Setze dein Leben neu zusammen: Lebenskrisen mit dem Tangram‐Prinzip meistern [1 ed.] 9783666462832, 9783525462836

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Setze dein Leben neu zusammen: Lebenskrisen mit dem Tangram‐Prinzip meistern [1 ed.]
 9783666462832, 9783525462836

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STEFAN BAL ÁZS

SETZE DEIN L ­ EBEN NEU ­Z USAMMEN Lebenskrisen mit dem Tangram-­ Prinzip meistern

Mit 4 Abbildungen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2022 Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Innengestaltung nach einem Entwurf von Hagen Verleger, Berlin Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin, nach einem Entwurf von Hagen Verleger Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2750-6568 ISBN 978-3-666-46283-2

Inhaltsverzeichnis Hinweis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Noch ein Psycho-Buch?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlusspunkt setzen!  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Loslassen!  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hassen unterlassen!  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele justieren!  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrolle zurückgewinnen!  . . . . . . . . . . . . . . . . . . Setze dein Leben neu zusammen!  . . . . . . . . . . . . . Was nun?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dank  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tangram zum Ausschneiden  . . . . . . . . . . . . . . . . .

            

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ABSCHNIT T 1

HINWEIS

Hinweis Ich bin zwar kein Therapeut und dies kann daher kein therapeutisches Buch sein, dennoch möchte ich ein paar Lebenserfahrungen teilen, die ich als hilfreich empfand. Meine Ratschläge basieren auf persönlichen Einschätzungen und Erfahrungen. Aber auch Gespräche mit therapieerfahrenen Personen sowie Literatur­ recherchen fließen dort mit ein, wo sie die persönliche Sichtweise untermauern oder ergänzen. Mir geht es nicht darum, im wissenschaftlichen Sinne und mit wissenschaftlichem Anspruch ein Thema von verschiedensten Seiten zu beleuchten und zu bewerten – dies kann an anderen Stellen nachgelesen werden. Mein Ziel ist es vielmehr, erste Impulse und Ideen zu geben, um Menschen in einer Lebenskrise neue Perspektiven anzubieten. Personen, die sich nachhaltig in ihrer Lebenskrise verstrickt haben, rate ich dringend, professionelle Hilfe bei Ärztinnen oder Ärzten und Therapeutinnen oder Therapeuten zu suchen. Die Selbsthilfe ist ein Anfang und immer ein wichtiger Baustein der Bewältigung von Sinn- und Lebenskrisen, aber kein Ersatz für fachliche Unterstützung.

ABSCHNIT T 2

NOCH EIN ­P SYCHO-BUCH?

Noch ein Psycho-Buch? Das braucht doch kein Mensch! Vor allem, wenn du mitten in der Krise steckst: Da kannst du alles gut gebrauchen – außer gut gemeinten Ratschlägen. Wenn du keine Ahnung hast, wie es weitergehen soll, nützt es dir auch nur wenig zu wissen, wie es anderen ergangen ist. Es tröstet dich nicht, dass es einerseits einigen noch schlechter ging und es andererseits andere gibt, die es geschafft haben, aus der Scheiße sogar wieder herauszukommen. Zudem nervt, dass die Personen in den Fallbeispielen der Ratgeber immer so altbackene Vornamen haben. Aber was vor allem stört, ist, dass ihre Probleme so gar nicht wie deine sind. Aber schön, dass Manfred, Sieglinde und Horst eine Lösung gefunden haben. Du hoffst vielleicht ja selbst, dass irgendwann alles wieder besser wird – aber glauben kannst du es nicht, sofern du gerade mittendrin steckst. Und dann sollst du auch noch einen Ratgeber durchlesen! Während du eigentlich nur etwas zerschlagen, den Kopf vor die Wand stoßen oder dich am liebsten unter der Bettdecke verkriechen möchtest. Wir kennen diese Art von Literatur: Wir sollen uns auf Dinge einlas-

12 Noch ein ­Psycho-Buch? sen, ein Gefühlstagebuch schreiben oder Atemübungen machen. Dabei fehlen einem die Ruhe und die Nerven, sich entsprechend darin »einzuspüren«, und schon beim Gedanken daran setzt die Schnappatmung ein. Ich las mal ein Buch, in dem die Autorin darauf bestand, dass Leserin und Leser am Ende der einzelnen Abschnitte einer ganzen Reihe von Aussagen zustimmen müssten, bevor sie weiterlesen durften. Könne man nicht alle Punkte vorbehaltlos bejahen, so sollte der Abschnitt wieder und wieder gelesen werden, bis es gelänge. Über das erste Kapitel bin ich damals nicht hinausgekommen. In anderen Ratgebern wird es regelrecht »handgreiflich«: Du wirst aufgefordert, positiv verstärkende Sätze mehrmals am Tag laut auszusprechen, und sollst »dabei mit Zeige- und Mittelfinger einer Hand gegen die Kinnspitze«1 klopfen. Aber bitte nicht aus Versehen den Mittel- und Ringfinger nehmen! Der Körpereinsatz kann sogar noch gesteigert werden: »Wir ›massieren‹ uns mit Zeige- und Mittelfinger auf dem Herzen einen Kraftgedanken ein.«2 Aber bitte verletzt euch nicht dabei! Wenn im Inneren ein Orkan tobt, gelingt es nicht, im Deckchair entspannt in einem Buch zu versinken oder sich Kraftgedanken einzumassieren. Schon aus diesem Grund habe ich versucht, mich kurzzufassen und auf den Punkt zu kommen. Nichts muss durchgearbeitet, angestrichen, wiederholt oder eingeübt werden. Statt-

Noch ein P ­ sycho-Buch? dessen biete ich fünf kleine Impulse zum Perspektivenwechsel beim Grübeln an. Schon ohne Krise grübeln wir zu viel: Rund drei Viertel dieser inneren Monologe sind negativ und können »damit eine selbstentmutigende Wirkung auslösen, ohne dass die betreffenden Menschen das so bewusst realisieren«.3 In einer Krise wird dieses Grübeln zu einem Sog, der uns in die Tiefe reißt. Du ahnst es schon: Es gibt keine Lösung auf Knopfdruck. Und das Gerede von der »Krise als Chance« erspare ich uns hier – obwohl da natürlich was dran ist. Zunächst ist ja auch ein Abwärtstrend eine Bewegung. Und in jeder Bewegung steckt auch Energie, die Schwung verleihen kann … – aber: egal. Es gibt Möglichkeiten, der Realität zu entfliehen – viele probieren es mit Alkohol und Drogen – aber diese verlängern in der Regel nur den Lösungsweg durch ein paar zusätzliche Loopings. Schöne Dinge können wir uns kaufen – Glück müssen wir uns selbst machen. Ich habe mal den Tipp erhalten, dass nur eines helfe, wenn die Scheiße bis zur Oberkante der Unterlippe stehe: langsam schlürfen … Klingt kacke? Ist auch kacke: Es gibt keine Abkürzungen im Leben, und gewisse Ereignisse lassen sich nicht einfach überspringen. Wir können aber einiges tun, um schneller durch unser persönliches Jammertal zu kommen – zum Beispiel schneller schlürfen. Weniger unangenehm ist es hingegen, sich Impulse geben zu lassen, die Ideen liefern, wie du dich aus der ganzen Scheiße befreien

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14 Noch ein ­Psycho-Buch? kannst. Betrachte solche Impulse als Trittsteine, mit denen du mit jeder Stufe den Kopf etwas höher aus der Kloake bekommst, dein Blick wieder frei und – vor allem – dein Mund wieder leer wird. Dieses Buch bietet dir fünf solcher Impulse, die helfen können, wenn deine Lebenskrise in erster Linie eine Sinnkrise ist. Lebenskrisen, die gesundheitlich bedingt sind, bedürfen immer auch ärztlicher Hilfe. Ich verkaufe dir hier keine Religion, keine Philosophie, keine Glaubensgrundsätze. Die Impulse verstehen sich als ein Angebot, als eine Einladung, den eigenen Gedanken einen Stupser in eine andere Richtung zu verpassen. In der Physik sind Impulse mechanische Bewegungszustände – etwas, was Laien als »Schwung« der »Wucht« bezeichnen würden. Diese Wucht kann auch auf Bewegungen einwirken. Und damit meine ich nicht die Wucht des Güterzuges, der auf dein Auto aufprallt, weil dein Fahrzeug auf dem Bahnübergang unglücklich zum Stehen gekommen ist, sondern Impulse, die nicht nur mit der Holzhammermethode übermittelt werden. Ich stelle mir das so vor, als würden wir beim Autofahren ein Blitzlicht vom Straßenrand wahrnehmen. Ein Auslöser, der uns abbremsen oder nachdenken lässt: War ich zu schnell? Oder etwa das Auto neben mir? Vielleicht hat ja jemand am Straßenrand nur ein Foto von einem Eichhörnchen geknipst? Ich meine Impulse als externe Anstöße, die uns in unseren Routinen unterbrechen – uns innehalten

Noch ein P ­ sycho-Buch? und nachdenken lassen. Ein gedanklicher Tritt in den Arsch. Wenn Gedanken immer nur in denselben Bahnen durch den Kopf sausen, kann bereits die kleinste Verwerfung dazu beitragen, dass sie auf einmal ihre Richtung ändern. In einem zersplitterten Glas wird ein Lichtstrahl auf ganz neue Art und Weise reflektiert. Da hilft es manchmal, die dunklen Vorhänge aufzuziehen und die Sonne hereinscheinen zu lassen, um dies zu sehen. Solltest du meinen, dass es dir gerade scheißegal ist, dass es rechts und links flackert und blitzt, während du mit Tunnelblick in die Dunkelheit rast, dann kannst du das Buch hier zuklappen, und ich wünsche dir eine schöne Reise und alles Gute. Du wirst es brauchen! Denn ich befürchte, deine Reise wird nicht dort enden, wo du es dir wünschst. Und wenn du Pech hast, musst du wieder ganz von vorn anfangen. Die Ausrede, keine Zeit zum Lesen von Ratgebern zu haben, gilt erst recht nicht: Sobald du die Zeit hast, dich wie Scheiße zu fühlen, dann hast du auch die Zeit, dieses schmale Buch zu lesen!4 Es bietet dir kurze Ideenblitze, die helfen können, deine immer um die gleichen Fragen kreisenden Gedanken aus deren Umlaufbahn zu schleudern. Denn darum geht es: Wege, die nicht zum Ziel geführt haben, zu verlassen und einen Ausweg aus vermeintlicher Ausweglosigkeit zu finden. Es beginnt mit einem Gedanken in deinem Kopf. Die Welt um dich herum kannst du

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16 Noch ein ­Psycho-Buch? nicht ändern. Du kannst aber deine Sichtweise auf sie ändern. Ein einziger Gedanke kann das ganze Denken neu bestimmen. Sobald du anders über Dinge denkst, wirst du auch anfangen, anders auf die Dinge zu schauen. Die eingeübten und vermeintlich bewährten Lösungen wirst du vielleicht zusehends infrage stellen und dir so einen neuen Weg zurück ins Leben suchen. Der Weg wird womöglich ein anderer sein als erwartet und auch das Ziel ein anderes. Und du kommst möglicherweise in einem anderen Leben an, als du selbst gedacht hast – nämlich in deinem! Am Ende dieses Buchs biete ich dir eine Hilfe zum Sortieren deiner neuen Gedanken an: das Tangram-­ Spiel. Das uralte chinesische Legepuzzle ist ein ideales Beispiel, um zu zeigen, was für eine Vielzahl an Varianten und Gestaltungsmöglichkeiten du hast, auch wenn du immer wieder ausschließlich dieselben Bauteile verwendest. Du wirst sehen, dass man sich und sein Leben vielfältig ändern kann, ohne jemand ganz anderes werden zu müssen. Dein neues Leben setzt sich aus denselben Bausteinen zusammen wie dein bisheriges – denn anders angeordnet können die Einzelteile eine ganz neue Form mit einer veränderten Bedeutung ergeben. Ich bin kein Therapeut und habe bei Weitem nicht die gesamte Palette der Lebenshilfe-Literatur gelesen – wenn ich dies versucht hätte, wäre ich immer noch da-

Noch ein P ­ sycho-Buch? bei und würde nie einen eigenen Gedanken aufschreiben. Auch daher ist sicherlich nicht alles neu, was ich mir so denke: Irgendjemand wird dazu schon irgendwas irgendwo geschrieben, gesagt oder getan haben. Dessen bin ich mir bewusst. Wo dies unter anderem geschehen ist, kannst du an den Belegstellen und Quellen am Ende des Buchs sehen. Dass die Grundzüge der Impulse auch von anderen empfohlen werden, finde ich indes auch nicht schlimm, weist es doch darauf hin, dass darin etwas Universelles steckt, das unserer menschlichen Natur entspricht und daher von jedem auch immer wieder neu entdeckt werden kann. Du merkst schon: Diese Impulse sind nicht gottgegeben. Vergleichbares lässt sich in der meisten Ratgeber­ literatur finden – anders verpackt, anders hergeleitet und anders aufbereitet. Dennoch hat mich davon vieles nicht erreicht: Die Probleme waren durch so viele Ebenen verdeckt, sodass der wunde Punkt meines Erachtens nie so direkt getroffen wurde. In eigenen Phasen der Orientierungslosigkeit hat es mir geholfen, die notwendigen Handlungsimpulse auf den Punkt zu bringen und auf kompromisslos verständliche Befehle an mich selbst zu verdichten. Wenn alles droht, zu viel zu werden, sollte der Ausweg nicht auch noch kompliziert wirken. So schreibe ich meine fünf Impuls-Angebote hier auf, weil sie mir geholfen haben, in Zeiten der gedanklichen Unordnung meine Gedanken zu sortieren. Warum fünf? Wir können uns ohnehin keine endlosen Listen

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18 Noch ein ­Psycho-Buch? mit unendlich vielen Punkten merken und wenn wir etwas aufzählen wollen, helfen uns die fünf Finger unserer Hand am besten dabei. Stehen mehr als fünf Dinge auf einer Liste, wird es schnell lästig, die zweite Hand hinzunehmen zu müssen – besonders bei einem Vortrag, sofern wir Stichwortkarten oder die Presenter-­ Fernbedienung zum Weiterklicken der Folien in der anderen Hand haben. Meine fünf Impulse erfüllen ein bisschen die Funktion von Mantras – nicht als heilige Worte, sondern in der Bedeutung, sie durch Wiederholen im persönlichen Erleben verankern zu können. Sie sind wie ein Auftrag, ja, wie ein Befehl an dich selbst, den du dir selbst erteilen musst, willst du deine Situation ändern. Ich will niemanden zu lange auf die Folter spannen oder nur abschnittsweise von einem Impuls auf den nächsten verweisen. Man muss auch nicht zwangsläufig einen Impuls vollständig umgesetzt haben, bevor man sich mit dem nächsten auseinandersetzt. Tatsächlich greifen sie sogar ineinander und überlappen sich zum Teil. Das kommt vor allem denjenigen entgegen, deren Lesebereitschaft im akuten Krisenmodus nicht sonderlich hoch ist. Du kannst das Buch also direkt komplett durchlesen oder Impuls für Impuls oder so weit, bis du einen Strohhalm gefunden hast, an dem sich die ersten eigenen Gedanken einen Moment lang festhalten wollen. Gönne deinen Gedanken diesen zaghaften Griff und gib dieser ersten Verknüpfung Raum.

Noch ein P ­ sycho-Buch?

 Diese fünf Impulse können dir helfen: 1. Schlusspunkt setzen! 2. Loslassen! 3. Hassen unterlassen! 4. Ziele justieren! 5. Kontrolle zurückgewinnen!

Und dann setze dein Leben neu zusammen. Was im Rest des Buchs folgt, sind Erläuterungen und Beispiele zu den einzelnen Impulsen. Das Wesentliche hast du also schon gelesen! Und: Ja, der dritte Impuls ist kursiv gesetzt – das hat der Verlag vermutlich übersehen. Er hat natürlich nichts übersehen. Streng genommen bedeutet fortgesetzter Hass, dass du noch nicht ganz losgelassen hast. Da wir in Krisen zu negativen Bewertungen neigen, habe ich dem Thema jedoch einen eigenen Punkt gewidmet, obwohl es streng genommen ein Aspekt des überordneten Themas »Loslassen« ist. Die folgende Grafik (Abb. 1) verdeutlicht dir den Zusammenhang und die Abfolge der Impulse: Du setzt den Schlusspunkt, der gleichzeitig der Anfangspunkt deines Weges aus deiner Lebenskrise ist. Zu diesem

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Gefühlswelt

20 Noch ein ­Psycho-Buch?

Schlusspunkt setzten

Ziele justieren Kontrolle zurückgewinnen

Loslassen & Hassen unterlassen

Zeit

Dein Leben neu zusammensetzen

Abbildung 1 | Die additive Wirkung der fünf Impulse Zeitpunkt ist deine ganze Gefühlswelt komplett dunkel: Du siehst nur noch schwarz. Mit jedem Impuls, den du annimmst, kommt etwas mehr Licht in deine düster empfundene Lebenswelt, aber du bemerkst auch, dass es nicht schlagartig hell wird. Dir wird klar, dass die Impulse ihre nachhaltige Wirkung erst erreichen, wenn sie sich überlagernd verstärken. Die Dunkelheit reduziert sich mit jedem weiteren Impuls, den du annimmst und umsetzt. Die Umsetzung wird stets einige Zeit brauchen, aber du wirst vielleicht auch mit dem nächsten Schritt bereits beginnen, ohne die vorherigen ganz beendet zu haben. Das ist an vielen Stellen folgerichtig, da die Übergänge zwischen den Schritten fließend sind:

Noch ein P ­ sycho-Buch? Zum Beispiel wirst du dir neue Ziele suchen, während du die Phase des Loslassens noch nicht abgeschlossen hast. Wer alles loslässt, um einen neuen beziehungsweise anderen Weg einzuschlagen, sollte eine grobe Idee davon haben, in welche Richtung er laufen will. An dem Punkt, an dem du die Kontrolle über dein Leben wieder zurückgewinnst, haben Licht und Dunkelheit noch denselben Anteil. Aber du wirst sehr bald merken, dass die Helligkeit ab diesem Zeitpunkt kontinuierlich zunimmt, bis sie deine Gefühlswelt irgendwann ausfüllen wird. Wie weit du dabei die letzte Spitze der Dunkelheit in dein neues Leben eindringen lassen willst, ist dir überlassen. Es hängt von deiner Einstellung zur Krise und ihren Auslöser(n) ab. Letztendlich steht diese Spitze für die Narbe, die dir dieser Lebensabschnitt verpasst hat. »Wichtig dabei zu wissen ist, dass Wunden bzw. Narben nichts Schlimmes sind, dessen wir uns schämen müssen«5 – sie sind Teil unseres Lebens. Wenn du die Kontrolle zurückgewonnen hast, dann setze dein Leben neu zusammen. Und was hat das alles mit Tangram, dem chinesischen Legepuzzle, zu tun? Gute Frage! Es ist ein sehr geeignetes Bild für den letzten und entscheidenden Schritt aus der Lebenskrise in ein neues Leben: Verwende alle vorhandenen Bausteine deines Lebens wieder, wähle aber beim Zusammensetzen eine neue Gestalt. So kannst du dich verändern und bleibst doch gleich. In der Geometrie spricht man von Kongruenz, wenn

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22 Noch ein ­Psycho-Buch? Figuren die identische Fläche, aber nicht zwangsläufig dieselbe Form aufweisen. Beim Tangram deines Lebens bleibst du »identitätskongruent«. Aber weil niemand mit dem letzten Schritt beginnen kann, musst du erst einmal an diesen Punkt kommen und dich mit der Notwendigkeit und der Möglichkeit des Umsortierens der Teile auseinandersetzen. Sobald du erkennst, dass du dein Leben selbst gestalten und deine Ziele selbst wählen kannst, ist der Weg frei für eine neue, zu dir passende Lebensfigur. Aber fangen wir am Anfang an: So wie jede Reise immer mit dem ersten Schritt beginnt, gibt es auch Ratgeber, die sagen, dass nur eine einzige Frage das Leben verändern könne. Und diese Frage hieße »Was will ich eigentlich im Leben?«.6 Verkehrt ist das nicht. Es ergibt Sinn, die Neuordnung seines Lebens linear immer hübsch der Reihe nach anzugehen und sich nicht in fünfzig parallelen Baustellen zu verzetteln. Die Krux ist: Ich wäre in einer Krisensituation gar nicht in der Lage, diese eine Frage zu beantworten oder mich überhaupt konstruktiv mit ihr auseinanderzusetzen. Ich hätte zu einem solchen Zeitpunkt gar nicht sagen können, was ich im Leben eigentlich will, ich wollte vermutlich erst einmal nur überleben. Ich hätte bestimmt auch nur Dinge gewollt, die ich bei längerer Betrachtung wahrscheinlich eigentlich doch gar nicht gewollt hätte. Nehmen wir folgendes Beispiel: Wenn wir in einem dunklen Loch sitzen und nur einen Aus-

Noch ein P ­ sycho-Buch? schnitt des Himmels sehen, wünschen wir uns schnell alles, was wir uns unter diesem Himmel vorstellen können. Vielleicht würden sich einige unter uns eine wärmende Unterlage bestellen oder eine Decke, um es sich in dem Loch bequem machen zu können. Die Pragmatischen unter uns hätten vielleicht gern erst mal Licht im Loch. Dabei sind all diese Wünsche, die die Situation erträglicher machen könnten, hinfällig, wenn man sich einfach nur eine Leiter zu wünschen brauchte, um aus dem Loch herausklettern zu können. Es ist menschlich, sich bei hektischer Lösungssuche zunächst auf die sichtbaren Symptome als auf die dahinterliegende Erkrankung zu konzentrieren. Schnelle Entscheidungen sind hilfreich, weil sie Linderung verschaffen, aber am zugrunde liegenden Problem ändern sie grundsätzlich nichts. Bei anderen Autoren sind »9 effektive Wege, dein Leben zu verändern«7 im Angebot. Auch diese Empfehlungen sind nicht verkehrt. Aber kaum, dass ich die Website wieder verlassen habe, kann ich mich nur noch an drei erinnern, die ich hilfreich empfand. Und jetzt, wo ich diesen Text schreibe, fällt mir kein einziger dieser neun Wege mehr ein. Wir bleiben bei fünf. Fünf ist gut. Fünf Dinge sind uns auch schnell wieder präsent, wenn wir sie mal aufzählen müssen.8 Wir haben fünf Sinne, fünf Finger und fünf Zehen. Jesus hatte fünf Wundmale, der Islam hat fünf Säulen und in der alten Weltordnung gab es fünf

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24 Noch ein ­Psycho-Buch? Kontinente. Sicher gibt es andere Lösungen als diese fünf Impulse – aber Alkohol gehört nicht dazu. Das hatten wir auch schon, aber man kann es nicht oft genug sagen: Alkohol ist keine Lösung. Es mag verlockend sein, die Sinne zu vernebeln und zu betäuben, aber um deine Welt und dein Leben neu zu ordnen, musst du dir über einiges klar werden und dafür klar bleiben. Alkohol und Drogen werden dich nicht aus deiner Sinn- oder Lebenskrise befreien. Auch kein Ratgeber und kein Buch können dein Unglück lindern oder deine Verzweiflung besänftigen – das kannst nur du ganz allein. Das können weder Freunde noch Verwandte oder Bekannte. Sie sind sicherlich eine große Hilfe, aber du musst allein wieder aufstehen und die ersten Schritte neu versuchen. Gestützt von anderen ist okay, aber mit den eigenen Füßen auf dem Boden. Ja, das ist anstrengend und schmerzhaft. Und das schreibe ich als jemand, der nach mehreren Beinoperationen und vielen Monaten Bettruhe im Krankenhaus und daheim das Laufen wirklich – und nicht nur im übertragenen Sinne – neu lernen musste. Deswegen kann auch dieses Buch keinen Erfolg versprechen, wenn du dich nicht von dir aus bewegst. Von daher spreche ich hier bewusst nur von Impulsen, meinem Versuch, dir und deinen Gedanken einen Schubs zu geben. Und wie lange dauert es, bis alles wieder rundläuft? Auch das hatten wir schon: Es gibt keine Lösung auf Knopfdruck. Einige sprechen von »Instant Karma« und

Noch ein P ­ sycho-Buch? wir denken dabei vielleicht an YouTube-Filmchen, in denen ein ekelhafter Typ einem Kind das Eis aus der Hand schlägt, lachend weiterläuft und in einen offenen Gully stürzt. Sicher ist lediglich, dass wir vermutlich nicht erst auf unsere Wiedergeburt warten müssen, damit es uns besser geht. Dennoch gibt es auch hier leider nur eine (scheinbar) blöde Antwort: Es dauert so lange, wie es dauert. Und wenn es vorbei ist, wirst du es merken. Wobei wir uns auch täuschen können: Du denkst sicher zwischenzeitlich häufiger mal, dass du »durch« seist, bis du merkst, dass dem nicht so ist. Dann dauert es eben noch. Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo beim Lernen und Umsetzen, und jede Veränderung beansprucht bei jedem unterschiedlich lange Zeit. Vielleicht zeigt der eine oder andere Impuls einen sofortigen Effekt – so wie man beim Autofahren erst mal vom Gas gehen würde, wenn es vom Straßenrand aus blitzt. Aber wie viele beschleunigen direkt danach wieder, weil es nun ohnehin egal ist? Veränderungen entstehen nicht dadurch, dass ein sprichwörtlicher Schalter umgelegt wird: Veränderungen entstehen durch wiederholtes Üben – es ist wie beim Muskelaufbau beim Sport. Es ist langwierig und passiert nicht im Handumdrehen. Wenn wir anfangen, Dinge anders zu machen, müssen wir damit wiederholt fortfahren, damit sich Veränderungen einstellen können. Und das passiert nur langsam, sehr langsam, eigentlich extrem langsam, und die Veränderung zu

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26 Noch ein ­Psycho-Buch? verstetigen, dauert dann auch noch mal, da halte ich es mit Katharina Ley: »Veränderungen sind im Leben meist nur in sehr kleinen Schritten möglich, zumal ein Verändern-Wollen oft erst durch einen gewissen Leidensdruck entsteht. Die meisten Menschen wollen nichts verändern. Veränderungen finden erst unter Leidensdruck statt.«9 Alle, deren Gefühlswelt momentan komplett schwarz ausgefüllt ist, werden diesen Leidensdruck spüren – völlig egal, an welcher Stelle des Lebens sie gerade stehen. Betrachtet man unsere ganze Lebensspanne, dann geht es uns in der Mitte am beschissensten – das sagt zumindest die Forschung. Die gute Nachricht: Danach geht es wieder aufwärts! Für manch einen mag daher Aussitzen und Abwarten die präferierte Krisenbewältigungsstrategie sein. Denn es scheint tatsächlich eine »U-Kurve des Glücks«10 zu geben: Eine groß angelegte Studie wies nach, dass europäische Männer mit 44 Jahren und europäische Frauen mit 43 Jahren am wenigsten mit ihrem Leben zufrieden sind.11 Die Midlife-­Crisis ist also kein Mythos. Es mag eine Reihe guter Gründe geben, die Menschen in der Mitte ihres Lebens für Sinnkrisen anfälliger macht, wie zum Beispiel der Auszug der erwachsenen Kinder, berufliche Stagnation oder zunehmende gesundheitliche Beschwerden. Meistens reicht es schon zu wissen, dass Halbzeit ist und man sich von nun an überlegen muss, was in der verbleibenden Lebenszeit noch alles zu erreichen ist. Diese

Noch ein P ­ sycho-Buch? »mittleren Jahre sind anfällig für die bekannten Aufbruchsymptome: Berufswechsel, Partner verlassen, Auto verkaufen, Putzfrau entlassen, Tür zuschlagen und wegrennen«,12 konstatiert auch Irmtraud Tarr. Es ließe sich nun hoffen, dass die Phasen vor und nach der scheinbar kritischen Lebensmitte einfacher wären, aber leider sind wir in keiner Lebensphase gegen Krisen immun: Tatsächlich berichten Jugendliche und junge Erwachsene dreimal so viele kritische Lebensereignisse wie Personen im mittleren Erwachsenenalter – in der zweiten Lebenshälfte kommen dann altersbedingte Verlustereignisse dazu.13 Phasen der Orientierungsund Perspektivlosigkeit machen keinen Altersunterschied. Zumindest für die Dauer des Trennungsschmerzes gibt es neben volkstümlichen Faustregeln geradezu mathematisch anmutende Rechenformeln. Entweder wird gesagt, der Kummer dauere die Hälfte der Zeit der vergangenen Beziehung an oder es sei wie mit den Abfindungen im Job: Für jedes Beziehungsjahr brauche es einen Monat Verarbeitung. Wer die Kummerdauer exakt nach der Formel des britischen Autors Garth Sunden14 berechnen möchte, ist dadurch zwischenzeitlich wenigstens ein wenig abgelenkt. Bei Doris Wolf heißt es: »2–4 Jahre benötigen die meisten, bis sie ein neues Lebenskonzept entwickelt haben.«15 Durchschnittlich drei Jahre brauche es, die Wut auf den Ex-Partner aufzugeben.16 Das bedeutet ja auch nicht, dass du die ganze

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28 Noch ein ­Psycho-Buch? Zeit lang nie wieder lachst. Es bedeutet nur, dass du noch nicht mit der Verarbeitung fertig bist. Alle anderen Lebenskrisen sind zu individuell, als dass es Bauernregeln oder Faustformeln gäbe, um deren Dauer vorauszuberechnen. Entscheidend ist, dass du Entscheidungen triffst. Denn das macht glücklich. Menschen waren sechs Monate später deutlich zufriedener, wenn sie eine ihnen persönlich wichtige Frage gelöst und dementsprechend auch gehandelt hatten.17 Fazit: Veränderung tut gut – Stillstand zermürbt. In der zugrunde liegenden Studie von Steven D. Levitt haben die Testpersonen auf einer Website virtuell eine Münze geworfen, um solche Dinge zu entscheiden wie eine mögliche Trennung oder einen Jobwechsel.18 Abwarten und Tee trinken hilft eben nicht immer, sodass Aussitzen vermutlich doch keine geeignete Strategie der Krisenbewältigung ist. Anstatt auf den Kalender und die Uhr zu starren, sollten wir lieber darauf achten, die Zeichen der Zeit zu erkennen: Kann ich wieder zur Arbeit gehen, ohne Magenkrämpfe zu bekommen? Kann ich der oder dem Ex begegnen, ohne in Heulkrämpfe oder Wutausbrüche zu verfallen? Fühle ich mich zuversichtlicher? Wer dafür eine Checkliste braucht, wird ebenfalls im Netz fündig. Die Online-Partnervermittlung ElitePartner.de verrät fünf Zeichen, an denen zu erkennen sein soll, dass man über die Ex-Liebe hinweg sei.19 Interessanterweise regiert auch hier die Zahl Fünf.

Noch ein P ­ sycho-Buch? Aber bevor du schaust, ob die Krise überwunden ist, musst du anfangen, sie zu bewältigen. Und das beginnst du am besten damit, indem du sie abschließt: Setze einen Schlusspunkt. Akzeptiere, dass etwas zu Ende gegangen ist, das so nicht fortgesetzt werden konnte. Danach kann nur noch etwas Neues kommen. Stell dir diesen Schritt wie die Flucht durch einen Not­ ausgang vor: Die Tür fällt hinter dir ins Schloss – es gibt keinen Weg zurück zur anderen Seite. So musst du dir zwangsläufig überlegen, wie es auf dieser Seite weitergehen kann.

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ABSCHNIT T 3

SCHLUSSPUNKT SETZEN!

