Sinnhaft führen: Mehr Leistungsfreude mit weniger Führungsaufwand [2. Aufl.] 9783658298678, 9783658298685

Dieses Buch liefert grundlegendes Wissen zum Thema Führung, um eine sinnstiftende Motivation bei Mitarbeitenden zu errei

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German Pages XI, 187 [193] Year 2020

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Sinnhaft führen: Mehr Leistungsfreude mit weniger Führungsaufwand [2. Aufl.]
 9783658298678, 9783658298685

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XI
Mitarbeiterführung – immer wieder eine Herausforderung (Uta Rohrschneider)....Pages 1-6
Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“ (Uta Rohrschneider)....Pages 7-31
Führungskräfte sind auch nur Menschen – oder: Der Einfluss unserer Motive auf unser Führungsverhalten (Uta Rohrschneider)....Pages 33-73
Kennen Sie Ihre Mitarbeiter – was motiviert sie wirklich, wann erleben sie ihre Leistung als sinnvoll? (Uta Rohrschneider)....Pages 75-100
Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen für motivierte Mitarbeiter (Uta Rohrschneider)....Pages 101-122
Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele für gezielte individuelle Führung (Uta Rohrschneider)....Pages 123-133
Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen (Uta Rohrschneider)....Pages 135-161
Beschreibung der 16 Motive (Uta Rohrschneider)....Pages 163-186
Back Matter ....Pages 187-187

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Uta Rohrschneider

Sinnhaft führen Mehr Leistungsfreude mit weniger Führungsaufwand 2. Auflage

Sinnhaft führen

Uta Rohrschneider

Sinnhaft führen Mehr Leistungsfreude mit weniger Führungsaufwand 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

Uta Rohrschneider grow.up. Managementberatung GmbH Gummersbach, Deutschland

ISBN 978-3-658-29867-8 ISBN 978-3-658-29868-5  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Ursprünglich erschienen unter dem Titel „Macht, Neugier, Team ...“. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2011, 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Winter Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Mitarbeiterführung ist für mich persönlich eine sehr wichtige Aufgabe. Aus eigener Erfahrung, aber auch aus der Zusammenarbeit mit vielen Hundert Führungskräften weiß ich, dass es eine Aufgabe ist, die immer wieder neue Herausforderungen birgt und neue Fragen aufwirft. Wir haben es eben nicht mit Maschinen, die einfach funktionieren und repariert werden können, sondern mit Menschen zu tun. Und diese Menschen haben alle ihre eigenen Erwartungen und Wünsche an das Unternehmen, ihre Aufgaben und ihre Führungskräfte. Heute erscheint es oft noch wichtiger, die Anliegen unserer Mitarbeiter zu hören und in unserem Führungshandeln zu beachten. New Work stellt neue Anforderungen. Arbeit soll Sinn geben, Spaß machen, motivieren und vieles mehr. Diese zu erfüllen, ist anspruchsvoll, es muss uns als Führungskraft dennoch in gutem Umfang gelingen, wenn wir eine leistungsbereite Mannschaft aufbauen und festigen wollen. Als Führungskräftetrainerin und Managementberaterin sind mir die verschiedensten Tools und Instrumente zur Mitarbeiterführung bekannt. All diese Tools werden etabliert, um die Führungskräfte in Unternehmen in ihrer Führungsarbeit zu unterstützen. Dies tun sie auch in vielen Fragen der Mitarbeiterführung. Aber sie haben auch ihre Grenzen. Diese Grenzen spüren Sie z. B. sehr deutlich, wenn Ihre Mitarbeiter davon reden, dass sie in ihrer Arbeit einen Sinn sehen wollen. Aber was ist für den einzelnen Mitarbeiter sinngebend? Gute Geschäftszahlen sind es wahrscheinlich nicht. Es ist vielmehr das, was ihren Mitarbeiter in seinem Inneren befriedigt, das, was ihm Spaß und Freude bereitet. Das gibt ihm das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Dass das ein Forschungsprojekt, ein toller Prozessplan oder die Hilfe für Benachteiligte sein kann, ist wohl für viele leicht nachvollziehbar. Es ist aber noch viel mehr. Im Berufsleben ist es der Aspekt, dass mein Chef mich als Mensch, als Persönlichkeit sieht oder besser kennt und mich entsprechend behandelt. Sich auf den individuellen Mitarbeiter einzustellen und ihn als individuelle Persönlichkeit zu führen, ist eine beständige Anforderung an Führungskräfte, wenn sie dauerhaft Leistung von ihren Mitarbeitern haben wollen. Die Anforderung besteht in allen alltäglichen Fragen und Aktionen im Rahmen ihrer Führungsarbeit: „Wie finde ich für Mitarbeiter A die Ziele, die ihn motivieren? Wie kommuniziere ich so mit Mitarbeiter B, dass er mit Spaß an eine neue Aufgabe herangeht? Wie begleite ich Mitarbeiter C bei der Projektumsetzung so, dass er bis zum Ende mit Freude bei der Sache ist? Wie gebe V

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Vorwort

ich Mitarbeiter D richtig Feedback zu seinem Arbeitsfortschritt, ohne ihn zu verletzen aber doch wirksam zu sein?“ u.v.m. Um diese Fragen zu beantworten, brauchen Sie als Führungskraft ein Verständnis, ein Modell, für die Individualität und Persönlichkeit Ihrer Mitarbeiter. Erst dies ermöglicht es Ihnen, die oben gestellten Fragen zu beantworten. Ein Modell, welches Ihnen diese Unterstützung für das tägliche Führungshandeln bietet, ist das an der Universität Luxemburg entwickelte LUXXprofile. Es beschreibt die Persönlichkeit über Motive und Werte, die unser Handeln leiten. Damit ermöglicht es nicht nur ein umfassendes Verständnis für das eigene Handeln als Führungskraft und das Verhalten und Reagieren meiner Mitarbeiter. Es erlaubt, wie kein anderes Modell, das ich kenne, direkte Ableitungen zu der Frage „Was tue ich denn jetzt mit dem Mitarbeiter, wie führe ich ihn, wie kommuniziere ich mit ihm und was braucht er, um leistungsfähig zu sein?“. Dieses Buch soll Ihnen als Führungskraft das Rüstzeug für ein an der „Individualität“ Ihrer Mitarbeiter orientiertes Führungshandeln bieten. Ich habe versucht, theoretische Hintergrundinformationen so gering wie möglich zu halten und stattdessen anhand von vielen Beispielen aus der Praxis konkrete Tipps für Ihr tägliches, auf die Motivation Ihrer Mitarbeiter im beruflichen Kontext ausgerichtetes Führungshandeln zusammenzutragen. Aus meiner Arbeit mit Führungskräften weiß ich, dass Theorien zwar ein schönes Fundament bilden können, sie aber nur bedingt im Alltag helfen. Das Buch soll Ihnen einen handlungsorientierten und schnell umsetzbaren Leitfaden für Ihren Führungsalltag bieten und die Frage „Was tue ich jetzt?“ genau beantworten. Mein besonderer Dank gilt meiner Kollegin Ilona Haselbach, die mich maßgeblich bei der Erarbeitung des Buches unterstützt hat und so sehr wesentlich zum Gelingen des Buches beigetragen hat. Was bietet Ihnen das Buch: Kap. 1 bietet Ihnen eine Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Mitarbeiterführung und zeigt auf, wie und warum Ihnen die Kenntnis der 16 Motive Ihre Führungsarbeit deutlich erleichtert. In Kap. 2 erlangen Sie ein tieferes Verständnis zu der Frage „Warum leisten Menschen etwas?“. Sie gewinnen wichtiges Wissen zur Mitarbeitermotivation und lernen die Grundgedanken des LUXXprofile kennen. In Kap. 3 erfahren Sie, welchen Einfluss Ihre eigene Persönlichkeit und Motivstruktur auf Ihr Führungshandeln hat. Sie lernen anhand von vielen Beispielen, Ihre eigene Motivstruktur einzuschätzen und erfahren, wie Sie Ihr persönliches Führungshandeln weiterentwickeln können. Nach der Lektüre von Kap. 3 werden Sie die Motivstruktur Ihrer Mitarbeiter einschätzen und das richtige Vorgehen für ein individualisiertes und erfolgsführendes Führungshandeln ableiten können. Im Zusammenhang mit Kap. 3 werden Sie verstehen, warum Mitarbeiterführung bei dem einen Mitarbeiter für Sie sehr leicht ist, Sie bei

Vorwort

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einem anderen Mitarbeiter aber immer wieder vor neuen Herausforderungen stehen. Für diese Herausforderungen gewinnen Sie für die Zukunft konkrete Lösungsstrategien. Kap. 4 macht Sie mit den drei grundlegenden Wegen der Mitarbeiterführung vertraut und gibt Ihnen ganz konkrete Handlungshinweise für die verschiedenen Motivausprägungen. Sie wissen, wie Sie Mitarbeiter entsprechend ihrer Motivausprägung richtig steuern, sie richtig ansprechen, die Kommunikation mit ihnen gestalten und welche Aufgaben und Rahmenbedingungen für diese Mitarbeiter motivierend und leistungsfördernd sind. Mit Kap. 5 können Sie Ihre Kompetenzen anhand von konkreten Mitarbeiterprofilen weiter ausbauen und vertiefen. Ich beschreibe die Motivprofile von unterschiedlichen Mitarbeitern und verdeutliche, was in der Führung dieser Mitarbeiterpersönlichkeiten wichtig ist. Mit Blick auf die Mitarbeitermotivation geht Kap. 6 explizit auf bestimmte Führungssituationen ein. Beantwortet wird die Frage, was Sie bei der Gestaltung von Rahmenbedingungen alles beachten können, was bei der Aufgabendelegierung und beim Feedback besonders wichtig ist und wie Sie Konflikte im Team vermeiden und lösen können. Da der Umfang eines Buches immer begrenzt ist, habe ich die Ausführungen zur Beschreibung einzelner Motive und deren Bedeutung für die Mitarbeiterführung in diesem Buch auf die im beruflichen Arbeitskontext besonders wichtigen Motive begrenzt. Das heißt nicht, das die nicht aufgeführten Motive nicht wichtig für unsere Motivation und Zufriedenheit sind, aber diese Motive können die meisten Menschen nur im Privatleben leben, viele Aufgaben bieten dafür nicht die Möglichkeit, und damit liegen sie nicht in Ihrer Verantwortung als Führungskraft. Gummersbach Januar 2020

Uta Rohrschneider

Inhaltsverzeichnis

1 Mitarbeiterführung – immer wieder eine Herausforderung . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Führungskraft – Zauberer in vielen Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2 Von try and error zur gezielten Mitarbeiterführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2 Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1 Mitarbeitermotivation – gar nicht so schwer zu verstehen . . . . . . . . . . . . . 8 2.2 Wann wird aus Aufwandserhöhung und Ertragsverlust Demotivation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.3 Das LUXXprofile. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.3.1 16 grundlegende Motive – Leistung für emotionale Bezahlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.3.2 Lebensmotive – die Bausteine der Persönlichkeit. . . . . . . . . . . . . . 24 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3 Führungskräfte sind auch nur Menschen – oder: Der Einfluss unserer Motive auf unser Führungsverhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.1 Selbstreflexion und Selbstkenntnis als Basis guter Führungsarbeit. . . . . . . 33 3.2 Feedback hilft, uns selbst und unsere Wirkung auf andere besser zu verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.3 Sich selbst kennen, reflektieren und verstehen – Ihr persönliches Motivprofil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.4 Auch Führungskräfte wollen emotionale Bezahlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.5 Das eigene Führungshandeln professionalisieren: Vom emotionalen Reagieren zum reflektierten Agieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3.6 Zwischen Galeere und Kuschelecke – die persönliche Verhaltensbandbreite ausbauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

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Inhaltsverzeichnis

4 Kennen Sie Ihre Mitarbeiter – was motiviert sie wirklich, wann erleben sie ihre Leistung als sinnvoll?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.1 Statt Incentives dauerhafte intrinsische Motivation wirksam werden lassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.2 Wie gut kenne ich dich? – Die Motivation der eigenen Mitarbeiter einschätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.3 Motivbeschreibungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 5 Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen für motivierte Mitarbeiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5.1 Die drei grundsätzlichen Wege der Führung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5.2 Wenn Führung plötzlich leicht wird – Mitarbeiter individuell führen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 6 Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele für gezielte individuelle Führung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 7 Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 7.1 Die richtigen Rahmenbedingungen für mehr Leistungsbereitschaft schaffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 7.1.1 Schön, dass ihr da seid. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 7.1.2 Hier fühle ich mich wohl, hier bin ich gern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 7.1.3 So wenig wie möglich, soviel wie nötig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 7.2 Delegieren – Die Kunst, die Lust auf eine Aufgabe zu übertragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 7.3 Feedback – des einen Freud, des anderen Leid. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 7.3.1 Kritik als Leistungskiller – Feedback für Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.3.2 Ohne Beweise keine Fehler – Kritik bei Mitarbeitern mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 7.4 Worum geht es wirklich? – Emotionale Verletzungen und Konflikte vermeiden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 8 Beschreibung der 16 Motive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Anhang: Erstellen Sie Ihr persönliches Motivationsprofil. . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Über die Autorin

Uta Rohrschneider ist Geschäftsführerin der grow.up. Managementberatung GmbH, Gummersbach. Nach ihrer langjährigen Tätigkeit in der Personal- und Führungskräfteentwicklung im Konzernumfeld und im Mittelstand berät sie seit 1997 Kunden in Fragen des Human Resource Management und der Konzeption, Implementierung und Umsetzung von Personal- und Organisationsentwicklungsprozessen sowie der Management-Diagnostik. In der Qualifizierung liegen ihre Schwerpunkte in den Bereichen Führung, Team- und Persönlichkeitsentwicklung. Als Coach unterstützt Uta Rohrschneider Führungskräfte bei der Übernahme herausfordernder Aufgaben sowie in beruflichen und persönlichen Veränderungsprozessen. In der Organisationsentwicklung liegen ihre Schwerpunkte in den Themen ­Unternehmens- und Führungskultur sowie in der Begleitung von Veränderungsprozessen. Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen nutzt Uta Rohrschneider heute in fast allen Projekten das LUXXprofile. „Zu oft habe ich erlebt, wie gute Ergebnisse aus Trainings und Workshops im Alltag schnell verpuffen, weil ihnen die emotionale Verankerung fehlt. Dafür ist mir meine Zeit heute zu schade. Mit allem, was ich tue, möchte ich auch immer dahin wirken, Menschen in Unternehmen eine nachhaltige Erkenntnis für mehr echte gegenseitige Achtung, Respekt und Wertschätzung zu geben. Mit dem LUXXprofile gelingt das sehr leicht“. Uta Rohrschneider ist zudem LUXXprofile Instructor, bildet regelmäßig LUXXprofile Master aus und leitet die LUXX Academy mit.

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Mitarbeiterführung – immer wieder eine Herausforderung

Um deutlich zu machen, warum Mitarbeiterführung in meiner Wahrnehmung eine herausfordernde Aufgabe ist und sich die Auseinandersetzung mit diesem Thema immer wieder lohnt, beginne ich mit einem kurzen Rückblick auf meine eigenen ersten Führungserfahrungen. Im Jahre 1993 habe ich zum ersten Mal Führungsaufgaben übernommen. Nicht in großem Umfang – aber immerhin war ich verantwortlich für einige Trainees und andere Mitarbeiter im Bereich Personalentwicklung. Theoretisch war ich auf diese Aufgabe gut vorbereitet. Als Personalentwicklerin hatte ich das nötige fachliche Wissen über Mitarbeiterführung. Auch Mitarbeitergespräche sollten „theoretisch“ keine allzu große Herausforderung darstellen, hatte ich doch kurz zuvor im Unternehmen im Rahmen meiner Aufgaben Mitarbeitergespräche und ein Mitarbeiterbeurteilungssystem eingeführt. Dazu gehörte auch die Erstellung von Unterlagen für Führungskräfte zum „Wie“ der Gesprächsführung. So weit, so gut – das Fundament war damit gesichert, nahm ich an. Dann war er da, der Tag, an dem ich mein erstes Mitarbeitergespräch führen sollte. Ich saß an meinem Schreibtisch, um mich auf das Gespräch vorzubereiten. Und da waren sie plötzlich, die Gedanken und Fragen: „Wie soll ich es dem Mitarbeiter sagen?“ und „Wie vermittle ich ihm positive und kritische Aspekte richtig?“. Schnell wurde mir klar, dass all mein theoretisches Wissen um die reine Methodik eines Mitarbeitergesprächs noch lange kein ausreichendes Rüstzeug darstellte, solche Gespräche auch wirklich gut zu führen. Mit gut meine ich, dass das Gespräch für Führungskraft und Mitarbeiter ein Gewinn ist und beide motiviert aus dem Gespräch gehen. Die Schwierigkeit bestand darin, die richtigen Worte für den Mitarbeiter zu finden, um das, was ich erreichen wollte, auch wirklich zu bewirken. Wie sollte ich den Mitarbeiter motivieren, anstatt ihn womöglich durch die falschen Worte zu verunsichern, zu verärgern oder zu demotivieren?

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Rohrschneider, Sinnhaft führen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5_1

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1  Mitarbeiterführung – immer wieder eine Herausforderung

Dies ist nun über 25 Jahre her und immer noch erlebe ich Mitarbeiterführung durchaus als ein Feld, in dem ich stetig Neues lernen kann und muss, weil Mitarbeiter mich einfach immer wieder vor neue Lernaufgaben stellen. Auch aus den vielen Führungskräftetrainings, Coachings und Gesprächen mit Führungskräften der unterschiedlichsten Ebenen weiß ich, dass die reine Methodik etwas ist, was leicht lernbar ist, dass damit jedoch nicht alle Herausforderungen im Umgang mit Mitarbeitern und in der richtigen Führung von Mitarbeitern zu lösen sind. Um die Anforderung, die Mitarbeiterführung an uns stellt, zu beschreiben, gefällt mir ein Zitat von Henry Ford am besten, der sagte: „Ich wollte immer nur Hände, bekommen habe ich einen ganzen Menschen.“ Ja, wir haben es immer mit dem ganzen Menschen zu tun, keiner lässt wesentliche Anteile seiner Persönlichkeit am Eingang des Unternehmens zurück. Als Verantwortliche sind wir gefordert, dies zu beachten. Heute haben wir eine scheinbar besondere Herausforderung dabei: New Work und ihre veränderten Anforderungen. In Wissen und Verhalten hat sich in den letzten 30 Jahren viel verändert. Junge Menschen, die ins Unternehmen kommen, haben etwas anderes gelernt, als die, die schon 20, 30 oder mehr Jahre dabei sind. Gesellschaft und Kultur haben sich weiterentwickelt. Da scheinen Welten aufeinander zu prallen. Verbinden wir die Ergebnisse moderner Hirnforschung mit den Diskussionen um New Work, entspannt sich die Situation wieder. Ja, es geht um verändertes Verhalten und Wissen und – daraus abgeleitet – veränderte Ansprüche an Unternehmen. Es geht nicht um eine Veränderung der grundlegenden, die Persönlichkeit des Menschen kennzeichnende Motivation. Folgen wir der modernen Hirnforschung, ist diese in unserer Biologie begründet. Die Biologie des Gehirns hat sich seit mindestens 50.000 Jahren nicht verändert. Die Motivation, die Menschen zu Leistung oder eben auch ins Burnout führt, ist die gleiche geblieben. Die Menschen, die wir führen wollen, sind unsere Herausforderung. Es geht nicht um die reine Anwendung von Methoden, sondern darum, „sich einzustellen“ auf unterschiedlichste Menschen mit all ihren Wünschen, Bedürfnissen, Anliegen, mit ihren Ecken und Kanten. Und an dieser Stelle stehen wir vor einer doppelten Herausforderung. Die erste besteht in Ihrer eigenen Persönlichkeit als Führungskraft: In Ihrer Rolle als Führungskraft agieren Sie nicht als eine neutrale Person. Sie bringen in all Ihrem Handeln Ihre eigene Persönlichkeit, Ihre eigenen Werte, Ihre eigene Geschichte und Ihr eigenes Streben nach etwas ein. Nicht anders ist es bei Ihrem Gegenüber, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch diese begegnen Ihnen mit ihrer eigenen Persönlichkeit, ihren Stimmungen, ihrer Geschichte, ihrem Privatleben, ihren Egoismen, ihren Bedürfnissen und allem, was zu einem Menschen dazugehört. Manchmal fällt uns die Führung ganz leicht. Das erleben wir, wenn Führungskraft und Mitarbeiter in ihren Persönlichkeiten sehr gut miteinander harmonieren und sich gut verstehen. Ernüchternd ist, dass das, was bei der Führung dieser Mitarbeiter so gut und einfach wirkt, bei anderen Mitarbeitern nicht greift. Gleichbehandlung heißt eben nicht „gleiche Behandlung“. Im Gegenteil: Bei der Mitarbeiterführung geht es nicht nur um die Anwendung von Methoden, sondern um eine viel komplexere Aufgabe, nämlich das

1.1  Führungskraft – Zauberer in vielen Situationen

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Führen, Steuern und Motivieren von Menschen in ihrer ganzen Vielfalt. Und auch ich gerate heute immer noch in Situationen, in denen ich denke: „Okay, dieses Verhalten ist mir neu, das kannte ich noch nicht … was ist jetzt der richtige Weg?“.

1.1 Führungskraft – Zauberer in vielen Situationen Wenn eine junge Führungskraft Führungsaufgaben übernimmt, ist dies meist besonders herausfordernd. Ich erlebe auch heute noch, dass neue Führungskräfte nicht auf ihre Führungsaufgaben vorbereitet oder dabei unterstützt werden. Scheinbar ist die Haltung, dass sie „die Führungsaufgaben dann mal ebenso nebenbei macht“ noch sehr verbreitet. Gerade auf der untersten Führungsebene sind die Anforderungen aber besonders groß! Es wird erwartet, dass weiterhin Fachaufgaben bearbeitet werden und „nebenher“ auch noch 20 Mitarbeiter (oder mehr) geführt werden. Was jedoch jede Führungskraft relativ schnell lernen wird: Führung nebenbei – das geht nicht. Eine häufige Reaktion, besonders von jungen Führungskräften, ist, dass sie ihre Fachaufgaben abends bearbeiten, wenn die Mitarbeiter schon nach Hause gegangen sind, denn den Tag über sind sie mit Mitarbeiterführung voll ausgelastet und haben keine Zeit für ihre Fachaufgaben. Eine andere Reaktion ist, dass sich die Führungskräfte hinter ihren Fachaufgaben „verstecken“ und nicht oder kaum führen. Beide Phänomene finden wir auf allen Ebenen. Viel zu wenig werden Führungskräfte darauf vorbereitet, dass ab dem Tag, ab dem sie den Titel „Führungskraft“ tragen, neue Anforderungen an sie gestellt werden, die mit den bisherigen Aufgaben einer „Fachkraft“ nur in geringem Umfang oder gar nichts zu tun haben. War es bisher wichtig, dass sie mit ihrem Fachwissen überzeugten, dass sie über bestimmte Methoden‐ und Projektmanagementkompetenzen oder Verkaufsfähigkeiten verfügten, werden jetzt von ihnen vornehmlich zwischenmenschliche Kompetenz und Führungsfähigkeit gefordert. Beides hat viel mit emotionaler Intelligenz zu tun – meinem Verständnis nach u. a. gekennzeichnet durch die Fähigkeit, sich auf andere Menschen einzustellen, den richtigen Kommunikationsstil zu finden, um sie adäquat anzusprechen sowie die Fähigkeit, Menschen zu motivieren oder das eigene Handeln zu hinterfragen. Auf diese Anforderungen werden junge Führungskräfte in vielen Unternehmen noch immer unzureichend vorbereitet. Und mit Recht fragen sie sich, wie sie die neuen Anforderungen bewältigen sollen. Am Ende eines Führungstrainings sagte mir eine Führungskraft: „Ich hatte schon die Vorstellung, dass Führung etwas mit Psychologie zu tun hat, dass es aber so viel ist, hätte ich nicht gedacht.“ Diese Aussage spiegelt das Erleben vieler Führungskräfte, die ich in Seminaren kennenlerne, wider. Häufig übernehmen sie „bunte“ Teams, mit verschiedenen Persönlichkeiten. Sie haben Mitarbeiter, die engagiert und motiviert ihre Aufgaben erfüllen, aber auch solche, die sich nur mit Mühe zu einer ausreichenden Leistung motivieren lassen. Dass dabei immer wieder die

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1  Mitarbeiterführung – immer wieder eine Herausforderung

Fragen auftauchen: „Wie soll ich das denn machen?“, „Woher soll ich das können?“ oder „Wie kann ich allen gerecht werden?“, ist kein Wunder. Schnell lernen Führungskräfte in diesem Zusammenhang auch, dass das Lesen über Führung, das Nachdenken über Führung oder sich methodische Kompetenzen im Seminar anzueignen, etwas deutlich anderes ist als das reale Führen im Alltag. Denn bei der Führungsarbeit haben wir es mit Menschen und nicht mit neutralen Wesen, objektiven Dingen oder gar Maschinen zu tun. Richtige Mitarbeiterführung ist jedoch nicht nur am Anfang einer Führungskarriere ein wichtiges Thema. Sicherlich sind dort die Gefahren, viele Fehler aus Unwissenheit und mangelnder Erfahrung zu machen, am größten. Und trotzdem weiß ich aus all den Seminaren und Coachings, dass auch sehr erfahrene Führungskräfte – durchaus in hohen Positionen als Geschäftsführer oder Vorstand – noch immer und bisweilen immer wieder vor den gleichen Schwierigkeiten bei der Mitarbeiterführung stehen wie ihre jungen Kollegen. Sie bestätigen meine Erfahrung: Führungskompetenz aufzubauen und zu erweitern, erfordert kontinuierliches Lernen. Und darüber hinaus die Bereitschaft zur Auswertung und Reflexion der verschiedenen Führungssituationen, mit denen man konfrontiert wird, um das eigene Denk‐ und Verhaltensspektrum fortwährend zu erweitern. Ein breites Verhaltensspektrum und Professionalität in unterschiedlichsten Anforderungssituationen zu erreichen, sind also wesentliche Lernaufgaben, die Führungskräfte zu bewältigen haben. Dabei bedeutet Professionalität, die eigenen Interessen und Emotionen im Sinne der Sache zurückstellen zu können: Ziele zu erreichen und Mitarbeiter ergebnisorientiert zu führen, gleichzeitig aber auch zu motivieren, sodass sie ihre Fähigkeiten gern und auf einem beständigen Leistungsniveau für das Unternehmen einbringen – das beschreibt das Spannungsfeld, in dem wir als Führungskräfte agieren.

1.2 Von try and error zur gezielten Mitarbeiterführung Um dies zu erreichen, ist es hilfreich, Modelle zu kennen, die menschliches Verhalten erklären. Wenn wir verstehen, warum sich ein Mitarbeiter auf eine bestimmte Art und Weise und ein anderer Mitarbeiter genau gegenteilig verhält, haben wir mehr Möglichkeiten, unterschiedliche Verhaltensstrategien aufzubauen, um auf diese Unterschiede einzugehen. Ohne Modelle bleiben uns im Alltag letztendlich nur „Versuch und Irrtum“ und ein Handeln, das deutlich mehr durch die Persönlichkeit und Emotionalität der Führungskraft geprägt ist als durch die sachlichen Anforderungen oder die Anliegen und Bedürfnisse der Mitarbeiter. Ein solches Führungshandeln kann erfolgreich sein, wenn die Führungskraft intuitiv das Richtige tut. Fehlt diese Intuition, dann entstehen durch das Verhalten aus dem Bauch heraus schnell Führungsfehler und daraus im Extremfall sehr hohe Kosten: Demotivation, innere Kündigung, Leistungsrückgang, viele Krankheitstage und hohe Fluktuation, sind nur einige der bekannten Beispiele. Sie werden in diesem Buch noch viel über Motive lernen, für ein Beispiel möchte ich hier auf das Statusmotiv eingehen. Für manche Menschen ist Status sehr wichtig und sie

1.2  Von try and error zur gezielten Mitarbeiterführung

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tun viel, um ihn zu erreichen. Anderen ist Status egal, manche finden das Streben nach Status ganz schrecklich. Da mir Status eher egal ist, hatte ich auch bei meinen eigenen Mitarbeitern nicht im Blick, dass das Erlangen von Status für sie wichtig sein könnte und vor allem von mir als Führungskraft ermöglicht werden sollte. Dass dies ein Fehler war, zeigt folgendes Erlebnis: Beispiel

Ich hatte eine junge Mitarbeiterin mit einem sehr hohen Statusmotiv, ihr war Status sehr wichtig. Im Rahmen der Verhandlungen mit einem Kunden bot ich an, dass diese junge Mitarbeiterin, nennen wir sie Ulla, das Projekt übernehmen könne und ich für sie auch einen geringeren Tagessatz kalkulieren könne. Der Kunde war einverstanden. Als ich im Mitarbeiterteam von der erfolgreichen Akquise berichtete, formulierte ich die Aussage: „Da habe ich ein Ulla-Projekt draus gemacht, das kann ich anders kalkulieren.“ Obwohl ich mich sehr über das Projekt freute, entglitten der Mitarbeiterin unerwarteter Weise die Gesichtszüge und sie wollte das Projekt nicht machen. ◄ Was war passiert? Vielleicht haben Sie schon eine Idee: Ich hatte Ulla mit meiner Aussage klein gemacht, degradiert, ihren Status zerstört. Entsprechend sagte sie zu mir: „Du verkaufst mich als mindere Ware, wie soll ich dem Kunden in die Augen sehen? Da gehe ich nicht hin!“ Drei Wochen musste ich hart arbeiten, um ihre Motivation, die ich mit einem Satz zerstört hatte, wieder aufzubauen. Modelle zur Erklärung der Persönlichkeit und des Verhaltens und Erlebens von Menschen gibt es in der psychologischen Wissenschaft und auch in der ­Business-Psychologie in großer Zahl. Die meisten Modelle, die ich kenne, beinhalten viel Wahres und immer etwas Hilfreiches für die handelnden Personen. Hinsichtlich dessen, was die Modelle Führungskräften an konkreter Unterstützung und Erklärung für erlebtes Verhalten und geeignete Führungsstrategien bieten, sind sie sehr unterschiedlich. Hier muss jeder für sich prüfen, welches Modell, welcher theoretische Ansatz ihm den größten Erkenntnisgewinn bringt. Vor dem Hintergrund meiner großen Erfahrung im Bereich des Human Resources Managements, der Führungskräfteausbildung und in der eigenen Führungsarbeit hat mir der Ansatz, auf dem auch das LUXXprofile basiert, den größten Nutzen gebracht. Kein anderes, mir bekanntes Persönlichkeitsmodell erlaubt ein vergleichbar tiefes Verständnis für das eigene Erleben und Verhalten sowie das von Mitarbeitern. Viel wichtiger aber ist noch, dass kein anderes Modell in meiner Wahrnehmung so leicht und direkt Ableitungen für die „richtige“ Mitarbeiterführung erlaubt. Ganz sicher löst auch eine Mitarbeiterführung, in der die Erkenntnisse des LUXXprofile angewendet werden, nicht alle Führungsprobleme und man wird es auch nicht schaffen, jeden Mitarbeiter damit zu Höchstleistung zu bewegen. Wenn ich aber auf unser Unternehmen und unsere Mitarbeiter schaue, freue ich mich immer über die bunte Mischung sehr prägnanter und verschiedener Persönlichkeiten. Noch mehr freue ich mich, wie gut

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1  Mitarbeiterführung – immer wieder eine Herausforderung

es diesen zum Teil sehr unterschiedlichen Charakteren gelingt, durch das Wissen aus der Arbeit mit dem LUXXprofile miteinander zu arbeiten und dabei zu harmonieren. Dies ist deshalb möglich, weil ein großes Verständnis und viel Respekt für die einzelnen Persönlichkeiten unter den Mitarbeitern herrschen. Ich bin sicher, dass die Zusammenarbeit und Führung nicht so gut funktionieren würden, wenn dieses Verständnis und diese Achtung nicht gegeben wären. Wäre ich persönlich gegenüber meinen Mitarbeitern nur meiner Intuition, meiner Wahrnehmung und meiner Vorstellung, wie etwas „richtig“ ist, gefolgt, hätte ich wahrscheinlich schon so viele Führungsfehler gemacht, dass ich die erlebte Leistungsbereitschaft nicht bekommen hätte. Die nachfolgenden Kapitel sollen Ihnen das Wissen vermitteln, Führungsfehler wie im oben beschriebenen Beispiel zu vermeiden. Noch mehr sollen sie Ihnen ein praktikables Modell an die Hand geben, um sich selber besser kennenzulernen, Ihr Führungsverhalten gezielt zu erweitern und zu professionalisieren, Ihre Mitarbeiter einschätzen und individuell führen zu können.

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Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

Zu den in der Überschrift aufgeworfenen Fragen möchte ich vorweg klarstellen, dass völlig unbestritten ist, dass wir arbeiten gehen „müssen“, um Geld für unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Wir sind in der Regel keine Selbstversorger mehr, die einen Acker hinter dem Haus und ein Schwein im Stall haben. Wir kaufen unsere Lebensmittel im Supermarkt und alles andere, was wir zum Leben brauchen, ebenfalls. Hierfür brauchen wir Geld als Tauschmittel. Das bedingungslose Grundeinkommen ist noch nicht etabliert, also gehen wir arbeiten. Was wir tun würden, wenn es das bedingungslose Grundeinkommen gäbe, ist eine interessante Frage. Einige Menschen würden sicher sehr glücklich werden, weil sie sich selber verwirklichen könnten, tun könnten, was sie erfüllt und vielleicht würden sie dabei großartige Leistung erbringen, vielleicht sogar viel Geld verdienen. Ich neige aber eher zu der Befürchtung, dass das zu wenigen Menschen gelingen würde. Ein Blick in die Studien macht deutlich, dass Menschen ohne Arbeit deutlich häufiger depressiv werden als Menschen mit einem Job (Kroll et al. 2016). Arbeit gibt uns auch viel: Sinn, Struktur, Orientierung, inhaltliche Erfüllung, soziale Einbindung und vieles mehr. Und dies sind alles Aspekte, die auch direkt auf unsere Motivatoren einzahlen, uns also zufrieden und glücklich machen. Halten wir an dieser Stelle für unsere weiteren Überlegungen fest: Geld ist kein Motivator, sondern ein sogenannter Hygienefaktor. Es ist notwendiges Mittel zum Zweck, das eigene Leben möglichst gut zu gestalten. Dass Menschen nicht (nur) wegen des Geldes arbeiten, zeigt uns auch das Ehrenamt. In Deutschland bringen sich 43,6 % der Bürger über 14 Jahren intensiv in Ehrenämtern und unbezahlten Tätigkeiten ein (Simonson et al. 2016). Sei es, dass sie Menschen in Krankenhäusern besuchen, in der freiwilligen Feuerwehr, in der Jugendarbeit, in der Politik, in ökologischen Bereichen oder sonst wo engagiert sind – viele Menschen investieren einen großen Anteil ihrer Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten. D. h., obwohl sie für ihre Arbeit kein Geld erhalten, scheint die Tätigkeit für sie ein großer Gewinn zu

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Rohrschneider, Sinnhaft führen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5_2

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

sein. Und genau das ist der Grund, sie zu tun. Die erlebte emotionale Zufriedenheit, das Gefühl von Sinn, das erlebte Glück.

2.1 Mitarbeitermotivation – gar nicht so schwer zu verstehen Warum Menschen bereit sind, etwas zu leisten – ganz gleich, was es ist – darüber haben sich Wissenschaftler, Persönlichkeits- und Motivationspsychologen viele Gedanken gemacht. Moderne Motivationstheorien beschreiben Motivation als „… die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (Rheinberg 2008, S. 15). Was für einen Menschen ein positiver Zielzustand ist, wird über seine für ihn stärker oder stark ausgeprägten Motive definiert. Der positive Zielzustand entsteht, weil bei Befriedigung eines oder mehrerer Motive im Gehirn körpereigene Hormone ausgeschüttet werden, die einen Glücks- oder zu mindestens doch einen Zustand der Zufriedenheit bewirken. Dass wir als Menschen bestrebt sind, diesen positiven Zustand immer wieder zu erreichen und dafür bereit sind, etwas zu tun, etwas „zu leisten“, ist leicht nachvollziehbar. Welches Verhalten geeignet ist, diesen positiven Zustand herbeizuführen, haben wir im Verlauf unseres Lebens gelernt. Das Verhalten kann sich auch immer wieder ändern. Das passiert z. B., wenn wir durch Veränderungen in unserem Leben erfahren, dass ein anderes als das bisher bevorzugte Verhalten noch viel besser geeignet ist, diesen positiven Zustand hervorzurufen. Dann lassen wir das eine und nutzen das andere, das neue Verhalten. Manchmal haben wir auch keine Möglichkeit, ein Motiv direkt zu befriedigen und nutzen dann sozusagen einen Umweg, um ein bestimmtes Motiv zu befriedigen. Wir sprechen dann davon, dass das gezeigte Verhalten „Mittel zum Zweck“ für etwas ist, aber eben nicht „Selbstzweck“, um ein bestimmtes Motiv direkt zu befriedigen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Beispiel

Stellen wir uns einen Jugendlichen vor, der eine hohe Ausprägung im Motiv STATUS hat. In der Jugend sind die Möglichkeiten, das Motiv STATUS zu befriedigen, oft noch recht begrenzt, aber es gibt Möglichkeiten, Status zu erlangen, z. B. im Sport. Nehmen wir an, unser Jugendlicher findet Sport ok, aber Sport ist nichts was ihn direkt „glücklich“ macht. Er hat aber gelernt, dass er, wenn er in der von ihm gewählten Sportart sehr gute Leistungen zeigt, Bewunderung, Fans und jede Menge Status bekommt. Sport wird für ihn „Mittel zum Zweck“, um Status zu erlangen und er wird entsprechend viel Leistung zeigen. Mit Eintritt in das Berufsleben, vielleicht nach einem Studium, eröffnen sich für ihn ganz neue Möglichkeiten, Status zu erlangen, viel direktere Möglichkeiten. Das führt dann dazu, dass er sich mehr und mehr beruflich engagiert, um so direkt seine Statusmotivation zu befriedigen. Sein

2.1  Mitarbeitermotivation – gar nicht so schwer zu verstehen

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gezeigtes Karrierestreben ist „Selbstzweck“, um sein Streben nach STATUS zu befriedigen. Den Sport wird er mehr und mehr vernachlässigen, er braucht ihn nicht mehr für die Befriedigung dieses Motivs. ◄ Wir lernen also, welches Verhalten für uns geeignet ist, unsere Motive zu befriedigen. Wir sind leistungsbereit und die zu erbringende Leistung fällt uns auch psychisch leicht. Ein Arbeitsumfeld oder unsere Arbeitsaufgaben suchen wir danach aus, wie gut sie uns geeignet erscheinen, mit unserem Verhalten unsere Motive zu befriedigen. Wir bilden Erwartungen dazu und erhoffen uns einen Ertrag. Dafür sind wir bereit zu leisten, Aufwand zu betreiben. Um sowohl die Bedeutung der Mitarbeitermotivation für die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zu verdeutlichen, als auch zu zeigen, wie schnell sich Motivation in Demotivation verwandeln kann, hat sich ein einfaches Modell – das Aufwands-Ertrags-Modell (Lorenz und Rohrschneider 2010) – bewährt. Dieses, im ­ Folgenden vorgestellte Modell, ist an die Arbeiten von Siegrist (1996) angelehnt. Das Aufwands-Ertrags-Modell geht davon aus, dass wir alle, wenn wir arbeiten gehen, einen gewissen Aufwand haben. Aufwand ist all das, was Sie in Ihren Job investieren – vom Training on-the-job über die investierte Zeit bis hin zu geleisteten Überstunden. Aufwand ist auch das frühe Aufstehen, eine lange Anreise, das Einhalten der Kleiderordnung oder der Organisationsaufwand, den Sie haben, um Ihre Kinder unterzubringen. Was genau als Aufwand erlebt wird, ist sehr individuell und somit von Mitarbeiter zu Mitarbeiter verschieden. Das Modell vertritt die Annahme, dass diesem erlebten Aufwand – den „Investitionen“, die ein Mitarbeiter leistet – ein sogenannter „Ertrag“ gegenübersteht. Der Ertrag setzt sich aus allem zusammen, was Sie durch Ihre Tätigkeit subjektiv, emotional für sich gewinnen, letztlich die Befriedigung Ihrer Motive. Monetäre Aspekte sind hier nicht gemeint. Als Ertrag benennen Menschen z. B. Spaß an der Tätigkeit, eine gute Beziehung zu Kollegen, die Möglichkeit der Selbstverwirklichung, Anerkennung, Erfolg, Status, Einflussmöglichkeiten und vieles mehr. In der Abb. 2.1 sind Aufwand und Ertrag als zwei Säulen dargestellt. Bei Betrachtung von Abb. 2.1 fällt auf, dass sich Aufwand und Ertrag im Idealzustand exakt entsprechen. Dies wäre z. B. der Fall, wenn ein Mitarbeiter subjektiv das Empfinden hat, dass seine Aufwendungen zu seinem Ertrag völlig äquivalent sind, dass eine perfekte Balance herrscht zwischen dem, was er investiert und dem, was er dafür im Gegenzug subjektiv erhält. Die Folge sind eine hohe Zufriedenheit, Spaß und vielleicht sogar Begeisterung für die Tätigkeit und der Wille, sie morgen wieder auszuführen. Die Tätigkeit führt für ihn zu guter Bedürfnis- oder Motivbefriedigung und die gezeigte Leistung lohnt sich somit für ihn. In der Realität finden wir häufiger einen etwas anders aussehenden Normalzustand. Der Ertrag wird als etwas geringer als der Aufwand wahrgenommen. Dies ist anhand der etwas kürzeren Ertragssäule in Abb. 2.1 dargestellt. Aus dem Vergleich von Aufwand

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

Abb. 2.1   Das Aufwands-Ertrags-Modell

und Ertrag (in der Abbildung durch die Linie zwischen den beiden Säulen dargestellt) resultiert die Zufriedenheit des Mitarbeiters mit seiner Arbeitssituation. Ist die Differenz zwischen erlebtem Aufwand und Ertrag gering, resultiert daraus Zufriedenheit. Wird sie größer, resultiert eine zunehmende Unzufriedenheit. D. h. der Mitarbeiter zeigt zwar das Verhalten, das für ihn mit Motivbefriedigung verbunden ist, aber der gewünschte Ertrag stellt sich nicht ein. Egal, wie sehr er leistet und sich anstrengt, er kann sein Motiv nicht befriedigen. Leicht nachvollziehbar ist das für eine Situation, in der der Mitarbeiter eine hohe Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG hat, also sehr gute Leistung erbringt, um Anerkennung von seinem Vorgesetzten zu bekommen, dieser aber niemals lobt. Bei der Untersuchung von Mitarbeiterzufriedenheit kommen viele Studien zu dem Ergebnis, dass nur ein verhältnismäßig geringer Teil der Mitarbeiter wirklich zufrieden mit ihrer Tätigkeit, dem Unternehmen loyal verbunden, sowie mit hohem Engagement dabei ist. Die Gallup-Studie (Nink 2018) zeigt, dass nur 15 % der Beschäftigten über eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber verfügten. Dagegen sind 71 % in der Kategorie der „passiv-Zufriedenen“ einzuordnen – sie sind mehrheitlich desinteressiert und ihr Engagement ist höchstens durchschnittlich ausgeprägt. 14 % der Befragten gaben an, dass sie mit ihrer Arbeit akut und stark unzufrieden sind und sich sogar wünschen, den Arbeitgeber zu wechseln. Abgesehen davon, dass es ein bedenkliches Licht auf die Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft von Mitarbeitern in Unternehmen wirft, bestätigen diese und vergleichbare Studien die Annahme des oben angeführten Modells,

2.2 Wann wird aus Aufwandserhöhung und Ertragsverlust Demotivation?

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dass der erlebte Aufwand für viele Arbeitnehmer höher ist als der erlebte Ertrag. Solange das vom Unternehmen gezahlte Gehalt, in der Abb. 2.1 als „Kompensation“ gekennzeichnet, diese Differenz subjektiv ausgleichen kann, wird der Arbeitnehmer trotzdem mit relativer Leistungsbereitschaft seiner Arbeit nachgehen. Halten sich also, wie in Abb. 2.1 unten links dargestellt, Aufwand und Ertrag plus Kompensation ungefähr die Waage, gehen wir von einer noch angemessenen Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer aus. Den Aspekt, dass wir mit unserer Arbeit unseren Lebensunterhalt verdienen, dürfen wir dabei natürlich auch nicht ganz außen vor lassen. Wichtig ist festzuhalten, dass der Grad der wirklichen Zufriedenheit eines Arbeitnehmers an der Differenz zwischen Aufwand und Ertrag gemessen wird. Würde die erlebte Differenz zwischen Aufwand und Ertrag auf einem als angemessen erlebten Niveau konstant bleiben, hätten wir in Unternehmen wahrscheinlich weniger Motivationsprobleme. Leider führen die unterschiedlichsten Ereignisse in Unternehmen dazu, dass der erlebte Aufwand der Arbeitnehmer steigt oder der gewünschte Ertrag (Befriedigung der persönlichen Motivation) nicht erreicht wird. Es werden Aufgaben, Teams, Organisationseinheiten, Prozesse und, und, und verändert. Es fehlt oft an einer gezielten Ansprache der tatsächlichen Motivation der Mitarbeiter, Incentives nach dem Gießkannenprinzip helfen da nicht. Was von Mitarbeitern als Aufwandserhöhung erlebt wird oder wodurch Ertrag verloren geht, ist wiederum individuell unterschiedlich. Wahrscheinlich sind es auch nicht nur die großen, sondern auch die viele kleinen Ereignisse, die das auslösen.

2.2 Wann wird aus Aufwandserhöhung und Ertragsverlust Demotivation? Eine vorübergehende Aufwandserhöhung, wie in Abb. 2.2 dargestellt, werden Mitarbeiter für eine gewisse Zeit durchaus mittragen. Erst wenn dieser Zustand zu lange andauert (vielleicht über Monate), werden Mitarbeiter irgendwann Unzufriedenheit verspüren. Beispiel

Um die Entwicklung von einer ersten Unzufriedenheit bis hin zur inneren Kündigung nachvollziehen zu können, stellen Sie sich bitte einen sehr jungen Mitarbeiter vor, der nach seiner Ausbildung bzw. seinem Studium in Ihr Unternehmen gekommen ist und voller Elan und Tatendrang an die Arbeit geht. Stellen Sie sich weiterhin vor, dass dieser Mitarbeiter nach einer vielleicht zweijährigen Tätigkeit in Ihrem Unternehmen das erste Mal erlebt, dass sich sein Aufwand erhöht und sein Ertrag sinkt. Das kann z. B. dadurch entstehen, dass eine gravierende Umstrukturierung dazu geführt hat, dass lieb-gewonnene Kollegen nicht mehr da sind und er nun andere Aufgaben ausführen muss. Da es für den jungen Mitarbeiter das erste Mal ist, dass er

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

Abb. 2.2   Phasen der Unzufriedenheit/Demotivation bei Aufwands-Ertrags-Differenzen

so etwas erlebt, nehmen wir an, dass er den erhöhten Aufwand und Ertragsverlust zunächst einmal mit Fassung trägt und versucht, die neue Situation für sich positiv zu gestalten. Ist es aber so, dass die neue Situation für ihn tatsächlich dauerhaft deutlich weniger Motivationsbefriedigung trotz hohem Aufwand ermöglicht, wird er nach einer gewissen Zeit das erste Mal in seinem Arbeitsleben wirkliche Unzufriedenheit verspüren. Diese entsteht dadurch, dass die Differenz zwischen seinem subjektiv erlebtem Aufwand und empfundenen Ertrag dauerhaft zu groß ist. ◄ Wenn der junge Mitarbeiter ein gutes Verhältnis zu Ihnen als Führungskraft hat, wird er zu Ihnen kommen und Ihnen von seiner Unzufriedenheit berichten. Er wird Sie bitten, gemeinsam mit ihm zu überlegen, was an der Situation veränderbar ist. Überlegen Sie an dieser Stelle kurz, was Sie glauben, was sich Ihr junger Mitarbeiter von Ihnen wünscht. An welcher Variablen sollen Sie etwas verändern – am Ertrag, an der Kompensation oder am Aufwand? Frage ich in Seminaren Führungskräfte danach, was der junge Mitarbeiter in dieser Situation wohl von Ihnen erwartet, ist die Antwort häufig: „eine Gehaltserhöhung“. Betrachten wir, was Menschen in der ersten Phase einer beruflichen Unzufriedenheit tatsächlich wollen, stellen wir fest, dass sie nach einer Ertragserhöhung, nach mehr Möglichkeiten, ihre Motivation zu befriedigen, fragen. In der Phase 1 der Demotivation wollen sie wieder mehr Spaß, sie wollen neue Herausforderungen, sie wollen mehr mit Kollegen zusammenarbeiten, sie wollen Prestige gewinnen o. Ä., je nachdem, was für

2.2  Wann wird aus Aufwandserhöhung und Ertragsverlust Demotivation?

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den Einzelnen als Ertrag wahrgenommen wird. Dieses Phänomen, dass Mitarbeiter in der ersten Phase einer beruflichen Unzufriedenheit nach einer Ertragserhöhung fragen, ist vielen Führungskräften häufig nicht bewusst. Ein korrigierendes Handeln über eine Gehaltserhöhung – was gern als Ausgleich genutzt wird – kann das Problem nicht lösen. Die Unzufriedenheit des Mitarbeiters wird weiterbestehen, denn die Differenz zwischen Aufwand und Ertrag wird durch die Gehaltserhöhung nicht verändert. Gehaltserhöhungen an sich sind niemals motivierend. Sie erfreuen uns kurz, mehr aber auch nicht. In sehr wenigen Fällen kann das Gehalt als Mittel zum Zweck für die Befriedigung der intrinsischen Motivation genutzt werden, mehr aber nicht. Gehen wir davon aus, dass unser junger Mitarbeiter von seinem Vorgesetzten keine Ertragserhöhung bekommen hat. Er wird wieder an seinen Arbeitsplatz gehen und, so gut es geht, seinen Job machen. Vielleicht hat sein Vorgesetzter ihm auch erklärt, dass es für alle schwer sei. Seine Unzufriedenheit besteht aber weiter und bald wird er einen neuen Versuch unternehmen, diesen Zustand zu verbessern. Jetzt, in Phase 2 der Demotivation, wird der Mitarbeiter zu seinem Vorgesetzten gehen und ihn selbst direkt nach einer Gehaltserhöhung fragen. Die Begründung könnte sein: „Chef, für die viele Arbeit, die ich hier zu leisten habe, brauche ich mehr Schmerzensgeld!“ Handelt es sich um einen guten Mitarbeiter, wird der Vorgesetzte bereit sein, soweit es in seiner Macht steht, ihm die Gehaltserhöhung zu geben. Das Mehr an Geld wird ggf. vorübergehend die Unzufriedenheit etwas lindern, wie ein Pflaster, sie wird sie aber nicht heilen. Und das Mehr an Geld wird schnell zur Gewohnheit und erfreut dann nicht einmal mehr. D. h., nach relativ kurzer Zeit (nehmen wir einmal an, nach ca. drei Monaten) wird der Mitarbeiter seine Unzufriedenheit und Demotivation wieder spüren, da das eigentliche Problem – der zu geringe Ertrag im Verhältnis zum Aufwand – nach wie vor besteht. Der finale Schritt in einer Situation anhaltender Unzufriedenheit ist die Aufwandsreduktion. Sie erfolgt in Phase 3 der Demotivation. Abb. 2.2 macht die angesprochenen Zusammenhänge deutlich. Die Aufwandsreduktion ist für Mitarbeiter leicht zu realisieren, Mitarbeiter sind dabei durchaus kreativ. Wenn Sie selber einmal darüber nachdenken, werden Ihnen schnell verschiedene Möglichkeiten der Aufwandsreduktion einfallen. Angefangen damit, langsamer zu arbeiten, über qualitativ weniger hochwertiges Arbeiten, verlängerte Gesprächspausen mit Kollegen, die Bearbeitung privater E‐Mails, Dienst nach Vorschrift bis hin zu erhöhten Fehl‐ und Krankenzeiten u.v.m. haben Mitarbeiter viele Alternativen. Aus zahlreichen Coachingsitzungen kann ich berichten, dass es meist eine Weile dauert, bis Führungskräfte diese Hinweise tatsächlich wahr‐ und angemessen ernst nehmen. Dies liegt z. T. auch daran, dass sich Mitarbeiter sehr geschickt verhalten, wenn sie aktiv Aufwandsreduktion betreiben. Dabei gilt: Je größer ein Unternehmen oder ein Bereich ist, desto leichter ist Aufwandsreduktion durch Mitarbeiter möglich, da der einzelne Mitarbeiter weniger stark im Fokus der Aufmerksamkeit steht. Die Mitarbeiter machen weiterhin einen geschäftigen Eindruck und äußern zeitgleich aktiv ihre Unzufriedenheit und eine empfundene Überlastung. Vor diesem Hintergrund ist es teilweise schwer zu differenzieren zwischen dem Mitarbeiter, der wirklich überlastet ist und viel zu tun hat

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

und dem Mitarbeiter, der nur einen geschickten Weg gefunden hat, seinen Aufwand zu reduzieren. Die Aufwandreduktion gibt dem Mitarbeiter die Gelegenheit, sich z. B. in seiner Freizeit Tätigkeiten zu suchen, mit denen er seine Motive befriedigen kann. Hier zeigen Menschen dann mit Leichtigkeit hohe Leistungen. Kein Wunder, hier stimmt dann ja auch der persönliche Ertrag. Beispiel

Ich schildere Ihnen meine zwei Lieblingsbeispiele der aktiven Aufwandsreduktion: Zum einen hatte ich es einmal mit einem Mitarbeiter zu tun, der von seinem regulären Arbeitsplatz aus nebenher einen privaten Anhängerverleih betrieb. Er nutzte seine Arbeitszeit also sehr kreativ für einen Nebenjob. Das zweite Beispiel ist ein Mitarbeiter, der während seiner Arbeitszeit seine Promotion geschrieben hat und später einen großen Anteil seiner Arbeitszeit genutzt hat, um einen alten Bauernhof zu sanieren. Mit der Aussage „Ich bin dann mal beim Kunden“ machte er sich aus dem Staub und ging anderen Dingen nach. ◄ Vielleicht denken Sie: „Mir würde das mit meinen Mitarbeitern nicht passieren.“ Aber unterschätzen Sie Ihre Mitarbeiter nicht; auch Sie können nicht immer alles genau im Blick haben. Selbst, wenn es recht unterhaltsame Lösungen von Mitarbeitern für ihr Aufwands-Ertrags-Problem gibt, ist es doch wichtig zu wissen, dass es sehr vielen Mitarbeitern in solchen Situationen schlecht geht und sie sich eine Veränderung und Verbesserung ihrer Situation wünschen. Nur, wenn wir mit unserer Tätigkeit „einen für uns positiven Zielzustand“ erreichen, brauchen wir keine psychische Energie, um unsere Tätigkeit auszuführen. Bietet die Tätigkeit keine oder kaum Motivbefriedigung oder müssen wir sogar etwas tun, was unserer Motivation diametral entgegengesetzt ist, erleben wir eine hohe psychische Belastung und Beanspruchung. In solchen Situationen reicht in Summe auch wenig reale Anstrengung, um sich erschöpft zu fühlen. Als Führungskraft ist es Ihre Verantwortung, für die Zufriedenheit, Motivation und Leistungsbereitschaft Ihrer Mitarbeiter zu sorgen und diese zu erhalten. Entscheidend hierfür ist nun die Frage: Was ist für meinen Mitarbeiter Ertrag und wie kann ich diesen beeinflussen? Das LUXXprofile kann bei der Beantwortung dieser Frage helfen.

2.3 Das LUXXprofile 2.3.1 16 grundlegende Motive – Leistung für emotionale Bezahlung Für die Beantwortung der Frage, warum Menschen bereit sind, etwas zu leisten, sich für bestimmte Ziele und Werte besonders einzusetzen, ja regelrecht dafür zu kämpfen, liefert das LUXXprofile wichtige Antworten.

2.3  Das LUXXprofile

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Das LUXXprofile wurde in einer groß angelegten Studie (Kemper et al. 2017) in den Jahren 2015 bis 2017 vom wissenschaftlichen Team von Prof. Dr. Greif mit Dr. Christoph Kemper als Verantwortlichen an der Universität Luxemburg in Zusammenarbeit mit der LUXXunited GmbH entwickelt. Grundlage der Arbeit bildeten moderne, motivationstheoretische Ansätze. (u. a. H. Murray, S. Reiss 2004). Mit dem Ergebnis der Studie, dem LUXXprofile, steht ein moderner Persönlichkeitstest zur Verfügung, der alle wissenschaftlichen Kriterien in ausgezeichneter Art und Weise erfüllt. Bestätigt wurden 16 fundamentale Lebensmotive die, die intrinsische Motivation von Menschen abbilden. Sie erklären, wer warum für was bereit ist, sich anzustrengen, was für ihn Ertrag ist. Wer tiefe Zufriedenheit, ja Glück erlebt, wenn er was tun kann und genauso, wer durch was angestrengt, gelangweilt, belastet oder frustriert wird. Sie beschreiben in ihrem Zusammenspiel die Komplexität und Einmaligkeit der menschlichen Persönlichkeit auf der Ebene der unveränderbaren Motivation. Gerade der Aspekt, dass mit dem LUXXprofile der Kern unserer Persönlichkeit, unsere Motive, beschrieben wird, macht es so wertvoll für die Führung von Mitarbeitern und die Zusammenarbeit von Menschen. Die Frage, was wir unter Motivation und Motiven verstehen, haben wir bereits in Kap. 2 und Abschn. 2.1 beantwortet. Motivation verstehen wir als „… die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand. Motive beschreiben was dieser positive Zielzustand ist.“ Motive können wir verstehen als Bedürfnisse, etwas zu tun oder etwas für uns zu haben, oder auch als Ziel, welches wir erreichen wollen. Sie spiegeln aber auch unsere Werte; was ist uns wirklich wichtig, was muss so sein. Motive sind in ihrer Qualität und Quantität bei jedem Menschen individuell ausgeprägt. Dabei gilt: Menschen versuchen stets, ihre stark oder stärker ausgeprägten Motive zu befriedigen. Hierfür zeigen sie ein bestimmtes Verhalten, von dem sie in der Vergangenheit gelernt haben, dass es geeignet ist, den positiven Zielzustand zu erreichen. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Beispiel

Ein Mensch mit einem hoch rot ausgeprägtem Motiv BEWEGUNG (vgl. Abb. 2.3) hat gelernt, dass er sich, wenn er jeden Tag joggen geht, zufrieden, ausgeglichen und glücklich fühlt. Hat er dafür keine Zeit und dies womöglich mehrere Tage hintereinander, fühlt er sich falsch in seinem Körper, ist unausgeglichen, unzufrieden und schlecht gelaunt, demotiviert. ◄ Es ist also wichtig für uns und unsere Zufriedenheit, dass wir die Dinge realisieren können, die für uns zu Motivbefriedigung führen. Und hier fängt die Sache an, wirklich spannend zu werden. Motive und Motivation werden einer entwicklungsgeschichtlich sehr alten Gehirnregion zugeordnet, dem Limbischen System. Das Limbische System ist die Gehirnregion, die Informationen aus der Umwelt als erste empfängt und das sind ca.

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

Abb. 2.3   Exemplarisches LUXX-Persönlichkeitsprofil

vier Billionen Bits/sec. Das ist viel mehr als unser Großhirn verarbeiten könnte. Deswegen filtert das Limbische System, was gleichzeitig auch Sitz für wesentliche Teile unserer Emotionen ist, aus, was für uns wichtig ist und was nicht. Informationen, die die Möglichkeit der Motivbefriedigung bieten, werden als wichtig eingestuft und an das Großhirn durchgelassen, welches dann entsprechende „Aktivitäten“ veranlassen kann. Das heißt, unsere Motive beeinflussen unsere Wahrnehmung (was ist wichtig, was nicht), unsere Emotionen, unser Denken und Handeln. Genau das macht am Ende unsere Persönlichkeit aus. Mit dem LUXXprofile können wir über die Ausprägung der

2.3  Das LUXXprofile

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16 Lebensmotive die Persönlichkeit in ihrer ganzen Individualität abbilden, erfassen und verstehen. Und damit verstehen wir dann auch, wie Motivation funktioniert: Immer, wenn ein für einen Menschen stark ausgeprägtes Motiv befriedigt wird, schüttet das Gehirn körpereigene Drogen aus. Ein Cocktail, der uns glücklich und zufrieden macht. Grund genug, die Handlung immer wieder auszuführen oder immer wieder die Leistung zu erbringen. Das ist die emotionale Bezahlung, die wir brauchen, wenn wir Leistung erbringen. Das LUXXprofile gibt Auskunft darüber, welche Motive für einen Mensch in welcher Ausprägung besonders wichtig sind und wie dies Ihr Verhalten beeinflusst. Schauen wir uns noch ein Beispiel an: Beispiel

Das Motiv STRUKTUR beschreibt, wie wichtig es einem Menschen ist, sein Leben oder seine Umwelt zu strukturieren, zu planen und zu organisieren. Menschen, die im Motiv eine hohe (rote) Ausprägung haben, organisieren, strukturieren und planen gerne. Können sie das tun, geht es ihnen gut und sie fühlen sich leistungsfähig. Menschen, die eine niedrige (blaue) Ausprägung haben, streben danach, spontan, flexibel und aus der Situation heraus zu handeln. Dann geht es ihnen gut und sie fühlen sich leistungsfähig. Im beruflichen Kontext wird ein Mensch mit einer hohen (roten) Ausprägung im Motiv STRUKTUR durch Aufgaben und Bedingungen zu Leistung angeregt, die ihm erlauben zu planen, zu strukturieren usw. Er tut es gerne und mit Leichtigkeit, weil er damit sein Motiv STURKTUR befriedigt. Ein Mensch mit einer niedrigen (blauen) Ausprägung genießt es zu improvisieren und findet ein Umfeld leistungsstimulierend, das ihm erlaubt, sich so zu verhalten. ◄ So verstanden, können wir die persönlichen Motive als Grundlage verstehen, auf der Leistung entsteht und auf der durch gezielte, auf das Motivprofil abgestimmte Impulse Leistung gefördert werden kann. Mit dem LUXXprofile haben wir einen wissenschaftlich fundierten Test, mit dem wir alle 16 Lebensmotive in ihrer individuellen Ausprägung trennscharf erfassen können. Mit der Abbildung der individuellen Motivausprägungen können wir über die Motivation, Ziele und Werte von Menschen sprechen. Im beruflichen wie im privaten Bereich können wir fragen: „Was brauchst du, um mit Spaß und Freude Leistung zu erbringen?“; „Was frustriert, belastet, demotiviert dich?“. Für die Mitarbeiterführung und für die Zusammenarbeit von Menschen in Organisationen haben wir damit ein Tool, welches uns eine wirklich individuelle und mitarbeiterorientierte Führung erlaubt. u

Die 16 Lebensmotive des LUXXprofile sind 

NEUGIER, SOZIALE ANERKENNUNG, EINFLUSS, STATUS, BESITZEN, AUTONOMIE, SOZIALKONTAKTE, PRINZIPIEN, SOZIALES ENGAGEMENT, STRUKTUR, SICHERHEIT, REVANCHE, BEWEGUNG, ESSENSGENUSS, FAMILIE und SINNLICHKEIT.

