Rom bei Prudentius: Dichtung und Weltanschauung in »Contra orationem Symmachi« 3846902714, 9783846902707, 9783846902714

Rombeschreibungen und die Auseinandersetzung mit der römischen Topographie sind bei vielen Schriftstellern seit der Anti

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Rom bei Prudentius: Dichtung und Weltanschauung in »Contra orationem Symmachi«
 3846902714, 9783846902707, 9783846902714

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einführung
2 Stadt – Religion – Diskurs
3 Prudentius’ Werk Contra orationem Symmachi
Vorüberlegungen zu Form und Programmatik
4 Die pagane Stadttopographie
5 Rom als Allegorie
6 Der Liber Peristephanon: Neue Wege im Alten Rom
7 Resümee und Ausblick
8 Literaturverzeichnis
9 Anhang
Register

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Vertumnus. Berliner Beiträge zur Klassischen Philologie und zu ihren Nachbargebieten Herausgegeben von Ulrich Schmitzer

Band 12

Lydia Krollpfeifer Rom bei Prudentius Dichtung und Weltanschauung in »Contra orationem Symmachi«

Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K.

Mit einer Tabelle. Die Umschlagabbildung zeigt eine traditionell als Vertumnus bezeichnete Antonius-Statue aus dem Louvre, Paris, in einer historischen Abbildung der Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Erlangen-Nürnberg.

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Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. Die Dissertation wurde durch den Exzellenzcluster Topoi gefördert. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Eine eBookAusgabe ist erhältlich unter DOI 10.2364/3846902714. © Edition Ruprecht Inh. Dr. R. Ruprecht e.K., Postfach 17 16, 37007 Göttingen – 2017 www.edition-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehrund Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG. Satz: Lydia Krollpfeifer Layout: mm interaktiv, Dortmund Umschlaggestaltung: Michael Reichmuth, Berlin Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach ISBN: 978-3-8469-0270-7 (Print), 978-3-8469-0271-4 (eBook)

für Flora und Felix

Inhaltsverzeichnis Vorwort ......................................................................................... 11 1 1.1 1.2 1.3

Einführung ............................................................................. 13 Prudentius in Rom ........................................................................... 13 Ziel und Aufbau der Arbeit.................................................................14 Die Romdichtungen des Prudentius in der bisherigen Forschung........ 17

2 2.1 2.2

Stadt – Religion – Diskurs ....................................................... 22 Diskurs und Identität ........................................................................ 22 Stadttopographie und römische Selbstauffassung ............................. 29

3

Prudentius’ Werk Contra orationem Symmachi ....................... 38 Vorüberlegungen zu Form und Programmatik ........................... 38 Anlass, Entstehungszeit und Gattung ............................................... 38 Rom in der dritten Relatio des Symmachus und in den Antwortschreiben des Ambrosius ..................................................... 43 Autor und Adressat .......................................................................... 49 Prudentius als vates ......................................................................... 49 Autorenportrait und Leserinstanz .................................................... 54 „Die Erschaffung des Lesers“ und das reale Lesepublikum ............... 63 Zum Aufbau der zwei Bücher ............................................................ 71 Tabellarische Übersicht über Aufbau und Gemeinsamkeiten beider Bücher .................................................................................. 80

3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.4.1

4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.2.1 4.2.2

Die pagane Stadttopographie ................................................... 84 Darstellungstechniken der Narration Roms....................................... 84 Polemische Apologetik oder Stadtbesichtigung? ............................... 84 Perspektivierung und Beschreibung des Stadtraumes ....................... 86 Der Leser als Betrachter Roms.......................................................... 89 Die urbs: fremde superstitio und römische Sakraltopographie ......... 90 Der Begriff superstitio und seine diskursive Funktion....................... 90 Rom als Schema in der traditionellen Literatur ................................. 95

8

Inhaltsverzeichnis

4.2.3 4.2.4 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4

Sakraltopographie und superstitio bei Prudentius ............................ 99 Zwischenresümee .......................................................................... 130 Das Kapitol: origo und arx der Götterreligion ................................. 132 Die origo mali unter Saturn ........................................................... 134 Iuppiter Capitolinus ........................................................................ 141 Die gefallenen arces: Juno und Minerva ...........................................148 Die barbarische Tarpeia rupes ....................................................... 152 Kapitol und Palatin: Religion und Herrschaft................................... 155 Zwischenresümee .......................................................................... 158 Das Forum Romanum: Sehen, Staunen, Glauben ............................ 158 Das Stadtzentrum als Sakralraum ................................................... 159 Das Forum Romanum – Tradierung und Manifestation des kulturellen Gedächtnisses ........................................................ 182 Zwischenresümee: Das Forum Romanum als ‚Schau-Platz‘ ..............187 Die Amphitheater: Topographie des Todes ....................................... 191 Die Amphitheater bei Prudentius: Totenreich und Totenkult ............196 Die ara Plutonis: vulnus, Lust und Laster ...................................... 204 Der Dämonenkult in Rom oder: Der Schlussappell an den Leser ......211 Zwischenresümee ...........................................................................213

5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.4

Rom als Allegorie .................................................................. 217 Der allegorische Stadtraum ............................................................. 217 Die Seelenstadt in der Psychomachia und in der Hamartigenia ...... 218 Der allegorische Stadtraum in Contra orationem Symmachi ......... 221 Kaiser und Stadt............................................................................. 239 Der kaiserliche adventus in Rom in der Literatur ........................... 240 Theodosius und Rom bei Prudentius ............................................... 248 Honorius und Rom bei Prudentius .................................................. 265 Roma und Stadtgenius ................................................................... 270 Zwischenresümee ........................................................................... 274

Inhaltsverzeichnis

6 6.1 6.2

9

6.4 6.5 6.6 6.7 6.8

Der Liber Peristephanon: Neue Wege im Alten Rom ................ 278 Einführung .................................................................................... 278 Die Wegmetaphorik im zweiten Buch Contra orationem Symmachi ..................................................................................... 281 Der Konversionstopos im ersten Buch Contra orationem Symmachi ..................................................................................... 288 Die Laurentiusbasilika.................................................................... 290 Die Grabanlage des Hippolytus ....................................................... 300 Der Hymnus auf Petrus und Paulus ................................................. 308 Die Roma Christiana im Hymnus auf Agnes ................................... 317 Zwischenresümee ........................................................................... 318

7

Resümee und Ausblick .......................................................... 322

8

Literaturverzeichnis .............................................................. 333 Textausgaben, Übersetzungen und Kommentare ............................ 333 Zu Prudentius................................................................................. 333 a) Gesamtwerkausgaben............................................................... 333 b) einzelne Werke ......................................................................... 333 Zu weiteren Autoren und Werken (in Auswahl) ............................... 334 Forschungsliteratur ........................................................................ 336

9

Anhang ................................................................................ 367 Exkurs zum politisch-historischen Kontext ..................................... 367

6.3

Register ....................................................................................... 370 Stellenregister .......................................................................................... 370 Personen- und Sachregister ....................................................................... 384

Vorwort „Ein Kunstwerk tut zweierlei: erkennen […] und erzeugen.“ (Alfred Döblin) Was bei Döblin als innovative Idee moderner Dichtungstheorie erscheint, findet sich bereits in der Antike. So formuliert Cicero in seinem ersten Buch De legibus einen metaphorischen Vergleich zwischen dem Saatgut eines Bauern und den Worten eines Dichters (Cic. leg. 1,1). Aus dem menschlichen ingenium geboren sei das Dichterwort für die Ewigkeit geschrieben und erzeuge eine eigene Wahrheit. Der topische Gegensatz von Realität (veritas) und Dichtung (fabula) wird aufgehoben und durch eine Kausalbeziehung ersetzt: Poesie ist nicht nur ein Abbild von Wirklichkeit, sondern bringt sie erst hervor. Realität, Wahrnehmung und Weltanschauung werden damit zu literarisch formbaren Größen. Unter diesem poetologischen Blickwinkel müssen auch die Romdichtungen des Prudentius gelesen werden: Bei ihm treten Wahrheit und Fiktion in ein kontinuierliches Spannungsverhältnis. Die literarische Vision eines gänzlich christianisierten Rom fungiert gleichsam als Auslöser wie als Spiegel einer Realität, die in seinen Werken als präsent vorgestellt wird. Vollzieht der Leser die Hinwendung zum christlichen Glauben, gewinnt Prudentius’ literarische Idee einer Roma aeterna Gestalt in der Wirklichkeit. Diesem Buch liegt meine Dissertation zugrunde, die im Wintersemester 2014/15 von der Philosophischen Fakultät II der Humboldt Universität zu Berlin angenommen wurde. Sie ist im Rahmen des Exzellenzcluster Topoi entstanden, der die Ausarbeitung durch ein großzügiges Stipendium unterstützt hat. Durch mehrere vom Cluster finanzierte Romaufenthalte war es mir zudem möglich, die literarischen Orte des Prudentius in der realen Welt zu besuchen. Besonderer Dank gilt meinem Erstgutachter Herrn Professor Ulrich Schmitzer, dessen Projektvorschlag das Entstehen der Arbeit erst ermöglicht hat. Er hat mein Forschungsvorhaben mit kontinuierlicher Präsenz bei Fragen oder Problemen und konstruktiver fachlicher Rückmeldung begleitet, mir dabei aber ebenso Raum für selbstständiges Arbeiten gewährt. Für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Vertumnus möchte ich ihm ebenfalls herzlich danken. Professor Felix Mundt danke ich für die spontane Bereitschaft, die Betreuung meines bereits laufenden Projektes zu übernehmen, und für hilfreiche Anregungen, die eine bessere Strukturierung und vermehrte thematische Fokussierung der Arbeit angestoßen haben.

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Vorwort

Die Sitzungen der Topoi Forschergruppe C-IV haben fruchtbare Impulse durch die Fremdperspektive von und in andere Fachbereiche geliefert. Ihren Mitgliedern sei für den anregenden interdisziplinären Austausch gedankt. Insbesondere Professor Therese Fuhrer hat mich immer wieder animiert, Ergebnisse in Vorträgen zu reflektieren. Für die Betreuung der ersten Arbeitsphasen, ihre kritischen Fragen sowie die Teilnahme an ihrem Doktorandenkolloquium möchte ich ihr danken. Sven Greinke, Lisa Cordes und Christoph Close danke ich für ihr Teillektorat der Arbeit, ihre Freundschaft und zahlreiche Gespräche über fachliche und nichtfachliche Angelegenheiten. Weiterhin sei den Mitarbeitern der Verwaltung von Topoi dafür gedankt, dass sie mir bei administrativen Fragen stets freundliche Hilfe entgegengebracht haben. Besonderer Dank gilt meiner Familie und insbesondere meinen Eltern. Sie haben meine Arbeit kritisch gelesen und durch zahlreiche Gespräche die Sortierung meiner Gedanken befördert. Meinem Mann und meinen Kindern danke ich für ihre Geduld, mit der sie geistige Abschweifungen und Arbeitshochphasen hingenommen haben, und für willkommene Ablenkung. Ein weiterer Dank richtet sich an die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, die den Druck durch einen großzügigen Zuschuss gefördert hat, sowie an die Edition Ruprecht für eine angenehme Zusammenarbeit.

Berlin, im Januar 2017

Lydia Krollpfeifer

1 Einführung 1.1 Prudentius in Rom Wo nur Hauch der Menschlichkeit je wehte, Sehnt die Brust sich nach der Stadt der Städte. (Wilhelm von Humboldt, Rom, 375–376)1 Nahezu jeder Dichter und Denker des modernen Abendlandes sah sich seit jeher in der Pflicht mindestens einmal in seinem Leben Rom besucht zu haben. Namhafte Größen wie Petrarca, Goethe und Wilhelm von Humboldt durchwandern die Straßen der Ewigen Stadt, während sie im Anblick der Gegenwart die Spuren der Vergangenheit zu ergründen suchen. Es finden sich zahlreiche literarische Autopsieberichte und poetische Reflexionen, in denen die Steine zu sprechen, die Monumente zu erzählen und die Stadt selbst dem Besucher ihre Geschichte(n) durch die Präsenz ihrer Bauten zuzuflüstern zu scheint2. Während Rom sich den einen als eine Erinnerungslandschaft der antiken Kultur präsentiert, betrachten andere es als Zentrum des Christentums3. 1

2

3

Humboldt, W. v., Rom, in: Wilhelm von Humboldt, Werke in fünf Bänden, hrsgg. A. Flitner u. K. Giel, Bd. 5: Kleine Schriften. Autobiographisches. Dichtungen, Briefe. Kommentare und Anmerkungen zu Band I–IV. Anhang, Darmstadt 1981, 149–163. Saget, Steine, mir an, o sprecht, ihr hohen Paläste! | Straßen redet ein Wort! Genius, regst du dich nicht? | Ja, es ist alles beseelt in deinen heiligen Mauern. | Ewige Roma; nur mir schweiget noch alles so still. | O wer flüstert mir zu, an welchem Fenster erblick’ ich | einst das holde Geschöpf, das mich versengend erquickt? (Goethe, J. W. v., Römische Elegie 1,1–6, in: Johann Wolfgang v. Goethe, Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens, hrsgg. K. Richter u.a., Münchner Ausgabe, Bd. 3.2 München 1990, 39); Wie sie nach Italien wandern, | Läßts beim Eindruck Keiner bleiben; | Jeder sieht nur was die Andern | Und will doch was anders schreiben (Grillparzer, F., Römerzug, in: Franz Grillparzer, Sämtliche Werke. Ausgewählte Briefe, Gespräche, Berichte, hrsgg. P. Frank u. K. Pörnbacher, Bd. 1: Gedichte – Epigramme – Dramen I, München 1960, 425–426). Für Petrarca sind auf seiner Romreise 1341 das antike und das christliche Rom in den Erinnerungsorten präsent, die er bereits in der Literatur kennen gelernt hat (Petrarca Rerum familiarum 6,2), dazu Assmann (2009), 310ff. Wilhelm v. Humboldt bspw. pointiert die Vorrangstellung des Christentums vor dem paganen Römischen Reich: Denn als hin das erste war gesunken, | Blüht’ in ihr empor ein neues Reich. | Die durch Blut und Kampfschritt siegestrunken, | Herrscht nun sonder Schwert und Lanzenstreich; | Liebe weckt in ihr die Himmelsfunken, | Statt des Lorbeers, grünt der Palme Zweig. | Tod und Knechtschaft hat sie sonst entsendet, | Segnend jetzt die Welt sich zugewendet (Wilhelm von Humboldt, Rom, 377–384); Grillparzer hingegen bewertet auf seinem Rundgang über

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Einführung

Durch diese unterschiedlichen Sichtweisen auf die Stadttopographie ist bereits das 4. Jahrhundert geprägt. In dessen Verlauf avancierte das Christentum unter Konstantin und Theodosius von einer beargwöhnten orientalischen Fremdreligion zur exklusiven Staatsreligion, was ein vielstimmiges literarisches Echo und eine wiedererblühende ‚Romliteratur‘ mit sich brachte. Es gibt zahlreiche spätantike Reminiszenzen auf Rom, in denen Ansässige, aber vor allem Reisende die Ewige Stadt besingen und interpretieren. Einer von ihnen ist der spanische Dichter und Christ Aurelius Prudentius Clemens (*348–nach 405). In seinem Gesamtwerk und insbesondere seinen Gedichtbüchern Contra orationem Symmachi und einigen seiner Märtyrerhymnen werden die Stadt und ihre Religion zu einem zentralen Thema. Bei ihm und anderen christlichen Autoren seiner Zeit wird die Basis für die spätere christliche Interpretation Roms gelegt, wie sie sich bei modernen Romreisenden findet. Prudentius verbindet in seinen Romdichtungen das Alte mit dem Neuen, die Gegenwart mit der Vergangenheit und der Zukunft, das Traditionelle mit dem Christlichen. Auf seiner Romreise blickt der Dichter zugleich auf das, was war, was ist und was sein wird. Ebenso wie viele seiner reisefreudigen Nachfolger durchwandert er die Straßen Roms, besucht die prominenten Orte der Stadt und hält seine Eindrücke für Gegenwart und Nachwelt in einem pedestre carmen fest (Prud. Epilog. 12). In seinem literarischen Werk erschafft er eine Vorstellung dessen, was Felix Dahn später als ein neues Rom | zur Weltherrschaft der Seelen auferbaut bezeichnen wird4.

1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit Schon Augustin Rösler stellt 1886 fest, dass Rom in den Dichtungen des Prudentius eine tragende Rolle zukommt:

4

das Forum Romanum die Christianisierung Roms durch Konstantin ausgesprochen negativ. Die Konstantin-Basilika apostrophiert er mit folgenden Worten: Hoch vor allen sei verkläret, | Constantin, dein Siegesdom, | Mancher hat manch Reich zerstöret, | Aber du das größte – Rom. | Über Romas Heldentrümmern | Hobst du deiner Kirche Thron. | In der Kirche magst du schimmern, | Die Geschichte spricht dir Hohn! (Grillparzer, F., Campo vaccino, 81–88, in: Franz Grillparzer, Sämtliche Werke. Ausgewählte Briefe, Gespräche, Berichte, hrsgg. P. Frank u. K. Pörnbacher, Bd. 1: Gedichte – Epigramme – Dramen I, München 1960, 114–118). Zur Beurteilung Konstantins in der modernen Literatur Schlange-Schöningen (2008), bes. 213ff. zu Grillparzer. Dahn, F., Rom, 33–34, in: Dahn, F., Felix Dahns Gedichte. Auswahl des Verfassers, Leipzig 1901, 340–342.

Ziel und Aufbau der Arbeit

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„Die begeisterte Liebe für Rom, welche uns wiederholt in den Gedichten des Prudentius entgegentritt, hat in den zwei Büchern gegen Symmachus ihren stärksten Ausdruck gefunden.“5 Im Fokus der folgenden Untersuchung stehen die Rominszenierungen des Prudentius in seiner Schrift Contra orationem Symmachi und in den vier Martyriumsberichten des Liber Peristephanon, in denen Rom Handlungsraum ist6. Bereits in seiner Praefatio zur Gesamtwerkausgabe setzt Prudentius seine einzelnen Werke in Bezug zueinander: Die Verse Praef. 39–42 sind oftmals als „Inhaltsangabe“ oder als „Bauplan“ für das Kommende gelesen worden. Rom wird in einer Apostrophe programmatisch als Ort der Dichtungen eingeführt7, der auch in denjenigen Werken Präsenz besitz, die sich nicht direkt mit Rom auseinander setzen. Daher werden die anderen Schriften des Prudentius an entsprechender Stelle in die Untersuchung miteinbezogen werden. In Abgrenzung zur bisherigen Forschung soll weniger die Romideologie des Dichters im Vordergrund stehen als vielmehr der fiktionalisierte Stadtraum, wie ihn auch Ralf Behrwald und Ulrich Schmitzer untersucht haben. Im Anschluss folgt ein Abriss der bisherigen Forschung zu Prudentius’ literarischen Rominszenierungen. Im zweiten Kapitel werden zum einen die theoretischen und methodischen Begriffe und Konzepte vorgestellt, die der folgenden Untersuchung zugrunde liegen. Zum anderen werden die Grundzüge des spätantiken Religions- und Identitätsdiskurses dargelegt und es wird gezeigt, welche Funktion Rom als Erinnerungslandschaft in diesem zukommt. Im dritten Kapitel werden die dritte Relatio des Quintus Aurelius Symmachus und die Antwortschreiben des Ambrosius als thematische Grundlage von Contra orationem Symmachi kurz vorgestellt. Es folgt eine Übersicht über die grundlegenden Diskussionen um Anlass, Entstehungszeit und Gattungszugehörigkeit sowie über den Aufbau der zwei Bücher. Weiterhin wird der Frage nachgegangen, an welchen Adressaten(kreis) sich Contra orationem Symmachi richtet8.

5 6 7

8

Rösler (1886), 223. Zu den römischen Hymnen zählen Perist. 2; 11; 12 und 14. Coşkun (2003), 220. Ebd. 213ff. gibt er einen kurzen Forschungsüberblick. Die Verse Praef. 40–42, in deren Zentrum die Apostrophe Roms steht, fasst er Ebd. 222f. überzeugend als gemeinsamen Verweis auf Contra orationem Symmachi und den Liber Peristephanon. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Mastrangelo (2008) für die Psychomachia und Dykes (2011) für die Hamartigenia.

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Einführung

Im vierten Kapitel werden die zwei Bücher als Diskurselemente des zeitgenössischen Religions- und Identitätsdiskurses betrachtet9. Es wird der Frage nachgegangen, welche Funktion Prudentius der römischen Erinnerungslandschaft als Manifestation des antiken kulturellen Gedächtnisses in Auseinandersetzung mit dem politisch-historischen Kontext zuweist. Im fünften Kapitel werden die Formen der Allegorisierung bei Prudentius näher beleuchtet. Am Beispiel der Rominszenierungen wird aufgezeigt, wie der Dichter einzelne Werke über gemeinsame Metaphernfelder miteinander verschränkt und den Interpretationshorizont der Einzelwerke über die intertextuellen Bezüge erweitert10. Desweiteren wird das Verhältnis untersucht, in das Prudentius Kaiser und Stadt(-personifikation) zueinander setzt. In einem abschließenden sechsten Kapitel wird die Vision des christlichen Rom bei Prudentius ins Blickfeld gerückt und in einen engen Bezug zur Wegmetaphorik gesetzt. Einzelne Passagen von Contra orationem Symmachi sowie die vier Märtyrerberichte des Liber Peristephanon werden mit diesem Untersuchungsschwerpunkt interpretiert. Die vorliegende Arbeit ist als eine exemplarische Einzelfallstudie angelegt, mithilfe derer die diskursiven Mechanismen herausgearbeitet werden sollen, welche die Auffassungen von römischer Weltanschauung, Religiosität und Identität am Ende des 4. und zu Beginn des 5. Jahrhundert prägen und mitbestimmen. Die Schrift Contra orationem Symmachi sowie die vier Hymnen des Liber

9

Zur engen Verbindung von literarischem Text und politisch-religiösem Diskurs Peppel (2003), 19: „Gerade im Bereich der Religion [wird] gesellschaftliche Praxis ständig reflektiert, kritisiert, transformiert; es werden neue semantische Bedingungen geschaffen. Texte und theoretische Konzepte als Formen transpersonaler und translokaler Praxis spielen dabei eine nicht unwesentliche Rolle.“ 10 In seinem mittlerweile grundlegenden Werk zur Allegorie bei Prudentius stellt Reinhard Herzog fest, dass eine „allegorische Vielschichtigkeit als Eigentümlichkeit des gesamten prudentianischen Werks“ betrachtet werden muss (Herzog 1966, 12). In seiner Studie lässt er die zwei Bücher Contra orationem Symmachi indessen weitestgehend außer Acht und zieht sie lediglich zur Untersuchung dreier anderer Werke Peristephanon, Cathemerinon und Psychomachia ergänzend heran, denen jeweils ein eigenes Kapitel gewidmet wird. Die Psychomachia ist oftmals als das allegorische Hauptwerk des Dichters betrachtet und in einigen Monographien untersucht worden. So bereits vor Herzog von Gnilka (1963); im Anschluss an Herzog von Smith (1976); Nugent (1985); Mastrangelo (2008). Auch der Liber Peristephanon hat zu zahlreichen Monographien geführt, in denen oftmals der allegorische Gehalt untersucht worden ist, siehe dazu Kapitel 6. In seiner Rezension zu Mastrangelo stellt Hutchinson (2010), fest, dass „if any of Prudentius’ poetry typically receives in-depth treatment, it is the Psychomachia and its allegories or the Peristephanon, while Prudentius’ other poems, and especially his other hexameter poems, are neglected.“ Aktuell sind Untersuchungen von Malamud (2011) und Dykes (2011) zur Hamartigenia erschienen.

Die Romdichtungen des Prudentius in der bisherigen Forschung

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Peristephanon können als Medien des kommunikativen Gedächtnisses verstanden werden, mittels derer das kulturelle Gedächtnis der Römer neu organisiert werden soll. Als maßgeblicher Untersuchungsgegenstand wurden die literarischen Inszenierungen Roms bei Prudentius gewählt, da die Betrachtung der Stadt als wiederkehrendes Motiv im Gesamtwerk des Dichters und insbesondere in Contra orationem Symmachi ein breites und variationsreiches Untersuchungsspektrum bietet. Bei Prudentius besitzt Rom eine hohe Repräsentationsfunktion für die Veranschaulichung des antiken und des christlichen Weltbildes sowie der damit verbundenen religiösen Überzeugungen.

1.3 Die Romdichtungen des Prudentius in der bisherigen Forschung Die zahlreichen literarischen Verweise auf Rom bei Prudentius haben in der modernen Forschung wiederholt Beachtung gefunden. Oftmals sind das „Verhältnis des Prudentius zu Rom“, sein „Rombild“ oder seine „Romideologie “ untersucht worden. In der älteren Forschung ist man wiederholt zu dem Schluss gekommen, dass der Dichter in seinen Werken die pagane Romidee übernehme und an sein christliches Weltbild anpasse11. Zuletzt hat jedoch Christian Pietsch auf die Studien von Vincent Buchheit aufmerksam gemacht, die verdeutlichten, dass „Prudentius die heidnische Romideologie nicht einfach übernahm“ 12. In seinem Aufsatz „Aeternas temptare vias: Zur Romidee des Prudentius“ geht Christian Pietsch selbst noch einen Schritt weiter und zeigt auf, dass Prudentius’ Romidee keine christianisierte Neuauflage der paganen Romideologie ist, sondern der Dichter die Stadt in einen transzendenten Deutungskontext stellt13. Die vergilische Idee eines imperium sine fine werde beim christlichen Dichter allein unter der Bedingung in den Bereich des Transzendenten – und

11 Paschoud (1967), 222ff.; Thraede (1973); Thraede (1991); Klein (1971), 140ff.; Klein (1985), 130ff.; Klein (1986), 133ff.; Klein (2003), 93ff.; Cacitti (1972); Ludwig (1977), 354ff.; Döpp (1997). Weitere Literatur zur antiken und spätantiken Romideologie unten Kapitel 2, Anm. 40. 12 Pietsch (2001), 260. Er verweist neben anderen Aufsätzen von Buchheit auf Buchheit (1966); Buchheit (1990). Pietsch merkt jedoch an, dass Buchheit trotz seiner innovativen Gedanken immer noch an eine christliche Erneuerung der antiken Romidee denke. Aus demselben Grund kritisiert er Kah (1990). 13 Die irdische Ewigkeit des imperium Romanum wird mit dem christlichen jenseitigen Ewigkeitsgedanken kontextualisiert.

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Einführung

damit in die Ewigkeit – ausgedehnt, dass Rom unter dem Christentum stehe14. Damit nehme der irdische Staat gegenüber der Religion eine dienende Funktion ein und das Verhältnis von Staat und Religion werde umgekehrt. Während in der traditionellen säkularen Staatsideologie die Expansion des römischen Reiches einen reinen Selbstzweck darstelle, werde sie bei Prudentius zu einer condicio sine qua non für die Verbreitung des Christentums. Der römischen Herrschaft werde von Prudentius somit nur dann eine zivilisatorische Leistung und ein hoher Stellenwert beigemessen, wenn sie unter dem Zeichen des Christentums steht15. Neben den Untersuchungen zu Prudentius’ Romideologie sind einzelne Monumente und Bauwerke der Stadt, die in seinen Schriften Erwähnung finden, unter einem meist archäologischen Interessenschwerpunkt mit ihrem realen Pendant in Bezug gesetzt worden16. Oftmals ist die Romreise des Pru-

14 Pietsch (2001), 272, ähnliche Ansätze zeigt bereits Brodka (1998), 148ff. In 158ff. setzt er sich mit dem Ewigkeitsgedanken auseinander und kommt zu dem Schluss: „Das römische Kaiserreich geht über die irdische Wirklichkeit hinaus, wird zum Vermittler zwischen Jenseits und Diesseits.“ Im Anschluss balanciert er jedoch wenig überzeugend mit dem aeternitas-Begriff bei Prudentius. Die wegbereitende Funktion des römischen Reiches bei Prudentius betont vor kurzem auch Lühken (2002), 172ff., bezieht jedoch den Transzendenzgedanken noch nicht mit ein. 15 Das Verhältnis, in das Prudentius Reich und Religion setzt, basiert auf einem eher romfreundlichen Weltbild, das sich auf dem Lukasevangelium begründet, in dem die Geburt Christi und die Herrschaft des Augustus in Verbindung gesetzt werden. Dieses Weltbild findet sich bspw. bei Melito, Tertullian oder Origenes, dazu Klein (2000), 206ff. Bei Tertullian und Origenes eröffnet sich für die Römer die Aussicht, ein imperium sine fine nicht durch Waffengewalt, sondern durch die christliche pax zu verwirklichen. Die Roma aeterna-Idee wird nicht mit einbezogen, sondern abgelehnt, vgl. Klein (1968), bes. 65ff. (zur Roma aeterna); bes. 71f. (zur Weltherrschaft); Klein (2000), 216ff.; 220ff. Lactanz bedauert noch den bevorstehenden Untergang des römischen Reiches mit dem Weltende, dazu Klein (1968), 67f., vgl. unten Kapitel 2, Anm. 31; Kapitel 4, Anm. 55. Erst Eusebius verwirklicht die historische Gleichzeitigkeit des Prinzipat unter Augustus und erstehendem Christentum in einer „politische[n] Theologie“ bzw. „Reichtheologie“, vgl. Klein (2000), 213; 220; 234f. Zum positiven Augustusbild bei Augustinus und Ambrosius Klein (1971), 136ff; Klein (2000), 235. Dem entgegen steht dessen Beurteilung bei Prudentius in CS 1,249–251, dazu unten S. 111ff. Nicht nur das Augustusbild, sondern auch das Urteil über die römische Frühzeit geben Aufschluss darüber, ob ein positives oder negatives Rombild beim jeweiligen christlichen Autoren gezeichnet wird, dazu v. Haehling (2000). Dem romfreundlichen Ansatz steht die romfeindliche Tradition entgegen, die sich auf der Apokalypse des Johannes begründet. Vertreter dieses Weltbildes sind bspw. Irenaeus oder Hippolyt von Rom, dazu Klein (2000), 228ff. 16 Allard (1884); Cerri (1963); Charlet (1986a); Gnilka (2000d), zum Forum Romanum vgl. unten S. 158ff.; zu den christlichen Erinnerungsorten S. 278ff.

Die Romdichtungen des Prudentius in der bisherigen Forschung

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dentius als Anlass für die poetischen Autopsieberichte betrachtet worden17. Zuletzt untersuchen Ralf Behrwald und Ulrich Schmitzer die literarische Repräsentation der Stadttopographie in den Werken des Prudentius. Während letzterer überblickartig die Roma christiana bei Prudentius in Abgrenzung zu den paganen Rominszenierungen der Zeit skizziert18, widmet Ralf Behrwald dem Dichter ein eigenes Kapitel, das er in die zwei Unterkapitel „Rom in den Schriften Contra Symmachum“ und „Das christliche Rom bei Prudentius“ unterteilt19. Er gliedert seine Untersuchung damit entsprechend der Werkgrenzen in pagane Monumente und christliche Bauten bei Prudentius. Im ersten Abschnitt bearbeitet Ralf Behrwald vorrangig das erste Buch Contra orationem Symmachi und beleuchtet die Szenerie auf dem Forum (CS 1,197–244), den Schluss der Theodosiusrede (CS 1,501–505) und den Passus über die kapitolinischen Verschwörer (CS 1,533–557)20. Dabei gelangt er zu drei grundlegenden Ergebnissen: 1. Prudentius trennt zwischen dem Wesen und der Verwendung paganer Kultstatuen und wendet diese Trennung auf den gesamten Stadtraum an21; 2. anhand der römischen Stadttopographie wird der trügerische Charakter des Götterglaubens verdeutlicht22; 3. die Chris-

17 Zu den „wildesten Spekulationen über den Anlass der Romfahrt“ und zur Datierung Thraede (1965), 140 mit weiterführender Literatur in Anm. 226–228. Er folgert richtig aus Perist. 9,1f., Perist. 11 und 12, dass mindestens ein Romaufenthalt des Prudentius als bezeugt gilt, während Perist. 2 und 14 vor einem Rombesuch des Dichters anzusetzen seien. Während Harries (1984), 73 für einen Aufenthalt zwischen 391 bzw. 395 plädiert, widerspricht überzeugend Shanzer (1989), 461, Anm. 1, die einen Rombesuch nach 399 annimmt, da Perist. 2,481–484 auf das Gesetz des Honorius dieses Jahres anspiele, dagegen argumentiert Tränkle (2008), 9; vgl. Palmer (1989), 29ff., die für mehrere Aufenthalte plädiert. Bereits Tränkle (1999), 105ff. zieht die Möglichkeit in Betracht, dass Prudentius nicht, wie vielfach angenommen (vgl. Ebd. 106, Anm. 43), erst um 401–403 in Rom gewesen sei, sondern schon 395 die Stadt besucht habe. Seiner Ansicht nach spielt Perist. 2 nicht zwangsläufig auf das Gesetz des Honorius an, sondern kann wie auch CS 1,501–505 als „historisches Zeugnis für die Haltung des Theodosius selbst“ betrachtet werden (Ebd. 111). Coşkun (2008), 307ff., bes. 313f. datiert die Romreise wieder in die Jahre 401–402. Sicher anzunehmen ist, dass Prudentius die Stadt irgendwann zwischen 391 und 403 besucht hat. Zur Verbindung von Romreise und Liber Peristephanon unten S. 279. 18 Schmitzer (2012). In Anlehnung an Behrwald denkt er an eine Besetzung des römischen Stadtraumes durch die paganen Götter und deren Kulte bei Prudentius. Deren Vertreter sollen gemäß Schmitzer bei Prudentius „mit elaborierten poetischen Mitteln […] ein für alle Mal aus der Stadt vertrieben werden, um den Raum zu schaffen für das Christentum.“ 19 Behrwald (2009), 258ff. 20 Für das übrige Buch stellt Behrwald (2009), 263 fest: „Hier begegnen die Monumente noch ohne erkennbares System.“ 21 Behrwald (2009), 262f.; 267. 22 Behrwald (2009), 266.

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Einführung

tianisierung Roms wird als „Aneignung zuvor heidnisch ‚besetzter‘ Stätten“ aufgefasst23. In der Besprechung des zweiten Buches konzentriert er sich auf die Passage zur Victoriastatue und stellt einige Unstimmigkeiten zum ersten Buch fest, was er mit einer veränderten Stoßrichtung des zweiten Buches erklärt24. Am Schluss des Kapitels vermerkt er, dass auch das zweite Buch keine in sich stimmige Beurteilung der paganen Monumente Roms beinhalte. Der zweite Abschnitt konzentriert sich auf die vier Romgedichte des Märtyrerzyklus25. Im Laurentiushymus sieht er einige Parallelen zu Contra orationem Symmachi, da auch hier die Idee einer paganen Besetzung und einer Reinigung der Stadtlandschaft in Erscheinung trete. Für den Hippolytushymnus stellt er vorrangig einen „Lokalkolorit“26 fest und streift den Hymnus auf Agnes nur beiläufig. Den breitesten Raum nimmt die Besprechung des Apostelhymnus ein, für den er am Ende feststellt: „Im Hymnus 12 entwirft Prudentius mithin das Bild einer gänzlich christianisierten Stadt.“27 Er stellt die beiden untersuchten Werke über die Auffindung einiger gemeinsamer Motive hinaus in keinen größeren Wirkungszusammenhang28. Seine Ergebnisse können durch die von Ulrich Schmitzer präzisiert und ergänzt werden. Dieser betrachtet das Konkurrenzverhältnis von alter und neuer Religion im städtischen Raum ebenfalls als Zentralpunkt der prudentianischen Dichtung29. Er verdeutlicht, dass in dessen Gedichten (vor allem im

23 Behrwald (2009), 267. Seine hier formulierte Annahme einer Inkonsequenz bei Prudentius resultiert daraus, dass er die verschiedenen Zeitebenen im ersten Buch nicht beachtet. So hat Theodosius die Stadt und das Kapitol in der Vergangenheit zwar vom Götterkult ‚gereinigt‘, in der Gegenwart ist der alte Glaube jedoch wieder aufgelebt und der fiktive Gegenspieler des Erzählers plädiert für die Wiedereinsetzung der Götter. Quascumque solent Capitolia claudere larvas (CS 1,631) kann als resultatives Präsens aufgefasst werden: Die ,Gespenster‘ der Vergangenheit scheinen bis in die Gegenwart überdauert zu haben. 24 Behrwald (2009), 268ff. Im ersten Buch können die Statuen laut Behrwald noch vom Schmutz gereinigt werden und als Kunstwerke bestehen, während im zweiten ihre Zerstörung angeraten wird, da sie an sich schmutzig (sordidus) sind. Zur Widersprüchlichkeit beider Bücher siehe auch Kapitel 5, Anm. 55. 25 Behrwald (2009), 270ff. 26 Behrwald (2009), 273. 27 Behrwald (2009), 276. 28 Ein enger Bezug zwischen den beiden Werken wird schon über ihre gemeinsame Anführung in Praef. 40–42 hergestellt: … conculcet sacra gentium, | labem, Roma, tuis inferat idolis, | carmen martyribus devoveat, laudet apostolos. Coşkun (2003), 221 stellt die antithetische Formation der Verse heraus, in denen die sacra gentium und idola den martyres und apostoli opposititonell gegenübergestellt werden. Bereits in der Praefatio zeichnet sich damit die Konkurrenz beider Religionen um die römische Stadttopographie ab. 29 Schmitzer (2012), 242ff.

Die Romdichtungen des Prudentius in der bisherigen Forschung

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Liber Peristephanon) die Märtyrergräber zu den neuen Bezugspunkten der Bevölkerung würden und eine veränderte Stadtwahrnehmung evoziert werde. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass die Romdichtungen des Prudentius nicht nur auf eine veränderte Rezeption der Stadt als Außenwelt abzielen, sondern vor allem auf eine innerliche Umorientierung ihres Betrachters, die sich wiederum in seinem Verhalten im städtischen Raum widerspiegelt.

2 Stadt – Religion – Diskurs 2.1 Diskurs und Identität „Ein Diskurs ist ein Netzwerk von Texten und Textsegmenten, in dem auf gesellschaftlicher Ebene über einen längeren Zeitraum hinweg ein Thema verhandelt wird. Die Bindung der Texte und Textsequenzen untereinander ist durch ein gemeinsames Thema gegeben und realisiert sich über formale, semantische und semiotische Bezüge.“1 Dieser Diskursbegriff von Claudia Fraas soll der folgenden Untersuchung zugrunde liegen. Unter Texten versteht sie nicht nur schriftliche Zeugnisse, sondern alle „Medien der Konstitution und Weitergabe von Wissen“ 2, womit auch Bauwerke, Kunstwerke, Alltagsgegenstände wie Münzen sowie rituelles, politisches und gesellschaftliches Handeln zu interpretierbaren semiotischen Zeichen und zu konstitutiven Elementen einer diskursiven Formation werden. Raum (und insbesondere der römische Stadtraum) soll im Folgenden als eine diskursiv geformte und formbare Größe verstanden werden, die geprägt ist durch die Relation von materieller Dimension, interaktionalen Prozessen und Kommunikation über den Raum. Mediale Repräsentationen Roms rekurrieren also nicht auf eine bestehende Entität, sondern ‚erschaffen‘ den Stadtraum erst als Produkt. In mentalen Stadtkonzepten werden Raum und Wissen zu interpendenten Größen3. Wissen wird über diskursive Aushandlungsprozesse in einer Gesellschaft oder einem Kulturraum konstituiert und muss gemäß Claudia Fraas als „überindividuelles Phänomen“ aufgefasst werden, das durch soziale Interaktion konstituiert wird4. Über Diskurse als soziale Praktiken wird somit nicht zuletzt das organisiert und festgesetzt, was man als die ‚Weltanschauung‘ oder das ‚Weltbild‘ einer Kulturgemeinschaft bezeichnet5. Es wird festgesetzt, was als

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Fraas (2005), 245. Ihr Diskursbegriff basiert auf einer Erweiterung des Konzepts von Michel Foucault. Fraas (2005), 2, vgl. Foucault (1981), 151ff. So Stenger (2011), Plenartagungsbericht für die Topoi Forschergruppe C-IV. Zur Verbindung von Raum, Bewegung und Bedeutung Cresswell (2002), bes. 20ff.; zur literarischen Repräsentation von Raum Wenz (1997); Piatti (2009); Dennerlein (2009); Hallet/Neumann (2009); Harendt/Sprunk (2010). Fraas (2005), 2. Gemäß Foucault (1981), 74 sind Diskurse Praktiken, die „systematisch die Gegenstände hervorbringen, von denen sie sprechen“.

Diskurs und Identität

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‚wahr‘ oder ‚richtig‘ anerkannt wird6, und es wird das Verhalten des Individuums in der Welt gesteuert. Die historische Diskurssemantik steht der Mentalitätsforschung nahe7 und kann für die Untersuchung dessen, was Jan Assmann als das „kulturelle Gedächtnis“8 bezeichnet, fruchtbar gemacht werden. Er rechnet das kommunikative und das kulturelle Gedächtnis zu den vier Außendimensionen des Gedächtnisses9. Hinzu treten das „mimetische Gedächtnis“ (Nachahmen von Handlungen) und „das Gedächtnis der Dinge“. Im kulturellen Gedächtnis vereinen sich alle drei anderen Teilbereiche, wenn wiederholte Handlungen zu sakralen Riten, Gebäude und Orte zu bedeutsamen Erinnerungsorten10 wer6

Zu den Ausschließungsmechanismen des Diskurses grundlegend Foucault (1991), bes. 10f.; Klawitter/Ostheimer (2008), 164; auf Foucault aufbauend Busse (2000), 2f.; Fraas (2005), 2. 7 Fraas (2005) bindet ihr Forschungsinteresse nicht explizit an die historische Diskurssemantik an. Die von ihr untersuchten social semiotics (Ebd. 2005, 5) stehen dem Forschungsinteresse von Busse (2000) und Scharloth (2005) jedoch sehr nahe, vgl. Scharloth (2005), bes. 124ff. Das vergesellschaftete Wissen bezeichnet er Ebd. 122 als „historische Episteme“, als Zusammenstellung von „Kategorien oder Schemata“. Der Ansatz von Fraas (2005) basiert auf dem Frame-Konzept. 8 Assmann (1992), Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in 6 frühen Hochkulturen, München (hier: Nachdruck 2007). Vgl. Fraas (2005), 3. Ebenso wie der Textbegriff kann auch der Intertextualitätsbegriff weiter gefasst werden. Innerhalb eines Diskurses bezeichnet Intertextualität nicht nur die Wechselbeziehungen zwischen schriftlichen Texten, sondern kann ebenso die zwischen schriftlichen Texten, (materiellen) Symbolen, Kunstwerken, sozialen Interaktionen etc. umfassen. Zu weiteren Belegstellen Hölkeskamp (2004a), 138, Anm. 4. 9 Zur Differenzierung beider Assmann (2007), 20f.; 48ff.; 58. Die Zeitspanne des kommunikativen Gedächtnisses setzt er auf 3–4 Generationen fest, was die Römer als saeculum bezeichnen; Fraas (2005), 3 verortet den Übergang vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis beim Einsatz externalisierter Gedächtnismedien: „Über Medien vermitteltes Wissen wird bei Assmann deutlich aus dem Konzept des kommunikativen Gedächtnisses herausgehalten. Wenn Erinnerung nicht mehr über autorisierte Zeitgenossen funktioniert, sondern Vermittlungsmedien braucht, geht kommunikatives in kulturelles Gedächtnis über.“ 10 Zum Konzept des Erinnerungsraumes grundlegend Assmann (2009), bes. 21: „Beim Aufsuchen eines Erinnerungsortes „kommt es zu ‚Reanimationen‘, wobei der Ort die Erinnerung ebenso reaktiviert wie die Erinnerung den Ort.“ Erinnerungsorte bezeichnen im Folgenden entsprechend der Definition von Halbwachs (1967), 127ff. einzelne (stadt-)topographisch lokalisierbare Entitäten, vgl. dagegen das weitergefasste Konzept von Nora (1990). Sie werden als von Menschen erschaffene ‚Räume‘ aufgefasst, vgl. zur Differenzierung von ‚Ort‘ und ‚Raum‘ Egelhaaf-Gaiser (2002), 125. Die Verbindung von Ort und Erinnerung ist beim Erinnerungsort nicht arbiträr, sondern beruht auf einer kulturellen, nicht beliebig verschiebbaren konventionellen Konzeption. Seine Funktion als Symbol erfüllt ein Erinnerungsort basierend auf dem Symbolbegriff von Hoffmann (2001), bes. 103f. nur dann, wenn es einen kompetenten Interpretanten gibt, der den richtigen Bezug zwischen Ausdrucksseite (Ort) und Inhaltsseite (bedeutungstragende Geschichte) herstellt. Ein gutes Beispiel bietet der Rom-

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Stadt – Religion – Diskurs

den und die Alltagskommunikation in einen sinnkonstitutiven Austausch in Zeremonien und Texten überführt wird11. Über das gemeinsame und geteilte Erinnern wird das Lebensumfeld einer sozialen Gemeinschaft zu einer gedeuteten Wirklichkeit, in der zum einen eine einheitliche Weltanschauung manifestiert und zum anderen eine kollektive Identität der Gruppe begründet wird12. Wirklichkeitswahrnehmung und die Verortung des Selbst in der Welt stellen somit gesellschaftlich und institutionell geformte Realitäten dar. Andreas Felmy und Steffen Diefenbach wenden die Ansätze von Jan Assmann erstmals auf die Spätantike an13. Andreas Felmy untersucht den Gebrauch republikanischer exempla in der spätantiken Literatur und legt seinen Schwerpunkt damit auf ein literarisches Diskurselement. Dieses untersucht er als Einzelphänomen im Querschnitt durch verschiedene Gattungen14. Steffen Diefenbach fokussiert in seiner Studie zu römischen Erinnerungsräumen, wie die lokale Heiligenverehrung in Rom etabliert wurde und identitätsstiftende christliche Erinnerungsräume in die antike Stadtlandschaft integriert wurden15. Er erforscht die von Joachim Hölkeskamp so bezeichnete „Präsenz des monumentalen Gedächtnisses“ 16 im städtischen Raum.

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besuch Petrarcas im Jahr 1341, für den aufgrund seiner umfassenden literarischen Studien sowohl pagane als auch christliche Erinnerungsorte interpretierbar werden (Petrarca Rerum familiarum 6,2, dazu Assmann 2009, 310ff.). Zu den Erinnerungsorten Roms Hölkeskamp (2004a), 175; Walter (2004), 155ff. Zur Bedeutung der Stadttopographie in der antiken Literatur Cic. ac. 1,9; vgl. Varro ant. div. 2a Cardauns = Aug. civ. 6,2. Assmann (2007), 20f. Gemäß Assmann (2009), 181ff. wird Schrift in vielen Kulturkreisen als das sicherste Gedächtnismedium betrachtet. Assmann (2007), 16. Vgl. Ebd. 30: „Jedes Volk, das sich als solches und im Gegensatz zu anderen Völkern sieht, imaginiert sich ‚irgendwie‘ als auserwählt.“ Zur Selbstwahrnehmung der Römer als auserwähltem Volk Verg. Aen. 1,278f.; 6,851ff. Felmy (2001); Diefenbach (2007). Daneben stellt der Sammelband von Hölkeskamp/SteinHölkeskamp (2006) verschiedene Aufsätze zu Rom als Erinnerungslandschaft zusammen, die sich teilweise auf Jan Assmanns Theorie begründen. Das kulturelle Gedächtnis im republikanischen Rom untersuchen Flaig (2004); Walter (2004), der statt vom kulturellen Gedächtnis von einer „Geschichtskultur“ spricht,; Hölkeskamp (2004). Felmy (2001), 21. Ebd. 287f. kommt er zu dem Schluss, dass die Republik im 4. Jahrhundert „durchaus noch normative Kraft“ besaß, die römische Vergangenheit jedoch nicht idealisiert wurde. Diefenbach (2007), bes. 23. Ebd. 9ff. übt er in zwei Punkten Kritik am Konzept des kulturellen Gedächtnisses: Zum einen würden bei Jan Assmann diejenigen Vorgänge, die zur Ausbildung des kulturellen Gedächtnis führen und dessen Inhalte bestimmen – kurz: Prozesse des kommunikativen Gedächtnisses – zu wenig ins Blickfeld gerückt und das kulturelle Gedächtnis erschiene statisch. Zum anderen wirft er die Frage auf, ob das Konzept geeignet sei, Formen der kollektiven Identitätsausbildung in heterogenen Gesellschaften zu erfassen. Er räumt jedoch ein, dass „Erinnerung auf personaler ebenso wie auf kollektiver Ebene eine identitätsstiftende Funktion hat, [was] als eine petitio principi kaum zu bezweifeln sein dürf-

Diskurs und Identität

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Die beiden Studien dienen als Basis für die vorliegende Arbeit, in der untersucht werden soll, wie bei Prudentius literarische Konzeption und topographische Präsenz des kulturellen Gedächtnisses in eine diskursive Wechselbeziehung gesetzt und kommuniziert werden. Unter einem modifizierten und erweiterten Gebrauch des Kulturmodells von Jan Assmann soll das kulturelle Gedächtnis im Folgenden als ein soziokulturelles Phänomen betrachtet werden, dessen Inhalte über Vertextung jeglicher Art diskursiv organisiert sind und ebenso durch diskursive Praktiken im kommunikativen Gedächtnis wiederum transformiert oder sogar dekonstruiert werden können. Im kulturellen Gedächtnis der Spätantike basiert das Wissen um die Bestimmung und die Identität des populus Romanus auf einem nahezu kanonisch geschlossenen Kompendium, das den (sakralen) mores maiorum, den Taten republikanischer Helden oder herausragender Kaiser (principi boni) eine Vorbildfunktion zuspricht. Die beständige Gegenwart der mythhistorischen Vergangenheit in Literatur, Kultur und Stadttopographie forciert eine homogene Gruppenidentität17. Die „Dingwelt“ dient als Spiegel römischer Religion, Selbstauffassung und Wertvorstellungen und wird zur Basis der (Selbst-)Erkenntnis18.

te“. In seiner Untersuchung schließt er die Lücke mithilfe der mediävistischen Memorialforschung. Hier sollen die Prozesse des kommunikativen Gedächtnisses stattdessen mithilfe der historischen Diskurssemantik untersucht werden. 16 Hölkeskamp (2004a), 164f. 17 Zum „mos als handlungsleitendes Modell sozialer Interaktion“ Walter, (2004), 18; zur Autorität der tradierten exempla in der Spätantike Ernesti (1998), 318; Felmy (2001), bes. 283; vgl. Niquet (2000); Eigler (2003), bes. 77ff.; Sehlmeyer (2009), 32ff.; 44ff.; 113 zu den spätantiken Breviarien. Zur Lektüre der ‚Klassiker‘ und der exempla im spätantiken Schulwesen Sehlmeyer (2009), 112ff.; 116f.; 128ff.; 133ff. zum Schulkanon; Eigler (2003), 22; 91ff., bes. 96; vgl. 102; 234ff.; Flaig (2004), 91 zur Einheitlichkeit in der Historiographie; Gemeinhardt (2007), bes. 395ff. zu antiker Bildung und Christentum; Cameron (2011), 399ff. zur Lektüre der Paganen. Zur Aufnahme von Persönlichkeiten und Figuren der Frühzeit und Mythologie in die christliche Literatur Carlson (1948); zur Funktionalisierung des antiken Götterkanons bei Claudian Dorfbauer (2009), bes. 207ff. Als Beispiele des retrospektiven Vergangenheitsbezuges in der Stadttopographie seien hier die casa Romuli (dazu Edwards 1996, 33ff.) und das neu errichtete Schiff des Aeneas genannt (dazu Muth 2006). Anders als in der republikanischen Zeit bestehen in der Spätantike also weniger einzelne „Partikulargedächtnisse“, wie Diefenbach (2007), 10 sie für die frühere Epoche annimmt. 18 Assmann (2007), 20; 39; 59. Zum Diesseitsbezug in der römischen Kultur Kreutz (2008), 200.

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Stadt – Religion – Diskurs

Dem entgegen steht die Transzendenzausrichtung des Christentums19. Christliche Römer adaptieren – soweit möglich – oder negieren das kanonische Wissen des antiken (oder traditionellen) kulturellen Gedächtnisses und konzipieren eine neue, christlich-römische Identität basierend auf einer christlichen Weltanschauung. Die spätantiken (Religions-)Diskurse des ausgehenden 4. Jahrhunderts nehmen eine Zwischenstellung zwischen dem kulturellen und dem kommunikativen Gedächtnis ein, wenn normativ festgesetztes Wissen neu verhandelt und mit neuem Wissen harmoniert wird. Am Ende des 4. und zu Beginn des 5. Jahrhunderts behandeln Religionsdiskurse nicht nur die Frage, was unter dem Göttlichen verstanden werden soll. Vielmehr werden neben dem theologischen Gottesbegriff politische, soziale und gesellschaftliche Ordnungsprinzipien neu verhandelt. Die Debatte um 20 die richtige Religion besitzt stets auch politisch-historische Implikation . Im Fokus der folgenden Untersuchung steht das Verhältnis zwischen dem antiken Götterglauben und dem Christentum am Ende des 4. und zu Beginn des 5. Jahrhunderts im weströmischen Reich, das sich nicht zuletzt im wiedererwachten Romdiskurs der Zeit widerspiegelt21. Mit der Konstantinischen Wende war das Christentum von einer beargwöhnten superstitio peregrina, zur geduldeten Religion und schließlich unter Theodosius zur Staatsreligion geworden22. Einige Mitglieder der römischen Oberschicht waren zum christlichen Glauben übergetreten, andere verharrten in ihren angestammten Vorstellungen, während wieder andere aus politischen Gründen den christlichen Glauben nur vordergründig annahmen und damit zu

19 Bspw. Ambr. epist. 18,7 Venite et discite in terris caelestem militiam. Hic vivimus et illic militamus. Caeli mysterium doceat me deus ipse, qui condidit, non homo, qui se ipsum ignoravit. 20 Die zahlreichen spätantiken Diskurse verschiedener Thematiken werden in vielen jüngeren Studien untersucht, so bspw. bei Fuhrer (2008); Kahlos (2007); Piepenbrink (2009); Stenger (2009); Rüpke (2011); Cameron (2011); vgl. den Überblick bei Demandt (2008), 405ff.; zur historisch-politischen Relevanz des Religionsdiskurses Fürst (2011), bes. 459f. 21 Die christlichen innerreligiösen Diskurse sollen hier weitestgehend außer Acht gelassen werden, da die christlichen Autoren in der Argumentation gegen die Götterreligion die Christenheit verständlicherweise als eine geschlossene Einheit inszenieren. Zu den innerchristlichen Kontroversen Fuhrer (2004), 8f.; Fuhrer (2008); Gemeinhardt (2007), 132. Luz (2010) versteht das Christentum als Kult neben anderen spätantiken Kulten und untersucht seine Etablierung zur Staatsreligion. 22 Ich schließe mich Gemeinhardt (2007), 130f. an, der die Konstantinische Wende als einen Prozess begreift, der sich vom Toleranzedikt des Galerius 311 bis zur Gesetzgebung des Theodosius ab 380 erstreckt. Zum Christentum unter Theodosius Ernesti (1998); Leppin (1996), bes. 105ff; (2003); Demandt (2008), 99ff.

Diskurs und Identität

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Namenschristen wurden23. Die gesellschaftliche und politische Situation des 4. und 5. Jahrhunderts lässt sich durch eine religiöse Pluralität und grundsätzliche Koexistenz charakterisieren, die ein gewisses Konfliktpotenzial in sich barg24. Obwohl christliche Autoren die Christianisierung des römischen Reiches gerne und oft als einen abgeschlossenen Prozess darstellten25, zeichnen historische und literarische Quellen ein anderes Bild: So werden noch im 5. Jahrhundert Gesetze gegen die Heiden erlassen und die Debatte um die richtige Religion wird fortgeführt26. Von christlicher Seite werden alle nichtchristlichen Religionen ungeachtet jüngster monotheistischer Strömungen als abergläubische Vielgötterei angeprangert und oftmals mit dem Begriff superstitio belegt. Insbesondere die Gottheiten der römischen Staatsreligion geraten vermehrt in den Fokus der Anprangerung. Der Pluralität an Religionen und Gottheiten wird die Einheit und Einzigartigkeit des christlichen Gottes gegenübergestellt und das Christentum wird zur einzigen monotheistischen Religion erklärt27. Die Argumentation der traditionell orientierten Römer basiert auf den alten römischen Werten und Richtlinien. Sie postulieren zur Erhaltung des Staa-

23 Zur spätantiken Gesellschaft (in Rom) Harris (1999); Rousseau (2010); zur ‚paganen‘ Oberschicht Cameron (1999); Cameron (2011); zur innerchristlichen Polemik gegen die incerti und mali Kahlos (2007), 42ff.; Piepenbrink (2009), 125ff. 24 Zur historischen und religiösen Situation in der Spätantike Momigliano (1963); MacMullen (1997); Curran (2000), 159ff.; Demandt (2008), 405ff.; Kahlos (2007); Gemeinhardt (2007), 129ff.; Cameron (2011), 33ff. 25 So auch Prudentius in CS 2,3 diximus, et nostro Romam iam credere Christo. 26 Gemeinhardt (2007), 131; Lancon (2000), 92ff. Das Fortleben des ‚Heidentums‘ wird in den Sammelbänden von van Oort/Wyrwa (1998); Lavan/Mulryan (2011) untersucht. Erst 494 wurden die Lupercalia von Papst Gelasius verboten, noch 599 mussten die Heiden Sardiniens von Gregor dem Großen gezwungen werden, zum Christentum zu konvertieren (Greg. M. epist. 9,204). 27 Zur problematischen Differenzierung von ‚christlich‘ und ‚heidnisch‘ bspw. TanaseanuDöbler (2012), 340f. Zeitgleich mit dem Erstarken des Christentums sind bei nichtchristlichen Autoren Vorstellungen einer Universalgottheit, unter der die paganen Gottheiten zusammengefasst werden, zu beobachten. Zu monotheistischen Strömungen in der Spätantike Kahlos (2007), 137ff.; Luz (2010), 99f.; Fürst u.a. (2013); Chiai (2016); weitere Literaturhinweise bei van Nuffelen (2012). Zu den Begriffen superstitio und religio in der christlichen Argumentation Harmening (1979), bes. 33ff.; Kahlos (2007), 99ff. Zur Polemik und Argumentation gegen die paganen Religionen Opelt (1980); Fiedrowicz (2000); König (2008), 130ff. Die Auseinandersetzung der Jahrhundertwende greift vorwiegend auf Argumente der frühen Apologeten wie Tertullian oder Lactanz zurück. Lediglich das Judentum wird nicht als Polytheismus angeprangert. Es wird jedoch anderweitig zum Gegenstand christlicher Polemik, dazu Demandt (2008), 425ff.

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Stadt – Religion – Diskurs

tes ein Festhalten an den sakralen Stätten und Ritualen28. Es steht weniger zur Diskussion, welches die richtige oder falsche Religion ist. Vielmehr wird über das Erinnern an die eigene Vergangenheit eine römische Identität bewahrt. Das Christentum – die aufsteigende Religion – wird in den Schriften derjenigen, die für die altrömischen Sitten und Normen plädieren, als religiöses und politisches Phänomen nahezu ausgeblendet29. Eine strikte Grenzziehung zwischen Christen und Paganen darf somit nicht als gesellschaftlicher Tatbestand betrachtet werden, sondern stellt vielmehr eine diskursive Strategie der christlichen Seite dar, mithilfe derer ein paganes Umfeld konstruiert wird, dem es sich zur Verbreitung des Christentums entgegenzuwerfen gilt30. Während christliche Identität im römischen Reich damit vorrangig über Abgrenzungsprozesse aufgebaut wird, (re)konstruieren die römischen Eliten ihre Selbstauffassung als populus Romanus aus der langjährigen Tradition der eigenen Geschichte und Mythologie. Mit der Zeit weicht das anfangs tendenziell „antagonistische Selbstverständnis“31 der Christen gegenüber der paganen Umwelt dem Bestreben die 28 Vielfach wird von einen „pagan revival of the late fourth century“ gesprochen, so bspw. bei Bloch (1945); Fuhrmann (1967), 75; Markus (1974), 8 spricht sogar von einer „Frontstellung römischer Literatur gegen das Christentum“, dazu kritisch Cameron (1999); Cameron (2011), 4ff.; 59ff. zu Eugenius; 231ff. zu den Saturnalia; 399ff. zur Literatur und ihrer Rezeption. Eher ist von einem Fortleben einer paganen Kultur zu sprechen, vgl. Schmitzer (2006); Schmitzer (2012); Curran (2010), bes. 330f. Luz (2010), 115 stellt fest, dass in der Spätantike nicht von „konkurrierenden Wahrheitsansprüchen“ zwischen Christentum und Römertum gesprochen werden könne, da die antike römische Religion im Gegensatz zum Christentum keinen Wahrheitsanspruch stelle. 29 Schmitzer (2005), 250. Cameron (2011), 406 stellt fest, dass die Literatur, in der die römische Vergangenheit wieder auflebte, sogar einen christlichen Leserkreis hatte. Oftmals ist der etwas grobschlächtig und ungebildet skizzierte Euangelus in Macrobius’ Saturnalia als Christ gelesen worden, dagegen Cameron 2011, 253f.; gemäß Ebd. 220ff. erwähnt Ammian das Christentum als Phänomen, polemisiert aber nicht dagegen. Dagegen stellt Stenger (2009), 377ff., bes. 387f. im Osten des Reiches bei Libanios durchaus eine antichristliche Polemik fest. 30 Cameron (2011), 10; Markus (1990), 16 stellt einen „Säkularisierungsprozess“ fest, im Zuge dessen profane Gegenstände des täglichen Lebens einer religiösen Konnotation unterworfen wurden. Gemeinhardt (2007), 21f. betrachtet den Begriff „Heiden“ als einen „pejorativ und religiös konnotierten, also normativen Begriff für alle Nichtchristen, der im Grunde erst durch die kaiserliche antipagane Gesetzgebung im späten 4. und frühen 5. Jahrhundert präzise umrissen war“, vgl. Ebd. 133; Kahlos (2007), 15ff.; 57; Piepenbrink (2009), 133ff.; 283. Diese Abgrenzung kann auch innerchristliche Gruppierungen betreffen wie Häretiker oder die bei Piepenbrink untersuchten „schlechten Christen (mali)“; vgl. Gemeinhardt (2007), 132. 31 Vinzent (1998), 37. Während die frühen Apologeten sich teilweise noch entschieden von Roms Ewigkeitsanspruch abgrenzen, betten jüngere Autoren wie Prudentius oder Hierony-

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römische Welt als die eigene Lebenswelt anzunehmen, so dass gerade gegen Ende des 4. Jahrhunderts mannigfaltige Christianisierungsprozesse und eine Adaption ehemals paganer Lebensbereiche zu beobachten sind32. Diese Aneignungsprozesse umfassten neben den Bereichen des alltäglichen soziokulturellen Lebens insbesondere auch die antike Literatur33. Es wurden nicht nur Gattungen, literarische Motive und poetische Topoi paganer Autoren übernommen und der eigenen Weltanschauung unterstellt, sondern auch dominante Denkmuster, Ideologien und Leitgedanken34. Ein Thema rückte wiederholt in den Fokus der Auseinandersetzung: die Stadt Rom und die Frage, was römisch ist35.

2.2 Stadttopographie und römische Selbstauffassung Rom ist in der Forschung wiederholt als eine „Erinnerungslandschaft“ und „Memoriallandschaft“ aufgefasst worden, in der die myth-historische Vergangenheit baulich konserviert und visuell wahrnehmbar ist36. Die römische Stadt-

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mus die Idee der Roma aeterna in einen christlichen Kontext ein. Lactanz betrachtet die Zerstörung Roms als unabwendbare Endzeitbestimmung (Lact. inst. 7,15,12ff.), dazu Freund (2009), 420ff. Dagegen Hier. adv. Iovin. 2,38: Maledictionem quam tibi [sc. Romae] Salvator in apocalypsi comminatus est, potes effugere per poenitentiam, habens exemplum Ninivitarum, dazu Behrwald (2009), 253f. Zu Lactanz’ und Tertullians Verhältnis zu Rom Klein (1968); Pollmann (2013), 30ff. zu beiden; zum Rom-Babylon-Vergleich in der frühen Apologetik Klein (2000), 209ff.; 228ff.; Klinger ((1965), 21ff. Salamito (1996); Elsner (1995); (1998), bes. 199ff; Bowersock (2000); Kolb (2001), 59ff.; Novak, (2001); Brenk (2003); König (2008); Curran (2012); Rousseau (2010). Gemeinhardt (2007), 132 spricht von einer „doppelten Richtung“, die zum einen die Christianisierung der Oberschicht, zum anderen die ländlicher Gegenden umfasst, und listet verschiedene „Instanzen“ auf, die eine Ausbreitung des Christentums vorantrieben. Zur Literatur des 4. Jahrhunderts Schanz/Hosius (1959); Binns (1974); Scourfield (2007); zum Umgang mit der antiken Literatur bei den christlichen Autoren Fuhrmann (1967); Fuhrmann (1998), 169ff.; Gnilka (1984); Gnilka (1993); Herzog (2002); Gemeinhardt (2007), 500ff. Fuhrmann (1967), 62 spricht von einer „christlich-heidnische[n] Mischliteratur“. Ebd. 72 stellt er fest, dass die „christliche Poesie in lateinischer Sprache […] erst unter Diokletian und Konstantin aufkam“ und bis dahin die Apologie und „der moralische und der dogmatisch-antihäretische Traktat“ dominierten. Sugano (1983), 11: „Der geistige Kampf wurde geführt zwischen denen, die in Jahrhunderten gewachsene und erprobte Werte und Traditionen hochhielten, und denen, die Jesus Christus verkündeten, eine Lehre, in der Rom ursprünglich keinen Platz hatte“, vgl. Fuhrmann (1967), 63. Edwards (1996); Assmann (2009), 310ff.; Hölkeskamp (2004); Muth (2006); Hartmann (2010); Fuhrer (2012). Flaig (2004), 246 betrachtet das republikanische Rom noch nicht als Erinnerungslandschaft. Zu sakralen Erinnerungslandschaften und Gedächtnisräumen

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topographie wird zu einem Repräsentationsraum des antiken kulturellen Gedächtnisses37. In vielen Einzelstudien ist dargelegt worden, wie bereits Augustus über eine geschickte Baupolitik die aktuelle Zeit an die Frühzeit von Aeneas und Romulus anschloss und seine Gegenwart als kulturellen und imperialen Höhepunkt inszenierte38. Nicht nur die nachfolgenden Kaiser, sondern auch der Regierungsadel prägen das Stadtbild in den folgenden Jahrhunderten durch Großbauten, weitläufig angelegte Platzanlagen, Statuenschmuck und Inschriften, wobei sie immer wieder auf die Vergangenheit und die mores maiorum als normative Bezugsgrößen referieren39. In zahlreichen literarischen Reminiszenzen werden die jeweiligen Baumaßnahmen in einen ideologischen Deutungsrahmen gestellt und an die überzeitlich bestehende Idee der urbs aeterna angebunden40. Die Ewige Stadt wird nicht nur zum Repräsentationsraum

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Egelhaaf-Gaiser, (2002), 133ff. Zum Begriff der Myth-Historie Cancik (2003a); Cancik (2006). Fuhrer (2012), xiii bezeichnet Roms Topographie in der Einleitung zum Tagungsband als das „kulturelle Gedächtnis der Stadt“. Bei Edwards (1996), 27ff. bspw. wird im Kapitel „The city of memories“ das Memorialpotenzial der Stadttopographie Roms verdeutlicht, indem die Romliteratur und insbesondere die Literatur zur casa Romuli über mehrere Jahrhunderte vom republikanischen zum spätantiken Rom betrachtet wird. Zur Erinnerungsfunktion und zukunftsweisenden Funktion von Orten und Denkmälern Assmann (2007), 20; 57. Bspw. Zanker (1990); Kolb (1995), 331ff.; Kolb (2006); Kolb (2009), 48ff.; Walker (2000); Strothmann (2000); Knell (2004), 36ff. Einen Überblick über das literarische Echo geben Döpp (2002); Scheithauer (2000), 27ff.; Kolb (2006), 123f. Ebd. 124ff. setzt er die Baupolitik zu den Res gestae des Kaisers in Bezug. Zum 1. Jh. n. Chr. Weber/Zimmermann (2003); die Bautätigkeit der Kaiser nach Augustus und des Senats sowie das literarische Echo untersucht Scheithauer (2000), 84ff., zur Architektur der kaiserlichen Bautätigkeit nach Augustus gibt Knell (2004), 86ff. einen Überblick. Der letzte Kaiser, in dessen Bauprogramm die Erinnerung an das pagane Rom wachgerufen wird, ist Maxentius, vgl. unten S. 35; 156. Den Symbolgehalt römischer Bauaktivitäten in der Zeit der ersten Tetrarchie bis Maxentius untersucht Mayer (2002), bes. 175ff. Zur senatorischen Selbstdarstellung Niquet (1998). Gemäß Behrwald (2009), 132ff. ist es in der Spätantike vorrangig die Senatsaristokratie, bei der eine Bauaktivität in Rom zu beobachten ist, wobei ein Großteil der neuen Bauten der Bautätigkeit eines Stadtpräfekten zugeordnet werden muss und somit als staatliche Baumaßnahme betrachtet werden muss. Zur Semantisierung der Orte durch die Literatur Walter (2004), 214ff., der die „Kohärenzleistung, die aus dem mores maiorum einen Text macht“, insbesondere der Historiographie zuspricht, was spätestens für die augusteische Zeit nicht mehr zutrifft. Zur antiken und spätantiken Romliteratur, Romidee und Romideologie Gernentz (1914); Paschoud (1967); Meyer (1977), 65ff.; Fuhrmann (1986); Fuhrmann (1998); Rehm (1960); Kytzler (1972); Kytzler (1988), Kytzler (1993); Koch (1969); Klein (1986); Klein (1985); Klein (1998); Brodka (1998); Schmitzer (2005); Schmitzer (2012).

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sozialer Gruppen und Gemeinschaften, sondern darüber hinaus zum Gegenstand medialer Repräsentationen41. Allen Jahrhunderten der Antike ist die Idee gemeinsam, dass die Bestimmung Roms zum caput mundi der Stadt und ihrer Bevölkerung von Beginn an zugewiesen worden ist42. Wie in Literatur, Kunst und Bildung werden die römische Frühzeit und die Republik als ideale „Referenzbereiche“43 für die Gegenwart interpretiert, deren moralische und religiöse Überzeugungen einen Maßstab für das eigene Handeln bieten. Die Stadtlandschaft wird zum Träger römischer Identität: Taten, Personen und Ereignisse der römischen Geschichte und Mythologie werden in Denkmälern und Erinnerungsorten zur steinernen Gegenwart, die betrachtet und abgeschritten werden kann44. Über literarische Stadtspaziergänge, Schauplatzschilderungen und mythhistorische Aitia wird dem Stadtraum eine historische Bedeutung zugeschrieben45. Die Stadt wird zu einem „Erinnerungsraum sui generis“46, der auf den Betrachter handlungsnormierend, identitätsstiftend und gruppenstabilisierend wirkt47. Neben der Bezeichnung Roms als Erinnerungslandschaft hat sich seit Hubert Cancik die Charakterisierung der Stadt als „sacred landscape“48 durchgesetzt. Da viele der ortsgebundenen bedeutungstragenden Ereignisse mit einer göttlichen Hilfestellung und Fürsorge in Verbindung gebracht werden, sind die

41 So die Unterscheidung bei Fuhrer (2012), VII. 42 Die Caput mundi-Idee wird aus verschiedenen Blickwinkeln bis in die Gegenwart im Kapitel „Roma Caput mundi“ in Stein-Hölkeskamp/Hölkeskamp (2006), 18–201 beleuchtet; vgl. auch Wolf (2010), 141ff. 43 Der Begriff geht auf das Transformation-Konzept des SFB 644 ‚Transformationen der Antike‘ zurück, das sich mit Prozessen, Ereignissen und Kontingenzen des historischen Wandels befasst, über die Gruppenidentitäten aufgebaut werden. Grundlegend ist gemäß Böhme (2011), 8–11 die Idee der ‚Allelopoiese‘. 44 Walter (2004), 155–179 unterscheidet zwischen „Denkmälern“, die bewusst als ein Ort für die kollektive Erinnerung errichtet wurden, und „Erinnerungsorten“, die ohne Vorsatz mit einer Erinnerung in Bezug gesetzt werden. Entgegen seiner Annahme gehe ich davon aus, dass es aus der Perspektive des Rezipienten unerheblich ist, ob der Ort als ein Ort der Erinnerung bewusst angelegt worden ist oder nicht, da bei einem Betrachter die jeweilige Erinnerung gleichermaßen am Denkmal wie am Erinnerungsort wachgerufen wird. 45 Dazu exemplarisch Schmitzer (2001b). 46 Diefenbach (2007), 19. 47 Das stellt Egelhaaf-Gaiser (2002), 133 für die Erinnerungslandschaft von Ostia fest. Zur Funktion mythischer und historischer Erzählungen Assmann (2007), 16. 48 Cancik, H. (1985/6), Rome as Sacred Landscape. Varro and the End of Republican Religion in Rome, in: Visible Religion 4/5, 250–265.

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meisten Erinnerungsorte Roms zugleich religiöse Orte49. Die Sakralmonumente der antiken Götter gelten als Garanten eines „göttlich sanktionierten Weltplans“50, gemäß dem die Römer die Welt beherrschen. Sie werden noch bis ins 5. Jahrhundert hinein durch rituelle Zeremonien in ihrer Bedeutsamkeit für das Bestehen des Reiches bestärkt51. Rom wird zu einer sakralen Erinnerungslandschaft, in deren Topographie sich die Idee der Roma aeterna mit der Vorstellung einer urbs sacra verbindet52. In der Spätantike verliert Rom zunehmend seine machtpolitische Stellung und avanciert vom politischen Zentrum des Reiches zu einer „symbolischen Reichshauptstadt“53. Obwohl das ehemalige caput mundi auch im 4. Jahrhundert noch immer die mit Abstand größte Stadt des Reiches war54, residierten die Herrscher seit Konstantin nicht mehr dort, sondern verlegten ihre Kaiserresidenz aufgrund politischer und struktureller Notwendigkeiten in andere Städte55. Im Osten begründete Konstantin 330 n. Chr. mit Konstantinopel eine

49 Dazu Walter (2004), 134. Egelhaaf-Gaiser (2000), 21 bezeichnet Rom als ein „vielfaches Beziehungsgeflecht von religiösen Bauten, Orten [und] Statuen“. Zur Geschichte, Verortung und Ritualisierung von Religion in Rom Wissowa (1902); Beard/North/Price (1998); Rüpke (2007); Chiai (2016), bes. 264ff. zur Ortsgebundenheit paganer Kulte im städtischen Raum; zur Unterscheidung von „Gedächtnisorten“ und „heiligen Orten“ Assmann (2009), 303ff. Als Beispiel eines Gedächtnisortes führt sie die Stadt Jerusalem an und kommt zu dem Schluss, dass „ein Gedächtnisort [häufig] zwischen heilig numinösem Ort und historischem Gedenkort changiert“. In einer Gedächtnis- oder Erinnerungslandschaft überlagern sich gemäß Ebd. (1996), 27 die verschiedenen von ihr unterschiedenen Ortskategorien „wie die Schriftzüge in einem Palimpsest“, so dass „eine eindeutige Klassifizierung und symbolische Sinngebung“ nicht mehr getroffen werden kann. 50 Hölkeskamp (2004a), 140. Vgl. Linke (2000), 274. 51 Gemeinhardt (2007), 131: „Das Imperium Romanum blieb trotz der prochristlichen Religionspolitik der Kaiser im 4. und 5. Jahrhundert religiös plural und wurde nur allmählich, im Westen nie völlig von Christen dominiert.“ Vgl. Chuvin (1990), 91ff.; Grünewald (1992); Brandt (1999), bes. 127f.; Demandt (2008), 408ff.; zur Forschungsgeschichte Gemeinhardt (2007), 134, Anm. 26. Zu den antipaganen Gesetzen der theodosianischen Regierungszeit Curran (2000), 209ff, der davon ausgeht, dass erst unter Theodosius „the foundation of a legal disqualification which would see the law turned effectively into an instrument of persecution“ gelegt wurde. 52 Bspw. Liv. 5,51ff. (in der Rede des Camillus), bes. 5,52,2: Urbem auspicato inauguratoque conditam habemus, nullus locus in ea non religionum deorumque est plenus; sacrificiis sollemnibus non dies magis stati quam loca sunt in quibus fiant. Vgl. zur Ortsgebundenheit paganer städtischer Kulte in der Rede Chiai (2016), 267ff. 53 Kolb (1987), 126; vgl. Salzman (1999), 123. 54 Demandt (2008), 343. 55 Die konzeptionelle Einheit von Kaiser und Rom wird aufgegeben, dazu Mayer (2002). Ökumenische und militärische Probleme führten dazu, dass der Kaiser nicht mehr im Zentrum

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Roma nova und besuchte das alte Rom nur noch selten. Der westliche Kaiserhof wurde von Rom nach Mailand und Trier und später nach Ravenna verlegt. In Rom ließen sich die Kaiser nur gelegentlich blicken, weilten nur kurz dort und zeigten meist kein besonderes Interesse, sich in der Stadttopographie zu verewigen56. Diese Verlagerung des administrativen Zentrums zog weitreichende machtpolitische Einbußen für die römischen Führungseliten nach sich, die sich im Gegenzug nun noch stärker auf die einstige Bedeutsamkeit ihrer Stadt konzentrierten und sie gegenüber Außenstehenden und Angehörigen der eigenen Klasse betonten57. Die Erinnerung an die Taten und Sitten der maiores, an die politisch-militärischen Erfolge der Vergangenheit und die göttliche Präsenz in der Stadt erlebte eine neue Blütephase. Dennoch oder gerade deshalb blieb Rom für die Senatsaristokratie und die römische Bildungselite das ideologische Zentrum des Reiches, in dem die Idee einer Entsprechung von urbs und orbis auflebte58. Denkmäler, Erinnerungsorte und Schauplätze der einstigen Größe Roms werden restauriert und instand

des Reiches agierte, sondern vorrangig an den Reichsgrenzen, Demandt (2007), 203 spricht von „wechselnden Brennpunkten“ und einer „Dezentralisierung des Reiches“. 56 Zu Konstantinopel und Rom Grig/Kelly (2012). Neben Konstantinopel waren auch Sirmium und Nikomedien bevorzugte Kaiserresidenzen des Ostens. Zu den Kaiserresidenzen Mayer (2002), 28ff.; zu Rom als „Sonderfall“ und Residenzhauptstadt des Maxentius Ziemssen (2012). Ein Wiedereinsetzen Roms als Residenzstadt lässt sich gemäß Gillett (2001) erst für das 5. Jh. feststellen. Zum Verhältnis der spätantiken Kaiser zu Rom Elbern (1990); Bauer (2012). Lediglich Constantius II. ließ nach seinem Besuch im Jahr 357 einen Obelisken nach Rom einschiffen und dort als Denkmal für seinen Sieg über Magnentius errichten (CIL 6.1163 tropaeum); zum Monument Richardson (1992), 273 s.v. Obeliscus Constantini 273; Grenier (1996). 57 Chenault (2008); Behrwald/Witschel (2012), 13–29 sprechen von einem „intensiven internen Wettbewerb“ der Senatsaristokratie. Dieser Wettbewerb wurde gemäß Behrwald (2009), 132ff. auch über eine Selbstrepräsentation im Stadtraum ausgetragen. Zur Selbstrepräsentation der Senatsaristokratie im Stadtraum Niquet (2000). Dass man bei der so bezeichneten Senatsaristokratie oder Bildungselite nicht von einer homogen denkenden Menge ausgehen darf, zeigen die Studien von Alföldy (1975); Martin (2001); Schlinkert (1995). Cameron (2011), 353ff. differenziert deutlich zwischen der Aristokratie Roms und der römischen Bildungselite, die zum großen Teil von Personen von Außerhalb gebildet wird. Dennoch kann von einem gemeinsame ‚ideologischen Konsens‘ in der römischen Oberschicht gesprochen werden. 58 Fuhrmann (1986), 532. Diese Ideologie bestand nicht nur auf traditionell-paganer Seite, sondern wurde teilweise von christlichen Autoren aufgenommen und entsprechend umgedeutet. So bezeichnet bspw. Ambrosius die ecclesia Romana als totius orbis Romani caput (Ambr. epist. 11,4).

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gehalten59. Neben den Restaurationsarbeiten finden sich „Konstruktionen einer fiktiven bzw. mythischen Vergangenheit“, wenn „Sehenswürdigkeiten“ wie das Schiff des Aeneas als neue Erinnerungsorte erschaffen werden60. Die spätantike Stadtlandschaft trägt musealen Charakter61. In vielen literarischen Reminiszenzen auf die Stadttopographie und ihre Erinnerungsorte überdauern die altrömischen Werte, Leitgedanken und ideologischen Konzepte. Die Kultstätten Roms werden in das „mystische Licht einer bedeutenden Vergangenheit getaucht“62, die in der Gegenwart nicht selten als vorbildliche Idealzeit erscheint. Ein „retrospektives Erinnern“63 an Ereignisse, Personen und Göttergestalten der myth-historischen Vergangenheit Roms dürfte somit auch bei einem spätantiken Betrachter der Stadtlandschaft nicht ausgeblieben sein, wenn er bei ihrem Anblick das Gelesene und Tradierte vergegenwärtigte64.

59 Bauer (1996), 134–137; 137ff. (Liste der Bau- und Ausstattungsmaßnahmen durch die stadtrömische Senatsaristokratie im spätantiken Rom); Bauer (2001); Bauer (2005), bes. 49f; Behrwald (2009), 132ff.; Muth (2006), 446–449; Muth (2012); vgl. Sehlmeyer (2009), 253ff. Dem entgegen steht die verminderte Relevanz, die den Monumenten – und vor allem Sakralmonumenten – im Alltag der Römer zukam. 60 Muth (2012), 263f. mit Verweis auf ihren Beitrag von 2006. 61 Lancon (2000), 17ff. Diefenbach (2007), 23 fasst dieses Phänomen noch unter dem Stichwort der „Musealisierung“, dagegen spricht Behrwald (2009) sich gegen eine geplante programmatische Musealisierung Roms aus; Hartmann (2012), spricht von einer „diffusen Präsenz von Vergangenheit“. Ders. (2012b), 292 stellt entgegen Behrwalds Ablehung des Begriffs durchaus „Musealisierungstendenzen“ in den Restaurationsarbeiten und der Stadtwahrnehmung des spätantiken Rom fest. Vgl. die Untersuchungen von Bauer (2005); Bauer (2012) und Muth (2012) zum Forum Romanum. 62 Fuhrmann (1986), 532. Zur Disparität von Literatur und Realität Schmitzer (2012), 247: „[…] dieses literarisch vermittelte Wissen über die Topographie und die reale jeweils aktuelle Topographie [stehen] in einem Spannungsverhältnis zueinander und [sind] nicht deckungsgleich.“ Vgl. Ebd. 251. Gemäß Sugano (1983), 11 „[…] nimmt die Theorie im gleichen Maße zu wie die zugrundeliegende Realität schwindet“. 63 Diefenbach (2007), 22 unterscheidet zwischen retrospektivem und prospektivem Erinnern, wobei ersteres auf ein vergangenes Ereignis zielt, während das zweite darauf abzielt, ein gegenwärtiges Ereignis über die Monumentalisierung im Gedächtnis zu erhalten. An der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert beschränkte sich die Bautätigkeit in Rom auf Restaurationsarbeiten, weshalb die Verortung prospektiver Erinnerung im urbanen Raum so gut wie gar nicht mehr festzustellen ist. 64 Eben diese Frage wirft Bauer (2001), 75 auf: „Provozierten die Monumente einer großen Vergangenheit seine [sc. des Rombewohners] Verhaltensweisen in der Stadt, ja beeinflussten diese sein Selbstgefühl?“ Bezüglich des Forum Romanum kommt er zu dem Schluss, dass es wie eine „Oase“ gewirkt haben müsse, die „das Selbstvertrauen des Stadtrömers so sehr stärkte“ (Ebd. 89f.).

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Johannes Wienand bezeichnet das Rom des ausgehenden dritten Jahrhunderts als einen „anachronistischen Konstrukt“65, weil es als eigentliche Reichshauptstadt keine präsenten Kaiser mehr vorzuweisen hatte. Diese Charakterisierung lässt sich auf die symbolische Deutung der Stadt übertragen: Zu dieser Zeit hatte Rom nicht nur seine Funktion als Kaiserresidenz bereits lange Zeit verloren. Auch die Inhalte der antiken Romideologie verloren nach und nach ihre Bedeutung, da der Stadt mit dem Christentum eine neue Bestimmung als ecclesia Dei zugeschrieben wurde. Das Weiterbestehen der Ewigen Stadt wurde nicht mehr auf die Götter und die mores antiqui zurückgeführt66, sondern auf den Heilsplan des christlichen Gottes. Mit der Christianisierung des Reiches wird die römische Memoriallandschaft um christliche Erinnerungsorte ergänzt, die anfangs nur die Peripherie, später auch das Zentrum der Stadt prägen67. Nach dem Sieg Konstantins über Maxentius an der Milvischen Brücke im Jahr 312 wird Roms Topographie erstmals nicht nur zum Handlungsraum68 sondern vor allem zum Gegenstand der Konkurrenz zwischen paganer Tradition und christlicher Neuinterpretation. Der christliche Kaiser eignet sich die Bauwerke des besiegten Kontrahenten im Stadtzentrum an69 und macht sie zu Trägern seiner kaiserlichen Selbst65 Wienand (2012), 229; ähnlich Fuhrmann (1998), 27: „Rom blieb zwar der Idee nach das hochangesehene, ja inbrünstig verehrte caput mundi; in Wirklichkeit aber war es kaum mehr als das gewaltige museale Überbleibsel vergangener Zeiten […].“ 66 Enn. ann. fr. 500 Vahlen Moribus antiquis res stat Romana virisque. 67 Kolb (2009), 103ff. setzt den Anfangspunkt für den Prozess der Christianisierung mit den konstantinischen Kirchenbauten an, dagegen setzt Krautheimer (1996), 39ff. den Beginn des Prozesses erst nach Konstantin an, vgl. Curran (2000), 116ff.; Behrwald/Witschel (2012). 68 Die eigentlich machtpolitische Auseinandersetzung zwischen Konstantin und Maxentius wird schon zu deren Lebzeiten in einen religiösen Deutungskontext eingebettet. Diese Deutung ist nicht zuletzt der legendenumwobenen Vision Konstantins geschuldet, aufgrund derer er das labarum auf den Schilden hat anbringen lassen und unter dem Schutz Christi gesiegt haben soll (Lact. mort. pers. 44,1–10; Eus. HE 9,1–5; VC 1,27–32). In Pan. Lat. 12[9],2,4f. wird ihm noch eine Hilfestellung der heidnischen Götter zugeschrieben (summa divinitas). Zur religiösen Deutung grundlegend Kuhoff (2011); Wienand (2012), 353ff.; zur christlichen Selbstinszenierung und zum „Sendungsbewusstsein“ Konstantins Kolb (2001), 63ff. 69 Zur traditionsgebundene Baupolitik des Maxentius in Rom Bauer (1996), 50ff.; Lancon (2000), 20f.; Curran (2000); Leppin/Ziemssen (2007); Ziemssen (2011); Freyberger (2012), 111ff. Zum archäologischen Befund ferner Coarelli (2008), 111ff. Unter umfassenden Baumaßnahmen wird vor allem das Zentrum zum symbolträchtigen Repräsentationsraum seiner kaiserlichen Macht und Liebe zur urbs. Durch die großflächig angelegte und im Stadtbild geschickt platzierte Maxentius-Basilika und seine Restaurationsarbeiten am benachbarten Venus- und Romatempel erschafft er ein „Forum des Maxentius“ und Inszeniert

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inszenierung als Befreier der res publica70. Als christlicher Kaiser präsentiert er sich mit einer umfassenden Baupolitik vorrangig in der Peripherie Roms, die er mit einer Vielzahl an christlichen Basiliken bestückt71. In seiner Verweigerung das Kapitol zu besteigen, spricht er dem Ort seine sakrale und staatssymbolische Relevanz ab. Sein Handeln gibt den Anstoß dazu, den clivus Capitolinus als einen Ort der christlichen Abgrenzung gegenüber der paganen Umwelt zu interpretieren72. In der Neuinszenierung des urbanen Raumes seit Konstantin kann einerseits eine Konkurrenz um die Interpretation zentraler Orte beobachtet werden, andererseits eine Verlagerung des sakralen Zentrums in die Peripherie. Beide Aspekte werden zu Leitgedanken des christlichen Aneignungsprozesses der römischen Stadttopographie, wenn ehemals heilige Orte wie die Göttertempel zu Orten der Abgrenzung werden und die Märtyrerstätten zu den neuen Sakralstätten der Stadt erklärt werden73. Über Architektur, Kunst und Literatur werden neue „symbolische Bezugspunkte“74 im urbanen Raum verortet.

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sich selbst als conservator urbis. Zum Ausbau des Palatin und seine Anbindung an den Circus Maximus Leppin/Ziemssen (2007), 59ff.; Hoffmann/Wulf (2004), bes. 169f. Die Maxentiusbasilika, der Venus-und Romatempel und der Romulustempel werden durch senatorische Inschriften Konstantin zugeschrieben, dazu Diefenbach (2007), 122ff.; zur Selbstinszenierung Konstantins in der Stadttopographie Ebd. 125ff.; Curran (2000), 70ff.; zur Bautätigkeit des Kaisers Krautheimer (1996), 13ff.; Scheithauer (2000), 212ff. Brandenburg (1979); Krautheimer (1996), 30ff.; Lancon (2000), 27ff.; Curran (2000), 90ff.; Diefenbach (2007), 95ff. Daneben soll er gemäß Carandini/Bruno (2008) traditionelle Erinnerungsorte der paganen Vergangenheit wie das Lupercal „unschädlich“ gemacht haben, indem er sie in Kirchenbauten integrierte, dazu kritisch Schmitzer (2012), 239f. Trotz seines christlichen Glaubens wurde Konstantin wie die paganen Kaiser als Gott inszeniert, dazu Clauss (2001), 196ff.; ebenso Theodosius, dazu Ebd. 211ff.; Kolb (2001), 63ff. Diefenbach (2007), 133ff., bes. 143f. Unabhängig davon, dass Konstantin Rom 325 im Zerwürfnis mit der Senatsaristokratie verließ, hatte er den Grundstein zur christlichen Transformation der Stadtlandschaft und ihrer Nutzung gelegt. Zur Veränderung des Triumphes nach Konstantin Fraschetti (1999), 239: „A partire dal giorno (29 ottobre 312) in cui Constantino non oltrepassò i Tria Fata, il Campidoglio scomparve per sempre dalla cerimonia dell’adventus di cui fino ad allora aveva costituito il fulcro“, vgl. Fraschetti (1999a), 9ff.; 243ff.; Fraschetti (1999a), 109ff.; Fraschetti (2002) zur Konkurrenz von Kapitol und Petersbasilika bei christlichen Autoren; Behrwald (2012a), bes. 273ff. zum Kapitol in den Passiones; zum Verhältnis von Kapitol und Petersbasilika im Peristephanon unten S. 288ff.; 308ff. Zum Wirken des Damasus in Rom Diefenbach (2007), bes. 289ff.: Diefenbach (2012); Reutter (2009); Sághy (2012); Schmitzer (2012), 239ff.; McLynn (2012); vgl. unten S. 278. Weiterhin zeigt Brenk (2012) auf, dass neben den großen Kirchenbauten nicht selten auch Wohnhäuser und andere Gebäude in Kirchenbauten umgewandelt wurden, die das christliche Stadtzentrum prägten. Diefenbach (2007), 441; vgl. Behrwald/Witschel (2012).

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Roms antike Memoriallandschaft wird durch eine christliche Erinnerungslandschaft nicht nur ergänzt, sondern unterhöhlt75. In der Literatur wird die Blickrichtung des spätantiken Rombetrachters gelenkt: Traditionsgebundene Autoren rufen die Erinnerung an herausragende Ereignisse und Personen der stadtrömischen Vergangenheit wach; christliche Autoren erzeugen die Vorstellung einer gänzlich christianisierten Stadt76.

75 Bspw. bei Hieronymus, dazu Behrwald (2009), 237ff.; Grig (2012); vgl. Brodka (1998), 127ff. 76 Zum Verhältnis des antiken und des christlichen Stadtkonzepts Schmitzer (2012), 238; zur Adaption und Verarbeitung der Romidee bei christlichen Autoren Rehm (1960), 30ff.; Klinger (1965), 22ff.; Mellor (1981), 1024f.; Brodka (1998), 127ff.; Klein (1999), 453ff.; Schmitzer (2005), 250ff.

3 Prudentius’ Werk Contra orationem Symmachi Vorüberlegungen zu Form und Programmatik 3.1 Anlass, Entstehungszeit und Gattung Anlass, Entstehungszeit und Gattung der beiden Bücher des Aurelius Prudentius Clemens1 haben in der modernen Forschung zu zahlreichen Überlegungen geführt und sind nach wie vor umstritten. Nicht selten sind sie als eine verspätete Stellungnahme zum Streit um den Victoriaaltar des Jahres 384 oder sogar als realitätsferne „Frucht der Studierstube“2 aufgefasst worden. Mit dem Schreibanlass wird der Aktualitätsbezug der zwei Bücher mitdiskutiert. Wiederholt tritt die Frage auf, ob und warum Prudentius rund zwanzig Jahren später eine Antwort auf die dritte Relatio des Symmachus verfasst habe, nachdem Ambrosius dessen Petitionsschrift schon zur Genüge widerlegt hatte. Während einige aufgrund der allzu langen Zeitspanne für einen aktuellen historischen Schreibanlass plädieren3, folgt der Großteil der modernen Forschung der Annahme, dass den Inhalten der dritten Relatio auch in der Gegenwart des Prudentius noch eine hohe Aktualität zugekommen sei und er deshalb die grundlegenden Argumente der Schrift aufgegriffen habe4. Die Schlacht bei Pollentia (6. April 402) könnte eine antichrichristliche Bewegung hervorgerufen haben5, in der die Petitionsschrift des Symmachus erneut Be1 2 3

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Zur Biographie und zum Werk des Prudentius Lana (1962); Gnilka (2000), 233–251; Kurfess (1957), bes. 1306f.; Coşkun (2003); Coşkun (2008). Schanz/Hosius (1959), 252. Für eine erneute Senatspetition plädieren Arévalo (1789), 89; Birt (1892), LVIII, Anm. 1; Barnes (1976), 381ff.; Gnilka (2001g), 312ff.; 576ff.; Klein (2001), 346f., was Thraede (1965), 11f., Anm. 13; Döpp (1980), 70ff.; Tränkle (2008) und Cameron (2011) überzeugend für sehr unwahrscheinlich erachten. Thraede (1965), 11f.; 113ff.; Steidle (1971); Döpp (1980), 79; 71, Anm. 29 (mit einer Auflistung der Vertreter der Gegenmeinung); Wytzes (1977), 27f.; Klein (2006); Tränkle (2008), 23; Cameron (2011), 340. Barnes (1976), 384 nimmt Pollentia als Schreibanlass und ordnet die zwei Bücher den „historical apologetics“ zu; ebenso Brown (2003), 18; Cameron (2011), 340ff.; dagegen recht überzeugend Döpp 1980, 73; Coşkun (2008), 295 bewertet Pollentia sogar als Ereignis, das die christliche Herrschaft bestätigte; Harries (1984), 79 nimmt als Schreibanlass für Buch I die Schlacht am Frigidus, für Buch II ebenfalls Pollentia an. In direktem Bezug auf Pollentia ist keine antichristliche Polemik belegt. Claudian deutet die Schlacht sogar positiv und als Beleg für die Durchsetzungskraft des gegenwärtigen Kaisers und seines Feldherrn. Bei Prudentius wird sie zum Zeichen der Sicherheit, die dem Reich aus dem Christentum erwachsen sei, da sich vergangege traumatische Ereignisse nicht wiederholt hätten (CS 2,696–

Anlass, Entstehungszeit und Gattung

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deutung gewann, oder Claudians Dichtungen evozierten ein erneutes Aufgreifen der Thematik6. In jedem Fall kann Contra orationem Symmachi als eine poetische Antwort auf das gegenwärtig immer noch pagan geprägte Umfeld des Prudentius verstanden werden, der die Petitionsschrift des Stadtpräfekten als konzentrierter Wissensspeicher der antiken Weltanschauung prätextuell zugrunde gelegt worden ist. Einen weiteren Diskussionspunkt stellt die Entstehungszeit der beiden Bücher dar, mit dem sich die Frage nach ihrer Einheitlichkeit verbindet7. Zum Terminus post quem beider Bücher wird die Schlacht bei Pollentia, auf die im zweiten Buch Bezug genommen wird8. Buch II dürfte also sehr wahrscheinlich 402/3 entstanden sein9, während die Abfassung des ersten Buches Raum für Spekulationen bietet. So datiert es zuletzt Alan Cameron in Anschluss an Émile Faguet auf die Jahre 394/5 und begründet dies vorrangig damit, dass Buch I Theodosius als princeps adressiere und nicht über vergangene, sondern über aktuelle Ereignisse berichte. Nicht nur die zwei Praefationes, sondern auch die letzten 25 Verse des ersten Buches betrachtet er als nachträglich hinzugefügt10. 749, vgl. Lühken 2002, 174f. zur Überhöhung gegenüber dem Galliersturm; Döpp 1980, 75 zum Vergleich mit Pharsalus). 6 Zuletzt betrachtet Cameron (2011), 337ff. die Dichtungen Claudians als weiteren möglichen Schreibanlass und verweist auf Claud. carm. 24,202–214 und 28,597–602, wovon letzteres eine direkte Antwort auf die Passage bei Prudentius darstellt, dazu unten Kapitel 5, Anm. 85; 94. Auch Lavarenne (1948), 89f. hält es nicht für unwahrscheinlich, dass die Dichtungen Claudians und seine Position am Kaiserhof einen Schreibanlass für Prudentius geboten haben. Brown (2003), 23 wirft sogar die Frage auf, ob CS aufgrund der zahlreichen Reminiszenzen nicht eigentlich als ein Gedicht Contra Claudianum betrachtet werden müsse. Einen Überblick über das intertextuelle Verhältnis von Claudian und Prudentius geben Bergman (1926) und Cameron (1970), 469–473 mit weiteren Literaturhinweisen. 7 Einen Überblick über die Auseinandersetzung in der Forschung geben Bastiaensen (1993); Tränkle (2008), 44ff. 8 Daneben hat Birt (1892), LVII, bes. Anm. 4 überzeugend in der Schilderung des historischen Ereignisses bei Prudentius die Abhängigkeit von Claudians De Bello Getico herausgearbeitet, dazu Barnes (1976), 376; Tränkle (2008), 41, Anm. 130; Coşkun (2008), 310ff. Als literarischer Terminus ante quem kann Claudians Panegyricus auf das sechste Konsulat des Honorius betrachtet werden, dazu Shanzer (1989), 443; Roberts (2001), 548. 9 Brown (2003), 4 setzt das Entstehen aufgrund der Verse CS 2,73ff. überzeugend vor dem Triumph des Honorius im Herbst 403 an, der zum historischen Terminus ante quem wird. 10 Vgl. Faguet (1883), 24ff.; Cameron (2011), 337f.; 346f. folgt der These von Shanzer (1989), 457ff., dass Prudentius 402/3 drei unvollständige Manusripte zusammengeführt habe: einen Panegyricus auf Theodosius, eine Göttertirade und eine Widerlegung der dritten Relatio; er stützt sich dabei vor allem auf die Argumentation bei Harries (1984), 69ff.; Behr-

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Andere sprechen sich für eine spätere Genese bzw. eine Gesamtkomposition beider Bücher aus11 . So deutet Siegmar Döpp die Präsentien des ersten Buches als „dichterische Vergegenwärtigung“12 der Vergangenheit. Zuletzt hat Michael Roberts überzeugend einige motivische Bezüge zum dritten Panegyricus auf Stilicho von Claudian herausgearbeitet, aufgrund derer er Buch I nach 400 datiert13. Weiterhin führen Siegmar Döpp, Christian Gnilka und Hermann Tränkle eine Reihe thematischer Bezüge zwischen dem ersten und dem zweiten Buch auf und widerlegen damit das von Alan Cameron zuletzt wieder geäußerte Urteil, dass die zwei Bücher außer der Verklammerung über die Vorreden so gut wie keine Gemeinsamkeiten aufwiesen14. Es kann von einem Entstehen beider Bücher nach 400 und von einer engen gedanklichen Verbindung zwischen ihnen ausgegangen werden. Es liegt nahe, dass die Romreise des Prudentius einige seiner Stadtinszenierungen motiviert hat, die vor allem das erste Buch prägen15. Die Vermutung, dass einzelne Teile des ersten oder auch des zweiten Buches schon vorher mit einer anderen Zielvorgabe vorlagen, kann nicht gänzlich zurückgewiesen werden. Die einzelnen Werkteile – seien es, wie angenommen, zwei oder drei – bilden jedoch unabhängig voneinander keine vollständigen Einzelschriften mit einer eigenständigen Wirkungsabsicht und stellen keine Neuerung gegenüber anderen Schriften

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wald (2009), 260f. schließt sich ihnen an. Bereits Shanzer (1989), 451ff. setzt das Erscheinungsdatum aufgrund einiger Parallelen zu Claudians Gedichten nach 399 an, ebenso leitet Döpp (1986), 73 aus den Versen CS 1,501–505 überzeugend Cod. Theod. 16,10,15 als Terminus post quem für Buch I ab. Steidle (1971); Barnes (1976), 377; Ludwig (1977), 312; Döpp (1980), 65, Anm. 1; Döpp (1986), bes. 73ff.; Charlet (1986), 381f.; Barnes (1976), 377, dagegen Barnes (1991); Garuti (1996), bes. 23ff.; Gnilka (2001g), 265, Anm. 7; Pietsch (2001), 265; Lühken (2002), 42; Brown (2003), 16ff.; Tränkle (2008), 45ff. lässt die Frage offen. So paraphrasiert von Tränkle (2008), 46, vgl. Döpp (1986), 69f. Roberts (2001), 547. Dagegen ist die Abhängigkeit, die Harries (1984), 84 für Claudians Eutr. 2,15 von Prudentius’ CS 1,15 und Theod. 334 von CS 1,153 ansetzt, umkehrbar und kein eindeutiger Beleg für ein Entstehen vor 400. Döpp (1986), 73ff.; Gnilka (2001f), 235, Anm. 12; Tränkle (2008), 30ff., vgl. Cameron (2011), 343: „Two books that have very little else in common“, ebenso bereits Harries (1984), 79. Hier ist vor allem an die Passagen CS 1,189–192 und CS 1,197–240 (Forum) zu denken, in denen sich direkte visuelle Eindrücke niedergeschlagen haben könnten. Datiert man die Reise wie Coşkun (2008), 314 in die Jahre 401–402 ergibt sich daraus eine spätere Genese zumindest dieser Passagen des ersten Buches. Ebd. 307, Anm. 44 benennt er weitere Passagen, die „aus unmittelbarer Anschauung“ hervorgegangen sein könnten.

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dar16. Nur in ihrer Gesamtheit bilden die zwei Bücher ein in sich geschlossenes und innovatives Werk. Es bleibt die Gattungsfrage: In seiner Edition des zweiten Buches stellt Michael Brown fest, dass das Werk aufgrund der thematischen und formalen Vielfalt in keine Gattung wirklich passen wolle17. Allein in Altay Coşkuns Aufsatz zur Biographie des Prudentius changiert die Charakterisierung der beiden Bücher zwischen den Bezeichnungen „Lehrgedicht“,„antipagane Streitschrift“, „antipagane Lehrbücher“ oder „antiheidnische Lehrgedichte“18. Daneben finden sich Klassifizierungen als Panegyrik, „Apologie “19, „Invektive“20 oder als „theologische Streitschrift“21. Maria Lühken ordnet sie den „didakti-

16 Es besteht die Möglichkeit, dass Prudentius einen Panegyricus auf Thedosius zu dessen Lebzeiten plante, ihn aber nie vervollständigte oder publizierte, wie Shanzer (1989), 458f.; Brown (2003), 9ff. Cameron (2011), 343; 347 annehmen; Gnilka (1993), 108 vermutet einen Panegyricus auf Theodosius und seine Söhne; Paschoud (1967), 227 stellt panegyrische Züge fest. Dass der Kaiser nicht beim Namen genannt wird, verweist jedoch nicht auf ein Entstehen des Werkes zu dessen Lebzeiten, sondern ist Teil der überzeitlichen Idealisierung der Kaiserfigur, dazu Döpp (1986), 70, der gerade wegen dieser Stilisierung zum Ideal von einem Entstehen nach dem Tod des princeps ausgeht. Weiterhin ist die Tatsache, dass die militärischen Erfolge des Kaisers nur kurz angesprochen werden, ungewöhnlich für die Panegyrik und lässt sich ebenfalls über die Idealisierungsstrategie erklären. Dagegen nimmt die Darstellung des erfolgreichen Feldzugs von Theodosius bei Pacatus noch nahezu die Hälfte des Panegyricus ein (Pan. Lat. 2[12],23–46). Die Kaiserfigur bei Prudentius ist nicht an zeitgeschichtliche panegyrische Zwecke gebunden, sondern skizziert ein überzeitliches Herrscherideal eines princeps christianus, vgl. unten S. 75; 79f.; Kapitel 6, Anm. 120. Ebenso bleibt in der Praefatio zum Gesamtwerk offen, auf die pietas welches Kaisers Prudentius seine Karriere zurückführt, dazu Coşkun (2008), 299ff.; 305, der Honorius vermutet. Das zweite Buch CS erhält ohne das erste Redundanzcharakter: So beinhaltet es zwar einige Neuerungen gegenüber der schriftlichen Auseinandersetzung von Symmachus und Ambrosius, verliert aber ohne Buch I den übergreifenden thematischen Kontext und wäre nur eine Re-Paraphrasierung der Briefe des Ambrosius oder eine „Dokumentation“ des Streits um den Victoriaaltar wie Felmy (2001), 150 es umschreibt. Auch die Invektive gegen die Götter wäre für sich genommen nur eine ‚Wiederauflage‘ des apologetischen Carmen contra paganos, dazu Cameron (2011), 273ff. 17 Brown (2002), 21: „Thus it is impossible to fit it into any one category, but there is one heading, which is not a genre as such, to which all of Prudentius poetry seems to belong and that is poetry for literary Christians.“ Dass CS entgegen seiner Annahme nicht für einen rein christlichen Leserkreis geschrieben ist, wird im Folgenden gezeigt werden. 18 Coşkun (2003), 214; 222; 223. 19 Gemäß Herzog in HLL 5 (1989), § 500, S. 29 wird die traditionelle Invektive von Prudentius in die christliche Apologie überführt; vgl. Fuhrmann (1998), 235, der CS als „apologetische Schrift“ beschreibt, ähnlich Gnilka (2001k), 484. 20 Schmitzer (2012), 253. 21 Schindler (2009), 2.

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Prudentius’ Werk Contra orationem Symmachi

schen Epen“22 zu. Hermann Tränkle bezeichnet die zwei Bücher in seiner Werkausgabe von 2008 als „Lehrgedicht“, während Alan Cameron sie in seiner Monographie von 2011 wieder den „Christian Verse Invectives“ zuordnet. Damit zeichnen sich in der jüngeren Forschung die zwei disparaten Sperrstellungen der Gattungszugehörigkeit ab, denen das Werk jeweils zugeordnet wird: Lehrgedicht oder Invektive. Jede der Gattungszuordnungen lässt sich an einem oder mehreren Textteilen begründe, so dass eine abschließende Eingrenzung nicht möglich ist23. Es erscheint sinnvoll, das Werk als Produkt spätantiker Gattungskreuzungen stehen zu lassen24 und statt des Genres dessen rhetorische Ausarbeitung und kommunikative Situation näher zu betrachten. Davor werden zunächst die dritte Relatio des Symmachus und die Antwortschreiben des Ambrosius als thematische Grundlage für Contra orationem Symmachi vorgestellt, in ihrer Argumentation, ihrer religionspolitischen Bedeutung sowie ihrer Thematisierung von Rom kurz beleuchtet und in Abgrenzung zu Prudentius’ Werk gesetzt.

22 Lühken (2002), 42. Als Gegenmeinung führt sie Toochey (1996), 210 an: „This poem is more polemical than patiently and systematically instructive.“ Mit ihrer Zuordnung des hexametrischen Gedichts zu den Epen folgt sie antiken Kriterien, zu diesen Volk (2002), 26ff. 23 Bereits die Gattungssignale in den ersten Versen sind widersprüchlich (vgl. Volk 2002, 26 zu Heather Dubrows Ansatz; Haye 1996, 179 zum „Lektüre-Fahrplan“): Die beiden metrisch abgesetzten Vorreden stellen das Werk in die Tradition von Claudians Invektivgedichten und seiner Panegyrik, die beide ebenso wie Prudentius’ Werk mehrere Bücher umfassen, dazu Herzog (1966), 119ff.; Pollmann (2001), 107. Der Titel deutet auf eine antipagane Streitschrift in apologetischer Tradition. Thraede (1962a), 155 stellt in Frage, ob der Titel ursprünglich von Prudentius stammt, dagegen halten Steidle (1971), 263; Döpp (1986), 71 ihn für echt. Auffallend ist jedoch, dass es das einzige Werk des Dichters ist, das einen lateinischen Titel trägt, dazu Romano (1955), 59. Der Gedanke liegt nahe, dass der Titel gemeinsam mit den zwei Vorreden den zwei Büchern erst in der Gesamtwerkausgabe 404/405 hinzugefügt worden ist, ob von Prudentius selbst, bleibt fraglich. Basierend auf den Kriterien von Volk (2002), 40; 246f. lassen sich die beiden Bücher auch den Werken „written in the didactic mode“ zuordnen (Ebd. 2002, 42). 24 Bereits Fontaine (1975) stellt fest, dass die Gattungskreuzung charakteristisch für Prudentius’ Werk sei; zum spätantiken Phänomen v. Albrecht (1994), 1029ff. Ebenso werden in den Hymnen des Liber Peristephanon verschiedene Gattungen vermischt, dazu unten S. 279.

Rom in der dritten Relatio des Symmachus und in den Antwortschreiben des Ambrosius 43

3.2 Rom in der dritten Relatio des Symmachus und in den Antwortschreiben des Ambrosius Der Streit um den Victoriaaltar25 wird in der Forschung häufig als ein Musterbeispiel für die Kontroverse zwischen Christentum und antiker Religion betrachtet. Richard Klein bezeichnet die Debatte um den Verbleib des Altars in der Kurie als einen „Höhepunkt“ einer heidnisch-christlichen Auseinandersetzung26. Zur Leitfigur dieses ‚paganen Widerstandes‘ gegen die aufstrebende Religion wird der Stadtpräfekt Quintus Aurelius Symmachus. Die moderne Forschung interpretierte sein Eintreten für die Wiedererrichtung des Victoriaaltars oftmals übersteigert als „den letzten Kampf des Heidentums in Rom“27. Diese Beurteilung wird zum einen aus dem Inhalt der Petitionsschrift abgeleitet, die der Stadtpräfekt an den jungen Kaiser Valentinian II. richtete, zum anderen aus den Antwortschreiben des damals amtierenden Bischofs von Mailand Ambrosius sowie aus der thematischen Bearbeitung bei Prudentius. Jüngere Studien weisen die religiöse Leidenschaft, die Symmachus zugesprochen wurde, jedoch zurück. So zeigt Alan Cameron überzeugend, dass der Präfekt mit seiner Petition lediglich ein harmonisches Miteinander der Religionen anstrebte und dieses Anliegen rhetorisch ausgefeilt darbot28. Auch Franz Alto Bauer vertritt die Auffassung, dass sich in der Relatio vorrangig eine „Bitte um Wahrung der Identität Roms“ ausdrücke, „die untrennbar mit dem alten Glauben verbunden war“29. In seiner berühmten Petitionsschrift ersucht Symmachus Valentinian II. um die Rückführung des Altars in die Kurie sowie um die Wiederaufnahme finanzieller Zuwendungen an die Vestalinnen und paganen Priesterämter. Sein Gesuch begründet er mit der Funktion, die der Victoria bei Senatssitzungen als Schwurgottheit zukam. Im zweiten Fall verweist er auf das gültige Erb- und Besitzrecht30. Daneben begründet er seine Bitte mit der lange währenden Tra25 Grundlegend zum Streit um den Victoriaaltar und seinem historischen Verlauf Klein (1971); Klein (1972); Wytzes (1977); Rosen (1994); Cameron (2011), bes. 39ff. 26 Klein (2003), 89. 27 So der Titel von Wytzes (1977). Dagegen Cameron (1999), 112: „Symmachus himself might have been surprised by such a reputation.“ 28 Cameron (1999), 112f.; Cameron (2011), 37ff. Ebd. 39 stellt er fest, dass erst die Antwortschreiben des Ambrosius und die Thematisierung bei Prudentius Symmachus zu einem „pagan champion“ gemacht hätten. 29 Bauer (2012b), 335. 30 Symm. rel. 3,3–6 zum Victoriaaltar; 11–18 Finanzierung der sacra und deren staatserhaltende Funktion.

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dition römischer Religion und deren staatserhaltender Bedeutung: Repetimus igitur religionum statum, qui rei publicae diu profuit (Symm. rel. 3,3). Er untermauert seine Argumentation mit einer Reihe historischer und aktueller Ereignisse, anhand derer aus dem Wohlwollen oder dem Zorn der Götter ein Glücken oder Misslingen der Geschicke Roms abgeleitet wird31: Die zurückgeschlagenen Gallier und Hannibal dienen als Beweis für die Hilfe antiker Gottheiten; zum Indiz für den Unmut der Götter wird die Hungersnot des Jahres 383 unter der antipaganen Regentschaft Gratians, der den Altar hatte entfernen lassen32. Dem jungen Kaiser werden diejenigen Kaiser als positive exempla vor Augen geführt, welche die kultische Tradition befördert oder zumindest bewahrt haben33. Die Stadt Rom wird in doppelter Weise zur Protagonistin seiner Schrift: Zum einen berichtet Symmachus, wie die antike Stadttopographie beim christlichen Kaiser Constantius II. anlässlich seines Rombesuchs im Sommer 357 Bewunderung hervorgerufen habe34. Zum anderen tritt eine personifizierte Stadtgöttin auf, die Kaiser Valentinian II. um den Erhalt ihrer Staatskulte bittet. Eine religiöse Neuorientierung weist sie aufgrund ihres hohen Alters zurück35. In der ersten Passage wird die monumentale Pracht der Stadt in den 31 Symm. rel. 3,15 Nemo me putet tueri solam causam religionum! Ex huiusmodi facinoribus orta sunt cuncta Romani generis incommoda . Eine Übersetzung, ausführliche Inhaltsangabe und Kommentierung der Petitionsschrift bieten Wytzes (1977); Klein (1971); Klein (1972); Klein (2006). 32 Klein (1971), 129f.; Klein (1972), 51f. Tränkle (2008), 20–23. 33 Symm. rel. 3,3–4 (Toleranz bei Konstantin und Valentinian I.; die Entfernung des Altars unter Constantius II. wird als Irrtum gewertet); 7 (Rombesuch Constantius II.); 12 (implizit wird dem Kaiser Habgier unterstellt); 19–20 (Aufwertung der toleranten Politik Valentinians I. gegenüber der antipaganen Gratians). Valentinian II. wird im Eingangspassus aufgrund seines Erlasses gegen die Beraubung antiker öffentlicher Bauten Roms (auch der Tempel) eine ähnliche Toleranz zugesprochen. Implizit wird der Kaiser mit dem Verweis aufgefordert diese Toleranzpolitik in seinen weiteren Entscheidungen fortzusetzen und der Petition stattzugeben. 34 Symm. rel. 3,7 … et per omnes vias aeternae urbis laetum secutus senatum vidit placido ore delubra, legit inscripta fastigiis deorum nomina, percontatus templorum origines est, miratus est conditores cumque alias religiones ipse sequeretur, has servavit imperio. 35 Symm. rel. 3,9–10 Romam nunc putemus adsistere atque his vobiscum agere sermonibus: Optimi principum, patres patriae, reveremini annos meos, in quos me pius ritus adduxit! Utar caerimoniis avitis; neque enim paenitet. Vivam meo more, quia libera sum! Hic cultus in leges meas orbem redegit, haec sacra Hannibalem a moenibus, a Capitolio Senonas reppulerunt. Ad hoc ergo servata sum, ut longaeva reprehendar? Videro, quale sit, quod instituendum putatur; sera tamen et contumeliosa est emendatio senectutis. Ergo diis patriis, diis indigetibus pacem rogamus. Das Ende der Roma-Rede bei Symmachus untersucht Gnilka (2001f).

Rom in der dritten Relatio des Symmachus und in den Antwortschreiben des Ambrosius 45

Vordergrund gerückt und versetzt Constantius II. unabhängig von seiner religiösen Voreinstellung in Erstaunen36. Im zweiten Passus wird das göttliche Patronat betont, unter dessen wohlwollendem Schutz Rom aufgrund der pietas seiner Bevölkerung und seiner zahlreichen Götterheiligtümer in der Vergangenheit meist florierte. Damit rekurriert Symmachus auf die populäre Idee der Roma aeterna und pulcherrima, indem er sowohl die göttlich begünstigte Ewigkeit als auch die Schönheit der Stadt herausstellt. Die dritte Relatio gibt also nicht nur ein mustergültiges Beispiel altrömischen Traditionsbewusstseins, sondern beinhaltet zugleich auch zwei konventionelle Topoi der althergebrachten Romideologie37. Religiöse Tradition und Ewigkeitsgedanke werden nach antikem Konzept zu einander bedingenden Bezugsgrößen, deren Wechselbeziehung in den prachtvollen Sakralbauten der Stadttopographie einen Ausdruck findet, die wiederum zum decus der urbanen Landschaft werden38. Bei Symmachus wird die Stadttopographie zum Spiegel göttlicher Providenz. Symmachus’ Petitionsschreiben erzielte die erwünschte Wirkung und stieß im kaiserlichen Konsistorium auf zustimmende Resonanz39. Der Mailänder Bischof Ambrosius erkannte schnell, dass Symmachus’ Bittgesuch exemplarischen Charakter im religionspolitischen Diskurs der Gegenwart trug, weshalb er einem kurzen schnell verfassten Antwortschreiben ein weiteres ausführli36 Daneben wird auf die enge Verbindung der Stadt mit ihren Göttern verwiesen, wenn der Kaiser die Religion Roms bewahrt (servavit) und sich der Toleranzgedanke als Begründung für sein Handeln direkt anschließt: Suus enim cuique mos, suus cuique ritus est (Symm. rel. 3,8). 37 Gernentz (1914), 45–46 (Roma aeterna); 46–70 (de forma urbis), bes. 56–61 (de pulchritudine); vgl. Pollmann (2013) zur typologischen Charakterisierung Roms in der Literatur, vgl. ferner unten S. 95ff.; 240ff. zum adventus; Klein (1972), 99ff. zu Symmachus’ Romideologie, vgl. Brodka (1998), 31ff.; Behrwald (2009), 147ff. zur Topographie Roms bei Symmachus, der in den Briefen und Relationes vorrangig topische Elemente der laudes Romae feststellt. Auf Schönheit und Ewigkeit verdichtete bereits Minucius Felix im Octavius das traditionelle Konzept von Rom, das er dem paganen Gesprächsteilnehmer Caecilius in den Mund legt: … intende templis ac delubris deorum, quibus Romana civitas et protegitur et ornatur: magis sunt augusta numinibus incolis praesentibus inquilinis quam cultu insignibus et muneribus opulenta (Min. Fel. 7,5). 38 Dass dieses decus wiederum dem Erhalt und dem Kriegsruhm der Stadt diene, betont bereits Maecenas bei Cassius Dio: „Schmücke diese unsere Hauptstadt mit aller Pracht und schaff ihr Glanz mit Festlichkeiten jeglicher Art! Denn es ist wohl angezeigt, dass wir, die Herren über zahlreiche Völker, alle Menschen in allen Dingen übertreffen, und Prunk solcher Art trägt auch dazu bei, unsere Bundesgenossen mit Ehrfurcht , unsere Feinde aber mit Schrecken zu erfüllen“ (Cass. Dio 52,30,1), zit. n. Kolb (1995), 330. 39 Klein (1971), ; Klein (1972), 46. In seinem Brief 57 an Eugenius blickt Ambrosius auf die Ereignisse des Jahres 384 zurück. Mit seinem Brief 17 führte er einen „Stimmungsumschwung“ gegen Symmachus’ Bitte herbei, dazu Klein (1972), 48f.

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ches folgen ließ40: Der Stadtpräfekt trat nicht nur für einen einzelnen Kult ein, sondern für das Weiterbestehen und eine rechtliche Fundierung des gesamten antiken religiösen Kult(ur)erbes. Ebenso wie im Schreiben des Stadtpräfekten stehen in den Briefen des Ambrosius die zu verhandelnden Sachverhalte – 1. die Rückführung des Altars und 2. die Wiederaufnahme finanzieller Zuwendungen gegenüber den paganen Kulten – im Vordergrund und nehmen einen breiten Raum ein41. Auch bei ihm wird die Frage verhandelt, in welchem Toleranzbereich sich die Beschlüsse eines guten Kaisers in Religionsfragen bewegen dürfen. Konstantin, Constantius II., Valentinian I. und Gratian werden ebenso wie bei Symmachus zu exempla einer richtigen oder falschen Religionspolitik42. Brief 18 bietet daneben längere Passagen, die sich mit der staatserhaltenden Funktion antiker Kulte auseinandersetzen. Ambrosius übernimmt die Prosopopoiia der Stadtgottheit von Symmachus und widerlegt ausführlich die 40 Sein erstes Antwortschreiben (Brief 17) verfasst der Bischof, bevor er die Relatio gelesen hat, ein weiteres ausführlicheres folgt nach der Lektüre (Brief 18): Ambr. epist. 18,1 ..eodem quo conperi puncto libellum obtuli. Quo licet conprehenderim, quae suggestioni necessaria viderentur, poposci tamen exemplum mihi relationis dari; vgl. epist. 17,13. Als Ziel der erneuten Auseinandersetzung strebt Ambrosius eine endgültige Absage an den antiken Glauben an (beim Kaiser, beim Senat und bei jedem Leser/Hörer seines Briefes?): Volve, quaeso, atque excute sectam gentilium! (Ambr. epist. 18,2). Brief 18 ist sozusagen eine vorbeugende Maßnahme gegen weitere Petitionen von paganer Seite. 41 Ambr. epist. 17,3 fasst die Forderungen des Stadtpräfekten zusammen. Ebenso wie Symmachus zieht Ambrosius das Erb- und Besitzrecht heran, um ihn zu widerlegen, vergleicht aber die Rechte paganer Kulteinrichtungen mit denen der Kirche und verbindet die rechtliche Ungerechtigkeit gegenüber Christen mit dem Unrecht, das sie unter der Christenverfolgung erlitten haben (Ambr. epist. 17,4; 14; 18,10–16). Er widerlegt die Behauptung, dass eine Vernachlässigung der Kulte zu Katastrophen geführt habe (Ambr. epist. 18,17–21 gegen das Argument der Hungersnot; 22 gegen die staatserhaltende Funktion paganer Kulte; 34–38 gegen das Argument, dass Gratian von den paganen Gottheiten gestraft worden sei). Gegen die Rückführung des Victoriaaltars führt er dessen kultischen Status und die daraus resultierende Zwangslage für alle christlichen Senatoren an (die bei ihm die Senatsmehrheit ausmachen), entweder ihren Glauben durch den Schwur zu verraten oder ihr Stimmrecht im Senat nicht wahrnehmen zu können (Ambr. epist. 17,8–9; 18,31–33). 42 Ambr. epist. 17,1–2; 5 (Konstantin, Constantius II. und Gratian haben die Vorrechte der Kulte abgeschafft); 10–12 (Gratian weist die Petition im Jahr 382 mit Unterstützung von Ambrosius zurück); 16–17 (Gratian und Valentinian I. als Ankläger bei einer Fehlentscheidung); 18,39 (Gratian als Vorbild). Alle Kaiser werden in ein dienendes Verhältnis zur Kirche gesetzt: Nihil maius est religione, nihil sublimius fide (Ambr. epist. 17,12; vgl. 18,10; c. Aux. 36 Imperator enim intra ecclesiam, non supra ecclesiam est, dazu Klein 1971, 128). Im Gegensatz zum Stadtpräfekten kann der Bischof dem jungen Kaiser bei einer Fehlentscheidung zu Ungunsten des Christentums mit dem Missfallen des Theodosius oder mit Exkommunikation drohen (Ambr. epist. 17,12–15, dazu Klein 1971, 125; 1972, 47f.).

Rom in der dritten Relatio des Symmachus und in den Antwortschreiben des Ambrosius 47

Vorstellung einer providentia deorum am Beispiel des Galliersturms und Hannibals: Nicht die Götter, sondern das Militär habe die Siege herbeigeführt43. Seine Roma schämt sich ihres früheren barbarischen Glaubens, errötet ob ihres jahrhundertelangen religiösen Irrtums und bekehrt sich zum Christentum (Ambr. epist. 18,4–7). In den Kapiteln 23–30 widerlegt der Bischof ausführlich Symmachus’ Einwand, dass der mos parentum bewahrt werden müsse, mithilfe einer aszendenten Welt- und Kulturentstehungslehre44. Kapitel 30 wird von der These beherrscht, dass die römische Religion nicht nur in einheimischen, sondern auch in fremden Kulten einst eroberter Städte bestünde. Zum Beweis des beständigen Wandels römischer Sitte wird die römische Stadttopographie: Omitto absconditam pretio humum et pastorales casas auro degeneri renitentes (Ambr. epist. 18,30)45. In seinen beiden Antwortbriefen zieht Ambrosius bewusst eine Grenze zwischen der alten religiösen Tradition und dem Christentum. Er dekonstruiert die synergetische Wechselbeziehung von paganer Religion und Staat, setzt die Kirche über das Ideal der res publica und erzeugt einen „Bruch mit der römischen Vergangenheit“46. Diese starke Polarisierung ist nicht zuletzt dem politischen Kontext geschuldet, in den die zwei Antwortschreiben eingebettet sind: Der Kirchenvater musste schnell handeln und seine Ansichten unmissver43 Das Argument des Symmachus, dass alle dasselbe auf verschiedenen Wegen verehrten (Symm. rel. 3,8–10) macht Ambrosius zur Grundlage seiner Argumentation. Die Wegmetaphorik und die Vorstellung eines Stadtgenius greift er nur am Rande bzw. gar nicht auf. Stattdessen führt er im Folgenden pagane Kultpraktiken als abschreckende Beispiele an (zum Taurobolium vgl. Prud. Perist. 10,1007–1050) und kontrastiert die Inhalte christlicher und paganer Religion (Ambr. epist. 18,8–9). 44 Für Ambrosius stellt sich das Problem, die christliche Religion sowohl als bessere Neuerung gegenüber den antiken Kulten als auch als altehrwürdigen Glauben darzustellen, dazu Klein (1971), 45 Ambrosius übernimmt den Topos der moralischen Dekadenz, die sich in einer übermäßigen Prunksucht widerspiegelt, aus der antiken Literatur, so bspw. bei Prop. 3,13,49: Auro pulsa fides, auro venalia iura, | aurum lex sequitur, mox sine lege pudor, vgl. Prop. 3,14,48; Ov. ars 2,277f. Bei den pastorales casae mag man wie Klein (1972), 187, Anm. 23 an die casa Romuli oder das bescheidene Haus Euanders auf dem Palatin denken, auf die gerade in den tunc-nunc-Kontrastierungen der augusteischen Dichter gerne Bezug genommen wurde, dazu Edwards (1996), 30ff.; Klodt (2001), 12ff. Der Reichtum der Stadt wurde bei den antiken Dichtern meist positiv beurteilt. So betont Ovid über die Kontrastierung von einfacher Vergangenheit und goldener Gegenwart den kulturellen und militärischen Aufstieg Roms: Simplicitas rudis ante fuit; nunc aurea Roma est, | et domiti magnas possidet orbis opes (Ov. ars 3,113f.). Die Gegenüberstellung der bescheidenen Hütten des einstigen Rom mit dem aktuellen Stadtbild konnte jedoch ebenso der Kontrastierung einstiger pauperitas und derzeitiger luxuria dienen, dazu Klodt (2001), 32ff. mit weiteren Literaturhinweisen. 46 Klein (1971), 130; Klein (1972), 133f.; 139.

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Prudentius’ Werk Contra orationem Symmachi

ständlich zum Ausdruck bringen47. Andere Schriften des Ambrosius – vor allem der ihm zugeschriebene Apostelhymnus – sowie seine Kontakte zu Mitgliedern der paganen Führungselite zeichnen ein weniger unversöhnliches Bild48. In seiner Leichenrede auf Kaiser Theodosius kann er das römische Reich und die Kirche aufgrund der veränderten religionspolitischen Situation gemäß Richard Klein zumindest in eine „Schicksalseinheit“ setzen. Kaiser und Staat verbleiben jedoch in einer „dienenden Rolle“ gegenüber der Kirche49. Diese harmonisierende Tendenz findet eine Fortsetzung in Contra orationem Symmachi. Das Hauptanliegen der Schrift besteht darin Christentum und Römertum als gewinnbringende und zukunftsträchtige Einheit darzustellen, ohne dabei die Vorrangstellung der Kirche zu unterminieren. Die eigentlichen Streitpunkte – die Wiedererrichtung des Altars und die Refinanzierung paganer Kulteinrichtungen – treten hinter der Auseinandersetzung mit der generellen Frage zurück, ob das Heil des Staates von den paganen Gottheiten abhinge und eine römische Identität sich allein auf den Götterkulten begründe50. Verschiedene Argumente des Symmachus und Gegenargumente des Ambrosius erfahren bei Prudentius eine fortsetzende Behandlung, werden jedoch anders akzentuiert und kontextualisiert51. Er setzt sich weniger mit der Frage nach der rechtlichen Situation paganer Kulte in einem christlichen Staat, als vielmehr mit der Schwierigkeit auseinander, wie das kulturelle Erbe Roms und die neue Religion (für jeden einzelnen) in Übereinstimmung zu bringen sind. Die politische Auseinandersetzung des Kirchenvaters und des Stadtpräfekten um einen konkreten Sachverhalt stellt dafür lediglich eine Materialgrundlage, auf die eklektisch zurückgegriffen wird. Der Dichter konzentriert seine Argumentation auf die römische Stadttopographie, die zum 47 Klein (1971), 122; vgl. Evenepoel (1990), 35. 48 Klein (1971), 130ff., bes. 136–139 zum Hymnus und zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Romidee des Eusebius und Ambrosius; Klein (1972), Anm. 5 zu epist. 17 und Wytzes (1977), 42f. zum Briefwechsel zwischen Ambrosius und Symmachus. 49 Klein (1971), 132f. 50 Prudentius setzt sich an keiner Stelle seines Werkes mit den rechtlichen Vorbedingungen auseinander. Die Victoriastatue, nicht der Altar ist Gegenstand einer kurzen Abhandlung im zweiten Buch, gewinnt dort jedoch exemplarischen Charakter, siehen dazu unten S. 80. 51 Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden an entsprechender Stelle in der folgenden Untersuchung aufgezeigt, vgl. Evenepoel (1990), 36f. Auffallend ist, dass Prudentius die antichristliche Vergangenheit Roms und die Märtyrertode nur beiläufig streift (bspw. in CS 1,514ff. mit Hinweis auf die Heiligenmemoria), wähend Ambrosius die Christenverfolgung und die damit einhergehenden Leiden und Entbehrungen zu einem schlagenden Argument in der Kontrastierung von römischen Kulten und Kirche macht (bspw. Ambr. 18,11 Nos sanguine gloriamur, illos dispendium movet; vgl. 18,15f.). Prudentius übernimmt die Sperrstellung von Römisch und christlich nicht.

Autor und Adressat

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Anschauungsraum und Angelpunkt seiner Darlegung wird. Durch den Wechsel in die Poesie, den verstärkten Lokalbezug sowie die veränderte Fragestellung werden bekannte Argumente um vieles lebendiger präsentiert und in einen neuen Bedeutungshorizont eingebettet, der eine Anbindung an weitere zeitgenössische Diskurse erlaubt.

3.3 Autor und Adressat Jeder (literarische) Text, sei er fiktional oder nicht, stellt ein Medium der Kommunikation dar52, das auf vielschichtigen Ebenen eine dialogische Struktur besitzt53. Auf textexterner Ebene sendet ein empirischer Autor (Prudentius) eine Mitteilung (Contra orationem Symmachi) an einen empirischen Leserkreis (das Lesepublikum des 4. und 5. Jahrhunderts), um einen bestimmten Sachverhalt aufzuzeigen und zu erläutern. Im Folgenden wird dargestellt, welchen Anspruch Prudentius an das eigene Dichten stellt, wie er in Contra orationem Symmachi textintern ein literarischen Selbstportrait von sich als Autor entwirft und welchen Adressaten er intratextuell konzipiert und außerästhetisch antizipiert. 3.3.1 Prudentius als vates Altay Coşkun setzt das Ende der Karriere des Prudentius im Jahr 400 an, in dem er vom Kaiserhof in seine Heimat zurückgekehrt sei und sich der christlichen Dichtung gewidmet habe54. In den ersten Versen der 404 entstandenen Praefatio lässt der Dichter sein bisheriges Leben Revue passieren und kontrastiert seine Ausbildung und Ämterlaufbahn mit seinem Dichterdasein (Praef. 1–33)55. Sowohl in der Praefatio als auch in seinem Epilog thematisiert er den „ethische[n] Wert“56, den ein poetisches Schaffen gegenüber weltlichen Akti-

52 Brinker (2005), 15: Der Text wird „als (komplexe) sprachliche Handlung“ verstanden, „mit der der Sprecher oder Schreiber eine bestimmte kommunikative Beziehung zum Hörer oder Leser herzustellen versucht.“ Zu einführender und weiterführender Literatur Ebd. (2005), 15, Anm. 11. 53 Vgl. zu den verschiedenen Kommunikationsebenen das Modell von Schmid (2008), 47ff.; Iser (1984), 175ff. betont die Kommunikation zwischen Text und Leser. 54 Coşkun (2008), 315. 55 Zur Datierung Coşkun (2003), 218; zum Topos Thraede (1962a), 125f.; 136. 56 Coşkun (2003), 230f.; Kah (1990), führt Cath. 4,73ff. und Psych. 888ff. als Paralleltextstellen für die Entsprechung von Dichtung und Opfer an. Die Praefatio steht unter der Leitfrage, was Prudentius Nützliches geleistet habe oder leisten könne (Praef. 6 quid nos utile …

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Prudentius’ Werk Contra orationem Symmachi

vitäten besitzt. In Praef. 36 kontrastiert das Dichten unter dem Inferioritätstopos und mit Blick auf die Geringschätzung, die der Poesie von christlicher Seite oftmals entgegengebracht wurde, noch mit einem tatsächlichen Verdienst57. Die letzten Verse deuten jedoch darauf, dass Prudentius sein literarisches Werk als eine Leistung betrachtet, die Gott zur Ehre gereicht und ihm einen Platz im Himmel sichern könnte58. Die Frage nach dem Nutzen der Dichtung wird im Epilog zur Gesamtwerkausgabe erneut behandelt: Dort legitimiert Prudentius sein Dichterdasein, indem er sein pedestre carmen als eine Opfergabe für Gott versteht, das dieser wohlwollend hören möge (Epilog. 11–12)59. Zum Adressaten des Opfers wird Gott. Der Nutzen, den die Gedichte erbringen sollen, ist in der modernen Forschung meist nur selbstreflexiv auf die Person des Prudentius bezogen worden, der mittels seiner Werke hoffe, vor Gott Gnade zu finden und in das Himmelreich aufgenommen zu werden60. In dieser Interpretation erscheinen seine Dichtungen egoistisch motiviert und eigennützig, was dem Ideal des karitativen Christen entgegenstünde. Wegweisend für diese selbstbezogene Deutung ist die Studie von Klaus Thraede, der in seiner Argumentation die Begriffe ‚Adressat‘ und ‚Empfänger‘

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egimus?). Die Frage tritt im Epilog erneut auf und beantwortet sich durch die Dichtungen, dazu Coşkun (2003), bes. 230ff.; Prolingheuer (2008), 61ff. Praef. 36 … saltem voce deum concelebret, si meritis nequit. Zur Missbilligung der Poesie als Vermittlungsmedium christlicher Werte Coşkun (2003), 224; Westra (2007) bei Augustinus; vgl. Schwind (2012) zur Bibelepik. Ebd. 197 führt er u.a. Hier. epist. 22,29,7 als Beispiel für die ablehnende Haltung gegenüber der christlichen Dichtung an: Quid facit cum psalterio Horatius? Cum evangeliis Maro? Cum apostolo Cicero? Praef. 43–45, dazu Coşkun (2008), 224. Thraede (1965), 28ff. gibt einen Überblick über die Opfer-Gedicht-Motivtradition; der Ausdruck pedestre carmen muss dem Bescheidenheitstopos zugeordnet werden, vgl. Thraede (1965), 51ff.; Kah (1990), 62ff.; Lühken (2002), 262ff. stellt einen Bezug zu Hor. carm. 2,18 her; Coşkun (2003), 227f.; 231; Prolingheuer (2008), 63ff. Vergleichbar ist die Selbstbezeichnung als poeta rusticus in Perist. 2,574, für die sich eine verbindende Interpretation von Thraede (1965), 61ff. und Henke (1983), 55ff. anbietet, so dass rusticus gleichzeitig auf den Gegensatz von Provinz und Stadt verweist wie es Ausdruck christlicher humilitas ist, vgl. Palmer (1989), 85; 90f. zum Gegensatz von christlicher Demut und Stolz auf das eigene Werk bei Prudentius. Thraede (1965), bes. 44 stellt fest, dass das Werk damit seiner „gesellschaftlichen Bindung entnommen“ werde. Ähnlich sieht Kah (1990), 65 eine enge Verknüpfung des „dichterischen Werkes mit dem Seelenheil der eigenen Person [sc. des Prudentius] und leitet daraus eine „introvertierte Motivation christlicher Poesie“ ab. Prolingheuer (2008), 68f. vertritt die Meinung, dass Prudentius sich nicht darüber äußere, was unter dem Nutzen seiner Dichtungen verstanden werden soll.

Autor und Adressat

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synonym setzt61. Die beiden Positionen erfahren bei Prudentius jedoch eine Trennung. In einer dreifachen Triade werden verschiedene Menschen mit verschiedenen Gefäßen identifiziert, denen allen in irgendeiner Form ein usus für Gott eigen ist62. Der Nutzen, der den Gefäßen zugesprochen wird, muss auf die Menschen der voranstehenden Triade angewendet werden63: Der Fromme opfert dona conscientiae, der Reiche verteilt pecunia an die Armen und Prudentius weiht seine Verse (iambicos … trochaeos). Auffallend ist, dass das mittlere Glied die egeni und pauperes als Empfänger für die Almosen benennt (Epilog. 6; 10). Demgegenüber erscheinen die Opfergaben des Gläubigen und des Dichters empfängerlos in der irdischen Welt und allein für Gott bestimmt zu sein. Beim Reichen besteht das Opfer für Gott in einem Akt des Gebens an einen Dritten – in einer karitativen Handlung, die seinen usus für Gott ausmacht. Ebenso können die dona conscientiae in einem sozialen Kontext gelesen werden64. Der Reiche gibt, weil er mehr Vermögen besitzt als er für sich selbst braucht. In ähnlicher Weise verschenkt der Gläubige das, was er selbst im Überfluss besitzt: sein ‚Mitwissen‘ an der göttlichen Wahrheit65. In beiden Fällen wird der Dienst an der christlichen Gemeinschaft als Opfer für Gott interpretiert66. In derselben Weise inszeniert Prudentius sein eigenes Dichten

61 Thraede (1965), 44: „Er will ja Dichtung und Opfer identifizieren, um Gott zum Empfänger des Gedichts zu machen. Das bedeutet zwar einerseits, dass ehedem ansprechbarer Adressat und Empfänger des Opfers, dass also Literatur und Religion sich decken […].“ 62 Epilog. 20–21 Omne vas sit utile | quod est ad usum congruens herilem; 31–32 At tamen vel infimam | deo obsequellam praestitisse prodest. Coşkun (2003), 228 interpretiert den usus zutreffend als „transzendentalen Nutzen“. 63 Epilog. 1–8 Immolat patri deo | pius fidelis innocens pudicus | dona conscientiae | quibus beata mens abundat intus. | Alter et pecuniam | recidit, unde victitent egeni. | Nos citos iambicos | sacramus et rotatiles trochaeos …, zu den Gefäßen Epilog. 15–20, zum parallelen Aufbau der Triaden Coşkun (2003), 225ff. Prudentius setzt die eigene Person mit dem geringsten Gefäß gleich (Epilog. 25–30). Sein usus besteht in seiner Dichtung. Coşkun (2003), 228 fasst die Parallele weiter und betrachtet auch die Dichtung als ein „Gefäß, das mit neuem, guten Inhalt gefüllt werden kann“. 64 Kah (1990), 63 übersetzt „Gaben des Gewissens“, ebenso Prolingheuer (2008), 64, der sie unter dem Begriff „Glaubensbezeugnisse“ zusammenfasst; Pietsch (2001), 263 übersetzt „individuelle Begabung“. Sie alle lesen conscientia ausschließlich reflexiv als das Bewusstsein oder die Überzeugung einer Einzelperson, nicht als ‚Mitkenntnis an einer Sache, die mit anderen geteilt werden kann‘, vgl. OLD (2007), 411 s.v. conscientia. 65 Epilog. 5–6 … dona conscientiae | quibus beata mens abundat intus. 66 Prudentius führt ein geistiges und ein weltliches Beispiel an. Der Dienst an der Gesellschaft ist im zweiten Beispiel evident. Zur Verdeutlichung des gesellschaftlichen Nutzens im ersten Beispiel vgl. 1 Cor 12,4ff.: divisiones vero gratiarum sunt idem autem Spiritus et divisiones ministrationum sunt idem autem Dominus et divisiones operationum sunt idem vero

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Prudentius’ Werk Contra orationem Symmachi

als einen Dienst an der Gesellschaft. Seine Werke sollen zum einen Gott loben, zum anderen seine Leserschaft zu Gott hinführen67. Das poetische Opfer-Motiv wird von einer dualen Kommunikationssituation zwischen Dichter und Gott/Kaiser in ein triadisches Bezugsverhältnis von Dichter, Empfänger und Gott übersetzt68. Das Dichten wird als eine Möglichkeit vorgestellt, ein christliches Leben zu führen und Gott zu gefallen69. Erst in Verbindung mit einem missionarischen Anspruch wird das Dichterdasein vor Gott legitimiert70. Schon die antiken Autoren inszenieren sich nicht selten als vates, als göttlich inspirierte Verkünder einer Botschaft71. Mit seinen Dichtungen stellt Prudentius sich in die Nachfolge der paganen divini poetae, unterstellt seine Werke jedoch der christlichen Wahrheit, die er verbreiten möchte. Dieser Selbstanspruch und Anspruch an das eigene Werk wird nirgends explizit formuliert, sondern implizit durch intertextuelle Bezüge zur antiken Poetik und Poesie

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Deus qui operatur omnia in omnibus unicuique autem datur manifestatio Spiritus ad utilitatem alii quidem per Spiritum datur sermo sapientiae … Es ergibt sich folgendes Ordnungsschema von Sender – Objekt – Empfänger: A) der Fromme – ‚Mitwissen an der göttlichen Wahrheit‘ – die Nichtwissenden; B) der Reiche – Geld – die Armen; C) Prudentius – seine Dichtungen – die Leserschaft. Die Interpretation von Thraede (1965) zieht beim zweiten Beispiel eine Schieflage nach sich, da die pecunia des Reichen entsprechend der dona des Frommen und der Dichtungen des Prudentius als Opfer für Gott gelesen werden müssten und die Armen als Empfänger scheinbar grundlos angeführt würden. Zum Lob Gottes als Ziel der Dichtung von Prudentius Praef. 34–36; Epilog. 33–34. Singulär bleibt in der Forschung bisher die Feststellung von Westra (2007), 28, der ich mich anschließe: „This means that he [sc. Augustine] could not have conceived of Christian poetry as leading to salvation, which is precisely the function Prudentius ascribes to his own work.“ Das widerspricht einer abfallenden Hierarchie in der Triade wie Prolingheuer (2008), 64f. sie annimmt. Thraede (1965), 40 stellt fest, dass eine Entsprechung von Gedicht und Opfer erst bei Statius vorgenommen werde (Stat. silv. 1,4), während frühere Autoren vorwiegend einen Analogiebezug zwischen beidem herstellten. Für die panegyrisch-höfische Dichtung stellt er von Beginn an ein Vorhandensein des Opfervergleichs fest (bspw. Ov. trist. 2,552 … et tibi [sc. Caesar] sacratum sors mea rupit opus). Coşkun (2003), 224; ähnlich bereits Rodriguez-Herrera (1936), 10; 26; 78ff. dazu Prolingheuer (2008), 63f. Dieser Missionsanspruch wird in der Praefatio formuliert: Die Seele des Prudentius soll nicht nur Hymnen singen, sondern durch das Singen einerseits Häresien und Heidentum bekämpfen, andererseits das Christentum in den Märtyrerlegenden verkünden (Praef. 34–42). Zum vates-Begriff Runes (1926); Dahlmann (1948); Bendlin (2002), bezeichnet ihn als „Sänger/Künder gesellschaftlich relevanter Dinge“. Die Bezeichnung des Dichters als vates tritt erstmals in der augusteischen Literatur auf, vgl. bspw. Verg. ecl. 7,25ff.; 9,32ff.; Hor. epod. 16,66; 17,44.