Schlusspunkt setzen! Mark ist unsterblich und hoffnungslos in Juliet verliebt. Diese ist mit Peter, seinem besten Freund, verheiratet und Mark hat als Trauzeuge die Hochzeitsfeier organisiert und auf Video mitgefilmt. In seiner unerfüllbaren Liebe zu Juliet verhält sich Mark ihr gegenüber zurückweisend und kalt. Als er ihr die Hochzeitsaufnahme nicht zeigen will, durchwühlt sie seine Videokassetten und findet das Band. Bei seinem Anschauen entdeckt sie, dass Mark nur sie gefilmt hat, und erkennt seine Zuneigung. Beschämt flüchtet Mark vor ihr, um einen Tag später an der Wohnungstür von Peter und Juliet zu klingeln. Sie öffnet. Mark erklärt auf Texttafeln in sehr origineller Weise seine Liebe zu ihr und wendet sich danach zum Gehen. Sie läuft ihm hinterher, gibt ihm einen Kuss, bevor sie zu ihrem Mann in die gemeinsame Wohnung zurückkehrt. Mark schüttelt den Kopf während er weitergeht und sagt: »Enough – enough now!« – »Genug – genug jetzt!«20 Kommt dir das irgendwie bekannt vor? Kein Wunder, denn das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern dies ist vermutlich – neben der Tanzeinlage von Hugh

34 Schlusspunkt setzen! Grant als britischer Premierminister im Treppenhaus von Downing Street No. 10 – eine der bekanntesten Szenen des vorweihnachtlichen Episodenfilms »Tatsächlich … Liebe« (»Love Actually«) von Richard Curtis aus dem Jahr 2003, der besonders in der Adventszeit gern auf zahlreichen TV-Kanälen gezeigt wird. Aber schöner kann das Setzen eines Schlusspunktes cineastisch auch kaum dargestellt werden: Genug ist genug – jetzt reicht’s. Das ist ein Bilderbuch-Schlusspunkt – ganz großes Kino. Es geht nicht um das Ende aller Dinge, sondern um das Ende deiner Bereitschaft, eine für dich als ungut empfundene Situation fortzuführen. Wenn es darum geht, einen Schlusspunkt zu setzen, heißt dies, dass du für dich selbst eine Phase als beendet erklärst. Einen Abschluss, ein Ende zu akzeptieren bedeutet indes nicht den Tod als persönliches Ende. Es sollte uns aber klar sein, dass alles endlich ist, auch deshalb kennt die Geschichte die institutionalisierte Form des Mahners, der siegreiche römische Feldherren bei ihrem Triumphzug oder Päpste bei ihrer Krönung daran erinnern sollte, dass auch sie sterblich seien.21 Vieles in unserem Leben ist vergänglicher, als es uns vielleicht lieb ist, und es würde sicher auch nicht schaden, uns dies häufiger bewusst zu machen. Um wie viel einfacher wäre es, wenn nicht nur Lebensmittel, sondern auch Lebensphasen von vornherein mit einem Haltbarkeitsdatum versehen wären – zumindest wäre vielen von uns dann präsenter, dass alles irgendwann vorbei ist. Aber es geht nicht nur

Schlusspunkt setzen! darum, Vergänglichkeit von Momenten zu akzeptieren, sondern auch darum, dass wir selbst immer wieder Schlusspunkte setzen müssen, damit wir neu anfangen können – manchmal auch, ohne dass wir das wollen, aber Verharren ist keine Lösung. Werbung, Kunst, Literatur und verschiedene Lebenshilfe-Ratgeber gaukeln uns vor, wir hätten absolute Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit in Bezug auf unser Leben: Wir könnten jederzeit alles sein, was wir wollen. Nichts sei festgeschrieben und alles stehe zur Disposition: die Beziehungen, das Alter, die Arbeit, die Art, wie wir wohnen und leben. Dazu gehört, dass wir für immer Kind bleiben oder jederzeit neu anfangen könnten. Ich würde dies weder glauben noch ausprobieren wollen. Ein scheinbar schier unbegrenzter Entscheidungsraum bringt wenig, wenn viele Menschen noch nicht einmal erkennen, wann gute Zeitpunkte sind, um Schlusspunkte zu setzen. Viele können sich nicht dazu durchringen, eine Party zu verlassen, weil sie ja etwas verpassen könnten. Manch einer denkt am Ende seines Urlaubs, dass er nur noch wenigstens einen einzigen Tag länger dauern sollte. Einige hoffen, dass es nach einer Trennung vielleicht doch noch eine Chance gebe oder aber die gehasste vorgesetzte Person im Büro einfach sterben würde. Man könnte meinen, dass es gar nicht so schwer sei, zu erkennen, dass etwas endet und etwas Neues beginnt. Tatsächlich jedoch bereitet es vielen Menschen

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36 Schlusspunkt setzen! Schwierigkeiten, diese Übergänge wahrzunehmen. Kleine Kinder bleiben im Karussell sitzen, weil sie glauben, dass es bestimmt gleich weitergeht. Sie fangen an zu brüllen und zu zappeln, will man sie aus dem roten Feuerwehrauto heben, denn sie wünschen sich, sich endlos weiterzudrehen. Auch als Erwachsene haben wir uns aus diesem Stadium kaum weiterentwickelt, auch uns fällt es schwer, den Punkt zu erkennen, wann eine Karussellrunde vorbei ist. Ich glaube inzwischen, dass sehr viele Menschen um uns herum noch immer in diesem kleinen roten Feuerwehrauto sitzen und hoffen, dass sie niemand jemals da herausheben wird und es immer so weitergehen wird. Aber genau hier wäre der beste Ansatz, das Beenden-Können zu üben, denn »Beenden-Können steht nicht nur in schicksalhaften Momenten an. Beenden-Können meint auch eine Lebenskompetenz«, wie Katharina Ley richtigerweise anführt.22 Natürlich bleibt niemand in der U-Bahn sitzen, gesetzt den Fall, dass es heißt: »Endstation – alle aussteigen.« Aber solche eindeutigen Ansagen gibt es für unser Leben in der Regel nicht. Wir müssen selbst erkennen, wann Dinge für uns zu Ende sind. Du hast richtig gelesen: Wir entscheiden selbst, wann unsere Karussellfahrt vorbei ist und unser Zug die Endhaltestelle erreicht hat – auch für den Fall, dass andere sich weiterdrehen oder sitzen bleiben. Das macht Entscheidungen kompliziert. Der Volksmund weiß, dass man gehen soll, wenn es am schöns-

Schlusspunkt setzen! ten ist. Und die Wissenschaft weiß auch, warum das so ist. Das hängt damit zusammen, wie unser Gehirn Erinnerungen speichert: Der intensivste Moment wird mit dem abschließenden Status, dem Ende, in Verbindung gebracht. Das zeigte der Psychologe Daniel Kahneman in zahlreichen Studien und leitete von diesem Phänomen die »Peak-End-Rule« (»Höchststand-Ende-­ Regel«) ab.23 Sie erklärt, warum der Ski-Urlaub mit zwei Wochen schönstem Sonnenschein in der Erinnerung komplett scheiße war, wenn du dir am letzten Tag das Bein gebrochen hast oder eine jahrelange Ehe nur noch durch den Filter einer schmutzigen Scheidung gesehen werden kann.24 Dabei wird die Dauer des bewerteten Abschnitts völlig irrelevant – sodass es letztendlich keinen Unterschied machte, ob wir zwischen einem »Ende mit Schrecken« oder einem »Schrecken ohne Ende« wählen. Diese Regel gilt übrigens auch für positive Bewertungen: Eine verregnete Urlaubswoche bleibt schön in Erinnerung, sofern das Wochenende zum Abschluss sonnig war. Für unsere Volksweisheit bedeutet das laut Eckart von Hirschhausen: »Je rascher auf einen intensiven Höhepunkt das Ende folgt, desto schöner bleibt das Ganze in Erinnerung.«25 Wobei am Ende die Vorzeichen egal zu sein scheinen und sich bereits nach einem Jahr alles relativiert, da »Menschen die Wirkung positiver Ereignisse auf ihre Lebenszufriedenheit überschätzen. Sie haben zwar einen Anstieg des Wohl­befindens zur Folge, der sich jedoch nach einem Jahr auf das Niveau

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38 Schlusspunkt setzen! der Vorjahre einpendelt. Ähnlich ist es mit den Folgen negativer Ereignisse, die nach einiger Zeit weniger belastend erlebt werden.«26 Aber für das Setzen des Schlusspunktes zählt der Moment und nicht dessen nachträgliche Bewertung. Im Prinzip ist das alles klar. Doch wir können häufig nicht erkennen, was der Höhepunkt ist, und bleiben lieber sitzen, um festzustellen, dass dann doch nichts mehr passiert. Ich kenne das von Partys, auf denen ich als Student in Berlin tanzte, trank und tratschte – irgendwann erzeugte der Alkoholgenuss einen Kreisel in meinem Kopf und da wusste ich, dass ich ein Bier vorher hätte aufhören sollen, als es noch Leichtigkeit und noch nicht Gelalle war. Seien wir ehrlich: Wenn man bis zum Ende dieser Partys blieb, war nichts mehr schön – weder die Gäste noch die Geschichten und schon gar nicht der Geruch nach Erbrochenem. Entgangen wäre mir nichts, wäre ich vorher gegangen. Aber woher sollte ich denn wissen, dass es eben genau jetzt »am schönsten« war? Manchmal hilft es, sich vorher zu überlegen, was du alles geschafft haben willst. Bei einer Party könnte das sein, dass du mit deinen vier guten Freunden sprechen willst, ein bisschen was trinken und essen und vielleicht auch das Tanzbein schwingen, sofern die Musik gut ist. Wenn das alles passiert ist, ist es vermutlich gerade am schönsten. Und wenn du dann noch einen neuen Bekannten kennenlernst, der einen

Schlusspunkt setzen! guten beruflichen Tipp parat hat, dann wird es sogar noch schöner. Inwieweit wir uns auf Checklisten oder unsere Intuition verlassen wollen, muss jeder für sich entscheiden: Ich muss nicht abwarten, bis ich auch tatsächlich den vierten guten Freund gesprochen habe oder tanzbare Musik gespielt wird. Das Leben verläuft nicht so holzschnittartig. Beruflich mag das vielleicht noch funktionieren: Ich kann mir Meilensteine setzen, die ich erreicht haben möchte, bevor endlose Wiederholungen den Arbeitsalltag monoton werden lassen. Da, wo auch andere Menschen emotional beteiligt sind – in Beziehungen und Partnerschaften – sind Checklisten in der Regel nur bedingt hilfreich: Wer die Themen Verlobung, Heirat, Haus, Kinder und Haustiere abgehakt hat, kann dann nur noch den sprichwörtlichen Stecker ziehen. Und tatsächlich kommen viele Paare auch an diesen toten Punkt der abgehakten Checkliste und wissen dann nicht weiter. Hier wird es doppelt kompliziert, da sie nun gemeinsam erkennen müssen, welche Phase beendet ist und wie sie gemeinsam etwas Neues anfangen wollen. Allein sich dies bewusst zu machen und gemeinsam daran zu arbeiten, kann der Partnerschaft schon neuen Schwung verleihen. Für andere liegen die Schwierigkeiten bereits zu Beginn einer möglichen Partnerschaft. In Liebesdingen sorgen sich insbesondere junge Menschen mitunter, ob sie denn die Richtige oder den Richtigen wirklich

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40 Schlusspunkt setzen! bereits gefunden haben und ob es für sie nicht vielleicht doch noch bessere Kandidatinnen oder Kandidaten für ein noch glücklicheres Liebesleben geben könnte. Dieses Beispiel verwendete einmal ein Risikomanager eines großen Konzerns in seinem Vortrag, um seine Arbeit anschaulich und unterhaltsam erklären zu können: Das Entscheidungsproblem habe etwas mit Risikoabwägung zu tun, komme aus der Spieltheorie und werde dort auch gern als »Sekretärinnenproblem« abgehandelt. Nicht etwa weil Sekretärinnen vorrangig gezielt auf Partnersuche wären, sondern weil dasselbe Modell erklärt, wie bei der Stellenbesetzung einer Sekretärin aus dem Pool der Bewerberinnen und Bewerber die beste Wahl getroffen wird: Der Personaler oder die Personalerin weiß, dass er oder sie nicht unendlich viele Versuche im Auswahlprozess haben wird, also muss an irgendeinem Punkt im Prozess entschieden werden – immer mit dem Risiko, eventuell die beste Kandidatin oder den besten Kandidaten schon oder noch nicht dabei gehabt zu haben. Eine Lösung bietet die »37-Prozent-Regel«: Hier wird etwas über ein Drittel der Auswahloptionen angeschaut und dann die nächste Bewerberin oder der nächste Bewerber angenommen, die oder der besser ist als alle anderen, die sich vorher vorgestellt haben. Bezogen auf drei Sekretärinnen aus dem Beispiel in der Spieltheorie hieße das: »Die erste Bewerberin wird abgelehnt. Falls die zweite besser als die erste ist, wird die zweite eingestellt, anderenfalls die

Schlusspunkt setzen! dritte. Mit dieser Strategie bekommt man die beste Bewerberin […] in 3 von 6 Fällen. Die Wahrscheinlichkeit 3 1 ist somit 6  = 2 .«27 Der erwähnte Vortrag des Risikomanagers endete mit der Publikumsfrage, ob er diese Regel denn tatsächlich bei der Wahl seiner Ehefrau angewendet habe. Darauf seine Antwort: »Oh Gott, nein! Ich bin Mathematiker – also habe ich die Erste genommen, die mich wollte.« Es gilt also grundsätzlich: Nicht zu lange warten! Auch wenn einige Autoren davon ausgehen, »dass frühe Erfolge oft bessere Lösungen verhindern«.28 Aber später lässt sich an einen einmal verstrichenen Punkt nicht mehr zurückkehren. Natürlich kann ich auch alle Möglichkeiten an mir vorbeiziehen lassen, hoffend, dass der Volltreffer noch kommen möge, um am Ende möglicherweise festzustellen, dass ich mich gleich am Anfang hätte entscheiden müssen. Nun ist es dafür zu spät. Den Schlusspunkt für die Suche muss die suchende Person selbst setzen. Denn der Volksmund hat nicht immer recht, wenn er sagt, dass das Beste immer zum Schluss käme – ganz im Gegenteil: Du solltest Schluss machen, sobald du das Beste für dich gefunden hast. Wenn man Spaß hatte, sollte man die Party verlassen – auch mit dem Risiko, das Feuerwerk am Ende zu verpassen. Und wie sieht dieses »Feuerwerk« aus? Tom erzählt noch diesen einen großartigen Witz (den er aber auch schon letztes Jahr auf der Geburtstagsfeier zum Besten

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42 Schlusspunkt setzen! gegeben hat) und Tina rutscht beschwipst kichernd von der Armlehne des Sofas (vor zwei Wochen hat sie sich so neben ihren Stuhl gesetzt). Dasselbe auf der Arbeit: Du schließt vielleicht noch ein Projekt mit einem neuen Aspekt erfolgreich ab (die Getriebe wurden aber auch schon von anderen Unternehmen auf diese Art auf das Gestänge montiert) oder du verpasst, dass ein wichtiger Kunde neu gewonnen wurde (ein weiterer Zulieferer, aber diesmal aus einem anderen Bundesland). Und in der Beziehung? Ihr wärt vielleicht noch einmal in einen gemeinsamen Urlaub gefahren (diesmal auch tatsächlich ohne den täglichen Streit) oder ihr hättet möglicherweise noch einmal einen von diesen besonderen Momenten gehabt, in denen sich alles perfekt anfühlt (ihr aber vielleicht nur angetrunken wart, weil alle anderen Momente sich so völlig falsch anfühlten). Setze deinen Schlusspunkt. Worauf warten? Der Moment ist hier und jetzt. Wer handelt, ist in der Gegenwart. Nur in der Gegenwart – im Hier und Jetzt – können wir Leben erleben und gestalten. Was hinter uns in der Vergangenheit liegt, lässt sich nicht ändern. Was sich vor uns in der Zukunft befindet, können wir meist nicht allein steuern und gestalten. Mit dem Setzen deines Schlusspunktes greifst du aktiv in die Zeit ein. Mit deinem Schlusspunkt erklärst du etwas zur Vergangenheit – sie liegt hinter dem Schlusspunkt, auf dem du in dem Augenblick stehst, wenn du ihn setzt. Mit dem Schlusspunkt durchtrennst

Schlusspunkt setzen! du den Fluss der Zeit, ab hier kann eine neue Zukunft anbrechen, die die Zeitachse nicht gradlinig aus der Vergangenheit verlängert, sondern sich in einem Winkel zur ursprünglichen Linie fortsetzt, auf den du auf jeden Fall einen Einfluss hast. Das klingt jetzt einschneidend – so, als hättest du die Welt für einen Augenblick angehalten. Und das hast du ja auch: zumindest deine Welt. Deine neuen Zeitabschnitte von neuer Vergangenheit, Schlusspunkt im Hier und Jetzt und neuer Zukunft sind zentral für deine Standortbestimmung. Du hast nun einen neuen Vergangenheitsabschnitt, den du zwar nicht ändern kannst, aber es liegt an dir, wie du ihn künftig bewerten willst. Dein Schlusspunkt ist dein Anker in der Gegenwart. Wir alle neigen zu »Jetztfluchten«,29 wie Ute Lauterbach das nennt, wir tendieren dazu, über Vergangenes zu grübeln und zu jammern oder uns um Zukünftiges zu sorgen – dabei verpassen wir voll und ganz, in der Gegenwart zu leben. Einfach bewusst im Hier und Jetzt verankert zu sein, ist daher das Ziel von Meditation und Achtsamkeit. Meist bedarf es von uns zielgerichteter Konzentration, um mental in der Gegenwart zu bleiben, flattern unsere Gedanken doch viel zu oft hinter oder vor uns auf der Zeitachse umher. Um uns neuen Dingen zuwenden zu können, müssen die alten beendet sein. »Wir können problemlos wechseln, wenn wir mit dem Lebensabschnitt fertig und zufrieden sind und innerlich zum Wechsel be-

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44 Schlusspunkt setzen! reit sind«,30 erklärt Regine Schneider. Das klingt nach einem Künstler, der sein Werkzeug zur Seite legen kann, weil das Kunstwerk nun vollendet ist. Ganz so ideal­typisch verhält es sich in den meisten Lebenssituationen, in denen wir Schlusspunkte setzen, leider nicht. Dabei ist es in der Regel eher eine Frage der Ressourcen. Sobald wir erkennen, dass wir die Kraft, mit der wir gegen etwas ankämpfen, was sich nicht besiegen lässt, auch anders einsetzen können, ist viel gewonnen. »Unsere Loslösung beginnt, wenn wir die Wahl treffen, keine unnötigen Energien mehr durch Widerstand zu vergeuden, und wenn wir aufhören, uns im Kreis zu drehen«,31 konstatiert entsprechend Irmtraud Tarr. Aber es muss weitergehen! Und es kann nur weitergehen, wenn wir das Vorherige beenden. Brigitte Neusiedl bringt es knackig auf den Punkt: »Wir müssen ausatmen, damit wir wieder einatmen können.«32 Aber das müssen wir dann auch tun! Statt in der Stockstarre ob des jähen Endes zu verharren, müssen wir den Schritt nach vorn wagen: Wer nicht abreist, kann nirgends ankommen. Und wer noch einen Koffer in Berlin hat, sollte diesen gedanklich abschreiben und ihn dort einfach verrotten lassen. Bei Anna Schoch klingt es noch dramatischer: »Die Ablösung und das Abschneiden alter Bindungen tut weh – sie aber unerledigt mit sich weiterzuschleppen bedeutet Siechtum und Vergiftung. Es ist, als ob ein Geschwür, ein Stück des eigenen

Schlusspunkt setzen! Körpers, geopfert werden müßte, um genesen und weiterleben zu können.«33 Gerade nach der Beendigung einer langjährigen Beziehung fühlst du dich unter Umständen besonders unsicher und du fragst dich vielleicht, ob die andere Person möglicherweise auch unsicher ist – ist sie bestimmt. Aber zweimal »allein unsicher« macht nicht einmal »zusammen sicher«. Zwei Ertrinkende können sich nicht retten, indem sie sich aneinander festhalten. Für niemanden sind die Folgen einer Trennung ausschließlich angenehm und mit ihr verschwinden noch lange nicht die Ursachen und Gründe, die zur Trennung geführt haben. Auch ein Jobwechsel ist eine Trennung. Mit zunehmender Unzufriedenheit hoffst du vielleicht darauf, dass die Firma erkennt, was du geleistet hast und wie wichtig du für sie bist – schließlich hast du dich mit viel Herzblut und Zeiteinsatz engagiert. Du wünschst dir, dass dies gesehen und gewürdigt wird, ohne dass du darum betteln musst. Auch hier geht es – wie fast immer – um Erwartungshaltungen. Wer nichts erwartet, kann auch nicht enttäuscht werden. Wie viel Enttäuschung sollen wir aushalten, bevor wir uns abwenden und neu orientieren? Wann ist es Zeit zu gehen? Ausgerechnet Top-Manager deutscher Konzerne scheinen nicht zu wissen, wann man abtreten sollte34 – vermutlich ist die Macht zu berauschend, um sich ihr entziehen zu können.

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46 Schlusspunkt setzen! Es hilft nicht, sich alle Optionen offenhalten zu wollen. Ab einem bestimmten Punkt gibt es keinen Weg zurück. Dann gilt es, sich abzuwenden und festen Schrittes in die neu ausgerichtete Zukunft zu gehen. Wann ist es aber so weit? Diesen alles entscheidenden Punkt muss man spüren beziehungsweise ihn erkennen lernen. Du wirst ihn spüren oder hast ihn schon gespürt. Nun musst du ihn nur noch erkennen. Es ist der Zeitpunkt, an dem du nicht mehr mitten in der ­Karambolage steckst, sondern die Unfallstelle allenfalls noch wie durch einen Rückspiegel hinter dir liegend siehst. Das gilt für die Situation, in der du der Unfallverursacher oder die Unfallverursacherin bist oder das Opfer: Aktiv Loslassen hilft auch für den Fall, dass du eigentlich die passive Rolle hattest. Auch falls du das Gefühl haben magst, du seist selbst die los- oder fallengelassene Person, so musst du dein Festhalten am Vorherigen dennoch selbst irgendwann loslassen. Auch wenn dir der Schlusspunkt gesetzt wurde, so musst du ihn auch noch einmal selbst für dich setzen und dir wie Mark sagen: »Enough – enough now!« – »Genug – genug jetzt!« und die Szene verlassen.

ABSCHNIT T 4

LOSLASSEN!

Loslassen! Weißt du, wie du am besten einen Affen fängst? Du brauchst dazu eine Kiste und eine Banane: In die Kiste schneidest du eine Öffnung, die gerade groß genug für eine Affenhand ist, dann legst du die Banane in die Kiste. Der Affe kommt, greift nach der Frucht und kann seine Hand mit der Banane in der Faust nicht mehr aus dem Loch ziehen. So festgesetzt ist er für die Affenfänger leichte Beute. Der »Krampfreflex des Festhaltens«35 ist seiner Freiheit zum Verhängnis geworden. Du musst dich fragen: Will ich dieser Affe sein, oder kann ich loslassen? Eigentlich müssten wir alle Loslass-Profis sein, denn »unser Leben ist ein dauerndes Loslassen, von Menschen, Orten, Gewohnheiten und Zeiten – nichts bleibt für immer«.36 Nicht einmal die von Börries von Münchhausen (1874–1945) für geradezu unsterblich erklärten »hirschledernen Reithosen«: »Geschlechter kommen, Geschlechter vergehen / hirschlederne Reithosen bleiben bestehen.«37 Ein Gedicht, das meine Mutter immer zitierte, wenn ich als Kind meinte, wegen vergossener Milch weinen zu müssen – oder wie es im

52 Loslassen! Rheinland heißt: »Wat fott es, es fott.« Was man loslässt, das entschwindet und ist fort. Loslassen ist untrennbar mit dem Erkennen und Setzen des Schlusspunktes verbunden: Habe ich etwas beendet, macht es meistens keinen Sinn, daran weiter festzuhalten. Auch wenn in vielen von uns der Wunsch stark sein mag, noch etwas halten und behalten zu wollen, so liegt im Beenden der Anfang des Lösens. Am deutlichsten und einschneidendsten wird uns dies beim Verlust eines geliebten Menschen vor Augen geführt: Loslassen ist Trauerarbeit. Aber auch nach anderen Verlusten, wie dem der Arbeitsstelle, oder nach dem Abschied von bestimmten Lebensphasen kann eine Trauerphase beim Verarbeiten helfen. Denn das Bisherige loszulassen ist bei verschiedensten Lebensereignissen notwendig – egal ob beruflich, persönlich oder materiell. Wir kommen eigentlich nicht drum herum und müssen uns diesen Phasen immer wieder stellen. In diesen schicksalhaften Momenten hilft es, wenn wir das Beenden-Können bereits bei Ereignissen mit weniger Dramatik, sprich: mit weniger Einfluss auf unser Leben, haben üben und anwenden können. Waren wir in der Vergangenheit in der Lage, Schlusspunkte erfolgreich zu setzen, gibt uns das Zuversicht, auch kommende Unwägbarkeiten zu schultern. Dieses Vertrauen in uns selbst gibt uns Gelassenheit, ist sich auch Gabi Rimmele sicher: »Menschen, die beginnen, die Kunst des Loslassens zu

Loslassen! üben, finden meist zu einer größeren Gelassenheit im Umgang mit den Anforderungen, die an sie herangetragen werden. Es fällt ihnen leichter, sich an veränderte Umstände anzupassen und das eigene Leben aktiv zu gestalten.«38 Trotz unserer tagtäglichen Übung des Loslassens – von etwa Zeit- oder Urlaubsplänen – werden beim Stichwort »Loslassen« zumeist Parallelen mit einschneidenden Lebensereignissen wie dem Tod eines geliebten Menschen und der nachfolgenden Trauerarbeit gezogen. Zum Beispiel heißt es beim Beziehungspsychologen Wieland Stolzenburg, dass die verlassene Person bei der Auflösung einer Beziehung vier Phasen durchlaufe: die »Nicht wahrhaben Wollen«-Phase, die Gefühlschaos-Phase, die Neuorientierungs-Phase und die »Auf zu neuen Ufern«-Phase.39 Äquivalent dazu identifiziert die Psychologin Verena Kast vier Phasen im Trauerprozess:40 In der ersten Phase akzeptiere man den Tod der geliebten Person nicht, der Verlust werde verleugnet. In der zweiten Phase brächen die Emotionen auf: Trauer, Wut, Freude, Zorn, Angstgefühle und Ruhelosigkeit würden wild durcheinander erlebt. Die dritte Phase sei durch die eigentliche Verarbeitung des Verlustes gekennzeichnet und die vierte Phase mit der (Wieder-) Herstellung eines (neuen) Selbst- und Weltbezugs beschäftigt. Klingen diese beiden Loslösungsprozesse recht ähnlich? Sie klingen nicht nur so, sie sind es auch.

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54 Loslassen! Nur dass es nach einer Trennung, einem Jobverlust, einem materiellen Schaden oder einem notwendigen Ortswechsel in der Regel keine Toten gibt. Der zeitliche Ablauf der Verarbeitung ist aber vergleichbar. Neben den zeitlichen Phasen lassen sich auch die inhaltlichen Aspekte der Trauerbewältigung anschauen: Chris Paul spricht in diesem Zusammenhang von »Facetten der Trauer«,41 die in jeder Phase in verschiedener Ausprägung und Stärke relevant sein können. Sie unterscheidet sechs Facetten: »Überleben«, »Wirklichkeit«, »Gefühle«, »Sich anpassen«, »Verbunden bleiben« und »Sich einordnen«. Die Facetten könnten im Zeitverlauf wie die Mosaiksteinchen eines Kaleidoskops beim Weiterdrehen neue Muster und veränderte Strukturen bilden, seien aber alle stets präsent und zeigten sich doch jedes Mal anders. Auch aus diesem Bild lässt sich einiges auf Lebensund Sinnkrisen übertragen: Es gilt fast immer, nach dem ersten Schock weiterzumachen, sich neuen Wirklichkeiten zu stellen, mit seinen Emotionen zurechtzukommen und einen neuen Platz für sich selbst zu suchen und zu finden. Es wird deutlich, dass das Setzen des Schlusspunktes wortwörtlich ein punktuelles Ereignis ist, während die folgenden Phasen länger dauern. Oder wie Verena Kast es in ihrer gewohnt trockenen Art formuliert: »Trauerprozesse sind langwierige, sehr schmerzhafte Prozesse mit einer eigentümlichen Lebendigkeit.«42

Loslassen! Aber was bedeutet »Loslassen«? Es ist nicht das Loslassen einer Kinderhand, das das Kind auf eine sechsspurige Straße laufen lässt. Es ist auch keine Fragestellung wie beim »Trolley-Problem«. Bei dieser philosophischen Frage geht es darum, welche Entscheidung ethischer wäre, wenn wir den Hebel einer Weiche in der Hand hielten und entscheiden müssten, ob ein außer Kontrolle geratener Straßenbahnwaggon auf Gleisabschnitt A einen Gleisarbeiter oder auf Gleis­ abschnitt B eine Gruppe von Menschen tötet.43 Solche Fragen werden gern mit dem Fallbeispiel einer Gruppe Bergsteigern, die alle mit einem Seil verbunden sind, gestellt: Der größere Teil der Gruppe rutscht über die Felskante und hängt in der Luft. Der kleinere Teil der Gruppe, der noch Halt hat, kann die Seilschaft nicht mehr lange halten. Du selbst bist die erste Person hinter der Kante und hast ein Messer bei dir: Schneidest du das Seil über oder unter dir durch? Wesentlich ist in Lebenskrisen nicht das physische Loslassen – wobei gerade die Phase des Loslassens sich durch symbolische Handlungen erlebbar untermauern lässt: Aber bitte keine Straßenbahnwaggons umleiten oder Seilschaften kappen. Dann vielleicht eher einen mit Gas gefüllten Luftballon beim Davonschweben beobachten, nachdem du ihn losgelassen hast. Aber manche Dinge sind zu schwer zum Davonfliegen oder wir haben es nicht in der Hand, was mit ihnen passiert, weil vielleicht andere Menschen darüber entscheiden oder

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56 Loslassen! die Dinge anders miteinander verbunden sind. Dann kann der Konflikt dadurch aufgelöst werden, dass wir akzeptieren, dass wir Dinge, die wir nicht bewegen können, einfach so stehenlassen. Denn auch das ist eine Form des Loslassens. Im Kern geht es beim Loslassen um das Ändern der Bewertungen und Einstellungen gegenüber einer Sache. Wenn du diese Sache nicht aus dem Weg räumen kannst, ist es eine Möglichkeit, sie einfach stehenzulassen und nicht mehr als Hindernis im Weiterkommen zu kategorisieren, sondern als einen guten Grund, sich einen schönen Umweg zu suchen. Dass das Setzen des Schlusspunktes, Loslassen und Stehenlassen also darauf basieren, dass die handelnde Person Wahrnehmungen aus ihrer Sicht bewertet und diese für sich als Fakten akzeptiert, stellt auch Bärbel Wardetzki heraus: »Der Beginn des Loslassens ist die Anerkennung dessen, was passiert, auch wenn sich alles in uns sträubt. Das eigentliche Loslassen beginnt in dem Moment, in dem wir aufhören dagegen zu kämpfen, und uns dem Problem zuwenden.«44 Anerkennen meint nicht Zustimmung. Dazu schreibt Tim Schlenzig auf seiner Website »myMonk« richtigerweise: »Akzeptieren heißt nicht, dass wir es gut finden, es wollen oder es uns ausgesucht haben.«45 Akzeptieren bedeutet oft, erstmals die Augen zu öffnen und im Hier und Jetzt zu erkennen, dass die Bewertungen der Vergangenheit vielleicht genauso wenig zielführend sind

Loslassen! wie die Wünsche an die Zukunft. Das heißt: Wir lassen los, was uns nicht glücklich macht. Loslassen meint Bewertungen zu überdenken, Abschied zu nehmen und Entscheidungen zu fällen. Loslassen klingt ganz einfach, kann aber auch komplex und sehr schwierig werden. Es beginnt schon damit, dass das Festhalten landläufig als Anstrengung und das Loslassen als Entlastung und damit als der geringere Aufwand empfunden wird: Etwas loszulassen beende kräftezehrendes Festhalten – so die Meinung. Ein bisschen wie Atlas aus der griechischen Mythologie, der den Himmel tragen muss und ihn nicht loslassen darf, um Uranos (Personifizierung des Himmels) von Gaia (Personifizierung der Erde) fernzuhalten. Während meiner Zeit bei der Bundeswehr wurden die Rekruten in der Grundausbildung gern von Ausbildern und Kameraden zusätzlich geärgert, wenn sie über längere Zeit einen schweren Gegenstand halten mussten: Es solle sich nicht so angestellt werden, denn Halten sei überhaupt keine Arbeit. Auch für den Fall, dass uns vor Anstrengung der Schweiß von der Stirn rinnt und die Muskeln zu zittern beginnen, so ist Halten im physikalischen Sinne tatsächlich keine Arbeit: Denn diese wird als Kraft mal Weg definiert – verkürzt zusammengefasst. Beim Halten einer schweren Panzerfaust oder Munitionskiste ist sicher viel Kraft erforderlich, aber wenn die Position nicht verändert wird, ist es streng genommen keine Arbeit. Erst im Falle, dass die Kiste

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58 Loslassen! losgelassen wird und auf den Boden kracht, wurde »gearbeitet«, denn dann hat sie einen Weg zurückgelegt. Was somit wiederum auf die Wahrnehmung einzahlt, dass Loslassen im Vergleich zum anstrengenden Halten als Erleichterung erlebt wird. In persönlichen Krisenzeiten und Lebensumbrüchen zeigt es sich jedoch ganz anders: Wir sind die Affen mit der Hand in der Kiste und klammern uns an die Banane, also an das, was wir glauben, im Griff zu haben, und wollen partout nicht loslassen. Dann erscheint das Loslassen als so viel schwerer als das Festhalten. Doch »Festhalten verkrampft, macht einseitig, müde und ist oft mit großer Verlustangst verbunden.«46 In den meisten Fällen verbirgt sich dahinter eine diffuse Angst vor dem Neuen, dem Ungewissen, die zwangsläufig anfängt, sobald das Alte losgelassen wird. Es ist aber auch der Schmerz, dem wir uns nicht stellen mögen, wenn wir etwas persönlich sehr Wertvolles verloren haben: einen Menschen, für den wir selbst viel empfinden, der uns aber nicht mehr liebt, eine Arbeitsstelle, die die ganze Person erfüllte und definierte, oder der Verlust durch einen Todesfall. Manchmal ist es auch das Verlieren geliebter Dinge oder wertvoller Erinnerungsstücke oder das Loslassen des Zuhauses, der Heimat oder des gewohnten Sozialstatus, was uns unendlich schmerzt. Der beim Loslassen empfundene Schmerz ist individuell – obwohl es eine sozial geteilte Rangordnung gibt: Der Tod eines geliebten Menschen darf (und soll)

Loslassen! mehr Schmerz bereiten als der Verlust einer wertvollen Taschenuhr oder des Jobs. Der Tod ist allumfassend und nicht umkehrbar, was es unumgänglich macht, sich mit seinen Folgen auseinanderzusetzen: Der andere ist nicht mehr da, um offene Fragen zu klären, letzte Dinge zu sagen. In zahlreichen anderen Lebenskrisen geht das Leben aller Beteiligten weiter. Es kann nun aber schwierig werden, den künftigen Umgang miteinander zu klären: Die Kolleginnen und Kollegen, die dich aus dem geliebten Job gemobbt haben, arbeiten noch immer in der alten Firma, die Nachbarn, die dich gepiesackt und damit aus der Wohnung vertrieben haben, bleiben weiterhin in dem alten Haus wohnen und die Partnerin oder der Partner, die oder der dich verlassen hat, baut sich ein neues Leben auf. Trotz des Am-Leben-Bleibens aller ist es oftmals ein Trugschluss, dass sich deswegen offene Fragen klären und letzte Dinge sagen ließen. Wir sind auf uns selbst zurückgeworfen. Unsere Wünsche und Vorstellungen etwaiger Klärungen oder Klarstellungen resultieren aus der Bewertung der Vergangenheit, die wir durch das Setzen des Schlusspunktes, von der Gegenwart und Zukunft abgeschnitten haben. Ohne die bisherige Verbindung können wir einen neuen Blick auf die Vergangenheit werfen: »Unsere Erinnerungen sind gefärbt von unseren Bewertungen, individuellen Wahrnehmungen, Emotionen und vielem mehr.«47 Im Loslassen ändern wir die Sicht darauf: »Es ist eine Änderung unserer Bewertung und Einstellung

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60 Loslassen! zu unseren Wünschen, Erwartungen und Zielen.«48 Bei der loszulassenden Sache ändert sich gar nichts. Die Dinge, Situationen oder Personen, die wir loslassen wollen, verändern sich nicht und bleiben so, wie sie waren – aber wir ändern uns. Es ist ähnlich wie das Betrachten eines Sportwagens: In jungen Jahren sehen wir in seinem Besitz vielleicht Stärke, Erfolg und Unabhängigkeit ausgedrückt. Wenn wir alt und gebeugt sind, bemerken wir viel eher, dass er unbequem, umweltschädlich und zu teuer im Unterhalt ist. Es ist beide Male derselbe Sportwagen – aber unsere Bewertungen und Einstellungen haben sich geändert. Ute Lauterbach fasst die Notwendigkeit neuer Bewertungen eindringlich zusammen: »Diese seelischen Altlasten stellen auch noch die Interpretations- und Wertungsbrille dar, mit der wir dann eine möglicherweise gänzlich andere Gegenwart vergewaltigen.«49 Es macht beim Loslassen einen großen Unterschied, ob wir etwas loslassen wollen oder etwas loslassen müssen. Also ist die Frage entscheidend, ob wir freiwillig, bewusst und aktiv handeln, weil wir uns zum Beispiel von schlechten Angewohnheiten, einer Sucht oder einer toxischen Partnerschaft befreien wollen, oder ob wir unfreiwillig vor die Tatsache gestellt wurden, loslassen zu müssen, weil uns die Wohnung oder der Job gekündigt wurde, der geliebte Partner gegangen ist oder jemand verstorben ist – in diesen Fällen müssen wir einfach loslassen, egal ob wir wollen oder nicht.

