138,18–23 und Erl. 140,27–30 Bellerophon Ç. . .È sich ausbreitete] Vgl. S. 70,13–16 mit den Erl. Für die Genealogie bis zurück zu Aiolos vgl. auch Homer, Ilias 6,153–155, (Stolberg,) 1, S. 158. – Zu Sisyphos: Homer, Ilias 6,152–153, (Stolberg) 1, S. 158 zufolge lebt Sisyphos in Ephyra. Die Identifikation des Heros als Erbauer von Korinth und seine Aufnahme in korinthische Königslisten beruht auf der Gleichsetzung von Ephyra mit Korinth, die schon von antiken Autoren vorgenommen wird. Vgl. etwa Apollodoros 1,85, (Meusel), S. 27: S i s y p h u s , ein Sohn des Aeolus, bauete Ephyra, welches heut zu Tage Korinth genennt wird. Aus historischer Sicht gilt diese Gleichsetzung als zweifelhaft. Vgl. Lenschau, Art. Korinthos, in: RE, Supplementbd. 4, Sp. 1009. – In anderen Überlieferungen ist Sisyphos Nachfolger der Medea auf dem korinthischen Königsthron; vgl. Pausanias 2,3,11, (Goldhagen) 1, S. 209; Banier 4, S. 155; Damm, Einleitung, S. 179; Hederich, Lexicon, Sp. 2224. 140,31 Wegen einer Mordthat] Vgl. Apollodoros 2,30, (Meusel), S. 55; Hederich, Lexicon, Sp. 534. 141,1–142,12 Des Prötus Vermählte Ç. . .È Königreich mit ihm] Die älteste Fassung des Bellerophontes-Mythos ist überliefert in Homer, Ilias 6,145–211, (Stolberg) 1, S. 158–160. Moritz’ Erzählung entspricht weitgehend dieser Version,

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auch wenn er wahrscheinlich Baniers Paraphrase zugrunde gelegt hat. – Bei Apollodoros 2,30, (Meusel), S. 55 ist Proitos mit Stheneboia verheiratet. Vgl. Banier 4, S. 367; Hederich, Lexicon, Sp. 534; Seybold, Einleitung, S. 285–287. 141,5 mit schwarzem Trug] Dieser Ausdruck ist sonst im Zusammenhang mit dem Bellerophontes-Mythos nicht nachgewiesen; vgl. Homer, Ilias 6,163–164, (Stolberg) 1, S. 159; Apollodoros 2,30, (Meusel), S. 55; Banier 4, S. 367; Damm, Einleitung, S. 147; Seybold, Einleitung, S. 286. 141,7 Rechte der Gastfreundschaft] Die Motive, die Proitos veranlassen, einen Mord an Bellerophontes zu vermeiden, erläutert Homer nicht. Vgl. hingegen Banier 4, S. 367: Dieser Fürst Ç. . .È würde sogleich den Entschluß gefaßt ha-

ben, ihn umzubringen; allein da er sich nicht unterstand die geheiligten Rechte der Gastfreyheit zu verletzen: so begnügte er sich daran, daß er ihn zu seinem Schwiegervater Ç. . .È schickte. Zum Gastrecht auch S. 132,23–24; 189,6–13 mit den Erl. 141,13–14 scheute sich ebenfalls Ç. . .È zu verletzen] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 535. So hingegen weder bei Homer, Ilias 6,175–180, (Stolberg) 1, S. 159 noch bei Banier 4, S. 368. 141,18–21 Ungeheuern Ç. . .È Drachen] Zur indirekten Abstammung der Chimaira von Phorkys und Keto sowie zu ihrem Erscheinungsbild vgl. S. 57,4–28 mit den Erl. Die Formulierung, mit der Moritz dort die Chimaira beschreibt, ist mit der vorliegenden annähernd identisch. 141,24 Pegasus Ç. . .È ihm gewährten] Über Perseus’ angeblichen Ritt auf Pegasos vgl. Erl. zu S. 137,17. Zu Pegasos als Reittier des Bellerophontes vgl. Apollodoros 2,32, (Meusel), S. 56. Dass es Athene ist, die Bellerophon den Pegasos überlässt, berichtet Pausanias 2,4,1, (Goldhagen) 1, S. 209; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 535. In Homers Bellerophontes-Erzählung kommt Pegasos nicht vor. 141,25–26 Aus den Lüften Ç. . .È überwand] Apollodoros 2,32, (Meusel), S. 56: Mit diesem 〈Pegasos〉 flog er in die Höhe; und schoß von da aus die C h i m ä r a mit Pfeilen todt. Vgl. Damm, Einleitung, S. 148. 141,27–142,1 Es sind lauter Ç. . .È her zu schaffen] Die Deutung der Heroenerzählungen schließt an zeitgenössisches mythologisches Wissen an. Folgt man Banier 4, S. 374, so spielt die Erzählung zu einer (historischen) Zeit, da der H e -

r o i s m u s darinne bestund, daß man die Erde, welche fast überall mit Wäldern und wilden Thieren bedeckt war, reinigte. Doch gleichzeitig projiziert Moritz die Programmatik der Götterlehre auf die Heroenerzählung. Dazu greift er auf die Idee des Labyrinthischen zurück, die er schon in der Vorbemerkung hatte anklingen lassen; vgl. S. 6,4–6 und Erl. Im Assoziationskontext der vorliegen-

Stellenerläuterungen

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den Formulierungen liegen ferner Vorstellungen des Dunklen und Rätselhaften, auf die Moritz immer wieder zurückkommt (vgl. z. B. S. 13,24–26; 20,17–18 und Erl); hier sind sie bezogen auf die Auflösung eines eindeutigen Wirklichkeitsbegriffs. Umgekehrt steht Ordnung, Licht und Wahrheit einer Formulierung nahe, die Moritz 1792 in dem Aufsatz Einfachheit und Klarheit, in: Deutsche Monatsschrift 1792, 2. Bd., S. 34–37, hier: S. 34 wählt: So wie der gebildete Geist im

Denken Ordnung, Licht und Klarheit liebt, so muß auch in der Kunst das Wohlgeordnete, was leicht zu durchschauen und ohne Mühe zu umfassen ist, vor dem Verwickelten, Verwirrten, und Unbehülflichen nothwendig den Vorzug haben. Man mag in diesem Zusammenhang auch daran denken, dass Licht und Klarheit Signalbegriffe der aufklärerischen Erkenntnistheorie sind; vgl. Wolff, Deutsche Metaphysik, § 198–204, S. 110–113. Klar sind danach Gegenstände dann, wenn sie von anderen unterschieden werden können. Mit der Klarheit assoziiert Wolff die Lichtmetapher: Gleichwie wir aber sonst das L i c h t in der

Welt zu nennen pflegen, was die umstehenden Cörper sichtbar machet, daß wir sie nehmlich sehen und durch ihren Unterscheid von einander erkennen können; so nennen wir auch dasjenige in unserer Seele ein L i c h t , welches machet, daß unsere Gedancken klar sind und wir durch ihren U n t e r s c h e i d einen vor dem andern erkennen können, das ist, welches uns des U n t e r s c h e i d e s vergewissert (§ 203, S. 112f.). Moritz’ Überlegungen müssen jedoch im Sinn einer Metamorphose begriffen werden, bei der das Ältere – das Amorphe, dessen Beschaffenheit in Hinsicht auf Traum und Wahrheit, Wirklichkeit und Blendwerk unbestimmt ist –, unter dem Mantel des Jüngeren erhalten bleibt. Vgl. S. 142,13–23 mit den Erl. 142,1–3 Die Sphynx Ç. . .È selbst herab] Vgl. S. 227,14–228,10 und Erl. – Moritz benutzt an anderen Stellen die Namensform Sphinx, mit der er das gr. SfiÂgj korrekt transkribiert. 142,5–12 die tapfern Solymer Ç. . .È Königreich mit ihm] Homer, Ilias 6,184–193, (Stolberg) 1, S. 159f.; vgl. Apollodoros 2,32–33, (Meusel), S. 56; Hederich, Lexicon, Sp. 535. Solymer und Lykier sind Bewohner von Kleinasien; vgl. Art. Lykia, in: KlP 3, Sp. 809f.; Art. Solymoi, ebd. 5, Sp. 267. Zu den Amazonen vgl. vor allem Myth. Wb., S. 355,10–356,9 mit den Erl. im vorliegenden Band. 142,13–18 Als Bellerophon Ç. . .È Reiter abwarf] Die moralisierende Erzählung, die schon Banier 4, S. 379f. und Damm, Einleitung, S. 148f. als neuere Zutat identifizieren, ist nicht Gegenstand von Homers Darstellung. Sie fußt stattdessen auf einer Überlieferungskette, die über Hederich, Lexicon, Sp. 536 und Conti, Mythologiae, S. 630 zur mittelalterlichen bzw. spätantiken Kommentarliteratur (Jo-

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hannes Tzetzes, Stephanos von Byzanz) führt; vgl. die Quellenangaben bei Hederich, der Conti paraphrasiert. Danach wird Bellerophontes, etwa nach dem Muster des Ikaros (vgl. S. 186,7–11) oder des Phaethon (vgl. S. 247,7–27), mit dem Sturz vom Pferd für seinen Hochmut gestraft, um schließlich zu erblinden und zu verhungern. Der Fall vom Pferd – hier aus Angst vor der Tiefe – auch schon bei Hyginus, De astronomia 2,18. 142,19–23 Der, welcher vorher Ç. . .È Gram verzehrte] Die Darstellung von Bellerophons Ende als Geschichte einer Depression greift auf Elemente zurück, die bei Homer, Ilias 6,200–205, (Stolberg) 1, S. 160 angelegt sind – auch wenn das Epos weder von Bellerophontes’ Sturz noch von seinem Tod spricht: Aber da den

Olümpiern Bellerofontäs verhaßt ward, / Irret’ er einsam hin und her im Aläischen Lande; / Kummer nagte sein Herz, er mied die Pfade der Menschen. / Seinen Isandros hatte der unersättliche Aräs, / Als er mit den berühmten Solümern kriegte, getödtet; / Artemis, mit den goldenen Zügeln, tödtet die Tochter. Für die Mythenkunde des 18. Jhs. vgl. vor allem Damm, Einleitung, S. 149: Zuletzt wurde Bellerophon s c h w e r m ü t h i g , wie selbst der älteste Dichter erzählt. Er erlebte mancherley Unfälle in seinem Hause Ç. . .È. Er lebte daher auf einem abgelegenen Landhause, und ließ sich von keinen fremden sprechen. In der Gestalt, die die Erzählung in der Götterlehre annimmt, kehren in ihr psychische Befindlichkeiten wieder, wie sie Moritz’ Romanheld Anton Reiser kennt – Kummer, Schwermut, schwärzeste Melancholei, Einsamkeit; vgl. z. B. KMA 1, S. 231f. 142,24 Herkules] Zu Herakles, auf den schon die ältesten literarischen Überlieferungen – Homer und Hesiod – Bezug nehmen (vgl. Erl. zu S. 148,6), existiert keine geschlossene und kanonisierte Überlieferung. Die frühesten erhaltenen Überblicksdarstellungen sind diejenigen von Diodorus Siculus aus dem ersten vorchristlichen und von Apollodoros wohl aus dem ersten oder zweiten nachchristlichen Jh. Von den antiken Quellen unter Einschluss einer reichen Ikonographie her betrachtet präsentiert sich der Herakles-Mythos in fragmentierter Verfassung. Gleichzeitig ist die Herakles-Figur in der gesamten abendländischen Geschichte von mächtiger Präsenz. Speziell in Renaissance und Barock wurde Herakles zum Inbegriff von Macht und Herrschertugend stilisiert; vgl. Kray 1994, S. 38–50; Irle 1997. Unter dem Vorzeichen von kritisch operierender Vernunft, kulturanthropologischen Differenzierungen und psychologischen Interessen verliert dieser Heldentypus im Zeitalter der Aufklärung jedoch an Boden. Die Götterlehre verschweigt deshalb Spannungsverhältnisse und Brechungen nicht – den einem Stärkeren dienenden (S. 143,12–15 und Erl.), Verfehlungen begehenden

Stellenerläuterungen

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(S. 163,25–164,7), komischen (S. 164,10–15), bis zur Vernichtung tragisch leidenden und am Ende zu den Göttern erhobenen Helden (S. 165,1–166,11). Während vor allem der Dodekathlos (die zwölf Arbeiten) Herakles repetitiv und flächig als unüberwindlichen Tathelden zeigt, partizipiert der zugleich starke und schwache Herakles bis zu einem gewissen Grad an der Doppelbeleuchtung vieler Götterfiguren (Tod/Leben; Schönheit/Hässlichkeit; Ernst/Komik). 142,25–32 Der erste tragische Dichter Ç. . .È Erretter seyn] In Aischylos’ Tragödie Prometheus in Fesseln gelangt die fliehende Io zu dem an den Felsen geschmiedeten Protagonisten, der ihre Zukunft ebenso wie seine eigene Befreiung durch Ios Nachfahren Herakles vorhersagt (V. 700–876, [Schlosser], S. 94–115); dieser sei der dreyzehnte nach dir (Aischylos, Prometheus in Fesseln, 774, [Schlosser], S. 102). 142,32–143,3 Die d r e i z e h n Ç. . .È H e r k u l e s ] Die dreizehn Namen werden nicht in Aischylos’ Tragödie Prometheus in Fesseln aufgezählt, auf die sich Moritz in der Io-Erzählung bezieht. Sie lassen sich aber aus der verzweigten und detaillierten Darstellung von Ios Nachkommenschaft in Apollodoros 2,5–61, (Meusel), S. 48–65 extrahieren. In der zu Moritz’ Zeit vorliegenden Kommentarliteratur zu Aischylos ist die Generationenfolge bekannt; vgl. (mit einer Abweichung) Aeschyli Tragoediae Quae Supersunt Ac Deperditarum Fragmenta. Recensuit Christian. Godofr. Schütz, Halle 1799 (zuerst 1782), Kommentar, S. 136. – Moritz’ Serie ist insofern missverständlich, als Lynkeus nicht von Danaos abstammt, dem König von Argos, sondern einer der fünfzig Söhne von Danaos’ Bruder Aigyptos ist. Lynkeus heiratet Hypermnestra, eine der fünfzig Danaostöchter, mit der er Abas zeugt; vgl. S. 69,5–9 und 135,7–18 mit den Erl. 143,2 L y b i a ] Korrekt wäre L i b y a / L i b y e ; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1467; Apollodoros 2,10, (Meusel), S. 50. 143,4–5 Zwei der furchtbarsten Ç. . .È überwunden] Perseus hatte die Gorgone Medusa, Bellerophon hingegen die Chimaira besiegt. Vgl. S. 136,31–137,4 und 141,18–24 mit den Erl. Beide Ungeheuer sind Nachkommen von Phorkys und Keto; vgl. S. 57,12–28 mit den Erl. 143,12–15 Herrschen Ç. . .È vollführen] Hauptgesichtspunkt, dem Moritz das Herkules-Kapitel bis zum Ende der zwölf Arbeiten unterstellt. Aus Anlass der Begegnung mit Odysseus in der Unterwelt legt Homer in der Odyssee 11,620–622, (Voss), S. 227 Herakles eine Klage über das Dienstverhältnis zu einem Schwächeren in den Mund: Zeus des Kroniden Sohn war ich, und duldete

dennoch / Unaussprechliches Elend; dem weit geringeren Manne / Dient’ ich, und dieser gebot mir die fürchterlichsten Gefahren.

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Götterlehre

143,16 Elyktrio] Moritz verwendet, mit der Ausnahme von S. 139,23, eine falsche Namenform. Perseus’ und Andromedas Sohn heißt z. B. bei Apollodoros 2,49, (Meusel), S. 61 u. ö. ÆHlektryÂvn (Elektry´on). Vgl. auch Banier 4, S. 594; Hederich, Lexicon, Sp. 980f. 143,16–145,8 Elyktrio Ç. . .È mit ihr erzeugte] Vgl. Banier 4, S. 594–599; Apollodoros 2,49–61, (Meusel), S. 61–65. 143,30 Taphos] Antiker Name der Hauptinsel der Taphiai (der taphischen Inseln, heute Tilevoides), einer Inselgruppe, die zwischen Akarnanien im Westen Griechenlands und der Insel Leukas (heute Lefkada) liegt; vgl. Fiehn, Art. Taphiai, in: RE 4A/2, Sp. 2254. Man vermutet, dass Taphos das heutige Meganisi ist; vgl. Art. Taphiae, in: DNP 12/1, Sp. 17. 143,30–31 deren Bewohner Ç. . .È nannten] Bereits Homer kennt die Taphier als berühmte Seefahrer und Seeräuber (Odyssee 1,181; 15,427 [Voss], S. 16; 299; vgl. Fiehn, Art. Taphiai, in: RE 4A/2, Sp. 2254). Die Bewohner der Taphiai wurden später oft mit den Teleboai identifiziert (vgl. Art. Teleboai, in: DNP 12/1, Sp. 88). – Der Zusammenhang zwischen der weiten Entfernung und dem Namen Teleboer bleibt ohne Kenntnis des Gr. unverständlich. Die zugrunde liegende etymologische Erklärung – eine von zwei antiken Erklärungsvarianten (vgl. Fiehn, Art. Teleboai, in: RE 5A/1, Sp. 311) – findet man bei Apollodoros 2,50, (Meusel), S. 61: M e s t o r

und L y s i d i c e zeugten den P e l o p s und die H i p p o t h o e , die N e p t u n raubte, und mit ihr auf den Echinadischen Inseln den Ta p h i u s erzeugte, der Taphus erbauete, und die Nation Te l e b o e r nennte, weil er weit von seinem Vaterlande sich entfernt hatte. Der Übersetzer zitiert erklärend in der Fußnote aus dem Original: oÏti thloyÄ thÄw patriÂdow eÍbh. Ebenfalls ohne Erklärung bei Banier 4, S. 594. – Der vorliegende Fall ist nicht das einzige Beispiel für Etymologien in mythologischen Texten, die Moritz ohne weitere Erläuterung übernimmt. Vgl. S. 82,1–6 und Erl. 144,8 Lycimnus] Bei Apollodoros 2,52; 54 heißt dieser Sohn des Elektryon und der Phrygierin Mideia Likymnios, üblicherweise latinisiert zu Licymnius (Apollodoros, [Meusel], S. 62; Hederich, Lexicon, Sp. 1468) oder Licymnus (ebd., Sp. 980). Moritz wählt dieselbe Schreibweise wie Banier 4, S. 595. 144,9 Everes] Diese latinisierte Schreibweise z. B. auch bei Hederich, Lexicon, Sp. 1063. Die gr. Form ist EyÆhÂrhw (Eue´res). 145,2 Cephalonia] Auf die Identität des antiken Kephallenia mit dem modernen Kefalonia macht Damm, Einleitung, S. 265 aufmerksam. Kefalonia ist die »größte westgriech. Insel« (Art. Kephallenia, in: KlP 3, Sp. 187).

Stellenerläuterungen

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145,9–16 Unbeschadet Ç. . .È sich herabließ] Annähernd vollständig überliefert ist nur eine einzige antike Komödie, die den Amphitryon-Stoff zum Gegenstand hat, nämlich der Amphitruo von Titus Maccius Plautus (um 254–um 184 v. Chr.), in dessen Mittelpunkt das von Moritz genannte Verkleidungs- bzw. Verwandlungsmotiv steht. Der Stoff war darüber hinaus Gegenstand mehrerer nicht erhaltener gr. Komödien und Tragödien. Zur Stoffgeschichte vor Plautus vgl. Stärk 1982. Plautus’ Text ist Ausgangspunkt für die nachantike Komödienkarriere des Amphitryon-Stoffs seit der Renaissance, zu der u. a. Molie`res Amphitryon (1668), in deutscher Sprache die erst nach der Götterlehre erschienenen gleichnamigen Lustspiele von Johann Daniel Falk (1804) und Heinrich von Kleist (1807) gehören. – Das Zusammenspiel des Erhabenen mit dem Komischen in der gr. Mythologie, für das der Amphitryon-Stoff Moritz zufolge ein Beispiel abgibt, hatte Moritz vor allem am Hephaistos-Mythos erläutert. Vgl. S. 100,16–102,9 mit den Erl. – Banier 4, S. 597–601 sucht die Überlieferungen, die sich auf Herakles’ Erzeugung und seine Geburt beziehen, des Wunderbaren zu entkleiden und auf ›wahre‹ Ereignisse zurückzuführen. Auch nach Damm, Einleitung, S. 266 ist die Sache eine Erdichtung der Poeten und Schmeichler. 145,17–18 Dem Amphitryo Ç. . .È zu erkennen] In Plautus’ Amphitruo zeigt sich am Schluss Jupiter auf dem Dach des Palasts, um die Verwechslungen aufzulösen und die eigene Erzeugerrolle bekanntzumachen (V. 1131–1143). Bei Apollodoros 2,61, (Meusel), S. 65, von dem sich Plautus auch in anderen Punkten unterscheidet, ist es hingegen der Seher Teiresias, von dem Amphitryon erfährt, dass Zeus Alkmene beigewohnt hat. Plautus spielt auf die Teiresias-Variante an, um sie gleichzeitig durch die eigene zu ersetzen (V. 1128–1129; 1140). 145,23–32 An dem Tage Ç. . .È herrschen soll] Für die Götterintrige um das Erstgeburtsrecht von Eurystheus bzw. Herakles s. Homer, Ilias 19,95–133, (Stolberg) 2, S. 184–186. Die Erzählung ist Teil einer Rede, in der Agamemnon die Kränkung, die er zu Beginn des Epos dem Achilleus zugefügt hatte (S. 241,8–27 im vorliegenden Band), dem unheilvollen Wirken von Zeus’ Tochter Ate zuschreibt, einer Verkörperung der Verblendung (Art. Ate, in: KlP 1, Sp. 673f.). Auf diesen Zusammenhang bezieht sich Moritz’ verallgemeinernde Formulierung, der zufolge Streitende die Ate für den Beginn ihrer Auseinandersetzung verantwortlich machten (S. 146,17–18). Für den Wortwechsel zwischen Zeus und Hera s. Homer, Ilias 19,95–111, (Stolberg 2, S. 184f.): Siehe, sie 〈Ate〉 hat sogar Kronion geschadet,

wiewohl er / Ueber Götter ist erhaben und Menschen; denn ihn hat / Härä die weibliche Gottheit sogar durch Ränke betrogen, / Jenes Tages, an welchem Alkmänä den starken Härakläs / In der schönummauerten Thä-

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bä sollte gebähren; / Denn er hatte stolz zu allen Göttern gesprochen: / Höret mich, ihr Götter, und hört, ihr Göttinnen alle, / Daß ich sage, was mir mein Herz zu sagen gebietet. / Heute bringet ans Licht die begünstende Eileithüia / Einen Knaben, der wird die benachbarten Völker beherrschen, / Deren Menschen einer, die stammen aus meinem Blute. / Listensinnend antwortete ihm die erhabne Härä: / Zeus, du redest nicht wahr, und wirst nicht solches erfüllen! / Oder wohlan, Olümpier, schwöre mir starken Eidschwur, / Daß da die benachbarten Völker werde beherrschen, / Welches Knäblein heute dem Schoosse der Mutter entstürzet, / Deren Menschen einer, die stammen aus deinem Blute. Vgl. Banier 4, S. 602f.; Damm, Einleitung, S. 267f. 146,5–15 Nun ist schon Ç. . .È zurückkehren solle] Homer, Ilias 19,121–131, (Stolberg) 2, S. 185f.: Vater Zeus, schnellblizender, höre, was ich dir sage! /

Eben ward der Argeier tapfrer Beherrscher gebohren, / Eurüstheus, des Sthenelos Sohn, des Sohnes von Perseus, / Deines Blutes, und wehrt, daß er die Argeier beherrsche. / Also sprach sie; Gram erfüllt’ ihm die Tiefe des Herzens, / Alsbald faßt’ er die Atä bey den glänzenden Locken, / Zürnend in seinem Herzen, und schwur mit feyrlichem Eide, / Daß den Olümpos nicht und nicht den sternichten Himmel / Wieder Atä sollte besteigen, die jeglichem schadet. / Sprachs, und schleuderte sie vom sternichten Himmel herunter / Mit geschwungner Hand; sie erreichte die Wohnung der Menschen. 146,15–17 seitdem Ç. . .È Zwietracht aus] Homer, Ilias 19,90–94, (Stolberg) 2, S. 184: Es thut ja alles die Göttin / Atä, Kronions furchtbare Tochter, die jeglichen kränket. / Leichtes Fußes geht sie einher, und berührt nicht den Boden, / Sondern sie wandelt auf den Häuptern der Menschen, und trachtet / Schadend hie und da zu bestricken der Sterblichen einen. 146,26–29 da noch ein hohler Ç. . .È erdrückte] In der von Moritz gewählten Version – Herakles liegt mit Iphikles in einem Schild, den Amphitryon im Kampf gegen Pterelaos erbeutet hat und der zur Wiege umfunktioniert ist, als die von Hera ausgesandten Schlangen sich nähern – geht die Episode auf Theokrits in Hexametern verfassten Herkuliskos (Der kleine Herkules) zurück (Theokrit 24, Idyllen [Kütner], S. 124–127). Vgl. im Anschluss an Theokrit auch Hederich, Lexicon, Sp. 1239; Lippert, Dactyliothec 1, S. 210f., Nr. 567. – Der Herkuliskos fußt vermutlich auf Pindar, Nemeische Oden 1,33–54, (Damm) 3, S. 10f. (vgl. Brillante 1992, S. 205), wo jedoch vom Schild des Amphitryon ebenso wenig die Rede ist wie später bei Apollodoros 2,62, (Meusel), S. 65. – Für eine bildliche Darstel-

Stellenerläuterungen

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lung, die Moritz gesehen haben kann, vgl. 〈Anonym〉, Antichita` d’Ercolano 1, Tavola 7 mit den Erklärungen S. 33–35. 146,30–35 Nun legte Jupiter Ç. . .È wandeln] Die Milchstraßen-Erzählung geht zurück auf Hyginus, De astronomia 2,43. Hyginus, der sich seinerseits auf ein verlorenes Werk des alexandrinischen Gelehrten Eratosthenes beruft, zählt die vorliegende unter einer Reihe von Varianten auf. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1239. – Hygin berichtet nicht, das Zeus seinen Sohn zu Hera gebracht habe; vgl. aber Seeger 1, S. 656. Dieser Zug ist, etwa in Tintorettos Entstehung der Milchstraße (1575), in der Neuzeit aber auch ikonographisch bezeugt; vgl. Pigler 1974, 2, S. 182. 147,7 Auf Jupiters Befehl] Eine Quelle für die von Zeus veranlasste Übergabe des Herakles durch Hermes ist nicht ermittelt. 147,9–14 Lehrern und Erziehern Ç. . .È seine Lehrer] Klassische Fundstellen für die Aufzählung von Herakles’ Erziehern sind Theokrit 24, (Idyllen [Kütner]), S. 129f., und Apollodoros 2,63, (Meusel), S. 65. Bei Theokrit lehren Linos (Sohn des Apoll) die Künste der Musen, Eumolpos Gesang und Zitherspiel, Harpalykos (Sohn des Hermes) das Ringen und den Faustkampf. Nach Apollodoros wird Herakles in folgenden Künsten und von den folgenden Lehrern unterrichtet: Wagenlenken (Amphitryon), Ringen (Autolykos), Bogenschießen (Eurytos), Waffenkampf (Kastor), Gesang zur Zither (Linos, ein Bruder des Orpheus). Für Chiron als Herakles’ Lehrer u. a. in der Medizin vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 707; 1241; Seeger 1, S. 656. Quellenangaben bei Escher, Art. Chiron, in: RE 3, Sp. 2305. Diodorus Siculus’ (3,67,2, [Stroth] 1, S. 432) und Apollodoros’ in neuzeitlichen Mythologien vielfach wiedergegebene Erzählung, der zufolge Herakles seinen Kitharalehrer Linos mit der Kithara erschlägt, ist berücksichtigt in Anthusa, KMA 4/1, S. 120,25–29 und Erl., nicht jedoch in der Götterlehre. Auch der Umstand, dass Herakles’ Pfeile ohne Absicht Chirons Tod verursachen (vgl. z. B. Ovid, Fasti 5,397–414), ist in der Götterlehre nicht erwähnt. 147,15–25 Da nun Herkules Ç. . .È mit sicherm Schritte] Die Parabel von Herakles am Scheideweg ist überliefert in Xenophon, Sokratische Denkwürdigkeiten 2,1,21–34, (Heinze), S. 98–110. Moritz erwähnt die Sokratischen Denkwürdigkeiten mehrfach in seiner Zeitschrift Denkwürdigkeiten (KMA 11, S. 39,11–12; 93,16), deren Titel möglicherweise auf Xenophons Schrift anspielt (KMA 11, Erl. zu S. 3,1). – Im Rahmen eines Gesprächs des Sokrates mit dem Aristipp über die Wollust und Enthaltsamkeit (Xenophon, Sokratische Denkwürdigkeiten, [Heinze], S. 83) legt Xenophon die Erzählung dem Sokrates in den Mund (ebd., S. 99–110). Letzterer schreibt sie dem Sophisten Prodikos von Keos (470/460 – nach 399 v. Chr.) zu, in dessen nicht überlieferten ÎVrai (Ho´rai,

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Die Stunden; vgl. Art. Prodikos, in: DNP 10, Sp. 371) sie enthalten gewesen sei. – Xenophon beschränkt sich darauf, die Allegorien von Tugend und Laster auftreten und ihr Programm vorstellen zu lassen. Der Sieg der Tugend wird eher stillschweigend vorausgesetzt. Die Scheideweg-Parabel, die in moraldidaktischer Absicht dem Herakles-Mythos eine allegorische Wendung gibt, brachte es zu hoher Präsenz in Literatur, Oper und bildender Kunst der Neuzeit (Habel 1971, S. 269f.), für deren Herakles-Vorstellungen sie eine Schlüsselstellung besetzt. – Vgl. Seeger 1, S. 657. 147,28–30 Die Eifersucht Ç. . .È Mycene schickte] Vgl. Seeger 1, S. 658. Danach ist es die von Hera angefachte Furcht um Iphikles, die Amphitryon veranlasst, Herakles nach Mykene zu senden. 148,1–5 Als nun Herkules Ç. . .È Unsterblichkeit bestimmt] Vgl. Apollodoros 2,72–73, (Meusel), S. 68; Diodorus Siculus 4,10,7, (Stroth) 2, S. 21, wo der Besuch in Delphi jedoch anders als bei Moritz eingebettet ist. S. ferner Hederich, Lexicon, Sp. 1243. 148,6 zwölf Arbeiten] Die Serie der zwölf Arbeiten hat ihre eigene Kanonisierungsgeschichte. Einzelne Taten sind schon früh erwähnt, so Kerberos bei Homer, Ilias 8,362–369, (Stolberg) 1, S. 208f.; Odyssee 11,623–626, (Voss), S. 228; die Rinder des Geryon, die Lernäische Hydra und der Nemeische Löwe bei Hesiod, Theogonie, 287–294; 313–318; 327–332, (Voss), S. 100f.; 103; 104. Hingegen ist die komplette Reihe erstmals in Gestalt der in Resten erhaltenen und im Muse´e du Louvre in Paris aufbewahrten Metopenreliefs des Zeustempels in Olympia (um 456 v. Chr.) nachweisbar, von denen Pausanias eine Beschreibung liefert. Vgl. Pausanias 5,10,9, (Goldhagen) 1, S. 601; für Abbildungen s. LIMC 5/2, S. 10f.; Rekonstruktionszeichnungen ebd. 5,1, S. 8. – Stabilisiert hat sich die Zahl zwölf wohl im dritten vorchristlichen Jh. Vgl. Theokrit 24,82–83, (Idyllen [Kütner]), S. 128; Apollonios, Argonautika 1,1317–1318, (Bodmer), S. 50. Die Reihe der Arbeiten selbst ist hingegen erst seit Diodorus Siculus im ersten Jh. v. Chr. mehr oder weniger fixiert. Doch auch danach standen Anzahl und Anordnung nicht unverrückbar fest; s. Stafford 2012, S. 24–30; Art. Herakles, in: DNP 5, Sp. 388. Für einen Konspekt der wichtigsten Varianten vgl. Gruppe, Art. Herakles, in: RE, Supplementbd. 3, Sp. 1021f. – Philologen des 18. Jhs. waren sich über die Geschichtlichkeit des Dodekathlos im Klaren; vgl. z. B. Spence, Von der Übereinstimmung 2, S. 17–19 sowie Hederich, Lexicon, Sp. 1244f., der neben unterschiedlich organisierten Zwölferkatalogen Varianten mit acht, zehn und achtzehn Taten nennt. – Moritz’ Darstellung orientiert sich an der Serie, die der spätrömische Dichter Decimus Magnus Ausonius nach einer gr. Vorlage in Versform zusammenstellt (Ausonius, Eklogen

Stellenerläuterungen

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24: Monosticha de aerumnis Herculis) und auf die sich z. B. Banier 4, S. 606, Fußnote 580, Pomey, S. 247 und Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, S. 219 (dort auch zahlreiche weitere Varianten) beziehen. Seeger 1, S. 658–689 organisiert seine Darstellung der zwölf Taten nach dieser Serie. 148,7 Nemäische Löwe] Der Nemeische Löwe ist eines der Ungeheuer, die Hesiod zur weiteren Nachkommenschaft von Phorkys und Keto zählt; s. S. 57,22–58,2 und Erl. im vorliegenden Band. Zum Kampf mit dem Löwen vgl. Apollodoros 2,74–76, (Meusel), S. 68f., der weitere Details aufzuweisen hat; Diodorus Siculus 4,11,3–4, (Stroth) 2, S. 22f.; Hederich, Lexicon, Sp. 1699–1701. 148,19–22 diese wurde Ç. . .È Heldenmuths] Zur Herakles-Ikonographie Hederich, Lexicon, Sp. 1254–1256; Damm, Einleitung, S. 270. Die Episode, der zufolge der Heros sich die Keule von einem wilden Ölbaum geschnitten habe, entstammt Pausanias 2,31,10, (Goldhagen) 1, S. 305. 148,23–26 der verzagte Ç. . .È abzulegen] Apollodoros 2,76, (Meusel), S. 69; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1093. 149,2 Lerna bei Argos] Argos ist eine Stadt im Nordosten der Peloponnes, Lerna ein ca. sieben Kilometer südlich davon gelegener Ort, dessen heiliger Hain verschiedene Heiligtümer beherbergte. Vgl. Art. Argos II, 1, in: KlP 1, Sp. 541f.; Art. Lerna, ebd. 3, Sp. 583. 149,3–4 deren in der Stammtafel Ç. . .È gedacht ist] Die Lernäische Hydra gehört Hesiod zufolge zur weiteren Nachkommenschaft von Phorkys und Keto; s. S. 57,22–58,2 und Erl. Moritz’ Erzählung steht im Endeffekt vor allem Apollodoros 2,77–80, (Meusel), S. 69f. nahe, der weitere Details kennt. Vgl. auch die knappere Darstellung von Diodorus Siculus 4,11,5–6, (Stroth) 2, S. 23. – Hederich, Lexicon, Sp. 1454–1457; Banier 4, S. 610–613 mit rationalisierenden Erklärungen; Seeger 1, S. 660f. 149,9 vielköpfigten Hydra] Über die Anzahl der Köpfe gehen die Angaben in der antiken Literatur weit auseinander. Giraldi, Herculis Vita, in: Historia, Sp. 575, Conti, Mythologiae, S. 449, Hederich, Lexicon, Sp. 1455 und Banier 4, S. 612 referieren mehrere Varianten (fünf, sieben, acht, neun, fünfzig, neunzig und hundert Köpfe). 149,10–11 sichelförmigen Schwerdt] In Euripides, Ion, 190–192, (Werke, [Bothe]) 2, S. 184 beschreibt der Chor folgendermaßen Malereien in einem Säulengang des Apollon-Tempels von Delphi: Blick her! Dies betrachte: / Lernäischer Hyder obsiegt / Mit dem Goldschwert endlich des Zeus Kind. Neben der Erzählung vom Kampf mittels der Keule (vgl. Apollodoros 2,79, [Meusel], S. 70) war auch die Tötung der Hydra mit einer goldenen Sichel zu Moritz’ Zeit

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bekannt. Vgl. Banier 4, S. 610f.; Hederich, Lexicon, Sp. 1454f., der beide Varianten referiert. 149,11 wuchs aus dem Blut ein neuer wieder] Nach Apollodoros 2,79, (Meusel), S. 70, Diodorus Siculus 4,11,5, (Stroth) 2, S. 23 und Ovid, Metamorphosen 9,71–72 wachsen jeweils zwei neue Köpfe nach. 149,17–19 Nun aber erschwerte Ç. . .È zwang] Dass es Hera gewesen sei, die den auch von Apollodoros 2,79, (Meusel), S. 70 erwähnten Seekrebs geschickt habe, berichtet Hyginus, De astronomia 2,23; Banier 4, S. 613. 149,23–26 Zum Lohn Ç. . .È bringen sollten] Bei Apollodoros 2,80 (nicht genau übersetzt bei Meusel, S. 70) und Diodorus Siculus 4,11,6, (Stroth) 2, S. 23 taucht Herakles die Pfeile in die Galle der Schlange. Er stirbt, weil er ein Untergewand anlegt, das mit dem Blut des Kentauren Nessos getränkt ist. Nessos’ Blut wiederum ist durch den Pfeil vergiftet, mit dem Herakles den Kentauren bei dem Versuch niedergestreckt hat, Deianeira zu vergewaltigen. Vgl. S. 163,15–24; Ovid, Metamorphosen 9,158. Den Zusammenhang erklärt Hederich, Lexicon, Sp. 1456. 149,31–32 Alte und neuere Dichter Ç. . .È stets genützt] Ob Moritz bestimmte Erwähnungen des Hydra-Abenteuers meint, ist nicht ermittelt. In der Antike findet sich die Schlange außer an den genannten Stellen z. B. bei Euripides, Der rasende Herakles, 419–424, (Werke [Bothe]) 3, S. 317; Vergil, Aeneis 8,299–300. Für die Frühe Neuzeit mag es genügen, auf die emblematische Verwendung des Motivs zu verweisen; vgl. Henkel/Schöne 1996, Sp. 1646–1648. Moritz scheint gewusst zu haben, dass die Hydra in der Literatur der Frühen Neuzeit für das unkontrollierbare Volk einstehen kann; s. etwa Shakespeares Formel vom beast / with many heads (William Shakespeare: Coriolanus 4,1, in: The Complete Works. Second Edition, hrsg. v. Stanley Wells, Gary Taylor, John Jowett, William Montgomery, Oxford 2005, S. 1110). Vgl. DS, S. 219: bei dem Worte S c h w i e r i g k e i t e n

können Sie sich eine vielköpfigte Hydra, ein vor Wuth rasendes Volk, ein tobendes Meer, und tausend andre Dinge vorstellen, die alle s c h w e r zu überwinden sind. 150,1 Erymanthische Eber] Vgl. Diodorus Siculus 4,12,1–2, (Stroth) 2, S. 24; Apollodoros 2,83–87, (Meusel), S. 71f.; Banier 4, S. 613f.; Hederich, Lexicon, Sp. 1043f. mit rationalisierenden Auflösungen des Mythos. 150,2 Erymanthischen Gebürge] Der Erymanthos ist ein im Nordwesten der Peloponnes gelegener Gebirgsstock. Pausanias 8,24,3, (Goldhagen) 2, S. 272f. erwähnt auch den gleichnamigen Fluss. Vgl. Art. Erymanthos, in: KlP 2, Sp. 365.

Stellenerläuterungen

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150,7–8 der vor Schrecken Ç. . .È verkroch] Vgl. Diodorus Siculus 4,12,2, (Stroth) 2, S. 24; Giraldi, Herculis Vita, in: Historia, Sp. 576; Banier 4, S. 614 und Fußnote 593; Hederich, Lexicon, Sp. 1044. Hingegen ordnet Apollodoros 2,76, (Meusel), S. 69 den Bericht über Eurystheus und sein Fass dem Kampf mit dem Nemeischen Löwen zu. Insofern Moritz – anders als Apollodoros und Diodorus Siculus – bei zwei Gelegenheiten über die Furcht des Eurystheus berichtet (vgl. S. 148,23–26 und Erl.), kontaminiert er beide Überlieferungen. 150,9–10 In dieser lächerlichen Ç. . .È abgebildet] Das Motiv (Herakles mit dem Wildschwein, Eurystheus mit erhobenen Händen im Fass) wurde in der Antike wiederholt dargestellt. Vgl. 〈Anonym〉, Antichita` d’Ercolano 3, S. 247; Wassiliki Felten, Art. Herakles, in: LIMC 5/1, S. 45–47; Shirley J. Schwarz, Art. Hercle, ebd., S. 221, jeweils mit den Abbildungen. Als Gemme kommt das in Dolce 1, S. 66, Nr. 75 beschriebene Stück in Frage (freundlicher Hinweis von Jörg Lang): Questo

Intaglio antico i n S a r d o n i c a sunto in Pasta rappresenta Ercole, quale sovra le spalle porta esso Cignale, ed Euristeo, quale si nasconde entro al vaso. 150,13 Interesse] In den Vorlesungen über den Styl widmet Moritz dem Begriff des Interesses ein eigenes Kapitel. Danach bezeichnet der Begriff ein Identifikationsverhältnis – eine so nahe Te i l n e h m u n g an etwas, daß man dar-

über gewissermaßen sich selbst v e r g i ß t , und sich in den Gegenstand selbst v e r w e b t fühlt (VS 1, S. 178f.; KMA 3). Vgl. auch Sulzer, Theorie 2, S. 691: Wir nennen eine Situation in dem epischen oder dramatischen Gedicht interessant, Ç. . .È in so fern es eine Angelegenheit für uns selbst wird, daß die Sachen, nach der Lage, darin wir sie sehen, einen gewissen Ausgang nehmen. Zum selben Konzept DW, KMA 11, S. 132,2–3 und Erl. Folgt man der Subskriptionseinladung, die Moritz selbst verfasst hat, so ist die Götterlehre insgesamt dazu bestimmt, an das Interesse der Leser zu appellieren: Wenn das Studium der Mythologie nützlich werden soll; so muß es erst an und für sich interessant gemacht werden. Das wird es aber nicht durch blos historische Bearbeitung, welche bisher in allen mythologischen Lehrbüchern geherrscht hat (S. 3,3–6 im vorliegenden Band). 150,18 Hirsch der Diana] Zum Kerynitischen Hirsch – nach einigen Quellen eine Hindin – Diodorus Siculus 4,13,1, (Stroth) 2, S. 26f.; Hyginus, Fabulae 30; Apollodoros 2,81–82, (Meusel), S. 70f.; Hederich, Lexicon, Sp. 685f.; Seeger, S. 663f. – Abweichend vom Hauptstrom der Überlieferungen ordnet Euripides, Der rasende Herakles, 375–378, (Werke, [Bothe]) 3, S. 314 auch die Hindin den Schaden bringenden Fabelwesen zu.

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Götterlehre

150,19–20 Geschwindigkeit und Behendigkeit] Zur Schnelligkeit des Hirschs Diodorus Siculus 4,13,1, (Stroth) 2, S. 26f. Banier 4, S. 614 deutet die ehernen Füße des Hirschs als Bild der Schnelligkeit. 150,21 Mänelus] Korrekt Maenalus (gr. Mainalos); vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 685. Der Mainalos oder Mainalon ist ein Gebirge in Arkadien; s. Ernst Meyer, Art. Mainalon(-os), in: RE 14/1, Sp. 576f. 150,27–28 in einem Dickicht] Die Umstände des Einfangens werden in den Quellen auf unterschiedliche Weise erzählt. Vgl. z. B. Diodorus Siculus 4,13, (Stroth) 2, S. 27: Einige sagen, er habe ihn in Netzen gefangen, andre, er sey

seiner Spur gefolgt, und habe ihn im Schlafe erhascht; noch andre, er habe ihn durch unaufhörliches Jagen ermüdet. Moritz orientiert sich vermutlich an Seeger 1, S. 664: Der Hirsch entfernte sich vom Wasser, strich an einigen Bäumen vorbey, und da er wirklich ins Dickicht gehen wollte, fieng ihn Hercules, der im Dickicht tief verborgen lag. 151,1 Stymphaliden] Zur Stymphaliden-Arbeit Apollodoros 2,92–93, (Meusel), S. 73f.; Diodorus Siculus 4,13,2, (Stroth) 2, S. 27 (dessen rationalisierender Deutung zufolge eine Vogelplage Gegenstand des Mythos ist); Banier 4, S. 608–610; Hederich, Lexicon, Sp. 2267–2269. 151,2–3 Stymphalischen See in Arkadien] Die Stadt Stymphalos in Arkadien (vgl. Art. Stymphalos, in: KlP 5, Sp. 401f.) wird schon von Homer, Ilias 2,608, (Stolberg) 1, S. 59 erwähnt. Zur Lokalisierung ferner Apollodoros 2,92, (Meusel), S. 73f.; Pausanias 8,22, (Goldhagen) 2, S. 265–268. Letzterer beschreibt Stadt und See Stymphalos und referiert die Erzählung von den Stymphaliden als eine der zugehörigen Lokalsagen. 151,4–6 eherne Klauen Ç. . .È durchbohren konnten] Vgl. Conti, Mythologiae, S. 450; Giraldi, Herculis vita, in: Historia, Sp. 576. Banier 4, S. 609 und Hederich, Lexicon, Sp. 2268 berufen sich jeweils auf Contis Verweis auf den nur fragmentarisch überlieferten Timagetos. – Zu denken ist auch an Vergils Beschreibung der Harpyien (Aeneis 3,214–218). Vgl. ferner Pausanias 8,22,5, (Goldhagen) 2, S. 267, der über Stymphaliden aus Arabien berichtet: Diese Vögel durchbohren was

eisern und ehern ist. 151,6 Spießen] Von Spießen spricht Banier 4, S. 609. Üblicherweise wird berichtet, dass die Vögel ihre Federn wie Pfeile verschießen. Vgl. Hyginus, Fabulae 20 (im Rahmen einer Passage, die sich auf den Besuch der Argonauten bei den Stymphaliden bezieht); 30; Giraldi, Herculis vita, in: Historia, Sp. 576; Hederich, Lexicon, Sp. 2268 mit weiteren Quellen.

Stellenerläuterungen

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151,11 Pauke] Einzige ermittelte Belegstelle für Pauke ist Banier 4, S. 608, dem zufolge Herakles eine Art eherner Paucken Ç. . .È erfand, welche ihm M i n e r v a sollte gegeben haben. Gemeint ist wohl die eherne Klapper, die Herakles nach Apollodoros 2,93, (Meusel), S. 74 von Athene bekommt. Ihm folgt Hederich, Lexicon, Sp. 2268. Bei Diodorus Siculus 4,13,2, (Stroth) 2, S. 27 ist die Klapper von Herakles selbst angefertigt. 151,13 seinen Bogen Ç. . .È erschoß] Vgl. Apollodoros 2,93, (Meusel), S. 74; Hyginus, Fabulae 30; Hederich, Lexicon, Sp. 2268f. Bei Diodorus Siculus 4,13,2, (Stroth) 2, S. 27 vertreibt Herakles die Vögel. 151,18 Wehrgehenk der Königin der Amazonen] Zur Amazonen-Arbeit vgl. die jeweils detailreicheren Erzählungen von Apollodoros 2,98–105, (Meusel), S. 75–78 und Diodorus Siculus 4,16, (Stroth) 2, S. 32f.; Banier 4, S. 637; Hederich, Lexicon, Sp. 1279f.; Seeger 1, S. 666–669. – Als Eigentümerin des Wehrgehenks nennen die Quellen Hippolyte. Hyginus, Fabulae 30 zufolge ist Hippolyte Tochter der Amazone Otrera und des Ares (vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1834). Apollodoros und Hyginus kennen sie überdies als Königin. Diodorus Siculus 4,16,3, (Stroth) 2, S. 33 bezeichnet hingegen Melanippe als Heerführerinn (beziehungsweise, bei Hederich, Königin). Hederich Lexicon, Sp. 1279f., referiert beide Versionen. S. 192,16–18 im vorliegenden Band ist es die Amazonenkönigin Antiope (wie bei Hyginus), die von Herakles (wie auch bei Diodor) gefangen genommen und dem Theseus als Geschenk überlassen wird. Zu den Divergenzen auch Hederich, Lexicon, Sp. 292f. 151,19 Bellerophon Ç. . .È Amazonen] Vgl. S. 142,6. 151,20–21 Eurystheus Ç. . .È aufzutragen] Apollodoros 2,99, (Meusel), S. 75f., motiviert die Unternehmung mit dem Wunsch der Admete, Tochter des Eurystheus, den Gurt zu besitzen. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1279; Seeger 1, S. 666. 151,21–24 Amazonen Ç. . .È eingewebt] Zum zeitgenössischen Wissen über die Amazonen ausführlicher Banier 4, S. 637–639; Hederich, Lexicon, Sp. 203–210. Vgl. ferner Myth. Wb., S. 355,10–356,9 mit den Erl. im vorliegenden Band. – Für eine Zusammenstellung literarischer Quellen zu den Amazonen, darunter Homer, Ilias 3,188–189; 6,186, (Stolberg) 1, S. 80; 160; Aischylos, Prometheus in Fesseln, 721–725, (Schlosser), S. 97; Euripides, Der rasende Herakles, 408–418 (Werke [Bothe]) 3, S. 317; Vergil, Aeneis 11,659–660 vgl. Pierre Devambez, Art. Amazones, in: LIMC 1/1, S. 568. 151,26–27 Marmorsärgen Ç. . .È Amazonenschlachten] Vgl. RDI 2, S. 117f. (KMA 5/2) – vgl. auch VTO, S. 101 (KMA 3) –, wo Moritz die Reliefdarstellung einer Amazonenschlacht auf einem Sarkophag im Kapitolinischen Museum in Rom

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erwähnt. Das Relief entspricht vermutlich Bottari, Museo Capitolino 4, Tafel 23 mit den Erl. S. 111–120. S. auch Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 4/1, Tafeln 71 und 72 mit den Erl. S. 115f.; ferner Sichtermann/Koch 1975, S. 22f. mit den zugehörigen Abbildungen. Ein weiteres Sarkophagrelief (Tod der Penthesileia) in Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 412, Nr. 139 (dazu Kommentarbd., S. 546). Für einen anderen Amazonensarkophag vgl. auch ebd., Textbd., S. 408, Nr. 137 (dazu Kommentarbd., S. 543). 151,30–31 Vom Kriegsgott Ç. . .È Wehrgehenk] Vgl. Apollodoros 2,98, (Meusel), S. 75. 152,3 Theseus Ç. . .È auf diesem Zuge] Vgl. S. 192,16–20 und Erl. im vorliegenden Band. 152,4 T h e r m o d o n ] Der Fluss Thermodon (heute Terme C¸ayı) und die antike Stadt Themiskyra (in der gleichnamigen Ebene) liegen im nordöstlichen Kleinasien; vgl. Art. Themiskyra, in: KlP 5, Sp. 676 sowie Art. Thermodon 2., ebd., Sp. 743. Dort siedelten nach Apollodoros 2,98; 101, (Meusel), S. 75f. sowie Diodorus Siculus 4,16,1, (Stroth) 2, S. 32 die Amazonen. Vgl. Banier 4, S. 637. 152,4–5 Bundesgenossen der Amazonen] Vielleicht mit Blick auf Seeger 1, S. 666f., der den Kampf gegen den König Mygdon von Mysien als einen solchen gegen Verbündete der Amazonen darstellt. Grundlage ist Apollodoros 2,100, (Meusel), S. 76, der jedoch Mygdon nicht zum Bundesgenossen erklärt. 152,5 die Königin Ç. . .È nahm] Seeger 1, S. 668 in Übereinstimmung mit Diodorus Siculus 4,16,4, (Stroth) 2, S. 33, wo es Melanippe ist, die von Herakles gefangengenommen wird und gegen Aushändigung des Gürtels freikommt; so auch Banier 4, S. 637. Nach Apollodoros 2,102, (Meusel), S. 76f. tötet Herakles nach weiteren Verwicklungen Hippolyte und nimmt dann den Gürtel an sich. Beide Versionen bei Hederich, Lexicon, Sp. 1279f. 152,6 manche andre große That] Zwischen den Sieg über die Amazonen und die Rückkehr nach Mykene schiebt Apollodoros 2,103–105, (Meusel), S. 77f. (wiedergegeben von Hederich, Lexicon, Sp. 1246f. und Seeger 1, S. 668f.) mehrere Taten ein – unter anderem die Befreiung der Hesione; vgl. auch Conti, Mythologiae, S. 451. Bei Moritz folgt die Hesione-Episode erst an späterer Stelle (s. S. 157,8–158,11). 152,8 Stall des Augias] Die früheste Nachricht über die Augeias-Arbeit findet sich bei Pindar, Olympische Oden 10,28–30 (Olympische Siegshymnen [Gedike]), S. 108 aus dem Jahr 476 v. Chr. Weder Pindar noch Theokrit 25, (Idyllen [Kütner]), S. 132–145, hier: 132–139, der von einem Besuch des Herakles bei Augeias und seinen Herden erzählt, erläutern jedoch den Charakter der Arbeit.

Stellenerläuterungen

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Die Reinigung des Stalls wird in voneinander abweichenden Versionen von Diodorus Siculus 4,13,3, (Stroth) 2, S. 27f. und Apollodoros 2,88–90, (Meusel), S. 72f. beschrieben. Vgl. Banier 4, S. 614f.; Hederich, Lexicon, Sp. 483–486; Seeger 1, S. 669f. S. Stafford 2012, S. 36f. 152,9 Sohn der Sonne] Zu der Frage, wessen Sohn Augeias sei, hält Apollodoros 2,8, (Meusel), S. 72 mehrere Versionen bereit: A u g e a s war König zu

Elis, und, wie einige sagen, ein Sohn der S o n n e , nach andern, des N e p t u n s , und, nach noch andern, des P h o r b a s . Vgl. z. B. auch Pausanias 5,1,5, (Goldhagen) 1, S. 570; Hederich, Lexicon, Sp. 484. 152,12–16 Reichthum Ç. . .È Heerden] Vgl. auch S. 154,20 im vorliegenden Band. 152,13–16 so waren Ç. . .È Begriffen denken] In den antiken Überlieferungen konkurrieren zwei Motive für Herakles’ Methode der Stallreinigung miteinander: das der Schnelligkeit – ihm schließt Moritz sich an – und das der Vermeidung der Schande. Folgt man Diodorus Siculus 4,13,3, (Stroth) 2, S. 27f., so ist die Reinigung des Stalls durchaus als erniedrigende Arbeit zu betrachten: Die Reinigung desselben 〈des Stalls〉 legte ihm E u r y s t h e u s zu seiner Beschimpfung auf.

H e r k u l e s , um die Schande dieser Beschimpfung zu vermeiden, war weit davon entfernt, den Mist auf seinen Schultern herauszutragen, sondern er leitete den Fluß P e n e u s in den Stall, reinigte diesen durch den Strohm desselben, und vollendete so das Abentheuer, ohne Beschimpfung in Einem Tage. Vgl. auch Seneca, Hercules furens, 247–248; Hederich, Lexicon, Sp. 484. 152,18 dreitausend Rinder] Diese Zahl gibt Conti, Mythologiae, S. 449 an, ohne eine antike Quelle zu nennen. Hederich, Lexicon, Sp. 484 und Seeger 1, S. 669 z. B. übernehmen die Angabe. Wie es scheint, entstammt sie Lukian, Alexander oder der falsche Prophet 1, (Sämtliche Werke) 3, S. 166. 152,19 dreißig Jahren] Vgl. Seeger 1, S. 669. Die Herkunft der Zeitangabe ist nicht ermittelt. Sie ist allerdings in der Neuzeit verbreitet. Vgl. z. B. Carolus Stephanus, Dictionarium historicum ac poeticum: omnia gentium, hominum,

locorum, fluminum, ac montium antiqua recentioraque ad sacras ac profanas historias, poetarumque fabulas intelligendas necessaria vocabula, bono ordine complectens, Paris 1553, S. 105, der berichtet, Herakles habe triginta annorum fimum – den Mist von dreißig Jahren – aus dem Stall des Augeias entsorgt. 152,22–24 mit dem Beding Ç. . .È versprach] Apollodoros 2,88 (Meusel), S. 72. 152,25 Alpheus] Seeger 1, S. 669. Nach Apollodoros 2,89, (Meusel), S. 73 leitet Herakles den Alpheios und den Peneios um, nach Diodorus Siculus 4,13,3 den Alpheios (bei Stroth 2, S. 28 und Pausanias 5,1,9–10 den Menios, nach der Übers.

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von Goldhagen 1, S. 570 den Minyeios; Hederich, Lexicon, Sp. 484 spricht vom Minycius), der bei Pausanias nicht den Stall, sondern das verschmutzte Land reinigen soll. Für eine Aufzählung auch weiterer Varianten vgl. Giraldi, Herculis vita, in: Historia, Sp. 577. Alpheios, Menios, wohl auch Minyeios und Peneios sind Flüsse auf der Peloponnes. Vgl. Art. Alpheios in: DNP 1, Sp. 547f.; Art. Peneios 1., in: KlP 4, Sp. 612; Hirschfeld, Art. Anigros, in: RE 1, Sp. 2210. 152,27–29 Augias aber Ç. . .È ernannte] Vgl. Conti, Mythologiae, S. 449f.; Giraldi, Herculis vita, in: Historia, Sp. 577; Hederich, Lexicon, Sp. 485; Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, S. 205f.; Seeger 1, S. 669f. auf der Basis von Diodorus Siculus 4,33,1–4, (Stroth) 2, S. 64 und Apollodoros 2,89; 141, (Meusel), S. 73; 89, die zwischen die Stallreinigung und den Sieg über Augeias andere Abenteuer einschieben und die Auseinandersetzung mit Augeias in weitere Verwicklungen einbetten. Bei Pausanias 5,3,1, (Goldhagen) 1, S. 574 erlässt Herakles dem Augeias hingegen die Strafe. 152,30–31 Von den erbeuteten Ç. . .È Olympischen Spiele] Der Zusammenhang zwischen Herakles und den olympischen Spielen im Anschluss an die Augeias-Arbeit ist – mit Blick auf Herakles als Musterbild eines Athleten (Stafford 2012, S. 121) – seit Pindars Olympischen Oden aus der ersten Hälfte des fünften Jhs. v. Chr. gut belegt (Stafford 2012, S. 160–163). Zur Gründung des Tempels Pindar, Olympische Oden 10,43–47, (Olympische Siegshymnen [Gedike]), S. 109: Nun versammlete Zeus gewaltiger Sohn zu Pisa sein ganzes Heer,

und den ganzen erstrittenen Raub, und maß dem allwaltenden Vater einen heiligen Hain ab. Auf dem offnen Gefilde umhegt’ und sondert’ er ihm ein Heiligthum. Aber die Ebne ringsum weiht’ er zu festlichen Malen. Zur Gründung der Spiele aus der Beute Olympische Oden 2,3–4, (Gedike) 1, S. 18: den Olympischen Kampf, seines Kriegesruhms Erstlingsopfer, gründete Herkules. Nach Pindar, Olympische Oden 3,11–33, (Olympische Siegshymnen [Gedike]), S. 30f. geht auch der Ölbaumzweig als Siegeszeichen auf Herakles zurück. – Ein knapper Hinweis bei Apollodoros 2,141, (Meusel), S. 89. Für abweichende Erzählungen vgl. Diodorus Siculus 4,14,1–2; 4,53,5–6, (Stroth) 2, S. 28; 101f.; Pausanias 5,7,4; 5,8,1 (Goldhagen) 1, S. 598; 591. 153,2–7 Neptun Ç. . .È lebendig zu fahen] Seeger 1, S. 670: Um diese Zeit

vernachläßigten die C r e t e n s e r den Dienst des N e p t u n s sehr, und zogen die Rache dieses Gottes auf sich. Er schickte einen w ü t e n d e n S t i e r auf diese Insel, welcher Feuer aus der Nasen bließ. E u r y s t h e u s schickte den Hercules dahin, diesen Stier, welcher in C r e t a sehr vieles Unglück anrichtete, lebendig zu fangen. Für das Feuer, das der Stier aus der Nase stößt,

Stellenerläuterungen

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s. auch Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, S. 207. – Eurystheus’ Auftrag, den Stier lebendig zu fangen, ist so in den Quellen nicht ermittelt. Vgl. aber Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 8,294, dem zufolge Herakles den Stier unversehrt zu Eurystheus bringt, und Apollodoros 2,95, (Meusel), S. 74; Conti, Mythologiae, S. 451, nach denen er ihn in Griechenland wieder frei lässt. – Schon antike Autoren deuten Querverbindungen zu anderen mythologischen Stier-Erzählungen an – zum Stier der Europa ebenso wie zu dem der Pasiphae; vgl. Apollodoros 2,94, (Meusel), S. 74 sowie Diodorus Siculus 4,13,4, (Stroth) 2, S. 28; zu Pasiphae S. 183,2–9 und Erl. im vorliegenden Band. Zum Ganzen Hederich, Lexicon, Sp. 795. 153,7 fahen] F a h e n ist nach Adelung 2, Sp. 10 ein im Hochdeutschen völ-

lig veraltetes Zeitwort, für welches jetzt f a n g e n und f a s s e n üblicher sind. Moritz führt das Verb in AdBs, KMA 9, S. 102 als Beispiel für die Vokaldehnung an. 153,13 wie er den Stier auf der Schulter trägt] Das Motiv des Herakles, der den Kretensischen Stier auf seiner Schulter trägt, übernimmt Moritz aus Winckelmann, Description, S. 279, Nr. II/1726: Hercule portant le Taureau de l’Isle de Cre´te sur ses e´paules. Ebd., S. 280, Nr. II/1727; 1728 weitere Beispiele. Furtwängler 1896 verzeichnet Winckelmanns Nr. II/1727 nicht; die beiden anderen Stücke finden sich als Nr. 9844 und 9580 unter den modernen Pasten »meist nach antiken Steinen«. Vgl. auch Lippert, Dactyliothec 1, S. 218f., Nr. 592, der sich für diesen Stein in Hinblick auf die mythologische Situation jedoch nicht festlegt. S. ferner Furtwängler 1900, 49/13 und 50/22; John Boardman u. a., Art. Herakles, in: LIMC 5/1, S. 63, Nr. 2357–2363 mit den Abbildungen. 153,20–25 Diomedes Ç. . .È Rosse zu bringen] Seeger 1, S. 671 (in Anlehnung an Conti, Mythologiae, S. 451): Nun schickte ihn E u r y s t h zu dem D i o m e d e s ,

des M a r s und der C y r e n e Sohn, welcher in Bistonien regierte. Dieser hatte vier feuerspeyende Pferde, welche er mit Menschenfleisch speißte. Ç. . .È Er ließ alle Fremdlinge auffangen, und diesen Pferden vorwerfen. Die Zahl der Tiere nach Hyginus, Fabulae 30, der sogar Namen überliefert. Fast alle genannten Elemente – bis auf den feurigen Atem – auch bei Hederich, Lexicon, Sp. 938–940, der, einschließlich der Fortsetzungen über Diomedes’ Tod hinaus (vgl. dazu auch Conti), zusätzlich Grundzüge der um weitere Einzelheiten angereicherten, um andere verminderten Erzählung von Diodorus Siculus 4,15,3–4, (Stroth) 2, S. 31 und die deutlich abweichende Version von Apollodoros 2,96–97, (Meusel), S. 74f. berücksichtigt.

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153,26 g e r e c h t e S t r a f e ] Was Moritz als g e r e c h t e S t r a f e bezeichnet, entspricht der Talion. Diesem Rechtsprinzip zufolge ist am Schuldigen zu vollziehen, was der Geschädigte erlitten hat. Die Talion steht noch dem persönlichen Rachegedanken nahe und liegt auch 2 Mose 21,23–25 (Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand) zugrunde. S. Art. Talion, in: DNP 11, Sp. 1231–1233. 153,29–154,3 Die Grausamkeit Ç. . .È zu vertilgen] Die Heiligkeit des Gastrechts ist ein wiederkehrendes Thema in der Götterlehre, das Moritz z. B. auch im Zusammenhang mit Theseus’ Heldentaten erwähnt. Vgl. S. 132,23–24 mit den Erl.; 189,11–16. 154,4–6 auf alten Denkmalen Ç. . .È darneben steht] Zu dem Stein aus dem beginnenden 1. Jh. v. Chr. Winckelmann, Description, S. 280f., Nr. II/1729; ders., Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 260, Nr. 68 (dazu Kommentarbd., S. 375); Lippert, Dactyliothec 2, S. 31, Nr. 98. Diese und die folgende Gemme sind bei Hederich, Lexicon, Sp. 938 angeführt. Furtwängler 1896, Nr. 299; Furtwängler 1900, 10/7. 154,7 Herkules im Kampf mit den flammenathmenden Rossen] Wohl Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 260, Nr. 69 mit den Erl. ebd., S. 274 (dazu Kommentarbd., S. 377). Nach Winckelmanns Deutung hebt Herakles die Keule, um dem nicht sichtbaren Diomedes einen letzten Hieb zu versetzen. 154,9 Der dreiköpfigte Geryon] Zu Geryon Apollodoros 2,106–108, (Meusel), S. 78f., mit weiteren Details; Hederich, Lexicon, Sp. 1147–1151; Seeger 1, S. 672f. 154,10–16 In der Stammtafel Ç. . .È gebahr] Zur Genealogie von Chrysaor, Kallirhoe, Geryon (GhryoneyÂw / Geryone´us oder GhryoÂnhw / Geryo´nes), Echidna, Kerberos, Orthos, der Lernäischen Schlange, Chimaira und Sphinx vgl. S. 57,19–58,2 mit den Erl. 154,18–19 Wohnsitz Ç. . .È Ufer des Oceans] Hesiod, Theogonie, 290; 983, (Voss), S. 101 (nur für die erste Stelle) lokalisiert die Ereignisse in dem im Westen gelegenen sagenhaften Erytheia, das schon antike Autoren nicht geographisch fixieren konnten. Nach Apollodoros 2,106, (Meusel) S. 78 ist Gadeira (Cadiz), nach Diodorus Siculus 4,17,1, (Stroth) 2, S. 34 Spanien Schauplatz der Arbeit, nach Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 7,662 sind es die balearischen Inseln. Zur Diskussion Banier 4, S. 617–619; Waser, Hübner, Art. Erytheia 1) und 2), in: RE 6/1, Sp. 575. 154,20 Das Kostbarste Ç. . .È Reichthum setzte] Vgl. auch S. 152,12–13. 154,25–26 führte Ç. . .È Thaten aus] Von Parerga im Zusammenhang mit der Geryon-Arbeit berichten Apollodoros 2,106–112, (Meusel), S. 78–80, vor allem

Stellenerläuterungen

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jedoch Diodorus Siculus 4,17,3–4,18,5, (Stroth) 2, S. 33–37. Die Darstellungen der Mythographen werden ausführlich aufgenommen von Seeger 1, S. 673–680. Diodor zufolge gehören zu diesen Taten u. a. die Auseinandersetzungen mit Antaios, Busiris und Cacus sowie die Errichtung der Säulen des Herakles, nach Apollodoros (der die Kämpfe gegen Antaios und Busiris dem Hesperiden-Abenteuer zuordnet; Apollodoros 2,115–117 [Meusel], S. 81) die Pfeilschüsse auf Helios und die Überfahrt im goldenen Becher des Sonnengotts, die jeweils auch Gegenstand der Götterlehre sind (s. S. 161,4–13 und Erl.). Diodor stellt die Geryon-Arbeit nicht als Kampf mit einem dreiköpfigen Ungeheuer dar, sondern rationalisiert sie (Philip Brize, Herakles and Geryon [Labour X], in: Art. Herakles, in: LIMC 5/1, S. 74) zum Kriegszug gegen den in Spanien regierenden Chrysaor und seine drei Söhne, die nach Hederich, Lexicon, Sp. 716 mit Geryon identisch sind. Vgl. auch ebd., Sp. 1149f. S. ferner Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, S. 208f. 154,30 erschlug Ç. . .È Keule] Seeger 1, S. 672f. Nach Apollodoros 2,108, (Meusel), S. 79 erschießt Herakles den Geryon mit einem Pfeil; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1149. 155,4 Gärten der Hesperiden Ç. . .È Atlantischen Meers] Die Ortsangaben in älteren antiken Quellen deuten (so bei Hesiod, Theogonie, 215, [Voss], S. 95: jenseit der Okeanosströmung) von Griechenland aus gesehen in fernste westliche Weltgegenden. Vgl. ferner Vergil, Aeneis 4,480, wo Atlas, der Hesperidentempel und der Baum im äußersten Westen, Oceani finem iuxta solemque cadentem, lokalisiert werden (Fink, S. 177: Gleich da, wo das Weltmeer endet und die Sonne untergeht). S. auch Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 4,484: in extremis regionibus. Zu weiteren Lokalisierungsversuchen Hederich, Lexicon, Sp. 1267f. 155,5–7 Der Drache Ç. . .È schon gedacht] Vgl. S. 57,14–15 und Erl. 155,8 Töchter der Nacht] Vgl. S. 38,23–39,5. Varianten bei Hederich, Lexicon, Sp. 1265. 155,9–10 Aegle Ç. . .È Arethusa] So Banier 4, S. 626, dessen Erzählung im Übrigen von derjenigen Moritz’ abweicht; hingegen weder bei Apollodoros 2,114, (Meusel), S. 80 (Aigle, Erytheia, Hesperia, Arethusa), noch bei Diodorus Siculus 4,27,2, (Stroth) 2, S. 52, der sieben Hesperiden zählt, ohne sie beim Namen zu nennen, Hyginus, Fabulae, Praefatio (Aegle, Hesperie, Aerica), Conti, Mythologiae, S. 453, der mehrere Varianten nennt, Hederich, Lexicon, Sp. 1265, der weitere Kombinationen bei anderen Autoren nachweist, oder Seeger 1, S. 681. Zu den Varianten im Überblick Seeliger, Art. Hesperiden, in: Roscher 1, Sp. 2597f.

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155,13–14 Er tödtete Ç. . .È eingeschläfert hatte] Vgl. Euripides, Der rasende Herakles, 397–399, (Werke, [Bothe]) 3, S. 316. Eine Quelle für das Einschläfern des Drachen wurde nicht ermittelt. Bei Vergil, Aeneis 4,484–486 liest man allerdings über die Priesterin des Hesperidentempels, die hier in einem ganz anderen Zusammenhang erwähnt wird: epulasque draconi / quae dabat et sacros ser-

vabat in arbore ramos, / spargens umida mella soporiferumque papaver (Fink, S. 177: die dem Drachen Speise bot und am Baum die heiligen Zweige versorgte, indem sie sie mit flüssigem Honig und einschläferndem Mohnsaft besprengte). 155,14–15 pflückte Ç. . .È Frucht] Vgl. Euripides, Der rasende Herakles, 396–397, (Werke, [Bothe]) 3, S. 316, ferner Diodorus Siculus 4,26,4, (Stroth) 2, S. 52; Apollodoros 2,120–121, (Meusel), S. 82f., der darüber hinaus eine weitere Version kennt. Ihr zufolge lässt Herakles Atlas die Äpfel pflücken und nimmt ihm währenddessen die Last des Himmelsgewölbes ab, die er ihm später unter Anwendung einer List wieder übergibt. Beide Versionen und weitere Varianten bei Hederich, Lexicon, Sp. 1265–1267. 155,15–19 In den Abbildungen Ç. . .È bewahrten] Herakles mit den Hesperiden und der um einen Baum gewundenen Schlange ist ein verbreitetes Motiv in verschiedenen antiken Kunstmedien. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1267; Banier 4, S. 625f.; Dolce 1, S. 64, Nr. 66–68; Georgia Kokkoru-Alewras, Art. Herakles, in: LIMC 5/1, S. 103–105; 108f.; Shirley J. Schwarz, Art. Hercle, ebd., S. 225f.; Ian McPhee, Art. Hesperides, ebd., S. 398–401; Pompei. Pitture e mosaici 1, S. 592f. Die bestimmte Darstellung, auf die sich Moritz zu beziehen scheint, wurde jedoch nicht ermittelt. 155,20 Cerberus] Apollodoros 2,122–126, (Meusel), S. 83f., mit weiteren Details. Banier 4, S. 633–635; Hederich, Lexicon, Sp. 668f.; Seeger 1, S. 687f. 155,24 dreiköpfigten Hund Cerberus] Vgl. S. 57,22–58,2 und Erl. 155,27 gefahrvollsten Unternehmung unter allen] Homer, Odyssee 11,623–624, (Voss), S. 228: Selbst hier sandt’ er 〈Eurystheus〉 mich her, den

Hund zu holen; denn dieses / Schien dem Tirannen für mich die entsezlichste aller Gefahren. Bei Homer, Ilias 8,364–369, (Stolberg) 1, S. 208f. stellt Athene den Abstieg in die Unterwelt als so gefährlich dar, dass Herakles sich ohne ihre Hilfe dieser Aufgabe nicht hätte entledigen können. Vgl. Banier 4, S. 635. 155,27–30 Dem Tode Ç. . .È aufzunehmen] Die Deutung der Kerberos-Arbeit als Kampf mit dem Tod stellt eine Verbindung zu Herakles’ Ende und zu seiner Apotheose samt deren Problemstellung in der Götterlehre her (Verbindung des Irdischen mit dem Olympischen, des Menschlichen mit dem Idealen;

Stellenerläuterungen

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s. S. 165,1–166,11). In der Formulierung zum Kampf mit dem Tod deutet sich eine motivische Verwandtschaft mit der christlichen Vorstellung von Jesu Höllenfahrt (zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung) an, für die eine reiche ikonographische Tradition existiert. Vgl. Loerke 2003. 156,2–3 l i e ß e r Ç . . . È M y s t e r i e n s i c h e i n w e i h e n ] Vgl. Apollodoros 2,122, (Meusel), S. 83, bei dem die Initiation mit zusätzlichen Komplikationen verbunden ist. Danach muss Herakles vor der Teilnahme an den Mysterien von dem Makel gereinigt werden, den er sich zugezogen hatte, als er im Zusammenhang mit der Jagd auf den Erymanthischen Eber den Kentauren Chiron tötete (dazu Apollodoros 2,83–86, [Meusel], S. 71f.). Folgt man Diodorus Siculus 4,14,3, (Stroth) 2, S. 29, der keinen Bezug zur Kerberos-Arbeit herstellt, so stiftet Demeter – wohl wegen des Teilnahmeverbots an den regulären eleusinischen Mysterien für Nichtathener, das Apollodor erwähnt – die kleinen Mysterien überhaupt zu dem Zweck, Herakles wegen der Ermordung der Kentauren zu entsündigen. Vgl. Banier 4, S. 635; Hederich, Lexicon, Sp. 668. – Zu Eleusis und den dortigen Mysterien im Übrigen S. 68,9 und Erl. im vorliegenden Band. 156,4–5 T ä n a r u m ] Zur in antiken Quellen vielfach belegten Lokalisierung des Abstiegs am Tainaron, einem Kap im äußersten Süden der Peloponnes, heute Kap Tenaro oder Kap Matapan, wo auch Theseus und Peirithoos sowie Orpheus und Psyche in den Hades eingefahren sein sollen, s. z. B. Apollodoros 2,123, (Meusel), S. 83; Hederich, Lexicon, Sp. 668. Vgl. Otto Waser, Art. Tainaros, in: Roscher 5, Sp. 11f. 156,5 weite Höhle] Nach Vergil, Aeneis 8,297 trifft Herakles den Kerberos antro Ç. . .È cruento an (Fink, S. 369: in seiner blutbefleckten Höhle). Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 669. 156,7 Er zwang Ç. . .È fahren] Seeger 1, S. 687: Er zwang den C h a r o n , ihn überzuführen. Etwas abweichend Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 6,392; Hederich, Lexicon, Sp. 697. 156,8–13 Theseus Ç. . .È befreien] Zu Theseus’ und Peirithoos’ Unternehmung S. 193,16–27 und Erl. im vorliegenden Band. 156,14–15 nachdem Ç. . .È floh] Conti, Mythologiae, S. 456; Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, S. 217; Seeger 1, S. 688. 156,15–17 Und so Ç. . .È schwarz] Dieser Teil der Kerberos-Erzählung ist in antiken Quellen eine Begründung für die unterschiedliche Färbung der Ober- und Unterseite von Silberpappelblättern. Darauf bezieht sich Vergil, Aeneis 8,276–277 in einer Nebenbemerkung über die Herculea bicolor Ç. . .È populus. Vgl. ferner die Erklärung, die Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 8,276 zu dem Baum abgibt,

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der dem Herakles geweiht sei. Danach verhüllt der erschöpfte Herakles sein Haupt mit einer Krone aus Pappelblättern, deren Innenseiten durch seinen Schweiß weiß, während die Außenseiten durch die Hitze der Unterwelt schwarz werden. Vgl. Giraldi, Herculis Vita, in: Historia, Sp. 588; Conti, Mythologiae, S. 456. Wie Seeger 1, S. 688 übergeht Moritz allerdings die Erklärungen, mit denen die mythographischen Überlieferungen die Blätterkrone versehen. Auf denselben Mythos spielt Moritz im Anton Reiser und im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde an (KMA 1, S. 419,9–12; MzE 8, 3 [1791], S. 123, KMA 12). 156,18 kämpfte er mit dem Pluto] Unter den Berichten über Tätlichkeiten zwischen Herakles und Hades mag Moritz besonders auf Pindar, Olympische Oden 9,30–39 anspielen (auch wenn der gr. Dichter selbst diesen Mythos zurückweist; vgl. Galinsky 1972, S. 30f.). Für den Zusammenhang mit dem KerberosAbenteuer vgl. Pindar (Damm) 1, S. 94, Fußnote 17; Bedenken gegen diesen Bezug in Pindar, Olympische Siegshymnen (Gedike), S. 90 und 96f., Anm. (10). Zu Auseinandersetzungen zwischen Herakles und Hades auch Homer, Ilias 5,395–397, (Stolberg) 1, S. 131 und, in anderem Kontext, Apollodoros 1,106; 2,142, (Meusel), S. 33; 89 (zu dieser Stelle auch Hederich, Lexicon, Sp. 2028). – Apollodoros 2,125, (Meusel), S. 84 zufolge erhält hingegen Herakles, nachdem er Hades’ Kuhhirten Menoitios überwältigt hat, von Hades die Erlaubnis, Kerberos, wenn auch ohne den Einsatz von Waffen, mit sich zu nehmen. 156,21 giftige Wurzel] S. Ovid, Metamorphosen 7,406–419, wo das Kraut als Aconitum, Eisenhut, identifiziert wird, oder, mit einem älteren Namen, als Wo l f s w u r z (Seeger 1, S. 688). Vgl. Giraldi, Herculis Vita, in: Historia, Sp. 587; Conti, Mythologiae, S. 456; Hederich, Lexicon, Sp. 669. Eisenhut ist eine Giftpflanze. 156,23–24 Der erschrockne Ç. . .È Höllenthors] Nach Seeger 1, S. 688 und Conti, Mythologiae, S. 456 ordnet Eurystheus an, Kerberos sofort wieder zu entfernen bzw. in die Unterwelt zu bringen. Apollodoros 2,126, (Meusel), S. 84 zufolge bringt Herakles den C e r b e r u s wieder in die Hölle, nachdem er ihn

dem E u r y s t h e u s gezeigt hatte. 156,25 zwischen Ç. . .È gebändigt] Herakles, Kerberos zwischen den Knien haltend, ist ein Motiv antiker Gemmen. Auf solche beruft sich Hederich, Lexicon, Sp. 668, indem er Beispiele aus drei Publikationen anführt – Rossi, Gemme antiche figurate 2, Tafel 95–96; Mariette, Traite´ des pierres grave´es 2, S. 80; Beger, Thesaurus Brandenburgicus 3, S. 192. S. zusätzlich Lippert, Dactyliothec 1, S. 219f., Nr. 596. 157,11–15 H y l a s Ç. . .È Ufer wiedertönen] Der Hylas-Mythos, seit dem 5. Jh. v. Chr. belegt, erscheint, mit Varianten, aber stets mit Bezug auf die Argonauten-

Stellenerläuterungen

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sage, bei hellenistischen und röm. Autoren auch in ausführlicherer bzw. verselbständigter Form. Die frühesten überlieferten Versionen dieser Art finden sich in Apollonios, Argonautika 1,1172–1279, (Bodmer), S. 45–48 sowie bei Theokrit 13, (Idyllen [Kütner]), S. 66–69, beide aus dem dritten Jh. v. Chr. Vgl. ferner Properz 1,20; Valerius Flaccus, Argonautica 3,481–4,81 (der Hylas’ Verschwinden auf einen Anschlag der Juno zurückführt). Knappere Zusammenfassungen und Anspielungen bei Apollodoros 1,117, (Meusel), S. 35f., Vergil, Bucolica 6,43–44 sowie in den Orphischen Argonautika, 639–657, (Voss), S. 292–294; s. John H. Oakley, Art. Hylas, in: LIMC 5/1, S. 574. – Moritz’ Version weicht kaum von derjenigen Theokrits ab und lässt auch die homoerotische Färbung (Stafford 2012, S. 135) anklingen, die die Erzählung in den Idyllen annimmt. Als wohlgebildeter Jüngling rückt Hylas in eine Reihe mit Ganymed, Adonis, Hyakinthos, Endymion (s. S. 213,5–214,31, 217,1–218,4, 218,5–14; 219,26–220,16 mit den Erl.) und weiteren, die Hyginus, Fabulae 271 unter den ephebi formosissimi anführt. – Obwohl der Mythos die Hylas-Erzählung in die Region von Troja, nach Mysien, verlegt, stellt allerdings keiner der genannten Texte – auch nicht die Scholien zu Apollonios, Argonautika 1,1289–1291 oder neuzeitliche Mythenforscher wie Conti, Mythologiae, S. 462 und Hederich, Lexicon, Sp. 1303f. (der alle übrigen Bestandteile von Moritz’ Version erwähnt), einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Hylas-Erzählung und der Episode von der Befreiung der trojanischen Königstochter Hesione her, der sich hingegen ohne Quellennachweis bei Banier 4, S. 639f. findet. Letzterer könnte sich auf Giraldi, Herculis vita, in: Historia, Sp. 578f. stützen, der den Hylas-Mythos und das Hesione-Abenteuer hintereinander schaltet, ohne allerdings einen zeitlichen oder räumlichen Bezug zu behaupten. – Zu den Naiaden vgl. S. 203,31–204,1 und Erl. im vorliegenden Band. 157,17–24 L a o m e d o n Ç. . .È versöhnen] Ältestes Zeugnis für die Errichtung der Mauer durch Poseidon und Apollon ist Homer, Ilias 7,452–453, (Stolberg) 1, S. 191. Mit Blick auf Homer, Ilias 1,396–406, (Stolberg) 1, S. 25f. sieht die Forschung diese Aufgabe als Strafe für eine Götterverschwörung gegen Zeus motiviert. Eine Anspielung auf den Mauerbau z. B. bei Ovid, Heroides 16,181–182. Vgl. Gunning, Art. Laomedon 1), in: RE 12/1, Sp. 750f. – Zum Hesione-Abenteuer insgesamt Apollodoros 2,103–104, (Meusel), S. 77, dem zufolge Herakles unmittelbar nach dem Kampf gegen die Amazonen nach Troja zieht. Nach Apollodor wollen die Götter die Unbilligkeit des L a o m e d o n s prüfen. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1246f.; Seeger 1, S. 668f. 157,25 Andromeda] Zu Andromedas Rettung durch Perseus vgl. S. 137,24– 138,6 und Erl.

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157,28 Nicht so zärtlich wie Perseus] Zum wertenden Vergleich mit Perseus vgl. Erl. zu S. 140,5–7. 157,28–30 übernahm Herkules Ç. . .È Hesione zu befreien] Homer kennt bereits die Erzählung von Herakles’ siegreichem Kampf gegen Laomedon und von seiner Eroberung Trojas, ebenso das Interesse des Helden an den Pferden (Homer, Ilias 5,638–651 [Stolberg] 1, S. 140f.), die auch sonst in der Ilias gepriesen werden (Homer, Ilias 5,265–267; 23,348 [Stolberg] 1, S. 127; Bd. 2, S. 380). Einen Zusammenhang mit dem Mauerbau durch Apoll und Poseidon und mit der Rettung der Hesione stellen erst spätere Quellen her. Vgl. v. a. Diodorus Siculus 4,42, (Stroth) 2, S. 79–81; Apollodoros 2,103–104, (Meusel), S. 77, deren Versionen mit weiteren Details und Varianten bei Hederich, Lexicon, Sp. 1263f. sowie 1432–1434 zusammengefasst sind. S., auch zum Folgenden, Gunning, Art. Laomedon 1), in: RE 12/1, Sp. 752–754; Stafford 2012, S. 70–72. 157,30–158,8 Laomedon aber Ç. . .È Priamus nannte] Vgl. Apollodoros 2,134–136, (Meusel), S. 86f.; Diodorus Siculus 4,49,2–7, (Stroth) 2, S. 92–94. Beide lassen zwischen der Rettung der Hesione und der Eroberung von Troja Zeit verstreichen, in der Herakles weitere Abenteuer besteht. – Die Umbenennung von Podarkes (so die korrekte Form) zu Priamos ist bei Apollodoros etymologisch begründet: Hesione erlangt die Freigabe ihres Bruders – des Verkauften, pipraskomeÂnoy (pipraskome´nu), von priÂasuai (prı´asthai, kaufen, vgl. auch Hyginus, Fabulae 89) – um den Preis ihres Kopfschmucks. Auch bei Conti, Mythologiae, S. 452; Banier 4, S. 641; Seeger 1, S. 668f. bleibt diese Erklärung unerwähnt. 158,14–25 Riesen A n t ä u s Ç. . .È Geist aushauchte] Zum Kampf mit Antaios in Libyen s. Diodorus Siculus 4,17,4, (Stroth) 2, S. 35, der aber weder von der Regeneration des Ringers durch Erdkontakt noch von Herakles’ Sieg durch Emporheben berichtet. Dieses Motiv wird erstmals von Ovid, Metamorphosen 9,183–184 angedeutet (saevoque alimenta parentis / Antaeo eripui; Fink, S. 439: dem wilden Antäus 〈habe ich〉 die Hilfe seiner Mutter, der Erde, entrissen; vgl. Stafford 2012, S. 56); mit Blick auf den Ringkampf besonders ausführlich Lucanus, Pharsalia 4,593–653; ferner Apollodoros 2,115, (Meusel), S. 81, der Antaios als Poseidons Sohn und König von Libyen identifiziert; Hyginus, Fabulae 31. Diodor und Apollodor lassen das Antaios-Abenteuer während der Reise zu den Hesperiden stattfinden. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 272–275; Banier 4, S. 623f. mit einer euhemeristischen Deutung. – Die Grausamkeit gegen Fremde stellt, auch in den anschließenden Busiris- und Cacus-Mythen, eine Verbindung zum Thema des Gastrechts her; vgl. S. 132,23–24 und Erl.

Stellenerläuterungen

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158,17–18 Antäus zwang Ç. . .È erwürgte er sie] Lippert, Dactyliothec 1, S. 216, Nr. 586: Er zwang alle Fremden mit ihm zu ringen, die er wegen seiner

Größe und Stärke leicht überwand, und erwürgete. 158,19 pflanzte Ç. . .È Wohnung auf] Vom Aufpflanzen der Schädel – allerdings nicht um Antaios’ eigenes Haus, sondern um den Poseidontempel – berichtet Pindar, Isthmische Oden 2,52–54b, (Damm) 3, S. 150: Und gewiß von dem

Kadmischen T h e b e n kam der, an äußerer Gestalt k u r z e , an Geiste aber nicht zu überwältigende, Held in das Korn-reiche L y b i e n zu den Wonungen des A n t ä o s , mit diesem zu ringen, und ihn abzuhalten, daß er nicht ferner den Tempel des P o s i d o n mit Hirn-Schedeln der Fremden umhegen solle. 158,25–27 In dieser Stellung Ç. . .È dargestellt] Beispiele bei Lippert, Dactyliothec 1, S. 216, Nr. 586; Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, Abb. 130 (nach den Erl. ebd., S. 212 eine Darstellung vom Grabmal der Nasonen); Wilde, Gemmae selectae, Nr. 153 und Erl. S. 143f. Auf die beiden zuletzt Genannten verweist Hederich, Lexicon, Sp. 274. 158,28–32 B u s i r i s Ç. . .È mit seinen Söhnen] Busiris’ Handeln wird im Rahmen des Mythos, dessen Themen Gastfreundschaft und Menschenopfer sind, bei Apollodoros 2,116–117, (Meusel), S. 81 genauer motiviert. Nur eine knappe Bemerkung bei Diodorus Siculus 4,18,1, (Stroth) 2, S. 36. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 571–574; Seeger 1, S. 682f.; Banier 4, S. 624f. mit einer euhemeristischen Deutung. 159,1–17 Als Herkules Ç. . .È errichtet ward] Der Cacus-Mythos ist vor allem von Autoren der Augustuszeit überliefert. Er leitet den Kult des Hercules Invictus her, der an der Ara Maxima am Forum Boarium in Rom ausgeübt wurde (Art. Hercules Invictus, ara Maxima, in: LTUR 3, S. 15). Die Forschung vermutet ältere chthonische (den »Gewalten der Erdtiefe« zuzurechnende; Art. Chthonische Götter, in: KlP 1, Sp. 1172) Ursprünge der Figur (Art. Cacus, in: DNP 2, S. 880). – Für literarische Quellen vgl. vor allem Livius, Ab urbe condita 1,7,4–10 (wo der Altar für Herakles eingerichtet wird) und Ovid, Fasti 1,543–586 (wo Cacus, wie bei Vergil, als feuerspeiendes Ungeheuer auftritt; weitere Anspielungen: 5,643–648; 6,79–82). Man vergleiche daneben Dionysios von Halikarnassos, Antiquitates Romanae 1,39, (Benzler) 1, S. 60–62, die in der Darstellung des Kampfs besonders plastische und detaillierte Version von Vergil, Aeneis 8,188–275 sowie Properz 4,9. S. Banier 4, S. 619–623; Hederich, Lexicon, Sp. 586–589; Seeger 1, S. 676f. – Auf den Cacus-Mythos geht Moritz auch in RDI 3, S. 159f. (KMA 5/2) ein, wo er von der Besichtigung des angeblichen Schauplatzes am Aventin berichtet;

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auf den Mythos von der Nymphe Carmenta (oder Carmentis), die dem Herakles seine Vergöttlichung geweissagt habe (Livius, Ab urbe condita 1,7,10; Ovid, Fasti 1,583–584), spielt er mehrfach in Anthusa (KMA 4/1, S. 32,14–18; 109,4–6) an. 159,18–20 Auf antiken Ç. . .È Höhle zieht] Zu Cacus, ein Rind am Schwanz in die Höhle ziehend, Mariette, Traite´ des pierres grave´es 2, Nr. 89 (vom Verfasser selbst für vermutlich jüngeren Datums erklärt). Zu derselben Darstellung Lippert, Dactyliothec 1, S. 234, Nr. 650 (Schublade 1/13). Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 588. Der schlafende Herakles ist auf diesem Stein allerdings nicht dargestellt; vgl. auch Dolce 1, S. 65, Nr. 70. Weitere Varianten dieses Motivs sind nicht ermittelt. 159,23–24 gastfreundliche Aufnahme] Zum Gastrecht und seiner Heiligkeit vgl. S. 132,23–24 und Erl. 159,25–160,8 A l c e s t e Ç. . .È verwandelte] Auf das Essenzielle reduzierte Paraphrase von Euripides’ Tragödie Alkestis (438 v. Chr.), die in wesentlichen Punkten mit Seeger 1, S. 690f. übereinstimmt, in der Frage des Gastrechts aber darüber hinausführt. Leidenschaftserregende Höhepunkte von Euripides’ Stück sind die Inszenierung von Alkestis’ Tod im Beisein Admets und des gemeinsamen Sohns Eumelos, die Totenklage, Admets Auseinandersetzung mit seinem Vater über die Billigkeit des Stellvertretertods, Herakles’ unangemessene Gastrolle im Trauerhaus und das erneute Zusammentreffen von Alkestis und Admet, das durch Verschleierung der aus dem Hades zurückkehrenden Titelfigur effektvoll verzögert wird. Für eine zeitgenössische Übersetzung vgl. Euripides, Alkestis (Seybold). Bei Apollodoros 1,105–106; 2,129, (Meusel), S. 32f.; 85 findet man kurze Zusammenfassungen bzw. Anspielungen. In der Neuzeit machte der Alkestis-Stoff Karriere auf der Opernbühne, für die noch 1767, nach einem Libretto von Ranieri de’ Calzabigi, die Oper Alceste von Christoph Willibald Gluck einstand. 1773 wurde das gleichnamige Singspiel von Christoph Martin Wieland (Sämmtliche Werke 26, S. 1–72) in Weimar uraufgeführt. – Moritz verwendet, wie Gluck, Seybold und Wieland, die französische Form des Namens, während in der zeitgenössischen Mythographie (etwa bei Banier 4, S. 635f., Damm, Einleitung, S. 282 und Seeger) die lateinische (Alcestis) oder griechische (Alkestis) üblich ist. 160,10–11 In dem Herkules Ç. . .È emporgestiegen] Zur Entwicklungsperspektive, die der Götterlehre eingeschrieben ist, vgl. Erl. zu S. 71,10–19. 160,11–12 Duldung Ç. . .È nagte] Vgl. S. 35,18–20. 160,13–22 Jupiter willigte Ç. . .È fielen ab] Zur Befreiung des Prometheus mit Zeus’ Einverständnis Hesiod, Theogonie, 526–531, (Voss), S. 120f. Während die Befreiung nach Hesiod Herakles’ Ruhm vermehren soll und mit keiner Weissagung

Stellenerläuterungen

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verbunden ist, gipfelt Aischylos, Prometheus in Fesseln, 907–927, (Schlosser), S. 120 in der von Moritz referierten Prophezeiung. Dass Prometheus bei Aischylos den Namen Thetis verschweigt, sichert noch dem Leidenden eine eigenständige Position gegenüber dem in seiner Macht eingeschränkten Gott. Jenseits der Tragödienhandlung ist dieses Wissen die Voraussetzung für die Befreiung durch Herakles. Eine knappe Darstellung des gesamten Geschehens bei Hyginus, De astronomia 2,15. Vgl. ferner Servius, Kommentar zu Vergil, Bucolica 6,42 (der eine Version ohne Verbindung zur Weissagung – wie sie sich auch bei anderen Autoren findet – und eine weitere ohne Herakles’ Eingreifen referiert). – Indirekt führt der Mythos die Prometheus-, die Herakles- und die Troja-Überlieferungen zusammen; denn der Sohn, den Thetis schließlich dem Peleus gebären wird, ist Achilleus. Vgl. Pindar, Isthmische Oden 8,26a–48, (Damm) 3, S. 181; Hederich, Lexicon, Sp. 1917. – Dass Herakles den Adler mit dem Bogen erlegt, erwähnt Apollodoros 2,119, (Meusel), S. 82. S. Hederich, Lexicon, Sp. 2093f., mit weiteren Verweisen. 160,20 Bilder] Im Sinne von Bildner; für weitere Belege dieser Form vgl. DWb 2, Sp. 15. 160,29–30 Als Apollo Ç. . .È erfüllte] Apollodoros 2,130, (Meusel), S. 85; Hederich, Lexicon, Sp. 1250; Seeger 1, S. 692. 161,1–3 Die Götter im Olymp Ç. . .È verschont habe] Bezugsstelle sind die Worte, mit denen in der Ilias Dione auf dem Olymp ihrer von Diomedes verwundeten Tochter Aphrodite Trost zuspricht; Homer, Ilias 5,392–404, (Stolberg) 1, S. 131f.: Härä duldete, als Amfitrüonidäs der Starke / Ihr mit drey-

fachspizigem Erze den Busen verlezte; / Lange blieb unheilbar die Wunde, wütend die Schmerzen. / Eben dieser furchtbare Sohn von Zeus Kronion / Warf mit spizigem Pfeile den ungeheuren Aidoneus / In den Thoren der Schatten, und übergab ihn dem Schmerze. / Dieser bestieg mit wütender Pein den hohen Olümpos, / Tief drang in die Schulter der Pfeil, und quälte sein Herz ihm, / Da besprengte Paiäon die Wunde mit lindernden Tropfen, / Und bald wieder genas der unsterbliche Schattenbeherrscher. / O! des dreisten stürmenden Mannes, der es nicht achtet, / Zu verlezen mit Pfeilen die Götter des hohen Olümpos! Vgl. auch Erl. zu S. 156,18. 161,4–13 Als auf seiner Fahrt Ç. . .È unterthänig waren] Seeger 1, S. 680 nach Conti, Mythologiae, S. 453. Vgl. auch Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, S. 210f. – Die Erzählung geht auf die von den genannten Autoren zutreffend angeführten, nur fragmentarisch erhaltenen ëIstoriÂai (Historı´ai) des Pherekydes aus Athen (Ende des 6. Jh. v. Chr.) zurück. Überliefert ist die Stelle über Herakles’ Reise im

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Becher des Sonnengotts in dem um 200 n. Chr. entstandenen Sammelwerk DeipGelehrtenmahl) 11,470d des Athenaios Naukratios. Der Becher ist das Fahrzeug, in dem Helios nach dem täglichen Sonnenumlauf in der Nacht über das Meer gen Osten zurückkehrt. Über die Auseinandersetzung mit dem Sonnengott vgl. auch Apollodoros 2,107, (Meusel), S. 78, dem zufolge Herakles dieses Abenteuer auf dem Weg zu den Rindern des Geryon besteht. Für weitere Nachweise s. Fuchs 2003, S. 31–63. 161,15–16 durchbrach Ç. . .È Meere] Seeger 1, S. 673 nach Diodorus Siculus 4,18,5, (Stroth) 2, S. 37. Diodor referiert auch eine umgekehrte Version, der zufolge Herakles die Straße von Gibraltar verengt habe, um die grossen Seethiere am Eindringen in das Mittelmeer zu hindern und den eigenen Ruhm zu mehren. – Vgl. auch Seneca, Hercules furens, 235–238; Hederich, Lexicon, Sp. 1247. 161,17–21 Da richtete Ç. . .È H e r k u l e s nannte] Seeger 1, S. 673–675; Apollodoros 2,107, (Meusel), S. 78. Das Motiv der Gedenksäulen auch bei Diodorus Siculus 4,18,2, (Stroth) 2, S. 36. Für eine Diskussion ihrer Lokalisierung in Kalpe und Abilyx (an der Straße von Gibraltar, an der heute Gibraltar und Ceuta einander gegenüberliegen), Gadeira (Cadiz) oder an einer anderen Stelle s. Strabon 3,5,5–6, (Penzel) 1, S. 507–511. – Vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1247. 161,26–29 half Ç. . .È verschaffen] Atlas, dessen Genealogie und Amt Moritz bereits mehrfach erwähnt hatte (s. S. 21,29–32, 30,5–14, 51,27–29, 59,17–22, ggf. mit den Erl.), trägt Hesiod, Theogonie, 517–520, (Voss), S. 119f. zufolge auf Zeus’ Geheiß bei den Hesperiden den Himmel. Ein Teil der Überlieferung referiert den Mythos von Herakles und Atlas als Seitenstück der Hesperiden-Arbeit (s. S. 155,14–15 und Erl.), so Apollodoros 2,120–121, (Meusel), S. 82, der auch eine Version der Erzählung vom Raub der Äpfel ohne die Beteiligung von Atlas kennt. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 465f.; 1265–1267; Seeger 1, S. 681f. – Für die Feststellung, Herakles habe Atlas Erleichterung verschaffen wollen, stützt sich Moritz vermutlich auf Seneca, Hercules Oetaeus, 1905–1908: vestrum Alcides cervice nosofistai (Deipnosophista´i,

meus / mundum, superi, caelumque tulit, / cum stelligeri vector Olympi / pondere liber spiravit Atlans. Lippert, Dactyliothec 1, S. 217, Nr. 588 übersetzt: Auf seinem Nacken trug mein Herkules euren Himmel, ihr Götter. Da athmete einmal ruhig der von seiner schweren Bürde des sternenreichen Olymps befreyete Atlas. 161,29–31 auf alten Denkmälern Ç. . .È tragend] Vgl. Lippert, Dactyliothec 1, S. 217, Nr. 588. Weitere Beispiele für das Motiv bei G. Kokkorou-Alewras, Art. Herakles, in: LIMC 5/1, S. 99f., Nr. 2683; 2685; 2687.

Stellenerläuterungen

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162,17–18 bei dem weisen Nestor Ç. . .È gelähmt] Vgl. Homer, Ilias 23,620–623, (Stolberg) 2, S. 390, wo Achilleus bei den Leichenspielen für Patroklos dem Nestor mit den folgenden Worten einen Preis überreicht: nim dieß

Kleinod, ohne zu kämpfen. / Denn du wirst mit Fäusten nicht fechten; wirst nicht ringen, / Weder schiessen mit Pfeilen, noch mit flüchtigen Füssen / Laufen; denn es drücket dich schon die Bürde des Alters. 162,18–19 viel Licht und Schatten] Vgl. Erl. zu S. 142,24. 162,25–32 Zuerst vermählte Ç. . .È Todtenopfer brachte] Die Details der Megara-Episode sind in vielen unterschiedlichen Varianten überliefert (s. Jessen, Art. Megara 1), in: Roscher 2, Sp. 2542–2546). Diodorus Siculus 4,10,6–4,11,1, (Stroth) 2, S. 20–22 und Apollodoros 2,67–72, (Meusel), S. 66–68, die im Übrigen nicht deckungsgleich berichten, stellen übereinstimmend an den Anfang der Episode Herakles’ Heirat mit Kreons Tochter nach einem Sieg über die auch als Minyer bezeichneten Orchomenier und ihren König Erginos, denen die Thebaner tributpflichtig gewesen waren; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1027f. und 1242. – Insofern Moritz sich Herakles’ Vergehungen und Schwächen (S. 162,1–2) zuwendet, bewegt sich die Götterlehre, was die antiken Quellen betrifft, nunmehr im Umfeld tragischer Bearbeitungen, die den Helden in menschlich nachvollziehbaren Situationen zeigen (Euripides) oder ihn negativieren (Sophokles; zur Entwicklung der literarischen Herakles-Darstellungen s. Effe 1980). Auf das Motiv des Wahnsinns konzentriert sich, gefolgt von Senecas Hercules furens, Euripides mit seiner Tragödie Der rasende Herakles. Euripides’ den Sinnlosigkeitsaspekt scharf beleuchtende Zutat, der zufolge auch Megara Herakles’ Furor zum Opfer fällt (nach Diodorus Siculus 4,31,1, [Stroth] 2, S. 59 und Apollodoros 2,127, [Meusel], S. 84 übergibt Herakles sie stattdessen nach Verrichtung der zwölf Arbeiten dem Iolaos), findet Eingang in Hyginus, Fabulae 31; 32. – Auf Pindar, der Herakles zum Tugendideal stilisiert (s. Galinsky 1972, S. 29–38) und den Wahnsinn wie auch den Mord an den Kindern unerwähnt lässt, gehen die Zahl von acht Kindern und die Angaben zu ihrer Verehrung in Theben zurück (Isthmische Oden 4,61–67, [Damm] 3, S. 151): Diesem 〈Herakles〉 bereiten wir, seine Bürger, oberhalb des Elektri-

schen Thores eine Opfer-Malzeit, und bringen frisch gewundene Kränze zu den Altären; und thun auch Opfer hinzu die ganz verbrannt werden müssen, für die wolgerüsteten A c h t v e r s t o r b e n e n Söne, die ihm des K r e o n - Tochter, M e g a r a geboren hatte, diesen zu Eren brennet, bey Untergange des Sonnen-Lichtes, eine angezündete Flamme die ganze Nacht ununterbrochen hindurch, und schläget in die hohe Luft mit wolriechendem Rauche auf.

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162,28 O r c h o m e n i e r n ] Bewohner der Stadt Orchomenos in Boiotien. Vgl. Art. Orchomenos 1., in: KlP 4, Sp. 330–332. 163,6–10 Er kam Ç. . .È Preis des Sieges] Stark verknappte Darstellung der Auseinandersetzung mit Acheloos um Deianeira. Detailreichere Versionen bei Sophokles, Die Trachinierinnen, 507–530, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 140f.; Apollodoros 2,148, (Meusel), S. 91; vor allem jedoch bei Ovid, Metamorphosen 9,8–88; s. auch Hyginus, Fabulae 31. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 24f.; 878. 163,6 Kalydon] Kalydon war eine antike Stadt in der Küstenebene von Aitolien, die schon bei Homer erwähnt ist (vgl. z. B. Homer, Ilias 9,530–531, [Stolberg] 1, S. 238). In der röm. Kaiserzeit verödete der Ort. Vgl. Art. Kalydon, in: KlP 3, Sp. 93. 163,11–24 Als nun Herkules Ç. . .È anzulegen, schickte] Vgl. Sophokles, Die Trachinierinnen, 555–581, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 143f. (der Kentaur rät Deianeira, in deiner Hand das schwarze Blut / Gerinnen zu lassen); Diodorus Siculus 4,36,3–5, (Stroth) 2, S. 70f. (Nessos rät, wie auch schon bei Sophokles, Herakles’ Hemd mit dem Samen zu tränken, den Deianeira daraufhin in einem Gefäß auffängt). S. auch Apollodoros 2,151–152, (Meusel), S. 91f.; ferner Ovid, Metamorphosen 9,103–133 (der vom Durchschießen berichtet). Alle Elemente der Erzählung – mit Ausnahme des Ratschlags, das Gewand mit dem Gift zu tränken – sind versammelt bei Hederich, Lexicon, Sp. 878f. (das Gift, in einer Büchse aufbewahrt, soll – wie bei Moritz – der Abwehr von aller fremden Liebe dienen) und 1730f. – Sophokles und die Mythographen sind sich allerdings darin einig, dass Nessos keinen bloßen Entführungs-, sondern einen Vergewaltigungsversuch unternimmt. Nach Diodor und Apollodor ist die verhängnisvolle Flüssigkeit der (mit Blut vermischte) Samen des Kentauren. Anders Hederich, Lexicon, Sp. 1251, bei dem Nessos versucht, sich mit Deinaneira davonzumachen; vgl. aber ebd., Sp. 878f. und 1731 sowie Seeger 1, S. 595f. 163,12 Evenus] Nach einer von Apollodoros 1,59–60, (Meusel), S. 20 referierten Erzählung ist der Euenos ein Fluss in Aitolien, umbenannt nach dem gleichnamigen Heros. Vgl. Philippson, Art. Euenos 1), in: RE 6/1, Sp. 974. 163,30–33 Als Herkules Ç. . .È abschlug] Vgl. Apollodoros 2,127–128, (Meusel), S. 84f.; Diodorus Siculus 4,31,1–2, (Stroth) 2, S. 59; Hederich, Lexicon, Sp. 1098. 163,30 Euboä] Der korrekt latinisierte Name wäre das im 18. Jh. üblichere Euböa. Euboia ist eine langgestreckte Insel vor der Ostküste von Mittelgriechenland. Vgl. Art. Euboia, in: KlP 2, Sp. 397–399. 163,32 O e c h a l i e n ] Den Namen Oichalia tragen Orte in Messenien, in Thessalien, im Spercheiostal und auf Euboia, von denen aber nur letzterer historisch nachweisbar ist. Während Moritz sich für das Euboiische Oichalia entscheidet,

Stellenerläuterungen

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wird die Frage, an welchem dieser Orte sich das Herakles-Abenteuer zugetragen haben soll, seit der Antike kontrovers diskutiert. Vgl. Fritz Geyer, F. Bölte, B. Lenk, Art. Oichalia, in: RE 17/2, Sp. 2096–2101; Art. Oichalia, in: KlP 4, Sp. 251. 164,1–4 I p h i t u s Ç. . .È Felsen herab] Früheste Quelle zu dem Mord an Iphitos ist Homer, Odyssee 21,22–30, (Voss), S. 400, wo Herakles seinen Gastgeber in dessen eigenem Haus umbringt. Sophokles, Die Trachinierinnen, 273; 357, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 124; 129 übergeht in einem Rückblick den Pferdediebstahl; Herakles, aus anderen Gründen erbost, stürzt Iphitos, der nach verirrten Pferden sucht, vom Klippenfelsen. Nach Diodorus Siculus 4,31,3, (Stroth) 2, S. 59f. ist Herakles, wie bei Moritz, ein Pferdedieb, der Iphitos allerdings von einem Turm stürzt. Hingegen sind Apollodoros 2,129, (Meusel), S. 85 zufolge von Autolykos gestohlene Kühe Gegenstand der Auseinandersetzung; Herakles stößt im Wahn Iphitos, der den Helden für unschuldig hält, von den Mauern zu Tirynth herab. Hederich, Lexicon, Sp. 1369 referiert Diodors und Apollodors Versionen und berichtet zu Iphitos überdies, dass Herakles die Stuten vor dem Mord wohl versteckt habe. 164,5–12 Durch diese That Ç. . .È spinnend dar] Die Knechtschaft bei der lydischen Königin Omphale, die Herakles auf Geheiß des Orakels von Delphi auf sich nimmt, um sich von der Krankheit zu befreien, mit der er für den Mord an Iphitos geschlagen ist – vgl. Diodorus Siculus 4,31,5, (Stroth) 2, S. 60f.; Apollodoros 2,130–133, (Meusel), S. 85f. –, war Gegenstand mehrerer Satyrspiele und Komödien, die nicht erhalten sind. Hingegen findet sich das Motiv von Rollentausch und Verkleidung, mit Vorliebe bei röm. Autoren, erst seit dem 1. Jh. v. Chr. Wichtige Quellen sind Ovid, Heroides 9,53–118 (79–80: Herakles am Rocken); Ovid, Fasti 2,305–356 mit einer weiteren Anekdote aus dem Umfeld des Verkleidungsmythos; Seneca, Hercules furens, 465–471. Vor allem Ovid kontrastiert in den Heroides effektvoll den weiblichen Aufzug mit den heroischen Taten. – Für Abbildungen s. Rossi, Gemme antiche figurate 2, Abb. 101 und 102 (Jole mit Löwenfell und Keule, doch liegt demselben Verfasser zufolge, ebd., S. 212–215 eine Überblendung von Jole und Omphale vor); ebenso, z. T. auf Rossi fußend, Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, S. 224f. mit den zugehörigen Kupferstichen; Venuti, Collectanea antiquitatum, S. 33f. mit den Abbildungen; Dolce 1, S. 72f., Nr. 110–126. Unter Einschluss von Herakles: Lippert, Dactyliothec I, S. 220f., Nr. 598 und 600. – Das Motiv Herkules Ç. . .È in Weiberkleidern am Rocken spinnend ist nachgewiesen in John Boardman, Art. Omphale, in: LIMC 7/1, S. 48, Nr. 23 mit der zugehörigen Abb. ebd., 7/2, S. 33 (im Museo Nazionale von Neapel aufbewahrte Marmorgruppe aus dem 1. Jh. v. Chr.); vgl. auch ebd. 7/1, S. 49, Nr. 37; 39 (Wandge-

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mälde aus Pompeji). Moritz könnte auch an Lukian, Wie man die Geschichte schreiben müsse 10, (Sämtliche Werke) 4, S. 88f. gedacht haben, wo die Rede ist von einem Herkules am Hofe der Omphale? wie du ihn vermuthlich irgendwo gemahlt gesehen haben wirst; S i e , mit seiner Löwenhaut um die Schultern, und mit seiner Keule in der Hand, als ob s i e Herkules wäre: I h n hingegen, wie er in seinen gelb und rothem Weibergewand, das in weiten Falten um seine nervichten Glieder schwimmt, unter ihren Mägden am Spinnrocken sitzend, von ihr mit dem Pantoffel um die Ohren geschlagen wird. Vgl., wohl unter Bezug auf Lukian, Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, S. 225. Auf ein im Palazzo Farnese befindliches Gemälde von Annibale Carracci, das Herkules in den Kleidern der Omphale zeigt, verweist Moritz in RDI 3, S. 226f. (KMA 5/2). Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1250f.; 1369; 1785–1787; John Boardman, Art. Omphale, in: LIMC 7/1, S. 45f. 164,17–20 rüstete Ç. . .È J o l e n gefangen] S. Apollodoros 2,156, (Meusel), S. 93. Bei Diodorus Siculus 4,37,5, (Stroth) 2, S. 73 richtet sich der Kriegszug nur gegen Eurytos’ Söhne. Hederich, Lexicon, Sp. 1098; 1251f.; Seeger 1, S. 696. Zum Ganzen mit weiteren Quellen und Varianten Stoll, Art. Eurytos 2), in: Roscher 1, Sp. 1436f. 164,20–31 schickte Ç. . .È gezeigt habe] Die Götterlehre orientiert sich, auch in den folgenden Passagen, an Sophokles’ Tragödie Die Trachinierinnen. Darin zeigt sich Herakles, der erst in der zweiten Hälfte der Handlung in Erscheinung tritt, nicht als Retter und Wohltäter der Menschheit. Vielmehr setzt der Tragödiendichter eine Umkehrung des Mythos in Szene und lässt den Helden im fragwürdigen Licht des übermächtigen und den eigenen Begierden nachgehenden Einzelnen dastehen, speziell in dem des unersättlichen Frauenhelden, dessen Selbstherrlichkeit, politisch betrachtet, mit der athenischen Demokratie schlecht vereinbar war (Galinsky 1972, S. 49; Effe 1980, S. 153–156). Abweichend von anderen Versionen des Mythos (vgl. Apollodoros 2,156–157, [Meusel], S. 93; Diodorus Siculus 4,37,5–4,38,1, [Stroth] 2, S. 73f.) bringt bei Sophokles, nachdem Herakles, um sich der Jole zu bemächtigen, Eurytos’ Stadt Oichalia erobert hat, der Diener Lichas Jole zu Deianeira nach Trachis. Joles Anwesenheit im unmittelbaren Umfeld von Deianeira gibt Gelegenheit, ein vom Verfasser eigenständig entwickeltes Thema zu vertiefen – den Charakter und die Situation der missachteten Gattin, die sich mit der Gefahr konfrontiert sieht, von einer Konkurrentin verdrängt zu werden. Deianeira, die von Herakles’ Interesse an Jole erfährt, schickt ihrem Gatten das mit dem vergifteten Blut getränkte Festgewand, das vor dem Opfer weder an das Licht kommen noch von jemand anders angelegt

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werden soll; s. dazu Sophokles, Die Trachinierinnen, 600–619, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 146f. 165,2–4 Schon lange Ç. . .È befürchten dürfe] Sophokles, Die Trachinierinnen, 1159–1163, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 183: Einst hat mein Vater mir vor-

hergesagt, / Zu meinem Morde sei kein Lebender / Bestimmt, ein todter Hadäsbürger sei’s. / Erfüllt ist nun der Spruch; denn der Kentaur, / Der todte Nessos raubt das Leben mir. 165,6–20 Auf dem Vorgebürge C e n ä u m Ç. . .È Trachina bringen] Vgl. den Botenbericht aus Sophokles, Die Trachinierinnen, 749–812, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 157–160, in dem Herakles’ Sohn Hyllos, nicht mit anschaulichen Details über das Leiden des Helden geizend, seine Mutter Deianeira über die Ereignisse informiert, um gleichzeitig Herakles’ Ankunft anzukündigen und Deianeira als Verursacherin von Herakles’ bevorstehendem Tod zu verfluchen. S. ferner Diodorus Siculus 4,38,1–2, (Stroth) 2, S. 73f.; Apollodoros 2,157–158, (Meusel), S. 93; Hederich, Lexicon, Sp. 1252. Mit deutlichen Abweichungen Ovid, Metamorphosen 9,134–229. Die Lokalisierung auf dem Kenaion, einem Kap an der Nordwestspitze der Insel Euboia (heute Kap Lichada), spielt auf den dortigen Kult des Zeus Kenaios an; vgl. Art. Kenaion, in: DNP 6, Sp. 411. 165,12 Hekatombe] Vgl. S. 123,7 und Erl. Sophokles, Die Trachinierinnen, 761–762, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 158 lässt Herakles eine Hekatombe im Literalsinn opfern: aller Gaben Zahl / War hundert, auserwählt von allem

Vieh. 165,15–16 Gift der Hydra Ç. . .È verzehrte] Vgl. S. 149,23–26. 165,17–19 Er rief Ç. . .È zerschmettert ward] Sophokles, Die Trachinierinnen, 777–782, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 159: Als er’s vernahm, und als des

Schmerzens Krampf / Sein Eingeweid’ ergrif mit herber Qual, / Da faßt’ er Lichas bei dem Fußgelenk’, / Und schleudert’ ihn an einen Klippenfels / Im Meer, daß aus zerschellter Scheitel Blut / Und weißes Hirn vom Haar’ hinab ihm rann. 165,22 gab sie verzweiflungsvoll Ç. . .È den Tod] In Sophokles’ Trachinierinnen, 923–931, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 168f. nimmt Deianeira sich mit dem Schwert das Leben, während sie sich bei Diodorus Siculus 4,38,3, (Stroth) 2, S. 74 und Apollodoros 2,159, (Meusel), S. 94 erhängt. Conti, Mythologiae, S. 459 zufolge greift sie in anderen, freilich nicht genannten Quellen zu Herakles’ Knüppel. Hederich, Lexicon, Sp. 1252 übernimmt die Version der Mythographen. 165,23–27 Hyllus Ç. . .È J o l e empfahl] Vgl. Sophokles, Die Trachinierinnen, 1216–1306, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 186–192. In der Tragödie werden die

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Ereignisse nicht auf der Bühne gezeigt, sondern in einem Gespräch zwischen Herakles und Hyllos vorweggenommen, das in Trachis stattfindet. Die anschließende Apotheose ist, entsprechend dem negativen Herakles-Bild der Tragödie, in den Trachinierinnen durch eine spektakuläre Antizipation des Todes ersetzt (s. Galinsky 1972, S. 51f.). 165,28–29 Pfeile Ç. . .È hinterließ] Üblicher als das gelegentlich nachweisbare Paeas ist Poeas (gr. Poias); vgl. z. B. Pindar, Pythische Oden 1,53, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 15; Apollodoros 2,160, (Meusel), S. 94; Hederich, Lexicon, Sp. 1252; 1977; 2034f. – Für die Übergabe der Pfeile an Philoktet, der das Feuer an Herakles’ Scheiterhaufen legt, vgl. Sophokles, Philoktetes, 801–803, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 361; s. ferner Diodorus Siculus 4,38,4, (Stroth) 2, S. 74f.; Apollodoros 2,160, (Meusel), S. 94 mit Abweichungen im Einzelnen. – Als geübter Bogenschütze – nicht, wie in Sophokles’ Philoktetes und bei Hyginus, Fabulae 102 als Besitzer todbringender Pfeile –, der wegen eines Schlangenbisses auf Lemnos zurückgelassen wird, ist Philoktet schon bei Homer, Ilias 2,716–728, (Stolberg) 1, S. 63 erwähnt. Odysseus’ Auftrag, den wegen wegen seiner Pfeile unentbehrlichen Philoktetes wieder in das Heer der Griechen vor Troja zu integrieren, macht Sophokles zum Gegenstand der Tragödie Philoktetes. Vgl. auch Ovid, Metamorphosen 13,397–401. 165,31 heiterte sich sein Antlitz auf] Für das Motiv des auf dem Scheiterhaufen gelöst wirkenden Herakles vgl. Ovid, Metamorphosen 9,234–238: dumque

avidis conprenditur ignibus agger, / congeriem silvae Nemeaeo vellere summam / sternis et inposita clavae cervice recumbis, / haud alio vultu, quam si conviva iaceres / inter plena meri redimitus pocula sertis (Fink, S. 441: Und während gierige Flammen den Holzstoß erfassen, deckst du das Gebirge von Stämmen mit der Löwenhaut von Nemea und streckst dich, den Nacken auf die Keule gestützt, genau so heiter aus, als lägest du als Gast vor Bechern voll Wein, mit bekränztem Haupt beim Gelage). 165,31–166,6 Er hatte Ç. . .È vermählt] Herakles’ Entrückung ist in antiken Texten vielfach beschrieben. Besonders aufschlussreich für die Trennung der unsterblichen von den sterblichen Anteilen ist Ovid, Metamorphosen 9,266–270: utque

novus serpens posita cum pelle senecta / luxuriare solet, squamaque virere recenti, / sic ubi mortales Tirynthius exuit artus, / parte sui meliore viget maiorque videri / coepit et augusta fieri gravitate verendus (Fink, S. 443: Und wie gewöhnlich die verjüngte Schlange, wenn sie samt der alten Haut das Alter abgestreift hat, sich fröhlich ringelt und mit den neuen Schuppen frische Kraft erhält, so erstarkt Herkules, als er seinen sterblichen Leib

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abgelegt hat, in seinem besseren Teil: Allmählich schien er größer zu werden und flößte durch ernste Majestät Ehrfurcht ein). Vgl. auch ebd., 243–253. Zu Herakles’ Apotheose außerdem Hesiod, Theogonie, 950–955, (Voss), S. 156; Pindar, Nemeische Oden 2,69–72, (Damm) 3, S. 13; Diodorus Siculus 4,39, (Stroth) 2, S. 75f.; Apollodoros 2,160, (Meusel), S. 94. Beide Mythographen erwähnen, wie Hesiod, auch die Versöhnung mit Hera und die Heirat mit Hebe. Vgl. ferner Lukian, Hermotimus 7, (Sämtliche Werke) 5, S. 12; Seneca, Hercules Oetaeus, 1607–1996. Mit dem Stoff, in Gestalt des Singspiels Hercules auf dem Oeta von Johann Benjamin Michaelis, in Hannover 1771 aufgeführt von der Seylerschen Truppe, war Moritz schon während seiner Schulzeit in Berührung gekommen (AR, KMA 1, S. 188,19 und Erl.). – Zu Herakles’ Schattenbild im Orkus s. Odysseus’ Besuch in der Unterwelt, Homer, Odyssee 11,601–604, (Voss), S. 227: Und nach diesem 〈Sisyphos〉 erblickt’ ich die hohe Kraft Härakläs, /

Seine Gestalt; denn er selber feirt mit den ewigen Göttern / Himmlische Wonnegelag’, und umarmt die blühende Häbä, / Zeus des gewaltigen Tochter und Häräs mit goldenen Solen. – Unter dem Aspekt der Idealität des Menschlichen war Herakles’ Verklärung für Autoren des 18. Jhs. von besonderem Interesse. Während ein antiker Dichter wie Pindar, Nemeische Oden 2,69–72, (Damm) 3, S. 13 die Apotheose als Lohn für die großen Taten interpretiert, ist sie bei Moritz Telos eines Läuterungsprozesses. Die Apotheose des Herakles erscheint geradezu als literarische Veranschaulichung eines Theorems, das Moritz in BNS, S. 43 (KMA 3) entwickelt: Die Menschengattung aber muß sich heben,

weil sie den Endzweck ihres Daseyns nicht mehr ausser sich, sondern in sich hat; und also auch durch die Entwicklung aller in ihr schlummernden Kräfte, bis zur Empfindung und Hervorbringung des Schönen, s i c h i n s i c h s e l b e r v o l l e n d e n m u ß . – Zu dieser Vollendung aber gehört das duldende Individuum selber mit; dessen Duldung eben, wenn sie vorüber ist, durch die Darstellung zugleich in den höchsten Vollendungspunkt des Schönen mit hinüber geht. Das Zusammenspiel des ›Duldens‹ mit seiner Überwindung in der Vergöttlichung bringt die Apotheose auch mit dem Konzept der Verjüngung (s. Erl. zu S. 30,29) in Zusammenhang, obwohl Moritz an der vorliegenden Stelle das naheliegende Bild der sich häutenden Schlange (s. S. 120,4–6 und 212,6–9) nicht aufgreift, bzw. mit der Begründung des Schönen im Leid, wie Moritz sie in dem Aufsatz In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 1 (1788), 2. Bd., 4. St., S. 159f. (KMA 3) am Beispiel der Philomele andeutet. – Auch angesichts des Eigengewichts, das Herakles’ Abenteuer

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für sich beanspruchen, bleibt allerdings offen, ob die Apotheose in der Lage ist, das Gesamtbild des arbeitenden und leidenden Helden bzw. den Mythenstoff in seiner Vielfalt und Konkretion zu umgreifen, oder ob sie, nach christlichem Muster, nur um den Preis einer Trennung des Irdischen vom ›Himmlischen‹ gelingt, wenn nicht, bis zu einem gewissen Grad, um den der Ertödtung (s. AR, KMA 1, S. 11–14 sowie die Erl. zur quietistischen Frömmigkeit der Jeanne-Marie Guyon), als Transzendierung der Körperwelt oder sogar des selbst (KMA 1, S. 12; vgl. Gödde 2010, S. 178f.). Es mag kein Zufall sein, dass 1795, wenige Jahre nach dem Erscheinen der Götterlehre, Friedrich Schiller mit dem Vorhaben scheiterte, Herakles’ Apotheose in Form einer Idylle darzustellen, in der das Individuelle und das Ideale als synthetisiert erscheinen sollten (Habel 1971, S. 282–293; Barone 2006). 166,8–10 Abbildungen Ç. . .È erdrückt] Abb. 18. Lippert, Dacyliothec 1, S. 212, Nr. 572/573 (Schublade 1/12). 166,10–11 die andre Ç. . .È ausruht] Abb. 18. Lippert, Dactyliothec 1, S. 226, Nr. 613 (Schublade 1/13): H e r k u l e s sitzet in einer ruhenden Stellung auf

einem Hügel, über welchen die Löwenhaut ausgebreitet ist. Er stemmet sich an seine Keule, über welche er seinen linken Fuß geleget hat, und vor ihm hänget an einem Baume der Bogen. Die Zeichnung, die Handlung und der Contrast zu einer sitzenden Figur ist sehr schön, und nach allen Regeln der Kunst. 166,13–16 O e b a l u s Ç. . .È sich vermählte] Die Genealogie der Leda und die Zeugung und Geburt der Dioskuren sind variantenreich überliefert. Für die vorliegende Version vgl. z. B. Hyginus, Fabulae 78; Apollodoros 3,125, (Meusel), S. 141. Zu Oibalos als Vater des Tyndareos vgl. auch Pausanias 3,1,4, (Goldhagen) 1, S. 334; Apollodoros 3,123, (Meusel), S. 141. Vgl. aber auch ebd. 1,87; 3,117, (Meusel), S. 27; 139, wonach Tyndareos Sohn des Perieres ist. – Oibalos’ Zugehörigkeit zu Inachos’ Stamm ist rekonstruierbar mithilfe der genealogischen Tafeln 18 und 23 bei Hederich, Lexicon. Das Verbindungsglied bildet dort der Heros Lelex; zu ihm W. Kroll, Art. Lelex, in: RE 12/2, Sp. 1893. Auf welche Quellen sich Hederich für seine Aufnahme in den Stamm des Inachos stützt, bleibt unersichtlich. 166,17–20 Die Schönheit der Leda Ç. . .È ihn verfolgte] Für Zeugung und Geburt der Dioskuren vgl. S. 65,1–4 und Erl., ferner Banier 5, S. 3–5, der unterschiedliche Versionen referiert. Für die Beteiligung der Aphrodite vgl. Banier sowie Hederich, Lexicon, Sp. 1447, die keine Quelle angeben. 166,21–26 L e d a Ç. . .È Tyndareus erzeugt] Die Frage, wie viele Nachkommen welcher Zahl an Eiern entspringen, wird in den mythologischen Überlieferungen unterschiedlich beantwortet. Hyginus, De astronomia 2,8 und Apollodoros 3,127,

Stellenerläuterungen

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(Meusel), S. 142 zufolge brütet Leda ein Ei aus, das Zeus allerdings zuvor mit Nemesis gezeugt hat. Die vorliegenden Angaben zu den Kindern entsprechen Hyginus, Fabulae 77, der jedoch die Eier nicht erwähnt. Für einen Überblick vgl. Stoll, Art. Leda, in: Roscher 2, Sp. 1924. 166,30–32 in edler Leibesübung Ç. . .È ringen] Vgl. Homer, Odyssee 11,298–300, (Voss), S. 216; Homer, Ilias 3,237, (Stolberg) 1, S. 82: den Rossebezähmer / Kastor, und Polüdeukäs den Helden mit furchtbaren Fäusten. Für spätere Belege vgl. Horaz, Oden 1,12,26; Apollodoros 3,134, (Meusel), S. 144. 167,2–5 begleiteten die Argonauten Ç. . .È im Zweikampf schlug] Vgl. S. 171,29 und 173,30–33 mit den Erl. 167,6–11 Auch sahe man Ç. . .È versprach] Moritz’ Erzählung orientiert sich an Banier 5, S. 5–7, der den Mythos von Kastor und Polydeukes/Pollux mit dem Elmsfeuer in Zusammenhang bringt; dafür gibt es in antiken Quellen erst späte Nachweise. – Gleichzeitig ist an die enge Beziehung der Dioskuren zu Sternen und an ihre (späte) Identifikation mit dem Sternbild Zwillinge zu denken; vgl. S. 168,15–17; Banier 5, S. 10; Bethe, Art. Dioskuren, in: RE 5/1, Sp. 1096f.; A. Furtwängler, Art. Dioskuren, in: Roscher 1, Sp. 1162f. Sterne sind in der bildenden Kunst der Antike ein häufiges Attribut der Dioskuren. Vgl. verschiedene Beispiele in LIMC 3/2, S. 456–503. An antiken Quellen s. den Homerischen Hymnus 33 an die Dioskuren, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 110; Horaz, Oden 1,12,25–32. – Für die Verbindung mit der Argonautenfahrt s. Diodorus Siculus 4,43,2, (Stroth) 2, S. 81; vgl. auch Hyginus, Fabulae 14,12; Hederich, Lexicon, Sp. 944. 167,14–15 Nahmen der D i o s k u r e n Ç. . .È Jupiters] S. Banier 5, S. 5; Damm, Einleitung, S. 218. Vgl. auch A. Furtwängler, Art. Dioskuren, in: Roscher 1, Sp. 1154. 167,17–27 hatte Theseus Ç. . .È Götter ehrte] Banier 5, S. 7 nach Plutarch, Theseus 31, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 80–87. Plutarch berichtet ferner, dass die Dioskuren wegen ihres Verzichts auf Gewaltanwendung gegen Athen dort als Beschützer verehrt bzw. manchen Stimmen zufolge unter die Sterne versetzt worden seien. 167,33–168,12 Als nehmlich Kastor Ç. . .È erfreuen] Der abwechselnde Aufenthalt unter den Göttern und unter den Verstorbenen ist schon erwähnt bei Homer, Odyssee 11,301–304, (Voss), S. 216: Diese leben noch beid’ in der

allernährenden Erde. / Denn auch unter der Erde beehrte sie Zeus mit dem Vorrecht, / Daß sie beid’ abwechselnd den einen Tag um den andern / Leben und wieder sterben, und göttlicher Ehre genießen. Wichtigste Grundlage für die vorliegende Fassung sind aber wohl, sieht man vom Verlauf des Kampfs

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Götterlehre

und weiteren Details ab, Ovid, Fasti 5,693–720, der den Mythos insgesamt als Ursprungserzählung des Sternbilds »Zwillinge« referiert, und Hyginus, Fabulae 80. – Moritz verschweigt, dass Kastor und Polydeukes/Pollux um Phoibe und Hilaeira nicht allein werben, sondern beide ihren Verlobten Idas und Lynkeus entführen. Z. T. ergänzende, z. T. abweichende Fassungen bei Pindar, Nemeische Oden 10,54–90, (Damm) 3, S. 112–115, der den Dialog zwischen Zeus und Polydeukes besonders eindringlich darstellt, und Apollodoros 3,134–137, (Meusel), S. 144f. Für eine variierende Darstellung des Kampfs s. ferner Theokrit 22, (Idyllen [Kütner]), S. 115–119. Vgl. Banier 5, S. 7–9; Hederich, Lexicon, Sp. 944f. 168,13 Dem Kastor Ç. . .È Altäre geweiht] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 946. 168,14–15 Die Einbildungskraft Ç. . .È erscheinen] S. Banier 5, S. 11f., der solche Erscheinungen zum Irrglauben erklärt. Von Epiphanien der Dioskuren berichten Quellen aus röm. Zeit. Für ein Beispiel vgl. Plutarch, Coriolanus 3, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 2, S. 497, für weitere Zedler 5, Sp. 1369; Art. Dioskuroi, in: KlP 2, Sp. 93. 168,18–22 So wurden sie Ç. . .È Steine abgebildet] Abb. 19. Lippert, Dactyliothec 1, S. 259, Nr. 727 (Schublade 1/15). Vgl. im Übrigen Damm, Einleitung, S. 218:

Unter den G e s t i r n e n sind sie die Z w i l l i n g e : sie werden daher auch als zwey auf weißen Pferden neben einander reitende Helden, mit einem Sterne über der Stirne auf dem Helme, und mit Spießen in den Händen, g e b i l d e t . In RDI 3, S. 30–32 (KMA 5/2) beschreibt Moritz die monumentalen Dioskurenstatuen auf dem Quirinalshügel (Monte Cavallo) in Rom. 168,24–25 die bloßen Köpfe Ç. . .È Sternchen darüber] Abb. 19. Lippert, Dactyliothec 1, S. 258, Nr. 726 (Schublade 1/15): Die Köpfe des C a s t o r und P o l -

l u x , mit Sternen bezeichnet. 168,28–29 Juno selber Ç. . .È ihren Schutz] Vgl. S. 177,28–29 und Erl. 168,30–31 A e o l u s Ç. . .È K r e t h e u s ] Vgl. Apollodoros 1,51, (Meusel), S. 17f., der weitere Söhne und Töchter des Aiolos kennt, unter anderem den in der Götterlehre später erwähnten Deion bzw. Deioneus; vgl. S. 246,16. Die von Moritz genannten vier bei Damm, Einleitung, S. 171. Vgl. auch die Hinweise in den Erl. zu S. 70,14–16. 169,3–170,12 Ty r o Ç. . .È erbeutet wäre] Zusammenfassung der ausführlicheren Darstellung von Banier 4, S. 496–501. Von ihr weicht Moritz nur in wenigen Einzelheiten ab. Im Vergleich mit der antiken Vorlage – Apollodoros 1,90–91; 96, (Meusel), S. 28f., der insbesondere die gesamte verzweigte Nachkommenschaft der Tyro und des Kretheus und die z. T. durchaus phantastischen Erzählungen darstellt, die sich auf sie beziehen – ist Baniers Darstellung rationalistisch gefiltert.