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

Die 16 Motive steuern in ihrer individuellen Ausprägung und in ihrem Zusammenspiel die Wahrnehmung, das Fühlen, Denken und Verhalten von Menschen in konkreten Situationen. Das LUXXprofile bildet das für jeden Menschen einzigartiges Persönlichkeitsprofil ab. In Abb. 2.3 ist exemplarisch ein solches Profil abgebildet. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es verschiedene Testvarianten des LUXXprofiles gibt. Die Vollversion bildet alle 16 Motive ab. Als reduzierte Versionen steht eine Version mit 15 Motiven (Version ohne das Motiv SINNLICHKEIT) oder eine Version mit 14 Motiven (Version ohne die Motive SINNLICHKEIT und FAMILIE, z. B. für Jugendliche) zur Verfügung. Hintergrund für die reduzierten Versionen sind z. B. die Irritationen, die die Fragen nach Sexualität (zur Bestimmung des Motivs Sinnlichkeit) im beruflichen Kontext immer wieder verursachen. Da das Motiv SINNLICHKEIT für den beruflichen Kontext nicht so relevant ist, gehen wir deshalb in diesem Buch auf das Motiv SINNLICHKEIT nicht näher ein. Oben habe ich beschrieben, dass unsere Motive unsere Wahrnehmung, unser Fühlen, Denken und Handeln beeinflussen. Um dies noch etwas besser verständlich zu machen, zeigen wir diesen Prozess noch einmal an einem Beispiel mit Paul auf, vielleicht kennen Sie Ähnliches von sich selbst oder einem Bekannten: Beispiel

Paul ist auf einen Empfang eingeladen. Schon morgens hat er darüber nachgedacht, dass er eigentlich nicht besonders viel Lust hat, auf diesen Empfang zu gehen. Er ahnt, dass dort viele Menschen sind, die er nicht kennt, mit denen er aber trotzdem irgendwie ins Gespräch kommen muss – eine Situation, in der er in seiner ­Wahrnehmung „gute Miene zum bösen Spiel“ machen muss und unterhaltsam und extravertiert agieren muss, obwohl er dazu eigentlich gar keine Lust hat und ihn das auch sehr anstrengt. Grundsätzlich sind diese oder ähnliche Gedanken Ausdruck eines eher niedrig (blau) ausgeprägten Motivs SOZIALKONTAKTE. Menschen wie Paul, die diese Motivausprägung haben, streben nach sozialer Zurückgezogenheit. Sie wollen soziale Ruhe und Zeit mit sich allein oder einigen guten Freunden und gerade nicht viel Kontakt mit vielen Menschen, die sie nicht kennen. Sie mögen ernste inhaltliche Gespräche aber keinen Small Talk. Wenn Paul nun auf diese Veranstaltung kommt, sieht er diese vielen, miteinander redenden Menschen, vielleicht fühlt er sich davon bedrängt und sucht sich intuitiv eher einen Stehtisch am Rande des Geschehens, an dem niemand oder vielleicht nur eine Person steht. Seine Emotion, in diesem Fall eine gewisse Hilflosigkeit und Widerwille, Small Talk zu machen, steuert sein Verhalten und verleitet ihn dazu, sich eher am Rande des Geschehens zu positionieren und mehr oder weniger bewusst Small Talk zu vermeiden. ◄ Dieses Beispiel verdeutlicht, wie sehr wir durch unsere Motive bzw. Emotionen in unserem Verhalten gesteuert werden.

2.3  Das LUXXprofile

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Beispiel

Angenommen, Paul hat Karl dabei, einen Kollegen, der im Motiv SOZIALKONTAKTE eine gegensätzliche Ausprägung (rot) hat und es genießt, in eine Menge von Menschen einzutauchen, mit vielen Menschen zu reden, ganz gleich, ob er sie kennt oder nicht. Jemand, der Small Talk als attraktiv und als eine wirkliche Kraftquelle für sich erlebt. Karl wird sich, im Gegensatz zu Paul, schnell ins Getümmel stürzen und auch mit fremden Menschen Gespräche beginnen. Er wird sich in dieser Situation wohlfühlen und vielleicht auch gar nicht verstehen können, warum Paul den Tisch am Rand gewählt hat, wo doch gar nichts los ist. Das wäre ihm zu langweilig. ◄ Das Beispiel und auch das abgebildete Profil machen deutlich, dass Motive in zwei unterschiedliche Richtungen ausgeprägt sein können. Dabei macht eine Motivausprägung immer sowohl eine qualitative (was will ich?) als auch eine quantitative (wie oft, wie viel will ich es?) Aussage zu dem jeweiligen Motiv und den dahinterliegenden Zielen, Werten und Emotionen. Statistisch arbeiten wir mit einer Skala von −3 (blau) bis +3 (rot) und würden im Sinne der Zahlenwerte auch von einer hohen (roten) und einer niedrigen (blauen) Ausprägung sprechen. Wenn Sie sich an das Beispiel von Paul und Karl erinnern, wird verständlich, dass beide Motivausprägungen – niedrig und hoch – mit starken Werten, Bedürfnissen und Emotionen verbunden sind. Das, was die beiden Personen anstreben, ist etwas Unterschiedliches – soziale Ruhe bei Paul und viel Kontakt bei Karl. Für beide sind die damit verbundenen Emotionen in der jeweiligen Qualität aber bedeutsam. Ich spreche in meiner Arbeit mit dem LUXXprofile deswegen nur von einer stark roten oder einer stark blauen Motivausprägung. Diese Bezeichnung wird meiner Erfahrung nach den intensiven Emotionen, der Wahrnehmung, dem Denken, Erleben und Verhalten der Menschen mit einer bestimmten Ausprägung besser gerecht, als wenn wir von einer hohen und niedrigen Ausprägung sprechen. Natürlich ist es auch möglich, dass eine Person bezüglich eines bestimmten Motivs eine Ausprägung aufweist, die weder besonders hoch noch besonders niedrig ist – in diesem Fall sprechen wir von einer neutralen Ausprägung, die im LUXXprofile mit der Farbe Grau gekennzeichnet ist. Abb. 2.4 verdeutlicht die Bedeutung der Motivausprägung in der roten und blauen Ausprägung. Von einer blauen Motivausprägung sprechen wir bei Ergebniswerten zwischen −1,0 und −3,0. Trotz der negativen Zahlenwerte bezeichnet dieser Bereich eine starke bis sehr starke blaue Ausprägung, −3,0 eine sehr starke blaue Ausprägung, −1,0 eine starke blaue Ausprägung. Rot gekennzeichnet wird die Motivausprägung bei Werten zwischen +1,0 und +3,0. +3,0 steht also für eine sehr stark rote Ausprägung, +1,0 für eine starke rote Ausprägung. Bleiben wir beim Beispiel des Motivs SOZIALKONTAKTE: Eine rote Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE kennzeichnet einen Menschen, der danach strebt, viele Kontakte zu haben, sich oft und lang mit anderen Menschen auszutauschen, mit anderen Menschen Spaß zu haben, ohne dass dieser Austausch immer einen Sinn,

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

Abb. 2.4   Bedeutung der roten und blauen Motivausprägungen

immer ein Ziel, immer Ernsthaftigkeit verfolgen muss. Die blaue Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE steht für Menschen, die danach streben, soziale Ruhe zu genießen, die mit sich selbst zufrieden sind, nicht viele Menschen um sich brauchen, sondern nur einige wenige gute Freunde. Sie bevorzugen es, sich über ernsthafte und inhaltliche Themen zu unterhalten. Verliert die Kommunikation einen inhaltlichen Bezug, geht es also nur um reinen Sozialkontakt, ziehen diese Menschen sich eher zurück, der reine Sozialkontakt bietet ihnen im Vergleich zum inhaltlichen Austausch keine Befriedigung ihrer Motivation. Ein anderes Motiv sei hier beispielhaft noch einmal aufgegriffen: Beispiel

Bei dem Motiv STRUKTUR steht eine rote Ausprägung qualitativ dafür, dass dieser Mensch stark nach Struktur, Systematik, Planung, Regeln, Sauberkeit und Ordnung strebt. Er wird sie immer für sich schaffen. Ein blau strukturmotivierter Mensch strebt im Gegensatz dazu nach Spontaneität, Flexibilität und nach Freiheit von Planung und Strukturen. Auf der organisatorischen Ebene will er agieren, wie es ihm gerade in den Sinn kommt und auf organisatorische, planerische Dinge nicht viel Rücksicht nehmen müssen. Diese beiden qualitativen Aspekte des Motivs Struktur bilden die beiden Pole in der Skalierung und im emotionalen Erleben des Motivs. ◄ Bei Werten, die zwischen −1,0 und +1,0 liegen, sprechen wir von einer neutralen Motivausprägung. Sie ist bis ±0,5 grau und dann bis ±1,0 blass rot oder blass blau gekennzeichnet. Eine wirkliche Neutralität besteht aber nur bei Werten zwischen −0,5 und +0,5, denn Werte, die darüber liegen ( +0,5 bis +1,0 und −0,5 bis −1,0, blass rot oder blass blau), weisen schon auf eine entsprechende Tendenz im Erleben und Verhalten hin. Bei einer neutralen Ausprägung ist das Motiv für die Person nicht so elementar wichtig, dass sie sich zum Erreichen der dahinterliegenden Bedürfnisse und Ziele besonders anstrengen würde. Vielmehr besteht bei einer neutralen (grauen) Motivausprägung eine hohe Verhaltensflexibilität in diesem Motiv. Verhaltensflexibilität bedeutet, dass dieser Mensch sich, je nach Situation, sowohl entsprechend einer blauen als auch einer roten Motivausprägung verhalten kann. Nehmen wir das Motiv STRUKTUR, um die

2.3  Das LUXXprofile

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Bedeutung der neutralen Motivausprägung zu erläutern. Wenn ein Mensch ein neutrales STRUKTUR Motiv hat, wird er sich in bestimmten Lebensbereichen wie jemand verhalten, der eine rote Ausprägung hat. D. h., es gibt vielleicht bestimmte Themen oder Situationen, in denen er durchaus viel Wert auf Planung, Struktur und Systematik legt, wo er auch mal pingelig reagiert, wenn Dinge nicht so geplant, geordnet oder strukturiert sind, wie er sich das vorstellt. Dieser Mensch wird aber auch Lebensbereiche haben, in denen Struktur, Ordnung, Detailorientierung und Systematik oder Planung für ihn keine Rolle spielen und er lieber ungeplant, spontan und flexibel agiert. Wie kann sich das im Arbeitsleben auswirken? Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Mitarbeiter mit einer neutralen Ausprägung im Motiv STRUKTUR. Sie geben ihm eine umfangreiche Aufgabe, die ein sehr hohes Maß an Strukturierungs-, Systematik-, Ordnungs- und Detailliebe erfordert. Ihr Mitarbeiter wird diese Aufgaben übernehmen und vielleicht zwei Wochen lang ausführen. Aber dann kommt er zu Ihnen und bittet um Unterstützung oder um einen Aufgabenwechsel, weil die Aufgabe für ihn „zu viel, zu belastend, zu langweilig, demotivierend“ ist. Wenn es für ihn mittelfristig keine anderen Aufgaben gibt, wird er vielleicht sogar in Betracht ziehen, das Unternehmen zu verlassen. Ausschließlich entsprechend einem roten STRUKTUR Motiv zu agieren, fällt einem Menschen mit einer grauen Ausprägung schwer, strengt ihn an und macht ihm keinen Spaß. Nicht viel anders wird es dem Mitarbeiter ergehen, wenn Sie ihn in ein Umfeld stecken, wo jegliche Struktur und Systematik fehlen. Denken wir hierbei z. B. an eine junge, dynamische Marketingagentur. Auch hier kann es passieren, dass dieser Mitarbeiter nach zwei Wochen Tätigkeit seine Kollegen darauf aufmerksam macht, dass man doch endlich mal Prozesse und Strukturen etablieren müsse, weil ja kein Mensch in diesem Chaos vernünftig arbeiten könne. Ein Mitarbeiter mit einer grauen Ausprägung braucht Abwechslung zwischen einem blauen und einem roten Strukturverhalten, um sein persönliches Optimum an Struktur zu finden. Der quantitative Aspekt der Motivausprägung drückt sich in einem Zahlenwert aus, der durch die Länge des Balkens in die blaue oder rote Richtung bildlich dargestellt ist. Die stärkste Ausprägung in die blaue oder rote Richtung wird durch die Werte +3 und −3 beschrieben. Verfügt jemand über einen solchen Wert, kann man festhalten, dass diese Person immer und ausschließlich danach strebt, dieses Motiv in der der Farbe entsprechenden Qualität zu leben. D. h., sie wird in ihrem Verhalten, in ihren Worten und ihrem Handeln dem Motiv und dem damit verbundenen Bedürfnis sehr deutlich Ausdruck verleihen. Ihre Umwelt wird leicht beobachten können, dass der Person bestimmte Aspekte besonders wichtig sind. Bleiben wir beim Beispiel des Motivs STRUKTUR: Eine Führungskraft mit dem Wert +3 (stark rot ausgeprägt) wird z. B. darauf achten, dass ihre Mitarbeiter sehr strukturiert vorgehen, Unterlagen immer in einer bestimmten Form erstellt werden und die Büros sehr aufgeräumt sind. Bei einer blauen (niedrigen) Ausprägung würde die Führungskraft auf diese Aspekte wenig Wert legen. Ihr Verhalten wird eher dadurch gekennzeichnet sein, dass sie sprunghaft und spontan agiert, Planungen über den Haufen wirft und zu Meetings häufig unpünktlich kommt. Im Bereich von −0,9 bis −0,5 und

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

von +0,5 bis +0,9 einer blauen oder roten Ausprägung ist die entsprechende Emotionalität vorhanden, aber schwächer ausgeprägt. Bei Werten von +0,5 bis −0,5 ist das Erleben neutral. Die Länge eines Balkens beschreibt also letztendlich die Menge und die Intensität, die ein Mensch von diesem Bedürfnis, diesem Wert, diesen Emotionen in seinem Leben haben will. D. h., es gibt auch ein Zuviel und ein Zuwenig – abhängig vom individuellen Wert. Werden Anforderungen an eine Person gestellt, die der Motivausprägung nicht entsprechen, erlebt die Person dies als belastend und nicht zufriedenstellend, so wie beispielhaft in Abb. 2.5 dargestellt. Eine optimale Motivbefriedigung kann im Arbeitsumfeld nicht zu 100 % erfolgen. Das wäre ein utopischer Anspruch, denn das Arbeitsumfeld umfasst so viele unterschiedliche Anforderungen, dass sich schnell ein Zuviel oder Zuwenig für einen Menschen ergibt. Ziel Ihrer Führungsarbeit sollte aber sein, die Rahmenbedingungen und die Arbeitssituation soweit wie möglich so zu gestalten, dass Ihre Mitarbeiter einen größtmöglichen Teil ihrer Bedürfnisse befriedigen können. Die Rahmenbedingungen sind also so zu gestalten, dass die Mitarbeiter ihrer intrinsischen Motivation folgen können und damit aus sich selbst heraus motiviert sind. Zwei grundlegende Aspekte sind diesbezüglich noch wichtig. Die quantitativen Werte, die in einem Profil abgebildet sind (vgl. z. B. Abb. 2.5), sind nicht einfach Summenwerte aus dem Fragebogen. Die Werte, die eine Person beim Ausfüllen des Fragebogens angibt, werden mit den Normwerten der Vergleichsstichprobe in Beziehung gesetzt. D. h., es wird errechnet, inwieweit sich die Ergebniswerte einer Person im

Abb. 2.5   Die qualitative Bedeutung der Motivausprägungen

2.3  Das LUXXprofile

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LUXXprofile-Fragebogen pro Motiv von den Ergebniswerten anderer Menschen unterscheiden. Dieser Unterscheidungs- oder Abweichungswert wird im Ergebnisprofil eingetragen. Der Wert Null im Profil bedeutet daher nicht, dass das Motiv (Wert Null) für den Menschen keine Bedeutung hat oder aus diesem Motiv keine Motivation gewinnt. Der Wert Null ist vielmehr der Mittelwert aller Menschen, also der Wert, den die meisten Menschen als Ausprägung für sich in einem Motiv angeben. Man spricht deswegen auch von Normal Null oder vom Durchschnittswert. Alle von Null abweichenden Werte geben an, dass sich ein Mensch um diesen Wert in seinem emotionalen Erleben von der Mehrheit der Menschen unterscheidet. Er erlebt das entsprechende Motiv als stärker in blauer oder roter Qualität und zwar umso viel stärker, wie sein Zahlenwert auf der Skala von Null abweicht. Sehr starke Ausprägungen (−3 oder +3) empfinden nur wenige Menschen für sich. Solche Ausprägungen beschreiben sehr deutliche Persönlichkeitsmerkmale, d. h., die Menschen unterscheiden sich deutlich im qualitativen und quantitativen Erleben des entsprechenden Motivs von ihren Mitmenschen. Im eigenen Erleben und in der Fremdwahrnehmung einer Persönlichkeit können sich Motive in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. Ein Mensch mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE und einer blauen Ausprägung im Motiv AUTONOMIE wirkt z. B. kontakt- und menschenorientierter, als wenn nur eines der beiden Motive stark ausgeprägt ist. Das kommt daher, dass er sowohl viel Kontakt, Austausch und Spaß (Motiv SOZIALKONTAKTE) mit anderen will, als auch viel Gemeinsamkeit, Verbundenheit und Wir-Gefühl (Motiv AUTONOMIE). In seinem Verhalten agiert er entsprechend stärker kontakt- und menschenorientiert, was von der Umwelt wahrgenommen wird. Ein Mensch mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE und einer roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE will zwar Kontakt und Spaß mit anderen, er bindet sich aber nicht gerne an andere, schützt seine Privatsphäre, lässt sich nicht so schnell auf andere ein und braucht länger, bis er Vertrauen aufbaut. Dadurch wirkt und agiert er in Situationen die einfach Kontakt ohne Verbindlichkeit brauchen, kontaktorientiert. Wenn es aber um Bindung, Gemeinsamkeit und wirkliche Nähe (AUTONOMIE blau) geht, kann er distanziert und sogar abweisend wirken. Sehr wichtig bei der Betrachtung der Motive ist, dass alle Motive und alle Motivausprägungen wertfrei zu sehen sind. Man kann nicht sagen, dass eine stark rote (hohe) oder eine stark blaue (niedrige) Ausprägung besser oder schlechter, richtig oder falsch ist. In der grundsätzlichen Betrachtung ist erst einmal jedes Motiv und dessen Ausprägung richtig und positiv. Mit beiden Richtungen sind starke Emotionen verbunden, ein starkes Streben der Menschen nach dem, was qualitativ mit dem Motiv verbunden ist. Stellen wir uns noch einmal einen Menschen mit einer stark roten (hohen) Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE vor. Angenommen, sein Beruf erfordert es, mit vielen anderen Menschen schnell und leicht in Kontakt zu kommen, z. B. im Vertrieb, und Gespräche mit ihnen zu führen, ganz unabhängig von deren inhaltlicher Bedeutung. Die Person wird sich in diesem beruflichen Umfeld sehr wohlfühlen und die notwendige Kontaktleistung leicht erbringen. Denken wir jedoch an eine berufliche Tätigkeit, die ein konzentriertes und tiefes inhaltliches Arbeiten erfordert, vielleicht im Bereich der Ent-

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

wicklung, wird es hier gut sein, wenn diese Tätigkeit von einem Menschen mit einem stark blau (niedrig) ausgeprägten Motiv SOZIALKONTAKTE ausgeführt wird. Diese Tätigkeit erfordert von der Person, dass sie viel Zeit allein mit ihren fachlichen Aufgaben verbringt. Ein Mensch mit einem roten (hohen) Motiv SOZIALKONTAKTE würde in dieser Tätigkeit unglücklich werden, weil die Tätigkeit für ihn zu wenig Kontakt ermöglicht, ihn geradezu von anderen abschneidet. Vielleicht werden Sie beim Blick auf die einzelnen Motive denken: „Männer haben bestimmt öfter ein rotes EINFLUSS Motiv.“ Dem ist jedoch nicht so! Es gibt keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Lediglich im Motiv REVANCHE zeichnet sich eine leichte Tendenz dazu ab, dass Männer eher eine rote Motivausprägung haben und im Motiv FAMILIE, Frauen eine leicht stärkere Tendenz zu einer roten Motivausprägung haben. Die Unterschiede sind aber nicht statistisch signifikant. Dass wir geneigt sind, Männern und Frauen bestimmte Motive bevorzugt zuzuschreiben, hat eher etwas damit zu tun, welches Verhalten die unterschiedlichen Geschlechter nutzen, um das Motiv zu befriedigen. Auch bei gleicher Motivausprägung können zwei Personen ein unterschiedliches Verhalten zur Motivbefriedigung nutzen. Unser Verhalten ist gelernt und geprägt durch Erziehung, Kultur und Gesellschaft. Menschen lernen weibliches oder eben männliches Verhalten ab der frühen Kindheit. Persönlichkeit ist dagegen zu einem nicht unerheblichen Teil genetisch angelegt. Nehmen wir an, es gäbe zwei Kinder mit identischen Motivausprägungen. Während eines in Deutschland aufwächst, lebt das andere in Nepal. Beide werden für die Befriedigung ihrer Motive entsprechend ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Prägung und wirtschaftlichen Möglichkeiten unterschiedliche Verhaltensweisen nutzen.

2.3.2 Lebensmotive – die Bausteine der Persönlichkeit Unser individuelles Motivprofil kann als eine Abbildung unserer Persönlichkeit verstanden werden. Die wissenschaftliche Psychologie verfügt über viele andere Ansätze, die Persönlichkeit von Menschen zu definieren. Auch wenn die Persönlichkeitsforschung gravierende Fortschritte gemacht hat, ist es immer noch so, dass ganz unterschiedliche Ansätze zur Erklärung der Persönlichkeit von Menschen nebeneinander stehen und eine abschließende Wahrheit nicht existiert. Worüber inzwischen sicher ein breiterer Konsens besteht, ist, dass der Mensch weit weniger, als er manchmal gerne möchte, durch den Verstand gesteuert ist, sondern vielmehr aus seiner Emotion heraus agiert. Folgender Textauszug (Luczak 2008) verdeutlicht dies: Unsere Emotionen lassen sich mit einem Pferd vergleichen und unser Verstand mit dem Reiter, der die überlegene Kraft des Tieres zähmen soll. So wie dem Reiter, wenn er sich nicht von seinem Pferd trennen will, nichts anderes übrig bleibt, als es dahin zu führen, wo es hingehen will, so pflegen auch unsere Emotionen unseren Verstand in eine Handlung umzusetzen, ganz so, als ob sie dem Verstand entsprungen wären. So ähnlich stellen es sich

2.3  Das LUXXprofile

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Hirnforscher heute vor: Letztlich ist es die Emotion, das Pferd, das die Richtung vorgibt. Der Reiter macht sich die Intentionen des Tieres zu Eigen und glaubt triumphierend: Das Pferd ist genau dorthin gegangen, wohin ich wollte.

Um die Wirkung und Bedeutung der Persönlichkeit und des Verstandes in unserem Handeln zu verdeutlichen, können wir uns des bewährten Eisbergmodells bedienen, vgl. Abb. 2.6. Demnach ist es so, dass nur die Spitze des Eisberges, vielleicht 20 % (andere Modelle sagen 7 %), wirklich verstandesgesteuertes Verhalten ist. Viel mehr unseres Verhaltens erfolgt aus unseren Emotionen, aus unseren Bedürfnissen, aus unseren Werten, Zielen und Motiven. Im Alltag würden wir sagen „aus dem Bauch heraus“. Als Menschen finden wir nach dem Handeln immer viele verstandesgemäße und begründende, vernünftige Erklärungen, warum wir uns wie verhalten. Den Grund unseres Verhaltens suchen wir aber besser in unseren Motiven und Werten. Unsere Persönlichkeit definiert sich letztendlich über die Struktur und Funktionsweise unseres Gehirns. Eine große Rolle spielt hier das Limbische System in dem Emotionen und Motivation zu großen Teilen verortet sind. Diese Gehirnareale können wir nicht verändern, was wiederum bedeutet, dass auch unsere Persönlichkeit und damit einhergehend, das was wir fühlen, was wir wollen, was uns wichtig ist und was uns bewegt, nicht einfach so veränderbar ist. Dies gilt, wenn wir Persönlichkeit als Ausdruck unserer Motivation sehen. Natürlich können wir uns weiterentwickeln! Wäre dies nicht der Fall, müssten alle Personalentwickler und auch Managementberater ihren Beruf morgen an den Nagel hängen. Wenn wir auf unsere eigene Entwicklung zurückschauen, werden wir sicher feststellen, dass wir uns in vielen Bereichen im Alter von 20 Jahren anders verhalten haben als heute. Auf das Verhalten bezogen stimmt das, Verhalten ist gelernt und kann willentlich verändert werden. Aber wenn man selbstkritisch genug

Abb. 2.6   Der Anteil bewusster und unbewusster Verhaltenssteuerung

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

hinschaut, kann man feststellen, dass bestimmte Emotionen und Persönlichkeitszüge vielleicht schon im Alter von 15 Jahren, vielleicht schon mit 7 Jahren vorhanden waren. Bestimmte Eigenschaften – das, was man besonders mag oder was einem schon immer wichtig war, worüber es vielleicht schon mit den Eltern immer Streit gab – kennen Sie eventuell schon lange von sich. Eigenschaften, über die Sie denken: „Das war eigentlich fast immer schon so.“ Es lässt sich also festhalten, dass wir uns auf der Ebene des Wissens, des Verhaltens und der Kompetenzen entwickeln und verändern. Auf der Ebene der Motive tun wir das nicht in gleicher Weise. Sie gelten als relativ stabil und damit auch die Persönlichkeit, wenn sie über Motive beschrieben wird. Entwicklung auf der Verhaltensebene heißt z. B., dass wir in bestimmten Situationen ein bestimmtes Verhalten zeigen und aus dem Ergebnis lernen: „Das war gut“ oder wir lernen: „Das war nicht gut“. Entsprechend werden wir das spezifische Verhalten häufiger zeigen oder es lieber unterlassen und eine Handlungsalternative erlernen. Auf diese Art und Weise werden wir in unserem Verhaltensspektrum immer breiter und vielfältiger. Wir lernen, mit verschiedensten Menschen und verschiedenen Anforderungssituationen adäquat umzugehen. Und dies ist auch gut so! Unsere Persönlichkeit auf der Ebene der Motive ist aber relativ stabil. D. h., füllen wir ein LUXXprofile im Alter von 30 Jahren und dann noch einmal im Alter von 70 Jahren aus, werden wir in den konkreten Zahlenwerten sicherlich Unterschiede finden. Die Grundaussagen werden aber die gleichen bleiben. Tab. 2.1 gibt Ihnen einen kurzen Eindruck über die Bedeutung der Motivausprägung, sowohl in der blauen wie auch in der roten Ausprägung. Eine ausführliche Beschreibung aller Motive und der damit verbundenen Werte, Emotionen und Bedürfnisse habe ich im Anhang (Kap. 7) dieses Buches zusammengestellt. Wichtig für die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Mitarbeiterführung und ‐motivation ist, zu beachten, dass es bei Motivation um die Aspekte geht, die einem Menschen leichtfallen, die ihm Spaß machen, die ihm Befriedigung geben, die dazu führen, dass er am Ende des Tages sagt „Heute war ein guter Tag“. Es geht um seine innere, intrinsische Motivation, aus der heraus er von sich aus eine dauerhaft hohe Leistungsbereitschaft zeigt. Die Leistung dient der Befriedigung der inneren Motive, nicht der Erfüllung irgendwelcher externer Faktoren oder Anforderung. Wenn beides zusammentrifft, ist das für den Menschen und das Unternehmen von großem Nutzen. Bei allen nachfolgenden Überlegungen geht es also um die Frage, was Sie tun können, um für sich selbst – und für Ihre Mitarbeiter – eine hohe Zufriedenheit und Spaß bei der Aufgabenerledigung und der Bewältigung der gegebenen Anforderungen zu erreichen. Es geht darum, Aufgaben, Rahmenbedingungen und die Steuerung und Ansprache im beruflichen Kontext so zu gestalten, dass Sie und Ihre Mitarbeiter die erwartete Leistung gerne erbringen und dies ohne psychische Beanspruchung oder Belastung. Fähigkeiten sind hier nicht gemeint, sie betreffen eine andere, wichtige Ebene unserer Leistungsfähigkeit. Dies ist wichtig zu unterscheiden, um Mitarbeitern in ihrer Persön-

2.3  Das LUXXprofile

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Tab. 2.1  Kurzbeschreibung der 16 Motive In blauer Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/ Bevorzugung von …

Motiv

In roter Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/ Bevorzugung von …

… praktischem Handeln, Umsetzung, Wissenserwerb mit praktischem Nutzen, Anwendung von vorhandenem Wissen, etablieren und ausführen von Routinen …

NEUGIER

… neuem Wissen, Erkenntnisgewinn, Dinge hinterfragen, durchdringen, intellektueller Auseinandersetzung, Wissen um des Wissens willens …

… Zeigen von Selbstbewusst- SOZIALE ANERKENNUNG sein, unabhängig sein von der Meinung anderer, beweisen, dass man alles schaffen kann, ausprobieren von neuen Aufgaben, bei denen man scheitern kann … … Umsetzen und Einhalten von Prozessen und Abläufen, Handeln auf der Basis von Wissen und Erfahrung, Unterstützung von anderen, frei sein von Entscheidungen, Orientierung am Prozess …

EINFLUSS

… Genügsamkeit, Bescheiden- STATUS heit, gleich sein mit anderen, nicht hervorgehoben sein …

… sozialer Akzeptanz, Zugehörigkeit, positivem Selbstwert durch Wertschätzung und Anerkennung von außen, Fehlerfreiheit und Perfektion in der Umsetzung aller Handlungen … … Festlegungen, Entscheidungen treffen, offene Situationen schließen, Einfluss auf Situationen und Menschen nehmen, wirksam sein, Situationen gestalten, steuern, dominieren, kontrollieren, wirksam werden … … Prestige, öffentlicher Aufmerksamkeit, Ansehen, elitärer Unterscheidung von anderen …

… materieller Freiheit, materieller Großzügigkeit, Funktions- und Nutzenorientierung im Umgang mit Materiellem, Materielles gebrauchen und verbrauchen …

BESITZEN

… Anhäufung materieller Güter, horten, Vorrat schaffen, Bewahren, Vermeidung von Verschwendung, es geht um das Haben, nicht um das Gebrauchen …

… emotionaler Verbundenheit mit anderen, Team‐ und Gruppenzugehörigkeit, Gemeinsamkeit, Wir‐Gefühl, emotionaler Nähe …

AUTONOMIE

… Freiheit von anderen, Autark sein, Selbstgenügsamkeit, Selbstbestimmung, Unabhängigkeit von anderen, emotionale Distanz zu anderen, Nähe selbst bestimmen … (Fortsetzung)

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

Tab. 2.1   (Fortsetzung) In blauer Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/ Bevorzugung von …

Motiv

SOZIALKONTAKTE … Zeit für sich, zum Alleinsein, sozialer „Ruhe“, soziale Zurückgezogenheit, wenige, gute Freunde, inhaltlichen Austausch …

In roter Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/ Bevorzugung von … … Kontakt (räumlich) mit anderen, Freundschaft, Spaß mit anderen, Gespräche und Austausch mit Leichtigkeit …

… frei sein von der Orientierung an Werten und Normen, Ergebnis‐, Ziel‐ und Nutzenorientierung, Eigennutzen …

PRINZIPIEN

… Loyalität, Moralität, Prinzipientreue, Leben von Werten, Tugend, Einhalten von Pflicht und Verpflichtung …

… Gerechtigkeit und Fairness für sich selbst und nahestehende Menschen …

SOZIALES ENGAGEMENT

… sozialer Gerechtigkeit, Fairness für alle, Altruismus, Einsatz für eine gerechte Welt für alle, für Fremde …

STRUKTUR … Flexibilität, Spontanität, Veränderung, Kreativität, frei sein von Strukturen, Planungen und Ordnung … … Abenteuer, Veränderung, Herausforderung, Risiko, Unternehmungslust, Ausprobieren von Neuem, Betrachtung und Nutzen von Chancen bei gleichzeitiger Minimierung der Risiken …

SICHERHEIT

… Klarheit, Struktur, Stabilität, Organisation, Systematik, Ordnung, Sauberkeit, Schaffen und Einhalten von Plänen … … Entspannung, emotionaler Sicherheit, Vorhersehbarkeit von Konsequenzen, Vorsicht, Vermeidung von Veränderung, Betrachtung und Beachtung der Risiken …

REVANCHE … Harmonie, Kooperation, Win‐Win, Konfliktvermeidung, Ausgleich, Nachsicht, Verzeihen …

… Ausgleich, Vergeltung von erlebter oder vermuteter Ungerechtigkeit für sich selbst und nahestehende Menschen, „Heimzahlen“ …

… körperlicher Ruhe, VerBEWEGUNG meidung von körperlicher Anstrengung und Belastung …

… körperliche Bewegung und Anstrengung/Verausgabung, Fitness, Gesundheit, Austesten körperlicher Grenzen …

… Essen als Nahrungsaufnahme, satt werden …

… Essen als Genuss, Freude am Essen, Freude an der Beschäftigung mit Essen …

ESSENSGENUSS

(Fortsetzung)

2.3  Das LUXXprofile

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Tab. 2.1   (Fortsetzung) In blauer Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/ Bevorzugung von …

Motiv

In roter Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/ Bevorzugung von …

FAMILIE … partnerschaftlichem Umgang mit Kindern und Familie, frei sein von Kindern und familiären Verpflichtungen …

… Familienleben, „Für Familie da sein“/sich kümmern, Erziehung eigener Kinder, fürsorgliche, behütende, beschützende Beziehung zu allen Familienmitgliedern …

… Askese …

… Ästhetik, Sinnlichkeit in Dingen, Musik, Natur etc. Erotik, Sexualität …

SINNLICHKEIT

Abb. 2.7   Die Kompetenzpyramide

lichkeit gerecht zu werden. Abb. 2.7 verdeutlicht den Unterschied zwischen Fähigkeit und Persönlichkeit. Um die in der Abb. 2.7 dargestellte Kompetenzpyramide zu verdeutlichen, nutze ich exemplarisch das Motiv EINFLUSS. Das Motiv EINFLUSS beschreibt, in welchem Umfang Menschen steuern, kontrollieren, führen und entscheiden wollen. Wie wichtig und befriedigend es für sie ist, mit ihrem Handeln etwas zu bewirken, Ergebnisse zu schaffen. Menschen mit einer roten Ausprägung streben danach, Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen und wirksam zu werden. Auch wenn ihnen Wissen fehlt und eine Situation neu und unbekannt ist, fällt es ihnen leicht, Entscheidungen zu treffen.

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2  Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher“

Menschen mit einem blauen Motiv EINFLUSS handeln auf der Basis ihrer Erfahrungen und im Rahmen gegebener Prozesse und Regeln. Hier sind neue Entscheidungen nicht notwendig. Sie entscheiden in neuen oder offenen Situationen nicht gerne. Hier fragen sie lieber nach Entscheidung und suchen Führung. Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS werden eher Führungsaufgaben anstreben, weil sie dort ihre Motivation leben können. Einer Person mit einer blauen Ausprägung wird die Aufgabe aufgrund ihrer guten Leistung vielleicht angeboten, sie wird aber nicht aus diesem Motiv heraus aktiv danach streben. Übernimmt sie Führungsaufgaben, dann eher, weil Führung für sie Mittel zum Zweck für andere Motive sein kann z. B. STATUS. Das Motiv EINFLUSS ist in der Kompetenzpyramide Teil der Persönlichkeit. Eine Motivausprägung definiert über eine rote oder blaue emotionalen Ausprägung, wie jemand Einfluss leben will, was ihm wichtig ist und wie er sich bevorzugt verhalten möchte. Die Motivausprägung sagt aber nichts darüber aus, ob jemand seine Führungsaufgaben kompetent wahrnimmt, ob er es kann. Das Können im Führungshandeln liegt auf der Ebene der Verhaltenskompetenz. Sie beschreibt die Fähigkeit, führen zu können. Hierzu gehört z. B. die Kompetenz, zu delegieren, richtig Feedback zu geben oder Mitarbeiter zu coachen. Eine rote oder blaue Motivausprägung definiert, ob ich es in meinem Führungsstil bevorzuge zu sagen, was zu tun ist (rot) oder Entscheidungen über Fragen erarbeite (blau). Ob ich gut Feedback geben kann, ist eine Frage der Kompetenz, des gelernten Verhaltens. Theoretisch können das erst einmal alle Menschen lernen. Unsere Persönlichkeit definiert eher, was uns leichter fällt zu lernen, weil es uns liegt, Spaß macht oder eben nicht. So wird eine Führungskraft mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS lieber und leichter lernen zu coachen. Für sie ist das ein guter Weg, ihre Mitarbeiter zu unterstützen, anstatt Vorgaben zu machen. Einer Führungskraft mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS wird es mehr liegen und leichter fallen, über Vorgehensweisen zu entscheiden und diese für alle zu regeln, sie macht das gerne. Die Spitze der Pyramide bildet das Wissen. Im gesamten Kompetenzspektrum eines Menschen ist dies der Aspekt, der am leichtesten zu verändern ist. Bezogen auf Führung geht es hier um das Wissen über Führung, z. B. die Kenntnis verschiedener Führungsinstrumente oder Führungsstile. Egal, ob Menschen ein blaues oder rotes Motiv EINFLUSS haben, können sie gleich viel über Führung wissen. Es kann sein, dass Menschen mit einem roten Motiv EINFLUSS lieber Führungswissen aufbauen und sich entsprechende Kompetenzen aneignen, weil sie führen wollen und es ihnen Spaß macht. Aber das muss nicht so sein. Die Motivation ist eine begünstigende Voraussetzung, aber kein Muss für das Können. Das Motiv EINFLUSS in seiner individuellen Ausprägung wird sich im Leben eines Menschen als Persönlichkeitsmerkmal kaum ändern. Führungstechniken kann er aber mit überschaubarem und kalkulierbarem Aufwand lernen. Führungswissen kann er sich schnell aneignen. Dies gilt auch für alle anderen Motive und Kompetenzen. Die Motive Ihrer Mitarbeiter werden Sie nicht ändern, Kompetenzen und Wissen für ihre Aufgaben können Sie ihnen aber vermitteln. Bei der Unterscheidung zwischen leicht veränderbarem Wissen und Verhaltenskompetenzen und der schwer veränderbaren Persönlichkeit

Literatur

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ist zu beachten, dass wir Dinge/Aufgaben, die unserer Persönlichkeit (Motivation) entsprechen, lieber und mit mehr Leidenschaft tun als Dinge, die wir zwar gelernt haben, aber dennoch nicht gerne tun. Für die Führung Ihrer Mitarbeiter ist dies von großer Bedeutung für eine gezielte Motivation.

Literatur Kemper, D. J., Dörendahl, J., & Greif, S. (2017). Das LUXXprofile – Manual. Esch-sur-Alzette: University Luxembourg. Kroll L. E., Lampert T., Müters S. (2016). Arbeitslosigkeit und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit. Ein Überblick zum Forschungsstand und zu aktuellen Daten der Studien GEDA 2010 und GEDA 2012, in Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, Ausgabe 2/2016. Lorenz, M. & Rohrschneider, U. (2010). Praxishandbuch Mitarbeiterführung (2. Aufl.). Freiburg i. B: Haufe-Lexware. Luczak, H. (2008). Die Macht, die uns lenkt. GEOkompakt, 15, 102–115. Nink, Marco. (2018). Engagement Index. München: Münchner Verlagsgruppe GmbH. Reiss, S. (2004). The Reiss Profile of Fundamental Goals and Motivational Sensitivities: Examiner and Technical Manual (Version 2.1). Ohio: Ohio State University. Rheinberg, F. (2008). Intrinsische Motivation und Flow-Erleben. In J. Heckhausen & H. Heckhausen (Hrsg.), Motivation und Handeln (S. 15). Berlin: Springer-Lehrbuch. Siegrist, J. (1996). Adverse health effects of high effort—Low reward conditions at work. Journal of Occupational Health Psychology, 1, 27–43. Simonson, J., Tesch-Römer, C., & Vogel, C. (2016). Freiwilliges Engagement in Deutschland. Wiesbaden: VS Verlag.

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Führungskräfte sind auch nur Menschen – oder: Der Einfluss unserer Motive auf unser Führungsverhalten

3.1 Selbstreflexion und Selbstkenntnis als Basis guter Führungsarbeit Jeder, der einmal in der Mitarbeiterposition war, weiß, welch großen Einfluss das Verhalten und der Führungsstil der eigenen Führungskraft auf die Mitarbeiterleistungsbereitschaft, -zufriedenheit und das Wohlbefinden in einem Team, einer Abteilung und in einem Unternehmen haben. Viele Mitarbeiter kündigen ihren Arbeitsplatz nicht aufgrund der Arbeitsbedingungen oder der Aufgaben, sondern weil es Schwierigkeiten mit der Führungskraft gibt. Studien belegen nachweislich, dass die Führung z. B. auch einen wichtigen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter hat. In Untersuchungen zum Auftreten von Rückenerkrankungen bei älteren Arbeitnehmern fand Leidig (2007), dass zwar ein gewisser Zusammenhang mit schwerer körperlicher Belastung zu finden ist „die zuverlässigeren Vorhersagefaktoren für das Auftreten von Rückenschmerzen sind [aber] subjektive, psychologische Faktoren. Alleine Arbeitsunzufriedenheit erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Rückenerkrankung um den Faktor 7. Weitere zentrale Ursachen bestehen in dem subjektiven Erleben der Stärke der Belastung am Arbeitsplatz und betriebsklimatischen Faktoren, wie z. B. fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte“. Als Führungskraft haben Sie also einen hohen Einfluss auf und eine hohe Verantwortung für das Wohlbefinden oder eben auch Nicht-Wohlbefinden der Ihnen anvertrauten Mitarbeiter. Vor diesem Hintergrund halte ich es für unumgänglich, dass eine Führungskraft sich auch intensiv mit sich selbst auseinandersetzt und sich fragt: • • • •

Was kennzeichnet eigentlich meine Persönlichkeit? Was ist mir wichtig? Wie ticke ich? Wo sind meine Ecken und Kanten?

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Rohrschneider, Sinnhaft führen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5_3

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

• Wo sind Punkte, an denen es anderen Menschen sehr leichtfällt, mit mir zusammenzuarbeiten, mit mir zu kommunizieren. Wo gibt es aber auch Punkte, an denen sich andere Menschen an mir reiben? • Welche Auswirkungen hat das wiederum auf mein Führungsverhalten? Mit der Selbstreflexion ist nicht die Erwartung verbunden, dass sich jemand, wenn er eine Führungsaufgabe übernimmt, danach grundsätzlich ändert und plötzlich ein anderer Mensch wird – dies ist auch gar nicht möglich. Trotzdem sollten Menschen, die eine so verantwortungsvolle Position wie eine Führungsaufgabe übernehmen möchten, die Bereitschaft mitbringen, sich mit ihrem eigenen Verhalten, ihren Vorlieben, Ecken und Kanten auseinanderzusetzen, um gegebenenfalls das eigene Verhalten zu professionalisieren. Hierzu bedarf es beispielsweise der Bereitschaft zur Selbstreflexion – also auch ehrlich auf kritische Aspekte der eigenen Persönlichkeit zu schauen, diese anzunehmen, zu akzeptieren und dort, wo notwendig, bewusst Verhaltensänderungen herbeizuführen. Das kann auch bedeuten, die eigene Komfortzone zu verlassen, um neues Verhalten und neue Kompetenzen zu erwerben, um die Führungsaufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen zu können.

3.2 Feedback hilft, uns selbst und unsere Wirkung auf andere besser zu verstehen So, wie unsere Persönlichkeit uns über Wahrnehmung, Emotion, Denken und Verhalten steuert, beeinflusst sie natürlich auch unser Führungsverhalten. Wenn Sie sich jetzt hinsetzen und anfangen, über sich und Ihre Persönlichkeit nachzudenken, werden Sie wahrscheinlich Schwierigkeiten haben, die Wirkung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale, die Sie ausmachen – und an denen sich andere gegebenenfalls reiben – für sich selbst überhaupt richtig einzuschätzen. Das liegt daran, dass wir unsere eigene Persönlichkeit, unsere Werte und Motive, die sich in unserem Motivationsprofil spiegeln, als ganz normal und als „ist doch bei jedem so“ wahrnehmen. Wenn für einen selbst etwas selbstverständlich und normal ist, ist es verständlicherweise schwierig, die Wirkung der eigenen Motive nach außen bzw. auf andere korrekt einzuschätzen. Vielleicht wissen wir, dass wir an der einen oder anderen Stelle ein bisschen schwierig sind – z. B. beim Thema Ordnung. Vielleicht weiß jemand von sich, dass er schon mal sehr pingelig ist und andere sich durchaus darüber ärgern, dass bei ihm bestimmte Dinge immer auf eine ganz bestimmte Art und Weise und mit einer bestimmten Systematik erfolgen müssen. Aber im Grunde seines Herzens geht er davon aus, dass die meisten Menschen eigentlich genauso denken wie er selbst und dass die von ihm angestrebte Ordnung richtig und wichtig ist, damit in der Abteilung produktiv gearbeitet werden kann. Gerade, wenn ein Persönlichkeitsmerkmal bzw. ein Motiv sehr stark (blau oder rot) in unserem Motivationsprofil ausgeprägt ist, d. h. eine sehr hohe Bedeutung für uns hat, können wir

3.2  Feedback hilft, uns selbst und unsere Wirkung …

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dieses Außergewöhnliche, dieses „Andere“ an uns oft gar nicht wahrnehmen. Gemeint ist hier der sogenannte blinde Fleck. Wir selbst können nicht sehen, wie besonders wir uns bezüglich eines bestimmten Persönlichkeitsmerkmals verhalten – andere jedoch schon. Die Bedeutung dieses blinden Flecks zeigt Abb. 3.1. Das Johari-Fenster (Luft und Ingham 1955), benannt nach den Autoren Joe Luft und Harry Ingham, macht deutlich, dass wir für uns und unsere Umwelt unterschiedliche Wahrnehmungen haben. Die in Abb. 3.1 aufgeführten vier Bereiche ergeben sich aus der Kombination von Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung. Beginnen wir mit dem Feld links oben im Johari-Fenster. Dieses Feld beschreibt die sogenannte öffentliche Person. Hierbei handelt es sich um die öffentlichen Aktivitäten einer Person. Gemeint sind die Verhaltensweisen eines Menschen, die ihm selbst bewusst sind und die er anderen mitteilt (Gedanken, Gefühle, Werte, Einstellungen). In diesem Bereich spielen sich der freie und offene Austausch von Informationen und beobachtbare Verhaltensweisen ab. Steigt das Vertrauen zu Dritten, der Öffentlichkeit, wird dieser Bereich größer. Das Feld links unten charakterisiert die private Person. In diesem „privaten“ Bereich sind Handlungen, Verhaltensmuster, Gedanken, Gefühle und Meinungen angesiedelt, die nur der Person selbst bekannt sind. Dritten werden diese Informationen nicht mitgeteilt. Sie bleiben privat. Die jeweiligen Informationen werden aus verschiedensten Gründen geheim gehalten. Es geht vielleicht um politische Werthaltungen, bestimmte Verhaltensweisen, die wir nicht in der Öffentlichkeit zeigen, sondern nur in unseren geschützten vier Wänden. In Abb. 3.1 lässt sich anhand des eingezeichneten Pfeils erkennen, dass der

Abb. 3.1   Das Johari-Fenster

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

Quadrant der privaten Person sich dann verkleinern und der Quadrant der öffentlichen Person vergrößern wird, wenn wir anderen etwas über uns mitteilen. Der untere rechte Quadrant beinhaltet Aspekte, die unsere Persönlichkeit zwar prägen, derer wir uns selbst aber nicht bewusst sind. Wir tun manchmal Dinge, ohne genau zu wissen, warum. Dies kann sein, weil wir noch nie wirklich darüber nachgedacht haben, weil wir es im Laufe unseres Lebens verdrängt haben o. Ä. Dieser Quadrant kennzeichnet die unbewusste oder unterbewusste Person. Hier sind alle Teile einer Persönlichkeit verborgen, die weder der Person selbst noch Dritten bekannt sind. Dazu zählen unbewusste Motive und Wünsche, unterdrückte Bedürfnisse, verborgene Talente und ungenutzte Begabungen. Das vierte Feld, rechts oben, kennzeichnet den blinden Fleck. Es handelt sich hier um einen Teilaspekt des Verhaltens einer Person, der zwar für Dritte sichtbar und erkennbar ist, der der betroffenen Person selbst jedoch nicht bewusst ist. Obwohl wir in diesem Feld keine Wahrnehmung für uns selber oder unsere Wirkung haben, erlebt ein Außenstehender unser Verhalten und dessen Wirkung. Wir kommunizieren sehr viel unbewusst in Gestik, Mimik, Stimmklang, Kleidung, Auftreten etc. D. h., bezüglich des blinden Flecks weiß die Umwelt mehr über die Person, ihr Verhalten und ihre Wirkung, als ihr selbst bewusst ist. Für dieses Feld können wir nur dann ein Bewusstsein bekommen, wenn unsere Mitmenschen die Fairness und den Mut besitzen, uns Feedback zu unserer Außenwirkung zu geben. Durch solches Feedback können wir mehr Klarheit über die Wirkung unserer Persönlichkeit nach außen gewinnen und so ein Bewusstsein für bestimmte Persönlichkeitszüge entwickeln. Erst dann können wir überhaupt darüber nachdenken. Vor diesem Hintergrund ist es für Führungskräfte von besonderer Bedeutung, sich immer wieder Feedback zu holen. Dies kann mithilfe von Feedbackinstrumenten, wie sie häufig in Unternehmen genutzt werden – z. B. Führungskräfte-Feedback oder 360-Grad-Feedback – erfolgen. Problematisch an diesen Feedbackinstrumenten ist, dass das Feedback immer auf bestimmte Kompetenzdimensionen, die für ein Unternehmen von Bedeutung sind, bezogen ist und dass sich der Feedbacknehmer natürlich nie ganz sicher sein kann, wie ehrlich seine Feedbackgeber in ihrem Feedback tatsächlich sind. Wertvoller kann es sein, sich ein persönliches Feedback von Menschen zu holen, die man gut kennt und die einem vertraut sind. Das können Kollegen, Freunde aus dem privaten Umfeld, Mitarbeiter und auch der eigene Vorgesetzte sein. Nachfolgend dazu ein Beispiel: Beispiel

Eine junge Führungskraft fällt dadurch auf, dass sie häufig sehr klar und direkt formuliert, was sie denkt oder meint. Auch, wenn ihr etwas nicht gefällt oder sie eine andere Meinung hat, nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Nach außen wirkt sie damit oft sehr hart und auch provokant oder sie schüchtert andere ein. Da die Führungskraft mit diesem Verhalten Gefahr läuft, ihre Mitarbeiter zu verunsichern, nutzt ihr Vorgesetzter die Gelegenheit zu einem Feedback und sagt ihr, dass sie ihre

3.2  Feedback hilft, uns selbst und unsere Wirkung …

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Äußerungen freundlicher und rücksichtsvoller formulieren solle. Die Führungskraft reagiert daraufhin irritiert und gibt dem Vorgesetzten die Rückmeldung, sie selbst habe das Gefühl, sehr weich nach außen zu wirken und doch schon alles vorsichtig formuliert. Hier liegen Eigen- und Fremdwahrnehmung sehr weit auseinander. Eine Begründung für die „harte“ Außenwirkung der Führungskraft findet sich in ihrem stark blau ausgeprägten Anerkennungsmotiv und in ihrem stark blau ausgeprägten Motiv Emotionale Ruhe. Diese Motivkombination macht sie zu einem sehr selbstbewussten Menschen. Dieser Mensch hat kaum Angst vor Zurückweisung durch andere oder irgendwelchen kritischen Konsequenzen. Er kann Dinge sehr direkt und klar benennen und dadurch auf seine Umwelt streng bis arrogant wirken. Der Führungskraft fehlt die Selbstwahrnehmung für ihre harte Außenwirkung, weil sie ihre persönliche Angstfreiheit für ganz normal und selbstverständlich hält und nicht verstehen kann, warum manchen Menschen ihre Äußerungen unfreundlich und streng erscheinen. Wenn sie aber in der Mitarbeiterführung unnötige Schwierigkeiten vermeiden will, muss sie an dieser Stelle ihr Verhaltensspektrum bewusst erweitern. ◄ Das Beispiel macht deutlich, dass wir für unsere Selbstreflexion durchaus auch Feedback brauchen. Indem Sie mehr über sich selbst und Ihre Wirkung auf Dritte lernen, werden bestimmte Felder Ihres individuellen Johari-Fensters kleiner. Das Feld Ihres Blinden Flecks können Sie über Feedback verkleinern. Das Feld Ihres Unbewussten können Sie über Persönlichkeitstests wie das LUXXprofile verkleinern. Dabei führen die Erkenntnisse aus Persönlichkeitstest auch zu einer Verkleinerung des Blinden Flecks. Die gewonnene Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Verhaltenserweiterung. Bei einer ehrlichen Selbstreflexion stehen Sie vor einer weiteren Herausforderung, die durch den Businesskontext definiert wird. Selbstverständlich gibt es Verhaltensweisen, Werte und Eigenschaften, die in unserer Arbeitswelt als positiv und solche, die als negativ gewertet werden. Und wenn wir uns (mit oder ohne Persönlichkeitstest) selbst einschätzen, neigen wir natürlich dazu, die von der Businesswelt oder unserer Umwelt insgesamt als positiv bewerteten Eigenschaften auch uns selbst zuzuschreiben – im Sinne von „ich sollte so sein“ oder „Wunschdenken“. Alles andere würde uns, zumindest im ersten Moment, ein schlechtes Gefühl bei der Selbsteinschätzung geben. D. h., in Bezug auf unsere Selbsteinschätzung und Selbstreflexion unterliegen wir durchaus verschiedenen Fehlerquellen, die zu einer Verzerrung unserer Wahrnehmung und damit auch unserer Selbsteinschätzung führen können. An dieser Stelle können Sie nicht mehr tun, als an sich selbst zu appellieren, Ihre Selbsteinschätzung ehrlich und am besten „aus dem Bauch heraus“ vorzunehmen. Nur bei einer ehrlichen Selbsteinschätzung haben Sie einen nützlichen Lern- und Erkenntnisgewinn für sich. Dann finden Sie auch hilfreiche Erklärungen dafür, warum Ihnen bestimmte Dinge leichtfallen und andere Ihnen nur schwer gelingen, oder warum Sie sich mit dem einen Mitarbeiter oder Kollegen so wunderbar verstehen, es mit dem anderen aber gar nicht klappen will. Darüber hinaus können Sie aus einer ehrlichen Selbsteinschätzung ableiten, wo Ihre ganz persönlichen Lernfelder liegen und an welcher

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

Stelle Sie bewusst Verhaltenskompetenzen aufbauen sollten, um Ihr Führungsverhalten weiter zu professionalisieren.

3.3 Sich selbst kennen, reflektieren und verstehen – Ihr persönliches Motivprofil Vielleicht sind Sie schon neugierig geworden und fragen sich, wie Ihr Motivprofil und Ihre Motivausprägungen wohl aussehen. Ich habe Ihnen in Abb. 3.2 ein leeres Motivprofil eingefügt, welches Sie nutzen können, um für sich selbst eine erste Profileinschätzung vorzunehmen. Diese Selbsteinschätzung wird aufgrund der oben beschriebenen Schwierigkeiten nicht hundertprozentig genau sein. Es ist vor allem schwer einzuschätzen, wie stark (Zahlenwert) ein Motiv bei einem selbst im Vergleich zu anderen ausgeprägt ist. Für Ihre Selbsteinschätzung geht es aber auch nicht darum, einen exakten Wert anzugeben. Vielmehr können Sie mit der Länge des Balkens eine Tendenz angeben, wie Sie eine Motivausprägung für sich erleben. Für ein wirklich stimmiges Motivprofil sollten Sie den LUXXprofile-Fragebogen bearbeiten. Ihr individuelles Motivprofil können Sie in Zusammenarbeit mit einem zertifizierten LUXXprofile Master erstellen. Diese finden Sie auf der Homepage der LUXXunited GmbH, www.luxxprofile.de. Aus Ihrem Motivprofil in der Selbsteinschätzung können Sie ableiten, wo für Sie ggf. Lern- und Entwicklungsfelder bestehen. Sie können aber auch erkennen, welche Motive zu besonderen Stärken auf der Verhaltensebene führen können und überlegen, wie Sie diese für sich und Ihre Rolle optimal ausbauen und nutzen können. Für eine möglichst genaue Selbsteinschätzung sollten Sie sich nicht fragen, was Sie tun oder was Sie können. Fragen Sie, was Sie gerne tun, was Ihnen besonders leicht fällt, wann Sie sich besonders wohlfühlen und was Ihnen Spaß macht. Aber genauso auch, was Sie anstrengt, was Ihnen keinen Spaß macht, wozu Sie sich selber disziplinieren müssen. Oder welche Verhaltensweisen Sie bei anderen Menschen als anstrengend und nervend empfinden oder worüber Sie sich ärgern. All dies sind Hinweise auf Ihre Motivausprägungen. Bei Dingen, die Sie ärgern oder anstrengen, werden Sie eher eine entgegengesetzte Motivausprägung haben. Haben Sie z. B. im Kollegenkreis jemanden, der sich sehr gerne mit teuren Anzügen kleidet, sein schickes Auto direkt vor das Firmengebäude stellt und leger mit seinen neusten technischen Geräten spielt (Hinweis auf eine rote Ausprägung im Motiv STATUS), und finden Sie dieses Verhalten unglaublich „blöd“, anstrengend und albern, ist das ein Hinweis darauf, dass Sie selbst eher eine blaue STATUS Motivation haben und deshalb Dinge, die mit Status zusammenhängen, nervig und überflüssig bzw. völlig unwichtig finden. Folgenden Fragen können Ihnen bei Ihrer Selbsteinschätzung helfen: • Was macht mir wirklich Spaß, was mag ich gar nicht und warum ist das so? • Wann geht es mir gut? Wann geht es mir nicht gut und warum ist das so? • Wann spüre ich Kraft und Energie, woraus ziehe ich sie?

3.3  Sich selbst kennen, reflektieren und verstehen …

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Abb. 3.2   Profilblatt zur Selbsteinschätzung

• Was geht mir leicht von der Hand, was strengt mich an und warum ist das so? • Wann fühle ich mich positiv angeregt, wann langweile ich mich (Tätigkeiten, Umfeld, etc.) • Was ist mir wirklich wichtig und warum? • Welche Bedeutung hat das Wort „Einfluss“ für mich? • Bin ich gerne derjenige, das das „Sagen“ hat und entscheidet, oder agiere ich lieber im Team und als Teil des Teams?

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

• Wie gehe ich damit um, wenn ich in eine Situation komme, in der ich Hilfe von anderen Menschen annehmen muss? Wie agiere ich in solchen Situationen? • Wie wohl fühle ich mich damit, Aufgaben an meine Mitarbeiter zu delegieren? Wie gehe ich damit um, wenn die Ergebnisse zwar gut, aber doch anders sind, als ich es mir vorgestellt habe? • Was ist mir in der Führung meiner Mitarbeiter besonders wichtig, worauf lege ich viel Wert? • Wie möchte ich als Führungskraft von meinen Mitarbeitern gesehen werden? Was sagt mit das über meine Werte/Motive? • Wie gehe ich bei der Planung von Projekten und Aufgaben vor? Beziehe ich Mitarbeiter ein? Arbeite ich lieber für mich alleine oder als Mitglied eines Teams? • Worauf lege ich in der Leistungserbringung durch meine Mitarbeiter viel Wert? Worauf mache ich sie aufmerksam? Was versuche ich ihnen beizubringen? Was sagt mir das über meine Werte/Motive? • Welche Werte leiten mich bei der Ausübung meiner beruflichen Tätigkeit? Gibt es Dinge, von denen ich sage „Das muss so sein und darf auf keinen Fall anders sein“? Welche sind das und welche Motive stecken dahinter? • Welches positive Feedback habe ich aus meinem Umfeld erhalten? Welches negative oder kritische Feedback habe ich aus meinem Umfeld erhalten? Wie beschreiben mich sehr vertraute Personen, z. B. Lebenspartner, Freunde, Familie? Was schätzen sie an mir? Was mögen sie weniger an mir? Durch welche Motive kann dieses Verhalten bedingt sein? • Gibt es Verhaltensweisen, in denen ich mich im privaten Umfeld deutlich anders verhalte als im beruflichen Kontext? Welche dieser Verhaltensweisen fällt mir leichter, womit fühle ich mich wohler? Auf welche Motive deutet das hin? Neben den nachfolgenden Ausführungen, die ein häufig zu beobachtendes Führungsverhalten pro Motiv beschreiben, finden Sie im Anhang (Kap. 7) eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Motivausprägungen. Lesen Sie am besten beides zusammen. Versuchen Sie, möglichst ehrlich zu sich selbst zu sein und zeichnen Sie Ihre Motivausprägungen so ein, wie sie tatsächlich sind und nicht so, wie Sie sie vielleicht gerne hätten oder Ihre Umwelt sie von Ihnen erwartet. Dieses Profil ist schließlich nur für Sie selbst!

3.4 Auch Führungskräfte wollen emotionale Bezahlung Welche Wirkung die Persönlichkeit auf unser Führungshandeln hat, wird deutlich, wenn wir betrachten, wie sich bestimmte Motivausprägungen im bevorzugten Führungsverhalten spiegeln. Darüber hinaus wirken sich natürlich auch die Motivkombinationen in bestimmter Art und Weise auf das Führungsverhalten aus. Exemplarische Profile von Führungskräften finden Sie am Ende dieses Kapitels.

3.4  Auch Führungskräfte wollen emotionale Bezahlung

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Alle Motive beeinflussen Ihr Führungshandeln. Auch als Führungskraft handeln Sie so, dass Sie zumindest Zufriedenheit gewinnen, Ihr Gehirn Sie emotional bezahlt. In der Zusammenarbeit mit Führungskräften habe ich jedoch die Erfahrung gemacht, dass einige Motive für die Mitarbeiterführung vielleicht nicht ganz so bedeutsam sind wie andere. Auch aus Platzgründen gehe ich auf diese Motive (BESITZEN, SOZIALES ENGAGEMENT, SINNLICHKEIT, ESSENSGENUSS, BEWEGUNG) an dieser Stelle nicht ein. Nachfolgend finden Sie nach einer kurzen Beschreibung der grundlegenden Aussage der Motive einige oft zu beobachtende Auswirkungen der verschiedenen Motivausprägungen auf das bevorzugte Führungshandeln. u

Das Motiv NEUGIER  Konstruktbeschreibung:

Die Skala NEUGIER beschreibt, welche Art von Wissen für einen Menschen wie wichtig ist. Menschen mit einer roten Ausprägung sind ständig auf der Suche nach Wissen und neuen Denkansätzen. Menschen mit einer blauen Ausprägung haben für neues Wissen oder neue Erkenntnisse eher einen praktischen Zugang. Sie wollen Ihr Wissen anwenden und fragen danach, wie etwas getan und umgesetzt werden kann.