Loslassen! In beiden Varianten mögen der Verarbeitungsprozess und die Verarbeitungszeit vergleichbar sein, aber Motivation und Ziel weichen grundlegend voneinander ab. Lasse ich etwas Negatives aus freien Stücken bewusst los, habe ich meist einen klaren Weg und ein positives Ziel vor Augen. Hingegen fehlen mir Weg und Ziel, wenn mir das Loslassen aufgezwungen wird. Dennoch ist in beiden Fällen Loslassen ein hartes Stück Arbeit und ein langwieriger Prozess, den wir über lange Strecken ganz allein gehen. Es mag Menschen geben, die uns ein Stück des Weges begleiten, wie zum Beispiel Familie, gute Freundinnen und Freunde oder eine Therapeutin oder ein Therapeut, aber Loslassen an sich ist stets ein ganz einsamer und rein metaphysischer Prozess, der nur in den Gedanken und dem Gefühlserleben des Loslassenden stattfindet: Jede und jeder lässt für sich allein los. Aus der umfangreichen »Loslass-Literatur« lässt sich nur weniges von der freiwilligen auf die unfreiwillige Variante übertragen. Das, was wir gern freiwillig loslassen wollen, wird als negativ, als Stachel, Schmerz oder Wunde beschrieben. Auf das Negative folgt stets das verheißungsvoll Neue, auf das sich die Loslasswilligen bereits sehr freuen. Da machen sich doch alle gern auf den Weg: Schmerz raus, Regenbogenflausch rein. Blockaden verschwinden, neues Erleben wird möglich: Alles, was vor uns liegt, kann nur besser sein als alles, was wir hinter uns lassen. Du wirst dabei ein bisschen

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62 Loslassen! zum fünften Bremer Stadtmusikanten, denn alles, was kommt, ist besser als der Tod. Daher gehen viele »Loslass«-Ratgeber davon aus, dass du dich von etwas als negativ Empfundenem oder Erlebtem befreien möchtest. Und diese Bücher setzen auch genau dort an, wie etwa das von Stefanie Lorenz: »Den ersten Schritt bist du übrigens schon gegangen, da du die Situation, in der du dich gerade befindest, zum einen bemerkt hast. Zum anderen hast du dich dazu entschlossen, diesen Zustand zu verändern, indem du dich für dieses Buch entschieden hast.«50 Während die Person, die zum Loslassen gezwungen wurde, vielleicht noch nicht einmal bemerkt hat, dass sie handeln muss, geschweige denn, sich auf den Weg zum Buchladen oder die Bibliothek machen möchte. Die Bereitschaft, den Weg des Loslassens tatsächlich gehen zu wollen, ist der allerbeste Wanderführer auf dieser Reise. Denn wenn du nicht loslassen willst, hilft weder trainieren noch simulieren: »Wir müssen das Neue wirklich wollen, es muss uns berühren und nicht nur eine verbale Absicht sein«,51 erklärt Bärbel Wardetzki. Der beste Reiseführer nützt nichts, falls niemand den Koffer packen und losfahren will: »Es hat keinen Sinn, von uns zu verlangen loszulassen, wenn wir noch mit Schmerz, Trauer, Wut oder Leidenschaft an dem Bisherigen hängen. Diese Gefühle müssen gespürt, ausgedrückt und integriert werden, um Abschied zu nehmen.«52 Es ist auch schwer auszumachen, wo der

Loslassen! Punkt ist, an dem ein Nicht-loslassen-Wollen in die Kenntnis und die daraus folgende Bereitschaft, nun doch loslassen zu müssen, hinübergleitet. Alles muss losgelassen werden, damit wir nicht verharren, damit es weitergeht – ob wir wollen oder nicht. Es ist nicht einfach nur ein Abschied, es ist eine ganze Serie innerer Abschiede. Denn letztlich lassen wir nicht nur ein Ding oder einen Menschen los, sondern auch all diejenigen Aspekte, die mit ihm verbunden waren53 – die großen wie die kleinen. Bildlich gesprochen ist das eine ziemlich lange Schlange von Menschen, denen wir zum Abschied die Hand schütteln müssen, sobald wir bereit sind, das Theater zu verlassen, in dem unser Stück abgesetzt wurde: Da ist der Regisseur oder die Regisseurin und da sind die Schauspielerinnen und Schauspieler, aber da sind auch die Technikerinnen und Techniker, die sich um die Beleuchtung, die Kulissen und die Maske kümmern, der Souffleur oder die Souffleuse, die Kostümschneiderinnen und Kostümschneider, aber auch Garderobenpersonal, die freundlichen Menschen, die unsere Eintrittskarten abreißen oder unsere Plätze anweisen, und noch viele, viele mehr. Vielleicht sogar noch die Architektin oder der Architekt, die oder der das Gebäude entworfen hat, und die Bautrupps, die es errichtet haben. Das hängt unter anderem damit zusammen, welche Aspekte beim Abschiednehmenden zentral waren: »Je genauer wir verstehen, was uns fehlt,

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64 Loslassen! desto gezielter können wir Abschied nehmen.«54 Dieses Verständnis dessen, was uns fehlt, wird in der Regel nicht mit einem Schwung über uns ausgegossen, sondern sickert zumeist tröpfchenweise durch die Decke der Erinnerung. Zuerst fehlt uns einfach der geliebte Mensch, aber dann merken wir, dass uns besonders die Gespräche, aber auch die Zärtlichkeiten, die gemeinsamen Urlaube, der kurze Moment morgens im Bad, der Augenblick des gemeinsamen Einschlafens fehlen. Oder mit dem Rentenbeginn fehlt uns die Arbeit, aber ganz besonders fehlen uns die fachlichen Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen, die Anerkennung durch die Vorgesetzten, das Gefühl, das eigene Wissen an die Auszubildenden weitergeben zu können, oder auch nur der Kaffee in der Etagenküche, das kostenlose Zeitungsabo im Betrieb oder der morgendliche Weg zur Arbeit durch den Stadtpark, in dem die Vögel so schön zwitscherten am Morgen. Oder der geliebte Hund als Haustier musste nach längerer Krankheit eingeschläfert werden: Zunächst vermisst du möglicherweise den täglichen Begleiter, aber denn merkst du auch, dass es um die Spaziergänge ging, die Menschen, die du dabei trafst, aber auch das feine Gespür, dich mit der feuchten Nase anzustupsen, wenn du in trübseligen Gedanken versunken warst. Das alles zu erkennen und zu unterscheiden erfordert Zeit – und dann noch die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen und sich davon zu verabschieden. Es

Loslassen! sind nicht nur äußere Dinge, von denen wir uns verabschieden müssen, dazu gehören auch die Alltagskultur55 und die Rollen, die wir selbst für andere angenommen haben und die nun nicht mehr benötigt werden: als Partnerin oder Partner, Geliebter oder Liebhaberin, Reisebegleitung, als Hilfe im Alltag, Zeitungsvorleserin oder Zeitungsvorleser oder eben auch als Kollegin oder Kollege, als Ausbilderin oder Ausbilder, wenn wir Vorträge hielten oder Ratschläge gaben oder einfach nur die Relaisstation für den Flurfunk waren. Wir müssen verstehen, akzeptieren und verarbeiten, dass diese Rollen, die ein Teil der eigenen Identität waren, jetzt nicht mehr oder nicht mehr in der bisherigen Ausprägung angefragt werden. Und als wäre dies noch nicht genug, so müssen wir uns auch von der Zukunft beziehungsweise möglichen Zukunftsentwürfen verabschieden. Mit jedem Schlusspunkt, mit jedem Durchtrennen der Zeitlinie, ist auch die Zukunft nicht mehr mit der bisherigen Vergangenheit verbunden – die bisher mögliche Zukunft wird zur verlorenen Zukunft, denn in dieser ursprünglich mit der Vergangenheit verknüpften Form kann sie nicht mehr eintreten: »[N]eben die Trauer […] tritt dann auch die Trauer um Lebensmöglichkeiten und Perspektiven, die […] unmöglich wurden«,56 kon­ statiert dann auch Chris Paul. Dabei sind diese Abschiedsserien und jeder einzelne Abschied darin nur ein Teil des gesamten Loslass-Prozesses – wenn auch sicher eines der Schlüsselelemente:

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66 Loslassen! Abschiede kommen dem physikalischen Loslassen, dem Punkt, an dem das Festhalten endet, vielleicht noch am nächsten. Das Zerlegen eines Abschieds in eine Serie von Abschieden, in denen wir uns einzeln von spezifischen Aspekten lösen, passt auch zu dem eher drastischen Bild der »Mülltrennung«, das Ute Lauterbach vorschlägt:57 Anstatt durch Zusammenpressen hochgefährlichen gedanklichen »Sondermüll« zu produzieren, sollten wir trennbare Elemente lieber einzeln entsorgen. Wer loslässt, wird auf sich zurückgeworfen. Verbindungen werden gekappt, wir treiben auf dem Meer, der Kompass ist kaputt und das Ruder klemmt. Waren wir vorher ein »Beziehungsselbst«, das sich auch durch die Bindung an andere Personen, den Beruf, den Wohnort, das Zuhause definierte, müssen wir uns nun auf unser individuelles Selbst zurückorganisieren58 – sowohl pragmatisch in der Organisation unseres Alltags und unseres Lebens als auch perspektivisch mit der Frage, wohin der Weg nun führen soll. Das Losgehen fällt verständlicherweise schwerer, wenn der innere Kompass die Orientierung verloren hat. Die Navigation muss wiederhergestellt, Ziele nachgebessert oder nachjustiert werden. Diese Neuausrichtung und all diese Abschiede muss auch eine Person durchlaufen, die loslassen will und sich bewusst für die Trennung von ihrem bisherigen Leben entschieden hat. Aber es ist davon auszugehen, dass diese Punkte mit einer gewissen Motivation und

Loslassen! Zielsetzung anders und zügiger abgearbeitet werden können als bei jemandem, der sich gegen das Loslassen wehrt und für den jeder Schritt schmerzhaft ist. Der freiwillig Loslassende hat vermutlich auch schon mit dem Abschied begonnen, als der Zurückbleibende noch dachte, dass alles in Ordnung sei. Zumindest bei Trennungen hat die Person, die sich trennt, einen zeitlichen und emotionalen Vorsprung, wie Louis Schützen­höfer zutreffend feststellt: »Die Person, die als Erste den Trennungswunsch äußert, ist psychologisch irgendwie im Vorteil. Sie hatte Zeit, sich auf diesen Schritt emotional vorzubereiten. Sie kann handeln – sie wird nicht behandelt und vor vollendete Tatsachen gestellt. Dadurch fällt es ihr auch leichter, trotz Scheiterns der Beziehung den Selbstwert zu wahren, während die Person, die verlassen wird, auch noch mit einer Kränkung des Ichs fertigwerden muss.«59 Tatsächlich sind davon eher Männer betroffen, denn nach »den Ergebnissen mehrerer Untersuchungen sind Frauen die besseren Barometer für die Partnerschaftszufriedenheit. Sie zeigen aufziehende Störungen schon an, während Männer noch das vermeintliche Schönwetter genießen. Dieser Befund deckt sich auch mit anderen Forschungsergebnissen, die belegen, dass Frauen die Pragmatikerinnen und Männer die Romantiker sind – zumindest bei der Beurteilung der eigenen Beziehung«.60 Bei Kündigungen hat der Kündigende mit dem Job schon abgeschlossen, während die Vorgesetzten von

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68 Loslassen! der Entscheidung vielleicht noch überrascht sind. Derjenige, dem überraschend gekündigt wurde, wusste meistens nicht, dass seine Weiterbeschäftigung zur Disposition stand, indes die Vorgesetzten im Vorfeld bereits lange darüber unterrichtet waren. Wer sein Haus verkauft, wird sich im Vorhinein davon verabschiedet haben, wiewohl die Nachbarn noch nichts ahnten. Und wem die Wohnung gekündigt wird, hat meistens nicht damit gerechnet. Loslassen hat auch etwas mit Vertrauen zu tun – idealerweise mit Vertrauen auf die eigene Neuorientierungs- und Problemlösekompetenz oder aber auch mit Vertrauen in andere Menschen, die Gemeinschaft, das Sozialsystem, die Umwelt, technische Lösungen, das Schicksal oder höhere Sinneseinheiten wie Gott. Für Margot Käßmann hieß dies in ihrer Erklärung zu ihrem Rücktritt vom EKD-Ratsvorsitz treffend: »Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand.«61 Der Psalm 139 (EG 533) drückt das Vertrauen aus, aufgefangen zu werden, bevor eine imaginäre Linie – die für welche Folgen auch immer stehen mag – überschritten wird. Es ist ein bisschen wie eine elektromagnetische Aufzugbremse: Im Normalbetrieb werden die Bremsbacken, die mit starken Federn sofort zuschnappen würden, durch Strom offengehalten. Fällt der Strom aus, greifen die Bremsen automatisch, bevor der Fahrstuhl abstürzen kann. Etwas Vergleichbares durfte ich beim Segelfliegen kennenlernen. Als 17-jähriger Schüler im südnieder-

Loslassen! sächsischen Niemandsland war ich der Meinung, meine grenzenlose Freiheit wie Reinhard Mey über den Wolken suchen zu müssen. Also bin ich dem örtlichen Segelflugverein beigetreten und habe eine Flugausbildung begonnen. Vor der sogenannten »Alleinflugreife« erhält man eine Einweisung in gefährliche Fluglagen, indem man diese gemeinsam mit seinem Fluglehrer oder seiner Fluglehrerin praktisch herbeiführt: zum Beispiel das Trudeln. Die erste Überraschung dabei: Das Flugzeug lässt sich nicht so ohne Weiteres in eine gefährliche Fluglage versetzen. Die Flugzeugtypen, die »nicht gerne trudeln, hören ohne Eingreifen des Flugzeugführers schon nach einer halben Umdrehung damit auf«.62 Mein Fluglehrer Ralph und ich saßen in einer damals bereits über vierzig Jahre alten »Rhönlerche II« (Schleicher Ka 4), die gewichtstechnisch eher in der Panzerkreuzer-Klasse anzusiedeln war und nicht umsonst den Spottnamen »Rhönstein« trug. Die alte Flugzeug-Dame wollte alles, nur nicht abstürzen. Es war regelrecht ein Kraftakt, das Segelflugzeug in eine gefährliche Fluglage zu bringen. Wenn das gelingt, denkst du als Flugschüler, dass du hektisch alles Mögliche unternehmen müsstest: auf die Instrumente starren, die Pedale treten, am Steuerknüppel herumreißen und all diese Sachen. Aber mein Fluglehrer sagte nur: »Lass alles los. Sie ist ein Flugzeug, sie wurde gebaut, um zu fliegen. Vertrau darauf, dass sie einfach fliegen möchte.« Und genau so war es. Im Lehrbuch steht dazu der

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70 Loslassen! lapidare Hinweis: »Alle Ruder in Nullstellung«63 – was nichts anderes heißt als »Fass nichts an, du brauchst nichts zu tun, alles wird gut«. Um praktische Loslass-Erfahrungen zu sammeln, musst du nicht gleich in die Luft gehen, denn im Kern beginnt Loslassen bereits bei ganz banalen Dingen im Alltag: Jede Entscheidung, die du fällst, ist eine Entscheidung für etwas und damit ein Loslassen aller anderen Entscheidungsmöglichkeiten. Wem Loslassen im Großen schwerfällt, sollte sich zumindest vergegenwärtigen, dass er oder sie das Prinzip grundsätzlich beherrscht und Tag für Tag in der Lage ist loszulassen. So mag die Entscheidung für Schokoladeneis und damit das Loslassen von Erdbeer-, Zitronen-, Vanille- und Pistazieneis tatsächlich dem Verlust des Arbeitsplatzes, der Wohnung oder eines Menschen nicht ganz vergleichbar sein, aber im Kern bleibt der Grundsatz gleich: »Loslassen ist eine Entscheidung, ein Ausdruck unserer Freiheit zu wählen.«64 Ganz handfest und praktisch wird das Thema Loslassen im Alltag, sobald wir uns ans Aufräumen und Entrümpeln machen. Auslöser hierfür sind ebenfalls oftmals krisenhaft empfundene Lebensereignisse: Die Partnerin oder der Partner ist gegangen, die Kinder sind ausgezogen, das Rentenalter beginnt oder die Eltern sind verstorben. Dabei besteht stets das Risiko, im ersten Überschwang eines befreienden Gefühls übers Ziel hinauszuschießen und mehr zu entsorgen und zu

Loslassen! vernichten, als es angemessen und gut in dieser Situation wäre: Da ist der Mensch, der nach einer Beziehung verlassen zurückbleibt, der alle Bilder verbrennt, auf denen er als Teil eines Paares zu sehen war, die entlassene Mitarbeiterin oder der entlassene Mitarbeiter, die oder der die gesammelten Firmenzeitungen in den Müll wirft, obwohl die Bilder vom jährlichen Grillfest noch eine der guten Erinnerungen gewesen wären, oder die Eltern, die glauben, den Schmerz über den Auszug der Kinder durch sofortige Umgestaltung von deren Zimmern bewältigen zu können. Ein guter Trick beim Entrümpeln ist, sich vom Großen zum Kleinen zu bewegen. Damit ist gemeint, dass du zunächst alles, was aufhebenswert erscheint, in eine große Kiste packst, deren Inhalt du dir anschließend in Ruhe anschaust, um dann zu entscheiden, was du in einer kleineren Kiste zur Aufbewahrung sichern möchtest. Letztendlich ist es ein mehrstufiger Verdichtungsprozess, an dessen Ende die Quintessenz dessen erhalten bleibt, was für dich erhaltenswert ist. Dabei steht nicht im Zentrum, Dinge einfach in einen Karton zu stopfen, damit sie weniger Platz wegnehmen, oder ihren Platz durch Vakuumverpackung zu reduzieren. Es geht auch nicht um künstliches Komprimieren durch Digitalisieren: Es müssen nicht zwanzig Regalmeter Akten eingescannt werden, sondern nur die Dokumente, die Relevanz haben. Das Anfassbare sollten wir nur bedingt aufgeben – es gestattet uns, Dinge abzuwägen, indem wir sie in die

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72 Loslassen! Hand nehmen und ganz wörtlich abwiegen, sowohl ihre Bedeutung als auch ihr Gewicht spüren und sie dann bewusst aussortieren oder aufheben. Wertvolle Hinweise gibt die weltweit erfolgreiche Aufräum-Expertin Marie Kondo. Zwar sind sich die Zusammenfassungen im Internet uneinig, ob es drei, fünf, sechs oder sieben »Goldene Regeln« von ihr gibt – und unabhängig von der Anzahl, werden sie auf jeder Website auch noch anders benannt –, entscheidend ist scheinbar vielmehr eine gewisse Systematik, eine gleichbleibende Reihenfolge beim Ordnungschaffen sowie das Rollen und »stehende« Aufreihen von Kleidungsstücken im Kleiderschrank. Aber für mich ist die Frage Kondos zentral, ob der jeweilige Gegenstand, den man gerade in den Händen hält, Freude mache: »Does it spark joy?« – oder wie es Ursula Ott, die über das Loslassen des Elternhauses schreibt, nennt: »Das ist warm, das macht mich glücklich, das will ich bewahren. Jenes ist kalt, es kann weg.«65 Damit ist man ganz nah am Wortsinn von »anfassen«, »fühlen« und »loslassen«. Otts Fazit: »Ausräumen ist Schwerstarbeit für die Seele.«66 Aber es ist nicht nur Arbeit für die Seele, sondern dient auch deren Befreiung: Klare äußere Strukturen helfen, klarere innere Strukturen zu schaffen, schreibt auch Irmtraud Tarr: »Befreiung der Seele muss also nicht immer von innen nach außen geschehen, sie kann sich auch von außen nach innen fortsetzen. Angefangen vom Schreibtisch über den Arbeitsplatz bis hin zu

Loslassen! Beziehungen, Zeiteinteilung und Freizeitgestaltung.«67 Das heißt, physisches Loslassen unterstützt auch den Prozess des psychischen Loslassens. Vielleicht, weil wir die konkret erlebten Vorteile des Loslassens auf die abstraktere Gefühlswelt übertragen können. Ein ähnlicher Außenbezug zur Innenwelt findet sich auch im meditativen Bogenschießen: Das traditionelle japanische Kyūdō (»Der Weg des Bogens«) wurde im Verlauf der Jahrhunderte philosophisch überformt. Der »leere Geist«, das heißt die vollständige Konzentration beim Abgeben des Schusses, wurde das meditativ zu erreichende Ziel, das im symbolischen Loslassen des Pfeils gipfelt. Paulo Coelho hat dazu eine gleichnamige Erzählung geschrieben: »Aber du musst auch begreifen, dass nichts auf dieser Welt lange bei uns bleibt: In einem bestimmten Augenblick muss sich die Sehne von deiner Hand lösen, und du musst zulassen, dass deine Absicht eins wird mit ihrem Ziel und Schicksal.«68 Und für diejenigen, die es noch griffiger und handfester mögen, reicht vielleicht auch schon der kurze Merksatz: »Wenn wir loslassen, dann haben wir zwei Hände frei, um damit zuzupacken.«69

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ABSCHNIT T 5

HASSEN UNTERLASSEN!

Hassen unterlassen! Menschen können alles hassen – und zumeist mit einer erstaunlichen Inbrunst und Kreativität. Es gibt Menschen, die hassen das Gefühl von Sprühkäse, der zwischen ihren Fußzehen hervorquillt, andere hassen Quitten, Dienstage oder Sport. Und manche Menschen hassen die eigene Arbeit, die Vorgesetzten oder die eigene Beziehung. Wobei letztere Liste wohl häufiger vorkommt als die erste. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Ärger, Wut, Zorn und Hass. Wut ist »der äußerste Pol«70 des Ärgers und Zorn hat etwas Übergreifendes, das über unsere Person hinausgeht. Ärger und seine Steigerung zur Wut sind Energiequellen, die uns wie »ein potenter Motor«71 voranbringen können: »Wer Ärger zulässt, glaubt daran, dass man das Leben noch ändern kann.«72 Das gilt auch für Wut. Hass hingegen ist destruktiv und »kommt einer inneren Kündigung gleich«.73 Während Wut sich dem Menschen und der Situation zuwende, wende sich der Hass ab.74 Wut lässt sich folglich konstruktiv mit den Menschen, die uns wütend gemacht haben, auflösen. Wer wütend ist, kann seine Wut auch

78 Hassen unterlassen! rauslassen: am besten dann nicht direkt an Menschen und willkürlich an Sachen – aber gern an stellvertretenden Objekten. Warum nicht auf einen Boxsack einprügeln? Oder mit einem Baseballschläger ein Kissen verdreschen? Es gibt »Meditationsvorschläge«, etwa von Brigitte Neusiedl, die anraten, erst dem Kissen alle Sorgen zu erzählen und es dann zu verprügeln.75 Auch das Auto sei ein guter Ort, wo alle prima schreien und toben könnten, ohne sich oder andere ernsthaft zu gefährden oder zu stören – vorausgesetzt, es steht auf einem einsamen Waldparkplatz. Sicherlich ist kollektive Wut von individueller Wut zu unterscheiden: Kollektive Wut einzelner Gesellschaftsgruppen kann erfolgreich Einfluss nehmen auf Wahrnehmung und Akzeptanz sowie Gesetzgebung und Rechtsprechung verändern. Denken wir hierbei nur an die Bürgerbewegungen der Afroamerikanerinnen und -amerikaner in den USA sowie die internationale weltweite #metoo-Aktion von Frauen. Individuelle Wut hat einen schlechten Ruf. Insbesondere weil Wut als negative Emotion gebrandmarkt und gesellschaftlich geächtet sei, trauten sich viele nicht, ihre Wut zu artikulieren. Dabei müsse jeder und jede für sich akzeptieren lernen – so die erfolgreiche Journalistin und Podcasterin Elizabeth Day –, »dass Wut eine transformative Energie für Gutes sein kann«.76 Hass wendet sich hingegen immer von außen nach innen und somit letzten Endes gegen die hassende Per-

Hassen unterlassen! son selbst. Hass ist das schwarze Loch in dir, das all deine Energie aufsaugt. Hass ist vergleichbar mit einer persönlichen schwarzen Wolke, die du wie einen Kirmesballon stets hinter dir herziehst. Er ist immer bei dir und begleitet dich. Wir müssen lernen, den Hass loszulassen und das Hassen zu unterlassen. Wir müssen die Endlosschleife des Hasses durchbrechen: Auch wenn es in manchen Situationen augenscheinlich leichter wäre, darfst du den Hass nicht siegen lassen. Denn sobald du etwas oder jemanden hasst, bist du mit ihm gedanklich immer noch verbunden, hast du immer noch virtuell eine Hand am »Ding« und bist vom Loslassen noch weit entfernt. Du wirst erst richtig losgelassen haben, wenn du die Sache nicht nur fallen- und liegenlässt, sondern auch nicht mehr hasserfüllt daran zurückdenkst. Der Schlusspunkt signalisiert, dass du verstanden hast, dass etwas zu Ende ist, das Loslassen stoppt die aktive Beschäftigung und beim Hassen-­ Unterlassen setzt du dich mit den Gefühlen in Bezug auf die Krise auseinander. So gesehen könnten alle drei Impulse auch zusammengefasst werden. Ich finde es jedoch einfacher, jeden Schritt einzeln und bewusst zu gehen. Müsstest du schon beim Schlusspunktsetzen daran denken, wie du mit den drohenden negativen Gedanken später umgehen willst und musst, könnte das dazu führen, dass du das Ende nicht erkennen und akzeptieren und den Schlusspunkt nicht setzen willst, weil du die Folgen fürchtest.

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80 Hassen unterlassen! Manche Menschen hassen richtig intensiv. Ihre ganzen Gedanken kreisen nur um das Objekt des Hasses und die Drehgeschwindigkeit des Gedankenkarussells steigt stetig. Diese Menschen wachen mit Hassgefühlen auf, steigern sich im Tagesverlauf weiter in sie hinein und schlafen abends voller Hass ein. Hass bestimmt ihr Leben und sie haben das Gefühl, sich nicht dagegen wehren zu können. Der Hass macht sie ohnmächtig. Sie glauben, alles wäre besser, wenn die verhasste Sache, die verhasste Situation oder die verhasste Person nicht mehr da wären – so als wäre ihr Hass eine zwangsläufige Reaktion auf deren Existenz, als ginge der Hass vom Gegenstand des Hasses aus. Dabei mag einiges von diesen Personen oder Situationen ausgehen, aber es ist nicht der Hass. Dieser entsteht allein in dir. Es ist wie mit dem Sportwagen, der dich nicht jünger und attraktiver macht, dessen Merkmale deinen Bedürfnissen vermutlich nicht entsprechen und nur Zuschreibungen sind. Auf andere Menschen bezogen bedeutet das nicht, dass diese überhaupt keine Arschlöcher und alle Situationen eigentlich super toll und klasse sind und nur wir diese in unserer Wahrnehmung schwarz einfärben: Nein, manche Menschen sind Arschlöcher und einige Situationen sind voll scheiße. Aber das ändert sich nicht durch unseren Hass. Dein Hass ändert rein gar nichts – außer, dass er dich ändert und dir den Tag oder das Leben versaut.