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vermittelt72. In Praefatio und Epilogus ist der Bescheidenheitstopos vorherrschend, in dem sich die Missbilligung von Poesie widerspiegelt, die maßgeblich für das zeitgenössische Umfeld des Dichters war. In der ersten Triade des Epilogs unterwandert Prudentius diese vordergründig geäußerte Inferiorität der eigenen Person und des eigenen Werkes: Der Fromme dient der Gesellschaft, weil er Dritte an seinem Wissen über die göttliche Wahrheit teilhaben lässt. Ebenso vermittelt Prudentius in seinen Werken seiner Leserschaft die Grundüberzeugungen des Christentums in poetischer Weise. Die parallele Gedankenführung lässt die Dichtungen des Prudentius als dona conscientiae erscheinen. Er betrachtet sich also keinesfalls als sanctitatis indigus (Epilog. 9), sondern als einen fachkundigen und göttlich inspirierten Verkünder der christlichen Botschaft – als Dei vates73. Das Dichten dient nicht nur Prudentius’ persönlichem Streben, sondern besitzt gesellschaftliche Funktion, indem es die Leserschaft zum Christentum hinführen oder im Glauben bestärken soll74. Erst unter dieser intentio operis darf Prudentius auf das Himmelreich hoffen: Er überführt den Unsterblichkeitstopos, den Horaz in seinen Oden formuliert, in einen transzendenten

72 Rodriguez-Herrera (1936), 18ff. zu Bezügen in der Praefatio; 24ff. zum Epilog. Lühken (2002), 201f. stellt fest, dass Prudentius sich in seinen Märtyrerkronen und Tageliedern in die Nachfolge von Horaz als vates stelle, überträgt dieses Ergebnis aber nicht auf seine Programmgedichte (vgl. Ebd. 262ff.); Westra (2007), 26f. beleuchtet den Epilog des Prudentius und Perist. 4,197ff. und kommt zu folgendem Schluss: „Poetry has become a means of salvation, not just for the poet, but for mankind.“ Prudentius inszeniere sich vor dem Hintergrund der antiken Autoren als vates als Prophet oder Apostel. Statt der Bezeichnung ,Prophet‘ oder ,Apostel‘ würde ich im Falle des Prudentius von ,Verkünder‘ sprechen. Auch Kah (1990), 65ff. stellt fest, dass Prudentius sich in die Tradition der biblischen Propheten stelle. Gnilka (2001c), 48ff. stellt eine christliche Redefinition des poeta vates lediglich für Paulinus von Nola fest. 73 Vgl. zu Prudentius Rodriguez-Herrera (1936), 26; 78ff.; Paul. Nol. epist. 16,6 zum Anspruch des Dichtens: Verte potius sententiam, verte facundiam. Nam animi philosophiam non deponas licet, dum eam fide condias et religione; conserta utare sapientius ut sis Dei philosophus et Dei vates … Der missionarische Anspruch des Dichters an das eigene Werk ist dem der Bibelepiker vergleichbar, für die Schwind (2012), 216 „seelsorgerische und glaubenspolitische Ambitionen“ feststellt. Rodriguez-Herrera (1936), 26 stellt einen Bezug zwischen Prudentius’ Epilog und Juvencus Praef. 17ff. her; zu sanctitatis indigi als Bescheidenheitstopos Thraede (1965), 49. 74 Epilog. 33–34 Quidquid illud accidit | iuvabit ore personasse Christum, Die doppelte Funktion der Dichtung zu nützen und zu erfreuen spiegelt iuvabit, vgl. Rodriguez-Herrera (1936), 25; Thraede (1965), 75 liest es zu einseitig lediglich als ‚erfreuen‘, dagegen Lühken (2002), 259, Anm. 47 nur als ‚nützen‘. Zu den „Schlüsselwörter[n] utilitas und prodesse“ in Epilog und Vorrede Coşkun (2003), 230; vgl. Rodriguez-Herrera (1936), 78 zum didaktischen Ziel (je)der Dichtung.

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Deutungskontext75: Während sein literarisches Vorbild bei aller Bescheidenheit hofft, aufgrund seines ingenium von Maecenas unter die lyrici vates gerechnet zu werden und (irdische) Unsterblichkeit zu erlangen, äußert der christliche Dichter in der Praefatio und den letzten Verse des Epilogs den Wunsch, als Verdienst für sein Leben als Dichter und vates Gottes das ewige Leben zu erlangen76. Prudentius formuliert seine Hoffnung auf Unsterblichkeit zwar im Gewand christlicher Demut als ungewiss, durchbricht den Inferioritätstopos jedoch durch häufige Bezüge zu den Rahmengedichte des selbstbewussten Horaz: Dieser erachtet die eigene Unsterblichkeit aufgrund der hohen Qualität seiner Dichtungen als gewiss. Dieselbe Zuversicht und derselbe „Dichterstolz“77 klingen vor der Folie des augusteischen vates bei Prudentius an. 3.3.2 Autorenportrait und Leserinstanz In Contra orationem Symmachi führt ein Erzähler in der ersten Person Singular durch die Argumentation78. Dieser offenbart sich selbst als überzeugter Christ79 und Römer. Als Christ erscheint er auf syntaktisch-semantischer Ebe75 Lühken (2002), 262ff. arbeitet überzeugend die Parallelen von Vorrede und Epilog zu Hor. carm. 2,18 sowie carm. 1,1 und 1,30 heraus. Horaz bindet seine eigene Unsterblichkeit an das Urteil des Maecenas (Hor. carm. 1,1,35f.) und die Ewigkeit (des paganen) Roms: Non omnis moriar … | dum Capitolium | scandet cum tacita virgine pontifex (Hor. carm. 3,30, 6ff.; vgl. Ov. met. 15,871–879). Für Horaz und Ovid ist die die Ewigkeit an ihr Werk, nicht an ihre Person gebunden, was Prudentius in der Unsterblichkeit der eigenen Seele überbietet (vgl. die Kontrastimitation von Ov. fast. 5,377ff. in Perist. 2,581–584, dazu Palmer 1989, 120f.). Erfüllt sich seine Hoffnung, entgeht er der aula rapacis Orci, die Horaz in carm. 2,18,29ff. als gewisses Ende aller Menschen festsetzt, und betritt stattdessen die domus Gottes, wo er ewig leben wird, vgl. unten S. 255ff.; 315 zur transzendenten Ausdehnung der Romideologie in CS 1,539ff. und in Perist. 12. Etwas komplexer leitet Palmer (1989), 16 eine Transformation des Unsterblichkeitstopos bei Prudentius her. 76 Praef. 43–45, vgl. Epilog. 29–30 Munus ecce fictile | inimus intra regiam salutis. Zur Hierarchie der Gefäße Coşkun (2003), 226ff.; Prolingheuer (2008), 66ff. Zum Motiv vgl. Perist. 4,193ff.; Rodriguez-Herrera (1936), 71ff., bes. 72f. zur Textpassage; 68ff. zum Dichten als Dienst und Opfergabe. 77 Dagegen interpretiert Lühken (2002), bes. 267f. Prudentius’ häufige Bezugnahmen zu Horaz als abgrenzende „Kontrastimitation “ zu Horazens „Dichterstolz“. Die literarische Folie kann jedoch auch den gegenteiligen Effekt erzielen und Prudentius in Analogie zu Horaz setzen, der ebenso wie sein Vorbild „der römischen Literatur neue Wege erschlossen“ hat, indem er anspruchvolle christliche Poesie gedichtet hat. 78 Das sprechende Ich wird im Folgenden als Erzähler bezeichnet. Dieser wird im ersten Wort des ersten Buches über credebam markiert (CS 1,1), siehe dazu unten S.64f.; zu den Praefationes S. 69f.; 71ff. 79 Unter der Bezeichnung ‚christlich‘ muss in den Schriften des Prudentius das katholischorthodoxe Christentum verstanden werden, das auf dem Symbolum Nicaeno-Constanti-

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ne über Pronomina und Verben der ersten Person Plural80 sowie auf narrativer Ebene in der Argumentationsstruktur. Über grammatikalische Markierung, Parenthesen oder Exklamationen, die in das Berichtete eingeflochten sind und das Erörterte bewerten81, ordnet er sich der Gruppe der christusgläubigen Römer zu82. Das Dargestellte und das eigene Schreiben werden beurteilend erläutert83. Textpragmatisch definiert wird der Erzähler in der Aktantenrolle eines ‚besprechenden Ichs‘ verwirklicht. Er kann als ein literarisches Selbstportrait des empirischen Autors Prudentius verstanden werden84. Neben dem Erzähler treten weitere Figuren auf, die dessen christliches Weltbild in Variation aufgreifen und mit unterschiedlicher Schwerpunktlegung

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nopolitanum basiert. In diesem Punkt ist sich die Forschung einig, vgl. dazu bspw. den Titel von Rösler (1886): „Der katholische Dichter Aurelius Prudentius Clemens. Ein Beitrag zur Kirchen- und Dogmengeschichte des vierten und fünften Jahrhunderts“. Vgl. Praef. 39 … pugnet contra hereses, catholicam discutiat fidem … In seiner Apotheosis setzt sich der Dichter mit den häretischen Lehren, die denen der katholisch-orthodoxen Kirche entgegenstehen auseinander, dazu grundlegend Fabian (1988). Vgl. CS 2,905–907: At nobis vitae dominum quaerentibus unum | lux iter est et clara dies et gratia simplex. | Spem sequimur gradimurque fide fruimurque futuris, zur Wegmetaphorik bei Prudentius unten S. 279ff., bes. 282ff. Vgl. auch die kurze Propositio des 2. Buches: … diximus, et nostro Romam iam credere Christo (CS 2,3). Dass in die christliche Glaubensgemeinschaft die zeitgenössischen Kaiser miteinbezogen sind, wird in den Versen 760–768 deutlich, in denen ein ‚Du‘ (der Kaiser) und ein ‚Ich‘ (der Erzähler) in ihrem gemeinsamen Glauben (nostra fides) gegen die Worte des paganen Redners bestehen. CS 1,115 quem visere pudeat; 1,267 nec mirum; 1,283 quam pudet; 1,381 heu; 1,393 heu ; 2,763 heu! Weitere Beispiele werden im Folgenden im entsprechenden Zusammenhang genauer beleuchtet. Das Selbstverständnis des Erzählers als Romanus wird vor allem über Possessivpronomina markiert, die dem semantischen Feld ‚Rom/römisch‘ zugeordnet sind: CS 1,36 felix nostrae res publica Romae; 1,192 noster populus; 1,609 subsellia nostra senatu; 2,3 diximus, et nostro Romam iam credere Christo, das nostro gehört hier zwar grammatikalisch zu Christo, ist aber eng bei Romam positioniert; 2,621f. publica nostrae | pacis amicitia; 2,710. christipotens nobis iuvenis fuit; 2,743 noster Stilicho; 2,928 nostras … ripas; Auffallend betont der Erzähler seine Zugehörigkeit zum römischen Volk auch in solchen Kontexten, in denen er wie in CS 1,192 ein Fehlverhalten beschreibt. CS 1,133 reor; 1,271 Quid loquar; 1,561 Iam quid … percurram carmine; 1,566f. numerare … licet; 1,587 et dubitamus adhuc …; 1,591 nec moveor; 1,643ff. die Schlussverse des ersten Buches; 2,3 diximus; 2,94 Nam cum divinis agimus de rebus; 2,182 Sed quid ego haec meditor?; 2,279 revolvamus; 2,343f. Sed quia Romanis loquimur de cultibus … probo …; 2,376ff. ignoro … intellego; 2,443 Romam dico …; 2,583ff. Vis dicam; 2,1065 discutiam. Der Erzähler nimmt in der Auseinandersetzung die argumentative Position ein, die der historischen Persönlichkeit Prudentius entspricht. Dennoch muss der Erzähler als eine dichterische Selbstinszenierung des realen Autors und nicht als ein Fundus an biographischen Informationen gelesen werden, vgl. Prolingheuer (2008), 61.

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vertreten: die Kaiser Theodosius (CS 1,415–505), Arcadius und Honorius (CS 2,17–66), Gott bzw. die personifizierte Fides (CS 2,123–160; 184–269) und Roma (CS 2,649–768). Außer der Fides und Gott sind alle Figuren literarische Portraits realer oder fiktiver Repräsentanten der führenden Oberschicht, die wiederholt in Interaktion zueinander oder mit einem paganen Widerpart gesetzt werden85. Den heidnischen Gegenpol zur christlichen Gemeinde bildet ebenfalls eine Überzeugungsgemeinschaft. Deren Vorstreiter wird als Verfechter der Götterreligion, Staatsmann und Rhetor vorgestellt86, mit dem sich Prudentius in ein ingenii luctamen begibt (CS 1,644)87. Dieser ist wiederholt mit Quintus Aurelius Symmachus identifiziert worden, dessen Name im Titel88 erscheint und dessen dritte Relatio in Passagen anzitiert und paraphrasiert wird. Ebenso wie Kaiser Theodosius jedoch im ersten Buch eine Vorlage für die Skizzierung des idealen princeps christianus bildet, dient die historische Persönlichkeit des Stadtpräfekten lediglich als Basis für die Charakterisierung eines paganen Stereotyp der Oberschicht89. In derselben Weise spiegelt das ‚setting‘ des zwei85 Neben dem Erzähler und seinem paganen Widerpart interagieren bspw. Theodosius und Roma (CS 1,415–505); das kaiserliche Brüderpaar und der orator catus | legatus (CS 2,7ff.); der pagane orator und Fides/Gott (CS 2,80ff.); Roma und die Kaiserbrüder (CS 2,649ff.); der Erzähler und Honorius (CS 2,1114ff.). 86 CS 1,624f. pereuntum | adsertor divum; zum Rhetor und Staatsmann bspw. CS 1,622–625; CS 2 praef. 55f. vir …, quo nunc nemo disertior; CS 2,10 orator catus; 17 legatus; 910 legatus; 309 Romanus senator. 87 Prudentius spielt hier mit dem Bescheidenheitstopos. Er lässt seinen Erzähler leugnen, dass er die Schrift seines Widersachers anfechten und in einem intellektuellen Wettstreit mit diesem großartigen Redner treten wolle. In der Realität beweist die Existenz der zwei Bücher Contra orationem Symmachi das Gegenteil, womit die Schrift einen selbstreflexiven Charakter erhält, vgl. Thraede (1965), 65ff. zum Vergleich des zeitgenössischen Redners mit Cicero Schwind (2006), 40ff. 88 Siehe zur Echtheit des Titels Anm. 23 in diesem Kapitel. 89 Cameron (2011), 346f. setzt CS 1,621ff zuletzt in einen engen Bezug zur Biographie des Symmachus, Die Verse können jedoch aufgrund des fehlenden Namens ebenso generell auf jeden paganen Römer der Oberschicht bezogen werden. Ebenso wie bei Theodosius fällt der Name Symmachus mit Ausnahme des Titels in den gesamten zwei Büchern kein einziges Mal. Gemäß Klein (1971), 58f. besaß Symmachus zudem nach seiner erfolglosen Petition beim Kaiserhaus keinen nennenswerten politischen Einfluss mehr. In CS wird Symmachus dogmatischer inszeniert als er mit hoher Wahrscheinlichkeit war: Für dessen große Toleranz und Humanität spricht sich zuletzt Klein (2006), bes. 36; 51ff. aus, Gnilka (2001k), bes. 476ff. hatte ihm beides abgesprochen; vgl. Wytzes (1977), 42; Behrwald (2009), 151 zum Briefverkehr mit Christen; Cameron (1999), 112 verweist darauf, dass Symmachus nicht wegen seiner religiösen Einstellung, sondern aufgrund seiner Redegewandtheit und seiner gesellschaftlichen Beziehungen gleichermaßen zu Paganen wie zu Christen als Gesandter ausgesucht worden sei.

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ten Buches die mögliche Begebenheit einer Gesandtschaft (am Kaiserhof?), beschreibt jedoch kein tatsächliches historisches Ereignis90. Das Symmachus zugesprochene heidnische Weltbild ist ein hypothetisches Konstrukt, das auf seiner Petitionsschrift an Kaiser Valentinian II. und weiteren literarischen Quellen basiert, was sich an den zahlreichen Reminiszenzen klassischer und zeitgenössischer Autoren ablesen lässt91. Die literarische Figur Symmachus repräsentiert prototypisch die heidnische pars des Senatorenstandes und fungiert als deren Sprachrohr92. Die Figur Symmachus ist nicht identisch mit der fiktiven Leserinstanz93. In der Auseinandersetzung mit dem Erzähler wird er zwar zum angesprochenen ‚Du‘, tritt jedoch ebenso in der dritten Person Singular auf94. In den Paraphrasen der dritten Relatio alterniert die grammatikalische Person zwischen der zweiten und der dritten Person95. Es gibt ein ‚Er‘, ein ‚Du‘ und ein ‚Ihr‘, die als Pagane eine Gegenposition zum Standpunkt des Erzähler beziehen. Neben

90 Die Präsenz einer personifizierten Roma und Fides in den Dialogsituationen sprechen gegen eine tatsächliche historische Begegnung zwischen Symmachus und den zwei jungen Kaisern am Kaiserhof wie sie Harries (1984), 73ff.; 82f.; Gnilka (2001h), 312ff. als historischen Anlass für das Entstehen von CS annehmen. Das literarische ‚setting‘ verweist leidglich auf die Möglichkeit einer solchen Situation, ebenso wie im ersten Buch ein Kaiserbesuch in Rom inszeniert wird, dazu unten S. 239ff. 91 Dies zeigen die zahlreichen Untersuchungen zu den intertextuellen Bezügen zu (paganen) antiken Autoren, von denen hier nur einige exemplarisch angeführt werden sollen, vgl. Coşkun (2003), 212, Anm. 2 zu weiterer Literatur. Das Verhältnis von Prudentius zu Juvenal untersucht Gnilka (2001h); das Verhältnis von Prudentius zu Vergil und Horaz untersucht zuletzt Lühken (2002); Vergil in den zwei Büchern CS untersucht Döpp (1988); zu Ovid bei Prudentius Ewald (1942); zu Ausonius Charlet (1980); zu Cicero Schwind (2006); zu Claudian s.o. S. 39. Cameron (2011), 159ff.; bes. 161; 163 vermutet sogar, dass Prudentius außer durch literarische Quellen (er nennt Livius und Vergil) in keiner Weise mit paganen Lebensformen vertraut war. 92 CS 1,591–592 Pars hominum rarissima clausos | non aperit sub luce oculos et gressibus errat. Vgl. CS 2,901f. Ite procul, gentes! Consortia nulla viarum | sunt vobis cum plebe dei; CS 2,879ff. 93 Die Diskussion um den textinternen Adressaten (=Leserinstanz) der beiden Bücher skizziert Döpp (1980), 70; (1986), 67; Iser (1984), 59f. zur markierten Leserfiktion. 94 Die zwei längsten Stellen der beiden Bücher sind CS 1,632–655 und 2,7–11; 17f.; 67–71. 95 Dies ist schon allein bei der Fragestellung, ob es einen Stadtgenius gäbe, d.h. innerhalb eines geschlossenen Themenkomplexes, der Fall: Die Person wechselt hier von der dritten Singular (CS 2,370ff. Sed sollers orator ait fataliter urbem | sortitam quonam genio … inquit …) zur zweiten Singular (2,393f. At tuus hic urbis genius (dicas volo) quando | coepit adhuc parvae primum se infundere Romae?) in die zweite Person Plural (2,445ff. Quamquam cur genium Romae mihi fingitis unum … soleatis | adsignare suos genios).

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Symmachus wird Roma vom Erzähler als ‚Du‘ apostrophiert96. Ebenso ist sie Senderin und Empfängerin in der Figureninteraktion. Daneben richtet sich das „rhetorische Du“97 aus dem Text heraus an eine Leserinstanz. Besonders augenfällig wird der Leser in der Mitte des zweiten Buches in die Position eines präsenten Gesprächspartners gesetzt. Vis dicam in Erststellung impliziert einen vorangegangenen Dialog mit dem Erzähler98: Vis dicam quae causa tuos, Romane, labores in tantum extulerit, quis gloria fotibus aucta sic cluat, inpositis ut mundum frenet habenis? (CS 2,583–585) Die Apostrophe des Romanus erinnert an Vergils Aeneis, in der Anchises seinem Sohn die zukünftige Aufgabe des römischen Volkes und die Bestimmung jedes Römers voraussagt99. Nicht nur die Wortwahl, sondern auch der Inhalt der Prophezeiung sowie die drei Kommunikationsinstanzen werden bei Prudentius aufgegriffen: tu regere imperio populos, Romane, memento (hae tibi erunt artes), pacique imponere morem, parcere subiectis et debellare superbos. (Verg. Aen. 6,851–853) 96 Bspw. CS 2,61 vis decorare tuum, ditissima Roma, senatum?; vgl. CS 1,265ff.; 354f.; CS 1,164ff. 97 Anderegg (1973), 73f.; vgl. Zuschlag (2002), 139f. 98 Zur Apostrophe als rhetorisches und affektsteigerndes Mittel Lausberg (1990), 377f., §§ 762–765; 379f., § 767 zur pathetischen Frage (interrogatio). Rodriguez-Herrera (1936), 115 betrachtet die Passage sogar als „Sonderproemium“, das durch die Frage hervorgehoben werde. In den voranstehenden Versen CS 2,578–582 wird die dritte Relatio paraphrasiert. Die Symmachus bzw. seiner Roma zugeschriebene Romidee wird jedoch gemäß Thraede (1991), 387 in dessen Schrift so nicht formuliert. Eine ähnliche dialogische Situation wird in Apoth. 503–551 fingiert, wo dem steinernen Tempel des Judentums der Tempel des Christentums (Christus selbst) gegenübergestellt wird: Si nostrum contra quod sit vis discere templum … (Apoth. 518). 99 Vgl. Rodriguez-Herrera (1936), 115; Lühken (2002), 176f. stellt die Passage der Aeneis in Bezug zu CS 1,455–460, vgl. Kah (1990), 155f.; Pietsch (2001), 261ff. stellt die vergilische Passage in einen Bezug zur Praefatio des Prudentius; Ernesti (1998), 242 merkt an, dass diese Vergilpassage „jeder literarisch gebildete Römer von Kindesbeinen an kannte“. Als weiterer Prätext könnte Hor. carm. 3,6,1ff. gedient haben: Delicta maiorum inmeritus lues, Romane, … Dis te minorem quod geris, imperas | Hinc omne principium, huc refer exitum.

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David Ross merkt an, dass Anchises wohl vergessen habe, dass er mit Aeneas spricht, und dieser so in die Person eines „generic Roman“ transformiert werde100. In der Tat richten sich die Worte des Anchises weniger an sein fiktives Gegenüber als vielmehr an den außerliterarischen Leserkreis, unter dessen interpretatorischem Blickpunkt die Aeneis bald zum „Nationalepos“ schlechthin avancierte101. In diesem und anderen historischen Durchblicken erscheint der Hegemonialanspruch Roms als göttlich begründeter teleologischer Weltplan. Anders als Aeneas102 ist der Rezipient des Epos mit der Idee einer von Jupiter protegierten Roma aeterna vertraut: His ego nec metas rerum nec tempora pono: imperium sine fine dedi (Aen. 1,278–279)103. Das Wort des Göttervaters wird zur Ursache (causa) für das Bestehen des Reiches104. Staatliche Theologie und imperiale Teleologie werden zu einander wechselseitig bedingenden Größen. Auf diese Weltsicht referiert die Passage des Prudentius: In den voranstehenden Versen wird sie einem fiktiven ‚Du‘ zugeschrieben, das die pagangöttliche Schirmherrschaft als causa imperii betrachtet. Im Romanus der 100 Ross (2007), 113. Boyle (1993), 83 geht davon aus, dass Aeneas hier als „emblem of Rome“ fungiert. Er sagt weiterhin, dass darüber die mythische Erzählung des Vergil in der Wahrnehmung des Lesers in eine historische Symbolik überführt werden solle. Hierbei wird jedoch noch nicht die Selbstwahrnehmung des Lesers als Romanus miteinbezogen. Norden (1916), 338 verweist auf Paralleltextstellen bei Horaz (Hor. serm. 1,4,85; 2,4,12.89; 5,52), in denen der epische Stil parodiert wird; ebenso Harrison (2007), 96, der die „description of an individual by periphrasis rather than name“ bei Horaz dem „hexameter oracular verse“ zuordnet und auf Liv. 5,16,9 verweist. Cic. de orat. 3,168 führt ein ähnliches Beispiel für eine Synekdoche an: … dicimus … aut ex uno plures: At Romanus homo, tamenetsi res bene gesta est, corde suo trepidat … 101 Fleischmann (2001), 7; Glei (2006), 155. Gemäß Serv. Aen. 6,752 kann in der Aeneis die gesamte römische Geschichte bis zur Zeit Vergils gelesen werden. Er betrachtet sie weniger als ein mythologisches als vielmehr als ein myth-historisches Epos: … inveniunt omnis Romana historia ab Aeneae adventu usque ad sua tempora summatim celebrasse Vergilium … unde etiam in antiquis invenimus, opus hoc appellatum esse non Aeneidem, sed gesta populi Romani: quod ideo mutatum est, quia nomen non a parte, sed a toto debet dari. 102 Eine ähnliche Divergenz zwischen dem Wissen des literarischen und des außerliterarischen Adressaten besteht in der Interpretation des Schildes im achten Buch der Aeneis. Der Leser kann die Arbeit des Vulcanus aufgrund seiner Geschichtskenntnisse richtig deuten, während Aeneas sich nur an den schönen Bildern erfreut, dazu Binder (1971), 150ff.; McKay (1998). 103 Zur Jupiter-Prophetie in CS 1,541f. Ernesti (1998), 242f.; Pietsch (2001), 261f.; unten S. 255ff. 104 Suerbaum (1999), 337 bezeichnet Jupiter als „Vollstrecker“ und als „Personifizierung der Fata“. Prudentius folgt dieser vermischenden Lesart und betrachtet Jupiter und das Fatum nicht als deutlich voneinander getrennte Instanzen, was er in Perist. 10,414–415 pointiert auf den Punkt bringt: Quod Roma pollet auspicato condita, | lovi Statori debet et dis ceteris.

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folgenden Passage verschmelzen innertextlicher Gegenpart und fiktive Leserinstanz, die beide dem Kreis des paganen Widerparts zuzuordnen sind105. Mit einem provokativen vis dicam leitet der Erzähler seine Gegenthese ein106. Die pathetische Frage stellt keinen Einzelfall dar: Mittels rhetorischer Fragen und wiederholter Imperative werden fiktiver und außerliterarischer Gesprächspartner wiederholt ineinander gesetzt und zu einer Distanzierung vom paganen Weltwissen aufgefordert107. Auch in der Figurenapostrophe kann nicht immer eindeutig abgegrenzt werden, ob sich das Wort an Symmachus, Roma, eine fiktive Leserinstanz oder den Rezipienten richtet. Es entsteht eine ‚kommunikative Unschärfe‘: Der Leser muss als Angesprochener stets mitgedacht werden. Diese Überlagerung des inneren und des äußeren Kommunikationssystems ist programmatisch für die Konzeption der zwei Bücher: Das Gesagte wird für den Rezipienten um vieles lebendiger, der es als impliziter Gesprächspartner des Erzählers und der Figuren über eine erhöhte emotionale und rationale Teilnahme in seine eigene Lebenswelt überführt. Nicht die Figuren, sondern der Leser wird zum eigentlichen Adressaten der persuasiven 108 Reden . Diese dreipolige Kommunikationssituation betrachtet Carl Joachim Classen als Grundkonstellation rhetorischer Texte. Christian Tornau stellt fest dass die dialogische Struktur der forensischen Gerichtsrede gerne in apologetischpolemischer (christlicher) Literatur imitiert werde109: Den Argumenten eines 105 Vgl. Tornau (2006), 110 zu Tertullian. 106 Es folgt eine von Herzog (2002b), 185 so bezeichnete christliche „Romtheologie“, vgl. zur Textstelle CS 2,586–640 Pietsch (2001), 269ff.; unten S. 237ff. 107 CS 1,102 Ecce deum in numero formatus et aeneus adstat; 379 Respice terrifici scelerata sacraria Ditis; 573 Respice ad inlustrem lux est ubi publica cellam; 578 Posthinc ad populos converte oculos; 608 Aspice … subsellia nostra senatu …; 2,243ff. (innerhalb der Gottes-Rede) Crede, quod ex nihilo formavi pars mea non est. | Quare age, mortalis, soli mihi construe templum | meque unum venerare deum; 362f. Cernis ut antiqui semper vestigia moris |… probentur; 621f. crede, parata via est, quam dudum publica nostrae | pacis amicitia struxit moderamine Romae; 937 Respice num … desistat … arator …; 997f. Semper, crede, polus … | texuit. Es ist auffallend, dass Aufforderungen zum Sehen vor allem im ersten Buch auftreten, die zum Glauben hingegen vermehrt im zweiten Buch. Der pagane Gegenspieler tritt erst am Ende des ersten Buches auf, weshalb sich die vorherigen Aufforderungen mit Sicherheit an eine fiktive Leserinstanz richten. Zur Appellfunktion von Texten Brinker (2005), 113ff. 108 Zur persuasiven Themenentfaltung Brinker (2005), bes. 125, 152f.; 153, Anm. 33; zu pragmatischer Textfunktion und Leser Eco (1998), 83; vgl. 65. 109 Classen (1991); Tornau (2006), bes. 106f.; 412f. stellt für Augustinus’ civitas Dei eine Imitation der dreipoligen Kommunikationssituation der Gerichtsrede (Erzähler – Gegner – Publikum) fest; 106ff. zu den Vorbildern der polemischen (christlichen) Literatur und der philosophischen Argumentation.

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(pro-christlichen) Erzählers werden Aussagen eines fiktiven, polemisch überhöhten Gegners vor den Augen eines Publikums (Adressaten) gegenübergestellt und entkräftet. Ein Ineinanderfließen von Gegner und Adressat sei meist nicht intendiert, trete aber häufig auf110. Prudentius’ Werk entsteht vor einer anderen politischen Situation als die apologetischen Schriften der frühen Christen, die ihre Religion vor einer paganen Gegnerschaft verteidigen mussten: Unter Theodosius und Honorius wird das Christentum (bis 410) zunehmend zur unangefochtenen Staatsreligion111. Der Grundton seiner zwei Bücher ist weniger durch eine aggressive Verteidigungshaltung geprägt. Stattdessen lassen sich witzvolle satirischpolemische Nuancen verbunden mit einer protreptisch-persuasive intentio operis feststellen112. In der respektvollen Haltung des Erzählers gegenüber 110 Tornau (2006), 108ff. führt Tertullians Apologeticum als Beispiel an, dem er Augustinus’ civitas Dei als Gegenbeispiel entgegensetzt. Prudentius’ Form der direkten Paraphrase einer gegnerischen Schrift betrachtet er als „weniger manipulative Form der Polemik“ (Ebd. 111, Anm. 19). 111 Dagegen Evenepoel (1990), 41. Erst Augustinus sieht sich nach 410 einer nachweislich veränderten Schreibsituation gegenüber, die erneut eine Verteidigung des Christentums notwendig werden ließ, dazu Tornau (2006), 113f.; in civ. 18,52 denkt Augustinus sogar an eine erneute Christenverfolgung. 112 Prudentius greift zwar Argumente der polemisch-aggressiven Apologetik auf, steht aber in der Tradition protreptisch-persuasiver Rhetorik, die das Weltbild eines paganen Konterparts in die Argumentation miteinbezieht und mit einer christlichen Weltsicht harmonisiert, dazu programmatisch-exemplarisch Aug. doct. chr. 4,3: Nam cum per artem rhetoricam et vera suadentur et falsa, quis audeat dicere, adversus mendacium in defensoribus suis inermem debere consistere veritatem, ut videlicet illi, qui res falsas persuadere conantur, noverint auditorem vel benevolum vel intentum vel docilem prooemio facere, isti autem non noverint? Das Leitprinzip ‚Angriff ist die beste Verteidigung‘ wird von der Intention zu überzeugen abgelöst und mit lehrhaften Zügen unterlegt. Diese Entwicklung zeigt sich bereits in der Beurteilung, die Lactanz seinen apologetischen Vorgängern entgegenbringt. Diese hätten ihre Schriften nicht genügend an ihren paganen Leserkreis angepasst und seien deshalb nicht zielführend gewesen, so dass gerade die führenden Gelehrten der Paganen die Schriften abgelehnt hätten: Haec imprimis causa est, cur apud sapientes et doctos et principes huius saeculi scriptura sancta fide careat, quod prophetae communi ac simplici sermone, ut ad populum sunt locuti (Lact. inst. 5,1,15), dazu Walter (2006), 64ff. Lactanz reflektiert Methode und Vorgehensweise des eigenen Werkes, um den paganen Leserkreis zu erreichen und zu überzeugen. Er möchte eine neue Art der apologetischen Schrift entwickeln. Nichts desto trotz erscheinen auch um die Jahrhundertwende des 4. und 5. Jahrhunderts noch Schriften die als überwiegend apologetisch-polemisch betrachtet werden müssen, so etwa das invektive Carmen contra paganos, dazu Cameron (2011), 273ff. Zur (anfangs) kritischen Haltung und (allmählichen) Annahme der Rhetorik bei den christlichen Autoren vgl. Thraede (1962a), 137ff.; Piepenbrink (2009), 373ff.; zu den Apologeten Rüpke (2007); König (2008), 30; zu Prudentius Thraede (1962a); (1965), bes. 21; Kah (1990), 15ff., dazu kritisch Gnilka (2001j); Gnilka (1993); Prolingheuer (2008), 61ff.

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dem paganen Widerpart lässt sich weniger eine aggressive als vielmehr eine versöhnliche Gesinnung ablesen: In der Praefatio des ersten Buches bittet er bei Gott um die Errettung des vir aus seinem Irrtum (CS 1 praef. 80–89) 113. Hier dient die Figur Symmachus nicht nur als Stereotyp eines pagan Gebildeten, sondern ebenso eines potenziell bekehrbaren Römers der Oberschicht114. Gegner und Adressat erfahren bei Prudentius keine deutliche Trennung, um eine Identifikation des Lesers mit der Position des paganen Widerparts zu gestatten, dessen Argumente entkräftet werden. Ziel des Werkes ist nicht die Herabsetzung der römischen Kultur, sondern ein vom Christentum überzeugter römischer Leser (Romanus)115. Am Schluss wird der Rezipient gemeinsam 113 Vgl. CS 1,632–655, dazu mit unterschiedlichen Meinungen Rodriguez-Herrera (1936), 100; Gnilka (2001h), 313; Evenepoel (1990), 35. Prudentius lobt nicht nur die Redekunst (sofern sie das Richtige unterstützt), sondern bewundert auch die rhetorische Gewandheit seines Gegners (vgl. bspw. CS 2,644ff.). Er stellt seine Schrift unter Rückgriff auf den Bescheidenheitstopos als Verteidigung gegen einen paganen Angriff dar (vgl. CS 2 praef. 51ff.; Thraede 1965, 65ff.), was die renovata luis des Proömiums aufgreift. Das Christentum wird jedoch in CS nicht in seinen Grundüberzeugungen verteidigt, sondern als Bestimmung für das römische Reich interpretiert. Im Gegensatz zu Prudentius eher versöhnlicher Haltung steht Augustinus’ Umgang mit seinen fiktiven Gegnern, die es zu ‚vernichten‘ statt zu erretten gilt (Aug. civ. 6 praef. 14ff., p. 242, 20ff.), dazu Tornau (2006), 112f.; 116ff. 114 In CS 1,506–510 wird Roma bekehrt; zur Überlagerung von Stadt(personifikation) und Bevölkerung unten S. 248ff; 265ff.; 270ff. In CS 1,551–568 wird die Bekehrung der Adelsfamilien als gegeben dargestellt: Sescentas numerare domos de sanguine prisco | nobilium licet ad Christi signacula versas | turpis ab idolii vasto emersisse profundo; Evenepoel (1990), 41 deutet die Passage als Beweis für die Konversion, den Prudentius erbringen musste, statt als Aufforderung an den Leser. In der Praefatio zum Gesamtwerk inszeniert Prudentius sich selbst als Bekehrten und einstmals politisch aktiven der Oberschicht (bes. Praef. 31–33, vgl. CS 1,622–625 zur Karriere des Gegenspielers), vgl. Roberts (1996), 5; zur Biographie und zum – wahrscheinlich fiktiven – Konversionserlebnis des Prudentius in der Praefatio Lana (1962), 23ff.; Fabian (1988), 22; zuletzt Coşkun (2003), bes. 219; (2008), bes. 296; zum Topos in der Apologetik Thraede (1962a), 125, bes. Anm. 6. 115 Bereits Rodriguez-Herrera (1936), 87 stellt einen differenzierenden Umgang mit römischem Kultus und römischer Kultur bei Prudentius fest. Der Dichter verzichtet fast im gesamten Werk und vor allem im ersten Buch auf die Polarisierung von vos (pagane Römer) und nos (Christen), die charakteristisch für die apologetische Literatur ist, vgl. Eigler (2008), 87. Ausnahmen sind CS 1,652, wo der Erzähler seinen Glauben (nostra fides) gegen den Rhetor verteidigt; 2,241f., wo die Christen aus dem Stamm Abrahams abgeleitet werden; 2,684, wo den Christen (nobis) die bella sinistra von einem kleinen Kreis übel Gesinnter (et sunt qui) vorgehalten werden; 2,763, wo Roma Honorius auffordert, sich gegen die magni vox rhetoris zu behaupten; 2,1055, wo den Vestalinnen die christlichen Jungfrauen entgegengestellt werden. Das vos umfasst stets eine kleine Menge Unbelehrbarer. Ein adversatives vos/ vobis findet sich lediglich im zweiten Buch (CS 2,49f.; 225; 880f.). In den Versen CS 2,901f. werden Pagane und Christen im Zuge der Wegmetaphorik deutlich in Kontrast gesetzt, die Passage ist jedoch singulär im Werk, vgl. unten S. 287.

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mit Honorius aufgefordert, die Vision einer Roma christiana zu verwirklichen und christlich zu sein bzw. zu werden (CS 2,1130–1132)116. 3.3.3 „Die Erschaffung des Lesers“ und das reale Lesepublikum Gemäß Werner Suerbaum muss es „das Anliegen des Autors sein, durch seine Einleitung nicht nur einen Leser zu gewinnen, sondern ihn als Typ zu erschaffen“117. Für die bestmögliche Entschlüsselung jedes Textes wird ein idealer Leser – ein Modell-Leser – vorausgesetzt, der über ein bestimmtes außerästhetisches Repertoire an Vorwissen, Vorannahmen und Vor-Kompetenzen verfügt, um die dort entwickelten Gedankengänge in einen neuen Bedeutungszusammenhang zu stellen118: „Der Modell-Leser wäre also ein anthropomorphes Konstrukt, das gekennzeichnet ist durch die Kenntnis aller einschlägigen Codes und auch über alle notwendigen Kompetenzen verfügt, um die von Text erforderten Operationen erfolgreich durchzuführen. […] Zu diesen Kompetenzen [gehört] auch ein Gedächtnis, um das textspezifische Wissen aufbauen zu können, sowie die Fähigkeit, Inferenzen zu bilden. In diesem Sinne ist der Modell-Leser keineswegs ein Textkonstrukt, sondern ein textbasiertes Konstrukt.“119 Um zu ergründen, über welches außerliterarische Wissensrepertoire ein Leser von Contra orationem Symmachi verfügen muss, sollen zunächst die ersten acht Verse des Proömiums näher betrachtet werden120: Credebam vitiis aegram gentilibus urbem iam satis antiqui pepulisse pericula morbi

116 Zur Passage siehe unten S. 269f. 117 Die Kapitelüberschrift stammt von Suerbaum (1999), 15ff. Er zitiert Umberto Eco: „Schreiben heißt […] sich mit Hilfe eines eigenen Textes den gewünschten Lesertyp zu schaffen“ (Ebd. 15). 118 Iser (1984), 115: „Im Repertoire präsentieren sich insofern Konventionen, als hier der Text eine ihm vorausliegende Bekanntheit einkapselt. Diese Bekanntheit bezieht sich nicht nur auf vorangegangene Texte, sondern ebenso, wenn nicht sogar in verstärktem Maße, auf soziale und historische Normen, auf den soziokulturellen Kontext im weitesten Sinne, aus dem der Text herausgewachsen ist – kurz auf das, was die Prager Strukturalisten als die außerästhetische Realität bezeichnet haben.“ Vgl. Naumann (1973), 35; Iser (1984), 61ff.; 110; 176ff.; Eco (1984), 62ff.; 74ff., bes. 83 zur kommunikativen Wechselbeziehung von Text und Leser basierend auf der Sprechakttheorie von Austin/Searle. 119 Jannidis (2001), 31, vgl. Iser (1984), 60f. zum impliziten Leser; 82; 163 zu den Textperspektiven; Eco (1998), 67; 75 zu Modell-Leser und Modell-Autor als Aktantenrollen. 120 Döpp (1986), 69; 73ff. zum Proömium.

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nec quicquam restare mali postquam medicina principis inmodicos sedarat in arce dolores. Sed quoniam renovata luis turbare salute temptat Romulidum, patris inploranda medella est, ne sinat antiquo Romam squalere veterno neve togas procerum fumoque et sanguine tingui. (CS 1,1–8) Durch credebam als einleitendes Wort wird eine Erzählerinstanz markiert und gleichzeitig ein thematischer Ko-Text angekündigt: die Religion121. Die „persönliche Bemerkung, die die Form einer Rückblende hat“, erinnert an die Invektivgedichte Claudians122. Ein traditionell-römischer Leser wird das Attribut gentilis in der Bedeutung von Fehltritten lesen, die nicht dem römischen Habitus entsprechen. Ein christlicher Rezipient wird vermehrt an die paganen Bräuche denken, die den christlichen Geboten zuwider laufen123. In beiden Fällen dient gentilis der gruppierenden Abgrenzung vom Barbarischen. In Rückgriff auf sein semantisches und literarisches Vorwissen erkennt der Leser, dass Konzepte von Religiosität sowie ‚Römisch‘ und ‚Barbarisch‘ zur Diskussion gestellt und möglicherweise in einer Invektive behandelt werden. Ein Leser, der mit den laudes Romae der Antike und Spätantike vertraut ist, stellt weiterhin über urbem einen gedanklichen Bezug zu Rom her124, eine Vorannahme die im siebten Vers durch die Nennung des Toponyms bestätigt wird. Das ungewöhnliche Attribut aegra erregt in Abgrenzung zu den geläufi-

121 Credere hat hier zwar in Bezug auf den folgenden Satz die vorrangige Bedeutung ‚meinen‘, ein (biblisch) gebildeter Leser mag gleichsam ‚an Gott glauben‘ mitlesen. Einen Überblick über Etymologie und Bedeutung des Wortes gibt Mutschler (2010), 70ff.: Das Wort wurde im frühen Christentum erst durch die Bibeltexte um diese spezifisch religiöse Bedeutung erweitert. In Erststellung zum Gesamtwerk wird es bei Prudentius zum Indikator für die folgende Abhandlung um die richtige Religion. 122 Döpp (1986), 74 denkt an die Invektiven gegen Rufinus. 123 Vgl. zur Wortbedeutung von gentilis/gentes in der traditionellen und christlichen Lesart Kahlos (2007), 19f.; zu gentes als Bezeichnung für Heiden und zu verwandten Begriffen Opelt (1965), 13ff.; zum Verhältnis von gentilis und paganus Cameron (2011), 14ff. Erst, nachdem sich der Leser ein Bild von dem Modell-Autor als Christen gemacht hat, wird er im Folgenden gentilis als ‚heidnisch‘ lesen. Zum Modell-Autor Eco (1998), 74ff; zum Verhältnis von realem Autor und „abstraktem Autor“ Schmid (2008), 46. 124 Die Wendung urbs Roma ist ein gängiges Epitheton, ein alleinstehendes urbs in der Literatur bezeichnet oftmals Rom. So bspw. bei Ammianus Marcellinus in den Wendungen urbs aeterna, urbs venerabilis oder urbs sacratissima (Amm. 15,7,1; 16,6,1; 16,6,5; 27,3,3), vgl. Kolb (1995), 400.

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gen Epitheta Roma aurea oder aeterna Aufmerksamkeit125. Als Ursache des Krankheitszustandes werden die vitia gentilia angeführt. Das Auftreten einer personifizierten Roma und der Blick auf die Topographie setzen das Werk in die Tradition der Rombeschreibungen und markieren es als Element des zeitgenössischen Romdiskurses126. Die negative Sicht auf die Stadt widerspricht sowohl ihren zahlreichen literarischen Reminiszenzen als auch dem tatsächlichen Erscheinungsbild der (paganen) Stadttopographie, deren Bauten um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert oftmals restauriert wurden127. Der Leser als Kenner Roms und seiner Literatur wird vermuten, dass im Folgenden die Stadttopographie zum Gegenstand der Diskussion wird. Als Schreibanlass wird eine akute renovata luis benannt (CS 1,5), die eine sofortige Gegenmaßnahme erfordert (CS 1,6 patris inploranda medella est). Obwohl nicht spezifiziert wird, ob sie ein konkretes Ereignis oder einen noch bestehenden oder sich wieder einschleichende Zustand umschreibt128, wird die Aufmerksamkeit des Lesers geweckt: Er erwartet die Auseinandersetzung mit einer aktuell-politischen Ereignislage. In den folgenden Versen tritt ein princeps auf, welcher der Stadt nach dem Vorbild eines Arztes eine heilsame medicina verabreicht (CS 1,9–21) 129. Die folgenden Verse führen den panegyrischen Grundtenor fort. Welcher Kaiser gemeint ist, bleibt vage130. In einer allgemein gehaltenen Formulierung wird er 125 Zur Roma aurea oder aeterna Rehm (1960), 23ff.; Koch (1960), 28ff.; Schramm (1992), 37f.; Schneider (1997), 103ff.; Fried (2006), 158. Eine Anthologie findet sich bei Kytzler (1972). Es ist auffallend, dass Prudentius in Anlehnung an die bekannten und bestehenden Epitheta Roms ebenfalls ein Attribut wählt, das mit einem ‚a‘ beginnt. Zur aegra urbs unten S. 232f.; 249. 126 Über die Begriffe urbs (1), arx (4), salus Romulidum (5f.) und Roma (7) wird bereits in den ersten acht Versen über kulturelle Kontiguitätsbeziehungen das semantische Feld ‚Rom‘ aufgerufen und zum dominanten Thema. Zu den Topoi des Romdiskurses unten S. 95ff. 127 Rom erhält gerade über die Renovierungsarbeiten der Senatsaristokratie den Charakter eines „Freilichtmuseums“ oder einer „Erinnerungslandschaft“, dazu Bauer (1996), 137ff.; Bauer (2005), 49; Muth (2006), 441ff.; Kolb (2009), 97f. 128 Die Formulierung renovata luis hat wiederholt eine Vielzahl an Spekulationen zum Schreibanlass der zwei Bücher hervorgerufen: So denkt Heinzberger (1976), 66 an die Niederschlagung des Eugenius-Aufstandes; Döpp (1980), 68 noch an die Petition von 384; Ders. (1986), 74 treffender an „die Gesamtheit heidnischer Aktivitäten […], die sich gegen die Christianisierung Roms richtete“; Gnilka (2001h), 312ff. denkt an einen erneuten Vorstoß der paganen Partei unter Honorius; Ernesti (1998), 236ff. nimmt aufgrund der Schlusspassage von CS die Gladiatorenspiele als Schreibanlass an, zur Passage unten Kapitel 4, Anm. 437; S. 212f.; 269f. Weitere Literaturverweise bei Cameron (2011), 338, Anm. 69. 129 Vgl. Kah (1990), 113f., vgl. Pan. Lat. 2[12],3,4f. Ein Vorbild findet die luis in Ov. met. 15,626, wo Aesculap Rom von einer dira lues heilt. 130 Postquam und sedarat verweisen auf die Vergangenheit.

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als inclytus parens patriae moderator et orbis eingeführt, dem wenige Verse später zwei gegnerische tyranni entgegengesetzt werden (CS 1,22). Die kontrastierende Gegenüberstellung deutet auf Theodosius als princeps, der als einziger christlicher Kaiser in der jüngeren Vergangenheit zwei Usurpatoren besiegt hat131. Seine medicina besteht in der Gesamtheit seiner antipaganen Politik, was ebenso seine militärischen Erfolge umfasst132. Um das Vorbild des Kaiserideals zu ergründen, muss der Leser auf sein (militär-)politisches Wissen zurückgreifen. Zusammenfassend zeigt sich, dass im Proömium zum ersten Buch ein außerliterarisches Wissen beim Leser vorausgesetzt wird, das semantisches Bewusstsein ebenso fordert wie eine Vertrautheit mit dem historischen Kontext und aktuellen religionspolitischen Diskursen. Als zu behandelnde Leitthemen werden ‚Religion‘ und ‚Rom‘ vorgestellt, die in einen invektiven und panegyrischen Kontext gesetzt werden133. Eine Kenntnis des soziohistorischen Hintergrundes, der (sakral-)topographischen Besonderheiten im urbanen Raum und

131 Brockhaus (1872), 56f. und Zöckler (1907), 154 denken noch an Konstantin, dagegen Rösler (1886), 224; Döpp (1986), 74; Ernesti (1998), 238; Tränkle (2008), 104, Anm. 5. In seiner Rede stilisiert Theodosius sich zum Nachfolger von Konstantin, weshalb die Interpretation von Brockhaus und Zöckler der Wahrheit sehr nahe kommt. Prudentius greift hier auf den von Diefenbach (2007), 129 so bezeichneten „Tyrannentopos“ zurück, der seit Konstantins Sieg über Maxentius ein beliebter Ausweg war, um Rivalitäten um die Kaiserwürde zu umschreiben und nicht als innerrömischen Bürgerkrieg kenntlich zu machen. Ebenso werden gemäß Ernesti (1998), 217f. bei Ambrosius werden die beiden Usurpatoren als tyranni und Gottlose charakterisiert. 132 Enger gefasst wurden das im Jahr 380 erlassene Edikt Cod. Theod. 16,1,2 und das 391 verabschiedete Gesetz Cod. Theod. 16,10,10 als medicina interpretiert, so bspw. von Zappacosta (1967), 203; Steidle (1971), 264f.; Döpp (1968), 74; Kah (1990), 113, die dem ersten die Priorität geben; Ernesti (1998), 238, Anm. 39, der das zweite betont. Das erste fordert zum christlichen Glauben auf, das des Jahres 391 verbietet heidnische Kulthandlungen. Bei Prudentius verbinden sich beide in der Rede des Kaisers am Ende des Buches, vgl. unten S. 228ff.; 248ff. Ich schließe mich der weiter gefassten Interpretation der medicina von Cacitti (1972), 433f. an. 133 Zur Standortbestimmung im Proömium des zweiten Buches unten S. 77. Es greift die meisten Thematiken des ersten Proömiums auf: Es gibt einen Rückverweis auf die vorangegangene invektive und historisch angelegte Götterschau (CS 2,1–2) und zeichnet einen neuen Zustand Roms als aktuelles Ergebnis: Die Bitte um Heilung der Stadt des ersten Buches ist in der Roma christiana verwirklicht. Nachdem die akute Notlage (luis) vorläufig beseitigt scheint, kündigt der Erzähler an, sich mit den Argumenten auseinanderzusetzen, die gegen ein christianisiertes Rom vorgebracht worden sind (CS 2,4 nunc …, nunc …). Die folgenden Verse machen neben dem orator die Kaiser Honorius und Arcadius zu Protagonisten der (Ab-)Handlung. Sie sollen Theodosius’ Politik fortsetzen.

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„intertextuelle Kompetenz“134 sind Grundvoraussetzungen für das richtige Textverständnis. Rom mit seinen zahlreichen Erinnerungsorten wird zum „Erzählraum“ und zum „erzählten Raum“135. Um seine literarische Stadt und die in ihr agierenden Personen zu konzipieren, greift Prudentius auf ein Kontextwissen von Welt zurück (Präsuppositionen), das ihm und seiner Leserschaft durch Literatur und Realität gemeinsam ist136. Er rekurriert auf bekannte Personen und gemeinsame Schemata, die die Weltwahrnehmung in der römischen Gesellschaft strukturieren137. Die fiktionalisierte Welt überlagert die reale Bezugswelt des historischen Lesers in redundanter Weise, wenn Individuen, Bauten, Handlungsräume und soziale Praktiken aus dieser entlehnt, interpretiert und

134 Rölver (2010), 89 rechnet unter die intertextuelle Kompetenz „geprägte Wendungen, metaphorische Wortbedeutungen, einzelne Motive, schematisierte Handlungsabläufe, situationsbedingte Szenographien, rhetorische Topoi usw., die sie [sc. die Leser] bei der Lektüre eines Textes aktualisieren können oder müssen“. Iser (1984), 136 spricht von dem „Arsenal der Artikulationsmuster“. Zur Differenzierung intertextueller Bezüge ist Genette (1982) nach wie vor grundlegend; zur Skalierung der Intertextualität Pfister, (1985); zur Markierung von Intertextualität Broich (1985). Die Intertextualitätsdebatte ist geprägt durch die Arbeiten von Julia Kristeva. Sie definiert Intertextualität folgendermaßen: „… jeder Text baut sich als Mosaik von Zitaten auf, jeder Text ist Absorption und Transformation eines anderen Textes. An die Stelle des Begriffs der Intersubjektivität tritt der Begriff der Intertextualität, und die poetische Sprache lässt sich zumindest als eine doppelte lesen“, Kristeva (1972), 348, zitiert nach Klawitter/Ostheimer (2008), 96. 135 Harendt/Sprunk (2010), 80 unterscheiden die beiden Größen in Anlehnung an die Differenzierung von Erzählzeit und erzählter Zeit: „Der Erzählte Raum bezieht sich auf einen imaginierten Raum, der im Akt des Erzählens ‚wirklich‘ wird. Er wird im Vollzug des Sprechens konstituiert, ist diskursbezogen und äußert sich beispielsweise durch die Verwendung von Toponymen. Der Erzählraum beschreibt jenen Raum, der durch den Körper des Erzählers in einem Setting und den Akt des Erzählens konstituiert wird. Es handelt sich folglich um einen situativ-performativen Raum.“ 136 Blume (2004), 87 spricht von einer „kollektive[n] Enzyklopädie“; Piatti (2009), 147ff. vom „Leserraum“ und „geographischer Enzyklopädie“; zum vorausgesetzten Wissen Eco (1998), 163: „Indem ich einen Ausschnitt davon [von der realen Welt] beschreibe, übernehme ich als Voraussetzung oder als voraussetzbar alles das, was ich über die reale Welt weiß“, vgl. Ebd. 148ff. Unter Präsupposition können historisch-politische, diskursive, kulturell und sozial geprägte Verstehensvoraussetzungen verstanden werden, die der Rezipient an das Rezeptionsobjekt heranträgt. 137 Scharloth (2005), 122 zu den Schemata; vgl. Fraas (2005) zum Frame-Begriff; Eco (1998), 101ff. spricht basierend auf dem Frame-Begriff von „intertextueller Szenographie“ und bezeichnet damit Schemata von Texttypen, die Vorannahmen beim Leser über den zu erwartenden Text hervorrufen.

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verfremdet werden138. Es genügt allein die Nennung eines Namens, die Anspielung auf ein Ereignis oder eine Erzählung, um beim Leser ein Vorstellungsbild oder ein mentales Modell einer Person oder eines Ortes hervorzurufen139. Im Rückbezug soll die literarische Welt die Realitätswahrnehmung des Lesers prägen140. Welche Schlüsse lassen sich daraus für die historische Kommunikationssituation ziehen, in der die Schrift ihre Wirksamkeit entfalten soll? Der anspruchsvolle Stil und die hohe Komplexität der zwei Bücher in Gedanken und Anspielungen setzen ein politisch informiertes und literarisch (vor)gebildetes Lesepublikum voraus. Lediglich Mitglieder der Bildungseliten und der Senatsaristokratie konnten diese Vorbedingung erfüllen141. Richard 138 Gemäß Piatti (2009) haben literarisch fiktionalisierte Räume „ein Pendant in der außerliterarischen Wirklichkeit“; vgl. Iser (1984),116f. zum Verfremdungseffekt; Eco (1998), 163ff.; 219 zum Verhältnis von ‚realer‘ und literarischer Welt. 139 Iser (1984), 228 zum Vorstellungsbild; Dennerlein (2009), 90f. zum mentalen Modell; Anm. 47 zur Forschungsgeschichte; 99ff. zur Konzeption mentaler Raummodelle; Piatti (2009), 129, Abb. 46 spricht von einer transformierten Handlungszone; Pavel (1986), 29, zitiert nach Piatti (2009), 134 von surrogate objects: zur antiken Romliteratur Schmitzer, (2001), 516: „Üblicherweise herrschten in der antiken Literatur aber ein Autor und intendiertes Publikum verbindendes Kontextwissen vor, in dem wenige Stichworte genügten, um die zugehörigen räumlichen Vorstellungen zu evozieren.“ 140 Blume (2004), 87f. spricht von „Deckungsgleichheit“ und „doppelte[r] Durchlässigkeit“: „[Deckungsgleichheit meint], dass der Text in Übereinstimmung mit der kollektiven Enzyklopädie verfasst wurde und der Leser somit sowohl berechtigt ist, potentiell seinen gesamten konzeptuellen Wissenshintergrund in den Verstehensprozess einzubeziehen, wie er auf der anderen Seite berechtigt ist, jedoch nicht verpflichtet ist, die Gesamtheit seiner individuellen Überzeugungen über die reale Welt um Informationen aus dem Text zu ergänzen“; ähnlich Doležel (1998), x: „[I]n one direction, in constructing fictional world, the poetic imagination works with »material« drawn from actuality; in the opposite direction, fictional constructs deeply influence our imaging and understanding of reality.“ 141 V. Albrecht (1994), bes. 1080f.; Stam (1940), 12: „He is not poet of the people”; Eigler (2003), 118ff. fasst das Lesepublikum der Spätantike in Anlehnung an Ammians lectionibus vetustatis expolita ingenium als Bildungselite, die in großem Maße kongruent mit dem Senatsadel gewesen sei und sich über eine „gemeinsame Literatursprache“ erkenne (vgl. Cic. part. 90ff.). Bildung sei stets mit einem Kostenaufwand verbunden gewesen, so dass vorwiegend die senatorische Oberschicht sowie soziale Aufsteiger Träger der Bildung gewesen seien. Die lectio der Klassiker habe Kohärenz und soziale Identität gestiftet. Sidonius definiere die nobilitas durch ihre literarischen Kenntnisse: Nam iam remotis gradibus dignitatum, per quas solebat ultimo a quoque summus quisque discerni, solum erit posthac nobilitas indicium litteras nosse (Sidon. epist. 8,2,2). Weiterhin können Angehörige des Ritterstandes mit einbezogen werden (Rodriguez-Herrera 1936, 89 vermutet den Mittelstand als Adressatenkreis). Zur Differenzierung der nobilitas der Spätantike Salvian. gub. 3,10, vgl. Näf (1995); Schlinkert (1995); Gemeinhardt (2007), 137ff.; Demandt (2008), 248ff., bes. 264; 274; Lancon (2000), 59ff.; Cameron (2011), 353ff. zur demographischen Bestimmung und

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Klein und andere vermuten, dass insbesondere diejenigen angesprochen würden, deren Weltauffassung auf dem antiken römischen Weltbild basierte, wie es Symmachus in der dritten Relatio formuliert hat142. Dem entspricht die Konzeption der fiktiven Leserinstanz als paganer Römer. In der folgenden Untersuchung wird sich zeigen, dass Prudentius im hexametrischen Teil des Werkes wenig bis gar kein christliches Vorwissen voraussetzt, was diese These stützt. Mit seiner rhetorisch ausgefeilten Argumentation gegen die Ansichten des orator widerlegt er nicht nur die antike Weltsicht, sondern entkräftet ebenso den Vorwurf, dass christliche Literatur mit einem geringen Bildungshorizont und Lesegenuss einhergehe143. Auf einen christlich interessierten Leserkreis zielen die zwei Praefationes ab, die mit großer Wahrscheinlichkeit erst später in der Gesamtwerkausgabe im Jahr 404 oder 405 hinzugefügt worden sind144. Im Gegensatz zum hexametrischen Teil wird dort ein gemeinsames Bibelwissen angenommen. Die Vorreden sind jedoch auch ohne vorherige Bibelkenntnisse verständlich, da sie antike (Dichtungs-)Topoi in biblischen Gleichnissen spiegeln, die zudem erklärt werden145. In der ersten Vorrede werden die christicolae als mögliche Opfer

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zur Heterogenität der Eliten und des Senatorenstandes in der Spätantike und zum literarischen Interesse der römischen Senatsaristokratie. Klein (1971), 141; ähnlich Döpp (1980), 80: „Adressat der christlichen Apologetik war ursprünglich eine überaus feindliche Mitwelt; Prudentius dagegen wendet sich an die, die immer noch nicht zum Christentum bekehrt oder zumindest noch zurückhaltend sind“; vgl. Evenepoel (1990), 35; vgl. Cameron (2011), 340 zum Leserkreis der dritten Relatio. Cunningham (1976), 58: „In addition, one of the main effects of the Contra Symmachum is to disprove the implicit thesis of the pagan party that only the ignorant, uneducated, and those in general who lack status accept and favor Christian position“; zur Rhetorik in Prudentius’ Dichtung Brockhaus (1872), 166ff.; Rodriguez-Herrera (1936), 140ff.; Thraede (1962a), bes. 151ff.; Kah (1990), 28ff.; Prolingheuer (2008), 75ff.; Coşkun (2008), 296; 315. Cameron (2011), 346f. geht von einer Zusammenstellung dreier Werke in der „collected edition“ aus, die erst 405 über die Vorreden verklammert worden seien, dagegen Brown (2003), 13f.; Harries (1984), 78ff. stellt fest, dass die Vorreden mit dem Inhalt der Bücher nicht harmonierten, meint aber trotzdem, dass sie bereits der ihrer Ansicht nach ersten gemeinsamen Veröffentlichung von Buch I und II 402/3 hinzugefügt worden seien. Ihre Ableitung einer früheren Datierung aus CS 2 praef. 44–46 folgt einer in sich unlogischen Argumentation, kritisch dazu Döpp (1986), 71f.; Brown (2003), 11f. Herzog (1966), 125 zur Zweiteilung von Erzählung und Deutung in den Praefationes zu CS. Im Gegensatz dazu seien die zu Psych. und ham. nur unter Kenntnis der Bibel und ihrer Exegese verständlich; Barnes (1976), 376ff. nimmt wenig überzeugend „a purely Christian audience“ der Vorreden von CS an; Brown (2003), 18f. leitet allein aus den Vorreden eine christliche Leserschaft für die gesamten zwei Bücher ab; zu Inhalt und Funktion der Vorreden unten S.71ff.

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der Redekunst des paganen orator benannt146. In der zweiten Vorrede figuriert Petrus den im Glauben noch nicht gefestigten Menschen, der erst durch Gott Sicherheit erlangt147. Als Adressaten ergeben sich daraus getaufte Christen oder Mitglieder der Oberschicht, die sich mit der neuen Religion bereits befasst haben oder sogar einen Übertritt zum Christentum in Erwägung ziehen. Man kann an das Lesepublikum denken, das Sidonius im 5. Jahrhundert für Prudentius feststellt: Neben Horaz und Vergil wird er von einer politisch aktiven und literarisch versierten Oberschicht gelesen, die sich aus getauften Christen und Gebildeten mit einem Interesse am Christentum – wie Sidonius selbst – zusammensetzt148. Das antizipierte Lesepublikum spiegelt die soziale und religiöse Heterogenität der spätantiken Ober- und Mittelschicht. Allen antizipierten Rezipienten gemeinsam ist eine grammatisch-rhetorische (Aus-)Bildung sowie die Kenntnis eines bestimmten, identitätsstiftenden Literaturkanons149. Die Konzeption der zwei Bücher zielt auf die moderate Mitte dieses religiös breit gefächerten Adressatenkreises, die erfreut, belehrt und überzeugt werden soll150. Sowohl 146 CS 1 praef. 78–79 Effusum ingenii virus inaniter | summa christicolis in cute substitit. 147 CS 2 praef. 37–40 Mortalem deus increpat | quod sit non stabili fide | nec calcare fluentia | nec Christum valeat sequi. Prudentius setzt die Verse im Folgenden zu sich selbst als Dichter in Bezug, das Christum sequi ist jedoch ebenso rück- und vorverweisend auf die Senatoren und Roma, die in CS 1,509f. und 2,1130ff. auf Weisung der Kaiser Christus nachfolgen. 148 Vgl. Eigler (2003), 105ff. zu den patresfamilias; 106ff. zu Sidon. epist. 2,9,4: Huc adfatim libri in promptu (videre te crederes aut grammaticales pluteos aut Athenaei cuneos aut armaria, exstructa bybliopolarum): sic tamen quod, qui inter matronarum cathedras codices erant, stilus hic religiosus inveniebatur, qui vero per subsellia patrumfamilias, hi coturno Latiaris eloquii nobilitabantur; licet quaepiam volumina quorumpiam auctorum servarent in causis disparibus dicendi parilitatem: nam similis scientiae viri, hinc Augustinus hinc Varro hinc Horatius hinc Prudentius lectitabantur. Es wird deutlich, dass Prudentius nicht primär als Erbauungsliteratur gelesen wurde, die Sidonius getrennt als Lektüre der Damen anführt. 149 Eigler (2003) untersucht die Präsenz des Literatur- und Bildungskanons in der spätantiken Oberschicht. Im Gegensatz zu Prudentius ist Cassiodor einige Jahre später gezwungen, seine Schrift am hohen oder geringen Bildungsgrad seines Lesepublikums zu orientieren (Cassiod. var. praef. 15). Alföldy (1975) gibt einen Überblick über die verschiedenen Gruppen der spätantiken Oberschicht, dazu kritisch Schlinkert (1995), 31f. 150 Man könnte Prudentius’ Leserkreis mit dem von Augustinus’ civitas Dei vergleichen. Tornau (2006), 112 rechnet „getaufte Christen“ und „Personen, die kurz davor stehen, es zu werden“ darunter. Bei Prudentius können weiter gefasst auch Pagane, die keine gänzlich ablehnende Haltung gegenüber dem Christentum zeigen, dazu gerechnet werden. Augustinus formuliert das Überzeugen als „pastorale[s] Ziel“ in epist. 2*, 3. In Prudentius’ Dichtung treten delectare und docere hinzu: Neque enim ille fructus est eorum, quod delectant legentem, nec ille, quod multa faciunt scire nescientem, sed ille, quod civitatem Dei persuadent vel incunctanter intrandam vel perseveranter habitandam. Augustinus straft Prudentius’

Zum Aufbau der zwei Bücher

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einem pagan als auch einem christlich orientierten Rezipienten dürften sie ein Lesevergnügen und einen Erkenntniszuwachs bereitet haben, sofern er über die nötige Vorbildung verfügte151.

3.4 Zum Aufbau der zwei Bücher Die zwei Vorreden in lyrischen Versmaßen152 betten das Geschehen der hexamentischen zwei Bücher Contra orationem Symmachi in einen allegorischen Deutungskontext: Die weltlichen Ereignisse werden in zwei biblischen Gleichnissen von Paulus und Petrus präfiguriert153. Die Anführung der beiden Apostel Werk – wahrscheinlich aufgrund der poetischen und rhetorischen Ausgestaltung und des daraus erwachsenden delectare – durch Nichtbeachtung (vgl. Aug. gen. c. Manich. 1,1,1 zur Differenzierung von ornatus politusque sermo und res manifestae), ebenso Hieronymus, dazu v. Albrecht (1994), 1083; Ludwig (1977), 357ff.; Westra (2007), 25ff.; Curran (2010), 339ff. zu Hieronymus und Proba, der feststellt, dass der Kirchenvater ihren Cento durchaus gekannt, aber mit Schweigen übergangen habe (Hier. epist. 53,7). 151 Gemäß Kah (1990), 8, Anm. 43 und Coşkun (2008), 295 sind uns keine zeitgenössischen Urteile über Prudentius und die Rezeption seiner Werke überliefert. Er wird jedoch in seinem dichterischen Können relativ bald den führenden antiken Literaten an die Seite gestellt. Neben Sidonius sieht Isidor von Sevilla in der Dichtung des Prudentius einen christlichen Ersatz der traditionellen Literatur (Isid. c. 9 = PL 83,1110,1–4). Gennadius bezeichnet ihn 495 als vir saeculari litteratura eruditus (vir. ill. 13) und betont damit den Einbezug des traditionellen Gedankenguts in dessen Dichtungen, was die Werke des Prudentius auch für einen paganen Leser interessant gemacht haben dürfte. Vgl. ebenso Avit. carm. 6,370–372 (De virginitate); Ven. Fort. vita Mart. 1,18f. zum Lob des Prudentius. 152 Die erste Vorrede ist in kleinen Asklepiadeen verfasst und geht auf Apc 28,1–6 zurück, die zweite in Glykoneen und ist an Mt 14,24–32 angelehnt. Zum protreptischen Gehalt der beiden Vorreden Rapisarda (1954), dagegen Evenepoel (1990); zur literarisch-rhetorischen Funktion Thraede (1965), 65ff.; zum allegorischen Charakter Herzog (1966), 119ff., bes. 125; Tränkle (2008), 28f.; Klein (2001) zu Petrus und Paulus. 153 Felgentreu (1999), 195ff.; 219f. zur Übernahmen des gleichnishaft-allegorischen Stils und zur formalen Abgrenzungen von Claudians Praefationes bei Prudentius. Herzog (1966), 127ff. stellt einige motivische Bezüge zwischen Claudians carm. 2 (Praef. In Ruf.); carm. 27 (Praef. 6 cons. Hon.) und CS 1 praef. her. Er verweist jedoch abschließend darauf, dass die beiden Dichter einen unterschiedlichen Umgang mit der Allegorie zeigten: Beim Panegyriker diene sie der Überhöhung der eigenen Gegenwart (vor dem Mythos oder der Historie), der beim christlichen Dichter der „Typ der christlichen Allegorie“ als „Allegorie […] des Absoluten“ gegenüberstehe. Thraede (1962a), 135 vermutet, dass die Gleichnisse erst nachträglich hinzugefügt worden seien. Die renovata luis des Proömiums wird in CS 1 praef. 15–42 durch eine Schlange versinnbildlicht, die Paulus in die Hand beißt, nachdem er einen Seesturm erfolgreich überwunden hat. Das biblische Gleichnis gewinnt Aktualitätsbezug (CS 1 praef. 45–79): Der Schlangenbiss versinnbildlicht ein Widererstarken des antiken Götterglaubens mithilfe der Redekunst, das ein einzelner Mann niederschlägt, in dem Tränkle Theodosius erkennt (CS 1 praef. 76

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fokussiert das Werk auf Rom und setzt es in engen Bezug zum Liber Peristephanon154. Prudentius rekurriert auf bekannte poetologische Topoi155: In der ersten Praefatio wird die Staatsschiffsmetapher auf die ratis sapientiae (christianae) übertragen, die das Unwetter des heidnischen Widerstandes durchfährt156. Die pagane Rhetorik wird durch eine Schlange verkörpert, die Theodosius’ Rechte niederstreckt157. In der zweiten Praefatio tritt die Seefahrtmetapher erneut auf; die Bedrohung durch die Redekunst wird von der Schlange auf das Unwetter übertragen: Statt des Glaubesschiffes wird das Boot des Dichters von der Sturmflut des redegewandten, paganen Widersachers nahezu

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dextra inpatiens). Es folgt ein Bittgebet für den Gegenredner des Erzählers (CS 1 praef. 84f.), der vielfach mit Symmachus identifiziert worden ist. Die zweite Vorrede berichtet, wie Petrus in einen Seesturm geraten von Christus aufgefordert wird über das Wasser zu wandeln. Anfangs strauchelt er und droht unterzugehen, das Unternehmen gelingt jedoch dank der rettenden und stützenden Hand Christi (CS 2 praef. 41f. Tum dextra famulum levat | sistitque). Das lyrische Ich betrachtet sein Schreibvorhaben als ein ebensolches Wagnis wie das des Petrus und bittet Christus um Beistand in der Auseinandersetzung mit der rhetorischen Sturmflut seines gewaltigen Gegners (CS 2 praef. 54–56 fluctibus | tanti non timeam viri, | quo nunc disertior), vgl. Brown (2003), 84ff. Der Bezug wird insbesondere zum zwölften Hymnus hergestellt, in dem die beiden Apostel besungen werden, dazu Rodriguez-Herrera (1936), 104; Behrwald (2009), 261f. Er macht darauf aufmerksam, dass die beiden Apostel in den zwei Büchern ansonsten nicht mehr auftauchten und allein die Metapher des Schlangengifts wiederkehre. Zur Inszenierung von Petrus und Paulus als Schutzheilige Roms in CS; Perist. 2 und 12 Buchheit (1966), 469ff.; Klein (2001). Zu den Topoi der Praefationes Janson (1964), 124f. zum Bescheidenheitstopos; 146f. zur Seefahrtsmetapher; Thraede (1962a), bes. 131ff.; 151ff. zu Prudentius. Er zeigt auf, dass die Seefahrtsmetapher und das Wagnis-Motiv sowie die Schwierigkeitsäußerung, die Herabsetzung der eigenen Person oder Leistung, der Bescheidenheitstopos und die Unfähigkeitsbeteuerung gekoppelt mit (in der christlichen Literatur einer Selbstherabsetzung als Sünder und/oder) einer Bitte um Hilfestellung bzw. einer Invocatio (Gottes oder Christi) als gängige Praefatio-Motive von der antiken Literatur in der christlichen Literatur und Poesie von Prudentius und anderen übernommen und an die eigene Redesituation angepasst worden seien. Auch dessen Kombination aus Bibeltext und rhetorischer Absicht finde sich bereits bei Hieronymus. Neu sei, dass das traditionelle Motiv des Meeres als Vorhaben auf eine Person übertragen sei; vgl. Thraede (1965), 48ff. zum Inferioritätstopos, bes. 65ff. zu CS 2 praef. CS 1 praef. 45–66; wieder aufgenommen in 59f. catholica puppis. Zur Metapher bei Claudian Schindler (2009), 150f. CS 1 praef. 74–77 Seps insueta subit serpere flexibus | et vibrare sagax eloquii caput; | sed dextra inpatiens vulneris inritos | oris rhretorici depulit halitus. Die Rechte des Theodosius wird in der Rechten des Paulus präfiguiert (vgl. 40ff. mit 76ff.). Im Gegensatz zum Apostel kann der Kaiser einen Biss verhindern. Im Niederstrecken spiegelt sich die Religionspolitik des Kaisers, die den Beginn und das Ende des ersten Buches prägt und im zweiten Buch unter Honorius eine Fortsetzung finden soll.

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zum Kentern gebracht158. Die Rechte Gottes bzw. Christi bewahrt ihn – ebenso wie einst Paulus und Petrus – vor dem Schiffbruch159. Über die gemeinsame Seefahrtsmetapher werden beide Praefationes gedanklich verbunden160: Die einstigen antipaganen Maßnahmen des Theodosius erfahren durch Prudentius’ rhetorisches Wagnis eine Fortsetzung bzw. Ergänzung161. Während der Kaiser seinen Kampf gegen das Heidentum in der Außenwelt durch Gesetz und Militär führt, möchte Prudentius es mit seinen zwei Büchern in der Gedankenwelt (seiner Leserschaft) bekämpfen162. Seine Schrift wird als Medium 158 CS 2 praef. 44ff., bes. 49–58 … sed quem culpa frequens levem | volvat per freta naufragum. | Sum plane temerarius, | qui noctis mihi conscius | quam vitae in tenebris ago, | puppem credere fluctibus | tanti non timeam viri, | quo nunc nemo disertior. | Exultat fremit intonat | ventisque eloquii tumet. Neben der Rhetorikflut wird die Glaubensunsicherheit des Prudentius zum Grund für ein mögliches Kentern, die im Bild der Nacht nochmals aufgegriffen wird. Das Hinterfragen des eigenen Glaubens muss ebenso wie das der eigenen rhetorischen Stärke dem Bescheidenheitstopos zugerechnet werden, ansonsten hätte Prudentius die zwei Bücher wohl nicht verfasst, vgl. Thraede (1965), 67f. zur Verbindung mit dem Epilog. Zur poetologischen Seefahrtsmetapher Lieberg (1969); Schmitz (2004), 39ff. zur Metapher bei Claudian, bei dem die Naturgewalt durch die ars bezähmt werde; Gualandri (1979), 105ff.; Egelhaaf-Gaiser (2011), 271ff. zur Metapher bei Sidonius. 159 Vgl. CS 2 praef. 59–64 … cui mersae facillimum est | tractandae indocilem ratis, | ni tu, Christe potens, manum | dextro numine porrigas, | facundi oris ut inpetus | non me fluctibus obruat mit CS 1 praef. 10–12 Sed, cum caerulei proelia gurgitis | iussisset domini dextra quiescere, | ad portum fluitans cumba relabitur und CS 2 praef. 41–43 Tum dextra famulum levat | sistitque et docet ingredi | tergum per tumidum freti. 160 Zum Motiv des Meeres im Schwierigkeitstopos Thraede (1962a), 130; 131ff. bei Prudentius. 161 Die Praefationes sind in Anlehnung an die zwei Bücher retrospektiv bzw. prospektiv ausgerichtet. Prudentius lässt die Notwendigkeit für ein erneutes Eintreten gegen die pagane Partei im Proömium anklingen: Das retrospektive credebam verortet die angenommene Niederschlagung des Heidentums in der Vergangenheit des Theodosius. Die Frage in CS 1,9–13 formuliert einen Zweifel, ob die damals getroffenen kaiserlichen Maßnahmen in der Gegenwart Bestand haben, die im ersten Buch rückblickend beleuchtet werden. Am Ende des ersten Buches und im zweiten Buch wird die mittelbare und unmittelbare Gegenwart beleuchtet. Der zukunftsorientierte Charakter des zweiten Buches zeigt sich deutlich in der Schlussbitte an Honorius. Möglicherweise übernimmt Prudentius neben der Seefahrtsmetapher einen Grundgedanken von Claudians Praefatio zum ersten Proserpina-Buch, wo dem Dichten eine den Maßnahmen des Herrschers vergleichbare Wirkung beigemessen wird, dazu Schmitz (2004), 54ff., bes. 55: „Vielmehr zeigt Claudian durch seine Deutung des Mythos [sc. der Proserpina], daß die Macht des Sängers in gleicher Weise wie die des Herrschers wilde Kräfte zu bändige vermag.“ 162 Zur kämpferischen Programmatik Praef. 40–41 … conculcet sacra gentium, | labem, Roma, tuis inferat idolis … Zur Überlagerung von Rom und Römern sowie zur Interpendenz von Innen- und Außenwelt unten S. 217ff. Auch das audacia-Motiv wird übernommen, das Felgentreu (1999), 166 für die Praefationes Claudians als „subtile Variante des präfatorischen Bescheidenheitstopos“ feststellt, vgl. CS 2 praef. 46 dubiis periculis; 51 Sum plane temerarius; zudem CS 1,643 Non vereor ne me nimium confidere; 647 Non ausim, wo das

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vorgestellt, das die kaiserliche Religionspolitik begünstigen und befördern soll. Am Ende des ersten Buches versetzt sich der Dichter in die Position eines poeta miles und übernimmt damit eine konstitutive Neuerung von den Praefationes Claudians163. Klaus Thraede interpretiert die zweite Vorrede sowie den Schluss des ersten Buches überzeugend als Produkte der Praefatio-Tradition164. Sie dienen mehr als die Vorreden der anderen Werke der poetologischen Selbtsverortung des Dichters sowie der Etablierung eines ‚common ground‘ mit seiner Leserschaft165. Prudentius inszeniert sich selbst als bescheidenen Dichter, der es ohne Christi Hilfe niemals gewagt hätte, sich den Worten des gewaltigsten Redners seiner Zeit entgegenzustellen. Die indirekte captatio benevolentiae erzeugt Sympathie für die eigene Person und Position sowie Antipathie gegenüber der übermächtigen Argumentationskunst des Gegners166. Darüber hinaus werden Bezüge nicht nur zum Liber Peristephanon, sondern auch zu anderen Werken und insbesondere der Psychomachia hergestellt167: In der Auseinandersetzung von Prudentius und Symmachus spiegelt sich der Zweikampf von

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Wagnis zurückgewiesen wird, das in der Praefatio mit der Hilfe Gottes dann doch eingegangen wird. Im Gegensatz zu Claudian kann Prudentius sein eigenes Unvermögen nur mit Gottes Hilfe kompensieren, während der Panegyriker auf sich selbst gestellt ist. Die enge Verbindung vom Ende des ersten Buches und der Praefatio zum zweiten betont bereits Thraede (1965), 65ff.; zu Claudians poeta miles Felgentreu (1999), 195ff. Prudentius führt im Gegensatz zu Claudian keinen „Kampf um seinen Nachruhm“ (Felgentreu 1999, 199). Seine Identifizierung von Praefatio und Proömium kritisiert Herzog (1966), 122, Anm. 11 mit Recht. Die erste Praefatio ist, wie er Ebd. 122ff. herausarbeitet, eher mit den allegorischen Praefationes der Hamartigenia und Psychomachia vergleichbar, in denen die Person des Dichters weitesgehend zurücktritt. Thraede (1963), 102f. zur Funktion der Praefatio seit der Panegyrik; 109 zum lector doctus als eigentlichem Adressaten der christlichen Lobrede; vgl. Felgentreu (1999), 205ff.; 216 zur vergleichbaren Funktion von Claudians Praefationes. Es wird keine Antipathie gegenüber dem Gegner erzeugt, der ja lediglich Opfer eines error und seiner eigenen Redekunst ist. Dasselbe Verfahren stellt Fabian 1988), 58 für die Praefatio der Apotheosis fest, die jedoch mehr auf das Thema als auf die Person des Dichters ausgerichtet ist, was der ‚unpersönlichen‘ und nicht individualisierten Auseinandersetzung mit der Fragestellung entspricht, vgl. Ebd. 63 zur Konzeption des Gegenparts; zur Praefatio der Hamartigenia Herzog (1966), 122ff. Sein Sündenbekenntnis greift die Licht-Dunkel-Kontrastierung auf, die leitmotivische für das Gesamtwerk und insbesondere das Cathemerinon und in Teilen die Hamartigenia ist (dazu Rodriguez-Herrera 1936, 28ff.; unten S. 221ff.): CS 2 praef. 52f. … qui noctis mihi conscius | quam vitae in tenebris ago, vgl. Vers 8; das gradiens des vorletzten Verses (verbunden mit dem Dunkelheitsmotiv) verweist auf die Wegmetaphorik, die die Apotheosis einleitet: Dum plura temptat caecus incerto gradu, | incurrit id quod obvium est (Apoth. praef. 2,37f.), zur Wegmetaphorik bei Prudentius unten S. 281ff.

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Patientia und Ira. Nach dem Vorbild der Tugend tritt der Dichter dem Toben seines Gegners entgegen168. In der Psychomachia vernichtet das Laster sich letzlich selbst169. Die Parallelisierung beider Auseinandersetzungen impliziert, dass die rhetorischen Argumente des Gegners ähnlich haltlos seien wie die Drohungen des personifizierten Lasters angesichts der standhaften Tugend. Mit der Hilfe der Patientia und Christi kann das dichterisch-rhetorische Vorhaben des Prudentius dictis dicta refellam zum Erfolg geführt werden (CS 2,4)170. Im ersten Buch wird Kaiser Theodosius zum idealen princeps christianus stilisiert171. Aufgrund seines politisch erfolgreichen Vorgehens gegen den alten Götterglauben erlangt seine Regierungszeit Exempelcharakter172. Siegmar Döpp stellt fest, dass Buch I zum großen Teil eine Retrospektive in die Herrschaftszeit des Theodosius umfasse, die durch die rhetorische Frage im Proö-

168 Der Dichter folgt dem Ideal der Duldsamkeit, wie er es in Psych. 121–131 zeichnet: Er kündigt an sich vor den ‚Geschossen‘ seines Gegners lediglich ducken zu wollen (zu den Geschossen: CS 1,647–648 spicula tantae … linguae; 651 volans iaculum; 655 ventosas … sagittas; zum Ducken: 1,650f. Sed liceat tectum servare a vulnere pectus | oppositaque volans iaculum depellere parma, vgl. 654f.). Der Gegner und die Ira werden ineinander gesetzt: Sie kämpfen beide mit Waffen (vor allem Wurfgeschossen) und Worten (Psych. 115 teloque et voce lacessit); die Angriffe beider werden mit dem Wüten des Meeres assoziiert (Psych. 113 spumanti fervida rictu); wie die Ira plustert sich der Gegner des Prudentius auf (vgl. CS 2 praef. 58 tumet mit Psych. 113 Ira tumens), zum aufgeplusterte Gegner in CS 2 praef. Thraede (1962a), 133f. Ähnlich aufgeplustert wird die auf die Ira folgende Superbia gezeichnet, die den römischen Hegemonialanspruch verkörpert und in einer Rede verbalisiert, dazu Rohmann (2003), 247f. 169 Psych. 145–154. 170 Da Prudentius auf die Patientia und Gott/Christus vertraut (vgl. Psych. 176–177 Nulla anceps luctamen init virtute sine ista | virtus; nam vidua est quam non Patientia firmat), setzt er entgegen seiner anfänglichen Ankündigung mit den zwei Büchern der ars seines Gegners seine eigene Beredsamkeit entgegen und begibt sich in das luctamen (CS 1,644; 653). Die Vorrede zum zweiten Buch schließt mit einer Invocatio Christi und einer Bitte um Beistand in der argumentativen Auseinanderstzung (CS 2 praef. 61–66). Entgegen Kah (1990), 70ff. sind die rhetorische Selbstherabsetzung und christliche Demutsbezeugung nicht nur „farblose[n] Klischee[s]“, sondern dienen der Programmatik, das eigene Dichten und Dichterdasein der Führung Gottes/Christi zu unterstellen: Derer meint Prudentius bei allem Stolz auf das eigene dichterisch-rhetorische Können und seiner Glaubesgewissheit bei diesem ‚Wagnis‘ zu bedürfen, das eine Vereinigung von sprachlicher Gewandtheit und Glaubensfestigkeit in höchstem Maße fordert. 171 Döpp (1980), 68f.; Ders. (1986), 70; Kah (1990), 112ff.; Ernesti (1998), bes. 247ff. 172 In CS 1,652 werden die knapp 15 Regierungsjahre des Theodosius übersteigernd mit den Worten saeclo iam tuta quieto umschrieben. Bereits Steidle (1971), 270 stellt fest, dass Prudentius beim Rombesuch des Theodosius in Buch I „eine Art idealtypisches Bild“ entwerfe.

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mium inclytus ergo parens patriae moderator et orbis | nil egit prohibendo …? motiviert werde173. Die Verse CS 1,42–407 sind als eine weitere historische Rückblende in die Darstellung der theodosianischen Regierungszeit eingebettet, der sie zeitlich vorgelagert sind. Sie skizzieren die Entwicklung der paganen Religion von den Anfängen der Stadt bis in die Gegenwart des Kaisers und umreißen die Lage Roms, die Theodosius bei seiner fingierten Ankunft in der Stadt vorfindet174. Anders als Siegmar Döpp gehe ich also von zwei Rückblenden und zwei verschiedenen Zeitstufen aus. Den Schluss der Retrospektive in die theodosianische Zeit setze ich formal bei Vers 632 an, ab dem der Erzähler seine aktuelle Situation als Vertreter des Christentums fokussiert175. Buch I erhält einen symmetrischen Aufbau: In den ersten Versen des Proömiums und in den letzten Versen umreißt ein Erzähler seine aktuelle Position im rhetorischen Diskurs um die richtige Religion. In den Versen CS 1,1–8 wird der gegenwärtige Zustand Roms betrachtet, das von einer erneuten paganen Bedrohung heimgesucht wird (renovata luis). Während im Proömium das Gebet Heilung von der neuerlichen Pest bringen soll, kündigt der Erzähler in den Schlussversen des ersten Buches an, die Seuche auf literarischrhetorischem Weg zu bekämpfen. Er beleuchtet damit seine persönliche Situa173 CS 1,9–13, dazu Döpp (1986), 75. Die Verse CS 1,14–29 fokussieren die Regierungszeit des Theodosius als vergangene Zeit, derer sich der Erzähler als erlebter Zeit erinnert. Die folgenden Verse stellen eine Feststellung des Erzählers dar und wenden den Blick in die Gegenwart, in der der Staat aufgrund der Religionspolitik des Theodosius zur Gerechtigkeit geführt worden ist (CS 1,36–37 Felix nostrae res publica Romae | iustitia regnante viget). Die damals festgesetzten Dogmen gelten auch in der Gegenwart des Erzählers noch: Parete magistro … (CS 1,37–41). Auch in den Versen CS 1,524–529 wird die antipagane Gesetzgebung des Theodosius gemäß Döpp (1986), 69 zwar innerhalb der Lebenszeit des Erzählers lokalisiert (nostro sub tempore), aber als ein bereits stattgefundenes und abgeschlossenes Ereignis beschrieben. 174 Das Imperfekt in CS 1,408 (squalebat) beschreibt einen lange währenden Zustand Roms, der mit der Ankunft des Kaisers als punktuellem Ereignis im Perfekt beendet wird (CS 1,411 respexit). Dasselbe Zeitverhältnis findet sich in CS 1,529–534. Die Reaktion der personifizierten Roma auf die Rede des Kaisers wird in der Vergangenheit situiert (CS 1,511 tunc), hat jedoch Auswirkungen bis in die Gegenwart, was über die folgenden Praesentien ausgedrückt wird. Auch die folgende Bekehrungsszenerie des Volkes und der Senatoren steht zum einen wegen der Lebendigkeit des Erzählens im Präsens, zum anderen haben die Reformen des Theodosius Prozesse in Gang gesetzt, denen der Erzähler in der eigenen Gegenwart Aktualität zuspricht, wenn die Römer damals wie heute zu den Heiligengräbern eilen (CS 1,544–568; 578–615). Die Übergänge von jüngster Vergangenheit und aktueller Gegenwart sind fließend. 175 Döpp (1986), 76 setzt den Schluss der Retrospektive erst in Vers 643 an. Die vorangehenden elf Verse modellieren jedoch bereits die rhetorische Übermacht des gegnerischen Redners und dessen Missbrauch der Redekunst.

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tion, in der er sich einem der herausragenden Vertreter der Redekunst entgegenstellen möchte, der in seinem liber den alten Götterglauben favorisiert (CS 1,632–655)176. Die beiden Darstellungen der aktuellen Lage umspannen einleitend und abschließend den Bericht über die theodosianische Herrschaft, der wiederum ringkompositorisch eine lange Rückblende in die pagane Vergangenheit Roms einfasst177. Die Interaktion von Kaiser und Stadt am Ende des Buches besetzt eine zentrale Position im Gesamtwerk178: Sie ist rückverweisend auf das pagane Rom (CS 1,408f. quibus … sacris) 179 und vorverweisend auf das christliche Rom zu lesen (CS 1,506–615). Der Rombesuch des Theodosius wird zur entscheidenden Weichenstellung von der einen Religion zur anderen. Buch II setzt mit einer „Standortbestimmung“180 ein, die sowohl auf den Inhalt des ersten Buches zurückverweist, als auch das Konzept für Buch II vorstellt181. Im Gegensatz zum ersten Buch folgt sein Aufbau keiner größer angelegten Komposition182. Des Öfteren werden Passagen der dritten Relatio paraphrasiert und widerlegt, womit das am Ende des ersten Buches und im Kurzproömium des zweiten Buches angekündigte Vorhaben erfüllt wird (dictis dicta refellam)183. Als ‚setting‘ wird eine fiktive Gesprächsrunde am Kaiserhof 176 Die Rhetorik des Gegners wird im Bild der Gold-und-Schmutz-Metapher angeprangert, da er mit schönen Worten die falsche Sache vertritt, vgl. Ambr. epist. 18,2. In den abrupt anmutenden zwei Schlussversen CS 1,656–657 erkennt Lühken (2002), 40ff. eine Vergilreminiszenz als „Regiebemerkung“, über die Buch I mit den Anfangsversen 2,1–4 von Buch II eng verbunden werde, die wiederum eine Vergilreminiszenz aus den Georgica darstellten. Sie sieht darin ein Indiz für einen „planvolle[n] Aufbau des Ganzen“ und eine einheitliche Komposition des Werkes. 177 Siehe das Schema am Ende des Kapitels. Diese Ringkomposition scheint nur Harries (1984), 73 aufgefallen zu sein: „[…] the achievement of Theodosius is most fully dealt with in the first book contra orationem Symmachi, which sandwiches a general attack on the pagan gods […] between an opening section on Theodosius the Christian leader […] and an extensive laudation of Theodosius’ outlawing of paganism after his victory at the Frigidus in September 394.“ Ihr schließt sich Cameron (2011), 346 vor kurzem an. 178 Ernesti (1998), 241 bezeichnet sie als „Zentralstück“. 179 Das Pronomen quibus kann als freier thematischer relativer Satzanschluss aufgefasst werden, der auf einen ganzen Themenkomplex, hier die sacra in Rom, verweist. 180 Lühken (2002), 41. 181 CS 2,1–4 Hactenus et veterum cunabula prima deorum | et causas quibus error hebes conflatus in orbe est | diximus, et nostro Romam iam credere Christo. | Nunc obiecta legam, nunc dictis dicta refellam. 182 Barnes (1976), 380 beurteilt das zweite Buch aufgrund der Länge und Theorielastigkeit als „somewhat tedious“. 183 Döpp (1986), 76 betrachtet Buch I ohne Buch II zutreffend als unvollständig, da die „Stufe der Christianisierung Roms“ und die „angekündigte Auseinandersetzung mit der heidni-

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inszeniert, an der nicht nur die zwei jungen Kaiser, ein orator catus (CS 2,10) und der Erzähler, sondern auch die personifizierte christliche Fides und Gott sowie Roma teilnehmen184. Die Paraphrasen der dritten Relatio dienen als grober Leitfaden, anhand dessen die Argumentation der einzelnen Gesprächsteilnehmer und des gesamten Buches sich entspannt. Das zweite Buch nimmt nahezu alle Themengebiete des ersten Buches in Variationen und unter einer veränderten Schwerpunktlegung oder Darstellungsweise wieder auf185. Daneben werden die Maximen und Normen kaiserlichen Verhaltens und die daraus resultierenden politisch-religiösen Entscheidungen im zweiten Buches stets von der vorbildlichen Herrschaftszeit des Theodosius überlagert, wie sie im ersten Buch skizziert worden ist186. Bereits zu Beginn des Buches werden für das kaiserliche Brüderpaar die Taten ihres Vaters, des Großvaters und der Ahnen zu nachahmenswerten exempla des eigenen Handelns187. Das

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schen Reaktion“, die im Proömium des ersten Buches angekündigt werden, erst im zweiten Buch verwirklicht würden. In Anlehnung an die These von Döpp (1986), 76f., dass Prudentius’ zwei Bücher eine für seine Zeit typische „zweiteilige Anlage hexametrischer Dichtungen“ sei, wie sie sich oftmals bei Claudian findet, stellt Brown (2003), 15 fest: „The first book gives the background […]. Thus Prudentius can be said to have a similar structure here in that the first book paints the background while the second deals with the heart of the matter.“ Auf das erste Argument des Symmachus antworten die Kaiser persönlich (CS 2,17–66), auf ein folgendes die Fides und Gott (CS 2,91–160), auf die meisten anderen der Erzähler. Später richtet die Roma ihre Rede an Honorius und Arcadius (CS 2,655–768). Es gibt einen historischen Abriss der Geschichte Roms (CS 2,277–346), einen Angriff gegen die alten Götter (bes. CS 2,347–577), ein Aufeinandertreffen von Roma und dem/den regierenden Kaiser(n) (CS 2,651ff.), die Idee der Einheitlichkeit Roms und des Christentums (CS 2,655ff. in der Rede Romas; 586–648 über die Sendung Roms). Weiterhin werden die Vorwürfe der Fiktivität, der Materialität und der barbarischen Gebräuche des Götterglaubens aus der Theodosiusrede (CS 1,415–505; 2,39–66; 91–242; 807–822) und die Thematisierung der Gladiatorenspiele wieder aufgegriffen (CS 1,354–407; 2,1114–1132) Neu sind die Auseinandersetzung mit Victoria als exemplarischer Gottheit (CS 2,12–66), die theoretische Besprechung der Wegmetaphorik (CS 2,843–909) und eine Auseinandersetzung mit dem Vestakult (CS 2,910–1113). Siehe unten das Schema am Ende des Kapitels. In Buch II bildet die Regierung des Theodosius die Klimax in der römischen Geschichte. Über seine Bezeichnung als pater patriae wird an das Proömium von Buch I erinnert: … tandem deprendere rectum | doctus iter caput augustum diademate cinxit | appellans patrem patriae, populi atque senatus | rectorem, qui militiae sit ductor et idem | dictator censorque bonus morumque magister, | tutor opum, vindex scelerum, largitor honorum (CS 2,430–435; vgl. 1,9ff.). CS 2,7–9 Armorum dominos vernantes flore iuventae | inter castra patris genitos sub imagine avita | eductos exempla domi congesta calentes … Weiter heißt es, dass der Vater die Jungen das Kriegshandwerk gelehrt habe (CS 2,21f.) Prudentius bindet die Politik des Theodosius zumindest vordergründig an die Wertmaßstäbe der Republik an, die in der Spätantike Vorbildcharakter besaß: Felix nostrae res publica Romae | iustitia regnante viget (CS 1,36f.), dazu Kah (1990), 119ff.; zur Republik als Bezugsgröße in der Spätantike Felmy

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Werk Contra orationem Symmachi trägt damit Züge eines zweigeteilten Fürstenspiegels: Das Ideal eines princeps christianus verkörpert Theodosius im ersten Buch. Im zweiten Buch wird seine antipagane Religionspolitik zu einem überzeitlichen exemplum für die gegenwärtige Regierungszeit der beiden Kinderkaiser188. Sowohl in den Schlussversen der Roma-Rede als auch am Ende des zweiten Buches wird Honorius dazu aufgefordert, das (noch unvollendete) Werk seines Vaters fortzusetzen und dem Ideal des princeps christianus nachzueifern (CS 2,756–768; 1117–1132)189. Zum Handlungsraum aller Kaiser wird das zu christianisierende bzw. bereits christianisierte Rom, so dass die zwei Bücher vorrangig über einen gemeinsamen Schauplatz des Geschehens miteinander verbunden werden. Die Stadt bleibt in allen beleuchteten Zeiträumen – der Gegenwart, der unmittelbaren und ältesten Vergangenheit sowie der Zukunft – als Repräsentations-

(2001), bes. 148ff.; 282 (zu Prudentius); Sehlmeyer (2009), 44ff.; 193; Cameron (1970), 350ff. (zu Claudian). Mit Theodosius als exemplum eines guten Kaisers folgt er dem Grundtenor der dritten Relatio und den Antwortschreiben des Ambrosius, bei denen dem jungen Kaiser Valentinian II. ebenfalls frühere Kaiser als Beispiele einer guten oder schlechten Religionspolitik vorgestellt werden. Ambrosius führt Theodosius gegenüber Valentinian II. als Vorbild und Druckmittel ein (Ambr. epist. 17,12–13); in epist. 57,4 spricht sich der Kirchenvater eine erhebliche Rolle an der antipaganen Religionspolitik des Theodosius zu, was gemäß Klein (1972), Anm. 6 eine Übertreibung ist. 188 Prudentius stellt sich in die Tradition von Claud. carm. 8,214–418 (4 cons. Hon.) und Ambr. De obitu Theodosii, in denen der Vater Theodosius seinem Sohn Honorius ebenfalls als Ideal vor Augen geführt wird. Auch bei Ambrosius wird die kaiserliche Religiosität zum eigentlichen Wertmaßstab und der Kaiser wird als pius, misericors und fidelis charakterisiert, während seine militärischen Leistungen nicht herausgestellt werden. Claudians Darstellung orientiert sich demgegenüber eher an den traditionellen Herrschertugenden. Bei ihm fordert Theodosius seinen Sohn auf, sich mit der römischen Geschichte auseinanderzusetzten und daraus zu lernen (Claud. carm. 8,396ff.). Nichts anderes evoziert Prudentius, wenn er die römische pagane Vergangenheit vor Augen führt und zu einer Zeit der Abgrenzung von der christlichen Gegenwart macht. Zu Romana vetustas bei Claudian und Ambrosius Eigler (2003), 12ff.; 109f.; 158ff.; zum Fürstenspiegel bei beiden Ernesti (1998), 202ff.; 384ff. Kah (1990), 117 betrachtet Theodosius bei Prudentius als „einerseits ideale[n] militärische[n], andererseits vorbildliche[n] geistliche[n] dux“. Über die überzeitliche Idealisierung der theodosianischen Herrschaftszeit lässt sich auch das „chronological gap between 394 and 402“ erklären, das Cameron (2011), 344 bemängelt: Hätte Prudentius den Herrschaftsübergang vom Vater zum Sohn beschrieben, hätte er die Regierungszeit des Theodosius wieder ihres ‚außerweltlichen Idealstatus’‘ beraubt. 189 Ernesti (1998), 236 bezeichnet diese Schlusspassage als einen „Interpretationsschlüssel“ für die Intention des Werkes. Brown (2003), 19 leitet daraus Honorius als antizipierten Leser ab: „[…] the appeal to Honorius to ban the gladiatorical shows at the end of the book two is undoubtedly contemporary and suggests that the poem is intended to bee seen by Honorius too.“

80

Prudentius’ Werk Contra orationem Symmachi

raum, als „Bühne“190 des Geschehens oder als allegorischer Raum präsent. Der Auseinandersetzung um den Victoriaaltar werden nur wenige Verse gewidmet, in denen die Siegesgöttin als Lügengebilde entlarvt wird191. Das Hauptinteresse des Werkes gilt nicht dem viel diskutierten Verbleib des Altars192, sondern Rom und seinen Bewohnern. 3.4.1 Tabellarische Übersicht über Aufbau und Gemeinsamkeiten beider Bücher Buch I

Buch II

Vers

Inhalt

Vers

Inhalt

praef. 1–89

Gleichnis von Paulus

praef. 1–66

Gleichnis von Petrus

1–8

aktuelle Situation (Rom)

1–4

‚Standortbestimmung‘ · rückverweisend auf Buch I

9–41

Rückblende I: Herrschaft des Thedosius (Skizzierung)

5–11

‚Setting‘: Gesprächsrunde am Kaiserhof · Verweis auf theodosianische Herrschaft als Vorbild (Buch I)

42–407 Rückblende II: pagane Vergangenheit Roms (imaginäre Stadtbesichtigung) · historischer Abriss (ab Saturn) · Erklärung für die Einführung

12–16

Paraphrase Symm. rel. 3,3

· Victoria 17–66

Antwort Honorius/Arcadius

· Fiktivität/Materialität der

190 Behrwald (2009), 170. 191 CS 2,12–16 (Paraphrase der dritten Relatio); 17–66 (Antwort der Kaiser). Die Debatte um die Statue – nicht um den Altar – der Victoria wird zum exemplarischen Fall für die Künstlichkeit, Materialität und dichterische Fingiertheit der paganen Götterwelt. Die Passage untersucht Gnilka (2001h), 263–317. Aufgrund von Claud. carm. 23,19; 24,202ff.; 28,597ff. vermutet Straub (1963), 146ff. eine nochmalige Rückführung des Altars unter Eugenius. Ebenso Klein (1972), Symm. rel. 3, Anm. 8; Ambr. epist. 57, Anm. 2, der die Vermutung nahelegt, dass die Statue der Göttin in der Kurie verblieb und nur der Altar zuletzt von Gratian entfernt wurde; ebenso zuletzt Cameron (2011), 342. 192 Harries (1984), 82 zu Buch II, dagegen sieht Brown (2003),16 in der Victoriadebatte lediglich einen Aufhänger für Prudentius „to formulate his ideas on the victory of Christianity and Christianity’s contribution to the victory of Rome“.

Zum Aufbau der zwei Bücher

Buch I Vers

Inhalt

Buch II Vers

der antiken Gottheiten in Rom: Tradition = Apotheose/ Import fremder Kulte · Götterkritik · Superstitio-Triade · Gladiatorenkämpfe (Kontextualisierung mit der Unterwelt) 408– 631

632– 655

81

Inhalt antiken Gottheiten

· Superstitio-Triade

Rückblende I (Fortsetzung): Herrschaft des Theodosius mit Auswirkung in die Gegenwart (adventus-Szenerie + Senatorenbekehrung)

67–90

Interaktion Roma – Kaiser · Fiktivität/Materialität der antiken Gottheiten · Barbarische Primitivität der antiken Kulte ≠ römischer Zivilisationsanspruch · Lichtmetaphorik (in Rom) · Schmutzmetaphorik · Urbs (Roma) informata refugit errores · Bekehrung der Bevölkerung (Exultare patres videas …) · Personifizierte Roma ≠ Seele Roms

91–269

Paraphrase Symm. rel. 3,8–10 · Genius-Vorstellung · Personifizierte Roma · Wegmetaphorik

Antwort Fides/Gott

· Fiktivität/Materialität der antiken Gottheiten

· Templum mentis (vgl. 270– 276

Psychomachia)

Verweis auf Symm. rel. 3,8 · Traditionsbewusstsein

aktuelle Situation (Erzähler) · ‚Regiebemerkung‘ auf Buch II 277– 369

Antwort Erzähler

· Historischer Abriss (ab Goldzeitalter)

· Erklärung für die Einführung der antiken Gottheiten in Rom: Tradition = Import fremder Kulte/Gottheiten 370– 374

Paraphrase Symm. rel. 3,8 · Genius-Vorstellung

82

Prudentius’ Werk Contra orationem Symmachi

Buch I Vers

Inhalt

Buch II Vers

Inhalt

375– 487

· Genius/personifizierte Roma

Antwort Erzähler ≠ Seele Roms

· Lichtmetaphorik 488– 489/ 564– 565

Paraphrase Symm. rel. 3,8–9 · göttliche Providenz

490– 648

Antwort Erzähler · Götterkritik · christliche Sendung Roms (Concordia Romana) · Rückverweis auf Ende Buch I (aktueller Gegner des Erzählers)

649– 772

Interaktion Roma – Kaiser · Rede Romas (vs. Symm. rel. 3,9–10) · Schmutzmetaphorik · Schlacht von Pollentia · Bekehrung der Bevölkerung (… exultare libet) · adventus Honorius · Roma renascens

773– 780

Paraphrase Symm. rel. 3,10 · Wegmetaphorik

781– 909

Antwort Erzähler · Barbarische Primitivität der antiken Kulte ≠ rö mischer Zivilisationsanspruch · Lichtmetaphorik (abstrakt und in Rom) · Wegmetaphorik (abstrakt und in Rom)

910–916 Paraphrase Symm. rel. 3,11;

Zum Aufbau der zwei Bücher

Buch I Vers

Inhalt

83

Buch II Vers

Inhalt 15–17 · Entzug der finanziellen Mittel gegenüber den Vestalinnen führt zu Hungersnöten etc.

917– 1113

Antwort Erzähler · Hungersnöte gab es ebenfalls unter paganen Gottheiten · Naturbedingte Erklärungen für schlechte Ernten · Vergleich von Welt und Körper · Metapher der Seele als Saatfeld (biblische Parabel vom Sämann) · Gladiatorenspiele (zum Vergleich christlicher und vestalischer Jungfrauen)

1114– 1132

Schlussbitte an Honorius · Abschaffung der Gladiatorenspiele · Verweis auf die Herrschaft des Theodosius als Vorbild (Buch I)

4 Die pagane Stadttopographie 4.1 Darstellungstechniken der Narration Roms 4.1.1 Polemische Apologetik oder Stadtbesichtigung? Die Verse CS 1,42–407 des ersten Buches von Contra orationem Symmachi werden in der Forschung häufig mit Begrifflichkeiten wie „christliche Apologetik“1, „Polemik gegen das Heidentum“2 oder aber „euhemeristische Götterkritik“3 belegt. Aufgrund der Feststellung von Richard Klein, dass sich die Passage überwiegend „in alteingefahrenen Geleisen der frühen Apologeten“ bewege, erachtet Marianne Kah eine vertiefende Untersuchung der Verse für nicht notwendig4. Auch Maria Lühken verweist auf die apologetischen Vorläufer des Prudentius und stellt heraus, dass hier besonders die euhemeristische Argumentationsstrategie sowie eine „Akzentuierung der Darstellung […], Betrug und sexuelle Zügellosigkeit als zentrale Eigenschaften der heidnischen Götter erscheinen zu lassen“, eine bedeutende Rolle spielten5. Christian Gnilka bemerkt zwar, dass es in Contra orationem Symmachi „eine lokale, stadtrömische Szenerie“ gebe und „es […] im ganzen Gedicht um die urbs“ gehe6, vertieft diesen Gedanken jedoch nicht in seinen Untersuchungen7. Dass im ersten Buch von Contra orationem Symmachi eine Invektive gegen die paganen Götter vorliegt, die sich auf Argumentation und Wortschatz 1 2 3 4 5 6

7

Behrwald (2009), 262. Vgl. bei Lühken (2002) Kapitel 2.3 und 3.3. Kah (1990), 128. Ebenso Gnilka (2000e), 230; Gnilka (2001h), 265; Cameron (2011), 343; 346. Klein (1971), 141, zitiert bei Kah (1990), 128. Lühken (2002), 105, vgl. Tränkl (2008), 29ff. Gnilka (2001g), 236f., bes. Anm. 18. Er begrenzt diese Szenerie vorrangig auf die Passage CS 1,197 –244 (in dieser Arbeit S. 158ff.) und gibt nur stichprobenartig Belege für Monumente im Text. Ähnlich verfährt Cerri (1963), der vor allem dem archäologischen Befund zu den Dioskurenstatuen große Aufmerksamkeit schenkt (CS 1,227–231). Allard (1884), 5ff. beschränkt sich in der Untersuchung des ersten Buches ebenfalls fast ausschließlich auf diese Passage, stellt jedoch weitere Einzelbelege aus dem zweiten Buch zusammen. Ähnlich urteilt Behrwald (2009), 260ff. Er kommt bezüglich der Verse CS 1,42–194 zu dem Schluss, dass die „Monumente noch ohne erkennbares System“ aufträten und es sich hierbei um eine „letztlich […] vor allem der apologetischen Absicht der Verspottung geschuldete Liste von Kulten“ handelte, und sieht erst in den Versen CS 1,197–244 greifbare topographische Verweise auf Roms Monumente.

Darstellungstechniken der Narration Roms

85

der prosaischen apologetischen Polemik stützt, wie sie bei Tertullian, Minucius Felix oder Lactanz in Erscheinung tritt, steht außer Frage8. Auch in der zeitgenössischen Literatur treten vermehrt poetische Götterkritiken auf, womit das hexametrische Werk des Prudentius keinen Einzelfall darstellt9. Die apologetische Beweisführung zur Entmachtung der heidnischen Götter stützt sich bei Prudentius, bei seinen Vorläufern und seinen Zeitgenossen auf drei Strategien: (1) auf die euhemeristische Interpretation, gemäß der die Götter ursprünglich Menschen gewesen seien, (2) auf die Reduktion der Götter zu Naturkräften sowie (3) auf die Dämonisierung der Götter10. Es werden ihre Erlogenheit und Verlogenheit, ihre Unmoral und ihre Sterblichkeit11 angeprangert. Prudentius berichtet von den sexuellen Ausschweifungen der angeblichen Gottheiten, entlarvt sie als menschliche Betrüger und betont ihre Sterblichkeit. Auch bei ihm werden die Götter zu Phantastereien herabgesetzt, die von den Künstlern erfunden worden sind. Die allegorische Auslegung der mythologischen und myth-historischen Erzählungen wird zu einem „illegitimen Rettungsversuch“12 des römischen Pantheon erklärt. Die mit Tertullian begründete Terminologie zur Herabsetzung der antiken römischen Religion sowie die polemische Disqualifizierung der Gottheiten finden im Werk des Prudentius eine Fortsetzung. Weiterhin übernimmt er gegenüber den paganen Römern die Vorwürfe der Dummheit, der moralischen Fehlgesinnung, des Irrtums sowie der Blindheit und einer mangelnden Gotteserkenntnis13. Die antike Staatsreligion wird zu 8 9

10 11

12

13

Opelt (1980), 181ff., bes. 226: „Die allgemeine Götterkritik der Dichtung folgt wiederum den Prosakategorien: die Götter sind erdichtet, unmoralisch, tot.“ Cameron (2011), 273–319 untersucht zuletzt „The poem against the Pagans“ und 320–352 weitere Versinvektiven. Er führt neben Contra orationem Symmachi als hexametrische Invektiven das Carmen contra paganos, das Carmen ad quendam senatorem und das Carmen ad Antonium auf, die er alle in denselben Zeitraum datiert. Vgl. Opelt (1980), 175 zu weiteren apologetischen Dichtungen. Gegen eine Verarbeitung des Carmen contra paganos bei Prudentius spricht sich Shanzer (1989), 450, Anm. 5 aus. Cerri (1964), 336. Die Sterblichkeit leiten die frühen Apologeten aus den römischen Schriften selbst ab. So wird bspw. später auch in Macr. somn. 1,9,7 eine euhemeristische Göttererklärung formuliert, die jedoch in der moralischen Wertung entscheidend von der christlicher Autoren abweicht: Indigetes divi fato summi Iovis hi sunt: quondam homines, modo cum superis humana tuentes, largi ac munifici, ius regum nunc quoque nacti. Brennecke (2007b), 137. Diese Kritik lässt sich auf die Kritik am Polytheismus in der Philolosophie zurückführen. Ein weiterer Kritikpunkt sei, dass den Göttern „gerade das wichtigste Gottesprädikat der philosophischen Theologie, die Apatheia, nicht attestiert“ habe werden können (Ebd. 137). Opelt (1980), 177ff.

86

Die pagane Stadttopographie

einem error und zur vana superstitio14. Daneben findet sich bei ihm ebenso wie in der patristischen Apologetik wiederholt der Vorwurf der Idolatrie, der sich insbesondere gegen die Kultbilder der Götterreligion richtet15. Prudentius greift damit die grundlegenden Argumente der patristischen Apologetik auf, bettet sie aber vermehrt in einen genuin römischen Deutungshorizont ein. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass er seine Götterschau enger als seine Vorgänger in der römischen Stadtszenerie verortet. Er beschränkt seine Argumentation nicht auf die Formel „die Götter sind erdichtet, unmoralisch, tot“16, sondern führt dem Leser immer wieder die römische Sakrallandschaft vor Augen. Mit Blick auf diese sucht er ihm die Schwächen der paganen Religion aufzuzeigen. 4.1.2 Perspektivierung und Beschreibung des Stadtraumes Wiederholt ist der Versuch unternommen worden, die Passage CS 1,42–407 in einzelne Sinneinheiten zu unterteilen17. Betrachtet man die Strategien zur narrativen Erzeugung von Raum, wie Katrin Dennerlein sie festlegt, können grob drei Abschnitte voneinander unterschieden werden18: Die Passagen (1) CS 1,42–196 und (2) CS 1,245–407 sind nicht-situationsbezogen und fokussieren den Stadtraum unabhängig von einer bestimmten Wahrnehmungsinstanz. Sie können unter der Bezeichnung ‚Götter-, Herrscher- und Dämonenschau‘ zusammengefasst werden. Die Auseinandersetzungen mit den einzelnen Gottheiten, Kaisern oder Wesen werden in „Raumbeschreibungen“19 eingebettet, in denen die sakralsymbolische Bedeutung, die den Erinnerungsorten zugeschrieben wird, zur

14 Vgl. bspw. Cypr. hept. 6,515 vani divi; carm. sen. 1f. vana sacra. Zum Gebrauch des Attributs vanus in der Apologetik Opelt (1980), 181, die den Beleg bei Prudentius übergeht. 15 Tert. idol. 3,2 At ubi artifices statuarum et imaginum et omnis generis simulacrorum diabolus saeculo intulit, rude illud negotium humanae calamitatis et nomen de idolis consecutum est et profectum. Exinde iam caput facta est idololatriae ars omnis quae idolum quoquomodo edit. Vgl. Opelt (1980), 77; 182. Zu Bedeutung und Pragmatik von Kultbildern in der römischen Religion Gladigow (1994); zur christlichen Polemik Scheer (2001). In der Spätantike wandelt sich diese Abneigung gegenüber der bildenden Kunst gemäß Pekáry (2002), 187ff., der auch bei Christen eine Vorliebe für imagines feststellt. 16 Opelt (1980), 181. 17 Garuti (1996), 149ff. unterteilt die Verse CS 1,42–407 in fünf Teile; Lühken (2002), 105; 113 unterteilt die Verse CS 1,42–296 in zwei große Abschnitte; Behrwald (2009), 262, Anm. unterteilt CS 1,42–407 in drei bis fünf Abschnitte. 18 Dennerlein (2009), 72ff. 19 Dennerlein (2009), 134ff. zur Definition von Raumbeschreibung.

Darstellungstechniken der Narration Roms

87

„stabile[n] Eigenschaft[…] des erwähnten Raumes“20 wird. Die eingelagerte Passage (3) CS 1,215–244 ist situationsbezogen. Die Beschreibung des Raumes folgt der Wahrnehmung einer Figur und das Forum Romanum wird zum Schauplatz eines Ereignisses21. Bei der nicht-situationsbezogenen Thematisierung des Stadtraumes finden sich kaum deiktische Verweise oder Verben der Wahrnehmung, anhand derer sich eine Wahrnehmungsinstanz lokalisieren lassen könnte22. Einzelne Orte werden zum „Gegenstand von Reflexion“23 und in ihrer symbolischen Bedeutung hinterfragt24. Die nacheinander angeführten Gottheiten werden durch ein Heiligtum oder anderes in der Stadttopographie verortet, was sich an zahlreichen Toponymen, Eigennamen und Gattungsbezeichnungen rund um die Handlungszone Rom belegen lässt25. Die sprachliche Linearisierung der einzelnen Raumelemente folgt keiner unmittelbaren Wegstrecke von einem Monument zum nächsten. Es gibt keinen abschreitbaren und eindeutig nachvollziehbaren Rundgang26, sondern es greift der von Wenz dargelegte Linearisierungstyp der Karte27. Das noch unsystematische Auftreten der Monumente, das Ralf Behrwald für die Passage feststellt, 20 Dennerlein (2009), 142, vgl.141: „Eine Beschreibung ist ein Texttyp, bei dem auf der Ebene des Bedeuteten stabile Eigenschaften einer räumlichen Gegebenheit, einer Figur oder eines Objekts mitgeteilt werden, ohne dass im selben Teilsatz, Satz oder Abschnitt ein bestimmtes, einmaliges Ereignis erwähnt wird. […] Eigenschaften, die einer räumlichen Gegebenheit oder einem Objekt zugeschrieben werden, können auch typische Ereignisse, Positionen, Zustände oder Handlungen von kollektiven oder anonym bleibenden Akteuren sein.“ Zur vorgeprägten Interpretation von Objekten und Orten Elsner (1995), 89. 21 Zum Schauplatz Dennerlein (2009), 127ff. 22 Bspw. CS 1,102 ecce; 115 turpiter adfixo pudeat quem visere. 23 Dennerlein (2009), 115. 24 Dennerlein (2009), 134: „Das nicht-situative Vorkommen von Raum umfasst so verschiedene Modi wie Reflektieren, Argumentieren oder Kommentieren.“ 25 Zur Differenzierung von Toponymika (= Toponymen), Eigennamen und Gattungsbezeichnungen Dennerlein (2009), 77; zur Handlungszone Piatti (2009), 129, Abb. 46. 26 Es handelt sich demnach nicht um eine von Wenz (1997), 61 so definierte „imaginäre Wanderung“, da hier keine „lineare und geordnete Zahl von Elementen, aus einer dynamischen Perspektive gesehen“, vorliegt. Vgl. Prop. 4,1,1–8; Ov. ars 1,67ff. als Beispiele für eine Stadtbetrachtung, die nicht gemäß einer festen Route verläuft, dazu Schmitzer (2001b), 525f. Auch der Rombesuch des Kaiser Constantius II. bei Ammian folgt gemäß Klodt (2001), 73ff. keiner eigentlichen Route, weder einer topographischen, noch einer chronologischen. Demgegenüber sind der Stadtrundgang der Aeneis und die Wegstrecke, die das Büchlein Ovids in den Tristien zurücklegt, gemäß Schmitzer (2001b), 526ff. „auf jedem – auch modernen – Stadtplan von Rom nachzuvollziehen“. 27 Wenz (1997), 63: „Die Grundlage für den Beschreibungstyp Karte ist das kognitive Konzept der mentalen Karte. Diese ist eine Repräsentation räumlichen Wissens, welche nach Downs & Stea (1982) in Analogie zur Landkarte – also statisch – vorgestellt werden soll.“

88

Die pagane Stadttopographie

dient der Untermauerung der Argumentation: Die Auswahl und die Zusammenstellung der einzelnen Bauwerke und Orte scheint einem beliebigen nahezu stichprobenartigen Verfahren zu folgen, in dem sich die Überzahl der potentiell erwähnenswerten paganen Sakralbauten in Rom widerspiegelt28. Unter einem selektierenden Blickpunkt wird der römische Stadtraum als eine weitläufige Sakrallandschaft inszeniert, in der profane Bauten selten auftreten und für den Betrachter so gut wie keinerlei Bedeutung spielen. Selbst Bauwerke, die nicht als eigentliche Sakralbauten errichtet sind, wie beispielsweise Amphitheater, werden religiös konnotiert. Aus der Menge an erwähnenswerten Bauten bringt Prudentius vier Orten besondere Aufmerksamkeit entgegen: dem Kapitol, dem Forum Romanum und dem Tempel der Venus und Roma sowie den Amphitheatern29. Sie alle sind „Landmarken“ 30 in der römischen Stadttopographie und liegen größtenteils im oder nahe dem paganen Zentrum. Auffallend ist, dass die Kaiserforen nicht erwähnt werden31.

28 Dazu unten S. 114ff. 29 Kapitol (CS 1,42–83; 182); Forum Romanum mit Kapitol und Roma-Tempel (CS 1,215– 240); Amphitheater (CS 1,354–407, bes. 381–394). Im Anschluss an die Amphitheater wird die religiöse Bedeutung einer Statue des Sonnengottes in einem längeren Passus besprochen. In einer Art ‚Kurz-Szene‘ kniet ein altehrwürdiger Greis vor der Statue und küsst sie (CS 1,344–353). Der Glaube an die Sonne als göttliche Instanz wurde zuvor argumentativ zurückgewiesen (CS 1,309–343). 30 Gemäß Werner/Krieg-Brückner (1997), 13 sind Landmarken „distinktive, stationäre und saliente Objekte oder Reize, die als Referenzpunkte dienen können“, zit. n. Dennerlein (2009), 191. 31 Vgl. im Gegensatz dazu Amm. 16,10,15f., wo das Trajansforum den Höhepunkt der Stadtbesichtigung bildet und zum zentralen Repräsentationsraum von Macht und Größe wird, dazu Stenger (2012), 203; Klodt (2001), 76f. zur implizierten Kaiserkritik. Bei Sidonius wird es später zu einem zentralen Ort senatorischer Standesrepräsentation und bleibt das einzige historische Monument, das er in seinen carmina erwähnt (Sidon. carm. 8,7ff.; 9,296ff., dazu Behrwald 2012b, 29). In seinen Briefen wird es zum „imperiale[n] Macht- und Bildungszentrum“, wenn Sidonius wie schon in seinen carmina auf seine Statue zu Ehren seiner Dichtungen verweist, dazu Egelhaaf-Gaiser (2011), bes. 278ff. Möglicherweise ist das Fehlen der Foren der abweichenden Werkintention geschuldet, die weder vordringlich auf eine Kritik am aktuellen Kaiser, die Selbstpräsentation als Dichter oder die Thematisierung von Zentrum und Peripherie abzielt. Einen kurzen Überblick über Bestand und Nutzung der Foren in der Spätantike mit weiterer Literatur gibt Sehlmeyer (2009), 253ff.

Darstellungstechniken der Narration Roms

89

4.1.3 Der Leser als Betrachter Roms Neben der Panoramaansicht des Raumes führt Katrin Dennerlein die „Raumdarstellung durch einen Flaneur“32 als eine weitere mögliche Form an, Raum literarisch zu inszenieren. In der griechischen und römischen Literatur finden sich immer wieder literarische Stadtspaziergänge, die nicht selten auch durch Roms Straßen führen. Vergil lässt Euander und Aeneas das archaische Frührom durchwandern, Ovid listet einzelne Monumente und Orte der Stadt auf, an denen man die schönsten Mädchen der Welt findet, und derselbe Dichter schickt sein Tristienbuch aus der Verbannung in die Straßen Roms. Für die spätantike Literatur ist der Rombesuch Constantius’ II. prägend, über den Ammianus Marcellinus in seinem 16. Buch berichtet33. Allen diesen Stadtbetrachtungen gemeinsam ist, dass ein Fremdling Rom besucht und eines Führers bedarf, der ihm den Weg weist: bei Aeneas ist es Euander, der ihn führt und ihm die Bedeutung der Orte erklärt34, bei Ovid ist es der ortskundige Erzähler, der den Liebesuchenden durch die Stadt dirigiert35, und bei Ammian gibt der römische Senat, „sich alle Mühe, für den Monarchen ein eindrucksvolles Programm zusammenzustellen“36. Auch das Büchlein Ovids ist auf der Suche nach einem monstrator, der ihm den Weg zum Kaiserpalast weist37. Sie alle sind Fremde, die eines Ortskundigen bedürfen, um sich in der Stadt zurechtzufinden38. In Contra orationem Symmachi gibt es keine literarische Figur, die Rom besucht und durchwandert39. Stattdessen werden dem Leser einzelne ausgewählte Orte der Stadt vor Augen geführt, aus denen die Interpretation Roms

32 Dennerlein (2009), 115. Die beiden Formen sind der Karte und der imaginären Wanderung von Wenz vergleichbar, mit denen sie jedoch nicht absolut identisch zu setzen sind. 33 Alle Passagen bespricht Schmitzer (2001). Zu Verg. Aen. 8,338ff. außerdem Binder (1971), 133ff.; zu Ov. ars 1,67ff. Holzberg (1999), 62ff.; zur Textpassage in Ovids ars unten S. 116ff.; zu Ov. trist. 3,1,27ff. Neumeister (1997), 109ff.; zu Amm. 16,10 Klodt (2001), 63ff.; Stenger (2013). 34 Verg. Aen. 8,339 Vix ea dicta, dehinc progressus monstrat. 35 Ov. ars 1,17 praeceptor Amoris. 36 Schmitzer (2001), 531. 37 Ov. trist. 3,1,22 … qui mihi monstraret … iter. Vgl. zum monstrator als Fremdenführer Schmitzer (2001), 529. 38 Vgl. zur Fremdperspektive auf Rom bspw. Verg. ecl. 1,19–20: Urbem quam dicunt Romam, Meliboee, putavi | stultus ego huic nostrae similem; Prop. 4,1,1f. Hoc quodcumque vides, hospes, qua maxima Roma est | ante Phrygem Aenean collis et herba fuit. 39 Dennerlein (2009), 153 spricht in diesem Fall von einer Wahrnehmungsinstanz, die […] mit einer Figur der erzählten Welt identisch ist“.

90

Die pagane Stadttopographie

als pagane Sakrallandschaft abgeleitet wird40. Anders als bei Aeneas oder Constantius II. wird beim Leser der zwei Bücher eine sichere Kenntnis der römischen Stadttopographie sowie ihres sakralsymbolischen Gehalts vorausgesetzt. Dennoch werden die Monumente interpretiert und mit einer Erzählung oder einem Ritual erklärend beleuchtet. Der Erzähler übernimmt die Rolle des Führers und belegt die Orte, die jedem Römer und Leser römischer Literatur vertraut sind, mit einem neuen Sinngehalt, indem er sie aus einer christlichen Perspektive deutet41. Anstatt einem Fremdling Roms die pagane (Sakral-)Topographie näherzubringen, wird bei Prudentius einem Stadtrömer bzw. Ortskundigen das alte Rom in seiner Bedeutsamkeit entfremdet. Die Fremdperspektivierung Roms wird anders als bei den literarischen Vorgängern nicht an eine Figur gebunden, sondern an eine religiöse Sichtweise, die der Erzähler als monstrator vertritt.

4.2 Die urbs: fremde superstitio und römische Sakraltopographie 4.2.1 Der Begriff superstitio und seine diskursive Funktion Der Begriff superstitio42 tritt im Werk des Prudentius vor allem in den zwei Büchern Contra orationem Symmachi auf und dient dort stets als pejorative Bezeichnung für den traditionellen Götterglauben43. In derselben Bedeutung 40 Gemäß Wenz (1997), 69 kann auch der Leser zu einer „imaginären Tour“ eingeladen werden. 41 Gemäß Wenz (1997), 74 ist in diesem Fall die „Linearisierung [des Stadtraumes] abhängig von einer typischen Haltung des Sprechers bzw. einer typischen Nutzung des Objektes durch den Sprecher“, der die Position des impliziten Autors vertritt. 42 Einen detaillierten Überblick zur Etymologie und zur Begriffsgeschichte von superstitio bis zum Mittelalter geben Harmening (1979); Martin (2004) mit Schwerpunktlegung auf die 3 Begriffsprägung im griechischen Kulturkreis; vgl. ferner Walde-Hofmann ( 1954), Bd. 2, 632 s.v. superstes; OCD (2007), 1878 s.v. superstitio. 43 CS 1,39; 198; 2,511; 872. Gegen Ende des 4. und zu Anfang des 5. Jh. diente der Begriff superstitio im christlichen Sprachgebrauch auch zur Bezeichnung des Judentums und der Häresie, dazu Salzman (1987), 176; Kahlos (2007), 112; Guttenberger (2009), 210. Aug. serm. 62,18 spricht sogar von einer ‚Verschwörung‘ aller anderen Religionen gegen das orthodoxe Christentum: Sciatis autem, charissimi, murmura illorum [sc. paganorum] coniungere se cum haereticis, cum Iudaeis. Haeretici, Iudaei et pagani unitatem fecerunt contra unitatem [scil. nostram], zit. n. Kahlos (2007), 68. In dieser Bedeutung wird der Begriff jedoch bei Prudentius nicht einmal in den Schriften gebraucht, die sich vornehmlich gegen die Häresie richten.

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und mit demselben Bezugsfeld findet der Begriff auch in seinen anderen Schriften Verwendung44. Prudentius greift damit in seiner Götterschau auf einen der Leitbegriffe des römischen Religionsdiskurses zurück, der seit langem zur Differenzierung von wahrer Religion und widersinnigem Aberglauben eingesetzt wird. Bereits bei Cicero und seinen Zeitgenossen unterliegt der Begriff einer wertenden Kategorisierung. In der Opposition religio – superstitio wird entweder eine richtige Religionsausübung einer irrigen entgegengesetzt45 oder die römische Staatsreligion, die sich auf dem mos maiorum und philosophischem Gedankengut begründet46, anderen Kulten gegenübergestellt. Das grundlegende Schema zur Welteinteilung in römisch (gut) und unrömisch (schlecht) wird auf die Religion angewendet47: Die Ausübung der richtigen religio wird zu 44 Apoth. 149 stulta superstitio tacuit; 195 superstitio tam sordida; 510 vana superstitio. Hier meint der Begriff das Judentum, jedoch werden kurz vorher auch die simulacra deum Tarpeia angeführt. Zu den zusätzlichen Attributen Fabian (1988), 200: „Trotz der bereits negativen Konnotation des Substantivs wird ihm immer noch ein eindeutig negatives Adjektiv beigegeben.“ In ham. 395 wird die superstitio gemeinsam mit anderen Lastern aufgeführt: ira superstitio maeror discordia luctus, … In seinen beiden anderen Werken Psychomachia und Liber Peristephanon wird der lasterhafte Götterglaube ebenfalls zum Thema, dennoch tritt der Begriff nirgends auf. 45 Cic. nat. deor. 2,72 qui totos dies praecabantur et immolabant, ut sui sibi liberi superstites essent, superstitiosi sunt appellati, quod nomen postea latius patuit postea latius; qui autem omnia, quae ad cultum deorum pertinerent, diligenter retractarent et tamquam relegerent, sunt dicti religiosi ex relegendo. Weitere Textbelege bei Cicero, Varro, Columella, Livius, Horaz, Seneca und Plinius bei Guttenberger (2009), 187; in Anm. 14 verweist sie auf einen Ausnahmefall des Gebrauchs bei Vergil. Zum vorherigen neutralen Gebrauch des Begriffs Harmening (1979), 14ff.; Salzman (1987), 173f.; Martin (2004), 126f.; Guttenberger (2009), 187. Auch ein geborener Römer konnte superstitiosus sein, wenn er die römische Religion in einer absonderlichen oder übersteigerten Art und Weise ausübte, dazu Harmening (1979), 26ff.; Salzman (1987), 174; Kahlos (2007), 94; Guttenberger (2009), 187ff.; 210. Cicero bezeichnet die übertriebene Furcht vor den Gottheiten als superstitio (Cic. nat. deor. 1,117 timor inanis deorum), vgl. dagegen die angebrachte Gottesfurcht bei Serv. Aen. 8,349 RELIGIO id est metus, ab eo quod mentem religet dicta religio; Seneca sieht sie als Bedrohung für den gesunden Geistenszustand Superstitio error insanus est: amandos timet, quos colit violat (Sen. epist. 123,9,6), vgl. Hor. serm. 2,3,77–80; Curtius als Bedrohung der Zivilisiertheit (Curt. 4,3,23 Ac, nisis seniores obsittissent … humanitatem dira superstitio vicisset, dazu Janssen 1979, 152). 46 Zum Begriffsgebrauch von religio Beard/North/Price (1998), Bd. 1, 216; zum mos maiorum Salzman (1979), 172; Beard/North/Price (1998), Bd. 1, 217ff.; Kahlos (2007), 95f.; Guttenberger (2009), 187f.: Andere Religionen wurden oftmals als „an Mythen und anthropomorphen Gottesbildern sich orientierende[r] Volksglaube[…]“ betrachtet. 47 Mit dem Begriff ‚barbarisch‘ wird in der antiken Literatur alles belegt, was als unrömisch, fremd, (staats-)feindlich oder absonderlich betrachtet werden soll, bspw. die Sprache (Quint. inst. 1,5,9), die Kleidung (v. Rummel 2007, bes. 234; v. Rummel 2010), das Kriegswesen

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einem entscheidenden Charakteristikum von Kulturtradition, Zivilisation und ‚Römisch-Sein‘48, dem die superstitio als ‚barbarisch‘ entgegensteht49. Im 2. Jahrhundert n. Chr. wird der Begriff vermehrt gegen fremde Kulte – und insbesondere das Christentum – gerichtet50. Einerseits wird der „religiöse Pluralismus“51 in Rom durchaus positiv bewertet. Externe Kulte konnten unter der interpretatio Graeca et Romana integriert werden. Andererseits werden die superstitiones externae zum Wohl der Gesellschaft als ‚orientalische‘ Kulte verboten, da sie als mögliche Quellen von Unruhen, als Impuls zur De-

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(Ohnacker 2003, 75ff.), die geopgraphische Lage sowie die Wohn- und Lebensweise (Ohnacker 2003, 48). In Cic. Phil. 13,18 wird Antonius zum Feind, der armis barbarorum stipatus ist, vgl. Verg. Aen. 8,685. In Serv. Aen. 2,504 wird mangelnde Eleganz als barbarisch betrachtet AURO BARBARICO id est aut multo; aut cultu barbaro, quia barbari copiae magis quam elegantiae student; aut a barbaris capto; aut vere barbaro, id est Phrygio, vgl. Ohnacker (2003), 47 zu den Topoi „barbarischer Gesellschaftsstruktur und barbarischen Verhaltens“. Scharloth (2005), 130 bezeichnet solche Oppositionen, die als allgemeines und grundlegendes Schema der Wahrnehmung und Bewertung“ der Welt alle Lebensbereiche durchziehen als „diskurssemantische Grundfiguren“, vgl. Busse (2000), 11f. Beard/North/Price (1998), Bd. 1, 212: „The shift in Roman concern from the purity of the capital alone to the maintenance of correct practices throughout the empire is directly connected to changing views of ‚Roman-ness‘“, vgl. Ebd. 215f.; 229; Guttenberger (2009), 191f.; 188f. zum Zivilisationsgedanken. Die Differenzierung von römischer religio und barbarischer superstitio ist gemäß Krauter (2005), 118; 295 einer „rhetorischen Strategie“ geschuldet, mit der die Kulte als fremde oder neue Kulte charakterisiert wurden: „Was fremd ist, ist nicht römisch, und römisch ist, was nicht fremd ist. Die Unterscheidung läuft letztlich ins Leere.“ Menschenopfer wurden stets als unrömisch betrachtet, Liv. 22,57,6 minime Romanum sacrum; Tac. Germ. 39,1 barbari ritus; Lucan. 1,450f. mos et vos barbaricos ritus moremque sinistrum | sacrorum, Dryadae, positis repetistis ab armis. Zur veränderten Stoßrichtung Salzman (1987), 174; Motschmann (2002), 146; Martin (2004), 128; 131; Kahlos (2007), 95; Brennecke (2007b), 131; Guttenberger (2009), 190. Nur teilweise diente die Bezeichnung supersitio zur Deklassifizierung unrömischer Kulte Beard/North/Price (1998), Bd. 1, 216. Zum Umgang mit fremden Kulten im römischen Reich Orlin (2010). Das Christentum stellte durch seinen absoluten Monotheismus die polytheistische Staatsreligion in Frage, zum Verbot Scheid (2005), 225f.; Kahlos (2007), 97; zum Christentums als superstitio grundlegend Janssen (1979); Lührmann (1986); Guttenberger (2009), 183ff. Brennecke (2007b), 131, führt das positive Urteil des Caecilius in Min. Fel. 6,2 an, wo dieser die Weltherrschaft Roms auf die Zuwanderung der vielen Götter zurückführt: Sic dum universarum gentium sacra suscipiunt etiam regna meruerunt. In Amm. 17,4,13 wird Rom aufgrund der zahlreichen Religionen zum templum totius mundi. Neuen Kulten wurde jedoch oft ein Verehrungsort innerhalb des Pomerium verwehrt, sie blieben so auch noch in Rom fremde Kulte. Muth (1978), 305 führt den Magna Mater–Kult und den Isis–Kult als Beispiele an. Vgl. Tac. ann. 13,32 zu den religiones externae; Tac. Germ. 43,4 zur interpretatio: Sed deos interpretatione Romana Castorem Pollucemque memorant.

