Robuste Architektur: Lowtech Design 9783955535865, 9783955535858

Resilienz durch Einfachheit Robuste Architektur entsteht bedarfsorientiert. Sie ist suffizient, resilient und passt zu

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German Pages 192 [200] Year 2022

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Robuste Architektur: Lowtech Design
 9783955535865, 9783955535858

Table of contents :
Inhalt
VORWORT
Robuste Architektur
EINFÜHRUNG
Lowtech — Utopie oder realistische Option?
Das nachhaltige Lowtech- Gebäude
Bauen mit Naturbaustoffen und lokalen Ressourcen
ANALYSE
VerLowtech- Fokus: Entwurf, Konzept, System
Lowtech-Fokus: Gebäudetechnik
Lowtech-Fokus: Material
Lowtech-Fokus: Sanierung
BEWERTUNG
Lowtech im Kontext internationaler Gebäudebewertungssysteme und Standards
Gebäudebewertung und Lebenszyklusbetrachtung
BEST PRACTICE
Zwischen Tradition und Lowtech
STRATEGIEN
Strategien für Planung und Entwurf
ANHANG
Bildnachweis, Quellen, Autorinnen und Autoren

Citation preview

EDELTRAUD HASELSTEINER

ROBUSTE ARCHITEKTUR LOWTECH DESIGN Edition ∂

Impressum

Herausgeberin  Edeltraud Haselsteiner Autorinnen und Autoren  Thomas Auer, Gaetano Bertino, Edeltraud Haselsteiner, ­ Anna Heringer, Johannes Kisser, Andrea Klinge, Steffi Lenzen, ­Bernhard Lipp, Ute Muñoz-Czerny, Eike Roswag-Klinge, Ursula Schneider, Helmut Schöberl, ­Bertram von Negelein, Robert ­Wimmer, Maria Wirth, Thomas ­Zelger Redaktion  Steffi Lenzen (Projektleitung), Cosima Frohnmaier (Projektbeispiele), Jana Rackwitz (Lektorat und Layout), Charlotte Petereit und Selma Popp (redaktionelle Mitarbeit), Sandra Leitte (Endkorrektorat) Coverentwurf  Wiegand von Hartmann, München Zeichnungen  Ralph Donhauser Herstellung /DTP  Simone Soesters Reproduktion  ludwig:media, Zell am See Druck und Bindung  Gutenberg Beuys ­Feindruckerei, Langenhagen Papier:  3 mm Buchbinderpappe (Umschlag), Magno Volume 135g/m2 (Innenteil) © 2022, erste Auflage DETAIL Business Information GmbH, München detail.de ISBN 978-3-95553-585-8 (Print) ISBN 978-3-95553-586-5 (E-Book)

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Dieses Produkt wurde aus Materialien hergestellt, die aus vorbildlich bewirtschafteten, ­FSC®-zertifizierten Wäldern und anderen ­kontrollierten Quellen stammen. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Zeichnungen, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Die Inhalte dieses Fachbuchs wurden nach bestem Wissen und Gewissen sowie mit größter Sorgfalt recherchiert und erarbeitet. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Beiträge wird keine Gewähr übernommen. Rechtliche Ansprüche können aus dem Inhalt dieses Buchs nicht abgeleitet werden. Herausgeberin und Verlag danken für die ­Förderung der Publikation im Rahmen des österreichischen Forschungsprogramms „Stadt der Zukunft“:

Inhalt

VORWORT 4 Robuste Architektur EINFÜHRUNG 6 Lowtech — Utopie oder realistische Option? 8 Das nachhaltige Lowtech-Gebäude 22 Bauen mit Naturbaustoffen und lokalen Ressourcen 32 ANALYSE 36 Lowtech-Fokus: Entwurf, Konzept, System 38  Entwurfsstrategien 40   Naturbasierte Lösungen 48   Klimasensitiv bauen 52 Lowtech-Fokus: Gebäudetechnik 56   Energiepotenziale der Umwelt 58   Suffiziente Energieplanung 68   Robuste Gebäudeplanung 72 Lowtech-Fokus: Material 78   Nachhaltige Baustoffwahl 78   Kreislauffähiges Bauen und Sanieren 86 Lowtech-Fokus: Sanierung 92   Umgang mit dem Bestand 92   Sanierungsstrategien und -konzepte für Bestandsgebäude 98 BEWERTUNG Lowtech im Kontext internationaler Gebäudebewertungssysteme und Standards Gebäudebewertung und Lebenszyklusbetrachtung

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BEST PRACTICE Zehn realisierte Projektbeispiele

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STRATEGIEN 178 Strategien für Planung und Entwurf 180 ANHANG 192 Bildnachweis, Quellen, Autorinnen und Autoren

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Robuste Architektur

„Eine Politik des geringen Energieverbrauchs ermöglicht eine breite Skala von Lebensformen und Kulturen. [...] Wenn eine Gesellschaft sich hingegen für einen hohen Energieverbrauch entscheidet, werden ihre sozialen Beziehungen notwendig von der Technokratie beherrscht und – gleichgültig, ob als kapitalistisch oder sozialistisch etikettiert – gleichermaßen menschlich unerträglich werden.“ [1] Ivan Illich