Stellenerläuterungen

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169,4 N e l e u s ] Vgl. S. 172,2 und Erl. im vorliegenden Band, wo Neleus als Teilnehmer des Argonautenzugs erwähnt wird. 169,9–19 P e l i a s aber Ç. . .È Helden annahm] Vgl. die Erzählung der Vorgeschichte, die Pindar, Pythische Oden 4,102–116, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 138f., dem Jason selbst in den Mund legt. Zu Chiron vgl. S. 59,9–16 im vorliegenden Band, wo der Kentaur sehr ähnlich charakterisiert wird. 169,20 unter dessen Leitung Ç. . .È antrat] Vgl. S. 147,9–14 und Erl. 169,21–170,12 Als Jason Ç. . .È erbeutet wäre] Jasons Ankunft in Jolkos, das Zusammentreffen mit seinem Vater, das Gespräch mit Pelias und die Entscheidung, das Goldene Vlies zu erobern, sind gemäß Pindar, Pythische Oden 4,73–168, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 136–143 erzählt. Auf welche Weise Jason seinen Schuh verliert, berichtet Pindar nicht. Apollodoros 1,107–109, (Meusel), S. 33 bietet eine abweichende Fassung. 169,27–31 Als nun Jason Ç. . .È Schlamme stecken] Die Erzählung ist in mehreren Varianten überliefert. Für das Hinübertragen der Hera s. Apollonios, Argonautika 3,72–73, (Bodmer), S. 100. Den Schuh bringen Hyginus, Fabulae 12 (auf dem Weg zum Opfer für Poseidon, das Pelias bringen will, überquert Jason den Euenos [!] und büßt dabei den Schuh ein) und Apollodoros 1,108, (Meusel), S. 33 ins Spiel, ebenso Hyginus, Fabulae 13 (am Euenos trifft Jason auf Hera als Greisin und trägt sie hinüber; sie sorgt jedoch dafür, dass er einen Schuh verliert, weil sie Pelias zürnt, der kein Opfer für sie vorgesehen hat). Die Darstellung von Banier 4, S. 498 entspricht in etwa derjenigen des Hyginus. 169,28 Anaurus] Der Anauros ist ein Bach auf der Halbinsel Magnesia in Thessalien, der östlich von Jolkos in die Ägäis, in den pagasitischen Golf mündet. Vgl. Hirschfeld, Art. Anauros, in: RE 1, Sp. 2075. 170,1–5 vor allem Volke Ç. . .È sich begeben] Bei Pindar, Pythische Oden 4,105–110; 138–155, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 139; 141f. bringt Jason seine Forderung zweimal vor – auf dem Markt von Jolkos und, unter Anwesenheit der eigenen Verwandtschaft, im Palast des Pelias. Bei letzterer Gelegenheit formuliert er auch seinen Anspruch auf Herrschaft unter Verzicht auf die Einkünfte. 170,9 Manen] Manes sind röm. Ahnengeister. Der nachweislich ältere Ausdruck erscheint auf Grabinschriften erst seit der Kaiserzeit; vgl. Steuding, Art. Manes, in: Roscher 2, Sp. 2317f. Bezogen auf den vorliegenden Zusammenhang ist die Verwendung des Begriffs, den Moritz aus Banier 4, S. 501 bezieht, streng genommen anachronistisch. In einem eigenen Kapitel über die Manen unterscheidet Banier, ebd., S. 140–143 nicht zwischen gr. und röm. Vorstellungen bzw. Termini. –

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Moritz’ Formulierung bezieht sich letztlich auf Pindar, Pythische Oden 4,159–163, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 142, wonach die Forderung, das goldene Vlies nach Jolkos zu holen, von dem ermordeten Phrixos ausgeht, der Pelias im Traum erscheint; vgl. ausführlich Banier 4, S. 500f.; Damm, Einleitung, S. 173f. 170,10 P h r y x u s ] Moritz verwendet durchweg diese Schreibweise. Der gr. Name ist FriÂjow (Phrı´xos). In Schriften des 18. Jhs. zur Mythologie ist Phrixus üblich. Vgl. z. B. Apollodoros 1,80, (Meusel), S. 25; Hederich, Lexicon, Sp. 1999. 170,13–33 Dieser Phryxus Ç. . .È fremden Lande] Alle Bestandteile von Moritz’ Erzählung finden sich, mit weiteren Details und einigen Varianten, bei Banier 4, S. 491–496, der kritische Beurteilungen und Rationalisierungen ›wunderbarer‹ Vorgänge einfügt. Zu vergleichen sind Apollodoros 1,80–83, (Meusel), S. 25f.; Diodorus Siculus 4,47,1–5, (Stroth) 2, S. 87–89; Hyginus, Fabulae 1–3 jeweils mit Ergänzungen und Varianten. 170,25 Kolchis] Landschaft an der Ostküste des Schwarzen Meers; vgl. Art. Kolchis, in: DNP 6, Sp. 639. 170,26 Aeetes, ein Sohn der Sonne] Die Abkunft des Aietes von Helios ist schon bei Homer, Odyssee 10,135–139, (Voss), S. 188 erwähnt: Und wir kamen

zur Insel Aiaia. Diese bewohnte / Kirkä, die schöngelockte, die hehre melodische Göttin, / Eine leibliche Schwester des allerfahrnen Aiätäs. / Beide stammten vom Gotte der menschenerleuchtenden Sonne; / Ihre Mutter war Persä, des großen Okeanos Tochter. Vgl. auch Hesiod, Theogonie, 956–957, (Voss), S. 156. Auf dieselbe Genealogie nimmt Moritz S. 177,23–24 Bezug. 170,28 H e l l e s p o n t ] Meerenge zwischen der thrakischen Chersonesos (der thrakischen Halbinsel) auf europäischer und der Troas (der Landschaft um Troja) auf kleinasiatischer Seite; der heutige Name ist Dardanellen. Die Begründung für den Namen Hellespont ist schon den Tragikern bekannt (vgl. die Anspielung bei Aischylos, Perser, 69–70) und wird z. B. von Apollodoros 1,82, (Meusel), S. 26; Diodorus Siculus 4,47,1, (Stroth), S. 88; Hyginus, Fabulae 3 bestätigt. 171,3–4 die goldnen Aepfel der Hesperiden] Vgl. S. 155,4 und Erl. 171,9 Reichthum und Schätze] Zur Deutung des Vlieses als mythologisches Bild für den Schatz des Aietes vgl. Banier 4, S. 547–551. Vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 391; Seybold, Einleitung, S. 336. Im Übrigen wusste die Mythographie des 18. Jhs., dass schon unter Autoren der Antike unterschiedliche Deutungen kursierten; vgl. das Referat von Banier 4, S. 550f. 171,13–14 sein Muth zur rühmlichen That entflammt] Vgl. Banier 4, S. 500:

J a s o n war in demjenigen Alter, in welchem man den Ruhm liebt.

Stellenerläuterungen

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171,14–16 er verpflichtete Ç. . .È Helden ein] Vgl. Pindar, Pythische Oden 4,168–171, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 143; Banier 4, S. 501f. 171,17 Die Fahrt der Argonauten] Die Argonautenfahrt ist ein alter, schon vorhomerischer, dem Dichter der Odyssee bekannter Sagenstoff (s. Homer, Odyssee 12,69–72, [Voss], S. 232), dessen frühe Bearbeitungen, ebenso wie manche späteren, als verloren gelten müssen. Die erste zusammenhängende Darstellung, die sich erhalten hat, ist Teil von Pindar, Pythische Oden 4. Die Argonautensage ist außer in mythographischen Überlieferungen in drei epischen Bearbeitungen greifbar, deren Entstehungszeiten weit auseinanderliegen, die unterschiedlichen Kulturkontexten entstammen und sich programmatisch unterscheiden (Apollonios von Rhodos, Argonautika, 3. Jh. v. Chr.; Gaius Valerius Flaccus, Argonautica, 1. Jh. n. Chr.; Orphische Argonautika, vermutlich 5. Jh. n. Chr.). Die Götterlehre gibt keinen Anlass zu der Vermutung, dass Moritz sich der antiken Quellen zur Argonautensage bedient hätte. Die antiken Überlieferungen, aus denen kein einheitliches Gesamtbild zu gewinnen ist, gehen aber in die Mythenliteratur des 18. Jhs. ein und werden dort referiert oder amalgamiert. Moritz’ wichtigste Quelle ist Banier. Für einen Überblick über die Stoffgeschichte bis zum Hellenismus vgl. Scherer 2006, S. 9–42. 171,18 aus Fichten vom Berge Pelion] Banier 4, S. 504 nach Euripides, Medea, 3–4, (Werke, [Bothe]) 1, S. 3. Zum Ganzen auch Damm, Einleitung, S. 174. 171,20 A r g o , die S c h n e l l s e g e l n d e ] Banier 4, S. 502–504 referiert ausführlich vier Meynungen über den Namen A r g o . Die von Moritz übernommene ist eine dieser Varianten, die ÆArgv (Argo´) auf aÍrgow (a´rgos; schnell, glänzend) zurückführt. Vgl. Diodorus Siculus 4,41,3, (Stroth) 2, S. 79; mit weiteren Möglichkeiten Seeliger, Art. Argo, in: Roscher 1, Sp. 503. 171,23–25 Aus dem Walde Ç. . .È einverstandenes Wesen] Banier 4, S. 504f. mit Bezug auf Apollodoros 1,110, (Meusel), S. 34. Vgl. auch Apollonios, Argonautika 1,524–525, (Bodmer), S. 21, wo Argo selbst zur Abfahrt antreibt; ebenso bei Valerius Flaccus, Argonautica 1,302–307. – Zum Orakel von Dodona vgl. S. 121,25–122,33. 171,26–27 Die folgenden Nahmen Ç. . .È begleiteten] Apollonios, Argonautika 1,23–227, (Bodmer), S. 4–11; Apollodoros 1,111–113, (Meusel), S. 34f.; Orphische Argonautika, 118–229, (Voss), S. 249–258; Valerius Flaccus, Argonautica 1,352–486; Hyginus, Fabulae 14 bieten Kataloge von jeweils 44–68 Teilnehmern. Neleus und Peirithoos sind nur im Katalog des Hyginus enthalten, Menoitios und Theseus nur in denen des Hyginus und des Apollodoros. Eine Übersicht bei Hederich, Lexicon, Sp. 379–381. Vgl. ferner Banier 4, S. 507–529. Namhafte Teil-

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nehmer sind auch zusammengestellt bei Seybold, Einleitung, S. 337–342. Die Referenzstellen bei Banier und Seybold sind in den folgenden Erl. jeweils angegeben. 171,28 H e r k u l e s ] Vgl. Banier 4, S. 507–509. Zu Herakles’ Beteiligung am Argonautenzug S. 157,9–16 im vorliegenden Band. 171,29 K a s t o r und P o l l u x ] Vgl. Banier 4, S. 514f.; Seybold, Einleitung, S. 338f., ferner S. 167,1–17 im vorliegenden Band. 171,30 K a l a i s und Z e t e s , die Söhne des Boreas] Vgl. Banier 4, S. 516f. Zu Kalai¨s und Zetes als geflügelten Söhnen des Windgotts Boreas s. z. B. Pindar, Pythische Oden 4,182, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 144, ferner S. 174,20–25 im vorliegenden Band. 171,31 P e l e u s , der Vater des Achilles] Seybold, Einleitung, S. 339. Die Ilias setzt voraus, dass Achilleus, der Pelide, Sohn des Peleus und der Thetis ist; vgl. z. B. Homer, Ilias 24,59–61, (Stolberg) 2, S. 405. Man vergleiche im Übrigen zu Peleus S. 220,25–221,14 mit den Erl. im vorliegenden Band. 172,1 A d m e t , der Gemahl der Alceste] Vgl. Banier 4, S. 510, der Admetos auch als Vetter des J a s o n identifiziert; Seybold, Einleitung, S. 340, ferner Erl. zu S. 81,11 im vorliegenden Band. 172,2 N e l e u s , der Vater des Nestor] Vgl. Banier 4, S. 525. Neleus, sagenhafter Eroberer oder Gründer von Pylos in Messenien, ist ein Bruder des Pelias; vgl. z. B. Apollodoros 1,91–93, (Meusel), S. 28f.; Art. Neleus, in: KlP 4, Sp. 42f. Über Neleus’ Vaterschaft gibt Nestor, der in der Ilias als greiser Held im Lager der Griechen vor Troja weilt, in Homer, Ilias 11,692–693, (Stolberg) 1, S. 297 selbst Auskunft. 172,3 M e l e a g e r ] Vgl. Banier 4, S. 524; Seybold, Einleitung, S. 339. Auf Meleagros geht Moritz im Zusammenhang mit der Kalydonischen Jagd ein; vgl. S. 180,1–181,24 mit den Erl. 172,4 O r p h e u s ] Seybold, Einleitung, S. 341f. Orpheus’ Teilnahme am Argonautenzug ist schon erwähnt bei Pindar, Pythische Oden 4,177–178, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 143. Zu Orpheus vgl. S. 210,7–15 mit den Erl. im vorliegenden Band. 172,5 Te l a m o n , der Vater des Ajax] Vgl. Banier 4, S. 508; Seybold, Einleitung, S. 340. Telamon tritt im Kontext des Argonautenmythos als Begleiter des Herakles auf, mit dem zusammen er nach manchen Versionen die Expedition verlässt, um sich gegen Troja zu wenden. Vgl. S. 158,3–8; 173,20–21 mit den Erl. im vorliegenden Band. Sein Sohn Aias gehört zu den gr. Heerführern vor Troja und ist, wie sein Namensvetter Aias der Lokrer, einer der Protagonisten der Ilias. Zu beiden Art. Aias, in: KlP 1, Sp. 153f. Vgl. S. 243,24–27 mit den Erl.

Stellenerläuterungen

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172,6 M e n ö t i u s , der Vater des Patroklus] Vgl. Banier 4, S. 509. Patroklos ist vor Troja Kampfgefährte des Achilleus; vgl. S. 242,2–18 im vorliegenden Band. Zu seiner Abstammung von Menoitios vgl. Homer, Ilias 11,608, (Stolberg) 1, S. 294; Apollodoros 3,176, (Meusel), S. 156. Der hier gemeinte Menoitios ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Titanen, dem Sohn des Japet und Bruder des Prometheus; zu ihm S. 30,5–7 und Erl. 172,7 L y n c e u s , der Sohn des Aphareus] Vgl. Banier 4, S. 523f.; Seybold, Einleitung, S. 340. Lynkeus ist zusammen mit seinem Bruder Idas Gegner von Kastor und Polydeukes/Pollux (vgl. S. 167,33–168,12 und Erl.); beide finden sich unter den Teilnehmern des Argonautenzugs (Apollodoros 1,111, [Meusel], S. 34) und denen der Kalydonischen Jagd (vgl. S. 180,24). Lynkeus ist nicht identisch mit dem gleichnamigen Sohn des Aigyptos und Gatten der Hypermnestra; zu letzterem S. 135,7–18 und Erl. Vgl. Art. Lynkeus, in: KlP 3, Sp. 827f. 172,8 T h e s e u s ] Banier 4, S. 527–529 diskutiert, mit negativem Resultat, die Frage, ob Theseus und Peirithoos, chronologisch betrachtet, am Argonautenzug teilgenommen haben können. 172,9 P i r i t h o u s ] Der Lapithenfürst Peirithoos ist in der Mythologie vor allem bekannt als Freund des Theseus; vgl. S. 180,28 und 192,21–193,27 mit den Erl. S. Art. Peirithoos, in: KlP 4, Sp. 586f. 172,16–17 Bei günstigem Winde Ç. . .È Thessalien ab] Banier 4, S. 530: Da

endlich der Wind günstig war, gieng das Schiff aus dem Hafen, und seegelte fort. 172,17–18 Orpheus schlug Ç. . .È drohenden Gefahren] In den Orphischen Argonautika ist Orpheus selbst der Erzähler, der mit Hilfe der Wunderkraft der Musik verschiedene Schwierigkeiten überwindet (vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1812) und auch den Gefährten Mut einflößt; vgl. Orphische Argonautika, 248–250, (Voss), S. 259f.: Siehe da starrte das Herz dem Iason; doch in der Eile /

Winket’ er mir herschauend, daß Muth und entschlossene Kraft ich / Ihnen mit meinem Gesang, den ermatteten, immer erneute. Nach Hyginus, Fabulae 14,32 ist Orpheus für die Anfeuerung der Ruderer zuständig. 172,18–19 Lynceus Ç. . .È fernste Gegend] Lynkeus, dessen Scharfsichtigkeit auch sonst berühmt ist (vgl. Apollodoros 3,117, [Meusel], S. 139), wird im Zusammenhang mit dem Argonautenzug wegen dieser Fähigkeit z. B. bei Hyginus, Fabulae 14,32 erwähnt. Folgt man Hyginus, so war Lynkeus’ Platz der Beobachtungsposten am Bug der Argo: proreta nauigauit Lynceus Apharei filius, qui multum uidebat (als Oberbootmann fuhr Lynkeus, Sohn des Aphareus mit, der vieles sah). Goethe legt Lynkeus in Faust, Der Tragödie zweiter Teil, 11288–11337, in: Goethe, HA 3, S. 340f. das »Türmerlied« in den Mund.

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Götterlehre

172,20 T i p h y s Ç. . .È Steuerruder] Vgl. z. B. Seybold, Einleitung, S. 341; Apollodoros 1,111, (Meusel), S. 34 sowie, seit den Ausgaben des 17. und 18. Jhs. ergänzt, Hyginus, Fabulae 14,32 (gubernator Tiphys); s. den Kommentar in Auctores mythographi latini, S. 54, Anm. 6. 172,21–23 Die Fahrt Ç. . .È einzulaufen] Banier 4, S. 531: Die Schiffahrt der

A r g o n a u t e n , welche verschiedene Abentheuer darbietet, die ich auf die Geschichte zurück zu führen suchen werde, war Anfangs ziemlich glücklich; aber bald nöthigte sie ein Sturmwetter, in der Insel Lemnos einzulaufen. Vgl. allerdings auch Hederich, Lexicon, Sp. 381–383, der die Ereignisse anders arrangiert. 172,23–25 daß einige der Helden Ç. . .È einweihen zu lassen] Vgl. Banier 4, S. 533: Von Lemnos giengen die A r g o n a u t e n nach Samothracien; vors

erste, um das Gelübde zu erfüllen, welches O r p h e u s während des Sturmwetters, von dem wir geredet haben, gethan hatte; und zweytens, weil C a s t o r und P o l l u x nach dem D i o d o r v o n S i c i l i e n wünschten, bey den M y s t e r i e n , oder dem geheimen Gottesdienste, welchen man auf dieser Insel feyerte, eingeweihet zu werden, um sich die Götter zu ihrer Schiffahrt günstig zu machen. – Diodorus Siculus 4,43,1–2, (Stroth) 2, S. 81 berichtet anders: Im Sturm (ohne Bezug auf die Lemnos-Episode) legt der bereits in die Samothrakischen Geheimnisse eingeweihte Orpheus ein Gelübde ab; daraufhin legt sich der Wind, und es erscheinen Sterne über den Köpfen der Dioskuren. Letztere werden fortan von Seefahrern im Unwetter angerufen. – Zur Einweihung in die Samothrakischen Geheimnisse nach dem Aufbruch von Lemnos, aber ohne die Erzählung vom Sturm vgl. hingegen Apollonios, Argonautika 1,915–921, (Bodmer), S. 36. – Zu den S a m o t h r a c i s c h e n Geheimnissen S. 102,27–29 und Erl. im vorliegenden Band. 172,25–27 wie Herkules Ç. . .È einweihen ließ] Vgl. S. 156,2–3 und Erl. 172,31 verweilten] Vgl. Adelung 4, Sp. 1563, wonach das Verb verweilen auch Als ein A c t i v u m 〈vorkommt〉, verweilen machen, wie das Activum auf-

halten. 172,32–173,9 hatten nehmlich Ç. . .È im Schlafe ermordeten] Vgl. Banier 4, S. 531f. Anders als Moritz legt Banier die Erzählung chronologisch an, diskutiert Varianten und versucht, die Episode auf das historisch Tatsächliche zu reduzieren. Baniers bzw. Moritz’ Darstellung befindet sich im Wesentlichen in Übereinstimmung mit Apollonios, Argonautika 1,609–626, (Bodmer), S. 24f., Apollodoros 1,114–115, (Meusel), S. 35, Hyginus, Fabulae 15 und der besonders ausführlichen Erzählung von Valerius Flaccus, Argonautica 2,82–427.

Stellenerläuterungen

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173,10–16 Als nun die Argonauten Ç. . .È E u n e u s erzeugte] Banier 4, S. 532f.: Da die A r g o n a u t e n Ç. . .È zu Lemnos landeten: liefen diese Weiber an das

Ufer, um sich ihrem Aussteigen zu widersetzen. Es fiel sogar daselbst ein Gefechte vor; allein da unsere Krieger, welche sie vor ihre Ehemänner hielten, sich zu erkennen gegeben hatten: so nahmen sie dieselben mit Vergnügen auf. Sie blieben zwey Jahre auf dieser Insel, wo sie verschiedene Kinder bekamen Ç. . .È. H y p s i p y l e hatte ihrer Seits zwey vom J a s o n , davon der eine, wie sein Großvater, T h o a s genannt wurde; der andere aber E u n e u s , welcher der Befehlshaber der Lemnier bey der Belagerung von Troja war. Apollonios, Argonautika 1,633–909, (Bodmer), S. 25–36 stellt anfängliche Feindseligkeit und Annäherung von Lemnierinnen und Argonauten breit dar. Die Angaben zur Dauer des Aufenthalts auf Lemnos fallen in den antiken Quellen unterschiedlich aus (vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 382); die vorliegende (zwei Jahre) findet sich bei Ovid, Heroides 6 (Hypsipyle an Jason), 56. Zu den Söhnen von Jason und Hypsipyle vgl. z. B. Apollodoros 1,115, (Meusel), S. 35 und Hyginus, Fabulae 15 mit teilweise abweichenden Namen. 173,17–19 Samothracien Ç. . .È Muth gab] Valerius Flaccus, Argonautica 2,431–442. Vgl. S. 172,23–25 und Erl. 173,20–21 wurden sie von dem Herkules Ç. . .È verlassen] Vgl. Banier 4, S. 533. Zur Hylas-Episode vgl. S. 157,11–15 und Erl. 173,22–29 Am Fuße Ç. . .È baute] Banier 4, S. 533f.: Von da landeten die A r -

g o n a u t e n zu Cyzicus, einer am Fuße des Berges Dindymus gelegenen Stadt, von welcher C y z i c u s König war. Ç. . .È Der König Ç. . .È nahm sie günstig auf, und sie reisten wieder fort, nachdem er ihnen Erfrischungen gegeben, und sie mit Geschenken überhäuft hatte. Allein, da sie ein widriger Wind nöthigte, des Nachts wieder in eben denselben Hafen einzulaufen: so griff sie C y z i c u s , dem man Nachricht gab, daß ein Schiff angelangt sey, und welcher glaubte, es wären die Pelasger, seine Feinde, an; er wurde aber im Gefechte vom J a s o n selbst getödtet. Dieser brachte, um diesen Tod, ob er ihn gleich wider Willen verursacht hatte, auszusöhnen, der Mutter der Götter ein Opfer, und ließ ihr auf dem Berge Dindymus einen Tempel bauen. Die Kyzikos-Episode ist zusammengefasst nach der viel detaillierteren und mit einer Nebenhandlung angereicherten Darstellung bei Apollonios, Argonautika 1,936–1152, (Bodmer), S. 37–44. Vgl. ferner Apollodoros 1,116, (Meusel), S. 35; Hyginus, Fabulae 16; Valerius Flaccus, Argonautica 2,634–3,458 (mit ausführlicher Darstellung des nächtlichen Kampfs und der anschließenden Bestattung). Ergänzungen und Varianten auch in den Orphischen

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Argonautika, 501–617, (Voss), S. 281–290. – König Kyzikos regiert das Volk der Dolionen. 173,22 D i n d y m u s Ç. . .È Z y z i k u s ] Moritz verwendet zwei Varianten des Namens Kyzikos (Zyzikus / Cycikus), die beide von der üblichen lat. Transkription (Cyzicus; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 383; 848) abweichen. – Die Stadt Kyzikos lag an der Südküste des Marmarameers (Art. Kyzikos, in: KlP 3, Sp. 424–426). In der Nähe befindet sich eine der kleinasiatischen Erhebungen, die den Namen Dindymon trugen. Der hier gemeinte ist nicht identisch mit dem gleichnamigen Berg in der Nähe der Stadt Pessinus; auf beiden befand sich jedoch ein Heiligtum der Mutter der Götter (vgl. S. 112,10–34 mit den Erl. im vorliegenden Band; Art. Dindymon, in: KlP 2, Sp. 34; Bowden 2010, S. 86f.). 173,30–33 Die Argonauten Ç. . .È Zweikampf überwand] Banier 4, S. 535. Antike Quellen für die Amykos-Episode sind Theokrit 22, (Idyllen [Kütner]), S. 109–115; Apollodoros 1,119, (Meusel), S. 36; Hyginus, Fabulae 17. Eine besonders ausführliche Darstellung des Kampfs bei Valerius Flaccus, Argonautica 4,148–329. – Die Bebryker werden in Bithynien am Ostufer des Bosporus bzw. an der Südküste des Schwarzen Meers lokalisiert (vgl. die Art. Bebrykes, in: KlP 1, Sp. 851 und Bithynia, ebd., Sp. 908–911). Bebrykien liegt daher in der Tat östlich von Kyzikos. 174,1–25 Auf ihrer weitern Fahrt Ç. . .È Nahmen führten] Paraphrasiert nach Banier 4, S. 535–538, der weitere Details, Varianten und Erklärungen bietet. Banier orientiert sich nicht zuletzt an Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 3,209. Für die gesamte Episode vgl. im Übrigen Apollonios, Argonautika 2,164–434, (Bodmer), S. 57–67; Hyginus, Fabulae 19; Apollodoros 1,120–124, (Meusel), S. 36–38, letzterer mit manchen Abweichungen; Valerius Flaccus, Argonautica 4,424–635. 174,3 S a l m y d e s s a ] Der Ort Salmydessos wie auch die gleichnamige Landschaft werden in Thrakien, westlich des Bosporus an der Südküste des Schwarzen Meers lokalisiert. Vgl. Art. Salmydessos, in: KlP 4, Sp. 1520. Die Namensform Salmydeßa verwendet Banier 4, S. 535. 174,3–4 wahrsagende und blinde P h i n e u s ] Der thrakische Phineus ist nicht identisch mit dem gleichnamigen Verlobten der Andromeda; zu ihm S. 138,7–12 und Erl. im vorliegenden Band. – Vgl. zu Phineus’ Fähigkeit, in die Zukunft zu schauen, Apollonios, Argonautika 2,178–181, (Bodmer), S. 58; Apollodoros 1,120, (Meusel), S. 36; Hyginus, Fabulae 19; Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 3,209; Hederich, Lexicon, Sp. 1986. 174,4–15 H a r p y e n Ç. . .È besudelten] Vgl. Banier 4, S. 536–541, der sich auch mit der rationalistischen Erklärung der Harpyien als Seeräuber befasst. – Zu den

Stellenerläuterungen

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Harpyien bereits S. 56,8–16 und Erl. Dort sind allerdings, im Anschluss an Hesiod, nur zwei von ihnen aufgeführt. Kelaino (lat. Celaeno), der Name der dritten, fällt bei Vergil, Aeneis 3,211. Für die Dreierreihe, die Moritz wohl nach Banier wiedergibt, vgl. z. B. Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 3,209. Weitere Quellen bei Hederich, Lexicon, Sp. 1196. – Zur Vorgeschichte des Phineus Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 3,209. 174,22 S t r o p h a d i s c h e n Inseln] Die beiden Strophaden mit einer Fläche von zusammen 3,5 Quadratkilometern liegen weit von Salmydessos entfernt vor der Westküste der Peloponnes im Ionischen Meer. Vgl. Creutzburg, Art. Strophades, in: RE 4A/1, Sp. 374f. 174,24–25 von welcher Rückkehr Ç. . .È Nahmen führten] Eines der NamensAitia, die in der Götterlehre unaufgelöst bleiben; vgl. z. B. S. 82,1–6 und Erl. Banier 4, S. 538 erklärt den Namen Strophaden im Anschluss an Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 3,209 mit Hilfe des gr. Worts strofh (strophe´, Wendung, Drehung). Vgl. auch Apollodoros 1,123, (Meusel), S. 37f. 174,26–34 Die C y a n e e n Ç. . .È gefahrvoll machte] Die Kyaneai bzw. Symplegades (Klappfelsen; s. Art. Symplegades, in: KlP 5, Sp. 447) liegen an der Mündung des Bosporus in das Schwarze Meer; vgl. Art. Kyaneai, in: KlP 3, Sp. 381f. Für die rationalisierenden Erläuterungen zu den Symplegaden, die sich nicht weit von den abgelehnten euhemeristischen Mythenerklärungen (vgl. S. 14,9 und Erl. im vorliegenden Band) entfernen, stützt sich Moritz auf Banier 4, S. 541f.: Die C y a -

n e e n (Cyaneae) sind zwey Hauffen Felsen, von einer unregelmäßigen Gestalt, an dem Eingange des schwarzen Meeres Ç. . .È. Da sich, wenn man sich einem solchem Gegenstande nähert, oder sich von demselben entfernet, die äußersten Enden desselben, gleichfalls einander zu nähern oder von einander zu entfernen scheinen: so glaubte man, wenn man von weiten diese Felsen sah, daß sie beweglich wären, und daß sie sich einander näherten, um die Schiffe zu verschlingen. Banier übernimmt seinerseits, wie auch Hederich, Lexicon, Sp. 822, einen Erklärungsansatz von Plinius, Naturalis historia 4,92. Für die Passage durch die Meerenge vgl. im Übrigen Apollonios, Argonautika 2,549–602, (Bodmer), S. 71–73; Apollodoros 1,125, (Meusel), S. 38; sehr knapp Hyginus, Fabulae 19; Valerius Flaccus, Argonautica 4,637–713 (mit Varianten). Die Felsen (unter dem Namen Planktai) sind schon bei Homer, Odyssee 12,59–72, (Voss), S. 231f. beschrieben, der auch die Durchfahrt der Argonauten erwähnt. Diese Passage findet aber der Odyssee zufolge auf der Rückfahrt von Kolchis nach Griechenland statt.

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Götterlehre

174,34–175,2 Sehr natürlich Ç. . .È b e f e s t i g t habe] Banier 4, S. 543: Wenn man Ç. . .È hinzugesetzt hat, daß N e p t u n seit dieser Zeit diese Felsen fest gemacht habe; so heißt dieses so viel, daß, nachdem man einmal diese Durchfahrt gut kennen gelernet, man nicht mehr so viele Schwierigkeit gemacht habe, dieselbe zu versuchen: und die Handlung war seitdem in diesem Meere frey. Welcher Quelle Banier die Nachricht entnimmt, dass Poseidon die Felsen festgesetzt habe – den Orphischen Argonautika zufolge ist dies von den Moiren (vom Schicksal) bestimmt –, ist nicht ermittelt. Zu denken wäre mit Vorsicht an Pindar, Pythische Oden 4,208–211, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 145f. Unmittelbar vor dem Aufbruch durch die Symplegaden rufen die Argonauten dort Poseidon an, daß sie vermieden den schreklichen Stoß

der gegeneinander rollenden Felsen. Zwei Felsen waren es voll lebendiger Kraft; und sie wälzten sich schneller daher, als Schaaren lautbrausender Stürme. Doch nun brachte der Halbgötter Seezug ihnen den Tod. Zur Fixierung der Felsen nach der Durchfahrt der Argonauten im Übrigen Apollonios, Argonautika 2,604–606, (Bodmer), S. 73; Apollodoros 1,126, (Meusel), S. 38f.; Orphische Argonautika, 708–711, (Voss), S. 298. 175,3–7 Nach glücklich vollendeter Durchfahrt Ç. . .È A n c ä u s trat] Banier 4, S. 543: Nachdem unsere Reisenden aus dieser Durchfahrt heraus wa-

ren, wandten sie sich auf die Seite von Asien, und stiegen in dem Lande der Mariandynier ans Land, wo L y c u s , welcher König davon, und von Geburt ein Grieche war, sie günstig aufnahm. Aber während ihres Aufenthalts in diesem Lande, verlohren sie zwey von ihren Gefährten; den I d m o n Ç. . .È; und den Steuermann T i p h y s . Ç. . .È und nachdem man den A n c ä u s an die Stelle des T i p h y s gesetzt, schiffte man sich wieder ein. Ausführlich Apollonios, Argonautika 2,720–899, (Bodmer), S. 77–84; ferner Apollodoros 1,126, (Meusel), S. 39; Valerius Flaccus, Argonautica 4,733–735. 175,11–12 wogegen ihn Ç. . .È schützte] Apollonios, Argonautika 3,7–166, (Bodmer), S. 98–103 schaltet in seine Erzählung einen ausführlichen Bericht über die Vorkehrungen der Götter ein, die den Erfolg von Jasons Mission sicherstellen sollen. Auf diese Vorbereitungen bezieht sich letztlich auch die Bemerkung S. 175,28–29 im vorliegenden Band. 175,13–176,29 A e e t e s nahm Ç. . .È unter Segel ging] Zu den Vorgängen, die in den Grundzügen schon bei Euripides, Medea, 475–482, (Werke, [Bothe]) 1, S. 24 zusammengefasst sind, vgl. Banier 4, S. 544–547. Banier verweist auf Apollonios, Argonautika, und die Orphischen Argonautika. Bei Apollonios nimmt die Handlung das gesamte dritte und Teile des vierten Buchs (4,1–211, [Bodmer],

Stellenerläuterungen

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S. 147–154) ein. Von Apollonios weicht Banier in manchen Punkten ab; im Übrigen beschränkt er sich auf das Handlungsgerüst, übergeht eine Vielzahl preziöser Details und lässt sich nicht auf Apollonios’ psychologisierende Perspektive (vor allem in Hinblick auf Medeas inneren Zwiespalt) ein. – Bei Valerius Flaccus, Argonautica, beginnt der Aufenthalt in Kolchis mit einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Argonauten und Kolchern (sechstes Buch) und setzt sich, unter direktem Eingreifen der Götter, in Verhandlungen zwischen Jason, Medea und dem König Aietes fort (siebentes Buch). In beiden Epen steht nicht die Ereignisstruktur im Mittelpunkt. – In den Orphischen Argonautika ist der Aufenthalt in Kolchis V. 757–1042, (Voss), S. 302–325 dargestellt. Dieses Epos beschränkt die zu überwindenden Schwierigkeiten auf die Auseinandersetzung mit dem Drachen. Vgl. auch Apollodoros 1,127–132, (Meusel), S. 39f. (mit Varianten). 175,20 diamantnen Pflugschaar] Im 18. Jh. übliche Übersetzung von Pindar, Pythische Oden 4,224 (aÆdamaÂntinon Ç. . .È aÍrotron, adama´ntinon a´rotron). Vgl. Pythische Siegshymnen (Gedike), S. 147: einen demantenen Pflug; ebenso Pindar (Damm) 2, S. 76. S. auch Hygins Formulierung (Fabulae 22): tauros Ç. . .È iungeret adamanteo iugo; Hederich, Lexicon, Sp. 388. Neuere Übersetzungen bevorzugen stählern, unzerbrechlich. Vgl. Pindar, Oden (Dönt), S. 129. – Für Pflugschaar/Pflugschar verzeichnet DWb 13, Sp. 1783 die feminine, neutrale und maskuline Verwendung. 175,20–21 vier Morgen Ç. . .È geweihten Feldes] Apollonios, Argonautika 3,411–412, (Bodmer), S. 112; Valerius Flaccus, Argonautica 7,62. 175,22 den Rest der Drachenzähne des K a d m u s ] Für den Bezug auf den Kadmos-Mythos vgl. Apollonios, Argonautika 3,1176–1190, (Bodmer), S. 139; Apollodoros 1,128, (Meusel), S. 39. Zu Kadmos S. 223,20–224,22 mit den Erl. im vorliegenden Band. 175,32–176,7 Beim Tempel der H e k a t e Ç. . .È einzuschläfern] Apollonios, Argonautika 3,947–1147, (Bodmer), S. 131–138 malt die Zusammenkunft im Hekate-Tempel, die in den Orphischen Argonautika fehlt, breit aus. Vgl. auch Ovid, Metamorphosen 7,74–99; Valerius Flaccus, Argonautica 7,394–538. – Zu Hekate und ihrer Zuständigkeit für die Zauberkunst vgl. S. 48,24 und Erl. 176,4 machte durch ihre Zauberkraft Ç. . .È unüberwindlich] Apollonios, Argonautika 3,844–866, (Bodmer), S. 127f. zufolge bringt Medea eine Essenz, das Prometheion, zum Einsatz; vgl. auch Apollodoros 1,130, (Meusel), S. 39f. Ovid, Metamorphosen 7,98; 116 spricht von herbae cantatae (verzauberten Kräutern) und medicamina (Zaubermitteln). Valerius Flaccus, Argonautica 7,461–466 zufolge schützt Medea Jason mithilfe von Zaubersprüchen.

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176,5 Stein] Den Stein überreicht Medea weder in Apollonios’ Argonautika noch bei Apollodor oder Ovid, Metamorphosen 7,98–99 bzw. 139–140. Bei Valerius Flaccus, Argonautica 7,467 und 631–634 empfängt Jason von Medea cristas galeamque (Helmbusch und Helm), die, von Medea vergiftet, dieselbe Wirkung entfalten. Auch Banier 4, S. 547; Damm, Einleitung, S. 176; Seybold, Einleitung, S. 345f. stützen Moritz’ Version nicht. 176,23–29 Ehe noch der König Ç. . .È unter Segel ging] Details und Abfolge bei Apollonios, Argonautika 4,23–211, (Bodmer), S. 147–154 sind abweichend (Medea verlässt das Haus ihres Vaters und schließt sich den Argonauten an, nachdem die Erdgeborenen besiegt sind; sie selbst hypnotisiert und betäubt die Schlange). Auch in den Orphischen Argonautika, 887–1019, (Voss), S. 313–324 läuft Medea zu Jason über, bevor sie selbst an der Überwindung des Drachen mitwirkt. – Vgl. ferner Ovid, Metamorphosen 7,149–158; Valerius Flaccus, Argonautica 8,24–139. 176,31–177,7 als nun beim Ausfluß Ç. . .È abließe] Ovid, Tristia 3,9,19–32:

ergo ubi prospexit venientia vela »tenemur«, / et »pater est aliqua fraude morandus« ait. / dum quid agat quaerit, dum versat in omnia vultus, / ad fratrem casu lumina flexa tulit. / cuius ut oblata est praesentia, »vicimus« inquit: / »hic mihi morte sua causa salutis erit.« / protinus ignari nec quicquam tale timentis / innocuum rigido perforat ense latus, / atque ita divellit divulsaque membra per agros / dissipat in multis invenienda locis / (neu pater ignoret, scopulo proponit in alto / pallentesque manus sanguineumque caput), / ut genitor luctuque novo tardetur et, artus / dum legat extinctos, triste retardet iter. (Luck, S. 127: Als sie nun sah, wie die Segel näher kamen, rief sie: »Man hat uns erwischt!« und: »Man muß den Vater mit irgendeiner List aufhalten!« Während sie überlegt, was zu tun sei, fällt ihr Blick zufällig seitwärts auf den Bruder. Wie seine Gegenwart ihr zum Bewußtsein kommt, sagt sie: »Wir haben gewonnen! Durch seinen Tod wird er mir den Weg zur Rettung öffnen.« Sofort stößt sie dem schuldlosen Jungen, der nichts ahnte und nichts derartiges befürchtete, das harte Schwert in die Seite. Seine Glieder zerstückelt sie derart, und was sie zerstückelt, zerstreut sie über ein weites Gebiet [damit der Vater es wisse, stellt sie das blutige Haupt und die bleichen Hände hoch oben auf einem Felsen zur Schau], daß der Alte, von neuem Leid gehemmt, dieweil er die Glieder des Toten sammelt, seine traurige Fahrt verzögert). Ovid identifiziert den Schauplatz mit Tomoi – so auch Apollodoros 1,133, (Meusel), S. 40f. –, dem eigenen Verbannungsort am Schwarzen Meer.

Stellenerläuterungen

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177,1 Geißel] So nach Adelung 2, Sp. 506f. die korrekte Schreibweise. Adelung zufolge ist das Wort ein Maskulinum, das aber auch bey einigen im weiblichen

Geschlechte gebraucht werde. 177,7–9 Um diese Frevelthat Ç. . .È A b s y r t i s c h e n genannt] Damm, Einleitung, S. 177. Die Namensherleitung der apsyrtischen Inseln gehört in der vorliegenden Form vermutlich zu der Apsyrtos-Episode der Orphischen Argonautika, 1034, (Voss), S. 325, wo Apsyrtos, der als erwachsener Mann (so auch Valerius Flaccus, Argonautica 8,261–263 etc.; Banier 4, S. 552) bei der Verfolgung der Argonauten getötet wurde, an den Strand der apsyrtischen Inseln gespült wird. Vgl. aber auch Apollonios, Argonautika 4,514–515, (Bodmer), S. 165; dort lassen sich die Verfolger aus Furcht vor Aietes auf den Inseln nieder, die der Schauplatz der Ereignisse sind und fortan nach Apsyrtos heißen. Ähnlich Hyginus, Fabulae 23. – Die Apsyrtischen Inseln werden in der Adria vor der Küste von Illyrien lokalisiert; s. ebd. sowie Apollodoros 1,137, (Meusel), S. 42; Roscher/Seeliger, Art. Absyrtos, in: Roscher 1, Sp. 3f. 177,10–12 denen P h i n e u s Ç. . .È zurückkehren] Apollonios, Argonautika 2,420–424, (Bodmer), S. 66f.; Banier 4, S. 555. 177,12 schifften nun die Donau hinauf] Moritz’ Erzählung von der Rückkehr der Argonauten ist eine Melange aus den unvereinbaren Angaben, wie Apollonios, die Orphischen Argonautika, Pindar und Herodot sie zum Verlauf dieser Reise machen. Vgl. Banier 4, S. 553–566. Die beiden epischen Erzählungen sind erheblich detaillierter. Mythenkennern des 18. Jhs. gaben die Berichte Anlass, über den tatsächlichen Verlauf der Reise, deren technische Bewerkstelligung und die geographischen Kenntnisse der Antike nachzudenken; vgl. auch Seybold, Einleitung, S. 347–350. Für einen sehr ausführlichen Überblick mit weiteren Varianten vgl. ferner Hederich, Lexicon, Sp. 392–399. Die Route über die Donau zur Adria und weiter zur Insel der Kirke beschreibt Apollonios, Argonautika 4,257–662, (Bodmer), S. 155–170. 177,13–16 läßt die Dichtung Ç. . .È Schultern tragen] Vgl. Diodorus Siculus 4,56,3, (Stroth) 2, S. 107, wo die Abreise aus dem Schwarzen Meer allerdings über den Tanais (den Don) beginnt und bei zwischenzeitlichem Landtransport bis nach Gadeira (Cadiz) führt. In den Orphischen Argonautika, 1092–1146, (Voss), S. 330–334 wird das Schiff nicht getragen, sondern getreidelt. 177,17–21 ließ die Argo Ç. . .È ausgesöhnt sey] Apollonios, Argonautika 4,580–592, (Bodmer), S. 167. 177,22–27 Um dieser Aussöhnung Ç. . .È tilgen können] Sowohl Apollonios als auch die Orphischen Argonautika lassen die Argonauten bei Kirke Station

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machen, wobei sie die Verwandtschaft von Kirke und Aietes voraussetzen; vgl. auch die Erl. zu S. 170,26. Die vorliegende Version, der zufolge Kirke das Ansinnen der Reisenden zurückweist und sie zum Kap Malea schickt, geht auf die Orphischen Argonautika, 1207–1239, (Voss), S. 339–342 zurück. 177,27 M a l e a ] Das Kap Malea/Maleia ist die in der Antike wegen stürmischer Wetterverhältnisse berüchtigte (s. Homer, Odyssee 9,80, [Voss], S. 165) Südostspitze der Peloponnes; vgl. Art. Malea, in: KlP 3, Sp. 928f. 177,28–29 u n t e r d e m S c h u t z d e r J u n o ] Schon nach Homer, Odyssee 12,69–72, (Voss), S. 232 untersteht die Argonautenfahrt, hier: die Passage durch die Prallfelsen, Heras Schutz. Bei Apollonios, Argonautika 4,753–841, (Bodmer), S. 173–176 (nicht in den Orphischen Argonautika) bereitet Hera mit Thetis’ Hilfe die sichere Durchfahrt der Argonauten zwischen Skylla und Charybis vor (4,958–959, [Bodmer], S. 180). Vgl. z. B. auch Apollonios, Argonautika 3,7–110, (Bodmer), S. 98–101: Dort plant Hera zusammen mit Athene und Aphrodite einen für Jason günstigen Verlauf der Ereignisse in Kolchis. Apollonios begründet diesen Schutz unter Verweis auf den Umstand, dass Jason Hera über den Anauros getragen hatte (vgl. S. 169,27–31 im vorliegenden Band); Pelias hingegen habe die Göttin bei den Opfern vernachlässigt. 177,29 Scylla und Charybdis] Apollonios, Argonautika 4,920–964, (Bodmer), S. 179f. (der die Felsen auch als Plankten bezeichnet); Orphische Argonautika, 1253–1263, (Voss), S. 343f. Zur Odysseus’ Durchfahrt durch Skylla und Charybdis vgl. S. 245,7–9 und Erl. 177,29–31 Durch des Orpheus Ç. . .È S i r e n e n drohte ] Apollonios, Argonautika 4,891–919, (Bodmer), S. 178f. (wo jedoch die Vorbeifahrt an den Sirenen vor der Durchfahrt durch Skylla und Charybdis stattfindet); Apollodoros 1,135, (Meusel), S. 41; Orphische Argonautika, 1268–1290, (Voss), S. 344–346. Orpheus stimmt jeweils einen Gegengesang auf der Kithara (Apollonios) an; in den Orphischen Argonautika werfen sich die Sirenen daraufhin ins Meer und erstarren zu Felsen. Zu Odysseus’ Sirenen-Abenteuer vgl. S. 42,2 und Erl. 177,31–178,4 Insel der Phäacier Ç. . .È Rückweg nahmen] Apollonios, Argonautika 4,982–1222, (Bodmer), S. 181–190 mit breiter Ausmalung und anderem Ausgang (statt zurückzukehren, siedeln sich die Kolcher aus Furcht vor Aietes auf der Insel der Phaiaken, später auf dem Festland an); Orphische Argonautika, 1291–1344, (Voss), S. 346–351. Vgl. Banier 4, S. 554, der sich genauer als Moritz an den Quellen orientiert: Allein die Gemahlinn des A l c i n o u s , welche man

in dieser Sache zur Richterinn angenommen hatte, ließ noch in derselben Nacht die Cärimonie der Heyrath anstellen. Da sie hierauf den Abgeord-

Stellenerläuterungen

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neten der Flotte gemeldet hatte, sie wisse ganz ungezweifelt, daß J a s o n und M e d e a seit der Zeit, da er sie entführet, miteinander verheyrathet wären; so waren sie genöthiget, sie ihm zu überlassen, und zurück zu kehren. Vgl. auch Apollodoros 1,137–138, (Meusel), S. 42. Zu Odysseus’ Aufenthalt bei den Phaiaken vgl. S. 245,20–25 mit den Erl. 178,5–16 Die Argonauten Ç. . .È in Lybien herrschen würden] Vgl. Banier 4, S. 560–563, der anstelle des (vielfach nachweisbaren) Lybien den korrekten Namen Libyen verwendet. Zum Ganzen Herodot 4,179, (Goldhagen), S. 368 mit einigen Abweichungen. 178,6–11 als plötzlich ein Sturm Ç. . .È ergötzte] Apollonios, Argonautika 4,1228–1552, (Bodmer), S. 190–201 (mit zahlreichen weiteren Details und Ausmalungen). 178,12–16 dem E u p h e m u s Ç. . .È in Lybien herrschen würden] Für die Weissagung der Medea und den Bericht über das Erdschollengeschenk vgl. Pindar, Pythische Oden 4,18–56, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 130–135. Die an die Argonauten adressierte Prophezeiung bezieht sich auf die Gründung der Stadt Kyrene in Libyen durch Kolonisten aus dem gr. Thera, die von den Argonauten abstammen und 17 Generationen nach der Argonautenzeit unter der Führung von Battos nach Afrika gelangen. Die Kolonisten sind ihrerseits Nachfahren der Lemnierinnen, bei denen sich die Argonauten aufgehalten hatten. Von diesen mythologischen Überlieferungen macht auch Herodot 4,145–158, (Goldhagen), S. 353–360 mit Blick auf die Gründungsgeschichte von Kyrene Gebrauch. Apollonios, Argonautika 4,1552–1570; 1731–1764, (Bodmer), S. 201f.; 207f. erzählt den Mythos von Triton und Euphemos, dessen Kern nicht eine Weissagung der Medea, sondern ein mit Jasons Hilfe gedeuteter Traum des Euphemos ist, als Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte der Insel Thera. 178,17–21 Vorgebürge Malea Ç. . .È Jolkos ein] Orphische Argonautika, 1363–1370, (Voss), S. 353. 178,21–24 Die A r g o weihte Ç. . .È glänzen] Vgl. Banier 4, S. 566. S. auch Damm, Einleitung, S. 177. Zur Weihung der Argo an Poseidon Apollodoros 1,144, (Meusel), S. 43. – Für Erläuterungen zum Sternbild Argo Navis vgl. Hyginus, De astronomia 2,37; 3,36. Vgl. auch Valerius Flaccus, Argonautica 1,4. 178,27–179,3 sein Vater Aeson Ç. . .È die Herrschaft blieb] Vgl. Banier 4, S. 578–581. Die Episode ist farbenfroh ausgemalt und ausführlich dargestellt bei Ovid, Metamorphosen 7,159–349. Bei dem misslungenen Versuch, Pelias zu verjüngen, handelt es sich allerdings letztlich um einen klug inszenierten Mordanschlag der Medea; so auch Pausanias 8,11,2–3 (Goldhagen) 2, S. 238. Pausanias berichtet

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freilich, wie auch Apollodoros 1,144, (Meusel), S. 43f., nur von der Ermordung des Pelias, auf dessen Druck sich (bei Apollodor) Aison schon zuvor das Leben genommen habe. Zum Mord an Pelias auch die anders eingebettete Erzählung von Diodorus Siculus 4,50,5–4,52, (Stroth) 2, S. 94–100. 179,4–8 Jason begab sich Ç. . .È mit ihr verlebt] Nach Damm, Einleitung, S. 178f.: Wir müssen hier nachholen, daß der Medea Vater, A e e t e s , vorher

zu K o r i n t h regiert haben soll. Diese Stadt mit ihrem Gebiete hieß damals E p h y r e . Die Gegend um Korinth war bergig und unfruchtbar Ç. . .È. Er 〈Aietes〉 hatte sich nach dem fruchtbaren K o l c h i s gewendet Ç. . .È. Als daher M e d e a nach Griechenland gekommen war, gieng sie auch nach Korinth, und bemächtigte sich der Herrschaft. Vgl. auch Banier 4, S. 582f. – Zu Jason und Medea in Korinth vgl. Apollodoros 1,145, (Meusel), S. 44; s. auch Hyginus,

Fabulae 24. Banier beruft sich auf fragmentarische Überlieferungen von Eumelos von Korinth (vgl. Bethe, Art. Eumelos 12, in: RE 6/1, Sp. 1081) und Simonides. 179,4 Ephyra] Vgl. Erl. zu S. 140,27–30. 179,10–15 Medeens überdrüssig Ç. . .È qualenvollen Tod] Moritz denkt vermutlich an Euripides’ Medea. Zu Medeas Verstellung ihr gesamtes Gespräch mit Jason V. 867–975, (Werke [Bothe]) 1, S. 41–43; zum Tod Kreons und seiner Tochter ebd., 1136–1230, (Werke [Bothe]) 1, S. 53–56. Senecas Medea enthält keine vergleichbare Verstellungsszene. – Das Thema ›Medea in Korinth‹ ist seit dem 17. Jh. auch Gegenstand einer neuzeitlichen Tragödienliteratur; erinnert sei an Pierre Corneille, Mede´e, Paris 1635; Friedrich Maximilian Klinger, Medea oder das Schicksal (später Medea in Korinth), in: Klinger’s Theater. Dritter Theil, Riga 1787, S. 5–104. Jedoch hinterlässt diese Literaturgeschichte in der Götterlehre keine spezifischen Spuren. 179,16–17 auf Kreons Pallast Ç. . .È Flammen werden] Vgl. Banier 4, S. 584; Damm, Einleitung, S. 179. Nach Diodorus Siculus 4,54,5–6, (Stroth) 2, S. 103 fällt der Palast samt Glauke und Kreon Medeas Brandstiftung zum Opfer; Diodor referiert auch eine Variante. Bei Euripides, Medea, 1204–1221, (Werke [Bothe]) 1, S. 55f. und Apollodoros 1,145, (Meusel), S. 44 greift das Feuer, durch das Kreons Tochter verbrennt, auf den sie umarmenden Vater über, bei Hyginus, Fabulae 25 auch auf Jason und den Palast. Zum Palastbrand auch Ovid, Metamorphosen 7,395. 179,18 ermordete Ç. . .È erzeugt hatte] So Euripides, Medea, 1271–1278, (Werke [Bothe]) 1, S. 58; Hyginus, Fabulae 25; Apollodoros 1,146, (Meusel), S. 44. Abweichend eine zweite Version, die Apollodor an derselben Stelle referiert, wonach Medea ihre Söhne nicht umbringt, sondern zurücklässt und den Übergriffen der

Stellenerläuterungen

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Bewohner von Korinth aussetzt, sowie eine weitere, in der sie zwei Söhne tötet, während der dritte entkommt (Diodorus Siculus 4,54,7, [Stroth] 2, S. 104). 179,19 eilte darauf Ç. . .È durch die Lüfte] Apollodoros 1,146, (Meusel), S. 44. 179,20–21 den Jason Ç. . .È verbitterte] Antike Bezugsstelle ist vielleicht Euripides, Medea, 1386–1388, (Werke [Bothe]) 1, S. 63, wo die Titelheldin dem Jason einen schmachvollen Tod ankündigt: Du aber stirbst, Elender, elend, wie du mußt, / Dich härmend, daß so unsre Lieb’ einst endete. Man mag auch an Damm, Einleitung, S. 180 denken: Der große J a s o n starb bald darauf in großer Betrübniß. Folgt man Diodorus Siculus 4,55,1, (Stroth) 2, S. 104, so nimmt sich Jason selbst das Leben. 179,22–28 Kupfertafel Ç. . .È Harnisch dasteht] Abb. 20. Späthellenistisches Grabrelief, abgebildet bei Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 276, Nr. 72; vgl. Winckelmanns Erl. ebd., S. 278–280 (dazu Kommentarbd., S. 383). Winckelmann interpretiert das Relief anders als Moritz: Der Bezug auf Medea und Jason ist nur eine von mehreren Deutungsmöglichkeiten, die er diskutiert. Mit der Szene im Hekatetempel nach Apollonios lassen sich laut Winckelmann die Details der bildlichen Darstellung nicht in Übereinstimmung bringen. Abgebildet sieht der Archäologe eher die Wiedererkennung von Auge und Telephos nach Hyginus, Fabulae 100: Telephos, Sohn des Herakles, ist im Begriff, seine Mutter Auge zu heiraten; beide sind einander unbekannt. Auge, die sich auf die Heirat nicht einlassen und Telephos das Leben nehmen will, wird durch die von den Göttern gesandte Schlange irritiert; schließlich erkennt Telephos in ihr die eigene Mutter. Hederich, Lexicon, Sp. 2306 übernimmt diese Interpretation. – Die gegenwärtige Archäologie deutet die dargestellte Szene nicht mehr mythologisch. 179,29–30 M e l e a g e r Ç. . .È Ebers vor ihm] Abb. 20. Lippert, Dactyliothec 2, S. 21f., Nr. 67 (Schublade 2/2). 180,2–3 O e n e u s Ç. . .È berühmter Kinder] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1771f., der weitere Kinder nennt; ferner Banier 4, S. 258f.; Bd. 5, S. 43. Zu Genealogie und Verwandtschaftsverhältnissen des Meleagros Apollodoros 1,64f., (Meusel), S. 21. 180,3 D e j a n i r a , die dem Herkules vermählt war] Vgl. u. a. S. 163,6–10 und Erl. 180,4–5 Ty d e u s Ç. . .È aufnahm] Vgl. S. 134,12–14 mit den Erl. und Querverweisen. Zu Tydeus’ Abkunft von Oineus vgl. Apollodoros 1,75, (Meusel), S. 24. 180,6–13 Oeneus Ç. . .È erlegen] Eine Zusammenfassung der Kalydonischen Jagd findet sich schon bei Homer, Ilias 9,529–599, (Stolberg) 1, S. 238–240, eine Übersetzung der Passage auch bei Banier 5, S. 35–38. Bei Homer zieht Phoinix im Rat der Griechen das Exempel des Meleagros heran, um den erzürnten Achilleus

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zum Wiedereintritt in den Kampf gegen Troja zu veranlassen. Zur Vorgeschichte der Kalydonischen Jagd die genannte Homer-Stelle; Diodorus Siculus, 4,34,2–3, (Stroth) 2, S. 67; Apollodoros 1,66f., (Meusel), S. 21; Ovid, Metamorphosen 8,279–305 mit ausführlicher Darstellung der Verwüstungen, die das Wildschwein anrichtet. 180,19–181,2 Die berühmtesten Ç. . .È gewidmet hatte] Für Listen der Teilnehmer an der Kalydonischen Jagd s. Banier 5, S. 39f., der sich auf Apollodoros 1,67–68, (Meusel), S. 22 und Ovid, Metamorphosen 8,306–322 stützt. Die von Moritz übernommenen Namen sind in diesen Katalogen enthalten. Vgl. auch Hyginus, Fabulae 173 (ohne Peirithoos). Die Brüder der A l t h e a tragen je nach der Quelle unterschiedliche Namen. Vgl., im Rahmen der Beschreibung der Giebelreliefs des Athenetempels von Tegea in Arkadien, Pausanias 8,45,6, (Goldhagen) 2, S. 339 (Prothoos und Kometes); Ovid, Metamorphosen 8,445–446 (Plexippos und Toxeus); Hyginus, Fabulae 173 (Plexippos, Ideus und Lynkeus). – Zum Katalog der Jagdteilnehmer, soweit sie auch im Argonautenmythos eine Rolle spielen, S. 171,29–172,9 mit den Erl. im vorliegenden Band. 180,30–31 T h e s t i u s , der in P l e u r o n herrschte] Apollodoros 1,59, (Meusel), S. 19f. verzeichnet Thestios unter den Enkeln von Pleuron, dem mythischen Gründer der gleichnamigen Stadt in Aitolien. Dass Thestios Fürst von Pleuron ist, bemerkt z. B. Damm, Einleitung, S. 261. Damm wie auch Banier 5, S. 42 zufolge sind in Pleuron die Kureten ansässig; mit ihnen entbrennt bei Homer, Ilias 9,547–549, (Stolberg) 1, S. 238 der Streit um die Jagdtrophäe. 181,3–24 Atalante verwundete Ç. . .È selbst den Tod] Ovid, Metamorphosen 8,385–537. Vgl. auch Hyginus, Fabulae 174; Apollodoros 1,65; 70–71, (Meusel), S. 21–23; Diodorus Siculus 4,34,3–7, (Stroth) 2, S. 67f. mit Varianten. Moritz’ Darstellung steht nicht im Widerspruch zu Banier 5, S. 40f., setzt aber die Kenntnis vor allem von Ovid voraus – etwa in Bezug auf den Jagdverlauf, das Überreichen des Schweinekopfs als Trophäe (beides auch bei Damm, Einleitung, S. 261), die Verwünschungen der Althaia (auch bei Diodor) und das Ende des Meleagros. 181,26–182,11 Auch Atalante Ç. . .È Wagen zogen] Ovid, Metamorphosen 10,560–704. – Versionen mit Varianten bei Hyginus, Fabulae 185; Apollodoros 3,105–109, (Meusel), S. 135f. Der Mythos ist »in einer arkadischen und einer boitischen Version überliefert« (Lücke/Lücke, Helden 2006, S. 166), weshalb Kenner aus dem 18. Jh. vermuten, dass von zwei verschiedenen Figuren namens Atalante die Rede sei – von der arkadischen, der Tochter des Iasos, Iasios oder Iasion, und der boiotischen, der Tocher des Schoineus. Vgl. Banier 5, S. 45–47; Hederich, Lexicon, Sp. 451–457. Schon die antiken Quellen halten aber beide Figuren nicht

Stellenerläuterungen

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konsequent auseinander; vgl. Art. Atalante, in: KlP 1, Sp. 672. – Zum Löwenwagen als Attribut der Kybele vgl. S. 112,23–30 und Erl. 182,13–18 In der Gestalt Ç. . .È Einrichtung bildete] Vgl. die der vorliegenden nahestehende Formulierung S. 65,5–9 und Erl. Zu Europas Vater Agenor vgl. S. 69,1 und Erl. 182,19–22 Die Dichtung Ç. . .È bekannt macht] Banier 4, S. 391–397. Die Überlieferung fußt u. a. auf Homer, Odyssee 19,178–179, (Voss), S. 367, wonach sich Minos mit Zeus bespricht; auf dem wohl früh in der platonischen Akademie entstandenen Dialog Minos, 319 b–c, der eine Auslegung der Homer-Stelle enthält; ferner auf Strabon 10,4,8, (Penzel) 2, S. 1329–1332, der als vorgeblichen Ort der Inspiration eine Höhle benennt und die Frequenz der Unterredungen mit Zeus (alle neun Jahre) angibt. Für die Lokalisierung der Höhle im kretischen Idagebirge vgl. auch, nach Hederich, Lexicon, Sp. 1638, den platonischen Philosophen Maximos von Tyros (Maximus Tyrius, Dissertationes. Ex interpretatione Danielis Heinsii. Recensuit & Notulis illustravit Ioannes Davisius, Cantabrigiae [Cambridge] 1703, S. 224f.). – Frühneuzeitlichen Mythenkennern war die motivische Verwandtschaft der Gesetzgebung auf der Grundlage göttlicher Inspiration bei Minos und Moses klar. Da sie einen Zusammenhang annehmen, liegt ihnen daran, die Priorität der mosaischen Gesetzgebung nachzuweisen. In diesem Sinn diskutiert Banier das Thema. 182,22–27 Wegen seiner weisen Regierung Ç. . .È der Menschen war] Banier 4, S. 399f. Zu Minos’ Richteramt in der Unterwelt vgl. Homer, Odyssee 11,568–569, (Voss), S. 226. Dass Minos dort zusammen mit Rhadamanthys und Peleus’ Vater Aiakos (zu dieser Genealogie z. B. Apollodoros 1,68, [Meusel], S. 22; zu Aiakos Erl. zu S. 220,26–27 im vorliegenden Band) waltet, überliefert Platon, Gorgias 523e. Zu Rhadamanthys auch Vergil, Aeneis 6,566–569. Servius’ Kommentar zu dieser Stelle nennt alle drei Richter. Folgt man Apollodoros 3,159, (Meusel), S. 151, so sind Aiakos die Schlüssel zur Unterwelt anvertraut. – In Platon, Apologie 41a ist zusätzlich Triptolemos genannt. Vgl. auch Cicero, Tusculanae Disputationes 1,41. S. ferner Damm, Einleitung, S. 249f.; Hederich, Lexicon, Sp. 2402; Wörner, Art. Aiakos, in: Roscher 1, Sp. 112f. 182,23–24 R a d a m a n t h u s ] Verschrieben für das (latinisiert) korrekte Rha-

damanthus. 182,28–30 M i n o s , des Gesetzgebers Ç. . .È sicher machte] Seybold, Einleitung, S. 300. Die erst spät nachweisbare Unterscheidung zwischen dem älteren und dem jüngeren Minos ist ein Anliegen von Mythologiekennern des 18. Jhs.; vgl. außer Seybold Banier 4, S. 389f.; Hederich, Lexicon, Sp. 1638. – Grundlegend für

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die Generationenfolge ist Diodorus Siculus 4,60,3, (Stroth) 2, S. 115f. Die Säuberung des Meers von den Seeräubern durch Minos ist erwähnt bei Thukydides, Geschichte 1,4,1, (Heilman), S. 5. 183,2–9 Venus warf Ç. . .È Dichtungen auftritt] Hederich, Lexicon, Sp. 1899f.; Banier 4, S. 412–417; vgl. auch Damm, Einleitung, S. 241; Seybold, Einleitung, S. 324. Den Bezug auf das Liebesverhältnis zwischen Aphrodite und Ares sowie auf seine Entdeckung durch Helios stellt nicht, wie Banier angibt, Hyginus her, sondern, wie Hederich weiß, Servius, Kommentar zu Vergil, Bucolica 6,47. Zu dieser Episode S. 46,27–28 sowie 90,19–22 mit den Erl. im vorliegenden Band. – Moritz übergeht, wie z. B. auch Banier, pikante Details der in der Antike berühmten und auch in der neueren Ikonographie nicht unbekannten (vgl. Pigler 1974, 2, S. 215f.) Zeugungsgeschichte des Minotauros. Vgl. etwa Hyginus, Fabulae 40: Pasiphae vernachlässigt über mehrere Jahre die Opfer für Aphrodite, wofür die Göttin sie mit leidenschaftlicher Liebe zu einem Stier straft. Daidalos weiß Rat und konstruiert eine hölzerne Kuh, die er in eine Rinderhaut steckt. Mit der in der Kuh verborgenen Pasiphae zeugt der Stier den Minotauros. Vgl. ferner Apollodoros 3,8–11, (Meusel), S. 105f.; dort auch der Stier, den Poseidon aus dem Meer aufsteigen lässt. Dieses Motiv gehört allerdings zu einer alternativen Begründung für Pasiphaes Sodomie (Poseidon zürnt Minos, der ihm den Stier nicht opfert, und bestraft deshalb Pasiphae; vgl. auch – mit Varianten – Diodorus Siculus 4,77,2, [Stroth], S. 146f.). – Auf die Erzählung von der verkleideten Kuh nehmen z. B. Vergil, Aeneis 6,24–26 und Ovid, Metamorphosen 8,136–138 Bezug. Für weitere Belegstellen aus der röm. Literatur, die sich auf die Zeugung des Minotauros beziehen, s. Vergil, Bucolica 6,45–49; Properz 2,32,58–59; Silius Italicus, Punica 8,470–471; Martial 1,5. Für eine Zusammenstellung der Quellen vgl. Banier 4, S. 412–414. 183,10–11 D ä d a l u s Ç. . .È damals lebte] Banier 4, S. 448. 183,11–12 wegen eines Verbrechens Ç. . .È geflüchtet] Vgl. S. 185,15–32 und Erl. 183,12–19 Minos, um die Schande Ç. . .È das Labyrinth betraten] Ovid, Metamorphosen 8,160–173. Vgl. Diodorus Siculus 4,77,4, (Stroth) 2, S. 147; Hyginus, Fabulae 40. Allgemein zum Labyrinth als Gebäudetyp auch die Ausführungen von Plinius, Naturalis historia 36,84–94. Vgl. Damm, Einleitung, S. 242. Für eine ausführliche Diskussion über die Beschaffenheit des Labyrinths auf der Grundlage antiker Quellen s. Banier 4, S. 450–454. 183,20–30 A n d r o g e u s Ç. . .È Aegeus herrschte] Die folgende Vorgeschichte von Theseus’ Reise nach Kreta ist eine knappe Zusammenfassung der umständlicheren Erzählung von Banier 4, S. 405–412. – Zur Ermordung des Androgeos nach seinen Siegen bei den Panathenaien und zu dem anschließenden Kriegszug des

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Minos v. a. Diodorus Siculus 4,60,5–4,61,1, (Stroth) 2, S. 116; Apollodoros 3,209–210, (Meusel), S. 167f. 183,29 N i s a ] Im Homerischen Schiffskatalog erscheint Nisa als boiotische Stadt (Homer, Ilias 2,508, [Stolberg] 1, S. 55). Die Frage, welcher historische Ort gemeint ist, hat Spekulationen der Forschung ausgelöst; in der neueren Literatur gilt Nisa als »unbekannte Größe« (Visser 1997, S. 280). 183,29 N i s u s ] Nisos ist nach Apollodoros 3,206, (Meusel), S. 166 wie Aigeus Sohn des Pandion. Vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1741 sowie Tafel 29. 183,30–184,4 Den Nisus Ç. . .È erobert hatte] Locus classicus der Skylla-Episode einschließlich der Eroberung von Megara durch Minos ist Ovid, Metamorphosen 8,1–156, für den von Moritz zusammengefassten Teil ebd. 8,6–108. Das Ende der Skylla wird bei Ovid und Apollodoros 3,211, (Meusel), S. 168 unterschiedlich erzählt; in Apollodors Erzählung ertränkt Minos die Skylla, statt sie lediglich zurückzuweisen. 183,31 gelbe Haarlocke] Apollodoros 3,211, (Meusel), S. 168, Ovid, Metamorphosen 8,85 und Pausanias 1,19, (Goldhagen) 1, S. 79f. sprechen von goldenem oder purpurnem Haar. So auch Banier 4, S. 407, der jedoch in Anm. p) erläutert, Pausanias zufolge seien die Haare dieses Fürsten purpurfarben, das ist, von einer zu 〈!〉 hochgelben Farbe gewesen. 184,3 Nisa Ç. . .È Megara hieß] Megara ist eine »Stadt auf der Landbrücke zwischen Mittelgriechenland u. der Peloponnes« (Art. Megara 2., in: KlP 3, Sp. 1143), Hauptstadt der Landschaft Megaris; ihre Blüte lag schon in archaischer Zeit. – Für die Umbenennung von Nisa in Megara orientiert sich Moritz an Banier 4, S. 409f., der den Vorgang im Anschluss an Pausanias 1,39,4–6, (Goldhagen) 1, S. 166–168 diskutiert. Pausanias referiert als eines von zwei Aitia des Namens Megara die Überlieferung, der zufolge nach dem Tod des Nisos der Boiotier Megareus die Regierung der Stadt übernahm und ihr seinen Namen gab. – In der Forschung gilt die »Gleichsetzung« von Nisa und Megara als »unwahrscheinlich« (Art. Nisa 1., in: KlP 4, Sp. 136). 184,4–16 rückte Ç. . .È Beute wurden] Apollodoros 3,212–213; 215, (Meusel), S. 168f.; s. Banier 4, S. 411f. Vgl. auch Damm, Einleitung, S. 191; Diodorus Siculus 4,61,2–3, (Stroth) 2, S. 116f. mit Varianten (so werden die Knaben und Mädchen aus Athen alle neun Jahre nach Kreta gebracht). Eine Kurzversion mit weiteren Varianten bei Hyginus, Fabulae 41. 184,17–20 Als Theseus endlich Ç. . .È erbaute Labyrinth] Vermutlich im Anschluss an Banier 4, S. 431: Nachdem T h e s e u s entwichen war, ließ der Kö-

nig von Creta den D ä d a l u s mit seinem Sohne I c a r u s in den Labyrinth

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einschliessen, um sich an ihm zu rächen, daß er den Liebeshandel der Königinn begünstiget hätte. Anders als Moritz hält sich Banier an Diodorus Siculus 4,77,5, (Stroth) 2, S. 147, dem zufolge Minos den Daidalos bedroht, weil letzterer der Pasiphae eine hölzerne Kuh gebaut hatte. Denselben Zusammenhang deutet Hyginus, Fabulae 40 an. Die Episode von der Holzkuh samt Daidalos’ Mitwirkung übergeht Moritz jedoch (vgl. S. 183,2–9 und Erl. im vorliegenden Band), weshalb er die Strafe für den Baumeister anders motivieren muss. – Eine Banier noch nicht bekannte, erst später entdeckte Quelle für die Haft im Labyrinth ist Apollodoros, Epitome 1,12. 184,20–22 Dem Dädalus Ç. . .È zu entfliehn] Vgl. S. 185,33–186,11 und Erl. 184,23–27 K o k a l u s Ç. . .È im Bade erstickte] Hederich, Lexicon, Sp. 761f., nach Diodorus Siculus 4,78,1, (Stroth) 2, S. 149; 4,79,1–2, (Stroth) 2, S. 150. Vgl. auch die abweichende Version von Apollodoros, Epitome 1,14–15. 184,31–185,1 Athen Ç. . .È hohen Rang] Vgl. S. 127,30–128,4 und Erl. 185,1–9 Dädalus Ç. . .È sich bewegten] Banier 4, S. 447f.; Damm, Einleitung, S. 246; Seybold, Einleitung, S. 324f., nach Palaiphatos 22, (Meineke), S. 38f.; Diodorus Siculus 4,76,1–3, (Stroth) 2, S. 144f. Winckelmann, Geschichte, S. 7, führt Daidalos als denjenigen Bildhauer an, der als erster begonnen habe, die

unterste Hälfte dieser Bildsäulen in Gestalt der Beine von einander zu sondern. 185,10–14 In diesem ersten Ç. . .È That befleckte] Gegenüber Banier 4, S. 448f. (Aber seine Unglücksfälle machten ihn nachmals, wie P a u s a n i a s und D i o d o r bemerken, eben so berühmt, als seine schönen Werke) beurteilt Moritz Daidalos unter dem Aspekt der grundsätzlichen Doppelwertigkeit künstlerischen Schaffens, das mit seiner konstruktiven eine destruktive Seite verbindet; dazu BNS, S. 40–51 (KMA 3), wo Moritz die Begriffe von Zerstöhrung und Bildung zueinander ins Verhältnis setzt. Einschlägige Exempla findet man innerhalb der Götterlehre unter den Olympiern, z. B. bei dem Musageten und Kitharöden Apollon, der neun Tage lang Pestpfeile in das Lager der Griechen versendet (vgl. S. 78,25–82,23), und bei Athene, denn sie ist die verwundende und die heilende; die zerstörende und die bildende (S. 87,18–19). 185,15–32 Unter seiner Anführung Ç. . .È eine Zuflucht fand] Banier 4, S. 449f.; Hederich, Lexicon, Sp. 2278f. Die Talos-Episode ist im wesentlichen nach Diodorus Siculus 4,76,4–4,77,1, (Stroth) 2, S. 145f. wiedergegeben. Dass der Knabe von einer Anhöhe – genauer: von der Athener Akropolis – gestoßen wird, berichtet Apollodoros 3,214–215, (Meusel), S. 169. Vgl. ferner Ovid, Metamorphosen 8,247–265, wo Daidalos’ Neffe Perdix nach dem Vorbild von Fischgräten

Stellenerläuterungen

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die Säge, ferner den Zirkel erfindet; durch die Verwandlung in ein Rebhuhn (gr. peÂrdij, pe´rdix) bewahrt ihn Athene vor dem Tod. Kurz auch Hyginus, Fabulae 39. 185,33–186,11 Als Minos Ç. . .È das I k a r i s c h e nannte] Ovid, Metamorphosen 8,188–240; Ovid, Ars amatoria 2,33–98; Hyginus, Fabulae 40; vgl. auch Lippert, Dactyliothec 2, S. 10, Nr. 38/39. Diodorus Siculus 4,77,5–9, (Stroth) 2, S. 147f. lässt Daidalos und Ikaros zu Schiff aus Kreta entkommen (so auch Pausanias 9,11,4–5, [Goldhagen] 2, S. 394f.) und berichtet über die Flucht auf dem Luftweg mit einer gewissen Distanz. Manche neueren Mythographen wie Conti, Mythologiae, S. 513, Banier 4, S. 431–433 und Damm, Einleitung, S. 246f. übernehmen diese rationalisierende Erzählstrategie. Vgl. im Übrigen auch Hederich, Lexicon, Sp. 854. – Das Ikarische Meer, auf dessen Namensherleitung auch andere Stellen anspielen (vgl. z. B. Ovid, Fasti 4,283–284; Ovid, Tristia 1,1,89–90), ist ein nicht präzis abgegrenztes Seegebiet in der östlichen Ägäis, das u. a. die Inseln Samos, Kos und Ikaria einschließt oder berührt. Vgl. Art. Ikarisches Meer, in: KlP 2, Sp. 1358f. 186,13–21 Er selber Ç. . .È von seinen Werken] Banier 4, S. 454f. Grundlage ist Diodorus Siculus 4,78, (Stroth) 2, S. 149f. – Nach Stroths Diodor-Übersetzung und anderen zeitgenössischen Paraphrasen (vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 855) bereitet Daidalos statt einer Kuh eine goldene Honigscheibe bzw. einen Honigkuchen von Golde für Aphrodite zu. Moderne Übertragungen sprechen von einem Widder; vgl. Diodoros, Griechische Weltgeschichte, Buch I–X, zweiter Teil, übersetzt von Gerhard Wirth und Otto Veh, einleitet und kommentiert von Thomas Nothers, Stuttgart 1993, S. 422; Lücke/Lücke, Helden 2006, S. 200. – Zu den in späterer Zeit erhaltenen Werken Pausanias 2,4,5; 9,11,4; 9,40,3–4, (Goldhagen) 1, S. 211; Bd. 2, S. 394; 478f. 186,13–15 wo K o k a l u s Ç. . .È das Leben raubte] Vgl. S. 184,23–27 und Erl. 186,19–20 E r y x Ç. . .È E r y c i n i s c h e n Ve n u s ] Eryx ist der Name eines Bergs an der Westspitze von Sizilien, auf dem sich das Heiligtum einer vermutlich phönizischen, von den Griechen mit Aphrodite identifizierten Göttin befand. Auf den Berg bezieht sich eine eigene mythologische Erzählung von dem gleichnamigen eponymen Heros (vgl. z. B. Diodorus Siculus 4,23,2, [Stroth] 2, S. 45f.), Sohn des Poseidon oder der Aphrodite, auf den der Tempel und die Stadt zurückgeführt werden; vgl. Art. Eryx 1. und 2., in: KlP 2, Sp. 368. 186,22–23 sein Nahme Ç. . .È mit einemmal begriff] Damm, Einleitung, S. 248:

Von diesem Dädalus hieß alles, was recht künstlich ausgesonnen und ausgearbeitet war, D ä d a l i s c h . Der Sinn der Bemerkung erschließt sich nicht zur

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Gänze aus dem Text der Götterlehre; denn die Feststellung bezieht sich auf das gr. Nomen daiÂdalon (da´idalon, Kunstwerk). Den historischen Sachverhalt kehrt Moritz’ Annahme möglicherweise um: Daidalos könnte, »ehe er sich mit einer individuellen Person verband, ein Sammelname« gewesen sein (Lücke/Lücke, Helden 2006, S. 201; zum Namen auch Schreiber, Art. Daidalos, in: Roscher 1, Sp. 934). Schon Pausanias 9,3,2, (Goldhagen) 2, S. 373f. nimmt in diesem Sinn einen Zusammenhang zwischen der Vokabel und dem Namen Daidalos an. 186,24–27 Auf einer antiken Gemme Ç. . .È Hand arbeitet] Abb. 21. Winckelmann, Description, S. 334, Nr. III/97 (nach Furtwängler 1896, Nr. 8243–8245 ein Stein aus der Kaiserzeit; Büttner 1983, S. 122, Anm. 36); Lippert, Dactyliothec 2, S. 12, Nr. 39 (Schublade 2/1); s. auch Nr. 38. Weitere Hinweise bei Hederich, Lexicon, Sp. 854. 186,27–30 Auf eben dieser Tafel Ç. . .È verborgen lagen] Abb. 21. Lippert, Dactyliothec 2, S. 15, Nr. 48 (Schublade 2/1). 187,2–19 A e g e u s Ç. . .È E r z i e h e r des Helden] Die wichtigste antike Quelle für das Theseus-Kapitel ist Plutarchs Theseus-Biographie. Im Rahmen seines vergleichenden Verfahrens stellt Plutarch den athenischen Stadtheros dem röm. Stadtgründer Romulus gegenüber. Plutarch betrachtet Theseus als historische Figur und versucht daher, seine Biographie von allzu Unglaubhaftem freizuhalten. Moritz folgt aber wohl nicht dem Original, sondern dem ausführlichen Referat von Banier, der sich minutiös an Plutarch orientiert. Im Übrigen stützt sich Moritz auf zusätzliche Mythographien des 18. Jhs. (vor allem Seybold, Einleitung), die weitere antike Quellen verarbeiten. – Für die vorliegende Stelle: Plutarch, Theseus 3–4, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 6–10; Banier 4, S. 680–682. Die Überlieferung, der zufolge Poseidon in derselben Nacht wie Aigeus der Aithra beiwohnt und eigentlicher Vater von Theseus ist, referiert Plutarch nur als ein von Pittheus lanciertes Gerücht; vgl. Plutarch, Theseus 6, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 13. S. ferner Apollodoros 3,207–208, (Meusel), S. 166f.; Hyginus, Fabulae 37. Zu Theseus’ Genealogie s. auch S. 69,24–26 im vorliegenden Band. 187,6–7 gerade dieß Verbot Ç. . .È verleiten ließ] Während die Quelle – Banier 4, S. 681 – eine Verbotsübertretung des Aigeus notiert (Dieser Befehl wurde schlecht beobachtet), gibt Moritz der Unfolgsamkeit des Königs eine psychologische Wendung, indem er das Verbot als Versuchung deutet. 187,8 Tr ö z e n e ] Das antike Troizen, eine Stadt an der Nordküste der Argolis auf der Peloponnes. Vgl. Art. Troizen, in: KlP 5, Sp. 984. 187,17 C h o n i d a s ] Theseus’ Erzieher heißt korrekt KonniÂdaw (Konnı´das); vgl. Plutarch, Theseus 4, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 10. Moritz über-

Stellenerläuterungen

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nimmt die von Banier 4, S. 682 verwendete Namensform. Schon Hederich, Lexicon, Sp. 773 korrigiert Banier. 187,20–22 Als Theseus Ç. . .È Vaters fand] Banier 4, S. 682; Plutarch, Theseus 6,2, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 13f. Vgl. auch Apollodoros 3,216, (Meusel), S. 169; Hyginus, Fabulae 37. 187,23–27 Das S t e i n a u f h e b e n Ç. . .È unterschied] Vgl. S. 133,22–26 und Erl. im vorliegenden Band. 187,28–32 Als Theseus Ç. . .È Gewalt bekamen] Banier 4, S. 682f.; Plutarch, Theseus 6–7, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 14–18. Der nacheifernde Wettstreit mit Herakles, der Theseus’ Cousin ist, bildet ein Zentralmotiv von Plutarchs Theseus-Biographie; dazu auch Diodorus Siculus 4,59,1, (Stroth) 2, S. 112. Mit Blick auf die beiden Wege nach Athen könnte Moritz darüber hinaus an die Parabel von Herakles am Scheideweg erinnern wollen (S. 147,15–25 und Erl. im vorliegenden Band). 188,1–7 Ob nun Theseus Ç. . .È Züge giebt] Winckelmann ordnet dem jungen Theseus ein nachgerade mädchenhaftes Erscheinungsbild zu. Vgl. z. B. Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 331 über eine Vasenabbildung. Auf ihr zeige Theseus quella bellezza di volto della quale egli era dotato, e quell’ aria

verginale che lo fece prendere dagli Ateniesi per una vergine nella sua prima comparsa tra loro. Auf antiken Abbildungen erscheint Theseus seit dem ausgehenden 6. Jh. v. Chr. meistens jugendlich und ohne Bart; vgl. Jenifer Neils, Susan Woodford, Art. Theseus, in: LIMC 7/1, S. 926; 943; 949. – Als klassische Darstellung des robusteren Herakles galt z. B. der sog. Torso im Belvedere; vgl. Winckelmanns Beschreibung des Torso im Belvedere zu Rom (1759; Winckelmann, Kleine Schriften, S. 169–173). Für zeitgenössische Abbildungen weiterer Statuen des Herakles, der nach Hederich, Lexicon, Sp. 1255 überhaupt ziemlich fürchterlich ausgesehen haben muß, vgl. die Abb. zum einschlägigen Kapitel in Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, S. 195–228. Ein zeitgenössischer Vergleich zwischen der Ikonographie beider Heroen wurde nicht ermittelt. 188,8–15 Als Theseus Ç. . .È Keule des Periphetes] Banier 4, S. 684; Plutarch, Theseus 8,1–2, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 18f. Vgl. auch Apollodoros 3,217, (Meusel), S. 170; Diodorus Siculus 4,59,2, (Stroth) 4, S. 113 (der von Korynetes spricht). 188,9 Isthmus] Die Landenge (Isthmos) von Korinth, die die Peloponnes mit Mittelgriechenland verbindet und auf dem Weg vom argolischen Troizen nach Athen passiert werden musste. Vgl. Art. Isthmos, in: KlP 2, Sp. 1475–1477.

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188,9 E p i d a u r u s ] Antike Stadt in Argolis an der Südküste des Saronischen Golfs. Vgl. Art. Epidauros, in: KlP 2, Sp. 303–305. 188,17–22 S i n n i s Ç. . .È Frevel büßen] Banier 4, S. 684. Plutarch, Theseus 8,3–6, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 19f. berichtet zusätzlich von Theseus’ Stelldichein mit Sinis’ Tochter Perigune und von dem gemeinsamen Sohn Melanippos. Der gr. Beiname von Sinis ist Pityokamtes (Fichtenbeuger). – Plutarch wie Banier verwenden den üblichen Name des Wegelagerers, SiÂniw (Sı´nis; so z. B. auch Apollodoros 3,218, [Meusel], S. 170), doch gelegentlich findet man in zeitgenössischen Schriften auch Sinnis (Damm, Einleitung, S. 193; Seybold, Einleitung, S. 322; Pausanias [Goldhagen] 2, S. 576; vgl. aber auch ebd., [Goldhagen] 1, S. 197 [Sinis]) oder S y n n i s (Hederich, Lexicon, Sp. 2217). Der zuletzt genannten Pausanias-Stelle (2,1,4) zufolge befand sich unfern Korinth der Ort, an dem der Bösewicht seinem Geschäft nachging. – Plutarch äußert sich ebenso wenig wie Banier über die Frage, auf welche Weise die Opfer durch die Fichte zu Tode kommen. Moritz gibt die Methode wieder, die Sinis nach Diodorus Siculus 4,59,3, (Stroth) 2, S. 113f. und Pausanias anwendet; vgl. Damm, Einleitung, S. 193f.; Seybold, Einleitung, S. 322. Anders Apollodoros sowie Hyginus, Fabulae 38. Vgl. Lükke/Lücke 2006, S. 541. – An Sinis wie auch an Skiron und Prokrustes vollzieht Theseus Spiegelstrafen; zu diesem Rechtsprinzip S. 153,26 und Erl. 188,24 tödtete Ç. . .È K r o m m y o n i s c h e Sau] Banier 4, S. 685; Plutarch, Theseus 9, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 20f. Plutarch weiß darüber hinaus zu berichten, dass das Wildschwein nach Ansicht einiger eine Straßenräuberinn war, die wegen ihres säuischen Lebens wäre eine Sau genannt worden. – Vgl. ferner Apollodoros, Epitome 1,1; Diodorus Siculus 4,59,4, (Stroth) 2, S. 114; Hyginus, Fabulae 38. 188,26–29 Als er hierauf Ç. . .È zu stürzen pflegte] Banier 4, S. 686; Plutarch, Theseus 10, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 21–23, der auch Varianten referiert; zur Skiron-Episode ferner Apollodoros, Epitome 1,2–3; Diodorus Siculus 4,59,4, (Stroth) 2, S. 114; Hyginus, Fabulae 38. 188,30–31 In Eleusis Ç. . .È tötete] Banier 4, S. 687; Plutarch, Theseus 11,1, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 23. Vgl. auch Hyginus, Fabulae 38; Diodorus Siculus 4,59,5, (Stroth) 2, S. 114. 188,31 H e r m i o n e ] Hafenstadt in der Landschaft Argolis auf der Peloponnes; vgl. Art. Hermion(e), in: DNP 5, Sp. 437f. 188,32–189,5 besiegte er den D a m a s t e s Ç. . .È Füßen ab] Vgl. Apollodoros, Epitome 1,4; Hyginus, Fabulae 38, deren Version Seybold, Einleitung, S. 322 wiedergibt. Bei Plutarch, Theseus 11,1, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 24 und

Stellenerläuterungen

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Banier 4, S. 687, ebenso bei Diodorus Siculus 4,59,5, (Stroth) 2, S. 114 ist nur von einem Bett die Rede. Pausanias 1,38,5, (Goldhagen) 1, S. 163 nennt den Räuber Polypemon; beide Namen bei Apollodor. 189,6–13 Verletzung des Gastrechtes Ç. . .È bilden konnten] Moritz’ Auslegung. Das Gastrecht war schon zuvor Thema der Götterlehre; vgl. S. 132,23–24; 141,7 mit den Erl. Hintergrund von Moritz’ Interesse an dem Gegenstand mag die Bewertung der Gastfreiheit als Gegengewicht von Eigennutz, Nationalstolz und Vorurteil bilden. Christian Cay Lorenz Hirschfeld, Von der Gastfreundschaft. Eine Apologie für die Menschheit, Leipzig 1777 sieht im Gastrecht einen menschheitlich verbindenden Wert, den er vor allem naturnahen, durch zivilisationsbedingte Komplexität noch nicht betroffenen Kulturen zuspricht. Hirschfelds Urteil fällt ähnlich aus wie dasjenige von Moritz: Die Vortheile der Reisen in dem

ersten Zeitalter der Nationen waren unstreitig für die Ausbreitung der Wissenschaften und Künste, für die Ausrottung schädlicher Vorurtheile der Erziehung und des Vaterlandes, für die Fortpflanzung der Geschichte, für die Aufklärung der Gesetzgebung, für die Erhebung des menschlichen Geistes, für die Bildung der Sitten, für die Milderung aller natürlichen Gefühle – wichtiger, als sie itzt seyn können. Und die Gastfreundschaft war es, die, indem sie das Reisen erleichterte, die Hand zum Erwerb aller dieser Vortheile bot (S. 7). Vgl. auch Adolph Freiherr Knigge: Über den Umgang mit Menschen 〈zuerst 1788〉, hrsg. v. Karl-Heinz Göttert, Stuttgart 1991, S. 242–246. – Moritz hatte selbst auf seiner Englandreise unliebsame Erfahrungen mit der

Inhospitalität gemacht (RDE, KMA 5/1, S. 90f. und Erl.). 189,15–16 der den Prokrustes Ç. . .È dulden ließ] Zur Talion vgl. S. 153,26 und Erl. 189,17–18 Als Theseus Ç. . .È für seinen Sohn] Seybold, Einleitung, S. 323; vgl. Diodorus Siculus 4,59,6, (Stroth) 2, S. 114. 189,18–22 Söhne des P a l l a s Ç. . .È Entstehung dämpfte] Zur Genealogie des Pallas vgl. Apollodoros 3,206, (Meusel), S. 166; Hederich, Lexicon, Sp. 1872 und Tafel 29. Über die Niederschlagung der Pallantiden Banier 4, S. 688f.; Plutarch, Theseus 13, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 28–30; Apollodoros, Epitome 1,11 (bei abweichender Chronologie). 189,23–35 Nun war es gerade Ç. . .È zu erlegen hoffte] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2349; Damm, Einleitung, S. 191, die von der dritten Tributzahlung sprechen; für das Übrige auch Banier 4, S. 418f. S. vor allem Plutarch, Theseus 15,1; 17,1–3, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 31; 36–38 mit einer detaillierteren, gleichzeitig rationalisierenden Erzählung; Apollodoros, Epitome 1,7; ferner Ovid, Metamorphosen 8,174–176.

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190,1–6 Vor der Abreise Ç. . .È z u r F ü h r e r i n w ä h l t e ] Banier 4, S. 419. Für das vor der Abfahrt abgelegte Gelübde vgl. Macrobius, Saturnalia 1,17,21. Zu der jährlich wiederkehrenden Feier auch S. 191,8–19 und Erl. im vorliegenden Band. Für das Orakel vgl. Plutarch, Theseus 18, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 40, wonach Theseus auf Befehl des Apollo Ç. . .È zu Delphos die Venus zur Anführerinn und Gefehrtinn auf seiner Reise angenommen habe. 190,7–9 Mit seinem Vater Ç. . .È verkündigen sollte] Vgl. Damm, Einleitung, S. 191f.; Seybold, Einleitung, S. 325. Apollodoros, Epitome 1,7; Diodorus Siculus 4,61,4, (Stroth) 2, S. 117f.; Hyginus, Fabulae 41; Plutarch, Theseus 17,4–5, (Lebensbeschreibungen, [Kind]) 1, S. 38f. mit Varianten. 190,10–22 Bald langte Ç. . .È Ariadnens überwand] Banier 4, S. 420–423; Apollodoros, Epitome 1,8–9; Hyginus, Fabulae 42; Catull 64,76–115; Plutarch, Theseus 19, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 41–46. Vgl. ferner – ohne die Erzählung vom Faden – Diodorus Siculus 4,61,4, (Goldhagen) 2, S. 118. Banier referiert auch abweichende Versionen, die von Plutarch und Pausanias 2,31,1, (Goldhagen) 1, S. 301f. wiedergegeben werden, und diskutiert Widersprüche bzw. offene Fragen. – Den Anschluss an den Orakelspruch stellt Moritz selbst her. 190,16 Knäul] DWb 11, Sp. 1362f. notiert neben Knäuel diese ungebräuchlichere Form. 190,25–28 So stellt ein Gemählde Ç. . .È Knie umschlingen] Wandgemälde aus der sog. Basilika in Herculaneum, als Kupferstich abgebildet in 〈Anonym〉, Antichita` d’Ercolano 1, Tavola 5, S. 25. Vgl. dort den Kommentar S. 21–24. Winckelmann erwähnt das Bild in Sendschreiben, S. 26, Geschichte, S. 267f. und Allegorie, S. 141. Es ist auch beschrieben bei Hederich, Lexicon, Sp. 2349f. – Zu Moritz’ Zeit befand sich das Wandgemälde zusammen mit anderen Funden aus den Städten Pompeji und Herculaneum, die bei dem Vesuvausbruch von 79 n. Chr. zerstört worden waren, im Museum von Portici (vgl. Winckelmann, Sendschreiben, S. 30; Volkmann 3, S. 294f.), wo Moritz es während seiner Italienreise gesehen haben kann; das Fresko ist im Reisebericht allerdings nicht erwähnt (s. RDI 2, S. 76f. [KMA 5/2]). Heute im Museo Archeologico Nazionale, Neapel. 190,29–31 Ariadne Ç. . .È gefesselt hatten] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 406–410, bes. 405f.; Diodorus Siculus 4,61,5; 5,51,4, (Stroth) 2, S. 118; 242; Apollodoros, Epitome 1,9; Servius, Kommentar zu Vergil, Georgica 1,222 (wonach Hermes Theseus’ Abreise veranlasst). – Von den Vorgängen existieren zahlreiche Versionen. Die Trennung von Theseus und Ariadne und die Verbindung zwischen Adriadne und Dionysos sind im Prinzip überliefert seit Homer, Odyssee 11,321–325, (Voss), S. 217, der von Ariadnes Tod (auf der Insel Dia) berichtet, und Hesiod,

Stellenerläuterungen

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Theogonie, 947–949, (Voss), S. 155. Allein Plutarch, Theseus 20, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 46–49 kennt mehrere Versionen der Naxos-Erzählung. Einer dieser Varianten zufolge ist es Theseus, der sich entschließt, Ariadne zu verlassen; so auch die Darstellungen von Ovid, Heroides 10; Catull 64,50–201; ferner Hyginus, Fabulae 43. Vgl. Lücke/Lücke, Helden 2006, S. 544f. – Dafür, dass das Thema »Ariadne auf Naxos« in Antike und Neuzeit Gegenstand von Literatur, Musik und bildender Kunst werden konnte, spielen Ovid, Ars amatoria 1,525–564 und Catull 64,251–264 eine Hauptrolle. Dort erscheint der Gott im vollen Gepränge auf der Insel. Vgl. auch Lippert, Dactyliothec 1, S. 162–164, Nr. 383–387. Moritz kannte das Deckengemälde Triumph von Bacchus und Ariadne von Annibale Caracci (1560–1606) im Palazzo Farnese in Rom (RDI 3, S. 226; KMA 5/2). Für einen Überblick vgl. Knoll 2013. 190,31–32 der hier die einsame Ç. . .È schlummernd fand] Für einen literarischen Beleg vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 407 nach Nonnos, Dionysiaka 47,271–272. 190,33–35 die Krone Ç. . .È des Bachus war] Wohl nach Ovid, Metamorphosen 8,181–187. Dort nimmt Bacchus der Ariadne die Krone vom Haupt und versetzt sie an den Himmel, indem die Edelsteine sich in Sterne verwandeln. In den Metamorphosen trifft Bacchus Ariadne jedoch nicht schlafend an. – Um die Krone, d. h. das Sternbild Corona Borealis (Nördliche Krone), existieren weitere Mythenvarianten; vgl. z. B. Hyginus, De astronomia 2,5; Ovid, Fasti 3,459–516. Für einen Überblick s. Hederich, Lexicon, Sp. 410–412; Banier 4, S. 426–428; Platania 2009, S. 157–164. 191,1–7 Ehe nun Theseus Ç. . .È des Labyrinths nachahmte] Banier 4, S. 429; Plutarch, Theseus 21,1–2, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 49f. Zu der Stiftung des Standbilds und des kultischen Tanzes durch Theseus auch Kallimachos, Hymnus auf Delos, 307–313, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 240. Dass das Standbild eine Arbeit des Daidalos sei, schreibt Pausanias 9,40,3–4, (Goldhagen) 2, S. 478. 191,8–19 Mit der größten Sorgfalt Ç. . .È hinzurichten] Banier 4, S. 430f.: Allein nichts machte das Andenken dieser Begebenheit so berühmt, als die Sorgfalt, mit welcher man nachmals das Gelübde erfüllete, welches er gethan hatte, dem A p o l l o zu opfern. Man unterließ in der That niemals, alle Jahre Abgeordnete, die mit Oelzweigen gekrönt waren, auf die Insel Delos zu schicken Ç. . .È. Man bediente sich zu dieser Reise eben desselben Schiffes, welches T h e s e u s bestiegen hatte, und man war so sorgfältig dasselbe zu unterhalten, daß es stets in fertigem Stande war. Ç. . .È Von dem Augenblicke

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an, da der Hohepriester angefangen hatte, dieses Schiff zu reinigen, nahm man keinem Gefangenen zu Athen mehr das Leben. Baniers Darstellung fußt vermutlich auf Platon, Phaidon 58, a–b. Vgl. auch Kallimachos, Hymnus auf Delos, 314–315, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 241. – Zur Erhaltung des Schiffs Plutarch, Theseus 23,1, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 55. Vgl. ferner ebd., S. 54f., Fußnote e) mit weiteren Hinweisen. 191,14–16 um sich die Vorstellung Ç. . .È Theseus trug] Moritz bezieht sich auf eine von Banier 4, S. 431 referierte Bemerkung von Plutarch, Theseus 23,1, (Lebensbeschreibungen, [Kind]) 1, S. 55, der zufolge Philosophen über die Frage stritten, ob das unter Verwendung neuen Materials renovierte Schiff noch immer dasselbe sei. Dieses Problem wird z. B. von Jo〈hann〉 Aug〈ust〉 Ernesti, Opuscula philologico critica multis locis emendata et aucta, Leiden 1776, S. 353f. aufgegriffen, aus dem Seybold, Einleitung, S. 326f., Fußnote (15), eine einschlägige Stelle zitiert. 191,24–30 Da nehmlich A e g e u s Ç. . .È das A e g e i s c h e hieß] Banier 4, S. 424; Seybold, Einleitung, S. 327. Für das Setzen des falschen Segels werden unterschiedliche Motive angegeben: Bei Plutarch, Theseus 20,1, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 50f. herrscht Freude über die glücklich beendete Mission, bei Diodorus Siculus 4,61,6, (Stroth) 2, S. 118f. Trauer über den Verlust der Ariadne. Nach Catull 64,202–248 bestraft Jupiter den treulosen Theseus, indem er ihn das Setzen des richtigen Segels vergessen lässt. – Vgl. auch Pausanias 1,22,5, (Goldhagen) 1, S. 93. – Für die Namensherleitung des Ägäischen Meers vgl. Hyginus, Fabulae 43 und Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 3,74; s. Hederich, Lexicon, Sp. 83. 191,31–32 Den Theseus Ç. . .È Rettung dankten] Mit einem gewissen Maß an Vorsicht sei auf Friedrich Leopold Graf zu Stolbergs Thäseus. Ein Schauspiel mit Chören, in: Schauspiele mit Chören. Von den Brüdern Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg. Erster Theil, Karlsruhe 1787, S. 7–82 verwiesen. Das auch formal antikisierende Stück feiert, bei allem Unglück, das sich bei Theseus’Ankunft zuträgt, die Rückkehr des Helden und seine Einführung als König von Athen und lässt dabei Theseus’ Vorgeschichte Revue passieren. Im Verlauf der Handlung teilt Stolberg dem Helden mehrfach das Epitheton Schuzgott von Athen zu; vgl. S. 13; 31; 62. 192,1–10 Er schuf zuerst Ç. . .È F r e i s t a a t zu bilden suchte] Banier 4, S. 689–691 im wesentlichen nach Plutarch, Theseus 24–25,4, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 58–64. Plutarchs Darstellung bezieht sich auf Theseus als athenischen Lokalheros, dem außer der Organisation der Polis im Allgemeinen

Stellenerläuterungen

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auch die Einführung der Demokratie zugeschrieben wurde. Insofern Theseus, der allen Menschen gleiche Freyheiten anbietet, gleichzeitig mit Hilfe eines Klassensystems, das die Feiheitsrechte limitiert, der Anarchie vorbauen will (ebd., S. 61f.), zeigt er bei Plutarch allerdings auch autokratische Züge; vgl. Walker 1995, S. 114; 143–146. 192,6–7 P i t h o , der Göttin der U e b e r r e d u n g ] Vgl. Banier 4, S. 690f., nach Pausanias 1,22,3, (Goldhagen) 1, S. 92. Pausanias schreibt: Die Verehrung

der Venus, so den Zunamen Pandemos hat, ingleichen der Pitho, hat Theseus damals eingeführet, als er die zerstreueten Stämme 〈Demoi〉 in eine Stadt zusammen gebracht hatte. Peitho (lat. Suada) – zu ihr auch Hederich, Lexicon, Sp. 2271f. – ist nach Hesiod, Theogonie, 349, (Voss), S. 105 eine der Okeaniden. Als Verkörperung der Rhetorik spielt sie z. B. bei den Tragikern eine Rolle (vgl. etwa Aischylos, Agamemnon, 385; Choephoren, 726). Im vorliegenden Zusammenhang ist Peitho, die nicht nur bei Pausanias der Aphrodite nahesteht und auch als deren Beiname erscheint, anscheinend in ihrer politischen Rolle gemeint, in der sie die Lenkung des Gemeinwesens durch Beredsamkeit und Weisheit bezeichnet. Vgl. Weizsäcker, Art. Peitho, in: Roscher 3, Sp. 1795–1813, bes. Sp. 1797; 1809; Voigt, Art. Peitho, in: RE 19/1, Sp. 194–217; Art. Peitho, in: KlP 4, Sp. 591f. 192,10–13 Zu Ehren des Neptun Ç. . .È sich versammlete] Banier 4, S. 691f.; Plutarch, Theseus 25,5–7, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 64–66. Plutarch stellt Theseus als Reorganisator der Isthmien dar, die bereits zuvor bestanden. Als mythischer Gründer der Spiele gilt Sisyphos (Pausanias 2,1,3, [Goldhagen] 1, S. 197; Hederich, Lexicon, Sp. 2225). – Die Isthmien auf der korinthischen Landenge waren zunächst ein Ereignis von lokaler Reichweite und verwandelten sich dann, vermutlich seit dem 6. Jh. v. Chr., in panhellenische Wettkämpfe, die in sportlichen und musischen Disziplinen zu Ehren von Poseidon ausgetragen wurden und in ihrer Bedeutung nur den olympischen Spielen nachstanden. Vgl. Art. Isthmien, in: KlP 2, Sp. 1474f. 192,16–20 Herkules Ç. . .È zweitenmal besiegte] Banier 4, S. 693f. Die Auseinandersetzungen zwischen Theseus bzw. den Athenern und den Amazonen sind bei Plutarch, Theseus 26–28, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 66–74 breit dargestellt und werden dort auf der Grundlage älterer Quellen kritisch diskutiert. Zu Theseus und Antiope auch Diodorus Siculus 4,16,4, (Stroth) 2, S. 33. – Zu Herakles’ Zug gegen die Amazonen, einer der zwölf Arbeiten, s. S. 151,18–152,7 mit den Erl. im vorliegenden Band.

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192,22–23 u n z e r t r e n n l i c h e Ç. . .È herrschte] Hyginus, Fabulae 257 nennt die Freundschaft zwischen Theseus und Peirithoos an zweiter Stelle in einem Katalog exemplarischer Freundschaften aus der gr. Mythologie. Das Motiv »Theseus und Peirithoos« war im 18. Jh. als ein Muster der treuesten Freundschaftsliebe, weltbekannt (Damm, Einleitung, S. 195). Winckelmann, Allegorie, S. 142 schlägt es als Sinnbild einer heroischen F r e u n d s c h a f t vor. 192,24–29 Seine Freundschaft Ç. . .È Bündniß knüpften] Vgl. Banier 4, S. 692 nach Plutarch, Theseus 30,1–2, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 78f. Plutarch zufolge findet allerdings kein Zweikampf statt; vielmehr entführt Peirithoos dem Theseus, um ihn herauszufordern, eine Rinderherde. 192,31–34 den C e n t a u r e n Ç. . .È darstellt] Für die rationalisierende Erklärung der Kentauren als thessalisches Reitervolk vgl. Banier 4, S. 466–474; Seybold, Einleitung, S. 330. 193,1–7 Als Pirithous Ç. . .È bestraft hätten] Vgl. Seybold, Einleitung, S. 311; 330; Plutarch, Theseus 30,3–4, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 79f., bei dem Peirithoos’ Braut Deidameia heißt. Hippodameia ist schon bei Homer, Ilias 2,742, (Stolberg) 1, S. 64 als Gemahlin des Peirithoos erwähnt. Moritz’ Darstellung der Kentaurenschlacht setzt weitere Überlieferungen aus antiken Dichtungen voraus – vor allem die klassische Passage in Ovids Metamorphosen; vgl. S. 118,18–24 und Erl. im vorliegenden Band. – Weder bei Plutarch noch Homer oder Ovid, auch nicht bei Diodorus Siculus 4,70,3–4, (Stroth) 2, S. 136f. oder Hyginus, Fabulae 33 ist allerdings (wie bei Seybold) Herakles in die Schlacht verwickelt. – Zur Kentauromachie Roscher, Art. Kentauren, in: Roscher 2, Sp. 1035–1039. 193,7–10 die von dieser Zeit an Ç. . .È geschlagen wurden] Unklarer Bezug. Dem Zusammenhang nach könnte Herakles’ Kentaurenkampf gemeint sein, der zumeist nach der Schlacht der Kentauren und Lapithen angesetzt wird und von ihr zu unterscheiden ist; vgl. dazu vor allem Apollodoros 2,83–87, (Meusel), S. 71f.; Diodorus Siculus 4,12,3–7, (Stroth) 4, S. 24–26. Zu denken ist auch an die NessosEpisode; vgl. S. 163,11–24 im vorliegenden Band. Von einem abschließenden Sieg, den Herakles, Peirithoos und Theseus gemeinsam über die Kentauren errungen hätten, wissen die Quellen nichts. Vgl. Roscher, Art. Kentauren, in: Roscher 2, Sp. 1040–1046; Maria Leventopoulou, Art. Kentauroi et Kentaurides, in: LIMC 8/1, Sp. 672. Zur Kentaurenschlacht S. 133,10–17 und Erl. 193,10–12 Streit der C e n t a u r e n Ç. . .È oft verweilt] Der Kentaurenkampf ist Gegenstand bedeutender Beispiele antiker Kunst. Moritz könnte an die Wandmalerei in dem ihm bekannten Stichwerk 〈Anonym〉, Antichita` d’Ercolano 1, Tavola 2 mit den Erklärungen S. 7f. denken. Die wohl berühmtesten Darstellungen,

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die Moritz allerdings nicht kannte, sind der Westgiebel des Zeustempels von Olympia (erhaltene Fragmente heute im dortigen Museum), die Südmetopen des Parthenon in Athen (heute Athen, Akropolis-Museum; London, British Museum; Paris, Louvre) und der Fries des Apollontempels von Bassai-Phigaleia (heute London, British Museum). Vgl. Maria Leventopoulou, Art. Kentauroi et Kentaurides, in: LIMC 8/1, S. 689, Nr. 211; 212; 214 mit den Abb. ebd., 8/2, S. 430–438. 193,14–16 Pirithous half Ç. . .È Aufsicht übergab] Vgl. den detaillierteren Bericht über die Entführung der Helena im Rahmen eines Ausgleichshandels (mit der Entführung der Hippodameia aus der Unterwelt als Gegenleistung) zwischen Theseus und Peirithoos bei Banier 4, S. 694f. S. auch Damm, Einleitung, S. 196f., nach Plutarch, Theseus 31,1–3, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 80–82. Plutarch diskutiert weitere Varianten der Erzählung von Theseus’ allergrößtem Verbrechen. Nach Plutarch, Theseus 32,2–7, (Lebensbeschreibungen [Kind]), S. 84–86, Diodorus Siculus 4,63,2–5, (Stroth) 2, S. 121f. und Pausanias 2,22,6, (Goldhagen) 1, S. 272 endet die Entführung mit einem Misserfolg, denn Helenas Brüder, die Dioskuren, erobern Aphidna und bringen das Mädchen nach Sparta zurück. Vgl. Damm, Einleitung, S. 219; Seybold, Einleitung, S. 330f. – Aphidna ist eine Stadt in Attika; vgl. Milchhoefer, Art. Aphidna, in: RE 1, Sp. 2719f. 193,16–27 dem Pirithous Ç. . .È Freundschaftsbündniß trennte] Die Erzählung von Theseus’ und Peirithoos’ Abstieg in den Hades referiert Banier 4, S. 695 als poetische Ausmalung der ›eigentlichen‹ Vorgänge, die er ebenfalls wiedergibt, und zwar nach Plutarch, Theseus 31,4–5, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 82f. Vgl. auch Pausanias 1,17,4–6 (Goldhagen) 1, S. 69f. Beide Fassungen auch bei Damm, Einleitung, S. 195f. Die von Moritz übernommene Version entspricht Diodorus Siculus 4,63,4, (Stroth) 2, S. 122; Diodor, 4,63,1–2, (Stroth), S. 121 stellt auch den chronologischen Zusammenhang her, wonach sich die Episode nach dem Tod von Hippodameia und Theseus’ Gemahlin Phaidra zuträgt. Das Motiv der Rache an Hades scheint eine Zutat von Moritz zu sein. – Plutarchs euhemeristischer Darstellung zufolge ist es Aidoneus, König der Molosser in Epeiros und Gemahl der Persephone, der mit seinem Hund Kerberos den Versuch der Helden vereitelt, sich seiner Tochter Kore zu bemächtigen. – Zu Herakles’ Eingreifen s. S. 156,8–20 mit den Erl. im vorliegenden Band. 193,20–21 mit welchem unvermeidliche Todesgefahr verknüpft ist] Moritz deutet auch Herakles’ Abstieg in den Hades als Konfrontation mit dem Tod. Vgl. S. 155,27–30 und Erl. 193,29–30 das Schicksal Ç. . .È tragischer Ausgang schloß] Der Lehrsatz, dem zufolge Helden oft einen tragischen Untergang erleiden, ist Teil einer mit ein-

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schlägigen Exempla bewehrten Topik, die sich traditionell der heroischen Tugend zuordnet. Vgl. z. B. Gregor Richter, Editio Nova Axiomatum Oeconomicorum,

Acceßione multarum novarum Regularum, multarumque Sententiarum & Exemplorum aucta & locupletata Ç. . .È, Gorlicii 〈Görlitz〉 1604, S. 310: Heroicos viros plerunque tandem opprimi tristisßimis 〈!〉 casibus, historiae ostendunt (Die historischen Exempla zeigen, dass Helden am Ende meist von den traurigsten Unglücksfällen ereilt werden). Moritz deutet diesen Gemeinplatz allerdings nicht erbaulich-moralisch, sondern ordnet ihn seiner Idee des Tragischen zu; vgl. z. B. S. 223,15–16 und Erl., ferner Moritz’ Ausführungen über weitere Heroen und ihr Ende (Bellerophon, Perseus, Herakles, Peleus). 193,33–194,18 Nach dem Ç. . .È Verzweiflung nahe] Der Mythos von Phaidra und Hippolytos findet sich, teilweise mit Ergänzungen und Varianten, in antiken Quellen immer wieder dargestellt, unter ihnen Euripides, Hippolytos; Diodorus Siculus 4,62, (Stroth) 2, S. 119f.; Ovid, Metamorphosen 15,497–529; Fasti 6,737–756; Heroides 4; Pausanias 1,22,1–2; 2,32,1, (Goldhagen) 1, S. 90–92; 305f. Moritz’ Fassung entspricht weitgehend Euripides, mehr noch Senecas Tragödie Phaedra. Für das Verhängnis, das auf den Nachkommen des Helios lastet (zu denen Pasiphae gehört) bzw. für die Rache der Aphrodite an diesem Geschlecht vgl. Ovid, Heroides 4,53–66; Seneca, Phaedra, 124–128. Für die neuzeitliche Rezeption vgl. exemplarisch Jean Racine, Phe`dre. Trage´die en cinq actes. Phädra. Tragödie in fünf Aufzügen. Französisch /Deutsch, übers. und hrsg. v. Wolf Steinsieck, Stuttgart 1995 (Uraufführung 1677; dort dasselbe Motiv V. 249–278). Zum Pasiphae-Mythos vgl. S. 183,2–9 und Erl. im vorliegenden Band. – Affin zu Moritz’ Erzählung ferner Seybold, Einleitung, S. 331; Ramler, Mythologie 2, S. 598f.; s. auch Banier 4, S. 442–444. – Der Phaidra-Einschub widerspricht der Chronologie, wie Diodorus Siculus sie annimmt (vgl. Erl. zu S. 193,16–27); denn der Raub der Helena und der Abstieg in den Hades setzen Diodor zufolge den Tod der Phaidra voraus. 194,19–29 Die Unzufriedenheit Ç. . .È Felsen herab] Banier 4, S. 699f.; Seybold, Einleitung, S. 331f., nach Plutarch, Theseus 32,1; 35,4–7, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 83f.; 89–91; dort finden sich weitere Details und Varianten. Vgl. auch Pausanias 1,17,6, (Goldhagen) 1, S. 70f. 194,20–21 verbannte sich selber aus Athen] Die Formulierung von der Selbstverbannung findet sich nur bei Seybold, Einleitung, S. 332: Genug, alle Stände

wurden wenigstens darinnen einig, daß T h e s e u s aus der Stadt verbannt seyn sollte – oder verbannte er sich selbst. Sowohl nach Diodorus Siculus 4,62,4, (Stroth) 2, S. 120 als auch nach Plutarch, Lebensbeschreibungen,

Stellenerläuterungen

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(Kind) 1, S. 90 weicht Theseus einer Empörung der Athener. Vgl. auch Banier 4, S. 700. 194,24 S c y r u s ] Die Sporadeninsel Skyros liegt östlich von Euboia in der Ägäis; vgl. Art. Skyros, in: DNP 11, Sp. 643. 194,25 L y k o m e d e s ] Der König von Skyros ist auch aus den Sagen um Troja bekannt; denn bei ihm verbirgt Thetis ihren Sohn Achilleus in Frauenkleidern, um ihn vor der Teilnahme am Krieg zu bewahren. Vgl. Apollodoros 3,174, (Meusel), S. 156. 194,26–27 das heilige Gastrecht] Vgl. S. 189,6–13 und Erl. 194,32–195,3 Nach seinem Tode Ç. . .È Helden geschildert waren] Banier 4, S. 702–704; Seybold, Einleitung, S. 332f. Zur Überführung von Theseus’ Gebeinen von Skyros nach Athen durch den Feldherrn und Politiker Kimon (ca. 510–450 v. Chr.) Mitte der 70er Jahre des 5. Jhs. v. Chr. Plutarch, Theseus 36,1–4, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 91–94; ders., Kimon 8,5–7, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 6, S. 24f.; Pausanias 1,17,6, (Goldhagen) 1, S. 71. Tatsächlich handelt es sich um einen Vorgang von politischer Symbolwirkung. Vgl. Walker 1995, S. 55–61; Jenifer Neils, Art. Theseus, in: LIMC 7/1, S. 950. – Plutarch berichtet auch über die Feierlichkeiten zu Ehren von Theseus. Das Theseion in Athen ist mit den Wandmalereien beschrieben bei Pausanias 1,17,2–6, (Goldhagen) 1, S. 69–71. 195,9–14 So wie die Dichtung Ç. . .È ein schönes Ganze wird] Mit dem Niedersteigen der Dichtung vom Himmel zur Erde, dem Einzelnen, das Anteil am göttlichen Ganzen hat, und dem Band, das Menschen- und Götterwelt verbindet, nimmt Moritz seine Interpretation der goldnen Kette wieder auf (vgl. S. 73,23–74,10 mit den Erl.). Vgl. dagegen Banier 1, S. 90; ihm zufolge verdankt sich die Animation von Naturphänomenen in antiken Mythen dem Mangel an naturwissenschaftlichen Kenntnissen: In den barbarischen Jahrhunderten, wo man

in der Kenntniß der Natur nicht sonderlich weit gekommen war, nahm man seine Zuflucht zu sinnlichen und groben Erklärungen. Man belebte alles, die Flüsse, die Brunnen, die Gestirne. Ç. . .È Nichts war leichter gethan, als daß man Wirkungen, deren Ursprung man nicht wußte, beseelten Ursachen zuschrieb. Eine Korrektur gelinge erst aufgeklärteren Zeiten, die die Natur einem analytischen Zugriff unterwerfen; vgl. z. B. ebd. 1, Vorrede des Übersetzers, S. 14: In diesen Fabeln findet der Naturkündiger die rohen Anfänge

seiner Wissenschaft; und kann sich freuen, in erleuchtetern Zeiten geboren zu seyn, welche dem Wachsthume derselben, von allen Seiten betrachtet, so zuträglich sind.