Blaue Ausprägung  Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv NEUGIER entscheiden stark handlungsorientiert. Sie wollen, wenn ein Problem vorliegt, schnell eine umsetzungsorientierte Lösung herbeiführen. Ein langes Hinterfragen macht sie eher ungeduldig und sie halten ihre Mitarbeiter zum Handeln an. Bei neuen Themen sind sie schneller auch mit einem begrenzen Wissenserwerb zufrieden, wenn sie das Gefühl haben, mit dem gewonnen Wissen handeln zu können. Auf diese Weise können sie schnell ins Handeln gehen und Ergebnisse produzieren, die aber vielleicht nicht immer in aller Tiefe durchdacht sind. Zitat: „Ich finde das super, das Thema kenne ich, das kann ich. Einfach abarbeiten ohne Stress.“ Rote Ausprägung Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv NEUGIER arbeiten vorrangig und gern an analytischen, strategischen und konzeptionellen Aufgaben. Gerne übernehmen sie Aufgaben, bei denen es um Wissenserwerb geht, selbst. Sie mögen es nicht, Dinge weiterzugeben, die für sie noch nicht fertig durchdacht sind. Sie geben gerne ihr Wissen weiter und bewegen sich dabei oft auf einer abstrakten, theoretischen Ebene oder der Metaebene. Auch gegenüber ihren Mitarbeitern erwarten sie, dass diese sich breit interessieren und sich neues Wissen aneignen, Dinge nicht einfach machen sondern hinterfragen. Sie neigen dazu, Mitarbeiter mit Informationen zu überfrachten, da sie Wissen als wichtig erachten und an andere weitergeben wollen. Zitat: „Ich sorge dafür, dass meine Mitarbeiter sich weiterbilden und immer neue Qualifikationen erwerben, jeder muss einmal im Jahr was Neues lernen.“

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Das Motiv SOZIALE ANERKENNUNG  Konstruktbeschreibung:

Die Skala SOZIALE ANERKENNUNG beschreibt, woher ein Mensch sein Selbstbild gewinnt, aus sich selbst heraus (blaue Ausprägung) oder aus dem Feedback von Dritten (rote Ausprägung). Je nach Ausprägung wird positives Feedback kontinuierlich gewünscht oder man hält es für unnötig, weil man sich selbst bestätigen kann.

Blaue Ausprägung  Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG verfügen über ein stabiles Selbstbild und daraus abgeleitet ein hohes Selbstbewusstsein. Sie haben keine Angst, Neues auszuprobieren und ggf. zu scheitern. Sie lernen aus Fehlern und finden vor diesem Hintergrund Kritik wertvoll. Häufig vergessen Sie, ihre Mitarbeiter für deren erbrachte Leistungen zu loben und Anerkennung zu äußern. Sie vergessen es, weil sie selber diese Rückmeldung von außen nicht brauchen. Häufig sind sie der Ansicht, dass die Leistungen, die die Mitarbeiter erbringen, eben zu ihrem Job gehören und keiner separaten Honorierung bedürfen. Sie neigen dazu, ihre Einschätzungen einer Situation oder einer Leistung sehr direkt zu kommunizieren und denken selten darüber nach, wie ihre Worte beim Gegenüber ankommen und interpretiert werden. Dies führt leicht dazu, dass Mitarbeiter Bewertungen als zu hart und zu direkt erleben. Zitat: „Die Mitarbeiter bekommen für ihre Leistung ihr Gehalt, warum soll ich die Leistung dann noch benennen, sie ist doch selbstverständlich. Solange ich nicht kritisiere, ist für mich also alles in Ordnung.“ Rote Ausprägung Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG streben danach, selbst und mit ihren Mitarbeitern beste Leistung zu erzeugen. Grundsätzlich stellen sie an die Aufgabenerledigung bei sich selbst und auch bei ihren Mitarbeitern hohe Anforderungen. Fehler wollen sie unbedingt vermeiden, sie streben nach Perfektion. Sie scheuen sich häufig davor, ihre Mitarbeiter zu kritisieren oder zu tadeln. Sie neigen dazu, Kritik auf später zu verschieben, um sie gegebenenfalls nicht äußern zu müssen. Sie wollen vor allen Dingen vermeiden, dass die Mitarbeiter wegen der ausgesprochenen Kritik böse auf sie sind. Es fällt ihnen leichter, Mitarbeiter für die erbrachte Leistung zu loben und grundsätzlich anerkennend und wertschätzend mit ihnen umzugehen. Gegenüber ihrem eigenen Vorgesetzten haben sie häufig Schwierigkeiten, „Nein“ zu sagen sowie sich selbst und ihren Arbeitsbereich klar abzugrenzen und sich so auch vor Überlastung zu schützen. Dadurch kann es leicht passieren, dass sie mehr Aufgaben annehmen, als tatsächlich abgearbeitet werden können. Zitat: „Wenn Mitarbeiter was nicht gut gemacht haben, denke ich oft: ‚Na ja, so schlecht ist es ja auch nicht, bestimmt macht er es das nächste Mal besser, er wird das ja selbst auch erkennen‘ und dann sage ich auch nichts zu dem Mitarbeiter.“

3.4  Auch Führungskräfte wollen emotionale Bezahlung

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Das Motiv EINFLUSS  Konstruktbeschreibung:

Die Skala EINFLUSS beschreibt, wie wichtig es einem Menschen ist, Festlegungen zu treffen bzw. umzusetzen. Menschen mit einer roten Ausprägung haben den Wunsch nach einem ständigen Einfluss während Menschen mit einer blauen Ausprägung Festlegungen umsetzen aber nicht selber treffen wollen. Beides ist nur in neuen, unbekannten Situationen wichtig, für die es noch keine Entscheidungen gibt.

Blaue Ausprägung Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS orientieren sich in ihrem Führungshandeln an bestehenden Prozessen (so wird es gemacht), an ihrem Wissen und ihren Erfahrungen, daraus handeln sie in allen bekannten Situationen. Sie haben weniger das Bedürfnis, für ihre Mitarbeiter Entscheidungen zu treffen. Sie streben danach, dass die Mitarbeiter mit hoher Selbstständigkeit und Kompetenz ihre Aufgaben eigenständig erledigen und notwendige Entscheidungen selber treffen. Gerne geben sie Verantwortung für die Gestaltung von Aufgaben und Vorgehensweisen an ihre Mitarbeiter ab. Sie drängen sich nicht in den Vordergrund und lassen Meetings auch gerne von Mitarbeitern gestalten. Sie führen oft über Fragen und wollen so erreichen, dass Mitarbeiter ihre Probleme selbst lösen. Häufig sagen sie „ich bin der Coach meiner Mitarbeiter, ich fördere sie“. Sie sehen sich eher als „gleich“ mit ihren Mitarbeitern, verfolgen einen lateralen Führungsstil (lateral: seitlich, von der „Seite“ führend, nicht von „oben“) und können sich als Dienstleister für ihre Mitarbeiter sehen. Zitat: „Einfluss verbinde ich mit Dominanz, so bin ich nicht und so will ich auch nicht sein. Ich muss nicht sagen, wo es langgeht.“ Rote Ausprägung  Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS entscheiden schnell und es fällt ihnen auch in offenen, unbekannten Situationen leicht, Entscheidungen zu treffen. Kommt ein Mitarbeiter mit einer Frage, haben sie sofort eine passende Lösung parat. Sie geben dem Mitarbeiter die Lösung, anstatt darauf hinzuwirken, dass dieser die Lösung selber findet. D. h., sie arbeiten weniger mit Fragen, sondern stärker mit klaren Vorgaben, Vorschlägen und Hinweisen, wie etwas zu tun ist. Sie wollen nicht übergangen werden und reagieren ungehalten, wenn Mitarbeiter außerhalb ihres Standardaufgabengebiets eigenständig Entscheidungen treffen und sie nicht gefragt wurden. Gerne mischen sie sich in alle möglichen Vorgänge ein und kontrollieren die Arbeiten der Mitarbeiter. Sie reagieren schnell ungeduldig, wenn sie den Eindruck haben, dass jemand sich nicht genug anstrengt, hadert oder zu langsam arbeitet. Ein weniger leistungsorientiertes Vorgehen erleben sie eher als faul und unmotiviert. Insgesamt neigen sie zu einem vorgebenden, dominanten Führungsstil. Zitat: „Wenn der Mitarbeiter total lange dafür braucht, zwanzigmal fragt und dann auch noch Fehler macht, dann mache ich es lieber gleich selbst.“

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Das Motiv STATUS  Konstruktbeschreibung:

Die Skala STATUS beschreibt, in wieweit ein Mensch danach strebt, sich elitär von anderen zu unterscheiden, bzw. gleich egalitär mit anderen zu sein. Je signifikanter rot die Ausprägung ist, desto deutlicher zeigt sich der Wunsch, elitär und privilegiert zu sein. Die blaue Ausprägung äußert sich in dem Wunsch nach Gleichbehandlung.

Blaue Ausprägung  Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv STATUS orientieren sich nicht am Status anderer Menschen. Dies ist für sie kein Aspekt der über den „Wert“ eines Menschen entscheidet. Sie versäumen es häufig, ihre Mitarbeiter mit Status zu belohnen. Sie selbst messen diesen Dingen einen geringen Wert bei, sodass sie kaum auf die Idee kommen, Mitarbeiter über Status zu motivieren. Sie erkennen den eventuell vorhandenen Statusanspruch auch nicht als Bedürfnis an, sondern wollen entsprechende Allüren in ihrem Bereich gerne unterbinden. Zitat: „Bei uns gibt es kein Handy oder so als Statussymbol, damit braucht mir auch keiner zu kommen. Wenn einer eins kriegt, dann nur, damit ich ihn 24 h erreichen kann.“ Rote Ausprägung: Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv STATUS stellen sich selbst gerne in den Mittelpunkt. Sie betonen die eigene Leistung und versuchen über irgendetwas, materiell oder immateriell, ihre Bedeutsamkeit zum Ausdruck zu bringen. Sie versäumen dabei oft, die Leistung ihrer Mitarbeiter zu betonen oder auch deutlich zu machen, dass eine erbrachte Leistung vom Mitarbeiter und nicht von ihnen selbst erbracht wurde. Es fällt ihnen leicht, Mitarbeiter mit entsprechenden Statussymbolen zu motivieren, da sie dies ja auch für sich selbst wichtig finden. Zitat: „Wenn Du zu dem Kunden fährst, kannst Du gerne meinen Porsche nehmen.“ u

Das Motiv AUTONOMIE  Konstruktbeschreibung:

Die Skala AUTONOMIE beschreibt, inwieweit ein Mensch seine Beziehungen eher unter dem Aspekt der Unabhängigkeit und Distanz oder der Verbundenheit und emotionalen Nähe gestaltet. In der roten Ausprägung zeigt sich in allen Beziehungen ein konsequentes Streben nach Autonomie. Menschen mit einer blauen Ausprägung suchen die Gemeinsamkeit und Verbundenheit.

Blaue Ausprägung Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv AUTONOMIE erledigen Aufgaben gerne zusammen mit ihren Mitarbeitern, suchen Verbundenheit und den persönlichen Austausch mit ihnen. Sie beziehen sie stärker mit ein und versorgen sie mit allen notwendigen Informationen. Sie mögen gemeinsame Diskussionen und treffen gern Gemeinschaftsentscheidungen. Sie bevorzugen ein Handeln im Konsens mit anderen und versuchen, diesen Konsens immer zu erreichen. Müssen sie sich aufgrund ihrer Führungsrolle gegen ihre Mitarbeiter stellen und sich dadurch vom

3.4  Auch Führungskräfte wollen emotionale Bezahlung

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Team separieren, fällt ihnen dieses Vorgehen schwer. Sie bevorzugen es, Teil der Gruppe zu sein und wollen zum Team gehören. Zitat: „Wenn wir gemeinsam etwas erarbeiten, ist das Ergebnis viel besser, weil alle Ideen, Fähigkeiten und Kenntnisse eingeflossen sind.“ Rote Ausprägung  Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE nehmen Dinge lieber selbst in die Hand, als sie an Mitarbeiter weiterzugeben oder ihre Mitarbeiter um Unterstützung zu bitten. Sie reagieren ungehalten oder ungeduldig, wenn Mitarbeiter, Vorgesetzte oder andere mit ihren Anliegen ihre persönliche Planung und Freiheit durchkreuzen. Sich intensiv auf andere einzustellen, erleben sie als anstrengend. Sie pflegen eher eine distanzierte Beziehung zu ihren Mitarbeitern und berichten weniger privates und persönliches. Auch bei ihren Mitarbeitern finden sie es besser, wenn diese ihre Aufgaben eigenständig erledigen, anstatt alles Mögliche gemeinsam zu tun. Zitat: „Dafür brauchen wir Abteilung XY nicht, das schaffen wir alleine. Mir geht das auf die Nerven, das ist so eine Zeit‐ und Ressourcenverschwendung, immer alles gemeinsam zu erarbeiten und abzustimmen.“ u

Das Motiv SOZIALKONTAKTE  Konstruktbeschreibung:

Das Motiv SOZIALKONTAKTE beschreibt die Unterschiede im Streben nach Geselligkeit und Kontakt zu anderen Menschen. Die Ausprägungen spiegeln sich in der Zahl der Kontakte wieder. Je höher desto mehr. Je niedriger desto weniger und ausgewählter sind die Kontakte. Gemeint sind hier die Kontakte, die den sozialen Kontakt oder Austausch als Ziel haben. Ein Arbeitsmeeting gehört nicht dazu, da es einen andern Zweck hat.

Blaue Ausprägung  Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE suchen den Austausch mit anderen Menschen um fachlich, inhaltliche oder arbeitsbezogen Dinge zu besprechen oder zu klären. Den Kontakt für einen Small Talk suchen sie nicht, er bringt ihnen keinen Mehrwert. Sie versäumen es häufig, ausreichend mit ihren Mitarbeitern auf der Ebene des Small Talks zu kommunizieren und so Beziehungen zu gestalten. Sie ziehen sich gerne in ihre Fachaufgaben zurück und merken häufig gar nicht, wie wenig sie den Kontakt zu ihren Mitarbeitern suchen und pflegen. Dadurch kann es leicht passieren, dass Informationen in geringerem Umfang ausgetauscht werden. Vor diesem Hintergrund tun sie sich auch eher schwer, sich gut im Unternehmen zu vernetzen oder Netzwerke zu pflegen. Zitat: „Ich kann ja nicht den ganzen Tag mit meinen Leuten reden, ich muss ja was arbeiten.“ Rote Ausprägung  Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE suchen viel Kontakt und Austausch mit ihren Mitarbeitern. Sie sind zwischendurch immer wieder zu einem Spaß und einer persönlichen Konversation aufgelegt und finden es wichtig, mit jedem Mitarbeiter auch ausführliche, nicht immer tiefgehende, Gespräche zu führen, um die Beziehungsebene zu gestalten. Sie sind unterhaltsam und kommunikativ, pflegen Netzwerke im Unternehmen und wollen,

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dass ihre Mitarbeiter das auch tun. Zitat: „Man muss doch Bescheid wissen, was so los ist bei den Mitarbeitern. Und immer nur bierernste Stimmung verdirbt doch den Tag.“ u

Das Motiv PRINZIPIEN  Konstruktbeschreibung:

Die Skala PRINZIPIEN beschreibt die Unterschiede im Streben nach Konformität mit sozialen Normen, die für bestimmte gesellschaftliche Gruppen bzw. die Gesellschaft als Ganzes gelten. Die Ausprägungen führen entweder zu einer strikten Einhaltung der Normen oder zu einem rein zielorientierten Beachten von Normen.

Blaue Ausprägung Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv PRINZIPIEN gehen mit Festlegungen und Vereinbarungen flexibel um. Sie können auch ihre Haltung und Meinung situativen Bedingungen anpassen. Sie suchen bei Problemen nach dem machbaren und gangbaren Weg. Das „Wie“ ist weniger entscheidend für sie und sie sind gerne bereit, eine Entscheidung auch schnell über den Haufen zu werfen, wenn sich ein besserer Weg auftut. Wichtig ist, dass etwas funktioniert und nicht unbedingt, wie es funktioniert. Gegenüber Mitarbeitern gehen sie mit Absprachen und Vereinbarungen ebenfalls flexibel um und sind bereit, sie zu brechen, wenn sich etwas für sie Wichtigeres ergibt. Sie können damit den Eindruck mangelnder Zuverlässigkeit erzeugen. Zitat: „Ich interpretiere die Gesetze so für uns, dass wir unsere Ziele erreichen und uns gerade nicht strafbar machen.“ Rote Ausprägung  Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv PRINZIPIEN legen hohen Wert auf die Loyalität ihrer Mitarbeiter. Sie legen Wert auf Verbindlichkeit und Verlässlichkeit und Verhalten sich auch so. Normen, Werte und Regeln werden von Ihnen eingehalten und das erwarten sie auch von Ihren Mitarbeitern. Das kann auch die Frage, wie etwas gemacht wird, betreffen, wenn damit bestimmte Regeln verbunden sind. Sie tun etwas vielleicht nicht, wenn damit ein Regelbruch verbunden ist. Auf ihre Mitarbeiter kann die starke Werteorientierung zu eng, moralisierend und unflexibel wirken. Sie nehmen sie ggf. als Prinzipienreiter wahr. Zitat: „Eine Auszubildende hat bei Inventurarbeiten zwischen Weihnachten und Neujahr eine von der Weihnachtsfeier noch herumstehende Sektflasche mitgenommen. Ich habe sie sofort rausgeschmissen.“ u

Das Motiv STRUKTUR  Konstruktbeschreibung:

Die Skala STRUKTUR beschreibt die Unterschiede im Bestreben, sich die Umwelt in einfacher und klarer Weise zu strukturieren. In der hohen Ausprägung handelt man gerne nach Plan und mit Details. Die niedrige Ausprägung zeigt den Wunsch nach spontanen und flexiblen Abläufen.

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Blaue Ausprägung Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv STRUKTUR agieren gern spontan und aus der Situation heraus. Sie können leicht zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her wechseln und reagieren ungeduldig, wenn Mitarbeiter das Bedürfnis kommunizieren, in Ruhe eine Aufgabe nach der anderen abarbeiten zu können. Ihre Spontaneität und Sprunghaftigkeit lösen bei den Mitarbeitern leicht Verwirrung oder Verunsicherung aus, wenn diesen die Aufgabenwechsel zu schnell erfolgen. Auf eine bestimmte Ordnung, Prozessorientierung etc. legen sie kaum Wert. Ggf. fällt es ihnen auch schwer, Termine einzuhalten, sodass sie häufiger zu spät kommen. Zitat: „Eine Sache nach der anderen abzuarbeiten, das geht bei uns nicht, hier ändert sich ständig alles und da muss man mitgehen können, alles andere geht nicht.“ Rote Ausprägung  Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR schätzen Pläne, Abläufe und Strukturen sehr. Gerne etablieren sie Prozesse und Systematiken, wie Dinge zu erfolgen haben. Auch hinsichtlich der Aufgabengestaltung und des Umfeldes legen sie auf ein hohes Maß an Ordnung besonderen Wert und akzeptieren gegebenenfalls nur einwandfrei gestaltete Unterlagen. Auf Termine bereiten sie sich gerne gut vor und planen Dinge und Termine lange im Voraus. Sie erledigen gern eins nach dem anderen und fordern auch von Mitarbeitern eine durchdachte Struktur und Planung. Zitat: „Ich kann diesen Saustall bei den Mitarbeitern nicht mehr ertragen. Am Wochenende habe ich alles in die Mitte der Büros geworfen. Jetzt können sie aufräumen. Ich musste zig Ansagen machen, bis die Mitarbeiter endlich ihre Schreibtische aufgeräumt haben.“ u

Das Motiv SICHERHEIT  Konstruktbeschreibung:

Die Skala SICHERHEIT beschreibt die Unterschiede im Streben nach einem ruhigen und sicheren Leben. In der hohen Ausprägung findet man ein starkes Streben nach Sicherheit und Beständigkeit. In der niedrigen Ausprägung sind Herausforderungen und Veränderungen interessant.

Blaue Ausprägung  Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv SICHERHEIT neigen zu einem risikoaffinen Entscheidungsverhalten. Das kann sich z. B. darin ausdrücken, dass ein Auftrag, der zeitlich eigentlich kaum zu bewältigen ist, trotzdem angenommen wird und die Führungskraft überzeugt ist, den Auftrag termingerecht fertigstellen zu können. Sie neigen dazu, sich selbst stark zu belasten und erwarten eine vergleichbar hohe Belastbarkeit von ihren Mitarbeitern. Hier besteht die Gefahr der Mitarbeiterüberlastung. Sie sehen primär die Chancen, weniger die Risiken. Ängste und Sorgen, z. B. bei umfangreichen Veränderungen, können sie nicht verstehen. Veränderungen haben für sie primär Chancen und sind positiv bewertete Herausforderungen. Zitat: „Ich weiß auch nicht, warum die wegen der Personalreduzierung alle so ein

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

Theater machen. Dann bewirbt man sich halt und gut ist, habe ich doch auch schon gemacht.“ Rote Ausprägung  Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv SICHERHEIT neigen dazu, Entscheidungen so zu treffen, dass Aufgaben und Ziele mit hoher Sicherheit erreicht werden können. Sie wollen sich selbst und ihre Mitarbeiter vor nicht einschätzbaren Risiken, unbekannten Konsequenzen oder hohen Belastungen schützen. Gegenüber Veränderungen agieren sie skeptisch und vorsichtig. Wenn Veränderungen nicht zwingend notwendig sind, belassen sie die Dinge lieber so, wie sie sind. Sie machen sich Sorgen, welche Konsequenzen bestimmte Maßnahmen für sie haben werden. Zitat: „Das Leben hat mich gelehrt, immer einen Plan A und B und besser auch C zu haben, so bin ich auf der sicheren Seite.“ u

Das Motiv REVANCHE  Konstruktbeschreibung:

Die Skala REVANCHE beschreibt die Unterschiede im Bestreben, erlebtes Unrecht zu vergelten. Die hohe Ausprägung verursacht schon bei kleinen Ungerechtigkeiten einen Wunsch nach Revanche. Harmonie sind die Verhaltensaspekte auf der niedrigen Ausprägung.

Blaue Ausprägung  Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv REVANCHE bevorzugen eine harmonische und ausgeglichene Stimmung im Team. Reibungspunkte wollen sie schnell aus der Welt schaffen, sie beschwichtigen gerne und suchen eine für alle tragbare Lösung bei Konflikten. Es kann sein, dass sie Kritik aus dem Weg gehen, um Konflikte zu vermeiden. Alles, was ein Wettbewerbsdenken und ‐handeln unter den Mitarbeitern hervorrufen könnte, wollen sie vermeiden, da dies aus ihrer Sicht ein harmonisches Miteinander stört. Auch für sich selbst wollen sie Konflikte vermeiden. Das ist der Grund, warum sie als kritisch erlebte Themen öfter nicht angehen und klären. Zitat: „Wir können unsere Leistung hier nur erbringen, wenn wir alle gut zusammenarbeiten, deswegen vermeide ich jeglichen Wettbewerb unter den Mitarbeitern.“ Rote Ausprägung  Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv REVANCHE scheuen sich nicht vor der Auseinandersetzung mit Mitarbeitern, Kollegen oder ­Vorgesetzten. Wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, machen sie dies auch deutlich und gehen dagegen an. Gefällt ihnen die Leistung oder das Verhalten von Mitarbeitern nicht, neigen sie durchaus dazu, auch einmal laut zu werden und ihrem Ärger ungefiltert Ausdruck zu verleihen. In ihrer Wortwahl können sie zu aggressiven Worten neigen und auch ein provozierendes Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten an den Tag legen. Zitat: „Ich will kritische Mitarbeiter. Ja‐Sager können bei uns nichts werden, das muss jeder wissen.“

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Das Motiv FAMILIE  Konstruktbeschreibung:

Die Skala FAMILIE beschreibt die Unterschiede in der Fürsorge für die Menschen, die man zu seiner Familie zählt. Die hohe Ausprägung zeigt die starke und altersübergreifende Fürsorglichkeit. Partnerschaftliches Verhalten ist die Beschreibung der niedrigen Ausprägung.

Blaue Ausprägung  Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv FAMILIE legen bei ihren Familienmitgliedern Wert auf Selbstständigkeit und Selbstverantwortung. Sie sehen sich nicht in der Verantwortung, sich intensiv um alles zu kümmern. Mit dieser Haltung begegnen sie auch ihren Mitarbeitern. Dabei laufen sie Gefahr, die Bedeutung der Familie abzuwerten. Es kann ihnen leicht passieren, dass sie dadurch zu wenig Rücksicht auf familiäre Interessen ihrer Mitarbeiter legen und hierfür zu wenig Freiraum einräumen. Zitat: „Es gibt immer wieder Ärger mit meiner Frau, weil ich zu viel arbeite und mich nicht um die Kinder kümmere, das ist halt so.“ Rote Ausprägung Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv FAMILIE legen viel Wert auf ein gutes, aktives Familienleben. Sie wollen sich selber um ihre Familie kümmern. Vor diesem Hintergrund fällt es ihnen leicht, auch die familiären Interessen ihrer Mitarbeiter zu berücksichtigen. Geht es um Feste und Aktivitäten im beruflichen Kontext, finden sie es schön, wenn die Familien mit einbezogen werden. Zitat: „Wir haben eine eigene Kinderbetreuung und es ist dadurch möglich, dass Mütter bei uns auch nur einige Stunden pro Woche arbeiten. Eltern können ihre Kinder für einen Euro auch stundenweise in die Betreuung geben.“ Die kurzen Beschreibungen, wie sich einzelne Motivausprägungen auf den individuellen Führungsstil auswirken können, machen schon deutlich, wie sehr unser Führungsverhalten durch unsere Motive, unsere Emotionalität geprägt wird. Für ihr Verhalten wird jede Führungskraft unzählige sachliche Argumente und Beispiele im Alltag finden, die ihr Handeln unterstützen und richtig erscheinen lassen. Eine ordnungsliebende Führungskraft (Motiv STRUKTUR rot) wird aber kein überzeugendes Plädoyer dafür halten können, wie wichtig es ist, Prozesse und Strukturen flexibel zu halten. Dies würde nur eine Führungskraft mit einer blauen Ausprägung in diesem Motiv tun können. Beispiel

Als Managementberaterin habe ich vor einiger Zeit ein Unternehmen begleitet, welches dadurch gekennzeichnet war, dass ständig neue Veränderungs‐ und Reorganisationsprozesse angestoßen wurden. In den LUXXprofile‐Auswertungsgesprächen mit den Führungskräften wurde deutlich, wie die jeweilige Motivausprägung das Denken und damit die Rechtfertigung und Begründung des eigenen Verhaltens beeinflussen. So erklärten mir z. B. Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR, dass es bei den ständigen Veränderungen im Unternehmen elementar wichtig wäre, sehr strukturiert und systematisch vorzugehen, da sonst gar nichts mehr funktionieren

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würde. Sie zeigten auf, wie wichtig es ist, dass es Menschen im Unternehmen gibt, die auf das Einhalten von Regeln und Prozessen achten. Andererseits erklärten mir die Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv STRUKTUR, dass die vielen Veränderungen im Unternehmen es geradezu erforderten, dass sie flexibel und spontan agieren könnten. Ein Festhalten an Strukturen wäre bei den vielen Veränderungen im Unternehmen ja gar nicht möglich. ◄ In ihrer Realität und in ihrem Alltag hatten sowohl die Führungskräfte mit einer roten und mit einer blauen Ausprägung im Motiv Struktur mit ihren Begründungen Recht. Die Vorgehensweise und der Umgang mit den ständigen Veränderungsprozessen waren jedoch sehr unterschiedlich. Dieses Beispiel macht noch einmal deutlich, dass es keine grundsätzlich richtigen und falschen Motivausprägungen gibt, sondern dass auch sehr unterschiedliches Verhalten in ein und derselben Situation erfolgreich sein kann. Der Weg ist zwar nicht der Gleiche, das Ergebnis kann aber in beiden Fällen gut sein. Bei der Mehrzahl der Führungskräfte, mit denen ich in den vergangenen Jahren gearbeitet habe, ist es nicht so, dass nur ein Motiv ihren Führungsstil und ihr Führungsverhalten prägt, sondern dass dieses durch unterschiedliche Motivkombinationen geprägt wird. Wie in Abschn. 2.3 beschrieben, verstärken bestimmte Motivkombinationen durch ihr Zusammenwirken die Wahrnehmung der Persönlichkeitseigenschaften in der Außenwirkung. Dadurch fallen bestimmte Persönlichkeitszüge der Umwelt noch mehr auf. Hierfür einige Beispiele: Eine Führungskraft mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS und einer roten Ausprägung im Motiv REVANCHE (siehe Abb. 3.3) wird auf ihre Umwelt noch dominanter, druckvoller und antreibender wirken, als wenn nur in einem von beiden Motiven eine rote Ausprägung vorhanden wäre. Beide Motive verstärken die

Abb. 3.3   Beispiel einer Führungskraft mit roter Ausprägung im Motiv EINFLUSS und REVANCHE

3.4  Auch Führungskräfte wollen emotionale Bezahlung

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Außenwirkung durch die Dominanz des Motivs EINFLUSS und das Kämpferische aus dem Motiv REVANCHE. Eine Führungskraft mit einer blauen Ausprägung in den Motiven STRUKTUR und PRINZIPIEN (siehe Abb. 3.4) läuft Gefahr, von ihrer Umwelt als chaotisch, sprunghaft, unzuverlässig und in gewisser Weise unberechenbar erlebt zu werden. Zu schnell werden Entscheidungen revidiert, neue Wege gesucht und neue Themen in Angriff genommen. Kommt dann noch ein blaues Motiv SICHERHEIT hinzu, ist die Gefahr durchaus groß, dass Mitarbeiter mit entgegengesetzten Motivausprägungen der Veränderungsbereitschaft der eigenen Führungskraft nicht mehr folgen können und wollen. Eine Führungskraft mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS und einer roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE (siehe Abb. 3.5) wird Schwierigkeiten haben, Auf-

Abb. 3.4    Beispiel einer Führungskraft mit blauer Ausprägung im Motiv PRINZIPIEN, STRUKTUR und SICHERHEIT

Abb. 3.5   Beispiel einer Führungskraft mit roter Ausprägung im Motiv EINFLUSS, AUTONOMIE und SOZIALE ANERKENNUNG

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

gaben an die Mitarbeiter zu delegieren. Zu hoch ist die Neigung zu denken „das mache ich schnell selber, dann weiß ich, dass es richtig ist“. Diese Neigung, die schon aus dem roten Motiv EINFLUSS resultiert, wird aufgrund der roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE noch durch den Gedanken verstärkt, dass die Führungskraft nicht in die Freiheit der anderen eingreifen will und meint, sie müsse alles alleine machen: „Das schaffe ich allein, ich brauche keinen anderen.“ Kommt dann noch eine rote Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG hinzu, aus der heraus die Führungskraft ihre Mitarbeiter nicht mit ungeliebten Aufgaben belasten will, steigt die Gefahr, dass zu viele Fachaufgaben selbst erledigt und zu wenige delegiert werden, weiter. Eine Führungskraft mit einer blauen Ausprägung im Motiv AUTONOMIE und einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE (siehe Abb. 3.6) wird dazu neigen, sehr viel Zeit im Austausch und in der Kommunikation mit ihren Mitarbeitern zu verbringen. Sie wird viel Wert darauf legen, dass das Team gemeinsam agiert, man sich regelmäßig informiert und auch privat Kontakte miteinander pflegt. Entscheidungen wird sie gemeinsam mit ihren Mitarbeitern treffen wollen. Eine Führungskraft mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG und einer blauen Ausprägung im Motiv SICHERHEIT (siehe Abb. 3.7) wird auf ihre Umwelt sehr selbstbewusst wirken und tendenziell als eher hart oder tough erlebt werden. Ggf. wirkt sie aufgrund ihres selbstbewussten Auftretens auch arrogant. Dies sind nur einige Beispiele, wie sich Motive in ihrer Wirkung und damit in der Fremdwahrnehmung bestimmter Persönlichkeitszüge verstärken können. Selbstverständlich können Motive in ihrer Ausprägung auch gegeneinander wirken. Unterschiedliche Motive bewirken dann ein unterschiedliches „Streben nach etwas“. Wenn diese widerstrebenden Motive stark in der Außenwirkung zum Tragen kommen, kann dies bei den Mitarbeitern (in der Fremdwahrnehmung) zu Verwirrung führen (ich will Kontakt, aber keine Nähe).

Abb. 3.6   Beispiel einer Führungskraft mit blauer Ausprägung im Motiv AUTONOMIE und einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE

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3.4  Auch Führungskräfte wollen emotionale Bezahlung

Abb. 3.7    Beispiel einer Führungskraft ANERKENNUNG und SICHERHEIT

mit

blauer Ausprägung

im

Motiv

SOZIALE

Es kann aber auch zu inneren Konflikten kommen, den die Führungskraft nur selbst erlebt. Eine solche Motivkombination ist z. B. das Zusammenwirken einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG und einer roten Ausprägung im Motiv REVANCHE. Aufgrund der roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG will die Führungskraft von ihren Mitarbeitern wertgeschätzt und gemocht werden. Sie agiert ungern „gegen“ die Mitarbeiter, um sich deren Anerkennung nicht zu „verspielen“. Gleichzeitig kommt es vor, dass sie aufgrund ihrer roten Ausprägung im Motiv REVANCHE viele Situationen als ungerecht gegen sich interpretiert und emotional aufgebracht bis aggressiv gegen die Mitarbeiter reagiert. Bei dieser Motivkombination besteht die Gefahr, dass aufgrund der roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENUNG viele kritische Punkte gegenüber den Mitarbeitern nicht angesprochen, sondern „im Inneren gesammelt“ werden. An einem bestimmten Punkt ist das Ungerechtigkeitserleben dann aber so groß, dass das „Fass“ überläuft und eine explosionsartige Reaktion, die die Umwelt nicht verstehen kann, erfolgt. Verwirrend für die Umwelt ist, dass die Führungskraft lange Zeit sehr freundlich und wohlwollend ist, aber an einem bestimmten Punkt dann unerwartet ungehalten, aggressiv und wütend reagiert. Einen inneren Konflikt wird eine Führungskraft auch erleben, wenn sie eine rote Ausprägung im Motiv EINFLUSS und im Motiv FAMILIE hat. Es ist ihr dann wichtig, sich beruflich sehr zu engagieren, dort zu gestalten und sich gleichzeitig intensiv um die eigene Familie zu kümmern. Der Konflikt ergibt sich in diesem Fall aus den immer begrenzten zeitlichen Ressourcen. Man kann nicht im Büro sein und die Geschicke einer Abteilung leiten und sich gleichzeitig intensiv um z. B. kranke Angehörige kümmern. Einen Konflikt, der nach außen verwirrend auf die Mitarbeiter wirken kann, ergibt sich aus der Kombination aus einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS und einer blauen Ausprägung im Motiv AUTONOMIE. Zum einen will diese Führungskraft gerne selbst entscheiden und vorgeben, was wie gemacht wird (EINFLUSS), zum anderen will sie Entscheidungen gemeinsam mit dem Team treffen (AUTONOMIE). Je nach der quantitativen Stärke der Ausprägung kann dies dazu führen, dass die Führungskraft mit einer bereits gefassten Entscheidung in ein Teammeeting geht und das Team dahin

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

gehend beeinflusst, ihre Entscheidung zu unterstützen. Zum Teil werden Entscheidungen nur kommuniziert, um vom Team die Zustimmung dazu einzuholen. Mitarbeiter können dies als „Scheinkooperation“ wahrnehmen. Um die komplexe Auswirkung der eigenen Persönlichkeit auf das individuelle Führungsverhalten zu verdeutlichen, beschreibe ich exemplarisch mit den in Abb. 3.8, 3.9, 3.10, 3.11 abgebildeten Profilen, wie sich das Führungsverhalten der jeweiligen Führungskraft darstellt, aber auch, welche Lernfelder sich für die Führungskraft aus dem individuellen Motivprofil ergeben.

Abb. 3.8   Profil Herr A

3.4  Auch Führungskräfte wollen emotionale Bezahlung

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Abb. 3.9   Profil Frau B

Das Profil in Abb. 3.8 ist das einer Führungskraft, mit der ich im Rahmen eines individuellen Coachings zusammengearbeitet habe. Nennen wir sie Herrn A. Herr A kam auf Anregung seines Vorgesetzten zum Coaching. Zielsetzung war, Herrn A darin zu unterstützen, seine Führungsaufgabe stärker anzunehmen, klarer zu führen und zu steuern, aber gleichzeitig auch den zwischenmenschlichen Kontakt mit seinen Mitarbeitern zu intensivieren. Herr A war Ingenieur und bisher Projektverantwortlicher für technische Anlagen. Wichtig im Motivprofil von Herrn A sind die Aus-

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

Abb. 3.10   Profil Frau C

prägungen in EINFLUSS (blau)-, SOZIALE ANERKENNUNG (rot), STRUKTUR (rot), SOZIALKONTAKTE (blau) und die PRINZIPIEN (rot). Sie erklären die Schwierigkeiten, die Herr A in seiner Führungsaufgabe erlebte. Er verstand z. B. nicht, warum seine Mitarbeiter mit all ihren Problemen zu ihm kamen, anstatt sie selber zu lösen. Er wollte ihnen nicht alles vorgeben, er erwartete, dass sie gemeinsame Absprachen wie besprochen selbstständig umsetzten. Er fand es anstrengend, ständig angesprochen und nach etwas gefragt zu werden, konnte sich aber auch nicht abgrenzen oder Nein sagen. In seinem Motivprofil ergibt sich aus der blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS die

3.4  Auch Führungskräfte wollen emotionale Bezahlung

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Abb. 3.11   Profil Herr D

erlebte Anstrengung mit der Führungsaufgabe. Führung erfordert zu entscheiden, vorzugeben, zu lenken etc. Dies jedoch sind Verhaltensweisen, die Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS nicht gern zeigen. Entsprechend entschied sich Herr A bei der Frage, ob er, wenn er frei wählen könnte, lieber führen oder technische Aufgaben bearbeiten wolle, spontan und eindeutig für die technischen Aufgaben. Dass er dennoch sehr daran interessiert war, seine Führungsaufgabe trotz aller Anstrengung gut zu machen, resultiert zum einen aus seiner roten Ausprägung im Motiv PRINZIPIEN. Er übernahm die Führungsaufgabe aus seinem Ehr‐ und Pflichtgefühl heraus. Im

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

Coaching formulierte er: „Man hat mir die Aufgabe übertragen und ich erfülle sie jetzt nach bestem Wissen und Gewissen, das ist keine Frage des Spaßes.“ Der Anspruch, die Aufgabe gut zu machen, resultiert aus seiner roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG. Er will gute Leistung erbringen und keine Fehler machen. Die Kritik seines Vorgesetzten zu seinem Führungsverhalten war sehr schwer für ihn zu ertragen. Die rote Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG führte darüber hinaus dazu, dass er sich gegenüber seinen Mitarbeitern nicht abgrenzen konnte, nicht Nein sagte und kritische Aspekte in Leistung und Verhalten nicht ansprach. Gab es Fehler, korrigierte er sie selbst oder bearbeitete die Aufgabe noch einmal neu, was wiederum zu sehr hoher Eigenbelastung und vielen Überstunden führte. Dass er die n­ otwendige Kommunikation und den Austausch mit seinen Mitarbeitern als anstrengend erlebte, resultierte aus seiner blauen Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE. Nur der fachlich-inhaltliche Austausch mit seinen Mitarbeitern ist für ihn attraktiv, nicht aber der Small Talk. Um Herrn A dabei zu unterstützen, notwendige Verhaltenskompetenzen aufzubauen, erarbeiteten wir mehrere Maßnahmen (s. u.). Bei der Umsetzung der Maßnahmen konnte er Motivation aus seiner roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG („ich will es richtig machen“), seiner roten Ausprägung im Motiv PRINZIPIEN (Pflicht und Anstand gegenüber seinen Mitarbeitern – „ich habe es versprochen“ – und die hohe Bereitschaft, sich selbst in die Pflicht nehmen) sowie aus seiner roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR (geplant und strukturiert vorgehen) schöpfen. Realisiert wurden: • Erarbeitung eines persönlichen Führungsleitbildes, dem er sich selbst verpflichten konnte. • Generierung von Entscheidungshilfen. • Qualifikation in den Bereichen Konfliktmanagement und kritische Mitarbeitergespräche führen, um hier entsprechende Verhaltenskompetenzen aufbauen zu können. • Vor‐ und Nachbereitung kritischer Führungssituationen im Coaching. • Planung von Kontaktzeiten mit den Mitarbeitern und Planung stiller Stunden. Mit Frau B (Abb. 3.9) arbeitete ich bereits in mehreren gemeinsamen Projekten. Frau B ist eine sehr leistungs‐, erfolgs‐ und karriereorientierte Führungskraft. Diese Persönlichkeitseigenschaften resultieren aus ihrer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS, der roten Ausprägung im Motiv STATUS und der roten Ausprägung im Motiv REVANCHE. Sie agiert dynamisch, maximal einsatzbereit und sehr schnell. Darüber hinaus ist sie innovativ und denkt und agiert sehr strategisch. Dies resultiert aus ihrer roten Ausprägung im Motiv NEUGIER. Dank der bisher genannten Motivausprägungen ist es ihr in der Vergangenheit gelungen, das Unternehmen als Geschäftsführerin neu auszurichten, modern und innovativ in seinen Produkten und Dienstleistungen aufzustellen und sehr erfolgreich zu führen. Dabei konnte sie sich dank ihrer roten Ausprägung im Motiv REVANCHE und ihrer blauen Ausprägung im Motiv SICHERHEIT auch

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schwierigen und riskanten Veränderungen stellen. Ihre Erfolge genießt sie. Bei allem bisher Beschriebenen, wirken die genannten Motive wie Treibstoff und Energie, die nie ausgehen. Diese sehr positiven Energien haben aber auch eine Schattenseite. Das von ihr vorgelegte Tempo ist für die meisten ihrer nachgeordneten Führungskräfte zu hoch, sie können es ihr nur schwer recht machen. Sie agiert druckvoll, kämpferisch und z. T. aggressiv. Den größten Teil der ehemaligen Führungsmannschaft hat sie ausgetauscht. Die Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung ist von Konflikten geprägt und auch andere Themen werden gerne mal vor Gericht ausgetragen. Obwohl sie wirklich gerne mit ihren Führungskräften als Führungsteam zusammenarbeiten würde (blaue Ausprägung im Motiv AUTONOMIE), kann sie ihnen das nicht wirklich glaubhaft vermitteln. Dafür agiert sie ihnen gegenüber zu kämpferisch und ist mit ihren Entscheidungen immer schneller als die anderen. Das führt dazu, dass sie ihre Führungskräfte nur scheinbar in Entscheidungen einbezieht. Um ihr Führungsverhalten weiterzuentwickeln, war es für Frau B wichtig, das Verhalten, welches aus ihren stark ausgeprägten Motiven resultiert, und die Wirkung dieses Verhaltens auf ihre nachgeordneten Führungskräfte und die Mitarbeiter zu reflektieren. Frau B führte neben einem Coaching eine Teamentwicklung mit ihren Führungskräften durch, in der die Motivprofile aller Führungskräfte gemeinsam besprochen wurden. Daraus resultierten verschiedene Absprachen zur zukünftigen Zusammenarbeit, die den Bedürfnissen der einzelnen Führungskräfte Rechnung trugen. Allein die Kenntnis der Motive und das daraus resultierende Verständnis dafür, warum sich wer im Team wie verhält und reagiert, führte zu einer deutlichen Reduktion der Reibungspunkte im Team. Die getroffenen Absprachen bezogen sich mehrheitlich auf kleine Verhaltensänderungen, die von den Einzelnen leicht umgesetzt werden konnten. So wurde z. B. vereinbart, dass Frau B ihren Führungskräften mitteilt, ob etwas, was sie ins Team gab, eine Aufgabe oder nur eine Idee war. Aufgrund ihrer roten Ausprägung im Motiv NEUGIER hatte Frau B viele Ideen, die sie auch kommunizierte. Diese Ideen führten in der Vergangenheit immer wieder dazu, dass die Führungskräfte anfingen, an Ideen zu arbeiten, obwohl diese lediglich als Gedanken von Frau B geäußert wurden und gar kein Arbeitsauftrag damit verbunden war. Frau C (Abb. 3.10) kenne ich aus der Zusammenarbeit im Rahmen eines längeren Beratungsprojekts. Sie verfügt über ein ausgewogenes Motivprofil. Alle Werte befinden sich im neutralen Bereich. Zum Teil liegen die Ergebniswerte für einzelne Motive über dem Wert von ±0,5. Bei Werten über ±0,5, in die blaue oder rote Richtung, sprechen wir von einer deutlichen Tendenz im Erleben. D. h., das jeweilige Motiv ist im Erleben der Person nicht völlig neutral. Für diese Motive würde Frau C nicht sagen „das ist mir egal, mal bin ich so, mal so, das ist mir nicht so wichtig“. Sie würde eher beschreiben, dass diese Motive für sie durchaus von Bedeutung sind, sie aber auch nicht um jeden Preis entsprechend handeln muss. Nehmen wir als Beispiel das Motiv EINFLUSS von Frau C. Es ist mit einem Wert von 0,9 in die rote Richtung ausgeprägt. Für Frau C bedeutet das, dass sie es durchaus schätzt, in der Führungsverantwortung zu sein und einen eigenen Entscheidungsspielraum zu haben. Die Motivausprägung führt aber auch dazu, dass

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

sie Verantwortung ebenfalls gut an ihre Mitarbeiter abgeben kann. In Besprechungen gibt sie z. B. die Leitung an unterschiedliche Mitarbeiter, damit diese ihre Fähigkeiten in der Besprechungsmoderation ausbauen können. Frau C wird von ihren Mitarbeitern aufgrund ihrer Ausgewogenheit sehr geschätzt. Ihr neutrales Motivprofil ermöglicht es ihr, sich auf unterschiedliche Mitarbeiter einzustellen und auch für schwierigere Mitarbeiter die richtigen Worte zu finden. Sie agiert ruhig und überlegt. In problematischen Situationen versucht sie, erst einmal zu vermitteln (neutrale Ausprägung im Motiv REVANCHE), was aber nicht heißt, dass sie Konflikten generell aus dem Weg geht. Durch ihre leichte Tendenz (blau) im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG hat sie weniger Angst vor persönlicher Ablehnung, was es ihr erleichtert, sich auch kritischen Situationen mit Mitarbeitern zu stellen. Insgesamt agiert sie in ihrem Führungsverhalten eher mitarbeiterorientiert und hat zu ihren Mitarbeitern ein offenes und vertrauensvolles Verhältnis, ohne zu freundschaftlich zu agieren. Dies resultiert aus den Ausprägungen in den Motiven AUTONOMIE und SOZIALKONTAKTE. Für Frau C bestehen Entwicklungsmöglichkeiten dahin gehend, dass sie ihr Selbstmarketing für ihre eigenen Erfolge und die Erfolge ihres Teams weiter ausbaut, um im Unternehmen eine größere Präsenz und Sichtbarkeit zu bekommen. Dies tut sie aufgrund ihrer Tendenz (blau) im Motiv STATUS zu wenig. Es ist ihr persönlich nicht wichtig, „gesehen“ zu werden und „Ansehen“ zu haben. Damit verschenkt sie aber nicht nur eigene, sondern auch Entwicklungschancen für ihre Mitarbeiter. Darüber hinaus kann sie ihre Durchsetzungsstrategien für Themen, die für ihren Verantwortungsbereich wichtig sind, noch weiter ausbauen. Mit Herrn D (Abb. 3.11) habe ich im Rahmen einer Führungskräftequalifizierung und eines Coachings zusammengearbeitet. Herr D ist eine sehr kommunikative Führungskraft. Sein Führungsmotto beschreibt er selbst folgendermaßen: „Da muss man dann einfach mal drüber reden und dann kriegt man das schon wieder hin.“ Sein hohes Kommunikationsbedürfnis resultiert aus seiner blauen Ausprägung im Motiv AUTONOMIE und der roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE. Er findet schnell und leicht Kontakt zu anderen Menschen, eröffnet offen Gespräche auch mit Fremden und animiert zum Austausch. Diese Stärke wird in vielen Führungssituationen aber auch zu einer Falle; zu einem echten Zeitfresser für ihn. Obwohl Herr D sich dessen bewusst ist, passiert es ihm immer wieder, dass er zu viel Zeit „verquatscht“. Er unterhält sich mit seinen Mitarbeitern, aber auch mit allen anderen, die ihm begegnen. Jede Anfrage bei ihm wird zum ausführlichen Gespräch. Dadurch läuft ihm immer wieder die Zeit davon. Auch Besprechungen dauern aufgrund seines eigenen hohen Mitteilungsbedürfnisses und seiner durchaus ausschweifenden Beiträge immer zu lang. Manchen Kollegen und Mitarbeitern redet er eindeutig zu viel. Das Kommunikationsverhalten von Herrn D ist durch eine Tendenz zum Sticheln, Provozieren und zu ironischen Bemerkungen gekennzeichnet. Diese Tendenz resultiert aus seiner roten Ausprägung im Motiv REVANCHE und wird durch seine rote Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG unterstützt. Sein Sticheln und Ärgern, immer mit einem Lächeln auf den Lippen, ist einer seiner Wege, sein REVANCHE-

3.5  Das eigene Führungshandeln professionalisieren …

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Motiv zu leben. Durch die blaue Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG versteht er oft nicht, wenn jemand deswegen sauer auf ihn ist. Er findet es aber auch nicht schlimm, wenn jemand auf ihn sauer ist (blaue Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG). Beide Motivausprägungen führen auch dazu, dass Herr D sehr direktes Feedback gibt, wenn ihm etwas nicht gefällt. Hier fehlt ihm oft die notwendige Sensibilität, andere mit seiner Meinung nicht unerwartet vor den Kopf zu stoßen. Die bisher beschriebenen Motivausprägungen führen darüber hinaus dazu, dass Herr D ein sehr freundschaftliches, kumpelhaftes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern hat. Dies ist ein Verhalten, das in jungen Jahren auf der untersten Führungsebene in Ordnung ist. Es kann aber im Hinblick auf die eigene Karriere zum Stolperstein werden. Für höhere Führungsaufgaben muss Herr D daran arbeiten, einen durch mehr Professionalität gekennzeichneten Führungsstil auszubilden.

3.5 Das eigene Führungshandeln professionalisieren: Vom emotionalen Reagieren zum reflektierten Agieren Nach der Selbstreflexion und Selbsteinschätzung geht es im nächsten Schritt darum zu überlegen, wie Sie Ihr eigenes Führungshandeln professionalisieren können. Professionelles Führungshandeln bedeutet, dass Sie nicht einfach Ihrem Bauch folgen („ich bin halt so“), sondern Ihr Handeln an die Anforderungssituation und Menschen anpassen können, ohne dadurch eine zu hohe Belastung für sich selbst zu erleben. Ein wichtiger Schritt hierfür ist die geleistete Selbstreflexion. Mit Ihrer erweiterten Selbstkenntnis können Sie professionell handeln, weil: • Sie sich besser kennen und wissen, warum Ihnen Dinge wichtig sind, gefallen/nicht gefallen etc. • Sie darauf aufbauend auf einer anderen Basis Entscheidungen zu Ihrem Verhalten treffen können (z. B. „Ja, ich möchte jetzt lieber in Ruhe an meinem Konzept arbeiten (blaue Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE). Ich gehe aber trotzdem mit meinen Mitarbeitern zum Mittagessen, weil ich weiß, dass sie sich gern mit mir austauschen.“). • Sie wissen, wie ihr Verhalten nach außen wirken kann und was Sie mit Ihrem Verhalten bei ihren Mitarbeitern bewirken können (positiv/negativ). • Sie wissen, welche Bedeutung die intrinsische Motivation ihrer Mitarbeiter für deren Leistungsbereitschaft hat. • Sie wissen, wie unterschiedlich und vielfältig Motivation ist. • Sie wissen, dass es darum geht, die individuell richtigen Rahmenbedingungen für ihre Mitarbeiter zu gestalten. Nachfolgend finden Sie für die einzelnen Motivausprägungen Tipps und Anregungen, worauf Sie achten sollten, um ihr Führungsverhalten weiter auszubauen. Dabei geht es

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

zum Teil um Ihre innere Haltung, um den Aufbau erweiterter oder neuer Kompetenzen oder auch darum, sich Unterstützung – von jemandem, der genau die entgegengesetzte Motivausprägung hat – zu holen. Das Motiv NEUGIER Blaue Ausprägung Prüfen Sie kritisch, ob wirklich alle notwendigen Informationen für eine qualitativ hochwertige Aufgabenbearbeitung vorliegen. Suchen Sie sich für recherchierende, analysierende, konzeptionelle und strategische Aufgaben bewusst einen Mitarbeiter, der eine rote Ausprägung im Motiv NEUGIER hat. Fragen Sie Ihre Mitarbeiter bewusst, ob sie alles Wissen und alle Informationen haben, die sie brauchen, um gut handeln zu können. Geben Sie Ihren Mitarbeitern Zeit, um sich in eine Thematik einzuarbeiten, da sie gegebenenfalls mehr Hintergrundinformationen benötigen als Sie. Rote Ausprägung  Achten Sie darauf, Mitarbeiter nicht mit zu komplexen Inhalten und zu viel Wissen zu überfrachten. Einfache und kurze Informationen sind für manche Mitarbeiter leichter verständlich und führen zu besseren, schnelleren Ergebnissen. Prüfen Sie kritisch, ob die von Ihnen angestrebte Tiefe der Auseinandersetzung für eine gute Aufgabenbearbeitung tatsächlich notwendig ist. Suchen Sie sich bewusst einen Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv NEUGIER, um im Austausch ein Gespür dafür zu bekommen, wann genügend Informationen vorliegen und auch die Frage der Umsetzbarkeit in Ihre Überlegungen einbeziehen zu können. Wenn Sie mit Ihren Mitarbeitern kommunizieren, sagen Sie Ihnen klar, ob es sich um eine Idee oder Aufgabe handelt. Ihre Mitarbeiter fangen sonst auch bei jeder unkonkreten Idee an zu arbeiten. Freuen Sie sich, wenn Mitarbeiter gerne Routineaufgaben erledigen. Nicht jeder will ständig lernen und etwas Neues machen. Verdeutlichen Sie den Mitarbeitern bei Theorieseminaren, wofür sie dieses Wissen in der täglichen Arbeit brauchen und ein‐ und umsetzen können. Das Motiv SOZIALE ANERKENNUNG  Blaue Ausprägung • Sprechen Sie deutlich mehr Anerkennung und Wertschätzung aus. Für einige Ihrer Mitarbeiter (SOZIALE ANERKENNUNG rot) ist genau das der Grund, warum sie Leistung erbringen. Nutzen Sie SOZIALE ANERKENNUNG dabei nicht als „Instrument“, sondern freuen Sie sich ehrlich über gute Leistungen von Mitarbeitern. • Überlegen Sie sich, wie Sie Kritik formulieren wollen. Beobachten Sie die verbalen und nonverbalen Reaktionen Ihres Gegenübers. Agieren Sie ggf. vorsichtiger und nicht zu direkt.

3.5  Das eigene Führungshandeln professionalisieren …

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• Stellen Sie bei Kritik nicht den Fehler in den Vordergrund, sondern die Frage, wie zukünftig eine optimale Lösung aussehen kann. Zeigen Sie auf, wie der Mitarbeiter die gewünschten Erfolge erreichen kann. • Achten Sie darauf, nur den sachlichen Fehler zu kritisieren und nicht den ganzen Menschen als „unfähig“ zu bezeichnen. • Benutzen Sie häufiger das Wort wir anstelle von ich. Rote Ausprägung  • Besuchen Sie ein Seminar für das Führen kritischer Mitarbeitergespräche und lernen Sie, Kritik direkt und zeitnah anzusprechen. • Achten Sie darauf, kritische Punkte klar und sachlich anzusprechen. Verwässern Sie Ihre Kritik nicht durch zu viele „Weichmacher“ und Konjunktive. • Schreiben Sie sich Ihre Kritikpunkte vor einem Gespräch mit einem Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG auf. Das hilft Ihnen, sie klarer zu formulieren. Machen Sie sich bewusst, dass Sie diesen Mitarbeitern sagen müssen, was nicht gut läuft, er weiß es sonst nicht und neigt vielleicht dazu, seine Leistungen zu überschätzen. • Machen Sie sich bewusst, dass es zu Ihrer Rolle als Führungskraft gehört, auch einmal unliebsame Entscheidungen zu treffen. Nicht jeder kann Sie zu jedem Zeitpunkt mögen und toll finden, das ist normal. Das Motiv EINFLUSS  Blaue Ausprägung • Setzen Sie sich mit Ihrer Rolle als Führungskraft und mit den damit verbundenen Anforderungen an Entscheiden, Richtung vorgeben und Steuern auseinander. Ziel ist, dass Sie für sich ein Verständnis dafür gewinnen, dass Mitarbeiter von Ihnen als Führungskraft Entscheidungen und Führung verlangen dürfen, denn dafür sind Sie da. Fragen Sie sich, ob Sie das leisten wollen. Die Anforderungen, die Sie für sich erleben, werden sehr von der Führungskultur abhängen. In stark hierarchischen Strukturen sind Sie stärker gefordert zu entscheiden als in der Arbeit mit selbstgesteuerten Teams. • Trainieren Sie Ihre Coachingkompetenzen, um Ihre Mitarbeiter in ihrem Handeln unterstützen zu können. • Führen Sie nur Mitarbeiter mit neutraler oder roter Motivation im Motiv EINFLUSS über Fragen, nicht Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS. Diese brauchen Ihre Entscheidungen. • Überprüfen Sie, wie viel Ihrer Zeit Sie mit der Bearbeitung von Fachaufgaben verbringen und wie viel mit Führungsaufgaben. Reduzieren Sie Ihre Fachaufgaben. Behalten Sie nur ein paar wenige, die Sie besonders gerne machen, für sich und delegieren Sie die anderen. Verbringen Sie bewusst Zeit mit Mitarbeiterführung (anleiten, steuern und kontrollieren).

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• Qualifizieren Sie Ihre Mitarbeiter dahin, aufgrund ihrer Kompetenzen selbstständig handeln zu können. Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS benötigen dennoch Prozesse, Regeln oder Entscheidungen von Ihnen. Rote Ausprägung  • Fragen Sie Mitarbeiter nach deren Lösungsansätzen, bevor Sie eine Lösung vorgeben. • Arbeiten Sie viel mit offenen Fragen. • Wenn Sie merken, dass Sie aufgrund des Leistungsverhaltens von Mitarbeitern ungeduldig werden, verlassen Sie den Raum, bis sich Ihre eigene Ungeduld wieder gelegt hat. • Wenn Sie zu viel selber machen, weil Sie meinen, Sie können es am besten, werden Ihre Mitarbeiter es nie lernen. Delegieren Sie mehr Aufgaben. Erwarten Sie nicht, dass Ihre Mitarbeiter die Aufgaben genauso bearbeiten wie Sie! • Lassen Sie Aufgaben von Mitarbeitern vollständig erledigen und machen Sie nicht immer noch den letzten korrigierenden Schliff, Sie erziehen Ihre Mitarbeiter damit zur Unselbstständigkeit. • Geben Sie in Teammeetings ganz bewusst die Steuerung des Meetings an Mitarbeiter ab. • Vergegenwärtigen Sie sich, dass Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS das Recht haben, Anleitung und Entscheidungen von Ihnen zu bekommen, auch wenn das auf Sie unselbstständig und nicht leistungsorientiert wirkt. Geben Sie Ihnen Führung, dafür sind Sie da. • Dosieren Sie die Freiheitsgrade und Entscheidungsspielräume für Ihre Mitarbeiter entsprechend deren Kompetenzen und Ergebnissen. Vertrauen Sie Ihren guten Mitarbeitern, es wird sich lohnen, wenn Sie ihnen mehr zutrauen. Reduzieren Sie Ihre Dominanz und Kontrolle schrittweise. Das Motiv STATUS Blaue Ausprägung • Lernen Sie ganz bewusst, über Status zu motivieren und lassen Sie Mitarbeitern bei besonderen Leistungen auch Statussymbole zukommen oder loben Sie sie öffentlich. • Äußern Sie sich nicht abwertend über die Statussymbole Ihrer Mitarbeiter. Sie könnten sie damit verärgern. Vergegenwärtigen Sie sich stattdessen, dass Ihren Mitarbeitern andere Dinge wichtig sind als Ihnen und dass das in Ordnung ist. Rote Ausprägung  • Stellen Sie die Leistung der Mitarbeiter als deren eigene Leistung dar und rücken Sie sich dabei nicht selbst in den Vordergrund.