Die Energiewende kann heute nur mit einem gewissen Maß an Technik gelingen. Daher sind Abhängigkeiten, wie Ivan Illich sie in den Raum stellte, unausweichlich. Im Zen­ trum seiner Überlegungen zu „Energie und Gerechtigkeit“ [1] steht jedoch eine Reduzie­ rung der Pro-Kopf-Energiemenge auf eine Größenordnung, die ein für das soziale Wohl kritisches Maß nicht übersteigt. LowtechDesign und robuste Architektur, wie sie die vorliegende Publikation beleuchtet, knüpfen an diese Frage an. Die Hoffnung, Technolo­ gie als alleinige Lösung für die Klimakrise zu sehen, verschiebt die Verantwortung hinge­ gen auf künftige Generationen. Was heißt Verantwortung und Gerechtigkeit im Bauen? Geht es nicht vielmehr auch um Beschränkung auf ein genügsames Maß, eine Rückbesinnung auf lokale Bautraditio­ nen und Potenziale des Einfachen? Angenommen, man betrachtet ein jahrhun­ dertealtes Bauernhaus in den Alpen: Erbaut in handwerklicher Tradition aus massivem Holz des umgebenden Waldes. So situiert, dass die Lage eine optimale Ausrichtung gegen Witterungseinflüsse erlaubt und sons­ tigen widrigen Umständen (z. B. Lawinen­ gefahr im Winter) bestmöglich trotzt. Die Grund­risskonzeption variiert mit der Größe, die sich aber in der Regel reduziert auf das Notwendige mit Wohntrakt und Tierhaltung unter einem Dach, damit von der Körper­ wärme der Tiere im Winter auch die angren­ zenden Wohnbereiche profitieren. Die Küche

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mit Feuerstelle so platziert, dass über ent­ sprechende Lüftungsklappen auch darüber oder daneben angeordnete Aufenthalts­ räume mit beheizt werden können. Langfris­ tiger Holzschutz durch entsprechende kon­ struktive Maßnahmen, wie z. B. große Dach­ überstände. Das ist offensichtlich einfach, aber funktional, ästhetisch, werthaltig und vielfach äußerst effizient. Aber nicht nur das Bauernhaus funktioniert so. Ähnliche Erkenntnisse liefern Betrach­ tungen alter Steinhäuser in Wales oder der Toskana, Lehmbauten im Orient oder in Afrika. Gebaut wurde mit dem, was vor Ort verfügbar war, orientiert am tatsächlichen Bedarf, optimiert für die jeweiligen Witte­ rungsbedingungen und mit handwerklicher Präzision. Deshalb stehen viele dieser Häu­ ser bis heute – und bewähren sich in vielerlei Hinsicht erstaunlich gut. Heute ist es eine Wissenschaft, normge­ recht auch nur eine einzige Öffnung in einer Gebäudehülle zu platzieren. Neben der Kenntnis diverser Regularien bedarf es dazu in der Regel spezieller Fachliteratur, die sei­ tenweise Hilfestellungen anbietet. Und nicht zuletzt die Nutzenden benötigen vielseitige Handbücher für die regelkonforme Bedie­ nung der Gebäude. Das erscheint verrückt, aber entspricht vielfach der heutigen Praxis. Und zwar rund um die Welt. Durch Globali­ sierung, Industrialisierung und Rationali­ sierung der Bauproduktion sind die traditio­ nelle Baukultur, das entsprechende Wissen darum und die handwerklichen Fähigkeiten

Grundlegende Überlegungen und die Idee zu dieser Publikation entstanden im Rahmen einer geförderten Studie durch das Forschungsprogramm „Stadt der Zukunft“ des österreichischen Bundesministeriums für ­Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK). Die Herausgeberin be­­ dankt sich bei der fördergebenden Stelle für die Unterstützung und beim Verlag für die Möglichkeit, dieses Buchprojekt zu realisieren sowie für die großartige Zusammenarbeit bei der Erstellung.

Anmerkungen [1] Illich 1978 [2] Rosa 2016

nach und nach verloren gegangen. Die Trennung von Grundriss und Fassade, die Loslösung von lokal verankerten und überlie­ ferten Bauweisen haben zu einer vermeint­ lich egalitären Bauweise geführt. Durch die Anwendung „intelligenter Technologie“ im Gebäudebereich wurde die Anstrengung zur Erzeugung von Raumwärme und guter Luft dem menschlichen Handeln entzogen. Gleichzeitig stiegen Komfortansprüche und Erwartungen an einen ganzjährlich gleich­ bleibenden Raumkomfort, während ande­ rerseits die Bereitschaft sank, mit natürli­ chen jahreszeitlichen oder wetterbedingten Temperaturschwankungen und -zyklen umzugehen. Im Widerspruch dazu wächst mit zunehmender Reizüberflutung und Beschleunigung aller Lebensbereiche die Sehnsucht nach sensorischen Erfahrungen und Resonanz [2]. Wir suchen Erlebnisse, wie ein Feuer im Ofen, das den Raum lang­ sam erwärmt. Spätestens seit Glashochhäuser in Wüsten­ regionen, spezialisierte Hightech-Fassaden in salzhaltiger Meeresluft und überdimensio­ nierte Villen in zersiedelten Zwischenzonen rund um die Metropolen zu dauerhaften CO2-Fressern für künstliche Klimatisierung, zu hohen versiegelten Flächenanteilen und zu Kostenexplosionen für die Wartung füh­ ren, stellt sich die Frage, ob die­se Art zu bauen tatsächlich langfristig sinnvoll ist. Man darf hinterfragen, wie es sein kann, dass sämtliche Energieeinsparmaßnahmen der letzten Jahrzehnte dazu geführt haben, dass immer mehr Energie verbraucht wird. Und in Zeiten von Klima- und Energiekrise könnte man sich fragen, ob eine Rückbesinnung auf lokal angepasste und bedarfsorientierte Bauweisen nicht an der Zeit wäre – um mög­ licherweise zu einer neuen, robusten Archi­ tektur zu führen. Einer Architektur, die den heutigen Anforderungen und Komfortansprü­