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195,15 Genien] Grundlage für das Genien-Kapitel, das sich auf röm. Überlieferungen bezieht, ist Maternus 1, S. 746–750; ihm zufolge handelt es sich bei einem Genius um einen Schutzgott des Menschen (S. 746). Den Ausführungen von Maternus konnte Moritz alle notwendigen Informationen entnehmen. Für das Kapitel ist durchweg Anthusa, KMA 4/1, S. 200–202 zu vergleichen. Vgl. auch Damm, Einleitung, S. 96f. 195,16–18 Die Genien Ç. . .È anschloß] Vgl. dazu die 1793 in Die große Loge oder der Freimaurer mit Wage und Senkblei erschienene Freimaurerrede Die Feier der Geburt des Lichts, deren Verfasserschaft Karl Friedrich Klischnig später für sich beanspruchte; s. KMA 6, Erl. zu S. 290,1. Danach symbolisiert der Genius metaphysische Wahrheit bzw. die Partizipation des einzelnen daran (KMA 6, S. 290,2–9): So wie die Alten an ihren Geburtstägen ihrem Genius opferten,

und in ihm den bessern unsterblichen Theil ihres Wesens verehrten, so wollen wir auch heute die Entstehung des Schönen und Edlen feiern, das unsere heiligsten Bande knüpft und von der Vorwelt in ihrer ältesten Sprache durch Zeichen uns überliefert ist, die unsere Gedanken auf das Wesen der Dinge heften, und uns lehren sollen, die Täuschung von der Wahrheit, den Schein von der Wirklichkeit zu unterscheiden. 195,18–19 Die höchste Gottheit Ç. . .È durch diese Wesen] Wohl mit Bezug auf Plinius, Naturalis historia 2,16, der die Vervielfältigung der Götter allerdings als Ausfluss menschlicher Schwäche bewertet: Quam ob rem maior caelitum populus etiam quam hominum intellegi potest, cum singuli quoque ex semet ipsis totidem deos faciant Iunones Geniosque adoptando sibi (Denso 1, S. 5: Daher kann man sich eine größere Schaar der Gottheiten als der Menschen in Gedanken vorstellen, da sich jede einzelne Menschen für ihre eigne Person Götter machen, und jede Frau sich eine Juno, jeder Mann einen Glücksengel erwählet). Maternus 1, S. 746, Anm. 3 zitiert aus dieser Stelle und verweist zusätzlich auf Seneca, Epistulae morales ad Lucilium 110,1. 195,22–23 daß die Männer Ç. . .È Juno schwuren] Zu den Junones das PliniusZitat in den vorangehenden Erl.; s. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1143; W. F. Otto, Art. Genius, in: RE 7/1, Sp. 1156. – Dass umgekehrt auch die Männer bei i h r e m Jupiter Ç. . .È schwuren, ist hingegen in den Quellen nicht belegt. Es ist vermutlich Moritz selbst, der diese Analogie bildet, um insgesamt eine durch Genien vermittelte Kontinuität zwischen Menschen und Gottheiten darstellen zu können. 195,25–27 An ihren Geburtstagen Ç. . .È umkränzten] In Anthusa, KMA 4/1, S. 201,21–24 (vgl. dort auch die Erl.) zitiert Moritz Tibull 2,2,5–8, der das Geburtstagsritual samt Blumenschmuck und dem Opfern von Wein und Kuchen be-

Stellenerläuterungen

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schreibt. S. ferner W. F Otto, Art. Genius, in: RE 7/ 1, Sp. 1160f. – Dass der Genius nur unter einen schönen Jüngling abgebildet war (Maternus 1, S. 747, Anm. *), ist keine Communis opinio der Antiquare. Vgl. Petrus Taffinus, De ve-

terum Romanorum anno seculari ejusque potissimum per ludos seculares celebritate, eorumque chronologia, in: Thesaurus Antiquitatum Romanarum, hrsg. v. Ioannes Graevius, 8, Utrecht/Leiden 1698, Sp. 466–639, hier: Sp. 536, der weitere Darstellungsvarianten kennt; ferner Rosinus, S. 152, wonach der Genius als Schlange, Knabe, Jüngling oder Greis erscheinen konnte. S. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1144f. Statuetten ›privater‹ Genien sind abgebildet in LIMC 8/2, S. 372, Nr. 1–11. Vgl. auch Anthusa, KMA 4/1, S. 200,16–17 und Erl. 196,1–6 Ein jeder Ç. . .È abging] Den Begriff der deutlichen Erkenntniß übernimmt Moritz aus der Aufklärungsphilosophie. Zur deutlichen Erkenntniß des eigenen Wesens und seines göttlichen Ursprungs vgl. etwa das fünfte und sechste Kapitel aus Wolffs Deutscher Metaphysik, in denen der Philosoph seine Erkenntnistheorie auf das Wesen der Seele und eines Geistes überhaupt bzw. auf GOtt anwendet. – Der von Göttern und Dämonen verkörperte, der deutlichen Erkenntniß unzugängliche göttliche Ursprung entspricht in der Götterlehre dem ›Dunklen‹ oder den ›Urbildern‹; vgl. z. B. S. 20,17–18; 73,34 mit den Erl. Die Verehrung, durch die Moritz die deutliche Erkenntniß ersetzt, steht der ästhetischen Anschauung nahe; vgl. Erl. zu S. 13,24–26. 196,7–9 Nach einer andern Ç. . .È der Lebenden] Vgl. S. 37,10–17 und Erl. im vorliegenden Band. S. Seybold, Einleitung, S. 224f. 196,11–17 Die Dichtung Ç. . .È gebohren] Vgl. zur Abstammung der Musen von Mnemosyne S. 61,5 im vorliegenden Band, zur Abstammung der Mnemosyne von Gaia und Uranos S. 20,30–33; zu Mnemosyne selbst S. 52,1–9 jeweils mit den Erl. 196,17–18 Neun Nächte lang Ç. . .È erzeugte] Hesiod, Theogonie, 53–57, (Voss), S. 81f.: Auf der pierischen Höhe, mit Zeus dem Vater vereinigt, / Zeugte Mnemosyne sie 〈die Musen〉, die Eleuthers Fluren beherschet: /

Trost dem Leide zu sein, und Linderung aller Betrübnis. / Denn neun Nächte gesellte sich ihr der Ordner der Welt Zeus, / Von den Unsterblichen fern ihr heiliges Lager besteigend. 196,19–25 Einer der ältesten Dichter Ç. . .È Brust verscheuchen] S. den Hymnus an die Musen, mit dem Hesiods Theogonie beginnt (V. 81–103, [Voss], S. 84–86): Wen mit ehrendem Blicke die freundlichen Töchter Kronions / Bei der Geburt anschaun, von den gottbeseligten Herschern, / Dem wird sanft die Zunge mit süßem Thaue beträufelt, / Und ihm gleitet wie Honig die Red’ hin. Siehe, die Völker / Schauen gesamt auf ihn, der Urtheil

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spricht und Entscheidung / Nach durchgehendem Recht; denn mit Nachdruck redet er treffend, / Und weiß schnell auch ein großes Gezänk zu versöhnen mit Klugheit. / Darum sind Volkspfleger verstandvoll, daß sie den Völkern / Öffentlich vollen Ersaz für Beleidigung schaffen und Kränkung, / Sonder Bemühn, zuredend mit sanft einnehmenden Worten. / Aber durchgeht er die Stadt, wie ein Gott rings wird er geehret / Mit anmutiger Scheu; und er ragt in des Volkes Versammlung. / Also verleihn die Musen den Sterblichen heilige Mitgift. / Denn durch der Musen Geschenk und des treffenden Föbos Apollon / Sind die Männer des Liedes und Harfengetöns auf der Erde; / Aber durch Zeus Volkspfleger. O Seliger, welchem die Musen / Huldreich nahn! wie strömet ihm süß vom Munde der Wohllaut! / Denn wenn einer mit Gram in frischverwundetem Herzen / Starr dasizt, und das Leben sich abhärmt, aber ein Sänger / Treu im Dienste der Musen die löblichen Thaten der Vorwelt / Preist im Gesang’, und die Götter auf seligen Höhn des Olympos; / Schnell durchdringt ihn des Leides Vergessenheit, keiner Betrübnis / Denkt er hinfort, ihm lenkte der Göttinnen Gabe das Herz um. 196,26–197,16 Die Nahmen Ç. . .È oft verwechselt] Der Musenkatalog entspricht, wenn auch nicht in der Reihenfolge, Hesiod, Theogonie, 77–79, (Voss), S. 83f. Zeitgenössische Mythenkenner wissen jedoch, dass antike Autoren über Genealogie, Anzahl, Namen und Aufgaben der Musen unterschiedlicher Ansicht sind; vgl. Banier 3, S. 444–446; Hederich, Lexicon, Sp. 1669–1671; Otto 1961, S. 25. – Zur Auflösung der Namen vgl. z. B. Damm, Einleitung, S. 81. Danach heißet

K l i o , die rühmende, M e l p o m e n e , die singende, T h a l i a , die muntere und lustige, zugleich aber auch die immer grünende, Ç. . .È E u t e r p e , die wohlergötzende, Te r p s i c h o r e , die tanzende, E r a t o , die liebenswürdige, K a l l i o p e , die schönstimmige, Ç. . .È U r a n i a , die himmlische und erhabene, P o l y h y m n i a , die vielbesingende und preisende. Die Einzeleinträge in Hederich, Lexicon sowie Banier 3, S. 447f. stimmen mit den Angaben von Damm weitgehend, aber nicht gänzlich überein. – Für die Aufgabenverteilung kennt die zeitgenössische Mythographie antike Merkverse, die voneinander abweichen; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1671f. Eine Verteilung unterschiedlicher Dichtungs- und Kunstsparten auf die Musen wurde erst seit dem Hellenismus versucht (Otto 1961, S. 38). Die Zuständigkeiten stehen seit der röm. Zeit mehr oder weniger fest (Art. Musen, in: KlP 3, Sp. 1477; vgl. das inzwischen nicht mehr Ausonius zugerechnete Gedicht Nomina Musarum [Ausonius, with an English Translation by Hugh G. Evelyn White, Cambridge/USA, London 1967/1968, 2,

Stellenerläuterungen

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S. 280f.], wiedergegeben und übersetzt bei Lippert, Dactyliothec 1, S. 267, Nr. 747), bleiben aber trotzdem schwankend. Auch in Quellen des 18. Jhs. werden sie nicht einheitlich angegeben. Moritz’ Reihe befindet sich in Übereinstimmung mit Ramler, Mythologie 1, S. 193–196, während sie mit Seybold, Einleitung, S. 247 nicht vollständig zur Deckung kommt. Polyhymnia ist nach Ramler (vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 2049) die Muse der körperlichen Beredsamkeit (Pantomime), nicht jedoch der Beredsamkeit überhaupt. 197,6 Musik, Gesang und Tanz Ç. . .È Geschäft der Musen] Vermutlich mit Bezug auf das Zuständigkeitsgebiet, das Hesiod, Theogonie ohne weitere Differenzierung den Musen zuweist. Vgl. etwa V. 63–65, (Voss), S. 82. Danach wohnen diese Gottheiten Wenig vom obersten Gipfel entfernt des beschneiten Olym-

pos, / Wo sie der festlichen Tänze sich freun, und der prangenden Wohnung. Ç. . .È und dem Mund’ holdselige Stimmen entsendend, / Singen sie dann. Moritz’ Bemerkung steht im Zusammenhang mit dem Wissen, dass die genaue Aufgabenverteilung unter den Musen erst eine Sache späterer Quellen ist (vgl. auch S. 199,23–25 im vorliegenden Band), und mit dem Interesse am noch nicht Individualisierten, Amorphen und Chaotischen. Auf jeden Fall repräsentiert Moritz’ Hinweis nicht die Communis opinio der zeitgenössischen Mythenkenner. Nach Damm, Einleitung, S. 81 stellen die M u s e n lauter Schönheiten des

G e i s t e s in anmuthigen Gelehrsamkeiten, ja die Gelehrsamkeit überhaupt vor. Hederich, Lexicon, Sp. 1671 sieht in ihnen die Göttinnen der freyen Künste; nach Ramler, Mythologie 1, S. 192 sind sie solche der schönen Künste im Allgemeinen. 197,17–18 So wie die Alten Ç. . .È zu benennen pflegten] Vgl. dazu das Kapitel Die heiligen Wohnplätze der Götter unter den Menschen, namentlich daraus die Formulierungen S. 121,19–20, 123,24–25 sowie 128,18–21. 197,21 womit die Dichter ihren Beistand sich erflehten] Der Anruf an die Musen leitet viele epische Dichtungen der Antike ein. Für beliebige Beispiele vergleiche man Homer, Odyssee 1,1, (Voss), S. 9; Vergil, Aeneis 1,8. Unter Verwendung eines ortsbezogenen Beinamens wendet sich Hesiod, Theogonie, 1–4, (Voss), S. 77 an die Musen: Helikonischen Musen geweiht, heb’ unser Gesang

an, / Die auf dem Helikonberge, dem großen und heiligen, walten: / Wo sie den dunkelen Quell mit geschmeidigen Füßen im Reihntanz / Und den Altar umschweben des allmachtfohen Kronion. S. aber auch Homerischer Hymnus 4 an Hermes, 1; 5 an Aphrodite, 1; 9 an Artemis, 1, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 32; 62; 84.

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197,23 P a r n a s s u s , P i n d u s , H e l i k o n ] Der Parnassos ist ein Gebirgsmassiv in Mittelgriechenland, an dessen Südabhang Delphi liegt. Zwar ist am Parnass seit alters die Verehrung gr. Götter lokalisiert (Apollon, Dionysos; vgl. Johanna Schmidt, Art. Parnassos, in: RE 18/2, Sp. 1635–1652); als Musenberg erscheint er jedoch erst in röm. Zeit. Vgl. Art. Parnassos, in: KlP 4, Sp. 520f. – Der Hochgebirgszug des Pindos verläuft in nord-südlicher Richtung durch Nord- und Mittelgriechenland. Vgl. Art. Pindos, in: KlP 4, Sp. 863f. Als Aufenthalt von Nymphen erscheint der Pindos z. B. bei Theokrit 1,67, (Idyllen [Kütner]), S. 6; Vergil, Bucolica 10,11 (zusammen mit dem Parnass); vgl. E. Kirsten, Art. Pindos 1), in: RE 20/2, Sp. 1702. – Den Helikon, ein Gebirge in Phokis und Boiotien, bestimmt schon Hesiod, Theogonie, 22–23, (Voss), S. 79 als den Ort, an dem die Musen ihm das Dichteramt übertragen. Im sog. Musental am Archontitsabach befand sich ein von antiken Autoren erwähntes Heiligtum der Musen, von dem archäologische Spuren erhalten sind. Vgl. Ovid, Metamorphosen 2,219; Pausanias 9,30,1, (Goldhagen) 2, S. 443 u. a.; Bölte, Art. Helikon, in: RE 8/1, Sp. 7; Fiehn, Art. Musental, in: RE 16/1, Sp. 821f. Zu den ortsbezogenen Beinamen der Musen Banier 3, S. 452f.; Damm, Einleitung, S. 82. 197,23–25 Auf dem Gipfel Ç. . .È A g a n i p p e ] Der Mythos, dem zufolge Pegasos eine Quelle entspringen ließ, bezieht sich auf die Hippokrene; vgl. S. 84,33–85,6 und Erl. Die Aganippe – zugleich Name der zugehörigen Quellnymphe –, die am Fuß des Helikon lokalisiert wird, ist z. B. erwähnt bei Pausanias 9,29,5, (Goldhagen) 2, S. 441; Vergil, Bucolica 10,12. Vgl. Wernicke, Art. Apanippe 1), in: RE 1, Sp. 731. 197,25–26 K a s t a l i s c h e Quell] Die Kastalia ist eine heilige Quelle, die bei Delphi am Parnass entspringt. Die Vorstellung von der sonst zu rituellen Waschungen gebrauchten Quelle, an der nach Theokrit 7,148, (Idyllen [Kütner]), S. 45 Nymphen wohnen, als Dichterquelle entstammt erst der röm. Zeit. Vgl. Vergil, Georgica 3,291–293. S. v. Geisan, Art. Kastalia, in: RE 10/2, Sp. 1337f. 197,27–28 P i m p l e a Ç. . .È den Musen heilig] Pimpleia bezeichnet gleichzeitig ein Dorf, eine den Musen heilige Quelle und einen Berg am Fuß des Olymp in Makedonien. Vgl. Johanna Schmidt, Art. Pimpleia, in: RE 20/2, Sp. 1387–1389. Als Herkunftsangabe für die Musen z. B. bei Horaz, Oden 1,26,9. 197,28–29 auf deren Lippen Ç. . .È versiegte] Hesiod, Theogonie, 39–40, (Voss), S. 80: fort strömt unermüdet der Wohllaut / Ihrer Kehl’ anmutig. Moritz’ Paraphrase (auf deren Lippen) entspricht besser dem gr. Wortlaut und der lat. Übersetzung (Hesiodi ascraei quae exstant, S. 12f.).

Stellenerläuterungen

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197,30–31 P i e r i n n e n Ç. . .È versetzte] Hesiod bezeichnet die Musen im Schild des Herakles, 205–206, (Voss), S. 182 als Pieriden; in der Theogonie, 53–54, (Voss), S. 81 erwähnt er ihre Herkunft aus der Landschaft Pieria: Auf

der pierischen Höhe, mit Zeus dem Vater vereinigt, / Zeugte Mnemosyne sie. Vgl. Gertrud Herzog-Hauser, Art. Pierides 1), in: RE, Supplementbd. 8, Sp. 495f., mit einer weiteren mythologischen Namensableitung. – Als Pieriden werden allerdings auch die Töchter des Pieros bezeichnet, die den Musen im Gesangswettstreit unterliegen. Vgl. Ovid, Metamorphosen 5,294–678; Banier 3, S. 451; 453; Bd. 4, S. 261. 197,31–33 Apollo Ç. . .È Saitenspiel] Vgl. S. 81,26–33 und Erl. im vorliegenden Band. 197,33–198,1 Die bildende Kunst Ç. . .È w e i b l i c h g e k l e i d e t dar] Vermutlich bezieht sich Moritz vor allem auf die Apollon-Statue in den Vatikanischen Museen, die er in RDI 3, S. 42f. (KMA 5/2) bzw. VTO, S. 112f. (KMA 3) als weiblichen Apollo mit wehendem Gewand beschreibt. Das lange Gewand gehört aber auch sonst zum Typus des Apollon Musagetes bzw. Kitharodos. Für antike Darstellungen vgl. Flashar 1992, Abb. 40/41; 78/79; G. Kokkorou-Alewras, in: Art. Apollon, in: LIMC 2/1, S. 269–272. 198,3–4 die bildende Kunst der neuern] Für neuzeitliche Malerei, die Apollon mit den Musen, gegebenenfalls den Parnass zum Gegenstand hat, vgl. Pigler 1974, S. 35–37. 198,5–6 daß auch H e r k u l e s Ç. . .È verehrt wurde] Für Herakles ist eine Nähe zu musischen Künsten und zu den Musen wiederholt belegt (Otto 1961, S. 56f.). Der Titel des Herkules Musagetes bezieht sich in antiken Quellen vor allem auf die 189 v. Chr. errichtete Aedes Herculis Musarum (Tempel des Hercules und der Musen; vgl. Anthusa, KMA 4/1, Erl. zu S. 120,20), so auch bei Lippert, Dactyliothec 1, S. 229, Nr. 622, der einen leierspielenden Herakles als H e r k u l e s M u s a g e t e s identifiziert. Nach Rüpke 2012, S. 154 war Herakles Musagetes schon zuvor in Griechenland bekannt. In der Altertumskunde des 17. und 18. Jhs. ist er wiederholt ein – freilich nicht ganz unumstrittener – Gegenstand. Vgl. z. B. Rosinus, S. 161; Louis-Franc¸ois de Fontenu, Abhandlung über den Herkules Musagetes, in: Abhandlungen und Auszüge der königlichen Akademie der

Inschriften und der schönen Wissenschaften zu Paris in Classen gebracht. Aus dem Französischen übersetzt und mit Anmerkungen begleitet. Das Griechische Alterthum. Erster Band unter Aufsicht des Herrn Hofrath Heyne, Leipzig 1781, S. 141–168; Stosch, Gemmae, S. 82, Nr. 59; Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 112 mit Tafel 56; Mariette, Traite´ des pierres gravee´s 2,

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Nr. 82; Banier 3, S. 446; 450; Bd. 4, S. 664; Winckelmann, Description, S. 285, Nr. II/1763 (ohne Verweis auf Herakles’ Rolle als Anführer der Musen: Furtwängler 1896, Nr. 4175; eine Paste aus dem ersten Jh. vor oder nach Christus). Zu Fontenu auch die kritischen Bemerkungen von Banier sowie von Christian Gottlob Heyne (bei Fontenu, S. 141f., Anm.). 198,10–21 Einst wurden die Musen Ç. . .È ausrupft] Moritz bezieht sich auf das bei Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 222, Nr. 46 abgebildete Fragment eines Sarkophagdeckels aus dem 3. Viertel des 3. Jhs. n. Chr., heute, eingelassen in eine Graburne, St. Petersburg, Eremitage. Vgl. ebd., Kommentarbd., S. 304. Winckelmanns Erl., ebd., Textbd., S. 221 zufolge basiert der Stich auf einer von dem Maler, Radierer und Zeichner Pier Leone Ghezzi (1674–1755) genommenen Abzeichnung. – Zu dem zugehörigen Mythos s. ebenfalls die genannten Ausführungen von Winckelmann, ferner Hederich, Lexicon, Sp. 1672 mit Bezug auf Pausanias 9,34,3, (Goldhagen) 2, S. 458. 198,29–32 Der Satyr M a r s y a s Ç. . .È aufzunehmen] Vgl. z. B. Ovid, Metamorphosen 6,382–400; Hyginus, Fabulae 165; Apollodoros 1,24, (Meusel), S. 10; Diodorus Siculus 3,59,2–5, (Stroth) 1, S. 413f. 199,1–5 Auch T h a m y r i s Ç. . .È beraubten] Älteste Quelle für die Bestrafung des thrakischen Sängers Thamyris ist Homer, Ilias 2,594–600, (Stolberg) 1, S. 58. Vgl. auch Apollodoros 1,17, (Meusel), S. 8; Diodorus Siculus 3,67,3, (Stroth) 1, S. 432. Dass Thamyris ein Thracischer Regente gewesen sei, berichtet Damm, Einleitung, S. 163. 199,6–17 Was nun die Abbildungen Ç. . .È Blick sich aus] Moritz’ Katalog der Musen mit ihren Attributen entspricht annähernd der etwas detaillierteren Reihe von Ramler, Mythologie 1, S. 193–196. Eine Ausnahme bildet Erato, die nach Ramler mit Leier, Pfeil sowie Rosen- und Myrtenkranz ausgerüstet ist. Zu dieser Muse vgl. Winckelmann, Geschichte 1776 1, S. 309, der eine leicht bekleidete Figur im Palazzo Farnese aufgrund ihrer Tanzpose als Erato oder Terpsichore identifiziert. – Erheblicher sind die Unterschiede zu der Musenserie in den Antichita` d’Ercolano (s. Erl. zu S. 199,29–35); vgl. dort die Abbildungen und Ausführungen zu Terpsichore, Polyhymnia und Urania. Fast keine Übereinstimmungen bestehen mit Banier 3, S. 447f. 199,19–23 Die vielfache Zahl Ç. . .È in sich dar] Wohl Moritz’ Deutung, korrespondierend mit der in der Götterlehre verschiedentlich aufscheinenden Idee, dass die Vielfalt der Gottheiten eine dichte Beziehung zu der Einheit des Ganzen besitze. Vgl. z. B. S. 112,10–22 zu Kybele als U r b i l d jeder Gottheit, S. 129,23–26 zum Begriff des Pantheon und S. 200,16–20 zu den Liebesgöttern. Die Vorstellung

Stellenerläuterungen

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von der Einheit des Vielfältigen steht in Verbindung mit dem zeitgenössischen Begriff des Schönen als Einheit in der Mannigfaltigkeit; vgl. z. B. Sulzer, Theorie 4, S. 308; RDI 3, S. 75–79; 145–147; 216 (KMA 5/2); VTO, S. 73–77; 8–10 (KMA 3). 199,27–28 Man sieht auf alten Marmorsärgen Ç. . .È abgebildet] Die Bemerkung dürfte sich auf Moritz’ Kenntnis des Kapitolinischen Museums in Rom beziehen. In RDI beschreibt er einen dort aufbewahrten Sarkophag, auf dem in den reizendsten Stellungen die neun Musen abgebildet sind (RDI 2, S. 120, KMA 5/2; vgl. auch VTO, S. 104f., KMA 3). Bezugspunkt ist vermutlich der bei Bottari, Museo Capitolino 4, Tafel 26 mit den Erl. S. 141–156 abgebildete Sarkophag. Bottari verweist S. 141f. auf weitere, vergleichbare Sarkophagreliefs. Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, Tafel 59 zeigt dasselbe Relief wie Bottari. 199,29–35 Ein Gemählde Ç. . .È bezeichnend fand] Die Herkulanischen Alterthümer sind die Antichita` d’Ercolano, ein 1757–1792 in acht Bänden ohne Verfasserangabe erschienenes, von der Reale Accademia Ercolanese di Archeologia herausgegebenes Werk, das Stücke aus den Ausgrabungen am Golf von Neapel – nicht allein aus Herculaneum – in aufwändigen Kupferstichen mit Beschreibungen präsentiert. Die Antichita`, von denen ca. 2000 Exemplare gedruckt wurden, waren nicht käuflich zu erwerben. Vielmehr verschenkte der Hof von Neapel sie an ausgewählte Empfänger; vgl. Moormann 2015, S. 34–39. – Hier gemeint ist eine in den Antichita` in Kupferstichen wiedergegebene Folge antiker Darstellungen der Musen, fast durchweg mit namentlicher Bezeichung, aus den Praedia der Julia Felix in Pompeji (〈Anonym〉, Antichita` d’Ercolano 2, S. 7–59). In der Reihe, die auch Apollon Kitharodos einschließt, fehlt Euterpe, deren Bild dem Kommentar zufolge wegen seines schlechten Erhaltungszustands nicht wiedergegeben werden konnte (S. 15). Die Wandgemälde, die in den 50er Jahren des 18. Jhs. gefunden worden waren, befanden sich zu Moritz’ Zeit im Antikenmuseum von Portici, gelangten 1803 als Schenkung Ferdinands IV. von Neapel an Napoleon Bonaparte nach Frankreich und sind seit 1825 im Besitz des Muse´e du Louvre. Vgl. Moormann 1988, S. 160f.; Kat. De Pompe´i a` Malmaison 2008, S. 150–169 (mit Abbildungen; freundlicher Hinweis von Eric Moormann). 200,1–2 Auf der hier beigefügten Kupfertafel Ç. . .È Leyer stimmt] Abb. 22. Das Motiv ist bei Lippert, Dactyliothec 1, S. 269, Nr. 255–259 (Schubladen 1/15; 1/16) mehrfach repräsentiert. 200,5–7 Denn mit der Tonkunst Ç. . .È übrigen Künste] Vgl. z. B. Sulzer, Theorie 3, S. 434: Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Musik die älteste aller

schönen Künste sey: sie ist mehr, als irgend eine andere, ein unmittelbares Werk der Natur.

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200,10–12 Auf eben dieser Kupfertafel Ç. . .È L e y e r zähmt] Abb. 22. Lippert, Dactyliothec 1, S. 277, Nr. 787 (Schublade 1/16): C u p i d o bezwingt bloß mit

dem Klange der Leyer einen Löwen. 200,16–20 Auch die Göttergestalt Ç. . .È besiegenden Gottheit] Vgl. die Hinweise in den Erl. zu S. 199,19–23. 200,21–22 den Liebesgott Ç. . .È Donnerkeil zerbricht] Für die bildlichen Darstellungen zu den Liebesgöttern, auf die Moritz verweist, ist durchweg Lipperts Dactyliothec zu vergleichen, hier Bd. 1, S. 275, Nr. 775 (Schublade 2/16): C u p i d o zerbricht des Jupiters Donnerkeil. Ç. . .È Die Macht dieses Gottes er-

streckete sich über alle Götter. Er war so dreiste, daß er sie fast alle entwafnete. Zur Vielfalt der Cupido-Darstellungen aber auch Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 178–185 mit den zugehörigen Bildtafeln. 200,22–23 mit des Herkules Ç. . .È bewafnet ist] Lippert, Dactyliothec 1, S. 275, Nr. 776 (Schublade 2/16): C u p i d o , mit des Herkules Löwenhaut und Keule.

Er hat noch in der rechten Hand eine Fackel. 200,23–24 auf den Helm Ç. . .È vor ihm liegen] Lippert, Dactyliothec 1, S. 275, Nr. 778 (Schublade 2/16): Hier ist er 〈Cupido〉 stehend gebildet, wie er auf den Helm des Mars tritt, und die Beinstiefeln desselben anleget. Vor ihm liegen der Schild und zween Wurfspieße. 200,25–27 E r o s und A n t e r o s Ç. . .È Palmzweig streiten] Die Gottheit Anteros ist dem Eros zugeordnet, dem gegenüber sie keine klare Eigenständigkeit gewinnt. Die Altertumsforschung nimmt an, dass das Paar Eros/Anteros in erster Linie im Bereich der antiken Gymnasien zu Hause ist und einen Bezug auf die Päderastie besitzt. Vgl. Wernicke, Art. Anteros, in: RE 1, Sp. 2354f. – Anteros tritt als Rächer des verschmähten Eros wie auch als Gegenliebe in Erscheinung; vgl. Merrill 1944. Zu dem Motiv E r o s und A n t e r o s (Liebe und Gegenliebe) verweist Lippert, Dactyliothec 1, S. 281, Nr. 804, der keine einschlägige Gemme bringt, auf Montfaucon. Dieser hatte aus des Prinzen d’Albret Sammlung

einen Stein, wo zween Liebesgötter um einen Palmzweig streiten, von denen einer eben dieselbe Stellung, wie der gegenwärtige, hat. Er nennet sie Eros und Anteros. In dem Gymnasio zu Elis war, nach des Pausanias Erzählung, ein Gemälde zu sehen, wo Anteros dem Eros einen Palmzweig aus der Hand zu winden suchte. S. dazu Pausanias 6,23,5, (Goldhagen) 2, S. 88; zu Eros/Anteros ferner ebd., 6,23,3, (Goldhagen) 2, S. 87. Vgl. auch Banier 3, S. 311f.; Hederich, Lexicon, Sp. 278f. Abbildungen und Erl. findet man bei Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 184 mit Tafel 118, Nr. 4; S. 194 mit Tafel 122 (dort gibt es allerdings keinen Bezug auf den Prinzen d’Albret); s. darüber hinaus

Stellenerläuterungen

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Antoine Hermary, He´le`ne Cassimatis, Rainer Vollkommer, Art. Eros, in: LIMC 3/1, S. 882f. 200,30–33 wo ein Weinstock Ç. . .È stehend warten] Lippert, Dactyliothec 1, S. 280, Nr. 800 (Schublade 2/16): Drey Liebesgötter halten eine Weinlese. Ein

Weinstock ist um einen Ulmenbaum geschlungen, auf welchem ein Liebesgott stehet, und Trauben abbricht. Die andern beyden sind unter dem Baume. Hier braucht es keiner weitern Erklärung: Vinum est amoris pabulum, d. i. der Wein ist die Nahrung der Liebe. 201,1–4 Jagend, fischend Ç. . .È Gemmen und Gemählden] Vgl. Lippert, Dactyliothec 1, S. 281f., Nr. 809 (zwei Liebesgötter, von denen einer angelt, während der andere einen Krebs harpuniert; Schublade 2/16); S. 282, Nr. 811 (zwei Liebesgötter im Schiff; einer führt das Ruder, der andere lenkt Delphine; Schublade 2/17); S. 277f., Nr. 789–792 (Cupido lenkt einen mit Tigern, Löwen, Ziegen oder Böcken bespannten Wagen); S. 279, Nr. 798 (die Liebesgötter verfertigen Pfeil und Bogen; jeweils Schublade 2/16). Amors Vervielfältigung wird auch von anderen Autoren wahrgenommen; vgl. Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 178. 201,4–7 jedes Geschäft Ç. . .È ineinander] Möglicherweise bezieht sich Moritz für den ersten Teil des Satzes auf Bemerkungen wie die von Damm, Einleitung, S. 97: Sonst pflegte auch g a n z e n G e s e l l s c h a f t e n ihr eigener Genius

zugeeignet zu werden; den man nach den Absichten oder Geschäften einer solchen Gemeinde abbildete. Vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1144; Maternus 1, S. 749. Eine Annäherung zwischen Cupido und Genius stellt Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 180 aus Anlass eines Cupido fest, der eine nach unten gekehrte Fackel trägt: On voit souvent une figure semblable sur les anciens sepulcres Ç. . .È. On prend cette figure, ou pour un Cupidon, ou pour un Genie,

tant ici qu’en plusieurs autres endroits, ou` les Cupidons pour la forme ne different en rien des Genies, quand on les peint jeunes. Zu den unscharfen Abgrenzungen zwischen Götterfiguren vgl. S. 199,19–23 und Erl. im vorliegenden Band. 201,9–10 Die hohen blendenden Reitze Ç. . .È C h a r i t i n n e n ] Verbindungen zwischen den Chariten und Aphrodite gibt es seit Homer (Odyssee 18,193–194, [Voss], S. 352); vgl. auch Horaz, Oden 1,4,5–6 (die Grazien zusammen mit den Nymphen im von Aphrodite geführten Chor); Diodorus Siculus 5,72,5, (Stroth) 2, S. 273, der Aphrodite, Chariten, Eileithyia, Artemis, die Horen, Eirene, Athene und die Musen als Zeus’ Töchter aneinanderreiht; Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 1,720 (danach ist Aphrodite die Mutter); Fulgentius, Mythologiae 2,4 (die Grazien begleiten die Göttin bei ihrer Ankunft auf Zypern). S. Hederich, Lexicon,

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Sp. 1176f. Auch in der Mythographie bzw. Kunstmythologie des 18. Jhs. finden sich Grazien und Aphrodite in enger Nachbarschaft; vorausgesetzt sind einschlägige mythographische und ikonographische Traditionen, die über das Mittelalter in die frühe Neuzeit reichen (Mertens 1994, S. 146–171). Vgl. z. B. Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 175, der die Grazien als compagnes de Venus bezeichnet. Banier 3, S. 283 behandelt Venus, Cupido, Psyche und Grazien in einem Kapitel. – Hingegen geht die Idee einer Vervielfältigung der Aphrodite in den Chariten auf Moritz zurück. Sie steht mit der Vorstellung von der Multiplikation einer Gottheit oder doch von deren Grundkonzeption z. B. in den Musen und den CupidoDarstellungen in Zusammenhang. Vgl. S. 199,19–23 im vorliegenden Band. 201,12–14 die schönen Empfindungen Ç. . .È Wo h l w o l l e n s ] Nach Diodorus Siculus 5,73,3, (Stroth) 2, S. 274 verleiht Zeus den Chariten den Schmuck

des Gesichts, und die Gabe, einen jeden Theil des Körpers so zu bilden, daß er schön, und für den Anblick gefällig würde; imgleichen das Geschäfte, Wohlthaten ungereizt zu erweisen, und für empfangene, dankbar den Wohlthätern zu seyn. Hederich, Lexicon, Sp. 1177 paraphrasiert die Stelle. Sie betrifft den ästhetischen wie auch den ethischen Aspekt von gr. charis und lat. gratia. Zum letztgenannten Gesichtspunkt allgemein mit Blick auf antike Quellen Mertens 1994, S. 24–32. 201,15 G a b e z u g e f a l l e n ] Vgl. Banier 3, S. 320: Endlich konnte man von

ihnen allein diejenige Gabe erlangen, ohne welche die übrigen alle unnütze sind; ich meyne, die Gabe, zu gefallen. Die Formel erinnert an die Kunst zu gefallen als Kernelement der im Ursprung rhetorischen Theorie der Grazie, wie sie in Hofmannslehren der Frühen Neuzeit als Erfolgsstrategie vermittelt wird. Vgl. Nicolas Faret, L’ honneste-homme, ou l’art de plaire a` la court, Paris 1630. Wenn diese Fertigkeit als Gabe gedeutet wird, machen allerdings die instrumentellen Anteile der Rhetorik der Vorstellung vom natürlichen Ausdruck Platz, die in ästhetischen Theorien des Aufklärungsjahrhunderts weiterentwickelt wird. Vgl. Knab 1996, vor allem S. 61–90. 201,17–20 Sie hießen Ç. . .È aufgetreten ist] Hesiod, Theogonie, 907–911, (Voss), S. 152: Auch drei Chariten bracht’ ihm Eurynome, rosige Jungfraun,

/ Sie, des Okeanos Tochter, geschmückt mit reizender Schönheit: / Tha´lia, lieblich an Wuchs, Eufro´syne, samt der Aglaja: / Diesen entträuft von der Wimper im Anblick süßes Verlangen, / Schmelzendes; denn sie blicken so hold aus der Brauen Umwölbung. Vgl. Banier 3, S. 321–323; Hederich, Lexicon, Sp. 1176f.; Mertens 1994, S. 52–57 mit weiteren Varianten zu Abkunft, Anzahl und Namen der Chariten.

Stellenerläuterungen

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201,21–28 Den Grazien Ç. . .È einen Tempel] Vgl. Banier 3, S. 325–327. 201,28 sie umgaben selbst Jupiters Thron] Vielleicht eine Anspielung auf die Zeusstatue im Zeustempel von Olympia (vgl. Erl zu S. 127,6–16 im vorliegenden Band): Ganz oben an dem Throne hat Phidias über der Bildsäule auf einer Seite drey Gratien, und auf der andern drey Horen vorgestellt. Auch auf dem Fußgestelle befindet sich eine Grazie (Pausanias 5,11,7, [Goldhagen] 1, S. 604). Vgl. Banier 1, S. 442. 201,31 in tanzender Stellung abgebildet] Für bildliche Darstellungen der Antike vgl. Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, Tafeln 109 und 110; Lippert, Dactyliothec 1, S. 271f., Nr. 763–767 (Schublade 2/16). Ein antikes Gemälde ist abgebildet und kommentiert in 〈Anonym〉, Antichita` d’Ercolano 3, Tavola 11 sowie S. 57–59. Vgl. auch die Hinweise bei Hederich, Lexicon, Sp. 1177f. – Im Versuch einer deutschen Prosodie (1786) entwickelt Moritz eine kleine Theorie des Tanzes, in der er auf die Differenz zwischen zweckgebundener und selbstbezüglicher – daher schöner – Bewegung verweist: Das gewöhnliche Gehen hat seinen

Zweck a u s s e r s i c h , es ist bloß M i t t e l zu irgend einem Ziele zu gelangen, und nach diesem Ziele strebt es unaufhörlich hin, ohne daß es auf die Regelmäßigkeit oder Unregelmäßigkeit der einzelnen Fortschritte Rücksicht nimmt. Die Leidenschaft aber, der hüpfenden Freude z. B. d r ä n g t a u c h d e n G a n g i n s i c h s e l b s t z u r ü c k , und die einzelnen Fortschritte unterscheiden sich nun nicht mehr dadurch, daß sie immer näher zum Ziele bringen, sondern sie sind sich unter einander alle gleich, weil das Gehen nicht mehr nach irgend einem Ziel gerichtet ist, sondern mehr u m s e i n s e l b s t w i l l e n geschieht. Da nun auf die Weise die einzelnen Fortschritte eine g l e i c h e W i c h t i g k e i t erhalten haben, so ist der Hang unwiderstehlich, das s e i n e r N a t u r n a c h g l e i c h g e w o r d e n e a b z u m e s s e n u n d e i n z u t h e i l e n ; auf die Weise ist der Ta n z entstanden (VP, S. 29f.; KMA 3). Vgl. Schrimpf 1964. 201,32–202,2 d e r R e i t z d e r B e w e g u n g Ç. . .È fesselt] Die Formulierung bezieht sich streng genommen nicht auf die Grazien, sondern auf Grazie/Anmut als ästhetische Kategorie, und zwar in einer Form, die von Shaftesbury und Hogarth (zum Reizenden der Bewegung vgl. Hogarth, S. 115–129) entwickelt wurde und über Moses Mendelssohn in die deutsche Theoriebildung gelangte; vgl. K. H. Göttert, Art. Anmut, in: Hist. Wb. Rhet. 1, Sp. 625–627. In den Briefen über die Empfindungen (1755; JubA 1, S. 87) bestimmt Moses Mendelssohn den Reitz, d. h. die Anmut, unter Bezug auf Hogarth als Schönheit, die pathognomisch zur Erscheinung kommt: Und den R e i t z ? Vielleicht würde man ihn nicht un-

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Götterlehre

recht durch eine w i r k l i c h e oder n a c h g e a h m t e S c h ö n h e i t i n d e r B e w e g u n g erklären. Ein Beyspiel der erstern sind die Minen und Geberden der Menschen, der letzern hingegen, die flammigten oder mit Hogarthen zu reden, die Schlangenlinien, die allezeit eine Bewegung nachzuahmen scheinen. Zum Reiz als Schönheit in Bewegung auch Lessing, Laokoon, in: Werke und Briefe 5/2, S. 155. Vgl. Knab 1996, S. 219. Moritz kannte William Hogarths Theorie der gewundenen Schönheitslinie; s. den Aufsatz Die metaphysische Schönheitslinie, in: GL, KMA 6, S. 360–367 und Erl.; RDI 3, S. 146 (KMA 5/2) bzw. VTO, S. 8 (KMA 3) zu den Vorzügen eines geschlängelten Pfads vor dem geraden Weg. 202,2–4 H a n d i n H a n d Ç. . .È sich ergießt] Vgl. die allegorische Deutung von Banier 3, S. 328: Sie hielten einander an den Händen; und dieß bedeu-

tete, daß wir durch wechselsweise Wohlthaten die Bande, die uns untereinander verknüpfen, enger zusammen ziehen sollen. 202,7–11 Um gleichsam Ç. . .È G r a z i e n fand] Von solchen Statuen, auf die Moritz in RDI 3, S. 185 (KMA 5/2) bzw. VTO, S. 15 (KMA 3) erneut verweist, berichtet Banier 3, S. 325, der eine moralisch-allegorische Deutung anschließt:

Aber was werden wir wohl davon sagen, daß die Alten in Gewohnheit gehabt, die G r a z i e n mitten unter den häßlichsten S a t y r e n vorzustellen? Und das gieng so gar weit, daß oft die Bildsäulen der Satyren hohl waren, also, daß man sie öffnen und wieder zumachen konnte; wenn man sie aber öffnete, kleine Bildnisse der G r a z i e n darinne fand. Was konnte wohl eine so seltsame Verknüpfung so widriger Dinge anzeigen sollen? Sollte man uns wohl dadurch haben zu erkennen geben wollen, daß man die Menschen nicht nach dem Außenscheine beurtheilen müsse; daß die Fehler der Gestalt durch die Annehmlichkeiten des Verstandes vergütet werden können; und daß oft genug ein unangenehmes Aeußerliches große innerliche Eigenschaften verberge? Der Bericht über die hohlen Bildsäulen hinterlässt seine Spur auch bei Winckelmann, der in der Erläuterung der Gedanken von der Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst; und Beantwortung des Sendschreibens über diese Gedanken, in: Gedanken, S. 171 unter Berufung auf Banier auf diese Statuen Bezug nimmt. – Tatsächlich liefert Banier eine großzügige Paraphrase von Platon, Symposion 215a–216e, wo Alkibiades den Sokrates mit Silen-Statuen vergleicht, in deren Innerem sich Götterbilder befinden. S. Platon, Das Gastmahl, in: Werke, in der Übersetzung von Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher 2/2, Berlin 1986, S. 313–315: Ich behaupte nämlich er 〈Sokrates〉 sei äußerst ähnlich jenen

Stellenerläuterungen

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Silenen in den Werkstätten der Bildhauer, welche die Künstler mit Pfeifen oder Flöten vorstellen, in denen man aber wenn man die eine Hälfte wegnimmt Bildsäulen von Göttern erblickt, und so behaupte ich daß er vorzüglich dem Satyr Marsyas gleiche. Ç. . .È Denn das 〈das Silenartige〉 hat er nur so äußerlich umgetan, eben wie jene getriebenen Silenen, inwendig aber, wenn man ihn auftut, was meint ihr wohl, ihr Männer und Trinkgenossen, wie vieler Weisheit und Besonnenheit er voll ist? Wißt denn, daß es ihn nicht im mindesten kümmert ob einer schön ist, sondern er achtet das so gering als wohl niemand glauben möchte Ç. . .È. Ob aber jemand wenn er ernsthaft war und sich auftat, die Götterbilder gesehn hat die er in sich trägt, das weiß ich nicht. Ich habe sie aber einmal gesehen, und so göttlich und golden und überaus schön und bewunderungswürdig kamen sie mir vor, daß ich glaubte auf der Stelle alles tun zu müssen, was nur Sokrates wünschte. 202,13 Grazien] Abb. 23. Lippert, Dactyliothec 1, S. 272, Nr. 764 oder 765 (Schublade 1/16). 202,13–28 H o r e n oder J a h r s z e i t e n Ç. . .È Winter theilte] Abb. 23. Der Stich ist nach Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 224, Nr. 47 angefertigt. Dort (Nr. 48) auch die beiden weiteren, in der Götterlehre nicht reproduzierten Abbildungen, die Moritz erwähnt. Moritz’ Erklärung bezieht sich auf die Erl. zu den drei Tafeln ebd., S. 223–230 (dazu Kommentarbd., v. a. S. 309). Nach Winckelmann geben die Stiche die drei Seiten eines Kandelaberfußes aus den Antikenbeständen der Villa Albani wieder. Winckelmann verdeutlicht die Jahreszeitensymbolik und erklärt die Tanzhaltung. Dem Kopfschmuck der Figuren, den er als Krone aus Palmblättern identifiziert, widmet er eine eingehende Betrachtung. – Mit Blick auf die Jahreszeiten gibt Moritz Winckelmanns Erl. (Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 225) ungenau wieder: Der Archäologe spricht nicht von einer ursprünglichen Zweiteilung des Jahres. Vielmehr wurden ihm zufolge die Horen in den ältesten Zeiten als Zweiergruppe dargestellt, während man sich später, gemäß den drei Jahreszeiten Frühling, Herbst und Winter ne’ tempi antichissimi, auf die Zahl von drei Horen festlegte. 202,30–32 Unter dem Nahmen Ç. . .È begriffen] Fast alle der folgenden Angaben über die Horen – eine Ausnahme bildet die Anspielung auf Ovids Metamorphosen – finden sich bei Hederich, Lexicon, Sp. 1289–1292. Hederich unterscheidet genau zwischen den Horen, wie Homer sie kennt (Göttinnen des jahreszeitlichen Reifens bzw. der Jahreszeiten; vgl. Odyssee 2,107; 24,343–344, [Voss], S. 31; 461f.) und den historisch wohl aus ersteren entwickelten hesiodi-

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schen Horen (Göttinnen der Gerechtigkeit; zu ihnen S. 52,27–29 im vorliegenden Band); s. Hederich, Lexicon, Sp. 1291: Man behauptet daher mit Rechte, daß

die homerischen Horen andere, als des Hesiodus seine sind, oder daß ihnen wenigstens der erstere Dichter ein anderes Amt angewiesen, als der letztere. Vossius, De theologia gentili, S. 753f.; 815 hatte die Göttinnen der Gerechtigkeit und der Jahreszeiten in unterschiedlichen Kapiteln behandelt. Hingegen scheint Moritz beide Zuständigkeiten miteinander verknüpfen zu wollen. – Vgl. Rapp, Art. Horai, in: Roscher 2, Sp. 2712–2741. 203,6–8 die tanzenden Horen Ç. . .È Tänze aufführen] Moritz spielt möglicherweise an auf den Homerischen Hymnus 3 an Apollon; vgl. S. 81,26–33 und Erl. Vgl. aber auch Ovid, Fasti 5,215–220, wo der Dichter Horen und Chariten (Grazien) unmittelbar nacheinander auftreten lässt: roscida cum primum foliis

excussa pruina est / et variae radiis intepuere comae, / conveniunt pictis incinctae vestibus Horae, / inque leves calathos munera nostra legunt; / protinus accedunt Charites nectuntque coronas / sertaque caelestes implicitura comas (Holzberg, S. 215: Ist von den Blättern der Tau herabgefallen und sind die / Bunten Blätter erwärmt, weil sie der Sonnenstrahl trifft, / Kommen die Horen. Sie haben die bunten Kleider geschürzt und / Sammeln mit leichtem Korb alles, was ich ihnen schenk’. / Bald kommen dann die Chariten und flechten sich Kränze; Gewinde / Binden sie auch, und die schmücken ihr himmlisches Haar). Winckelmann zufolge (Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 223) bezieht auch Pindar, Olympische Oden 13,19, (Olympische Siegshymnen [Gedike]), S. 127 sowohl die Horen als auch die Grazien in seine Siegeshymne auf Xenophon aus Korinth ein. Gedike übersetzt allerdings xaÂritew (cha´rites) stattdessen mit Freudentanz. 203,9–12 ihr Geschäft Ç. . .È aufheitern] Homer, Ilias 5,749–751, (Stolberg) 1, S. 145: Donnernd öffneten sich von selber die Pforten des Himmels, / wel-

che die Stunden bewachen, denn ihnen vertraute Kronion, / Immer des grossen Himmels zu hüten und des Olümpos, / Vorzuwelzen die hüllende Wolke, zurück sie zu welzen. 203,12–13 Auch spannten Ç. . .È S o n n e n w a g e n ] Ovid, Metamorphosen 2,116–121 (im Rahmen der Phaethon-Erzählung): quem petere ut terras mundumque rubescere vidit, / cornuaque extremae velut evanescere lunae, / iungere equos Titan velocibus imperat Horis. / iussa deae celeres peragunt, ignemque vomentis, / ambrosiae suco saturos praesepibus altis / quadripedes ducunt adduntque sonantia frena (Fink, S. 69: Als der Sonnengott sah, wie auch jener 〈der Morgenstern〉 der Erde zustrebte, die Welt in

Stellenerläuterungen

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rosiges Licht getaucht war und die Sichel des Mondes vom Rand her verblaßte, befahl er den flinken Horen, die Rosse anzuspannen. Flugs vollbringen die Göttinnen den Befehl: Sie führen die feuerschnaubenden, von Ambrosiasaft gesättigten Renner weg von den hohen Krippen und legen ihnen das klirrende Zaumzeug an). Zur Präsenz der Horen in der Umgebung des Sonnengotts s. auch ebd. 2,26. – Moritz kannte Guido Renis Aurora-Fresko im Casino Rospigliosi in Rom (vollendet 1614), wo sieben Horen den von Aurora angeführten vierspännigen Wagen Apolls als des Sonnengotts umtanzen; vgl. Ueber die Allegorie, in: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 (1789), 3. Bd., 2. St., S. 49–54, hier: S. 54; VTO S. 46f. (KMA 3); RDI 3, S. 87f. (KMA 5/2). 203,13 Dienerinnen der Juno] Pausanias 2,13,3, (Goldhagen) 1, S. 241: Olen

dichtet in seinem Lobgesange auf die Juno, diese Göttin sey von den Horen erzogen, und ihre Kinder wären Mars und Hebe. 203,13–14 die über den L u f t k r e i s herrscht] Vgl. S. 76,10–12 und Erl. 203,15 Nymphen] Nymphen, häufiger Gegenstand der bildenden Kunst, sind weibliche, als Mädchen vorgestellte, in verschiedene unscharf abgegrenzte Untergruppen aufgeteilte Natur- und Elementargeister, die in der antiken Literatur seit Homer reich belegt sind und unterschiedliche Zuständigkeiten (Fruchtbarkeit, Heilkunst, Mantik) besaßen. Nymphen konnten mit bestimmten Orten, v. a. Höhlen, Grotten, Quellen und Flüssen, in Verbindung gebracht werden; ihnen waren zahlreiche Kultstätten gewidmet. Eine differenzierte Aufstellung bei Maternus 1, S. 671–680. Vgl. Bloch, Art. Nymphen, in: Roscher 3, Sp. 500–567. 203,27–30 So schweifte die O r e a d e Ç. . .È begleitete] Vergil, Aeneis 1,498–500 vergleicht Dido und ihr Gefolge mit Diana und den Oreaden:

qualis in Eurotae ripis aut per iuga Cynthi / exercet Diana choros, quam mille secutae / hinc atque hinc glomerantur Oreades (Vergil, Aeneis [Fink], S. 39: So wie an den Ufern des Eurotas oder auf den Höhen des Cynthus Diana den Reigen führt, während ihr tausend Oreaden folgen und sich von allen Seiten um sie drängen). Vgl. auch S. 94,20 und Erl. Zur von Artemis gebotenen Enthaltsamkeit Seybold, Einleitung, S. 238. 203,31–204,1 Mit ihrem Wasserkruge Ç. . .È hinströmen] Naiaden sind Wassernymphen; vgl. Art. Nymphai, in: KlP 4, Sp., 209. Eine Quelle für die von Moritz beschrieben Szene wurde nicht ermittelt. Möglicherweise hat Moritz selbst sie aus der bukolischen Topik zusammengesetzt, wie z. B. auch Christoph Martin Wieland zu Beginn der Geschichte des Agathon (Sämmtliche Werke 1, S. 28) es tut:

Endlich weckte ihn das Rauschen einer Quelle, die nicht weit von ihm aus

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einem Felsen hervor sprudelte, aus dem angenehmen Staunen, worin er sich selbst vergessen hatte; er stand auf, und schöpfte mit der hohlen Hand von diesem Wasser, dessen fließenden Krystall, seiner Einbildung nach, eine wohlthätige Nymfe seinen Durst zu stillen, aus ihrem Marmorkrug entgegen goß. 204,1–5 Gefährlich aber Ç. . .È Liebling mehr gesehen] Vgl. Seybold, Einleitung, S. 242f. Zum Hylas-Mythos S. 157,11–15. 204,6–9 Im heiligen Dunkel Ç. . .È ihr Leben] Vgl. Seybold, Einleitung, S. 240f.; Servius, Kommentar zu Vergil, Bucolica 10,62. Zur Sterblichkeit der Baumnymphen Homerischer Hymnus 5 an Aphrodite, 256–272, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 75, wo jedoch die Nymphen nicht in Untergattungen geteilt werden. Die Überlieferung zur Dankbarkeit der Hamadryaden gegenüber den Rettern ihrer Bäume bezieht sich auf das Exemplum des Rhoikos aus Knidos: Dafür, dass Rhoikos eine Eiche abstützt, gewährt ihm die Hamadryade die Erfüllung des Wunschs, sich mit ihr zu vereinigen. Weil Rhoikos allerdings nicht zur rechten Zeit bereitsteht und stattdessen die Nymphe grob anfährt, lässt sie ihn blenden. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2144; Art. Rhoikos, in: KlP 4, Sp. 1423; Otto 1961, S. 16f. Antike Quellen sind die Scholien zu Theokrit 3,13 und zu Apollonios Rhodios 2,477. Auch in Ovids Version des ErysichthonMythos spielt eine Baumnymphe eine Rolle; vgl. Erl. zu S. 100,2–8. 204,12–13 S a t y r n mit Hörnern und Ziegenfüßen] Die bildlichen Überlieferungen zu den Satyrn fallen reichhaltiger aus als die literarischen. Deshalb ist die Geschichte der Satyrfiguren hauptsächlich eine solche der Abbildungen. Die Satyrn, in Wesen und Erscheinungsbild von den Silenen nicht zu unterscheiden, gehören in das Gefolge (Thiasos) des Dionysos. Ursprünglich wurden Satyrn als Mischwesen aus Mensch und Pferd dargestellt (Erika Simon, Art. Silenoi, in: LIMC 8/1, S. 1108f.); im Hellenismus gibt es »Darstellungen von Satyrn mit ziegenartigem Typus« (A. Hartmann, Art. Silenos und Satyros, in: RE 2A/1, Sp. 52; vgl. auch E. Kuhnert, Art. Satyroi, in: Roscher 4, Sp. 517). In dieser Gestalt werden sie in der Mythenkunde des 18. Jhs. beschrieben; vgl. z. B. Damm, Einleitung, S. 123; Seybold, Einleitung, S. 183f.; Ramler, Mythologie 1, S. 258f. 204,14 Schlußpunkt] Im Sinn eines Verbindungspunkts, an dem sich Tier- und Menschenwelt treffen. Dass gr. Mythen die Differenzen verschleifen, hatte Moritz z. B. schon am Poseidon-Exemplum festgestellt (S. 83,9–15 im vorliegenden Band). Satyrn sind in der Götterlehre insofern ein Beispiel für die Aufhebung von Abgrenzungen mit Blick auf Individualität, Identität, Geschlecht, Gattung und Gestalt, wie Moritz sie für den ›dunklen‹ und ›geheimnisvollen‹ Hintergrund der anthro-

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pomorphen Götterwelt als mythologietypisch notiert; vgl. Erl. zu S. 111,25–27 im vorliegenden Band. Damit argumentiert Moritz z. B. anders als Banier 3, S. 666–674, der sein ganzes Kapitel über die Satyrn der Absicht widmet, die Sphären von Mensch und Tier voneinander zu scheiden. Der Mythos von den Satyrn entstand nach Banier aus der Begegnung mit Menschenaffen, allenfalls noch aus der affenartigen Verkleidung, in der Schäfer und Dionysospriester unschuldige Schäferinnen verführten. 204,20 sterblich] Vgl. Pausanias 6,24,8, (Goldhagen) 2, S. 92. Danach schließen manche die Sterblichkeit Silens (der mythologiegeschichtlich zu den Satyrn zählt; vgl. Art. Silenos-Satyros, in: KlP 5, Sp. 191–193) aus dem Vorhandensein von SilenGrabmälern. Auf Pausanias beruft sich Hederich, Lexicon, Sp. 2213. 204,24–25 weil Ç. . .È sehen durfte] Möglicherweise im Anschluss an Maternus 1, S. 663: Jedermann vermied mit größester Sorgfalt, sie 〈Faune〉 je zu Gesichte

zu bekommen, damit er durch ihren Anblick nicht erschrecket und betäubet würde. Maternus bezieht sich auf Ovid, Heroides 4,47–50: nunc feror, ut Bacchi furiis Eleleides actae, / quaeque sub Idaeo tympana colle movent, / aut quas semideae Dryades Faunique bicornes / numine contactas attonuere suo (Hoffmann u. a., S. 39: Jetzt werde ich getrieben wie die Eleı¨den, die von Bacchus besessen herumtoben, und wie die, die am Fuße des Ida ihre Trommeln schlagen, oder wie die halbgöttlichen Dryaden und gehörnten Faune, verzückt durch die Berührung mit ihrem Gott). In ähnlichem Sinn zu den Nymphen auf der Grundlage anderer Quellen Hederich, Lexicon, Sp. 1751. Vgl. Otto 1961, S. 18f. 204,28–31 der begeisterte Dichter Ç. . .È lauschten] Horaz, Oden 2,19,1–4:

Bacchum in remotis carmina rupibus / vidi docentem, credite posteri, / Nymphasque discentis et auris / capripedum Satyrorum acutas (Kytzler, S. 107: Bakchos, wie er auf fernen Felsen Lieder / lehrte, hab ich geschaut – glaubt es, ihr Nachgeborenen –, / die Nymphen auch, wie sie sie lernten, und die Ohren / der bocksfüßigen Satyrn, wie sie sich spitzten). 205,3–9 Ein Satyr Ç. . .È zu begeben] Vgl. Lippert, Dactyliothec 1, S. 190f., Nr. 491/492 (Schublade 1/10): Beyde Steine haben einerley Vorstellung, nur mit einem einzigen kleinen Unterschiede. Auf dem ersten stößt sich mit einem Bocke ein S a t y r , welcher, um sich desto steifer mit dem Leibe zu halten, und um dem Stoße mehr Nachdruck zu geben, beyde Arme auf dem Rücken hält. Ç. . .È Auf dem zweyten Steine hat der Satyr mit den Füssen eine etwas veränderte Stellung. Ç. . .È Die Satyrn Ç. . .È haben idealische Bocksgesichter, wie auch Bockshörner und Bocksfüsse, und manchmal auch stark

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behaarte Schenkel und Beine, wie die großen Affen oder Baviane. Vgl. auch Winckelmann, Description, S. 250, Nr. II/1542 (Furtwängler 1896, Nr. 8223; ein Stück aus der Kaiserzeit) mit einem Hasen zwischen Bock und Satyr. – Zu dem Motiv auch 〈Anonym〉, Antichita` d’Ercolano 2, Tavola 42, S. 237. 205,10–12 in dem Gefolge Ç. . .È Kontrast] Vermutlich denkt Moritz an bildliche Darstellungen von Dionysos-Aufzügen. Solche kannte er als röm. Sarkophagreliefs (S. 119,12–13 und Erl. im vorliegenden Band). Erinnert sei ferner an die S. 207,31–208,22 beschriebene Gemme sowie an das Deckengemälde Der Triumph von Bacchus und Ariadne von Annibale Caracci im Palazzo Farnese, das Moritz in Rom gesehen hatte (RDI 3, S. 226; vgl. Erl. zu S. 190,29–31). Für antike Dionysosaufzüge vgl. auch Kat. Dionysos 2013, S. 192–195. S. ansonsten Lippert, Dactyliothec 1, S. 155f., Nr. 366 (Dionysos wird von Silen, einem Satyr und seinem Genius getragen und von Bakchantinnen begleitet) sowie die Beschreibung weiterer Stücke aus Lipperts Bacchus-Kapitel. Die antike Darstellung eines Dionysosaufzugs, die nach zeitgenössischen Kommentaren das gesamte genannte Gefolge versammelt, war allerdings ebenso wenig zu ermitteln wie eine entsprechende Literaturstelle. Für Details vgl. z. B. Ovid, Metamorphosen 4,25 (Bacchae Satyrique sequuntur); Ars amatoria 1,541–543 (ecce, Mimallonides sparsis in

terga capillis, / ecce, leves Satyri, praevia turba dei. / ebrius, ecce senex pando Silenus asello / vix sedet et pressas continet arte iubas (Albrecht, S. 41: Schau, da kommen die Mimalloniden, denen das Haar offen auf den Rükken fällt, da kommen die leichtfüßigen Satyrn, die Vorhut des Gottes. Da ist der trunkene alte Silen: Kaum kann er noch auf dem durchhängenden Eselsrücken sitzen und hält sich mit List und Tücke krampfhaft an der Mähne fest); s. auch die Horaz-Paraphrase S. 204,28–31 und Erl. im vorliegenden Band. Auf die Kontrastwirkung, hier zwischen dem betrunkenen Silen auf der einen und jugendlichen Satyrn und Faunen auf der anderen Seite, hatte Moritz schon S. 117,13–15 aufmerksam gemacht. Banier 3, S. 485 beschreibt Festaufzüge zu Ehren des Dionysos unter anderem folgendermaßen: Hierauf kam ein Haufen,

der auf Eseln ritt, und diesem folgten F a u n e , B a c c h a n t i n n e n , T h y a d e n , M i m a l l o n i d e n , N a j a d e n , N y m p h e n , und S a t y r e n , die die ganze Stadt mit ihrem Geheule anfüllten. 205,17 Faunen] Faunus ist eine röm. Naturgottheit, die unter gr. Einfluss an Pan angenähert und nach dem Muster der Satyrn pluralisiert wurde. Sein Fest waren die Lupercalien. Vgl. Wissowa, Art. Faunus, in: Roscher 1, Sp. 1454–1460. 205,19–23 völlig in menschlicher Gestalt Ç. . .È Genuß ausdrücken] Vgl. Lippert, Dactyliothec 1, S. 191, Nr. 491/492: Die Faune haben eine vollkommene

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menschliche Gestalt, aber Ziegenohren, und hinten über dem Gesäße einen Ziegenschwanz; die Gesichtsbildung ist bäurisch, und in der Mine ungesittet; kurz, etwas gemeines und nichts edles. Vgl. auch ebd., S. 182f., Nr. 441; 448. Nach neuerer Einschätzung besitzt Faunus keine eigene Ikonographie; vgl. Art. Faunus, in: DNP 4, Sp. 440–442. 205,24–26 Demohngeachtet Ç. . .È Natur bezeichnen] Beispiele: Lippert, Dactyliothec 1, S. 185, Nr. 468; S. 187, Nr. 478 (jeweils Schublade 1/10). Vgl. auch Winckelmann, Geschichte, S. 157f., dem zufolge Faunen die erste Stufe des Männlichen Ideals griechischer 〈!〉 Statuen sind. 205,27 tanzend] Tanzende Faunen sind ein häufiges Thema antiker Gemmen. Beispiele: Winckelmann, Description, S. 240, Nr. II/1493; S. 245, Nr. II/1520–1522 (Furtwängler 1896, Nr. 6827; 6826; 2949; 1693). Lippert, Dactyliothec 1, S. 183–185, Nr. 460–464; S. 187, Nr. 474–477 (jeweils Schublade 1/10). 205,27 sitzend] Beispiele: Winckelmann, Description, S. 239, Nr. II/1489; S. 240, Nr. II/1495; 1496 u. ö. (Furtwängler 1896, Nr. 2414; 7399; 7397). 205,28 Kränze flechtend] Winckelmann, Description, S. 240, Nr. II/1494: Un Faune accroupi, faisant une Couronne de Lierre. Bei Furtwängler 1896, Nr. 9817 unter den modernen Pasten »meist nach antiken Vorbildern«. 205,28 mit Ziegen spielend] Winckelmann, Description, S. 240, Nr. II/1498: Un Faune assis, badinant avec une Che´vre qu’il agace avec des raisins; Furtwängler 1896, Nr. 8218 (ein Stein aus der Kaiserzeit). 205,28–29 junge Faunen auf dem Knie wiegend] Winckelmann, Description, S. 241, Nr. II/1505: Un Faune qui tient un petit Enfant sur son genou (nach Furtwängler 1896, Nr. 4058 ist das Kind auf der im ersten Jh. vor oder nach Christus entstandenen Paste Dionysos). Winckelmann, Description, S. 241, Nr. II/1506: Un Faune qui donne a` manger a` un petit Faune, qu’il tient sur son genou. 205,31–32 So läßt Ç. . .È Fuße tanzen] Lippert, Dactyliothec 1, S. 185, Nr. 465 (Schublade 1/10): Ein alter F a u n läßt ein junges Mädgen auf dem Fusse

tanzen. 205,32–206,2 dreht das Rad Ç. . .È Thyrsus hält] Moritz’ Deutung schließt an Winckelmann, Description, S. 247–249, Nr. II/1536 an: Une femme qui tient un

Thyrse, & un Faune qui tourne une Roue, comme on en voit a` des Puits: je prends meˆme pour un puits, ce qui est entre les deux figures, & a l’air d’un autel rond; car ce contour des puits anciens e´toit d’une pierre entie´re, creuse´e de la meˆme forme des Autels ronds. Ç. . .È Ici on voit la Nymphe & le Faune qui confondent pour ansi dire leurs attributs l’un avec l’autre; c’est

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un e´change, comme celui des armes des Anciens Heros, pour cimenter leur union. Furtwängler 1896, Nr. 719, der den Sardonyx als italische Arbeit des strengeren Stils klassifiziert, bezweifelt die »Deutung auf einen Brunnen« und greift auch Winckelmanns Hinweise auf den Austausch der Attribute nicht auf. 206,2–3 Zwei Faunen Ç. . .È zu ziehen] Winckelmann, Description, S. 246, Nr. II/1529: Un Faune a` genoux, arrachant une e´pine du pied a` un autre Faune qui est a` genoux devant lui. Vgl. auch ebd., Nr. II/1530–1531 (der zuerst genannte Stein stammt nach Furtwängler 1896, Nr. 9267 aus dem 18. Jh., während er die beiden übrigen – Nr. 8220; 7392 – der Kaiserzeit zuweist). 206,3–4 Ein andrer Ç. . .È Weingefäß] Winckelmann, Description, S. 241, Nr. II/1511: Un Faune sous un arbre, donnant a` boire a` un petit Faune dans un grand Vase (vgl. auch den Kommentar zu S. 242, Nr. II/1512). Das Gefäß auf dem Karneol aus der Kaiserzeit ist eine Amphora (Furtwängler 1896, Nr. 7413). 206,9–10 Den Menschen Ç. . .È sind s o r g l o s ] Das Zitat ist Achills Anrede an Priamos im abschließenden Gesang der Ilias entnommen, wo letzterer den gr. Helden aufsucht, um den Leichnam seines Sohns Hektor zu erbitten. Homer, Ilias 24,525–526, (Stolberg) 2, S. 422: Sieh, den mühebeladnen Sterblichen haben

die Götter / Traurige Tage bestimmt, sie aber selber sind sorglos. 206,12–14 Das ganze Geschlecht Ç. . .È v e r e i n z e l t e ] Zum Wechselverhältnis der Einzelerscheinung mit der Pluralität der Gestalten vgl. S. 199,19–23 und Erl. im vorliegenden Band. 206,14–18 die Bildung des Pan Ç. . .È in den Händen trägt] Lippert, Dactyliothec 1, S. 198, Nr. 516: Der ganze Unterschied unter diesen Satyrn und dem

Pan ist, daß man dem letztern noch einen Mantel, mit Sternen gezieret, oder eine Bockshaut gab. In den Händen hatte er einen krummen Schäferstock, oder eine siebenröhrige Pfeife, oder auch wohl beyde zugleich. 206,18–19 Die übrigen Waldgötter Ç. . .È A e g i p a n e n ] Vgl. Banier 3, S. 666; danach gilt für alle Waldgötter mit Bocksattributen: Man nannte dieselben P a n e , oder A e g i p a n e , oder S a t y r e n , oder S i l e n e n . Für die Ableitung des Namens Aigipan von Pan wurde keine Quelle ermittelt. – Hyginus zufolge ist Aigipan von Zeus gezeugt, und zwar mit einer Ziege (Fabulae 155) oder mit der Nymphe Aiga, der Gattin des Pan (De astronomia 2,13). Ebenfalls nach Hygin findet sich Aigipan, der zusammen mit Zeus auf der Insel Sizilien gesäugt wurde, als Sternbild Capricornus (Steinbock) an den Himmel versetzt (Hyginus, De astronomia 2,28); Hyginus, Fabulae 196 zufolge ist hingegen Capricornus der unter die Sterne versetzte Pan selbst. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 86; Art. Aix, in: DNP 1, Sp. 380.

Stellenerläuterungen

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206,20–29 Der siebenröhrigen Flöte Ç. . .È S y r i n x hieß] Ovid, Metamorphosen 1,689–712. Die Erzählung ist hellenistischen Ursprungs; s. Herbig 1949, S. 25. Dass die Panflöte sieben Pfeifen hat, sagt Ovid nicht. Vgl. stattdessen Vergil,

Bucolica 2,36–37 über die Flöte des Hirten Corydon; ferner Damm, Einleitung, S. 67; Lippert, Dactyliothec 1, S. 199, Nr. 517. Allgemein zu dem Instrument Abert, Art. Syrinx 4), in: RE 4A/2, Sp. 1779. 206,22 L a d o n ] Nebenfluss des Alpheios in Arkadien auf der Peloponnes, zugleich der zugehörige Flussgott. Vgl. Stoll, Art. Ladon 1), in: Roscher 2, Sp. 1785f.; Art. Ladon 2., in: KlP 3, Sp. 443. 206,30 Nach einigen Ç. . .È M e r k u r s ] Nach dem Homerischen Hymnus 19 an Pan, 30–37, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 92f., ist Pan Sohn einer Tochter des Dryops (s. Art. Dryops, in: KlP 2, Sp. 172); Hermes zeugt ihn während eines Aufenthalts in Arkadien. Alternative Genealogien bei Hederich, Lexicon, Sp. 1857f. 207,1 L y c ä u s ] Der Lykaion ist ein Gebirge in der arkadischen Landschaft Parrhasien. Dem Gott Pan waren dort Kultstätten geweiht (Art. Lykaion, in: KlP 3, Sp. 804f.); vgl. Erl. zu S. 131,26–29. 207,1–3 unter den ä l t e s t e n Gottheiten Ç. . .È geheimnißvolle Weise] Dem Hinweis auf das Geheimnisvolle liegt vermutlich die Verbindung mit Ägypten (s. S. 102,20–21; 102,27–29 und Erl.) und dem nicht klar erkennbaren Uralten (vgl. z. B. S. 23,7–8 und Erl. jeweils im vorliegenden Band) zugrunde. Banier 2, S. 222–226 erklärt Pan für ägyptischen Ursprungs und beruft sich dafür auf Herodot 2,46; 145, (Goldhagen), S. 138; 189, den er ausführlich zitiert. Dem gr. Historiographen zufolge zählen die Ägypter Pan unter die acht ältesten Gottheiten. Herodots Angaben liegt Pans Gleichsetzung mit der ägyptischen Fruchtbarkeitsund Vegetationsgottheit Min durch die Griechen zugrunde (Art. Min, in: KlP 3, Sp. 1314). Vgl. aber auch Banier 2, S. 235f., Fußnote 194, wo der Banier-Übersetzer auf Pausanias verweist. Der Reiseschriftsteller berichtet in seinem Arkadien-Kapitel über Darstellungen des Apollon und des Pan (mit zwei Horen). Die zugehörige Inschrift zeiget an, daß sie zu den ersten Göttern gehören (Pausanias 8,31,3, [Goldhagen] 2, S. 299). 207,3–6 das G a n z e Ç. . .È Gestalt hinweisen] Die Bemerkung bezieht sich auf eine Tradition allegorischer Auslegung, die den Namen der Gottheit (PaÂn) mit dem gr. Wort paÄw (pas, jeder, ganz) in Verbindung bringt – nach neuerer Einschätzung eine unzutreffende etymologische Herleitung (Herbig 1949, S. 15f.), mit der aber schon antike Autoren spielen; s. etwa Homerischer Hymnus 19 an Pan, 47, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 93. Für die

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allegorische Pan-Deutung vgl. z. B. Bacon, De sapientia veterum, S. 12: Pan Universitatem Rerum Ç. . .È, sive Naturam repraesentat & proponit (Pan stellt die Gesamtheit der Dinge bzw. die Natur vor); zu Bacons Pan-Deutung Gruppe 1921, S. 41. S. auch Banier 2, S. 234 mit Anm. 193. Die allegorischen Interpretationen weisen darüber hinaus einzelnen Körperteilen und Attributen Bedeutungen zu, wie z. B. Hederich sie referiert – vor allem nach Servius, Kommentar zu Vergil, Bucolica 2,31; Conti, Mythologiae, S. 301–303; Vossius, De theologia gentili, S. 818f.; Bacon, De sapientia veterum, S. 14–16; zu nennen ist auch Boccaccio, S. 6. – Hederich, Lexicon, Sp. 1867: Eigentlich aber sollte er die ganze Natur vorstellen; Ç. . .È da denn sein o b e r e r Theil auf den Himmel, sein u n t e r e r auf

die Erde, seine H ö r n e r auf den Mond, sein r o t h e s Angesicht auf die feurige Luftgegend, seine H a a r e auf die Sonnenstralen, oder auch die Wälder, Bäume, Gras und Kräuter, sein B a u c h auf das Meer, s e i n e H o r n f ü ß e auf die Unbeweglichkeit der Erde, d i e S p a l t u n g derselben auf deren Berge und Thäler, s e i n e g e s t e r n t e P a n t h e r h a u t auf den gestirnten Himmel, s e i n e s i e b e n f a c h e P f e i f e auf die sieben Planeten, s e i n k r u m m e r H i r t e n s t a b auf den Herumlauf des Jahres, u. s. f. gedeutet wird. Vgl. auch Hager, S. 401; Maternus 1, S. 659–661; Lücke/Lücke, Mythologie 2006, S. 591–593. 207,7–8 halb wohlthätig Ç. . .È schwankend war] Mit dieser Deutung von Pans »Bipolarität« (Art. Pan, in: KlP 4, Sp. 445) schließt Moritz an seine Auslegung vor allem der olympischen Götter als ambivalenter Erscheinungen an; vgl. exemplarisch aus dem Apollon–Kapitel S. 78,27–30 und Erl. 207,10–14 Irgend ein Getöse Ç. . .È p a n i s c h e s Schrecken nannte] Für den Ursprung der Vorstellung vom panischen Schrecken geben zeitgenössische Schriften zur Mythologie u. a. Erklärungen aus der antiken Mythographie wieder, auf deren Referat Moritz zugunsten der eigenen Idee mehrdeutiger Gottheiten verzichtet: Die P a n e hätten die Ermordung des Osiris durch Typhon überall bekannt gemacht (Plutarch, Über Isis und Osiris 14 D, Moralische Abhandlungen [Kaltwasser], S. 391); Pan habe die Muschelhörner erfunden, mit deren Hilfe seine Truppen die Titanen in die Flucht geschlagen hätten etc. S. Eratosthenes, Catasterismi 27; vgl. Banier 2, S. 232f.; s. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1859; Seybold, Einleitung, S. 219f. Maternus 1, S. 661 erklärt den Ausdruck mit der Analogie zwischen dem plötzlichen Schrecken und Pans Schnelligkeit. 207,16–17 Sie flehten Ç. . .È Opfer dar] Zu Opfern der Hirten für Pan vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1865 unter Berufung auf Theokrit 5, (Idyllen [Kütner]), S. 30. Historisch gilt Arkadien als Ausgangspunkt des Pan-Kults, der auch im urbanen Kontext seinen ländlichen Bezug behielt; vgl. Herbig 1949, S. 41.

Stellenerläuterungen

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207,18–19 welche selber Ç. . .È in der Hand trug] Zu Pan als Musikant auf der Flöte vgl. den Homerischen Hymnus 19 an Pan, 14–17, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 91f.; Lukian, Göttergespräche 22 (Pan und Hermes; Sämtliche Werke 2, S. 150). Zu Pans Attributen Damm, Einleitung, S. 67; Hederich, Lexicon, Sp. 1862. 207,23–24 Der eigentliche Gott Ç. . .È hinzufügen] Als der eigentliche Gott der Wälder gilt Silvanus schon kraft seines Namens (von lat. silva, Wald); vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2214, der sich ebd., Sp. 2215 auch zu den abweichenden Schreibweisen (Silvanus/Sylvanus) äußert. Allerdings diskutiert die Forschung auch andere Etymologien. Die röm. Literatur ordnet Silvanus dem Wald, der Landwirtschaft und der Weidewirtschaft zu; s. z. B. Horaz, Epoden 2,22; Plinius, Naturalis historia 12,2. Vgl. Dorcey 1992, S. 20f.; Art. Silvanus, in: DNP 11, Sp. 562–564. 207,24–26 vom Pan nur wenig Ç. . .È Hand trägt] Vgl. Damm, Einleitung, S. 122f.: Er wird daher auch meist, wie der Pan, gebildet, mit Ziegenfüssen

und Ohren; nur daß man ihm, anstatt der Flöte, etwa einen grünen Fichtenoder Cypressenzweig in die Hand giebt. S. auch Banier 3, S. 677, wonach Silvanus mit Faunus, Pan und Aigipan verwechselt und manchmal als Ç. . .È S a t y r , und zuweilen gar zur Hälfte mit einem Ziegenleibe, in anderen Fällen als Mensch, mit Zypressenzweig sowie weiteren Attributen (Tannenzapfen, Sichel, Kranz, Hund, ländliche Kleidung) abgebildet wird. S. ferner Hederich, Lexicon, Sp. 2216f. Quelle für den Zypressenzweig als Attribut des in bildlichen Darstellungen eher mit Sichel, Pinie und Hund ausgestatteten Silvanus ist Vergil, Georgica 1,20: et teneram ab radice ferens, Silvane, cupressum (Voss, S. 5: Und den entwurzelten Sproß der Cypreß’ in der Hand, o Sylvanus); vgl. Dorcey 1992, S. 18f. – Die Forschung notiert, dass Silvanus, ansonsten dargestellt in der Gestalt eines »kräftigen Bauern nach Tracht und Ansehen« (Stein, Art. Silvanus 1), in: RE 3A/1, Sp. 118), in der röm. Literatur zuweilen an Pan angenähert wird (ebd., Sp. 120f.); manche Silvanus-Bildwerke gleichen solchen des Pan. Vgl. A´rpa´d M. Nagy, Art. Silvanus, in: LIMC 7/1, S. 769f., Nr. 123–132 sowie S. 771. Gleichzeitig bleibt Silvanus jedoch im Vergleich mit Faunus und Pan als eigenständige Gottheit identifizierbar (s. Dorcey 1992, S. 33–42). 207,29–30 Kupfertafel Ç. . .È t a n z e n d e r F a u n ] Abb. 24. Lippert, Dactyliothec 1, S. 187, Nr. 474 (Schublade 1/10): Dieser trunkene und tanzende F a u n

ist von einer richtigen Zeichnung, die ihm eine angenehme Leichtigkeit der Bewegung giebt. Er hält den Pedus in der rechten, und eine Traube in der linken Hand, und sieht mit Vergnügen nach einem Weingefäße, das vor seinen Füssen stehet.

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Götterlehre

207,31–208,22 einem der schönsten Ç. . .È Haupte trägt] Abb. 24. Der im 18. Jh. häufig beschriebene, in Abdrücken und Kupferstichen verbreitete Stein ist nicht antiken Ursprungs, sondern ein Werk der Renaissance; vgl. Kris 1929, S. 157, Nr. 97; Büttner 1983, S. 99. Diskutiert wird die Zuschreibung an den italienischen Stein- und Münzschneider Pietro Maria Serbaldi della Pescia (ca. 1455–nach 1522); vgl. Art. Serbaldi della Pescia, in: Thieme/Becker 30, Sp. 504f. Das Original befindet sich in der Bibliothe`que Nationale in Paris. Dass Michelangelo den Stein als Siegelring verwendete, wurde immer wieder behauptet, ist aber nicht belegt. – Vor dem Hintergrund einer zeitgenössischen Debatte über die Deutung (vgl. dazu auch Mariette, Traite´ des pierres grave´es 1, S. 312–323) beschäftigt sich Lippert, Dactyliothec 1, S. 145–150, Nr. 350 ungewöhnlich eingehend mit dem Stück, das in der Schublade 1/8 in mehreren Exemplaren vorhanden ist. Moritz bezieht sich auf diese Ausführungen. Lippert resümiert die Geschichte der Gemme, die Michelangelo für 800 Scudi gekauft habe und die dann über mehrere Zwischenstationen in den Besitz des Königs von Frankreich gelangt sei, und referiert voneinander abweichende Interpretationen. Mit der Deutung als Erziehung des j u n g e n B a c h u s folgt Moritz indirekt einer These von Johann Friedrich Christ, Musei

Richteriani Dactyliotheca Gemmas Scalptas Opere Antiquo Plerasque Complexa, in: Museum Richterianum Continens Fossilia Animalia Vegetabilia Mar. Ç. . .È Accedit De Gemmis Scalptis Antiquis Liber Singularis, Leipzig 1743, Nr. 22, S. 12–14. In der Beschreibung lehnt sich Moritz hingegen an die von Lippert, Dactyliothec 1, S. 148f. in deutscher Sprache wiedergegebenen Ausführungen von Mariette, Traite´ des pierres grave´es 2, Nr. 47 (dort auch eine Abb.) an, der freilich die Gemme insgesamt anders, als Bacchanal, auslegt. Lippert übersetzt aus Mariette: Einige tragen auf ihren Köpfen Körbe mit Weintrau-

ben angefüllt, andre haben Schalen in Händen, und der größte Theil ist im Schatten einer Decke, welche zween kleine Liebesgötter ausbreiten, unter einer natürlichen Laube von Weinranken, welche sich an zween Ulmenbäumen hinaufwinden, versammlet. Einige von ihnen sitzen ganz ruhig, und halten ein ländlich Gastmaal, und vereinigen ihren Gesang mit dem Gesange der Vögel. Unterdessen da ein Faun neuen Wein in eine Schale gießet, so bläst hinter ihm ein Satyr auf einem Horne Ç. . .È. Alles ist hier schön und belebet, und alles zielet dahin ab, das angenehmste und am besten geordnete Gemälde, so man sich einbilden kann, vorzustellen. Ç. . .È Nichts ist mit der Grouppe, welche die zwo Weibspersonen machen, zu vergleichen, unter welchen eine sich bücket, um ein Körbgen, welches ihr ihre Gefährtinn auf den Kopf setzet, zu empfangen. Ç. . .È Die andere Weibs-

Stellenerläuterungen

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person, die ihren Arm in die Höhe hält, um dem einen Liebesgott eine Schale zu reichen, ist von einer bewundernswürdigen Biegsamkeit, und sie beweget sich auf die angenehmste Art. 208,25–26 Penaten Ç. . .È die seinigen] Vgl. Damm, Einleitung, S. 97: Jedes Haus und jede Familie hatte ihre eigene Schutz- oder Hausgötter, die lateinisch L a r e s oder P e n a t e s hießen. Ç. . .È Auch jede S t a d t hatte ihre besondre P e n a t e s , die für die Wohlfahrt der Stadt überhaupt sorgen solten. Laren sind nach altertumswissenschaftlicher Anschauung in der Religion der Römer Schutzgeister mit Ortsbezug (vgl. Wissowa 1902, S. 150), im Detail mit divergierenden Zuständigkeiten; di penates war eine Sammelbezeichnung für Gottheiten, die über den Wohlstand des Hauses, aber auch des Gemeinwesens wachten (ebd., S. 145–148). – Über das Verhältnis zwischen Penaten und Laren besteht in der Mythenkunde des 18. Jhs. kein Einvernehmen. Nach Banier 3, S. 690 sind, anders als bei Damm und Moritz, Laren Hausgötter, Penaten hingegen eigentlich die Beschützer der Städte und besondrer Oerter. Vgl. auch Maternus 1, S. 695–696; Bd. 3, S. 242; Hederich, Lexicon, Sp. 1929. 208,27–29 vervielfältigten Ç. . .È ihre Gegenwart] Zur Multiplikation der Hauptgötter in den kleineren Gottheiten als Hauptgesichtspunkt des vorliegenden Kapitels vgl. schon S. 195,9–14 und Erl. 208,30–209,1 Der Hausgötter Ç. . .È abgebildet waren] Vgl. Damm, Einleitung, S. 97: Der H a u s g ö t t e r waren insgemein zwey, die unter verschiedenen

Stellungen gebildet wurden. Die gewöhnlichste Figur war, daß man sie als Jünglinge, mit einem Hute und Reisestabe, und kurzen aufgeschürzten Kleidern bildete; und neben sich pflegten sie einen H u n d zu haben, der die B e w a c h u n g d e s H a u s e s vorstellig machte. Zum Erscheinungsbild und zur Verbindung von Laren und Herd auch Hederich, Lexicon, Sp. 1438f. – Von der Darstellung von jeweils zwei Laren spricht Ovid, Fasti 5,143, der sich jedoch auf die öffentliche Verehrung der Lares praestites als röm. Stadtgötter in dem ihnen geweihten römisch-republikanischen Heiligtum bezieht, nicht auf die Hauslaren (Lares familiares). Vgl. Maternus 3, S. 238; Wissowa, Art. Lares, in: Roscher 2, Sp. 1871f.; 1876; Anthusa (KMA 4/1), S. 86,5–6 und Erl. Nach Wissowa 1902, S. 149 erscheint der Lar familiaris »bis auf die augusteische Reform stets in der Einzahl«. 209,1–2 Man bekränzte Ç. . .È Opfer dar] Zu den Opfern für die Laren Anthusa, KMA 4/1, S. 86f.; Maternus 3, S. 239–241; Hederich, Lexicon, Sp. 1439f.; Banier 3, S. 694; zum Opfer für die Penaten ebd., S. 699f.; Hederich, Lexicon, Sp. 1931.

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209,3–5 Das Alltägliche Ç. . .È geweiht] Innerhalb der Götterlehre schließt die Formulierung an einen Grundgedanken des vorliegenden Kapitels an – den einer Sakralisierung der Erfahrungswelt in Gestalt der Kleingottheiten; gleichzeitig übernimmt Moritz in die Götterlehre ein Hauptthema von Anthusa; vgl. KMA 4/1, S. 〈9〉 aus dem Vorbericht: Ich habe es versucht, die heiligen Gebräuche der

alten Römer, in so fern sie b l o ß e i n e R e l i g i o n d e r P h a n t a s i e voraussetzten, und eigentlich n u r e i n e We i h u n g d e s w ü r k l i c h e n L e b e n s waren, durch eine Beschreibung ihrer Feste, anschaulich darzustellen. Zur Deutung vgl. Menz 1979 sowie den Überblickskommentar in Anthusa, KMA 4/1, S. 404–407. 209,7–13 nichts unheilig Ç. . .È Anstößiges] Priapos ist eine Fruchtbarkeitsgottheit kleinasiatischen Ursprungs, deren Verehrung sich seit dem Hellenismus auf die gr. Kultur, später auf das röm. Reich ausdehnte. Vgl. Art. Priapos, in: KlP 4, Sp. 1130f. Zur vorliegenden Stelle Damm, Einleitung, S. 123: man bildete ihn mit einem großen ausgestreckten männlichen Gliede; Ç. . .È Ueberhaupt wurde das

Z e u g e g l i e d göttlich verehrt, weil es die Fortdauer aller Lebenden auf Erden erhält. – Die These, dass Sexualität, aber auch Gewalt in mythologischen Erzählungen der Antike nicht moralisch tabuisiert werden, ja, dass die ganze Mythologie nicht von Tugendregeln bestimmt sei, sondern das Konstruktive wie Destruktive, das Anziehende wie das Hässliche als schönes Ganzes zur Erscheinung bringen wolle und formal, unter ästhetischen Vorzeichen, beurteilt werden müsse, bestimmt die Götterlehre insgesamt, etwa mit Blick auf die Generationenfolge der Götter, das Konzept der Verjüngung (Erl. zu S. 30,29) und die Bipolarität (Zerstören/Schaffen bzw. Heilen) der Olympier. Vgl. dazu schon die ähnlich lautende Formulierung S. 106,29–107,9, die sich auf Hermes bezieht. Grundsätzlich hatte Moritz die Immoralität der Mythologie schon im einleitenden Gesichtspunkt-Kapitel postuliert; vgl. S. 15,32–16,8. Mit seiner Bewertung unterscheidet er sich von moralisch qualifizierenden Autoren wie Banier 3, S. 654: Hierinne be-

ruht das ganze Geheimniß des P r i a p u s , den man auf eine so schmuzige Art vorstellte. Man wird mir wohl nicht zumuthen, daß ich mich über die Unflätereyen weiter ausbreiten soll, womit der Dienst dieses Gottes, den man einen Esel opferte, verbunden war. Vgl. auch Anthusa, KMA 4/1, S. 105,24–33. 209,14–21 Zuweilen aus Stein Ç. . .È v e r s c h e u c h e n ] Vgl. Damm, Einleitung, S. 123: P r i a p u s hieß eine Gartengottheit. Er war ein hölzernes oder stei-

nernes Mannsbild, das man in die G a r t e n setzte; auf dem Kopfe mit einem hohen Rohrgebüsche, zu Verscheuchung der Vögel; und in der Hand

Stellenerläuterungen

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mit einem krummen großen Gärtnermesser. Für die auch als Vollfiguren dargestellten Priapen (Art. Priapos, in: KlP 4, Sp. 1130) bezieht sich Moritz auf Hermensäulen (auf einen Säulenschaft aufgesetzte Priapos-Skulpturen), wie sie als Motiv antiker Gemmen in Lipperts Dactyliothec verzeichnet sind und beschrieben werden (Bd. 1, S. 200f., Nr. 518–520); Abbildungen bei Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, Tafeln 178–180. Im Hintergrund stehen Stellen aus der röm. Literatur. Vgl. z. B. Horaz, Sermones 1, 8,1–4: Olim truncus eram ficulnus, inutile lignum, / cum faber incertus scamnum faceretne Priapum / Maluit esse deum. Deus inde ego, furum aviumque / maxima formido (Übers. nach Lippert, Dactyliothec 1, S. 200: Sonst war ich ein Klotz, ein unnützes fichtenes Holz; aber der Künstler, noch ungewiß, ob er mich zu einer Bank oder zum Priapus machen sollte, entschloß sich endlich, mir die Gottheit zu geben. Nun bin ich eine Gottheit, der Diebe und Vögel mächtiges Schrecken); vgl. auch Catull 20,1–2 sowie Catull 19,17–18 (beide Priapeen sind in neueren Ausgaben aus dem Korpus der von Catull verfassten Gedichte ausgeschieden): Pro

queis omnia honoribus haec necesse Priapo / Praestare, et domini hortulum vineamque tueri (Ramler, S. 57: Ehret man so Priapen, so muß er für alles auch einstehn; / Muß das Gärtchen des Herrn und seinen Weinberg auch schützen). – Vergil, Bucolica 7,33–36: Sinum lactis et haec te liba, Priape, quotannis / exspectare sat est: custos es pauperis horti. / nunc te marmoreum pro tempore fecimus; at atu, / si fetura gregem suppleverit, aureus esto (Albrecht, S. 61: Eine Schale Milch und diesen Opferkuchen, Priap, kannst du alljährlich erwarten; das ist genug. Du bist der Hüter eines bescheidenen Gärtchens. Vorerst haben wir dich, unseren Mitteln entsprechend, aus Marmor gebildet; wenn aber die Herde durch einen neuen Wurf Zuwachs erhält, sollst du vergoldet werden). – Vom Weinopfer spricht Montfaucon, Antiquite´ explique´e 1,2, S. 277 mit Bezug auf das auf Tafel 181 wiedergegebene Relief; dazu auch Hederich, Lexicon, Sp. 2083f. Zu den Opfern ferner Maternus 1, S. 670f. 209,20 H ä ß l i c h k e i t ] Zum Hässlichen als Teil des Göttlichen vgl. das Kapitel über Hephaistos/Vulcanus, dort auch die Erl. zu S. 100,16–18. 209,23–24 Mit einer gesenkten Fackel Ç. . .È lehnend] Als Komos wurden rituelle Umzüge mit Gesang und Tanz bezeichnet. Sekundär, spätestens vom 6. Jh. v. Chr. an, verband sich das Ritual mit dem Dionysos-Kult (vgl. Roscher, Art. Komos, in: Roscher 2, Sp. 1281f.; Art. Komos, in: DNP 6, Sp. 705f.). – Die Bildidee, die Moritz’ Darstellung zugrunde liegt, geht zurück auf eine Personifikation des Komos in einer Bildbeschreibung aus den Eikones 1,2, (Seybold), S. 305f. des Flavius Phi-

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lostratos (165/170–244/249). Die in den Eikones versammelten Beschreibungen beziehen sich auf eine Reihe von Gemälden, die Philostrat in einer Galerie in Neapel sah. Vgl. die Einleitung, in: Philostratos, Die Bilder. Griechisch-deutsch nach Vorarbeiten von Ernst Kalinka hrsg., übers. und erl. von Otto Schönberger, Würzburg 2004, S. 7–83. Der Mythenkunde des 18. Jhs. war die Komos-Beschreibung gut bekannt. Sie ist auch bei Damm, Einleitung, S. 126 knapp zusammengefasst: beym schmausen und zechen war der K o m u s geschäftig, der

wie ein betrunkner Jüngling mit einer gesenkten Fackel, an eine Hausthüre sich anlehnend, gebildet wird. Ausführlichere Paraphrasen bei Banier 3, S. 765f. und Hederich, Lexicon, Sp. 770. Herder, Wie die Alten den Tod gebildet? In: Sämmtliche Werke 5, S. 660f., nimmt die Philostrat-Stelle zum Ausgangspunkt für seine gegen Lessing gerichtete These, dass der Jüngling mit nach unten gekehrter Fackel in der antiken Kunst keine Todesdarstellung sei. – Moritz’ Bemerkungen über Komos sind verwandt mit Formulierungen aus dem Kapitel über Dionysos/Bacchus; vgl. S. 116,12–18. 210,2–4 Ein schöner Jüngling Ç. . .È gesungen] Der deus Ç. . .È nuptiarum (Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 1,651; Hochzeitsgott) Hymen oder Hymenaios tritt später in Erscheinung als der Begriff yëmeÂnaiow (hyme´naios), mit dem Homer in Ilias 18,493, (Stolberg) 2, S. 173 das Brautlied bezeichnet. Für Brautbzw. Hochzeitslieder, in denen Hymen angerufen wird, vgl. Catull 60 und 61. Der Gott ist z. B. nach Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 4,127 pulchritudine muliebri (von weiblicher Schönheit). Zur Ausstattung mit einer Fackel vgl. etwa Ovid, Metamorphosen 4,758–759; 10,6–7. Das zeitgenössische Wissen fasst Hederich, Lexicon, Sp. 1306–1308 zusammen. Für weitere Details und Belegstellen s. Sauer, Art. Hymenaios, in: Roscher 1, Sp. 2802; Jolles, Art. Hymen, Hymenaios, in: RE 9/1, Sp. 126–130; Lücke/Lücke, Helden 2006, S. 316–325. 210,6 Hochzeitmals] Moritz zieht an anderen Stellen die Schreibweise Mahl vor; vgl. z. B. S. 118,22. Die vorliegende Schreibweise ist bei Adelung 2, Sp. 1228 nicht verzeichnet. Vgl. auch ebd. 3, Sp. 313f. 210,8 Wie ein vom Himmel gesandtes Wesen] Verglichen mit der Verbreitung und dem Variantenreichtum, die der Orpheus-Mythos seit der Antike in Literatur und Kunst (Zeller 2003; Storch 1997), in der Neuzeit zusätzlich in der Oper fand (Wiesend 2003, S. 223), auch im Vergleich mit der Ausführlichkeit, in der z. B. Banier 5, S. 15–31 und Hederich, Lexicon, Sp. 1809–1820 Orpheus behandeln, hält Moritz seine Ausführungen knapp. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass er die Eurydike-Episode schon zuvor zusammengefasst hatte (S. 130,18–131,6 und Erl.). – Mit der vorliegenden Formulierung könnte sich

Stellenerläuterungen

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Moritz auf die im Folgenden verwendete Horaz-Stelle über den die wilden Tiere zähmenden Orpheus beziehen (s. die Erl.). Vgl. aber auch die Genealogie des Sängers: Einer der von Apollodor referierten Versionen zufolge stammt Orpheus von Kalliope und Apollon ab; s. Apollodoros 1,14, (Meusel), S. 7; Hederich, Lexicon, Sp. 1810 (mit anderen Quellen). Ovid, Metamorphosen 10,89 nennt Orpheus dis genitus vates (einen von den Göttern gezeugten Seher). In Reichweite liegt ferner Lukians Erzählung, der zufolge die Griechen dem Sänger ihre astrologischen Kenntnisse verdanken, insbesondere die Ahnung von der durch die Leier repräsentierten Planetenharmonie; vgl. Lukian, Von der Astrologie 10, (Sämtliche Werke) 5, S. 251f. 210,10–12 Er ist auf Ç. . .È versammlet] Abb. 25. Im gebundenen Druck gemäß der Anweisung an den Buchbinder in der Regel vertauscht mit Abb. 17. Lippert, Dactyliothec 2, S. 17, Nr. 56 (Schublade 2/2): O r p h e u s hat seine Leyer aufs

Knie gestellt, und um ihn herum versammlen sich die Thiere von allen Gattungen, seine Music zu hören. Nach Lukian, Von der Astrologie 10, (Sämtliche Werke) 5, S. 252 ist dies die übliche Weise, in der Bildhauer und Mahler den Orpheus abbilden. Die Szene ist literarisch ausgearbeitet bei Ovid, Metamorphosen 10,143–147, der die folgenden Teile des zehnten Buch der Metamorphosen als Gesang des Orpheus vor dem Publikum der Tiere anlegt. 210,13–15 wie er durch die Macht Ç. . .È weckte] Die Deutung geht auf Horaz, De arte poetica, 391–393 zurück: silvestris homines sacer interpresque deorum / caedibus et victu foedo deterruit Orpheus, / dictus ob hoc lenire tigres rabidosque leones (Schäfer, S. 29: Die Menschen, noch Wilde, brachte der heilige Orpheus, das Sprachrohr der Götter, vom Morden und unwürdigen Lebensunterhalt ab, und daher sagte man von ihm, daß er Tiger und reißende Löwen bezähme). Vgl. Banier 5, S. 27 sowie die allegorische Auslegung bei Damm, Einleitung, S. 162: er konnte dergestalt schön in seine Harfe singen, daß die Bäume, die Steine, die wilden Thiere, ihm nachgiengen und zuhöreten, das ist, er wußte die ungesitteten Menschen dadurch zu zähmen und zu bessern. 210,16–17 der weise C h i r o n Ç. . .È dargestellt] Abb. 25. Im gebundenen Druck gemäß der Anweisung an den Buchbinder in der Regel vertauscht mit Abb. 17. Winckelmann, Description, S. 360, Nr. III/211. Ebenfalls bei Lippert, Dactyliothec 2, S. 41f., Nr. 136 (Schublade 2/3): Hier sieht man ihn 〈Chiron〉, wie er

den Achilles auf der Leyer spielen lehret. Auf dem ersten Stein, ist neben ihm eine Hermea. Die Herme ist von Carstens nicht wiedergegeben. Nach Furtwängler 1896, Nr. 4254 ein im ersten Jh. vor oder nach Christus entstandenes Stück; vgl. Büttner 1983, S. 122, Anm. 36.

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210,19–25 Obgleich des Chiron Ç. . .È ihre Bildung] Vgl. S. 59,10–16 mit den Erl. Zur Annäherung der Menschheit an die Götter in den Helden vgl. S. 133,27–134,18; zu den Kleingottheiten und Mittlerfiguren zwischen beiden Bereichen als Gegenstand des vorliegenden Kapitels vgl. S. 195,9–14 und Erl. 210,28–211,4 O Sohn Ç. . .È Gespräche] Horaz, Epoden 13,12–18: ›invicte,

mortalis dea nate puer Thetide, / te manet Assaraci tellus, quam frigida parvi / findunt Scamandri flumina lubricus et Simois, / unde tibi reditum certo subtemine Parcae / rupere, nec mater domum caerula te revehet. / illic omne malum vino cantuque levato, / deformis aegrimoniae dulcibus adloquiis.‹ (Kytzler, S. 265: »Unbesieglicher, sterbliches Kind der göttlichen Thetis, / deiner harrt des Assarakos Land, das kühl des schmalen / Skamander Fluten teilen und der reißende Simois. / Von dort haben dir die Rückkehr mit unwandelbarem Gespinste die Parzen / verwehrt, nicht wird dich die meerblaue Mutter nach Hause geleiten. / Dort sollst du alles Widrige mit Wein und Liedern lindern, / den süßen Tröstungen im verzehrenden Schmerz.«) Als Enkel des Erichthonios und des Skamandros, Sohn des Tros, König von Troja und Großvater des Anchises (Homer, Ilias 20,230–240, [Stolberg] 2, S. 207; Hederich, Lexicon, Sp. 254; 437; 2410f.; Hofer, Art. Assarakos, in: RE 2, Sp. 1741f.) ist Assarakos Teil der trojanischen Königsgenealogie. Der Simoeis ist ein Nebenfluss des Skamandros. Beide Gewässer kommen vom Idagebirge; s. Bürchner, Art. Simoeis, in: RE 3A/1, Sp. 160f. Vgl. z. B. Homer, Ilias 21,307, (Stolberg) 2, S. 230 (im Zusammenhang mit dem Kampf zwischen Achilleus und Skamandros). 211,11–29 Apollo erzeugte Ç. . .È das schuldlose Haupt] Asklepios’ Geburtsmythos existiert in einer Vielzahl letztlich je nach Landschaft voneinander abweichender Versionen; vgl. Riethmüller 2005, S. 32–46. Mehrere Fassungen allein bei Pausanias 2,26,3–7 (Goldhagen) 1, S. 283–285. – Moritz’ Erzählung stimmt mit keiner der vorhandenen Überlieferungen ganz überein. Weitgehendes Einvernehmen besteht mit Apollodoros 3,118–122, (Meusel), S. 139–141. Für die bei Apollodor fehlende Einmischung von Hades, der sich bei Zeus über die schwindende Zahl an Gestorbenen beschwert, vgl. Diodorus Siculus 4,71,2, (Stroth) 2, S. 137f. Mit weiteren Varianten und Ergänzungen Pindar, Pythische Oden 3,1–58, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 97–101; Ovid, Metamorphosen 2,542–547; 598–634; Hyginus, Fabulae 49; 202 u. ö. Schon Homer, Ilias 4,219, (Stolberg) 1, S. 101 deutet Chirons Lehrmeisterrolle an. Für einen mythographischen Überblick vgl. v. a. Hederich, Lexicon, Sp. 114–117. S. ferner Banier 3, S. 768–777; Damm, Einleitung, S. 120.

Stellenerläuterungen

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212,1–2 Nach seinem Tode Ç. . .È verehrt] Zur Asklepios-Verehrung Hederich, Lexicon, Sp. 117–119; Banier 3, S. 778–783. Über das Asklepios-Heiligtum bei der argolischen Stadt Epidauros waren zeitgenössische Mythenkenner vor allem auf der Grundlage des einschlägigen Kapitels von Pausanias informiert. Vgl. Pausanias 2,27, (Goldhagen) 1, S. 287–290. Pausanias erwähnt auch den heiligen Hayn des Aeskulaps, auf den sich Moritz’ Hinweis auf Asklepios-Haine beziehen dürfte. Von dem Heiligtum, das außer dem Asklepios-Tempel unter anderem weitere Tempel und ein Theater einschloss, sind bedeutende archäologische Reste erhalten. Für einen archäologischen Überblick vgl. die entsprechenden Abschnitte bei Riethmüller 2005 sowie den zugehörigen Katalogband. 212,3–5 Seine Söhne Ç. . .È berühmt] Vgl. Homer, Ilias 2,729–733, (Stolberg) 1, S. 63f., wo die beiden Asklepiossöhne im Rahmen des Schiffskatalogs als gr. Heerführer vorgestellt werden: Trikkäs Bewohner, und deine, Ithomä mit thür-

menden Bergen, / Welche besassen Oichaliä, die Stadt des Eurütos, / Solche führten Askläpios beyde Söhne gen Troia, / Podaleirios, und Machaon, treffliche Aerzte. / Dreissig hohle Schiff’ in zierlicher Ordnung gereihet. Für weitere Erwähnungen der Brüder in der Rolle von Heilern und Streitern vgl. Homer, Ilias 4,192–219; 11,517–518; 613; 829–836; 14,3, (Stolberg) 1, S. 100f.; 290f.; 294; 302; Bd. 2, S. 37. 212,6–9 Dem Aeskulap Ç. . .È Wesen dachte] Moritz hatte, im Anschluss an Banier, die Schlange schon im Zusammenhang mit dem Dionysos-Mythos als Bild der Verjüngung gedeutet. Das Motiv der sich häutenden Schlange steht überhaupt in Verbindung mit dem Verjüngungs-Konzept der Götterlehre; vgl. S. 120,4–6 und Erl. Mit Blick auf die Schlange als Attribut des Asklepios vgl. bereits Conti, Mythologiae, S. 247: Fuit Aesculapio dicatus draco, cuius baculum duo

amplectebantur, quia sol, e` quo ipse nascitur, quasi senectutem deponens, incipit a principio arietis vires resumere, donec ad Cancrum perveniat, atque cum illo multa & herbarum, & animalium genera vires resumunt (Dem Asklepios war die Schlange geweiht; um seinen Stab wanden sich zwei von ihnen. Denn die Sonne, von der er abstammt, erneuert, gleichsam das Greisenalter ablegend, von Beginn des Widders bis zum Krebs ihre Kräfte, und mit ihr viele Pflanzen- und Tierarten). S. auch Hederich, Lexicon, Sp. 121. Antike Quellen zu dieser Deutung der Schlange wurden nicht ermittelt. 212,10–14 einen kleinen Knaben Ç. . .È anzuspielen] Der Heildämon Telesphoros, der in der Literatur zuerst bei Pausanias 2,11,7, (Goldhagen) 1, S. 236 auftaucht, ist eine späte Erscheinung und nicht Gegenstand der gr. Mythologie. Sein Kult lässt sich erst seit dem 2. Jh. n. Chr. nachweisen. In RDI 2, S. 121 (KMA 5/2;

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s. dort die Erl.) erwähnt Moritz Telesphoros als Relief auf einem röm. Sarkophag im Kapitolinischen Museum; vgl. auch VTO, S. 106 (KMA 3); Bottari, Museo Capitolino 4, Tafel 29. Abbildungen von Asklepios mit Telesphoros bei Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, Tafeln 187 und 188; vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 2308f. – Zur bis in die neuere Zeit als schwierig betrachteten Deutung (Hilde Rühfel, Art. Telesphoros, in: LIMC 7/1, S. 870), nicht zuletzt auch der Kleidung, vgl. Lippert, Dactyliothec 1, S. 239, Nr. 666: Allem Vermuthen nach stellet dieses

Numen einen wiedergenesenen Kranken vor, der bey seinem Ausgange sich noch warm halten, und vor der Luft bewahren muß, und der noch eine gute Diät brauchet. S. auch Banier 3, S. 785f. 212,15 Aeskulap und H y g e a ] Abb. 26. Für den Asklepios-Stein vgl. Lippert, Dactyliothec 1, S. 237, Nr. 659; für Hygieia ebd., S. 239f., Nr. 670 oder 671 (jeweils Schublade 1/14). 212,18–21 Hygea Ç. . .È gespeist] Hygieia – in zeitgenössischen Quellen nicht selten Hygeia bzw. Hygea – ist auch ihrem Namen nach eine Personifikation der Gesundheit, während Asklepios’ weitere Töchter Panakeia, Iaso und Aigle die Heilkunst verkörpern. Zu ihnen Hederich, Lexicon, Sp. 120; Damm, Einleitung, S. 122. Entstehungsgeschichtlich gehört Hygieia, deren Abbildungen ab dem 4. Jh. v. Chr. weit verbreitet waren, zu den jüngeren Gottheiten. Der Hygieia-Kult war fast durchweg an die Asklepios-Verehrung gebunden. In antiken Darstellungen füttert Hygieia typischerweise eine Schlange aus einer Schale. Moritz’ Beschreibung bezieht sich direkt auf die zuvor genannte Kupferabbildung. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1300–1301; Banier 3, S. 785; Seybold, Einleitung, S. 260; E. Thraemer, Art. Hygieia, in: Roscher 1, Sp. 2772–2792; Art. Hygieia, in: KlP 2, Sp. 1262; Francis Croissant, Art. Hygieia, in: LIMC 5/1, S. 555. 212,26–27 Reitz Ç. . .È trüben Dämmerschein] Die Formulierung vom schwermüthigen trüben Dämmerschein, der einen vorzüglichen Reitz ausübt, erinnert an das Vergnügen an der wehmüthigen Empfindung bzw. an die Wonne der Thränen (the joy of grief), wie Anton Reiser sie erfährt (AR, KMA 1, S. 98). Allerdings interpretiert Moritz an der vorliegenden Stelle diese Empfindung gemäß der Grundanlage der Götterlehre – vgl. z. B. S. 78,27–30 und Erl. zu Apollon – als Kulturleistung, mit deren Hilfe auch Leid in Schönheit überführt werden kann. – Für weiterführende Hinweise zur Herkunft der englischen Wendung aus James Macphersons Ossian-Dichtungen sowie zu Reichweite und Attraktivität der ›süßen Melancholie‹ in der Zeit der Empfindsamkeit vgl. AR, KMA 1, Erl. zu S. 98,33–34.

Stellenerläuterungen

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213,3 Marmorsärgen] Außer den Sarkophagreliefs, auf die Moritz S. 220,12–16 für Endymion anspielt (vgl. die Erl.), kommen z. B. Darstellungen von Adonis (Sichtermann/Koch, S. 19f.) und Ganymed (ebd., S. 30) jeweils aus den vatikanischen Museen in Rom in Betracht. 213,6–10 Vom Ganymedes Ç. . .È Unsterblichen wäre] Vgl. Homer, Ilias 20,214–240, (Stolberg) 2, S. 206f., wo Aineias seine Abkunft dem Achilleus vorstellt, hier besonders 230–235: Erichthonios zeugete Thros, den König der

Troer. / Edle Helden sproßten aus ihm: drey treffliche Söhne, / Ilos und Assarakos und der göttliche Ganümädäs; / Ganümädäs, der schönste von allen sterblichen Menschen. / Ihn entrissen der Erde die Götter, weil er so schön war, / Täglich zu füllen den Becher Kronions, zu wohnen bey Göttern. Zum Raub des Ganymed und zu seinem Mundschenkenamt ferner Homerischer Hymnus 5 an Aphrodite, 202–206, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 72. Zu den genealogischen Verhältnissen z. B. auch Damm, Einleitung, S. 224; alternative Genealogien bei Hederich, Lexicon, Sp. 1137. 213,11–13 In der Gestalt Ç. . .È Erd’ empor] Die Darstellung ist konform mit Ovid, Metamorphosen 10,155–161, dem Moritz wohl auch die Formel welcher den Donner trug entlehnt: nulla tamen alite verti / dignatur, nisi quae posset sua fulmina ferre (V. 157–158; Übers. nach Lippert, Dactyliothec 1, S. 18, Nr. 42: Doch in keinen andern Vogel wollte er sich verwandeln, als in den Adler, welcher seine Donner trug). Bei Horaz, Oden 4,4,1–4; Vergil, Aeneis 5,252–255; Apollodoros 3,140–141 hingegen delegiert Zeus die Entführung an einen Adler, der in der Apollodor-Übersetzung von Meusel, S. 146 fehlt. Conti, Mythologiae, S. 656f.; Hederich, Lexicon, Sp. 1138 referieren beide Versionen. – Die Entführung war von der Antike bis in die Neuzeit als Bildmotiv präsent. Vgl. z. B. Lippert, Dactyliothec 1, S. 17–19, Nr. 42–43; Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, Tafel 19; Pigler 1974 2, S. 93–95. Moritz kannte das Fresko von Annibale Caracci im Palazzo Farnese in Rom, das er in RDI 3, S. 226 (KMA 5/2) erwähnt. 213,14–21 In diese schöne Dichtung Ç. . .È Ganymed sich auf] Folgt man Banier 5, S. 112, so ist der Entführungsmythos eine poetische Verkleidung des historischen Sachverhalts – des frühen Tods des Ganymed: diese Entführung durch

den J u p i t e r , der sich in einen Adler verwandelt hatte, zeigt den frühzeitigen Tod des G a n y m e d e s , und die Schnelligkeit von dem abgekürzten Lauf seines Lebens an. Moritz scheint diesen Gedanken aufzunehmen, deutet aber darüber hinaus den Mythos im Sinn einer Generalthese der Götterlehre, der zufolge die Erscheinung des vollkommen Schönen mit Leiderfahrungen verbunden ist; vgl. z. B. S. 165,31–166,6 und Erl. zu Herakles’ Apotheose.

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213,22–214,25 Ganymed Ç. . .È G ö t h e ] Das Goethe-Gedicht ist nicht genau datierbar. Wegen mancher Werther-Anklänge nehmen Teile der Forschung als Entstehungszeit das Frühjahr 1774 an, aber auch andere Daten werden in Betracht gezogen. Moritz’ Wiedergabe folgt bis auf wenige Abweichungen in Orthographie und Interpunktion (Ach an deinem Busen – Ruft drein die Nachtigall – Ich Komm’! Ich komme! – Hinauf! Hinauf strebt’s. – Alliebender Vater!) dem Erstdruck in Goethe’s Schriften 8, S. 210f. – Über den Titel hinaus enthält das Gedicht keine Anspielung auf den Ganymed-Mythos, auf weiteres mythologisches Personal oder auf andere mythologische Erzählungen; es besteht nicht einmal Anlass, Ganymed als Sprecher anzusehen. Dessen Angezogensein durch die als alliebender Vater angerufene Natur mag allerdings eine lose Verbindung zu der mythologischen Figur herstellen, die von Zeus in Adlergestalt davongetragen wird. Vgl. Rudolf Drux/Redaktion, Ganymed, in: Goethe-Handbuch 1, S. 115–118. – Moritz’ einleitende Formulierung, der zufolge sich in dem Gedicht der GanymedMythos in die Sehnsucht nach dem Genuß eines höhern Daseyns auflöst, trägt diesem allenfalls assoziativen Zusammenhang Rechnung. 214,27–31 Vor ihm verwaltete H e b e Ç. . .È begleiten mußte] Zu Hebe als Mundschenkin vgl. Homer, Ilias 4,2–3, (Stolberg) 1, S. 93. Die Erzählung von dem Malheur, das Anlass zur Entlassung der Göttin aus diesem Amt gibt, kann nicht weiter als bis zu Boccaccio, S. 217 zurückverfolgt werden. Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 1,28 gibt nicht an, aus welchem Grund Hebe aus dem Mundschenkendienst entfernt wird. Vgl. Kekule´ 1867, S. 6f. mit Anm. 6. In der ganzen Mythographie der Frühen Neuzeit einschließlich des 18. Jhs. ist die Episode bekannt. Sie wird, jeweils ohne oder doch ohne zutreffende bzw. hinreichende Quellenangabe, an vielen Stellen referiert, z. B. bei Giraldi, Historia, Sp. 334; Conti, Mythologiae, S. 94; Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, S. 291; Art. Hebe, in: Zedler 12, Sp. 974; Lippert, Dactyliothec 1, S. 233, Nr. 649; Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 163; Hederich, Lexicon, Sp. 1200. – Wenn Moritz auf die Grazie verweist, die das Mundschenkenamt verlangt, mag er an den Umstand erinnern, dass Hephaistos, der selbst bei Gelegenheit die übrigen Götter bedient, einer der einschlägigen Überlieferungen zufolge seines Hinkens wegen vom Olymp geworfen wird (vgl. S. 101,9–10 im vorliegenden Band). 215,2 C y b e l e ] Zu Kybele vgl. S. 112,1–113,25 mit den Erl. im vorliegenden Band. 215,3–5 Er verließ Ç. . .È zu widmen] Der Attis-Mythos ist in vielen Fassungen überliefert. Auch der Name (z. B. Attes, Attis, Atys) existiert in mehreren Varianten. Einen Überblick über die Versionen des Mythos liefert Hepding 1903,

Stellenerläuterungen

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S. 98–122; vgl. auch Anthusa, KMA 4/1, Erl. zu S. 59,12; Banier 3, S. 616–621; Hederich, Lexicon, Sp. 474–479. Moritz’ Darstellung ist aus Dichtungen von Catull und Ovid zusammengesetzt, die sich im Handlungsablauf eigentlich nicht vereinbaren lassen. Die vorliegende Stelle fußt auf Catull 63,1–3: Super alta vectus Attis

celeri rate maria / Phrygium ut nemus citato cupide pede tetigit / adiitque opaca, silvis redimita loca deae Ç. . .È (Albrecht, S. 87: Über hohe See gefahren war Attis auf schnellem Schiff. Sobald er den phrygischen Hain begierig mit eilendem Fuß betreten hatte und den düstern, von Wäldern umkränzten Stätten der Göttin genaht war Ç. . .È). Catulls Fortsetzung weicht von Moritz’ Version ab: Kaum in Phrygien angelangt, entmannt sich Attis und nimmt unverzüglich den ekstatischen Kybele-Dienst auf. 215,6–10 Als er Ç. . .È sein Vergehen] Nach Ovid, Fasti 4,223–242, wo die Attis-Erzählung das Entmannungsritual der Kybele-Jünger begründet. Vgl. S. 113,10–15 und Erl. im vorliegenden Band. 215,13–21 Eine schöne Dichtung Ç. . .È zu dienen] Catull 63,44–90. 215,23–24 Sohn Ç. . .È Priamus] Vgl. Homer, Ilias 20,237, (Stolberg) 2, S. 207. Hederich, Lexicon, Sp. 2387 referiert auch eine alternative Genealogie. 215,24–26 Die Dichtung Ç. . .È entführt habe] Über die Entführung des Tithonos durch Eos berichten z. B. Homerischer Hymnus 5 an Aphrodite, 218–219, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 73; Apollodoros 3,147, (Meusel), S. 148; Servius, Kommentar zu Vergil, Georgica 3,48. In der von Moritz angegebenen Gestalt – Eos trifft Tithonos bei den Herden an – findet sich die Szene bei Statius, Silvae 1,2,43–45; vgl. auch Nonnos, Dionysiaca 15,279–280. Ohne Verweis auf Statius schreibt Seeger 2, S. 352: Aurora sah

ihn auf dem Feld bey seinen Heerden, und schenkte ihm ihre Liebe. 215,27–28 Sie erbat Ç. . .È gewährt] Homerischer Hymnus 5 an Aphrodite, 221–223, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 73. 215,28–30 Nun hieß es Ç. . .È zu glänzen] Homer, Ilias 11,1–2, (Stolberg) 1, S. 271: Aus des schönen Tithonos Lager erhob sich Aeos, / Um den ewigen Göttern und sterblichen Menschen zu leuchten. Im Gr. gleichlautend Homer, Odyssee 5,1–2, (Voss), S. 95; ähnlich Homer, Ilias 19,1–2, (Stolberg) 2, S. 181. Vgl. auch Vergil, Aeneis 4,584–585; Georgica 1,445–447. 215,30–216,2 Aurora erzeugte Ç. . .È beschienen] Vgl. S. 80,34–81,3 und Erl. 216,4–8 Aurora hatte Ç. . .È übrig blieb] Nach dem Homerischen Hymnus 5 an Aphrodite, 223–238, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 73f. Im Hymnus begründet die Tithonos-Erzählung, warum die Göttin dem Anchises, mit dem sie den trojanischen Helden Aineias zeugt, die Unsterblichkeit

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vorenthält. Moritz kannte den Text; vgl. S. 91,30–92,2, 94,11–17 und 216,17–28 jeweils mit den Erl. – Nach Moritz’ Deutung besagen V. 237–238 des Hymnus, dass von Tithonos allein die Stimme übrigbleibt; vgl. auch die lat. Übersetzung in Homeri Odyssea, S. 693 sowie Nünlist 1998, S. 55. In Gedichte aus dem Griechischen übersetzt (Stolberg), S. 74 erfährt die Zeile eine abweichende Auslegung (Seine gewaltige Stimm ist verschwunden, die Kraft ist entwichen). 216,8–9 er zuletzt Ç. . .È aufzulösen] Seeger 2, S. 352: Er bat Auroren, ihm seine Auflösung zu gewähren. Antike Belegstelle sind die Scholien zu Homer, Ilias 11,5. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2387f.; Rapp, Art. Eos, in: Roscher 1, Sp. 1263. 216,10–12 Kein Glück Ç. . .È Alter auf] Für den Rat, sich am Naheliegenden zu erfreuen, weil ohnehin kein vollkommenes Glück zu erhoffen sei, führt Horaz, Oden 2,16,27–30 zwei Beispiele an – dasjenige des rühmlich, aber früh gestorbenen Achilleus und das des unsterblichen, aber dem Altern ausgelieferten Tithonos: nihil est ab omni / parte beatum. // Abstulit clarum cita mors Achillem, / longa Tithonum minuit senectus (Kytzler, S. 101: Nichts gerät in

jeder / Hinsicht glücklich. // Dahingerafft hat rascher Tod den herrlichen Achill, / langdauernd hat an Tithonos gezehrt das Alter). Mit Blick auf Achill bildet Homer, Ilias 9,410–416, (Stolberg) 1, S. 233f. den Hintergrund, wo der Held gemäß einer Weissagung seiner Mutter Thetis die Aussicht auf einen ruhmvollen Tod vor Troja und diejenige auf ein hohes, aber ruhmloses Alter einander gegenüberstellt. 216,15–16 Anchises, dessen Ç. . .È erzeugte] Vgl. S. 91,30–92,2 und Erl. 216,17–28 sey ohne Furcht Ç. . .È Zorn der Götter] Zusammenstellung und Paraphrase verstreuter Verse aus dem abschließenden Drittel des Homerischen Hymnus 5 an Aphrodite, wo die Göttin nach gemeinsamer Liebesnacht eine Ansprache an Anchises hält. V. 193–195, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 71f.: Sei getrost und fürchte dich nicht in deinem Ge-

müthe / Daß du werdest Böses erdulden, von mir und den andern / Himmelbewohnern, denn du bist theuer den ewigen Göttern. – V. 239–246, ebd., S. 74: Nicht also will ich dir unsterbliches Leben gewähren! Ç. . .È Aber es wird dich bald umwölken verderbendes Alter, / Welches ohn’ Erbarmen, mit schweren Lasten die Menschen / Alle niederdrüket, und welches die Götter verabscheun! V. 273–275, ebd., S. 75f.: Diese 〈die Nymphen〉 sollen ernähren, und pflegend das Knäblein bewahren, / Wenn er aber zu blühen beginnet in lieblicher Jugend, / Sollen zu dir ihn führen die Nümpfen, und dir ihn zeigen. V. 281–289, ebd., S. 76: Und wenn einer der sterblichen Men-

Stellenerläuterungen

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schen, von dir will erforschen, / Welche Mutter dir habe das liebe Kindlein gebohren; / Meines Gebots dann eingedenk, erwiedre die Worte: / Eine der schöngestaltenen Nümpfen, die hier in des Berges / Dickicht wohnen, hat ihn, so sagen die Leute, gebohren. / Aber wenn du dich rühmst mit thörichtem Herzen, und aussagst / Daß du Afroditä in süßer Umarmung geküßt hast / Dann wird zürnend Kronion mit flammenden Blizen dich treffen. / Alles hab’ ich dir nun gesagt, bewahr’ es im Herzen! 217,4–10 M y r r h a Ç. . .È That verlohr] Die wohl bekannteste Quelle für die folgenden Unterkapitel (Adonis, Hyacinthus, Cyparissus, Leukothoe, Daphne) sind Ovids Metamorphosen. Im Detail hält sich Moritz nicht durchweg und nicht genau an die Ovid-Version. – Hier: Paraphrase von Ovid, Metamorphosen 10,298–502. Umfangreiche Teile des Ovid-Texts sind der Auseinandersetzung der Myrrha (bzw., nach anderen Quellen, der Smyrna) mit der unüberwindlichen Neigung zu ihrem Vater und der praktischen Ausführung mit der Unterstützung ihrer Amme gewidmet. Beleuchtung und Aufklärung verdanken sich bei Ovid nicht dem Zufall; vielmehr schafft Kinyras ein Licht herbei, um seine Liebhaberin in Augenschein zu nehmen. Am Ende der Episode verwandelt sich Myrrha in einen Myrrhen-Baum, dessen Harz u. a. als Räuchermittel verwendet wurde (s. Art. Myrrha 1., in: KlP 3, Sp. 1524). – Abweichende Versionen der Genealogie wie auch des gesamten Adonis-Mythos bei Apollodoros 3,182–185, (Meusel), S. 158f. Kinyras ist bei Ovid, wie schon bei Homer, Ilias 11,19–23, (Stolberg) 1, S. 271f., König von Zypern; vgl. aber auch Hyginus, Fabulae 58, wo er als König der Assyrer erscheint. 217,11–31 Noch während Ç. . .È Unsterblichkeit] Paraphrase von Ovid, Metamorphosen 10,503–552 und 708–739. Die Adonis-Handlung ist in den Metamorphosen durch die Erzählung von Atalante und Hippomenes (s. S. 181,26–182,11 und Erl.) unterbrochen, die Aphrodite dem Adonis als Warnung vor wilden Tieren vor Augen hält. – Moritz’ Zusammenfassung schließt kleinere Freiheiten ein. So unternimmt Aphrodite bei Ovid keinen Wiederbelebungsversuch; die Anemone wächst nicht aus der Asche, sondern aus dem Blut des Jünglings hervor. – Anderen Überlieferungen zufolge kehrt Adonis auf Wunsch der Aphrodite aus der Unterwelt zurück; vgl. Hyginus, Fabulae 251. 217,12–13 da er ein Jüngling war] Im Sinne von »als er zum Jüngling herangewachsen war«. 217,21 schwarzes Verhängniß] Vgl. S. 42,21–25 und Erl. 217,32–218,4 Dem Adonis Ç. . .È gehüllt hat] Damm, Einleitung, S. 234: Darauf

ist denn aber auch dieser A d o n i s , im Oriente und in dem benachbarten Aegypten, in Persien und Griechenland, nach seinem Tode weitläuftig

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verehret worden. An seinen Festtagen hielten die Frauenspersonen eine große Klage: sie trugen sich mit Körben voll Erde, in welchen allerley Blumen gepflanzet waren: diese Körbe stürzeten sie ins Wasser, zum Gedächtnisse der kurzen Blühte des vortreflichen jungen Mannes. Solche Körbe voll Blumen die unsern Blumentöpfen ähnlich waren, nennete man G a r t e n oder B e e t e d e s A d o n i s . Ç. . .È einige machen ihn zu einem regierenden Fürsten in Arabien und Aegypten; ia sie sagen, er sey mit dem O s i r i s einerley, und die Venus sey die A s t a r t e oder I s i s . Aber wer kann in so alten verdunkelten Dingen was g e w i s s e s historisches heraus bringen? Zu den sog. Adonisgärten auch Banier 2, S. 398 mit Quellenangaben. Von anderen Adonisriten bzw. -deutungen handelt Lukian, Von der Syrischen Göttin 6–8, (Sämtliche Werke) 5, S. 293–296. – Schon gr. und röm. Autoren wussten, dass dem Mythos und dem Kult, in dem auch die Wiederauferstehung des Dämons begangen wurde, ein Komplex von Überlieferungen zugrunde lag, die aus Phönizien bzw. Syrien übernommen worden waren. Dort erscheint Adonis als Begleitgottheit der Fruchtbarkeitsgöttin Astarte. Spuren weisen darüber hinaus auf den babylonischen Vegetationsgott Tammuz; Zusammenhänge scheinen mit dem ägyptischen Osiris-Dienst zu bestehen. Vgl. Baudissin 1911. Dass solche Verbindungen vorhanden sind, war auch Mythenkennern des 18. Jhs. bekannt, während die Details diskutiert wurden. Weitläufige Ausführungen auf euhemeristischer Grundlage, mit Quellenverweisen und einer Diskussion unterschiedlicher mythographischer Positionen, finden sich bei Banier 2, S. 375–417. Vgl. z. B. auch Bayle 1, S. 82–85; Boulanger, S. 145; Pluche, Histoire du ciel, S. 175–177. 218,1–2 Klage um den Adonis] Im 18. Jh. gut bekannt war die Adonis-Klage des hellenistischen Dichters Bion von Smyrna. Für Übersetzungen vgl. Idyllen (Kütner), S. 163–167; Charles Batteux, Einleitung in die schönen Wissenschaften. Nach dem Französischen des Herrn Batteux, mit Zusätzen vermehret von Karl Wilhelm Ramler. Erster Band. Vierte und verbesserte Auflage, Leipzig 1774, S. 405–409, wo die Bion-Übersetzung als poetologisches Lehrstück der Idyllendichtung dient; Gedichte aus dem Griechischen übersetzt (Stolberg), S. 191–196. 218,6–7 Hyacinthus Ç. . .È Lacedemonischen Fürsten] Für Hyakinthos, der vielleicht, ähnlich Adonis, eine Vorgeschichte als Vegetationsgottheit hat (Lükke/Lücke, Mythologie 2006, S. 248), sind mehrere Genealogien überliefert. Zu der Abstammung von Oibalos Ovid, Metamorphosen 10,196; Hyginus, Fabulae 271; Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 11,68. Bei Banier 3, S. 400; Hederich, Lexicon, Sp. 1296; Greve, Art. Hyakinthos, in: Roscher 1, Sp. 2759f. finden sich auch alternative Genealogien.