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• Geben Sie Ihren Mitarbeitern bewusst Chancen zur Selbstdarstellung. Lassen Sie sie z. B. eigene Ergebnisse an höherer Stelle präsentieren. • Benutzen Sie häufiger das Wort wir anstelle von ich. Das Motiv AUTONOMIE Blaue Ausprägung • Erwarten Sie nicht von jedem Mitarbeiter, dass er immer alles mit den anderen zusammen machen will. • Achten Sie darauf, nicht zu viel Nähe (verbal und nonverbal) von eher distanziert agierenden Mitarbeitern zu fordern. Unterschreiten Sie die öffentliche Distanzzone von ca. einem Meter nicht. • Prüfen Sie kritisch, ob wirklich alle Entscheidungen, die Sie im Team treffen wollen, als Teamentscheidung notwendig und richtig sind. • Verdeutlichen Sie sich immer wieder, dass Sie kein Teammitglied, sondern Führungskraft sind. D. h., das Team grenzt sich zu Recht von Ihnen ab, was auch bedeuten kann, dass Sie ab und zu ausgeschlossen werden. • Prüfen Sie kritisch für sich, wann Sie Konflikte vermeiden und kritische Aspekte nicht umsetzen, um die Zugehörigkeit zum Team nicht zu verlieren. Gehen Sie in eine kollegiale Beratung mit Kollegen und hören Sie sich an, wie diese Ihre Situation ­einschätzen. Rote Ausprägung  • Ihre Mitarbeiter sind zu Ihrer Unterstützung da, delegieren Sie Aufgaben umfassend an Ihre Mitarbeiter. • Achten Sie darauf, Informationen zeitnah weiterzugeben, da Sie sonst gegebenenfalls vergessen, Ihre Mitarbeiter zu informieren. • Führen Sie regelmäßig Teammeetings durch und übergeben Sie die Organisation hierfür einem Mitarbeiter mit blauer Teamorientierung. • Tauschen Sie sich bewusst mit Ihrem Team aus und geben Sie auch Aufgaben zur gemeinsamen Bearbeitung an Mitarbeiter. • Gewähren Sie Mitarbeitern Zeit für den privaten Austausch, Sie müssen sich ja nicht beteiligen. Das Motiv SOZIALKONTAKTE  Blaue Ausprägung • Etablieren Sie einen Kommunikationsrhythmus, mit dem Sie gewährleisten können, dass Sie mit jedem Mitarbeiter vor Ort ausreichend oft kommunizieren. Ein Rhythmus kann sein, morgens durch alle Büros zu gehen, „Guten Tag“ zu sagen, nach

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aktuellen Themen zu fragen und Gleiches am Nachmittag noch einmal zu wiederholen. • Für Mitarbeiter an anderen Standorten sollte die Regel gelten, mit ihnen mindestens alle zwei Tage kurz telefonisch zu sprechen. • Machen Sie sich klar, dass nicht jedes Gespräch inhaltlich tiefergehend sein kann. Ein Plausch über die Familie, die Ferien, das Wetter wird die Beziehung zu Ihren Mitarbeitern festigen. Rote Ausprägung  • Achten Sie selbstkritisch darauf, wie viel Zeit Sie mit Konversation verbringen. Es kann sein, dass Konversation Ihr größter Zeiträuber ist. • Akzeptieren Sie wortkarge Mitarbeiter. Die Schweigsamkeit ist nicht gegen Sie gerichtet, sondern Ausdruck einer anderen Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE. • Akzeptieren Sie, wenn Mitarbeiter nicht an privaten Aktivitäten im Kollegenkreis teilnehmen wollen. Das Motiv PRINZIPIEN  Blaue Ausprägung • Erklären Sie Ihren Mitarbeitern, warum Sie Entscheidungen revidieren oder Prioritäten neu setzen. • Zwingen Sie Ihre Mitarbeiter nicht, entgegen ihren Werten und Moralvorstellungen zu handeln – Sie bringen sie damit in eine emotional schwierige Situation. • Nehmen Sie mit dem Team vereinbarte Regeln, Normen, Werte etc. ernst. Ihre Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv PRINZIPIEN messen Sie daran. Ihre Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv PRINZIPIEN werden sich nur daran halten, wenn Sie konsequent als Vorbild agieren. Rote Ausprägung  • Machen Sie sich bewusst, dass viele Mitarbeiter (Motiv PRINZIPIEN blaue Ausprägung) nicht über eine wertebasierte Loyalität mit dem Unternehmen verbunden sind. Sie leben eine Nutzenloyalität und wählen das Unternehmen danach, inwieweit sie dort ihre Ziele erreichen können. • Werten Sie Ihre Mitarbeiter nicht ab, wenn diese weniger moralische und integre Werte haben als Sie. Akzeptieren Sie, dass sie Dinge pragmatischer und situationsbezogener sehen als Sie. • Akzeptieren Sie, dass Sie immer mal wieder an Regeln und Werte erinnern müssen. Tun Sie es wohlwollend.

3.5  Das eigene Führungshandeln professionalisieren …

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Das Motiv STRUKTUR Blaue Ausprägung • Achten Sie darauf, sich einen Mitarbeiter als Assistenten auszubilden, der eine rote Ausprägung im Motiv STRUKTUR hat und Sie von organisatorischen/planerischen Aufgaben entlastet. • Besprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern, inwieweit diese durch Ihre Sprunghaftigkeit und Spontanität in ihrer Leistungsfähigkeit und Effizienz eingeschränkt werden. Treffen Sie Vereinbarungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit, an die Ihre Mitarbeiter Sie erinnern dürfen. • Vermeiden Sie „Zettelwirtschaft“, indem Sie sich zwingen, Notizen in ein gebundenes Ringbuch, d. h. an einem Ort/zentral einzutragen, denkbar sind auch Smartphones/ elektronische Notizen. So haben Sie Ihre Gedankenstützen alle an einem Ort gesammelt. Rote Ausprägung  • Meiden Sie die Büros von nicht so ordentlichen Mitarbeitern. Führen Sie Gespräche in Ihrem eigenen Büro. • Akzeptieren Sie, dass es verschiedene Wege zum Ziel gibt. Schauen Sie aufs Ziel, nicht auf den Weg. • Konzentrieren Sie sich stärker auf den Inhalt eines Arbeitsergebnisses, als auf dessen optische Ausarbeitung. • Fragen Sie sich ernsthaft: Ist es wirklich schlimm, ist die Arbeit, das Ergebnis wirklich schlechter, wenn diese bestimmte Sache nicht nach meinem Verständnis von Struktur und Ordnung abläuft? • Versuchen Sie bewusst, Flexibilität zuzulassen und sich von starren Strukturen zu lösen, wenn es der Sache dient. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter neue Wege ausprobieren. Das Motiv REVANCHE  Blaue Ausprägung • Prüfen Sie selbstkritisch, wie Sie mit Konflikten umgehen. Wann und wie oft gehen Sie ihnen aus dem Weg? In welchem Umfang sind Sie bereit, sich gegenüber Dritten durchzusetzen und wann geben Sie nach oder „räumen das Feld“? • Erwerben Sie über Seminare oder ein Coaching gezielt Verhaltenskompetenzen im Führen schwieriger und konfliktärer Gespräche. • Nutzen Sie für Verhandlungen, in denen Sie etwas durchsetzen müssen, einen Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv REVANCHE. Lassen Sie ihn verhandeln oder nehmen Sie ihn mit.

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

Rote Ausprägung  • Wenn Sie eigenen Ärger spüren, verlassen Sie die Situation, bis sich diese Emotion gelegt hat. Agieren Sie nicht aus der emotionalen Betroffenheit oder aus Ihrer Wut heraus. • Vergegenwärtigen Sie sich, dass das Verhalten Ihrer Mitarbeiter in der Regel nicht gegen Sie gerichtet ist, sondern dem Bedürfnis der eigenen Motivbefriedigung entspringt. Reflektieren Sie, dass Sie dazu neigen, Vorkommnisse schnell als gegen sich gerichtet und ungerecht Ihnen gegenüber zu interpretieren. • Holen Sie sich Feedback von Ihren Mitarbeitern, ob oder wie sehr sie Sie als provozierend oder aggressiv erleben. Das Motiv SICHERHEIT  Blaue Ausprägung • Prüfen Sie bei Ihren Entscheidungen, ob die damit verbundenen Risiken oder Belastungen wirklich für alle tragbar sind. • Suchen Sie sich bewusst eine Person, die Sie als vorsichtiger oder ängstlicher erleben als sich selbst, um Risiken und Belastungen zu prüfen. Der Mittelweg wird dann wahrscheinlich eher für alle passen. • Nehmen Sie Sorgen und Ängste Ihrer Mitarbeiter sehr ernst und gehen Sie darauf ein, hören Sie wirklich zu. • Gönnen Sie sich und Ihrem Team bewusste Ruhephasen, selbst wenn Sie nicht das Gefühl haben, „ausgepowert“ zu sein. So können Sie die Energie Ihrer Mitarbeiter konstant hochhalten und sichergehen, dass Sie sie nicht überfordern. • Glauben Sie Ihren Mitarbeitern, wenn Sie Ihnen sagen, dass Sie „an ihre Grenzen kommen“ oder „nicht mehr können“. Wenn Sie das dauerhaft nicht tun, laufen Sie Gefahr, Mitarbeiter in die Überforderung, ein Burnout oder zu einer Kündigung zu treiben. Rote Ausprägung  • Achten Sie darauf, Ihren Mitarbeitern gegenüber nicht zu deutlich Gefahren, Probleme und Risiken zu kommunizieren. Sie könnten Sie dadurch stark verunsichern. • Suchen Sie bewusst den Austausch mit einem Kollegen/Mitarbeiter, der eine blaue Ausprägung in SICHERHEIT hat, um eigene Entscheidungen zu reflektieren. Möglicherweise zeigt er Ihnen, dass etwas doch geht oder weniger Risiko besteht, als Sie gesehen haben. • Gönnen Sie sich regelmäßige Ruhepausen, um Ihren Akku wieder aufzufüllen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Führungspersönlichkeit und dem eigenen Führungsstil ist eine wichtige Voraussetzung, um Mitarbeiter richtig einschätzen und

3.6  Zwischen Galeere und Kuschelecke …

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führen zu können. Nur, wenn ich ein Verständnis für mich selbst und für meine eigenen Bedürfnisse habe, kann ich auch ein ausreichendes Verständnis für die Bedürfnisse und Verhaltensweisen von Mitarbeitern entwickeln, vor allem dann, wenn sie von meinen abweichen. Erst dann ist mir klar, dass ein Mitarbeiter etwas nicht tut, um mich als Führungskraft zu ärgern, sondern, dass er etwas tut, weil es für ihn selbst richtig ist und es ihm wichtig erscheint. Mit diesem erweiterten Verständnis ist Ihnen auch ein verändertes Suchen nach Lösungen und optimalen Formen der Zusammenarbeit möglich. Das erleichtert es Ihnen, Mitarbeitermotivationen auch gezielt für Dinge zu nutzen, die Ihnen selbst vielleicht schwerfallen, oder Synergien in der Zusammenarbeit ganz bewusst zu thematisieren und zu forcieren. Gleichzeitig hilft es Ihnen, Mitarbeitern solche Aufgaben zu geben, die sie leicht und mit viel Freude erfüllen können. Das Ergebnis ist für alle von Vorteil: Der Mitarbeiter erlebt eine höhere Zufriedenheit und Leistungsfreude und auch Sie haben mehr Spaß an den Arbeitsergebnissen Ihres Teams. Hinsichtlich der vorherigen Beschreibungen zur Auswirkung einzelner Motive bzw. Motivkonstellationen auf das individuelle Führungshandeln gilt selbstverständlich, dass das Erleben und Verhalten Ihrer Mitarbeiter durch deren Motive vergleichbar beeinflusst wird.

3.6 Zwischen Galeere und Kuschelecke – die persönliche Verhaltensbandbreite ausbauen Unabhängig davon, wie Ihr persönliches Motivprofil aussieht, ist es wichtig zu realisieren, dass Sie für eine effiziente Führungsarbeit sowohl steuerndes als auch unterstützendes Führungshandeln benötigen. Welches das richtige ist, entscheidet nicht Ihre Persönlichkeit, sondern die jeweilige Führungssituation und Ihre Mitarbeiter. Grundsätzlich kann man in einem einfachen Modell vier unterschiedliche Führungsstile unterscheiden. Diese sind in der Abb. 3.12 wiedergegeben. Abb. 3.12 macht deutlich, dass man zur Beschreibung unterschiedlicher Führungsstile grundsätzlich zwei Dimensionen nutzen kann. Dies ist zum einen die Dimension der Vertikalität, die beschreibt, ob Sie einen Führungsstil mit wenig Autorität und Dominanz oder einen mit mehr bzw. viel Autorität und klaren Machtverhältnissen bevorzugen. Ersterer wird Ihnen mehr entsprechen, wenn Sie eine neutrale oder blaue Ausprägung im Motiv EINFLUSS oder auch eine blaue Ausprägung im Motiv AUTONOMIE haben. Führungskräfte, die einen wenig autoritären Führungsstil bevorzugen, bezeichnen sich gerne als Teil ihres Teams und als „Gleicher unter Gleichen“. Grundsätzlich gilt aber, zu beachten, dass Sie als Führungskraft nie „gleich“ oder auf einer Ebene mit Ihren Mitarbeitern sein können. Führung heißt zwar Handeln in sozialen Beziehungen, diese soziale Beziehung ist aber per Definition durch Vertikalität gekennzeichnet. Andere Beziehungen, wie z. B. Freundschaften, Bekanntschaften, die Ehe, die Verwandtschaft etc., würden wir nicht als vertikale Beziehungen definieren. In der Führungsbeziehung sind Sie aber mindestens einer oder mehreren anderen Personen übergeordnet. Und diese Vertikalität, dieses

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

Abb. 3.12   Führungsstile

„Höhergestellt-Sein“, lässt sich auch nicht verändern. Aber diese Vertikalität kann von Führungskräften sehr unterschiedlich gelebt werden, indem diese die vorhandene Vertikalität aufgrund ihrer Persönlichkeit stärker oder weniger stark betonen. So kann die Führungsbeziehung durchaus mit einer niedrigen Vertikalität gestaltet werden. Einen solchen Führungsstil finden wir in Ansätzen der lateralen Führung. Gefordert ist er auch in der Arbeit mit selbstgesteuerten Teams. Auf der anderen Seite kann eine Führungsbeziehung auch mit hoher Vertikalität, also einem sehr autoritären Ansatz gestaltet werden. Prüfen Sie einmal für sich selbst, welcher Führungsstil Ihnen emotional näher ist. Sind Sie vornehmlich eine autoritär, dominant handelnde Führungskraft (auch, wenn diese Worte keine gesellschaftlich bevorzugten Worte sind)? Einen solchen Führungsstil werden wir bevorzugt bei Führungskräften mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS, einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG, einer blaue Ausprägung im Motiv SICHERHEIT und einer roten Ausprägung im Motiv REVANCHE finden. Überlegen Sie für sich, welcher Führungsstil Ihnen „aus dem Bauch heraus“ mehr entspricht. Eine weitere Dimension, die genutzt wird, um unterschiedliche Führungsstile zu erläutern, beschreibt, ob sich eine Führungskraft in ihrem Handeln eher an der Sache orientiert oder eher am Menschen. Eine sachliche Orientierung bedeutet, die Führungskraft ist in erster Linie am Ergebnis, an der Effizienz, an der Sache orientiert. Gerade unter Druck fragt sie selten: „Wie geht es dem Menschen?“, sondern: „Wie erreichen

3.6  Zwischen Galeere und Kuschelecke …

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wir das Ziel? Wie sind wir effizient? Wie erreichen wir die notwendigen Ergebnisse?“. Am anderen Pol der Dimension stehen die Führungskräfte, die primär am Menschen orientiert sind. Sie fragen zuerst danach, wie es den beteiligten Mitarbeitern geht und wie man die Mitarbeiter motivieren, fördern und mitnehmen kann. Auch auf dieser Dimension können Sie einmal probieren, sich selbst zu positionieren. Wie haben Sie es in der Vergangenheit erlebt? Woran denken Sie zuerst, wenn Probleme auftreten – an Ihre Mitarbeiter oder an die Ergebnisse? Bevorzugen Sie eine sachliche Auseinandersetzung mit Dingen oder betrachten Sie Situationen/Ereignisse aus einem menschlichen, gefühlsbetonteren Blickwinkel? Sie werden, wenn Sie sich selbst einordnen, in einem der vier Quadranten Ihren bevorzugten Führungsstil finden. Bevorzugter Führungsstil bedeutet, Ihr Handeln „aus dem Bauch heraus“, also nicht kontrolliert, nicht vernunftgesteuert, sondern emotional und durch Ihre Persönlichkeit bedingt. Natürlich wissen Sie, dass auch eine autoritäre Führungskraft nicht immer nur autoritär handeln kann oder dass eine menschlich orientierte Führungskraft auch einmal Grenzen setzen muss. Betrachten wir kurz die vier Quadranten des Führungsstilmodells. Links unten finden wir den Führungsstil, den ich auch als das Galeerenmodell bezeichne. Dieser Führungsstil ist dadurch gekennzeichnet, dass die Führungskraft mit viel Autorität führt und ihre Aufmerksamkeit primär auf die Sache, das Ergebnis richtet. Hier steht nicht die Selbstbestimmtheit des Mitarbeiters im Vordergrund, sondern die Zielerreichung. Die Führungskraft wird immer vermehrt darauf achten, dass die notwendige Leistung erbracht wird. Wenn nötig, ist sie auch bereit, härter durchzugreifen, um dieses Ziel zu erreichen. In einigen Situationen erhält die Führungskraft ihre Macht über Druck und Sanktionen aufrecht. Von den Mitarbeitern wird dieser Führungsstil meist als wenig Freiheit gewährend und streng erlebt. Viele Menschen empfinden diesen Führungsstil als abschreckend und wenig erstrebenswert. Er funktioniert insbesondere dann erfolgreich, wenn Sie nicht die volle Kreativität und Innovationskraft von Ihren Mitarbeitern benötigen, sondern primär einen routinierten Arbeitseinsatz, um viele Aufgaben abzuarbeiten. Obwohl dominante Führung auf den ersten Blick nicht angenehm erscheint, ist dieser Führungsstil in verschiedenen Situationen und auch bei verschiedenen Mitarbeitern der einzig richtige und notwendig. Die Fähigkeit, autoritär führen zu können, kommt z. B. dann zum Tragen, wenn Projekte zu scheitern drohen oder wesentliche Ergebnisse nicht erreicht werden können. Immer dann, wenn es eine Krisensituation gibt, sind Sie als Führungskraft gefordert, auch mal durchzugreifen, um notwendige Ergebnisse zu erreichen. Stellen Sie sich vor, Ihr Haus brennt und die Feuerwehr kommt und hält vor Ihrem Haus zunächst einmal ein Meeting ab, um gemeinschaftlich zu klären, welcher Schlauch wo mit welchem Druck eingesetzt wird. Damit wären Sie wohl kaum einverstanden. In einer solch brenzligen Situation wünschen Sie sich einen Feuerwehrhauptmeister, der einfache, klare Anweisungen gibt und seine Mitarbeiter mit dem richtigen Schlauch und Wasserdruck an die richtige Stelle schickt. Dies ist der Führungsstil, der durch Ergebnisorientierung und Autorität gekennzeichnet ist. Andere Situationen, in denen dieser Führungsstil richtig sein kann, sind z. B. Mitarbeiter, die zu ihrem Arbeits-

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3  Führungskräfte sind auch nur Menschen …

platz kommen und relativ klar formulieren können: „Chef, sag mir was ich tun soll und ich mache es, mehr will ich gar nicht.“ Auch für Mitarbeiter, die innerlich gekündigt haben, kann dieser Führungsstil notwendig sein, weil er sie noch zu ausreichender Leistung anhält, die sie freiwillig nicht mehr erbringen. Im Feld rechts unten finden Sie einen Führungsstil, der sich ebenfalls durch eine hohe Autorität, aber gleichzeitig auch eine hohe Orientierung an den Bedürfnissen und Interessen der Menschen auszeichnet. Ich habe für diesen Führungsstil das Bild eines Bergführers gewählt. Warum? Der Bergführer verfügt, im Gegensatz zu den Menschen, die er in die Berge führt, über einen Kompetenzvorsprung, er war schon mehrmals erfolgreich in den Bergen. Die Menschen sind bereit, ihm zu folgen und zu vertrauen. Er gibt den Menschen das Versprechen, dass er auf ihre Bedürfnisse achtet und alle sicher auf den Berg und wieder runter führt. Im Berg wird er sich durchaus dominant verhalten und den Menschen genau sagen, was in einer Situation geht und zu tun ist. Und wer Ärger vermeiden will, sollte sich auch besser daran halten. Diesen Führungsstil benötigen wir in Unternehmen in Situationen der Unsicherheit, in Phasen der Veränderung, in denen die Mitarbeiter ggf. verunsichert sind und Zukunftsängste haben. Aber auch neue Mitarbeiter, die sich noch nicht auskennen, brauchen eine solche klar anleitende Führung, bei gleichzeitig hohem Verständnis für die Situation und Sorgen eines neuen Mitarbeiters. Den Führungsstil rechts oben bezeichne ich gerne als Kuschelecke. Er ist gekennzeichnet durch eine niedrige Vertikalität und eine hohe Orientierung am Menschen. Ein solcher Führungsstil ist z. B. durchaus zu empfehlen, wenn Führungskräfte vom Kollegen zum Vorgesetzten aufsteigen – zumindest für eine Übergangszeit. Einen solchen Führungsstil finden Sie auch in Unternehmen oder in Unternehmensbereichen, in denen die Fachkompetenz, Kreativität und Innovationskraft der Mitarbeiter eine sehr hohe Bedeutung für den Erfolg haben. Stellen Sie sich vor, Sie führen in einem Bereich, wo Sie maximal auf die Kompetenzen und Selbstständigkeit Ihrer Mitarbeiter angewiesen sind. Alle Mitarbeiter sind Experten. Diese Experten werden schnell ungehalten, wenn Sie anfangen, sie autoritär zu führen und werden das Unternehmen schnell verlassen. In einer solchen Führungssituation ist es daher besonders wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen und Druck zu vermeiden, um so eine sehr hohe, freiwillige Leistungsbereitschaft und ein hohes Mitspracherecht zu gewährleisten. Diesen Führungsstil brauchen wir auch, wenn Mitarbeiter in persönlichen Krisensituationen sind. Leistungsdruck macht dann überhaupt keinen Sinn. Im Quadranten links oben finden Sie einen Führungsstil, den ich gern mit dem Bild einer Segelyacht symbolisiere. Dieser Führungsstil ist durch eine hohe Ergebnisorientierung bei gleichzeitig niedriger Vertikalität gekennzeichnet. Um mit einem solchen Führungsstil überhaupt führen zu können, bedarf es einiger Grundvoraussetzungen. Zum einen muss eine klare Zielorientierung bei Führungskraft und Mitarbeitern vorhanden sein. Die Mitarbeiter müssen die übergeordneten Ziele kennen und sie müssen mit ihnen einverstanden sein, um ihr Handeln darauf auszurichten. D. h., eine wichtige Voraussetzung für diesen Führungsstil sind Transparenz und Commitment.

Literatur

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Gleichzeitig bedarf es natürlich kompetenter Mitarbeiter, die genau wissen, was sie zu tun haben, die aber auch Wissen darüber haben, was die Kollegen tun und wen sie wann um Unterstützung bitten können. Für diesen Führungsstil muss es der Führungskraft gelingen, den Mitarbeitern ein für sie persönlich sinnvolles Handeln zu ermöglichen. Das ist immer gegeben, wenn es der Führungskraft gelingt, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Mitarbeiter ihre intrinsische Motivation einbringen und leben können. Erleben sie Motivbefriedigung durch ihre Arbeit, sind sie nicht nur leistungsbereit, sondern auch glücklich mit ihrem Job. Sie erleben Sinn. Je nachdem, wo Sie sich in dem Führungsstilmodell angeordnet haben, beschreibt dieses sehr einfache Modell auch Ihre Lernfelder. Sind Sie eher in der Kuschelecke, müssen Sie lernen, auch einmal hart durchzugreifen. Sind Sie eher im Galeerenmodell, müssen Sie lernen, den persönlichen Bedürfnissen und Anliegen Ihrer Mitarbeiter durch eine Reduktion Ihrer Autorität und eine Erhöhung der Menschenorientierung mehr Raum zu geben. Das Ziel der Auseinandersetzung mit dem eigenen Führungsstil und dem individuellen Motivprofil ist, das eigene Verhaltensspektrum zu erweitern, um unterschiedlichsten Mitarbeitern und Anforderungssituationen besser gerecht zu werden. Ziel ist aber auch, ein größeres Bewusstsein dafür zu bekommen, wie deutlich Sie als Führungskraft von Ihren Motiven „beeinflusst“ werden. Motivausprägungen wie EINFLUSS rot, SOZIALE ANERKENNUNG blau, REVANCHE rot und SICHERHEIT blau begünstigen je nach Ausprägung und Gesamtprofil einer Person eher Dominanz im Führungsstil und ermöglichen ein härteres Durchgreifen. Die Lernaufgabe ist, Mitarbeiterinteressen und -bedürfnisse mehr wahrzunehmen, mehr auf Mitarbeiter einzugehen und diesen gegenüber auch unterstützend zu agieren. Motivausprägungen wie EINFLUSS blau, AUTONOMIE blau, SOZIALE ANERKENNUNG rot, SOZIALKONTAKTE rot, REVANCHE blau sowie SICHERHEIT rot begünstigen je nach Ausprägung und Gesamtprofil einer Person eher einen unterstützenden, mitarbeiterorientierten Führungsstil. Die Lernaufgabe ist, auch einmal hart durchzugreifen und Grenzen zu setzen.

Literatur Leidig, S. (2007). Das Kreuz mit dem Kreuz. In M. Holz & P. Da-Cruz (Hrsg.), Demografischer Wandel in Unternehmen (1. Aufl., S. 103–105). Wiesbaden: Gabler. Luft, J. & Ingham, H. (1955). The Johari window, a graphic model for interpersonal relations. In Western Training Laboratory in Group Development, University of California at Los Angeles: Extension Office.

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Kennen Sie Ihre Mitarbeiter – was motiviert sie wirklich, wann erleben sie ihre Leistung als sinnvoll?

Wir sehen in allen Motiven die Leistungsgrundlagen von Menschen. Leistungsgrundlage bedeutet, dass das „gute Gefühl“, welches eine Person bei der Befriedigung eines ihrer Motive erlebt, als der „Lohn“ für die erbrachte Leistung oder Anstrengung erlebt wird. Leistungsgrundlage in diesem Sinne meint nicht nur Leistung im beruflichen Kontext, sondern auch z. B. sportliche Leistung, die man in seiner Freizeit erbringt. Wenn Sie noch einmal an das in Abschn. 2.1 dargestellte Aufwands-Ertrags-Modell denken, wird klar, dass Menschen Anstrengung erbringen, um einen Ertrag zu bekommen. Dieser Ertrag ist immateriell. Er besteht in der Befriedigung der inneren Bedürfnisse und Motive, dem körpereigenen Ausschütten von Belohnungsstoffen. Das Wohlbefinden, die Zufriedenheit oder auch das Glücksgefühl, welches wir erleben, wenn wir mit der erbrachten Leistung unsere Motive befriedigt haben, spornt uns an, diese oder eine vergleichbare Leistung erneut zu erbringen – wir sind intrinsisch motiviert.

4.1 Statt Incentives dauerhafte intrinsische Motivation wirksam werden lassen Die Wissenschaft geht von zwei unterschiedlichen Formen der Motivation aus – einer intrinsischen und einer extrinsischen Motivation. Intrinsische Motivation meint die in einer Person vorhandene Motivation, den inneren Drang und Wunsch, etwas Bestimmtes zu tun. Die intrinsische Motivation bewirkt, dass jemand eine Aufgabe um ihrer selbst willen bewältigt. Z. B. könnte ein Verkäufer engagiert Gespräche mit Kunden führen, weil er Spaß am Sozialkontakt mit seinen Kunden hat. Er fragt nicht, warum er diese Gespräche führt, was das Ziel dabei ist, was er dafür erhält, er tut es aus seiner inneren Motivation und Leidenschaft heraus. Jedes Gespräch erfüllt ihn mit Freude und vielleicht auch mit Stolz. Mag sein, dass er, ohne sich dessen bewusst zu sein, sein rot ausgeprägtes Motiv SOZIALKONTAKTE und/oder sein rot ausgeprägtes Motiv STATUS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Rohrschneider, Sinnhaft führen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5_4

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4  Kennen Sie Ihre Mitarbeiter …

befriedigt. Bei der intrinsischen Motivation denken wir also nicht darüber nach, warum wir etwas tun, wir tun es und dieses Tun ist Belohnung und Befriedigung eines Motivs – es macht Spaß. Intrinsische Motivation kann sich auch aus inneren Zielen, Idealen, Leitlinien oder Werten, wie etwas sein muss, ergeben. Diese Leitlinien oder Idealvorstellungen können uns bewusst oder auch unbewusst sein. Wir verhalten uns auf eine bestimmte Art und Weise, so wie es uns richtig und wichtig erscheint, und deshalb geht es uns gut. Müssen wir uns anders, entgegen unserer intrinsischen Motive oder Wertvorstellungen von „richtig“ verhalten, geht es uns hingegen schlecht. Nehmen wir z. B. einen Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS. Ein Wert dieser Person kann sein: „Man muss sich anstrengen, nur dann ist es richtig und gut.“ Folgt die Person in ihrem Handeln diesem Leitsatz, fühlt sie sich wohl. Sie erlebt Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit. Stellen wir uns nun vor, die Person ist über das Wochenende zu Besuch bei Verwandten und wird dort kontinuierlich dazu aufgefordert, sich hinzusetzen und auszuruhen – sie darf nichts selbst machen und wird zwei Tage lang nur bedient. Am Ende des Besuchs ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Person unzufrieden, gereizt und ungeduldig ist. Genau das, was in ihrem Wertesystem falsch ist – nämlich „faul“ zu sein – musste sie tun. Je mehr eine Aufgabe dazu beiträgt, die intrinsische Motivation zu befriedigen, umso mehr wird sie mit Freude erledigt. Wissenserwerb kann z. B. für einen Menschen so befriedigend sein, dass er freiwillig viel Wissen erwirbt und bei anderen damit sogar Verwunderung auslöst: „Wie kann man nur freiwillig so viele trockene Sachbücher lesen?“ Die betroffene Person selbst wird sich eher darüber wundern, warum diese Tätigkeit den anderen nicht so viel Spaß macht wie ihr selbst. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass insbesondere Freizeitaktivitäten oft intrinsisch motiviert sind. Hier gibt es keinen äußeren Druck oder Zwang, etwas zu tun, Menschen verfolgen ihre Freizeitaktivitäten, weil sie dadurch Befriedigung und Spaß erleben. Tun sie etwas freiwillig aus sich selbst heraus, sind also intrinsisch motiviert, ist dies leistungsfördernder und die Leistung wird stabiler erbracht, als wenn etwas aufgrund externer Gegebenheiten oder Druck ausgeübt wird. Die Wissenschaft geht davon aus, dass dauerhaft hohe ­Leistungsbereitschaft nur dann erreicht werden kann, wenn die intrinsische Motivation eines Menschen angesprochen wird. Die zweite Art der Motivation ist die extrinsische Motivation. Extrinsisch motiviert sind alle Tätigkeiten, die nicht einfach um ihrer selbst willen ausgeübt werden, sondern weil man einen äußeren Anreiz hat, die Tätigkeit auszuführen. Hier geht es nicht um den Selbstzweck bei der Tätigkeitsausführung, nicht um innere Bedürfnisbefriedigung, sondern das Ausführen einer Handlung, weil diese Mittel zum Zweck ist. Das klassische Beispiel für extrinsische Motivation ist das „Geldverdienen“. Wir gehen arbeiten, um Geld zu verdienen, hierbei geht es nicht in erster Linie darum, Spaß zu haben. Extrinsische Ziele können auch das Erreichen bestimmter Vorteile oder aber auch das Vermeiden bestimmter negativer Ereignisse sein. So übernehmen Mitarbeiter z. B. Aufgaben, die sie nicht besonders gerne bearbeiten, um Ärger mit ihrem Vorgesetzten oder Sanktionen zu vermeiden. Zum Teil tun wir, extrinsisch motiviert, auch Dinge, die mit

4.1  Statt Incentives dauerhafte intrinsische Motivation …

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unserer Rolle oder den Erwartungen unserer Umwelt an uns verbunden sind. Beispielsweise übernehmen Sie als Führungskraft im Rahmen der gegebenen Unternehmensstruktur und ‐kultur bestimmte Aufgaben, weil die Unternehmensleitung dies von Ihnen erwartet, aber nicht, weil Sie es aus innerem Antrieb gerne tun. So sind Sie im Rahmen Ihrer Führungsaufgabe gegebenenfalls dazu angehalten, bestimmte Dokumentationen und Berichte zu erstellen. Nehmen wir an, dass dies eine Aufgabe ist, die Sie nicht gerne und deswegen immer auf den letzten Drücker erledigen. Hier haben Sie dann ganz klar eine extrinsische Motivation. Ihr Vorgesetzter erwartet die Berichte pünktlich zu einem bestimmten Termin von Ihnen und Sie wissen, dass Sie Ärger bekommen, wenn Sie die Berichte nicht pünktlich abliefern. Um diesen Ärger zu vermeiden, erstellen Sie, wenn auch ungern, die geforderten Berichte termingerecht. Fordert Ihr Vorgesetzter die Berichte aber nicht mehr, werden Sie sie kaum aus innerer Befriedigung freiwillig für sich erstellen. Es gibt eine durchaus ausführliche und kontroverse Diskussion darüber, ob man Menschen dauerhaft extrinsisch motivieren kann. Reicht es z. B. aus, einem Menschen Geld für seine Leistung zu geben, um ihn dauerhaft zu hoher Leistung zu motivieren? Inzwischen besteht eine große Übereinstimmung dahin gehend, dass eine extrinsische Motivation für die dauerhafte und freiwillige Leistungserbringung nicht ausreicht. Hierzu benötigen Sie die intrinsische Motivation eines Mitarbeiters. Vielleicht scheint Ihnen dies auf den ersten Blick schwer realisierbar zu sein. Aber das berufliche Umfeld bietet vielfältige Möglichkeiten, die unterschiedlichen intrinsischen Motive, die im LUXXprofile beschrieben werden, anzusprechen, um eine dauerhafte Leistungsbereitschaft sicherzustellen. Letztlich können wir davon ausgehen, dass extrinsische Motivation nur funktioniert, wenn über sie eine intrinsische Motivation angesprochen wird. So übernehmen wir die ungeliebte Aufgabe vielleicht, um Anerkennung von unserem Chef zu bekommen. Bei der Auseinandersetzung mit der intrinsischen Motivation ist ein weiterer Aspekt von Bedeutung. Die Frage, in welchem Umfang bestimmen unsere Motive unser Handeln und in welchem Umfang ist die durch unsere Motivation gesteuert. Sind bei einer Aufgabe oder Handlung sowohl kognitive („Das müsste ich so machen.“) wie auch emotionale Komponenten („Ich will das so machen.“) wirksam und stehen diese im Widerspruch zueinander, dann kann davon ausgegangen werden, dass die emotionale Komponente stärker auf das Verhalten wirkt, es dominiert und die kognitive Komponente verdrängt, also in ihrer Verhaltenswirksamkeit abschwächt. Ein Beispiel verdeutlicht diesen Gedanken: Beispiel

Ein Mitarbeiter vertritt die kognitive Überzeugung, dass die Preise des Unternehmens für die angegebene Dienstleistung gerechtfertigt sind und gegenüber dem Kunden durchgesetzt werden sollten (kognitiver Wert). Gleichzeitig hat er aber große Scheu, den Kunden unter Druck zu setzen, weil er Angst hat, dass der Kunde ihn dann

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4  Kennen Sie Ihre Mitarbeiter …

ablehnt (Angst vor Ablehnung, z. B. aus einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG). Hier behält in vielen, wenn nicht sogar in den meisten Fällen, der emotionale Motivationsfaktor die Oberhand. Der Mitarbeiter wird bei Preisverhandlungen immer nachgiebig gegenüber dem Kunden agieren und die Preise beim Kunden nicht durchsetzen können. ◄ Meist geschieht ein solches Handeln unbewusst oder indem ein anderer als der tatsächliche Grund geltend gemacht wird, etwa wenn der Mitarbeiter argumentiert, der Kunde sei besonders wichtig und deswegen anders zu behandeln. Unser Großhirn/Verstand rationalisiert und findet Begründungen und Rechtfertigungen für unser emotional basiertes Handeln. D. h., unsere intrinsische Motivation, unsere Emotionalität ist sehr stark und beeinflusst unser Handeln oft auch gegen unser bewusstes Denken. Während bei der extrinsischen Motivation häufig neue Reize von außen gesetzt werden müssen, um die Motivation zu erhalten, kommt der Handlungs- oder Leistungsimpuls bei der intrinsischen Motivation immer wieder von neuem aus der Person selbst heraus. Nur, weil ich einmal etwas erreicht habe, ist mein intrinsisches Motiv nicht dauerhaft befriedigt. Das Motiv bleibt bestehen und hält mein Handeln kontinuierlich aufrecht. Intrinsische Motivation verliert in einem bestimmten Umfeld ihre Wirkung dann, wenn trotz wiederholter Anstrengung keine Bedürfnisbefriedigung erreicht werden kann. Stellen Sie sich einen Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG vor: Der Mitarbeiter strengt sich sehr an und gibt sich viel Mühe, eine gute Leistung zu erbringen. Erreichen will er damit Wertschätzung und Anerkennung durch seinen Vorgesetzten. Dann fühlt er sich gut und selbstbewusst. Stellen Sie sich weiter vor, dass dieser Mitarbeiter eine Führungskraft hat, die dem Grundsatz folgt „nicht geschimpft ist genug gelobt“ und ihren Mitarbeitern gegenüber nie Anerkennung für ihre Leistungen ausspricht oder zeigt. Früher oder später wird der Mitarbeiter sagen: „Egal, wie sehr ich mich hier anstrenge, es sieht ja doch keiner. Nie sagt einer mal was Gutes. Ich weiß nicht, warum ich mich weiterhin anstrengen soll.“ Das kann der Moment sein, in dem der Mitarbeiter sich beruflich neu orientiert und kündigt. Er will ja Leistung erbringen, dafür braucht er aber auch ein Umfeld, welches seine Leistung honoriert. Hat der Mitarbeiter nicht die Möglichkeit, das Unternehmen zu wechseln, kann das auch der Moment sein, in dem der Mitarbeiter aufhört, sich in seinem aktuellen beruflichen Kontext stark zu engagieren. Seine Energie wird er dann wahrscheinlich in seine Freizeit und dortige Tätigkeiten verlagern, vor allem wenn diese Tätigkeiten für ihn mehr Aussicht auf Wertschätzung und Anerkennung versprechen. Vielleicht übernimmt er ein Amt in einem Verein, wo ihm die Vereinsmitglieder deutlich machen, wie gut er diese Arbeit macht und wie wichtig die Arbeit für den Verein ist. Die Anerkennung wird ihn motivieren, sich sehr engagiert einzubringen. Die erlebte Wertschätzung ist der Grund, warum er etwas leistet, es ist seine Leistungsgrundlage. Anders verhält es sich bei der extrinsischen Motivation wie bereits in Abschn. 2.2 aufgezeigt. Denken Sie daran, wie schnell die Wirkung einer Gehaltserhöhung wieder verpufft. Das neue Gehalt wird schnell „normal“, Gewohnheit. Auch bei Incentives für

4.2  Wie gut kenne ich dich? …

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Ihre Mitarbeiter können Sie beobachten, dass diese von Jahr zu Jahr größer werden müssen, um noch als Wert und Anreiz wahrgenommen zu werden. Während es am Anfang eine Woche auf Mallorca war, ist es wenige Jahre später Mauritius. Trotzdem ist die extrinsische Motivation in Ihrem Führungsalltag wichtig. Vor allem dann, wenn die extrinsische Motivation vom Mitarbeiter direkt als Mittel zur Befriedigung seiner intrinsischen Motivation erlebt wird. Nehmen wir an, Sie gewähren einem Mitarbeiter einen sonst nicht üblichen freien Tag für seine Überstunden und zwar an dem Tag, an dem sein Kind eingeschult wird. Hat der Mitarbeiter eine rote Ausprägung im Motiv FAMILIE, ist die gewährte Freizeit die Möglichkeit, zur Einschulung seines Kindes gehen zu können und damit Mittel zur direkten Befriedigung seiner intrinsischen Motivation.

4.2 Wie gut kenne ich dich? – Die Motivation der eigenen Mitarbeiter einschätzen Weil die intrinsische Motivation so wichtig für die Leistung der Mitarbeiter ist und die eigentliche Leistungsgrundlage darstellt, ist es für Sie und Ihren Führungserfolg von großer Bedeutung, dass Sie die intrinsische Motivation Ihrer Mitarbeiter einschätzen können. Die 16 Motive im LUXXprofile beschreiben die intrinsische Motivation von Menschen. Kennen Sie die Motivation Ihrer Mitarbeiter, fällt es Ihnen viel leichter, sie so zu führen, dass Sie ihnen mit der Aufgabenerledigung ermöglichen, ihre inneren Motive zu befriedigen. Selbstverständlich bin ich mir bei dieser Aussage darüber im Klaren, dass ein Unternehmen kein „Wunschkonzert“ ist und nicht alle Bedürfnisse von Mitarbeitern vollumfänglich befriedigt werden können. Das muss auch nicht sein. Wesentlich ist, dass Sie als Führungskraft ein erweitertes Bewusstsein dafür haben, wie wichtig die Kenntnis der inneren Motivation Ihrer Mitarbeiter für Sie ist. Versuchen Sie, im Rahmen Ihrer im Unternehmen gegeben Möglichkeiten, einige für Ihre Mitarbeiter wichtige Motive zu berücksichtigen. So erreichen Sie Mitarbeiterzufriedenheit bei der Arbeitsausführung und für sich selbst und das Unternehmen eine dauerhaft hohe Leistungsbereitschaft. D. h., vor dem Führungshandeln steht die Einschätzung der Motive Ihrer Mitarbeiter. Teilnehmer in meinen Seminaren machen durchaus deutlich, dass dies keine ganz einfache Aufgabe ist. Aber wenn Sie nicht gerade ganz neu in Ihrer Führungsaufgabe sind und Ihre Mitarbeiter schon eine Weile kennen, können Sie ganz sicher bestimmte, deutlich ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale und damit Motive Ihrer Mitarbeiter einschätzen. Bitte haben Sie nicht den Anspruch, alle Motive bei Ihren Mitarbeitern einschätzen zu können. Schätzen Sie nur die ein, bei denen Sie sich recht sicher sind, denn raten bringt in diesem Fall nur wenig. Versuchen Sie, anhand des „Leerprofils“ aus Abschn. 3.3, Motivprofile für Ihre Mitarbeiter zu erstellen. Bei den Motiven, bei denen Sie keine Idee haben, wie sie bei Ihren Mitarbeitern ausgeprägt sein könnten, tragen Sie einfach nichts oder den Wert Null, als neutrales Motiv, ein. Selbst, wenn Sie auf diese Art und Weise nur zwei stark ausgeprägte Motive, seien sie blau oder rot, für einzelne Mitarbeiter beschreiben

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4  Kennen Sie Ihre Mitarbeiter …

können, haben Sie für Ihre Führungsarbeit schon viel gewonnen. Sie sind damit in der Lage, zukünftig besser auf den Mitarbeiter einzugehen und ihn gezielter zu führen. Das erhöht Ihre Führungseffizienz und bedeutet für Sie mittelfristig weniger Arbeit. Für Ihre Fremdeinschätzung ist es wichtig, den Mitarbeiter zu beobachten, um zu erfahren, wie er sich verhält und was er gerne tut. Genauso wichtig ist es hinzuhören, welche Worte der Mitarbeiter benutzt und über welche Themen er gerne spricht und wie er dies tut. Gut hinzuhören, worüber Mitarbeiter wie reden, ist wichtig, da Menschen sich nur über die Dinge austauschen können, die emotional eine Bedeutung für sie haben. Unser Erleben und Empfinden spiegelt unsere Motivstruktur wider und diese beeinflusst auch die Worte, die wir benutzen bzw. die Aussagen, die wir treffen. Ein Beispiel kann dies verdeutlichen. Beispiel

In einem Auswertungsgespräch mit einer Führungskraft führte diese beim ersten Blick auf ihr Motivprofil an, dass sie das Profil als sehr stimmig erlebe, lediglich die rote Ausprägung im Motiv REVANCHE könne sie nicht nachvollziehen. Sie bezeichnete sich selbst als harmonisierend und friedliebend. Wir stellten diesen Punkt zur Klärung zurück, um zu schauen, ob wir im Verlauf des Auswertungsgesprächs einen Hinweis darauf finden würden, ob die rote Ausprägung im Motiv REVANCHE, so wie im Profil dargestellt, tatsächlich zutreffend war oder ob es sich gegebenenfalls um einen Fehler (eventuell aus dem Antwortverhalten der Führungskraft) handeln könnte. Im Verlauf des Gesprächs sprachen wir über Mitarbeiterführung und darüber, dass Mitarbeiter manchmal das tun, was sie tun sollen, manchmal aber auch nicht. An diesen Punkt führte die Führungskraft, die sich selbst als harmonisch und friedlich wahrnahm, an, dass man situativ auch mal den Druck auf Mitarbeiter erhöhen müsse. Wörtlich sagte sie: „…und manchmal muss man den Pfahl einfach reinrammen.“ Diese Aussage lässt sich als durchaus aggressiv bezeichnen. Eine solche Aussage würde ein Mensch mit einer blauen Ausprägung im Motiv REVANCHE nicht formulieren. Ihm würden die genannten Worte gar nicht einfallen, da ihm eine vergleichbare Aggression völlig fremd ist. ◄ Der einfachste Weg, um zu Motivprofilen für Ihre Mitarbeiter zu kommen, ist natürlich, alle Mitarbeiter einen Fragebogen bearbeiten zu lassen und für alle Mitarbeiter Motivprofile erstellen zu lassen. Dass dies in der täglichen Führungsarbeit, aber auch in der Zusammenarbeit der Mitarbeiter untereinander sehr hilfreich ist, kann ich in unserem Unternehmen täglich erleben. Als Führungskraft fällt es mir deutlich leichter, Aufgaben so zu verteilen, dass sie den Mitarbeitern leichtfallen, weil sie sie gerne machen. Auch fällt es mir viel leichter, in der Ansprache, der Steuerung und Gestaltung von Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter gezielt auf deren intrinsische Motivation einzugehen. Gut zu beobachten ist auch, wie hilfreich die Kenntnis des Motivprofils der Kollegen untereinander ist. Konflikte und Missverständnisse werden auf diese Art und Weise von

4.2  Wie gut kenne ich dich? …

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vornherein vermieden. Es gibt vielleicht den ein oder anderen frechen Kommentar zu einer „typischen“ Verhaltensweise, aber jeder weiß, warum sich der andere gerade so verhält und kann diesem Verhalten, aufgrund der Kenntnis des Motivprofils, Akzeptanz entgegenbringen. Selbstverständlich ist mir klar, dass es nicht in jedem Unternehmen möglich sein wird, ein komplettes Team einen Fragebogen bearbeiten zu lassen. Viele Führungskräfte wählen diesen Weg dennoch und gestalten mit ihren Mitarbeitern eine Teamentwicklung mithilfe des LUXXprofiles. Wenn Sie dies nicht tun können, sind Sie auf Ihre Beobachtungen und Einschätzungen angewiesen. Bei Ihrer Fremdeinschätzung können Ihnen nachfolgende Fragen helfen: • • • •

Was fällt Ihnen spontan zu dem Mitarbeiter ein? Was macht der Mitarbeiter gern, was macht er nicht so gern? Wofür interessiert er sich? Was will der Mitarbeiter für sich erreichen? Was sind seine beruflichen und privaten Ziele? • Wann können Sie wirkliche Begeisterung bei ihm wahrnehmen? • Wann bzw. wobei haben Sie das Gefühl, dass sich der Mitarbeiter mit einer Aufgabe quält? • Was kann der Mitarbeiter gut, weil er es gern macht, was kann er nicht so gut, weil er es nicht mag? • Wann bzw. bei welchen Aufgaben steigt die Leistung oder die Einsatzbereitschaft des Mitarbeiters, wann lässt sie nach? • Was erlebt der Mitarbeiter als Erfolg für sich, worauf ist er stolz? • Wie agiert der Mitarbeiter im Kontakt mit anderen? • Wie intensiv (Häufigkeit/Vertrautheit/Nähe) gestaltet er den Kontakt zu anderen? • Wann (wie schnell) sucht er den Austausch mit anderen, bittet sie um Hilfe? • Worüber spricht er viel und gerne? • Welche Worte benutzt er oft? • Was macht er in seiner Freizeit? Wie intensiv gestaltet er diese Tätigkeiten? • Was schätzen Sie an ihm, was macht die Zusammenarbeit mit ihm für Sie angenehm leicht? • Was macht die Zusammenarbeit mit ihm für Sie eher schwierig? • Gibt es Verhaltensweisen, die Sie häufiger beobachten können? Was tut er regelmäßig? • Was kennzeichnet den Mitarbeiter in Ihrer Wahrnehmung als Menschen? Was sind seine hervorstechenden Merkmale? • Wie wird er von Kollegen wahrgenommen? Mit diesen Fragen können Sie Ihre Beobachtungen und Eindrücke konkretisieren. Auch, wenn Sie sehr sorgfältig arbeiten, wird Ihre Einschätzung einer gewissen Fehlerwahrscheinlichkeit unterliegen. Diese ist schon allein darin begründet, dass Menschen etwas immer nur subjektiv, durch „ihre individuelle Brille“ wahr-

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4  Kennen Sie Ihre Mitarbeiter …

nehmen können. Die menschliche Wahrnehmung ist immer geprägt durch die eigenen Werte, Ziele, Motive etc. Und das macht sie anfällig für Fehler. Sie sollten Ihre Einschätzung also nicht als etwas Festes und Endgültiges betrachten, sondern immer wieder überprüfen. Trotz dieser möglichen Fehler habe ich die Erfahrung gemacht, dass Führungskräfte schon im Prozess der Einschätzung ihrer Mitarbeiter einen hohen Erkenntnisgewinn und auch wirkliche „Aha“- Erlebnisse haben. Plötzlich werden bestimmte Schwierigkeiten nachvollziehbar und wahrgenommene Eigenheiten verständlich. Schon allein dadurch wird oft eine Veränderung im Führungshandeln möglich oder ausgelöst, welche zu einer Stabilisierung oder Verbesserung von Leistung und Zusammenarbeit führen. Im Coaching spreche ich mit den Führungskräften oft über einzelne Mitarbeiter. Wir erstellen dann gemeinsam ein Profil für den einen oder anderen Mitarbeiter und erarbeiten eine konkrete Führungsstrategie für ihn. In der Regel berichten die Führungskräfte bereits beim nächsten Treffen von ersten Erfolgen. Besonders vorsichtig bzw. selbstkritisch sollten Sie mit Ihrer Fremdeinschätzung bei den Mitarbeitern sein, mit denen Sie besonders gerne zusammenarbeiten und ebenfalls bei Mitarbeitern, mit denen Sie nicht so gerne zusammenarbeiten, die Ihnen immer wieder Schwierigkeiten bereiten. Gerade bei Letzteren kann der Bewertungsfehler darin bestehen, dass man ihnen Persönlichkeitsmerkmale zuschreibt, die man selbst als negativ wahrnimmt. Menschen, die man nicht gerne mag, bewertet man in der Regel strenger, kritischer und negativer als Menschen, die man gerne mag. Überprüfen Sie Ihre Einschätzung hier besonders kritisch. Dabei mag es durchaus sein, dass ein Mitarbeiter, mit dem Sie sehr gut zusammenarbeiten und mit dem Sie sich sehr gut verstehen, ähnliche Motivausprägungen hat wie Sie selbst. Ein Mitarbeiter, mit dem Sie immer wieder Schwierigkeiten haben und dessen Vorgehen und Handlungsweisen Sie oft nicht verstehen oder falsch finden, hat vielleicht in einigen Motiven eine entgegengesetzte Ausprägung zu Ihnen, was die Schwierigkeiten und das gegenseitige Unverständnis erklären würde. Bei den Motivausprägungen gilt grundsätzlich: „Gleich und gleich gesellt sich gern“. Menschen mit gleichen oder ähnlichen Motivausprägungen „sprechen die gleiche Sprache“, mögen die gleichen Dinge, verfolgen die ähnliche Werte und Ziele. Ihr Zusammenarbeiten oder auch Zusammenleben verläuft reibungsloser. Menschen mit sehr unterschiedlichen Ausprägungen verstehen einander häufig weniger gut. Ein Mensch mit einer blauen Ausprägung im Motiv STRUKTUR kann nicht verstehen, wie der Kollege mit einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR so viel Zeit mit der Beschriftung und Sortierung seiner Ordner verbringen kann und er glaubt, schier verrückt zu werden, wenn der Kollege die Sachen auf seinem Schreibtisch allmorgendlich in eine feste Aufstellung bringt. Dem Kollegen mit der roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR geht es nicht viel anders. Er kann seinen Kollegen mit einer blauen Ausprägung im Motiv STRUKTUR nicht verstehen. Er findet es furchtbar, dass sich auf seinem Schreibtisch alles stapelt und kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie der Kollege ohne vernünftige Planung überhaupt irgendetwas zustande bringt. Aus diesem „Nicht-Verstehen“ oder auch Missverstehen entstehen leider allzu schnell Ablehnung und Konflikte. Bedenken

4.2  Wie gut kenne ich dich? …

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Sie bei der Fremdeinschätzung Ihrer Mitarbeiter immer wieder, dass weder die eine noch die andere Motivausprägung gut oder schlecht ist. Sie ist anders und beide Ausprägungen bringen Vor- und Nachteile im Arbeitsleben. Ein wichtiges Ziel in der Arbeit mit dem LUXXprofile ist, die gegenseitige Wertschätzung von Menschen zu erhöhen. Vor dem Hintergrund der beschriebenen möglichen Fehler und Verzerrungen in Ihrer Fremdeinschätzung empfehle ich Ihnen, nach einer ersten Einschätzung mit Ihren Mitarbeitern zu sprechen, sie nach ihren Einschätzungen zu fragen. Ihre Fremdeinschätzung ist nur eine Annäherung. Fragen Sie z. B.: • • • • • • • • •

Was macht Ihnen Spaß, was nicht? Was genau macht daran Spaß (bzw. nicht), warum tun Sie es gern (bzw. nicht gern)? Was ist Ihnen wichtig? Was sind wichtige Werte für Sie? Welche Aufgaben mögen Sie, welche nicht und warum ist das so? Wann geht es Ihnen richtig gut, wobei haben Sie sehr viel Spaß? Zu was müssen Sie sich zwingen, was quält Sie? Was nervt/ärgert Sie an anderen und warum? Was sagen Ihre Freunde über Sie, was schätzen Sie an Ihnen, was nicht? Was brauchen Sie, um zufrieden arbeiten zu können? Wie sollten Aufgaben oder die Rahmenbedingungen idealerweise sein? • Was strengt Sie an, was erleben Sie als belastend, warum ist das so? Fragen Sie nicht nach dem „Können“, sondern nach Spaß und „Gutgehen“ und dem Warum, dann kommen Sie auch zu Aussagen über Motivationen und nicht nur zu solchen über Fähigkeiten. Sie können Ihre Mitarbeiter auch um eine Selbsteinschätzung bitten und dann Ihre und deren Einschätzung nebeneinander legen und sich über die gemeinsamen Einschätzungen und die Differenzen austauschen. Sie werden viel dabei lernen und wahrscheinlich wichtige Eindrücke von Ihrem Mitarbeiter und er von Ihnen gewinnen. Dies berührt einen Aspekt, der mir persönlich in diesem Zusammenhang sehr wichtig ist. Wenn Sie Ihre Mitarbeiter um eine Selbsteinschätzung bitten oder sie einen Fragebogen bearbeiten lassen, dann gehören immer alle Profile auf den Tisch, Ihres als Führungskraft und das der Mitarbeiter. Nur, wer sein eigenes Profil auf den Tisch legt und offen und transparent agiert, darf und kann erwarten, dass auch die anderen ihre Profile vorstellen und etwas von sich erzählen. Selbstverständlich setzt ein solches Vorgehen ein gewisses Maß an Vertrauen und Offenheit voraus. Wenn Sie aber überlegen, wie viel Zeit Sie jeden Tag mit Ihren Mitarbeitern verbringen, lohnt es sich, viel dafür zu tun, dass diese Zeit für alle möglichst „gewinnbringend“ und mit viel Freude verbunden ist. Den größten Gewinn haben alle, wenn reale Profile erstellt werden und das Team damit arbeitet. Erzählen Sie Ihren Mitarbeitern von dem Motivprofil und fragen Sie sie, ob sie nicht Lust haben, dass alle im Team ein Motivprofil erstellen, gehen Sie offen damit um.

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4.3 Motivbeschreibungen Um Sie in der Einschätzung Ihrer Mitarbeiter zu unterstützen, finden Sie auf den nachfolgenden Seiten exemplarische Beschreibungen zu Verhalten und Aussagen oder gern genutzten Worten für die verschiedenen Motive. Daraus können Sie Rückschlüsse auf die Tendenzen in der Motivausprägung Ihrer Mitarbeiter ziehen. NEUGIER – blaue Ausprägung Aussagen: • • • • • • • • • • • • • • •

„Was soll ich jetzt mit der Information anfangen?“ „Wie geht das?“ „Wie können wir es machen/umsetzen?“ „Wenn ich weiß, wo es steht, dann muss ich es nicht im Kopf haben.“ „Das reicht jetzt, mehr Material/Informationen brauchen wir nicht, wir machen jetzt erstmal.“ „Man kann sich auch zu Tode analysieren.“ „Ich hab das überflogen, nix Brauchbares dabei.“ „Wenn ich was Neues gelernt hab, möchte ich das am liebsten erst 20‐mal anwenden, bevor ich das nächste neu lernen muss.“ „Bitte verschone mich mit Details.“ „Ich ziehe Pragmatismus Innovation vor.“ „Routineaufgaben mag ich gern.“ „Ich will machen und handeln, nicht ewig drüber nachdenken.“ „Da kriegt man ja einen Knoten im Hirn.“ „Mir tut schon der Kopf weh von den vielen Informationen.“ „Warum muss ich das wissen, ich kann es doch gar nicht gebrauchen.“

Worte  Anwenden; pragmatisch; „was“ statt „warum“; umsetzen; handeln; Routine; anpacken; das Wichtigste; abarbeiten; greifbar machen; anpackbar; handhaben; praktikabel; fertigstellen. Verhaltensweisen  Will schnell ans Handeln/Umsetzen kommen; nicht strategisch planen; packt an; will machen; informiert sich oberflächlich; liest nur dann etwas tiefgehender nach, wenn er es wirklich braucht; wirkt angestrengt, wenn er sich längere Zeit intellektuell auseinandersetzen muss; zeigt keinen Anspruch, Wissenslücken zu füllen; übernimmt gerne Routineaufgaben; erledigt Denkaufgaben eher lustlos; geht bekannte Wege; sucht wenig nach innovativen, neuen Wegen.

4.3 Motivbeschreibungen

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NEUGIER – rote Ausprägung Aussagen: • • • • • •

„Oh, das schau ich mir mal genauer an.“ „Weißt Du mehr dazu?“, „Wo finde ich weiterführende Informationen?“ „Ich fühle mich so leer im Hirn, ich brauche neues Wissen.“ „Die Aufgabe habe ich doch schon zweimal gemacht, das ist langweilig.“ „Wissen finde ich toll, ich lese total viel, fast alles.“ „Hast du schon mal darüber nachgedacht, warum …?“ (philosophische/wissenschaftliche Fragen) • „Warum ist das so?“ „Ich will es verstehen“. • „Ich habe bei meiner Suche/meinen Überlegungen auch noch Folgendes entdeckt, was wichtig/interessant sein könnte.“ • „Wenn, dann will ich Sachen machen, bei denen ich etwas lerne.“ • „Was ist das Innovative an dieser Information/diesem Produkt etc.?“ • „Ich könnte den ganzen Tag Dokumentationen gucken.“ • „Ich könnte mein Leben auch damit verbringen von Weiterbildung zu Weiterbildung zu ziehen.“ • „Ich will inhaltlich abwechslungsreiche und anspruchsvolle Aufgaben.“ • „Banalitäten, die jeder weiß, gebe ich nicht weiter, das ist mir peinlich.“ Worte  Interessant; anregend; wissenschaftlich erwiesen; komplex; wissen; lernen; auseinandersetzen; neugierig; vertiefen; auf den Grund gehen; durchdringen; begreifen; verstehen; neue Wege; Metaebene, theoretisch; intellektuelle Abwechslung; geistiger Anspruch; was Neues; hinterfragen; erfassen; durchdenken. Verhaltensweisen  Sucht Hintergrundinformationen in verschiedenen Medien; liest viel (Anspruchsvolles); zeigt Interesse an vielen Themen; kennt sich in vielen Themenfeldern aus/kann etwas dazu erzählen; verzettelt sich bei Themenrecherchen; kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen; setzt sich intellektuell auseinander; will neue Aufgaben; Abwechslung, gibt sein Wissen an andere weiter. SOZIALE ANERKENNUNG – blaue Ausprägung Aussagen: • • • • • • •

„Mein Vorgehen war richtig. Davon bin ich überzeugt.“ „Mir doch egal, was die davon halten. Ich finde das gut so.“ „Mich muss nicht jeder mögen. Ich mag ja auch nicht jeden!“ „Lob ist ganz nett, aber ich find‘s oft auch albern.“ „Ich brauche kein Lob, ich weiß, was ich kann.“ „Kritik ist okay, kein Problem.“ „Man kann das Kind doch beim Namen nennen: Wenn‘s Mist war, ist es halt Mist!“

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• • • •

„Nö, keine Ahnung – aber das krieg ich auf jeden Fall hin.“ „Oh, da darf man aber auch gar nichts sagen. Sind die mal wieder empfindlich“. „Ich hab das richtig gut hingekriegt.“ „Die anderen fanden das nicht gut, was ich da präsentiert habe, aber die haben es einfach nicht verstanden.“ „Nicht geschimpft ist genug gelobt.“ „Wenn etwas kritisiert wird, denke ich nicht: Ich habe etwas falsch gemacht, sondern: Das kann ich jetzt noch besser machen!“ „Die machen ein Theater, haben immer Schiss dass was schief geht.“ „Ich brauche kein Feedback, ich weiß was ich kann“.

• • • •

Worte  Sicher; überzeugt; gut; selbst; sich trauen; ich; ich kann das; mach irgendwie; passt schon; das reicht. Verhaltensweisen  Tritt selbstbewusst auf; ist von seinem Handeln/seinen Lösungen überzeugt; ist unberührt, wenn jemand ihn nicht mag; kritisiert direkt und mit klaren Aussagen; kann die Gefühle anderer oft nicht nachvollziehen; unsensibel; kann arrogant/ überheblich wirken; stößt andere mit seiner Direktheit vor den Kopf; ist schnell mit seinen Arbeitsergebnissen zufrieden; wirkt streng/hart; mag schwierige Aufgaben und Herausforderungen; fragt selten nach positivem Feedback. SOZIALE ANERKENNUNG – rote Ausprägung Aussagen: • „Ich bin mit meiner Leistung nicht so zufrieden, ich hätte noch …“ • „Meinst Du, die anderen finden das auch gut?“ • „Was soll ich bloß machen, wenn … nicht so gut ankommt?“ • „Kann ich das so machen/sagen/anziehen?“ • „Warum guckt der da drüben so komisch? Hab ich was im Gesicht?“ • „Wenn Menschen mich kritisieren/etwas nicht gut finden, was ich tue/sage, verunsichert mich das.“ • „Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?“ • „Ich sehe den Leuten sofort an, wenn sie eigentlich nicht zufrieden sind.“ • „Selbst wenn ich jemanden nicht mag/etwas nicht gut finde, sage ich es, wenn überhaupt, nur durch die Blume.“ • „Mir ist sehr wichtig, was andere über mich denken – selbst wenn ich sie gar nicht richtig kenne.“ • „Ich möchte, dass alle mich mögen, auch wenn das utopisch ist.“ • „Was denkt der jetzt wohl von mir?“ • „Ich weiß nicht, ob ich das kann, was ist, wenn es nicht gut wird?“ • „Ich traue mich nicht, so gut bin ich nicht.“

4.3 Motivbeschreibungen

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Worte  Perfekt; keine Fehler; gemocht werden; Entschuldigung, glaubst Du…; unsicher; Angst; unbedingt gut/richtig machen; sich anstrengen/bemühen; Ach, das war nur Glück. Verhaltensweisen  Tritt freundlich/angepasst auf; agiert vorsichtig gegenüber anderen; nimmt Rücksicht; sensibel; versucht, es allen recht zu machen; reagiert auf Kritik rechtfertigend oder wird sehr still; reagiert verletzt/gekränkt; weint; nimmt Kritik persönlich; blüht unter Lob auf; negiert die eigenen Leistungen; holt sich Rückversicherung für die Richtigkeit seines Handelns; fragt, was andere wollen; kritisiert nicht; sagt nichts Böses zu anderen; verbirgt eigene Fehler; äußert eine abweichende Meinung nicht. u

EINFLUSS – blaue Ausprägung  Die Kommunikation bei einer blauen Ausprägung des Motivs Einfluss ist häufig durch viele Fragen gekennzeichnet.