chen durchaus gerecht wird, aber durch Berücksichtigung einfacher Lowtech-Para­ meter wieder dauerhaft werthaltige Gebäude garantiert oder besser noch: bestehende neu in Wert setzt. Resiliente Gebäude aus natürlichen Materialien, die am potenziellen Ende der Nutzungsdauer keine Sondermüll­ deponien hinterlassen, sondern bauteilweise weiterverwendet oder in den biologischen Kreislauf rückgeführt werden können. Das wäre schön! Lowtech-Design versucht den Wert von Naturbaustoffen und Gebautem, die Wert­ schätzung handwerklicher Arbeit und ein Bewusstsein für Natur und unser Ökosystem wieder stärker ins Zentrum zu rücken. In ­diesem Sinne haben wir uns auf die Suche gemacht nach belastbaren Kriterien, haben Planungsprozesse hinterfragt und beispiel­ hafte Projekte gefunden, die zeigen, dass diese Art zu bauen nicht nur möglich, son­ dern sogar relativ einfach ist. Dass LowtechBauen weit mehr sein kann als – wie vielfach angenommen – nur der Verzicht auf eine kontrollierte Lüftung. Die Beispiele zeigen allerdings auch, dass Lowtech-Gebäude in Anbetracht bestehender Normen, Standards und Förderrichtlinien nur nach bewusstem Abwägen von Kosten und Risiken durch die Bauherren möglich sind. Der Ausstieg aus der Spirale der Energieabhängigkeit führt allein über einen weitreichenden Paradig­ menwechsel. Wir brauchen robuste Archi­ tektur, die lange währt, geringe Ressourcen verbraucht, bedarfsorientiert und resilient ist. Damit der Bausektor bald nicht mehr für immense Energie- und Abfallaufkommen ver­ antwortlich ist. Damit wir im Sinne der Archi­ tektur in eine positive Zukunft blicken können. Edeltraud Haselsteiner & Steffi Lenzen im Juli 2022

Robuste Architektur

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Einführung

Lowtech — Utopie oder realistische Option? 8   Energieeffizienztechnologie als Lösung für den Klimawandel? 8   Ökotech, Lowtech, Hightech 9   Suffiziente Gebäudekonzepte und Reboundeffekte 12   Planen für die Nutzenden, Bedarfshinterfragung und Grundbedürfnisse im Bauen 17   Bauen im Kontext von Natur, Gesundheit und Tradition 18 Das nachhaltige Lowtech-Gebäude 22   Systemgrenzen und Technikanteil im Lebenszyklus 22   Lowtech-Designstrategien als ganzheit­licher Lösungsansatz 25  Lowtech-Matrix 27 Bauen mit Naturbaustoffen und lokalen Ressourcen 32

  Rund 4000 gebrauchte Holzfensterrahmen aus allen EU-Ländern bilden die ca. 3000 m2 großen Glasfassaden am Verwaltungssitz des Rats der Europäischen Union, Brüssel (BE) 2015, Philippe Samyn & Partners mit Studio Valle und BuroHappold

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Lowtech — Utopie oder realistische Option? Edeltraud Haselsteiner

„Ein System ist effizient, wenn es gut funktio­ niert in dem Sinn, dass der Output in Rela­ tion zum Input hoch ist.“ [1] Gebäude glei­ chen zunehmend komplexen Systemen, bei denen der geforderte „Output“ auf Energie­ effizienzparameter reduziert und den Inves­ titionskosten gegenüber gestellt wird. Poten­ ziale des Orts und der Architektur selbst oder eine reflektierte Betrachtung des Bedarfs der Nutzenden kommen bei diesen rein öko­ nomischen Überlegungen vielfach zu kurz. Robuste Architektur und Lowtech-Design versuchen, alternative Wege zu nach­halti­ gem Bauen aufzuzeigen, die langfristig aus­ gerichtet sind. Die Notwendigkeit zum gänz­ lichen Ausstieg aus fossilen Energien ist mit Blick auf die Herausforderungen des Klima­ wandels unbestritten. Darüber hinaus sind mit robuster Architektur Poten­ziale des Ein­ fachen, die Berücksichtigung regionaler Wirtschaftskreisläufe und lokaler Ressour­ cen sowie die Architektur im Wechselspiel mit den Nutzenden wieder stärker in den Fokus gerückt. Lowtech-Design richtet sich nicht generell gegen Technologie, sondern versucht, diese effizienter zu inte­grieren. Kri­ tische Fragen zu Verteilungsgerechtigkeit, sozialer Verantwortung und Verhaltensmus­ tern in den täg­lichen Lebenspraxen werden durch neue Formen sozio-ökonomischer Geflechte und ökologischer Kreisläufe gelöst. Energieeffizienztechnologie als Lösung für den Klimawandel? Damit wir den nötigen Übergang in ein postfossiles Zeitalter schaffen, werden