Stellenerläuterungen

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218,7–12 Apollo Ç. . .È hervorgehen] Die vorliegende Fassung des Mythos (mit Boreas bzw. Zephyr als eifersüchtigem Liebhaber) ist erst spät überliefert. Vgl. u. a. Pausanias 3,19,5, (Goldhagen) 1, S. 409; Lukian, Göttergespräche 16 (Hermes und Apollon; Sämtliche Werke 2, S. 116f.); Servius, Kommentar zu Vergil, Bucolica 3,63. – Den meisten Quellen zufolge, unter ihnen Ovid, Metamorphosen 10,209–213 (der nichts von Boreas oder Zephyr berichtet) und Lukian, wächst der botanisch nicht genau identifizierbare Hyakinthos, der nicht mit der Hyazinthe gleichzusetzen ist, aus dem Blut, nicht aus der Asche des Jünglings hervor. Für die Asche votiert Junius Philargyricus, Kommentar zu Vergil, Bucolica 3,63; vgl. Eitrem, Art. Hyakinthos, in: RE 9/1, Sp. 11. – Unter den mythenkundlichen Schriften des 18. Jhs. vgl. v. a. Banier 3, S. 400f.; sonst auch Damm, Einleitung, S. 315f.; Seeger 1, S. 260f. – Der Tod des Hyakinthos ist Gegenstand von Gemälden aus dem 17. und 18. Jh. (Rubens, Tiepolo); vgl. Lücke/Lücke, Mythologie 2006, S. 489f. Er ist auch Teil des mythologischen Dekorationsprogramms für einen Saal im Haus Friedrich Anton von Heynitz’, das Hans Christian Genelli in VTO, S. 55 (KMA 3) beschreibt. 218,9 B o r e a s ] Vgl. S. 130,13–15 und Erl. 218,12–13 jährlich Ç. . .È schönen Jünglings] Zu den Hyakinthien, einem mehrtägigen Fest, das in Amyklai bei Sparta auf der Peloponnes begangen wurde, vgl. vor allem Athenaios, Gelehrtenmahl 4,138, d–f. S. auch Ovid, Metamorphosen 10,217–219. Zum angeblichen Grabmal des Hyakinthos als Ort einer Opferzeremonie aus Anlass des Fests s. Pausanias 3,19,3, (Goldhagen) 1, S. 408. Für die zeitgenössische Mythographie Banier 3, S. 400. Vgl. Stengel, Art. Hyakinthia, in: RE 9/1, Sp. 1f.; Stengel 1920, S. 251f. 218,17–24 Der schöne Knabe Ç. . .È Trauer blieb] Freie Paraphrase von Ovid, Metamorphosen 10,106–142. Bei Ovid wächst die Zypresse nicht aus dem Grab des Kyparissos hervor. Vielmehr verwandelt sich letzterer, ausgetrocknet vom Weinen, in den Baum; vgl. auch Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 3,680. Damit erfüllen die Götter den Wunsch des Kyparissos, fortwährend zu trauern. S. Hederich, Lexicon, Sp. 845; Banier 3, S. 401f.; Damm, Einleitung, S. 316. Die Zypresse galt schon in der Antike als Symbol der Trauer; vgl. Mannhardt 1905, 2, S. 124. 219,3–17 Leukothoe Ç. . .È S o n n e w e n d e t ] Nach Ovid, Metamorphosen 4,190–270. Akteur der Handlung ist bei Ovid Helios/Sol, an dem Aphrodite Rache üben will, weil er ihr Liebesverhältnis mit Ares verraten hat (vgl. Erl. zu S. 46,27–28; 90,19–22). Vgl. auch Damm, Einleitung, S. 239. Mit Blick auf Helios’ Urbild-Rolle in der Folge der Göttergenerationen (vgl. S. 46,21–47,27 und Erl.) ersetzt Moritz ihn durch Apollon, den Gott mit dem silbernen Bogen (vgl. zu diesem Attribut S. 47,16–17; 79,5–7 und Erl.). Möglicherweise folgt er darin Ba-

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nier 3, S. 398f., der den Leukothoe-Mythos im Rahmen des Apollon-Kapitels referiert, oder Hederich, Lexicon, Sp. 1463. Leukothoe wird in die Weihrauchpflanze (Boswellia) verwandelt, Klytie in die Sonnenwende (Heliotrop; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 757). 219,18–22 D a p h n e Ç. . .È umkränzte] Die Erzählung von Apoll und Daphne, von der mehrere Versionen bekannt waren (Banier 3, S. 396–398; Hederich, Lexicon, Sp. 870f.; vgl. Olga Palagia, Art. Daphne, in: LIMC 3/1, S. 344), ist nach der detailreich erzählten Fassung von Ovid, Metamorphosen 1,452–566 wiedergegeben. Unter den zahlreichen künstlerischen Bearbeitungen der Neuzeit (vgl. Pigler 1974, 2, S. 27–29) geht Moritz in RDI 2, S. 230f. (KMA 5/2) auf die Skulptur Apoll und Daphne (entstanden zwischen 1622 und 1625) von Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) ein, die er in der Galleria Borghese in Rom gesehen hatte. Diese Gruppe erklärt er, vor dem literarischen Hintergrund der Ovid-Passage, zum Musterfall einer misslungenen Plastik, da sie, dem Statuarischen zuwider, den Prozess der Verwandlung zu erfassen suche. 219,20 P e n e u s ] Zum Fluss bzw. Flussgott Peneios vgl. Erl. zu S. 58,20. 219,28–29 D i a n a , die strenge Göttin der Keuschheit] Vgl. S. 95,11–31 mit den Erl. 220,1–11 Auf dem einsamen Ç. . .È zu Theil ward] Eine einzelne antike Quelle, auf die Moritz’ Darstellung sich berufen könnte, gibt es nicht. Die stimmungs- und spannungsvolle Ausmalung der Kussszene in der Götterlehre hat kein Vorbild bei antiken Autoren. Die Passage bezieht sich vermutlich bereits auf die Sarkophagreliefs, auf die Moritz im Anschluss eingeht. – Für antike Belegstellen, in der Regel in Form kurzer Anspielungen, deren szenischer Kern meistens der Abstieg der Selene von ihrer Bahn ist, vgl. u. a. Theokrit 20, (Idyllen [Kütner]), S. 103; Apollonios, Argonautika 4,57–61, (Bodmer), S. 149; Cicero, Tusculanae disputationes 1,92. Auf das naheliegende Motiv des ewigen, den Tod vermeidenden Schlafs, von dem Apollodoros 1,56, (Meusel), S. 19 und Theokrit 3, (Idyllen [Kütner]), S. 22 sprechen, geht Moritz nicht ausdrücklich ein; vermutlich setzt er es aber voraus. Nicht völlig auszuschließen ist, dass der Verfasser sich von Lukian, Göttergespräche 19 (Aphrodite und Selene; Sämtliche Werke 2, S. 63f.) inspirieren ließ, bei dem Selene beschreibt, wie sie sich vorsichtig, wohl auch wiederholt, dem schlafenden Jäger nähert. – Als geheime Liebhaberin des Endymion nennen die antiken Quellen nicht Artemis/Diana, sondern Selene/Luna; so auch Damm, Einleitung, S. 27f. Vgl. aber Banier 3, S. 440f.; Hederich, Lexicon, Sp. 997. Hintergrund des Namentauschs ist die Gleichsetzung von Artemis mit der Mondgöttin. Für Moritz’ Urbild-Idee in diesem Zusammenhang vgl. S. 47,31–32 und Erl.

Stellenerläuterungen

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220,1 L a t m u s in K a r i e n ] Das Latmosgebirge liegt unfern Milet in der kleinasiatischen Landschaft Karien (heute an der türkischen Ägäisküste). Vgl. Bürchner, Art. Latmos, in: RE 12/1, Sp. 964–966. 220,12–16 Unter dem schönen Ç. . .È herniedersenkt] Man darf annehmen, dass sich Moritz auf dieselben beiden Sarkophagreliefs aus dem Kapitolinischen Museum bezieht, die er in RDI 2, S. 118; 121 (KMA 5/2) bzw. VTO, S. 102; 105 (KMA 3) erwähnt; zur Identifikation vgl. dort die Erl. Die Reliefs entsprechen vermutlich Bottari, Museo Capitolino 4, Tafeln 24 und 29; vgl. dort auch die Erl. S. 121–128; 159–164; s. Sedlarz 2010b, S. 214f. Vgl. darüber hinaus Sichtermann/Koch 1975, S. 27–30 mit weiteren Beispielen aus Rom. – Thematisch verwandt, wenn auch hier nicht gemeint sind das Sarkophagrelief eines schlafenden Jünglings mit zwei Monstengeln in der Hand sowie das Fresko Diana, den Endymion liebkosend von Annibale Caracci in der Galerie des Palazzo Farnese, die Moritz in Rom gesehen hat (RDI 2, S. 120; 3, S. 226). Für Endymion als Motiv röm. Sarkophagreliefs (in Wirklichkeit nicht nur auf Särgen früh verblühter Jünglinge) s. ferner Anthusa, KMA 4/1, S. 74,25–28 und Erl. sowie den Aufsatz Minerva, in: Monats-Schrift der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin 2 (1789), 3. Bd., 2. St., S. 70–73, hier: S. 70 (KMA 3). – Zur Darstellung des Todes in Gestalt eines schlafenden Jünglings vgl. S. 39,14–28 mit den Erl. im vorliegenden Band. 220,18–24 Den schönen Schäfer Ç. . .È Nahmen führte] Paraphrasiert nach Ovid, Metamorphosen 13,738–895. Vgl. S. 55,7–10 und Erl. 220,26 Einer der glücklichsten Sterblichen war Peleus] Peleus’ Glück wird in antiken Quellen wiederholt gerühmt. Vgl. Homer, Ilias 24,534–537, (Stolberg) 2, S. 423, wo Achill Peleus’ Glück (gleich im Anschluss daran allerdings auch das ihm zugemessene Unheil) benennt: Edle Geschenke haben die Götter dem

Päleus gegeben / Bey der Geburt, und ihn vor allen Menschen mit Gütern / Und mit Reichthum begabt: die Mürmidonen beherrscht er, / Und dem Sterblichen legten sie die Göttin ins Bette. / Aber auch Unglück hat ihm Gott gegeben: er hat ihm / Künftigherrschende Söhn’ in seinem Palaste versaget. Vgl. auch erneut S. 243,16–18 und Erl. im vorliegenden Band. Pindar, Pythische Oden 3,86–95 (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 103f.: Ein ungefährdetes Leben ward selbst weder dem Peleus, des Aeakus Sohn, noch dem göttergleichen Kadmus. Dennoch verkündet von ihnen der Ruf, daß sie hinanklimmten zu des Glüks erhabenstem Gipfel. Ihnen ertönte selbst der goldgeschleierten Musen Gesang auf dem Berg und im siebenpfortigen Theben, als dieser die großäugige Schöne, Harmonia, freite, jener die The-

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tis, des weisen Nereus gepriesene Tochter. Beiden erschienen beim Brautmal die Götter. Sitzen auf goldenen Thronen sahn sie die allwaltenden Söhne Saturns, und empfingen Hochzeitgeschenke von ihnen. Vgl. auch Ovid, Metamorphosen 11,217–220; 266; Damm, Einleitung, S. 185. 220,26–27 des gerechtesten Fürsten] Als Vater des Peleus gilt der vor allem auf der Insel Aigina verehrte Heros Aiakos, dessen Genealogie auf Zeus und – in der Regel – auf die Nymphe Aigina, Tochter des Flussgottes Asopos, zurückgeführt wird. Aiakos, über den weitere Erzählungen in Umlauf waren, steht in dem Ruf eines besonders gerechten Herrschers. Vgl. Pindar, Isthmische Oden 8,21–24, (Damm) 3, S. 180: und da gebarest du 〈Aigina〉 dem schwer-donnernden Vater 〈Zeus〉 den göttlichen Aeakos, den Er-würdigsten unter allen Irdischen; der auch Streitigkeiten zwischen G ö t t e r n entscheiden konnte. Nach seinem Tod verwaltet Aiakos neben Minos oder Triptolemos und Rhadamanthys das Amt eines Unterweltrichters; vgl. S. 182,22–27 und Erl.; speziell zu Aiakos in dieser Funktion noch Horaz, Oden 2,13,21–24; Ovid, Metamorphosen 13,25–28. S. Banier 5, S. 215f.; Hederich, Lexicon, Sp. 75–77; ferner Damm, Einleitung, S. 182; Wörner, Art. Aiakos, in: Roscher 1, Sp. 109–114. 220,29–30 T h e t i s Ç. . .È warnte] Vgl. S. 55,11–17 und Erl. Die Warnung besteht in der von Moritz im Anschluss wiedergegebenen und für Zeus bedenklichen Weissagung, Thetis’ Sohn werde m ä c h t i g e r a l s s e i n Va t e r sein. 221,1–2 obgleich Ç. . .È Zureden] Zu Thetis’ widerwilliger Verbindung mit Peleus gemäß göttlichem Ratschluss vgl. Homer, Ilias 18,84–85; 433–434, (Stolberg) 2, S. 158; 171; Pindar, Isthmische Oden 8,31–47, (Damm) 3, S. 181f.; Erl. zu S. 220,26 im vorliegenden Band. Den überlieferten Fassungen des Mythos – weitere naheliegende Quellen sind Apollodoros 3,170 (Meusel), S. 154; Ovid, Metamorphosen 11,221–265 – liegt eine mehrschichtige Vorgeschichte zugrunde. Für Rekonstruktionsversuche vgl. Bloch, Art. Peleus, in: Roscher 3, Sp. 1833–1839; Albin Lesky, Art. Peleus, in: RE 19/1, Sp. 284–302. 221,5–8 Bei der Hochzeit Ç. . .È Göttinnen weihte] Die Hochzeit von Peleus und Thetis, von Pindar neben der Vermählung von Kadmos und Harmonia als eines von zwei Beispielen für ein ›offizielles‹ Bankett unter Teilnahme der Olympier aus Anlass der Verbindung zwischen einer Gottheit und einem Sterblichen angeführt (s. Erl. zu S. 220,26), wird schon von Homer, Ilias 24,59–63, (Stolberg) 2, S. 405 erwähnt; s. auch Apollodoros 3,170, (Meusel), S. 154f. Der Streit, den Eris auslöst, war ein Gegenstand der verlorenen Kypria, eines Epos aus dem sog. Epischen Zyklus. Weitere Details sind wohl späteren Datums; vgl. Rzach, Art. Kyklos, in: RE 11/2, Sp. 2881. Von dem Apfel berichtet Hyginus, Fabulae 92,

Stellenerläuterungen

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von der Inschrift darauf Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 1,27; Lukian, Das Urtheil des Paris 7, (Sämtliche Werke) 2, S. 137. Vgl. Banier 5, S. 102f.; Damm, Einleitung, S. 184f. 221,9–11 Diese glänzende Ç. . .È Söhne beraubte] Vgl. S. 238,23–239,8 im vorliegenden Band. 221,12–14 ihn überschlich Ç. . .È seine Tage] Bei Homer ist Peleus hochbetagt. Wie Thetis berichtet, liegt er, gedrückt von schwerem Alter, / Heim in seinem Palast (Homer, Ilias 18,434–435, [Stolberg] 2, S. 171). Den unmittelbaren Hintergrund von Moritz’ Bemerkung dürften aber entsprechende Ausführungen zeitgenössischer Mythenkenner bilden; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1917; Damm, Einleitung, S. 185. – Als Bezugspunkt vor allem von Damms Formulierung kommt Horaz, De arte poetica, 95–97 in Frage: et tragicus plerumque dolet sermone

pedestri, / Telephus et Peleus cum pauper et exsul uterque / proicit ampullas et sesquipedalia verba (Schäfer, S. 11: andererseits klagt man in der Tragödie meistens in erdnahen Worten – Telephos und Peleus, beide verarmt und verbannt, werfen die hohldröhnenden Töpfe und anderthalb Fuß langen Wörter beiseite). Das Bild des Peleus, der kummerbeladen stirbt, steht also wohl in Verbindung mit der Tragödienliteratur, zu der die verlorenen PeleusTragödien von Sophokles und Euripides zählen; vgl. Bloch, Art. Peleus, in: Roscher 3, Sp. 1843f. Innerhalb der Götterlehre entspricht das Ende des ›glücklichen‹ Peleus der Idee vom ebenso glanzvollen wie vom Elend geschlagenen Helden, der Moritz an früherer Stelle nachgegangen war. Vgl. S. 138,25 und die Erl. mit weiteren Querverweisen. 221,16–17 G a n y m e d e s Ç. . .È entführt] Abb. 27. Lippert, Dactyliothec 1, S. 17f., Nr. 42 (Schublade 1,1). Furtwängler 1896, Nr. 4130 (Paste aus dem ersten vor- oder nachchristlichen Jh.); Büttner 1983, S. 122, Anm. 36. 221,18–19 Sturz des P h a e t o n ] Abb. 27. Lippert, Dactyliothec 1, S. 263f., Nr. 740 (Schublade 1/15). Zum zugehörigen Mythos vgl. S. 247,6–32 im vorliegenden Band. 221,23–25 D a s u n g l e i c h e Ve r h ä l t n i ß Ç. . .È offenbarte] Die Asymmetrie im Verhältnis zwischen Göttern und Menschen, die auch im Einleitungskapitel anklingt (vgl. S. 15,23–31 mit den Erl.), hatte Moritz vor allem im Zusammenhang mit Prometheus zum Thema gemacht. Vgl. S. 30,1–38,8, dort u. a. die Formulierungen am Schluss des Kapitels. 222,1–4 ein F a t u m Ç. . .È ausbrach] Vgl. S. 38,5–8; 41,23–30 jeweils mit den Erl.

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222,8–223,13 Es fürchte die Götter Ç. . .È G ö t h e n s I p h i g e n i e ] Wiedergabe des sog. Parzenlieds aus dem vierten Aufzug von Goethes Schauspiel Iphigenie auf Tauris (V. 1726–1760). Die Blankversfassung dieses Stücks, der eine Prosafassung vorausging, lag seit 1787 im Druck vor. Die Einzelausgabe (Johann Wolfgang Goethe, Iphigenie auf Tauris. Ein Schauspiel, Leipzig 1787) ist satzidentisch mit dem Abdruck in Goethe’s Schriften 3 (ebenfalls 1787); das Parzenlied jeweils S. 106–108. Von diesem Text weicht Moritz’ Wiedergabe an folgenden Stellen ab: brauchen / Wie’s – doppelt / Den – Gäste / Geschmäht und geschändet / In – vom Berge / Zu Bergen hinüber. In der Götterlehre nicht abgedruckt ist die Schlussstrophe: So sangen die Parcen; / Es horcht der Ver-

bannte, / In nächtlichen Höhlen / Der Alte die Lieder, / Denkt Kinder und Enkel / Und schüttelt das Haupt. – In Goethes Stück erweist sich, gegenläufig zum Parzenlied, die Macht des Fluchs, der auf dem Tantalidenhaus liegt, als nur scheinbar. Das Parzenlied repräsentiert aus der Sicht des Werks nicht das Geltende, sondern das Alte und zu Überwindende. Im Rahmen eines Monologs erinnert sich Iphigenie an das ehedem von ihrer Amme gesungene Lied, um im Verlauf der Handlung seine Gewalt- und Willkürlogik zu brechen und die Kette der Untaten der Tantaliden zu beenden. 223,15–16 Vorzüglich war T h e b e n Ç. . .È dargestellt] Die Formulierung bezieht sich auf den Umstand, dass eine Reihe von überlieferten Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides ihre Stoffe aus dem Thebanischen Sagenkreis nehmen. Es sind dies Sieben gegen Theben von Aischylos, König Oidipus, Oidipus auf Kolonos und Antigone von Sophokles sowie die Phoinissen und die Hiketiden von Euripides. Auch Seneca nimmt in Oedipus und in den unvollständig überlieferten Phoenissae diese Stoffe auf. Seybold, auf dessen Einleitung in die Griechische und Römische Mythologie (1779) Moritz im Zusammenhang mit dem thebanischen Sagenkreis zurückgegriffen hat, gibt S. 361–365 einen summarischen Überblick über die antiken Stücke, die sich mit thebanischen Mythen befassen. – Gleichwohl ist tragisch in der Götterlehre nicht gattungsbezogen verstanden, sondern bezeichnet einen Basisgegenstand der gr. Mythologie schlechthin; vgl. etwa S. 40,3–15. Der Begriff meint die »Darstellung der Entzweiung, der Dissonanz oder der Spaltung«. Darin trifft sich die Götterlehre mit dem Modell einer ebenso produktiven wie destruktiven Natur, das Moritz im Schlussteil des Aufsatzes Ueber die bildende Nachahmung des Schönen entwickelt (Costazza 1995, S. 173; 168–170; BNS, S. 40–52, KMA 3). – Tatsächlich bezieht sich Moritz im Kapitel über Die tragischen Dichtungen weniger auf die Tragödien. Wichtigste Grundlage seiner Paraphrasen sind stattdessen mythographische

Stellenerläuterungen

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Überblicksdarstellungen des 18. Jhs. Deren Interesse richtet sich nicht nicht auf einzelne Tragödien, sondern eher auf den Versuch, die Mythenstoffe in einen schlüssigen narrativen Zusammenhang zu bringen. 223,16–19 die schmerzlichsüße Theilnehmung Ç. . .È veredelten] Die Idee von der ›Veredlung‹, die durch ›teilnehmendes‹ Erleben einer tragischen Handlung erzielt werde, geht zuletzt auf den sog. Tragödiensatz aus der Poetik des Aristoteles zurück. Aristoteles zufolge ist die Tragödie eine Nachahmung Ç. . .È, die

Jammer und Schaudern hervorruft und hierdurch eine Reinigung von derartigen Erregungszuständen bewirkt (Aristoteles, Poetik, 1449b, [Fuhrmann], S. 19). Mit der Läuterungsperspektive steht Moritz, wenigstens der Form nach, wenngleich nur scheinbar, Lessings wirkungstheoretischer Tragödiendoktrin nicht fern. In der Hamburgischen Dramaturgie entwickelt Lessing den Begriff des Mitleids, dessen Reinigungspotential er schon im Briefwechsel über das Trauerspiel hervorgehoben hatte (vgl. v. a. Werke und Briefe 3, S. 671), aus der aristotelischen Poetik (vgl. v. a. 74.–78. St., Werke und Briefe 6, S. 551–575). – Den Gedanken einer kollektiven ›Veredlung‹ durch das Theater verfolgt Lessing allerdings nicht. Dieser Aspekt hat seine eigene Vorgeschichte – etwa bei Schiller, Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken? (1784), in: Schiller NA 20, S. 99: Was kettete Griechenland so fest aneinander? Was zog das

Volk so unwiderstehlich nach seiner Bühne? – Nichts anders als der vaterländische Inhalt der Stücke, der griechische Geist, das große überwältigende Interesse des Staats, der besseren Menschheit, das in denselbigen athmete. – In seinen ästhetischen Schriften distanziert sich Moritz überdies von der Idee eines moralischen Nutzens der Kunst – vgl. etwa in BNS, S. 13–18 (KMA 3) die Diskussion über das Verhältnis des Schönen zum Nützlichen –, die also auch keine Wirkungsabsichten anstreben darf. Folgt man Costazza 1995, v. a. S. 170–176 und Costazza 1999, S. 385–465, so eröffnet die tragische Kunst bei Moritz keine moralische Besserungsperspektive für den einzelnen; vielmehr bildet sie einen Weg, um ihn an den naturgegebenen Bildungs- und Zerstörungsprozessen partizipieren zu lassen und im Moment der Vernichtung die Grenze zwischen Individuum und Gattung aufzuheben. Zum M i t l e i d e n in diesem Sinn BNS, S. 43f. (KMA 3). 223,21–22 A g e n o r Ç. . .È Kadmus] Vgl. S. 65,5–9 und Erl. sowie 69,1–3. 223,22–224,17 Kadmus, dem Ç. . .È des M a r s und der Ve n u s ] Den Mythos von dem thebanischen Gründerheros Kadmos paraphrasiert Moritz nach Ovid, Metamorphosen 3,1–137. S. auch Apollodoros 3,21–25, (Meusel), S. 109–111. Vgl. Damm, Einleitung, S. 153–155 sowie Banier 4, S. 277–282, die den Mythos euhe-

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meristisch auslegen. Zu Geschichte und Deutungsperspektiven Kühr 2006, S. 83–118. 223,25 E i f e r s u c h t d e r J u n o ] Heras Eifersucht ist ein wiederkehrendes Motiv der Götterlehre. Vgl. S. 61,15–17, 62,11–63,23, 65,32–33, 76,29, 142,28, 147,28. 224,11–15 Diese Dichtung Ç. . .È wüthen lässt] In Moritz’ Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen versinnbildlichen die Bewaffneten, die der Drachensaat entwachsen und sich im Kampf gegeneinander aufreiben, eine Zerstörung, die das auf Schönheit ausgerichtete Gleichgewicht von Bildung und Vernichtung destabilisiert: Auf diese Weise schreibt die Schönheit der Zer-

stöhrung selbst ihr edles Maaß vor – wo nicht, so regen die Zähne des Drachen sich in der lockern Erde – die Saat des Kadmus keimt in geharnischten Männern auf, die ihre Schwerdter gegen einander kehren, und ehe vom Streit nicht ruhn, bis ihre Leiber wieder den Boden küssen (BNS, S. 49; KMA 3). 224,16–17 H a r m o n i a , einer Tochter des M a r s und der Ve n u s ] Vgl. S. 90,23–25 und Erl. 224,17–19 bildete das Volk Ç. . .È hieher gebracht] Phönizische Vorgeschichte und Bildungs- bzw. Zivilisierungsmandat haben sich vermutlich erst im 5. Jh. v. Chr. als Aspekte des Kadmos-Mythos durchgesetzt; vgl. Kühr 2006, S. 91–94. Zum Bildungsauftrag des Heros bzw. der mit ihm nach Griechenland gekommenen Kadmeier vgl. u. a. Herodot 5,58, (Goldhagen), S. 407; Diodorus Siculus 5,57,5; 5,74,1, (Stroth) 2, S. 249f.; 276; Hyginus, Fabulae 277. Weitere Quellen bei Hederich, Lexicon, Sp. 591. Vgl. Banier 4, S. 285–288; Damm, Einleitung, S. 155. 224,20–22 Um diesem Paar Ç. . .È verwandelt wurden] Zur Verwandlung Ovid, Metamorphosen 4,563–603; Damm, Einleitung, S. 155. Für den Zusammenhang zwischen der Verwandlung und dem Erlangen von Unsterblichkeit könnte sich Moritz auf Euripides, Bakchen, 1330–1339, (Werke [Bothe]) 3, S. 248 berufen; vgl. auch Apollodoros 3,39, (Meusel), S. 115. Zu der Verwandlung als Heroisierung s. Art. Kadmos, in: KlP 3, Sp. 41. Man vergleiche aber auch S. 120,4–6 und Erl. im vorliegenden Band, wo Moritz die sich häutende Schlange zusammen mit dem Epheu als schöne Sinnbilder der nie verwelkenden Jugend deutet. 224,23–25 Die Kinder Ç. . .È P o l y d o r u s ] Vgl. Banier 4, S. 289. S. schon Hesiod, Theogonie, 975–978, (Voss), S. 158; Apollodoros 3,26, (Meusel), S. 111; Hyginus, Fabulae 179. 224,23–24 H a r m o n i a oder H e r m i o n e ] Hederich, Lexicon, Sp. 1188 nennt Harmonia und Hermione als gleichwertige Namensvarianten; Banier 4,

Stellenerläuterungen

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S. 282 u. ö. verwendet nur den Namen Hermione. Die neuere Mythenforschung verzeichnet die mythologische Figur als Harmonia; vgl. z. B. Sittig, Art. Harmonia 1), in: RE 7/2, Sp. 2379–2388; Enrico Paribeni, Art. Harmonia, in: LIMC 4/1, S. 412–414. 224,25–29 S e m e l e Ç. . .È zu sehen] Vgl. S. 62,29–63,3 und Erl. sowie S. 114,12–20. 224,30–32 A g a v e Ç. . .È erzeugte] Vgl. Apollodoros 3,36, (Meusel), S. 114. Zu Echion als einem der fünf Überlebenden aus der Drachensaat ebd. 3,24, (Meusel), S. 110; Ovid, Metamorphosen 3,126. Vgl. Damm, Einleitung, S. 157f.; Hederich, Lexicon, Sp. 139. 224,33–225,2 Dieser P e n t h e u s Ç. . .È zerfleischt] Vgl. S. 115,23–116,6 und Erl. 225,3–11 Die I n o Ç. . .È verehrt] Ovid, Metamorphosen 4,416–542, v. a. 416–431 und 481–542; zu Ino als Dionysos’ Pflegemutter auch ebd. 3,313–314. Zum Ino-Mythos ferner Euripides, Medea, 1282–1290, (Werke [Bothe]) 1, S. 58; Apollodoros 3,28, (Meusel), S. 112 mit Varianten. Schon Homer, Odyssee 5,333–334, (Voss), S. 107 identifiziert Ino mit Leukothea; er verweist auf ihre Vergangenheit als Sterbliche und auf ihre spätere göttliche Verehrung. Vgl. Banier 3, S. 564; Damm, Einleitung, S. 50f.; Hederich, Lexicon, Sp. 1346f. 225,12–16 A u t o n o e Ç. . .È verwandelt hatte] Apollodoros 3,30–31, (Meusel), S. 112; Hyginus, Fabulae 181. S. Damm, Einleitung, S. 155f.; Hederich, Lexicon, Sp. 494. Vgl. S. 95,14–17 und Erl. 225,20–21 Kadmus selber Ç. . .È vorging] Ovid, Metamorphosen 4,564–568; vgl. auch Apollodoros 3,39, (Meusel), S. 115. – Das antike Illyrien erstreckt sich auf der Balkanhalbinsel nordwestlich der gr. Siedlungsgebiete entlang der Adriaküste. 225,21–27 Die Herrschaft Ç. . .È Theben herrschte] Unter Auslassung der Herrschaft von Kadmos’ Enkel Pentheus über Theben paraphrasiert nach Banier 4, S. 294: Nachdem C a d m u s Ç. . .È vom Thron verjagt worden, wurde P e n -

t h e u s an seine Stelle gesetzt; da aber dieser von den B a c c h a n t i n n e n zerrissen worden war, bestieg P o l y d o r u s den Thron. Er wurde aber gleichfalls vertrieben, weil er den Dienst des B a c c h u s , der sehr unanständig geworden war, hatte verbessern wollen. Ihm folgte sein Sohn L a b d a k u s , und heyrathete die N y k t e i s , eine Tochter des N y k t e u s , von welcher er einen Sohn Namens L a j u s hinterließ, der noch in der Wiege lag; und dieses brachte den L y c u s , den Bruder des N y k t e u s , darauf, sich der Crone seines Vettern zu bemächtigen. Banier bezieht sich auf Apollodoros 3,40, (Meusel), S. 116, der jedoch die Genealogie anders referiert. Ihm zufolge ist es Polydoros, der Nykteis heiratet; Labdakos ist beider Sohn. Vgl. auch Hederich,

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Lexicon, Sp. 1747f.; Art. Labdakos, in: KlP 3, Sp. 427. Moritz übernimmt also ein Versehen von Banier. – Für eine Liste mythischer Könige von Theben vgl. Hyginus, Fabulae 76. 225,28–226,13 A n t i o p e , eine Tochter Ç. . .È zu bilden] Banier 4, S. 294–297 nach Apollodoros 3,42–44, (Meusel), S. 116f., jedoch mit einigen Interpolationen und Auslassungen. Erwähnt ist der Antiope-Mythos schon bei Homer, Odyssee 11,260–265, (Voss), S. 214f. Varianten u. a. bei Hyginus, Fabulae 7; 8, bei dem Epopeus Epaphus (Epaphos) heißt. Vgl. auch Properz 3,15. Zu den unterschiedlichen Versionen Hederich, Lexicon, Sp. 291f. 226,5–7 banden die D i r c e Ç. . .È zerrissen ward] Apollodoros 3,44, (Meusel), S. 117 stellt lediglich fest, dass Zethos und Amphion Dirke an einen Stier fesseln; nach Hyginus, Fabulae 8 geschieht dies mit Hilfe der Haare, nach Properz 3,15,38 wird Dirke an den Kopf des Stiers gebunden. Ohne die Skulpturengruppe zu nennen, verweist Moritz’ Formulierung aber wohl mehr noch, wenigstens indirekt, auf die Deutung, die Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, Kupferstich nach S. 414 dem sog. farnesischen Stier gibt. Diese mehrfigurige Plastik ist als röm. Kopie wohl aus dem 3. Jh. n. Chr. (Kunze 1998, S. 38) nach einem gr. Original von den Bildhauern Apollonios und Tauriskos aus der ersten Hälfte des 2. Jh. v. Chr. (ebd., S. 91) erhalten und befindet sich im Museo Nazionale in Neapel. Moritz’ Quelle ist vermutlich Banier 4, S. 295f., der sich auf Montfaucon bezieht; vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 949. 226,8–9 schloß die Stadt mit sieben Thoren ein] Für diese Formulierung verweist Banier 4, S. 297 auf Homer, Odyssee 11,262–265, (Voss), S. 214f. 226,9–13 Die Ueberredungskunst Ç. . .È zu bilden] Moritz übernimmt von Banier 4, S. 296f. die rationalisierende Erklärung einer Überlieferung, die sich u. a. bei Apollodoros 3,44, (Meusel), S. 117 findet; Apollodor schreibt: Sie übernahmen

hernach die Regierung, und führten eine Mauer um die Stadt, wobey die Steine durch die Leyer des A m p h i o n folgsam gemacht wurden. Anspielungen auf den Mythos auch bei Pausanias 9,5,7, (Goldhagen) 2, S. 379; Horaz, De arte poetica, 394–396. Amphions Kunst des Leierspiels, die dem Helden allerdings von unterschiedlichen Göttern verliehen worden sein soll, ist überhaupt in der antiken Literatur berühmt; s. Hederich, Lexicon, Sp. 230 mit einschlägigen Quellenangaben. 226,14–17 Nach dem Tode Ç. . .È sich vermählte] Vgl. Apollodoros 3,48, (Meusel), S. 118; Hederich, Lexicon, Sp. 1423. Zu den genealogischen Verhältnissen ebd., Sp. 791; 1352.

Stellenerläuterungen

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226,19–20 Dem Lajus Ç. . .È erschlagen würde] Im Ablauf der Ereignisse lehnt sich die folgende Paraphrase des Oidipus-Mythos an Sophokles’ Tragödie König Oidipus an. Dieses Werk, in dem der Protagonist ohne eigenes Wissen schweres Unrecht begeht, wofür er durch Selbstbestrafung (Blendung) büßt, wird schon von Aristoteles in mancher Hinsicht als musterhaft angeführt (Poetik 1452a; 1453b; 1454b; 1455a). Vgl. auch den Überblick, den – mit Varianten – Euripides in den Phoinissen, 1–62, (Werke [Bothe]) 1, S. 77–79 der Jokaste in den Mund legt. Im ersten Jh. n. Chr. griff Seneca (Oedipus) den Stoff erneut auf. Die neuzeitliche Rezeptionsgeschichte vor Moritz umfasst unter anderem Oidipus-Tragödien von Corneille, Voltaire und Dryden; für einen knappen Überblick vgl. Szleza´k 1999. – Als vorbildlich gilt König Oidipus nicht zuletzt in Hinsicht auf die sog. analytische Dramenform: Unter Einsatz von Weissagungen und Zeugen »zeichnet« das Stück »den Weg des Oidipus zur Erkenntnis nach« (Zimmermann 2009, S. 66); die aristotelische Anagnorisis, der Umschlag von Nichtwissen in Einsicht (Poetik, 1452a), steht also im Mittelpunkt der Handlung. Moritz verweist auf diesen Aufbau (s. S. 228,19–22 im vorliegenden Band), den seine Paraphrase gleichwohl nicht spiegelt. Die Ereignisse sind in der Götterlehre stattdessen chronologisch referiert. Vermutlich kannte der Verfasser die Paraphrase des Mythos von Banier 5, S. 52–57, die sich ebenfalls am Zeitverlauf orientiert. 226,20–22 Als ihm daher Jokaste Ç. . .È an einen Baum] Zur Vorhersage von Laios’ Tod und zu Oidipus’ Aussetzung Sophokles, König Oidipus, 711–719; 1110–1185, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 169f.; 200–208. 226,23–27 In diesem Zustande Ç. . .È Nahmen O e d i p u s ] Bei Sophokles, König Oidipus, 1016–1053, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 192–195 ist es ein Hirt des Laios, der einem Hirten des Polybos den Oidipus übergibt. Der Hirt des Polybos bleibt namenlos; hingegen heißt er bei Seneca, Oedipus, 840–867 Phorbas. Diesen Namen verwendet auch Banier 5, S. 52. – Erklärungen zu Bedeutung und Herkunft des Namens OiÆdiÂpoyw (Oidı´pus, Schwellfuß) sind über Sophokles hinaus ein Standardelement antiker Referate des Oidipus-Mythos. Vgl. z. B. Apollodoros 3,48–49, (Meusel), S. 118f., ferner Diodorus Siculus 4,64,1, (Stroth) 2, S. 123. Die antiken Quellen, Sophokles eingeschlossen, sind sich darüber einig, dass Oidipus’ Füße nicht nur gebunden, sondern durchbohrt werden; vgl. Sophokles, König Oidipus, 1034. Die Sophokles-Übersetzung von Stolberg (Bd. 1, S. 194) hingegen scheint in diesem Punkt eher mit Banier 5, S. 52 und Moritz übereinzustimmen. 226,24 P o l y b i u s ] So Banier 5, S. 52. Der korrekte Name ist Polybos/Polybus; vgl. z. B. Hederich, Lexicon, Sp. 2039f.

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226,28–227,12 Die Pflegeältern Ç. . .È Vater erschlug] Adelung 1, Sp. 211 favorisiert Ältern gegenüber dem sonst, auch im unmittelbaren Anschluss, von Moritz verwendeten Eltern. – Oidipus’ Vorgeschichte ist Gegenstand seiner eigenen Erzählung in Sophokles, König Oidipus, 771–833, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 174–177. Zur Selbstverbannung aus Korinth auch ebd., 997–998, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 190. Moritz’ Formulierung lehnt sich aber wohl an Banier 5, S. 52 an. 227,14–228,10 die S p h i n x Ç. . .È I s m e n e ] Zum Folgenden Diodorus Siculus 4,64,3–4, (Stroth) 2, S. 123f.; Hyginus, Fabulae 67; Apollodoros 3,52–55, (Meusel), S. 119f., mit geringen Abweichungen bzw. Ergänzungen. Zur Sphinx, ihrer Genealogie und ihrem Erscheinungsbild vgl. S. 57,22–58,2 mit den Erl. im vorliegenden Band. Oidipus’ Auseinandersetzung mit der Sphinx und die Übernahme des Königsamts in Theben werden von Sophokles vorausgesetzt, sind aber nicht Gegenstand des König Oidipus. Die von Moritz angedeutete Variante, der zufolge Oidipus die Sphinx tötet, dürfte sich auf eine euhemeristische Auflösung des Mythos beziehen, die schon in der antiken Literatur bekannt war (vgl. v. a. Pausanias 9,26,2, [Goldhagen] 2, S. 433) und gern von rationalisierenden Mythographen übernommen wurde. Danach ist die Sphinx in Wirklichkeit eine räuberische Frau (Damm, Einleitung, S. 158), die Theben heimsucht und von Oidipus umgebracht wird. Auf diese Deutung greift Moritz erneut im Zusammenhang mit dem einschlägigen Kupferstich zurück, wobei er Lipperts vorsichtigen Formulierungen folgt; s. S. 233,14–16 und Erl. Vgl. Banier 5, S. 56f.; ferner Conti, Mythologiae, S. 667; Seybold, Einleitung, S. 354; Hederich, Lexicon, Sp. 2256f., mit weiteren Versionen. 228,14 Ueber Theben kam eine verwüstende Pest] Die Seuche befällt nach Sophokles, König Oidipus, 22–30, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 120f. nicht allein Menschen, sondern auch Tiere und Ernte. 228,14–17 Oedipus selber Ç. . .È büßen müsse] Über den Auftrag, das Orakel zu befragen, berichtet Oidipus in Sophokles, König Oidipus, 69–72, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 123. Die Frage, die Kreon dem Orakel vorlegen soll, lautet allerdings lediglich, ob von uns durch Wort und That / Die Stadt zu retten sei. 228,23–27 Als endlich nun Ç. . .È den Tod] Suizid der Jokaste und Blendung des Oidipus sind Gegenstand des Botenberichts in Sophokles, König Oidipus, 1237–1279, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 211–213. Hingegen motiviert Euripides, Phoinissen, den Selbstmord der Jokaste mit dem Bruderkampf zwischen ihren Söhnen Eteokles und Polyneikes (vgl. S. 231,11–16 und Erl.).

Stellenerläuterungen

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228,27–29 Oedipus irrte Ç. . .È umher] Der Tod des geblendeten Oidipus, der, geführt von seiner Tochter Antigone, nach Kolonos in Attika geraten ist, wird dargestellt in Sophokles’ Tragödie Oidipus auf Kolonos. Vgl. auch Apollodoros 3,56, (Meusel), S. 121; Banier 5, S. 57; Hederich, Lexicon, Sp. 1769f. Bei Euripides, Phoinissen, 1584–1594, (Werke [Bothe]) 1, S. 155 ist es erst der als Nachfolger des Eteokles zur Königsherrschaft gelangte Kreon, der den blinden Oidipus, begleitet von Antigone, aus Theben verbannt. Homer, Odyssee 11,271–280, (Voss), S. 215 kennt diese Irrfahrt und das Ende in Attika nicht; in Ilias 23,679–680, (Stolberg) 2, S. 392 ist von Oidipus’ Tod und von seinen Leichenspielen in Theben die Rede. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1769; Banier 5, S. 62f.; Damm, Einleitung, S. 159f. 228,30–230,34 Dem Oedipus folgten Ç. . .È kam vor Theben an] Banier 5, S. 63–68. Für antike Quellen vgl. Apollodoros 3,57–66, (Meusel), S. 121–124 mit Auslassungen, weiteren Details und Varianten; ebenso Diodorus Siculus 4,65,1–7, (Stroth) 2, S. 124–126. Der Krieg der Argiver gegen Theben ist im Prinzip in den homerischen Epen vorausgesetzt; vgl. Burkert 2009, S. 45f. Sophokles’ Tragödie Oidipus auf Kolonos spielt im Vorfeld des ersten thebanischen Kriegs, nimmt auf seine Entstehung Bezug – vgl. z. B. den Bericht, den Oidipus’ Tochter Ismene V. 361–384, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 265f. über die Entzweiung ihrer Brüder erstattet – und deutet auf ihn voraus. Hinweise darauf, dass Moritz diese Tragödie verwendet hätte, gibt es aber nicht. 229,6–11 Polynices ging Ç. . .È andre Tochter] Vgl. die Begründung für den Krieg, die Polyneikes in Euripides, Phoinissen, 408–432, (Werke [Bothe]) 1, S. 97–99 seiner Mutter Jokaste gibt. S. auch Euripides, Hiketiden, 131–154, (Werke [Bothe]) 4, S. 10–12; Apollodoros 3,58–59, (Meusel), S. 121f. 229,12–19 Um nun dem Polynices Ç. . .È gegen den Eteokles] Diodorus Siculus 4,65,4, (Stroth) 2, S. 125; Apollodoros 67, (Meusel), S. 124 mit Varianten und anderer Abfolge der Ereignisse; Seybold, Einleitung, S. 359. 229,21–26 Zu der Unternehmung Ç. . .È A t a l a n t a war] Ein vollständiger Katalog der sieben argivischen Heerführer in Form einer Heerschau findet sich z. B. in Euripides, Phoinissen, 117–192, (Werke [Bothe]) 1, S. 82–87. Vgl. ferner die Totenschau in Euripides, Hiketiden, 857–902; 925–931, (Werke [Bothe]) 4, S. 48–51; s. auch Erl. zu S. 230,34–231,8; Apollodoros 3,63, (Meusel), S. 123. 229,24 K a p a n e u s aus Messene] Kapaneus ist nach Apollodoros 3,63, (Meusel), S. 123 ein Sohn des Hipponoos. S. auch Hyginus, Fabulae 70, der als seine Mutter Astynome, die Schwester des Adrastos angibt. Wie Adrastos, Amphiaraos und Hippomedon ist Kapaneus nach Apollodoros ein argivischer Fürst. S. auch

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Latte, Art. Kapaneus, in: RE 10/2, Sp. 1886f. Die Nachricht, der zufolge Kapaneus aus Messene stamme, bezieht Moritz wohl aus Seybold, Einleitung, S. 356, der sich seinerseits auf Statius, Thebais 4,178–182 beruft. Dort macht Statius allerdings keine Angaben über die Herkunft von Kapaneus selbst, sondern über die seiner Truppen: huic parere dati, quos fertilis Amphigenia / planaque Messene

montosaque nutrit Ithome, / quos Thryon et summis ingestum montibus Aepy, / quos Helos et Pteleon, Getico quos flebile vati Dorion (Schönberger, S. 69: Seine gehorsame Mannschaft sind Männer, die das fruchtbare Amphigenia nährt, Messeniens Ebenen, das bergige Ithome, Thryon und Aepy, das auf einem Berggipfel erbaut ist, auch Helos und Pteleon und Dorion, dem Getischen Sänger Quelle der Tränen). Zu Kapaneus auch Banier 5, S. 87f.; Hederich, Lexicon, Sp. 627f. 229,24–25 H i p p o m e d o n Ç. . .È Adrastus] Vgl. Hyginus, Fabulae 70, wonach Hippomedon Sohn des Mnesimachos und der Metidike, einer Tochter des Talaos und Schwester des Adrastos ist (s. Hederich, Lexicon, Sp. 71). Eine andere Genealogie bei Apollodoros 3,63, (Meusel), S. 123; ihm zufolge ist Hippomedon Sohn des Aristomachos oder des Talaos. Vgl. auch Seybold, Einleitung, S. 357. 229,25–26 P a r t h e n o p ä u s Ç. . .È A t a l a n t a war] Nach Hyginus, Fabulae 70 stammt Parthenopaios von Meleagros und Atalanta ab; nach Apollodoros 3,63, (Meusel), S. 123 von Meilanion aus Arkadien bzw. von Ares und Atalanta (ebd. 3,109, [Meusel], S. 136) oder, als Bruder des Adrastos, von Talaos und Lysimache (ebd. 1,103, [Meusel], S. 32); diese Version ist, Fiehn, Art. Parthenopaios, in: RE 18/2, Sp. 1932 zufolge, die älteste. Vgl. Seybold, Einleitung, S. 357f. 229,27–28 A m p h i a r a u s ] Der warnende Seher Amphiaraos, berühmt für seine nur widerwillige Teilnahme am ersten Krieg gegen Theben, aber auch unter den Argonauten zu finden, war darüber hinaus Gegenstand kultischer Verehrung, besonders im attischen Oropos, wo er als orakelspendender Gott verehrt wurde. Vgl. Bethe, Art. Amphiaraos, in: RE 1, Sp. 1886–1888. Zu Amphiaraos im Überblick Banier 5, S. 75–82. 230,15–16 deren Ç. . .È schon gedacht ist] Vgl. S. 172,32–173,16 mit den Erl. 230,28–32 Die Griechen Ç. . .È wiederhohlt wurden] Die Hypsipyle-Episode betrifft den Gründungsmythos der seit dem 6. vorchristlichen Jh. ausgetragenen Nemeischen Spiele. Auch in der Thebais des röm. Dichters Statius spielt diese Episode eine Rolle. Moritz hatte sich schon S. 83,6–8 auf die Wettkämpfe bezogen, die dem Mythos nach zu Ehren des von einer Schlange getöteten Opheltes eingerichtet wurden; vgl. dort auch die Erl. Die Nemeischen Spiele wurden jeweils im zweiten und vierten Olympiadenjahr abgehalten. S. Art. Nemea, in: KlP 4, Sp. 47.

Stellenerläuterungen

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230,34–231,8 sieben Heerführer Ç. . .È P o l y n i c e s , seinen Bruder] Die Verteilung der sieben argivischen Heroen auf die sieben Tore von Theben (letztere sind in der Götterlehre nicht namentlich bezeichnet) und ihre Konfrontation mit je einem thebanischen Gegner entsprechen den Konstellationen, die Aischylos in seiner Tragödie Sieben gegen Theben, 375–652 mit weiteren Details zusammenstellt. Allerdings sind in der Götterlehre nur sechs Kämpferpaare aufgezählt. Als siebentes nennt Aischylos Eteoklos und Megareus. Allgemein ist die Situation des Bruderkriegs (Eteokles gegen Polyneikes) Gegenstand von Euripides’ Phoinissen, von denen eine zeitgenössische Teilübersetzung von Friedrich Schiller existiert (1789; Schiller NA 15/1, S. 81–112); zum Kampf um die Tore von Theben der Botenbericht in Euripides, Phoinissen, 1090–1199, (Werke [Bothe]) 1, S. 133–138; s. ferner Apollodoros 3,68, (Meusel), S. 124. Zu vergleichen ist auch Senecas Tragödie Phoenissae. 231,11–16 H i p p o m e d o n Ç. . .È gedacht ist] Apollodoros 3,73–77, (Meusel), S. 126f. Moritz erwähnt nicht, dass sowohl der Tod des Kapaneus als auch der des Amphiaraos nach Apollodoros auf Zeus’ Eingreifen zurückgehen, der Amphiaraos bei dieser Gelegenheit die Unsterblichkeit verleiht. Darin befindet sich die Götterlehre in Übereinstimmung mit Seybold, Einleitung, S. 359f. – Der Zweikampf zwischen Eteokles und Polyneikes, verbunden mit dem Selbstmord der Jokaste und dem Selbstopfer von Kreons Sohn Menoikeus, ist ein Herzstück von Euripides’ Phoinissen, 1217–1479, (Werke [Bothe]) 1, S. 139–150. Zu dem Pferd Areion vgl. S. 83,5–8 mit den Erl. 231,18–34 Dieser befahl Ç. . .È sein Verhängniß an] Seybold, Einleitung, S. 361; dort auch die Formel von der mondhellen Nacht, in der Antigone ihren Bruder begraben habe. Die Episode ist Gegenstand von Sophokles’ Tragödie Antigone. Vgl. Apollodoros 3,78, (Meusel), S. 127; Hyginus, Fabulae 72. 232,1–4 A d r a s t u s Ç. . .È auszuliefern] Seybold, Einleitung, S. 361. Die Episode ist Gegenstand von Euripides’ Tragödie Die Hiketiden (Die Schutzflehenden). Vgl. auch Apollodoros 3,79, (Meusel), S. 127f.; Banier 5, S. 68. 232,6–19 welche zehn Jahre nachher Ç. . .È Feldherren fielen] Vgl. vor allem Banier 5, S. 69f.; 73; ferner Seybold, Einleitung, S. 365. Apollodoros 3,80–85, (Meusel), S. 128f.; Diodorus Siculus 4,66–4,67,1, (Stroth) 2, S. 127–129; Hyginus, Fabulae 71 jeweils mit Varianten, Details und Nebenerzählungen. Zu Laodamas’ Rückzug nach Illyrien Pausanias 9,5,13, (Goldhagen) 2, S. 382. Zu Kadmos in Illyrien S. 225,20–21 und Erl. im vorliegenden Band. 232,20–28 geschnittnen Stein Ç. . .È Werks beweißt] Abb. 28. Die allgemeineren Bemerkungen zu dem Stein fußen auf den einschlägigen Ausführungen von

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Götterlehre

Winckelmann. Die Götterlehre greift eine Formulierung von Winckelmann, Geschichte, S. XLIX auf: Dieser Stein, welcher vielleicht der seltenste und schätzbarste in Welt ist, wird im Dritten Capitel erkläret. Vgl. ferner ebd., S. 99f.; ders., Description, S. 344–347, Nr. III/172 (Furtwängler 1896, Nr. 194); Winckelmann, Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 342, Nr. 105; Lippert, Dactyliothec 2, S. 27f., Nr. 81 (Schublade 2/2). Wegen der Schrift, in der die Figuren bezeichnet werden, und der Figurenzeichnung ist die Gemme nach Winckelmann, Description, non seulement le plus ancien Monument de l’art des Etrusques, mais aussi de l’Art en ge´ne´ral. Der Archäologe ordnet den Stein derselben archaischen Stilepoche zu wie z. B. die Tempel von Paestum und Agrigent und rühmt gleichzeitig, dass es der Steinschneider, noch vor der Entwicklung des gr. Schönheitssinns, bereits zu handwerklicher Perfektion gebracht habe. Den Stellenwert, den Winckelmann dem Stein als frühem Kunstzeugnis einräumt, dokumentiert der Umstand, dass er ihn als Vorlage für das Titelkupfer des ersten Teils der Geschichte der Kunst des Alterthums wählt. – Für die Reduktion auf den Kontur in Carstens’ Zeichnung, auch im Vergleich mit der unter Berücksichtigung von Hintergrund, Plastizität und Materialien auf antiquarische Präzision ausgerichteten Wiedergabe in Winckelmanns Monumenti antichi inediti, vgl. Büttner 1983, S. 100f.; Münter 2005, S. 49–51. Obwohl Moritz die Beschriftung erwähnt, ist sie im Kupferstich getilgt. Moritz’ anschließende psychologisierende Beschreibung hat bei Winckelmann kein Vorbild. 233,14–16 Auf eben dieser Tafel Ç. . .È S p h i n x zu tödten] Abb. 28. Lippert, Dactyliothec 2, S. 26, Nr. 79 (Schublade 2/2): Eine besonders bekleidete Figur

tödet den Sphinx. Die Fabel sagt zwar nicht, daß Oedipus denselben getödet; doch kann es gar wohl seyn, daß der Künstler nach einer andern Ueberlieferung die Geschichte vorgestellt hat. Vgl. S. 227,14–228,10 und Erl. im vorliegenden Band, wo Moritz diese Variante referiert. 233,18–234,4 P e l o p s Ç. . .È P e l o p o n e s u s nannte] Banier 5, S. 189–192. Die Erzählung entspricht im Wesentlichen Hyginus, Fabulae 84; s. auch Apollodoros, Epitome 2,3–9. 233,18–19 Tantalus Ç. . .È gestürzt ward] Vgl. S. 252,10–253,13 mit den Erl. im vorliegenden Band. 233,22 Eidam] Nach Adelung 1, Sp. 1528 ein oberdeutsches Wort, welches

im Hochdeutschen zu veralten anfängt, den Ehemann der Tochter, einen Schwiegersohn zu bezeichnen. Derselbe Ausdruck bei Banier 5, S. 190. 233,32 von einem Fels] Vgl. Damm, Einleitung, S. 209 (von einer steilen Höhe am Meere); Hyginus, Fabulae 84 (eumque in mare praecipitavit – er stürzte ihn ins Meer); Apollodoros, Epitome 2,8 (am Kap Geraistos).

Stellenerläuterungen

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234,6–10 Diese brachten Ç. . .È Atreus flüchteten] Die Erzählungen um Atreus und Thyestes waren in der Antike beliebter Stoff von Tragödien, die fast durchweg verloren sind, aber ihre Spuren in mythographischen Schriften hinterlassen haben; vgl. die bibliographischen Hinweise in den Erl. zu S. 234,24–29. Die Erzählungen liegen in einer besonders verwirrenden Fülle von Versionen vor. Moritz’ Zusammenfassung lehnt sich in der Motivation der Ereignisfolgen an die im Anschluss zitierte Erzählung der Iphigenie aus Goethes gleichnamigem Drama an, ohne ihr in allen Details zu folgen. Moritz’ und Goethes Versionen sind ihrerseits aus unterschiedlichen antiken Quellen zusammengezogen. Für den Mord an Chrysippos und den Selbstmord der Hippodameia vgl. Hyginus, Fabulae 85; 243. 234,11–13 Atreus begab sich Ç. . .È Mycene herrschte] Von der Übergabe der mykenischen Herrschaft an Atreus berichtet Thukydides, Geschichte 1,9, (Heilmann), S. 10. – Aerope gilt üblicherweise als Tochter des kretischen Königs Katreus und als Enkelin des Königs Minos von Kreta; vgl. Apollodoros, Epitome 2,10 (auch sonst mit zahlreichen Abweichungen von Moritz’ Version); Knaack, Art. Aerope 1), in: RE 1, Sp. 677f. S. auch Damm, Einleitung, S. 212. Ohne Quellenangabe und vermutlich schlechthin fehlerhaft erklärt hingegen Banier 5, S. 195 Aerope zu Eurystheus’ Tochter. 234,13–23 Thyest Ç. . .È Jüngling hinrichten] Knappe, ohne Ausmalungen den Hergang festellende Zusammenfassung bei Hyginus, Fabulae 86. – Zum Ehebruch der Aerope mit Thyestes vgl. z. B. auch die Erwähnungen bei Aischylos, Agamemnon, 1193; Pausanias 2,18,1, (Goldhagen) 1, S. 254. – Thyestes hat nach Hyginus, Fabulae 88 zwei Söhne namens Tantalos und Pleisthenes, bei Seneca, Thyestes, einen weiteren, der nicht namentlich benannt ist. Quellen, denen zufolge Thyestes diese (oder andere) Söhne mit Aerope gezeugt hat, wurden nicht ermittelt. Folgt man Apollodoros, Epitome 2,13, so hat Thyest drei weitere Söhne (Agauos, Kallileon und Orchomenos) von einer Naiade. Moritz bezieht sich vermutlich auf Banier 5, S. 195, der ohne Quellenhinweis angibt, dass Thyestes von Aerope zwey, oder nach einigen, drey Kinder bekomme. – Für die Episode von dem Atreus-Sohn Pleisthenes (nach Hyginus, Fabulae 86), den sein Vater unwissentlich tötet, vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 470; Furtwängler, Art. Atreus, in: Roscher 1, Sp. 714. 234,24–29 Verstellt Ç. . .È zu beleuchten] Dieses Herzstück der Pelopidenmythen war Gegenstand zahlreicher verlorener gr. und röm. Tragödien, von denen jedoch nur Seneca, Thyestes, überliefert ist; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 470; 2371f.; J. Ilberg, Art. Thyestes, in: Roscher 5, Sp. 914; Furtwängler, Art. Atreus, ebd. 1, Sp. 714. Das Detail der zurücklaufenden Sonne findet sich z. B. bei Ovid,

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Ars amatoria 1,327–330; Hyginus, Fabulae 88; ohne Kausalzusammenhang mit dem Verbrechen auch Apollodoros, Epitome 2,13. Auf diese wie auch auf die weiteren Greueltaten der Pelopiden bezieht sich Banier 5, S. 211 mit seiner Kritik an den antiken Tragödienautoren: Welch eine Unordnung! was vor wilde Sitten! aber vielmehr, welch ein eifriger Trieb zu allen Zeiten, diese unglücksvollen und abscheulichen Materien auf das Theater zu bringen, an Statt in dem Alterthum die Beyspiele der Tugend aufzusuchen, welche man leicht in demselben finden könnte. Vgl. aber auch ebd., S. 212, Anm. 295 den anderslautenden Kommentar des Übersetzers. 235,1–236,17 Schon Pelops Ç. . .È G ö t h e n s I p h i g e n i e ] Zitat aus dem ersten Aufzug von Goethes Schauspiel Iphigenie auf Tauris (V. 336–391; Goethe’s Schriften 3, S. 22–25), aus dem Moritz schon S. 222,8–223,13 das sog. Parzenlied wiedergegeben hatte; vgl. dort auch die Erl. Moritz kürzt die Passage um einen Einwurf des taurischen Königs Thoas sowie um eine Reihe von Zeilen, die sich nicht unmittelbar auf die mythologischen Ereignisse beziehen. In einem Fall passt er das Zitat an die Auslassung an. Die Streichungen sind in der Wiedergabe durch Gedankenstriche angedeutet. Folgende Stellen lauten in der Vorlage anders als in der Götterlehre: Gewaltig-wollende – Önomaus – zwey Söhne –

Atreus. Neidisch – Bette wachsend – Hippodamien / Die Mörderinn – Tode / Gebiethen – Stadt, Gemeinsam-herrschend – Reiche. Tückisch hatte schon / Thyest, auf – entwandt und – Rache / Und – wähnend / Er – seinen beyden Söhnen – schlachtet sie / Und setzt die ekle – grinsend / Ihm – So wendete die Sonn’ ihr Antlitz weg / Und ihren Wagen aus dem ew’gen Gleise. 236,18–238,3 Thyestes erzeugte Ç. . .È herrschte ruhig zu Mycene] Paraphrase von Banier 5, S. 195–197. Zu Thyest als Vater des Aigisth und zum Mord an Atreus Hyginus, Fabulae 87; 88, vor allem der zuletzt genannte Text mit weiteren Umständen. 236,22–24 Die vertriebenen Söhne Ç. . .È Menelaus] Moritz orientiert sich vermutlich an Banier 5, S. 197, der Helena zusammen mit Klytaimnestra zur Tochter des Tyndareos erklärt. Vgl. jedoch S. 166,13–26 mit den Erl. im vorliegenden Band, wonach Helena und ihr Bruder Polydeukes/Pollux Kinder des Zeus und der Leda sind. S. ferner S. 239,9–10. 236,23 Ty n d a r u s ] Alternativ zu Tyndareus (gr. Tyndareos), das Moritz an anderen Stellen vorzieht (s. S. 166,14), wird im 18. Jh. auch Tyndarus verwendet; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2416.

Stellenerläuterungen

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236,26–27 die I p h i g e n i e , E l e k t r a , und den O r e s t ] Vgl. z. B. Euripides, Iphigenie bei den Taurern, 556–568, (Werke [Bothe]) 5, S. 126f. Sophokles lässt in Elektra als weitere Tochter Chrysothemis auftreten, die auch in Euripides, Orestes, 23 (Werke [Bothe]) 1, S. 238 erwähnt wird. Die Angaben der Tragiker zu den Kindern von Agamemnon und Klytaimnestra weichen erheblich von älteren Überlieferungen ab. Vgl. v. a. Homer, Ilias 9,141–146, (Stolberg) 1, S. 224; s. A. Furtwängler, Art. Agamemnon, in: Roscher 1, Sp. 91f. 236,33 verleitete die Klytemnestra Ç. . .È Agamemnon] Vgl. z. B. Apollodoros, Epitome 6,9. 237,1–4 als dieser nach der Eroberung Ç. . .È anstellte] Früheste Darstellung des Mords an Agamemnon und seinen Gefährten beim Mahl ist Homer, Odyssee 11,405–434, (Voss), S. 220f. (im Rahmen von Odysseus’ Besuch in der Unterwelt). Vgl. auch Seneca, Agamemnon, 875–909. In der Orestie des Aischylos findet der Mord hingegen im Bad statt. Vgl. Agamemnon, 1125–1129 in einer Prophezeiung der Kassandra (s. auch die Beschreibung der Mordtat durch Klytaimnestra selbst, ebd., 1372–1398); Choephoren, 1071; Eumeniden, 458–461; 631–635. Nach Hyginus, Fabulae 117 wird Agamemnon beim Opfer erschlagen. Zum Agamemnon-Mord ferner Apollodoros, Epitome 6,23. 237,5–7 war I p h i g e n i e Ç. . .È nach Ta u r i s entrückt] Vgl. S. 240,15–23 und Erl. 237,7–10 O r e s t e s wurde Ç. . .È Phocis herrschte] Zur Rettung des Orestes durch Elektra vgl. Seneca, Agamemnon, 910–952; Hyginus, Fabulae 117; Apollodoros, Epitome 6,24. 237,10–11 P y l a d e s Ç. . .È knüpfte] Pylades ist erst in nachhomerischen Quellen belegt (vgl. Rudolf Hanslick, Art. Pylades, in: RE 23/2, Sp. 2078f.). In der Tragödienliteratur (Sophokles, Elektra; Euripides, Orestes, Elektra und Iphigenie bei den Taurern) bildet er mit Orestes ein Freundespaar, das schon in der Antike als exemplarisch berühmt war. Pylades und Orestes treten in dieser Rolle neben Theseus und Peirithoos (s. S. 192,22–23 im vorliegenden Band); vgl. z. B. Hyginus, Fabulae 257. 237,11–13 Nur E l e k t r a Ç. . .È ausgesetzt] Aischylos’ Choephoren, 135 zufolge wird die in Mykene zurückgebliebene Elektra wie eine Sklavin behandelt. Zu ihrer Entehrung auch V. 445–447. Zu ihrer Lage in Mykene ferner Sophokles, Elektra, z. B. 254–309, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 21–24. In Euripides’ Tragödie Elektra ist die Protagonistin an einen Bauern verheiratet; bei Seneca, Agamemnon, 988–993 lässt Aigisth sie in einen Kerker werfen.

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237,15–21 bis Orestes Ç. . .È Mörder seines Vaters] Die Rückkehr des Orestes und den Mord an Klytaimnestra und Aigisthos hat jeder der drei großen gr. Tragödiendichter in überlieferten Tragödien behandelt. Die Episode ist Gegenstand des zweiten Teils von Aischylos’ Orestie, der Choephoren (Weihgussträgerinnen). Zu dem falschen Gerücht, das Orest ausstreut, s. V. 674–689; Sophokles, Elektra, 47–50, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 9; ohne diese List Euripides, Elektra. Vgl. auch Hyginus, Fabulae 119; Apollodoros, Epitome 6,25. – In der Götterlehre bleibt der für die tragischen Verwicklungen mitentscheidende Umstand ausgespart, dass Orest durch Apolls Orakelspruch damit beauftragt ist, den Mord an seinem Vater zu rächen. Vgl. z. B. auch Aischylos, Choephoren, 269–300. 237,19 schwarzes Verhängniß] Vgl. S. 42,21–25 und Erl. 237,21–238,3 Weil er aber s e i n e M u t t e r Ç. . .È Furien befreit] Paraphrase der Handlung von Euripides’ Tragödie Iphigenie bei den Taurern. Vgl. auch Hyginus, Fabulae 120; Apollodoros, Epitome 6,25–27. – Unerwähnt bleiben in der Götterlehre weitere Zwischenstationen der Handlung, von denen ebenfalls dramatische Bearbeitungen existieren. Zu nennen ist der dritte Teil der Orestie des Aischylos, die Eumeniden, in denen die Verhandlungen über den Mord an Klytaimnestra in die Entsühnung des Orest vor dem Areopag in Athen münden; damit ist gleichzeitig die Blutrache im Atridenhaus beendet. Zu nennen ist ferner Euripides’ Orestes. In dieser Tragödie versucht der von den Erinyen verfolgte Protagonist zusammen mit seiner Schwester Elektra und seinem Freund Pylades, der Hinrichtung in Argos zu entgehen. Doch der aus Troja zurückgekehrte Menelaos verweigert die notwendige Unterstützung, wofür sich Orest, Elektra und Pylades mit dem Mord an Menelaos Gattin Helena und ihrer Tochter Hermione rächen wollen. 237,23–24 keine Aussöhnung Ç. . .È auszulöschen] Vermutlich bezieht sich die Bemerkung auf eine Formulierung von Banier 5, S. 205: Weder der Urtheils-

spruch des A r e o p a g u s , noch der Trözenier, beruhigten das Gemüth des unglücklichen O r e s t e s . Außer auf die Entsühnung durch den Areopag (s. Erl. zu S. 237,21–238,3) spielt Banier damit auf Pausanias 2,31,4, (Goldhagen) 1, S. 303 an, wonach eine Entsühnung des Orest in Troizen stattgefunden habe. 237,30–31 Hier war es Ç. . .È darbot] Euripides, Iphigenie bei den Taurern, 597–608; 674–722, (Werke [Bothe]) 5, S. 128f.; 133–135. 237,33–238,1 ein Mittel Ç. . .È zu entfliehen] So auch Banier 5, S. 206; Hyginus, Fabulae 120. In Euripides’ Iphigenie bei den Taurern ist hingegen für den glücklichen Ausgang der Handlung nicht der Fluchtplan der Iphigenie entscheidend, den der taurische König Thoas vereitelt, sondern das Eingreifen der Athene, die als Dea

Stellenerläuterungen

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ex machina im Konflikt zwischen Thoas und den Griechen zugunsten der letzteren entscheidet; s. V. 1435–1474 (Werke [Bothe]) 5, S. 173–175. 238,5–14 Der neue Dichter Ç. . .È entlassen wird] Der Absatz bezieht sich auf den Schluss von Goethes Schauspiel Iphigenie auf Tauris, aus dem Moritz zuvor schon zwei umfangreichere Passagen zitiert hatte (vgl. S. 222,8–223,13 und 235,1–236,17 im vorliegenden Band). Apolls Orakelspruch lautet: Bringst du die Schwester, die an Tauris Ufer / Im Heiligthume wider Willen bleibt, / Nach Griechenland; so löset sich der Fluch (V. 2113–2115; Goethe’s Schriften 3, S. 132). Die eigentliche Lösung des Fluchs besteht jedoch in der Umdeutung, wonach sich dieser Spruch nicht auf das Artemis-Bildnis bezieht, sondern auf Iphigenie. Das neue Verständnis des Orakels befreit Orest und seine Schwester von dem doppelten Laster Ç. . .È: das heilige / Mir anvertraute, viel verehrte Bild / Zu rauben und den Mann 〈Thoas〉 zu hintergehn / Dem ich mein Leben und mein Schicksal danke (V. 1708–1711; ebd., S. 105); es ermöglicht so ein Ende der Verkettung von Fehlhandlungen in Mykene. Die Umdeutung schützt darüber hinaus die Götter vor dem Verdacht, diese Grausamkeiten seien von ihnen verhängt. Sie bildet schließlich die Bedingung für den versöhnlichen Abschied von Thoas. 238,12 durfte] Im Sinn von »brauchte«. Vgl. Adelung 1, Sp. 1481: D u d a r f s t

e s m i r j a n u r s a g e n , d. i. es ist weiter nichts nothig, als daß du es mir sagest. 238,17–18 in Gesängen der Nachwelt überliefert] Moritz spricht zweifellos in erster Linie von den homerischen Epen, die allerdings nur einen Ausschnitt des trojanischen Kriegs betreffen und seine Vorgeschichte wie auch seinen Ausgang aussparen bzw. nur andeuten; die Ilias erfasst eine Zeitspanne von 50 Tagen aus dem letzten der zehn Belagerungsjahre. In zweiter Linie dürfte der Verfasser auch an Vergils Aeneis denken, in deren zweitem Buch Aineias selbst vom Untergang Trojas berichtet. Moritz’ anschließendes Referat greift jedoch darüber hinaus auf Aspekte der trojanischen Sagen zurück, die nicht Gegenstand der genannten Epen bzw. der einschlägigen Tragödienliteratur sind und über Sekundärquellen aus verlorenen Epen des sog. Epischen Zyklus überliefert wurden. Zu diesen Epen gehören Kypria, Aithiopis, Ilias Mikra, Iliu Persis, Nostoi und Telegoneia; vgl. Art. Epischer Zyklus, in: KlP 2, Sp. 322f. Einige davon sind z. B. in der Poetik des Aristoteles, 1495b erwähnt. Für die Aspekte, die über Homer hinausführen, stützt sich Moritz’ Paraphrase auf die Mythographie des 18. Jhs. Die Grenze zwischen dem von Homer erfassten Segment und den weiteren Geschehnissen um Troja ist in Moritz’ Referat verschliffen.

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238,18 auf der Schaubühne dargestellt] Berührungspunkte überlieferter Tragödien mit den trojanischen Sagen liegen vielfach in den Stücken vor, die sich mit dem Atridengeschlecht befassen. Darüber hinaus sind zu nennen: Sophokles, Aias; Philoktetes. Euripides, Die Troerinnen; Hekabe; Helena; Rhesos. In das Kerngeschehen des Kriegs um Troja fallen vor allem die beiden Tragödien von Sophokles – zum Philoktetes-Stoff vgl. schon Erl. zu S. 165,28–29 – und Euripides’ Rhesus. 238,23–28 Als E r i s Ç. . .È würdigsten erkannt] Für die Vorgeschichte des Trojanischen Kriegs bis zu Helenas Entführung vgl. Banier 5, S. 102–105; 114. – Zur Hochzeit von Thetis und Peleus S. 221,5–8 und Erl. im vorliegenden Band. 238,29–239,4 Ein unbefangener Hirt Ç. . .È Apfel der Venus zu] Das Parisurteil, das Gegenstand des verlorenen Epos Kypria war, ist in Homers Ilias knapp angedeutet; vgl. Erl. zu S. 239,5–7 im vorliegenden Band. In Euripides’ Tragödien wird es mehrfach erwähnt; vgl. u. a. Helena, 23–29, (Werke [Bothe]) 2, S. 302; Troerinnen, 923–934, (Werke [Bothe]) 4, S. 335. – Als spätere Zutat gilt die Nacktheit der Göttinnen. Vgl. Ernst Wüst, Art. Paris, in: RE 18/2, Sp. 1496–1499. Im Überblick berichten Hyginus, Fabulae 92 und Apollodoros, Epitome 3,2 über die Episode. In der von Moritz zusammengefassten Version ist sie seit der späteren Antike, vorwiegend unter komischen Vorzeichen, immer wieder behandelt worden und war in bildlichen Darstellungen von hoher Präsenz. Vgl. vor allem Lukian, Das Urtheil des Paris, (Sämtliche Werke) 2, S. 131–146, ferner Ovid, Heroides 5,33–36; 16,53–88; 17,115–118; Gegenstand der zuletzt genannten beiden Heroidenbriefe ist die Entführung der Helena. Vor allem an Lukian schließt Wielands Verserzählung Das Urtheil des Paris aus den Komischen Erzählungen (1764) an (Sämmtliche Werke 10, S. 153–187). – Damm, Einleitung, S. 220f. referiert die Szene mit dem Vorbehalt, dass sie in ihrer ausgemalten Form samt Apfel eine Erfindung nachhomerischer Autoren sei; als unhomerisch betrachtet er vor allem die unverschämte Ausgestaltung der Ereignisse auf dem Idagebirge. – S. Anneliese Kossatz-Deissmann, Art. Paridis iudicium, in: LIMC 7/1, S. 176–188. Für die neuzeitliche Bearbeitung des Stoffs in der bildenden Kunst vgl. z. B. ElHimoud-Sperlich (1977) sowie die umfangreichen Nachweise bei Pigler 1974, 2, S. 204–212. 239,5–7 Von dieser Zeit an Ç. . .È im Busen] Vgl. Homer, Ilias 24,25–30, (Stolberg) 2, S. 404: Da gefiel den übrigen allen, den Mörder des Argos / Zu

erregen, die Leiche des Hektors Achilleus zu rauben; / Härä nur und Poseidon und Pallas Athänä / Widerstanden. Dem heiligen Ilion waren sie immer / Noch gehässig, dem Volk und dem König, wegen des Frevels /

Stellenerläuterungen

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Paris, als er in seinem Gezelte die Göttinnen schmähte / Jener den Vorzug gebend, die seine Begierden ergözte. 239,9–10 H e l e n a Ç. . .È erzeugte] Vgl. S. 166,13–26 mit den Erl. 239,10–12 die vom Theseus Ç. . .È zurückgebracht ward] Vgl. S. 193,14–16 und Erl. 239,16–19 Als er nach Troja Ç. . .È erwachsen würde] Horaz, Oden 1,15. 239,22–23 Verletzung des heiligen Gastrechts] Paris’ Werbebrief an Helena und die Antwort der letzteren in Ovid, Heroides 16 und 17 betreffen die bevorstehende Entführung durch den als Gast an Menelaos’ Hof weilenden Trojaner. Ovid betont eigens die Gastfreundschaft, mit der Paris von Menelaos aufgenommen worden sei (Heroides 16,129; 221). Zu Paris’ Vergehen z. B. auch ebd. 17,5–9. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1220. Zum Thema der Gastfreundschaft S. 132,23–24 und Erl. im vorliegenden Band. 239,23–26 auch hielt man die S c h ö n h e i t Ç. . .È wieder zu entreißen] Die Bemerkung steht im Zusammenhang mit Überlegungen in der zeitgenössischen Mythenkunde zu der Frage, wie der Raub der Helena einen zehn Jahre währenden Krieg habe auslösen können. So bestimmt Seybold, Einleitung, S. 368 unter Berufung auf Homer, Ilias 1,152–156, (Stolberg) 1, S. 17 den Menschen- und Herdenraub als vorherrschende Ursache von Kriegen zu Homers Zeiten und bringt das individuelle Interesse der gr. Heerführer an Helena in Anschlag. Man mag aber vor allem an Homer, Ilias 3,156–160, (Stolberg) 1, S. 79 denken, selbst wenn es dort umgekehrt die auf dem Skaiischen Tor versammelten greisen Ratgeber des Priamos sind, die ein gewisses Verständnis für den Krieg um Helena aufbringen:

Traun! Es ist nicht zu verübeln den fußgeharnischten Griechen / Und den Troern, so viel ob solches Weibes zu leiden! / Den unsterblichen gleichet sie schier an schöner Gebehrde. / Dennoch kehre sie, schön wie sie ist, nur wieder nach Hause, / Ehe unsern Kindern und uns ein Unfall begegnet! Zu dieser Stelle vgl. auch Banier 5, S. 344. – Die allgemeine These vom Zusammenhang zwischen Schönheit und Krieg dürfte Moritz’ Zutat sein, mit der er eine Verbindung zu der eigenen Lehre von den mythologischen Dichtungen als schönem Ganzen herstellt; vgl. z. B. S. 78,27–30 und Erl. (zu Apollon) im vorliegenden Band. Insbesondere sei an den Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen (BNS, S. 45 [KMA 3]) erinnert, wo die zitierten Zeilen aus der Ilias, von Moritz selbst ins Deutsche übertragen, den Umstand illustrieren, dass das Schöne nur um den Preis von Leid und Zerstörung des Untergeordneten zu haben ist. Insofern steht die vorliegende Stelle schließlich mit der Theorie des Vergnügens an schreckenerregenden Gegenständen in Verbindung, auf die der Verfasser schon S. 40,12–13 angespielt hatte.

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239,27–31 Als eine Gesandschaft Ç. . .È Heere zu] Vgl. Banier 5, S. 115–117. – Zu der Gesandtschaft Herodot 1,3, (Goldhagen), S. 2f. – Zum Schwur der Griechen Ovid, Ars amatoria 1,687: iurabant omnes in laesi verba mariti (Albrecht, S. 51: Alle schworen den Eid, den der gekränkte Gemahl vorsprach); s. Banier 5, S. 116f. mit Fußnote m). 239,31–240,14 Ein jeder rüstete Ç. . .È I d o m e n e u s , des Minos Enkel] Urform von Heldenaufzählungen zum Trojanischen Krieg ist der sog. Schiffskatalog aus dem zweiten Gesang von Homers Ilias. Mit der Ausnahme von Achilleus’ Freund Patroklos und von Thersandros finden sich dort neben weiteren alle genannten Helden, zusammen mit Angaben zu ihrer Herkunft und zur Zahl der von ihnen kommandierten Schiffe. Im einzelnen sind dies in der homerischen Abfolge Aias der Telamonier, Diomedes, Sthenelos, Agamemnon, Menelaos, Nestor, Odysseus, Idomeneus, Achilleus, Philoktetes sowie Podaleirios und Machaon (Homer, Ilias 2,557; 563; 564; 576; 586; 601; 631; 645; 685; 718; 732, [Stolberg] 1, S. 57–64). Alle genannten Helden (außer Thersandros) und weitere sind im Katalog des Hyginus, Fabulae 97 verzeichnet. Banier 5, S. 117f., nimmt Thersandros, nicht jedoch Patroklos in seine Aufzählung auf. 240,1–2 A g a m e m n o n ; M e n e l a o s ] Zur Genealogie der Brüder Agamemnon und Menelaos und zu ihrer mykenischen Geschichte vgl. S. 236,18–237,4 mit den Erl. im vorliegenden Band. 240,3 N e s t o r ] Zu Nestor in der Ilias s. S. 133,8–21 mit den Erl. im vorliegenden Band. 240,4 D i o m e d e s ] Zur Genealogie Apollodoros 1,76, (Meusel), S. 24; Hyginus, Fabulae 69. Diomedes gehört zu den herausragenden Kämpfern im Trojanischen Krieg, der es sogar mit Göttern aufnimmt; vgl. S. 134,12–14 und Erl. Er ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen thrakischen König und seinen menschenfressenden Pferden; zu ihm S. 153,19–154,8 mit den Erl. 240,5 A j a x ] Vgl. S. 172,5 und Erl. 240,6 U l y s s e s ] Zu dem in der Götterlehre bereits mehrfach erwähnten Odysseus, der auch in den Kämpfen vor Troja zu den Protagonisten zählt, vgl. vor allem die Paraphrase der Odyssee, S. 244,31–245,31 mit den Erl. 240,7 A c h i l l e s ] Zu Achilleus’ Genealogie vgl. S. 221,2–4 im vorliegenden Band. 240,8 P a t r o k l u s ] Zur Genealogie des Patroklos vgl. S. 172,6 und Erl. im vorliegenden Band. 240,9–10 P o d a l i r i u s Ç. . .È Aeskulap] Vgl. S. 212,3–5 und Erl. im vorliegenden Band.

Stellenerläuterungen

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240,11 P h i l o k t e t ] Vgl. Homer, Ilias 2,718–725, (Stolberg) 1, S. 63. Wegen seiner Verwundung durch einen Schlangenbiss lassen die Griechen Philoktetes auf einer Insel – Homer zufolge auf Lemnos – zurück. Er gehört deshalb nicht zu den Streitern, die an den von Homer beschriebenen Kämpfen um Troja teilnehmen. Dass er später wieder in die gr. Expeditionstruppen aufgenommen wird, deutet Homer nur an. S. im Übrigen S. 165,28–29 sowie 243,28–30 mit den Erl. 240,12 S t h e n e l u s ] Der Kämpfer vor Troja Sthenelos, der in der Ilias wiederholt als Gefährte des Diomedes erscheint (vgl. z. B. Homer, Ilias 5,111; 241; 835, [Stolberg] 1, S. 121; 126; 148; s. Lamer, Art. Sthenelos, in: Roscher 4, Sp. 1524), ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Vater des Eurystheus, von dem Moritz im Zusammenhang mit den Herakles-Mythen spricht (vgl. S. 143,16–146,9 mit den Erl. im vorliegenden Band). Zu Sthenelos’ Abstammung (von Kapaneus) auch Homer, Ilias 4,367; 5,319, (Stolberg) 1, S. 106; 128 (hier ohne KapaneusBezug übersetzt); zu Kapaneus S. 229,24 und Erl. im vorliegenden Band. 240,13 T h e r s a n d e r ] Thersandros, von Moritz schon als einer der Epigonen aus dem zweiten Krieg gegen Theben genannt (vgl. S. 232,6–19), in der Ilias nicht erwähnt, erscheint in den verlorenen Kypria. Vergil, Aeneis 2,261 und Hyginus, Fabulae 108 erwähnen Thessandros als Besatzungsmitglied des hölzernen Pferds; zum Verhältnis Thersandros/Thessandros vgl. Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 2, S. 141, sowie Scherling, Art. Thersandros 2), in: RE 5A/2, Sp. 2452–2454. Vgl. auch Banier 5, S. 118, Anm. 135. 240,14 I d o m e n e u s ] Zur Genealogie des kretischen Königs, der zur Zeit des Trojanischen Kriegs nicht der jüngste unter den Griechen (Homer, Ilias 23,476, [Stolberg] 2, S. 384) ist, vgl. ebd. 13,446–454, (Stolberg) 2, S. 19. Zu seinen Taten vor Troja s. vor allem ebd. 13,361–520, (Stolberg) 2, S. 16–22. 240,15–23 Als nun das ganze Heer Ç. . .È am Altar] Das Opfer der Iphigenie, das die Ausfahrt der Griechen aus Aulis in Boiotien nach Troja ermöglichen soll und von Artemis in eine Entrückung verwandelt wird, ist Gegenstand von Euripides’ Iphigenie in Aulis (s. Schillers 1789 erschienene Übersetzung, in: Schiller NA 15/1, S. 6–74); vgl. auch Euripides, Iphigenie bei den Taurern, 1–40, (Werke [Bothe]) 5, S. 97–99. S. im Übrigen Hyginus, Fabulae 98; ferner Apollodoros, Epitome 3,21–22; Ovid, Metamorphosen 12,1–38. Der Priester, durch den die Griechen Kenntnis von der Forderung der Artemis nach einem Opfer erlangen, ist der Seher Kalchas, den Moritz im Folgenden erwähnt. Üblicherweise berichten die Quellen, dass Agamemnon eine Hirschkuh der Artemis erlegt habe und Iphigenie auf dem Opferaltar durch eine solche ersetzt werde; so Hyginus und Banier; s. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1363f. Von einem R e h spricht Damm, Einleitung, S. 214. Vgl. Banier 5, S. 120f.; Seybold, Einleitung, S. 372f.

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240,25 I l i u m ] Homer nennt die Stadt Troja in der Regel Ilios, in späteren Quellen heißt sie eher Ilion. Mythologisch bezieht sich der Name auf Ilos, den Gründer der Stadt, Sohn des Tros und der Kallirrhoe. Für die Gründungsgeschichte s. Apollodoros 3,140–143, (Meusel), S. 146, wonach Ilos die Stadt Ilion in dem nach seinem Vater Tros benannten Königreich Troja errichtet. Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1341f.; Seybold, Einleitung, S. 367; Art. Troja, in: KlP 5, Sp. 977. 240,26–27 Neun Jahr lang Ç. . .È gewährt] Ovid, Metamorphosen 12,19–21 legt Kalchas in Aulis die folgende Weissagung in den Mund: ›vincemus‹, ait ›gau-

dete, Pelasgi! / Troia cadet, sed erit nostri mora longa laboris‹, / atque novem volucres in belli digerit annos (Fink, S. 581: »Wir werden siegen, freut euch, ihr Griechen! Troja wird fallen, doch lang wird die Zeit unserer Mühen sein.« Darauf schloß er von den neun Vögeln auf die Jahre des Krieges). 240,30 Jupiter hielt des Schicksals Wage] Mit dem vorliegenden Absatz geht das Referat der Erzählungen um Troja in eine knapp gehaltende Paraphrase der homerischen Ilias über. Zu Zeus mit der Waage vgl. S. 121,21–24 und Erl. 240,32–34 Mars Ç. . .È zu den Trojanern über] Zur U n b e s t ä n d i g k e i t des Ares – die Stolberg-Übersetzung nennt ihn ausdrücklich Uebergänger – vgl. S. 90,8–10 und Erl. 241,1–2 von Sterblichen verwundet werden] Vgl. Erl. zu S. 134,12–14. 241,2–3 sich selber Ç. . .È auffordern] Anspielung auf den Kampf unter den Göttern im 21. Gesang der Ilias, auf den sich Moritz wiederholt bezieht; vgl. S. 88,13–22; 93,11–15; 95,32–96,7; 96,20–23 jeweils mit den Erl. 241,8–31 Was nun im zehnten Jahr Ç. . .È der Thetis Bitte] Paraphrase von Homer, Ilias 1,1–530, (Stolberg) 1, S. 11–31. Zu Apolls Zorn vgl. S. 79,5–7; zur Mäßigung des Achill unter Athenes Einfluss vgl. S. 86,31–87,4 jeweils mit den Erl. im vorliegenden Band. Zeus’ Zustimmung zu Thetis’ Bitte durch einen Wink mit den Augenbrauen ist in der Götterlehre mehrfach erwähnt, z. B. S. 64,17–18; 73,20–22 und Erl. 241,33–34 Vergebens suchten Ç. . .È unbeweglich] Homer, Ilias 9,162–655, (Stolberg) 1, S. 224–242 berichtet von einer von Nestor angeregten Abordnung gr. Fürsten unter der Leitung des Odysseus, die ohne Erfolg versucht, Achilleus mit Hilfe großzügiger Geschenkangebote des Agamemnon zur Rückkehr in den Kampf um Troja zu veranlassen. 241,34–242,7 Bis endlich Ç. . .È von seinem Schwerdte] Paraphrase von Ereignissen, die Gegenstand des 16. Gesangs von Homers Ilias sind – darunter Achilleus’ Aufforderung an Patroklos, sich in der Rüstung des ersteren am Verteidi-

Stellenerläuterungen

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gungskampf zu beteiligen, und das Feuer, das in die gr. Schiffe geworfen wird (V. 49–129, [Stolberg] 2, S. 91–93); der Tod des Sarpedon im Kampf mit Patroklos (V. 419–505, [Stolberg] 2, S. 105–108; vgl. S. 41,23–30 und Erl. im vorliegenden Band); die Vorbestimmung, der zufolge Patroklos fallen muss (V. 684–693, [Stolberg] 2, S. 114f.). 242,7–14 Als aber sein Verhängniß Ç. . .È tödtlichen Stoß] Homer, Ilias 16,787–805, (Stolberg) 2, S. 118: Siehe Patroklos, da war dein Ende sichtbar

gekommen! / Denn Apollon begegnete dir in der blutigen Feldschlacht, / Fürchterlich. Patroklos vernahm ihn nicht im Getümmel, / Denn es war der Gott in nächtliches Dunkel gehüllet. / Hinter ihm stand er, und schlug ihn zwischen den breiten Schultern / Mit gesenktem Arm; da schwindelte seinen Augen. / Von dem Haupte warf ihm Apollon den Helm herunter; / Fallend erklang er, und rollte dahin vor den Füßen der Rosse; / Ç. . .È In den Händen Patroklos zerbrach der lange, schwere, / Grosse, mächtige, erzgeschärfte Speer; von den Schultern / Fiel der lange Schild mit seinem Gehenke zur Erde; / Und ihm löste Foibos, der Sohn Kronions, den Panzer. / Schrecken erfüllte sein Herz, und löste die glänzenden Glieder. Zu dem von Hektor ausgeführten Todesstoß ebd., 818–821, (Stolberg) 2, S. 119. 242,14–16 Die Seele des Patroklus Ç. . .È K r a f t z u r ü c k l i e ß ] Homer, Ilias 16,856–857, (Stolberg) 2, S. 120: Fliehend enteilte den Gliedern die Seele,

hinab zu den Schatten; / Ihr Geschick bejammernd, verließ sie Jugend und Stärke. Die beiden Zeilen sind eine formelhafte Wendung, die sich auch anderwärts findet; vgl. Homer, Ilias 22,362–363, (Stolberg) 2, S. 258 mit Bezug auf Hektor. 242,17–24 Als nun Achilles Ç. . .È versprach] Paraphrase von Homer, Ilias 18,1–137, (Stolberg) 2, S. 155–160. 242,17–18 schwand auf einmal sein Zorn dahin] Homer, Ilias 19,67; 75, (Stolberg) 2, S. 183f. 242,24–27 brachte ihm Ç. . .È zurückgegeben hatte] Knappe Zusammenfassung des 19. Gesangs aus Homer, Ilias. Vgl. Homer, Ilias (Stolberg) 2, S. 181–196. 242,28–243,10 wo Hektor fallen Ç. . .È Hände ausstreckte] Knappe Paraphrase des 22. Gesangs aus Homer, Ilias, (Stolberg) 2, S. 245–364 (recte: 264). 242,33–243,1 die göttliche Waffenrüstung Ç. . .È Flucht] Homer, Ilias 22,131–137, (Stolberg) 2, S. 249f.: Ihm nahte Achilleus, / Enüalios gleich, mit

fürchterlich nickendem Helme; / Ueber der rechten Schulter bebte Pälions Esche; / Fernhin stralte von ihm, gleich Blizen, der Schimmer des Erzes, / Aehnlich loderndem Feuer, oder dem Sonnenaufgang. / Hektor sah ihn,

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Götterlehre

zitterte, durfte den Päleionen / Nicht erwarten, und floh, die Thore hinter sich lassend. 243,2–6 als zum viertenmale Ç. . .È Apollo] Homer, Ilias 22,208–213, (Stolberg) 2, S. 252f.: Aber da sie zum viertenmal die Quellen erreichten; / Siehe da hielt der Vater empor die goldene Wage, / Legt’ hinein zwey Loose des schlummergebenden Todes, / Eins Achilleus, eins des rossetummlenden Hektors; / Faßte dann bey der Mitte die Wage: des Priamiden / Todesloos sank bis zum Aidäs; Foibos verließ ihn. 243,7–8 Die beiden Ç. . .È Wagen] Homer, Ilias 22,273–398, (Stolberg) 2, S. 255–360 (recte: 260). 243,8–9 schleifte ihn Ç. . .È von Troia] Auch bei Homer schleift Achill Hektors Leichnam durch den Staub; vom Schleifen um die Stadt berichtet jedoch nicht Homer, wohl aber z. B. Hyginus, Fabulae 106: Achilleus Hectorem occidit

astrictumque ad currum traxit circa muros Troianorum. 243,9–10 daß H e k u b a Ç. . .È Hände ausstreckte] Zu Hekabes Klage vgl. S. 77,13–14 und Erl. Vom flehentlichen Ausstrecken der Hände berichtet Homer vor Hektors Tod. Mit dieser Geste versucht Priamos, seinen Sohn vom Zweikampf mit Achilleus abzuhalten (Homer, Ilias 22,37, [Stolberg] 2, S. 246). 243,11–13 Das Leichenbegängniß Ç. . .È unbegraben lag] Leichenbegängnis und Wettkämpfe zu Ehren von Patroklos sind Gegenstand des 23. Gesangs von Homers Ilias. Zu den Leichenspielen, bestehend aus Wagenrennen, Faust- und Ringkampf, Wettlauf, Waffenkampf, Diskuswurf, Bogenschießen und Speerwurf vgl. Homer, Ilias 23,257–897, (Stolberg) 2, S. 376–400; zu dem unbegrabenen Hektor, dessen Leichnam Aphrodite und Apollon vor Schaden schützen, ebd. 23,182–191; 24, 18–20, (Stolberg) 2, S. 373f.; 403. 243,13–20 Allein in nächtlicher Stille Ç. . .È Todtenfeier hielt] Knappe Paraphrase des 24. Gesangs von Homers Ilias, vor allem von Homer, Ilias 24,322–804, (Stolberg) 2, S. 415–433. Mit der Totenfeier für Hektor endet das Epos. In Moritz’ Wiedergabe bleibt u. a. der Umstand unerwähnt, dass Achilleus Hektors Leichnam an zwölf Tagen je dreimal um das Grabmal des Patroklos schleift (ebd. 24,14–31, [Stolberg] 2, S. 403f.). 243,14–15 umfaßte dessen Knie] Homer, Ilias 24,478, (Stolberg) 2, S. 420. 243,16–18 er dachte Ç. . .È betrauern würde] Homer, Ilias 24,534–542, (Stolberg) 2, S. 423. 243,22 einige ruhmvolle Thaten] Nichthomerische Quellen wie Quintus von Smyrna, Posthomerica 1,538–629; 2,396–546 berichten von Taten des Achilleus, die in der Ilias nicht erwähnt sind, z. B. vom Sieg über die Amazonenkönigin

Stellenerläuterungen

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Penthesileia und über den Äthiopierfürsten Memnon; vgl. Seybold, Einleitung, S. 377f. sowie mit weiteren Quellen Hederich, Lexicon, Sp. 35f. 243,22–24 traf vom Apollo Ç. . .È verwundbar war] Vgl. Erl. zu S. 55,18–21. 243,24–27 Um seine Waffen Ç. . .È entleibte] Nach Homer, Odyssee 11,543–548, (Voss), S. 225 gewinnt Odysseus im Rededuell mit Aias die Waffen des Achill; Aias stirbt um der Waffen willen. Hingegen spricht Homer nicht von Aias’ Selbstmord. Moritz’ Version entspricht Pindar, Nemeische Oden 7,25; 8,23, (Damm) 3, S. 76; 89, vor allem jedoch Ovid, Metamorphosen 13,1–396. Dort treten Aias und Odysseus im Redewettstreit gegeneinander an, der mit dem Sieg des letzteren und dem Selbstmord des ersteren endet. Vgl. auch Hyginus, Fabulae 242; Seybold, Einleitung, S. 378. – In der Götterlehre übernimmt Moritz nicht die Version von Sophokles’ Tragödie Aias. Die Tragödienhandlung setzt schon voraus, dass der Held, der sich für seine Niederlage an den gr. Heerführern hatte rächen wollen, von Athene mit Wahnsinn geschlagen, ein Gemetzel unter den Herden angerichtet hat. Vgl. Sophokles, Aias, 51–65; 284–327, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 203f.; 219–222). Im Verlauf der Handlung nimmt er sich das Leben; vgl. ebd., 891–911, (Tragödien [Stolberg]) 2, S. 260f. S. auch Hyginus, Fabulae 107; Banier 5, S. 239f., mit einer weiteren Version. 243,26 welcher Ç. . .È Griechen war] Homer, Odyssee 11,550–551, (Voss), S. 225: Aias, der an Gestalt und Edelthaten der größte / Unter den Danaern

war, nach dem tadellosen Achilleus. 243,28–30 P a r i s Ç. . .È hinterlassen waren] Vgl. Apollodoros 3,155, (Meusel), S. 150 sowie Epitome 5,8; ferner Hyginus, Fabulae 112. S. Banier 5, S. 165; Türk, Art. Paris, in: Roscher 3, Sp. 1602f. mit weiteren Quellen. Vgl. auch Erl. zu S. 165,28–29 im vorliegenden Band. 243,33 Auf den Rath des U l y s s e s ] Vgl. Apollodoros, Epitome 5,14. 243,34–244,2 h ö l z e r n e s P f e r d Ç. . .È verließ] Homer, Odyssee 4,271–289, (Voss), S. 73f. und 8,492–495, (Voss), S. 158 erwähnt das Trojanische Pferd. Moritz’ folgender Bericht über Trojas Fall steht Vergils Aeneis nahe; zu dem Pferd vgl. dort 2,13–20. Rationalistisch eingestellte Mythenkenner des 18. Jhs. deuten es als eine Belagerungsmaschine; vgl. z. B. Seybold, Einleitung, S. 375. 244,2–4 Nur S i n o n Ç. . .È Hülfe flehte] Vergil, Aeneis 2,57–144. Gegenüber den Trojanern stellt sich Sinon als Asylsuchender dar, der einem geplanten Menschenopfer der Griechen entgangen ist. 244,5–8 Geheimniß Ç. . .È entwendet hatten] Vergil, Aeneis 2,152–194. 244,6–7 P a l l a d i u m ] Als Palladion bezeichnen antike Quellen aus Holz gefertigte Idole, die wohl die Göttin Pallas Athene repräsentieren sollten und deren

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Götterlehre

Aufgabe es war, die jeweilige Stadt zu schützen. Über den Ursprung bzw. die Entstehung des trojanischen Palladion waren unterschiedliche Erzählungen im Umlauf; für eine von ihnen vgl. Apollodoros 3,144–145, (Meusel), S. 147. Nachrichten, die sich auf das Palladion beziehen, sind durchweg nachhomerischen Datums. Mythenforscher des 18. Jhs. nahmen Unbestimmtheit und Widersprüchlichkeit der Informationen über das Palladion als Provokation wahr: Man wird ganz

irre, wenn man die manchfaltige Erzählungen der Alten von dieser Bildsäule höret oder lieset (〈Anonym〉, Vorläufige Erläuterte Nachrichten von der grosen Schiffsrüstung der Griechen, zur Eroberung des trojanischen Reichs, S. 17, in: Homer, Ilias [Ueberbleibsel]). Die Alten, so stellt Banier 5, S. 137f. fest, reden von dieser Bildsäule auf eine so ungewisse Art, daß man nicht weiß, an welchen man sich halten soll. Vgl. im Übrigen Banier 5, S. 137–140; Hager, S. 184f.; Hederich, Lexicon, Sp. 1849–1852. S. Art. Palladion, in: KlP 4, Sp. 431f. 244,9–11 L a o k o o n Ç. . .È getödtet ward] Vergil, Aeneis 2,199–224. Zu Laokoons Warnung vor dem hölzernen Pferd ebd. 2,40–56. Der Tod des Laokoon und seiner beiden Söhne ist dargestellt in einer wohl um 200 v. Chr. von Hagesandros, Polydoros und Athanadoros aus Rhodos geschaffenen Skulpturengruppe; eine um die Zeitenwende entstandene Kopie dieser Plastik, im Jahr 1506 in Rom entdeckt und anschließend im Belvederehof des Vatikan aufgestellt, war Gegenstand von Beschreibungen und kunsttheoretischen Reflexionen u. a. aus der Feder von Winckelmann (Gedancken über die Nachahmung, 1755, in: Kleine Schriften, S. 43f.; Geschichte, S. 348f.) und Lessing (Laokoon: oder über die Grenzen der Malerei und Poesie [1766], in: Werke und Briefe 5/2). Moritz kannte die Statue, die er mehrfach in Rom gesehen hatte und in RDI beschreibt (1, S. 146; 3, S. 74; 81f.; KMA 5/2), ebenso Winckelmanns Beschreibungen (Brief an Goethe, 7. Juni 1788, in: Eybisch 1909, S. 231; KMA 13) und Lessings Laokoon-Traktat (Erl. zu S. 39,18–24 in diesem Band; VS 2, S. 22–24; KMA 3). Dass er an der vorliegenden Stelle darauf verzichtet, an die Plastik oder an die Debatten zu erinnern, die sich an sie anschlossen, fällt um so mehr ins Auge, als die Skulptur aus Moritz’ Sicht eine Problemstellung betrifft, mit der sich auch die Götterlehre befasst: das Edle,

Gebildete erliegt der Macht des Ungeheuern; der Mensch dem Wurme (RDI 3, S. 82; KMA 5/2; zum Widerstreit zwischen dem Ungeheuren und dem G e b i l d e t e n vgl. S. 25,25–26,3 im vorliegenden Band). 244,14–16 Knaben Ç. . .È mitten in I l i u m ] Vergil, Aeneis 2,238–240: pueri

circum innuptaeque puellae / sacra canunt funemque manu contingere gaudent. / illa subit mediaeque minans inlabitur urbi. (Fink, S. 69: Ringsum

Stellenerläuterungen

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stimmen Knaben und unvermählte Mädchen Weihgesänge an und freuen sich, Hand an die Seile zu legen. Jenes Ding kommt voran und rollt schon bedrohlich in Trojas Mitte). Zum Niederreißen der Mauern ebd. 2,234. Vgl. auch Seybold, Einleitung, S. 381: Die Mauern werden niedergerissen, Freudenfeste angestellt, und das Pferd steht mitten in I l i u m ! 244,17–18 alles war Ç. . .È entschlummert] Vergil, Aeneis 2,265. 244,18–20 als Sinon Ç. . .È hinunterstiegen] Die Leiter findet sich weder bei Vergil, Aeneis 2,261–264 – dort lassen sich die Helden an einem Seil hinab – noch bei Hyginus, Fabulae 108. Banier 5, S. 160 beruft sich stattdessen auf eine Abbildung aus den sog. Tabulae Iliacae aus der frühen röm. Kaiserzeit – als Reliefs ausgeführten Zusammenfassungen des Trojanischen Kriegs in Schrift und Bild. Vgl.

Bellum Et Excidium Trojanum, ex Antiquitatum Reliquiis, Tabula praesertim, Quam Raphael Fabrettus edidit, Iliaca delineatum, & adjecto in calce Commentario illustratum a` Laurentio Begero, Berlin, Leipzig 1699, Tafel 58. 244,21–22 das Zeichen Ç. . .È ward gegeben] Vergil, Aeneis 2,256–257. 244,22 durch die niedergerißne Mauer] Vgl. Banier 5, S. 159 (durch die Lükke der Mauer, die man eingerissen hatte, um das Pferd in die Stadt zu bringen); bei Vergil, Aeneis 2,266–267 stattdessen durch die Tore, die offenstehen, nachdem die Wachen niedergemacht sind. 244,25–26 An seinem Hausaltare Ç. . .È vom P y r r h u s getödtet] Vergil, Aeneis 2,550–558. Pyrrhos bzw. Neoptolemos ist ein Sohn des Achill. 244,26 Hekuba und Andromache] Sowohl Hekabes als auch Andromaches Geschick nach dem Untergang von Troja sind Gegenstand von Tragödien des Euripides. Zur Versklavung der beiden Frauen z. B. Euripides, Andromache, 1–55, (Werke [Bothe]) 5, S. 3–5; Euripides, Troerinnen, 271–291, (Werke [Bothe]) 4, S. 304f. Danach wird Hekabe Sklavin des Odysseus, Andromache hingegen eine solche von Achilleus’ Sohn Neoptolemos. Zu Hekabe ferner Ovid, Metamorphosen 13,410–575; Hyginus, Fabulae 111. Zu den verschiedenen Versionen der Hekabe-Erzählungen Banier 5, S. 172–177; Hederich, Lexicon, Sp. 1214f.; Sittig, Art. Hekabe 1), in: RE 7/2, Sp. 2652–2662. – Zu Andromache auch Vergil, Aeneis 3,315–336. 244,26–27 Töchter des Priamus] Möglicherweise bezieht sich Moritz auf Vergil, Aeneis 3,321–324, wo Andromache, mit Bezug auf die an Achilleus’ Grab geopferte Polyxena (zu ihr Hederich, Lexicon, Sp. 2059–2061), spricht: o felix

una ante alias Priameı¨a virgo, / hostilem ad tumulum Troiae sub moenibus altis / iussa mori, quae sortitus non pertulit ullos / nec victoris eri tetigit

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captiva cubile! (Fink, S. 123: O, glücklich ist die allein von allen PriamusTöchtern, die man an des Feindes Grab unter Trojas ragenden Mauern sterben hieß! Sie mußte nicht dulden, daß man um sie das Los warf, und nicht ihres siegreichen Herrn Lager als Gefangene besteigen). 244,32–34 Mit Gefahr und List Ç. . .È zu verschlingen drohte] Die Abenteuer des Odysseus fasst Moritz nach Homers Odyssee zusammen. Allerdings orientiert sich der Verfasser nicht am verschachtelten Aufbau des Epos, das mit parallelen Handlungssträngen und in Binnenerzählungen nachgeholten Vorgeschichten arbeitet, sondern an der Chronologie der erzählten Ereignisse. Im Vergleich mit den Erklärungen von Banier 5, S. 251–274 und der Zusammenfassung von Seybold, Einleitung, S. 386–398 fällt Moritz’ Paraphrase geradezu lakonisch aus. – Aus der Höhle des Polyphem, der mehrere Gefährten des Odysseus frisst, rettet sich der Held, der einen irreführenden Namen (Niemand) annimmt, zusammen mit den verbliebenen Begleitern, indem er den Kyklopen blendet und sich unter dem Bauch der auf die Weide ziehenden Hammel verbirgt. Vgl. Homer, Odyssee 9,105–566, (Voss) 1, S. 166–182. S. auch Vergil, Aeneis 3,618–638. 244,34–245,2 Aus dem stillen trügerischen Hafen Ç. . .È einzigen Schiffe] Zur Laistrygonenepisode vgl. S. 42,1–2 und Erl. in diesem Band. 245,2–4 auf der Insel Ç. . .È verweilte] Zur Kirke-Episode vgl. S. 42,2–3 und Erl. in diesem Band. 245,4 Dann stieg er ins Reich der Schatten] Nach Kirkes Anweisung sucht Odysseus den Eingang von Aı¨däs Reich (Homer, Odyssee 10,491, [Voss], S. 201) auf, um sich von dem Seher Teiresias die Zukunft vorhersagen zu lassen. Der Besuch bei den Gestorbenen, unter ihnen Odysseus’ Mutter Antikleia, ist Gegenstand des elften Buchs der Odyssee. 245,4–7 schiffte Ç. . .È verführerischen Gesang] Vgl. zur Sirenen-Episode S. 42,2 und Erl. im vorliegenden Band. 245,7–9 zwischen dem Strudel C h a r y b d i s Ç. . .È Straße hindurch] Skylla und Charybdis, die als Ungeheuer bzw. als Göttin dargestellt sind, und Odysseus’ Passage zwischen diesen Gefahrenstellen sind Gegenstand von Homer, Odyssee 12,73–126; 201–259, (Voss), S. 232–234; 236–238. Nach dem Abenteuer mit den Rindern des Sonnengotts wird Odysseus ein zweites Mal zwischen Fels und Strudel hindurchgetrieben; s. Homer, Odyssee 12,426–446, (Voss), S. 244f. 245,9–12 an einer Insel Ç. . .È rettete sich allein] Vgl. zu der Episode auf der Insel Thrinakie S. 46,28–47,5 mit den Erl. im vorliegenden Band. 245,13–17 schwamm an die Insel der K a l y p s o Ç. . .È entließ] Über Odysseus’ Ankunft auf Ogygia, der Insel der Kalypso, wo der Held anschließend sieben

Stellenerläuterungen

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Jahre verbringt, über seinen Aufenthalt dort und über seine Abreise auf Zeus’ Geheiß berichtet die Odyssee an mehreren Stellen; s. Homer, Odyssee 5,1–268; 7,240–266; 12,447–450, (Voss), S. 95–105; 136f.; 245. Mit Odysseus’ Aufenthalt auf der Insel, seiner Freigabe und seiner Abreise von dort beginnt die eigentliche Handlung der Odyssee, während die von Moritz bereits erwähnten Abenteuer Gegenstand des Berichts sind, mit dem der Held den Phaiaken Auskunft über die eigene Vorgeschichte erteilt. 245,17–20 Als er nah Ç. . .È Auge ausbrannte] Der Dichter der Odyssee nennt Poseidons Zorn schon zu Beginn des Epos als Bewegungsmoment der Handlung (Homer, Odyssee 1,20–21, [Voss], S. 10). Zur Blendung des Kyklopen Polyphem, den Poseidon gezeugt hatte, als Motiv des Zorns vgl. Homer, Odyssee 1,68–75, (Voss), S. 12. – Die Insel Ithaka kommt für Odysseus und seine Gefährten im Anschluss an das Kyklopen-Abenteuer in Sichtweite, nachdem der Windgott Aiolos sie auf den Heimweg geschickt und die heftigen Winde in einen Schlauch gesperrt hat. Als die Gefährten den Schlauch öffnen, treiben die Schiffe wieder nach Aiolia zurück, was Aiolos auf die Rache der seligen Götter zurückführt (Homer, Odyssee 10,1–75, [Voss], S. 183–186). Poseidons Name fällt in diesem Zusammenhang nicht. – Hingegen liest man über Odysseus’ durch Sturm und Brandung behinderte Ankunft im Land der Phaiaken: Jezo kam aus dem Lande

der Aithiopen Poseidon, / Und erblickte fern von der Solümer Bergen Odüßeus, / Welcher die Wogen befuhr. Da ergrimmt’ er noch stärker im Geiste (Homer, Odyssee 5,282–284, [Voss], S. 105). Insofern scheint doch wohl eine Kontamination von zwei Textstellen vorzuliegen. 245,20–24 Plötzlich wurde das Meer Ç. . .È Insel der P h ä a c i e r ] Der Verlust des Floßes im Sturm, der Kampf mit Brandung und Klippen und die Ankunft im Land der Phaiaken sind Gegenstand der zweiten Hälfte des fünften Gesangs der Odyssee; s. Homer, Odyssee 5,279–493, (Voss), S. 105–113. 245,24–25 die ihn gastfreundlich Ç. . .È in seine Heimath sandten] Odysseus’ Aufenthalt bei den Phaiaken ist Gegenstand des sechsten bis zwölften Gesangs der Odyssee. Dieser Teil schließt die Erzählung von den vorangehenden Irrfahrten ein (neunter bis zwölfter Gesang). Zu den Geschenken der Phaiaken Homer, Odyssee 13,10–22; 67–69, (Voss), S. 246f.; 248. Zu Odysseus’ Überfahrt nach Ithaka vgl. S. 42,7–8 und Erl. im vorliegenden Band. 245,25–29 wo er seine treue Ç. . .È beschlossen hatten] Die von Moritz sehr knapp zusammengefasste, in Wirklichkeit fein abgestufte und komplexe Erzählung von Odysseus Rückkehr nach Ithaka, der Begegnung mit Telemachos, den Auseinandersetzungen mit den Freiern und der Wiedererkennung durch Penelope

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nimmt, beginnend bei Homer, Odyssee 13,187, (Voss), S. 253, die gesamte zweite Hälfte der Odyssee ein. 245,29–30 Nun herrschte er wieder in seinem Reiche] Vgl. den Schluss von Homer, Odyssee 24,412–548, (Voss), S. 464–469, wo Athene die Auseinandersetzungen zwischen Odysseus und den Verwandten der getöteten Freier beendet. 245,30–31 die Seelen Ç. . .È Unterwelt] Homer, Odyssee 24,1–14, (Voss), S. 449. Zu Hermes Psychopompos s. S. 111,6–8 und Erl. 245,33 P a r i s , wie er Ç. . .È zutheilt] Abb. 29. Lippert, Dactyliothec 2, S. 36f., Nr. 122 (Schublade 2/3). 245,34 A c h i l l Ç. . .È opfernd] Abb. 29. Lippert, Dactyliothec 2, S. 36f., Nr. 122 (Schublade 2/3). 246,2–14 Mit dem Könige A m p h i o n Ç. . .È Kummers ward] Bei der Entscheidung, diese und die nachfolgenden beiden Erzählungen an der vorliegenden Stelle zu platzieren, mag Moritz von Seybolds Einleitung in die Griechische und Römische Mythologie inspiriert worden sein, der S. 409–464, im Anschluss an eine Zusammenfassung der Odyssee, eine Paraphrase von Ovids Metamorphosen gibt. Allerdings verwendet Moritz weitere Quellen. – Bekannteste Fassungen des Niobe-Mythos sind diejenigen von Homer, Ilias 24,603–617, (Stolberg) 2, S. 425f. und die breit mit vielen weiteren Details ausgemalte Erzählung von Ovid, Metamorphosen 6,148–312. In wesentlichen Punkten besteht auch Übereinstimmung zwischen Moritz’ knapper Erzählung und Apollodoros 3,45–47, (Meusel), S. 117f., sowie Hyginus, Fabulae 9, die weitere Varianten kennen. – Die Anzahl von Söhnen und Töchtern entspricht Ovid und Hyginus; bei Homer sind es jeweils sechs. Apollodor referiert mehrere einschlägige Überlieferungen; vgl. auch Banier 3, S. 414. – Die Aufgabenverteilung zwischen Apollon, der die Söhne tötet, und Artemis, die die Töchter erschießt, findet bei Homer, Apollodor und Hygin statt. Diese drei verweisen, anders als Ovid, auch auf den Sipylos – ob bei Homer als Ort einer Versteinerung, mag dahingestellt bleiben. Vgl. dazu ferner Pausanias 1,21,3, (Goldhagen) 1, S. 88. Zum Ganzen Banier 3, S. 412–420; Damm, Einleitung, S. 227–229; Seybold, Einleitung, S. 432. Von letzterem könnte die Wendung von den unsichtbaren Pfeilen übernommen sein, die Moritz auch in RDI 3, S. 82 (KMA 5/2) verwendet. – Unter den bildlichen Darstellungen der Antike ist die berühmteste die aus zwölf Figuren bestehende hellenistische Niobidengruppe, die, 1583 gefunden, in den Uffizien in Florenz aufbewahrt wird. Winckelmann, der sie zu den schönsten Werken des Alterthums zählt, erwähnt sie wiederholt in der Geschichte der Kunst (Geschichte, S. 170, 226, 336). Moritz muss diese Gruppe wenigstens in der Form einer Abbildung gekannt haben, schätzte ihre künstlerische

Stellenerläuterungen

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Qualität aber geringer ein als die der Laokoon-Gruppe (RDI 1, S. 145; 3, S. 82f.; KMA 5/2). 246,12 S i p y l o n ] Zum Sipylos, einem Gebirgszug in Lydien (Kleinasien), heute Manisa Dag˘i, vgl. Bürchner, Art. Sipylos, in: RE 3A/1, Sp. 275–281. Die Namensform Sipylon verwenden z. B. Damm, Einleitung, S. 228 und Homer, Ilias (Stolberg) 2, S. 426. 246,16–247,5 Cephalus Ç. . .È erst erkannte] Paraphrase von Ovid, Metamorphosen 7,690–756 und 796–862. Dort ist es Kephalos selbst, dem der Verfasser die Erzählung zusammen mit einer weiteren, von Moritz nicht berücksichtigten Episode in den Mund legt. Varianten bei Apollodoros 3,197–198, (Meusel), S. 163f. – Einzelne Formulierungen deuten auf Damm, Einleitung, S. 197–200 als eine von Moritz verwendete Quelle; vgl. S. 198: es werde ihm nicht nach Wunsche mit der Prokris ergehen; S. 199: er hörete in demselben Busche etwas rauschen. Vgl. auch Seybold, Einleitung, S. 436f. 246,16–17 Sohn des D e j o n e u s Ç. . .È E r e c h t h e u s Tochter] Ovid, Metamorphosen 7,694–697 nennt die Abstammungsverhältnisse der Prokris, nicht jedoch die des Kephalos. Zu letzteren Apollodoros 1,86, (Meusel), S. 27 und Hyginus, Fabulae 48, bei denen der Vater Deion heißt. Zu den Namensformen Deion und Deioneus Hederich, Lexicon, Sp. 881. Der phokische König Deion ist nach Apollodoros Sohn des thessalischen Herrschers Aiolos und Bruder des Sisyphos; s. S. 168,30–31 und Erl. im vorliegenden Band. Vgl. Damm, Einleitung, S. 197. 246,18 H y m e t t i s c h e n Gebürge] Der Hymettos ist ein südöstlich von Athen in Attika gelegener Gebirgszug. Vgl. Art. Hymettos, in: KlP 2, Sp. 1267f. 247,6–30 Phaeton Ç. . .È Phaeton verschlang] Straffe Zusammenfassung von Ovid, Metamorphosen 1,750–2,381. Der gr. Name lautet FaeÂuvn (Phae´thon); vgl. z. B. Banier 3, S. 376; Hederich, Lexicon, Sp. 1960. Die Schreibweise Phaeton war jedoch üblich; s. Seybold, Einleitung, S. 412f. Damm, Einleitung, S. 237f. benutzt beide Varianten. 247,7 In Aegypten Ç. . .È erzeugte] Vgl. S. 68,22–28 und Erl. im vorliegenden Band. – Zur Lokalisierung des Phaethon-Mythos in Ägypten, wie sie der Zusammenhang mit der Io-Erzählung bei Ovid nahelegt (s. Metamorphosen 1,723–749), ausführlich und mit weiteren Spekulationen über ägyptische Verbindungen Banier 3, S. 380f. 247,8 H e l i o s oder dem Sonnengotte] Ovid nennt den Gott Phoebus; bei Hyginus, Fabulae 152A und 154 heißt er Sol (Sonne). Seybold, Einleitung, S. 412 spricht von Apollon (der den Beinamen Phoibos trägt; s. Hederich, Lexicon, Sp. 1991). Den Hintergrund der unterschiedlichen Bezeichungen bildet die Identifikation von Helios und Apollon; zu ihr vgl. S. 47,10–12 und Erl.

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247,13 beim Styx] Ovid, Metamorphosen 2,46 spricht von der dis iuranda palus (Fink, S. 65: dem Pfuhl, bei dem die Götter schwören). Mythenkenner beziehen dies einvernehmlich auf das Unterweltgewässer Styx, bei dem die Götter unbrechbare Eide ablegen; vgl. Banier 3, S. 376; Seybold, Einleitung, S. 412. Zum schrecklichen unverletzlichen Schwur bei der Styx vgl. S. 51,14–16 und Erl. im vorliegenden Band. 247,23 E r i d a n u s ] Den Eridanos führt Hesiod, Theogonie, 338, (Voss), S. 105 unter den Söhnen des Okeanos an. Über die Identifikation des mythischen Stroms mit einem wirklichen waren sich auch antike Autoren nicht einig; zu verschiedenen Optionen vgl. Art Eridanos, in: KlP 2, Sp. 357. Nach Hederich, Lexicon, Sp. 1034 könnte es sich um den Po handeln – eine Meinung, die Damm, Einleitung, S. 237f., für unsicher hält. 247,24 H e l i a d e n Ç. . .È A e g l e ] Ovids Erzählung von der Verwandlung der Heliaden (Metamophosen 2,340–366) enthält weder den Namen Aegle, noch erklärt der Dichter, dass es sich bei den Bäumen um Pappeln handle. Vgl. hingegen Hyginus, Fabulae 154 und 156, der allerdings Phaethusa (so die korrekte Schreibweise) nicht kennt, dafür jedoch weitere Heliaden nennt. Bei Damm, Einleitung, S. 238 finden sich L a m p e t i e , P h a e t u s a , A e g l e . Zu den Heliaden im Überblick Hederich, Lexicon, Sp. 1228f. 247,26–27 die sich Ç. . .È verhärteten] Auch nach Damm, Einleitung, S. 238 ist Bernstein (Electrum) ein Harz, welches im Wasser sich härtet. Hingegen liest man bei Ovid, Metamorphosen 2,364–366: inde fluunt lacrimae, stillataque sole rigescunt / de ramis electra novis, quae lucidus amnis / excipit (Fink, S. 85: Aus ihr 〈der Rinde〉 dringen die Tränen, träufeln herab von den jungen

Zweigen und werden, in der Sonne erstarrt, zu Bernstein, den der klare Strom aufnimmt). Über die Entstehung von Bernstein waren im 18. Jh. unterschiedliche Theorien im Umlauf. Vgl. z. B. Art. Bernstein, in: Zedler 3, Sp. 1395f.; Johann Juncker, Conspectus Chemiae Theoretico-Practicae. Vollständige Abhandlung der Chemie Nach ihrem Lehr-Begrif und der Ausübung Ç. . .È, Dritter Theil, Halle 1753, S. 68. 247,30–32 Mit Freund und Schwestern Ç. . .È abgebildet] Winckelmann erläutert und beschreibt ausführlich ein Sarkophagrelief dieser Motivik in der Villa Borghese in Rom; vgl. Monumenti antichi inediti, Textbd., S. 210, Nr. 43 mit den Erl. ebd., S. 215–218 (wo auch weitere Reliefs dieser Art am selben Ort erwähnt sind; vgl. ebd., Kommentarbd., S. 296); s. ferner Winckelmann, Allegorie, S. 44; 63. Vgl. Sichtermann/Koch 1975, S. 59–62 mit den zugehörigen Abbildungen; das von Winckelmann beschriebene Relief entspricht Kat. 66; Franc¸ois Baratte, Art. Pha-

Stellenerläuterungen

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ethon I, in: LIMC 7/1, S. 351f., Nr. 9; 11; 12; 14–17; 19. – Auch wenn die Sarkophage in RDI nicht erwähnt sind, kann Moritz sie selbst gesehen haben. In NC, S. 53 und 60 (KMA 2) spielt der Sturz des Phaethon als Motiv eines Sarkophags in der Villa Borghese erneut eine Rolle. 248,2–3 Der Ta r t a r u s oder E r e b u s Ç. . .È untersinkend dachte] Im Folgenden gibt Moritz eine Zusammenstellung weit im Westen angesiedelter unterweltlicher Orte; vgl. dazu schon S. 51,21–33 mit den Erl. Zu Tartaros und Erebos Hesiod, Theogonie, 116–123, (Voss), S. 87. In der Frage, ob beide als Unterwelt schlechthin gleichzusetzen sind, votiert Damm, Einleitung, S. 104f. abweichend von Moritz. Damm zufolge ist der Tartaros, analog zur Hölle, den Verdammten vorbehalten (während die Guten in das E l y s i o n P e d i o n gelangen). Ebd., S. 108 auch zur Lokalisierung im Westen. Nach Hesiod, Theogonie, 744, (Voss), S. 138 befindet sich dort der düsteren Nacht graunvolle Behausung. 248,4–9 wo auch die Behausung Ç. . .È Atlas Schultern] Vgl. S. 51,21–30 im vorliegenden Band. 248,6–8 in dem a t l a n t i s c h e n O c e a n Ç. . .È Frühling herrschte] Vorstellungen bei griechischen Autoren von weit im Westen gelegenen Glücksgefilden, die später immer wieder aufgegriffen wurden (z. B. Pindar, Olympische Oden 2,71–77, Olympische Siegshymnen [Gedike], S. 21; Vergil, Aeneis 6,637–647, wo Aineias seinen Vater Anchises im Elysium aufsucht), findet man schon bei den ältesten Dichtern. Hesiod, Werke und Tage, 167–172, (Voss), S. 19 lässt im Rahmen der Geschlechterfolge, die sich an das goldene Zeitalter anschließt, einen Teil des vierten Geschlechts (desjenigen der Heroen) im Tod enden, während der andere auf die Insel der Seligen gelangt: Diesen entfernt von den

Menschen Verkehr und Wandel gewährend, / Ordnete Zeus der Vater den Siz am Rande des Weltalls, / Fern bei den Ewigen dort, wo Kronos übet die Herschaft. / Und sie wohnen nunmehr, mit stets unsorgsamer Seele, / An des Okeanos tiefem Gewog’, in der Seligen Inseln, / Hochbeglückte Heroen; denn Honigfrüchte zum Labsal / Bietet des Jahrs dreimal der triebsame Grund des Gefildes. S. auch Homer, Odyssee 4,561–568, (Voss), S. 84: nach einer Verheißung des Proteus soll Menelaos am Ende seines Lebens an die Enden der Erde, / In die elisische Flur gelangen, wo Ewig wehn die Gesäusel des leiseathmenden Westes. 248,10–11 Gärten der H e s p e r i d e n Ç. . .È Kinder der Nacht] Vgl. S. 57,14–15 und Erl. im vorliegenden Band mit weiteren Hinweisen. 248,15 Vorgebirge T ä n a r u m Ç. . .È Reich des Pluto] Vgl. S. 156,4–5 und Erl. im vorliegenden Band.