Hassen unterlassen! Ich staune häufig, mit welcher Leidenschaft Menschen andere Menschen, Sachen oder Situationen hassen können. Würden die Menschen so lieben, wie sie zu hassen im Stande sind, wäre die Welt ein rosa Ort mit viel Flausch, Blumenduft und tanzenden Einhörnern auf Regenbögen. Manchmal scheint sie stattdessen grau, kalt und nach Fäkalien und Fäulnis zu riechen. Denn Hass ist auch wie ein stinkender Sack verfaulter Kartoffeln – so zumindest in einem Gleichnis, das auf einer buddhistischen Seite im Web zu finden ist:77 Dort werden Kinder angewiesen, Kartoffeln mit Namen von Personen zu beschriften, die sie nicht mögen. Diese Kartoffeln sollen sie anschließend eine Woche lang überall mit sich herumtragen. Egal, welche ­buddhistische Weisheit sich daraus ziehen lässt: Klar ist, dass Menschen, die viel hassen, einen sprichwörtlichen riesigen, stinkigen Sack mit sich herumschleppen, der nur sie selbst quält. Die verhassten Personen, die wir in und mit unserem Hass eigentlich quälen wollen, merken davon nichts. Blinder Hass ist wie heimliche Liebe – beides zerfrisst dich und niemand weiß davon. Nichts ändert sich außer deiner Stimmung. Hass ist tatsächlich ein ungewohnt starkes Gefühl und wird auch häufig als die Kehrseite von Liebe dargestellt. Tatsache ist, dass bei Liebe und Hass vergleichbare Hirnareale als »Schaltkreise« aktiv sind78 – wobei Liebe den Bereich, der für das logische Denken zuständig ist, weniger aktiviert als

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82 Hassen unterlassen! Hass: »Offensichtlich […] versucht die hassende Person ihre Kontrolle zu wahren, um Racheakte besser planen zu können.«79 Aber es führt zu nichts, sich unzählige Tode für die verhasste Person vorzustellen – sie wird nicht einen davon sterben. Rachewünsche und -fantasien mögen eine starke Triebfeder sein, vielleicht auch ein gutes Ventil, sollte die Frustration über das eigene Unvermögen, die Situation nicht verbessern zu können, zu groß werden. »Der Verzicht auf Rache wiederum ist eine humane Leistung des gekränkten, verletzten Individuums.«80 Letztendlich liegt die Arbeit hier darin, den Ärger nicht zur Wut, die Wut nicht zum Hass und den Hass nicht Rache werden zu lassen, denn »Ärger ist ja dann besonders ärgerlich, wenn man ihn bei dem Menschen, der ihn ausgelöst hat, nicht anbringen kann«.81 Unter gewissen Umständen könne Hass jedoch sogar glücklich machen, wie die Wissenschaft herausfand: »Wer genau das fühlt, was er sich in einem bestimmten Moment wünscht, ist eher mit seinem Leben zufrieden und zeigt weniger depressive Symptome.«82 Das heißt: Hassen zur rechten Zeit schafft Laune, Lust und Lockerheit. Das gilt aber nicht für den Dauerbetrieb. Wie jede Emotion, die unterdrückt wird, wird auch der Hass dich innerlich zerfressen. Es gibt aber auch andere Wege: Unser Gehirn bietet uns Probebühnen, auf denen sich mögliche Szenen durchspielen lassen, was zur Reduktion des unter-

Hassen unterlassen! drückten Gefühls beitragen kann. In unseren »Ärgerphantasien«,83 wie Verena Kast sie nennt, können wir alles abarbeiten, was wir in der Realität niemals umsetzen würden. Es sind »Wenn-dann«-Gedankenketten, in denen wir – mitunter blitzschnell und automatisch – überprüfen, was passieren könnte, wenn wir in einer bestimmten Weise auf ein Ereignis ärgerlich reagieren würden. Dabei fließen auch Bewertungen über die andere Person, die Situation und mögliche Folgen ein. Mithilfe dieser »Probeläufe« entscheiden wir, ob wir unsere Vorgesetzten wirklich »Arschgeigen« nennen, dem Partner den heißen Kaffee ins Gesicht schütten oder den Nachbarn tatsächlich die Tüte mit dem Hundehaufen in den Briefkasten stopfen. Die Fantasie ermöglicht uns aber nicht nur, mögliche Handlungsszenarien zu entwickeln, sondern außerdem einen Perspektivenwechsel, so Kast: »Wir können uns auch in einen Angreifer, eine Angreiferin einfühlen, wir können empathisch sein, sie auch lieben, kurz, wir haben auch prosoziale Gefühle.«84 Das lässt uns einen anderen Blick auf die Handlungen des anderen werfen. Indem wir hassen und Hass- und Rachefantasien entwickeln, setzen wir uns also sowohl mit dem konkreten Anlass und Ereignis auseinander als auch damit, wie beides entstanden sein könnte. So kommen wir am Ende der Bewertungskette vielleicht sogar zu der Erkenntnis, dass die erste spontane Ärgerreaktion vielleicht nicht die beste gewesen ist – oder aber vielleicht doch, und dann ärgert es uns, dass wir

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84 Hassen unterlassen! der ersten Eingebung nicht direkt gefolgt sind und in der Situation selbst tatenlos geblieben sind. Dieses Fantasieren von Folgen birgt aber auch Risiken: »In den Befürchtungsphantasien bringen wir alles, was bei uns Schatten ist, was wir vor uns selbst und anderen nicht zugeben wollen und können, was unserem Ichideal widerspricht, ins Gespräch.«85 Natürlich weiß unser Gehirn von unseren tiefsten Ängsten und so bleibt es nicht aus, dass es in unsere »Wenndann«-­Gedankenketten auch die Sorge der möglichen Offenbarung einbaut. Menschen, die Geheimnisse haben, könnten mit folgenden Überlegungen konfrontiert werden: Wer beispielsweise zu sehr auf wissenschaftliche Überlegenheit besteht, könnte Gefahr laufen, dass andere vielleicht dahinterkommen, dass die Doktorarbeit eigentlich nur ein Plagiat ist. Oder: Wer dem Partner oder der Partnerin vorwirft, nicht ausreichend von dieser Person geliebt zu werden, könnte enttarnt werden und eine heimliche Affäre käme ans Licht. Diese Befürchtungen und die versteckte Sorge über eigene Unzulänglichkeiten treffen auf die Angst, deswegen in der Wirklichkeit kein Glück und keine Lebensfreude zu verdienen. Dann kann man diese »Befürchtungsfantasien« als Angebot des Unterbewusstseins werten, sich mit diesen Befürchtungen auseinanderzusetzen. Für den aktuellen Ärger und seine möglichen Folgen werden sie jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit irrelevant sein.

Hassen unterlassen! Verlaufen wir uns in unseren »Ärgerfantasien« und verlieren uns in ihnen, wird es gefährlich. Wir bleiben in Grübelketten gefangen, die wir nicht mehr durchschlagen können. Für manche mag dies auch eine Flucht vor der Entscheidung sein, denn diese Grübeleien haben den Vorteil, dass wir keine Lösung finden müssen. Sie führen aber auch zu keiner Entscheidung, denn es sind keine rationalen Abwägungen und Bewertungen der Situation, sondern Ketten von »Was wäre, wenn gewesen«-Fantasien, die am Ende mit der Realität nicht unbedingt viel zu tun haben müssen. Daran festzuhalten speist sich möglicherweise aus der Angst, dass die Lösung zu schmerzhaft sein könnte.86 Diese Grübelketten können bereits beginnen, bevor ich den Schlusspunkt setze, oder begleiten mich in der ganzen Phase des Loslassens. Aber häufig setzen sie in der Phase der emotionalen Verarbeitung ein, wenn die Zeitlinie durchtrennt und ein anderer Weg eingeschlagen wurde, auf dem wir noch sehr unsicher unterwegs sind. Im englischsprachigen Raum spricht man von »rumination« – Wiederkäuen, wie es Rinder machen. In diesen Phasen fallen persönliche Erinnerungen negativer aus und die Grübelnden haben Schwierigkeiten, sich an spezifische Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit zu erinnern.87 Dieses Gedankenkarussell setzt sich in Lebenskrisen schnell in Gang und sobald sich erst mal alles dreht, ist es schwer, es anzuhalten und daraus auszusteigen. Enttäuschung, Trauer, Ärger, Wut und Hass

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86 Hassen unterlassen! sind der Treibstoff des Gedankenkarussells. Je größer das Gefühl, desto höher wird die Drehgeschwindigkeit. Gesunde »Ärgerfantasien« zeigen uns mögliche Konsequenzen und Lösungen auf, im Gedankenkarussell kreisen wir jedoch immer um denselben zentralen Mittelpunkt, den wir aufgrund der starken Fliehkräfte aber nie erreichen werden. Wir müssen anhalten. Und wir müssen aussteigen. Sonst laufen wir Gefahr, krank zu werden. Psychiaterinnen und Psychiater sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten sprechen auch von »Intrusionen«, eindringenden Erinnerungen: »›Unsere Patienten werden in jeder Stunde bis zu 50 Mal von solchen negativen Erinnerungen geplagt, und das über eine längere Zeit hinweg. Solche Erinnerungen kann man sich nicht verbieten. Je mehr man versucht, sie zu unterdrücken, desto schlimmer wird es.‹«88 Tatsächlich ist der Versuch, diese Gedanken zu unterdrücken oder zu verdrängen, keine Lösung. Ganz im Gegenteil zeigte sich, »dass die willentliche Beschäftigung mit negativen Gedankeninhalten mentale Kapazitäten freisetzen kann, die anderenfalls durch Unterdrückung und intrusive Gedanken gebunden wären«.89 Es kann also auch gut sein, sich mit seinen schlechten Gedanken zu befassen. Bevor es krankhafte Züge annimmt, rät Eckhart Müller-Timmermann unter anderem, sich selbst Stoppzeichen zu setzen. Ganz wörtlich: »Zermürbende Grübelketten, inneres negatives Selbstabwerten und düste-

Hassen unterlassen! re Zukunftsprognosen lassen sich durch systematisch eingesetzte ›Stopps‹ unterbrechen.«90 Richtig wörtlich: »Wenn wir allein sind, sagen wir dieses Stopp am besten laut zu uns.«91 Man kann auch verstärkend mit dem Fuß stampfen oder seine Vorstellung mit einem Verkehrsschild ausfüllen: »[…] dann stellen Sie sich als Erstes ein großes rotes Stopp-Schild vor, wie Sie es aus dem Straßenverkehr kennen; stellen Sie es sich am Anfang in normaler Größe vor – am besten mit geschlossenen Augen. Nun lassen Sie dieses Schild langsam immer größer werden, bis es Ihr ganzes Gesichtsfeld einnimmt.«92 Komm dabei aber nicht auf die Idee, dir von Hass-Grübeleien geplagt das Mantra »Ich lasse den Hass nicht siegen!« auf den Unterarm tätowieren zu lassen, damit du die bewusste Entscheidung gegen den aufkommenden Hass stets vor Augen hast. Denn »Gedanken sind keine selbständigen Wesen, auch wenn einem das manchmal so vorkommt«93 – sie entscheiden nicht, wann sie zu uns kommen, das entscheiden wir selbst. Angeblich haben Menschen mehr als 60.000 Gedanken täglich und 95 bis 99 Prozent dieser Gedanken sollen sich dabei wiederholen94 – da ist es gar nicht so einfach, aus dem Gedanken-Hamsterrad auszusteigen. Es gibt regelrechte Programme, um »das Karussell unfreiwilliger Gedanken«95 zu verlassen. Bei Ute Lauterbach besteht der erste Schritt darin, gegenüber seinen eigenen Gedanken eine teilnahmslose Beobachterrol-

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88 Hassen unterlassen! le96 einzunehmen, die dann in einem zweiten Schritt zu klassifizieren beziehungsweise etikettieren sei97 – ganz im Sinne von »kann weg« oder »sollte ich mir noch mal durch den Kopf gehen lassen«. Letztendlich zielen alle Überlegungen darauf ab, sich im Hier und Jetzt zu verankern, anstatt über Vergangenes und zukünftig Mögliches zu grübeln. Ein Trick bestehe darin, sich regelrecht auf die Lauer nach dem nächsten Gedanken zu legen: Sofern man das tue, sei festzustellen, dass sich so schnell keiner blicken lässt, wenn man bewusst darauf wartet.98 Die Gedanken, die uns nicht weiterbringen, müssen wir auch nicht endlos durchdenken und bis zum Urknall zurück deren Ursprünge suchen. Wir müssen diese sinnlosen Grübeleien auch nicht krampfartig unterdrücken, was zumeist ohnehin nicht funktioniert. Da der Mensch sich nicht zum Vergessen zwingen kann, kann er nur daran arbeiten, sich nicht ständig zu erinnern.99 Wir müssen diese Gedanken aber als das erkennen, was sie sind: nämlich nicht zielführend. Es gibt dabei drei Kategorien, die du direkt knicken kannst: erstens Dinge, die sich nicht ändern lassen, zweitens Vergangenes und drittens Zukünftiges. Und die Gegenwart versauen sie auch noch: »Wir sehen deutlich, dass die belastenden Gedanken keinen konstruktiven Beitrag zur Gegenwart haben. Entweder sie wandern sorgenvoll in die Zukunft: Diese ist einerseits nie real erlebbar und anderseits dient sie oft nur als Projektionsfläche unserer Sorgen und Befürchtungen, wodurch die Gegenwart verdorben

Hassen unterlassen! und verpasst wird. Oder die leidigen Gedanken klemmen in der Vergangenheit fest, was uns abermals den Zugang zur Gegenwart verbaut.«100 Ich denke, dass es grundsätzlich klar ist, dass es wenig bringt, über Dinge nachzudenken, die sich nicht ändern lassen: Wir werden keine Lösungen finden, wie wir die Erde aus ihrer Umlaufbahn katapultieren, wie wir unsere Körpergröße um 15 Zentimeter ändern oder unser Bankkonto schlagartig mit diversen Millionen füllen könnten. Trotzdem machen wir uns darüber manchmal Gedanken. Und deswegen gibt es kaum einen Ratgeber, der nicht an irgendeiner Stelle das »Gelassenheitsgebet« zitiert: »Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann / den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, / und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.«101 – Das war die Stelle in diesem Buch. Damit hätten wir das nun auch abgehakt. Die weite Verbreitung des Gelassenheitsgebets kommt nicht von ungefähr, denn die in ihr formulierte Unterscheidungsweisheit ist wichtig, wenn wir weitergehen wollen. Wer Dinge ändern will, die sich nicht ändern lassen, verharrt automatisch dauerhaft in einer Ohnmachtsposition:102 »Machen Sie sich in jeder Situation klar, ob Sie sie verändern oder verlassen können. Wenn nicht, dann ist es am kräfteschonendsten, sie vollständig zu akzeptieren.«103 Diese Akzeptanz klingt wie eine Kapitulation, wie Luftanhalten, bis die Welle über uns hinweggespült ist. In diesem Aushalten und

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90 Hassen unterlassen! Ertragen steckt aber zusätzlich noch ein Loslassen: »Sorgen um Probleme, die wir nicht lösen können, können wir nur loslassen. Loslassen von Vorstellungen und Erwartungen bedeutet stets, dass wir bereit sind zu akzeptieren, dass wir nicht das bekommen, was wir uns gewünscht hatten.«104 Dieses dann auch noch gelassen hinzubekommen, benötigt bei vielen von uns sicher mehr als nur das obige Gebet. Vergangenes können wir nur neu bewerten, aber niemals neu schreiben. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir die Vergangenheit nicht ändern können. Grübelketten darüber, was anders hätte laufen können, falls Dinge anders verlaufen wären, führen zu gar nichts. Es ist nun mal so gelaufen, wie es gelaufen ist. Deswegen setzen wir Schlusspunkte und gehen hinter diesen gezogenen Schlussstrich nicht mehr zurück. Das bedeutet nicht, dass wir daraus nichts für die Zukunft lernen könnten. Aber es bringt nichts, sich alle möglichen Varianten vorzustellen, was hätte anders passieren und darauf folgen können. Und da auch diese Situationen sich in all ihren Rahmenbedingungen nie wieder exakt genauso wiederholen werden, bleibt auch das Erlernte eher theoretisch: Es könnte helfen oder aber dann auch genau (wieder) das Falsche sein. Mit dem Versuch, das Schlimmste künftig verhindern zu wollen, laufen wir Gefahr, dieses erneut heraufzubeschwören: Wir eichen unsere Wahrnehmung auf den in der Vergangenheit erlebten Alarmbereich und reduzieren damit unsere

Hassen unterlassen! Wahrnehmungsbreite105 für den Moment – so kann erneut eintreten, was wir verhindern wollten. Dies gehört, erklärt Ute Lauterbach, zur Königsdisziplin des Grübelns in der Kategorie »selbst gestricktes Leid«: »Selbst gestricktes Leid macht uns hart, wütend, aufbegehrend; es treibt uns ins Selbstmitleid oder in den Widerstand dem gegenüber, schneidet uns von uns selbst ab, wirft den Turbo unseres Gedankenrädchens an und lässt die Gegenwart, wie sie gerade wirklich ist, gänzlich verschwinden.«106 Es ist ein gedankliches Füttern vergangener, unangenehmer Situationen oder Befürchtungen möglicher künftiger Ereignisse – zwei Dinge, auf die wir keinerlei Einfluss haben, egal, welche Gedanken wir uns machen. Grundsätzlich hilft hier nur noch die Mülltrennung107 des Gedankenmülls, bei der ich die Gedanken aussortiere und aus dem Gedankenstrom entferne, die jeglicher Grundlage entbehren, sodass mir zumindest schon einmal weniger durch den Kopf gehen muss. Womit wir bei den Sorgen über die Zukunft wären. Viele Dinge, die uns bezüglich des vor uns liegenden Lebens Kopfzerbrechen bereiten können, »könnten durchaus eintreten – aber eben auch nicht«.108 Es geht nicht um das Ausblenden von Risiken, stellt Lauterbach richtigerweise klar, sondern darum, Ungewissheit als Teil des Lebens zu akzeptieren und in einer gewissen Aufgewecktheit auch neugierig abwarten zu können: »Es geht darum, Unsicherheiten und Pannen im Alltag nicht als Störfälle, sondern als natürlichen Bestandteil

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92 Hassen unterlassen! des Lebens zu betrachten. Und trotz möglicher Probleme auch Freude spüren und die Gegenwart genießen zu können, bis die Zeit gekommen ist.«109 Wer sich zu sehr um die Zukunft sorgt, verpasst die Gegenwart: »Wann immer wir uns darauf konzentrieren, was als Nächstes kommt, verpassen wir, was jetzt gerade passiert. Wenn du dich das nächste Mal dabei ertappst, wie du in die Zukunft abdriftest, dann mach einen JETZT-Urlaub.«110 Und wer sich viele Sorgen über Vergangenes und Zukünftiges macht, macht es sich auch einfach: So muss man sich auch nicht mit seinen aktuellen Gefühlen auseinandersetzen. Manche Menschen knüpfen sich diese Ketten, indem sie zwei oder eine Reihe unabhängige Ereignisse verknüpfen. In der Psychologie spricht man dann vom »linking«, wenn dabei kleinere Ziele mit größeren in Verbindung gebracht werden. Dann entstehen Gedankengänge wie »Da ich den Zug heute früh nicht erreicht habe, wird das Vorstellungsgespräch am Nachmittag scheitern.« Wenn wir den Zug verpassen, dann verpassen wir zunächst nur den Zug. Es mag daraus eine Reihe von Unannehmlichkeiten direkt resultieren, aber »kleine Katastrophen« sind keine Vorboten größerer: Ein verschütteter Kaffee führt nicht dazu, dass am Abend die Wohnung gekündigt wird. Wir versuchen durch die Verknüpfungen vielleicht Sinn zu produzieren, aber erzeugen doch nur Unsinn und laufen Gefahr, uns in solchen Gedankengängen zu verlaufen und krank zu wer-

Hassen unterlassen! den: »In der Tat zeigte sich, dass diejenigen, die kleine Ziele mit dem Erreichen großer Ziele verknüpfen, nicht nur eine höhere Ruminationstendenz und Depressivität aufwiesen, sondern auch mehr körperliche Beschwerden berichteten als diejenigen Personen, die solche Verknüpfungen nicht konstruieren.«111 Manchmal ist ein verschütteter Kaffee eben nur ein verschütteter Kaffee und der beste Rat dafür ist: Wegwischen und einfach weitermachen! Wir rufen ohnehin die meisten Schatten, die uns quälen, selbst hervor – ohne uns dessen bewusst zu sein: Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, bestimmt, was wir sehen. Was wir sehen, bestimmt, was wir denken, und unsere Gedanken bestimmen unsere Gefühle.112 Eigentlich musst du hier gleich zu Beginn der Verkettung anders abbiegen: Den Objekten der Grübel­ketten – der Trauer, der Enttäuschung, des Ärgers, der Wut, des Hasses – regelmäßig ein bisschen weniger Aufmerksamkeit spendieren, sollte die negativen Gefühle deutlich reduzieren. Hinzu kommt, dass du durch die negativen Gefühle der verhassten Person oder der verhassten Situation gegenüber gleichzeitig eine ganze Periode deines Lebens entwertest.113 Das böse Monster aus Ärger, Wut und Hass frisst dich selbst von innen auf, während alles, dem diese Gefühle gelten, weiter Bestand hat. Die passiv Beteiligten in unseren Grübelketten wissen vielleicht nicht einmal, wie enttäuscht wir von

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94 Hassen unterlassen! ihnen sind, wie sehr wir uns über sie ärgern, wütend auf sie sind oder sie vielleicht sogar hassen. Vielleicht ahnen sie es. Vielleicht ist es ihnen auch total egal, denn was andere über sie denken, hat keinen direkten Einfluss auf ihr Leben, Handeln und Tun. Du versaust dir durch Grübeln und Hassen nur den Tag, während die verhasste Person sich vielleicht munter ein Liedchen pfeift. Oder um ein Buddha zugeschriebenes Zitat zu verwenden:114 »An Groll festhalten, ist wie Gift trinken und hoffen, dass der andere stirbt.« Andere Personen sind ohnehin nicht die Quelle unserer Gefühle – weder bei der Liebe noch beim Hass. Unsere Gefühle machen wir uns selbst. Wir müssen mit ihnen auch selbst zurechtkommen: »Nichts und niemand ist in der Lage mich wütend zu machen, nur ich mich selbst.«115 Dabei ist die Opferrolle bequem und praktisch. Sie rechtfertigt, nichts unternehmen zu müssen: Du kannst ja auch nichts machen, denn als Opfer bist du natürlich machtlos.116 Aber machtlos bist du nur, weil du deine Macht abgegeben hast. Indem du andere verantwortlich machst, lässt du zu, dass sie über dich entscheiden, und du gibst ihnen die Macht dazu, weil du dir deine Entscheidungsfreiheit nicht zurücknimmst.117 Andere verantwortlich machen zu wollen, mag eine entlastende Schutzfunktion haben, ist jedoch keine dauerhafte Lösung – vor allen Dingen, weil sie uns weiterhin ohnmächtig erscheinen lässt: »So beschäftigen wir uns kaum mit unseren eigenen

Hassen unterlassen! Anteilen an dem Ereignis, sondern mit dem, was andere unserer Meinung nach schlecht gemacht haben. Das lenkt von unseren Schwierigkeiten, Fehlern und Schwächen ab. […] Verlagern wir unsere Schwierigkeiten auf andere, dann können wir wenig an uns arbeiten, können uns wenig ändern.«118 Ganz im Gegenteil: Wer die ganze Zeit über andere Sachverhalte und Personen nachdenkt, überlässt ihnen dadurch in diesen Momenten die Kontrolle über das eigene Leben und die eigene Zufriedenheit.119 Indem wir Kritik und Vorwürfe annehmen – oder auch nur unterstellen –, überlassen wir anderen auch die Deutungs­ hoheit über uns selbst. Mit gesundem Selbstvertrauen müsste es uns eigentlich egal sein, dass Ex-Partner uns als gefühlskalt, ignorant und selbstsüchtig bezeichnen, unsere Vorgesetzten uns Faulheit, Nachlässigkeit und mangelndes Engagement vorwerfen oder unsere Nachbarn die Kategorien asozial, chaotisch und »unterste Schublade« für uns bemühen. Wenn wir uns darüber ärgern, »zeigt uns das nur an, wie wenig wir von uns selbst halten und wie viel wir von anderen erwarten«.120 Verantwortung für sich und die eigene Situation zu übernehmen, bedeutet in diesem Zusammenhang, andere und anderes davon freizusprechen. Verzeihen wird in dieser Form egoistisch121 und macht dich wieder handlungsfähig. »Verurteilen und Schuld suchen lenken von dem ab, was weiterführt.«122 Das gilt nicht nur für Schuldzuweisungen: Gerade in einer Gesellschaft, die das ver-

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96 Hassen unterlassen! gleichende Messen mit anderen immer einfacher macht, müssen wir uns fragen, inwieweit wir solche Tendenzen unterstützen wollen. Waren es früher Klamottenmarken, Automodelle und die Größe des Eigenheims, so kann ich heute direkt Laufleistungen, Kalorienverbrauche und »Likes« in diversen Portalen einsehen: »Und wer sein Leben danach ausrichtet, was andere von ihm denken könnten, der gibt die Kontrolle darüber raus, wer er ist. Damit liefert man seine Identität einer Truppe fremder Leute aus, die einen selbst gar nicht kennen.«123 Sollte das mit dem Verzeihen schwer bis unmöglich klingen, dann liegt das vor allem an begrifflichen Schwierigkeiten und mangelnden Abgrenzungen. Während es im englischen Sprachraum lediglich ein Wort (»forgiveness«) gibt, hat man es im Deutschen mit Verzeihen, Vergebung und Entschuldigung zu tun, was zu einer Reihe von Missverständnissen führen kann. Viele Menschen gehen davon aus, dass Vergebung zumeist religiös besetzt ist und nur ein gnädiger Gott dem Sünder oder der Sünderin vergeben kann. Indem Mitmenschen einander vergeben, würden sie sich gottgleich über ihr Gegenüber erheben und erhöhen. Von daher bevorzugen viele Autorinnen und Autoren sowie Therapeutinnen und Therapeuten den Begriff der Verzeihung. »Verzeihen bedeutet dem Wort nach: Verzicht auf Vergeltung. Verzicht auf Wiedergutmachung.«124 Dabei ist entscheidend: »Die Schuld des Täters bleibt bestehen; verzichtet wird lediglich auf ihre Begleichung.«125 Damit ist ganz

Hassen unterlassen! klar: Verzeihen oder Vergeben heißt nicht vergessen, bedeutet nicht, sich auszusöhnen, oder verlangt auch nicht, sich selbst zu verleugnen.126 Auch wenn es hilft, dass das Opfer versucht, die Tat zu verstehen, meint das noch lange nicht, dass es diese rechtfertigen müsse oder könne.127 Letztendlich ist Verzeihen der Schlusspunkt des Loslassens. Wer diese Stelle erreicht, ist mit dem Thema und sich selbst im Reinen. Wer hier ankommt, hat auch den Hass hinter sich gelassen. Verzeihen fällt aber schwer. Vielleicht kann nicht jeder diesen Punkt erreichen – zumindest lässt sich sein Erreichen nicht erzwingen. Für mich stellt sich dabei auch die Frage, ob nicht auch der Wunsch, Verzeihen zu können, und die Arbeit und Beschäftigung mit dem Thema es nicht weiter offenhält und damit genau das Gegenteil davon bewirkt, was eigentlich erreicht werden sollte: Wir halten fest, statt loszulassen. Dann sollten wir mit den Dingen lieber Frieden schließen, indem wir sie einfach stehen lassen. Die Frage bei dem Thema Ärgern, Wut empfinden, Hassen ist letztendlich: Willst du einer Person, Sache oder Situation, die dich verletzt hat, so viel Aufmerksamkeit widmen, dadurch dass du deine Gedanken permanent um sie kreisen lässt wie die Fliegen um die Kuhkacke? Willst du dich mehr damit beschäftigen als mit den Dingen, die dir guttun, dich interessieren, dir Spaß machen? Das Objekt deines Hasses hat dieses Übermaß an Aufmerksamkeit nicht verdient. Es hat we-

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98 Hassen unterlassen! der danach gefragt noch darum gebeten und bekommt davon vermutlich auch nichts mit. Es ist wie beim Loslassen: Das, was du hasst, verändert sich durch deinen Hass nicht – aber du kannst dich ändern, indem du den Hass nicht zulässt, also einfach das Hassen unterlässt. Der Hass verhindert ansonsten auch, dass du die Person sein kannst, die du eigentlich sein möchtest, und macht dich so handlungsunfähig. Hass macht dauerhaft unfrei – so zumindest der Hintergrund hinter der – auch öffentlich kritisierten – Verzeihensbereitschaft der ehemaligen KZ-Gefangenen Eva Mozes Kor.128 Menschen sind »Sozialvampire«: Sie nähren ihr Selbstbild mit der Aufmerksamkeit anderer Menschen. Menschen genießen es, dass sie von jemandem geliebt werden. Wenn sie nicht geliebt werden, dann schenkt manchen Menschen wenigstens der Hass anderer Personen vergleichbar viel Aufmerksamkeit. Ihnen ist jegliche mitmenschliche Reaktion recht, da sie sich nur so lebendig fühlen. Es ist aber nicht deine Aufgabe, diese Art sozialer Parasiten zu füttern. Denn drohende Bedeutungslosigkeit ist die größte Angst vieler Menschen. Wo sich ohnehin viele fragen: »Warum bin ich hier?« oder »Welchen Sinn hat mein Leben?«, flößt es Angst ein, bedeutungslos zu sein, wenn nichts und niemand der eigenen Existenz irgendeinen Sinn zumisst. Indem du die Menschen, die dich negativ beeinflussen, weniger bis gar keine Aufmerksamkeit mehr schenkst, machst du sie für dich bedeutungslos.

Hassen unterlassen! Falls du die Situation oder die Person nicht lieben kannst, aber sie auch nicht hassen sollst: Was bleibt dir dann? Die Gleichgültigkeit! Denn Gleichgültigkeit ist das eigentliche Gegenteil von Liebe.129 So wie sich manche Ex-Partner durch den Hass des anderen rückversichern, wie sehr sie gebraucht werden, umso überraschender trifft es sie, wenn sie der anderen Person auf einmal völlig egal sind. Ein bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht mal verhasster Chef ist in der Firma de facto unsichtbar für alle, und hochnäsigen Nachbarn, die ignoriert werden, bleibt nichts anderes übrig, als ihre Nasen in ihre eigenen Angelegenheiten zu stecken. Mit einer kultivierten Gleichgültigkeit gegenüber Menschen und Situationen wäre unsere Welt ein deutlich besserer Ort. Wer die negativen Gefühle dennoch nicht vollständig kontrollieren kann und meint, die vermeintlichen Verursacher so treffen zu müssen, dass es ihnen wehtut, der sollte nicht mit Hass reagieren, sondern sich in Gleichgültigkeit üben. Lasse die anderen verhungern, indem du sie nicht mehr mit deiner Aufmerksamkeit fütterst. Damit triffst du die Gegenseite heftiger als mit deinem Hass – und dein Leben wird deutlich leichter, wenn du das Hassen unterlassen kannst. Du kannst deine Aufmerksamkeit anderen Dingen oder Personen schenken und dir neue Ziele setzen.