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große Hoffnungen in technische Lösun­ gen und Innovationen gesetzt, die in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Fort­ schritte in der Energieeffizienztechnologie und im Bereich der Energieumwandlung gebracht haben. Auf diesen technologi­ schen Fortschritten basierend sind im Ge­­ bäudebereich inzwischen Baukonzepte möglich, bei denen über die Jahresbilanz gesehen mehr Energie produziert als ver­ braucht wird. Klimaneutral oder vielmehr ­klimapositiv planen und bauen gehört zunehmend zum geforderten Standard. Diese vorwiegend technologiegetriebenen Entwicklungen brachten aufgrund fehlen­ der Balance zwischen Energieeinsparung, Kosten und Nutzungskomfort allerdings auch zahlreiche Kritikpunkte zutage. • Kostensteigerungen und hohe Investiti­ onskosten im Bereich der Gebäudetech­ nik: Im Zusammenhang mit anwachsen­ den Baukosten wird die Gebäudetechnik als wesentlicher Kostentreiber gesehen. In den vergangenen 20 Jahren sind Kos­ tensteigerungen von 45 % allein in der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) zu verzeichnen [2]. Einsparungen bei den Energiekosten für Heizung und Warmwas­ ser stehen somit hohen Investitionskosten gegenüber, die sich nur (sehr) langfristig amortisieren. • Komplexität, fehlende Qualitätssicherung in der Planung und Ausführung, Kostenund Komponenteneinsparungen ohne Blick auf das Gesamtkonzept: Baumängel oder eine eingeschränkte Funktionsfähig­

keit im Vergleich zu den in der Planung prognostizierten Effizienzkriterien sind oft­ mals das Ergebnis einer fehlenden Quali­ tätssicherung am Bau oder von getroffe­ nen Einsparmaßnahmen. Aufgrund der technologischen Komplexität kommt der Abstimmung und Zusammenarbeit zwi­ schen den unterschiedlichen Gewerken eine Schlüsselrolle zu. Um diese viel­ schichtige Aufgabe zu bewältigen, bedarf es eines umfassenden Fachwissens. Diese Kompetenzen sind nur bei sehr speziali­ sierten Unternehmen vorhanden, aber bei herkömmlich ausgebildeten Bauleitungen nicht grundsätzlich gegeben. Darüber hinaus werden im laufenden Bauprozess häufig Einsparmaßnahmen notwendig, sodass geplante und vorgesehene Kom­ ponenten nicht oder nur in reduziertem Umfang eingebaut werden. Ergebnisse abgeschlossener Monitoring-Studien zei­ gen, dass diese Einsparungen zu Lasten eines funktionierenden Gesamtkonzepts gehen und im schlimmsten Fall zu einer völligen Verfehlung der ursprünglich fest­ gelegten Planungsziele führen. • Lange Einregulierungsphasen: Erfahrungs­ werte belegen, dass vielfach eine ein- bis zweijährige Einregulierungsphase nötig ist, um die Gebäudetechnik entsprechend den Nutzungsbedürfnissen im Betrieb anzupassen. Wird dieser Einre­gulierung nicht genügend Zeit eingeräumt, passiert es häufig, dass Effizienzpotenziale nicht genutzt werden oder Unzufriedenheit sei­ tens der Nutzenden entsteht aufgrund einer nicht optimal auf den Betrieb abge­ stimmten Regelung von Heizung, Lüftung oder Verschattung. • Fachpersonal, hohe Wartungskosten und Unsicherheiten der Beschaffung von Ersatzteilen: Die Wartung oder der Aus­ tausch einzelner Komponenten im Scha­ densfall erfolgen bei komplexer Gebäude­ technik häufig durch spezifisches Fach­ personal. Kosten für derart spezialisierte Service- und Reparaturarbeiten unterlie­ gen nicht nur hohen Preissteigerungen durch steigende Personal- und Beschaf­ fungskosten, sie sind auch schwer im Vor­ aus zu kalkulieren. Darüber hinaus liegt der Schwerpunkt der Produktion techni­

scher Bauteile im außereuropäischen Raum. Damit gehen entsprechende ­Unsicherheiten hinsichtlich Lieferkosten, Lieferdauer und Einschränkungen in der Lieferkette einher. • Kürzere Lebensdauer elektronischer Bau­ teile: Hinzu kommt eine im Vergleich zum Gebäude geringere Lebensdauer der technischen Komponenten, Steuerungsund Regelungstechnik (Sensoren, Elek­ tronik etc.). Während beispielsweise für Komponenten von Wärmeerzeugern und Brennern eine Nennlebensdauer von zehn Jahren angegeben wird, sollte für die eigentliche Baukonstruktion ein Viel­ faches davon gelten. • „Unsichere Randbedingungen“: Einspa­ rungen durch effizientere Technik werden durch Reboundeffekte im Nutzerverhalten wieder kompensiert. Das unter „unsichere Randbedingungen“ fallende Nutzerverhal­ ten nimmt dabei den größten Anteil ein. Langfristig gesehen ist es empfehlens­ wert, insgesamt 50 % als Reboundeffekte einzukalkulieren [3]. • Gesundheitsaspekte: Auch Gesundheits­ aspekte im Zusammenhang mit luftdichter Gebäudehülle und dem Einsatz von Lüf­ tungsanlagen rücken zunehmend in den Fokus. Energieeffiziente Bauweisen gehen aufgrund des Anspruchs der Luftdichtig­ keit zwangsläufig mit einem Mikroben feindlichen Innenraumklima einher, das unter anderem für den Anstieg von Aller­ gien verantwortlich gesehen wird [4]. Planende, Architektinnen und Architekten tendieren zunehmend dazu, „Technik“ wie­ der stärker zu reduzieren und anstelle hoch­ komplexer, auf Automatisierung und Tech­ nisierung ausgerichteter Gebäudekonzepte Lowtech-Designkonzepte zu favorisieren. Ökotech, Lowtech, Hightech In den 1970er-Jahren entstanden als Reak­ tion auf die damalige Ölkrise erste Reform­ bewegungen in Richtung einer ökologisch ausgerichteten Lowtech-Architektur. Dabei war man bestrebt, der expansiven und zunehmend industriell ausgerichteten Bau­ industrie eine ökologische Alternative entge­ gen zu stellen. Der Gegentrend äußerte sich

Lowtech — Utopie oder realistische Option?