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248,16–17 in T h e s p r o t i e n Ç. . .È A c h e r o n und K o c y t u s ] Zu den Unterweltströmen v. a. Homer, Odyssee 10,513–514, (Voss), S. 202; Vergil, Aeneis 6,295–297. Zu Acheron und Kokytos als wirklichen Flüssen und zu ihrer geographischen Lage in Thesprotien vgl. Banier 4, S. 51–54; Hirschfeld, Art. Acheron 1), in: RE 1, Sp. 217f. Entsprechend einer antiken Gewohnheit scheint Banier das in Epeiros (vgl. S. 121,26–27 im vorliegenden Band) gelegene Thesprotien (vgl. Art. Thesprotoi, in: KlP 5, Sp. 155f.) mit Epeiros insgesamt gleichzusetzen. 248,18–19 wo T h e s e u s und P i r i t h o u s zu den Schatten stiegen] Zu Theseus’ und Peirithoos’ Abstieg in die Unterwelt und zur Lokalisierung dieses Abenteuers im Rahmen rationalisierender Deutungen vgl. S. 193,16–27 und Erl. 248,20–22 Gift aushauchenden Ç. . .È Eingang in die Unterwelt] Vergil, Aeneis 6,237–242: spelunca alta fuit vastoque inmanis hiatu, / scrupea, tuta

lacu nigro nemorumque tenebris, / quam super haud ullae poterant inpune volantes / tendere iter pennis: talis sese halitus atris / faucibus effundens supera ad convexa ferebat. / [unde locum Grai dixerunt nomine Aornon.] (Fink, S. 259: Eine weite Grotte war da, ungeheuer klaffte in schroffer Felswand ihr Rachen, und den Zutritt verwehrten der schreckliche See und finstere Wälder. Darüber vermochte kein Vogel ungestraft auf seinen Schwingen hinwegzufliegen: Ein solcher Gifthauch entquoll dem schwarzen Schlund und stieg auf zum Himmelsgewölbe. [Deswegen nannten die Griechen den Ort Aornos.]) Über die Vögel, die wegen der aufsteigenden Dämpfe ins Wasser fallen, wenn sie den See überfliegen, berichtet als Legende ferner Strabon 5,4,5, (Penzel) 2, S. 747f., der auch den gr. Namen des Gewässers ´ ornos, ohne im Gebiet von Pozzuoli westlich von Neapel nennt ( ÍAornow; A Vögel). – Vgl. die Beschreibung, die Moritz in RDI 2, S. 32f. (KMA 5/2) ebenfalls unter Verwendung der Vergil-Stelle vom Lago d’Averno gibt. 248,28–30 A d e s Ç. . .È Auge blickte] Die Herleitung von ÏAdhw, ÆAi dhw (Ha´des, Aı´des) o. ä. von iÆdeiÄn (ide´in, sehen) mit a privativum, die für den Namen des Gottes zu der Bedeutung unsichtbar/unsichtbar machend führt oder auch den Gott mit dem Finsteren in Zusammenhang bringt, war schon in der Antike bekannt und wird sowohl in der Mythenkunde des 18. Jhs. (Hederich, Lexicon, Sp. 60; Damm, Einleitung, S. 101) als auch (neben Alternativen) in der neueren Mythenforschung diskutiert (Prehn, Art. Hades, in: RE, Supplementbd. 3, Sp. 867; Art. Hades, in: KlP 2, Sp. 903). 249,1 unterirdische oder s t y g i s c h e Jupiter] Vergil, Aeneis 4,638 nennt den Gott Jupiter Stygius. Vgl. Banier 4, S. 69; Damm, Einleitung, S. 101 ( D i s oder Z e u s S t y g i u s ).

Stellenerläuterungen

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249,2 dem Jupiter ähnlich, nur mit finstrerm Blick] Nach Winckelmann, Geschichte 1776, 1, S. 289; 291 sind vermeyntliche Köpfe des Jupiters, die keinen gnädigen und gütigen Blick haben, in Wirklichkeit Darstellungen des Hades. Zur Hades-Ikonographie im Vergleich mit Zeus auch Winckelmann, Anmerkungen, S. 43f. Vgl. Seybold, Einleitung, S. 168, der sich auf Winckelmann beruft; Seeger 1, S. 504. 249,3–4 zweizackigten Zepter Ç. . .È eiserne Krone] Nach Seeger 1, S. 503 wird Hades dargestellt Als ein alter geschleyerter Mann, mit kraussen

Haaren, der im Finstern auf einem Throne sitzt, eine eiserne Krone, (mit zwey Bögen) trägt, und ein zweyzackigt Zepter von Ebenholz in der Hand hält. Zeitgenössische Antiquare kannten Hades-Darstellungen mit zweizackigem Zepter auf konsularischen Münzen der röm. Zeit. Vgl. z. B. Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 82, der zusätzlich auf ein Diadem verweist; Andreas Morell,

Thesaurus Morellianus, Sive Familiarum Romanarum Numismata Omnia Ç. . .È. Accedunt Nummi Miscellanei, Urbis Romae, Hispanici, Goltziani Dubiae Fidei Omnes. Nunc primum edidit & commentario perpetuo illustravit Sigebertus Havercampus, 2 Bde., Amsterdam 1734, 2, S. 89; 294 mit den zugehörigen Abbildungen in Bd. 1; Ramler, Mythologie 1, S. 62. Schon S. 72,33–73,2 (und Erl.) im vorliegenden Band hatte Moritz ein ähnliches Instrument, darin Lippert folgend, mit Blick auf Kronos als Zepter identifiziert. In RDI 3, S. 235 (KMA 5/2) zählt Moritz unter den allegorischen Fresken in der Farnesina Amoretten auf, die u. a. mit dem Zweizak des Pluto und dem Cerberus spielen. – Von Ebenholz ist jenseits von Seeger in den Quellen nur mit Blick auf die Krone die Rede (Giraldi, Historia, Sp. 193; Cartari, S. 148; Hager, S. 529), von Eisen gar nicht – auch nicht bei Lippert, Dactyliothec 1, S. 35f., Nr. 83–85, auf den sich Seeger beruft. Auch die zusätzlichen Hinweise von Hederich, Lexicon, Sp. 2029f., führen zu nichts. Die Zeitgenossen kennen im Übrigen viele weitere Attribute. 249,4 sein Helm machte u n s i c h t b a r ] Hades’ unsichtbar machenden Helm erwähnt schon Homer, Ilias 5,845, (Stolberg) 1, S. 148, wo Athene ihn trägt. Der Helm gehört nach Apollodoros 1,7, (Meusel), S. 5 zu der Ausrüstung, die Zeus, Hades und Poseidon von den aus dem Tartaros befreiten Kyklopen für den Kampf gegen die Titanen bekommen. Vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 2028; Seeger 1, S. 504. Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 76f. weist darauf hin, dass der Helm nicht Gegenstand der antiken Kunst sei. 249,5–8 Zum öftern Ç. . .È Aegyptische Jupiter] Außer der Rolle des gnadenlosen Unterweltherrschers spielte Hades auch die eines Fruchtbarkeitsspenders. Mit diesem Aspekt steht sein zweiter Name – Pluton, nachweisbar seit dem 5. Jh.

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Götterlehre

v. Chr. – im Zusammenhang (Ernst Wüst, Art. Pluton, in: RE 21/1, Sp. 998f.). – Der Sarapis-Kult, dessen Wurzeln im Apis-Kult von Memphis liegen, wurde wohl zum Zweck der Vermittlung zwischen Ägyptern und Griechen von Ptolemaios I. (367/66–283/82 v. Chr.) in Alexandria eingeführt und verbreitete sich später auch in die gr., schließlich in die röm. Welt. Ein Attribut dieses Gottes, in dem Eigenschaften von Zeus, Hades und Dionysos mit solchen ägyptischer Gottheiten, v. a. Osiris, amalgamiert wurden, war der auf dem Haupt getragene Scheffel (vgl. Art. Sarapis, in: KlP 4, Sp. 1549; Hornung 1999, S. 71). – Plutarch, Über Isis und Osiris 27–28, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 408f. folgend identifizieren zeitgenössische Mythenkenner Sarapis mit Hades, im Übrigen aber auch mit Zeus (vgl. Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 2/2, S. 294). Die Fragen nach dem Alter von Sarapis und nach seiner Abgrenzung gegenüber anderen ägyptischen Göttern gaben Anlass zu mancherlei Diskussionen (vgl. z. B. Banier 2, S. 178–187 mit Anm. 148; Pluche, Histoire du ciel, S. 148; Hederich, Lexicon, Sp. 2187–2194). Die Formel der Aegyptische Jupiter wurde für Sarapis in zeitgenössischen Quellen nicht ermittelt. Banier 3, S. 381 spricht z. B. von Osiris als aegyptischem J u p i t e r , Hederich, Lexicon, Sp. 1737 mit Bezug auf Nilus. – Für zeitgenössische Abbildungen von Hades als Jupiter Sarapis mit Scheffel vgl. Rossi, Gemme antiche figurate 2, Nr. 36; für die Deutung als Gottheit von Fruchtbarkeit und Reichtum ebd., S. 77f.; Winckelmann, Description, S. 83, Nr. II/353 (bei Furtwängler 1896, Nr. 9749 unter den modernen Pasten »meist nach antiken Steinen«); Lippert, Dactyliothec 1, S. 290–293, Nr. 844–863 (Schublade 1/17). – Während seiner Italienreise besuchte Moritz die Ruinen des angeblichen Jupiter-Sarapis-Tempels in Pozzuoli; vgl. RDI 3, S. 41 (KMA 5/2) sowie das Frontispiz von RDI 2. Tatsächlich handelt es sich allerdings um die Überreste des Marktgebäudes. – Zum Ganzen Roeder, Art. Sarapis 1), in: RE 1A/2, Sp. 2394–2426; Art. Sarapis, in: Lexikon der Ägyptologie 5, Sp. 870–874. 249,10–17 die schöne Dichtung Ç. . .È Thron erhoben] Vgl. S. 97,12–99,2 mit den Erl. im vorliegenden Band. 249,18–19 P e r s e p h o n e Ç. . .È Verwesung deutet] Damm, Einleitung, S. 102:

Der Zustand der Ve r w e s u n g oder der Z e r s t ö h r u n g des Leibes nach dem Tode, hieß bey den Griechen P h e r s e p h o n e oder P e r s e p h o n e , welcher Name ein völliges tödten, verderben und zerstöhren bedeutet. Dieselbe Deutung bei Behrisch, S. 102. Andere Zeitgenossen schlagen abweichende Etymologien vor (vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1950f.) oder argumentieren, wie die neueren Autoren, überhaupt zurückhaltend. Zu Versuchen der Namensdeutung samt ihrer antiken Vorgeschichte F. Bräuninger, Art. Persephone, in: RE 19/1, Sp. 946–948.

Stellenerläuterungen

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249,19–21 In dem unterirdischen Pallaste Ç. . .È düstern Throne] Die Vorstellung von den in der Unterwelt thronenden Göttern entstammt nicht literarischen, sondern bildlichen Quellen. Vgl. Damm, Einleitung, S. 102: Sie wird daher

als eine im Finstern sitzende ernsthafte Frau mit einer Krone, neben dem Pluton g e b i l d e t . S. auch Hederich, Lexicon, Sp. 2103. In RDI 2, S. 121 (KMA 5/2) – s. auch VTO, S. 106 (KMA 3) – beschreibt Moritz einen im Kapitolinischen Museum von Rom aufbewahrten Sarkophag, der auf einem der Deckelreliefs Pluto und Proserpina mit dem Cerberus zu ihren Füßen zeigt. Das Relief ist abgebildet bei Bottari, Museo Capitolino 4, Tafel 29 (dazu die Erl. S. 162). Zur Identifikation s. die Erl. in RDI. 249,22 dreiköpfigte C e r b e r u s ] Vgl. S. 57,24 und Erl. im vorliegenden Band. 249,23 morschen Kahne Ç. . .È über den Fluß] Zu der Vergil-Stelle, auf die Moritz anspielt, s. S. 250,2–5 und Erl. Zu Charon auch Vergil, Aeneis 6,299–416. In literarischen Quellen erscheint der Ferge seit Aischylos; vgl. Waser, Art. Charon 1), in: RE 3, Sp. 2177f. 249,25–28 mit den Seufzern Ç. . .È Flammen fort] Acheron, Pyriphlegethon, Kokytos und Styx gehören schon zur homerischen Unterwelt; s. Homer, Odyssee 10,513–514, (Voss), S. 202. Die drei zuerst genannten sind redende Namen (von aÍxow, a´chos, Not; pyÂr, pyr, Feuer; fleÂgein, phle´gein, brennen; kvkyÂein, koky´ein, wehklagen), ihre Deutung ist antiken Ursprungs; vgl. Wentzel, Art. Acheron 6), in: RE 1, Sp. 218; Pieske, Art. Kokytos, in: RE 11/1, Sp. 1066. Moritz dürfte an Damm, Einleitung, S. 106 anschließen: Eben derselbe Strom hieß auch

A c h e r o n , der voll lauter Ach fließet; imgleichen K o k y t o s , der Heulende: wodurch die Tr a u e r über die Verstorbenen verstanden wurde. Ç. . .È Und in so ferne die todten Körper v e r b r e n n e t zu werden pflegten, und also der brennende Scheiterhaufen bezeichnet werden sollte; hieß der Strom P y r i p h l e g e t h o n , der mit Feuer brennende. Zu Acheron und Kokytos vgl. Erl. zu S. 248,16–17; zum Pyriphlegethon zusätzlich Vergil, Aeneis 6,550–551. 249,28–29 des über alles furchtbaren S t y x Ç. . .È gedacht] Vgl. S. 50,17–51,33. 249,29–31 aus dem wohlthätigen L e t h e Ç. . .È drückte] Hesiod, Theogonie, 227, (Voss), S. 95 kennt Lethe (Vergessenheit) als Tochter der Eris. Hingegen ist die Unterweltquelle, aus der die Verstorbenen bzw. die ins Leben Zurückkehrenden wenn auch nicht immer als wohlthätig verstandenes Vergessen trinken, anders als die bereits genannten vier Unterweltströme erst später nachweisbar. Einschlägige Vorstellungen – zu ihrer Rekonstruktion und Deutung Philipp, Art. Lethe, in: RE 12/2, Sp. 2141–2144 – entwickeln sich im Anschluss an verschiedene Platon-Stellen. Vgl. Vergil, Aeneis 6,703–751; Damm, Einleitung, S. 107.

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Götterlehre

249,33–250,2 G r a b Ç. . .È e n g e s H a u s ] Wohl eine Anspielung auf Vergil, Aeneis 6,269, wo der Titelheld mit der Sibylle perÇ. . .È domos Ditis vacuas et inania regna (Fink, S. 261: durch Plutos öde Welt und sein Reich ohne Leben) schreitet. In der Götterlehre verbindet Moritz stereotyp die Unterwelt mit dem Attribut öde; vgl. S. 40,14–15, 130,26, 249,21. Eine antike Belegstelle für e n g e s H a u s ist nicht ermittelt. Hingegen findet man denselben Ausdruck leicht in der Dichtung des 17. und 18. Jhs. als Metapher für das Grab. Vgl. z. B. Christian Gryphius’ Leichengedicht Bey Hr. H. v. K. u. Z. Kaufmanns Eltisten und Vorsteher zu St. M. Magdal., in: Ders., Poetische Wälder, Frankfurt, Leipzig 1698, S. 527: Der Nachruf läßt sich nicht in Sarg und Grab versperren / Ihm steht kein enges Haus und kein Gefängniß an. – Mit Ödnis, Leere, Enge und Grab aktiviert Moritz eine Bildwelt, die sich im Anton Reiser der melancholischen Befindlichkeit des Protagonisten zuordnet. Literarisch wird sie von der Forschung auf die Ossian-Rezeption bezogen. Vgl. AR, KMA 1, S. 317 (und Erl.): Was ihm

aber auf dem Kirchhofe den Gedanken des Todes so schrecklich machte, war die Vorstellung des K l e i n e n , die, so wie sie herrschend wurde, in seine Seele eine fürchterliche L e e r e hervorbrachte, welche ihm zuletzt unerträglich war. – Das K l e i n e nahet sich dem Hinschwinden, der Vernichtung – die Idee des K l e i n e n ist es, welche L e i d e n , L e e r h e i t , und Tr a u r i g k e i t hervorbringt – das Grab ist das e n g e H a u s , der Sarg ist eine Wohnung, s t i l l , k ü h l , u n d k l e i n . Vgl. z. B. auch Aus K...s Papieren, in: DW, KMA 11, S. 176: Da er die kleine Stadt mit ihrem Thurm vor sich liegen sahe, so kam ihm alles so enge, so öde, so grabmäßig vor. Zur Interpretation Pauly 1999, S. 202. 250,2–5 m o r s c h e Kahn Ç. . .È beschwert] Vergil, Aeneis 6,412–414: simul

accipit alveo / ingentem Aenean. gemuit sub pondere cumba / sutilis et multam accepit rimosa paludem (Fink, S. 269: Dann Ç. . .È nimmt 〈Charon〉 den gewaltigen Aeneas ins Boot. Da ächzte unter der Last der Nachen aus Binsenbündeln und schluckte, löchrig wie er war, Sumpfwasser in Menge). 250,13–17 versammleten sich Ç. . .È erlitten hatten] Homer, Odyssee 11,34–43, (Voss), S. 206f.: Und nachdem ich flehend die Schaar der Todten gesühnet, / Nahm ich die Schaf’, und zerschnitt die Gurgeln über der Grube; / Schwarz entströmte das Blut: und aus dem Erebos kamen / Viele Seelen herauf der abgeschiedenen Todten. / Jüngling’ und Bräute kamen, und kummerbeladene Greise, / Und aufblühende Mädchen, im jungen Grame verloren. / Viele kamen auch, von ehernen Lanzen verwundet, / Kriegerschlagene Männer, mit blutbesudelter Rüstung. / Dicht umdräng-

Stellenerläuterungen

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ten sie alle von allen Seiten die Grube, / Mit graunvollem Geschrei; und bleiches Entsezen ergriff mich. 250,17–19 Seine Mutter Ç. . .È davon flieht] Homer, Odyssee 11,204–208, (Voss), S. 212f.: Also sprach sie; da schwoll mein Herz vor inniger Sehnsucht, / Sie zu umarmen, die Seele von meiner gestorbenen Mutter. / Dreimal sprang ich hinzu, an mein Herz die Geliebte zu drücken; / Dreimal entschwebte sie leicht, wie ein Schatten oder ein Traumbild, / Meinen umschlingenden Armen. Ebd. 11,218–222, (Voss), S. 213: dies ist das Loos der Menschen, wann sie gestorben. / Denn nicht Fleisch und Gebein wird mehr durch Nerven verbunden; / Sondern die große Gewalt der brennenden Flamme verzehret / Alles, sobald der Geist die weißen Gebeine verlaßen. / Und die Seele entfliegt, wie ein Traum, zu den Schatten der Tiefe. 250,19–21 Der Schatten des Agamemnon Ç. . .È k e i n e K r a f t m e h r ] Homer, Odyssee 11,391–394, (Voss), S. 219: Und nun weint’ er laut, und vergoß die bittersten Thränen, / Streckte die Hände nach mir, und strebte mich zu umarmen. / Aber ihm mangelte jezo die spannende Kraft und die Schnelle, / Welche die biegsamen Glieder des Helden vormals belebte. 250,21–27 Ulysses redete Ç. . .È To d t e n h e r r s c h e n ] Für Odysseus’ Ansprache an Achilleus vgl. Homer, Odyssee 11,478–486, (Voss), S. 222. Achilleus’ unmittelbar anschließende Antwort ebd. 11,488–491, (Voss), S. 223 lautet: Preise mir jezt nicht tröstend den Tod, ruhmvoller Odüßeus. / Lieber möcht’ ich fürwahr dem unbegüterten Meier, / Der nur kümmerlich lebt, als Tagelöhner das Feld baun, / Als die ganze Schaar vermoderter Todten beherschen. 250,27–29 des H e r k u l e s Schattenbild Ç. . .È Sitz hat] Vgl. 165,31–166,6 und Erl. 250,31–251,6 hörte Ç. . .È das Leben kürzte] Vergil, Aeneis 6,426–444: Conti-

nuo auditae voces vagitus et ingens / infantumque animae flentes, in limine primo / quos dulcis vitae exsortis et ab ubere raptos / abstulit atra dies et funere mersit acerbo. / hos iuxta falso damnati crimine mortis. / Ç. . .È proxima deinde tenent maesti loca, qui sibi letum / insontes peperere manu lucemque perosi / proiecere animas. quam vellent aethere in alto / nunc et pauperiem et duros perferre labores! / fas obstat, tristisque palus inamabilis undae / alligat et novies Styx interfusa coercet. / Nec procul hinc partem fusi monstrantur in omnem / lugentes campi: sic illos nomine dicunt. / hic quos durus amor crudeli tabe peredit, / secreti celant calles et myrtea circum / silva tegit (Fink, S. 269f.: Gleich darauf ließen sich Stimmen ver-

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Götterlehre

nehmen und lautes Wimmern und Weinen von Kinderseelen, die an der Schwelle des Daseins, ohne einen Anteil am süßen Leben, der Mutterbrust entrissen, ein Unglückstag dahinraffte und ins finstere Grab sinken ließ. Neben diesen finden sich die auf falsche Anschuldigung hin zum Tod Verurteilten. Ç. . .È Ganz nahe bei jenen hausen in Trübsal alle, die sich ohne Verschulden mit eigener Hand den Tod gaben und, des Erdendaseins müde, ihr Leben wegwarfen. Wie gerne wollten sie jetzt in der Oberwelt Armut ertragen und drückende Not! Göttliche Ordnung verwehrt es, der schreckliche Pfuhl mit seinen widrigen Wassern läßt sie nicht fort, es bannt sie die Styx in neunfacher Schlinge. Unweit von da – sie erstrecken sich weit nach allen Seiten – zeigt man die Trauergefilde; so werden sie nämlich genannt. Diejenigen, die unglückliche Liebe in qualvollem Leid dahinsiechen ließ, entrücken hier einsame Steige, und ringsum verbirgt sie ein Myrtenwald). 251,7–9 Zur Linken Ç. . .È Aufenthalt der Seeligen] Vgl. Vergil, Aeneis 6,540–543, wo die Sibylle spricht: hic locus est, partis ubi se via findit in ambas: / dextera quae Ditis magni sub moenia tendit, / hac iter Elysium nobis; at laeva malorum / exercet poenas et ad inpia Tartara mittit (Fink, S. 277: Hier ist der Ort, wo sich der Weg nach zwei Seiten hin teilt: Auf dem, der rechts zur Stadt des gewaltigen Pluto führt, kommen wir ins Elysium. Der linke hingegen vollzieht an den Bösen die Strafe und bringt sie in den ruchlosen Tartarus). 251,9–10 vorzüglich der Seelen Ç. . .È befleckt hatten] Zu den Gefilden der Seligen vgl. vor allem Vergil, Aeneis 6,637–665. Im Elysium finden sich Helden der Vergangenheit, im Kampf für das Vaterland Gefallene, gottesfürchtige Priester und Dichter. Moritz bezieht sich speziell auf V. 648–649, wo Vergil auf die Stammväter von Troja Bezug nimmt: Hic genus antiquum Teucri, pulcherrima proles, / magnanimi heroes, nati melioribus annis (Fink, S. 283: Hier ist das altehr-

würdige Geschlecht des Teucer, herrliche Mannen, gar hochgemute Helden, geboren in besseren Jahren). Nicht gemeint, wenigstens nicht direkt, ist der Mythos vom goldenen Zeitalter; zu ihm S. 27,4–11 und 37,10–17 mit den Erl. im vorliegenden Band. 251,11–13 wo Aeneas Ç. . .È enthüllte] In Vergil, Aeneis 6,703–892 legt der Dichter dem im Gespräch mit Aineias begriffenen Anchises eine Reinkarnationslehre in den Mund, die es ihm erlaubt, den (aus Aineias’ Perspektive) künftigen Aufstieg Roms in Gestalt der kommenden röm. Heroen, die ihre Rückkehr in die obere Welt erwarten, sichtbar zu machen.

Stellenerläuterungen

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251,15 Pluto Ç. . .È Cerberus] Abb. 30. Lippert, Dactyliothec 1, S. 35f., Nr. 84 (Schublade 1/2). 251,16–18 C h a r o n Ç. . .È die Hand reicht] Abb. 30. Lippert, Dactyliothec 1, S. 37f., Nr. 87 (Schublade 1/2): C h a r o n , in seinem Kahne; zu ihm bringt

Merkurius die Seele eines Alten, welche ihm das Fährgeld in die Hand giebt. 251,20–21 T i s i p h o n e Ç. . .È nimmer ruhende] Die Erinyen bzw. Eumeniden oder Furien treten schon bei Homer als Unterweltdämonen (z. B. Ilias 9,454; 571–572, [Stolberg] 1, S. 235; 239; Odyssee 2,135, [Voss], S. 32), bei Hesiod als Töchter von Gaia und Uranos (s. S. 21,12–17 im vorliegenden Band) in Erscheinung. In ihrer älteren Gestalt repräsentieren sie den Racheanspruch Einzelner, denen sie sich jeweils zuordnen. Deshalb steht ihre Anzahl zunächst nicht fest. Als drei für sich existierende Rachedämonen sind sie nicht vor Euripides bezeugt, z. B. in Orestes, 1650, (Werke [Bothe]) 1, S. 328, ihre Namen hingegen noch später, etwa bei Vergil, Aeneis 6,571; 7,324; 12,846; Apollodoros 1,3, (Meusel), S. 4. Vgl. Rohde 1895, S. 7–22. – Zur Deutung der Namen Damm, Einleitung, S. 110: Die

älteste und vornehmste heisset T i s i p h o n e , die Mordrächerin; und ihre zwey jüngere Schwestern heißen A l e c t o , die nicht ruhende, und M e g ä r a , die hoch und übel aufnehmende. Vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 184; 1551; 2381f. mit weiteren Erklärungen, Versionen und Quellenangaben. 251,21–24 strenge Ç. . .È schrecklichen Erscheinungen] Banier 4, S. 114: Das

Alterthum hat sie allezeit für Dienerinnen von der Rache der Götter, für strenge und unerbittliche Göttinnen angesehen, deren einzige Beschäfftigung darinnen bestanden, das Laster zu bestrafen, Ç. . .È dadurch daß sie ruchlose Verbrecher so wohl mit Gewissensbissen, die ihnen keine Ruhe liessen, als auch durch schreckliche Erscheinungen, die dieselben oft sinnlos machten, ohne Aufhören quälten. 251,22–23 mit Schlangenhaaren Ç. . .È in den Händen] Vgl. S. 42,15–20 mit den Erl. 251,24–25 Sie verfolgten O r e s t Ç. . .È keine Rast] Vgl. S. 237,21–238,3 im vorliegenden Band. 251,25–28 Die Ehrfurcht Ç. . .È versöhnen] Nach Euripides, Iphigenie bei den Taurern, 944 sind die Erinyen aÆnvnyÂmoi (anony´moi, unnennbar). In Euripides, Werke (Bothe) 5, S. 146 ist dieses Attribut nicht wiedergegeben. Bei Sophokles, Oidipus auf Kolonos, 36–43, (Tragödien [Stolberg]) 1, S. 239f. ist die den Erinyen heilige Stätte unbewohnbar, unberührbar. Hederich, Lexicon, Sp. 1129: Sie

wurden dergestalt gefürchtet, daß man sich kaum getrauete, sie zu nennen.

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Götterlehre

S. ferner ebd., Sp. 1130; Conti, Mythologiae, S. 145; Banier, Dissertation sur les Furies, S. 67; Banier 4, S. 116–120. 252,1 Die Strafen Ç. . .È im Tartarus] Vorlage für die folgenden Abschnitte über die in der Unterwelt zu Strafen Verurteilten dürfte das Kapitel Die Geschichte derer, welche von den Poeten in den Tartarus gesetzt worden in Banier 4, S. 154–178 sein, das über die von Moritz vorgestellten Beispiele hinaus auch von den Giganten und Titanen, Tityos und den Aloiden handelt, allerdings nicht von Ixion. 252,5–9 in die Behausung Ç. . .È nähern wollen] Von den mythologischen Figuren, mit denen sich Moritz bis zu diesem Punkt beschäftigt hat, ist als Beispiel für den Neid der Götter v. a. Prometheus zu vergleichen (s. S. 30,5–36,34 mit den Erl.). Ihm steht Herakles gegenüber, dem es gelingt, den Abstand zwischen Götterund Menschenwelt zu überwinden; vgl. die mit der vorliegenden verwandte Formulierung S. 162,8–13. 252,11–19 Diesen weisen Ç. . .È erhoben hatte] Weitgehendes Einvernehmen besteht in den Quellen über Tantalos’ Herkunft aus Kleinasien; außer Lydien (Banier 4, S. 166) kommen jedoch auch Phrygien und Paphlagonien in Frage. In manchen Erzählungen gilt Tantalos als Sohn des Zeus und der Nymphe Pluto. – Tantalos, der das Privileg der Teilnahme am Göttermahl genießt, plaudert anschließend Geheimnisse aus, von denen er bei dieser Gelegenheit erfahren hat. Vgl. Diodorus Siculus 4,74,1–2, (Stroth) 2, S. 142; Hyginus, Fabulae 82; Ovid, Ars amatoria 2,605–606; ders., Amores 2,2,43–44. Zu weiteren Vergehen (Diebstahl von Nektar und Ambrosia, »Schlachtung des Pelops« u. a.) vgl. Willy Scheuer, Art. Tantalos, in: Roscher, Sp. 78f. Moritz’ Bemerkungen auch zum hohen Sinn seiner Rede beziehen sich jedoch vor allem auf Goethe, Iphigenie auf Tauris, 310–325, in: Goethe’s Schriften 3, S. 321. Zu Tantalos Hederich, Lexicon, Sp. 2281–2283; Banier 4, S. 166–170 mit weiteren Varianten; Damm, Einleitung, S. 226f. 252,15–17 zum Knecht Ç. . .È G ö t h e n s I p h i g e n i e ] Goethe, Iphigenie auf Tauris, 320–321, in: Goethe’s Schriften 3, S. 21. Abweichung von der Vorlage:

Des großen Donn’rers. 252,19–24 Des Tantalus Strafe Ç. . .È ausstreckte] Homer, Odyssee 11,582– 592, (Voss), S. 226. Einen Grund für die Qualen, die Tantalos erleidet, gibt die

Odyssee nicht an. Für eine Darstellung der Strafe vgl. auch Seneca, Thyestes, 152–175. Andere Autoren berichten stattdessen von einem Felsblock, der drohend über Tantalos hängt. Vgl. z. B. Pindar, Olympische Oden 1,57–58, (Olympische Siegshymnen [Gedike]), S. 4. Beide Strafen bei Hyginus, Fabulae 82. – In dem Aufsatz Ueber die bildende Nachahmung des Schönen tritt Tantalos

Stellenerläuterungen

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zusammen mit Sisyphos (vgl. S. 254,25–255,9 mit den Erl.) als Beispiel für die Leiden des Individuums auf, das angesichts der Vollkommenheit des Schönen der eigenen Mangelhaftigkeit gewahr wird; solche Qualen werden ihrerseits erst im Rahmen des Naturganzen, in der Gattung schön (BNS, S. 47; KMA 3). 252,28–30 seinen Sohn Ç. . .È zu prüfen] Pindar, Olympische Oden 1,46–51 (Olympische Siegshymnen [Gedike]), S. 3f.; Euripides, Iphigenie bei den Taurern, 386–389, (Werke [Bothe]) 5, S. 116, die jedoch diesen Teil des TantalosMythos verwerfen. Vgl. im Übrigen weitere Anspielungen wie Tibull 1,4,63; Seneca, Thyestes, 144–148. S. Banier 4, S. 168. 252,30–253,3 die furchtbare Neugier Ç. . .È Daseyns zu erforschen] Die Deutung, der zufolge Tantalos ein Exemplum der Neugier samt ihrer selbstzerstörerischen Folgen ist, kann als Moritz’ eigene gelten. Möglicherweise bezieht sie sich zuletzt auf die Mythologie selbst, die, als Sprache der Phantasie, ihr Erkenntnispotential einbüßen müsste, wenn sie ihrer Unschärfen beraubt wäre. Zum Geheimnis der Pythia, das vor dem Frevel der Neugier geschützt ist, vgl. etwa S. 125,22–27. Schon im Anton Reiser hatte Moritz das Gefahrenpotential beschrieben, das er im neugierigen Enthüllen angelegt sieht. Vgl. AR, KMA 1, S. 35:

Wie groß ist die Seligkeit der Einschränkung, die wir doch aus allen Kräften zu fliehen suchen! Sie ist wie ein kleines glückliches Eiland in einem stürmischen Meere: wohl dem, der in ihrem Schooße sicher schlummern kann, ihn weckt keine Gefahr, ihm drohen keine Stürme. Aber wehe dem, der von unglücklicher Neugier getrieben, sich über dies dämmernde Gebirge hinauswagt, das wohlthätig seinen Horizont umschränkt. 253,6–8 Er entwandte Ç. . .È gekostet werden] Pindar, Olympische Oden 1,60–64, (Olympische Siegshymnen [Gedike]), S. 4f. 253,8–11 stahl er den Hund Ç. . .È büßten] Antoninus Liberalis, Metamorphoses 36, (Jacobs), S. 135; Banier 4, S. 167; vgl. Ranke-Graves 2001, S. 353. 253,11–13 Geschlecht des J a p e t Ç. . .È auf sich lud] Moritz bezeichnet Japet, der zusammen mit den übrigen Titanen und mit seinen Nachkommen von Zeus mit schwerer Strafe belegt wird, an anderer Stelle als Stammvater der Menschen, da der den Göttern verhasste Menschenerschaffer Prometheus von ihm abstammt. Vgl. S. 30,5–17 mit den Erl. 253,15–29 I x i o n Ç. . .È übersteigen ließen] Vgl. v. a. Lukian, Göttergespräche 9 (Hera und Zeus; Sämtliche Werke 2, S. 46–50). Unberücksichtigt bleibt bei Moritz der Umstand, dass Ixion, mit dem sich verlorene Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides beschäftigten, auch als »der erste Verwandtenmörder« (Art. Ixion, in: DNP 6, Sp. 119) in die Mythologie eingeht. – Vgl. Pindar, Pythische

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Oden 2,21–48, (Pythische Siegshymnen [Gedike]), S. 58–60; Diodorus Siculus 4,69,3–5, (Stroth) 2, S. 135f. (mit einer Vorgeschichte); Hyginus, Fabulae 62. Urheber des Blendwerks der Wolke ist in den genannten Quellen letztlich Zeus. – Während z. B. bei Pindar die Bestraftung auf dem Rad in der Luft stattfindet, verlegen spätere Autoren sie gern in den Tartaros; vgl. außer Hyginus und Lukian u. a. Apollonios, Argonautika 3,61–62, (Bodmer), S. 100; Vergil, Georgica 3,38–39. – Zu Ixions thessalischer Herkunft Banier 4, S. 457f.; s. ansonsten auch Damm, Einleitung, S. 168f.; Hederich, Lexicon, Sp. 1415–1417; Waser, Art. Ixion 1), in: RE 10/2, Sp. 1373–1378. – Den Ixion-Mythos erwähnt Moritz auch an anderen Stellen seines Werks. Vgl. RDE, KMA 5/1, S. 118 (zusammen mit dem DanaidenMythos); Die Unschuldswelt, in: GL, KMA 6, S. 391. 253,29–31 Die immerwährende U n r u h e Ç. . .È selber drehen] Ovid, Metamorphosen 4,461 beschreibt die Zwecklosigkeit folgendermaßen: volvitur Ixion et se sequiturque fugitque (Fink, S. 197: Es wirbelt Ixion im Kreise und folgt und flieht sich selbst). 254,3–4 Phlegyas Ç. . .È bevölkerte] Pausanias 9,36,2, (Goldhagen) 2, S. 463. Moritz’ Quelle zu Phlegyas dürfte Banier 4, S. 162–165 sein. Vgl. im Übrigen Eitrem, Art. Phlegyas, in: RE 20/1, Sp. 266–269. 254,5 Söhne des Mars] So in keiner Quelle ermittelt. Moritz könnte sich auf Banier 4, S. 164 beziehen: Dieser Sieg 〈im Kampf um Delphi〉 vermehrte die Tapferkeit und Kühnheit der Phlegyer; wie sie denn auch H o m e r als ein sehr kriegerisches Volk vorstellt. Es geschieht solches in derjenigen Stelle der I l i a s , wo der Dichter vom M a r s , und vom S c h r e c k e n redet, das diesen Gott zum Vater hat; und er setzet die Phlegyer in Ansehung der Tapferkeit in eben dieselbe Reihe. Banier spielt an auf Homer, Ilias 13,298–302, (Stolberg) 2, S. 14. 254,6–9 Als nun Apollo Ç. . .È Tempel des Apollo] Vgl. Lactantius Placidus, Kommentar zu Statius, Thebais 1,713; Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 6,618. Zum Kriegszug gegen Delphi auch Pausanias 9,36,2, (Goldhagen) 2, S. 463f. 254,6–7 K o r o n i s ] Apollon und Koronis sind die Eltern des Heilgottes Asklepios; vgl. S. 211,11–29 und Erl. 254,9–10 Dafür schwebt Ç. . .È über seinem Haupte] Antiker Bezugstext ist Statius, Thebais 1,712–715: ultrix tibi torva Magaera / ieiunum Phlegyan

subter cava saxa iacentem aeterno premit accubitu dapibusque profanis / instimulat, sed mixta famem fastidia vincunt. Die Übersetzung bei Statius, Thebais (Schönberger), S. 35 lautet jedoch abweichend: die grimmige Megaera quält, um dich 〈Apollon〉 zu rächen, den hungernden Phlegyas, der in

Stellenerläuterungen

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hohler Grotte liegt, mit ewiger Mahlzeit und reizt ihn mit unreinen Speisen, doch besiegt dabei Ekel den Hunger. Vgl. Türk, Art. Phlegyas, in: Roscher 3, Sp. 2380. 254,17–22 Der fünfzig Töchter Ç. . .È Wasser schöpfen] Zum Mord an den Söhnen des Aigyptos s. S. 135,7–18 im vorliegenden Band. Die Strafe beschreibt Ovid, Metamorphosen 4,462–463: molirique suis letum patruelibus ausae / adsiduae repetunt, quas perdant, Belides undas (Fink, S. 197: Sie aber, die

ihren Vettern den Tod zu geben wagten, die Danaiden, schöpfen beständig Wasser, um es nutzlos zu vergießen). Vgl. ferner ebd. 10,43–44; Horaz, Oden 3,11,25–32; Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 10,497. S. Damm, Einleitung, S. 207; Banier 4, S. 171f. 254,26 weisesten Regenten] In Homer, Ilias 6,153, (Stolberg) 1, S. 158 heißt es über die Stadt Ephyre: Sisüfos lebte dort, von allen Menschen der schlauste. Im Anschluss an Homer schwankt Sisyphos’ Bild zwischen Verschlagenheit und Weisheit; zu letzterer neigt etwa Pindar, Olympische Oden 13,52, (Olympische Siegshymnen [Gedike]), S. 129. Vgl. mit weiteren Belegen Bethe, Art. Sisyphos, in: RE 3A/1, Sp. 371f. 254,27–255,1 auf die Spitze Ç. . .È gestattet ist] Homer, Odyssee 11,593–600, (Voss), S. 226f. (ohne Begründung der Strafe); Ovid, Metamorphosen 4,460; Apollodoros 1,85, (Meusel), S. 27; Hyginus, Fabulae 60. Vgl. auch Erl. zu S. 252,19–24. 255,1–5 Sisyphus erreichte Ç. . .È Wort gebrochen] Unterschiedlich lautende Begründungen für die Strafe, die Sisyphos auferlegt ist, liefern erst nachhomerische Autoren. Moritz’ Version fasst die detailreicher ausgesponnene Erzählung von Pherekydes, Genealogien, Fragment 119 zusammen (in: Die Fragmente der griechischen Historiker, hrsg. v. Felix Jacoby, Erster Teil, Leiden 1957, S. 92. Für eine Übersetzung s. Seidensticker/Wessels 2001, S. 17). Vgl. Bethe, Art. Sisyphos 1), in: RE 3A/1, Sp. 373–375 (mit weiteren Versionen). Für diese Erzählung berufen sich Mythographen des 18. Jhs. wie Banier 4, S. 157 und Hederich, Lexicon, Sp. 2225f. auf Conti, Mythologiae, S. 414, der sie ohne Quellenangabe referiert. Wenn Moritz die Erzählung von der Überlistung des Todes als poetische Verkleidung eines hohen Alters deutet, lehnt er sich an die rationalistische Erklärung von Banier 4, S. 158 an. 255,11 S i s y p h u s Ç. . .È wälzend] Abb. 31. Winckelmann, Description, S. 316, Nr. III/13. Nach Furtwängler 1896, Nr. 8874 handelt es sich um ein Stück aus dem 16. oder 17. Jh.

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255,12 Amor und Psyche sich umarmend] Abb. 31. Moritz könnte sich auf ein Sarkophagrelief beziehen, das er im Kapitolinischen Museum gesehen hatte und auf das er in RDI 2, S. 119 (KMA 5/2) zu sprechen kommt (vgl. auch VTO, S. 103, KMA 3): Amor und Psyche umarmen sich, um auf die Vereinigung der Seele und des Körpers anzuspielen (Genaueres dort in den Erl.; Kapitolinische Museen, Inv.-Nr. 329; Bottari, Museo Capitolino 4, Tafel 25). Die Kupferstich-Wiedergabe ist in diesem Fall allerdings eher frei. 255,14 Amor und Psyche] Moritz’ Referat folgt der Erzählung, die Lucius Apuleius (um 123–nach 170) als die weitaus bekannteste von insgesamt 16 Erzählungen in seinen Roman Metamorphoses (Verwandlungen) 4,28–6,24 einlegt. Eine ausführliche, von Moritz abweichende Paraphrase auch bei Hederich, Lexicon, Sp. 2114–2118. Von den Metamorphosen lagen zwei komplette Übersetzungen ins Deutsche vor (Ain schön lieblich auch kurtzweilig Gedichte Lucii Apulei von ainem gulden Esel 〈übers. v. Johann Sieder〉, Augsburg 1538. – Der Goldne Esel aus dem Lateinischen des Apuleius von Madaura. Von August Rode. 2 Bde., o. O. [Berlin], auf Kosten des Verfassers 1783; für die Erzählung von Amor und Psyche s. in dieser Übersetzung Bd. 1, S. 166–255), von denen die jüngere nur wenige Jahre vor der Götterlehre erschienen war. Die Übersetzung der Erzählung von Amor und Psyche hatte Rode bereits drei Jahre zuvor auch separat drucken lassen (Psyche. Übersetzt von A. Rode, Berlin 1780). August Rode (1751–1837), dem Urheber dieser Übersetzung, der als Pädagoge und Staatsmann in Dessau wirkte, könnte Moritz sogar begegnet sein: Im Frühjahr 1778 hatte er sich für mehrere Wochen am Philanthropin in Dessau aufgehalten (vgl. Klischnig, S. 21–37). Rode gab seinerseits die zweite Auflage eines von Moritz aus dem Englischen übersetzten Werks heraus: Anfangsgründe der feinen Lebensart

und Weltkenntniß, zum Unterricht für die Jugend beiderlei Geschlechts, auch zur Beherzigung für Erwachsene, von Dr. John Trusler. Aus dem Englischen übersetzt von Karl Philipp Moritz. Zweite Auflage, umgearbeitet, auch mit Zusätzen und einer Nachlese aus Chesterfield und anderen, inngleichen hin und wieder mit einigen Abänderungen versehen durch August Rode, Berlin 1799; s. KMA 11, S. 610; 620. – Für die Metamorphosen, die die Erlebnisse des in einen Esel verwandelten Lucius schildern, konnte Apuleius auf eine in gr. Sprache verfasste Vorlage zurückgreifen, die nicht erhalten ist. Als Motiv der bildenden Kunst ist auch das Amor/Psyche-Paar älter als Apuleius’ Roman; es lässt sich bis in das dritte Jh. v. Chr. zurückverfolgen (Holm 2006, S. 68; 83–85). Hingegen ist für die Erzählung von Amor und Psyche keine ältere Fassung bekannt. – Die Erzählung macht von mythologischen Motiven Gebrauch, ordnet sich aber

Stellenerläuterungen

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mit ihren literarischen Finessen, ihrer preziösen Szenerie, ihrem psychologischen Differenzierungsgrad und den Anspielungen auf die platonische Seelenleere in die nachklassische röm. Literatur ein. Für einen Überblick über die Deutungsperspektiven s. ebd., S. 85–91. Neben bildkünstlerischen Darstellungen hat die Zusammenfassung in der Götterlehre eine jüngere literarische Vorgeschichte vor allem anakreontischen und empfindsamen Charakters, die durch Gedichte aus der Feder von Gleim, Johann Georg Jacobi, Wieland, Goethe und Friedrich Matthisson vertreten wird (ebd., S. 18; 35–51; 145–147). Zu nennen ist auch Ludwig Theobul Kosegartens Psyche. Ein Mährchen des Altertums. Zwote umgearbeitete Ausgabe. Leipzig 1789 (ebd., S. 107). – Antikes und neueres Bildmaterial war zu Moritz’ Zeit leicht zugänglich; vgl. Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/1, S. 185; Winckelmann, Description, S. 150–159; Lippert, Dactyliothec 1, S. 284–286, Nr. 823–835; RDI 3, S. 236 (KMA 5/2; Fresken von Raffael und seinen Mitarbeitern Giulio Romano und Giovanni Francesco Penni in der Gartenloggia der Villa Farnesina in Rom). 255,16–24 Unter der Psyche Ç. . .È Schleier deckt] Anschluss an einen Programmpunkt der Götterlehre, die Widerstrebendes – das Destruktive und das Konstruktive, das Vergehen und die Unsterblichkeit, die leidbestimmten Erfahrungen des Einzelnen und die Schönheit des Ganzen – zueinander ins Verhältnis setzt. Insbesondere führt das Märchen von Amor und Psyche in Moritz’ Paraphrase die Problemstellung fort, mit der sich der Verfasser schon anlässlich der Apotheose des leidgeprüften Herakles beschäftigt hatte; vgl. S. 165,31–166,6 und Erl. Das Apuleius-Referat knüpft auch an eine Formulierung aus dem Gesichtspunkt-Kapitel an, der zufolge die mythologischen Dichtungen – wie Psyche – kein leeres

Traumbild oder bloßes Spiel des Witzes sind, das in die Luft zerflattert (S. 14,1–2). Wie im Fall von Herakles bleibt gleichwohl zweifelhaft, ob Moritz die Spannungsverhältnisse, Psyches Schönheit zum Trotz, nicht doch am Ende zugunsten einer transzendenten Ideenwelt auflöst; vgl. Gödde 2010, S. 178f. 255,21–22 Der Nahme Ç. . .È S e e l e ] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 2119. 255,25–256,5 sie blieb unvermählt Ç. . .È sich zurück] Apuleius, Metamorphosen 4,32–5,6 (Rode) 1, S. 173–188. 255,31 Zephir] Zephyros ist eine Personifikation des freundlichen Westwinds. Für frühe Erwähnungen vgl. z. B. Hesiod, Theogonie, 378–379; 869–870, (Voss), S. 108; 149 (Westwind). S. ferner Hederich, Lexicon, Sp. 2498; Art. Zephyros, in: KlP 5, Sp. 1513. 256,6–10 auf ihren Wunsch Ç. . .È hinweggetragen] Apuleius, Metamorphosen 5,7–21 (Rode) 1, S. 189–207. In der Erzählung gelingt es den Schwestern bei ihrem dritten Besuch, Psyches Argwohn anzustacheln.

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Götterlehre

256,11–17 Psyche befolgte Ç. . .È sie verließ] Apuleius, Metamorphosen 5,21–24 (Rode) 1, S. 207–212. 256,18–28 Voll Verzweiflung Ç. . .È mit dem Tode] Apuleius, Metamorphosen 5,25–27 (Rode) 1, S. 212–216. Treuebruch und Tod der Schwestern gehen auf eine List zurück, die Psyche selbst anwendet. 256,29–30 Um den Amor Ç. . .È umher] Psyches Suche und ihre vergeblichen Bemühungen um die Hilfe von Demeter und Hera sind bei Apuleius, Metamorphosen 5,28–6,5 (Rode) 1, S. 224–230 breit ausgemalt. 256,30–257,1 Venus selber Ç. . .È Beistande schickte] Apuleius, Metamorphosen 6,8–15 (Rode) 1, S. 233–243. Psyche muss Saaten sortenrein trennen, Wolle von renitenten Schafen beschaffen und Styxwasser holen; dies gelingt ihr mit der Hilfe von Ameisen, des Schilfs und von Zeus’ Adler. Die Hilfe ist nicht von Amor veranlasst. Da Psyche sich bei der zweiten und dritten Probe wie auch vor dem Gang in die Unterwelt den Tod wünscht, hat die Unterstützung jeweils lebensrettenden Charakter. 257,3–24 in die Unterwelt Ç. . .È Vorwürfe machte] Apuleius, Metamorphosen 6,16–21 (Rode) 1, S. 243–250. Schon quantitativ bildet der Besuch in der Unterwelt das Hauptstück der Apuleius-Paraphrase. Da diese Prüfung die Voraussetzung für Psyches Apotheose bildet, bindet Moritz an dieser Stelle die Vergänglichkeits-, Vernichtungs- und Depressionslandschaften, in die das Unterweltkapitel Einblick gewährt, an die Welt der Olympier zurück. Die Stimme ist diejenige des Turms, von dem sich Psyche vor dem Gang in den Tartaros stürzen will. 257,25–30 sie ward Ç. . .È vermählte] Apuleius, Metamorphosen 6,21–24 (Rode) 1, S. 250–255. Zeus’ Eingreifen, die Verleihung der Unsterblichkeit an Psyche und das Hochzeitsmahl sind in der Erzählung ausführlich dargestellt.

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Mythologischer Almanach für Damen Überlieferung 1. Textgrundlage D1 Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammen-

gestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittnen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Berlin, bei Johann Friedrich Unger, 1791. D2 Mythologischer Almanach für Damen. Herausgegeben von Karl Philipp Moritz. Berlin. Bei Johann Friedrich Unger. 1792. S. 〈I〉–〈II〉 Vorbericht; S. 〈1〉–187 Haupttext. Format: 8°. Satzspiegel: 8,4 x 5,3 cm. Fraktur. 17 Zeilen pro Seite. Hervorhebungen durch Sperrdruck, abgesetzte Gedichtzeilen in kleinerem Schriftgrad. Der Druck enthält keine Kustoden. Jeweils auf den Recto-Seiten der ersten beiden Blätter eines Druckbogens findet sich eine Druckbogenzählung (A/A2–M/M2). 12 ganzseitige Kupferstiche nach antiken Gemmen, davon der erste (Zeus, Hermes, Ares und Poseidon im Tierkreis) als Frontispiz, die übrigen, jeweils zum Kapitelbeginn, nach S. 40, 52, 64, 72, 94, 104, 118, 130, 144, 160, 166. Am Rand des Frontispiz-Stichs links: Carstens del〈ineavit〉; rechts: D. Berger. Sc〈alpsit〉 1791. Druckvorlage: Bayerische Staatsbibliothek München, Signatur: Res/Ant. 265 c; Staatsbibliothek preußischer Kulturbesitz, Signatur: Qb 1562 R. Druckvorlage für die Abbildungen: Goethe-Museum Düsseldorf/Antonund-Katharina-Kippenberg-Stiftung, Signatur: KK 5614

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Mythologischer Almanach für Damen

Grundlage für den edierten Text: D2

2. Varianten 271,13–15 Saturnus Ç. . .È gebohren wurden] S a t u r n u s vermählt sich mit

seiner Schwester der Rhea Ç. . .È. Saturnus ist zugleich ein Bild dieser zerstörenden Zeit. Er Ç. . .È verschlingt seine eigenen Kinder, so wie sie gebohren werden: D1 271,16 Rhea seufzte] So wie die Erde seufzte, daß der umwölbende Himmel ihre Kinder in ihrem Schooße gefangen hielt, so seufzt nun R h e a D1 271,17 eignen] eigenen D1 271,18–16 war. Da sie nun] ist. Und da sie D1 271,19 Jupiter] J u p i t e r D1 271,20 sollte, so flehte] soll, so fleht D1 271,21–23 an. Ç. . .È der Rhea] an. Die uralten Gottheiten sind ihrer Herrschaft entsetzt, und haben nur noch Einfluß durch Weissagung und Rath; sie rathen D1 271,24 Jupiter] J u p i t e r D1 271,24–26 einer Ç. . .È solle. Auf] eine fruchtbare Gegend, in Kreta, verbergen soll. – Die wilde umherschweifende Phantasie heftet sich nun auf einen Fleck der Erde, und findet auf dem Eilande, wo dies Götterkind erzogen werden soll, den ersten Ruheplatz. Auf D1 271,26 Mutter Ç. . .È Rhea] Mutter Erde wickelt die R h e a D1 271,27 gab] giebt D1 271,27 Saturnus] S a t u r n u s , D1 271,27 neu gebohrnen Götterkindes] neugebohrnen Götterkindes, D1 271,28–29 verschlingen. Allein] verschlingen. Durch diesen bedeutungsvollen Stein, dessen bei den Alten so oft Erwähnung geschieht, sind der Zerstörung ihre Grenzen gesetzt; die zerstörende Macht hat zum erstenmale das Leblose statt des Lebenden mit ihrer vernichtenden Gewalt ergriffen, und das Lebende und Gebildete hat Zeit gewonnen gleichsam verstohlner Weise sich an das Licht emporzudrängen. Allein D1 271,29 war] ist noch D1 271,30 noch nicht] nicht D1 271,30 mußten] müssen D1 271,31 Kureten oder Korybanten] K u r e t e n oder K o r y b a n t e n D1

Varianten

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271,32 Wesen selbst] Wesen und Ursprung D1 272,1–2 Saturnus] S a t u r n u s D1 272,10 Ihn säugte] Die Erziehung des J u p i t e r auf der Insel Kreta macht eines der reizendsten Bilder der Phantasie; ihn säugt D1 272,10 Amalthea] A m a l t h e a D1 272,11 wurde] wird D1 272,12 brachten] bringen D1 272,12 führten] führen D1 272,13 waren] sind D1 273,12 Nun seufzte die Erde] Die Erde seufzt D1 273,13 sann] denkt D1 273,13 schmiedete] schmiedet D1 273,14 gab sie,] giebt sie D1 273,14–16 ihrem jüngsten Ç. . .È entmannte] dem Saturnus, ihrem jüngsten

Sohne. Die wilden Erzeugungen müssen aufhören; U r a n o s , der seine eigenen Kinder in nächtlichem Dunkel gefangen hält, muß seiner Herrschaft entsetzt werden. – Sein jüngster Sohn S a t u r n u s überlistet ihn, da er sich mit der Erde begattet, und entmannet seinen Erzeuger mit der Sichel, D1 273,18 Die Kinder Ç. . .È sich nun.] Nun vermählen sich die Kinder des Himmels und der Erde, und pflanzen das Geschlecht der Titanen fort. D1 273,21–23 ihre Benennung Ç. . .È auflehnt] Die T i t a n e n sind das Empörende, welches sich gegen jede Oberherrschaft auflehnt; es sind die u n m i t t e l b a r e n Kinder des Himmels und der Erde, deren weit um sich greifende Macht keine Grenzen kennet D1 273,27 Dieser, welcher] Er, der D1 273,27–28 hatte, verschlang auch] hat, verschlingt D1 274,8–9 Dem Jupiter Ç. . .È ihrer Spitze] Die neuern Götter, mit dem J u p i t e r an ihrer Spitze, versammleten sich D1 274,9 Titanen] T i t a n e n D1 274,10 Othrys;] Othrys, D1 274,18 aufeinander] auf einander D1 274,24 die Hundertärmigen, standen] standen D1 274,31–33 und die S t y x Ç. . .È Jupiter über] Auf den Rath ihres Erzeugers ging die Styx mit ihren Söhnen, in dem Götterkriege, zu dem Jupiter über D1

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Mythologischer Almanach für Damen

274,34 diese beiden Söhne der Styx] ihre Söhne D1 275,8 Die drei Ç. . .È theilten nun] Nun theilten die drei siegreichen Söhne des S a t u r n u s D1 275,14 S c h m a c h ] Schmach D1 275,17 gebar] gebahr D1 275,21–22 P o r p h i r i o n ] P o r p h y r i o n D1 275,22 R h ö t u s ] R h ö t u s D1 Rhökus D2 275,23 tapfere] tapfre D1 276,4 Rhötus] Rhökus D2 277,19 Jupiter] J u p i t e r D1 277,24–25 Als Jupiter Ç. . .È weißagte ihm] So weißagte ihm, als er sich mit

der weisheitbegabten M e t i s , einer Tochter des O c e a n u s vermählt hatte, D1 277,29 vorzubeugen,] vorzubeugen D1 278,1–2 vermählte Ç. . .È Musen.] die Musen; D1 278,3–4 erzeugte er die Ç. . .È Gerechtigkeit.] die Göttinnen der Eintracht und Gerechtigkeit; D1 278,5–6 erzeugte er die Grazien.] die Grazien; D1 278,7 Titanen Cöus] Cöus D1 278,8 erzeugte er den Apoll und die Diana.] den Apoll und die Diana; D1 278,9 erzeugte er den] den D1 278,10 erhabenen] erhabnen D1 278,12 behauptete] behauptet D1 278,13 J u p i t e r ] Jupiter D1 278,15 hatte] hat D1 278,15 verleidete] verleidet D1 278,17 Mit der Ç. . .È Jupiter,] Mit seiner Macht und Hoheit vereint sich D1 278,17–18 Fülle der] F ü l l e d e r D1 278,22 Allesumwebende] Allesdurchwebende D1 278,24 g o l d e n e n ] g o l d n e n D1 278,31 Stiers] S t i e r s D1 278,31 Blick] Blick, D1 279,1 K r e t a s ] Kretas D1 279,4 Thiergestalten] T h i e r g e s t a l t e n D1 279,5 ganze] g a n z e D1

Varianten

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279,6 unedles] Unedles D1 279,6 Höchsten] höchsten D1 279,10 Sitz;] Sitz; – D1 279,11 selber;] selber; – D1 279,12 lächelt] lächelt, D1 279,19 empor,] empor; D1 279,30–31 Falten. Auch] Falten. Am unbeschränktesten ist die Macht des

Donnergottes; – es ist die mindermächtige Juno, die den Jupiter ü b e r l i s t e t ; – und Merkur der Götterbote, der nur die Befehle der höhern Mächte vollzieht, ist der L i s t i g s t e unter den Göttern. Auch D1 280,2–3 dicht gekräuselten] dichtgekräuselten D1 280,3–4 zusammendrängt. Bei] zusammendrängt. »Er winket mit den schwarzen Augenbraunen; – er schüttelt die ambrosischen Locken auf seinem unsterblichen Haupte, – und der Olymp erbebt. –« Bei D1 280,6–7 aus: »Eine] aus: Eine D1 280,7 goldene] goldne D1 280,9 Kette,] Kette; D1 280,13 S i t z e ] S i t z D1 280,14 h ä n g t . «] h ä n g t . D1 280,17 alles] a l l e s D1 280,24 goldene] goldne D1 280,25–26 emporgezogen.] empor gezogen. – D1 283,13 ist Ç. . .È umgiebt;] war der L u f t k r e i s , w e l c h e r d i e E r d e u m g i e b t ; D1 283,14 vermählt] v e r m ä h l t e D1 283,15 Glanz] Glanz der Sonne D1 283,18 I r i s , ] I r i s , eine Tochter des Thaumas, D1 283,19 Himmelsköniginn] Himmelskönigin D1 283,21 in den] i n d e n D1 283,25 Latona] L a t o n a D1 283,28 g ö n n e n ] v e r g ö n n e n D1 283,28 Delos] D e l o s D1 283,28 Eiland] Eiland, D1 283,29 Schwure] Schwur D1 284,4 Cadmus] Kadmus D1 284,7 daß er ihr eben so erscheine] er wolle ihr eben so erscheinen D1

960

Mythologischer Almanach für Damen

284,11 Als] Und als D1 284,17 gebahnt] gebahnet D1 284,18 Juno] Jnno D2 284,20 nehmlich] nemlich D1 284,22 Gestalt] Gestalt am Himmel D1 284,23 dies] dieß D1 284,24 den Dichtungen der Alten] diesen Dichtungen D1 284,26 erhaben] e r h a b e n D1 284,28 b e s c h r ä n k t ] b e s c h r ä n 〈Blockade〉 t D2 284,31 Jupiter, der] Der D1 285,2 spielt.] spielt. – D1 285,3 bezeichnet] bezeichnet nun D1 285,13 selber] selbst D1 286,4 antiken] an /tiken D2 286,10 Erde] Erd’ D1 286,14–15 wie Ç. . .È bedeckte.] w i e d e r S t a h l , d e r s i e b e d e c k t e . D1 286,18 ist] aber ist D1 286,19 auch,] auch D1 286,20 Kriegesgotte,] Kriegesgott D1 287,14 Geschäft,] Geschäft; D1 287,15 sorgen.] sorgen! D1 287,16 In dem Kriege vor Troja] Da nemlich in dem Kriege vor Troja

zuletzt die Götter selber, nachdem sie die Parthei der Griechen oder Trojaner nahmen, sich zum Streit auffordern; so D1 288,8 deutet bei der Minerva] deutet D1 288,8 kalte] k a l t e D1 288,8 Weißheit] Weisheit D1 288,10 U n z ä r t l i c h k e i t ] Unzärtlichkeit D1 288,14 Ulysses,] Ulysses D1 288,15–16 zurückruft.] zurückruft. – D1 288,26 zurück,] zurück, – D1 288,27–28 drückte. – So] drückte. So D1 288,28–29 Friedensstifterin.] Friedensstifterin. – D1 289,1 Minerva ist] So ist Minerva D1 289,1 verwundende] verwnndende D2 289,10 sanften] sanftern D1

Varianten

961

290,3 jugendlicher] jugeudlicher D2 290,9 Die Unterlage Ç. . .È Element] Das Urbild des Neptun ist D1 290,18 Erderschütterer,] Erderschüttrer; D1 290,19 sollte] sollt’ D1 290,21 erstreckt. – Und] erstreckt, – und D1 290,24–25 Misgunst] Mißgunst D1 290,26 Saitenspiel] Seitenspiel D1 290,30 Gränzen] Grenzen D1 291,5 Elemente] Element D1 291,7 möchte] möge D1 291,7 Donnrers] Donnerers D1 291,13 stellte] stellt D1 291,14 Donnerer] Donnrer D1 291,21 Drey] Drei D1 291,26 Achse] Axe D1 291,28 Majestät] Majestät, D1 292,1 f o r t b e w e g t ] f o r t b e w e g t , D1 292,3 Schiffe seine Lust; der Hymnus singt von ihm:] schnellen Schiffe seine Lust. D1 293,2 Delos] D e l o s D1 293,3 Göttinnen,] Göttinnen D1 293,9 gelößt] gelöst D1 293,11 dunkle] dnnkle D2 294,32 bleibe] b l e i b e D1 295,1 P l a t z ] Platz D1 295,10 sanften Pfeil] s a n f t e n P f e i l D1 295,13 keine] k e i n e D1 295,15 süßen] süssen D1 295,18 daß] das D1 295,25 Aeskulap] A e s k u l a p D1 295,33 faßt] faßte D1 296,2 die vom Apollo] diese D1 296,13–14 Bäumen, durch] Bäumen; nur durch D1 296,18 G ö t t e r n ] G ö t - / tern D2 296,19–22 Sein Haupt Ç. . .È durchschimmert] Denn es ist immer die leuch-

tende Sonne selbst, welche in den Bildern vom Helios durchschimmert. Das Haupt des Helios ist mit Strahlen umgeben. Er leuchtet den sterbli-

962

Mythologischer Almanach für Damen

chen Menschen und den unsterblichen Göttern. Er siehet und höret alles, und entdeckt das Verborgene. D1 296,23–24 Eben dieser Ç. . .È G ö t t e r n ] Unter den n e u e n G ö t t e r n heißt der Lenker des Sonnenwagens A p o l l o D1 296,24 des Jupiter] Jupiters D1 296,24 Diana] D i a n a D1 296,25 Latona] L a t o n a D1 296,25 erzeugte. Ç. . .È treffende] erzeugte, die aus dem Titanengeschlechte eine Tochter des C ö u s und der P h ö b e war. Dieser Apollo ist eine bis auf die feinsten Züge a u s g e b i l d e t e Göttergestalt, von der Phantasie mit dem Reitze ewiger Jugend und Schönheit geschmückt; der fernhintreffende D1 297,3 her] h e r D1 297,6 erfreut] erfreuet D1 298,2 in Delphi] nun hier D1 298,8 Gestalt] Jünglingsgestalt D1 298,14 Mangel. – Dieser] Mangel; – dieser D1 298,24–25 Als Apollo Ç. . .È trat; da] er kam zur felsigten Pytho, und stieg von da zum Olymp hinauf, s c h n e l l w i e e i n G e d a n k e , in die Versammlung der übrigen Götter. – Da D1 298,28–29 den Kummer Ç. . .È entgehen.] d e n K u m m e r d e r M e n s c h e n , d i e k e i n M i t t e l f i n d e n , d e m To d e u n d d e m A l t e r z u e n t g e h e n . – D1 299,21 eignen] eigenen D1 300,1 dies] dieß D1 300,5 Apolls] Apollo D1 300,11 Geschäfte] Geschäft D1 301,14 Jupiter] Jnpiter D2 301,16 gieng] ging, D1 301,17 Gipfeln.] Gipfeln. – D1 301,18 goldnen] goldenen D1 301,18 ab:] ab; D1 301,20 Wald] Wald, D1 301,23 genug] gnug D1 302,25 anlockt. – Sie] anlockt; – sie D1 302,28 werfend,] werfend; D1

Varianten

963

303,1 sanfte,] sanfte D1 303,8 Meeres] Meers D1 303,13 von] v o n D1 303,13 Amathunt] A m a t h u n t D1 303,18 Praxiteles] P r a x i t e l e s D1 303,21 Blicke] Blick D1 303,21 Verwunderung] Bewunderung D1 303,27 Cythere] C y t h e r e D1 304,13 dem] den D1 304,15 Gattin] Gattin, D1 304,29 rechtmäßig] rechtmäßigen D1 304,31 nun] uun D2 304,31 kalte] k a l t e D1 305,2 Wollust] Lust D1 305,6 Phantasie,] Phantasie; D1 305,10 zurück] znrück D2 305,12 der mit ihr Ç. . .È Aeneas] dessen schon gedacht ist, daß er den Held Aeneas mit ihr D1 306,9 Meere] Meer D1 306,10 Krone,] Krone; D1 306,11 Arme,] Arme; D1 306,13 Schmuck] S c h m u c k D1 306,16 gespannt.] gespannt. – D1 307,16 mit dem] wie den D1 307,18 triumphiret] triumphiert D1 307,20–21 zugesellte,] zugesellte; D1 307,22 Tapferkeit] Tapferkeit nachahmend D1 307,27 s o ] so D1 307,30 Kriegesgott] Kriegsgott D1 307,31 Sturm] Sturme D1 308,5 Streit, –] Streit – 308,5 wohnt] wohnet D1 308,5 die] d i e D1 308,9–10 einen Heere] einem Heer D1 308,13 siegt,] siegt; D1 308,15 Der wilde Mars wußte] Auch wußte der wilde Mars D1

964

Mythologischer Almanach für Damen

308,20–21 Kadmus] Kadmus, D1 308,23 vergeblich,] vergeblich; D1 308,25 wohlgefällt] wohl gefällt D1 308,27 wie] wie nun D1 309,6 seiner] seiner starken D1 309,11 befreien!] befreien! – D1 309,13–14 Gottheiten,] Gottheiten, Minerva und Jupiter D1 310,15 erhabenen] erhabnen D1 310,17 Phantasie] Phantasie der Alten D1 310,18 dem] den D1 310,19 den] dem D1 310,19 hinken.] hinken· D2 310,22 herab] hinab D1 310,23 Göttersitzes] Götterchors D1 310,25 A e t h e r ] Aether D1 310,26 D i e ] Die D1 310,27 bitterer] bittrer D1 311,4 umherreicht.] umherreicht. – D1 311,14 Sturz] Sturtz D1 311,19–20 Flammen stärker oder schwächer] Flamme schwächer oder stärker D1 312,8 Vulkan] Vulkau D2 312,11 Würde,] Würde; D1 312,12 Macht] Kraft D1 312,15 Vulkan] er aber D1 312,28 Vulkan wünschte] Auch wünschte Vulkan D1 313,12–13 bildenden] b i l d e n d e n D1 313,14 schuf] bildete D1 313,14 bei –] bei. – D1 314,19 an;] an; – D1 314,20 höhere] h ö h e r e D1 315,16 bringen] b r i n g e n D1 315,18 hat] hatte D1 315,21 L e i d e n ] Leiden D1 315,26 kannte] selber kannte D1 315,34 wurde] ward D1

Varianten

965

316,2 Tr i p t o l e m u s , ] Tr i p t o l e m u s D1 316,11 Proserpine] Proserpina D1 316,14–15 einen Theil des] e i n e n T h e i l d e s D1 316,15 dürfte] durfte D1 316,25 Leben] Leben ganz D1 317,10 Erysichthon] E r y s i c h t h o n D1 317,12 zwar] zuvor D1 318,25 Flehn!] Flehn¡ D2 319,1 Dunkel] Duukel D2 319,17 mit] auch D1 320,16 Vesta und Merkur] Merkur und Vesta D1 320,19 Ehre;] Ehre; – D1 320,20 ausgegossen.] ausgegossen. – D1 321,15 schneller] s c h n e l l e r D1 321,23 hervorgieng] hervorging D1 321,24 enthält] enthielt D1 321,27 weitesten] w e i t e s t e n D1 322,9 schnelle] s c h n e l l e D1 322,9 wiederhohlt] wiederholt D1 322,13 um,] um D1 322,19 f e h l t e n ] f e h l t e n d i e D1 322,20 Zunge] Z u n g e D1 322,27 reitzender] reizender D1 322,29 nur] nun D1 323,19 er] er auch D1 324,2 und] u n d D1 324,8 Ta g ] Tag D1 324,10 Laute] Laute, D1 325,3 w u ß t e .] w u ß t e . – D1 325,5 wären] verborgen wären D1 325,15 sanftertönende] sanft ertönende D1 325,19 unwiderstehlich] Unwiderstehlich D1 325,19–20 Macht, das S t r e i t e n d e ] Macht, den Zwist zu schlichten, das Streitende D1 325,21 Mit diesem Ç. . .È Merkur] Dem Schooß der Mutter noch nicht lange entwunden, schlug er mit seinem goldnen Stabe D1 326,2 wird] wird nun D1 326,2 d a s ] das D1 326,6 ihren] ihrem D1 326,14 steigt] stieg D1

966

Überblickskommentar Über die Entstehung des Mythologischen Almanachs für Damen ist nichts bekannt. Von den Rezensionen abgesehen sind auch keine Rezeptionszeugnisse nachgewiesen, ebensowenig spätere Auflagen oder nichtautorisierte Drucke – es sei denn, man wollte einen irrigen Hinweis des Moritz-Kritikers Karl Gotthold Lenz als Dokument für die Aufnahme des Almanach in Anspruch nehmen.1 Dem Erscheinungsdatum – der Almanach kam 1792 heraus – und der Beschaffenheit nach steht der Mythologische Almanach für Damen in einem Sekundärverhältnis zur 1791 erschienenen Götterlehre. In Hinsicht auf die Textsubstanz ist er eine ›Auskopplung‹ aus Moritz’ mythologischem Hauptwerk. Als Exempel der Zweitverwertung befindet sich der Almanach unter Moritz’ Schriften in guter Gesellschaft. Auf weitere Beispiele stößt man etwa in Texten, die der Verfasser für das Sammelwerk Die große Loge (1793) aus bereits publiziertem Material zusammenstellte, u. a. aus der Zeitschrift Denkwürdigkeiten (1786) und aus den Fragmenten aus dem Tagebuche eines Geistersehers.2 Moritz hat den Almanach als Extrakt aus einem der eigenständigsten und geschlossensten Teile der Vorgängerschrift zusammengestellt: Eingang in den Almanach fanden ausschließlich Passagen aus den Kapiteln über die olympischen Götter – jedoch nicht diese Kapitel zur Gänze. Die Abschnitte zu einzelnen Göt1

Vgl. 〈Karl Gotthold Lenz〉, Karl Philipp Moritz, in: Nekrolog auf das Jahr 1793. Enthaltend Nachrichten von dem Leben merkwürdiger in diesem Jahre verstorbener Personen. Gesammelt von Friedrich Schlichtegroll, 4. Jg., 2. Bd., Gotha 1795, S. 169–276, hier: S. 270: Zum A l m a n a c h hatte Göthe die Idee und den Plan an die Hand gegeben. Die demselben eingewebten Gedichte zur römischen Liturgie sind auch von Göthe. Hier läuft alles durcheinander: Gedichte zur römischen Liturgie enthält der

Almanach streng genommen nicht, es sei denn, man wollte Horaz’ Verse als solche bezeichnen. Von Goethe sind ohnehin keine derartigen Werke überliefert; allerdings druckt Moritz in der Götterlehre mehrere Hymnen von Goethe sowie Zeilen aus dessen Iphigenie auf Tauris ab. Auch von Goethe als Ideenlieferant für den Almanach ist sonst nirgends die Rede. – Zu Lenz’ Nachruf Wingertszahn 2010. 2 Für Detailangaben vgl. KMA 6 und KMA 11.

Überblickskommentar

967

terfiguren im Almanach weichen in ihrer Reihenfolge von der Anordnung in der Götterlehre ab. Auch im Einzelnen stellt der Verfasser das Material allenthalben um und rekombiniert es; zuweilen sind es einzelne Sätze, die er im Almanach an anderer Stelle platziert. Redaktionelle Eingriffe, die dazu bestimmt sind, Übergänge zu glätten und Anschlussstellen zu schaffen, finden sich zu Beginn (vor allem im Jupiter-Kapitel) häufiger als in späteren Passagen. Da Heroen-Viten und die Paraphrase von Epen- und Dramenhandlungen ausgeschlossen bleiben, entfällt allerdings auch die spannungsreiche Inhomogenität, von der die Götterlehre geprägt ist. – In tabellarischer Form stellt sich das Verhältnis zwischen Götterlehre und Almanach folgendermaßen dar: Götterlehre

Mythologischer Almanach

Kapitel

Seite

Kapitel

Seite

Die Erzeugung der Götter

22,1–8

Jupiters Geburt

271,13–15

22,18–23,10 23,14–18

Der Götterkrieg Styx Der Götterkrieg

21,6–14 21,22 24,2–5 22,7–8 24,11–31 50,22–24 25,1–18 28,6–26 28,29–29,4

Jupiter, der Vater der 61,5–17 Götter Jupiter 64,21–65,14 64,17–20

Juno

72,2–25 73,17–74,10 76,10–22

271,16–272,2

Die Erziehung des Jupiter auf 272,10–13 der Insel Kreta Die Kriege des Donnergottes 273,12–17 273,18 273,21–24 273,27–28 274,8–29 274,31–34 275,8–25 Jupiters Kampf mit dem Rie- 277,2–22

sen Tiphöus Die Vermählungen des Jupi- 277,24–32 ter 278,1–15

Die Verwandlungen des Ju- 278,17–279,8 piter Die Majestät des Donnergot- 279,10–13 tes

Das Urbild der Juno

279,14–33 280,1–26 283,13–23

968 Die Eifersucht der Juno Juno

Minerva Venus Minerva

Neptun

Apollo

Helios Delphi Apollo Diana

Venus Cypern; Gnidus; Cythere Venus Anchises Venus Mars

Mythologischer Almanach für Damen 62,21–63,23

Die Eifersucht der Juno

283,25–284,28

76,23–24 77,22–26 78,1–18 86,6–14 86,21–30 93,9–26 88,13–22 88,3–11 86,31–87,6 87,18–31 83,29–84,11 84,33–85,6 83,16–28

Die Majestät der Juno

284,30–31 284,31–285,2 285,3–20 286,9–16 286,18–27 286,28–287,15 287,16–23 288,8–16 288,23–29 289,1–14 290,9–25 290,26–291,2 291,4–16

85,7–15 85,28–30 82,30–32 81,14–24 79,19–80,26 79,9–13 78,26–79,3 46,24–28 47,10–27 124,14–34 81,26 95,11–26 95,1–10 94,18–31 91,27–92,6 128,12–129,6 92,7–35 216,15–28 93,32–94,9 89,13–90,13

Die Geburt der Minerva Minerva die kriegerische

Minerva die Friedliche Das Urbild des Neptunus Die untergeordnete Macht Neptuns Die Majestät des Neptunus

Die Geburt des Apollo Apollo der Gott der Jugend und der Gott des Todes Das Urbild des Apollo

291,18–26 291,27–29 292,1–3 293,2–12 294,24–295,33

296,2–6 296,7–16 H e l i o s oder der Sonnengott 296,19–22 296,23–297,6 Der wahrsagende Apollo 298,1–22 Apollo der Gott der Dicht- 298,24–29

kunst Das Urbild der Diana Diana die Göttin des Todes Die Majestät der Diana Das Urbild der Venus Die heiligen Wohnplätze der Venus Die furchtbare Macht der Venus Die Majestät der Venus Das Urbild des Mars

299,17–300,3 300,5–14 301,14–27 302,22–303,4 303,6–28 304,13–305,10 305,11–23 306,8–19 307,12–308,13

Überblickskommentar 90,19–29 90,30–91,11

Vulkan

90,14–18 100,16–101,8 101,9–31 101,32–102,9 103,25–104,2 103,6–18

Ceres

Vesta

Merkur

102,33–103,1 97,6–11 99,25–33 97,12–99,2 99,3–24

Mars und Venus im verstoh- 308,15–25 lenen Liebesbündniß Der Ungestüm des Krieges- 308,27–309,12 gottes Das Urbild des Vulkan Die Majestät des Vulkan Die Eifersucht des Vulkanus Der Kampf des Vulkan mit dem Flußgott Skamander Vulkan und Minerva, die bildenden Gottheiten Das Urbild der Ceres

Proserpinens Raub Die Deutung von Proserpinens Raube 100,1–14 Die strafende Macht der Ceres 104,9–18 Das Urbild der Vesta 104,24–105,11 Das heilige Feuer der Vesta 106,12–21 Vesta und Merkur 106,23–107,29 Das Urbild des Merkur 108,8–18 Merkur der Sohn der Maja 108,19–34 Merkur, der Erfinder der Laute 109,1–110,23 Merkur und Apollo 110,24–25 Der Friedensstab des Merkur 107,30–108,7 110,29–33 111,1–5 111,6–9

969

309,13–17 310,14–311,9 311,11–33 312,2–13 312,15–26 312,28–313,11 313,12–14 314,10–15 314,16–24 314,26–316,17 316,19–317,7 317,9–21 319,6–15 319,17–320,7 320,16–25 321,14–322,25 322,27–323,6 323,8–23

323,25–325,16 325,18–19 325,19–29 Merkur der Götterbote 326,2–6 Merkur der Gott des Ringens 326,8–12 Merkur, der Führer der 326,14–17

Todten Wegen der Nähe zu Moritz’ mythologischem Hauptwerk erübrigt es sich, in den Stellenerläuterungen die Hinweise zu Quellen und Gegenständen bzw. im Überblickskommentar die weiterführenden Interpretationsansätze zu wiederholen, die sich im Apparat zur Götterlehre finden.

970

Mythologischer Almanach für Damen

Während sich Götterlehre und Mythologischer Almanach in der mythologischen Programmatik nicht nennenswert unterscheiden, dokumentiert die an die Damen adressierte Schrift eine Neuausrichtung des aus dem Vorläufertext übernommenen Materials, die mit dem generellen Almanach-Konzept3 im Zusammenhang steht und von ihm her verstanden werden kann. Der Almanach-Begriff, den der Druck im Titel führt, darf als Signal für eine mediale Strategie, für eine gezielte Platzierung der Publikation und für den Versuch verstanden werden, die spezifischen Möglichkeiten dieses Genres zu nutzen. Wenn Moritz das kleine Buch als Almanach bezeichnet, sucht er Anschluss an ein Erfolgsmedium des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Musenalmanache gehören zum Beispiel zu Anton Reisers Lektüre4 und werden von Moritz in der Vossischen Zeitung rezensiert.5 Zwischen 1779 und 1781 hatte Moritz mehrere Gedichte in Almanachen veröffentlicht (Leipziger Musenalmanach; Almanach der deutschen Musen u. a.).6 Als ›Almanach‹ bzw. ›Taschenbuch‹ werden anthologieartig strukturierte Drukke im Taschenformat bezeichnet, die oft im Jahresrhythmus herausgegeben wurden und ein Kalendarium enthalten konnten. An das jährliche Erscheinen erinnert möglicherweise auch die Folge von zwölf Gottheiten mit den zugehörigen Kupferstichen im Mythologischen Almanach. Almanache bilden jedenfalls ein Mittelding zwischen Einzel- und Zeitschriftenpublikation; mit letzterer hatte Moritz als Herausgeber des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde und der Denkwürdigkeiten reiche Erfahrungen sammeln können. An die periodische Erscheinungsweise scheint der Verfasser mit dem mythologischen Almanach insofern anschließen zu wollen, als weitere Bände über die schönen Dichtungen der Alten,

über ihre Feste, und in der Folge auch über die n o r d i s c h e M y t h o l o g i e folgen sollten,7 zu denen es allerdings nicht kam. – Die vielleicht bekannteste Erscheinungsform der Almanachliteratur sind die auf Lyrik spezialisierten Musenalmanache, die nach französischem Vorbild seit den 1760er Jahren publiziert wurden.8 Von ihnen unterscheidet sich der Mythologische Almanach schon mit 3

Für einen Überblick vgl. Sauder 1998; Mix 1996; Bunzel 1999. Vgl. KMA 1, S. 251f. 5 Rez. von: Poetische Blumenlese auf das Jahr 1785. Göttingen. und: Musenalmanach für 1785. Herausgegeben von Voß und Göckingk. Hamburg, in: VZ, 128. St., 23. Oktober 1784 (KMA 10). 6 Für Details zu Moritz’ Gedichten s. KMA 2. 7 S. 270,7–10 im vorliegenden Band. 8 Zur französischen Almanachliteratur, besonders zu den Musenalmanachen des 18. und beginnenden 19. Jhs. Lüsebrink 1998. 4

Überblickskommentar

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Blick auf seinen Gegenstand. Allerdings war die Almanach- und Taschenbuchliteratur insgesamt ein flexibles Genre, das unterschiedliche inhaltliche Ausrichtungen zuließ. Musenalmanache legen Zeugnis davon ab, dass schöne Literatur das Reservat der Gelehrsamkeit verlassen hatte und nunmehr eine weitläufigere Leserschaft beschäftigte. Die damit entstandenen Möglichkeiten wendet Moritz auf die Mythologie an. Sein Büchlein führt die Absicht im Schilde, den Stoff den Damen (vielleicht stellvertretend für nichtspezialisierte Interessierte überhaupt) zugänglich zu machen.9 Darin auch eine Marktstrategie zu vermuten, dürfte kein Fehler sein; denn mit dem Projekt, das mit überschaubarem Aufwand umgesetzt werden konnte, erschlossen Verfasser und Verleger ein Publikum, das sich durch die Götterlehre in geringerem Maß, durch das Mythologische Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen hingegen wohl überhaupt nicht ansprechen ließ.10 Mit der Wahl des Titels schließt Moritz an eine eigene Veröffentlichung an. Schon 1782 hatte er die Deutsche Sprachlehre für die Damen11 herausgebracht. Ob Moritz bei der Arbeit an seinen Veröffentlichungen für Damen bestimmte Vorbilder vor Augen standen, braucht angesichts der Dichte der Almanachliteratur an dieser Stelle nicht diskutiert zu werden.12 – Mythologische Stoffe in didaktisch aufbereiteter Form zu verbreiten13 und speziell auf die Bildung von Mädchen oder jungen Damen zuzuschneiden, war nicht unüblich.14 Mythologi-

9

Vgl. Hollmer 1996. Auf die Marktgängigkeit der Almanache mag der Umstand verweisen, dass der Verleger Unger im selben Jahr, in dem der Mythologische Almanach erschien, mit dem Physiognomischen Almanach für das Jahr 1792, Berlin 1792, ein weiteres Beispiel für dieses Medium herausbrachte. 11 DS (KMA 7). 12 Hollmer 1996, S. 1470, vermutet Bernard Le Bovier de Fontenelle, Entretiens sur la pluralite´ des mondes (1686) und Francesco Algarotti, Il Newtonianismo per le dame (1737) als Vorbilder. 13 Vgl. z. B. Martin Grulich, Erleichterte Mythologie, darinn die Fabel-Lehre / von den 10

Heidnischen Götter und Göttinnen in einem angenehmen Götter-Banquet, Kürtzlich und deutlich vorgestellet wird, 2. Auflage, Dresden, Leipzig 〈o.J., ca. 1730〉; Christian Gottlieb Traphage, Handbuch der Griechischen Alterthümer in Rücksicht auf Genealogie, Geographie, Mythologie, Kunst und Geschichte zum Gebrauch für die Jugend beym Lesen der Alten bearbeitet, Leipzig 1789. 14 Vgl. Elisabeth Cacaoult de la Mimardie`re, The young ladies mythology: Or fabulous

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sches Wissen, nicht zuletzt mit Blick auf die Präsenz der Mythen in Literatur, Musiktheater und Kunst, galt als Teil der ›höheren‹ Allgemeinbildung gerade auch von Weltleuten. Um den Kanon der geforderten Kenntnisse zu überschauen, genügt ein Blick auf den Titel der Petite enciclope´die des jeunes gens von Nicolas Wanostrocht (1788): Das Werk berücksichtigt Künste und Wissenschaften im Allgemeinen, unter denen namentlich Astronomie, Geographie, Mythologie und weitere genannt werden.15 Die Notwendigkeit, mythologische Kenntnisse zu erwerben, unterstreichen auch Autoren, die sich nicht schon mit dem Titel an ein bestimmtes Publikum wenden. Als Beispiel sei die Erstauflage von Hederichs Mythologischem Lexicon genannt; die weibliche Leserschaft bleibt im Vorbericht freilich unerwähnt: Einem Polithomme gereiche es zur Schande, wenn er Bildsäu-

len, Gemälde, Bassi rilievi, Medaillen, alte Münzen und dergleichen Dinge nicht anders ansehe als wie die Kuh ein neues Thor.16 Bis zu einem gewissen Grad folgt Moritz mit seinem Almanach für Damen jedenfalls schon begangenen Bahnen. Anders als die Vorgängerliteratur, auch anders als das zwei Jahre später erschienene Mythologische Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen partizipiert der Almanach aber an dem Vorhaben des Verfassers, den Lesern nicht eine Art Hilfsmittel in die Hand zu geben, mit dessen Unterstützung er Zugang zur Welt der Fabeln als »profanem Ornament«17 gewinnen und etwa Werke der bildenden Kunst entschlüsseln konnte, sondern die Mythologie selbst zum Gegenstand der Betrachtung zu machen. Doch vor allem ist sich Moritz in der Adressierung an die Damenwelt mit größeren Teilen der Taschenbuchliteratur einig. Wenn er die anvisierten Leserinnen schon im Titel nennt, bewegt er sich ebenfalls in den Spuren von Almanachen und Taschenbüchern.18 Gleichzeitig mag der Almanach sich an einer »Feminisierung« der Antikerezeption19 beteiligen. Von der Neuausrichtung auf ein weibliches history of the pagan divinities. Digested on an entire new plan, in French and English. The second edition, 2 Bde., London 1783. 15 Nicolas Wanostrocht, Petite enciclope´die des jeunes gens: ou de´finition abre´ge´e des notions re´latives aux arts et aux sciences, a` L’Astronomie, au Blason, a` la Chronologie, a` la Ge´ographie, a` L’Iconologie, a` la Mythologie, a` la Physique, et ge´ne´ralement a tout ce dont il est ne´cessaire et agre´able d’avoir quelques Ide´es nettes et pre´cises. Le Tout Range´ Suivant L’Ordre Alphabe´tique. Avec Figures, London 1788. 16 Hederich, Lexicon, Vorbericht des ersten Verfassers, S. XIII. 17

Starobinski 1990, S. 349. Vgl. Mix 2003, hier bes. S. 193f. 19 Schlaffer 1987, S. 308. 18

Überblickskommentar

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Publikum her werden weitere Änderungen gegenüber der Götterlehre verständlich. Deren augenfälligste besteht, was den Text betrifft, in der Integration von Übertragungen aus der griechischen und lateinischen Hymnen- und Odendichtung. Im Prinzip greift der Verfasser zu derselben Literatur, die er nachweislich auch für die Götterlehre verwendet hat: Moritz stellt eine Auswahl aus den homerischen Hymnen, den Hymnen des Kallimachos und den Oden des Horaz zusammen, um sie an geeigneter Stelle in einem Text zu platzieren, der ohnehin schon vielfach von antiken Vorlagen mit Mythologiebezug Gebrauch macht. Homerische Hymnen und Horazische Oden waren längst vor Beginn der Arbeit an den Schriften zur Mythologie Teil von Moritz’ Grundausstattung mit antiker Literatur.20 Eine stichhaltige Aussage über die Frage, ob auch Moritz’ Kenntnis der Hymnen des Kallimachos älteren Datums ist, lassen die Quellen nicht zu. Im Almanach kommen im Einzelnen auch Dichtungen zum Zuge, die in der Götterlehre keine Spuren hinterlassen haben.21 Statt die zum Teil ausladenden Hymnen und Oden in voller Länge zu zitieren, wählt Moritz einzelne Passagen aus. Teilweise übernimmt er keine zusammenhängenden Versblöcke, sondern setzt verstreute Zeilen oder Passagen im Druck wie zu einem Ganzen zusammen.22 Wie schon für die Götterlehre dürfte auch für den Almanach gelten, dass Moritz die Auszüge aus Horaz-Oden eigenständig nach dem Original übersetzt hat, die griechische Lyrik hingegen nicht ohne die Eselsbrücke lateinischer Fassungen. Dass die Übertragungen wenigstens zum Teil eher frei als wörtlich angelegt sind, nahmen auch schon zeitgenössische Rezensenten wahr.23 Mit dem Konzept eines Mythologischen Almanachs schließt Moritz an das etablierte Medium des Lyrik-Almanachs an. Der Mythologische Almanach beteiligt sich auf seine Weise an der ›poetischen‹ Wendung der Mythographie, zu der Moritz schon in der Götterlehre angesetzt hatte: Für den Almanach steht nicht die Vermittlung mythologischer Stoffe im Mittelpunkt, sondern die Vergegenwärtigung des Mythos als Dichtung. Unter mythologischen Auspizien nimmt das Almanach-Konzept allerdings eine spezielle Wendung. Folgt man dem Vorbericht, 20

Zu Horaz vgl. AR, KMA 1, S. 240,32 und Erl.; zu den Homerischen Hymnen S. 449 im vorliegenden Band. 21 Dies trifft zu auf die Homerischen Hymnen 8 an Ares; 10 an Aphrodite; 12 an Hera; 13 an Demeter; 18 an Hermes; 23 an Zeus; 24 an Hestia. Zu nennen wären aber auch einige der Oden von Horaz. 22 Vgl. u. a. S. 293,17–294,22; 297,8–29; 299,1–7 jeweils mit den Erl. im vorliegenden Band. 23 Vgl. S. 979 im vorliegenden Band.

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so sollen die Dichtungen uns gleichsam ein Bild von der L i t u r g i e der Alten geben. Mit dieser Formulierung bezieht sich der Verfasser vielleicht auf die Vorstellung, dass die Dichtungen in einem letztlich religiösen Rahmen zu verorten sind. Auf einen Einzelnachweis für Anspielungen auf rituelle Vorgänge oder Religionsgewohnheiten bei Horaz, am deutlichsten jedoch in Kallimachos’ Hymnus Auf das Bad der Pallas, sei hier verzichtet. Ebenso erübrigt sich eine Diskussion darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise die Annahme eines rituellen Kontexts auf antike Entstehungs- und Vortragsbedingungen zutreffen mögen.24 Man kann ohnehin davon ausgehen, dass Moritz keinen Anschluss an antiquarische Forschungen sucht, in deren Kanon die gottesdienstlichen Gebräuche seit Varro ihren festen Platz hatten.25 Der Mythologische Almanach verzichtet, wie die Götterlehre, auf den Gestus historisch-kritischer und philologisch abgesicherter Untersuchungen. Statt auf antiquarische Ambitionen zu verweisen, bildet die Idee kollektiver Vergegenwärtigung von Mythen im rituellen Vollzug eine Brücke zu Interessen, denen Moritz in der 1791 erschienenen Anthusa nachgegangen war. Dort ist es der Begriff des Gottesdiensts, den der Verfasser anstelle von Liturgie einsetzt.26 In Anthusa hatte Moritz den Plan verfolgt, den Jahreszyklus römischer Stadtfeste als »Liturgie ohne Transzendenz«27 zu beschreiben, unter dem Aspekt der Weihung des wirklichen Lebens oder wie eine Art von erhöhten irrdischem Lebensgenuß.28 Mit diesen Ausdrücken bezeichnet der Verfasser die symbolische Überhöhung des Alltäglichen im Fest. Dem Ritus schreibt er in Anthusa die Macht zu, Handlungen aus ihrer Zweckbindung zu isolieren, sie zum Gegenstand der Anschauung zu machen und sie als schön erscheinen zu lassen.29 Auf den Gedanken gottesdienstlicher Verwandlung von Lebensvollzügen in das Kunstschöne nimmt Moritz auch in der Götterlehre Bezug.30 Im Almanach beobachtet Moritz die antike rituelle Erfahrung des Mythos aus der Distanz – denn sie gehört der Vergangenheit an –, hält sie aber zugleich als Projekt präsent. Während sich Anthusa mit antiker Religionspraxis befasst, be24

Für einige einschlägige Überlegungen vgl. z. B. Kallimachos (Asper), S. 42–46; Clay 2011. Vgl. Anthusa, Überblickskommentar, KMA 4/1, S. 349–357. 26 Vgl. z. B. Anthusa, KMA 4/1, S. 95,29; 97,1; 233f. 27 Müller 1993, S. 93. 28 Anthusa, KMA 4/1, S. 22. 29 Vgl. ebd., S. 174–176 mit den Erl.; Menz 1979, S. 262–265. 30 Vgl. das Vesta-Kapitel der Götterlehre, S. 104,24–28 im vorliegenden Band. 25

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zieht der Mythologische Almanach das Rituelle fast im Sinn eines Experiments auf gegenwärtige Verhältnisse. Genau für diesen Zweck scheint das Medium Almanach die geeignete Vermittlungsform zu sein. An die Stelle der antiken Opferriten, Umzüge und Maskeraden tritt zwar in der Gegenwart des 18. Jahrhunderts primär der lesende Nachvollzug. Doch für eine anhaltende, geduldige und, wenigstens ausschließlich, einsame Lektüre ist Moritz’ Schrift nicht konzipiert, sondern mindestens ebenso sehr für die gesellige Zusammenkunft. Anders als die Götterlehre besitzt der Almanach eine kleinteilige Gliederung in Unterkapitel, von denen viele den Umfang eines Absatzes nicht überschreiten. Den Buchsatz betrifft die Entscheidung, jedes Unterkapitel auf einer neuen Seite beginnen zu lassen. Auch in dem besonders klein ausgefallenen Oktavformat hätte ohne den großzügigen Satz niemals die Zahl von mehr als 180 Druckseiten erreicht werden können. Diese Gestaltung lässt den Text in eine Vielzahl mythologischer Splitter zerfallen, die auch als Einzelstücke gelesen werden können. Es dürfte nicht einmal überall erforderlich sein, Ober- und Unterkapitel in der Reihenfolge zu lesen, in der sie gedruckt sind; welche Umbaumaßnahmen die aus der Götterlehre übernommenen Texte zulassen, demonstriert Moritz ja selbst. Der Almanach zielt auf eine Lektüre in kleinen Dosen. Als typische Lesesituation der Damenliteratur stellte man sich die morgendliche Toilette vor – gewissermaßen als Schauplatz für eine Lektüre zwischendurch.31 Ebenso darf man, wenn diese Spekulation erlaubt ist, an Konversationskontexte denken, etwa den Spaziergang, das Cafe´, die Lesegesellschaft oder den Salon, wo Damen eine wichtige, ja die tragende Rolle spielten und in denen auch Moritz verkehrte.32 Auf solche Situationen dürfte auch das handliche und handtaschentaugliche Format zielen. Der mythenkundlichen Vorläuferliteratur zum Trotz scheint Moritz auf altertumskundlichem Terrain immer noch Gewohnheitsgrenzen zu unterwandern, wenn er ein einschlägiges Büchlein veröffentlicht, das nicht nach konzentriertem Studium verlangt, sondern auf eine für praktische Vollzüge und allerhand Formen der Geselligkeit offene Lektüre angelegt ist. Winckelmann hat sich jedenfalls durchaus despektierlich über Toiletteschriften geäußert;33 umge-

31

Vgl. S. 982 im vorliegenden Band. Wilhelmy 1989; s. das Register. Allgemein zu Publikum und individueller bzw. geselliger Lektüre von Musenalmanachen Mix 1987, S. 108–115. 33 Johann Joachim Winckelmann, Brief an Friedrich Reinhold von Berg, 3. November 1762, in: Briefe, in Verbindung mit Hans Diepolder hrsg. v. Walther Rehm, 4 Bde., Berlin 1951–1957, 32

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kehrt mag man in dem Mythologischen Almanach eine ernstzunehmende Alternative für das allzu Belanglose oder sogar ein wenig Anrüchige sehen. Die Mythenkunde im Taschenformat eröffnet die Möglichkeit, die antike Liturgie, vor allem den feierlichen Invokationston der Dichtungen, in einen neuen, ihm gänzlich fremden Kontext zu transponieren und beide miteinander zu konfrontieren. Jetzt sind Voraussetzungen gegeben, die es erlauben, an Ort und Stelle die Perspektiven zu verhandeln, die sich mit Blick auf die Mythologie für die Gestaltung von Individualität und Soziabilität ergeben. Es ist nicht notwendig, an dieser Stelle ausführlicher auf die Hartnäckigkeit einzugehen, mit der Moritz auch jenseits der Altertumskunde anthropologische Grundsatzfragen anspricht. Bereits die Ideen, die er mit der redaktionellen Arbeit an der Vossischen Zeitung verband, zielen auf eine Art Kollektivaufklärung: auf ein Lesepublikum vieler einzelner, die vor der Aufgabe stehen, sich im Labyrinth der Perspektiven und Erfahrungen zu orientieren.34 Erst recht darf das Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als eine Unternehmung gelten, die die Absicht verfolgt, die psychische Befindlichkeit von Einzelpersonen im Rahmen einer komplexer werdenden Gesellschaft zu erfassen. – Ein Blick auf die Differenzen, die bei einem Vergleich der Illustrationen von Götterlehre und Almanach zu notieren sind: Mit anderen Almanachen teilt der vorliegende die sorgfältige Ausstattung; auch in der Illustration mit Kupferstichen folgt er der Almanach-Konjunktur im allgemeinen.35 Die Vorzeichnungen zu den Stichen stammen wie im Fall der Götterlehre von Asmus Jakob Carstens; gestochen wurden sie von Daniel Berger (1744–1824), der nach Lehrjahren bei seinem Vater bei Blaise Nicolas Le Sueur an der Akademie der Künste in Berlin studiert hatte und dort ab 1787 Professor war.36

hier: 2, S. 270: Ich wünsche Ihnen Glück zu Ihrem Studio in Sprachen; nur verliehren Sie keine Zeit in Lesung mittelmäßiger Dichter und kleiner nichtswürdiger französischen Toiletteschriften. 34 Ideal einer vollkommnen Zeitung (KMA 10), S. 5: Aus dem ungeheuren Umfange der Wissenschaften sollte sie 〈die Zeitung〉 dasjenige herausheben, was nicht bloß den Gelehrten, oder gar nur eine besondere Klasse der Gelehrten, sondern die ganze Menschheit interessirt. 35

Vgl., allerdings vor allem mit Blick auf Entwicklungen des frühen 19. Jhs., Reifenscheid 1996. Zur Ausstattung von Almanachen, die einen gewissen Hang zum Exklusiven zeigte, Mix 1987, S. 24–30. 36 Art. Berger, Daniel, in: Thieme/Becker 3, S. 394f.

Überblickskommentar

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Keiner der Kupferstiche des Almanach ist aus der Götterlehre übernommen. Jedoch entstammen fast alle Vorlagen der Lippertschen Dactyliothec, derselben Sammlung von Gemmenabdrücken also, der auch der größere Teil der Abbildungen zur Götterlehre entnommen ist. Eine Ausnahme bildet nur der Vestatempel. In Übereinstimmung mit der zeitgenössischen Überzeugung, dass Vesta nicht bildlich dargestellt, sondern als gestaltlose Flamme verehrt wurde, tritt der Tempel – bei dem es sich in Wirklichkeit wohl um den Tempel des Hercules Victor in Rom handelt – an die Stelle eines Götterbilds. In ihrer Machart fallen die Stiche anders aus als die Illustrationen zur Götterlehre. Während dort die Vorlagen auf Umrisszeichnungen reduziert sind, legt der Almanach Wert auf die Repräsentation ihrer Plastizität. Unterschiedlich strukturierte Schraffuren deuten Hintergründe, Oberflächen und dreidimensionale Formen an; Schattierungen bringen Lichteinfall, Muskulatur und Faltenwurf zum Ausdruck. Auch erhöhte Gemmenränder sind dargestellt. Die rötliche Farbe, die, wie im Wiener Raubdruck der Götterlehre von 1793, einen Anflug von Kolorit ins Spiel bringt, fiel auch Rezensenten ins Auge.37 Insgesamt nähern sich die Kupferstiche, verglichen mit der Götterlehre, Wiedergabekonventionen an, wie man sie aus anderen mythologischen und archäologischen Drucken gewohnt war. Für den Almanach wählt Moritz eine Darstellungsweise, die üblichen Sehgewohnheiten weiter entgegenkommt. Insofern die Illustrationen dem Betrachter ein geringeres Maß an eigener Ergänzungsleistung und Vorstellungskraft abverlangen, mag man sie als gefälliger ansehen.

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Vgl. S. 980 im vorliegenden Band.

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Dokumente Zeitgenössische Rezensionen 1. Litterarische Denkwürdigkeiten; oder Nachrichten von neuen Büchern und kleinen Schriften vorzüglich der Chursaechsischen Universitäten, Schulen und Lande. Erstes Quartal. Zweyte Beylage zu den Neuen Leipziger gelehrten Anzeigen vom Jahr 1792, S. 23.

Mythologischer Almanach für Damen. Herausgegeben von K a r l P h i l i p p M o r i t z , 187 S. (1 Thlr.) Dießmal nur die zwölf himmlichen Götter (in folgender Ordnung: Jupiter, Juno, Minerva, Neptun, Apollo, Diana, Venus, Mars, Vulkan, Ceres, Vesta, Mercur); denn dieser Almanach soll zum großen Nutzen der Damen fortgesetzt werden, und selbst die nordische Mythologie wird Stoff dazu geben. Die Kupfer sind nach Gemmen gemacht. Es ist uns zwar recht gut bekannt, daß die reichste Mannichfaltigkeit mythologischer Dichtungen auf Gemmen vorgestellt ist, und daß ein beträchtlicher Theil nach größern Kunstwerken copiert ist; allein wenn man gute und ausdruckvolle Statüen hat, warum will man diese den kleinen Bildern auf geschnittenen Steinen nachsetzen, die nicht immer viel Ausdruck haben? Auf dem Gesicht des Mercur möchte man eher Stumpfsinn als Unschuld, hinter welcher sich Schalkheit verbirgt, entdecken. Die Manier des Hrn. Hofrath in Behandlung und Deutung der Mythen kennt man schon aus andern Werken. Wenn die Sagen einander widersprechen, so wird dieß nicht aus den ganz verschiedenen Quellen erklärt, sondern behauptet, daß die Alten das ganz Entgegengesetzte in ihren Dichtungen vorzüglich geliebt hätten (S. 137.) Die vorhandene Masse von Mythen scheint nämlich als ein systematisches Ganzes betrachtet zu werden. Bey jeder aufgeführten Gottheit wird zuerst das Kupfer erklärt, dann das Urbild der Dichtung nach der Meynung des Hrn. Verf. angegeben (z. B. das Urbild der Diana ist der l e u c h t e n d e Mond, der k a l t und k e u s c h in nächtlicher Stille seinen Glanz über die Wälder ausstreuet). Sodann folgen einige der merkwürdigsten Dichtungen, mit welchen freye

Zeitgenössische Rezensionen

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Uebersetzungen griechischer Hymnen auf diese Götter oder anderer kleiner Gedichte zusammen gestellt werden. 2. Gothaische gelehrte Zeitungen, 44. St., 2. Juni 1792, S. 404.

〈Die Götterlehre ist〉 eben so gut zu einer reitzenden und unterhaltenden Lectüre für Damen geschickt Ç. . .È, als der etwas später gleichfalls zu

Berlin bey Unger herausgekommene m y t h o l o g i s c h e A l m a n a c h f ü r D a m e n , h e r a u s g e g e b e n v o n K a r l P h i l . M o r i t z , aufs Jahr 1792. 187 Seiten in 12. (1 rthlr.) mit 12 niedlichen roth abgedruckten Abbildungen der 12 obern Götter, gleichfalls nach alten, meist Lippertschen Gemmen. Auch hier liegen eben diese Ideen, eben diese Darstellungen der 12 Olympier, als Sprache der Phantasie, zum Grunde. Die Göthischen Hymnen, die schon in die Götterlehre eingewebt worden waren, gaben dem Hrn. Verfasser die glückliche Idee, auch hier die Nebeneinanderstellung der griechischen Götter mit kleinen, meist den Homerischen Hymnen e t w a s s e h r frey nachgebildeten Lobgesängen zu durchflechten, und uns auf diese Art gleichsam ein Bild von der L i t u r g i e der Alten zu geben. Ueber das Ganze ist eine edle Einfalt und ein lieblicher Duft dichterischer Blüthe verbreitet, die auch den feinsten Kunstsinn nicht unbefriedigt lassen, und selbst den Tadel des strengern Kritikers, der in diesen Phantasieblumen nicht überall das unverfälschte Alterthum wiederfinden dürfte, leicht entwafnen wird. Wenn dieser Almanach Beyfall findet, so wird der Hr. Hofrath sich in künftigen Jahrgängen auch über die Feste der Alten, (so wie es in Absicht auf die Römische schon in der Arethusa 〈!〉 geschehen ist) und in der Folge auch über die n o r d i s c h e M y t h o l o g i e ausbreiten. Hier dürfte er nun zwar wohl mit dem würdigen G r ä t e r in Collision kommen, von dem wir weit lieber eine solche Idee ausgeführt sähen: aber auch seinen Unternehmungen wird es gewiß nie bey einem sehr zahlreichen Publikum an Beyfall und Aufmunterung fehlen. Wenn nur Geschmack und mehr Liebhaberey an alter Kunst und Dichtung dadurch immer mehr verbreitet wird, so heißt es auch hier: hi lusus ad seria ducunt.

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Mythologischer Almanach für Damen 3. Neue nürnbergische gelehrte Zeitung, 51. St., Dienstag den 26 Junius 1792, S. 406f.

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Der Gesichtspunkt, aus welchem Herr Prof. Moriz die Götterlehre der Griechen und Römer betrachtet und bearbeitet, ist bekannt; er ist wirklich der schönste – aber nicht immer der richtigste. Aus diesem Gesichtspunkte sind hier die zwölf himmlischen Götter, ohne gelehrten Prunk, beschrieben. Bey einer jeden Beschreibung befindet sich die Vorstellung des Gottes nach einer alten Gemme, von Berger ganz vortreflich gestochen und roth abgedruckt. Die Beschreibungen sind kurz, und meistens Nachbildungen der Dichter z. B. »die erhabene Juno heißt die herrschende, großäugigte, weißarmigte; – Jupiter, der Schwan in Leda’s Schooße, umwölbt im blauen Aether Erde, Meer und Luft. – Juno, die Königin, umströmt den Erdkreiß in dem zarten durchsichtigen Nebeldunste, worin der Regenbogen mit glänzenden Farben spielt. – Juno bezeichnet in einer höhern Sprache die hohe Gebietende, über den sanften Liebreiz selbst erhabne Schönheit. – Als Juno den Jupiter mit Liebreiz fesseln wollte, so mußte sie erst den Gürtel der Venus leihen, deren sanftere Schönheit schon vorher den Preis davon trug, als der Hirt auf Idas Gipfel den kühnen entscheidenden Ausspruch that.« – Die Beschreibungen sind mit den Hymnen durchflochten, welche den Göttern zu Ehren von den Alten gesungen wurden. Der Verfasser hat sie theils ganz, theils stellenweise frey übersetzt, »damit sie, wie er sagt, uns gleichsam ein Bild von der Liturgie der Alten geben.« – Die Uebersetzung ist vortreflich gerathen; zur Probe stehe hier ein Gebet an den Zevs: »Sey uns gegrüßt, erhabner Sohn Saturns, Geber alles Guten, Geber alles Glücks! Wer kann würdig deinen Ruhm erhöhen? Niemand wird es, niemand kann es; Wer könnte Jovis Ruhm erhöhen? Sey, Vater, dreimal uns gegrüßt! Gieb Tugend uns und Güter dieser Erde; Denn ohne Güter dieser Erde Beglückt uns Tugend nicht, Und Reichthum macht nicht ohne Tugend froh, Gewähre also Tugend und Reichthum unserm Flehn!

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4. Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung, 125. Stück, Freytag, den 19ten October 1792, Sp. 751–753 (C. R. P.; Sammelrezension zum Physiognomischen Almanach für das Jahr 1792 und zum Mythologischen Almanach für Damen).

Seitdem der große S c h i l l e r mit dem s c h ö n e n G e s c h l e c h t e im ehernen Marsfelde lustzuwandeln begann, und die blutigsten Scenen des 30jährigen Krieges in einem A l m a n a c h e f ü r D a m e n schilderte, seitdem scheint es auch keiner der besten deutschen Schriftsteller mehr unter seiner Würde zu halten, i m K a l e n d e r f o r m a t e f ü r F r a u e n z i m m e r zu schreiben. Die Geübtesten unter ihnen beeifern sich gleichsam einander in die Wette, ihren schönen Landesmänninnen den Fünftelsaft aus jeder, wenn auch noch so trockenen oder weitläufigen Wissenschaft zu extrahiren, und denselben Kenntnisse jeder Art, selbst solche, womit sich bisher nur der m ä n n l i c h e Geist beschäfftigte, und, so zu sagen, den Alleinhandel trieb, in das reitzende Gewand eines Taschenbüchchens gehüllet, zum Neujahrsgeschenke darzubringen. Die berühmte U n g e r s c h e Kunsthandlung in Berlin lieferte zu Anfange des gegenwärtigen Jahres zwey neue Beweise hiervon, und wir eilen, unsere Leser mit diesen beyden Zwillingsbrüdern bekannt zu machen, ehe ihre Lebensfrist zu Ende ist. Denn Almanache sind die Schmetterlinge in der litterarischen Welt, und sterben meistens in eben dem Jahre, in dem sie gebohren werden, wie die Schmetterlinge in der physischen. Diese verdienen aber beyde ihr Geburtsjahr zu überleben, und von den deutschen Schönen, zu deren Vergnügen und Belehrung sie bestimmt sind, recht gut aufgenommen zu werden. Ç. . .È Ç. . .È D e r m y t h o l o g i s c h e A l m a n a c h empfiehlt sich schon hinlänglich durch den Nahmen seines Vaters. M o r i t z ist ein im Fache der Mythologie zu bekannter Schriftsteller, als daß man an der Zweckmäßigkeit und dem Werthe dieses Geschenkes, das er hier den deutschen Damen macht, auch nur einen Augenblick zweifeln könnte, ohne seinem auf dieser Bahn bereits erworbenen Ruhme zu nahe zu treten. Wenn er bey Herausgabe dieses Almanaches e i n e n Wunsch unerfüllt gelassen hat, so ist es der, daß bey den von ihm überall eingeschalteten Hymnen, die zur Ehre der Götter von den Alten gesungen wurden, nicht auch die Verfasser dieser Hymnen jedes Mahl genannt sind. – Die Kupfer stellen folgende 12 Gottheiten (von denen der Text die merkwürdigsten Dichtungen der Alten enthält) vor:

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J u p i t e r , J u n o , M i n e r v a , N e p t u n , A p o l l o , D i a n a , Ve n u s , M a r s , Vu l k a n , C e r e s , Ve s t a , und M e r k u r . Der Hr. Verfasser verspricht, wenn dieser e r s t e mythologische Almanach Beyfall findet, sich künftig ausführlich über die schönen Dichtungen der Alten, über ihre Feste, und in der Folge auch über die N o r d i s c h e M y t h o l o g i e auszubreiten. Wir wünschen dieß Letztere vorzüglich, so wie überhaupt die Fortsetzung beyder vor uns liegenden Almanache. 5. Allgemeine Literatur-Zeitung, Zweyter Band, Nr. 100, 6. April 1795, Sp. 38f.

Statt schlechter Toilettenbücher, wie die unsittliche A m a t h u s i a u nd ähnliche sind, sollte dieser Almanach auf allen Putztischen neben den Musen-Almanachen einen Platz erhalten. Jedes Weib, welches Cultur des Geistes und Geschmacks unter der Categorie seiner Pflichten begreift, wird in dieser einfachen, aber gefälligen Erzählung der griechischen Dichtungen eine sehr gute Anleitung erhalten, die Werke der redenden und bildenden Künste zu verstehen. Dieses Bändchen enthält aber freylich nur die Fabelgeschichte der sogenannten 12 himmlischen Götter, vornemlich nach dem Homer und Ovid, mit Einwebung kleiner Homerischer, Orphischer u. a. Hymnen. Den Erläuterungen sind sehr saubere Abbildungen nach alten geschnittnen Steinen untergelegt. Die Geschichte jeder Gottheit ist in mehrere Abschnitte vertheilt; als beym Jupiter: Jupiters Geburt, Erziehung des Jupiter auf der Insel Creta, der Gigantenkrieg, Jupiters Kampf mit dem Riesen Tiphöus (Typhoeus), die Vermählungen des Jupiter, die Verwandlungen des Jupiter, die Majestät des Donnergottes. Auch ist der physische oder moralische, ursprüngliche oder nachher hineingetragene, Sinn mancher Fabel nicht umgangen, sondern unter den Rubriken: d a s U r b i l d d e r J u n o , d e s M a r s etc. bey einigen Gottheiten aufgestellt, bey andern, wir wissen nicht warum, weggelassen worden. Ungeachtet des dieser Schrift gebührenden Lobes wäre manches gegen die Behandlung und Anordnung zu sagen, was aber zu sehr ins Einzelne führen würde. Minerva wird, um nur ein Beyspiel zu geben, unter den Abschnitten: die Kriegerische und: die Friedliche geschildert, da sie doch billig in einem eignen Abschnitt als G ö t t i n d e r We i s h e i t ( We i ß h e i t schreibt der Vf.), deren Urbild die aus Zeus Haupt entsprungne ist, dargestellt werden sollte. Allein dieser Eigenschaft wird nur S. 58. ganz im Vorbeygehen gedacht. Uebertrieben ist auch die Vorstellung, z u r ü c k s c h r e c k e n d e K ä l -

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t e mache den Hauptzug im Charakter der Minerva (eigentlich Pallas) aus, wodurch sie zur g r a u s a m e n Z e r s t ö r u n g fähig sey, weswegen sie den k a l t e n Ulysses in Schutz nehme u. s. w. So natürlich, rein und anmuthig Moritzens Vortrag, vorzüglich im geschichtlichen Stil, im Ganzen war, so sehr vernachläßigte er in den letzten Jahren seine Sprache, wovon auch dieser Almanach hie und da Spuren zeigt, S. 8.: den Jupiter säugte die Ziege Amalthea, welche in der Folge unter die Sterne versetzt, u n d i h r Horn zum Horn des Ueberflusses erhöht wurde. Hart und ganz lateinisch sind folgende Stellen verbunden. S. 148. Ceres aber, da sie den Raub ihrer Tochter vernimmt, unwissend wer sie entführte, zündet ihre Fackel an. S. 157. Als sie ihre verlohrne Tochter auf dem ganzen Erdkreis suchend, einst lechzend und ermattet in eine Hütte einkehrte, wo sie begierig trinkend, von einem Knaben verspottet ward, so duldete sie die Schmach nicht. S. 174. Die Laute erfand Mercur, da er am ersten Mittage sich aus der Wiege stahl, und indem er über die Schwelle trat, eine Schildkröte ihm entgegen kam.

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Stellenerläuterungen 270,7 L i t u r g i e ] Vgl. die Überlegungen im Überblickskommentar zum Mythologischen Almanach S. 967f. im vorliegenden Band. 270,8–10 wird er sich Ç. . .È ausbreiten] Eine solche Fortsetzung und Ausweitung ist nicht erschienen. Schon in der Götterlehre hatte Moritz darauf verwiesen, dass der Vergleich der gr. mit anderen Mythen das Geschäft einer allgemeinen Mythologie sei (S. 16,31). 270,13–15 Der Vater Ç. . .È Throne sitzend] Abb. 32 (Frontispiz). Lippert, Dactyliothec 1, S. 10, Nr. 24 (Schublade 1,1): Er 〈der Carneol〉 stellet die Zusam-

menkunft der Götter vor. Jupiter sitzet auf seinem Stuhle, und hält in der rechten Hand den Donnerkeil, und mit der linken den Scepter. Allem Ansehen nach soll diese Vorstellung der O l y m p u s seyn; unter welchem Worte die Griechen den Himmel verstunden, wo des Jupiters Thron stund. Zur rechten stehet Mercurius, mit seinem Schlangenstabe und dem Beutel in den Händen, und mit dem Hahne zu den Füßen; zur linken aber Mars, mit dem Schilde und der Lanze. Unter ihnen steigt Neptunus aus dem Meer empor, und hält zugleich, nebst seinem dreyzackigten Scepter, mit beyden Händen ein ausgebreitetes Seegel über sich. Die ganze Vorstellung ist mit dem Thierkreise umgeben. Moritz selbst macht im Mythologischen Almanach keine Angaben zu Zeichner und Kupferstecher. Jedoch ist das Frontispiz signiert; zusätzlich findet sich in einer Verlagsankündigung, die an den Text des Almanachs angebunden ist, unter den bei Unger neu erschienenen Büchern der folgende Hinweis: A l m a n a c h , mythologischer, von K. P. M o r i t z . Mit

12 Kupf. von D. B e r g e r , gezeichnet von K a r s t e n s . 270,24–25 Der Friedenstiftende Ç. . .È zu seinen Füßen] Zum Caduceus als Friedensstab s. S. 107,32–108,7 mit den Erl. im vorliegenden Band. Zu Hermes’ Ausstattung mit Beutel und Hahn, die Moritz von Lippert übernimmt, vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 1599. 270,28–29 Die rauhe Ç. . .È vereinigende Macht] Zu den Charakteristika, die Moritz Ares und Hermes zuweist, vgl. S. 89,12–91,25 und 106,22–111,9 mit den Erl. im vorliegenden Band.

Stellenerläuterungen

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271,3–5 In den zwölf Sternbildern Ç. . .È Götterversammlung] Der Tierkreis (Zodiakos) ist eine symbolische Darstellung der Ekliptik, der scheinbaren Jahresumlaufbahn der Sonne um die Erde. Der Tierkreis, antiken Ursprungs, ist, klar erkennbar seit dem Hellenismus, eingeteilt in zwölf Segmente, die nach den von der Sonnenumlaufbahn durchquerten Sternbildern benannt sind. Für die Forschung vgl. die erschöpfende Darstellung von Hans Gundel, Art. Zodiakos, in: RE 10 A/1, Sp. 462–709. 271,13–15 Saturnus Ç. . .È gebohren wurden] Entspricht S. 22,1–8 mit den Erl. im vorliegenden Band. 271,16–272,2 Rhea Ç. . .È vernehme] Entspricht Götterlehre, S. 22,18–23,10. Vgl. dort die Erl. 272,5–8 Dich umtanzten Ç. . .È vernehme] Kallimachos, Hymnus auf Zeus, 52–54, (Kütner), S. 26: In kriegrischen Tänzen hüpften die Kureten fröhlich

um dich her, und schlugen ihre Waffen zusammen, damit Saturn unter dem Getöse der Schilde dein Winseln nicht hörte. 272,10–13 Ihn säugte Ç. . .È Pflegerinnen] Entspricht S. 23,14–18. Vgl. dort die Erl. 272,17–23 Dich Jupiter Ç. . .È Honig zu] Kallimachos, Hymnus auf Zeus, 46–51, (Kütner), S. 25f.: Hier, o Jupiter, schlossen die diktäischen Waldnym-

phen, der Korybanten Gesellinnen, dich in ihre Arme; dich wiegte Adrastea in einer goldnen Wiege; du aber sogst an den milchvollen Eutern der amaltheischen Ziege, und süßer Honig war deine Speise: denn die Bienen sammleten von den idäischen Bergen dir Honig die Fülle. 273,2–5 Schön war Ç. . .È wollichte Haar] Kallimachos, Hymnus auf Zeus, 55–56, (Kütner), S. 26: Schön wuchsest du auf, schön nahmest du zu, himmlischer Zevs, schnell wardst du zum Knaben; und um dein Kinn brach das Milchhaar eilig hervor. 273,7–11 Die Erde Ç. . .È erblickten] Vgl. S. 20,24–21,4 mit den Erl. im vorliegenden Band. 273,12–17 Nun seufzte Ç. . .È Mutter gab] Entspricht S. 21,6–14. Vgl. dort die Erl. 273,18 Die Kinder Ç. . .È vermählten sich nun] Entspricht S. 21,22. 273,21–24 ihre Benennung Ç. . .È Einschränkung duldet] Entspricht S. 24,2–5. 273,25–28 Der jüngste Ç. . .È gebohren wurden] Vgl. (mit Entsprechungen) S. 22,1–8 mit den Erl. im vorliegenden Band. 273,29–31 Den Jupiter Ç. . .È Erzeuger] Vgl. S. 23,21–24 und Erl. 274,5–7 Zu dem Ende Ç. . .È Blitze begabten] Vgl. S. 23,25–28 mit den Erl.