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ABSCHNIT T 6

ZIELE JUSTIEREN

Ziele justieren! Mit den Dingen, die wir wollen, ist das so eine Sache. Sibylle Berg lässt in ihrem Debütroman »Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot« (1997) eine ihrer Hauptfiguren Folgendes erleben: »Ich sehne mich so nach einem eigenen Menschen. Lieber Gott, schenk mir einen eigenen Menschen. Einen, der nur mir gehört. O.K., sagt der liebe Gott. Es fackelt ein bisschen, und ein alter Mann sitzt vor mir. Dem läuft Spucke aus dem Mund, und er guckt wie eine Kuh. Mein eigener Mensch hat definitiv einen Dachschaden. Und gehört jetzt dir, sagt der liebe Gott. Oh, sorry, sage ich, nimm den weg. So war das nicht gemeint. Und da ist der Trottel verschwunden. Der liebe Gott zieht eine Augenbraue hoch und sagt: Jetzt kriegst du gar keinen mehr.«130 Wünsche sind streng genommen keine Ziele. Aber so richtig streng nehmen wir das alle nicht – bis wir in eine Sinnkrise geraten. In ihr stellen wir und viele andere Menschen auf einmal fest, dass wir gar keine Ziele für unser Leben haben. Oder sie verloren haben. Oder die Falschen hatten. Nach einem großen Verlust und nachdem wir mit dem Setzen des Schlusspunktes das

104 Ziele justieren Vergangene losgelassen haben, sind wir häufig orientierungslos. Von einer vorher denkbaren Zukunft sind wir nun abgeschnitten. Aus der Bewertung der jüngeren Vergangenheit ziehen wir vielleicht die falschen Schlüsse für unsere neue Gegenwart: Nur über die Rückspiegel lässt sich kein Fahrzeug sicher geradeaus lenken. Und auch aktuelle »Träume und Sehnsüchte entspringen vielmehr aus gegenwärtigen Situationen, und diese Gegenwart ist stark von der Vergangenheit geprägt. Daher sagen Träume mehr über die Gegenwart als über die Zukunft aus«.131 Unsere Position ist also denkbar miserabel für einen Neuanfang. Und selbst wenn wir den Motor starten könnten: In welche Richtung sollten wir überhaupt fahren? Blöd ist, dass wir nun auch noch unseren Fokus ändern müssen: »Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir erreichen wollen, und nicht auf das, was wir abstellen oder loslassen wollen.«132 Wir starren die ganze Zeit auf das Loch, wo vorher unser altes Leben war, aber müssten uns eigentlich darauf fokussieren, wie wir von der Abbruchkante wegkommen können. Auf die potenzielle Gefahr zu starren bringt gar nichts: Bei Fahrbahnverengungen auf der Autobahn achte nicht auf die großen LKW-Reifen dicht neben dir, sondern richte deinen Blick frei geradeaus auf den Punkt, wo du hinwillst, und halte deine Spur. Wir dürfen unsere Aufmerksamkeit nicht darauf richten, was weg ist, sondern sollten uns vielmehr auf das konzentrieren,

Ziele justieren was noch da ist und was dazukommen könnte.133 Wir sehen häufig nur den großen Verlust, und vergessen dabei, was wir noch haben: »Die Lebensbereiche, in denen wir keine großen Schwierigkeiten haben, emotional stabil zu bleiben, kommen uns oft nicht besonders spektakulär vor. Wir bemerken selten, was schon gut läuft. Es läuft ja. Doch genau hier finden wir unsere tragenden Kräfte […].«134 Gleitsichtbrillenträger kennen das: Es ist dieses anfängliche Kopfnicken, wenn man von Fern- auf Nahsicht umschalten möchte, weil das verschwundene Große im Blickfeld auf einmal keine Rolle mehr spielt, und nun die Kleinigkeiten an Gewicht gewinnen. Sie zeigen uns, dass die Schwungfeder im Uhrwerk aktiv ist, obwohl die Zeiger gerade festklemmen und sich nicht bewegen. Der Stillstand wird nicht ewig währen. Irgendwann beginnt sich die Stockstarre nach Schicksalsschlägen langsam zu lockern und zu lösen. Dann glauben einige, sie wollen exakt das wiederbekommen, was sie verloren haben, und stürmen direkt wieder los. Sie sehen ihr Seelenheil in der Reproduktion, denn »Gewohnheit schützt vor Entscheidungen, davor zu wählen, zu verlassen«.135 Das »Ich-will-das-Gleiche-was-ich-vorher-hatte«-­Motto hilft aber in der Regel nicht. Das klappt nur selten. Vielleicht funktioniert es bei einer Pizza-Bestellung – aber meistens noch nicht einmal da. Der schönste Sommer deines Lebens, den du mit 16 Jahren hattest, würde sich bei seiner exakten Wiederholung mit 34, 46 oder 57 ganz

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106 Ziele justieren anders anfühlen. Zelten ist auf einmal sehr unbequem und so warm und sonnig, wie es in der Erinnerung war, sind die wärmsten Monate des Jahres gar nicht. Es liegt natürlich auch daran, dass dir im Sommer mit 16 die Erfahrungen mit 34, 46 oder 57 fehlten, du jemand ganz anderes warst und auch dein Umfeld auf dich mit deinen 16 Jahren reagierte. »In keiner Sekunde unseres Lebens sind wir noch dieselbe bzw. derselbe wie vorher. Jeder Moment fügt eine neue Erfahrung, einen neuen Gedanken, ein neues Gefühl zur bisherigen Lebens­ erfahrung, zum eigenen Leben hinzu.«136 Das gilt nicht nur für den schönsten Sommer deines Lebens, sondern auch für deine Beziehungen, dein Berufsleben und deinen Alltag. Wenn Wiederholungen keine Lösung sind, woran lässt sich der innere Kompass stattdessen wieder ausrichten? Manchen Menschen hilft Religion oder Spiritualität. Einige glauben, dass höhere Mächte Lebenswege vorherbestimmt haben. Das hat gleich zwei Vorteile: Das übergeordnete Ziel geht bei einer Krise nicht wirklich verloren und du musst dir keinen »Kopf machen«. Keine Sorge: Ich klingele nicht gleich an deiner Tür und frage, ob du über Gott reden möchtest. Du musst selbst in dich reinhorchen, ob verschüttete religiöse und spirituelle Elemente aus Kindheit und Jugend dir noch Klopfzeichen unter den Trümmern deines Lebens geben. Diesen könntest du nachgehen und versuchen, sie von Schutt zu befreien. Vielleicht hast du auch in

Ziele justieren deiner akuten Verzweiflung dennoch unterbewusst so ein Gefühl, dass sich letztlich doch noch alles fügen wird – das spricht ebenfalls dafür, dass du einfach optimistisch bist oder es bei dir eine grundsätzliche Bereitschaft gibt, an einen vorgegebenen Sinn für das eigene Leben zu glauben. »Glauben« ist das richtige Stichwort: An der Glaubensfrage scheiden sich die Geister. Denn sie ist die Trennlinie, die Sinnsuchen vom Sinnerkennen trennt. Der religiöse oder spirituelle Mensch glaubt, dass alles vorherbestimmt ist, und er oder sie zurzeit nur nicht in der Lage ist, diesen klar zu erkennen oder zu verstehen. Das Leben ist schon kompliziert genug. Da kann es schon beruhigend sein, zu glauben, dass die Schienen bereits gelegt sind, der Fahrplan im Groben steht und eigentlich nur noch ausreichend Dampf im Kessel erzeugt werden muss, damit wieder Fahrt aufgenommen werden kann und der Fahrplan erfüllt wird. Es klingt anstrengender, sich zunächst einmal überlegen zu müssen, ob ich überhaupt eine Dampflok bin oder nicht vielleicht doch ein Auto, Flugzeug oder Schiff – ganz unabhängig von Ziel und Route, die beide dann noch immer offen wären. Spirituelle Menschen, die an unsterbliche Seelen glauben, die in vielen Leben Lernaufgaben zu erfüllen haben, hilft eine »Art Seelen-Landkarte, der wir folgen können, wenn wir lernen, sie zu lesen«.137 Und Angelika Gulder hilft, einen solchen »Seelen-Navigator« zu

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108 Ziele justieren erstellen, damit man eine »unsterbliche, unendliche, wundervolle Seele auf ihrem Weg zurück nach Hause«138 findet. Dabei steht uns eine ganze Entourage unsichtbarer Helfer – von Elohims (»Schöpferengel« und rechte Hand Gottes) bis zu »Arschengeln« (Personen, die uns mit negativen Impulsen wieder in die Spur bringen) – und vorgegebener Aufgaben zur Verfügung. Für manche mag das nach Fahrradfahren mit Stützrädern auf einer gut asphaltierten Straße klingen. Verkehrt muss es daher aber noch nicht sein. Ich habe aus reiner Neugier geschaut, was gemäß »Deutschlands erster Berufungsfinderin« meine »archetypische Seelenrolle« und mein »Archetyp« für dieses Leben sind. Demnach wäre meine Seele grundsätzlich etwas zwischen »Handwerker« und »Gelehrter« und meine derzeitige Lebensrolle »Gerechtigkeit« mit Drang zur »Hohepriesterin«. Ersteres würde bedeuten, »klugen Rat zu geben, besonnen zu handeln und Verantwortung zu übernehmen«,139 im zweiten Aspekt würde ich dann versuchen, »die weibliche Spiritualität zum Ausdruck zu bringen«.140 Du kannst ruhig lachen, aber tatsächlich kannst du bei der Lektüre spirituell geprägter Lebensratgeber einiges von dir selbst zwischen den Zeilen finden, auch wenn du die grundlegenden Ideen dahinter nicht unbedingt teilen magst. Es geht mir nicht darum, mich über solche Glaubensgrundsätze lustig zu machen: Glauben heißt glauben, weil man ihn nicht beweisen kann, er lässt sich aber auch nicht widerlegen.

Ziele justieren Und viele lebenskundige Umsetzungsempfehlungen in spirituellen Ratgebern haben durchaus etwas Handfestes und sind sehr konkret – lediglich die Quellen, aus denen diese Lösungen geschöpft werden, sind andere als bei nicht spirituellen Menschen. Diese müssen die Lösung ihrer Lebensaufgaben aus sich selbst schöpfen und ihre eigene Quelle werden. Gleichsam der größte Strom ursprünglich aus einer kleinen Quelle entsprungen ist, gehen einige Autorinnen und Autoren davon aus, dass unser »geheimer Lebensplan« bereits in frühester Kindheit festgelegt wurde. Thematisch sind wir hier im Grenzgebiet zu den religiösen und spirituellen Ansätzen unterwegs, denn gemäß diesen Auffassungen müssen wir in unserem Leben daran arbeiten, diesen geheimen Lebensplan zu entdecken und zu entschlüsseln, dem wir dann folgen: »Das innere Drehbuch wird in den ersten 10 Jahren geschrieben, und zwar aus einer konkreten, individuellen Lebensgeschichte heraus.«141 Als frühkindliche Prägung bleibt es jedoch unbewusst und ließe sich daher »bestenfalls als Gefühl, als vage Sehnsucht des Kindes beschreiben«142 – deswegen »geheim«, beziehungsweise unterbewusst. Es brauche verschiedene Lebensphasen und -abschnitte, um dieses Drehbuch freizulegen und am Ende sein Leben erfüllt zu haben. Auch hier wird deutlich, dass sich Ziele im Laufe des Lebens verändern und verschieben können. Es gibt nicht die einmalige, für immer gültige Zielfestlegung.

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110 Ziele justieren Es kann also sein, dass du aus einer früheren Krise mit ganz anderen Zielen neu gestartet bist, die für deine aktuelle Situation jedoch völlig irrelevant sein können. Copy-and-paste ist keine Tastenkombination für dein Leben. Wir brauchen also andere Orientierungspunkte, an denen wir unser Navigationssystem neu ausrichten. Das erinnert ans Mittelalter und die Zeit der Seefahrer und Entdecker. Wir brauchen Fixsterne, die uns den Weg weisen. Aber auch das bleibt häufig nur eine global intergalaktische Idee, da diese Ziele, die in den Sternen liegen, eine solche Flughöhe haben, dass sie sehr abstrakt wirken, sofern etwa Liebe und Wissen als Fix­ sterne bei der Suche nach dem Lebenssinn angeboten werden.143 Sicherlich bestätigen die meisten von uns Liebe und Wissen als große Ziele und Wünsche für das eigene Leben, aber für die wenigsten von uns reicht dies, um auch den Weg dorthin zu finden. Harlich H. Stavemann hat ein schmales Buch geschrieben, das uns komplett durch den Prozess der individuellen Zielfindung führen kann. Es hat tatsächlich eher etwas von einem Schaltplan oder Verlaufsdiagramm und lässt alle ätherischen und esoterischen Verbrämungen vieler anderer Ratgeber vermissen. Auf die für Menschen zentrale Frage »Wozu bin ich hier?« hat Stavemann auch eine klare, knappe Antwort: »­[D]as ist eine interessante Frage […], endlich einmal eine, die sich zügig beantworten lässt: Keine Ahnung.«144

Ziele justieren Das klingt kaltschnäuzig, hat aber bei seiner Methode tatsächlich auch keine Relevanz: Wichtig ist nicht, höhere Sinneserfahrungen zu durchleben, sondern pragmatisch logische Ableitungen aus den persönlichen Wertesystemen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen zu finden: »Denn selbst wenn wir nicht wissen, wozu wir leben, können wir eigenverantwortlich entscheiden, was wir hier im Rahmen unserer Möglichkeiten machen wollen – wenn wir schon einmal hier sind.«145 Die Fragen nach Schöpfergott oder Evolution und die Vorstellung der Existenz von Seelen bestimmten die Glaubensgrundsätze, die unser Wertesystem definieren, so Stavemann. Aus ihnen ergäben sich unsere subjektiven Ziele, die als Handlungsziele und Werte in ihrer Umsetzbarkeit von Ressourcen und qualitativen Zielen abhängig seien. Ich habe das mal versucht, grafisch in einen Zusammenhang zu bringen (Abb. 2). Stavemann hat dazu Bewertungsbögen entwickelt und wer sich auf den Weg durch den Prozess macht, der bekommt auch ein konkretes Ergebnis: »Sie wissen dann jeden Tag, wofür Sie aufstehen, was Sie vorhaben und wie Sie es umsetzen können.«146 Denn ohne Ziele geht es nicht. Diese ergeben sich bereits aus unseren biologischen Grundbedürfnissen wie Nahrung, Vermehrung, soziale Kontakte147 sowie Grundfunktionen  – selbst nach schwersten Schicksalsschlägen, wenn die Menschen nach Verlust all ih-

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112 Ziele justieren

Schöpfergott

Evolution

mit Seele

ohne Seele

Glaubensgrundsätze

Werteset/Lebensinhalt

subjektive Ziele

Handlungsziele & Werte

quantitative Ziele Ressourcen: Zeitaufwand

Energieaufwand

langfristig

kurzfristig

Zeitpunkt

Zeitraum

qualitative Ziele moralische Ziele religiöse Ziele politische, soziale Ziele

Abbildung 2 | Flow-Chart der Ziele (eigene Darstellung – frei nach Stavemann, 2018)

Ziele justieren rer Zielvorhaben völlig ziellos wirken: »Aber auch sie stehen (soweit sie es können) morgens auf, um auf die Toilette zu gehen, weil sie das Ziel verfolgen, nicht in den eigenen Ausscheidungen zu liegen.«148 Stavemann räumt ein, dass besonders bei Schicksalsschlägen eine »gewaltige Einsatzbereitschaft«149 zum Aufbau neuer Ziele erforderlich sei, dabei könne es helfen, »sich an die Zeit zu erinnern, bevor man kennenlernte, was man gerade verloren hat«.150 Und wer sich aber beizeiten einen gewissen »Sinnproviant«151 angelegt habe, werde keinen Sinnhunger leiden müssen. So wie du dir dein Glück selbst machen musst, so musst du dir auch die »Sinn-Stullen« als Reiseproviant für den Lebensweg eigenhändig schmieren. Dabei empfiehlt es sich, Handlungsziele zu wählen, zu denen du prinzipiell aus eigener Kraft gelangen kannst.152 Es gilt, diese unabhängig von Ereignissen oder anderen Menschen erreichen zu können – denn beides kannst du nur bedingt bis gar nicht beeinflussen. Es gleicht einem Notausgang, Ziele abhängig von anderen zu formulieren, denn so könnten die anderen stets schuld daran sein, die eigenen Ziele nicht erreicht zu haben. So können wir Opfer der Umstände und der Gemeinheit anderer Menschen bleiben »und dem anderen dann die Schuld für die eigene Unzufriedenheit geben«.153 So wie andere Menschen bei der Umsetzung eigener Ziele keine große Hilfe sind, so solltest du auch nicht deren Ziele zu deinen machen: »Da wir im Laufe unseres Lebens mit unter-

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114 Ziele justieren schiedlichen Zielgruppen und Vorbildern konfrontiert werden, die verschiedene Konzepte vertreten, führt dies häufig dazu, dass wir Ziele übernehmen und verfolgen, die nicht miteinander vereinbar sind.«154 Du bist gut beraten, dich nicht beraten zu lassen. Es ist nicht zwangsläufig so, dass deine Familie oder dein Partner oder deine Partnerin stets wissen, was am besten für dich ist. Es gibt nur eine Person, die das weiß, und das bist du. Ganz schwierig wird es, wenn die Ziele jenseits des realistisch Erreichbaren liegen – egal aus welchen Gründen auch immer. Die Hoffnung, dass sich das Unwahrscheinliche irgendwann doch noch erfüllt, wird dann zum eigentlichen Ziel und schiebt ursprüngliche Ziele weit über die Horizontlinie hinaus aus dem sichtbaren Bereich, sodass sie kaum noch zu erkennen sind: »Weil wir nie bekommen haben, was wir uns so ersehnten, sind wir süchtig nach der Hoffnung geworden, irgendwann doch noch zu gewinnen.«155 So wird unser Lebensweg zum endlosen Marsch auf dem Fitness-Laufband, bei dem wir ständig in Bewegung bleiben, ohne wirklich voranzukommen. Das Loslassen von Lebensträumen ist unsagbar schmerzhaft und wirft jede und jeden auf sich selbst zurück – wobei wir alle lernen müssen, uns selbst genug zu sein. Das ist für viele nicht einfach, denn wie gern wären wir oftmals jemand ganz anderes mit ganz anderen Möglichkeiten. Sind wir aber nicht. Es kann aber auch trügerisch sein, zu wenige und zu einfach zu erreichende Lebensziele zu haben: Das »Ein-

Ziele justieren Bein-Prinzip«156 ist hierbei dringend zu vermeiden. Wer primär nur auf ein Lebensziel setzt – beispielsweise die Kindererziehung oder die berufliche Karriere – fällt direkt um, wenn dieses Bein seinen Stand verliert. Du musst dich auf allen Ebenen von den anderen unabhängig machen: Sobald du deine Ziele justierst und du dir eine Wegskizze zu ihnen notierst, verhindere, dass deine Entscheidungen von Vergleichen beeinflusst sind. Deine Ziele müssen nicht schöner, besser und großartiger sein als die deiner Nachbarn, Kollegen oder anderer Mitmenschen: »Vielleicht sollte man sich vor Augen halten, dass die meisten zufriedenen Menschen keinen Traumberuf, keine Traumwohnung und keinen Traumpartner haben.«157 Das verinnerlichte Credo, dass es immer aufwärtsgehen sollte, vereitelt, infrage zu stellen, ob wirklich immer Neues zum Alten hinzukommen müsse: »Neue Freunde, neue Liebhaber, aufregende Interessen, neue Kleider, neue Reisen, überraschende Begegnungen.«158 Müssen neue Ziele tatsächlich immer weiter gesteckt werden als die bisherigen? Vielleicht ist die Krise auch die Chance, sich vom olympischen Motto in der eigenen Lebensgestaltung loszusagen: schneller, höher, stärker. »Citius, altius, fortius« ist das offizielle olympische Motto und genau wie die farbigen Ringe urheberrechtlich gegen jeden kommerziellen Gebrauch geschützt.159 Wie sich das geradezu gegenteilige »Dabei sein ist alles!« als »falsches« Motto ins Bewusstsein

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116 Ziele justieren vieler Menschen schleichen konnte, ist irgendwie unklar. Pierre de Coubertin, der Vater der Olympischen Spiele der Neuzeit, hat wohl auch diesen Ausspruch in einem Zitat 1908 verwendet, was ihn aber noch lange nicht zum Motto der ganzen Bewegung machte. Und mal ehrlich: »Dabei sein ist alles!« wäre so ziemlich das traurigste Lebensmotto, das man sich wählen könnte. Aber auch »Höher, schneller, weiter« ist als Leitspruch nicht sonderlich hilfreich. Dennoch erweckt es den Eindruck, dass wir diesen Dreiklang für unsere Lebensplanung verinnerlicht haben, er scheint eine Saite in uns zum Klingen zu bringen: Auf der Karriereleiter darf es nur nach oben gehen, die nächste Wohnung wird größer, das nächste Auto schneller und die nächste Partnerin oder der nächste Partner reicher, schöner, schlauer. Alles, was sich nicht bewegt, weil es genau richtig ist und passt, wird schon als Rutschbahn in den Tod interpretiert, denn es »ist geradezu ein Luxus, das zu wollen, was man gerade hat«.160 Dabei ist das Wachstumsprinzip endlich: Beruflich begrenzt das »Peter-Prinzip«161 unseren Aufstieg auf der Ebene, die das Maß der eigenen absoluten Unfähigkeit markiert, große Wohnungen werden zusehends unrentabel, wenn unbenutzte Räume geheizt und instand gehalten werden müssen, das schnellere Auto ist vielleicht nicht das bequemere und die Qualität einer neuen Partnerschaft bemisst sich nicht ausschließlich an den Merkmalen des Partners oder der Partnerin.

Ziele justieren Warum fällt es uns dennoch so schwer, den nächsten Schritt auch mal seitwärts oder auch zurück zu setzen? Warum halten wir den »Permanent-Upgrade«-­Modus für den sinnvollsten? Gesellschaftliches Handeln ist uns nicht angeboren, aber zumeist und vor allem zuerst durch unsere Eltern vermittelt: »Sie dachten offenbar, etwas Gutes zu tun, wenn sie das Kind ›anfeuerten‹, bessere Leistungen zu bringen und die Latte höher und höher zu legen.«162 Natürlich wünschen sich Eltern, dass ihre Kinder das Leben erfolgreich meistern, aber sie fördern dies nicht durch permanenten Antrieb zur Höchstleistung. Die Trainerrolle im Leistungssport des Lebens steht ihnen nicht gut. Später wird dieses Training institutionalisiert, vom Kindergarten, den Schulen und Sportvereinen übernommen. Es wird kollektiv vermittelt und ritualisiert ausgelebt: Wir glauben scheinbar, dass Fortschritt und Weiterentwicklung für unser Umfeld erkennbar sein müssen, damit es auch für uns einen Wert hat. Häufig wird dabei die öffentliche Anerkennung über den Beruf realisiert: »Wir verbinden ein hohes Maß an sozialem Status mit unserer Anstellung, weil wir diese im Moment am einfachsten kontrollieren können.«163 Die Muster sind für die meisten Menschen auch bekannt: Arzt oder Ärztin gelten als höher gestellt als das Pflegepersonal, die Sachbearbeitung arbeitet unter der Leitungsebene etc. Wenn die Jobtitel stimmen, sind Statussymbole nicht mehr ganz so wichtig.

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118 Ziele justieren Nur selten ist die permanente Steigerung in allen Lebensbereichen ausschließlich aus unserem Inneren motiviert. Es ist der Vergleich mit der Person neben mir – ein Phänomen, das so alt ist wie die Menschheit – der mich antreibt: Bereits in der Steinzeithöhle war es weithin ersichtlich, dass ich eine größere Keule hatte als meine Nachbarschaft und die Sammlung meiner Mammut-Stoßzähne eindeutig beeindruckender war als die der anderen – auch ganz ohne Fitness-Tracker und Runtastic-Auswertungen auf Facebook. Früher mag »mehr haben als der Nachbar« tatsächlich entscheidend für das eigene Überleben gewesen zu sein – heute haben die meisten mehr, als sie in einem Leben verbrauchen könnten. Wenn es nur noch ums Vergleichen geht, ist die Suche nach Zielen sinnentleert. So kann diese »ziellose Suche […] auch leicht zur Sucht werden. Mehr Geld, mehr Ruhm, Erfolg, Frauen/Männer, Häuser, Abenteuer  … In solchen Fällen gehen Menschen in ihren äußeren Träumen verloren.«164 An diesem Punkt angekommen, hat nichts mehr Bedeutung oder Relevanz. Dann ist nur noch das Messen im Wettkampf das Ziel, die vormaligen Fixsterne sind da bereits untergegangen. Wer sich mit niemandem misst, kann keinen Vergleich verlieren. Mir ist es egal, wer welchen Sport­wagen fährt, wenn ich nur mit dem Fahrrad unterwegs bin. Was interessiert mich deine große Wohnung, insofern ich mich eigentlich nur in meinem Wohnmobil wirklich

Ziele justieren zu Hause fühle? Was juckt mich dein Job, solange du durch ihn keine Zeit mehr für dein tolles Auto und deine unglaublich große Wohnung hast? Laut Anna Schoch ist dieser Punkt der Umdeutung ab der Lebensmitte unausweichlich: »Rückzug aus der Expansion, Loslassen von äußeren Dingen, Weitergeben, Hergeben – dies ist die Aufgabe der zweiten Lebenshälfte. Diese einschneidende Krise, die uns in unserer gesamten Existenz erschüttert, erreicht uns in dem Augenblick, da wir auf dem Gipfel, dem Höhepunkt unseres Lebens angelangt sind. Wir hätten nun den Überblick, nehmen aber voller Entsetzen nur das Tal, das Ende unseres Lebensbogens wahr.«165 Krisen drängen einen zwangsläufig zur Neubewertung der Lebenssituation, da »zu einem Neubeginn häufig eine Veränderung der Standards gehört«.166 Nach einer Trennung müssen Unterhalte gezahlt oder bezogen werden, die gemeinsame Wohnung ist zu kündigen, Freundeskreise und Familien harren der Aufteilung. Auch berufliche Krisen verlangen, die Lebenssituation zu bilanzieren: Das Einkommen bricht weg, der Wert der eigenen Arbeitskraft muss neu ermittelt werden, du musst dich für eine Neuanstellung geistig und vielleicht auch räumlich bewegen. Jegliche Form der Sinnkrise zieht in der Regel auch spürbare Folgen im Alltag nach sich. Insofern du schlichtweg nicht einfach so weitermachen kannst wie bisher, fällt es leichter, aus der Spirale des »Wettrüstens« auszusteigen. Haben

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120 Ziele justieren sich die Wertigkeiten bei der Bestandsaufnahme des Lebens verändert, muss das nächste Auto gar nicht größer sein – Hauptsache: Es fährt. Es geht nicht darum, sich den Mangel schönzureden und täglich »Hurra, wir leben noch!« zu feiern, sondern darum, sich bewusst zu werden, was für einen wichtig ist. Hierbei dreht es sich nicht um eine »Verzicht-Meisterschaft«, die auch nur ein Wettlauf mit anderen Vorzeichen ist: So ist »downsizing« bereits zur Lebenseinstellung geworden, bei der das komprimierte Tiny House in der Anschaffung dann auch mal teurer als die Dreizimmerwohnung wird. Was ist dir wirklich wichtig im Leben? Diese Frage stellt dir das Leben selbst. Die Suche nach einer Antwort erfolgt entweder unter äußerem Druck oder aber durch das dringende eigene Bedürfnis, aktiv zu werden und sich bewusst mit der neuen Situation auseinanderzusetzen. Diese verändert deinen Blickwinkel und birgt die Chance, zu erkennen, was für dich Relevanz hat. Da stellst du vielleicht fest, dass die Größe deiner Wohnung eigentlich unbedeutend ist, weil es dir viel wichtiger ist, dass du im Grünen oder mitten in der Stadt wohnst. Du kannst dich auch bewusst gegen die nächste, vermeintlich logische Stufe auf der Karriereleiter entscheiden, insofern du lieber am Projekt arbeitest, als Teams zu führen, oder du spürst, dass dir die Zeit mit der Familie und Freunden wichtiger ist als die Bonuszahlung am Jahresende.

Ziele justieren Wir wählen ungern aus, denn »[j]ede Wahl verlangt Verzicht auf die andere Möglichkeit und sieht daher nach Übel aus«.167 Das klingt nach Schwarz oder Weiß und am Ende können wir tatsächlich nur durch eine Tür gehen, diese ist dann aber vielleicht auch grau. Möglicherweise hilft es dir, mit Schwarz und Weiß zu beginnen, also dir neben dem Wunschergebnis auch noch das Komplementärereignis vorzustellen: Ich würde gern in dem Penthouse mit Dachterrasse und bodentiefen Fenstern nah der Innenstadt wohnen, aber wenn gar nichts mehr geht, wird es eben die fensterlose Kammer in der Hinterhaus-WG im Vorort. Nun kannst du den Regler zwischen den beiden Extrempositionen hin- und herschieben und darauf achten, mit welcher Abstufung du dich noch wohl und komfortabel fühlst und die auch noch im Rahmen des Erreichbaren liegt. Letztlich muss jede und jeder für sich selbst die Kategorien und Maßstäbe festlegen. Dies ist Teil unser aller Entscheidungsfreiheit, die du dir aber unter Umständen erst bewusst machen und erarbeiten musst. Es sollte uns viel weniger wichtig sein, was andere können, haben oder denken: Du legst die für dich relevanten Eckpunkte fest, zwischen denen du dein Potenzial ausschöpfen kannst, du entscheidest dich nicht zwischen Schwarz oder Weiß, sondern findest das für dich passende Mischungsverhältnis. Ohnehin: Wenn ich mir meine Arenen und Wettkampfsportarten aus freien Stücken aussuche, kann

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122 Ziele justieren ich mich auch entscheiden, mit wem ich mich überhaupt messen möchte. Das Ergebnis wird niemanden überraschen: Man muss niemandem etwas beweisen – außer sich selbst. Die eigene Zufriedenheit ist das Maß der Dinge – die Maßstäbe anderer gelten nicht für einen selbst. Der Volksmund sagt: »Was Peter über Paul denkt, sagt mehr über Peter als über Paul.« Sei also eher ein Paul als ein Peter und befreie dich von der Meinung anderer. Bringen wir es auf den Punkt: Es geht nach einer Lebenskrise oft um Selbstoptimierung unter veränderten Rahmenbedingungen, aber um gesunde Selbstoptimierung in ihrem ursprünglichen Wortsinn: das Beste für dich selbst herausholend, weniger um »das Eindringen der Kriterien und Regulierungsmechanismen des kapitalistischen Marktes wie Konkurrenz, Durchorganisation und Vorteils-Nachteils-Kalkulationen in immer mehr Lebensbereiche«.168 So wird die »Mentalität des schneller, höher, weiter […] auf die Spitze getrieben. Gut zu sein reicht schon lange nicht mehr aus, das Ziel ist es, besser zu sein«.169 Und dieses gilt nicht nur für äußere Ziele, sondern zusehends auch für innere Werte. Nur allzu oft können diese Erwartungen an sich selbst aber nicht erfüllt werden. Die Selbstoptimierung, die wir suchen, darf dann gern auch egoistische Züge aufweisen, bei denen uns die anderen egal sind. Wenn mir vermeintlich irrationale Dinge wichtig sind, brauche ich gewisse andere Dinge nicht, die andere für relevant

Ziele justieren halten können. Es geht nicht um Verzicht und Askese, sondern um ein Umschichten der Ressourcen. Es geht nicht um Altruismus oder darum, die Welt zu verbessern, sondern um deinen Alltag und darum, dein Leben zu ändern: »Diesen Neu-Bewertungen und geänderten Bedeutungen folgen zwangsläufig andere Gefühle und Verhaltensweisen.«170 Erst anders denken, dann anders fühlen und sich dann anders verhalten. Verabschiede dich vom olympischen Wettkampf-Motto, vergiss die Bewertungsbögen der Bundesjugendspiele: Du stellst deine eigenen Leistungstabellen auf und was vorher vielleicht nur als »kleiner Hüpfer« kategorisiert wurde, ist für dich ab jetzt ein großer Sprung, wenn du dies so sehen möchtest. Wie dir dabei der Vergleich mit dem Tangram-Puzzle helfen kann, kommt ein bisschen später. Fürs Erste kannst du aber auch gern etwas zurückblättern und dir das Flussdiagramm der Ziele noch mal ansehen: Du musst ja nicht mit Gott und der Welt ganz oben anfangen, sondern konzentriere dich auf den grau hinterlegten Kasten der quantitativen Ziele und den Ressourceneinsatz, um diese erreichen zu können. Lege dir eine Vier-Felder-Tabelle aus Zielen (kurzfristige und langfristige) und Ressourcen (Energie und Zeit) an. Da es dein Leben ist, bist du völlig frei, zunächst deine Ziele dort einzutragen: Was möchtest du vielleicht schnell erreichen und was strebst du langfristig an? Dann kommt der eher blöde Teil: Versuche eine

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124 Ziele justieren Bewertung, wie viel Zeit und wie viel Energie du für die Erreichung der Ziele einsetzen musst, denn leider werden dir die Zielerreichungen nicht einfach in den Schoß fallen – selbst, um in der Lotterie zu gewinnen, musst du mindestens ein Los gekauft haben. Ich bin mir sicher, dass diese erste Bestandsaufnahme mindestens ein Ziel enthalten wird, das du kurzfristig mit überschaubarem Ressourceneinsatz verwirklichen kannst, und mindestens eines, das du langfristig anstreben wirst und für das du auch bereit bist, Zeit und Energie einzusetzen. Hast du dich eben vielleicht noch ziellos gefühlt, so kennst du nun die konkreten Koordinaten, mit denen du deine Reise in ein neues Leben antreten kannst.

ABSCHNIT T 7

KONTROLLE ZURÜCK­ GEWINNEN!