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Abbildung 29 (links): Grundrisse NullheizenergieHaus Trin. Abbildung 30 (unten): Schnitt.

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Abbildung 31 (ganz unten): Ansicht von Südost.

1 solare DirektgewinnNullenergiehäuser, Trin (CH) 1994, Andrea Rüedi. Die Solarbauten in Trin gelten als Pionierbauten in der Solar­ architektur. Sie decken den gesamten Wärmeenergiebedarf durch die einfallende Solarstrahlung und passive Wärmespeicherung.

Eine großflächig verglaste Südfassade, der direkt besonnte Fußboden aus geschliffenem und dunkel eingefärbtem Beton sowie indirekt erwärmte ­massive Wände und Decken aus Kalkstein ermöglichen Häuser ohne konventionelle Heizung.

vorwiegend in Form von Selbstbauinitiativen im Wohnungsbau, basierend auf ökologi­ schen Bauweisen mit natürlichen Materialien. Diese erste „Energiekrise“ rückte allerdings auch die Frage nach zukunftsweisenden Konzepten der Energieversorgung in das Bewusstsein breiter Bevölkerungsschichten. Erste Schritte, in Selbstbaugruppen mit ther­ mischen Kollektoren zu experimentieren, mündeten schließlich in einer brei­ten und äußerst erfolgreichen Selbstbauinitiative für Sonnenkollektoren. Während das Potenzial der passiven Solarnutzung schon früh in der Architektur erkannt wurde, ist mit dem Ein­ satz von Solarkollektoren der erste Schritt in Richtung Solartechnik vollzogen. Seither erlebt die Entwicklung von „Öko- oder Greentechnologie“ rasante Fortschritte. Im Bestreben maximaler Energieeffizienz ent­ wickelten sich Passivhaus-Gebäudekon­ zepte, die Wärmeverluste durch eine völlig luftdichte Gebäudehülle weitgehend redu­ zieren und mittels kontrollierter Lüftung, aber ohne konventionelle Heizung funktionieren. Das energetische Verhalten eines Gebäu­ des aufgrund von klimatischen Verhältnis­ sen, Gebäudeform oder Nutzung lässt sich mittlerweile anhand von Gebäudesimulatio­ nen sehr präzise darstellen. Dank Fortschrit­ ten in der Energieeffizienztechnologie sind indessen selbst positiv bilanzierende Plus­ energiegebäude möglich. Energiesparend bauen Klimaengineering und neue Möglichkeiten der Computersimulation wurden zu Anfang

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der 1990er-Jahre mit einem revolutionären Wandel in der Gebäudeplanung in Verbin­ dung gebracht: „Mit Hilfe von Computersimu­ lationen sind wir in der Lage, Gebäude den natürlichen Energieflüssen optimal anzu­pas­ sen. Neue Konzepte der passiven Temperie­ rung können entwickelt werden. Durch den Einsatz neuer Techniken in der Planung kann auf Technik im Gebäude weitgehend ver­ zichtet werden. Mit der intelligenten Planung wird das Gebäude selbst zum Klima­gerät: Räume werden Lüftungskanäle, Fenster und Türen zu Ventilen, Decken zu Lichtreflekto­ ren und Fassaden zu Heizkörpern.“ [5] Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt allerdings in eine andere Richtung. Heute gleicht Technologie Planungswillkür weitgehend aus. Behagliches Innenraum­ klima, Beleuchtung oder Raumwärme sind unabhängig von Umgebungsbedingungen und äußeren klimatischen Verhältnissen überall herzustellen. Es stellt sich weniger die Frage der Machbarkeit, sondern eher die Frage nach Kosten und der Leistbarkeit von Komfort. Dabei basierten erste Ansätze energiespa­ renden Bauens in den frühen 1990er-Jahren stark auf optimierten Gebäudekonzepten hinsichtlich passiver Nutzung solarer Ener­ gie oder ökologischer Kreisläufe, ohne dafür Technologie einzusetzen. So heißt es beispielsweise in der Präambel der 1996 von der READ-Gruppe verabschiedeten „Europäischen Charta für Solarenergie in Architektur und Stadtplanung“: „Rund die Hälfte der in Europa verbrauchten Energie

READ = Renewable Energies in Architecture and Design. Der Text wurde im Rahmen eines READ-Projekts, der Europäischen Kommission DG XII, von Thomas Herzog in den Jahren 1994/95 erarbeitet, mit führenden europäischen Architekten diskutiert und im Wortlaut abgestimmt.