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274,8–29 Dem Jupiter Ç. . .È Erde ist] Entspricht S. 24,11–31 im vorliegenden Band; vgl. dort die Erl. 274,30–31 Unter den Titanen Ç. . .È Jupiter] Vgl. S. 49,3–4 mit den Erl. 274,31–34 und die S t y x Ç. . .È ihren Sitz] Entspricht S. 50,22–24 mit den Erl. 275,3–6 Zum Könige Ç. . .È Throne stehn] Kallimachos, Hymnus auf Zeus, 66–67, (Kütner), S. 27: Kein Loos erhub dich zum Könige der Götter, sondern

die Kraft deiner Hände; Allmacht und Stärke, die deinen Stuhl umgeben. 275,8–25 Die drei Ç. . .È Blitze nicht] Entspricht S. 25,1–18; vgl. dort die Erl. 275,22 R h ö c u s ] Auch der im Originaldruck genannte Rhökus (Rhoikos) ist ein mythologischer Name (vgl. den entsprechenden Art. in KlP 4, Sp. 1423), der allerdings keinen Titanen bezeichnet, sondern einen Kentauren, einen Heros aus Knidos, darüber hinaus einen Erzgießer und Architekten aus Samos. 276,2–15 Was vermochte Ç. . .È ihr Haß] Horaz, Oden 3,4,53–68: sed quid

Typhoeus et validus Mimas / aut quid minaci Porphyrion statu, / quid Rhoetus evolsisque truncis / Enceladus iaculator audax // contra sonantem Palladis aegida / possent ruentes? hinc avidus stetit / Volcanus, hinc matrona Iuno et / numquam umeris positurus arcum, // qui rore puro Castaliae lavit / crinis solutos, qui Lyciae tenet / dumeta natalemque silvam, / Delius et Patareus Apollo. // vis consili expers mole ruit sua, / vim temperatam di quoque provehunt / in maius, idem odere viris / omne nefas animo moventis. 276,19–23 Als die Schaar Ç. . .È zu Boden] Horaz, Oden 2,19,21–24: tu, cum parentis regna per arduum / cohors gigantum scanderet inpia, / Rhoetum retorsisti leonis / unguibus horribilique mala. 276,26–30 Ueber Völker Ç. . .È Dinge lenkt] Horaz, Oden 3,1,5–8: regum timendorum in proprios greges, / reges in ipsos imperium est Iovis, / clari Giganteo triumpho, / cuncta supercilio moventis. 277,2–22 Ob nun J u p i t e r Ç. . .È Tartarus hinab] Entspricht S. 28,6–26. Vgl. dort die Erl. 277,24–32 Als Jupiter Ç. . .È hervorsprang] Entspricht S. 28,29–29,4; vgl. dort die Erl. 278,1–15 Mit der M n e m o s y n e Ç. . .È verleidete] Entspricht S. 61,5–17; vgl. dort die Erl. 278,17–279,8 Mit der Macht Ç. . .È zu denken] Entspricht S. 64,21–65,14; vgl. dort die Erl. 279,10–13 Er hat Ç. . .È sich auf] Entspricht S. 64,17–20; vgl. dort die Erl.

Stellenerläuterungen

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279,14–33 Die Bildung Ç. . .È sich freut] Entspricht S. 72,2–25; vgl. dort die Erl. 280,1–26 Bart und Haupthaar Ç. . .È emporgezogen] Entspricht S. 73,17–74,10; vgl. dort die Erl. 280,30–281,5 Vor allen Ç. . .È n ä c h s t e n kömmt] Horaz, Oden 1,12,13–18:

quid prius dicam solitis parentis / laudibus, qui res hominum ac deorum, / qui mare ac terras variisque mundum / temperat horis? // unde nil maius generatur ipso / nec viget quidquam simile aut secundum. 281,11–26 Die Könige Ç. . .È beherrscht] Kallimachos, Hymnus auf Zeus, 73–83, (Kütner), S. 27f.: die Fürsten der Städte hast du dir auserwählt, unter deren Gewalt der Landmann, der Krieger, der Schiffer und alle Dinge stehen; denn was ist ihrem Gebote nicht unterthan? Vulkan beschützet die Schmiede, Mars die Kriegsknechte, Diana die Jäger, und Phöbus den Dichter, der die Laute melodisch rührt: aber durch Jupitern sind die Könige, denn nichts ist ihm ähnlicher, als sie. Deshalb hast du deine Gewalt ihnen hienieden verliehn, und sie zu Wächtern der Städte bestellet. Du selbst sitzest in ihren Vesten, und hast Acht auf die falsche, oder gute Handhabung ihrer Gerichte. 281,29–33 Indem wir Ç. . .È e r t h e i l t ] Kallimachos, Hymnus auf Zeus, 1–3, (Kütner), S. 23: Was kann man bey den Opfern des Zevs wohl treflichers singen, als den Gott selbst: ihn, den ewig erhabnen, ewigen König, der die Titanen bezwang und der Himmlischen Richter ist? Der gr. Text (Asper, S. 389) bezeichnet Zeus als Vertreiber der Lehmgeborenen. Da Moritz in der Götterlehre die Erdnähe der Giganten betont (S. 25,13–14) ist seine Auflösung konsequent. 282,1–2 Themis Ç. . .È Zukunft besaß] Vgl. S. 52,16–26 und Erl. 282,7–13 Den Jupiter Ç. . .È uns gnädig] Homerischer Hymnus 23 an Zeus, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 98: Zeus Kronion, den

Besten, und Grösten unter den Göttern / Sing ich, den Donnerer, Herscher, Vollender! Ihn der mit Themis / Weise Gespräche hält, die, sich neigend, neben ihm sitzet. / Sei, Lautdonnerer, sei uns günstig! Gefeirtester, Gröster! 282,19–30 Sey uns gegrüßt Ç. . .È unserm Flehn] Kallimachos, Hymnus auf Zeus, 91–96, (Kütner), S. 28f.: Sey mir gepriesen, erhabner Sohn des Saturnus, Geber des Guten, Geber des Glückes; wer kann deine Thaten singen? Der ist nie gewesen, und wird auch nie seyn, der Jupiters Thaten verherrliche. Sey noch einmal, Vater, noch einmal gepriesen! Gieb uns Tugend und Reichthum! Ohne Tugend können Güter den Menschen nicht glückselig

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machen, und ohne Güter nicht Tugend. Schenk’ uns Tugend und Reichthum zugleich! 283,3–7 Auf einer antiken Ç. . .È schwebend] Abb. 34. Lippert, Dactyliothec 1, S. 22, Nr. 54 (Schublade 1,2): Die Gelehrten nennen das Bild die Juno. Sie sitzet auf einem Throne, welcher schön verzieret ist. Oben über der Lehne sind die Köpfe des Phöbus und der Luna, welche, wie man schon weis, mit dem Apollo und der Diana einerley sind. Ihr Haupt ist mit sieben Sternen umgeben. Lippert hält allerdings auch die Identifikation als Leto für plausibel. 283,13–23 Der Juno Ç. . .È gestört] Entspricht S. 76,10–22; vgl. dort die Erl. 283,25–284,28 Als die s a n f t e Latona Ç. . .È b e s c h r ä n k t ] Entspricht S. 62,21–63,23. Vgl. dort die Erl. 284,30–31 Die erhabene Ç. . .È w e i ß a r m i g t e ] Entspricht S. 76,23–24; vgl. dort die Erl. 284,31–285,2 Jupiter Ç. . .È spielt] Entspricht S. 77,22–26; vgl. dort die Erl. 285,3–20 J u n o bezeichnet Ç. . .È S c h m u c k vergißt] Entspricht S. 78,1–18. Vgl. dort die Erl. 285,22–28 Der Juno Ç. . .È verehrt wird] Homerischer Hymnus 12 an Hera, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 87: Härä die Göttin

auf goldenem Thron, die Reiagebohrne / Sie die unsterbliche Königin, mit glänzender Schöne, / Sing’ ich. Zeus des schreklichdonnernden Schwester und Göttin, / Härä die Herliche, welche die Götter des hohen Olümpos / Alle verehren, zugleich mit Zeus dem Donnererfreuten. 286,3–7 Minerva, die Beschützerin Ç. . .È Medusa drohet] Abb. 35. Lippert, Dactyliothec 1, S. 56, Nr. 127 (Schublade 1,3): M i n e r v a , mit dem Beynamen poliaÁw, sitzet auf Waffen, und hat in der Hand das Bild der Siegesgöttinn. Zu Ihren Füßen ist eine Schlange, oder ein Drache, wie es gemeiniglich bey den Dichtern heißt. Ç. . .È Minerva hatte auf dem Schlosse zu Athen, welches Polis oder Acropolis hieß, einen Tempel, daher auch ihr Beyname kömmt. 286,3–4 so wie sie Ç. . .È verehrt wurde] Vgl. Erl. zu S. 128,8–10. 286,9–16 Als die blauäugigte Ç. . .È verschlossen] Entspricht S. 86,6–14; vgl. dort die Erl. 286,18–27 Der kalten Ç. . .È fähig ist] Entspricht S. 86,21–30; vgl. dort die Erl. 286,28–287,15 Im Treffen Ç. . .È Minerva sorgen] Entspricht S. 93,9–26; vgl. dort die Erl. 287,16–23 In dem Kriege Ç. . .È Landes deckt] Entspricht S. 88,13–22; vgl. dort die Erl.

Stellenerläuterungen

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287,24–28 Tritt hervor Ç. . .È sich ergötzt] Kallimachos, Hymnus auf das Bad der Pallas, 43–44, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 243:

Komm Athänä mit goldenem Helme, du Schrecken der Städte, / Die du der Roße Geräusch liebst und der Schilde Getön! Vgl. S. 86,22–24 und Erl. im vorliegenden Band. 288,2–7 Bringt der Pallas Ç. . .È Glieder salben] Kallimachos, Hymnus auf das Bad der Pallas, 15–30, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 242f.: Narden und Balsam sollt ihr nicht bringen, ihr Mägde der Göttin, /

Pallas Athänä verschmäht duftender Salben Gemisch; / Keinen Spiegel! die Schönheit der Göttin ist immer sich selbst gleich! / Ç. . .È / Bringet des Oelbaums männliches Oel mit welchem sich Kastor / Und der Tirünthische Held salbten die Glieder zum Kampf. 288,8–16 Alles deutet Ç. . .È zurückruft] Entspricht S. 88,3–11; vgl. dort die Erl. 288,18–21 Pallas Ç. . .È will ich singen] Homerischer Hymnus 28 an Athena, 1–3. Die Übersetzung in Gedichte aus dem Griechischen übersetzt (Stolberg), S. 104, gibt nicht alle in der Anrufung genannten Epitheta wieder; Moritz steht dem Original insofern näher: Pallas sing ich die hehre Göttin, die Jungfrau mit

blauen / Augen, die Weisheitgeberin, deren Rache wir scheuen. 288,23–29 Als Achill Ç. . .È Friedensstifterin] Entspricht S. 86,31–87,6; vgl. dort die Erl. 289,1–14 Minerva ist Ç. . .È Gestalt verdeckt] Entspricht S. 87,18–31. Vgl. dort die Erl. 289,19–23 Hinaus Ç. . .È Argos, eilt] Kallimachos, Hymnus auf das Bad der Pallas, 1–4, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 241: Tretet

heraus ihr Dienerinnen der badenden Pallas, / Jungfraun tretet heraus! – Wiehrend und schnaubend, ich hör’s, / Fliegen die heiligen Roße daher, die eilende Göttin, / Goldgelokter Reih’n, Töchter von Argos! Sie komt! Kallimachos spricht im Original nicht die Töchter von Argos an, sondern blonde Pelasgerfrauen (Kallimachos [Asper], S. 439). Die Lokalisierung und das zuvor schon von Moritz genannte Ritual der Waschung im Inachos sind jedoch Gegenstand des Hymnus; vgl. vor allem V. 45–51 (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 243f. Trotzdem ist nicht ausgeschlossen, dass Moritz die Stolbergsche Übersetzung kannte. – Zum Badefest der Athene Dümmler, Art. Athena, in: RE 2, Sp. 1972f. 289,27–32 Empfangt Ç. . .È unsre Fluren] Kallimachos, Hymnus auf das Bad der Pallas, 137–139, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 248: Höret! Es kommt Athänä, Sie kommt, die Göttin! ihr Jungfraun /

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Auf! empfangt Sie, begrüßt Töchter von Argos, sie froh, / Eilt ihr entgegen mit Dank und Gebet und mit Feier-Gesängen! / Heil dir Göttin schau segnend auf Argos herab! 290,3–7 In jugendlicher Majestät Ç. . .È Rücken trägt] Abb. 36. Lippert, Dactyliothec 1, S. 25, Nr. 61 (Schublade 1,2) ordnet den Stein zwar den PoseidonAbbildungen zu, zweifelt aber trotzdem daran, dass dieser Gott gemeint sei: Die

Figur, welche hier auf einem Meerpferde reitet, trägt keinen Dreyzack, aber einen Thyrsus, der zwar des Bacchus, aber nicht des Neptuns Scepter ist; sie ist auch ohne Bart. Ich weis wohl, was Pausanias erzählt, daß man zu Sycion alle Götter ohne Bart gefunden; aber ich habe nirgends finden können, daß Neptun einen Thyrsus getragen hat. Für plausibler scheint Lippert die Annahme zu halten, dass es sich um eine Dionysos-Darstellung handle. 290,9–25 Die Unterlage Ç. . .È sterblichen Menschen] Entspricht S. 83,29–84,11; vgl. dort die Erl. 290,26–291,2 Als einst Ç. . .È Hippokrene heißt] Entspricht S. 84,33–85,6; vgl. dort die Erl. 291,4–16 Obgleich Ç. . .È Nützliche weiß] Entspricht S. 83,16–28; vgl. dort die Erl. 291,18–26 Im Kriege Ç. . .È unbenetzt blieb] Entspricht S. 85,7–15; vgl. dort die Erl. 291,27–29 Die Dichtkunst Ç. . .È untergeordnet] Entspricht S. 85,28–30. 292,1–3 Was s c h n e l l Ç. . .È seine Lust] Entspricht S. 82,30–32. 292,5–10 Neptun, den Mächtigen Ç. . .È Rettung fleht] Homerischer Hymnus 22 an Poseidon, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 97: Poseidaons Preiß, des mächtigen Gottes, erschalle, / Welcher die

Erd’, und die Schlünde des wüsten Meeres erschüttert. / Doppelte Ehre theilten dir aus die Götter, Poseidon, / Dir, o Herscher der Wogen, du Helikons König und Aigäs, / Daß du der Roße Bändiger seist, und der Retter der Schiffe. / Heil dir, Erdumgürter, blaugelokter Poseidon! / Du bist mildes Herzens, ach! hilf aus den Nöthen den Seemann! 292,11 Feste Neptuns] Die röm. Neptunalia, die am 23. Juli begangen wurden. Vgl. Art. Neptunus, in: KlP 4, Sp. 65. 292,13–19 Was beginn ich Ç. . .È Nereiden singen] Gekürzte und relativ freie Übersetzung aus Horaz, Oden 3,28,1–10: Fe s to quid potius die / Neptuni faciam? prome reconditum, / Lyde, strenua Caecubum / Ç. . .È // inclinare

meridiem / sentis et, veluti stet volucris dies, / parcis deripere horreo / cessantem Bibuli consulis amphoram? // nos cantabimus invicem / Neptunum et viridis Nereidum comas.

Stellenerläuterungen

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292,22–31 Der Gott der Harmonien Ç. . .È Vollendung bringt] Abb. 37. Lippert, Dactyliothec 1, S. 74, Nr. 177 (Schublade 1,4). Lippert hält den Stein für eine (bessere) Kopie der motivgleichen Gemme Nr. 176, von der er sich durch seine länglichere Form unterscheidet. Anders als diese beiden Gemmen zeigt der Kupferstich keinen belaubten Zweig, der aus dem Baumstamm hervorwächst. Lippert schreibt zu Nr. 176 (ebd. 1, S. 73): Es stützet sich Apollo mit der rechten Hand

auf einen zwar abgehauenen, aber doch noch einigermaßen grünenden Baum, der vermuthlich ein Oelbaum, und nicht, nach der Auslegung des Mariette, ein Lorberbaum ist: denn er sieht wegen seines Laubes diesem nicht gleich. In der linken hält er seine Leyer, und das leichte Gewand verdecket nichts von der Schönheit des Leibes. C u p i d o verlangt vom A p o l l o die Leyer. Eine sehr feine Allegorie! Denn wenn sich die Liebe mit der Musik und der Dichtkunst vereiniget, so bemächtiget sie sich desto eher der Seele. 293,2–12 Auf Delos Ç. . .È prophezeihen] Entspricht S. 81,14–24. Vgl. dort die Erl. 293,17–294,22 Die heilige Delos Ç. . .È Latonens Erzeugte] Zusammenschnitt einzelner Stellen aus Kallimachos, Hymnus auf Delos. V. 1–10, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 225: Wie beginnst du mein

Geist, die heilige Dälos zu singen? / Dälos Foebos Amme? Zwar sind sie werth des Gesanges / Alle Kükladen, denn alle sind schön und würdig des Hümnus, / Aber Dälos begehrt von den Musen den Erstling des Preises. / Denn sie sah’ ihn zuerst den Neugebohrnen, und wusch ihn, / Und umwand ihn mit köstlichen Binden, und huldigte Foebos, / Sie von allen Landen zuerst dem Gott der Gesänge! // So wie die Musen den Dichter der ihren Berg nicht besinget / Haßen, so haßt wenn von Dälos er schweigt, Apollo den Dichter! / Dälos dich besinge mein Lied, und Foebos Apollon / Blicke mit Huld auf den Sänger der seine Nährerin singet! V. 249–258, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 237f.: Es kamen indeß von Paktolos Ufern, / Deßen Moeonische Welle von Golde stralet, es kamen / Gottes Sänger, die Schwanen, der Musen Geliebteste, Aller / Die sich auf Fittigen heben, und schwangen in sieben Kreisen / Sich um Dälos, und sangen die Feier des Neugebohrnen; Ç. . .È ehe das achte / Lied began, entsprang er dem Schooße der Mutter, da sangen / Dälos Nümpfen, die Töchter des Stroms mit jauchzender Stimme / Eleithüja’s heiliges Lied, die Gewölbe des Himmels / Tönten wieder vom Jubel des lauten Feiergesanges. V. 265–270, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 238:

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〈Du〉 sagtest die Worte: Ç. . .È Ich bin arm an Saaten, und dennoch wird sich mit meinem / Namen Apollon Dälios nennen, und wie ich geliebet / Werde von ihm, wird keins der Lande geliebt von den Göttern! V. 278–281, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 239: Aller Früchte Erstling’ und Zehnten bringen an deinem / Feste die Städte dir jährlich, und senden dir tanzende Reigen, / Alle die gegen Aufgang und Abend und Mittag ihr Erbtheil / Haben empfangen. V. 316–322, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 241: Insel reich an Altären, und reich an bezahlten Gelübden, / Nimmer segelt mit fliegendem Schif der Aigäische Krämer / Dich vorüber, o heiliges Land! Nicht wenn sich im Winde / Wölbet das Segel, und nicht wenn die Noth ihm Eile gebietet. / Immer ziehen sie ein die Seegel, und schiffen nicht vorwärts / Bis sie deinen Altar mit schwirrenden Geißeln umtanzet. V. 325–326: Heil dir Dälos! Altar in der Inseln Mitte! gesegnet / Seist du! Und Heil Apollon! und Heil der Lätogebohrnen! 294,24–295,33 Apollo und Diana Ç. . .È in sich faßt] Entspricht S. 79,19–80,26. Vgl. dort die Erl. 296,2–6 Unter den Dichtungen Ç. . .È Einklang giebt] Entspricht S. 79,9–13. Vgl. dort die Erl. 296,7–16 Das erste Urbild Ç. . .È Farbe erhält] Entspricht S. 78,26–79,3. Vgl. dort die Erl. 296,19–22 Sein Haupt Ç. . .È durchschimmert] Entspricht S. 46,24–28. Vgl. dort die Erl. 296,23–297,6 Eben dieser Ç. . .È erfreut] Entspricht S. 47,10–27. Vgl. dort die Erl. 297,8–29 Auf zum Tanz Ç. . .È sey gegrüßt] Zusammenschnitt einzelner Stellen aus Kallimachos, Hymnus auf Apollon. V. 7–8, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 205: Es nahet Foebos Apollon. // Auf! empfangt ihn mit Tanz und Gesang ihr blühenden Knaben! V. 12–13: Keine schweigende Leier, und keine ruhende Füße! / Jünglinge! tritt Apollon einher. V. 36, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 207: Foebos ist ewig mit Schönheit geschmükt und ein ewiger Jüngling. V. 39–45: Keine Narde

trieft aus der Locke des Gottes, es thauet / Heilungsbalsam herab und da wo die Tropfen entfallen / Blüht mit Gesundheit und Lebenskraft das Land und die Städte. / So wie Apollon ist keiner an Kräften reich und an Weisheit. / Sein ist der Bogen und sein die Leier! Den Schüzen zu spannen / Giebt er den Bogen, und giebt dem Dichter die tönende Leier. / Auch die Gabe der Seher ist sein, und der forschenden Loose. V. 80–84, (Gedichte aus

Stellenerläuterungen

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dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 208f.: Heil dir! Angebeteter Foebos, deine Altare / Prangen mit allen Blumen im Lenz die die liebliche Jahrszeit, / Schwanger von Thau gebiert und angehauchet von Zefür. / Süßer Weihrauch duftet im Winter dir, ewige Flammen / Lodern dann auf deinem Altar, und nimmer bedecket / Seine glühenden Kohlen die Asche des gestrigen Tages. V. 105–113, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 210: Zwar nur singt dich würdig der Dichter deßen Gesänge / Wie der Ozean rauschen, und hoch gen Himmel sich heben. / Doch du hörst auch meinen Gesang! Assüria’s Strom fleußt / Hoch in strudelnden Wellen einher, doch zieht er des Schlammes / Viel mit seinen Waßern sich nach! und schöpfen aus großen / Strömen Däos Priester die heiligen Tropfen der Weihe? / Schöpfen sie nicht aus klarer Quelle die lautersten Perlen / Die sich aus nimmer getrübtem Kiesel sprudelnd erheben? / Heil dir König und sei mir gnädig Foebos Apollo! 298,2–22 Als Apollo in Ç. . .È geweißagt hatte] Entspricht S. 124,14–34. Vgl. dort die Erl. 298,24–29 Als Apollo von Ç. . .È entgehen] Entspricht S. 81,26–33. Vgl. dort die Erl. 299,1–7 Was fleht Ç. . .È verstummt] Ausschnitte aus Horaz, Oden 1,31. V. 1–3:

Quid dedicatum poscit Apollinem / vates? quid orat de patera novum / fundens liquorem? V. 17–20: frui paratis et valido mihi, / Latoe, dones et precor integra / cum mente nec turpem senectam / degere nec cithara carentem. 299,10–13 Die Göttin der Wälder Ç. . .È den Bogen] Abb. 38. Lippert, Dactyliothec 1, S. 91, Nr. 213 (Schublade 1,5): Sie 〈Diana〉 hält mit der rechten Hand den Bogen, und mit der linken den Hirsch beym Geweyhe. 299,17–300,3 Das Urbild Ç. . .È zu versöhnen] Entspricht S. 95,11–26. Vgl. dort die Erl. 300,5–14 Als die Schwester Ç. . .È erlegte] Entspricht S. 95,1–10. Vgl. dort die Erl. 300,17–23 Apollo sanft Ç. . .È der Mädchen Flehn] Horaz, Carmen saeculare, 33–36: condito mitis placidusque telo / supplices audi pueros, Apollo; /

siderum regina bicornis, audi, / Luna, puellas. 300,26–301,12 Ihr edlen Ç. . .È mich lehrte] Horaz, Oden 4,6,31–44: virginum

primae puerique claris / patribus orti, // Deliae tutela deae, fugacis / lyncas et cervos cohibentis arcu, / Lesbium servate pedem meique / pollicis ictum, // rite Latonae puerum canentes, / rite crescentem face Noctilucam / prosperam frugum celeremque pronos / volvere mensis. // nupta iam

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dices ›ego dis amicum, / saeculo festas referente luces, / reddidi carmen docilis modorum / vatis Horati.‹ 301,14–27 Als Jupiter Ç. . .È gebahr] Entspricht S. 94,18–31. Vgl. dort die Erl. 302,3–6 Ihr Jünglinge Ç. . .È goldne Leyer] Horaz, Oden 1,21,9–12: vos Tempe totidem tollite laudibus / natalemque, mares, Delon Apollinis / insignemque pharetra / fraternaque umerum lyra. 302,8–13 Ihr Jungfrauen Ç. . .È erscheint] Horaz, Oden 1,21,5–8; angesprochen sind die tenerae Ç. . .È virgines (V. 1), die zarten Jungfrauen: vos laetam fluviis et nemorum coma, / quaecumque aut gelido prominet Algido / nigris aut Erymanthi / silvis aut viridis Gragi. Der Algidus gehört zu den Albaner Bergen, der Kragos ist ein Gebirge in Lykien, der Erymanthos ein Gebirgsmassiv in der nordwestlichen Peloponnes. Vgl. die entsprechenden Artikel in KlP 1, Sp. 256; Bd. 3, Sp. 323; Bd. 2, Sp. 365. 302,16–20 Kupido flehet Ç. . .È Knaben sey] Abb. 39. Lippert, Dactyliothec 1, S. 124, Nr. 288 (Schublade 1,7). 302,22–303,4 Man verehrte Ç. . .È Wesen dar] Entspricht S. 91,27–92,6. Vgl. dort die Erl. 303,5 Die heiligen Wohnplätze der Venus] Vgl. die entsprechende Überschrift in der Götterlehre, S. 120,19–20: Die heiligen Wohnplätze der Götter

unter den Menschen. 303,6–28 Cypern Ç. . .È Cythere heißt] Entspricht S. 128,12–129,6. Vgl. dort die Erl. 304,2–11 O Venus Ç. . .È Merkurius] Horaz, Oden 1,30; Moritz lässt die Einladung an die Nymphen aus und gibt den Ausdruck parum comis sine te (Kytzler, S. 57: so wenig reizvoll ohne dich) abweichend wieder: O Venus regina Cnidi

Paphique, / sperne dilectam Cypron et vocantis / ture te multo Glycerae decoram / transfer in aedem. // fervidus tecum puer et solutis / Gratiae zonis properentque Nymphae / et parum comis sine te Iuventas / Mercuriusque. 304,13–305,10 Sie hatte dem Paris Ç. . .È zurück läßt] Entspricht S. 92,7–35. Vgl. dort die Erl. 305,11–23 Merkwürdig Ç. . .È Zorn der Götter] Entspricht S. 216,15–28. Vgl. dort die Erl. 305,26–32 Aufs neue Ç. . .È zu beugen] Horaz, Oden 4,1,2–7: rursus bella moves? parce precor, precor. / Ç. . .È. desine, dulcium // mater saeva Cupidinum,

/ circa lustra decem flectere mollibus / iam durum imperiis.

Stellenerläuterungen

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306,3–6 Die du, o Göttliche Ç. . .È Stolze] Horaz, Oden 3,26,9–12: o quae beatam diva tenes Cyprum Ç. . .È regina, sublimi flagello / tange Chloen semel arrogantem. 306,8–19 Die Horen Ç. . .È in sich dar] Entspricht S. 93,32–94,9. Vgl. dort die Erl. 306,21–29 Die Göttin Ç. . .È Wohllaut ein] Homerischer Hymnus 10 an Aphrodite, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 85: Küthereia, die Küprosgebohrne, welche den Menschen / Süße Gaben schenket, besing’ ich. Ihr reizendes Antliz / Lächelt immer, und blühet immer mit reizender Schöne! / Heil dir Göttin Heil! der schönen Salamis Fürstin, / Küpros Königin! gib daß ich lieblich tönende Lieder / Singe! so will ich dein gedenken, und anderer Hümnen! 307,3–10 Auf einer antiken Ç. . .È Zwistes] Abb. 40. Lippert, Dactyliothec 1, S. 130f., Nr. 304 (Schublade 1/7). Der beschriftete Rand des Originals ist im Kupferstich nicht wiedergegeben. Moritz’ Deutung weicht von derjenigen Lipperts ab:

Ein runder und schildförmiger Stein, mit einem Rande voll Schrift. Man sieht die Ve n u s und den M a r s eilig mit einander laufen. Sie trägt in der rechten Hand den Stab des Merkurius, und er den Spieß auf der Schulter. Sollte dieses nicht auf eine nach einem gemachten Frieden getroffene Vermählung deuten, da Venus hier den Friedensstab des Merkurius trägt? 307,12–308,13 Auch dem Ç. . .È fortwährt] Entspricht S. 89,13–90,13. Vgl. dort die Erl. 308,15–25 Der wilde Mars Ç. . .È wohlgefällt] Entspricht S. 90,19–29. Vgl. dort die Erl. 308,26 Der Ungestüm] Adelung 4, Sp. 864, verzeichnet sowohl Der Ungestüm als auch in einigen Gegenden das Ungestüm. 308,27–309,12 So wie Venus Ç. . .È Sitz zurück] Entspricht S. 90,30–91,11. Vgl. dort die Erl. 309,13–17 So zürnen Ç. . .È geweiht sind] Entspricht S. 90,14–18. Vgl. dort die Erl. 309,19–310,4 O Mars Ç. . .È Irrthums ist] Homerischer Hymnus 8 an Ares, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 83: Aräs, mächtiger

Wagenstreiter, mit goldenem Helme, / Du Starkmüthiger, Schildbewehrter, Städtebefreier, / Erzgepanzerter, Unermüdeter, du mit dem starken / Arm, und gewaltigen Speer, du Schanze des hohen Olümpos. / Vater des tapfer erfochtenen Siegs, du Rächer der Unschuld, / Der du bist eisern den Wiederstreber, o Führer der Frommen, / König des männlichen Muths, der du im flammenden Kreißlauf / Unter den sieben irrenden Sternen, mit

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Mythologischer Almanach für Damen

glühenden Roßen / Stets auf der dritten Bahn des Himmels Veste durchwallest! / Höre! du Helfer der Menschen, du Geber muthiger Jugend; / Träufle milden Glanz auf unser Leben hernieder, / Und auf unsre kriegrische Kraft, auf daß wir vermögen, / Zu verjagen von unserm Haupte das bittre Verderben, / Ihn, der zum grimmigen Kampf uns reizt, den Zorn zu bezähmen, / Und die täuschende Glut in unserm Busen zu stillen! / Aber Kühnheit gib, o Seliger, gib daß wir bleiben / Unter dem sanften Gesez des Friedens, gib daß wir mögen / Unserer Haßer Wuth, und meiden grausames Schiksal! 310,7–12 Auf einer antiken Ç. . .È sich heftet] Abb. 41. Lippert, Dactyliothec 1, S. 100, Nr. 228 (Schublade 1,5): Vu l k a n u s sitzet auf einem Blocke, und schneidet einen Flügel. Es handle sich, so Lippert weiter, um die goldenen Flügel für den Merkurius, oder die Flügel zu den Donnerkeilen des Jupiters. Diesen gab man Flügel, ihre Geschwindigkeit dadurch anzuzeigen. 310,14–311,9 Das Mühsame Ç. . .È Reitz giebt] Entspricht S. 100,16–101,8. Vgl. dort die Erl. 311,11–33 Der hinkende Ç. . .È dazu gesellt] Entspricht S. 101,9–31. Vgl. dort die Erl. 312,2–13 Das künstliche Netz Ç. . .È Arms vereint] Entspricht S. 101,32–102,9. Vgl. dort die Erl. 312,15–26 Als Vulkan Ç. . .È g e q u ä l t w e r d e ] Entspricht S. 103,25–104,2. Vgl. dort die Erl. 312,28–313,11 Vulkan wünschte Ç. . .È Drachen bespannt] Entspricht S. 103,6–18. Vgl. dort die Erl. 313,12–14 Schön und bedeutend Ç. . .È Vulkan ihm bei] Entspricht S. 102,33–103,1. Vgl. dort die Erl. 313,18–28 Sing o Muse Ç. . .È uns Glück] Homerischer Hymnus 20 an Hephaistos, (Weiher), S. 123: Muse mit heller Stimme! Hephaistos, den ruhm-

vollen Denker, / preise im Lied! Mit Athene, der eulenäugigen Göttin, / lehrte er herrliche Werke die Menschen auf Erden, die früher / hausten wie Tiere in Höhlen der Berge. Doch jetzt in der Lehre / jenes ruhmvollen Künstlers Hephaistos lernten sie schaffen, / bringen sie leicht ihre Zeit dahin bis zum Ende des Jahres, / leben in Ruhe und Frieden in ihren eigenen Häusern. / Ja, sei gnädig Hephaistos! verleihe Tugend und Wohlstand! Der Hymnus ist nicht enthalten in Gedichte aus dem Griechischen übersetzt (Stolberg).

Stellenerläuterungen

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314,3–8 Auf einer antiken Ç. . .È ernährenden Göttin] Abb. 42. Lippert, Dactyliothec 1, S. 45, Nr. 100 (Schublade 1,3): Die C e r e s sitzet auf einem hohen

Wagen, auf dessen Seiten zween Liebesgötter mit einer Fruchtschnur spielen und tanzen. Auf den zween Elephanten, die den Wagen ziehen, sitzen zwo kleine Figuren, welche sie regieren. Im linken Arm hat die Ceres ein Füllhorn, und in der rechten Hand ein Büschel von Aehren. Lippert stützt sich, auch für die weiteren antiquarischen Erklärungen, auf die Beschreibung desselben Steins bei Winckelmann, Description, S. 69f., Nr. II/237: Ce´re`s avec une

corne d’abondance & des e´pis de bled, assise sur un char tire´ de deux Ele´phants, sur chacun desquels il y a une petite figure. 314,10–15 Unter den Ç. . .È durchglüht] Entspricht S. 97,6–11. Vgl. dort die Erl. 314,16–24 An die Vorstellung Ç. . .È möglich anschloß] Entspricht S. 99,25–33. Vgl. dort die Erl. 314,26–316,17 Mit der Ceres Ç. . .È Tochter freue] Entspricht S. 97,12–99,2. Vgl. dort die Erl. 316,19–317,7 Durch alle diese Ç. . .È auflößte] Entspricht S. 99,3–24. Vgl. dort die Erl. 317,9–21 Unter den hohen Ç. . .È Zeuge ward] Entspricht S. 100,1–14. Vgl. dort die Erl. 317,23–27 Der hohen Ceres Ç. . .È Liedern hold] Homerischer Hymnus 13 an Demeter, (Weiher), S. 117: Preisen will ich Demeter Schönhaar, sie, die

erhabne / Göttin; sie selbst und die schönste Tochter Persephoneia. / Göttin, Heil! schirm unsere Stadt auch! Leite mein Singen! In Gedichte aus dem Griechischen übersetzt (Stolberg) ist der Hymnus nicht enthalten. 317,29–318,25 Sey uns gegrüßt Ç. . .È unser Flehn] Zusammenschnitt einzelner Stellen aus Kallimachos, Hymnus auf Demeter. V. 1–2, (Kütner), S. 86: Der

heilige Korb kömmt herunter; ruft aus, ihr Frauen: sey gegrüßet, o Ceres, die du viele nährst, und reich bist an Früchten! V. 17–21, (Kütner), S. 87: Doch, verschweigen will ich, was der Ceres Thränen kostete. – Schöner ists, wie sie den Städten heilsame Gesetze gab; schöner, wie sie die Kornhalmen und heiligen Aehrenbündel zuerst abmähete und von Stieren austreten ließ, als die segenvolle Feldbaukunst Triptolemus erfand. V. 118–119, (Kütner), S. 94: Saget, ihr Jungfrauen, rufet aus, ihr Frauen: Sey gegrüßet, o Ceres, die du viele nährst, und reich an Früchten bist! V. 126–127, (Kütner), S. 95: Wie die Korbträgerinnen Körbe voll Gold dahertragen, so laß auch uns unermeßliche Schätze besitzen! V. 134–138, (Kütner), S. 96: Sey gegrüßet, Göttinn, und erhalte diese Stadt in Eintracht und Glückseligkeit! Bringe

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Mythologischer Almanach für Damen

alles reif von den Feldern! Weide du selbst die Rinder, weide die Schaafe; bringe Aehren und Aerndten! Erhalte den Frieden, damit der, der da pflügt, auch schneide! Sey mir gnädig, mächtige, große Königinn der Göttinnen! 318,28–319,4 Der Tempel Ç. . .È verehrt wurde] Abb. 43. Vgl. S. 104,19–23 und Erl. Die neuere Archäologie hält den Tempel eher für ein Heiligtum des Hercules Invictus. – Selbst wenn man von dem Altar mit Flamme absieht, gibt der Kupferstich nicht den zeitgenössischen Zustand des Tempels wieder, der weder auf einem erhöhten Fundament aufsetzte noch von einem kuppelförmigen – vielmehr von einem kegelförmigen – Dach bedeckt war (vgl. Piranesi 2006, S. 299, Nr. 368 – dort als Tempel der Kybele bezeichnet; vgl. Anthusa, KMA 4/1, Erl. zu S. 100,16), das Moritz in Anthusa, KMA 4/1, S. 100 als sehr unansehnlich beschreibt. 319,6–15 So wie Vulkan Ç. . .È entzünden durfte] Entspricht S. 104,9–18. Vgl. dort die Erl. 319,17–320,7 Dieser uralte Ç. . .È auf sich zog] Entspricht S. 104,24–105,11. Vgl. dort die Erl. 320,9–14 Vesta Ç. . .È wohlgefällig seyn] Leicht gekürzte Wiedergabe des Homerischen Hymnus 24 an Hestia, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 99: Istiä die du des Königs Apollon des Fernhertreffers / Hei-

ligen Tempel waltend bewahrst in der göttlichen Pütho; / Deinen Loken entträufeln immer duftende Salben, / Komm in dieses Haus herab, mit günstigem Herzen, / Du und der weise Zeus! Gib Gnade meinem Gesange! 320,16–25 Vesta und Merkur Ç. . .È K ü n s t e l e h r e n ] Entspricht S. 106,12–21. Vgl. dort die Erl. 320,28–321,6 Heilige Vesta Ç. . .È Lobgesang] Freie Paraphrase des Homerischen Hymnus 29 an Hestia, 7–14. Für die Stolberg-Übersetzung s. den Querverweis auf die Götterlehre in den vorangehenden Erl. 321,9–12 In reitzender Ç. . .È verbirgt] Abb. 44. Lippert, Dactyliothec 1, S. 138, Nr. 329 (Schublade 1,7), der die Gemme den Hermes-Darstellungen zuordnet, betont ihre Ähnlichkeit mit der angeblichen Antinoos-Statue aus dem Belvedere (zu ihr Erl. zu S. 365,8–9): Ich glaube, den A n t i n o u s zu sehen: denn die

Stellung der ganzen Figur ist dem schönen Marmor in Belvedere zu Rom gleich, an welchem die Hände fehlen. Auch sogar der abgehauene Palmbaum ist hier zugleich mit gebildet. Wenn dieses Werk neu ist, so ist es gewiß von dem großen Toricelli, dessen Manier ich an der Arbeit zu erkennen glaube. Gemeint ist der Florentiner Bildhauer und Steinschneider Giuseppe Antonio Torricelli (1662–1719).

Stellenerläuterungen

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321,14–322,25 In diese Ç. . .È Zauber lenkte] Entspricht S. 106,23–107,29. Vgl. dort die Erl. 322,27–323,6 Nichts ist reitzender Ç. . .È Apollo] Entspricht S. 108,8–18. Vgl. dort die Erl. 323,8–23 Die Laute erfand er Ç. . .È Ursprung] Entspricht S. 108,19–34. Vgl. dort die Erl. 323,25–325,16 Als nun am Abend Ç. . .È e n t w e n d e n w o l l e ] Entspricht S. 109,1–110,23. Vgl. dort die Erl. 325,18–19 Apollo schenkte Ç. . .È schlichtet] Entspricht S. 110,24–25. Vgl. dort die Erl. 325,19–29 unwiderstehlich Ç. . .È seiner Macht ist] Entspricht S. 107,30–108,7. Vgl. dort die Erl. 326,2–6 Merkur Ç. . .È aufnehmen] Entspricht S. 110,29–33. Vgl. dort die Erl. 326,8–12 Auch die Kunst Ç. . .È Götterboten] Entspricht S. 111,1–5. Vgl. dort die Erl. 326,14–17 Er steigt Ç. . .È Klarheit herrscht] Entspricht S. 111,6–9. Vgl. dort die Erl. 326,19–327,3 Den Herrscher Ç. . .È Merkur] Gekürzte Wiedergabe des in Gedichte aus dem Griechischen übersetzt (Stolberg) nicht enthaltenen Homerischen Hymnus 18 an Hermes, (Weiher), S. 119: Hermes besing ich, den

lichten Gott vom Gebirge Kyllene, / der die Kyllene betreut und Arkadias riesige Schafzucht, / ihn, den hurtigen Boten der Götter, den Maia, des Atlas / ehrbare Tochter, gebar, die liebend dem Zeus sich vermählte. / Seliger Götter Gesellschaft mied sie, wohnte im Schatten / ihrer Grotte, wo oft der Kronide in nächtlichem Dunkel / sich zu dem Mädchen mit schönen Zöpfen gesellte, wenn Hera / süßer Schlaf umfing, die Göttin mit weißen Armen. / Nichts aber merkten unsterbliche Götter und sterbliche Menschen. / Dir also Heil auch, Sohn des Zeus und der Maia! mit dir nun / fange ich an; dann kommt ein anderes Preislied. Hermes, / Heil dir! Freudenbringer, Geleitmann, Spender von Gütern!

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Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen Überlieferung 1. Textgrundlage 1

D Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammen-

gestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünf und sechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittnen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Berlin, bei Johann Friedrich Unger, 1791. D2 ANUOYSA oder Roms Alterthümer. Ein Buch für die Menschheit. Die heiligen Gebräuche der Römer. Von Karl Philipp Moritz. Mit achtzehn in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denk- mälern des Alterthums. Berlin, bei Friedrich Maurer, 1791. D3 Mythologischer Almanach für Damen. Herausgegeben von Karl Philipp Moritz. Berlin. Bei Johann Friedrich Unger. 1792. D4 Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen, von Karl Philipp Moritz, Königl. Preußischem Hofrath und Professor. Nach dessen Tode fortgesetzt von Valentin Heinrich Schmidt, Prorektor der Köllnischen Stadtschule. Mit dem Bildnisse des verstorbenen Moritz. Berlin, 1794. Bei Christian Gottfried Schöne. Im Exemplar der Universitätsbibliothek Regensburg ist vor Titel und Porträtstich die ursprüngliche Titelseite eingebunden: Mythologisches Wörterbuch zum

Gebrauch für Schulen, von Karl Philipp Moritz, Königlich Preußischem Hofrath und Professor, ordentl. Mitgliede der Königlichen Akademie der Wissenschaften und des Senats der Akademie der bildenden Künste zu Berlin. Berlin, 1793. Bei Christian Gottfried Schöne.

Überlieferung

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Frontispiz: Porträtstich Karl Philipp Moritz. S. 〈III〉 Widmung; S. 〈V〉–XIV Vor-

rede; S. 3–488 Haupttext.; 1 Seite Corrigenda. Format: 8°. Satzspiegel: 11,7 x 6,8 cm. Fraktur. 24 Zeilen pro Seite Hervorhebungen durch größeren Schriftgrad (Lemmabegriffe) und Schriftartwechsel. Der Druck enthält Kustoden. Im Kolumnentitel sind die drei Anfangsbuchstaben des jeweils aktuellen Lemmas verzeichnet. Mit Ausnahme des ersten und des letzten Druckbogens enthalten jeweils die Recto-Seiten der ersten fünf Blätter eines Druckbogens eine Druckbogenzählung (A2/A3/A4/A5–Hh/ Hh1/Hh2/Hh3). Druckvorlage: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Signatur: Qb 1596; Universitätsbibliothek Regensburg, Signatur: 20/G181261 Grundlage für den edierten Text: D4.

Weitere Auflagen

Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen, von Karl Philipp Moritz, Königl. Preußischem Hofrath und Professor. Nach dessen Tode fortgesetzt von Valentin Heinrich Schmidt, Professor und Prorektor der Köllnischen Stadtschule. Zweite Auflage Mit dem Bildnisse des verstorbenen Moritz. Berlin, 1798. Bei Christian Gottfried Schöne. Zweiseitige Vorrede zur zweiten Auflage von Valentin Heinrich Schmidt; im übrigen satzidentisch mit der Erstauflage.

Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen, von Karl Philipp Moritz, Königl. Preußischem Hofrath und Professor. Nach dessen Tode fortgesetzt von Valentin Heinrich Schmidt, Professor und Prorektor der Köllnischen Stadtschule. Neue wohlfeilere Ausgabe. Berlin, 1816. Bei Carl August Stuhr. Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen, von Karl Philipp Moritz, Königl. Preuß. Hofrath und Professor. Nach dessen Tode fortgesetzt von Valentin Heinrich Schmidt, Prorektor der Köllnischen Stadtschule. Zweite unveränderte Ausgabe. Mit dem Bildnisse des verstorbenen Moritz. Berlin, 1817. Bei Christian Gottfried Schöne.

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Mythologisches Wörterbuch

Übersetzungen

Mythologiskt Lexicon, Öfversättning med Tilläggningar. Hvarjämte en Afhandling Om De Gamle Romares Heliga Plägseder, I Sammandrag Af Carl Stridsberg. Stockholm, Tryckt hos Johan A. Carlbohm, 1796. Pa˚ Bokhandlaren Magist. Isaac Utters Förlag, och säljes i des Bokhandel. Die im Titel genannte Abhandlung Om De Gamle Romares Heliga Plägseder, ein Auszug aus Moritz’ Anthusa, ist mit eigener Paginierung angebunden. Mythologisch Woordenboek, Door K. P. Moritz En V. H. Schmidt. Uit het Hoogduitsch Naar De Derde Uitgave. Te Zutphen, bij W. C. Wansleven. MDCCCXX.

2. Varianten 333,6 Hypermnestra] Hyperennestra D4 333,8 Prötus] Proteus D4 336,2–3 Acca-Larentia war] Die Veranlassung zu diesem Feste war son-

derbar genug; es wurde nähmlich der Akka Larentia oder Laurentia zu Ehren gefeiert, welche als D2 336,3 welche durch] durch D2 336,9 eigenes] eignes D2 336,10 Larentinalien] der Larentinalien D2 336,11 nehmlich] nähmlich D2 336,13 im] i m D2 336,13–14 Manen] Maneen D4 336,15 Leben] Lehen D4 336,16 Acca-Larentia] Akka Larentia D2 336,17 Glücksgütern.] Glücksgütern: D2 336,18 nehmlich] nähmlich D2 336,21 bezahlen] zahlen D2 336,22 schaffte] schafte D2 336,23 Acca-Larentia] Akka Larentia D2 336,25 Acca-Larentia] Akka Larentia D2 336,29 Karucius] Karuzius D2 336,30 Herkules,] Herkules D2

Varianten 336,30 bald] bald, D2 336,31 Karucius] Karuzius D2 336,33 Acca-Larentia] Akka Larentia D2 336,34 Namen] Nahmen D2 337,1 sollte sich] sollte D2 337,2 Mannes, des Faustulus,] Mannes des Faustulus sich D2 337,3 Karucius] Karuzius D2 337,5–6 genossne] genoßne D2 338,30 Deidamia] Deidemia D4 339,8 Was] Was nun D1 339,8 Jahre] Jahr D1 339,8 Belagerung] Belagrung D1 339,8 Eroberung] Erobrung D1 339,11 gefangne,] gefangne D1 339,12 zugefallne,] zugefallne D1 339,12 C h r y s e i s ] C h r y s e i s , D1 339,17 Kalchas] K a l c h a s D1 339,19 länger] sich länger D1 339,21 Stolzes] Solzes, D1 339,22 Begriff,] Begriff D1 339,23 Schwert] Schwerdt D1 339,25 Schadloshaltung] Schadloßhaltung D1 339,27 holen] hohlen D1 339,33–340,1 erwarb. Vergebens] erwarb. Vergebens D1 340,2 so weit] soweit D1 340,4 P a t r o k l u s ] P a t r o k l u s , D1 340,8 viele] viel D1 340,8–9 Schwerte. – Als] Schwerdte. – Als D1 340,9 stand,] stand D1 340,13 löste] lößte D1 340,16 Orkus] Orkus, D1 340,17 z u r ü c k l i e ß ] z u r ü c k l i e ß D1 340,20 empor stieg] emporstieg D1 340,31 betrauern] betrauren D1 341,1 Schrecken:] Schrecken; D1 341,9 Wagen] Wagen, D1

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Mythologisches Wörterbuch

341,10 zerraufte] zerraufte, D1 341,20 Volk] Volke D1 341,23 traf,] traf D1 341,24 d i e ] die D1 341,26 zu,] zu; D1 341,29 Orchomenus] Orchomneus D4 341,32 Acis] A c i s D1 341,34 Gunst] Gunst. D1 342,4 Namen] Nahmen D1 345,26 seiner] einer D4 348,11 daß] das D4 348,22 Thessalien] Tessalien D4 351,4 Erichthonius] Erichthonins D4 351,13 Griechenland] Griechenlaud D4 351,13 und] nnd D4 352,6 gefeiert.] gefeiert D4 352,7 Schiffbruch] Schifibruch D4 352,27 Amphiaraus] Anphiaraus D4 352,28 wurde] würde D4 354,8 eine] eiue D4 355,8 wurde] wnrde D4 355,17 beiwohnten.] beiwohnten- D4 356,15 Freundschaft.] Freundschaft D4 357,1 A r i s t o p h a n e s ] Aristophanes D1 357,6 selbst,] selbst D1 357,9 reizende] reitzende D1 357,18 von] vom D1 357,19 A m o r ] Amor D1 357,23 Wirkungen] Wirkung D1 357,24 Geschosse] Geschoß D1 357,26 Liebesgötter. Auch] Liebesgötter. Auch D1 357,26 Amors] Amor D1 357,28 reizenden] reitzenden D1 358,1 den] dem D1 358,1 Namen] Nahmen D1 358,4 bezeigen] bezeichnen D1

Varianten 358,7 sitzend,] sitzend D1 358,9 warten. – Jagend] warten. – Jagend D1 358,11 betreibend,] betreibend D1 358,12 Gemälden] Gemählden D1 358,14 von] von den D1 358,15–16 in einander] ineinander D1 358,23 Harmonia] Harmonika D4 358,24 Kadmus] Kodmus D4 358,33 ihm] ihn〈Blockade〉 D4 359,2 Amphiaraus] Amphiarous D4 359,20 Mallus] Mollus D4 359,30 eine] ein D4 360,1 vor] von D4 360,2 Mutter] Mutrer D4 360,5 A m p h i o n erbaute] Amphion erbaute nun D1 360,5 Theben] Theben, D1 360,9 die] d i e D1 360,9 zusammen zu fügen] zusammenzufügen D1 360,15 Phrygischen] Phryischen D4 360,20 Amphitrite] Amphiteita D4 361,6 Königreichs] Königreich D4 361,27 würde.] würde D4 362,1 Assarakus] Asarakus D4 362,6 Sey] sey D1 D3 362,7 erdulden.] erdulden. – D1 D3 362,10 überschleichen.] überschleichen. – D1 D3 362,12 Göttergleichen] göttergleichen D1 D3 362,13 »eine] eine D1 D3 362,14 bewohnen;«] bewohnen D1 D3 363,6–7 P e r a n n a ] P e r e n n a D2 363,7 daß] das D2 363,10 Leben] leben D2 363,10 wünschte. Die] wünschte. Die D2 363,11 Namen] Nahmen D2 363,15 Begebenheit,] Begebenheit D2 363,15 Es] Er D4

1005

1006

Mythologisches Wörterbuch

363,18 lange,] lange D2 363,18 oder] ader D4 363,19 seiner eigenen Mitte] seinem eigenen Mittel D2 363,20 wurden. Da] wurden. Da D2 363,21 versehn] versehen D2 363,21 waren,] waren; D2 363,22 Namens] Nahmens D2 363,22 Bovillä] Bovlllä D2 363,24 das Volk] dem Volke D2 363,32 personificirte] personifizierte D2 364,1 deswegen] weswegen D2 364,3 insbesondre] insbesondere D2 364,3 Angina] A n g i n a D2 Aegina D4 364,28 denn] den D4 365,8–9 herabhängenden] herahängenden D4 365,21 würde] wurde D4 365,24 Hermanubis] Herbanubis D4

1007

Überblickskommentar Angaben über die Entstehung des Mythologischen Wörterbuchs zum Gebrauch für Schulen und zu Moritz’ Anteilen daran finden sich im Wesentlichen in einer einzigen Quelle – der Vorrede von Valentin Heinrich Schmidt, der nach Moritz’ Tod am 26. Juni 1793 die Arbeit an dem Wörterbuch fortführte und zum Abschluss brachte. Schmidt war ein ehemaliger Kollege, dem 1782 zusammen mit Moritz das Konrektorat an der »unteren« Schule des Grauen Klosters in Berlin übertragen worden war.1 Wie Schmidt mitteilt, fand er die Wörterbucheinträge bis zum Lemma Apis fertig gesetzt und gedruckt vor.2 Gegenstand der Edition sind allein die von Moritz verantworteten ersten 67 Seiten des Originaldrucks. Wegen des begrenzten Anteils der von Moritz verfassten Artikel an den insgesamt 488 Seiten des Wörterbuchs stehen manche der folgenden Überlegungen unter dem Vorbehalt des Hypothetischen. Der Edition liegt die Annahme zugrunde, dass Moritz’ Beiträge ohne nachträgliche Änderung Eingang in die überlieferte Gestalt des Wörterbuchs gefunden haben. Offenbar wurden die bei Moritz’ Tod bereits gesetzten und gedruckten Bögen nicht mehr von anderer Hand korrigiert. Nur so lassen sich die zahlreichen, zum Teil sinnentstellenden Fehler erklären, die vor allem, aber durchaus nicht ausschließlich griechische Namen betreffen. Der wohl erstaunlichste unter ihnen ist die Verwandlung von Poseidons Gattin Amphitrite in A m p h i t e i t a . Auch Schmidt konnte offenbar in den von Moritz hinterlassenen Textbestand nicht mehr korrigierend eingreifen. Stattdessen sind am Ende des Bands Berichtigungen verzeichnet, die den Übelstand – auch A m p h i t e i t a – teilweise beheben. Die 1798 erschienene zweite Auflage ist, einschließlich der Fehler und der Corrigendaliste, mit der ersten satzidentisch; anscheinend ließ der Verleger den Satz in Erwartung einer weiteren Auflage einfach stehen. Als Schmidt die Arbeit aufnahm, muss auch das von Moritz vorgesehene Titelblatt bereits gesetzt gewesen sein, das im Regensburger Exemplar wie zum An1 2

Vgl. KMA 6, S. 463. Myth. Wb., Vorrede, S. 〈V〉. Vgl. den Abdruck im Dokumententeil des vorliegenden Bands.

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Mythologisches Wörterbuch

denken an den ersten Verfasser und sein Publikationsvorhaben Moritz’ Porträt und der endgültigen Titelei vorangestellt ist. Diesem ersten Titelblatt ist zu entnehmen, dass das Wörterbuch den ursprünglichen Planungen zufolge schon 1793, im Jahr vor dem tatsächlichen Erscheinen, auf den Markt kommen sollte. Der frühe Publikationstermin, der allerdings nach Moritz’ Tod ohnehin nicht mehr zu halten war, ist wohl auch verantwortlich für den Zeitdruck, mit dem Schmidt eventuelle Flecken und Unvollkommenheiten3 prophylaktisch entschuldigt. Für Moritz’ vorbereitende Sondierungen und für die Verhandlungen mit dem Verleger – nicht Johann Friedrich Unger, der die beiden anderen mythologischen Schriften herausgebracht hatte, sondern Christian Gottfried Schöne4 – wird man ein gehöriges Quantum an Vorlauf einkalkulieren müssen. Nicht zu beantworten ist die Frage, ob der Anstoß zu dem Unternehmen von Moritz ausging oder ob es ihm auf ähnliche Weise angetragen wurde wie später Schmidt.5 Für die Niederschrift verwendete Moritz vereinzelt Auszüge aus der Götterlehre (1791) und aus Anthusa (1792); ob die Arbeit an beiden Werken schon beendet war, muss gleichwohl offen bleiben. In seiner Beschaffenheit ist das Wörterbuch von gänzlich anderer Art als der Almanach, wenigstens zum Teil auch als die Götterlehre. An den Absichten, die das Werk verfolgt, lässt die Vorrede keinen Zweifel. Es dient, so ist zu erfahren, der Information über mythologische Personen, deren in den auf Schulen gelesenen Schriften des Alterthums gedacht wird.6 Der Entscheidung, ein Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen zu verfassen, liegt zweifellos nicht zuletzt ein verlegerisches Kalkül zugrunde – ähnlich wie den Einführungen in die Mythologie, von denen in den vorangegangenen Jahren einige erschienen waren und von denen Moritz mehrere für die Götterlehre verwendet hatte. An Informationsmitteln für die rasche Orientierung über mythologische Sachverhalte bestand, wie es scheint, fortwährend Bedarf.7

3

Myth. Wb., Vorrede, S. VI. Zum Verleger Christian Gottfried Schöne und zu Moritz’ Beziehungen zu ihm vgl. den Überblickskommentar zum Neuen A. B. C. Buch, KMA 6, S. 661. Schöne hatte bereits zwei Kinderbücher von Moritz verlegt (Neues A. B. C Buch, 1790, und Lesebuch für Kinder, 1792; KMA 6). 5 Myth. Wb., Vorrede, S. VI. 6 Ebd., S. X. 7 Vgl. den Überblickskommentar zur Götterlehre, S. 471–473 im vorliegenden Band. 4

Überblickskommentar

1009

Als Moritz das mythologische Wörterbuch in Angriff nahm, lag bereits eine Reihe von Nachschlagewerken für den Schulgebrauch vor. Ob er solche Schriften kannte, lässt sich jedoch nicht ermitteln; dass er davon Gebrauch gemacht hätte, ist jedenfalls nicht nachgewiesen. In einem weiteren Sinn könnten ihm dennoch alphabetisch geordnete Lexika als Inspirationsquelle gedient haben. Genannt sei das in französischer Sprache verfasste, an Schüler in öffentlichen und privaten Schulen adressierte8 Dictionnaire Abre´ge´ De La Fable von David Etienne Choffin (Halle 1750); ferner das anonym publizierte Kurtzgefaßte mythologische Wörterbuch von 1752, das Eigennamen und Ortsnamen mit Mythologiebezug, gegebenenfalls auch allegorische Figuren verzeichnet. Vermutlich ist es der Verleger, der in der Vorrede diese Publikation trotz einer ziemlichen Aehnlichkeit mit dem vor einiger Zeit in H a l l e gedruckten französischen Dictionaire rechtfertigt.9 Ein abweichendes Konzept verfolgt Christian Friedrich Prange, der in seiner 1783 veröffentlichten Encyklopädie der alten Geschichte, Götterlehre, Fabeln und Allegorien für Schullehrer und Künstler die Erklärung von Mythologischen Namen und von Allegorien mit derjenigen historischer Personen und Sachen verbindet. Hingegen berücksichtigt Franz Rudolph von Großings Mythologisches Hand- und Lehrbuch, das 1787, in einer durchgesehenen Fassung 1791 in zwei Bänden in Berlin erschien, neben den üblichen Allegorien Festveranstaltungen, Gegenstände, geographische Namen mit mythologischem Bezug, Begriffe von religionsgeschichtlicher Bewandtnis und mythologische Personen jenseits der griechisch-römischen Überlieferungen.10 Das Hand- und Lehrbuch, das Großing den Künstlern sowohl als den Kunstliebenden, vorzüglich aber unseren deutschen Damen und der Schuljugend11 anempfiehlt, befindet sich damit auf dem Weg zu einem mythologischen Begriffslexikon, bei dem die Vielzahl der Einträge allerdings auf Kosten der Informationstiefe geht. Manchen Eigenheiten zum Trotz fällt Moritz’ Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen nicht aus dem Rahmen des in dieser Textgattung Üblichen. 8

Vgl. Choffin, Au lecteur, Bl. *5r. 〈Anonym〉: Kurtzgefaßtes mythologisches Wörterbuch, Vorrede, unpaginiert, § 9. 10 Vgl. z. B. die Einträge zu der keltischen Siegesgöttin A n d a t e oder A n d r a s t e , zur F a k k e l , zu den H i e r a c o b o s k e n (ägyptischen Priestern), zu den N e m e i s c h e n S p i e l e n und dem germanischen Gott P o r e v i t h in Großing 1, S. 62; 234; 2, S. 401; 498. 11 Großing 1, S. XI (Vorbericht). Die Zweitauflage: Franz Rudolph von Großing, Lexicon 9

mythologicum, oder mythologisches Hand- und Lehrbuch für Künstler und Kunstliebende. Durchgesehen von Heinrich Christoph Müller, 2 Bde., Berlin 1791.

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Mythologisches Wörterbuch

Neue Maßstäbe setzt erst das Neue Mythologische Wörterbuch von Paul Friedrich Achat Nitsch, das 1793 erschien, ein Jahr vor Moritz’ Mythologischem Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen. Valentin Heinrich Schmidt lernte das Neue Mythologische Wörterbuch kennen, konnte es nach eigener Auskunft allerdings nicht mehr gehörig benutzen Ç. . .È, denn der Abdruck meiner Schrift war schon weit über die Hälfte vollendet;12 dass Moritz noch Gebrauch von diesem Werk gemacht hat, wird man ausschließen dürfen. Nitsch setzt bereits Christian Gottlob Heynes mythentheoretische Positionen voraus:13 In der umfangreichen Einleitung entwirft er eine Geschichte des Mythos von den Anfängen als ältester Geschichte und Philosophie über poetische Bearbeitungen bis hin zu späten Kompilatoren. Seinen Lesern will Nitsch nicht lediglich Mythenerzählungen präsentieren, sondern sie, auf der theoretischen Basis, die Heyne gelegt hatte, in deren historische Beurteilung einführen.14 In Hinblick auf das altertumskundliche Reflexionsniveau repräsentiert dieses Werk den aktuellen Wissenstand. Mit seinem Nachschlagewerk wendet sich Moritz der Schule als entscheidendem Umschlagplatz, in gewissem Sinn als zentraler Produktionsstätte mythologischen Wissens zu. Ohne der Schrift Unrecht zu tun, darf man sie als Gebrauchsliteratur bezeichnen. Wenn Schmidt Brauchbarkeit und Nützlichkeit als die eigenen Richtlinien ausgibt, so wird er darin von Moritz’ Maßstäben nicht abweichen. Auch in anderen Schriften – man denke an Briefsteller und Sprachlehren – zeigt Moritz keine Scheu, für den praktischen Gebrauch zu arbeiten. Es gehört zum Profil seines Gesamtwerks, dass es, bei aller Bereitschaft zu theoretischer Spekulation wie in den Aufsätzen zur Ästhetik, den Anspruch popularaufklärerischer Breitenwirkung nicht aufgibt. Im Schulunterricht spielte zu Moritz’ Zeit mythologisches Wissen vorzugsweise dann eine Rolle, wenn es einschlägige Erzählungen oder Anspielungen antiker Autoren zu erklären galt. Für die Produktion mythologischer Nachschlagewerke scheint hier ein entscheidendes Motiv gelegen zu haben.15 Ein eigenständiger Unterrichtsgegenstand war die Mythologie, alles in allem, jedoch nicht.16 Mit der Grundanlage des Wörterbuchs gerät Moritz daher nolens volens in einen eher

12

Myth. Wb., Vorrede, S. VII. Zu Heyne vgl. S. 475–482 im vorliegenden Band. 14 Vgl. z. B. den Apollon-Artikel in Nitsch, Sp. 245–258. 15 Vgl. die Hinweise in Großing 1, Vorbericht, S. XI. 16 Vgl. S. 448 im vorliegenden Band. 13

Überblickskommentar

1011

philologisch getönten Kontext. Insofern das Nachschlagewerk, in einer Formulierung von Schmidt, als brauchbares Hülfsmittel beim Lesen der Klassiker17 benutzt sein will, das Schülern den Zugang zum Verständnis antiker Texte erleichtern soll, erscheint in ihm nicht die Mythologie selbst als Gegenstand des Interesses. Zumal von der Götterlehre und dem Mythologischen Almanach her gesehen dürfte Moritz selbst klar gewesen sein, dass die Mythologie im Wörterbuch eher die subsidiären Aufgaben übernimmt, die ihr die Altertumskunde traditionell überlassen hatte. Das Wörterbuch fällt, so betrachtet, hinter die Emanzipation der Mythologie aus ihrer dienenden Rolle wieder zurück, wie Moritz selbst sie auf Heynes Spuren in der Götterlehre erreicht hatte. Obwohl sich auch das Wörterbuch nicht auf philologische Fragen und Methoden einlässt, musste es sich anderen Anforderungen stellen als die eher assoziativ verfahrende, psychologisch vertiefende Mythendeutung. Als Nachschlagewerk, das dazu bestimmt ist, Schülern bei schnellem Zugriff das Wichtigste über mythologische Figuren zu vermitteln, kann das Wörterbuch dem Benutzer keinen Überblick über das Wissensgebiet vermitteln. Sowohl in Hinsicht auf die Auswahl der Einträge als auch mit Blick auf die Selektion von Quellen und Detailinformationen stand Schmidt die unvermeidliche Lückenhaftigkeit des Werks vor Augen.18 Für allgemeinere Thesen zur Mythologie oder zu ihrer Rolle in der Welt des 18. Jahrhunderts, jedenfalls solche, wie Moritz sie in der Götterlehre vertritt, hätte ein Wörterbuch vermutlich ohnehin nur bis zu einem gewissen Grad den geeigneten Rahmen abgeben können. Dies darf man festhalten, obwohl sich Moritz im Wörterbuch gar nicht mit den olympischen Göttern befasst, an denen er in der Götterlehre seine mythologischen Kernpositionen entwickelt; der A p o l l o -Artikel liegt bereits außerhalb der Grenzen des von Moritz bearbeiteten Teils. Was Schmidt, erneut in seiner Vorrede, über Moritz’ Arbeitsweise berichtet, hält der editorischen Nachprüfung stand. Schmidt zufolge nahm sich Moritz die Freiheit, aus der Götterlehre und aus Roms Alterthümern Artikel in das Wörterbuch einzuschalten.19 Eine Übersicht der Übernahmen aus zuvor erschienenen Arbeiten ist hier in tabellarischer Form zusammengestellt:

17

Myth. Wb., Vorrede, S. XIV. Vgl. z. B. ebd., Vorrede, S. XIIIf. 19 Ebd., Vorrede, S. XII. 18

1012

Mythologisches Wörterbuch

Götterlehre Kapitel

Anthusa Kapitel

Seite

Artikel

Seite

Die Larentinalien

KMA 4/1, 169,24– 170,32

Acca-Larentia

336,2– 337,6

Achilles

Acis

241,8– 243,27 220,17–24

Amor

44,19–45,14

Amor

Amphion Anchises

339,8– 341,28 341,32– 342,4 356,31– 357,25 357,26– 358,16 360,5–10 362,6–17

KMA 4/1, 55,3–28

Annaperanna

363,6–30

KMA 4/1, 168,3–11

Angerona

363,31– 364,5

Troja

Seite

Mythologisches Wörterbuch

Acis

Liebesgötter 200,16– Kadmus Anchises

Amoretten

201,7 226,8–13 216,17–28; s. auch myth. Alm., 305,13–23

Das Fest der Anna Peranna Die Angeronalien

Schmidt entging aber nicht, dass die Hauptquelle, aus der Moritz schöpfte, an anderer Stelle gesucht werden muss: Aus seiner Vorrede ist zu erfahren, dass Moritz vorzüglich dem von Schwabe verbesserten Hederich folgte,20 also dem Mythologischen Lexicon von Benjamin Hederich, das 1724 erstmals er20

Ebd., Vorrede, S. VII. Dafür, dass Moritz die überarbeitete Hederich-Ausgabe von 1770 verwendete, hier einige Hinweise ohne Vollständigkeitsanspruch: Der Artikel A b u n d a n t i a aus der späteren Fassung (Sp. 11) verteilt wie Moritz, aber anders als der Druck von 1724 (Sp. 9f.) Füllhorn und Ähren auf die rechte und linke Hand der Göttin; im früheren Druck fehlt der Artikel A d e s , oder H a d e s ; während sich Hederich 1724, Sp. 213 für die Ikonographie der Amphitrite auf wenige Worte beschränkt, schöpft Moritz seine Angaben (Schleier, Delphin, Muschelwagen) aus dem Druck von 1770 (Sp. 238); für die Hinweise zu Antinoos-Darstellungen könnte sich Moritz u. a. bei Hederich, Lexicon, Sp. 289f. informiert haben, nicht jedoch in den älteren Ausgaben (Sp. 258f.).

Überblickskommentar

1013

schienen war und 1770 in einer von Johann Joachim Schwabe überarbeiteten Version herauskam. Bis in das beginnende 19. Jahrhundert wurde Hederichs Lexicon als mythologisches Standardwerk verwendet.21 Nicht zu überhören ist eine gewisse Distanz des Bearbeiters Schmidt zu Entscheidungen, die Moritz getroffen hatte. In höherem Maß als Moritz gibt sich Schmidt als kritisch urteilender Philologe zu erkennen, der gegebenenfalls ›schlechtere‹ von ›besseren‹ Gewährsleuten trennt und mit Blick auf die antiken Quellen schärfer zwischen dem Nützlichen und dem weniger Brauchbaren unterscheidet. Über Hederich hinaus bezog Schmidt nach eigener Auskunft weitere mythologische Einführungsliteratur (darunter auch Moritz’ einschlägige Werke) in seine Recherchen ein und verzichtete nicht darauf, antike Quellen zu konsultieren.22 Seiner Kritik verfallen Moritz’ Einträge zu den Gottheiten A b e o n a und A d e o n a , deren Kenntnis die Nachwelt nur einer mythologischen Quelle minderen Ranges verdanke, nämlich De civitate dei des Kirchenvaters Augustinus, und die nicht Gegenstand des Schulunterrichts seien.23 Auf grundlegende Vorbehalte gegen das Konzept des Wörterbuchs oder gegen die Zuständigkeit des Initiators lässt die Vorrede aber nicht schließen. Die Mehrzahl der von Moritz verfassten Einträge folgt im Aufbau den korrespondierenden Hederich-Artikeln und lehnt sich zuweilen sogar in der Wortwahl an sie an. Ein vergleichbarer Gebrauch wurde später umgekehrt bei Gelegenheit auch von Moritz’ Wörterbuch gemacht, so in der Neuen Bilder Gallerie für junge Söhne und Töchter (1801), wo Texte über Andromeda, Anchises und Aineias zu wesentlichen Teilen aus den von Moritz bearbeiteten Artikeln übernommen sind.24 Ähnliches gilt für ein Mythologisches Taschenwörterbuch aus dem Jahr 1808. Der Kompilator dieses Nachschlagewerks gibt schon auf dem Titelblatt zu verstehen, dass er den Stoff Nach den besten mythologischen Werken v o n B a n n i e r , M o r i t z , R a m l e r u . a . m . bearbeitet habe. Welchen Gebrauch er dabei von dem Mythologischen Wörterbuch machte, zeigt z. B. der Apis-Eintrag.25 21

Vgl. zu diesem Nachschlagewerk S. 463–465 in diesem Band. Zu den von Schmidt herangezogenen Quellen Myth. Wb., Vorrede, S. VI–VIII. 23 Ebd., Vorrede, S. XII. 24 〈Anonym〉: Neue Bilder Gallerie für junge Söhne und Töchter zur angenehmen und 22

nützlichen Selbstbeschäftigung aus dem Reiche der Natur, Kunst, Sitten, und des gemeinen Leben. Achter Band mit 150 Abbildungen, Berlin 1801, S. 170; 172–177. 25 〈Anonym〉: Mythologisches Taschenwörterbuch. Nach den besten mythologischen

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Mythologisches Wörterbuch

Die Materialien, die Moritz von Hederich übernimmt, gehen allerdings nicht unverändert in das Wörterbuch ein. Nachschlagewerke für den Gebrauch an Schulen oder überhaupt für die Verwendung jenseits von Universität und gelehrter Philologie standen stets, wie Choffin es formuliert, vor der Aufgabe, das juste milieu entre les extre´mite´s du trop & du trop peu26 einzuhalten. Hederich hatte ein Lexikon verfasst, das wenigstens in der Tendenz darauf angelegt ist, unter den vielen Varianten mythologischer Erzählungen keine für zutreffend zu erklären und stattdessen dem Leser einen Überblick über die Bandbreite der Möglichkeiten wie auch über die wichtigsten historischen und allegorischen Deutungen zu bieten. In der konzentrierten, aspektreichen, wertungsneutralen und mit dem Anspruch auf Nachprüfbarkeit und philologische Zuverlässigkeit kompilierten Zusammenstellung mythologischen Wissens setzt Hederich Maßstäbe; für den praktischen Gebrauch an der Schule dürfte sich hingegen, abgesehen vom schieren Volumen und vom mutmaßlichen Kaufpreis27 des Bands, gerade die im Einzelfall oft schwer überschaubare Vielfalt an Informationen als hinderlich erwiesen haben. Moritz’ Wörterbuch zielt, wenn man so will, auf eine ›Marktlücke‹, die Hederichs Lexicon selbst nicht füllen, bei deren Schließung es aber treffliche Dienste leisten konnte. Die Neuauflagen von 1798, 1816 und 1817, die das Mythologische Wörterbuch erlebte, sowie die schwedische Übersetzung aus dem Jahr 1796 und die niederländische aus dem Jahr 1820 deuten darauf hin, dass das Konzept durchaus eine gewisse Plausibilität besaß. Es sind jedenfalls vor allem Umfang der Einträge, überlieferungsbedingte Komplexität und philologische Verfahrensweisen, in denen das Wörterbuch von anderem Zuschnitt als die Vorlage ist. Schmidt leitet aus der Bindung an Schulzwecke Auswahlkriterien für die Einträge ab, die Eingang in das Wörterbuch fanden.28 Da Schmidt sich an dem bereits Vorhandenen orientierte, darf man annehmen, dass Moritz sich im Prinzip an ähnliche Maßgaben hielt. Anders als Hederichs Lexicon strebt das Wörterbuch keine Vollständigkeit an, weshalb die Zahl der Einträge

Werken von Bannier, Moritz, Ramler u. a. m. für die studirende Jugend bearbeitet, Grätz 1808, S. 39f. Vermutlich ist das anonym erschienene Werk ein Raubdruck von Friedrich August Hänsch, Mythologisches Taschenwörterbuch. Bearbeitet nach Banier, Moritz, Ramler etc., Ronneburg 1804. 26 Choffin, Au lecteur, Bl. *4v. 27 Man vergleiche Myth. Wb., Vorrede, S. XIII, wo Schmidt sich zur Kürze bekennt, um die 28

Wohlfeilheit des Preises zu bewirken. Ebd., Vorrede, S. XI.

Überblickskommentar

1015

zusammenschmilzt. Die Frage, ob alle Auswahlentscheidungen, die Moritz traf, sachgerecht und zweckdienlich waren, kann kaum ohne nähere Betrachtung des zeitgenössischen Schulunterrichts beantwortet werden. Immerhin sei angemerkt, dass einzelne Artikel mythologisches Personal betreffen, das in der Götterlehre überhaupt nicht vorkommt; abgesehen von spezifisch römischen Gottheiten wie A c c a L a r e n t i a , A n n a p e r a n n a und A n g e r o n a gilt das für die Lemmata A c a c e s i u s , A c a s t u s , A c i d a l i a , A e g a , A g l a u r o s , A m p h i l o c h u s und A n a x a r e t e . Dass Moritz trotz seiner grundsätzlichen Distanz zu Allegorien Figuren wie A b u n d a n t i a , A e t e r n i t a s und A m i c i t i a nicht übergeht, muss man als Zugeständnis an den zeitgenössischen Bildungsbedarf bewerten; auch Schmidt räumte a l l e g o r i s c h e n Vo r s t e l l u n g e n und p o e t i s c h e n We s e n 29 einen Platz ein. Gegenüber Hederich nimmt Moritz alle Maßnahmen zurück, mit deren Hilfe Gründlichkeit hätte demonstriert werden können. Der philologischen Nachweispflicht unterwirft er sich nicht; sein Wörterbuch erteilt keine Auskunft darüber, auf welche antiken Quellen sich die Angaben jeweils beziehen. Den Verzicht auf Belege teilt das Wörterbuch mit anderen zeitgenössischen Nachschlagewerken zum didaktischen Gebrauch.30 Die Reduktion kritischer Maßstäbe betrifft auch Moritz’ Arbeitsweise: Wie es scheint, hat er auch ihm bekannte antike Texte in der Regel nicht noch einmal gesichtet, wenn er bei Hederich einschlägige Verweise vorfand.31 Ergänzungen aus Ovid bleiben die Ausnahme.32 Ebenso wenig finden sich Hinweise darauf, dass Moritz die neueren mythographischen Quellen, die er für die Götterlehre verwendete, erneut konsultiert hätte. Anders als Hederich wählt Moritz aus der Vielzahl der mythologischen Varianten nur jeweils eine aus und nimmt damit den mythologischen Überlieferungen ihren wohl verwirrendsten Aspekt. Auch die Handlungszusammenhänge, die sich zuweilen über Heroen-Generationen hinweg erstrecken, erscheinen im Wörter-

29

Ebd., Vorrede, S. IX. Vgl. Choffin; 〈Anonym:〉 Kurzgefaßtes mythologisches Wörterbuch; Großing. Prange führt partiell in generalisierender Weise Autoren und Werke an, auf die er sich bezieht. 31 Vgl. S. 337,31–33 und Erl. im vorliegenden Band über die Entstehung der echinadischen Inseln. Der Mythos fußt auf Ovids Metamorphosen; Moritz berichtet auf der Grundlage von Hederich. Auch der Hinweis auf Homer im Zusammenhang mit der Aegis (S. 346,20–26 und Erl.) beruht auf Hederich, Lexicon, Sp. 87f. 32 Vgl. z. B. S. 354,26–355,3 und Erl. zum Artikel A l t h ä a . 30

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Mythologisches Wörterbuch

buch in vereinfachter Gestalt.33 Das Chaos, das vielen Autoren des Aufklärungsjahrhunderts zufolge in der Mythologie regiert, wird deshalb im Wörterbuch nicht sichtbar. In Hinblick auf die Auswahlkriterien darf man ein gewisses Maß an Arbitrarität annehmen. In der Konsequenz enthält das Wörterbuch Mythenfassungen, die von denen der Götterlehre abweichen und sich auf andere antike Vorlagen stützen. In Entscheidungen für oder gegen bestimmte Mythenversionen besteht zwischen dem Wörterbuch und der Götterlehre kein Konsistenzverhältnis. Ein Beispiel bietet der A m a l t h e a -Artikel, der Ovids Erzählung folgt, während die Götterlehre anderen Versionen den Vorzug gibt.34 Bei allem Verlust an philologisch wichtigen Detailinformationen führen Auswahl und Tilgung zu einer vereinfachten Handhabung. In gewisser Weise leistet Moritz’ Wörterbuch dennoch selbst seinen Beitrag zur Opazität mythologischen Wissens. Da schon Hederich nicht immer zu den ältesten Quellen gegriffen hatte, gehen z. B. auch in Moritz’ Darstellungen Mythenversionen oder Detailüberlieferungen ein, die nicht weiter zurückverfolgt werden können als bis zu Kompilatoren oder sogar Erfindern der Frühen Neuzeit. Während etwa A m i c i t i a für Moritz eine allegorische Gottheit bei den Römern ist, führen die Bildvorstellungen, auf die der Artikel Bezug nimmt, nicht hinter die Emblematik der Frühen Neuzeit zurück.35 Im Wörterbuch verfährt Moritz, alles in allem, ähnlich wie bei der Zusammenfassung der Heroen-Mythen in der Götterlehre. In der Trias mythologischer Schriften, die Moritz hinterlassen hat, spielt das Wörterbuch auch deshalb eine charakteristische Rolle, weil es die Differenz zwischen ästhetischer Betrachtung oder erfahrungsseelenkundlicher Vertiefung auf der einen Seite und Genealogien, Heldenviten und memorablen Ereignissen im Rahmen lexikalischer Vermittlung mythologischer Sachverhalte für Schulzwecke auf der anderen beleuchtet. Zwei Ausnahmen vom Grundton des Wörterbuchs sind geeignet, die Gesamttendenz besonders deutlich ins Licht zu setzen: Die Artikel A m o r und A m o r e t t e n , die Moritz unverändert aus der Götterlehre übernimmt, wirken in ihrem neuen Kontext wie Fremdkörper; denn sie basieren auf Strukturkonzepten des mythologi-

33

Für ein Beispiel vgl. den Eintrag A l c m a e o n / A l k m ä o n bei Hederich, Lexicon, Sp. 176–178, und S. 352,27–353,8 im vorliegenden Band. 34 Vgl. S. 23,13–18; 355,4–9 im vorliegenden Band. 35 S. 356,15–20 und Erl. im vorliegenden Band. Vgl. auch S. 350,34–35 zu Aganippiden als einem Beinamen der Grazien, ferner S. 345,14 und Erl. zur Genealogie des A i a k o s .

Überblickskommentar

1017

schen Hauptwerks – dem Zusammenspiel von Ernst- und Scherzhaftem, von Konstruktivem und Destruktivem, der Sprache der Phantasie, dem Rückbezug auf das ursprüngliche Chaos –, die im Wörterbuch keine tragende Rolle übernehmen.

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Dokumente 1. Dokumente zur Entstehung 〈Valentin Heinrich Schmidt〉, Vorrede, in: Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen, von Karl Philipp Moritz, Königl. Preußischem Hofrath und Professor. Nach dessen Tode fortgesetzt von Valentin Heinrich Schmidt, Prorektor der Köllnischen Stadtschule. Mit dem Bildnisse des verstorbenen Moritz. Berlin, 1794. Bei Christian Gottfried Schöne, S. 〈V〉–XIV. ÇVÈ

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Als ich nach dem Tode des seligen M o r i t z zur Fortsetzung dieses Wörterbuchs aufgefordert wurde, fand ich vier Bogen, oder, um ganz bestimmt zu reden, den Anfang des Werks bis zum Schlusse der Erklärung des Gottes A p i s S. 67 abgedruckt. Hieraus mußte ich mir den Plan abstrahiren und den Faden weiter verfolgen, welchen der Verfasser angeknüpft hatte. Der auf dem erstern Titel befindliche Zusatz: f ü r S c h u l e n , gab den Gesichtspunkt und den Endzweck der Schrift an. Ob ich jenen richtig aufgefaßt, und diesen erreicht habe, unterwerfe ich der Beurtheilung der Kenner. Ich darf um so zuversichtlicher auf Nachsicht rechnen, da aller angewandten Sorgfalt ungeachtet, bei dem eingeschränkten Zeitraum, der mir zur Bearbeitung verstattet ward, dem Werke Flecken und Unvollkommenheiten ankleben werden, deren Spur ich sogleich nicht zu tilgen im Stande war. Aus dem Folgenden wird man die Grundsätze und Hülfsmittel ersehen, die mich bei der Bearbeitung leiteten; so wie sich daraus der Plan ergiebt, den ich mir nach der Prüfung der Arbeit meines Vorgängers vorzeichnete. Die Schriftsteller, aus welchen ich zusammentrug, waren S c h w a b e , (dessen verbessertes Hederichsches Lexikon) D a m m , (nach der umgearbeiteten Auflage der Götterlehre von 1786) E s c h e n b u r g , H e r m a n n , R a m l e r und M o r i t z . Ich habe öfters die Quellen selbst nachgesucht und besonders in den vortrefflichen notis ad Apollodori bibliothecam von H e y n e Auflösungen macher Zweifel gefunden. Das neue Wörterbuch

Dokumente zur Entstehung

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von N i t s c h fiel mit zu spät in die Hände, als daß ich es hätte gehörig benutzen können, denn der Abdruck meiner Schrift war schon weit über die Hälfte vollendet. Ob ich gleich dem Beispiele meines Vorgängers M o r i t z gemäß vorzüglich dem von Schwabe verbesserten Hederich folgte; so habe ich mich doch nicht ängstlich an ihn gebunden, ja sogar Mythen aufgenommen, die sich bei ihm nicht finden, als L i o d e s , u. a. m. Bei der Erklärung der Aegyptischen Gottheiten kam mir Vo g e l s Versuch über die Religion der alten Aegypter und Griechen zu statten. Was die Vorstellungen auf antiken Denkmälern aller Art betrifft; so zog ich hierbei W i n k e l m a n n s Denkmäler der Kunst und M u r r s Abbildungen der Gemälde und Alterthümer im K. Neapolitanischen Museum zu Portici zu Rathe. Bei den allegorischen Gottheiten benutzte ich vorzüglich die Arbeit unsers Ramler. Ich bemühete mich, aus dem Fabelsystem der G r i e c h e n und R ö m e r die Gegenstände auszuheben, die in den auf Schulen gelesenen Schriften des Alterthums sich finden. Hierzu rechne ich den H o m e r , P i n d a r , A p o l l o d o r , P l u t a r c h , die Griechischen Tragiker, den L u c i a n – den ich übrigens für keine brauchbare Quelle der Mythologie ausgeben will – H o r a z , V i r g i l , O v i d , C i c e r o , L i v i u s , P l i n i u s und andere mehr. Daß ich den H e s i o d als die älteste Quelle nicht übergehen konnte, ungeachtet er nicht auf Schulen gelesen zu werden pflegt, bedarf vielleicht keiner Entschuldigung. Da M o r i t z A e g y p t i s c h e Mythen hatte, so nahm ich die wichtigsten auf, deren Kenntniß dem studirenden Jünglinge in mancher Rücksicht nützlich ist. Eben so verfuhr ich mit den a l l e g o r i s c h e n Vo r s t e l l u n g e n und p o e t i s c h e n We s e n . Ich wählte diejenigen, die sich an Gebäuden, auf Medaillen, andern Kunstwerken u. s. w. finden, und die am häufigsten vorgestellt werden. Dazu gehören: A m i c i t i a , D i l i g e n t i a , J u s t i t i a u. s. w. Sogenannte p h i l o s o p h i s c h e A l l e g o r i e e n , worunter ich die von der P s y c h e , und vom H e r k u l e s a m S c h e i d e w e g e rechne, hielt ich der Aufnahme nicht minder werth, als die poetischen Wesen C h i m ä r a , S p h i n x , S i r e n e n u. d. gl. Dem Plan des Wörterbuchs zufolge sind in demselben nicht allein Gottheiten von höherm und geringerm Range, sondern auch mythologische Personen und Heroen befindlich, sobald ihrer in den auf Schulen gelesenen Schriften des Alterthums gedacht wird. Was gehen den Schüler z. E. G y r a l d u s , Tu r n e b u s , oder gar P h e r e c y d e s und P h i l o s t e p h a n u s , von denen man bei Grammatikern

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und Scholiasten etwas antrifft, an? Diese setzen nicht selten zur Interpretation ihres Schriftstellers religiöse und andere Ideen hin, sobald sie in ihren Kram passen. Der Lehrer muß das beim Vortrage ergänzen, was er zur Vollständigkeit nöthig erachtet, und wofür er Gründe zu haben glaubt. Es ist ferner nicht der Zweck des Wörterbuchs, der Fabel ihre Würdigung zu geben, oder gar Widersprüche vereinigen zu wollen. Dergleichen Unternehmungen sind überhaupt mißlich und selbst Versuche dieser Art übersteigen meine Kräfte. Daher ist nur äußerst selten auf Entstehung oder Deutung einer Fabel hingewiesen. Ob es mir hingegen gelungen sei, eine z w e c k m ä ß i g e A u s w a h l aller in die Mythologie einschlagenden Gegenstände zu treffen, darüber erwarte ich das Urtheil kompetenter Richter. Ich überging viele Namen, die sich zwar in den Schriften der Klassiker finden, die aber keiner Erläuterung bedürfen, z. E. die Namen mancher Lapithen und Centauren. Bei der oft so verschieden angegebenen Abstammung der mythologischen Wesen zog ich die vor, welche ein oder mehrere Klassiker hatten, führte auch wohl hin und wieder zwei Meinungen an. Von meinem Vorgänger wich ich darin ab, daß ich mir die Freiheit, welche er sich genom- men hatte, aus seinen vorher herausgegebenen Schriften, nämlich aus d e r G ö t t e r l e h r e und aus R o m s A l t e r t h ü m e r n Artikel in das Wörterbuch einzuschalten, nicht erlauben durfte; ob ich gleich dankbar gestehe, diese Schriften genutzt zu haben. Ferner nahm er Gottheiten auf, deren nur A u g u s t i n de civitate Dei erwähnt, wie dies der Fall bei A b e o n a und A d e o n a ist. Die Glaubwürdigkeit der Kirchenväter über heidnische Religionsideen und Vorstellungen ist bei mir sehr schwach. Ueberhaupt wird man sie nicht auf Schulen lesen; daher ist ihr Zeugniß für ein Wörterbuch zu diesem Zweck überflüssig. Da ich den Plan im Allgemeinen nicht abändern konnte, so war es unvermeidlich, zuweilen Wiederholungen anzubringen, die ohne Aufopferung der Deutlichkeit und des Zusammenhangs nicht wegfallen konnten. Auf Cita- ten durfte ich mich nur höchst selten einlassen. Dennoch hoffe ich, unnütze Weitschweifigkeit vermieden zu haben. Man vergleiche unter andern P r o k n e , P h i l o m e l e und Te r e u s . Die Namen, die aus dem Griechischen stammen, habe ich gewöhnlich mit k geschrieben, so wie die, welche Römischen Ursprungs sind, mit einem C. Jedoch bin ich in der Mitte und am Schluß des Worts weniger ängstlich gewesen, und habe das K oft vorgezogen. Ich schrieb auch nach E r a s m i Leseart E i d o t h e a , E i -

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l e i t h y i a , weil in mehrern Gymnasien, namentlich in Berlin, so gelesen wird. Bei der gedrängten Kürze, die ich mir vorschrieb, um die Wohlfeilheit des Preises zu bewirken, hoffe ich dennoch der Verständlichkeit nicht Abbruch gethan zu haben, um die Brauchbarkeit und Nützlichkeit dieses Buchs zu befördern. Oft – ich gestehe es – machte mir die Einkleidung vieler Ausschweifungen, die Götter und Heroen begingen, Schwierigkeit; da ich mich nicht befugt hielt, sie ganz zu übergehen, wenn ihrer in den Klassikern erwähnt worden war. Ich strebte daher mit aller Sorgfalt, den Ausdruck so zu wählen, daß Unschuld und Sittsamkeit, diese Zierde des jugendlichen Alters, nicht gefährdet werden könnte. Es würde mir Freude seyn, wenn der Jüngling ein brauchbares Hülfsmittel beim Lesen der Klassiker durch dies Wörterbuch erhielte, und wenn es seinem Zwecke angemessen befunden würde. Berlin, im Febr. 1794. Schmidt.

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2. Zeitgenössische Rezensionen 〈Zur 1. Auflage〉 1. Neue allgemeine deutsche Bibliothek, 18. Bd., 1. Stück, 1795, S. 34f. (Ie.).

Nur die ersten Bogen des Werks sind von Moritz, das Uebrige ist von dem Fortsetzer, und das Ganze nichts weiter, als ein Auszug aus dem von Schwaben verbesserten Hederich, mit Weglassung aller Citaten und gelehrten und ungelehrten Deutungen der Mythen und Fabeln. Wir gestehen gern, daß wir nicht so glücklich sind das Verdienstliche dieser Arbeit einzusehn, und sie für nichts anders, als eine litterarische Speculation erklären können, dergleichen Moritz bekanntlich in seinem Leben mehrere gemacht hat. Für die liebe Jugend, deren Gebrauche Hr. Schmidt dieses Buch widmet, ist seit einigen Jahren durch so manches große und kleine Compendium und Lexicon recht sehr gut, und wir dürfen wohl sagen durch einige derselben, z. B. durch H. Ramlers Mythologie, hinlänglich gesorgt worden. Warum also die alten Sachen immer wieder von neuem ausgeben und zusammenstellen. Dadurch gewinnt die Jugend und die Wissenschaft gar nichts. Gewiß wird sich Hr. Schmidt in beyden künftig ein ungleich größeres Verdienst erwerben, wenn er nicht bloß zehnmal erzählte Mährchen zum

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eilftenmale nacherzählt, sondern über den Sinn derselben denkt und Andere denken lehrt. Diese Forderung zu erfüllen, kann ihm bey den vielen Hülfsmitteln, die wir haben, nicht schwer fallen, sobald er selbst nur die Bequemlichkeit der Nützlichkeit nachsetzt. 2. Litterarische Denkwürdigkeiten oder Nachrichten von neuen Büchern und kleinen Schriften vorzüglich der Chursächsischen Universitäten, Schulen und Lande (Neue Leipziger gelehrte Anzeigen), Drittes Quartal, 78. Stück, 28. September 1795, S. 623.

Bereits im vorigen Jahre hat Schöne verlegt: Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen, von C a r l P h i l i p p M o r i t z , Kön. Preuß. Hofr. und Prof. Nach dessen Tode fortgesetzt von Va l e n t i n H e i n r i c h S c h m i d t , Prorektor der Kölln. Stadtschule. Mit dem Bildnisse des verstorb. Moritz. (XVI. 488 S. in 8. Pr. 1 Thlr. 12 Gr.) Nur ein sehr kleiner Theil (die erstern 4 Bogen) rühren von dem verstorb. Moritz her. Die auf dem Titel ausgedrückte Bestimmung gab dem Fortsetzer den Plan, und die bekannten neuern mytholog. Werke (unter welchen das Nitschische Handbuch, selbst nur Compilation, dem Verf. erst spät zu Gesicht kommen konnte) den Stoff. Er schloß diejenigen mytholog. Wesen, oder Erklärungen der Mythen, welche bey den Klassikern gar nicht vorkommen oder auf sie keinen Bezug haben, aus, nahm aber einige Aegyptische Mythen, ingleichen die allegorischen und poetischen Gottheiten, welche für das Lesen der alten Schriftsteller Interesse haben, auf. Wir haben nicht nur keine erheblichen Fehler oder Lücken, sondern auch eine zweckmäßige Kürze, Deutlichkeit und Vorsicht in der Darstellung gewisser Mythen, welche das unverdorbene Gefühl der Schamhaftigkeit beleidigen, gefunden; Eigenschaften, die es zu dem Gebrauche empfehlen, dem es bestimmt ist. 3. Neue nürnbergische gelehrte Zeitung, 97. Stück, Freitag, 4. Dezember 1795, S. 769–770.

Der seelige Moriz hatte bei seinem Absterben nicht mehr als vier Bogen von diesem Wörterbuche hinterlassen, bei welchem er den Gesichtspunkt, für Schulen zu arbeiten, festgesetzt hatte. Den Lesern der Morizischen Schriften ist die Manier bekannt, in welcher derselbige Mythologie und

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Alterthümer zu bearbeiten pflegte, und diese ist auch hier in den von ihm bearbeiteten ersten Bogen sichtbar. Z. B. Amoretten; Liebesgötter. Auch die Göttergestalt des Amors vervielfältigte sich in der Einbildungskraft der Alten; die Liebesgötter, welche allenthalben in den Dichtungen unter reizenden Gestalten erscheinen, sind gleichsam Funken seines Wesens, und die Dichtkunst ist unerschöpflich in schönen sinnbildlichen Darstellungen dieser alles besiegenden Gottheit. So findet man den Liebesgott dargestellt, wie er Jupiters Donnerkeil zerbricht; wie er mit des Herkules Löwenhaut umgeben, und mit seiner Keule bewafnet ist; oder wie er auf den Helm des Mars tritt, dessen Schild und Wurfspieß vor ihm liegen, u. s. w. Der Fortsetzer des Werkes aber hat diese Manier verlassen. Er ist dem Hederich, Damm und andern vorzüglich gefolget. Besonders hat er oft nach dem Ovidius erzählt. Es wundert uns, daß auch historische Personen unter die mythologischen mit eingemischt worden sind. Z. B. Stichius: ein Anführer der Athenienser im Trojanischen Kriege, der durch die Hand Hektors fiel. – »Das We s e n des Acis wurde zu einem Bach« ist eine sehr altmodische Redensart. – Bei P h ö b e heißt es: »Eine Tochter des Himmels und der Erde. Von ihr wurden Latona und Asterie gebohren.« – Warum steht hier nichts davon, daß Phöbe auch ein Name der Diana oder Luna ist? – Der Artikel Baucis schließt sich also: »Ihr Andenken blieb noch lange im Seegen.« 4. Allgemeine Literatur-Zeitung, 1. Band, Nr. 42, Dienstag, 6. Februar 1798, Sp. 336.

Keine Vorrede unterrichtet das Publicum von dem Zwecke und Plane dieses Werkes. Für Schulen möchte es zu dürftig und zu mangelhaft seyn. Durch N i t s c h e n s Wörterbuch ist für diesen Zweck ganz anders gesorgt. Eher möchten wir es bloßen Liebhabern, welche zur Lesung der Dichter und zur Beschauung von Kunstwerken ein belehrendes Hülfsbuch bedürfen, empfehlen. Der Vf. hatte sich durch seine Götterlehre Berl. 91. und durch seinen mythologischen Almanach für Damen Berl. 92. zu diesem Wörterbuch vorgearbeitet. Man findet hier wieder die gefällige Einkleidung. Auch zeichnet es sich dadurch aus, daß der Vf. häufig auf die Vorstellungen in der alten Kunst Rücksicht nimmt. Man sehe die Artikel Amor, Apollo, Ariadne, Hebe, Hektor, Helena, Juno, Jupiter etc. Manche Artikel sind sehr mager und unbefriedigend. Man vergl. z. B. Fama, Eleu-

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sinische Geheimnisse. Gegen die Rechtschreibung der Namen haben sich Vf. und Setzer häufig versündigt, z. B. Eryphyle, Hemus, Orythya, Hygea, Harmonika, Kodmus. 〈zur schwedischen Übersetzung 1796〉 5. Allgemeine Literatur-Zeitung, 3. Bd., Nr. 297, Montags, den 18. September 1797, Sp. 727f. (ebenfalls rezensiert wird ein Auszug aus der Anthusa vom selben Übersetzer, 1796).

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Beide Schriften gehören gewissermaßen zusammen. Sie haben beide einen Vf., und beide einen und denselben Uebersetzer. Die zweyte dieser Schriften wird sowohl als ein Anhang zu den erstern, als auch für sich allein unter dem angeführten besondern Titel verkauft. Rec. darf sie nur kurz anzeigen. Denn die erste ist eine Uebersetzung von Moritzens 1794 herausgegebenen mythologischen Wörterbuch zum Gebrauch der Schulen, das der Prorector an der köllnischen Stadtschule, Hr. V . H . S c h m i d t , nach des erstern Tode fortgesetzt hat. Zusätze von Wichtigkeit haben wir nicht bemerkt, obgleich an etwa 40 neue kurze Artikel hinzugekommen sind. Das zweyte Buch ist ein Auszug aus Moritzens ANUOYSA oder Roms Alterthümern, Berlin 1791, welcher erste Theil die heiligen Gebräuche der Römer lieferte. Die Uebersetzungen von beiden sind nicht übel gerathen. Den Schweden muß die Uebersetzung des Moritzischen Wörterbuchs desto angenehmer seyn, da We n n e r d a h l s sonst dort gebrauchliches L e x i c o n M y t h i c o - H i s t o r i c u m nicht mehr in den Buchladen zu haben ist. Dieß letztere war nach den damaligen Kenntnissen verfaßt, und zeugte von mehr Gelehrsamkeit als Geschmack. Auch war es nicht bloß mythologisch, sondern auch historisch und geographisch und enthielt eine Menge unnöthiger und unsicherer Vergleichungen zwischen der Mythologie der alten Griechen und Römer, mit der Mythologie anderer Völker. Hier ist alles kürzer und zweckmäßiger gefaßt und jene Fehler sind vermieden.

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〈zur zweiten Auflage 1798〉 6. Allgemeine Literatur-Zeitung, 3. Band, Nr. 293, Sonnabend, 29. September 1798, Sp. 727f.

Schriften der Art sind steter Verbesserungen und Ergänzungen fähig, und man sollte keine neuen u n a b g e ä n d e r t e n Auflagen derselben veranstalten, wie hier geschehen ist. Eine Vorrede, welche dem Rec. der ersten Ausgabe nicht zu Gesichte gekommen war, giebt ziemlich befriedigende Auskunft über den Plan und Zweck dieses Wörterbuchs, von welchem nur die ersten 4 Bogen Moritzens Eigenthum sind. In folgende Stelle der Vorrede S. X. können wir uns nicht finden: »Was gehen dem Schüler z. E. G y r a l d u s , Tu r n e b u s , oder gar P h e r e c y d e s und P h i l o s t e p h a n u s , von denen man bey Grammatikern und Scholiasten etwas antrifft, an? Diese setzen nicht selten zur Interpretation ihres Schriftstellers religiöse und andere Ideen hin, sobald sie in ihren Kram passen!« Was der Vf. sich bey dieser Zusammenstellung gedacht habe, mag ein anderer errathen! 7. Neue allgemeine deutsche Bibliothek, 43. Bd., 1. Stück, 1799, S. 200f., hier: S. 201 (Tg., d. i. Schilling).

Daß dieß Buch innerhalb vier Jahren die zweyte Auflage erlebt hat, beweiset die Brauchbarkeit desselben, und die gute Aufnahme, welche es gefunden hat, mehr, als es je eine Recension beweisen kann. Da nun diese zweyte Auflage, der Vorrede zufolge, unabgeändert geblieben ist: so hat Recensent zu den ältern Beurtheilungen dieses Werks nichts weiter hinzuzufügen, als daß Druck und Papier recht gut sind, und daß, wie schon der Titel sagt, Moritz Bildniß hinzugekommen ist.

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Stellenerläuterungen 329,1–331,18 Mythologisches Ç. . .È Schöne] Das Regensburger Exemplar des Mythologischen Wörterbuchs (s. Überlieferung) besitzt zwei voneinander abweichende Titelblätter, die in der vorliegenden Ausgabe wiedergegeben und im Abbildungsteil reproduziert werden; s. den Überblickskommentar. 331,12 Valentin Heinrich Schmidt] Valentin Heinrich Schmidt (1756–1834), geboren in Seehausen in der Altmark, Schulbesuch in Magdeburg und Klosterbergen, ab 1775 Theologiestudium in Halle, 1778 Konrektor, später Prorektor, ab 1795 Professor am Berlinisch-Köllnischen Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin; als solcher war Schmidt Kollege von Moritz, der ab 1782 für zwei Jahre zusammen mit Schmidt an der »unteren« Schule des Grauen Klosters das Konrektorat bekleidete (vgl. Eybisch 1909, S. 113; KMA 6, S. 463). Für das Magazin zur Erfahrungsseelenkunde 1, 2 (1783), S. 28–34 lieferte Schmidt den Beitrag Sonderbahrer Gemüthszustand eines jungen Menschen von funfzehn Jahren. Moritz wendet sich an Schmidt in Des Magisters und Conrectors Carl Philipp Moritz Anrede an die Versammlung (1782; KMA 6, S. 142; vgl. dort auch die Verweise auf ihn im Register). Für weitere Veröffentlichungen von Schmidt vgl.

Neuestes gelehrtes Berlin; oder literarische Nachrichten von jetztlebenden Berlinischen Schriftstellern und Schriftstellerinnen. Gesammlet und herausgegeben von Valentin Heinrich Schmidt Ç. . .È und Daniel Gottlieb Gehard Mehring Ç. . .È, Zweiter Theil, Berlin 1795, S. 138–141. 333,2 Teller] Ob Moritz oder Schmidt die Widmung verfasst hat, ist unklar. Die Widmung des Wörterbuchs weist primär auf die Schulaufsicht des Berlin-Köllnischen Gymnasiums, sekundär auf Berliner Aufklärungskreise. Wilhelm Abraham Teller (1734–1804), geb. in Leipzig, 1749–1755 Studium der Theologie an der dortigen Universität, 1761 Generalsuperintendent und Professor der Theologie in Helmstedt, ab 1767 Oberkonsistorialrat und Propst in Cölln bei Berlin. Teller wurde 1786 in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen, deren Mitglied Moritz ab 1791 war. Sowohl Teller als auch Zöllner beteiligten sich zusammen mit Moritz an den sprachpflegerischen Aktivitäten der Akademie seit 1791 (vgl. die Dokumente in KMA 13). Theologisch zählt Teller, gerade auch in der

Stellenerläuterungen

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Restaurationsphase, in der das geistliche Departement Johann Christoph von Woellner (1732–1800) unterstand, zusammen mit weiteren Konsistorialräten – Johann Joachim Spalding (1714–1804), Anton Friedrich Büsching (1724–1793), Friedrich Samuel Gottfried Sack (1738–1817), Johann Friedrich Zöllner und Friedrich Gedike – zu den Verfechtern von Aufklärungspositionen. Zu den weiteren Zusammenhängen Anthusa, Überblickskommentar, KMA 4/1, S. 407–409. 333,2 Zöllner] Johann Friedrich Zöllner (1753–1804), geboren in Neudamm in der Neumark, Schulbesuch dort, ab 1768 in Frankfurt/Oder, ab 1770 Studium der Theologie und Philosophie ebenfalls in Frankfurt, nach Hofmeister- und Reisezeit 1779 Prediger an der Charite´ und Diakon an der Marienkirche in Berlin, 1788 Propst an der Nikolaikirche und Oberkonsistorialrat, ab 1800 Mitglied des Oberschulcollegiums. Zöllner wurde 1791 zum Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften berufen. Zu Moritz’ Interesse an Zöllners Veröffentlichungen s. KMA 5/1, Erl. zu S. 144,34–145,1. 333,2–3 Ephoren Ç. . .È Gymnasiums] Das Berlin-Köllnische Gymnasium war 1766 aus der Zusammenlegung des Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster und des Köllnischen Gymnasiums hervorgegangen. Vgl. Friedrich Gedike, Kurze

Nachricht von der gegenwärtigen Einrichtung des Berlinisch-Kölnischen Gymnasiums Ç. . .È, Berlin 1796, S. 5. An dieser Lehranstalt – zunächst an der »unteren« Schule, dann am Gymnasium – wirkte Moritz November 1778 bis August 1786. Das Ephorat war eine Einrichtung der Schulaufsicht. Gedike, ebd., S. 7 erläutert: Das E p h o r a t über das vereinigte Berlinisch-Kölnische Gymna-

sium führen, so wie vorher über die einzelnen Gymnasien die beiden Herren Pröpste; gegenwärtig Herr Oberkonsistorialrath Te l l e r als Kölnischer, und Herr Oberkonsistorialrath Z ö l l n e r als Berlinischer Propst, so wie vor ihm der ehrwürdigste Greis unsrer Stadt, der Herr Oberkonsistorialrath S p a l d i n g . Vgl. Neugebauer 1985, S. 164f. 333,4 Gedike] Friedrich Gedike (1754–1803), geboren in Boberow, 1771 Theologiestudium in Frankfurt/Oder, nach einem Jahr als Hauslehrer bei Johann Joachim Spalding (1714–1804) ab 1776 Subrektor am Friedrichwerderschen Gymnasium, dessen Direktor er 1779 wurde, ab 1784 Oberkonsistorialrat, 1790 Berufung in die Akademie der Wissenschaften, ab 1791 Direktor am Berlin-Köllnischen Gymnasium. 1783–1791 zusammen mit Erich Biester (1749–1816) Herausgeber der Berlinischen Monatsschrift. Moritz war mit Gedike, einer Stimme von Gewicht in der Berliner Schulpolitik und Publizistik des ausgehenden 18. Jhs., befreundet, und widmete ihm z. B. die RDE (KMA 5/1, S. 〈11〉). Vgl. Scholtz 1991.

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333,5 Vorrede 〈von Valentin Heinrich Schmidt〉] Abgedruckt S. 1019–1022 im vorliegenden Band. 333,6–11 Ein Sohn Ç. . .È Flucht jagte.] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 5f. Zu den genealogischen Verhältnissen Apollodoros 2,24, (Meusel), S. 53. 333,8–9 In Phocis Ç. . .È Abas nannte] Pausanias 10,35,1, (Goldhagen) 2, S. 613. Moritz übernimmt den Stadtnamen von Hederich. Die korrekte Form ist Abae (gr. Abai). 333,9–11 Durch seine Tapferkeit Ç. . .È Flucht jagte] Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 3,286. 333,12–17 Den Namen Ç. . .È Vorwitz büßen] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 6. Der korrekte Name lautet Askalabos; vgl. Antoninus Liberalis, Metamorphoses 24, (Jacobs), S. 118f. S. ferner Ovid, Metamorphosen 5,446–461. 333,18 Abderus] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 7f. S. Apollodoros 2,97, (Meusel), S. 75. – E r i m u s ist eine im 18. Jh. nicht unübliche lat. Namenform; vgl. z. B. auch Apollodoros (Meusel). Der gr. Name dieses Opuntiers ist Hermes (s. die genannte Apollodor-Stelle). Vgl. z. B. Hederich, Lexicon, Sp. 1037. 333,26–28 Abeona Ç. . .È anbefahl] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 8, der sich auf Augustinus, De civitate dei 4,21 beruft; vgl. aber auch schon Tertullianus, Ad nationes 2,11. Über Abeona und ihr im Folgenden ebenfalls genanntes Gegenstück Adeona ist wenig bekannt. Augustinus erwähnt beide en passant zusammen mit vielen anderen Göttern. Die Göttin ist vielleicht für den Schutz der Kinder bei ihren ersten Schritten aus dem Haus zuständig, Adeona hingegen für deren Rückkehr. Vgl. Aust, Art. Abeona, in: RE 1, Sp. 29. 333,28–31 Man legte Ç. . .È eigene Gottheit] Den Gedanken einer besonderen Gottheit für jedes Geschäft hatte Moritz mit Blick auf die Genien schon in der Götterlehre formuliert (S. 201,4–7 im vorliegenden Bd.; vgl. dort die Erl.). Die Wendung von der Personifikation abstrakter Begriffe und Ideen verweist auf die Bildform der Allegorie, mit der sich Moritz vorwiegend kritisch auseinandersetzt. Vgl. S. 14,4 und Erl. im vorliegenden Band. 334,1 Absyrtus] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 10f. 334,1–9 Als Medea Ç. . .È aufgehalten werden] Nach Ovid, Tristia 3,9,19–32. Vgl. die ähnlichen Formulierungen, die Moritz in der Götterlehre wählt (S. 177,1–7 im vorliegenden Band). Auf die Tristia, entstanden 8–12 n. Chr., den Beitrag des durch Augustus nach Tomoi verbannten röm. Dichters Ovid zur Exilliteratur, beziehen sich auch die Bemerkungen, mit denen Moritz den Absatz beschließt. 334,4 Pontus Euxinus] Pontos Euxeinos (gastliches Meer) ist eine gr. Bezeichnung für das Schwarze Meer. Vgl. Art. Pontos Euxeinos, in: KlP 4, Sp. 1051f.

Stellenerläuterungen

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334,15–16 To m i s w a r ] Das auf dem Gebiet des heutigen Rumänien am Schwarzen Meer gelegene antike Tomoi (lat. Tomis) wurde in der Spätantike in Constantiana umbenannt und heißt heute Konstanza. In Quellen des 18. Jhs. ist es nicht unüblich, Tomoi mit dem gar nicht existierenden Namen Tomiswar zu bezeichnen. Dies beruht wohl auf einer Verwechslung mit dem im Westen von Rumänien gelegenen Temeswar; vgl. Roesler 1871, S. 293. 334,17 Abundantia] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 11. Abundantia ist nicht Gegenstand mythologischer Überlieferungen. Auch ein Abundantia-Kult lässt sich, wie schon Hederich weiß, nicht nachweisen. Darstellungen dieser allegorischen Figur findet man auf röm. Münzen zwischen dem beginnenden dritten und dem beginnenden vierten Jh. n. Chr.; vgl. Aust, Art. Abundantia, in: RE 1, Sp. 125f. Für eine Aufnahme in das Mythologische Wörterbuch hat sich Moritz vermutlich mit Blick auf ihre ikonographische Präsenz in der Neuzeit entschieden. Stellvertretend seien genannt: Ripa, Iconologia, S. 15–17; Ramler, Allegorische Personen, März 1788, S. 108; ders., Allegorische Personen 1791, S. 61. 334,22 Acacesius] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 12. Auf Hederich stützt sich auch die Deutung des Namens als Negation des gr. kakoÂw (kako´s, böse), die antiken Ursprungs ist; vgl. Lucius Annaeus Cornutus 16,6. Bezogen auf die Konventionen der mythologischen Einführungsliteratur des 18. Jhs. darf man das Lemma als entlegen ansehen, denn es ist ein unüblicher Gegenstand. Auch unter den 72 Benennungen und Beynamen von Hermes, die Seeger 1, S. 246–255 verzeichnet, sucht man Akakesios vergebens. Die bereits in der Scholienliteratur angenommene Nähe zu Homer (s. Wentzel, Art. Akakesios, in: RE 1, Sp. 1140), die Hederich, wenngleich ohne expliziten Quellenverweis, wenigstens andeutet, macht Moritz sich nicht zunutze: Die Ilias 16,185 spricht von ëErmeiÂaw aÆkaÂkhta (Herme´ias aka´keta); s. Ilias (Stolberg) 2, S. 96: der friedsame Gott. Vgl. auch Homer, Odyssee 24,10, (Voss), S. 449 (Hermäs, dem Retter in Noth). 334,22–24 Eine Stadt Ç. . .È verehrt] Pausanias 8,3,2; 8,36,10, (Goldhagen) 2, S. 212f.; 313f. 334,24–25 auch zu Megalopolis Ç. . .È geweiht] Ohne Quellenangabe bei Giraldi, Historia, Sp. 301. Die Information stammt von Pausanias 8,30,6, (Goldhagen) 2, S. 296. Zu Lage, Ausstattung und Geschichte der arkadischen Stadt, einer Gründung aus dem 4. Jh. v. Chr., vgl. v. Hiller, Art. Megala Polis, in: RE 15/1, Sp. 127–140. 334,27–28 listige und schadende Gottheit] Auch die Götterlehre hebt das Listige und Schädliche bei Hermes hervor; vgl. S. 106,23–107,9 im vorliegenden Band.

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334,30–31 daß Hygea Ç. . .È wohne] Lucius Annaeus Cornutus 16,6. 334,32 Acarnas] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 15, von dem Moritz das korrekte Lemma Akarnan (bzw. Acarnan) hätte übernehmen können. Hederich stützt sich auf Apollodoros 3,91–93, (Meusel), S. 130f., der auch zum weiteren Zusammenhang zu vergleichen ist – vor allem zu dem von Hederich nicht referierten vorausgehenden Fehlverhalten des Alkmaion. 334,32 Kallirhoe] Nach Apollodoros, z. B. 3,88 lautet die korrekte Schreibweise Kallirrhoe – anders als bei der Okeanide Kallirhoe. Hederich, Lexicon, Sp. 15 übernimmt diesen Unterschied nicht. 335,3 Epyrus] Wohl verschrieben für Epirus. Vgl. Erl. zu S. 121,26–27 im vorliegenden Band. 335,4–5 zwischen dem Flusse Ç. . .È Acarnanien führte] Zur Landschaft Akarnania im Westen von Mittelgriechenland s. den Art. Arkanania, in: KlP 1, Sp. 1523–1528, der die Begrenzung u. a. durch Acheloos und Ambrakischen Golf bestätigt. 335,6 Acastus] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 15–17. 335,8–9 Calydonischen Eber] Zur Kalydonischen Jagd vgl. Götterlehre, S. 180,16–181,24 im vorliegenden Band mit den Erl. Ovid, Metamorphosen 8,311 erwähnt Akastos unter den Jagdteilnehmern. 335,9–10 mit den Argonauten Ç. . .È erobern] Akastos findet sich in der Argonautenliste des Apollodoros (1,112, [Meusel], S. 34). Zum Argonautenmythos die ausführliche Darstellung in Götterlehre (S. 171,17–179,21 im vorliegenden Band). 335,10–15 Als Medea Ç. . .È gelehrt hatte] Zu Medeas Verjüngungszauber und Pelias’ Tod vgl. Götterlehre (S. 178,27–179,3 mit den Erl. im vorliegenden Band). 335,15–24 Des Pelias Sohn Ç. . .È Olympus] Hyginus, Fabulae 273, der weitere Sieger angibt; Apollodoros 3,164, (Meusel), S. 153. 335,24–33 Des Acastus Ç. . .È zerstreuen] Apollodoros 3,164–167; 173, (Meusel), S. 153f. 336,1–2 am 28sten December Ç. . .È Larentinalien] Die Larentinalien oder Larentalien, auch erwähnt bei Ovid, Fasti 3,55–58, wurden in Wirklichkeit am 23. Dezember begangen; s. Hederich, Lexicon, Sp. 19. Historisch handelt es sich vermutlich um ein Totenfest, das die Gestalt eines Opferritus hatte; vgl. Art. Acca Larenti(n)a, in: KlP 1, Sp. 24. Es wird angenommen, dass das Fest ursprünglich der Göttin Larenta galt, an deren Stelle sich später die aitiologische Sage von Acca Larentia schob. Vgl. Thulin, Art. Larentalia, in: RE 12/1, Sp. 807f. 336,2–337,6 Acca Larentia war Ç. . .È gestiftet haben] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 169,24–170,32. Vgl. dort auch die Erl. mit weiteren Quellenhinweisen.

Stellenerläuterungen

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Moritz’ Hauptquelle ist Hederich, Lexicon, Sp. 18–20. Für die beiden Fassungen, die Moritz wiedergibt und die der neueren Forschung zufolge unterschiedliche historische Stadien der Erzählung repräsentieren, beruft sich Hederich auf Macrobius, Saturnalia 1,10,11–17. Vgl. im Übrigen Wissowa, Art. Acca 1), in: RE 1, Sp. 131–134. Euhemeristische Mythenkritiker wie Banier 3, S. 642–646 neigen dazu, nach antiken Vorläufern die Hetäre und die Amme von Romulus und Remus zu zwei verschiedenen Personen zu erklären. – Während, mit Blick auf die Hetärenversion, Moritz zufolge das Volk von Rom die Großmuth der Acca Larentia honoriert und an die Ereignisse in einem jährlich begangenen Fest erinnert, schlägt sich Hederich auf die Seite frühchristlicher Kritiker und stellt fest, dass dergleichen

Hure göttlich zu verehren die größte Schwachheit war. 336,3 L a i s ] Typisierend verwendeter gr. Hetärenname. Historisch unterscheidbar sind drei berühmte Trägerinnen. Vgl. Geyer, Art. Lais 1) und 2), in: RE 12/1, Sp. 513–516. 336,11–15 Sie wurde Ç. . .È verehrte] Maternus 3, S. 361 nach Macrobius, Saturnalia 1,10,15. 336,11 Ve l a b r u m ] Ursprünglich ein sumpfiges Gelände, in historischer Zeit ein geschäftiges Marktviertel in Rom, gelegen zwischen Forum Romanum und Forum Boarium; vgl. Richardson 1992, S. 406f. Vgl. auch RDI 3, S. 247 (KMA 5/2). 336,11–12 Romulus und Remus] Um das Zwillingspaar, belegt seit dem frühen 3. Jh. v. Chr., rankt sich der röm. Gründungsmythos. Die Standarderzählung von Romulus und Remus, ihrer Aufzucht durch eine Wölfin und dem Brudermord liegt seit Quintus Fabius Pictor (ca. 254–291 v. Chr.) fest, wurde im Anschluss aber variiert und erweitert. Romulus gilt als erster röm. König. Vgl. Art. Romulus [1], in: DNP 10, Sp. 1130–1133. – Auf den Zusammenhang zwischen Romulus/Remus und dem Velabrum verweist Moritz auch in RDI 3, S. 247 (KMA 5/2). 336,12–13 S t . G e o r g i o im Ve l a b r o ] San Giorgio al Velabro ist eine röm. Kirche, zuerst erwähnt im 7. Jh., im 9. Jh. grundlegend umgebaut, später erweitert, gelegen auf dem Gebiet des antiken Velabrum. Für einen baugeschichtlichen Überblick vgl. Mun˜oz 1926, S. 11–23. 336,29 Karucius] Die Namensform Carutius findet sich bei Macrobius, Saturnalia 1,10,14. Sonst ist auch Tarutius belegt. Vgl. Wissowa, Art. Acca 1), in: RE 1, Sp. 131–134. 337,7 Achelous] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 23–26. 337,8 Aetolien und Akarnanien] Die mittelgriechische Landschaft Aitolien liegt im Westen von Akarnanien; vgl. Art. Aitolia, in: KlP 1, Sp. 205. Zu Akarnanien vgl. S. 335,4–5 und Erl.

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337,9–12 Die Verwandlungen Ç. . .È fortströmt] Hederich, Lexicon, Sp. 25 verzeichnet diese Deutung, für die er sich auf Caspar Barthius’ Kommentar zu Statius’ Thebais beruft, als euhemeristische Interpretation unter der Rubrik Wa h r e

Historie. 337,13–14 In der Stammtafel Ç. . .È der Erde] Vgl. S. 58,18–21 mit den Erl. im vorliegenden Band. 337,15–28 Er warb Ç. . .È erhöhet wurde] Für den Kampf zwischen Acheloos und Herakles um Deianeira übernimmt Hederich die Version von Ovid, Metamorphosen 9,8–88. Vgl. S. 163,6–10 im vorliegenden Band. 337,22–23 der schon Ç. . .È besiegt hatte] Zum Sieg über die Schlangen in der Wiege und zum Kampf gegen die Lernäische Hydra vgl. die entsprechenden Darstellungen in der Götterlehre (S. 146,26–29 und 149,1–32 mit den Erl. im vorliegenden Band). 337,29 Achelous erzeugte Ç. . .È Sirenen] Die Angaben zu Acheloos’ Gattinnen finden sich bei Hederich, Lexicon, Sp. 25 als eine unter mehreren Möglichkeiten; der Lexikograph verzeichnet auch die Kinder ohne zutreffenden oder weiterführenden Quellenverweis. Zu Kalliope und den Sirenen s. Servius, Kommentar zu Vergil, Georgica 1,8. 337,30 Kalirrhoe, Dirce und Castalia] Zu Kallirrhoe Apollodoros 3,88, (Meusel), S. 130; zu Dirke Euripides, Bakchen, 519, (Werke [Bothe]) 3, S. 206; zu Kastalia Pausanias 10,8,9, (Goldhagen) 2, S. 514. 337,31–33 Bei seinem Ç. . .È heißen] So Hederich, Lexicon, Sp. 26 mit einer rationalisierenden Interpretation von Ovid, Metamorphosen 8,578–615, wo der Dichter berichtet, wie Acheloos die Echinaden aus Nymphen, die er bestraft, und, mit Poseidons Hilfe, aus seiner Geliebten Perimele entstehen lässt. Zusätzlich könnte Hederich auf Herodots Beschreibung von Geographie und Größe des Nildeltas anspielen, das der Historiograph mit der Mündung anderer Flüsse vergleicht; die Verlandung im Acheloos-Delta lasse eine Verbindung zwischen Festland und Inseln entstehen (Herodot 2,10, [Goldhagen], S. 119): Unter andern,

deren Namen ich weis, kann ich sonderlich den Achelous anführen, welcher durch Akarnanien geht, und mit seinem Einflusse in das Meer schon die Hälfte der echinadischen Inseln zu festen Lande gemacht hat. – Die Gleichsetzung der Echinaden mit den I s o l i C u r z o l i (so Hederich) ist unzutreffend. Die Echinaden liegen vor der Küste von Akarnanien im Ionischen Meer, während die Insel Korcˇula (ital. Curzola) vor der Küste von Süddalmatien im heutigen Kroatien zu finden ist.

Stellenerläuterungen

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338,1–3 drei Flüsse Ç. . .È Höhle] Die geographischen Angaben folgen Hederich, Lexicon, Sp. 29f. Zum zuerst genannten Fluss mit Quellenangaben Stoll, Art. Acheron, in: Roscher 1, Sp. 11. 338,3–5 in Epirus Ç. . .È Ve l i c h i ] Zum zuerst genannten Fluss, der heute mit verschiedenen Namen bezeichnet wird (Mavropotamos u. a.) s. Art. Acheron, in: KlP 1, Sp. 45. Die Einzelangaben, die Moritz Hederich entnimmt, sind so nicht zu verifizieren und setzen vermutlich Verwechslungen voraus. Der zweite Acheron mündet nicht weit von der antiken Stadt Ephyra zunächst in einen See (Acherusia limne), dann in das Ionische Meer; vgl. Hirschfeld, Art. Acheron 1), in: RE 1, Sp. 217. Hingegen lag das antike Ambrakia auf dem Gebiet des heutigen Arta unweit des Golfs von Ambrakia; durchflossen wird diese Stadt vom Arachthos. Der Hederich zufolge türkische Name Velichi oder Veliki (alternativ: Denika) erscheint in Lehrbüchern auch des beginnenden 19. Jhs. Vgl. Samuel Christoph Schirlitz, Handbuch der alten Geographie für Schulen, 2. Aufl. Halle 1837, S. 216, Anm. 98. Für ältere Literatur s. Hederich, Lexicon, Sp. 29. 338,5–8 den dritten Ç. . .È bescheinen konnte] Unmittelbare Bezugsstelle ist Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 6,107. Vermutlich betrifft Hederichs Hinweis auf den im heutigen Calabarien 〈!〉 gelegenen Acheron letztlich Vergils Erzählung von dem Besuch, den Aineias bei Cumae in Campanien der Unterwelt samt Acheron abstattet (s. vor allem Vergil, Aeneis 6,295). 338,8–9 In der Stammtafel Ç. . .È Erde] Demeter ist ebenso wie die Erde (Gaia) eine weibliche Gottheit. Hederich, Lexicon, Sp. 28 gibt, neben weiteren Varianten, alternativ die Abstammung von Demeter oder der Erde an, und zwar, wie auch noch Stoll, Art. Acheron, in: Roscher 1, Sp. 11 unter Berufung auf Conti, Mythologiae, S. 124; 126, der seinerseits keine Auskunft über die Herkunft seiner Information erteilt. 338,9–10 Sein Name Ç. . .È Tr a u e r f l u ß ] Hederich, Lexicon, Sp. 27 referiert u. a. Etymologien, die Acheron auf das gr. Verb xaiÂrein (cha´irein, sich freuen) mit a privativum oder auf aÍxow (a´chos, Not) und rëeiÄn (rhein, fließen) zurückführen. Vgl. auch Erl. zu S. 249,25–28. 338,10–13 Die Titanen Ç. . .È Wasser] Hederich, Lexicon, Sp. 28 nach Conti, Mythologiae, S. 127, wo sich keine weitere Quellenangabe findet. 338,13 zuerst] D. h. vor Kokytos und Pyriphlegethon; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 28f. 338,14–15 Erstarrung und Unempfindlichkeit] Begriffe, die in Moritz’ Werk auf das Umfeld von Melancholie, ja von Lebensüberdruss verweisen. Vgl. Revision der drei ersten Bände dieses Magazins, in: MzE 4 (1786), 1. St., S. 31: Wie eckel

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mußte ihr eine Welt werden, wo im nächsten Cirkel, der sie umgab, ihr alles so kalt, so untheilnehmend, so unempfindlich schien. S. ferner die Erl. zu S. 249,33–250,2 im vorliegenden Band. 338,15–17 Der Acheron Ç. . .È Viktoria] Hederich, Lexicon, Sp. 29 im Wesentlichen unter Berufung auf Boccaccio, S. 62–66, der vor allem auf das verlorene mythologische Werk des Theodontius Bezug nimmt. Dass der Unterweltdämon Askalaphos (zu ihm Art. Askalaphos 1., in: KlP 1, Sp. 641) Sohn des Acheron und der Nymphe Gorgyra sei, sagt Apollodoros 1,33, (Meusel), S. 12. 338,20–339,7 Ein Sohn des Peleus Ç. . .È Troja ziehen] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 32–35. 338,20–23 Als er geboren war Ç. . .È hielt] Vgl. Erl. zu S. 55,18–21 im vorliegenden Band. 338,23–24 Der weise Ç. . .È Musik] Für den Unterricht bei Chiron in Musik und medizinischer Kräuterkunde (nicht weniger in Jagd, Kampf und Sport) vgl. den Bericht, den Achilleus bei Statius, Achilleis 2,156–162 dem Odysseus abstattet. Die Erziehung durch Chiron ist auch erwähnt bei Apollodoros 3,172, (Meusel), S. 155. 338,24–339,7 Weil seine Mutter Ç. . .È Troja ziehen] Die Darstellung verquickt Elemente aus Apollodoros 3,174, (Meusel), S. 156 und Hyginus, Fabulae 96. 338,30 Deidamia] Korrigiert aus Deidemeia. Hederich, Lexicon, Sp. 34 schreibt, ebenfalls falsch, Deiodamia. 339,8–341,28 Was im zehnten Jahre Ç. . .È selbst entleibte] Entspricht S. 241,8–243,27 im vorliegenden Band; vgl. dort die Erl. 341,29 Acidalia] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 43. Vergil, Aeneis 1,720 nennt Venus mit ihrem Beinamen Acidalia. Servius’ Kommentar zur dieser Stelle enthält die auch von Moritz übernommene Erklärung des Namens. 341,29 Orchomenus] In den Berichtigungen S. 〈489〉 des Originaldrucks korrigiert aus Orchomneus. Zur boiotischen Stadt Orchomenos vgl. Art. Orchomenos 1., in: KlP 4, Sp. 330–332. 341,32–342,4 Acis Ç. . .È Namen führte] Entspricht S. 220,17–24 im vorliegenden Band. Vgl. dort die Erl. 342,6–14 Acrisius erzeugte Ç. . .È gerettet] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 47–51; S. 136,5–22 mit den Erl. im vorliegenden Band. 342,16–20 Perseus besuchte Ç. . .È verwundete] Vgl. S. 138,29–33 und Erl. im vorliegenden Band. 342,21 Actäon] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 52–54.