Kontrolle zurückgewinnen! Ziele setzen zu können ist bereits ein Teil der Kontrolle. Wer sagt, wo es langgeht, führt. Übernimm wieder die Führung über dein eigenes Leben und mach du für dich die Ansagen, wo es für dich langgeht. In Krisenphasen kommt es uns manchmal so vor, als würden wir auf dem Beifahrersitz durch das eigene Leben gefahren. Einige von uns kennen dabei wenigstens das Ziel – andere haben eher das Gefühl, auf einer Irrfahrt zu sein: Eine andere Person gibt Gas, bremst und lenkt. Und auf den Verkehr drum herum haben wir jetzt gerade gar keinen Einfluss: Es wird rechts überholt, ausgebremst und geschnitten. Als Beifahrerin oder Beifahrer bist du völlig ohnmächtig: Wenn du ohnehin nichts machen kannst, wäre es eine Option, dich einfach zurückzulehnen und die Fahrt zu genießen, aber vielen ist angesichts der eigenen Machtlosigkeit eher zum Schreien und Augenschließen zumute, und sie hoffen, dass die Fahrt irgendwann einfach nur noch vorbei ist. Wir alle kennen solche Situationen, in denen wir uns fremdgesteuert fühlen und merken: »[W]ir leben nicht selbstbestimmt, sondern haben das Gefühl, gelebt

130 Kontrolle zurück­gewinnen! zu werden.«171 Da gibt es Menschen, die Erwartungen an uns haben, Vorgesetzte sowie Kolleginnen und Kollegen, die etwas von uns wollen, Nachbarn, die gern Regeln diktieren würden, und selbst die Familie, die Clique und der Freundeskreis haben bestimmte Vorstellungen, wie wir uns um sie zu kümmern haben und wann wir uns mal wieder melden sollten. Da scheint es kaum Entscheidungsspielraum zu geben. Wir fühlen uns wie die Flipperkugel, die wild und willenlos durch eine blinkende, klackernde Welt aus Gummibanden geschossen wird – ohne jeglichen Einfluss darauf, wo wir als Nächstes abprallen. Oft versuchen wir, diese Situationen vor uns und anderen zu rechtfertigen: »Was hätte ich denn tun sollen?« und »Das wird einfach von mir erwartet« sind dann Schutzreaktionen auf diese vermeintlichen Ausweg­ losigkeiten. Häufig lassen sich Alternativen auch nicht schnell genug denken, geschweige denn ausarbeiten und wir reagieren reflexartig auf die Erwartungshaltungen anderer. Das muss auch nicht grundsätzlich verkehrt sein, ärgerlich wird es nur, falls wir uns hinterher selbst darüber ärgern. Bei den angeblich rund 20.000 Entscheidungen, die ein Mensch täglich trifft,172 ist es gut, dass einige davon als automatische Programme ablaufen – sonst würden wir vermutlich irre werden, wenn wir jedes Mal komplexe Abwägungsprozesse mit Listen von Vor- und Nachteilen durchlaufen müssten. Meistens nehmen

Kontrolle zurück­gewinnen! wir auch nur Nachschlag von den Dingen, die wir bereits kennen:173 Das gilt ganz besonders für die übermäßige Produktauswahl im Supermarkt. Dort greifen wir zu dem Joghurt, der uns schon in der vergangenen Woche gut geschmeckt hat. So richtig bewusst fällen wir solche Konsumentscheidungen nicht. Hätten wir in diesem Augenblick nicht eigentlich anders handeln wollen? Gerade deshalb sollten wir uns bemühen, zu erkennen, wo solche Automatismen für uns gesund sind und wo nicht. Das klingt einfach, ist es aber nicht: Es ist eher eine lange Versuchsreihe mit vielen, vielen Wiederholungen. Es ist schon ein Erfolg, die Situationen zu erkennen, in der wir wie auf Knopfdruck reagieren – und zwar anders, als wir eigentlich wollen. Dann werden wir uns ärgern, dass es uns dennoch immer wieder erneut passiert, und wir werden uns überlegen, wie wir stattdessen hätten reagieren sollen und wollen. Etwa lassen wir jemanden in der Schlange an der Supermarktkasse vor, der sich schon erfolgreich an vier anderen Wartenden vorbeigefragt hat. Auch wenn es nur ein kleines Autonomiegebiet ist: Auch hier können wir uns entscheiden, ob wir die drängelnde Person ebenfalls vorbeilassen oder sie ausbremsen wollen. Das sind die Freiräume, die du lernst zu erkennen und die du einnehmen kannst, wenn du glaubst, ansonsten gar nichts in deinem Leben entscheiden zu können. Sicherlich zeigt das Beispiel eine unbedeutende Situation, aber hier fängt es bereits an und am Ende geht es dabei um

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132 Kontrolle zurück­gewinnen! mehr: Du musst zurück in den Fahrersitz! Nicht mehr reagieren, sondern agieren. Du entscheidest, wo du Gas geben willst und wann es gemütlicher vonstattengehen soll. Du lenkst den Wagen deines Lebens selbst – und das Wichtigste: Du kennst nicht nur das Ziel deiner Fahrt, sondern du hast es auch eigenhändig festgelegt! Irgendwann stehen viel größere Entscheidungen an als an der Supermarktkasse. Allerdings lässt befürchten, dass es, falls du dort schon Probleme hast, deine eigene Entscheidungsfreiheit auszuschöpfen, an anderen Stellen noch schwieriger wird. Es ist unter Umständen unbequem, zu sich und seinen Bedürfnissen zu stehen – insbesondere sollte dies für die anderen unerwartet kommen. Wie reagiert die faule Kollegin oder der faule Kollege, für die oder den du jeden Morgen eine zusätzliche Kopie des Tagesberichts anfertigst, wenn du das unterlässt? Was sagen die Eltern, sollte dein sonntäglicher Telefonanruf um 16.30 Uhr einmal ausbleiben oder zu einer anderen Zeit erfolgen? Was passiert, falls du deiner Partnerin oder deinem Partner gestehst, dass dir unwohl ist, die Wünsche des Gegenübers zu erfüllen und du gleichzeitig Angst hast, durch dieses Geständnis die Liebe der anderen Person zu verlieren? Hast du schon mal bei voller Fahrt das Steuer eines Autos übernommen? Nein? Ich auch nicht. Entsprechend schwierig wird das sein – vor allem gesetzt den Fall, dass die Fahrt bereits zum Horrortrip geworden

Kontrolle zurück­gewinnen! ist: In einer Krise unter Druck getroffene Entscheidungen führen häufig nicht zu den besten Ergebnissen. In Drucksituationen geht es meistens eigentlich nur darum, den Druck aus dem Kessel zu lassen und somit die Kraft, die ungewollt auf uns einwirkt, zu verringern. Als Folge dessen ebben die Schmerzen langsam ab, die Atemzüge werden freier. Idealerweise sollten Entscheidungen erst dann getroffen werden, wenn wir uns dafür bereit fühlen: »Es kommt nicht darauf an, wie schnell man zu einer Entscheidung kommt, sondern wie gut man dafür vorbereitet ist. Sobald Sie bereit sind, können Sie unglaublich schnell zu einer guten Entscheidung kommen.«174 Diese Vorbereitungen sollten aber nicht dazu führen, dass du glaubst, immer weiter Informationen zusammentragen zu müssen, um dich entscheiden zu können: »Gewissenhaftigkeit wird zu Zögern, wenn der Preis für das Warten mit einer Entscheidung höher ist als der mögliche Lohn weiteren Nachdenkens.«175 Dann hast du die Sache vergrübelt und zahlst am Ende nur drauf, weil keine weiteren Erkenntnisse für eine bessere Entscheidungsfindung zusammenkommen. Aber Idealbedingungen sind in krisenhaften Situationen eher selten. Auch triffst du keine guten Entscheidungen, sobald du zu viele Dinge parallel bearbeitest und entsprechend abgelenkt bist. Das hat die Forschung gezeigt, als Studierende in einem Test gebeten wurden, sich Zahlenreihen zu merken, während sie das Buffet ansteuerten. Wer sich bemühte, die Auf-

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134 Kontrolle zurück­gewinnen! gabe zu bewältigen, griff überdurchschnittlich eher zur Schokoladentorte als die Vergleichsgruppe, die ohne Ablenkung in die Pause ging.176 Das Gegenteil von zu vielen Möglichkeiten ist auch keine solide Basis: »Wer nur eine Option sieht, kann keine gute Entscheidung treffen.«177 De facto ist das auch keine Wahl. Allerdings ist der Entschluss, nichts zu verändern, ebenfalls eine Entscheidung, ohne dass das einem unbedingt bewusst sein muss. Besonders wenn du Situationen ewig unverändert weiterlaufen lässt, stellt sich das Gefühl der Alternativlosigkeit ein. Aber nur weil du im Augenblick keine Alternative siehst, heißt das nicht, dass es keine gibt.178 Aber im Nachhinein sind alle immer schlauer. Mitunter ist eine Situation so belastend, dass wir gar nicht wirklich in der Lage sind, neue Wege zu sehen. Falls du das Gefühl hast, es gäbe nur diesen einen Weg, dann kannst du immer noch bestimmen, mit welchem Tempo du ihn gehen wirst: Ob du auf ihm rennst, schlurfst, hüpfst, wankst oder wacker ausschreitest, bestimmst du. Herrscht das Gefühl der Alternativlosigkeit und Einengung des Entscheidungsraums vor, wird es meistens ohnehin nicht um Hauruckaktionen gehen, sondern darum, mit dem freien Entscheiden überhaupt wieder anzufangen. Übernimm also wieder die Kontrolle – Stück für Stück. Es wird vermutlich erst nur einzelne, kleine Aspekte deines Lebens betreffen, etwa einfach mal abzulehnen, wie immer das Sitzungsprotokoll zu schreiben; über

Kontrolle zurück­gewinnen! Weihnachten nicht wie jedes Jahr bei den Eltern unterm Baum zu sitzen, sondern wegzufahren; der Partnerin oder dem Partner nicht wie üblich die Wahl des Sommerurlaubs zu überlassen etc. Das sind kleine Bereiche, in denen sich Entscheidungsfreiheit zurückgewinnen lässt. Es muss dabei nicht immer um das Große und Ganze – um alles – gehen. Aber auch gesetzt wirkende Rahmenbedingungen lassen sich verändern: »Menschen, die wahrnehmen, was sie brauchen, um zufrieden zu sein, können sich im Einvernehmen mit ihrer Familie neu ausrichten.«179 Aber es mag auch Zwänge geben, die stärker sind als wir selbst: Wir sind auf den unerträglichen Job angewiesen, wir wohnen mit den Eltern im selben Haus und können ihnen nicht aus dem Weg gehen, wir haben schon mal Fehler in der Partnerschaft gemacht und wollen Stress vermeiden … In solchen Situationen werden die Freiräume, in denen wir uns entscheiden können, kleiner – aber sie bleiben, und wir sollten sie nutzen, um unsere Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit nicht vollständig zu verlieren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass wir mögliche Freiräume, die unsere Kontrolle zulassen, auch dann erkennen können, wenn wir uns herausgefordert oder angegriffen fühlen. Im »Gefechtsmodus« sehen wir alle zu schnell rot und denken, in der Verteidigungsposition können wir auf Attacken nur reagieren. Aber es beginnt bereits damit, dass du nicht in jeder

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136 Kontrolle zurück­gewinnen! Disziplin antreten musst, in der du herausgefordert wirst! Du hast die Freiheit, die Arenen auszuwählen, in denen du kämpfst. Meint jemand, du solltest dich im Hammerwerfen gegen ihn beweisen, dann biete Diskuswerfen als Alternative an oder erscheine erst gar nicht zum Kräftemessen. Nur weil jemand glaubt, dir seine Themen diktieren zu können, musst du diese noch lange nicht aufnehmen. Nicht umsonst obliegt für gewöhnlich dem Herausgeforderten die Wahl der Waffen. Und wenn du dann doch in einer Arena, die du nicht gewählt hast, unter Beschuss stehen solltest, kann niemand verlangen, dass du dort die breite Brust zeigst: Wer sich zur Seite dreht, verkleinert die Zielfläche und wird weniger getroffen. Dieses Schutzverhalten zeigt auch die Mimose: Die Pflanze verkleinert ihre Oberfläche bei Gefahr.180 Die Angriffsfläche zu verkleinern ist clever und überhaupt nicht feige. Immerhin bleibst du noch im Ring. Du musst nicht auch noch die Steine fangen, die andere auf dich werfen181 – vor allem, falls es Mühl- und Wackersteine sind. Da du ein Teil des Spieles bist, kannst du das Spielfeld aber auch einfach verlassen und »daran denken, dass, wenn wir uns gegen die Angriffe anderer verteidigen, wir in ihren Angriff investieren«.182 Insofern wir Angriffe aggressiv abwehren, adeln wie diese dadurch: »Angriff ruft Angriff hervor. Andere in Gedanken oder in unseren Handlungen anzugreifen schadet uns selbst unmittelbar.«183 Erst das Vermeiden des Kampfes er-

Kontrolle zurück­gewinnen! hebt uns zum wahren Sieger des Konflikts, den wir nur so garantiert unverwundet überstehen können. Und falls du dich entscheidest, im Spiel zu bleiben, dann lass deinen Gegner erst mal kommen: Wir tendieren dazu, im Kopf alle möglichen Attacken der Gegenseite durchzuspielen, um in jedem Fall die richtige Abwehrstrategie parat zu haben. Das gilt für alle Situationen, von denen wir glauben, sie kontrollieren zu müssen: Das Ausmalen etwaiger Gefahren und möglicher Gegenmaßnahmen bindet mehr Energie, als das Ereignis eintreten zu lassen – den anderen den ersten Zug machen zu lassen – und dann gezielt und effizient zu reagieren. Mit unseren Vorab-Überlegungen greifen wir möglichen Interpretationen voraus, versuchen Spielräume einzugrenzen. Damit eröffnen wir aber auch der anderen Seite die Möglichkeit, genau diese vorgegebenen Muster anzunehmen (und somit eine selbsterfüllende Prophezeiung zu werden), anstatt ihr die Arbeit der Ausdeutung in Form eigener Interpretationen zu überlassen. Vielleicht würde dann so auf einer ganz anderen Weise ein Schuh daraus, als wenn wir einen Stiefel bereitstellten, in den die Gegenseite nur noch reinschlüpfen muss. Es flitzen uns dann ziemlich viele mögliche Wenn-dann-Kombinationen durch den Kopf, die uns unter Hochdruck halten und uns auf vorgefertigte Pfade zwingen. Dabei haben wir alle Zeit der Welt, abzuwarten, was die angreifende Person überhaupt machen wird. Vielleicht fällt ihr ja gar

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138 Kontrolle zurück­gewinnen! nichts ein: Wenn wir nicht versuchen, die gefährlichen Stellen zu schützen, wüsste sie vielleicht nicht einmal, dass sie uns dort am besten treffen könnte. Für den Fall einer Trennung beschreibt es Doris Wolf so: »Wo auch immer Sie im Augenblick stehen, kann ich Ihnen jedoch versichern, dass Sie nicht hilflos sind. Ihr Partner hat entschieden, sich von Ihnen zu trennen. Das ist sein Recht. Aber er hat keine Möglichkeit, über Ihre Gefühle zu bestimmen, wenn Sie es nicht wollen. Das ist Ihre Freiheit und gleichzeitig Ihre Chance.«184 Dies lässt sich auch auf andere Krisen übertragen: Wenn dein Chef dich für unfähig hält, musst du das nicht für dich annehmen. Wenn Freunde dich fallen lassen, musst du dich fragen, ob ihre Einschätzungen für dich überhaupt Geltung haben. Es gibt also auch Freiheiten, wenn du glaubst, dass andere die Entscheidungen über und für dich getroffen haben. Die Kunst besteht darin, ein Gespür für diese kleinen, verbleibenden Freiheiten zu entwickeln, die sich wie feine Risse in jeder vermeintlich ausweglosen Sackgasse zeigen, wenn man weiß, wie man sie suchen und finden kann. Auf beeindruckende und zugleich bedrückende Art erläutert Viktor E. Frankl, was er unter dieser inneren Freiheit versteht. Als Holocaust-Überlebender beschreibt er den Überlebenskampf in den Konzen­ trationslagern aus der Sicht eines Psychologen: In der Ausweglosigkeit und vollständigen Fremdbestimmung der Todes- und Arbeitslager entscheide, nach Meinung

Kontrolle zurück­gewinnen! Frankls, die Aufrechterhaltung eines freien Willens über das eigene Überleben. Auch wenn für die KZ-Häftlinge niemals die Möglichkeit bestand, aufzustehen, loszugehen und durch das Tor der Todeslager in die Freiheit zu schreiten, so hätte es dennoch Gelegenheiten gegeben, eigene, innere Entscheidungen zu treffen. Vermeintlich Banales wird dabei zentral: Wie beiße ich von meinem Brot ab? Tausche ich meine Scheibe Ersatzwurst? Teile ich meine Schnürsenkel oder wie bekomme ich ein Stück Draht, um diese zu ersetzen? Auf welcher Seite schlafe ich ein? Zähle ich heute die Bäume auf dem Weg, auf dem wir zur Zwangsarbeit geführt werden? Diese verbleibenden minimalen Entscheidungsfreiräume »haben Beweiskraft dafür, daß man dem Menschen im Konzentrationslager alles nehmen kann, nur nicht: die letzte menschliche Freiheit, sich zu den gegebenen Verhältnissen so oder so einzustellen. Und es gab ein ›So oder so‹!«185 Sicherlich half beim Überleben auch die Hoffnung, nicht gänzlich aufgegeben zu haben: »Die meisten hatten etwas, das sie aufrecht hielt, und meistens handelte es sich hierbei um ein Stück Zukunft.«186 Obwohl uns diese existenziell-extremen Situationen in der Regel erspart bleiben, so können auch unsere vergleichbar banalen alltäglichen Krisen in einer saturierten, in Frieden und ohne Totalitarismus lebenden Gesellschaft durch Empfindungen wie Ausgeliefertsein und Fremdbestimmung geprägt sein. Wir haben dann das Gefühl, dass Vorgesetzte Unmögliches verlangen,

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140 Kontrolle zurück­gewinnen! wir in Partnerschaften erdrückt werden oder einfach nur, dass die ganze Welt sich gegen uns verschworen hat – und wir gar nichts dagegen tun können. Vermutlich lässt sich die Gesamtsituation nicht schlagartig ändern  – was übrigens auch außerhalb von Krisen eigentlich nie klappt, denn Veränderungen brauchen immer ihre Zeit. Aber Selbstbestimmung zeigt sich in Micro-Entscheidungen, wie sie Frankl beschreibt. Diese kannst du frei und ganz allein für dich treffen! Die Reihe von Ereignissen, die dich umzuwerfen drohen, weisen immer kleine Risse auf – darin können deine Micro-Entscheidungen wie Keile wirken: Muss ich das Telefon direkt abheben, nur weil es gerade klingelt? Ich kann auch abwarten, ob etwas auf der Mailbox hinterlassen wird. Auch eine E-Mail muss nicht sofort beantwortet werden, ich kann sie auch erst mal sacken lassen und mir überlegen, wie ich mit ihr umgehen möchte. Ich darf auch einfach die Straßenseite wechseln, wenn mir eine Person entgegenkommt, die ich gerade nicht treffen mag. Und gesetzt den Fall die entgegenkommende Person merkt, dass ich ihr ausweiche? Egal! Es sollte uns ohnehin zusehends egal sein, was andere über uns denken könnten (was sie meistens sowieso nicht tun, weil wir ihnen eigentlich in der Regel egaler sind, als wir vielleicht denken) – du entscheidest für dich selbst! Und das musst du vor niemand anderem rechtfertigen. Daher sollte dies dein Mantra werden: Auf die Anforderungen, die an mich gestellt werden, reagiere ich auf

Kontrolle zurück­gewinnen! meine Art. Mag sein, dass ich manchen dieser Anforderungen nicht ganz aus dem Weg gehen kann, aber über meine Reaktion entscheide immer noch ich. Es ist legitim, Dinge einfach nur durchzuwinken, wenn du dich damit gerade nicht belasten kannst oder magst, oder einfach die Reihenfolge der notwendigen Erledigungen anzupassen oder Lösungswege zu finden, die für einen gerade gut begehbar sind. Wird von dir verlangt, einen Kuchen zu backen, dann backe ihn. Wenn du große Freiräume hast, kannst du dich für das Rezept entscheiden. Wenn das Rezept ebenfalls vorgegeben sein sollte, kannst du vielleicht nur die Art der Backform bestimmen. Und falls dein Spielraum gerade sehr eng ist, dann darfst du wenigstens entscheiden, ob du zuerst das Mehl oder die Eier in den Teig gibst. Ich nehme an, du merkst, was ich meine: Es geht darum, zu erkennen, dass du dich immer noch ein Stück bewegen kannst, obwohl du dich vielleicht wie gelähmt fühlst. Es gilt, Mut zu fassen, diese Micro-Entscheidungen anzunehmen und zu nutzen. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass die Mauern des Alltagsgefängnisses Risse haben, die wir mit eigenen Entscheidungen zu Freiräumen weiten können. Und das Gute daran ist, dass wir damit immer wieder im Kleinen anfangen können, wenn wir zurückgeworfen wurden. Überhaupt hilft es ohnehin, die zeitlichen Dimensionen zu überschaubaren Zeiträumen zusammenzuschrumpfen. Besonders in Suchttherapien arbeiten die

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142 Kontrolle zurück­gewinnen! Abhängigen daran, zunächst einen Tag lang auf ihre Droge zu verzichten – und sobald sie das geschafft haben, dann auch noch den nächsten Tag und anschließend möglichst jeden weiteren kommenden Tag. Langsam, Schritt für Schritt lassen sich so Gewohnheiten ändern – so macht es zumindest die Ratgeber-Autorin Gabriele Bernstein: »Ich legte mich immer nur für einen Tag fest, einen Tag nach dem anderen.«187 Im Sinne der Selbstermutigung ist es dann auch wichtig, dass man seine eigenen Versuche und Fortschritte selbst anerkennt: »Je mehr Menschen auf ihre Fortschritte achten, umso mehr wächst mit der Zeit der Glaube an die eigenen Fähigkeiten bzw. Möglichkeiten.«188 Diese »Strategie der kleinen Schritte«189 hilft: Wenn du das große Ganze nicht drehen kannst, wenn dein Blick auf die Zukunft verstellt ist und du nicht mal weißt, was in zwei Monaten sein soll, dann teile deine verbliebenen Kraftreserven von Tag zu Tag neu ein – notfalls auch von Stunde zu Stunde. Mobilisiere damit die notwendige Kraft für den nächsten Schritt oder das nächste Ereignis. Auch so wirst du an ein Ziel kommen, das du beim Start noch gar nicht kennen musst. Bei alldem darfst du Hilfe annehmen. Ich rate sogar dazu, dir aktiv Hilfe zu suchen. Du brauchst aber niemanden, der dich über die Ziellinie trägt oder dich während des ganzen Weges stützt. Damit ist dir nicht geholfen. Es ist wie bei einem Marathon: Die Unterstützenden stehen am Rand, reichen Wasser oder Obst

Kontrolle zurück­gewinnen! und feuern an. Diese Leute brauchst du für deinen Weg durch die Krise. Sie können dir helfen, auf die Dinge zu achten, die du im Griff hast und die gut laufen. Sie dürfen dich ermutigen, dich anfeuern, den nächsten kleinen Schritt zu gehen, oder dir einen weiteren Haarriss im Mauerwerk zeigen, den du mit einer Micro-Entscheidung als deinen Freiraum mit der dir innewohnenden inneren Freiheit ausfüllen kannst. Menschen aus Familie und Freundeskreis können also positiv verstärken, aber nicht deine Schritte für dich machen. Und denk daran: Du bist für diese Leute meist nicht so wichtig wie diese Leute für dich.190 Und das ist auch richtig und gut so, denn auch sie haben ihren Alltag mit all seinen täglichen Problemen. Sie sind daher vielleicht nicht immer direkt zur Stelle, sobald du sie brauchst, und sie haben vielleicht auch aktuell andere Prioritäten als du – das musst du akzeptieren, so wie andere Menschen akzeptieren müssen, dass auch du ihnen nicht immer auf Knopfdruck zur Seite stehen kannst. Und wenn du nach und nach Kontrolle zurückgewinnst, dann prüfe noch einmal dein Gefühl, fremdgesteuert zu sein, und mach dir klar, dass du den Fahrersitz nicht jemandem überlassen solltest, nur weil er oder sie glaubt, einen begründeten Anspruch zu haben, sich dort hinzudrängeln. Was andere wollen oder was deren Maßstäbe sind, muss dich nicht beeinflussen! Und sobald du mit kleinen Schritten die Kontrolle über deine Situation dort auf dem Beifahrersitz deines Le-

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144 Kontrolle zurück­gewinnen! bens überblicken kannst, dann schau auch mal vorsichtig links neben dich: Vielleicht ist der Fahrersitz neben dir in Wirklichkeit auch leer, und dort sitzen die ganze Zeit nur deine Sorgen und Ängste und fahren mit dir Achterbahn. Dann ist es erst recht höchste Zeit, die Kontrolle wieder vollständig zu übernehmen. Dann halte als Erstes das Fahrzeug in der Spur, reduziere die Geschwindigkeit, wähle anschließend die Abzweigungen, die dir richtig erscheinen, und steuere das Ziel an, das du erreichen willst.

ABSCHNIT T 8

SETZE DEIN ­L EBEN NEU ­Z USAMMEN!

Setze dein Leben neu zusammen! Jetzt darfst du spielen! Du hast bis hierher durchgehalten und es juckt dir wahrscheinlich in den Fingern, endlich loszulegen. Wenn Erwachsene spielen, dann hat das immer so einen gewissen Beigeschmack: Einige Menschen meinen, dass Spielen nicht ernst genug sei und Zeit vertrödele. Dabei ist das Spiel eine der besten Lernmethoden, um Dinge, Szenarien und Konstellationen ohne das Risiko realer Handlungen zu erfahren. Nicht umsonst sollen kleine Kinder möglichst viel spielen – wir selbst gestehen uns das häufig nicht zu. Und falls doch, dann eher nur in der harmlosen Variante des Brettspiel-Nerds, der seinen Kampfdruiden mit 24 Magiepunkten gegen die dunkle Zwergenarmee im Nebelwald über das Spielfeld schiebt. Mit seinem Leben spielt man doch nicht! Aber warum nicht? Ich meine damit nicht, ohne Helm auf dem Motorrad loszuknattern oder am Bungee-Jumping-Seil in den Sambesi zu springen, sondern ich lade dazu ein, Szenarien und Konstellationen im eigenen Leben durchzuspielen: Muss alles so sein, wie es ist? Muss es bleiben, wie es war? Was könnte sein, wenn etwas anders wäre?

150 Setze dein ­Leben neu ­zusammen! Wir haben scheinbar einen Hang zum Stillstand, wollen erhalten, was wir kennen: »Wir versuchen unbewußt, Bekanntes und Wohlvertrautes weiterzuleben, auch wenn es uns damit nicht gutgegangen ist.«191 Veränderungen enthalten zu viele unbekannte Variablen. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft – nur unser Leben flicken und reparieren wir notdürftig mit rostigen Ersatzteilen, anstatt uns ein neues aufzubauen. Fatal wird es, wenn versucht wird, Familien und Partnerschaften zu kopieren und zu reproduzieren: »Es kann sein, daß wir dann wie unter Zwang ganz rasch eine Beziehung nach dem alten Muster herstellen. […] Im Grunde führen wir noch einmal das gleiche Stück auf. Wir haben nur den Spielpartner ausgewechselt.«192 Damit belügst du dich nicht nur selbst, sondern auch noch die neue Liebe oder gar die neue Familie. Beziehungen funktionieren nicht wie Geräteturnen: Nach Rückschlägen muss man dort nur härter trainieren und bessere Techniken einsetzen, damit beim nächsten Mal die einarmige Riesenfelge sicher gelingt. Das Leben ist eben nicht wie Fahrradfahren, das wir nur lang genug üben müssen und sobald wir es einmal können, nie wieder verlernen. Beziehungen lassen sich nicht wie Räder eine gegen die andere austauschen, denn im Unterschied zum Gefährt sind Menschen keine simplen, baugleichen Geräte. Umso erstaunlicher ist es, wie viele Menschen versuchen, nach einer gescheiterten Beziehung nur das Liebes­gegenüber zu

Setze dein ­Leben neu z­ usammen! wechseln. Mit ihm soll es dann weitergehen wie immer. Vergleichbares gilt auch für die Arbeitswelt: Auch die Jagd nach dem perfekten Job endet in Frustration. »Sie kommen vom Regen in die Traufe und geben sich doch immer wieder der trügerischen Hoffnung hin: Beim nächsten Chef wird alles anders! Der nächste Chef kommt und geht, und natürlich werden manche Dinge anders. Aber besser werden sie meist nicht. Die Suche nach einer Arbeitswelt, in der es diese Klagen nicht gibt, kann daher immer nur enttäuscht werden.«193 Festgefahrene Erwartungshaltungen sind auch hier die Ursache. Das Leben ist ein kontinuierlich fließender Strom und niemand kann gegen die Strömung schwimmen. Wer es versucht, dem glückt es maximal mit viel Mühe, seine Position zu halten. Aber keinem Menschen wird es gelingen, auf vergangene Positionen zurückspringen und Situationen und Konstellationen noch einmal durchzuspielen, die ihm gut und richtig erschienen. Momente sind nicht reproduzierbar: Sie sind ein Punkt, in dem sich Zeitleisten von Personen unter einmaligen Rahmenbedingungen schneiden. Auch mit einer Zeitmaschine ließen sich alle nötigen Faktoren nicht künstlich wiederherstellen – alles wäre nur ein schäbiger Abklatsch verlorener Einmaligkeit. Unser ganzes Leben besteht nur aus einer Kette von Momenten. An vielleicht zwei Prozent von ihnen können wir uns eventuell erinnern, 98 Prozent verschwimmen als grauer

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152 Setze dein ­Leben neu ­zusammen! Alltag. So wie sich einzelne Momente nicht wiederherstellen lassen, ist es auch nicht möglich, sein Leben oder Lebensabschnitte zu klonen und zu wiederholen. Wenn dein Leben in Scherben liegt, dann macht es keinen Sinn, dieses einfach wieder wie ursprünglich zusammensetzen zu wollen. Es wird nie wieder die alte Schüssel werden, bei der man nur lernen muss, den Sprung zu lieben. Obwohl genau daraus die Japaner eine Kunstform entwickelt haben: Im »Kintsugi« wird zerbrochenes Porzellan durch kunstvolle Reparatur mit Gold veredelt.194 Natürlich ist dies religiös-philosophisch aufgeladen: »Die Einfachheit und die Wertschätzung der Fehlerhaftigkeit stehen im Zentrum dieser Anschauung.«195 Mit Gold lässt sich tatsächlich einiges im Leben flicken, aber das ist nicht immer die Lösung. Im engeren Sinne ist dieses Kunstflicken auch keine einfache Reproduktion als die Wiederherstellung des Alten, sondern eigentlich bereits eine Transformation zu etwas Neuem, bestehend aus den Bausteinen des Vorherigen. Wobei die äußere Erscheinungsform der bisherigen entspricht, obwohl eher zu fragen wäre, ob die alte Form zwangsläufig auch die beste war. Ob es ausreicht, einfach nur ein anderes Bindemittel zu verwenden, damit sie diesmal besser hält? Vielleicht war die Spannung der alten Form an sich zu hoch, sodass sie unter dem leichtesten Druck erneut auseinanderzuplatzen droht? Wenn ein Turm aus Bauklötzen immer wieder ab einer gewissen Höhe zusammenstürzt,

Setze dein ­Leben neu z­ usammen! wäre es vermutlich sinnvoller, aus den Klötzen etwas anderes zu bauen. Vielleicht nicht so hoch, nicht so herausragend wie ein Turm, aber stabil, auf festem Fundament und auf eine eigene Art und Weise besonders und besonders schön anzusehen. Darum geht es im Kern: mit denselben Bausteinen Neues zu konstruieren. Auch wenn unser Leben in tausend Stücke zersprungen ist und wir vor dem Scherbenhaufen unserer selbst stehen, so ist doch noch alles vorhanden, was wir bisher waren und was uns ausgemacht hat. Die Versuchung ist groß, die Teile wieder so zusammensetzen zu wollen, wie sie vorher zusammensteckten. Schließlich meinen wir, den Bauplan zu kennen und mit der Konstruktion teilweise erfolgreich gewesen zu sein. Aber damit machen wir uns etwas vor – es war nicht von Dauer. Lassen wir es für ein Gedankenspiel nicht gleich tausend Stücke sein, sondern nur sieben. Sagen wir zum Beispiel: zwei große Dreiecke, ein mittelgroßes Dreieck, zwei kleine Dreiecke, ein Quadrat sowie ein Parallelogramm. Das sind genau die sieben Teile des Tangram-Legespiels. Und weil du nicht an Zufälle glaubst und schon gar nicht in einem Buch (wo dies bereits auch in der Einleitung erwähnt wurde), geht es genau darum:

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Abbildung 3 | Das Tangram-Legespiel in seiner Grundstruktur Das chinesische Legespiel soll über zweitausend Jahre alt sein oder vielleicht sogar aus dem vierten oder achten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung stammen. Wer es erfunden hat, ist unklar, genauso wie der Ursprung des Namens196 – aber es gibt eine schöne Legende dazu – natürlich mit einem Mönch und seinem Schüler: Der Schüler sollte reisen, um die Schönheit der Welt auf einer viereckigen Keramiktafel festzuhalten. Die Tafel zerbrach und der Schüler versuchte, sie wieder zusammenzulegen. Dies gelang ihm aber nicht und stattdessen entstanden aus den sieben Teilen unend-

Setze dein ­Leben neu z­ usammen! lich viele Muster und Bilder. Da erkannte der Schüler, dass man nicht in die Welt hinaus muss, um Schönheit zu entdecken197 – oder so ähnlich. Laut anderer Quellen sei der Name des Schülers »Tan« gewesen, weswegen auch die sieben einzelnen Teile als »Tans« bezeichnet würden. Das »gram« ginge auf das griechische Wort »gramma« für »schreiben« zurück, da Tan auf der Tafel habe schreiben wollen.198 Was so gar nichts damit zu tun hat, ist »Instagram« – das ist ein Kunstwort aus Instant-Fotografie (mit Sofortbildkameras) und Telegram. Unendlich viele Muster und Figuren lassen sich bei dem chinesischen Legespiel vermutlich nicht legen, aber wie viele es tatsächlich sind, ist nicht ganz sicher: In den 1970er Jahren erschien ein Tangram-Buch mit etwa 1600 Vorlagen,199 andere behaupten, dass Mathematiker von über 10.000 möglichen Variationen ausgehen.200 Klar sind jedoch die Regeln: Alle Teile müssen verwendet werden, sie müssen einander berühren und dürfen sich nicht überlappen. Das Spannende dabei: Alle gelegten Figuren haben stets die identische Fläche, da sie aus denselben Elementen zusammengesetzt werden. Das macht Tangram für die Mathematik und besonders den Schulunterricht interessant. Als didaktisches Material ist das chinesische Legespiel äußerst populär und dient zusätzlich der Demonstration verschiedenster geometrischer Fragestellungen.201 Für unsere Überlegung, wie es nach einer Lebenskrise weitergehen kann, heißt das, dass aus ein und denselben Be-

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156 Setze dein ­Leben neu ­zusammen! standteilen viel mehr entstehen kann, als wir vielleicht bisher vermutet haben. Die Teile müssen nicht in der ursprünglichen Form zusammengesetzt werden, wir können mit dem, was wir haben, auch etwas ganz anderes werden – und dennoch geht das Neue vollständig aus dem Bisherigen hervor. Es gilt zu erkennen, dass wir in der Substanz dieselbe Person bleiben können und dennoch in der Lage sind, uns und unser Leben neu zu erfinden, indem wir es ganz anders wiederaufbauen. Die Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki spricht hier vom »Paradox der Veränderungen«.202 Dazu gehöre unter anderem zu begreifen: »Veränderung heißt nicht, anders zu werden als Sie sind.«203 Gerade nach einem großen persönlichen Verlust meinst du möglicherweise, dass beim Neuzusammensetzen deines Lebens künftig ein zentrales Teil fehlt. »Vorher war ich vollständig, nun fehlt mir das Wichtigste«, denkst du vielleicht in deiner Verzweiflung und empfindest das auch so. Aber glaube mir, das einschneidende Ereignis wirft das Puzzle zwar durcheinander, aber kein Teil geht verloren! Wir verlieren nur unsere »Form« und müssen in diese zurückfinden oder uns eine neue wählen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass ich nur temporär eines der Teile nicht direkt wiederfinde, vielleicht weil es durch ein größeres Teil verdeckt oder ein bisschen weiter weggeflogen ist als die anderen Teile. Aber: Es sind noch immer alle Teile da! Oder anders: Kein Teil fehlt – wir müssen manchmal

Setze dein ­Leben neu z­ usammen! nur etwas länger suchen, bis wir sie wieder zusammengeklaubt haben. Es kann uns auch niemand ein Teil wegnehmen, so wie man umgangssprachlich behauptet, jemand habe einem das Herz gestohlen oder – schlimmer noch – herausgerissen und zertrampelt. Das mag sich alles so anfühlen, aber tatsächlich sind wir als Individuen abgeschlossene Systeme: Niemand kann etwas hinzufügen oder wegnehmen. Wir sind Solitäre. Wir scheinen einander hin und wieder zu berühren, aber wir verschmelzen nicht. Um in unserem Bild zu bleiben: Auch wer sich eng verbunden bis verwoben fühlt, schmeißt nicht seine Siebensachen beziehungsweise Teile mit denen des anderen zusammen, um gemeinsam mit 14 Steinen etwas Größeres zu basteln. Es mag sich so anfühlen, aber es ist nicht so. Eine tatsächlich symbiotische Verbindung wäre auch keine gute Basis für eine funktionierende Beziehung, weil sich die zwei ineinander verliebten Individuen durch die Vermischung verlieren würden. Diese empfundene Verstrickung lässt sich auch im gewählten Bild des Legespiels verdeutlichen: Bei den pädagogischen Spielzeugen gibt es sogenannte Spiegel-Tangrams. Hier sollen Kinder aus den beiliegenden Elementen vorgegebene geometrische Figuren mithilfe eines Spiegels legen: Ein Teil der zu legenden Form besteht dabei aus realen Bausteinen und der andere Teil aus deren Spiegelbild. Das Spiegel-Tangram lässt sich als Metapher für das in einer Liebesbeziehung stattfindende

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158 Setze dein ­Leben neu ­zusammen! gegenseitige Spiegeln, das Reflektieren des Selbst in der anderen Person, betrachten – aber eben nicht als Vermischung oder Verschmelzung der Einzelteile, der Individuen. Sollten sich auch alle Teile vor wie hinter dem Spiegel einheitlich formieren und anordnen, die beiden Systeme bleiben für sich. Und dennoch fühlen wir uns bei manchen Begegnungen sehr bewegt, so als würde jemand von außen Teile unseres gelegten Lebenspuzzles verschieben und neu anordnen. Kann das sein? Ein bisschen ist das so wie der alte Zaubertrick mit dem Magneten unter der Tischplatte, der die Büroklammer wie magisch über den Tisch wandern lässt. Genauso können wir uns vorstellen, dass die Spitzen und Ecken unserer Tangram-Teile magnetisch polarisiert sind und sich vielleicht auch deswegen für einige Anordnungen leichter zusammenschieben lassen als für andere, die nur schwer und mit sanftem Druck zu formieren sind. In diesem Vergleich wären auch die Legeteile anderer Menschen magnetisch aufgeladen. Wenn wir diese anderen Menschen sehr nah an uns heranlassen, beginnen sich unsere – aber auch ihre – Teile zu bewegen: Gleiche Pole stoßen sich ab, gegensätzliche ziehen einander an. In diesem ausgewogenen Spannungsgefüge der Magnetfelder können beide Tangrams eine Zeit lang sehr stabil die neuen Formen halten. Sollte sich aber das Gegenüber zu weit entfernen, ist nicht gesagt, dass die Teile wieder in ihre ursprüngliche Gestalt zurück-

Setze dein ­Leben neu z­ usammen! finden. Fehlt ihnen das gewohnte Spannungsfeld des Gegenübers, ist es denkbar, dass sie unsortiert durcheinanderpurzeln. Auch bleibt es nicht ohne Folgen, wenn einer der beiden sein Lebens-Tangram umlegt. Vielleicht steckt eine berufliche oder geografische Veränderung dahinter oder Interessen und Lebensziele sind andere geworden. Das kann bedeuten, dass sich unter dem Einfluss des abgewandelten Magnetfeldes dann auch die Teile des anderen leicht verschieben. So ließe sich in dieser Metapher zeigen, wie beide in einer Beziehung wachsen und sich gemeinsam verändern. Mitunter müssen Teile aber auch manuell umgelegt werden, damit es nicht zu weiteren Abstoßungen kommt. Es ist jedoch auch denkbar, dass sich die Teile in keiner neuen Komposition so arrangieren lassen, dass sie sowohl der Spannung standhalten können als auch den denkbar passenden Formen beider entsprechen. Dann sind größere Veränderungen unvermeidbar oder das System zerbricht. Ob nun mit Einwirkung von außen oder selbstbestimmt: Zentral sind nicht die scheinbar unendlichen Kombinationsmöglichkeiten, die Veränderungen beliebig zulassen und im wöchentlichen Wechsel durchdekliniert werden können, um zu erleben, welche verschiedensten Formen möglich wären. Es kommt darauf an, zu erkennen, dass es überhaupt andere Wege gibt, um das eigene Leben neu aufzubauen. Es muss auch nicht immer der Komplettumbau sein: Manchmal ent-

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160 Setze dein ­Leben neu ­zusammen! steht bereits durch das Umlegen eines kleinen Dreiecks eine ganz neue Form. Der springende Hase wird zum sitzenden Hasen, der Schmetterling zum Boot. Auch das lehrt uns Tangram. Selbst wenn es mehr als eine Form gibt, die aus vorherigen Scherben und jetzigen Bausteinen neu entstehen kann, so geht es nicht darum, absurde Luftschlösser zu konstruieren oder mal etwas auszuprobieren, was du immer schon mal ausprobieren wolltest. Wir sind auf unserem Lebensweg bereits ein Stück gegangen und vielleicht fühlt es sich deswegen so an, dass wir die bisherige Form in ihrer ursprünglichen Art auch gar nicht mehr brauchen und eine andere Form nun sinnvoller und hilfreicher wäre. Dabei »kriecht die Kälte des überschaubaren Lebensrestes bedrohlich ins Bewußtsein. Vieles von dem, was aufgeschoben wurde, ist längst aufgehoben […]. Die Möglichkeiten reduzieren sich. Man kann nicht mehr aus dem vollen schöpfen.«204 Von der Qual der Wahl befreit zu sein, ist vielleicht für manch einen oder manch eine auch hilfreich: Du musst also nicht endlos viele Kombinationen ausprobieren. Das Loslassen von der Vielfalt mag in einigen Fällen schmerzhaft sein, aber es tut gut, zu erleben, dass es dennoch immer genügend Gestaltungsfreiraum geben wird. Und was können wir jetzt mit dem Tangram-Puzzle machen? Es gibt mehrere Wege, wie du mithilfe des Legespiels deine Gedanken ordnen, sortieren und gegebenenfalls sogar neue Ziele entdecken kannst. Am besten

Setze dein ­Leben neu z­ usammen! fängst du da an, wo du aktuell stehst – nämlich vor den Scherben deines Lebens. Nimm einfach alle sieben Tangram-Teile und wirf sie auf den Tisch oder den Boden. Lass sie liegen, wie sie gefallen sind, und nun schau dir die Trümmer an. Kannst du was erkennen? Ergibt sich eine Struktur oder eine Form für dich? Wir Menschen neigen dazu, Muster zu suchen und zu finden. Das ist auch gut und sinnvoll. Nicht unbedingt, um das Angesicht der heiligen Jungfrau Maria in einem zehn Jahre alten, getoasteten Weißbrot zu entdecken,205 sondern weil es beweist, dass wir versuchen, eine Ordnung auch in der Unordnung erkennen zu wollen: »Wenn unklar ist, ob etwas ›Wesenhaftigkeit‹ hat, so neigen komplexe Nervensysteme dazu, sie anzunehmen.«206 Das zeigt sich etwa beim Bleigießen, wie es zu Silvester vielerorts üblich ist. Das hausgemachte Orakel soll verraten, was uns nächstes Jahr Schicksalhaftes blüht. Die meisten Menschen rätseln dann an dem Klumpen erstarrten Bleis herum, obwohl auf einigen der Packungen steht, wie es ursprünglich gedacht war: Der Bleiguss möge vor eine Kerze gehalten werden und dann solle der Schatten sagen, was das nächste Jahr bringe. Wenn du nichts erkennen kannst, darfst du den kruden Klumpen Metall ein bisschen drehen und wenden, bis der Schatten irgendeine Interpretation zulässt. Das soll uns die Augen dafür öffnen, zu erkennen, dass die Botschaft nicht immer auf den ersten Blick sichtbar ist. Auch den Scherbenhaufen deines Lebens lohnt es,

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162 Setze dein ­Leben neu ­zusammen! aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten: Was hängt noch zusammen? Ergibt sich vielleicht irgendwo doch noch ein Sinn? Haben Teile wieder zufällig zueinandergefunden, die vorher getrennt waren, aber eigentlich zusammengehören? Nimm eine andere Haltung, eine andere Position zu den Teilen ein, gehe um sie herum, wechsele die Perspektive. Falls sich für dich gar nichts entdecken lässt, dann wirf noch einmal alle Teile in die Luft. Jetzt, wo dein Leben ohnehin in Schutt und Asche liegt, kannst du ruhig alles noch einmal hinschmeißen. Probiere einige Würfe. Schaue, ob sich für dich etwas ergibt. Dies ist nur ein erster möglicher Zugang zur Arbeit mit dem Legespiel. Am besten lässt sich in unserem Fall mit dem Legespiel arbeiten, indem wir den einzelnen Teilen eine Bedeutung zuschreiben. Wenn der Scherbenhaufen unser Leben war, so repräsentiert jedes Teil einen Baustein davon. Was sind die sieben wichtigsten Teile deines Lebens? Die beiden großen Dreiecke nehmen zusammen genau die Hälfte der Fläche aller sieben Tangram-Teile ein. Wofür stehen sie? Vielleicht auch als Zwillingspaar für eine Dualität, die sich ergänzt und so eine entscheidende Rolle in einem Leben spielen kann – zum Beispiel könnte ein großes Dreieck für die Eltern stehen, das andere für die eigenen Kinder. Zusammen würden beide großen Dreiecke dann die zentrale Bedeutung »Familie« im eigenen Leben symbolisieren. Ein Dreieck könnte aber auch »Weiterbildung« und das andere »Arbeits-

Setze dein ­Leben neu z­ usammen! platz« heißen, wenn die berufliche Karriereplanung die Hälfte des Lebens ausmacht. Auch könnte »Religiosität« und »Gemeinschaft« eine solch zentrale Bedeutung in manchen Lebenskonzepten haben. Du musst die beiden großen Dreiecke aber nicht zwangsläufig als Dualität, die miteinander einen Zusammenhang bildet, denken. Sie können auch für einzelne Aspekte stehen, die wichtig genug sind, um ein Viertel deines Lebenskonzeptes einzunehmen. Welches Gewicht die Bedeutung der beiden großen Dreiecke hat, verdeutlicht die Tatsache, dass die Fläche eines großen

¼

0,5

0,125 +0,125 +0,125

0,375

0,0625 +0,0625

0,125

¼



1∕16

0,25 +0,25





1∕16

Abbildung 4 | Flächen-Verhältnisse der einzelnen Tangram-Teile

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164 Setze dein ­Leben neu ­zusammen! Dreiecks den folgenden kombinierten Flächen entspricht: dem Parallelogramm mit den beiden kleinen Dreiecken, dem Quadrat mit beiden kleinen Dreiecken sowie dem mittleren Dreieck mit beiden kleinen Dreiecken. Das bedeutet, dass jeweils drei kleinere Teile zusammengenommen einem großen Dreieck entsprechen. Die mittleren Teile (Dreieck, Quadrat und Parallelogramm) nehmen jeweils ein Achtel der Fläche ein, die beiden kleinen Dreiecke jeweils ein Sechzehntel. Die Größe der Flächen gilt es bei der Zuweisung von Bedeutungen zu berücksichtigen. Wenn also zum Beispiel Fußball dein Leben ist und du eines der beiden großen Dreiecke deinem Lieblingsverein, dem 1. FC Bayern München, widmen solltest und das andere zum Beispiel deinem Job, dann wären Partnerin, Kinder und Hund zusammen genauso gewichtig wie deine Begeisterung für das runde Leder. Falls das so passt aus deiner Sicht, dann ist es gut. Werden die Deutschen gefragt, welche Aspekte sie in ihrem Leben für »besonders wichtig und erstrebenswert« halten,207 dann liegen auf den ersten drei Plätzen: gute Freunde (85 %), die Familie (80 %) und eine glückliche Partnerschaft (75 %). Kinder zu haben (60 %) scheint wichtiger zu sein als der Erfolg im Beruf (52 %). Abgeschlagen auf den hinteren drei Plätzen sind Religion und die Suche nach dem Sinn des Lebens (jeweils mit 24 %) sowie das Ziel der aktiven Teilnahme am politischen Leben (10 %). Treten ausschließlich die Lebensziele von Frauen in Deutschland in den Fokus,208 gibt

Setze dein ­Leben neu z­ usammen! es schon einige Verschiebungen: Neben der Pflege guter Freundschaften (97 %) und einer glücklichen Beziehung (95 %) ist das Ziel »finanzieller Unabhängigkeit« (91 %) in die Top 3 aufgestiegen. Guter Sex ist für die Hälfte aller Frauen wichtig (48 %) und es ist für sie eher ein Ziel, ein Buch zu schreiben (29 %), als Kinder zu bekommen (28 %). Da der Kinderwunsch als Lebensziel in der Gesamtbevölkerung mehr als doppelt so hoch angesetzt ist, müsste die Nennung dieses Zieles bei den Männern bei über 90 % liegen, um auf einen gemittelten Wert von 60 % zu kommen. Anders formuliert: Wenn diese Statistiken stimmen, dann würde sich fast jeder Mann Kinder wünschen, aber nur jeder dritten Frau ginge es genauso. Noch weniger erstrebenswert als eigene Kinder sind bei Frauen in Deutschland nur noch das Heiraten (19 %) und das soziale Engagement (17 %). Diese beiden Positionen bilden die Schlusslichter bei ihren Lebenszielen. Was können wir aus diesen Umfrageergebnissen ablesen? Es zeigt sich auf jeden Fall das Bild einer saturierten Gesellschaft, in der ausschließlich soziale Bedürfnisse und Bedürfnisse der persönlichen Verwirklichung gelistet und körperliche Grundbedürfnisse wie Nahrung, Obdach, Schlaf und Fortpflanzung nur nachrangige Rollen spielen. Gerade Lebenskrisen führen uns jedoch immer wieder auf diese Grundbedürfnisse zurück, wenn wir unsere Wohnung verloren haben oder wir nicht wissen, ob das Geld bis zum Monatsende noch für das Essen reicht: »Erst wenn die Existenz sicher­

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166 Setze dein ­Leben neu ­zusammen! gestellt ist, beginnen Menschen sich mit Sinnfragen zu beschäftigen.«209 Wir erinnern uns: Wir müssen uns nicht an anderen orientieren. Aber am Ende sind wir Menschen gar nicht so verschieden und so haben wir vermutlich alle ähnliche Ziele – und sei es auch mit unterschiedlichen persönlichen Gewichtungen. Und wie finden wir nun unsere persönliche Gewichtung? Die in der Schweiz lebende Psychodramatherapeutin Maja Storch würde jetzt sagen: »Wenn der Wurm glücklich ist, dann passt es.« Mit dem »Wurm« meint sie das Bauchgefühl als somatischen Marker und damit eigentlich nur eine Hypothese über gespeicherte Empfindungen und Gefühle in einem Teil des Frontallappens der Großhirnrinde. Die Meldungen aus diesem Bereich ließen sich laut Storch auch mit dem Aktivitätsradius eines Strudelwurms vergleichen. Diesen Würmern könne es gut oder schlecht gehen, aber dies äußern oder erklären könnten sie nicht – daher die Gleichsetzung mit dem Bauchgefühl. Die »Faustformel für die Zufriedenheit«210 mit persönlichen Entscheidungen sei, wenn diese eine Kombination aus zwei Dritteln »freier Wurm« und einem Drittel »gewürgter Wurm« sei. Soll heißen: Wir sind mit unseren Entscheidungen zufrieden, wenn wir dem Bauchgefühl mit zwei Dritteln die Oberhand lassen und nur zu einem Drittel rational logisch unsere Wahl treffen. Das ist ein starkes Plädoyer, sich mehr auf seine innere Stimme zu verlassen. Auf jeden Fall sollten wir

Setze dein ­Leben neu z­ usammen! uns davon verabschieden, immer das Richtige machen zu wollen, und stattdessen mehr darauf achten, mit welchen Entscheidungen wir uns wohlfühlen: »Die angemessene Frage lautet also nicht: ›Welche Entscheidung ist die richtige?‹ Sondern: ›Welche Entscheidung wird mich zufrieden machen?‹«211 Dabei kann es besonders hilfreich sein, sich vom faulen Kompromiss eines »Jeins« zu verabschieden: »›Wenn es kein klares Ja ist, dann ist es ein klares Nein.‹«212 Unter Umständen ist es hilfreich, die Tangram-Teile mit den Bedeutungsaspekten zu beschriften, die unser Leben ausmachen. Am besten nimmst du hierfür einen Bleistift, schließlich haben wir ja bereits erfahren, dass nichts im Leben wirklich in Stein gemeißelt ist. Der Bleistift lässt Korrekturen zu, denn möglicherweise wirst du erkennen, dass die erste Zuordnung nicht die richtige war. Die für dich passende Bezeichnung der Tangram-Teile, deiner Lebensbausteine, braucht vielleicht einige Versuche. Das ist in Ordnung. Womöglich spielt für dich neben der Größe der Teile auch die Form intuitiv eine Rolle. Es gibt fünf Dreiecke, aber nur ein Quadrat und ein Parallelogramm. Eventuell ist es dir wichtig, Vergleichbares oder Zusammenhängendes auf gleiche Formen zu schreiben. Da wird sicherlich das eine oder andere wieder ausradiert und neu notiert. Einiges stellt sich unter Umständen auch noch mal anders dar, wenn du beginnst, die einzelnen Teile miteinander in Beziehung zu bringen, indem du versuchst,

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168 Setze dein ­Leben neu ­zusammen! dein Leben aus den Teilen neu zusammenzusetzen. Es geht dabei eher darum, eine für dich passende Anordnung der Elemente zu finden und nicht eine konkrete Form zu legen. Dein Lebens-Tangram muss kein Rabe oder Schlittschuhläufer werden. Falls deine gefundene Ordnung aber zufällig eine Gestalt annehmen sollte, so kann diese als Gedächtnisstütze oder Glücksbringer dienen – als dein eigenes Totem sozusagen. Bei »Harry Potter« wäre es dein Patronus – der per Zauberspruch herbeigerufene persönliche Schutzgeist. Es ist unmittelbar nachzuvollziehen, dass die Beschriftungen der Teile nicht von Dauer sein können: Stand dort auf dem Quadrat zum Beispiel lange Zeit das Schlagwort »Karriere«, wird das Teil mit Eintritt in die Rente auf einmal scheinbar nicht mehr benötigt. Aber damit ginge auch ein großer Teil der eigenen Identität verloren – dein Lebens-Tangram bliebe unvollständig. Ersetze »Karriere« doch durch »Aufgabe«, denn es wäre sehr unwahrscheinlich, dass jemand, der im Beruf erfolgreich war, im Ruhestand keine »Aufgabe« fände, die er vergleichbar engagiert ausfüllen könnte. Ziehen die Kinder aus, müssen diese Bausteine nicht aus dem Lebensspiel genommen werden, sondern vielleicht nur auf kleinere Teile übertragen werden, nehmen die Kinder nach dem Verlassen des elterlichen Haushalts doch wesentlich weniger Zeit ein als zuvor. Auf einigen Tangram-Teilen werden sicherlich mehr Schreib- und Radierspuren sichtbar bleiben als auf anderen. Das

Setze dein ­Leben neu z­ usammen! ist auch gut so, denn es zeigt, wie sehr du dich mit ihnen auseinandergesetzt hast und hoffentlich mit jeder Änderung näher an das herangekommen bist, was dir wichtig ist. Aber nicht nur dein Alter und deine Lebenssituation spielen bei der Beschriftung und Anordnung eine entscheidende Rolle. Auch wechselnde Perspektiven verändern die Bedeutung und Anordnung der Bausteine. Wie sähe dein Lebens-Tangram aus, wenn du es ausschließlich unter dem Leitmotiv »Privat- versus Berufsleben« erstellen würdest? Welche Beschriftungen und Anordnungen würden sich ändern, betrachtetest du die Teile ausschließlich mit der Brille »Beziehung, Freunde und Familie«? Und falls du den Fokus auf »Werte, Religiosität und Spiritualität« legst, verschieben sich die Teile und ihre Bedeutung erneut? Unser Leben ist nicht eindimensional, wir sollten also berücksichtigen, dass es unter verschiedenen Betrachtungsweisen unterschiedliche Bewertungen gibt. Wir werden aber auch sehen, dass es Bausteine gibt, die sich auch unter den divergierenden Betrachtungswinkeln nicht verändern. Diese stabilen Grundbausteine sollten das Fundament deines Lebens-Tangrams sein, da diese Elemente in all deinen Lebenssituationen besonders halt- und belastbar zu sein scheinen. Für den Fall, dass du eine Person hast, die dich sehr gut kennt, kannst du deine Überlegungen hinter deinem Lebens-Tangram mit ihr teilen. Es ist ein al-

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170 Setze dein ­Leben neu ­zusammen! ter Klassiker, das Selbstbild im Fremdbild zu spiegeln und dadurch noch eine andere Sicht auf sich selbst zu bekommen. Die Rolle der anderen Person sollte beiden Beteiligten aber klar sein: Hierbei geht es ums Spiegeln und darum, Rückmeldungen zu geben und Anmerkungen zu machen. Lasse nicht zu, dass ein anderer die Bausteine deines Lebens für dich sortiert. Und wenn ihr zu zweit einfach nur Tangram spielen wollt, existiert auch hier eine spannende Variante: Es gibt insgesamt 60 »Tandem-Tangrams«!213 Anstatt einer Form werden dabei zwei identische Figuren aus einem Satz Legesteinen gelegt. Ich bin gespannt, wie viele der 60 Möglichkeiten ihr zusammen entdecken könnt. Bei unserer Tangram-Übung steht im Mittelpunkt, zu erkennen, dass wir uns verändern und doch wir selbst bleiben können. Auch wenn einiges dafür zu sprechen scheint, den roten Faden des Lebens an der zerschnittenen Stelle erneut verbinden zu wollen: Werden die Fasern an den glatten Schnittkanten wieder zusammensetzt, entstehen automatisch Sollbruchstellen für künftige Zugbelastungen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das neue Lebenskonstrukt an derselben Stelle zerbricht wie das alte. Eine stabilere Verbindung entsteht, indem die einzelnen losen Enden neu verknotet werden oder sie ihre neue Verbindung selbst finden. Ein Stück weit findet dies bereits in der Medizin Berücksichtigung: Muss Gewebe zertrennt werden, heilt es besser, wenn die Hautschichten wie ein ausgefranster

Setze dein ­Leben neu z­ usammen! Stoff zerrissen und nicht mit glatten Schnittkanten durchtrennt wurden.214 Vielleicht glaubst du auch, an diesem Punkt gar nicht unbedingt etwas komplett Neues aufbauen zu müssen, denn immerhin wurdest du nur an einer Stelle deines Lebensweges durch eine Krise temporär aus der Bahn geworfen: Warum solltest du deinen Lebensentwurf dann völlig umbauen? Die Krise ist ein Auslöser, unsere Situation neu zu bewerten. Wenn wir anfangen, einzelne Gewichtungen zu verschieben, wird zusehends das ganze System instabil. Manch einer beginnt in einer Ehekrise und findet sich fünf Jahre später in einem völlig anderen Beruf in einer fremden Stadt wieder. Oder dem beruflich bedingten Umzug folgt das Ende der Partnerschaft. »Ereignisse wie Unfall, Heirat, Tod eines Partners lassen sich datieren, sie werden aber gefolgt von einer Vielzahl weiterer Ereignisse, die man angemessener Weise als Veränderung der Lebenslage beschreiben würde.«215 Über solche Erosionen des Lebens gibt es keine Statistiken – beziehungsweise keine, die ich finden konnte. Es gibt über verschiedenste krisenhafte Einzelereignisse Statistiken, vermutlich weil diese so viele Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten erzeugen, dass es schwierig wird, verkettete Ereignisse aufzudecken und zu analysieren. Am Ende von Veränderungsprozessen fällt es schwer zu erkennen, wie diese ausgelöst wurden und einzelne Veränderungen zusammenhingen. Das erschwert auszumachen, ob es

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172 Setze dein ­Leben neu ­zusammen! vergleichbare Muster, Abfolgen und Zusammenhänge gibt. Die Kombinationsmöglichkeiten von Lebensereignissen scheinen zu groß zu sein, um logisch verknüpfte Ereignisketten als Muster identifizieren zu können. Übergreifende Auswertungen werden so schwierig bis unmöglich. Aber Statistiken interessieren nur am Rande, denn wir wollen uns nicht mehr an dem messen, was andere machen. Nur eine noch: Jeder Vierte träumt laut einer Forsa-Umfrage für den »Stern« davon, »sein Leben grundlegend zu ändern«.216 Die wenigsten trauen es sich. Du hast vielleicht nicht davon geträumt, aber du brauchst auch keine Angst zu haben, es zu wagen. Die einen träumen und tun es nicht – du hast vielleicht nicht davon geträumt, machst es aber.

ABSCHNIT T 9

WAS NUN?

Was nun? Und wie soll es weitergehen? Kopfüber ins Puzzeln springen? Raketenartig in ein neues Leben durchstarten? Unmotiviert Tangram-Dreiecke hin- und herschieben? Du ahnst es: Es hängt wieder einmal von dir ab, was du daraus machen möchtest! Vielleicht hat dir der eine oder andere Textabschnitt gefallen und du hast etwas gefunden, worüber du nachdenken konntest. Dann freut es mich. Vielleicht konnten dir Passagen und Abschnitte tatsächlich auch weiterhelfen bei den Fragen und Problemen, die dich beschäftigen. Dann freut es mich noch mehr. Ich habe dir vorher versprochen, dass du hier kein Programm durchlaufen musst. Dennoch wollte ich vermitteln, dass die Impulse aufeinander aufbauen und das Feld nicht von hinten aufgerollt werden kann. Veränderung ist Arbeit und Arbeit dauert nun mal ihre Zeit. Und es wird Rückschläge geben. Du wirst vielleicht den Hass oder andere negative Gefühle nicht direkt los oder fühlst dich weiterhin fremdgesteuert. Dann musst du das Scherbenhäuflein wieder zusammenkehren

178 Was nun? und von vorn beginnen. Es bleibt nun mal so: »Jedem Durchbruch geht ein Zusammenbruch voraus.«217 Irgendwann wird es dir gelingen, den nächsten Schritt zu gehen. Du kannst bei jedem Trittstein, jeder Stufe wiedereinsteigen und sie wiederholen – sowie auch alle Impulse immer wieder neu annehmen. Es wird leider keine Stelle im Leben geben, an der du sagen wirst, dass alles gut ist und so bleiben kann. Vielleicht hast du die Anregungen im vorherigen Abschnitt angenommen und dir ein Lebens-Tangram zurechtgeschoben, das aber dann so gar nicht zu deinem neuen Leben passte. Das wäre natürlich doof! Kann aber passieren. Immerhin hast du begonnen, dich mit deinem Leben, deinen Zielen und deinen Werten auseinanderzusetzen, und damit hast du jenen Menschen etwas voraus, die noch mit Flicken und Reparieren beschäftigt sind. Und sicherlich war auch nicht alles falsch, was du dir überlegt hast – nur eben noch nicht komplett richtig. Du hast die Werkzeuge und Möglichkeiten, es anders zu machen. Sei daher grundsätzlich nachsichtig mit dir, falls es nicht auf Anhieb gelingt oder länger dauert als gehofft.218 Dazu gehört auch, dass wir unseren inneren Tonfall ändern sollten, wenn wir zu uns selbst sprechen. Vor allem müssen wir aufhören, uns selbst Vorwürfe zu machen und zu beschimpfen: »Allein dadurch, dass wir den Stimmklang ändern, ihn weniger dramatisch, weniger wütend, weniger ängstlich machen, können

Was nun? wir unser Gefühl des Verletztseins abschwächen.«219 Und sollte deine Situation in Verzweiflung umschlagen, dann lass dir helfen, anstatt allein durch die innere Dunkelheit zu irren. Bitte jemanden, dir Lichtzeichen zu geben.220 Das kann ein Anruf bei einem Freund, der Telefonseelsorge oder der Besuch eines therapeutischen und medizinischen Hilfsangebots sein. Das ist nicht schlimm und niemand muss sich dafür schämen. Nach Hilfe zu fragen, zeigt ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Lebenskrisen können jeden treffen, auch wenn wir mitunter glauben, dass manche Menschen davon verschont bleiben, weil sie zufrieden und ausgeglichen wirken, dann speist sich diese Wahrnehmung genau aus dem Gegenteil: »Diese Leute wirken auf uns so ermutigend, weil sie sich ihren Entwicklungsaufgaben stellen, weil sie ihre Lebenskrisen akzeptieren und Veränderungen annehmen.«221 Du hast hier ein paar Werkzeuge vorgeschlagen bekommen, um dich immer wieder aus größeren und kleineren Krisen herausarbeiten zu können. Nimm sie an, passe sie an oder schlage sie wohlüberlegt aus – nur was dir etwas sagt und du gebrauchen kannst, hilft. Ich habe dir meine Gedanken überlassen, damit du damit machen kannst, was du möchtest. Für mich persönlich war es ein wichtiger Moment, zu erkennen, dass mir auch in vermeintlich ausweglosen, fremdbestimmten Situationen doch mehr Entscheidungsfreiheit gegeben

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180 Was nun? ist, als ich zunächst glaubte oder wahrnahm. Es gibt auch Ratgeber-Autorinnen, die sagen, dass zu dieser Entscheidungsfreiheit auch die Freiheit gehöre, sich nicht entscheiden zu müssen.222 Das sehe ich nicht ganz so: Wer sich Entscheidungsfreiräume erarbeitet, sollte diese nicht ungenutzt lassen. Aus meiner Sicht ist es dann immer besser, sich bewusst gegen etwas zu entscheiden, als auf die Entscheidung zu verzichten. Es mag wie eine müde Krücke klingen, aber diese Entscheidung kann auch heißen, einen Punkt jetzt nicht entscheiden zu wollen. Das ist etwas anderes, als sich nicht zu entscheiden. Ein feiner Unterschied, aber wenn du anfängst, dich in den Fahrersitz deines Lebens zurückzuarbeiten, wirst du dies schnell erkennen. Und falls das alles nichts geholfen oder dich so gar nicht angesprochen hat, dann tut es mir leid um deine Zeit, die du mit dieser Lektüre verbracht hast. Du sollst aber nicht ganz leer ausgehen: Auf der letzten Seite dieses Buchs findest du eine Tangram-Schablone. Schneide sie an der Außenkante des Quadrates aus, klebe dieses auf eine feste Pappe und schneide dann an den feineren Innenlinien die sieben Tangram-Bausteine aus. Viel Spaß beim Puzzeln und Entdecken der unzähligen Möglichkeiten! Als Anregung findest du mehr als 80 Tangram-­ Figuren in diesem Buch: nicht nur zu Beginn jeden Abschnitts, sondern auch auf den ungeraden, rechten Buchseiten. Dort steht die Form, die es zu legen gilt. Auf

Was nun? den Rückseiten (den linken Buchseiten) kannst du die Lösung entdecken, mit welcher Anordnung der Teile die Figur entsteht. Nimmst du die Aufgabe an, die vorgegeben Figuren zu legen, dann kann dich das zumindest ablenken und eine Weile beschäftigen. Vielleicht siehst du so auch bald Möglichkeiten für dein eigenes Leben. Das wünsche ich dir!