Aussagen:  • • • • • • • • • • • • • •

„Wie soll ich das machen?“ „Was genau muss ich machen?“ „Was wollen wir tun?“ „Wie sollen wir entscheiden?“ „Was meint ihr/meinen Sie dazu?“ „Was haltet ihr von der Idee, …“ „Machen wir das und wenn ja wie machen wir es“? „Ich finde es gut, wenn jemand anderes die Entscheidung trifft/wir sie zusammen treffen.“ „Da kann man nichts machen, das ist halt so.“ „Dafür übernehme ich aber nicht die Verantwortung.“ „Ich will anderen nicht sagen, was sie tun sollen.“ „Jeder soll selbst entscheiden.“ „Ich moderiere, aber ich entscheide doch nicht für die anderen.“ „Jemand sollte einen Prozess definieren, nach dem wir uns dann richten. Dann ist das Vorgehen für alle klar.“

Worte  Klare Vorgaben, Prozesse festlegen/umsetzen, das kann ich/will ich nicht entscheiden, die Führungskraft muss entscheiden, helfen; unterstützen; wir; gemeinsam; abstimmen; Konsens; demokratisch vorgehen; fragen. Verhaltensweisen  Fragt nach; rückversichernd; überlässt die Entscheidung anderen; erfragt Entscheidungen; ordnet sich unter; passt sich an Entscheidungen an; arbeitet nach Entscheidung zu; lässt andere es so machen, wie sie selbst es für richtig halten, auch wenn er anderer Meinung ist; möchte anderen nichts vorschreiben; moderiert.

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EINFLUSS – rote Ausprägung Aussagen: • • • • • • • • • • • • •

„Ich will das noch schnell fertig machen.“ „Also, wir machen das so …/das wird so gemacht.“ „Lass mich das machen.“/„Ich mach das schon.“ „Am Ende des Tages zählt nur das Ergebnis.“ „Ich will etwas erreichen.“ „Nur die Harten kommen in den Garten.“ „Mich regt es auf, wenn keiner mitzieht.“ „Ich werde wütend, wenn ich alles x‐mal erklären muss.“ „Menschen ohne Biss/ohne Power kann ich nicht ernst nehmen.“ „Wir müssen mal zu Potte kommen.“, „Mach mal voran.“ „Ich will selbst die Fäden in der Hand/die Kontrolle haben.“ „Ich kontrolliere das noch mal, wenn du es gemacht hast.“ „Wenn ich es selbst mache, weiß ich wenigstens, dass es so ist, wie ich es haben will.“ • „Je mehr ich am Tag wegschaffe, desto besser geht es mir am Abend.“ • „Ich will unbedingt einbezogen/gefragt werden.“ • „Andere sollen einfach das tun, was ich ihnen sage.“ Worte  Entscheiden; schaffen; anstrengen; etwas erreichen; Arbeit; Verantwortung; Erfolg; Ergebnisse; Kontrolle; sich beeilen; fleißig sein; sich quälen. Verhaltensweisen  Arbeitet viel; will was und wie entscheiden; kniet sich in seine Aufgaben rein; entscheidet schnell (auch ohne Rücksprache); sagt anderen, was getan werden soll; kontrolliert andere; übernimmt in Situationen/Diskussionen die Führung; will etwas schaffen; will keine Zeit verlieren; kann sich schwer unterordnen; ­übernimmt Verantwortung; möchte, dass andere es so machen, wie er es sagt; reagiert schnell ungeduldig. STATUS – blaue Ausprägung Aussagen: • „Marken interessieren mich nicht.“ • „Das ist ein Auto, damit sollst Du fahren, wofür brauchst Du Ledersitze?“ • „Das müssen wir jetzt aber nicht an die große Glocke hängen.“ (bei einer eigenen, guten Leistung) • „Ich hasse es, wenn ich an meinem Geburtstag im Mittelpunkt stehe.“ • „Danke, aber der Dank gebührt allen, die mitgemacht haben.“ • „Muss ich das vorstellen? Herr Mustermann kann das besser rüberbringen.“ • „Die inneren Werte zählen – Äußerlichkeiten werden total überbewertet.“

4.3 Motivbeschreibungen

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• • • • •

„Ich möchte keine Sonderbehandlung.“ „Wenn schon Firmenwagen, dann bitte einen praktischen.“ „Ach, das hätte jeder andere genauso gemacht.“ (bei Lob) „Mir ist es peinlich, wenn Menschen mich auf meinen Doktortitel ansprechen.“ „Als mein Freund sich einen Porsche gekauft hat, hab ich geheult; mir war das so peinlich.“ • „Der Titel der Position spielt doch keine Rolle. Entscheidend ist doch der Inhalt des Jobs.“ • „Meinen Doktortitel benutze ich eigentlich nie.“ • „Wir sind doch alle gleich“. Worte  Gleich; gleichwertig; nichts Besonderes; unauffällig; Bescheidenheit; gerecht; unwichtig; nicht auffallen; im Hintergrund bleiben; wie alle anderen, auf dem Teppich bleiben, Statusallüren. Verhaltensweisen  hält sich lieber im Hintergrund/möchte nicht auffallen; legt geringen Wert auf Äußerlichkeiten; es ist ihm unangenehm, öffentlich gelobt/hervorgehoben zu werden; möchte keine „Extrawurst“; ist gern einer von vielen; besitzt keine Status‐/ Prestigesymbole; hebt sich selbst oder das, was er tut, nicht hervor; „wir“ statt „ich“. STATUS – rote Ausprägung Aussagen: • • • • • • • • • • • • •

„Das habe übrigens ich gemacht.“ „Das war zu nicht unerheblichem Teil mein Verdienst.“ „Ein gewisser Standard muss schon sein.“ (Auto, Kleidung, Wohnort) „Mein Büro liegt gleich neben dem des Chefs, weil das am sinnvollsten war.“ „Mein Haus, mein Auto, mein Pferd …“ „Designerware ist ihr Geld auch wert, die Schnitte, die Stoffe …“ „Am meisten hat mich motiviert, dass mein Name am Ende der Präsentation genannt wurde.“ „An welcher Hochschule hat der denn seinen Abschluss gemacht?“ „Ich finde es schlimm, dass unsere Dienstwagen Japaner sind! Wie wirkt das denn beim Kunden?“ „Wir spielen am liebsten Golf, herrlich entspannend.“ „Mir ist es wichtig, etwas darzustellen.“ „Die Leute sollen sehen was ich erreicht habe“. „Mein Doktortitel ist was Besonderes und das ist mir auch wichtig“.

Worte  Zeigen; darstellen; repräsentieren; Ansehen; Ruf; Geld; Status; exklusiv; Respekt; ich; beeindruckend; Image; bekannt sein; wichtige Leute; hervorheben; betonen.

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4  Kennen Sie Ihre Mitarbeiter …

Verhaltensweisen  Steht gern im Mittelpunkt; möchte etwas Besonderes sein, z. B. durch Verhalten, Attitüden, Statussymbole; ihm sind die anerkennenden/neidischen Blicke anderer wichtig; zeigt gern, was er hat oder ist; legt Wert auf Sonderbehandlung, etwas zu bekommen, was nicht jeder hat; spricht viel von sich. AUTONOMIE – blaue Ausprägung Aussagen: • Generell: Viele Fragen nach persönlichen Vorlieben, Meinungen, Gefühlen, um den anderen kennenzulernen • „Lass uns mal zusammen nachdenken.“ • „Wollen wir zusammen fahren/kochen/sitzen…?“ • „Eine gute Stimmung im Team ist mir das Wichtigste.“ • „Kannst Du mir kurz helfen/mir das abnehmen?“ • „Würdest Du mir etwas mitbringen/kann ich Dir etwas mitbringen?“ • „Ich hab kein Problem damit, wenn Menschen viel von mir wissen.“ • „Im Team/zusammen macht‘s viel mehr Spaß/geht‘s besser.“ • „Warum ist denn der/die so distanziert? Da ist doch nichts dabei!“ • „Oh, bin ich Dir zu nahe getreten?“ • „Wir sind immer füreinander da.“ • „Jetzt haben wir so viel gearbeitet und uns gar nicht privat ausgetauscht.“ Worte  Wir; zusammen; gemeinsam; Vertrauen; jemanden mögen; Team; Nähe; Synergie; Gruppendynamik; reden; Gruppe; Zugehörigkeit, verbunden sein, miteinander, füreinander. Verhaltensweisen  Sucht die Nähe zu anderen Menschen; herzliche Mimik; zeigt sich interessiert und offen für andere; will Teil eines Ganzen sein; schließt sich Gruppen an; redet über sich/seine Vorlieben; erzählt viele persönliche Dinge von sich; vertraut schnell; arbeitet gerne und intensiv mit anderen zusammen; sucht bei Problemen sofort Unterstützung bei anderen; blüht in der Gruppe auf. AUTONOMIE – rote Ausprägung Aussagen: • • • • • • •

„Ich kriege das allein hin, kein Problem.“ „Lass mal, brauchst mir nicht zu helfen.“ „Beruf ist Beruf – Privat ist Privat.“ „Ich rede nicht so gern über Privates/Persönliches.“ „Das geht keinen etwas an.“ „Das muss nicht jeder wissen.“ „Nur wirklich engen Freunden erzähl ich Sachen von mir.“

4.3 Motivbeschreibungen

• • • • • • •

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„Das ist meine Sache.“ „Ich will auf niemanden angewiesen sein.“ „Ich will das frei entscheiden können.“ „Ich hasse es, wenn Leute mir auf die Pelle rücken.“ „Ich leihe mir ungern was von anderen.“ „Misch Dich nicht in meine Planung/Sachen ein.“ „Ich mache es lieber selber/alleine.“

Worte  Allein; unabhängig; Nein danke; geht schon; Distanz; privat; Selbstständigkeit; frei sein; ich alleine; kann ich alleine. Verhaltensweisen  Kühl; distanziertes Auftreten; unpersönlich; allein, für sich arbeiten; verschlossene Mimik; sachlich; wenig Blickkontakt; unterstützt andere, fragt andere aber nicht um Hilfe/Unterstützung (oder erst sehr spät); lehnt Hilfe ab; versucht, Aufgaben erst einmal alleine zu erledigen; zieht sich bei Problemen zurück; redet erst darüber, wenn sie bewältigt sind. SOZIALKONTAKTE – blaue Ausprägung Aussagen: • „Ich träume davon, auf einem „Einsiedlerhof“ zu leben, weit weg von anderen Menschen.“ • „Zu viele Menschen um mich herum strengen mich an.“ • „Partys nerven – laut, voll und immer muss man mit irgendwem reden, den man kaum kennt.“ • „Ich könnte auch allein Urlaub machen, nur mein Mann findet das nicht so toll.“ • „Allein auf einer Berghütte, rundherum Stille – so sieht für mich Erholung aus.“ • „Sinnlosere Worte als Small Talk gibt es kaum.“ • „Mein Wortvorrat für diesen Tag ist alle.“/„Hab heute schon mehr als genug geredet“. • „Menschen, die nicht allein sein können, haben wirklich ein ernsthaftes Problem.“ • „Die quatschen und quatschen, ich weiß gar nicht, wie man so viel reden kann.“ • „Ich will meine Ruhe haben.“ • „Drei Tage Messe, den ganzen Tag Menschen und reden, ich bin tot.“ Worte  Allein; allein sein; Ruhe; Abgeschiedenheit; Stille; Rückzug; zu viel Gerede; Einsamkeit; schweigen; mal den Mund halten; sei doch mal still; Schwätzer; Quasselstrippe; alles nur Geschwätz, hohle Luft ohne Substanz. Verhaltensweisen  Zieht sich zurück; ist für sich; ist angestrengt/wirkt gereizt, wenn er viel Kontakt zu anderen Menschen pflegen muss; wirkt im Small Talk gezwungen; ist zufrieden, wenn er in Ruhe gelassen wird; macht wenig Worte; redet bei inhaltlichem

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Interesse, aber nicht um zu reden; hört zu und beobachtet, bringt sich aber nicht ein; gegenüber Fremden sehr zurückhaltend, wirkt introvertiert, nimmt nicht an von der Firma organisierten Veranstaltungen in der Freizeit teil. SOZIALKONTAKTE – rote Ausprägung Aussagen: • „Ein bisschen Spaß muss sein…“ • „Es gibt wenige Wochenenden, an denen ich nichts vorhabe – mein Freundeskreis ist einfach zu groß.“ • „Lass uns was zusammen machen/komm doch auch mit – das wird total witzig!“ • „Ich bin einfach gern mit anderen Menschen zusammen.“ • „Ich liebe Partys – man lernt ständig neue Leute kennen und kann sich ganz ungezwungen unterhalten.“ • „Wenn ich auf unseren Kundenveranstaltungen bin, fühle ich mich abends voller Energie von den Menschen und den Gesprächen des Tages.“ • „Ich könnte mich ewig über Gott und die Welt unterhalten.“ • „Ich finde Weihnachtsfeiern total gut – endlich hat man mal Zeit, mit allen zu reden.“ • „Die Leute kommen doch, um Dich zu treffen, nicht wegen der Inhalte. Ich gehe doch auch in Ausstellungen, um die Leute zu treffen und nicht wegen der Bilder.“ • „Alleine geht gar nicht, das wäre ja Folter.“ • „Von mir aus könnten hier noch viel mehr Menschen sein.“ Worte  Zusammen; Spaß; was unternehmen; quatschen; reden; unterhalten; austauschen; witzig; Humor; viele Menschen; Kontakt haben/suchen; tolle Leute kennengelernt; tolle/ interessante/spannende Menschen; Netzwerk. Verhaltensweisen  Ist immer in Gesprächen mit anderen; lacht laut, gestikuliert wild; unternimmt viel mit anderen/ist oft ausgebucht; ist der Mittelpunkt auf Partys; redet gern und viel; hat zu jedem Thema etwas zu sagen; hat/macht viele Worte um alles; sucht den Kontakt; geht offen auf andere/Fremde zu; pflegt Netzwerke und Beziehungen; telefoniert viel; will dabei sein/mitmachen; meidet das Alleinsein. PRINZIPIEN – blaue Ausprägung Aussagen: • • • • •

„Ich tue das, was für mich nützlich ist und nicht nur das, was sich gehört.“ „Jetzt lass doch mal fünfe gerade sein.“ „Ich bin da ganz flexibel.“ „Das darf man nicht so eng sehen.“ „Jetzt sei doch nicht so zwanghaft, das nervt.“

4.3 Motivbeschreibungen

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• „Entschuldige, mir ist was Wichtiges dazwischen gekommen.“ (Bei einer geplatzten Verabredung) • „Ich weiß, das war anders besprochen, aber so macht es mehr Sinn.“ • „Es gibt relativ wenige Sachen, die ich grundsätzlich nicht tun würde.“ • „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ • „Loyalität klar, solange, wie sie mir was nützt.“ • „Parkticket ziehen, obwohl ich nur schnell Milch holen will? Die spinnen doch.“ • „Der Zweck heiligt die Mittel.“ • „Es ist mir egal, wie es bisher gemacht wurde, jetzt machen wir es anders!“ Worte  Spontan; flexibel; mein Ziel; mein Zweck; Nutzen; situativ entscheiden; umdisponieren; anpassen; sinnvoll; nützlich; machbar; meine eigenen Regeln; kommt nicht so darauf an; egal; zielführend, Lösungen, gangbar. Verhaltensweisen  Kann sich Situationen flexibel anpassen; ist tolerant bei der Auslegung von Regeln/Gesetzen; wirft Verabredungen/Entscheidungen über den Haufen, wenn ihm etwas anderes wichtiger/sinnvoller erscheint; macht Zugeständnisse, die er dann nicht einhält; sucht nach seinem persönlichen Nutzen; gestaltet Dinge, wie sie ihm passen; macht passend, sucht wie ein Problem gelöst werden kann, wenn Regeln dagegen stehen. PRINZIPIEN – rote Ausprägung Aussagen: • • • • • • • • • •

„So was macht man nicht, das geht gar nicht.“ „Das gehört sich so.“ „Nur, weil alle das tun, heißt das noch lange nicht, dass wir das machen.“ „Das widerstrebt meinen Grundsätzen/Prinzipien.“ „Was ich verspreche, halte ich unter allen Umständen ein.“ „Ich bin sehr verlässlich.“ „Vereinbarungen sind für mich in Stein gemeißelt.“ „Für mich zählen wahre Werte wie Pünktlichkeit, Loyalität, Ehrlichkeit.“ „Es ist nun einmal unsere Pflicht.“ „Wenn ich in meinem Job etwas machen soll, was unmoralisch/nicht in Ordnung ist, tue ich es nicht.“ • „So kann ich nicht arbeiten, das geht mit mir nicht.“ • „Regeln/Gesetze haben einen Grund, deswegen halte ich mich dran.“ • „Man hat mir das übertragen, jetzt mache ich das auch, das ist keine Frage des Spaßes.“ • „Ich will die Kunden nicht belügen, deswegen mache ich keinen Vertrieb!“

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4  Kennen Sie Ihre Mitarbeiter …

Worte  Werte; Prinzipien; Versprechen; Moral; Tugend; Tradition; Pflicht; verlassen können; Loyalität; Treue; Absprache; Regeln; Ehre; einhalten; sich halten an; das ist so; Zuverlässigkeit; Verpflichtung, Vereinbarung. Verhaltensweisen  Hält sich verlässlich an Absprachen, Zusagen, Regeln; ist bei der Erledigung von Aufgaben pflichtbewusst; fordert die Einhaltung von Versprechen auch von anderen ein; tut nichts, was er nicht mit sich vereinbaren kann; fühlt sich verpflichtet; hat klare Werte und Vorstellungen, was geht und was nicht. STRUKTUR – blaue Ausprägung Aussagen: • • • • • • • • • • • • •

„Lass uns das spontan machen/entscheiden.“ „Ich hab halt meine eigene, kreative Ordnung.“ „Ich kann gut 15 Sachen gleichzeitig machen.“ „Planung kostet nur Zeit, lass uns einfach anfangen.“ „Ich bin da ganz flexibel.“ „Ich habe den Zug verpasst/bin leider zu spät losgekommen/habe den Schlüssel verloren/habe meinen Laptop vergessen.“ „Fehler? Sind mir gar nicht aufgefallen.“ „Komisch, ich hab‘s noch zweimal Korrektur gelesen.“ „Der mit seinen Prozessen, der macht mich ganz verrückt.“ „Ich finde in meinen Stapeln immer alles sofort.“ „Wer Ordnung hält, ist nur zu faul zum Suchen.“ „Bei nur einer Aufgabe wird mir langweilig.“ „Ich muss Ablage machen, das nervt.“

Worte  Flexibel; spontan; mal sehen; Multitasking; abweichen; der/das ist zwanghaft; der Inhalt ist wichtig, nicht die Form; mal anders machen; muss nicht so ordentlich sein; nicht festgelegt. Verhaltensweisen  Multi‐Tasker; macht vieles gleichzeitig; denkt kreativ/um Ecken; wirft Pläne um; hält sich nur bedingt an verabredete Termine/vergisst sie; legt wenig Wert auf Ordnung oder Struktur im Vorgehen; kann Chaos verursachen/lebt teilweise im Chaos; hat keinen Blick für Fehler/Detailfragen; Ablage in Form von Stapeln; macht irgendwie; hält sich nicht an Vorgaben; ist unordentlich; unstrukturiert, handelt spontan, sprunghaft, agiert unsystematisch, hohe Toleranz für Schmutz.

4.3 Motivbeschreibungen

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STRUKTUR – rote Ausprägung Aussagen: • • • • • • • • • • • • •

„Es stört mich körperlich, wenn es unaufgeräumt/nicht sauber ist.“ „Eins nach dem anderen – alles gleichzeitig macht mich verrückt.“ „Ich liebe es, To‐do‐Listen zu schreiben und das Erledigte dann durchzustreichen.“ „Wir müssen das jetzt erst mal strukturieren/planen.“ „Ich habe noch ein paar kleinere Formatierungsfehler gefunden – z. B. doppelte Leerzeichen etc.“ „Wenn ich einmal etwas geplant habe, mache ich es ungern anders.“ „Aufräumen beruhigt mich/ist meine Lieblingsbeschäftigung.“ „Ohne jetzt pingelig klingen zu wollen, aber …“ „Dazu sollten wir eine Prozessbeschreibung machen.“ „Im Qualitätshandbuch steht aber … dafür haben wir es schließlich.“ „Ich mache jetzt erst das fertig und dann können wir gerne was Neues besprechen.“ „Ich habe meinen Tag jetzt aber schon geplant, das wirft alles über den Haufen.“ „Ich räume das lieber alleine auf, dann weiß ich wenigstens, wo was ist.“

Worte  Genau; Struktur; planen; To Dos; aufräumen; Ordnung; Details; Abläufe; organisieren; systematisch; stabil; sortieren; Prozesse; Qualität; Vorplanung; vorbereitet sein, aufräumen, sauber, ordentlich. Verhaltensweisen  Plant und strukturiert Aufgaben, Termine etc. mit Hingabe; macht immer erst etwas fertig, bevor er mit einer anderen Sache anfängt; ist überfordert, wenn viele Dinge gleichzeitig seine Aufmerksamkeit fordern; organisiert alles; legt viel Wert auf Sauberkeit; plant gern im Voraus; ist hinsichtlich plötzlicher Veränderungen unflexibel; hat ein Auge für Details, Fehler, Kleinigkeiten; sorgt gern für Ordnung; bereitet sich vor. SICHERHEIT – blaue Ausprägung Aussagen: • • • • • • • • • •

„Ach, keine Panik. Wird schon werden. Cool bleiben.“ „Mal sehen, wie … Mach ich mir erst Gedanken drum, wenn‘s soweit ist.“ „Immer das Gleiche – wie langweilig.“ „Endlich mal ein bisschen Action.“ „Keine Veränderung bedeutet Stillstand.“ „Nur wer wagt, gewinnt.“ „No risk, no fun.“ „Stress? Höchstens wenn mir langweilig wird.“ „Der kleine Kratzer, war doch nix.“ (auch bei größeren Verletzungen) „Alles wird gut, mach Dir keine Sorgen.“

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• • • • • •

4  Kennen Sie Ihre Mitarbeiter …

„Was soll denn schon passieren?“ „Da darf man sich nicht so anstellen, ich verstehe das Theater wirklich nicht!“ „Der macht sich gleich vor Angst in die Hose, gibt‘s ja nicht!“ „Ist doch bisher auch immer gut gegangen“. „Was soll denn schon passieren?“ „Das ist eine einmalige Chance …“.

Worte  Mut; Risiko; verändern; etwas wagen; sicher; ruhig; keine Panik; Schicksal; Power; Action; unter Strom; Abenteuer; mutig sein; sich etwas trauen, Chancen ergreifen. Worte für ängstliche Personen: Feigling; Angsthase; Weichei etc. Verhaltensweisen  Stressrobust; sucht die Abwechslung/Veränderung/Herausforderung; bleibt cool/ruhig in riskanten/herausfordernden Situationen; geht gern ein Risiko ein (finanziell, schnelles Fahren, Sport, Abenteuerurlaub); macht sich keine Sorgen/hat viel Urvertrauen; überfrachtet sein Leben; gestaltet vieles „spitz auf Knopf“, z. B. zu spät losfahren; missachtet/ignoriert Krankheitssignale; kümmert sich wenig um Vorsorge/ Absicherung für sich. SICHERHEIT – rote Ausprägung Aussagen: • • • • • • • • • • • • • • • •

„Aber hast Du bedacht…/Wir müssen daran denken …“ „Wie genau wird das denn dann ausgehen?“ „Ich mach‘ mir Sorgen um …“ „Wie sollen wir das nur schaffen?“ „Das Ziehen im Rücken – das ist doch nicht normal!“ „Wir sollten da vorsichtig sein.“ „Man weiß ja nie …“ „Die ganze Situation stresst mich momentan sehr.“ „Hoffentlich geht alles gut.“ „Wie, du hast keine Zusatzversicherung? Und was machst du, wenn…?“ „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.“ „So, wie es ist, ist es gut, wir müssen nichts ändern.“ „Wir sollten absichern, dass …“ „Eigentlich ist das kein Problem. Es ist aber schon mal passiert, dass …“ „Das Problem/die Gefahr dabei ist …“ „Wir sollten absichern/bedenken/prüfen …“.

Worte  Vorsicht; vorausschauend; planen; absichern; prüfen; abwägen; zu unsicher; zu risikoreich; Sorgen; Angst; Unsicherheit; Zukunft; Stress; Entspannung; Sicherheit; beständig; bewährt; Konsequenzen; Folgen/Problem; Gefahr; Risiko; nicht vorhersehbar.

4.3 Motivbeschreibungen

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Verhaltensweisen  Macht sich viele Gedanken um Risiken, Konsequenzen/Folgen von Ereignissen/Entscheidungen; grübelt; malt z. T. den Teufel an die Wand; äußert Sorgen/ Bedenken; empfindet Veränderungen als Stress; möchte keine Risiken eingehen; versucht, die Zukunft detailliert vorherzusehen und zu planen, um Überraschungen zu vermeiden; hat eine hohe Sensibilität für Krankheitssignale; hat ein umfangreiches Vorsorgepaket; macht umfangreiche Prüfungen vor einer Entscheidung; liebt das Vertraute, Bekannte. REVANCHE – blaue Ausprägung Aussagen: • • • • • • • • • • • • •

„Ach, lass uns nicht streiten.“ „Na gut, dann machen wir es so, wie du möchtest.“ „Der Klügere gibt nach.“ „Ich hasse Streit. Hoffentlich gibt es nicht wieder Streit.“ „Nun vertragt Euch doch wieder.“ „Ich habe ihm das schon längst verziehen.“ „Frieden und Harmonie sind mir sehr wichtig.“ „Dabei sein ist alles. Man kann nicht immer gewinnen.“ „Kinder, kein Streit bitte.“ „Vergeben und vergessen.“ „Man muss auf den anderen zugehen und Angebote machen, dann wird es schon.“ „Ich muss mich nicht durchsetzen/nicht gewinnen.“ „Wenn jeder jedem ein Stück entgegenkommt, kann man Auseinandersetzungen von vornherein vermeiden.“ • „Warum soll ich streiten, das lohnt doch nicht.“ Worte  Harmonie; Frieden; gut auskommen; verzeihen/vergeben; sich aussprechen; kein Streit; Ausgleich; Nettigkeit; entgegenkommen; nachgeben; Kompromiss; friedlich, nachgeben, nicht böse sein. Verhaltensweisen  Ist freundlich/zuvorkommend/kooperativ; gibt nach, um Streit zu vermeiden; geht Streit aus dem Weg/vermeidet Auseinandersetzungen; möchte schlichten/moderieren; sorgt für Harmonie; ist von Streitigkeiten emotional mitgenommen; gibt schnell nach; lenkt ein; stellt keine Forderungen, vermeidet, Kritisches anzusprechen. REVANCHE – rote Ausprägung  Aussagen: • „Das ist total ungerecht“. • „Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn“.

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4  Kennen Sie Ihre Mitarbeiter …

• • • • • • • •

„Das sehe ich aber ganz anders: …“ „Wie können Sie mir unterstellen, dass …“ „Das werden wir ja noch sehen.“ „Das lasse ich nicht auf mir sitzen.“ „Die werden mich noch kennenlernen, wart‘s ab.“ „Mal sehen, wer hier der Stärkere ist/das letzte Wort hat.“ „Also, ich gebe nicht nach.“ „Wenn ich diesmal das Nachsehen hatte, dann warte ich auf die nächste Gelegenheit und dann …“ • „Das ist total ungerecht mir gegenüber, das lasse ich mir nicht gefallen.“ • „Man muss sich durchsetzen können, das ist ein ganz wesentlicher Charakterzug.“ • „Man tritt sich immer zweimal im Leben“. Worte  Ausfechten; ausdiskutieren; nein; klären; prüfen; ungerecht; was unternehmen; ja, aber …; nicht mit mir; durchsetzen; heimzahlen; Angriff; ungerecht mir gegenüber; sich wehren; seine Interessen/Meinung vertreten. Verhaltensweisen  Grundsätzlich wird alles diskutiert und infrage gestellt; ein Nein wird nicht einfach akzeptiert; kann aufbrausend werden; stellt sein Gegenüber provokant auf die Probe; diskutiert gern und lang; kann nicht verlieren; will sich durchsetzen; bleibt in Konflikten standhaft; provoziert/stichelt/macht ironische Bemerkungen/teilt aus; Streit um des Streites willen; Verhandelt gerne (z. B. bei jedem Einkauf), fühlt sich schnell ungerecht behandelt und geht dagegen vor. FAMILIE – blaue Ausprägung Aussagen: • • • • • • • • • • •

„Familie ja, aber nicht so oft. Bei uns lebt jeder sein eigenes Leben.“ „Wenn man Kinder bekommt, ist die Selbstbestimmung vorbei.“ „Kinder? Das ist mir viel zu viel Verantwortung.“ „Ich habe nicht eine so enge Bindung zu meiner Familie“. „Ich habe nicht eine so enge Bindung zu meiner Familie“. „Mein Kind soll früh selbstständig sein.“ „Einen richtigen Draht habe ich zu unserem Sohn erst, seit er auf eigenen Beinen steht.“ „Haben die auch mal andere Themen als ihre Kinder?“ (selbst junge Mutter) „Wenn meine Eltern was brauchen, organisiere ich das, aber pflegen, ne das würde ich nicht machen.“ „Natürlich gehe ich sofort wieder arbeiten, es gibt doch tolle Tagesmütter.“ „Es kann sich nicht alles nur um die Kinder drehen, es gibt auch noch andere Themen.“

4.3 Motivbeschreibungen

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• „Ich hab mir meine Eltern und Geschwister nicht ausgesucht.“ • „Ich muss nicht in engem Kontakt zu meiner Familie stehen, damit es mir gut geht.“ • „Familienfeiern sind einfach nur anstrengend. Gut, dass Weihnachten nur einmal im Jahr ist.“ Worte (in Bezug auf Kinder)  Abhängig; unfrei; partnerschaftlich; auf eigenen Beinen stehen; eigene Freiheit; Übermütter/Glucken; überbehütet; eigene Bedürfnisse; nicht zurückstecken; Last; anstrengend. Verhaltensweisen  Wenn Kinder: Kinder werden in das bestehende Leben integriert, werden zur Selbstständigkeit erzogen; wenig Fürsorge, eher intellektuelle Erziehung; Reisen/Unternehmungen ohne die Kinder; weiterhin hohes berufliches Engagement, Kinder gehen ohne finanzielle Not früh in eine Kita. Wenn keine Kinder: Freude über die eigene Unabhängigkeit; wenig Verständnis für Eltern/wenig Interesse an Kindern/Babys. Ständiger, enger Kontakt mit der eigenen Familie hat keine hohe Priorität. FAMILIE – rote Ausprägung  Aussagen: • „Ich bin immer für meine Familie da.“ • „Eine Familie zu haben, macht wirklich reich.“ • „Ich finde den Gedanken, dass die Kinder groß werden und aus dem Haus gehen, heute schon schrecklich.“ • „Die Kinder gehen vor, egal was ist, das muss mein Chef verstehen.“ • „Meine Familie ist mir sehr wichtig/das Wichtigste.“ • „Eine Familie zu gründen, erfüllt mich.“ • „Es ist mir unverständlich, wie man Babys schon zur Tagesmutter geben kann.“ • „Wir machen sehr viel in der Familie und haben eine sehr enge Bindung.“ • „Das ist Instinkt, Du musst Dich einfach kümmern.“ • „Wenn ihr da seid, fühle ich mich wieder komplett.“ (bei erwachsenen Kindern) • „Für meine Familie würde ich alles tun.“ • „Nur wenn es meiner Familie gut geht, geht es mir auch gut.“ Worte (in Bezug auf Kinder und Familie)  Kümmern; beschützen; behüten; umsorgen; da sein; Instinkt; Bedürfnisse der Kinder; Familie; Familienmensch; Fürsorge; ­verantwortlich; Rabenmutter; egoistisch; großziehen; wachsen lassen; ein Heim geben; Glück; erziehen; aufziehen; das wichtigste.

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4  Kennen Sie Ihre Mitarbeiter …

Verhaltensweisen  engagierte Kinderbetreuung; stellen für ihre Kinder andere Dinge zurück (Arbeit, eigene Interessen)/nehmen große Anstrengungen auf sich, ohne es anstrengend zu finden; verbringen viel Zeit mit ihrer Ursprungsfamilie; reden viel von ihren Kindern/ihrer Familie, organisieren Familientreffen.

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Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen für motivierte Mitarbeiter

5.1 Die drei grundsätzlichen Wege der Führung Ziel allen Führungshandelns ist, gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern die Ziele in Ihrem Verantwortungsbereich zu erreichen. Ihre Führungsarbeit soll letztendlich dazu beitragen, dass sich Ihr Team von dem heutigen Punkt A über das Erbringen von Leistung zu einem Punkt B bewegt. Hierfür muss es Ihnen als Führungskraft gelingen, Ihre Mitarbeiter dazu zu motivieren, die notwendige und gewünschte Leistung und Arbeit zu erbringen. Um zu erreichen, dass Ihre Mitarbeiter in diesem Sinne handeln, beschreiben Krumbach‐Mollenhauer und Lehment (2007) drei grundsätzliche Wege der Führung (vgl. Abb. 5.1). Der Königsweg der Führung ist die Motivation der Mitarbeiter. Bei der Motivation können Sie verschiedene Ansätze bzw. Möglichkeiten voneinander unterscheiden: • Der erste Ansatz bezieht sich auf das Ansprechen der intrinsischen Motivation Ihrer Mitarbeiter, d. h., es gelingt Ihnen, Ihre Mitarbeiter so zu führen, dass sie ihre intrinsischen Motive und Bedürfnisse befriedigen können. • Der zweite Weg der Motivation ist das Arbeiten über die extrinsische Motivation. Ich könnte auch sagen, Sie machen einen „Deal“ mit Ihren Mitarbeitern. Sie bewegen Ihre Mitarbeiter dazu, die gewünschte Leistung zu erbringen, indem Sie ihnen etwas für sie Nützliches oder eine Vergünstigung/Belohnung anbieten. Eine Vergünstigung kann in Form von Geld, Zeit oder anderen Extras, die für den Mitarbeiter einen Nutzen haben, bestehen. Erlebt der Mitarbeiter den für die extrinsische Belohnung zu leistenden Aufwand als passend, wird er die Leistung erbringen. Es handelt sich in diesem Fall um eine simple situative Kosten-Nutzen-Rechnung. Das Problem ist, wie bereits in Kap. 1 beschrieben, dass Sie für die nächste erwünschte Leistung wieder einen extrinsischen Motivationsreiz setzen müssen, damit der Mitarbeiter bereit ist,

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Rohrschneider, Sinnhaft führen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5_5

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5  Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen …

Abb. 5.1   Die drei Wege der Führung nach Krumbach-Mollenhauer und Lehment

die Leistung zu erbringen und dieser muss situativ wieder als nützlich erlebt werden. Sie erfolgt ja nicht intrinsisch, aus einem eigenen Drang und Interesse heraus, sondern lediglich aufgrund eines extrinsischen Anreizes. Besser als einen situativen, nur kurz wirkenden Nutzen zu bieten, ist zu überlegen, ob Sie, wie in Kap. 1 beschrieben, einen externen Anreiz geben können, der als Mittel zum Zweck für die Befriedigung der intrinsischen Motivation dient. Dann erreichen Sie eine bessere Wirksamkeit. • Der dritte Weg der Motivation ergibt sich aus der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Der Mitarbeiter bringt die gewünschte Leistung, z. B. weil er seine Führungskraft sehr schätzt, oder aufgrund der guten Beziehung zueinander oder der bisher erreichten gemeinsamen Erfolge, auch wenn er damit keine intrinsischen Motive erfüllt. Dass Motivation insgesamt als Königsweg der Mitarbeiterführung beschrieben wird, ist gerechtfertigt. Gelingt es Ihnen, auf diesem positiven Weg die gewünschte Leistung von Ihren Mitarbeitern zu bekommen, werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Team mit wenig Konflikten, Reibungspunkten und einer positiven Grundstimmung aufbauen können. Allerdings wird auch jede Führungskraft schon erlebt haben, dass es trotz aller Versuche, Mitarbeiter über Motivation zu bewegen, nicht immer erfolgreich ist. Es gibt durchaus Aufgaben, für die Motivation allein nicht ausreichend ist, z. B. bei Tätigkeiten, die niemand gerne übernimmt. Hier müssen Sie auf andere Wege der Führung zurückgreifen. Der zweite Weg der Führung beschreibt die Erinnerung an gemeinsame Vereinbarungen, an bestehende Pflichten und Regeln. Die oberste Vereinbarung ist der Arbeitsvertrag. Der Arbeitsvertrag gibt, sehr einfach formuliert, wieder, dass der Mitarbeiter für seine Leistung im Gegenzug Geld, ein Gehalt vom Unternehmen erhält. Aber es gibt natürlich auch andere Regeln, Pflichten und Absprachen, von denen wir erwarten,

5.1  Die drei grundsätzlichen Wege der Führung

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dass sie von Mitarbeitern eingehalten werden. Bei bestimmten Themen, wie z. B. einer gewissen Ordnung in der gemeinsamen Teeküche, geht es nicht um die Frage, ob dies den Mitarbeitern aufgrund einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR Freude macht oder nicht, sondern darum, dass für das reibungslose Funktionieren einer Gemeinschaft jeder auch ein Stück weit von seinen persönlichen Bedürfnissen abrücken muss. D. h., auch wenn wir einen Mitarbeiter haben, dem es aufgrund seiner blauen Ausprägung im Motiv STRUKTUR nicht wichtig ist, ob das Geschirr in der gemeinsamen Teeküche immer gleich in die Spülmaschine geräumt wird oder ob es auch mal zwei Tage herumsteht, müssen wir auch diesen Mitarbeiter dazu bringen, sich an eine gemeinsame Ordnungsregel zu halten. Hierfür treffen wir Vereinbarungen und stellen Regeln auf in der Erwartung, dass sie eingehalten werden. Frage ich im Seminar: „Wie sieht es denn in Ihrer Teeküche aus?“, finden sich in der Regel einige Teilnehmer, die bei dieser Frage deutlich schmunzeln und ausführen, dass es ein fortwährendes Problem ist, Ordnung in der gemeinsamen Teeküche zu halten. Was Führungskräfte in einem solchen Fall häufig machen, ist, Regeln festzulegen und diese zur Erinnerung auf Zettel zu schreiben, die sie aufhängen. Ähnliche Zettel finden Sie auf Toiletten, z. B. in Form einer Anleitung zur Benutzung der Toilettenbürste. Trotz der ausgesprochenen und zum Teil schriftlich festgehaltenen Regeln und Vereinbarungen werden Sie feststellen, dass Sie Kollegen und Mitarbeiter an diese Regeln immer wieder erinnern müssen. Hier geht es, wie beschrieben, nicht um Motivation oder ein Verhalten, das aus sich selbst heraus für die Mitarbeiter nützlich ist, sondern darum, Dinge zu tun, die für die Gemeinschaft oder die Leistungserbringung im Unternehmen unerlässlich sind. Leider erleben wir es in der Unternehmensrealität immer wieder, dass wir auch mit Regeln oder einem Appell an das Pflichtbewusstsein der Mitarbeiter nicht bei jedem Mitarbeiter das gewünschte Verhalten und die gewünschte Leistung bewirken können. In diesem Fall greifen wir dann zum dritten Weg der Führung, der dadurch g­ ekennzeichnet ist, dass wir unsere Positionsmacht nutzen und mit Sanktionen arbeiten. Wie in Kap. 2 angeführt, sind bestimmte Mitarbeiter aufgrund ihrer Geschichte und Erlebnisse in Unternehmen nicht mehr bereit, die erwartete Leistung für das Unternehmen zu erbringen (Aufwandsreduktion/innere Kündigung). Sie kündigen zwar nicht, weil sie ja Geld für ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, aber sie „sitzen ihre Zeit mehr ab“, anstatt sie produktiv zu nutzen. Selbstverständlich können Sie bei diesen Mitarbeitern über klärende Gespräche, neue Vereinbarungen und gezielte Maßnahmen versuchen, sie wieder zu motivieren, aber häufig sitzen die Demotivation und innere Kündigung der Mitarbeiter so tief, dass Sie das als Führungskraft nicht mehr „heilen“ können. An dieser Stelle bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als Ihre Autorität zu nutzen und den Mitarbeiter über Druck und Zwang zur Leistungserbringung zu bewegen. Im Grunde genommen arbeiten Sie in diesen Fällen mit negativer extrinsischer Motivation und hoffen, dass der Mitarbeiter, um negative Konsequenzen für sich zu vermeiden, doch die gewünschte Leistung erbringt.

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5  Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen …

5.2 Wenn Führung plötzlich leicht wird – Mitarbeiter individuell führen Ihr Führungshandeln sollte natürlich darauf abzielen, dass Mitarbeiter gar nicht erst an den Punkt einer inneren Kündigung kommen und ihre Leistungsbereitschaft für das Unternehmen reduzieren. Der zentrale Handlungspunkt hierfür ist die intrinsische Motivation der Mitarbeiter. Sie werden in Ihrem Führungsalltag erlebt haben, dass Sie nicht alle Mitarbeiter auf die gleiche Art und Weise führen können. Während der eine Mitarbeiter wunderbar damit klarkommt, dass Sie ihm lediglich das grobe Ziel für eine Aufgabe beschreiben und ihn den Rest alleine machen lassen, kommt der zweite Mitarbeiter mit derselben Anweisung vielleicht überhaupt nicht zurecht. Bei der groben Zielbeschreibung könnte es passieren, dass dieser Mitarbeiter erst einmal einen Tag grübelnd, aber hilflos an seinem Schreibtisch sitzt und dann zu Ihnen kommt, um die Aufgaben mit Ihrer Hilfe weiter zu konkretisieren. Er kann den gewährten Gestaltungsspielraum bei der Bearbeitung der Aufgabe nicht alleine für sich nutzen. Er braucht eine deutlich detailliertere Anleitung und mehr Informationen. Die 16 Motive mit ihren unterschiedlichen qualitativen und quantitativen Ausprägungen machen deutlich, dass ein einziges, gleiches Verhalten gegenüber allen Mitarbeitern gar nicht zum Erfolg führen kann. Was bei dem einen zu echter Begeisterung führt, bewegt den anderen vielleicht gerade noch zu einem gequälten Lächeln. D. h., der Weg zum Erfolg für Sie als Führungskraft liegt in der individuellen Vielfalt und Breite Ihres Führungshandelns und den von Ihnen abgeleiteten Maßnahmen. Warum dies so wichtig ist, macht die Normalverteilung in Abb. 5.2 deutlich. Wie schon in Abschn. 2.3.1 beschrieben, unterscheiden sich Menschen hinsichtlich der qualitativen und der quantitativen Motivausprägungen. Wie viele Menschen ein Motiv für sich als neutral, blau oder rot ausgeprägt beschreiben, spiegelt die Normalverteilungskurve. Entsprechend ihrer Motivausprägung reagieren Ihre Mitarbeiter unterschiedlich – zustimmend/motiviert oder ablehnend/demotiviert auf Ihr Führungsverhalten. Aus der Normalverteilung in obiger Abbildung lässt sich ablesen, dass die Mehrheit von etwa 68 Prozent der Mitarbeiter emotional neutral auf ein bestimmtes Führungshandeln oder eine Maßnahme reagiert. Wir können auch sagen, es ist für sie

Abb. 5.2   Verteilung der quantitativen Motivausprägungen

5.2  Wenn Führung plötzlich leicht wird – Mitarbeiter individuell führen

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okay, nicht besonders motivierend, aber auch nicht besonders demotivierend. Sie machen mit. Etwa 16 Prozent der Mitarbeiter werden mit der gleichen Führungsmaßnahme kaum etwas oder gar nichts anfangen können. Sie erleben das Führungshandeln als negativ und demotivierend für sich. Wiederum ca. 16 Prozent der Mitarbeiter werden dagegen sehr positiv auf dieses Führungshandeln reagieren. Für sie schafft es motivierende Bedingungen, es spricht ihre intrinsische Motivation an. Welcher Mitarbeiter zu den 16 „negativ“, den 68 „neutral“ oder den 16 „positiv“ reagierenden Prozent gehört, das ist je nach gezeigtem Führungsverhalten und intrinsischer Motivation des Mitarbeiters völlig unterschiedlich. Daraus lässt sich die immense Wichtigkeit eines breiten Verhaltensspektrums in der Führung ableiten: Wenn ich als Führungskraft alle Mitarbeiter bestmöglich führen will, muss ich mein Führungsverhalten individuell auf die unterschiedlichen Mitarbeiter abstimmen. Nehmen wir hierfür einige Beispiele: In vielen Unternehmen sind Zielvereinbarungen als Führungsinstrument etabliert. Ganz unabhängig von der betrieblichen Realität der Gestaltung der Zielvereinbarungssysteme, verstehe ich Zielvereinbarungen so, dass dem Mitarbeiter eine herausfordernde Aufgabe zur selbstständigen Bearbeitung übertragen wird. Das „Wie“ der Zielerreichung liegt in der Hand des Mitarbeiters. Schauen wir uns die unterschiedlichen Motivationen an, dann sind Zielvereinbarungen für Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS ein gutes Führungsinstrument. Diese Mitarbeiter bevorzugen es, wenn sie viel Handlungsspielraum und Entscheidungsfreiheit haben. Sie kommen mit einer offenen Situation, der „Nur‐Zielbeschreibung“ ohne Angabe, wie das Ziel erreicht werden soll, gut klar, sind motiviert, selbst zu gestalten und zu entscheiden. Für diese Mitarbeiter sind Zielvereinbarungen der Rahmen in dem sie ihre intrinsische rot ausgeprägte Motivation EINFLUSS befriedigen können. Ganz anders sieht es bei Mitarbeitern mit einem blau ausgeprägten Motiv EINFLUSS aus. Hier laufen Sie als Führungskraft bei Zielvereinbarungen schnell Gefahr, die Mitarbeiter zu überfordern. Die mit der Zielvereinbarung verbundene Entscheidungs‐ und Gestaltungsfreiheit wollen diese Mitarbeiter nicht annehmen, wenn sie keine Erfahrung mit der Aufgabe haben oder es keine Prozesse oder Regeln gibt, aus denen sie ableiten können, wie sie an bestimmten Entscheidungspunkten handeln sollen. Sie fühlen sich überfordert, alleingelassen und demotiviert. Nehmen wir noch ein anderes Beispiel: Beispiel

Ein Unternehmen spricht zum Schutz der Gesundheit seiner Mitarbeiter ein Überstundenverbot aus. Hinter diesem Überstundenverbot steht eigentlich eine positive und motivierende Absicht den Mitarbeitern gegenüber. Für einen Mitarbeiter mit einem rot ausgeprägten Motiv EINFLUSS und oder AUTONOMIE kann ein solches Überstundenverbot demotivierend sein. Sie wollen selber entscheiden, wann sie ihre Leistung erbringen und sich dabei nicht einschränken lassen. Aber auch für Mitarbeiter mit einem blau ausgeprägten Motiv SICHERHEIT kann die Maßnahme

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5  Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen …

demotivierend sein, weil er für sich keinen Gesundheitsschutz braucht und wenn er gerade an einem spannenden Projekt arbeitet, sich der Herausforderung der Aufgabe stellen will. Die Belastung ist für ihn ein positiver Kick. ◄ Vielleicht ist es Ihnen als Führungskraft, wenn Sie eine blaue Ausprägung im Motiv AUTONOMIE und/oder eine rote Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE haben, wichtig, dass Ihre Mitarbeiter einen sehr guten Kontakt untereinander haben, sich viel austauschen, Aufgaben gemeinsam bearbeiten und zusammen etwas unternehmen. Dafür arrangieren Sie z. B. alle vier Wochen abends private Aktivitäten mit und für Ihre Mitarbeiter. Damit werden Sie Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE und die mit einer blauen Ausprägung im Motiv AUTONOMIE tatsächlich positiv ansprechen und motivieren können. Sie finden den Austausch und die gemeinsamen Aktivitäten schön und nehmen gerne daran teil. Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE oder einer roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE werden jedoch häufig Gründe vorbringen, warum sie an diesen Treffen nicht teilnehmen können, oder sie werden es nur sehr ungern tun. Sie sehen eigentlich nicht ein, warum sie, nachdem sie schon den ganzen Tag mit den Kollegen verbracht haben und viel mit ihnen geredet haben, auch noch ihren Feierabend und ihre Freizeit mit den Kollegen verbringen sollen. Für diese Mitarbeiter sind die von Ihnen gut gemeinten privaten Aktivitäten belastend. Neben Zielvereinbarungssystemen verfügen viele Unternehmen über Jahres-Mitarbeitergespräche mit einem Leistungsfeedback. Grundsätzlich sind jähr­ lich durchgeführten Mitarbeitergespräche ein wirkungsvolles Führungsinstrument, um dem Mitarbeiter Feedback zu seiner aktuellen Leistung zu geben. Für einen Mitarbeiter mit einem blau ausgeprägten Motiv SOZIALE ANERKENNUNG ist das jährliche Feedback völlig unproblematisch. Auch kritisches Feedback wird er, soweit es sachlich begründet ist, annehmen und als einen für ihn hilfreichen und nützlichen Hinweis sowie als Möglichkeit zur Leistungsverbesserung sehen. Ganz anders wird es einem Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG gehen. Sie können davon ausgehen, dass sich diese Mitarbeiter schon Tage vor dem Mitarbeitergespräch Sorgen machen, ob Sie als Führungskraft ihre Leistung positiv einschätzen oder kritisch sehen. Hat der Mitarbeiter zusätzlich eine rote Ausprägung im Motiv SICHERHEIT, wird er sich zusätzliche Sorgen darüber machen, was die Konsequenzen einer kritischen Beurteilung sind. Dies kann sogar so weit gehen, dass der Mitarbeiter sich Sorgen darüber macht, ob ihm gekündigt wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Sorgen realistisch begründet sind oder nicht. Natürlich sind die Reaktionen der Mitarbeiter immer auch abhängig von ihren Erfahrungen mit Ihnen als Führungskraft und von der Art der Gesprächsführung. Dennoch machen die Beispiele deutlich, dass auch vom Grundsatz her positive Führungsinstrumente zu Demotivation aufseiten der Mitarbeiter führen können. Dies soll natürlich nicht heißen, dass Sie Zielvereinbarungssysteme und Mitarbeitergespräche abschaffen sollten, sondern vielmehr, dass Sie sich darüber Gedanken

5.2  Wenn Führung plötzlich leicht wird – Mitarbeiter individuell führen

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machen, wie Sie z. B. Zielvereinbarungen mit einzelnen Mitarbeitern gestalten oder auch Feedbacks durchführen, um für alle Mitarbeiter einen positiven Nutzen damit zu verbinden. Zentral für den Führungserfolg ist die Frage: „Wie führe ich welchen Mitarbeiter mit welcher Motivausprägung?“ Mit Führung meine ich in diesem Fall die Gesamtheit meiner Maßnahmen. Führung bedeutet: • Wie viel Unterstützung braucht der Mitarbeiter und in welchen Bereichen, bei welchen Themen braucht er diese? • Wie viel Steuerung und Anleitung oder auch Vorgabe braucht welcher Mitarbeiter in welchen Themen? • Wann muss einem aus der intrinsischen Motivation folgenden Verhalten auch entgegengesteuert werden, weil es zu kritischen Konsequenzen im Team oder in der Arbeit führt? • Wie viel Ansprache braucht welcher Mitarbeiter? Worüber kann oder sollte ich mit ihm reden? Wie viel sollte ich überhaupt mit ihm reden? (Welche Worte Sie in der Kommunikation mit dem Mitarbeiter nutzen können, finden Sie in Abschn. 4.3. Dort ist beschrieben, welche Worte Menschen mit einer entsprechenden Motivausprägung selber nutzen.) • Wie muss ich die Rahmenbedingungen, z. B. das Arbeitsumfeld, die Zeiteinteilung etc. gestalten, um wen zu motivieren? • Welche Aufgaben sind für wen motivierend? Auch an dieser Stelle habe ich wiederum auf Ausführungen zu den Motiven BESITZEN, SOZIALES ENGAGEMENT, FAMILIE, SINNLICHKEIT, ESSENSGENUSS und BEWEGUNG verzichtet. NEUGIER – blaue Ausprägung Steuerung: • Klarer Auftrag; wenig theoretisch, abstrakte Diskussion oder auf der Metaebene. • Vermittlung des Sinnes und Zwecks einer Aufgabe („Wozu …“)/pragmatischer Nutzen. • Komplexität, Informationsvielfalt und Menge auf das Notwendige begrenzen. • Bei deutlicher Neigung zu schnellen, handlungsorientierten Entscheidungen beobachten, ob die Aufgabenbearbeitung die erforderliche inhaltliche Qualität und Tiefe hat. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Um Rat fragen, wenn es um die operative Umsetzung eines Themas geht. • Diskussion zum „wie etwas gemacht werden kann“.

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5  Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen …

• Gespräche über operative/handlungsorientierte Themen, intellektuelle Diskussionen hingegen aussparen. • Informationsnotwendigkeit von Themen betonen; erklären, warum und wozu bei einer Aufgabe welches Wissen/welche Information notwendig ist. • Praktische Erfahrungen betonen (die der Mitarbeiter hat oder erwerben kann). • Aufgaben/Rahmenbedingungen: • Aufgaben mit einem klaren operativen Kontext, Routinetätigkeiten oder Tätigkeitswiederholungen und praktisches Handeln ermöglichen. • Wenn möglich, notwendiges Hintergrundwissen in komprimierter Form bereitstellen. • Wissenserwerb und Qualifikation durch learning by doing ermöglichen. • Analytische/theoretische/konzeptionelle Aufgaben vermeiden. • Anwendungsbezug bei notwendigem Wissensbezug betonen. NEUGIER – rote Ausprägung Steuerung: • Einbeziehen in inhaltliche Diskussionen und Planung, um Wissen des Mitarbeiters zu nutzen. • Als „Sparringspartner“ für Grundsatzdiskussionen und Wissensaustausch nutzen und auch im Team etablieren (ermöglichen, das eigene Wissen weiterzugeben). • Häufiger Aufgabenwechsel; neue Themen; intellektuell fordern. • Meilensteine als zeitliche Orientierungspunkte vereinbaren; regelmäßiges Feedback zum Arbeitsfortschritt, damit der Mitarbeiter nicht abschweift und sich im Analysieren und durchforschen der Themen verliert. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Zeit nehmen für Fragen/intellektuellen Austausch; gemeinsam „im Kopf spazieren gehen“; Informationsfluss aufrechterhalten. • Gespräche auf Wissensthemen lenken, ohne direkte Nutzenorientierung. • Das „Neue“, Spannende, inhaltlich Komplexe ansprechen und betonen. • Zuhören, dabei Komplexität, Metaebene und Abschweifungen zulassen. • Großes Wissen und Interesse des Mitarbeiters anerkennen. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Vielseitige Aufgaben; komplexe, inhaltlich weite Themen; Aufgaben mit intellektuellem Anspruch (Strategie, Analyse, Konzeption, Erarbeitung eines neuen Themas); Abwechslung; viele neue Aufgaben bieten.

5.2  Wenn Führung plötzlich leicht wird – Mitarbeiter individuell führen

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• Aufgaben, bei denen der Mitarbeiter der „Spezialist“ für ein Thema wird, beratende Funktion; Wissensvermittlung – er kann sich einlesen. • Lernen/Wissenserwerb ermöglichen; entsprechende Medien bereitstellen; Zeit für intellektuelle Auseinandersetzung geben. SOZIALE ANERKENNUNG – blaue Ausprägung Steuerung: • Hohe, aber realistische Anforderungen formulieren. • Anspruchsvolle, herausfordernde Aufgaben; Ziele setzen; klare Erwartungen; Qualitätsstandards formulieren, die messbar sind. • Insbesondere bei unerfahrenen Mitarbeitern klare Steuerung: „Das kannst du schon, das noch nicht.“ • Ermöglichen, aus Fehlern zu lernen; Optimierung einfordern. • Klare Feedbacks zur Sache und zur Person: „Das war okay, das war nicht okay“, um mögliche Selbstüberschätzung zu vermeiden und Fehler zu verdeutlichen. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Offene, ehrliche und direkte Ansprache. • Anerkennung des Selbstvertrauens, der Leistung und des Erreichten. • Klare Kommunikation und Worte ohne „Weichmacher“ und Konjunktive (hätte, würde, könnte, vielleicht), sondern: So ist es! • Kritik offen und direkt formulieren; benannte Konsequenzen auch einhalten. • Gezielt Einblicke in andere Denk‐ und Gefühlswelten schaffen. • Beobachten, ob und inwieweit der Mitarbeiter mit seinem direkten Kommunikationsverhalten andere verletzt bzw. bei anderen „aneckt“. Verhalten offen ansprechen, Wirkung und Folgen aufzeigen. Aufzeigen, wie ein verändertes Verhalten aussehen kann. Aufgaben/Rahmenbedingungen:  • Raum geben, Neues auszuprobieren; try and error ermöglichen, herausfordernde Aufgaben geben. • In kritische Umfelder oder Situationen schicken, wo „Standing“ gebraucht wird. • Das Schwierige/Besondere an einer Aufgabe betonen. • Freiraum zum Handeln geben. • Bei Selbstüberschätzung Grenzen setzen.

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5  Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen …

SOZIALE ANERKENNUNG – rote Ausprägung Steuerung: • Erreichbare, für den Mitarbeiter nicht unterfordernde Ziele setzen; Erfolgserlebnisse ermöglichen. • Dem Mitarbeiter Selbstkontrolle ermöglichen (Wo stehe ich? Wie gut sind meine Ergebnisse?). • Feedbackschleifen mit dem Mitarbeiter gemeinsam vereinbaren. • Den Blick auf Erreichtes, Erfolge, Kompetenzen und Fähigkeiten lenken. • Perfektionsstreben durch klare Vorgabe „wie viel ist nötig“ und Feedback eingrenzen. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Wertschätzender Umgang; positive Sprache; ermutigende Aussagen; Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und in das Können des Mitarbeiters betonen. • Leistungen, Einsatzbereitschaft, Anstrengungsbereitschaft, Qualitätsanspruch anerkennen; durch Lob Leistungsbereitschaft fördern. • Bei kritischem Feedback Mitarbeiter nach seiner Selbsteinschätzung fragen; eigenes kurzes Feedback darauf aufbauen und dann sofort erarbeiten, wie Erfolge erreicht werden können. Möglichkeiten zur Verbesserung aufzeigen. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Aufgaben übertragen, die eine (hohe) Erfolgswahrscheinlichkeit haben. • Aufgaben übertragen, die positives Feedback auch durch Dritte möglich machen. • Aufgaben vermeiden, bei denen andere kritisiert oder konfrontiert werden müssen oder etwas von ihnen gefordert werden muss. • Bei neuen Aufgaben Vorlagen/Beispiele geben. • Kritik auf keinen Fall vor anderen äußern. EINFLUSS – blaue Ausprägung Steuerung: • Diese Mitarbeiter wollen geführt werden. D. h., sie wollen von Ihnen Ziel, Richtung und Weg vorgegeben bekommen. Erklären Sie ihnen das „Was“, aber auch das „Wie“ im Vorgehen. Treffen Sie für den Mitarbeiter, oder mit ihm zusammen, die notwendigen Entscheidungen. • Keine finale Gesamtverantwortung für entscheidungsoffene Situationen, für die kein Wissen und keine Erfahrungen vorliegen, übertragen. Der Mitarbeiter fühlt sich mit zu offenen Aufgabenstellungen, mit offenen Entscheidungssituationen alleingelassen.

5.2  Wenn Führung plötzlich leicht wird – Mitarbeiter individuell führen

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• Stellen sie für notwendige Entscheidungen Zeit, Entscheidungshilfen/-kriterien, z. B. Checklisten, Handbuch, Prozesse, Regeln etc. zur Verfügung. Benennen Sie zuverlässige/entscheidungsfreudige Ansprechpartner. • Unterstützendes Feedback zur Entlastung von Verantwortung. Ihr Handeln aus einer klaren Hierarchie ist für den Mitarbeiter entlastend. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Beachten Sie, immer den Weg zum Ziel zu beschreiben • Vermeiden Sie Aussagen wie: „Das müssen Sie selbst Wissen/entscheiden.“ „Da lasse ich Ihnen gerne freie Hand zu entscheiden, wie Sie wollen“. • Immer für Fragen zur Verfügung stehen und als Ratgeber dienen. • Antreiben wird als Druck empfunden. Besser um Unterstützung bitten, denn die bietet der Mitarbeiter gern. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Klare Rahmenbedingungen vorgeben; Ausweitung des Rahmens nach Erfahrung und Willen des Mitarbeiters. • Aufgaben übergeben, die keine offenen Entscheidungssituationen beinhalten. • Schrittweises Vorgehen im Arbeitsverlauf ermöglichen und zeitlichen Vorlauf geben. EINFLUSS – rote Ausprägung Steuerung: • Verantwortung für Aufgaben/Aufgabenbereiche/Projekte übertragen. • Konkrete und klare Ziele vorgeben; Weg selber finden lassen; Entscheidungsfreiräume geben. Führen an der „langen Leine“. • Gestaltungsfreiraum geben. • Bei unerfahrenen Mitarbeitern Entscheidungen und Ergebnisse kontrollieren. • Wenig Kontrolle und Einschränkungen ausüben, nicht „ausbremsen“, außer bei fehlender Erfahrung oder, wenn sie zu schnell entscheiden. • Dominanz- oder Führungsverhalten gegenüber Kollegen unterbinden. • Klar in der eigenen Führungsrolle positionieren; Feedback bei Kompetenzüberschreitung geben; Grenzen/Leitplanken verdeutlichen. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Anerkennung der Ergebnisse, des Engagements und des Ehrgeizes. • Ziele, Erfolge, Ergebnisse, eigene Verantwortung und Gestaltungsspielraum benennen und betonen.