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zentralisierung und als Bedrohung römischer Identität betrachtet werden52. Neue Kulte sind entweder gewinnbringender Import oder stellen eine invasorische Gefahr für das Gemeinwohl dar53. Die „Angst vor religiöser ‚Überfremdung‘ durch den ungehinderten Zuzug zahlloser fremder Götter, Kulte [und] ritueller Praktiken“ wird zu einem bestimmenden Thema der Eliten54. Zu etwa derselben Zeit gewinnt der Begriff superstitio im christlichen Religionsdiskurs Prominenz55. In den apologetischen Schriften von Tertullian und Minucius Felix wird der Terminus erstmals gegen die griechisch-römische Religion als superstitio Romana gewendet und damit seinem traditionellen semantischen Bezugsfeld enthoben bzw. in seiner diskursiven Relation umge52 Martin (2004), 132ff. Scheid (2005), 225; Guttenberger (2009), 191; vgl. Janssen (1979), 141 zur ideologischen Verbindung von römischer pietas und Staatswohl. Zu den Gerichtsprozessen gegen Anhänger einer superstitio (insbesondere des Christentums) Krauter (2005), 290; Guttenberger (2009), 183ff. ; Feldmeier (1992), bes. 121ff.; 233ff. Die Idee findet sich bereits in Liv. 39,16,8: Quotiens hoc patrum auorumque aetate magistratibus negotium est datum, uti sacra externa fieri uetarent, sacrificulos uatesque foro circo urbe prohiberent, uaticinos libros conquirerent comburerentque, omnem disciplinam sacrificandi praeterquam more Romano abolerent?, vgl. Liv. 4,30, wo eine große Dürre zu großer Furcht und daraus resultierend zur Annahme fremder Kulte führt. In Iuv. 3,60f. kann der Sprecher Rom als von fremden Kulten besiedelte Stadt nicht ertragen non possum ferre, Quirites, | Graecam urbem. In den folgenden Versen wird eine Vielzahl an Zuwanderern aufgelistet mit denen Rom bevölkert wird. Eine ähnliche Grundhaltung zeigt sich in der sechsten Satire, wo der Luxus die peregrini mores ( 298) und mit ihnen den Sittenverfall nach Rom bringt. 53 Die Begriffe „Invasion“ und „Import“ orientieren sich an Stark (2003), 24: „Konnten fremde Götter mit ihren Kulten und Ritualen den Kriterien des römischen religiösen mos maiorum kompatibel gemacht werden, dann waren sie kommensurabel und konnten integriert oder gar assimilisert werden. Entsprachen Organisationen und Emotionalität fremder Kulte nicht dem religiösen mos maiorum und den gesellschaftlichen Normen von Scham und Ehre (shame culture), dann ergab sich ein Konfliktpotenzial.“ 54 Bendlin (2006), 280; vgl. Beard/North/Price (1998), Bd. 1, 229ff.; Scheid (2005), 225ff. führt die berühmte Maecenasrede in Cass. Dio 52,36ff. an; Guttenberger (2009), 190ff. zum griechischen Äquivalent der superstitio. Es kann nicht endgültig entschieden werden, ob die damit geäußerte Xenophobie bzw. der Fremdenhass ein tatsächliches historisches Phänomen in Rom darstellten oder in dieser Ausformung einer literarischen Übertreibung geschuldet sind. Scheid (2005), 226 spricht sich recht überzeugend für Zweiteres aus. 55 Kahlos (2007), 97ff.; Guttenberger (2009), 208ff. mit weiterer Literatur in Anm. 103. Zur Abwehr des superstitio-Vorwurfs gegenüber dem Christentum Brennecke (2007b), bes. 137ff. Gemäß König (2008), 30 „erklärten bzw. ‚übersetzten‘ sie [sc. die Apologeten] das Christentum in römisch-hellenistische Denkkategorien und arbeiteten diese damit in die christliche Lehre ein“. Dennoch bleibt die Divergenz römisch vs. christlich bestehen. So prophezeit Lactanz im Gegensatz zu Prudentius noch den Fall des heidnischen Rom, das mit dem apokalyptischen Babylon in einen Vergleich gesetzt wird (Lact. inst. 25,6–8), dazu Freund (2009), 572ff.

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kehrt56. Das Christentum wird im Zuge dieser Begriffstransformation zur vera religio und später zur religio Romana, von der alle anderen Religionsformen – insbesondere die Götterkulte – als superstitio abgegrenzt werden57. Die gängigen Vorwürfe, mit denen die traditionell-römische Seite zuvor die Christen beschuldigte, werden in der Polemik der christlichen Schriften aufgenommen und gegen die ursprünglichen Ankläger gewendet58. In den religionspolitischen und legislativen Texten des 4. Jahrhunderts zeigt der superstitio-Begriff einen hohen Grad an Ambiguität59. Auf traditioneller Seite wird der Terminus der konventionellen Lesart unterworfen und als eine übersteigerte bzw. pervertierte Form der traditionellen religio Romana oder als Fremdreligion aufgefasst. In der christlichen Lesart versteht man darunter die Religionspraxis der antiken Staatsreligion und jeder anderen Religion außer dem Christentum selbst. Bis in die Spätantike bleibt es der jeweiligen subjektiven Beurteilung der Akteure und Interpretanten diskursiver Praktiken unterworfen, was als religio und was als superstitio zu betrachten ist60. Die Beurteilung beider Termini ist einem beständigen historischen Wandel ausgesetzt und beide Begriffe konnten oftmals in ein und demselben Ko- und Kontext je nach der jeweiligen Präsupposition des Lesers mehrdeutig verstanden werden. Ebenso sind die Begriffe römisch und barbarisch dem Urteil von diskursiv ausgefochtenen Machtkonstellationen und Bewertungssystemen unterworfen61. Ein Konzept von Roma56 Bspw. Tert. anim. 37,1; adv. Marc. 1,9,2; Min Fel. 10,3; 24,10, weitere Belegstellen bei Guttenberger (2009), 210. 57 Mit seinem Edikt cunctos populos vom 380 erklärt Theodosius das nizäisch-orthodoxe Christentum zur einzig anerkannten Staatsreligion (religio) im Römischen Reich, vgl. Tiersch (2002), 112, bes. Anm. 5 mit weiterführender Literatur; Kahlos (2007), 97ff.; 102; Guttenberger (2009), 192ff. zur Äquivalenz und zur Abgrenzung des griechischen Begriffs. 58 Kahlos (2007), 103ff. Sie nennt „error and perversity“ (103), „futility and insanity“ (104), profanity and filthiness“ (106), „disease and destruction“ (107). Zur Polemik in der christlichen lateinischen Literatur Opelt (1980); Fiedrowicz (2000). 59 Salzman (1979), 172: „Superstito was a basically ambigous term in these fourth century legal codes […] which could have different interpretations in different circumstances“, vgl. Ebd. 177ff.; Kahlos (2007), 94ff.; Lim (2010), 506ff. zu den Spielen. Siehe auch Salzman (1979), 181 zur allmählichen Eingrenzung des Begriffs auf den Paganismus am Ende des 4. Jh.; 182 zur Begriffsanwendung im intrareligiösen christlichen Diskurs auf Häresie und Judentum. 60 Vgl. Krauter (2005), 118: „Fremde Bräuche können alt und folglich erlaubt sein, römischer Kult im Übermaß kann superstitio sein. Überblickt man die verschiedenen Kategorien, nach denen die Römer selbst ihre Religion einzuteilen versuchten, so entsteht das Bild einer verwirrenden, in sich widersprüchlichen Vielfalt.“ 61 Gerade die römischen Kulte konnten gleichzeitig als römisch und als unrömisch interpretiert werden. So wurde der seit 205/4 v. Chr. eingebürgerte Kult der Magna Mater einerseits in

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nitas wird innerhalb der traditionellen römischen Literatur an keiner Stelle klar definiert oder abgegrenzt, sondern unterliegt einer beständigen semantischen Unschärfe62. 4.2.2 Rom als Schema in der traditionellen Literatur Blickt in der Literatur ein Kaiser, Stadtbesucher oder Stadtrömer auf Rom, so sieht er gemeinhin golden strahlende Dächer, monumentale mit Marmor verzierte Gebäude und eine Vielzahl an Tempeln63. Gerade in der augusteischen Literatur hat sich der Topos der ‚goldenen Stadt‘ durchgesetzt, der oftmals in einer nunc-tunc-Kontrastierung von schlichter Vergangenheit und prachtvoller Gegenwart verwirklicht worden ist64. Neben der Roma aurea wird die Stadt als pulcherrima, magna/maxima oder sacra charakterisiert65, ihre Bauten

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eine enge Verbindung zum Kaiserkult gesetzt und Augustus ließ den zentral gelegenen Tempel aufwändig wieder aufbauen. Andererseits wurde er aber in seinen Kulthandlungen und wegen der kastrierten Priester vielfach als fremd und umrömisch aufgefasst, vgl. Roller (1999). In Prud. Perist. 10,1007–1050 wird das Taurobolium zu Ehren der Magna Mater als ausgesprochen skurrile und nicht zweckdienliche Kulthandlung beschrieben. Erstmals tritt der Begriff in Tert. Pall. 4 auf. Dort wird das ‚Römisch-Sein‘ ironisch-satirisch als ein Allheilmittel dargestellt, dem die (griechische) barbaritas, die das Römische Reich doch schon längst erobert habe, gegenüber gestellt wird: Quid nunc, si est Romanitas omni salus, nec honestis tamen modis ad Graios estis? Vgl. Ziemssen (2011), 40: „Was ‚römisch‘ war, blieb in diesem Weltreich undefiniert und ließ sich weder an Charaktereigenschaften noch an kulturellen Besonderheiten festmachen.“ Eine ausführliche Auflistung der Topoi bietet Gernentz (1914); weitere Belege bei Lugli (1952–1965); Classen (1980); Edwards (1996); vgl. die Anthologie bei Kytzler (1972); zum Rombild und den literarischen Rom–Reminiszenzen der augusteischen und kaiserzeitlichen Dichter insbesondere Scheithauer (2000), 27ff.; Döpp (2002); Kolb (2006); Pollmann (2013). Prop. 4,1,1–5 hoc quodcumque vides, hospes, qua maxima Roma est. … | atque ubi Nauali stant | sacra Palatia Phoebo … | fictilibus crevere deis haec aurea templa; Verg. Aen. 8,347–348 Hinc ad Tarpeiam sedem et Capitolia ducit, | aurea nunc, olim silvestribus horrida dumis; Ov. ars 3,113f. simplicitas rudis ante fuit; nunc aurea Roma est | et domiti magnas possidet orbis opes; fast. 1,243f. hic, ubi nunc Roma est, incaedua silva virebat, | tantaque res paucis pascua bubus erat, vgl. 2,280; 391; 5,93; Tib. 2,5,23ff. Weitere Belege und eine Besprechung des nunc-tunc-Motivs bei Gernentz (1914), 33ff.; 58ff. zur Roma aurea und den templis Romae auro fulgentibus; vgl. Scheithauer (1998). Varro ling. 7,10 quod in urbe Roma pleraeque aedes sacrae sunt templa; Prop. 4,1,1f.; Verg. georg. 2,534–535 scilicet et rerum facta est pulcherrima Roma, | septemque una sibi muro circumdedit arces; Ov. ars 3,113f. nunc aurea Roma est; Pont. 1,2,81f. maxima pars hominum nec te, pulcherrima, curat, | Roma, nec Ausonii militis arma timet; Lucan. 8,132f. hic sacra domus carique penates | hic mihi Roma fuit; Claud. carm. 12,19f. aurea septemgeminas | Roma coronet arces.

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erstrecken sich bis in den Himmel66 und über die im Stadtbild monumentalisierte Religion wird ihr ewiges Weiterbestehen gewährleistet67. Der Ewigkeitsanspruch Roms wird auf die pietas seiner Einwohner gegenüber den Göttern zurückgeführt, deren Grundprinzip des do-ut-des sich nicht zuletzt in der Inauguration zahlreicher Sakralbauten widerspiegelt, die oftmals zum Gegenstand literarischer Inszenierungen werden. Das machtpolitische Zentrum des imperium Romanum präsentiert sich dem Betrachter in seiner Literarisierung als eine Stadt, die sich durch Größe, Reichtum, Schönheit, Religiosität und Beständigkeit auszeichnet. Die antiken, kaiserzeitlichen und spätantiken Rombeschreibungen folgen dem Prinzip der Mimesis und sind semiotisch vorcodierte und konventionalisierte Stadtbeschreibungen68. Es werden stets wiederkehrende Aspekte und Eigenschaften des urbanen Raumes über Jahrhunderte hinweg kontinuierlich betont. Die literarischen Rominszenierungen verfestigen sich zu einem „Schema“69, das entscheidend dazu beiträgt, kategorial-epistemisches Wissen über die Welt zu etablieren und zu normieren. So werden die Schönheit und Beständigkeit der Stadt wiederholt in einen Kausalzusammenhang mit der Providenz der Götter gestellt, was wiederum eine implizite Handlungsauffor66 Verg. Aen. 8,99–100 … tecta vident, quae nunc Romana potentia caelo | aequavit; Manil. 4,693f. Italia in summa, quam rerum maxima Roma | imposuit terris caeloque adiungitur ipsa; Calp. ecl. 7,23–24 vidimus in caelum trabibus spectacula textis | surgere, Tarpeium prope despectantia culmen; Claud. carm. 24,133f. quae luce metalli | aemula vicinis fastigia conserit astris; Rut. Nam. 1,47– 50 Exaudi, regina tui pulcherrima mundi, | inter sidereos Roma recepta polos, | exaudi, nutrix hominum genetrixque deorum | (non procul a caelo per tua templa sumus); Cassiod. var. 3,30,2 hinc, Roma, singularis quanta in te sit potest colligi magnitudo. Quae enim urbium audeat tuis culminibus contendere, quando nec ima tua possunt similitudinem reperire?; Vor allem das Kapitol erstreckt sich oftmals bis in den Himmel: Mart. 10,51,13f. nec Capitolini summum penetrale Tonantis | quaeque nitent caelo proxima templa suo; Sil. 3,623–624 aurea Tarpeia ponet Capitolia rupe | et iunget nostro templorum culmina caelo. 67 So bspw. bei Mart. 6,4,3–5 tot nascentia templa, … tot deos; Amm. 22,16,12 Capitolium, quo se uenerabilis Roma in aeternum attollit, nihil orbis terrarum ambitiosius cernat. Zur Roma aeterna zuletzt Pollmann (2013), 12ff., bes. Anm. 5 mit einem kurzen Forschungsüberblick. 68 Wenz (1997), 34: „Die dargestellten Dinge sind nicht Abbilder der Wirklichkeit, sondern eher Erinnerungsbilder eines Beobachters. Diese Erinnerungsbilder sind das Ergebnis von Wahrnehmungen, die bereits semiotischen Bedingungen unterliegen […]. Mimesis muss dann nicht einfach verstanden werden als Nachahmung von Wirklichkeit, sondern als konstruktiver Akt, als Konstruktion von Welt. Dabei setzt Mimesis ein allgemeines Vorverständnis der semiotischen Kodierung voraus, die im Falle der literarischen Mimesis im Prozess des Lesens aktualisiert wird (cf. Iser 1991, Jauß 1982).“ 69 Zur Verbindung von Schemata und Weltwissen Scharloth (2005), 122.

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derung an jeden Römer zur Unterhaltung der Götterkulte beinhaltet70. Es werden nicht nur der Stadtraum und einzelne Monumente durch Erzählungen ideologisch und religiös aufgeladen71, sondern in und an diesen werden soziale und religiöse Aktivitäten im urbanen Raum literarisch inszeniert und für die Realität evoziert72. Sowohl die Sichtweise auf die Stadt als auch die Bewegung in der Stadt können als kulturell normiert betrachtet werden73. Rom wird zum literarischen Repräsentationsraum einer pagan-römischen Weltanschauung wie sie im antiken kulturellen Gedächtnis verankert ist. Exemplarisch für die spätantike Literatur sei Ausonius angeführt, der in seinem um 388/8974 verfassten Kataloggedicht Ordo urbium nobilium zeigt, dass das antike Romkonzept in einem einzigen Vers verdichtet werden kann:

70 Was bei einer Zuwiderhandlung gegen dieses Prinzip passiert, formuliert Horaz: Delicta maiorum inmeritus lues | Romane, donec templa refeceris | aedisque labentis deorum et | foeda nigro simulacra fumo. | Dis te minorem quod geris, imperas: | hinc omne principium, huc refer exitum. | Di multa neglecti dederunt | Hesperiae mala luctuosae (Hor. carm. 3,6,1ff.). Bereits bei Min. Fel. 25,1 wird die Überzeugung von einer göttlichen Providenz zur superstitio: At tamen ista ipsa superstitio Romanis dedit, auxit, fundavit imperium, cum non tam virtute, quam religione et pietate pollerent; nimirum insignis et nobilis iustitia Romana ab ipsis imperii nascentis incunabulis auspicata est. 71 Schmitzer (2007) untersucht anhand der Ara Maxima die Verortung der römischen Erinnerungskultur im Stadtraum. Von den mittlerweile zahlreichen Studien, die die literarische Repräsentation Roms bei einzelnen Autoren untersuchen, seien hier nur stellvertretend einige Monographien genannt, weitere dann an jeweiliger Stelle: Binder (1971) zu Vergils 8. Aeneis-Buch; Miles (1995); Jaeger (1997) zu Livius; Boyle (2003) bietet eine Anthologie zu Ovid; Welch (2005) zu Properz; Umurhan (2008) zu Juvenal. 72 In Verg. Aen. 8,268ff. formuliert Euander eine Handlungsaufforderung im Imperativ, den Tag des Hercules an der Ara Maxima festlich zu begehen. Der Imperativ richtet sich nicht nur an die Troianer, sondern auch an den zeitgenössischen Leser der Aeneis, da sich auf die Tradition des Kultes Roms Bestehen mitbegründet, dazu Schmitzer (2007). Vgl. bspw. Hor. carm. 1,21. 73 Auch Texte, die sich gegen das positive Stadtkonzept richten, greifen auf die vorcodierten Schemata zurück. 74 Zur Datierung Szelest (1991), 265. Den Einfluss von Ausonius auf die Dichtung des Prudentius untersucht Charlet (1980). Er hebt die wörtliche Reminiszenz von aurea Roma am Verschluss in CS 2,1114f. und Apoth. 385 hervor und kommt unter Betrachtung verwandter Junkturen in Ov. ars 3,113f., Mart. 9,59,2; Iuvenc. praef. 2f. und Claud. carm. 12,19f. zu dem Schluss, dass Prudentius einen gängigen poetischen Ausdruck nach dem Vorbild des Ausonius gebrauche. In der Apotheosis verwende der Dichter den Ausdruck, um die Größe Roms in einen Kontrast zur Demut der Stadt gegenüber dem christlichen Gott zu setzen, während die Wendung in CS der Kontrastierung von äußerlicher Pracht und innerlicher moralischer ‚Hässlichkeit‘ diene, die in den spectacula einen Ausdruck finde (Ebd. 34f.).

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Prima inter urbes, divum domus, aurea Roma. (Auson. urb. 1,1) Rom ist golden, Heimat der Götter und besitzt aufgrund dieser herausragenden Eigenschaften die Vorrangstellung vor allen anderen Städten75. Alle drei Komponenten werden implizit in einen Kausalzusammenhang gestellt: Metrisch bildet die Alliteration divum domus das Zentrum des Verses76; inhaltlich wird die göttliche Präsenz zur Vorbedingung für die Erfüllung des Hegemonialanspruchs und die Schönheit der Stadt77. Während Peter Kreutz in der eklatanten Kürze der „Feier Roms etwas reichlich Pflichtschuldiges“78 sieht, spricht sich Hanna Szelest dafür aus, dass dieser einzelne Vers bereits ein „selbständiges Gedicht“79 bilde. Ausonius verzichtet auf eine Würdigung Roms in epischer Breite, da wohl einerseits sein Interesse nicht darin bestand, den zahlreichen laudes Romae eine weitere an die Seite zu stellen. Andererseits konnte er mit großer Gewissheit davon ausgehen, dass mit seiner komprimierten literarischen Anspielung auf die signifikanten und seit langer Zeit topischen Charakteristika Roms auch die Prätexte, die seinem kurzen Romlob vorangegangen waren, erneut ins Gedächtnis des Lesers gerufen und mitgelesen wurden80. Trotz des Verzichts auf weitere Ausschmückungen kann dieser Einzelvers also als ein vollständiges Gedicht aufgefasst werden, das jedoch nicht gänzlich 75 Spahlinger (2004), vertritt die Ansicht, dass die Städte in ordo entsprechend ihrer demographischen Dichte angeordnet seien. Er führt Vergil und Ennius als Primärtexte für die divum domus an sowie Ovid, Martial und Iuvencus für aurea Roma. Er schließt den Gedanken: „Rom ist in der Zeit der Reichskrise mehr ein Topos denn eine imperiale Macht“ (Ebd. 174f.). Als Heimat der Götter wird Rom häufig mit den Penaten in Verbindung gebracht, so bei Liv. 2,40,7: Non, cum in conspectu Roma fuit, succurit: intra illa moenia domus ac penates mei sunt; Lucan. 8,132f. … hic sacra domus carique penates. 76 Der Begriff divum wird von der Penthemimeres und der Hephthemimeres umrahmt und bilde so das Zentrum des Verses. 77 Clauss (2001), 294: „Gegen Ende des 4. Jahrhunderts schwärmte Ausonius vom ‚goldenen Rom‘, welches diesen göttlichen Glanz der Tatsache verdankte, das es die Heimstätte der Staatsgötter war – gleichsam ein irdischer Olymp.“ Zur religiösen Konnotation Roms vgl. Auson. urb. 20,39f. Diligo Burdigalam, Romam colo. 78 Kreutz (2008), 23, Anm. 178. 79 Szelest (1991), 266. Dennoch spricht sie von „kurzen lapidaren Worten“, mit denen der Dichter der Stadt huldige. 80 Bspw. Ov. fast. 4,270 … dignus Roma locus, quo deus omnis eat; trist. 1,5,70 … imperii Roma deumque locus. Ähnlich Spahlinger (2004), 174f. der feststellt, dass nicht die „Überfülle des [physischen] Materials“ zu dieser Kürze geführt habe, sondern „der Rang der Stadt,“ und auf die „Dichte literarischer Zitate und Anspielungen in diesem einen Vers“ verweist.

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unabhängig funktioniert. Vielmehr entfaltet es erst durch intertextuelle Bezüge zu anderen laudes Romae, sei es der augusteischen, kaiserzeitlichen oder spätantiken Dichtung und Prosa, seine ganze Bedeutungsfülle. Ausonius rekurriert auf die Vielzahl poetischer und prosaischer Texte, in deren langer Tradition sein hexametrischer ‚Ein-Zeiler‘ steht, und setzt die Kenntnis der immer wiederkehrenden und vorgeprägten Topoi des konventionellen Romlobs beim Leser voraus81. Von diesem ideologischen Stadtkonzept setzt sich Prudentius wenige Jahre später in seinen zwei Büchern Contra orationem Symmachi bewusst ab. In seiner Götterschau beleuchtet er die Kausalbeziehung zwischen dem golden strahlenden Rom und der Providenz der paganen Götter (CS 1,42–407). Er setzt sich mit der Frage auseinander, auf welche kulturellen Vorbedingungen und sozioreligiösen Gegebenheiten die pagane superstitio in Rom zurückzuführen ist. 4.2.3 Sakraltopographie und superstitio bei Prudentius Prudentius beginnt seine Götterschau mit Saturn82: Dieser sei als erster Flüchtling nach Latium gekommen83 , habe sich als erster Herrscher als Gott verehren lassen und so die Götterkulte in Rom etabliert84. Während seiner Herr81 Zur rhetorischen Uniformität der laudes Romae Wytzes (1977), 73: „Nun ist es allerdings schwer in den ‚laudes Romae‘ das Echte vom Rhetorischen zu sondern, denn beide bewegen sich in jahrhundertealten Gedankengängen und einer jahrhundertealten Sprache. Ebenso Gernentz (1918), 145f. 82 Zur Passage CS 1,42–53 ausführlich unten S. 134ff.; zur Gegenüberstellung von Saturn und Theodosius unten S. 251. 83 Bei den antiken Autoren kommt er als erster Gott (primus) nach Latium: Verg. Aen. 8,319 Primus ab aetherio venit Saturnus Olympo; Serv. Aen. 8,319 PRIMUS quasi et alius venerit e caelo; sed primus in Italiam venit. AB AETHERIO VENIT SATURNUS OLYMPO hoc dicit secundum poeticum morem. In OGR 1,1–1,8 wird ebenfalls das bei Vergil auftretende primus diskutiert. 84 In Verg. Aen. 1,6 bringt Aeneas die Götterkulte nach Latium: … inferretque deos; ironisch aufgenommen bei Prud. CS 1,56–57: … advena [sc. Saturnus] quos [sc. deos] profugus gignens et equina libido | intulit Italiae, zur Reminiszenz Lühken (2002), 107; zur Translation des Götterkultes in der Aeneis Cancik (2006); zum Begriff pater in der römischen Religion Gall (2006), 77. Lühken (2002), 113 setzt eine Erklärung zur Entstehung der römischen Götterkulte erst in CS 1,164 –296, bes. 278 –286 und im zweiten Buch an. Dies ist m. E. jedoch viel zu spät, da bereits mit der Behandlung Saturns die Einführung des ersten paganen Kultes ausführlich beschrieben wird. Die Version widerspricht dem konventionellen Geschichtsbild, nach dem Numa die ersten Kulte begründete: Nam etsi a Numa concepta est curiositas superstitiosa, nondum tamen aut simulacris aut templis res divina apud Romanos constabat (Tert. apol. 25,12), dazu v. Haeling (2000), 186f. Siehe zu Numa auch unten S.119; Kapitel 5, Anm. 173.

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schaftszeit habe er sich durch eine auffallende charakterliche Schlechtigkeit sowie eine hemmunglose Libido ausgezeichnet (CS 1,45–58). Drei negative Charakteristika des Gottes werden besonders betont: Seine Fremdheit, seine Sterblichkeit und seine Unmoral. Die beiden letzteren sind beliebte Vorwürfe der apologetischen Götterkritik85. Ebenso wird die Flucht Saturns vor seinem eigenen Sohn Jupiter oftmals zur Triebfeder der Schmähung und zum Beweis seiner Nicht-Göttlichkeit86. Gegenüber den anderen Vorwürfen wird das Fremdheitsmotiv mit einer viermaligen Anführung deutlich vor den anderen betont87. Es dient in seiner pleonatischen Präsenz weniger der Verspottung des vom Sohn gestürzten Vaters, als vielmehr dazu, Rom als frühzeitlichen Ansiedlungsraum einer schadenbringenden Migrationskultur darzustellen. Die antiken Götterkulte werden zum Possenspiel eines ursprünglich ortsfremden Betrügers herabgesetzt, aus dem sich jeder weitere pagane cultus herleiten lässt: Inde deos, quorum patria spectata sepulcra scimus, in aere hebetes informavere minores … (CS 1,54–55) Das inde in exponierter Erststellung markiert die religiöse Traditionslinie, die von der damaligen Zeit bis in die Gegenwart stetig fortgeführt worden ist88. Die Offensive wird nicht allein gegen Saturn geführt, sondern ist allgemein im Plural formuliert und gegen alle Gottheiten gerichtet, die in Rom Verehrung 85 Dazu Opelt (1980), 15: „Die Vorwürfe lassen sich auf drei Argumente verteilen: die heidnischen Götter sind erlogene Götter, sie sind Dämonen, sie sind unmoralisch, sie sind tot.“ 86 Zur Beliebtheit des Motivs bei den Apologeten Wifstrand Schiebe (1997), 35f.; vgl. bspw. das zeitgenössische CCP 14f.: Saturn wird nicht als rex oder deus bezeichnet, sondern als Tyrann, mit dessen Herrschaft es nicht viel auf sich gehabt haben könne: … pellitur arma Iovis fugiens regnator Olympi: | et quisquam supplex veneratur templa tyranni, | cum patrem videat nato cogente fugatum? Bereits in der antiken Literatur tritt Saturn als Flüchtling auf: So in Verg. Aen. 8,320; Ov. fast. 1,233 ff.; wahrscheinlich nach Lact. inst. 1,14,11f. (= Euhem. T 58) auch bei Ennius: Haec historia quam vera sit, docet Sibylla Erythaea … Jovem, cognitis insidiis, regnum sibi denuo vindicasse, ac fugasse Saturnum, qui iactatus esset per omnes terras, persequentibus armatis … vix in Italia locum, in quo lateret, invenit. Zur Frage der Echtheit der Ennius-Paraphrase bei Lactanz Wifstrand Schiebe (1997), 29, Anm. 62. 87 CS 1,45ff. Advenio fugiens. Praebete latebras. Occultate senem nati feritate tyranni | deiectum solio; 1,47 fugitivus et exul; 1,56 advena … profugus; 1,73 hospite regnante. 88 Inde wird durch mox (CS 1,59) und successit (CS 1,84) wieder aufgenommen, womit die jeweiligen Anfangswörter der drei Götterpassagen Saturn – Jupiter – Mercur die temporale Linie dreier Zeitalter widerspiegeln.

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erfahren. Im ersten Vers markieren die widersprüchlichen Begriffe dei und sepulcra antithetisch den Anfang und den Beginn des Verses. Sowohl die entfernten patria als auch die andernorts gelegenen sepulcra betonen nicht nur die Sterblichkeit, sondern auch die Fremdheit aller paganen Gottheiten in Rom, wo sie zu Unrecht als di indigetes verehrt werden89. Durch ihre programmatische Anfangsstellung und die detaillierte Schilderung gewinnt die Saturn-Episode paradigmatischen Charakter: Zum einen werden gegenüber allen folgend genannten Gottheiten dieselben Vorwürfe wie gegenüber Saturn geäußert, wobei das Fremdheitsmotiv stets betont wird. Zum anderen wird der Beginn der Herrscherapotheose in der Frühzeit mit Saturn angesetzt90. Er wird zum Begründer zweier Traditionslinien: der Immigration bzw. des Imports vermeintlicher Gottheiten und der Vergöttlichung von Regenten. 89 Vgl. Symm. rel. 3,10 Ergo diis patriis, diis indigetibus pacem rogamus. Serv. Aen. 12,794 zeigt die verschiedenen Interpretationen des Attributs indiges auf: Alii patrios deos indigetes dici debere tradunt, alli ab invocatione indigetes dictos volunt, quod ‚indigeto‘ est precor et invoco: vel certe indigetes sunt dii ex hominibus facti, et dicti indigetes quasi in diis agentes. Vgl. Claud. carm. 15,131f. maerent indigetes et si quos Roma recepit aut dedit ipsa deos. Fest. 456 Lindsay erwähnt eine Rede Catos mit dem Thema De indigetibus. Bereits bei Liv. 8,9,6 differenziert Publius Decius Mus in seinem Gebet zwischen den Vatergottheiten, den einheimischen Göttern und den fremden Gottheiten, denen der Feinde und den Seelen der Vorfahren: Iane, Iuppiter, Mars, pater, Quirine, Bellona, Lares, divi Novensiles, di indigetes, divi, quorum est potestas nostrorum hostiumque, dique Manes, vos precor … Eine ähnliche Differenzierung wird auch im Schlussgebet in Ov. met. 15,861–870 vorgenommen. In Verg. georg. 1,498–499 werden neben den di indigetes andere genuin römische Schutzgottheiten angerufen: Dii patrii indigetes et Romule Vestaque mater, | quae Tuscum Tiberim et Romana Palatia servas.Wissowa (1902), 2010 unterteilt seinen Götterkatalog in Di indigetes, zu denen auch Saturn gerechnet wird, und Göttern anderer Herkunft, zur Differenzierung kritisch Bendlin (2006), 281. 90 CS 1,145–148 Tantum posse omnes illo sub tempore reges | indocilis fatui ducebat ineptia vulgi | ut transire suis cum sordibus induperator | posset in aeternum caeli super ardua regnum. Das illo sub tempore unfasst die saturnische Zeit, die Herrschaft Jupiters und die ihrer Nachkommen (suis cum sordibus). Tränkle (2008), 57 setzt drei Entwicklungsstufen an, die über drei Temporaladverbien von tunc (CS 1,149), über tum (1,156) zu inde (1,159) geführt werden. Die Verse CS 1,159ff. beleuchten das lasterhafte Verhalten der Nachkommen. Als Beispiele werden Mars und Venus als mythische Stammeltern Roms angeführt (CS 1,164–179). Aus der Herrscherapotheose habe sich durch die sakrale Verehrung von verstorbenen Regenten ein Totenkult entwickelt. Für Prudentius wird jeder pagane Altar der Gegenwart zur Stätte dieses Totenkultes: CS 1,156–158 Tum quoque, quae vivis veneratio regibus ante | contigerat, functis eadem iam munere lucis | cessit et ad nigras altaria transtulit urnas. Die Interpunktion der Verse folgt Cunningham (1966). Die Einleitungsworte tum quoque statt tum quia folgen der bei Arévalo (1989) u.a. aufgeführten Lesart, welche gemäß Tränkle (2008), 56 „sprachlich wie inhaltlich zu einer befriedigenden Fügung“ führt. Zum Vorwurf des Totenkultes bei Prudentius siehe unten S. 211ff.

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4.2.3.1 Götterimmigration und Religionsimport Bei den folgend genannten Göttern wird oftmals auf eine ausführliche Darstellung ihres ‚Kult-Imports‘ verzichtet, da sich die grundlegenden Einzelheiten wiederholen91: Ein Fremder kommt nach Rom, wird durch eine fabula in den Stand eines Gottes erhoben und sein Status als Gott wird durch Heiligtümer und Rituale bestätigt 92. Bei jedem Gott findet sich ein lokaler Bezug zu dessen eigentlicher Heimat und ein Verweis auf seine Verehrung in Rom: Auf Saturn folgt Jupiter, dessen Liebschaften ihn ursprünglich in Griechenland ansiedeln (CS 1,60 Laecenas)93. Ein Blick auf seinen Hauptsitz auf dem Kapitol in Rom beschließt die Götterschau94. Es folgen Mercur, Priapus, Hercules und Bacchus in einer corruptior aetas (CS 1,84). Mercur wird als Maia genitus (CS 1,87) bezeichnet. Über die Nennung seiner fremdländischen Mutter wird seine eigene Fremdheit in Rom betont95, wo ihn die leichtgläubigen Römer in Sakralstatuen abbilden96. 91 Auch in der frühen christlichen Apologetik gegen die paganen Götter wird Saturn ausführlicher als die folgenden Götter behandelt, dort aber vorrangig, um die Sterblichkeit der gesamten Sippschaft zu beweisen, dazu Wifstrand-Schiebe (1997), 67; Lühken (2002), 105 (zu Prudentius und Tert. apol. 10,6). 92 CS 1,191f. quos fabula … | nobilitat. Ausgeschlossen von dem Vorwurf der Fremdheit werden einzig Venus und Mars, welche als himmlische Eltern Roms gelten und im Himmel einen zweiten ‚Wohnsitz‘ haben: Atque ut, Roma, tuos caelesti ex sede parentes … praestringam breviter (CS 1,164ff.). Sie werden lediglich in ein Verwandtschaftsverhältnis mit den anderen Göttern gesetzt (CS 1,185 cognatos de Marte deos). 93 Dazu Tränkle (2008), 108, Anm. 13; eine ausführliche Besprechung der Passage unten S. 141ff. Jupiter wird ebenfalls als Lüstling dargestellt, der seinen Vater noch übertrifft: Mox patre deterior silvosi habitator Olympi | Iuppiter incesta spurcavit labe Lacaenas (CS 1,59–60). Es folgt eine Auflistung seiner Liebschaften. 94 CS 1,180–188, zur Passage siehe unten S.104ff.; 155ff. 95 Über die Nennung der Mutter wird auf den eigentlichen Geburtsort des Mercur, den Berg Kyllene, verwiesen, vgl. Apollod. bibl. 3,112; Manil. 2,943. Seine negativen Eigenschaften bestehen darin, dass er den rigidi colones Latiums das Stehlen beibringt und sie in den Totenkult einführt (CS 1,84ff.), zum Stehlen Lühken (2002), 109; Opelt (1980), 184. Es wird vor allem Kritik an seiner Eigenschaft als Seelenführer geübt, dessen Funktion hier zu der eines Toten- und Geisterbeschwörers umgedeutet wird. Lühken (2002), 109ff. geht davon aus, dass in dieser Passage „das Epos Vergils als Prätext eine wichtige Rolle“ gespielt habe. Sie führt mehrere wörtliche Parallelstellen auf. 96 CS 1,99–101 Artificem scelerum simplex mirata vetustas | supra hominem coluit simulans per nubila ferri | aligerisque leves pedibus transcurrere ventos. Dass es sich hierbei um eine Beschreibung von Statuen in Rom mit einem der typischen Attribute Mercus handelt (Flügelschuhe), lässt sich aus dem simulans sowie aus dem Ko-Text herleiten. Im folgenden Vers wird auf mehrere Statuen in Rom verwiesen (CS 1,102f. Ecce deum in numero … augustaque Numae … in arce). Ein anderes typisches Attribut der plastischen und bildlichen Darstellung des Gottes ist der vorher erwähnte Hermesstab (CS 1,90 virgae).

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Priapus als eigentlichen Graius homo (CS 1,103)97 kann man in zahlreichen Gärten Roms98 und Italiens99 bewundern, wo er neben den Abbildern anderer Gottheiten als Erzstandbild mit seinem typischen Attribut erstrahlt100. Dessen schimpfliche und nach Rom neu eingeführte Riten (CS 1,112 sacris cum turpibus) bestünden darin, dass er sich als falscher Gott (CS 1,111 deus praenobilis) mit zahlreichen Mädchen verlustierte (CS 1,104–115)101. Dem Hercules ist am Fuß des Aventin an der Ara Maxima ein eigener Kult eingerichtet worden102 und er wird durch Statuen verehrt103. Schließlich ist der Thebaner Bacchus zum Gott erhoben worden (CS 1,122 Thebanus iuvenis … fit deus),

97 In CS 1,111 wird der Hellespont als seine eigentliche Heimat benannt: Hic deus e patrio praenobilis Hellesponto | venit ad usque Italos sacris cum turpibus hortos. 98 Lavarenne (1963), 140, Anm. 2 fasst die Wendung Numa arx richtig als „Périphrase qui désigne sans doute Rome“ auf. Garuti (1996), 151 versteht darunter, m. E. zu eng gefasst, allein das Kapitol. 99 Darauf verweisen die Wendungen hortos Italos (CS 1,112) und das Sabinergütchen (CS 1,114 ruris vineta Sabini), das Lühken (2002), 211f.; Tränkle (2008), 112, Anm. 22 als eine Anspielung auf das Sabinergütchen des Horaz verstehen. Vgl. auch die euhemeristische Herleitung dieser ‚Gartenkultivierung‘ in den Versen CS 1,104ff. Gemäß Diederich (2007), 252 sollten die Priapusstatuen dem Schutz der Gartenanlage dienen. 100 Bereits das ecce zu Beginn fordert zur visuellen Wahrnehmung auf. Die Wendung formatus et aeneus adstat ‚Graius homo‘ augustaque Numae praefulget in arce (CS 1,102f.) muss als Statuenbeschreibung betrachtet werden. Der schimpfliche Pfahl verweist auf den erigierten Phallus, der das typische Attribut jeder Priapusstatue ist (CS 1,115 turpiter adfixo pudeat quem visere ramo). Auf diesen wird bereits in CS 1,109ff. angespielt: Indomitum intendens animum semperque paratum | ad facinus numquam calidis dabat otia venis. 101 Zur Einführung, Entwicklung und Präsenz des Priapus-Mythos in Rom sowie zu dessen Identifikation mit dem Weltschöpfer Ehlers (2005), 54ff. 102 CS 1,120–121 Nunc Saliis cantuque domus Pinaria templum | collis Aventini convexa in sede frequentat. Der berühmte Kampf des Hercules mit Cacus, der die Errichtung der Ara Maxima aitiologisch stützt, wird verschwiegen. Stattdessen wird der Fehltritt des Hercules mit Hylas implizit zum Aition für die Begründung der Sakralstätte (CS 1,116–119). Zum Hercules-Cacus-Mythos Verg. Aen. 8,184–305, wo die Lokalisierung des Erinnerungsortes und seiner Rituale mit dem Sieg über Cacus in Verbindung gesetzt wird: Ex illo celebratus honos laetique minores | servavere diem, primusque Potiticus auctor, | et domus Herculei custos Pinaria sacri | hanc aram luco statuit, quae maxima semper | dicetur nobis et erit quae maxima semper Verg. Aen. 8,268–272), dazu Binder (1988), bes. 261ff.; Schmitzer (2007). Zur Episode und zum Kult in der spätantiken Literatur OGR 6,1–8,6; Serv. Aen. 8,190; Macr. Sat. 3,12,1–9 Servius unterscheidet in seiner Notiz zur Cacus-Grotte zwischen der fabula und der veritas secundum philologos et historicos, dazu Tischer (2012), 227f. 103 Bereits die Wendung Nemeia sub pelle (CS 1,118) lässt an ein bekanntes Attribut der Herculesstatuen denken. Eine Statue des Hercules wird in CS 1,226ff. in der Forumszenerie erwähnt. Die Fremdheit des Hercules wird dort herausgestellt, indem er als Alcide, Raubgut aus Gades und hospes bezeichnet wird, zur Passage unten S.176f.

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dem aufgrund seiner orgiastischen Feierlichkeiten an allen Altären Roms ein Bock geopfert wird 104. Bei allen Gottheiten werden anstelle des bekannten Kult-Aition, auf das sich ihre Verehrung in Rom begründet, alternative und meist groteske Episoden erzählt105. Die eigentlichen fabulae der Götterkulte und Weihestätten werden verschwiegen, zu lügenhaften Erzählungen herabgesetzt, ins Lächerliche gezogen oder durch einen Mythos ersetzt, der mit der Institution des Rituals oder der Inauguration des Ortes eigentlich nicht in Verbindung gebracht wird106. Prudentius zeigt auf, dass die Verbindung von Sakralort und Aition arbiträr ist. Die in der römischen Erinnerungskultur überlieferten Aitia zu den Sakralorten werden wenige Verse später als fama vel error bezeichnet (CS 1,180), die dazu führten, dass beständig neue Götterkulte nach Rom importiert wurden. Die Überzahl, die aus dem beständigen Zufluss neuer Gottheiten in Rom an Tempeln, Statuen und Riten erwächst, wird über die gehäufte Auflistung von sieben Gottheiten in nur acht Versen in der sprachlichen Gedrängtheit abgebildet107. Das Kapitol und das Marsfeld werden zu Ballungszentren der

104 In CS 1,122–128 wird zwar zuerst der Sieg über die Inder angeführt, das anschließende his nunc pro meritis (129f.) steht aber im näheren Bezug zu den unmittelbar zuvor dargestellten Orgien des Bacchus: His nunc pro meritis Baccho caper omnibus aris | caeditur. Es folgen weitere bacchantische Bräuche zu Ehren des Bacchus (CS 1,130–134) sowie eine knappe negative Deutung der Ariadne-Episode (CS 1,135–144). Gemäß Tränkle (2008), 114, Anm. 27 gehörte der Falernerwein Kampaniens „im antiken Rom zu den geschätztesten Weinen“, was auf Rom als Kultort verweist. Der Bacchuskult wird schon in der Antike beargwöhnt, so wird bspw. in Liv. 39,8–19 der Bacchanalienskandal des Jahres 186 v. Chr. beschrieben, vgl. Muth (1978), 306; Linke (2000), 269ff.; Brennecke (2007b), 128f.; Kahlos (2007), 104. 105 Lühken (2002), 118f. betrachtet lediglich die Bacchus-Passage als „Parodie eines heidnischen Kult-A “ und verweist auf die parallele Wendung Baccho caper omnibus aris caeditur in Verg. georg. 2,380f. 106 Saturn ist nicht mehr Kulturstifter wie bei Vergil (Verg. Aen. 8,321–322), sondern ein Betrüger, der sich selbst zum Gott erhebt (dagegen ist es bei Macr. Sat. 1,7,24 Janus, der ihn vergöttlicht). Jupiter wird nicht als wohlwollender Iuppiter Optimus Maximus eingeführt, der Rom und die Römer beschützt (vgl. Lucan. 1,195f.), sondern er wird wie auch Priapus aufgrund seiner zahlreichen Liebschaften in Rom verehrt. Bei Hercules wird sein Versagen auf der Argo statt seines Sieges über Cacus zum neuen Aition seiner göttlichen Verehrung am Aventin. Gerade Saturn und Hercules werden gemäß Döpp (2002), 36 bei Vergil zum Typos des Gesetzgebers und dem des Friedensbringers, während das archaische Rom gerade wegen der numinösen Präsenz Jupiters zu einem „Ort religiöser Weihe“ wird. 107 Ebenso katalogartig werden in CS 1,626–630 die alten Götterkulte aufgelistet, die deren Verteidiger (pereuntum adsertor divum) in Rom wieder etablieren möchte.

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paganen Götterreligion, an denen sich die meisten Gottheiten auf dem engsten Raum finden108: Haec Italos induxit vel fama vel error, Martia Romuleo celebrarent ut sacra campo utque Palatinis Capitolia condita saxis signarent titulo proavi Iovis atque Pelasgae Palladis et Libyca Iunonem ex arce vocarent, cognatos de Marte deos, Veneris quoque nudum accirent proceres Erycino e vertice signum, utque deum mater Phrygia veheretur ab Ida, Bacchica de viridi peterentur ut orgia Naxo. (CS 1,180–188) Die bunte Vielfalt der aufgelisteten Gottheiten unterstreicht die These, dass Götter ohne erkennbares System nach Rom importiert würden. Es wird der Eindruck von Wahllosigkeit und Beliebigkeit vermittelt. Die einzige Gemeinsamkeit, die allen Gottheiten zugesprochen wird, ist, dass sie in irgendeiner Form nicht nur mit Saturn, sondern auch mit Mars in ein Verwandtschaftsverhältnis gesetzt werden (CS 1,185 cognatos de Marte deos). Mars selbst wird in dieser genealogischen Funktion nicht nur zur Gründergottheit der Römer, sondern auch zum Begründer der römischen Mythenkultur. Die skandalöse Zeugung der Zwillinge wird als das Ereignis interpretiert, das richtungsweisend dafür ist, dass in der römischen Überlieferungsgeschichte (fama) meist tadelnswerte Begebenheiten in numinösen 109 fabulae verschleiert werden . Die Vermischung von Mythos und Historie zur 108 Auf dem Marsfeld kann in diesem Zusammenhang vor allem an das Pantheon gedacht werden, in dem alle Götter des Olymps verehrt wurden: … sed ingens deorum omnium templum, mundus ipse reseratur, cuius vera simulacra verasque facies cernendas mentibus protulit (Sen epist. 90,28), vgl. Richardson (1992), 283f. s.v. Pantheon. Die Wendung Martia sacra verweist zum einen auf das Verwandschaftsverhältnis, in das die übrigen Götter zu Mars gesetzt werden. Zum anderen bieten die Begriffe Martius und Campus in der logischen Verbindung einen lokalen Verweis auf das Marsfeld in Sperrstellung, zum Marsfeld Richardson (1992), 65f. s.v. Campus Martius; vgl. unten S. 314f. zum Marsfeld in Perist. 12 mit weiterer Literatur. 109 Im umfassenden Bauprogramm des Maxentius im Zentrum Roms kam gemäß Bruggisser (2003), 42 Mars und Romulus eine herausragende Rolle zu, da „die Baumaßnahmen dazu [beitrugen], die Erinnerung an den Stadtgründer zu beleben. In der Nähe des Lapis Niger, der der Überlieferung nach die Stelle markiert, an der das Grab des Romulus lag, ließ der Kaiser am 21. April, dem Jahrestag der Gründung Roms, eine Statue des Mars, des mythi-

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„Myth-Historie“110 wird zur Ursache für den dauernden Import paganer Götterkulte. Am Ende der Götterschau geraten die Penaten und das Palladium in den Fokus der Anklage. Über das Korrelativpronomen talia sowie über die Anapher von sic werden sie dem Kreis der vorher genannten Gottheiten zugestellt (CS 1,193–195 hos deos …, talia …, sic …, sic …, sic). Sowohl die Penaten als auch das Palladium galten als urrömische di indigetes und symbolische pignora imperii: Die di penates publici p. R. Q. und das kleine Schutzbild Athenes brachte dem Mythos nach Aeneas nach Rom111, wo sie eine neue Heimat im Vestatempel fanden. Bei Prudentius wird die Göttin den Penaten als weitere flüchtige troianische Gottheit an die Seite gestellt, die gemeinsam mit ihnen Asyl in Rom gefunden hat112. Die Geschichte, wie Aeneas die Staatsgötter Roms aus dem brennenden Troia rettete, ist im kulturellen Gedächtnis der Römer fest verankert und wird zum Ursymbol römischer pietas113. Bei Prudentius wird anstelle der Bedeu-

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schen Vaters der Zwillinge errichten; die Marmorbasis zierte eine Inschrift zu Ehren des Mars und der Gründer der Ewigen Stadt.“ Die Erinnerung an den Stammvater Roms wurde also durch den letzten paganen Kaiser Roms im Stadtbild nochmals aufgefrischt. Zum Begriff Cancik (2003a); (2006). Zur Unterscheidung von historia und fabula Serv. Aen. 1,235: Sciendum est, inter fabulam et argumentum, hoc est historiam, hoc interesse, quod fabula est dicta res contra naturam, sive facta sive non facta, ut de Pasiphae, historia est quicquid secundum naturam dicitur, sive factum sive non factum, ut de Phaedra, dazu Lazzarini (1984); David (1995); Cancik (2003a); vgl. OLD (2007), 665 s.v. fabula; 674 s.v. fama; 799 s.v. historia; zum fabula-Begriff bei Prudentius Mastangelo (2008), 46ff. Verg. Aen. 2,699–729; Ov. fast. 6,419ff. Der Vestakult gilt als einer der ältesten Latiums, da er sich von den mythischen Mutterstädten Roms, Lavinium und Alba Longa, herleiten lässt, dazu Wissowa (1902), 146; vgl. Chiai (2016), 270f. zum hohen Alter und zur engen Verbindung der Kulte mit dem römischen Stadtraum. Bei Macr. Sat. 3,4,11; Serv. Aen. 2,296 wird diskutiert, ob Vesta zu den Penaten zu rechnen sei: Hic ergo quaeritur, utrum Vesta etiam de numero penatium sit, an comes eorum accipiatur … Zur häufigen Verehrung Vestas in der Schar der römischen Hausgötter Wissowa (1902), 145. Diese Ungewissheit der Identifikation Vestas mit den Penaten macht sich Prudentius hier zunutze und Vesta wird kurzerhand ebenfalls zu einem troianischen Flüchtling. Die Trias der drei Gottheiten wird nochmals in CS 2,965–972 exemplarisch für die römischen Urkulte angeführt, um deren Machtlosigkeit zu belegen. Es wird argumentiert, dass es schon früher unter dem Schutz dieser Gottheiten zu schlechten Erntejahren gekommen sei. Zudem werden die Ursprünge des Vestakultes bei den Phrygiern und Athenern verortet. Serv. Aen. 1,10 INSIGNEM PIETATE VIRUM quia patrem et deos penates de Troia sustulit …, zum pius Aeneas Fleischmann (2001), 134ff. Bei Prudentius werden neben der personifizierten Vesta auch die kleinen Götterbilder personifiziert (fugerunt), so dass es den Anschein hat, als wären sie selbständig aus Troia geflüchtet und nicht von Aeneas getragen worden. Dasselbe göttliche Dreigespann tritt auch in Perist. 2,511–512, wo gerade Vesta,

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tung, welche die Gottheiten für das römische Imperium besitzen, der Umstand hervorgehoben, dass sie aus Troia importiert worden sind. Die Einführung fremder Kulte nach Rom gilt ihm als error, der mit terror – der Angst vor den falschen Gottheiten – verbunden ist114: Hos habuere deos Ancus Numitor Numa Tullus. Talia Pergameas fugerunt numina flammas. Sic Vesta, sic Palladium, sic umbra penatum. Talis et antiquum servavit terror asylum. (CS 1,193–196) Das Wort asylum beschließt die Götterschau als Schlüsselwort in exponierter Endstellung. Die gesamte Passage wird mit Anführung der wohl berühmtesten Zufluchtsstätten der antiken Welt rückwirkend den Motiven der Flucht und Fremdheit unterstellt. Gemäß Livius soll Romulus seine Freistätte in der Kapitolsenke errichtet haben115. In diese strömten nach ihrer Eröffnung viele Menschen aus benachbarten Völkern, welche die spätere Population Roms bildeten: dem Palladium und den Penaten als ersten von allen Göttern der Sakraldienst versagt wird: … tunc Vesta Palladios Lares | impune sensit deseri. In den Atti di san Silvestro wird der Verzicht Konstantins, das Kapitol zu besteigen, gemäß Fraschetti (1999a), 111 mit seiner pietas Romana begründet, was eine christliche Umdeutung des Begriffs erkennen lässt. 114 Im folgenden Vers wird die vana superstitio von einer Generation an die folgende weitergegeben: Ut semel obsedit gentilia pectora patrum | vana superstitio … (CS 1,197–198). Prudentius überführt den kriegerischen terror, den die ersten Flüchtlinge in Rom bei Minucius Felix auf ihre Nachbarn ausüben (Min. Fel. 25,2), in einen religiösen terror. In Perist. 2,445–448 wird der alte Götterglaube als error Troicus und die Penaten als exules bezeichnet. In Perist. 11,6 heißt das pagane Rom Troia Roma. Die Idee des in Rom wiedererstandenen Troia wird damit ins Negative überführt. Zur Idee Prop. 4,1,87 Troia, cades et Troica Roma resurges; Edwards (1996), 63ff. Gemäß Schmitzer (2012), 252 waren die Priesterinnen der Vesta „die Trägerinnen der Kontinuität von Troia nach Rom“, die seit der Auseinandersetzung um den Vicotriaaltar zur „symbolhaften Verkörperung des abgelehnten und des als zu bewahrenswert empfundenen alten Rom“ geworden waren. 115 Bei Livius findet sich ein ausführlicher Bericht. Dagegen ist der Verweis auf das Asyl bei Vergil nur kurz: Hinc lucum ingentem, quem Romulus acer asylum | rettulit (Verg. Aen. 8,342–343). Spätere Autoren greifen den Gründungsmythos meist mit einem Lokalverweis wieder auf (Ov. fast. 3,429f.; Lucan. 1,95ff.; Sil. 15,89ff.; Vell. Pat. 1,8,5; Flor. epit. 1,1,9). Bei Serv. Aen. 8,342 wird das niedere Volk von Livius aufgegriffen: … ab imfami gentem deducis asylo. Weitere Quellen, sowie einen Überblick über die Begriffstradition und die Sakralität des Asyls in der Antike bietet Derlien (2003), bes. 38ff. Zu Lage, Errichtung und Funktion des asylum von Romulus mit weiteren Quellenangaben Platner-Ashby (1965), 55f. s.v. Asylum ; Richardson (1992), 40 s.v. Asylum; Wisemann (1993).

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Deinde ne vana urbis magnitudo esset, adiciendae multitudinis causa … locum qui nunc saeptus escendentibus inter duos lucos est asylum aperit. (6) Eo ex finitimis populis turba omnis sine discrimine, liber an servus esset, avida novarum rerum perfugit … (Liv. 1,8,5–6) In Roms Asyl wird jeder Flüchtling (perfugit) nach Belieben und ohne weitere Differenzierung aufgenommen (sine discrimine), so dass sich eine bunte Vielfalt an Bewohnern findet. Diese neu eingebürgerte Einwohnerschaft besteht aus den Ausgestoßenen anderer Ansiedlungen und bildet daher eine Menge an obskuren und fraglichen Gestalten (multitudinem; turba)116. Deren eigentlich niedere Herkunft sucht Romulus für die Nachwelt mit Hilfe einer mythologischen Erzählung zu verschleiern. Die Historie wird zur MythHistorie: … vetere consilio condentium urbes, qui obscuram atque humilem conciendo ad se multitudinem natam e terra sibi prolem ementiebantur, … asylum aperit. (Liv. 1,8,5) Während Minicius Felix diesen Bericht des Livius aufgreift, um das Fehlen der iustitia Romana bei der Gründung Roms herauszustellen117, macht Prudentius 116 Die moralische Fragwürdigkeit der ersten Zuwanderer Roms betont auch Ovid. Bei ihm werden Romulus und Augustus einander antithetisch gegenübergestellt: Romulus beherbergt in seinem Asyl noch den Frevel, während Augustus diesen aus Rom verbannt: … tu recipis luco, reppulit ille nefas (Ov. fast. 2,140; vgl. Iuv. 8,273–275). Gemäß Bruggisser (2003), 47 stellt das Asyl im Gegensatz zu Livius’ Schilderung in Dion. Hal. ant. Rom. 2,15,3 einen Zufluchtsort für „Menschen […], die von intoleranten, tyrannischen und oligarchischen Regimen […] verbannt worden sind“, dar. Er zeigt auf, dass dem Asyl des Romulus bereits in der antiken Literatur kein durchweg positives Bild zugesprochen wurde (Ebd. 46ff.). Einzelne Kritikpunkte der antiken Autoren werden bei den christlichen Autoren wieder aufgenommen (Min. Fel. 25,1f.; Lact. inst. 2,6,13; Oros. 4,16,9; Aug. civ. 1,34; 2,29; 5,17), vgl. Ebd. 49ff. insbesondere zu Augustinus. 117 Min. Fel. 25,1f. Nimirum insignis et nobilis iustitia Romana ab ipsis imperii nascentis incunabulis auspicata est. Nonne in ortu suo et scelere collecti et muniti immanitatis suae terrore creverunt? Nam asylo prima plebs congregata est: confluxerant perditi facinerosi incesti siccari proditores, et ut ipse Romulus imperator et rector populum suum facinore praecelleret, parricidium fecit. Haec prima sunt auspicia religiosae civitatis! Ebenso wie bei Prudentius findet sich hier die Verbindung von Ort und Schrecken (terror): Während bei Minucius Felix das Asyl auf dem Schrecken begründet wird, wird es bei Prudentius zum Garanten eines andauernden Schreckens.

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die Darstellung des Historiographen zur Grundlage seiner Kritik gegen das römische Pantheon118. Die ‚unsterblichen‘ Götter teilen bei ihm die zwei entscheidenenden Eigenschaften mit den sterblichen Flüchtlingen: Sie kommen als Vertriebene nach Rom (CS 1,194 fugerunt) und müssen durch eine Erzählung geadelt werden (CS 1,191f. fabula nobilitat). Sie sind demnach nicht sehr viel höher einzuschätzen als das niedere Volk, das zur Zeit des Romulus in Roms Freistätte strömte119. Die Parallele des Begriffs asylum impliziert, dass die Gottheiten Roms ebenso sine discrimine eingebürgert worden seien wie die ersten Bürger unter Romulus120. Beim christlichen Dichter bedingt die mythische Verschleierung der römischen Geschichte jedoch, dass nicht nur die Senke zwischen den beiden Kapitolshügeln, sondern ganz Rom zu einem asylum für jede vermeintliche Gottheit und ihren Kult wird121. Im zweiten Buch wird der Gedanke des Religionsimports fortgeführt122: Der Vorwurf der Fremdheit wird mit der Anklage verbunden, dass die paganen Götter treulos oder machtlos seien. Prudentius berichtet, dass viele der nun römischen Gottheiten ihre eigentlichen Heimatstädte aufgegeben hätten und

118 Romulus selbst greift er im Gegensatz zu anderen christlichen Autoren nicht an (Min. Fel. 25,2). Bei ihm wird Rom wiederholt auch in Märtyrerhymnen, in denen die Stadt bereits als christianisiert betrachtet wird, als urbs Romula bezeichnet (Perist. 2,310; 412; 11,1; 12,1, vgl. CS 2,767 Romuleas arces) oder die Römer als Nachfahren des Romulus (CS 1,6; 2,298; 500; Perist. 11,57). In Perist. 2,443f. wird sogar der Wunsch geäußert, dass Romulus und Numa selbst christlich werden. 119 Die Attribute obscurus und humilis, mit denen Livius die ersten Ansiedler Roms belegt (Liv. 1,8,5) greift Prudentius in seiner Beschreibung der falschen Gottheiten auf (CS 1,423f.; 430ff.). 120 Bei Lact. inst. 2,6,13 wird das sine discrimine um condicionis ergänzt. 121 Vgl. CS 2,362–367, bes. 366f. Quodcumque sacrorum est | exulat externumque inimicam venit in urbem. Die konkurrierende Interpretation des Servius zum Vers Verg. Aen. 8,342f. wird hier vollkommen ausgeklammert. Gemäß diesem errichtete Romulus das asylum in Rom als Pendant zur gleichnamigen Stätte in Athen, wo die unschuldigen Nachfahren des Hercules einen Zufluchtsort fanden. Der Ort erfährt bei ihm also eine ausgesprochen positive Wertung, dazu Fleischmann (2001), 196ff.; Bruggisser (2003), 59ff.; Tischer (2012), 226f. In der gedanklichen Verbindung mit dem Eleos-Altar wird das römische Asyl gemäß Bruggisser (2003), 61 zugleich “mit der Pflanzstätte der Zivilisation schlechthin, mit Athen“ in Beziehung gesetzt. Er führt diese Ideologie bei Servius zum einen auf die „humanitäre und philanthropische Sichtweise“ bei Dionysios von Halikarnassos zurück (Dion. Hal. ant. Rom. 2,15,3–4), zum anderen auf die Darstellung des Statius (Stat. Theb. 12,481ff.), bei dem das Asyl unter dem Schutz der clementia steht. In allen drei Fällen werde das Asyl zu einer Stätte, an der Zivilisation und Humanität aufeinander treffen (Ebd. 64ff.). 122 Zur Differenzierung von evocatio, translatio und anderen Importformen Krauter (2005), 117; vgl. Chiai (2016), 271ff. zur evocatio bei Livius.

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nach Rom umgesiedelt seien123. Diese Umsiedlung führt er entweder auf ihre perfide Untreue gegenüber den früheren Städten (CS 2,501 perfidia) oder auf ihre Machlosigkeit zurück124. Träfe der erste Anklagepunkt zu, bliebe es ungewiss, ob sich die neu eingebürgerten Gottheiten nicht auch einst untreu gegenüber Rom zeigten und die Stadt aufgeben würden125. Träfe der zweite Anklagepunkt zu, sei der Import fremder Gottheiten zum Schutz der Stadt ein überflüssiges Unterfangen. Prudentius entschließt sich für zweiteres und erklärt den Glauben an die Gottheiten, die sich gegenüber dem römischen Heer als hilflos erwiesen haben, zur superstitio (CS 2,511)126. Die traditionelle Ansicht, dass die Götter sich Rom als Heimat freiwillig erwählt hätten, wird entkräftet127. Wie bereits im ersten Buch wird die materielle Gebundenheit des paganen Götterkultes mit einem spöttischen Unterton verdeutlicht: Die fremden Gottheiten seien nicht freiwillig und aus Liebe zu Numa nach Rom gekommen (CS 2,543 regis amore Numae nullo cogente), sondern wären als Beutestücke in die Stadt geschafft worden (CS 2,359 spoliis)128. Die angebliche Göttlichkeit der dei wird auf ihre sakralen Artefakte wie Statuen, Statuetten und andere Gegenstände beschränkt, die sich leicht abtransportieren und andernorts wieder aufgestellen 123 In CS 2,492–500 findet sich ein ähnlicher Katalog wie in CS 1,180ff. Es werden verschiedene Gottheiten aufgelistet, die ihre Heimat verraten haben und nach Rom gekommen sind, dazu Lühken (2001), 113. 124 Kah (1990), 169; Lühken (2002), 113ff. 125 CS 2,503–505 O pietas! O sancta fides! traduxit alumnos | maiestas infida locos et creditur istis | numinibus qui transfugio meruere sacrari! Zur evocatio Verg. Aen. 2,348ff.; Serv. Aen. 2,244; 351; Macr. Sat. 3,1–9. Von Arnob. 3,38f. werden die neu eingebürgerten Götter als Novensiles dei bezeichnet. 126 Eben diesen Vorwurf der Machtlosigkeit äußert auch Caecilius in Min. Fel. 10,3 gegenüber dem Gott der Juden, der mitsamt seinem Volk in die Gefangenschaft der Römer geraten sei: … cuius adeo nulla vis nec potestas est, ut sit Romanis hominibus cum sua sibi natione captivus. 127 CS 2,540–543 Sed dicis legisse deos ubi sacntior usus | templorum cultu celebri sine fine maneret … Prudentius führt zwei Gegenbeispiele an: Den Raub des Palladiums und die Eroberung der heiligen Stadt Amyklai, zum Palladium unten S.149f. 128 CS 2,357–361 Roma triumfantis quotiens ducis inclyta currum | plausibus excepit, totiens altaria divum | addidit et spoliis sibimet nova numina fecit, | numina quae patriis cum moenibus eruta nullum | praesidium potuere suis adferre sacellis. Vgl. die drei Möglichkeiten, wie eine Gottheit in eine neue Stadt kommt (freiwillige Wahl, evocatio oder Überführung von Artefakten), bei Chiai (2016), 273f. Zuvor wird Rom als ein Idyll der Frühzeit beschrieben, als die sieben Hügel nur wenige Heiligtümer trugen, in denen nur eine geringe Zahl an Göttern verehrt wurde (CS 2,343–346). Die abweichende tendenziell positive Darstellung der Frühzeit unterliegt dem Ziel, die gegenwärtige Situation als Ergebnis einer falschen religiösen Tradition in den Fokus zu rücken.

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lassen129. Obwohl sich mit dieser Feststellung die Frage nach dem Nutzen solcher Gottheiten für ihre neue Heimat erübrigt, erörtert Prudentius sie dennoch130. Andernorts führt er an, dass sich in der Gegenwart gezeigt habe, dass die Aufgabe der Kulthandlungen ohne Konsequenzen geblieben sei131. Den ‚göttlichen‘ spolia werden die tatsächlichen praemia gegenübergestellt, welche die Sieghaftigkeit des römischen Volkes dokumentierten. Prudentius verweist auf die profanen Denkmäler der Siege Roms und lenkt den Blick auf die Triumphbögen, die säkulären Statuen und die Trophäen republikanischer Helden132. Diese ‚echten‘ Erinnerungsorte werden seiner Ansicht nach ihres Symbolgehalts beraubt, wenn die militärischen Erfolge der Feldherrn und Soldaten fälschlicherweise den Göttern als Leistung angerechnet würden. Die Grundidee, die zu Beginn des Buches den Kaisern in den Mund gelegt wird133, wird aufgegriffen und auf den gesamten Stadtraum bezogen: Die Erinnerung an die Siege Roms solle nicht in Sakralgütern oder Sakralorten zu Ehren unechter Gottheiten bewahrt werden, sondern durch die Betrachtung der tatsächlichen Beutestücke sowie der Denkmäler wachgerufen werden, die für die wahren Sieger errichtet worden sind134. 4.2.3.2 Kaiserhaus und superstitio Neben der Zuwanderung und dem Import fremder Gottheiten führt Prudentius die Herrscherapotheose als Grund für die superstitio auf. Nachdem das römische Volk unter Saturn einmal an dieses Konzept gewöhnt worden sei, vergött129 In den vorangehenden Versen CS 2,347ff., bes. 349–351 wird in einem lebendigen Bild beschrieben, wie die siegreichen Römer die Statuen der Götter in den fremden Städten zwischen rauchenden Tempelruinen an sich reißen: Inter fumantes templorum armata ruinas | dextera victoris simulacra hostilia cepit | et captiva domum venerans ceu numina vexit. In CS 1,226 wird die Statue des Hercules zum Raubgut, dazu unten S. 176f. 130 CS 2,564–577 am Beispiel der verlorenen Schlachten bei Cannae, 479 v. Chr. um Veji und bei Carrhae. 131 In Perist. 2,509–512 wird aufgezeigt, dass die Vernachlässigung der Penaten und des Palladiums nach der Christianisierung keinen Untergang Roms oder andere schwerwiegende Folgen nach sich gezogen hätten. Wie auch in CS 1,193ff. werden die drei Ur-Kulte Roms stellverstretend für alle anderen Kulte angeführt, ebenso werden in Perist. 11,6 alle Kulte aus den troianischen abgeleitet: … cum coleret patrios Troia Roma deos. 132 CS 2,556–563 Frustra igitur currus summo miramur in arcu | quadriiugos stantesque duces in curribus altis … | et suspensa gravi telorum fragmina trunco. 133 CS 2,17–66, zum Schlussteil unten S. 119f.; 127f. 134 Vgl. Ambr. epist. 18,7 Non in fibris pecudum, sed in viribus bellatorum tropaea victoriae sunt. In CS 2,696ff. dient der Gotenkrieg als Beweis, dass nicht Gottheiten, sondern Manneskraft Rom errettet habe, siehe zur Textpassage unten S. 265ff.

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liche es nun jeden Herrscher und alle Personen, die seinem näheren Umfeld zuzurechnen sind135. Aus den kleinen sacella der Frühzeit sind in der Gegenwart Tempel zu Ehren der Regenten geworden136. Prudentius übergeht die Vergöttlichung Caesars137 und lässt die Reihe der divinisierten Herrscher mit Augustus beginnen, der zum Beispiel par excellence für den Kaiserkult wird. Ihm zu Ehren sei nicht nur ein Monat benannt worden, sondern es seien auch mehrere Altäre im Stadtraum errichtet worden, die durch allerlei Rituale und Opferzeremonien von den Priestern und dem Volk belebt würden138. Von seinem umfassenden Bau- und Renovierungsprogramm in Rom werden allein ein Tempel, möglicherweise derjenige, der ihm post mortem von Tiberius errichtet worden ist, sowie ein Heiligtum zu Ehren der Livia erwähnt139: Testantur tituli, produnt consulta senatus Caesareum Iovis ad speciem statuentia templum. Adiecere sacrum, fieret quo Livia Iuno … (CS 1,249–251) In den folgenden Versen wird Livia in ihrer Sittenlosigkeit mit den Göttinnen Juno, Venus und Flora verglichen, deren Göttlichkeit durch Inschriften und beständige Ehrerweisungen in Rom kontinuierlich in Erinnerung gerufen würde. Die Römer hätten sich so auch in der jüngeren Vergangenheit wie

135 CS 1,145ff. Der Gedanke wird in CS 1,245f. wieder aufgegriffen: Hunc morem veterum docili iam aetate secuta | posteritas … coluit vitulo placavit et agno, | strata ad pulvinar iacuit, responsa poposcit. 136 CS 1,151–155 … ture etiam ducibus parvoque sacello | inpertitus honos, quem dum metus aut amor aut spes | adcumulant, longum miseris processit in aevum | mos patrius. Coepit falsae pietatis imago | ire per ignaros nebuloso errore nepotes. Zum mos patrius siehe unten S. 120ff. 137 Caesar ist der erste zu Lebzeiten vergöttlichte Herrscher, der nicht der mythologischen Frühzeit angehört, dazu Clauss (2001), 223. 138 CS 1,245–248 … posteritas mense atque adytis et flamine et aris | Augustum coluit, vitulo placavit et agno, | strata ad pulvinar iacuit, responsa poposcit, dazu Fishwick (1990). 139 Zum Tempel des Divus Augustus Platner-Ashby (1965), 62ff. s.v. Augustus, Divus, Templum; Richardson (1992), 45f. s.v. Augustus, Divus, Templum; Torelli (1993), 146 verweist auf das ungewisse Schicksal des Tempelbaus. Hier könnte mit Verweis auf den Totenkult der Herrscher eventuell auch das Mausoleum des Augustus bei Prudentius gemeint sein. Die tituli (CS 1,249) verweisen auf den Senatsbeschluss am Tag des Begräbnisses von Augustus, nach dem er vergöttlicht wurde, vgl. Garuti (1996), 156. Von einem Tempelbau zu Ehren der Livia in Rom ist nichts bekannt, Tränkle (2008), 124, Anm. 57 denkt hier an die Statue der Livia, die nach ihrem Tod im Augustustempel aufgestellt wurde.

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schon in der Frühzeit über ihr Herrscherhaus eine Vielzahl an Göttern erschaffen (creare) und verehrten diese durch Orte und Rituale140: Hanc tibi, Roma, deam titulis et honore sacratam perpetuo Floras inter Veneresque creasti! (CS 1,265–266) Die Präsenz des Kaiserhauses in der Stadttopographie wird auf die Monumente beschränkt, durch die seine Mitglieder in den Stand von Göttern erhoben werden. Die zahlreichen von Augustus selbst iniziierten öffentlichen profanen und sakralen Bauten werden demgegenüber verschwiegen, so dass der Eindruck erwächst, die Bedeutung des Kaisers sei allein in seiner Repräsentation als Gott im urbanen Raum wahrnehmbar. Sowohl durch Heiligtümer als auch durch Rituale rücken Augustus und Livia in die Nähe der olympischen Götter und teilen insbesondere mit Jupiter und Juno nicht nur die verwerfliche Charakteristik, sondern vor allem die Verewigung als Gottheiten im Stadtbild. Nach Augustus behandelt Prudentius Hadrian, der ebenfalls den Beinamen Jupiter trägt. In Anlehnung an den Vergleich mit dem höchsten Gott bezeichnet er dessen Lustknaben Antinous spöttisch als Ganymed141. Nach dem Vorbild des ersten Kaisers und seiner Frau seien Hadrian und seinem Geliebten Tempel in Rom errichtet worden, die vom Volk als neue Sakralstätten dankbar und zahlreich besucht würden142. Mit Augustus und Hadrian greift Prudentius zwei der Kaiser auf, deren Bauprogramme die Topographie und insbesondere die Sakraltopographie entscheidend geprägt haben. Augustus unterzieht die Stadtlandschaft als erster Kaiser einer umfassenden Veränderung und restauriert oder iniziiert zahlreiche Tempelbauten. Hadrian ist der letzte pagane Kaiser, dessen religionspolitische Baumaßnahmen sichtbaren Bestand im Zentrum Roms haben143. Prudentius prangert explizit die Vergöttlichung beider Kaiser an, 140 In CS 1,252–264 wird die Ehehschließung zwischen Livia, die bereits von T. Claudius Nero mit Drusus schwanger war, und Augustus ebenso verurteilt wie die inzestuöse Liebe zwischen Juno und Jupiter. 141 CS 1,271–277. Zu Antinous Guyot (1981); Kuhlmann (2002), 197ff. 142 Dem Hadrian wurde auf dem Marsfeld von Antoninus Pius ein Tempel geweiht, dazu PlatnerAshby (1965), 250f. s.v. Divi Hadriani Templum, Hadrianeum; Richardson (1992), 184f. s.v. Divus Hadrianus, Templum; Cipollone, M (1996), Hadrianus, Divus, Templum: Hadrianeum, LTUR 3,7f. 143 Hadrian schließt an das sakrale Bauprogramm des Augustus an, indem er unter anderem einen Neubau des Pantheons auf dem Marsfeld und den Roma-Tempel auf dem Veliahügel weiht, dem Prudentius wenige Verse zuvor seine Sakralität abspricht (CS 1,219–222), zur

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implizit werden durch die spezifische Auswahl von Augustus und Hadrian ebenso kaiserliche Baumaßnahmen zugunsten paganer Gottheiten kritisiert. 4.2.3.3 Monument und fabula in der römischen Religionstradition Zum Ende der Götterschau des ersten Buches wird der Blick auf die gesamte Stadtlandschaft gerichtet: Facta est terrigenae domus unica maiestatis et tot templa deum Romae quot in orbe sepulcra heroum numerare licet; quos fabula manes nobilitat noster populus veneratus adorat. (CS 1,189–192) In der Gegenwart sind aus den kleinen sacella der Frühzeit großflächige Tempelanlagen (templa) geworden144. Herrscherapotheose, die Immigration verwandter Gottheiten und Religionsimport haben dazu geführt, dass Rom zu einer terrigenae domus unica maiestatis, zu einer Sakrallandschaft des Aberglaubens geworden ist145. Die domus des Prudentius fasst die domus Textpassage siehe unten S. 166ff. Zum Bauprogramm Hadrians in Rom in Anschluss an Augustus, Cass. Dio 69,7; Boatwrigth (1987); Scheithauer (2000), 166ff.; Kuhlmann (2002), bes. 149ff.; 165; Knell (2008), bes. 11ff. Nach Hadrian setzt sich noch Diokletian intensiver mit der römischen Stadttopographie auseinander, seine Baumaßnahmen beschränken sich jedoch neben umfassenden Restaurationsarbeiten am Forum Romanum auf eine Thermenanlage auf dem Quirinal. Die großflächigen Baumaßnahmen des Maxentius, der das Zentrum nochmals entscheidend prägte und seine Baupolitik an die traditionellen Leitideen der Roma aeterna anschloss, können von Prudentius ausgeklammert werden, da der Widersacher Konstantins der damnatio memoriae anheim gefallen ist und seine Bauten alle vom christlichen Kaiser adaptiert worden sind. Hadrian ist also der letzte positiv beurteilte kaiserliche Bauherr Roms: In paene omnibus urbibus et aliquid aedificavit et ludos edidit (HA Hadr. 19,2); Romae … sacras aedes plurimas … consecravit (HA Hadr. 19,10). 144 Auf die Gegenwart verweisen die Präsensformen licet und adorat (CS 1,191; 192). Zur Frühzeit CS 1,151ff., vgl unten S. 120ff. 145 Prudentius rekurriert auf das antike Zentrum Roms wie es sich noch zu seiner Zeit dem Blick dargeboten haben dürfte, dazu Kolb (2009), 103: „Aber wer im Jahr 312 Rom besuchte, sah die Tempel der heidnischen Götter und die übrigen großen öffentlichen Bauten; das Christentum nahm er als architektonisches Phänomen nicht wahr.“ Er fügt zwar an, dass Konstantin diesen Zustand verändert habe; da dessen Basilikenbauten und auch die des Damasus sich jedoch vorrangig auf die Peripherie beschränkten, blieb das Zentrum eine beeindruckende Kulisse der paganen Welt und ihrer Religion, dazu Krautheimer (1996), 43: „Bis zum Ende des Jahrhunderts blieb Rom eine Hochburg des Heidentums.“ Curran (2000), 142ff. führt einige Basiliken innerhalb der Aurelianischen Mauer an, er kommt aber zu folgendem

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divina des Ausonius und die domus des vergöttlichten Kaisergeschlechts146 unter der terrigena maiestas, in der sich zwei Traditionslinien derselben superstitio vereinen147. Die Unmenge an Göttertempeln verdeutlicht Prudentius über eine tot-quotWendung, die er in einen direkten Bezug zu den ebenso zahlreichen Gräbern setzt. Damit referiert er auf zwei Prätexte148: In einem Epigramm Martials wird über eine anaphorische Reihung von tot die Vielzahl der Göttertempel in der Stadt gerühmt, die im Zuge der Baumaßnahmen und des Religionsprogramms von Kaiser Domitian geweiht worden sind. Über die Klimax werden die Tempel zur Ursache für die Präsenz der Götter, die wiederum implizit zum Grund für die zahlreichen unterworfenen Städte werden149. Prudentius übernimmt in tot templa deum das Bild des Überflusses an Tempelbauten. Der feierliche Ton des Prätextes wird jedoch unterminiert, indem die anaphorische Klimax Martials abrupt durch quot verkürzt wird. Bei Prudentius steigern die Tempelbauten nicht das Ansehen der Stadt, sondern minimieren es. Der quot-Satz vertieft den Blick nicht auf Rom, sondern lenkt ihn auf die zahlreichen falschen Göttergräber der Welt, welche die Tempel bedingten.

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Schluss: „But althought this work was innovatory, there is no question of a comprehensive program to flood Rome with Christian places of worship“ (Ebd. 146). Zur Begriffsprägung der domus divina unter Augustus Clauss (2001), 63ff.; zur Divinisierung der Tetrarchen Kolb (2001), 37. Das Ansehen des Kaisers als Gott oder als gottähnlich besteht auch noch zur Zeit des Prudentius. Bei Claudian werden die beiden Theodosii noch als Götter bezeichnet (Claud. carm. 15,215f. duo divorum proceres, maiorque minorque Theodosii; vgl. carm. 22,421f.) und Stilicho wird in einer Inschrift als progenero divi Theodosi bezeichnet (CIL 6.1730 = D 1277), vgl. Clauss (2001), 211ff. Die sepulcra heroum nehmen die sepulcra der Götter aus CS 1,54 wieder auf. Manes schließt logisch an und deutet darüber hinaus einerseits auf die divinisierten verstorbenen Herrscher und andererseits auf den Manenkult in CS 1,402ff., zur Passage siehe unten S. 211f. Zur horazischen Wendung im Gebrauch von manes Lühken (2002), 217f. Sie grenzt die Passage zu eng gefasst auf die Heroenkulte ein. Möglicherweise dachte Prudentius in der Formulierung ebenfalls an Tert. spect. 12,7: Tot illic [sc. in amphitheatro] immundi spiritus considunt, quot homines capit. Bei Martial wird Rom deshalb pudica genannt: … tot nascentia templa, tot renata, | tot spectacula, tot deos tot urbes: | plus debet tibi Roma quod pudica est Mart. 6,4,3–5, zur Glorifizierung Domitians in 6,4 Leberl (2004), 280ff; zum Bauprogramm Domitians Scheithauer (2000), 138ff. Das Epigramm feiert Domitians Bautätigkeit und Zensorfähigkeit sowie die Erneuerung der lex Iulia de adulteriis, weshalb Rom als pudica bezeichnet wird. Wenig später zeichnet Martial jedoch das Bild einer Römerin, die gerade aufgrund dieses Ehegesetztes Ehebruch begeht (Mart. 6,7). Es schließt sich ein ganzer Zyklus zur lex Iulia mit teils obszönen Gedichten an. Aus diesem Grund ist 6,4 oftmals herrscherkritisch gelesen worden, dazu Lorenz (2002). Für Prudentius wird Rom gerade aufgrund der Präsenz falscher Gottheiten zur impudica. Für ihn ist die Pudicitia gleichsam mit der Jungfräulichkeit Rhea Silvias aus Rom entschwunden (CS 1,174–179).

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Neben Martials Epigramm dient Ovids Ars amatoria als Folie: Dessen prahlerische Übertreibung, dass Rom alle Mädchen des Erdkreises zu bieten habe150, wird in nahezu wörtlicher Anlehnung und gleicher Syntax, jedoch mit negativer Konnotation aufgegriffen und auf die Vielzahl an Gottheiten in der Stadt bezogen. Nicht nur der tot-quot-Vergleich, sondern einzelne sprachliche Wendungen werden aufgenommen und auf das neue Bedeutungsfeld übertragen: Die Einleitungsphrase Ovids haec habet [sc. Roma] quidquid in orbe fuit (Ov. ars 1,56) wird bei Prudentius sinngemäß zu haec Roma adorat quidquid in orbe fuit. Die schließende Feststellung tot habet tua Roma puellas (Ov. ars 1,59) spiegelt sich in tot templa deum Romae. Der Reichtum an potentiellen Liebespartnerinnen (Ov. ars 1,63 mille; 66 plenius agmen) wird zu einem Überfluss paganer Götter151. Ovids spielerische Identifikation von urbs und orbis152 wird mit beißendem Spott aufgegriffen, indem Prudentius alle Heroengräber des orbis durch die Tempel der urbs repräsentiert sein lässt. Über die Parallelisierung mit den ‚leichten‘ Mädchen wird den Gottheiten erstens unterstellt, dass auch sie (nach Art einer Dirne) jedem ihre Gunst gewährten, der ihnen ein Heiligtum errichtet. Zweitens werden sie ebenso wie die puellae zum „Inventar der Stadt“153, das katalogartig aufgelistet werden kann. Die Gegensätzlichkeit zwischen toter Materie und lebendigem Wesen ist in beiden Gedichten Leitgedanke: Bei Ovid werden die Mädchen als lebendige Menschen in eine Gegenständlichkeit überführt. In umgekehrter Weise wird in der paganen Religion nach Auffasung des Prudentius Gegenständen Göttlichkeit zugesprochen bzw. basiert sie auf der Anbetung toter Materie154. Auf der Folie des Prätextes tritt der Materiebezug paganer Götterkulte umso deutlicher hervor. 150 Ov. ars 1,55–59 … tot tibi tamque dabit formosas Roma puellas | „haec habet“ ut dicas „quidquid in orbe fuit.“ | Gargara quot segestes, quot habet Methymna racemos, | aequore quot pisces, fronde teguntur aves, | quot caelum stellas, tot habet tua Roma puellas … 151 Zur Vielzahl der Götter in Rom vgl. CS 1,27 multa et cum plebe deorum; 1,529 multos Catilinas; 2,305 [Roma] multa colit quae non colit sub rege Quirino; 2,448 [cur soleatis] perque locos geniorum milia multa | fingere. Vgl. Aug. civ. 2,22 Ut ergo non periret, di custodes eius populo cultori suo dare praecipue vitae ac morum praecepta debuerunt, a quo tot templis, tot sacerdotibus et sacrificiorum generibus, tam multiplicibus variisque sacris, tot festis sollemnitatibus, tot tantorumque ludorum celebritatibus colebantur. 152 Döpp (2002), 42. 153 Holzberg (1999), 59 zu Ovids materia (Ov. ars 1,49). Er stellt fest, dass die Mädchen nach dem Vorbild topographischer Merkmale katalogisiert würden. Eben das trifft auch auf die Götter in CS 1,180ff. zu. 154 CS 1,430–441; 2,104–119. Er steht damit in der Nachfolge der christlichen Polemik. Bereits bei den frühen Apologeten wird die Materialität der paganen Religion angeprangert, so bspw. in Tert. apol. 12,2: … quantum autem de simulacris ipsis, nihil aliud reprehendo quam materias sorores esse vasculorum instrumentorumque communium vel ex isdem vasculis

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Bei Ovid wird das augusteische Rom zur Kulisse seiner Spöttelei gegen die kaiserliche moralische Restauration155. Seine Stadtführung funktioniert vor dem Hintergrund einer prinzipiell positiv konnotierten Stadtlandschaft, die von ihrem amourösen monstrator in ein parodistisches Licht gesetzt wird156. Prudentius greift die Motive des Überflusses, der Entsprechung von Stadt und Erdkreis sowie der Materialität auf, überführt den scherzenden Spott des Prätextes jedoch in eine satirische Religionskritik und entwirft ein negatives Stadtbild. Martials, Ovids und Prudentius’ Stadtbetrachtungen setzten sich alle explizit oder implizit mit dem Bauprogramm und der (Religions-)Politik der Herrscher auseinander: Bei Martial findet die (moralische) Autorität Domitians einen Ausdruck in der Topographie, bei Ovid werden die moralpolitischen Maßnahmen des Augustus in der Stadtlandschaft parodiert, bei Prudentius werden eine irrige Religionskultur und Kaiserpolitik zum Grund für die zahlreichen paganen templa157. Rom wird nicht nur zum Repräsentationsraum der Politik eines einzelnen Kaisers, sondern zum „Schaubezirk“ 158 eines von Kaiser zu Kaiser tradierten Aberglaubens. Die Betrachtung der Stadtlandschaft schließt mit einem Bild religiöser Performanz159. Der Blickpunkt wandert von den steinernen Monumenten (templa) zu ihrer rituellen Nutzung (CS 1,192 noster populus veneratus adorat). Erst das Zusammenspiel von templum und fabula evoziert das

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et instrumentis quasi fatum consecratione mutantes, licentia artis transfigurante … Zu Tertullian und Minucius Felix vgl. Rüpke (2006); zum Vorbild der Argumentation bei Plutarch Graf (2005). Ov. ars 1, bes. 67–88. Weeber (1997), 42 stellt fest, dass Ovid in ars 1,41ff. verschiedene Bauten des augusteischen Bauprogramms zu den „aussichtsreichsten Flirtstätten“ der Stadt werden lasse. In ähnlicher Weise konterkariert der Dichter die eigentliche Funktion und Bedeutung einzelner Monumente in Ov. ars 3,387ff.; trist. 3,12,17–26; Pont. 1,8,25ff. Zur Interpretation der Passagen Neumeister (1997), 95ff.; Davis (1995); Ders. (2006); Holzberg (1999), 61ff.; Döpp (2002), 42f.; Boyle (2003), 176f.; Miller (2007), 151ff.; Schmitzer (2011), 67ff. Holzberg (1999), 57 zu Ovids Parodie des antiken Städtelobs; dagegen sind die Fasti gemäß Schmitzer (2003), 208 eine „Begleitmusik zu den Bemühungen des Augustus “, dessen ideologisches Rombild seinen Dichtungen stets dialogisch zugrunde liegt, auch dort, wo er es konterkariert. Vgl. Schmitzer (2005a), 19ff., bes. 23f. Die einleitende Passivform facta est verweist auf ihre zeitgebundene Dinglichkeit und darauf, dass Rom keineswegs – wie oftmals behauptet – ab urbe condita die Heimstatt der Götter gewesen sei, so bspw. bei Liv. 5,51,4: Equidem si nobis cum urbe simul conditae traditaeque per manus religiones nullae essent; Prop. 3,11,65 … haec di condiderunt, haec di quoque moenia servant. Krautheimer (2004), 22; 28; 48; 263. Zur Darstellung christlicher Performanz bei Prudentius siehe unten S. 278ff.

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Gebet, in dem sich die falsche Religion offenbart160. Als Grund für diesen Akt fehlgeleiteter Religiosität (superstitio) führt Prudentius die Erinnerungskultur an, in der die fabulae tradiert werden: vana superstitio, non interrupta cucurrit | aetatum per mille gradus (CS 1,198–199)161. Religionstradition, lokale Präsenz und kultische Performanz werden zu den Stützpfeilern der antiken Götterkulte162. In der Standortbestimmung des zweiten Buches werden die argumentativen Ergebnisse des ersten zusammengefasst: Hactenus et veterum cunabula prima deorum et causas quibus error hebes conflatus in orbe est diximus, et nostro Romam iam credere Christo. (CS 2,1–3) Der letzte Vers bezieht sich auf die Konversion Roms und der Römer am Ende des ersten Buches163. Die ersten beiden Verse resümieren die Götterschau: Die fabulae die im ersten Buch den error bedingen, werden im Begriff causa wieder aufgegriffen164. Causa meint nicht nur den Grund, sondern auch jedes Aition, das einen profanen Ort zu einem Sakralort macht165. Gerade in diesem retrospektiven Begriffsgebrauch offenbart sich das Konzept, das dem ersten Buch zugrunde liegt: Prudentius’ katalogartige Auflistung paganer Gottheiten 160 Vgl. Ov. trist. 1,3,29–34 Hanc ego suspiciens et ab hac Capitolia cernens, | quae nostro frustra iuncta fuere Lari, | „numina vicinis habitantia sedibus“, inquam, „… dique reliquendi, quos urbs habet alta Quirini, | este salutati tempus in omne mihi.“ 161 Fabula schließt an fama vel error an, die die Einführung von Gottheiten bedingen. 162 Die Dreiheit von religiöser Tradition, Sakralort und Kult wird in CS 1,291–296 nochmals am Beispiel der Göttertempel und Kaisergräber aufgegriffen. Die paganen Kaiser und Feldherrn, die dort opfern, werden zu schlechten Vorbildern in Religionsfragen. Das Ergebnis der superstitio bildet die Höllenfahrt (vgl. CS 1,25–27 zu den Usurpatoren; Psych. 89f. zur Verbindung von Hölle und Libido). Der Gedanke lässt sich auf eine Formulierung bei Lactanz zurückführen: suarum et alienarum interfectores aminarum (Lact. inst. 5,19,1), dazu Opelt (1980), 75, die die Idee für Einzigartig bei Lactanz erachtet. 163 CS 1,506–523; 544–615, dazu unten S. 248ff.; 270ff. 164 Zu causa und Aition Miller (1982); Binder (1988), 261ff. Äquivalente zum Begriff causa sind origo (Ov. fast. 2,269) und ratio (Ov. fast. 1,31). Die Erzählungen werden bei Prudentius zum Grund für die Ausbreitung des error auf der ganzen Welt, womit die Stoßrichtung umgekehrt wird: War es im ersten Buch noch der Import der fremden Kulte, die Rom zur Hochburg des falschen Glaubens machten, so ist es nun die Autorität des caput mundi, die den Götterglauben wiederum in die ganze Welt hinausträgt. 165 Zum aitiologischen Dichten vgl. die programmatischen Verse in Prop. 4,1,69 Sacra diesque canam et cognomina loca priscorum und Ov. fast. 1,1f. Tempora cum causis Latium digesta per annum | lapsaque sub terras ortaque signa canam; zu Vergil Binder (1988), 267ff.

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steht zwar in der Tradtion christlicher Apologetik, dient jedoch vor allem dazu, die drei Wirkungsbereiche der superstitio – Kommunikation, Ort und Ritual – herauszuarbeiten. Als illustratives Medium dient die römische Stadtlandschaft. Einige Verse später wird die susperstitio zum Gegenstand theoretischer Überlegungen. Die falledi trina potestas des Aberglaubens setzt sich aus denselben drei Bereichen wie im ersten Buch zusammen. Die Argumentation führen die Kaiserbrüder Honorius und Arcadius gegen den orator catus: „Sic unum sectantur iter, sic cassa figuris somnia concipiunt et Homerus et acer Apelles et Numa, cognatumque malum pigmenta camenae idola. Convaluit fallendi trina potestas. Haec si non ita sunt, edatur cur sacra vobis ex tabulis cerisque poetica fabula praestat?“ (CS 2,45–49) Die drei Teilbereiche werden zuerst durch ihre prominentesten Vertreter repräsentiert: Homer wird stellvertretend für die fabulae genannt, Apelles vertritt als berühmter Maler die Visualisierung der Religion und Numa tritt wie 166 schon zuvor als Begründer der Religionstradition in Erscheinung . Die Verbindung aus Erzählung (camenae), Anschaulichkeit (pigmenta) und einer falschen Gottesvorstellung (idola) bedingt das Übel des Aberglaubens (malum). Wie im ersten Buch markiert die fabula als tradierte Myth-Historie den Beginn der Fehlentwicklung167. Über das gemeinsame Thema ‚superstitio‘ werden die beiden Bücher miteinander verklammert. Die Passage des ersten Buches besitzt Modellcharak166 In Vers CS 1,193 werden einige Könige der Vorzeit angeführt, unter ihnen wird auch Numa genannt, der als Begründer der römischen Staatsreligion gilt, dazu Beard/North/Price (1998), Bd. 2, 4ff.; Walter (2004), 374ff. Bei den Apologeten wird Numa zum Begründer des römischen Aberglaubens: … ut ad vos quoque dominatores gentium adspiciam homo fuit Pompilius Numa, qui Romanos operosissimis superstitionibus oneravit (Tert. apol. 21,9), zum ambivalenten Numa-Bild bei Tertullian v. Haehling (2000), 186f.; Kolter (2008); zu Numa bei Arnobius v. Haehling (2000), 197ff. In der spätantiken (paganen) Literatur galt Numa gemäß Kuhlmann (2002), 118 „als Exemplum eines idealen, friedensbringenden Herrschers, der den Römern Recht und Gesetz verschaffte und so zum Symbol des bonus princeps avancierte“, vgl. Brandt (1988). 167 Bereits Lühken (2002), 120; 218 betont die Bedeutung der fabula bei Prudentius, vgl. Tränkle (2008), 168, Anm. 143. In Perist. 10,216–218 werden die Dichter zu Opfern ihrer eigenen lügenhaften Erzählungen.

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ter: Anhand der urbanen Landschaft wird exemplarisch aufgezeigt, wie die superstitio im urbanen Raum ihre Wirksamkeit entfaltet. Im zweiten Buch wird das Phänomen ‚Aberglaube‘ in einen allgemeineren Kontext gestellt168. Die Dreiheit von Erzählung, Monument und Ritual beider Passagen kann mit den Außendimensionen des kulturellen Gedächtnisses nach Jan Assmann erfasst werden: Die fabulae lassen einzelne Orte zu symbolischen Orten werden (Gedächtnis der Dinge). Die Rituale sind dem mimetischen Gedächtnis zuzuordnen. Die Gesamtheit von fabula, Monument und Ritual bildet wiederum das kulturelle Gedächtnis. Hinzu tritt das kommunikative Gedächtnis der paganen Gegenwart, in dem die Inhalte aller drei Bereiche fortwährend aktualisiert werden169. Prudentius Götterschau richtet sich nicht bloß gegen ein paar pagane Gottheiten, sondern fasst ein größeres Ziel ins Auge: Die „systematische Dekonstruktion“170 der römischen Erinnerungs- und Religionskultur, die im Begriff des mos patrius gefasst werden kann. Gerade deshalb wird die Argumentation den zwei Kaisern als herausragenden Repräsentanten und Vorbildern römischer Lebensart in den Mund gelegt. In ihren Schlussworten sprechen sie sich gegen die alte und für die neue Staatsreligion aus und brechen mit der religiösen Tradition ihrer paganen Vorgänger. 4.2.3.4 Der mos patrius: eine unbeständige Tradition Die römische Religionstradition basiert auf dem Schlagwort mos patrius. Die Verehrung der paganen Götter wird zum religiösen Erbe, das sich auf die Sitten der Vorfahren (mores maiorum) zurückführen lässt und staatserhaltende Funktion trägt171. Die sacra publica dienen weniger der spirituellen Selbstver-

168 Einige besonders ausgefallene Kulte werden im Folgenden aufgelistet (CS 2,51ff.). 169 Vgl. zur Verbindung von Kommunikation und Handeln bspw. die Grabinschrift für Praetextatus und seine Frau: Tu namque quidquid lingua utraq(ue) est proditum | cura soforum, porta quis caeli patet, | vel quae periti condidere carmina, | vel quae solutis vocibus sunt edita, | meliora reddis quam legendo sumpseras. | Sed ista parva: tu pius m[y]stes sacris | teletis reperta mentis arcano premis, | divumque numen multiplex doctus colis (CIL 6.102 = Dessau, ILS 4003, 8ff., zit. n. Bloch 1945, 205f.). 170 Die Wendung gebraucht Hölkeskamp (2004), 138. 171 In CS 2,69 führt der Gegensprecher auf die Rede der Kaiserbrüder den mos vetus als Gegenargument an; in CS 2,89 wird die dritte Relatio paraphrasiert: Suus est mos cuique genti (vgl. Symm. rel. 3,8 suus enim cuique mos, suus cuique ritus); vgl. Enn. ann. Fr. 500 Vahlen moribus antiquis res stat Romana et virisque; vgl. Cic. rep. 2,41 De posteris nostris et de illa immortalitate rei publicae sollicitor, quae poterat esse perpetua, si patriis

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ortung des Individuums, sondern stützen das Gemeinwesen als institutionelle Basis. Sowohl der Geltungs- als auch der Durchsetzungsanspruch der römischen Staatsreligion basieren auf dem tradierten mos patrius, der zum normativen Maßstab für die Integration von Fremdreligionen wird172. Im ersten Buch wird seine Begründung und die der pietas in einer archaischen und von Emotionen bestimmten Frühzeit verortet173. Im zweiten Buch werden seine Natur und seine Funktion in der gegenwärtigen Gesellschaft beleuchtet. Den Impuls zur Auseinandersetzung bietet eine verfälschende Konklusion der dritten Relatio: Symmachus und allen Verfechtern der antiken Religion wird unterstellt, dass sie die Beibehaltung des pristinus mos über die Gerechtigkeit und über eine Erkenntnis der (göttlichen) Wahrheit stellten174. Es folgt eine Darstellung der Lebensalterfolge der Menschheit, die an die Geschichte Roms angelehnt ist175. Der historische Bogen wird von der

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viveretur institutis et moribus; vgl. nat. deor. 2,5;3,5; leg. 2,27;69; Verr. 2,4,132; zum mos Linke (2000), 273ff.; Walter (2004). Luz (2010), 103ff. Cicero leitet aus der Religiosität der Römer deren Vormachtstellung gegenüber anderen Völkern ab: Et si conferre volumus nostra cum externis, ceteris rebus aut pares aut etiam inferiores reperiemur, religione, id est cultu deorum, multo superiores (Cic. nat. deor. 2,8). CS 1,151–155, vgl. CS 1,240ff. Dem amor als körperlichem Verlangen steht im Christentum die dilectio als Liebe zu Gott oder Nächstenliebe gegenüber, vgl. zum Gebrauch von amor in der antiken Literatur TLL 1 (1967), s.v. amor; OLD (2007), 120 s.v. amor; Pétré (1948), bes. 90ff.; Gnilka (1963), 42ff. Aug. civ. 14,7 setzt beide Begriffe synonym und fügt ihnen die caritas bei. CS 2,274–276 „Potior mihi pristinus est mos | quam via iustitiae, pietas quam prodita caelo | quamque fides veri, rectae quam regula sectae?“ Vgl. Symm. rel. 3,4 consuetudinis amor magnus est; Macr. Sat. 3,14,2; Luz (2010), 106ff. zum Wahrheitsanspruch als Ziel des Christentums im Gegensatz zur institutionellen Funktion der paganen Staatsreligion. CS 2,277–334. Im Gegensatz dazu führt Ambrosius die Weltentstehung der Genesis als erstes zentrales Gegenargument an. Roms Religionsimport folgt als zweites untergeordnetes Argument, das sich in einer Attacke gegen die Gottheit Victoria verläuft (Ambr. epist. 18,23–28; 30). Die Lebensalterfolge in Anwendung auf Rom findet sich wie bei Prudentius ebenfalls in zeitgenössischen Werken in Flor. epit. 1 praef. 4–8; Amm. 14,6,3–6 ; HA Car. 2,1–3,1. Hier wird meist ein ewiges Bestehen des römischen Reiches vorausgesetzt, so bspw. bei Ammian. Bei Florus wird die senectus imperii (die Zeit Trajans) zur quasi reddita iuventus. Kritik am Zeitalter-Schema übt Aug. div. quaest. 57,6. Bei Lactanz wird die Lebensalterfolge zur Illustration des für Rom bestimmten Niedergangs herangezogen (Lact. inst. 7,15,14–17). Zu Prudentius’ Lebensalterfolge, ihren Vorbildern und zur doppelten Redaktion Schmid (1953), der gegen eine Romanisierung der Lebensalter bei Prudentius plädiert. In der gedanklichen Gleichsetzung von urbs und orbis werden die Grenzen von Menschheit und Römern jedoch fließend.

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(prae)agrikulturellen Frühzeit unter Saturn176 über die Herrschaftszeit von Euander und Romulus, über die Republik bis in die Gegenwart geschlagen. Zu Beginn werden die Sitten und Gebräuche einer primitiven Frühzeit beleuchtet und die traditionelle Ideologie der simplicitas Romana zu Zeiten der Väter gerät in einen satirischen Fokus177. Ein Gedanke wird impliziert, jedoch nicht formuliert: Unter dem Blickpunkt einer aszendenten Kulturentstehungslehre kann eine Rückbesinnung auf diese noch wilden Lebensumstände und oftmals grausamen mores nur zurückgewiesen werden178. Es wird aufgezeigt, dass sich schon in der frühen römischen Geschichte zu Zeiten der Republik Unregelmäßigkeiten in Sitten, Gesetzen und Gebräuchen erkennen ließen: Roma antiqua sibi non constat; versa per aevum et mutata sacris ornatu legibus armis. Multa colit quae non coluit sub rege Quirino. (CS 2,303–305) Primitivität und Wandelbarkeit werden zu den bestimmenden Charakteristika des römische mos. Das prinzipielle Vorhandensein einer kontinuierlich tradierten Lebensart wird infrage gestellt179. Die einzige Beständigkeit, welche die römischen mores über die Jahrhunderte gezeigt hätten, bestünde in der dau-

176 Vgl. Varro rust. 3,1,4–5; Verg. georg. 2,405ff.; 513ff.; Aen. 8,319ff.; zu Saturn siehe unten S. 134ff. 177 Prudentius übernimmt einige Motive der Frühzeitschilderungen früherer Autoren wie die Eicheln, die Felle und die Hütten und zitiert oftmals wörtlich. Neben Vergil werden Bilder und Vorstellungen von bspw. Prop. 4,1,11f. und Tib. 2,5,23ff. aufgegriffen. 178 Bei Ammian und Florus zeichnet sich diese Aszendenz von Lebensalter zu Lebensalter in dem immer größer werdenden römischen Herrschaftsbereich ab, vgl. Ov. ars 3,113f. Simplicitas rudis ante fuit; nunc aurea Roma est | et domiti magnas possidet orbis opes. Prudentius stilisiert seine eigene christliche Gegenwart zum abschließenden Höhepunkt: Die Menschheit habe einen Zustand von Altersweisheit erreicht, in dem es ihr möglich sei, überholte religiöse Vorstellungen abzulegen (CS 2,312–315) und das wahre Göttliche zu erkennen (CS 2,317–334). 179 Bereits Varro soll gemäß Serv. Aen. 7,601 mos als eine Summe gewohnter und tradierter Handlungen aufgefasst haben und weniger als feststehende Größe: Varro vult morem esse communem consensum omnium simul habitantium, qui inveteratus consuetudinem facit; zum Paradox der Beständigkeit der mores Bettini (2000), 326f.: „Im Bereich der mores sind Beständigkeit und Veränderung, Unveränderlichkeit und Variation verschiedene Seiten derselben Medaille. Diese Charakteristik steht selbstverständlich im Kontrast mit der kulturellen Vorstellung des mos maiorum, oder anders gesagt, mit der Art, in der die Gesellschaft die Sitten der Ahnen gern sehen würde, d.h. als ein eindeutiges und von jeder Zeitkomponente befreites Modell“; zum Modellcharakter Ebd. 322ff.; vgl. Braun (2002).

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ernden Neueinbürgerung fremder Gottheiten in Rom. Der Religionsimport wird zum einzigen nachweislichen mos patrius: Cernis, ut antiqui semper vestigia moris gressibus incertis varie titubasse probentur adsciscendo deos maioribus inconpertos seque peregrina sub religione dicasse nec ritus servasse suos? Quodcumque sacrorum est exulat externumque inimicam venit in urbem. (CS 2,362–367) Die Unbeständigkeit der Sitten wird im Bild eines unsicher Schwankenden versinnbildlicht (gressibus incertis varie titubasse), in dem sich die religiöse Unerfahrenheit der latinischen Urahnen widerspiegelt180. Kontrastierend zum religiösen Wankelmut stehen der kontunuierliche Import fremder Religionen in Rom (peregrina religio) und die Erschaffung von Heiligem (Quodcumque sacrorum est …). Prudentius belegt den traditionellen Götterglauben hier bewusst mit dem Schlagwort der religio peregrina, in dem sich die Abneigung der römischen Eliten gegenüber religiöser Überfremdung widerspiegelt181. Auf Grundlage der Argumentation des ersten Buches (und Teilen des zweiten) kann der Dichter die Differenzierung von exotischen sacra peregrina und römischen sacra publica als nicht vorhanden betrachten. Die antike Staatsreligion gilt ihm ebenso wie alle anderen als importierte Fremdreligion. Diese Gleichsetzung steht in Abgrenzung zur allgemein bekannten Definition des Festus182. Bei diesem werden alle peregrina sacra auf einen nichtrömischen mos zurückgeführt, der dem mos der römischen Frühzeit entgegen-

180 Ebenso wankt der Mensch im Lebensalter der pueritia, die in der Zeitalterfolge für die Frühzeit Roms steht, mit unsicherem Schritt: … infirmus titubat pueri gressusque animusque (CS 2,319). Die mores werden damit zu einer Zeit eingeführt, als die Menschheit sich noch im Erkenntnisstadium eines kleinen Kindes befand, zwar schon gelehrig war, aber auch alles gutgläubig annahm, was als wahr präsentiert wurde: … mox tenerum docili ingenio iamque artibus aptum | noscendis varia rerum novitate politum est, …, vgl. unten S. 158ff. Zur Lukrezreminiszenz Schmid (1953), 179f.; Pollmann (2007). 181 Die sacra peregrina werden den ‚genuin römischen‘ und staatserhaltenden sacra publica gegenübergestellt. In HA Hadrian. 22,10 bspw. wird lobend hervorgehoben, dass Hadrian fremde Kulte abgelehnt und römische Kulte gepflegt habe: Sacra Romana diligetissime curavit, peregrina contempsit. 182 Zur Rezeption der Enzyklopädie und dem oft rezitierten De verborum significatione des Verrius Flaccus Schmidt (1997); Schmidt (1998).

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steht183. Prudentius entkräftet die Autorität des mos, indem er ihn als Versatzstück zahlreicher fremder mores skizziert, der mit jeder neu eingebürgerten Gottheit um weitere Sitten und Gebräuche erweitert worden ist. Das Verb cernere leitet die Passage in exponierter Erststellung ein. Es richtet sich als Frage und Aufforderung an den Leser184, die in einem zweifachen Sinn gelesen werden kann: Zum einen als Appell, die sakraltopographischen vestigia zu betrachten, deren Begründung stets auf einen fremden Kult zurückzuführen ist (quodcumque sacrorum …)185. Zum anderen als Impuls, einen Prozess geistigen Verstehens einzuleiten und den mos patrius als Konstante individueller und gesellschaftlicher Selbstverortung kritisch zu hinterfragen. Die Passage schließt mit einer Anklage der verkehrten Erinnerungs- und Religionskultur: Frustra igitur solitis, praeva observatio, inhaeres; non est mos patrius quem diligis, inproba, non est. (CS 2,368–369) Anstelle des römischen Volkes wird die Sorge um die alten Sitten (praeva observatio) zum personifizierten Widerpart. Sie wird ermahnt, von den tradierten Inhalten des kulturellen Gedächtnisses abzulassen und den falschen mos patrius aufzugeben186. Die römische Erinnerungskultur und die Gewissenhaftigkeit, mit der die tradierten Werte und Normen eingehalten werden, 183 Fest. 146 Lindsay Municipalia sacra vocantur, quae ab initio habuerunt ante civitatem Romanam acceptam; quae observare eos voluerunt pontifices, et eo more facere, quo adsuessent antiquus; 268 Lindsay Peregrina sacra appellantur, quae aut evocatis dis in oppugnandis urbibus Romam sunt coacta aut quae ob quasdam religiones per pacem sunt petita, ut ex Phrygia Matris Magnae, ex Graecia Cereris, Epidauro Aesculapi, quae coluntur eorum more, a quibus sunt accepta, dazu Bettini (2000), 327f.; Orlin (2010), 8ff. 184 In Vers CS 2,270 wird noch der pagane Gegensprecher angesprochen: Italiae censor doctissime gentis. In Vers CS 2,370 besetzt dieser dann die dritte Person Singular (sollers orator ait), wodurch die dazwischen stehende Anrede cernis in CS 2,362 sowohl diesen als auch die Leserinstanz apostrophiert. 185 Die vestigia nehmen die ‚Zeitspuren‘ der Lebensalterfolge aus CS 2,279 wieder auf. Sie erinnern ebenso an die vestigia Saturns in Rom (Varro ling. 5,47). In den vorangegangenen Versen CS 2,357–361 wächst die römische Sakraltopographie mit jedem militärischen Triumph um einige Altäre und Tempel. 186 Die Inhalte des kulturellen Gedächtnisses werden oftmals mit unpersönlichen Wendungen wie creditur, traditur oder putatur eingeführt (CS 1,42; 90; 482 im Plural; 2,504; 1,90; 552 habetur; fertur). Der Erzähler distanziert sich auf grammatikalischer Ebene vom Berichteten und setzt es in seinem Wahrheitsanspruch herab.

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begründen den religiösen Irrtum. In der Apostrophe erscheint die praeva observatio nahezu wie eine eigenständig handelnde Person, die das römische Volk vorsätzlich zum Fehlglauben anleitet187. Die Römer als diejenigen, die zum Götterglauben verführt worden sind, werden aus dem Fokus der Anklage herausgesetzt. Statt selbst als Täter beschuldigt zu werden, erscheinen sie als Opfer ihrer eigenen Tradition188. In Abgrenzung zu dem unbeständigen mos patrius der latinischen Vorfahren wird eine alternative soziokulturelle Quelle vorgestellt, deren religiösen Werten eine Vorbildfunktion zugesprochenwerden kann: der jüdisch-christliche Monotheismus. Das Christentum, dessen Wurzeln sich bis auf den Stamm Israel zurückführen lassen189, wird zur tatsächlich originären und ältesten Religionsform der gesamten Menschheit erklärt. Der römische mos patrius wird durch einen noch älteren mos vetustus übertroffen (CS 2,335–336). Die Altehrwürdigkeit des christlichen Glaubens wird durch die gleichen Beweise belegt, wie die des römischen Polytheismus: durch alte Bücher und noch ältere exempla, die auf das Alte Testament und die Berichte in den Büchern Moses abzielen190. Zur tatsächlichen religiösen Bestimmung der gesamten 187 Die Bezeichnung als inproba unterstellt der personifizierten Erinnerungskultur quasi Vorsätzlichkeit. Vgl. CS 2,335ff. 188 Damit setzt sich Prudentius deutlich von den Antwortschreiben des Ambrosius ab, der die zahlreichen Märtyrer, die den Repressalien und der Bedrohung durch die römische Herrschaft ausgesetzt waren, wiederholt zum Argument macht. Zum Vorwurf der Schuldhaftigkeit und des bösen Handelns gegenüber den Heiden Opelt (1980), 179f. 189 In Prud. Perist. 1,40 werden die Christen als secundos Istrahelis posteros bezeichnet. Ebenso argumentiert bereits Lactanz (Lact. inst. 5,5–8), dazu Buchheit (1978), bes. 166ff. Zum Altersbeweis des Christentums bei den Apologeten Brennecke (2007b), 137f.; In Rm 9–11 wird der Ursprung des Christentums bei den jüdischen patres angesetzt. Paulus erklärt, dass die Christen die filii promissionis Abrahams aus dem Volk Israel seien und gebraucht das Bild des Ölbaums (Israel), von dem einer der Zweige das Christentum ist, dazu Mußner (1987); zur Unterscheidung von Heiden, Juden und Christen in den Briefen des Paulus Opelt (1965). In der Apotheosis wird das Christentum demgegenüber bewusst vom Judentum abgegrenzt. Dort gelten die Christen als die wahren Nachkommen Abrahams, dazu Fabian (1988), 105ff.; Lühken (2002), 73ff.; Klein (2006), 402. Topographisch verdeutlicht Prudentius die Überlegenheit des Christentums über das Judentum im Bild des irdischen und steinernen Tempels der Juden, der im Gegensatz zum überirdischen und spirituellen Tempel, der in Christus besteht, niedergebrannt ist (Apoth. 512–540). 190 CS 2,337–340 … extat in antiquis exemplum nobile libris | iam tunc diluvii sub tempore vel prius uni | inseruisse deo gentem quae prima recentes | incoluit terras vacuoque habitavit in orbe. Dieselbe Exordialtopik, mit der auf die ‚uralten‘ Schriftquellen verwiesen wird, tritt in Perist. 9,19f. auf, dazu Bless-Grabher (1978), 56. In Perist. 10,126ff. beantwortet Romanus die Frage „prima nostris quae sit incunabulis origo“ damit, dass der Ursprung im Wort Gottes läge (dei parentis esse ab ore coepimus) und verweist implizit auf Ioh. 1,1. Eine ähnliche Argumentation findet sich in Symm. rel. 3,8 für den Erhalt paganer Kulte, dazu

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Menschheit wird bei Prudentius das Christentum, das im Gegensatz zu den römischen Mythen eine echte pietas vermittele: Unde genus ducit nostrae porrecta propago stirpis et indigenae pietatis iura reformat (CS 2,341–342). Die pietas christiana kontrastiert die pietas Romana, die sich als error Troicus herausstellte191. Wenn daher in der Gegenwart von traditioneller Seite die Wiederaufnahme eines mos patrius propagiert werde, bestehe die logische Konsequenz darin, den zeitweiligen error Troicus des Götterglaubens aus Rom zu verbannen und das Christentum als Staatsreligion zu etablieren. Zur Visualisierung dieses Prozesses, dient die Vorstellung einer Besetzung Roms durch die paganen Götter und ihrer Vertreibung aus der Stadt, wie sie Ralf Behrwald und Ulrich Schmitzer festgestellt haben192: Die Austreibung der Götterschar aus Rom veranschauchlicht Prudentius am Kapitol, das zum Brennpunkt einer „Konkurrenztopographie“193 wird. Während Theodosius das sakrale Zentrum von der superstitio befreit, soll Honorius sein religiöses Erbe fortsetzen und auf den palatia und arces die Herrschaft Christi etablieren (CS 2,766–768). In beiden Fällen wird die Christianisierung der Stadt an symbolisch bedeutsamen Orten der paganen Topographie exemplifiziert, wenn vom Vater das Kapitol und vom Sohn das Herrschaftszentrum der Stadt dem Christentum überantwortet wird. Daneben wird die Kurie in beiden Büchern zum Repräsentationsraum von ‚Religionsexport‘ und religiöser Konversion. Im ersten Buch dienen das Gebäude und seine Sitzreihen als Metonymie für einen offiziellen Senatsbeschluss gegen den alten Götterglauben194:

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Chiai (2016), 279f.: Nam cum ratio omnis in operto sit, unde rectius quam de memoria atque documentis rerum secundarum cognitio venit numinum? Bspw. Auson. epigr. 9,11 pia cura deum. Am Ende des Werkes wird die neue christliche pietas zur Voraussetzung für das christliche Rom (CS 2,1130ff.). Behrwald (2009), 266f.; Schmitzer (2012), 244f. Sie verweisen auf CS 1,533ff. und Perist. 2,453–472, wo die Apostel Jupiter stellvertretend für alle anderen Götter vertreiben. Vgl. CS 2,679ff. Zur Besetzung (äußerlich) CS 1,411 obsessam urbem; 1,419f. obsitus … apex; (innerlich) Perist. 10,286 corda terror occupat CS 1,574f. gentilibus obsita nugis | ingenia. Vgl. Ambr. epist. 18,31 Non illis satis sunt lavacra, non porticus, non plateae occupatae simulacris? Behrwald (2009), 267. Zum Kapitol als Brennpunkt christlich-paganer Konkurrenz und als Ort der Abgrenzung unten S. 152ff.; 234ff.; 259f.; 288ff.; 315. Zum Motiv der Reinigung siehe unten S. 229.

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Aspice quam pleno subsellia nostra senatu decernant infame Iovis pulvinar et omne idolium longe purgata ex urbe fugandum. (CS 1,608–610) Das politische Versammlungszentrum wird zur Verkörperung der Regierungselite195. Dieser wird die antipagane Gesetzgebung der Kaiser zugeschrieben. Rom scheint sich per Dekret selbst gegen den Erhalt der traditionellen Götterkulte entschieden zu haben, was die Realität maßgeblich verzerrt196. Über die Raummetonymie wird also eine Wirklichkeit impliziert und evoziert, die mit den tatsächlichen politischen Prozessen (noch) nicht deckungsgleich ist. Bezeichnenderweise sollen gemäß dem Senatsbeschluss nicht die Tempel abgerissen werden, sondern kleinere Sakralgegenstände wie das pulvinar197 oder Statuen (idolium) aus Rom fortgeschafft werden. Auch hier findet sich der Grundgedanke, dass der römische Götterglaube vor allem in materiellen Gütern bestehe, die mit minimalem Aufwand abtransportiert werden könnten. Es wird suggeriert, dass sich die Ausweisung des alten Götterglaubens aus der Stadt in der praktischen Umsetzung als ein ausgesprochen leichtes Unterfangen gestalte, da allein die spolia wieder weggeschafft werden müssten, die einst aufgrund des falschen mos nach Rom importiert worden sind. Im zweiten Buch werden die irdischen Triumphe paganer Imperatoren durch den Sieg des Christentums unter Theodosius, Honorius und Arcadius kontrastiert198: „Vis decorare tuum, ditissima Roma, senatum? Suspende exuvias armis et sanguine captas, congere caesorum victrix diademata regum, frange repulsorum foeda ornamenta deorum. Tunc tibi non terris tantum victoria parta

195 Ebenso gemäß Behrwald (2009), 152 in den Briefen des Symmachus. 196 Zur idealisierten Religionspolitik von Theodosius und insbesondere zum libertas-Begriff bei Prudentius Kah (1990), 121ff. 197 Der Terminus pulvinar dient bei Prudentius als Bezeichnung für das Polster und nicht für den ganzen Tempel, wie es von Serv. georg. 3,532 für den allgemeinen Begriffsgebrauch erläutert wird pulvinaria pro templis ponimus, cum sint propire lectuli qui sterni in templis plerisque consuerunt, vgl. Quint. inst. 1,7,12; Arnob. 7,32. Auch in CS 1,248 bezeichnet das Wort pulvinar das Sitzpolster im Inneren des Tempels. 198 Vgl. die terrena gloria und virtus fragilis, die pagane Kaiser und Feldherrn im ersten Buch erzielen (CS 1,280f.).

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sed super astra etiam media servabitur aede.“ (CS 2,61–66) Einerseits wird die Kurie zum Pars pro toto für die ganze Stadt und die Austreibung der paganen Gottheiten wird exemplarisch illustriert. Die Götterbilder sollen als vermeintliche Garanten des Kriegsglücks aufgegeben und sogar zerbrochen werden (frange foeda ornamenta). Statt der Tempel und Statuen sollen die Kriegsbeutestücke zu den neuen Erinnerungsorten der irdischen Siege werden199. Andererseits repräsentiert das Gebäude wiederum den römischen Senat, dessen Mitglieder sich dem Christentum zuwenden sollen. Im gleichen Zuge wie die alten Sakralgüter und Erinnerungsorte ihre Bedeutung für die römischen Eliten verloren haben, ist der Sieg des Christentums vollzogen, den die Kaiser anstreben. Außenwelt und Innenwelt werden über den gemeinsamen Repräsentationsraum zu einander reflektierenden Größen. Durch die Raummetonymie wird die Christianisierung der Regierungseliten in der unmittelbaren Lebenswelt abgebildet200. Nachdem Prudentius ausführlich dargelegt hat, dass der mos patrius als Summe fremder Kulte zu betrachten sei, werden die römischen sacra mit den religiones peregrinae anderer Völker auf eine Stufe gestellt201. Der Dichter untermauert seine Argumentation gegen die Staatsgötter mit der interpretatio Romana202. Im zweiten Buch schließt sich an die nochmalige Beschreibung der divi plures Roms (CS 2,855–864) unvermittelt eine Auflistung ägyptischer Kulte an (CS 2,865–869)203. Die Passage schließt mit einem syntaktisch-seman-

199 Hier ist der Begriff entsprechend seiner weiter gefassten Bedeutung bei Pierre Nora zu verstehen. Gnilka (2001h), 304ff. und Tränkle (2008), 67f. beziehen die Wendung foeda ornamenta vor allem auf die Victoriastatue, die zuvor beschrieben worden ist (CS 2,57–60), Gnilka fasst aber auch Bauwerke, Kunstgegenstände, Weihgeschenke und Kriegsbeutestücke unter den Begriff. 200 Tränkle (2008), 67f., vgl. zur allegorischen Spiegelung von Außen- und Innenwelt bei Prudentius unten S. 217ff. 201 Vgl. Lühken (2002), 115ff. die bei einem Vergleich von CS 2,528–539 (die Schlacht bei Actium) mit Verg. Aen. 8,698ff. zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. 202 Klein (1971), 31: „Diese ‚interpretatio Romana‘ lebte von der Überzeugung, dass die numina fremder Völker sich nur im Namen und in äußerlichen Dingen von den römischen unterscheiden, in ihrem Wesen aber gleich sind.“ 203 Die Verehrung von Tieren und Gemüse bei den Ägyptern prangert schon Iuv. 15,1–11 an. Auch bei Prudentius bildet die Verehrung des Gemüses den Gipfelpunkt des Absurden. Der religiöse Ansatz, alles zu vergöttlichen wird wiederholt durch quidquid ausgedrückt: vgl. CS 1,297–298 Quidquid humus, quidquid pelagus mirabile gignunt, | id duxere deos mit Pe-

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tischen Parallelismus, in dem der Tiber und der Nil zur Verkörperung des römischen und des ägyptischen Volkes werden. Beide verehrten trotz unterschiedlicher Götternamen und Kultpraktiken doch dasselbe204: Isis enim et Serapis et grandi Simia cauda et Crocodillus idem quod Iuno Laverna Priapus; hos tu, Nile, colis, illos tu, Thybris, adoras. Una superstitio est, quamvis non concolor error. (CS 2,869–872) Obwohl die römische Missdeutung des Göttlichen auf eine andere Traditionslinie als die ägyptische zurückgeführt werden könne (non concolor error)205, führten beide zu demselben Ergebnis. Die Parallelisierung impliziert eine Gleichsetzung ägyptischer und römischer Religiosität: Sowohl bei diesen als auch bei jenen würden leblose Dinge als Gottheiten verehrt, was sie gleichermaßen zu superstitiones machte. Während die Gegenständlichkeit der ägyptischen Lauchzwiebel offensichtlich sei, werde sie in der römischen Kultur lediglich verschleiert, indem den Gottheiten menschliche Gestalten und eigene fabulae zugesprochen würden. Prudentius greift in der Parallelisierung von römischer und orientalischer Religion auf Gedanken zurück, die bereits von Lactanz vorgebracht worden sind206. Daneben wird die Argumentation gegen abergläubisches Verhalten zur Basis für die Kritik an den römischen Götterkulten. Der Begriff superstitio bezeichnet dann eine übersteigerte und geradezu unrömische Form des Gottesdienstes innerhalb römischer Religion207. Es wird also nicht vordergründig

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rist. 10,253f. Promisce, adora, quidquid in terris sacri est, was das quodcumque sacrorum aus der Passage über den mos widerspiegelt. In Perist. 10,253–255 werden Rom und die Hafenstadt Kanopus zu Personifikationen ihres jeweiligen Volkes: Promisce …, deos Latinos, deos Aegyptios, | quis Roma libat, quis Canopus supplicat. Die römischen Gottheiten werden bei Prudentius als ebensolche Monstergestalten wie die ägyptischen betrachtet: CS 1,434 monstra deorum; 1,451f. horrificos quos prodigialia cogunt | credere monstra deos; 1,636 sordida monstra etc. In Verg. Aen. 8,698 werden die ägyptischen Gottheiten noch im Gegensatz zu den römischen Göttern als deum monstra bezeichnet. Sowohl bei Vergil als auch bei Prudentius wird der hundköpfige Anubis zum Musterbeispiel für die ägyptischen Monstergötter, vgl. Lühken (2002), 116ff.; Cerri (1964), 271f. In Lact. inst. 1,20,36f. wird die Absurdität der ägyptischen Kulte durch den römischen Kult zu Ehren des Terminus – eines leblosen lapis informis et rudis – überboten. Neben Cicero kann Seneca exemplarisch angeführt werden. In den Fragmenten von De superstitione, die in Augustinus’ De civitate Dei überliefert sind, wird vor allem das Kapitol

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angeprangert, welche Gottheit wo verehrt wird, sondern wie und mit welchem Ausmaß diese Verehrung stattfindet208. Die interne Differenzierung wird bei Prudentius zu einer Stigmatisierung aus externer Sicht umgewandelt. Die ungewöhnlichen religiösen Handlungsweisen, die in Abgrenzung zur richtigen Form der religio Romana als superstitiöses Verhalten gebrandmarkt werden, werden bei dem christlichen Dichter zu den bestimmenden Charakeristika jedes polytheistischen Götterkultes generalisiert209. 4.2.4 Zwischenresümee Prudentius’ Götterschau steht einerseits in der Tradition christlicher Polemik, andererseits referriert er auf ein spezifisch antik-römisches Kategorisierungsmuster von Welt: Er greift das dualistisch-hierarchische Bewertungsprinzip von römisch vs. unrömisch/barbarisch auf und macht den Grundgedanken „fremd ist schlecht und führt zu schlechten Folgen“210 zur Leitidee. Seine Beweisführung fußt auf der apologetischen Götter- und Dämonenkritik211, die um das Argument der Fremdheit ergänzt wird. Die Saturnia aetas

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zum Ort des Aberglaubens: (zum Isiskult) Huic tamen (inquit) furori certum tempus est. Tolerabile est semel anno insanire. In Capitolium perveni: pudebit publicatae dementiae, quod sibi vanus furor adtribuit officii … (Sen. frg. 36); Hi tamen (inquit) etiamsi supervacuum usum, non turpem nec infamem deo promittunt, sedent quaedam in Capitolio, quae se a Iove amari putant … (Sen. frg. 37). Vgl. Kahlos (2007), 95; 100f. Seneca bei Augustinus. Erst mit Lactanz wurde gemäß Kahlos (2007), 98f.das Gewicht vom ‚Wie‘ zu einem ‚Wen‘ verlagert. In CS 2,858ff. werden die Anprangerungen aufgegriffen, die auf traditioneller Seite gegenüber dem römischen Bacchuskult, dem der Magna Mater und anderen Kulten geäußert wurden und werden. In der Rede des Romanus in Perist. 10,251ff. wird die Vermischung der römischen und der ägyptischen Kulte auf die Spitze getrieben, nachdem zuvor die römischen Götter herabgesetzt worden waren. Gegen die Kulthandlungen richtet Prudentius sich in Perist. 10,146ff. Scheid (2005), 226. Zur euhemeristischen Argumentation bspw. Lact. inst. 4,28,16: Nam qui novos sibi ritus adsumebant, ut deorum vice mortuos honorarent quos ex hominibus in caelum receptos putabant, hos supersititiosos vocabant, eos vero qui publicos et antiquos deos colerent, religiosos nominabant, unde Vergilius ‚vana superstitio veterumque ignara deorum‘. Sed cum veteres quoque deos inveniamus eodem modo consecratos esse post obitum, superstitiosi ergo qui multos ac falsos deos colunt, nos autem religiosi qui uni et vero deo supplicamus. Nach Min. Fel. 27,1f. und anderen werden die Menschen von Dämonen (inpuri spiritus) zu diesem falschen Götterglauben hingeführt, dazu Woyke (2005), 234. Augustinus setzt schließlich Arnobius und Lactanz folgend die Götter selbst mit den Dämonen gleich, dazu Opelt (1980), 77: „Die Umdefinition der Götter zu Dämonen begegnet vornehmlich bei Augustinus“, vgl. Ebd. 215. Eine Bestätigung dafür ließ sich in der Bibel selbst finden: omnes

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wird zur wegbereitenden Epoche für Götterimmigration, Herrscherapotheose und Religionsimport, auf die der mos patrius zurückgeführt wird. Prudentius’ Argumentation zielt darauf, di indigetes und di peregrini als dasselbe zu charakterisieren. Das Verhältnis von Hauptstadt und Welt wird gedanklich umgekehrt: Nicht Rom hat dem Erdkreis seine Götter geschenkt, sondern der Erdkreis Rom212. Die sacra publica werden zum kultischen Ausdruck einer peregrina superstitio. Zur Untermauerung und Visualisierung seiner These richtet Prudentius den Blick auf die römische Sakraltopographie. Diese gilt ihm als über Jahrhunderte gewachsener Schaubezirk des Aberglaubens. Nach dem Vorbild apologetischer Tradition prangert er die Materialität der Götterkulte an und betont damit gleichzeitig ihre Eigenschaft „portable religions“213 zu sein, wenn er die Sakralgüter zu erbeuteten spolia herabsetzt, die von anderen Städten nach Rom transportiert worden sind. Zum Grund für die zahlreichen Tempel wird die Myth-Historie, in der profane Orte mit göttlichen fabulae verknüpft werden. Das Zusammenspiel von (Erzähl-)Tradition, Ort und Kult veranschaulicht Prudentius in der Stadttopographie. Er betont die Arbitrarität, mit der Erinnerungsorten numinöse Begebenheiten zugesprochen würden und dekonstruiert ihren religiösen Symbolcharakter. Es wird aufgezeigt, dass das religiöse Weltwissen, das im Stadtbild verankert ist, in keiner Weise resistent gegenüber rationaler Kritik ist – ja diese sogar herausfordert. Nachdem der mos patrius als Versatzstück fremder Kulte ‚entlarvt‘ worden ist, wird das Christentum aus dem Stand einer barbara superstitio entho214 ben und als neue religio Romana vorgestellt . Die Vorrangstellung der christlichen Religion begründet Prudentius auf ihrer Altehrwürdigkeit und untermauert ihren Geltungsanspruch mit Argumenten der traditionellen römischen Weltanschauung. Im ersten Buch begründet Theodosius seine Konversionsaufforderung an Rom damit, dass es eine Religion pflegen solle, die seiner Stel-

dii gentium daemonia (Ps. 96, 5), das Bibelzitat führt auch Ambr. epist. 17,1 gegen die Schrift des Symmachus an. 212 Zur traditionellen Idee Ov. fast. 1,510 … tuque [sc. Italia] novos caelo terra datura deos, dazu Klein (1971), 31f. In Liv. 5,52,10 wird die Aufnahme der fremden Gottheiten als Vorteil für Rom betrachtet: At etiam, tamquam veterum religionum memores, et peregrinos deos transtulimus Romam et instituimus novos. 213 Cancik (2006), 37 bezeichnet die troianische Religion als „portable religion“ und ihren Import in Latium als „Diffusion von Religion infolge von Immigration“. 214 In Cic. Flacc. 28,67 wird das Judentum als barbara superstitio bezeichnet. Nach römischer Auffassung unterschieden sich Christentum und Judentum nicht maßgeblich voneinander, weshalb die Wendung auch implizit das Christentum trifft.

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lung als Weltmacht angemessen ist215. Im zweiten Buch wird die semantische Differenzierung zwischen römisch und christlich nahezu aufgehoben und der Begriff ‚römisch‘ wird um das Sem ‚christlich‘ erweitert und neu definiert. Römische Herrschaft und christliche Religion bilden eine Einheit, die als richtig und gut aufgefasst wird und die Grundlage für die Zivilisierung der Welt darstellt216. Ebenso wie die Adaption des fremden Aberglaubens, wird auch die Konversion Roms und des römischen Reiches zum Christentum im urbanen Raum illustriert: Die Christianisierung der Welt spiegelt sich in der Christianisierung Roms217.

4.3 Das Kapitol: origo und arx der Götterreligion In der antiken Kultur und Literatur symbolisiert das Kapitol die Grundsteinlegung der ersten römischen Staatsreligion218. Es ist fortdauernder Garant für das Bestehen des Reiches und Zeichen seiner Ideologie und religiösen Wert-

215 CS 1,449–460 Sint haec barbaricis gentilia numina pagis, | quos penes omne sacrum est quidquid formido tremendum | suaserit, horrificos quos prodigialia cogunt | credere monstra deos … | At te, quae domitis leges ac iura dedisti | gentibus, instituens magnus qua tenditur orbis| armorum morumque feros mansuescere teneda| hoc sapere, inmanes populi de more ferino | quod sapiunt nullaque rudes ratione sequuntur. 216 Vgl. CS 2,816–819 Sed tantum distant Romana et barbara, quantum | quadrupes abiuncta est bipedi vel muta loquenti, | quantum etiam, qui rite dei praecepta sequuntur, | cultibus a stolidis et eorum erroribus absunt, dazu Pietsch (2001), 271, vgl. Ohnacker (2003), 131; Heinz (2007), 51. Die drei Vergleichspaare werden parallelisiert und hierarchisiert: Menschen – Tiere; Römer – Barbaren; Christen – Heiden. Das Ideal der menschlichen Existenz besteht damit in einem christlichen Römer. Prudentius greift auf den Barbarenbegriff seiner Zeit zurück, gemäß dem alle Nicht-Christen als Barbaren betrachtet werden, dazu Speyer/Opelt (1967). Vgl. Ernesti (1998), 243: „Rom ist für ihn [sc. Prudentius] der Hort der Romanitas, die bis zu einem gewissen Grade zusammenfällt, und so weit ihr Einfluss reicht, kann sich auch das Christentum ausbreiten.“ Zur Außensicht auf das (christliche) Römische Reich Brennecke (2007a), 72: „An der Wende zum 4. Jahrhundert [sollten] außerhalb des Reiches dann mit der Zeit sogar »christlich« und »römisch« geradezu synonym werden.“ Zu demselben Gedanken in Perist. 2 Cancik (2005), 48: „Sein Gedicht auf Laurentius und an Roma ist ein Exempel für die wechselseitige Durchdringung – das Christliche wird römisch, das Römische wird christlich.“ Vgl. Buchheit (1971) zur Romideologie im Peristephanon. Zu der Annahme einer ungefilterten Adaption der traditionellen Romideologie bei Prudentius zuletzt kritisch Pietsch (2001). 217 Vgl. Lühken (2002), 178. 218 Liv. 1,10,7 (zur Weihung des Tempels des Jupiter Feretrius auf dem Kapitol): … in Capitolium escendit, ibique ea [sc. spolia] cum ad quercum pastoribus sacram deposuisset, simul cum dono designavit templo Iovis finis cognomenque addidit deo … Haec templi est origo quod primum omnium Romae sacratum, vgl. Prop. 4,10,45.

Das Kapitol: origo und arx der Götterreligion

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vorstellungen219. Auf ihm befanden sich die bedeutendsten Standorte der paganen Staatsreligion: Auf der südlichen Anhöhe stand der Staatstempel220 und auf der nördlichen arx der Tempel der Iuno Moneta. In der Senke waren das tabularium und asylum221. Sowohl Triumphzüge als auch sakrale Festlichkeiten liefen auf dem kapitolinischen Hügel ihrem End- und Höhepunkt zu222. Er war Ort politischer Entscheidungen und römischer Gesetzgebung. Die sakrale und machtpolitische Doppelbedeutung des Kapitols lässt sich mit den Worten von Isidor von Sevilla zusammenfassen: Capitolium Romae vocatum eo quod fuerit Romanae urbis et religionis caput summum (Isid. orig. 15,2,31)223. Unter einer etymologischen Betrachtungsweise rekurriert die römische Literatur einerseits immer wieder auf die Episode um das caput Oli, auf das sich der Weltherrschaftsanspruch Roms als caput mundi begründet224. Andererseits erinnert man sich an die Herrschaftszeit Saturns auf dem Kapitol (=mons Saturnius) als einer Zeit der Kulturentstehung225. Der Hügel wird nicht selten zum zentralen Schauplatz von „einstiger Schlichtheit und Kleinheit und gegenwärtiger Größe und Herrlichkeit“226. Vor allem aber ist er der Hauptsitz des höchsten Gottes Jupiter, der von ihm aus die Geschicke

219 Amm. 22,16,12 Capitolinum, quo se venerabilis Roma in aeternum attollit, nihil orbis terrarum ambitiosius cernat. Kolb (2002), 94: „Zur Zeit der Verfestigung der annalistischen Tradition im Verlauf des 2. Jhs. war das Kapitol mit dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus jedoch zum Symbol für die Herrschaft Roms und zum Unterpfand für die Existenz der Stadt geworden.“ Vgl. Verg. Aen. 9,448f.; Hölkeskamp (2004), 146; 157f. 220 Verg. Aen. 8,349f.; weitere Belege bei Lugli (1969), Bd. 17: Capitolium, Nr. 4, bes. 25–43. Zum Tempelbau Platner–Ashby(1965), 297ff. s.v. Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus, Aedes; Richardson (1992), 221ff. s.v. Iuppiter Optimus Maximus (Capitolinus), Aedes; de Angeli (1996); Coarelli (2008), 29ff. Die Zerstörung des Tempels wurde nach häufigem Wiederaufbau im frühen fünften Jahrhundert eingeleitet, als Stilicho das Gold von den Türen geraubt haben soll, vgl. Zos. 5,38,11. 221 Platner–Ashby (1965), 47ff. s.v. Area Capitolina; Richardson (1992), 68ff. s.v. Capitolinus Mons; Reusser (1993); Knell (2004), 7f. Einen zusammenfassenden Überblick über Geschichte, Symbolik und Archäologie des Kapitol-Areals gibt Coarelli (2008), 26ff. 222 Siebenhüner (1954), 18; Hölkeskamp (2004), 148ff.; zum Triumph ausführlich Lehnen (1997). 223 Vgl. Lact. inst. 1,2,49 Sciant ergo Romani Capitolium suum id est summum caput religionum publicarum nihil esse aliud quam inane monumentum; 3,17,12ff. Capitolium, quod est Romanae urbis et religionis caput summum, non semel, sed saepius fulmine ictum conflagavit. 224 Lugli (1969), Bd. 17, Nr. 1,30–41; Hölkeskamp (2004), 137f. 225 Lugli (1969), Bd. 17, Nr. 1,42–55. 226 Kolb (2006), 36f., siehe dazu bspw. Verg. Aen. 8,347ff.; Tib. 2,5,25f.; Ov. ars 3,113ff.; Val. Max. 4,4,11.

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Roms unterstützt und lenkt227. Das Kapitol bildet damit zum einen wegen seiner topographisch erhöhten Lage eine Landmarke im urbanen Raum228, zum anderen kommt ihm als sakralpolitischem Zentrum Roms eine hohe ideologisch-symbolische Bedeutung zu229. 4.3.1 Die origo mali unter Saturn Das Kapitol steht bereits in der antiken Literatur sowohl mit der römischen Staatsreligion, als auch mit Saturn in engem Zusammenhang. Prudentius verzichtet darauf, es als Ort der Handlung namentlich zu benennen, er verweist lediglich auf einige topographische Merkmale, die im saturnischen Historiomythos auf dem Kapitol oder in dessen Nähe verortet werden. Bereits bei seiner Ankunft unterwirft Saturn durch seine Verlautbarungen (talibus edictis) sowohl das Land als auch die Einwohner binnen kurzer Zeit seiner Befelsgewalt: Num melius Saturnus avos rexisse Latinos creditur? Edictis qui talibus informavit agrestes animos et barbara corda virorum: „Sum deus. Advenio fugiens. Praebete latebras. Occultate senem nati feritate tyranni

227 Liv. 1,55,2 Et ut libera a ceteris religionibus area esset tota Iovis templique eius quod inaedificaretur, exaugurare fana sacellaque statuit quae aliquot ibi …; Luc. 1,195f. O magnae qui moenia prospicis urbis | Tarpeia de rupe; Serv. Aen. 9,446 Tunc de hoc ipso sacrificatum est et deprehensum, quod Terminus cum Iove remanens aeternum urbi imperium cum religione significaret; Amm. 16,10,14 Iovis Tarpeia delubra, quantum terrenis divina praecellunt; Claud. carm. 15,28ff. (Roma spricht): „Si mea mansuris meruerunt moenia nasci, | Iuppiter, auguriis, si stant inmota Sibyllae | carmina, Tarpeias si necdum respuis arces | advenio supplex …“; Aug. civ. 4,9 Ipsum enim deorum omnium dearumque regem volunt; hoc eius indicat sceptrum, hoc in alto colle Capitolium. De isto deo quamvis a poeta dictum convenientissime praedicant: Iovis omnia plena. Zum Jupiterkult in Rom Gall (2006). 228 Vitr. 1,7,1 … et Iovi et Iunoni et Minervae, in excelsissimo loco, unde moenium maxima pars conspiciatur, areae distribuantur. 229 Tac. hist. 3,72 Id facinus post conditam urbem luctuosissimum foedissimumque rei publicae populi Romani accidit, nullo externo hoste, propitiis, si per mores nostros liceret, deis, sedem Iovis Optimi Maximi auspicato a maioribus pignus imperii conditam, quam non Porsenna dedita urbe neque Galli capta temerare potuissent, furore principum excindi; vgl. 4,54. Binder (1971), 126 zur Vorstellung des pignus imperii: „Das Capitol ist daher Inbegriff römischer Religiosität und Macht, sichtbarer Garant der Roma aeterna“; vgl. Edwards (1996), 69ff.