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ABSCHNIT T 10

DANK

Dank Ein schmales Buch über den Weg aus Lebenskrisen ist ein guter Platz, um sich bei verschiedenen Menschen zu bedanken. Als ich meine Tangram-Bauteile vor mir liegen hatte, wusste ich, dass ich zwei von ihnen jederzeit wieder verbauen würde: Meine beiden Söhne Mika und ­Yoshi werden immer einen festen Platz in meinem Leben haben – egal, wie es sich wieder neu zusammensetzt. Ein besonderer Dank geht an Marina Ahne, die der Meinung war, dass die grundlegenden Ideen und Überlegungen ein Buch werden könnten. Sie war weder Anlass noch Grund, es zu schreiben, aber sie half in ersten Korrekturrunden, die Richtung zu fixieren und Perspektiven zu schärfen. Sie schlug auch vor, den Entwurf bei einem Verlag vorzustellen. Dass mit Vandenhoeck & Ruprecht (inzwischen: BRILL Deutschland GmbH) ein Verlag aus meiner südniedersächsischen Heimat interessiert war, freut mich besonders. Ich bedanke mich bei Günter Presting, der in ersten Vorgesprächen und Brainstormings mögliche Umsetzungswege skizziert hat, und ganz besonders bei

Imke Heuer, die jeden Realisierungsschritt mit viel Geduld und großem Fachwissen als Lektorin begleitet hat. Dieses Buch zu schreiben, war für mich eine spannende Reise und wertvolle Erfahrung. Wenn ich ein bisschen davon an die Leserinnen und Leser weitergeben konnte, würde mich das sehr freuen. Also: Auch vielen Dank an euch, dass ihr das Buch gelesen habt.

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ANMERKUNGEN

190 Anmerkungen Anmerkungen 1

Susanne Hühn (2019). Jede Wunde lässt sich heilen. Wie wir emotionale Verletzungen und Kränkungen aus der Vergangenheit loslassen. München: Gräfe und Unzer. S. 84.

2

Hühn (2019), S. 86.

3

Jörg Frick (2011). Die Kraft der Ermutigung. Grundlagen und Beispiele zur Hilfe und Selbsthilfe (2., überarb. und erg. Aufl.). Bern: Huber. S. 59.

4

In Anlehnung an Gabrielle Bernstein, die so die Ausreden kontert, nicht in Ruhe meditieren zu können. Vgl. ­Gabrielle Bernstein (2016). Du bist dein Guru. 108 Hilfen für ein wunderbares Leben. München: Wilhelm Heyne. S. 108.

5

Joel Ludwig (2020). Loslassen lernen. Wie Sie Ihre Trennung überwinden, die Vergangenheit loslassen, eine emotionale Abhängigkeit lösen und Ihr Selbstwertgefühl stärken. O. O.: Selbstverlag. S. 16.

6

Vgl. Norman Brenner (2017). Die eine Frage, die dein Leben verändern wird. http://www.vernuenftig-leben.de/ leben-veraendern/ (abgerufen: 01.10.2021).

7

Vgl. Elisa Gratias (o. J.). 9 effektive Wege, dein Leben zu verändern – ohne zum Aussteiger zu werden. http://www.endlichlebendig.de/leben-veraendern/ (­abgerufen: 01.10.2021).

8

Das ist ein bisschen so wie der Mythos von den fünf Wörtern, die in der deutschen Sprache mit -nf enden. Streng genommen sind es nur drei (Senf, Hanf, fünf), der Duden nennt aber noch »Genf« und »Sernf« (ein Flüsschen),

Anmerkungen die eigentlich Eigennamen sind. Bereits bei dieser überschaulichen Liste scheitere ich zumeist beim Aufzählen. Vgl. http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-abc-fuenf-woerter-auf-nf-a-315962.html (abgerufen: 01.10.2021).   9 Katharina Ley (2008). Die Kunst des guten Beendens. Wie große Veränderungen gelingen. Stuttgart: Kreuz. S. 214. 10 Vgl. Susanne Schäfer (2012). Das Tal des Lebens. In: ZEIT Wissen 4/2012 https://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/04/ Midlife-Crisis (abgerufen: 30.07.2018). 11 Vgl. David G. Blanchflower, Andrew Oswald (2007). Is Wellbeing U-Shaped over the Life Cycle? Working Paper 12935. Cambridge, MA: National Bureau of Economic Research. S. 16 http://www.nber.org/papers/w12935.pdf (abgerufen: 01.10.2021). 12 Irmtraud Tarr (2010). Leben macht Sinn. Was uns bewegt und weiterbringt. Freiburg i. Br.: Kreuz. S. 127. 13 Sigrun-Heide Filipp, Peter Aymanns (2010). Kritische Lebensereignisse und Lebenskrisen. Vom Umgang mit den Schattenseiten des Lebens. Stuttgart: Kohlhammer. 14 Vgl. Birgit Schweikart (o. J.). Wann hört es auf? Liebes­ kummer Dauer. http://www.liebeskummer.org/ liebeskummer_ueberwinden/liebeskummer-dauer/ (­abgerufen: 01.10.2021). 15 Doris Wolf (2013a). Wenn der Partner geht. Trennungsschmerz und Liebeskummer bewältigen (28. Aufl.). Mannheim: PAL. S. 16. Vgl. auch: Regina Hamburger (1997). Wenn die Liebe geht. Trennung, Trauer, Neubeginn. Düssel­dorf: Econ. S. 102.

191

192 Anmerkungen 16 Vgl. Wolf (2013a), S. 111. 17 Vgl. Steven D. Levitt (2016). Heads or Tails: The Impact of a Coin Toss on Major Life Decisions and Subsequent Happiness. Working Paper 22487. Cambridge, MA: National Bureau of Economic Research. S. 10. http://www.nber.org/ papers/w22487.pdf (abgerufen: 01.10.2021). 18 Fanny Jiménez (2016). Warum große ­Veränderungen uns glücklicher machen. https://www.welt.de/gesundheit/ article158321630/Warum-grosse-Veraenderungen-uns-­ gluecklicher-machen.html (abgerufen: 01.10.2021). 19 Vgl. Annette Riestenpatt (2013). Spüren Sie noch Trennungsschmerz? https://www.t-online.de/leben/liebe/ id_42570130/trennung-ueberwinden-fuenf-zeichen-­dasssie-losgelassen-haben.html (abgerufen: 01.10.2021). 20 Zum Nachsehen: https://youtu.be/B7u6bMBlCXw (­abgerufen: 01.10.2021). 21 Vgl. Stichwort: Memento mori. https://de.wikipedia.org/ wiki/Memento_mori; Stichwort: Sic transit gloria mundi. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Sic_transit_gloria_mundi (abgerufen: 01.10.2021). 22 Ley (2008), S. 171. 23 Vgl. Constanze Schreiner (2017). Das Beste kommt zum Schluss. https://www.absolutpsychologisch.de/peak-endrule/ (abgerufen: 01.10.2021). 24 Vgl. Die Höchststand-Ende-Regel: Erleben und Erinnern. https://blick-heben.com/kognitives/die-macht-der-erinnerung/ (abgerufen: 01.10.2021). 25 Eckart von Hirschhausen (2010). Aufhören, wenn es am schönsten ist? Berliner Morgenpost, 02.01.2010.

Anmerkungen https://www.morgenpost.de/kolumne/hirschhausen/ article102247307/Aufhoeren-wenn-es-am-schoensten-ist. html (abgerufen: 01.10.2021). 26 Bärbel Wardetzki (2019). Loslassen und dranbleiben. Wie wir Veränderungen mutig begegnen. München: Kösel. S. 19. 27 Vgl. Stichwort: Sekretärinnenproblem. https://de.wikipedia.org/wiki/Sekret%C3%A4rinnenproblem (abgerufen: 01.10.2021). 28 Louis Schützenhöfer (2011). Vom Charme des Scheiterns. Krisen für einen Neustart nutzen. Wien: Ueberreuter. S. 13. 29 Vgl. Ute Lauterbach (2008). Raus aus dem Gedankenkarus­sell. Wie Sie leidige Gedanken und Grübelattacken genüss­lich ins Leere laufen lassen (6. Aufl.). München: Kösel. S. 56. 30 Regine Schneider (1996). Krisen als Chancen. Zur Bewältigung scheinbar auswegloser Situationen. Frankfurt a. M.: Krüger. S. 77. 31 Irmtraud Tarr (2003). Loslassen – die Kunst, die vieles leichter macht. Freiburg i. Br.: Herder. S. 22. 32 Brigitte Neusiedl (2010). Wie Loslassen wirklich gelingt. So werden Ihnen Veränderungen glücken. Oberstdorf: Windpferd. S. 93. 33 Anna Schoch (1997). Perspektiven für erwachsene Männer (Neuaufl.). Zürich: Orell Füssli. S. 180 f. 34 Vgl. Erich Reimann (o. J.). Wer will schon aufhören, wenn es am schönsten ist? Warum viele Top-Manager den Absprung nicht schaffen. https://www.businessinsider. de/wirtschaft/wer-will-schon-aufhoeren-wenn-es-amschoensten-ist-warum-viele-top-manager-den-absprungnicht-schaffen-2016-2/(abgerufen: 01.10.2021).

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194 Anmerkungen 35 Wardetzki (2019), S. 86. Vgl. auch: Tarr (2003), S. 35. Vgl. auch: Vera F. Birkenbihl (2019). Finde deinen Fixstern. Die eigenen Lebensziele erkennen und erreichen. München: mvg. S. 66. 36 Tarr (2003), S. 8. 37 Börries von Münchhausen (1907). Die Lederhosen-Saga. http://www.gedichtsuche.de/gedicht/items/Die%20 Lederhosensaga%20-%20M%C3%BCnchhausen,%20 B%C3%B6rries%20von.html (abgerufen: 01.10.2021). 38 Gabi Rimmele (2015). Tausche Chaos gegen Leichtigkeit. So entrümpeln Sie Ihr Leben (2. Aufl.). Ostfildern: Patmos. S. 15. 39 Vgl. Wieland Stolzenburg (o. J.). Trennungsphasen: Die 4 Phasen nach der Trennung und 20 Tipps. https://www. wielandstolzenburg.de/die-4-phasen-nach-einer-trennung-und-was-am-ende-am-meisten-hilft/ (abgerufen: 01.10.2021). 40 Vgl. Stichwort: Trauer. https://de.wikipedia.org/wiki/ Trauer (abgerufen: 01.10.2021). 41 Vgl. Chris Paul (2017). Ich lebe mit meiner Trauer. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 42 Verena Kast (2011). Sich einlassen und loslassen. Neue Lebensmöglichkeiten nach Trauer und Trennung (21. Aufl.). Freiburg i. Br.: Herder. S. 121. 43 Vgl. Stichwort: Trolley-Problem. https://de.wikipedia.org/ wiki/Trolley-Problem (abgerufen: 01.10.2021). 44 Wardetzki (2019), S. 67. 45 Vgl. 5 Dinge, die Du übers Akzeptieren und Loslassen wissen solltest. https://mymonk.de/5-dinge-­akzeptieren/

Anmerkungen (abgerufen: 06.08.2018) – auch hier eine klassische Fünfer-­ Folge. 46 Martin Lammerhuber (2015). Zeit zum Loslassen – Neues entdecken. Berndorf: Karl. S. 70. 47 Stefanie Lorenz (2020). Vergangenheit loslassen: »Das lasse ich hinter mir …« – Wie du mit altem Schmerz abschließt, um in der Zukunft nicht zu sterben. O. O.: Digital­press LLC. S. 26. 48 Reinhard Tausch (1989). Lebensschritte. Umgang mit belastenden Gefühlen. Reinbek: Rowohlt. S. 235. 49 Lauterbach (2008), S. 11. 50 Lorenz (2020), S. 10. 51 Wardetzki (2019), S. 26. 52 Wardetzki (2019), S. 66. 53 Vgl. Christina Erdkönig (2014). Was mit uns geschieht, wenn wir die Wohnung unserer Eltern auflösen. Freiburg i. Br.: Kreuz. S. 150. 54 Erdkönig (2014), S. 149. 55 Vgl. Erdkönig (2014), S. 150. 56 Paul (2017), S. 105. 57 Vgl. Lauterbach (2008), S. 88 f. 58 Vgl. Kast (2011), S. 9. 59 Schützenhöfer (2011), S. 99. 60 Schützenhöfer (2011), S. 99. 61 Margot Käßmann (2010). Rücktrittserklärung »Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand«. https:// www.sueddeutsche.de/politik/kaessmanns-erklaerungdu-kannst-nie-tiefer-fallen-als-in-gottes-hand-1.24886 (abgerufen: 01.10.2021).

195

196 Anmerkungen 62 Maja Schiele (1977). Die Schule des Segelfliegens. Ein umfassendes Lehrbuch für Anfänger und künftige Leistungspiloten (6., überarb. Aufl.). Stuttgart: Franckh. S. 156. 63 Schiele (1977), S. 157. 64 Tarr (2003), S. 19. 65 Ursula Ott (2019). Das Haus meiner Eltern hat viele Räume. Vom Loslassen, Ausräumen und Bewahren (2. Aufl.). München: btb. S. 50. 66 Ott (2019), S. 136. 67 Tarr (2003), S. 103. 68 Paulo Coelho (2017). Der Weg des Bogens. Zürich: Diogenes. S. 108. 69 Wardetzki (2019), S. 67. 70 Verena Kast (1998). Vom Sinn des Ärgers. Anreiz zur Selbstbehauptung und Selbstentfaltung. Stuttgart: Kreuz. S. 24. 71 Sam Jolig (2015). Wut tut gut. Ein starkes Gefühl verstehen und konstruktiv nutzen. München: Goldmann. S. 35. 72 Kast (1998), S. 31. 73 Jolig (2015), S. 45. 74 Jolig (2015), S. 45. 75 Vgl. Neusiedl (2010), S. 112 f. 76 Elizabeth Day (2020). How to fail. Warum wir erst durch Scheitern richtig stark werden. München: Goldmann. S. 316. 77 Vgl. Zentao (2010). Eine Geschichte über den Hass … https://zentaozenundanderes.com/2010/07/04/ein-geschichte-uber-den-hass/ (abgerufen: 01.10.2021). 78 Vgl. Spektrum.de (2008). Hirnforschung: Hass und Liebe beeinflussen ähnliche Hirnregionen. https://

Anmerkungen www.spektrum.de/news/hass-und-liebe-beeinflussen-­ aehnliche-hirnregionen/972103 (abgerufen: 01.10.2021). 79 Spektrum.de (2008). 80 Adelheid Müller-Lissner (2014). Verzeihen können – sich selbst und anderen. Ein Schlüssel zu mehr Lebensglück. Freiburg i. Br.: Herder. S. 51. 81 Kast (1998), S. 141. 82 Diana Sierpinski (2017). Auch Hass kann glücklich machen. https://www.n-tv.de/wissen/Auch-Hass-kanngluecklich-machen-article19997366.html (abgerufen: 01.10.2021). 83 Vgl. Kast (1998), S. 32. 84 Kast (1998), S. 29. 85 Kast (1998), S. 56. 86 Vgl. Christina Hucklenbroich (2009). Gefangen in der Grübelschleife. FAZ.net. https://www.faz.net/aktuell/ wissen/leben-gene/psychologie-gefangen-in-der-gruebelschleife-1656465.html (abgerufen: 01.10.2021). 87 Vgl. Annette van Randenborgh, Thomas Ehring (2013). »Ich denke, also bin ich traurig«: Über die Folgen des Grübelns. https://de.in-mind.org/article/ich-denke-also-bin-ichtraurig-ueber-die-folgen-des-gruebelns (abgerufen: 01.10.2021). 88 Müller-Lissner (2014), S. 33. 89 Filipp u. Aymanns (2010), S. 207. 90 Eckhart Müller-Timmermann (2009). Ausgebrannt. Wege aus der Burnout-Krise (5., überarb. Aufl.). Freiburg i. Br.: Herder. S. 113. 91 Tausch (1989), S. 185.

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198 Anmerkungen    92 Gabriela Buch-Schlösser (2019). Regeln für ein besseres Leben. Für mehr Gelassenheit und Lebensfreude. München: mvg. S. 197.    93 Müller-Timmermann (2009), S. 113.    94 Vgl. Bernstein (2016), S. 77.    95 Lauterbach (2008), S. 10.    96 Vgl. Lauterbach (2008), S. 31.    97 Vgl. Lauterbach (2008), S. 37.    98 Vgl. Lauterbach (2008), S. 62.    99 Vgl. Müller-Lissner (2009), S. 36. 100 Lauterbach (2008), S. 24. 101 Reinhold Niebuhr (o. J.). Gelassenheitsgebet. https://de.wikipedia.org/wiki/Gelassenheitsgebet (abgerufen:01.10.2021). 102 Vgl. Lauterbauch (2008), S. 17. 103 Lauterbach (2008), S. 83. 104 Sigrid Engelbrecht (2013). Lass los, was dir Sorgen macht. München: Gräfe und Unzer. S. 79. 105 Vgl. Lauterbauch (2008), S. 25. 106 Lauterbach (2008), S. 101. 107 Vgl. Lauterbach (2008), S. 89. 108 Lauterbach (2008), S. 21. 109 Lauterbach (2008), S. 81. 110 Bernstein (2016), S. 189. 111 Filipp u. Aymanns (2010), S. 196. 112 Vgl. Sibylle Tobler (2009). Neuanfänge – Veränderungen wagen und gewinnen. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 20. 113 Vgl. Kast (2011), S. 25. 114 Lorenz (2020), S. 76. 115 Jolig (2015), S. 39.

Anmerkungen 116 Vgl. Tobler (2009), S. 33. 117 Vgl. Tobler (2009), S. 77. 118 Tausch (1989), S. 264. 119 Vgl. Wolf (2013a), S. 114. 120 Wolf (2013a), S. 79. 121 Vgl. Wolf (2013a), S. 114. 122 Tobler (2009), S. 76. 123 Day (2020), S. 338. 124 Svenja Faßpöhler (2016). Verzeihen. Vom Umgang mit Schuld. München: Deutsche Verlags-Anstalt. S. 19. 125 Faßpöhler (2016), S. 20. 126 Vgl. Rosette Poletti, Barbara Dobbs (2014). Loslassen. Der Weg zu einem befreiten Leben. München: Scorpio. S. 51. 127 Faßpöhler (2016), S. 78. 128 Faßpöhler (2016), S. 157. 129 Vgl. Doris Wolf (2020). Hassgefühle in der Partnerschaft. https://www.partnerschaft-beziehung.de/hass.html (­abgerufen: 01.10.2021). 130 Sibylle Berg (2017). Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. Stuttgart: Reclam. S. 59 f. 131 Michael Mary, Henny Nordholt (2001). Der geheime Lebensplan. Mein inneres Drehbuch entdecken, meinen Platz im Leben finden. Stuttgart u. Zürich: Kreuz. S. 12. 132 Poletti u. Dobbs (2014), S. 65. 133 Vgl. Erdkönig (2014), S. 137. 134 Hühn (2019), S. 89. 135 Ley (2008), S. 22. 136 Rimmele (2015), S. 68. 137 Angelika Gulder (2016). Der Seelen-Navigator. In 7 Schrit-

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200 Anmerkungen ten zu deinem wahren Lebensplan. München: Arkana. S. 10. – Auch hier taucht bezüglich der »großen Seelenziele« wieder die Zahl Fünf auf: »Fünf hat sich als die ideale Zahl dafür herausgestellt« (S. 156). 138 Gulder (2016), S. 174. 139 Gulder (2016), S. 116. 140 Gulder (2016), S. 107. 141 Mary u. Nordholt (2001), S. 33. 142 Mary u. Nordholt (2001), S. 33. 143 Vgl. Birkenbihl (2019), S. 63. 144 Harlich H. Stavemann (2018). Weitblicker und Zielverfolger. Eigene Lebensziele bestimmen und erfolgreich umsetzen. Weinheim u. Basel: Beltz. S. 73. 145 Stavemann (2018), S. 93. 146 Stavemann (2018), S. 112. 147 Vgl. Stavemann (2018), S. 22. 148 Stavemann (2018), S. 39. 149 Stavemann (2018), S. 109. 150 Stavemann (2018), S. 110. 151 Tarr (2010), S. 39. 152 Vgl. Stavemann (2018), S. 103. 153 Rimmele (2015), S. 64. 154 Stavemann (2018), S. 22. 155 Hühn (2019), S. 168. 156 Stavemann (2018), S. 45. 157 Tarr (2003), S. 121. 158 Tarr (2010), S. 61. 159 Vgl. Stichwort: Citius, altius, fortius. https://de.wikipedia. org/wiki/Citius,_altius,_fortius (abgerufen: 01.10.2021).

Anmerkungen 160 Tarr (2003), S. 65. 161 Vgl. Stichwort: Peter-Prinzip. https://de.wikipedia.org/ wiki/Peter-Prinzip (abgerufen: 01.10.2021). 162 Colin C. Tipping (2014). Ich vergebe – Das Praxisbuch. 25 praktische Anwendungen für Radikale Vergebung. ­Bielefeld: J. Kamphausen. S. 80. 163 Joshua Fields Millburn, Ryan Nicodemus (2018). Minimalismus. Der neue Leicht-Sinn. München: Gräfe und Unzer. S. 105. 164 Mary u. Nordholt (2001), S. 121. 165 Schoch (1997), S. 38 f. 166 Jens Förster (2017). Der kleine Krisenkiller. 12 Wege, schwierige Lebenssituationen zu meistern. München: Knaur. S. 222. 167 Schoch (1997), S. 47. 168 Dagmar Fenner (2020). Selbstoptimierung. https://www. bpb.de/gesellschaft/umwelt/bioethik/311818/selbstoptimierung (abgerufen: 01.10.2021). 169 Fenner (2020). 170 Tausch (1989), S. 83. 171 Schoch (1997), S. 147. 172 Vgl. Jochen Mai (2016). »Sich ›für‹ etwas zu entscheiden, bedeutet immer auch, sich ›gegen‹ zig Alternativen zu entscheiden. Interview mit Jochen Mai. https://www.dtv.de/ blog/interviews/entscheidungen/ (abgerufen: 01.10.2021). 173 Vgl. Christian Heinrich, Tobias Hürter, Stefanie Schramm, Claudia Wüstenhagen (2011). Die Kunst der Entscheidung. https://www.zeit.de/zeit-wissen/2011/06/Entscheidungen/ komplettansicht (abgerufen: 01.10.2021).

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202 Anmerkungen 174 Charles Foster (2001). So entscheide ich richtig. Mit Gefühl und Verstand gute Lösungen finden. Bern et al.: Scherz. S. 33. 175 Foster (2001), S. 171. 176 Vgl. Heinrich et al. (2011). 177 Foster (2001), S. 92. 178 Vgl. Foster (2001), S. 104. 179 Neusiedl (2010), S. 233. 180 Vgl. Doris Wolf (2013b). Ab heute kränkt mich niemand mehr. 101 Power-Strategien, um Zurückweisung und Kritik nicht mehr persönlich zu nehmen (9. Aufl.). Mannheim: PAL. S. 39. 181 Vgl. Wolf (2013b), S. 9. 182 Bernstein (2016), S. 121. 183 Bernstein (2016), S. 43. 184 Wolf (2013a), S. 21. 185 Viktor E. Frankl (2014). … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (6. Aufl. der Neuausgabe von 2009). München: Kösel. S. 102. 186 Frankl (2014), S. 112. 187 Bernstein (2016), S. 84. 188 Frick (2011), S. 285. 189 Christoph Glumm (2012). Krisen des Lebens b ­ ewältigen. Wesel: Kawohl. S. 73. – Der Autor gibt übrigens auch fünf praktische Tipps für die Phase der Problemlösung (vgl. S. 59 ff.). 190 Vgl. Foster (2001), S. 203. 191 Schneider (1996), S. 21. 192 Hamburger (1997), S. 123.

Anmerkungen 193 Nils Warkentin (2021). Frust im Job: Was tun, wenn der Job zur Qual wird? https://karrierebibel.de/frustjobkiller/ (abgerufen: 01.10.2021). 194 vgl. http://www.openculture.com/2017/10/ kintsugi-the-centuries-old-japanese-craft-of-repairingpottery-with-gold-finding-beauty-in-broken-things.html (abgerufen: 01.10.2021). 195 Stichwort: Kintsugi. https://de.wikipedia.org/wiki/ Kintsugi (abgerufen: 01.10.2021). 196 Vgl. Tangram: Zur Geschichte. https://www.math. uni-bielefeld.de/~ringel/puzzle/puzzle02/tangram.htm (abgerufen: 01.10.2021). 197 Vgl. Stichwort: Tangram. https://de.wikipedia.org/wiki/ Tangram (abgerufen: 01.10.2021). 198 Vgl. Christine Hagemann (o. J.). Tangram: Wie Sie das Legespiel im Geometrieunterricht einsetzen. https:// www.backwinkel.de/blog/tangram/ (abgerufen: 01.10.2021). 199 Vgl. Stichwort: Tangram. https://de.wikipedia.org/wiki/ Tangram (abgerufen: 01.10.2021). 200 Vgl. Amanda Littlejohn (2017). How to Make a Tangram Square: The Chinese Puzzle Game. https://wehavekids. com/education/Chinese-Tangram-Game

(abgerufen: 01.10.2021).

201 Vgl. Jürgen Köller (1999). Tangram. http://www.mathematische-basteleien.de/tangram.htm (abgerufen: 01.10.2021) oder https://www.math.uni-bielefeld.de/~ringel/puzzle/ puzzle02/tangram.htm (abgerufen: 01.10.2021) oder Angela Knapstein (o. J.). Tangram. https://kira.dzlm.de/

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204 Anmerkungen mathe-mehr-als-ausrechnen/prozessbezogene-kompetenzen-f%C3%B6rdern-beispielaufgaben/raum-und-form-0 (abgerufen: 01.10.2021). 202 Wardetzki (2019), S. 50. 203 Wardetzki (2019), S. 51. 204 Schoch (1997), S. 45. 205 Vgl. https://viral.watson.de/2018/05/23/diese-schragen-­ auktionen-gabs-tatsachlich-mal-bei-ebay/ (abgerufen: 27.11.2020). 206 Michael Blume (2013). Maria auf Toast, Jesus auf Chips – Die Überwahrnehmung von Wesenhaftigkeit. https:// scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/maria-toast-­ jesus-chips-die/ (abgerufen: 01.10.2021). 207 Vgl. Was halten Sie persönlich im Leben für besonders wichtig und erstrebenswert? https://de.statista.com/ statistik/daten/studie/170820/umfrage/als-besonderswichtig-erachtete-aspekte-im-­leben/ (abgerufen: 29.11.2020). 208 Vgl. Was zählt für Sie im Leben? https://de.statista.com/ statistik/daten/studie/1259/umfrage/lebensziele/ #professional (abgerufen: 28.11.2020). 209 Tarr (2010), S. 16. 210 Maja Storch (2009). Machen Sie doch, was Sie wollen! Wie ein Strudelwurm den Weg zu Zufriedenheit zeigt. Bern: Huber. S. 37. 211 Storch (2009), S. 84 f. 212 Bernstein (2016), S. 231. 213 Vgl. Hagemann (o. J.).

Anmerkungen 214 Vgl. Stichwort: Misgav-Ladach-Methode. https://de.wiki­ pedia.org/wiki/Misgav-Ladach-­Methode (abgerufen: 01.10.2021). 215 Leo Montada (1981). Kritische Lebensereignisse im Brenn­punkt: Eine Entwicklungsaufgabe für die Entwicklungspsychologie? In Sigrun-Heide Filipp (Hrsg.), Kritische Lebensereignisse (S. 272–292). München et al.: Urban und Schwarzenberg. S. 273 (Hervorhebungen im Original). 216 Vgl. Stern-Umfrage: Jeder Vierte träumt von ­Veränderung im Leben. https://www.stern.de/panorama/stern-umfragejeder-­vierte-traeumt-von-veraenderung-im-leben-3043304. html (abgerufen: 01.10.2021). 217 Tipping (2014), S. 142. 218 Vgl. Tobler (2009), S. 170. 219 Wolf (2013b), S. 163. 220 Vgl. Tobler (2009), S. 93. 221 Schoch (1997), S. 37. 222 Vgl. Tobler (2009), S. 72.

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206 Literatur Literatur Berg, Sibylle (2017). Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. Stuttgart: Reclam. Bernstein, Gabrielle (2016). Du bist dein Guru. 108 Hilfen für ein wunderbares Leben. München: Wilhelm Heyne. Birkenbihl, Vera F. (2019). Finde deinen Fixstern. Die eigenen Lebensziele erkennen und erreichen. München: mvg. Blanchflower, David G., Oswald, Andrew (2007). Is Well-being U-Shaped over the Life Cycle? Working Paper 12935. Cambridge, MA: National Bureau of Economic Research. S. 16. http://www.nber.org/papers/w12935.pdf (abgerufen: 30.07.2018). Blume, Michael (2013). Maria auf Toast, Jesus auf Chips – Die Überwahrnehmung von Wesenhaftigkeit. https://scilogs. spektrum.de/natur-des-glaubens/maria-toast-jesuschips-die/ (abgerufen: 01.10.2021). Brenner, Norman (2017). Die eine Frage, die dein Leben verändern wird. http://www.vernuenftig-leben.de/ leben-veraendern/ (abgerufen: 01.10.2021). Buch-Schlösser, Gabriela (2019). Regeln für ein besseres Leben. Für mehr Gelassenheit und Lebensfreude. München: mvg. Coelho, Paulo (2017). Der Weg des Bogens. Zürich: Diogenes. Day, Elizabeth (2020). How to fail. Warum wir erst durch Scheitern richtig stark werden. München: Goldmann. Engelbrecht, Sigrid (2013). Lass los, was dir Sorgen macht. München: Gräfe und Unzer.

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Tangram zum Ausschneiden