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5  Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen …

• Fachliche Inhalte diskutieren; „auf den Punkt“ kommen; auf Unwichtiges eher verzichten. • Bei Fragen klare Ratschläge geben. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Wichtigkeit und Wertigkeit der Aufgaben betonen. • Aufgaben mit hohem Grad an Verantwortung, Selbstständigkeit und Entscheidungsspielräumen übertragen. Vertreterfunktionen, Gesamtverantwortung, z. B. für ein Projekt, Führung, z. B. eines Projektteams, übertragen. • Für den Mitarbeiter herausfordernde Aufgaben übertragen. • Mitarbeiter miteinbeziehen, die Wirkung/Folgen des Projektes/der Aufgabe mit nachvollziehen lassen. • Perspektiven bieten, Karriereplanung ermöglichen. STATUS – blaue Ausprägung Steuerung: • Sachlich‐aufgabenorientierte Führung. • Nicht durch besondere Rollen, Hervorhebungen o. Ä. in den Vordergrund bringen. • Vermeiden, ihn mit Statussymbolen „bezahlen“ oder „ködern“ zu wollen. • Auch positives Feedback nur unter vier Augen; öffentliche Benennungen/Hervorhebungen vermeiden. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • • • •

Inhaltlich fundierte Kommunikation und Gespräche; keine Oberflächlichkeiten. Gefühl vermitteln, dass alle Mitarbeiter gleich sind; das gleiche wert sind. In Meetings nicht als ersten ansprechen; nicht in den Mittelpunkt stellen. Komplimente auf persönlicher Ebene, nicht statusbezogen.

Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Inhaltlich fokussierte Aufgaben verteilen. • Aufgaben stellen ohne öffentliche (unternehmensinterne/unternehmensexterne) Bedeutung/Auftritte/besondere Aufmerksamkeit. • Vertrauliche Aufgaben geben. • Solide Positionierung im Hintergrund ermöglichen.

5.2  Wenn Führung plötzlich leicht wird – Mitarbeiter individuell führen

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STATUS – rote Ausprägung Steuerung: • Statusgewinn bei Zielerreichung in Aussicht stellen. • Besondere Anerkennung der Leistungen auch vor anderen Mitarbeitern/Kollegen/Vorgesetzten/Kunden oder anderen wichtigen Ansprechpartnern. • Die Bedeutung und Wirkung seiner Ziele und Aufgaben für das Team/den Bereich/das Unternehmen etc. hervorheben. • Verdeutlichen, dass möglicherweise auch unwichtige Aufgaben zum Spektrum gehören und diese mit gleicher Gewissenhaftigkeit zu erledigen sind. • Einem Verhalten von „ich bin etwas Besseres als die anderen“ im Team entgegenwirken. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Vorhandene Wichtigkeit und Bedeutung für das Team betonen. • Glaubwürdige Anerkennung dessen, wodurch die eigene Besonderheit vermittelt werden soll, z. B.: „Mir gefällt die Jacke, die Sie heute tragen.“ – im Zweiergespräch und auch vor anderen! • Mit dem Namen (Titel) anreden. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Raum, Möglichkeiten und Aufgaben bieten, die Selbstpräsentation/Außendarstellung und öffentliches „Gesehen‐werden“ erlauben. • Teilnahme an wichtigen Sitzungen und Veranstaltungen ermöglichen; Beteiligung an Arbeitstreffen mit „wichtigen“ Persönlichkeiten. • Ermöglichung der Repräsentation der Abteilung/des Unternehmens nach außen; vorstellen/bekannt machen. • Soweit möglich Statussymbole geben: Visitenkarten, Namensschild, Büroschild, Firmenparkplatz, Firmenwagen etc. AUTONOMIE – blaue Ausprägung Steuerung: • • • • • •

Eng zusammenarbeiten; Rücksprachen; regelmäßige Statusmeetings. Gemeinsame Entscheidungen, Beschlüsse und Abstimmungen ermöglichen. Gemeinsam Ziele vereinbaren; Teamziele. Bedeutung und Einbindung im Unternehmen verdeutlichen („wir“). Gegenseitige Unterstützung/Hilfe ermöglichen. Austauschbedürfnis im Blick behalten und ggf. wieder auf die Aufgabe fokussieren.

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5  Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen …

• Ansprache/Beziehungsgestaltung: • Eine persönliche Beziehung aufbauen; Interesse am Mitarbeiter als Person zeigen; Betonung von „wir“ und „gemeinsam“. • Herausstellen, welche Bedeutung ein bestimmtes Handeln für den Teamerfolg hat; das „Wir“‐Gefühl ansprechen. • Honorierung der Teamerfolge und ‐leistung. • Raum für Austausch/Diskussion/Rücksprache mit anderen geben. • Teamaktivitäten anstoßen/organisieren und selbst teilnehmen, gemeinsames Erleben ermöglichen. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Zugehörigkeit und Kontakt zu einem Team sollten gewährleistet sein, dabei muss nicht zwingend jede Aufgabe im Team bearbeitet werden. Es zählen der Teamkontext und das Zusammengehörigkeitsgefühl. • Aufgaben übertragen, die aktive Kontaktpflege und Networking erfordern. • Zusammenarbeit mit Kollegen ermöglichen; gemeinsame Bearbeitung von Aufgaben ermöglichen. • Teamunterstützende Tätigkeiten übertragen. • Gemeinsame, auch private Aktivitäten unterstützen AUTONOMIE – rote Ausprägung Steuerung: • Wunsch nach Selbstbestimmung; eigener Steuerung berücksichtigen; Freiraum für eigene Planung; Gestaltung geben; Rückzug zulassen und Rückzugsräume schaffen; allein arbeiten lassen; Unabhängigkeit ermöglichen. • Einzelziele und Verantwortung für das eigene Arbeitsergebnis übertragen. • In Aufgaben des Gesamtteams integrieren, ohne Vertrautheit zu erzwingen. • Beobachten, ob der Mitarbeiter dazu neigt, zu lange alleine zu „probieren“, weil er nicht um Hilfe fragen will. Verhalten offen ansprechen und mit Bezug auf die Risiken für die Zielerreichung auf Nutzung der Kompetenzen der Kollegen hinwirken; auf Informationsfluss in alle Richtungen achten. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Sachlich orientierte Ansprache; klare Kommunikation; ohne „Schnörkel“; direkt zur Sache kommen; kein „kümmerndes“ Führungsverhalten. • Auf Fragen nach Gefühlen, nach Persönlichem oder Privatem verzichten (wird als unangenehm und zu nah erlebt); Zugestehen von Distanz (körperlich und persönlich, keine Nähe oktroyieren, sondern selbst steuern lassen). • Selbstständiges/eigenständiges Handeln betonen, „Du/Sie“ statt „wir“.

5.2  Wenn Führung plötzlich leicht wird – Mitarbeiter individuell führen

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Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Abgegrenzte Teilaufgaben für das Teamziel bearbeiten lassen. • Vermeidung von unaufgeforderter Hilfe oder Einmischung in die Aufgaben. • Aufgaben mit eigener, von anderen unabhängiger Ergebnisverantwortung; Aufgaben ohne viele Schnittstellen bieten. • Aufgaben mit Freiraum, das „eigene Ding machen dürfen“, Wahlfreiheit für den eigenen Weg; „Herr“ über den eigenen Terminkalender sein lassen. • Personenunabhängigen Informationszugang ermöglichen. SOZIALKONTAKTE – blaue Ausprägung Steuerung: • • • • •

Steuerung über die fachliche Aufgabe. Klare Zielabsprache und Feedbacktermine mit größeren Abständen. Small-Talk-Gespräche kurzhalten oder vermeiden. Aufgaben zur alleinigen Bearbeitung delegieren. Auf Informationsfluss achten: Erhält der Mitarbeiter alle Informationen und gibt er alle Informationen weiter? • Wenn im Team gearbeitet wird, gezielt für Auszeiten/Pausen sorgen. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Mitarbeiter mindestens einmal täglich aktiv ansprechen, um einen aktuellen Stand bei ihm abzuholen. • Gespräche zu fachlich-sachlichen Inhalten führen; wenig Small Talk. • Kommunikationsbereitschaft signalisieren, die Menge und Intensität des Kontaktes aber vom Mitarbeiter selber bestimmen lassen. • Meinung und Haltung des Mitarbeiters durch offene Fragen erfahren. Aufgaben/Rahmenbedingungen:  • Bereitstellen eines Einzelbüros, soweit möglich. • Fachlich‐inhaltliche Einzelaufgaben stellen. • Wahlfreiheit hinsichtlich der Teilnahme an informellen Begegnungen, privaten Treffen und Gruppenveranstaltungen; Akzeptanz der Privatsphäre. • Auszeiten bei Aufgaben mit viel Kontakt und Kommunikation ermöglichen.

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5  Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen …

SOZIALKONTAKTE – rote Ausprägung Steuerung: • Klare Ziel- und Terminvorgaben. • Häufige Feedbackgespräche. • Möglichkeiten zum Austausch schaffen; gemeinsame Büros/Kaffeeecke/gemeinsame Pause etc. schaffen; Austausch erlauben. • Definierte Zeitfenster für Meetings/Gespräche/Pausen benennen und einfordern. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Häufige Ansprache durch die Führungskraft; Interesse zeigen an aktuellen Aktivitäten/Ereignissen – auch privat. • Häufige, auch spontane Kontakte ermöglichen; Raum geben zum Small Talk. • Lockerer Umgang; Spaß erlauben/fördern; Lachen ermöglichen. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Aufgaben stellen, die viel Kontakt zu anderen beinhalten (Kunden, intern, extern/ Schnittstellen/Geschäftspartner; etc.). • Aufgaben stellen, die Kontaktstärke erfordern und dem breiten Beziehungsaufbau und der Netzwerkbildung dienen. • Regelmäßige und möglichst vielfältige Kontakte zu anderen Menschen; Mitarbeitern Auszeit für Kommunikation und Spaß zugestehen. • Vermeidung von einem „Einsam-vor-sich-hin-Arbeiten“. • Regelmäßige informelle Treffen ermöglichen (private Aktivitäten, Geburtstage, Weihnachtsfeier etc.). PRINZIPIEN – blaue Ausprägung Steuerung: • Ziele vereinbaren und positive Konsequenzen der Zielerreichung benennen. • Nutzen und Vorteile für den Mitarbeiter in den Vordergrund stellen; Nutzenargumente aufzeigen. • Freiraum bei der Suche nach dem für den Mitarbeiter besten Lösungsweg geben. • Bei Ideen des Mitarbeiters eine mittel‐ und langfristige Perspektive einfordern: „Wozu führt diese Vorgehensweise mittel‐ und langfristig?“ • Einhaltung notwendiger Regeln und Vereinbarungen einfordern; Nutzen deutlich machen. • Ggf. den Mitarbeiter bremsen, wenn dieser zu wenig regelbasierte Lösungen aufzeigt.

5.2  Wenn Führung plötzlich leicht wird – Mitarbeiter individuell führen

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Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Keine Grundsatzdiskussionen über Werte, Prinzipien oder Moral führen. • Flexibilität und Veränderungsbereitschaft anerkennen. • Pragmatische, lösungsorientierte Kommunikation mit dem Mitarbeiter. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Sinn, Zweck und Nutzen der zu bearbeitenden Aufgaben und der damit verbundenen Regeln und Pflichten, z. B. für die Abteilung/das Unternehmen erklären. • Aufgaben übertragen, die pragmatisches, rasches und zielorientiertes Arbeiten verlangen. • Aufgaben übertragen, die unkonventionelle, neue Lösungen, Interpretationen und Vorgehensweisen erfordern. PRINZIPIEN – rote Ausprägung Steuerung: • Führen über klare Absprachen/Vereinbarungen/Regeln. Hohe Selbstverpflichtung des Mitarbeiters führt dazu, dass kaum Kontrolle notwendig ist. • Vorgehen/Anweisungen werteorientiert begründen. • Wertewelt des Mitarbeiters beachten; prinzipiengeleitetes Arbeiten unterstützen. • Als Führungskraft Vorbild sein. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • • • • •

Ehrliche, offene und wertschätzende Kommunikation; Anstand berücksichtigen. Veränderungen hinsichtlich Inhalt und Vorgehen erklären und begründen. Walk the talk – das, was man als Führungskraft erzählt, auch praktizieren. Prinzipien/gemeinsame Werte betonen. Hohe Verbindlichkeit/Zuverlässigkeit im eigenen Verhalten zeigen.

Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Verantwortung für die Einhaltung von Werten, Regeln und Absprachen im Team übertragen. • Aufgaben, die gegen die Werte und Prinzipien des Mitarbeiters verstoßen, möglichst vermeiden. • Keine Aufgaben übertragen, die mit einer Verletzung oder „freieren“ Interpretation übergeordneter Regeln, Vorschriften, Werte etc. verbunden sind. • Absprachen und Termine unbedingt einhalten.

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5  Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen …

STRUKTUR – blaue Ausprägung Steuerung: • • • •

Freiraum für eigene Wege, Abläufe und Vorgehensweisen geben. Aufgabenwechsel und „Springen“ zwischen mehreren Aufgaben ermöglichen. Kreative und unkonventionelle Lösungswege abfragen. Hinsichtlich der persönlichen Büro‐/Schreibtischordnung den kleinsten, für alle tragbaren „Nenner“ vereinbaren. • Steuern über terminliche, inhaltliche und qualitative Vereinbarungen und Meilensteine; Freiraum zwischen den Meilensteinen geben; unterstützend steuern hinsichtlich Prioritätensetzung. • Wenn erforderlich: Einhaltung von Qualitätsstandards/Absprachen kontrollieren. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Flexible Gesprächssteuerung: Mitgehen bei den kreativen Gedankenspielen des Mitarbeiters. • Gestaltungsfreiheit betonen; Flexibilität hervorheben. • Kreativität ansprechen/fordern. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Aufgaben übertragen, die Kreativität und Flexibilität erlauben/benötigen. • Aufgaben, die in einem ungeordneten, strukturfreien, dynamischen und veränderungsanfälligen Umfeld liegen, übertragen und Aufgaben, die neue Wege und Ansätze benötigen. • Eigene Planung und Strukturierung ermöglichen; nur Mindeststandards einfordern. • Ermöglichung flexibler Arbeitszeiten. STRUKTUR – rote Ausprägung Steuerung: • Strukturierte Vorgehensweise bei der Vermittlung von Aufgaben oder in Gesprächen; roten Faden aufzeigen und halten. • Konzentriertes Arbeiten an einer Aufgabe nach der anderen bzw. entsprechend der Planung ermöglichen; bei Änderungen: Zeit für neue Planung geben. • Vorbereitung ermöglichen; weniger „Ad‐hoc“‐Aufträge. • Tendenz zur Überstrukturierung beobachten und ggf. entgegenwirken, z. B. durch klare Beschreibung des Ziels und des Weges dorthin (Wie viele Prozesse sind notwendig? Wie differenziert müssen sie sein?).

5.2  Wenn Führung plötzlich leicht wird – Mitarbeiter individuell führen

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Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Strukturierte Kommunikation mit rotem Faden; sich selbst an Agenda und Zeitabläufe halten, auch bei Besprechungen. • Veränderungen in der Planung, Terminierung und den Abläufen rechtzeitig ankündigen. • Anerkennen der strukturierenden/ordnenden Fähigkeiten. • Als Führungskraft auf eigene Ordnung und Sauberkeit achten. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Übertragen von Aufgaben der Planung, Strukturierung und Organisation (bis ins Detail), z. B. Projektsteuerung/‐controlling, Aktionslisten. • Sich selbst oder dem Team durch diesen Mitarbeiter Struktur geben lassen, z. B. in Rücksprachen und Meetings, oder Ordnung vorgeben lassen, z. B. in einer bestimmten Ablage. • Bereitstellen von Ordnungssystemen/Medien/Techniken. • Ermöglichung von „sauberen“ und „ordentlichen“, übersichtlichen Arbeitsbedingungen (Arbeitszeiten, Zuständigkeiten) und Abläufen. SICHERHEIT – blaue Ausprägung Steuerung: • Herausfordernde, neue Aufgaben; Abwechslung/Veränderung bieten. • Klare Grenzen für die unternehmensbezogene Risikobereitschaft bei Entscheidungen abstecken und deren Einhaltung kontrollieren. • Mitarbeiter bei der Aufgabenplanung/‐durchführung neben realistischen Chancen auch Risiken aufzeigen lassen. • Direktes Feedback an Mitarbeiter, wenn sein Verhalten zu riskant wird. • Vor Überlastung schützen (Überstunden begrenzen). Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Persönliche Belastbarkeit und Stressresistenz anerkennen. • Sicherheit ausstrahlen. • Sichere, starke, partnerschaftliche Führung mit Mut zum Risiko. • In der Kommunikation Neues, Herausforderndes, das Risiko und das Unvorhersehbare bei einer Aufgabe benennen.

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5  Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen …

Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Hohe Anforderungen/Herausforderungen schaffen. • Veränderungen und Abwechslung ermöglichen, z. B. auch durch Reisetätigkeit/Auslandsaufenthalte. • Risikoträchtige (schwierige) Aufgaben (zeitlich oder inhaltlich herausfordernd); Aufgaben mit hohem „Stressfaktor“ übertragen. • Neues ausprobieren lassen. • „Unternehmerisches“ Handeln (im Gegensatz zu „betriebswirtschaftlichem“ Handeln) ermöglichen. • Einsatz in Krisensituationen. SICHERHEIT – rote Ausprägung Steuerung: • Ziele formulieren und Aufgaben delegieren, die dem Mitarbeiter ein vorausschauendes Agieren mit Einschätzung möglicher Konsequenzen/Risiken erlauben. • Soweit möglich, Mitarbeiter bewährte und vertraute Vorgehensweisen und Aufgaben wählen lassen. • Bei Veränderung Sicherheit vermitteln; deutlich machen, was die nächsten Schritte sind; verdeutlichen, dass die Situation unter Kontrolle ist. Zeit für Gespräche einräumen; Mitarbeiter realistische Folgen definieren lassen. • Veränderungen durchdenken lassen; immer zwei Gespräche führen: Im ersten informieren, im zweiten die Entscheidung treffen. • „Milestones“ und Feedback vereinbaren zur Absicherung. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Gespräche in ruhiger, vertrauter Umgebung; Entscheidungen erklären. • Sorgen und Ängste zulassen; Sorgen ernst nehmen; Klärung von Bedenken. • Auf Widerstand gefasst sein: Warum? Wieso? Wie soll das gehen? • An Erreichtes und zurückliegende Situationen erinnern, die scheinbar aussichtslos waren; Zuversicht/Optimismus aussprechen; Unterstützung zusichern. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • • • •

Aufgaben stellen, die einschätzbar und überblickbar sind. Zeit für Einarbeitung geben. Aufgabenvermittlung in Teilschritten, um Unsicherheiten direkt aufzulösen. Dosierte, schrittweise Veränderungen der Aufgabe, des Arbeitsplatzes und auch des Kollegenkreises. • Kontinuität und Absicherung (Plan B) ermöglichen.

5.2  Wenn Führung plötzlich leicht wird – Mitarbeiter individuell führen

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REVANCHE – blaue Ausprägung Steuerung: • Ziele/-Aufgaben ohne Wettbewerb zu anderen. • Gemeinsame Ziele/Teamziele; Abstimmung über Vorgehen • Vermeiden von Wettbewerbssituationen oder Situationen des Messens und Vergleichens. • Schaffen von „Win-Win“-Situationen. • Unterstützende Kontrolle, wenn Mitarbeiter konfliktäre Situationen zu sehr vermeidet. Ansprache/Beziehungsgestaltung  • • • •

Freundlicher, wertschätzender, nicht-konfrontierender Umgangsstil und -ton. Meinung und Haltung erfragen; viel nachfragen. Verbale Vergleiche vermeiden. Ein harmonisches Miteinander im Team unterstützen; Konsensorientierung z. B. in Meetings fördern; Unterstützung in Streitsituationen (schlichten).

Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Aufgaben übertragen, bei denen Kompromisse erzielt werden sollen. • Verhandlungen, die strikte Konfliktvermeidung zum Ziel haben. • Prüfen, ob der Mitarbeiter die Rolle eines Moderators/Schlichters übernehmen kann. • Harmonisches und konfliktfreies Umfeld und Teamklima. • Demotivation durch lautes, ungerechtes, launisches, unberechenbares und provokantes Führungs- oder Zusammenarbeitsverhalten. REVANCHE – rote Ausprägung Steuerung: • Ziele und Aufgaben, die einen Leistungsvergleich bzw. Wettbewerb zu anderen ermöglichen. • Ambitionierte Ziele vorgeben; Messlatte hoch legen. • Gerechtigkeitsbedürfnis beachten. • Klarstellen: „Das geht hier, das geht nicht!“ • Beobachten, inwieweit der Mitarbeiter gegenüber Kollegen stichelnd, provozierend etc. agiert. Ggf. klare Grenzen aufzeigen. Bei strittigen Diskussionen auf passende Konfliktpartner achten!

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5  Wer braucht was – gezielt die richtigen Maßnahmen …

Ansprache/Beziehungsgestaltung  • Direkte, klare Ansprache und Kommunikation. • Gute Leistungen betonen/hervorheben; Kampfgeist und Durchsetzungsbereitschaft anerkennen. • Raum geben zum argumentativen Kämpfen – nicht vorschnell klein beigeben; in kontroversen Diskussionen selbst verbal standhalten. • Ausufernde Diskussionen abbrechen/vertagen, auch „Ja-aber“-Diskussionen. • Verbesserungspotenziale klar benennen. Aufgaben/Rahmenbedingungen  • Aufgaben übertragen, die Verhandlungsbereitschaft erfordern und darüber Wettbewerb ermöglichen (z. B. Vertrieb, Einkauf, Restrukturierung). • Aufgaben übertragen, die Durchsetzungsvermögen, „Kampfbereitschaft“ und Konfliktbereitschaft erfordern. • Aufgaben übertragen, die persönlichen Einsatz und viel Energie verlangen.

Literatur Krumbach-Mollenhauer, P., & Lehment, T. (2007). Führen mit Psychologie: Die Managementpraxis fest im Griff. Weinheim: Wiley-VCH.

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Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele für gezielte individuelle Führung

In Kap. 1 wurde deutlich, dass Ihnen vielfältige Wege zur Verfügung stehen, um Ihre Mitarbeiter entsprechend ihrer Motivausprägungen zu führen. Manchmal ist es ganz einfach („Überstunden‐Frei“ am Tag des Kindergeburtstags, bei Mitarbeitern mit einer roten Ausprägung im Motiv FAMILIE), manchmal stellt es höhere Anforderungen an Sie als Führungskraft (Motivation eines aufgrund der internen Reorganisation sehr verunsicherten Mitarbeiters, roten Ausprägung im Motiv SICHERHEIT). Die Vielfalt im Führungshandeln, die sich aus den 16 Motiven ergibt, macht deutlich, dass Ihr Ziel darin besteht, für jeden Mitarbeiter das individuell passende Führungshandeln zu finden. Den einen, für alle richtigen, Führungsstil gibt es, wie gesagt, nicht. Hätte jeder Mitarbeiter nur ein stark ausgeprägtes Motiv (blau oder rot), würde Ihnen diese Aufgabe relativ leicht von der Hand gehen. Sie werden aber auch Mitarbeiter mit einer vielseitig ausgeprägten Persönlichkeit in Ihrem Team haben und das heißt, diese Mitarbeiter haben mehrere stark blau oder rot ausgeprägte Motive. Daraus ergibt sich eine größere Herausforderung für Ihr Führungshandeln. Nachfolgend stelle ich Ihnen verschiedene Mitarbeiterprofile vor und führe an, was es im Rahmen der Führung dieser Mitarbeiter zu beachten gilt. Selbstverständlich sind alle Motive wichtig und wirksamer Teil der Gesamtpersönlichkeit eines Menschen. Dennoch kann ich auch an dieser Stelle nicht auf alle Motive eingehen. Um Ihren aktuellen Wissensstand zu überprüfen, können Sie sich erst die nachfolgenden Profile ansehen, ohne den zugehörigen Text zu lesen. Überlegen Sie dann für sich: Wie würde ich diesen Mitarbeiter führen? Was ist bei der Führung dieses Mitarbeiters zu beachten?

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Rohrschneider, Sinnhaft führen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5_6

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6  Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele …

Abb. 6.1   Mitarbeiterprofil A

In der Führung von Mitarbeiter A (Abb. 6.1) sind insbesondere die folgenden Motive zu beachten: • • • • •

rote SOZIALE ANERKENNUNG rote Orientierung AUTONOMIE rote SOZIALKONTAKTE rote STRUKTUR rote SICHERHEIT

6  Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele …

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Die Motivausprägungen des Mitarbeiters machen ihn zu einem sehr kontaktorientierten Menschen, der viel Austausch und Spaß mit anderen sucht (rote Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE), sich dabei aber nicht tiefergehend auf andere Menschen einlassen will (rote Ausprägung im Motiv AUTONOMIE). Das Verhalten des Mitarbeiters ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass er in vielen Situationen unsicher wirkt oder agiert bzw. Unsicherheit kommuniziert und ihm Anerkennung sehr wichtig ist (rote Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG). Es ist sehr wahrscheinlich, dass er auf Kritik sehr sensibel reagiert. Auch äußert er Sorgen und sogar Ängste bezüglich möglicher Konsequenzen eines Handlungsausgangs (rote Ausprägung im Motiv SICHERHEIT). In seinem Arbeitsverhalten bevorzugt der Mitarbeiter ein strukturiertes Vorgehen (rote Ausprägung im Motiv STRUKTUR). Er zeigt eine hohe Einsatzbereitschaft hinsichtlich der ihm übertragenen Aufgaben und will möglichst gute Arbeitsergebnisse abgeben (rote Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG). Welche Aufgaben sind für diesen Mitarbeiter motivierend? Aufgaben, die Sie diesem Mitarbeiter übertragen, sollten Sie im Vorfeld dahin gehend prüfen, ob der Mitarbeiter diese, vor seinem Kompetenz‐ und Erfahrungshintergrund, erfolgreich lösen kann. Die erfolgreiche Erledigung der übertragenen Aufgaben ist aufgrund seines rot ausgeprägten Motivs SOZIALE ANERKENNUNG für diesen Mitarbeiter sehr wichtig. Teilen Sie dem Mitarbeiter mit, wann die Aufgabe für Sie gut und erfolgreich bearbeitet ist. Für den Mitarbeiter ist es von großem Vorteil, wenn er selbst kontrollieren kann, ob er die Aufgabe richtig und gut bearbeitet. Dabei helfen ihm klare Erfolgskriterien. Darüber hinaus sollten die Aufgaben entweder in sich eine gewisse Struktur aufweisen oder dem Mitarbeiter sollte die Freiheit eingeräumt werden, seine eigene Struktur bei der Aufgabenbearbeitung zu etablieren. Bei der Aufgabenübertragung sollten Sie des Weiteren darauf achten, dass der Mitarbeiter Aufgaben einzeln und nacheinander bearbeiten kann. Dies trägt seiner roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR Rechnung. Insgesamt wird der Mitarbeiter Aufgaben, bei denen er in den Kontakt und Austausch mit anderen Menschen gehen kann, bevorzugen. Dabei sollten die Aufgaben allerdings so gestaltet sein, dass ihr Erfolg nicht von der Arbeit anderer abhängig ist. Dies ergibt sich aus der Kombination der roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE und der roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE. Für den Mitarbeiter sollten Spaß und Austausch in der Zusammenarbeit mit anderen im ­Vordergrund stehen, nicht eine wirkliche, tiefe Teamarbeit. Der Mitarbeiter kann sowohl handlungsorientiert als auch strategisch, konzeptionell und intellektuell arbeiten. Dies ergibt sich aus seinem neutralen (grau) Motiv NEUGIER. Trotzdem ist bei der Auswahl der Aufgaben für den Mitarbeiter darauf zu achten, dass nicht zu viele wechselnde und neue Aufgaben übergeben werden, die ungewohnte Anforderungen stellen und in ihrem Ergebnis unklar sind. Die Aufgaben sollten nicht zu risikobehaftet sein. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass der Mitarbeiter nicht mit zu vielen Aufgaben gleichzeitig betraut wird. Zu schnell macht sich der Mitarbeiter Sorgen, fühlt sich überlastet

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6  Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele …

und reagiert ggf. mit Demotivation: „Das schaffe ich nie“ (rote Ausprägung im Motiv SICHERHEIT). Wie steuern Sie den Mitarbeiter? Wie gestalten Sie Anleitung, Unterstützung, Vorgaben und Kontrolle? Hinsichtlich der Steuerung des Mitarbeiters ist es für die Führungskraft wichtig, darauf zu achten, dass der Mitarbeiter sich selbst nicht überlastet. Vor dem Hintergrund seiner roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG wird es dem Mitarbeiter sehr schwerfallen, „Nein“ zu sagen. Um die gewünschte Anerkennung zu bekommen, wird er sich vielleicht auch bereiterklären, viele Aufgaben von Kollegen zu übernehmen und auch seiner Führungskraft gegenüber keine klaren Grenzen ziehen. Dies wird noch einmal bedeutender, wenn es um neue und im Ergebnis unsichere Aufgaben geht (rote Ausprägung im Motiv SICHERHEIT, rote Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG). Ein weiterer Aspekt, der ebenfalls zu Selbstüberlastung führen kann, ist, dass der Mitarbeiter aufgrund seiner roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE dazu neigt, Dinge zunächst selbstständig zu bearbeiten und andere nicht oder zu spät um Unterstützung bittet. Die Gedanken „Das muss ich alleine schaffen“ und „Ich will den anderen nicht zur Last fallen“ verhindern, dass er Hilfe einfordert. Solange der Mitarbeiter erfolgreich ist, ist das kein Problem. Merkt er jedoch, dass er nicht erfolgreich ist, folgt der Gedanke „Ich muss das schaffen“ und eine erhöhte Anstrengungsbereitschaft. Bei kontinuierlich ausbleibendem Erfolg folgen Selbstzweifel und Sorgen „Ich bin nicht gut genug, was wird das für Konsequenzen haben?“ (rote Ausprägung im Motiv SICHERHEIT, rote Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG). Dazu gehört auch, dass der Mitarbeiter Probleme ggf. gar nicht aufzeigt, sondern versucht, alleine eine Lösung zu finden. Hier sind Sie als Führungskraft gefragt, Schwierigkeiten frühzeitig wahrzunehmen und Unterstützung anzubieten. Durchaus möglich ist, dass der Mitarbeiter nicht nur nicht fragt, weil er meint, er muss es alleine schaffen, sondern auch, weil er meint, dass er, wenn er sich Hilfe holt, in den Augen der Führungskraft weniger gut bewertet wird und dies für ihn negative Konsequenzen haben könnte. Ein weiterer Steuerungsaspekt bei diesem Mitarbeiter ist die Kombination rote Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG und rote Ausprägung im Motiv STRUKTUR. Aus der roten Ausprägung im Motiv Struktur ergibt sich ein hoher Anspruch an die Struktur und Planung bei der Aufbereitung der Aufgaben. Dieser wird verstärkt durch das Streben nach Fehlerfreiheit und Perfektion aus der roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG. Der Mitarbeiter läuft Gefahr, zu viel Zeit in ein perfektes Ergebnis zu investieren. Sie können den Mitarbeiter entlasten, wenn sie ihm, wie oben beschrieben, Erfolgskriterien mitteilen. Insgesamt ist es für den Mitarbeiter motivierend, wenn Sie häufiger den Kontakt und den Austausch mit ihm suchen. Dabei muss die Kommunikation nicht tiefgehend und persönlich sein. Der Mitarbeiter mag zwar häufigen Kontakt mit anderen Menschen, will dabei aber nicht unbedingt über sein Privatleben kommunizieren. Für formale Gespräche mit diesem Mitarbeiter ist es gut, wenn Sie diese Gespräche strukturiert führen. Ins-

6  Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele …

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gesamt sollten Sie so viel Wertschätzung und Anerkennung wie möglich gegenüber dem Mitarbeiter ausdrücken. Erkennen Sie auch seine Anstrengungsbereitschaft an. In kritischen Zeiten oder in Zeiten der Veränderung ist es für ihn wichtig, dass Sie ihm Sicherheit vermitteln. Lassen Sie ihn wissen, dass Sie alle Veränderungen im Griff haben und für ihn keine unvorhersehbaren Konsequenzen zu befürchten sind. Nehmen Sie die geäußerten Ängste und Sorgen ernst. Wie können Sie gezielt motivieren? Für diesen Mitarbeiter ist ein wesentliches Motivationsmittel die Anerkennung für die geleistete Arbeit. Nicht weniger wichtig ist es, dem Mitarbeiter zu ermöglichen, mit anderen Kontakt zu haben. Die Kommunikation und der lockere Austausch mit anderen Menschen sind für ihn eine Energiequelle. Geben Sie dem Mitarbeiter den Freiraum, sich seine eigene Struktur und Ordnung zu schaffen. Gleichzeitig sollten Sie nicht zu viel Flexibilität und schnelle Wechsel bei der Aufgabenbearbeitung verlangen. Vermitteln Sie ihm Ihr Vertrauen in ihn, dass er jederzeit mit seinen Fragen, Sorgen oder Bedenken zu Ihnen kommen kann und dass es für Sie keine „falschen“ oder „unnötigen“ Sorgen gibt. Stellen Sie sich aber darauf ein, dass es einige Zeit dauern kann, bis der Mitarbeiter wirklich Vertrauen zu Ihnen gefasst hat. Wichtig in der Führung bei Mitarbeiterin B (Abb. 6.2) sind insbesondere die folgenden Motive: • • • • • •

blaue NEUGIER blaue SOZIALE ANERKENNUNG roter EINFLUSS roter STATUS blaue SICHERHEIT rote REVANCHE

In der abgebildeten Kombination führen die Motive dazu, dass Sie eine sehr selbstbewusste, selbstsichere, leistungsorientierte und auch dominante Mitarbeiterin haben. Die Mitarbeiterin neigt dazu, sich selbst zu überschätzen (blaue Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG) und sich selbst als sehr wichtig wahrzunehmen (rote Ausprägung im Motiv STATUS). Sicherlich besteht bei dieser Mitarbeiterin die Gefahr, dass sie anderen – auch Kollegen – gegenüber dominant, rechthaberisch und auch kämpferisch auftritt. Diese Komponente ergibt sich aus ihrer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS- und der roten Ausprägung im Motiv REVANCHE. Dazu kommt, dass der Mitarbeiterin aufgrund ihrer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG und ihrer blauen Ausprägung im Motiv SICHERHEIT die Konsequenzen ihres Verhaltens relativ egal sind. Sie macht sich einfach eine Gedanken darüber. Zum einen ist es ihr egal, was andere von ihr denken (blaue Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG), zum anderen kommt sie erst zu einem sehr späten Zeitpunkt auf die Idee, dass etwas negative Konsequenzen für sie haben könnte (blaue Ausprägung im Motiv SICHERHEIT).

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6  Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele …

Abb. 6.2   Mitarbeiterprofil B

Welche Aufgaben sind für die Mitarbeiterin motivierend? Hinsichtlich der Aufgaben für diese Mitarbeiterin ist es wichtig, Aufgaben entsprechend ihres Kompetenz- und Erfahrungsspektrums auszuwählen, bei denen sie einen ihrem Entwicklungsstand angemessenen Verantwortungs- und Entscheidungsspielraum hat (rote Ausprägung im Motiv EINFLUSS). Darüber hinaus sollten die Aufgaben herausfordernd sein und können auch gewisse Risiken umfassen (blaue Ausprägung im Motiv SICHERHEIT). Die Mitarbeiterin kommt gut mit Aufgaben klar, bei denen der Ausgang und die Aussicht auf Erfolg ungewiss sind. Das heißt, ihr dürfen Sie immer wieder neue und veränderte Aufgaben geben. Sie lernt durch try & error und kann mit Misserfolg

6  Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele …

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gut umgehen, wenn es sich um unbekannte Aufgaben handelt. Dabei ist das damit verbundene Risiko für sie anregend und motivierend. Aufgrund der blauen Ausprägung im Motiv NEUGIER ist es für diese Mitarbeiterin befriedigender, Aufgaben zu bearbeiten, die eine hohe Handlungsorientierung und weniger eine intellektuelle Auseinandersetzung erfordern. Auch Routineaufgaben wird sie gern bearbeiten. Diese dürfen aber unter dem Aspekt Herausforderung nicht langweilig werden. Durchaus geeignet sind für diese Mitarbeiterin Aufgaben, die viele Verhandlungen, wie z. B. im Bereich Vertrieb, Einkauf etc. erforderlich machen. Für diese Handlungsfelder kann sie aufgrund ihrer roten Ausprägung im Motiv REVANCHE sehr gut geeignet sein. Wie steuern Sie die Mitarbeiterin? Wie gestalten Sie Anleitung, Unterstützung, Vorgaben und Kontrolle? Hinsichtlich der Steuerung der Mitarbeiterin gilt, die Mitarbeiterin bei entsprechender Leistung an der „langen Leine“ zu führen. Bei der Aufgabendelegation sollten Sie ihr das Ziel erklären und sie den Weg dorthin selbst bestimmen lassen. Dabei sollten Sie jedoch immer mit einem Auge hinschauen, da die Mitarbeiterin dazu tendiert, sich selbst und ihre Arbeitsergebnisse zu überschätzen. Vereinbaren Sie Feedbacktermine, zu denen Sie sich über den aktuellen Stand der Aufgabenbearbeitung informieren lassen. Interventionen, die die Zusammenarbeit der Mitarbeiterin mit Kollegen betreffen, können sich für Sie daraus ergeben, dass die Mitarbeiterin gegenüber Kollegen zu dominant auftritt. Hier sollten Sie ihr vermitteln, dass sie für ihren eigenen Aufgabenbereich gerne Entscheidungen treffen kann, dies aber nicht für die Aufgabengebiete ihrer Kollegen gilt. Es kann passieren, dass die Mitarbeiterin gegenüber Kollegen kämpferisch und provozierend auftritt. Die Gefahr, dass sie ihre Meinung unverblümt äußert und andere damit erschreckt und vor den Kopf stößt, ist durchaus groß (blaue Ausprägung im Motiv SICHERHEIT, rote Ausprägung im Motiv EINFLUSS und REVANCHE). Passiert dies, ist es für Sie wichtig, der Mitarbeiterin Feedback zu der Wirkung ihres Verhaltens auf andere zu geben und ihr so die Möglichkeit zur Selbstkontrolle ihres Verhaltens zu bieten. Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass sich die Mitarbeiterin ggf. zu sehr in den Vordergrund stellt und ihre eigenen Leistungen gegenüber denen der anderen zu sehr hervorhebt und betont (blaue Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG, rote Ausprägung im Motiv STATUS). Ein solches Verhalten stößt nicht unbedingt auf Gegenliebe bei den Kollegen. Auch hier sollten Sie über Feedback eine Selbstreflexion und Selbstkontrolle des Verhaltens ermöglichen. Bei Ihren Feedbacks gilt es zu beachten, zeitnah beobachtete Beispiele zu benennen und die Auswirkungen auf andere klar und deutlich aufzuzeigen. Wie können Sie gezielt motivieren? Motivieren können Sie die Mitarbeiterin, indem Sie ihr gegenüber die Herausforderungen, Besonderheiten, Einzigartigkeit, aber auch die Schwierigkeiten der übertragenen Aufgaben betonen. Darüber hinaus sind Situationen, in denen sie mit anderen in den Wettbewerb gehen kann, z. B. um die besten Vertragsabschlüsse, schnellsten Bearbeitungen, höchsten Rabatte etc. sehr anspornend für sie. Gezielte Motivation

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6  Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele …

erreichen Sie bei der Mitarbeiterin auch über ihr Bedürfnis nach Status. Soweit es in Ihnen möglich ist, sollten Sie ihr Statussymbole zukommen lassen. Wenn Sie hier nur eingeschränkte Möglichkeiten haben, ist es wichtig, dass Sie ihr immateriellen Status zukommen lassen, indem Sie ihr z. B. ermöglichen, ihre Arbeitsergebnisse an höherer Stelle zu präsentieren, sie im Unternehmen sichtbar machen und auch durchaus öffentlich loben. Entsprechend ihrer fachlichen Kompetenz sollten Sie mit der Mitarbeiterin eine Entwicklungs- und Karriereplanung machen.

Abb. 6.3   Mitarbeiterprofil C

6  Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele …

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Wichtig bei dieser Mitarbeiterin C (Abb. 6.3) sind insbesondere die folgenden Motive: • • • • • • • •

blaue NEUGIER rote SOZIALE ANERKENNUNG blauer EINFLUSS blaue AUTONOMIE rote SOZIALKONTAKTE blaue REVANCHE Tendenz zu rotem SOZIALEM ENGAGEMENT Tendenz zu roter FAMILIE

Diese Motivkonstellation macht die Mitarbeiterin zu einer sehr menschenorientierten, an Unterstützung, Zusammenarbeit, Kooperation und gutem Miteinander interessierten Mitarbeiterin. Die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiterin kommt aus der Zusammenarbeit mit anderen. Mit anderen zusammen und für andere zeigt sie eine hohe Leistung. Welche Aufgaben sind für die Mitarbeiterin motivierend? Hinsichtlich der Aufgaben, die Sie dieser Mitarbeiterin geben, spielen alle Aufgaben eine Rolle, bei denen die Mitarbeiterin mit anderen Menschen in Kontakt ist und mit diesen intensiv und gut zusammenarbeiten kann. D. h., die ausgewählten Aufgaben sollten nicht konfliktär oder wettbewerbsorientiert sein und einen hohen Anteil an Unterstützungsleistung für andere bieten. Darüber hinaus sollten die Aufgaben der Mitarbeiterin die angestrebte soziale Anerkennung ermöglichen. D. h., für die Mitarbeiterin geht es um Aufgaben, mit denen sie anderen „etwas Gutes“ tun kann, aber nichts Unangenehmes von anderen verlangen muss. Dies können betreuende, lehrende, ausbildende Tätigkeiten sein. Wichtig bei den ausgewählten Aufgaben ist auch, dass diese stärker handlungsorientiert und weniger konzeptionell, strategisch oder intellektuell ausgerichtet sind. Das ergibt sich aus der blauen Ausprägung im Motiv NEUGIER der Mitarbeiterin. Z. B. ist es für die Mitarbeiterin motivierend, einen Auszubildenden direkt anzuleiten. Weniger motivierend ist es für sie, ein Konzept zur Anleitung von Auszubildenden zu erstellen. Wie steuern Sie die Mitarbeiterin? Wie gestalten Sie Anleitung, Unterstützung, Vorgaben und Kontrolle? Hinsichtlich der Steuerung der Mitarbeiterin ist es wichtig, dass Sie ihr ermöglichen, mit den Aufgaben, die sie übernimmt, Erfolge zu generieren, um die für sie notwendige Anerkennung zu bekommen. Wie weiter oben schon einmal beschrieben, sind die Kommunikation von Erfolgskriterien und Selbstkontrolle hier wichtig. Bei neuen, bisher unbekannten Aufgaben sollten Sie die Mitarbeiterin anleiten, betreuen und ihr Entscheidungshilfen anbieten. Sie sollten ihr als „Sparringspartner“ zur Verfügung stehen oder ihr einen solchen zur Seite stellen. Gerät die Mitarbeiterin in konfliktäre oder wettbewerbsgeprägte Situationen, ist Ihre Unterstützung notwendig. Hier sollten Sie mit ihr

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6  Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele …

gemeinsam Möglichkeiten erarbeiten, wie sie die Situation für sich lösen kann, ohne das Gefühl zu haben, sich anderen gegenüber schlecht oder unkorrekt zu verhalten. Wie können Sie gezielt motivieren? Motivation erfährt die Mitarbeiterin aus dem Kontakt und der vertrauensvollen und guten Zusammenarbeit mit anderen. D. h., dieser Mitarbeiterin sollten Sie auf jeden Fall die Zusammenarbeit in einem Team ermöglichen. In Ihrem persönlichen Kontaktverhalten zur Mitarbeiterin sind die persönliche und häufige Ansprache – auch über private Themen – sowie ein sehr wertschätzendes Verhalten motivierend. Insgesamt benötigt die Mitarbeiterin ein vertrauensvolles und konfliktfreies Umfeld, um sich wohlzufühlen. Mitarbeiter D (Abb.  6.4) hat ein sehr ausgewogenes Motivationsprofil mit ausschließlich neutral ausgeprägten Motiven. Viele Motive liegen im Bereich der maximalen Verhaltensflexibilität, andere zeigen eine Tendenz auf. Dies macht ihn zu einem ausgewogenen und breit einsetzbaren Mitarbeiter. Sie werden bei diesem Mitarbeiter weniger konfliktbehaftetes Verhalten im Umgang mit anderen oder Unwillen, bestimmte Aufgaben zu übernehmen, finden. Er verfügt über ein breites Verhaltensspektrum und kann die Motive und Emotionen einer Vielzahl von Kollegen gut nachvollziehen. Diesen Mitarbeiter führen Sie am besten, indem Sie ihm unterschiedliche, häufig wechselnde Aufgaben übertragen. Für ihn liegt die Motivation aufgrund seiner neutralen Motivausprägungen im Wechsel zwischen unterschiedlichen Anforderungssituationen. Er ist in der Lage, sich auf unterschiedliche Aufgaben und Menschen einzustellen. Aufgrund seiner hohen inneren Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ist dieser Mitarbeiter auch geeignet, zu vermitteln. Im Gegensatz zu Mitarbeitern mit starken Motivausprägungen – ganz gleich ob blau oder rot – ist dieser Mitarbeiter in der Lage, tatsächlich einen neutralen Standpunkt einzunehmen. Aufgrund seiner hohen Flexibilität werden die Führungsherausforderungen im Umgang mit diesen Mitarbeitern weniger groß sein. Die Herausforderung liegt eher darin, die stärkeren Tendenzen in den Motivausprägungen zu erkennen und daraus ableitend entsprechende Akzente zu setzen. Sie sollten als Führungskraft darauf achten, den Mitarbeiter nicht kontinuierlich mit gleichbleibenden Aufgaben zu betrauen. Unterschiedliche Aufgaben, die den Fähigkeiten des Mitarbeiters entsprechen, werden eine gute Motivationsgrundlage sein. Die vorgestellten Profile sind zum Teil komplex und vielschichtig. Ich habe sie bewusst ausgewählt, um Ihnen ein paar interessante Beispiele zu geben. Sie dürfen aber davon ausgehen, dass nicht alle Ihre Mitarbeiter über vergleichbar vielfältige Motivausprägungen verfügen. Wenn Sie Ihre eigenen Mitarbeiter einschätzen wollen, lassen Sie sich Zeit dabei und gehen Sie schrittweise vor. Vielleicht haben Sie zu einzelnen Mitarbeitern für ein oder zwei Motive einen klaren Eindruck. Dann schätzen sie erst einmal diese ein. Sie sollten, wie gesagt, nicht den Anspruch haben, alle Motive in der Fremdeinschätzung erfassen zu

6  Umsetzung in die Praxis – Mitarbeiterbeispiele …

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Abb. 6.4   Mitarbeiterprofil D

können. Das würde ich mir selber nicht zutrauen. Vielleicht gewinnen Sie mit der Zeit mehr Eindrücke durch Beobachtungen und aus Gesprächen mit den Mitarbeitern. Dann ergänzen Sie diese in Ihren Profilen. In der Führung können Sie sich erst einmal auf einzelne ausgeprägte Motive beschränken. Wenn Sie damit erfolgreich sind, fragen Sie sich, welche Ableitungen Sie aus bestimmten Kombinationen für Ihr Führungshandeln treffen können.

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Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

In Kap. 5 und 6 haben Sie viele Hinweise erhalten, wie Sie die Rahmenbedingungen und Führungssituation für Ihre Mitarbeiter entsprechend deren Motivausprägungen oder Motivkonstellationen so gestalten können, dass diese ihre intrinsische Motivation in Leistung umsetzen können. Durch die Ausprägungen in den individuellen Profilen ist das vielleicht nicht immer ganz leicht. Vielleicht werden Sie feststellen, dass Ihnen die Führung von Mitarbeitern, die ähnliche Motivausprägungen haben wie Sie selbst, eher leicht fällt. Häufig müssen Sie bei ihnen gar nicht lange nachdenken und treffen fast immer automatisch die richtigen Entscheidungen, den richtigen Ton und finden die richtigen Maßnahmen für diese Mitarbeiter. Das, was für Sie richtig und wichtig ist, ist auch für Ihre Mitarbeiter mit vergleichbaren Motivausprägungen richtig. Anders gestaltet sich die Situation, wenn ein Mitarbeiter im Vergleich zu Ihnen deutlich unterschiedliche oder entgegengesetzte Motivausprägungen hat. Für diese Mitarbeiter fällt es Ihnen schwer, sich vorzustellen, wie Sie den Mitarbeiter optimal ansprechen und führen können, um seine Motive und Bedürfnisse zu befriedigen. Bei Ausprägungen, die wir selber nicht haben, fehlt uns das Gespür dafür, was diese Mitarbeiter gut und was sie nicht gut finden. Wir können es selbst ja nicht erleben. Für diese Mitarbeiter können wir das richtige Führungshandeln nur aus unserem Wissen ableiten. Dabei helfen Ihnen die Ausführungen in den vorherigen Kapiteln. In diesem Kapitel gehe ich auf einige besondere Führungssituationen bzw. Herausforderungen ein. Es geht um: • • • •

die Gestaltung von Rahmenbedingungen, das Delegieren von Aufgaben, den Umgang mit Feedback und den Umgang mit Konflikten.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Rohrschneider, Sinnhaft führen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5_7

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

Jedes Thema für sich ist sehr umfassend und könnte jeweils ein halbes Buch füllen. Vor diesem Hintergrund gehe ich in diesem Kapitel nur auf die im Hinblick auf die Motivation besonders relevanten Aspekte ein.

7.1 Die richtigen Rahmenbedingungen für mehr Leistungsbereitschaft schaffen Die Gestaltung der Rahmenbedingungen bezieht sich auf das berufliche Umfeld der Mitarbeiter. Das können Kleinigkeiten sein, die häufig kaum Aufwand erfordern, aber dennoch eine große Wirkung erzielen können. Einige Umfeldfaktoren können Sie als Führungskraft leicht beeinflussen, andere werden Ihnen vielleicht vom Unternehmen vorgegeben und sind für Sie nur in begrenztem Umfang oder gar nicht beeinflussbar. Das Ziel sollte immer sein, an den für Sie möglichen „Stellschrauben“ zu drehen, um für Ihre Mitarbeiter möglichst optimale Bedingungen zu schaffen. Da, wo Ihr Einfluss an Grenzen stößt, müssen Sie und Ihre Mitarbeiter die Situation akzeptieren und das Beste daraus machen.

7.1.1 Schön, dass ihr da seid Rahmenbedingungen betreffen auch das „gute Miteinander“. Auch, wenn Mitarbeitern mit bestimmten Motivausprägungen, wie z. B. einer roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE oder einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE, sozialen Kontakt nicht als Selbstzweck suchen, kommt doch jeder Mensch gerne an einen Arbeitsplatz, an dem eine positive Stimmung herrscht, man die Zusammenarbeit mit anderen schätzt und die Möglichkeit hat, sich auszutauschen. Hierzu können Sie einen wichtigen Beitrag leisten. Zum einen ist es natürlich wichtig, dass Sie als Vorbild agieren. D. h., Sie sollten einen freundlichen Umgangston pflegen, ein vertrauensvolles, offenes Verhältnis zu Ihren Mitarbeitern etablieren, wertschätzend mit ihnen umgehen und sie auch in schwierigen Situationen fair und respektvoll behandeln. Hinsichtlich einer aktiven Gestaltung von Rahmenbedingungen ist es z. B. wichtig, Ihren Mitarbeitern Raum und Zeit für den gemeinsamen Austausch zu geben. Dies betrifft sicherlich in erster Linie die Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv AUTONOMIE und einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE. Aber auch Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS suchen den Austausch mit anderen, z. B. um Entscheidungsfragen gemeinsam zu besprechen. Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv REVANCHE schätzen einen respektvollen und konfliktfreien Umgang mit anderen. Im Umgang miteinander bedeutet die Gestaltung der Rahmenbedingungen, dass die Mitarbeiter auch untereinander einen wertschätzenden Umgangston pflegen. Können Sie beobachten, dass dies nicht der Fall ist, gilt es, dieses Verhalten anzusprechen und auf eine Veränderung hinzuwirken. Ein gutes Miteinander zu gestalten,

7.1  Die richtigen Rahmenbedingungen für mehr Leistungsbereitschaft schaffen

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beinhaltet nicht, dass Sie andauernd private Aktivitäten miteinander initiieren müssen. Wenn Ihre Mitarbeiter hierfür offen sind, geben Sie ihnen den Raum und beteiligen Sie sich, soweit Sie selbst möchten, gerne daran. Am besten ist es hier, sich im Team offen darüber auszutauschen, welches Bedürfnis nach gemeinsamen Aktivitäten, die über die Arbeitszeit hinausgehen, bei den Einzelnen besteht. Kann jeder seine Bedürfnisse offen formulieren, wird sich im Kollegenkreis schnell eine Akzeptanz für einen unterschiedlichen Umgang mit dieser Frage etablieren. Wissen die Kollegen, was jedem Einzelnen wichtig ist und warum, werden sie das Verhalten akzeptieren. Viel Zeit zum Austausch wird bei uns im Unternehmen z. B. in der Mittagszeit genutzt. Aber auch hier kann es passieren, dass Kollegen, die weniger interessiert an einem umfangreichen Austausch sind, sich nur für die tatsächliche Essenszeit am gemeinsamen Mittagessen beteiligen und sich dann wieder ihren Aufgaben zuwenden, spazieren gehen oder etwas Privates erledigen. Andere Mitarbeiter nutzen das Mittagessen ausgiebig für den gemeinsamen Austausch. Dass dies dem ein oder anderen wichtiger ist, ist im Kollegenkreis akzeptiert.

7.1.2 Hier fühle ich mich wohl, hier bin ich gern Zur Gestaltung der Rahmenbedingungen zählt auch das Arbeitsumfeld, z. B. die Büroeinrichtung oder das Firmengebäude mit seiner Ausstattung. Sicherlich gibt es Menschen, denen das Umfeld für die Leistungserbringung egal ist. Vielen anderen, z. B. denen mit einer roten Ausprägung im Motiv STATUS oder SINNLICHKEIT, ist ein ansprechendes und gut gestaltetes Umfeld jedoch wichtig. Am einfachsten zu handhaben ist dieser Aspekt für Sie, wenn die Mitarbeiter ihr Umfeld (Büroeinrichtung, Schreibtischorganisation, Dekoration des Raumes etc.) selbst gestalten können. Während der eine Pflanzen aufstellt und Bilder an die Wand hängt, um sich wohlzufühlen, verzichtet der andere vielleicht völlig darauf. Lassen Sie hier Spielraum, kann sich jeder Mitarbeiter das Umfeld schaffen, in dem er sich wohlfühlt und produktiv und zufrieden arbeiten kann. Kontraproduktiv ist es, wenn in Unternehmen an oberster Stelle die Entscheidung getroffen wird, dass alle Büros exakt gleich eingerichtet und ausgestattet und alle privaten Gegenstände der Mitarbeiter entfernt werden müssen. In einem ­Unternehmen, mit dem ich zusammengearbeitet habe, führte diese Entscheidung zu deutlicher Missstimmung unter den Mitarbeitern. Vorher konnten die Mitarbeiter ihre privaten kleinen Dekorationsstücke, seien es Bilder, Pflanzen, Blumensträuße oder anderes in ihre Büros stellen. Plötzlich kam die Anordnung, all diese Dinge wegzuräumen und nur noch vom Unternehmen ausgegebene Dekorationsgegenstände zu verwenden. Dass manchen Mitarbeitern der Werbekalender des Unternehmens als Dekoration nicht ausreicht, ist leicht nachvollziehbar. Dass ein sehr familienmotivierter Mitarbeiter gerne im Laufe des Tages ein Bild seiner Kinder betrachtet und traurig oder ärgerlich ist, wenn er dies nicht mehr kann, ebenfalls. In meinen Augen gibt es auch keinen Grund, Mitarbeitern diese kleinen Freuden zu verbieten. Im Gegenteil: Sie zerstören damit nur die Motivation Ihrer Mitarbeiter.

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

Zu Rahmenbedingungen kann man auch weitere Aspekte der Arbeitsplatzgestaltung bzw. der Arbeitsbedingungen zählen. Hier geht es z. B. um die Möglichkeit eines schnellen Informationszugriffs. Wie breit, wie vielfältig sind die Möglichkeiten der Mitarbeiter, auf Informationen, die sie für ihre Arbeit brauchen, zurückzugreifen? Zeitschriften, Bibliotheken aber auch ein freier Internetzugriff bieten Gestaltungsspielraum. Eine weitere Arbeitsbedingung ist, einfach ein wenig Platz zu haben, um die Dinge, die man zum Arbeiten benötigt, auch unterzubringen. D. h., Büros, die nicht zu klein sind, bieten den einzelnen Mitarbeitern mehr Spielraum und insbesondere für Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR ist die Möglichkeit, all ihre Dinge in der gewünschten Ordnung unterzubringen, sehr wichtig. Vielen Mitarbeitern ist auch die technische Ausstattung ihres Arbeitsplatzes wichtig. Mit einer modernen, technischen Ausstattung motivieren Sie sicherlich Mitarbeiter mit eine roten Ausprägung im Motiv NEUGIER, STRUKTUR oder STATUS. Ein jeder bevorzugt sie aus unterschiedlichen Gründen, aber Sie werden mit einer guten Ausstattung in EDV und Kommunikationstechnik vielen Mitarbeitern Bedingungen schaffen, die sie positiv ansprechen und in denen sie ihre Leistung gerne erbringen. Arbeitsbedingungen betreffen auch so etwas Banales wie Parkmöglichkeiten. Dass ein Parkplatz an der richtigen Stelle, z. B. nah am Eingang, für bestimmte Mitarbeiter ein Statussymbol ist, konnten wir bereits in der Fernsehserie Stromberg lernen. Stromberg macht mit seinem nicht ganz fairen Kampf um einen besonders guten und überdachten Parkplatz nahe dem Eingang deutlich, dass auch Parkplätze etwas Besonderes sein können. Neben diesem Statussymbol geht es bei Parkmöglichkeiten aber natürlich auch um Zeitersparnis, um Struktur, um Erleichterung und einfach um die Aufmerksamkeit des Unternehmens seinen Mitarbeitern gegenüber.

7.1.3 So wenig wie möglich, soviel wie nötig Eine weitere Rahmenbedingung, auf die ich kurz eingehen möchte, sind die Arbeitszeiten. Die motivierende oder auch demotivierende Wirkung, die sich aus der Gestaltung der Arbeitszeiten ergeben kann, kann aus den unterschiedlichsten Motiven resultieren. Zum Teil geht es um die direkt erlebte Gestaltungsfreiheit (rote Ausprägung im Motiv AUTONOMIE, STRUKTUR), zum Teil darum, dass die Arbeitszeitgestaltung Mittel zum Zweck für bestimmte Motive ist (rote Ausprägung im Motiv FAMILIE, SOZIALKONTAKTE oder BEWEGUNG – ich kann z. B. morgens vor der Arbeit Sport machen, weil ich erst um 9:00 Uhr anfangen muss). Den größten Gestaltungsfreiraum bieten Sie Ihren Mitarbeitern, wenn im Unternehmen eine großzügige Gleitzeitregelung oder Vertrauensarbeitszeit, die wirklich auf Vertrauen basiert, etabliert ist. Im Rahmen von Gleitzeitregelungen können Mitarbeiter die für sie passenden Arbeitszeiten innerhalb eines relativ breiten Rahmens selbst gestalten. Während es manche bevorzugen, von morgens um 7:00 Uhr bis nachmittags um 16:00 oder 17:00 Uhr zu arbeiten, möchten andere dann anfangen, wann es ihnen gerade passt. Das kann an einem Tag vielleicht

7.2  Delegieren – Die Kunst, die Lust auf eine Aufgabe zu übertragen

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morgens um 6:30 Uhr sein, weil die Kinder den Familienvater schon früh aus dem Bett geholt haben, am nächsten Tag aber vielleicht erst um 9:30 Uhr, weil an diesem Tag das Kind morgens nicht im Kindergarten bleiben wollte. Wenn eine solche Regelung wirklich ohne Ärger möglich ist, ist sie sehr motivierend. Gleiches betrifft die Gestaltung der Mittagspause. Solange Ihre Mitarbeiter eine qualitativ hochwertige Leistung erbringen, gibt es keinen Grund, warum definiert werden muss, ob eine Mittagspause eine halbe oder eine ganze Stunde dauert. Wie am Anfang des Kapitels schon angeführt, kann die Mittagspause eine von den Mitarbeitern geschätzte Zeit zum privaten Austausch sein. Andere Mitarbeiter erledigen vielleicht private Dinge in der Mittagspause. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie das Anliegen, welches der Mitarbeiter während seiner Mittagspause realisieren möchte, wichtig oder richtig finden, sondern es geht um die Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft Ihrer Mitarbeiter. Hierfür ein Beispiel: In einem Unternehmen gab es die feste Regel, dass die Mittagspause eine halbe Stunde dauert und dass bei längerer Mittagspause (maximal bis zu einer Stunde) dies in der Zeiterfassung erfasst wird. Ein Mitarbeiter wollte für einen abgegrenzten Zeitraum von vier Monaten die Mittagspause gerne auf eineinhalb Stunden verlängern. Sein Chef erklärte diese Frage zur Geschäftsführungsangelegenheit. Dort wurde das Anliegen des Mitarbeiters verneint. Es muss an dieser Stelle beachtet werden, dass es sich um einen Mitarbeiter handelte, der immer viele Überstunden leistete, die vom Unternehmen nicht abgegolten wurden. Das Nein war für den Mitarbeiter schon frustrierend genug. Als er dann noch erfuhr, dass in anderen Abteilungen Mitarbeiter eineinhalb Stunden weg waren, weil sie mit ihrem Hund spazieren gehen mussten, wirkte das nachhaltig negativ auf seine Motivation. Er reduzierte daraufhin seine Überstunden deutlich. Derartig unnötige Demotivation können Sie leicht vermeiden, wenn Sie sich vor Augen halten, dass Ihre Mitarbeiter sehr unterschiedlich und individuell sind. Sicherlich gibt es Rahmenbedingungen, die von Mitarbeitern eingehalten und akzeptiert werden müssen, in der Regel ist das aber auch nichts, was zur Diskussion steht. Es sind eher die kleinen Freiheiten, die es Mitarbeitern erlauben, ihre Bedürfnisse zu befriedigen oder ihre Arbeitszeit so zu gestalten, dass sie für sie optimal passt.

7.2 Delegieren – Die Kunst, die Lust auf eine Aufgabe zu übertragen Das Delegieren von Aufgaben erfolgt immer mit dem Ziel der Entlastung des Vorgesetzten, der Motivationssteigerung der Mitarbeiter und des Lernens bzw. der Entwicklung der Mitarbeiter. Beim Delegieren geht es nicht um alltägliche Aufgaben, die der Mitarbeiter ohnehin ausführt, oder die Aussage „Schreiben Sie bitte mal diese Notiz an Herrn Mustermann“. Es geht um Aufgaben, die Sie aus Ihrem eigenen Tätigkeitsbereich an Mitarbeiter abgeben, um diesen neue Herausforderungen zu bieten, sie zu fördern und sich selbst gleichzeitig Freiraum für andere, wichtige oder übergreifende Aufgaben zu verschaffen.