Das Kapitol: origo und arx der Götterreligion

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deiectum solio. Placet hic fugitivus et exul ut lateam. Genti atque loco Latium dabo nomen. Vitibus incurvum, si qua est ea cura, putandis procudam chalybem nec non moenia vestry fluminis in ripa statuam Saturnia vobis. Vos nemus adpositasque meo sub honore sacrantes (sum quia nam caelo genitus) celebrabitis aras.“ (CS 1,42–53) Die Passage erscheint wie eine dramatisch inszenierte Parodie des Kulturstiftungsmythos: In Szene tritt ein sehr eloquenter selbsternannter Gott230, der eine Versammlung von wortkargen, bäuerischen und gutgläubigen Ureinwohnern über die weitere Bestimmung ihres Daseins informiert (informavit | agrestes animos et barbara corda virorum)231. Mit seinen ersten Worten inszeniert er sich selbst als Gott (sum deus) und fordert von ihnen die angemessene Verehrung in Altären und Feierlichkeiten. Auf dem Kapitol wird ihm zu Ehren die Stadt Saturnia errichtet232. Darüber hinaus gibt Saturn sowohl dem Volk als auch der Gegend einen neuen Namen und eine

230 Die Wendung caelo genitus kann sowohl mit ‚im Himmel gezeugt‘, was auf die Göttlichkeit Saturns verweisen würde, als auch mit ‚Ich bin Sohn des Caelus‘ übersetzt werden, womit allein die genealogische Abstammung des Menschen Saturn bezeichnet würde. Prudentius spielt mit der Doppelbedeutung in der Überlieferung. Sein Bericht ist der einzige, in dem sich Saturn selbst als Gott vorstellt und sich seine himmlische Herkunft zuschreibt. Vgl. Ov. am. 3,8,35 At cum regna senex caeli Saturnus haberet …; Macr. Sat. 1,8,6 Hunc [sc. Saturnum] aiunt abscidisse Caeli patris pudenda; Serv. Aen. 3,707 … quod Saturnus post amputata virilia Caelo patri; OGR 1,2 quem Caeli et Terrae filium esse dixerunt. 231 Zur Vergilreminiszenz Lühken (2002), 106f., bes. Anm. 4.Seine Ansprache beginnt er aufgrund der Einfalt seiner Zuhörerschaft mit einer Reihung einfach zu verstehender parallel strukturierter Zweiwortsätze, um die Hauptinformationen zu vermitteln: Sum deus, advenio fugiens, praebete latebras (CS 1,45). Erst danach wird die Syntax komplexer, man könnte sagen, dass Saturn die Ureinwohner ab Vers 46 ‚in Grund und Boden redet‘. Mit seinem einseitigen Monolog wird er zum ersten Vertreter eben jener Beredsamkeit, die die alte Götterreligion stützt (CS 1,632 linguam miro verborum fonte fluentem). 232 Die Ruinen der Stadt Saturnia auf dem Kapitol sehen Aeneas und Euander noch bei ihrem Stadtrundgang in Aen. 8,355–358: Haec duo praeterea disiectis oppida muris, |reliquias veterumque vides monimenta virorum. | Hanc Ianus pater, hanc Saturnus condidit arcem; |Ianiculum huic, illi fuerat Saturnia nomen. Vgl. Serv. Aen. 8,355 zum hohen Alter der Städte: DISIECTIS OPPIDA MURIS unum Iani, aliud Saturni, iam tunc vetusta; Varro ling. 5,42 Antiquum oppidum in hoc fuisse Saturniam scribitur. Zur Lokalisierung der Stadt bei Vergil Binder (1971), 133ff; zur Saturnia-Tradition Wifstrand Schiebe (1997), 51ff.; zur Stadt Saturnia bei den christlichen Apologeten Lühken (2002), 108.

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neue Identität (Latium)233. Durch die Namensgebung, den Bau der Stadtmauern sowie die Weihung des Hains und die Errichtung der Altäre234 eignet er sich die Lokalität in jeder nur erdenklichen Weise an235. Die Vorstellung einer Besetzung Roms durch die pagane Religion wird episodisch veranschaulicht. Als Gegenleistung für seine Verehrung erweist Saturn den Latinern als Gabe ein Instrument der Zivilisation, das sie niemals erbeten haben (incurvus chalybs)236. Den avi Latini wird der erste von ihnen ausgeübte religiöse Kultus ungefragt oktroyiert. Sie sind in dieser Szene die passiv und schweigend

233 Zur Namensgebung von Latium Verg. Aen 1,569; 8,329, wo es als Saturnia arva bzw. als Saturnia tellus bezeichnet wird. Die Namenherführung von latere führt Vergil in Aen. 8,321–323 an und verbindet das Aition dort mit der Zivilisierung eines ungelehrten Volksstamm: Is genus indocile ac dispersum montibus altis | composuit legesque dedit, Latiumque vocari | maluit, his quoniam latuisset tutus in oris; ebenso Varro ling. 5,42; Ov. fast. 1,237f., vgl. zur Aeneis Wifstrand Schiebe (1997), 51f.; 29, Anm. 62; zu den christlichen Apologeten Lühken (2002), 108. Gemäß Macr. Sat. 1,7,24 gibt nicht Saturn der Gegend seinen Namen, sondern Janus nach dessen Tod: Cum inter haec subito Saturnus non conparuisset, excogitavit Ianus honorum eius augmenta. Ac primum terram omnem ditioni suae parentem Saturniam nominavit. 234 Ein nemus wird in Verg. Aen. 8,351 auf dem Kapitol verortet, vgl. Prop. 4,4,1; 4,8,31. Ein Altar und ein Standbild Saturns werden bei Macr. Sat. 1,7,24 von Janus zu Ehren des Saturn an nicht genanntem Ort geweiht: Aram deinde cum sacris tamquam deo condidit, quae Saturnalia nominavit. Tot seculis Saturnalia praecedunt Romanae urbis aetatem. Observari igitur eum iussit maiestate religionis quasi vitae melioris auctorem: simulacrum eius indicio est, cui falcem, insigne messis, adiecit; Macr. Sat. 1,8,2 erwähnt weiterhin einen Altar beim Senaculum: Habet aram et ante Senaculum. Auch Fest. 322 Lindsay berichtet von einem Altar, der sogar noch vor dem troianischen Krieg aufgestellt worden sein soll. Wissowa (1902), 169 erwähnt einen Altar und Festlichkeiten zu Ehren Saturns am Fuß des Kapitols, der gemäß Coarelli (2008), 69 bis zum Ende des Imperiums im Fokus öffentlicher Feierlichkeiten stand. 235 Genauso wie das Land nimmt Saturn auch die in diesem lebenden Frauen in Besitz (CS 1,57 Tuscis puellis). Equina libido (CS 1,56) und adhinnivit (CS 1,58) spielen auf die bei Ov. met. 6,126; Verg. georg. 3,92ff.; Val. Fl. 5,152ff. kurz angeführte Liebschaft mit Philyra an, bei der er sich in einen Hengst verwandelt haben soll. Ausführlicher bei Apoll. Rhod. 2,1231–1241; Hyg. fab. 138. Auch Arnob. 4,24 führt die Liebschaft innerhalb eines Kataloges gegen die paganen Götter an. 236 Zur Sichel als Zeichen der Zivilisation und Symbol Saturns Verg. georg. 2,405ff.; Ov. fast. 1,233ff.; Macr. Sat. 1,7,24, vgl. Lühken (2002), 107. Gemäß Macr. Sat. 1,7,21; OGR 3,4 führt Saturn die Münzprägung ein, worauf die Funktion seines Tempels als Aufbewahrungsort des Staatsschatzes zurückgeführt wird. Bei Prudentius bietet Saturn den Latinern die Sichel in der lakonischen Formulierung si qua est ea cura in einem unbedeutenden Nebensatz an. Auf die entscheidenden Kultureinrichtungen des Gottes, denen bei früheren Autoren eine große Bedeutung beigemessen wird, wird hier vom Gott selbst nur am Rande angespielt. Saturn scheint nicht zu wissen, ob die Bewohner überhaupt kultiviert werden wollen, bietet es aber der Höflichkeit halber neben allen seinen Forderungen an.

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Empfangenden, die alles glauben, was ihnen von Saturn wortreich als wahr präsentiert wird. Die Herrschaftszeit Saturns, die oftmals als ein ideales und goldenes Zeitalter besungen wird237, sowie deren vielgerühmte simplicitas setzt Prudentius im zweiten Buch in ein satirisches Licht, kontrastiert sie mit der aktuellen Zivilisationsleistung und ‚entlarvt‘ sie als einen Zustand, der gerade wegen der vorherrschenden primitiven Lebensformen keinesfalls anstrebenswert sei238. Ein Zurückkehren zu den Bedingungen des goldenen Zeitalters käme einer völligen Entzivilisierung, einer Aufkündigung der Romanitas239 sowie einer Aufhebung jeglicher zivilisatorischer Erfolge Roms an den unterworfenen Völkern gleich240: Inmanes quondam populi feritate subacta edomiti iam triste fremant iterumque ferinos

237 Zum goldenen Zeitalter Gatz (1967); Johnston (1980); Wifstrand Schiebe (1981); Kubusch (1986); Schwabl (1984). 238 CS 2,282–287 Sinn und Zweck der folgenden Zeitalterfolge ist es omne revolvamus sua per vestigia saeclum | usque ad principium (CS 2,279f.), um die ursprünglichsten römischen mores maiorum aufzuspüren. Der Passage dienen die Schilderungen des Goldenen Zeitalters als vorzivilisatorische Idealzeit als Prätext, vgl. Varro ling. 5,42 eius [sc. Saturni] vestigia etiam nunc manent tria …. Insbesondere Ovids Metamorphosen bieten viel Material, dessen satirische Verarbeitung bei Prudentius bisher wenig beachtet worden ist (Ov. met. 1,89–112; vgl. Verg. georg. 1,125ff.; Iuv. 6,1ff., zu den letzten beiden Vorbildern Pollmann 2007, 62ff.). Über eine Auflistung mehrerer Konjunktive wird vorgeschlagen, Pflüge und Hacken wegzulegen (CS 2,282f.; vgl. Ov. met. 1,101f.), die Eicheln wieder als Hauptnahrungsmittel einzusetzen (CS 2,284 ilignis melius saturatur glandibus alvus; vgl. Ov. met. 1,102f.), Bäume nicht mehr mit Äxten, sondern mit Keilen zu fällen (CS 2,285; vgl. Ov. met. 1,94f.) und jegliches bearbeitetes Metall wieder einzuschmelzen (CS 2,286f.; vgl. Ov. met. 1,98ff.). 239 Zur Romanitas Nebreda (2011), 147ff., der den Begriff zwar als modernes Konstrukt der Forschung erkennt (Ebd. 148), aber dennoch von einer römischen „social identity“ ausgeht, welche die Römer gegenüber anderen Völkern über ihre Kulturleistungen ideologisch abgrenze und hervorhebe. Cic. ad Q. fr. 1,1,27 erhebt die Römer deutlich über andere Volksstämme: Quod si te sors Afris aut Hispanis aut Gallis praefecisset, immanibus ac barbaris nationibus, tamen esset humanitatis tuae consulere eorum commodis et utilitati salutique servire. Ebenso Cic. Verr. 2,5,150; de orat. 1,15. 240 In CS 2,699 drohen die Goten, Rom niederzubrennen, die Senatoren wieder in Schafspelze zu kleiden (mastrucis proceres vestire togatos) und sowohl die Stadt, als auch ihre Führungseliten in den Zustand der frührömischen Urzeit zurückzuwerfen (vgl. CS 2,289– 290; 299–302). In Perist. 10,206–210 weist Prudentius die Verehrung Saturns als aureorum conditor temporum aufgrund seiner Flucht vor Jupiter zurück. Hier finden sich im Gegensatz zur Episode in CS keinerlei topographische Angaben.

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in mores redeant atque ad sua prisca reccurrant! (CS 2,291–293) Unter die ferini mores fallen auch die längst überholten Menschenopfer zu Ehren des Saturn oder Melkart, die Prudentius von Nordafrika nach Latium an die Altäre Saturns beim Kapitol verlegt241. Zu diesen tödlichen Opferhandlungen habe die Latiner eine fremde Scythica pietas verleitet (CS 2,294), die mit Saturn nach Rom gekommen sei242. Bei Prudentius zeichnet sich die Herrschaft Saturns durch eine pervertierte pietas und mangelnde pudicitia von Seiten des göttlichen moechus aus (CS 1,58)243. Das goldene Zeitalter wird zu einer unzivilisierten frührömischen Epoche der primitivsten Lebensbedingungen inmitten grausamer Kulthandlungen und moralischer Zügellosigkeit herabgesetzt. Indem der Dichter die Sterblichkeit Saturns, dessen Lasterhaftigkeit und die Flucht vor Jupiter beschreibt, stellt er seinen Bericht in die Tradition christlicher Apologetik244. Darüber hinaus macht er sich Motive der tradierten Frühzeitschilderungen zunutze, um aufzuzeigen, wie mit dem Herrschaftsbeginn des vermeitlichen Gottes eine negative Tradition ihren Anfang genommen habe. Nicht nur Ver241 CS 2,294–297 Praecipitet Scythica iuvenis pietate vietum | votivo de ponte patrem (sic mos fuit olim). | caedibus infantum fument Saturnia sacra | flebilibusque truces resonent vagitibus arae. Zur Identifikation von Saturn und Melkart sowie zu den beiden Kulthandlungen Tränkle (2008), 186, Anm. 164 und 165. Er führt den ersten hier aufgeführten Kult auf ein Sprichwort zurück, dessen Ursprung schon in der Antike ungewiss gewesen sei. Über den zweiten vermerkt Aug. civ. 7,26 ausdrücklich, dass die Römer diesen niemals übernommen hätten. Dennoch ist seine Anführung gemäß Tränkle (2008) bei den christlichen Apologeten ausgesprochen beliebt (bspw. Tert. apol. 9,2; Lact. inst. 1,21,3ff.). 242 Dagegen die vetus pietas unter der Herrschaft Saturns in Ov. epist. 4,31f.: Ista vetus pietas, aevo moritura futuro, | rustica Saturno regna tenente fuit. 243 Pax, pietas, pudicitia und iustitia sind Leitbegriffe des goldenen Zeitalters, vgl. Verg. Aen. 8,325; ecl. 4,6; georg. 2,524; Ov. met. 1,99ff.; Iuv. 6,1. 244 Lact. inst. 1,13 stützt sich in seiner Argumentation auf Zitate älterer Autoren und durchbricht die Abhandlung durch häufige rhetorische Fragen; Arnob. 4,24 ergänzt die Liebschaft mit Philyra; Tert. apol. 10,7ff.; nat. 2,12,26ff verfolgt gemäß Wifstrand Schiebe (1997), 140ff. vor allem über rerum argumenta das Ziel, Saturn als Nicht-Gott zu enttarnen, indem er die „archäologisch-historischen Tatsachen, die noch an Saturns Leben in Italien erinnern [der] literarischen Evidenz gegenüberstellt“; Min. Fel. 21,5f. zählt als einziger nahezu alle Fakten auf, die auch bei Prudentius auftreten: Er bezeichnet Saturn als profugus, erläutert das Wortspiel Latium – latere, stellt die „zivilisatorischen Leistung“ des Gottes heraus und erwähnt die Gründung der Stadt Saturnia, dazu Lühken 2002, 108. Jedoch wirkt seine Darlegung mangels wörtlicher Rede weniger lebendig und komisch, so dass die Schilderung des impertinenten Auftritts des Gottes eine Neuerung von Prudentius ist. Zum Fluchtmotiv Wifstrand Schiebe (1997), 35f.

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gils Aeneis, sondern insbesondere Ovids Metamorphosen erweisen sich als eine Kontrastfolie für die satirische Beleuchtung der saturnischen Idealzeit bei Prudentius. Bei den traditionellen Autoren wird das Aition, wie Saturn nach Latium gekommen ist, erzählt, um zum einen das hohe Alter des Ansiedlungsgebiets von Rom und die dortige Präsenz des Göttlichen zu betonen245, zum anderen aus antiquarisch-etymologischem oder politischem Interesse. Seine Herrschaftsjahre gelten als ausgesprochen friedlich; ihm selbst wird die Rolle des Kulturstifters zugesprochen246. Gerade in dieser göttlichen Providenz sowie der frühen Kulturleistung begründet sich der Hegemonialanspruch Roms vor den nicht protegierten und noch unzivilisierten Völkern der Erde. Saturns Tempel am Fuß des Kapitols wird oftmals als ein präsentes Denkmal seiner Herrschaft und einstigen Zivilisationsleistung am römischen Volk betrachtet247. Ebenso

245 Auf die lange währende Tradition wird bei Vergil vor allem über den Katalog der alterwürdigen Denkmäler während des Stadtspaziergangs (Aen. 8,304–365) verwiesen. Daher wird in der darauf folgenden Literaturtradition häufig die Stadt Saturnia, deren Alter sehr hoch gewesen sein soll, angeführt. Insbesondere das Kapitol wird bei Vergil als numinöser Ort wahrgenommen (Verg. Aen. 8,351ff.). Wifstrand Schiebe (1997), 14ff. spricht von einer Neuerung der Saturnsage gegenüber früheren Erzählungen bei Vergil, die eine „Romanisierung der goldenen Zeit“ beinhaltet und maßgeblich für spätere Berichte wird. 246 Zur Bedeutung der Kultureinrichtung Verg. Aen. 8,314ff., bes. 321f.; Serv. Aen. 8,319 quem [Ianum] cum docuisset usum vinearum et falcis et humaniorem victum..; vgl. Macr. Sat. 1,7,24–25; OGR 1,2; 3,1ff.; Iust. 43,1,1ff. 247 Serv. Aen. 8,319 sibi oppidum fecit sub clivo Capitolino, ubi nunc eius aedes videtur (Die Stadt Saturnia lag nach ihm, anders als bei früheren Autoren, nicht auf dem Kapitol, sondern am Fuß des Kapitols, eben da, wo sich im 4. Jh. noch der Tempel befand); Macr. Sat. 1,8,1 Nunc de ipso dei templo pauca referenda sunt. … [Varro] scribat aedem Saturni ad forum faciendam locasse L. Tarquinium regem; OGR 3,6 Aedes quoque sub clivo Capitolino, in qua pecuniam conditam habebat, aerarium Saturni hodieque dicitur. Varro ling. 5,42 führt neben dem Tempel eine porta, die spätere porta Pandana, und Ruinenwände der Stadt Saturnia an: Eius uestigia etiam nunc manent tria, quod Saturni fanum in faucibus, quod Saturnia porta quam Iunius scribit ibi, quam nunc uocant Pandanam, quod post aedem Saturni in aedificiorum legibus priuatis parietes ,postici muri‘ sunt scripti. Der Tempel sowie die porta werden auch bei Solin. 1,12 angeführt: Aedem etiam, quae Saturni aerarium fertur, comites eius condiderunt in honorem Saturni, quem cultorem religionis illius cognoverant extitisse. Iidem et Capitolinum Saturnium nominaverunt. Castelli quoque quod excitaverunt portam appellaverunt Saturniam, quae postmodum Pandana vocitata est. Zur nicht-sakralen Funktion und Nutzung des Tempels Köb (2000), 70ff. Der Tempel wurde erst Ende des 4. Jahrhunderts nach einem Brand wieder errichtet, dazu Köb (2000), 72; Bauer (2005), 50f.; Bauer (2012b), 332f.; Schmitzer (2012), 248; Muth (2012), 266ff.

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werden die Saturnalien als einer der ältesten und altehrwürdigsten römischen Kulte angesehen, den es zu bewahren gilt248. Bei Prudentius fehlt jeglicher Verweis auf den aktuellen Tempelbau oder die Saturnalienfeierlichkeiten. Stattdessen zählt er eine Reihe archaischer Heiligtümer und Orte auf – die Stadt Saturnia, mehrere Altäre und einen Hain – durch die Saturn als Gott verehrt wird. Der Blick wird hier auf eine vorzivilisierte Vergangenheit gerichtet, in der die Gegenwart dennoch durchscheint249. Für den christlichen Dichter besteht das Erbe der saturnischen Herrschaft nicht in einem sigulären Tempelbau, einer Feierlichkeit oder Kulturleistung. Vielmehr umfassen dessen vestigia die Menge aller paganen Heiligtümer und Rituale, die zu Ehren falscher Gottheiten in Rom errichtet worden sind und zelebriert werden. Mit Saturns Herrschaft setzt Prudentius den Beginn der verkehrten Religion in Rom an250: 248 Gemäß Liv. 22,1,19f. sollen die Saturnalien ewigen Bestand haben: Postremo Decembri iam mense ad aedem Saturni Romae immolatum est lectisterniumque imperatum – et eum lectum senatores straverunt – et convivium publicum, ac per urbem Saturnalia diem ac noctem clamata, populusque eum diem festum habere ac servare in perpetuum iussus. Macrobius macht die Saturnalienfeierlichkeiten noch im 5. Jh. n. Chr. zum ‚setting‘ seiner Schrift. In Perist. 2,452 (festa Saturni senes) und CS 2,859 (inlicit aut alios ad Saturnalia festa) werden die Saturnalien neben anderen Feierlichkeiten als zeitgenössischer Brauch aufgeführt, dazu Tränkle (2008), 230, Anm. 256, der das Saturnalienfest als das „populärste Fest überhaupt“ in der Kaiserzeit bezeichnet. Fiedrowicz (2000), 125 nimmt an, dass Prudentius die paganen Feiern während seines Rombesuchs noch miterleben konnte: „Bei seinem Aufenthalt in Rom (401) sah sich Prudentius mit dem Skandal konfrontiert, dass heidnische Zeremonien nach wie vor öffentlich vollzogen wurden und die anti-pagane Gesetzgebung des Theodosius wirkungslos geblieben schien.“ Zum Bestehen paganer Kulte und Feste in der Spätantike Wolf (2003), 50; zum Festtagskalender des 4. Jh. und zur Vermischung heidnischer und christlicher Bräuche Curran (2000), 221ff.; zum Fortbestehen der Saturnalien in der Spätantike Köb (2000), 82f. 249 Das narrative Prinzip ist dem Vergils im achten Buch der Aeneis vergleichbar, wo „Vergils Methode“ gemäß Binder (1971), 135 darin besteht, „durch die Erwähnung alter Namen auf Gebäude seiner Zeit hinzuweisen“. 250 Hier bezeichnet die vetustas – die im eigentlichen Sinne die Altehrwürdigkeit der römischen Kultur und Kulte charakterisiert – ironisch die Greisenhaftigkeit Saturns. Saturn wird als hospes bezeichnet, was impliziert, dass seine Herrschaft nur vorübergehend war und in der Gegenwart durch das Christentum abgelöst worden ist. In Symm. rel. 3,9 tritt Roma selbst für die veneranda vetustas ein: Optimi principum, patres patriae, reveremini annos meos, in quos me pius ritus adduxit! Utar caerimoniis avitis; neque enim paenitet. Vivam meo more, quia libera sum! Hic cultus in leges meas orbem redegit, haec sacra Hannibalem a moenibus, a Capitolio Senonas reppulerunt. Ad hoc ergo servata sum, ut longaeva reprehendar? Vgl. Macr. Sat. 3,14,2 Vetustas quidem nobis semper, si sapimus, adoranda est. Illa quippe saecula sunt, quae hoc imperium vel sanguine vel sudore peperunt, quod non nisi virtutum faceret ubertas; Amm. 31,5,14 quod nondum solutioris vitae mollitie sobria vetustas infecta nec ambitiosis mensis nec flagitiosis quaestibus inhiabat, sed unanimanti

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Haec causa est et origo mali, quod saecla vetusto hospite regnante crudus stupor aurea finxit. (CS 1,72–73) Der Begriff origo unterliegt hier einer dreifachen Semantik: Erstens bezeichnet er synonym zu causa den Historiomythos und dessen Tradierung als den Ursprung des Übels, der im folgenden quod-Satz erläutert wird251. Zweitens ist Saturn sowohl temporal als auch genealogisch der Urheber der Götterverehrung in Rom252. Drittens wird das Kapitol zur lokalen origo mali, von der aus der Aberglaube sich über die ganze Stadt und das römische Reich ausgebreitet hat. Ebenso wie Tacitus und Sulpicius Severus verortet Prudentius den Aberglauben an einem Ursprungsort und gebraucht origo lokal. Die Schmähung gegen das Christentum von Tacitus wird in wörtlicher Wiederaufnahme des Lokalverweises umgekehrt und gegen die römische Staatsreligion gerichtet253. Bei Prudentius bleibt das Kapitol als Ort der ersten Grundsteinlegung der römischen Staatsreligion und als Zentrum des traditionellen cultus bestehen, wird aber gerade deshalb zum Ursprungsort des religiösen malum und der superstitio. 4.3.2 Iuppiter Capitolinus In der folgenden Jupiter-Episode wird der Gott in die direkte und Nachfolge seines Vaters gesetzt, den er an Unmoral noch übertrifft (CS 1,59 patre deteardore summi et infimi inter se congruentes ad speciosam pro re publica mortem tamquam ad portum aliquem tranquillum properabant et placidum, vgl. 15,4,3, wo die Gangbarmachung des rheinischen Gebiets auf die vetus illa Romana virtus et sobria zurückgeführt wird. Zur Romana vetustas in der Spätantike Eigler (2003), bes. 64ff. 251 Vgl. Macr. Sat. 1,7,17–18 Hic Avienus …: Licet omnes, ait … sacrorum tamen Vettius unice conscius potest tibi et originem cultus qui huic deo penditur et causam festi sollemnis aperire … Saturnaliorum originem illam in medium proferre fas est … 252 Vgl. im Gegensatz dazu Verg. Aen. 12,166: Aeneas, Romanae stirpis origo … Bei Prudentius ersetzt Saturn Aeneas nicht nur in seiner Funktion als Einführer des Götterkultes (inferretque deos Latio), sondern auch genealogisch. Bei Prudentius wird gemäß Klein (2001), 342f. erst Paulus zum Erfüller der Mission des Aeneas und bringt den Bewohnern Italiens „Sitte und Ordnung“. 253 Vgl. zum chronologischen und lokalen Gebrauch bei Liv. 1,10,7 (zum Tempel des Jupiter Feretrius). Tac. ann. 15,44 bezeichnet Judäa als den Ursprungsort des (christlichen) Aberglaubens, der nach Rom gekommen ist: … repressaque in praesens exitiabilis superstitio rursum erumpebat, non modo per Iudaeam, originem eius mali, sed per urbem etiam, quo cuncta undique atrocia aut pudenda confluunt celebranturque; vgl. Sulp. Sev. 2,46,1 (über den Gnostizismus) origo istius mali Oriens ac Aegyptus.

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rior)254 . Die barbarischen Sitten der saturnischen Jahre werden in den ritus ferini seiner Zeit weitergeführt255. Unter ihm besteht Rom als wilde Auenlandschaft, für deren Beschreibung Prudentius zwei der charakteristischen Motive der römischen Frühzeitschilderung übernimmt: die Bewaldung und die Rinder256. Jupiter wird als silvosi habitator Olympi eingeführt (CS 1,59), der seine Herrschaft pecudes inter ritusque ferinos antritt (CS 1,80). In Wortwahl und Szenerie zeigen sich einige Parallelen zur Beschreibung von Pallanteum in der Aeneis. Bei Vergil betrachten Euander und Aeneas auf ihrem Stadtrundgang das Kapitol, das damals noch unbebaut und geheimnisumwittert ist257: Hinc ad Tarpeiam sedem et Capitolia ducit aurea nunc, olim silvestribus horrida dumis. Iam tum religio pavidos terrebat aegrestis dira loci, iam tum silvam saxum tremebant. „Hoc nemus, hunc inquit frondoso vertice collem (quis deus incertum est) habitat deus; Arcades ipsum credunt se vidisse Iovem, cum saepe nigrantem aegida concuteret dextra nimbosque cieret.“ (Verg. Aen. 8,347–354) 254 Ebenso wie Saturn unterhält Jupiter zahlreiche Liebschaften (CS 1,60–71); ebenso wie sein Vater überredet er die einfältigen Ureinwohner (infelix gens; vgl. Verg. Aen. 8,315), ihn als Gott zu verehren, und erzählt ihnen Lügenmärchen (CS 1,74–83). Die Minderwertigkeit, die bei Vergil und Ovid dem Zeitalter bzw. dem ganzen Geschlecht zugewiesen wird (Verg. Aen. 8,325 deterior ac decolor aetas; Ov. met. 1,114f. proles, | auro deterior, fulvo pretiosior aere), wird bei Prudentius auf Jupiters Person übertragen. 255 Zur Entmachtung Saturns durch Jupiter: Ov. met. 1,113f. (im Himmel): Postquam Saturno tenebrosa in Tartara misso | sub Iove mundus erat, subiit argentea proles | auro deterior, fulvo pretiosior aere; Iust. 43,1,5 (in Latium): Itaque Italia regis nomine Saturnia appellata, et mons in quo habitabat Saturnius, in quo nunc veluti ab Iove pulso sedibus suis Saturno Capitolium est, vgl. Wifstrand Schiebe (1997), 112, die feststellt, dass gemäß Trogus Saturn nur auf dem Kapitol und niemals auf dem Olymp geherrscht habe. Später greift Giovanni Cavallini dei Cerroni (14. Jh.) in seinem Werk Polistoria de virtutibus et dotibus Romanorum 6,12,1 den Gedanken wieder auf. 256 Gemäß Scheithauer (1998), 295, Anm. 49 sind die Rinderweiden und der Wald zwei der „gängigen Topoi“ der Frühzeitschilderung: „Das Gebiet Rom als Weideplatz für Rinder: z. B. Ov. fast. 1,244; 5,94.640; Ov. ars 3,120; Verg. Aen. 8,360f.; Tib. 2,5,25.55; Prop. 4,1,3f.; von dichtem Wald umgeben: z. B. Ov. fast. 1,243; 5,93; Verg. Aen. 8,342.“ 257 Zur Positionierung der Spaziergänger, zur Beschreibung des Kapitols und zur Bedeutung Jupiters Binder (1971), 124ff., vgl. zur Passage Klodt (2001), 11ff.; Schmitzer (2001), 526ff.; zur Position Claud. Don. Aen. 8,345 ut monstrando duxisse eum videatur, non ambulando, scilicet ut videret oculis procul quo iri poterat.

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Einige der topographischen Verweise greift Prudentius in veränderter Form von Vergil auf: Beiden Texten gemeinsam ist die Erwähnung eines nemus (CS 1,52); statt des Kapitols ist bei Prudentius der Olymp bewaldet, der ebenso wie Vergils Kapitol einen göttlichen Bewohner hat258. In der Saturn-Episode waren Latium und das Kapitol Schauplatz des Geschehens, wenige Verse nach der Jupiter-Episode blickt der Rezipient wiederum auf die römische augusta Numae arx (CS 1,102–103). Aus der Nähe zu den latinischen Frühzeitschilderungen sowie dem direkten Ko-Text ergibt sich, dass das archaische Rom auch die Szenerie der Jupiter-Episode bildet. Über die Summe der topographischen Verweise auf Latium und Griechenland wird die Vorstellung erzeugt, dass der eigentlich griechische Jupiter sich im vorzivilisierten Rom einen zweiten Wohnsitz bzw. einen neuen Olymp eingerichtet habe259.

258 Zur Wendung silvosi habitator Olympi Verg. georg. 1,282 frondosum Olympum; Hor. carm. 3,4,51f. opaco Olympo; Claud. carm. 9 praef. 21 frondoso Olympo; Lucan. 6,341 (über einen Stern) habitator Olympi; Sil. 11,457–458 … ut celsum superis habitare dedisset Olympum, | castaque Saturni montrabat saecula patris; Lact. inst. 1,11 in Olympo autem Iouem habitasse docet eadem historia, quae dicit: 'ea tempestate Iuppiter in monte Olympo maximam partem uitae colebat et eo ad eum in ius ueniebant, si quae res in controuersia erant. Im Gegensatz zum Bewohner des Olymp wird Jupiter häufiger als dessen Herrscher bezeichnet Verg. Aen. 2,779; 7,558; 10,437; Stat. Theb. 8,41; Ach. 1,588; Mart. 14,175,1; Sil. 10,350; Lucan. 2,4; CCP 14. Bei einigen Autoren wird Rom (implizit) in Anlehnung an den Hymnus von Melinno mit dem Olymp identifiziert bzw. mit ihm als Sitz Jupiters gleichgesetzt, so in Verg. Aen. 6,781ff.; Claud. carm. 24,135; 26, 61ff, dazu Schindler (2009), 142. 259 Auf Griechenland verweisen die Lacaenae, mit denen Jupiter sich vergnügt (CS 1,60). Zur Heimat und zum Grab Jupiters auf Kreta Tert. apol. 25,7: Sed statim et Iuppiter Cretam suam Romanis fascibus concuti sineret, oblitus antrum illud Idaeum … et iucundissimum illic nutricis suae odorem, vgl. Tränkle (2008), 106, Anm. 9; Opelt (1980), 17; 183. Ob mit dem Olympus bei Prudentius ganz Rom oder nur das Kapitol gemeint ist, bleibt fraglich. Cicero bezeichnet Jupiter als Herrscher des Olymps, verortet seinen Sitz aber auf dem Kapitol (Cic. div. 1,12,19; 2,20,45): Nam pater altitonans stellanti nixus Olympo | ipse suas arces atque inclyta templa petivit | et Capitolinis iniecit sedibus ignes (Lugli 1969, Bd. 17, Nr. 20); Nam pater altitonans stellanti nixus Olympo ipse suos quondam tumulos ac templa petivit et Capitolinis iniecit sedibus ignis (Courtney 1993). Lact. inst. 1,11 stellt fest, dass in der römischen Religion entweder der Himmel oder ein Berg als Olymp bezeichnet wird: Potest et mons Olympus figuram poetis dedisse, ut Iouem dicerent caeli regnum esse sortitum, quod Olympus ambiguum nomen est et montis et caeli. In Olympo r autem Iovem habitasse docet historia eadem … Annius (1512) fol. 36 generalisiert diesen Gedanken derart, dass in der Antike jeder höhere Berg als Olymp bezeichnet werden konnte: Olympus plura significat. Nam omnis mons regionis altior Olympus a Graecis dicitur. In der frühen Republik wohnten gemäß Livius vor dem Galliersturm Römer auch auf dem Kapitol (Liv. 5,50,4; 6,20,13). Evtl. wird durch das Verb habitare bei Prudentius eine Gleichstellung Jupiters mit den Patriziern evoziert, die nicht nur den Wohnort, sondern auch

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In der Aeneis verweist die Wendung aurea nunc auf den kapitolinischen Haupttempel, dessen Dach zu Vergils und auch noch zu Prudentius’ Zeit Rom golden überstrahlte. Über solche Anspielungen auf aktuelle Bauten scheint für den Leser in der Beschreibung des archaischen Pallanteum die gegenwärtige Topographie des zeitgenössischen Stadtraumes durch260. Die vergilische Frühzeitschilderung hat demnach nicht zuletzt zum Ziel, das augusteische Rom und seine Bauwerke ins Blickfeld zu rücken261. Im Gegensatz dazu erwähnt Prudentius in seiner Frühzeitschilderung mit keiner Silbe die topographische Gegenwart oder die herausragende Bedeutung, die Jupiter seit Jahrhunderten für das aktuelle Staatswesen zugesprochen wird. Bei ihm verbleibt der Gott im Status eines unkultivierten Regenten, der inmitten von Wäldern, Kühen und barbarischen Riten einen unzivilisierten Volksstamm an der Nase herumgeführt hat. Die Beschreibung der latinischen wilden Ur-Landschaft wird zum Spiegel für die Primitivität der Epoche und der Herrschaftsjahre Jupiters262. die Sterblichkeit und Führungsfunktion umfasst, vgl. Ov. trist. 1,3,29ff. … hanc ego suscipiens et ab hac Capitolia cernens … „numina vicinis habitantia sedibus …“ 260 Binder (1997), 128; Klodt (2001), 17f.; Schmitzer (2001), 526f. Vgl. Claud. Don. Aen. 8,18 Erant tunc, inquit, in illo loco Capitolia, non aurea, non culta, ut nunc, non magnifica, sed silvestribus dumis obsessa; Prop. 4,1,5–8 Fictilibus crevere dies haec aurea templa, | nec fuit opprobrio facta sine arte casa; | Tarpeiusque pater nuda de rupe tonabat, et Tiberis nostris advena bubus erat; Ov. ars 3,115f. Aspice quae nunc sunt Capitolia quaeque fuerunt: | laterius dices illa fuisse Iovis; fast. 1,77 Flamma nitore suo templorum verberat aurum; 1,223f. (Saturn über seinen Tempel) Nos quoque templa iuvant, quamvis antiqua probemus, | aurea: maiestas convenit ipsa deo; 6,73f. Aurea possedit socio Capitolia templo | mater et, ut debet, cum Iove summa tenet aurea Capitolia; Sil. 3,622–624 … stat regia nobis, | aurea Tarpeia ponet Capitolia rupe | et iunget nostro templorum culmina caelo, vgl. Edwards (1996), 70, Anm. 5; 6 mit weiteren Belegen. In der spätantiken Literatur ist es vor allem Claudian, der immer wieder auf den goldenen Schmuck der Stadt verweist. In Claud. carm. 28,1–5 werden die aurea templa der Fortuna zu Ehren des Triumphes geweiht. Da der Triumphzug jedoch auf dem Kapitol endete, besteht hier ein impliziter Verweis auf den Kapitolstempel (Claud. carm. 28,44 tecta Tonantis), auf den das folgende circumfusum aurum bezogen werden kann (Claud. carm. 28,52), vgl. Auson. urb. 19,17 aurea Capitoli culmina. 261 Klodt (2001), 17f.: „Vergil […] erzählt die ‚Geschichte‘ [des Rom von Augustus] und bewirkt so, dass der Leser die Stadt imaginiert.“ In umgekehrter Weise ‚erzähle‘ der reale Stadtraum die Geschichte des Augustus, wenn der Rombesucher gedankliche „Verbindungslinien zwischen den Monumenten“ ziehe. 262 Tert. apol. 25,12–13 hingegen übernimmt die nunc-tunc-Kontrastierung der paganen Autoren und stellt der verkommenen Gegenwart eine bessere Frühzeit gegenüber: Nam etsi a Numa concepta est curiositas superstitiosa, nondum tamen aut simulacris, aut templis res divina apud Romanos constabat. Frugi religio, et pauperes ritus, et nulla Capitolia certantia coelo, sed temeraria de cespite altaria, et vasa adhuc samia, et nidor ex illis, et deus

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Der Staatstempel wird erst zum Ende des Buches erwähnt. Er bildet dort einen vorerst abschließenden Höhepunkt der Götterschau263. Dennoch ist er für den Leser in der Jupiter-Episode – wenn auch in absentia – gegenwärtig. Dort wird die Feststellung haec est causa et origo mali von einer Auflistung der zahlreichen Liebschaften und Verwandlungen des Gottes eingerahmt264. Sie werden bei Prudentius implizit zur causa seiner Verehrung in Rom, die die eigentlichen Aitia der zahlreichen Tempelweihungen Jupiters verdrängt: Die Possenspiele des einstigen Herrschers waren so überzeugend, dass die Latiner ihn als Gottheit verehrten und die Römer ihm mehrere Tempel erbauten. Implizit wird so auch sein größter Tempel auf dem Kapitol zum Gegenstand einer rivalisierenden Deutungsbelegung265: Die Schutzfunktion für Rom, die dem Tempel und dem höchsten Gott gemeinhin zugesprochen wird, tritt in der Darstellung des christlichen Dichters hinter dessen ebenso prominenter Eigenschaft zurück, ein amouröser Eroberer zu sein. Diese Charakteristik Jupiters ist keineswegs eine Neuschöpfung des Autors, sondern entstammt dem römischen Mythen-Repertoire. Der Dichter ersetzt das Gründungs-Aition durch einige Episoden der Liebeselegie und ‚schreibt‘ damit die Bedeutung

ipse nusquam. Nondum enim tunc ingenia Graecorum atque Tuscorum fingendis simulacris Urbem inundaverant. 263 Zur Textpassage siehe oben S. 104; unten S. 148. Jupiter wird nicht als pater omnipotens, sondern als proavus – als Stammvater der römischen Gottheiten eingeführt. Ebenso wie Saturn und Mars wird auch er auf seine genealogische Funktion reduziert, in der sich seine übermäßige Leidenschaft widerspiegelt (CS 1,180–188). Liv. 3,61,4 führt Jupiter und Mars noch als primäre Schirmgottheiten Roms an: Nolle ominari, quae nec Iuppiter nec Mars pater passuri sint iis auspiciis conditae urbi accidere; o pater et rex Iuppiter. Zum Iuppiter omnipotens bspw. Cic. nat. deor. 2,64,11 sed ipse Iuppiter, id est iuvans pater, dagegen Lact. inst. 1,11,40; vgl. Liv. 1,18,9; 1,24,7; Hor. serm. 2,1,42f.; Verg. Aen. 2,689ff.; 5,687ff..; 6,592, dazu Macr. Sat. 4,4,18; Verg. Aen. 10,100, dazu Macr. Sat. 6,2,26; Ov. met. 1,154; 2,304; 401; 3,336; 9,271; Serv. Aen. 1,65 DIVVM PATER ATQVE HOMINVM REX Iuppiter; 9,126 IVPPITER IPSE scilicet qui omnibus praestare consuevit: unde et Iuppiter dictus est, quasi iuvans pater. Aus christlicher Sicht Lact. inst. 4,3,12; Aug. civ. 5,8 illi quoque versus Homerici huic sententiae suffragantur, quos Cicero in Latinum vertit: ,tales sunt hominum mentes, quali pater ipse Iuppiter auctiferas lustravit lumine terras.‘ 264 CS 1,61–71; 74–78. Die Auflistung der Geliebten folgt in groben Zügen der auf dem Gewebe Arachnes in Ov. met. 6,103ff.: Europa (103), Asterie (108), Leda (109), Antiope (111 Nycteida), Alkmene (112 Tirynthia), Danae (113), Aegina (113), Mnemosyne (114) und Proserpina (114). Prudentius greift hier die wohl populärsten Liebesabenteuer der bei Ovid aufgeführten Liebschaften in zwei parallelen Tetrakola auf: Europa – Leda – Danae – Ganymed (CS 1,61–71); die Verwandlungen (Europa) Rind – (Ganymed) Adler – (Leda) Schwan – (Danae) Münzen (CS 1,76–78). Die Vergewaltigung Europas ausführlich in Ov. met. 2,833ff.; Ganymed in 10,155ff.; Danae in Hor. carm. 3,16. 265 Zum Begriff Rupp (2009), 187.

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des Tempels ‚um‘. Der Gedanke, dass der Tempel auf dem Kapitol einem liebestollen Betrüger geweiht sei, wird im zehnten Hymnus des Liber Peristephanon ausformuliert. Hier weist der Märtyrer Romanus einen Besuch von Jupiters Tempel zurück, da der höchste Gott wegen seiner mannigfaltigen Verstöße gegen die römischen Ehegesetze seiner Ansicht nach eigentlich in den Kerker gehört habe266. In vergleichbarer Weise wird der kapitolinische Tempel schon zuvor bei Ovid einer rivalisierenden Deutungsbelegung unterstellt. In seinen Fasti fungiert der Tempelbau noch als Garant für die kontinuierliche Ausdehnung des Reiches. Unter dem wohlwollenden Blick Jupiters floriert das römische Geschick267: Iuppiter arce sua totum cum spectet in orbem, nil nisi Romanum, quod tueatur, habet. (Ov. fast. 1,85–86) Auch im ersten Buch der Tristien verabschiedet sich der Dichter noch mit feierlichem Ernst von den numina des benachbarten Kapitols268. Bereits im zweiten Buch wird die Sakralität aller Tempel jedoch aufgrund der fragwürdigen Moral ihrer Gottheiten scheinbar angezweifelt. Insbesondere der Tempel des Iuppiter Optimus Maximus rückt in den Fokus der Anprangerung: Er wird als beständige Gefahrenzone für die Keuschheit junger Frauen interpretiert269: Quis locus est templis augustior? Haec quoque vitet, in culpam siqua est ingeniosa suam. Cum steterit Iovis aede, Iovis succurret in aede quam multas matres fecerit ille deus. (Ov. trist. 2,287–290) 266 Perist. 10,201–205 „Sed, credo, magni limen amplectar Iovis? | Qui si citetur legibus vestris reus, | laqueis minacis inplicatus Iuliae | luat severam victus et Scantiniam | te cognitore dignus ire in carcerem. Vgl. Perist. 6,37–40 „Tu [sc. Fructuosus], qui doctor“ ait „seris novellum | commenti genus, ut leves puellae | lucos destituant, Iovem relinquant, | damnes, si sapias, anile dogma.“ 267 Zur Roma-aeterna-Ideologie in der Passage Edwards (1996), 86f. 268 Ov. trist. 1,3,29ff. Hanc ego suspiciens et ab hac Capitolia cernens, | … ,numina vicinis habitantia sedibus‘, inquam, | ‚iamque oculis numquam templa videnda meis, | di reliquendi, quos urbs habet alta Quirini, | este salutati tempus in omne mihi. 269 Miller (2007), 156ff. sieht einige Parallelen zum Stadtrundgang von Ov. ars 1,41ff. Zu den Tempeln als „sites of erotic incitement“ und insbesondere zum Jupitertempel Ebd. 159f. Die Monumente würden in trist. 2 zum Gegenstand eines „discourse of denial“ (Ebd. 160); vgl. Edwards (1996), 24f.; Boyle (2003), 179.

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Mit spöttelndem Ton wird der ursprünglich positive Symbolgehalt des Kapitols durch eine konkurrierende Bedeutungsbelegung in Zweifel gezogen, die sich auf dem tradierten Mytherepertoire begründet. Ebenso wie später bei Prudentius erscheint Jupiter als Musterbeispiel eines lasterhaften Schürzenjägers270. Sein Tempel wird zu einem Ort erklärt, der vor allem von der weiblichen Bevölkerung gemieden werden sollte. Ovids Warnung vor dem Heiligtum unterliegt der angekündigten Programmatik, seine Ars amatoria von dem Vorwurf der Unsittlichkeit zu befreien, und kann keinesfalls als ein ernsthafter Appell verstanden werden, den Tempeln fernzubleiben271. Die implizierte Schlussfolgerung ist deutlich zu erkennen: Ebenso wenig, wie die Lektüre der Ars die tugendhafte Frauenwelt zur Unzucht verführe, würden sie durch den Aufenthalt in einem der Tempel zum Ehebruch ermuntert272. Die religiös-politische Bedeutung des Jupiter-Tempels bleibt damit trotz der parodistischen Beleuchtung weiter bestehen. Im Gegensatz dazu impliziert Prudentius’ Darstellung durchaus, dass der kapitolinische Tempel (und jeder andere Tempel Jupiters) von der gesamten Bevölkerung gemieden werden solle. Der christliche Dichter dekonstruiert den eigentlichen Symbolgehalt des Monuments mithilfe der konkurrierenden Bedeutungsbelegung. Er erwähnt die Schutzfunktion des Kapitols mit keiner Silbe, führt stattdessen die Abenteuer des Gottes in langer Breite aus und erklärt ihn so in Anlehnung an Ovid zur Gefahrenzone. Darüber hinaus betont er nicht nur die Fremdheit Jupiters in Rom, sondern auch dessen Treulosigkeit gegenüber seiner früheren Heimat273. Der Tempel auf dem Kapitol wird statt zum religiösen Wahrzeichen der ewigen Stadt, zu einem Symbol der einstigen Fremdherrschaft eines Sittenstrolches, deren negative Auswirkungen noch in die Gegenwart hineinreichen. Aus Ovids spöttelnden Versen gewinnt Prudentius die Inspiration für seine dekonstruierende Argumentation.

270 Vgl. zum lasterhaften Jupiter Perist. 2,465–467 Discede, adulter Iuppiter, | stupro sororis oblite, | relinque Romam liberam. Vgl. im Kotrast Symm. rel. 3,9, wo Roma ihre Freiheit im Erhalt paganer Kulte sieht: Vivam meo more, quia libera sum! 271 Ov. trist. 2,239f. At si, quod mallem, vacuum tibi forte fuisset, | nullum legisses crimen in Arte mea. Die Besprechung der Tempel unterliegt dem Leitgedanken Nil prodest, quod non laedere possit idem (Ov. trist. 2,266). 272 Ov. trist. 2,303–306 Et procul a scripta solis meretricibus Arte | summovet ingenuas pagina prima manus. | Nec tamen est facinus versus evolvere mollis; | multa licet castae non facienda legant. 273 CS 2,492 Iuppiter ut Cretae domineris … tribuerunt omine dextro, vgl. 2,503ff.; Tert. apol. 25,3–8; nat. 2,17,3.

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4.3.3 Die gefallenen arces: Juno und Minerva Am Ende der ersten Götterschau wird der proavus Iuppiter erstmals gemeinsam mit den beiden anderen Gottheiten der kapitolinischen Trias – Minerva und Juno – aufgeführt. Der Kapitolstempel wird als Sitz aller drei Gottheiten namentlich benannt (Capitolia): Haec Italos induxit … utque Palatinis Capitolia condita saxis signarent titulo proavi Iovis atque Pelasgae Palladis et Libyca Iunonem ex arce vocarent … (CS 1,182–184) Beide Göttinnen werden als Immigrantinnen Roms gekennzeichnet: Minerva durch das Attribut Pelasga und Juno über ihre Libyca arx. Im zweiten Buch tritt zu dem Motiv der Fremdheit der Vorwurf, dass die beiden Gottheiten machtlos und unfreiwillig nach Rom gekommen seien. Junos ehemaliger Sitz in Afrika (Libyca arx) wird bereits im ersten Buch in einem direkten Kontrast zu ihren aktuellen Verehrungsorten in Rom auf der aedes Capitolina und auf der arx gesetzt. Im zweiten Buch wird sie als Patronin Karthagos eingeführt, die den Sieg der Römer über ‚ihre Punier’ nicht hatte verhindern können274: … concessit et ipsa Iuno suos Frygiis servire nepotibus Afros et quam subiectis dominam dea gentibus esse si qua fata sinant iam tum tenditque fovetque iussit Romuleis addictam vivere frenis. (CS 2,496–500) Trotz ihres schwehlenden Hasses gegenüber den Römern275 habe sie von ihrer heimatlichen arx weichen (concessit) und ihren neuen Wohnsitz in Rom beziehen müssen. Statt des von ihr protegierten Karthagos trägt Rom den Titel

274 Juno bildet den abschließenden Höhepunkt einer Reihe von Göttern, die ihre Heimat an die Römer verloren oder verraten haben. 275 Verg. Aen. 1,4 Iunonis ob iram. Lühken (2002), 114 stellt eine ironische Anspielung auf Verg. Aen. 1,17–18 fest; vgl. Ebd. 114 zur Wendung Frygiis servire nepotibus.

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domina gentium – nicht zuletzt gerade wegen des Sieges über die Punier276. Ob die Göttin nach ihrem Umzug keinen Hass mehr auf das römische Volk empfinde, bleibt nach Ansicht des Prudentius fraglich277. Wenige Verse später wird aufgezeigt, dass Minerva dasselbe Unvermögen ihre heimatliche arx zu beschützen nach Rom geführt habe. Beim Einfall der Griechen in Troia seien ihr Tempel gestürmt, die Priester getötet und das Palladium geraubt worden. Die Göttlichkeit Minervas wird auf ihr kleines ‚Standbildchen‘ reduziert, das vor lauter Trauer ob seiner Entführung zu schwitzen beginnt: Num Diomedis item tentoria et acris Ulixi castra volens Pallas caesis custodibus arcis legit, ubi umenti sudaret maesta sigillo? (CS 2,544–546) Die Passage ist an Vergils Schilderung des Raubes in der Aeneis angelehnt278. Als einzige Phrase übernimmt Prudentius von diesem caesis custodibus arcis und legt den Schwerpunkt damit deutlich auf die blutige Eroberung der Tempelburg279. Im direkten Gegensatz zum dramatischen Geschehen steht die 276 Zur domina Roma Liv. 38,51,4 civitas domina orbis terrarum; Hor. carm. 4,3,13 Romae, principis urbium; 4,4,44 dominaeque Romae; Ov. met. 15,447 domina rerum; Pan. Lat. 11[3],12,1f. gentium domina Roma; Amm. 14,6,6 domina et regina. Zu Rom als domina Hommel (1942). 277 CS 2,536–539 … non divum degener ordo | et patria extorris Romanis adfuit armis. Victus et ipse prius inimica nec agmina iuvit, | si tamen antiquum norat retinere dolorem. Juno kann als Musterbeispiel einer vertriebenen und gramerfüllten Gottheit aufgefasst werden. Der antiquus dolor nimmt ihren Zorn in Verg. Aen. 5,608 wörtlich wieder auf, der bei Prudentius nicht vergangen, sondern lediglich zurückgestellt ist (retinere). Vgl. den Gegenentwurf bei Hor. carm. 3,3,30ff. (Juno spricht): „… protinus et gravis | iras et invisum nepotem, | Troica quem peperit sacerdos, | Marti redonabo … Dum longus inter saeviat Ilion | Romamque pontus, qualibet exsules | in parte regnato beati: … stet Capitolinum | fulgens triumphatisque possit | Roma ferox dare iura Medis.“ Vgl. Ov. fast. 6,45ff. 278 Verg. Aen. 2,162–175 Bei Vergil wird das Bildnis als simulacrum bezeichnet. Die Göttin äußert ihren Zorn in drei aufeinander folgenden Wunderzeichen und es wird auf ihre kriegerischen Attribute – Lanze und Schild – verwiesen (Verg. Aen. 2,172ff.). Lühken (2002), 115 stellt eine „satirisch-polemische“ Verfremdung mythologischer Informationen bei Prudentius fest und verweist auf zwei Vergilreminiszenzen, eine wörtliche caesis custodibus arcis (Verg. Aen. 2,166) und das „Motiv des Schwitzens“ (Verg. Aen. 2,173f.). Bei Vergil wird das Palladium aufgrund seiner schicksalbestimmenden Funktion noch als fatale Palladium bezeichnet (Verg. Aen. 2,165f.). 279 Demgegenüber übergeht er den Lokalverweis sacrato templo (Verg. Aen. 2,165).

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ironische Frage, ob Minerva die Einnahme ihrer arx willens zugelassen habe (Num volens legit?). Über die Kontrastierung der römischen arx mit den ehemaligen und eroberten arces beider Göttinnen veranschaulicht Prudentius den Vorwurf der Ohnmacht der paganen Gottheiten anhand zweier prominenter Beispiele: Sowohl Juno als auch Minerva werden auf dem Kapitol in Rom als Schutzgottheiten verehrt, beide mussten jedoch einst eine arx an die einfallenden Feinde verloren geben. Das Toponym arx meint bei Prudentius ebenso den jeweiligen Tempel auf einem Berg als auch metonymisch die dazugehörige Stadt, die in eine Abhängigkeit von der Macht der entsprechenden Göttin gesetzt wird. In der Erinnerung an die gefallenen arces wird nicht nur die Sakralität des kapitolinischen Tempels, sondern auch seine Schutzfunktion für Rom infrage gestellt280. Dass die kapitolinische Trias die Stadt beschütze, wird in der antiken Literatur wiederholt mit zwei traumatisierenden Ereignissen der römischen Geschichte belegt: dem Galliersturm von 387 v. Chr. und der Bedrohung Hannibal ad portas281. In den Berichten von Livius und Ovid beschützen nicht allein Manilius und Camillus das Kapitol und Rom282, sondern vor allem die drei Gottheiten Jupiter, Juno und Minerva283. 280 Die Toponyme arx und Capitolium fallen oftmals gemeinsam (bspw. Liv. 5,47,1 arx Romae Capitoliumque in ingenti periculo fuit). Bei Prudentius können sie im entsprechenden Kontext und Ko-Text nahezu synonym als Verweis auf das Kapitol gelesen werden. Vgl. Ov. fast. 6,18 … haec erat [sc. Iuno], agnovi, quae stat in arce Iovis. 281 Über den Galliersturm berichten bspw. Liv. 5,34,1–47,10; Verg. Aen. 8,652ff.; Flor. epit. 1,7,13; Serv. Aen. 8,652; Aug. civ. 2,22; 3,8; 17; 29; 31; Oros. 2,19,6–15; über Hannibal Pol. 3; Nep. Hann.; Liv. 21–30, bes. 21,21–38; Cic. fin. 4,9,22; Phil. 1,11; vgl. Tert. apol. 40,8; Min. Fel. 6,2. Grünewald (2000) spricht von einem metus Gallicus und einem metus Punicus, die sich in der Kaiserzeit und Spätantike zu einem metus Gothicus fortentwickelten. 282 Das Kapitol wurde als einziger Ort der Stadt nicht erobert, weil der Legende nach dessen Gottheiten es verteidigt haben. Das Kapitol kann synonym für die ganze Stadt stehen: … frustraque erit illa minata, | servitura suo Capitolia nostra Canopo (Ov. met. 15,827f.), dazu Edwards (1996), 73. Sie bezeichnet das Kapitol als „Rome’s metonymic heart“ (Ebd. 87). Die Sonderstellung des Kapitols zeigt sich vor allem in der Darstellung der TarpeiaEpisode. Weil die Sabiner von der arx aus angreifen können, sind die Römer nicht mehr die militärisch vorherrschende Macht, sondern müssen zurückweichen. Der Ausgang des Kampfes wird damit übergangsweise ungewiss, erst das Stoßgebet des Romulus führt zu einer positiven Wendung. Zur Überlagerung von Topographie, Kampfgeschehen und Verhältnis der Gegenparteien in der Schilderung bei Livius Jaeger (1997), 30–56 „The battle in the forum“. 283 Zur Rolle der Götter während des Galliersturms Liv. 5,50,3f. ludi Capitolini fierent quod Iuppiter optimus maximus suam sedem atque arcem populi Romani in re trepida tuatus

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Symmachus greift die Idee in seiner dritten Relatio auf und legt sie der personifizierten Stadtgottheit in den Mund284. Bei Prudentius widerspricht Roma dieser Argumentation285. Die Überzeugung, dass auf dem Kapitol mächtige Gottheiten wohnten und kämpften, wird angesichts ihrer bewiesenen Machtlosigkeit nur noch einigen wenigen Unbelehrbaren zugesprochen (et sunt qui)286. In der Darstellung des Prudentius ist der Tempel auf dem Kapitol weniger ein Wahrzeichen göttlicher Fürsorge, als vielmehr ein Ort, an dem die Geister vergangener Herrscher noch in der Gegenwart ‚spuken‘: … et quascumque solent Capitolia claudere larvas (CS 1,631). Das pagane Heiligtum betrachtet er lediglich als ein monumentales Grabmal, das zu Ehren der Angehörigen einer fremden Dynastie errichtet worden ist, die fälschlicherweise als Gottheiten verehrt wurden und gerade wegen ihrer Ehrlosigkeit oder Machtlosigkeit nach Rom ‚umsiedeln‘mussten287.

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esset, vgl. Liv. 5,51,3; Ov. fast. 6,349ff., wo die Götter eine List gegen die Gallier ersinnen, dagegen fast. 6,183ff.; bei Hannibal Liv. 38,51,8 Ego [sc. Scipio] hinc extemplo in Capitolium ad Iouem optimum maximum Iunonemque et Mineruam ceterosque deos, qui Capitolio atque arci praesident, salutandos ibo, hisque gratias agam, quod mihi et hoc ipso die et saepe alias egregie gerendae rei publicae mentem facultatemque dederunt. Symm. rel 3,9 Hic cultus in leges meas orbem redegit, haec sacra Hannibalem a moenibus, a Capitolio Senonas reppulerunt. CS 2,684–689 Et sunt, qui nobis bella exprobare sinistra | non dubitent, postquam templorum sprevimus aras, | adfirment Libyn Collinae a cardine portae | Hannibalem Iovis imperio Martisque repulsum, | victores Senonas Capitoli ex arce fugatos | cum super e celso pugnarent numina saxo. Vgl. Ambr. epist. 18,5–8. Das Argument wird dahingehend weitergeführt, dass unter dem Schutz des christlichen Gottes die Feinde und Barbaren nicht einmal mehr bis an die Tore Roms geschweige denn bis zum Kapitol haben vordringen können (CS 2,690ff.). Als Beleg wird die Schlacht bei Pollentia am 6. April 402 angeführt (CS 2,696–749). Zur Parallele zu Claudians Bellum Geticum (Claud. carm. 26,558ff.; vgl. 27,127ff.) Brown (2003); unten S. 265; zu Vergil Lühken (2002), 175. Zum Begriff larva Serv. Aen. 6,152: Apud maiores, ut supra diximus, omnes in suis domibus sepeliebantur, unde ortum est ut lares colerentur in domibus: unde etiam umbras larvas vocamus a laribus, nam dii penates alii sunt. Eben diese Bedeutung kann neben der Grundbedeutung ‚böser Geist‘/‚Gespenst‘/‚Dämon‘ auch bei Prudentius mitgelesen werden. Im Folgenden verweist Servius darauf, dass Gräber auch als sedes bezeichnet werden können: … verum tamen illud est, ut intellegamus eam dicere, sepeli eum: nam sepulcrum sedes vocatur. Die Begriffe sedes und monumentum unterliegen einer doppelten Semantik und können sowohl den Wohsitz oder Sitz bzw. Verehrungsort einer Gottheit als auch eine Grabstätte (die von den Seelen der Verstorbenen noch heimgesucht wird) oder einen Erinnerungsort bezeichnen, vgl. OLD (2007), 1132 s.v. monumentum; 1725 s.v. sedes. Ein ähnlicher Gedanke wie bei Prudentius findet sich in Tert. spect. 13,3 Propterea igitur, quoniam utraque species idolorum codicionis unius est, dum mortui et dei unum sunt, utraque idololatria abstinemus. Nec minus templa quam monumenta despuimus …; zum Kapitol vgl.

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4.3.4 Die barbarische Tarpeia rupes Im ersten Buch steht Theodosius als Verfechter des Christentums einer Schar von Verschwörern gegenüber, die das Kapitol besetzt halten288: Multos Catilinas ille domo pepulit, non saeva incendia tectis aut sicas patribus, sed tartara nigra animabus internoque hominum statui tormenta parantes. Errabant hostes per templa, per atria passim Romanumque forum et Capitolia celsa tenebant … (CS 1,529–534) Die einst von Catilina begangene coniuratio wird übersteigert: War es damals nur ein Mann, der die res publica mit Brandschatzung und Mord bedrängte289, so sind es in der Gegewart viele, denen sich Theodosius entgegenstellt (multos Catilinas). Wurde damals das irdische Wohl der Bewohner Roms bedroht (saeva incendia tectis aut sicas patribus), laufen sie nun Gefahr in der Ewigkeit unendlich zu leiden (tartara nigra). Das Kapitol wird in der Erinnerung an die coniuratio Catilinae zu einem Ort innerrömischen Verrats. Die schließenden Verse CS 1,533–534 erinnern an den Galliersturm. Das pagane Zentrum Roms wird ins Blickfeld gerückt: die zahlreichen Tempel, der Palatin, das Forum und das Kapitol. Wie vielerorts dienen Livius290 und die Aeneis als Prätexte. Bei Vergil wird die Verteidigung des Kapitols durch M. Manlius gegen die Gallier zu einem Urbild römischer virtus und pietas. Die Wendung custos Tarpeia arcis ruft dort die Tarpeia-Episode in Erinnerung: Nach dem Treuebruch des Mädchens bildete das Kapitol schon damals den Lact. inst. 1,2,49: Sciant ergo Romani, Capitolium suum, id est summum caput religionum publicarum, nihil esse aliud quam inane monimentum. 288 Der Vorwurf der Verschwörung wurde gemäß Thome (1993), 412ff. ursprünglich gegenüber dem Christentum geäußert. Zur Textstelle Behrwald (2009), 266f.; zur metaphorischen Deutung der Passage siehe unten S. 234ff. 289 Vgl. CS 1,530 saeva incendia mit Cic. Catil. 3,1 flamma atque ferro. Die Wendung flamma atque ferro wird in Psych. 753 (flamma ferroque) aufgegriffen, wo Concordia sich der Belagerung durch die Laster erinnert. 290 Das Bild der umherschweifenden Feinde (errabant hostes) erinnert an die Gallier bei Livius, die Rom erst umlagern und dann in der Stadt auf Beutezug gehen: … cantusque dissonos vagantibus circa moenia turmatim barbaris audiebant (Liv. 5,39,5); … dilapsi ad praedam vacuis occursu hominum viis, pars in proxima quaeque tectorum agmine ruunt, pars ultima … petunt … (Liv. 5,41,5–20). Die Episode um M. Manlius wird in Liv. 5,41,1– 42, beschrieben.

Das Kapitol: origo und arx der Götterreligion

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letzten Schauplatz im Kampf mit den feindlichen Sabiner.291 Bei Prudentius wird die Handlungsweise des M. Manlius umgekehrt, wenn das Kapitol nicht mehr von einem Römer verteidigt (Verg. Aen. 8,653 tenebat), sondern von Feinden gemeinsam mit dem gesamten Zetrum besetzt gehalten wird (hostes … tenebant)292. Offen bleibt, ob die hostes diejenigen Römer bezeichnen, die den alten Götterglauben weiterhin tradieren, oder die Götter selbst. Naheliegend ist eine Überlagerung beider Ideen293. Das Handeln der hostes wird als eine innerrömische Bedrohung inszeniert, die in ihrem destruktiven Charakter jede Verschwörung gegen die res publica und jeden äußeren Angriff auf Rom überbietet. Das Verhältnis von römisch und barbarisch wird dabei umgekehrt: Waren es in der Vergangenheit Roms die Gallier oder Sabiner, die das Kapitol angriffen, so werden nun die Römer, die das Kapitol besetzt halten, aufgrund ihres Glaubens an die alten Götter zu den Barbaren294. Sie entsprechen den Sabinern der Tarpeia-Episode, die die arx einst

291 Verg. Aen. 8,652–653 In summo custos Tarpeia Manlius arcis | stabat pro templo et Capitolia celsa tenebat, | Romuleoque recens horrebat regia culmo. Zum Kapitol in der Tarpeia-Episode und während des Galliersturms bei Vergil Binder (1970), 125ff.; 185ff. Vgl. zum Galliersturm CS 2,703–709, dazu Lühken (2002), 174f.; zur Tarpeia-Episode Varro ling. 5,41; Prop. 4,4; Fest. 464 Lindsay; Liv. 1,11,5ff., weitere Belege bei Lugli (1969), Bd. 17, Nr. 1,71–88. 292 Im Gegensatz dazu wird das Kapitol in Liv. 5,41,4 deutlich vom übrigen Stadtraum abgegrenzt, in den die Gallier eindringen: … ingressi postero die urbem patente Collina porta in forum pervenieunt, circumferentes oculos ad templa deum arcem solam belli speciem tenentem. 293 Ersteres interpretiert Behrwald (2009), 267; zweiteres Gnilka (2001h), 247, der die Idee in einer „Herrschaft der Dämonen“ übersteigert. Zu vermuten ist eine Kombination beider Gedanken, da sich bei Prudentius einerseits die Idee findet, dass die paganen Gottheiten Rom besetzt halten. Andererseits werden diejenigen, die den alten Götterglauben propagieren, gedanklich zu Feinden Roms und der Römer stilisiert. Die Formulierung bei Prudentius ist möglicherweise von Liv. 5,51,3 inspiriert: Et cum victoribus Gallis capta tota urbe Capitolium tamen atque arcem dique et homines Romani tenuerint et habitaverint … 294 Vgl. umgekehrt den Vorwurf in Symm. rel. 3,3: Quis ita familiaris est barbaris, ut victoriam non desideret?, dazu Klein (2006), 49; vgl. Zos. 4,59,3. Mit dem Versanfang Romanumque forum rekurriert Prudentius auf Verg. Aen. 8,361 Romanoque foro, wo nicht Menschen, sondern Rinder auf dem Forum stehen. Die Parallele unterstreicht die annähernde Gleichsetzung der Heiden mit Vierfüßlern in den Versen CS 2,816ff. Das Bild der umherschweifenden Feinde wird in CS 2,692–695 mit gleichem Wortlaut wieder aufgenommen, wo die gallischen Barbaren Rom durchstreifen: Nullus mea barbarus hostis | cuspide claustra quatit, non armis veste comisque | ingnotus capta passim vagus errat in urbe | Transalpina meam rapiens in vincula pubem. Zum synonymen Gebrauch von barbarus und hostis in der römischen Literatur Ohnacker (2003), 42ff.; zu den Christen als hostes Roms Diefenbach (2007a).

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durch Betrug in Besitz genommen hatten295. Ihnen tritt der christliche Theodosius als Verfechter und Stellvertreter der Romula virtus gegenüber (CS 1,542). Er lässt die templa auf dem Palatin, dem Forum und dem Kapitol schließen und entzieht der barbarischen Götterreligion ihren sakralsymbolischen Wirkungsraum (Perist. 2,477–480)296. Prudentius setzt den Galliersturm an dieser Stelle noch statt mit dem Verrat der Tarpeia mit der Verschwörung Catilinas in einen engen Bezug. Er übernimmt die gedankliche Bezugsetzung von Vergil zwischen innerem Verrat und Bedrohung von außen in Variation. Am Ende des Buches wird dieser zusammenfassende Gedanke nochmals aufgegriffen: Der Senatsadel ist auf Geheiß des Theodosius zum Christentum konvertiert und verlässt das Kapitol nahezu geschlossen, um die Apostelgräber aufzusuchen297. Es wird hier singulär im Gesamtwerk des Prudentius als Tarpeia rupes bezeichnet (CS 1,548)298, was an die Benennung bei Vergil denken lässt299. Über das Toponym wird die pagane Staatsreligion mit Tarpeias Treuebruch asoziiert und wie im Vergleich mit der coniuratio Catilinae wiederum als innerrömischer Verrat interpretierbar. Während pagane Autoren diese Ortsbezeichnung nur selten wertend nutzen300, stigmatisiert Prudentius den Ort über seine Bezeichnung: Die Senatoren verlassen mit dem Kapitol eben diesen Ort, der sich im Laufe der römischen Geschichte wiederholt als ein Ort des Verrats erwiesen hat.

295 Liv. 1,12,1 Tenuere tamen arcem Sabini … 296 In der Apotheosis bilden die Capitolia Romula das letzte vollendende Glied in einer Reihe paganer Kultstätten, die geschlossen worden sind. Sie betrauern dort als Verkörperung der alten Religion ihren Niedergang: Ipsa suis Christum Capitolia Romula maerent | principibus lucere Deum, destructaque templa | imperio cecidisse ducum. Iam purpura supplex | sternitur Aeneadae rectoris ad atria Christi, | vexillumque crucis summus dominator adorat (Prud. Apoth. 444–448). 297 Zur Textpassage siehe unten S. 259f.; 288ff. 298 An anderer Stelle bezeichnet Prudentius die paganen Gottheiten als simulacra Tarpeia und ihre Kulte als Tarpeia sacra (Apoth. 508; Perist. 5,106). 299 Verg. Aen. 8,347 ad Tarpeiam sedem. Möglicherweise wurde Prudentius auch von Serv. Aen. 8,347–348 inspiriert, der die Tarpeia-Episode kurz umreißt, oder von Ambr. epist. 18,7, wo Camillus als Exempel der virtus das Kapitol zurückerobert: Militabat Camillus, qui sublata Capitolio signa caesis Tarpeiae rupis triumphatoribus reportavit. Stravit virtus, quos religio non removit. Theodosius überbietet Camillus: Bei seiner Rückeroberung des Kapitols vereinen sich virtus und ‚richtige‘ Religion. 300 Bspw. Sil. 3,623–624 … aurea Tarpeia ponet Capitolia rupe | et iunget nostro templorum culmina caelo; Claud. carm. 28,44f. … iuuat infra tecta Tonantis | cernere Tarpeia pendentes rupe Gigantas; Amm. 16,10,14 Iovis Tarpeia delubra, vgl. Lugli (1969), Bd. 17, Nr. 89–120.

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4.3.5 Kapitol und Palatin: Religion und Herrschaft Abschließend soll die topographische Wendung Palatinis Capitolia condita saxis ins Blickfeld gerückt werden. Diese ist in der modernen Forschung oftmals als befremdlich betrachtet worden und hat wiederholt die Frage aufgeworfen, warum Prudentius den Kapitolstempel auf den Palatin verlegt (CS 1,182). Arevalo versucht das merkwürdige Phänomen über eine geologische Erklärung zu entschlüsseln: Sed recte addit templum Iovis Capitolini posse dici conditum saxis Palatinis, quia montis Palatini saxis fuerit exstructum301. Christian Gnilka plädiert in Anlehnung an die Wendung Romuleo campo im vorangegangenen Vers dafür, hierin einen „gesuchte[n] Ausdruck für das Urrömische“ zu sehen, der „auf Kosten der topographischen Exaktheit geht“302. Es bietet sich jedoch eine weitere Deutungsmöglichkeit an, die von einer ideologisch motivierten gedanklichen Versetzung des Tempels ausgeht: Auf dem Palatin (Palatina saxa) lag von alters her der Wohnsitz des Königs oder Kaisers303. Hier fand unter Romulus die Grundsteinlegung der Stadt und des

301 Arévalo (1789), 134. 302 Gnilka (2001b), 14, ebenso Garutti (1996), 153. Gnilka zieht zur Umtermauerung seiner These Thomson (1949), 364 sowie die Wendung in CS 1,550 Euandri curia als Bezeichnung für den Senat heran. Die beiden Textbelege sind jedoch m. E. nicht vergleichbar, da die Kurie nicht das Gebäude, sondern die Senatoren meint und diese als Nachfahren Euanders bezeichnet werden, um zu verdeutlichen, dass auch die ursprünglichsten paganen Römer nun christlich sind. Demgegenüber besteht an dieser Stelle eine deutliche Abweichung in der topographischen Lokalisierung. Krahner (1868), 78 geht davon aus, dass hier „die Hügel der ältesten griechischen Gründung dem Campus Martius entgegengesetzt und in ihrer Gesammtheit als Gründungshügel Palatina saxa genannt“ werden. Tränkle (2008), 118, Anm. 35 stellt eine „Unbekümmertheit, mit der er [sc. Prudentius] bei geographischen Angaben verfährt“ für das ganze Werk fest. 303 So führt in Verg. Aen. 8,359–369 schon Euander Aeneas in sein bescheidenes Haus auf dem Palatin, wo später Augustus und die ihm nachfolgenden Kaiser ihre Paläste errichten sollten, vgl. Binder (1971), 137ff.; Edwards (1996), 32; Klodt (2001), 11ff. Man kann ebenso an die berühmte casa Romuli auf dem Palatin denken, dazu Binder (1971), 165 mit weiterer Literatur; Pensabene (1993) zur Lokalisierung der Hütte auf dem Palatin. Gemäß Muth (2006), 439 stellte die casa Romuli neben anderen „propagierten Relikten der mythischen Stadtgeschichte“, so etwa dem Lupercal, dem Lapis niger oder aber dem neu hinzugestellten Schiff des Aeneas, auch in der Spätantike noch einen wichtigen mythischen Erinnerungsort dar, vgl. Ebd. 760, Anm. 4 zu den archäologischen Befunden; Klodt (2001), 19; Platner– Ashby (1965), 101f. s.v. Casa Romuli zum Bestehen im 4. Jh. Eine weitere mögliche casa Romuli wurde gemäß Macr. Sat. 1,15,10 auf dem Kapitol lokalisiert, dazu Edwards (1996), 35ff.

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Reiches statt, hier wurden die ersten Augurien eingeholt304. Der Palatin ist damit zum einen der geographisch lokalisierbare Gründungsort der Stadt, zum anderen Symbol der Herrschaft Roms305. Aufgrund der Fürsorge der Götter bezeichnet bereits Ennius die Stadt als Augusto augurio … inclita condita (Enn. Ann. 502)306. In der spätantiken Literatur greift Claudian diesen Gedanken wieder auf, wenn er die Stadt als auguriis firmata Sibyllae und sacris animata Numae bezeichnet (Claud. carm. 24,166f.), deren Weiterbestehen durch den Schutz Jupiters gewährleistet werde307. An anderer Stelle findet sich bei Claudian eine ähnliche scheinbare topographische Nachlässigkeit wie bei Prudentius, wenn er den Sitz der Dea Roma auf dem Palatin lokalisiert: … dominae pergunt ad limina Romae, … conueniunt ad tecta deae, quae candida lucent monte Palatino. (Claud. carm. 22,224ff.) Die tecta der Stadtgöttin müssen topographisch korrekt auf dem nahe gelegenen Veliahügel an der Ostseite des Forumstals verortet werden. Dort befand sich der große Staatstempel zu Ehren Romas, den Maxentius einige Jahre zuvor hatte wiedererrichten lassen308. Claudians Anliegen besteht jedoch weni304 Liv. 1,6,4 Romulus stand auf dem Palatin als seinem Wahlort für die Stadtgründung, als die Vogelschau vollzogen wurde: … ut di quorum tutelae ea loca essent auguriis legerent qui nomen novae urbi daret, qui conditam imperio regeret, Palatium Romulus, Remus Aventinum ad inaugurandum templa capiunt; 1,7,3 Palatinum primum, in quo ipse erat educatus, muniit; Ov. trist. 3,1,32 „porta est“ ait „ista Palati, | hic Stator, hoc primum condita Roma loco est.“; Eutr. 1,1,2 Is, cum inter pastores latrocinaretur, decem et octo annos natus urbem exiguam in Palatino monte constituit. Zu den archäologischen Befunden Klodt (2001), 19, Anm. 29 mit weiterer Literatur. 305 Claud. carm. 28,35–41 Ecce Palatino crevit reverentia monti … | non alium certe decuit rectoribus orbis | esse larem, nulloque magis se colle potestas | aestimat et summi sentit fastigia iuris. 306 Vgl. Verg. Aen. 6,781 En huius, nate, auspiciis illa incluta Roma | imperium terris, animis aequabit Olympo …; Liv. 4,4,4 urbs dis auctoribus in aeternum condita. 307 Claud. carm. 24,167f. huic fulmina uibrat | Iuppiter; CJ (Corpus iuris civilis) 1,17,10 Romam autem intellegendum est non solum veterem, sed etiam regiam nostram, quae deo propitio cum melioribus condita est auguriis; Auson. urb. 20,37 Roma inclita, vgl. Charlet (1980), 56f. zur Reminiszenz in CS 1,553. Die Reminiszenz in 2,357 führt er zwar an, bespricht sie aber nicht. Die Wendung muss im Kontext des zweiten Buches sehr wahrscheinlich weniger ideologisch, als vielmehr ironisch gelesen werden. Zur ideologischen Verbindung von Religiosität und Hegemonialanspruch vgl. bspw. Cic. nat. deor. 3,5. 308 Zum Tempel der Roma bei Prudentius siehe unten S. 166ff.

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ger darin, das Bauwerk als topographisches Phänomen zu benennen, als vielmehr darin, die limina Romae seiner ideologischen Überzeugung entsprechend im Stadtraum zu verorten. Für ihn liegt der eigentliche Sitz Romas – oder präziser: der römischen Entscheidungsgewalt – eben auf dem Palatin, von wo aus seine imaginierte Göttin die Geschicke der Welt lenkt309. Die aktuellen machtpolitischen Prozesse, die Roma sinnbildlich verkörpert, haben bei ihm auf dem topographisch lokalisierbaren Symbol der römischen Herrschaft ihren Ursprung – auf dem Palatin310. Gegenüber dem Palatin kann das Kapitol mit seinem imposanten Staatstempel als Inbegriff und Fundament der antiken Religion betrachtet werden. Gemäß der traditionellen Sicht war die Herrschaft Roms auf der Religion begründet (condita), woraus sich der Auftrag ableitete, den Gottheiten pietas für das Weiterbestehen der Stadt und des Imperiums entgegenzubringen. Bei Prudentius wird dieses Kausalverhältnis zwischen römischem Hegemonialanspruch und Religiosität in der topographischen Wendung Palatinis Capitolia condita saxis umgekehrt. In der Vorstellung, den Kapitolstempel (Capitolia) auf den Palatin (Palatinis saxis) zu verlegen, wird der Idee Ausdruck verliehen, dass sich nicht die Herrschaft auf der Religion, sondern die Religion auf der Herrschaft begründe (condita)311: Erst die andauernden militärischen Erfolge der Römer und das lange Bestehen des imperium Romanum haben seiner Ansicht nach dazu geführt, dass die alte Götterreligion beständig tradiert und schließlich zur Staatsreligion erhoben worden ist. Das Reich hätte auch ohne die Religion begründet und vergrößert werden können, die Religion aber hätte ohne die erfolgreiche Militärpolitik Roms keinen Bestand. Einen ähnlichen Gedanken drückt bereits Tertullian aus, wenn er argumentiert, dass die Religion aus der Herrschaft erwachsen sei: Sed quam vanum est fastigium Romani nominis religiositatis meritis deputare, cum post imperium sive adhuc regnum religio profecerit, age iam, rebus religio profecerit. (Tert. apol. 25,12)

309 Zur Szene Schindler (2009), 130ff.; Behrwald (2009), 94 zur Verortung. 310 Klodt (2001), 20f.: „Schließlich löste sich im 2. Jahrhundert das Wort Palatium von seinem Ort und fand Eingang in die modernen Sprachen.“ Der Begriff Palatium wird synonym zum Herrschaftssitz, vgl. Cass. Dio 53,16,5f. 311 Diese Interpretation wird durch die Wortstellung gestützt: Die Palatinis saxis umschließen die Capitolia condita ebenso wie die Herrschaft Roms ein Fundament für die Religion ist.

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Prudentius überführt diesen Leitgedanken Tertullians von einer temporalen Zeitlinie (post imperium … profecerit) in ein topographisches Bild: Zuerst seien auf dem Palatin Rom und das Imperium begründet worden und erst danach sei auf dem Kapitol der Hauptsitz römischer Religiosität etabliert worden. Die Größe des imperium Romanum sei damit nicht auf die Religion zurückzuführen, sondern vielmehr die Ausbreitung der Religion auf die Größe des Reiches312. In der merkwürdig anmutenden Wendung Palatinis Capitolia condita saxis werden die topographischen Elemente des römischen Stadtraums zu den räumlichen Repräsentanten der Abstrakta ‚Religion‘ und ‚Herrschaft‘. Der Hauptsitz der Religion wird gedanklich auf den Palatin verschoben, um eine alte ideologische Überzeugung im urbanen Raum anschaulich zu dekonstruieren. 4.3.6 Zwischenresümee Bei Prudentius wird dem Kapitol als Mittelpunkt des Götterglaubens seine staatspolitische Funktion abgesprochen, indem erstens seine sakralsymbolische Bedeutung über die Herabwürdigung seiner Gottheiten dekonstruiert wird: In der Saturn- und der Jupiter-Episode wird es zum archaischen Ursprungsort des Aberglaubens. Die einst unter Juno und Minerva eroberten arces werden als Fallbeispiele für die Machtlosigkeit der paganen Gottheiten aufgeführt. Zweitens dient das überlieferte Toponym Tarpeia rupes als Ausgangspunkt für die Umdeutung des Kapitols zum Zentrum von Verschwörungen. Die pagane Religion wird in Erinnerung an Tarpeia, den Galliersturm und Catilina als Verrat am römischen Volk interpretierbar, dem erst Theodosius’ Religionspolitik ein Ende setzt. Drittens wird die traditionelle Kausalbeziehung von Herrschaft und Religion umgekehrt, indem das Kapitol in einem visuellen Gedankenspiel auf den Palatin verlegt wird.

4.4 Das Forum Romanum: Sehen, Staunen, Glauben In die imaginäre Stadtbesichtigung des ersten Buches ist eine szenische Passage eingebettet. Sie beschreibt die Erziehung eines noch unmündigen jungen Römers313 zum Glauben an die paganen Götter, die zuerst im Schutz312 Vgl. Tert. apol. 25,13–14: Ergo non ante religiosi Romani quam magni, ideoque non ob hoc magni, quia religiosi. Atquin quomodo ob religionem magni, quibus magnitudo de irreligiositate provenit? 313 CS 1,199 tener heres; 201 puerorum infantia; 206 parvus.

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bereich des Hauses stattfindet (CS 1,206 domi) und später auf dem Forum Romanum fortgeführt wird (CS 1,215 domo egrediens). Es liegt somit eine Zweiteilung der religiösen Erziehung vor, deren Phasen in jeweils unterschiedliche literarische Raummodelle eingebettet werden314. Für den ersten Raum beschreibt Prudentius, wie die religiöse Traditionskultur bereits im häuslichen Schutzbereich dazu führe, dass die falschen Glaubensvorstellungen jedem römischen Nachkommen schon im Kleinkindalter vermittelt werden. So dringt der Götterkult über alle fünf Sinne in den kindlichen Lebensbereich und das naive Gemüt ein315. Der Junge nimmt die ersten religiösen Fehlüberzeugungen gleichsam mit der Muttermilch auf (CS 1,201–202). Bei dem Heranwachsenden setzt dann das typisch kindliche Verhalten der Nachahmung ein und der Junge imitiert das Verhalten der Mutter, indem er die Standbilder berührt, küsst und ihnen seine puerilia vota vorspricht (CS 1,208–211). Letztlich wird für ihn das einmal Gelernte zur Gewohnheit (CS 1,213 usum) und er selbst opfert den häuslichen Göttern geschlachtete Lämmer (CS 1,212–214)316. Prudentius zeigt auf, wie die Götterkulte durch Beobachtung, Erziehung und Nachahmung zu einem wichtigen Bestandteil des Lebens eines jeden römischen Kindes werden. Mit diesem religiösen Vorwissen betritt der Junge erstmals den öffentlichen Raum, wo Architektur und rituelle Praktiken einen tiefgreifenden Eindruck bei ihm hinterlassen. 4.4.1 Das Stadtzentrum als Sakralraum Iamque domo egrediens, ut publica festa diesque et ludos stupuit celsa et Capitolia vidit laurigerosque deum templis adstare ministros ac Sacram resonare Viam mugitibus ante delubrum Romae (colitur nam sanguine et ipsa more deae nomenque loci ceu numen habetur 314 Zu den Raummodellen Dennerlein (2009), 179ff. Gnilka (2000d), 188 spricht von „zwei Phasen der Kindheit“. 315 Noch als Säugling schmeckt er den Opferspelt (CS 1,202 gustaverat) und erblickt die ersten Götterbilder (CS 1,204 viderat). Später sieht und hört er die Mutter vor dem Standbild Fortunas angstvoll Gebete sprechen und vor Ehrfurcht erblassen (CS 1,207 spectarat precantem). Ähnlich bereits Ambr. epist. 18,31: Hauriant, inquit [sc. Symmachus] hauriant vel inviti fumum oculis, symphoniam auribus, cinerem faucibus, tus naribus, et adversantium licet ora excitata focis nostris favilla respergat! 316 Vgl. Gnilka (2000d), 188.

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atque Urbis Venerisque pari se culmine tollunt templa, simul geminis adolentur tura deabus), vera ratus quaecumque senatu auctore probantur, contulit ad simulacra fidem dominosque putavit aetheris horrifico qui stant ex ordine vultu. (CS 1,215–225) In dieser szenischen Inszenierung der Stadtlandschaft liegt eine situationsbezogene Thematisierung von Raum vor, die in der Ereignisregion ‚Zentrum‘ verortet wird317. Der erzählte Raum318 wird durch die Toponyme Capitolia, Sacra Via und delubrum Romae als das Forum Romanum und dessen unmittelbare Umgebung charakterisiert. An der Westseite des Forum Romanum befindet sich das Kapitol, an der Ostseite der Veliahügel mit dem Staatstempel der personifizierten Roma. Es handelt sich hierbei um einen „fiktionalisierten Raum“ in Form eines „importierten Schauplatzes“319, da auf real bestehende Entitäten verwiesen wird und so ein Bezug zum Lebensraum des Lesers hergestellt wird320. Der Schauplatz ist in der Handlungszone ‚Rom‘ zu verorten. Jeder (stadt-)römische Leser ist mit dem gewählten Schauplatz aus eigener Anschauung oder Lektüre bestens vertraut. Er ist fester Bestandteil seiner geographischen Enzyklopädie321, auf deren Elemente bewusst zurückgegriffen wird. Zeitlich wird er in Gedanken in das Rom einer früheren Zeit zurückversetzt, als die traditionellen Kultausübungen noch Bestand hatten, die Gegend um und auf dem Forum also sowohl politischer als auch sakraler Mittelpunkt Roms war. In der Forumsszenerie wird das Zentrum so rekonstruiert, wie es

317 Zum Begriff „Ereignisregion“ Dennerlein (2009), 129f.: „[Ich] schlage […] vor, die Ausdehnung eines Schauplatzes als Ereignisregion zu fassen. […] Das Vorliegen von Tatsächlichkeit in modaler, temporaler und medialer Hinsicht reicht aber noch nicht aus, um aus einer Ereignisregion einen Schauplatz zu machen. Zusätzlich muss in einer Ereignisregion die Origo, das raum-zeitliche Orientierungszentrum verortet sein.“ Vgl. Piatti (2009), 129. Die bisherigen Forschungen zu den Versen CS 1,215-237 verorten ihr Interesse vor allem in einer Untersuchung der topographischen Ausgestaltung des Forums und im Besonderen des templum Urbis, vgl. Allard (1884); Gnilka (2000d); Cerri (1963), der seinen Untersuchungsschwerpunkt auf die Statuen der Dioskuren legt. 318 Harendt/Sprunk (2010), 80. 319 Piatti (2009), 127; 131; 141, Abb. 48. 320 Piatti (2009), 133 spricht von „immigrant objects“, die aus dem „Georaum“ des Lesers in den „Textraum“ integriert werden. 321 Dennerlein (2009), 147.

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sich einem Leser, der zur Zeit des Prudentius erwachsen ist, in seiner Kindheit präsentiert haben mag322. Der mündige und erwachsene Leser erlebt den Raum durch den Blick des puer und betrachtet ihn aus der Perspektive eines Kindes. Dies erzeugt eine Verschiebung der gewohnten Orientierung des Erwachsenen im Stadtraum, die bereits sozialisiert und angepasst ist. Durch den Perspektivwechsel wird die emotionale Anteilnahme am Geschehen beim Leser verlagert. Aus dem Blickwinkel eines unwissenden Kindes präsentieren sich ihm die Rituale und Feste erneut als neue, beeindruckende und geheimnisvolle Praktiken des soziokulturellen Lebens. Der puer der Szenerie weiß zwar, dass den Feierlichkeiten eine religiöse Bedeutung zukommt, hat sie aber noch nie als Ritual ‚live‘ miterlebt. Auch die Tempelbauten nimmt der Junge zum ersten Mal bewusst als bedeutsame Sakralbauten wahr und staunt. Dem Geschehen wird darüber hinaus durch den Gebrauch des präsentischen Perfekts (CS 1,215–219) und des Präsens (CS 1,226–240) ein gewisser Grad an Kontinuität und Aktualität in die Gegenwart des erwachsenen Lesers hinein zugesprochen. Nach der allgemeinen Nennung von öffentlichen Festen, Feiertagen und Spielen (CS 1,215–216), die überall in der Handlungszone Rom verortet werden können, wird die mentale Karte spätestens beim Auftreten des Toponyms Capitolia auf das kulturelle Zentrum konzentriert. Es entsteht eine Art ‚ZoomEffekt‘ von der Betrachtung des allgemeinen, weiteren Stadtraumes zum besonderen, wesentlichen Stadtzentrum, dem „Herzen Roms“323. Zu Beginn des ersten Buches hatte der Leser noch von einem erhöhten Standpunkt aus über Rom geblickt und gemeinsam mit dem Kaiser die gesam322 Bis zu welchem Grad die literarische Inszenierung tatsächlich das ‚Rom der Kindheit‘ widerspiegelt, bleibt fraglich. Unter Kaiser Julian (361-363) und dem Usurpator Eugenius (393/4) lebte die heidnische Kultausübung in Rom wieder auf. Mit den Gesetzgebungen des Theodosius in den Jahren 391/2 wurde die Ausübung paganer Kulte zwar offiziell unter Strafe gestellt, ob dieser Zwang zum Umdenken jedoch auch in Mentalität und Praxis der Stadtrömer ihren Niederschlag gefunden hat, ist ungewiss. Vgl. dazu Martin (2001), 110: „Die Tatsache, dass diese und ähnliche Gesetzbestimmungen während des ganzen 5. Jhs. mehrfach wiederholt werden, macht deutlich, dass mit Theodosius das Heidentum keineswegs am Ende war.“ Ebenso war gemäß Kahlos (2007), 129f. das tägliche Leben in Rom auch noch im 4. und 5. Jahrhundert durch pagane Feierlichkeiten geprägt. Prudentius kann jedoch in jedem Fall davon ausgehen, dass ein kulturell integrierter und belesener Römer mindestens mit den literarischen Inszenierungen der Ereignisregion ‚Zentrum‘ und dem Symbolgehalt des Raumes vertraut ist, unabhängig davon, ob er die Rituale und Feste dort selbst erlebt oder sie allein durch die Lektüre ‚miterlebt‘ hat. Die Darstellung des Prudentius rekurriert auf den persönlichen bzw. literarischen Erfahrungshorizont seiner Leserschaft, innerhalb dessen die bei ihm geschilderten Ereignisse glaubhaft erscheinen. 323 Kissel (2004).

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te Stadt aus der Vogelperspektive von einem ‚gottähnlichen‘ Blickpunkt aus betrachtet. Innerhalb der folgenden Stadtbesichtigung werden ihm die Sakralmonumente Roms in der Normalperspektive auf Augenhöhe präsentiert. In der hier vorliegenden Betrachtung der Forumsszenerie ‚schrumpft‘ der Betrachter auf die Größe eines Kindes. Alles Beschriebene muss damit von einem niedrigeren Standpunkt aus der Froschperspektive gedacht werden und wirkt auf einen kindlichen Rezipienten umso größer, erhabener und unerreichbarer. Im ersten Buch werden Stadtraum und Betrachter somit in ein wechselseitiges Größenverhältnis zueinander gesetzt, das sie in der Perspektive antiproportional zueinander wachsen bzw. kleiner werden lässt. Befindet sich der Leser im Proömium noch in einer großen räumlichen Distanz zu den Sakralmonumenten Roms und blickt gemeinsam mit dem Herrscher über die Stadt, so wird er bald darauf in den Stadtraum hineinversetzt, wird im Verhältnis immer kleiner und kommt den Göttertempeln immer näher. Auf dem Forum, wo die größte Dichte an paganen Monumenten besteht, wird der Betrachter sowohl körperlich als auch geistig zum kleinsten und jüngsten Rezipienten der Umgebung. 4.4.1.1 Wahrnehmungsinstanz, Wahrnehmungsbereich und Ereignisregion Die Wahrnehmungsinstanz (Origo) kann entweder stehend oder wandernd auf dem Forum Romanum und dem Bereich der Via Sacra gedacht werden324. Im ersten Fall könnte man eine statische Wahrnehmungsinstanz mittig in der Talsenke – etwa auf Höhe der Regia – lokalisieren. Von dort aus ist sowohl das Kapitol von einem unterhalb liegenden Stadtpunkt aus zu sehen (CS 1,216 celsa et Capitolia vidit), als auch das Muhen der Rinder vor dem RomaTempel immer noch zu hören (CS 1,218–219)325. Die Synästhesie vidit

324 Zur Wahrnehmungsperspektive und zur Origo Wenz (1997), 35ff.; 52ff.; Dennerlein (2009), 150ff. Bauer (1996), 47 schließt den Bereich der Via Sacra in seine Untersuchungen zum Forum Romanum mit ein, da er einerseits „in das Repräsentationssystem dieser Platzanlage integriert [ist], sich andererseits gerade in diesem Bereich großangelegte spätantike Bau- bzw. Umbauprojekte beobachten [lassen].“ 325 Zur Identifizierung des Tempels mit dem Heiligtum der Venus und der Roma auf dem Veliahügel Ziemssen (2011), 138f.; Schmitzer (2012), 256, Anm. 61.

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resonare Viam (CS 1,217–218) muss nicht zwingend darauf hindeuten, dass der Betrachter auch die Kühe selbst sieht326. Im zweiten Fall wird von einer wandernden Origo ausgegangen, die eine Wegstrecke zurücklegt. Diese beginnt an der Westseite des Forums auf dem Kapitolshügel und endet an der Ostseite vor dem templum Urbis327. In diesem Fall läge eine dynamische Route vor, über die die Origo ihren Wahrnehmungsbereich durchwandert328. Das egrediens (CS 1,215) muss hier auf den gesamten folgenden Satz bezogen werden und wird damit zum Tätigkeitsverb. Die Handlung egredi würde sich damit nicht allein auf den Zeitpunkt des Verlassens des Hauses beschränken (heraustreten), sondern eine andauernde Bewegung im Raum beschreiben. Es bietet sich jedoch auch eine Mischform beider Annahmen an. Wenn der Junge sein Haus verlässt (CS 1,215 domo egrediens), wird er nahezu zeitgleich mit den ersten Schritten direkt in das Zentrum Roms geführt. Hier ist der Zeitpunkt gemeint, zu dem der Junge alt genug ist, den häuslichen Schutzbereich zu verlassen. Gleichzeitig markiert egrediens unter einem stilistischen Blickpunkt eine andauernde Fortbewegung, da es einen immensen Satz einlei329 tet, der sich selbst durch das Enjambement über elf Verse fortbewegt . Die Bewegung des Jungen findet in der fortschreitenden Dynamik des Satzgefüges ihren Ausdruck. In der Mischform liegt somit eine zeitliche Doppelbelegung von egrediens vor: Es muss einerseits punktuell als Zeitpunkt des Heraustretens aus dem Haus, andererseits prozessual als Voranschreiten auf dem Forum und der Via Sacra aufgefasst werden330. Nun muss aber nicht zwingend, wie von Christian Gnilka angenommen, der Anfangspunkt eines Rundgangs auf dem Kapitol und sein Endpunkt auf dem Veliahügel vor dem templum Urbis festgelegt werden331. Vielmehr kann die Wahrnehmungsinstanz in einem kleineren Bewegungsbereich auf dem Forum Romanum und der Via Sacra gedacht werden. Auch dann befindet sie 326 Wenz (1997), 76: „Statischer Raum wird von einem festen Standpunkt aus wahrgenommen.“ Zur Positionierung einer literarischen Wahrnehmungsinstanz Dennerlein (2009), 150ff. bes. 152f. 327 Gemäß Fleischmann (2001), 202 schließt der imaginierte Stadtrundgang in Serv. Aen. 8,361 ebenfalls mit einem „imaginierten Blick über das ganze Forum Romanum vom Westende her bis über seine eigentlichen Grenzen im Osten hinaus“. Die Via Sacra, auf der Euander und Aeneas sich bewegt haben sollen, bleibt jedoch unerwähnt. 328 Dennerlein (2009), 153ff.; Wenz (1997), 61ff. 329 Vgl. Gnilka (2000d), 188. 330 Ebenso impliziert die Anführung der Via Sacra bereits, dass eine Bewegung im Raum stattfindet. 331 Gnilka (2000d), 190; 195f.

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sich immer noch im unmittelbaren visuellen und akustischen Wahrnehmungsbereich der geschilderten Ereignisse, wenn sie das Tal von West nach Ost durchwandert ohne die Hügel zu besteigen. Gegenüber dem Wahrnehmungsbereich, der an die Figur des Jungen gebunden ist, umfasst die Ereignisregion einen deutlich größeren Raum332. Sie erstreckt sich von einem Endpunkt (Kapitol) zum anderen (Velia) und schließt beide mit ein. Die genannten Feste (CS 1,215) und Priester (CS 1,217) müssen nicht zwangsläufig nur vor den Tempeln auf dem Forum angenommen werden, sondern können sich ebenso auf dem Kapitol und vor dem Tempel der Venus und Roma befinden. Die in Todesangst muhenden Rinder werden eindeutig ante delubrum Romae positioniert und befinden sich damit nur noch im akustischen nicht aber im visuellen Wahrnehmungsbereich der Origo. 4.4.1.2 Topographie und Ritual: Religion ‚on stage‘ Die materielle Ausgestaltung des fiktionalisierten Raumes setzt sich aus dem Kapitol, dem Tempel der Roma und Venus sowie einer Reihe anderer, nicht namentlich aufgeführter Tempel und einiger Statuen zusammen. Was in der Ausgestaltung des importierten Raumes auffallend fehlt, sind die Gebäude und Räume des alltäglichen und politischen Lebens. Diese bildeten einen großen Teil des architektonischen Gesamtbestandes des Forum Romanum und spielten auch noch in der Spätantike eine bedeutsame Rolle im wirtschaftlichen und politischen Leben333. Die profanen Bauten und Plätze, die allein aufgrund ihrer Größe und architektonischen Ausgestaltung einen imponierenden und bleibenden Eindruck beim Betrachter hinterlassen haben müssen, werden an 332 Zur Unterscheidung von Wahrnehmungsbereich und Ereignisregion Dennerlein (2009), 146: „Wird Wahrnehmung erzählt, kann die räumliche Ausdehnung der Situation zwei verschiedene Einheiten umfassen: zum einen die Ereignisregion, in der die Wahrnehmungsinstanz lokalisiert ist, zum anderen denjenigen Ausschnitt des Raumes der erzählten Welt, der wahrgenommen wird. Die Ereignisregion der Wahrnehmungsinstanz ist dann die räumliche Komponente der erzählten Situation.“ 333 Bauer (2005), 41ff. verweist auf eine Reihe an „Bauten verschiedenster Epochen und Intentionen“. Einen Plan der Fora in der Kaiserzeit bieten Kolb (1995), 374; Bauer (1996), 6; Bauer (2005), 42f.; Krautheimer (1996), 20 bietet einen Plan des paganen Zentrums nebst einer eindrücklichen Beschreibung der vermutlichen Wirkung des Raumes in der Spätantike. Zur Grabungs- und Forschungsgeschichte Hülsen (1905), bes. 32ff.; Hülsen (1926), bes. 62ff.; Coarelli (2008), 46ff.; Ziemssen (2011), 134ff.; zum sozialpolitischen Leben auf dem Forum Köb (2000), bes. 124ff.; Kissel (2004); speziell zur Spätantike Kolb (1995), 387ff.; Krautheimer (1996), 28; Bauer (1996), bes. 124ff.; zum Erhalt des Forums in der Spätantike Giuliani/Verduchi (1995); Coarelli (1999), 29ff. zur Restaurationsarbeit unter Maximian und Diokletian; Bauer (2001), bes. 81ff.; Freyberger (2012), 111ff.

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dieser Stelle nicht erwähnt. Zu ihnen zählen bspw. die Basiliken, die Kurie, die Triumphbögen und die einst politische Bedeutung tragenden Rostra sowie nicht zuletzt die Palastanlagen des Palatins334. Bereits in dieser selektiven Auswahl der topographischen Elemente wird der reale Stadtraum partiell entfremdet. Der öffentliche politische Zentralplatz Roms wird unter Auslassung der Profanbauten als eine reine Sakrallandschaft inszeniert, die sich nur aus Tempelbauten und Statuen von Göttern und Halbgöttern zusammensetzt335. Der Kapitolshügel und der Veliahügel bilden dabei die exponierten Endpunkte, die das Forumstal und den Bereich der Via Sacra als ein in sich geschlossenes religiöses System erscheinen lassen. Der Betrachter in der Talsenke befindet sich in einer Art ‚Konkav-Schlucht‘, die topographisch von Sakralmonumenten umschlossen ist und verschlossen wird. Das gesellschaftliche Zentrum Roms wird als Schauplatz inszeniert, dem eine suggestive Wirkungsabsicht auf die religiöse Einstellung des (kindlichen) Betrachters unterstellt wird. Auf eine Beschreibung einzelner Gebäude oder der Architektur der beiden erwähnten Tempel wird in der Szeneriebeschreibung verzichtet. Der eine Endpunkt der Ereignisregion, das Kapitol sowie sein Staatstempel, werden allein mit dem Attribut celsa belegt336. Indem die topographisch erhöhte Lage des Tempels hervorgehoben wird, wird zum einen der visuelle Eindruck des Betrachters wiedergegeben, wenn er sich unterhalb auf dem Forum befindet. Zum anderen wird auf die Emotionen verwiesen, die dieser tiefliegende Blickpunkt beim Rezipienten erzeugt. Das Kapitol wird vom Jungen nicht nur als 334 In Serv. Aen. 8,361 sind es vor allem die Rostra und nicht die Tempel, die zum symbolischen Inbegriff des Forum Romanum werden: ROMANOQUE FORO Romanum forum est ubi nunc rostra sunt. In der Spätantike ist das Forum Romanum vorrangig ein Ort kaiserlicher Selbstpräsentation, dazu Kolb (1995), 667ff.; Sehlmeyer (2009), 254f.; Coarelli (1999), 27ff. zu Maximian und Diokletian; Bauer (1996), bes. 101ff; 124ff.; Bauer (2005), 44ff.; 48f. zu Honorius; Bauer (2012b); Muth (2010) zu den Flaviern; Ziemssen (2011), 136; 147f. zum kaiserlichen Bauprogramm auf dem Palatin an der Seite zum Forumstal; Freyberger (2012), 95ff. Darüber hinaus interpretiert Bauer (1996), 127 das Forum des 4. Jh. aufgrund eines fragmentarischen Edikts als einen „Ort, an dem Rechts- bzw. Unrechtsbewusstsein gesteuert wurde“. Gemäß Köb (2000), 41 hatten die Tempel des Forum Romanum eine kommemorative und zugleich eine praktische Funktion und waren damit nicht nur sakrale Orte. Sie zeigt diesen Umstand unter anderem am Tempel der Dioskuren und des Saturn auf, die sie als „multifunktionale Bauten“ charakterisiert (Ebd. 199). 335 Vgl. Schmitzer (2012), 255. 336 Wenige Jahre zuvor waren der Saturntempel und die Porticus Deorum Consentium am Fuß des Hügels an der Forumsseite restauriert worden, die mit Sicherheit ins Auge fielen, bei Prudentius aber übergangen werden, vgl. Bauer (2001), 81f.; Bauer (2005), 143; Bauer (2012b), 332f.; Hölscher (2006), 118f.

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hoch aufragend, sondern ebenso als religiös bedeutungsvoll und erhaben wahrgenommen. Er akzeptiert das Kapitol als Sitz des Göttlichen, das alles Menschliche sowohl symbolisch als auch de facto in der Höhe überragt337. Nachdem der Junge die Feste in seiner unmittelbaren Umgebung bestaunt hat (CS 1,216), fällt sein erster Blick auf eben diesen herausragenden Tempelbezirk, der die Szenerie an der Westseite des Forums beherrscht und begrenzt (CS 1,216 vidit). Es folgt ein schweifender Rundblick über die unmittelbare Umgebung, der an dem zweiten Fixpunkt in topographischer Höhe haften bleibt: dem Tempel der Venus und Roma (CS 1,219 delubrum Romae). Die hier beschriebene Raumwahrnehmung folgt den kognitiven Prinzipien der Salienz und der subjektiven Proximität zum Betrachter: In der Topographie des Forums nimmt der Junge das Nahe vor dem Fernen und das Hohe vor dem Niedrigen wahr. Weiterhin fällt zuerst das Dynamische und dann das Statische ins Auge, wenn der Junge anfangs die Feierlichkeiten und dann erst den Raum (CS 1,217 templis) und die darin stillstehenden Personen (CS 1,217 adstare ministros) in einem Rundblick erfasst. Es ergibt sich so in der literarischen Raumbeschreibung der Perzeptionscode ‚unmittelbare Nähe (Feste) – Distanz (Kapitol) – mittelbare Nähe (Priester/Tempel) – Distanz (templum Urbis)‘. Die Blickrichtung des Jungen ist an die Gesetzmäßigkeiten der kognitiven Psychologie angelehnt, welche die Raumwahrnehmung eines exemplarischen Betrachters determinieren und steuern338. Nicht nur einem kleinen Kind, sondern auch jedem erwachsenen Besucher des Forums kann ein ähnlicher Perzeptionscode zugesprochen werden. Das zweite auffällige Objekt in der Distanz befindet sich an der Ostseite des Forumstals. Ebenso wie das Kapitol hebt auch der Doppeltempel der Venus

337 In Ov. trist. 1,3,29ff. erzeugt bereits ein Blick auf das Kapitol beim Ich ein inbrünstiges Gebet an die Götter, in dem es den Schmerz darüber, die Göttertempel und Rom niemals wieder sehen zu können, äußert: „Hanc ego suspiciens et ab hac Capitolia cernens, … ‚numina vicinis habitantia sedibus“, inquam, | „iamque oculis numquam templa videnda meis, | dique reliquendi, quos urbs habet alta Quirini, | este salutati tempus in omne mihi.“ In Tac. hist. 1,40,2 versagen das Kapitol und die umstehenden Tempel in ihrer Funktion, Repräsentanten römischer Religion zu sein, und Galba wird auf dem Forum Romanum getötet: Nec illos Capitolii aspectus et imminentium templorum religio et priores et futuri principes terruere quo minus facerent scelus cuius ultor est quisquis successit, dazu Edwards (1996), 76f. 338 Wenz (1997), 76 bezeichnet diese sprachliche Repräsentation von Raum als „diagrammatisch ikonisch“, wenn die Reihenfolge im Text mit der Intensität der Wahrnehmung übereinstimmt. Das „Prinzip der Salienz“ besagt „dass es die intensivsten und auffälligsten Objekte sind, die wir zuerst bemerken“. Nach dem Prinzip der „subjektive[n] Proximität zum Betrachter“ wird das unmittelbar Nahe zuerst wahrgenommen.

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und Roma sich durch seine geographisch erhöhte Lage von der übrigen Szenerie ab339. Auch beim delubrum Romae (CS 1,219) bzw. den Urbis Venerisque templa (CS 1,221–222)340 wird auf eine detaillierte architektonische Beschreibung verzichtet341. Mit der Erwähnung des Doppeltempels ist ähnlich wie schon beim Kapitol eine andere Absicht verbunden als „den Leser darüber zu belehren, wie das Bauwerk aussieht“342 oder dessen beeindruckende Konstruktion zu loben. An dieser Stelle der Passage tritt der Erzähler in Form einer Parenthese erstmals aus dem fiktionalisierten Erzählraum als Berichtender heraus (CS 1,219–222). Die Perspektive des Kindes wird vorübergehend aufgegeben, um das Angeführte zu erläutern, zu kommentieren und um weitere Informationen zu ergänzen. Zwei Aspekte sind es, die den Erzähler zu einer Wertung des Dargestellten anzutreiben scheinen: Zum einen wird die Tatsache, dass nach Art einer Gottheit sogar ein lebloser Ort im römischen Reich Verehrung findet343, zum ande339 Cass. Dio 69,4,3ff., vgl. Ziemssen (2011), 144ff., bes. 146: „Im Westen stellten die Portiken der Via Sacra einen unmittelbaren visuellen Anschluss an Freitreppe und Tempelplattform her. Die Tempelfront wurde hier zum beherrschenden Ostabschluss der Straße und des Forum Romanum und zum Gegenüber des Kapitolinischen Tempels.“ 340 Der Doppeltempel der Venus und Roma wird bei vielen spätantiken Autoren nur unter der Nennung der Stadtgottheit aufgeführt: templum Romae (Chronogr. ann. 354; Chron. min. 1,148); Urbis templum (Amm. 16,10,14; HA Hadrian. 19,12); templum Urbis Romae (Serv. Aen. 2,227), vgl. Bauer (1996), 60. Als Tempel der Venus wird er nur in HA trig. Tyr. 32 bezeichnet. Prudentius betont damit gegenüber anderen Autoren schon in der Benennung des Tempels seine Doppelbelegung. 341 Vgl. zu Lage, Konstruktion und Geschichte des Tempels Platner–Ashby(1965), 552ff. s.v. Templum Veneris et Romae; Hülsen (1926), 58ff.; Coarelli (1983), 11ff.; Coarelli (2008), 118f.; Richardson (1992), 409ff. s.v. Venus et Roma, Templum; Bauer (1996), 59ff.; Cassatella (1999), 121–123; Gnilka (2000d), 190ff.; Ziemssen (2011), 138ff.; zur Roma aeterna Gagé (1936), Mellor (1981), 1021ff. 342 Gnilka (2000d), 193. 343 Gnilka (2000d), 194 verneint, dass der Kult zu Ehren Romas in der Zeit des Prudentius weiterbestanden habe. Der Roma-Kult reiht sich beim Dichter in die Kultverehrung von Gegenständen ein. Er übertrifft sie sogar noch, da den anderen verehrten Sachen zumindest noch ein gewisser Grad an Dinglichkeit zugesprochen werden kann, während die Bezeichnung ‚Roma‘ nur auf sprachlicher Ebene existiert. Hier dürfte auch ins Gewicht gefallen sein, dass Maxentius, der an anderer Stelle von Prudentius als Tyrann bezeichnet wird (CS 1,482), die Gegend um den Veliahügel während seiner kurzen Regierungsphase als conservator urbis suae wieder auf- und ausgebaut hat, so dass man es als „Maxentiusforum“ bezeichnen kann, dazu Bauer (1996), 103f.; kritisch Mayer (2002), 184f. Die Dinglichkeit Romas wird durch die Menschlichkeit der Venus kontrastiert und unterstrichen. In CS 1,164–179 werden Venus und Mars mit einem ironischen Unterton als parentes Roms bezeichnet, von denen die Stadt ‚abstamme‘ (ortam). Prudentius nennt Venus in CS 1,172 eine augusto de sanguine femina; vgl. Gnilka (2000d), 193.

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ren deutlich die Doppelbelegung des Tempels durch zwei weibliche Stadtgottheiten herausgestellt. Der von Christian Gnilka angedachte, jedoch nicht weitergeführte Gedanke, dass „dem Haupttempel auf dem Kapitol […] nun der gewaltige Tempel der beiden Stadtgottheiten auf der Velia gegenübergestellt“344 werde, lässt sich an dieser Stelle weiter ausbauen. In Contra orationem Symmachi wird das Kapitol zur ‚Wiege‘ der falschen Staatsreligion, als Saturn sich dort erstmals als Gott verehren lässt. Dieser ‚Geburtsstätte des Aberglaubens‘ wird der Venusund Roma-Tempel als Höhepunkt eines grotesken Götterglaubens gegenübergestellt. Der aberwitzige Kult zu Ehren einer Ortsbenennung wird apodiktisch in der alliterativen Wendung nomenque loci ceu numen habetur komprimiert auf den Punkt gebracht und verurteilt345. Durch die Wendungen pari culmine und geminis deabus wird die Funktion des delubrum als Doppeltempel herausgestellt (CS 1,221–222). Damit gerät die pagane Vielgötterei in den Fokus: Nicht nur in der ganzen Stadt, sondern selbst unter einem einzigen Dach werden aufgrund ihrer Vielzahl mehrere Gottheiten verehrt. Dieser Vorwurf trifft rückwirkend auch das wohl berühmteste delubrum der Stadt, den Tempel der kapitolinischen Trias346. Die

344 Gnilka (2000d), 190. Vgl. dazu Kolb (2009), 60: „Ein Gegengewicht [zum kaiserkultzentrierten Marsfeld] bildet der südöstlich vom Forum Romanum, auf der Velia, errichtete riesige Tempel für Venus und Roma. Er steht auf einer 145 X 100 m großen, künstlich aufgeschütteten Terrasse, so dass er das Forum Romanum überragt und ein deutliches Pendant zum gegenüberliegenden kapitolinischen Tempel bildet.“ 345 Zum Wortspiel Symm. rel 3,3 (über Victoria): Reddatur saltem nomini honor, qui numini denegatus est. Zur Anklage Gnilka (2000d), 193; wenig überzeugend Behrwald (2009), 265, bes. Anm. 42; 43, der zwar richtig eine „religionsgeschichtliche Evolution“ in der Passage sieht, jedoch aufgrund der „eminent positive[n] Rolle der Romagestalt im ganzen Gedicht“ den Romakult nicht als Klimax absurder Kultverehrung anerkennen möchte. In seiner Interpretation übersieht er die gedankliche Trennung, die Prudentius zwischen dem Kult der Roma und Roma als literarische Verkörperung der Römer zieht: Ersterer ist genauso verurteilenswert wie alle anderen Kulthandlungen in Rom, während letztere auch für ihn selbst eine geeignete Form darstellt, die eigenen Ansichten lebendig darzustellen, zur Roma-Figur bei Prudentius siehe unten S. 246ff.; 248ff.; 265ff.; 270ff. Zudem kann im zweiten Teil der Passage kein höherer Grad an Reflexion angenommen werden, da der Junge ja gerade unreflektiert den Weisungen des Senates folgt und den Götterglauben annimmt. 346 Möglicherweise hat Prudentius an die Iovis Tarpei delubra in Amm. 16,10,13f. gedacht. Bei Tertullian werden die vielen Götter des Kapitols angeprangert: … omnium daemonum [sc. deorum] templum (Tert. spect. 12,7). Zum Begriff delubrum vgl. Serv. Aen. 2,225: DELVBRA delubrum dicitur quod uno tecto plura conplectitur numina, quia uno tecto diluitur, ut est Capitolium, in quo est Minerva, Iuppiter, Iuno. Schmitzer (2012), 256 verweist auf den polemischen Gebrauch des „pagane[n] Schlüsselbegriff[s]“ bei Prudentius, der mit dem

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Dichte der falschen Gottheiten in Rom ist durch den beständigen Kultimport so hoch geworden, dass sie sich ihre Heiligtümer bereits teilen müssen. Hinter dieser religionskritischen Betrachtungsweise treten die politische und öffentliche Funktion des Kapitols und des Roma-Tempels zurück347. Beide Großbauten werden allein auf ihre religiöse Bedeutung beschränkt und es wird suggeriert, dass lediglich eine geschickte Platzierung im Stadtraum diese bekräftige. Von welchem Ort aus Roms Straßen man zum Kapitol oder zum Veliahügel blickte – die beiden Sakralmonumente überragten stets in imposanter Weise die übrige Stadtszenerie. Dieser Effekt, der an eine göttliche Erhabenheit in den beiden Tempelbezirken glauben lässt, trat besonders deutlich zu Tage, wenn man in der Forumssenke zwischen den beiden Hügeln stand. Eben diese räumliche Wirkung der Stadttopographie stellt Prudentius heraus, wenn er einen kleinen Jungen auf dem Forum zwischen den beiden herausragenden Göttertempeln Roms vor der Kulisse weiterer zahlreicher Tempel positioniert. Der Standpunkt der Raumwahrnehmung wird nochmals in die Tiefe verlagert, da es sich um einen kindlichen Betrachter handelt. Bei dem fiktiven puer stellt sich auch sogleich die erwünschte Wirkung ein: Das Sehen führt zum Staunen und er glaubt an die paganen Gottheiten, noch während er zum ersten Mal über das Forum läuft: … contulit ad simulacra fidem dominosque putavit (CS 1,224). Im Abschreiten der Ereignisregion von der West- zur Ostseite kann nicht nur eine räumliche, sondern auch eine zeitliche Wegstrecke nachvollzogen 348 werden . In CS 1,198 wird der personifizierten vana superstitio ein chronologisch-dynamischer Charakter zugewiesen und sie ‚durchläuft‘ ohne Unterbrechung die Jahrhunderte (cucurrit). Dieses Voranschreiten bzw. diese Fortentwicklung des Aberglaubens kann auf einem Gang vom Forum zur Via Sacra nachvollzogen und quasi abgeschritten werden, da sie sich in der baulichen Ausgestaltung des öffentlichen Zentralplatzes manifestiert. Die Route vom Kapitol aus über das Forum bis hin zum Veliahügel wird zu einer ‚Verräumlichung‘ der Religionsgeschichte Roms. Der jahrhundertelange EntwicklungsRoma-Tempel auf einen Bau von „erheblicher zeitgeschichtlicher Signifikanz“ (als Restaurationsbau des Maxentius) und enormer Größe bezogen werde. 347 Zum Kapitol Lugli (1969), Bd. 17, Nr. 1,371–422; Kissel (2004), 52ff., bes. 57f. Bauer (1996), 128 spricht den paganen Sakralbauten auch in der Spätantike noch einen hohen Symbolgehalt zu, auch wenn sie nicht mehr als solche genutzt werden. Die politische und öffentliche Bedeutung und Nutzung des Roma-Tempels sowie seine enge Anbindung an die kaiserliche Selbstrepräsentation im Stadtzentrum arbeitet Ziemssen (2011), bes. 212ff. heraus. 348 Ähnlich Behrwald (2009), 265.

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gang des römischen Polytheismus wird dabei durch die Gebäude selbst repräsentiert: Das Kapitol verkörpert die Ursprünge der falschen Religion unter Saturn und Jupiter. Der Roma-Tempel steht für die letzten absurden Auswirkungen der Vielgötterei349. Die weiteren umstehenden Tempel werden mit dem allumfassenden, nicht genauer spezifizierten Lokalablativ templis kurz angeführt. Durch diese indifferente Angabe erwächst der Eindruck einer unbestimmbaren Vielzahl, bei der es nicht lohnenswert scheint, sie weiter nach Gottheiten, Riten und herangetragener Symbolik zu differenzieren. Sie werden räumlich als Hintergrund zwischen den zwei herausragenden Tempelbezirken und zeitlich als Interludien der frühesten Vergangenheit und der Gegenwart eingeführt. Die unbestimmte Zahl der Tempel auf dem Forum repräsentiert die vielen Jahrhunderte, die zwischen der ersten Herrscherapotheose unter Saturn auf dem Kapitol und der Vergöttlichung von Dingen liegen. Die Via Sacra als real existente Straße wird zu einer metaphorischen Wegstrecke der irrigen Religionsentwicklung: zu einer Via Sacra superstitionis350. Zur Kulisse der unbewegten Raumelemente treten typische Vorgänge und Personen hinzu, die das kulturelle Zentrum Roms zu einem sakral und gesellschaftlich bedeutsamen Ort machen. In der Objektregion351 der Tempel werden verschiedene Aktivitäten verortet, die für einen soziokulturellen Raum charakteristisch sind: öffentliche Feste, Feiertage und Spiele352. Diese Feier-

349 Die ungebrochene Tradition und stetige Fortentwicklung der paganen Kulte wird in CS 1,240–244 angeprangert: Sic observatio crevit | ex atavis quondam male coepta, deinde secutis | tradita temporibus serisque nepotibus aucta. | Traxerunt longam corda inconsulta catenam | mosque tenebrosus vitiosa in saecula fluxit. 350 In Ov. trist. 3,1,28 wird der Name der Via Sacra von den heiligen Orten und Handlungen hergeleitet: … haec est a sacris quae via nomen habet. Zum räumlichen Verständnis von vana superstitio … cucurrit (CS 1,198): Gemäß OLD (2007), 476 s.v. curro bezeichnet das Verb currere in der Grundbedeutung eine Bewegung im konkreten Raum, erst in der übertragenen Bedeutung wird es auf Abstrakta wie die Rede oder die Zeit bezogen. Die Konnotation, currere nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich zu verstehen, liegt hier also nahe. 351 Dennerlein (2009), 124: „Im Alltag ist die Region derjenige räumliche Bereich, der die typischen Interaktionen mit einem Objekt kennzeichnet. […] Das Konzept der Objektregion ist abzugrenzen vom materiellen Ort, den ein Objekt einnimmt.“ 352 CS 1,215f. … publica festa diesque | et ludos. Diese allgemeinen Feiertage werden am Ende der Passage in den Kultfeierlichkeiten des Janus spezifiziert: Iano etiam celebri de mense litatur | auspiciis epulisque sacris, quas inveterato | (heu miseri) sub honore agitant et gaudia ducunt | festa kalendarum (CS 1,237–240), dazu Gnilka (2001b), 10. Zur unterschiedlichen Beurteilung der Neujahrfeierlichkeiten bei den christlichen Autoren Kahlos (2007), 130.

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lichkeiten können als „Skripte“, als „Wissenspräsentationen für Handlungsabläufe“353, aufgefasst werden, durch die den Tempeln ihre eigentliche Funktion und ihre sakralsymbolische Bedeutung zugewiesen werden. Das Ereignis ‚ein Kind betritt das Forum‘ wird damit in ein institutionelles Raummodell eingebettet, wenn die räumlichen Strukturen durch die ihnen typischen Ereignismuster belebt werden354. Auch die Sakralfeierlichkeiten werden weder zeitlich festgelegt noch vor einem bestimmten Tempel verortet355. Durch diese Generalisierung entsteht der Eindruck, dass zu jeder Zeit in jedem Winkel der Ereignisregion Feierlichkeiten zu Ehren irgendeiner Gottheit abgehalten würden356. Die Personen, die bei den Festen und Spielen mitwirken, werden nicht genauer benannt. Es kann aber von einer großen Menschenmenge ausgegangen werden, die sich in Akteure und Beobachter unterteilen lässt357. Anders als zu erwarten, sind die Priester bzw. Opferdiener358 keine aktiven Teilnehmer an den Feierlichkeiten. Sie verharren vielmehr in Unbeweglichkeit und fügen sich damit in die Topographie der Kulisse ein. Nahezu wie die später erwähnten Statuen stehen sie selbst zu leblosen Standbildern erstarrt bei den Tempeln (CS 1,217 templis adstare), deren Objektregion sie nicht durch Handlungen beleben, sondern durch ihre bloße Präsenz institutionell vervollständigen. Auffallend ist, dass den sakralen Festen und Spielen keinerlei Geräuschkulisse zugeschrieben wird. Etwaige Gesänge der Priester oder Jubelrufe des Volkes, die mit den rituellen Handlungen und feierlichen Aktivitäten eigentlich einhergehen, werden gänzlich ausgeblendet359. Stattdessen wird der Wahrnehmungsbereich des Jungen durch einen akustischen Reiz belebt, dessen 353 Dennerlein (2009), 181. 354 Dennerlein (2009), 180. 355 Vor allem die fehlende Schilderung eines triumphus ist ausgesprochen auffällig. Hölkeskamp (2004), 148 bezeichnet ihn als die wohl „spektakulärste Prozession“ im urbanen Raum, vgl. Flaig (2004), 32ff.; Lugli (1969), Bd. 17, Nr. 1,400–411 zu literarischen Triumphschilderungen. Kissel (2004), 138ff. führt neben dem Triumphzug (im republikanischen Rom) Leichenfeierlichkeiten und Staatsopfer als eindrucksvolle Inszenierungen auf dem Forum Romanum an. 356 Zum römischen Festkalender grundlegend Rüpke (1995). 357 Vgl. Kissel (2004), 190ff. zum sacrificium publicum. 358 CS 1,216f. vidit | laurigerosque deum templis adstare ministros, zur Symbolik des Lorbeer bei sakralen Handlungen Hartung (1836), 200ff.; Siebert (1999), 120; 184. 359 In der antiken und spätantiken Literatur hallen die Hügel Roms oftmals vom Gesang oder dem Rufen der Römer wider. Diese „unanimity of human and natural, of sound and location“ wird gemäß Roberts (2001), 543ff. bei christlichen Dichtern aufgenommen. Bei Prudentius wird bspw. in Perist. 10,2; 60 und 11,195ff. auf das Volksgetümmel und die christlichen Gesänge verwiesen, die an den Festtagen des Petrus und Paulus sowie des Hippolytus in Rom zu sehen und zu hören sind, vgl. zum Motiv bei Prudentius Rodriguez-Herrera (1936), 93.

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Quelle außerhalb seines unmittelbaren Sichtfeldes liegt: Das Muhen der Opfertiere vor dem templum urbis lässt das gesamte Forumstal widerhallen (CS 1,218–219). Das Geschrei der zum Tode verurteilten Rinder wird zum einzigen vernehmbaren Laut und erscheint vor der sonstigen Stille umso lauter. Mit dem allgegenwärtigen Muhen wird auf einen gängigen Topos der römischen Frühzeitschilderungen angespielt. Ebenso wie im Ur-Rom Euanders das Forum Romanum vom Muhen der Kühe widerhallt360, wird die Szenerie um die Via Sacra auch in späteren Zeiten immer noch vom Brüllen der Rinder geprägt. Die muhenden Kühe erinnern nicht nur an die archaische Frühzeit Roms, sondern werden gleichzeitig zum Symbol barbarischer Opferriten361. Deren Beibehaltung in der Gegenwart steht im direkten Kontrast zu den eindrucksvollen Monumentalbauten, in denen sich der kulturelle Fortschritt repräsentiert. Der Widerspruch von Architektur und religiöser Kultur impliziert den folgenden Schluss für den Leser: Obwohl das Forum Romanum nun keine unbebaute Auenlandschaft mehr ist, ist die religiöse Fortentwicklung im frührömischen Stadium der barbari ritus stehen geblieben. Die Weiterentwicklung der römischen Lebenskultur hat allein dazu geführt, dass die mediale Repräsentation der falschen Religion kultiviert worden ist und die primitiven Rituale auf einer eindrucksvolleren Bühne inszeniert werden können, nicht jedoch dazu, dass der primitive Aberglaube der Frühzeit abgelegt worden ist. Das Bild der muhenden Rinder veranschaulicht, dass das Echo einer barbarischen Vergangenheit auf dem Forum Romanum noch nicht verklungen ist. In der Ereignisregion ‚Zentrum‘ tritt zu der Vielzahl an Tempelbauten und Feierlichkeiten eine Reihe an Statuen: Illic Alcides spoliatis Gadibus hospes Arcadiae fulvo aere riget; gemini quoque fratres corrupta de matre nothi, Ledeia proles, nocturnique equites, celsae duo numina Romae, inpendent retinente veru magnique triumfi 360 Verg. Aen. 8,360–361 … passimque armenta videbant Romanoque foro et lautis mugire Carinis. Eine Anspielung auf die „idyllische Szenerie“ des Rundgangs von Euander und Aeneas in der Aeneis erkennt bereits Schmitzer (2012), 256. Zum topischen Charakter des Forums als „Weideplatz für Rinder“ bei den augusteischen Dichtern sowie zu weiteren Belegstellen Scheithauer (1998), 295, Anm. 49. Sehr anschaulich beschreibt Tib. 2,5,23ff., bes. 24f. die Szenerie mit Blick auf das Kapitol: … sed tunc pascebant herbosa Palatia vaccae | et stabant humiles in Iovis arce casae. 361 Prudentius mag hier an Ambr. epist. 18,7 gedacht haben, wo Tieropfer zum Inbegriff paganer Religion werden, dazu Klein (1971), 126f.

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nuntia suffuso figunt vestigia plumbo. Adsistunt etiam priscorum insignia regum: Tros Italus Ianusque bifrons genitorque Sabinus Saturnusque senex maculoso et corpore Picus, coniugis epotum sparsus per membra venenum. Omnibus ante pedes posita est sua cuique vetusta arula. (CS 1,226–237) Die in der Forschung vorrangig untersuchte Frage ist, ob Prudentius mit den Statuen Objekte in die Ereignisregion ‚hineindichtet‘ oder real existente Kunstgegenstände in ihrer tatsächlichen Umgebung beschreibt und wo diese sich befunden haben könnten. Henry Thomson verortet die angeführten Statuen auf dem Kapitol362, während Christian Gnilka sie auf dem Platz vor dem Roma-Tempel aufgestellt wissen möchte363. In beiden Fällen befänden sich die Standbilder außerhalb des Wahrnehmungsbereiches des Jungen im Bereich des Forums und der Via Sacra und verlören damit ihre direkte Wirkung auf den kindlichen Betrachter. Vor ihrer Auflistung wird berichtet, dass der Junge die Statuen für die Götter selbst halte und ihnen daher religiöse Verehrung entgegenbringe (CS 1,224)364. Dies setzt voraus, dass er sie ebenso wie die Tempel und Feste auch sieht. Vidit und stupuit des vorangehenden Satzes müssen gedanklich auf den folgenden Passus der Statuenbeschreibungen bezogen werden. Ähnlich wie bei den Sakralbauten und Riten wird auch bei den Standbildern ein ehrfürchtiger Glaube an die paganen Gottheiten erst durch eine Kombination aus religiöser Vorbildung und visueller Präsenz evoziert. Die Statuen des fiktionalisierten Stadtraumes müssen also in der Talsenke im Bereich des Forum Romanum

362 Thomson (1949), 367. Gemäß Siebenhüner (1954), 18 kann von folgenden Statuen auf dem Kapitol ausgegangen werden (Stellenangaben nach Ebd.): zwei Standbilder des Hercules [Plut. Fab. 22; Plin. H. N. XXXIV,40; Strabo VI. p. 278]; eine Dioskurengruppe [Cic. Catil. III.8.19; Corpus insc. Lat. XVI.23]; Ehrendenkmäler der Könige [Plin. H. N. XXXIV. 22–23; XXXIII, 9,10,24; Appian bell. Civ. 1,16; HA Cl. 3; Suet. Dom. 13; Cass. Dio, XLIII,45 usf.]. Hölscher (1985), 328ff. und Sehlmeyer (1999), 110 verweisen auf Königsstatuen von Romulus bis Tarquinius Superbus in der republikanischen Zeit auf dem Kapitol. 363 Gnilka (2000d), 200f. 364 Zur Wirkung von Götterstatuen Francis (2010), 296: „Though images of the gods were not divine in themselves, they nevertheless shared in some way the nature and power of the being they represented”; zur Entsprechung von Gottheit und Statue in der christlichen Polemik Scheer (2001), 36.

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oder der Via Sacra im direkten Wahrnehmungsbereich des Jungen lokalisiert werden365. Es besteht zum einen die Möglichkeit, dass solche Statuen dort zu keiner Zeit gestanden haben. In diesem Fall hätte Prudentius die besagten Standbilder von ortsfremden Standorten auf das Forumstal und in den Wahrnehmungsbereich des Jungen hineinversetzt, um die suggestive Wechselbeziehung, die zwischen Wort (fabula) und Bild besteht, veranschaulichen zu können. Dennoch blieben sie Bestandteil der Ereignisregion – Kapitol, Forum, Via Sacra, Velia – und würden nur in den direkten Rezeptionsbereich des Kindes verschoben werden. Zum anderen geht man in der Archäologie von der Annahme aus, dass man in der Spätantike „Skulpturen von aufgelassenen und ‚anrüchigen‘ Orten wie Tempeln an neutrale und besser besuchte Plätze, etwa auf das Forum oder in die Bäder“366 versetzte. Es kann somit auch auf dem Forum eine Vielzahl von Statuen angenommen werden, die gerade im 4. und 5. Jahrhundert neu aufgestellt, konserviert und restauriert worden sind367. In der Spätantike wurden die Fora gemäß Christian Witschel „als eher ‚neutrale‘ Orte angesehen […], die man wegen ihrer Tradition schätzte und deswegen mancherorts zur Präsentation der Stadtgeschichte und -identität nutzte“368. Die Vermutung liegt nahe, dass gerade auf dem Forum Romanum, dem gesellschaftlichen Hauptplatz der Stadt mit der ältesten Tradition und Geschichte, in der statuarischen Ausgestaltung auf diese lange Traditionslinie verwiesen wurde, indem Abbilder von frührömischen Heroen wie Hercules und den Dioskuren und der genealogi-

365 Bereits Cerri (1963) stellt verschiedene Überlegungen an, welche Statuen auf dem Forum gemeint sein könnten und geht dabei anders als Gnilka (2000d), 197ff. nicht von einer zusammenhängenden Gruppe aus. So wägt er mehrere mögliche Statuen des Hercules gegeneinander ab (Ebd. 309), überlegt, welche spezifische Dioskurengruppe gemeint sein könnte und kommt zu dem Schluss, dass die Kultbilder im Tempelinneren gemeint sein müssen (Ebd. 309ff.). Dies widerspräche jedoch wiederum dem direkten visuellen Eindruck, den das Kind von den Statuen gewinnt. Von den Königstatuen können gemäß diesem nur Saturn und Janus archäologisch sicher auf dem Forum lokalisiert werden (Ebd. 313). Zum Erscheinungsbild des Tempelbildes Saturns Köb (2000), 80f. 366 Bauer/Witschel (2007), 5, vgl. Bauer (2012b), 333; ebenso bereits Bauer (2001), 80f. Ebd. 87f. führt er ein Minerva-Standbild an, das auf dem Forum Romanum aufgestellt worden ist. Die wieder errichteten Statuen umfassten also sehr wahrscheinlich auch Götterstandbilder, dazu Brandenburg (1989a). Ob die Statuen auf dem Forum Romanum tatsächlich aus Tempeln stammten oder nicht, kann an dieser Stelle nicht endgültig geklärt werden. 367 Bauer (1996), 77ff.; Bauer (2005), 52f. 368 Witschel (2007), 127.

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schen Urväter dort aufgestellt worden sind369. Dieser Annahme folgend, beschreibt der Autor eine Auswahl dessen, was tatsächlich zu sehen war370. Das ex ordine (CS 1,225) muss weiterhin nicht zwingend auf eine zusammenhängende Statuengruppe verweisen, wie sie Christian Gnilka auf dem Vorplatz des delubrum Romae verortet371. Die Statuen verteilen sich vielmehr entlang des Forums auf der Via Sacra372, wo der Junge sich befindet. Die Positionierung ordo kann entweder die Aneinanderreihung der Statuen in der Objektreferenz meinen oder aber subjektbezogen im Sinne von ‚der Reihe nach entlang der Straße wahrgenommen‘ interpretiert werden. Auch in dieser größeren Ausdehnung stünden (stant) sie dennoch entlang einer abgeschrittenen Wegstrecke. In diesem Sinne muss auch das illic (CS 1,226) weniger als Lokaladverb einer bestimmten örtlichen Gruppierung als vielmehr als deiktisches Zeigeadverb verstanden werden, das die Blickrichtung der Origo widerspiegelt. Adsistunt (CS 1,232) kann im Gegensatz zu ‚dabeistehen‘373 auch mit ‚dastehen‘ übersetzt werden, wodurch wiederum die Annahme von Christian Gnilka entkräftet wird, dass die Standbilder Teil einer gruppierten Anordnung sein müssen. Weitere Anregungen zu Überlegungen geben die Zusammenstellung der Statuen sowie ihre literarische Inszenierung bei Prudentius. Jede der Personen, die in einer der genannten Statue verewigt worden ist, steht in engem Bezug zur frühen römischen Geschichte oder zu Latium. Der Dichter greift in seinem Statuenensemble vor allem auf Personen(gruppen) zurück, durch

369 Eine entsprechende Art der Traditionsinszenierung stellt Witschel (2007), 124 für Aquileia in der nachträglichen Beschriftung der Architrave der Forumsportiken und in zwei Städten Umbriens für den deus Romulus fest. Zum Statuenbestand auf dem spätantiken Forum Bauer (1996), 72ff.; Krautheimer (1996), 46. Lugli (1946), 88 erwähnt eine Herculesstatue auf dem republikanischen Forum, vgl. Cerri (1963), 309; mit den Dioskurenstatuen könnten die beiden Statuen des Lacus Iuturnae oder die Bildnisse vor dem Tempel gemeint sein, vgl. Ebd. 180f., dagegen Gnilka (2000d), 204. Min. Fel. 7,3 erwähnt ebenfalls die Dioskurenstatuen. Procopius berichtet laut Krautheimer (1996), 48 von zahlreichen Statuen auf dem Forum und insbesondere von einer siebeneinhalb Fuß hohen Statue des Janus. 370 Im Gegensatz zu Gnilka (2000d), 210 geht Cerri (1963), 187 von dichterischer Freiheit bei Prudentius aus und nimmt nur einige der Statuen als präsent an. 371 Gnilka (2000d), 201 stützt seine Behauptung auf eine mittelalterliche Glosse, nach der illic als Verweis für in templo Romae aufgefasst wird, sowie auf Brockhaus (1872), 55. 372 Von einer Statuenreihe entlang der Via Sacra kann man gemäß Bauer (1996), 78 um 455 unter der Stadtpräfektur des Petronius Maximus ausgehen. Es ist daher möglich, dass es auch schon früher (thematisch zusammenhängende) Statuen gab, die als Galerie entlang der sakral bedeutsamen Prozessionstraße Roms ausgestellt worden waren. 373 So übersetzt bei Tränkle (2008), 123.

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welche die Frühgeschichte Roms in der zeitgenössischen Historiographie eine Aufwertung erfuhr374. Sowohl Hercules als auch die Dioskuren haben gemäß der Überlieferung auf latinischem Boden positiv in die Geschicke Roms eingegriffen und damit die Begründung des Reiches unterstützt375. Alle drei sind, wie der Großteil des römischen Pantheon, griechische Einwanderer. Sie gehören damit zu den Fremden, die in der Stadt Asyl gefunden haben und in der Myth-Historie vergöttlicht werden376. Auf die eigentliche Fremdheit des Halbgottes Hercules wird mittels dreier ironischer Hinweise angespielt, von denen zwei spöttisch Vergils verehrungsvolle Inszenierung des Helden in der Aeneis wieder aufnehmen. In Anlehnung an das augusteische Epos wird er zum einen mit dem Patronym Alcides belegt

374 Sehlmeyer (2009), 32ff., bes. 35: „Mit dem Rückgriff auf das früheste Rom verbanden OGR und Solin ähnliche Intentionen. Eine Aufwertung der Frühgeschichte ist in – bewusster oder unbewusster Abgrenzung von Livius (Kap. 2.1.3) als Ziel anzunehmen.“ Ebd. 33 merkt er an, dass die Einwanderung zur Zeit der römischen Frühepoche in der zeitgenössischen Origo gentis Romanae ausgesprochen positiv beurteilt wurde: „Die chronologische Vorgehensweise der OGR lässt schnell einen Eindruck gewinnen, welches Bild von der Frühzeit vermittelt wurde: Die Institutionalisierung Roms wurde als längerer Vorgang betrachtet, der auch durch Einwanderer (Saturn, Euander, Hercules) gefördert wurde.“ Im Gegensatz zu den zeitgenössischen Auflistungen der Urkönige erscheint Euander bei Prudentius nicht in der Königsreihe. Zur Frühgeschichte Roms in der christlichen Literatur Ebd. 41ff. 375 Hercules im Kampf gegen Cacus (Verg. Aen. 8,184–279; Liv. 1,7; OGR 6,1–8,6); die Dioskuren in der Schlacht am Regillus lacus im Jahr 496 v. Chr. (Dion. Hal. ant. Rom. 6,13; Liv. 2,20; Cic. nat. deor. 2,5). Walter (2004), 146 zählt diese Begebenheit zu den „ältesten fundierten Mythen, in denen die Römer ihre enge Verbindung mit den Göttern gespiegelt sahen“. Gemäß Cerri (1963), 309f.; Gnilka (2000d), 208f. wird über die Bezeichnung nocturni equites und nuntia auf die Hilfe des geflügelten Brüderpaars in der Schlacht gegen die Sabiner angespielt, auch wenn Gnilka den Vers für interpoliert hält. Vgl. Hor. epist. 2,1,5f. Romulus et Liber pater et cum Castore Pollux, | post ingentia facta deorum in templa recepti. 376 Hercules kann nach Anderson (1928) als der ‚Prototyp‘ eines vergöttlichten Menschen betrachtet werden, dessen Divinisierung Vorbild für viele folgende Heroen- und Herrscherapotheosen war, vgl. Hor. carm. 3,14,1ff. Herculis ritu modo dictus, o plebs, | morte venalem petiisse laurum | Caesar Hispana repetit penatis | victor ab ora. Gerade die Kulthandlungen zu Ehren der Dioskuren und des Hercules zeigten eine lange Überlebensdauer in Rom, vgl. Köb (2000), 44ff. zum Kult und zum Tempelbau der Dioskuren der Kaiserzeit und Spätantike. Die Gründungstage ihrer jeweiligen Tempel werden gemäß Kolb (2009), 111 noch im Festtagskalender des Polemius Silvius aus dem Jahr 449 neben anderen wenigen paganen Festtagen erwähnt. Möglicherweise wählt Prudentius gerade diese drei Statuen aus, weil die drei Gottheiten so populär in Roms Festkalender waren. Demgegenüber fehlt auffallend ein Verweis auf die im Jahr 367 noch restaurierten Porticus Deorum Consentium. Im gleichen Zuge wurden auch die simulacra der Götter wieder aufgerichtet.