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a 2 a— b  energieautarktes Wohnhaus, Maladers (CH) 2011, Matthias Stöckli Architektur. ­Aufbauend auf den ­ersten Solarexperimentalbauten von Andrea Rüedi in Trin entstanden zahlreiche Folgebauten, die den Weg der energie­autonomen Bauweise und Solararchitektur weiterentwickelten. Das Gebäu­ dekonzept beruht auf einem DirektgewinnSolarkonzept mit Wärmespeicher in Böden, Wänden und Decken und der natürlichen Thermik. Eine Photovoltaikanlage auf der Südseite liefert elektrische Energie, gekocht wird nur im Winter mit Holz, sonst mit Solarstrom.

dient dem Betrieb von Gebäuden, hinzu kommt der für den Verkehr aufgewendete Anteil in Höhe von über 25 %. Für die Bereit­ stellung dieser Energie werden in großem Umfang nicht wiederbringbare, fossile Brenn­ stoffe verbraucht, die künftigen Generatio­ nen fehlen werden. Zu ihrer Erzeugung sind Umwandlungsprozesse erforderlich, deren Emissionen sich nachhaltig negativ auf die Umwelt auswirken. Zudem verursachen rücksichtslose Intensivbewirtschaftung und zerstörerische Rohstoffausbeute sowie ein weltweiter Rückgang der Agrarflächen eine zunehmende Verringerung der natürlichen Lebensräume. Diese Situation erfordert ein rasches und grundlegendes Umdenken, besonders für die am Bauprozess beteilig­ ten Planer und Institutionen. Ein verantwort­ licher Umgang mit der Natur und die Nut­ zung des unerschöpflichen Energiepotenti­ als der Sonne müssen Grundvoraussetzung für die künftige Gestalt der gebauten Umwelt sein. In diesem Zusammenhang ist die Rolle der Architektenschaft als verantwortlicher Profession von weitreichender Bedeutung. Sie muß erheblich mehr als bisher entschei­ denden Einfluß auf die Konzeption und die Disposition von Stadtstrukturen, Gebäuden, die Verwendung der Materialien und Sys­ temkomponenten und damit auch auf den Energieverbrauch nehmen. Das Ziel künfti­ ger Arbeit muß deshalb sein, Stadträume und Gebäude so zu gestalten, daß sowohl Ressourcen geschont als auch erneuerbare Energien – speziell Solarenergie – möglichst umfassend genutzt werden, wodurch die

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Fortsetzung der genannten Fehlentwick­ lungen vermieden werden kann.“ [6] Energiesparende Gebäudekonzepte der 1990er-Jahre waren davon geprägt, die Energieressource Sonne optimal einzubezie­ hen und eine „Solararchitektur“ zu etablie­ ren. In diesem Zusammenhang gelten die Direktgewinn-Solarhäuser in Trin und Nach­ folgebauten als Wegbereiter in der Solar­ architektur (Abb. 1 und 2). Mittlerweile ist die Implementierung von Komponenten zur Nut­ zung von Solarenergie ein fixer Bestandteil jeder Planung. Allerdings hat sich der Fokus von einer auf solare Gewinne ausgerichteten Architektur und Planung deutlich in Richtung „Solartechnologie“ verlagert, d. h. in der Regel, dass Gebäudekonzepte darauf redu­ ziert werden, „Platz“ für technische Kompo­ nenten zur Nutzung der Solarenergie, Solar­ kollektoren oder PV-Flächen vorzusehen. Robuste Lowtech-Architektur Nach einer Phase, in der Gebäudetechnik vorrangig auf die Abschottung gegen äußere Einflüsse hin konzipiert wurde, gibt es mittlerweile auch Gegenströmungen in Richtung einfacherer, robusterer und stär­ ker in die lokalen Umgebungsbedingungen integrierter Gebäudekonzepte. Hauptmotiv für diesen Trend Richtung Lowtech-Archi­ tektur, also Gebäude weniger komplex und unabhängiger von der Nutzung von Tech­ nologien zu gestalten, ist eine vermeintlich hohe Störanfälligkeit, mit schwer im Voraus kalkulierbaren Wartungskosten und höherem Verbrauch als geplant.

Lowtech — Utopie oder realistische Option?

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Sommer

Frühling, Herbst, Winter-Sonnentage

Winter

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Die Grenzlinien zwischen Lowtech und Hightech sind allerdings fließend. Allgemein wird unter Lowtech­Gebäuden ein Gebäu­ dekonzept verstanden, das in Abstimmung mit lokalen Umweltbedingungen konzeptio­ niert, geplant und konstruiert wird. Darüber hinaus sollen der Betrieb und das Schaffen innerer Komfortbedingungen mittels mög­ lichst geringem Technikeinsatz und mehr lokal vorhandenen Umweltressourcen erfol­ gen. Das wiederum setzt detaillierte Kennt­ nisse der lokalen klimatischen und Wetter­ bedingungen wie Wind, Feuchtigkeit, Sonne und Temperatur voraus, aber auch Wissen über die physikalischen Eigenschaften von Materialien und deren Wechselwirkungen. Lowtech­Architektur steht für intelligentes Design unter Berücksichtigung der lokalen Bedingungen. Hightech­Gebäudekonzepte hingegen funktionieren auf Basis intelligen­ ter Gebäudetechnologie, mit einem Höchst­ maß an Automatisierung und dem Ziel maxi­ maler Effizienz. Eine Studie der Universität Liechtenstein mit dem Titel „Nachhaltiges Low Tech Gebäude“ [7] wertete Autorinnen­ und Auto­ rentexte aus und fasste die unterschiedli­ chen Assoziationen zu den beiden Begriff­ lichkeiten Hightech – Lowtech zusammen: Hightech­Gebäude werden eher mit einer aufwendigen, komplexen und kosteninten­ siven Bauweise und Gebäudetechnik asso­ ziiert. Diese ermöglicht einen überdurch­ schnittlichen Gebäudestandard und umfas­ sende Funktionalität. Allerdings sind in der Wartung und Reparatur aufwendige Pro­