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

Die größte Hürde beim Delegieren liegt meiner Erfahrung nach in der Persönlichkeit der Führungskraft. Es gibt Führungskräfte, denen es aufgrund ihrer Motivstruktur leichtfällt, Aufgaben zu delegieren. Eine Motivausprägung, welche das Delegieren aus meiner Erfahrung erleichtert, ist eine blaue Ausprägung im Motiv AUTONOMIE. Führungskräfte mit dieser Motivausprägung sind in ihrem Inneren davon überzeugt, dass man Aufgaben gemeinsam lösen und andere Menschen selbstverständlich um Hilfe bitten kann. Vor diesem Hintergrund fällt es ihnen leichter, Aufgaben abzugeben. Sehr oft erlebe ich jedoch in meiner Zusammenarbeit mit Führungskräften viele innere Hürden, die das Delegieren von Aufgaben erschweren. Da ist z. B. der Gedanke „Die anderen machen es sowieso nicht gut genug, ich mache es lieber gleich selber“. Dieser Gedanke wird Führungskräften mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS, aber ggf. auch mit einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR durchaus vertraut sein. „Nur, wenn ich die Aufgabe selbst bearbeite, hat sie die Struktur und die Aufbereitungsqualität, die ich für richtig erachte“ (rote Ausprägung im Motiv STRUKTUR). Bei solchen Gedanken kann das Delegieren von Aufgaben von der Führungskraft leicht als Mehrbelastung anstatt als Entlastung erlebt werden. Delegieren heißt für diese Führungskräfte, dass sie unglaublich viel Arbeit und Aufwand mit der Anleitung und Kontrolle haben, bis die Aufgabe von einem Mitarbeiter so bearbeitet wird, wie sie es selbst gemacht hätten. Durchaus richtig ist, dass Sie als Führungskraft beim Delegieren akzeptieren müssen, dass Aufgaben anders bearbeitet werden und andere Ansprüchen zu der Aufgabenbearbeitung angelegt werden. Jeder Mitarbeiter wird die Aufgabe zumindest ein bisschen anders erledigen als Sie selbst. Delegieren Sie nicht, werden alle Aufgaben für alle Zeiten auf Ihrem Schreibtisch liegen bleiben. Nehme ich mein eigenes Unternehmen und unser Aufgabenspektrum als Beispiel, ist bei uns das Schreiben von Angeboten eine besondere Herausforderung. Angebote müssen die Leistungen für den Kunden in vollem Umfang widerspiegeln und einzelne Schritte detailliert beschreiben. Schnell kommen 30 bis 40 Seiten zusammen. Ein solches inhaltliches Angebot zu schreiben, muss gelernt werden. Junge Berater benötigen sicherlich 20 Angebote, bis diese in guter Qualität erstellt werden können. Für mich bedeutet das 20‐mal mehr Arbeit hinsichtlich der Anleitung und Kontrolle dieser Angebote. Am Anfang braucht es z. T. drei bis vier Korrekturschleifen, bis das Angebot dem Qualitätsstandard unseres Unternehmens entspricht. Wichtig ist aber: Nach dieser mühsamen Übungsphase können die Mitarbeiter selbstständig sehr gute Angebote erstellen und ich werde entlastet. Würde ich die Aufgabe nicht delegieren, müsste ich wahrscheinlich jedes Wochenende Angebote schreiben. Diese Aussicht ist für keine Führungskraft besonders verlockend. Weitere Gedanken, die Führungskräfte daran hindern, Aufgaben zu delegieren, sind „Das schaffe ich alleine“ bzw. „Das schaffe ich auch noch“. Diese Gedanken können sowohl aus einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS, AUTONOMIE oder einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG oder SICHERHEIT resultieren. Auch wenn Sie die Aufgaben selbst bearbeiten können, bedenken Sie, dass

7.2  Delegieren – Die Kunst, die Lust auf eine Aufgabe zu übertragen

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Delegieren auch der Mitarbeiterentwicklung und ‐motivation dient. Motivation heißt auch, Mitarbeitern Aufgaben zu bieten, an denen sie wachsen und mit denen sie neue Erfolgserlebnisse haben können. Ein anderer Gedanke, der Führungskräfte am Delegieren von Aufgaben hindern kann, ist der Gedanke: „Ich will meine Mitarbeiter damit nicht belasten“. Diesen Gedanken werden Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE („Ich will nicht in die Freiheit anderer Menschen eingreifen“) aber auch Führungskräfte mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG („Ich will nicht riskieren, dass meine Mitarbeiter wegen der Aufgabe verärgert sind“) kennen. Hier geht es eher darum, vermeiden zu wollen, dass sich der Mitarbeiter unkomfortabel fühlt und vielleicht negative Gedanken und Gefühle entwickelt. Diese Gefahr können Sie reduzieren, wenn Sie sich bei der Delegation einer Aufgabe genau überlegen, für welchen Mitarbeiter eine Aufgabe eine positive Herausforderung und motivierend ist. Ein weiterer, hindernder Aspekt beim Delegieren ist der von verschiedenen Führungskräften erlebte Kontrollverlust. Denn Delegieren ist die Abgabe der Aufgabe aber auch die der Verantwortung und Entscheidungskompetenz. D. h., ich muss meinem Mitarbeiter einen entsprechenden Freiraum gewähren und meine eigenen Kontrollbedürfnisse einschränken. Das Gefühl des Kontrollverlustes kann aus einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS, STRUKTUR, SICHERHEIT, REVANCHE oder einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG resultieren. Ein weiterer Grund, warum Führungskräfte Aufgaben aus ihrem Verantwortungsbereich nicht oder nur schwer an Mitarbeiter delegieren, ist ihr Festhalten an fachlichen, inhaltlichen Aufgaben. Aufgrund ihrer eigenen Persönlichkeitsstruktur finden sie viele Aspekte an der eigentlichen Führungsaufgabe, nämlich die Auseinandersetzung, Kommunikation, Anleitung und Kontrolle von Mitarbeitern, eher belastend. Dies kann z. B. aus einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS, SOZIALKONTAKTE oder einer roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE, SOZIALE ANERKENNUNG oder auch NEUGIER resultieren. Vor dem Hintergrund der eigenen Motivation halten Führungskräfte dann gerne an ihren „alten“ fachlichen Aufgaben fest. Man kann durchaus formulieren, dass sich diese Führungskräfte ein Stück weit hinter ihren Fachaufgaben verstecken und sich vor ihrer eigentlichen Aufgabe – der Mitarbeiterführung – „drücken“. Sie bleiben lieber in ihrem Büro sitzen und beschäftigen sich mit inhaltlichen Fragen, als zu ihren Mitarbeitern zu gehen und zu führen. Prüfen Sie für sich selbst Ihre Gedanken, wenn es um das Thema Delegation geht. Welche der aufgeführten Gedanken sind Ihnen vertraut? Wenn Sie verstehen, warum es Ihnen schwerfällt, Aufgaben zu delegieren, können Sie leichter Ihren „inneren Schweinehund“ überwinden und diesbezüglich zu einem erfolgreichen Verhalten gelangen. Vergegenwärtigen Sie sich vor dem Hintergrund Ihrer Motivationsstruktur, warum das Delegieren von Aufgaben sinnvoll und nützlich für Ihre Mitarbeiter ist und auch, wo Ihr Gewinn ist. Fällt Ihnen das Delegieren z. B. aufgrund Ihrer roten Ausprägung in den

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

Motiven EINFLUSS oder AUTONOMIE schwer, machen Sie sich klar, dass Sie über das Delegieren mehr Freiraum für Ihre persönliche Aufgabengestaltung gewinnen und selbst neue Aufgaben, die neue Herausforderungen und Erfolge versprechen, in Angriff nehmen können. Neben der Entlastung der Führungskraft hat das Delegieren das Ziel der Mitarbeitermotivation. Sollen delegierte Aufgaben den Mitarbeiter motivieren, ist es natürlich von entscheidender Bedeutung, dass die ausgewählte Aufgabe auch zur Motivationsstruktur des Mitarbeiters passt. Wenn Sie an einen Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv NEUGIER die Aufgabe übertragen, ein völlig neues Konzept von 30‐seitigem Umfang zu erstellen, werden Sie bei ihm sicherlich keine Motivation hervorrufen. Er wird eher gequält an die Aufgabe herangehen und davon träumen, wieder zu seinen Aufgaben zurückzukommen, bei denen die Umsetzung im Vordergrund steht. D. h., neben den Fragen zur Zielsetzung, zum Zeitraum und zur Art der Aufgabenerledigung ist es von entscheidender Bedeutung zu fragen, welche Aufgabe am besten zu welchem Mitarbeiter passt. Die Fragen, die Ihnen beim Delegieren grundsätzlich helfen, sind in der Abb. 7.1 aufgeführt.

Abb. 7.1   Wichtige Fragen im Rahmen des Delegierens

7.2  Delegieren – Die Kunst, die Lust auf eine Aufgabe zu übertragen

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Insbesondere bei den Fragen „Wer?“, „Wie?“ und „Wann?“ sind wichtige Motivationsaspekte aufseiten des Mitarbeiters zu beachten. „Wer?“ umfasst selbstverständlich auch die Frage nach den Kompetenzen, aber vielmehr die Frage danach, für welchen Mitarbeiter diese Aufgabe einen positiven Anreiz bietet: Ein positiver Anreiz, weil er die Aufgabe gerne macht, weil sie seiner intrinsischen Motivation entspricht. So kann beispielsweise die Neuorganisation der Ablage für einen Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR sehr motivierend sein, weil er hier sein Bedürfnis nach einem klaren Ordnungssystem, nach Struktur und einem aufgeräumten Arbeitsplatz befriedigt. Die gleiche Aufgabe kann aber auch deshalb motivieren, weil sie für den Mitarbeiter eine neue Herausforderung darstellt. Neue Herausforderungen können in der Schwierigkeit oder im Neuigkeitsgehalt der Aufgabe bestehen (rote Ausprägung in den Motiven EINFLUSS und NEUGIER oder blaue Ausprägung in den Motiven SOZIALE ANERKENNUNG und SICHERHEIT). Bei der Frage, wen die Aufgabe motiviert, fragen Sie „Wem macht sie Spaß?“, „Für wen ist es eine positive Herausforderung?“, „Wer kann etwas dabei für sich lernen?“ und „Erfüllt die Aufgabe für diesen Mitarbeiter motivatorische Aspekte?“. Die Motivation ist auch beim „Wie?“ der Aufgabenerledigung zu beachten. Hier geht es um den Aspekt, dass Mitarbeiter für ein motiviertes Arbeiten unterschiedlich viel Freiraum bzw. Anleitung benötigen. Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung in den Motiven EINFLUSS, AUTONOMIE oder einer blauen Ausprägung in den Motiven SOZIALE ANERKENNUNG, SICHERHEIT und PRINZIPIEN, sowie STRUKTUR bevorzugen größere Gestaltungsspielräume. Die Art des Freiraums und die Begründung hierfür sind unterschiedlich und ergeben sich aus ihren Motiven. Ist es bei einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS z. B. die Entscheidungsfreiheit, so mag es bei einer blauen Ausprägung im Motiv STRUKTUR die Kreativität oder freie Wahl der Vorgehensweise sein, die im Vordergrund steht. Andere Mitarbeiter bevorzugen dagegen mehr Austausch und Anleitung von Ihnen. Dies trifft z. B. für Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS oder AUTONOMIE zu. Auch für das Maß an Kontrolle und Feedbackschleifen liefern die Motivausprägungen wertvolle Hinweise. Ihre Mitarbeiter werden sich deutlich darin unterscheiden, wann sie Feedbacktermine als Kontrolle oder als hilfreiche Unterstützung durch Sie als Führungskraft erleben. Es gilt wiederum, dass Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS, AUTONOMIE oder einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG, STRUKTUR oder SICHERHEIT weniger Kontrolle wünschen. Für Mitarbeiter mit blauen Ausprägungen im Motiv EINFLUSS, AUTONOMIE oder einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG, SOZIALKONTAKTE, STRUKTUR und SICHERHEIT sind häufigere Feedbackschleifen mit einem konstruktiven, inhaltlichen und wertschätzenden Feedback motivierend. Für den Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG geht es darum, dass er Fehler vermeiden will und von Ihnen hören

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

möchte, dass er auf dem richtigen Weg ist. Für den Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS geht es darum, mit Ihnen Entscheidungen zu besprechen, um Klarheit für sein Vorgehen zu gewinnen. Wenn Sie neben der Aufgabenauswahl auch die Gestaltung der Rahmenbedingungen vor dem Delegieren prüfen, werden Ihre Mitarbeiter in der Lage sein, die Aufgaben in der gewünschten Qualität und Zeit zu bearbeiten und zwar mit Spaß und intrinsisch motiviert. Vielleicht werden Sie jetzt denken „Wenn das so einfach wäre …“, weil es in der Realität Ihres Arbeitsumfeldes natürlich auch Aufgaben gibt, die niemand gerne macht, die aber dennoch delegiert werden müssen. Im günstigen Falle haben sie vielleicht noch den positiven Nebeneffekt, dass der Mitarbeiter, der sie übernimmt, dabei etwas lernt. Anderenfalls gilt es, Klarheit darüber zu schaffen, dass auch unbeliebte Aufgaben zum Gesamterfolg des Teams und des Unternehmens beitragen und schlicht und ergreifend erledigt werden müssen. Hierbei geht es dann nicht um die explizite Motivation des Einzelnen, sondern um die Erfolgssicherung für das Team und das Unternehmen. Wichtig bei unbeliebten Aufgaben ist, diese gleichmäßig auf die Mitglieder des Teams zu verteilen und zu erklären, warum diese wichtig sind. Werfen wir abschließend zum Thema Delegation noch einen Blick auf den dritten wichtigen Aspekt des Delegierens: Das Lernen für Mitarbeiter bzw. deren Entwicklung. Mitarbeiter reagieren auf die Übernahme neuer oder zusätzlicher Aufgaben nicht immer mit spontaner Freude. Lernen und sich entwickeln heißt ja auch, ich übernehme Aufgaben, die ich bisher noch nicht bearbeitet habe. Aufgaben, von denen ich nicht weiß, ob ich sie erfolgreich ausführen kann. Für bestimmte Mitarbeiter ist dies kein Problem (rote Ausprägung in den Motiven EINFLUSS und REVANCHE oder eine blaue Ausprägung in den Motiven SOZIALE ANERKENNUNG und SICHERHEIT). Für andere kann aber genau dieser Aspekt schon eine große Hürde darstellen (rote Ausprägung in den Motiven SOZIALE ANERKENNUNG und SICHERHEIT). Trotzdem können Sie in diesen Fällen natürlich nicht sagen „Ich bewahre dich vor fremden, neuen, herausfordernden Aufgaben“ und dabei in Kauf nehmen, dass dieser Mitarbeiter sich nicht entwickeln und nichts Neues mehr lernen wird. Vielmehr geht es an dieser Stelle darum, den Mitarbeiter bei der Aufgabenbearbeitung so anzuleiten und zu begleiten, dass zu große Unsicherheiten und Ängste vor Misserfolgen und/oder deren Konsequenzen erst gar nicht entstehen. Lernen heißt, den Mitarbeiter aus seiner Komfortzone herauszuführen und ihm neue Chancen zu ermöglichen. Hat ein unsicherer Mitarbeiter die Aufgabe dann erfolgreich bearbeitet, werden der Stolz und die Freude umso größer sein. Dies ist in der nachfolgenden Abb. 7.2 noch einmal grafisch dargestellt. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, die Mitarbeiter (auch gegen deren eventuellen Einwände) immer wieder aus der Komfortzone in die Lernzone zu bewegen. Nur in der Lernzone ist die aktive Weiterentwicklung des Mitarbeiters möglich. Eine Bewegung in die Zone der Überforderung sollte jedoch aktiv verhindert werden, um Demotivation zu vermeiden.

7.3  Feedback – des einen Freud, des anderen Leid

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Abb. 7.2   Zonen der Mitarbeiterförderung sowie dazugehörige Emotionen

7.3 Feedback – des einen Freud, des anderen Leid Feedback ist ein weiterer wichtiger Bestandteil Ihres motivierenden Führungshandelns. Im Grunde genommen geben Sie mit vielen kleinen Rückmeldungen Feedback an Ihre Mitarbeiter. Allein die Aussage „In dieses Schreiben müssen wir noch einen weiteren Absatz einfügen“ ist schon eine Rückmeldung, dass bei diesem Schreiben noch etwas fehlt. Im Tagesgeschäft machen wir uns häufig wenig Gedanken darüber, was wir mit diesen vielen kleinen Aussagen bewirken oder auslösen. Das ist gut, birgt aber auch Gefahren, denn wir können dabei ganz unbemerkt motivierend wirken, aber auch demotivierend. Das macht Feedback alles andere als trivial. Grundsätzlich hat Feedback viele positive Aspekte. Oberste Zielsetzung ist, dem Mitarbeiter zu vermitteln, was richtig und falsch ist hinsichtlich seiner Vorgehensweise, seiner Arbeitsqualität, seiner Quantität und der benötigten Zeit und wie er seine Leistung weiter optimieren kann. Damit dient Feedback der fortwährenden Ausbildung der Mitarbeiter, da sie nur so erfahren können, wann sie ihre Aufgaben gut erledigen. Mit Feedback vermitteln Sie immer auch eigene Wertvorstellungen und Erwartungen an die Aufgabenerfüllung. Nur auf diese Weise bekommen Mitarbeiter eine Richtschnur, an

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

der sie sich orientieren können. Feedback hilft uns dabei, Probleme zu lösen und Missverständnisse zu klären. Wenn über Dinge, die vom Mitarbeiter anders als erwartet ausgeführt wurden, geredet wird, kann geklärt werden, ob es sich hierbei um Unkenntnis und Nichtkönnen eines Mitarbeiters handelt, ob Führungskraft und Mitarbeiter einfach aneinander vorbei geredet haben oder ob es aufgrund unterschiedlicher Motive um unterschiedliche Werte und Vorstellungen geht. All diese Aspekte tragen natürlich auch dazu bei, dass ein Abgleich zwischen Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung (gleichzusetzen mit Selbstbild und Fremdbild) erfolgt. Der Mitarbeiter weiß, wo er in den Augen seiner Führungskraft steht und wie diese seine Leistung einschätzt. Dies kann er mit seiner Selbsteinschätzung abgleichen. Besonders wichtig ist hier, wie in Abschn. 3.2 bereits angeführt, dass der Mitarbeiter auch Feedback zu Verhaltensweisen bekommt, die er selber gar nicht wahrnimmt (Blinde Flecken), für die er kein Bewusstsein, vor allen Dingen hinsichtlich ihrer Wirkung auf andere, hat. Das gleiche gilt natürlich auch umgekehrt, wenn Mitarbeiter ihrer Führungskraft Feedback geben. Sollten Ihre Mitarbeiter Ihnen Feedback geben, freuen Sie sich darüber und nutzen Sie es intensiv zur Verbesserung und Weiterentwicklung Ihres eigenen Führungshandelns. Zu guter Letzt trägt Feedback natürlich auch zur Intensivierung der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter bei. Ohne an dieser Stelle tiefergehend auf die grundlegende Feedbackregeln einzugehen, ist es selbstverständlich, dass Sie bei Ihrem Feedback immer darauf achten sollten, dass dieses konkret auf ein Verhalten oder einen Sachverhalt bzw. eine inhaltliche Leistung bezogen, fair und sachlich ist und konstruktiv erfolgt. Konstruktiv bedeutet hier nichts anderes, als dass Sie dem Mitarbeiter – vor allen Dingen bei kritischem Feedback – aufzeigen, wie er seine Leistung verbessern oder weiterentwickeln kann. Sehr vorteilhaft für Feedback an Ihre Mitarbeiter ist die Verwendung von Ich‐Botschaften. Ich‐Botschaften beinhalten, dass Sie Ihr Feedback in folgender Form formulieren: „In meiner Wahrnehmung können Sie diese Leistung noch qualitativ höherwertig ausführen.“ Aussagen in der Ich-Form sind weniger angreifend und darüber hinaus ist Ihre Wahrnehmung unstrittig. Ich-Botschaften wirken darüber hinaus auf den Feedbackempfänger weniger vorwurfsvoll. D. h., die Gefahr, dass sich ein Mitarbeiter verschließt – vor allem bei kritischer Rückmeldung – ist geringer. In der Literatur finden Sie unterschiedliche Tipps zum Feedback geben. Unter anderem auch das Sandwich-Modell (Abb. 7.3). Dieses Vorgehen kann ich Ihnen nur bedingt empfehlen. Sie können das Sandwich-Modell nutzen, wenn Sie wissen, dass Ihr Mitarbeiter eine neutrale Aus­ prägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG hat. Bei Mitarbeitern mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG besteht die Gefahr, dass sie Ihre Kritik in der Mischung mit positiven Feedback nicht deutlich genug wahrnehmen. Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG, werden dagegen Ihr positives Feedback nicht wahrnehmen, weil sie bei Kritik nur noch das kritische Feedback hören. Die Motivausprägung Ihrer Mitarbeiter im Motiv SOZIALE

7.3  Feedback – des einen Freud, des anderen Leid

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Abb. 7.3   Das Sandwich-Modell des Feedbacks

ANERKENNUNG gibt Ihnen den Leitfaden für richtiges Feedback bei diesen Mitarbeitern. Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG gehen mit Feedback komplett anders um als Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG. Beide Mitarbeitertypen werden vielleicht formulieren, dass sie Feedback gut und wertvoll finden. „Mit der Hand auf dem Herzen“ gilt dies allerdings nur für die Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG. Positives Feedback finden auch Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG gut. Für sie bildet es ihre Leistungsgrundlage. Wenn aber Gefahr besteht, dass sie negatives Feedback erhalten könnten, wird ein Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG wahrscheinlich immer sagen „Ich kann auf dieses Feedback gut verzichten“. Er hat Angst davor, denn die Kritik würde ihn verletzen und verunsichern. Schauen wir uns die Herausforderungen für wirkungsvolles Feedback genauer an.

7.3.1 Kritik als Leistungskiller – Feedback für Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG streben danach, fehlerfrei zu arbeiten und ihre Leistung perfekt abzugeben, um für diese Leistung anerkannt und gelobt zu werden. Wenn Sie bei einer Aufgabe eine perfekte Leistung benötigen, können Sie hierfür nur einen Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG einsetzten. Nur sie können Perfektion leisten. Beobachtung aus dem Leistungssport und der Wirtschaft zeigen, dass diese

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

Menschen, im Vergleich zu Menschen mit einer blauen Ausprägung, die besseren Leistungen erbringen. Dies aber nur unter der Bedingung, dass sie für ihre Leistung auch Anerkennung bekommen. Im Sport ist das einfacher, weil auf einen Sieg auch der gewünschte Applaus erfolgt. In Unternehmen ist das bei weitem nicht so. Nicht alle Führungskräfte sprechen Anerkennung für gute Leistung aus. „Nicht geschimpft ist genug gelobt“ ist immer noch eine weit verbreitete Haltung vor allem bei Führungskräften mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG. Für Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG gilt: Anerkennung ist der Motor für Leistung. Wenn Sie diese Mitarbeiter loben, ist es von besonderer Bedeutung, dass Ihr Lob frei von jeglicher Einschränkung ist und keine Kritik enthält. Das Sandwichmodell ist bei diesen Mitarbeitern kontraproduktiv und erzeugt Frust statt Motivation. Auch eine Aussage wie z. B. „Im Prinzip sind das gute Ergebnisse“ verfehlt das Ziel der Motivation, weil in „im Prinzip“ eine Einschränkung und damit für Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv Soziale SOZIALE ANERKENNUNG eine Kritik steckt. Diese Mitarbeiter prüfen ständig, ob das, was sie tun, von ihrer Umwelt honoriert wird oder nicht. D. h., sie haben feine Antennen für Rückmeldungen von außen und für das, was sie gut und das, was sie schlecht gemacht haben. In der Regel können Sie davon ausgehen, dass Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG sehr genau wissen, was sie gut und was sie nicht gut gemacht haben. Sie sind sich selbst gegenüber sehr kritisch und werten ihre eigene Leistung lieber ab als auf. Zum Teil neigen sie dazu, eigene Fehler zu verbergen, weil sie die Kritik vermeiden wollen. Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG fühlen sich schnell kritisiert, auch wenn dies in einer bestimmten Situation gar nicht Ihre Intention war. Die einfache Frage „Ist der Brief an die Bank schon raus?“ führt bei dem Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG zum Erleben von Kritik, wenn er den Brief noch nicht verschickt hat. Er hört Kritik, weil er weiß, dass er die Leistung noch nicht erbracht hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie Ihre Frage kritisch oder nur interessiert gestellt haben. Vor diesem Hintergrund sollte es Sie in Zukunft nicht mehr wundern, wenn ein Mitarbeiter auf eine von Ihnen neutral gemeinte Aussage plötzlich emotional reagiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass er in Ihre neutrale Aussage Kritik hineininterpretiert, ist hoch, weil er für sich selbst der Meinung ist, dass er die Leistung schon längst hätte erbringen müssen. Anerkennung und Wertschätzung sind für SOZIALE ANERKENNUNG rot motivierte Mitarbeiter die Leistungsgrundlage. Sind sie vorhanden, leisten sie aus sich selbst heraus. Bei diesen Mitarbeitern werden Sie eine Leistungssteigerung erleben, wenn sie Wertschätzung und positives Feedback von Ihnen bekommen. Dabei muss dieses positive Feedback nicht immer in einem ausgiebigen Vier‐Augen‐Gespräch erfolgen. Es ist das kleine „Danke“, „Gut gemacht“, „Schön“, „Gefällt mir gut“ im Alltag viel wertvoller. Ein explizites, positives Feedback motiviert und erfreut den Mitarbeiter umso mehr.

7.3  Feedback – des einen Freud, des anderen Leid

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Geht es bei einem Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG darum, dass Sie zu seiner Leistung Kritik äußern müssen, gibt es einige Tipps, um zu vermeiden, dass der Mitarbeiter aufgrund der Kritik demotiviert reagiert: • Trennen Sie Anerkennung und Kritik immer strikt. • Fragen Sie den Mitarbeiter nach seiner Selbsteinschätzung zu der erbrachten Leistung. Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG haben eine eher kritische Selbsteinschätzung. Meistens sind sie der Überzeugung, dass sie immer noch etwas hätten besser machen können. Vor diesem Hintergrund wird der Mitarbeiter eher eine realistische Selbsteinschätzung abgeben, also benennen, was nicht so gut gelaufen ist. Wenn er dies tut, reicht es, wenn Sie kurz anführen, dass Sie die Situation genauso einschätzen wie er. Danach reden sie mit dem Mitarbeiter nur noch darüber, wie er beim nächsten Mal Fehler vermeiden und eine „perfekte“ Leistung erbringen kann. Jedes Benennen des Fehlers ist demotivierend. Das gilt auch für ein langes Kreisen um den Fehler, um ihn zu erklären. • Wenn Sie eine Leistungs- oder Verhaltensänderung bewirken wollen, verdeutlichen Sie dem Mitarbeiter, wann für Sie die Leistung/das Verhalten so ist, dass Sie ihm dafür Anerkennung geben. Formulieren sie z. B.: „Wenn du beim nächsten Mal YXZ machst, finde ich das toll, das ist dann für mich ein perfektes Ergebnis“. Verzichten Sie ganz auf Kritik. • Müssen Sie einen Fehler doch einmal explizit benennen, benennen Sie ihn einmalig und kurz und wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit dann auf die Aspekte, die es dem Mitarbeiter ermöglichen, in Zukunft eine erfolgreiche Leistung zubringen. Dafür wird er sich entsprechend anstrengen. „Hacken“ Sie hingegen auf der Fehlleistung herum und geben dem Mitarbeiter keine Verbesserungshinweise, wird Ihr Kritikgespräch zu einem Demotivationsgespräch. • Wenn Sie die Leistung des Mitarbeiters kritisieren müssen, stellen Sie zu Beginn Ihrer Kritik gegenüber dem Mitarbeiter klar, dass Sie ihn in seiner Gesamtleistung und als Person sehr schätzen. Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG können eine sachliche Kritik nicht immer von einer persönlichen Kritik trennen. Sie vermischen beides und gehen mit der inneren Überzeugung aus Ihrem Büro: „Ich bin schlecht, ich genüge nicht und mache alles falsch.“ • Bei Mitarbeitern mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG müssen Sie damit rechnen, dass diese bei Kritik eventuell sehr emotional reagieren. Es kann durchaus passieren, dass diese Mitarbeiter plötzlich zu weinen beginnen. Sprechen Sie Verständnis für die emotionale Reaktion aus und betonen Sie noch einmal die Bereiche, in denen sie gute Leistungen erbringen. Eine emotionale Reaktion kann sich auch in einer Abwehrhaltung des Mitarbeiters ausdrücken. Diese Abwehr äußert sich häufig in Rechtfertigungen und Aussagen dazu, warum er für die Fehler

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

eigentlich gar nichts kann. Das können Sie aber alles vermeiden, wenn Sie bei diesen Mitarbeitern auf Kritik verzichten. In der Zusammenarbeit mit Mitarbeitern mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG hat es sich für mich sehr bewährt, ihnen viel Zutrauen und Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit zu geben. Gerade, wenn neue Aufgaben in Angriff genommen werden müssen, ist es für den Mitarbeiter gut, wenn Sie ihm vermitteln, dass Sie davon überzeugt sind, dass er das gut machen wird und dass er alle notwendigen Kompetenzen für die Aufgaben besitzt. Machen Sie Ihrem Mitarbeiter Mut, damit er mit Selbstbewusstsein an die Aufgabe herangehen kann.

7.3.2 Ohne Beweise keine Fehler – Kritik bei Mitarbeitern mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG Deutlich anders stellt sich der Umgang mit Kritik bei Mitarbeitern mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG dar. Mitarbeiter mit dieser Motivausprägung sind von ihrer eigenen Leistung und Leistungsfähigkeit überzeugt. Vor dem Hintergrund ihres hohen Selbstbewusstseins (je nach Ausprägungsgrad des Motivs) sind sie davon überzeugt, dass sie gut sind und ihre Aufgaben erfolgreich bearbeiten. Dieses Selbstbild ist sehr stabil. Dies und die Eigenschaft, dass Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG aus try & error und aus Fehlern lernen, führt dazu, dass sie auch bei einer Aufgabe, die sie noch nie gemacht haben, kein großes Zögern erleben werden. Bei der Frage: „Hast Du das schon einmal gemacht und kannst Du das?“ kommt ggf. ein trockenes: „Nein, aber ich mache das dann mal“ zurück. Häufig sind sie auch zutiefst davon überzeugt, dass sie mit ihrer Meinung Recht haben und die anderen im Unrecht sind. Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG brauchen kein explizites Lob zum Aufbau ihres Selbstbildes und Selbstbewusstseins. Halten Sie sich auch bei diesen Mitarbeitern trotzdem an die Regel „Lob schadet niemandem“. Eine meiner Mitarbeiterinnen mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG bekommt aufgrund ihrer hervorragenden Leistungen viel Lob von mir. Einmal sagte sie zu mir: „Ich brauche das zwar nicht, aber mach trotzdem weiter, es ist schön zu hören.“ Auch bei Mitarbeitern mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG sollten Sie auf Lob, Anerkennung und Wertschätzung nicht verzichten. Im Gegensatz zu den Mitarbeitern mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG brauchen Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG sehr klare, konkrete und sachliche Kritik. Bei diesen Mitarbeitern ist es notwendig, dass Sie Ihre kritischen Anmerkungen deutlich formulieren. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn Sie als Führungskraft selbst eine rote Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG haben. Dann fällt es Ihnen schwer, Kritik in der notwendigen Klarheit und Direktheit zu formulieren. Sie selbst

7.4  Worum geht es wirklich? – Emotionale Verletzungen und Konflikte vermeiden

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würde eine so deutliche Kritik verletzen. Gegenüber Ihren Mitarbeitern mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG brauchen Sie diese Klarheit aber, damit sie die Kritik überhaupt als solche verstehen. Ist Ihre Kritik berechtigt und sachlich, hat der Mitarbeiter in der Regel keine Schwierigkeiten damit, sie anzunehmen, zu akzeptieren und sich vielleicht sogar dafür zu bedanken. Sie sollten durch Nachfragen auf jeden Fall absichern, ob der Mitarbeiter die kritischen Anmerkungen richtig verstanden hat und in korrekte Handlungsimpulse umsetzt. Fehlt die Klarheit in Ihren Aussagen, werden Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG Ihre kritisch gemeinten Aussagen als gar nicht so kritisch wahrnehmen und deswegen auch eine Veränderung ihres Verhaltens nicht für notwendig erachten. Schwieriger wird die Vermittlung von Kritik an Mitarbeiter mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG dann, wenn diese Ihre Kritik als unsachlich oder unberechtigt empfinden. Sie neigen dann dazu, Ihre Worte schlichtweg abzulehnen, nicht anzunehmen und Sie als Kritiker gleichsam abzuwerten. Ein anderes Problem ergibt sich, wenn der Mitarbeiter Sie als Kritikgebenden nicht akzeptiert. Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG nehmen nicht von jedem Kritik an. Ein Nichtakzeptieren der Kritik kann in einem grundsätzlichen Akzeptanzproblem begründet sein. So haben wir es bei uns im Unternehmen bereits erlebt, dass Praktikanten mit einem stark blau ausgeprägten Motiv SOZIALE ANERKENNUNG von jungen Beratern keine Kritik annehmen wollten und einfach bei ihrer Meinung und ihrem Vorgehen geblieben sind. Die gleiche Kritik durch die Geschäftsführung wurde sofort akzeptiert. Ein Nichtannehmen der Kritik kann auch vor dem Hintergrund erfolgen, dass der Mitarbeiter der Meinung ist, Sie als Chef machen es selbst auch nicht besser. Ein Mitarbeiter erlebte seine Führungskraft aufgrund ihrer roten Ausprägung im Motiv NEUGIER als sehr sprunghaft und chaotisch. Der Mitarbeiter hatte eine blaue Ausprägung im Motiv STRUKTUR und agierte entsprechend unsystematisch und z. T. konzeptlos. Das wurde von der Führungskraft kritisiert. Die Antwort des Mitarbeiters war: „Die Führungskraft muss erst einmal selber ihr Verhalten ändern, sie ist ja selbst völlig chaotisch.“

7.4 Worum geht es wirklich? – Emotionale Verletzungen und Konflikte vermeiden Wenn wir mehrere Menschen versammeln und sie zusammenarbeiten lassen, entstehen im Alltag häufig schnell und sehr leicht Unstimmigkeiten und Konflikte. Es geht um unterschiedliche Sichtweisen, Meinungen, Interessen, Herangehensweisen usw. Können diese Themen untereinander zeitnah geklärt werden, sind kleinere Konflikte in der Zusammenarbeit auch nicht weiter tragisch. Sie dienen vielmehr dazu, Unterschiede in der Sichtweise und Herangehensweise offenzulegen und ermöglichen Absprachen oder ein „Sich‐Einstellen“ darauf. Schwierig wird es dann, wenn die Kontrahenten unter-

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

einander oder auch Sie als Führungskraft es, aus welchen Gründen auch immer, versäumen, einen Konflikt frühzeitig anzusprechen und eine Klärung in dem Stadium herbeizuführen, in dem dies noch leicht möglich ist. Solche nicht angesprochenen Konflikte haben die Tendenz, vor sich hin zu schwelen und sich zu verschlimmern bzw. zu vertiefen. In der Abb. 7.4 werden die Stufen der Konflikteskalation nach F. Glasl dargestellt (2009). Sie machen deutlich, wie es aus einer leichten Verstimmung relativ schnell auch zu einem wirklichen „Krieg“ unter den Beteiligten kommen kann. Die Stufen der Konflikteskalation nach Glasl beschreiben den Konfliktverlauf in seiner Intensität. Bei der Betrachtung von Konflikten kann man darüber hinaus grundsätzlich vier unterschiedliche Ebenen, auf denen Konflikte stattfinden können, unterscheiden. Die vier Ebenen – Sachebene, Prozessebene, Beziehungs‐/Rollenebene, Sinnebene – beschreiben zum einen, worum es in einem Konflikt geht, zum anderen machen sie aber auch deutlich, dass eine Lösung umso schwieriger wird, je tiefer die Ebene ist, auf der der Konflikt liegt. Nachfolgende Abbildung verdeutlicht die unterschiedlichen Konfliktebenen (Abb. 7.5). Um die Schwierigkeiten, die wir bei der Konfliktlösung häufig haben, zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, dass es für jede Konfliktklärung notwendig ist, im ersten Schritt zu klären, auf welcher Ebene ein Konflikt liegt. Liegt ein Konflikt z. B. auf der Beziehungs-/Rollenebene und eine Konfliktlösung wird auf der Sachebene herbeigeführt, wird diese nicht tragfähig sein. Der tatsächliche Konflikt auf der B ­ eziehungs-/Rollenebene ist nicht geklärt und wird immer wieder dazu führen, dass neue Konflikte auf der

Abb. 7.4   Die neun Eskalationsstufen nach Glasl

7.4  Worum geht es wirklich? – Emotionale Verletzungen und Konflikte vermeiden

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Abb. 7.5   Die Ebene des Konflikts

Prozess- oder Sachebene entstehen. Das heißt, eine wirkliche Konfliktlösung ist nur möglich, wenn die Konflikte auf der „richtigen“ Ebene angegangen werden. Auf der Sachebene geht es um sachlich-inhaltliche Fragen. In der Regel können wir diese Fragen relativ leicht durch ein vernünftiges, klärendes Gespräch und das Sammeln von Fakten klären. Zum Teil geht es hier eher um Verhandlungssituationen als um wirkliche Konflikte. Diese Unterscheidung „Verhandlung versus Konflikt“ ist dort erlaubt, wo auf der Sachebene noch keine Emotionen im Spiel sind. Von einem wirklichen Konflikt reden wir erst dann, wenn die betroffenen Personen auch emotional involviert sind. Die Arbeit mit den 16 Lebensmotiven macht deutlich, dass Konflikte im ersten Schritt aus Missverständnissen entstehen. Mit Missverständnis ist gemeint, dass eine Person A eine Person B bei ihrem Handeln beobachtet und deren Handeln in keiner Weise nachvollziehen kann. Es geht hier also um ein wirkliches „Ich verstehe Dich nicht“. Nehmen wir als Beispiel das Motiv STRUKTUR. Beobachtet eine Person mit einer blauen Ausprägung im Motiv STRUKTUR eine mit einer roten Ausprägung bei der Gestaltung ihrer Ablage, wird sie dieser wahrscheinlich verständnislos zusehen, sich über die an den Tag gelegte Akribie wundern und sich vielleicht denken: „Man kann es auch übertreiben.“ Nicht viel anders wird es der Person mit der roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR gehen, wenn sie die Ablage des blau motivierten Kollegen betrachtet. Bei der Betrachtung der auf dem Schreibtisch aufgehäuften und vielleicht auch noch auf dem Fußboden vorhandenen Ablagestapel wird ihr nicht mehr einfallen als: „Was für ein Saustall, wie kann man in diesem Umfeld nur arbeiten?“ Beide können das gegenseitige Vorgehen nicht verstehen, weil es nicht in ihr persönliches Werte- und Motivationsprofil passt, nicht ihrer Vorstellung von „richtig“ und „falsch“ entspricht. Jeder ist durch seine Motive geprägt: Die Person mit der roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR durch ihr Streben nach Struktur, Ordnung etc. und die mit der blauen Ausprägung durch das Streben nach Spontaneität, Flexibilität und Freiheit von Strukturen. Schauen die

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

beiden sich nur kopfschüttelnd zu und gehen sich in der weiteren Zusammenarbeit aus dem Weg, wird außer einigen spitzen Bemerkungen im Alltag nicht viel passieren. Ein Konflikt nimmt seinen weiteren Verlauf, wenn eine der beiden Personen der sogenannten Selbstillusion oder auch Selbstüberschätzung unterliegt, die sie glauben lässt, dass ihr eigenes Vorgehen das einzig richtige ist. Wenn dieser Gedanke handlungsrelevant wird, beginnt der sogenannte Prozess der Wertetyrannei. Mit Wertetyrannei ist gemeint, dass Person A beginnt, Person B davon überzeugen zu wollen, dass ihr Vorgehen und ihre Sichtweise die einzig richtige ist und Person B jetzt unbedingt ihr Handeln ändern muss. Zurück zu unserem Beispiel könnte Person A mit einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR z. B. anfangen, Person B beibringen zu wollen, wie man eine Ablage richtig organisiert, wie man aufräumt, wie man Ordner beschriftet usw. Person B wird dies sehr schnell als Eingriff in ihre persönliche Gestaltungsfreiheit und in ihr eigenes Wertesystem erleben. Entsprechend wird sie anfangen, sich dagegen zu wehren und ihrerseits Person A zeigen wollen, dass deren „Ordnungswahn“ die reinste Zeitverschwendung ist. Dieser Prozess, geprägt durch Missverständnis, Selbstillusion und Wertetyrannei, führt schnell zu einem handfesten Konflikt. Vermieden werden könnte dies nur, wenn beide Personen die innere Reife haben, zu sagen: „Du bist halt anders als ich und das ist auch ok. Mach es, wie Du willst. Ich dränge dir meine Überzeugung nicht auf.“ Übertragen wir diese drei Schritte der Konfliktentstehung auf die vier Konfliktebenen, dann können wir diesen Ablauf bereits auf der Sach- und auf der Prozessebene beobachten. Immer dort, wo die Persönlichkeit ins Spiel kommt und damit auch eine emotionale Beteiligung, verschärfen sich Konflikte. Auf der Sachebene kann es z. B. um die Frage „Was machen wir?“ gehen. Unterschiedliche Haltungen in dieser Frage können sich zum einen aus einem „Gegeneinander“, welches in unterschiedlichen Motiven begründet ist, ergeben. Der Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS will das Konzept noch fertig machen, während der Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv FAMILIE wie versprochen zu seinen Kindern will. Der Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv NEUGIER will unbedingt noch Informationen recherchieren, während der Mitarbeiter mit einer roten Ausprägung im Motiv ESSENSGENUSS Mittagspause machen will. Konflikte auf der Sachebene können aber auch in den unterschiedlichen Vorlieben, die sich aus unterschiedlichen Ausprägungen in einem Motiv ergeben, resultieren. So will die Mitarbeiterin mit einer blauen Ausprägung im Motiv SICHERHEIT beim jährlichen Teamevent eine Klettertour machen, während der Kollege mit einer roten Ausprägung im Motiv SICHERHEIT ein Wellness-Wochenende bevorzugt. Auf der Prozessebene befinden wir uns noch auf einer Ebene, auf der das Für und Wider einer bestimmten Vorgehensweise sachlich diskutiert werden könnte. Trotzdem stellen wir bei einer genaueren Betrachtung fest, dass es auf dieser Ebene bereits stark um persönliche Vorlieben geht – und damit auch um Motive. Bei der Frage „Wie machen wir es?“ kann es sowohl zu Missverständnissen als auch zu Selbstillusion und Wertetyrannei kommen. Es geht dann um die Frage: „Warum siehst du nicht ein, dass mein

7.4  Worum geht es wirklich? – Emotionale Verletzungen und Konflikte vermeiden

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Vorgehen das richtige ist und wir es unbedingt so und auf keinen Fall anders machen müssen?“ Verschiedene Vorgehensweisen können sich aus den unterschiedlichsten Motiven ergeben. Beim Motiv AUTONOMIE geht es z. B. um die Frage „Wieviel machen wir zusammen?“ (blaue Ausprägung im Motiv AUTONOMIE) bzw. „Ist zu viel Zusammenarbeit nicht einfach Zeitverschwendung und jeder macht seinen Teil besser und schneller alleine?“ (rote Ausprägung im Motiv AUTONOMIE). Beim Motiv STRUKTUR kann es z. B. um die Frage gehen „Stellen wir zuerst einen Prozess auf (rote Ausprägung) oder fangen wir einfach mal irgendwie an?“ (blaue Ausprägung). Unterschiedliche Vorgehensweisen ergeben sich z. B. auch aus dem Motiv PRINZIPIEN. Hier geht es um die Frage „Orientieren wir uns in unserem Vorgehen an bestimmten Regeln, Absprachen und Werten (rote Ausprägung) oder suchen wir den pragmatischen und am schnellsten realisierbaren Weg?“ (blaue Ausprägung). Die Motivation aus dem Motiv REVANCHE stellt ein weiteres Beispiel dar. Hierbei geht es um die Frage „Gehen wir harmonisch/ harmonisierend vor (blaue Ausprägung im Motiv REVANCHE) oder zeigen wir dem anderen, dass wir die Stärkeren sind?“ (rote Ausprägung im Motiv REVANCHE). Stellen Sie sich vor, bei der Projektarbeit hat eine andere Abteilung die notwendigen Vorarbeiten für Ihre Mitarbeiter nicht geleistet. Da dadurch Ihre Mitarbeiter mit einer bestimmten Arbeit nicht rechtzeitig fertig werden konnten, haben sie Ärger mit dem Bereichsleiter bekommen. Von Ihren beiden Mitarbeitern hat einer eine blaue und der andere eine rote Ausprägung im Motiv REVANCHE. Beide ärgern sich über den Vorfall, gehen aber dennoch völlig unterschiedlich damit um. Während Ihr Mitarbeiter mit der roten Ausprägung im Motiv REVANCHE wie folgt argumentiert: „Das können wir uns nicht gefallen lassen, wir müssen uns unbedingt wehren, dagegen müssen wir angehen, hier müssen wir uns unbedingt durchsetzen“, wird Ihr Mitarbeiter mit der blauen Ausprägung im Motiv REVANCHE eher argumentieren: „Streiten bringt doch nichts, das macht doch alles nur noch schlimmer, wir müssen miteinander reden und einen Konsens finden, wir müssen auf die anderen zugehen.“ Die Situation kann durchaus eskalieren, sodass Ihre beiden Mitarbeiter miteinander in Konflikt geraten, weil sie sich nicht auf eine gemeinsame Vorgehensweise im Umgang mit der Nachbarabteilung einigen können. Erfolgt nicht rechtzeitig eine Klärung, durch die für beide die unterschiedlichen Sichtweisen verständlich werden, durchlaufen sie den Prozess „Missverständnis“, „Selbstüberschätzung“ und „Wertetyrannei“ und der Streit ist unvermeidbar. Wenn Sie unter Ihren Mitarbeitern vergleichbare Kontroversen beobachten, ist es gut, möglichst schnell einzugreifen. Nachdem Sie mit jedem einzeln gesprochen haben, sollten Sie beide an einen Tisch holen, um eine gemeinsame Konfliktlösung zu erarbeiten. Hierbei geht es darum, • die unterschiedlichen Sichtweisen aufzudecken, • zu verdeutlichen, dass es in dem Konflikt nicht um ein „Gegeneinander“, sondern um unterschiedliche Werte und Bedürfnisse geht,

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

• die Vor‐ und Nachteile der einzelnen Sichtweisen/Vorgehensweisen darzustellen, • Synergien zwischen beiden Vorgehensweisen zu verdeutlichen und • eine Einigung für das Vorgehen in der aktuellen Situation herbeizuführen. Eine Lösung dieser Situation ist nur möglich, wenn den Beteiligten klar ist, dass ihre unterschiedlichen Haltungen aus ihren jeweiligen, gegensätzlichen Motivausprägungen resultieren. Erst dann wird es möglich, für das Gegenüber und seine Vorgehensweise Verständnis aufzubringen. Insgesamt ist es vor diesem Hintergrund wichtig, im eigenen Führungshandeln darauf zu achten, dass unterschiedliche Vorgehensweisen im Team akzeptiert werden und dass ein Verständnis bei den Mitarbeitern dafür vorhanden ist, warum der Einzelne so handelt, wie er es tut. Darüber hinaus können Sie für unterschiedliche Aufgaben unterschiedliche Vorgehensweisen vereinbaren und darauf hinwirken, dass die bevorzugte Vorgehensweise von jedem Einzelnen genutzt wird. Nur so können Sie auf Dauer immer wieder aufkeimende Konflikte vermeiden. Haben die Mitarbeiter verstanden, dass sich aus ihren Motivausprägungen unterschiedliche Vorlieben in der Sachentscheidung, der Prozessgestaltung und im Vorgehen ergeben, können sie das als „falsch“ und „fremd“ wahrgenommene Vorgehen der Kollegen besser verstehen, sich darauf einlassen und Synergien erkennen. Schwieriger wird die Konfliktklärung, wenn der Konflikt bereits die Beziehungs‐/ Rollenebene erreicht hat. Konflikte auf der Beziehungs‐/Rollenebene können in jedem Motiv begründet sein. Sie ergeben sich aus dem Prozess „Missverstehen“, „Selbstüberschätzung“ und „Wertetyrannei“. Auf dieser Ebene geht es darum, dass jemand als Person oder in seiner Rolle nicht akzeptiert wird. Eine mangelnde Akzeptanz in der Rolle kann Ihnen auch als Führungskraft passieren, wenn einer Ihrer Mitarbeiter Sie als seine Führungskraft und als Weisungsbefugten nicht akzeptiert. Auf der Beziehungsebene sind die Beteiligten in der Regel persönlich und emotional sehr involviert. Der Konflikt kann durchaus noch unterschwellig laufen, er kann sich aber auch schon in einem offenen und feindlichen „Gegeneinander“ äußern. Auf jeden Fall führt ein solcher Konflikt zu einer deutlichen Leistungsbeeinträchtigung. Konflikte können direkt auf dieser Ebene beginnen oder sich dort verfestigen, wenn sie auf der Prozessebene nicht geklärt wurden. Die Wertetyrannei kommt jetzt deutlich zum Tragen, die Personen erleben die Aussagen und das Handeln des anderen als persönlichen Angriff. Es besteht die Überzeugung, dass der eine absichtlich die Werte und Bedürfnisse des anderen verletzen will. Ist dieses Stadium erreicht, wird auch auf Kleinigkeiten sehr emotional reagiert. Die beiden Kontrahenten sehen sich ausschließlich negativ und können sich einander kaum noch oder nicht mehr verständlich machen. Ist ein Konflikt so weit fortgeschritten, hilft nur noch eine Konfliktmoderation oder ‐ mediation. Hierbei ist es wichtig, dass Sie als Führungskraft kritisch hinterfragen, ob Sie selbst aufgrund Ihrer Persönlichkeit als Konfliktmoderator fungieren wollen und können. Zentral ist hierbei die Frage, ob Sie gegenüber beiden Personen und den vorgebrachten Inhalten vollkommen neutral sind. Die Regeln der Konfliktmoderation gibt Abb. 7.6 wieder.

7.4  Worum geht es wirklich? – Emotionale Verletzungen und Konflikte vermeiden

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Abb. 7.6   Die Regeln der Konfliktmoderation

Wenn Sie selbst das Gefühl haben, dass Sie einer der beiden Sichtweisen oder Personen näherstehen, sollten Sie auf einen neutralen Konfliktmoderator zurückgreifen. Wichtig ist an dieser Stelle auch die Frage, wie Ihr eigener Umgang mit Konflikten aussieht. Sind Konflikte für Sie eher unangenehme Situationen, die Sie in Ihrem persönlichen Alltag meiden? Dann ist es sicherlich besser, einen externen Moderator hinzuzuziehen. Zur Konfliktlösung geht es wieder darum zu klären, wie die unterschiedlichen Sichtweisen, Wahrnehmungen und Befindlichkeiten sind. Es muss geklärt werden, wo Missverständnisse aufgetreten sind, die zu dem Erleben führen: „Der andere handelt gegen mich.“ Geklärt werden muss auch, was das Handeln beim Gegenüber verursacht und was der Handelnde damit eigentlich erreichen will. Das Ziel einer Konfliktmoderation besteht im Aufbau eines gegenseitigen Verständnisses auf der Ebene der persönlichen Motive. Die beiden Kontrahenten müssen verstehen, warum der jeweils andere so handelt, wie er es tut und dass dieses Handeln nicht gegen seine Person gerichtet ist. Doch selbst, wenn diese Erkenntnis im Rahmen einer Konfliktmoderation gewonnen wird, bleibt die Zusammenarbeit zwischen den beiden Kontrahenten schwierig und leicht störbar. Bis sich eine tiefere Einsicht gefestigt hat, dass der andere nicht gegen mich arbeitet und eine auf der Sachebene verankerte Akzeptanz der anderen Werte, Vorgehensweisen und Bedürfnisse besteht, dauert es eine Weile. Zunächst muss immer wieder gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden. Für Sie als Führungskraft bedeutet das eine sorgfältige Beobachtung der Mitarbeiter und ein

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

schnelles Ansprechen von Störungen. Das heißt auch immer wieder, daran zu erinnern, woraus sich unterschiedliche Wahrnehmungen ergeben. Ebenfalls gut ist es, Absprachen und Regeln zur Zusammenarbeit zu vereinbaren. Falls die Kontrahenten trotz all Ihrer Bemühungen nicht zueinander finden, müssen Sie den Kontakt zwischen beiden reduzieren oder die Beteiligten sogar trennen. Beispiel

Im Rahmen einer Teamentwicklung mit dem LUXXprofile erkannten zwei der Teilnehmer, worin ihre ständig wiederkehrenden Konflikte begründet waren. Sie waren primär verursacht durch eine unterschiedliche Werthaltung und Motivausprägung in den Motiven STRUKTUR und PRINZIPIEN. Durch die neu gewonnenen Einsichten in der Teamentwicklung fanden die beiden einen neuen Weg der Zusammenarbeit. Im zweiten Modul der Teamentwicklung berichteten sie von einer deutlich verbesserten und konstruktiveren Zusammenarbeit. Leider fehlte nach Abschluss der Teamentwicklung die Aufmerksamkeit für die Verletzlichkeit der eben neu etablierten Beziehung. So kam es wieder zu Handlungen, die die Beteiligten als gegen die eigene Person gerichtet erlebten. In einem ein Jahr später erfolgenden Strategieworkshop machten sie sich gegenseitig den Vorwurf, sich nicht genügend bemüht zu haben, sich auf den anderen einzustellen. Dieser Verlauf macht deutlich, dass Konflikte, die sich aus unterschiedlichen Motivausprägungen ergeben, schnell wieder aufbrechen können, da die persönliche Verletzlichkeit und Emotionalität bei stark ausgeprägten Motiven sehr hoch sind. ◄ Die tiefste Ebene eines Konfliktes ist die Ebene des Sinns. Hier geht es um die Frage, ob eine Zusammenarbeit überhaupt noch sinnvoll ist. Konflikte auf der Sinnebene können sich aufgrund eines sehr unterschiedlichen Erlebens aus deutlich gegensätzlichen Motivausprägungen ergeben. Auf beiden Seiten entsteht das Gefühl, dass man sich einander kaum noch annähern kann. Solche Konflikte können sich auch aus der „Nichtpassung“ zwischen der eigenen Persönlichkeit und einer Unternehmenskultur bzw. -struktur ergeben. Übertragen auf eine private Beziehung ist ein Konflikt auf der Sinnebene häufig der Punkt, an dem sich Partner voneinander trennen. Auch im betrieblichen Kontext führen Konflikte auf der Sinnebene zu Trennungen in Form von Kündigungen. Ein Konflikt verfestigt sich auf der Sinnebene, wenn in den früheren Konfliktstadien – auf der Sach-, Prozess- oder Beziehungsebene – keine Lösungen herbeigeführt wurden. Hier werden Sie nur über einen erfahrenen Mediator eine Lösung erarbeiten können. Auch in diesem Fall geht es erneut darum, Ursachen und Hintergründe der Verletzungen aufzudecken und als ersten Schritt den Willen zur Zusammenarbeit zu (re-)etablieren. Alle Beteiligten müssen ehrlich eine Konfliktlösung und eine Verbesserung der gemeinsamen Situation anstreben. Nach Offenlegung der Konfliktursachen müssen klare Absprachen und Maßnahmen vereinbart werden, die den Beteiligten helfen, die emotionalen Verletzungen zu verarbeiten und die entstandenen „Gräben“ zu überwinden.

7.4  Worum geht es wirklich? – Emotionale Verletzungen und Konflikte vermeiden

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Auch an dieser Stelle kann es notwendig sein, den Kontakt zwischen beiden zu reduzieren oder Mitarbeiter zu versetzen. Für die Stabilisierung der Situation sollte ein Zeitraum zur Beobachtung definiert werden, in dem Sie aufmerksam das Miteinander Ihrer Mitarbeiter beobachten. Intervenieren Sie rechtzeitig, wenn Sie Störungen feststellen. Nur so besteht eine Chance, die Situation tatsächlich nachhaltig zu klären. Die beschriebenen Konfliktdynamiken können selbstverständlich auch auf Sie selbst und die Zusammenarbeit mit einem Ihrer Mitarbeiter zutreffen. Auch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter besteht die Gefahr, dass sie mit ihren persönlichen Motivausprägungen, Werten und Bedürfnissen sehr weit auseinanderliegen. Als Führungskraft werden Sie dann wahrscheinlich sagen: „Ich verstehe diesen Mitarbeiter einfach nicht, ich komme nicht an ihn heran. Ich weiß nicht, wie ich ihn führen soll. Mir ist unklar, was er eigentlich will.“ Ihr Führungshandeln wird aufseiten des Mitarbeiters zu Widerstand, Ablehnung und auch zu Verletzungen führen – auch wenn Sie dies nicht bewusst intendieren. Der Konflikt resultiert aus dem Missverstehen, der Selbstillusion und der Wertetyrannei immer da, wo Sie Ihrem Mitarbeiter aufzeigen wollen, dass Ihr Vorgehen das richtige ist, und er vielleicht das Bedürfnis hat, Ihnen durch ein anderes Handeln zu beweisen, dass es auch anders geht. Abb. 7.7 veranschaulicht mit einem Paarprofil von einer Führungskraft und einem Mitarbeiter, welche Konfliktfelder sich zwischen diesen beiden Partnern ergeben. Die Führungskraft und der Mitarbeiter haben ein hohes Konfliktpotenzial in den Motiven EINFLUSS, SOZIALE ANERKENNUNG, STRUKTUR, FAMILIE, REVANCHE und durchaus auch im Motiv STATUS. Die Differenzen in den Motivausprägungen machen grundlegend unterschiedliche Werthaltungen in der Frage der Leistungserbringung und Arbeitsgestaltung deutlich. Die Führungskraft ist sehr leistungsmotiviert (rote Ausprägung im Motiv EINFLUSS, rote Ausprägung im Motiv REVANCHE), karriereorientiert (rote Ausprägung im Motiv STATUS) und relativ selbstbewusst (blaue Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG). Vor diesem Hintergrund wird sie eher die Überzeugung haben, dass man viel leisten und sich anstrengen muss und dass man dann auch alles schaffen kann. Der Mitarbeiter ist geprägt durch eine blaue Ausprägung im Motiv EINFLUSS, eine rote Ausprägung im Motiv SOZIALE ANEKENNUNG, eine blaue Ausprägung im Motiv REVANCHE sowie eine rote Ausprägung im Motiv FAMILIE. D. h., die Leistungsgrundlagen für diesen Mitarbeiter sind ein gutes Miteinander und die Fürsorge für die Familie. Von wesentlicher Bedeutung ist für ihn darüber hinaus, viel Anerkennung, Wertschätzung und Lob zu bekommen. In der Zusammenarbeit wird es der Führungskraft eher schwerfallen, dem Mitarbeiter bei Beobachtung seines Arbeitsverhaltens ausreichend Wertschätzung entgegenzubringen. Die Führungskraft wird immer wieder das Gefühl haben, dass der Mitarbeiter nicht fleißig genug ist, sich nicht anstrengt und sich nicht wirklich engagiert, sondern nur andere Interessen, wie z. B. seine Familie, im Kopf hat. Dass bei einer solchen Interpretation die notwendige Anerkennung ausbleibt, ist leicht nachvollziehbar. Differenzen werden beide auch in dem Punkt haben, wie qualitativ hochwertig unter dem Gesichtspunkt der Struktur eine Leistung zu erfolgen hat. Um eine gute

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7  Tipps und Tricks für besondere Führungssituationen

Abb. 7.7   Motivvergleich einer Führungskraft (FK) und ihrem Mitarbeiter (MA)

Zusammenarbeit zu ermöglichen, ist es wichtig, dass sich Mitarbeiter und Führungskraft mit ihren Profilen an einen Tisch setzen und die Differenzen in ihren Wahrnehmungen und Werten klären. Für beide ist es notwendig zu erkennen, wo der jeweils andere eine Synergie im eigenen Verhaltens‐ und Leistungsspektrum bieten kann. Darüber hinaus werden klare Absprachen die Zusammenarbeit verbessern. Z. B. ist die Führungskraft gefordert, dem Mitarbeiter die notwendige Anleitung und Entscheidungsunterstützung, die er für eine gute Leistungserbringung braucht, zu geben. Darüber hinaus muss die Führungskraft sehr bewusst darauf achten, dem Mitarbeiter für erbrachte Leistungen

Literatur

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auch eine positive Rückmeldung zu geben. Hinsichtlich der Ordnung müssen beide eine Vereinbarung treffen, um einen für beide akzeptablen gemeinsamen Nenner zu finden. Auch hinsichtlich des Bedürfnisses, sich um die Familie zu kümmern, müssen beide absprechen, welche Freiheiten der Mitarbeiter benötigt, um seinem Familienmotiv Rechnung zu tragen. Hierbei muss aber genauso geprüft werden, was für einen reibungslosen Ablauf in der Abteilung für die Führungskraft tragbar ist. Hinsichtlich der roten Ausprägung im Motiv REVANCHE bei der Führungskraft muss der Mitarbeiter lernen, sich nicht zu schnell von der Führungskraft angegriffen zu fühlen. Auch muss er lernen, und dies ist insbesondere aufgrund seiner roten Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG schwer für ihn, Verletzungen zu benennen und klare Grenzen gegenüber seiner Führungskraft zu formulieren. Wenn beide verstehen, wo sie sich gegenseitig ergänzen und sich klarmachen, dass der eine den anderen nicht bewusst verletzen will und in diesem Sinne eine offene Feedbackkultur etablieren, wird die Zusammenarbeit gut funktionieren können. Die Ausführungen zur Konfliktentstehung und ‐lösung veranschaulichen, wie hilfreich die Kenntnis und Arbeit mit den 16 Motiven auch in diesem Bereich ist. Neben der deutlichen Vereinfachung Ihres Führungshandelns hinsichtlich der Steuerung, Motivation, Kommunikation und Delegation bieten Ihnen die 16 Motive auch für die Konfliktprävention und ‐lösung und damit auch für die Teamentwicklung handfestes Wissen und Handlungskompetenz. Sie werden schnell merken, dass Sie mit einem individuellen, an den Motiven Ihrer Mitarbeiter orientierten Führungshandeln Ihre Ziele leichter, effizienter und für alle zufriedenstellend erreichen. Leistung erfolgt, weil sie Spaß macht und der Mitarbeiter sie von sich aus erbringt.

Literatur Glasl, F. (2009). Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater (9. Aufl.). Bern: Haupt.