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(CS 1,226)377, zum anderen als hospes Arcadiae bezeichnet (CS 1,226– 227)378. Beide Attribute sind weniger anerkennungsvoll zu interpretieren, sondern heben die Sterblichkeit und Fremdheit des Helden hervor. Die beiden Beinamen verweisen in der doppelten nahezu alliterativen Anführung auf seine eigentliche Heimat Griechenland und seine dortigen Vorfahren. Die Episode um die Einführung seines Kultes in Latium steht zwischen den beiden pathosgeladenen griechischen Eigennamen: Die bedeutungstragende Cacus-Episode wird nahezu vollständig ausgeblendet. Stattdessen wird die Göttlichkeit des Hercules auf sein Standbild reduziert379. Die Wendung spoliatis Gadibus verweist darauf, dass das Standbild aus seinem ursprünglichen Tempelbezirk in Gades als Raubgut nach Rom geschafft worden ist (CS 1,226). Statt wie bei Vergil das Diebesgut zurückzuerobern, wird Hercules bei Prudentius selbst zum Gegenstand des Raubes380. Gemeinsam mit der Statue ist der Kult selbst als ‚Beute‘ in die Hauptstadt importiert worden381. Diese profane Erklärung für die Kulteinführung korreliert mit einer Kritik an der offensichtlichen Machtlosigkeit des Hercules: Da seine Statue kurzerhand aus seinem angestammten Heiligtum an einen anderen Ort überführt werden konnte, reiche die übermenschliche Kraft des arkadischen Gottes offenbar nicht einmal aus, um seine Sakralgüter an ihrem eigentlichen Bestimmungsort festzuhalten. Alles, was der Alkide in seiner Göttlichkeit vermöge, sei drohend 377 Verg. Aen. 8,203; 249; 256; 363. 378 In Verg. Aen. 8,362–369 wird Aeneas typologisch in die Nachfolge des berühmtesten hospes in Latium, Hercules, gestellt, dazu Binder 1971), 141ff.; Fleischmann (2001), 198. 379 Vgl. Gnilka (2000d), 202f. Er verweist auf eine Hercules-Statue im Konservatorenpalast, die mit einem Stierschädel versehen an die Cacus-Episode erinnert und spekuliert, dass „ein ähnliches Attribut auch die Statue ausgezeichnet haben [könnte], die Prudentius vor Augen hat“. 380 Gnilka (2000d), 202, Anm. 69 zeigt für die Wendung spoliatis Gadibus eine Parallele zu Verg. Aen. 8,202 auf. Die von ihm festgestellte „satirische Beleuchtung“ der Cacus-Episode ist jedoch noch vielschichtiger als eine bloße wörtliche Anspielung. Während Vergil den Beiname maximus ultor wieder aufnimmt, wird Hercules bei Prudentius, anstatt selbst aktiv Beute zu erwerben, zum Beutegut. Die Beute wird auch bei Vergil metrisch zwischen zwei Eigennamen gesetzt: Nam maximus ultor | tergemini nece Geryonae spoliisque superbus | Alcides aderat … (Verg. Aen. 8,201–203). 381 Die Wendung im Abl. abs. muss als eine Anspielung auf den Raub oder Abtransport einer Heraklesstatue aus dem Tempel in Gades nach Rom verstanden werden und nicht, wie Tränkle (2008), 122 es übersetzt, in dem Sinne, dass Hercules selbst Gades ausgeraubt hat. Vgl. dazu auch CS 1,185–189, wo kurz zuvor mehrere Götterstatuen, die nach Rom transportiert werden, aufgelistet werden, und CS 2,357ff., wo die Götter als Spolien nach Rom geschafft werden. Zum Tempelbau des Hercules in Gades Galán (1986), 351ff. Zur christlichen Polemik, gemäß der die Götterstandbilder vor Raub geschützt werden müssten, Scheer (2001), 40f.

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in Erz zu (er)starren (CS 1,226 fulvo aere riget). Die schwere Gesetztheit der spondeischen Verse CS 1,226–227 spiegelt satirisch die gewichtige Bedeutung des Halbgottes für Roms Fortentwicklung in der Aeneis. Bei den Dioskuren verweist kein Patronym, sondern ihre griechische Mutter Leda auf ihre Fremdheit (CS 1,228)382. Auch sie sind griechischer Abstammung und nicht ursprünglich latinisch. Ebenso wie bereits Hercules sind sie nach Auffassung des Prudentius importierte Gottheiten, deren Göttlichkeit sich auf ihre Statuen beschränkt. Ebenso wie bei dem Halbgott wird auch hier in der Gegenüberstellung von Beweglichkeit und Starrheit ironisch der Gegensatz von Göttlichkeit und Machtlosigkeit verdeutlicht383. Als ‚geflügelte Boten‘ sind sie nicht nur durch schwere Bleisohlen an den Erdboden gekettet, sondern haben auch in vermehrter Form mit der Schwerkraft zu kämpfen und drohen trotz oder gerade wegen ihrer Größe vornüber zu kippen384. Daneben werden die Dimensionen von Höhe und Tiefe zu einem Prüfstein von Göttlichkeit. Die erdverhaftete Schwere der Dioskurenstatuen wird in einen direkten Kontrast zu Roms Erhabenheit und Größe gesetzt: Die Stadt selbst wird mit dem Attribut celsa belegt und der magnus triumfus, der spöttelnd den Dioskuren zugeschrieben wird, erinnert an die zahlreichen tatsächlichen Triumphe der Römer (CS 1,229–230). Rom ist es also möglich emporzuragen und große Siege zu erzielen, während diese zwei leblosen und schlecht ausbalancierten numina die Erhabenheit der Stadt nur schmälern. In der komischen Beschreibung der Instabilität der Standbilder wird die pathetische Stimmung des Verses 229 herabgesetzt und ins Lächerliche gezogen. Dort waren Castor und Pollux noch als die mythischen Reiter eingeführt worden, die der Erzählung nach einst Rom in der Schlacht gegen die Sabiner zu Hilfe eilten. Die Beschaffenheit der Statuen wird zum satirischen Kontrastprogramm der mythhistorischen Glorifizierung der Dioskuren in ihrer fama. Die Auflistung der Königsstatuen bezeichnet Christian Gnilka als „ein bemerkenswertes Zeugnis euhemeristischer Erklärung italischer Religion und Mythologie “ und nimmt an, dass Prudentius in der Zusammenstellung der 382 Ich schließe mich hier Tränkle (2008), 58f. an, der die Verse für echt erachtet. Dagegen möchte Gnilka (2000d), 208 die Verse 228/229 zugunsten von „Klarheit und Schwung der prudentianischen Diktion“ streichen. 383 Das Motiv tritt nochmals bei der Beschreibung der Statue des Sonnengottes auf. Die Rosse des Sonnenwagens haben schwere Erzfüße (CS 1,351 aenipedum equorum) und die Räder des Wagens sowie die Zügel zeichnen sich durch ihre Unbeweglichkeit aus (CS 1,352f. inmotasque rotas et flecti nescia lora). 384 CS 1,230f. … inpendent retinente veru magnique triumfi | nuntia suffuso figunt vestigia plumbo. Vgl. Gnilka (2000d), 204.

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Könige vor allem eine Anprangerung der (Herrscher-)Apotheose im Sinn gehabt habe385. Für den Katalog diene Vergil als „Zeuge, der die Wahrheit einer Aussage bestätigt“, da auch bei ihm römische Götterkulte, die seit langer Zeit bestehen, auf die Apotheose der Könige zurückgeführt würden386. Die Auswahl der Könige lehnt sich in der Tat sprachlich eng an die Statuengruppe im Palast des Latinus in der Aeneis an387 und folgt weniger einer Aufzählung der sieben Könige Roms. Die bei Prudentius beschriebenen priscorum insignia regum entsprechen fast gänzlich den veterum effigies avorum Vergils und deren Beschreibung. Der christliche Dichter nimmt jedoch im Gegensatz zum augusteischen Epiker einige Änderungen in Reihenfolge und Bestand vor. Die vorrangig etymologisch angelegte Reihung Vergils wird aufgelöst und einem genealogischen Interesse unterstellt388. Die Könige Vergils können alle in einen Zusammenhang mit Latium gesetzt werden389, während sich die Anordnung und die Auflistung der Könige bei Prudentius darüber hinaus an der chronologisch nachzuvollziehenden Genealogie der prisci reges Romanorum orientiert, aus deren Nachkommen sich die 385 Gnilka (2000d), 198. Er geht von einer Zweigliederung der Statuen aus, die sich in Heoren und Könige unterteilen lassen. Hercules und die Dioskuren sind seiner Ansicht nach aus rein euhemeristischen Zwecken aufgeführt, werden häufig in der Literatur zusammen genannt und sind namentlicher Bestandteil gängiger Ausrufe bzw. Schwurformeln des alltäglichen Lebens. Es zeigt sich jedoch, dass auch Hercules und die Dioskuren in eine enge Beziehung zur Herrscherapotheose bzw. zur kaiserlichen Selbstdarstellung und Panegyrik gesetzt werden können. Sie waren häufig propagandistische Figurationen des idealen Herrschers und dienten vielen Kaisern als comes. Dazu grundlegend Derichs (1950); Ritter (1995), 1–87 aus archäologischer Sicht; Fleischmann (2001), 198 zum Kommentar des Servius. 386 Gnilka (2000d), 198. Aufgrund dieser Vergilreminiszenz geht Cerri (1963), 313 von einer reinen literarischen Fiktion bei Prudentius aus, dagegen kritisch Gnilka (2000d), 209f. 387 Verg. Aen. 7,177–191 Quin etiam veterum effigies ex ordine avorum | antiqua e cedro, Italusque paterque Sabinus | visitator curvam servans sub imagine falcem, | Saturnusque senex Ianique bifrontis imago | vestibulo adstabant, aliique ab origine reges, … ipse Quirinali lituo parvaque sedebat | succinctus trabea laevaque ancile gerebat | Picus, equum domitor, quem capta cupidine coniunx | aurea percussum virga versumque venenis | fecit avem Circe sparsitque coloribus alas. Parallelen und Unterschiede arbeitet Gnilka (2000d), 210ff. heraus. Auch in der Ahnenreihe des Latinus treten Faunus, Picus und Saturn auf. Hinzu tritt Marica, die als laurentinische Nymphe charakterisiert wird: Rex arva Latinus et urbes | iam senior longa placidas in pace regebat. | Hunc Fauno et nympha genitum Laurente Marica | accipimus; Fauno Picus pater, isque parentem | te, Saturne, refert, tu sanguinis ultimus auctor (Verg. Aen. 7,45–49), dazu Rosivach (1980), 140. 388 Die Aufzählung im siebten Buch der Aeneis folgt der Reihenfolge Italus (178), Sabinus, (178) Saturnus (180), Ianus (180) und Picus (189). Es fehlt Tros. Ahl (2007), 386: „Virgil’s ordering principle here is etymological rather than genealogical […].“ 389 Rosivach (1980), 145: „In more general terms, all of Latinus’ ancestors, Saturn, Picus, Faunus, and Marica, are rustic deities associated with Italy’s fields and woods.“

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Gesamtheit des römischen Volkes zusammensetzt390. Daher wird die Schar der vergilischen Ahnherren Roms um Tros erweitert, ohne den der troianische Stammbaum fehlen würde. Neben die Anprangerung der Apotheose von Heoren und Herrschern tritt implizit der Vorwurf, dass über die Eponyme Städte und Länder vergöttlicht werden, die in irgendeiner Beziehung zu Rom stehen391. Über die Gemeinsamkeit der ‚Ortsapotheose‘ wird die Königsreihe in eine gedankliche Nähe zum Roma-Tempel gerückt. Anders als bei den Heroen, wird bei der Beschreibung der Königsstatuen nicht ihre leblose Starrheit angeprangert, sondern ihre künstlerische Gestaltung. Bereits der Statue des Hercules wird ein erschreckendes Erscheinungsbild zugesprochen, wenn er stumpf und groß in bräunlichem Erz droht (CS 1,227)392. Bei der Beschreibung der Könige übernimmt Prudentius von Vergil allein die schaudererregenden Attribute. Es wird verschwiegen, dass Sabinus ein Weinbauer und Picus ein Pferdebändiger war, wohingegen das erschreckende Doppelgesicht des Janus übernommen wird393. In der Aeneis bildet Picus den Höhepunkt der Ahnenreihe, der mit den Insignien römischer Religion und Herrschaft dargestellt wird. Seine Verwandlung durch Circe wird episodisch beschrieben394. Auch bei Prudentius schließt die Königsreihe mit Picus als Klimax. Dessen Standbild bildet in Abgrenzung zur positiven Steigerung bei Vergil bei ihm jedoch den groteskesten Anblick von allen: Der Bericht über seine Verwandlung wird zum grundlegenden Charakteristikum seiner Darstellung und seine Statue zeigt einen Körper, der von Gift durchtränkt gerade die 390 Sabinus wird entsprechend der vergilischen Vorlage als Stammvater (genitor) bezeichnet und Saturn behält seinen Beinamen senex. Tros ist Eponym Troias und Stammvater des Aeneas. Janus hat Saturn, den ersten Begründer einer Stadt auf dem Kapitolshügel, aufgenommen, dessen ‚Versteck‘ der Region ihren Namen gab. Von diesem stammt Picus ab, Sabinus steht in verwandtschaftlichem Grad mit Italus (Isid. orig. 11,85), dem Eponym Italiens, und ist selbst Namensgeber der Sabiner. Weiterhin wird von Tros, über Italus und Janus zu Saturn das geographische wie geschichtliche Netz immer mehr auf den Standort und den Gründungstag Roms bis zu Romulus hin verengt. 391 Vgl. Verg. Aen. 11,591–592 … hac quicumque sacrum violarit vulnere corpus, | Tros Italusque, mihi pariter det sanguine poenas. Hier stehen die beiden Toponyme ebenfalls am Versanfang, bezeichnen aber nur die Zugehörigkeit zu einem Land bzw. einer Stadt und keine Gottheit. 392 Eine Herculesstatue, deren bedrohlicher Anblick allein schon zu einem Opfer bewegt, beschreibt Prudentius in Perist. 10,283–285: Si forte vultum tristioris Herculis | liquore crispo massa finxit fusilis, | clavam minari, ni colatur, creditur. Zum Material der Statuen in CS Gnilka (2000d), 202; 204; 213ff. 393 Bei Saturn wird die kurze Bezeichnung senex (mit spöttischem Unterton?) übernommen, während Sabinus statt als pater als genitor bezeichnet wird. 394 Vgl. Ov. met. 14,308ff.

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Metamorphose zum Specht durchläuft395. Damit werden in der Statuenbeschreibung bei Prudentius vorrangig solche Charakteristika hervorgehoben, die als groteske Deformationen der menschlichen Physiognomie bildhauerisch festgehalten werden können, während positive Eigenschaften der Könige ausgeblendet werden. Auf Weisung des Senats trägt der puer an diese missgebildeten und schaudererregenden Standbilder einen falschen Glauben heran und hält sie für die Verkörperung von Gottheiten (CS 1,223–225). Durch die Betonung des horrificus vultus der Statuen stellt Prudentius heraus, dass der Glaube an die paganen Gottheiten nicht zuletzt durch Furcht bedingt werde – durch einen timor inanis deorum, der schon gemäß Cicero charakteristisch für die super396 stitio ist . Bei Prudentius wird das Zusammenspiel von gesellschaftlicher Kommunikation und bildlicher Präsenz zum Auslöser eines furchtsamen Aberglaubens: Der Gang über die Via Sacra wird für den Jungen zu einem Spaliergang durch eine Reihe von furchteinflößenden Gottheiten, die den Eindruck einer nahezu körperlichen Allgegenwart von bedrohlicher göttlicher Präsenz erzeugen. Die beeindruckende Wirkung der Tempelbauten wird durch die Lebendigkeit der Statuen unterstützt und gesteigert, indem ihren Bewohnern ein zugleich schauerliches und ehrfurchtgebietendes Gesicht gegeben 395 Die bei Vergil beschriebene Handlung der Ehefrau Circe (sparsit) wird zum beschreibenden Partizip (sparsus). Während bei Vergil die Flügel des vollendeten Vogels von Circe mit bunten Farben besprengt werden, befindet sich die Statue bei Prudentius im Übergangsstadium der Metamorphose zum Vogel: Auf dem Körper des Picus zeichnen sich unansehnlich die Giftadern ab, vgl. Gnilka (2000d), 213ff. Bei Ovid wird das Standbild des Picus dagegen als ausgesprochen ansehnlich beschrieben und gilt als ein Abbild der einstigen Schönheit des Picus, derentwegen Circe sich erst in ihn verliebt: … illa mihi niveo factum de marmore signum | ostendit iuvenale gerens in vertice picum, | aede sacra positum multisque insigne coronis. … forma viro, quam cernis, erat; licet ipse decorem | adspicias fictaque probes ab imagine veram (Ov. met. 14,313–323). 396 Cic. nat. deor. 1,42,117, vgl. Plin. epist. 6,2,2. Der Eindruck des Bedrohlichen wird bei Prudentius auf sprachlicher Ebene unterstützt, da in der Wendung qui stant für den Leser akustisch das Kompositum von stare ‚instare‘ mitschwingt. In Perist. 10,271–287 wird die Furcht der Römer vor ihren gemeißelten Göttern sehr anschaulich dargestellt. Erwachsene Menschen sollen hier vor Jupiters bronzenem Blitz erschauern (horreant), beim Anblick der Gorgo erzittern (tremant) und den Bogen Dianas fürchten (pertimescunt). Ironischerweise wird im Kontrast zu dieser Furcht vor den Gottheiten betont, dass alle Statuen von den Künstlern geformt und damit in ihrer Leblosigkeit ausgesprochen ungefährlich seien. Beim Standbild der Juno wird ein abschließendes Fazit gezogen: Iam quis paventum corda terror occupat | Iunonis iram si polite expresserit? (Perist. 10,286f.); vgl. Oros. 2,19,15 (zitiert unten Anm. 421 in diesem Kapitel). Gemäß Martin (2004), 127 bietet in der traditionellen Literatur die Philosophie Heilung von der Furcht, bei Prudentius und anderen Christen der christliche Glaube.

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wird. Unterstützt wird die bedrängende Stimmung der Szenerie durch das Schreien der Rinder. Der religiöse error präsentiert sich im terror. Das anfängliche Staunen des Kindes wandelt sich zuerst in Furcht, aus der erst danach Ehrfurcht erwächst. 4.4.2 Das Forum Romanum – Tradierung und Manifestation des kulturellen Gedächtnisses Bei Prudentius wird das Forum Romanum auf seine Funktion als Sakralraum reduziert. Gesellschaftliche, politische und alltägliche Prozesse des römischen Lebens und die damit verbundenen Gebäude und Orte sowie Plätze kaiserlicher Selbstrepräsentation werden in seiner Inszenierung vollkommen ausgeblendet. Die Sakrallandschaft des Dichters ist geprägt durch die monumentale Kulisse der Tempelbauten und Statuen sowie durch pagane Rituale und Feste. Das Forum Romanum wird bei ihm zur Bühne der römischen Religionsgemeinschaft. Seine Bedeutung als offizieller Versammlungsort und machtpolitisches Zentrum tritt zwar hinter seiner religiösen Funktion zurück, bleibt aber dennoch implizit bestehen, wenn Religiosität als wesentlich römische Lebensform von Gesellschaft und Staat präsentiert wird. In der Literarisierung des Zentralplatzes veranschaulicht Prudentius, wie der Glaube an die alten Gottheiten durch Architektur, öffentliche Performanz und politische Weisung zum Inbegriff von pietas und Romanitas wird. Von dem Jungen wird der Ort nicht nur als heilig und göttlich inspiriert wahrgenommen, sondern auch als Repräsentationsfläche des ‚Urrömischen‘397. Auf das anfängliche Staunen folgt ein furchtsamer Glaube an die antiken Staatsgottheiten und ihren Tross an Halbgöttern und Heroen. Die religiöse Haltung des Kindes wird nicht nur durch die Raumwahrnehmung und das Betrachten sozioreligiöser Interaktion bedingt, sondern basiert ebenso auf Erziehung und öffentlicher Diktion. Erst die Worte der Mutter, der Vorfahren und des Senats weisen den Orten und Standbildern eine sakrale 397 Dieser Eindruck wird vor allem durch das Statuenensemble unterstützt. Die dargestellten Helden dienen als Repräsentanten vorbildlich heroischen Handelns, während die Könige die myth-historischen Ursprünge des römischen Volkes verkörpern. Die Statuen können auf Grundlage von J. Assmann (2007), 141f. als „normative und formative Texte“ ‚gelesen‘ werden. Die Heldenstatuen vermitteln ein Orientierungswissen des richtigen Handelns („Was sollen wir tun?“), während die Könige der „Selbstdefinition und Identitätsvergewisserung“ dienen („Wer sind wir?“). Zur gebauten Geschichte auf dem Forum Romanum zuletzt Muth (2012), bes. 271ff. mit weiterer Literatur. Zu den Heroen vgl. Hor. carm. 3,3,1ff.

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Bedeutung zu und machen sie zu Repräsentanten römischer Religiosität398. Jedem Tempelbau und jeder Statue, die der Junge betrachtet, wird im kulturellen Gedächtnis der Römer eine Geschichte zugeschrieben, welche die Erwachsenen nicht nur in ortsgebundenen Zeremonien und Ritualen, sondern auch durch ihre Weisungen an das Kind im kommunikativen Gedächtnis aktualisieren399. In der Forumsszenerie beschreibt Prudentius am exemplarischen Einzelfall, wie die Erinnerung an die myth-historische Vergangenheit Roms und deren Relevanz für die eigene Gegenwart und Zukunft durch Orte, Rituale und Worte gestützt und an die Folgegeneration weitergegeben wird. Bei ihm ‚erliegt‘ der Junge der Wirkung der drei Außendimensionen des traditionellen kulturellen Gedächtnisses und hält die vana superstitio für die wahre Religion. Das Forum Romanum wird nicht nur zum literarischen Schauplatz, sondern zu einem ‚Schau-Platz‘ des Aberglaubens und zur primären Erziehungsstätte zum alten Götterglauben400. Als tener heres (CS 1,199) strebt der Junge danach, den Weisungen der gesellschaftlichen Vorbilder – der atavi und senatores – zu entsprechen und übernimmt die religiösen Richtlinien, die ihm als mos patrius auferlegt und vor Augen geführt werden401. Erst so wird er zu einem Teil der Gesellschaft, über die er seine „personale Identität“402 definieren kann. 398 Die Träger des myth-historischen Wissens sind bei Prudentius vor allem altehrwürdige Männer (CS 1,199ff.; 223ff.). So lernt auch der Junge zum einen von den Großvätern, zum anderen von den Senatoren, was er zu verehren hat, indem sie ihm die heiligen Gegenstände und Orte zeigen (CS 1,201 monstrarant). Die Senatoren prüfen, was göttlich und was zu verehren ist (CS 1,223 … quaecumque senatu auctore probantur). Das Ergebnis der Prüfung sowie die unhinterfragte Übernahme der Weisungen durch den Jungen stehen in einem direkten Gegensatz zu den Worten des Paulus in 1 Th 5,21f., an das Prudentius hier möglicherweise gedacht hat: omnia autem probate quod bonum est tenete. ab omni specie mala abstinete vos ipse autem Deus pacis. 399 Die Wechselbeziehung von Wort (dort: Rhetorik) und Religion veranschaulicht Prudentius in ham. 401–405 ebenfalls auf dem Forum als Schauplatz. 400 Bauer (2012b), bes. 338f. betont die normative Wirkung des Forum Romanum auf seinen Betrachter. Er bezeichnet den Platz als „ideale[n] Spiegel und Erzeuger traditionsorientierten Wir-Gefühls“. 401 CS 1,245ff. Hunc morem veterum docili iam aetate secuta | posteritas … Augustum coluit. Auffallend sind die vielen Verweise auf Prozesse des Sehens: CS 1,201 monstrarant; 1,204 viderat; 1,207spectarat; 1,216 stupuit … et … vidit. Dem Sehen der irdischen Dinge wird ein spirituelles Erkennen gegenübergestellt: Numquam oculos animunque levans rationis ad arcem | rettulit … (CS 1,212). 402 Walter (2004), 89; 108ff. spricht von dem „Imperativ der Vergangenheit“, der insbesondere auf den römischen „Nachwuchsaristokraten“ lastete und einen hohen normativen Handlungsmaßstab setzte; vgl. Hölkeskamp (2004), 169ff. Zur Unterscheidung von individueller

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In der Forumsszenerie präsentiert Religion sich dem Leser als ein gesellschaftlich formiertes Symbolsystem403, das einem Individuum eine religiöse Haltung nahezu oktroyiert. Prudentius verdeutlicht, dass die traditionelle römische Staatsreligion weniger auf einer Gotteserkenntnis basiere, als vielmehr auf dem Zusammenspiel mehrerer topographischer, kultureller und sozialer Phänomene, die in eine planmäßige Interaktion gesetzt werden. In der Figur des puer führt er einem paganen Leser dessen eigene (religiöse) Sozialisation bildlich vor Augen. Seine einstige kindliche Unreflektiertheit spiegelt sich in den Reaktionen des Jungen, der staunt und gutgläubig alles für wahr hält, was ihm als Wahrheit präsentiert wird (CS 1,213 credulus)404. Gemeinsam mit dem Kind durchlebt der Rezipient die Prozesse, die seine Vorstellungen und unzertrennliche Verbindung von Religiosität und römischer Identität begründeten und entscheidend geprägt haben. Anders als in der eigenen Kindheit kann er seine religiöse Einstellung während der Lektüre bewusst hinterfragen und als eine Reihe antrainierter Handlungsmuster erkennen, die sein Verhalten ebenso bestimmen wie seine (Welt)Wahrnehmung und seine Denkgewohnheiten. Einem christlichen Leser werden die Wirkungsmechanismen öffentlich inszenierter Religion vor Augen geführt. In der Darstellung des individuellen Einzelschicksals spiegelt sich darüber hinaus der religiöse Werdegang des gesamten römischen Volkes405. So werden zu Beginn des Buches die latinischen Ureinwohner als ebenso naiv und gutgläubig wie der Junge beschrieben. Ebenso wie bei dem Jungen auf dem Forum das Staunen (CS 1,216 stupuit) zum Glauben führt (CS 1,224 putavit), reagieren die latinischen Ureinwohner auf Saturns und Jupiters göttliche Selbstinszenierung mit einem crudus stupor, bevor sie sie als Gottheiten

und personaler Identität J. Assmann (2007), 132ff. Die kultische Verehrung der Gottheiten wird zum Dienst am Gemeinwesen. Gegenüber den Christen wurde zur Zeit der Christenverfolgungen immer wieder der Vorwurf geäußert, dass sie sich mit der Verweigerung, den paganen Göttern zu opfern, auch am Staat verschuldeten, dazu Kahlos (2007), 131, 85; zur Christenverfolgung unter Diocletian grundlegend Molthagen (1970), Moreau (1971). 403 Gemäß J. Assmann (2007), 139 setzt sich ein Symbolsystem aus zahlreichen Komponenten zusammen: Er nennt „Wörter, Sätze und Texte, […] Riten und Tänze, […] Monumente, Bilder, Landschaften, Weg- und Grenzmarken“. 404 CS 1,200 quidquid; 223 quaecumque. 405 Umgekehrt Gnilka (2000d), 188 zur Forumsszenerie: „Hier unterbricht der Autor die historische Linie, um die Entwicklung, die er im Großem nachzeichnete, auf analoge Weise im Leben des Einzelnen zu verfolgen.“

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verehren406. Sie sind damit genauso ahnungslos in religiösen Dingen wie der Junge in der infantia (CS 1,201) oder pueritia, weil sie die ihnen diktierte religiöse Weltanschauung unhinterfragt übernehmen. Im zweiten Buch werden die infantia und die pueritia zu den ersten zwei Stufen der Lebensalterfolge: … infantia repit, infirmus titubat pueri gressusque animusque … (CS 2,318–319) Zeichneten beide Lebensalter sich im ersten Buch noch durch Staunen und Naivität aus, wird hier die Unsicherheit zum Charakteristikum der Kindheit. Die Unentschlossenheit und Ziellosigkeit wird im Bild eines noch unsteten Geistes und eines unsicher hin und her Stolpernden illustriert, der den für ihn richtigen Weg noch nicht gefunden hat. Die Wegmetaphorik ist leitmotivisch für das Gesamtwerk des Prudentius, wenn er den Unterschied zwischen dem richtigen christlichen Glauben und einer falschen Religion versinnbildlichen möchte407. In gleicher Weise dient die Unsicherheit des Kindes in der Lebensalterfolge als ein Ausdruck für die politische und insbesondere religiöse Unbeständigkeit der römischen Kultur und Zivilisationsentstehung. Die Forumsszenerie illustriert am exemplarischen Einzelfall die kulturellen Vorbedingungen, aufgrund derer die pagane Religion entstehen und sich manifestieren konnte. Das Schicksal des Jungen repräsentiert nicht nur die religiöse Sozialisation jedes einzelnen Römers, sondern hat kulturellen Modellcharakter: Die Kindheitsphase des Jungen wird zum Sinnbild für die Frühepoche des ganzen Volkes. Sowohl bei dem Jungen als auch bei den Latini werden arglose Unvoreingenommenheit und geistige Unreflektiertheit zum Grund für die Annahme des Götterglaubens408. Sowohl im ersten als auch im zweiten Buch wird der kindlichen Naivität der infantia die ratio eines erwachsenen Menschen gegenübergestellt, den eine

406 CS 1,73. Saturn und Jupiter beeinflussen die agrestes animos et barbara corda virorum (CS 1,44). Die latinischen Ureinwohner glauben naiv alles, was sie ihnen erzählen: Nam quid rusticitas non crederet indomitorum | stulta virum … (CS 1,79–80). 407 Zur Wegmetaphorik bei Prudentius siehe unten S. 281ff. 408 Die römische Staatsreligion und ihre Kulthandlungen werden an zwei Stellen mit dem Attribut puerilis belegt: puerilia vota (CS 1,209 in der Forumsszenerie); festa puerilia (CS 1,499 in der Theodosiusrede).

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reflektierte Einsicht zur Konversion zum Christentum führt409. Der christliche Glaube wird damit zur Religion vernunftbegabter und mündiger Menschen410. Auf der einen Seite stehen Kindlichkeit (infantia), Beeinflussbarkeit (stupor) und der Irrglaube (superstitio/error), auf der anderen das Erwachsensein (vir), Vernunft (ratio) und das Christentum als wahre Religion (religio). Nach der Argumentation des Prudentius muss also jeder, der als ein reflektierter und erwachsener römischer vir gelten möchte, genau entgegen der Weisungen der Vorväter und des Senats handeln. Er muss die kindlichen Verhaltensmuster und Überzeugungen ablegen. Wenige Verse später werden eben jene Senatoren, die in der Forumsszenerie noch die traditionelle Staatsreligion propagierten und tradierten, zu vorbildlichen Konvertierten. Am Ende des ersten Buches hat die politische Führungselite selbst die wahre ratio angenommen und ist aufgrund dieser NeuErkenntnis zum Christentum übergetreten: Nec locus invidiae est. Nullum vis aspera terret. Ante oculos sic velle patet, cunctique probatum

409 In der Forumsszenerie: Numquam oculos animumque levans rationis ad arcem | rettulit, insulsum tenuit sed credulus usum | privatos celebrans agnorum sanguine divos (CS 1,212–214); in der Frühzeit unter Jupiter: … dedere sueta animum diae rationis egenum (CS 1,79ff.); in CS 1,460 werden die Völker, die viele Gottheiten verehren, als nulla ratione charakterisiert. Die Lebensalterfolge wird durch eine rhetorische Frage motiviert, die dem Festhalten an den frühen Traditionen kontrastierend die gegenwärtige Vernunft gegenüberstellt: An veterem tantum morem ratione relicta | eligis et dici id patitur sapientis acumen | ingeniumque viri? (CS 2,272–274). Vgl. CS 2,629ff. Dagegen stellen Fabian (1988), 248 und Pollmann (2007), 60 fest, dass Prudentius der paganen Unvernunft die christliche fides statt der ratio (wie es Lucrez mache) entgegenstelle. Fides und ratio werden in der Argumentation des Dichters jedoch vielmehr in einer Sinneinheit verbunden und bedingen einander, vgl. Cath. 3,186–190: Oris opus vigor ignoleus | non moritur, quia flante deo | conpositus superoque fluens | de solio patris artificis | vim liquidae rationis habet, dazu Thraede (1982), 74: „Die so gekennzeichnete »Seele« (flatus dei; ignis; fluere; ratio) bleibt frei vom Tod. Es ist die erleuchtete, aus Gott stammende Vernunft, die hier überlebt, nicht etwa, wie wohl der reife Augustinus urteilen würde, der Glaubensgehorsam.“ 410 Von den Vestalinnen wird gesagt, dass sie ihre priesterlichen Pflichten und ihren Glauben in der Kindheit übernommen haben, als sie noch unmündig und ohne freien Willen waren: Ac primum parvae teneris capiuntur in annis,| ante voluntatis propriae quam libera secta | laude pudicitiae fervens et amore deorum | iusta maritandi condemnet vincula sexus (CS 2,1066–1069). Den Vestalinnen werden die christlichen Jungfrauen als Gegenbeispiel gegenüber gestellt, die freiwillig aufgrund ihres Glaubens keusch bleiben (CS 2,1055–1085). In Perist. 14 besingt Prudentius als Exempel par excellence das Martyrium der noch sehr jungen Agnes, die gerade wegen ihrer aus freiem Willen und aus Liebe zu Gott getroffenen Entscheidung, nicht zu heiraten, getötet wird.

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non iussum sola capti ratione sequuntur. (CS 1,613–615) In der Gegenwart des Theodosius sind die religiösen Irrlehren (error) abgeschafft worden und üben in Rom keinen Zwang mehr auf die Stadtbewohner aus (nullum vis aspera terret). Die Senatoren haben die Staatsreligion erneut einer Prüfung unterzogen (probatum)411 und sind aufgrund ihrer neuen Erkenntnisfähigkeit (sola ratione) beim Christentum als einzig akzeptablem Glauben angekommen. Die Wendung ante oculos sic velle patet unterstreicht nicht nur deren Freiwilligkeit zur Konversion, sondern führt dem Leser im gleichen Zuge die Führungselite als Vorbild ante oculos. Durch das neue religiöse Handeln der Senatoren verliert die pagane Sakrallandschaft Roms ihre symbolische Bedeutsamkeit und Strahlkraft – die Performanz der Bevölkerung in der Gegenwart wird zum Kontrastprogramm des monumentalen Gedächtnisses der Vergangenheit. 4.4.3 Zwischenresümee: Das Forum Romanum als ‚Schau-Platz‘ In seinem Panegyricus auf das sechste Konsulat des Honorius imaginiert 412 Claudian, wie der jugendliche Kaiser in das pagane Zentrum Roms einzieht . Die Schauplatzschilderung ist offenkundig von den Romdarstellungen und insbesondere von der Inszenierung des Forums bei Prudentius beeinflusst413.

411 In der Forumsszenerie unterzogen sie die paganen Kulte einer Prüfung und befanden diese noch für gut: … quaecumque senatu auctore probantur (CS 1,223). 412 Zum adventus des Honorius im Jahr 404 und zur Rolle des Forum Romanum Bauer (2012b), 331. 413 In carm. 28,42–52 kombiniert Claudian die Romdarstellungen des ersten Buches CS und greift die bei Prudentius geschilderte Wirkung des paganen Zentrums und insbesondere des Forums wieder auf (Roberts 2001 zeigt bereits einige Parallelen zwischen CS 1,408ff. und Claudians Panegyricus): … [Palatinus] attollens apicem subiectis regia rostris | tot circum delubra videt, tantisque deorum | cingitur excubiis. Iuvat infra tecta Tonantis | cernere Tarpeia pendentes rupe Gigantas, | caelatasque fores, mediisque volantia signa | nubibus … agnoscisne tuos, princeps venerande, Penates? | haec sunt, quae primis olim miratos in annis | patre pio monstrante, petis. Auch Claudian beschreibt eine große Anzahl von Tempeln und Gottheiten, verweist auf das Kapitol und greift mehrfach die visuellen Eindrücke des kindlichen Betrachters auf, dessen Auge staunend zwischen den bewundernswerten Dingen hin und her springt (Claud. carm. 28,51f. acies stupet igne metalli | et circumfuso trepidans obtunditur auro). In tot circum delubra werden die tot templa deum wieder aufgegriffen (CS 1,190) Die Passage schließt mit einem Verweis auf die Anbetung der Hausgötter und die kindliche Früherziehung durch den Vater (Claud. carm. 28,54f. patre

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Der Panegyriker schließt die Szenerie mit einer impliziten Aufforderung an den Kaiser, sich seiner heimatlichen Götter zu erinnern: Agnoscisne tuos, princeps venerande, penates? Haec sunt, quae primis olim miratus in annis patre pio monstrante puer. (Claud. carm. 27,53–55) Honorius wird gleichermaßen angehalten, sich Roms einstiger Bedeutung zu erinnern und diese wiederaufleben zu lassen, wie er sich der altrömischen Traditionen wieder bewusst werden soll. Die penates symbolisieren nicht nur die Stadt, sondern auch deren angestammte Kultur und Religion, die sich in der paganen Topographie manifestiert. Religiosität und Imperium werden aufs neue in ein Kausalverhältnis gesetzt, wenn die Gottheiten in ihren zahlreichen Tempeln zu den Wächtern des palatinischen Herrschaftssitzes werden. Bei Claudian wird der kindliche Betrachter vom ungenannten monstrator dazu angehalten, sich von der Pracht der Tempelbauten beeindrucken zu lassen und sie als Repräsentanten der Religiosität und als Garanten der Größe Roms wahrzunehmen414. Im direkten Gegensatz dazu wurde bei Prudentius gerade die suggestive Wirkkraft der römischen Sakralbauten auf einen noch unmündigen Betrachter angeprangert. Die beiden antagonistischen Inszenierungen des spätantiken Forum Romanum lassen sich auf eine lange währende literarische Tradition zurückführen, in denen das Zentrum immer wieder als politisch, gesellschaftlich und sakral bedeutsamer Ort, als Bühne des öffentlichen Geschehens und Schaubezirk römischer Tradition in Szene gesetzt wurde415. Der zentrale Repräsentationsraum römischer Geschichte, Politik und (einstiger) Macht wird bei Prudentius zum Anschauungsraum falscher Religiosität, wohingegen Claudian den memorialen Charakter der urbanen Landschaft hervorhebt und in der Beschreibung der Bauten das pagane Rom wieder aufleben lässt. Beide Autoren blenden in ihrer literarischen Topographiebeschreibung die zunehpio monstrante), die bei Prudentius vor die Forumsszenerie gelagert ist (CS 1,201 atavi monstrarant). 414 Stellvertretend für Honorius überblickt der Palatin die Szenerie: Non alium certe decuit rectoribus orbis | esse larem, nulloque magis se colle potestas | aestimat et summi sentit fastigia iuris; | attollens apicem … videt. 415 Bspw. Cic. Catil. 3,19ff.; 4,14ff.; Scaur. 47; Sest. 53; fin. 5,2; Liv. 1,9–13,8, dazu Jaeger 1997, 30ff.; 5,30,1–7; Ov. fast. 1,255ff.; 6,395ff.; Tac. hist. 1,40; 3,69ff., bes. 71; Lucan. 3,113ff.; weitere Belege bei Köb (2000), 192f.; Hölscher (2006).

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mende Bedeutungslosigkeit des römischen Zentrums für das politische Weltgeschehen aus und lassen das Forum Romanum wieder zum zentralen ‚Schau-Platz‘ einer traditionellen römischen Weltvorstellung und ihrer religiösen Richtwerte werden. In ähnlicher Weise berichtete bereits Ammian, wie auf dem Forum Romanum die alte Macht im Jahr 357 noch spürbar gewesen sei (Amm. 16,10,13 priscae potentiae). Kaiser Constantius II. wird ebenso wie nach ihm der puer und Honorius in Staunen versetzt. Durch ihn lebt das Forum nochmals als politische Bühne wieder auf416. Dennoch lässt der Historiker im Gegensatz zu den beiden Dichtern keinen Zweifel daran, dass die glanzvollen Zeiten des römischen Zentralplatzes trotz seiner optischen Wirkkraft schon damals einer vergangenen Epoche – einer prisca potentia – zugesprochen werden müssen. Nach seinem kurzen Besuch überlässt der Kaiser das einstige caput mundi wieder der Erinnerung an frühere Zeiten. In der Realität der Gegenwart bietet das Forum als musealer Schaubezirk nur noch einen matten Abglanz der einstigen Größe, der in der Topographie ein ewiges Denkmal gesetzt worden ist417. Obwohl Rom seine machtpolitische Bedeutung schon lange Zeit eingebüßt hat, wird das Forum Romanum bei den spätantiken Autoren immer wieder zu einem Schauplatz oder zum ‚Schau-Platz‘, auf dem die im traditionellen kulturellen Gedächtnis tradierten Werte und Normen präsent sind und erfahrbar werden418. Bei den christlichen Autoren ist es gerade diese Erinnerungsleistung, aufgrund derer das Forum Romanum zu einem Ort der Abgrenzung wird419. Während Servius das Forum noch zum abschließenden Höhepunkt einer erinnerungsträchtigen „Ideallandschaft, die ihre Wurzeln in der römi-

416 Amm. 16,10,13 … cum venisset ad rostra, perspectissimum priscae potentiae forum, obstipuit perque omne latus, quo se oculi contulissent, miraculorum densitate praestrictus | allocutus nobilitatem in curia populumque e tribunali … vgl. unten S. 191f.; 242 zur Textpassage bei Ammian. 417 Vgl. Bauer (1996), 125; Muth (2012) kommt zu dem Schluss, dass die römische Vergangenheit auf dem spätantiken Forum Romanum einen diffusen und homogenisierten Charakter trug. Hartmann (2012b), 288ff. betont, dass in der adventus-Passage bei Ammian mit Ausnahme des Roma-Tempels vorrangig Bauten der frühen und hohen Kaiserzeit angeführt werden, die er als „Altbauten“ bezeichnet. Ebd. 289 verweist er auf den Parallelbericht bei Symmachus, in dem sich durchaus ein antiquarisches Interesse abzeichnete, wenn der Kaiser die Ursprünge einzelner Baute erfrage. Die Bauwerke würden so als „exzeptionelle historische Dokumente“ verstanden werden. 418 Claud. carm. 24,130ff., bes. 198ff., dazu Behrwald (2009), 90f. 419 Ambr. de virg. 8 (sc. 46) … Christus in Ecclesia est, in foro idola.

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schen Vorgeschichte hat“420, stilisiert, wird es bei Orosius zum monumentalen Inbegriff des Aberglaubens. Der Brand und die Zerstörung des Forum Romanum im Jahr 410 sind bei ihm Symbol und Beweis für den endgültigen Sieg des christlichen Gottes über die paganen Gottheiten, deren Heiligtümer dieser beim Einfall der Goten von eigener Hand entflammt habe421. Prudentius’ Forumsszenerie nimmt eine Zwischenstellung zwischen dem paganen und dem christlichen Blick auf das Forum ein: In der Tradition paganer Autoren verweist er auf die hohe Erinnerungskapazität der Topographie und illustriert sie sogar szenisch. Im gleichen Zuge prangert er jedoch eben diese suggestive Memorialkraft des römischen Zentrums an, wenn sie mit einer Erziehung zum Aberglauben einhergeht. Um die (De-)Funktionalisierung und den ‚Missbrauch‘ der alten Stadttopographie zu religiösen Zwecken aufzuzeigen, skizziert er das Zentrum Roms und insbesondere das Forum Romanum als einen Ort der (christlichen) Abgrenzung, dessen Szenerie nur Ausschnitte der tatsächlichen Gegebenheiten aufgreift. Anders als bei Orosius kann das pagane Stadtzentrum bei Prudentius rehabilitiert werden und muss nicht zwingend durch die Hand des christlichen Gottes zerstört werden. Wird der physische Raum nicht mehr durch einen religiös-symbolischen Raum überlagert, können die altrömischen Monumente als ornamenta bestehen, wie es Theodosius in seiner Schlussrede propagiert422. Dies geschieht in der Darstellung des Prudentius im gleichen Zuge wie der Raum von seinem Betrachter nicht mehr religiös interpretiert wird und dadurch seine sakralsymbolische Bedeutsamkeit verliert. Die Forumsszenerie kann als literarischer Appell an einen paganen Rezipienten gelesen werden, das Zentrum Roms nicht mehr mit den Augen eines staunenden und zum Götterglauben erzogenen Kindes wahrzunehmen, sondern die ‚tradierte Unmündigkeit‘ abzulegen. Dem Blick eines Erwachsenen und Christen nämlich biete

420 Fleischmann (2001), 209. Sie stellt ein „dreistufiges Einst-Zwischenzeitlich-Jetzt-Schema“ in seinen Topographiebeschreibungen fest, in dem der „Niedergang der paganen Welt“ nahezu ausgeblendet werde. Dagegen Tischer (2012). 421 Oros. 2,19,15 Quippe cum supra humanas vires esset, incendere aeneas trabes et subruere magnarum moles structurarum, ictu fulminum forum cum imaginibus vanis, quae superstitione miserabili vel deum vel hominum mentiuntur, abiectum est, horum omnium abominamentorum, quod inmissa per hostem flamma non adiit, missus e caelo ignis evertit. Zum Forum Romanum als Hort des Heidentums Bauer (2012b), 335ff. Gemäß Behrwald (2009), 229 wird Rom auch bei Eusebius „zum Schauplatz göttlicher Strafe“, wenn jede Christenverfolgung einen Schaden an der Stadttopographie nach sich zieht. 422 CS 1,501ff., siehe dazu unten S. 230f.

Die Amphitheater: Topographie des Todes

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sich die Stadt als ein ‚Schau-Platz‘ der artificum magnorum opera dar, die Rom seine besondere Charakteristik und Schönheit verleihen (CS 1,503)423.

4.5 Die Amphitheater: Topographie des Todes Während seines Stadtrundgangs im Jahr 357 zeigt sich Constantius II. bei Ammian nicht nur von dem Kapitol, den Fora und dem Roma-Tempel, sondern ebenso von dem wohl größten und eindrucksvollsten Gebäude inmitten der Stadt – dem Kolosseum – tief beeindruckt424. Wer Rom im 4. und 5. Jahrhundert besuchte, kam nicht umhin, dieses gewaltige Bauwerk wahrzunehmen, welches das Stadtbild im Zentrum Roms in der Antike und Spätantike prägte sowie heute noch prägt. Neben dem zentralen Rundbau gab es fünf weitere Amphitheater in Rom, in denen man bis in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts den Gladiatorenkämpfen (munera) und bis ins 6. Jahrhundert den Tierhetzen (venationes) beiwohnen konnte425. Die Amphitheater waren neben dem Cir423 In der Rede des Theodosius bezieht sich die Wendung grammatikalisch nur auf die Statuen, die Tempel können jedoch gedanklich ebenso miteinbezogen werden. Ihre Charakterisierung als Kunstwerke wird in pulcherrima nostrae ornamenta patriae und monumenta artis wieder aufgenommen (CS 1,503ff.). Prozesse von Desakralisierung und Säkularisierung in der Spätantike untersucht Lim (2010) am Beispiel der Spiele. 424 Amm. 16,10,14 Quidquid viderat primum, id eminere inter alia cuncta sperabat: … amphitheatri … ad cuius summitatem aegre visio humana conscendit, dazu Stenger (2012), 206; vgl. Muth (2006), 441; Mart. spect. 1,7f. zu den antiken ‚Weltwundern‘: Omnis Caesareo cedit labor Amphitheatro, | unum pro cunctis fama loquetur opus; Suet. Vesp. 11,1 zur Lage: fecit et nova opera templum Pacis Foro proximum …; item amphitheatrum urbe media, ut destinasse comperat Augustum. Seinen aktuellen Namen erhielt das antike Amphitheatrum Flavium erst im Mittelalter. Zur Geschichte des Namens, dem Bau, seiner Bedeutung, Funktion und Nutzung Platner-Ashby (1965), 6ff. s.v. Amphitheatrum Flavium; Richardson (1992), 7ff. s.v. Amphitheatrum Flavium; Rea, (1993); Coarelli (2000); Coarelli (2008), 199–221, bes. 204ff.; Sinn (2006), bes. 426ff.; Wegerhoff (2012) zum Fortleben in Mittelalter und Neuzeit. Zum Kolosseum als Märtyrerstätte in der frühmittelalterlichen Interpretation Sinn (2006), 436f.; Wegerhoff (2012), 67ff. In seiner Schrift I tesori nasconti nell’alma città di Roma fokussiert Ottavio Panciroli die Christenverfolgung auf das Kolosseum. Die spätantiken Autoren berichten demgegenüber vielmehr von den Martyrien in den Provinzen und Provinzstädten, so auch Prudentius im Liber Peristephanon, von dessen 14 Martyrien nur vier (zählt man Petrus und Paulus einzeln fünf) in Rom und keines im Kolosseum verortet wird (Perist. 2; 11; 12; 14), vgl. Puk (2014), 45ff.; Diefenbach (2007), bes. 324ff.; 481ff. zur spätantiken Märtyrer-Memoria in Rom, die sich polyzentral im Suburbium abspielte. 425 Die Notitia Urbis nennt zwei große und vier kleinere Amphitheater für das 4. Jh., vgl. Demandt (2008), 345; Mann (2013), 67ff. Zum Fortbestehen der Spiele und insbesondere der munera Kolb (2009), 102; Demandt (1997), 184 berichtet, dass die Gladiatorenkämpfe bereits unter Konstantin per Gesetz verboten worden seien. Er führt einen Zwischenfall im Ko-

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cus Maximus426 diejenigen Orte Roms, an dem die altrömischen Traditionen die längste Überlebensdauer bewiesen427. Die spectacula blieben bis in die christliche Herrschaftszeit ein fester Bestandteil des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens und andauerndes Symbol kaiserlicher und senatsaristokratischer Selbstdarstellung und Machtbezeugung428. losseum des Jahres 404 als Endpunkt der munera an, bei dem der Mönch Telemachios aus dem Osten getötet worden sein soll (Er verweist auf Theod. hist. eccl. 5,27), dazu kritisch Weismann (1972), 54, Anm. 139, der Prud. CS 2,1128f. als Beleg für die Fortdauer der Spiele unter Honorius anführt; Sinn (2006), 431f. führt das Jahr 408 als Ende der Gladiatorenkämpfe an, während die letzte venatio im Kolosseum für das Jahr 523 bezeugt ist, vgl. Bauer (2001), 91ff. zur Instandhaltung des Kolosseums; Puk (2014), 229ff. setzt den Niedergang der Gladiatorenkämpfe bereits früher im 4. Jh. an, in Rom bald nach 400. Als terminus post quem setzt er den Appell des Prudentius an Honorius in CS an. Er verweist ebenfalls auf den Zwischenfall mit Telemachios. 426 Zum Circus Maximus Humphrey (1986), bes. 56ff.; in der Spätantike Lancon (2000), 22; Curran (2000), 230ff. Zur Interpretation des Circus als sakraler Ort Lim (2012). Der Circus diente gemäß Schmitzer (2001a) zur „Inszenierung von Herrschaft,“ während das Kolosseum und seine Spiele vorrangig zur „Selbstdefinition der Bürgerschaft beitrugen,“ was er aus den Restaurations- und Baumaßnahmen an beiden Monumenten im 4.-6. Jh. ableitet, vgl. Rea (1993), 31f.; Orlandi (1999); Bauer (2001), 91ff. Ziemssen (2012), 90ff. betont den architektonischen Wechselbezug von Kaiserpalast und Circus (vgl. Puk 2014, 180ff. zu derselben verbindenden Architektur in Konstantinopel). Er betrachtet den Circus als gewichtigen Kommunikationsraum von Kaiser und Volk, in dem der Herrscher sich volksnah präsentierte, vgl. Ziemssen (2011), bes. 148f.; 314f. zu Maxentius; Cameron (1976), 157ff.; Heucke (1994) zum Beispiel des Hippodrom in Konstantinopel; Lehnen (1997), 194f. zu den dies munerum nach einem kaiserlichen adventus; Ronning (2007), 351ff. zur Funktion der Spiele im Circus Maximus beim (triumphalen) adventus Konstantins im Panegyricus des Jahres 313 mit weiterer Literatur; Wienand (2012), 430ff. zum Sinnbezug von Kaiser und Hippodrom während öffentlicher Feierlichkeiten, insbesondere der Jubilarfeierlichkeiten, und zur Problematik der Interpretation des Circus’ bei christlichen Autoren am Beispiel des Eusebius mit weiterer Literatur; Puk (2014), 172ff. zum Circus als Symbol der Kaiserherrschaft, bes. 183ff. zum triumphus. Ebd. 161ff. gibt er einen umfassenden Überblick über die steigende Popularität der Circusspiele in der Spätantike, die für Christen und Nicht-Christen gleichermaßen zur natürlichen Lebenswelt gehörten. Die Aufstellung des größten Obelisken in Rom im Circus Maximus durch Constantius II. kann vor diesem Hintergrund eher als ein Akt kaiserlicher Selbstdarstellung denn als ein Ausdruck kaiserlicher Ergebenheit gegenüber Rom gelesen werden, die zweite Sichtweise vertritt Chenault (2008), 97ff. Schon in der Kaiserzeit und vor allem in der Spätantike übernimmt der Circus die Funktion des Kolosseums politischer Kommunikationsraum von Herrscher und Volk zu sein, vgl. dazu Chenault (2008), 104f.; Mann (2013), 94ff. zum Kolosseum. In späterer Zeit wurden Kämpfe und Theateraufführungen nicht selten auch im Hippodrom aufgeführt, dazu Puk (2014), 210f.; 231; 276ff. 427 Zur alltäglichen Gegenwart der Gladiatorenspiele Edwards (2007), 49; Lim (2010). 428 Kolb (2009), 111; Lim (2010), bes. 499f. zu Konstantin; Lancon (2000), 142ff.; Mann (2013), 76ff.; Puk (2014). Gemäß Weismann (1972), 54 wurden die Spiele zwar nicht von den Kaisern selbst veranstaltet, jedoch zur Gunstgewinnung meist großzügig gefördert; vgl.

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Apologeten und Kirchenväter versuchten wiederholt sowohl Pagane als auch Christen durch Mahnungen und Drohungen von den ausgesprochen populären ludi fernzuhalten. Der Besuch der teils makabren spectacula blieb jedoch auch unter den christlichen Kaisern weiterhin ein beliebter Zeitvertreib für viele Römer429. In den Augen Tertullians werden die Spiele in Rom zur ursprünglichen Quelle einer antichristlichen Verdorbenheit, deren negative Folgen sich auf das gesamte römische Reich erstreckten. Nicht nur wegen der paganen Kulte, sondern vor allem wegen der öffentlichen Zurschaustellung von Grausamkeit und der zahlreichen Todesszenarien in den Arenen wird Rom für ihn zu jener Stadt, in welcher der conventus daemoniorum sich niedergelassen hat430. Die große Mehrheit des römischen Publikums dürfte sich nicht mehr in Erinnerung gerufen haben, dass die Ursprünge der Prozessionen, Spiele und Gladiatorenkämpfe in religiösen Kulthandlungen zu finden waren, was sie in den Augen einiger Kirchenväter zu einer exzessiven Ausformung der Idolatrie und zu einer pompa diaboli werden ließ431. Diese Sichtweise, in der die Spiele Lim (1999); Lim (2010); Lim (2012) zur kaiserlichen Gesetzgebung; Wiedemann (2001), bes. 163ff.; Sinn (2006), 419 mit weiterer Literatur. Zu den Spielen als Instrument politischer Integration und römischer Identitätsbildung sowie zu ihrem rememorativen Charakter Flaig (2004), 233ff. Gemäß Demandt (2008), 257 lag die Hauptaufgabe der meisten spätantiken Ämter darin, Spiele zu veranstalten. Ebenso betont Lim (1999) den hohen Stellenwert, welcher der Veranstaltung von Spielen in der spätantiken Senatsaristokratie zukam. Ebd. 272ff. bezeichnet er die Spiele als „a mode of status-spending“, mit dem die Senatsaristokratie das römische Volk an sich band, und vermutet, dass die von der Senatsaristokratie freigebig inszenierten öffentlichen Spielen möglicherweise auch mit einem religiösen bzw. traditionserhaltenden Interesse einhergingen. 429 Weismann (1972), 92ff. zur „moralischen Gefährdung“ durch die Spiele; 104ff. zum weiterhin bestehenden und sogar erhöhten Besuch der Schauspiele von Seiten der Christen; ebenso Kahlos (2007), 126ff.; Salzman (1999); 125; Lim (2010), 500; 506ff. zum Erhalt der Feste und Spiele unter den christlichen Kaisern. Er stellt insbesondere für die Spiele einen Prozess der Säkularisierung in der Spätantike fest; vgl. Lim (2012) zum Circus; Puk (2014), 21ff. zum kirchlichen Diskurs über die Spiele; 53ff. zum Fortleben der Spiele in der Spätantike; 223ff.; 379ff. zum relativ unproblematischen Einbezug der Spiele in eine christliche Lebenswelt. 430 Tert. spect. 7,3–4 … sciunt homines illius urbis, in qua daemoniorum conventus consedit. Ea si minore cura per provincias pro minoribus viribus administrantur, tamen omnes ubique circenses illuc deputandi, unde et petuntur, inde inquinantur, unde sumuntur. Nam et rivulus tenuis ex suo fonte et surculus modicus ex sua fronde qualitatem originis continet, dazu Cancik (2006), 226f. Zu den Gladiatorenspielen in Rom Tert. spect. 12,1–5. 431 Dieses Argument findet sich erstmals bei Iren. haer. 1,6,3 und wird bei Tertullian aufgegriffen und ausgebaut: Igitur si ex idololatria universam spectaculorum paraturam constare constiterit, indubitate praeiudicatum erit etiam ad spectacula pertinere renuntiationis nostrae testimonium in lavacro, quae diabolo et pompae et angelis eius sint macipata, sci-

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als ein verführerisches Propagandamittel des Teufels betrachtet werden, setzt sich jedoch nur bei einigen wenigen Apologeten durch. Die meisten führen die moralischen Gefahren, die mit den Darbietungen einhergehen, als Hauptargument gegen die spectacula an432. Bereits Cicero und Seneca argumentieren gegen das crudele gladiatorum spectaculum et inhumanum, das sich moralverderbend auf die Zuschauer auswirke433. Auch bei den christlichen Apologeten werden die Spiele in den Amphitheatern und insbesondere die Gladiatorenkämpfe als ein publicum homicidium angeprangert434, das mit einer moralischen Verderbnis einhergehe. Tertullian und andere erklären, dass bei Betrachtung des Mordens jede Form von humanitas zugunsten der Schaulust (voluptas) abgelegt werde435.

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licet per idololatrian (Tert. spect. 4,3), dazu Weismann (1972), 98f.; Kahlos (2007), 127f. Zum kultischen Ursprung der Spiele Flaig (2004), 232f.; 242ff. zu den Gladiatorenkämpfen. Dasselbe Argument wurde gegen das Theater vorgebracht, dazu Jürgens (1972), bes. 147ff. Weismann (1972), 99ff.; dagegen betrachtet Kahlos (2007), 128 das Argument der pompa diaboli als das „most emphatic“, führt jedoch lediglich Tertullian als Quelle an; vgl. Ebd. 92ff. zum Argument der „moralischen Gefährdung“; 51ff. zu Augustinus; vgl. Puk (2014), 24ff.; Weismann (1972), 103f zur Veralberung der Gottheiten in den Theaterstücken. Kritik wird bspw. in Lact. inst. 5,20,13 geübt: Qualis haec religio aut quanta maiestas putanda, adoratur in templis, inluditur in theatris? Cic. Tusc. 2,41. Vgl. Cic. fam. 7,1; Sen. epist. 7,2ff., dazu Weismann (1972), 77f., der Cicero und Seneca als vereinzelte Stimmen von nichtchristlicher Seite deklariert. Ein Gegenentwurf besteht darin, den Gladiatoren als ein exemplum für das heroische Sterben zu betrachten, dazu Edwards (2007), 60f.; 68ff.; Flaig (2004), 243ff.; Mann (2013), 36ff.; Puk (2014), 231. Auch noch in Ennod. Paneg. Dict. Theod. 85 dient der Gladiatorenkampf als Exempel für das heroische Schlachtgeschehen: Rutilium et Manlium conperimus gladiatorium conflictum magistrante populis providentia contulisse, ut inter theatrales caveas plebs diuturna pace possessa quid in acie gereretur agnosceret. Flaig (2004), 246 führt an, dass selbst die Kirchenväter den Gladiator zum Vorbild stilisierten und verweist auf Aug. enarr. Ps 70,1: … habens quasi gladiatorium animum. Lact. inst. 6,20,15, weitere Belege bei Weismann (1972), 57; 79; vgl. Futrell (1997), bes. 169ff.; Lim (2010), 500ff. und Puk (2014), 24ff. stellen fest, dass vorwiegend das moralische Argument von christlichen Autoren des ausgehenden 4. Jahrhunderts aufgegriffen worden sei, da Tertullians Strategie, die Spiele als Idolatrie zu brandmarken, keine nennenswerten Veränderungen nach sich gezogen habe. Daneben lebte die dämonische Argumentationsstrategie, wenn auch seltener, weiter. Sen epist. 7,2 Nihil vero tam damnosum bonis moribus quam in aliquo spectaculo desidere; tunc enim per voluptatem facilius vitia subrepunt; Tert. spect. 1,2 Tanta est enim voluptatum vis, ut et ignorantiam protelet in occasionem et conscientiam corrumpat in dissimulationem; Cypr. Donat. 7 Paratur gladiatorius ludus, ut libidinem crudelium hominum sanguis oblectet … homo occiditur in hominis voluptatem … quid inhumanius, quid acerbius, vgl. Min. Fel. 37,11f.; Cass. Dio 59,10,2–3; weitere Belege bei Weismann (1972), 87, Anm. 115; zur voluptas Edwards (2007), 63ff. ). In Kaiserzeit und Spätantike wurden

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Das Mitfiebern bei den spectacula führe zu einer Dehumanisierung der Zuschauer, die in ihrer Raserei nahezu selbst zu den wilden Bestien würden, deren Kämpfe sie mit lauten Akklamationen begleiteten436. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie Prudentius die Spiele in der Nachfolge antiker und christlicher Autoren beurteilt und welche Funktion er ihren Austragungsorten zukommen lässt. Kritik an den Gladiatorenkämpfen übt er in Contra orationem Symmachi an zwei Stellen437. Während er in der Hamartigenia die Amphitheater noch gemeinsam mit dem Circus, den Sportplätzen und den Theatern anführt, kommt ihnen in den beiden Büchern eine Sonderstellung zu: Prudentius trennt deutlich zwischen den munera (gladiatorium) im Amphitheater und den spectacula im Circus438. die verschiedenen Unterhaltungsprogramme unter dem Begriff voluptates zusammengefasst, vgl. Puk (2014), 2f. 436 Der bei den Kirchenvätern beschriebene furor circensis herrschte mit Sicherheit auch in den Amphitheatern, zum furor beim Wagenrennen Weismann (1972), 89. Gemäß Tert. spect. 16,1 erzeugt jegliche Art von Spielen eine Raserei beim Zuschauer: Cum ergo furor interdicitur nobis, ad omni spectaculo auferimur. Zur Dehumanisierung Tert. spect. 12,4: Sed paulatim provecti ad tantam gratiam, ad quantam et crudelitatem, quia ferarum voluptati satis non fiebat nisi feris humana corpora dissiparentur. Zur christlichen Kritik an den Beifalls- bzw. Unmutsbekundungen der Zuschauer Weismann (1972), 55ff.; 86ff. 437 Für den Passus des ersten Buches CS 1,354–407 nehmen Solmsen (1965), 239 und Gnilka (2000e), 230 im Übergang von Vers 378 zu 379 eine gedankliche Trennung von di inferi und Spielen vor; ebenso begrenzt Tränkle (2008), 61ff. die Passage zu den Spielen auf die Verse CS 1,379–399. In der vorliegenden Untersuchung wird der gesamte Passus als sinntragende Einheit betrachtet. Im zweiten Buch sind es zwei aufeinander folgende Passagen: CS 2,1086–1113 (Besuch einer Verstalin) und CS 2,1114–1132 (Schlussbitte an Honorius). Solmsen (1965), 238ff., bes. Anm. 5; 34 setzt die Passage des ersten Buches vorrangig in einen gedanklichen Bezug zur Schlussbitte, andere Verse werden nur beiläufig erwähnt; Ernesti (1998), 236f. sieht im Schlussappell an Honorius den „Interpretationsschlüssel“ für die gesamten zwei Bücher und geht von einer gedanklichen Klammer des Gesamtwerks über CS 1,1–41 und die Schlussbitte an Honorius aus. Prudentius’ Kritik richtet sich gegen die munera gladiatorium, evtl. können gedanklich venationes zwischen Mensch und Tier, die das munus nicht selten umrahmten, für die Passage des ersten Buches mitgedacht werden, zu den Tierkämpfen Mann (2013), 19ff. Im ersten Buch abstrahiert sich der Gladiatorenkampf (CS 1,380) in einer unbestimmten Vielzahl an Leichen und amphitheatralis spectacula (CS 1,380ff.), im zweiten Buch besucht die Vestalin einen Zweikampf. In der Schlussbitte wird die Vorstellung des munus gladiatorium in der Hinrichtung (poena) und dem Morden (homicidia) verallgemeinert (CS 2,1126ff.). Puk (2014), 24f. stellt fest, dass Kritik an den Gladiatorenspielen im 4. Jh. selten aufgetreten sei, er führt neben Prudentius einige wenige Beispiele an. 438 Der Circus tritt lediglich als ein Ort der gesellschaftlichen Zusammenkunft in Erscheinung: CS 2,948–950 Quis venit esuriens magni ad spectacula circi? | Quae regio gradibus vacuis ieiunia dira |sustinet aut quae Ianiculi mola muta quiescit? Behrwald (2009), 270 differenziert hingegen nicht innerhalb von CS zwischen Amphitheatern und Circus. In ham.

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4.5.1 Die Amphitheater bei Prudentius: Totenreich und Totenkult Am Ende der imaginären Stadtbesichtigung schließt sich an die Beschreibung der Kulthandlungen zu Ehren der Naturgottheiten und des Sonnengottes eine Passage über die Unterweltsgötter an439: Hoc tamen utcumque est tolerabile. Quid, quod et ipsae dant tibi, Roma, deos inferni gurgitis umbrae? (CS 1,354–355) Im Gegensatz zu erdichteten Gottheiten wie Jupiter oder Mars interpretiert Prudentius sie als böse Dämonen440, welche die Menschen mittels der Götterkulte auf den falschen Glaubensweg und vom christlichen Gott wegführen441. 356–374 werden Theater, Sport, Arena und Circus im Gegensatz zur Interpretation in CS als ein Übel zusammengefasst, das den Menschen verdirbt (bacchantia gaudia mundi). Zum Theater als drittem Ort von spectacula vgl. Perist. 10,220ff. Zum Theater bei den christlichen Apologeten Weismann (1972), 193; zum Circus 59ff. 439 Die Behandlung der Naturgottheiten setzt in CS 1,297 ein. In den Versen CS 1,309–353 wird ausführlich der Sonnenkult widerlegt. Dass die Behandlung der Amphitheater und insbesondere des Kolosseums unmittelbar an die des Sonnengottes anschließt, mag kein Zufall sein. Zum Sonnenkoloss Richardson (1992), 93f. s.v. Colossus Solis, der noch im römischen Regionenkatalog des 4. Jahrhunderts erwähnt wird und von dem der Name des Rundbaus seit dem Mittelalter hergeleitet wird. 440 Solmsen (1965), 242f. Dagegen ordnet Kah (1990), 135 die Unterweltsgottheiten wieder den übrigen Göttern zu und verweist zur Untermauerung ihrer Argumentation auf Perist. 5,77f. und 92. In 77f. ist jedoch nicht von dei, sondern von spiritus die Rede und in Vers 92 muss die Aussage divique et idem daemones nicht auf alle Götter, sondern nur auf die der Unterwelt bezogen werden. Im Folgenden befielt der Richter, die Märtyrer den Unterweltsdämonen vorzuwerfen (Perist. 5,98ff.). Das idem kann weiterhin auch als ‚zugleich‘ gelesen und damit den Zeitpunkt von clamant angeben. In CS 1,442–444 differenziert Prudentius die einzelnen Göttergruppen. Die Unterweltsgötter werde nicht als dei, sondern als eine vis bezeichnet und damit sprachlich von den anderen Götterfamilien abgegrenzt: Nec tibi terra deos, caeli nec sit deus atrum, | nec deus oceanus, nec vis quae subter operta est | infernis triste ob meritum damnata tenebris. Zum Dämonenbild in ham. und Psych. Herzog (1966), 60f. Tertullian setzt die paganen Gottheiten den Dämonen gleich, womit die spectacula zur Idolatrie werden: Pluribus enim et asperioribus nominibus amphitheatrum consecratur quam Capitolium: omnium daenomum templum est. Tot illic immundi spiritus considunt, quot homines capit (Tert. spect. 12,7; vgl. 13,2). 441 Solmsen (1965), 249; Gnilka (2000e), 230ff. Diesen Gedanken formuliert bereits Tertullian: … sed non ignoramus, qui sub istis nominibus et institutis simulacris operentur et gaudeant et divinitatem mentiantur, nequam spiritus scilicet, daemones … (Tert. spect. 10,10); daemonas ab initio prospicientes sibi inter cetera idololatriae etiam spectaculorum inquinamenta, quibus hominem a domino avocarent et suo honori obligarent, eiusmodi quoque artium ingenia inspirasse (Tert. spect. 10,12), vgl. Tert.

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Betrachtet man die Skizzierung der Unterweltsgottheiten, lassen sich einige Parallelen zu den Figuren des Bösen in der antiken lateinischen Literatur und insbesondere zu Vergils Furien Allecto und Tisiphone feststellen442 . Die Trivia des christlichen Dichters trägt sowohl in ihrem äußeren Erscheinungsbild als auch in ihrer Handlungsweise furiale Züge. Sie wird mit Schlangen und Peitsche porträtiert und verändert in ihrer dreifachen Göttlichkeit ebenso wie Allecto nach Belieben ihre Gestalt443. In Anlehnung an Vergils Tisiphone und Claudians Allecto wird sie zur obersten Furie, die ihre Schwestern

spect. 11,1ff.; Perist. 6,34–36 Iudex Aemilianus inminebat, | atrox turbidus insolens profanus, | aras daemonicas coli iubebat. In den Arenen wurden in den Kämpfen nicht selten Mythen (famae) inszeniert, denen Prudentius ausgesprochen kritisch gegenübersteht, zu den Aufführungen Weismann (1972), 57; Coleman (1990), Thome (1993), 349ff.; Ehlers (2005), 56ff.; vgl. Mart. spect. 5,4 Quidquid fama canit, praestat harena tibi; Tert. apol. 15,4f. 442 Thome (1993), bes. 24: „Und nun gilt es für den vorchristlichen lateinischen Sprachraum festzuhalten: Einen direkten Begriff für das spezifisch Böse hat es zwar nicht gegeben, dafür wohl aber eine Vielzahl von Begriffen und Bildern, mit der man ein entsprechendes Phänomen, das (noch) keinen Namen hat, erfasst bzw. zu erfassen suchte.“ Sie stellt fest, dass die Vorstellungen vom Bösen in Rom anhand von Personen entwickelt werden. Als Beispiele können die Hexe Erichtho in Lucan. 6,624ff. oder die zürnende Juno der Aeneis sowie insbesondere Furien wie Allecto in Verg. Aen. 7,323–340; 406–420; 445–457 angeführt werden. Die Furien spezifiziert Thome (1993), 79 als „Vertreterin[nen] des ZerstörerischUnheilvollen“ und als destruktive „Unterweltsexponenten“, vgl. bes. 353ff. Bei Vergil verlassen die Furien ihren Sitz in der Unterwelt, um auf der Erde Schaden zu stifen, und werden zu entscheidenden Triebfedern für den Fortlauf der epischen Handlung (Verg. Aen. 6,570– 572; georg. 3,551ff. Tisiphone; Aen. 7,323–345 Allecto). Die Topoi des personifizierten Bösen prägen die Figur des diabolus in der christlichen Literatur entscheidend, dazu Thome (1993), 109ff.; Eisenberger (2009). 443 Sie wird als ein dreigestaltiger daemon tartareus vorgestellt (CS 1,369f.), der den Menschen auf Irrwege führt (CS 1,373 errores), vgl. Serv. Aen. 4,511 TRIA VIRGINIS ORA DIANAE Lunae, Dianae, Proserpinae, et cum super terras est, creditur esse Luna; cum in terris, Diana; cum sub terris, Proserpina … ob quam triplicem potestatem triformem eam triplicemque finxerunt, cuius in triviis templa ideo struxerunt. Vgl. die Verbindung von Trivia/Hecate mit furor in der Unterweltsfahrt von Vergil, dazu Cancik (2003), 70ff. Bereits Solmsen (1965), 248ff. fasst die Göttin als eine Identifikationsfigur des Teufels auf (vgl. Gnilka 2000e, 231ff.). Er setzt die Passage CS 1,354–378 in einen Bezug zu CS 2,889f., in denen der Teufel beschrieben wird: Multiplici dux daemon adest, qui parte sinistra | certifidum confundit iter. Vgl. ham. 126–158, dazu Herzog (1966), 94, der auf die Vorstellung des Teufels als insidiator in der Hamartigenia verweist (ham. 129; vgl. 390). Trivia weist sowohl durch ihre Wandlungsfähigkeit als auch in ihrer Funktion als Verführerin und Fallenstellerin, wenn sie Diana ist, typische Charakeristika des Teufels auf, zu den Charakteristika Thome (1993), 108ff.; 111ff.; 206ff. Neben Trivia/Proserpina treten die Furien (CS 1,356; 1,361f.; 1,367), Dis Pater (CS 1,379; 1,388) und Charon auf (CS 1,386).

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antreibt und Recht spricht444. Ebenso wie Tisiphone in den Georgica reckt sie ihren Kopf aus der Unterwelt empor, um Unheil und Schrecken auf der Erde zu verbreiten (CS 1,356 Stygio caput erexit antro)445. Trivia wird nach antikem Vorbild zum „personifizierte[n] Böse[n]“446 überzeichnet, das unter vielen Namen und auf zahlreiche Arten Einfluss auf die Geschicke der Oberwelt nimmt447. Einige der bösen Charakterzüge trägt Dis. Dieser wird in der Manier einer Furie aus der Unterwelt herbeigerufen und beweist ebenso wie seine Gattin cupiditas nocendi, wenn er sich unter die Zuschauer der Gladiatorenkämpfe mischt. Aus christlicher Perspektive rücken beide gerade wegen ihrer „Schadenslust“448 in die Nähe des Dämonischen und Teuflischen. 444 CS 1,361f. … nunc saeva sororum | agmina vipereo superis inmittere flagro | … terque suas eadem variare figuras … cum subnixa sedet solio, Plutonia coniux | imperitat Furiis et dictat iura Megaerae. Zu den furialen Attributen Thome (1993), 255ff.; 264ff.; vgl. Verg. Aen. 6,555f.; 570ff. zu Tisiphone; 7,328f. zur Wandlungsfähigkeit bei Allecto; Claud. carm. 3,25ff. zu Allecto und Megaera als Oberfurie und Rechtsprecherin, dazu Fabbri (1918), bes. 52ff.; 60. Zur Parallele von Claud. carm. 3,25–163 und 33,32–116 Fo (1982), 225; zum Bösen bei Claudian Thome (1993), 81; 169, Anm. 400; 247, Anm. 623; Classen (2010), 295f. Gemäß Thome (1993), 121, Anm. 283; 134, Anm. 316 trägt neben den ‚klassischen‘ Furien auch Bellona in Claud. carm. 20,111 furiale Züge. Die Schar der personifizierten Laster, die den Furien bei Claudian folgt, wird in der Hamartigenia zur Anhängerschaft des Teufels (ham. 393ff.). Der Katalog des Unterweltspersonals bei Claudian geht gemäß Eisenberger (2009), 27 auf Verg. Aen. 6,273–281 und Ov. met. 4,484f. zurück. Gegen eine Inszenierung Proserpinas/Trivias als Furie bei Prudentius spricht sich wenig überzeugend Gnilka (2000e), 234 aus. 445 Verg. georg. 3,551–553 Saevit et in lucem Stygiis emissa tenebris | pallida Tisiphone morbos agit ante metumque, | inque dies avidum surgens caput altius effert. Vgl. Verg. Aen. 7,454f. zu Allecto. Die Angst, die Trivia verbreitet, erwähnt Prudentius wenige Verse später: … quae corda hominum pavitantia figat (CS 1,374). Vgl. zum Teufel Perist. 10,36– 38 Haec ille serpens ore dictat regio, | qui mortuorum de sepulcris exiens | clamat …; ham. 179 … caput caligine protulit atra. 446 Buchheit (1963), 102 über Allecto: „Sie ist als die Ausgeburt des Niederträchtigen und Schrecklichen gezeichnet, deren Lust auf Unrecht angeboren ist: cui tristia … Sie ist das personifizierte Böse.“ 447 Vgl. Verg. Aen. 7,337 … tibi nomina mille | mille nocedi artes. Viele der Attribute werden auch dem Teufel in der Hamartigenia zugeschrieben: Marcionita deus tristis, ferus, insidiator | vertice sublimis, cinctum cui nubibus atris | anguiferum caput et fumo stipatur et igni … (ham. 129ff.). Zu den Leitmotiven der Allecto-Charakterisierung, der Wandlungsfähigkeit und den nocendi artes Thome (1993), 100ff.; 109ff. 448 Die „Schadenslust“ und die „Lust am Bösen“ als Charakteristikum des spezifisch Bösen in der lateinischen Literatur stellt Thome (1993), 24 fest; vgl. Ebd. 84ff.; 109ff. zum Nachleben der mille nocendi artes nach Vergil; 426 zum Schadenwollen als „Lustprinzip“ des Bösen. Augustinus schreibt das Charakteristikum den Dämonen zu: … esse spiritus nocendi cupidissimos … fallacia callidos, qui in hoc quidem aere habitant, quia de caeli superioris sub-

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Das personifizierte Böse wird bei Prudentius entsprechend antiker Vorbilder konzipiert. Der Dichter übernimmt mit Trivia/Proserpina, Dis Pater und den Furien bekannte Namen des paganen Unterweltspersonals449, versieht die Gottheiten jedoch teils mit ihnen eigentlich fremden Attributen und Verhaltensweisen. Das Böse erscheint im Gegensatz zur Hamartigenia nicht entsprechend biblischer Vorstellung als männlicher diabolus450. Stattdessen kleidet er die christliche Idee des Teufels in ein paganes Gewand, indem er mehrere Unterweltsgottheiten kombiniert. Die Idee einer infernalischen potestas wird einem paganen Leser mittels bekannter antiker Vorstellungen veranschaulicht, für einen belesenen christlichen Leser wird sie originell umgestaltet451.

limitate deiecti merito inregressibilis transgressionis in hoc sibi congruo velut carcere praedamnati sunt (Aug. civ. 8,22), dazu Herzog (1966), 61. Die Bezeichnung als arbiter (Augenzeuge/Schiedsrichter) in CS 1,389 platziert Dis als Bösen, der über das Böse urteilt, inmitten des Publikums, zur Wortbedeutung OLD (2007), s.v. arbiter. In der Wendung evocat [sc. populus] heu poenis tenebrosa ex sede ministrum | interitus, speciosa hominum cui funera donet (CS 1,393f.) spiegelt sich die Heraufbeschwörung Allectos in Verg. Aen. 7,324: … luctificam Allecto ab sede dearum | infernisque ciet tenebris; vgl. Claud. carm. 3,74 Improba mox surgit tristi de sede Megaera. 449 So Solmsen (1965), 242f., der den Gebrauch der „traditional names“ jedoch nicht auf den Leserkreis von CS, sondern auf Vergils Aeneis als Prätext zurückführt: „[…] these gods are identical with the dread powers of Hell.“ 450 In ähnlicher Weise wird in der christlichen Literatur die Magna Mater Deum zur magna mater daemonum stigmatisiert (Tert. spect. 8,5), dazu Dölger (1932). Dass Prudentius hier stattdessen Trivia wählt, zeigt deutlich, dass er die bestehenden Vorstellungen des Bösen einer paganen Leserschaft aufgreift. In ham. 126ff. wird der Marcionita deus zum Inbegriff des Bösen, zur Echtheit des Verses 129 Gnilka (2000f), 351f. Der Teufel trägt in seiner Beschreibung und seinem Verhalten ebenfalls deutlich furiale Züge: … cinctum cui nubibus atris | anguiferum caput et fumo stipatur et igni, | liventes oculos subfundit felle perusto | invidia inpatiens iustorum gaudia ferre. | hyrsutos iuba densa umeros errantibus hydris | obtegit et virides adlambunt ora cerastae … (ham. 130–135), dazu Herzog (1966), 94: „Der Teufel ist nun zur listig jagenden, den ferae und animalia bruta Fallen stellenden Furie geworden.“ Die Furie dient Prudentius also auch in der Hamartigenia als ein Modell für das personifizierte Böse, dagegen Solmsen (1965), 245. Die Dämonen (spiritus) werden in ham. 512–522 statt in der Unterwelt in der Luft verortet, vgl. Aug. civ. 8,22. Ihre ‚Umsiedlung‘ in CS spricht ebenfalls für eine Adaption antiker Vorstellungen. 451 Zur Mischung Solmsen (1965), 245: „[…] the gods of the Underworld and the powers of Hell are fused in Prudentius’ imagination.“ In den Brückenversen CS 1,376–378, die von Trivia zu Dis überleiten, werden beide unter der Vorstellung einer abstrakten potestas zusammengefasst, die an der Angst der Menschen erstarkt und im Schattenreich verortet wird: … depressos modo subter humum formidine sensus | obruit, inplorent ut numina lucis egena | seque potestati committant noctis opertae. Vgl. ham. 424 über den Teufel: His subnixa viris scelerum perversa potestas | edomat invalidas mentes.

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Ähnliches lässt sich für die Gestaltung der Unterweltsszenerie feststellen452. Die Gottheiten werden nicht nur über ihre Handlungsweise, sondern auch über zahlreiche topographische Verweise charakterisiert453. Vor ihrer namentlichen Vorstellung treten sie als Exponenten der Unterwelt auf, so dass ihr Name hinter ihrem Ursprungsort zurücktritt454. Dieser wird nach dem Vorbild antiker Tartarusbeschreibungen skizziert, wobei insbesondere Vergils Aeneis als Folie dient455. Wie das Götterpersonal werden die paganen Vorstellungen der Unterwelt in Contra orationem Symmachi nicht mit einer christlichen Höllenterminologie vermischt456. Diese Verwendung einer traditionell-antiken Unterweltssemantik spricht für einen gemischten Leserkreis: Mit Begriffen und Bildern der gehenna ist ein nicht-christlicher Leser sehr wahrscheinlich unvertraut457. Wendungen wie inferni gurgitis umbra oder Eumenidum domina hingegen erzeugen bei jedem gebildeten Leser – christlich wie pagan – eine Vorstellung der Unter-

452 Ein „Stygian vocabulary“ stellt bereits Solmsen (1965), 246 für die gesamte Passage fest. 453 Die literarischen Topoi der Unterweltsbeschreibung listet Thome (1993), 182ff. auf: a) inferus/infernus; b) Unterweltsbezeichnungen: Acheron/Acheru(n)sius – Tartarus/Tartareus – Styx/Stygius – Cocytus/Cocytius; c) Merkmale des Unterweltlichen: Dunkelheit (tenebrae – nox – caligo) – Blässe und Farblosigkeit (pallor/pallidus – luridus). Speziell zum Leitmotiv der Dunkelheit Ebd. 83. In der Passage CS 1,354–407 treten die folgenden auf: inferni gurgitis umbrae (355); Stygio antro (356); tartarei regis (357); erebo (360); daemon tartareus (369f.); supter humum (376); numina lucis egena (377); potestati noctis opertae (378); Flegetontia (381); dignas inferias (386f.); Iovis infernalis (387); obscuri Averni (389 als Unterweltszugang); subternis antris (392); tenebrosa ex sede (393); caligine caeca (400); tacitis umbris (401). 454 Sie werden als deos inferni gurgitis umbrae eingeführt (CS 1,355); Dis Pater wird über ein Lokalattribut als tartarus rex vorgestellt (CS 1,357). 455 Verg. Aen. 6,236ff. Vgl. Kah (1990), 44 zu ham. 824–838; Thraede (1962), 1035; Thraede (1982), 77; Lühken (2002), 153 zur Rezeption der vergilischen Unterwelt. 456 Prolingheuer (2008), 110ff. stellt für Prudentius einen „Detailreichtum aus der heidnischen Vorstellung“ fest und bemerkt, dass sich bei ihm als einzigem christlichen Autoren „alle heidnischen Bezeichnungen der Höllentopographie“ finden. In Prudentius’ anderen Werken vermischen sich christliche und antike Terminologie, dazu Prolingheuer (2008), 108ff. Auch andere christliche Autoren greifen oftmals auf Topoi, Bilder und Signalbegriffe der paganen Unterwelt zurück, um die Hölle deitalreicher beschreiben zu können, vgl. dazu Thome (1993), 194. Prolingheuer (2008), 103ff. 457 Zu gehenna in Verbindung mit dem Höllenfeuer Mt 5,22; 23,33; Mc 9,42ff.; Lc 12,5. Zum Höllenfeuer Apc 19,20 … missi sunt hii duo in stagnum ignis ardentis sulphure; vgl. 20,10; 20,14; Dt 32,22; vgl. II Pt 2,4. Vgl. zur Vorstellung eines Feuerstroms Verg. Aen. 6,550f. Die Vorstellung des höllischen Feuertsroms greift Prudentius lediglich in CS 1 praef. 88f. auf.

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welt und rufen die Erwartung hervor, dass etwas Böses geschehen oder auftreten werde458. Das Handeln der Unterweltsbewohner verbindet das unterirdische Schattenreich mit der oberen Welt459. Zum Hauptschauplatz der diabolischen Kräfte auf der Erdoberfläche werden Roms Amphitheater460. Mit dem ersten Wort der einsetzenden Dis-Passage wird der Leser in die Rolle des Beobachters versetzt und aufgefordert, das Reich des Unterweltsgottes zu betrachten (CS 1;379 Respice terrifici scelerata sacraria Ditis)461. Er wird angewiesen, dieselbe Handlungsweise wie Aeneas zu vollziehen, als dieser, erfolgreich in die Unterwelt hinabgestiegen, die Pforte des Tartarus erblickt462. In der Aeneis bildet der Tartarus einen Bezirk des unterirdischen Reiches von Dis, das im zwölften Buch ebenso wie bei Prudentius als sacraria Ditis bezeichnet wird463. Der christliche Dichter greift den Herrschaftsbereich des Unterweltsgottes mit demselben Wortlaut auf und versetzt ihn an die Erdoberfläche nach Rom. Der folgende Vers macht die harena zum Ort des Geschehens, die über die Flegetontia victima in einen auffallend engen Bezug zur Unterwelt gesetzt wird (CS 458 Vgl. Verg. Aen. 6,741–742, wo die Strafen der Unterwelt beschrieben werden: … aliis sub gurgite vasto | infectum eluitur scelus (dazu Lühken 2002, 159) und Prud. ham. 827 … et Flegetonteo sub gurgite sanxit edaces | perpetuis scelerum poenis inolescere vermes mit Mt. 11,23 … usque in infernum descendes. Zur engen Verbindung der Unterwelt mit dem Bösen Thome (1993), 183ff. Sie stellt fest, dass der Begriff infernus spätestens seit Seneca und Lucan die Bedeutungsnuance ‚höllisch‘ trug und die Unterwelt „eindeutig höllenhafte Züge“ annahm. 459 Die Passage über Trivia ist durch ein Nebeneinander von Oberirdisch und Unterirdisch geprägt: CS 1,360 caeloque ereboque; 370–373 ad aetram sidereoque … in astro … per silvas mortiferi mundi … nemorumque. Dis Pater wird zum Anlass der munera aus seinem Schattenreich emprogerufen. 460 Bereits in CS 1,358 wird Rom über die Apostrophe der Quirites als Handlungszone eingeführt. In Vers 380f. wird die harena in Rom verortet. 461 CS 1,379–381 Respice terrifici scelerata sacraria Ditis, | cui cadit infausta fusus gladiator harena, | heu, male lustratae Flegetontia victima Romae! Die Überleitung Respice sacraria Ditis lässt zuerst eine folgende Unterweltsführung subter humum nach dem Vorbild Vergils vermuten. Prudentius spielt hier mit der Lesererwartung und durchbricht sie mit dem Auftreten der harena. 462 Verg. Aen. 6,548–551 Respicit Aeneas subito et sub rupe sinistra | moenia lata videt triplici circumdata muro, | quae rapidus flammis ambit torrentibus amnis, | Tartareus Phlegethon, torquetque sonantia saxa … 463 Verg. Aen. 12,199; vgl. 6,269 domos Ditis. Die sacraria Ditis am Versschluss übernimmt Claud. carm. 33,266, wo sie die Unterwelt bezeichnen. Gnilka (2000e), 272, Anm. 133 meint, dass bei Prudentius die sacraria Ditis nicht die Residenz des Gottes bezeichneten, sondern für sacra stünden und verweist auf CS 1,500, dagegen stellt Tränkle (2008), 145, Anm. 96 für sacraria in CS 1,500 zutreffend ein Totum pro parte fest. Er übersetzt sacraria Ditis mit „Heiligtümer des Dis“.

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1,380–381)464. Die Amphitheater und der Herrschaftsbereich des Dis verschmelzen zu einem Schauplatz: Respice muss inhaltlich ebenso auf die sacraria Ditis wie auf die spectacula der Arena bezogen werden. Der Leser wird gemeinsam mit dem arbiter Dis Pater zum ungenannten Zuschauer der Gewaltspektakel (CS 1,389). Deren Sinngehalt soll er kritisch prüfen: In vier rhetorischen anaphorisch mit quid eingeleiteten Fragen werden Grund und Ursprung der Kämpfe ermittelt465. Eine erste Antwort wurde in den Versen zuvor gegeben: Die Kämpfenden sollen als Opfer Rom und die Römer bei Dis entsühnen466. Der gesamte Passus schließt mit einer rhetorischen Frage, deren Antwort in einem nisi-Satz angeschlossen wird: Dic, quibus hunc scribis titulum, nisi quod trucis Orci imperium verae ceu maiestatis adoras? (CS 1,406–407) Grammatikalisch verweist der nisi-Satz nur auf den Totenkult, inhaltlich muss er jedoch ebenso auf die Kämpfe bezogen werden, die zu Ehren der Unterweltsgottheiten und Dis stattfinden (trucis Orcus). Bei Prudentius begründen sich der Manenkult und die munera auf der Anbetung einer infernalischen Macht. Sie verschmelzen durch ihre gemeinsame Zielsetzung gedanklich zu ein und derselben Sache: Sowohl die Tötung von Menschen in der Arena, als auch die Ehrerweisung gegenüber den Verstorbenen seien der Verehrung von Unterweltsdämonen geschuldet467. Die Erwähnung der Bräuche des Jupiter Latiaris verortet beide Traditionen nochmals in einem sakralen Kontext468.

464 Vgl. Lühken (2002), 149 zum Phlegethon in Cath. 3,196ff., wo der Fluss als Pars pro toto für das Totenreich dient. Gemäß Prolingheuer (2008), 112ff. ist der Begriff in der christlichen spätantiken Literatur außer in Prud. ham. 827, wo er als topographisches Element der christlichen Hölle auftritt, nur noch bei Augustinus und Luxurius belegt. 465 CS 1,382–385 Nam quid vaesani sibi vult ars inpia ludi, | quid mortes iuvenum, quid sanguine pasta voluptas, | quid pulvis caveae semper funebris, et illa | amphitheatralis spectacula tristia pompae? 466 Gnilka (2000e), 269f. 467 In der Beschreibung der Gladiatorenkämpfe treten Begriffe auf, die sowohl dem Vokabular der Arena als auch dem des Totenkultes entstammen: CS 1,383 mortes; 384 pulvis funebris; 385 pompa; 394 speciosa funera. Prudentius greift einen Gedanken Tertullians auf, der den Ursprung der Gladiatorenkämpfe im Totenkult anprangert und zu einem Hauptargument gegen die Spiele macht (Tert. spect. 12,1–5). Tertullian setzt das munus dem Götzendienst (idololatria) und diesen der Totenverehrung (parentatio) gleich, hinter der die Dämonen stehen: in mortuorum autem idolis daemonia consistunt. Zum historischen Ursprung des

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Wie bereits zuvor ergänzen Topographieverweise und Unterweltspersonal einander und rücken den Schauplatz in die Nähe des Totenreiches469. Dis als Iuppiter infernalis470 wird der Gehilfe Charon zur Seite gestellt. In dessen Figur verschmelzen der Fährmann des Styx, der etruskische dämonische Totenführer und der Leichenentsorger im Amphitheater471. Über seine Person werden seine beiden Handlungsbereiche gedanklich verbunden: Das Gestade des Unterweltsflusses rückt in die Nähe der Arenen Roms472. Die Vorstellung der Transgression, die der Führer und Fährmann sinnbildlich verkörpert, spiegelt sich abermals im obscurus Avernus, der spätestens seit Vergil als Eingang zum Totenreich galt473. Prudentius verortet das Böse symbolisch in den Amphitheatern, die er durch Personal und Topographie gedanklich eng an Unterwelt und Hölle anbindet. Für ihn werden sie durch das

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munus vgl. Sinn (2006), 420ff.; Edwards (2007), 47ff.; 59f. Gnilka (2000e), 266, bes. Anm. 121; Mann (2013), 16ff. CS 1,395–399. Die Opferzeremonien zu Ehren des Jupiter Latiaris werden von Prudentius wie bei seinen apologetischen Vorbildern mit den Menschenopfern der Taurer zu Ehren der Artemis in einen Zusammenhang gestellt, dazu Gnilka (2000e), 274ff.; Tränkle (2008), 61f. Zum Kult bei den christlichen Apologeten Simons (2005), 84f. Die Aussage CS 1,395 in cassum arguere iam Taurica sacra solemus kann in der gedanklichen Verbindung beider Kulte (Jupiter Latiaris und Taurischer Kult) reflexiv auf Perist. 10,1007–1055 gelesen werden, wo das Taurobolium beschrieben wird, dazu Cameron (2011), 159ff. Zum Problem der Erscheinungsdaten der einzelnen Werke im Gesamtwerk des Prudentius Lühken (2002), 255ff. Die Statue des Jupiter Latiaris wurde mit dem Blut gefallener Gladiatoren besprengt, eventuell ergibt sich daraus die gedankliche Verbindung, vgl. zum Kult Weismann (1965), 57f.; Flaig (2004), 258. Solmsen (1965), 241f. spricht von einer „atmosphere of killing and dying“. Dagegen versteht Solmsen (1965), 242 es als Verweis auf den Iuppiter Capitolinus. CS 1,386f. Tränkle (2008), 62; Solmsen (1965), 244; dagegen Gnilka (2000e), 267f. Die Wendung se duce kann doppelt gelesen werden: Zum einen schafft Charon die Leichen aus der Arena fort, zum anderen überführt er die Toten an die andere Uferseite des Styx. Zu inferiae Serv. Aen. 10,519: INFERIAS QUOS IMMOLET UMBRIS inferiae sunt sacra mortuorum, quod inferis solvuntur. Sane mos erat in sepulchris virorum fortium captivos necari: quod postquam crudele visum est, placuit gladiatores ante sepulchra dimicare, qui a bustis bustuarii appellati sunt. Die Gladiatorenkämpfe werden bei Prudentius als Totenopfer verstanden (inferiae), die für die Unterweltsdämonen stattfinden (inferis). Verg. Aen. 6,315–316 Navita sed tristis nunc hos nunc accipit illos, |ast alios longe summotos arcet harena. Verg. Aen. 6,237–242, dazu Cancik (2003), 68. Vgl. Verg. Aen. 7,563ff., wo sich Allecto wieder in die Unterwelt zurückzieht; Serv. Aen. 7,563 ideo autem ibi aditus esse dicitur inferorum … et hoc erat genus litationis. Zum „Schwellenopfer“ Cancik (2003), 67.

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systematische Morden zu Übergangsorten zwischen Ober- und Unterwelt, zwischen Diesseits und Jenseits, und zu Brennpunkten von Gut und Böse474. 4.5.2 Die ara Plutonis: vulnus, Lust und Laster Ab Vers CS 1,397 wird der Blick von der Arena auf die Zuschauerränge gelenkt. Diese werden als ara Plutonis bezeichnet475: … consessusque ille spectantum solvit ad aram Plutonis fera vota sui. Quid sanctius ara quae bibit egestum per mystica tela cruorem? (CS 1,397–399) Ihre Inszenierung als Altar impliziert den Gedanken, dass die Zuschauer nicht nur Betrachter, sondern Mitwirkende, ja sogar Opfer der Spiele sind476. Die Idee, dass im Amphitheater nicht nur die Kämpfer, sondern auch deren Beobachter einer Gefahr ausgesetzt werden, findet sich sowohl bei paganen als auch bei christlichen Autoren. In der Ars amatoria wird der Zuschauer beim Besuch des Amphitheaters vom Liebespfeil getroffen und erleidet ein vulnus. Als spectator wird er schnell selbst zu einem Teil des Betrachteten, wenn er sich in der harena Venus und Amor gegenüber sieht477. Ernsthafter als Ovid warnen die christlichen Apologeten wiederholt vor den Gefahren, welche die Spiele für die Moral und das Seelenheil der Besucher darstellten478. In seiner Abhandlung über die Spiele berichtet Tertullian, dass eine Christin durch den Besuch des Theaters zu

474 Vgl. zu den rituellen Regeln, mit denen in der Antike die Welt der Lebenden von der der Toten getrennt werden sollte Diefenbach (2007), 57. 475 Gnilka (2000e), 272 erachtet die Verse 395–399 für interpoliert (dagegen Tränkle 2008, 64); 274 weist er die Vorstellung, dass „die menschengefüllten Zuschauerränge selbst […] der Altar sein sollen“ zurück.; Solmsen (1965), 243, Anm. 24 denkt an einen symbolischen Altar. 476 Dagegen Gnilka (2000e), 276. 477 Ov. ars 1,163–170 Hos aditus Circusque novo praebebit amori | sparsaque sollicito tristis harena foro. | Illa saepe puer Veneris pugnavit harena | et, qui spectavit vulnera, vulnus habet … saucius ingemuit telumque volatile sensit | et pars spectati muneris ipse fuit. 478 Kahlos (2007), 127: „Church fathers denounced spectacles as idololatry and therefore perilous to Christian souls.“ Tert. spect. 22,2 … arenarios illos amatissimos, quibus viri animas, feminae autem illis etiam corpora sua substernunt, propter quos se in ea committunt quae reprehendunt; vgl. Lact. inst. 6,20,9; Min. Fel. 37,11; Novatian. spect. 4,3; vgl. 4,5. Im 5. Jh. werden die Spiele bei Salvian. gub. 6,14f. zu den insidiae der Dämonen.

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einer ‚leichten Beute für Dämonen‘ geworden (daemoniis penetrabilis) und besessen wieder heimgekehrt sei479. Als der Dämon deshalb angeklagt wird, erwidert er, dass die Frau sich innerhalb seines Machtbereiches befunden habe (in meo). Tertullian verallgemeinert das Geschehen und konstatiert, dass jede Teilnahme an einem der paganen spectacula die Gefahr berge, von Gott abzufallen. Ihre Austragungsorte interpretiert er als ecclesia diaboli480. In beiden Fällen wird der Besucher der Spiele durch die Präsenz einer höheren Macht im (Amphi)-Theater nicht nur zum Augenzeugen, sondern zum Partizipienten und Leidtragenden des Kampfgeschehens. Bei Prudentius verbinden sich die Vorstellungen der Wunde bei Ovid und der dämonischen Beute bei Tertullian im Bild eines spirituellen letale vulnus. Dieses erleidet der Mensch, der sich an den Kämpfen ergötzt481. Die dämonische Macht, die hinter den Spielen steht, wird neben Dis Pater durch den dreigestaltigen Dämon Trivia verkörpert, der den Menschen in Gestalt der Jägerin Diana auf Abwege führt (errores) und seine Seele ihrer Unsterblichkeit beraubt (CS 1,375 peri479 Tert. spect. 26,1–4 Cur ergo non eiusmodi etiam daemoniis penetrabiles fiant? Nam et exemplum accidit domino teste eius mulieris, quae theatrum adiit, et inde cum daemonio rediit. Itaque in exorcismo cum oneraretur immundus spiritus, quod ausus esset fidelem aggredi, constanter: „et iustissime quidem“ inquit „feci: in meo eam inveni.“ … Quot utique et alia documenta cesserunt de his qui cum diabolo apud spectacula communicando a domino exciderunt. 480 In Tert. spect. 25,5 bezieht sich diese Bezeichnung sowohl auf Theater als auch auf Amphitheater. 481 CS 1,369–378, vgl. ham. 531–542, wo die Verführung des Teufels mit eine parthischen Pfeil verglichen wird, der ein vulnus schlägt: Sed magis aligera est magis et medicata sagitta | quam iacit umbrosi dominatio lubrica mundi, … cordis penetralia figens. Die Passagen über Trivia und Dis dürfen nicht getrennt gelesen und interpretiert werden. Die gedankliche Verbindung Trivias als Jagdgöttin mit dem Amphitheater ist gemäß Shanzer (1989), 455ff. keine Neuschöpfung des Dichters. Ebd. verweist sie auf Claud. carm. 16,270ff. und 24,262ff., in denen Trivia zur Patronin der Gladiatorenkämpfe in der Arena wird. Weiterhin führt sie die Wendung amphitheatralis spectacula tristia pompae auf Claud. carm. 16,293 zurück (Amphitheatrali faveat Latonia pompae), was wiederum auf Mart. 11,69,1 zurückgehe (Amphitheatrales inter nutrita magistros | venatrix, silvis aspera, blanda domi | Lydia dicebatur). Daneben kann auf Tert. spect. 12,7 … Martem et Dianam utriusque ludi praesides novimus verwiesen werden. Für Prudentius sind Trivia und Diana ein und derselbe Dämon. Das furiale Gift Allectos, das in der Aeneis nur Amata und Turnus infiziert, wird in CS zu einer Metapher für den falschen Glauben (CS 1,533ff.). Prudentius überführt das epische Element bei Vergil, mit dem der Fortgang der Handlung motiviert wird, in eine allgegenwärtige Gesetzmäßigkeit des Bösen. Dagegen orientiert sich Claudian stärker an Vergil, wenn er Rufins Handeln auf das Gift Megareas zurückführt. Auch bei ihm schlägt das Böse wie bei Prudentius eine Wunde im Innern des Menschen: Ingeminat crimen, commoti pectoris ignem | nutrit et exiguum stimulando vulnus acerbat (Claud. carm. 3,181f.).

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mat letali vulnere mentes)482. In ferae mentes greift er den bekannten Gedanken der Dehumanisierung durch die Spiele auf (CS 1,375): Durch das Betrachten der munera werden die Seelen der Zuschauer moralisch derart verdorben, dass sie selbst wilden Tieren ähnlich und zu einer ‚leichten Beute‘ für das Böse werden. Prudentius verdeutlicht eine der Grundideen christlicher spectaculaKritik in einer anschaulichen Jagdmetaphorik483. Der Tod der menschlichen Seele wird in der Vorstellung versinnbildlicht, dass Trivia sie unter dem Erdboden versenke, wenn der Ungläubige die Gottheiten ihres Machtbereiches anbete, indem er den Spielen beiwohnt (subter humum obruit)484. Die Amphitheater Roms werden ebenfalls in Augustinus’ zeitgenössischen Confessiones zum Schauplatz eines seelischen vulnus485: Alypius, ein Freund des fiktiven Ichs, lässt sich von seinen Freunden zu einem Besuch der Spiele überreden und wird, während er das Töten betrachtet, von Unmenschlichkeit, 482 Solmsen (1965), 253: „The first of them suggesting a physical killing (figat) is closer at once to the picture previously drawn of Diana as sending off arrows … Perimere mentes can hardly refer to physical death. These words as well as the letale vulnus must in the present context denote spiritual death, the secunda mors.“ In CS 1,14–21 schlägt der Götterglaube als letalis pestis ein vulnus in den Seelen der Menschen. Vgl. Lc. 12,4f. dico autem vobis amici meis ne terreamini ab his qui occidunt corpus et post haec non habent amplius quod faciant ostendam autem vobis quem timeatis timete eum qui postquam occiderit habet potestatem mittere in gehennam. Vgl. unten S. 281ff. zur Wegmetaphorik bei Prudentius. 483 Lact. inst. 6,20,14 Hac consuetudine inbuti humanitatem perdiderunt. 484 CS 1,376–378 Dieselbe Idee findet sich in der Hamartigenia, wo die spectacula zum Grund dafür werden, dass die Seele des Menschen dem Teufel verfällt. Vgl. die Hamartigenia mit der wiederkehrenden Vorstellung des Dürstens an der ara Plutonis in CS 1,399ff.): Sanguinis humani spectacula publicus edit | consensus legesque iubent venale parari | supplicium, quo membra hominis discerpta cruentis | morsibus oblectent hilaram de funere plebem … Hoc pulchrum …, commendat quod perniciosa voluptas, … His aegras animas morborum pestibus urget | praedo potens … (ham. 371–390). Die Unterwelt ist damit nicht nur Ursprungsort des Bösen, sondern ebenso Ort der Bestrafung. Anders als in der antiken Vorstellung wird die menschliche Seele nicht aufgrund einer Verfehlung in die Unterwelt verstoßen, sondern wegen ihres Nicht-Glaubens an den christlichen Gott 485 Aug. conf. 6,8,13 Ille clausis foribus oculorum interdixit animo, ne in tanta mala procederet … aperuit oculos et percussus est graviore vulnere in anima quam ille in corpore, quem cernere concupivit, ceciditque miserabilius quam ille, quo cadente factus est clamor … Ut enim vidit illum sanguinem, inmanitatem simul ebibit et non se avertit, sed fixit aspectum et hauriebat furias et nesciebat et delectabatur scelere certaminis et cruenta voluptate inebriabatur. Et non erat ille, qui venerat, sed unus de turba, ad quam venerat, et verus eorum socius, a quibus adductus erat. In Aug. conf. 6,7,12 findet sich die Idee des ‚Seelenfanges‘ (über die Zirkusspiele): Etenim vero ille post illa verba proripuit se ex fovea tam alta, qua libenter demergebatur et cum mira voluptate caecabatur, et excussit aminum forti temperantia, et resiuerunt omnes circensium sordes ab eo ampliusque illuc non accessit; (über den Manichäismus): Erat autem illa vecors et seductoria, pretiosas animas captans nondum virtutis altitudinem scientes tangere et superficie decipi faciles.

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Wahnsinn und Schaulust befallen. Ebenso wie bei Prudentius wird seiner Seele eine Wunde geschlagen, die schwerer wiegt als eine körperliche Verletzung (graviore vulnere in anima). Mehr als durch Prudentius’ Respice wird bei Augustinus der Prozess des Sehens betont und die Lust am Morden wird zum Ursprung allen inneren Übels: Erst als Alypius die Augen öffnet, wird er innerlich verdorben. Bei Augustinus wird das Amphitheater in Rom nicht über ein Toponym als Handlungsort eingeführt, sondern vorrangig als der Ort skizziert, an dem die Schaulust (voluptas) dominiert486: Quo ubi ventum est et sedibus quibus protuerunt locati sunt, fervebant omnia inmanissimis voluptatibus. (Aug. conf. 6,8,13) Den Gedanken, dass die Schaulust (voluptas) den Menschen innerlich korrumpiere487, greift Prudentius im zweiten Buch szenisch auf. Er kontextualisiert die Lust am Zusehen mit einem erotischen Verlangen (libido). Am Beispiel einer keuschen Vestalin wird verdeutlicht, dass selbst die Edelsten den Verlockungen der munera erliegen488. Der Dichter führt die Priesterin ironisch als Personifikation des römischen pudor und der pietas ein, die auf dem Weg zu den spectacula gladiatorium selbst eine pompa veranstaltet489. Im Amphi486 Nicht nur bei Augustinus, sondern schon bei früheren Autoren werden die spectacula zur Ursache für menschliche Verderbnis und mit einer schadenstiftenden voluptas in Bezug gesetzt, so bspw. bei Lactanz: Vitanda ergo spectacula omnia, non solum ne quid vitiorum pectoribus insidiat, sed ne cuius nos voluptatis consuetudo deleniat et a deo atque a bonis operibus avertat (Lact. inst. 6,20,8–15). 487 Vgl. CS 1,383 voluptas in exponierter Endstellung; ham. 385f. zu den Spielen: Hoc pulchrum quod terra parit, quod gloria confert | lubrica, commendat quod perniciosa voluptas, … 488 In Lact. inst. 6,20,8f. ergötzen sich die Philosophen an den Kämpfen: Sed cum diserte ad contemptum terrestrium nos exhortati sunt et ad caeli spectaculum excitaverunt, tamen spectacula haec publica non contemnunt. Itaque iis et delectantur et libenter intersunt: quae quoniam maxima sunt inritamenta vitiorum et ad corrumpendos animos potentissime valent, tollenda sunt nobis quia non modo ad beatam vitam nihil conferunt, sed etiam nocent plurimum. Die folgende Passage zeigt große Ähnlichkeit mit Prudentius’ Schilderung des Besuchs der Vestalin bei den Gladiatorenkämfen und diente eventuell als Prätext. 489 CS 2,1086–1094 Interea dum torta vagos ligat infula crines | fatalesque adolet prunas innupta sacerdos, | fertur per medias ut publica pompa plateas | pilento residens molli seque ore retecto | inputat attonitae virgo spectabilis urbi. | Inde ad consessum caveae pudor almus et expers | sanguinis it pietas hominum visura cruentos | congressus mortesque et vulnera vendita pastu | spectatura sacris oculis. Vgl. Ov. ars 1,99 spectatum veniunt, veniunt spectentur ut ipsae. Zum Schmuck und zur Sänfte der Vestalinnen

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theater angekommen verfällt die virgo modesta, der ein tatsächliches Ausleben ihrer körperlichen Leidenschaft von Berufs wegen versagt bleibt, angesichts der Kämpfe einer voeuyristischen Lust und fährt bei jedem Schwertstoß von innerer Erregung getrieben von ihrem Sitz empor490. Das Vokabular der Passage ist geprägt durch eine semantische Unschärfe von Kampfspiel und Liebesspiel: Für die Priesterin wird die voluptas des Zuschauens körperlich spürbar und verursacht ihr einen erotischen Genuss491. Ebenso wie Dis empfindet die keusche Vestalin den Reiz des Bösen492 und die Schaulust wird zu einem Katalysator für die ihr versagten Sinnesfreuden. In der Charakteristik der Priesterin ist die Gegenüberstellung von Libido und Pudicitia angelegt, wie sie im Zweikampf der Psychomachia stattfindet493. Das innerliche Ringen von Keuschheit und Begierde, dem sich die Vestalin beim Besuch der Spiele ausgesetzt sieht, wird dort gedanklich in eine spirituelle Arena transportiert und statt des betrachteten Kampfgeschehens zum eigentlichen munus. In dieser Arena richtet die personifizierte Lust ihre Attacke gegen die Augen ihrer Gegnerin, woraus Maria Lühken schließt, dass damit

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vgl. Ambr. epist. 18,11a. Ebenso wie bei Prudentius CS 2,1055–1085 werden bereits in Ambr. epist. 18,12 die Vestalinnen den christlichen Jungfrauen gegenübergestellt. Das Unterweltsmotiv wird in den Sakralhandlungen der Vestalinnen realisiert, denen die Totenopfer als Hauptaufgabe angedichtet werden. Die prägnante Wendung subter humum der Passage vom ersten Buch tritt ebenfalls wieder auf: … et quia subter humum lustrales testibus umbris | in flammam iugulant pecudes et murmura miscent? (CS 2,1107f.). CS 2,1096–1101; 1109–1113. Zur versagten voluptas vgl. CS 2,1070–1075 … nec contempta … sed adempta voluptas … CS 2,1091 pudor almus; 1091f. expers | sanguinis pietas; 1094 sacris oculis; 1094f. verendis | vittarum insignis; 1096 tenerum mitemque animum; 1099 virgo modesta vs. 1092 visura; 1093 congressus; 1094 spectatura; 1096 consurgit ad ictus; 1110 spectant. Zur Erotik der Gladiatorenkämpfe Edwards (2007), 63ff.; zur Passage bei Prudentius Ebd. 64: „Prudentius’ language is heavily eroticised; the Roman priestess delights in the spectacle of lacerated flesh, revels in exercising the power of life and death.“ Gemäß Fowler (1987), 187 suggeriert vor allem der einleitende Begriff congressus eine sexuelle Vereinigung. Vgl. Iuv. 6,112 ferrum est quod amant, dazu Edwards (2007), 64: „The gladiator, it seems, is all sword.“ Ebd. 49 bezeichnet sie den Gladiator als „incarnation […] of a potent masculinity“; zur voluptas Ebd. 63: „The term voluptas, ‚pleasure‘, used more generally of the pleasures of the senses, is repeatedly associated with the gladiatorial games in ancient texts.“ Vgl. CS 2,1097f. … et quotiens victor ferrum iugulo inserit illa | delicias ait esse suas mit CS 1,388 Hae sunt deliciae Iovis infernalis. James (1999), 73: „The Psychomachia creates a ‚generic‘ arena in which Prudentius produces a display worthy of the Colosseum with his battles between the Vices and Virtues. The ambience of the munera has not escaped the attention of Prudentius’ commentators but few have pursued this line of enquiry.“ Zur Psychomachia als Konkurrenzprogramm zu den spectacula der Arenen vgl. Kahlos (2007), 128f.; Weismann (1972), 107ff.; Henke (1983), 88ff.; Bless-Grabher (1978), 29 zum Liber Peristephanon.

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„der Gesichtssinn, der erotische Begierden auslöst“ als Charakteristikum des sinnlichen Lasters betont werde494. Darüber hinaus greift die Libido, indem sie das Gesicht und die Augen der Pudicitia attakiert, das Zentrum des Wesens ihrer Kontrahentin an, da gerade die Augen als schamhaft und ihr Antlitz als heilig bezeichnet werden495. Während in der Psychomachia die Keuschheit das Laster noch besiegt, erliegt in der Außenwelt von Contra orationem Symmachi die Priesterin der Lust. In den Einleitungsversen wird die Vestalin noch als fleischgewordene Sittsamkeit eingeführt und damit zum realen Pendant der allegorischen Tugend496. In den Folgenden Versen stehen ihre sacri oculi (CS 2,1094), mit denen sie das blutige Spektakel verfolgt, jedoch in direktem Kontrast zum sacrum os der personifizierten Keuschheit. Das Sehen führt dazu, dass sie ihre wesenhafte Keuschheit im Anblick der spectacula preisgibt. Im Innern der Vestalin erliegt die Pudicitia der Libido. Auch zum ersten Buch Contra orationem Symmachi wird eine Verbindung hergestellt. Das personifizierte Laster der Psychomachia rückt über seine Charakterzeichnung in die Nähe der Unterweltsmächte Trivia und Dis497. 494 Lühken (2002), 52; Smith (1976), 185; 286 rückt das Fackelmotiv in eine Nähe zum Brand des biblischen Sodom. In der ersten Auseinandersetzung der Psychomachia tritt die Fides dem alten Götterglauben, der mit dem (weltlichen) Sehen assoziiert wird, die Augen aus dem Kopf: … pede calcat elisos in morte oculos (Psych. 32f.), dazu Rohmann (2003), 240f. 495 Psych. 44 pudibundaque lumina; 48 sacro ore 496 CS 2,1091 pudor almus et expers. Die Kampfhandlungen beider Passagen ähneln einander: In CS erfreut sich die Vestalin daran, dass die Kehle des Gegners mit dem Schwert durchbohrt wird, und fordert einen weiteren Schwertstoß, obwohl der Besiegte bereits (halb-)tot am Boden liegt (CS 2,1096–1101). Weitere Angriffe richten sich vermehrt gegen das Gesicht (CS 2,1110f.). In der Psychomachia greift die Libido das Gesicht der Pudicitia an, in Psych. 49f. durchbohrt die Pudicitia die Kehle ihrer (tot?) am Boden liegenden Gegnerin mit dem Schwert. Danach unterzieht sie ihr Schwert einer symbolischen Taufe im Jordan und einer katholischen Weihe, um es vom Blut zu befreien (Psych. 98–108). Gnilka (2001c), 74; 85 fragt sich, warum die Pudicitia ihre Gegnerin trotz ihrer Waffenpracht erst mit einem Stein erschlägt, um sie dann mit einem Schwert zu durchbohren. Möglicherweise wird die personifizierte Lust hier symbolisch gesteinigt. 497 Sie ist sowohl Furie und Jägerin der Seelen als auch Unterweltsexponent. Wie die Unterweltsgottheiten Trivia und Dis wird sie als eine Höllenfurie inszeniert: Psych. 42 patrias succincta faces; 43 ardenti sulpure; 44 flammis; 45 taetro fumo; 46 dextram furiae flagrantis et ignea dirae | tela lupae; 50ff. calidos vomit illa vapores …; 96 furiarum maxima, vgl. Lühken (2002), 50ff.; sie wird als Jägerin bezeichnet, die todbringende Flammen schleudert: (Die Pudicitia spricht) „Nec iam mortiferas audebis spargere flammas | in famulos famulasve dei, quibus intima casti | vena animi sola fervet de lampade Christi … | Tene, o vexatrix hominum, … (Psych. 55–58); in der Sterbeszene stößt das Laster calidi vapores vermischt mit kotigem Blut und einen spiritus sordidus aus und verpestet die Luft (vgl. Stat. Theb. 1,107–108 über Tisiphone: igneus atro | ore vapor, dazu Thome 1993, 148ff. zum

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Von der Pudicitia wird es mit den Worten Tu princeps ad mortis iter, tu ianua leti angesprochen und als Anführerin der Furien bezeichnet498. Die Libido besetzt damit nicht nur die furiale Führungsposition Trivias, die als personifiziertes Böses den Menschen verführt, sondern versinnbildlicht selbst den Weg, der vom Leben und vom christlichen Gott wegführt499. Das sinnliche Verlangen wird zum auslösenden Moment für den spirituellen Tod der Seele sowie weitere Laster und Untaten500. Die Amphitheater Roms werden bei Prudentius in der Nachfolge Tertullians gerade deshalb zu einer ecclesia diaboli, weil dort mehr als irgendwo sonst Lust und Schaulust hervorgerufen werden501. Das gemeinsame Moment aller drei Passagen ist die menschliche Seele, die durch die munera korrumpiert wird: sie ist Gejagte, Verführte und Schauplatz des Kampfes. Über die Werkgrenzen hinweg wird das Geschehen im seelischen Mikrokosmos der Psychomachia zum Spiegel für die Prozesse im erlebten Makrokosmos von Contra orationem Symmachi und umgekehrt. In der intertextuellen Wechselbeziehung beider Werke manifestiert sich die Vorstellung, dass die Augen den Zugang zur Seele bildeten: Erliegt der Mensch dem verführerischen Reiz der amphitheatralis pompa, öffnet er seine Seele für weitere Laster und den Teufel; haben die Laster in seinem Innern die Oberhand gewonnen, erfreut er sich umso mehr am Spektakel der Arena.

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Motiv ‚schwarzes Feuer‘); in den Versen 89ff. schickt die Pudicitia die Libido zurück in die Unterwelt zu den manes und wünscht ihr Höllenqualen. In der ausführlichen Szeneriebeschreibung mischen sich pagane und christliche Motive. Psych. 89; 96 furiarum maxima. Zum Unterweltsbezug in Anlehnung an Vergils Aeneis Mastrangelo (2008), 25ff. Die Libido nimmt die kontradiktorische Position zu Jesus Christus ein: vgl. die Symbolik von vier der sieben Ich-bin-Worte des Johannesevangeliums: Io 8,12 ego sum lux mundi; 10,9 ego sum ostium; 11,25 ego sum resurrectio et vita qui credit in me et si mortuus fuerit vivet; 14,6 ego sum via et veritas et vita, nemo venit ad Patrem nisi per me, vgl. zum Motiv des Weges in CS unten S. 281ff. Psych. 90 corpora commaculans animas in tartara mergis; 96 Nec iam christicolas, furiarum maxima, temptes. Lühken (2002), 54 verweist auf die Parallele zu Lact. inst. 6,19,4, bei dem die Libido, die die voluptas nach sich zieht, zu einem der drei Hauptlaster wird, die alle weiteren Missetaten auslösen: Tres sunt igitur adfectus qui homines in omnia facinora praecipites agant, ira cupiditas libido. Propterea poetae tres Furias esse dixerunt, quae mentes homines exagitent: ira ultionem desiderat, cupiditas opes, libido voluptates; vgl. daneben 1. Io 2,15f. nolite diligere mundum, quoniam ea, quae in mundo sunt, concupiscentia carnis est et concupiscentia oculorum et ambitio saeculi. In CS 2,146 wird die voluptas als Hauptlaster vorgestellt, das es zu besiegen gilt: vincenda voluptas. Die voluptas wird in der Schlussbitte an Honorius zur bestimmenden Funktion der blutigen Spektakel in den Arenen (CS 2,1126–1127).

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4.5.3 Der Dämonenkult in Rom oder: Der Schlussappell an den Leser In Contra orationem Symmachi schließen beide Passagen über die munera in den Amphitheatern und den Totenkult mit einem Schlussappell an eine Leserinstanz. Im ersten Buch werden zwei rhetorische Fragen an einen fiktiven Gesprächspartner gerichtet, die eine Kontextualisierung der vorher besprochenen Kämpfe mit dem Totenkult als gegeben voraussetzen502. Die Gottheiten, die in der Unterwelt gesucht und verortet werden, erinnern an die dämonisierten Unterweltsherrscher der Eingangspassage. Trucis Orci imperium greift die potestas noctis operta(e) von Vers 378 auf503. Anstelle des Amphitheaters dienen nun die Ahnengräber an den Ausfallstraßen als lokaler Beweis für den allgegenwärtigen Totenkult zu Ehren einer infernalischen Macht in Rom504. In der Formulierung sub caligine caeca und durch die Präsenz der schattenhaften manes wird die Unterweltsatmophäre des Gesamtpassus fortgeführt (CS 1,400–402). Darüber hinaus greift caligo das Blindheitsmotiv auf: Die Finsternis verweist nicht nur auf die Unterwelt als Wohnsitz des deus, sondern verortet ebenso das angesprochene Du in der Dunkelheit der Nicht-Erkenntnis des christlichen Gottes sub caligine. Das folgende ecce dient als wachrüttelnde Aufforderung, die Götterkulte als Totenkulte und die Totenkulte als Dämonenkulte zu erkennen, die das fiktive Gegenüber fälschlicherweise als Gottesdienste auffasst (CS 1,407 verae ceu maiestatis adoras)505. Den als Gottheiten verehrten Höllendämonen und dem Teufel wird die tatsächliche Omnipotenz (maiestas) des christlichen Gottes entgegengestellt506. 502 CS 1,400–402 Anne fides dubia est tibi sub caligine caeca | esse deum quem tu tacitis rimeris in umbris? | Ecce, deos manes cur infitiaris haberi? Ebenso Solmsen (1965), 244; dagegen Gnilka (2001h), 279, der jedoch die Frage Anne fides … richtig interpretiert. 503 CS 1,401 deum; 402 deos; CS 1,406f. Trucis orci. 504 CS 1,403–405 Ipsa patrum monumenta probant; DIS MANIBUS illic | marmora secta lego, quacumque Latina vetustos | custodit cineres densisque Salaria bustis. Sowohl tituli als auch monumenta lassen nicht nur an Grabstätten, sondern auch an Göttertempel denken (vgl. zu tituli CS 1,182; 249; zu monumenta CS 1,502ff.), vgl. Richardson (1992), 351f. s.v. Sepulcrum etc. 505 Solmsen (1965), 245 verweist auf ham. 126–128: Novimus esse patrem scelerum, sed novimus ipsum | haudquaquam tamen esse deum, quin immo gehennae | mancipium, Stygio qui sit damnandus Averno; vgl. zum Verbannungsmotiv CS 1,443f. vis quae subter operta est | infernis triste ob meritum damnata tenebris; vgl. ferner die Verbannung der Libido in die Unterwelt (Psych. 92–97). 506 Vgl. CS 2,182–186 Revocat deus ecce severa | maiestate minax, negat interitura meorum | per mortem momenta operum. „Non occidet“ inquit | „interior qui spirat homo, luet ille perenne | supplicium, quod subiectos male rexerit artus; in Gegenüberstellung mit den paganen Gottheiten CS 1,10ff.; 430ff.; 481ff.

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Im zweiten Buch richtet sich der Schlussappell an Honorius. Bereits Roma hatte den Kaiser mit ihren schließenden Worten gebeten, dass er dem Beispiel des Theodosius nachfolgen, die Tempel schließen und Rom von der Dämonenherrschaft befreien möge507: Ne quis Romuleas daemon iam noverit arces, sed soli pacis domino mea serviat aula. (CS 2,767–768) Der Gedanke wird am Ende des Buches wieder aufgegriffen, wenn Honorius nochmals aufgefordert wird, das Werk seines Vaters fortzusetzen und die munera zu verbieten508. Die Zweikämpfe der Arena werden nicht nur als ein Verbrechen (scelus), sondern wie schon im ersten Buch als eine Kulthandlung (triste sacrum) betrachtet, mit deren Aufhebung die Befreiung Roms von den Dämonen vollendet werden soll509. In Abgrenzung dazu stehen die Tierkämpfe (CS 2,1128), die fortgeführt werden dürfen510. Maria Lühken betrachtet die Schlussverse von Contra orationem Symmachi lediglich als eine sprachliche Reminiszenz an die letzte Götterszene der Aeneis und an die vergilische Romidee511. Es zeigt sich jedoch, dass die beiden Passagen auch inhaltlich in engem Bezug zueinander stehen: Bei Vergil befiehlt Jupiter Juno, ihren Hass gegen die Römer endlich niederzulegen; als

507 Vgl. zu Theodosius Perist. 2,473ff. Zur Schmutzmetapher in den Versen CS 2,760–768 siehe unten S. 269. 508 CS 2,1114–1123 Quod genus ut sceleris iam nesciat aurea Roma | te precor, Ausonii dux augustissime regni, | et tam triste sacrum iubeas ut cetera tolli. | Perspice, nonne vacat meriti locus iste paterni, | quem tibi supplendum deus et genitoris amica | servavit pietas? Solus ne praemia tantae | virtutis caperet „Partem tibi, nate, reservo“ | dixit et integrum decus intactumque relinquit. | Adripe dilatam tua, dux, in tempora famam, | quodque patri superest successor laudis habeto. 509 CS 2,1124–1132 Ille urbem vetuit taurorum sanguine tingui, | tu mortes miserorum hominum prohibeto litari. | Nullus in urbe cadat cuius sit poena voluptas, | nec sua virginitas oblectet caedibus ora. | Iam solis contenta feris infamis harena | nulla cruentatis homicidia ludat in armis. | Sit devota deo, sit tanto principe digna | et virtute potens et criminis inscia Roma, | quemque ducem bellis sequitur pietate sequatur. Das Attribut tristis steht bei Prudentius oftmals im Kontext mit der Unterwelt: CS 1,385 tristia spectacula; 1,444 infernis triste ob meritum damnata tenebris; 2,899 devia tristia; ham. 129 tristis deus; 962 tristis ignis Averno; Psych. 91 Abde caput tristi iam frigida pestis abysso. 510 Prudentius denkt hier nicht an venationes zwischen Kämpfer und Tier, sondern an das Aufeinanderhetzen von Tieren. 511 Lühken (2002), 181f. zu CS 2,1130ff. und Verg. Aen. 12,791ff., bes. 826ff.

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Gegenbedingung für das ewige Bestehen Roms bittet Juno darum, dass die Römer sich von ihren troianischen Wurzeln lösen: „… sit Romana potens Itala virtute propago: occidit, occideritque sinas cum nomine Troia.“ (Verg. Aen. 12,827–828). Eben dieser Gedanke wird bei Prudentius impliziert: Auch bei ihm soll Rom mächtig sein (potens), jedoch nicht aufgrund einer italischen, sondern aufgrund einer christlichen virtus. Das troianische Erbe besteht bei ihm nicht wie bei Vergil vorrangig im Namen, in der Sprache oder der Tracht, sondern in den Götterkulten (error Troicus)512. Die Spiele werden zum letzten sacrum einer überholten Religion. Mit dessen Abschaffung wird Honorius nicht nur zum militärischen dux, sondern zu einem spirituellen Führer (dux), der die Bevölkerung von einer falschen pietas befreit513. 4.5.4 Zwischenresümee Prudentius’ Anprangerung der munera in den Amphitheatern basiert auf der Grundidee, sie aufgrund des zur Schau gestellten Mordens der Teufels- und Dämonenbeschwörung zuzuordnen. Über Topographieverweise und Personal werden die Kampfspektakel an die pagane Unterwelt angebunden. Der Leser wird in die Perspektive eines spectator versetzt. In eindrücklichen metaphorischen Bildern werden die Gefahren illustriert, die ein Besuch der Spiele für die menschliche Seele birgt. Über die Vorstellung eines letale vulnus sowie die voluptas werden der seelische Mikrokosmos und die erlebte Außenwelt in ein wechselseitiges Bezugsverhältnis gesetzt. Seine Kritik steht in der Tradition christlicher und antiker Texte. Unter diesen erweist sich Tertullians De spectaculis als ein prägnanter Prätext. Prudentius übernimmt die Idee einer dämonischen Präsenz bei den Spielen und übersetzt sie für ein breites gebildetes Lesepublikum in eine römische Semantik. Anders als Tertullian verurteilt er nicht alle spectacula, sondern konzentriert seine Kritik auf die munera514. Möglicherweise boten diese aufgrund ihrer 512 Vgl. Perist. 2,445–446 Confundit error Troicus adhuc Catonum curiam … 513 CS 2,1115; 1132. Er wird damit zum Gegenspieler des Teufels (CS 2,889 Multiplici dux daemon adest …). 514 Möglicherweise haben die politische Relevanz, die den ludi circenses und scaenici sowie den venationes in der herrscherlichen Selbstrepräsentation zukam, sowie deren Säkularisierung gegen ihre Anprangerung gesprochen, so dass der Dichter seine Kritik exemplarisch gegen

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Etymologie, ihres kultischen Ursprungs in den Bestattungsritualen und vor allem des zur Schau gestellten systematischen Tötens gute Angriffspunkte für seine Darlegung. Die Anprangerung der moralischen Unsittlichkeit der Spiele, die in der aktuellen zeitgenössischen Literatur vorherrschte, wird dem Entwurf eines dämonischen Szenarios nachgeordnet515. Prudentius schließt sich jedoch nicht einfach der religiösen Argumentation Tertullians an und verurteilt die Gladiatorenkämpfe als paganen Kult. Stattdessen akzentuiert er die These, dass sie ein Instrumentarium des Teufels seien516. Nicht durch Idolatrie, sondern aufgrund der voyeuristischen Freude am Töten falle der Mensch vom christlichen Gott ab und überantworte seine Seele der Hölle517. Betrachtet man Prudentius’ Anprangerung der munera vor dem religionspolitischen Hintergrund seiner Zeit, lassen sich zwei mögliche Impulse für die Bitte um ihre Abschaffung ableiten: Erstens können die Passage im ersten einen Bereich der öffentlichen voluptates richtet, der bereits im Untergang begriffen war. Zur Bedeutung der voluptates für das Herrschertum und zu ihrer Entsakralisierung in der Spätantike Puk (2014), 53ff. Er verweist auf das Gesetz von 399, das von Honorius und Arcadius zugunsten öffentlicher Spektakel (voluptates) erlassen worden war und diese in Abgrenzung zur superstitio setzt. Von kaiserlicher Seite wird der Unterhaltungsaspekt der Spiele gegenüber ihrem religiösen Ursprung betont, sie werden quasi zum ‚Kulturerbe‘ umgedeutet, das es zu erhalten gilt, vgl. Lim (1999), 268; Orlandi (1999), 255f. Damit wird ein Begriff, der in der christlichen Polemik noch der Herabsetzung der Spiele dient, zu einem politischen Terminus, der ihren Erhalt generieren soll. Puk (2014), 229ff., bes. 253ff.; 258ff. führt neben finanziellen und moralischen Aspekten überzeugend einen veränderten Publikumsgeschmack als Grund für den Niedergang der Gladiatorenkämpfe an, das nicht mehr am athletischen Zweikampf, sondern an brisanten Spektakeln sowie der Jagd interessiert gewesen sei. Die venationes hätten diesem Geschmack entsprochen, weshalb sie länger überdauerten und neben anderen spectacula wie dem Wagenrennen vom Herrscherhaus gefördert worden seien. Möglicherweise greift Prudentius in seiner Jagdmetaphorik des ersten Buches das gesteigerte Interesse des Publikums an der Jagd auf. Eventuell zeigten die munera aber auch gerade in Rom trotz der Schließung der Gladiatorenschulen in privat finanzierten Spielveranstaltungen eine längere Überlebensdauer. 515 Zur Verlagerung der Anprangerung von der ‚religiösen‘ Argumentation zur ‚moralischen‘ im 4. Jh. Puk (2014), 33f. 516 Möglicherweise liegt eine ähnliche Zweiteilung von Werkzeug und Urheber in Isid. orig. 18,59 vor: Haec quippe spectacula crudelitatis et inspectio vanitatum non solum hominum vitiis, sed etiam daemonum iussis instituta sunt. 517 Die Psychomachia und der Liber Peristephanon können als literarisches Gegenprogramm zu den spectacula verstanden werden, mithilfe derer die voyeueristische Lust (am Töten) einerseits befriedigt, andererseit in spirituell förderliche Bahnen gelenkt werden konnte. Zu Prudentius’ allegorischer Arena James (1999); zu den gewaltsamen Folterszenen in den Märtyrerberichten Brockhaus (1872), 169f.; Opelt (1967), 242; Bless-Grabher (1978); Henke (1983), 92; Roberts (1996), 55ff.; Reynolds (2009), 147; zu den divina spectacula der Spätantike Puk (2014), 45ff.

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Buch und die Vorführung der Vestalin in zweiten Buch als eine Aufforderung an den paganen wie christlichen Leser interpretiert werden, den voluptates der Spektakel um des persönlichen Seelenheils willen zu entsagen. Zweitens adressiert Prudentius mit seinem Werk Contra orationem Symmachi eben die Mitglieder der stadtrömischen Führungseliten und den Kaiser als primären Leserkreis, die zu seiner Zeit ihren politischen Status bevorzugt durch kostenaufwendige spectacula festigten und die ‚Massen‘ beeinflussten518. Richard Lim stellt für die spätantike urbs fest, dass die Spiele im Circus und in den Theatern in Konkurrenz zu den christlichen Märtyrerfeierlichkeiten standen, da sie im Gegensatz zu diesen opulent inszeniert und für Besucher attraktiver waren519. Verliert die stadtrömische Senatsaristokratie das Interesse an den öffentlichen Spielen, resultiert daraus einerseits, dass sie diese nicht mehr besuchen. Andererseits finanzieren sie sie nicht mehr und suchen sich stattdessen andere Geldanlagemöglichkeit zur Inszenierung ihrer politischen Position – die christlichen Feierlichkeiten520. Eine Konversion zum Christentum 518 Lim (1999), 272f.; 273 zu den hohen Geldaufwendungen; 274f. zur Beeinflussung der Massen. Ebd. 274 stellt er fest, dass aller Wahrscheinlichkeit neben den Kaisern nicht nur pagane, sondern auch christliche Senatoren die öffentlichen Spiele mit horrenden Summen finanzierten; vgl. Mann (2013), 67ff. zur Senatsaristokratie als Ausrichtern und Finanziern der munera; Puk (2014), 85ff. zur Finanzierung von Spielen, bes. 112ff. (127ff. zu Rom); 187ff. zu den Circusspielen; 257f. zu den Gladiatorenkämpfen; 325ff. zum Theater; 389ff. 519 Lim (1999), 275ff. führt an, dass für christliche Orte und Feierlichkeiten, die meist privat finanziert wurden, offenkundig weniger Geld zur Verfügung stand. Das Geldmonopol lag nicht bei kirchlichen Organisationen, sondern bei der Senatsaristokratie und beim Kaiser. Gegenüber den Summen, die für öffentliche Spiele aufgewendet wurden, waren die finanziellen Protektionen gegenüber der Kirche ausgesprochen gering. Ebd. 279 stellt er fest, dass eine topographische und performative Konkurrenz nicht vorrangig zwischen paganen und christlichen Sakralorten bestanden habe, sondern zwischen den säkularisierten Orten, an denen Spiele stattfanden, und den Orten christlicher Devotion. Noch Pabst Leo bemängelt in der Mitte des 5. Jahrhunderts, dass die Menschen in Rom eher die Spiele als die Märtyrerfeste besuchten: Pudet dicere, sed necesse est non tacere: plus impeditur daemoniis, quam Apostolis; et maiorem obtinent frequentiam insana spectacula, quam beata martyria … Ludus Circensium, an cura sanctorum? (Leo Pap. serm. 84,1; PL 54,433f.). 520 Gemäß Lim (1999), 268ff. erbat die Senatsaristokratie vom Kaiser sowohl die Veranstaltung von Spielen als auch finanzielle Unterstützung für diese, die sie als eine Möglichkeit für den Herrscher darstellten, Präsenz in der urbs zu beweisen. Die Schlussbitte an Honorius bei Prudentius muss konterprogrammatisch zu diesen Bitten gelesen werden. Puk (2014), 389ff. betrachtet diese allmähliche Umorientierung der euergetischen Maßnahmen der Stadteliten auf den kirchlichen Bereich als einen der Gründe für den Niedergang der Gladiatorenkämpfe und Spiele, der im Laufe des 5. Jh. einsetzte. Ebd. 41 vermerkt er jedoch, dass sich trotz der mahnenden Stimmen der Kirchenväter kein Bericht finde, der „in positiver Weise von einer erfolgreichen Konversion der Gläubigen und der Abschaffung einer Spielveranstaltung direkt berichten würde“.

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Die pagane Stadttopographie

und Abwendung von der pompa diaboli zöge also auch eine Verlagerung der finanziellen Resourcen und ein verstärkte Präsenz des Christentums in Rom nach sich. Prudentius’ Kritik an den munera sowie ihren primären Austragungsorten schreibt sich indirekt in den Diskurs ein, der zwischen Kirche und Staat um ökumenische Mittel geführt wurde, was sich nicht zuletzt in der Schlussbitte an Kaiser Honorius konkretisiert521.

521 Zum Diskurs Puk (2014), 27f. Möglicherweise boten auch die Briefe des Symmachus einen Anreiz zur Behandlung des Themas, in denen den Spielen gemäß Behrwald (2009), 156f. ein großes Interesse entgegengebracht wird.

5 Rom als Allegorie Die übertragene Bedeutung von Allegorien und Metaphern ist vorrangig an sprachliche Phänomene gebunden und entfaltet sich innertextlich. Ihr Verständnis setzt außertextliches Wissen beim Leser voraus, wenn Analogiebezüge hergestellt werden. In der Allegorie überlagern sich mittels semantischer Doppeldeutigkeit ein wörtlicher und eine übertragener Sinn. Allegorische Texte können eine oder mehrere Metaphern(felder) beinhalten1. In Prudentius’ Contra orationem Symmachi lassen sich zwei Arten der Rom-Allegorie feststellen: die Allegorisierung des Stadtraumes und die Personifizierung der Stadt. Die personifizierte Roma tritt stets in Interaktion mit einem Kaiser auf.

5.1 Der allegorische Stadtraum Die Idee, eine Stadt als Allegorie der menschlichen Seele zu betrachten, ist in der exegetischen Literatur nichts Neues. Spätestens seit Beginn des 5. Jahrhunderts wurde Jerusalem als eine Allegorie für die Menschenseele gelesen2. 1

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Zur Differenzierung von Allegorie, Metapher und Symbol Kurz (2004), 33ff.: „Ein allegorischer Text erlaubt zugleich zwei Deutungen und zwar zwei systematisch an allen relevanten Textelementen durchgeführte Deutungen. In der exegetischen Tradition werden diese beiden Bedeutungen als wörtliche (sensus litteralis, historia, verbum) und als, im engeren Sinn, allegorische Bedeutung (sensus allegoricus, sensus translatus) bezeichnet. […] Die Allegorie ist also ein Text mit zwei Bedeutungen, eine Anders-Rede. […] Die Allegoriesignale […] fungieren als Übergänge und Scharniere zwischen den beiden Bedeutungen. […] Die allegorische Struktur wird hier also konstruiert mittels semantischer Ambiguitäten. Sie bedient sich Polysemien. […] Die Allegorie ist doppeldeutig, die Metapher nicht“; 23 zur Metapher: „Die Metapher artikuliert nicht eine Ähnlichkeit, sie sagt vielmehr »dies ist das«. Gleichzeitig sind wir uns bewusst: »dies ist das nicht«“; zum Symbol 77; 81f. Das Symbol verweist auf eine außertextliche Empirie, die beispielsweise in einer Idee, einer Handlung oder einem Ereignis bestehen kann. Die Beziehung zwischen Symbol und Symbolisiertem basiert gemäß Kurz nicht auf Analogiebezügen. Bspw. Cassian. conl. 14,8: Igitur praedictae quattuor figurae in unum ita, si volumus, confluunt, ut una atque eadem Hierusalem quadrifarie posit intellegi: secundum historiam civitas Iudaeorum, secundum allegoriam ecclesia Christi, secundum anagogen civitas dei illa caelestis, quae est mater omnium nostrum, secundum tropologiam anima hominis, quae frequenter hoc nomine aut increpatur aut laudatur a domino; zur allegorischen Textauslegung des Alten Testaments bei Paulus vgl. Gal 24,24–27; zur exegetischen Hermeneutik bei Orosius und Ambrosius Markschies (1999); zur Bibelexegese in der Spätantike allgemein und bei Ambrosius im Besonderen Fuhrmann (1998), 184ff.; zur Allegorie in der spätantiken Poesie Herzog (2002a), 155ff.; zur Bibelexegese bei Prudentius Gnilka (1988); Herzog (1966), bes. 122ff.; (2002); Habermehl (2004).