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zesse und hohes Fachwissen erforderlich. Eine kürzere Lebenserwartung der Gebäu­ detechnik gilt als wahrscheinlich. Lowtech­ Gebäude hingegen stehen für einfache, robuste und damit auch länger beständige Bauweisen und Gebäudetechniken. Damit verbunden sind Annahmen über geringere Kosten, wenig fachspezifischen Aufwand hinsichtlich Herstellung, Betrieb und War­ tung, dahingegen aber eine einfache und eingeschränkte Funktionalität sowie ein gerin­ gerer Qualitätsstandard hinsichtlich „Präzi­ sion“. Planungs­ und Investitionskosten wer­ den für beide Bauweisen „höher als Stan­ dard“ angenommen, für Hightech allerdings als „deutlich höher als Standard“. Um Lowtech­Gebäudekonzepte heute erfolg­ reich umzusetzen, wird vorausgesetzt, dass diese im Einklang mit heutigen Standards stehen. Die wesentliche Frage ist daher weniger eine nach dem Grad der Technik, sondern vielmehr die Frage, welche Baukon­ zepte langfristig das Erreichen von Nachhal­ tigkeitszielen sicherstellen – mit und auch ohne Technikeinsatz. Umgekehrt müssen jedoch, mit Blick auf die Erreichung von Kli­ mazielen, auch heutige Standards neu hin­ terfragt und ein bewussterer Lebensstil hin­ sichtlich der Verwendung fossiler Energien und Ressourcen angestrebt werden. Suffiziente Gebäudekonzepte und Reboundeffekte Lowtech­Design leistet einen wesentlichen Beitrag zur Energieeffizienz, indem es Suffi­ zienz, d. h. einen maßvollen Umgang mit

3 a— b Wohnanlage in Greve (DK) 1992, Bente Aude und Boje Lundgaard. Die Wohnanlage in Greve wurde unter der Prämisse geplant, kostengünstigen Wohnraum mit energiesparender Bauweise zu verbinden. Ein vorgeschaltetes, auf Solargewinne ausgerichtetes Glashaus, eine über passive Wärmegewinne temperierte Mittelzone und eine nordseitige Kernzone gliedern jede Wohneinheit in drei Klimazonen. Die Planung sah vor, den gesamten Gebäudequerschnitt nur in den Sommermonaten voll zu nutzen, während die Nordzone nur im Winter und die Mittelzone nur bei Schönwetter oder in den Übergangszeiten Frühling und Herbst voll miteinbezogen und bewohnt wird. Da für die Mittelzone aber eine Fußbodenheizung als unterstützende Heizmöglichkeit vorgesehen wurde, wird diese in der Praxis rund um das Jahr bewohnt und damit die Energiebilanz erheblich verschlechtert [11].

Ressourcen und einen kritischen Blick auf Konsumgewohnheiten, in den Mittelpunkt der Planung stellt. Realisierte Beispiele füh­ ren eindrucksvoll vor Augen, wie mit konse­ quenter Herangehensweise eine Reduktion des Primärenergiebedarfs von mehr als 85 % erreicht werden kann (siehe „Suffi­ ziente Energieplanung“, S. 68ff.). Während Energieeffizienztechnologie zunehmend sparsamere Gebäudekonzepte ermöglicht, bleibt das Phänomen der Rückwirkungen auf Maßnahmen, die ursprüngliche Ziele konterkarieren (Reboundeffekte) nach wie vor unterschätzt (siehe „Steigerung der Energienachfrage durch rückwirkende Effekte“, S. 15f. und Abb. 3). Energieeffizienzstrategien und Klimaziele in Europa Klimabedingte Wetterextreme nehmen zu und verursachen allein in der Europäischen Union (EU) bereits mehr als 12 Mrd. € jähr­ lich an wirtschaftlichen Verlusten. Sollte die Erderwärmung um 3 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau steigen, werden neben den gesundheitlichen Folgen für die Menschen und den irreparablen Schäden für das Ökosystem Verluste von mindestens 170 Mrd. € jährlich prognostiziert [8]. Das 2015 auf der UN-Klimakonferenz in Paris geschlossene Übereinkommen, die globale Erderwärmung um maximal 2 °C gegenüber vorindustriellen Werten zu beschränken und einen Anstieg auf maximal 1,5 °C anzustre­ ben, wurde als Meilenstein in der internatio­ nalen Klimapolitik gefeiert. Die darauffol­ genden, wenig ambitionierten Maßnahmen und Vorschläge einzelner Staaten sowie wirtschaftliche Rückschläge zur Bewälti­ gung der Folgen der Covid-19-Pandemie seit 2019 rücken dieses Ziel jedoch zuneh­ mend in weite Ferne. Im Dezember 2019 verkündete die Europäi­ sche Kommission den Europäischen Green Deal, der darlegt, wie Europa bis 2050 ­klimaneutral werden könnte. Die Kommis­ sionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte: „Der europäische Grüne Deal ist unsere neue Wachstumsstrategie – für ein Wachstum, das uns mehr bringt, als es uns kostet. Er zeigt, wie wir unsere Art zu leben und zu arbeiten, zu produzieren und zu