Stellenerläuterungen

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342,21–23 Ein Sohn Ç. . .È unterrichtet wurde] Die Angaben über Aktaions Abstammung und Erziehung entsprechen Apollodoros 3,30, (Meusel), S. 112. 342,23–34 Er hielt Ç. . .È Frevel büßen] Vgl. Erl. zu S. 95,14–17. Für die namentliche Aufzählung der Hunde s. Ovid, Metamorphosen 3,206–225. Ein ausführlichere Liste bei Hyginus, Fabulae 181. 343,1–3 Adeona Ç. . .È beglücken] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 60, der sich auf Augustinus, De civitate dei 4,21 beruft. Vgl. im Übrigen S. 333,26–31 mit den Erl. zu Abeona sowie Aust, Art. Adeona, in: RE 1, Sp. 357. 343,6 Ades] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 60. Hederich verweist auf das Finstere und Traurige des Gottes; die Formel von der dunklen Zukunft jenseits des Grabes dürfte jedoch auf Moritz zurückgehen. Vgl. im Übrigen, speziell auch mit Blick auf die Etymologie, S. 248,28–30 und Erl. im vorliegenden Band. – In Bezug auf Hades hält Moritz sich vermutlich deshalb so knapp und konzentriert sich auf den Namen, weil er ein Pluton-Lemma plante (vgl. tatsächlich Myth. Wb., S. 407–410). Mit diesem Namen wird der Totengott im 18. Jh. üblicherweise bezeichnet. 343,9–12 Ein König Ç. . .È Heerden des Admet] Vgl. Erl. zu S. 81,11 im vorliegenden Band. 343,9–24 war mit der Alceste Ç. . .È hochzeitliche Freude] Vgl. S. 159,21–160,8 mit den Erl. im vorliegenden Band. 343,12–14 wirkte bei den Parzen Ç. . .È entschlösse] Hederich, Lexicon, Sp. 63 nach Apollodoros 1,106, (Meusel), S. 32. 343,25 Adonis] Vgl. S. 217,1–218,4 mit den Erl. im vorliegenden Band. 343,28 ihre Amme mit der Lampe] So weder bei Ovid, Metamorphosen 10,472–475 noch bei Hederich; vielmehr schafft der Vater ein Licht herbei. 343,33–344,1 Cinyras aber Ç. . .È Adonis geboren] Hederich, Lexicon, Sp. 66 nach Fulgentius, Mythologiae 3,8. 344,11–12 Venus Ç. . .È Wagen] Bei Ovid, Metamorphosen 10,718 ist Venus’ Wagen mit Schwänen bespannt. Venus im Taubenwagen war aber ein gut bekanntes Motiv, das auf die Erzählung von Amor und Psyche in Apuleius’ Metamorphosen-Roman zurückgeht (6,6, [Rode] 1, S. 230f.). In RDI erwähnt Moritz die von Raffael und seinen Schülern ausgeführten Fresken zu Amor und Psyche in der Farnesina in Rom, von denen eines Venus im mit Tauben bespannten Wagen (RDI 3, S. 236; KMA 5/2) auf dem Weg zu Jupiter zeigt. 344,12–14 Sie ritzte Ç. . .È Rosen] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 667. Hederich verweist auf Ovid, Metamorphosen 10,708–739, bei dem jedoch Venus Adonis’ Blut mit Nektar besprengt, aus dem daraufhin die Anemone hervorwächst. Vgl.

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hingegen Banier 2, S. 408f., wo der Übersetzer (Fußnote 292) zutreffend auf die (auf einer ältreren Sammlung von Kassianos Bassos fußenden) Geoponika 11,17 (10. Jh. n. Chr.) als antike Quelle der von Moritz referierten Version verweist. In den Geoponika wird Adonis allerdings von dem eifersüchtigen Ares ermordet. 344,16–17 Zu Amathunt Ç. . .È Tempel] Hederich, Lexicon, Sp. 67 nach Pausanias 9,41,2, (Goldhagen) 2, S. 481. Vgl. S. 128,16–21 und Erl. im vorliegenden Band. 344,17–28 Ihm zu Ehren Ç. . .È Adonis feierte] Banier 2, S. 396–400. 344,29 Adrast] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 71–73. Unter dem Stichwort Adrast fasst Moritz zugleich die beiden thebanischen Kriege zusammen, denen in der Götterlehre ein umfangreicheres Kapitel im Rahmen der tragischen Dichtungen gewidmet ist (S. 229,6–232,19 mit den Erl. in diesem Band). 344,29–345,9 Ihm hatte Ç. . .È Arion führte] Hyginus, Fabulae 69–70; Apollodoros 3,58–77, (Meusel), S. 121–127 mit vielen weiteren Details. Apollodoros nennt auch den Namen des Pferds (Areion), das Poseidon mit Demeter gezeugt habe. 345,9–11 Zehn Jahre Ç. . .È einzigen Sohn] Hyginus, Fabulae 70–71; Apollodoros 3,80–85, (Meusel), S. 128f., von dem auch die Zeitangabe übernommen ist. 345,12–13 starb Ç. . .È Altäre geweiht] Pausanias 1,43,1, (Goldhagen) 1, S. 182. Zur Adrast-Verehrung in Megara ebd.; in Athen ebd. 1,30,4, (Goldhagen) 1, S. 135; in Sikyon Herodot 5,67–68, (Goldhagen), S. 411f.; Stoll, Art. Adrastos, in: Roscher, Bd. 1, Sp. 81. 345,14 Aeakus] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 75–77. 345,14 Ein Sohn Jupiters und der Europa] Für diese Genealogie stützt sich Moritz auf Hederich, Lexicon, Sp. 75, der seinerseits auf Giraldi, Historia, Sp. 216 verweist; Giraldi wiederum referiert nach Hederich Diodor. Bei Giraldi finden sich jedoch keine entsprechenden Angaben. Diodorus Siculus 4,72,5, (Stroth) 2, S. 139 wiederum schließt sich einer üblicheren Genealogie an, der zufolge Aiakos von Zeus und Aigina abstammt; vgl. auch Apollodoros 3,157, (Meusel), S. 150f. Tatsächlich geht die von Moritz übernommene Version auf Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 6,566 zurück: Radamanthus, Minos, et Aeacus filii Iovis et Europae fuerunt (Rhadamanthys, Minos und Aiakos waren Söhne des Jupiter und der Europa). 345,16–23 Als einst Ç. . .È erquickender Regen] Pausanias 2,29,7–8, (Goldhagen) 1, S. 295. Vgl. Diodorus Siculus 4,61,1–2, (Stroth) 2, S. 116f.; Apollodoros 3,159, (Meusel), S. 151 mit unterschiedlichen Begründungen für den Misswachs.

Stellenerläuterungen

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345,23–33 Die eifersüchtige Juno Ç. . .È Völker wurden] Ovid, Metamorphosen 7,517–560. 345,33–346,3 Wegen seiner Ç. . .È Ausspruch thun] Vgl. S. 182,22–27; 220,26–27 mit den Erl. im vorliegenden Band. 346,3–5 Aeakus war Ç. . .È Telamon] Vgl. z. B. Hyginus, Fabulae 14. Bei Apollodoros 3,158 (anders der Übersetzer Meusel, S. 151) und Plutarch, Theseus 10, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 22 u. a. ist Endeis jedoch eine Tochter des Skiron, nicht des Chiron. 346,5–6 In Griechenland Ç. . .È Halbgott verehrt] Vgl. z. B. Herodot 5,89, (Goldhagen), S. 423. S. Wörner, Art. Aiakos, in: Roscher 1, Sp. 113 mit weiteren Quellen. 346,7 Aega] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 81. Vgl. Hyginus, De astronomia 2,13; früheste Quelle ist Eratosthenes, Catasterismi 13. Aiga bzw. Aix (Ziege) ist eine Nymphe, die z. T. in Gestalt einer Ziege vorgestellt wird. Aix und Amaltheia, der Moritz gleichwohl im Anschluss einen eigenen Artikel widmet, lassen sich nicht systematisch auseinanderhalten. Die Aegide ist derselbe Schild, von dem Moritz anschließend unter dem Namen Aegis handelt. – Vgl. Art. Aix, in: KlP 1, Sp. 211. 346,13 Schilde, welches] Adelung 3, Sp. 1460f. unterscheidet streng zwischen dem grammatisch maskulinen Schutzschild und dem neutralen Wappenschild. Nach dieser Regel wäre, wie im Aegis-Artikel, auch im vorliegenden Fall die männliche Form zu verwenden. 346,14 Aegäon] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 82. Der Eintrag setzt die Identität von Aigaion und mit dem Hekatoncheiren Briareos voraus und bezieht sich auch auf Überlieferungen (v. a. Hesiod), die nur den zuletzt genannten Namen verwenden. Zu Briareos enthält das Mythologische Wörterbuch keinen eigenen Artikel. 346,14 Ein Sohn des Himmels und der Erde] Hesiod, Theogonie, 147–149, (Voss), S. 89. 346,14–16 Bei den Menschen Ç. . .È funfzig Köpfe] Zur doppelten Benennung Homer, Ilias 1,402–404, (Stolberg) 1, S. 26. Dort auch ein Hinweis auf die hundert Arme, bei Hesiod, Theogonie, 151–152, (Voss), S. 90 ergänzt um die fünfzig Köpfe. Eine detaillierter ausmalende Beschreibung des Aigaion bei Vergil, Aeneis 10,565–568. 346,16–18 Von ihm Ç. . .È empört hatten] Hesiod, Theogonie, 734–735, (Voss), S. 138; vgl. auch Vergil, Aeneis 6,287 (jeweils unter dem Namen Briareos). 346,19–20 Der furchtbare Schild Ç. . .È erlegt hatte] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 87, der von den beiden mythischen Entstehungsgeschichten der Aigis – der

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anderen zufolge handelt es sich um das Fell der Ziege Aiga/Aix oder Amaltheia, die Zeus gesäugt hatte – diejenige übernimmt, die auf Diodorus Siculus 3,70,3–5, (Stroth) 1, S. 437 zurückgeht. Vgl. Roscher, Art. Aigis, in: Roscher 1, Sp. 150. Zur Aigis auch S. 88,6–7 und Erl. im vorliegenden Band. 346,20–26 Homer schildert Ç. . .È versteinert] Homer, Ilias 5,738–742, (Stolberg) 1, S. 144: Um die Schultern warf sie den Schild mit prächtigem Rande,

/ Fürchterlich war er rund umher mit Schrecken umkränzet; / Siehe da war der Streit, der Mut, der blutige Nachsaz, / Und das Haupt des Ungeheuers, der schrecklichen Gorgo, / Graunvoll, scheuslich, das Zeichen des zürnenden Wolkenversammlers. 346,27 Aeneas] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 97–102. Hederichs Darstellung fußt auf einer Reihe von (nicht allein antiken) Quellen, deren Angaben sich zum Teil widersprechen; überhaupt sind die Überlieferungen vielgestaltig und divergieren. Dies gilt etwa für die Berichte über Aineias’ Festsetzung in Italien in Vergils Aeneis und in den Antiquitates Romanae des Dionysios von Halikarnassos. Gleichwohl gehen beide in Moritz’ knappe Zusammenfassung ein. 346,27–29 Ein Sohn Ç. . .È Heldenschule nahm] Zu Aineias’ Abstammung vgl. S. 91,30–92,2 und Erl. im vorliegenden Band. Zur Erziehung durch Nymphen Homerischer Hymnus 5 an Aphrodite, 256–273, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 75. Die Nachricht von der Erziehung durch Chiron geht auf Xenophon, Kynegetikos (Von der Jagd) 1,2 zurück, der Aineias unter vielen anderen Schülern in der Jagd und anderen Künsten nennt. 346,29–31 Als er mannbar Ç. . .È Tochter Creusa] Zur Abstammung der Kreusa von Priamos und Hekabe Apollodoros 3,151, (Meusel), S. 149; zu Kreusa als Gattin des Aineias Pausanias 10,26,1, (Goldhagen) 2, S. 577f. (Kreusa unter den trojanischen Gefangenen der Griechen). 346,31–32 In der Belagerung Ç. . .È tapfersten Helden] In der Ilias ist Aineias neben oder doch nach Hektor, ihm an Achtung gleich (Homer, Ilias 5,467–468, [Stolberg] 1, S. 134), der kampfkräftigste Held des trojanischen Heers. Höhepunkte sind die Verletzung durch einen Steinwurf des Diomedes, vor dem ihn schließlich seine Mutter Aphrodite rettet (Homer, Ilias 5,297–318, [Stolberg] 1, S. 128) und der Kampf gegen Achilleus (Homer, Ilias 20,158–329, [Stolberg] 2, S. 204–210), aus dem ihn Poseidon entführt. 346,32–347,4 Und als Troja Ç. . .È wiederfand] Von dieser Stelle an bis zu Turnus’ Tod folgt der Aineias-Artikel weitgehend Vergils Aeneis, hier dem Bericht, den der Held der Dido über die Flucht aus der brennenden Stadt erstattet (Vergil, Aeneis 2,705–804).

Stellenerläuterungen

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347,4–9 Die Griechen verstatteten Ç. . .È Aeneas bei] Vgl. u. a. Xenophon, Kynegetikos 1,15; Dionysios von Halikarnassos, Antiquitates Romanae 1,46,4–6, (Benzler) 1, S. 70f.; Lykophron, Alexandra, 1261–1270; Wörner, Art. Aineias, in: Roscher 1, Sp. 164. Auch Vergil nennt Aineias gelegentlich den Frommen (pius Aeneas; vgl. Aeneis 5,26). 347,10–15 Nachdem nun Aeneas Ç. . .È ums Leben] Über seine Irrfahrten berichtet Aineias im dritten Buch von Vergils Aeneis. Die Ankunft im Sturm bei Dido in Karthago ist Gegenstand des ersten Buchs, mit Aineias’ Aufenthalt dort beschäftigen sich das erste und das vierte Buch; letzteres endet mit der Abfahrt des Helden und dem Selbstmord der Königin. 347,12 Lybien] Die korrekte Namensform ist Libyen; so auch Hederich, Lexicon, Sp. 100. 347,15–19 Aeneas landete Ç. . .È wieder fand] Zu Aineias’ Besuch in der Höhle von Cumae und in der Unterwelt s. den 6. Gesang der Aeneis. Dort, V. 679–898, trifft der Held seinen Vater Anchises. Dessen Tod hatte Aineias am Ende des dritten Buchs (3,708–711) erwähnt, während seine Leichenspiele im fünften Buch geschildert werden. 347,17 Sybille von Kuma] Sibylla (so die korrekte Form) war ursprünglich wohl ein Eigenname, später Gattungsbezeichnung einer Reihe orakelgebender Frauen sowohl im gr. als auch im röm. Bereich. Von nachhaltigem Effekt war der Katalog der zehn Sibyllen, den der Kirchenvater Lactantius, Divinarum institutionum libri septem 1,6,8–12 nach Varro referiert. Von den Sibyllen war die cumäische, wohl wegen der Verbindung mit den röm. Gründungsmythen, die berühmteste. Vgl. Buchholz, Art. Sibylla, in: Roscher 4, vor allem Sp. 799–801; Art. Sibylle, in: DNP 11, Sp. 499–502. Das Orakel der cumäischen Sibylle befand sich in der antiken Stadt Cumae, gr. Kyme, unfern Neapel. Die italienische Form ist Cuma; Moritz verwendet auch andernorts, z. B. in RDI 2, S. 33f. (KMA 5/2) Kuma. 347,19–25 Nun segelte Ç. . .È Krieg an] Ankunft in der Tibermündung: Vergil, Aeneis 7,25–36. Zusage des Königs Latinus: ebd., 259–273; Turnus’ Kriegsaufruf: ebd., 467–474. Vgl. auch Livius, Ab urbe condita 1,1,7–1,2,2. 347,25–26 Als er nun in zwei Schlachten überwunden war] Die erste Schlacht besteht in dem der Versuch der Rutuler unter Turnus’ Führung, das Lager der Trojaner zu erobern, und anschließenden Kämpfen, dargestellt im 9. und 10. Gesang von Vergils Aeneis, die zweite ist eine Feldschlacht, dargestellt in Vergil, Aeneis 11,445–915. Vgl. auch Livius, Ab urbe condita 1,2,2–6. 347,26–27 forderte Ç. . .È Tod fand] Vergil, Aeneis, 12. Gesang. Der Zweikampf ist verbunden mit einer dritten Schlacht.

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347,27–32 Aeneas baute Ç. . .È Lateiner] Livius, Ab urbe condita 1,1,9–11; 1,2,4; Dionysios von Halikarnassos, Antiquitates Romanae 1,60,1–2; 64,1–3, (Benzler) 1, S. 93; 98. 347,32–348,2 Die Rutuler Ç. . .È Ehre erwieß] Aurelius Victor, De origine gentis Romanae 14,1–2; Dionysios von Halikarnassos, Antiquitates Romanae 1,64,4, (Benzler) 1, S. 98f. Mezentius ist der Überlieferung zufolge selbst kein Rutuler, sondern König der etruskischen Agillaeer (Aurelius Victor) oder der Tyrrhener (Dionysios), der auf seiten der Rutuler kämpft. 348,3–7 Der Gott der Winde Ç. . .È zuträglich war] Hederich, Lexicon, Sp. 107f. Bezugsstelle ist Vergil, Aeneis 1,50–86; Moritz macht von dieser Stelle über Hederich hinaus Gebrauch. Vergil beschreibt die Höhle, stellt Aiolos als Herrscher über die Winde dar und schildert, wie Hera den Gott veranlasst, einen Sturm gegen die soeben von Sizilien absegelnden Trojaner unter der Führung von Aineias zu entfesseln. Woher die Lokalisierung in Thrakien stammt, die Moritz von Hederich übernimmt, ist unklar. Vergil und Homer, Odyssee 10,1–2, (Voss), S. 183 siedeln übereinstimmend Aiolos in Aiolia an, das schon in der Antike unter den Äolischen bzw. Liparischen Inseln im Tyrrhenischen Meer gesucht wurde; vgl. Roscher, Art. Aiolia 2), in: Roscher 1, S. 191f.; vgl. auch Hederich, Lexicon, Sp. 109. Möglicherweise liegt eine Verwechslung mit dem gleichnamigen Aiolischen Stammvater zugrunde, König im thessalischen Magnesia, wie man sie in Hyginus’ Zusammenfassung der Abenteuer des Odysseus (Fabulae 125) beobachten kann. Hederich, Lexicon, Sp. 110 kennt das Vertauschungsproblem. 348,7–13 Dem Ulysses Ç. . .È Bahn verschlug] Vgl. Erl. zu S. 42,4–5 und 245,17–20 im vorliegenden Band. 348,13–19 Die Dichter Ç. . .È zerstören würden] Vergil, Aeneis 1,52–59: hic

vasto rex Aeolus antro / luctantis ventos tempestatesque sonoras / imperio premit ac vinclis carcere frenat. / illi indignantes magno cum murmure montis / circum claustra fremunt; celsa sedet Aeolus arce / sceptra tenens mollitque animos et temperat iras. / ni faciat, maria ac terras caelumque profundum / quippe ferant rapidi secum verrantque per auras (Fink, S. 11: Dort hält Aeolus in weiter Grotte die widerspenstigen Winde und heulenden Stürme in strenger Hut und bändigt sie mit Fesseln und Schranken. Jene brausen empört in ihrem Kerker umher, während der Berg gewaltig erdröhnt. Auf hoher Burg aber sitzt Aeolus, hält das Szepter, beruhigt die Gemüter und dämpft ihre Wut. Denn täte er es nicht, so würden sie Meere und Länder und den hohen Himmel ungestüm mit sich fortreißen und durch den Weltraum schleudern). Moritz gibt die Stelle nach Hederich, Lexicon, Sp. 108f. wieder.

Stellenerläuterungen

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348,20 Aeskulap] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 114–120. 348,20–34 Er war ein Sohn Ç. . .È mit seinem Blitze] Vgl. S. 211,11–29 und Erl. im vorliegenden Band. 348,34–349,4 Apollo Ç. . .È weidete] Vgl. Erl. zu S. 81,11. 349,4–8 Dem Aeskulap Ç. . .È gebohren werden durfte] Vgl. Erl. zu S. 212,1–2. Dort nicht Genanntes (die Bildsäule, das Geburts- und Sterbeverbot im heiligen Hain) findet sich bei Pausanias 2,27,1–2, (Goldhagen) 1, S. 287. Zu Epidauros als Asklepios’ Geburtsort vgl. Pausanias 2,26,4–8, (Goldhagen) 1, S. 284f. 349,8–16 Auf einen Ausspruch Ç. . .È plötzlich auf] Vgl. die ausführliche Darstellung der Legende bei Ovid, Metamorphosen 15,622–744. Von der Übertragung des Asklepios-Kults nach Rom berichtet Livius, Ab urbe condita 10,47,6–7 im Zusammenhang mit der Pestepidemie von 293 v. Chr. Frühester Zeitpunkt für die Fertigstellung des Aesculap-Tempels auf der Tiberinsel ist 291 v. Chr. Vgl. Richardson 1992, S. 3f. mit weiteren Quellenhinweisen. Der Tempel ist nicht erhalten. Auf der Tiberinsel gibt es jedoch archäologische Spuren weiterer antiker Kultstätten; vgl. Micheli 1995, S. 13–18. 349,16–18 Noch jetzt Ç. . .È Kirche erbaut] Das bis in die Gegenwart auf der Tiberinsel angesiedelte Ospedale S. Giovanni Calibita (Ospedale Fatebenefratelli), 1584 gegründet von dem Orden der Barmherzigen Brüder vom Heiligen Johannes von Gott (Fatebenefratelli di San Giovanni di Dio), und die Basilika San Bartolomeo all’Isola, erbaut um 1000, später wiederholt restauriert, umgebaut und erweitert. Zu Hospital und Kirche Volkmann 2, S. 535–537; Micheli 1995. 349,20 Dem Aeskulap Ç. . .È geopfert] So Hederich, Lexicon, Sp. 119 unter Berufung auf Vossius, De theologia gentili, S. 813. Die Überlieferung geht auf Sokrates’ letzte Worte in Platon, Phaidon 118 A zurück: Kriton, wir schulden dem Asklepios noch einen Hahn. Vergeßt dieses Opfer nicht! (Platon, Werke, hrsg. v. Ernst Heitsch und Carl Werner Müller 1/4, Übersetzung und Kommentar von Theodor Ebert, Göttingen 2004, S. 84). 349,20–23 wenn jemand Ç. . .È verzeichnet waren] Strabon 8,6,15 (Prenzel) 2, S. 1099. 349,23–24 Seine Mutter Ç. . .È verehrt] Gemeint ist der Koronis-Kult im Asklepiostempel von Titane unweit von Sikyon. Vgl. Pausanias 2,11,7, (Goldhagen) 1, S. 236. S. Thraemer, Art. Asklepios, in: Roscher 1, Sp. 624. 349,24–27 Aeskulap Ç. . .È Stab haltend] Hederich, Lexicon, Sp. 119f., nach dem Aesculapius-Kapitel aus Albricus Philosophus, De imaginibus deorum, in: 〈Fenestella, tatsächlich: Andrea Domenico Fiocchi〉, De romanorum magistratibus, 〈Florenz, ca. 1490〉, (unpaginiert). Beispiele in Bernard Holtzmann, Art. Asklepios,

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in: LIMC 2/1, Sp. 868–890. Nicht ausgeschlossen, dass Moritz entsprechende Statuen kannte; vgl. etwa ebd., S. 878, Nr. 136 (aus den Beständen des Kapitolinischen Museums in Rom). 349,27–28 Neben ihm Ç. . .È Hund abgebildet] Für eine Abbildung von Asklepios mit Hahn vgl. Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, Tafel 187. Für den Hund vgl. Pausanias 2,27,2, (Goldhagen) 1, S. 287, wo die Asklepios-Statue in Epidauros beschrieben wird: Der Gott sitzet auf einem Throne mit einem Stabe in der

einen Hand; die andre leget er auf den Kopf der Schlange, und neben ihm lieget ein Hund. Das Motiv ist auch auf antiken Münzen nachgewiesen; vgl. Bernard Holzmann, Art. Asklepios, in: LIMC 2/1, S. 874, Nr. 84 (Tetradrachme aus Epidauros, zweite Hälfte des 4. Jh. v. Chr.). 349,29 Machaon und Podalirius] Vgl. Erl. zu S. 212,3–5 im vorliegenden Band. 349,30 Hygea] Vgl. S. 212,18–21 und Erl. im vorliegenden Band. 349,32 Aeternitas] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 125. Aeternitas auf kaiserzeitlichen Münzen ist eine Allegorie primär politischen Gehalts ohne genealogischen Kontakt zu mythologischen Figuren. Hederich bezieht sich auf Montfaucon, L’antiquite´ explique´e 1/2, S. 331f. mit Tafel 205. Im Anschluss an Montfaucon erläutert er, auf welchen Münzen die Aeternitas-Varianten jeweils zu finden sind: Aeternitas mit den Häuptern von Sonne und Mond u. a. auf Münzen der Kaiser Vespasian, Traian und Domitian; mit Erdkugel und Adler – nach Hederich und Montfaucon eher einem Phönix – sowie mit Schleiern in unterschiedlichen Konstellationen auf Münzen der älteren und der jüngeren Faustina. Für das Motiv der Schlange, die sich in den Schwanz beißt, vgl. Ramler, Allegorische Personen, Januar 1788, S. 9; Ramler, Allegorische Personen 1791, S. 〈1〉. Woher diese Nachricht darüber hinaus stammt und worauf sie sich bezieht, ist unklar. Auch die Recherche bei Gian Guido Belloni, Art. Aeternitas, in: LIMC 1/1, S. 244–249 bleibt ohne Ergebnis. 350,5 Schleier] Moritz verwendet an anderer Stelle den Schleier als Bild für das Verfahren der Dichtung, die die Vielzahl der Details wie mit einem durchscheinenden Gewebe überzieht, um den Gesamtzusammenhang sichtbar werden zu lassen. Vgl. z. B. S. 14,10–13 im vorliegenden Band. 350,6 Aether] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 126. Die vorliegende Genealogie geht auf Hyginus, Fabulae, Praefatio 1–2 zurück. Hingegen ist Aither nach Hesiod, Theogonie, 124, (Voss), S. 87 ein Sohn von Erebos und Nacht. Hederich referiert neben beiden genannten Theogonien eine dritte. Zu weiteren Bedeutungen von Aither S. 14,20 und Erl. im vorliegenden Band.

Stellenerläuterungen

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350,9 Agamemnon] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 133–137. Unberücksichtigt bleiben Agamemnons dem Trojanischen Krieg bereits vorangehende Verwicklungen in die Geschichte des Pelopidengeschlechts, ebenso die für die Ilias wichtigen Auseinandersetzungen mit Achilleus vor Troja. 350,9–11 Sein Bruder Ç. . .È entführte] Zu diesem Teil der Vorgeschichte des Trojanischen Kriegs vgl. S. 239,9–16 im vorliegenden Band. 350,12–21 Als nun das griechische Heer Ç. . .È Hindin da] Die Aulis-Erzählung entspricht Hyginus, Fabulae 98. Zu weiteren Quellen s. S. 240,15–23 und Erl. im vorliegenden Band. 350,22–24 Nach der Eroberung Ç. . .È Griechenland an] Vorausgesetzt schon von Homer, Odyssee 11,421–422, (Voss), S. 220, wo Agamemnon neben der eigenen Ermordung auch die der Kassandra in Mykene schildert. 350,25–30 Diese buhlte Ç. . .È unmöglich gemacht wurde] Unter den Varianten, die Hederich, Lexicon, Sp. 136 anbietet, wählt Moritz Kassandras Erzählung in Seneca, Agamemnon, 867–909, bei dem sich allerdings Aigisthos mit einem feigen Schwertstich an dem Mord beteiligt. Hingegen orientiert sich Moritz nicht an Homer, Odyssee 4,519–537, (Voss), S. 82f. (wo Proteus von den Ereignissen berichtet) oder 11,405–434, (Voss), S. 220f. (wo Agamemnon bei Odysseus’ Besuch im Hades selbst von dem Mord erzählt). Von dem fatalen Kleidungsstück weiß Homer nichts. Zu Varianten der Morddarstellung vgl. im Übrigen A. Furtwängler, Art. Agamemnon, in: Roscher 1, Sp. 95f. 350,30–31 Er wurde Ç. . .È verehrt] Zur kultischen Verehrung bzw. zu Kultstätten einschließlich zweier Grabstätten – in Amyklai und Mykene – vgl. mit Quellenhinweisen A. Furtwängler, Art. Agamemnon, in: Roscher 1, Sp. 96; Wernicke, Art. Agamemnon, in: RE 1, Sp. 721f. 350,32 Aganippe] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 137f. Vgl. S. 197,23–25 und Erl. im vorliegenden Band. – Für den Beinamen Aganippiden beruft sich Hederich auf Giraldi, Historia, Sp. 264, der ebensowenig eine Quelle angibt wie z. B. Banier 3, S. 453. In der Literatur des 18. und 19. Jhs. ist der Beiname dennoch, jeweils ohne Verweis auf eine antike Quelle, verbreitet, während man ihn in der neueren Altertumsforschung vergebens sucht. Ovid, Fasti 5,7–8 spricht nicht von den Musen als Aganippiden, sondern von den Musen, die die aganippidischen Hippokrenen besitzen (quae fontes Aganippidos Hippocrenes, / grata Medusaei signa, tenetis). Möglicherweise ist der Beiname nachantiken Ursprungs. 351,1 Aglauros] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 145f. 351,1–7 Die Tochter Ç. . .È zu stürzen] Vgl. Hyginus, Fabulae 166. Abweichende Versionen bei Pausanias 1,18,2, (Goldhagen) 1, S. 71f.; Ovid, Metamorphosen 2,708–832; Fulgentius, Mythologiae 2,11.

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351,8–9 Aglauros Ç. . .È fechten wollten] Zum Aglaureion in Athen Herodot 8,53, (Goldhagen), S. 638; Pausanias 1,18,2, (Goldhagen) 1, S. 71f. Für die Nachricht über den Fahneneid vgl. Demosthenes, Über die Truggesandtschaft (Rede gegen den Aischines), 303; Plutarch, Alkibiades 15,4, (Lebensbeschreibungen [Kind]) 2, S. 423. 351,10 Ajax] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 154f. Aias der kleine (im Vergleich mit dem anschließend behandelten gleichnamigen Telamonier), nach seiner Herkunft aus der mittelgriechischen Landschaft Lokris der Lokrer, nach seiner Abstammung Oileos (Sohn des Oileus); zu seinen Taten vor Troja vgl. außer zahlreichen Stellen in der Ilias z. B. Hyginus, Fabulae 113–114. 351,11–12 Er erzürnte Ç. . .È Gewalt anthat] Schon die Epen des Epischen Zyklus (vgl. Erl. zu S. 238,17–18) kennen das Motiv von Aias’ Gewaltanwendung gegen Kassandra; anscheinend zerrt Aias die Seherin vom Athenealtar und reißt dabei das Palladium mit. So stellt noch Pausanias 10,26,3, (Goldhagen) 2, S. 578 den Vorgang dar. Die Vergewaltigung der Kassandra durch Aias ist in Texten seit der Zeit des Hellenismus nachweisbar. Ein späteres Beispiel bietet Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis 1,41. Vgl. Fleischer, Art. Aias II., in: Roscher 1, Sp. 135f. 351,12–14 Auf seiner Rückkehr Ç. . .È Blitzen] Von Athenes Zorn auf Aias handelt bereits, wenngleich ohne Angabe des Motivs, die Odyssee 4,499–511, (Voss), S. 82, wo es allerdings Poseidon ist, der den Heros zunächst rettet, um ihn dann wegen seiner Vermessenheit zu vernichten. Die von Moritz übernommene Version – eine von mehreren bei Hederich, Lexicon, Sp. 155 referierten – findet sich bei Hyginus, Fabulae 116. Dass Athene Zeus’ Blitz verwendet, sagt Hyginus nicht; vermutlich handelt es sich um Hederichs Ergänzung. 351,15 Aiax] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 157–160. 351,17–18 Nächst dem Achilles Ç. . .È Griechen] Vgl. S. 243,26 und Erl. im vorliegenden Band. 351,18–24 Gegen das Ende Ç. . .È Schwerdt] Homer, Ilias 7,206–312, (Stolberg) 1, S. 183–186. 351,25–28 an dem Gürtel Ç. . .È zuletzt sich selber] Hyginus, Fabulae 112:

Aiax Hectori donauit balteum, unde est tractus, Hector Aiaci gladium, unde se interfecit (Aiax schenkte Hektor den Gurt, an dem er geschleift wurde, Hektor dem Aiax das Schwert, mit dem er sich umbrachte). Zum Schwert auch Hyginus, Fabulae 107. Bei Homer, Ilias 22,396–400 ist lediglich von Lederriemen die Rede, an denen Achilleus Hektors Leichnam hinter seinem Streitwagen herzieht. Der Selbstmord des Aias ist ohnehin nicht Gegenstand der Ilias.

Stellenerläuterungen

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351,28–352,2 Nach dem Tode Ç. . .È geschenkt hatte] Vgl. S. 243,24–27 und Erl. im vorliegenden Band. 352,3 Sigäischen Vorgebürge] Sigeion ist der antike Name eines Vorgebirges bzw. einer Stadt an der Küste der Troas; vgl. Bürchner, Art. Sigeion, in: RE 2A/2, Sp. 2275–2277. Die Angabe des Bestattungsorts orientiert sich, als an einer von zwei Möglichkeiten, an Plinius, Naturalis historia 5,125, dem zufolge Aias in Aeantion, dreißig Stadien von Sigeion, begraben liegt. 352,3–4 Aus seiner Asche Ç. . .È Hyacinthe hervor] Ovid, Metamorphosen 13,389–396. 352,4–5 In seiner Vaterstadt Ç. . .È Ebenholz befand] Pausanias 1,35,3 (Goldhagen) 1, S. 151. Nachhomerischen Überlieferungen zufolge (s. O. Rossbach, Art. Aias 3), in: RE 1, Sp. 930) stammt Aias von Insel Salamis (nicht Salamin), die sein Vater als König beherrscht; vgl. z. B. Apollodoros 3,161–162, (Meusel), S. 152. 352,6 jährlich hier ein Fest] Die Aianteia, die in Form von Opfern und Wettspielen auf der Insel Salamis und in Athen begangen wurden. Vgl. Toepffer, Art. Aianteia, in: RE 1, Sp. 925–929. 352,6–9 Als Ulysses Ç. . .È Grabmahl getrieben] Pausanias 1,35,4, (Goldhagen) 1, S. 152. 352,11 Aidoneus] Im Wesentlichen nach Hederich, Lexicon, Sp. 162f., bei dem jedoch Peirithoos von Kerberos zerrissen wird. Rationalisierende Version von Teilen des Persephone-Mythos, Theseus’ und Peirithoos’ Besuch in der Unterwelt und Herakles’ Kerberos-Arbeit, hauptsächlich nach Plutarch, Theseus 31,4–5; 35,1–3 (Lebensbeschreibungen [Kind]) 1, S. 82f.; 88f. Vgl. auch schon Erl. zu S. 193,16–27 im vorliegenden Band. Plutarch weiß allerdings nichts von der Entführung der Persephone; auch ist es ihm zufolge Aidoneus’ und Persephones Tochter Kore (sonst als Name für Persephone verbreitet; vgl. F. Bräuninger, Art. Persephone, in: RE 19/1, Sp. 946; 951f.), die Theseus und Peirithoos in ihre Gewalt bringen wollen. Vermutlich liegt eine Kontamination von Plutarchs Fassung mit anderen Versionen des Persephone-Mythos vor. Vgl. S. 97,12–28 mit den Erl. im vorliegenden Band. 352,18 Albunea] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 167f. Vergil, Aeneis 7,81–91 zufolge ist Albunea eine Quellnymphe; für die Lokalisierung vor allem Horaz, Oden 1,7,10–14: me nec tam patiens Lacedaemon / nec tam Larisae percus-

sit campus opimae / quam domus Albuneae resonantis // et praeceps Anio ac Tiburni lucus et uda / mobilibus pomaria rivis (Kytzler, S. 19: Mich hat nicht so das gestählte Lakedaimon / noch so bewegt das Gefilde Larissas, des üppigen, / wie die Grotte der Alburnea 〈!〉 mit ihrem Widerhall // und

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die Kaskaden des Anio, des Tiburnus Hain und feucht / seine Gärten von strömenden Wassern.) S. auch Servius’ Kommentar zu Vergil, Aeneis 7,83. Varro verzeichnet Albunea als Tiburtinische Sibylle im Katalog der zehn Sibyllen; vgl. Erl. zu S. 347,17, im Übrigen Wissowa, Art. Albunea, in: RE 1, Sp. 1337. 352,20 Alcides] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 171f., der aber auch schon in der Antike einsetzende Diskussionen über die Ableitung des Namens von aÆlkh (Alke´, Stärke) zusammenfasst. 352,22 Alcinous] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 174. Odysseus’ Ankunft im Land der Phaiaken, sein Aufenthalt dort und seine Abfahrt nach Ithaka sind ein Hauptgegenstand der Odyssee; vgl. besonders den 5.–8. und den 13. Gesang. Zu Alkinoos’ Garten Homer, Odyssee 7,112–132, (Voss), S. 131f., ferner Servius, Kommentar zu Vergil, Georgica 2,87. 352,27 Alkmäon] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 176f. Zur Genealogie des Alkmaion z. B. Hyginus, Fabulae 71. 352,27 Eryphyle] Verschrieben für Eriphyle; vgl. KlP 2, Sp. 359; so auch Hederich, Lexicon, Sp. 176; 1038. 352,27–31 In dem zweiten Ç. . .È die Stadt Theben] Apollodoros 3,80–85, (Meusel), S. 128f. Zum zweiten Krieg gegen Theben vgl. S. 232,6–19 im vorliegenden Band, wo jedoch Alkmaion nicht erwähnt ist. 352,31–34 Die Mutter Ç. . .È verfolgt] Vgl. z. B. Hyginus, Fabulae 73; Ovid, Metamorphosen 9,407–412. Eine Anspielung auf den Muttermord bei Vergil, Aeneis 6,445–446. 352,34–353,8 so daß er Ç. . .È Achelous] So bei Hederich, Lexicon, Sp. 177, dessen Zusammenfassung auf Pausanias 8,24,8–9, (Goldhagen) 2, S. 274 fußt. Vom Fluch der Mutter berichtet Pausanias allerdings nichts. Apollodoros 3,87–88, (Meusel), S. 129f., den Hederich ebenfalls kennt, bringt eine abweichende Version. Zu den vom Mythos gemeinten Echinaden vgl. schon S. 337,31–33 und Erl. Zu Kallirrhoe s. Erl. zu S. 334,32. 353,9 Alkmene] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 179f. 353,9–22 Eine Tochter Ç. . .È Nacht später] Apollodoros 2,52–61, (Goldhagen), S. 62–65 mit zahlreichen weiteren Umständen. Vgl. zu Herakles’ Genealogie und Zeugung im Übrigen die detailliertere Darstellung S. 143,16–145,18 mit den Erl. im vorliegenden Band, wo auch andere Überlieferungen zum Zuge kommen. 353,21 Iphiklus] In der Götterlehre verwendet Moritz Iphikles. Hederich, Lexicon, Sp. 1360 und Art. Iphikles, in: KlP 2, Sp. 1448 geben aber als Variante Iphiclus/Iphiklos an. Unter diesem Namen sind weitere Heroen bekannt; vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 1361f., und Art. Iphiklos, in: KlP 2, Sp. 1448f.

Stellenerläuterungen

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353,22–31 Ueber der Geburt Ç. . .È Wiesel] Ovid, Metamorphosen 9, 285–323. Der Stein, auf dem Eileithyia (bei Ovid: Lucina) sitzt, ist in den Metamorphosen wie auch bei Hederich, Lexicon, Sp. 179 ein Altar. In welches Tier Galanthis verwandelt wird, sagt Ovid nicht ausdrücklich. 353,24 Ilythia] Verschrieben für Ilithya (gr. Eileithyia); diesen Namen verwendet Moritz wenige Zeilen später. 353,31 eine Wiesel] Nach Adelung 4, Sp. 1540 D a s W i e s e l . So auch bei Hederich, Lexicon, Sp. 179. Jedoch erläutert Adelung: In den Niederdeutschen

Provinzen ist Wiesel weiblichen Geschlechts. 353,31–34 Alkmene überlebte Ç. . .È erlegte] Apollodoros 2,167–168, (Goldhagen), S. 96, der allerdings mehr von Herakles’ Söhnen als von Alkmene handelt. – Herakles verrichtet seine zwölf Taten auf Weisung des Eurystheus (S. 148,1–5; zur Genealogie beider S. 139,21–27 und Erl.), dem er wegen einer Intrige der Hera (S. 145,23–146,9) Gehorsam schuldet, obwohl Eurystheus schwächer ist. 353,33 Euristeus] Korrekt ist Eurystheus; vgl. KlP 2, Sp. 457. So auch Hederich, Lexicon, Sp. 179, der allerdings bei Gelegenheit Euristeus schreibt (Sp. 273). 353,34–354,6 Als sie gestorben Ç. . .È erwiesen] Antoninus Liberalis, Metamorphoses 33, (Jacobs), S. 131f.; aus derselben Quelle stammt bereits die Bemerkung über Alkmenes Tod im hohen Alter. Antoninus berichtet zusätzlich, dass Hermes Alkmene nach ihrem Tod zur Insel der Seligen bringt, wo sie Rhadamanthys heiratet. Nachrichten von einem Grab der Alkmene in Theben sind jenseits von Antoninus Liberalis nicht überliefert; vgl. Stoll, Art. Alkmene, in: Roscher 1, Sp. 248. 354,7 Alcyone] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 181f. Unter den beiden Versionen, die Hederich anbietet, wählt Moritz die von Ovid, Metamorphosen 11,410–748. Der in unterschiedlichen Fassungen überlieferte Alkyone-Mythos ist in dieser Form erst seit dem Hellenismus nachweisbar. Ovid gestaltet die entscheidenden Szenen breit aus – den Abschied der Liebenden, den Schiffsuntergang, die Erscheinung des toten Keyx im Traum der Alkmene etc. Der Vogel ist der Eisvogel (aëlkyvÂn, Halkyo´n). Vgl. auch Lukian, Der Eisvogel 1, (Sämtliche Werke) 5, S. 265f. Eine Kurzfassung von wenigen Zeilen bei Hyginus, Fabulae 65. Ovid wie Hyginus zufolge wird auch Keyx in einen Vogel verwandelt, und zwar in einen Taucher (khÂyj, Keyx); vgl. Stoll, Art. Alkyone, in: Roscher 1, Sp. 250. Zu Varianten und Entwicklung der Sage Wernicke, Art. Alkyone, in: RE 1, Sp. 1579–1581. 354,16–18 Wenn dieser Vogel Ç. . .È ruhig] Anspielung auf die sog. alkyonischen Tage (aÆlkyoÂneioi hëmeÂrai, alkyo´neioi heme´rai). Dieser Ausdruck bezeichnet die

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beiden Wochen um den kürzesten Jahrestag im Dezember, an denen ruhige Witterung herrschen soll. Der Name setzt die Vorstellung voraus, dass der Eisvogel in dieser Zeit brütet. Hyginus, Fabulae 60 schreibt: mare his diebus tranquillum est, quos dies nautae alcyonia appellant (an diesen Tagen, die bei den Seefahrern halkyonische heißen, liegt das Meer still). Vgl. Plinius, Naturalis historia 10,89–90; Lukian, Der Eisvogel 2, (Sämtliche Werke) 5, S. 266. Stoll, Art. Alkyone, in: Roscher 1, Sp. 250; Wernicke, Art. Alkyonides, in: RE 1, Sp. 1583. 354,19 Alpheus] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 194. Zum Alpheios auch Erl. zu S. 58,20 im vorliegenden Band. 354,19 Ein Sohn Ç. . .È der Thetis] Hesiod, Theogonie, 337–338, (Voss), S. 104f. 354,19–25 Dieser liebte Ç. . .È vermischen] Für die Erzählung von Alpheios und Arethusa beruft sich Hederich, Lexicon, Sp. 194 auf Pausanias 5,7,2–3, (Goldhagen) 1, S. 587. Alpheios ist der von Pausanias referierten Version zufolge ein Jäger, der sich am Ende aus Liebe zu Arethusa in einen Fluss verwandelt. Pausanias identifiziert Ortygia mit Syrakus auf Sizilien; zu anderen Lokalisierungen und zum Problem des mythischen Ortygia Johanna Schmidt, Art. Ortygia, in: RE 18/2, Sp. 1519–1526. Dass der Alpheios, Hauptfluss der Peloponnes, unter dem Meer hindurch die Insel Ortygia vor Sizilien (Syrakus) erreiche und sich dort mit der Arethusa vereinige, hält Pausanias für glaubwürdig, während Strabon 6,2,4 (Prenzel) 2, S. 812–814 an dieser Erzählung zweifelt. – Vom Eingreifen der Götter berichtet Pausanias nicht. Vermutlich liegt eine Kontamination mit Ovids Version (Metamorphosen 5,572–641) vor, auch wenn Hederich letztere nicht erwähnt. Bei Ovid ist es Artemis, die die fliehende Nymphe, die sich anschließend in eine Quelle verwandelt, in eine Wolke hüllt und so für Alpheios (der freilich von Beginn an ein Flussgott ist) unsichtbar macht. Dass auch Alpheios, um sich in einen Fluss zu verwandeln, die Götter anruft, ist anscheinend Moritz’ Zutat. 354,26–355,3 Althäa Ç. . .È ums Leben] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 195f. In der Götterlehre, S. 181,3–24 im vorliegenden Band, platziert Moritz den AlthaiaMythos in die Erzählung von der Kalydonischen Jagd. Vgl. dort auch die Quellenhinweise in den Erl. Der Zusammenhang mit der Kalydonischen Jagd bleibt im Wörterbuch unerkennbar. – Die Zusammenfassung folgt im Wesentlichen, wie bei Hederich, Apollodoros 1,62; 64–65; 71; 73, (Goldhagen), S. 20f.; 23, der auch Althaias Abstammung von Thestios, dem Herrscher von Pleuron, und ihre Heirat mit Oineus, dem Fürsten von Kalydon (jeweils in Aitolien) erwähnt. Die Darstellung von Meleagros’ Tod unter zuckenden Qualen – eine ähnliche Formulierung schon in der Götterlehre – deutet aber auf Moritz’ eigene Kenntnis von Ovid,

Stellenerläuterungen

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Metamorphosen 8,520–530; denn Ovid stellt das innerliche Verbrennen des Heros plastisch dar. 355,4 Amalthea] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 200. Die Erzählung entspricht Ovid, Fasti 5,111–128. Zeus’ Kindheitsgeschichte ist auch Gegenstand der Götterlehre. Dort trägt Moritz jedoch eine abweichende Version vor, der andere Quellen zugrunde liegen. Vgl. S. 23,6–18 und Erl. im vorliegenden Band. 355,10 Amazonen] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 203–209. 355,10–13 Diese kriegerischen Ç. . .È hinderlich sey] Vgl. z. B. Diodorus Siculus 2,45,3, (Stroth) 1, S. 281. Die Herleitung des Namens von aÆmazoÂw (amazo´s, ohne Brust) ist eine von mehreren Etymologien antiken Ursprungs, die von den neueren Altertumswissenschaften nicht übernommen werden; vgl. Graef, Art. Amazones, in: RE 1, Sp. 1765. 355,13 Ihr Hauptsitz Ç. . .È Thermodon] Vgl. Erl. zu S. 152,4 in diesem Band. 355,14–17 Damit aber ihr Geschlecht Ç. . .È beiwohnten] Angaben zu den Fortpflanzungsgewohnheiten der Amazonen finden sich z. B. bei Strabon 11,5,1, (Prenzel) 3, S. 1446. Danach treffen die Amazonen sich jedes Jahr für zwei Monate im Frühjahr mit den benachbarten Gargareern, um Kinder zu zeugen. 355,18–21 die Knaben Ç. . .È unfähig zu machen] Nach Strabon 11,5,1 (Prenzel) 3, S. 1446 werden die Knaben den Gargareern übergeben; Diodorus Siculus 2,45,3, (Stroth) 1, S. 281 zufolge werden sie kriegsuntauglich gemacht. Die Nachricht von der Tötung der Knaben geht zurück auf Marcus Iunianus Iustinus, Epitoma historiarum Philippicarum 2,4: Si qui mares nascerentur, interficiebant (Wenn Söhne geboren wurden, töteten sie sie). 355,22–23 Keine Ç. . .È erlegt hatte] Für diese Nachricht beruft sich Hederich, Lexicon, Sp. 206 auf Pomponius Mela, De situ orbis 3,35, der an dieser Stelle aber nicht von den Amazonen spricht, sondern von den Sarmaten. Nach Pomponius Melas Angaben bilden die Sarmaten keine Frauengesellschaft; vielmehr erhalten neben den Männern auch die Frauen eine kriegerische Ausbildung, die allerdings derjenigen der Amazonen entspricht: ferire hostem adultarum stipendium est,

adeo ut non percussisse, pro flagitio habeatur, sitque eis poenae virginitas (einen Feind zu töten ist der Dienst der erwachsenen Frauen – so sehr, dass es als Schande gilt, keinen durchbohrt zu haben, und dass sie dafür mit Jungfräulichkeit bestraft werden). 355,23–24 Der Amazonen Kleid Ç. . .È entblößt] Die Bemerkung bezieht sich auf die Ikonographie der Amazonen, für die Hederich, Lexicon, Sp. 206 auf die Numismatik verweist. Für entsprechende Darstellungen vgl. Pierre Devambez/ Aliki Kauffmann-Samaras, Art. Amazones, in: LIMC 1/1, S. 635f., Nr. 794–802.

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355,24–27 Statt der Harnische Ç. . .È zu Fuße] Für die Nachricht von den Schlangenhäuten s. Diodorus Siculus 3,54,3, (Stroth) 1, S. 402, der auch von einem Amazonenheer aus Streiterinnen zu Pferd und zu Fuß berichtet. Als Angriffswaffen nennt Diodor jedoch Schwerdter, Lanzen und Bogen. Für die Streitäxte beruft sich Hederich, Lexicon, Sp. 206 auf Scholien zu Statius, Thebais 12,526. 355,27–356,9 Unter den zwölf Ç. . .È von ihnen] Der Bericht über Taten und Untergang der Amazonen folgt Marcus Iunianus Iustinus, Epitoma historiarum Philippicarum 2,4. Mit diesem Bericht vermischt Moritz auf Hederichs Spuren und unter Verwechslung von Namen das Motiv vom Wehrgehenk der Amazonenkönigin, das Iustinus nicht erwähnt; vgl. dazu S. 151,18–152,7 mit den Erl. im vorliegenden Band. Als Besitzerin des Wehrgehenks gilt nach Apollodoros 2,98, (Meusel), S. 75 die Amazonenkönigin Hippolyte; s. die Berichtigungen S. 〈489〉 des Originaldrucks. – Am Wahrheitsgehalt der Thalestria-Episode zweifelten bereits antike Autoren. Strabon 11,5,4, (Prenzel) 3, S. 1448f. hält sie für unglaubhaft; für weitere Hinweise zu den Quellen s. Höfer, Art. Thalestria sowie Klügmann, Art. Thalestris, in: Roscher 5, Sp. 458. 355,29 Orithya] In den Berichtigungen, S. 〈489〉 des Originaldrucks, korrigiert zu Hippolyte. 355,33 Hippolite] Verschrieben für Hippolyte (so auch zuvor). 356,10 Ambrosia] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 210f. 356,10–11 von der Unsterblichkeit selber ihren Namen] Hederich, Lexicon, Sp. 211 leitet Ambrosia von aÍ(m)brotow (a´[m]brotos, unsterblich, göttlich) ab. Auch über die Etymologie hinaus ist in antiken Quellen die unsterblich machende Wirkung der Götternahrung belegt. Vgl. Roscher 1883, S. 51–55; Wernicke, Art. Ambrosia 4), in: RE 1, Sp. 1809. 356,12–14 Thetis Ç. . .È verzehrt würde] Apollodoros 3,171, (Meusel), S. 155. In der Götterlehre, S. 55,18–21 und Erl. im vorliegenden Band übernimmt Moritz stattdessen Statius’ Erzählung, der zufolge Achilleus in der Absicht, ihn unverwundbar zu machen, in den Unterweltfluss Styx getaucht wird. 356,15 Amicitia] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 212. Die gesamte Beschreibung ist aus Giraldi, Historia, Sp. 54 übernommen, der sich auf Scholien eines unbekannten Verfassers zu einem ungenannten hebräischen Text bezieht. Giraldi weiß, dass Amicitia keine kultische Verehrung genoss, erklärt sie jedoch zu einer antiken Gottheit. Für die Antike ist aber keine Nachricht über eine allegorische Gottheit dieser Art ermittelt. Schon die Emblemstruktur – Giraldi referiert auch die anschließenden Erläuterungen der Pictura – lässt vermuten, dass die Allegorie nicht antiken Usprungs ist. Ripa, Iconologia, S. 31 (vgl. dort S. 628f. die Erl. mit weiteren Hin-

Stellenerläuterungen

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weisen) kennt dasselbe Bild der Freundschaft, ebenso die Emblemsammlung des Dionysius Lebeus-Batillus aus dem ausgehenden 16. Jh. (Henkel/Schöne 1996, Sp. 1569). 356,21 Ammon] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 215. Zur Gleichsetzung von Amun mit Zeus s. Erl. zu S. 73,3–5 im vorliegenden Band. 356,21–30 Als Bachus Ç. . .È Thierkreises machte] Hyginus, De astronomia 2,20. 356,26–27 wo seine Bildsäule Ç. . .È stand] Auch Hyginus, De astronomia 2,20 spricht von der Amunstatue mit Widderhörnern, die in dem libyschen AmunHeiligtum errichtet worden sei. Die Formulierung lehnt sich aber an Lucanus, Pharsalia 9,511–514 an. Zu diesen Versen schon die Erl. zu S. 73,6–10 im vorliegenden Band. 356,31–357,25 Ist der älteste Ç. . .È furchtbar] Entspricht dem Amor-Kapitel in der Götterlehre, S. 44,19–45,14 im vorliegenden Band. Vgl. dort die Erl. Anders als die Mehrzahl der Artikel aus dem mythologischen Wörterbuch begnügen sich die Ausführungen über Amor wie auch im folgenden Artikel über Amoretten nicht mit Angaben zu Genealogie und einzelnen Ereignissen. Sie arbeiten vielmehr mit Konzepten, die Moritz in der Götterlehre verwendet, unter ihnen die Sprache der Phantasie, das Chaos, die Göttergenerationen, ästhetische Kategorien (komisch, tragisch, schön, furchtbar) und die Vervielfältigung von Gottheiten in Kleingöttern. Innerhalb des Wörterbuchs besitzen solche Aspekte allerdings keinen Kontext. 357,26–358,16 Liebesgötter Ç. . .È in einander] Entspricht dem Kapitel Liebesgötter in der Götterlehre, S. 200,16–201,7 im vorliegenden Band. Vgl. dort die Erl. 358,13 G e n i u s ] Vgl. das Kapitel über die Genien in der Götterlehre, S. 195,15–196,9 mit den Erl. im vorliegenden Band. 358,17 Amphiaraus] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 220–223. 358,19–22 Er sah voraus Ç. . .È verrieth ihn] Hyginus, Fabulae 73. 358,21 Eryphyle] Verschrieben für Eriphyle. 358,22–24 ein goldnes Halsband Ç. . .È geschenkt hatte] Auf die HalsbandEpisode spielt schon Homer, Odyssee 11,326–327 und 15,247, (Voss), S. 217; 292 an. Ursprung der von Moritz nach Hederich, Lexicon, Sp. 221 referierten Version sind offenbar Diodorus Siculus 4,65,5, (Stroth) 2, S. 126 und Apollodoros 3,25, (Meusel), S. 111, von deren Erzählungen die vorliegende Fassung gleichwohl abweicht. Nach Diodor bekommt Harmonia das Halsband von ihrer Mutter Aphrodite. Über den Anlass schweigt der Mythograph. Für den Hinweis auf die Hochzeit von Harmonia und Kadmos vgl. hingegen Apollodoros; ihm zufolge schenkt aller-

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dings Kadmos der Harmonia ein von Hephaistos geschmiedetes Halsband. Folgt man Hyginus, Fabulae 73, so fertigt Adrastos das Halsband aus Edelsteinen an. 358,27–31 Er tödtete Ç. . .È verschlungen wurde] Apollodoros 3,76, (Meusel), S. 127. 358,28 er] In den Berichtigungen, S. 〈489〉 des Originaldrucks, korrigiert zu Tydeus. Tatsächlich ist es, wie Hederich, Lexicon, Sp. 221 richtig referiert, Tydeus, der Melanippos’ Schädel, den Amphiaraos ihm übergeben hat, öffnet, um das Gehirn zu verspeisen. 358,31–33 Die Oropier Ç. . .È Bildsäule] Pausanias 1,34,1–2, (Goldhagen) 1, S. 147. Die Stadt Oropos, die das Orakelheiligtum des Amphiaraos beherbergt, liegt in Attika; vgl. Art. Oropos, in: KlP 4, Sp. 349. 358,34–359,1 Wer die Zukunft Ç. . .È enthalten] Philostratos, Das Leben des Apollonios von Tyana 2,37. 359,1–6 alsdenn einen Widder Ç. . .È werfen mußten] Nach Pausanias 1,34,4–5 (Goldhagen) 1, S. 148–150. Über den Münzwurf berichtet Pausanias präziser: Ist aber jemand nach einem ertheilten göttlichen Ausspruche von

einer Krankheit geheilet: so ist der Gebrauch, eine silberne oder goldene Münze in den Brunnen zu werfen. 359,6–9 Alcmäon Ç. . .È ums Leben] Vgl. S. 352,31–34 und Erl. im vorliegenden Band. 359,7 Eryphile] Verschrieben für Eriphyle. 359,10 Amphictyon] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 224. Vgl. S. 70,7–12 und Erl. im vorliegenden Band. 359,14 Themophyle] Hederich, Lexicon schreibt richtig: in den Thermopylis. Gemeint ist das Demeterheiligtum bei Anthela in den Thermopylen, einem Küstenpass, der Nord- und Mittelgriechenland verbindet; s. Art. Thermopylen, in: KlP 5, Sp. 743. Dort (vgl. Strabon 9,3,7 [Prenzel] 2, S. 1204f.) und beim ApollonTempel in Delphi befanden sich die beiden Versammlungsorte der pylaiisch-delphischen Amphiktyonie. Vgl. Jessen, Art. Amphiktyonia, in: RE 1, Sp. 1911 und 1921f. 359,14–15 dem Amphictyon Ç. . .È geweiht] Vgl. Herodot 7,200, (Goldhagen), S. 602. 359,16 Amphilochus] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 226f. 359,16 Ein Sohn des Amphiaraus] Zur Abstammung Apollodoros 3,82; 86, (Meusel), S. 128f. 359,17–18 Er zog Ç. . .È Amphilochium] Die Überlieferung, der zufolge Amphilochos am Trojanischen Krieg teilnimmt, geht auf die verlorenen Nostoi aus dem Epischen Zyklus zurück; vgl. Stoll, Art. Amphilochos, in: Roscher 1, Sp. 305.

Stellenerläuterungen

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Apollodoros, Epitome 6,2 erwähnt die Rückkehr des Heros zu Fuß. Dass ihn der Weg zunächst nach Argos führte, dann jedoch in das der Landschaft Epeiros benachbarte Akarnanien (vgl. schon S. 335,3–5 und Erl.), wo er die Stadt Argos Amphilochikon gegründet habe, berichtet Thukydides, Geschichte 2,68, (Heilmann), S. 260. 359,19–21 Die Oropier Ç. . .È Orakelsprüche] Pausanias 1,34,3, (Goldhagen) 1, S. 147f. Pausanias berichtet von einem mehrteiligen Altar im Amphiaraos-Heiligtum von Oropos. Einer der Teile sei der Vesta, dem Merkur, dem Amphiaraus, und dem einen seiner Söhne, dem Amphilochus geweiht. 359,20 Mallus] Mallos war eine Stadt in der kleinasiatischen Landschaft Kilikien; vgl. Art. Mallos, in: KlP 3, Sp. 935f. Nach Strabon 14,5,16, (Prenzel) 3, S. 1812 galt Amphilochos zusammen mit Mopsos als Gründerheros von Mallos. 359,22 Amphion] Im Wesentlichen nach Hederich, Lexicon, Sp. 229–232. 359,22–26 Ein Sohn Ç. . .È zurück] Apollodoros 3,42–43, (Meusel), S. 116f.; Hyginus, Fabulae 8. Antiopes Furcht vor ihrem Vater Nykteus ist nach Apollodor in ihrer Schwangerschaft begründet. Ohne eigens darauf hinzuweisen, setzt Moritz voraus, dass Antiope über Nykteus und seinen Bruder Lykos dem thebanischen Sagenkreis zugeordnet ist. Zu einschlägigen Überlieferungsvarianten (Apollodoros 3,40–41, [Meusel], S. 116; Pausanias 2,6,1–4, [Goldhagen] 1, S. 216–218) vgl. Wörner, Art. Nykteus, in: Roscher 3, Sp. 394f. 359,26–30 Diese gebahr Ç. . .È Hirten erzogen] Hyginus, Fabulae 7. Aus dieser Quelle stammt auch die (freilich schon lange vor Hygin aufgebrachte) Etymologie, auf die Moritz anspielt und die bereits in der Antike Zweifel weckte – so auch bei Hederich, Lexicon, Sp. 230. Ihr zufolge leitet sich der Name von aÆmfiÁ oëdoÂn (amphı´ hodo´n, am Wege) her. Vgl. Wernicke, Art. Amphion, in: RE 1, Sp. 1944. 359,30–31 Apollo Ç. . .È Lehrerinnen] Scholien zu Apollonios, Argonautika 1,740 nach Hederich, Lexicon, Sp. 230. Hederichs Referat zufolge schenken die Musen, Hermes oder Apollon in alternativen Versionen dem Amphion die Leier; zu diesen Überlieferungen auch Stoll, Art. Amphion, in: Roscher 1, Sp. 312f. Dass die Musen ihn im Leierspiel unterrichtet hätten, sagt Hederich nicht. 359,31–360,2 Antiope welche Ç. . .È die Stadt] Vgl. Apollodoros 3,43–44, (Meusel), S. 117. Apollodor spricht nicht von einer Eroberung Thebens, erwähnt aber die Machtübernahme und den anschließenden Mauerbau durch Amphion und Zethos. Eine abweichende Version bei Hyginus, Fabulae 8. 360,3–4 sie banden Ç. . .È schleifen] Vgl. Erl. zu S. 226,5–7 im vorliegenden Band. 360,5–10 A m p h i o n erbaute Ç. . .È zu bilden] Entspricht S. 226,8–13 im vorliegenden Band. Vgl. dort die Erl.

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360,10–14 Bei dem Grabe Ç. . .È gefügt hatten] Pausanias 9,17,7, (Goldhagen) 2, S. 412. 360,14–19 Die Gemahlin Ç. . .È erzürnt hatte] Vgl. S. 246,2–14 und Erl. im vorliegenden Band. 360,15 Phrygischen] Zu den unterschiedlichen, aber stets auf kleinasiatische Landschaften bezogenen Überlieferungen über Tantalos’ Herkunft vgl. Erl. zu S. 252,11–19 im vorliegenden Band. 360,20 Amphitrite] In den Berichtigungen, S. 〈489〉 des Originaldrucks, korrigiert aus Amphiteita . – Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 237f. 360,20–22 Eine Tochter Ç. . .È Triton] Apollodoros 1,8, (Meusel), S. 5 zählt Amphitrite unter den Okeaniden auf. Vgl. im Übrigen S. 55,27–28 und Erl. im vorliegenden Band, wo Amphitrite jedoch gemäß anderen Überlieferungen zu den Nereiden gerechnet wird. 360,22–25 Sie wird Ç. . .È gezogen wird] Zu den Abbildungen Hederich, Lexicon, Sp. 238, mit dessen Angaben die Hinweise von Moritz aber nur bis zu einem gewissen Punkt übereinstimmen. Für den Schleier beruft sich Hederich auf Lippert, Dactyliothec 1, S. 28f., Nr. 69 (Schublade 1,2). Vgl. auch ebd., S. 29, Nr. 70, wo Amphitrite auf einem Delphin sitzt. Für antike Darstellungen von Amphitrite mit Poseidon im Wagen bzw. auf einem Delphin reitend vgl. Sophia Kempf-Dimitriadou, Art. Amphitrite, in: LIMC 1/1, Sp. 727f., Nr. 25–33. – Nicht auszuschließen, dass sich Moritz’ Angaben zur Ikonographie im Übrigen in erster Linie auf literarische Quellen beziehen, etwa Hederich, Lexicon, Sp. 238 (Amphitrite stehend auf einem Muschelwagen, gezogen von Delphinen), Damm, Einleitung, S. 45 (Amphitrite mit Poseidon im Wagen sitzend) oder Ramler, Mythologie 1, S. 60 (Amphitrite im Muschelwagen, der von Seethieren oder auch von Trithonen gezogen wird). Keiner der drei Autoren macht Angaben zu entsprechenden Abbildungen. Vermutlich sind die Hinweise zum Motiv ›Poseidon und Amphitrite‹ vor allem durch neuzeitliche Bearbeitungen inspiriert; s. Pigler 1974, 2, S. 189f., sowie, zum Thema ›Triumph der Amphitrite‹, ebd., S. 21. Vgl. im Übrigen Erl. zu S. 55,28–31 im vorliegenden Band. 360,26 Amphitryo] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 239–241. 360,26 Ein Sohn des Alcäus] Apollodoros 2,50, (Meusel), S. 61. 360,26–361,14 Eliktryo Ç. . .È kleinen Händen] Die korrekte Form des Namens, die auch Hederich verwendet, ist lat. Electryo, gr. Elektryon. – Auf das Wesentliche verknappte Zusammenfassung nach Apollodoros 2,54–62, (Meusel), S. 62–65. Das Detail von der Flucht des Iphikles referiert Apollodor nach Pherekydes. Vgl. die ausführlichere Version S. 143,16–146,29 mit den Erl. im vorliegenden Band.

Stellenerläuterungen

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361,15 Anadyomene] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 248. Gr. ÆAnadyomeÂnh (Anadyome´ne, die Auftauchende). Literarisch bezieht sich der Beiname auf den Mythos von der Geburt der Aphrodite (vgl. S. 21,17–19; 93,32–94,2 mit den Erl.), archäologisch bezeichnet er ein in der antiken Kunst vielfach, u. a. von Phidias und Apelles, dargestelltes Motiv. Vgl. Strabon 14,2,19, (Prenzel) 3, S. 1773; Plinius, Naturalis historia 35,91. Vgl. Jessen, Anadyomene, in: RE 1, Sp. 2019–2021. Für die neuzeitliche Kunstgeschichte vgl. Pigler 1974, 2, S. 242f. 361,17 Anaxarete] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 250f. Vgl. Lactantius Placidus, Narrationes fabularum 14,17. Der Spott über den Toten ist eine Zutat von Moritz oder auch eine freie Wiedergabe nach Hederich, Lexicon, Sp. 250, wonach Anaxarete zur Kurzweile aus dem Fenster schaut (bei Lactantius Placidus: patientissime, höchst ausdauernd, hartnäckig). Vgl. auch Ovid, Metamorphosen 14,698–764. 361,23 Ancäus] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 252f. Die gr. Mythologie kennt zwei Heroen namens Ankaios – den arkadischen Sohn des Lykurgos und den Sohn Poseidons und der Althaia (oder der Astypalaia), König auf Samos. Beide nehmen am Argonautenzug teil (jeweils verzeichnet bei Hyginus, Fabulae 14) und werden von einem Wildschwein getötet – der arkadische Ankaios vom kalydonischen Eber (s. Apollodoros 1,67; 69–70, [Meusel], S. 22). Verwechslungen liegen daher nahe. Vgl. Oertel, Art. Ankaios, in: Roscher 1, Sp. 354f. 361,23–25 Er zog Ç. . .È erwählt] Vgl. Erl. zu S. 175,3–7; Apollonios, Argonautika 2,851–898, (Bodmer), S. 82–84. 361,25–34 Hier pflanzte Ç. . .È genoß] Hederich, Lexicon, Sp. 253 referiert diese auch in den Scholien zu Apollonios von Rhodos 1,188 überlieferte Erzählung nach dem Kommentar des mittelalterlichen byzantinischen Dichters und Grammatikers Johannes Tzetzes zu dem dramatischen Monolog Alexandra, 488–490, der unter dem Verfassernamen Lykophron überliefert ist. Vgl. Oertel, Art. Ankaios 2), in: Roscher 1, Sp. 355. 362,1–5 Ein Sohn Ç. . .È Simois gebahr] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 254f. Zu Anchises’ Abstammung Hyginus, Fabulae 94. Bei Homer, Ilias 20,239, (Stolberg) 2, S. 207 und anderen (s. die Angaben bei Hederich) ist Anchises Sohn des Kapys und Enkel des Assarakos. – Zu Anchises’ Hirtenamt Homerischer Hymnus 5 an Aphrodite, 55; zu seiner Schönheit und Aphrodites Erscheinen in Gestalt eines Mädchens ebd., V. 77–82, (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt [Stolberg]), S. 64; 66. Vgl. im Fortgang des Artikels die Anrede der Aphrodite, die Anchises rät, eine Nymphe als Mutter anzugeben. – Die Geburt des Aineias am Simoeis erwähnt Vergil, Aeneis 1,617–618.

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362,6–17 Sey ohne Furcht Ç. . .È Zorn der Götter] Entspricht in der Götterlehre S. 216,17–28 (im vorliegenden Band). Vgl. dort die Erl. 362,18 Andromeda] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 261f. Vgl. für den Andromeda-Artikel Götterlehre, S. 137,24–138,12 mit den Erl. 362,18–30 Eine Tochter Ç. . .È sein Gesuch] Die Zusammenfassung folgt im Wesentlichen Apollodoros 2,43–44, (Meusel), S. 59f. Bei Apollodor macht Perseus die spätere Heirat zur Bedingung für die Rettung der Jungfrau. 362,19 Kassiopäja] Ungewöhnliche, nach den üblichen Maßstäben unrichtige Transskription des gr. Namens KassioÂpeia (Kassio´peia, lat. Cassiopea). Vgl. Art. Kassiepeia, Kassiopeia, Kassiope, in: KlP 3, Sp. 148. Moritz entlehnt die Schreibweise von Hederich, Lexicon, Sp. 261 (Cassiopäia), der jedoch Sp. 644f. Cassiope, Cassiopea, Cassiepeia schreibt. 362,31–363,2 Phineus Ç. . .È verwandelt wurden] Vgl. Ovid, Metamorphosen 5,1–235. 363,2–5 Perseus, Cepheus Ç. . .È gestiftet] Vgl. Erl. zu S. 139,14–17 im vorliegenden Band. 363,6 Annaperanna] Der übliche Name dieser Gottheit ist Anna Perenna; vgl. KlP 1, Sp. 357f. Obwohl bei Varro, Menippeae Fragment 506 auch der Name Anna ac Peranna überliefert ist (vgl. Wissowa, Art. Anna 3), in: RE 1, Sp. 2224; s. Gellius, Noctes Atticae 13,23,4), ist eine Verschreibung zu erwägen. 363,6–30 Man verehrte Ç. . .È geworden war] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 55,3–28. Vgl. dort die Erl. 363,7–8 daß man Ç. . .È wußte] Vermutlich eine Anspielung auf Ovid, Fasti 3,543: quae tamen haec dea sit quoniam rumoribus errat (Holzberg, S. 129: Über das Wesen der Göttin gibt’s ja verschiedne Gerüchte). Ovid selbst referiert im Anschluss mehrere davon. Auch in den neueren Altertumswissenschaften werden unterschiedliche Möglichkeiten erwogen. Vgl. z. B. Meltzer, Art. Anna 1), in: Roscher 1, Sp. 355–360. 363,8–10 Das Volk feierte Ç. . .È wünschte] Nach Ovid, Fasti 3,523–534. Das Fest der Anna Perenna wurde am 15. März begangen. Vgl. Art. Anna Perenna, in: KlP 1, Sp. 357. 363,10–13 Die Idee Ç. . .È bezeichnet] Die Assoziation der Anna Perenna mit dem lange Dauernden fußt auf einer etymologischen Herleitung, der zufolge Perenna mit perennis (das Jahr hindurch während, beständig) im Zusammenhang steht; vgl. Ovid, Fasti 3,654, wonach dem Namen der Ausdruck amnis perennis (für den Fluss Numicus), d. h. stets fließender Strom zugrunde liegt. S. dazu die Abweisung durch Wissowa, Art. Anna 3, in: RE 1, Sp. 2224, dessen

Stellenerläuterungen

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Deutung auf eine Jahresgöttin jedoch am Jahresbezug festhält. Hederich, Lexicon, Sp. 268 referiert weitere Versuche der Namenserklärung. 363,15–28 Es zog Ç. . .È errichtet hatte] Paraphrase von Ovid, Fasti 3,663–674. Ovid bezieht sich auf die Legende vom Auszug der Plebs auf den Mons Sacer im Jahr 494 v. Chr., der zur Einführung des Volkstribunats geführt haben soll (Livius, Ab urbe condita 2,32–2,33,3.). An dieser Ursprungserzählung bestehen in der neueren Forschung Zweifel; trotz einschlägiger Überlieferungen gelten Frühgeschichte und Entwicklung des Amts als unklar. – Volkstribune (tribuni plebis), gewählt für ein Jahr, deren Einrichtung Ergebnis der sog. Ständekämpfe um die Verteilung der Macht im Rom des 4. und 3. Jh. v. Chr. ist, vertraten mithilfe von besonderen Befugnissen, vor allem des Interzessionsrechts, die Interessen der Plebs gegenüber dem Magistrat. Vgl. Art. Tribunus [7] T. plebis, in: DNP 12/1, Sp. 798f. 363,22 Bovillä] Antike Stadt in Latium an der Via Appia, etwa 18 Kilometer südöstlich von Rom gelegen. Vgl. Hülsen, Art. Bovillae, in: RE 3, Sp. 798f.; Art. Bovillae, in: KlP 1, Sp. 937f. 363,31–364,5 Die Sorgen Ç. . .È abwenden möge] Entspricht Anthusa, KMA 4/1, S. 168,3–11. Vgl. dort die Erl. Im Wesentlichen gewinnt Moritz seine Angaben aus Hederich, Lexicon, Sp. 265f., aus dem er mehrere Einzelbemerkungen kombiniert. – Angerona gilt als frühe röm. Gottheit unklaren Ursprungs. Da sie zur Zeit der Grammatiker und Antiquare bereits aus dem allgemeinen Bewusstsein verschwunden war, ist über ihre Bedeutung wenig bekannt (vgl. Wissowa, Art. Angerona, in: Roscher 1, Sp. 348). Von den Erklärungsansätzen zu der Gottheit (vgl. auch Aust, Art. Angerona, in: RE 1, Sp. 2189f.), die Hederich referiert, übernimmt Moritz vorzugsweise solche, die auf den Namen zielen. Der Bezug auf angina, anxietas etc. wird bis heute als nicht unplausibel angesehen; vgl. Fulvio Canciani, Art. Angerona, in: LIMC 1/1, S. 792f. 363,34–364,1 wiederum davon zu befreien] Eine Quelle für den Hinweis, dass Angerona Beängstigungen ebenso herbeiführe wie abwende, ist nicht nachgewiesen. – Für die Befreiung von Beklemmungen beruft sich Hederich auf Giraldi, Historia, Sp. 57, der seinerseits Macrobius, Saturnalia 1,10,7 zugrunde legt. Macrobius wiederum bezieht sich auf den Grammatiker Verrius Flaccus aus der augusteischen Zeit. 364,1–5 deswegen man sich Ç. . .È abwenden möge] Die Bemerkung zielt letztlich auf die Opferriten, die nach Macrobius, Saturnalia 1,10,7 von den Pontifices am 21. Dezember im Heiligtum der Volupia in Rom zu Ehren der Göttin vollzogen wurden.

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364,3 Angina] S. Macrobius, Saturnalia 1,10,9 nach einer Nachricht des Grammatikers Julius Modestus aus dem ersten nachchristlichen Jh. Zur Sache H. W. Lindemann, Taschenbuch für angehende Aerzte. Erster Theil, Leipzig 1792, S. 119:

Unter Angina verstehen wir eine Entzündung verschiedener Theile im Halse. Sie bekömmt den Beynamen von dem Theil, den sie befallen hat. 364,6 Antäus] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 272–274. Vgl. auch Erl. zu S. 158,14–25 mit einer Übersicht über die Quellen zum Antaios-Mythos. 364,6 Sohn der Erde] Hyginus, Fabulae 31. Vgl. auch Apollodoros 2,115, (Meusel), S. 81, der Poseidon als Antaios’ Vater nennt. 364,6–11 Er herrschte Ç. . .È ums Leben brachte] Apollodoros 2,115, (Meusel), S. 81. 364,11–14 Er wohnte Ç. . .È die er fing] Lucanus, Pharsalia 4,601–605. 364,14–15 Als Herkules Ç. . .È brachte] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 173. Diodorus Siculus 4,17,1–3, (Stroth) 2, S. 35. Nach Apollodoros 2,115, (Meusel), S. 81 befindet sich Herakles stattdessen auf dem Weg zu den Hesperiden. 364,15–24 wurde er Ç. . .È in der Luft] Lucanus, Pharsalia 4,609–653. 364,25 Anteros] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 278f. Vgl. Erl. zu S. 200,25–27 im vorliegenden Band. 364,26–31 Die Dichtung Ç. . .È Flügel sinken] Eine allegorische Erzählung des spätantiken Philosophen und Rhetors Themistios (ca. 317–388; Orationes 24,304d–305c). Seit einer Fehlzuschreibung durch Celio Calcagnini (1544) wurde die Erzählung oft als Dichtung des Philosophen Porphyrios (ca. 233–zwischen 301 und 305) ausgegeben. Diesen Irrtum übernimmt der von Moritz zugrunde gelegte Hederich, Lexicon, Sp. 278 von Giraldi, Historia, Sp. 411. Vgl. Merill 1944, S. 272; 275; 277. 364,31–32 Die Altäre Ç. . .È nebeneinander] Verallgemeinernde Schlussfolgerung aus Pausanias 6,23,3, (Goldhagen) 2, S. 87. Pausanias spricht jedoch vermutlich von einem gemeinsamen Altar des Eros und des Anteros in der Ringerschule von Elis; vgl. Art. Anteros, in: KlP 1, Sp. 369. 364,32–35 Auf einem Gemählde Ç. . .È zu bezeichnen] Pausanias 6,23,5, (Goldhagen) 2, S. 88. Abweichend von Hederichs Angaben handelt es sich nach Pausanias um ein Relief oder eine Plastik. Vgl. Art. Eros, in: Roscher 1, Sp. 1343. 365,1 Antinous] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 289f. Als Günstling des röm. Kaisers Hadrian (76–138) ist Antinoos (ca. 110–130), wohl aus dem kleinasiatischen Bithynien, eine historische Figur; von etwa 125–130 ist er in der Nähe des Kaisers anzutreffen. Hadrians Beziehung zu dem Jüngling war nach der Auskunft antiker Quellen gemäß dem Modell der gr. Paiderastie auch sexueller Natur; vgl. Fündling

Stellenerläuterungen

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2006, 2, S. 687–690. Über Antinoos selbst ist im Übrigen wenig bekannt. Streng genommen ist Antinoos jedenfalls in einem mythologischen Wörterbuch deplaziert. Begründet ist seine Aufnahme jedoch insofern, als er nach seinem frühen Tod im Nil Gegenstand eines ausgedehnten Kults mit göttlicher Verehrung wurde, dessen Motive und Deutung Gegenstand der Diskussion bleiben. Vgl. Fündling 2006, 2, S. 696–700. 365,2–5 erbaute Hadrian Ç. . .È Himmel benannt] Antinoupolis, gegründet nach dem Tod des Antinoos, lag im Süden von Mittelägypten an der Ostseite des Nil. Von der Stadt sind archäologische Reste erhalten. Vgl. Pietschmann, Art. Antinoupolis 2), in: RE 1, Sp. 2442. – Zu Antinoupolis und zum Antinoos-Kult, zu dem auch im Vierjahresrhythmus veranstaltete Spiele zu seinen Ehren gehörten, vgl. z. B. Pausanias 8,9,7–8, (Goldhagen) 2, S. 232f. Zur Erhebung zu den Sternen Fündling 2006, S. 698. 365,5–8 Weil unter Ç. . .È geblieben sind] Zur Vielzahl der Antinoos-Darstellungen vgl. den Katalog in Meyer 1991. Zur späten Kunstblüte unter Hadrian, die es allerdings mit der gr. nicht habe aufnehmen können, vgl. Winckelmann, Geschichte, S. 404–410. 365,8–9 Man kennt ihn Ç. . .È gesenkten Blicke] Die nicht durch Hederich gedeckte Bemerkung bezieht sich vermutlich vor allem auf eine Plastik aus dem Kapitolinischen Museum in Rom, die im 18. Jh. vielfach als Statue des Antinoos beschrieben wurde – so auch von Volkmann, Bd. 2, S. 495 (Kapitolinischer Antinoos oder Antinoos Albani). Neueren Vermutungen zufolge handelt es sich jedoch um eine in den ersten Jahrzehnten des 18. Jh. ohne Kopf aufgefundene und um einen modernen Kopf ergänzte Skulptur, die nicht den Antinoos darstellt. Zweifel an der Identifikation gab es schon zu Moritz’ Zeit (Kansteiner 2007, S. 224–231). Moritz kannte die Statue und beschreibt sie in RDI 2, S. 193f. (KMA 5/2): Dicht hier neben steht, melancholisch niederblickend, der schö-

ne Antinous, den man in der Villa des Hadrians fand, und der ein Meisterstück der griechischen Kunst ist. Schöner konnten sich Ernst und Tiefsinn mit der jugendlichen Weichheit nie vermählen, als in diesem holden Antlitz, das, von der Wolke des Traurens überschattet, sich in dem trüben See des stürmischen Lebens spiegelt, und still weissagend, das über dem Haupte schwebende Verhängniß ahndet. Für eine zeitgenössische Abbildung vgl. Bottari, Museo Capitolino 3, Tafel 56. Die lange für einen Antinoos gehaltene Hermes-Statue aus dem vatikanischen Belvedere-Hof kommt wohl nicht in Frage; in ihr sieht bereits Winckelmann, Geschichte, S. 409f., einen Meleager, oder einen andern jungen Held, der sich überdies stilistisch von der Kunst zur Zeit Hadrians unterscheide.

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365,10 Anubis] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 296–302. Anubis ist ein ägyptischer Totengott; er wird mit dem Kopf eines Hundes oder Schakals dargestellt. Vgl. Art. Anubis, in: Lexikon der Ägyptologie 1, Sp. 327–333. 365,10 Ein Sohn des Osiris] Für die Genealogie beruft sich Hederich auf Plutarch, Über Isis und Osiris 14,356 F, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 392. Anubis’ Mutter ist danach die Totengöttin Nephthys. 365,10–11 dessen Jäger er war] So Hederich, Lexicon, Sp. 297 ohne Quellenangabe. Vossius, De theologia gentili S. 257 (s. den Hinweis bei Hederich) schreibt dem Gott nur eine Wächterrolle zu. Tatsächlich ist Anubis vor allem Totengott; vgl. auch Art. Anubis, in: KlP 1, Sp. 416. 365,11 wobei er Ç. . .È um sich trug] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 297 unter Berufung auf Diodorus Siculus 1,18,1, (Stroth) 1, S. 33f. Dort trägt Anubis jedoch einen mit Hundefell überzogenen Helm. 365,11–13 Er wurde Ç. . .È haltend] So Hederich, Lexicon, Sp. 298 nach dem 11. Buch von Apuleius’ Metamorphosen-Roman (11,11, [Rode] 2, S. 208), wo Anubis im Rahmen einer Prozession der Götter auftritt. Bei dem Stab, den Apuleius als Caduceus identifiziert – den von zwei Schlangen umwundenen Stab des Hermes –, handelt es sich ursprünglich um das oben mit einem Tierkopf versehene Was-Zepter, ein Machtzeichen, mit dem in ägyptischen Darstellungen Götter und Könige auftreten; vgl. Art. Was-Zepter, in: Lexikon der Ägyptologie 6, Sp. 1152–1154. Die Gleichsetzung mit dem Caduceus ist eine Folge der Identifikation des Totengotts Anubis mit Hermes in der Psychopompos-Rolle durch die Griechen; vgl. Art. Anubis, in: Lexikon der Ägyptologie 1, Sp. 328. 365,13–15 Ihm waren die Hunde Ç. . .È unterhalten wurden] Hederich, Lexicon, Sp. 299 nach Jablonsky, Pantheon Aegyptiorum 3, S. 5–7, mit weiteren Quellenangaben. Zur Heiligkeit der Hunde auch Plutarch, Über Isis und Osiris 44,368 F, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 431. 365,15–18 sowohl unter die Himmlischen Ç. . .È geopfert] Zu Anubis als zugleich unterirdischem und himmlischem Gott Plutarch, Über Isis und Osiris 44,368 E, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 431. Zu den Hähnen, die jedoch nach Plutarch von weißer und gelber Farbe sind, ebd. 61,375 E, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 453. Die Stelle steht im Zusammenhang mit Plutarchs Lehre von der dualistischen, durch Osiris und Typhon repräsentierten Theologie der Ägypter. 365,18–21 Für das Urbild Ç. . .È bewässern würde] Hederich, Lexicon, Sp. 300f., nach Pluche, Histoire du ciel, S. 42.

Stellenerläuterungen

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365,21–24 Die Bildsäule Ç. . .È Hermanubis erhielt] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 298, der sich seinerseits auf Pierre Daniel Huet, Demonstratio Evangelica, Ad Serenissimum Delphinum, 5. Auflage, Leipzig 1703, S. 140 beruft. Zu den Hermen mit eckigem Schaft vgl. Erl. zu S. 209,14–21. Von der Aufstellung an Wegen sprechen weder Hederich noch Huet. Der Name Hermanubis, in dem der gr. Hermes und der ägyptische Anubis fusionieren, ist in wenigen epigraphischen und literarischen Zeugnissen der Antike belegt; vgl. Benaissa 2010, S. 67. Für die Mythographie der Frühen Neuzeit spielt Plutarch, Über Isis und Osiris 61,375 E, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 453 die Hauptrolle. – Möglich, dass in Hederichs Ausführungen Angaben eingemischt sind, wie sie sonst über Hermen im Umlauf waren; vgl. z. B. Pausanias 8,32,2, (Goldhagen) 2, S. 302, oder auch Lucius Annaeus Cornutus 16,16/17 (Einführung in die griechische Götterlehre, hrsg., eingel. und übers. v. Peter Busch und Jürgen K. Zangenberg, Darmstadt 2010, S. 95): Hermes wird ohne Hände, ohne Füße und in viereckiger Ge-

stalt bildlich dargestellt; viereckig, weil er etwas Festes und Sicheres ist, sodass sogar seine Stürze Ç. . .È ein Grundgestell Ç. . .È sind; ohne Hände und ohne Füße, weil er weder Hände noch Füße braucht, um das zu erreichen, was vor ihm liegt. Zu denken ist ferner an die Gleichsetzung von Herme und Terminus (Grenzstein) in zeitgenössischen Schriften; vgl. RDI 2, S. 118 (KMA 5/2), sowie VTO, S. 102 (KMA 3) und Erl. 365,26 Erzeugung aus dem Schaume des Meeres] Zum Mythos S. 93,32–94,2 und Erl. im vorliegenden Band mit weiteren Hinweisen. Für die Etymologie bezieht sich Moritz auf Hederich, Lexicon, Sp. 2437; danach liegt dem Namen der Göttin gemäß einer schon in der Antike bekannten Ableitung (Macrobius, Saturnalia 1,8,6) das gr. Wort aÆfroÂw (Aphro´s, Schaum) zugrunde. 365,27 Apis] Nach dem ausladenden, aus zahlreichen Quellen kompilierten Apis-Eintrag bei Hederich, Lexicon, Sp. 311–323. Das Nachschlagewerk beruft sich auf gr. und lat. Autoren und übernimmt deren Sicht. Für die überarbeitete Hederich-Fassung von 1770 ist die Darstellung von Jablonsky, Pantheon Aegyptiorum 2, S. 177–230 von Belang, auf die der Artikel mehrfach verweist. 365,28–29 Die Kuh Ç. . .È befruchtet seyn] Herodot 3,28, (Goldhagen), S. 224; Aelian, De natura animalium 11,10. 365,29–31 Ein Zeichen Ç. . .È Mondes hatte] Hederich, Lexicon, Sp. 312 nach Ammianus Marcellinus, Res gestae 22,14,7; Solinus, Collectanea 32,17; vgl. auch Plinius, Naturalis historia 8,184. Der weiße Fleck ist nach Hederich eines von vielen (nach Aelian, De natura animalium 11,10, von 29) Merkmalen, die ein Apis-Stier aufweisen musste.

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365,31–33 Unter der Zunge Ç. . .È Käfer nannte] Herodot 3,28, (Goldhagen), S. 244. Goldhagen übersetzt falsch auf der Zunge. Plinius, Naturalis historia 8,184. 365,33–366,1 Dieser Ochse Ç. . .È eingeschlossen wurden] Herodot 2,153, (Goldhagen), S. 195 über den Apis-Tempel des ägyptischen Königs Psammetichos I. (664–610 v. Chr.). 366,1–5 In einem dieser Vorhöfe Ç. . .È zu betrachten] Strabon 17,1,31, (Prenzel) 4, S. 2210. 366,5–7 Er hatte Ç. . .È andere ging] Plinius, Naturalis historia 8,185. 366,7–9 Er ruhte Ç. . .È Weihrauch] Bezugsstelle ist Diodorus Siculus 1,84,5–6, (Stroth) 1, S. 168f. 366,9–15 Die schönsten Ç. . .È getränkt wurde] Aelian, De natura animalium 11,10. Zu den Kühen auch Diodorus Siculus 1,84,6, (Stroth) 1, S. 169. 366,15–19 Die Dauer Ç. . .È Brunnen ersäuft] Plinius, Naturalis historia 8,184; Solinus, Collectanea 32,18. Zur Anzahl der Lebensjahre, die dem Stier zugestanden seien, s. Plutarch, Über Isis und Osiris 56,374 A, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 448. Nach Roscher, Art. Apis, in: Roscher 1, Sp. 420f. und Pietschmann, Art. Apis 5), in: RE 1, Sp. 2808 ist diese Angabe allerdings nicht wörtlich zu verstehen; neueren Forschungen zufolge beruhen die Überlegungen zur sog. Apisperiode überhaupt auf Missverständnissen und nachfolgenden Spekulationen der gr. Autoren. Vgl. Art. Apis, B., in: Lexikon der Ägyptologie 1, Sp. 346–348. 366,19–21 an einem Orte Ç. . .È ausspähen durfte] Arnobius, Adversus nationes 6,6. 366,21–23 Starb nun Ç. . .È veranstaltet] Diodorus Siculus 1,84,8, (Stroth) 1, S. 169 berichtet vom Tod eines Apis-Stiers und dem anschließenden Begräbnisaufwand zur Zeit Ptolemaios’ I. (367/66–283/82 v. Chr.). Das feierliche Begräbnis war nicht, wie Hederich, Lexicon, Sp. 316 behauptet, vom vorzeitigen Ableben des Stiers abhängig – auch Diodor stellt keinen solchen Zusammenhang her –, sondern Zentralelement des Apis-Kults überhaupt. Über den Ablauf des Zeremoniells stehen inzwischen detaillierte Informationen zur Verfügung. Vgl. Art. Apis, A., in: Lexikon der Ägyptologie 1, Sp. 338–346. 366,23–24 wozu Ç. . .È Beisteuer gaben] Hederich, Lexicon, Sp. 316 bezieht sich für diese Nachricht auf Plutarch, Über Isis und Osiris, der 35,364 E; 73,380 D–E, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 418; 470 von den Begräbnisriten des Apis spricht. Dort ist jedoch über den Beitrag aller Teile von Ägypten zum ApisBegräbnis nichts zu finden. Allerdings bestätigt die Ägyptologie, dass die gewaltigen Mengen an Material, die zur Einbalsamierung des Apis erforderlich waren, von

Stellenerläuterungen

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ganz Ägypten zur Verfügung gestellt wurden; vgl. Art. Apis, in: Lexikon der Ägyptologie 1, Sp. 343. 366,24–27 Sein Grabmahl Ç. . .È Wehklagen führten] Zum Tempel in Memphis Pausanias 1,18,4, (Goldhagen) 1, S. 72. Tatsächlich wurde der einbalsamierte Kadaver im Serapeum von Memphis bestattet; vgl. Art. Apis, A., in: Lexikon der Ägyptologie 1, Sp. 340. Zu den Toren Plutarch, Über Isis und Osiris 29,362 C, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 410. Lethe und Kokytos sind die gr. Namen von Unterweltströmen; zu ihnen und ihrer Bedeutung vgl. S. 249,25–31 mit den Erl. im vorliegenden Band. 366,27–29 Man brachte Ç. . .È bedeckt war] Diodorus Siculus 1,96,6, (Stroth) 1, S. 191. 366,29–30 Die Priester Ç. . .È weinte laut] Plutarch, Über Isis und Osiris 35,364 E, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 418. Plutarch zufolge ähnelt der Klageritus der Priester dem Verhalten der Bakchanten. 366,30–31 man beschor Ç. . .È Trauer] Lukian, Von den Opfern 15, (Sämtliche Werke) 5, S. 229. 366,31–32 Die Wehklagen Ç. . .È gefunden war] Plinius, Naturalis historia 8,184. 366,32–33 welchen zu suchen Ç. . .È durchzogen] Hederich, Lexicon, Sp. 317 unter Berufung auf Ammianus Marcellinus, Res gestae 22,14,7, der allerdings lediglich feststellt, dass während der Trauerzeit um den gestorbenen einer neuer Stier gesucht werde. 366,33–367,1 So bald Ç. . .È Freudenfest] Hederich, Lexicon, Sp. 317 unter Berufung auf den Apis-Eintrag in der Suda, einem byzantinischen Nachschlagewerk. 367,1–5 Dem jungen Ç. . .È abzuholen] Nicht, wie Hederich, Lexicon, Sp. 318 angibt, nach Ammianus Marcellinus, Res gestae 22,14,7, sondern nach Aelian, De natura animalium 11,10. 367,5–9 Sie führten Ç. . .È geführet] Diodorus Siculus 1,85,2–3, (Stroth) 1, S. 170. Nilupolis war eine antike Stadt in Mittelägypten; vgl. Herm. Kees, Art. Nilupolis 1), in: RE 17/1, Sp. 590. 367,9–10 wohin ihn Ç. . .È empfingen] Zur Begleitung durch hundert Priester Solinus, Collectanea 32,18; zu den hundert Priestern, die den Stier in Memphis in seine Hochzeitskammer einführen, s. Ammianus Marcellinus, Res gestae 22,14 8. Dass es sich um unterschiedliche Gruppen von Priestern handelt, ergibt sich aus den beiden von Hederich, Lexicon, Sp. 318 herangezogenen Quellen nicht zwingend.

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Mythologisches Wörterbuch

367,10–12 Weil er nun Ç. . .È prophezeihen] Plinius, Naturalis historia 8,185. 367,13 Der Apis Ç. . .È geweiht] So Hederich, Lexicon, Sp. 319 unter Bezug auf Eusebius Pamphylius, Praeparatio evangelica. Franciscus Vigerus Ç. . .È notis illustravit, Köln 1688, S. 117, der sich seinerseits auf eine ungenannte Stelle des Polybios bezieht. 367,13–14 deren Bilder Ç. . .È findet] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 319. Hederich bezieht sich auf Antonio Francesco Gori, Gemmae Antiquae 2, Florenz 1732, Tafel 78, Nr. III. Dort ist über dem Rücken des Stiers die Sonne, über seinen Hörnern hingegen der Mond dargestellt. 367,14–16 Ihm durften Ç. . .È untauglich] Nach Hederich, Lexicon, Sp. 319. Hederich und, auf seinen Spuren, Moritz scheinen anzudeuten, dass Stiere von schwarzer Farbe nicht würdig waren, geopfert zu werden. Folgt man hingegen Plutarch, auf den die Bemerkung letztlich zurückgeht, genossen diese Stiere umgekehrt wegen ihrer Nähe zu Osiris Verschonung. Zu Osiris, dem sich Apis zuordnet, gehört die schwarze Farbe; vgl. Plutarch, Über Isis und Osiris 33,364 B, in: Moralische Abhandlungen (Kaltwasser), S. 416f. S. auch ebd. 22,359 E, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 401. Nach Herodot 3,28, (Goldhagen), S. 224 und Strabon 17,1,31 ist Apis, bis auf die weißen Flecken, von schwarzer Farbe. Hingegen entspricht nach Plutarch, Über Isis und Osiris 31,363 B, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 413 die rote Farbe Osiris’ Widersacher Typhon; Stiere mit rotem Fell wurden geopfert. 367,16–18 Der Geburtstag Ç. . .È gefeiert] Aelian, De natura animalium 11,10. Aelian bezieht die Feiern gleichzeitig auf den Beginn der Nilüberschwemmung und das Geburtsfest des Apis. 367,19–21 Wenn der Apis Ç. . .È zu Ehren] Plinius, Naturalis historia 8,185. 367,22–23 Man findet Ç. . .È säugend] Bezieht sich auf die Abbildung eines in Elfenbein geschnittenen Stücks in 〈Filippo Buonarroti〉: Osservazioni Istoriche Sopra Alcuni Medaglioni Antichi, Rom 1698, S. 70. 367,23–25 Auf den Münzen Ç. . .È vor ihm] Bezugsstellen mit Abbildungen sind Beger, Thesaurus Brandenburgicus 3, S. 117; Bd. 2, S. 660. 367,25–27 Die Dichtung Ç. . .È unsterblich geworden sey] Nach der ausführlicheren Erzählung, die Hederich, Lexicon, Sp. 323 referiert, wird Osiris von Typhon getötet. Ein wie Apis gezeichneter Stier habe Isis zu den verstreuten Gliedern des Osiris geführt, weshalb man Apis für Osiris’ Reinkarnation gehalten habe. Für diese Erzählung beruft sich Hederich auf Plutarch, bei dem sie aber so nicht zu finden ist. Plutarch, Über Isis und Osiris 18,358 A–B, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 396 berichtet von Isis’ Suche nach den Gliedern des Osiris und

Stellenerläuterungen

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erklärt Apis zum Ebenbild seiner Seele – ebd. 20,359 B, (Moralische Abhandlungen [Kaltwasser]), S. 399. Das Verbindungsstück, die gemeinsame Suche und die Erkenntnis des Stiers als Reinkarnation, fehlt. 367,27–28 den Stier Ç. . .È verehrte] Vgl. Hederich, Lexicon, Sp. 324 unter Bezug auf den Sarapis-Eintrag in der Suda.

Abbildungen Angegeben sind jeweils die Deutungen, die Moritz den Abbildungen zuweist.

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Abbildungen

Abb. 1 (Götterlehre) Frontispiz oben: Zeus im Kampf gegen die Giganten; S. 25,19–24 und Erl.; unten: Saturn mit der Sense auf einem Schiff; S. 27,20–24 und Erl.

Abbildungen

Abb. 2

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Abbildungen

Abb. 3 (Götterlehre) oben links: Prometheus als bildender Künstler; S. 31,12–16 und Erl.; oben rechts: Prometheus mit einer Fackel; S. 31,22–24 und Erl.; unten links: Pandora; S. 35,26–28 und Erl.; unten rechts: Prometheus, an den Felsen geschmiedet; S. 35,21–23 und Erl.

Abbildungen

Abb. 4 (Götterlehre) oben: Die Nacht mit ihren Kindern; S. 39,14–18 und Erl.; unten: Die Nacht mit Morpheus und seinen Brüdern; S. 39,29–40,2 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 5 (Götterlehre) oben links: Das schwarze Verhängnis; S. 42,18–20 und Erl.; oben rechts: Lachesis; S. 42,26–43,6 und Erl.; unten: Parze; S. 43,7–11 und Erl.

Abbildungen

Abb. 6 (Götterlehre) oben: Zeus; S. 72,25–28 und Erl.; Mitte links: Zeus mit Mantel und Binde; S. 72,30–31 und Erl.; Mitte rechts: Zeus Ammon; S. 72,32 und Erl.; unten: Kronos geschleiert mit Kugel und Zepter; S. 72,33–73,2 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 7 (Götterlehre) oben: Hera mit Schleier auf Zeus’ Adler; S. 78,20–24 und Erl.; unten: Hera; S. 78,20 und Erl.

Abbildungen

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Abb. 8 (Götterlehre) oben: Apollon, auf dem Haupt der Pythia die Leier stimmend; S. 82,11–15 und Erl.; unten: Apollon mit Bogen und Leier; S. 82,18–20 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 9 (Götterlehre) oben: Poseidon auf dem Wagen; S. 85,17–22 und Erl.; unten: Poseidon, aus dem Meer auf einen Felsen steigend; S. 85,23–27 und Erl.

Abbildungen

Abb. 10 (Götterlehre) oben: Athene; S. 89,1–3 und Erl.; unten: Medusa Rondanini; S. 89,4–5 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 11 (Götterlehre) oben: Ares, vom Olymp herabsteigend; S. 91,19–23 und Erl.; unten: Aphrodite und Eros; S. 91,23–25 und Erl.

Abbildungen

Abb. 12 (Götterlehre) oben: Artemis; S. 96,24–32 und Erl.; unten: Demeter mit Sichel und Fackel; S. 96,33–97,4 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 13 (Götterlehre) oben: Hephaistos, einen Pfeil schmiedend, mit Aphrodite und Eros; S. 104,5–7 und Erl.; unten: Hephaistos; S. 104,5 und Erl.

Abbildungen

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Abb. 14 (Götterlehre) oben: Hades mit Harpokrates und Hestia; S. 105,15–25 und Erl.; unten: Hermes; S. 106,3–11 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 15 (Götterlehre) oben: Gaia mit Nike und Jahreszeiten; S. 111,16–24 und Erl.; unten: Kybele auf einem Löwen; S. 111,28–32 und Erl.

Abbildungen

1083

Abb. 16 (Götterlehre) oben: Dionysos mit Liebesgöttern und Panthern; S. 120,9–14 und Erl.; unten: Silen; S. 120,15–17 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 17 (Götterlehre) oben: Perseus, den Medusenkopf hinter dem Rücken haltend; S. 140,8–12 und Erl.; unten: Bellerophon auf dem Pegasos im Kampf mit der Chimaira; S. 140,17–21 und Erl.

Abbildungen

Abb. 18 (Götterlehre) oben: Herakles im Kampf mit dem Nemeischen Löwen; S. 166,8–10 und Erl.; unten: Herakles, ruhend; S. 166,10–11 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 19 (Götterlehre) oben: Kastor und Polydeukes; S. 168,18–22 und Erl.; unten: Kastor und Polydeukes; S. 168,24–25 und Erl.

Abbildungen

Abb. 20 (Götterlehre) oben: Jason und Medea; S. 179,22–28 und Erl.; unten: Meleagros mit dem Kopf des Kalydonischen Ebers; S. 179,29–30 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 21 (Götterlehre) oben: Theseus, den Stein aufhebend; S. 186,27–30 und Erl.; unten: Daidalos bei der Arbeit an einem Flügel; S. 186,24–27 und Erl.

Abbildungen

Abb. 22 (Götterlehre) oben: Muse, die Leier stimmend; S. 200,1–2 und Erl.; unten: Liebesgott mit Leier auf einem Löwen; S. 200,10–12 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 23 (Götterlehre) oben: Die Grazien; S. 202,12–13 und Erl.; unten: Hore; S. 202,13–28 und Erl.

Abbildungen

Abb. 24 (Götterlehre) oben: Bacchanal; S. 207,31–208,22 und Erl.; unten: tanzender Faun; S. 207,29–30 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 25 (Götterlehre) oben: Orpheus; S. 210,10–12 und Erl.; unten: Chiron, Achilles unterrichtend; S. 210,16–17 und Erl.

Abbildungen

Abb. 26 (Götterlehre) oben: Asklepios; S. 212,15 und Erl.; unten: Hygieia; S. 212,15 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 27 (Götterlehre) oben: Ganymed; S. 221,16–17 und Erl.; unten: Sturz des Phaethon; S. 221,18–19 und Erl.

Abbildungen

Abb. 28 (Götterlehre) oben: Oidipus, die Sphinx tötend; S. 233,14–16 und Erl.; unten: Fünf Helden von den Sieben gegen Theben; S. 232,20–28 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 29 (Götterlehre) oben: Parisurteil; S. 245,33 und Erl.; unten: Achilleus am Grab des Patroklos; S. 245,34 und Erl.

Abbildungen

1097

Abb. 30 (Götterlehre) oben: Hades als Zeus Sarapis mit Kerberos; S. 251,15 und Erl.; unten: Charon, Hermes und ein Verstorbener; S. 251,16–18 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 31 (Götterlehre) oben: Sisyphos; S. 255,11 und Erl.; unten: Amor und Psyche; S. 255,12 und Erl.

Abbildungen

Abb. 32 (Almanach) Mythologischer Almanach, Frontispiz: Zeus im Tierkreis; S. 270,13–15 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 33

Abbildungen

Abb. 34 (Almanach) Hera; S. 283,3–7 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 35 (Almanach) Athene; S. 286,3–7 und Erl.

Abbildungen

Abb. 36 (Almanach) Poseidon; S. 290,3–7 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 37 (Almanach) Apollon; S. 292,22–31 und Erl.

Abbildungen

Abb. 38 (Almanach) Artemis; S. 299,10–13 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 39 (Almanach) Aphrodite und Eros; S. 302,16–20 und Erl.

Abbildungen

Abb. 40 (Almanach) Ares und Aphrodite; S. 307,3–10 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 41 (Almanach) Hephaistos; S. 310,7–12 und Erl.

Abbildungen

Abb. 42 (Almanach) Demeter; S. 314,3–8 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 43 (Almanach) Vestatempel; S. 318,28–319,4 und Erl.

Abbildungen

Abb. 44 (Almanach) Hermes; S. 321,9–12 und Erl.

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Abbildungen

Abb. 45

Abbildungen

Abb. 46

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Abbildungen

Abb. 47

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Abbildungsnachweise Götterlehre: Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, Signatur KK 5614

Mythologischer Almanach für Damen: Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, Signatur KK 5612

Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen: Universitätsbibliothek Regensburg, Signatur 20/G181261

Personen- und Werkregister Die Register verzeichnen einerseits historische Personen und ihre Werke, andererseits Personen- und Ortsnamen mit Mythologiebezug. Recte gedruckte Seitenzahlen verweisen auf den Text-, kursiv gedruckte auf den Kommentarteil; Fettdruck zeigt Hauptstellen der Kommentierung an. Wenn das Registerstichwort nicht direkt genannt wird, ist der entsprechenden Seitenzahl eine Textstelle beigegeben, in der sich das Lemma verbirgt. Römische Namen sind mit Ausnahme der Namen von Kaisern alphabetisch unter den Gentilnomina aufgeführt (Julius Caesar, Gaius). Angehörige europäischer Herrscherhäuser der Neuzeit sind unter dem jeweiligen Ländernamen genannt. Werke, die sich keinem Autor zuweisen lassen, erscheinen in alphabetischer Ordnung unter dem Titel. Moritz verwendet römische Götternamen; im Übrigen schreibt er griechische Namen in latinisierter und häufig in eingedeutschter Form. Von den Wortendungen abgesehen tritt dabei tendenziell vor e, i und y (Celeus, Circe, Cythere), zuweilen, vor allem im Mythologischen Wörterbuch, auch vor a, o und u (Calchas, Colchis, Jolcus) und vor Konsonanten (Acrisius), das c an die Stelle des k. Griechische Diphthonge wie ai und oi sind lateinisch bzw. deutsch geschrieben (Aega, Schöneus). Im mythologischen Register sind hingegen griechische Namen in der Regel, mit wenigen Ausnahmen, nach Maßgabe der üblichen Transkription aus dem Griechischen wiedergegeben (Keleos, Aiga, Schoineus etc.). Auf die latinisierte Form griechischer Namen wird, soweit erforderlich, in Klammern verwiesen. Wenn Moritz mythologische Erscheinungen nur mit deutschen Begriffen bezeichnet (Erde), sind diese als Registereinträge angesetzt und ggf. in Klammern um die griechischen Bezeichnungen ergänzt.

Adelbert – »Amathusia oder über die Geheimnisse der Toilette, ein Geschenk für Damen« 982 Aelianus s. Claudius

Aischylos 50 (den ersten tragischen Dichter), 52 (dem tragischen Dichter), 103 (des tragischen Dichters), 142 (Der erste tragische Dichter der Griechen), 793, 943 – »Agamemnon« 859, 919, 921

1118

Personen- und Werkregister

»Choephoren« 641, 749, 859, 921f. »Die Perser« 830 »Eumeniden« 655, 749, 921f. »Ixion« 949 »Orestie« 921f. »Prometheus in Fesseln« 484, 619f., 625f., 628, 631, 651f., 655, 660, 665f., 673, 737, 768, 793, 803, 817 – »Sieben gegen Theben« 719, 908, 917 d’Albret, Prinz 872 Albricus Philosophus – »De imaginibus deorum« 1041 d’Alembert, Jean-Baptiste le Rond 463 Alexander der Große 356, 758 Alexis, Willibald – »Anton Reiser« 585 Algarotti, Francesco – »Il Newtonianismo per le dame« 971 Alkibiades 876 Amenhotep III. 703 Ammianus Marcellinus – »Res gestae« 1061, 1063 Annaeus Cornutus, Lucius 656, 743, 1029f., 1061 Annaeus Lucanus, Marcus – »Pharsalia« 485, 692, 814, 1051, 1058 Annaeus Seneca, Lucius – »Agamemnon« 921, 1043 – »Epistulae morales ad Lucilium« 864 – »Hercules furens« 805, 818f., 821 – »Hercules Oetaeus« 818, 825 – »Medea« 844 – »Oidipus« 908, 913 – »Phaedra« 862 – »Phoenissae« 908, 917 – »Thyestes« 919, 948f. Androtion – »Atthis« (»Attische Geschichte«) 687 »Anmerkungen über die zwölff erstern Bücher der Iliade« 457 – – – – – –

Antoninus Liberalis – »Metamorphoses« 711, 949, 1028, 1047 Apelles 1055 Apollodoros 485, 531, 792 – »Bibliothek« 486, 606, 609f., 613, 615, 618, 625, 629, 650, 652, 659f., 665, 668, 670f., 676–679, 684–688, 703, 707–709, 717, 726, 730, 737, 765, 778, 782, 784–850, 852–856, 860, 863, 870, 893f., 897, 899, 901, 904, 906, 909–922, 924, 926–928, 931f., 936f., 941, 947, 951, 1019, 1028, 1030, 1032, 1034–1038, 1045–1048, 1050–1056, 1058 Apollonios (Bildhauer) 912 Apollonios von Rhodos – »Argonautika« 483, 643, 649, 671, 798, 813, 829, 831, 834–843, 880, 904, 950, 1053, 1055 Apuleius – »Metamorphosen« (»Der Goldne Esel«) 751f., 754, 952–954, 1035, 1060 Aratos von Soloi 610 – »Phainomena« 657 Aristophanes 44, 357, 482 – »Die Vögel« 484, 643 Aristoteles – »Poetik« 909, 913, 923 Arnobius – »Adversus nationes« 1062 Athanadoros 932 Athenaios Naukratios – »Deipnosophistai« (»Gelehrtenmahl«) 818 Augustus 1028 Augustinus von Hippo – »De civitate dei« 469, 599, 1013, 1020, 1028, 1035 Aurelius Olympius Nemesianus, Marcus 761 Aurelius Propertius, Sextus 613, 813, 815, 848, 912

Personen- und Werkregister Aurelius Victor – »De origine gentis Romanae« Ausonius s. Magnus

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Bacon, Francis – »De sapientia veterum« (»Weisheit der Alten«) 467, 619, 886 Baden, Torkel – »Von der Unbrauchbarkeit der nordischen Mythologie für die bildenden Künste« 523 Banier, Antoine 456, 458f., 471, 475f., 484, 490, 509, 1013 – »Dissertation Sur Les Furies« 636, 640f., 948 – »Dissertation sur les Parques« 632, 636–638, 642 – »Erläuterung der Götterlehre und Fabeln aus der Geschichte« (»Explication historique des fables«) 457–459, 468–470, 593, 595, 600, 605, 610, 613, 616, 621, 625, 627f., 631–633, 635–638, 640, 642–650, 653–655, 659, 661, 663–666, 668, 671, 675, 682–684, 686–688, 691f., 695, 704, 709, 714–716, 731, 735–737, 741–744, 751f., 754–756, 758–764, 766–777, 781, 784–791, 794–796, 799–805, 808–811, 813–816, 826–863, 866, 868–870, 872, 874–876, 881f., 884–887, 889f., 892–897, 899, 902–904, 906f., 909–920, 922, 924–927, 931–934, 936–938, 940, 942, 947–951, 1031, 1036, 1043 Bartholomäus 349 Barthius, Caspar 1032 Basedow, Johann Bernhard – »Elementarwerk« 457 Batteux, Charles 565 – »Einleitung in die Schönen Wissenschaften« 902 Battos I. 843

1119

Baumgärtner, Albrecht Heinrich – »Geschichte der Götter und vergötterten Helden« 509 – »Geschichte der vier ältesten Gottheiten des Orients« 750, 752f. Baumgarten, Alexander Gottlieb 492, 598 – »Aesthetica« 492 Bayle, Pierre – »Historisches und Critisches Wörterbuch« 463 Beger, Lorenz – »Bellum Et Excidium Trojanum« 933 – »Thesaurus Brandenburgicus Selectus« 812, 1064 Behrisch, Heinrich Wolfgang – »Einleitung zur allgemeinen Harmonie der Götterlehren« 456, 467 Belli, Valerio 635, 738 Bellori, Giovanni Pietro – »Le Pitture Antiche Delle Grotte Di Roma« 663 Benn, Gottfried 524 Berger, Daniel 976, 980, 984 Bergier, Nicolas-Sylvestre – »Ursprung der Götter des Heydenthums« 470, 485, 617, 633, 649f., 653 Bernardi, Giovanni dei 712 Bernini, Gian Lorenzo 904 Bertuch, Friedrich Justin 436 Biester, Erich 1027 – »Berlinische Monatsschrift« (mit Friedrich Gedike) 1027 Bion von Smyrna 902 Boccaccio, Giovanni – »De genealogia deorum gentilium« 619, 886, 898, 1034 Bochart, Samuel 460 Bodmer, Johann Jakob – »Homers Werke. Aus dem Griechischen übersetzt« 483

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Personen- und Werkregister

Born, Ignaz von – »Ueber die Mysterien der Aegyptier« 501, 754f. Bottari, Giovanni Gaetano – »Museo Capitolino« 511f., 731, 737, 749, 759, 763, 804, 871, 896, 905, 943, 952, 1059 Boulanger, Nicolas Antoine – »Das durch seine Gebräuche Aufgedeckte Alterthum« 902 Braun, Heinrich – »Einleitung in die Götterlehre« 457, 472, 510 – »Gedanken über die Erziehung und den öffentlichen Unterricht« 472 – »Kurze Mythologie, zum Nutzen der studierenden Jugend und allen Liebhabern der schönen Wissenschaften« 677 Braun, Johann Adam – »Andromeda und Perseus. Ein Duodrama« 786 Breitenbauch, Georg August von – »Begebenheiten der Götter und Helden« 472 Bremer, Johann Gottfried – »Die symbolische Weisheit der Aegyptier aus den verborgensten Denkmälern des Alterthums« 735, 753 Brentano, Bettine 565 Brentano, Clemens 565 Brosses, Charles de – »Über den Dienst der Fetischengötter« (»Du Culte des Dieux Fe´tiches«) 467f., 478 Brun, Friederike 516 Büsching, Anton Friedrich 1027 Buhle, Johann Gottlieb – »Geschichte des philosophirenden menschlichen Verstandes« 456 Buonarroti, Filippo – »Osservazioni Istoriche Sopra Alcuni Medaglioni Antichi« 545, 1064

Cacaoult de la Mimardie`re, Elisabeth – »The young ladies mythology: Or fabulous history of the pagan divinities« 971f. Caesar s. Julius Calcagnini, Celio 1058 Calzabigi, Ranieri Simone Francesco Maria de’ 816 Campe, Joachim Heinrich 436 Carracci, Annibale 822, 857, 882, 897, 905 Carstens, Asmus Jakob 6, 39 (dem neuern Künstler), 508, 510–512, 514–516, 532f., 539, 541, 544f., 551, 554, 581, 592f., 633, 690f., 717, 764f., 893, 918, 976, 984 Cartari, Vincenzo 509 – »Imagini Delli Dei De Gl’Antichi« 662, 744, 941 Catullus s. Valerius Catullus Caylus, Anne-Claude-Philippe, Conte de – »Recueil d’antiquite´s e´gyptiennes, e´trusques, grecques et romaines« 511 »Characteristick der Alten Mysterien« 502, 735, 750 Choffin, E´tienne – »Dictionnaire Abre´ge´ De La Fable, Ou De La Mythologie« 1009, 1014f. Christ, Johann Friedrich – »Musei Richteriani Dactyliotheca Gemmas Scalptas Opere Antiquo Plerasque Complexa« 888 Chrysippos von Soloi 15, 548, 553, 602 Cicero s. Tullius Claudianus, Claudius 613 Claudius Aelianus – »De natura animalium« 1061–1064 Conti, Natale 461 – »Mythologiae« 599, 610, 625, 627–631, 635, 647, 670, 727, 734, 741, 744, 777, 791f., 799, 802, 804–807, 809, 811–814, 817, 823, 851, 886, 895, 897f., 914, 948, 951, 1033

Personen- und Werkregister Corneille, Pierre 913 – »Mede´e« 844 Cornelius Tacitus, Publius – »Annalen« 703, 775 – »Historien« 775 Cornutus s. Annaeus Cornutus Cortona, Pietro da 713 Damm, Christian Tobias 456, 473 – »Des Homerus Werke« 473, 483 – »Einleitung in die Götter-Lehre und FabelGeschichte der ältesten Griechischen und Römischen Welt« 456, 467, 472–474, 510, 521, 565, 509, 594, 600, 607f., 613f., 628, 645–647, 649, 662, 668, 671–676, 678, 680, 683, 685–688, 691, 699, 702–704, 706, 716, 719, 731, 737, 739f., 742–744, 750–753, 758, 767, 769f., 774, 777f., 780f., 785–792, 794–796, 799, 816, 827f., 830f., 840f., 843–851, 854–856, 860f., 864, 866–868, 870, 873, 880, 885, 887, 889f., 892–894, 896f., 901, 903f., 906f., 909–911, 914f., 918f., 924, 927, 936–940, 942f., 947f., 950f., 1018, 1023, 1054 – »Novum lexicon Graecum« 473 – »Versuch einer prosaischen Übersetzung der griechischen Lieder des Pindar« 473, 484 »Das berühmteste Ueberbleibsel aus dem griechischen Alterthum« 483 Degen, Johann Jakob Ludwig – »Kurzer Begrif der Mythologie« 472 Demme, Hermann Christoph Gottfried – »Die griechische Götterlehre. Ein erzählender Dialog« 554 Demosthenes – »Über die Truggesandtschaft« 1044 Derschau, Christoph Friedrich von 658 Descartes Rene´ 621 Diderot, Denis

1121

– »Moralische Erzählungen und Idyllen« (mit Salomon Gessner) 779 – »Encyclope´die« 463 »Die Mysterien der Ceres von Eleusis« 501 Diodorus Siculus 485, 792, 798 – »Bibliothek der Geschichte« (»Bibliotheke historike«) 486, 610, 649, 654, 669, 671, 716, 735, 740, 756, 758–760, 763, 765, 797–811, 814f., 818–825, 827, 830f., 834, 841, 844–846, 848–851, 853–856, 858–862, 870, 873f., 894, 910, 913–915, 917, 948, 950, 1036, 1038, 1049–1051, 1058, 1060, 1062f. Dionysios von Halikarnassos – »Römische Altertümer« (»Antiquitates Romanae«, »Romaike archaiologia«) 687, 815, 1038–1040 Dolce, Francesco Maria – »Descrizione Istorica Del Museo Di Cristiano Denh« 801, 810, 816, 821 Domitian 1042 Dryden, John 913 Dubos, Jean-Baptiste – »Kritische Betrachtungen über die Poesie und Mahlerey« 468 Dürer, Albrecht 744 Ebert, Johann Jakob 628 Eckert, Heinrich Gottlieb 528 Ephoros von Kyme 766 Epischer Zyklus 1044 – »Aithiopis« 702, 923 – »Ilias Mikra« 923 – »Iliu Persis« 923 – »Kypria« 906, 923f., 927 – »Nostoi« 923, 1052 – »Telegoneia« 923 Erasmus von Rotterdam 1020 – »Adagia« 627 Eratosthenes von Kyrene 610, 797

1122

Personen- und Werkregister

– »Catasterismi« 886, 1037 »Erläuterte Geschichte von dem Geschlecht des Jupiters« 625, 627, 630, 648 Ernesti, Johann August – »Opuscula philologico critica multis locis emendata et aucta« 858 Eschenburg, Johann Joachim 1018 – »Handbuch der klassischen Literatur« 448, 472, 486, 549, 594, 781 Eumelos von Korinth 844 Euhemeros 469 Euripides 695 – »Alkestis« 484, 631, 703, 816 – »Andromache« 933 – »Bakchen« 484, 755, 758, 760, 910, 1032 – »Der rasende Herakles« 800f., 803, 810, 819 – »Elektra« 921f. – »Hekabe« 924 – »Helena« 924 – »Hiketiden« (»Die Schutzflehenden«) 908, 915, 917 – »Hippolytos« 862 – »Ion« 799 – »Iphigenie bei den Taurern« 921f., 927, 947, 949 – »Iphigenie in Aulis« 927 – »Ixion« 949 – »Kyklops« 761 – »Medea« 649, 831, 838, 844f., 911 – »Orestes« 921f., 947 – »Peleus« 907 – »Phoinissen« 672f., 908, 913–915, 917 – »Rhesos« 924 – »Troerinnen« 924, 933 Eusebius Pamphylius – »Praeparatio evangelica« 1064 Fabius Pictor, Quintus 1031 Facius, Johann Friedrich

– »Ueber die Aegis« 716 Falk, Johann Daniel – »Amphitryon« 795 Fange´, Augustin – »Me´moires pour servir a` l’histoire de la barbe de l’homme« 692 Faret, Nicolas – »L’honneste-homme, ou l’art de plaire a´ la court« 874 Faustina s. Galeria Fernow, Carl Ludwig 592 – »Leben des Künstlers Asmus Jakob Carstens« 511, 581 Fiocchi, Andrea Domenico – »De romanorum magistratibus« 1041 Firmianus Lactantius, Lucius Caecilius – »Divinarum institutionum libri septem« 1039 Flaccus s. Valerius Flaccus Flavius Josephus 786 Flaxman, John 515 Fleischbein, Johann Friedrich von 447 Fontenelle, Bernard le Bovier de – »De l’origine des Fables« 478f. – »Entretiens sur la pluralite´ des mondes« 971 Fontenu, Louis-Franc¸ois de – »Abhandlung über den Herkules Musagetes« 869f. Forster (Johann Reinhold oder Georg) 562 Foucher, Abbe´ – »Ueber das System des Evhemerus« 469 Fourmont, E´tienne – »Ueber das Werk des Evhemerus, IERA ANAΓRAФH betitelt« 469 Frederichs, Friedrich Christoph Leonhard – »Vorwort« zu »Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten« 523, 586–588 Fre´ret, Nicolas 735–737

Personen- und Werkregister Friedemann, Friedrich Traugott 523 Fulgentius, Fabius Claudius Gordianus 486 – »Mythologiarum libri tres« 625, 737, 873, 1035, 1043 Galeria Faustina, Annia 1042 Gatterer, Johann Christoph – »Handbuch der Universalhistorie nach ihrem gesamten Umfange von Erschaffung der Welt bis zum Ursprunge der meisten heutigen Reiche und Staaten« 682, 685 Gedike, Friedrich 333, 456, 475f., 478, 600, 878, 1027 – »Berlinische Monatsschrift« (mit Erich Biester) 1027 – »Kurze Nachricht von der gegenwärtigen Einrichtung des Berlinisch-Kölnischen Gymnasiums« 1027 – »Pindars Olympische Siegshymnen« 484 – »Pindars Pythische Siegshymnen« 484 – »Ueber den Ursprung der Weihnachtsgeschenke« 614 – »Ueber Dialekte, besonders die griechischen« 779 – »Ueber die mannigfaltigen Hypothesen zur Erklärung der Mythologie« 456, 470, 476, 478–480, 597f., 600, 603 Gellius, Aulus – »Noctes Atticae« 1056 Genelli, Hans Christian 903 Geoponika 1036 Gesner, Johann Matthias 449 Gessner, Salomon – »Idyllen von dem Verfasser des Daphnis« 779 – »Moralische Erzählungen und Idyllen« (mit Denis Diderot) 779 Ghezzi, Pier Leone 870 Giraldi, Giglio Gregorio 461, 1019, 1025 – »Herculis Vita« 799–802, 806, 812f.