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Rom als Allegorie

Dieser tropologischen Lesart von Stadt folgt auch Prudentius in seinen Rominszenierungen, in denen sich mittels semantischer Ambiguitäten ein spiritueller Raum und die römische Stadtszenerie überlagern. Im Folgenden werden zuerst die ‚allegorischen‘ Werke des Prudentius Psychomachia und Hamartigenia und ihr Bezug zur realen Welt beleuchtet, bevor die Stadtallegorien in Contra orationem Symmachi betrachtet werden. Der Fokus dieses Kapitels liegt auf den „Metaphernfelder[n]“3, die Rom und die Seelenstadt4 über die Werkgrenzen hinweg teilen. 5.1.1 Die Seelenstadt in der Psychomachia und in der Hamartigenia In der Psychomachia wird im Inneren des Menschen eine urbs verortet5. Nachdem die Tugenden die Laster auf dem Schlachtfeld erfolgreich geschlagen haben, wird sie am Ende des Epos als spiritualisiertes Jerusalem zur Heimat der Sieger und zum Schauplatz des Geschehens6. Die siegreichen militia ziehen im Triumph in ihre heimatliche „Lagerstadt“7 ein und errichten im Zentrum ein tribunal8. Sie passieren dabei ein Tor, das in eine umlaufende Stadtmauer eingelassen ist (Psych. 665; 671). Die personifizierten Tugenden werden zur plebs (Psych. 727) und berufen eine Versammlung um das tribunal 3 4

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6 7 8

Der Begriff entstammt Kurz (2004), 26. Im Folgenden wird die Stadt im Inneren des Menschen in Abgrenzung zur Stadt in der Außenwelt der Einfachheit halber als ‚Seelenstadt‘ bezeichnet, obwohl Gnilka (1963), 16 für die Psychomachia zutreffend feststellt, dass „keinesfalls die Seele den szenischen Hintergrund des Gedichtes bilde[…]“, sondern der ganze Mensch. Einen Forschungsüberblick zur Stellung der Einzelwerke im Gesamtwerk des Prudentius anhand der Praefatio geben zuletzt Lühken (2002), 255ff.; Coşkun (2003), 220ff., bes. Anm. 21. Die Hamartigenia dürfte vor CS entstanden sein (Praef. 39). Einige Forscher betrachten die Psychomachia als Spätwerk nach der Gesamtwerkausgabe (vgl. bes. Shanzer 1989a), andere verstehen Praef. 39 oder 39–41 als impliziten Verweis auf sie (bspw. Ludwig 1977, 316). Sie wird hier zuerst besprochen, um die allegorische Verzahnung des Gesamtwerks deutlicher herausarbeiten zu können. Gemäß Herzog (2002a), 196 zeichnet sich das Gesamtwerk des Prudentius durch vielerlei Vor- und Rückverweise über die Werkgrenzen hinaus aus. Dies erzeuge eine „spirituelle[…] Deutungsebene im Gesamtwerk“. Daher soll im Folgenden weniger die chronologische Folge der Motive in den Einzelwerken als vielmehr deren gedankliches Ineinandergreifen und Bezug zu Rom untersucht werden. Zur Lokalisierung des Kampfschauplatzes der Psychomachia Gnilka (1963), 9ff.; James (1999). Herzog (1966), 117; vgl. Gnilka (1963), 10; 15f. Die Tugenden ziehen sich in ein Lager zurück (Psych. 644), das dann zur Stadt wird (Psych. 753 sanctae urbis). Psych. 629–748. Die doppelte Bedeutung von tribunal als Richterpodest und Altarpodest, die Roberts (1996), 71f. für den Liber Peristephanon feststellt, kann auch hier angenommen werden.

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ein (Psych. 726–748), sie erlassen Gesetze (Psych. 730–748) und bezeichnen ihre Gemeinschaft als res populi (Psych. 757). Sie werden von der Concordia princeps (Psych. 747) als patres (Psych. 751), viri (Psych. 758) und proceres (Psych. 805) angesprochen9. Schließlich errichten sie nach dem Vorbild des salomonischen Tempels in Jerusalem einen Tempelbau im Innern ihrer Mauern (Psych. 804–887)10. Es entsteht das Bild einer materiellen und vom Volk belebten Stadt. Damit sind der allegorischen Seelenstadt der Psychomachia in ihrer Topographie und Nutzung bauliche Attribute und soziale Abläufe eigen, die weit über die abstrakte Vorstellung einer rein geistigen oder organischen Kriegslager-Stadt irgendwo in pectore hinausgehen und eher an eine gegenständliche und befestigte Ansiedlung wie Rom denken lassen. Die Stadt verfügt nicht nur über Mauern, Tore, Hügel und mindestens einen Tempelbau, sondern auch ihre Einwohner weisen Verhaltensweisen auf, die sie in eine gedankliche Nähe zu den Führungseliten des irdischen caput mundi setzen. Ihr Einzug in die Stadt lässt in der Schilderung an einen römischen Triumph denken11, während die Concordia als princeps eine der kaiserlichen adlocutio vergleichbare Rede an die Vornehmen des Staates und das Volk richtet. Die spirituelle Szenerie im Menschen zeigt vielerlei Berührungspunkte mit dem weltlichen Lebensumfeld eines Stadtrömers12. Die belagerte Stadt bildet weiterhin den letzten Kampfschauplatz zwischen den Anhängern der christlichen Fides und denen der Veterum Cultura Deorum. Um die Seele kämpfen nicht nur die fiktiven allegorischen Laster und Tugenden, sondern auch eine Reihe biblischer Gestalten und Menschentypen.

9 Vor allem die Anrede viri widerspricht dem vorher gezeichneten Bild der weiblichen Tugenden. 10 Vgl. zur Parallelisierung der Seelenstadt mit Jerusalem Gnilka (1963), 10; 16f.; Herzog (1966), 100ff.; Smith (1976), 232. Im Gegensatz zum irdischen verfügt das himmlische Jerusalem der Bibel über keinen Tempel: et templum non vidi in ea Dominus enim Deus omnipotens templum illius est et agnus (Apc 21,22). Zum Seelentempel bei Prudentius Gnilka (1963), 83ff.; Herzog (1966), 109ff.; Kah (1990), 328ff.; Lühken (2002), 64ff. stellt einen Bezug zu Didos Palast und Latinus’ Zepter in Vergils Aeneis her; Mastrangelo (2002), 111ff. 11 Gnilka (2001d), 172ff. 12 Desweiteren zieren die Torbögen des erbauten Seelentempels die zwölf Namen eines Apostel-Senats: Portarum summis inscripta in postibus auro | nomina apostolici fulgent bis sena senatus (Psych. 838–839), vgl. Shanzer (1989), 360; Gnilka (2001d), 172ff. zur römischen Färbung in dieser Passage; 175ff. zu den biblischen Motiven; Mastrangelo (2008), 139f. zur ‚Romanisierung‘ der Virtus und Fides; 126ff. zur römischen Szenerie.

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Die Seelenstadt wird zum Zentrum einer allgegenwärtigen Schlacht im Kampf um Gut und Böse, an der die gesamte Menschheit beteiligt wird13. Nach der erfolgreichen Verteidigung der sancta urbs wird die Metapher des Kampfes von einem Bild der Reinigung und Sühne abgelöst: Die barbarische Schar der Belagerer droht die Stadt durch ihre lasterhafte und schadenbringende Verderbnis zu beschmutzen14. In den letzten Auseinandersetzungen lassen die irdischen Schlachtreihen und Waffen, die toga candida sowie das plötzliche Auftreten einer iuventus abermals an einen weltlichen Erfolg in der römischen Realität denken15. Die reinen Tugenden siegen und das Endergebnis der Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse bildet eine purgati corporis urbs (Psych. 818). Zu deren Zentrum wird die sedes piata im Tempelbau (Psych. 911). Erst in diese von allen Sünden und Lastern gereinigte Stadt fahre Christus von seiner himmlischen Burg hinab16. Die von den Lastern befreite Stadt wird zu einem Inbegriff von Sühne und Taufe. In der Hamartigenia wird die allegorische Seelenstadt ebenfalls in einen direkten Bezug zu Jerusalem gesetzt17. Auch hier wird eine befestigte Stadt von äußeren Feinden belagert, die Reinhart Herzog als eine Schar „barbarischer Fremdvölker“18 charakterisiert. Die Vorstellung einer militärischen Auseinandersetzung korreliert statt mit der Schmutzmetapher mit einer Krankheitsmetapher19. Die Seelenstadt wird nicht nur von der Anhängerschaft des Teufels, sondern auch von den Feinden Israels und den historischen Gegnern Roms belagert20. Über die gemeinsame Feindesschar wird 13 Gnilka (1963), 40; Herzog (1966), 105ff.; Fuhrmann (1998), 256 spricht von einer „Menschheitsschlacht“. 14 Psych. 752–754 Extincta est multo certamine saeva | barbaries, sanctae quae circumsaepserat urbis | indigenas ferroque viros flammaque premebat. 15 Psych. 816–819 Nam quid terrigenas ferro pepulisse falangas | culparum prodest, hominis si filius arce | aetheris inlapsus purgati corporis urbem | intret inornatam templi splendentis egenus? 16 Ab Psych. 912ff. wird die Stadtallegorie aufgelöst. Im Gegensatz zu Psych. 752ff. wird nicht von einer Belagerung, sondern eher von einer ‚Besetzung‘ der Seele durch die Laster gesprochen. Nicht mehr die Stadt, sondern die Seele wird von den schlechten Sitten befreit. 17 Ham. 406–428, dazu Gnilka (1963), 16, Anm. 18; Herzog (1966), 96ff. 18 Herzog (2002b), 184. Zur Schlusssteinmetapher in ham. 490–498 Gnilka (2000e), 256; Herzog (2002b), 183f. 19 Die Schmutzmetapher tritt erst ab Vers 455ff. auf: Durch die fremden erlernten Kulte wird das Volk Israel in der babylonischen Gefangenschaft ähnlich wie das römische Volk beschmutzt: … deque profanato discunt sordescere cultu (458). Gemäß Gnilka (1983), 349 ist es als Verkörperung der „Christenseele“ aufzufassen. 20 Ham. 389ff. Israel; ham. 496f. Rom. Zur Kontroverse um die Deutung der Passage Herzog (2002b), 183f.

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implizit eine Parallele zwischen der Seelenstadt und der Hauptstadt des römischen Reiches hergestellt. In gleicher Weise erinnert die Beschreibung sowohl der Szenerie als auch der sozialen Prozesse und der Population in der animae urbs auffallend an die Lebenswirklichkeit in der (noch) paganen Hauptstadt: Auch hier gibt es ein zentrales Forum, auf dem Reden gehalten werden, es wird den alten Göttern geopfert und man sieht eine Vielzahl an Vertretern mannigfaltiger Irrlehren21. Die römische Topographie und der römische Alltag dienen sowohl für die literarische Seelenstadt der Hamartigenia als auch der Psychmachia als Inspiration; nicht nur dem himmlischen Jerusalem, sondern auch dem irdischen Rom werden verschiedene Merkmale und Charakteristika entliehen22. Im individuellen Schicksal der Seelenstadt und ihrer Bevölkerung spiegelt sich das Schicksal der gesamten Menschheit wider, das vom Autor mit dem Schicksal Roms verbunden wird. 5.1.2 Der allegorische Stadtraum in Contra orationem Symmachi 5.1.2.1 Die Metapher des Lichtes Am Ende des ersten Buches Contra orationem Symmachi wird Rom durch eine doppeldeutige Semantik sowohl als Stadtraum als auch als Mensch 21 Ham. 401–405 Inde canina foro latrat facundia toto; | hinc gerit Herculeam vilis sapientia clavam | ostentatque suos vicatim gymnosofistas, | incerat lapides fumosos idololatrix | religio et surdis pallens advolvitur aris. In ham. 432–444 werden zwei (Karriere-)Typen der römischen Gesellschaft dargestellt, die den Lastern des Teufels zum Opfer fallen: Der Adlige, der sein Vermögen ständig vermehrt, und der erfolgreiche Feldherr, Politiker und Anwalt. Auch die fasces und secures (441f.) lassen an das römische Recht denken. Gemäß Gnilka (1983), 355 dient Roms Topographie und Gesellschaft ebenfalls in ham. 756ff. als Vorbild für die Stadtbeschreibung Sodoms. 22 Zum Verhältnis des himmlischen Jerusalem zum irdischen Rom bei Prudentius Herzog (1966), 99ff.; Herzog (2002), 179–202; Behrwald (2009), 259. Zur Verbindung von Jerusalem und Rom im Triumphbogenmosaik von S. Maria Maggiore in Rom Warland (2002). Gemäß Herzog (1966), 115ff. wird Rom in der Hamartigenia sowie in CS 2,619ff.; 634ff. eine ekklesiologische und eschatologische Dimension zugeschrieben; Buchheit (1971) stellt fest, dass Rom in Perist. 2,559 zur spiritualisierten Roma caelestis und zur ecclesia auf Erden und in die Nähe von Jerusalem gerückt werde, vgl. die Weiterführung des Gedankens bei Herzog (1966), 115ff.; (2002), 183ff. Ihm schließen sich Roberts (1993), 24f.; Cancik (2005), 46ff. an; dagegen Torti (1970). Pietsch (2001), 273f. betont ferner den Transzendenzgedanken bei Prudentius, über den Rom an das Himmelreich angebunden werde. Gnilka (2000e), 257 hingegen vermutet lediglich, dass dem römischen Publikum hier ein „Eindruck der bedrohlichen Fremdheit“ vermittelt werden solle.

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vorstellbar. Bei seinem Besuch betrachtet Theodosius zugleich die Stadttopographie wie eine personifizierte Roma23. Die Passage stützt sich auf den Dualismus von Licht und Dunkelheit, in dem sich die Divergenz von Erkenntnis und Unwissenheit spiegelt24. Bei der Ankunft des Kaisers wird die Stadt von einer Wolkendecke verfinstert und der Scheitel der personifizierten Roma von Nebelschwaden verdunkelt: Nubibus obsessam nigrantibus aspicit urbem; noctis obumbratae caligine turbidus aër arcebat liquidum septena ex arce serenum. … sed nebulis propter volitantibus obsitus alti verticis horret apex. Ipsas quoque livida gemmas lux hebetat spissusque dies et fumus ob ora suffusus rutilum frontis diadema retundit. Obscuras video tibi circumferrier umbras caeruleasque animas atque idola nigra volare. (CS 1,412–414; 419–424) Im Motiv der Finsternis fließen ein reales Phänomen und eine metaphorische 25 Vorstellung ineinander : Rom wird realiter vom Rauch paganer Opferrituale (fumus) und sinnbildlich von einer falschen Gottesvorstellung verdunkelt (umbrae, animae, idolae). Beides führt dazu, dass Rom vom Himmelreich 23 Zur Passage ausführlich unten S. 248ff. 24 Vgl. CS 2,99–103, wo die Erkenntnis in der Metapher des Sehens versinnbildlicht wird. Der Dualismus von Licht und Dunkel – Erkenntnis und Unwissen lässt sich auf biblisches und platonisches Gedankengut zurückführen, dazu Aalen (1951); Mensching (1957); Beierwaltes (1957); Hempel (1960); Losekam (2010); zum Gebrauch der Metapher in Prudentius’ Kaiserbesuch Kah (1990), 143, Anm. 224: „Prudentius strapaziert dieses Bild in diesem kurzen Abschnitt fast bis zum Überdruss.“ 25 Zum fumus siehe unten Anm. 137 in diesem Kapitel; S. 254. Die umherschweifenden Trugbilder erscheinen bereits im Proömium in CS 1,11 als vagae deum nigrante sub aëre formae; in CS 2,397f. wird die Frage aufgeworfen, ob der Stadtgenius eine umherfliegende umbra sei; in CS 2,855ff. werden die paganen Gottheiten als Truggebilde vorgestellt, die durch die Luft fliegen (aëriis volitant phantasmata monstris). In Claud. carm. 28,46f. werden diese ‚fliegenden Götter‘ dann ironisch in ihrer materialisierten Form in Statuen realisiert, die Rom umfliegen: … mediisque volantia signa | nubibus et densum stipantibus aethera templis, dazu Roberts (2001), 548. Die Gestaltung der Passage bei Prudentius greift in kontrastierender Weise Hor. carm. 3,6,1ff. auf, wo die Abbilder der paganen Gottheiten selbst noch vom Rauch gereinigt werden müssen, damit Roms ewiges Bestehen gesichert ist: Delicta maiores inmeritus lues, | Romane, donec templa refeceris | aedisque labentis deorum et | foeda nigro simulacra fumo.

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des christlichen Gottes (liquidum serenum) abgeschirmt wird. Die Wolkendecke wird zur Metapher der paganen Unerkenntnis26. Ein ähnliches Bild findet sich im zweiten Buch und in der Hamartigenia, wo die mens hominum27 bzw. der animus28 in der Finsternis religiöser Unerkenntnis verharrt. Stadt und Mensch werden beide unter einer metaphorischen Dunkelheit positioniert und erscheinen analog. Das Rom des ersten Buches wird zu einer urbanbiomorphen Allegorie des Menschen und seines religiösen (Nicht-)Erkennens im zweiten Buch und in der Hamartigenia. Die personifizierte Roma erlebt eine Gotteserkenntnis, als sie ihr Haupt in einer tollere vultum-Allegorie über die Wolkenschicht und den Aberglauben erhebt29. Im zweiten Buch imitiert der Mensch ihr Verhalten, der seinen Geist 26 In CS 1,155 wird der Götterglaube als nebulosus error bezeichnet, der von einer Generation an die folgende weitergegeben wird. Mit dem Motiv der Finsternis ist die Metapher der Blindheit eng verbunden, vgl. Opelt (1980), 54 zu Tertullian; Klauck (2003), 110f. In der Bibel sieht der Mensch erst dann wirklich, wenn er von Gott erleuchtet ist (Prv 20, 12 aurem audientem et oculum videntem Dominus fecit utrumque), ansonsten erblickt er nur die physische Welt (I Sm 16,7 homo enim videt ea quae parent). Die Antithese von christlicher Erkenntnis und paganer Blindheit erfreut sich gerade bei den Apologeten großer Beliebtheit. So bspw. bei Lact. inst. 1,5,2 … sed quod veritatis ipsius tanta vis est, ut nemo possit esse tam caecus, quin videat ingerentem se oculis divinam claritatem; 7,3,25 … quis tam caecus est ut existimet sine causa esse facta in quibus mira dispositio providentissimae rationis elucet? Prudentius greift das Motiv in CS 1,591–592 nochmals in Verbindung mit der Wegmetaphorik auf, zur Blindheitsmetapher bei Prudentius Heinz (2007), 44 (zu Prud. Cath. 11). 27 CS 2,875–878 … operitur nescia caeli | mens hominum saevo vivens captiva tyranno. | Haec putat esse deum nullum, namque omnia verti | casibus et nullo sub praeside saecla rotari. Die Interpunktion folgt Cunningham (1966), vgl. dagegen Tränkle (2008), 74f.; 232f., der operitur dem voranstehenden Satz zuordnet. 28 Ham. 378–384 Nemo animum summi memorem genitoris in altum | excitat, ad caelum mittit suspiria nemo; nec recolens apicem solii natalis ad ipsum | respicit auctorem nec spem super aëra librat. Sed mentem gravidis contentam stertere curis | indigno subdit domino perituraque pronus | diligit et curvo quaerit terrestria sensu; vgl. Cath. 1,17–20 Tectos tenebris horridis | stratisque opertos segnibus | suadet quietem linquere | iam iamque venturo die, … An anderer Stelle der Hamartigenia und im Cathemerinon wird die Finsternis zwischen Himmel und Erde von Dämonen erzeugt, welche die Seele des Menschen zum Schlechten verführen (ham. 512–522); vgl. Cath. 1,37–40 Ferunt vagantes daemonas, | laetos tenebris noctium, | gallo canente exterritos | sparsim timere et cedere, dazu Herzog (1966), 52ff.; O’ Daly (2012), 49; zur Lichtmetaphorik in Cath. 11 Heinz (2007), 54f. 29 CS 1,425–429 Censeo sublimem tollas super aëra vultum | sub pedibus tuis nimbosa elementa relinquas. | Omne quod ex mundo est tibi subiacet; hoc deus ipse | constituit, cuius nutu dominaris et orbi | imperitas et cuncta potens mortalia calcas.; 506–510 Talibus edictis urbs informata refugit | errores veteres et turbida ab ore vieto | nubila discussit iam nobilitate parata | aeternas temptare vias Christumque vocante |

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über die nubila (fati) emporrichtet30. Die Passage schließt mit einer gemeinsamen Aufforderung an alle Menschen und Städte, sich im Licht des christlichen Gottes zu vereinen. Urbes und homines werden parallelisiert und der Fürsorge des christlichen Gottes als metaphorischem Licht unterstellt31. Entsprechend dieser Identifizierung von Mensch und Stadt wird die Gotteserkenntnis der allegorischen Roma an ihren Bewohnern illustriert: Metonymisch für die übrige Stadtlandschaft erstrahlt wenige Verse später die Kurie und wird zum räumlichen Repräsentanten der Senatsaristokratie (inlustrem cellam)32. Im Kontrast von Licht und Dunkel erscheinen die Senatoren nach ihrer Konversion als publica lux33, haben die Finsternis überwunden (exactas tenebras) und erkennen (cernere) den christlichen Gott, der in der Metapher des Sonnenlichtes versinnbildlicht wird (splendentem solem)34. Eine weitere Möglichkeit, um die Hinwendung zum Christentum zu versinnbildlichen, ist die Errichtung des Seelentempels. Im zweiten Buch wird die allegorische Entsprechung von Mensch und Raum der Psychomachia aufge-

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magnanimo ductore sequi et spem mittere in aevum, dazu Pietsch (2001), 272. Die erste Passage steht in Kontrast zu ham. 378ff.: Dort verharrt der Mensch in der Anbetung irdischer Dinge, die Roma verachten soll. Das Bild der allegorischen Roma, die ihr Haupt emporrichtet lässt sich auf Ambr. hymn. 12,21f. zurückführen, wo Rom durch Petrus und Paulus christianisiert wird: Hinc Roma celsum verticem | Devotionis extulit … In ähnlicher Weise beschreibt in den Tageshymnen das Zerreißen der Wolkendecke zugleich einen natürlichen und einen geistigen Vorgang: Die Außenwelt wird zum Spiegel der Innenwelt, wenn der Tagesanbruch und die Ankunft Christi im Menschen über die gemeinsame Erleuchtung parallelisiert werden, dazu Herzog (1966), 53 zu Cath. 2,1ff. CS 2,480–483 Spirat enim maiora animus seque altius effert | sideribus transitque vias et nubila fati, | et momenta premit pedibus quaecumque putantur | fingere propositam natali tempore sortem. Die Metapher der Finsternis verbindet sich wie im folgenden Passus CS 2,875ff. nach biblischem und apologetischem Vorbild mit der Wegmetaphorik. CS 2,484–485 Huc ades omne hominum genus, huc concurrite et urbes! | Lux inmensa vocat, factorem noscite vestrum! CS 1,573–577 Respice ad inlustrem lux est ubi publica cellam, | vix pauca invenies gentilibus obsita nugis | ingenia obtrinos aegre retinentia cultus | et quibus exactas placeat servare tenebras | splendentemque die medio non cernere solem. Die Formulierung in CS 1,544–545 Exultare patres videas pulcherrima mundi | lumina nimmt die später ausgeführte Lichtmetaphorik vorweg. Sie lässt sich möglicherweise auf Pan. Lat. 11[3],12,1f. zurückführen, wo die Senatoren als lumina = Augen Roms nach Mailand entsendet werden, um die Kaiser zu sehen. Zur Verbindung von Gott und Sonnenlicht bspw. Mt. 5,45: ut sitis filii Patris vestri qui in caelis est qui solem suum oriri facit super bonos et malos et pluit super iustos et iniustos; Io 1,9 Erat lux vera quae inluminat omnem hominem venientem in mundum.

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griffen35: Der menschliche Körper erscheint als eine mögliche Wohnstatt Gottes, in der ein Tempel zu dessen Ehren erbaut und geschmückt werden soll36. Der Einzug Gottes in den Menschen findet in der Lichtmetaphorik einen Ausdruck37: Nec novus hic locus est, fluxit mea gloria in artus et lux vera dei. (Deus inlustravit alumnam materiem corpusque parens habitabile fecit ipse sibi, placito ut possit requiescere templo.) Condideram perfectum hominem, spectare superna mandaram totis conversum sensibus in me, recto habitu celsoque situ et sublime tuentem, sed despexit humum seque inclinavit ad orbis divitias pepulitque meum de pectore numen. (CS 2,256–264) Mensch und Raum werden analogisiert: Der Mensch wird als locus bezeichnet, Gott begründet den Menschen wie eine Stadt (condideram) und wie aus einer Stadt kann er Gott aus seinem Herzen vertreiben (de pectore pepulit)38. Bei der Erschaffung des Menschen bildet die lux vera Dei die entscheidende Komponente. Die Bestimmung jedes Menschen besteht darin, sich in einem metaphorischen Akt zu Gott als ewigem Licht emporzurichten statt sich irdischen

35 Die spirituelle Erleuchtung der Seele wird dort ebenfalls durch die Illumination eines Ortes versinnbildlicht. Nach dem Sieg der Tugenden liegt das Schlachtfeld in hellem Sonnenlicht: … sedato et pulvere campi | suda redit facies liquidae sine nube diei; | purpuream videas caeli clarescere lucem (Psych. 637–639). Die Metapher der Erleuchtung verdichtet sich am Ende des Werkes und wird in der Allegorie des Seelentempels aufgelöst: Spiritibus pugnant variis lux atque tenebrae, | distantesque animat duplex substantia vires, | donec praesidio Christus deus adsit et omnes | virtutum gemmas conponat sede piata | atque, ubi peccatum regnaverat, aurea templi | atria constituens texat spectamine morum, | ornamenta animae … (Psych. 908–915). 36 CS 2,244–259. Der Tempel der Psychomachia wird von und aus den Tugenden errichtet, ebenso besteht er in CS in den Tugenden. Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der beiden Seelentempel ausführlich Kah (1990), 319ff.; vgl. Lühken (2002), 65. Beide Tempelbauten weisen einige Parallelen zum templum Gottes, das Laurentius dem Stadtpräfekten beschreibt, und den Apostelbasiliken in Rom auf, dazu unten S. 292f.; 311. 37 Vgl. Cath. 4,16–18 Intrat pectora candidus pudica, | quae templi vice consecrata rident | postquam conbiberint deum medullis. 38 Das Verb pellere wird in CS stets im Kontext einer räumlichen Vertreibung verwendet (CS 1,2; 530; 2,507; vgl. Psych. 816).

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Dingen zuzuwenden39. Prudentius verbindet die Raumallegorie des Seelentempels mit der Lichtmetaphorik und der tollere-vultum-Allegorie. Die biblische Vorstellung Gottes als Sonne wird im zweiten Buch nochmals in der römischen Stadttopographie veranschaulicht. Zum Anlass der Besprechung wird eine Passage der dritten Relatio, die mit verschobener Akzentuierung paraphrasiert wird. In rel. 3,10 konstatiert Symmachus, dass alle Menschen das Göttliche in denselben Dingen suchten40. Prudentius verkehrt dessen Worte und lässt sie zu einem Argument für die gemeinsame Teilhabe aller Menschen an dem Werk des christlichen Gottes werden (CS 2,778–780). Im Folgenden stellt er oppositionell gute und schlechte Menschen einander gegenüber, die alle in irgendeiner Form gemeinsam mit den Tieren einen Nutzen aus Gottes Wirken zögen (CS 2,781–815). Implizit wird Symmachus die Schlussfolgerung unterstellt, dass der gemeinsame Nutzen auch die Menschen einander gleichstelle (CS 2,816–830). Zum Schluss seiner Gegenargumentation blickt Prudentius auf den römischen Stadtraum: Haud aliter solis radius conluminat omnes diffuso splendore locos; ferit aurea tecta, sed ferit et nigro sordentia culmina fumo. Intrat marmoribus Capitolia clara, sed intrat carceris et rimas et taetra foramina clause stercoris et spurcam redolenti in fornice cellam. Sed non illud erunt obscura ergastula quod sunt regia gemmato laquearia fulva metallo. (CS 2,831–838) Anders als bisher wird nicht der einzelne Mensch fokussiert, sondern das göttliche Werk rückt ins Zentrum der Allegorie. Die Identifikation von Licht und göttlicher Präsenz wird beibehalten, während die Blickrichtung von der menschlichen Perspektive (von unten nach oben) in die göttliche Perspektive (von oben herab) wechselt. Das Werk Gottes, das allen Menschen – Gläubigen

39 Gott selbst beschreibt die Gotteserkenntnis als Akt der Wiederherstellung: Restituendus erat mihimet (CS 2,265). Das folgende spiritus … edita limo | viscera divinis virtutibus informavit (CS 2,267f.) greift die urbs informata des ersten Buches auf (CS 1,506) und steht in Kontrast zu Saturns Handeln (CS 1,43 edictis qui talibus informavit). 40 Symm. rel. 3,10 Aequum est, quidquid omnes colunt, unum putari. Eadem spectamus astra, commune caelum est, idem nos mundus involvit.

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wie Sündern – in gleicher Weise zugute kommt41, wird in der Metapher des Sonnenlichtes veranschaulicht. Der Stadtraum wird nicht als Ganzes zu einer Allegorie des Menschen, sondern die einzelnen Gebäude Roms werden zu metaphorischen Repräsentanten verschiedener Menschentypen, zu Stellvertretern ihrer jeweiligen guten oder schlechten bzw. gesellschaftlich anerkannten oder geächteten Bewohner, Besucher und Insassen. Auf der einen Seite stehen goldene Dächer, das Kapitol und die Königspaläste, auf der anderen Seite verrußte Giebel, der Kerker, die Bordelle und die ergastula. In den Gegensatzpaaren werden Sauberkeit und Schmutz, Pracht und Einfachheit oder Höhe und Tiefe kontrastiert42. Das letzte Gegensatzpaar liefert den Interpretationsschlüssel für die Passage: Ebenso wenig wie ein Arbeitshaus durch die Strahlen des Sonnenlichtes zu einem Palast werden könne, mache allein die Teilhabe am Werk Gottes verdorbene Menschen zu guten. Zum differenzierenden Merkmal von Gut und Schlecht wird der christliche Glaube. Um dessen Vorhandensein bzw. Fehlen zu veranschaulichen greift Prudentius die räumlichen Relationen der Stadt-Mensch-Allegorie und das Bild des Seelentempels auf: Nempe magis non illud erunt qui numen in urnis quaerunt ac tumulis et larvas sanguine placant quod sunt qui summum caeli dominum venerantur iustitiamque litant et templum pectoris ornant. (CS 2,839–841) Das Christentum wird im Himmel verortet (caeli), während alle übrigen Religionen auf oder unter der Erde zu finden sind (in urnis ac tumulis). Das Zurückweisen falscher religiöser Praktiken und die Rechtschaffenheit des Christen (iustitia) schmücken das templum pectoris. In der voranstehenden

41 CS 2,820–830, bes. 826ff. … artificis quia patris opus discrimine nullo | influit in medium nec avaro munere currit | ante datum quam primus homo sordesceret Adam. Nec vitio utentum restrictum deficit aut se | subtrahit indignis nec foeda et turpia vitat. 42 Die Gebäude werden hier offensichtlich unabhängig von ihrer Symbolik allein nach dem Maßstab der Pracht bzw. ihrer Bedeutung im gesellschaftlichen Leben Roms betrachtet. Das Kapitol – die Hochburg des Aberglaubens – wird überraschenderweise positiv konnotiert, während der benachbarte Kerker, in dem einst Paulus und Petrus gefangen waren, negativ bewertet wird.

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Passage und der Psychomachia führt der Schmuck zur Erleuchtung43. Mit dem Auftreten des Seelentempels wird die Metapher von Mensch und Haus zugunsten einer Allegorie von Mensch und Ort aus dem Blickfeld gerückt. Der Mensch wird nicht mehr nur mit einem Bauwerk verglichen, sondern er wird zum Gebäude selbst. Zu Beginn der Passage wurde das Sonnenlicht noch als eine Metapher für das Werk des christlichen Gottes vorgestellt. Während der allegorischen Betrachtung des Stadtraumes wird jedoch deutlich, dass Prudentius unter dem Licht weniger das Werk Gottes als vielmehr die Gnade Gottes versteht, die eben nicht allen Menschen gleichermaßen zukomme, sondern nur denjenigen, die den christlichen Gott (an)erkennen. Die Lichtmetaphorik ist leitmotivisch für das Gesamtwerk des Prudentius. In allen seinen Werken illustriert er am Wechselspiel von Licht und Schatten entweder eine mangelnde oder vollzogene Gotteserkenntnis oder die Absenz bzw. Präsenz Gottes. Die Prozesse von Erleuchtung und Verfinsterung veranschaulicht er bevorzugt in räumlichen Dimensionen: Ebenso wie die Seele in der Vorstellung eines locus, einer Stadt oder eines Tempelbaus erscheint, wird der physiche Stadtraum als Allegorie für die menschliche Seele lesbar. Die innerliche Konversion wird in die Außenwelt transferiert und plastisch vorstellbar. Die spirituelle Erleuchtung Roms konkretisiert sich wiederum in seinen Bewohnern: in der lux publica des Senats. 5.1.2.2 Die metaphorische Reinigung und Sühne Neben der Lichtmetaphorik spielt in beiden Büchern Contra orationem Symmachi der Bildbereich der Säuberung und der Entsühnung eine zentrale Rolle, wenn die Ausweisung des alten Götterglaubens aus der Stadt beschrieben wird44. Monumente und Kultbilder der antiken Religion werden häufig mit 43 Vgl. CS 2,244–259. In Psych. 816–819; 823–887 fährt Christus erst dann in die Seele des Menschen hinab, nachdem die Tugenden den Seelentempel errichtet haben. Der Tempel wird nicht nur durch Edelsteine, Säulen und Gold geschmückt, sondern auch durch das Gebet: castisque colit sacraria votis (Psych. 844). Es schließt sich eine Passage an, in der die Niederkunft Gottes im spirituellen Tempelbau mit der Lichtmetapher umschrieben wird: Seu pueros sol primus agat, seu fervor ephebos | incendat nimius, se consummabilis aevi | perficiat lux plena viros … (Psych. 845–847). Am Ende des Werkes treten rechtschaffenes Verhalten, Tempelbau und Schmuck in einen kausalen Bezug: … donec Christus | … aurea templi | atria constituens texat spectamine morum | ornamenta animae … (Psych. 910–915). 44 Die Verbindung von Stadt und Schmutzmetapher findet sich ebenfalls in Apc 21,27: nec intrabit in ea aliquid coinquinatum et faciens abominationem et mendacium.

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Begrifflichkeiten des Schmutzes belegt, während die Bekehrung der Stadt zum Christentum mit Ausdrücken der Säuberung und Entsühnung umschrieben wird45. Rom ist anfangs von einem antiquus veternus überzogen (CS 1,7), der durch die Präsenz der sordida monstra des alten Götterglaubens verursacht wird (CS 1,636)46. Erst die antipaganen Gesetzgebungen des Kaisers Theodosius führen zu einem Verschwinden des Schmutzes und dazu, dass die Stadt entsühnt werden kann (CS 1,522 monstrata piacula quaerit) 47 . Die Senatoren Roms setzen einen Prozess der Säuberung in Gang, wenn sie die Abschaffung des alten Götterglaubens beschließen und die Stadt vom Aberglauben ‚reinigen‘: … omne | idolium longe purgata ex urbe fugandum (CS 1,609– 610)48. Derselbe Kontrast von Reinheit und Schmutz wird in der Psychomachia zwischen der Gefolgschaft der Fides und der Streitmacht der Veterum Cultura Deorum gesetzt49. Ebenso wie das irdische Rom vom paganen squalor verunreinigt wird, wird das Herz vom Schmutz der Laster entstellt50. Der göttlich

45 In ihrer Rede in CS 2,678 gebraucht Roma selbst die Metapher der Reinigung, um ihrer Abkehr von der alten Götterreligion Ausdruck zu verleihen: Hac me labe ream modo tempora vestra piarunt. 46 Ebenso CS 1,147 suis cum sordibus. Auch in Perist. 2,263 wird der Götterglaube mit der Schmutzmetapher belegt und als daemonum sordes bezeichnet. Die Schmutzmetaphorik wird in CS 1,635–642 auf die römische Redekunst übertragen, die als eigentlich goldenes Werkzeug durch den ‚sumpfigen Morast des Götterglaubens‘, den sie verteidigt, verschmutzt wird. Wie im Fall Roms wird etwas eigentlich Kostbares und Schönes durch den Irrglauben entstellt. Thraede (1962a), 151ff. stellt in Bezug auf CS 1,635–642 und Perist. 13,9ff. fest, dass bei Prudentius die Rhetorik – ebenso wie Rom – von dem schlechten Einfluss des Paganen gereinigt werden könne (ebenso Gnilka (2001c), 43ff., der die Passage in Bezug zu CS 1,501ff. setzt). Prudentius’ Werk ist der Beweis. 47 Diese erfolgreiche Entsühnung steht in direktem Gegensatz zu der male lustrata Roma (CS 1,381), die durch die Todesopfer im Amphitheater schlecht entsühnt wird, vgl. Gnilka (2000e), 270, Anm. 128. Zur Schmutzmetapher in der adventus-Szene vgl. unten S. 250ff. 48 Vgl. CS 2,763ff.; Perist. 2,477ff. 49 Die Keuschheit reinigt ihr Schwert von der scabrosa sordes der Libido (Psych. 98–108); die personifizierte Sordes zählt zum Gefolge der Avaritia und wird als Furie der Unterwelt vorgestellt (Psych. 465); das von der Gefolgschaft der Avaritia erstrebte Gold starrt für die Mitstreiter der Fides vor Schmutz (Psych. 526ff.; 598f.). 50 Psych. 890 nam cor vitiorum stercore sordet. Zum squalor in der Stadtlandschaft unten S. 253f. In CS 1,489–493 starren die Senatoren wie der Stadtraum vor Schmutz, als Konstantin sie aus der Gefangenschaft von Maxentius befreit, was die tatsächliche wie die geistige Gefangenschaft meint, da sie daraufhin zum Christentum konvertieren: Ipse senatorum meminit clarissimus ordo | qui tunc concreto processit crine catenis | squalens carcereis aut nexus conpede vasta | conplexusque pedes victoris ad inclyta flendo | procubuit vexil-

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erleuchtete Geist versucht nun sich von der Verschmutzung zu befreien, was zu einem ständigen inneren Kampf führt51. Erst nachdem die Laster aus der Seelenstadt des Menschen vertrieben worden sind, wird sie wie Rom zu einer purgata urbs. Als Symbol der neuerlangten „Herzensreinheit“52 wird der Tempel von und mit den Tugenden erbaut. Bei der Bevölkerung sowohl der Seelenstadt als auch Roms zeigt sich die christliche Reinheit darin, dass sie mit strahlend weißen togae bekleidet sind, was die Taufe symbolisiert53. Die Metapher der Reinigung und Sühne kommt sowohl im irdischen Rom als auch in der spirituellen Seelenstadt zur Anwendung und markiert jeweils einen Zustand, in dem der alte Götterglaube und die ihm nachfolgenden Laster endgültig aus der jeweiligen urbs vertrieben worden sind54. Erst nachdem die römischen Bürger sich zum christlichen Glauben bekehrt haben, sind sowohl die Seelenstadt als auch das reale Rom von den sordes der Veterum Cultura Deorum gereinigt. Innenwelt und Außenwelt werden über das gemeinsame Metaphernfeld in ein wechselseitiges kausales Bezugsverhältnis gesetzt. Im ersten Buch Contra orationem Symmachi schließt Theodosius seine Rede an Rom mit einer Mahnung an die Führungseliten (proceres), die paganen Statuen unbefleckt vom Opferblut als Kunstwerke und als Schmuck der Stadt stehen zu lassen55. Er fordert dazu auf, die Statuen nicht mehr in Opfer-

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la iacens. Das Motiv der doppelten Gefangenschaft tritt nochmals in CS 2,731ff. auf, vgl. unten S. 267f. Psych. 904–907 … nam viscera limo | effigiata premunt animum, contra ille sereno | editus adflatu nigrantis carcere cordis | aestuat et sordes arta inter vincla recusat. Herzog (1966), 110. Die Tugenden tragen eine tacitae candida toga pacis (Psych. 821), während die Togen der Senatoren durch die Bekehrung noch weißer werden und die toga candida als Symbol der Ehre und Rechtschaffenheit übertreffen (CS 1,546–547 candidiore toga niveum pietatis amictum | sumere), vgl. Tert. scorp. 12,10. Sie haben den christlichen Glauben nach dem Vorbild in Gal. 3,27 gleichsam als sichtbares Gewand ‚angezogen‘: quicumque enim in Christo baptizati estis Christum induistis . Das Motiv der Reinigung des Menschen als Ort durch Christus findet sich auch in Cath. 2,57–64, wo es mit der Lichtmetaphorik verbunden wird: Intende nostris sensibus | vitamque totam dispice; | sunt multa fucis inlita | quae luce purgentur tua. | Durare nos tales iube | quales remotis sordibus | nitere pridem iusseras | Iordane tinctos flumine (dazu Herzog (1966), 54f.). Die multa fucis inlita, quae luce purgentur tua lassen an die Roma aurea denken, die bei Theodosius’ Ankunft im Finstern liegt, siehe dazu unten S. 254ff. CS 1,501–505 „Marmora tabenti respergine tincta lavate, | o proceres. Liceat statuas consistere puras, | artificium magnorum opera. Hae pulcherrima nostrae | ornamenta fiant patriae nec decolor usus | in vitium versae monumenta coinquinet artis“; zum Adressaten der Rede unten S. 258f.; zur Widersprüchlichkeit zwischen Buch I und II im Umgang mit den Götterstatuen Döpp (1986), 67ff.; Gnilka (2001h), 263ff.; Behrwald

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handlungen einzubeziehen56. Zu statuae purae werden sie aber erst dann, wenn sie ihrer angedichteten religiösen Semantik entbunden sind und lediglich als Kunstwerke betrachtet werden57. Die religiöse Voreinstellung des Betrachters wird zum entscheidenden Differenzierungsmoment, ob die Statuen idola oder artificium magnorum opera sind58. Theodosius erwirkt die ‚Säuberung‘ Roms nicht mit Waffengewalt, sondern mit Worten59: Im Anschluss an seine Rede bekehren Rom und die Römer sich zum Christentum und folgen seinem Beispiel des erkennenden Sehens (CS 1,577 cernere). In den Schlussworten des Kaisers zeichnet sich also weniger eine „konziliante Haltung“60 zur Gewinnung der Heiden ab noch schließt er seine Rede mit einer widersprüch-

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(2009), 268f. Mit dem Prozess des Zerbrechens ist möglicherweise ähnlich wie im Perist. 2 die religiöse Aufgabe und nicht zwingend die Zerstörung der Kultbilder gemeint: vgl. CS 2,64 … frange repulsorum foeda ornamenta deorum mit Perist. 2,497–500 Refrixit ex illo die | cultus deorum turpium; | plebs in sacellis rarior, | Christi ad tribunal curritur. Gnilka (2001h), 302; Solmsen (1965), 312, der aufgrund scheinbarer Widersprüchlichkeiten innerhalb der Rede von einer späteren Hinzufügung der letzten fünf Verse ausgeht, dagegen Steidle (1971), 272; vgl. Gnilka (2001c), 44f.; Gnilka (2001h), 307f. Behrwald (2009), 263 geht von einer Trennung des Wesens und der Verwendung der Statuen bei Prudentius aus. Sein Gedanke, sie seien Opfer einer „nur vorübergehend in vitium verkehrten ars“ ist nicht stimmig. Ihrem Wesen nach sind sie nicht als Kunstwerke, sondern als Kultbilder erschaffen worden. Zur Zierde der Stadt können sie erst in einer christlichen Zukunft werden, nicht hingegen wieder werden (ornamenta fiant), vgl. Hartmann (2010), 177f. Zur kaiserlichen Gesetzgebung zum Schutz von Kulturgütern und historischen Monumenten: Cod. Theod. 16,10,15 (29. Jan. 399) Sicut sacrificia prohibemus, ita volumus publicorum operum ornamenta servari; Cod. Theod. 16,10,18 (20. Aug. 399) Decernimus enim, ut aedificiorum quidem sit integer, vgl. Ernesti (1998), 246f.; Wolf (2003), 50ff.: Cameron (2011), 347f. Vgl. CS 2,39ff. zum Zusammenspiel von Kunstwerk und fabula. Ähnlich Cameron (2011), 248: „[…] and when he says he wants statues to stand puras, he means literally as well as figuratively and morally clean.“ Vgl. Elsner (1995); Francis (2010), 288 zum Sehen als kulturell determiniertem Vorgang; Francis (2010), 288; 297 zu den Götterstatuen: „An image comes into rapport with a viewer who, by means of his or her relation to the image, recognizes its power. Through this power relationship, both image and viewer construct the image’s meaning.“ In der Zukunftsvision des Laurentius findet sich derselbe Gedanke: Dort wird Theodosius zur exekutiven Instanz einer äußerlichen und innerlichen Säuberung Roms (Perist. 2,473–476; 481–484) Video futurum principem | quandoque qui servus dei | taetris sacrorum sordibus | servire Romam non sinat. | … | Tunc pura ab omni sanguine | tandem nitebunt marmora, | stabunt et aera innoxia, | quae nunc habentur idola. In Perist. 4,57ff. wird Saragossa durch seine zahlreichen Märtyrer ‚gereinigt‘ und ‚erleuchtet‘. Es treten die gleichen Bilder, bspw. der Austreibung und der weißen togae, auf. Hinzu tritt in Perist. 4,69ff. die Vorstellung, dass die Stadt eine Wohnstatt Christi sei, was an die Psychomachia und CS 2,766ff. erinnert. Steidle (1971), 272, Anm. 115.

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lichen Antiklimax61. Denn nicht die Standbilder an sich sind nach Auffassung des Prudentius mit dem Schmutz des Götterglaubens behaftet, sondern erst der Glaube an die sordida monstra beschmutzt die Abbilder62. 5.1.2.3 Die Krankheitsmetapher Über die Metapher der Reinigung wird das irdische Rom zum makrokosmischen Pendant der Seelenstadt in der Psychomachia. In ähnlicher Weise werden die Seelenstadt der Hamartigenia und das reale Rom über ein gemeinsames Metaphernfeld zueinander in Bezug gesetzt. In beiden Stadtbeschreibungen wird die jeweilige urbs über eine organische Krankheitsmetapher anthropomorphisiert, um die negativen Folgen eines falschen Glaubens anschaulich zu machen63. Im Proömium von Contra orationem Symmachi greift die Beschreibung Roms auf einen biologischen Bildbereich zurück: Eine aegra urbs krankt an der Götterreligion, die als antiquus morbus die ganze Stadt befallen hat (CS 1,1). Zahlreiche Begriffe untermauern die Vorstellung von Krankheit, Verfall und Seuche64. Wenige Verse später wird die publica morum plaga, die Stadt und Staat befällt, durch die letalis pestis reflektiert, welche die Seelen der Bewohnerschaft heimsucht. In der wechselnden Perspektive von Außen zu Innen wird die krankende Stadtlandschaft als Projektionsfläche für das seelische Leiden einer nicht-christlichen Bürgerschaft lesbar65. Das Kranken der Seele wird ausführlicher in der Hamartigenia beschrieben. Dort werden statt der aegra urbs die aegrae animae von einer teuflischen 61 Solmsen (1965). 62 Lim (2010), 506ff. ordnet die Prozesse der Desakralisierung und Säkularisierung paganer Bauwerke und Statuen vorwiegend den spätantiken Gesetzgebungen und den römischen Eliten zu. Ebd. 509 führt er neben Gesetzestexten Symm. rel. 6 als Beispiel an. Hier zeigt sich, dass Prudentius ebenso eine weltliche und nichtreligiöse Sicht auf die paganen Monumente und Artefakte empfiehlt. 63 In ähnlicher Weise kranken die Heiden in Perist. 2 an ihrem Aberglauben. Zur dortigen Krankheitsmetaphorik Kudlien (1962). 64 In CS 1,1–8 wird die Götterreligion als Krankheit (antiqui morbi), als Übel (mali), als Schmerz (inmodicos dolores) und als Seuche (renovata luis) vorstellbar. Zur aegra urbs und Theodosius unten S. 249. 65 CS 1,14–21. Die Giftmetapher tritt nochmals in CS 1,535ff. auf und wird dort mit der des Verrats kombiniert. Es ist von einem verborgenen Feind die Rede (CS 1,538 latitanti ex hoste), über den Theodosius triumphiert. Ob damit der Teufel selbst (vgl. ham. 406 hostis) gemeint ist oder aber dessen Gefolgschaft, die sich entweder aus den Anhängern des falschen Götterglaubens bzw. den Göttern selbst (vgl. CS 1,531 hostes), den Lastern (vgl. ham. 393ff.) oder allen gemeinsam zusammensetzen, bleibt offen.

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Pest heimgesucht (ham. 389 morborum pestibus)66. Bilder eines krankenden Organismus überlagern sich mit der Vorstellung einer materiellen Stadt, die vom Teufel und seiner Kohorte personifizierter Laster belagert wird. Die Metapher der Krankheit wird durch eine Kriegsmetapher ergänzt: Die Seele wird bedrängt (ham. 389 urget), von feindlichen Streitkräften umzingelt (ham. 393–394) und durch die ministri mit einem schleichenden Gift infiziert67. Gerade der Aberglaube (superstitio) wird zu einer infernalischen Pest, welche die Seelen (aegras animas), die Herzen (corda) und alle Glieder des menschlichen Körpers (membra) krank macht. Der religiöse Irrtum wird zum Grund für den Niedergang der Seele (ham. 375–377 miseris erroribus) 68. Erst durch die gemeinsame Lektüre beider Werke entfaltet die Krankheitsmetapher ihren vollen Bedeutungsumfang. Die gleichzeitige Erkrankung der Seelen mit der Stadt klingt in Contra orationem Symmachi an und wird in der Hamartigenia ausgebaut69. Einmal umreißt das Attribut aeger die Verhältnisse in der Außenwelt, einmal beschreibt es den Zustand der Seele. In der Hamartigenia werden Prozesse der realen Welt, die in Contra orationem Symmachi thematisiert werden, in eine allegorische Welt transportiert. Durch das metaphorische Wechselspiel der Werke werden für den Leser beide Welten plastisch vorstellbar und er stellt einen kausalen Bezug zwischen ihnen her70.

66 ham. 389–395 His aegras animas morborum pestibus urget | praedo potens, tacitis quem viribus interfusum | corda bibunt hominum; serit ille medullitus omnes | nequitias spargitque suos per membra ministros. | Namque illic numerosa cohors sub principe tali | militat horrendisque animas circumsedet armis: | ira superstitio maeror discordia … 67 Ham. 390 interfusum; 391f. bibunt; serit; spargitque. Die Vorstellung des krankmachenden Bösen, das als Flüssigkeit oder fließendes Gift das Innerste eines Menschen durchtränkt, lässt sich auf Verg. Aen. 7,341ff. zurückführen, wo Allecto Amata mit einer lues infiziert (vgl. die renovata luis in CS 1,5, die Rom befällt). Der sündige Mensch, der das teuflische Gift trinkt und im Innersten aufnimmt, wird in Cath. 4,18 mit derselben Metapher kontrastiert, wo die Christusgläubigen Gott trinkend aufnehmen: … postquam conbiberint deum medullis. 68 Daneben wird die Metapher des Vergessens (veri oblita tonantis) gebraucht, um die Abkehr vom christlichen Glauben zu umschreiben. In CS 1,25ff. findet sich eine parallele Vorstellung: Die Römer kranken am Aberglauben, weshalb ihre Seelen in die Hölle hinabgestoßen werden. In beiden Passagen findet sich ein exklamatives heu (ham. 406; CS 1,25; vgl. 291ff.). 69 Das Bild der umlagerten Seelenstadt setzt sie ebenso in engen Bezug zur Psychomachia. 70 Die Vorstellung einer krankenden Wechselbeziehung zwischen Stadt und Bewohnern findet sich auch in Perist. 2,261–264 und wird mit der Schmutzmetapher verbunden: „Tute ipse qui Romam regis | contemptor aeterni dei, | dum daemonum sordes colis, | morbo laboras regio.“

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5.1.2.4 Der metaphorische Kampf Neben vielen anderen Metaphernfeldern besetzt vor allem die Metapher des Kampfes in der allegorischen Welt bei Prudentius eine wichtige Rolle. So kann das Ringen um die Seele des Menschen als ein Leitmotiv betrachtet werden, das sich durch das Gesamtwerk zieht. Zum literarischen Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse wird die Seelenstadt, die vom Bösen belagert wird (ham. 389–395; Psych. 752–754). In der Hamartigenia fällt die Seele des Menschen noch den personifizierten Lastern des Teufels zu, während in der Psychomachia die Tugenden erfolgreich sind71. Beiden Werken wird in der Forschung vermehrt ein hoher Aktualitätsbezug zugesprochen. So finden in der sinnbildlichen Auseinandersetzung um die menschliche Seele auch die realen Bedrohungen und Spannungen ihren Ausdruck, denen das römische Reich und die katholische Kirche aufgrund von Barbareneinfällen und häretischen Strömungen ausgesetzt waren. Des Weiteren entspricht dem epischen Sieg der christlichen Fides über die Veterum Cultura Deorum in der Realität die führende Rolle des Christentums, die es um die Jahrhundertwende durch die Religionspolitik des Theodosius gegenüber dem alten Götterglauben eingenommen hat72. In allen Werken des Prudentius verschränken sich die Bedrohungen durch Barbarentum und falsche Religion in der realen Lebenswelt und in der allegorisch-literarischen Welt. Barbaren, Heiden, Häretiker, Teufel und allegorische Laster verschmelzen zu einem einheitlichen Feind, der zur Bedrohung für den christlichen Römer wird73. 71 Herzog (1966), 96ff.; 33ff. zu den Märtyrergedichten. 72 Shanzer (1989), 351ff.; Pollmann (2001), 107; Herzog (2002b), 189ff.; Rohmann (2003), 239ff. 73 Diese Verschmelzung zeigt sich sowohl in der cohors des Teufels (ham. 393ff.) als auch bei den Gegnern der Tugenden, besonders im Gefolge der Avaritia, dazu Herzog (1966), 105ff. Ebd. (2002), 191 spricht er von einer Verschränkung der „Bedrohungen von Barbaren und Häretikern“, was den alten Götterglauben als weitere Bedrohung aus dem Blickfeld rückt. Zu Vorstellungen des ‚Barbarischen‘ in der Hamartigenia und Psychomachia: In der Hamartigenia wird der alte Götterglaube bzw. jede nichtchristliche Religionsform als barbarisch bezeichnet (ham. 100; 106; 783). In ham. 455ff. wird das Barbarische über eine Kontrastimitation zu Vergil als nichtrömisch gekennzeichnet, dazu Gnilka (1983), 349f. In der Praefatio der Psychomachia, die ein allegorisch-typologisches Gleichnis für das Folgende ist, führt Abraham einen Kampf gegen die profanis gentibus (Psych. praef. 9) und Loth wird aus den duris barbarorum vinculis befreit (Psych. praef. 21). Auch die Ira wird als barbara bellatrix bezeichnet (Psych. 133). Die Seelenstadt wird in der Psychomachia von der saeva barbaries des alten Glaubens bedroht (Psych. 752f.), während die Sünder der Hamartigenia ihre Seelen(städte) statt dem christlichen Gott den barbaricis habenis eines falschen Götzen unterwerfen (ham. 436).

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In Contra orationem Symmachi bildet der christusgläubige Römer den Höhepunkt der menschlichen Kultur. In gleicher Weise erfüllt Rom seine Bestimmung als caput mundi erst nach der Christianisierung74. Analog zu den innerlichen Seelenstädten wird der römische Stadtraum zum weltlichen Kampfschauplatz zwischen dem christlichen Glauben (Fides) und dem barbarischen Götterglauben (Veterum Cultura Deorum). Den Brennpunkt der Auseinandersetzung bilden das traditionelle Zentrum Roms und insbesondere das Kapitol. An diesen bedeutungsträchtigen Ort verlegt Prudentius den letzten symbolischen Kampf um die offizielle Staatsreligion. Auf dem Kapitol stellt sich Kaiser Theodosius einer Schar paganer Besetzer entgegen, die den alten Götterglauben propagieren75. Es wird in dieser Schlacht zum letzten Bollwerk des Heidentums, das erst nach dem Sieg des christlichen Kaisers seine sakrale Bedeutung verliert. Es dient als topographischer Stellvertreter – als pars pro toto – für die ganze Stadt, die durch die antipagane Gesetzgebung des Theodosius christianisiert wird76. In den folgenden Versen wird deutlich, dass der Kampf nicht nur um den externen Raum geführt wird, sondern auch um das Seelenheil jedes Römers (CS 1,531–532 animabus | internoque hominum): Errabant hostes per templa per atria passim Romanumque forum et Capitolia celsa tenebant qui coniuratas ipsa ad vitalia plebis moliti insidias intus serpente veneno consuerant tacitis pestem miscere medullis. (CS 1,533–537) Verschwörern gleich bedrohen die Paganen die gesamte Menschheit (internoque hominum) und insbesondere das römische Volk (ad vitalia plebis), indem sie ihnen eine falsche Vorstellung des Göttlichen vermitteln und sie sinnbildlich vergiften (serpente veneno). Ebenso wie in der Hamartigenia verbinden sich Bilder eines Kampfes und eines Krankheitsbefalls, um die Vermittlung eines falschen Glaubens und dessen Auswirkungen im Inneren des Menschen anschaulich darzustellen (pestem). Bildete in der Hamartigen74 Siehe dazu unten S. 265. 75 CS 1,529–534. 76 Theodosius tritt in die Fußstapfen von Laurentius, der gemäß Herzog (1966), 32ff. durch sein Martyrium bereits zuvor diesen Religionskampf in Rom ausgefochten hatte. Der Kampf wird mit geistigen Mitteln und sine sanguine geführt (CS 1,539; vgl. Psych. 155–157: Patientia „Vicimus“ inquit | „… sine ullo | sanguinis ac vitae discrimine).

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ia und der Psychomachia die allegorische Seelenstadt den Ort des Kampfes zwischen Gut und Böse, wird hier das religiöse Wahrzeichen des antiken Rom zum metaphorischen Kampfschauplatz eines Religionskrieges: Der urbane Makrokosmos wird zum Spiegel mikrokosmischer Prozesse. Das Schicksal der Einwohner und das ihrer Stadt wird über eine ähnliche Dauer der Kampfhandlungen verschränkt: Die Veterum Cultura Deorum stirbt auf dem allegorischen Schlachtfeld der Psychomachia einen lange währenden und qualvollen Tod. Ebenso umfasste die Verdrängung der paganen Kulte aus der urbanen Landschaft Roms eine lange Zeitspanne von mehreren Jahrhunderten77. Beide Kontroversen führen bei Prudentius dazu, dass monstra aus der Stadt vertrieben werden, die in beiden Werken mit der Unterwelt in Bezug gesetzt werden78. Die Tartara nigra, mit denen die hostes die Römer im Kampf um das Kapitol quälen (CS 1,531), finden ihre personifizierte Entsprechung in der Schar der allegorischen Laster, die dem alten Götterglauben in der Seelenschlacht folgen79. In der Psychomachia wird das spirituelle Kampfgeschehen laut Reinhart Herzog in einem politischen und ekklesiologischen Deutungshorizont verortet80. In umgekehrter Weise wird in Contra orationem Symmachi die Auseinandersetzung um Rom mit einem Kampf um die Seelen der Stadtbewohner kontextualisiert und in einen allegorischen Deutungshorizont gestellt. Stadt und Bewohnerschaft werden gleichermaßen zum Zentrum des beständigen Kampfes um den richtigen Glauben81.

77 Rohmann (2003), 241 zu Psych. 21–39. Die Veterum Cultura Deorum erstickt an ihren Opfertieren und stirbt einen schweren und langsamen Tod, den sie mit tiefen Seufzern begleitet: … et ora cruore | de pecudum satiata solo adplicat et pede calcat | elisos in morte oculos; animamque malignam | fracta intercepti commercia gutturis artant | difficilemque obitum suspiria longa fatigant (Psych. 31–35), vgl. Gnilka (2001c), 75f., der im Tod der Veterum Cultura Deorum den Tod der religio bei Lukrez nachgezeichnet sieht und die beiden Gegnerinnen miteinander identifiziert. 78 Theodosius vertreibt die cariosorum monstra deorum (CS I,433f.) aus Rom. Die allegorischen Laster werden als monstra bezeichnet (Psych. 130; 275; 466; 565; 715). Zum Begriff monstrum in den Vorstellungen des Bösen Thome (1993), 100ff. 79 Lühken (2002), 50ff. zeigt auf, dass vor allem die Laster Libido, Avaritia und Ira Züge von Furien tragen und in Anlehnung an Vergils Unterweltsbeschreibung und Allecto in die Nähe des Tartarus gerückt werden. In CS 1,26f. werden Tartarus und Götterglaube in einen engen Zusammenhang gestellt. Auch Mercur wird als Seelenführer neben Proserpina und Pluto mit dem Tartarus in Verbindung gesetzt (CS 1,89ff.). 80 Herzog (1966),105ff.: „Die gesamte Menschheit aller Zeiten bewegt sich also auf einem Schauplatz, der selbst psychisch ist.“ 81 Zur eschatologischen Dimension beider Kämpfe Herzog (1966), 113ff.

Der allegorische Stadtraum

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5.1.2.5 Concordia Romana In den Versen CS 2,623–625 findet sich die bekannte Analogisierung von Mensch und Ort82: Die menschliche Seele wird als Raum vorstellbar und mit der realen Lebenswelt des römischen Lesepublikums in Bezug gesetzt. Der global angelegte Vergleich von Mensch (pectus) und Welt (orbis) wird in den folgenden Versen auf den römischen Herrschaftsbereich und auf Rom als dessen caput verengt83. Bereits in den Versen CS 2,610–622 wurde die römische Welt zur urbs patria, in der die Bewohner des gesamten Reiches als cives beherbergt und von einer Mauer umschlossen werden. Die Vorstellung einer einenden Stadtmauer überführt das zuvor aufgetretene Bild der fraterna vincula (CS 2,609) in eine Raummetapher. Beide Metaphern versinnbildlichen die römischen Gesetze und den römischen Namen, mit denen die Völker der Welt geeint werden. Weit entfernte Gegenden werden durch die gemeinsame Teilhabe am römischen Kultursystem miteinander verbunden und gedanklich zueinander in Nachbarschaft gesetzt84. In dieser geographischen und kulturellen Einheitlichkeit der römischen ‚Weltstadt‘ repräsentiert sich die Vorstellung der concordia Romana: Wie auf einem zentralen Forum kommen die Menschen aus den verschiedensten Weltgegenden zusammen (CS 2,614–615 ad unum et commune forum), treffen sich unter einem Gericht, treiben miteinander Handel, schließen Ehen und werden zu einem gemeinsamen Volk (CS 2,618 una propago)85. 82 Herzog (1966), 116 leitet hier noch keine Entsprechung von Mensch und Stadt, sondern eine von Einzelmensch und Gemeinschaft ab: „[…] das Individuum ‚ist‘ im christologischsakramentalen Sinne auch die Kirche. Umgekehrt ‚ist‘ Ekklesia-Roma der Mensch nach dem Sieg in seiner Psychomachie.“ Zum concordia-Gedanken bei Prudentius Gnilka (1963), 40ff.; Thraede (1991). 83 CS 2,634–640 En ades, omnipotens, concordibus influe terris! | Iam mundus te, Christe, capit quem congrege nexu | pax et Roma tenent. Capita haec et culmina rerum | esse iubes nec Roma tibi sine pace probatur | et pax ut placeat facit excellentia Romae, quae motus varios simul et dicione coërcet | et terrore premit. Dazu Thraede (1991), 391: „Die erobernde Integration wandelt den Orbis terrarum gleichsam zur riesigen Urbs, in der sich alle heimisch fühlen.“ Herzog (1966), 114: „[…] das ganze Reich ist ihm eine urbs, Rom selbst darin das forum,“ vgl. Ebd. 117. 84 In CS 2,602–607 werden die verschiedenen Provinzen des römischen Reiches durch ihre jeweiligen Flüsse repräsentiert; in CS 2,610–612 eint dieselbe Lebensweise die Völker: Vivitur omnigenis in partibus haud secus ac si | cives congenitos concludat moenibus unis | urbs patria atque omnes lare conciliemur avito. 85 Bereits in Vers CS 2,603ff. lernen die wilden Barbarenvölker zivilisierte Römer zu werden. Zum concordia-Gedanken und Rom vgl. Claud. carm. 24,151ff.: … humanumque genus communi nomine fovit, | matris, non dominae ritu, civesque vocavit | quos domuit nexu

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Für Prudentius ist diese friedvolle und einheitlich Weltstadt jedoch erst dann durch eine wirkliche concordia geprägt, wenn die Eintracht sich nicht nur in räumlichen und weltlichen Bereichen zeigt, sondern die Romani den christlichen Glauben als gemeinsame Religion anerkennen. Concordia meint also vor allem eine religiöse Übereinstimmung im religionis amor86. Die weltliche Eintracht tritt in eine untergeordnete Stellung. Dieselbe Schlüsselfunktion kommt der religiösen Eintracht und dem christlichen Glauben in der Seelenstadt der Psychomachia zu87. Am Ende der Schlacht sind Concordia und Fides gleichberechtigte Anführerinnen der Tugendschar88. Die Bedingungen, die im Makrokosmos der Römer gelten, haben dieselbe Gültigkeit im Mikrokosmos ihrer Seelen: Erst nachdem dort alle Mitstreiter des alten Aberglaubens – inklusive der Discordia – vertrieben worden sind (Psych. 801 defensa Fides), treten die neuen Gesetze in Kraft. Die innerliche concordia wird gleichzeitig zur Vorbedingung und zum Ergebnis der religiösen Eintracht im Reich89. Der Concordia-Gedanke verbindet drei Werke miteinander: Contra orationem Symmachi beleuchtet die Bedingungen der Außenwelt, die Psychomachia die der Innenwelt; im Liber Peristephanon werden die Märtyrer zu Wegbereitern des einenden religionis amor im Mikro- und Makrokosmos90.

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pio longiqua revinxit. | Huius pacificis debemus moribus omnes, | quod veluti patriis regionibus utitur hospes; | quod sedem mutare licet; quod cernere Thylen | lusus et horrendos quondam penetrare recessus. Thraede (1991), Anm. 31 verweist auf Plin. n. h. 3,39 als weiteres Vorbild. CS 2,590–592 … constituit, quo corda hominum coniuncta teneret | religionis amor; nec enim fit copula Christo | digna, nisi inplicitas societ mens unica gentes. Entgegen Tränkle (2008), 210, Anm. 223 schließe ich mich Kytzler (1972), 224f. an, der religionis amor folgendermaßen übersetzt: „auf dass die Herzen der Menschen halte verbunden Liebe zur Religion“. Zu coniuncta Thraede (1991), 389; Tränkle (2008), 210, Anm. 223. Zum Glauben als einender Größe: Ambr. in psalm. 45,21–22 … didicerunt omnes homines sub uno terrarum imperio viventes unius Dei omnipotentis imperium fideli eloquio confiteri, dazu Klein (1971), 136–139, vgl. unten S. 266f. zum Erlernen der richtigen Religion. Bereits Herzog (1966), 116ff. stellt die Parallelen von Makro- und Mikrokosmos heraus. Gnilka (2001d), 179. Vgl. Pietsch (2001), 273ff. Ein ähnlicher Gedanke findet sich in Perist. 2,433–436: „Da, Christe, Romanis tuis | sit christiana ut civitas | per quam dedisti ut ceteris | mens una sacrorum foret!“ Religionis amor grenzt in CS vorrangig das Christentum von paganen Religionen ab. In den anderen Werken muss die Abgrenzung von häretischen Strömungen mitgedacht werden, vgl. mit demselben Wortlaut und ebenfalls in Endstellung Perist. 11,191–192., wo die Häresie überwunden wird: Conglobat in cuneum Latios simul ac peregrinos | permixtim populos religionis amor. In Perist. 2,493–496 steht der amor sublimis Dei dem Götzenkult entgegen und eint die Römer. Roberts (1996), 182ff. setzt die Passage von CS in Bezug zum con-

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5.2 Kaiser und Stadt Wie viele seiner Vorgänger und Zeitgenossen inszeniert Prudentius in Contra orationem Symmachi einen kaiserlichen Rombesuch und verleiht seinem Gedicht damit eine panegyrische Färbung. Am Ende des ersten Buches erblickt Theodosius Rom, nachdem er die zwei Usurpatoren Maximus und Eugenius siegreich geschlagen hat91. Im zweiten Buch imaginiert die personifizierte Roma, wie Honorius nach seinem Sieg über die Goten in die Stadt einziehen werde. Beide Szenerien tragen aufgrund der erwähnten kriegerischen Vorereignisse Züge eines Triumphes92. Für den Rombesuch des Theodosius vermucordia-Gedanken in Perist. 12. In Psych. 709–710 führt Discordia den Beinamen Häresie: „Discordia dicor, | cognomento Heresis. In den folgenden Versen wird der Gott der Häresie motivisch in Bezug zu den Göttergestalten und zur Wegmetaphorik in CS gesetzt: vgl. Psych. 710–712 … deus est mihi discolor“, inquit, | nunc minor aut maior, modo duplex et modo simplex; | cum placet, aërius et de fantasmata visus … mit CS 2,855–857 Una deum sequitur divos colit altera plures, | et tot sunt eius divortia quot templorum | signa, quot aëriis volitant fantasmata monstris. Am Schluss des Werkes werden Concordia und Fides im amor Christi vereint: Hunc sincera Fides simul et Concordia, sacro | foedere iuratae Christi sub amore sorores … (Psych. 734–735) 91 Tränkle (2008), 104, Anm. 5; Thomson (1949), 381, Anm. e; Kah (1990), 117. Theodosius schlug Maximus 388 in zwei Schlachten bei Siscia und Poetovio, dazu Demandt (2008), bes. 105ff. Die Schlacht gegen Eugenius am Frigidus (5./6. Sept. 394) wurde häufig zu einem Kampf zweier widerstreitender Religionen stilisiert (so bspw. bei Rufin. hist. 11,33, zu weiteren Autoren Cameron 2011, 93f.). Zum historisch-politischen Hintergrund Demandt (2008), 108ff. Davon, dass es sich bei der Auseinandersetzung vor allem um einen politischen Machtkampf gehandelt haben dürfte, bei dem religiösen Fragen eine eher geringe Bedeutung zukam, gehen bspw. Szidat (1979); Leppin (2003), 205ff.; Cameron (2011) aus. Dem entsprechend spricht sich zuletzt Cameron (2011), 93ff. gegen ein tatsächliches „pagan revival“ aus, das von Theodosius niedergeschlagen worden ist, und führt diese Deutung u.a. auf die einseitige Sichtweise in der christlichen Literatur zurück. Die gemeinsame Nennung und Bezeichnung als tyranni lehnt sich an Ambrosius’ Grabrede für Thedosius an: Contra autem Maximus et Eugenius in inferno quasi nos nocti indicat scientiam, docentes exemplo miserabili quam durum sit arma suis princibus inrogare (Ambr. De Ob. Theod. 39), dazu Harries (1984), 80; Ernesti (1998), 202ff. 92 CS 1,411 pulchra triumphali respexit moenia vultu; 2,731 Scande triumphalem currum spoliisque receptis | huc Christo comitante veni! vgl. Ronning (2007), 378; 339ff. zur Verschmelzung von Triumph und adventus in der Spätantike; Koeppel (1969) zu ikonographischen adventus-Darstellungen, bes. 186ff. zur Verschmelzung in der Ikonographie; Bellen (1963) zum adventus bei Vergil; Lehnen (1997); Lancon (2000), 146ff.; Flaig (2004), 32ff. zum Zeremoniell und zur Wegstrecke. Prudentius greift das Personal auf, das oftmals in ikonographischen Profectio- und Adventusdarstellungen auftritt: Kaiser, weibliche Stadtpersonifikation und Genius Senatus bzw. Populi Romani, die bei ihm durch Roma verkörpert werden, vgl. Koeppel (1969), bes. 156f.; 166ff.; 172ff.; Keller (1967), bes. 198ff. zur Roma/Virtus und gegen eine Verkörperung des Senats und des Volkes auf dem Cancelleria-Relief B. Für die Ankunft des Theodosius erwähnt Prudentius keine typischen

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tet Wolf Steidle zutreffend die literarische Inszenierung einer idealtypischen Situation, in der Kaiser und Stadt in ein Interaktionsverhältnis gesetzt werden93. Den adventus des Honorius beschreibt Claudian in der Nachfolge des Prudentius in seinem sechsten Panegyricus auf den jungen Kaiser94. In der Darstellung der „triumphalen Adventus“95 inszeniert Prudentius Rom als Stadtlandschaft und als Person. Er greift dabei ebenso auf gängige Topoi antiker Autoren zurück wie auf deren Verarbeitung in spätantiken Werken. Für die räumlichen Szenerien sind neben den ‚Klassikern‘ die adventusSchilderungen in den Panegyrici Latini und bei Claudian von besonderem Interesse. Die personifizierte Stadtgöttin muss vor allem in Hinblick auf Symmachus‘ dritte Relatio und Claudians Roma-Darstellungen betrachtet werden. 5.2.1 Der kaiserliche adventus in Rom in der Literatur In der spätantiken Literatur wird das konventionelle Romkonzept oftmals im kaiserlichen adventus aufgegriffen. Die Tradition der literarischen Rombesuche reicht weit zurück: Bereits bei Vergil oder Ovid finden sich adventusSchilderungen, die einen (kritischen) Blick auf die Herrschaft des Augustus

zeremoniellen Akte des adventus, auch lässt sich keine Wegstrecke nachvollziehen. Möglicherweise soll die candidiore toga in CS 1,546–547 als Symbol des Taufkleides die weiße Bekleidung überbieten, die die Bevölkerung und vor allem die Oberschicht bei einem adventus trug, dazu Lehnen (1997), 124. Deren Aufsuchen der Peters- und Paulusbasilika in CS 1,544–551 könnte eventuell auf den kaiserlichen Besuch beider Basiliken hindeuten, vgl. zum adventus und zum Besuch der Petersbasilika durch die spätantiken Kaiser Fraschetti (2002a); Liverani (2007). Bei Honorius treten charakteristische Schmuckelemente des adventus auf, siehe dazu unten S. 266f. 93 Ensslin (1953), 506 datiert noch einen einzigen Rombesuch des Theodosius vor 394 und spricht im Zuge dessen der Prudentiusstelle jegliche historische Beweiskraft ab; Steidle (1971), 271 spricht sich gegen einen historisch datierbaren Rombesuch des Thedosius bei Prudentius aus; ebenso Wytzes (1977), 25ff.; Kah (1990), 142, Anm. 215; Döpp (1986), 76 stellt zutreffend fest, dass Prudentius hier wohl „mehrere Vorgänge kontaminierend zusammenfasst“. 94 Claud. carm. 28, bes. 35–87; 369–375; 529–660. Im Gegensatz zu Prudentius orientiert Claudian seine Schilderung an den Stationen eines kaiserlichen adventus. Zur Reihenfolge von Prudentius und Claudian Tränkle (2008), 44; Roberts (2001); zu Claudians sechstem Panegyricus Cameron (1970); Döpp (1980); Riedl (1995); Dewar (1996); Roberts (2001); Dorfbauer (2009), 207ff.; Schindler (2009); Krollpfeifer (2015); zu den Rombesuchen und Baumaßnahmen des Honorius Jolivet u. Sotinel (2012), bes. 150f. 95 Ronning (2007), 378.

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richten96. Die Motive augusteischer Dichtung werden von spätantiken Panegyrikern aufgegriffen und modifiziert97. Bei diesen finden sich für Prudentius’ Inszenierung des kaiserlichen Rombesuchs eine Paralleltextstelle zu Theodosius und drei Quellen, in denen eine politische Führungsfigur Rom besucht: Der Panegyricus des Pacatus auf Theodosius, die Panegyrici Latini 4 und 12 auf Konstantin, Ammians Schilderung des Rombesuchs von Constantius II. (Amm. 16,10) und Claudians dritter Panegyricus auf das Konsulat von Stilicho (Claud. carm. 24)98. Diese sollen im Folgenden kurz in chronologischer Reihenfolge vorgestellt werden. In den beiden Panegyrici auf Konstantin wird Rom als sozialer Interaktionsraum von Kaiser und Bevölkerung inszeniert, während der Stadttopographie wenig Interesse entgegengebracht wird99. Im Panegyricus des Jahres 313 arrangiert der anonyme Redner eine Notsituation des Staates, in der die personifizierte Roma den Imperator um seine Hilfe gegen den Usurpator Maxentius bittet100. Bei der folgenden Triumphschilderung in Rom scheint die

96 Für die hier vorliegende Passage sind der adventus des Hercules bei Vergil, dazu Bellen (1963), und der adventus des Asklepios bei Ovid von besonderem Interesse, dazu Schmitzer (1990), 273ff., die beide als Folie für Augustus’ Herrschaft und Präsenz in Rom gelesen werden müssen. Ebenso dient die Ankunft des staunenden Aeneas in Pallanteum als Kontrastfolie, dazu Binder (1971), 114ff. 97 In der Panegyrik und insbesondere den Panegyrici Latini wird Rom vorrangig zur Kulisse und zur Bühne der kaiserlichen Selbstdarstellung. Nach dem Vorbild des Plinius des Jüngeren funktioniert die Stadt als sozialer Interaktionsraum zwischen Kaiser und Volk, in dem der jeweilige Herrscher in der literarischen Tradition Trajans als civilis princeps inszeniert werden konnte, dazu König (1999); Nixon/Rodgers (1994), 515, Anm. 168; Greinke in seiner bald erscheinenden Monographie zu den Panegyrici Latini. Als Folie könnte Ov. met. 15,729ff. gedient haben, wo das Volk dem Asklepios entgegen eilt. Erst bei Claudian und Ammian alterniert der Blickpunkt zwischen Kaiser/Triumphator und Stadtraum, zu Ammian Stenger (2012), 203. 98 Claudians De bello Getico wird in der Besprechung des adventus des Honorius im zweiten Buch an den entsprechenden Stellen als Kontrastfolie vorgestellt werden. Die adventusSchilderung in Claud. carm. 26,450–468 (Get.) konzentriert sich auf die Person Stilichos, dem das Volk in Scharen entgegenläuft und zujubelt, und weniger auf die Stadttopographie. 99 Text nach Mynors (1990). Die Inszenierung als Interaktionsraum von Kaiser und Volk geht auf Plinius’ Panegyricus auf Trajan zurück, dazu und zur Roma-Figur Greinke in seiner demnächst erscheinenden Dissertation zu den Panegyrici Latini. 100 Zum Panegyricus Ronning (2007), 291ff.; Mundt (2012), 175f. Die Rede des Jahres 321 behandelt nochmals dieselbe Thematik in zeitlicher Distanz, aber unter genauerer Kenntnis der Ereignisse. Einprägsam ist das Bild der Stadtgöttin gezeichnet, die flehentlich die Hände nach dem rettenden Kaiser ausstreckt: manus supplices Roma tendebat (Pan. Lat. 12[9],14,2. In der Schlacht selbst zieht der personifizierte Tiber den Usurpator in die Tiefe hinab (Pan. Lat. 12[9],17,2;18,1f.). Prudentius übernimmt das Bild in der Milvischen Brü-

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Stadt selbst durch die wogende Menschenmenge zu einem lebenden Organismus zu werden (Pan. Lat. 12[9],19,1–4). In der zweiten Lobrede des Jahres 321 wird die Schlacht an der Milvischen Brücke nochmals thematisiert101. Wiederum findet sich eine hilfsbedürftige personifizierte Stadtgottheit102, die sich in der anschließenden Triumphschilderung unter die befreiten Bürger Roms mischt, so dass die „eben noch reale Szenerie […] zur Allegorie“103 wird. Die Stadt eilt dem Kaiser in sich selbst entgegen. In seinen Res Gestae schildert Ammianus Marcellinus, wie der christliche Kaiser Constantius II. sich während seines Rombesuchs im Jahr 357 tief beeindruckt von den decora urbis aeternae zeigt104. Beim Anblick des Forum Romanum, des Kapitols und anderer vorwiegend paganer Monumentalbauten und Platzanlagen105 wird er staunend (obstipuit) zugleich von Schauer und

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cke, die den Usurpator in die Tiefe stürzen lässt: Mulvius exceptum Tiberina in stagna tyrannum | praecipitans (CS 1,482–483). Konstantin wird zum Rächer Roms stilisiert: Hoc enim, Roma tot vulneribus saucia, vindicari volebas, cum tamen praestantissimus princeps iniuriae suae neglegens ulcisci tuas mallet (Pan. Lat. 4[10],13,2f.). Wie im Panegyricus des Jahres 313 spielt der Tiber eine entscheidende Rolle: Er wird zur unda fatalis, die Maxentius auf seiner schändlichen Flucht vor Konstantin verschlingt (Pan. Lat. 4[10],28,4–30,1). Roma ist hier in sich gekehrt und sucht ihren dolor vor Konstantin zu verbergen. Der Imperator eilt der Stadt daher selbstinitiativ zu Hilfe (Pan. Lat. 4[10],13,1). Mundt (2012), 177 zu Pan. Lat. 4[10],30,4–31,4. Amm. 16,10,13f. Proinde Romam ingressus, imperii virtutumque omnium larem, cum venisset ad rostra, perspectissimum priscae potentiae forum, obstipuit perque omne latus, quo se oculi contulissent, miraculorum densitate praestrictus … | Deinde intra septem montium culmina | per acclivitates planitiemque posita urbis membra collustrans et suburbana, quidquid viderat primum, id eminere inter alia cuncta sperabat: Iovis Tarpei delubra, quantum terrenis divina praecellunt; … aliaque inter haec decora urbis aeternae. Zur Textpassage und zum kaiserlichen Rombesuch Klein (1999); Fraschetti (1999), 241f.; Edwards (1996), 97ff.; Klodt (2001), 63ff.; Schmitzer (2001), 531ff.; Chenault (2008), 87ff.; Stenger (2012); Hartmann (2012b), 288ff. Insbesondere das Trajansforum als Platz kaiserlicher Selbstinszenierung erweckt die Bewunderung des Kaisers, dazu Edwards (1996), 97; Schmitzer (2001), 532f.; gemäß Stenger (2012), 202f. bildet es den Höhepunkt der gigantischen und außerdimensional großen Bauwerke Roms. Zu der programmatischen Auflistung der übrigen Bauten, unter denen die christlichen eklatant fehlen, ausführlich Edwards (1996), 97f.; Klodt (2001), 73ff.; Schmitzer (2001), 532f.; Schmitzer (2005), 248ff.; Hartmann (2012b), 289 stellt fest, dass es sich vorrangig um „Altbauten“ handele, die der frühen und hohen Kaiserzeit entstammten; Stenger (2012), 197, Anm. 39 spricht sich gegen eine Stadtführung aus, „da keine Route erkennbar ist, sondern Ammian gezielt einzelne Bauten herausgreift“.

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Ehrfurcht erfüllt106. Die pagane Stadttopographie verliert auch bei einem christlichen Kaiser nicht ihre intendierte Wirkung. Pacatus Drepanius hält seinen Panegyricus im Jahr 389 vor Kaiser Theodosius in Rom, nachdem dieser Maximus geschlagen hat107. Er setzt Kaiser und Stadt in ein enges Bezugsverhältnis und stilisiert Theodosius’ Anwesenheit in Rom zum Höhepunkt seiner Herrschaft108. Thedosius richtet die res publica wieder auf, die aufgrund der Barbareneinfälle als aegra und exanimata bezeichnet wird109. Seine Regierung wird zum tempus, quo Romana lux coepit (Pan. Lat. 2[12],3,2–3). In der folgenden Beschreibung des triumphus werden Kaiser und Stadt in einen ideologischen Bezug zueinander gesetzt, während der Stadttopographie wenig Bedeutung beigemessen wird (Pan. Lat. 2[12],46,4)110. Der Blick ist weniger auf Rom als auf die Person des Kaisers gerichtet111.

106 Amm. 16,10,16f. is ipse interrogatus, quid de Roma sentiret, id tantum sibi placuisse aiebat, … multis igitur cum stupore visis horrendo imperator de fama querebatur … Dagegen betrachtet er in Symm. rel. 3,7 die paganen Monumente und Göttertempel Roms placido ore. In der Realität sieht sich Constantius II. veranlasst, die ornamenta Roms durch ein weiteres Denkmal zu vermehren und spendet der ehemaligen Hauptstadt einen aus Ägypten importierten Obelisken, was in Amm. 16,10,17 geschildert wird. 107 Vom 13. Juni–30. August/1. September 389 besuchte Theodosius Rom erstmals, der seinen eigentlichen Herrschaftssitz in Konstantinopel hatte: te urbi dies primus invexerit (Pan. Lat. 2[12],47,3). Zur ideologischen Inszenierung Roms sowie zum Verhältnis von Kaiser und Stadt im Panegyricus Rees (2012), bes. 210f. zu Pan. Lat. 2[12],47,5. Zu Autor, Werk und historischem Hintergrund Nixon/Rodgers (1994), 437ff. 108 Der Redner rekurriert auf den Topos der eigenen Sprachlosigkeit angesichts der beiden zu lobenden Größen (Pan. Lat. 2[12],1,2) und hofft, dass auf ihn als Panegyriker eines so großen Anlassen ein wenig des Ruhmes abfallen werde (Pan. Lat. 2[12],47,5f.) 109 Nixon/Rodgers (1994), 450, Anm. 8 mit weiterer Literatur denken hier insbesondere an die Goteneinfälle und die Schlacht von Adrianopel 378. 110 Zur contradictio in adiecto des Triumphes bei einem Bürgerkrieg Wienand (2012), 199– 280, bes. 217ff. zu Pacatus’ Panegyricus. Nixon/Rodgers (1994), 443 vermuten, dass Theodosius seinen Triumph zum Jubiläum des Sieges über Maxentius gefeiert hat. 111 Noch bevor der Kaiser die Stadt betritt, verfolgt die personifizierte Roma von ihren sieben Hügeln aus seine militärischen Erfolge und erblüht vor Stolz ob ihres princeps: Spectabas haec e tuis collibus, Roma, et septena arce sublimis celsior gaudio ferebaris (Pan. Lat. 2[12],46,1). Während seines Besuchs besichtigt Theodosius zwar öffentliche und private Bauten, es werden aber lediglich die Kurie und das Forum namentlich bzw. in einem Pars pro toto benannt: Ea vero quae Romae gesta sunt, qualem te Urbi dies primus invexerit; quis in curia, quis in rostris; … non publica tantum opera lustraveris sed privatas quoque aedes divinis vestigiis consecraris … (Pan. Lat. 2[12],47,3). Zur Kaiserfigur in der adventusSzenerie Nixon/Rodgers (1994), 515, Anm. 168. Als Vorbild dürfte der Panegyricus des Plinius auf Trajan gedient haben, dazu Ronning (2007), 24ff.

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Claudians dritter Panegyricus auf das Konsulat Stilichos im Jahr 400 erweist sich als bestimmender Prätext für die Gestaltung der urbanen Szenerie bei Prudentius112. Die Stadtlandschaft Roms wird an zwei Stellen beleuchtet113. In den Versen 63–72 wogt eine begeisterte Menge ebenso wie im Panegyricus des Jahres 313 durch die Straßen Roms. Die sieben Hügel der Stadt glänzen golden und sind mit zahlreichen Spolien geschmückt, während die Tempelbauten bis in die Wolken ragen114. Die Beschreibung der Stadtszenerie wird durch eine zweifache Aufforderung an Stilicho und den Rezipienten, genau hinzusehen, eingerahmt und ebenso wie bei Ammian ruft auch hier die Betrachtung des Stadtraumes vor allem Staunen und Begeisterung hervor (Claud. carm. 24,65 circumspice; 70 attonitis metiri oculis). Stilicho selbst überblickt wenig später als pater und servator urbis115 die ganze Stadt aus der Panoramaperspektive. Claudian rekurriert nochmals auf die konventionellen Topoi der laudes Romae und stellt den Reichtum, die Größe sowie die göttliche Providenz und die Präsenz der Gottheiten in der Stadt heraus116. Mehr als seine Vorgänger betont er in beiden Passagen das 112 Dass Prudentius eine kontrastierende Neuinterpretation der adventus- und Stadtszenerie von Claudians dritter Panegyricus auf das Konsulat Stilichos vornimmt, hat bereits Roberts (2001), 547ff. herausgearbeitet. Er geht von wechselseitigen intertextuellen Bezügen zwischen Prudentius und Claudian aus, so dass die Passage in CS ein „polemical redeployment“ von Claud. carm. 24,65ff. ist, das wiederum von Claudian in carm. 28 beantwortet wird. Die enge Anlehnung an Claudian lässt sich darauf zurückführen, dass der Panegyricus zum einen die jüngste und aktuellste zeitgenössische Rominterpretation beinhaltet und zum anderen eine verdichtete Zusammenstellung der grundlegenden Romtopoi früherer laudes Romae ist. Für das personale ‚setting‘ ist Claudians Panegyricus auf Probinus und Olybrius entscheidend. 113 Cameron (1970), 236 bezeichnet die zweite Passage als „perhaps the most eloquent eulogy of Rome in all ancient literature“. Zu den Romdichtungen Claudians Furhmann (1986), 551ff. zur Romidee in der Textpassage Claud. carm. 24,130–173 Keudel (1970), bes. 127ff.; Meyer (1977), bes. 238ff.; Riedl (1995), bes. 544ff.; Long (2004); Behrwald (2009), 89ff. mit weiterer Literatur; Mundt (2012), 178f.; Roberts (2001) zum Verhältnis zu Prudentius. 114 Claud. carm. 24,65–70 septem circumspice montes, | qui solis radios auri fulgore lacessunt, | indutosque arcus spoliis aequataque templa | nubibus et quidquid tanti struxere triumphi. | Quantae profueris, quantam servaveris urbem, | attonitis metire oculis. 115 Claud. carm. 24,52 O felix servata vocat quem Roma parentem! Zur Tradition des Kaisers als conservator urbis in Anlehnung an Cicero in der Panegyrik: Cic. Phil. 2,51 … cum ab hoc ordine ego conservator essem, tu hostis rei publicae iudicatus; Pan. Lat. 10[2],23,2 conservatores tui (Diokletian und Maximian); Pan. Lat. 4[10],3,3 … quam ex ipsis faucibus fati Roma servata (Konstantin). Zu Maxentius als conservator urbis Cullhed (1994). 116 Keudel (1970), 120 spricht davon, dass die „laudes Romae 65–70 und 130–173 hier als selbständiges Gedicht innerhalb des Panegyricus (jedoch dem Preis des Stilicho untergeordnet […])“ aufgefasst werden können. Sie schließt aus einer Vielzahl an Reminiszenzen

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nahezu überdimensionale Erscheinungsbild Roms und seiner Bauten, in dem sich der Ewigkeitsanspruch der ‚göttlichen‘ Stadt widerspiegelt, wenn die Giebel bis zu den Sternen emporragen und Rom zu einem Abbild des Olymps wird117. Neben der Imagination des Stadtraumes118 wird Rom personifiziert und als parens und domina bezeichnet (Claud. carm. 24,97)119. Umrahmt von den zwei Rombeschreibungen wird eine Passage, die das topische Lob der Frühzeit Roms aufgreift120. Die damals etablierten gesellschaftlichen, religiösen und ideologischen Grundanschauungen und Werte werden zu einem anstrebenswerten Ideal stilisiert, das in der Gegenwart durch den

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und Anspielungen, dass Claudian „für dieses Gedicht das für Gedanken der Advents- und Romideologie berühmteste poetische Vorbild benutzte, den vergilischen Panegyricus auf Augustus und seine Umgebung im sechsten Aeneisbuch“. Auch Roberts (2001), 546 führt Claudians Rom auf Vergils „Euandrian Rome“ der Aeneis zurück und merkt an, dass „Claudian’s epitomizing cityscape derives authority from the Virgilian reference, while laying claim to a continous tradition with Augustan Rome and, before it, with the legendary first settlement of Euander.“ Ähnlich Müller (2011), 230. Claud. carm. 24,130–139 Proxime dis consul, tantae qui prospicis urbi, | qua nihil in terris conplectitur altius aether, | cuius nec spatium visus nec corda decorem | nec laudem vox ulla capit, qua luce metalli | aemula vicinis fastigia conserit astris, | quae septem scopulis zonas imitatur Olympi, | armorum legumque parens, quae fundit in omnes | imperium primique dedit cunabula iuris, | haec est exiguis quae finibus orta tetendit | in geminos axes parvaque e sede profecta dispersit cum sole manus … Der Vergleich Roms mit dem Olymp findet sich vielfach in der antiken Literatur. Bei Claudian selbst wird Rom in seinem De bello Getico mit dem Olymp in einen vergleichenden Bezug gestellt: Ebenso wie die Giganten einst vergeblich versuchten, den Olymp zu stürmen, versagen die Goten an ihrem Vorhaben, Rom zu erobern (Claud. carm. 26,61–76), dazu Schindler (2009), 142. Wieder aufgenommen wird der Vergleich in Claud. carm. 27 (Praef. 6. cons. Hon.) 21ff. Die Beschreibung der Stadt ist möglicherweise von Stat. silv. 4,2,18–22 motiviert; dort ragen die Giebel von Domitians Palast bis zu den Göttern hinauf und das benachbarte Kapitol staunt ob der überdimensionalen Ausmaße des Baus: Tectum augustum, ingens, non centum insigne columnis, | sed quantae superos caelumque Atlante remisso | sustentare queant. Stupet hoc vicina Tonantis | regia, teque pari laetantur sede locatum | numina nec magnum properes excedere caelum:, dazu Klodt (2001), 37ff. Stilicho wird noch an verschiedenen Stationen eines adventus imaginiert (Claud. carm. 24,198–201), dazu Behrwald (2009), 90. Stärker als im Lob auf Stilicho verschmelzen Stadtraum und Personifikation nach dem Vorbild der Panegyrici Latini in Claudians sechstem Panegyricus auf Honorius, dazu zuletzt Krollpfeifer (2015), 121ff. Zum Zusammenhang von Frühzeit und mores maiorum Liv. praef. 6ff.; vgl. auch den Sammelband zum mos maiorum im republikanischen Rom von Linke/Stemmler (2000); vgl. Walter (2004), bes. 109ff.; Kolter (2008) zur Diffamierung der Frühzeit bei den Apologeten.

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Heermeister verwirklicht wird121. Das goldene Strahlen und die überdimensionale Ausdehnung der Stadt werden auf die militärischen Erfolge Stilichos zurückgeführt. Implizit werden seine Nähe zu den alten Göttern und das Wiedereinführen der traditionellen Sitten und Gebräuche einer pristina aetas zum Grund für das Wiedererblühen Roms122. Bei einem kaiserlichen adventus wird Rom entweder durch die Stadttopographie als physischer Raum vorstellbar oder als anthropomorphe Frauenfigur. In der Personifikation werden Elemente, die eine Situation oder einen Ort deskriptiv beschreiben, bildlich in einer Person fixiert123. Zur Tradition der personifizierten Roma liegen zahlreiche literaturwissenschaftliche und archäologische Studien vor124. Für das literarische Motiv sind die zwei Aufsätze von Ulrich Knoche nach wie vor grundlegend. Er zeigt auf, wie die Göttin Roma in republikanischer und augusteischer Zeit zur Verkörperung der res Romana wurde, in der die Ideologie des imperium sine fine fassbar und darstellbar wurde. Die Roma aeterna fungiert als „Sinnbild römischer Selbstauffassung“125, sie dient der Identitätsabgrenzung gegenüber anderen Völkern und wird zu einem Symbol für die Stadt und den römischen Hegemonialanspruch. 121 Claud. carm. 24,120–124 Sic docuit regnare socer, sic casta iuventae | frena dedit, teneros his moribus imbuit annos, | verior Augusti genitor, … | … per quem squalore remoto | pristina Romuleis iam floruit artibus aetas. 122 Claud. carm. 24,125–129 … per quem fracta diu translataque paene potestas | non oblita sui servilibus exulat arvis, | in proprium sed ducta larem victricia reddit | fata solo fruiturque iterum, quibus haeserat olim, | auspiciis capitique errantia membra reponit. In Claud. carm. 24,130 wird Stilicho als proxime dis consul angesprochen, was die Vermutung nahelegt, dass er auch den alten Götterkulten nahe gestanden haben könnte. Gemäß Bury (1923), 137; Seeck (1921), 329 ließ er angeblich gemeinsam mit Honorius den Victoriaaltar in der Kurie wieder aufstellen. Zur Verbindung Stilichos mit der Goldzeitaltervorstellung Dorfbauer (2009), 116ff. In den Versen Claud. carm. 24,166–173 wird die Beständigkeit Roms auf die Providenz der Götter zurückgeführt, dazu Behrwald (2009), 90; in den Versen 202ff. werden die Siege Stilichos von Victoria bedingt. Dass hieraus keine pagane Haltung des empirischen Autors Claudian abgeleitet werden muss, betont zuletzt Dorfbauer (2009), der dem Götterapparat bei Claudian vor allem eine metonymische und symbolische Funktion zuspricht. 123 Vgl. Kurz (2004), 53f. zur deskriptiven Allegorie. Seine Abgrenzung von Allegorie und Personifikation ist vage, vgl. Ebd. 63. Hier greift die Definition von Laumont (1977), 49, der Kurz’ Definition zu Recht als widersprüchlich bezeichnet: „Allegorische Personifikationen bzw. Personifikationsallegorien sind bildliche Umsetzungen deskriptiver Allegorien und umgekehrt in solche überführbar.“ 124 Zur Figur der Roma in der Antike und Spätantike Hommel (1942); Knoche (1952); Knoche (1969); Richter (1977); Mellor (1981); Alföldi/Alföldi (1990), Bd. 2, 87ff.; Roberts (2001); Wolf (2010), 156ff.; einen kurzen Forschungsabriss und eine Literaturübersicht bieten Pietsch (2001), 259ff.; Lühken (2002), 172, Anm. 2; Pollmann (2013), 12. 125 Knoche (1969).

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Noch in der Spätantike ist sie der bildhafte Ausdruck einer großen Vergangenheit, die mit dem Versprechen auf eine glorreiche Zukunft verbunden wird, wenn die herkömmliche Tradition und Religion fortgeführt wird. In der römischen Stadttopographie erscheint die Idee des ewigen Rom im templum Urbis und im Kultbild der Stadtgöttin. In der Literatur tritt wiederholt eine personifizierte Roma auf, die oftmals redend für die eigene Sache eintritt. Sie wird zu einer Repräsentantin altrömischer Traditionen und zu einer Verfechterin der eigenen Geschichte, der überlieferten Werte und der religiösen Normen126. Obwohl das Christentums bereits seit einigen Jahren zur Staatsreligion erhoben worden und Rom im Krieg an die Goten gefallen ist, inszeniert noch Rutilius Namatianus Roma in seinem Werk De reditu suo 414 n. Chr. als wirkmächtige Stadtgottheit, die den alten römischen Traditionen verpflichtet ist127. Die Rom-Allegorie des Prudentius ist vorrangig daraufhin untersucht worden, inwiefern sich aus dem literarischen Motiv der personifizierten Göttin Erkenntnisse für das Rombild bzw. die Romideologie des christlichen Autors ableiten lassen. Die Roma renascens des zweiten Buches Contra orationem Symmachi wird vor dem Hintergrund des zeitgenössischen politischen Romdiskurses gelesen oder als Teil einer poetischen Tradition betrachtet. Sie wird entweder als ein gängiges Sinnbild in der Debatte um Rom und die römische Religion aufgefasst oder als reine Wiederaufnahme eines literarischen Topos, mit dem die Argumentation belebt werden soll128. Zum Ausgangspunkt für diese Überlegungen wird die berühmte Prosopopoiia der Roma in der dritten Relatio des Symmachus, die eine Vielzahl literarischer Reminiszenzen nach sich zog und auf die auch die Personifikation Roms bei Prudentius zurückzuführen ist129. Seine konvertierte und im Chris126 Knoche (1952), bes. 324; Klein (1972); Klein (1986); Krollpfeifer (2015), 114f. Die RomaFigur bei Claudian wird nicht nur als Restaurationsversuch herkömmlicher Werte und Normen, sondern ebenso einer literarischen Tradition betrachtet oder als panegyrisches Instrument, vgl. Keudel (1970), 128; Cameron (1970), 364ff.; Roberts (2001), 537f.; Schindler (2009), 65ff.; Dorfbauer (2009), 229ff.; Krollpfeifer (2015), 112ff. 127 Rut Nam. 1,1ff., dazu Knoche 1949), 491ff.; Roberts (2001), 539ff.; Schierl (2013). 128 Roberts (2001), 539 fasst Roma als „Sprachrohr“ für Prudentius Argumente; Sals (2004), 25 führt die Roma bei Prudentius allein auf die literarische Tradition zurück. Das Motiv der altersweisen Roma tritt bereits im 1. Jh. n. Chr. auf und wird von den spätantiken Autoren wieder aufgegriffen, bspw. bei Flor. epit. 1 praef. 4–8; Amm. 14,6,3–5, dazu Schwabl (1984), 413. Das wohl berühmteste Beispiel der im Alter ergrauten Roma findet sich in der Debatte um den Victoriaaltar des Jahres 384 in Symm. rel. 3,9 und Ambr. epist. 18,7, dazu Gnilka (2001f), 222ff. In Claud. carm. 15,208ff. wird Roma von Jupiter erstmals verjüngt, dazu Roberts (2001), 535f. 129 Gnilka (2001f), 222; Roberts (2001), 538. Prudentius übernimmt in seiner RomaDarstellung sowohl von Symmachus als auch von Ambrosius verschiedene Motive: das hohe

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tentum wieder verjüngte Roma kann als eine motivische und ideologische „Kontrastimitation“130 zur Stadtgöttin des Symmachus gelesen werden, die im Alter ergraut für ein Festhalten an den alten Kulten plädiert. Daneben wird den zahlreichen Auftritten einer personifizierten Roma bei Claudian ein entscheidender Einfluss auf die literarische Ausgestaltung der Stadtpersonifikation bei Prudentius zugesprochen, von dem wohl auch das Motiv der Revitalisierung übernommen worden sein dürfte131. 5.2.2 Theodosius und Rom bei Prudentius Sowohl zu Beginn als auch am Ende des ersten Buches werden Theodosius und Rom in ein Beziehungsverhältnis zueinander gesetzt. Im Proömium wird die Stadt von den vitia gentilia heimgesucht und droht vor Schmutz zu starren, falls keine Gegenmaßnahmen eingeleitet werden132. Der erste Teil des Proömiums schließt mit dem diagnostischen Befund, dass man von Gott ein Heilmittel gegen den ‚alten Schmutz‘ des antiken Götterglaubens erflehen müsse (CS 1,6–7 antiquus veternus). Im Folgenden tritt Theodosius als Retter der Stadt und ihrer Bewohner auf, denen er die notwendige medicina in Form seiner antipaganen Religionspolitik verabreicht. Schon in den Einleitungsversen des ersten Buches rekurriert Prudentius auf die Rominszenierungen augusteischer sowie mittelbar und unmittelbar zeitgenössischer Literatur und stellt sie in einen christlichen Deutungskontext. Von panegyrischen Texten übernimmt er das hierarchische Interaktionsverhältnis,

Alter, das schamvolle Erröten und die Bekehrung (CS 1,511–523; Symm. rel. 3,9; Ambr. epist. 18,7). In CS 2,80–84 verwirft Prudentius das Bild der altersgrauen Roma des Symmachus und paraphrasiert den Inhalt ihrer Rede in der dritten Relatio. Zur Roma bei Symmachus Klein (1971), 99ff.; Gnilka (2001f); Chiai (2016), 280ff., der die Roma als „Metapher für den Untergang der traditionsgebundenen Ordnung der Stadt Rom“ liest. 130 Thraede (1962), 1039 definiert Kontrastimitation als „eine Übernahme von Junkturen zum Zwecke gegenteiliger Aussagen“. Der Begriff wird übernommen von Roberts (1996), 166, Anm. 65 „a case of contrast imitation“ und findet sich wiederholt bei Lühken (2002), bspw. 29 zur Definition. 131 CS 2,655–656, vgl. Claud. carm. 15,208ff., dazu Cameron (1970), 364; Gärtner (1998), 173, der als Kaiser bei Prudentius Honorius statt Theodosius annimmt. Gemäß Roberts (2001), 538f. übernimmt Prudentius auch das Erscheinungsbild der Stadtgöttin im Waffenkleid von Claudian und allegorisiert es, indem er Helm und Wehrgehenk mit einem Ölzweig und grünen Girlanden umwunden sein lässt (CS 2,663–664). Zum Motiv zuletzt Pollmann (2013), 27f.; Schierl (2013). 132 CS 1,1–8, bes. 6f. … patris imploranda medella est, | ne sinat antiquo Romam squalere veterno.

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in das Ort und Ankömmling bzw. Rom und Kaiser gesetzt werden: Allein Theodosius kann die Stadt und ihre Bewohner ‚heilen‘133. Es findet sich die Überlagerung von urbaner Realität und weiblicher Allegorie der zeitgenössischen Panegyrik: Das Bild einer personifizierten und krankenden Roma übernimmt Prudentius von zwei verschiedenen panegyrischen Gedichten und beschreibt den desolaten Zustand Roms mit dem Attribut aeger (CS 1,1 aegra urbs ) 134. Bei Pacatus wird die res publica wegen der Gotenkriege als aegra beschrieben, während in Claudians Bellum Gildonicum der anhaltende Hunger die personifizierte Roma zur aegra werden lässt135. Prudentius führt das Leiden Roms anstatt auf die Barbareneinfälle 133 In der renovata luis Roms spiegelt sich die dira lues, die in Ov. met. 15,626 Latium befallen hat (CS 1,5; vgl. ferner CS 1,3 mali mit Ov. met. 15,633 urbis mala). Bei Ovid bringt Asklepios’ Heilung, vgl. Schmitzer (1990), 276, der den Topos der Krankheit bei Kriegen herausstellt. Die Passage bei Prudentius ist als Kontrastimitation zum adventus des Gottes in Rom bei Ovid zu lesen: Theodosius wird als Arzt konzipiert, der Asklepios in seinen heilbringenden Maßnahmen für die Stadt übertrifft. Neben der Krankheitsmetapher übernimmt Prudentius die Schmutzvorstellung, die bei Ovid die verpestete Luft und squalebant evozieren (Ov. met. 15,626 vitiaverat auras); ebenso könnten Vergils infernalischer Cacus und dessen Behausung die Konzenption von Finsternis unterstützt haben (Verg. Aen. 8,241ff.). Dessen Bezeichnung als monstrum (vgl. Bellen 1963, 25f.) wird in den monstra deorum aufgenommen. Zur Konzeption des Theodosius als Arzt Kah (1990), 113f., vgl. Pan. Lat. 2[12],3,4f.; Ronning (2007), 229 spricht von einem „topische[n] Arzt-Gleichnis“ (vgl. Pan. Lat. 5[8],5,3 zu Konstantin). In der zeitgenössischen Panegyrik sind die menschlichen Akteure den paganen Gottheiten meist überlegen, dazu Dorfbauer (2009); bes. 207ff.; Schindler (2009), 60ff. 134 Der Leser muss das ihm über Literatur und Ikonographie bekannte Bild der Kriegerin Roma durch die Vorstellung einer krankenden urbs ersetzen. Die kriegerische Roma-Figur war jedem Römer durch zahlreiche ikonographische Abbildungen in Kultbildern, Statuen und Münzen sowie durch literarische Darstellungen bekannt und prägte dessen Lebensraum, vgl. Gnilka (2001d), 191, Anm. 14 mit weiterführender Literatur. 135 Pan. Lat. 2[12],3,3 Iacebat innummerabilibus malis aegra vel potius dixerim exanimata res publica, barbaris nationibus Romano nomini velut quodam diluvio superfusis; Claud. carm. 15,17ff. Exitium iam Roma timens et fessa … tendebat Olympi …: vox tenuis tardique gradus oculique iacentes | interius; fugere genae, ieiuna lacertos | exedit macies. Umeris vix sustinet aegris | squalentem clipeum; laxata casside prodit | canitiem plenamque trahit rubiginis hastam. Während bei Claudian nur die Schultern der Roma mit dem Attribut aeger belegt werden, weitet Prudentius das Bild auf das gesamte Erscheinungsbild der Stadt(landschaft) aus. Wendungen wie antiqui pericula morbi, malum und renovata luis (CS 1,2; 3; 5) verstärken die Vorstellung eines akuten Seuchenbefalls, der nicht nur die Stadt, sondern auch die Bewohner trifft (CS 1,4 in arce; 6 Romulidum). In seinem Zustand der Schwäche mag das krankende Rom auch an die longaeva Roma von Symm. rel. 3,9 erinnern, die Ambrosius in epist. 18,4 in Tränen ausbrechen lässt: In prima propositione flebili Roma questu sermonis inlacrimat veteres, ut ait, cultus caerimoniarum requirens, vgl. CS 2,80–84.

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oder den anhaltenden Hunger auf die Ausübung der falschen Religion zurück. Das literarische Motiv der beiden Panegyriker wird unter dem Blickpunkt einer christlichen Weltbetrachtung umgedeutet und auf die Kontroverse zwischen Götterreligion und Christentum übertragen. Beim christlichen Dichter krankt Rom an der falschen Religion136. Die Krankheitsmetapher und Anthropomorphisierung Roms werden mit einer Schmutzmetapher und Panoramaansicht des Stadtraumes durchmischt, die im Kontrast zur konventionellen Roma aurea und pulcherrima stehen137. 136 Ebenfalls wird das Bild einer ‚Totenstadt‘ von Claudian übernommen. In der räumlichen Beschreibung wird Rom in den Werken beider Dichter als eine Stadt inszeniert, deren Hügel bzw. deren Außenbezirke von unzähligen Leichen und Gräbern bedeckt sind. Während bei Claudian die zahlreichen Toten auf die Hungersnot zurückgeführt werden (Claud. carm. 15,35ff.), wird bei Prudentius die Christenverfolgung unter den paganen Kaisern zum Grund für den Tod vieler Römer, deren Gräber in der theodosianischen Gegenwart die suburbane Landschaft Roms prägen: Mox, ubi contiguos fossis muralibus agros | sanguine iustorum innocuo maduisse recordans | invidiosa videt tumulorum milia circum, | tristis iudicii mage paenitet ac dicionis | effrenis nimiaeque sacris pro turpibus irae (CS 1,514–518). Von den hier gemeinten Märtyrergräbern müssen die vorher angeführten patrum monumenta (CS 1,403) deutlich abgegrenzt werden, die als Orte paganer Totenverehrung diffamiert werden. Der Topos der vor Blut und Leichen starrenden Hügel lässt sich auf Lucan. 7,789–791; 794f. zurückführen, dient aber im eigentlichen Sinne als ein Topos epischpanegyrischer Schlachtenschilderung, dazu Schindler (2009), 68, weitere Belege Anm. 34. Eben dieser Topos tritt auch bei Claud. carm. 1,110ff. zur Untermauerung des erfolgreichen Sieges von Theodosius auf. Mit dem Aufgreifen dieses Bildes evoziert Prudentius die Vorstellung Roms als Kampfschauplatz. 137 CS 1,7–11 … ne sinat antiquo Romam squalere veterno | neve togas procerum fumoque et sanguine tingui. | Inclytus ergo parens patriae moderator et orbis | nil egit prohibendo, vagas ne pristinus error | crederet esse deum nigrante sub aëre formas, vgl. Ov. met. 15,627 corpora squalebant. Tränkle (2008), 103 übersetzt antiquo squalere veterno mit „vom alten Schmutz entstellt“, wodurch das Bild eines von heidnischer (baulicher und gedanklicher) Verunreinigung überzogenen Rom entsteht, was an dieser Stelle sehr passend ist. Zur Bedeutung und Etymologie von squalor/squalere Walde – Hofmann (1954), 582f. s.v. squalus; OLD (2007), 1811 s.v. squaleo: Squalere bedeutet ursprünglich „to be covered with a rough or scaly layer“ und wird auf Tiere und insbesondere Schlangen bezogen (Sil. 2,547). Im übertragenen Sinne trägt es die Bedeutung ‚schmutzig, ungepflegt oder schlammverkrustet sein‘ und wird auf Gegenden, Gebäude, Kleidung und Rüstzeug übertragen (Ov met. 2,760; fast. 5,397; Lucan. 8,57). Die Assoziation zu den Schlangen bleibt dabei nicht selten bestehen (Ov. met. 4,411 humus serpentibus atris squalere; Luc. 9,384 squalent serpentibus arva). Squalere kann weiterhin mit Krankheit (Ov. met. 15,627) oder mit Trauer (Cic. Sest. 32) assoziiert werden. Wolken werden mit squalere als dunkel und finster gekennzeichnet (Lucan. 6,625; Stat. Theb. 1,647) und Landstriche als Brachland (Verg. georg. 1,507). Viele Bedeutungskomponenten werden in dem Bild der Roma squalentia bei Prudentius assoziativ aufgegriffen. Die Vorstellung einer Schlange findet sich in CS 1 praef. jedoch nicht im hexametrischen Teil. Fumus verweist auf den Rauch, der bei paganen Opferzeremonien entstand, und lässt sich möglicherweise auf Tert. apol. 23,14

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Prudentius greift die Identifizierung von Schmutz und Götterkult von Hieronymus auf: Bei diesem ist das Kapitol unter dem Gold verunreinigt, bei Prudentius die gesamte Stadt. Ebenso dürfte der vor Schmutz starrende Schild der Göttin Roma in Claudians Bellum Gildonicum eine Anregung für das Bild geboten haben138 . Alle Motive des Proömiums werden am Ende des Buches in der Interaktion von Kaiser und Stadt wieder aufgenommen und verstärkt. Theodosius hält eine Rede an die fida parens und regina des Erdkreises (CS 1,408–523). Er fordert Rom auf, das Göttliche nicht in vergänglichen Werken von Künstlern oder der irdischen Welt zu suchen, sondern den Blick aufwärts gen Himmel zu richten und stattdessen die Macht des christlichen Gottes zu erkennen und zu achten (CS 1,415–460). Dabei verweist er auf seine jüngsten Triumphe und inszeniert sich selbst als zweiten Konstantin, dessen Sieg über Maxentius Rom in die Freiheit geführt habe (CS 1,461–495) 139. Während dieser als Rächer (CS 1,467 ultor) die Stadt und insbesondere die Senatoren von der knechtenden Herrschaft des Usurpators erlöste, befreit Theodosius Rom von den errores veteres einer paganen Vergangenheit (CS 1,507)140. Seine herausragende Leistung besteht weniger in dem zwar erwähnten, aber nicht weiter ausgeführten militärischen Erfolg über die zwei Usurpatoren, als vielmehr in seinem spirituellen Sieg über den alten Götterglauben. Die vorgetragenen edicti des Kaisers gegenüber Roma spiegeln seine tatsächlichen Edikte wider, die er in seiner Regierungszeit gegen den antiken Götterglauben erlassen hat, und kontrastieren mit den edicti, die Saturn einst

zurückführen, der gemäß Opelt (1980), 15 über die Darstellung der Opferzeremonien den „Dämonencharakter heidnischer Götter“ nachweist. 138 Hier. epist. 107,1 ad Laetam: Auratum squalet Capitolium, fuligine et aranearum telis omnia Romae templa cooperta sunt …, dazu Grig (2012), 135ff., die den Brief auf das Jahr 401 datiert; bei Paulinus von Nola starren die paganen Götterbilder beim Fest der Apostel in Rom in desertierten Tempeln vor Schmutz: In vacuis simulacra tremunt squalentia templis (Paul. Nol. carm. 19,67–70); Claud. carm. 15,23f. Umeris vix sustinet aegris | squalentem clipeum. 139 CS 1,415–505, bes. 467–495. Vgl. Pan. Lat. 12[9],18,1–19,1; 4[10],30,4–32,9, dazu Ronning (2007), bes. 331ff.; Mundt (2012), 175ff.; Greinke in seiner bald erscheinenden Monographie zu den Panegyrici Latini. Die Urbs liberanda wird in den Panegyrici zum Legitimationsgrund für den Bürgerkrieg und avanciert bereits dort zu einem politischen Schlagwort (Pan. Lat. 12[9],2,4; 3,3; Pan. Lat. 4[10],31,1), dazu Ronning (2007), 327ff. 140 Zum ultor-Motiv und Augustus in Vergils adventus des Hercules Bellen (1963), 29; vgl. Schmitzer (1990), 238ff.; 284f. zu Ovid.

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zugunsten der Götterkulte ausgesprochen hatte141. Mit Theodosius’ Religionspolitik setzt Prudentius das tatsächliche Ende der lange währende Folge schlechter paganer Herrscher an142: Auf seine Rede hin konvertiert Rom zum christlichen Glauben (CS 1,506–523). Wie zu Beginn des Buches changiert die Rominszenierung nach dem Vorbild panegyrischer Werke zwischen Verweisen auf den physischen Stadtraum und einer Personifikation. In den ersten Versen werden bis zur Anrede Romas lediglich topographische Merkmale und keine somatischen Eigenschaften benannt. Die Darstellung der Stadtlandschaft deutet auf typische topographische Merkmale Roms143. Erst innerhalb der kaiserlichen Rede wird die stadtrömische Szenerie zur weiblichen Allegorie. Mit Romas Auftreten verwischen die Grenzen zwischen physischem Raum und anthropomorphem Individuum und können – auch im Rückblick auf die vorangegangenen Verse – nicht mehr scharf umrissen werden. Die tristes habitus (CS 1,415–416) der Stadtpersonifikation spiegeln sich in der Beschreibung des urbanen Raumes144. Zu Beginn der Passage überblickt Theodosius in einer Panoramaansicht ganz Rom. Er wird zur bestimmenden Wahrnehmungsinstanz, aus deren Per-

141 Vergleiche CS 1,506–510 Talibus edictis urbs informata refugit | errores veteres … mit CS 1,43f. Edictis qui [sc. Saturnus] talibus informavit | agrestes animos et barbara corda virorum. Zu den Edikten des Theodosius bei Prudentius Ernesti (1998), 240. 142 Der Übergang von Theodosius im Proömium zu Saturn setzt ihre Herrschaft in einen Vergleich: Num melius Saturnus avos rexisse Latinos | creditur? (CS 1,42f.). Der Beginn der schlechten Herrschaft wird im goldenen Zeitalter unter Saturn und im silbernen unter Jupiter angesetzt (CS 1,42–83), es folgt die von Lühken (2002), 109 so bezeichnete „Generation der Kinder“ als dritte aetas unter Mercur und weiteren Gottheiten (Die Folge der Weltalter ist, wenn auch grob, an Ov. met. 1,89ff. angeleht); die Verehrung der Kaiser als Gottheiten setzt die Tradition fort (CS 1,245ff.). Konstantin wird in dieser finalen Betrachtung lediglich zum Wegbereiter für Theodosius. 143 CS 1,411 moenia; 414 septena ex arce, vgl. Verg. georg 2,534–535 … pulcherrima Roma, | septem una sibi muro circumdedit arces. Zu den Topoi der moenia und Hügel Roberts (2001), 542ff. Der bei Prudentius beschriebene urbane Raum weist mit dem Stadtbild, das Claudian entwirft, bis auf die Anführung der sieben Hügel keine größeren Gemeinsamkeiten auf. Die beschreibenden Charakteristika, die Claudian für seinen Stadtraum heranzieht wie der decor und die Höhe werden erst in Kombination mit der personifizierten Roma eingeführt. Vgl. zur Höhe Claud. carm. 24,131ff. qua nihil in terris complectitur altius aether, | cuius nec spatium visus nec corda decorem … capit mit CS 1,419f. alti | verticis horret apex; zum decor die folgenden Verse CS 1,420ff. 144 Die habitus (CS 1,416) können sowohl den Zustand des Körpers als auch der Stadtlandschaft bezeichnen; der cultus (CS 1,416) kann ebenfalls eine bebaute Gegend oder aber ein gepflegtes Äußeres meinen; Die Bezeichnungen caput, vertex und apex (CS 1,418; 420) müssen ambivalent aufgefasst werden und können entweder eine Bezeichnung des menschlichen Kopfes oder aber eines erhöhten geographischen Punktes sein.

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spektive der Stadtraum interpretiert und beurteilt wird. Eine Leserinstanz wird aufgefordert, dem Kaiser ‚über die Schulter zu schauen‘ und die urbane Landschaft gemeinsam mit ihm zu betrachten145: En quibus inplicata squalebat regia summi imperii tractis maiorum ab origine sacris, cum princeps gemini bis victor caede tyranny pulchra triumfali respexit moenia vultu. (CS 1,408–411) Rom wird in Anlehnung an seine ideologische Stellung mit dem feierlichen Ausdruck regia summi imperii belegt. Der Kaiser nimmt die pulchra moenia wahr, was sowohl die Mauern als auch das gesamte Stadtareal meint146. Der Dichter referiert in seiner Romdarstellung auf zwei der traditionellen Topoi der laudes Romae: die Erhabenheit der Stadt, die sich auch in ihrer Ausdehnung widerspiegelt, und ihre Schönheit (pulchra). Hier wird eine vorgeformte und der Leserschaft des Prudentius geläufige Vorstellung des Stadtbildes aufgerufen, wie sie sich vielfach in der zeitgenössischen Literatur findet147. Durchbrochen wird das konventionelle Rombild durch das Verb squalere, das die Vorstellung des verschmutzen Zustandes der Stadt aus dem Proömium 145 Auch in den vorangehenden Versen CS 1,400–407 wird eine Leserinstanz direkt angesprochen. Erst in Vers 410 wird der Blickpunkt auf die Person des Theodosius verlagert, dennoch bleibt der Leser in den darauf folgenden Versen zweiter Betrachter Roms. 146 Gemäß Roberts (2001), 542 fungieren in der antiken Literatur die Hügel und die Mauern als Metonymie für Rom, erst in der Spätantike haben auch vermehrt andere Städte Mauern. Der Begriff moenia kann ebenso die ganze Stadt bezeichnen, vgl. OLD (2007), 1125 s.v. moenia. Bei Prudentius tritt der Begriff in Bezug auf Rom mit Attribut nochmals in Perist. 11,43–44 auf: humum celsae intra moenia Romae. In CS 1,50f. (moenia Saturnia) und Perist. 2,416 (auctor horum moenium) bezeichnen die moenia eine ganze Stadt. Gemäß Gernentz (1918), 57f. ist pulcher ist ein gängiges Attribut, das auf die ganze Stadt verweist; zu Belegstellen des Attributs pulcher bei anderen Autoren vor allem im Superlativ Kah (1990), 100; Lühken (174), Anm. 11. Den Superlativ pulcherrima Roma gebraucht Prudentius erst in in Bezug auf das christliche Rom (Perist. 11,231), dazu Lühken 2002, 174, Anm. 11; vgl. CS 2,254, wo das templum mentis als pulcherrima sedes Gottes bezeichnet wird), vgl. Kah (1990), 105 zum Gebrauch der rühmenden Epitheta der Stadt Rom bei Prudentius. Bei der Interpretation moenia = Mauern könnte an eine anachronistische Anspielung auf die Erneuerung der Aurelianischen Mauer im Jahr 402/3 durch Honorius bei Prudentius gedacht werden, wie sie auch in der adventus-Szenerie in Claud. carm. 28,535f. erwähnt wird, die sich in ihrer Gestaltung wiederum an Prudentius’ Schilderung des Rombesuchs von Theodosius anlehnt, dazu Roberts (2001), 547f. Zu den Muri Aureliani Richardson (1992), 260ff. s.v. Muri Aureliani; Dey (2011), bes. 32ff.; Coates-Stephens (2012). 147 Stenger (2012), 193 stellt das gleiche für Ammian fest.

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mit gleichem Wortlaut wieder aufgreift. Die syntaktischen Konstituenten der Einleitungsverse antiquo Romam squalere veterno (CS 1,7) werden in den Worten quibus … squalebat regia summi | imperii … sacris aufgenommen. Wie schon zu Beginn des Buches verunreinigen die paganen sacra, das Erscheinungsbild der Stadt, was gleichermaßen Kultstätten wie Kulthandlungen umfasst148. Sie besitzen räumliche Präsenz und zeitliche Ausdehnung: Die aktuellen Tempelbauten sind dem ‚Schmutz vergangener Zeiten‘ geschuldet, der seit der Gründung Roms über Jahrhunderte ‚mitgeschleift‘ worden ist (tractis maiorum ab origine). Die römische Traditionskultur wird zum Relikt einer primitiven Frühzeit, die Rom in den Augen des Kaisers gefesselt und besetzt erscheinen lässt (CS 1,408 inplicata; 412 obsessam). Prudentius verkehrt die Beziehung von Ursache und Wirkung, die Claudian für Stilichos Bemühen um die alten mores formuliert149: Beim Panegyriker besteht der squalor im Vergessen der kultischen Traditionen, beim christlichen Dichter führt erst deren Vergessen zur Säuberung der Stadt150. Das Bild des Schmutzes wird in die Vorstellung einer Wolkendecke übersetzt. Auf den zweiten Blick betrachtet Theodosius eine von Finsternis beschattete Stadt151. Der fumus und die falschen Gottesvorstellungen des Proömiums verdunkeln nicht nur die togae der Senatoren, sondern Rom selbst152. Die Dunkelheit setzt die Passage in Kontrast zum strahlenden Rom des Stilicho-Panegyricus und seiner literarischen Vorläufer. Das materielle Erschei148 Ebenso meinen sacra in der Rede des Camillus bei Livius Orte, Sakralobjekte und Kulte, dazu Chiai (2016), 268, Anm. 23. Lavarenne (1963), 150 übersetzt die Verse CS 1,408– 409 treffend, wenn er die räumliche Ausbreitung der paganen Kulte als ein Labyrinth auffasst, durch das die Hauptstadt gefangen gehalten wird: „Voilà dans le labyrinthe de quels cultes croupissait depuis l’origine de son histoire la capitale du plus grand des empires.“ 149 Claud. carm. 24,123f. … squalore remoto | pristina Romuleis iam floruit artibus aetas. Die Handlung squalore remoto wird in der Wendung per quem fracta diu translataque paene potestas | non oblita sui servilibus exulat arvis (Claud. carm. 24,125f.) konkretisiert. Hier belebt Stilicho eine alte und zeitweilig vernachlässigte Größe und Macht, die auch die günstigen fata und die Auspizien wieder nach Rom führen soll. Roberts (2001) übergeht die gemeinsame Schmutzmetapher. 150 In der Rede des Theodosius wird das Festhalten an der alten Religion als ein Verhalten dargestellt, das der Weltstadt unwürdig und barbarisch ist (CS 1,455–460). Dass die Maßnahmen des Theodosius nicht die erwünschte absolute Wirkung erzielt haben, wird bereits in den ersten Versen des Proömiums in der Retrospektive formuliert (CS 1,1ff. credebam …). 151 Das visuelle Verb wird gedoppelt: CS 1,411 respexit; 412 aspicit. Das Tempus wechselt vom ersten Blick zum zweiten vom Perfekt in das historische Präsens, wodurch das zweite Sehen zusätzlich betont und vergegenwärtigt wird. In den folgenden Versen wechselt die Erzählzeit wieder in die Vergangenheit. 152 CS 1,420–422 Ipsas quoque livida gemmas | lux hebetat spissusque dies et fumus ob ora | suffusus rutilum frontis diadema retundit, ebenso Roberts (2001), 549.

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nungsbild der urbanen Landschaft bleibt mit Ausnahme der metaphorischen Wolkendecke unverändert. Auch bei Prudentius zeichnet Rom sich nach wie vor durch einen Überfluss an Gold und Spolien vor anderen Städten aus153. Hinzu treten eine Vielzahl an Edelsteinen und ein strahlendes Diadem auf dem hohen Scheitel der personifizierten Roma154. Der Eindruck von immensem Reichtum und Erhabenheit, wie ihn der Panegyriker evoziert, wird nochmals überhöht. Die Worte equidem praedivite cultu | inlustrata cluis (CS 1,416– 417) verweisen auf die Topoi der Roma aurea und pulcherrima bei anderen Autoren und Claudian. Das lobende Urteil wird jedoch bereits im folgenden Satz über das adversative sed (CS 1,419) in Frage gestellt und entkräftet: Wegen der falschen Religion versinkt die ganze Stadt trotz all ihres Schmucks in Dunkelheit und entbehrt daher ihrer eigentlichen Schönheit. Claudian veranschaulicht das von Jupiter prophezeite imperium sine fine in einer grenzenlosen Stadttopographie155. Statt des höchsten Gottes überblickt Stilicho Rom mit fürsorgendem Blick und staunt ob seiner Ausdehnung156. Die schier unendliche Weite der tanta urbs bringt auch den Panegyriker selbst nahezu zum Verstummen (Claud. carm. 24,130–135)157. Diese 153 Gernentz (1914), 58 führt Vers CS 1,417 unter den Belegstellen für die „goldenen Tempel Roms“ an. Roberts (2001), 548, Anm. 35 stellt einen engen Bezug zu Claud. carm. 24 fest: „Compare Cons. Stil. 3.66 „auri fulgore“ with C. Symm. 1.418 „multo circumfluis auro“; Cons. Stil. 3.67 „indutodque arcus spoliis“ with C. Symm 1.417 „spoliisque insigne superbis.“ 154 Roma wird hier in Abgrenzung zu traditionellen Roma-Figurationen als Königin aller Städte ein Diadem aufgesetzt, das eigentlich die Kaiserwürde symbolisiert. Später übernimmt Rut. Nam. 1,115–122 das Bild, dazu Schierl (2013). Zur Symbolik, dem Bedeutungswandel und zur Geschichte des Diadems in der Spätantike Kolb (2001), 72ff., bes. 77ff. 155 Verg. Aen. 1,278–279 His ego nec metas rerum nec tempora pono: | imperium sine fine dedi. Die Prophezeiung und ihr ideologischer Gehalt werden bei vielen folgenden Autoren aufgegriffen, dazu Gernentz 1914, 41ff., so noch nach Prudentius wörtlich in Drac. carm. 8,198f.: Fata manent conscripta semel: sunt verba Tonantis, | Imperium sine fine dabit. Wenige Verse später wird die Prophezeiung Jupiters auch bei Claudian aufgegriffen: Nec terminus umquam | Romanae dicionis erit, … Haec [sc. Roma] auguriis firmata Sibyllae, | haec sacris animata Numae. Huic fulmina vibrat | Iuppiter (Claud. carm. 24,159–168). 156 Vgl. Ov. fast. 1,85f. Iuppiter arce sua totum cum spectet in orbem | nil nisi Romanum, quod tueatur, habet; Lucan. 1,195f. o magnae qui moenia prospicis urbis | Tarpeia de rupe. In Claud. carm. 24,69f. wird Stilichos Verdienst um die Stadt in ein quantivatives Verhältnis zu deren Größe gesetzt: … quantae profueris, quantam servaveris urbem | attonitis metire oculis. 157 Claud. carm. 24,133 nec laudem vox ulla capit. Ebenso wird Claudians Inszenierung Roms als zweiter Olymp kontrastiert: Claud. carm. 24,135 septem scopulis zonas imitatur Olympi. Er führt die Schar der Götter als die Garanten für das Weiterbestehen der Stadt an: vgl. Claud. carm. 24,130 proxime dis; carm. 24,166–173 (Götter, die für die Stadt sorgen), carm. 24,174 Hanc tu cum superis, Stilicho praeclare, tueris. Bei Lucan und Claudian wird

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Vorstellung der räumlichen und zeitlichen Unendlichkeit kontrastiert Prudentius durch die begrenzende Finsternis, angesichts derer die konventionelle Idee einer Roma aeterna hinfällig wird. In einem Gegenentwurf zu Claudian überblickt bei ihm Theodosius Rom. Dieser überführt es statt in eine irdische Grenzenlosigkeit in die transzendente Ewigkeit, als Roma auf seine Rede hin die Finsternis durchbricht und sich zum Christentum bekehrt158. Claudians Stilicho wird von Theodosius übertroffen159:

der Olymp mit Wolken in Verbindung gebracht, weshalb auch die Wolken, die Theodoius in seinem Panoramablick negativ auffallen, in Verbindung mit dem Olymp gesetzt werden können. Bei den beiden paganen Autoren überragt der Olymp jedoch stets die Wolkendecke, während Rom in CS von diesen bedeckt wird: Lucan. 2,271 nubis excedit Olympus; 6,477 nubes suspexit Olympus; vgl. auch Isid. orig. 14,9 Dictus autem Olympus quasi Ololampus, id est quasi caelum; Claud. carm. 17,206ff. (in Bezug auf Flavius Mallius Theodorus, der 399 Konsul von Rom war): Nec te tot limina rerum, | aut tantum turbavit onus: sed ut altus Olympi | vertex, qui spatio ventos hiemesque relinquit, | perpetuum nulla temeratus nube senum, | celsior exsurgit pluviis, auditque ruentes | sub pedibus nimbos, et rauca tonitrua calcat. Die Inszenierung Roms als ‚olympische Götterstadt‘ lässt sich ideologisch auf die Worte der Prophezeiung des Anchises in Verg. Aen. 6,781–787 zurückführen: En huius, nate, auspiciis illa incluta Roma | imperium terris, animos aequabit Olympo, … qualis Berecynthia mater | invehitur curru Phrygias turrita per urbes | laeta deum partu, centum complexa nepotes, | omnis caelicolas, omnis supera alta tenentis. 158 CS 1,506–510. 159 Gemäß Roberts (2001), 545ff. überblickt in beiden Panoramaansichten Roms ein Triumphator die Stadt (Claud. carm. 24,65-70; 130-134; CS 1,410f.). In Claud. carm. 24,11ff. wird ein möglicher, jedoch von Stilicho selbst noch verweigerter Triumphzug in Rom beschrieben. In beiden Rundblicken wird mit einem Kompositum von spectare die Handlungsweise Jupiters in Lucan. 1,195f. auf den jeweiligen Kaiser/Feldherrn übertragen Claud. carm. 24,130 prospicis; CS 1,411 respexit; 412 aspicit). Sowohl prospicere (mit. Dat.) als auch respicere bedeuten im Gegensatz zu Lucans prospicere (mit Akk.) ‚sorgen für‘. Theodosius übertrifft Stilicho in weiteren Bereichen: In Claud. carm. 24 praef. 21–24 wird Stilicho als neuer Scipio Africanus gerühmt, von dem gesagt wird, dass er einen zweifachen Triumph gefeiert habe: (cumque) triumpharet gemina Carthagine victa (Claud. carm. 24 praef. 15). Ebenfalls ein doppelter Triumph wird in CS 1,410f. durch (cum) princeps gemini bis victor tyranni … triumphali … vultu mit nahezu gleichem Wortlaut auch Theodosius zugeschrieben. Theodosius wird über diese wörtliche Wiederaufnahme und den zweifachen Triumph in eine größere Nähe zu Scipio Africanus gerückt als Stilicho, der ja nur einen Hannibal saevior besiegt und damit nur einem Sieg errungen hat. Zum Vergleich von Stilicho mit Scipio und Aeneas Müller (2010), 251ff. Weiterhin tritt gemäß Roberts (2001), 541 in beiden Gedichten die Metapher der Wunde auf. In Claud. carm. 24,51 wird Stilicho als parens der servata Roma bezeichnet, bereits in CS 1,9 wird dieses einfache parens durch die Alliteration parens patriae und den Zusatztitel moderator orbis bei Theodosius verstärkt. Während Claudian noch Stilicho als Vorbild für die kindlichen Kaiser Honorius und Arcadius anpreist, ist es bei Prudentius als logische Schlussfolgerung des

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Statt die Unendlichkeit nur zu bewundert, führt er sie herbei. Auch dem Jupiter des Panegyrikers überbietet Prudentius’ Kaiser160: Die Konfrontation von Theodosius und Roma ist nach dem Vorbild des Gesprächs zwischen dem höchsten Gott und der Stadtgöttin im Bellum Gildonicum gestaltet, wo sie seine Hilfe gegen Gildo erbittet. Jupiter sichert Roma Honorius als Retter zu, verjüngt sie und lässt sie wieder erblonden161. Nicht nur die asymmetrische Dialogsituation zugunsten des männlichen Akteure162, sondern auch das Resultat der Interaktion wird bei Prudentius auf die Beziehung zwischen Roma und Theodosius übertragen: Durch ihre Konversion zum Christentum wird Roma ebenfalls verjüngt und lässt ihr weißes Haar im Greisenalter wieder blond werden (CS 1,506–523)163. Bei ihm jedoch für immer. So ist es nur konsequent, wenn am Ende der Passage nicht Jupiter, sondern Theodosius zum Urheber des imperium sine fine wird und Rom in die Ewigkeit führt164: … remque Quirini adsuescit supero pollere in saecula regno.

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ersten Buches vor allem Theodosius, der neben seinen Vorfahren im zweiten Buch Honorius und Arcadius als exemplum dienen soll (CS 2,7ff.). Implizit bereits mit Blick auf Claud. carm. 24, da ja Stilicho dort Jupiter als Beschützer Roms verdrängt. Claud. carm. 15,208ff. dixit et adflauit Romam meliore iuuenta. | continuo redit ille uigor seniique colorem | mutauere comae. Solidatam crista resurgens | erexit galeam clipeique recanduit orbis | et leuis excussa micuit rubigine cornus, dazu Schindler (2009), 91ff. In beiden Situationen ist Roma krankend und bedarf eines Retters. Das Verhältnis zwischen den Gesprächspartner ist somit schon über den situativen Kontext asymmetrisch ausgerichtet. Während sie bei Claudian als Bittstellerin zu Jupiter kommt, weist sie bei Prudentius erst Theodosius auf ihre schlechte Verfassung hin. Auch Claud. carm. 1,73–173 könnte als Vorlage gedient haben, wo Roma als Bittstellerin zum Kaiser kommt (Claud. 1,76 pro natis dominum flexura rogando) und „von den menschlichen Protagonisten vollkommen abhängig ist“, Schindler (2009), 68; vgl. 69f. zur Inszenierung des Theodosius in „quasi-göttliche[r] Gestalt“ und seiner dominanten Gesprächsrolle bei Claudian; vgl. Greinke in seiner demnächst erscheinenden Monographie zur ähnlich hierarchischen Gesprächskonstellation zwischen Kaiser und Roma in den Panegyrici Latini. Chiai (2016), 280ff. sieht ebenso die Roma bei Symmachus in der Bittstellerposition, die er als mögliche Verkörperung des Senats betrachtet. In CS 2,655–660 erstattet Roma selbst den Kaiserbrüdern Honorius und Arcadius über ihre durch Theodosius herbeigeführte Verjüngung Bericht: O clari, salvete, duces, generosa propago | principis invicti, sub quo senium omne renascens | deposui vidique meam flavescere rursus | canitiem – nam cum mortalia cuncta vetustas | inminuat, mihi longa dies aliud parit aevum, | quae vivendo diu didici contemnere finem. Zur Vergil-Reminiszenz Lühken (2002), 180f.; zum Transzendenzgedanken Pietsch (2001), 261ff.; Buchheit (1971), 463.

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Denique nec metas statuit nec tempora ponit, imperium sine fine docet, ne Romula virtus iam sit anus, norit ne gloria parta senectam. (CS 1,539–543) Anders als sein göttlicher Konterpart gewährt Theodosius die Herrschaft ohne Grenzen nicht, sondern lehrt sie (docet)165. Bei Vergil repräsentiert sich die innerweltliche Grenzenlosigkeit Roms in einem fatalistisch feststehenden status quo. Demgegenüber wird bei Prudentius ein religiöser Lehr- und Lernprozess zur Voraussetzung für die Erfüllung des transzendenten Ewigkeitsanspruchs der Stadt. Bereits im Proömium wird Theodosius nicht nur die Rolle eines Arztes zugeschrieben, sondern auch die eines Lehrers, dessen Weisungen es zu gehorchen gilt (CS 1,37 parete magistro)166. Die Position der ‚Schülerin‘ besetzt die personifizierte Roma. In der Interaktion mit dem Kaiser versinnbildlicht sie nicht nur jeden ‚blinden‘ Heiden, sondern auch die Führungseliten Roms, namentlich den Senat. Der Schlussteil der kaiserlichen Rede ist geprägt durch eine Häufung von Imperativen und mahnenden Konjunktiven, die sich teils an eine Roma im Singular, teils an die Gesamtheit der Senatoren im Plural richten (CS 1,496–505) 167. Die Bekehrung Roms im Anschluss an die Mahnung ist in dem Moment vollzogen, in dem die nobilitas der Stadt den christlichen Glauben angenommen hat168. Hier bestätigt sich die Annahme von Wolf Steidle und Jelle Wytzes,

165 Vgl. Lühken (2002), 180. 166 Er nimmt damit die Rolle und Funktion ein, die gemeinhin Paulus zugesprochen wird. Dieser wird in Dam. epigr. 1,16; 25 als magister und als beatissime doctor apostrophiert, vgl. Hier. epist. 15,2f. (an Damasus): magister gentium Paulus. Theodosius wird mehr Weitsicht als Jupiter zugesprochen: Ast hic imperium protendit latius aevo | posteriore suis cupiens sancire salutem (CS 1,28f.). Im folgenden wird er als dux sapiens bezeichnet und mit den Philosophenkönigen Platons in einen vergleichenden Bezug gesetzt, dazu Steidle (1971), 265; Döpp (1980), 68, Anm. 15; (1986), 75; Ernesti (1998), 247f. Zu der weltlichen Weisheit eines von Ernesti so bezeichneten „Philosophenkaisers“ tritt bei Theodosius die religiöse Erkenntnis. In CS 2,265ff. lehrt Gott den Menschen, den christlichen Glauben wieder anzunehmen: … ac nostro docuit recalescere cultu). 167 Behrwald (2009), 262 sieht hierin einen unvermittelten Adressatenwechsel; Wytzes (1977), 25 geht davon aus, dass die gesamte vorangegangene Rede des Kaisers eigentlich an den Senat gerichtet gewesen sei, vgl. Steidle (1971). 168 CS 1,508–510 … iam nobilitate parata | aeternas temptare vias Christumque vocante | magnanimo ductore sequi et spem mittere in aevum. Die nobilitas nimmt die proceres aus CS 1,8 auf. Der Gedanke der Unendlichkeit Roms wird in CS 1,587–590 nochmals aufgenommen und mit der Religiosität der Bevölkerung in einen Kausalbezug gesetzt. Vgl.