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Beschreibung der 16 Motive

Nachfolgend finden Sie eine Beschreibung der 16 Motive. Aufgeführt ist, welche Bedürfnisse Menschen mit einer entsprechenden Motivausprägung haben und wie sich diese Bedürfnisse auf ihr Erleben, Denken und Verhalten auswirken können. Beschrieben ist dies immer für eine stark blaue und eine stark rote Motivausprägung. Nicht alles trifft auf alle Menschen mit einer entsprechenden Motivausprägung zu und die Beschreibungen sind auch nicht als abschließend zu betrachten. Es ist im Rahmen dieses Buches nur möglich, einen Auszug aus dem emotionalen Erleben und Verhalten von Menschen mit einer entsprechenden Motivausprägung zu beschreiben. Darüber hinaus habe ich wichtige Emotionen, die bei Motivbefriedigung oder aber Nichtbefriedigung erlebt werden, aufgenommen sowie wichtige Selbstaussagen oder sogenannte Glaubenssätze von Menschen mit einer entsprechenden Motivausprägung. Auf eine Beschreibung des Motivs SINNLICHKEIT, welches Bestandteil des diesem Buch zugrunde gelegten „LUXX16“ ist, habe ich verzichtet. Das Motiv SINNLICHKEIT wird im Businesskontext in der Regel nicht erfasst, da viele Menschen dies als zu privat erleben. Genutzt wird dann die Version „LUXX15“, bei der das Motiv SINNLICHKEIT nicht abgefragt wird. Das Motiv EINFLUSS – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS streben danach, auf der Basis ihrer Erfahrung und im Rahmen von Prozessen und Ablaufmustern zu handeln. Sie wollen andere nicht dominieren und ihnen sagen, was sie tun sollen. Geführt zu werden, erleben sie als hilfreich. Gesagt zu bekommen, was sie wie tun sollen, gibt ihnen Orientierung und richtet ihr Handeln in eine klare Richtung aus. Das erleben sie als entlastend und angenehm. Sie fühlen sich von der Verantwortung befreit. Sie akzeptieren gegebene Strukturen und Vorgaben, wenn diese nicht sehr starken anderen persön© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Rohrschneider, Sinnhaft führen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5_8

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lichen Werten widersprechen und fügen sich ein. Sie orientieren sich an den Wünschen und Bedürfnissen anderer. Führungskräfte mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS verstehen sich nicht als vorgebende Kraft, sondern als Dienstleister, Coach und Förderer ihrer Mitarbeiter. Sie wirken über Fragen darauf hin, dass diese ihre eigenen Entscheidungen treffen. Wenn sie selber Entscheidungen treffen müssen, fragen sie andere danach, wie sie entscheiden würden, oder treffen ihre Entscheidungen mit anderen zusammen. Wenn Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS gezwungen sind, zu entscheiden, Anweisungen zu geben und aktiv zu steuern, verlangt ihnen das viel Energie ab. Nicht entscheiden zu wollen, kann zu einem Einfluss‐ oder Entscheidungsvakuum führen. Starke Emotionen Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv EINFLUSS empfinden Freude, wenn sie andere unterstützen und Prozessen folgen können. Entscheidungen zu treffen, erleben sie als belastend, sie fühlen sich unter Druck. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will mich an Prozessen oder meinen Erfahrungen orientieren, entscheidungsoffene Situationen mag ich nicht“ • „Ich überlasse gern den anderen die Entscheidung.“, • „Meine Vorgesetzten geben mir Orientierung, wenn sie mir den Weg aufzeigen wie ich etwas machen soll, bei dem ich keine Erfahrung habe.“ Das Motiv EINFLUSS – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS streben danach, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. In diesem Sinne wollen sie Dinge selber gestalten („Ich sage, wie wir es machen“) und wirksam werden. Dafür sagen sie anderen gern, wie sie was zu machen haben (führen und steuern). Sie treten nicht selten dominant auf und üben Einfluss auf Menschen und Situationen aus. Dies kann sowohl durch ihre hohe Entscheidungsfreude, das bereitwillige und schnelle Erteilen von Ratschlägen, als auch durch direkte Anweisungen geschehen. Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS sind in der Regel sehr zielstrebig. Es geht ihnen darum, dass sie Erfolge generieren, das Ergebnis ist ihnen oft wichtiger als der Mensch. Sie sind oft ehrgeizig und bereit, ihre privaten Bedürfnisse hinter ihr Erfolgsstreben zurückzustellen. Sie erzeugen oft Druck auf andere, agieren schnell, wollen Schnelligkeit, treiben andere an und wirken oft ungeduldig und tough. Starke Emotionen Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv EINFLUSS genießen es, das Sagen zu haben. Der Einfluss, Prozesse und Menschen zu steuern, motiviert sie, sie fühlen sich stolz und wirksam. Wenn diesen Menschen keine Möglich-

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keit zur Einflussnahme gegeben wird, fühlen sie sich schnell ohnmächtig und frustriert und erleben Kontrollverlust. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will sagen, wie wir es machen. Ich will wenigstens mitreden/mitbestimmen und gefragt werden, Einfluss haben.“ • „Ich will die Kontrolle haben.“ Das Motiv AUTONOMIE – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Personen mit einer blauen Ausprägung im Motiv AUTONOMIE streben nach emotionaler Verbundenheit mit anderen Menschen. Sie möchten vertrauensvolle und persönliche Beziehungen mit echter emotionaler Bindung. Ihnen ist es wichtig, mit ihren Mitmenschen im Einklang zu leben und Konsens zu erzielen. Sie bevorzugen die enge/ intensive Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen. Gegenseitige Unterstützung ist für sie bedeutsam und sie streben nach Hilfe durch andere. Sie interessieren sich sehr für die Ansichten anderer Menschen und sind ungern allein und nur auf sich selbst gestellt. Sie vertrauen schnell und teilen anderen viel über sich mit, weil sie Verbundenheit spüren oder erreichen wollen. Dabei ist die Interaktion nicht Mittel zum Zweck, sondern das eigentliche Ziel. Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv AUTONOMIE haben oft einen hohen Gemeinsinn und wollen Teil eines Teams, eines Ganzen sein. Ihr Streben nach Verbundenheit kann schnell dazu führen, dass sie die Distanzzonen und Wünsche anderer Menschen missachten. Starke Emotionen Der tiefe und intensive Austausch mit anderen bewirkt bei Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv AUTONOMIE ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit, des Zusammenhalts, der Geborgenheit und Zufriedenheit. Sind sie allein und auf sich gestellt, fühlen sie sich schnell verlassen, verloren und einsam. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will mit anderen eng und emotional verbunden sein.“ • „Ich will Dinge zusammen mit anderen machen, Unterstützung bekommen und geben.“ • „Ich will eins sein mit anderen.“ Das Motiv AUTONOMIE – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE streben danach, selbstbestimmt, unabhängig und autark zu sein. Sie erledigen ihre Aufgaben lieber allein und ohne die Hilfe anderer. Abhängigkeiten von anderen Menschen oder auch die Not-

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wendigkeit, sich einzufügen, erleben sie als belastend, sie fühlen sich eingeengt und unfrei. Sie verlassen sich lieber auf sich selbst. Vor diesem Hintergrund suchen sie nur sehr selten die Unterstützung ihrer Mitmenschen und bitten ungern andere um einen Gefallen. Sie streben danach, anderen nicht zu Dank verpflichtet zu sein. Geschieht dies doch, fühlen sie sich abhängig, verpflichtet und schuldig und streben nach Ausgleich bzw. Wiedergutmachung. Im Gegensatz dazu geben sie anderen aber durchaus gern Hilfe. Zu den Mitmenschen, die sie nicht als enge Freunde betrachten, wahren sie stets eine gewisse emotionale Distanz. Daher bewegen sie sich nur selten auf einer persönlichen Beziehungsebene mit ihren Kollegen. Bei einem sehr großen Bedürfnis nach Unabhängigkeit können sie unsensibel für die Bedürfnisse anderer Menschen sein. Starke Emotionen Ist es Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv AUTONOMIE möglich, autark und allein zu agieren, fühlen sie sich frei und selbstbestimmt. Sie sind stolz, Dinge allein zu schaffen und fühlen sich effizient. Erleben sie Abhängigkeiten von anderen, fühlen sie sich eingeengt, gefangen, fremdbestimmt und gedemütigt. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will frei und selbstbestimmt sein.“ • „Ich will unabhängig und niemandem etwas schuldig sein.“ • „Ich kann für mich selbst sorgen, trage für mich selbst die Verantwortung und brauche keine Hilfe.“ Das Motiv NEUGIER – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einem blau ausgeprägten Motiv NEUGIER streben danach, praktisch zu handeln. Anstatt über Dinge nachzudenken, wollen sie sie lieber tun, etwas umsetzen, handeln, etwas schaffen oder erschaffen. Sie ziehen das Handeln der intellektuellen Auseinandersetzung vor. Sie fragen, was sie mit Wissen und Informationen machen können, wozu sie ihnen nutzen und wie sie sie umsetzen können. In Bezug auf Wissen reicht es ihnen zu wissen, wo sie etwas nachlesen können oder wen sie fragen können. Anstatt sich mit komplexen Gedankenspielen zu beschäftigen, suchen sie eher die Vereinfachung. Sie mögen Aufgaben, bei denen sie nicht viel nachdenken müssen, die einfach abgearbeitet werden können. Deswegen schaffen sie auch gerne Routinen. Intellektuelle, konzeptionelle, analytische Arbeit kann sie bei einem Zuviel ermüden und langweilen. Wissen ist für sie Mittel zum Zweck. Dabei sind sie keineswegs weniger intelligent als Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv NEUGIER. Sie empfinden lediglich keine Freude an der bloßen intellektuellen Beschäftigung und am Wissenserwerb. Ihre hohe Handlungsorientierung kann dazu führen, dass sie zu schnell umsetzen und nur die Machbarkeit zu prüfen. Analyse, Informationssuche sowie Auswertung und das genaue Durchdenken können dann zu kurz kommen.

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Starke Emotionen  Arbeiten mit direktem, praktischem Nutzen motiviert Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv NEUGIER, weil sie sehen können, wie sie sich ihrem Ziel nähern. Sie erleben Freude am direkten Tun bzw. praktischen Handeln. Die rein theoretische, intellektuelle Auseinandersetzung ist für sie mühsam und trocken, sie langweilt sie, sie fühlen sich gequält und voller Unlust durch zu viel Denkarbeit. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich möchte etwas Konkretes schaffen und erschaffen.“ • „Ich will praktisch handeln, Dinge tun und umgesetzte Ergebnisse sehen.“ Das Motiv NEUGIER – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv NEUGIER streben danach, sich viel mit intellektuellen Fragen, Themen und Aufgaben auseinanderzusetzen. Sie sind „Forscher“ und lieben das Hinterfragen, Verstehen, Wissen, Denken und den Erkenntnisgewinn. In ihrer Grundhaltung kann man solche Menschen als wahrheits- oder verständnissuchend beschreiben. Sie wollen im Prinzip alles wissen. Dabei ist der praktische Nutzen des Wissens nicht relevant. Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv NEUGIER lernen aus reiner Freude am Wissenserwerb. Wissen ist für sie kein Mittel zum Zweck. Es ist der Zweck selbst. Dabei nutzen sie jede Gelegenheit, um sich neues Wissen anzueignen. Sie tun dies z. B. über Lesen, über Fragen, intellektuelle Diskussionen oder über Reisen usw. Sie fragen viel und denken ständig nach. Es reizt sie, ihre Wissenslücken zu schließen. Solche Menschen werden von Routinetätigkeiten sehr schnell gelangweilt und sogar demotiviert. Es kann ihnen leicht passieren, dass sie Themen komplex oder komplexer als nötig gestalten. Sie neigen dazu, andere mit zu vielen Informationen und Wissen und langen Ausführungen zu ihren Gedanken zu überfrachten und zu ­überfordern. Starke Emotionen Die intellektuelle Auseinandersetzung, das Denken und der Wissenserwerb erfüllen die Menschen mit tiefer Freude über den Erkenntnisgewinn. Sie mögen das Gefühl, zu staunen und sich zu wundern. Routineaufgaben führen zu Frustration, dem Gefühl der Langeweile und unerträglicher gedanklicher Leere. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will alles wissen und verstehen.“ • „Ich will meine Neugier befriedigen, Fragen stellen, hinterfragen, Wissen gewinnen.“ • „Ich will viel Neues lernen.“

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Das Motiv SOZIALE ANERKENNUNG – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG streben danach, anhand von Herausforderungen oder neuen und unbekannten Aufgaben zu beweisen, was sie können. Sie agieren selbstbewusst und kennen kaum Versagensängste. Scheitern ist für sie nicht selbstwertrelevant. Sie haben ein stabiles Selbstbild und meinen zu wissen, was sie können und was nicht. Vor diesem Hintergrund haben sie kein oder nur ein geringes Bedürfnis nach Lob und Anerkennung durch andere, die Meinung anderer ist ihnen nicht wirklich wichtig. Sie verlassen sich auf ihre eigene Einschätzung und wissen auch ohne direkte Rückmeldung, was sie können. Sie sehen eher Chancen auf Erfolg, als die Gefahr zu scheitern. Sie haben kaum Angst vor Bewertung oder Situationen, in denen sie bewertet werden könnten (Auftritte, Präsentationen, Auswahlverfahren). Sie fühlen sich durch die Kritik ihrer Mitmenschen nicht verletzt, sondern setzen berechtigte Verbesserungsvorschläge konstruktiv um, lernen daraus. Wenn sie einen Fehler erkannt haben, lernen sie daraus. Sehen sie selber keinen Fehler, gibt es auch keinen für sie. Weil sie nicht motiviert sind, gelobt zu werden, ist es ihnen auch nicht wichtig, andere zu loben oder ihnen Anerkennung zukommen zu lassen. Sie benennen die Dinge so, wie sie sie erleben, ohne Umwege und Schnörkel. Dadurch können sie auf andere leicht hart und arrogant wirken. Ihr hohes Selbstbewusstsein kann dazu führen, dass sie sich selbst und ihre Leistung überschätzen. Starke Emotionen Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALE ANERKENNUNG fühlen sich selbstsicher. Sie erleben Stolz auf sich selbst, wenn sie demonstrieren können, was sie können. Dann sind sie unbekümmert, unbeschwert und optimistisch. Gelingen ihnen Dinge nicht wie erwartet, erleben sie Selbstzweifel. Selbstbeschreibung/Überzeugungen: • „Ich kann alles schaffen.“ • „Dinge, die ich anpacke, gelingen mir.“ • „Es ist mir egal, was andere von mir denken.“ Das Motiv SOZIALE ANERKENNUNG – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einem rot ausgeprägten Motiv SOZIALE ANERKENNUNG streben nach Bestätigung durch Dritte. Sie sind sich bezüglich ihrer Leistung und ihres Könnens unsicher und sich selbst gegenüber sehr kritisch. Selbstsicher und selbstbewusst fühlen sie sich, wenn andere ihnen sagen, dass sie eine gute Arbeit gemacht und eine tolle Leistung erbracht haben. In Bewertungssituationen oder Situationen, in denen sie meinen, bewertet zu werden (Auftritte, Präsentationen, Auswahlverfahren etc.) haben sie Angst, zu versagen und sind nervös. Sie wollen möglichst alles richtig machen und ihren Mitmenschen gefallen. Sie streben nach Fehlerfreiheit. Auch sachliche Kritik

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nehmen sie schnell sehr persönlich und fühlen sich dadurch verletzt. Diese Personen reagieren sensibel auf die Wünsche, Ansichten und Meinungsbekundungen ihrer Mitmenschen. Ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung führt nicht selten zu einem starken Ehrgeiz und zu einem Streben nach Perfektion. Um diese Perfektion zu erreichen, kann es auch vorkommen, dass eine Person mit einem rot ausgeprägtem Motiv SOZIALE ANERKENNUNG die eigenen Ziele nach außen niedriger steckt, um in den Augen ihrer Mitmenschen nicht zu versagen. Um Ablehnung durch andere zu vermeiden, fällt es ihnen schwer, widersprechende Meinungen klar zu formulieren, Nein zu sagen und andere zu kritisieren. Starke Emotionen  Bekommen Menschen mit einem rot ausgeprägten Motiv SOZIALE ANERKENNUNG Wertschätzung und Bestätigung von außen, fühlen sie sich selbstsicher, selbstbewusst und bei deutlicher Anerkennung auch euphorisch. Bleibt die Anerkennung aus, fühlen sie sich unsicher. Bei Kritik spüren sie deutliche Selbstzweifel, die oft nicht nur die konkrete Leistung, sondern ihre ganze Person betreffen. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich darf keine Fehler machen, will alles richtig und gut machen.“ • „Ich will akzeptiert werden.“ Das Motiv STRUKTUR – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv STRUKTUR streben nach Flexibilität, Spontaneität und Veränderung. Sie binden sich nicht gern an Zeitpläne, Regeln oder feste Prozesse. Sie wollen frei sein von Strukturen und Systematik, die sie als einengend empfinden. Ein vermeintliches Chaos erleben sie nicht als solches und fühlen sich darin wohl. Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv STRUKTUR sind nicht selten kreativ und improvisieren gerne. Sie verlassen sich auf ihren Instinkt und lassen sich gern von ihm leiten. Selten bereiten sie sich vor. Sie beginnen Aufgaben einfach, ohne vorher den Prozess zu klären. Ihr Streben nach Flexibilität leben sie durch ein hohes Maß an Spontaneität aus, z. B. darin, dass sie gerne mehrere Aufgaben gleichzeitig bearbeiten und zwischen den Aufgaben hin und her springen. Dabei haben sie oft wenig Sinn für Details und legen sich ungern fest. 80 Prozent Aufgabenerledigung erleben sie als ausreichend. Sie lieben die Abwechslung und verfügen über eine hohe Ambiguitätstoleranz, weshalb sie sich auch in unübersichtlichen Situationen, wie Veränderungsprozessen, wohlfühlen. Von anderen Menschen werden sie häufig als unstrukturiert, chaotisch und unpünktlich wahrgenommen. Starke Emotionen Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv STRUKTUR erleben ein intensives Gefühl von Freiheit, wenn sie aus dem Bauch heraus und spontan handeln können. Müssen sie sich an Vorgaben, Regeln, Strukturen etc. halten, fühlen sie sich eingeengt und gefangen im Detail.

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Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • • • •

„Ich will frei sein von Prozessen und Strukturen.“ „Ich will flexibel und spontan handeln.“ „Ich will meine eigene Ordnung selbst gestalten.“ „Wer Ordnung hält, ist nur zu faul zum Suchen.“

Das Motiv STRUKTUR – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR streben nach Ordnung und Sauberkeit im eigentlichen Sinne, aber auch nach Struktur und Planung. Sie bereiten sich gerne gründlich vor, planen zukünftige Aktivitäten und arbeiten mit To‐Do‐Listen. Pläne werden dann gewissenhaft abgearbeitet. Sie arbeiten gerne genau und detailorientiert und wirken dadurch schon mal penibel. Sie schätzen Pünktlichkeit und die Einhaltung von strukturbezogenen Regeln und Vorgaben. Aufgrund ihrer Bevorzugung für Struktur und Planung mögen sie es nicht, Dinge spontan und unvorbereitet zu tun. Auch spontane Entscheidungen mögen sie nicht. Sie haben Freude an organisatorischen Tätigkeiten und Prozessplanungen, auch wenn sie diese nicht selbst umsetzen. Dabei sind sie zum Teil sehr detailverliebt. Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR arbeiten auch ohne konkret formulierten Ablaufplan sehr strukturiert und machen gewissenhaft einen Schritt nach dem anderen. Werden sie in diesem Ablauf gestört, kann sie das verunsichern und ihnen sogar die Orientierung nehmen. In solchen Situationen versuchen sie, sich durch das Erstellen von neuen Plänen ein Gefühl von Sicherheit zu verschaffen. Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR schätzen Rituale. Sie erleben dadurch Kontinuität und Sicherheit. Starke Emotionen Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv STRUKTUR erleben ein positives Gefühl von Stabilität und Sicherheit, wenn sie ihren Strukturen, Routinen und ihren Vorstellungen von Ordnung folgen können. Geht dies nicht, erleben sie Orientierungslosigkeit. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will Struktur und Ordnung.“ • „Ordnung und Planung ist eine Charakterfrage.“ • „Wer Ordnung hält, schafft mehr im Leben.“ Das Motiv BESITZEN – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv BESITZEN streben danach, frei von materiellen Dingen zu sein. Zu viele Dinge zu besitzen, empfinden sie als Einengung, Überfluss und Qual. Sie haben eine funktions‐ und nutzenorientierte Beziehung zu Dingen. Brauchen sie etwas und funktioniert es, behalten sie es, wenn nicht, werfen sie

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es weg. Sich um Dinge zu kümmern, die sie nicht gebrauchen, erleben sie als belastend oder als Zeitverschwendung. Das Gefühl, etwas wegwerfen zu können, das keine alltägliche Notwendigkeit hat, ist für sie sehr befreiend. Diese Menschen fühlen sich wohl, wenn sie regelmäßig ausmisten und ihren Besitz auf ein notwendiges Minimum reduzieren können. Sie sparen ihr Geld nicht, sondern geben es für persönlichen Spaß aus. Sowohl im Privatleben wie auch im Beruf sind die Menschen mit dieser Ausprägung eher bereit, ihr Geld einzusetzen und Investitionen zu tätigen, als Menschen mit einer roten Ausprägung. Sind Dinge defekt, ist das nicht schlimm für sie, oft gehen sie auch nicht so pfleglich und bewahrend mit ihren Sachen um. Starke Emotionen Kann aus ihrer Sichtweise Überflüssiges weggeworfen werden, fühlen sie sich frei, entlastet und unbeschwert. Bei viel Besitz und der Sorge um materielle oder finanzielle Angelegenheiten fühlen sie sich eingeengt, gefangen und verpflichtet. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will frei sein von materiellen Dingen.“ • „Besitz verpflichtet und macht abhängig.“ • „Ich will ausmisten und mich befreien.“ Das Motiv BESITZEN – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv BESITZEN streben danach, mit ihrem Besitz immer sehr sorgsam umzugehen. Was ihnen einmal zur Verfügung steht, wird gerne behalten und sehr ungern wieder weggegeben, unabhängig von den rechtlichen Verhältnissen. Tatsächlich geht es im Prinzip um das Haben und Besitzen. Das genügt als emotionaler Bezug zu dem Gegenstand. Es fühlt sich für sie gut an, zu wissen, dass die Sachen da sind. Gerne sagen sie „das kann man bestimmt noch mal gebrauchen“. Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv BESITZEN gehen sehr sorgfältig mit ihrem Eigentum um. Sie achten darauf, dass nichts kaputtgeht und reparieren defekte Dinge. Derart motivierte Menschen sind sehr empfänglich für Bonus- oder Sammelprogramme. Dabei befriedigt sie sowohl die Möglichkeit, zu sparen als auch das bloße Anhäufen von Punkten auf ihrem Konto. Allerdings spielt Geld dabei eine etwas zentralere Rolle als andere Dinge, weil es zu einem wichtigen Bestandteil unserer Kultur gehört. Wenn ein Mensch aus dieser Motivausprägung heraus Geld hortet, dann ist er bemüht, es nie wieder herzugeben. Das kann sich in extremer Sparsamkeit äußern, die dann aktiv gelebt wird. Sie ist dann unbeeinflusst von der Höhe des Vermögens, das dieser Mensch besitzt. Für die Emotionalität in diesem Motiv ist es unerheblich, ob man sehr viel oder sehr wenig Geld besitzt. Deswegen können diese Menschen einen hohen Aufwand betreiben, um alle Ausgaben so gering wie möglich zu halten. Dabei können sie auf ihre Mitmenschen geizig wirken. Das Bedürfnis zu besitzen kann sich im beruflichen Kontext auf Dokumente, Informationen, Mails etc. beziehen.

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Starke Emotionen Das Bewahren und Besitzen von Dingen erfüllt Menschen mit einem roten Motiv BESITZEN mit hoher innerer Zufriedenheit. Müssen sie sich von Dingen trennen, erleben sie große Unzufriedenheit aus dem Gefühl der Verschwendung heraus und Schmerz durch die Trennung von Dingen. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will meinen Besitz bewahren.“ • „Ich will Sachen aufbewahren und horten.“ Das Motiv PRINZIPIEN – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einem blau ausgeprägten Motiv PRINZIPIEN wollen frei sein von der Verpflichtung aus Regeln und Normen. Regeln und Normen überprüfen sie situativ. Sie streben danach, die Dinge zu tun und so zu tun, dass sie für sie selbst einen hohen Nutzen haben und sie ihre persönlichen Ziele damit erreichen können. Sie fragen „Was habe ich davon?“, „Was dient meinem Ziel am meisten?“. Dabei orientieren sie sich nicht an allgemeinen Wertvorstellungen, sondern sind bereit, eigene Werte, Regeln und Absprachen situativ zu interpretieren oder zu verändern. Sie haben eine deutlich wahrnehmbare Fähigkeit, ihr Handeln schnell und fortwährend an die jeweilige Situation anzupassen, da sie sich Regeln oder Moral nicht verpflichtet fühlen. Dadurch verfügen sie oft über eine hohe interkulturelle Kompetenz. Ändern sich die Grundlagen für ein bestimmtes Vorgehen oder eine bestimmte Entscheidung, verwerfen sie diese und treffen neue Entscheidungen. Sie suchen nach dem Machbaren und Pragmatischen, nicht nach dem moralischen oder „richtigen“ Weg. Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv PRINZIPIEN werden von anderen Menschen zum Teil als Opportunisten und als unzuverlässig wahrgenommen. Starke Emotionen Können sich Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv PRINZIPIEN flexibel und situativ uneingeschränkt von Werten und Moral verhalten, fühlen sie sich frei und handlungsfähig, sie sind stolz, dass sie ihre Ziele so pragmatisch erreichen. Müssen sie sich z. B. an gesellschaftliche Wertesysteme halten, fühlen sie sich eingeengt und von „unsinnigen“ Prinzipien und gefangen. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • • • •

„Ich will frei sein von Moral und Prinzipien.“ „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“ „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.“ „Das Ziel ist entscheidend, nicht der Weg“

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Das Motiv PRINZIPIEN – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv PRINZIPIEN streben danach, ihre persönlichen Werte oder ihren persönlichen Ehrenkodex in ihrem Handeln einzuhalten. Ihnen ist es wichtig, sich moralisch korrekt zu verhalten, ihren Prinzipien und Pflichten nachzukommen, standhaft, ehrlich und ehrbar zu sein. Sie haben eine klare Vorstellung von richtig und falsch und verhalten sich auch dann nach ihren Regeln richtig, wenn es für sie keinen persönlichen Nutzen hat. Sie haben klare Vorstellungen davon, was „man“ tut und was nicht. Sie ehren und wahren Traditionen und Gesetze, die zu ihrem Wertesystem gehören. Versprechen und Zusagen halten sie unbedingt ein. Sie verhalten sich loyal gegenüber ihrer Gemeinschaft oder dem Arbeitgeber. Grundsätzlich sehen es die Menschen mit dieser Ausprägung als ihre Aufgabe an, vorhandene kulturelle Vereinbarungen, zu denen sie sich bekennen, selbst zu leben und auch zu verteidigen. Oft wirkt dieses Verhalten wertkonservativ. Sie sind oft um jeden Preis ehrlich und schummeln nicht, auch wenn sie dadurch Vorteile hätten oder es niemand bemerkt. Sie zeigen eine hohe Selbstdisziplin. Starke Emotionen Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv PRINZIPIEN empfinden Stolz und Ehrgefühl, wenn sie ihren Prinzipien treu sind. Sie erleben dann moralische Überlegenheit. Können Sie ihren Werten, Pflichten und Prinzipien nicht nachkommen, fühlen sie sich schuldig, schwach, verantwortungslos und schämen sich. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • • • •

„Ich will Werte und Prinzipien einhalten.“ „Ich will ein ehrbarer Mensch sein.“ „Versprochen ist versprochen!“ „Ich möchte Traditionen bewahren und ehren.“

Das Motiv SOZIALES ENGAGEMENT – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einem blau ausgeprägten Motiv SOZIALES ENGAGEMENT streben danach, in sozialen Fragen aus ihrer Sicht „realistisch“ zu sein bzw. zu handeln. Auch wenn sie die Welt oder Dinge, die passieren, als sozial ungerecht und unfair einschätzen, haben sie eher die Überzeugung, dass sie selbst nichts daran ändern können und sich ein Engagement nicht lohnt. Lieber investieren sie ihre Kraft und Aufmerksamkeit in Fairness und Gerechtigkeit für sich selbst, ihre Familie und ihre Freunde, aber nicht für weit weg lebende Menschen, die sie nicht kennen. Für soziale, humanitäre, gesellschaftliche und oft auch politische Anlässe und Vorgänge haben sie oft ein geringes Interesse. Sie halten soziale Ungerechtigkeiten zum Teil für unvermeidbar und bekämpfen diese nur, wenn es sie selbst oder ihnen nahestehende Personen betrifft. Sie sind oft der Meinung, dass jeder für sich selbst und sein eigenes Fortkommen verantwortlich ist und betonen

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die Eigen‐ und Selbstverantwortung von Menschen. Von anderen Menschen werden sie möglicherweise als Egoisten wahrgenommen. Starke Emotionen Ein blau ausgeprägtes Motiv SOZIALES ENGAGEMENT lässt Menschen starke Freude erleben, wenn sie aus einem Umstand einen persönlichen Vorteil ziehen können. Wenn sie gezwungen sind, für das Fortkommen fremder Menschen aufzukommen oder Entbehrungen hinzunehmen, kann sie das sehr frustrieren. Sie fühlen sich vielleicht genötigt und unfrei. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • • • •

„Ich will Gerechtigkeit für mich.“ „Jeder ist sich selbst der Nächste.“ „Ich will sozial realistisch sein.“ „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.“

Das Motiv SOZIALES ENGAGEMENT – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einem rot ausgeprägten Motiv SOZIALES ENGAGEMENT streben danach, sich altruistisch zu verhalten, sie streben nach sozialer Gerechtigkeit für alle. Ihre Hilfe richtet sich an fremde Menschen, nicht aber an die, die zum engen privaten oder familiären Kreis zählen. Sie interessieren sich sehr für die aktuellen, menschenbezogenen Ereignisse in der Welt. Das Schicksal anderer Menschen ist ihnen sehr wichtig und sie verspüren echtes Mitleid mit anderen. Menschen mit einem rot ausgeprägten Motiv SOZIALES ENGAGEMENT engagieren sich häufig sozial, gesellschaftlich, gemeinnützig, politisch oder auch ökologisch, weil sie einen inneren Drang verspüren, anderen zu helfen. Auf diese Weise wollen sie ihren Beitrag für eine gerechtere Welt leisten. Um diesem inneren Drang nachzukommen, nehmen sie für sich selbst Entbehrungen in Kauf. Sie verhalten sich selbstlos, human und sozial. Sie spenden häufiger als andere Menschen und zeigen direktes Engagement ohne Eigennutz. Sie engagieren sich für Ältere, Schwächere und Kranke, in Vereinen und gemeinnützigen Organisationen, aber auch in der Politik oder in Unternehmen im Betriebsrat. Viele Menschen, die diese Persönlichkeitsausprägung haben, finden in ihrem beruflichen Leben keine direkten Möglichkeiten für ein soziales Engagement. Manche engagieren sich dann ehrenamtlich in Ihrer Freizeit. Starke Emotionen Menschen mit einem roten ausgeprägten Motiv SOZIALES ENGAGEMENT verschafft das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, geholfen zu haben, eine tiefe Beruhigung. Sie fühlen sich schlecht und hilflos, wenn sie Ungerechtigkeit beobachten und das Gefühl haben, nichts tun zu können.

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Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will Gerechtigkeit und Fairness für die ganze Welt.“ • „Jeder kann einen Beitrag zur Verbesserung der Welt leisten.“ • „Ich will mich für andere engagieren und anderen helfen.“ Das Motiv SOZIALKONTAKTE – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE streben nach sozialer Ruhe und Zurückgezogenheit. Viele Kontakte zu anderen Menschen und viele Gespräche, in denen es nur um einen Austausch oder Sozialkontakt geht, empfinden diese Menschen als anstrengend. Geht es in Kontakten nicht um einen „echten“ inhaltlichen Austausch zu einem interessanten Thema, erleben Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE diese Kontakte als nicht bereichernd für sich. Dann ziehen sie die Ruhe, die Einsamkeit und das „Mit‐sich‐ allein‐Sein“ dem Kontakt vor. Sie genügen sich selbst und müssen ihre Zeit nicht mit anderen verbringen – nur um Kontakt zu haben. Small Talk erleben sie als sinnlos und unnütz, Partys und größere Menschenansammlungen meiden sie gerne. Auch Gruppen von Menschen erleben sie schnell als anstrengend. Im Kontakt sind sie oft ruhig und zurückhaltend, der Kontaktaufbau zu fremden Menschen fällt ihnen meist schwer. Es kann sein, dass sie im Kontakt ungeduldig wirken, weil sie das Gespräch, wenn es nicht inhaltlich relevant ist, schnell beenden wollen. Sie pflegen gute Freundschaften, bauen aber keine Netzwerke auf. Im beruflichen Kontext ist das Zusammentreffen und Zusammenarbeiten mit anderen Menschen für einen konkreten Anlass oder Inhalt grundsätzlich unproblematisch. So ist die Teilnahme an einem Arbeitsmeeting keine Belastung aus dem Aspekt der niedrigen Ausprägung des Motives SOZIALKONTAKTE. Eine Fortsetzung des Meetings allerdings alleine aus Gründen des Sozialkontaktes bei einem Essen oder einem Bier wird eher nicht gewünscht und kann für den Betroffen unangenehm sein. Häufig werden diese Einladungen abgelehnt. Starke Emotionen Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE empfinden ein tiefes Gefühl der Ruhe, Zufriedenheit und Gelassenheit, wenn sie allein sind. Im Kontakt mit anderen fühlen sie sich bei Small Talk gelangweilt, von anderen bedrängt, angestrengt und unwohl. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will Zeit für mich, für das Alleinsein.“ • „Ich will frei sein von der Notwendigkeit, sinnlose Worte mit anderen auszutauschen.“

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Das Motiv SOZIALKONTAKTE – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE streben nach viel Kontakt und Austausch mit anderen Menschen. Sie suchen die räumliche Nähe, sind sehr kontaktfreudig und haben ein großes Interesse, sich mit anderen Menschen gemeinsam zu amüsieren. Ein Mensch mit einer solchen Ausprägung ist anderen Menschen gegenüber aufgeschlossen, strebt persönliche Beziehungen zu seinen Kollegen an und es fällt ihm leicht, ein persönliches Netzwerk aufzubauen und zu pflegen. Mit Menschen bleibt er gerne in Kontakt, auch wenn diese wegziehen. Sehr viele Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE benutzen auch gerne die modernen Sozialen Medien, um ihre Freundschaften und sozialen Kontakte zu pflegen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, neue Kontakte anzubahnen. Im Kontakt mit anderen blühen diese Menschen auf und haben Spaß. Sie unternehmen gerne etwas auch in größeren Gruppen und treten Gruppen oder Vereinen bei, um viel Kontakt zu haben. Sie reden gern über „dies und das“ und genießen auch Gespräche, in denen es um „nichts“ geht. Sie gehören zu Netzwerken und freuen sich auch über viele, weniger intensive Kontakte. Gerne haben sie Spaß mit anderen und mögen Feiern und Partys. Ihre Freizeit verbringen sie bevorzugt mit anderen. Wenn sie andere nicht treffen können, telefonieren sie mit Freunden und Bekannten. Oft sind sie im Kontakt freundlich, offen zugewandt, interessiert und charmant. Starke Emotionen Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv SOZIALKONTAKTE erleben ein intensives Gefühl der Zugehörigkeit und der Freude im Kontakt mit anderen Menschen. Haben sie keinen ausreichenden Kontakt und Austausch mit anderen, fühlen sie sich isoliert, einsam und sozial depriviert. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • • • •

„Kontakte sind nicht Mittel zum Zweck. Sie sind der Zweck selbst.“ „Ich möchte als Freund gesehen werden.“ „Ich will viel Kontakt und Austausch mit anderen.“ „Alleinsein geht gar nicht.“

Das Motiv FAMILIE – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Bei Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv FAMILIE äußert sich dieses bei vielen in einem Zugang zum Thema Familie, der eher einer partnerschaftlichen Beziehung ähnelt als einer fürsorglichen. Das macht sich am stärksten bemerkbar in dem Umgang mit Kindern, mit denen diese Menschen bewusst einen eher partnerschaftlichen Umgang suchen und das Fürsorgliche auch als eine eher lästige Pflicht empfinden können. Ebenso gibt es eine Reihe von Rückmeldungen von Menschen mit dieser Motivausprägung, dass sie sich mit einer gesellschaftlich normierten Erwartungshaltung zu einer totalen Fürsorglichkeit konfrontiert sehen. Insbesondere gilt das aus

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Sicht der Gesellschaft für die eigenen Kinder. Viele empfinden das als eine ungerechtfertigte Anforderung, die ihr eigenes Leben einschränkt. Aus diesem Grund sind viele Menschen, die im Motiv FAMILIE eine blaue Ausprägung haben, eher bereit, ihre Kinder durch andere Menschen versorgen zu lassen, damit sie auch ihr eigenes Leben oder den Beruf weiterentwickeln können. Sie reisen gerne auch ohne Kinder in den Urlaub oder unternehmen gern etwas ohne ihre Familie. Dies gilt besonders für kleine Kinder, die Fürsorge brauchen. Sind die Kinder älter, sodass der Umgang mit Ihnen partnerschaftlich gestaltet werden kann, erleben diese Menschen das positiv für sich. Vieles am fürsorglichen Eltern-Dasein erleben sie als Pflicht. Die familiären Pflichten sind für diese Menschen zum Teil eine Last. Starke Emotionen Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv FAMILIE genießen die Freiheit, ohne Kinder zu leben oder freie Zeit ohne ihre Kinder zu haben. Sie fühlen sich dann frei, ungebunden und ohne Pflichten. Eine intensive Kinderbetreuung, ohne Zeit für sich selbst, empfinden sie als anstrengend und einengend. Selbstbeschreibung/Überzeugungen:Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Kinder engen mich in meiner Freiheit ein.“ • „Ich will eine partnerschaftliche Beziehung zu meinen Kindern.“ • „Ich muss nicht ständig mit meiner Familie zusammen sein.“ Das Motiv FAMILIE – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Viele Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv FAMILIE beschreiben eine starke emotionale Verbundenheit zu ihrer Familie. Das drückt sich am stärksten in einem fürsorglichen Verhalten aus, für das die eigenen Kinder oder nahestehende Verwandte oder andere Zugehörige zur Familie die bevorzugten Adressaten sind. Genauso kann es sein, dass das „für andere da sein“ in der eigenen Familie aktiv gelebt wird, außerhalb dieser sozialen Umgebung aber weniger. Das Kümmern um die Familie aus dem Motiv FAMILIE heraus wird nicht als eine Pflicht, sondern als eine sinnvolle und wichtige Aufgabe empfunden. Aus diesem Grund gibt es auch oft ein aktives Herbeiführen der sozialen Kontakte innerhalb der Familie. Das können dann auch gemeinsame ritualisierte Essenszeiten und ähnliche gemeinsamkeitsorientierte Maßnahmen sein, die sich immer nur auf die Familie selbst beziehen. Unabhängig von den weiteren Persönlichkeitsausprägungen (AUTONOMIE, SOZIALKONTAKTE) kann aus diesem Motiv heraus ein Wunsch nach Zusammenhalt und Konsens entstehen, der sich alleine auf die Familie bezieht. Wenn die Kinder erwachsen werden und das Haus verlassen, bedeutet dies oft eine schwierige Umstellung für diese Menschen. Starke Emotionen  Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv FAMILIE erleben ein tiefes Glücksgefühl, inneren Reichtum und Erfüllung, wenn sie genug Zeit mit ihrer

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Familie und ihren Kindern verbringen können. Wenn sie keine Kinder haben können, fühlen sie sich unausgeglichen und leer. Lässt ihnen die Arbeit nur unzureichend Zeit für ihre Kinder, haben sie ein schlechtes Gewissen, fühlen sich verantwortungslos gegenüber ihren Kindern und machen sich Vorwürfe. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will unbedingt Kinder haben.“ • „Ich würde meine Familie nie verlassen.“ • „Meine Familie ist das Wichtigste in meinem Leben.“ Das Motiv STATUS – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv STATUS streben danach, gleich und auf einer „Ebene“ mit anderen Menschen zu sein, nach gesellschaftlicher Gleichbehandlung und wollen nichts Besonderes oder Hervorgehobenes gegenüber anderen sein. Zum Teil gehen sie gern in der Masse unter. Sie legen im Allgemeinen wenig bzw. keinen Wert darauf, ihren gesellschaftlichen Status zu demonstrieren und verhalten sich bescheiden. Sie sehen Bescheidenheit und Unauffälligkeit als Tugenden an und fühlen sich unwohl, wenn sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Daher streben sie nicht ausdrücklich nach hohem Ansehen und verzichten in der Regel auf Statussymbole. Menschen, die sehr gerne die Aufmerksamkeit anderer auf sich ziehen, treten sie eher skeptisch gegenüber. Reichtum und Prominenz sind keine Aspekte, von denen sie in irgendeiner Form beeindruckt sind. Es ist ihnen wichtiger, die Gleichheit mit anderen zu betonen, als sich von anderen abzuheben. Sie würden sich selbst eher als bodenständig, informell und ungezwungen bezeichnen. Sie legen Wert darauf, dass Menschen für ihre Taten und nicht für ihren Schein honoriert werden. Oft kümmern sie sich aktiv darum, nicht privilegiert behandelt zu werden. Beruflich legen sie keinen besonderen Wert auf Karriere im Sinne von Zunahme in der Bedeutung. Wenn sie einen Aufstieg anstreben, dann geht es eher um den Inhalt der Stelle als um die damit verbundenen Privilegien. Es kommt vor, dass sie nur ein sehr geringes Selbstmarketing betreiben und dadurch Nachteile erfahren. Starke Emotionen Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv STATUS fühlen sich wohl und erleben innere Zufriedenheit, wenn sie gesellschaftliche Gleichheit empfinden. Werden sie ins Rampenlicht gestellt, schämen sie sich und erleben ihr eigenes Verhalten als peinlich. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will gleich sein mit anderen.“ • „Ich beurteile Menschen nach ihrem Handeln nicht nach ihrem Titel“. • „Ich will nicht hervorgehoben werden oder etwas Besseres/Besonderes sein.“

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Das Motiv STATUS – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv STATUS streben danach, sich elitär von anderen Menschen zu unterscheiden. Sie wollen zeigen und deutlich machen, dass sie etwas Besonderes sind. Sie legen in der Regel sehr hohen Wert auf gesellschaftliches Ansehen und wollen öffentlich wahrgenommen werden, weil sie sich als etwas Besonderes fühlen. Diese Menschen besuchen gerne Veranstaltungen, in denen sie als VIP gelten. Es nützt den Menschen mit dieser Motivausprägung wenig, wenn sie besonders sind, aber niemand es weiß oder registriert. Sie suchen auch gerne die Gesellschaft von anderen, elitären oder prominenten Menschen aus der „High Society“, mit denen sie sich gerne zeigen und deren Glanz auch auf sich projizieren lassen. Sie lassen sich leichter als andere von Statussymbolen wie Luxusgütern, Titeln, Namen oder Mitgliedschaften in elitären Vereinigungen, Prominenten etc. beeindrucken. Ist für sie Geld ein Indikator für Wichtigkeit, streben sie selbst den Besitz von Statussymbolen an und zeigen diese. Ihr Streben nach Prestige zeigt sich auch darin, dass sie sehr auf ihren Ruf bedacht sind und Wert darauf legen, Respekt zu erwerben und zu erhalten. Sie unterstützen Hierarchien und behandeln Menschen mit hohem gesellschaftlichem Status stets mit der angemessenen Achtung. Ihr Ziel ist es, ihren Status aufzuwerten und in der gesellschaftlichen Ordnung aufzusteigen. Was die Menschen für sich als Status, als etwas Besonderes, erleben, ist abhängig von der sozialen Stellung, in der sie leben. Bei den bevorzugten Statussymbolen oder Statusverhalten muss es nicht um viel Geld oder Reichtum gehen, aber es muss sie als etwas Besonderes kennzeichnen. Wichtig ist die öffentliche Wahrnehmung als etwas Besonderes, Wichtiges, Einzigartiges oder Originelles. Beruflich macht sich diese Motivausprägung oft sehr deutlich in einem definitiven Wunsch nach Karriere bemerkbar. Das Interesse ist, stetig mehr Bedeutung und mehr Privilegien zu erlangen. Oft ist eine solche Karriere an Führungsverantwortung gebunden. Der Wunsch nach Führungsverantwortung ist aber nicht der direkte Gegenstand dieses Motives. Starke Emotionen Wenn Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv STATUS von anderen Ansehen, Respekt und Achtung entgegengebracht wird, spüren sie das gute Gefühl der Überlegenheit, des Stolzes und des „Privilegiertseins“. Wird ihnen diese Achtung verwehrt, fühlen sie sich ungerecht behandelt und spüren Unterlegenheit und Frustration. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich bin etwas Besonderes und wichtig.“ • „Ich will was Besonderes in der Wahrnehmung anderer sein.“ • „Ich will gesehen und geachtet werden.“

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Das Motiv REVANCHE – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv REVANCHE beschreiben sich selbst als harmonieorientiert. Gefühle von Revanche oder Rache empfinden sie selten bis gar nicht. Obwohl auch sie eine Zurückweisung, eine Beleidigung, einen Betrug und ein Hintergehen als jeweils solches empfinden, entsteht dabei kein Impuls, der etwas von „Heimzahlen“ beinhaltet. Im Gegenteil existiert oft ein Aspekt von Nachsicht und Verzeihen, wenn man sich mit Sachverhalten konfrontiert fühlt, die andere zum Beispiel als Beleidigung oder Provokation empfinden. Aus diesem Grund werden Ungerechtigkeiten und alles, was dazu gehören kann, wie Zurückweisung, Beleidigung, Betrug, Ärgern und Hintergehen nicht als etwas gesehen, was beantwortet werden muss. Das bedeutet aber nicht, dass eine Beleidigung nicht als Beleidigung empfunden wird. Es entsteht nur kein Bedürfnis, etwas zurückzahlen zu müssen. Es gibt keine aggressive Gegenreaktion. Erst recht nicht, wenn dadurch eine Eskalation des Konfliktes oder der Reaktion des Gegenübers droht. Viele Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv REVANCHE beschreiben sich selbst auch als friedliebend, ausgleichend, defensiv und moderierend. Streit mit anderen wird eher vermieden. Im Berufs- und Privatleben gelten sie oft als defensiv und immer wieder auch als nicht durchsetzungsfähig. Wenn so jemand nicht in die Revanche geht und deswegen im Konflikt nachgibt, so bedeutet das nicht, dass er aufgibt. Er bleibt bei seinem Standpunkt, ohne sich aber darüber zu streiten. Zum Teil „sitzen“ diese Menschen Konflikte einfach aus, ohne ihre Meinung oder ihr Verhalten zu ändern. Das Verzeihen ist eins der herausragenden Persönlichkeitsmerkmale der Menschen mit einer niedrigen Ausprägung bei REVANCHE. Überall, wo es Sinn macht, dass schwierige Situationen nicht eskalieren, können diese Menschen eine wirksame Rolle übernehmen. Dies gilt im Privatleben ebenso wie im Beruf. Starke Emotionen Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv REVANCHE erleben Sicherheit und innere Harmonie, wenn sie mit anderen im Konsens sind. Konfliktsituationen sind für sie belastend, sie fühlen sich ängstlich und hilflos. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Gewalt erzeugt nur Gegengewalt.“ • „Ich will Harmonie, Konsens und Kooperation.“ • „Die beste Konfliktklärung ist die Konfliktvermeidung.“ Das Motiv REVANCHE – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Bei Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv REVANCHE bedeutet dies, dass Sie ständig darauf achten, ob sie im Umgang mit anderen Menschen gerecht oder ungerecht

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behandelt werden. Auf Ungerechtigkeit reagieren sie mit Revanche und Rache. Das, was ein Mensch als gerecht oder ungerecht beschreibt, kann sich individuell sehr stark unterscheiden. Viele Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv REVANCHE haben eine große Spanne von Sachverhalten, in denen sie sich einer Ungerechtigkeit ausgesetzt sehen können. Das beginnt mit „Beleidigungen“ aller Art, geht weiter mit Kränkungen und Betrug bis hin zu ungerechtfertigten Niederlagen, die aus vermeintlichem „Betrug“ entstanden sind. Sie fühlen sich dann einfach beleidigt, betrogen, hintergangen, gekränkt, benachteiligt. Oder man wurde geärgert und hat einen starken Drang, darauf zu reagieren. Von anderen wird dieses Verhalten oft als aggressiv empfunden. Auch wenn jemand zum Beispiel bei Gesellschaftsspielen verliert, kann das als eine Ungerechtigkeit empfunden werden, die ausgeglichen werden muss. Das gilt noch stärker, wenn der Verlierer einen Regelverstoß des anderen als Grund für das Verlieren sieht. Im Berufs- und Privatleben gibt es für viele Menschen mit dieser Ausprägung bei REVANCHE zahlreiche Situationen, in denen einem eine Ungerechtigkeit widerfährt, die man mit Vergeltung und Rache beantworten muss. Viele können so etwas nicht auf sich beruhen lassen, sondern müssen es „zurückzahlen“. Viele sprechen auch darüber, dass es „Feinde“ und „Feindbilder“ gibt, auf die man besonders schnell und stark reagiert. Oft sind das Konkurrenten oder Mitbewerber um irgendein Ziel. Es fällt dann oft schwer, den geschäftlichen oder beruflichen Mitbewerber nicht als Gegner oder sogar Feind zu betrachten und dementsprechend vorzugehen. Starke Emotionen  Wenn Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv REVANCHE gewonnen haben (Spiel, Sport, Verhandlung, Diskussion), erleben sie das gute Gefühl des Triumphs, sie fühlen sich bestätigt und als Sieger. Verlieren sie, sind sie sehr frustriert, erleben eine große Ungerechtigkeit und spüren leicht Aggressionen, für die sie ein Ventil benötigen. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will immer gewinnen.“ • „Man muss für seine Interessen kämpfen und darf sich Ungerechtigkeiten nicht gefallen lassen.“ • „Ich will Gerechtigkeit für mich.“ Das Motiv ESSENSGENUSS – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv ESSENSGENUSS sehen die Nahrungsaufnahme lediglich als Mittel zum Zweck. Sie genießen das Essen an sich kaum. Primär dient ihnen Essen dazu, ihren Hunger zu stillen und satt zu werden. Häufig haben diese Menschen auch weniger Hunger oder Appetit, sie können Essen, wenn sie in andere Dinge, z. B. ihre Arbeit, vertieft sind, auch vergessen. Wenn sie essen, ist es ihnen meist egal, was sie essen. Für Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv ESSENSGENUSS sind andere Dinge meist viel wichtiger als die Nahrungsaufnahme,

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sodass es ihnen zu aufwendig erscheinen kann, sich etwas zu kochen. Sie wollen nicht viel Zeit und Aufwand in Essen investieren, es soll am besten nebenbei passieren. Einkaufen, Essen planen und zeitintensiv zuzubereiten macht ihnen keinen Spaß. Sie sitzen auch nicht gerne lange am gedeckten Tisch. Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv ESSENSGENUSS können dem Essen dann etwas abgewinnen, wenn sie es als Mittel zum Zweck für andere Motive nutzen können. Es kann z. B. dazu dienen, ein rot ausgeprägtes Motiv SOZIALKONTAKTE zu befriedigen, oder es dient als Statussymbol, indem man in ein teures Restaurant geht. Starke Emotionen Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv ESSENSGENUSS fühlen sich wohl und effizient, wenn sie schnell essen können und keine Zeit damit verschwenden müssen. Müssen sie sich viel und lange mit Essen beschäftigen, sind sie gelangweilt und frustriert. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will nur schnell satt werden.“ • „Ich will keine Zeit mit Essen verschwenden.“ • „Viel essen ist eine Charakterschwäche.“ Das Motiv ESSENSGENUSS – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv ESSENSGENUSS streben danach, Essen zu genießen. Für sie ist das Essen an sich Genuss und Sinnlichkeit. Sie essen viel und gerne. Dabei haben sie nicht selten einen sehr hohen Anspruch an die Qualität der Zutaten und der Zubereitung. In erster Linie muss ihnen das Essen aber schmecken, dabei steht nicht der gesundheitliche Wert des Essens im Vordergrund. Diese Menschen verbringen oft sehr viel Zeit damit, an Essen zu denken und Mahlzeiten zu planen. Sie kaufen gerne Lebensmittel ein und freuen sich dabei schon auf das Essen. Sie haben eine hohe Aufmerksamkeit für alles, was mit Essen zu tun hat. Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv ESSENSGENUSS probieren gerne neue Gerichte aus und sind oft auf der Suche nach neuen Geschmackserlebnissen. Ebenso kann die Erwartung auf ein gutes oder weniger gutes Essen ihre Laune im Voraus beeinflussen. Somit kann Essensgenuss auch tatsächlich eine Belohnung darstellen, die gerne angenommen wird und so zu einer wirklichen Vorfreude führt. Sie lesen Kochrezepte und schauen eventuell Kochsendungen an. Sie fühlen sich häufig hungrig, haben einen großen Appetit und essen oft große Portionen. Häufiger haben sie deshalb Gewichtsprobleme und große Schwierigkeiten abzunehmen. Nur wenige Menschen können viel essen, ohne übergewichtig zu werden. Starke Emotionen  Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv ESSENSGENUSS fühlen sich befriedigt und genießen es, wenn sie etwas essen können, was ihnen gut schmeckt. Sie sind zufrieden, wenn sie oft und viel essen können. Wenn sie nicht das

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essen können oder die Menge, die sie sich wünschen, sind sie unzufrieden und schlecht gelaunt. Sie empfinden Frust und Ärger. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will Essen genießen.“ • „Ich beschäftige mich gerne mit Essen und denke viel darüber nach.“ • „Essen ist purer Genuss.“ Das Motiv BEWEGUNG – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv BEWEGUNG streben nach körperlicher Ruhe. Sie lehnen körperliche Anstrengung im Allgemeinen ab. Sehr schnell wird sie sogar als Belastung empfunden. Stattdessen genießen sie es, körperlich zu ruhen und sich auszuruhen. Im Berufsleben bevorzugen sie daher eine sitzende Tätigkeit und auch privat bevorzugen sie ihr Sofa. Sie erleben kein Wohlbefinden oder Glücksgefühl, wenn sie sich körperlich anstrengen. Sie wollen Gemütlichkeit und Entspannung. Wenn diese Menschen sportlichen Aktivitäten nachgehen, dann ist die Bewegung Mittel zum Zweck. Vielleicht treiben sie z. B. Sport aus gesundheitlichen Gründen oder um die Gesellschaft bestimmter Menschen zu genießen und ihr Motiv SOZIALKONTAKTE zu befriedigen. Auf das Gefühl körperlicher Fitness an sich legen sie weniger Wert. Starke Emotionen Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv BEWEGUNG erleben Genuss, Entspannung und Wohlbefinden, wenn sie z. B. auf dem Sofa liegen und lesen oder fernsehen können. Werden sie zu einem hohen Maß an Bewegung gezwungen, empfinden sie das als starke Belastung. Sie fühlen sich genötigt, gezwungen und ggf. körperlich unwohl. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Sport ist Mord.“ • „Ein ganzes Wochenende auf dem Sofa ist die beste Erholung für mich.“ • „Ich will körperlich faul sein und das genießen.“ Das Motiv BEWEGUNG – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv BEWEGUNG streben danach, sich zu bewegen, sich körperlich zu belasten, anzustrengen, an ihre Grenzen zu gehen und sich fit und gesund zu fühlen. Sie haben das Bedürfnis, ihren Körper zu spüren und wollen ihn stärken. Sie wollen physische Leistungsfähigkeit und Beanspruchung verspüren. Nach der körperlichen Bewegung verspüren sie ein Glücksgefühl und fühlen sich aktiv und kräftig. Sie wählen vielleicht Berufe, in denen sie sich viel körperlich betätigen und

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anstrengen können. Zum Teil machen sie Sport zum Beruf. Sitzende Tätigkeiten lehnen sie oft ab. Längere Termine oder Veranstaltungen, die ein „Stillsitzen“ erfordern, können eine mentale Belastung sein, die frustrierend wirkt. Haben sie eine Tätigkeit ohne viel körperliche Aktivität, suchen sie den Ausgleich im Sport. Zum Teil wird Sport dann ein essenzieller Bestandteil des Lebens dieser Menschen. Viel ihrer Freizeit investieren sie in körperliche Bewegung. Dabei ist es weniger wichtig, ob man der oder die Beste in der jeweiligen Sportart ist. Es geht einfach um das Gefühl, sich zu bewegen und die eigene Leistungsfähigkeit zu trainieren. Nicht selten betreiben derart motivierte Menschen mehrere Sportarten. Starke Emotionen  Durch Körperliche Aktivität motivierte Menschen erleben während und nach dem Sport eine tiefe Zufriedenheit, ein Glücksgefühl und teilweise fast euphorische Momente. Wenn sie aus irgendeinem Grund keine Gelegenheit dazu haben, fühlen sie sich schnell unfit, unterfordert und rast‐ und ruhelos. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will mich bewegen.“ • „Ich will fit und gesund sein.“ • „Ich will meinen Körper spüren und stärken.“ Das Motiv SICHERHEIT – blaue Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer blauen Ausprägung im Motiv SICHERHEIT streben danach, Herausforderungen zu erleben, Risiken zu spüren, sich Veränderungen zu stellen und Abenteuer zu bestehen. Veränderungen und auch Abenteuer sind für sie Chancen, die sie nutzen wollen. Sie kennen in ihrem Leben nur wenige Ängste und Sorgen um negative Konsequenzen. Sie sind eher mutig und risikofreudig. Einige wählen tatsächlich Abenteuer, z. B. in ihren Reisen oder auch in den von ihnen bevorzugten Sportarten. Gerne gehen sie auch Hobbies nach, die durchaus Gefahren für die Gesundheit enthalten. Ob das dann das Motorradfahren ist oder die schwarze Piste im Skigebiet oder sogar abseits der Pisten, ist egal. Viele dieser Betätigungen würden die meisten anderen Menschen als gefährlich beschreiben. Andere gehen eher risikoreich bei ihren Finanzgeschäften vor. Wieder andere gestalten ihr Leben so, dass es eine dauerhafte ­Herausforderung ist. Sie wählen für sich vielleicht hektische, stressige Umgebungen oder gestalten die Situationen entsprechend. Diese Menschen vermitteln den Eindruck, dass sie mit einem erhöhten Adrenalinspiegel leistungsfähiger sind. Die Angst beflügelt sie zu Höchstleistung. Sie sind stressrobuster und belastbarer als andere Menschen. Sie folgen dem Motto „Was soll schon passieren?“. Dabei neigen sie dazu, Risiken auch zu unterschätzen. Sie machen sich keine Sorgen um das, was kommen könnte, sondern gehen davon aus, dass „es schon gut gehen wird, wie bisher ja auch“. Beruflich suchen viele von ihnen Tätigkeiten, die von vornherein eine Chance zu immer wiederkehrender

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Herausforderung bieten. Das dann die z. B. die Polizei oder das Militär sein mit ihren Sondereinsatzkommandos oder Spezialtruppen. Ebenso können es die Feuerwehr, die Rettungsdienste und ähnliche Berufe sein. Im Management macht sich diese Ausprägung in einer stetigen Arbeit an Veränderung bemerkbar. Veränderungen sind interessant. Stillstand wird schnell als Rückschritt beschrieben. Starke Emotionen Diese Menschen fühlen sich, wenn sie schwierige, gefährliche oder unwägbare Situationen bewältigen können, stark und mutig, sie genießen es, „es“ geschafft zu haben. Gibt es keine Veränderungen, Abenteuer oder Herausforderungen in ihrem Leben, langweilen sie sich und werden danach suchen oder sie selbst initiieren. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Es kommt, wie es kommt.“ • „Ich will Spannung und Herausforderung.“ • „Wer nichts riskiert, verpasst was im Leben.“ Das Motiv SICHERHEIT – rote Ausprägung Wesentliche Merkmale/Kennzeichen: Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv SICHERHEIT streben nach emotionaler Sicherheit. Sie wollen Dinge und Konsequenzen vorhersehen können und Ängste und Sorgen vor Unvorhersehbarem vermeiden. Dafür versuchen sie, ihr Leben so zu gestalten, dass Gefahren vermieden werden. Dazu gehört auch ihr Bedürfnis nach Stabilität und Konsistenz in ihrem Umfeld. Zum Teil sichern sie sich mit Vorsorgemaßnahmen und Versicherungen gut ab. Sie planen oft sorgfältig, damit nichts schiefgeht. Insgesamt sind sie prüfend, abwägend und vorsichtig bei den Dingen, die sie tun, z. B. auch, wenn sie etwas kaufen. Sicherheit spielt in ihrem Leben eine große Rolle und sie bezeichnen sich selbst gern als vorausschauend handelnd. Sie neigen dazu, Risiken zu überschätzen und die Dinge, die schiefgehen können, in den Vordergrund ihrer Aufmerksamkeit zu stellen. Sie mögen keinen Nervenkitzel und meiden entsprechende Situationen. In unsicheren Situationen oder bei Veränderungen mit unklaren Konsequenzen empfinden sie Stress, Belastung und Angst. Die Sorgen darüber, was ggf. passieren kann, begleiten sie häufiger in den Schlaf. Manche Menschen machen sich viele Sorgen um ihre Gesundheit und haben eine hohe Sensibilität für ­körperliche Signale und ein höheres Schmerzempfinden. Andere kennen Panikattacken in unsicheren, belastenden Situationen. Im Beruflichen benötigen diese Menschen einen sicheren Arbeitsplatz, bei dem das Fortbestehen und eine positive Entwicklung frühzeitig absehbar sind. Starke Emotionen  Erleben Menschen mit einer roten Ausprägung im Motiv SICHERHEIT Vorhersehbarkeit und Stressfreiheit, genießen sie das Gefühl der inneren Ruhe und Gelassenheit. Können sie ihrem Bedürfnis nach Sicherheit nicht nachkommen, fühlen

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sie sich ängstlich, nicht handlungsfähig und sorgenvoll. Sie kommen in eine regelrechte Blockade. Selbstbeschreibung/Überzeugungen  • „Ich will vorsichtig und vorausschauend sein.“ • „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.“ • „Ich will Risiken und Gefahren vermeiden.“

Anhang: Erstellen Sie Ihr persönliches Motivationsprofil

Ihr persönliches LUXXprofile können Sie über einen zertifizierten LUXXprofile Master erstellen. Aus Qualitätsgründen dürfen die Profile nur über diese Master erstellt werden. Sie haben in einer entsprechenden Ausbildung gelernt, Ihr persönliches Profil gemeinsam mit Ihnen auszuwerten und Ihnen die Bedeutung Ihres Profils für die Gestaltung Ihres beruflichen und privaten Lebens sowie für Ihre spezifischen Fragestellungen zu erklären. Die Profilerstellung ist immer mit einem ausführlichen, in der Regel zweistündigen, Gespräch verbunden. Wenden Sie sich gerne an die Master der grow.up. Managementberatung (www.grow‐ up.de). Wir informieren Sie auch umfassend über Trainingsangebote, Seminare und Workshops zum Thema LUXXprofile. Sie finden uns im Großraum Köln und in Berlin. Kontakt: grow.up. Managementberatung GmbH gummersbach & berlin Quellengrund 4 51647 Gummersbach Telefon: + 49 (2354) 70890 – 0 Fax: + 49 (2354) 70890 – 11 Email: info@grow‐up.de Internet: www.grow‐up.de

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Rohrschneider, Sinnhaft führen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5

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