1123

– »Historia De Deis Gentium« 610, 734, 743, 898, 941, 1029, 1036, 1043, 1050, 1057f. Girtanner, Christoph – »Physiognomischer Almanach für das Jahr 1792« 971 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig 953 Gluck, Christoph Willibald – »Alceste« 816 Goethe, Johann Wolfgang von 234 (Ein neuer Dichter), 238 (Der neue Dichter), 452, 463, 490, 507, 516, 524, 531, 545f., 549, 561, 565, 738, 932f., 953, 966, 979 – »Das Göttliche« 694 – »Die Leiden des jungen Werthers« 449, 601, 898 – »Faust, Der Tragödie zweiter Teil« 516, 833 – »Ganymed« 213f., 499, 694, 898 – »Gränzen der Menschheit« 74f., 694 – »Iphigenie auf Tauris« 222f., 235f., 238, 252, 908, 920, 923, 948, 966 – »Italienische Reise« 452, 490, 516, 529, 718 – »Meine Göttin« 17–19, 604 – »Prometheus« (Drama, Fragment) 626 – »Prometheus« (Hymne) 32–34, 499, 619, 626, 694 Götz, Johann Nikolaus 658 Goldhagen, Johann Eustachius – »Des Pausanias ausführliche Reisebeschreibung« 486 Gordian III. 640 Gori, Antonio Francesco – »Gemmae Antiquae« 1064 Gottsched, Johann Christoph – »Versuch einer Critischen Dichtkunst« 602 Gräter, Friedrich David 979 Graevius, Johann Georg 865

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Personen- und Werkregister

Gravelle, Michel-Philippe 621, 742 Gronovius, Jakob 774 Großing, Franz Rudolph von – »Mythologisches Hand- und Lehrbuch für Künstler und Kunstliebende« 1009f., 1015 Grulich, Martin – »Erleichterte Mythologie, darinn die FabelLehre / von den Heidnischen Götter und Göttinnen 〈. . .〉 Kürtzlich und deutlich vorgestellet wird« 971 Gryphius, Christian – »Poetische Wälder« 944 Guyon, Jeanne-Marie 826 Hadrian 365, 367, 777, 1058f. Hänsch, Friedrich August – »Mythologisches Taschenwörterbuch. Bearbeitet nach Banier, Moritz, Ramler etc.« 1014 Hagedorn, Friedrich von – »Fabeln und Erzehlungen« 781 Hager, Johann Georg – »Kurze Einleitung in die Göttergeschichte der alten Griechen und Römer« 458, 465, 510, 600, 608, 610, 637, 684, 688, 715, 742, 744, 752, 758f., 763, 886, 932, 941 Hagesandros 932 Hase, Friedrich Traugott – »Almanach der deutschen Musen« 970 Hederich, Benjamin – »Gründliches mythologisches Lexicon« 462–466, 469, 471, 509, 600, 606–608, 610, 613, 616f., 619, 625, 627–633, 635–637, 642, 644, 646, 650, 654–656, 658, 660–668, 670–672, 675, 677–679, 683f., 686–688, 691, 695, 702–704, 707–709, 711, 714–716, 719, 724, 727, 733f., 737–744, 750–753, 755, 758, 761f., 765, 769, 772, 774, 776–778, 781, 783, 785–787, 789–794, 796–824, 826–828, 830f., 833–837, 839, 841, 845–859, 864–867,

870, 872–875, 877f., 880f., 884–887, 889, 891–900, 902–904, 906f., 910–916, 919f., 925, 927f., 931–933, 937f., 940–943, 947f., 950–953, 972, 984, 1012–1016, 1018f., 1021, 1023, 1028–1061, 1063f. Heeren, Arnold Hermann Ludwig – »Christian Gottlob Heyne. Biographisch dargestellt« 477, 480 Heim, Ernst Ludwig 579 Helve´tius, Claude Adrien 478 Henninges, Hieronymus – »Theatrum Genealogicum Ostentans Omnes Omnium Aetatum Familias« 682 Herbig, Friedrich August 579 Herder, Johann Gottfried 479, 496, 516, 562, 658 – »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« 622 – »Theokrit und Geßner« 779 – »Vom neuern Gebrauch der Mythologie« 458, 467, 482, 603 – »Wie die Alten den Tod gebildet?« 634f., 892 Hermann, Martin Gottfried – »Handbuch der Mythologie aus Homer und Hesiod, als Grundlage zu einer richtigern Fabellehre des Alterthums« 476f., 536, 547, 551, 594f., 597f., 600, 1018 Herodot 501, 735, 767, 841 – »Historien« 594, 633, 687, 691, 736, 767, 772, 777, 843, 885, 910, 926, 1032, 1036f., 1044, 1052, 1061f., 1064 Hertzberg, Ewald Friedrich von 527 Hesiod 196 (einer der ältesten Dichter), 449, 464, 474, 531, 576, 594, 604, 620f., 681f., 724, 745, 781, 792, 799, 837, 877f., 947, 1019, 1037 – »Der Schild des Herakles« 869 – »Theogonie« 51 (nach der alten Dichtung), 484, 494, 599, 604–609, 611f., 614, 616–620, 625–628, 632f., 641, 643f.,

Personen- und Werkregister 647–656, 658–660, 662–669, 671–676, 702, 707, 711, 720, 722, 734f., 765, 775, 778, 798, 808f., 816, 818, 825, 830, 856f., 859, 865–869, 874, 910, 938f., 943, 953, 1037, 1042, 1048 – »Werke und Tage« 615, 625f., 629, 657, 681, 781, 939 Heyne, Christian Gottlob 447, 449, 456, 471–473, 475–482, 489, 500, 517, 530, 535f., 539, 543, 562, 595f., 603, 869f., 1010f. – »Ad Apollodori Athensiensis Bibliothecam Notae« 1018 – »Apollodori Atheniensis bibliothecae libri tres« 486 – »De caussis fabularum seu mythorum veterum physicis« 480 – »De Theogonia Ab Hesiodo Condita« 604, 608, 649 – »Ueber den Kasten des Cypselus« 634f. – »Ueber den Ursprung und die Veranlassungen der Homerischen Fabeln« 477f., 480, 600, 658, 693 – »Vorrede« zu Hermann, »Handbuch der Mythologie aus Homer und Hesiod« 476, 479f., 594f., 598 Heynitz, Friedrich Anton von 451, 453, 525, 527, 528 (des Herrn Curatoris Excellenz), 903 Hirschfeld, Christian Cay Lorenz – »Von der Gastfreundschaft« 855 Hirt, Aloys 452 – »Bilderbuch für Mythologie« 452 Hölderlin, Friedrich 516, 521 Hogarth, William 876 – »Zergliederung der Schönheit« (»Analysis of Beauty«) 875 Hogguer, A. von 584 Holl, Philipp Joseph – »Kurzer Unterricht von der Mythologie« 472

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Homer 73 (ältesten Dichter), 133 (Dichter der Iliade), 206 (des alten Dichters), 213 (der Dichter), 280 (ältesten Dichter), 346, 372, 449, 457, 464, 473–476, 481–486, 488, 529, 535, 546, 553–555, 576, 594, 601, 630, 653, 659, 678, 693, 703, 792, 879, 923, 928, 982, 1019 – »Ilias« 15, 133, 475, 483f., 487, 506, 553, 596, 631, 633, 639, 644f., 647f., 650f., 653, 658, 660f., 663f., 668f., 672, 674, 677f., 682, 690, 692, 695–700, 702, 704, 709–711, 713–720, 722f., 727f., 732–734, 738, 743, 756f., 762, 766f., 770–772, 777f., 781–783, 789–792, 795f., 798, 802f., 810, 812–814, 817, 819f., 824, 827, 832f., 845f., 849, 860, 870, 878, 884, 892, 894f., 897–901, 905–907, 915, 921, 923–930, 932, 936f., 941, 947, 950f., 1015, 1029, 1037f., 1043f., 1055 – »Odyssee« 15, 464, 475, 484, 506, 553, 601, 618, 628, 639–641, 644–647, 650, 653, 661f., 664, 670, 673–675, 681, 700–702, 711, 716, 718–720, 725, 734, 743, 749, 762, 767f., 776–778, 781–783, 793f., 798, 810, 821, 825, 827, 830f., 837, 842, 847, 856, 867, 873, 877, 899, 911f., 915, 921, 926, 931, 934–936, 939f., 943–945, 947f., 951, 1029, 1040, 1043f., 1046, 1051 – sog. »Homerische Hymnen« 282 (der Gesang), 285, 288 (der Hymnus), 292 (der Hymnus), 306 (Hymnus), 309f. (Hymnus), 313 (Hymnus), 317 (Hymnus), 320 (Hymnus), 326f. (Hymnus), 449, 473, 483f., 487, 601, 606, 618, 644f., 647f., 650, 656, 664, 668, 674, 676, 679, 698f., 704f., 707, 713f., 721f., 724f., 729f., 733, 737, 742f., 745–749, 756f., 768–770, 774, 780, 827, 867, 878, 880, 885, 887, 897, 899f., 973, 979, 982, 987–990, 995–999, 1038, 1055 Horatius Flaccus, Quintus 15, 54 (Dichter aus dem Alterthum), 80 (Dichter aus dem

1126

Personen- und Werkregister

Alterthum), 117 (Dichter aus dem Alterthum), 118 (Dichter aus dem Alterthum), 135 (Dichter aus dem Alterthum), 204 (der begeisterte Dichter), 210 (Dichter des Alterthums), 216 (Dichter des Alterthums), 301, 448, 482, 487, 553, 699, 882, 966, 974, 994, 1019 – »Carmen saeculare« 300 (Hymnus), 675, 706, 993 – »De arte poetica« 457, 602, 893, 907, 912 – »Episteln« 602 – »Epoden« 887, 894 – »Oden« 275f. (Hymnus eines römischen Dichters; Hymnus des römischen Dichters; folgendem Hymnus), 280f. (Hymnus des römischen Odensängers), 292 (Lied des römischen Odensängers), 298f. (Bitte des römischen Odensängers), 300–302 (Hymnus), 304 (Hymnus), 305 (der römische Odendichter flehet), 306 (Eben dieser Dichter flehet), 485, 613, 641, 659, 678, 685, 702, 706, 749, 760, 762, 775, 778, 784f., 827, 868, 873, 881, 897, 900, 906, 925, 951, 973, 986f., 990, 993–995, 1045 – »Sermones« 891 Huarte de San Juan, Juan – »Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften« 628 Huet, Pierre Daniel 460 – »Demonstratio Evanglica« 1061 Humboldt, Alexander von 454 Humboldt, Wilhelm von 631 Hyginus Mythographus 486, 848 – »De astronomia« 625, 657, 660, 677, 711, 744, 785, 788, 792, 797, 800, 817, 826, 843, 857, 884, 1037, 1051 – »Fabulae« 610, 613, 644, 660f., 668–671, 677–679, 683, 685, 703, 717, 719f., 726, 737, 772, 783–787, 801–803, 807, 809, 813f., 819f., 824, 826–831, 833–837, 839,

841, 844–846, 848–854, 856–858, 860, 870, 884, 894, 901f., 906, 910–912, 914–922, 924, 926f., 930f., 933, 936–938, 948, 950f., 1030, 1034–1037, 1040, 1042–1044, 1046–1048, 1051–1053, 1055, 1058 Jablonsky, Paul Ernst – »Pantheon Aegyptiorum« 1060f. Jacobi, Friedrich Heinrich – »Über die Lehre des Spinoza in Briefen an Herrn Mendelssohn« 626 Jacobi, Johann Georg 953 – »Götterlehre« 460 Jaeger, Charles Frederick William – Vorrede zu »Mythological Fictions Of The Greeks And Romans. By Charles Philip Moritz« 522, 582f. Jenisch, Daniel – »Borussias in zwölf Gesängen« 779 Jesus 811 Juncker, Johann – »Conspectus Chemiae Theoretico-Practicae« 938 Julius Caesar, Gaius 14, 552 Julius Modestus 1058 Julius Solinus, Gaius – »Collectanea rerum memorabilium« 1061–1063 Junianus Justinus, Marcus – »Epitoma historiarum Philippicarum« 1049f. Kallimachos von Kyrene – »Hymnen« 95 (Nach einer schönen Dichtung), 272f. (alte Hymnus; alten Hymnus; heilige Gesang), 275 (der Hymnus), 281 (Hymnus; folgende Hymnus), 282 (Gebet an den Jupiter), 287f. (sang der Hymnus; der Hymnus lehrt), 289 (Hymnus),

Personen- und Werkregister 293f. (Hymnus), 297 (Hymnus), 300 (Nach einer schönen Dichtung), 317f. (Hymnus), 449, 483, 487, 609, 611, 673, 676, 698, 703f., 714, 724–726, 732, 736, 765, 777f., 857f., 973f., 985–987, 989, 991f., 997 Kassanios Bassos 1036 Kind, Johann Christoph – »Plutarchs Lebens-Beschreibungen« 486 Kirchweger, Anton Joseph – »Aurea Catena Homeri. Das ist: Eine Beschreibung von dem Ursprung der Natur und natürlichen Dinge« 694 Klausing, Anton Ernst – »Versuch einer mythologischen Dactyliothec für Schulen« 472 Kleist, Heinrich von 516 – »Amphitryon« 795 Klinger, Friedrich Maximilian – »Medea oder das Schicksal« (»Medea in Korinth«) 844 Klischnig, Karl Friedrich 864 – »Anton Reiser. Ein psychologischer Roman. Fünfter und letzter Theil« 436, 449, 485, 528, 562, 952 Klopstock, Friedrich Gottlieb 518 – »Der Messias« 536 Knebel, Karl Ludwig von 496 Knigge, Adolph Freiherr – »Über den Umgang mit Menschen« 855 Knoblauch, Friedrich Heinrich 561 – »Ruinen aus einer Büsten Gallerie, Berlinischer Gelehrten und Künstler« 561 Körner, Christian Gottfried 517, 561 Kosegarten, Ludwig Theobul – »Psyche. Ein Mährchen des Altertums« 953 Krantor von Soloi 15, 548, 553, 602 Kriton 1041 Kütner, Karl August – »Homers Werke« 483

1127

»Kurtzgefaßtes mythologisches Wörterbuch« 472, 1009, 1015 Kypselos (Cypselus) 39, 539, 633f. La Fontaine, Jean de – »Fables Choisies Mises En Vers« 781 La Mettrie, Julian Offray de – »L’Homme Machine« 621 Lactantius s. Firmianus Lactantius Placidus – »Narrationes fabularum« 1055 Langhans, Carl Gotthard 451 Lauremberg, Peter – »Acerra philologica« 447 »Le antichita` d’Ercolano esposte« 511f., 797, 801, 856, 860, 870f., 875, 882 Le Sueur, Blaise Nicolas 976 Lebeus-Batillus, Dionysius 1051 Leibniz, Gottfried Wilhelm 598, 693 Leipziger Musenalmanach 970 Leochares 700 Lenz, Karl Gotthold – »Karl Philipp Moritz« 966 Lessing, Gotthold Ephraim 539, 628, 634, 892, 909 – Ankündigung der »Hamburgischen Dramaturgie« 688 – »Briefwechsel über das Trauerspiel« 909 – »Hamburgische Dramaturgie« 909 – »Laokoon« 514, 634, 641, 876, 932 – »Wie die Alten den Tod gebildet« 634f. Levezow, Jakob Andreas Konrad 473, 521 Lindemann, Hermann Wilhelm – »Taschenbuch für angehende Aerzte« 1058 Lippert, Philipp Daniel 464, 591, 914 – »Dactyliothec« 6, 72, 78, 85, 89, 91, 104f., 120, 508, 510f., 532f., 539, 541, 543–545, 549, 551, 554, 591, 614f., 624f., 629, 635, 659, 662, 690–692, 698, 702, 706, 712f., 715–717, 720f., 728, 738, 740, 742, 744,

1128

Personen- und Werkregister

749, 759, 760, 763–765, 789, 796, 807f., 812, 815f., 818, 821, 826, 828, 845, 851f., 857, 867, 869, 871–873, 875, 877, 881–885, 887f., 891, 893, 896–898, 907, 918, 936, 941f., 947, 953, 977, 979, 984, 988, 990f., 993–998, 1054 Livius, Titus 1019 – »Ab urbe condita« 753, 763, 815f., 1039–1041, 1057 Lobenstein, Simon 448 Lucanus s. Annaeus Lucanus Lucchesini, Girolamo 451 Lucretius Carus, Titus – »De rerum natura« 599, 751f. Lukian von Samosata 459, 485, 1019 – »Alexander oder der falsche Prophet« 805 – »Das Urteil des Paris« 907, 924 – »Der Eisvogel« 1047f. – »Göttergespräche« 459, 485, 618 (»Hephaistos und Zeus«), 719 (»Apollon und Hermes«), 750 (»Aphrodite und Eros«), 754 (»Aphrodite und Eros«), 887 (»Pan und Hermes«), 903 (»Hermes und Apollon«), 904 (»Aphrodite und Selene«), 949f. (»Hera und Zeus«) – »Herakles« 107 (nach einer dichterischen Darstellung), 322 (nach einer dichterischen Darstellung), 744 – »Hermotimus« 825 – »Meergöttergespräche« 675 (»Iris und Poseidon«), 786 (»Triton und die Nereiden«) – »Prometheus« 737 – »Von den Opfern« 733, 1063 – »Von der Astrologie« 893 – »Von der Syrischen Göttin« 754, 902 – »Wie man Geschichte schreiben müsse« 822 Luther, Martin 458

Lykophron – »Alexandra«

1039, 1039, 1055

Macco, Alexander 454, 526 Macpherson, James 896 Macrobius, Ambrosius Theodosius – »Saturnalia« 856, 1031, 1057f., 1061 Magnus Ausonius, Decimus – »Eklogen« 798f. – »Epigrammata« 776 Mariette, Jean-Pierre 742, 991 – »Traite´ Des Pierres Grave´es« 511, 698, 812, 816, 869, 888 Mark, Friedrich Wilhelm Moritz Alexander von der 451, 637 Marsham, John – »Canon Chronicus Aegyptiacus, Ebraicus, Graecus, & Disquisitiones« 682 Maternus von Cilano, Georg Christian – »Ausführliche Abhandlung der römischen Alterthümer« 610, 648, 675, 695, 730, 739f., 742, 744, 751, 753–755, 763, 864f., 873, 879, 881, 886, 889, 891, 1031 Martialis s. Valerius Martialis Matthisson, Friedrich 953 Maximos von Tyros – »Dissertationes« 847 Meier, Georg Friedrich – »Vernunftlehre« 492 Meiners, Christoph – »Ueber die Mysterien der Alten, besonders über die Eleusinischen Geheimnisse« 684 Mendelssohn, Moses 635, 693 – »Briefe über die Empfindungen« 875 – »Rhapsodie, oder Zusätze zu den Briefen über die Empfindungen« 635, 718 Meursius, Johannes – »Panathenaea. Sive, De Minervae Illo Gemino Festo, Liber Singularis« 774 Meusel, Johann Georg 897

Personen- und Werkregister – »Bibliothek des Apollodors« 486 Michaelis, Johann Benjamin – »Hercules auf dem Oeta« 448, 825 Michelangelo Buonarroti 207, 888 Millin de Grandmaison, Aubin-Louis 569 Milton, John 518 Moiro von Byzanz 610 Molie`re – »Amphitryon« 795 Montesquieu, Charles-Louis de Secondat, Baron de La Bre`de de 478 Montfaucon, Bernard de 464 – »L’Antiquite´ Explique´e Et Represente´e En Figures« 511, 679, 715, 741f., 744, 799, 804, 806f., 809, 811, 815, 817, 821f., 853, 869, 871–875, 891, 896–898, 912, 941f., 953, 1042 Morell, Andreas – »Thesaurus Morellianus« 941 Moritz, Johann Gottlieb 447 Moritz, Karl Philipp – »Allgemeiner deutscher Briefsteller« 521, 807 – »Anthusa oder Roms Alterthümer« 371, 437, 448f., 454, 494, 498, 505, 542, 561–563, 578, 597, 601, 614f., 622f., 629, 634, 636, 638, 675, 684, 693, 695, 707, 714, 717, 728, 730–732, 739f., 742, 750, 751–755, 763, 767, 797, 816, 864f., 869, 889f., 899, 905, 974, 979 (Arethusa), 998, 1008, 1011 (Roms Alterthümern), 1012, 1020 (Roms Alterthümern), 1024, 1027, 1030, 1056f. – »Anton Reiser« 447–449, 493, 507f., 526, 577, 590, 595f., 601, 654, 763, 779, 792, 812, 825f., 896, 944, 949, 970 – »Auch eine Hypothese über die Schöpfungsgeschichte Mosis« 500 – »Aus K...s Papieren« 944 – »Beiträge zur Philosophie des Lebens« 498

1129

– »Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen« 595, 600f., 622, 626, 636, 698, 768, 797, 801, 944, 966, 970 – »Der bildende Genius« 623 – »Der Dichter im Tempel der Natur« 483, 622, 638, 779 – »Der letzte Zweck des menschlichen Denkens« 593 – »Des Magisters und Conrectors Carl Philipp Moritz Anrede an die Versammlung« 1026 – »Deutsche Sprachlehre für die Damen« 489, 500, 590, 800 – »Die Feier der Geburt des Lichts« 864 – »Die große Loge oder der Freimaurer mit Wage und Senkblei« 864, 966 – »Die metaphysische Schönheitslinie« 437, 507, 513, 596f., 601, 690, 876 – »Die neue Cecilia« 689, 939 – »Die Schöpfung der Götterwelt« 450 – »Die Signatur des Schönen« 601, 622 – »Die Unschuldswelt« 950 – »Einfachheit und Klarheit« 493f., 595, 791 – »Entwurf zu dem vollständigen Vortrage einer Theorie der schönen Künste« 453, 526 – »Erinnerungen aus den frühesten Jahren der Kindheit« 497, 501 – »Fortsetzung der Revision der drei ersten Bände dieses Magazins« 494, 496f., 499, 501, 693 – »Fragmente aus dem Tagebuche eines Geistersehers« 593, 623f., 779, 966 – »Grundlinien zu einer künftigen Theorie der schönen Künste« 590f., 593, 597 – »Ideal einer vollkommnen Zeitung« 493, 976 – »In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können?« 488, 511, 514, 599, 622, 689f., 701, 718, 768, 778, 825

1130 – – – –

– – – –

– –

– – – –





Personen- und Werkregister

»Launen und Phantasien« 500, 639 »Leben und Trennung« 493 »Lesebuch für Kinder« 601, 1008 »Magazin zur Erfahrungsseelenkunde« 494, 496–501, 596f., 654, 693, 731, 812, 970, 976, 1026 »Minerva« 454, 713, 905 »Neues A. B. C. Buch« 1008 »Reisen eines Deutschen in England im Jahr 1782«855, 950, 1027 »Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788« 436f., 455, 483, 578, 591, 597f., 601, 614, 621, 623f., 637, 640, 689, 700f., 713, 717, 737, 739, 749, 753, 777, 781, 803, 815, 822, 828, 856f., 869, 871, 876, 879, 882, 895, 897, 904f., 932, 936f., 939–943, 952f., 1031, 1035, 1039, 1059, 1061 »Revision der drei ersten Bände dieses Magazins« 1033 »Sonderbare Zweifel und Trostgründe eines hypochondrischen Metaphysikers« 596 »Sprache in psychologischer Rücksicht« 500 »Ueber den Begriff des in sich selbst Vollendeten« 590, 601f., 663 »Ueber die Allegorie« 468, 598, 601, 689, 879 »Ueber die bildende Nachahmung des Schönen« 450,484, 492, 494, 498, 515, 590, 596–598, 601f., 605, 622–624, 631, 635, 663, 678f., 693, 695f., 699f., 718, 723, 732, 739f., 743, 755, 762, 774, 825, 850, 908–910, 925, 949 »Ueber die Vereinfachung der menschlichen Kenntnisse« 497f., 499 (Akademierede), 624 »Ueber die Würde des Studiums der Alterthümer« 623

– »Versuch einer deutschen Prosodie« 693, 875 – »Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik« 450, 595, 600f., 638, 654 – »Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten« 450, 601, 663, 740 – »Volks-Aberglauben« 768 – »Vorbegriffe zu einer Theorie der Ornamente« 591, 621, 637, 689, 737, 749, 803, 869, 871, 876, 879, 896, 903, 905, 943, 952, 1061 – »Vorlesungen über den Styl« 601, 623, 690, 801, 932 – »Vossische Zeitung« 494, 693, 753f., 970, 976 Müller, Friedrich (»Maler Müller«) 452, 529 – »Harmonie« 453, 529 Müller, Heinrich Christoph 1009 Murr, Christoph Gottlieb von – »Abbildungen der Gemälde und Alterthümer, welche seit 1738 sowohl in der verschütteten Stadt Herkulanum, als auch in den umliegenden Gegenden an das Licht gebracht worden, nebst ihrer Erklärung« 1019 Muzell-Stosch, Heinrich Wilhelm 591 »Mythologisches Taschenwörterbuch. Nach den besten mythologischen Werken von Bannier, Moritz, Ramler u. a. m. für die studirende Jugend bearbeitet« 1013f. Napoleon Bonaparte 589 Necker de Saussure, Albertine 519, 584 – »Die Erziehung des Menschen auf seinen verschiedenen Altersstufen« 584 – »Discours pre´liminaire sur l’e´tude de la mythologie et sur la vie et les e´crits de Morits« 519, 566–579

Personen- und Werkregister – »Notice sur le caracte`re et les e´crits de Madame de Stae¨l« 519 Neithold, Johann Erhard – »Experientia Naxagorae, Secundum Annulos Platonicos, Et Catenam Auream Homeri« 694 Nemesianus s. Aurelius Olympius Nemesianus »Neue Bilder Gallerie für junge Söhne und Töchter« 1013 Niemeyer, August Hermann 522 Niemeyer, J. F. – »Mythologie der Griechen, Römer, Aegypter, Nordländer, Wenden und Slawen« 523 Nietzsche, Friedrich 521 Nitsch, Paul Friedrich Achat – »Neues Mythologisches Wörterbuch nach den neuesten Berichtigungen für studirende Jünglinge und angehende Künstler zusammengetragen« 1010, 1019, 1022f. Nikandros von Kolophon 711 Nonnos von Panopolis – »Dionysiaka« 758, 857, 899 Numa Pompilius 569 »Orphische Argonautika« 483, 778, 813, 831, 833, 835f., 838–843 Ovidius Naso, Publius 448, 555, 569, 629, 880, 899, 982, 1015f., 1019, 1023 – »Amores« 485, 615, 775, 948 – »Ars amatoria« 485, 851, 857, 882, 919f., 926, 948 – »Fasti« 485, 610, 615, 677, 682, 688, 711, 714, 716f., 729f., 739f., 742, 751f., 754f., 763, 767, 779, 797, 815f., 821, 828, 851, 857, 862, 878, 889, 899, 1049, 1043, 1056f. – »Heroides« 485, 672, 722, 784, 813, 821, 835, 857, 862, 881, 924, 925, 1030 – »Metamorphosen« 485, 487, 554 (Ovids Verwandlungen), 615, 621, 629, 635, 645,

1131

649, 658, 660f., 664, 668f., 671, 676f., 679, 685, 691, 695, 698, 704, 707, 709, 711, 714, 716, 719, 721, 725f., 729f., 732, 735f., 741, 757f., 761–763, 778, 781f., 785–787, 789f., 812, 814, 820, 823f., 839f., 843f., 846, 848–851, 855, 857, 862, 868–870, 877f., 882, 885, 892–894, 897, 901–906, 909–911, 927f., 931, 933, 936–938, 950f., 1015, 1028, 1030, 1032, 1035, 1037, 1041, 1043, 1045–1049, 1055f. – »Tristia« 334 (Klagen), 485, 840, 851, 1028 Palaiphatos 772, 850 Panvinio, Onofrio 543 Papinius Statius, Publius 709, 715, 1050 – »Achilleis« 485, 661, 1034 – »Silvae« 899 – »Thebais« 485, 708, 715, 916, 950 Pausanias 39, 482, 487, 508, 539, 635, 850, 854, 895, 990 – »Beschreibung von Griechenland« (»Hellados periegesis«) 485f., 630, 633f., 656, 663, 670, 672, 683f., 687, 703, 708, 711, 716f., 726f., 762, 772–775, 780, 783–785, 787–790, 798–800, 802, 805f., 826, 843, 846, 849, 851f., 854–859, 861–863, 868, 870, 872, 875, 879, 881, 885, 894f., 903, 912, 914, 917, 919, 922, 936, 950, 1028f., 1032, 1036, 1038, 1041–1046, 1048, 1052–1054, 1058f., 1061, 1063 Penni, Giovanni Francesco 953 Penzel, Abraham Jacob – »Des Strabo 〈...〉 allgemeine Erdbeschreibung« 486 Pherekydes von Athen 1019, 1025, 1054 – »Historiai« 817, 951 Phidias 14, 126, 128, 509, 552, 718, 772, 774, 875, 1055 Philargyricus, Iunius 903

1132

Personen- und Werkregister

Philostephanos von Kyrene 1019, 1025 Philostratos, Flavius 509 – »Das Leben des Apollonios von Tyana« 1052 – »Eikones« 891f. Photios I. 761 Pichler, Anton 515 Pindaros 473, 484, 841, 1019 – »Isthmische Oden« 660, 815, 817, 819, 906 – »Nemeische Oden« 796, 825, 828, 931 – »Olympische Oden« 772, 804, 806, 812, 878, 939, 948f., 951 – »Pythische Oden« 648, 691, 785, 824, 829–832, 838f., 843, 894, 905, 949f. Placidus, Lactantius – Kommentar zu Statius, »Thebais« 708, 950 Platon 636, 680, 943 – »Apologie des Sokrates« 847 – »Gorgias« 847 – »Phaidon« 858, 1041 – »Politeia« 637f., 642 – »Protagoras« 737 – »Symposion« 876 Plautus, Titus Maccius – »Amphitruo« 795 Plinius Secundus Maior, Gaius 1019 – »Naturalis historia« 703, 716, 774–776, 783, 786, 837, 848, 864, 887, 1045, 1048, 1055, 1061–1064 Pluche, Noe¨l-Antoine – »Histoire Du Ciel« 608, 753, 902, 942, 1060 Plutarch 485, 731, 1019 – »Alkibiades« 1044 – »Coriolanus« 828 – »Kimon« 863 – »Solon« 772 – »Theseus« 486, 827, 852–863, 1037, 1045

– »Über Isis und Osiris« 709, 753, 755, 886, 942, 1060–1064 Polydoros 932 Pomey, Franc¸ois 510 – »Pantheon Mythicum« 799 Pomponius Mela 786 – »De situ orbis« 1049 Poniatowski, Stanislaw 521 Pope, Alexander – »Vom Menschen« (»Essay on Man«) 693 Porphyrios 1058 Prange, Christian Friedrich – »Encyklopädie der alten Geschichte, Götterlehre, Fabeln und Allegorien für Schullehrer und Künstler« 662, 1009, 1015 Praxiteles 128, 303, 509, 775 Preußen, Friedrich II., König von 592 Preußen, Friedrich Wilhelm II., König von 451, 453, 455 (König), 525 (des Königs Majestät), 527, 592 Prodikos von Keos – »Horai« 797f. Propertius s. Aurelius Propertius Psammetichos I. 1062 Ptolemaios I. 942, 1062 Ptolemaios Chennos – »Neue Geschichte« (»Kaine historia«) 761 Quintus von Smyrna – »Posthomerica« 930 Racine, Jean – »Phe`dre« 862 Raffael (Raffaello Sanzio) 591, 713, 738, 953 Raimondi, Marcantonio 712 Rambach, Friedrich Eberhard 523f. – »Ansicht der Mythologie als Einladung zu den Wintervorlesungen« 523f. Ramler, Karl Wilhelm 451, 468, 552, 781, 891, 1013, 1018

Personen- und Werkregister – »Allegorische Personen« 451, 468, 551, 1019, 1029, 1042 – »Einleitung in die schönen Wissenschaften« (Batteux-Übersetzung) 902 – »Kurzgefasste Mythologie« 451, 456, 461, 468, 509–511, 522, 540–543, 549, 551, 565, 592, 600, 660, 662, 708f., 752–754, 776, 781, 862, 867, 870, 880, 941, 1021, 1054 – »Lob der Stadt Berlin« 754 – »Ode auf einen Granatapfel« 693 Reinhold, Christian Ludolph – »Akademie der bildenden schönen Künste« 509 Reni, Guido 879 Rhoikos (Erzgießer, Architekt) 986 Richter, Gregor – »Editio Nova Axiomatum Oeconomicorum« 862 Richter, Hans 589 Richter, Jean Paul Friedrich (Jean Paul) – »Vorschule der Ästhetik« 565 Ripa, Cesare – »Iconologia« 1029 Rode, August 952 – »Der Goldne Esel aus dem Lateinischen des Apulejus von Madaura« 952 – »Psyche, nach dem Lateinischen des Apulejus« 952 Romano, Giulio 953 Rosinus, Johannes – »Antiquitatum Romanarum Corpus Absolutissimum« 865, 869 Rossi, Domenico de’ – »Gemme Antiche Figurate Date In Luce 〈...〉 Colle Sposizioni Di Paolo Alessandro Maffei« 511, 812, 821, 942 Rubens, Peter Paul 713, 903 Sack, Friedrich Samuel Gottfried 1027 Sandrart, Joachim von 471, 509

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Schadow, Johann Gottfried 451, 637 Schaeffer, Frederick Christian 582 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 517 – »Philosophie der Kunst« 519f., 564f. – »Philosophie der Mythologie« 520, 585 – »Über die Gottheiten von Samothrake« 736 – »Ueber Mythen, historische Sagen und Philosopheme der ältesten Welt« 517f. Schiller, Friedrich 463, 507, 516f., 524, 533, 536, 561f., 738, 826, 917, 927, 981 – »Die Götter Griechenlands« 517, 775 – »Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?« 909 Schilling, Johann Georg 547 Schinkel, Karl Friedrich 521, 585 Schirlitz, Samuel Christoph – »Handbuch der alten Geographie für Schulen« 1033 Schlegel, August Wilhelm 517, 519, 561 – »Athenäum-Fragmente« 562 – »Ueber Zeichungen zu Gedichten und John Flaxman’s Umrisse« 515 – »Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst« 518, 563 – »Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur« 519 – »Vorlesungen über philosophische Kunstlehre« 518, 562f. Schlegel, Friedrich 517, 519, 561f. – »Gespräch über die Poesie« 520 Schlegel, Johann Adolf 459, 469 – Vorrede zu Banier, »Erläuterung der Götterlehre und Fabeln aus der Geschichte« 457f., 478, 595 Schlegel, Johann August 469 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 876 Schlichtegroll, Fre´de´ric 966 – »Choix Des Principales Pierres Grave´es« 641, 642

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Personen- und Werkregister

Schlosser, Johann Georg – »Prometheus in Fesseln aus dem Griechischen des Aeschylus« 484 Schmidt, Valentin Heinrich 1021f., 1024, 1026 – »Neues gelehrtes Berlin oder literarische Nachrichten von jetztlebenden Berlinischen Schriftstellern und Schriftstellerinnen« (mit Daniel Gottlieb Gerhard Mehring) 1026 – »Sonderbahrer Gemüthszustand eines jungen Menschen von funfzehn Jahren« 1026 – »Vorrede« zum »Mythologischen Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen« 1007f., 1010–1015, 1018–1021 Schöne, Christian Gottfried 1008, 1018, 1022 Schröckh, Johann Matthias 469, 476, 510 Schütz, Christian Gottfried – »Aeschyli Tragoediae Quae Supersunt Ac Deperditarum Fragmenta« 793 Schulz, Friedrich 473 Schumacher, Johann Heinrich – »Versuch, die dunklen und versteckten Geheimnisse in den hieroglyphischen Denkbildern 〈...〉 aufzuklären« 501 Schumann, Johann Daniel 449 Schwabe, Johann Joachim 463f., 1012f., 1018f., 1021 Seebode, Joachim Dietrich Gottfried 523 Seeger, Philipp Gottlieb 465 – »Die Götter der alten Griechen und Römer« 465f., 476, 509f., 617, 797–799, 801–818, 820, 822, 899f., 903, 941, 1029 Seneca s. Annaeus Seneca Septimus Severus 703 Serbaldi della Pescia, Pietro Maria 888 Servius 486 – Vergil-Kommentar 628, 661, 676, 707, 737, 767, 807–809, 811, 817, 824, 836f., 847f., 856, 858, 873, 880, 886, 892, 898f.,

902f., 907, 927, 950f., 1028, 1032–1034, 1036, 1044, 1046 Sextroh, Heinrich Philipp 449 Sevin, Franc¸ois – »Ueber das Leben und die Schriften des Evhemerus« 469 Seybold, David Christoph 474 – »Alceste. Ein Trauerspiel des Euripides« 484, 816 – »Einleitung in die Griechische und Römische Mythologie der alten Schriftsteller für Jünglinge« 472f., 475, 480, 509f., 522, 756, 759, 761, 774f., 778, 783–788, 790, 830, 832–834, 840f., 847f., 850, 852, 854–856, 858, 860–863, 865, 867, 879f., 886, 896, 908, 914–917, 925, 927f., 931, 933f., 936–938, 941 – »Schreiben über den Homer, an die Freunde der griechischen Litteratur« 474f., 594 Shaftesbury, William 875 – »Soliloquy, or, Advice to an Author« 619 Shakespeare, William 529 – »Coriolanus« 800 Silius Italicus – »Punica« 848 Simonides von Keos 643, 844 Sokrates 797, 876f., 1041 Solinus s. Julius Sophokles 819, 949 – »Aias« 924, 931 – »Antigone« 908, 917 – »Die Trachinierinnen« 484, 820–824 – »Dionysiskos« 761 – »Elektra« 673, 921f. – »Ixion« 949 – »König Oidipus« 484, 506, 908, 913f. – »Oidipus auf Kolonos« 908, 915, 947 – »Peleus« 907 – »Philoktetes« 546, 824, 924 Spalding, Johann Joachim 1027

Personen- und Werkregister Spence, Joseph – »Von der Übereinstimmung der Werke der Dichter mit den Werken der Künstler« 798 Stae¨l, Germaine de 519 Standtke, August Friedrich 525 Standtke, Sophia Amalia Erdmuth 451 Starck, Johann August – »Ueber die alten und neuen Mysterien« 684 Statius s. Papinius Stephanos von Byzanz 792 – »Ethnika« 767 Stephanus, Carolus (Charles Estienne) – »Dictionarium historicum ac poeticum« 805 Stolberg, Christian Graf zu 679, 705 – »Gedichte aus dem Griechischen übersetzt« 483f., 996f., 999 – »Sophokles Übersezt« 484 Stolberg, Friedrich Leopold Graf zu – »Homers Ilias verdeutscht« 483f. – »Thäseus. Ein Schauspiel mit Chören« 858 Stosch, Philipp von 591 – »Gemmae Antiquae Caelatae« 511, 715, 869 – »Stoschische Sammlung« 6, 42f., 111, 232, 508, 533, 539, 541, 544f., 549, 551, 554, 591f., 637 Strabon 786 – »Geographika« 485f., 610, 736, 765f., 783, 786, 818, 847, 940, 1041, 1048–1050, 1052f., 1055, 1062, 1064 Stroth, Friedrich Andreas – »Diodors von Sicilien Bibliothek der Geschichte« 486 »Suda« 1063, 1065 Sulzer, Johann Georg – »Allgemeine Theorie der Schönen Künste« 467, 565, 590, 602, 635, 801, 871

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»Tabulae Iliacae« 933 Tacitus s. Cornelius Taffinus, Petrus – »De veterum Romanorum anno saeculari« 865 Tassaert, Jean Joseph Franc¸ois 508, 544f., 592 Tassie, James 591 Tasso, Torquato 518 Tauriskos 912 Teller, Wilhelm Abraham 333, 1026f. Terentius Varro, Marcus 974, 1039, 1046 – »Menippeae« 1056 Tertullianus, Quintus Septimius Florens 1028 Themistios – »Orationes« 1058 Theodontius 1034 Theokritos – »Idyllen« 649, 660, 758, 796–798, 804, 813, 828, 836, 868, 880, 886, 904 Thorwaldsen, Bertel 529 Thukydides – »Geschichte des Peloponnesischen Kriegs« 848, 919, 1053 Tibullus, Albius 698, 763, 864, 949 Tiepolo, Giambattista 903 Timagetos 802 Tintoretto (Jacopo Robusti) 797 Tizian (Tiziano Vecellio) 623 Torricelli, Giuseppe Antonio 998 Traian 1042 Traphage, Christian Gottlieb – »Handbuch der Griechischen Alterthümer 〈. . .〉 zum Gebrauch für die Jugend beym Lesen der Alten bearbeitet« 971 Tressan, Maurice Elisabeth de Lavergne de 569 Trusler, John – »Anfangsgründe der feinen Lebensart und Weltkenntniß« 952

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Personen- und Werkregister

Tullius Cicero, Marcus 644, 1019 – »De divinatione« 636, 768 – »De natura deorum« 553, 599, 644, 648, 675, 695, 735, 776 – »Epistolae ad Atticum« 640 – »Tusculanae Disputationes« 847, 904 Turne`be, Adrien 1019, 1025 Tzetzes, Johannes 791f., 1055 Unger, Johann Friedrich Gottlieb 438 (der Verleger), 454, 528, 530, 592, 971, 979, 981, 984, 1008 d’Urfe´, Honore´ – »L’Astre´e« 658 Valerius Catullus, Gaius 215 (schöne Dichtung aus dem Alterthum), 485, 759, 856–858, 891f., 899 Valerius Flaccus, Gaius – »Argonautica« 483, 762, 813, 831, 834–841, 843 Valerius Martialis, Marcus 764, 848 Valla, Nicolaus 604 Varro s. Terentius Venuti, Ridolfino – »Collectanea antiquitatum Romanarum« 821 Vergilius Maro, Publius (Vergil) 66 (ein Dichter aus dem Alterthum), 448, 482, 943, 1019 – »Aeneis« 485, 599, 615, 628, 641, 648, 650, 661, 664f., 676, 678, 680, 685, 707, 712, 715f., 722, 725, 735, 749, 752, 764, 766, 774–777, 781, 800, 802f., 809–811, 815, 837, 847f., 867, 879, 897, 899, 923, 927, 931–934, 939f., 943–947, 1033f., 1037–1040, 1045f., 1055 – »Bucolica« 117 (diese schöne Dichtung), 485, 615, 658, 761, 779, 813, 848, 868, 885, 887, 891

– »Georgica« 66f., 485, 599, 610, 615, 629, 671, 681, 707, 765f., 777f., 783, 868, 887, 899, 950 Verrius Flaccus, Marcus 1057 Vespasian 1042 Vico, Giambattista – »Scienza nuova« 478f. Vigerus, Franciscus 1064 Vogel, Paul Joachim Siegmund – »Versuch über die Religion der alten Aegypter und Griechen« 1019 Volkmann, Johann Jacob – »Historisch-kritische Nachrichten von Italien« 856, 1041, 1059 Voltaire 913 – »Die Philosophie der Geschichte des verstorbenen Herrn Abtes Bazin« 764 »Vorläufige Erläuterte Nachrichten von der grosen Schiffsrüstung der Griechen« 932 Voss, Johann Heinrich 483, 632, 681 – »Hesiod, Theogonie« 485 – »Hesiodus vom westlichen Ende der Welt« 485, 653 – »Homers Ilias« 483 – »Homers Odüßee« 483f. – »Mythologische Briefe von Johann Heinrich Voss« 476, 676 – »Vergil, Georgica« 66f. Voß, Julius von – »Geschichte eines bei Jena gefangnen preußischen Offiziers« 565f. Vossius, Gerhard Johannes – »De theologia gentili« 460f., 600, 636, 650, 878, 886, 1041, 1060 Wagner, Cosima 589 Wagner, Richard 589 Walther, Wolfgang 522 Wangenheim, K. von 584 Wanostrocht, Nicolas

Personen- und Werkregister – »Petite enciclope´die des jeunes gens« 972 Welcker, Friedrich Gottlieb 516 Wennerdahl, Wilhelm Anders – »Lexicon Mythico-Historicum« 1024 Werner, Zacharias 452f., 529 Wiegand, Carl Samuel – »Versuch einer kurzgefassten Mythologie« 522 Wieland, Christoph Martin 436, 438, 953 – »Alceste« 816 – »Das Urtheil des Paris« 776, 924 – »Geschichte des Agathon« 879 – »Lukians von Samosata Sämtliche Werke« 459, 486 Wilde, Jacob de – »Gemmae Selectae Antiquae« 815 Winckelmann, Johann Joachim 464, 468, 473, 490, 561, 566, 587, 591, 975 – »Anmerkungen über die Geschichte der Kunst des Alterthums« 941 – »Beschreibung des Torso im Belvedere zu Rom« 853 – »Description Des Pierres Grave´es Du Feu Baron De Stosch« 508, 592, 628, 641f., 692, 698, 728, 751, 789, 807f., 852, 870, 882–885, 893, 918, 942, 951, 953, 997 – »Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst« 690, 876, 932 – »Geschichte der Kunst der Alterthums« 637, 690, 700f., 706, 756, 773, 850, 856, 870, 883, 918, 936, 941, 1059

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– »Monumenti antichi inediti spiegati ed illustrati« 202, 508, 511f., 614, 656, 662, 720, 804, 808, 845, 853, 870, 877f., 898, 918, 938, 1019 (Denkmäler der Kunst) – »Nachrichten von dem berühmten Stoßischen Museo in Florenz« 641 – »Sendschreiben von den Herculanischen Entdeckungen« 856 – »Versuch einer Allegorie, besonders für die Kunst« 471, 715, 762, 856, 860, 938 Woellner, Johann Christoph von 527, 592, 1027 Wolff, Christian 791 – »Discursus praeliminaris de philosophia in genere« 596 – »Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen« (»Deutsche Metaphysik«) 596–598, 791, 865 Xenophon – »Sokratische Denkwürdigkeiten« – »Kynegetikos« 1038f.

797f.

Zedler, Johann Heinrich – »Grosses, vollständiges Universal Lexicon« 436f., 463, 596, 684, 828, 898, 958 Zimmermann, Johann Georg – »Vom Nationalstolze« 773 Zöllner, Johann Friedrich 333, 1026, 1027 – »Lesebuch für alle Stände zur Beförderung edler Grundsätze, ächten Geschmacks und nützlicher Kenntnisse« 754

Register der mythologischen Namen und Orte Abai 333, 1028 Abas 136, 143, 333, 793 Abdera 333 Abderos 333 Abeona 333, 343, 1013, 1020, 1028, 1035 Abilyx 161, 818 Abundantia 334, 1015, 1029 Acca Larentia 336, 1012, 1015, 1030f. Achaia 726, 756 Acheloos 58, 163, 335, 337, 353, 669, 820, 1030, 1032 Acheron 248f., 338, 940, 943, 1033f. Acherusia limne 1033 Achilleus 55, 86, 103, 133, 171, 210, 216, 221, 240–243, 245, 250, 288, 312, 338–341, 351f., 356, 507, 660f., 669, 672, 677, 682, 696, 702, 714, 732, 795, 817, 819, 832f., 845, 863, 884, 893f., 897, 900, 905, 924, 926, 928–931, 933, 945, 1012, 1034, 1038, 1043f. Adeona 343, 1013, 1020, 1028, 1035 Admete 803 Admetos 81, 159f., 172, 180, 343, 349, 704, 816, 832 Adonis 86, 217f., 343f., 505, 534, 813, 897, 901f., 1035f. Adrasteia 272, 545, 985 Adrastos 229–233, 344f., 358, 708, 915f., 1036, 1052 Adriatisches Meer 177, 841, 911 Aeantion 1045 Ägäisches Meer 191, 294, 676, 736, 761, 829, 851, 858, 863 Ägypten, Ägypter 68, 81, 83, 102, 113, 119, 121, 134, 158, 247, 249, 365, 536, 576, 667,

686, 691, 702, 709, 735f., 750, 752f., 756, 763, 786, 885, 901, 937, 942, 1059, 1062f. Aello 56, 174, 664 Aer 599f., 695 Aerica 809 Aerope 919 Aeternitas 349, 1015, 1042 Äthiopien 362, 702, 752, 758, 760, 786, 935 Ätna 97, 129, 220, 314, 341, 546, 728, 776 Afrika 160f., 347, 534, 786, 843 Agamemnon 86, 133, 236f., 239–242, 250, 288, 339f., 350, 661, 664, 714, 795, 921, 922 (seinem Vater), 926–928, 945, 1043 Aganippe 197, 350, 868 Agaue (Agave) 224, 758 Agauos 919 Agenor 68f., 134, 182, 223, 685, 847 Agillaeer 1040 Aglaia 50, 201, 651, 734, 874 Aglauros 351, 1015 Agrigent 918 Aiaia (Aeaea) 177, 640, 830 Aiakos 182, 221, 345f., 693, 847, 905f., 1016, 1036f. Aias (der Lokrer, Sohn des Oileus) 351, 832, 1044 Aias (Sohn des Telamon) 172, 240, 243, 341, 351f., 832, 926, 931, 1044f. Aidoneus (König der Molosser) 352, 861, 1045 Aidos (Anstand, Scham) 657 Aietes (Aeetes) 170, 175–177, 179, 183, 334, 830, 839, 840 (ihres Vaters), 841f., 844

Register der mythologischen Namen und Orte Aiga (Aega) 346, 884, 1015, 1037f. Aigai (Aegae) 85, 291, 532, 711f., 990 Aigaion (Aegaeon) 346, 662, 765, 1037 Aigeus (Aegeus) 183, 187, 189, 191, 782, 849, 852 Aigialeus (Aegialeus) 232 Aigina (Aegina) 345, 772, 906, 1036 Aigipan (Aegipan) 206, 884, 887 Aigisthos (Aegisthus) 236f., 350, 920–922, 1043 Aigle (Heliade) 247, 938 Aigle (Hesperide) 155, 809 Aigle (Najade) 761 Aigle (Tochter des Asklepios) 896 Aigyptos (Aegyptus) 69, 134f., 685, 784, 793, 833, 951 Aineias (Aeneas) 92, 216, 250f., 302, 305, 346f., 362, 615, 665, 670, 680, 712, 722, 752, 897, 899, 900 (Knäblein), 901 (Kindlein), 923, 939, 944, 946, 1013, 1033, 1038–1040, 1055 Aiolia 640, 935, 1040 Aiolos (Aeolus; aiolischer Stammvater) 70, 140, 168, 170, 687, 776, 789, 828, 937, 1040 Aiolos (Aeolus; Gott der Winde) 348, 639f., 776, 935, 1040 Aipy (Aepy) 916 Aison (Aeson) 169f., 178f., 335 (Jasons Vater), 829, 844 Aither (Aether) 20, 44f., 76f., 100, 283f., 310, 350, 356, 599f., 606, 621, 644, 678, 693, 695, 768, 980, 1041 Aithra (Aethra) 167, 187, 193, 852 Aitolien (Aetolia) 337, 669, 820, 846, 1031, 1048 Akakesion (Acacesium) 334 Akakos 334 Akarnan 334f., 1030 Akarnanien (Acarnania) 335, 337, 669, 794, 1030f., 1053

1139

Akastos (Acastus) 335, 1015, 1030 Akidalia (Acidalia) 341, 1015 Akis (Acis) 220, 341f., 534, 660, 1012, 1023 Akrisios (Acrisius) 69, 136, 138, 140, 143, 333, 342, 685, 785, 787, 789 Aktaion (Actaeon) 95, 225, 299, 342, 725f., 1035 Aktor 231 Albunea 352, 1045f. Alekto 251, 338, 947 Alexandria 942 Algea dakryoenta (tränenbringende Schmerzen) 633 (thränende Schwermut, Schmerz) Algidus 302, 994 Alkaios (Alcaeus) 69, 139, 143, 352f., 360, 523, 685 Alkestis (Alcestis) 159, 172, 343, 532, 534, 704, 816 Alkimede (Alcimede) 169 Alkinoos (Alcinous) 178, 352, 842, 1046 Alkmaion (Alcmaeon) 334, 352, 359, 1016, 1030, 1046 Alkmene 36, 63, 69, 139f., 143–146, 284, 353f., 360f., 523, 675, 685, 693, 795, 1047 Alkyone (Alcyone) 354, 1047 Alkyoneus (Alcyoneus) 25, 275, 613 Aloeus 29, 618 Aloiden 29, 84, 948 Alpheios 58, 109, 152, 324, 354, 669f., 805f., 885, 1048 Althaia (Althaea, Gattin des Oineus) 180f., 354, 361, 846, 1015, 1048 Althaia (Mutter des Ankaios) 1055 Amaltheia 23, 121, 272, 355, 610, 983, 985, 1016, 1037f. Amathus 128, 303, 344, 774f. Amazonen 142, 151f., 192, 355f., 534, 791, 803f., 813, 859, 930, 1049f. Ambrakia 338, 1033

1140

Register der mythologischen Namen und Orte

Ambrakischer Golf 335, 1030, 1033 Amicitia 356, 1015f., 1019, 1050 Amor 20, 44f., 91 (Liebesgott), 93 (Liebesgott), 200, 201, 205 (Liebesgöttern), 208 (Liebesgötter), 255–257, 306 (Liebesgötter), 356f., 364, 533f., 539f., 542, 545, 549, 605, 643, 659, 721, 752, 873, 952–954, 994 (Cupidinum), 1012, 1016, 1023, 1035, 1051; s. auch Cupido, Eros Amphiaraos 229–233, 352, 358f., 709, 915–917, 1052f. Amphigeneia 916 Amphiktyon 70, 359, 361, 532, 686f., 1052 Amphillogiai (Widerrede) 633 (Gegenworte des Eifers) Amphilochos 359, 1015, 1052f. Amphion 226, 246, 359f., 912, 1012, 1053 Amphitrite 55f., 81, 293, 360, 662f., 704, 1007, 1054 Amphitryon 139, 143–147, 353, 360f., 523, 693, 708, 795–798 Amphoteros 334f. Amun (Jupiter Ammon) 73, 138, 356, 609, 673, 691, 692, 763, 787, 1051 Amyklai 903, 1043 Amykos 167, 173, 836 Ananke 636 Anauros 169, 829, 842 Anaxarete 361, 1015, 1055 Anaxo 143, 353, 523 Anchises 92, 216, 250f., 302, 305, 346f., 362, 534, 722, 752, 894, 900, 939, 946, 968, 1012f., 1039, 1055 Andraste 1009 Androgeos 183f., 189, 848 Androktasiai (Männermorde) 633 (Männervertilgung) Andromache 242, 244, 340, 933 Andromeda 137–139, 157, 362f., 786–789, 794, 813, 836, 1013, 1056

Angerona 363, 1012, 1015, 1057 Anio 352, 1046 Ankaios (Ancaeus) 175, 361, 838, 1055 Anna Perenna 363, 1012, 1015, 1056 Antaios (Antaeus) 158, 364, 534, 613, 809, 814f., 1058 Anteia (Antea) 141 Anteros 200, 358, 364, 872, 1058 Anthela 1052 Antigone 228, 231, 908, 915, 917 Antikleia 80 (seiner Mutter), 702 (deiner Mutter), 934, 945 (Mutter) Antilochos 702 Antinoos 365, 998, 1058f. Antinoupolis 365, 1059 Antiope (Amazonenkönigin) 192–194, 803, 859 Antiope (Tochter des Nykteus) 225f., 359, 360 (ihrer Mutter), 912, 1053 Anubis 365, 1060 Apate s. Betrug Aphareus 168, 172, 833 Aphidna 167, 193, 861 Aphrodite 21, 45, 60, 245, 365, 483, 487, 495, 509, 519, 581, 642–645, 651, 656, 673, 690, 705 (Kythärä), 719f., 722–724, 734, 772, 774–776, 783, 817, 826, 842, 848, 851, 859, 862, 873f., 900 (die Göttin), 901, 903, 930, 995 (Küthereia), 1038, 1051, 1055; s. auch Venus Apis 365–367, 942, 1013, 1061–1065 Apollon 26, 29, 46–48, 60–62, 78–82, 87, 94–96, 106, 108–110, 120, 123f., 135, 147, 157, 160, 187, 190f., 197f., 211, 218f., 226, 237f., 240–243, 246, 254, 276, 278, 281 (Phöbus), 283f., 292–296, 298–301, 323–325, 339–341, 343, 348, 359f., 483, 495, 503, 509f., 532, 534, 549, 554–556, 558f., 568, 570, 605, 614, 618 (Zeus Sohn), 623, 646–648, 661, 668f., 673f., 684, 698f., 700, 702–706, 708, 710, 715f., 726, 729,

Register der mythologischen Namen und Orte 732, 734, 744f., 747 (Foebos), 748, 768–770, 780, 797, 799, 813f., 850, 856f., 861, 866, 868f., 871, 879, 885f., 893, 896, 903f., 922f., 928–930, 936f., 950, 968f., 978, 982, 986, 987 (Phöbus), 988, 991–994, 998, 1010f., 1023, 1052f. Apsyrtische (Absyrtische) Inseln 177, 841 Apsyrtos (Absyrtus) 177f., 334, 840 (Bruder), 841 Arabien 217, 343, 756, 758, 760, 802, 902 Arachne 555, 714 Arachthos 1033 Archemoros 230; s. auch Opheltes Archontitsa 868 Areion (Arion) 83, 231, 345, 708f., 917, 1036 Ares 643, 645, 674, 714f., 717–721, 723f., 777f., 783, 792, 803, 848, 903, 916, 984, 995, 1036; s. auch Mars Arethusa 155, 354, 670, 730, 809, 1048 Arges 20, 606 Argiver 684, 687, 915 Argo 171f., 175–178, 361, 831, 833, 843 Argolis 68, 670, 788, 852, 854 Argonauten 157, 167, 171–175, 177f., 180, 230, 335, 361, 483, 506, 534, 671, 704, 782, 802, 812f., 827, 829, 831, 832–843, 846, 916, 1030, 1055 Argos (Riese) 742, 746 Argos (Stadt) 69, 126, 134, 136, 139f., 145, 149, 229, 254, 289, 333, 342, 344, 534, 684, 719, 771f., 787f., 793, 799, 922, 989f., 1053 Argos Amphilochikon 359, 1053 Argus 556 Ariadne 184, 190, 194, 590, 856–858, 1023 Arier 752 Aristaios (Aristaeus) 225, 342, 671 Aristomachos 916 Arkadien, Arkadier 70, 131, 150f., 181, 206, 229, 334, 533f., 540, 653, 669, 682, 688, 708, 727, 779f., 802, 846, 885f., 916, 999

1141

Arktos 682 Artemis 483, 487, 495, 509, 511, 516, 581, 623, 628, 647f., 650, 673f., 700–702, 724–728, 768, 769 (Göttin der Jagd und der Pfeile), 776f., 792, 873, 879, 904, 923, 927, 936, 1048; s. auch Diana Asien 355, 777, 838 Askalabos 100 (Knaben), 317 (Knaben), 1028 Askalaphos (Dämon der Unterwelt) 338, 1034 Askalaphos (Sohn des Ares) 90, 309, 720 Asklepios (Aesculapius) 80, 211f., 240, 295, 348f., 534, 631, 672, 702f., 894f., 896, 950, 1041f. Asopos 59, 671, 906 Assarakos 210, 362, 894, 897, 1055 Assyrien, Assyrer 901, 993 Astarte 902 Asteria 21, 48, 51, 652, 1023 Astraia (Astraea) 53, 657f. Astraios (Astraeus) 21, 46, 51, 56, 608, 644, 652, 657 Astydameia 335 Astynome 915 Astyoche 234 Astypalaia 1055 Atalante 180–182, 229, 534, 753, 846f., 901, 916 Ate 146, 633 (Schuld, Mishandlung), 795f. Athamas 168–170, 225 Athen, Athener 37, 69, 87 (die gebildetste Stadt), 103, 127f., 167, 183–185, 187, 189–195, 286, 313, 351, 359, 534, 568, 620, 683, 686, 707, 715f., 773, 775, 788, 817, 827, 849f., 853, 858f., 861, 863, 922, 937, 988, 1036, 1043–1045 Athene 69, 503, 509, 616f., 618 (Zeus blauäugige Tochter; Tritogeneia), 652, 662, 673, 675, 676 (Pallas), 690, 697, 707, 713, 714, 715–720, 723f., 737, 769, 772–774, 785f.,

1142

Register der mythologischen Namen und Orte

788, 790, 803, 810, 842, 846, 850f., 873, 922, 924, 928, 931, 936, 941, 989, 990 (Göttin), 996, 1044; s. auch Minerva Atlantischer Ozean 248 Atlas 21, 30, 51, 59, 61, 137, 161, 248, 278, 326, 533, 619f., 653, 672, 749, 809f., 818, 999 Atreus 234–236, 788, 919f. Atriden 788, 922, 924 Atropos 38, 41, 53, 637f. Attika 67, 69, 98, 167, 192, 315, 545, 685, 780, 861, 915, 937, 1052 Attis (Atys) 215, 534, 754f., 898f. Auge 845 Augeias (Augias) 152, 534, 804–806 Aulis 239f., 350, 927f., 1043 Aura 246 Aurora 21, 46, 51, 60 (Morgenröthe), 80, 215f., 246, 305, 362, 533, 657, 879, 899f.; s. auch Eos Autolykos 797, 821 Autonoe 224f., 342 Aventin 159, 815 Avernus (Aornos; Lago d’Averno) 248, 940 Bakchanten, Bakchantinnen 116, 130f., 225, 641, 758, 760, 881f., 911, 1063 Bakchos (Bacchus) 62f., 69, 113–120, 190, 204f., 208, 224f., 276, 284, 356, 459, 502, 532, 534–536, 676f., 698, 756, 758–764, 778, 857, 881f., 888, 892, 990; s. auch Dionysos Balearische Inseln 808 Battos (messenischer Hirte) 556 Baucis 132, 781, 1023 Bebrykien 173, 836 Bellerophon 70, 137, 140–143, 149, 151, 179, 335, 503–505, 534, 537, 639, 667, 687, 786f., 789f., 792f., 862 Bellona 87, 518, 715, 752

Belos 68f., 134, 143, 685 Betrug (Apate) 39, 632 Bia 737; s. auch Gewalt Bistoniden, Bistonen 130, 333, 778 Bistonien 807 Bithynien 365, 836, 1058 Biton 126 Boiotien (Böotien) 36, 68, 170, 224, 341, 671, 683, 719, 820, 868, 927 Boreas 130, 171, 174, 218, 644, 778, 832, 903 Bosporus 836f. Bovillae 363, 1057 Briareos 20, 24, 51, 55, 274, 346, 606, 612, 654, 662, 1037 Briseis 241f., 339f., 661, 714 Brontes 20, 606 Busiris 158, 534, 809, 814f. Cacus 158f., 534, 573, 809, 814–816 Campanien 1033 Carmenta 159, 816 Carutius 336f., 1031 Ceres 23, 60, 64, 83, 96–100, 103, 114, 249, 273, 313–318, 333, 338, 352, 510, 532–534, 536, 558, 575, 635, 708, 728–731, 752, 766f., 969, 978, 982f., 997; s. auch Demeter Chalyber 631 Chaonien 71, 121, 766 Chaos 20–22, 44, 64, 350, 356f., 501, 503, 505, 531, 605f., 643, 688 Chariten 201, 651, 734, 873f., 878; s. auch Grazien Charon 156, 249–251, 257, 811, 943f., 947 Charybdis 177, 245, 842, 934 Chersonesos 830 Chimaira (Chimaera) 57, 70, 140–142, 149, 154, 457, 667f., 687, 790, 793, 808, 1019 Chiron 59, 117, 147, 169, 210f., 335, 338, 342, 346, 348, 533f., 537, 671f., 761, 797, 811, 829, 893f., 1034, 1037f.

Register der mythologischen Namen und Orte Chronos 608 Chrysaor 57, 154, 666, 707, 808f. Chryseis 241, 339 Chrysippos 234, 919 Chrysothemis 921 Coelus 741; s. auch Uranos Cumae 1033, 1039 Cupido 104, 292, 302, 738, 872–874, 991; s. auch Amor Cygnus 709 Daidalos (Daedalus) 183–186, 191, 505, 534, 732, 848–852, 857 Dalmatien 1032 Damastes 188; s. auch Polypemon Danae 64, 69, 136, 143, 278, 342, 678, 685, 693, 785, 787, 789 Danaiden 254, 534, 950f. Danaos 69, 134–136, 143, 254, 333, 685, 783f., 785 (Schwiegervater), 793 Daphne 219, 669, 901, 904 Dardanos 213 Deianeira 163–165, 180, 337, 669, 800, 820, 822f., 1032 Deidameia (Frau des Peirithoos) 860 Deidameia (Tochter der Lykomedes) 338, 1034 Deino (Dino) 57, 665 Deion, Deioneus 246, 828, 937 Deiphobos 722 Deiphons 730 Delos 62, 81, 123, 190f., 283, 284 (Dieses Eiland), 293f., 300, 302, 483, 534, 540, 704, 768f., 857, 991–993 Delphi 94, 123f., 148, 187, 254, 298, 301, 320, 502, 534, 655, 668, 687, 704–706, 727, 767, 770, 798f., 821, 868, 950, 968, 1052; s. auch Pytho Demeter 611, 677, 684, 708, 728–730, 750, 756, 766, 811, 954, 993 (Däos), 997, 998 (Königinn der Göttinnen), 1033, 1036, 1052; s. auch Ceres

1143

Demodokos 719 Demophon 98 (des Celeus Sohn), 315 (des Celeus Sohn) Deukalion 35, 52f., 67, 70, 124, 140, 168, 359, 533, 540, 629, 655, 680, 683, 685–687 Dia 856 Diana 46–48, 60–62, 79f., 86, 94–96, 129, 130 (inwohnenden Gottheit), 150, 180f., 203, 219f., 225, 234, 237f., 240, 246, 278, 281, 283f., 294–296, 299–302, 342, 350, 360, 487f., 534, 581, 648, 675, 727f., 752, 776, 879, 904f., 968, 978, 982, 987f., 993, 1023; s. auch Artemis Dido 347, 781, 879, 1038f. Dike (Dice) 52, 656f. Diktäische Grotte 765f. Dikte-Gebirge 121, 765, 985 Diligentia 1019 Dindymon 173, 835f. Diomedes (Sohn des Tydeus) 89, 93, 180, 240, 287, 307, 338, 718f., 756, 783, 817, 926f., 1038 Diomedes (Thrakerkönig) 130, 153f., 333, 534, 807f., 926 Dione 45, 81, 93, 287, 293, 644, 704, 817, 918 Dionysos 502, 642, 672, 676, 684, 755–764, 856, 868, 880–883, 891f., 895, 911, 942, 990; s. auch Bakchos Dioskuren 167, 826–828, 834, 861 Dirke (Dirce) 225f., 337, 359f., 912, 1032 Dodona 71, 121f., 124, 171, 177, 338, 532–534, 540, 688, 691, 766–768, 831 Donau 176f., 841 Dorer 687 Dorion 916 Doris 54, 541, 659f. Doros 687 Drache 57f., 62, 97, 103, 154f., 175f., 179, 224, 283, 313f., 616, 666–669, 705, 728, 810, 839f., 910

1144

Register der mythologischen Namen und Orte

Dryaden 204, 881 Dryas 133, 756, 782 Dryops 885 Dysnomia (Gesetzlosigkeit) 633 (Ungesez; Verachtung der Gesetze) Echidna 57, 154, 227, 666–669, 808 Echinaden 337, 794, 1015, 1032, 1046 Echion 224, 758, 911 Eidothea 670, 1020 Eikelos (Phobetor) 635 Eileithyia (Ilithya) 61, 353, 674f., 704, 796, 873, 991, 1020f., 1047; s. auch Lucina Eimarmene / Heimarmene 40, 636f.; s. auch Notwendigkeit Eirene (Irene) 52, 656, 873 Elektra (Okeanide) 56, 664 Elektra (Tochter des Agamemnon) 236f., 664, 921f. Elektryon 139, 143f., 353, 360, 523, 532, 794, 1054 Eleus 144 Eleusinos 68, 683 Eleusis, eleusinische Mysterien 68, 98, 156, 172, 188, 314, 576, 683, 684, 729f., 731, 752, 756, 811, 1023f. Eleutherai 756, 865 Elis 118, 152, 762, 669, 756, 872, 1058 Elysion (Elysium) 251, 448, 939, 946; s. auch Insel der Seligen Endeis 346, 1037 Endymion 86, 219f., 534, 634, 813, 897, 904f. Enkelados (Enceladus) 25, 275f., 613, 616, 986 Entsetzen (Phobos) 91, 309 Enyalios 777, 929 Enyo (Graie) 57, 665, 715 Enyo (Kriegsgöttin) 715 Eos 608, 644f., 649, 652, 702, 899; s. auch Aurora

Epaphos 68f., 134, 143, 247, 912 Epeiros (Epirus) 71, 121f., 335, 338, 359, 766, 861, 940, 1030, 1053 Ephesos 129, 509, 534, 727, 777 Ephialtes 29, 618 Ephyra 179, 789, 844, 951, 1033 Epidauros 188, 212, 349, 854, 895, 1041f. Epimetheus 21, 30, 35, 532, 608, 619f., 626f. Epopeus 225, 359, 912 Erato 197, 199, 866, 870 Erde (Gaia) 20–25, 28, 42, 46, 49, 52–54, 60, 70, 102f., 105, 111, 124, 158, 196, 247, 271, 273–275, 277, 313, 337f., 346, 350, 364, 534, 573f. (terre), 606, 612, 617, 621, 632, 655, 658f., 704, 741f., 749f., 776, 863, 1023, 1033; s. auch Gaia Erebos 20, 30, 44, 248f., 350 (Finsternis), 357, 531 (Finsternis), 599, 606, 620, 643, 939, 944, 1042 Erechtheus 69, 246, 686 Erechthiden 69, 185, 686 Erginos 819 Erichthonios 103, 313, 351, 546, 680, 686, 737f., 774, 894, 897 Eridanos 247, 938 Erinyen 83, 291, 631, 636, 710, 922, 947; s. auch Furien Eriphyle 229f., 352, 353 (sterbende Mutter), 358f., 1024, 1046, 1051f. Eris 221, 238, 623 (Zwietracht), 633, 906, 943 Eros 200, 358, 364, 643, 724, 872, 1058; s. auch Amor, Cupido Erymanthischer Eber 150, 151 (den Eber), 534, 811 Erymanthos 302, 800, 994 Erysichthon 100, 317, 732, 880 Erytheia 155, 808 Eryx 186, 851 Eteokles 228f., 232, 352, 534, 914f., 917

Register der mythologischen Namen und Orte Euandros (Evander) 159, 615, 680 Euboia (Euboea) 163, 165, 820, 823, 863 Euenos (Evenus; Fluss) 163, 820, 829 (Euhenus) Euenos (Evenus; Heros) 820 Eueres (Everes) 144, 794 Eumaios (Eumaeus) 79, 295 Eumelos 816 Eumeniden 635–638, 640, 710, 947 Eumolpos 335, 797 Euneos (Euneus) 173, 835 Eunomia 52, 656 Euphemos 178, 843 Euphrosyne 50, 201, 532, 651, 874 Europa (Erdteil) 160f., 534, 758, 760 Europa (Tochter des Agenor) 65, 69, 182, 223, 278, 345, 679, 693, 807, 847, 1036 Eurotas 166, 879 Euryale 57, 137, 666, 707, 785 Eurybia 21, 54, 56, 533, 608, 652, 659, 665 Eurydike 130f., 778, 892 Eurynome 50, 61, 201, 278, 651, 674, 874 Eurystheus 139, 146–156, 163, 234, 333, 353, 355, 364, 708, 788, 795f., 801, 803, 805–807, 810, 812, 919, 1047 Eurytion 154 Eurytos 163–165, 335, 797, 822, 895 Euterpe 197, 199, 866, 871 Exadios 782 Fama 1023 Fatum (Moros) 38, 40f., 42 (Schicksal), 53 (Schicksal), 126, 222, 238, 251, 505, 530, 533, 539–541, 545, 548, 553, 617 (Schicksal), 626 (Schicksal) 630f. (Schicksal), 636f., 641, 681, 728, 838 Faunus, Faune 117f., 205–208, 509, 534, 574, 681, 761, 780, 881–884, 887f. Faustulus 337 Fortuna 637

1145

Furien 21, 40, 42, 237f., 251, 338, 352, 534, 539f., 631, 710, 947; s. auch Erinyen Gadeira 808, 818, 841 Gaia (Gaea) 532, 607, 609, 611, 613, 616f., 619, 623, 644, 655f., 659, 742, 750, 865, 947, 1033; s. auch Erde Galanthis 353, 1047 Galateia 55, 220, 341, 660 Gallien 744 Ganges 116 Ganymedes 101, 213f., 221, 311, 534, 540, 813, 897, 898 Garamanten 692 Gargareer 1049 Gargaros 121, 766 Gelanor 134 Genien 195, 205, 208–210, 358, 534, 540, 545, 864, 873, 882, 1028, 1051 Geraistos 918 Geras (Alter) 632 Geryon 57, 154, 159, 364, 534, 666–668, 798, 808f., 818 Gewalt (Bia) 50f., 274f., 652, 737 Giganten 21, 25, 27f., 61, 83, 103, 275f., 278, 281, 313, 558 (Drachenfüßen), 560, 612–615, 738, 948, 982, 986f. Glauke 844 Glykera 304, 994 Gorgonen 57, 89, 665f., 707, 785, 788, 793 Gorgyra 338, 1034 Graien (Graeen) 57, 665, 715 Grazien 50, 52, 61, 81, 94, 201–203, 278, 298, 301, 304, 306, 341, 534, 545, 547, 559, 570, 574, 651, 656f., 674, 705, 724, 726, 734, 873–876, 878, 994, 1016; s. auch Chariten Griechenland 54, 68f., 83, 118, 121, 127, 129, 134f., 138, 140, 155, 159, 171, 180, 192, 194, 212, 221, 223f., 233f., 237–239, 248, 254, 337, 342f., 346, 350–352, 359, 458, 505,

1146

Register der mythologischen Namen und Orte

517, 537, 557, 576, 669, 671, 683, 739, 756, 761, 766f., 772f., 775, 777, 794, 807, 809, 837, 849, 853, 868f., 901, 909f., 923 Gyges 20, 24, 51, 274, 606, 612, 613 (Gyas), 654 Hades 343 (Ades), 505, 611, 616 (Ai¨des), 645, 646 (Ai¨däs), 667 (Ai¨des), 677, 710 (Aidäs), 729, 731, 741, 749 (Aidäs), 811f., 816, 817 (Aidoneus), 823, 861f., 894, 930 (Aidäs), 934 (Ai¨däs), 940–942, 1035, 1043; s. auch Pluto, Orcus Haimon (Haemon) 231 Hamadryaden 204, 880 Harmonia 90, 224, 308, 358, 705, 719f., 905f., 910f., 1024, 1051f. Harpalykos 797 Harpokrates 105, 741 Harpyien 56, 174, 532, 664f., 802, 836f. Hebe (Iuventas) 61, 166, 214, 674f., 705, 825, 879, 898, 1023 Hebros 117, 760f. Hekabe (Hecuba) 77, 242–244, 340f., 696, 930, 933, 1038 Hekate 21, 48, 51, 175, 533, 608, 649f., 752, 839, 845 Hekatoncheiren 609, 652; s. auch hundertärmige Riesen Hektor 77, 133, 241–243, 339–341, 351f., 555, 631, 661, 696, 783, 884, 924, 929f., 1023, 1038, 1044 Helena 54, 65, 92, 166f., 193, 236, 239, 278, 304, 350, 678f., 693, 722, 861f., 920, 922, 924f., 1023 Heliaden 247, 938 Helikon 84f., 197, 290, 350, 711, 867f., 990 Helios 21, 26, 46–48, 60 (Sonne), 80, 98 (Sonne), 106, 152 (Sonne), 161 (Lenker des Sonnenwagens), 170 (Sonne), 177 (Sonne), 183, 247, 296, 316 (Sonne), 346 (Sonne), 495, 532f., 545, 608, 614, 623, 644–646,

647, 698, 702f., 713, 719, 730, 805 (Sonne), 809, 818, 830, 848, 862, 878 (Sonnengott), 903, 937, 968 Helle 170 Hellen 70, 687 Hellespont 170, 830 Hemera 606, 654; s. auch Tag Hephaistos 502f., 511, 581, 618, 645, 675, 696f., 719, 732–739, 757, 776, 795, 891, 898, 996, 1052; s. auch Vulcanus Hera 126, 507, 581, 600, 611f., 634, 639, 650, 656, 662, 664, 667f., 674f., 680, 690, 695–697, 704, 712, 714, 719f., 727 (Bettgenossin Kronions), 732f., 738, 745, 757, 768, 771f., 795–798, 800, 817, 825, 829, 842, 910, 924, 954, 988, 999, 1040, 1047; s. auch Juno Herakleia 338 Herakles (Hercules) 36, 61, 63, 69, 113, 130, 134, 136, 139, 140 (Alkmenens Sohn), 142–166, 169, 171–173, 179f., 187f., 192f., 198, 200, 204, 240, 243, 250, 284, 288, 333, 336f., 343f., 352f., 355, 357, 361, 364, 450, 464, 468, 504–507, 523, 534, 540f., 549, 553, 559, 575, 629, 667–669, 672, 675, 678, 680, 684f., 688, 693, 697, 704, 739, 744, 787–789, 792f., 795–826, 832, 845, 853, 859–862, 869f., 872, 897, 927, 948, 953, 977, 989 (Tirünthische Held), 997, 1019, 1023, 1032, 1045–1047, 1058 Herculaneum 190, 511, 856, 871 Hermanubis 365, 1061 Hermes (Erimus; Vater des Abderos) 333, 1028 Hermes (Gott) 483, 487, 511, 623, 640, 672, 732, 742–749, 780, 797, 856, 885, 890, 924 (Mörder des Argos), 936, 984, 998f., 1029, 1047, 1053, 1059–1061; s. auch Mercurius Hermione (Stadt in Argolis) 188, 854 Hermione (Tochter von Ares und Aphrodite) 224, 910f.; s. auch Harmonia

Register der mythologischen Namen und Orte Hermione (Tochter von Helena) 922 Herse 351 Hesione 157f., 534, 789, 804, 813f. Hesperia 809 Hesperiden 39, 57f., 137, 155, 171, 248, 534, 632, 666, 809f., 814, 818, 1058 Hestia 494, 502, 611, 623, 677, 724, 728, 739, 741f., 743 (Kronos Tochter), 750, 977, 998; s. auch Vesta Hestiatoren 727 Hierapolis 754 Hilaeira (Ilaira) 167, 828 Hippodameia (Frau des Peirithoos) 193, 860f. Hippodameia (Tochter des Oinomaos) 233–235, 919f. Hippokrene 85, 197, 291, 711, 868, 1043 Hippolyte 355, 803f., 1050 Hippolytos 192, 194, 862 Hippomedon 229–231, 915f. Hippomenes 182, 753, 901 Hipponome 662 Hipponoos 915 Hippothoe 662, 794 Horen 52, 61 (Göttinnen der Eintracht und Gerechtigkeit), 81, 93, 202f., 278 (Göttinnen der Eintracht und Gerechtigkeit), 298, 306, 534, 545, 574 (Heures fugitives), 656f., 674, 705, 724, 873, 875, 877–879, 885 Horus 741 hundertärmige Riesen 20, 22, 24f., 55, 273–275, 346, 558, 560, 606, 662; s. auch Hekatoncheiren Hunger (Limos) 39, 633 Hyakinthos 218, 534, 813, 901–903 Hygieia 212, 334, 349, 534, 715, 896, 1024 Hylas 157, 173, 204, 812f., 835, 880 Hyllos 165, 353, 823f. Hymen 210, 534, 892 Hymettos 246, 937

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Hyperbios 231 Hyperboreer 130, 778 Hyperion 20f., 46–48, 607f., 644–646, 650, 713 Hypermnestra 135f., 254, 333, 784, 793, 833 Hypsipyle 172f., 230, 835, 916 Ianiculum 615 Janus 27, 510, 615 Japetos 20f., 30, 51, 137, 161, 253, 607f., 619–621, 650, 685, 833, 949 Iaso 896 Jason 70, 134, 168–171, 173, 175–180, 230, 334f., 505f., 534, 672, 687, 787, 829f., 833, 835, 838–840, 842–845 Iasos, Iasios, Iasion 846 Ida (Kleinasien) 78, 121, 213, 238, 285, 669, 697, 711, 752, 766, 881, 894, 924, 980 Ida (Kreta) 121, 182, 671, 765, 847, 985 Idaia (Idea) 174 Idalion 128, 303, 774f. Idas 168, 180, 828, 833 Ideus 846 Idmon 838 Idomeneus 240, 926 Ikaria 851 Ikarisches Meer 186, 851 Ikaros 184f., 186 (seinem Sohn), 792, 850f. Ilion 240, 244, 924, 928; s. auch Troia Illyrien 225, 232, 841, 911, 917 Ilos 897, 928 Inachos 58, 67–69, 134, 166, 289, 533, 540, 669f., 678, 684f., 783, 826, 989 Indien 116, 119, 557, 576, 758–760, 764, 786 Ino 170, 224f., 911 Insel der Seligen 248, 939, 1047; s. auch Elysion Io 68, 134, 142f., 247, 678, 685, 793, 937 Iobates 141f., 790 (seinem Schwiegervater) Iocus 510

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Register der mythologischen Namen und Orte

Jodama 683 Jokaste 226, 227 (eigne Mutter; Königin), 228, 231, 913–915, 917 Iolaos 149, 335, 819 Jole 163–165, 821f. Jolkos 169, 172, 178, 335, 829f. Ionien 780 Ionisches Meer 337, 837, 1032f. Joppe 786 Iphigenie 234, 236–238, 240, 350, 922f., 927 Iphikles 146, 149, 353, 361, 796, 798, 1046, 1054 Iphimedeia 29, 618 Iphis 361 Iphitos 164, 821 Iris 56, 76, 83, 283, 291, 652, 664, 675f., 709f. Isandros 792 Ischys 211 Isis 113, 367, 741, 750–755, 777, 902, 1064 Ismene 228, 915 Isthmia 751 Isthmos von Korinth 178, 188, 853 Italien 248, 338, 347, 576 Ithaka 84, 245, 352, 640, 716, 935, 1046 Ithome 895, 916 Juno 23, 41, 49, 60–63, 65, 68, 72, 76–78, 86, 88, 90 (deiner Mutter), 93, 95–97, 100f., 103, 108, 114, 119, 126, 139, 142, 145–147, 149, 161f., 166, 168f., 177, 195, 203, 214, 223–225, 227, 238–240, 253, 273, 275f., 278, 283–285, 310–312, 314, 323, 326, 345, 353, 510, 518, 523, 532–534, 540, 559, 581, 600, 659, 664, 673–677, 690, 693, 695, 698, 752, 813, 864, 879, 967f., 978, 980, 982, 986, 988, 1023; s. auch Hera Jupiter 13f., 17, 21–25, 27–32, 34–38, 41, 45, 47–53, 55, 59–74, 76–79, 81, 83–86, 88, 90f., 94, 95 (Donnergottes), 97 (Vater der Götter), 98–100, 102f., 106, 108–110, 112, 114f., 119, 121f., 126–129, 132–134, 136, 138f., 143 (des Donnergottes), 145–147,

149 (des Donnergottes), 152, 160, 165–168, 182, 195f., 200–203, 211 (Donnerer), 213, 215f., 220f., 223, 224 (Donnergott), 225f., 239–243, 245, 247, 249, 252f., 257, 270–287, 290f., 294, 296, 301, 305f., 308–310, 314 (Vater der Götter), 316, 320, 323–326, 327, 334, 336, 338–343, 345f., 348f., 351, 353, 355–359, 361f., 469, 510, 523, 530–534, 540f., 545, 548, 552f., 557, 560, 568, 575, 598, 600, 604, 615, 631, 646, 650, 656f., 659, 671, 675, 681–683, 688, 690–693, 695, 698, 741, 743, 751, 765, 781f., 795, 858, 864, 872, 897, 941, 967, 978, 980, 982–987, 996, 1023, 1035f.; s. auch Zeus Justitia 1019 Iuventas 994; s. auch Hebe Ixion 253, 505, 534, 948–950 Kabeira 734–736 Kabeiren (Kabiren) 102, 501, 610f., 735f., 776 Kadmos 36, 62, 69, 90, 115, 134, 170, 175, 223–225, 228, 232, 284, 308, 342, 358, 505, 534, 575, 629, 680, 683, 685, 719f., 758, 839, 905f., 909–911, 917, 1012, 1024, 1051f. Kaineus (Caeneus) 133, 782 Kalabrien 338 Kalais 171, 174, 335, 832 Kalchas (Calchas) 240f., 338f., 350, 927f. Kallileon 919 Kalliope 196f., 199, 337, 866, 893, 1032 Kallirhoe (Okeanide) 57, 154, 666, 808 Kallirrhoe (Tochter des Acheloos) 334, 337, 353, 532, 1030, 1032, 1046 Kallirrhoe (Tochter des Skamandros) 928 Kallisto 63, 284, 677, 682, 695 Kalpe 161, 818 Kalydon 163, 180, 229, 337, 344, 354, 820, 1048

Register der mythologischen Namen und Orte Kalydonischer Eber 70, 179–181, 335, 344, 1055 Kalypso 245, 934 Kambyses 736 Kampf (Zelos) 50 Kapaneus 229–231, 240, 915–917, 927 Kapys 1055 Karien 220, 775, 905 Karthago 1039 Kassandra (Cassandra) 350f., 921, 1043f. Kassiopeia 137, 139, 362f., 787f., 1056 Kastalia 337, 1032 Kastalische Quelle 125, 197, 770, 868, 986 Kastor 166–168, 171, 180, 239, 288, 335, 534, 678f., 797, 827f., 833f., 989 Katreus 919 Kekrops (Cecrops) 67, 69, 351, 533, 540, 685f. Kelaino (Celaeno) 174, 837 Keleos (Celeus) 98, 315f., 729f. Kenaion (Cenaeum) 165, 823 Kentauren (Centauren) 118, 147, 163, 192f., 253, 335, 338, 342, 346, 348, 669, 761f., 782, 800, 811, 820, 823, 829, 860, 1020 Kephallenia / Kefalonia (Cephalonia) 145, 794 Kephalos (Cephalus) 144f., 246f., 335, 534, 937 Kepheus (Cepheus) 137f., 362f., 788 Ker 632 Kerberos (Cerberus) 57, 154–156, 193, 249, 251, 257, 366, 450, 532, 534, 667f., 798, 808, 810–812, 861, 943, 1045 Kerkyon 188 Kerynitischer Hirsch 150 (Hirsch der Diana), 534, (Hirsch der Diana), 801f. Keto (Ceto) 54, 57f., 141, 143, 149, 155, 533, 659, 665f., 669, 790, 793, 799 Keyx (Ceyx) 354, 1047 Kikonen 778

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Kilikien (Cilicia) 359, 1053 Kimon 863 Kinyras (Cinyras) 217, 343, 901 Kirke (Circe) 42, 177f., 245, 250, 350, 448, 639f., 830, 841f., 934 Kleio (Clio) 196f., 199, 866 Kleobis 126 Klotho 38, 41, 53, 637f. Klymene 21, 247, 619f. Klytaimnestra 166, 236f., 350, 532, 920–922 Klytia 219, 904 Knidos (Gnidus) 128, 303f., 509, 534, 775, 880, 968, 986, 994 Koios (Cöus) 20f., 47f., 61, 278, 607f., 650 Kokalos 184, 186 Kokytos 248f., 366, 940, 943, 1033, 1063 Kolchis (Colchis) 157, 167, 170–172, 175, 178–180, 334f., 361, 830, 837, 839, 842, 844 Kolonos 915 Komaitho 95 (Priesterin der Diana), 299 (Priesterin der Diana), 726f. Komaitho (Tochter des Pterelaos) 361 Komos 209, 509f., 534, 891f. Konnidas 187 Korcˇula 337 (Curzolischen, Inseln), 1032 Kore 861, 1045 Korinth 140, 179, 226f., 254, 633, 751, 789, 844f., 853f., 878, 914 Koronis 211, 254, 348f., 950, 1041 Korybanten 23, 102, 112, 121, 271f., 501f., 609, 610f., 734, 751, 754, 985 Kos 616, 775, 851 Kottos 20, 24, 51, 274, 606, 612, 654 Kragos 302, 994 Kratos 737; s. auch Stärke Kreios 650, 652 Kreon (König von Korinth) 179 Kreon (König von Theben) 144, 162, 226, 231f., 360f., 819, 844, 914f., 917 Kreta 22f., 65, 102, 112, 121, 124, 153, 182–185, 189–191, 253, 271f., 279, 298, 355,

1150

Register der mythologischen Namen und Orte

469, 534, 540, 610, 671, 751f., 765, 770, 806, 848–851, 919, 967, 982 Kretensischer Stier 153, 534, 806f. Kretheus 168f., 828 Krethon 670 Kreusa (Nymphe) 669 Kreusa (Tochter des Priamos) 346f., 1038 Krieg (Hysminai, Machai) 39, 633 Krios (Crius) 20f., 46, 48, 50f., 56, 607f. Krisa 124, 298, 770 Krommyonische Sau 188 Kronos 20, 607–609, 611, 616, 629, 650–652, 655, 659, 673, 678, 710, 724, 735, 741, 743, 783f., 939, 941; s. auch Saturnus Kummer (Oizys) 39, 633, 636 Kureten 23, 102, 271f., 501f., 610f., 734f., 751, 766, 846, 985 Kyane (Cyane) 97, 315, 729 Kyaneai (Cyaneen) 174, 837; s. auch Symplegaden Kybele (Cybele) 111–113, 173 (Mutter der Götter), 182, 215, 502, 532, 534, 610, 623, 750, 751–755, 766, 776f., 847, 870, 898f., 998 Kykladen 991 Kyklopen (Cyclopen) 20, 22–24, 102, 129, 244, 273f., 349, 606f., 609, 611, 652, 703, 735f., 776, 934f., 941 Kyknos (Cygnus) 247 Kyllene (Cyllene) 131, 326, 780, 999 Kymatolege 662 Kymodoke 662 Kynthos (Cynthus) 123, 703, 769 Kyparissos (Cyparissus) 218, 534, 901, 903 Kyrene (Cyrene; Nymphe) 807 Kyrene (Stadt) 843 Kythairon (Cythaeron) 116 Kythera (Cythera) 129, 303, 534, 774f., 968 Kyzikos (Cyzicus) 173, 835f.

Labda 633 Labdakos 225f., 911 Lachesis 38, 41f., 53, 637f., 642 Ladon 206, 885 Laertes 245, 646 Laios 225–227, 911, 913 Lais 336, 1031 Laistrygonen (Laestrygonen) 42, 245, 639f., 934 Lakedaimon (Lacedaemon) 166, 218, 532, 1045 Lampetie 247, 646, 938 Laodamas 232, 352, 917 Laodameia 639, 792 (die Tochter) Laokoon 244, 932, 937 Laomedon 84, 157f., 215, 290, 710, 813f. Lapithen 118, 192f., 762, 782, 860, 1020 Lapithes 669 Laren 208, 889 Larenta 1030 Larissa 1045 Lasthenes 231 Latiner 347 Latinus 347, 1039 Latium 27, 544, 615, 680, 1057 Latmos 220, 905 Lavinia 347 Lavinium 347 Learchos 225 Leda 65, 77, 166, 239, 278, 284, 507, 679, 826f., 920, 980 Leiodes (Liodes) 1019 Lelex 826 Lemnos, Lemnier 129, 172f., 230, 534, 546, 732, 776, 824, 834f., 843, 927 Lerna 799 Lernäische Schlange 57, 149, 150 (Hydra), 151 (Hydra), 154, 163, 165 (Hydra), 243, 337 (Hydra), 534, 667 (Hydra), 798–800 (Hydra), 808, 1032

Register der mythologischen Namen und Orte Lethe 249, 366, 633 (Vergessenheit), 943, 1063 Leto (Latona) 21, 47f., 61f., 81, 94, 96, 109, 123, 240, 246, 278, 283f., 293f., 296, 301, 324, 360, 618, 628, 647, 674, 676, 704f., 726, 728, 768, 988, 993, 1023 Leukas 794 Leukippos (Leucippus) 167 Leukothea 225, 911; s. auch Ino Leukothoe 219, 534, 901, 904 Libya 68, 134, 143, 532, 685, 783 Libyen 122, 158, 178, 347, 356, 364, 692, 814f., 843, 1039 Lichas 164f., 822f. Likymnios 144, 532, 794 Linos 147, 335, 797 Liparische Inseln 546, 736, 776, 1040 Lokris 333, 1044 Lucina 61, 674f., 1047 Luna 21, 47f., 60 (Mond), 283, 300f., 648, 688, 878, 904, 988, 993, 1023; s. auch Selene, Diana, Artemis Lydien 164, 252, 937, 948 Lykaion (Lycaeus) 207, 780, 885 Lykaon 67, 334, 682, 688 Lykien, Lykier (Lycien) 141, 791, 986 Lykomedes 194, 338 Lykos (König der Mariandyner) 175, 838 Lykos (König von Theben) 225f., 359 (Ihres Vaters Bruder), 911, 1053 Lyktos 765 Lykurgos (König von Arkadien) 1055 Lykurgos (König von Nemea) 230, 708 Lykurgos (thrakischer König) 115, 756f. Lynkeus (Bruder der Althaia) 846 Lynkeus (Sohn des Aigyptos) 135f., 143, 333, 784f., 793, 833 Lynkeus (Sohn des Aphareus) 168, 172, 180, 828, 833 Lysidike 794

Lysimache

1151

916

Machaon 212, 240, 349, 895, 926 Magnesia 829, 1040 Maia 59, 61, 106, 108, 109 (seiner Mutter), 278, 320–323, 324 (seiner Mutter), 326f., 672, 679, 742, 745f., 747 (Mutter), 748, 780, 969, 999 Mainaden (Mänaden) 131, 778 Mainalos (Maenalus) 150, 532, 802 Makedonien 868 Malea 177f., 842 Mallos 359, 1053 Manen 170, 336, 829 Mariandyner 838 Marmarameer 836 Mars 45, 60, 62, 86 (Kriegesgott), 88–91, 93, 101, 130, 151 (Kriegsgott), 153, 175f., 183, 200, 224, 240, 254, 281, 286 (Kriegesgotte), 287, 307–309, 312, 357, 364, 532, 534, 581, 645, 673 (Ehernen), 715, 721, 777, 807, 872, 879, 950, 968f., 978, 982, 984, 987, 995, 1023; s. auch Ares Marsyas 88, 198, 717, 877 Medea 175–179, 334f., 624, 649, 789, 839f., 843–845, 1030 Medusa 57, 83, 88f., 136–140, 141 (Gorgo), 149 (Gorgo), 154, 286, 288, 346, 362f., 707f., 716–718, 785, 788f., 793, 1038 (Gorgo) Megaira (Megaera) 251, 338, 947, 950 Megalopolis 334, 1029 Megara (Stadt) 184, 188, 849, 1036 Megara (Tochter des Kreon) 162, 819 Megareus 849, 917 Megaris 849 Meilanion 916 Meineid (Horkos, d. h. Eid) 39, 633 Melanippe 355, 532, 803f. Melanippos (Geliebter der Komaitho) 95 (geliebten Jünglings), 299 (geliebten Jünglings), 726f.

1152

Register der mythologischen Namen und Orte

Melanippos (thebanischer Heros) 231, 358, 854, 1052 Meleagros 70, 172, 179–181, 229, 335, 354f., 534, 637, 687, 832, 845f., 916, 1048, 1059 Meliai (Meliae) 21, 607 Melikertes (Melicertes) 225 Melpomene 196f., 199, 866 Memnon 80, 215, 702f., 899, 931 Memphis 365–367, 735f., 942, 1063 Menelaos 92, 236, 239f., 304, 350, 670, 722, 922, 925f., 939 Menios 805f. Menoikeus 917 Menoitios (Menoetius; Hades’ Hirte) 812 Menoitios (Menoetius; Titan) 21, 30, 619f., 833 Menoitios (Menoetius; Vater des Patroklos) 172, 240, 831, 833 Mercurius 59–61, 72, 106–111, 114, 119, 131f., 136, 147, 206, 240, 243, 245, 251, 270, 278, 304, 320–327, 334, 341, 348, 354, 532, 534, 556, 578, 654, 742f., 749, 780, 947, 969, 978, 982–984, 994–996, 1053; s. auch Hermes Messene 916 Messenien 669, 820, 832, 916 Mestor 143, 523, 794 Metaneira 333 Metidike 916 Metis 28f., 50, 55, 61, 277, 617f., 673, 784 Mezentius 347, 1040 Mideia 794 Milet 905 Mimas 25, 275f., 613, 986 Min 885 Minerva 29, 50, 60–62, 69, 78, 84, 86–94, 100, 103, 127 (Göttin der bildenden Künste), 128, 136f., 139, 151, 184, 224, 238–241, 244, 275, 276 (Pallas), 277, 285–289, 305, 307–310, 312f., 339, 346, 351, 358, 459, 503, 510, 518, 532, 534, 546f., 554f., 558f.,

575, 578, 618, 625, 713–716, 737f., 752f., 785, 803, 968f., 978, 982f., 986 (Palladis), 988; s. auch Athene Minos 65, 182–186, 189f., 193, 240, 279, 510, 534, 679, 847–850, 906, 919, 1036 Minotauros 183f., 189–191, 848 Minyeios 806 Minyer 819 Mnemosyne 20, 52, 61, 196, 278, 499, 533, 607, 654f., 674, 865, 869 Mnesimachos 916 Moiren 632, 636f., 658, 838; s. auch Parzen Molosser 352, 861 Momos 632; s. auch Tadelsucht Mons Sacer 363 (heiligen Berge), 1057 Mopsos 1053 Morea 780; s. auch Peloponnesos Morpheus 39, 635 Moses 847 Mühe (Ponos) 39, 633 (mühselige Arbeit) Musen 52, 61, 81f., 84, 94, 145, 196–201, 278, 290, 298, 301, 313, 350, 359, 499, 532, 534, 536f., 540, 545, 559, 570 (neufs soeurs), 574, 579, 647f., 655, 674, 705f., 709, 711, 726, 865–871, 873f., 905, 991, 1043, 1053 Mygdon 804 Mykene (Mycene) 126, 139, 143–145, 147f., 150, 153f., 234, 235 (Königsstadt), 236, 237 (seine Heimath), 238, 360, 523, 656, 771, 787f., 804, 921, 923, 1043 Myrrha 217, 343, 901 Myrtilos 233 Myrtoisches Meer 233 Mysien 804, 813 Nacht (Nyx) 20, 38–40, 44, 51, 53, 57–59, 136, 155, 248, 338, 357, 484, 531, 533, 539–541, 545, 548, 553, 599, 606, 631–634, 643, 654, 658, 666, 1042 Naiaden 157, 203f., 813, 879, 882, 919

Register der mythologischen Namen und Orte Nasonen 815 Nausikaa 717 Naxos 189, 756, 857 Neaira 646 Neapel 871, 940, 1039 Neikea 633 (Hader, Zänkereyen) Neleus 169, 172, 829, 831f. Nemea 824 Nemeische Spiele 708, 916 Nemeischer Löwe 57, 148, 150, 151 (den Löwen), 153 (den Löwen), 166, 534, 667, 798f., 801 Nemesis 38, 59, 533, 540, 545, 632, 657, 672, 752 (Rhamnusia), 827 Neoptolemos (Pyrrhos) 933 Nephele 170 Nephthys 1060 Neptunus 23, 25f., 29, 49, 55, 60, 64, 68f., 82–85, 87, 96, 134, 137, 153, 157, 161, 167, 169, 175, 178, 183, 192, 194, 231, 240, 245, 270, 273, 275, 289–292, 345, 360, 362, 503, 518, 532, 534, 559, 571, 581, 675f., 707f., 712, 794, 805f., 838, 968, 978, 982, 984, 990; s. auch Poseidon Nereiden 55, 137, 220, 292, 341, 362, 662f., 990, 1054 Nereus 54f., 82, 220, 239, 518, 533, 541, 571, 659–661, 663, 706, 906 Nessos 163f., 800, 820, 823, 860 Nestor 133, 162, 172, 240, 710, 770, 782, 819, 832, 926, 928 Nike 652, 750; s. auch Sieg, Victoria Nil, Nilus 365, 942, 1032, 1059, 1064 Nilupolis 367 (Nilstadt), 1063 Niobe 95, 246, 300, 360, 534, 701, 936 Nisa 183f., 849 Nisos 183, 849 Notos 644 Notwendigkeit 42, 638, 642; s. auch Eimarmene

1153

Numicus 347, 1056 Numidien 784 Nykteis 225 Nykteus 225, 359 (ihrem Vater), 911, 1053 Nymphen 13, 21, 23, 48, 57, 63, 94, 97, 114, 117, 154, 203–206, 208, 215–217, 220, 246, 272, 284, 294, 301, 305, 315, 338, 341f., 344, 346, 354, 362, 534, 606, 609, 646, 659, 681, 724f., 761, 868, 873, 879–883, 900f., 985, 991, 994, 1032, 1034, 1038, 1055 Nysa 115, 756 (Nyssäischen Gipfel), 757 Odysseus (Ulysses) 41f., 47, 79f., 84, 88f., 162, 240, 243–245, 250, 288, 295, 338f., 341, 348, 351f., 448, 581, 639f., 644–646, 650, 681, 701f., 716–718, 749, 768, 783, 793, 824f., 842f., 921, 926, 928, 931, 933–936, 945, 983, 1034, 1040, 1043, 1046 Ogygia 934 Ogygos 67f., 533, 540, 683 Oibalos (Oebalus) 218, 826, 902 Oichalia (Oechalia) 163f., 820, 822, 895 Oidipus (Oedipus) 142, 226–228, 231, 233, 534, 668, 913–915, 918 Oileus 351, 1044 Oineus (Oeneus) 163, 180, 229, 337, 354, 823 (mein Vater), 845, 1048 Oinomaos (Oenomaus) 233, 235, 920 Oite (Oeta) 165 Oizys 632; s. auch Kummer Okeaniden 50, 55 (Töchter des Ocean), 533, 619, 651f., 655, 666, 859, 1054 Okeanos (Oceanus) 20f., 26, 28, 49–51, 54–59, 60 (Meer), 61, 63, 68, 82, 154, 201, 274, 277f., 284, 337, 354, 360, 495, 518, 533, 545, 573, 581, 607f., 612, 616, 618, 650–653, 658f., 664, 666, 669–671, 695, 706, 809, 830, 874, 938f. Okypete (Ocypete) 56, 174, 664 Olympia 126f., 534, 634, 772f., 798, 861, 875

1154

Register der mythologischen Namen und Orte

Olympos (Berg) 24, 29, 47, 64, 73, 77, 81f., 84, 86, 90f., 109–111, 126f., 145f., 161, 166, 274, 276, 279, 285f., 296, 298, 308f., 324, 326, 507, 578, 605, 611f., 616, 618, 625, 652, 662, 671, 675, 678, 692, 697, 699, 705, 710, 713, 719–721, 725, 744, 749, 752, 757, 796, 817f., 866–868, 878, 898, 984, 988, 995 Olympos (Musiker) 335 Omphale 164, 821f. Opheltes 708, 916; s. auch Archemoros Ops 741 Orchamus 219 Orchomenos 341, 727, 819f., 919, 1034 Orcus 40 (Schattenwelt), 47, 64, 69, 97f., 130, 136, 160, 166, 168 (Schattenreich), 242f., 255, 257, 314, 316, 340f., 534 (Schattenwelt), 539 (Schattenwelt), 685, 825; s. auch Hades, Unterwelt Oreaden 203, 879 Orestes 236–238, 251, 921–923 Orion 618 Orithyia 355, 1024 Oromedon 25, 275, 613 Oropos 916, 1052f. Orpheus 130, 131 (den Dichter), 172, 177, 210, 335, 534, 537, 575, 778, 797, 811, 832–834, 842, 892f. Orsilochos 670 Orthos 57, 154, 667f., 808 Ortygia 354, 701, 1048 Osiris 365, 367, 741, 752, 758, 760, 763, 886, 902, 942, 1060, 1064 Ossa 29, 84, 618 Othrys 24, 274, 611 Otos 29, 618 Otrera 803 Paestum 918 Pagasitischer Golf Paieon 817

829

Paktolos 991 Pallas (Sohn des Pandion) 189, 855 Pallas (Titan) 21, 50f., 56, 652, 715 Pan 206f., 256, 534, 741, 780, 882, 884–887 Panakeia 896 Pandaros 253 Pandion 187, 686, 849 Pandora 34f., 532, 620, 626–629 Pandrosos 351 Paphlagonien 948 Paphos 128, 303f., 774f., 994 Paris 54, 88, 92, 167, 238f., 243, 245, 285 (Hirt auf Idas Gipfel), 304, 341, 350, 644, 659, 661, 697, 722, 772, 924f. Parnassos 35, 52, 123f., 197, 298, 629, 868f. Parrhasien 885 Parthenopaios 229–233, 916 Parzen 38, 40–43, 53, 59, 143, 181, 211, 343, 354, 515, 631f., 635–637, 894, 908; s. auch Moiren Pasiphae 183, 194, 807, 848, 850, 862 Patrai 726f. Patroklos 41, 172, 240, 242f., 245, 340f., 639, 819, 833, 926, 928–930 Pegasos 57, 83, 85, 137, 140–142, 197, 290, 362, 666f., 707, 711, 786, 788, 790, 868 Peirithoos (Pirithous) 133, 156, 172, 180, 192f., 248, 352, 782, 811, 831, 833, 846, 860f., 921, 940, 1045 Peitho (Pitho) 192, 859 Pelasger 671, 736, 766f., 835, 989 Peleus 55, 171, 180, 182, 220f., 238, 240, 243, 335, 338, 341, 346, 505, 534, 714, 817, 832, 847, 862, 905–907, 924 Pelias 159, 169–171, 178f., 335, 343, 829f., 832, 842–844, 1030 Pelion 29, 169, 171, 618, 929 Pellene 613 Pelopeia 236 Pelopiden 233, 534, 540, 788, 919f., 1043

Register der mythologischen Namen und Orte Peloponnesos 68, 234, 669f., 684, 687, 762, 770, 775, 779f., 799f., 806, 811, 837, 842, 852–854, 885, 903, 994, 1048 Pelops 187, 233–235, 238, 253, 788, 794, 948 Pemphredo 57, 665 Penaten 208, 534, 889 Peneios (Peneus) 58, 219, 669, 805f., 904 Penelope 245, 681, 743, 935 Penthesileia 356, 804, 931 Pentheus 115f., 224, 535, 758, 911 Perdix 850 Perigune 854 Perimele 1032 Periphetes 188, 853 Perse 830 Persephone (Proserpina) 64, 89, 97–99, 100 (verlohrne Tochter), 156, 193, 249, 257, 314, 316f., 352, 558 (verlohrne Tochter), 645, 677, 684, 718, 729–731, 752, 861, 942f., 969, 983 (ihrer Tochter), 997, 1045 Perses 21, 48, 51, 56, 608, 649 (Perseus), 652 Perseus 57, 64, 69, 83, 134, 136–141, 143, 146, 149, 157, 179, 278, 342, 362f., 504f., 523, 534, 537, 589, 666, 678, 685, 693, 707, 783, 785–790, 793f., 796, 813f., 862, 1056 Persien 901 Pessinus 112, 752–754, 836 Phaethon 221, 247, 532, 534, 645, 792, 878, 937, 939 Phaethusa 247, 532, 646, 938 Phaiaken (Phäaken) 42, 84, 177f., 245, 352, 640, 650, 719, 842f., 935, 1046 Phaidra (Phädra) 193f., 861f. Phantasos 635 Phegeus 334f. Pherai 670, 704 Philemon 132, 781 Philoktetes 165, 240, 243, 824, 924, 926f.

1155

Philomele 130, 718, 778, 825, 1020 Philotes (Liebe) 632 Philyra 59, 671 Philyris 671 Phineus (Bruder des Kepheus) 138, 362, 787, 836 (Verlobten der Andromeda) Phineus (König von Salmydessos) 174, 177, 836f. Phlegräische Gefilde, Phlegra 25, 275, 613f. Phlegyas 254, 348, 534, 950 Phlegyer 950 Phobetor (Eikelos) 635 Phönix 1042 Phönizien 137, 224, 536, 736, 756, 786, 902 Phoibe (Phoebe; Leukippide) 167, 828 Phoibe (Phoebe; Titanide) 20f., 47f., 61, 278, 607, 1023 Phoinike 685 Phoinix 845 Phokis (Phocis) 237, 333, 770, 868 Phonoi 633 (Mord) Phorbas 226, 805, 913 Phorkys 54, 57f., 141, 143, 149, 155, 533, 659, 665f., 790, 793, 799 Phoroneus 68, 684 Phosphoros 644 Phrixos 170, 830 Phrygien 132, 215, 534, 751–753, 781, 899, 948 Phyleus 152 Pieria 109, 197, 323, 865, 869 Pieriden 709, 711, 869 Pieros 709, 711, 746, 869 Pimpleia 197, 868 Pindos 197, 337, 868 Pirien 705 Pisa 233, 806 Pittheus 187, 852 Planktai 437 Pleione 672

1156

Register der mythologischen Namen und Orte

Pleisthenes 234 (einen Sohn), 235 (einen Sohn), 919 Pleuron 846, 1048 Plexippos 846 Pluto 23, 25, 28, 49, 60, 64, 97–99, 105, 111, 155f., 161, 193, 211, 248–251, 273, 275, 277, 315f., 326, 343, 348, 352, 534, 540, 611, 650, 728f., 941, 943f., 946, 1035; s. auch Hades Pluto (Nymphe) 948 Po 938 Podaleirios 212, 240, 349, 895, 926 Podarkes 158, 532, 814 Poias (Poeas) 165, 824 Poine 632 Pollux 65, 166–168, 171, 173, 180, 239, 278, 335, 534, 678f., 693, 827f., 833f., 920 Polybos 226, 913 Polydektes 136, 138, 787 Polydeukes 678f., 693, 827f., 833, 920; s. auch Pollux Polydoros 224f., 911 Polyhymnia 197, 199, 532, 866f., 870 Polyneikes (Polynices) 228–233, 240, 344f., 534, 708, 914f., 917 Polypemon 855; s. auch Damastes Polyphemos 55, 84, 220, 244f., 341, 650, 660, 711, 782, 934f. Polyphontes 231 Polyxena 661, 933 Pompeji 822, 856, 871 Pontos 20f., 53f., 56f., 82, 350 (Meer), 533, 606, 658f., 669, 706 Pontos Euxeinos 334, 338 (Pontus), 1028; s. auch Schwarzes Meer Porevith 1009 Porphyrion 25, 275f., 613, 986 Poseidon 495, 503, 616, 618, 650, 662f., 666, 670, 673, 689f., 706–712, 728 (Erderschüttrer), 785, 813–815, 829, 838, 843, 848, 851f., 859, 880, 924, 935, 941, 990, 1007, 1032, 1036, 1038, 1044f., 1054f., 1058; s. auch Neptunus

Priamos 88, 158, 215, 238f., 241–244, 339–341, 346, 350f., 356, 772, 814, 884, 925, 930, 934, 1038 Priapos 209, 534, 741, 890f. Proitos (Proetus) 136, 138–141, 333, 788, 790 Prokne 778, 1020 Prokris 246, 247 (unglückliche Gattin), 534, 937 Prokrustes 188f., 854 Prometheus 21, 29–32, 34–37, 50–53, 60, 66f., 102f., 133, 142f., 160f., 211, 220, 313, 533f., 540, 575, 602, 609, 618–621, 624–631, 651, 655f., 665, 680f., 684, 691, 732, 737, 816f., 833, 907, 948f. Proteus 59, 533, 670f., 734, 736, 939, 1043 Psophis 334 Psyche 255–257, 534, 539f., 542, 545, 549, 559, 752, 811, 874, 952–954, 1019, 1035 Ptah 735 Pteleon 916 Pterelaos 143f., 146, 353, 360f., 796 Pylades 237, 921f. Pylos 124, 133, 298, 670 (der Pülier Erde), 770, 782, 832 Pyriphlegethon 249, 943, 1033 Pyrrha 35, 52, 629, 655, 680 Pyrrhos (Neoptolemos) 244, 338, 933 Pythia 81f., 124f., 148, 187, 502, 655, 705f., 770f., 949 Pytho 81, 298, 705, 998; s. auch Delphi Python 82, 124, 668, 698, 705 Remus 336, 1031 Rhadamanthys 182, 847, 906, 1036, 1047 Rhea 20, 22f., 59, 61, 63f., 81, 83, 97, 111f., 271, 273, 285, 291, 293, 314, 607, 609, 611, 623, 650f., 671, 704, 741, 750f., 777, 988 Rhodope 760f. Rhoikos (Rhoecus; Heros) 880, 986

Register der mythologischen Namen und Orte Rhoikos (Rhoecus; Kentaur) 986 Rhoitos (Rhoetus) 25, 275f., 613, 986 Rom 159, 349, 363, 592, 597, 602, 615, 623, 636, 695, 713, 717, 737, 739, 753, 777, 803, 815, 828, 853, 857, 871, 879, 882, 897, 904f., 932, 938, 943, 946, 953, 998, 1031, 1041, 1057 Romulus 336f., 852, 1031 Rutuler 347, 1039 Sais 753 Salamis 352, 995, 1045 Salmoneus 168f. Salmydessos 174, 836f. Samos 85, 291, 361, 711, 772, 851, 986, 1055 Samothrake 102, 172f., 736, 834 Sangaris 215 Sarapis (Jupiter Serapis) 105, 249, 251, 366, 532, 741, 942, 1065 Sarmaten 1049 Saronischer Golf 854 Sarpedon 41, 242, 340, 639, 929 Saturnia 27, 615 Saturnus 20–27, 37, 45, 49, 59, 61–64, 72f., 83, 97, 102, 111f., 196, 210, 271–275, 282, 291, 314, 321, 510, 544, 584, 607f., 614f., 644, 671, 673, 691, 741, 906, 980, 985, 987; s. auch Kronos Satyros, Satyrn 117f., 198, 202, 204–206, 208, 509, 534, 574, 761, 780, 876, 880–882, 884, 887f. Schlaf (Hypnos) 38–40, 484, 539, 631–635, 639, 690 Schoineus (Schoeneus) 180, 846 Schrecken (Deimos) 91, 309, 720 (Graun), 950 Schwarzes Meer 836f., 840f., 1028f.; s. auch Pontos Euxeinos Selene 46–48, 495, 533, 545, 608, 623, 645, 648, 904; s. auch Luna

1157

Semele 62–64, 69, 114, 224, 278, 284, 676 Seriphos 136, 138, 788 Sibylla von Cumae 347, 944, 946, 1039 Sibylla von Tibur 352 Sibyllen 1046 Sidon 685 Sieg (Nike) 50, 111 (Siegesgöttin), 988 (Siegesgöttinn); s. auch Victoria Sigeion 352, 1045 Sikyon (Sicyon) 225, 359, 671, 990, 1036, 1041 Silenos (Silenen) 117f., 120, 532, 761, 765, 876f., 880, 882, 884 Silvanus 207, 534, 574, 887 Simoeis 210, 362, 894, 1055 Sinis 188, 854 Sinon 244, 931 Sipylos 246, 936f. Sirenen 41f., 177, 198, 245, 337, 574, 638, 640, 842, 934, 1019, 1032 Sisyphos 140f., 168, 254f., 471, 505, 534, 789, 825, 859, 937, 949, 951 Sizilien 46, 129, 184, 186, 220, 341, 352, 616, 645, 752, 776, 851, 884, 1040, 1048 Skamandros 58, 103, 210, 312, 669, 894, 969 Skiron 188, 854, 1037 Skylla (Scylla; Tochter des Nisos) 183 Skylla (Scylla; Ungeheuer) 79, 177, 245, 294, 842, 849, 934 Skyros (Scyrus) 194f., 338, 863 Smyrna 901 Sol 895, 903, 937; s. auch Helios Solymer 791f., 935 Spanien 808f. Sparta 126, 236, 239, 771, 861, 903 Spercheios 820 Sphinx 58, 142, 154, 227, 233, 532, 558, 667f., 791, 808, 914, 918, 1019 Stärke (Kratos) 50f., 274, 652 (Kraft) Steropes 20, 606

1158

Register der mythologischen Namen und Orte

Stheneboia 790 Sthenelos (Sohn des Kapaneus) 240, 926f. Sthenelos (Sohn des Perseus) 139, 143–146, 523, 796, 927 Stheno 57, 137, 666, 707 Stichios 1023 Stilbe 669 Strophaden 174, 665, 837 Strophios 237 Stymphaliden 151, 534, 802 Stymphalos 151, 802 Styx 50f., 55, 110, 156, 247, 249, 274, 325, 338, 652f., 661, 665, 748, 938, 943, 945f., 954, 967, 1050 Symplegaden 174f., 837f., 842 Syrakus 1048 Syrie 701 Syrien 754, 902 Syrinx 206 Tadelsucht 39, 632; s. auch Momos Tag (Hemera) 20, 38, 44, 51, 350, 356 Tainaron (Taenarum) 156, 248, 811 Talaos 916 Talos 185f., 850 Tammuz 902 Tanais (Don) 841 Tantaliden 908 Tantalos (König in Kleinasien) 233, 235, 246, 252f., 360, 505, 534, 948f., 1054 Tantalos (Sohn des Thyestes) 919 Taphios 143, 794 Taphische Inseln 143f., 794 Taphos 143, 794 Tartaros 20–22, 24, 27f., 30, 51, 64, 109, 248, 251–254, 273f., 277, 324, 346, 448, 534, 560, 574, 605, 609, 616f., 643, 653, 659, 677, 719, 939, 941, 946, 950, 954 Tauris 234, 237f., 240, 923 Tegea 846

Teiresias (Tiresias) 353, 795, 934 Teisiphone (Tisiphone) 251, 338, 947 Telamon 158, 172f., 180, 240, 335, 346, 351, 832 Teleboer 794 Telemachos 245, 717, 743, 935 Telephos 845, 907 Telesphoros 212, 895f. Tellus 742, 749; s. auch Erde, Gaia Tempe 302, 994 Tereus 130, 778, 1020 Terpsichore 197, 199, 866, 870 Tethys 20f., 49, 55, 59, 360, 607, 618, 651f., 659, 664, 669f. Teukros (Teucer) 581, 946 Teuthras 783 Thalestria 1050 Thalia (Grazie) 50, 201, 651, 874 Thalia (Muse) 196f., 199, 866 Thamyris 199, 870 Thaumas 54, 56, 76, 174, 533, 659, 663f. Thebe 68, 683 Theben (Ägypten) 121, 691, 703 Theben (Griechenland) 62, 69, 90, 115, 144, 162, 223–232, 246, 284, 308, 344f., 352, 358–361, 534, 536, 540, 683, 708f., 719, 795f., 815, 819, 905, 908f., 911f., 914–917, 927, 1046f., 1053 Theia (Thia) 20f., 46, 607f., 644, 645 (Euryphaessa) Themis 20, 35, 52f., 61, 81, 92, 124, 202, 278, 282, 293, 305, 533, 545, 607, 619, 629, 632, 655–658, 704, 769, 906, 987 Themiskyra 804 Thera 843 Thermodon 152, 192, 355, 804 Thermopylen 359, 686, 1052 Thersandros 232, 240, 926f. Theseus 69, 133f., 152, 156, 167, 172, 180, 184, 186–195, 232, 239, 248, 352, 355f., 486, 504–506, 534, 686, 774, 782, 787, 803,

Register der mythologischen Namen und Orte 808, 811, 831, 833, 848f., 852–863, 921, 940, 1045 Thesprotien 248, 338, 940 Thessalien 70, 169, 172, 192, 211, 253, 348, 669, 704, 820, 829, 1040 Thestios 166, 181, 354, 846, 1048 Thetis 29, 55f., 103, 115, 160, 210, 220, 238, 241f., 338–340, 354, 356, 607, 618, 651, 659–661, 663, 695, 732–734, 757, 784, 817, 832, 842, 863, 894, 900, 905–907, 924, 928 Thoas (König von Tauris) 234, 238, 920, 922f. Thoas (Sohn der Hypsipyle) 173, 835 Thoas (Vater der Hypsipyle) 172, 230, 835 Thrakien 115, 117, 130, 153, 173f., 199, 333, 348, 534, 536, 721, 760f., 777f., 836, 1040 Thrinakie 645f., 934 Thryon 916 Thyestes 234–236, 919f. Tiber 27, 159, 318, 347, 349, 1039, 1041 Tibur 352 Tiburnus 1046 Tiphys 172, 175, 361, 834, 838 Tiryns 139, 532, 787f., 821 Titane 1041 Titanen 20–30, 33, 46f., 48–52, 56, 59–61, 64, 66, 90 (Uranos Söhne), 223, 248, 273–275, 278, 308 (Uranos Söhne), 338, 346, 485, 560, 575, 578, 607, 611–616, 620, 646, 650, 652–656, 671, 677, 719, 833, 886, 941, 948f., 987 Tithonos 215f., 305, 362, 534, 702, 899f. Tityos 628, 948 Tod (Thanatos) 38f., 539, 626, 632–635, 639, 793, 905 Tomoi 334, 840, 1028f. Trachis 165, 822, 824 Träume (Oneiroi) 38f., 632 Trikka 895 Triphylien 770

1159

Triptolemos 98, 182, 316, 318, 693, 702, 730, 847, 906, 997 Triton 178, 360, 662f., 843, 1054 Troas 173, 669, 697, 766, 830, 1045 Troja 41, 49, 54f., 77, 83–85, 88f., 92f., 95, 103, 121, 126, 133f., 157f., 172, 213, 221, 237–241, 242 (die Stadt), 243f., 286f., 290f., 304, 307, 312, 338f., 341, 346, 350–352, 356, 362, 448, 534, 540, 659, 661, 669f., 677, 690, 696, 702, 722, 771, 813f., 817, 824, 830, 832f., 835, 846, 863, 894f., 900, 922–924, 926–928, 930f., 933f., 946, 1012, 1043f. Troizen (Troezen) 187f., 852f., 922 Tros 213, 894, 897, 928 Turnus 347, 1038 Tydeus 180, 229–233, 240, 344, 845, 1052 Tyndareos 166, 236, 826, 920 Typhoeus, Typhaon, Typhon 28, 57, 277, 532, 616f., 667f., 709, 886, 967, 982, 986, 1060, 1064 Tyro 169, 828 Tyros 69, 685 Tyrrhener 1040 Tyrrhenisches Meer 1040 Unterwelt 653, 729, 731, 749, 752, 778 (Welt der Schatten), 793, 810, 812, 825, 847, 861, 901, 906, 921, 938–940, 943f., 948, 954, 1033, 1039, 1045; s. auch Hades Urania 197, 199, 250, 545, 866, 870 Uranos 20–22, 23 (Himmel), 24–26, 42, 45, 49 (Himmel), 52 (Himmel), 53, 54 (Himmel), 60 (Himmel), 90, 111, 196 (Himmel), 271 (Himmel), 273–275, 278, 308, 350 (Himmel), 571 (ciel), 606 (Himmel), 607–609, 611, 613f., 617, 644, 650, 655, 719, 741, 865, 947, 1023 (Himmels) Velabrum 336, 1031 Velichi 338, 1035

1160

Register der mythologischen Namen und Orte

Venus 45, 49, 78, 86, 88, 90–95, 101, 104, 119, 128f., 135, 166, 173, 182f., 186, 191, 194, 216f., 238–240, 256f., 285–287, 302–308, 311f., 341, 343f., 346, 357, 361f., 364f., 532–534, 540, 545, 559, 570, 645, 678, 721, 738, 752, 762, 775, 784, 856, 859, 874, 902, 968f., 978, 980, 982, 994f., 1034f.; s. auch Aphrodite Verhängnis, schwarzes (Ker melaina) 42 Vesta 23, 60, 63, 94, 97, 104–106, 273, 314, 318–320, 321 (Saturnus Tochter), 532–534, 537, 546, 677, 732, 739–742, 969, 974, 977f., 982, 1053; s. auch Hestia Vestalinnen 740 Victoria 127, 286, 338; s. auch Nike, Sieg Volupia 1057 Vulcanus 45, 62, 90, 100–104, 115, 119, 129, 175, 240, 242, 275f., 281, 308, 310–313, 319, 340, 503, 532, 534, 546, 581, 732, 736–739, 891, 969, 978, 982, 986f., 996; s. auch Hephaistos Xuthos

687

Zelos 652; s. auch Kampf Zephyros 255f., 297, 644, 903, 953 Zetes 171, 174, 832

Zethos 226, 335, 359, 912, 1053 Zeus 483f., 503, 509, 518, 581, 599f., 609–611, 616–620, 625–628, 631f., 639, 644, 646 (Kronion), 647, 649–656, 658, 660f., 662 (Kronion), 663f., 667, 672–679, 681, 683, 688–693, 695–697, 701, 703f., 705 (Kronions), 707, 710, 711 (Kronion), 712, 713 (Kronion), 714, 716, 717 (Kronions), 719f., 723 (Vater der Götter und Menschen), 724, 725 (Kronions), 726, 727 (Kronions), 732, 735, 737, 739, 742 (Kronions), 745–748, 749 (Kronions), 751, 757, 763, 765f., 768f., 772, 780f., 783 (Sohn des listigen Kronos), 784, 787, 793, 795–799, 806, 813, 816–818, 823, 825, 827f., 847, 861, 865f., 867 (Kronion), 869, 873–875, 878 (Kronion), 884, 894, 897f., 901 (Kronion) 906, 917, 920, 928, 929 (Kronions), 930 (der Vater), 935, 939, 941f., 948–950, 954, 980, 982, 985, 987f., 998f., 1036, 1038, 1044, 1049, 1051; s. auch Jupiter Zweideutigkeiten (Pseudea) 39, 633 (teuschende Wort’, Lügen) Zypern 128, 303f., 306, 344, 361, 534, 656, 724, 774, 873, 901, 968, 994f.