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dass auch der Senat in irgendeiner Form angesprochen werde. Die Stadtpersonifikation besteht jedoch neben den Senatoren weiterhin als Angesprochene, da Roma eben nicht nur eine Verkörperung des Senats ist169. Allein die Differenzierung zwischen den Römern und ihrer Heimatstadt wird aufgehoben: Stadtpersonifizierung und Einwohner verschmelzen zu einem einheitlichen Adressaten der kaiserlichen Rede. Die Fiktion der Allegorie wird zwar durchbrochen, indem vom Erzähler eine mögliche Explikation ihrer übertragenen Bedeutung angeboten wird, der allegorische Bezugsrahmen bleibt dabei jedoch weiterhin bestehen170. Damit wird die personifizierte Roma einerseits wie bei früheren Autoren zu einem literarischen Sinnbild ihrer Nobilität, andererseits ist sie dabei nicht nur Sprachrohr oder Repräsentant ihrer Bevölkerung, sondern verkörpert zugleich den physischen Stadtraum. In der Figur der Roma bestehen Stadtpersonifikation, Bevölkerung und Stadtlandschaft nebeneinander und werden in ein wechselseitiges Bezugsverhältnis gesetzt: In den Versen CS 1,506–510 wird die Allegorie dekodiert, wenn die Mitglieder des Regierungsadels als eigentliche Akteure der Bekehrung zum Christentum in den Vordergrund rücken. Bereits die folgenden Verse lassen jedoch wiederum eine weibliche Stadtgottheit auftreten, wie sie in der Rede des Theodosius adressiert worden war. Anschließend wird die römische Stadtlandschaft zum Schauplatz kaiserlicher Reformen und bürgerlicher Aktivitäten (CS 1,529–543; 544–615). Nach dem Vorbild der Panegyrik verschränken sich Allegorie und Realität in der Person Romas171. Am Ende des ersten Buches wird berichtet, wie die Bevölkerung Roms sich zum Christentum bekehrt habe. Die lux publica der Senatoren steht in direkWytzes (1977), 22ff.; Ernesti (1998), 240, die auf Zos. 4,59 als spätere Gegendarstellung der hier und im Folgenden geschilderten Konversion des Senats verweisen. 169 Dann wäre sie gemäß Kurz (2004), 23 metaphorisch zu verstehen. 170 Kurz (2004), 43 spricht in solch einem Fall von einer „explikativen Allegorie“ und verweist auf Quint. inst. 8,6,47f., der zwischen einer tota allegoria (implikativ) und einer permixta allegoria (explikativ) unterscheidet, wobei bei der zweiten Art explizit gesagt werde, wie die Allegorie zu lesen ist. 171 Vgl. Mundt (2012), 173ff. zu den Panegyrici Latini und Claudian. In der antiken Literatur findet sich das Phänomen singulär in Cic. Pis. 52: Unus ille dies mihi quidem immortalitatis instar fuit quo in patriam redii, cum senatum egressum vidi populumque Romanum universum, cum mihi ipsa Roma prope convolsa sedibus suis ad complectendum conservatorem suum progredi visa est. Quae me ita accepit ut non modo omnium generum, aetatum, ordinum omnes viri ac mulieres omnis fortunae ac loci, sed etiam moenia ipsa videretur et tecta urbis ac templa laetari. Einen Überblick über die literarischen Vorläufer der spätantiken Roma-Figur vorrangig republikanischer und augusteischer Zeit bietet Knoche (1952); (1969).

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tem Kontrast zur vorher entwickelten Schmutz- und Dunkelheitsmetapher (CS 1,573). Statt der alten Göttertempel im Zentrum suchen alle die neu errichteten suburbanen christlichen Basiliken und Grabstätten auf172. Bei Betrachtung dieser neuorientierten Volksbewegung im Stadtraum ist laut dem Erzähler nicht mehr zu bezweifeln, dass Rom sich zum Christentum bekehrt habe: Et dubitamus adhuc Romam tibi, Christe, dicatam (CS 1,587)173. Wie bereits bei der vorher beschriebenen Bekehrung Roms verschmelzen personifizierte Stadt, ihre Bewohner und der physische Stadtraum in der indifferenten Bezeichnung Roma, so dass der Leser zugleich die bekehrte Stadtgottheit, die neu gestaltete Stadttopographie und deren veränderte Nutzung durch die Römer vor Augen haben dürfte174. Während Roma bei vielen früheren Autoren als abstraktes „Sinnbild römischer Selbstauffassung“175 zum steinernen Symbol erstarrt, inszeniert Prudentius sie als literarische Imagination eines religiösen Lernprozesses. In eindrücklichen Bildern verleiht er der Konversion Roms Leben: Im Handeln der allegorischen Roma, im Agieren der Stadtbevölkerung und in der veränderten Topographie. Die Lebendigkeit der Römer, die ihrem neuen religiösen Weltverständnis sowohl in der Bebauung als auch der Nutzung des Stadtraumes Ausdruck verleihen, kontrastiert in offenkundiger Weise mit den Personifikationen Roms anderer Autoren, die über die Jahrhunderte zu einer stehenden Metapher für eine römische Geisteshaltung geworden sind. In der Bewegung der Bevölkerung im urbanen Raum wird die religiöse Bekehrung der abstrakten Roma-Figur zur lebendigen Wirklichkeit, wenn die Senatoren ihren ge-

172 Zuerst wendet sich der Regierungsadel vom Kapitol ab und eilt zu den Apostelgräbern (CS 1,544–568), dann das Volk (CS 1,578–586). Zur Textpassage siehe ausführlich unten S. 288ff. Die Formulierung Iamque ruit … ad sincera virum penetralia Nazareorum … Euandria curia in CS 1,548ff. greift Huc omnes populi passim matrumque patrumque | obvia turba ruit, quaeque ignes, Troica, servat, | Vesta, tuos, laetoque deum clamore salutant von Ovid auf, wo alle Aesculap entgegeneilen (Ov. met. 15,729–731), in Perist. 2,527f. besucht eine Vestalin das Grab des Laurentius. Statt einem (kaiserlichen) Besucher entgegenzueilen, suchen die Senatoren die Apostelgräber auf, was den Herrscher als zentralen Bezugspunkt der Panegyrik aus dem Blickfeld rückt. 173 Zur Vergilreminiszenz von et dubitamus adhuc Lühken (2002), 178. Darüber hinaus wird der Zweig des Ölbaums, der Numa in Verg. Aen. 6,808f. als Opfernden charakterisiert, durch das christliche Salböl am Lateran ersetzt (CS 1,586 … unde sacrum referat regali chrismate signum). Auch die religiösen Gesetze Numas (Verg. Aen. 6,810–811 … qui legibus urbem | fundabit) werden von denen Christi aufgehoben und abgelöst (CS 1,588 in leges transisse tuas). 174 Vgl. CS 1,553 Sic se Roma inclyta iactat. 175 Knoche (1969).

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wohnten Weg zum Kapitol aufgeben und die christliche Peripherie zum neuen sakralen Zentrum werden lassen. In der Interaktion von Kaiser und Stadt richtet sich der Blick nicht vorrangig auf Theodosius, sondern auf den urbanen Raum. Die Passage ist weniger herrscherpanegyrisch angelegt, sondern zielt darauf, die Stadtlandschaft in ihrem Erscheinungsbild in den Fokus zu rücken. Der Anblick Roms ruft bei seinem Betrachter gemeinhin Staunen und ein Gefühl von Erhabenheit hervor. So staunt schon Aeneas, als er durch das noch grasbewachsene Ur-Rom geführt wird176, es staunt Stilicho bei Claudian und es kommt auch der christliche Kaiser Constantius II. „aus dem Staunen gar nicht mehr heraus“177, als ihm die beeindruckenden Monumente Roms vorgeführt werden. Allen Besuchern der Stadt gemeinsam ist nicht nur ihre sprachlose Bewunderung, sondern auch die Fremdperspektive auf die Stadt, die sie als außenstehende Ankömmlinge einnehmen178. In eben dieser Position befindet sich auch Kaiser Theodosius, dessen eigentlicher Herrschaftssitz Konstantinopel ist. Gemeinsam mit ihm nimmt der Leser nicht nur die Außenperspektive auf Rom ein, sondern er übernimmt auch dessen christlichen Blick- und Standpunkt. Die Reaktion des östlichen Kaisers hebt sich jedoch entscheidend von denen seiner Vorgänger ab, die mehr am status als an der salus der Stadt interessiert sind179: Er sieht zwar den 176 Aeneas bewundert in Verg. Aen. 8,310–312 Rom bereits in seinen frühen Anfängen und wird schon damals in den Bann des Ortes gezogen: Miratur faculisque oculos fert omnia circum | Aeneas, capiturque locis et singula laetus | exquiritque auditque virum monimenta priorum. Vgl. Ov. trist. 3,1,1ff., wo das Büchlein die Monumente Roms bewundert: Singula dum miror … (Ov. trist. 3,27) 177 Klodt (2001), 71: „Es ist nun der Kaiser, der staunt und aus dem Staunen nicht mehr herauskommt (stupebat 6; obstipuit; praestrictus 13; haerebat attonitus 15; cum stupore … horrendo 17).“ Stenger (2012), 205 führt die „Haltung des Staunens“ auf eine „fremdartige Ästhetik“ des römischen Stadtraumes zurück. 178 Schmitzer (2001b), 523ff. stellt die Fremdperspektivierung als gängiges Verfahren für literarische Stadtführungen fest. Er untersucht neben Ammians Romführung Verg. ecl. 1,19–21 und Aen. 8,310ff.; Prop. 4,1,1–8; Ov. trist. 3 und den Rombesuch Petrarcas; vgl. Stenger (2012), 192f.; 198. Die Situation Ammians ist der des Prudentius vergleichbar. Beide sind keine Stadtrömer und inszenieren ihre Rombetrachtungen in Anlehnung an die eigene Perspektive aus der Außenperspektive. Anders verhält es sich noch bei ihren Vorbildern Vergil oder Ovid, die sich beide als Rombewohner in die Fremdperspektive versetzen. 179 Bereits im Proömium unterscheidet sich der christliche Kaiser von den paganen Usurpatoren vor allem darin, dass er sein Handeln nicht auf das unmittelbar vor Augen Liegende ausrichtet, sondern auf die salus in der Ewigkeit: Illa tyrannorum fuerat medicina videre | quis status ante oculos praesentibus a peritus | conpeteret rebus nec curam adhibere futuris. … Ast hic imperium protendit latius aevo | posteriore suis cupiens sancire salutem (CS 1,22–29).

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Reichtum und die Schönheit der Stadt, aber weder der Gold- und Spolienschmuck noch die Vielzahl der glänzenden Edelsteine versetzen ihn in hochachtungsvolles Staunen. Stattdessen empfindet er Mitleid und seufzt. Mit dieser Reaktion steht er weniger in der literarischen Tradition der Rombesucher als vielmehr in der Konstantins. Dieser besucht in der Lobrede des Jahres 311 Augustodunum (Autun)180. Dort wird der trostlose Zustand des Landstrichs in einem „eindrucksvollen Licht-Schatten-Kontrast“181 verdeutlicht und mit der Wendung inculta squalentia belegt. Das Rom, das Theodosius erblickt, bietet somit einen ebenso erbarmungswürdigen Anblick wie die Regionen um die gallische Provinzstadt. In Augustodunum versinnbildlicht die Dunkelheit den wirtschaftlichen Missstand der Region. In Rom wird die Finsternis durch eine falsche Religion herbeigeführt182. Konstantin sieht also das, was jedem Betrachter sofort ins Auge fallen sollte, wohingegen Theodosius einer Notlage gewahr wird, die keiner seiner Vorgänger bemerkt. Er legt an Rom einen anderen Perzeptionscode an als sein Umfeld und ‚schaut den Dingen auf den Grund‘. In seiner erkenntnisreichen Wahrnehmung findet das antithetische Metaphernpaar des Sehens und der Blindheit Ausdruck, das die ‚sehenden‘ und gleichzeitig verstehenden Christen von den blinden Heiden unterscheidet, die keine göttliche Erkenntnis besitzen. Als Christ blickt Theodosius tiefer und ist gerade deshalb befähigt, die Stadt in eine religiöse Erleuchtung zu führen183. Er wird zum herausragenden exemplum für das erkennende Sehen, durch das Gut und Böse unterschieden werden können184. 180 Gemäß Nixon/Rodgers (1994), 254 gibt der Redner sich selbst als Bewohner Augustodunums und als Senator zu erkennen, vgl. Ronning (2007), 192ff. Die Rede selbst wurde in Trier vor dem Kaiser anlässlich seiner quinquennalia wohl am 25 Juli gehalten. Zum historischen Hintergrund, dessen Reflexion und zu Inhalt und Aufbau der Rede Nixon/Rodgers (1994), 256ff.; Ronning (2007), 200ff. 181 Ronning 2007, 230. In Pan. Lat. 5[8],7,1ff. liegt nicht der Stadtraum, sondern die Landschaft um Augustodunum in Abgrenzung zu den Nachbargebieten unbestellt in Dunkelheit: Vidisti enim non, ut per agros aliarum urbium, omnia fere culta aperta florentia, … sed statim ad eo flexu, e quo retrorsum via ducit in Belgicam, vasta omnia, inculta squalentia muta tenebrosa … 182 Prudentius überführt hier ebenso wie bei der aegra urbs ein Motiv der Panegyrik in einen christlichen Deutungskontext. 183 Auch in Pan. Lat. 2[12],3,2–3 wird Theodosius zum Erlöser und Lichtbringer (tempus adspiciam, quo Romana lux coepit), dort aber wegen seines erfolgreichen Vorgehens gegen die Barbaren. Das Lichtmotiv wird bei Prudentius religiös umgedeutet. Zu Theodosius und Rom vgl. Rodriguez-Herrera (1936), 124. 184 In CS 1,91ff. wird die christliche fides zur Vorbedingung für das Erkennen des Göttlichen, das in der Metapher des Sehens verdeutlicht wird. Als Gegenpart zu Theodosius erscheinen die paganen Kaiser und Feldherrn, die den Göttern opfern und ihre Seelen ‚verdunken‘.

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Angesichts der trostlosen Szenerie fordert der Redner des Panegyricus von Konstantin eben die Reaktion ein, die Theodosius bei Prudentius aus eigenem Antrieb zeigt185: Neque enim potes sine experimento misericordiae ad laudem clementiae pervenire (Pan. Lat. 5[8],5,3). Da Konstantin das erwartete Mitleid bereits zuvor bekundet hatte, vermutet Christian Ronning, dass „sich die Rede eher an die übrigen Anwesenden als an den Kaiser richtete“ und „das Mitleid des Kaisers somit Teil der Botschaft [sei]“186. Ähnlich verhält es sich bei Prudentius. In beiden Inszenierungen des betrachteten Raumes ist der Adressat der Botschaft außerhalb der Figurenebene zu suchen. Während die Mission im Panegyricus darin besteht, dem Zuhörer einen bestmöglichen princeps zu präsentieren, wird in Contra orationem Symmachi vordergründig das Leiden Roms für die Leserschaft in Szene gesetzt. In beiden Gedichten wird über die evidentia ein „unmittelbar sinnlicher Eindruck“187 erzeugt, der beim Rezipienten einen hohen Grad an emotionaler Anteilnahme evoziert und ihn in einen affektiven Zustand versetzen soll. Mittels der Vorstellungkraft werden sowohl die Brachlandschaften Augustodunums als auch die Topographie Roms zur lebendigen Szenerie, die dem Zuhörer und Leser unmittelbar vor Augen geführt werden. Während der Rezipient des Panegyricus gemeinsam mit dem Redner auf die Umgebung und den in dieser agierenden Kaiser blickt, wird bei Prudentius die Wahrnehmung der Stadtlandschaft durch die Kaiserperspektive bestimmt. Aus der prüfenden Distanz des Panegyricus wird eine empirisch-epistemologische Nähe zur Kaiserfigur. Über die gemeinsame Perspektivierung wird der Leser angeleitet, die Sicht des christlichen Kaisers auf die Welt und insbesondere auf Rom zu adaptieren, ebenfalls ‚erkenntnisreich‘ zu sehen und die negativen Auswirkungen einer 185 CS 1,415 Ingemuit miserans. Auch Laurentius zeigt in Anbetracht der Lage Roms Erbarmen, bevor er seine Rede beginnt: Haec ludibundus dixerat, | caelum deinde suspicit | et congemescens obsecrat | miseratus urbem Romulam (Perist. 2,409–412). Theodosius wird damit in die Tradition des Märtyrers gestellt, der den spirituellen Kampf um Rom im Liber Peristephanon eingeleitet hatte. Lühken (2002), 176, Anm. 18 sieht in der Formulierung durch die Reminiszenz an Verg. Aen. 10,823 eine „epische Überhöhung zeitgeschichtlicher Ereignisse“. 186 Ronning (2007), 231. Er verweist auf Pan. Lat. 5[8],7,1ff. Konstantin wird über die Darstellung Augustodunums als mitleidiger Kaiser charakterisiert: „Nicht die Not Augustodunums steht im Vordergrund, sondern gerade die emotionale Reaktion Konstantins. Diese möglichst drastisch vor Augen zu führen und bildhaft zu machen, war demnach das Hauptanliegen des Redners.“ 187 Vgl. Ronning (2007), 231. Er verweist auf Rhet. Her. 4,68f. und Quint. inst. 6,2,29f. Zum Begriff evidentia Ebd. 230, Anm. 160.

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Verehrung der cariosorum monstra deorum zu erkennen (CS 1,434). Mittels der evidentia wird er in einen hohen affektiven Zustand versetzt und empfindet zuerst Mitleid für Rom, dann für sich selbst, wenn auch er die antiken Götter verehrt188. Die emotionale Anteilnahme wird durch die anschließende rationale Argumentation des Theodosius untermauert, in der dieser die Roma vom christlichen Glauben überzeugt. Der Gestaltung der Szenerie liegen damit die Strategien persuasiver Rhetorik zugrunde, wenn das Gegenüber sowohl emotionalisiert als auch argumentativ überzeugt werden soll189. Hinzu tritt, dass Theodosius das Dargestellte und Behauptete als ein vertrauenswürdiger ‚Informant‘ unterstützt190. Vollzieht der Leser die Hinwendung zum christlichen Glauben, wird die literarische Fiktion gleichsam zum Auslöser und zum Spiegel seines Bekehrungsprozesses: Denn ebenso wie die personifizierte Roma in der allegorischen Szenerie angeleitet durch die Worte des Herrschers ihr Haupt über die Wolkendecke erhebt, soll der Rezipient über die Lektüre in einen Zustand göttlicher Erkenntnis überführt werden. Im Gegenzug wird die Realität zur Vorbedingung für das literarische Ideal einer konvertierten Roma: Das fiktive Rom von Contra orationem Symmachi gilt erst in dem Moment als bekehrt, in dem seine Bürgerschaft den christlichen Glauben angenommen hat. Es hängt also nicht zuletzt von der Reaktion des Lesers auf die Lektüre ab, ob sich die Vision einer Roma Christiana, wie sie bei Prudentius entworfen wird, bewahrheitet oder nicht. Dem Leser wird nicht nur eine Mitverantwortung am Gelingen des Werkes zugewiesen, sondern auch an der Verwirklichung der Idee einer Roma Christiana und aeterna, die im Werk formuliert wird. Die Entscheidung darüber, ob Rom heidnisch bleibt oder christlich wird, liegt

188 Cic. de orat. 2,211 Iam misericordia movetur, si is qui audit adduci potest, ut illa, quae de altero deplorentur, ad suas res revocet, quas aut tulerit acerbas aut timeat, ut intuens alium crebro ad se ipsum revertatur. Klein (2007), 343 stellt fest, dass „viele Menschen vor allem und zuerst auf einer emotionalen Ebene auf einen Sachverhalt reagieren“ und dass „sogar in dem Fall, in dem Menschen auf der rein kognitiven Ebene keinen Zugang zur Komplexität und Aussagekraft eines dargestellten Problems finden, sich ihnen der Sachverhalt auf der emotionalen Ebene erschließen und ihr Denken und Handeln auf diese Weise nachhaltig beeinflussen [kann].“ 189 Vgl. Webb (2009), 127ff. 190 Cic. de orat. 2,128f. Meae totius rationis in dicendo et istius ipsius facultatis, quam modo Crassus in caelum verbis extulit, tres sunt res, ut ante dixi: una conciliandorum hominum, altera docendorum, tertia concitandorum. Harum trium partium prima lenitatem orationis, secunda acumen, tertia vim desiderat; nam hoc necesse est, ut is, qui nobis causam adiudicaturus sit, aut inclinatione voluntatis propendeat in nos aut defensionis argumentis adducatur aut animi permotione cogatur, vgl. Aristot. rhet. 1,2,3; 3,1,1.

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nicht nur in der Hand einer fiktiven Kaiserfigur, sondern ebenso in der des realen Lesers191. 5.2.3 Honorius und Rom bei Prudentius Ein weiteres Mal tritt Roma im zweiten Buch auf und hält nun ihrerseits eine lange Rede an das kaiserliche Brüderpaar Honorius und Arcadius. Sie übernimmt die Rolle des belehrenden Gesprächspartners, die zuvor Theodosius innehatte192. Wie im ersten Buch bereut sie die in der Vergangenheit begangenen Verbrechen an den christlichen apostolici und pii (CS 2,666–677) und bekräftigt ihre Konversion zum Christentum und die Abkehr von den paganen Gottheiten (CS 2,678–683). Der Sieg bei Pollentia wird zum Beweis gegen den Vorwurf, dass Rom nach Vernachlässigung der alten Staatsreligion untergehen werde (CS 2,684–720; 738–749)193. Mit ihren schließenden Worten ermahnt Roma ihr Gegenüber, Christus dienstbar zu sein (CS 2,756–768)194. Zu Beginn ihrer Rede wird Roma als anthropomorphe Frauenfigur präsentiert, der – im Alter endlich zum Christentum konvertiert – durch die Reformen des Theodosius eine ewige Verjüngung zuteil wird (CS 1,655–660)195. Bereits hier werden die allegorische Stadtpersonifikation und die Metapher des caput mundi bildlich ineinander gesetzt, wenn Roma erklärt, dass sie erst dann zu Recht als ‚Haupt der Welt‘ bezeichnet werde, wenn sie ihre Stirn mit dem Ölzweig schmückt und christlich ist196. In der folgenden Rede überlagern

191 Dagegen sieht noch Ernesti (1998), 240 die alleinige Verantwortung bei Theodosius, „ob Rom heidnisch bleibt oder christlich wird.“ 192 Kah (1990), 146 bezeichnet die Rede des Kaisers im ersten Buch als „Missionspredigt“. 193 Die Schlacht bei Pollentia wird mit dem Krieg gegen Hannibal verglichen. Der in der Gegenwart erzielte Erfolg wird über den Vergleich überhöht. Rückwirkend wird das Einwirken Jupiters bei der Eroberung Tarents verneint (CS 2,747f.). Die Abhängigkeit der Schilderung des Sieges bei Pollentia von Claud. carm. 26,558 –647 wird seit Birt (1961) allgemein angenommen, vgl. Döpp (1980a), 214; Tränkle (2008), 41. In späteren historischen Werken ist im Gegensatz zu Claudians und Prudentius’ Darstellung von einem Gemetzel ohne Triumph die Rede (Chron. min. 1,299; 465) oder sogar von einer Niederlage (Chron. min. 2,154). 194 Die Rede wechselt unvermittelt nach der Schilderung des Sieges unter Honorius von anfänglich zwei Adressaten im Plural (CS 2,655 o clari salvete duces) in den Singular (CS 2,756 viva tibi, princeps, debetur gloria …) und es wird nur noch der westliche Kaiser angesprochen. 195 Roma wird in ihrem Erscheinungsbild zu einer Mitstreiterin der christlichen Fides, die in Prud. Perist. 2,17 selbst bewaffnet ist, in Psych. 21ff. hingegen unbewaffnet. 196 CS 2,661–665 Nunc, nunc iusta meis reverentia conpetit annis, | nunc merito dicor venerabilis et caput orbis, | cum galeam sub fronde oleae cristasque rubentes | concutio viridi

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sich Allegorie und Realität und die anthropomorphe Stadt verkörpert nicht nur die Bevölkerung, sondern auch den Stadtraum. Im Mittelteil ihrer Rede imaginiert Roma, wie sie Honorius für seinen Sieg über die Goten einen triumphalen adventus in ihren Mauern bereiten und die Stadtlandschaft schmücken werde. Grammatikalisch ist die Passage in der ersten Person formuliert und wird motivisch in einen engen Bezug zur Stadtpersonifikation des ersten Buches gesetzt, wo Roma ihr Haupt über die Wolkendecke erhebt197. In der Realität sind es jedoch die Römer, die ihren Stadtraum mit Blumen, Kränzen und pallia schmücken. In den Triumphvorbereitungen verschmelzen die personifizierte Roma, der geschmückte Stadtraum und die schmückende Bevölkerung in einer gemeinsamen Vorstellung triumphaler Erwartung. Nachdem Honorius mittels zweier Imperative zum Einzug in Rom aufgefordert worden ist, wird der Blick auf die Stadtbevölkerung gerichtet198. War es im ersten Buch noch Rom selbst, das von den Verstrickungen des Aberglaubens befreit worden war (CS 1,408 inplicata regia), so werfen nun die Bewohner Roms die Fesseln ab. Die Schlacht bei Pollentia wird als ein Sieg des Christen-

velans fera cingula serto | atque armata deum sine crimine caedis adoro. Zur Metapher „Roma caput mundi“ Wolf (2010), 188ff., bes. 190ff. 197 CS 2,721–730 Si potui manibus Gallorum excisa levare | de cinerum squalore caput, redeunte Camillo | signa renidenti fumans si fronte recepi, | si potui miseras sertis redimire ruinas | et male pendentes lauru praecingere turres, | quo te suscipiam gremio, fortissime princeps, | quos spargam flores, quibus insertabo coronis | atria, quae festis suspendam pallia portis, | inmunis tanti belli ac te stante sub armis | libera et aure tenus Geticos experta tumultus? Zur Ich-Form als „Stilmerkmal in den Reden personifizierter Gestalten“ und in den Roma-Reden bei den spätantiken Autoren Gnilka (2001f), 225. In carm. 28,529–660 übernimmt Claudian die Überlagerung von Allegorie und Stadtszenerie von Prudentius, vgl. Krollpfeifer (2015), 125ff. Das Blumenmotiv tritt bereits in Claud. carm. 22,400f. auf, wo die Frauen Roms zu Ehren Stilichos Blumen streuen: Spectabunt cupidae matres, spargentur et omnes | flore viae … Lehnen (1997), 120ff. zählt Lorbeer, Blumen, Kränze und Girlanden zu den Schmuckattributen, mit denen Stadt und Bevölkerung beim adventus-Zeremoniell ausgestattet waren. Im Jahr 392 hatte Theodosius das Aufhängen von Girlanden verboten, die in CS 2,724 noch gemeinsam mit dem Lorbeer zu Ehren des Camillus die Ruinen Roms zieren. Zu Ehren des Honorius hängen in CS 2,728 stattdessen pallia von den Toren (vgl. zum Tuch an den Toren bspw. HA Aurel. 5,3 zum Einzug Aurelians in Antiocheia). 198 CS 2,731– 738 Scande triumfalem currum spoliisque receptis | huc Christo comitante veni! Date vicula demam | captivis gregibus; manicas deponite longo | tritas servitio, matrum iuvenumque catervae! | Dediscat servire senex laris exul aviti; | discat et ad patrium limen genetrice reversa | ingenuum se nosse puer. Timor omnis abesto; | vicimus, exultare libet.

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tums gedeutet (CS 2,709–714)199, womit die Römer nicht nur physisch, sondern auch spirituell befreit werden: Ebenso wie die Roma des ersten Buches lösen sie sich von dem alten Aberglauben. Einmal bittet Roma darum, sie selbst von den Schlingen entbinden zu dürfen (CS 2,732 date, demam), ein anderes Mal werden sie von ihr aufgefordert, die Fesseln selber abzulegen (CS 2,733 deponite)200. In den folgenden Versen wird das Motiv der Befreiung mit derselben semantischen Überlagerung von realem und spirituellem Sieg fortgeführt. Ebenso wie in Claudians Bericht De bello Getico kehren die Gefangenen nach dem militärischen Erfolg zu ihren Familien und in ihre Heimat zurück201. Prudentius greift die Schilderung des Panegyrikers mit einer auffallenden Doppelung von discere am Versanfang auf und rückt das militärische Geschehen in einen didaktischen Kontext. Der Befreiungsakt des römischen Volkes besteht nicht allein darin, die Goten vertrieben und die Heimat wiedergefunden zu haben, sondern ebenso in einem Verlernen der alten Religion (CS 2,735 dediscat) und einem Erlernen der neuen Religion (CS 2,736 discat)202. Nicht nur die Furcht vor den herandrängenden Feinden soll abgelegt werden, sondern ebenso die vor den alten Gottheiten (CS 2,737 Timor omnis abesto). Vicimus schließt die Passage mit einem kollektiven Plural, der die sprechende Roma, die Römer und Honorius miteinschließt. Das abschließende exultare libet greift das Bild der bekehrten Senatoren aus dem ersten Buch wieder auf und überträgt es auf die Gesamtheit der Römer (CS 2,738)203. Realer Sieg und spiritueller Triumph verschränken sich in der Vorstellung, nicht nur den barbarischen Feind, sondern auch eine barbarische Religion überwunden zu haben. 199 Döpp (1980), 74; Cameron (2011), 340. 200 Das Fesselmotiv tritt ebenfalls im ersten Buch auf: Dort berichtet Theodosius, wie die Senatoren durch den Sieg Konstantins realiter und spirituell von der Herrschaft des Maxentius befreit worden sind und inszeniert sich als direkten Nachfolger Konstantins (CS 1,489–495), dazu Chenault (2008), 19ff. Die Roma libera (CS 2,730) greift die Aussage der Roma quia libera sum! aus rel. 3,9 mit umgekehrter Sinngebung auf. Zum Motiv der Fesseln bei Prudentius CS 1,240ff., was in der Vorstellung einer Entfesselung in Cath. 1,97f. aufgegriffen wird: Tu, Christe, somnum dissice, | tu rumpe noctis vincula … Die Fessel-Metapher findet sich bereits im Antwortschreiben des Ambrosius auf die dritte Relatio: Sive ille gentilis est, qui ista deposcit, non debet mentem tuam viculis suae superstitionis innectere, sed proprio studio docere et admonere re debet … (Ambr. epist. 17,6). 201 Claud. carm. 26,616–620 Adseritur ferro captivum vulgus, et omnes | diversae vocis populi, quos traxerat hostis | servitio, tandem dominorum strage redempti | blanda cruentatis adfigunt oscula dextris | desertosque lares et pignora laeta revisunt. 202 Vgl. die Wortwahl in CS 2,659f. (Roma spricht): … mihi longa dies aliud parit aevum, | quae vivendo diu didici contemnere finem. 203 CS 1,544–568 Exultare patres videas.

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Wie in der Interaktion mit Theodosius im ersten Buch verschmelzen Stadtpersonifikation, Stadtraum und römische Bevölkerung zu einem Sinnkomplex. Handlungen, die Roma sich selbst zuschreibt, müssen den Bewohnern in Rom zugeordnet werden. Sie schließt den ersten Teil ihrer Rede ebenso wie Theodosius mit einer Reihe von Aufforderungen. Aufgrund der umgekehrten Redesituation können die Grenzen zwischen Sender und Empfänger nicht mehr klar umrissen werden, da Roma nicht nur Honorius, sondern auch die Römer und damit quasi sich selbst adressiert. Beiden Reden gemeinsam ist die Vermittlung einer Aufbruchstimmung, die durch die Häufung der Imperative und Ermahnungen erzeugt wird, sowie ein didaktischer Grundtenor. Die Annahme des christlichen Glaubens wird wie auch in der Interaktion mit Theodosius als ein Lernprozess beschrieben. Im zweiten Buch besetzt Roma zugleich die Rolle des Lehrers und des Schülers. Ebenso wie bei Theodosius wird der Sieg des Honorius über die Goten durch einen Vergleich mit dem Sieg über die Gallier im 4. Jh. v. Chr. überhöht: Während die Gallier unter Camillus Rom besetzten und sogar zerstörten, erfährt die Roma nur vom Hörensagen vom Gotenkrieg (CS 2,730). Der christliche Kaiser konnte eine Wiederholung des traumatischen Ereignisses verhindern, das in Anbetracht der gegenwärtigen Sicherheit seinen Schrecken verliert204. Zum Vergleich beider Leistungen wird die tollere vultum-Allegorie des ersten Buches in veränderter Form wieder aufgegriffen: Im zweiten Buch erhebt Roma unter Camillus ihr Haupt über die rauchenden Trümmer des zerstörten Stadtraumes und schmückt ihn mit Girlanden und Lorbeer (CS 2,722 de cinerum squalore). Im ersten Buch diente die Metapher dazu, die religiöse Konversion Roms unter Theodosius zu versinnbildlichen, das vom Schmutz des Götterglaubens entstellt war (CS 1,408 squalebat). Der militärische Sieg des Honorius wird in eine gedankliche Nähe zum Triumph seines Vaters über die alte Staatsreligion gerückt. Roma erwartet von Honorius nicht nur weltliche Erfolge, wie den des Camillus, sondern auch spirituelle, damit ihre Zukunftsvision eines

204 Auch Hannibal wird in seiner Schrecklichkeit und Feindesstärke herabgesetzt. Prudentius stellt fest, dass eigentlich Kampaniens Luxus und nicht Roms Heer diesen besiegt habe, da er bereits in den Bädern Baias seine Stärke eingebüßt habe (CS 2,738–742; 746f.; vgl. Liv. 23,18,12). Im Gegensatz dazu wird der Geticus tyrannus (CS 2,696) zu einem Feind stilisiert, den erst Stilicho in direkter Konfrontation besiegen kann (CS 2,743 comminus ), was als ein Beispiel wahrer Tapferkeit gewertet wird (CS 2,745 mera virtus). Camillus als Vergleichsfigur übernimmt Prudentius nicht nur von Ambr. epist. 18,7, sondern ebenso von Claudian. In carm. 26,430–434 übertrifft Stilicho diesen durch seinen Sieg über die Goten und die Tatsache, dass Rom nicht eingenommen worden ist: Celsior o cunctis unique aequande Camillo! | … sed tardior ille | iam captae vindex patriae, tu sospitis ultor.

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Triumphzuges in ihren Mauern wahr wird. Die motivische Parallele zum ersten Buch impliziert, dass dem Honorius nur dann Blumen in den Straßen Roms gestreut würden, wenn er sich auch gegenüber dem Aberglauben als siegreich erweist und Rom ebenso wie sein Vater in die wirkliche Ewigkeit überführt205. Am Ende der Rede wird die Schmutzmetapher des ersten Buches nochmals aufgegriffen, wenn Roma mit der Mahnung an Honorius schließt, die Stimme der paganen Partei zu überhören, die Tempel zu schließen und ihre Stadtlandschaft vom Schmutz zu befreien (CS 2,760–768)206. In der Verbindung der Schmutzmetapher und der tollere vultum-Allegorie verschmelzen Stadtpersonifikation und Stadtraum wie bereits im ersten Buch zu einer räumlich-figürlichen Sinneinheit von Realität und Allegorie. Am Ende des Werkes dient die Stadtpersonifikation in der Schlussbitte an Honorius vorrangig der Verkörperung ihrer Bevölkerung (CS 2,1114–1132). Die strikte Zurückweisung der persona ficta, die noch das Ende des ersten Buches prägte, wird zurückgestellt und Roma wird zum Symbol des Christentums. Ihr werden vermehrt menschliche Gefühle und Handlungsweise zugesprochen, womit sie kaum mehr den realen Stadtraum versinnbildlicht207. Stadtpersonifikation und reale Szenerie erfahren eine deutliche Trennung: Die Stadtlandschaft tritt lediglich als Aktionsraum ihrer Bevölkerung in Erscheinung und insbesondere die Amphitheater werden fokussiert (CS 2,1124–1129). In den letzten Versen wird die pietas der Römer zur Bedingung für die Christianisierung Roms: Sit devota deo, sit tanto principe digna et virtute potens et criminis inscia Roma, quemque ducem bellis sequitur pietate sequatur. (CS 2,1130–1132)

205 Auf Theodosius’ Leistung verweist Rom am Beginn ihrer Rede (CS 2,656ff.). Honorius führt diesen Ewigkeitsanspruch Roms in seiner Herrschaftszeit weiter: Regnator mundi Christo sociabere in aevum, | quo ductore meum trahis ad caelestia regnum (CS 2,758f.). In Cath. 11,65f. streut die ganze Welt zu Ehren der Geburt Christi Blumen (Sparsisse tellurem reor | rus omne densis floribus …). Über die gemeinsame Handlung werden nicht nur Rom und die Welt parallelisiert, sondern Honorius wird in CS 2 implizit in den Dienst Christi gestellt. 206 Roma übernimmt gegenüber Honorius die mahnende und warnende Rolle, die Ambrosius gegenüber Valentinian II. eingenommen hatte (Ambr. epist. 18,2). Die Schmutzmetapher wird am Ende der Rede expliziert, wenn Honorius ebenso wie bereits sein Vater in Perist. 2,473–484 die sordida templa und madidae arae schließen und niederreißen lassen soll (CS 2,764f.). 207 Allein das Attribut aurea in CS 2,1114 lässt an das sprichwörtlich goldene Rom denken.

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Roma, die Honorius in der Frömmigkeit nachfolgen soll (sequatur), spiegelt die Römer des ersten Buches, die Theodosius in seiner religiösen Erkenntnis folgten (sequi)208. Sie wird zur literarischen Entsprechung der Bewohner Roms. Am Ende des Werkes wird die Grundindee der Identität von Stadt und Bevölkerung nochmals formuliert und mündet in einer Aufforderung an den außerliterarischen Leser, christlich zu werden und sich der Leitung des frommen princeps Honorius anzuvertrauen.

5.3 Roma und Stadtgenius Die personifizierte Roma, die Symmachus noch als „Inbegriff und Sinnbild aller Römer“209 dient, wird kurz nach ihrer Interaktion mit Theodosius im ersten Buch als literarische Fiktion und metaphorisches Konstrukt entlarvt: Si persona aliqua est aut si status urbis, in his est (CS 1,569). Der imaginierten persona ficta einer Stadtgöttin wird mit den Regierungseliten (his) die tatsächliche Verkörperung des kulturellen, politischen und religiösen Gemeinwesens gegenübergestellt210. Von den bereits Bekehrten werden die wenigen noch verbliebenen Altgläubigen als Nicht-Verkörperung Roms abgegrenzt211. Die Explikation der Allegorie führt zur Dekonstruktion ihres symbolischen Gehalts. Nicht nur die Romgöttinnen fremder Werke, sondern auch die eigene Roma des Prudentius wird zu einem erdichteten Scheingebilde herabgesetzt. Prudentius übernimmt die personifizierte Roma von seinen Vorgängern, spricht ihr jedoch ihre repräsentative Funktion für das römische Volk in der realen Außenwelt ab. Stattdessen wird sie bei ihm zu einer literarischen Leitfi-

208 CS 1,509f. … Christumque vocante | magnanimo ductore sequi et spem mittere in aevum. 209 Gnilka (2001f), 225. 210 Schierl (2013), 251f. sieht in den Senatoren die Verkörperung des verjüngten Rom und spricht von einem „Rome embodied“. Vgl. zum Gedanken bei Prudentius Cic. off. 1,121: Est igitur proprium munus magistratus intellegere se gerere personam civitatis debereque eius dignitatem et decus sustinere, servare leges, iura discribere, ea fidei suae commissa meminisse. Auf die persona als Maske/Rolle spielt Prudentius in CS 2,644–647 an, wo Symmachus unterstellt wird, dass er seinen trügerischen Worten durch das Aufsetzen einer bedeutungsvollen ‚Maske‘ Autorität verleihe: … quam vult praenobilis ille senator | orandi arte potens et callida fingere doctus | mentitumque gravis personae inducere pondus, | ut tragicus cantor ligno tegit ora cavato. Zur persona als Rolle in der Gesellschaft Cic. off. 1,107f.; 115f.; Sen. epist. 120,21. 211 CS 1,598–599 … at tamen in paucis iam deficiente caterva | nec persona sita est patriae nec curia constat. Der überholten Meinung dieser wenigen stehen die aktuellen publica vota der römischen Gesamtheit in Vers 601 gegenüber. Vgl. Ambr. epist. 17,10 Sed absit, ut hoc senatus petisse dicatur. Pauci gentiles communi utuntur nomine.

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gur für den Leserkreis, der sich an ihrem Beispiel orientieren soll. Der Dichter macht deutlich, dass seine Stadtpersonifikation nichts anderes als eine von ihm erdachte persona ficta ist, die er auftreten lässt, um seine Lehre empathisch zu stützen212. Seine Roma-Figur ist keine deskriptive Verkörperung einer ideologischen Überzeugungsgemeinschaft, sondern trägt präskriptiven Charakter. Sie wird zu einem literarisch-didaktischen exemplum dafür, dass Römertum und Christentum gänzlich vereinbar sind213. Hatte im ersten Buch der Auftritt der personifizierten Roma die Frage nach einer adäquaten Verkörperung der Stadt aufgeworfen, dient im zweiten Buch eine Paraphrase aus der dritten Relatio des Symmachus als Aufhänger für die erneute Erörterung, was unter der ‚Seele‘ Roms verstanden werden kann: „Sicut variae nascentibus“ inquit „contingunt pueris animae, sic urbibus adfert hora diesque suis, cum primum moenia surgunt, aut fatum aut genium, cuius moderamine regnent.“ (CS 2,71–74) Städte und Menschen werden parallelisiert und beiden wird in irgendeiner Form eine Beseeltheit zugesprochen. Während der Körper des Menschen bei der Geburt von einer Seele belebt werde, werde den Städten am Tag der Grundsteinlegung ihrer Mauern ein schicksalsträchtiger Geist zugeteilt (aut fatum aut genium). Ebenso wie die anima das Geschick des Körpers lenke, werde das Schicksal einer Stadt von ihrem jeweiligen genius bestimmt214. Das Analogieverhältnis, in das Prudentius Mensch und Stadt setzt, verformt in

212 Dies wird insbesondere im zweiten Buch deutlich, wo der Auftritt Romas vom Erzähler als seine literarische Fiktion angekündigt wird: Si vocem simulare licet, nempe aptior ista | vox Roma est quam nunc eius sub nomine promam (CS 2,649–650). Vgl. Kurz (2004), 62 zur Funktion der Personifikation. 213 Die Verbindung von Römertum und Christentum spiegelt sich auch in den Feldzeichen der Schlacht bei Pollentia. Dort wird im Heer des Honorius den römischen Drachenstandarten das Kreuzzeichen vorangetragen: Prima hasta dracones | praecurrit quae Christi apicem sublimior effert (CS 2,713–714). 214 Die Argumentation des Symmachus basiert auf der Lehre des Neuplatonismus. Er betrachtet den Polytheismus gemäß Chiai (2016), 276 als „Pluralität der religiösen Praktiken […], die jedoch als Emanationen eines höchsten göttlichen Wesens […] aufzufassen sind“. Zum Verhältnis paganer Gottheiten und genii loci bei Symmachus Ebd. 276ff.

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polemischer Weise den Gedanken des Symmachus, bei dem nicht einer Stadt, sondern einem Volk ein genius zugeteilt wird215. Wieder aufgenommen wird der neu konstruierte Analogiegedanke in CS 2,370–444, wo die Aussage des Symmachus wiederum mit einer anderen Sinngebung paraphrasiert wird: Obwohl der genius diesmal nicht nur den Städten, sondern entsprechend der dritten Relatio auch den Völkern zugeteilt wird (populis seu moenibus), bleiben die konstruierten Analogiebezüge erhalten216. Symmachus wird zweimal unterstellt, dass er in seiner Schrift die menschliche Seele (anima) einem Stadtgeist (genius urbis) gleichsetze und das fatum nach dem traditionellen Glauben dasselbe sei wie der genius eines Volkes oder einer Stadt217. Prudentius konstruiert also bewusst einen Denkfehler bei Symmachus, dessen Wahrheitsgehalt er widerlegen kann. Nachdem zuerst polemisierend die Frage aufgeworfen worden ist, was ein genius eigentlich sei, werden die munera und der Sitz des Stadtgeistes gesucht218. Ausgehend von einer Analogie mit der menschlichen Seele werden zuerst deren Funktion und Verortung im Körper beschrieben219. Daraufhin wird eine Wesensübereinstimmung beider entschieden zurückgewiesen. Der Stadtgenius wird zu einem fingierten Mauergeist herabgesetzt bzw. seine Existenz wird infrage gestellt220. Die irrige Annahme, dass die Seele und der genius einander in Erscheinung und Funktion entsprächen, wird nochmals Symmachus zugesprochen (CS 2,385 tu … temptas). 215 In der dritten Relatio werden den Städten verschiedene Kulte zugewiesen, welche die Städter zum Erhalt der Stadt ausführen, kein schicksalsträchtiger Geist. Ein genius wird den Völkern und nicht den gebauten Städten zugeteilt, schicksalhaft beseelt werden damit nicht die Mauern einer Stadt, sondern die Menschen: Varios custodes urbibus cultus mens divina distribuit. Ut animae nascentibus, ita populis fatales genii dividuntur (Symm. rel. 3,8). Auch die Gleichsetzung von fatum und genius, die bei Prudentius vorgenommen wird, entspricht nicht den fatales genii in der Relatio. Bei Symmachus ist das fatum die bestimmende Instanz, die dem genius der Völker ein bestimmtes Los zuteilt, und nicht das Los selbst. Bei Prudentius hingegen geht die Besprechung des genius ab CS 2,450 relativ übergangslos in eine Erörterung des fatum über. 216 CS 2,372–374 „Cunctis nam populis seu moenibus inditur“ inquit | „aut fatum aut genius nostrarum more animarum, | quae sub disparii subeunt nova corpora sorte.“ 217 In CS 2,405f. nimmt die anima einer Stadt das fatum noch auf (… umbram sive animam, per quam res publica fatum | hauserit …); in CS 2,429f. werden beide Begriffe mit dem genius synonym gesetzt. 218 CS 2,378 … et quid sapiat quae munera curet. 219 CS 2,375–392. Der Erzähler schützt die eigene Unwissenheit vor (Iam primum qui sit genius vel qui status illi | conpetat ignoro) und verweist auf das, was er kennt (Contra animas hominum … intellego). 220 CS 2,384–386 Sic hominis vitam sibi temperat atque gubernat | vivida mens, quam tu ficto conponere temptas | moerorum genio, qui nusquam est nec fuit umquam.

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Dennoch wird im Anschluss der scheinbare Versuch unternommen, die Entstehung des urbis genius im Laufe der römischen Geschichte festzusetzen und ihn in der Stadttopographie zu verorten. In Anlehnung an die Aufgaben der animae hominum im Körper werden die entsprechenden munera aufgeführt, die ein genius zum Wohl seiner Stadt zu übernehmen habe221. In den angeführten Aufgabenfeldern eines mutmaßlichen Stadtgenius zeigt sich, dass das Volk und insbesondere die Führungseliten Roms den eigentlichen genius der Stadt ausmachten222. Der Kerngedanke des ersten Buches wird wieder aufgegriffen und motivisch zur dortigen Konversion der personifizierten Roma in Bezug gesetzt223. Der Gedanke wird explizit gemacht, dass mit ‚Rom‘ vor allem die Bewohner der Stadt gemeint seien und keine literarische Phantasiegestalt. Anders als bei der Roma-Figur wird die Allegorie vollständig aufgelöst: Romam dico viros quos mentem credimus urbis, non genium, cuius frustra simulatur imago. (CS 2,443–444)

221 Die Seelen durchwandern über das Blut den ganzen Körper und sorgen dafür, dass er geschützt und am Leben erhalten wird. Außerdem bestimmt die Seele, welchen Künsten (artes) sich der Mensch zuwendet und welchen Gott (dominus) er anbetet (CS 2,379–392). Dagegen wird über eine Reihung polemischer rhetorischer Fragen verdeutlicht, dass es schwer fiele, einen Stadtgenius in der römischen Geschichte oder in Rom selbst zu verorten bzw. ihm eine konkrete Funktion zuzuweisen: At tuus hic urbis genius (dicas volo) quando | coepit adhuc parvae primum se interfundere Romae? | Fluxit ab uberibus nemorosa in valle lupinis | infantesque aluit dum nascitur ipse gemellos?| An cum vulturibus volitans ignota per auras | umbra repentinam traxit de nube figuram? | Culminibus summis sedet an penetralia servat? | Instituit mores et iura forensia condit, | an castrorum etiam fossis intervenit, acres | cogit ad arma viros, lituis ciet, urget in hostem? (CS 2,393–402). 222 Die munera bestehen nicht nur darin Gesetze zu erlassen und in der Verteidigung des Staates (CS 2,400-402), sondern auch darin, sowohl die Religions- als auch die Herrschaftsform festzusetzen (CS 2,407-435). Der hier ersonnene Gang durch die römische Geschichte gipfelt in der monarchischen Herrschaft des Theodosius und dem christlichen Monotheismus als doppelter Klimax. Die Passage schließt mit einer Analogiesetzung von menschlichem Körper und Staatskörper: Fingamus tamen esse aliquam quae talia curet | umbram sive animam, per quam res publica fatum | hauserit et calidis animetur tota medullis (CS 2,404–406). 223 In der anaphorischen Reihung der cur-Fragen (CS 2,407–412) wird genau das Verhalten von dem Stadtgenius eingefordert, das die Roma im ersten Buch zeigt. Er soll seine Religion überdenken (407f. Cur non haec eadem de religione colenda | consultat), frei zum Himmel aufblicken (408 Cur non suspectat libera caelum?), sich von den Fesseln des Aberglaubens befreien (409f.) und sich zum Christentum bekehren (411f.).

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Stadtgenius und Stadtpersonifikation werden parallelisiert und zu zwei irrigen Repräsentationsformen römischen Selbstverständnisses224. Sowohl der genius als auch die personifizierte Roma müssen als fingierte imagines betrachtet werden, denen der Dichter das römische Volk als tatsächliche Verkörperung der Stadt entgegenstellt. Der Stadtgenius wird als ein Produkt menschlicher Vorstellungskraft entlarvt225. Ebenso wird durch das excitat betont, dass auch die Stadtgottheit Roms erst durch die Sprachgewandtheit des Symmachus zum Leben erweckt werde: … excitat … reposcentem querulo sua numina Romam (CS 2,80–82)226.

5.4 Zwischenresümee Werden in der modernen Forschung Allegorien bei Prudentius untersucht, stehen meist die Psychomachia oder in selteneren Fällen die Hamartigenia im Fokus. Das dortige allegorische Geschehen wird spätestens sein Reinhard Herzog mit der realen Welt des römischen Reiches in Bezug gesetzt. Vor allem die Isomorphie von Stadt und Seele, von Außen und Innen, die Prudentius aus biblischen und klassischen Quellen aufgreift, hat zu mannigfaltigen Überlegungen geführt227. In diesen Untersuchungen dient das Werk Contra orationem Symmachi als Fundus an Paralleltextbelegen, mit denen der Realitätsbezugs der allegorischen Werke gestützt wird. Der allegorische Gehalt der zwei Bücher selbst ist dabei kaum in den Fokus gerückt worden ist. Bei der vorliegenden Betrachtung der Rom-Allegorien hat sich jedoch gezeigt, dass in Contra orationem Symmachi eine Vielzahl und ebenso große Varianz an Allegorien und Metaphern auftritt wie in den anderen Werken. Der irdische Raum wird über zahlreiche topographische und gesellschaftliche Merkmale sowie eine Reihe gemeinsamer Metaphernfelder mit einem spirituellen Raum kontextualisiert. In der Psychomachia und der Hamarti-

224 In CS 2,429–441 wird der Begriff Roma gedanklich in eine Reihe mit den Begriffen fatum, genius, animus (publicus) gestellt und mit ihnen identifiziert: Fluctibus his olim fatum geniusve animusve | publicus erravit; … Quod si tot rerum gradibus totiens variatis | consiliis aegre tandem pervenit ad illud | quod probet ac sancto reverentia publica servet | foedere, quid dubitat divina agnoscere iura … | Gratemur iam non dubitat. Nam subdita Christo | servit Roma deo cultus exosa priores. 225 CS 2,404f. Fingamus … umbram; 445 genium Romae fingitis ; 446ff. soleatis … geniorum milia multa fingere. 226 Vgl. CS 1,220 nomenque loci ceu numen habetur. Zur Semantik von excitare OLD (2007), 635f. s.v. excito. 227 Zuletzt Mastrangelo (2008), 126ff.

Zwischenresümee

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genia wird das Innere des Menschen in der Vorstellung einer Seelenstadt ‚urbanisiert‘; in Contra orationem Symmachi werden Rom und Ereignisse, die in Rom stattfinden, spiritualisiert. Die spirituelle Seelenstadt der Psychomachia und der Hamartigenia wird ‚verweltlicht‘ und für die Leserschaft plastisch vorstellbar, indem ihr mehrere Charakteristika des realen Roms zugesprochen werden. In Contra orationem Symmachi wird das Phantastisch-Allegorische gedanklich in die reale Lebenswelt transferiert. Der urbane Raum wird zu einer Projektionsfläche für das Innere des Menschen und die darin ablaufenden Prozesse. Sowohl die menschliche Seele als auch das reale Rom werden zum Schauplatz religiöser Erleuchtung, zu Orten, an denen die Taufe sinnbildlich vollzogen wird, und zu Kampfschauplätzen zwischen Gut und Böse. Durch die Lichtmetaphorik werden die Folgen veranschaulicht, die eine Konversion zum Christentum und die Präsenz des christlichen Gottes nach sich ziehen, während die Auswirkungen, die ein falscher Glaube hat, in der Krankheitsmetaphorik einen Ausdruck finden. Durch die gemeinsamen Metaphernfelder sowie den Leitgedanken der concordia werden Außenwelt und Innenwelt in ein wechselseitiges Spannungsverhältnis gesetzt. Mikrokosmos und Makrokosmos sind nicht nur isomorph, sondern voneinander abhängig. Prudentius illustriert über die metaphorische Verschränkung beider Bereiche, wie das Lebensumfeld die religiöse Einstellung und die Religion wiederum die Gestaltung und Nutzung des Lebensumfeldes prägt. In seiner allegorisch-metaphorischen Gesamtkonzeption kann das Oeuvre des Dichters damit durchaus als ein komplex angelegtes „Supergedicht“228 betrachtet werden, das Contra orationem Symmachi ebenso umfasst wie die gemeinhin als ‚allegorisch‘ charakterisierten anderen Werke. In Abgrenzung zu allen anderen Werken tritt in beiden Büchern eine personifizierte Roma auf, die mehr ist als ein Symbol229. Sie wird stets in eine Interaktion mit einem Kaiser gesetzt, womit die Szenen panegyrische Züge tragen. In ihrer literarischen Ausgestaltung steht die Stadtpersonifikation des christlichen Dichters der allegorischen Mischform der Panegyrik näher als 228 Ludwig (1977), 304, dazu kritisch Lühken (2002), 257; zuletzt O’Daly (2012), 17f. Coşkun (2003), 215 tendiert wiederum dazu, das Gesamtwerk des Prudentius erneut als einen „harmonischen Gesamtbau“ zu betrachten (vgl. Ebd. 222, Anm. 21 zum Forschungsstand). Die Metaphernfelder treten ebenfalls in den Hymnen des Liber Peristephanon auf, siehe dazu das folgende Kapitel. 229 In einzelnen Hymnen des Liber Peristephanon klingt eine Personifizierung der Stadt an, Roma wird jedoch nicht in einer Figur realisiert. So bspw. in den ersten Versen des Laurentiushymnus oder in Perist. 11,231ff.

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dem personifizierten Sinnbild einer res Romana, mit dem Symmachus seine diskursiven Absichten stützt. Von den Panegyrikern übernimmt Prudentius das Nebeneinander von Allegorie und Realität: In der Roma-Figur sind gleichzeitig Eindrücke der Personifikation, der realen Stadtszenerie und der Bevölkerung, die im urbanen Raum agiert, präsent. Die Rominszenierungen stehen in Kontrast zu den konventionellen Vorstellungen der Roma aurea und aeterna, arbeiten aber gleichzeitig mit diesen und entwickeln sie weiter: Rom bleibt bei Prudentius goldene Stadt und caput mundi, strahlend und ewig wird es jedoch erst im christlichen Glauben. Die Interaktionen von Kaiser und Stadt dienen weniger der panegyrischen Überzeichnung eines Herrschers als vielmehr dazu, religionspolitische und religiöse Prozesse im real-allegorisch-metaphorischen Raum abzubilden. Zum einen dient die Interaktion der Figuren als literarisch inszeniertes Portrait der Realität, das die Religionspolitik der Kaiser abbildet. Zum anderen werden Kaiser und Stadtpersonifikation zu Teilnehmern einer idealtypischen Lehrsituation. Sowohl Theodosius als auch Roma und die in ihr präsenten Römer werden zu Vorbildern einer christlichen Lebensart und Weltanschauung. In der langen Reihe von (kaiserlichen) Rombesuchern ist Theodosius der erste, der dem Ideal des sehenden und erkennenden Christen entspricht. Rom wird zur Reflektionsfläche seiner religiösen Erkenntnisfähigkeit. Der Kaiser erfüllt die Rollen eines Arztes, eines christlichen magister230 und des idealen Regenten. Roma wird als eigentlicher Inbegriff der alten Traditionen zum exemplarischen Leitbild religiöser Konversion. Im zweiten Buch wird sie zur Lehrerin des jungen Honorius, der in die Position des Schülers rückt. In beiden Szenen trägt die Stadtpersonifikation weniger deskriptive als vielmehr präskriptive Züge, wenn der Blick statt auf das Handeln der Römer in der Vergangenheit auf ihr erwartetes Handeln in der Zukunft gerichtet wird. Das Nebeneinander von Personifikation, Stadt und Bevölkerung dient nicht allein dem poetischen decus, sondern dazu, den Symbolcharakter der personifizierten Roma offenzulegen und zu dekonstruieren. Der fiktiven Idee einer Stadtgottheit oder eines Stadtgenius stehen bei Prudentius der reale Raum und das Agieren der Stadtbevölkerung gegenüber. Die Göttin Roma, die in einer literarischen Figur konventionalisiert ist, und der genius verlieren bei Betrachtung der Realität ihren Geltungsanspruch: Rom und römische Religion konkretisieren sich nicht in einer fingierten Gottheit, sondern in der Bevölke230 Gemäß Quint. inst. 2,2,1ff. soll ein Lehrer sich durch eine vorbildliche Lebensführung hervorheben. Zum Ideal des Christen als Lehrer Neymeyr (1989), bes. 73ff.

Zwischenresümee

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rung und deren religiösem Verhalten. Das Romam dico viros ist programmatische Leitidee der Rominszenierungen in Contra orationem Symmachi und – wie im folgenden Kapitel aufgezeigt werden wird – in den Romhymnen des Liber Peristephanon.

6 Der Liber Peristephanon: Neue Wege im Alten Rom 6.1 Einführung Während seiner Amtszeit 366–384 n. Chr. schreibt Papst Damasus Rom über den Bau mehrerer Kirchen und deren Beschriftung durch Epigramme eine neue Identität zu und definiert „die Stadt der Götter“ zu einer „Stadt der Märtyrer“ um1. Er führt den unter Konstantin begonnenen architektonischen Wandel fort und setzt den sakralen Kultstätten der myth-historischen Geschichte die Heiligtümer einer jüngeren christlichen Vergangenheit als Konkurrenzprogramm entgegen2. Anstelle von Jupiter, Mars oder Victoria tragen nun Laurentius, Petrus und Paulus für das Wohl und den Erhalt Roms Sorge. Die traditionellen Leitfiguren wie Romulus und Remus oder Castor und Pollux werden in ihrer Bedeutsamkeit für die römische Identitätsbildung verdrängt3. Zeitgleich erscheint der erste römische Festkalender, in dem den paganen Feiertagen christliche Gedenktage zu Ehren der Märtyrer und Bischöfe an die Seite gestellt werden4. Gemäß Steffen Diefenbach bedient sich Damasus bei der Umcodierung der Stadtlandschaft einer spezifisch „römischen ‚Sprache‘“, so das einem Betrachter Roms die Akzeptanz der neuen Erinnerungsorte über eine ihm bekannte Semantik erleichtert werde5. Hier zeigt sich, in welch engem Verhältnis Raumwahrnehmung und Sprache zueinander stehen, wenn den Orten ihre sakrale Bedeutung durch die epigrammatischen Märtyrerberichte eingeschrieben wird. Da auch Prudentius in seinem Liber Peristephanon der römischen Stadtlandschaft eine neue Bedeutung zuschreibt, betrachtet Ulrich Schmitzer ihn 1

2 3 4 5

Diefenbach (2007), 319; Diefenbach (2012) zeigt die politischen Beweggründen des Papstes bei der Umgestaltung Roms auf; Sághy (2012) akzentuiert die Schaffung von neuen Erinnerungsorten und einer Monumentalisierung der Kirchengeschichte im römischen Stadtraum bei Damasus; vgl. Lancon (2000), 99ff.; 159ff.; Krasser (2010), 208f. Schmitzer (2012), 238. Roberts (1996), 184; Diefenbach (2007), 308ff.; Schmitzer (2012), 241; zu Petrus und Paulus bei Prudentius Buchheit (1971), 466ff.; Roberts (1996), 167ff. Zum Kalender des Philocalus Salzman (1999), 124ff.; Lancon (2000), 137ff.: Curran (2000), 221ff.; Reutter (2009), 12. Diefenbach (2007), 309; ebenso Reutter (2009), 137ff.; 151f.; Cameron (2011), 351; Sághy (2012). Die innerchristliche Konkurrenz um die Verortung der Märtyrerkulte betont Krasser (2010), 207f. mit weiterer Literatur; vgl. Reutter (2009), 31ff. zu Damasus und Ursinus; 429ff. zur Vorrangstellung Roms; Diefenbach (2007), 215ff., bes. 224ff. zu Damasus und Ursinus.

Einführung

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als „literarische Parallelaktion zu den Epigrammen des Damasus“6. Die urbanen Szeneriebeschreibungen der Hymnen Perist. 2, 11, 12 (und 14) sowie der Reisebericht des Perist. 9 deuten darauf, dass Prudentius diese erst während oder nach seiner Romreise geschrieben hat7. Je nach deren Datierung kann ihre Entstehungszeit im Zeitraum zwischen 398 und 402 n. Chr. verortet werden8. Altay Coşkun setzt sie überzeugend in eine gemeinsame Genese mit Contra orationem Symmachi, das ebenfalls durch Erlebnisse und Eindrücke in der Hauptstadt geprägt ist9. Zwischen beiden Werken bzw. Werkteilen kann also ein enger thematischer Bezug angenommen werden, der auf Rom als übergeordnetes Thema zielt. Ebenso wie die zwei Bücher zeichnen sich die Gedichte des Liber Peristephanon durch die Einflüsse mehrerer Gattungen aus10, was die Eingrenzung 6

Schmitzer (2012), 242; vgl. Krasser (2010), 210ff. Zum Einfluss der Epigramme auf die Gedichte des Prudentius Palmer (1989), 30; 230ff., bes. 243ff. zu den römischen Hymnen. 7 Die römischen Märtyrerberichte und Perist. 9 sind als thematischer Komplex rund um die Romreise konzipiert und auch in ihrer literarischen Ausgestaltung ähnlich, vgl. RodriguezHerrera (1936), 94 zu den Vorverweisen in Perist. 11 auf 12, bspw. Perist. 11,31f.; Ludwig (1976), 303ff. zum Bezug von Perist. 2 und 12 (dagegen Prolingheuer 2008, 284f.); Palmer (1989), 89ff. ; bes. 94ff. zum Leserkreis. Smolak (2001) rechnet Perist. 10 aufgrund des Protagonisten Romanus zu den Romgedichten, zur früheren Entstehung und zur Sonderstellung des Gedichts im Zyklus Palmer (1989), 70, Anm. 62; 87f.; Anm. 120; zuletzt Coşkun (2008), 301, Anm. 22; 306, Anm. 41. Rodriguez-Herrera (1936), 18 ordnet alle Gedichte des Liber Peristephanon uneingeschränkt den Hymnen zu, dagegen betrachtet Palmer (1989), 75ff. die Einteilung anhand der (später hinzugefügten?) Überschriften passio oder hymnus kritisch. Sie verweist auf die Klassifizierung der Gedichte als carmina in Praef. 42, womit die Heterogenität der Sammlung untermauert werde. Dennoch bietet sich aufgrund von Thematik und Programmatik die Bezeichnung ‚Hymnus‘ oder ‚Märtyrerbericht‘ an. 8 Prolingheuer (2008), 22 grenzt die Entstehungszeit in Anlehnung an García zu kurz auf 398–400 ein; Rodriguez-Herrera (1936), 17 setzt die Reise zwischen 401 und 403 an und vermutet, dass Perist. 2 vor der Reise, Perist. 8, 9, und 10 in Rom und 11, 12, 13 und 14 nach Rom abgefasst worden seien; Palmer (1989), 23ff.; bes. 29f. denkt ebenfalls an Autopsieberichte und eine Inspiration durch die Epigramme des Damasus (vgl. Ebd. 57ff.). Für Perist. 2 vermutet sie Ebd. 24; 89 eine Entstehung vor der Reise, schließt aber die Möglichkeit eines Entstehens nach der Reise nicht gänzlich aus. Sie geht wie Harries (1984), 73 von mehreren Romaufenthalten aus, auch wenn Perist. 9, 11 und 12 als eine einzige Reise konzipiert seien, dagegen Coşkun (2008), 308, Anm. 48; vgl. Ebd. 295; 307; 309, bes. Anm. 50; 312ff. Er datiert die Romreise anhand der Fertigstellung der Paulusbasilika unter Honorius sowie der politischen Ereignisse überzeugend in die Jahre 401–402 und nimmt für alle Berichte, die in Rom verortet werden, ein Entstehen unmittelbar vor, während oder nach der Reise an. 9 Coşkun (2008), 307; 313f.; 315. 10 Rodriguez-Herrera (1936), stellt epische (77), apologetische und didaktische (88) sowie liturgische Züge (97f.) fest, dagegen spricht Palmer (1989), 67ff. ihnen eine liturgische Funktion ab; ebenso Lühken (2002), 201; Schmidt (2003), 233; Fontaine (1975), 773 be-

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Der Liber Peristephanon: Neue Wege im Alten Rom

einer intentio operis sowie die Ableitung eines Adressatenkreises schwierig gestaltet. Man kann sie überzeugend als poetisches Konkurrenzprogramm zu den spectacula der Arena interpretieren11, als christlichen Gegenentwurf zu aitiologischen Werken wie den Fasti12 oder als literarischen Pilgerbericht13. Als Adressatenkreis werden in der modernen Forschung aufgrund des hohen Niveaus in Sprache und Gedankenführung wiederholt die christlichen Eliten benannt, teilweise werden christliche und pagane Eliten gemeinsam angeführt. Die Ausrichtung des gesamten Liber Peristephanon auf einen (fast ausschließlich) spanischen Adressatenkreis erscheint mir aufgrund der engen thematischen Bezüge der vier Gedichte über römische Märtyrer und Contra orationem Symmachi zumindest für diese zu eng gefasst. Es erscheint sinnvoller, dass die Märtyrerberichte ein ähnliches Lesepublikum wie die zwei Bücher ansprechen, das, wie Helmut Krasser es formuliert, in den reichsweiten „intellektuellen Eliten christlicher und paganer Provenienz“14 besteht.

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zeichnet sie als „paraliturgisch“; Coşkun (2003), 223 stellt fest, dass „die meisten Hymnen auf die Märtyrer […] durchaus vollgültige Invektiven gegen die Götzen und ihre Verehrung“ seien, vgl. Palmer (1989), 93f.; Prolingheuer (2008), 286ff. weist in Perist. 12 panegyrische Züge nach. Bereits Ludwig (1976), 331ff. verweist auf die veschiedenen Gattungseinflüsse vor allem in der zweiten Hälfte des Liber Peristephanon; Lühken (2002), 193f. weist auf die Schwierigkeit hin, die Gedichte der Lyrik zuzuordnen und führt an, dass Perist. 10 sogar als Tragödie gelesen worden sei. Aufgrund der Heterogenität vermutet Palmer (1989), 86ff. dass die einzelnen Gedichte von Prudentius nicht aufeinander hin konzipiert worden seien, sondern erst im 5. Jh. als Kollektion zusammengestellt worden seien, woraus sie verschiedene Adressatenkreise ableitet, ähnlich Coşkun (2008), 308, Anm. 48 zur loosen Kohärenz. Auch der Titel stammt möglicherweise nicht von Prudentius, dazu Palmer (1989), 87; Schmidt (2003), 219. Prolingheuer (2008), 197ff. Vgl. Prop. 4,1,69 Sacra diesque canam et cognomina prisca locorum; Ov. fast. 1,1f., dazu Palmer (1989), 121ff.; 255ff. zum Liber Peristephanon als poetischem Kirchenkalender; vgl. Roberts (1996), 193; Schmidt (2003), 224ff. zu Perist. 9, 11 und 12; Krasser (2010), 213 zum Nebeneinander von Überschreiben und Kontinuität; 221 zur Verbindung von Aition und Handlungsanweisung bei Prudentius. Palmer (1989), 94ff.; Smolak (2001); Krasser (2010). Krasser (2010), 209 zum Adressatenkreis des Liber Peristephanon. Dieser Leserkreis passt auch am besten zum „Programm der Grenzüberschreitung“, das Krasser für den Gedichtzylus feststellt. Rondriguez-Herrera (1936), 89 versteht den Liber Peristephanon als Gegenprogramm zu den heidnischen „Hauskulten“ für den gebildeten (christlichen) Mittelstand und pagane Gelehrte; Palmer (1989), 86ff. vermutet verschiedene Leserkreise; in 94ff. denkt sie aufgrund des „patriotic fervour“ in den spanischen Gedichten vorwiegend an die „upper-class Spaniards“, denen die römischen Berichte als Ersatz für eine Pilgerfahrt dienten. Lediglich Perist. 7, 13 und 14 seien „ad hominem | homines“ geschrieben; vgl. 103 zu Prudentius als poeta doctus; vgl. Schmidt (2003), 224 zur Vielseitigkeit der Gattungsbezüge; 234 zum elitären Leserkreis und zum Missionsanspruch des Werkes; 235

Die Wegmetaphorik im zweiten Buch Contra orationem Symmachi

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Im Folgenden werden die vier römischen Märtyrerberichte des Liber Peristephanon als Zeugnisse des zeitgenössischen Religionsdiskurses vorgestellt, die das Werk Contra orationem Symmachi ergänzen. Die in ihnen dargestellte religiöse Performanz im Stadtraum15 steht in engem Bezug zur Wegmetaphorik, die im zweiten Buch Contra orationem Symmachi entwickelt wird, und zu einer Passage des ersten Buches, in der die Senatsaristokratie konvertiert. Eine Betrachtung dieser beiden Abschnitte soll der Untersuchung der vier Hymnen vorangestellt werden.

6.2 Die Wegmetaphorik im zweiten Buch Contra orationem Symmachi Sowohl in der traditionellen Literatur als auch in der christlichen Gedankenwelt ist die Metapher des Weges ein bekannter Topos16: In der antiken Literatur findet sich wiederholt die Vorstellung eines Scheideweges, an dessen Gabelung sich der Mensch für das Gute oder das Böse entscheiden kann. Auch in der Bibel begegnet oftmals ein Zwei-Wege-Gleichnis, dessen einer Weg in die Finsternis, den ewigen Tod und die Hölle führt, der andere ins Licht, zum Leben und zu Gott17: zur spanischen Elite; Roberts (1996), 8 nimmt gebildete christliche Aristokraten und den Klerus als Leserkreis an; Kuhlmann (2012), 142; 153f. benennt ein das religiös heterogene aristokratische „gebildete[…] Publikum“ als hauptsächlichen Adressatenkreis, räumt aber ein, dass die Gedichte ein „Identifikations- und Integrationsangebot für die unterschiedlichen sozialen Gruppen in Rom“ geboten haben dürften. Die Eingrenzung der Gedichte auf die Erbauungsliteratur wie bei Rodriguez-Herrera (1936), 89; Palmer (1989), 90 oder Schmidt (2003), 233f. ist m. E. aufgrund der programmatischen Vielfalt und zahlreichen Gattungsbezüge zu eng gefasst. Bereits bei Sidonius werden die Werke des Prudentius von der Erbauungslektüre (der Damen) geschieden (Sidon. epist. 2,9,4). 15 Cresswell (2002), 24ff. betont die enge Verbindung von Raum und Handeln im Raum für die Konstituierung von Bedeutung und Identität: „Even the most concrete of constructs is open to change and transformation through mobile practice that completely refuse to read the text [sc. the city’s] (or read it too well). […] Place is constituted through reiterative social practice – place is made and remade on a daily basis. Place provides a template for practice – an unstable stage for performance.” 16 Bei der antiken Vorstellung ist insbesondere an Herakles am Scheideweg zu denken (Xen. mem. 21,1,21ff.). Einen Überblick über die Tradition des Zwei-Wege-Motivs gibt Habermehl (2004a), 116ff.; zur antiken Literatur Messimeri (2001), bes. 143ff.; Snell (2011); zur christlichen Vorstellung Harms (1970); zum Motiv bei Prudentius Fabian (1988), 55; Gnilka (2001k), 485ff., der einen Überblick über das antike Motiv sowie eine Auswahl biblischer Belegstellen gibt; Evenepoel (2002). 17 Bspw. Mt. 7,13f. Intrate per angustam portam quia lata porta et spatiosa via quae ducit ad perditionem et multi sunt qui intrant per eam quam angusta porta et arta via quae ducit

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Lactanz erweitert das Zwei-Wege-Bild und stellt dem einen Weg des christlichen Glaubens eine via multiplex der religiösen Irrlehren gegenüber. Prudentius greift diese Idee in der Metapher einer christlich-orthodoxen via simplex auf, die er der via multiplex der häretischen Lehren und paganen Religion entgegensetzt18. Statt eines zweiten Weges steht dem einen richtigen Weg des katholischen Christentums nun eine Unmenge an falschen Wegen anderer religiöser Überzeugungen gegenüber. Diese Idee findet sich bereits in der Praefatio seiner antihäretischen Streitschrift Apotheosis19. Schon die einleitende Wendung est vera secta? ist doppeldeutig zu lesen (Apoth. praef. 2,1): Secta verweist gleichzeitig auf den Glaubensweg wie auf einen sinnbildlichen Weg, was in den folgenden Versen in einer umfassenden Wegemetapher mündet wird: Es wird vorausgesetzt, dass es nur einen richtigen Weg gebe – die salutis via –, der in dem labyrinthischen Gewirr von religiösen Abwegen schwer zu finden sei. Er sei eng und kaum zu erkennen, hebe sich aber durch seine Geradlinigkeit von den übrigen Wegen ab20. Auf allen anderen gekrümmten und verästelten Pfaden lauerten der Teufel und seine Anhänger dem ziellos Umherirrenden als Wegelagerer auf, die deshalb zu Abwegen und zu errores werden (Apoth. praef. 2,2–16)21. Der zentrale Begriff

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ad vitam et pauci sunt qui inveniunt eam; vgl. zum Glaubensweg in Christus Io 14,6: Dicit ei Iesus ego sum via et veritas et vita nemo venit ad Patrem nisi per me. Lact. inst. 6,7,1 Itaque illam perditionis ac mortis viam multiplicem ostendit, vel quod multa sunt genera vitae, vel quod dii multi qui coluntur ; 6,7,9 Haec autem via, quae est veritatis et sapientiae et virtutis et iustitiae, quorum omnium fons unus est, una vis, una sedes, et simplex est, quo paribus animis summaque concordia unum sequamur et colamus Deum …, dazu Gnilka (2001k), 492ff. Eine Ausnahme bildet ham. 789–801, wo das Zwei-Wege-Bild der traditionellen Literatur aufgegriffen und in eine christliche Deutung überführt wird, dazu Evenepoel (2002), 131f. Folgt man der Chronologie der Praefatio, entstand Apoth. vor CS, vgl. Lühken (2002), 255f.; Coşkun (2003), 220ff., bes. Anm. 22 zur Frage der Chronologie in der Forschung; Rodriguez-Herrera (1936), 16 datiert sie zwischen 398 und 400. Apoth. praef. 2,5 Artam salutis viam vix discernere est; 12 … rectum relinquens tramitem … In der ersten Praefatio zur Apotheosis wird der arianisch-katholische Diskurs um das Wesen Gottes als Leitthema vorgestellt, in der zweiten Praefatio verweist secta auf diese innerchristliche Auseinandersetzung. In ham. 174 bezeichnet der Begriff den Marcionismus, in Perist. 11,28 und Psych. 707 steht er für alle möglichen (innerchristlichen) Glaubensauffassungen, in CS 2,45 klingt secta in sectantur an, wo die pagane Religion angeprangert wird, in CS 2,93 und 276 meint vera bzw. recta secta das (katholische) Christentum, in CS 2,486 die religiöse Entscheidungsfreiheit. Prudentius’ Gebrauch des Begriffs ist also nicht einheitlich, vgl. Dykes (2011), 240f. Vgl. Fabian (1988), 55ff.

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error wird mit einer doppelten Semantik belegt und dient gleichsam als Ausdruck für den falschen Glauben wie für den verkehrten Weg22. Im zweiten Buch Contra orationem Symmachi werden dem richtigen Weg des christlichen Glaubens die Irrwege des alten Götterglaubens gegenübergestellt. Eine Passage aus der dritten Relatio gibt wiederholt den Impuls für die Besprechung des Themas. In seinem Schreiben an Kaiser Valentinian II. erklärt Symmachus, dass die göttliche Wahrheit nicht nur durch eine einzige Religion, sondern durch viele Religionen gefunden werden könne. Er illustriert seine Meinung in einer anschaulichen Wegmetaphorik: Aequum est, quidquid omnes colunt, unum putari. Eadem spectamus astra, commune caelum est, idem nos mundus involvit; quid interest, qua quisque prudentia verum requirat? uno itinere non potest perveniri ad tam grande secretum. (Symm. rel. 3,10) Prudentius paraphrasiert die bei Symmachus vorgefundene Metaphorik an drei Stellen des zweiten Buches mit einer verschobenen Akzentuierung23. Dessen Aussage, dass das Göttliche nicht nur auf einem Weg ergründet werden könne, wird bei Prudentius zuerst dahingehend umformuliert, dass das Göttliche auf entgegengesetzten und weit voneinander entfernt liegenden Wegen zu suchen sei und jedes einzelne Volk sein eigenes iter zu Gott beschreite24. Ei22 Dasselbe stellt Malamud (1989), 102 für den Gebrauch des Begriffs in Perist. 11 fest: „[…] the heresy itself is an error, both a mistake and a wandering.“ 23 Bereits in CS 2,94–103 dient die Aussage der dritten Relatio als Kontrastfolie: Die Wegmetaphorik wird mit dem Erkennen verbunden: Der menschliche Geist erweist sich als unfähig das Göttliche zu erkennen und verirrt sich ohne die Hilfe des christlichen Gottes. Die vom Menschen angestrebten dei secreta supremi spiegeln das tam grande secretum der Relatio. Dem menschlichen Streben steht die facilis fidei via gegenüber, die ihn das Göttliche erkennen lässt. 24 CS 2,87–90 „Sed qui sit qualisque deus diversa secuti | quaerimus, atque viis longe distantibus unum | imus ad occultum. Suus est mos cuique genti, | per quod iter properans eat ad tam grande profundum.“ Gnilka (2001k), 499 weist nur auf die Vielzahl der Wege hin, nicht auf ihre entgegengesetzte Richtung, in der sich die Unvereinbarkeit von Heidentum und Christentum abzeichnet. Auf das Argument lässt Prudentius die personifizierte Fides antworten, die gleichzeitig den Weg zum Heiligtum des Christentums verkörpert: … respondit vel sola fides doctissima primum | pandere vestibulum verae ad penetralia sectae (CS 2,92–93). Es wird damit eine Antwort auf die einleitende Fragestellung in der Apotheosis gegeben, ob es einen richtigen Weg gebe und welcher es sei (est vera secta?). Im Gegensatz zur Apotheosis dient die Wegmetaphorik hier nicht der Abgrenzung des katholischen Glaubens von der Häresie, sondern des Christentums von den Götterkulten.

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nem ähnlichen Wortlaut folgt die zweite Passage, der sich eine Besprechung des ‚idem nos mundus-Arguments‘ anschließt25. Eine ausführliche Erörterung der Wegmetaphorik folgt nach der dritten Paraphrase, in der die Grundaussage der dritten Relatio nochmals übersteigert und ins Lächerliche gezogen wird: „Secretum sed grande nequit rationis operate quaeri aliter quam si sparsis via multiplicetur tramitibus et centenos terat orbita calles quaesitura deum variata indage latentem.“ (CS 2,843–846) In dieser Formulierung verneint Symmachus nachdrücklich, dass das Göttliche nur auf einem Weg gefunden werden könne. Mit ironischem Unterton wird ihm die Meinung in den Mund gelegt, dass, gäbe es nur einen Weg, dieser gespalten werden müsse (multiplicetur), damit viele Wege entstünden, die man als geistige ‚Trampelpfade‘ bis zur Ermüdung begehen könne (centenos terat calles)26. In der darauf folgenden Widerlegung der fingierten These tritt der Schlüsselbegriff error schon in den ersten Versen in zweifacher Form mit einer doppelten Semantik auf27: Longe aliud verum est; nam multa ambago viarum anfractus dubios habet et perplexius errat. Sola errore caret simplex via nescia flecti in diverticulum biviis nec pluribus anceps. (CS 2,847–850) Die zahlreichen Wege werden wie in der Apotheosis in das Bild eines Labyrinths übertragen, aus dem die via simplex des christlichen Glaubens als einzig richtiger Weg einen Ausweg bietet. Alle anderen Wege führen in die Verirrung, sind zweideutig und verzweigen sich in unzähligen Seitenstraßen und Abwegen. Die Unmenge und Verworrenheit der falschen Religionen spiegelt 25 In CS 2,773–780 wird weniger die divergente Richtung als vielmehr die Vielfalt der Wege betont, die wiederum mit dem Argument verbunden wird, dass die Welt allen zur gemeinsamen Nutzung gegeben sei (in commune dari). 26 Es entsteht das Bild beständiger Wiederholung und ausgetretener Wege (centenos terat calles) sowie des sich gedanklich Im-Kreise-Drehens (orbita). Die göttliche Wahrheit wird zur Beute, die wie bei einer Treibjagd umzingelt und gestellt werden kann (indage). 27 Vgl. in der Schlusspassage CS 2,896: Cernis ut una via est multis anfractibus errans …

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sich nicht nur im Begriff error, sondern ebenso in der Dichte der Ausdrücke von Weg und Irrweg28. Demgegenüber untermauern die wenigen Begriffe, die das Einzelne benennen, in ihrem singulären Auftreten die Einzigartigkeit des richtigen Weges (sola; simplex). Im Folgenden wird der einfache Weg des christlichen Glaubens aus dem labyrinthischen Gemenge gedanklich extrahiert, indem Prudentius die Vorstellung des Irrgartens mit den traditionellen Zwei-Wege-Motiv verbindet und die via simplex einer via multifida antithetisch gegenüberstellt29. Im Anschluss an das Bild des Labyrinths wird die Einheitlichkeit der una via simplex mit der Einheit des christlichen Gottes (unus deus) identifiziert. Der einfache Weg steht im Kontrast zur Vielzahl der möglichen Scheidewege, an denen eine Unmenge an Gottheiten (divos plures) in unzähligen Tempeln verehrt wird. Una und plures besetzen als Gegensätze Versanfang und Versende: Una deum sequitur, divos colit altera plures, et tot sunt eius divortia quot templorum signa, quot aëriis volitant fantasmata monstris. (CS 2,855–857) Die Wendung … et tot … quot … erinnert an die Passage des ersten Buches, in der die vielen Göttertempel Roms in den Fokus der Kritik rückten (CS 1,189– 191). Ebenso gleichen die in der Luft umherfliegenden fantasmata den falschen Gottesvorstellungen des ersten Buches, durch die der römische Stadtraum vor der Ankunft des Theodosius verdunkelt worden war (CS 1,9–13; 408–523). Über eine gemeinsame Syntax, Semantik und Motivik wird die Wegmetaphorik des zweiten Buches bereits an dieser Stelle in eine gedankliche Nähe zur Romszenerie des ersten Buches gerückt. Die Verse CS 2,855– 857 bilden einen allmählichen Übergang, der den Rezipienten nicht nur von der „blassen Theorie in die bunte Wirklichkeit“30 führt, sondern nach Rom. In den folgenden Versen wird das abstrakte Denkgebäude der vielen falschen Glaubenswege im römischen Stadtraum veranschaulicht. Die divortia des imaginierten Labyrinths werden zu den Straßen Roms, die zu verschiede28 Vgl. Gnilka (2001k), 499. 29 Die Passage wird mit dem Zwei-Wege-Motiv eingeleitet: Non tamen infitior duplex occurere nobis | semper iter, geminis mortalia partibus ire | cum dubitant quonam ferat ingnorantia gressum (CS 2,851–853). Erst dann werden der einfache und der verästelte Weg einander in zwei antithetischen Verse gegenübergestellt: Altera multifida est, at simplex altera et una. 30 Gnilka (2001k), 501.

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nen Feierlichkeiten der paganen Gottheiten führen. Der gesamte Passus ist durch eine Vielzahl an Verben der Bewegung im Raum geprägt: So treibt die falsche Religion die einen zu den Bacchanalien (CS 2,858 hos rapit ad Dionysia)31, die anderen locken die Saturnalien (CS 2,859 inlicit alios ad Saturnalia festa). Wieder andere zieht es zu den Lupercalien (CS 2,862 petuntur), während man zum Fest der Magna Mater herbeigerufen wird (CS 2,863–864 vocatur). Auffallend sind die Auswahl und das meist passive Genus der Verben: es entsteht der Eindruck, dass die Römer und Priester die Feste weniger aus einer freien Entscheidung heraus besuchten, als vielmehr dorthin getrieben und gerufen würden, weil sie einer Irrlehre oder einem Impuls folgten (CS 2,860 docet; 863–864 diris incensus furiis)32. Prudentius stellt eine Auflistung an Feierlichkeiten zusammen, die altrömische Kulte und fremde Bräuche in Rom vereinheitlicht. Alle genannten Feierlichkeiten wurden einst oder werden noch zur Zeit des Prudentius in der Hauptstadt zelebriert und sind größtenteils an festgelegten Orten und Plätzen in der Stadttopographie verankert33. Die Beliebigkeit ihrer Auswahl setzt instituta maiorum34 und sacra peregrina gleich. In den folgenden beiden Versen wird das Wegemotiv in das Bild von quadriviis brevioribus überführt, über die einige schneller zur göttlichen Wahrheit gelangen wollen, indem sie Gemüse und Gewürze anbeteten (CS 2,865–868). Konkret verweist der Ausdruck quadriviis auf die Straßenkreu31 In CS 1,129f. werden die Feierlichkeiten zu Ehren des Bacchus in ganz Rom verortet. 32 Im Gegensatz dazu besuchen die Römer die christlichen Feiern aktiv, aus eigenem Antrieb und mit großem Enthusiasmus, vgl. CS 1,548 ruit; Perist. 11,189 concurritur; 190 eunt redeunt; 205 exultant; 206 venit; 207 concurrit; 12,59 properemus; 61 ibimus. 33 Die alljährliche Prozession der Lupercalia, die Feierlichkeiten zu Ehren der Magna Mater sowie die öffentlichen Kulthandlungen vor dem Saturntempel riefen die Erinnerung an die Anfänge Roms wach und ließen die Geschichte als einen Prozess kontinuierlicher Wiederkehr erscheinen. Zur Herabsetzung der Jupiterverehrung in Rom werden hier nicht die aktuellen Feierlichkeiten zu Ehren des Gottes erwähnt, sondern nur der Lärm, den die Kureten zum Schutz des kleinen Jupiter vor der diktäischen Grotte machten (CS 2,860f.). Die Bacchanalien waren Feierlichkeiten, die schon im antiken Rom in gebildeten und aristokratischen Kreisen beargwöhnt wurden. Zu Prozessen des Feierns und Erinnerns in der Antike Beck/Wiemer (2009); in Rom Rüpke (2007); zu den Lupercalia Baudy (1999); zu ihrem Fortbestehen Salzman (1999), 126; Schmitzer (2012), 237ff.; zu den Saturnalien Distelrath (2001); zum Magna Mater-Kult Prescendi (1999); zum Bacchuskult in Rom Frateantonio (1997); Beard/North/Price (1998), 91ff.; Linke (2000); Orlin (2010). In den folgenden Versen CS 2,889–895 werden als weitere römische Kulthandlungen die Augurien und die Befragung der Sibyllinischen Bücher genannt. 34 Vgl. Symm. rel. 3,2 Cui enim magis commodat, quod instituta maiorum, quod patriae iura et fata defendimus, quam temporum gloriae?; Cic. div. 2,148 … nam et maiorum instituta tueri sacris caerimoniisque retinendis sapientis est …

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zungen, für die Rom berühmt ist35. Im übertragenen Sinn stehen die vier Wege, die in unterschiedliche Richtungen führen, für die divergente Vielfalt falscher Religionen in der Stadt. Die Mannigfaltigkeit der römischen Gottheiten und ihrer Kulte macht sie den ägyptischen Gottheiten und Riten vergleichbar. Nochmals verweist der Text auf die römische Topographie, wenn der Tiber und der Nil als Metonymie für ihre jeweilige Region herangezogen werden (CS 2,869–871). Im Anschluss werden die realen Straßen Roms wieder zu den metaphorischen Wegen der verschiedenen Religionen und es folgt eine ausführliche Darlegung der Wegmetaphorik (CS 2,873–906). Nach biblischem Vorbild verbindet sich die Metapher des Weges mit der Licht- und Lebensmetaphorik36. Nach dem Vorbild von Lactanz unterscheidet Prudentius zwischen einer via simplex und einer via multiplex und schaltet die vielen Wege mit den vielen Gottheiten analog. Des Weiteren übernimmt er im theoretischen Teil seiner Darstellung das Bild des steinigen Weges, der vertikal zur christlichen Wahrheit emporführt, und des teuflischen in sich verschlungenen Weges, der hinab in die Hölle führt (CS 2,885–900)37. In der Betrachtung der urbanen ‚Wirklichkeit‘ hingegen bestand die via multiplex in einem horizontal gedachten Straßennetz, das den gesamten römischen Stadtraum umspannt und zu den paganen Heiligtümern führt. Diejenigen, die diesen Wegen folgen, werden für Prudentius zu gentes, zu Barbaren38. Ihnen werden die Christen Roms als plebs Dei gegenübergestellt. Die beiden Glaubensparteien definieren sich durch die unvereinbaren Wege, die sie beschreiten: 35 Iuv. 1,63f. Nonne libet medio ceras inplere capaces | quadrivio …, dazu Umurhan (2008), 167ff. Spätestens seit Catull. 58,4 wird der Begriff auch mit Prostitution verbunden. Der Begriff quadrivium lässt darüber hinaus an den christlichen Kreuzweg und an das später mit Boethius so benannte Bildungsideal der mathematischen vier Künste denken, das als Voraussetzung für theologische und philosophische Erkenntnisse betrachtet wird. Sowohl das Beschreiten des Kreuzweges als auch das Aneignen von Wissen umfassen eine lange währende Zeitspanne, die möglicherweise die quadriviis brevioribus hier in ihrer Kurzweil und ihrem eiligen Beschreiten kontrastieren. 36 Bes. CS 2,905–907. Weg und Mensch werden durch die Lichtmetaphorik einmalig parallel gestellt: Ebenso wie der Weg jeder irrigen Religion von Dunkelheit umschattet wird, verharrt die Seele jedes Menschen, der einen falschen Gott anbetet, in Finsternis (CS 2,873–876). 37 Lact. inst. 6,3,14–17 zur Lichtsymbolik; 6,4,1f. zur Unterscheidung des christliche Weges und des falschen Weges: Una est itaque virtutis ac bonorum via, quae fert … ad ipsam mundi arcem … Via vero illa coelestis, difficilis et clivosa est, vel spinis horrentibus aspera, vel saxis extantibus impedita … Unde intellegitur, idcirco malis et iniustis facilius provenire quae cupiant, quia prona e declivis est eorum via … 38 CS 2,816–819.

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Ite procul, gentes! Consortia nulla viarum sunt vobis cum plebe Dei. (CS 2,901–902) In den voranstehenden Versen wurden die paganen Römer, die einer falschen via multiplex folgten, zu den Göttertempeln Roms geführt. In Abgrenzung dazu besuchen die christlichen Römer die Heiligenbasiliken der Stadt. Die religiöse Performanz einer neuen christlichen Bürgerschaft wird im ersten Buch Contra orationem Symmachi (CS 1,544–615) und im Liber Peristephanon dargestellt. In den drei Märtyrerberichten auf Laurentius, Hippolytus, Petrus und Paulus wird die stadtrömische Topographie wiederholt zum Schauplatz christlicher Feierlichkeiten und dem Leitmotiv des richtigen Weges unterstellt.

6.3 Der Konversionstopos im ersten Buch Contra orationem Symmachi Am Ende des ersten Buches lässt Prudentius sowohl die personifizierte Roma als auch den Senatsadel der Stadt nach Zeiten des Umherirrens ewige Wege beschreiten, wenn sie sich vom paganen Götterglauben abwenden und Christus nachfolgen: Talibus edictis urbs informata refugit errores veteres et turbida ab ore vieto nubila discussit iam nobilitate parata aeternas temptare vias Christumque vocante magnanimo ductore sequi et spem mittere in aevum. (CS 1,506–510) Die Idee einer Roma aeterna wird nicht nur in einem christlichen Deutungshorizont verortet, sondern gedanklich umstrukturiert: Die spirituellen aeternae viae kontrastieren mit den Straßen der sprichwörtlich Ewigen Stadt39. Deren Bestehen ist nicht mehr an die Topographie gebunden, sondern an die Religiosität der Römer. Rom kann erst dann ewig genannt werden, wenn seine

39 Vgl. Symm. rel. 3,7 (über den Rombesuch von Constantius II.) … et per omnes vias aeternae urbis laetum secutus senatum vidit placido ore delubra.

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Bevölkerung den Weg des ewigen Glaubens – des Christentums – beschreitet40. Die folgende Performanzbeschreibung projiziert die Metapher des richtigen Glaubensweges in die Stadttopographie zurück. Die Annahme des Christentums wird wirklichkeitsnah im Aufsuchen der Heiligenstätten veranschaulicht: Die Senatoren wenden sich vom Kapitol ab und eilen zu den zahlreichen Märtyrergräbern. Die metaphorischen Wege einer spirituellen Bekehrung werden zu den realen Straßen der urbanen Landschaft41: Exultare patres videas pulcherrima mundi lumina, conciliumque senum gestire Catonum candidiore toga niveum pietatis amictum sumere et exuvias deponere pontificales. Iamque ruit paucis Tarpeia in rupe relictis ad sincera virum penetralia Nazareorum atque ad apostolicos Euandria curia fonts Ammiadum suboles et pignera clara Proborum. (CS 1,544–551) In dieser Umkehrung der räumlichen Relation von Zentrum und Peripherie wird das Kapitol zum zentralen Ort der Abgrenzung einer christlichen Identität gegenüber einem paganen Umfeld42. Die religiöse Umorientierung der Bevölkerung konkretisiert sich in einer Umkehrung ihrer Laufrichtung in der Topographie – in einer Konversion. Prudentius ist nicht der erste, bei dem 40 Dagegen spricht sich Fuhrer (2013), 68 gegen eine Transzendentalerwartung bei Prudentius aus, wie sie Pietsch (2001) feststellt. In ihrer Interpretation wird die allegorische Lesart des römischen Stadtraumes jedoch völlig ausgeblendet. Rom wird bei Prudentius eben dann an die Ewigkeit angebunden, wenn die Römer christlich sind, was sich in einem Aufsuchen der Märtyrerstätten zeigt. Das steinerne Rom ohne seine Bevölkerung ist auch bei ihm nicht ewig. Vgl. CS 2,443 Romam dico viros quos mentem credimus urbis … 41 Zur Textstelle im Kontext literarischer Konversionsschilderungen in Rom Lim (1999), 265; zu den Vertretern der Senatsaristokratie, die in den Versen CS 1,551–568 angeführt werden Evenepoel (1990); Barnes (1991); McLynn (2012). Bereits Ambrosius spricht in seinem Antwortschreiben auf die dritte Relatio von einer großen Zahl christlicher Senatoren (Ambr. epist. 17,10). 42 Diefenbach (2007), 83ff.; 143ff.; vgl. Lim (1999), 265. Behrwald (2009), 267 sieht bei Prudentius ein Beispiel für die „Konkurrenztopographie “ und stellt einen „inhaltlichen Bruch“ zum vorher entfalteten Gedanken des heidnisch besetzten Rom fest. Die „Inkonsequenz“ ist hier jedoch weniger dem „Traditionsgut apologetischen Schrifttums“ geschuldet, als vielmehr der performativen Wirkungsabsicht des Werkes. Zur Konkurrenz von Kapitol und Petersbasilika in den Passiones Fraschetti (1999a), 112ff.; 267ff.; Fraschetti (2002), dazu kritisch Behrwald (2012).

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dieser ‚Konversionstopos‘ auftritt; gegenüber dem literarischen Vorbild bei Hieronymus und anderen verleiht Prudentius der Vorstellung jedoch neues Leben und mehr Anschaulichkeit, wenn er die altehrwürdigen und ergrauten patres in einer nahezu komischen Szene zu den neuen Pilgerstätten hüpfen und springen lässt43. Während Roma vorrangig als ein literarisch-pädagogisches exemplum der Konversion und des richtigen römischen Glaubens dient, wird die Vorbildfunktion, die der Regierungsadel für alle Römer hat, wenige Verse später konkretisiert: Die Gesamtheit des populus folgt dem Beispiel der Senatoren und eilt zum Vatikan und Lateran44. Das Handeln der literarischen Figuren trägt Exempelcharakter für andere literarische Figuren und den Leser. Dieser soll ebenso wie Roma, die Senatoren und das Volk der christlichen Lehre folgen und ewige Wege beschreiten. Im Liber Peristephanon greift Prudentius die Wegmetaphorik auf. Er stellt fünf Heiligenbasiliken als neue Bezugspunkte einer christlich-römischen Religiosität vor: die Laurentiusbasilika, die Hippolytusbasilika, die Basiliken von Petrus und Paulus sowie die Basilika der Agnes. Sie alle werden zu Zielpunkten einer spirituellen aeterna via.

6.4 Die Laurentiusbasilika Das zweite Gedicht der Märtyrerkronen ist in zwei Zeitstufen konzipiert: In der Gegenwart berichtet ein lyrisches Ich vom Martyrium des heiligen Laurentius, das in der Epoche der vorkonstantinischen Christenverfolgung als Vergangenheit verortet wird. In die Schilderung des Folterprozesses ist ein langes Gebet des Märtyrers eingebettet, in dem er die Vision eines zukünftigen christlichen Roms entwirft, die auf die Gegenwart des Erzähler-Ichs abzielt. Der ideologische Gehalt des Monologs und des Hymnus ist in zahlreichen Studien untersucht worden und soll hier nur soweit notwendig berücksichtigt

43 Hieronymus lässt die personifizierte Roma gleichsam mit ihrer Bevölkerung in die Peripherie ausströmen: Auratum squalet Capitolium, fuligine et aranearum telis omnia Romae templa cooperta sunt, movetur urbs sedibus suis et inundans populus ante delubra semiruta currit ad martyrum tumulos (Hier. epist. 107,1 ad Laetam), dazu Grig (2012), 135ff.; vgl. Perist. 11,199ff.; Paul. Nol. carm. 19,67–70 zum Konversionstopos. 44 CS 1,578–586. Prudentius benennt mit der Petersbasilika und dem Lateran das religiöse und das administrative Zentrum des neuen Glaubens, vgl. Krautheimer (2004), 67f. Nahezu mittig zwischen den beiden liegt das Kapitol.

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werden45. Was im Folgenden im Fokus des Interesses steht, sind die von Ulrich Schmitzer so benannte „selektive, umakzentuierende Aneignung Roms“46 und seiner Topographie sowie die Prozesse religiöser Performanz, die im urbanen Raum verortet werden. Ralf Behrwald stellt fest, dass im Hymnus die Vorstellung entfaltet werde, dass Rom von den paganen Kulten – genauer: von den personifizierten heidnischen Göttern – besetzt sei, was ebenfalls ein Grundgedanke der zwei Bücher Contra orationem Symmachi ist47. Jupiter wird in einem fiktiven Kampfszenario zum Gegenspieler Christi, dessen Apostel ihn aus der Stadt verjagen. Zu Beginn des Hymnus begegnet uns also weniger eine Konkurrenztopographie als vielmehr eine Konkurrenz um den urbanen Raum, die in der Metapher eines spirituellen Kampfes inszeniert wird48. Das Konkurrenzverhältnis beider Religionen schlägt sich ebenfalls in dem Dialog zwischen dem christlichen Märtyrer und seinem römischen Strafvollstrecker nieder. Auf beiden Seiten wird ein Wir-Kollektiv von einem andersartigen ‚Ihr‘ unterschieden und die Konzepte christlich und römisch werden deutlich voneinander abgegrenzt49. Die beiden Kontrahenten werden darüber hinaus über die Orte, denen sie vorstehen, in ihrer Religiosität charakterisiert: 45 Buchheit (1971), dazu kritisch Thraede (1973); Palmer (19899, 126ff.; Lühken (2002), 182ff.; Behrwald (2009), 271f.; Schmitzer (2012), 242ff. 46 Schmitzer (2012), 245. 47 Behrwald (2009), 272. 48 Perist. 2,1–20; 501–508. Die Kriegs- und Militärmotive der Passage untersucht Kuhlmann (2012), 139ff. vor dem Hintergrund klassischer und christlicher Semantik. Ebenso wie in Perist. 12 bleibt zu Beginn offen, dass es sich um einen christlichen Text bzw. christliche Feierlichkeiten handelt. Schmitzer (2012), 243f. verweist auf die „Raumangaben“, durch welche die Vertreibung der Götzen aus der Stadt ausgedrückt werde. Hier wird nicht nur eine gedankliche Verbindung zu CS hergestellt, sondern die letzten Verse der Kampfbeschreibung (Perist. 2,17ff.) erinnern ebenso an das spirituelle Geschehen in der Psychomachia, wo der personifizierte christliche Glaube selbst kämpft und die Märtyrer gegen die Feinde bewaffnet: Exultat victrix legio, quam mille coactam | martyribus Fides animarat in hostem (Psych. 36–37). 49 Die Abgrenzung zeichnet sich vor allem im Gebrauch der Personalpronomina ab, über die sich die Sprecher von der ‚anderen‘ Religion distanzieren oder gegenüber dieser ihre Überzeugungsgemeinschaft betonen: (in der Rede des Präfekten) Perist. 2,57f. soletis; 65 vestris orgiis; 93 Sic dogma vestrum est audio; 99f. tuus … deus; (in der Rede des Laurentius) 114 nostra ecclesia; 171 noster deus; 225ff. nostri … vestros; 233ff. tuorum … meorum; Dass der Präfekt mit einigen Grundgedanken des Christentums vertraut ist, zeigt seine Zitation von Mc 12,17: Quod Caesaris scis, Caesari | da (Perist. 2,97f.). In seiner Rede wird die christliche Gemeinde zu einem Ort der Abgrenzung stilisiert und mit einer falschen pietas konnotiert. Die christlichen Feierlichkeiten werden als im Verborgenen zelebrierte, okkulte Praktiken betrachtet, die dem römischen usus publicus zuwiderlaufen (Perist. 2,81–92).

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Laurentius wird als Diakon zum Stellvertreter der caelestis domus und des christlichen Gottes (Perist. 2,37–44; 272). Der praefectus urbis vertritt nicht nur das pagane Rom, sondern auch den Kaiser und den von diesem propagierten Götterkult (Perist. 2,45–52; 261). In der Vergangenheit – der Lebenszeit des Laurentius – wird der eigentliche Sitz der christlichen Kirche außerweltlich im Himmelreich Gottes und nicht im urbanen Raum verortet. Prudentius entwirft die Handlungsszenerie entsprechend der damaligen realen Welt, in der das topographische Erscheinungsbild Roms (noch) vorwiegend durch die kostspieligen Tempelanlagen des alten Götterglaubens geprägt war50. Der irdischen Materialität der römischen Staatsreligion wird der Reichtum der Kirche gegenübergestellt, der in einem spirituellen Gut, nämlich der Glaubensfestigkeit ihrer Mitglieder besteht. Die Christusgläubigen werden zu den allegorischen Bausteinen eines geistigen templum, das die irdischen Götterheiligtümer Roms kontrastiert51. In diesem Sinne empfiehlt Laurentius in seinen Schlussworten dem Präfekten, die Stadt des Romulus statt mit imposanten Geldaufwendungen und Prachtbauten mit christlichen Menschen zu schmücken: „Eccum talenta, suscipe, ornabis urbem Romulam, ditabis et rem principis, fies et ipse ditior.“ (Perist. 2,309–312) 50 Laurentius steht einer weltlichen Gemeinde in Rom vor, vor der er die Kranken und Armen versammelt (Perist. 2,164 pro templo). In den folgenden Versen überlagern sich Vorstellungen eines realen Gebäudes und einer allegorischen Ortsbeschreibung und die Kirche Gottes wird spiritualisiert. Bereits zuvor wird die Gemeinde des Laurentius durch das Attribut caelestis an das Himmelreich Gottes angebunden (Perist. 2,44). Er selbst bekennt, dass die Stadt und die Macht über die weltlichen Bezirke dem Kaiser und dem Präfekten zugesprochen werden muss: Augustus arcem possidens (Perist. 2,119); Tute ipse qui Romam regis (Perist. 2,261). 51 Perist. 2,169–180 Tum martyr: „Adsistas velim | coramque dispositas opes | mirere quas noster deus | praedives in sanctis habet. || Videbis ingens atrium | fulgere vasis aureis | et per patentes porticus | structos talentis ordines.“ || It ille nec pudet sequi. | Ventum ad sacratum ianuam, | stabant catervae pauperum | inculta visu examina, vgl. 293–312, wo die Jungfrauen und Alten zur Zierde der ecclesia werden. Der Tempelbau erinnert an das Finale der Psychomachia, wo die personifizierten Tugenden das allegorische templum Gottes im Inneren des Menschen errichten und zugleich dessen Bausteine sind (Psych. 824ff.). Die Allegorie findet sich ebenfalls in Epilog. 13–30. Dort ist das Haus Gottes mit verschiedenartigen Gefäßen geschmückt, von denen eines den Dichter selbst repräsentiert, dazu Coşkun (2008), 226ff.

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Eine Konkurrenztopographie oder christliche Adaption des römischen Stadtraumes zeichnet sich in der Vergangenheit des Märtyrerberichtes noch nicht ab; vielmehr werden immaterieller Reichtum und irdische Materialität über ihre verschiedene Lokalisierung einander kontrastierend gegenübergestellt. Die Stadt Rom wird als Repräsentationsraum einer falschen und an vergänglichen Gütern orientierten Religiosität interpretiert, der die spirituelle ecclesia der Christusgläubigen entgegensteht52. Ein Kampf um den urbanen Raum wird erst im Gebet des Laurentius thematisiert, in dem Jupiter und die Apostel gleichsam um die Besetzung des Stadtraumes wie um die Seelen seiner Bewohner ringen53. Erst nach der erfolgreichen Vertreibung der usurpatorischen Götter kann ein christliches Rom erstehen, das Laurentius visionär in der Herrschaftszeit des Theodosius und damit in der Gegenwart des Erzählers verortet54. In der Lebensgegenwart des Laurentius ist die „Redefinition der Stadt“55 noch eine Zukunftsvision, die sich erst in der Zeit des Erzählers konkretisiert, die synchron mit der des Rezipienten ist56. In der Gegenwart des Erzählers wird die Differenzierung von irdischem Götzenkult und immaterieller Religiosität, die für den Vergangenheitsbericht noch maßgeblich war, zugunsten der Situierung eines Erinnerungsortes in der römischen Stadttopographie aufgegeben, den die Römer statt der alten Sakralstätten realiter aufsuchen können57. 52 Perist. 2,305–308 Hoc est monile ecclesiae, | his illa gemmis comitur, | dotata sic Christo placet, | sic ornat altum verticem. Der mit den ‚jungfräulichen‘ Edelsteinen geschmückte Scheitel der Kirche kontrastiert in auffallender Weise den mit weltlichen Edelsteinen geschmückten Scheitel der personifizierten Roma in CS 1,421ff. 53 Perist. 2,465–472 Discede, adulter Iuppiter, | stupro sororis oblite, | relinque Romam liberam | plebemque iam Christi fuge! || Te Paulus hinc exterminat, | te sanguinis exturbat Petri, | tibi id quod ipse armaveras | factum Neronis officit. 54 Perist. 2,473–484. 55 Schmitzer (2012), 245. 56 Entgegen Behrwald/2009), 272 setze ich die Gegenwart des Erzählers nicht in einem „Zwischenzustand“ an, „in dem das tunc Palladios Lares | impune sensit deseri die Stadt bereits vom Heidentum gelöst hat, aber die Reinigung ihrer Heiligtümer noch aussteht“, sondern in der Gegenwart des Dichters Prudentius. Mit der Reinigung der paganen Tempel ist kein Abwaschen gemeint, sondern eine veränderte non-sakrale Wahrnehmung, die der Leser an diese anlegen soll. Vergangenheit und Gegenwart stehen erst dann in sinnstiftendem teleologischem Spannungsverhältnis zueinander, wenn nicht noch eine Zwischenzeit eingerückt wird. Zudem wird der Konversionstopos in einen Augenzeugenbericht des lyrischen Ichs eingebettet (Perist. 2,521 videmus), das das ihm vor Augen Präsente im Präsens schildert: Perist. 2,516 resultat; 520 exosculantur; 526 adscitur; 528 intrat. 57 Perist. 2,519–520 … apostolorum et martyrum | exosculantur limina.

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Ebenso wie in Contra orationem Symmachi verlassen nicht nur die gesamte Bevölkerung Roms und der Regierungsadel, sondern darüber hinaus auch die führenden Autoritäten der alten Religion die paganen Tempel, um die christlichen Heiligtümer und allen voran die Laurentiusbasilika aufzusuchen: … aedemque, Laurenti, tuam | Vestalis instrat Claudia58. Die Grabstätte wird zu einem Ziel, das als gesellschaftlich wichtiger Sakralraum die althergebrachten Göttertempel verdrängt. Sie wird zum Zentrum einer ‚dynamischen Topographie‘59, in welcher der materielle Raum über die Menschen, die in ihm agieren, Bedeutung erlangt. Demgegenüber verlieren die paganen Heiligtümer als ‚desertierte Räume‘ ihre Bedeutsamkeit60. Bei Prudentius werden die paganen Kultstätten nicht nur ihrer bisher wichtigsten Funktion im öffentlichen Leben entkleidet, sondern es wird ihnen darüber hinaus ihre ideologische Bedeutung für das ewige Bestehen der Stadt abgesprochen: Eine Ausdehnung in die Ewigkeit erlangt die Roma aeterna weniger durch die Verehrung der Götter in den Tempeln, als vielmehr durch die Gebete der Christusgläubigen in den Märtyrergedenkstätten. Erst durch das religiöse Handeln der Menschen wird Rom an das himmlische Reich Gottes angebunden61. In der Roma caelestis verbinden sich Vorstellungen der civitas Romana mit denen des himmlischen Jerusalems, über die das irdische

58 Perist. 2,497–528. Zuerst eilt die plebs zu den neuen Sakralorten (2,497–500 … plebs … Christi atria ad tribunal curritur). Es folgen alle Quiriten und Senatoren, die ihre früheren religiösen Ämter niederlegen (2,513–516), der Adel (2,521–524) und schließlich als Klimax die Priesterschaft der alten Kulte (2,525–528), vgl.Buchheit (1971), 481. 59 Cresswell (2002), 21 verweist auf Edward Sojas Konzept des „Thirdspace“, der Raum als „Lived Space“ versteht, d.h. Raum erlange weniger durch seine materielle Präsenz oder mentale Konzeption Bedeutung, als vielmehr durch Performanz. Aus der Wendung „Lived Space“ wurde hier die Phrase ‚dynamische Topographie‘ abgeleitet (hier ist nicht an den geologischen Begriff zu denken), da bei Prudentius die römische Stadtlandschaft vorrangig als ein Raum von Bewegung inszeniert wird, welche die Akteure zu bedeutsamen topographisch lokalisierbaren Orten bringt. 60 Perist. 2,509–512 Mors illa sancti martyris | mors vera templorum fuit, | tunc Vesta Palladios lares | inpune sensit deseri. Bei Paulinus von Nola werden der Konversionstopos und das Motiv der Desertion noch verstärkt, wenn die christlichen Hymnen der Bevölkerung die verlassenen paganen Heiligtümer und Kultbilder in ihren Grundfesten erschüttern: Laudibus aeterni domini ferit aethera clamor | sanctus et incusso Capitolia culmine nutant. | In vacuis simulacra tremunt squalentia templis | vocibus icta piis inpulsaque nomine Christi (Paul. Nol. carm. 19,67–70). 61 Perist. 2,549–560. Vgl. CS 1,538ff. Die antipagane Herrschaft des Theodosius wird in einer Kontrastimitation zu Vergils Jupiter-Prophetie zum eigentlichen Grund für die Ewigkeit Roms.

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Rom in eine Wechselbeziehung mit dem ewigen Gottesreich gesetzt, jedoch nicht mit diesem gleichgesetzt wird62. In beiden Konversionsschilderungen wird der Leser durch ein vorangestelltes Verb des Sehens aufgefordert, das Szenarium im Geiste zu imaginieren. Während in Contra orationem Symmachi die Vorstellung einer konvertierten Senatorenschar in Form eines Berichts vergegenwärtigt wird (CS 1,544 videas), erlebt der Rezipient des Laurentiushymnus die Konversion der Bevölkerung in der Rolle eines Augenzeugen ‚hautnah‘ mit, was eine hohe emotionale Intensivierung des Berichteten bewirkt (Perist. 2,521 videmus)63. Gemeinsam mit dem lyrischen Ich scheint er unmittelbar am Geschehen beteiligt und in den urbanen Raum hineinversetzt zu sein. Auch die folgenden Worte des Erzählers sind weniger auf Laurentius als grammatikalischen Adressaten ausgerichtet (te ac tuorum sedem), als vielmehr auf den in das Geschehen involvierten Leser (hier: urbis incola): O ter quaterque et septies beatus urbis incola qui te ac tuorum comminus sedem celebrat ossuum … (Perist. 2,529–532) Das siebenfache Glücksmoment erinnert an die sieben Hügel Roms, worüber eine Emotionalisierung des Stadtrömers für seine Heimatstadt und des Rombesuchers für das ideologische Reichszentrum erzeugt wird. Während der stolze Lokalpatriotismus eines römischen urbis incola sich bisher auf die zahlreichen paganen Orte, Monumente und Tempel begründete, wird er hier im Gegensatz dazu gerade deshalb zum beglückten Rombewohner (beatus), 62 Zur Idee der Roma caelestis bei Prudentius Buchheit (1971), 482, der das himmlische Rom deutlich vom irdischen Rom abgrenzt; ebenso Behrwald (2009), 272f.; Smolak (2001), 353 bezieht die Wendung auf das himmlische Jerusalem, das das „jenseitige Urbild des diesseitigen Rom“ sei; Thraede (1965), 64 betont, das die Roma caelestis in ihrer eschatologischen Bestimmung nun nicht nur Römern, sondern auch Nicht-Römern zugänglich sei. Eben diese christusgläubigen Römer und Nicht-Römer bilden die Roma caelestis, jeder Gläubige ist also Bestandteil des himmlischen Rom. Herzog (1966), 115f. dehnt die eschatologische Deutung der Romidee bei Prudentius zu einer Romtheologie aus, in der er von einer „Einheit von «Ekklesia-Roma»“ ausgeht, vgl. Ebd. (2002), 186. Die Trennung von spiritueller ecclesia und irdischem Rom, die in der Zeit des Laurentius vorherrschend war, wird durch die Religiosität der Bürgerschaft aufgehoben. 63 Zur Evozierung von Pathos bei einer „Augenzeugenschaft“ Thraede (1965), 126; vgl. Webb (2009), 19ff.

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weil sein Domizil sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Laurentiusbasilika befindet. Ein beliebtes Motiv der laudes Romae wird in einen christlichen Deutungshorizont eingebettet, wenn die sieben Hügel Roms sich in der Gegenwart des Erzählers dadurch auszeichnen, dass sie christliche Märtyrerstätten tragen64. In einer Kontrastimitation zu Ovids Blick aus der Ferne auf Rom werden die Heiligengrabstätten zu den neuen Versammlungsorten des römischen Volkes65. Statt um die Rededuelle auf dem Forum, die Vergnügungen auf dem Marsfeld und die Schauspiele in den Theatern beneidet das lyrische Ich den Stadtrömer um sein Gebet am Grab des Laurentius, das ihm selbst aufgrund der räumlichen Distanz verwehrt ist (Perist. 2,537–540). Der Perzeptionscode auf den Stadtraum als Interaktionsraum und symbolischem Raum erfährt eine Umcodierung, indem ein Außenstehender und Christ aus der Ferne anders als bisher gewohnt auf die Stadt blickt und sie interpretiert. Hier erklärt ein Fremdling, der nicht einmal anwesend ist, einem Römer dessen eigene Stadt66. Die anschließende fiktive Gebetsszenerie kann gemäß der Definition von Katrin Dennerlein als „Skript“67 aufgefasst werden, durch das dem Leser ein Wissen über die von ihm erwarteten Handlungsabläufe in der Heiligenstätte an die Hand gegeben wird. Der Martyriumsbericht ist damit nicht mehr als informativer Bericht, sondern als „performative Äußerung“68 zu lesen. Der Text

64 Zum Motiv der Hügel in den laudes Romae Roberts (2001), 542ff., vgl. bspw. Ov. trist. 1,5,69f.: … sed quae de septem totum circumspicit orbem | montibus, imperii Roma deumque locus. 65 Thraede (1965), 63 spricht von einer christianisierten laus Romae, die mit Vers 529 einsetze und verweist auf die Reminiszenz von Ov. trist. 3,12,25ff. Die Reminiszenz setzt jedoch schon früher in Vers 17 ein, wo Ovid prominente Orte römischen Lebens und ihren Unterhaltungswert anführt: die Fora, das Marsfeld und die Theater. Vers 25f. schließt die Passage mit der Apostrophe eines Stadtrömers: O quater et quotiens non est numerare, beatum, | non interdicta cui licet Urbe frui! (Ov. trist. 3,12,24–25). 66 Zur Fremdperspektive auf Rom Schmitzer (2001), 523ff. Gegenüber der antiken Literatur wird hier das Wissen der beiden Gesprächspartner von dem Stadtrömer auf den Fremdling übertragen, der den wissenden Part übernimmt. In Perist. 12 zeigt dann ein christlicher Stadtrömer einem Fremden die Stadt. In beiden Fälle liegt das Wissen über Rom beim christlichen Dialogpartner. 67 Dennerlein (2009), 181. Die Verse Perist. 2,565–584 nehmen das Skript wieder auf: Es betet zuerst jeder (quisque) und schließlich das lyrische Ich. Vgl. Krasser (2010), 220ff. zur appellativ-performativen Inszenierung der Erzählerfigur. 68 Wirth (2002), 10f.; „Im Gegensatz zur »konstativen Beschreibung« von Zuständen, die entweder wahr oder falsch ist, verändern »performative Äußerungen« durch den Akt des Äußerns Zustände in der sozialen Welt, das heißt, sie beschreiben keine Tatsachen, sondern sie schaffen soziale Tatsachen.“ Die Aufforderung zur Etablierung und zum Vollzug christlicher

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beschreibt nicht nur, aufgrund welcher Begebenheit die Basilika erbaut worden ist und wie Personen in ihr religiös agieren, sondern er enthält gleichzeitig eine Anweisung für den Leser, das Grab des Laurentius in Rom aufzusuchen und dort die entsprechenden Verhaltensweisen zu zeigen69: … cui propter advolvi licet, qui fletibus spargit locum, qui pectus in terram premit, qui vota fundit murmure! (Perist. 2,533–536) Das Gebets-Skript wird in den Versen 561–568 wieder aufgenommen und dort mit dem Versicherungstopos untermauert (probant), dass die im Heiligtum des Laurentius gesprochenen Gebete der Römer (Quiritum) tatsächlich Früchte trügen (adnuis). Als Referenzbereich wird die Ära der vorkonstantinischen Christenverfolgung für eine christlich-römische Gegenwart etabliert und identitätsstiftend wirksam gemacht. Laurentius selbst wird durch seine Bereitwilligkeit für seinen Glauben zu sterben und die gleichzeitige Hochschätzung seiner Heimatstadt zu einem exemplum der Vergangenheit, in dem sich christliche Glaubensstärke mit Römerstolz verbindet. Die Periode der frühen Christenverfolgung löst die römische Frühzeit als Muster für eine Identitätsausbildung ab und Laurentius verdrängt die herkömmlichen Vertreter der mores maiorum in ihrer Vorbildfunktion70. Festtage stellen bereits Rodriguez-Herrera (1936), 73; 90; 95; Palmer (1989), 29; 77ff.; 111; Schmidt (2003), 225 und Krasser (2010) für den Liber Peristephanon fest. 69 Neben dem exemplarischen urbis incola dienen das Volk, die Quiriten, die Senatoren und Adligen in Perist. 2,509–528 als Vorbilder, Preislieder zu singen (516), die Schwellen der Märtyrergräber zu küssen (520) und Gelübde abzulegen (523f.). 70 Perist. 2,351 Hic solus exemplum dabit. Prudentius spielt hier mit dem Begriff exemplum. Das eigentliche Vorhaben des Strafvollstreckers besteht darin, Laurentius’ Tod zu einem abschreckenden Beispiel für alle anderen Christen werden zu lassen, an ihrem Glauben festzuhalten. Allein die Existenz von Perist. 2 belegt jedoch, dass das Gegenteil eingetreten ist und er statt ‚ein Exempel zu statuieren‘ ein vorbildliches Exempel an Glaubensstärke für alle Christen der Nachwelt hat erstehen lassen. Laurentius wird in den folgenden Versen mit Moses und Stephanus verglichen (Perist. 2,365–372). Bereits in den ersten Versen substituiert der spirituelle Sieg des Märtyrers die militärischen Siege früherer Feldherrn und die Helden der römischen Vergangenheit werden ersetzt (Perist. 2,9–20), dazu Schmitzer (2012), 243; Kuhlmann (2012). Zum Exempelcharakter der Märtyrer Buchheit (1971), 459; Diefenbach (2007), 310f.; Piepenbrink (2009), 322; zu Prudentius Paschoud (1967), 227f.; Roberts (1996), 182ff.; Palmer (1989), 140; Lühken (2002), 96ff.; 242ff.;

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Der Basilika wird über das Zusammenspiel von sinnstiftender Erzählung und Ritual ihre eigentliche Funktion und sakrale Bedeutung zugeschrieben. Das Martyrium des heiligen Laurentius habe in der Vergangenheit eine neue römische Geisteshaltung bewirkt (Perist. 2,493 repens indoles), die in der Gegenwart zu einer veränderten Selbstauffassung und Handlungsweise der Römer geführt habe. Bei Prudentius wird Laurentius’ Basilika über die beständige Re-Aktualisierung des Ereignisses in Zeremonien und Gebeten zu einem symbolisch bedeutsamen Erinnerungsort. Ihr wird eine identitätsstiftende Funktion im kulturellen Gedächtnis und religiösen Alltag einer christlichen Bürgerschaft zugewiesen. Für diese zeichne sich Rom nicht mehr durch die zahlreichen Göttertempel, sondern durch eine Vielzahl an Christusgläubigen und Märtyrerstätten aus, in denen sich der wahre Reichtum der Stadt repräsentiert71. In der Darstellung des Dichters behält Rom auch mit den neuen Erinnerungsorten seinen Status als antiqua fanorum parens (Perist. 2,1), da es immer noch die geweihten Orte einer bedeutsamen Vergangenheit beherbergt, die sich als maßgeblich für die Religiosität und Identität der gegenwärtigen Römer erweisen72. Prudentius bedient sich in seinem Hymnus auf Laurentius nicht nur der Sprache Vergils73, sondern rekurriert auch in anderer Weise auf eine spezifisch römische Semantik und Weltanschauung. So bleibt Rom in seiner vorbildlichen Bedeutung für das römische Weltreich bestehen, wohingegen die Stadttopographie durch eine christliche Fremdperspektive umgedeutet wird. Der Dichter verwendet traditionelle Motive wie die sieben Hügel Roms oder den Blick von Außen auf die Stadt der antiken laudes Romae und deutet Rom neu. Die alte römische Geschichte wird um eine jüngere christliche Vergangenheit ergänzt und von dieser in ihrer Bedeutsamkeit für die Gegenwart geschmälert, jedoch nicht gänzlich aufgehoben74.

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Mastrangelo (2008), 50f.; vgl. Aland (2003) zum Unterschied unpersönlich skizzierter Identifikationsfiguren früherer Märtyrerberichte und dem individualisierten Märtyrer bei den altkatholischen Kirchenschriftstellern. Perist. 2,541–544 Vix fama nota est abditis | quam plena sanctis Roma sit, | quam dives urbanum solum | sacris sepulcris floreat. Die sancti können sowohl als die Gläubigen als auch als die Orte, die durch die Gläubigen ‚geheiligt‘ werden gelesen werden, vgl. Perist. 2,171–172 … quae noster Deus | praedives in sanctis habet. Gemäß Brandenburg (1989), 422 wurden an der Wende zum 4. Jh. auch christliche Kirchenbauten als fanum bezeichnet. Buchheit (1971); Lühken (2002), bes. 182ff. Schmitzer (2012), 245. Prudentius thematisiert am Ende des Hymnus nicht den schwierigen Umstand, dass die Martyrien nur aufgrund der einstigen antichristlichen Gesinnung des römischen Staates stattgefunden haben.

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Der Ewigkeitsanspruch Roms wird nicht nur in einem eschatologischen Deutungshorizont verortet, sondern darüber hinaus von der Stadttopographie auf die Bewohnerschaft verlagert. Der Kerngedanken aus Contra orationem Symmachi, dass die Römer die eigentliche Verkörperung der Stadt seien, greift auch im Laurentiushymnus. In dem Moment, in dem sie sich dem ewigen Glauben zuwenden und die christlichen Sakralorte aufsuchen, besteht für Prudentius in ihnen auch Rom ewig. Erst mit der Konversion der Bevölkerung zum Christentum wird die ecclesia, die in der Zeit des Laurentius noch im Himmelreich Gottes verortet wird, in der Gegenwart des Erzählers in die römische Stadttopographie transportiert, die durch das religiöse Handeln der Bevölkerung zu einem sakralen Raum wird. Entgegen der traditionellen Romidee ist die Stadt nicht von sich aus eine urbs sacra, sondern wird erst durch das Handeln der Bewohnerschaft konsekriert. Durch die wiederholte Darstellung christlicher Performanz wird aufgezeigt, dass es den Einwohnern und Besuchern Roms möglich ist, sich gleichsam als Romani wie als Christen im Stadtraum zu bewegen und zu definieren. Im Hymnus finden sich pragmatische Anweisungen für das religiöse Handeln in den christlichen Gedenkstätten, die paganen Verhaltensmustern ähneln. So besuchen die Römer zwar nicht mehr die Götterheiligtümer im Zentrum der Stadt, fallen dort vor den Altären nieder, küssen die Standbilder und sprechen ihre Wünsche, sondern laufen zu den christlichen Märtyrergräbern, um deren Schwellen zu küssen, sich niederzubeugen und dort zu beten75. In der Darstellung des Prudentius bleibt die religiöse Praxis im Kern dieselbe, wird aber an anderen Orten vollzogen und an einen anderen Adressaten gerichtet. Prudentius spricht den Heiligen eine ähnliche Reaktion auf die Gebete zu wie sie einst die paganen Gottheiten zeigten und nicht nur das Zeremoniell beider Religionen, sondern auch das erwartete Ergebnis werden vergleichbar76. Der Übergang von der alten zur neuen Religion wird so als ein nahezu mühelos zu voll-

75 Zur Performanz römischer Religiosität grundlegend Rüpke (2001), bes. 99ff. (Grundformen). Religiöse Praktiken im Stadtraum untersucht Egelhaaf-Gaiser (2007) anhand dreier Beispiele. Zum Kuss als religiösem Handeln Harst (2004), zum Küssen der Tempelschwelle bes. 172ff.; zu den Typen verbaler Religiosität Hahn (2007), bes. 239ff. Prudentius selbst beschreibt in CS zweimal das persönliche Gebet von Römern vor paganen Götterstandbildern (CS 1,208ff.; 349ff.). 76 Das Verb adnuere beschreibt gemäß Dorfbauer (2009), 230, Anm. 698 ursprünglich die Zustimmung einer paganen Gottheit auf ein Bittgebot. In Perist. 2,564 verwendet Prudentius eben dieses Wort: … quibus rogatus adnuis. Zur Vergleichbarkeit alter und neuer Religion bei Prudentius Kuhlmann (2012), 148f.

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ziehender Prozess dargestellt, da bereits erlernte Verhaltensweisen religiöser Performanz mit einer anderen Ausrichtung beibehalten werden können.

6.5 Die Grabanlage des Hippolytus Der Hymnus auf Laurentius setzte mit einer Apostrophe an Roma ein, in der ein lyrisches Ich den erfolgreich geschlagenen Kampf des christlichen Glaubens gegen die alten Götterkulte glorifizierte77. Erst in der Schlussbetrachtung präsentierte sich dem Leser ein christliches Rom, dessen Bevölkerung konvertiert ist und die Heiligengräber besucht. Im Hymnus auf Hippolytus78 begegnet schon zu Beginn eine Romula urbs, deren Topographie durch eine Vielzahl an christlichen Grabstätten geprägt ist. Die finale Stadtlandschaft des Laurentiushymnus bildet den Einstieg in den Hippolytushymnus. Zum Rezipienten des Stadtraumes wird ein Ich, das Rom dieses Mal besucht, statt es aus der Ferne zu ersehnen. Wiederum unterliegt der Stadtraum in der christlichen Ich-Perspektive einer selektiven Betrachtung, die pagane Heiligtümer ausblendet und christliche fokussiert. Die tatsächliche Anzahl der Gräber wird in einem „Unsagbarkeits-Topos“79 übersteigert: Innumeros cineres sanctorum Romula in urbe vidimus, o Christi Valeriane sacer. (Perist. 11,1–2) Die räumliche und ideologische Trennung von christlicher Peripherie und paganem Zentrum, die noch im Laurentiushymnus für den Konversionstopos maßgebend war, wird aufgehoben80. Für den Erzähler wird ganz Rom zur abschreitbaren Memoriallandschaft einer christlichen Vergangenheit. Er unternimmt eine Art historischen Stadtspaziergang, wenn er die Gräber der Märtyrer aufsucht und ihre Namen und Geschichten zu ergründen sucht81. Durch die 77 Die Niederschlagung der alten Religion drückt sich statt in einem metaphorischen Kampf in der Abwendung vom error Troicus aus: Perist. 11,5–6 Tantos iustorum populos furor inpius hausit | cum coleret patrios Troia Roma deos; vgl. Perist. 2,445f. 78 Zur Briefform des Hymnus Ludwig (1977), 332; Palmer (1989), 76; Schmidt (2003), 226ff. 79 Thraede (1965), 127. 80 Behrwald (2009), 274. 81 Perist. 11,3–10 Incisos tumulis titulos et singula quaeris | nomina; difficile est ut replicare queam … Plurima litterulis signata sepulchra loquuntur | martyris aut nomen aut epigramma aliquod, | sunt et muta tamen tacitas claudentia tumbas | marmora, quae solum significant numerum. Vgl. Mastrangelo (2008), 51ff. zur Idee einer römisch-christlichen

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Epigramme des Damasus werden die eigentlich stummen Grabstätten zu sprechenden Zeitzeugen vergangener Ereignisse (Perist. 11,7 loquuntur), deren Hergang der Besucher anhand der Inschriften ablesen kann82. In ihrer selbsterklärenden Präsenz ersetzen die Gräber den literarischen Fremdenführer durch Rom, der seit Vergils Euander zahlreiche Nachfolger gefunden hat. Für den Rombesucher wird die Metapher der ‚Stadt als Text‘ über das Dechiffrieren der Epigramme zur erfahrbaren Wirklichkeit und er tritt mit dem ihn umgebenden Raum in einen historischen Dialog. Auf seinem Gang kommt der Flaneur schließlich zum Grab des heiligen Hippolytus an der Via Tiburtina und liest das dortige Epigramm83. In der Lektüre der Grabinschrift werden die Grenzen zwischen dem fiktionalen und dem realen Raum unscharf: Der Dichter referiert auf ein tatsächliches Memorial der Stadtlandschaft, das nicht nur der fiktive Fremdling, sondern auch jeder Rombesucher des 4. und 5. Jahrhunderts auf einem Spaziergang durch Rom lesen konnte84. Prudentius erweitert den nahezu kryptischen Bericht des Papstes Damasus und ergänzt ihn um weitere Details, die er unter anderem der römischgriechischen Mythologie entlehnt85. Nach seiner Darstellung war der römische Presbyter Hippolytus ein ehemaliger Anhänger der schismatischen Lehre Novatians, der sich schließlich zum katholischen Glauben bekannte. Sein Martyrium durchlebte Hippolytus in Ostia, wo er in Anlehnung an seinen Namen vom römischen Statthalter zum Tode durch Vierteilung verurteilt wurde

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Geschichtsschreibung; Krasser (2010), 211 zur Transformation der Erinnerungslandschaft bei Prudentius. Gemäß Roberts (1996), 151ff. wird die Dechiffrierung der Grabinschriften für den Rombesucher zu einer echten Herausforderung, wenn er aus den einzelnen unleserlichen apices (=Buchstaben-Striche) das Martyrium zu ergründen sucht, vgl. Mastrangelo (2008), 51ff. zur doppelten Semantik von sequor. Perist. 11,17–19 Haec dum lustro oculis et sicubi forte latentes | rerum apices veterum per monumenta sequor, | invenio Hyppolytum … Die folgenden Verse 19–34 sind gemäß Roberts (1996), 150 eine Paraphrase des Damasus-Epigramms 35,6. Text und Übersetzung des Epigramms finden sich bei Reutter (2009), 90. Entgegen Behrwald (2009), 274 bleibt die Lokalisierung der Basilika somit nicht unklar, da sie mindestens über das Epigramm verortet werden kann. Gemäß Reutter (2009), 105 steht die Bauinschrift in der crypta Hippolyti in einer engen Verbindung mit dem Epigramm. Brent (1995), 30ff.; 372f. lokalisiert die Basilika wie schon Malamud (1989), 80 an der Via Tiburtina und begründet die Lokalisierung mit der Nähe zum Grab Novatians, den Damasus’ Epigramm in eine enge Beziehung zu Hippolytus setzt, vgl. Diefenbach (2007), 272. Malamud (1989), 97ff. untersucht in dem Kapitel „A Mythical Martyr“ die Verschmelzung mehrerer Personen in der Figur des Hippolytus bei Prudentius; vgl. Smolak (2001), 355, der vorrangig Ovids Heroides als Vorbild betrachtet.

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(Perist. 11,19–88). Als Bestattungsort für die Gebeine des Märtyrers wählten seine Anhänger anstelle von Ostia die Hauptstadt, womit über den Hymnus die zwei bekannten latinischen Grabstätten des Heiligen in einen Bezug zueinander gesetzt werden86. Wie schon im Laurentiushymnus wird die Epoche der frühen Christenverfolgung zum Referenzbereich für die Gegenwart und Rom sowie seine unmittelbare Umgebung dienen als Szenerie für das Martyrium87. Die Erhabenheit der Stadt wird in einen direkten Kontrast zu dem wütenden Wahnsinn ihres Statthalters gesetzt, der in der Region zu Gericht sitzt. Nachdem er in den Straßen Roms unter den Christen ein wahres Blutbad angerichtet hat, reist er nach Ostia, um dort weitere Verurteilungen auszusprechen. Die Christenverfolgung in und um Rom wird hier auf die ungebremste Mordlust und Raserei einer Einzelperson zurückgeführt88. Gegenüber anderen Märtyrern besteht die herausragende Leistung des Hippolytus darin, dass er das Volk von der Häresie zum katholischen Christentum geführt hat. In dieser spezifischen Handlungsweise wird er nicht nur als ein Vorbild des richtigen Glaubens (exemplum) inszeniert, sondern wird darüber hinaus zu einem Führer für jeden Verirrten und Suchenden. Er erscheint als eine vom Volk dicht umdrängte Leitfigur, die in Glaubensangelegenheiten konsultiert wird89. Der epigrammatische Bericht wird von einer beständig durchscheinenden Wegmetaphorik überlagert, die sich im

86 Malamud (1989), 80f.; Roberts (1996), 152f.; vgl. Krasser 82010), 215f. zum „Konzept einer doppelten Präsenz eines Märtyrers“ bei Prudentius. 87 An Hippolytus soll wie an Laurentius ein abschreckendes Exempel statuiert werden, das andere Christusgläubige in Furcht versetzen soll. Stattdessen wird auch er zu einem Vorbild (exemplum) christlichen Glaubens: Insolitum leti poscunt genus et nova poenae | inventa, exemplo quo trepident alii (Perist. 11,83–84). 88 Perist. 11,39–48 … sistitur insano rectori christicolas tunc | ostia vexanti per Tiberina viros. | Illo nam die Roma secesserat, ipsos | peste suburbanos ut quateret populos, | non contentus humum celsae intra moenia Romae | tinguere iustorum caedibus adsiduis. | Ianiculum cum iam madidum fora rostra Suburam | cerneret eluvie sangunis adfluere, | protulerat rabiem Tyrreni ad litoris oram | quaeque loca aequoreus proxima portus habet. Die Wendung celsa Roma wird durch den Begriff humus kontrastiert, in dem sich die niedere Gesinnung des Statthalters widerspiegelt. Palmer (1989), 137 fasst die Phrase zu Unrecht ironisch auf, richtig deutet dagegen Lühken (2002), 174, Anm. 10, dass sie impliziere, „dass die Brutalität der Christenverfolgung der Würde Roms unangemessen ist“. Zur Figur des Christenverfolgers bei Prudentius Opelt (1967). 89 Perist. 11,27–29 … (plebis amore suae multis comitantibus ibat) | consultus quaenam secta foret melior, | respondit …

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Wortlaut an Contra orationem Symmachi anlehnt90. Hippolytus gibt als dux den rechten Weg vor und führt das Volk von religiösen Irrwegen fort91: His ubi detorsit laevo de tramite plebem monstravitque sequi qua via dextra vocat, seque ducem recti spretis anfractibus idem praebuit erroris qui prius auctor erat, sistitur insano rectori christicolas tunc ostia vexanti per Tiberina viros. (Perist. 11,35–40) In der Gegenwart findet der Romflaneur, der zu Beginn noch ziellos zwischen den Gräbern umherstreift92, in Hippolytus’ Grab den Bestimmungsort seiner Wanderung. Auch das erfolgreiche Gelingen seiner Romreise führt es im Nachhinein auf ein Gebet am Altar des Heiligen zurück. Die wegweisende Funktion, die in der Vergangenheit noch Hippolytus selbst zugesprochen wurde, erfüllt in der Gegenwart seine Begräbnisstätte. Diese wird von Prudentius nicht nur als ein Erinnerungsort in der Topographie verortet, sondern ebenso als eine Wegmarke für alle Pilger, Reisenden und Suchenden inszeniert. Die Grundthematik des Umherirrens und Findens wird in der Darstellung der unterirdischen Grabanlage wieder aufgegriffen93. Der Bestattungsort des

90 Vgl. CS 2,845 tramitibus; 848 anfractus; 849 errore; simplex via. 91 Malamud (1989), 101ff. Auch das Martyrium des Heiligen spiegelt die Grundthematik von Zerteilen und Zusammenführen, Folgen und Suchen wider (Perist. 11,89–105), wenn die Pferde im error auseinanderstürmen, die Anhänger des Hippolytus dem Pfad der zerstreuten Körperteile nachfolgen und seinen Körper nach und nach wieder zu einer Einheit zusammensetzen. Hinzu tritt die Körpermetapher, in der Hippolytus zum Kopf seiner Gemeinde wird: Stipati circum iuvenes clamore fremebant | ipsum christicolis esse caput, omnia vulgi | pectora Romanis sponte sacranda deis (Perist. 11,79–82). 92 Die Suche des Ichs und der Anhängerschaft des Hippolytus werden über einen gemeinsamen Wortlaut und ähnliches Handeln parallelisiert: alle lassen den Blick schweifen, der Rombesucher folgt den apices, während die Anhängerschaft die Gebeine des Märtyrers von den apices aufsammelt: vgl. Haec dum lustro oculis et sicubi forte latentes | rerum apices veterum per monumenta sequor, | invenio Hippolytum … (17–19) mit Rorantes saxorum apices vidi … (127); Maerore attoniti atque oculis rimantibus ibant | inplebantque sinus visceribus laceris (135–136). 93 Palmer (1989), 275 denkt an eine authentische Beschreibung der Katakomben und des Altarbildes; ebenso Roberts (1993), 152ff.; Behrwald (2009), 273; Thraede (1965), 125ff. ist kritisch; gegen einen authentischen Bericht spricht sich Viscardi (1977) aus. Malamud (1989), 108ff.; Roberts (1996), 158ff. untersuchen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Hieronymus’ Beschreibung der Katakomben.

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Hippolytus wird als ein Labyrinth aus Licht und Finsternis dargestellt, dessen verschlungene Pfade den Besucher auf Abwege führen können, wenn er sich im Zwielicht verirrt94. Michael Roberts stellt fest, dass der reale Weg durch die Hippolytuskatakomben zu einer Allegorie für den Lebensweg des Menschen werde, der durch den Gegensatz von Gut und Böse bestimmt sei95. Vergleicht man die Katakombenbeschreibung darüber hinaus mit der Wegmetaphorik des zweiten Buches Contra orationem Symmachi, zeigen sich wiederum einige auffallende Parallelen in Motivik und Wortlaut bei der Beschreibung der beiden Labyrinthe96. Der Weg durch die Katakomben ist also nicht nur eine Allegorie für den Lebensweg, sondern wird ebenso zu einem Sinnbild für die Suche nach der göttlichen Wahrheit. In dem Durchlaufen des Labyrinths der unterirdischen Grabanlage spiegelt sich das Umherirren im metaphorischen Irrgarten der Religionen. Wählt der Besucher der Katakomben den richtigen Weg, gelangt er zum kostbar verzierten Altar des Heiligen, in dem das wenige vorhandene Licht gebündelt und reflektiert wird, so dass er selbst zu einer Lichtquelle zu werden scheint97. In ähnlicher Weise findet in Contra orationem Symmachi der spirituell Suchende am Ende des christlichen Glaubensweges unzählige Reichtümer, Licht und das ewig Göttliche98. In der Überlagerung der realen und der metaphorischen Welt wird der Altar zu einem Symbol für die Präsenz des christlichen Gottes. Das Motiv des Führens, Suchens und Findens wird im Hippolytushymnus in dreifacher Weise umgesetzt und an die Wegmetaphorik von Contra orationem Symmachi angebunden: In der Vergangenheit ist Hippolytus der spirituelle Führer der christlichen Glaubensgemeinschaft, in der Gegenwart wird sein Grabmal zum Zielpunkt der tatsächlichen Reise nach Rom und Wande94 Gemäß Malamud (1989), 106ff.; Roberts (1996), 159f. wird der Eintritt in die Katakomben als Katabasis in die Unterwelt inszeniert und der Besucher wird von der Erde wie von einem Höllenschlund verschluckt. 95 Roberts (1996), 161. 96 Vgl. Perist. 11,155 gradibus via prona reflexis mit CS 2,844f. sparsis via multiplicetur | tramitibus; Perist. 11,156 per anfractus mit CS 2,848 anfractus dubios; 896 multis anfractibus errans; Perist. 11,163 ancipites regressus mit CS 2,850 biviis (nec) pluribus anceps. Der Weg durch die Katakomben ist wie der falsche Glaubensweg dunkel umnachtet: vgl. Perist. 11,154 mersa latebrosis crypta foveis mit CS 2,873f. tenebrosis tecta frutectis | semita; Perist. 11,156 luce latente mit CS 2,875 latens silvis. Beide Ab(wärts)wege werden mit der Hölle asoziiert: zu Perist. 11,153ff. Malamud (1989), 106ff. mit Paralleltextstellen; Roberts (1996), 159f.; vgl. CS 2,898 … sed mortis iter per devia monstret; 2,902ff. Discedite longe | et vestrum penetrate chaos, quo vos vocat ille | praevius infernae perplexa per avia noctis. 97 Perist. 11,169–174; 182–188. Zur Spiegelfunktion des Altars Malamud (1989), 110ff. 98 CS 2,885–900 Lux perennis muss als Sinnbild für Gott gelesen werden.

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rung durch die Stadt, die der Erzähler erlebt99. In der Beschreibung der Grabanlage wird das Voranschreiten in der realen Welt von der Vorstellung eines spirituellen Glaubensweges zur göttlichen Wahrheit überlagert. Nachdem die topographischen Besonderheiten der Katakomben beschrieben worden sind, wird die Grabkammer des Hippolytus als Ort religiöser Performanz inszeniert. Auf eine zweifache Fokussierung des aediculum folgt jeweils ein Gebets-Skript, wodurch Ort und Handlung in einen engen Bezug zueinander gesetzt werden: Zuerst werden die sakramentale Bedeutung und die Funktion des Altars hervorgehoben, dann betet der Erzähler am Altar100. Auf eine anschließende Beschreibung des Schreins folgt wiederum eine Gebetsszene, die den Ort zum Begegnungspunkt einer großen Menge Christusgläubiger werden lässt101. Das Grab des Hippolytus wird als eine prompta precantibus ara charakterisiert (Perist. 11,175), die zum Beten wie geschaffen ist und nicht nur für die Bewohner Roms (Tibricolae), sondern für alle Christusgläubigen zum Ziel wird102. Am Ende des Hymnus wird ganz Rom zum Schauplatz christlicher Religiosität, wenn der Festtag des Hippolytus in allen Straßen zelebriert wird. Gemeinsam mit dem Erzähler strömt eine große Menschenmenge zum Grab des Heiligen. Die ehemals pagane Hauptstadt wird von christusgläubigen Römern und Besuchern nahezu ‚überschwemmt‘ und selbst die personifizierte Roma ehrt den Märtyrer103. Der Konversionstopos des Laurentiushymnus klingt hier 99 Das Motiv wird weiterhin in der Suche nach dem richtigen Bestattungsort aufgegriffen (Perist. 11,147–152) und in den Schlussworten, in denen der Bischof zum guten Hirten wird, der das Ich in die Gemeinschaft der Gläubigen zurückführt. 100 Perist. 11,171–176 (Altar); 177–182 (Gebet). 101 Perist. 11,183–188 (Ekphrasis); 189–194 (Gebet). Ebenso wie im Laurentiushymnus zeigen die Christen auch hier religiöse Praktiken, die denen paganer Verehrung ähneln, wenn sie bspw. den Marmor küssen. 102 Das beste Beispiel für einen Pilger bietet der Erzähler selbst. Die Menge der Betenden wird in den Versen Perist. 11,189f. mit einer Passivwendung umschrieben (concurritur) und der Besuch des Grabes erlangt einen allgemeingültigen Charakter. Verstärkt wird der Eindruck, dass jeder das Grabmal aufsucht, durch omnis pubis. Der Ort wird darüber hinaus durch ein beständiges Kommen und Gehen charakterisiert, das erst abreißt, wenn es zu dunkel wird: … eunt, redeunt solis adusque obitum (Perist. 11,190). 103 Perist. 11,229–234, bes. 231–234 … colit hunc pulcherrima Roma | idibus Augusti mensis, ut ipsa vocat | prisco more diem, quem te quoque, sancte magister, | annua festa inter dinumerare velim. Die traditionell Roma zugewiesene Mutterrolle übernimmt hier die kirchliche domus, die alle Gläubigen in ihren Schoß aufnimmt. Der Festtag des Hippolytus kann als von Schmitzer (2012), 238 so bezeichnetes „Gegenritual“ zum Fest der Diana aufgefasst werden, das üblicherweise an den Iden des August stattfand, vgl. zu Konkurrenz und Vermischung paganer und christlicher Festlichkeiten Salzman (1999), 124ff. Sie stellt fest, dass zuerst der Festkalender christianisiert wurde und erst dann der zentrale Stadtraum. Sie führt den differenten

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nur noch in Gestalt der Stadtpersonifikation an, die ihre Gläubigen in die Peripherie ergießt. In diesem Bild werden die Ströme an Märtyrerblut, mit denen der Statthalter die Hügel Roms einst überflutete (Perist. 11,46), in der Gegenwart zu Strömen von Christen, die Roms Straßen wie ein Heerzug erobert haben104: … exultant fremitus variarum hinc inde viarum, indigena et Picens plebs et Etrusca venit. Concurrit Samnitis atrox, habitator et altae Campanus Capuae iamque Nolanus adest, quisque sua laetus coniuge dulcibus et cum pigneribus rapidum carpere gestit iter. Vix capiunt patuli populorum gaudia campi haeret et in magnis densa cohors spatiis. Angustum tantis illud specus esse catervis haud dubium est, ampla fauce licet pateat. (Perist. 11,205–214) Trotz der Vielfalt an Straßen (variarum viarum) und der Menge an Platz (patuli campi; magnis spatiis) schlagen alle Bewohner und Besucher Roms nur den einen Weg (iter) zum Grabmal des Heiligen ein. Die Vielzahl der römischen Straßen und die Weite der Platzanlagen wird durch die Dichte der Menschenmenge kontrastiert, durch die Beengtheit der bescheidenen Grabanlage, 105 die dichtgefüllt mit Pilgern ist (Perist. 11,213) , und durch die Singularität Umgang der Christen mit paganen Festen (Redefinition, Säkularisierung oder Verbot) und Sakralorten (keine Redefinition bis ins 7. Jh.; Meidung) auf ein Entgegenwirken der stadtrömischen Eliten zurück. 104 Perist. 11,199ff. Urbs augusta suos vomit effunditque Quirites, dazu Behrwald (2009), 273. Das Motiv der flutenden Menge wird in den Versen 227–230 wieder aufgenommen. Das Militärmotiv klingt bereits in der Gebetsszene an, wenn die Gläubigen sich in cuneum zusammenballen (Perist. 11,191). Ebenso ist die Eingangspassage der Festzeremonie mit einer militärischen Semantik unterlegt: Die Wallfahrt zur Kirche wird als Auszug von Soldaten geschildert (Perist. 11,200–202 … una patricios ambitione pari | confundit plebeia falanx umbonibus aequis | discrimen procerum praecipitante fide), aus Alba Longa zieht eine Schlachtreihe in Schlachtordnung aus (Perist. 11,203–204 Nec minus Albanis acies se candida portis | explicat et longis ducitur ordinibus), die Straßen Roms hallen von (Kriegs)Getöse wider (Perist. 11,205 fremitus) und die Schar der Gläubigen wird als cohors und als caterva bezeichnet (Perist. 11,212f.). Der metaphorische Kampf des Laurentiushymnus ist von der Götterwelt auf die Menschenwelt übertragen worden, bleibt aber sinnbildlich. 105 Die Szeneriebeschreibung erinnert in der Kontrastierung von Weite und Enge sowie im Kriegsvokabular in auffallender Weise an Ambr. hymn. 12,25–30: Tantae per urbis ambi-

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des einen iter, das sie vorbei an den paganen Heiligtümern führt106. Der Konversionstopos des Laurentiushymnus wird in einen ‚Kongregationstopos‘ umgewandelt, wenn sich die Pilger aus aller Welt auf einer Straße bündeln, um sich in den Katakomben und der benachbarten Basilika des Hippolytus zusammenzudrängen107. Der Bestattungsort des Märtyrers in Rom bildet damit nicht nur zu Beginn des Hymnus, sondern auch am Schluss das Ziel einer Reise und Wanderung. Das abstrakte Bild einer via simplex wird in der römischen Stadttopographie veranschaulicht. Die Einheitlichkeit des Weges wird zum Spiegel der religiösen concordia108. In der Darstellung des Prudentius verschmelzen die Völker am Festtag des Hippolytus zu einer civitas Christiana, die geschlossen den einen Glaubensweg des katholischen Christentums beschreitet. Die folgende Gebäudebeschreibung dient zum einen dazu, einen christlichen Sakralort in Konkurrenz zu den paganen Tempeln zu skizzieren, der diesen an Schönheit und Größe gleichkommt. Prudentius rekurriert auf die gebräuchlichen Attribute des Gebäudelobes, wenn er die gewaltigen Ausmaße und die kostbare Verzierung des Bauwerks hervorhebt109. Zum anderen wird die Ekphrasis der Basilika der leitmotivischen Wegmetaphorik unterstellt, wenn sich dem Betenden im Innern ein Weg zu Gott eröffnet. Michael Roberts stellt fest, dass der metaphorische Mittelgang (via) den Abschluss und Höhepunkt der Gebäudebeschreibung bilde und den Besucher geradewegs den Himmelspforten zuzuführen scheine110. Im Hymnus auf Hippolytus dienen die topographischen Verweise sowie die Beschreibung des christlichen Pilgerortes nicht nur einem bloßen „Lokalkolorit“111, sondern sind Teil eines übergreifenden Leitgedankens. Der gesamte

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tum | stipata tendunt agmina, | trinis celebratur viis | festum sacrorum martyrum. | Prodire quis mundum putet, | concurrere pleben poli. Ebenso erinnert die Erwähnung der personifizierten Roma in Perist. 11,231ff. an Ambr. hymn. 12,21f. Iter schließt in Perist. 11,210 die Aufzählung der ankommenden Völker und steht in exponierter Versendstellung. Es fungiert als Gelenkstelle von der Betrachtung der Völker zur Betrachtung des Stadtraumes. Roberts (1993), 17f. führt die Errichtung der Basilika auf die immer größere Menge an Gläubigen zurück; vgl. Brandenburg (1979), 119; Prolingheuer (2008), 220ff. Roberts (1996), 166f. Der concordia-Gedanke setzt Perist. 11 in engen Bezug zu Perist. 12, das Roberts (1996), 167ff. als „A Model of Concordia“ betrachtet. Perist. 11,215–230, dazu Prolingheuer (2008), 215ff.; 333ff. zu den literarischen Vorbildern; Palmer (1989), 137f. stellt eine contaminatio mehrerer Vergilpassagen in der Basilikabeschreibung fest, während Lühken (2002), 88f. vorrangig eine Kontrastimitation zum Juno-Tempel in Verg. Aen. 1,446ff. sieht. Roberts (1996), 163f. zu Perist. 11,223ff. So Behrwald (2009), 273, der die Ekphrasis weitestgehend außer Acht lässt.

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Martyriumsbericht ist geprägt durch Prozesse von Suchen, Folgen und Finden, die in allen Zeitstufen in einer Metaphorik des (Ver-)Irrens und Ankommens realisiert werden. Jede Fortbewegung eines Christen in der römischen Stadttopographie zum oder im Grabmal des Hippolytus wird zu einer Metapher für den Weg des richtigen Glaubens. Peristephanon 11 kann als direktes Gegenstück zu CS 2,843–909 gelesen werden. Im zweiten Buch von Contra orationem Symmachi wird die abstrakte Vorstellung der vielen falschen religiösen Wege in der römischen Stadtlandschaft an den zahlreichen Tempelbauten veranschaulicht. Im Hippolytushymnus wird der Gedankengang umgekehrt, wenn die Bewegung der Christen im Stadtraum spirituell konnotiert wird und sich im Aufsuchen der Märtyrerstätten die Hinwendung der Menschen zum Christentum widerspiegelt. Hier gibt es genau ein iter, das alle Menschen zu demselben Ziel führt, die das Christentum als gemeinsame Religion haben. Der Hymnus ist informativ zu interpretieren, wo er der Leserschaft gemeinsam mit dem fiktiven Adressaten Bischof Valentinian einen der zahlreichen tituli auf den Gräbern in Rom erklärt. Daneben trägt er performative Züge, da der Leser implizit aufgefordert wird, die Handlungen der Figuren zu imitieren. Die Festdarstellung beinhaltet nicht nur eine rein retrospektive Beschreibung des Geschehens, als vielmehr eine Zukunftsvision mit Appellcharakter. Vordergründig bittet der Sender der elegischen Epistel Bischof Valentinian, den Gedenktag des Hippolytus in den offiziellen Festtagskalender aufzunehmen, da er ja ohnehin schon alljährlich in Rom zelebriert werde (Perist. 11,231–232). Tatsächlich intendiert Prudentius mit seinem Hymnus aber das, was vom Erzähler als Gegebenheit vorausgesetzt wird: die alljährliche Feier des Festtages. Der eigentliche Adressat des Hymnus ist nicht nur der angesprochene Bischof Valentinian, sondern die Gesamtheit der Bürgerschaft, die aufgefordert wird, sich am 13. August in Rom einzufinden, dort das Grabmal des Hippolytus zu besuchen und so einen neuen christlichen Feiertag statt der altrömischen Festtage zu zelebrieren.

6.6 Der Hymnus auf Petrus und Paulus Wurde die pagane Vergangenheit Roms in Peristephanon 2 und 11 über die Martyriumsberichte in einen Kontrast zur christlichen Gegenwart der Stadt gesetzt, wird sie im Hymnus auf Petrus und Paulus nahezu ausgeblendet. Es entsteht der Eindruck, dass Rom seit jeher christlich war. Die Martyrien der

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beiden Apostel werden verhältnismäßig kurz umschrieben112. Der Blick richtet sich verstärkt auf die Gegenwart, in der ein lyrisches Ich die Stadt am Festtag der beiden Apostel besucht. Die Struktur des Hymnus ist dialogisch113: Zu Beginn wird eine Unterhaltung eröffnet, in der ein lyrisches Ich114 als Neuankömmling in Rom einen Einheimischen zu den feierlichen Aktivitäten befragt, die er in der Stadt erblickt: „Plus solito coeunt ad gaudia; dic, amice, quid sit; Romam per omnem cursitant ovantque.“ (Perist. 12,1–2) Prudentius stellt seinen Hymnus mit den ersten beiden Versen in die Tradition der aitiologischen Dichtung. Anders als in Perist. 11 greift er die Figur des Fremdenführers von Properz, Vergil oder Ovid auf, womit seine Dichtung gedanklich in die Nähe der literarischen Stadtspaziergänge paganer Autoren rückt115. Noch bleibt unklar, ob der Besucher Roms ein paganes oder ein christliches Fest beobachtet. Die folgenden 64 Verse umfassen die Antwort des Römers, in denen die Ursprünge des doppelten Festtages der Apostel offengelegt und die Sakralstätten der beiden beschrieben werden. Über die kurzen Martyriumsberichte und die Darstellung des Festakts werden die beiden Basiliken als christliche Erinnerungsorte im Stadtraum verortet. Wie bereits im Hymnus auf Hippolytus wird die Christenverfolgung in Rom auf das Wirken einer Einzelperson zurückgeführt. Diesmal wird Kaiser Nero als Henker beider zu einer Negativfigur stilisiert. In seiner Raserei handelt er nicht entsprechend der römischen, sondern

112 Perist. 12,11–20; 21–28, dazu ausführlich Prolingheuer (2008), 290ff. 113 Palmer (1989), 112f.; Roberts (1996), 168; Schmidt (2003), 228; Gnilka (2005), 61ff.; Prolingheuer (2008), 286f. 114 Entgegen Smolak (2001); Gnilka (2005), 61 und in Übereinstimmung mit Roberts (1996), 168, Anm. 67 gehe ich nicht von einer Übereinstimmung des Erzählers mit dem historischen Dichter Prudentius aus. 115 Palmer (1989), 111ff.; Gnilka (2005), 66ff.; Roberts (1996), 168 denkt an die Satire; Prolingheuer (2008), 288f.; Krasser (2010), 211f. Daneben muss Ambr. hymn. 12 als Prätext für Prudentius’ Hymnus betrachtet werden. Ebenso wie Ambrosius betont Prudentius die Eintracht zwischen den beiden Aposteln und entwirft den Stadtraum als einen Ort christlicher Performanz. Dagegen vermutet Fontaine (1992), 515ff., dass Prudentius den Hymnus des Ambrosius nicht gekannt habe. Eine Kenntnis des Hymnus lässt sich aber mit Sicherheit bei Prudentius voraussetzen, da nicht nur Perist. 12, sondern auch Perist. 11 in einer motivischen Nachfolge des ambrosianischen Hymnus steht. Zu Ambrosius und Hilarius im Liber Peristephanon Palmer (1989), 57ff.; Schmidt (2003), 229ff.

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gemäß eigener Gesetze und verurteilt die beiden Apostel zum Tode116. Von seinem Handeln wird das des römischen Volkes abgegrenzt, das in der Verkörperung des Tibers nur zum Zeugen, nicht zum Mittäter des Doppelmordes wird117. In der Gegenwart des lyrischen Ich stellt der Fluss den zentralen Angelpunkt der Feierlichkeiten zu Ehren beider Apostel dar, deren Festtage an demselben Tag auf seinen beiden Uferseiten in deren jeweiligem Heiligtum zelebriert werden (Perist. 12,29–30; 61–64)118. In zwei Ekphraseis werden die Basilika des Petrus und insbesondere deren Baptisterium auf dem Vatikan sowie die Basilika S. Paolo fuori le mura beschrieben119. Bei den Kirchenbauten werden ihre kostbare Ausschmückung und der aufgewendete Reichtum lobend hervorgehoben, in dem sich die Freigebigkeit der kaiserlichen Stiftung spiegelt120. Die pointierte Kurzbeschreibung der Petersbasilika legt den Fokus auf 116 Perist. 12,11 Prima Petrum rapuit sententia legibus Neronis; 23 … evomit in iugulum Pauli Nero fervidum furorem. Zu Nero als Negativcharakter Prolingheuer (2008), 292; vgl. Kuhlmann (2012), 144ff. „zur fehlende[n] Affektkontrolle“ bei den römischen Beamten im Peristephanon. Auch in Perist. 2,471f. und in CS 2,669ff. wird Nero zur Leitfigur und zum ursprünglichen Anstifter der Christenverfolgung. Seinem Beispiel folgen andere Kaiser wie Decius nach (CS 2,672ff.). 117 Perist. 12,7–10 Scit Tiberina palus, quae flumine lambitur propinquo, | binis dicatum caespitem tropaeis, | et crucis et gladii testis, quibus inrigans easdem | bis fluxit imber sanguinis per herbas. Gemäß Buchheit (1971), 470 ist der Tiber für die Römer das „Symbol ihrer Existenz“. Vgl. Roberts (2001), 551ff. zum metonymischen Gebrauch des Tibers; 558ff. zur Verdrängung von Romulus und Remus durch Petrus und Paulus im Hymnus. 118 Roberts (1996), 167ff. zum Leitgedanken der concordia Apostolorum; 171 zur kompositorischen Zweiteilung des Gedichts; vgl. Behrwald (2009), 274.; Prolingheuer (2008), 286ff.; Gnilka (2005), 64f. 119 Perist. 12,31–44 (Petersbasilika); 45–54 (Paulusbasilika). Gemäß Tränkle (1999), 97ff. beschreiben die Verse Perist. 12,31–44 eine von Papst Damasus gestiftete Brunnenanlage; ebenso Behrwald (2009), 276f. Roberts (1996), 174f. plädiert für ein vom Papst gestiftetes Taufbecken; dagegen sieht Gnilka (2005), 80f. in der Beschreibung ein (Vorrats-)Becken außerhalb des Hauptgebäudes. Behrwald (2009), 276f. argumentiert überzeugend, dass der kaiserlichen Stiftung der Paulusbasilika mit dem Baptisterium die (kleinere) Stiftung des Papstes ergänzend gegenübergestellt werde. Für den Fortgang der hier vorliegenden Interpretation ist es weitestgehend irrelevant, welche Theorie die zutreffende ist. Zu Archäologie und Geschichte beider Basiliken Grisar (1901), 210ff. zum Vatikan; 350ff. zur Paulusbasilika, bes. 352 zum Lichteinfall; Lietzmann (1927); Thümmel (1999); Coşkun (2008), Anm. 54 mit weiterer Literatur; Brandenburg (2002) zur Paulusbasilika. 120 Eine Erneuerung der von Konstantin begründeten Paulusbasilika wurde unter Valentinian II. und Theodosius begonnen und kam unter Honorius zum Abschluss. Eine Inschrift erwähnt Theodosius und Honorius als Erbauer. Welcher der beiden Kaiser mit dem bonus princeps bei Prudentius gemeint ist, bleibt umstritten, dazu Roberts (1996), 178; Ernesti (1998), 254ff.; Tränkle (1999), 107ff.; Brandenburg (2002), 83; Liverani (2007), 91, Anm. 58; Prolingheuer (2008), 286ff. Datiert man die Romreise wie Coşkun (2008) später, ist Honorius

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das goldene Dach, das in Abgrenzung zum wohl berühmtesten goldenen Dach Roms, dem des Kapitolstempels, betrachtet werden muss. In der Beschreibung der Paulusbasilika werden die konventionellen Topoi des Gebäudelobes aufgegriffen121. Aus der Perspektive des Fremdenführers lösen die zwei Grabheiligtümer in ihrer eindrucksvollen Präsenz die paganen Tempel und Bauwerke als neue Prachtbauten der Stadt ab. Weiterhin werden die beiden Basiliken wie schon die des Hippolytus in einen metaphorischen Deutungshorizont eingebettet: In der Darstellung der Paulusbasilika wird die Lichtmetaphorik von Perist. 11 wieder aufgegriffen. Die Petersbasilika wird über die Fokussierung der Wasseranlage zu einem Ort der Taufe, der Reinigung und der Erlösung122. Das Farbenspiel, die kostbare Goldausstattung, das Licht, die imposanten Säulenreihen und die Verbindung von Natur und Kunst teilen sie weiterhin mit dem templum mentis der

gemeint, unter dem die Paulusbasilika fertiggestellt wurde. In der Romarede wird er mit der Fertigstellung der Paulusbasilika implizit in die Nachfolge von Konstantins Kirchenbauprogramm gesetzt und Paulus- und Petersbasilika werden sinnstiftend aufeinander bezogen: Die letzten Worte der Stadtpersonifikation an den jungen Kaiser greifen die Triumphbogeninschrift am Vatikan auf: vgl. Quod duce te mundus surrexit in astra triumphans, | hanc Constantinus victor tibi condidit aulam (ICUR NS 2,4092) mit CS 2,758–759 Regnator mundi Christo sociabere in aevum, | quo ductore meum trahis ad caelestia regnum. Zu Theodosius’ Religionspolitik siehe die folgenden Verse 763ff., dazu Grisar (1943), I, 36; Liverani (2007), 90.Wahrscheinlich ist, dass Prudentius den Namen in Anlehnung an den princeps optimus in CS und Praef. 19–21 absichtlich unausgesprochen lässt, vgl. RodriguezHerrera (1936), 16; Coşkun (2008), 309, Anm. 54 zum princeps der Vorrede. Hieraus wie Prolingheuer (2008), 303 abzuleiten, dass die Festbeschreibung der Apostelfeier nur ein der Herrscherpanegyrik untergeordnetes Instrument sei, halte ich für zu weit gedeutet. Dies widerspräche dem Programm, das sich in den anderen Martyriumsberichten des Liber Peristephanon abzeichnet, die in Rom verortet werden. 121 Perist. 12,31 Dextra Petrum regio tectis tenet aureis receptum. Zu den aurea tecta des Kapitolstempels seit Verg. Aen. 8,347f. Binder (1971), 127ff. Die goldenen Giebel einer Basilika werden in der Versinschrift der Agnesbasilika betont (zwischen 337 und 353 n. Chr.): [Constantina] sacravit templum victricis virginis Agnes | templorum quod vincit opus terrenaque cuncta | aurea quae rutilant summi fastigia tecti (ICUR NS 8,20752). In Psych. 810 trägt der Tempel Salomons ein goldenes Dach (vgl. III Rg 6,22). Zur Ekphrasis der Paulusbasilika Roberts (1989), 75f.; Ernesti (1998), 258f. sieht in der Bezeichnung arces für die Paulusbasilika eine Anspielung auf das Kapitol, das durch den neuen Bau verdrängt werde; Prolingheuer (2008), 294ff. nennt neben anderen Beschreibungselementen des Gebäudelobes Gold, Marmor, die Säulenordnung sowie Farb- und Lichteffekte, Kassettendecken, die Menge des aufgewendeten Geldes, die Prudentius hier aufgreift; gemäß Roberts (1996), 175f.; 178 wird in beiden Ekphraseis die Verschmelzung von Natur und Kunst akzentuiert. 122 Prolingheuer (2008), 297; Smolak (2001), 363f. Zur Diskussion um die Schäferszenerie in Perist. 12,43–44 Tränkle (1999), bes. 99ff.; Brandenburg (2003); Gnilka (2005), bes. 80f.; der die Verse 43f. für eine Interpolation hält.

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Psychomachia. Die irdischen basilikalen Anlagen werden in eine gedankliche Nähe zum allegorischen Tempelbau der christlichen Tugenden gerückt, der als Zeichen einer vollzogenen Hinwendung zum Christentum im Inneren des Menschen errichtet wird123. An die Ekphraseis der Basiliken schließen sich zwei Brückenverse an: Der Blick wandert von der Anlage der Gebäude zu deren Einbindung in religiöse Handlungen (Perist. 12,55–56). Wie bereits zu Beginn des Hymnus wird die ganze Stadt am Ende nochmals zum Schauplatz religiöser Performanz, wenn die gesamte plebs Romula zu den beiden Apostelbasiliken eilt: Ecce duas fidei summo patre conferente dotes urbi colendas quas dedit togatae Aspice per bifidas plebs Romula funditur plateas,

123 Bereits Schetter stellt in HLL 5 (1989), § 543, S. 224ff., bes. 236 einen intertextuellen Bezug zwischen der Apsisinschrift der Petersbasilika und der Beschreibung des Templum mentis in CS 2,244–259, bes. 249ff. her, das in engem Bezug zum Seelentempel der Psychomachia konzipiert ist: Iustitiae sedes, fidei domus, aula pudoris | haec est quae cernis, pietas quam possidet omnis, | quae patris et filii virtutibus inclyta gaudet | auctoremq(ue) suum genitoris laudibus aequat (ICUR NS 2,4094). Zur ähnlichen Ausstattung der Bauten vgl. Perist. 12,39 omnicolor vitreas pictura superne tiguit undas mit Psych. 852f. animasque colorum | viventes liquido lux evomit alta profundo; Perist. 12,47f. [princeps bonus] lustitque magnis ambitum talentis mit Psych. 872f. quod mille talentis … Fides mercata pararat; Perist. 12,50 lux esset intus ceu iubar sub ortu mit Psych. 830f. Aurorae de parte tribus plaga lucida portis | inlustrara patet; Perist. 12,51f. Subdidit et Parias fulvis laquearibus columnas, | distinguit illic quas quaternus ordo mit Psych. 868ff. At domus interior septem subnixa columnis | crystalli algentis vitrea de rupe recisis | construitur; Perist. 12,53f. Tum camiros hyalo insigni varie cucurrit arcus; | sic prata vernis floribus renident; 35f. Nunc pretiosa ruit per marmora lubricatque clivum, | donec virenti fluctuet colymbo mit Psych. 862f. has inter species smaragdina gramine verno | prata virenti volvitque vagos lux herbida fluctus, die Textstelle erinnert zudem an Perist. 12,7–10, wo das Tiberufer beschrieben wird. Weiterhin teilen die Beschreibungen der Petersbasilika und die des Seelentempels den Wechsel von Außen- zur Innenperspektive (Perist. 12,37 Interior tumuli …; Psych. 868 At domus interior …). Der Seelentempel in CS 2,244–259 weist einige Gemeinsamkeiten mit dem der Psychomachia auf, so bspw. die Tugenden als ‚Baumaterial‘. Mit den Apostelbasiliken teilt er einige Attribute, jedoch nicht die Marmorausstattung und das kostbare Baumaterial. Dessen Fehlen setzt ihn in Kontrast zu den irdischen paganen Palast- und Sakralbauten (vgl. den Katalog teurer Steine in CS 2,245ff. mit 2,149ff.; Perist. 12,35 pretiosa marmora mit CS 2,249 Templum mentis amo, non marmoris; Perist. 12,31 tectis aureis mit CS 2,249f. aurea fundamenta fidei; Perist. 12,38 nivali profundo mit CS 2,250f. nivali pietate; Perist. 12,39 pictura superne mit CS 2,251 sola picta). Im abweichenden Umgang mit dem Baumaterial lässt sich die unterschiedliche Stoßrichtung beider Gebäudebeschreibungen erkennen: In CS steht das templum mentis in Konkurrenz zu den Göttertempeln, in Perist. 12 sollen die Basiliken diese überbieten.

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lux in duobus fervet una festis. Nos ad utrumque tamen gressa properemus incitato, et his et illis perfruamur hymnis. Ibimus ulterius qua fert via pontis Hadriani, laevam deinde fluminis petemus. (Perist. 12,55–62) Ebenso wie im Hymnus auf Hippolytus wird die Differenzierung zwischen christlicher Peripherie und paganer Innenstadt aufgegeben. Die beiden Heiligenstätten werden über ihre Nähe zum Tiber gedanklich ins Zentrum gerückt und Formulierungen wie Romam per omnem cursitant erzeugen die Vorstellung eines gänzlich christianisierten Rom, das voller Christusgläubiger ist (Perist. 12,2)124. Die beiden Basiliken werden als religiöse Erinnerungsorte inszeniert, die mit den beiden Heiligen von Gott selbst in den Stadtraum gesetzt worden zu sein scheinen, um die Römer zu Gebet und Feierlichkeiten anzuregen (urbi colendas quas dedit). Sie werden damit deutlich von den paganen Kultstätten abgegrenzt, die als vergängliche Monumente von Menschen für Menschen errichtet worden sind125. Daneben wird das bereits bekannte Bild der bewegten Topographie pleonastisch übersteigert; Rom wird von Hymnus zu Hymnus mit einer immer größer werdenden Menge an Christusgläubigen angefüllt: Waren es im Laurentiushymnus nur die Römer, die in die Peripherie ausströmten, wurden im Hippolytushymnus bereits alle Straßen Roms von den Christen überflutet. Am Festtag der Apostel wird die gewohnte Zahl der Besucher jeglicher Feiertage – paganer wie christlicher – überboten (Perist. 12,1 Plus solito)126. Über die doppelte Aufforderung ecce und aspice wird nicht nur der fiktive Besucher Roms angewiesen, die Festlichkeiten zu betrachtet, die sich ihm darbieten, sondern zugleich wird auch der Rezipient von Perist. 12 ermuntert, sich die Menge der Gläubigen in den Straßen vorzustellen. Ebenso nimmt der literarische Führer mit dem folgenden Hortativ properemus sowie über das ibimus und petemus den Leser an die Hand und führt ihn durch die Stadt zu den beiden Basiliken. Das kollektive nos umfasst nicht nur die beiden erdachten Dialogpartner, sondern auch jeden Leser des Hymnus, der ermun-

124 Behrwald (2009), 275f. verweist darauf, dass Prudentius übergehe, dass die Basiliken außerhalb der Stadt lagen; vgl. Schmitzer (2012), 245. 125 CS 1,189ff.; 435ff. 126 Die Unbestimmtheit der Festbeschreibung zu Beginn provoziert den Vergleich mit paganen Feiertagen, die in den aitiologischen Dichtungen beschrieben werden.

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tert wird nach der Lektüre den Festakt gemeinsam mit dem römischen Volk zu begehen (perfruamur). Ein Stadtrömer wird mit dem lyrischen Ich in die Rolle eines Fremdlings versetzt und angeleitet, Rom anders als gewohnt wahrzunehmen, wenn ihm statt der Göttertempel die Heiligenbasiliken als neue Orientierungspunkte im urbanen Raum vorgestellt werden. Einem Rombesucher präsentiert der fingierte Einheimische des Hymnus die zwei aktuellen ‚Sehenswürdigkeiten‘ der Stadt, neben denen alle Sakral- und Monumentalbauten des alten Rom unbedeutend werden. Ihr Weg führt die beiden Dialogpartner durch das pagane Rom (Perist. 12,59–64). Zu Beginn des Gesprächs befinden sie sich am linken Tiberufer zwischen den Basiliken, möglicherweise auf dem Marsfeld127. Von dort laufen sie unter den Porticus Maximae Richtung Norden zur Hadriansbrücke und überqueren sie (qua fert via pontis Hadriani). Am rechten Ufer suchen sie den Vatikan auf, wo das Zeremoniell zuerst abgehalten wird128. Anschließend wechseln sie auf die ursprüngliche linke Uferseite (laevam fluminis) zurück und laufen Richtung Süden zur Basilika S. Paolo fuori le mura. Huc verweist in der Sprecherdeixis auf den Standpunkt der Dialogpartner am linken Tiberufer. Die kurze Wegbeschreibung basiert auf dem Prozessionsweg, den der sacerdos am Fest der Apostel am 29. Juni beschritt129. Sie zollt darüber hinaus dem kaiserlichen Bauprogramm Referenz, das zum einen der Anbindung der suburbanen Heiligenbasiliken an das Zentrum diente, zum anderen das Marsfeld zu einem Repräsentationsraum christlicher Kaiserherrschaft werden ließ: Durch die Portiken waren Suburbium und Stadt als ungeteilter liturgischer Handlungsraum gestaltet, der Basiliken und Triumphalmonumente miteinbezog130. Prudentius nutzt die triumphale Semantik, die der Wegstrecke über 127 Dies implizieren die topographischen Verweise. Zu Beginn sehen sie die Menschen aus der ganzen Stadt zusammenströmen (Perist. 12,1–2), dann zwischen den Basiliken hin- und herlaufen (Perist. 12,57f. bifidas plateas: ‚in zwei verschiedene Richtungen‘). Zum Marsfeld Coarelli (1975), 237ff.; (1997); La Rocca (1984). 128 Perist. 12,63 Transtiberina prius solvit sacra pervigil sacerdos. 129 Zur Prozession zur Zeit des Damasus Chadwick (1972), 186ff. 130 Dey (2011), 221ff. zur Stadtmauer bei Prudentius und Sidonius; bes. 222 zu den Portiken; Diefenbach (2007), 412 zur Verbindung von Suburbium und Zentrum durch die Portiken. In Anm. 30 folgt er wie auch Haug (2012), 127 der Annahme, dass die Portiken von St. Pietro und S Paolo bereits 380 angelegt wurden; Haug (2012), 127 verweist auf den Triumphbogen der Kaiser Gratian, Valentinian II. und Theodosius I. am Pons Aelius, der die Porticus Maximae beschloss. Sie spricht von einem „Repräsentationsgefüge […], das Triumphalachse, Ehrenbogen und Kirchenbau [sc. die Petersbasilika] wie in Mailand in unmittelbare Beziehung setzte“. Der 402/3 oder 405/6 errichtete Triumphbogen der Kaiser Arcadius, Honorius und Theodosius II. ergänzt die semantische Konnotation des Marsfeldes. Haug positioniert ihn am Pons Neronianus, dagegen vermutet Liverani (2007), 86ff. überzeugend, dass

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das Marsfeld von alters her eigen ist und in der kaiserlichen Architektur zugeschrieben wird, und stellt seinen Hymnus in das Zeichen des triumphus131. Unter diesem Gedanken treten die Apostelgräber wie im ersten Buch Contra orationem Symmachi in Konkurrenz zum Kapitol: Die Dialogpartner biegen von der bekannten Triumphroute in Richtung Jupitertempel ab, um die Paulusbasilika zu besuchen. Irdischer und spiritueller Triumph werden in der Wegmetaphorik kontrastiert: Die Stadttopographie spiegelt nicht nur den Sieg der Apostel über die paganen Gottheiten, sondern ebenso den jedes Christen, der die pagane Religion aufgegeben hat132. Die Basiliken werden zu Repräsentanten und Garanten eines transzendenten Heilsversprechens. Das Rom der Vergangenheit dient lediglich als Wegstrecke zwischen den neuen Monumenten einer christlichen Gegenwart, was sich am Pons Aelius ablesen lässt. Dieser führt statt zum triumphalen Hadriansmausoleum, zur Petersbasilika133. Die hierarchische Kontrastsetzung beider Grabanlagen greift die Grundthematik

er zwischen den Porticus Maximae etwas südlich des ersten Bogens gestanden habe, wodurch er als Teil der Route zwischen den Basiliken ebenfalls in engen Bezug zu diesen gesetzt worden sei, vgl. Grisar (1901), 202ff. zur Wegstrecke, bes. 207ff. zur überdachten Wegstrecke zwischen Paulus- und Petersbasilika; La Rocca (1984), 66ff. zu den Portiken und Triumphbögen; Dey (2011), 169ff. zur neuen Stadtmauer und ihrem Einfluss auf das Straßennetz auf dem Marsfeld; bes. 177f. zur Defunktionalisierung des Pons Neronianus im 4. Jh.; bes. 178f. zu den Portiken. 131 Bereits Krasser (2010), 211f. verweist auf die semantischen Bezüge zum Triumphritual, die durch ovare und triumphus hergestellt würden (Perist. 12,2f.); vgl. Roberts (1996), 171. Zur Route des triumphus Künzl (1988), 15; La Rocca (1984), 65ff.; Coarelli (1997), 127ff.; Flaig (2004), 32f.; Lehnen (1997), 162ff. in Abgrenzug zum adventus; Dey (2011), 169ff. zum Straßennetz auf dem Marsfeld (in der Spätantike), bes. 175ff. Die Petersbasilika ist seit Konstantin triumphal konnotiert, vgl. dazu HLL 5, § 543, S. 236; Liverani (2007), 90; 91 zur Verbindung von St. Peter und St. Paul beim Kaiserbesuch; 96 zur Spiegelfunktion von Kaiser und Pilger; vgl. Fraschetti (2002), bes. 19ff. zu den Kaiserbesuchen von St. Peter. 132 Das triumphus-Motiv verbindet Perist. 12 mit Perist. 2 und der Psychomachia, in der die Tugenden siegen. In den ersten Versen des Laurentiushymnus ist Roma gleichzeitig Stadt und Verkörperung ihrer Bevölkerung, die die alten Götter aufgegeben hat: Laurentio victrix duce | ritum triumphas barbarum [Roma] (Perist. 2,3–4). Ihr Sieg wird durch die streitende Fides spiritualisiert, vgl. Palmer (1989), 126f. zu Perist. 2; 142 zum Märtyrer als Triumphator. Perist. 2,469ff. ist vorverweisend auf den Triumph der beiden Apostel über die paganen Gottheiten (und Nero), der in Perist. 12 gefeiert wird. 133 Vgl. Schmitzer (2012), 245. In der Realität sah sich jeder, der die Brücke überquerte, unmittelbar dem Hadriansmausoleum gegenüber. Ein Tor in der linken Mauer, die 403 von Honorius zum Schutz der Stadt errichtet worden war, führte zum Vatikan, der wahrscheinlich damals schon durch Portiken angebunden war, dazu Grisar (1901), 207ff.; Platner– Ashby(1965), 336ff. s.v. Mausoleum Hadriani; Richardson (1992), 249ff., s.v. Mausoleum Hadriani; Dey (2011), 76; 177ff.

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des triumphus nochmals auf: Die irdischen Siege der Kaiser werden durch den spirituellen Sieg der Apostel überboten134. In den beiden Schlussversen wird das Zusammenspiel von Ort, Erinnerung und Ritual pointiert verdichtet, wenn ganz Rom als ‚Stadt der Apostel‘ für den Fremdling zu einem bedeutungsträchtigen Erinnerungsort wird, dessen Andenken er zu Hause alljährlich zelebrieren soll. In der Ferne re-aktualisiert nicht der Ort die Erinnerung, sondern das zeremonielle Erinnern ruft den Ort erneut ins Gedächtnis135. Mehr als die beiden Basiliken braucht ein Besucher Roms nach Ansicht des Fremdenführers von der Stadt nicht kennengelernt zu haben, um informiert heimkehren zu können: Haec didicisse sat est Romae tibi, tu domum reversus diem bifestum sic colas memento. (Perist. 12,65–66) Wie in den anderen beiden Hymnen wird Rom im Apostelhymnus aus der Perspektive eines Christen wahrgenommen und beschrieben. Dies führt zu einer Umorganisierung der urbanen Monumente in ihrer Wahrnehmung und Relevanz. Steigernd tritt hinzu, dass es sich diesmal um einen Stadtrömer und nicht um einen Außenstehenden handelt, der seine Heimatstadt als einen Ort christlicher Architektur betrachtet. Die Relationen von ‚fremd‘ und ‚vertraut‘ werden umgekehrt und das Christentum als ehemals romfremde superstitio wird zur heimischen Religion. Der Hymnus auf die beiden Apostel muss performativ gelesen werden. Die kommunikative Situation ist der in Contra orationem Symmachi vergleichbar: Die Aufforderung, den Feiertag des Petrus und Paulus zu ehren, wird in mehreren Hortativen und Imperativen formuliert, die sich grammatikalisch an das lyrische Ich richten, jedoch tatsächlich die Leserschaft des Hymnus adressieren. Gerade das abschließende colas memento apostrophiert weniger einen fingierten Fremden als vielmehr den textexternen Rezipienten. Im Hymnus werden dem Leser zwei neue Erinnerungsorte einer römisch– christliche Bürgerschaft präsentiert und es wird ihm eine Möglichkeit vorgestellt, die pagane Vergangenheit mit einer christlichen Gegenwart zu harmoni134 Vgl. Aug. serm. 360 B = serm. Dolbeau 25,26 zur Kontrastsetzung von Petersbasilika und Hadriansmausoleum, dazu Fraschetti (2002), bes. 19ff.; Behrwald (2012b), 293. Sidonius verdichtet die Idee von Prudentius in der Formulierung triumphales apostolorum limina (Sidon. epist. 1,5,9), was sich im Wortlaut auf Perist. 2,519–520 apostolorum et martyrum | exosculantur limina zurückführen lässt. 135 Vgl. Krasser (2010), 212f.; 221; Kuhlmann (2012), 151.

Die Roma Christiana im Hymnus auf Agnes

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sieren. Aus der kurzen Fremdenführer-Szene lassen sich für einen christlichen Römer zwei mögliche Umgangsformen mit der paganen Vorgeschichte Roms ableiten: Er kann sie einerseits ignorieren und ausblenden, wie es der Fremdenführer tut. Andererseits kann das alte Rom als wegbereitend für die christliche Gegenwart betrachtet werden. Dieser Gedanke spiegelt sich in der Funktion, die dem Pons Aelius zugewiesen wird, der den Passanten als ein Monument der Vergangenheit zu den Orten einer christlichen Gegenwart führt. Eine der Grundideen in der Romideologie des Prudentius wird damit in der römischen Stadttopographie veranschaulicht: In der Vorstellung des Dichters ist die Expansion des römischen Reiches eine wichtige Vorbedingung für die Ausbreitung des Christentums und hat eine ebenso ‚wegbereitende‘ Funktion wie die Brücke im Hymnus. In der Bewegung im Stadtraum und seiner Wahrnehmung konkretisiert sich die Harmonisierung von Alt und Neu derart, dass pagane Sakralbauten gemieden werden, profane Monumente der alten Zeit jedoch in ihrer Bedeutsamkeit und Funktionalität bestätigt und in einem verbindenden Verhältnis zu den christlichen Bauwerken betrachtet werden. Diese Synthese aus römischem Kulturerbe und Christentum lässt sich von der Interpretation des Stadtraumes auf die Selbstwahrnehmung eines Römers übertragen: Erst in der Harmonisierung von römischer Zivilisation und christlicher Religion erreicht der Mensch nach Ansicht des Prudentius den bestmöglichen Zustand im irdischen Dasein.

6.7 Die Roma Christiana im Hymnus auf Agnes Der Hymnus auf Agnes schließt den Gedichtzyklus des Liber Peristephanon. Bereits Ralf Behrwald stellt fest, dass sich hier nur Weniges zur römischen Topographie finde136. Lediglich die ersten Verse bieten einen Blick auf Rom137. Die Sprache schließt an die Terminologie paganer Autoren an und unterwirft sie einer christlichen Semantik: Die Stadt wird als Romulea domus, Agnes als puella inclyta und die Römer als Quirites bezeichnet. Statt des Göttervaters überblickt die Märtyrerin mit führsorgendem Blick die Stadt und ihre Bewohner. Darüber hinaus gilt ihre Sorge nicht nur den Stadtrömern, sondern allen Christusgläubigen, die nach Rom pilgern. Der Schutz, den die puella gewährt, überbietet den Jupiters. 136 Behrwald (2009), 273. Zu den Quellen des Hymnus Palmer (1989), 250ff.; 261. Er begründet das Vorhandensein des Hymnus mit einer Balance zwischen römischen und spanischen Märtyrern. 137 Perist. 14,1–6.

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Der Liber Peristephanon: Neue Wege im Alten Rom

Im Hymnus auf Agnes wird das christliche Rom als eine Grundgegebenheit vorausgesetzt, die nicht weiter thematisiert werden muss. In demselben Maß wie semantisch nicht mehr zwischen pagan-römisch und christlich unterschieden wird, wird Rom unhinterfragt als Stadt der Märtyrer vorgestellt. Durch die Nicht-Thematisierung entsteht der Eindruck, dass die christliche Redefinition der Stadtlandschaft in der Realität und ‚in den Köpfen der Leser‘ abgeschlossen ist, die den anderen drei Hymnen noch als Intention zugrunde lag.

6.8 Zwischenresümee In seinem Liber Peristephanon greift Prudentius das Prinzip der räumlichen Organisation von Religion auf, das bestimmend für das altrömische Denken ist, und lässt eine christliche Memoriallandschaft in Konkurrenz zur paganen Sakrallandschaft entstehen. Er konstruiert neue römische Erinnerungsorte, indem er die Geschichte eines Martyriums mit der Lokalisierung einer Basilika in Rom verbindet und diese zum Zentrum religiöser Performanz werden lässt. Die poetische Strategie zur Erschaffung neuer Erinnerungsorte übernimmt Prudentius von den paganen Dichtern. Bereits Martha Malamud stellt fest, dass er bei seiner Gemäldebeschreibung in Perist. 11 eben das Verfahren anwende, dessentwegen die beiden Kaiser die pagane Kunst in CS 2,45–56 kritisierten: Auch bei ihm würden Religion, Bild und Dichtung in ein wechselseitiges Spannungsverhältnis gesetzt, durch das Hippolytus als eine neue Identitätsfigur für das römischen Volk inszeniert werde138. Dieser Gedanke lässt sich auf die Gesamtheit der vier römischen Märtyrerhymnen anwenden, wo Prudentius in der Tradition aitiologischer Dichtungen in einer poetica fabula Erzählung, Monument und Ritual in ein sinnstiftendes Wechselverhältnis setzt sowie in einem religiösen Deutungshorizont verortet. Während er das Zusammenspiel der drei Komponenten in Contra orationem Symmachi noch scharf als fallendi trina potestas angreift (CS 2,48), verwendet er es selbst im Liber Peristephanon. Prudentius legitimiert sein Verfahren, indem er die Märtyrerberichte als historia von den fabulae der paganen Götterreligion abgrenzt. Perist. 9 gibt nicht nur den programmatischen Auftakt für die Romreise, sondern bietet ebenso einen Lektüreschlüssel für die folgenden Romhymnen, die

138 Malamud (1989), 87ff. Sie stellt weiterhin fest, dass die Verse CS 2,53–56 direkt auf die Gemäldebeschreibung des Hymnus verweisen.

Zwischenresümee

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als historia die lügenhafte Myth-Historie der paganen Vergangenheit ersetzen sollen139. Es finden sich wiederholt Szenen, in denen nicht nur die plebs, sondern auch die politischen, gesellschaftlichen und religiösen Führungsfiguren des Volkes die Märtyrer- und Apostelgräber Roms aufsuchen, dort beten und feiern. Die Basiliken werden zu Zentren einer ‚dynamischen Topographie‘, der die monumental erstarrte Erinnerungslandschaft einer paganen Vergangenheit als Negativfolie entgegensteht. Neben den Heiligenstätten des Christentums, die durch die Bewegung des Volkes belebt werden, werden die Sakralorte des römischen Polytheismus nicht nur zu verlassenen Räumen, sondern zu statischen Relikten einer überholten Vergangenheit. Darüber hinaus werden die Christusgläubigen im Gegensatz zu den Besuchern paganer Festlichkeiten in CS 2,855–871 nicht fremdbestimmt zu den Festen getrieben, sondern suchen die Basiliken aus eigenem Antrieb auf. In ihrem religiösen Handeln besitzen die Figuren einen Vorbildcharakter für das Lesepublikum, das entsprechend dem Beispiel seiner literarischen Doppelgänger dem christlichen Glauben folgen, die Heiligenbasiliken aufsuchen und damit ‚ewige Wege‘ beschreiten soll. Aufgrund der wiederholt auftretenden implizit oder explizit formulierten Handlungsanweisungen an das Lesepublikum sind die Märtyrerhymnen nicht als rein informative Berichterstattungen zu lesen, sondern als performative Äußerungen, die auf das gesellschaftliche und religiöse Handeln der realen Welt einwirken sollen. Der Rezipient des Liber Peristephanon soll die Stadt einerseits aus einer christlichen Perspektive wahrnehmen und sie andererseits durch eine christliche Performanz beleben und neu definieren. Des Weiteren werden der Stadtraum und die Heiligenmonumente zu metaphorischen Räumen, in denen abstrakte Gedankengänge und Vorstellungen veranschaulicht werden. Vor allem die Vorstellung des richtigen Glaubensweges von Contra orationem Symmachi wird in den tatsächlichen Wegen in einer christlichen Stadttopographie realisiert140. Am Ende des Laurentiushym139 Perist. 9,17–20 Aedituus consultus ait: „Quod prospicis hospes, | non est inanis aut anilis fabula. | Historiam pictura refert, quae tradita libris | veram vetusti temporis montrat fidem.“ Es ist bemerkenswert, dass die Legitimation des Verfahrens gerade in den Märtyriumsbericht eingebettet ist, in dem Bild, Wort und Bericht nahezu grenzenlos ineinander fließen. 140 Smolak (2001) richtet den Blick auf den gesamten Zyklus, den er als „Pilgerdichtung“ charakterisiert, in der die „irdische peregrinatio des Dichters“ nachgezeichnet werde. Das lyrische Ich des Zyklus ist jedoch m. E. eher ein fiktiver Pilger bzw. Rombesucher, mit dem der Leser sich identifizieren soll. Einzig Perist. 9 lässt auf eine persönliche Situation des Autors

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Der Liber Peristephanon: Neue Wege im Alten Rom

nus fallen der reale und der spirituelle Weg des Glaubens zusammen, wenn die Bürger der Stadt sich im gleichen Zuge von den paganen Monumenten im Zentrum abwenden wie sie den alten Irrlehren abschwören (errores). Im Hippolytushymnus ist die Überlagerung des realen Weges durch den urbanen Raum mit einem geistigen Weg zur göttlichen Wahrheit bewusst angelegt und durchzieht den gesamten Hymnus. Im Hymnus auf die Apostel weist ein stadtrömischer Fremdenführer dem Ortsunkundigen den rechten Weg, indem er ihn zu den Apostelbasiliken führt. Der Konversionstopos des Laurentiushymnus wird in Variation aufgenommen: Das Abbiegen von der Triumphroute zur Paulusbasilika versinnbildlicht den dort geschilderten Sieg der Apostel über die paganen Gottheiten und den jedes Menschen, der zum Christentum konvertiert ist. Über die Interpretation der Stadtlandschaft eröffnet sich für den Leser weiterhin eine Möglichkeit, die eigene pagane Vergangenheit mit einer christlichen Gegenwart zu harmonisieren – ein Ziel, das im Hymnus auf Agnes als Gegebenheit vorausgesetzt wird. Die vier Martyriumsberichte sind als Äquivalenzprogramm zu Contra orationem Symmachi zu verstehen. Bereits in der Praefatio zum Gesamtwerk werden die beiden Werke einander in einer Antithese gegenübergestellt und zueinander in Bezug gesetzt141. Dort werden die sacra gentium und idola aufgegeben, um von den martyres und apostoli abgelöst zu werden. Das Medium, das diesen Prozess einleiten soll, ist die christliche Dichtung. In den zwei Büchern wird den Heiligtümern und Versammlungsorten der alten Staatsreligion wie dem Kapitol oder dem Forum Romanum ihre religiöse Bedeutsamkeit abgesprochen, die ihnen durch Literatur, Kunst und Performanz zugeschrieben worden war. Ist der symbolische Gehalt der paganen Memoriallandschaft infrage gestellt und dekonstruiert, entsteht eine ‚religiöse Leerstelle‘ im urbanen Raum, die Prudentius in den Märtyrerkronen füllt. Bei ihm werden die fünf Basiliken zu den neuen Erinnerungsorten und Begegnungsstätten römischer Religiosität und Identität. Er begründet seine Berichte

schließen. Weiterhin halte ich Smolaks Interpretation Roms nicht nur als Ziel einer Pilgerreise, sondern als „Pforte zum Himmel“ als zu weit gefasst. Der Fokus liegt bei Prudentius nicht auf der Stadt, sondern auf den Menschen, die durch ihr Handeln erst einen Weg in das Gottesreich eröffnen. Diese bewegen sich zwar innerhalb der römischen Stadttopographie, könnten diesen spirituellen Prozess aber auch an anderen Orten durchlaufen. 141 Praef. 40–42 [peccatrix anima] … conculcet sacra gentium, | labem, Roma, tuis inferat idolis, | carmen martyribus devoveat, laudet apostolos. Zum Bezug der Verse 39–42 auf die Einzelwerke und zur antithetischen Struktur Coşkun (2003), 221; 223. Die sacra gentium und idola ordnet er Contra orationem Symmachi zu, während die martyres und apostoli auf den Liber Peristephanon verwiesen.

Zwischenresümee

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als neue römische historia und setzt sie in Abgrenzung zur paganen (Myth-)Geschichte, die in den zwei Büchern als fabula zum Ursprung des religiösen Irrtums wurde. Die Auswahl der Märtyrer könnte neben ihrer Bedeutung für Rom auch durch die Lage ihrer Basiliken motiviert sein: Diese sind ringförmig um das pagane Zentrum verteilt und umschließen es. In seinen vier römischen Märtyrerberichten verortet Prudentius in jeder Himmelsrichtung einen neuen christlichen Erinnerungsort in Rom. Im Gegensatz zu den paganen Heiligtümern sind die christlichen Basiliken bei Prudentius nicht von sich aus heilig, sondern werden erst durch das religiöse Handeln der Römer zu sakralen Orten. Daher werden sie in der literarischen Darstellung mehrfach in Prozesse religiöser Performanz eingebunden. Die Attribute aeterna und sacra werden Rom nur in dem Maß zugesprochen, in dem die römische Bevölkerung das Christentum als ewigen Glauben angenommen hat und religiöse Handlungen im Stadtraum vollzieht. Die Idee des „Rome embodied“ wird in Contra orationem Symmachi formuliert und in den Märtyrerkronen durch die wiederholte Fokussierung der Bevölkerung und ihrer religiösen Performanz vergegenwärtigt – Die subdita Christo Roma der zwei Bücher wird durch die Roma Christo dedita der Märtyrerkronen gespiegelt142. In beiden Werken wird die innerliche Bekehrung der Bevölkerung zur Fides, wie sie in der Psychomachia geschildert wird, zur Voraussetzung für ein christliches Rom. Wenige Jahre später wird Augustinus den Gedanken von Prudentius übernehmen und weiter ausbauen, wenn er der Vergänglichkeit der irdischen Stadt die Ewigkeit ihrer christlichen Bürgerschaft gegenüberstellt143.

142 Vgl. CS 2,441–443 Nam subdita Christo | servit Roma deo cultus exosa priores. | Romam dico viros quos mentem credimus urbis mit Perist. 2,2 … iam Roma Christo dedita. 143 Fuhrer (2013), bes. 66ff.

7 Resümee und Ausblick In Prudentius’ Werk Contra orationem Symmachi wird dem Leser wiederholt eine stadtrömische Szenerie vor Augen geführt und in das Zentrum der Argumentation gerückt. Aus diesen häufigen Romreminiszenzen ist in der modernen Forschung abgeleitet worden, dass der Dichter entweder eine besondere Affinität für das ideologische Zentrum der antiken Welt besessen habe oder die Stadt aus religionspolitischen Beweggründen immer wieder zum literarischen Handlungsraum habe werden lassen. Der zweite Interpretationsansatz hat sich gegenüber dem ersten als ergiebiger für die Untersuchung erwiesen, in der nicht der Autor beleuchtet werden soll, sondern das Werk in seinem historischen und literarischen Kontext. In der vorliegenden Arbeit sind die Romdarstellungen des Prudentius vor dem Hintergrund des zeitgenössischen Religionsdiskurses betrachtet worden, in dem nicht nur die Religion selbst zum Gegenstand diskursiver Praktiken wurde, sondern auch politische und gesellschaftliche Ordnungsprinzipien neu verhandelt wurden. Es wurde demnach weniger Prudentius’ persönliche Einstellung zur Ewigen Stadt in den Fokus gerückt. Vielmehr war die Frage von Interesse, welche diskursive Funktion den zahlreichen literarischen Inszenierungen der römischen Stadttopographie im Werk des christlichen Dichters zukommt. In einem ersten Schritt wurde die kommunikative Situation der zwei Bücher untersucht. Es hat sich gezeigt, dass Prudentius einen christlichen Erzähler als literarisches Selbstporträit konzipiert, dem er einen paganen Widerpart entgegensetzt. Die beiden Gegenparteien sind in Überzeugungsgemeinschaften eingebettet und werden durch mehrere Figuren realisiert. Gemeinsam mit den Figuren wird wiederholt eine Leserinstanz apostrophiert, so dass der außerästhetische Rezipient in die Diskussion um die richtige Religion miteinbezogen wird. Der Leser wird zum Adressaten der Argumentation. Aufgrund des gehobenen Stils und der komplexen Gedankenführung sind die Eliten – christliche wie pagane – als antizipierter Leserkreis festgestellt worden. Das Werk zielt darauf, die Mitglieder der römischen Oberschicht vom Christentum zu überzeugen bzw. sie in dieser Religion zu bestärken, indem die Argumente eines fiktiven paganen Widerparts nach dem Vorbild einer gerichtlichen Auseinandersetzung entkräftet werden. Als Folie für die Beweislegung der paganen Partei dient die dritte Relatio des Symmachus, der zur Zeit des Prudentius sehr wahrscheinlich noch große Bedeutung zukam. In den Vorreden konzipiert Prudentius seine zwei Bücher als Pendant zur antipaganen Politik des Theodosius in der Außenwelt, das auf die Innenwelt seiner Leserschaft abzielt.

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Die renovata luis des Proömiums spricht dem Folgenden einen hohen Grad an Dringlichkeit und Aktualität zu. Ob damit auf das immer noch pagan geprägte Umfeld als Gesamtheit, auf eine antichristliche Offensive (nach Pollentia?), eine erneute Petition oder Claudians myth-historisch colorierte Dichtungen verwiesen wird, bleibt fraglich. In einem zweiten Schritt wurden die Rominszenierungen ins Blickfeld gerückt. Hier erwies es sich als sinnvoll, über die Werkgrenzen von Contra orationem Symmachi hinaus andere Dichtungen des Prudentius in die Untersuchung miteinzubeziehen. Insbesondere die vier römischen Märtyrerhymnen des Liber Peristephanon sind auf die zwei Bücher hin komponiert und ergänzen sie. In der Psychomachia und der Hamartigenia findet sich wiederholt eine stadtrömische Szenerie. Zur Apotheosis und zum Cathemerinon können vorrangig motivische Bezüge hergestellt werden. Es finden sich vergleichbare Sinnbilder und Kerngedanken sowie eine ähnliche Argumentationsstruktur. In Contra orationem Symmachi wird die Stadt zur Szenerie eines Kaiserbesuchs, zum Ort von Reflexionen, zum Schauplatz und ‚Schau-Platz‘, zu einem Ort diabolischer Verführung und zum allegorisch-metaphorischen Raum. Zum Betrachter Roms wird der Leser, der die pagane Stadttopographie während der Lektüre imaginieren soll. Der Stadtraum und seine Monumente werden im Großteil der Bücher aus der Perspektive eines christlichen Erzählers interpretiert und in ihrem Symbolgehalt erläutert. Sie werden damit einer christlichen ‚Lesart’ unterworfen. Partiell ist die Ansicht der Stadtlandschaft an eine der Figuren gebunden: In der Mitte des ersten Buches wird das pagane Zentrum aus der Sicht eines traditionell erzogenen jungen Römers wahrgenommen, der sich auf dem Forum Romanum befindet; am Ende des ersten Buches blickt der christliche Kaiser Theodosius aus der Panoramaperspektive auf Rom. Prudentius rekurriert in seiner Interpretation des Stadtraumes auf das Grundprinzip der römischen Welt, Religion zu verorten. Das grundlegende Prinzip seiner Romdichtungen besteht darin, den symbolischen Gehalt der paganen Erinnerungslandschaft und ihrer bedeutsamen Sakralmonumente zu dekonstruieren und auf diese Weise die antik-römische Religion in ihrem Geltungsanspruch herabzusetzen. Er unterstellt die sakralen Erinnerungsorte einer Interpretation, die in Konkurrenz zu ihrer überlieferten Bedeutung steht. Die Erzählungen, die einen Ort zu einem Sakralort werden lassen, werden in ihrem Wahrheitsgehalt infrage gestellt, indem sie a) aus einem anderen Blickwinkel geschildert, b) ins Lächerliche gezogen oder c) durch eine alternative Geschichte (um die jeweilige Gottheit) ersetzt werden. Damit wird suggeriert,

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dass die Verbindung von Ort und Erinnerung arbiträr sei. Den paganen Sakralorten wird jedwede Symbolfunktion abgesprochen. Prudentius’ Kritik am römischen Pantheon steht in der Tradition der christlichen Apologetik, deren Inhalte Ilona Opelt in dem Trikolon „die Götter sind erdichtet, unmoralisch, tot“1 zusammenfasst. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern kehrt der Dichter das Verhältnis von Staatsreligion (religio) und fremder Religion (superstitio) nicht einfach um, sondern belegt anhand einzelner Gottheiten, dass die römische Religion eigentlich nicht römisch und somit als superstitio zu betrachten sei. Seine Argumentation stützt er auf die Unterscheidung von römisch (gut) und nichtrömisch (nicht gut/barbarisch). Er adaptiert damit ein grundlegendes Unterscheidungsmerkmal der römischen Lebenswelt, um der antiken Götterreligion ihren Geltungs- und Durchsetzungsanspruch abzusprechen. Der Dichter erweitert die euhemeristische Götterkritik um die Argumente, dass alle paganen Gottheiten eigentlich Immigranten Roms seien. Fremde Kulte seien nur aufgrund einer falschen Vorstellung von pietas in die Stadt importiert worden. Als Ursache für diesen beständigen Religionsimport betrachtet er die Naivität der Latiner gegenüber religiösen Dingen: In der Frühzeit Roms sei mit Saturns Selbst-Apotheose eine irrige Tradition begründet worden, die bis in die Gegenwart Bestand habe und beinhalte, dass Fremdlinge, Herrscher und Sachgegenstände vergöttlicht würden. Die mores fremder Kulturen seien übernommen und als mos patrius interpretiert worden. Prudentius betont, dass der Import von Religionen durch die römische Erinnerungskultur gestützt werde, die auf der Dreiheit von Erzählung, Monument und Ritual basiere (CS 2,47 fallendi trina potestas). Die Trias von Prudentius kann mit dem modernen Konzept des kulturellen Gedächtnisses von Jan Assmann erfasst werden. Der spätantike Dichter rückt das „Gedächtnis der Dinge“ und das „mimetische Gedächtnis“ in den Fokus seiner Argumentation, wenn er den Stadtraum, dessen Monumente und verschiedene stadtrömische Kulte bespricht. Rom wird bei ihm zu einem Anschauungsraum für den diffusionistischen Religionsimport. Er zieht die pagane Sakrallandschaft als literarisches Medium heran, um aufzuzeigen, wie willkürlich die Unterscheidung von religio und superstitio in der antik-römischen Weltanschauung ist2. Bei

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Opelt (1980), 181. Wenz (1997), 99 definiert den literarischen Raum als ein „Medium zur Veranschaulichung nichträumlicher Aspekte“, als einen „Resonanzboden für Emotionen und Stimmungen“, als eine „Projektionsfläche geistig-seelischer Inhalte“ und als ein Medium „für symbolische und mythische Weltentwürfe“.

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ihm wird Rom statt als divum domus als asylum eines eigentlich romfremden Aberglaubens interpretiert. In Kontrast zu den importierten superstitiones Roms setzt der Dichter das Christentum als originäre Universalreligion der gesamten Menschheit. ‚Römisch Sein’ heißt bei ihm nicht mehr nur zivilisiert zu sein, sondern gleichzeitig auch die seiner Argumentation folgend einzig nicht-barbarische und genuin römische, da weltumfassende Religion auszuüben – das Christentum. Rom als literarisches Medium eröffnet zum einen die Möglichkeit, ein christliches Konzept von Welt in Abgrenzung zum römisch-traditionellen Weltkonzept zu setzen, indem den paganen Sakralorten die christlichen Heiligenstätten als neue Erinnerungsorte entgegengestellt werden. Zum anderen wird der Stadtraum zu einer Abbildungsfläche abstrakter Gedanken und komplexer Vorgänge. Evidentia bzw. enargeia ist eine grundlegende Programmatik in den Dichtungen des Prudentius. Dies gilt nicht nur für die Psychomachia, in der Tugenden und Laster in allegorischen Figuren verlebendigt werden, oder den Liber Peristephanon, in dem die Folterqualen der Märtyrer detailfreudig beschrieben werden3, sondern für alle seine Werke und insbesondere für die Passagen, in denen es um römische Religiosität und Selbstauffassung geht. Die Imaginationsleistung des Dichter besteht einerseits in anschaulichen ‚statischen‘ Ekphraseis beispielsweise der römischen Stadtlandschaft oder der Heiligengrabanlagen und Basiliken, die oftmals in einen spirituell-metaphorischen Deutungshorizont eingebettet werden. Andererseits werden mentale Prozesse im urbanen Raum abgebildet: Die Hinwendung der Bevölkerung zum Christentum oder die Suche nach der richtigen Religion werden in mehreren breit angelegten stadtrömischen Szenerieschilderungen – in ‚dynamischen‘ Ekphraseis – illustriert4. Im ersten Buch Contra orationem Symmachi wird 3

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Opelt (1967), 242 zu den grausamen Szenen in beiden Werken; zur evidentia in der Psychomachia Grebe (2009), bes. 26; zum Liber Peristephanon Roberts (1996), 132ff. zu Perist. 9; zu den ausführlichen Schilderungen von Grausamkeit bei Prudentius ablehnend Brockhaus (1872), 169f.; Lavarenne (1933), § 1628; Puech (1888), 129; mit Deutungsansätzen Gnilka (1963), 51ff.; Opelt (1967), 242; Henke (1983), 92; Roberts (1996), 55ff.; Kuhlmann (2012), 138; zur evidentia in der spätantiken Dichtung und insbesondere bei Prudentius Malamud (2011), 59ff. mit weiterer Literatur. Ebd. 60 bezeichnet sie Ekphrasis und enargeia als „key concepts“ spätantiker Literatur und Dichtung. Zur Interpendenz von Text und Bild in der spätantiken (christlich-)römischen Literatur und Kultur Roberts (1989), bes. 64ff.; Francis (2010). Zum Ekphrasis-Begriff in der antiken Literatur Webb (2009). Sie betont, dass Ekphraseis in der Antike vorrangig als rhetorisches Instrument verstanden wurden, mithilfe dessen dem Leser etwas vor Augen geführt werden sollte. Der Begriff Ekphrasis sei nicht auf die Be-

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Resümee und Ausblick

die religiöse Erkenntnis(-fähigkeit) des Theodosius im Stadtraum reflektiert. Im zweiten Buch wird das Wirken des christlichen Gottes in einer Licht-RaumMetaphorik in der urbanen Landschaft illustriert. Der Stadtraum wird zur Projektionsfläche eigentlich nichträumlicher Vorgänge. Fünf Orten Roms wird in Contra orationem Symmachi eine besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht: dem Kapitol, dem Forum Romanum, dem Roma-Tempel, den Amphitheatern und der Kurie. An den ersten vier werden einer oder mehrere Kritikpunkte gegenüber der paganen Religion veranschaulicht. Die Kurie dient als Metonymie für die Senatsaristokratie und ihre Entscheidungen: Wird das Handeln der politischen Führungselite dargestellt, bildet sie den Ort des Geschehens. Das Kapitol wird unter Saturn und Jupiter zum Ursprungsort der paganen Religionstradition. Juno und Minerva werden zu Fallbeispielen machtloser Gottheiten, die eine arx haben aufgeben müssen. In der metaphorischen Welt von Contra orationem Symmachi inszeniert Prudentius den Hügel als Ort des Verrats und als letzten Kampfschauplatz paganer und christlicher Religion. In der Wendung Palatinis Capitolia condita saxis verleiht er der Überzeugung Ausdruck, dass nicht die römische Herrschaft auf der Religion, sondern die Religion auf der Herrschaft begründet sei. Das Forum Romanum wird als ein ‚Schau-Platz‘ des Aberglaubens inszeniert. Die Raumwahrnehmung wird an die Perspektive eines kleinen Jungen angelehnt, der während seines Aufenthalts auf dem Zentralplatz den Glauben an die paganen Gottheiten annimmt. In der Forumsszenerie zeigt Prudentius auf, dass pagane Religion vorrangig über ein gesellschaftlich formiertes Symbolsystem Bedeutsamkeit erlange und tradiert werde, dessen Wirkungsmechanismen er am Einzelfall des puer exemplifiziert. Über intratextuelle Bezüge erlangt das individuelle Schicksal des Jungen Modellcharakter und wird zu einem Spiegel für das Schicksal des gesamten römischen Volkes. Der Roma-Tempel wird als ein Inbegriff des absurden Götterglaubens inszeniert. Vielerorts prangert Prudentius an, dass in der paganen Religion Dinge vergöttlicht würden. Diese Verehrung von Sachgegenständen zeige sich schreibung eines Gegenstandes oder Gebäudes beschränkt gewesen, sondern habe ebenso die Darstellung menschlicher Aktionen umfasst (bspw. Kampfszenen) und sei als literarische Technik eng mit enargeia verbunden: „Ekphrasis is therefore the exercise which taught students how to use vivid evocation and imagery in their speeches.“ Zu Bildlichkeit und Überzeugungskraft der Rede Quint. inst. 8,3,61–72; bes. 62: Magna virtus res de quibus loquimur clare atque ut cerni videantur enuntiare. Non enim satis efficit neque, ut debet, plene dominatur oratio si usque ad aures valet, atque ea sibi iudex de quibus cognoscit narrari credit, non exprimi et oculis mentis ostendi.

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auch im Roma-Kult, wo einem Ort göttliche Verehrung entgegengebracht werde. Bildet das Kapitol den Ursprung des paganen error, wird der RomaTempel als dessen Höhepunkt inszeniert. Die Amphitheater werden als Einflussbereiche dämonischer Mächte interpretiert. Die Szeneriebeschreibung bei Prudentius ist durch das Personal und die Topographie der Unterwelt geprägt. Dis und Proserpina werden nach dem antiken Vorbild des personifizierten Bösen skizziert, dessen Aufgabe in der Destruktion besteht. Zum Instrument ihres zerstörerischen Wirkens werden die spectacula der Arena, mittels derer der Mensch von Gott weggeführt werden soll. Prudentius greift die herkömmlichen Vorwürfe gegenüber der paganen Religion auf, die bereits von den frühen Apologeten geäußert wurden. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern transportiert er die Argumente in die römische Stadtlandschaft, wo sie durch Orts- und Szeneriebeschreibungen plastisch vorstellbar werden. Die euhemeristisch-moralische Beweisführung wird vorrangig am Kapitol veranschaulicht. Der Roma-Tempel kann als ein Beispiel für die Reduktion der Götter auf Naturkräfte oder Sachgegenstände gelesen werden. In der Darstellung des Kolosseums wird das Argument konkretisiert, dass hinter den paganen Kulten Dämonen als Urheber stehen. In der Inszenierung des Forum Romanum hebt Prudentius sich von seinen christlichen Vorgängern entscheidend ab. Die Idee, die Wirkungsmechanismen der paganen Religion in einer breit ausgeführten szenischen Schauplatzschilderung umzusetzen, muss als eine Neuheit betrachtet werden. Den literarischen Gegenpol zur Forumsszenerie bildet der Kaiserbesuch am Ende des Buches: Betrachtet auf dem Forum Romanum ein unmündiger pagan erzogener Junge den Stadtraum aus der Froschperspektive, überblickt in der adventus-Passage ein mächtiger christlicher Kaiser die Stadt in der Panoramaansicht. Der puer nimmt aufgrund seiner Beobachtungen den paganen Götterglauben an. Theodosius regt Roma angesichts dessen, was er sieht, zur Konversion an. Der Junge und der Kaiser zeigen bei Betrachtung Roms damit genau entgegengesetzte Reaktionen: Während der Raum die religiöse Einstellung des Jungen prägt, führt Theodosius aufgrund seiner religiösen Überzeugung eine Veränderung des Raumes herbei. Der eine ‚verfällt‘ der paganen Religion, der andere ‚errettet‘ Rom von der paganen Religion. Die Divergenz von irdischem Sehen und spirituellem Erkennen wird anhand zweier Figuren veranschaulicht, die auf das pagane Rom blicken. Die Stadt wird in beiden Szenerien nicht nur zur Kulisse einer Handlung, sondern reflektiert die religiöse Erkenntnisfähigkeit ihres jeweiligen Betrachters.

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Mit seinen Romdarstellungen stellt Prudentius seine Dichtungen in die Tradition der antiken laudes Romae. Neben den prominenten klassischen Vorbildern des Dichters wie Vergil und Horaz haben sich in der vorliegenden Untersuchung Livius und Ovid als maßgebend für dessen Interpretation der Stadtlandschaft erwiesen. Vor allem Vergil und Livius standen im 4. Jahrhundert im Fokus eines antiquarisch interessierten Bildungspublikums5, womit Prudentius über die Neuinterpretation dieser prominenten ‚Klassiker‘ die literarischen Vorlieben seiner Leserschaft aufgreift. Der Dichter übernimmt die bekannten Epitheta Roms, greift Topoi, Raumelemente und bekannte Szenerien der antiken Stadtraumbeschreibungen auf, rekurriert auf die stadtrömischen res memorabiles und scheint die konventionelle Romideologie in einen christlichen Kontext einzubetten. Auch bei ihm erscheint Rom als Erinnerungslandschaft des traditionellen kulturellen Gedächtnisses. Von dessen Inhalten, religiösen Werten und Normen gilt es sich bei ihm jedoch abzuwenden. Prudentius’ Rominszenierungen evozieren eine veränderte Interpretation des Stadtraumes und seiner Erinnerungsorte beim Rezipienten. Der Fokus liegt damit weniger auf der Organisation der Stadtlandschaft als vielmehr auf dem Rezeptionsverhalten ihres Betrachters, was insbesondere beim Kaiserbesuch und in der Forumsszenerie erkennbar wird. Der Dichter verlagert die Verantwortung dafür, ob Rom als pulcherrima oder aeterna bezeichnet werden kann, auf den Menschen, der sich in der Stadt bewegt. Dies vollzieht er mittels zweier Literarisierungsstrategien von Raum: Erstens wird das physische Rom zu einem allegorischen Raum. In der Psychomachia und in der Hamartigenia rückt die Seele des Menschen in den Fokus und wird in Anlehnung an die stadtrömische Szenerie als allegorische Seelenstadt gestaltet. Umgekehrt wird in Contra orationem Symmachi der physische Stadtraum wiederholt in einen allegorischen Deutungskontext gesetzt. So fungiert die personifizierte Roma nicht als ein Symbol von Romanitas, sondern wird zu einer allegorischen Verkörperung des materiellen Stadtraumes und der Bevölkerung. Daneben wird die Stadtlandschaft selbst zu einer Allegorie für die menschliche Seele, die in der Hamartigenia und der Psychomachia als (Stadt-)Raum erscheint. Durch zahlreiche Metaphernfelder werden die Werke des Prudentius sowie urbane Außenwelt und spirituelle Innenwelt in einen Bezug zueinander gesetzt. Im städtischen Makrokosmos und im seelischen Mikrokosmos treten ähnliche räumliche und soziale Strukturen auf, wodurch der römische Stadtraum und die menschliche Seele isomorph erscheinen und in eine kausale Wechselbeziehung treten: Bekannte 5

Vgl. Cameron (2011), 399ff.; bes. 498–526 zu Livius.

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Metaphern der antiken und christlichen Gedankenwelt wie beispielsweise die Lichtmetaphorik werden zugleich auf Rom und auf die Seele des Menschen angewendet. Das irdische Rom wird anthropomorphisiert und in Abhängigkeit zu der religiösen Einstellung seines Rezipienten gesetzt: Sind die Römer spirituell durch den christlichen Glauben erleuchtet, erstrahlt auch der Stadtraum in hellem Sonnenlicht; wenden sie sich dem alten Götterkult zu, ist Rom umnachtet. Neben der Lichtmetaphorik finden sich die Metapher der Reinigung und Sühne, die Krankheitsmetaphorik, die Kampfmetaphorik und der Gedanke wechselseitiger concordia. Der irdische urbane Raum wird zu einer Projektionsfläche für die religiöse Einstellung seiner Bewohnerschaft. Zweitens wird im Liber Peristephanon das religiöse Handeln der Römer zu einem Indiz für die Christianisierung Roms. Den römischen Märtyrerhymnen liegt ebenfalls die Idee zugrunde, dass die Menschen Rom definieren. In drei der vier Hymnen wird das Agieren der Christenheit im urbanen Raum in Szene gesetzt. Rom präsentiert sich als sozialer Interaktionsraum christlicher Performanz, der durch Stadtrömer und Besucher belebt, wahrgenommen und organisiert wird. Die Römer definieren ihre ehemalige pagane Hauptstadt neu, wenn sie statt der paganen Heiligtümer die Grabstätten der christlichen Märtyrer aufsuchen und die alte Sakrallandschaft auf ihrem Weg durch die Stadt ausblenden. Die Monumente der Antike erscheinen neben den zahlreich frequentierten Heiligenbasiliken als erstarrte Relikte einer überholten Vergangenheit. Prudentius konstruiert hier jedoch nicht nur ein Konkurrenzverhältnis zwischen einer paganen und einer christlichen Erinnerungslandschaft, mittels dessen die Relation von Zentrum und Peripherie umgekehrt werden soll. Vielmehr veranschaulicht er die Metapher des aeternas temptare vias in der stadtrömischen Szenerie. Die spirituelle Hinwendung zum Christentum konkretisiert sich in einem Aufsuchen der Heiligenbasiliken. Die apodiktische Feststellung Romam dico viros … (CS 2,443) muss als ein Lektüreschlüssel für die Interpretation der Romdichtungen des Prudentius gelesen werden: Die Transzendenzerwartung Roms ist nicht an den materiellen Raum gebunden, sondern an die Menschen, die sich in der Stadtlandschaft bewegen. Haben diese sich innerlich zur christlichen Fides bekannt, nehmen sie den Stadtraum in veränderter Weise wahr, suchen andere Erinnerungsorte auf und erschaffen in und mit der Stadt eine Roma caelestis. Prudentius’ Romdichtungen wurden in der modernen Forschung vermehrt deskriptiv gelesen. Es wurde untersucht, a) auf welche Orte Roms seine Texte verweisen, b) welche Prozesse in der Stadt beschrieben werden und c) wie diese Orte und Prozesse in das christliche Weltbild integriert werden. Selten

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sind seine Romreminiszenzen unter einem rezeptionsästhetischen Blickpunkt analysiert worden, der den Leser als Adressaten in den Fokus rückt, wie es in der vorliegenden Arbeit geschehen ist. Neben vereinzelten Aufsätzen ist die Untersuchung von Marc Mastrangelo richtungsweisend für eine leserorientierte Untersuchung. Er stellt fest, dass in der Psychomachia und im Liber Peristephanon ein „Roman Christian Self“ konzipiert werde, nach dessen Vorbild der Leser seine eigene Selbstwahrnehmung als Römer und Christ ausrichten solle. Er spricht den beiden Werken des Prudentius eine außerliterarische Wirkungsabsicht im diskursiven Kontext des späten 4. Jahrhunderts zu6. Gerade das wurde hier auch für das Werk Contra orationem Symmachi festgestellt. Bei Prudentius wird der Leser in die Verantwortung genommen, seine literarische Vision einer Roma Christiana in die Realität zu überführen. Die Romdarstellungen sind stets mit einer normativen Handlungsanweisung verbunden7: In der Psychomachia wird die christliche Fides als Grundvoraussetzung für eine innerliche und äußerliche concordia und pax vorgestellt. Die Annahme des christlichen Glaubens wird in der Allegorie des spirituellen Seelentempels versinnbildlicht, der den irdischen Sakralorten der antiken römischen Welt oppositionell entgegensteht. In Contra orationem Symmachi wird der Leser dazu angeleitet, eben diese paganen Sakralorte nicht mehr als Symbole römischer Religiosität und Selbstauffassung zu lesen. Im Liber Peristephanon wird er instruiert, seine Stadt aus einer christlichen Perspektive wahrzunehmen und durch christliche Feierlichkeiten zu beleben. Die Errichtung des templum mentis im Inneren des Menschen, die in der Psychomachia und in Contra orationem Symmachi beschrieben wird, bildet die Basis für sein religiöses Handeln, wie sie im Peristephanon und im ersten Buch Contra orationem Symmachi dargestellt wird. Das Ziel der Romdichtungen des Prudentius besteht damit nicht so sehr in einer Redefinition des Stadtraumes, als vielmehr in einer Redefinition des römischen Menschen und seiner Selbstauffassung. Rom als Erinnerungsraum wird lediglich zum literarischen Medium, zu einem poetischen Anschauungsraum, in dem sich die zwei konkurrierenden

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Mastrangelo (2008), 41–81 Kapitel 2: „Christian History and the Narrative of Rome“. In seinem Schlusswort stellt er fest: „Prudentius’ poetry […] is read by an audience knowledgeable of Vergil and allegorical interpretation, and is a call for the reinvention of poetry to fit a new worldview. […] Prudentius’ purpose is not merely to praise God but also to change or convert the reader.“ Einen imperativen Charakter stellt Lühken (2002), 198ff. ebenfalls für das Cathemerinon und den Liber Peristephanon fest.

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Konzepte von Romanitas – das antike und das christliche – bestmöglich beleuchten, gegenüberstellen und verbinden lassen. Wenn Prudentius Rom als Haupt der Welt bezeichnet, den Stadtraum golden strahlen oder die personifizierte Roma wieder erblonden lässt, muss das nicht zwingend als Zeichen seiner eigenen Verehrung der Stadt gedeutet werden8, sondern vor allem als ein Appell an den Lokalpatriotismus und die Romliebe seiner Leserschaft. Er inszeniert das irdische Rom weder als einen Ort der Abgrenzung, wie es vielfach in zeitgenössischen Konversionsschilderungen der Fall ist9, noch glorifiziert er Rom unabhängig von dem Handeln der Römer als Roma caelestis. Vielmehr stellt der Dichter die römische Stadtlandschaft als einen interpretativen Raum vor, der von Menschen konstituiert und geformt wird. Seine Dichtungen streben eine Veränderung des Menschen an, die eine veränderte Wahrnehmung und Umgestaltung des Raumes, in dem dieser lebt, nach sich zieht. Es zeigt sich, dass der Stadtraum bereits in den spätantiken Romdichtungen des Prudentius als ein Produkt von materieller Präsenz, interaktionalen Prozessen und mentalen Konzepten erscheint: Orte, Handlungen und Weltansichten werden in ein sich gegenseitig bedingendes Spannungsverhältnis zueinander gesetzt. Für den Dichter bildet die entscheidende Instanz für die Konzeption des Raumes der Mensch, der als homo religiosus seine Lebensumwelt wahrnimmt, gestaltet und interpretiert. In der modernen Forschung wird Prudentius wiederholt als „der einflussreichste Dichter des christlichen Abendlandes“10 bezeichnet. Dennoch fokussieren die meisten Untersuchungen die Imitation anderer Werke bei Prudentius und analysieren wenig, wo sich Einflüsse seines Werkes bei anderen zeitgenössischen Autoren feststellen lassen11. 8

Ob Prudentius eine persönliche Hochachtung gegenüber Rom empfand oder nicht, tritt hinter der Frage zurück, wie er das ideologische Konzept der Stadt in seine Romdarstellungen miteinbezieht, das bei seiner Leserschaft vorausgesetzt wird. Es ist möglich, dass der Dichter Rom ‚liebte‘, es liegt jedoch genauso im Bereich des Möglichen, dass er eine Leidenschaft für das ideologische caput mundi zugunsten der Überzeugungskraft seiner Werke lediglich markiert. 9 Untersucht von Freund (2012), bes. 334f.; 336. 10 Coşkun (2008), 295; vgl. ähnliche Formulierungen bei Schanz/Hosius (1959), 256; Manser/Kurfess (1963), 846; Pollmann (2001a), 488. 11 Ein Fortwirken in Kunst und Literatur der (mittelalterlichen) Nachwelt wird vorrangig der Psychomachia zugesprochen, Contra orationem Symmachi scheint – betrachtet man die moderne Forschung – überhaupt keine Resonanz gefunden zu haben: V. Albrecht (1994), 1083 führt Sidon. epist. 2,9,4 als erste Quelle an, die Stellung zu Prudentius’ Werk beziehe. Er verweist auf die Rezeption des Liber Peristephanon und des Cathemerinon im Mittelalter,

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Erste Analysen zur Wirkung von Contra orationem Symmachi auf die pagane Dichtung haben zuletzt Michael Roberts und Petra Schierl vorgestellt. In der vorliegenden Untersuchung der Rominszenierungen konnten nicht nur vielerlei thematische Bezüge zwischen den Einzelwerken, sondern auch mehrere Parallelen zu christlichen zeitgenössischen Autoren aufgezeigt werden. Es ist anzunehmen, dass die Dichtungen des Prudentius einen größeren Einfluss auf die zeitgenössischen Werke genommen haben, als ihnen gemeinhin zugesprochen wird, und nicht nur von diesen beeinflusst wurden. Die verstärkte Untersuchung sowohl der internen Bezüge des Gesamtwerkes als auch eine Analyse der Wirkung auf andere Werke stellt ein bestehendes Desiderat in der Prudentiusforschung dar.

deren Einfluss die Psychomachia überboten habe. Im Gegensatz dazu bemängelt Mastrangelo (2008), 170ff., dass Prudentius gerade in seinen figurativen Dichtungen zu wenig Beachtung in der Forschung gefunden habe und der Bogen direkt von Vergil, über Augustinus zu Dante geschlagen werde.

8 Literaturverzeichnis Die Abkürzungen der Zeitschriften folgen „L’année philologique“, diejenigen lateinischer Autoren dem Abkürzungsverzeichnis in „Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike“. In das Verzeichnis der Textausgaben, Übersetzungen und Kommentare wird neben den Textausgaben zu Prudentius eine Auswahl derjenigen Werke anderer Autoren aufgeführt, die sich für die vorliegende Untersuchung als bestimmend erwiesen haben.

Textausgaben, Übersetzungen und Kommentare Zu Prudentius a) Gesamtwerkausgaben M. Aurelius Prudentius Clemens, Carmina, ed. F. Arévalo, Vol. I–II, Rom 1788-89 (=PL 59–60, 111–276 = CS). Aurelius Prudentius Clemens, Carmina, ed. J. Bergmann, Wien 1926 (CSEL 61). Prudence. Texte établit et traduit par M. Lavarenne Tome I: Cathemerinon liber, Paris 1943 Tome II: Apotheosis; Hamartigenia, Paris 1945 Tome III: Psychomachia, Contra Symmachum, Paris 1948 Tome IV: Peristephanon liber; Dittochäum; Epilogus, Paris 1951. Aurelius Prudentius Clemens, Carmina, ed. M. P. Cunningham, Turnout 1966 (CCSL 126) [zugrunde gelegte Textausgabe]. Prudentius. With an English Translation by H. J. Thomson Vol. I: Cambridge, Mass./London 1949 (Nachdruck 1993) Vol. II: Cambridge, Mass./London 1953 (Nachdruck 1995). Prudentius. Das Gesamtwerk, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von W. Fels (Bibliothek der Mittellateinischen Literatur 9), Stuttgart 2011.

b) einzelne Werke Prudentius: Contra Symmachum. Testo traduzione e commento di G. Garuti, Rom 1996. Prudentius’ Contra Symmachum, Book II, Introduction, Translation and Commentary by M. Brown, Newcastle 2003 (https://theses.ncl.ac.uk/dspace/bitstream/10443/1010/1/Brown%2003.pdf; 4.7.2013; 11:04). Prudentius. Contra Symmachum. Gegen Symmachus, übersetzt und eingeleitet von H. Tränkle, Turnhout 2008. Die Psychomachie des Prudentius, lateinisch – deutsch, eingeführt und übersetzt von U. Engelmann, Basel u.a. 1959.

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Literaturverzeichnis

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9 Anhang Exkurs zum politisch-historischen Kontext Im Jahr 379 erhob der weströmische Kaiser Gratian den Feldherrn Flavius Theodosius zum oströmischen Kaiser. Unter der Herrschaft von Theodosius I. erfuhr die christliche Politik Konstantins eine konsequente Fortsetzung. Seine Kriegs- und Religionspolitik war nicht nur maßgeblich für den Osten des Reiches, sondern erstreckte sich ebenso auf den Westen, dessen amtierende Regenten auf seine militärische Unterstützung angewiesen waren. Seine Verbindung zum Kaiserhaus legitimierte er im Jahr 387 durch die Heirat mit Galla, der Schwester des westlichen Mitkaisers Valentinian II. An den Reichsgrenzen kam es wiederholt zu Barbareneinfällen, was eine erhöhte Mobilität der Kaiser erforderte und eine Dezentralisierung des Reiches nach sich zog. Rom rückte nicht zuletzt durch Konstantinopel als Roma nova und Kaiserresidenz weitestgehend aus dem Fokus des politischen Geschehens. Zur Unterstützung der römischen Heeresmacht warb Theodosius I. weiterhin zahlreiche Goten an, die sich im Gegenzug als foederati auf römischem Territorium ansiedeln durften (Gotenvertrag von 382). Diese Integrationspolitik und ‚Barbarisierung‘ zog mannigfaltige Spannungen nach sich, die 410 in der Eroberung Roms durch den Gotenfürsten und ehemaligen Verbündeten Alarich einen ersten Höhepunkt fanden. Nach der Ermordung Gratians im Jahr 383 durch den Usurpator Magnus Maximus übernahm dessen Halbbruder Valentinian II. den weströmischen Kaisersitz in Mailand. Im Jahr 389 feierte Theodosius seinen Triumph über Magnus Maximus in Rom und ließ als Vertrauensmann den fränkischen Heerführer Arbogast am westlichen Kaiserhof zurück, der faktisch das Regierungsgeschäft übernahm. Unter Valentinian II. kam es wiederholt zu Streitigkeiten um die Religionspolitik, sowohl zwischen Paganen und Christen (Streit um den Victoriaaltar) als auch zwischen orthodoxen Christen und Arianern (Basilica Portiana). In diesen Auseinandersetzungen erwies sich der amtierende Bischof von Mailand Ambrosius oftmals als tonangebend. Obwohl Ambrosius mit Theodosius I. wiederholt in Konflikt um religionspolitische Angelegenheiten geriet, unterstützte er dessen antipagane und antihäretische Politik, die sich auf den Beschlüssen des ökumenischen Konzils in Konstantinopel begründete. So wurde im Jahr 381 der katholisch-orthodoxe Glaube durch Theodosius I. zur reichsweiten Staatsreligion erhoben. Zur Einhaltung der neuen Religion erließ der Kaiser zahlreiche Edikte gegen Arianer und Pagane. Nach dem Tod Valentinians II. am 15. Mai 392 erhob Arbogast den Hofbeamten Eugenius zum Augustus, unter dem die antipagane Religionspolitik entschärft wurde. Während der ersten Regierungsjahre des Theodosius war dessen antiheidnische Gesetzgebung vordergründig im Osten des Reiches durchgesetzt worden, wo sie zahlreiche Straßenkämpfen, die Zerstörung paganer Bilder und Tempel sowie eine Verfolgung der ‚Heiden‘ nach sich zog.

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Anhang

In Rom hatte sich der christliche Kaiser gegenüber der römischen Senatsaristokratie und den stadtrömischen (kultischen) Traditionen während seines Besuches im Jahr 389 vermehrt tolerant gezeigt. Seine kulante Haltung bewies er nicht zuletzt dadurch, dass er Nicomachus Flavianus zum quaestor am Kaiserhof berief, der damals mehrere Ämter in den paganen Kulten besetzte. Eben dieser wurde 393 unter Eugenius zum praefectus praetorio über Italien ernannt, während sein Sohn die Stadtpräfektur Roms innehatte. In der Regierung des Eugenius sahen Vater und Sohn sowie gleichgesinnte Senatoren eine Chance, die politische Bedeutung des stadtrömischen Senatsadels wiederaufleben zu lassen, die er im Laufe der Kaiserzeit zusehends eingebüßt hatte. Die aktuelle gesellschaftliche Funktion der einstigen Führungselite beschränkte sich auf Ämter im Zivilbereich, deren primäre Zielsetzung meist in der Ausrichtung und Finanzierung von Spielen und Feierlichkeiten (Zeremonialämter), der Überwachung der städtischen Getreideversorgung und der Sorge um die öffentlichen Bauten bestand. Der ordentliche Konsulat war der Ämterlaufbahn enthoben und wurde entweder vom Kaiser selbst besetzt oder von Personen, die dem Kaiserhof nahestanden. Die führenden Senatoren bekleideten neben den Ämtern des cursus honorum oftmals Priesterämter in den paganen (Staats-)Kulten, die gemäß Alan Cameron zunehmend ihre religiöse Bedeutung verloren hatten. Dennoch waren sie ausgesprochen prestigeträchtig und wurden nicht selten in Erbfolge weitergegeben. In der Spätantike demonstrierte ein Priesteramt oftmals nicht so sehr eine religiöse Haltung, sondern vorrangig die Zugehörigkeit des Amtsinhabers zur pars melior humani generis und seine Anbindung an die traditionellen Werte. Innerkirchliche Spannungen wie beispielsweise die jüngste Auseinandersetzung zwischen Papst Damasus und seinem Gegenspieler Ursinus in Rom führten weiterhin dazu, dass hohe Zivilämter zur Wahrung des Friedens oftmals mit ‚unparteischen‘ Paganen besetzt wurden. Der stadtrömischen Senatsaristokratie war es also lange Zeit möglich, ‚heidnische‘ Bauten instand zu halten sowie pagane Feierlichkeiten und Spiele zu veranstalten und so ihr öffentliches Ansehen zu festigen. Nachdem ihre politische Rolle nahezu nullifiziert worden war, konzentrierte sich die stadtrömische Senatsaristokratie auf die Festigung ihrer kulturellen und sozialen Bedeutung, indem sie das Bewusstsein für die eigene Vergangenheit stärkte. In Rom bewies die antike Tradition eine lange Lebensdauer und noch im 5. Jahrhundert wurden neben anderen antiken Festen die Lupercalia gefeiert. Am 23. Januar 393 ernannte Theodosius I. seinen jüngeren zehnjährigen Sohn Honorius neben sich selbst und seinem siebzehnjährigen Sohn Arcadius im Osten zum Mitkaiser des Westens und erklärte damit den Herrschaftsanspruch des Eugenius als illegitim. Die Auseinandersetzung um den westlichen Kaisersitz fand am 5./6. Dezember 394 in der Schlacht am Frigidus ein Ende, in der Theodosius I. das gegnerische Heer vernichtend schlug. Der Kaiser erteilte den paganen Gefangenen der römischen Senatsaristokratie, die Eugenius unterstützt hatten, Amnestie und hielt eine Rede an den Senat in Rom. Im Folgejahr starb er in Mailand, wo sein Sohn bereits die Kaiserresidenz bezogen hatte. Nach dem Tod des Theodosius war das Reich zwischen seinen Söhnen nach dem Konzept der dynastisch legitimierten Mehrkaiserschaft aufgeteilt (Oros. 7,36,1 com-

Exkurs zum politisch-historischen Kontext

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mune imperium divisis tantum sedibus). In den Jahren 395–408 übte Honorius seine Herrschaft unter der Vormundschaft des vandalischen Heermeisters Flavius Stilicho aus, während sein Halbbruder im Osten dem Rat des Feldherrn Rufinus und später des Eunuchen Eutropios folgte. Stilicho verband seine eigene Familie durch mehrfache Heirat mit dem Herrscherhaus. Während der Kinderkaiser Honorius seinen Palast selten verließ (zuerst in Mailand; ab 402 in Ravenna), befasste sich der Heermeister an seiner statt mit der zunehmenden innerlichen und äußerlichen Barbarenbedrohung. Diese wurde unter anderem durch den ehemaligen Verbündeten Goten Alarich hervorgerufen, der aufkommende Unstimmigkeiten zwischen den Höfen zum eigenen Vorteil nutzte und plündernd durch das Reich zog. Stilicho verfolgte ihn bis vor Konstantinopel und wurde wegen Fremdeinmischung vom Ostreich zum Staatsfeind erklärt, während Alarich in den Rang eines magister militum per Illyricum erhoben wurde. Neben Alarich machte sich auch Gildo in Karthago die Streitigkeiten der beiden Höfe zunutze und stellte die Kornlieferungen nach Rom ein, bis er am 31. Juli 398 hingerichtet wurde. Ende 401 marschierte Alarich nach Italien, plünderte das Land und belagerte Honorius in Mailand. Bei Pollentia und Verona traf er auf Stilichos Streitmacht. In beiden Schlachten konnte von keiner Partei ein endgültiger Sieg erzielt werden. In den folgenden Jahren suchte Stilicho der innerpolitischen Spannungen sowie der allerorts auftretenden Bedrohung von Außen (vor allem in Gallien, Britannien und an der Rheingrenze) Herr zu werden, verlor jedoch zusehends das Vertrauen des Kaisers und wurde am 22. August 408 hingerichtet. Honorius’ Gotenpolitik führte zur mehrfachen Belagerung Roms und schließlich im Jahr 410 zur Plünderung der Stadt. Der Kinderkaiser starb am 15. August 423 in Ravenna. Zu Beginn seiner Regierung hielt Honorius sich längere Zeit in Rom auf, trat dort in den Jahren 404 (triumphal) und 407 seinen Konsulat an und besuchte die Stadt nochmals im Jahr 408. Nach 410 sind lediglich zwei Besuche bezeugt, von denen der zweite im Mai 416 triumphal begangen wurde. Aus dem Fokus kaiserlicher Politik gerückt blieb Rom dennoch das kulturelle Zentrum. Gerade um die Jahrhundertwende zog es zahlreiche christliche und nichtchristliche Persönlichkeiten wie Hieronymus, Prudentius und Augustinus oder Claudian, Ammian und Rutilius Namatianus nach Rom. Nicht nur die Faszination für die Stadt selbst, sondern ebenso die Präsenz namhafter Gelehrter, Professoren und Privatdozenten stellten einen wesentlichen Pull-Effekt dar. Alexander Demandt charakterisiert Rom als eine Stadt des Müßiggangs, die einen nahezu parasitären Status im Reich besaß, und der Bildung, was nicht zuletzt auf das Athenaeum zurückzuführen ist. Das otium vom politischen Weltgeschehen schaffte den Raum für den intellektuellen Dialog um die römische Identität, die richtige Religion und das Funktionieren der Welt. Unter Honorius wurde in Mailand und Ravenna Politik betrieben, in Rom Kulturpolitik.

Register Stellenregister Ambrosius De Ob. Theod. 39……239 de virg. 8……189 epist. 11,4……33 epist. 17,1……131 epist. 17,3……46 epist. 17,4……46 epist. 17,6……267 epist. 17,8–9……46 epist. 17,10……270 epist. 17,12–15……46, 79 epist. 18,1……46 epist. 18,2……46, 77, 269 epist. 18,4……249 epist. 18,5–8……151 epist. 18,7……111, 154, 268 epist. 18,8–9……47 epist. 18,11a……208 epist. 18,12……208 epist. 18,17–21……46 epist. 18,23–28……121 epist. 18,23–30……47 epist. 18,31–33……126, 159 epist. 57,4……79 hymn. 12,21–22……224, 307 hymn. 12,25–30……306 in psalm. 45,21–22……238 Ammianus 14,6,3–6……121, 149, 247 15,7,1; 16,6,1; 16,6,5……64 16,10,13……168, 189, 242 16,10,14……134, 154, 167, 191 16,10,15……88 16,10,16–17……243 17,4,13……92 22,16,12……96, 133 31,5,14……140

Apollodor bibl. 3,112……102 Apollonios von Rhodos 2,1231–1241……136 Arnobius 3,38–39……110 4,24……136, 138 7,32……127 Augustinus civ. 1,34; 2,29……108 civ. 2,22……116, 150 civ. 4,9……134 civ. 5,8……145 civ. 6 praef. 14ff.……62 civ. 6,2……24 civ. 7,26……138 civ. 8,22……199 civ. 14,7……121 civ. 18,52……61 conf. 6,7,12……206 conf. 6,8,13……206, 207 div. quaest. 57,6……121 doct. chr. 4,3……61 enarr. Ps 70,1……194 gen. c. Manich. 1,1,1……71 serm. 360 B……316 serm. 62,18……90 Ausonius epigr. 9,11……126 urb. 1,1……98 urb. 19,17……144 urb. 20,37……156 urb. 20,39–40……98 Avitus carm. 6,370–372……71 Bibelstellen Apc 19,20……200 Apc 21,22……219

Stellenregister

Apc 21,27……228 Apc 28,1–6……71 1 Cor 12,4ff.……51 Dt 32,22……200 Gal. 3,27……230 Gal 24,24–27……217 Ioh. 1,1……125 Io 1,9……224 Io 8,12; 10,9; 11,25……210 Io 14,6……282 Lc. 12,4–5……206 Lc 12,5……200 Mc 9,42ff.……200 Mc 12,17……291 Mt 5,22……200 Mt. 5,45……224 Mt. 7,13–14……281 Mt. 11,23……201 Mt. 14,24–32……71 II Pt 2,4……200 Rm 9–11……125 I Sm 16,7……223 1 Th 5,21–22……183 Calpurnius ecl. 7,23–24……96 Carmen contra paganos 14……100, 143 Cassian conl. 14,8……217 Cassiodor var. praef. 15……70 var. 3,30,2……96 Cassius Dio 52,30,1……45 52,36ff.……93 53,16,5f.……157 59,10,2–3……194 69,4,3ff.……167 69,7……114 Catull 58,4……287 Chronica Chron. min. 1,148……167

Chron. min. 1,299……265 Chron. min. 2,154……265 Cicero ad Q. fr. 1,1,27……137 ac. 1,9……24 Catil. 3,1……152 Catil. 3,19ff.……188 de orat. 1,15……137 de orat. 2,128–129……264 de orat. 2,211……264 de orat. 3,168……59 div. 1,12,19……143 div. 2,20,45……143 div. 2,148……286 fam. 7,1……194 fin. 4,9,22……150 Flacc. 28,67……131 nat. deor. 1,42,117……181 nat. deor. 1,117……91 nat. deor. 2,5……176 nat. deor. 2,8……121 nat. deor. 3,5……156 off. 1,107f.……270 off. 1,115f.……270 off. 1,121……270 part. 90ff.……68 Phil. 2,51……244 Phil. 13,18……92 Pis. 52……259 rep. 2,41……120 Sest. 32……250 Tusc. 2,41……194 Verr. 2,5,150……137 Claudian carm. 1,73–173……257 carm. 1,110ff.……250 carm. 3,25ff.……198 carm. 3,74……199 carm. 3,181f.……205 carm. 8,214–418……79 carm. 8,396ff.……79 carm. 9 praef. 21……143 carm. 12,19f.……95, 97

371

372

Register

carm. 15,17ff.……249 carm. 15,23f.……251 carm. 15,28ff.……134 carm. 15,35ff.……250 carm. 15,131f.……101 carm. 15,208ff.……247, 248, 257 carm. 15,215f.……115 carm. 16,270ff.……205 carm. 16,293……205 carm. 17,206ff.……256 carm. 20,111……198 carm. 22,224ff.……156 carm. 22,400f.……266 carm. 22,421f.……115 carm. 23,19; 24,202ff.……80 carm. 24,202–214……39 carm. 24 praef. 15……256 carm. 24 praef. 21–24……256 carm. 24,11ff.……256 carm. 24,51……256 carm. 24,52……244 carm. 24,120–124……246, 254 carm. 24,125–129……246, 254 carm. 24,130–135……245, 255 carm. 24,159–168……156, 255 carm. 24,166–173……246 carm. 24,174……255 carm. 24,198–201……245 carm. 24,262ff.……205 carm. 26,61–76……245 carm. 26,430–434……268 carm. 26,450–468……241 carm. 26,558–647……265 carm. 28,1–5……144 carm. 28,35–41……156 carm. 28,42–52……144, 187, 222 carm. 28,53–55……187 carm. 28,535f.……253 carm. 28,369–375……240 carm. 28,529–660……266 carm. 33,266……201 Claudius Donatus Aen. 8,18……144

Aen. 8,345……142 Curtius Rufus 4,3,23……91 Cyprian Donat. 7……194 hept. 6,515……86 sen. 1f.……86 Damasus epigr. 1,16……258 Dionysios von Halikarnassos ant. Rom. 2,15,3–4……108, 109 ant. Rom. 6,13……176 Dracontius carm. 8,198f.……255 Ennius ann. fr. 500 Vahlen……35 Ennodius Paneg. Dict. Theod. 85……194 Eusebius HE 9,1–5……35 VC 1,27–32……35 Eutropius 1,1,2……156 Festus 146 L……124 322 L……136 456 L……101 464 L……153 Florus epit. 1 praef. 4–8……121, 247 epit. 1,1,9……107 epit. 1,7,13……150 Gesetze CJ 1,17,10……156 Cod. Theod. 16,1,2……66 Cod. Theod. 16,10,10……66 Cod. Theod. 16,10,15……40, 231 Cod. Theod. 16,10,18……231 Gregorius Magnus epist. 9,204……27 Hieronymus adv. Iovin. 2,38……29 epist. 15,2f.……258

Stellenregister

epist. 22,29,7……50 epist. 53,7……71 epist. 107,1……251, 290 Historia Augusta HA Aurel. 5,3……266 HA Car. 2,1–3,1……121 HA Cl. 3……173 HA Hadrian. 19,12……167 HA Hadrian. 22,10……123 HA trig. Tyr. 32……167 Horaz carm. 1,1,35f.……54 carm. 1,21……97 carm. 2,18……50, 54 carm. 2,18,29ff.……54 carm. 3,3,1ff.……182 carm. 3,3,30ff.……149 carm. 3,4,51f.……143 carm. 3,6,1ff.……58, 97, 222 carm. 3,14,1ff.……176 carm. 3,16……145 carm. 3,30, 6ff.……54 carm. 4,3,13……149 carm. 4,4,44……149 epist. 2,1,5f.……176 epod. 16,66……52 serm. 1,4,85; 2,4,12.89……59 serm. 2,1,42f.……145 serm. 2,3,77–80……91 Hyginus fab. 138……136 Inschriften CIL 6.102……120 CIL 6.1163……33 CIL 6.1730……115 ICUR NS 2,4092……311 ICUR NS 2,4094……312 ICUR NS 8,20752……311 Irenäus von Lyon haer. 1,6,3……193 Isidor von Sevilla c. 9……71 orig. 11,85……180

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orig. 14,9……256 orig. 18,59……214 Iustin 43,1,1ff.……139 43,1,5……142 Iuvenal 1,63f.……287 3,60f.……93 6,1ff.……137, 138 6,112……208 8,273–275……108 15,1–11……128 Lactanz inst. 1,2,49……133, 152 inst. 1,5,2……223 inst. 1,11……143, 145 inst. 1,13……138 inst. 1,14,11f.……100 inst. 1,20,36f.……129 inst. 1,21,3ff.……138 inst. 2,6,13……108, 109 inst. 3,17,12ff.……133 inst. 4,3,12……145 inst. 4,28,16……130 inst. 5,1,15……61 inst. 5,5–8……125 inst. 5,19,1……118 inst. 5,20,13……194 inst. 6,3,14–17……287 inst. 6,7,1……282 inst. 6,7,9……282 inst. 6,19,4……210 inst. 6,20,8–15……204, 206, 207 inst. 7,3,25……223 inst. 7,15,12ff.……29 inst. 7,15,14–17……121 inst. 25,6–8……93 mort. pers. 44,1–10……35 Leo I. serm. 84,1……215 Livius praef. 6ff.……245 1,6,4……156

374

Register

1,7,3……156 1,8,5……108, 109 1,8,5–6……108 1,10,7……132, 141 1,11,5ff.……153 1,12,1……154 1,18,9……145 1,55,2……134 2,20……176 2,40,7……98 3,61,4……145 4,4,4……156 5,34,1–47,10……150 5,41,4……153 5,41,5–20……152 5,47,1……150 5,50,3–4……150 5,50,4……143 5,51,3……151, 153 5,51,4……117 5,52,2……32 5,52,10……131 8,9,6……101 22,1,19–20……140 22,57,6……92 23,18,12……268 38,51,4……149 38,51,8……151 39,16,8……93 Lucan 1,95ff.……107 1,195f.……104, 255, 256 1,450f.……92 2,4……143 2,271……256 3,113ff.……188 6,341……143 6,477……256 6,624ff.……197 6,625……250 7,789–791……250 8,132f.……95, 98

Macrobius Sat. 1,7,17–18……141 Sat. 1,7,21……136 Sat. 1,7,24–25……104, 136, 139 Sat. 1,8,1……139 Sat. 1,8,2……136 Sat. 1,8,6……135 Sat. 1,15,10……155 Sat. 3,1–9……110 Sat. 3,4,11……106 Sat. 3,12,1–9……103 Sat. 3,14,2……121, 140 Sat. 4,4,18……145 somn. 1,9,7……85 Manilius 2,943……102 4,693–694……96 Martial 6,4,3–5……96, 115 6,7……115 9,59,2……97 10,51,13–14……96 11,69,1……205 14,175,1……143 spect. 1,7–8……191 spect. 5,4……197 Minucius Felix 6,2……92, 150 7,3……175 7,5……45 10,3……110 21,5–6……138 24,10……94 25,1–2……97, 107, 108, 109 27,1–2……130 37,11–12……194, 204 Novatian spect. 4,3……204 Origo gentis Romanae 1,1–1,8……99 1,2……135, 139 3,4……136 3,6……139

Stellenregister

6,1–8,6……103, 176 Orosius 2,19,15……181, 190 4,16,9……108 7,36,1……368 Ovid am. 3,8,35……135 ars 1,17……89 ars 1,49……116 ars 1,55–59……116 ars 1,63……116 ars 1,66……116 ars 1,163–170……204 ars 2,277–278……47 ars 3,113–114……47, 95, 97, 122 ars 3,115–116……144 epist. 4,31–32……138 fast. 1,1–2……118, 280 fast. 1,31……118 fast. 1,77……144 fast. 1,85–86……146, 255 fast. 1,233ff.……100 fast. 1,237–238……136 fast. 1,243–244……95 fast. 1,255ff.……188 fast. 1,510……131 fast. 2,140……108 fast. 2,269……118 fast. 3,429–350……107 fast. 4,270……98 fast. 5,377ff.……54 fast. 6,18……150 fast. 6,45ff.……149 fast. 6,73–74……144 fast. 6,183ff.……151 fast. 6,349ff.……151 fast. 6,419ff.……106 met. 1,89–112……137 met. 1,113–114……142 met. 1,115……142 met. 1,154……145 met. 2,833ff.……145 met. 4,411……250

met. 4,484–485……198 met. 6,103ff.……145 met. 6,126……136 met. 10,155ff.……145 met. 14,308ff.……180 met. 14,313–323……181 met. 15,447……149 met. 15,626……65, 249 met. 15,627……250 met. 15,633……249 met. 15,729–731……260 met. 15,827–828……150 met. 15,861–870……101 met. 15,871–879……54 Pont. 1,2,81–82……95 trist. 1,3,29–34……118 trist. 1,5,69–70……98, 296 trist. 2,239–240……147 trist. 2,266……147 trist. 2,287–290……146 trist. 2,303–306……147 trist. 2,552……52 trist. 3,1,22……89 trist. 3,1,27……89 trist. 3,1,28……170 trist. 3,1,32……156 trist. 3,12,24–25……296 Panegyrici Latini 2[12],1,2……243 2[12],3,2–3……243, 262 2[12],3,3……249 2[12],3,4–5……65, 249 2[12],23–46……41 2[12],46,1……243 2[12],46,4……243 2[12],47,3……243 2[12],47,5–6……243 4[10],13,1……242 4[10],13,2–3……242 4[10],28,4–30,1……242 4[10],30,4–31,4……242 4[10],30,4–32,9……251 5[8],5,3……249, 263

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Register

5[8],7,1ff.……262, 263 10[2],23,2……244 11[3],12,1–2……149, 224 12[9],2,4–5……35 12[9],2,4……251 12[9],14,2……241 12[9],17,2……241 12[9],18,1–19,1……251 12[9],19,1–4……242 Paulinus von Nola carm. 19,67–70……251, 290, 294 epist. 16,6……53 Plinius maior n. h. 3,39……238 Plinius minor epist. 6,2,2……181 Properz 3,11,65……117 3,13,49……47 3,14,48……47 4,1,1–8……87, 89, 95, 142, 144, 261 4,1,11–12……122 4,1,69……118, 280 4,1,87……107 4,4……153 4,4,1……136 4,10,45……132 Prudentius Praef. 6……49 Praef. 19–21……311 Praef. 31–33……62 Praef. 34–36……50, 52 Praef. 39……55, 218 Praef. 40–42……20, 73, 279, 320 Praef. 43–45……50, 54 Cath. 1,17–20……223 Cath. 1,37–40……223 Cath. 1,97–98……267 Cath. 2,1ff.……224 Cath. 2,57–64……230 Cath. 3,186–190……186 Cath. 4,16–18……225, 233

Cath. 4,73ff.……49 Cath. 11,65–66……269 Apoth. praef. 2,1……282 Apoth. praef. 2,2–16……282 Apoth. praef. 2,37f.……74 Apoth. 149……91 Apoth. 385……97 Apoth. 444–448……154 Apoth. 508……154 Apoth. 512–540……125 Apoth. 518……58 ham. 126–158……198, 199, 211 ham. 174……282 ham. 179……198 ham. 356–374……196 ham. 371–390……206 ham. 375–377……233 ham. 385f.……207 ham. 389–395……233, 234 ham. 401–405……221 ham. 406–428……220 ham. 432–444……221 ham. 490–498……220 ham. 512–522……199, 223 ham. 531–542……205 ham. 789–801……282 Psych. praef. 9……234 Psych. praef. 21……234 Psych. 21–39……209, 236, 265, 291 Psych. 40–97……209 Psych. 98–108……209, 229 Psych. 113–117……75 Psych. 121–131……75 Psych. 130; 275; 466; 565……236 Psych. 133……234 Psych. 145–154……75 Psych. 155–157……235 Psych. 176–177……75 Psych. 465……229 Psych. 526ff.……229 Psych. 629–748……218 Psych. 707……282

Stellenregister

Psych. 709–712……239 Psych. 734–735……239 Psych. 749–805……219 Psych. 752–754……152, 218, 220, 234 Psych. 801……238 Psych. 816–819……220, 228 Psych. 821……230 Psych. 838–839……219 Psych. 844……228 Psych. 845–847……228 Psych. 888ff.……49 Psych. 890……229 Psych. 904–907……230 Psych. 908–915……220, 225, 228 CS 1 praef. 10–12……73 CS 1 praef. 15–42……71 CS 1 praef. 45–79……71 CS 1 praef. 78–79……70 CS 1 praef. 80–89……62 CS 1 praef. 84–85……72 CS 1 praef. 88–89……200 CS 1,1–8……64, 76, 232, 248, 250, 254 CS 1,9–21……65, 73, 76, 232 CS 1,22–29……118, 261 CS 1,36–41……76, 258 CS 1,42–53……99, 135 CS 1,54–55……100 CS 1,56–58……99, 138 CS 1,59–71……141–142, 145 CS 1,72–73……141 CS 1,79–80……142, 185 CS 1,84–101……102 CS 1,102–115……103, 143 CS 1,116–121……103 CS 1,122–144……103, 104 CS 1,145–148……101 CS 1,151–155……112, 121 CS 1,156–158……101 CS 1,164–179……101, 115, 167 CS 1,180–188……102, 105, 145 CS 1,182……155

377

CS 1,182–184……148 CS 1,189–192……40, 114 CS 1,193–196……106, 107 CS 1,197–199……107, 118, 169, 170 CS 1,199–214……158–159 CS 1,226–237……173 CS 1,237–240……170 CS 1,240–244……170 CS 1,245–248……112 CS 1,249-251……112 CS 1,252–264……113 CS 1,265–266……113 CS 1,271–277……113 CS 1,280–281……127 CS 1,291–296……118 CS 1,297–298……128 CS 1,309–353……88, 196 CS 1,354–355……196 CS 1,356–378……198, 205 CS 1,379–381……201, 202 CS 1,382–385……202 CS 1,386–387……203 CS 1,389……199, 202 CS 1,393–394……199 CS 1,395–399……203, 204 CS 1,400–407……211 CS 1,408–411……253 CS 1,412–414……222 CS 1,415–416……252 CS 1,419–424……222, 254 CS 1,425–429……223 CS 1,430–441……116 CS 1,442–444……196 CS 1,449–460……132 CS 1,482–483……242 CS 1,489–493……229 CS 1,500……201 CS 1,501–505……190, 230 CS 1,506–510……62, 252, 256, 259, 288 CS 1,511–523……248, 250 CS 1,524–529……76

378

Register

CS 1,529–534……76, 152, 235 CS 1,533–537……235 CS 1,539–543……258 CS 1,544–551……240, 289 CS 1,546–547……230, 240 CS 1,551–568……62, 289 CS 1,569……270 CS 1,573–577……224 CS 1,578–586……260, 290 CS 1,587–590……258 CS 1,591–592……57, 223 CS 1,598–599……270 CS 1,608–610……127 CS 1,613–615……187 CS 1,622–625……56, 62 CS 1,626–630……104 CS 1,631……20, 151 CS 1,632……135 CS 1,635–642……229 CS 1,636……229 CS 1,643……73 CS 1,644……75 CS 1,647–648……75 CS 1,652……62, 75 CS 1,655–660……265 CS 1,656–657……77 CS 2 praef. 37–40……70 CS 2 praef. 41–43……73 CS 2 praef. 46……73 CS 2 praef. 49–58……73 CS 2 praef. 59–64……73 CS 2 praef. 61–66……75 CS 2,1–4……77, 118 CS 2,7–9……78 CS 2,10……78 CS 2,12–16……80 CS 2,21–22……78 CS 2,45–49……119 CS 2,53–56……318 CS 2,61–66……128 CS 2,71–74……271 CS 2,80–84……248, 274 CS 2,87–90……283

CS 2,92–93……283 CS 2,99–103……222 CS 2,104–119……116 CS 2,146……210 CS 2,182–186……211 CS 2,244–259……225, 228, 312 CS 2,256–264……225 CS 2,265–268……226 CS 2,272–274……186 CS 2,274–276……121 CS 2,277–334……121 CS 2,282–287……137 CS 2,289–290……137 CS 2,291–293……138 CS 2,294–297……138 CS 2,303–305……122 CS 2,318–319……185 CS 2,335–336……125 CS 2,337–340……125 CS 2,341–342……126 CS 2,343–346……110 CS 2,347–351……111 CS 2,357–361……110, 124 CS 2,362–367……109, 123 CS 2,368–369……124 CS 2,372–374……272 CS 2,375–392……272 CS 2,393–402……273 CS 2,404–406……273 CS 2,407–412……273 CS 2,429–441……274 CS 2,430–435……78 CS 2,443–444……273 CS 2,448……116 CS 2,480–483……224 CS 2,484–485……224 CS 2,492……147 CS 2,496–500……148 CS 2,501……110 CS 2,503–505……110 CS 2,511……110 CS 2,536–539……149 CS 2,540–543……110

Stellenregister

CS 2,544–546……149 CS 2,556–563……111 CS 2,564–577……111 CS 2,578–582……58 CS 2,583–585……58 CS 2,590–592……238 CS 2,602–625……237 CS 2,634–640……237 CS 2,644–647……270 CS 2,649–650……271 CS 2,661–665……265 CS 2,666–683……265 CS 2,684–689……151 CS 2,692–695……153 CS 2,703–709……153 CS 2,709–714……267 CS 2,721–730……266 CS 2,731– 738……266 CS 2,738–742……268 CS 2,747–748……265 CS 2,758–759……311 CS 2,778–780……226 CS 2,781–815……226 CS 2,816–819……132, 287 CS 2,820–830……227 CS 2,831–838……226 CS 2,839–841……227 CS 2,843–846……284 CS 2,847–850……284 CS 2,851–853……285 CS 2,855–857……239, 285 CS 2,858–868……286 CS 2,869–872……129, 287 CS 2,873–876……287 CS 2,875–878……223 CS 2,885–900……287, 304 CS 2,901–902……288 CS 2,948–950……195 CS 2,965–972……106 CS 2,1055–1085……186, 208 CS 2,1066–1069……186 CS 2,1070–1075……208 CS 2,1086–1113……207

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CS 2,1114–1123……212 CS 2,1124–1132……212 CS 2,1130–1132……63, 269 Perist. 1,40……125 Perist. 2,1……298 Perist. 2,2……321 Perist. 2,3–4……315 Perist. 2,17……265 Perist. 2,37–44……292 Perist. 2,44……292 Perist. 2,45–52……292 Perist. 2,81–92……291 Perist. 2,97–98……291 Perist. 2,119……292 Perist. 2,164……292 Perist. 2,169–180……292, 298 Perist. 2,261–264……233, 292 Perist. 2,263……229 Perist. 2,305–308……293 Perist. 2,309–312……292 Perist. 2,351……297 Perist. 2,365–372……297 Perist. 2,409–412……263 Perist. 2,416……253 Perist. 2,433–436……238 Perist. 2,445–448……107, 213 Perist. 2,452……140 Perist. 2,453–472……126, 147, 293 Perist. 2,473–476……154, 231 Perist. 2,481–484……19 Perist. 2,493–496……238, 298 Perist. 2,497–500……231 Perist. 2,509–512……106, 111, 294 Perist. 2,513–516……294 Perist. 2,519–520……293, 316 Perist. 2,521–524……294, 295 Perist 2,525–528……260, 294 Perist. 2,529–532……295 Perist. 2,533–536……297 Perist. 2,537–540……296 Perist. 2,541–544……298

380

Register

Perist. 2,549–560……294 Perist. 2,564……299 Perist. 2,565–584……296 Perist. 2,574……50 Perist. 2,581–584……54 Perist. 4,57ff.……231 Perist. 5,77f.……196 Perist. 5,106……154 Perist. 6,34–36……197 Perist. 6,37–40……146 Perist. 9,1–2……19 Perist. 9,17–20……319 Perist. 9,19–20……125 Perist. 10,36–38……198 Perist. 10,126ff.……125 Perist. 10,146ff.……130 Perist. 10,201–205……146 Perist. 10,206–210……137 Perist. 10,216–218……119 Perist. 10,253–255……129 Perist. 10,271–287……180, 181 Perist. 10,286……126, 181 Perist. 10,414–415……59 Perist. 10,1007–1050……47, 95 Perist. 11,1–2……300 Perist. 11,3–10……300 Perist. 11,5–6……107, 111, 300 Perist. 11,7……301 Perist. 11,17–19……301 Perist. 11,27–29……282, 302 Perist. 11,35–40……303 Perist. 11,39–48……253, 302, 306 Perist. 11,79–82……303 Perist. 11,83–84……302 Perist. 11,89–105……303 Perist. 11,147–152……305 Perist. 11,169–174……305 Perist. 11,190……305 Perist. 11,191–192……238 Perist. 11,199–202……290, 306 Perist. 11,203–204……306 Perist. 11,205–214……306 Perist. 11,215–230……307

Perist. 11,231–234……305, 308 Perist. 12,1–2……309 Perist. 12,7–10……310, 312 Perist. 12,11–20……309, 310 Perist. 12,29–30……310 Perist. 12,31–44……310, 311 Perist. 12,55–62……313 Perist. 12,65–66……316 Perist. 14,1–6……317 Epilog. 1–8……51 Epilog. 5–6……51 Epilog. 6……51 Epilog. 9……53 Epilog. 11–12……14, 50 Epilog. 15–20……51 Epilog. 20–21……51 Epilog. 25–30……51, 54 Epilog. 31–32……51 Epilog. 33–34……52, 53 Quintilian inst. 1,5,9……91 inst. 1,7,12……127 inst. 2,2,1ff.……276 inst. 6,2,29f.……263 inst. 8,3,61–72……326 inst. 8,6,47f.……259 Rhetorica ad Herennium 4,68–69……263 Rufinus hist. 11,33……239 Rutilius Namatianus 1,1ff.……247 1,47– 50……96 1,115–122……255 Salvian gub. 3,10……68 gub. 6,14–15……204 Seneca epist. 7,2……194 epist. 7,2ff.……194 epist. 120,21……270 epist. 123,9,6……91 frg. 36……130

Stellenregister

frg. 37……130 Servius Aen. 1,10……106 Aen. 1,65……145 Aen. 1,235……106 Aen. 2,244……110 Aen. 2,225……168 Aen. 2,227……167 Aen. 2,296……106 Aen. 2,504……92 Aen. 3,707……135 Aen. 4,511……197 Aen. 6,152……151 Aen. 6,752……59 Aen. 7,563……203 Aen. 7,601……122 Aen. 8,190……103 Aen. 8,319……99, 139 Aen. 8,342……107 Aen. 8,347–348……154 Aen. 8,349……91 Aen. 8,355……135 Aen. 8,361……165 Aen. 8,652……150 Aen. 9,126……145 Aen. 9,446……134 Aen. 10,519……203 Aen. 12,794……101 georg. 3,532……127 Sidonius carm. 8,7ff.……88 epist. 1,5,9……316 epist. 2,9,4……70, 281, 331 epist. 8,2,2……68 Silius Italicus 2,547……250 3,622–624……96, 144, 154 10,350……143 11,457–458……143 15,89ff.……107 Solinus 1,12……139

Statius silv. 1,4……52 silv. 4,2,18–22……245 Theb. 1,107–108……209 Theb. 1,647……250 Theb. 8,41……143 Theb. 12,481ff.……109 Sueton Dom. 13……173 Vesp. 11,1……191 Sulpicius Severus 2,46,1……141 Symmachus rel. 3,2……286 rel. 3,3……43, 44, 153 rel. 3,4……121 rel. 3,7……44, 243, 288 rel. 3,8……45, 120, 125, 272 rel. 3,9……140, 147 rel. 3,9–10……44 rel. 3,10……101, 226, 283 rel. 3,15……44 rel. 6……232 Tacitus ann. 13,32……92 ann. 15,44……141 Germ. 39,1……92 Germ. 43,4……92 hist. 1,40……188 hist. 1,40,2……166 hist. 3,72……134 Tertullian anim. 37,1……94 apol. 9,2……138 apol. 10,6……102 apol. 12,2……116 apol. 15,4–5……197 apol. 21,9……119 apol. 23,14……250 apol. 25,3–8……147 apol. 25,7……143 apol. 25,12……99, 144, 157 apol. 25,13–14……158

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Register

apol. 40,8……150 idol. 3,2……86 Pall. 4……95 scorp. 12,10……230 spect. 1,2……194 spect. 4,3……194 spect. 7,3–4……193 spect. 8,5……199 spect. 10,10……196 spect. 10,12……196 spect. 12,4……195 spect. 12,7……115, 168, 196, 205 spect. 13,3……151 spect. 16,1……195 spect. 22,2……204 spect. 25,5……205 spect. 26,1–4……205 Theodoret hist. eccl. 5,27……192 Tibull 2,5,23–38……95, 122, 133, 142, 172 Valerius Flaccus 5,152ff.……136 Valerius Maximus 4,4,11……133 Varro ant. div. 2a C.……24 ling. 5,41……153 ling. 5,42……135, 136, 137, 139 ling. 5,47……124 ling. 7,10……95 rust. 3,1,4–5……122 Velleius Paterculus 1,8,5……107 Venantius Fortunatus vita Mart. 1,18f.……71 Vergil Aen. 1,4……148 Aen. 1,6……99 Aen. 1,278–279……24, 255 Aen. 1,446ff.……307 Aen 1,569……136

Aen. 2,162–175……149 Aen. 2,348ff.……110 Aen. 2,699–729……106 Aen. 2,779……143 Aen. 5,608……149 Aen. 6,237–242……203 Aen. 6,315–316……203 Aen. 6,548–551……201 Aen. 6,570–572……197 Aen. 6,741–742……201 Aen. 6,781–787……256 Aen. 6,808–809……260 Aen. 6,810–811……260 Aen. 6,851–853……58 Aen. 7,45–49……179 Aen. 7,177–191……179 Aen. 7,323–340; 406–420……197 Aen. 8,99–100……96 Aen. 8,201–203……177 Aen. 8,241ff.……249 Aen. 8,268–272……97, 103 Aen. 8,310–312……261 Aen. 8,315……142 Aen. 8,319……99 Aen. 8,320……100 Aen. 8,321–323……104, 136 Aen. 8,325……138, 142 Aen. 8,339……89 Aen. 8,342–343……107 Aen. 8,347–354……142 Aen. 8,355–358……135 Aen. 8,359–369……155 Aen. 8,360–361……153, 172 Aen. 8,362–369……177 Aen. 8,652–653……153 Aen. 8,685……92 Aen. 8,698……128, 129 Aen. 9,448f.……133 Aen. 10,823……263 Aen. 11,591–592……180 Aen. 12,166……141 Aen. 12,199……201 Aen. 12,827–828……213

Stellenregister

ecl. 1,19–20……89 ecl. 7,25ff.……52 georg. 1,125ff.……137 georg. 1,282……143 georg. 1,498–499……101 georg. 1,507……250 georg. 2,380f.……104 georg. 2,405ff.……122, 136 georg. 2,534–535……95

georg. 3,92ff.……136 georg. 3,551–553……198 Vitruv 1,7,1……134 Xenophon mem. 21,1,21ff.……281 Zosimus 4,59,3……153 5,38,11……133

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Register

Personen- und Sachregister adventus 36, 239–241, 244–246, 249, 266 Aeneas 59, 106, 142, 201, 261 ägyptisch 129f., 287 Allegorie Raumallegorie 226 Rom-Allegorie 247, 274 Stadtallegorie 218, 220 tollere vultum-Allegorie 223, 268 Vorreden 69, 71, 74f. Ambrosius von Mailand 45–48, 79, 121, 125, 267, 269, 289, 309, 367 Ammianus Marcellinus 89, 121, 189, 191, 242f. Anchises 58f., 256 Apologetik, apologetisch 41, 60f., 84–86, 130 Apostel 71f., 293, 308–317 Basiliken 154, 259f., 289f., 310– 312, 315f. Fest 314 Apostrophe 15, 58–60, 124f., 295f. Apotheose 180 Herrscherapotheose 101, 111 Ara Maxima 103 Arzt 65, 249, 258, 276 Asyl, asylum 107–109 Augustinus von Hippo 62, 130, 206, 321 Augustus 18, 30, 112f., 116f. Ausonius 97–99, 115 Avernus 203 Bacchus 103f. Bacchanalien 104, 286 Barbareneinfälle 190, 243, 249, 266–269, 367–369 Basiliken (christlich) Hippolytusbasilika 307 Lateranbasilika 260, 290 Laurentiusbasilika 293–296 Paulusbasilika 310–312, 315

Petersbasilika 36, 289f., 310–312, 315f. Bibel 50, 69f., 71, 217, 281 Blindheit 211, 223, 262 Camillus 32, 154, 268 caput mundi 133, 265 caput Oli 133 Charon 203 Christenverfolgung 48, 61, 184, 250, 302, 309f. Christianisierung 27–29, 35, 126– 128, 132 Cicero, M. Tullius 56, 91, 181, 194 Circus Maximus 192, 195, 215 coniuratio Catilinae 152–154 Constantius II. 44, 189, 191, 242, 261 Obelisk 33, 192, 243 Damasus I. 36, 278f., 301, 310, 368 Dämon, dämonisch 130, 196–199, 204–206, 211f., 223 Dioskuren 176, 178 Dis 198f., 201f. Diskurs Diskurselement 16, 22 Diskurssemantik 23 Identitätsdiskurs 24–29 Religionsdiskurs 26–29, 90–95 Romdiskurs 26, 65, 96 Dunkelheit 74, 211, 221–224, 254– 256, 261f. ecclesia ecclesia Dei 35, 293, 299 ecclesia diaboli 205, 210 Edikt 40, 66, 94, 127, 161, 214, 231, 251, 367 Epilog 49–54 euhemeristische Argumentation 84f., 130, 178, 324, 327 Exempel, exemplum 25, 75, 78, 125, 262, 271, 290, 297, 302

Personen- und Sachregister

fabula 118–120, 131, 318f. fatum 272 Frigidus 38, 239, 368 Frühzeitschilderung 95, 122, 142– 144, 172 goldenes Zeitalter 137f. Galliersturm 44, 47, 150f., 152–154, 268 Gattung 41, 279 Götterschau 102–107, 118f. Hadrian 113 Hadriansbrücke 314f. Hadriansmausoleum 315f. Hannibal 44, 47, 150, 265, 268 Hercules 103, 176–178, 180 Hieronymus 72, 251, 290 historia 106, 318, 321 Hölle 200, 209, 233, 304 Horaz 53f. Interpretant 23, 94 Intertextualität 23, 67 Israel 125, 220 Jerusalem 217, 218–221, 294f. Jupiter-Prophetie 59, 255–258 Kaiserforen 88 Kaiserresidenz 32, 35, 367f. Karte, mentale 87 Katakomben, Hippolytus 303–305 Kolosseum 191f. Könige Roms 179–182 Konkurrenz 35f., 126, 215, 278– 280, 291, 307, 315 Konstantin 14, 32, 35f., 229, 242, 262f., 267 Konstantinische Wende 26 Konstantinopel 33, 367 Kontrastimitation 248, 296 kulturelles Gedächtnis 23–25, 29f., 97, 120, 124, 183, 324, 328 Kurie 126–128, 224 Labyrinth 282f., 285, 303f. Lactanz 129, 282, 287 Latium 99, 136–138, 175, 179

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laus/laudes Romae 99, 244, 253, 296, 328 Lebensalterfolge 121f., 185f. Lehrer 258, 268, 276 Lesepublikum 6–71, 213, 280 Livius 107–109, 150, 152 Lupercalia 27, 286, 368 M. Manlius Capitolinus 152–154 Mars 101, 105, 145, 167 Marsfeld 104f., 314f. Martial 115 Maxentius 35, 105, 114, 167, 229, 242f., 267 Mercur 102, 236 Metonymie 126–128, 253, 287, 326 Milvische Brücke 35, 242, 354 Mimesis 96, 351 Modell-Leser 63 munera genii 272 Gladiatorenkämpfe 191–216 Musealisierung, museal 34f., 189 Myth-Historie 106, 119, 131 Mythologie 28, 31, 301 Namenschristen 27 Nero 113, 309f. Numa Pompilius 99, 119, 260 Olymp 143, 245 Ovid Ars amatoria 89, 116f., 204 Fasti 146, 280 Metamorphosen 137–139 Tristia 89, 146, 295 Palast Latinus 179 Palatin 89, 165, 192 Palladium 106f., 149 Pallanteum 142–144, 241 Penaten 98, 106f., 111 Performanz christlich 281, 288–290, 299f., 305, 312, 318, 321, 329 pagan 118, 182

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Register

Peripherie 36, 261, 289, 300, 306, 313, 329 Personifikation/Personifizierung 129, 207 Stadtpersonifikation 246–248, 275, 306 Picus 179–181 pietas Aeneas 106 christlich 126, 270 Scythica 138 Pilger 303, 305, 307 Pilgerbericht 280 Prudentius 319 Pollentia 38f., 151, 265, 369 Porticus Deorum Consentium 165, 176 Maximae 314 Praefatio Gesamtwerk 41, 49 Praefationes Contra orationem Symmachi 39– 42, 69–75 Priapus 103 princeps christianus 41, 56, 66, 75, 79 Proömium 63–67, 77f., 232, 248– 251, 254 Prosopopoiia 46, 247 pudicitia 138, 336 ratio 118, 185f. Raumbeschreibung 86 Referenzbereich christlich 297, 302 pagan 31 Restauration Circus und Kolosseum 192 Literatur 247 Rom 34f., 114, 164 Rhetorik 61, 69, 77, 264 Roma aegra 64, 232, 249

aeterna 30, 32, 45, 65, 96, 114, 134, 167, 256–258, 276, 288, 294 aurea 65, 95–98, 250, 255, 276 caelestis 294 -Figur 246–248, 259–261, 271– 276 nova 33, 367 pulchra/pulcherrima 95, 250, 253, 255 renascens 247, 257 sacra 32, 95, 299, 321 -Tempel 166–169 Romanitas 95, 137, 331 Romideologie 17, 30, 45, 317 Romreise 13, 18f., 40, 279, 318 Romulus 107–109, 155 Saturn primus 99, 130 Saturnalien 140, 286 Saturnia (Stadt) 135f., 140 -Statue 179 -Tempel 139 Saturnalia des Macrobius Ambrosius Theodosius 28, 140 Seneca 194 Staatsschiff 72 Stadtmauer 253, 314 Stilicho 244–246, 255f., 369 Tacitus 141 Tartarus 200f., 236 Taufe 209, 220, 230, 275, 311 Taurobolium 47, 95, 203 Teufel, diabolus 199, 211–213, 232f., 282 Tiber 128f., 241, 287, 310, 314 Transzendenz 17, 26, 53, 256–258, 315 tribunal 218, 231, 294 Triumph 243, 315 triumphaler adventus 240, 266 Triumphbogen 111, 311, 314 Triumphzug 133, 315, 320

Personen- und Sachregister

Trivia 197–199, 205f., 209f. Troia 106f., 149 error Troicus 107, 126, 212f., 300 Valentinian II. 43f., 79, 269, 310, 314, 367 Vatikan 289f., 310f., 314 Vesta 106f., 294

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Vestalin 62, 186, 207–209 Via Sacra 159–182 via simplex 281–288, 307 Victoria 43, 80 Streit um den Victoriaaltar 38, 43, 80 voluptas 194, 202, 206–210, 212

Ebenfalls in der Reihe erschienen Pierluigi Leone Gatti/Nina Mindt (Hrsg.) Undique mutabant atque undique mutabantur Beiträge zur augusteischen Literatur und ihren Transformationen

Vertumnus. Berliner Beiträge zur Klassischen Philologie und zu ihren Nachbargebieten, Band 8 222 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-7675-3090-4 Book auch als

In der augusteischen Zeit wird traditionell der Höhepunkt lateinischer Dichtung zeitlich festgemacht. Die Autoren dieses Zeitraums strebten selbst schon ihre eigene Kanonisierung an. Dass es ihnen – nicht zuletzt Ovid, der an zahlreichen Stellen seiner Dichtung an der eigenen fama gearbeitet hat – gelungen ist, zeigt sich bereits unmittelbar und wirkt bis heute fort. Neben der Untersuchung des Ausgangsbereichs selbst werden vier verschiedene Transformationen der Literatur der Antike im Folgenden behandelt: Die Transformationen innerhalb der augusteischen Literatur, die der augusteischen Literatur innerhalb der Antike, die der augusteischen Literatur außerhalb der Antike, aber in lateinischer Sprache, sowie die außerhalb der Antike in modernen Sprachen. An anthology on the transformation processes of classical literature, focusing on the Augustean period, and especially Ovidus. Mit Beiträgen von Alessandro Barchiesi, Pierluigi Leone Gatti, Darja Šterbenc Erker, Markus Janka, Severin Koster, Nina Mindt, Felix Mundt, Christoph Schubert und Helmut Seng.

Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K., Postfach 1716, 37007 Göttingen www.edition-ruprecht.de