konsumieren ändern müssen, um gesünder zu leben und unsere Unternehmen innova­ tionsfähig zu machen. Wir alle können uns an diesem Wandel beteiligen, und wir alle können die Chancen nutzen. Wir werden unserer Wirtschaft dabei helfen, zum globa­ len Vorreiter zu werden, indem sie vor allen anderen handelt und indem sie schnell handelt. Wir sind fest entschlossen, dabei erfolgreich zu sein im Interesse unseres Pla­ neten und des Lebens darauf – für Europas Naturerbe, für Biodiversität, für unsere Wäl­ der und unsere Meere. Indem wir dem Rest der Welt als Vorbild für Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit dienen, können wir auch andere Länder überzeugen, mit uns gleichzuziehen.“ [9] Kritiker bemängeln, dass dieser Europäi­ sche Green Deal vorwiegend wirtschaftlich motiviert sei, auf technische Systeme zur Bewältigung der Klimakrise setzt, und anders als der „Green New Deal“ in den USA die Verknüpfung mit sozialen Fragen und die Umstellung der Wirtschaft insgesamt auf nachhaltigere Systeme unberücksichtigt lässt. Ebenso verweist der Sozialökonom Andreas Novy auf die fehlende Kongruenz mit der Ursprungsidee, dem New Deal der 1930er-Jahre unter Präsident Franklin D. Roosevelt, der als Programm zur sozialen Sicherung eine starke Gerechtigkeitsdimen­ sion und die Stärkung öffent­licher Institutio­ nen in den Mittelpunkt stellte [10]. Ein europäisches Klimagesetz, das im Juni 2021 beschlossen wurde, soll die Ziele der EU nun rechtlich verankern, bis 2050 klima­ neutral zu werden. Gleichzeitig sind alle Mit­ gliedsstaaten dazu aufgefordert, rechtsver­ bindliche Maßnahmen auf nationaler Ebene zu beschließen. Als erstes Zwischenziel sind bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 % gegenüber 1990 zu senken. Daraus ergeben sich auch klare Ziele für die Energieeffizienz von Gebäu­ den. Der Gebäudesektor (Bau, Nutzung, Sanierung und Abriss) spielt eine Schlüssel­ rolle in der Energiepolitik, in der EU bei­ spielsweise ist er für 40 % des Energie­ verbrauchs und 36 % der Treibhausgase verantwortlich. Auch im Gebäudebestand wird ein Großteil der Energie „verschwendet“. 75 % der

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Bestandsgebäude sind nicht energieeffi­ zient, und eine niedrige durchschnittliche Sanierungsrate von jährlich unter 1 % zeigt eines der am dringendsten anzugehenden Probleme. Um bis 2050 Klimaneutralität in Europa zu erreichen und die angestrebte Vorreiterrolle gegenüber anderen Ländern einzunehmen, liegen in der EU ambitionierte Rahmenpläne vor. Die EU-Richtlinien zur „Gesamteffizienz von Gebäuden“, kurz EU-Gebäuderichtlinie genannt, legen für die EU-Mitgliedsstaa­ ten die Mindestanforderungen in einem gemeinsamen Rahmen für die Bewertung der Gesamtenergieeffizienz fest. Gemäß der EU-Gebäuderichtlinie müssen ab 2021 alle neuen Gebäude Niedrigstenergie- oder Fast-Null-Energiestandard (nearly zeroenergy buildings) aufweisen. Um den ökolo­ gischen Wandel voranzubringen, wird darü­ ber hinaus mit der im Januar 2021 gestarte­ ten EU-Initiative „Neues Europäisches Bau­ haus“ an die Reform- und Gestaltungkraft durch den Zusammenschluss von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft angeknüpft. Ein Leitgedanke des Staatlichen Bauhau­ ses, 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründet, war es jedoch, auch das Kunst­ handwerk gegenüber einer zunehmenden Industrialisierung neu zu positionieren. Dazu sollten Kunstschaffende und Hand­ werk wieder enger in Arbeitsgemeinschaft miteinander treten und eine Renaissance des Handwerks in zeitgenössischer For­ mensprache einleiten. Während die EU-­ Verordnung zum Null-Energiestandard ver­ mutlich nur auf einen langen Lebenszyklus

bezogen mit robuster Architektur und Low­ tech-Design zu erreichen sein wird, ist der Grundgedanke zum „Neuen Europäischen Bauhaus“ eventuell auch richtungsweisend für Lowtech-Design und kreislauforientiertes Bauen. Planen für den Bedarf Im Nachhaltigkeitsdiskurs steht der Begriff „Suffizienz“ neben „Effizienz“ und „Konsis­ tenz“ für die dritte der dringlichen Strategien zur Erreichung der Klimaziele. Der Welterschöpfungstag, der angibt, ab wann wir das Ressourcenbudget für das laufende Jahr aufgebraucht haben, rückt seit Jahren kontinuierlich weiter vor. Im Jahr 2021 fiel er auf den 29. Juli, womit aus­ gedrückt wird, dass die Menschen bereits nach etwas mehr als der Hälfte des Jahres mehr Ressourcen verbraucht haben als ­wieder regeneriert werden kann. Im Durch­ schnitt bräuchte die Welt bei Aufrechter­ haltung unseres Lebensstils mittlerweile 1,7 Erden. Dieser verschwenderische ­Ressourcenverbrauch zeigt, nach Staaten betrachtet, im Detail beträchtliche Unter­ schiede. Er geht vorrangig zu Lasten west­ licher Industrie­­na­tionen. Während die USA in dieser Berechnung mittlerweile 5 Erden bräuchten, Österreich 3,8 Erden oder Deutschland 2,9 Erden, liegt Indien mit 0,7 Erden noch weit hinter dem Weltdurch­ schnitt von 1,7 Erden. Suffizienz bedeutet also, Handlungsweisen einzuschränken, die zu einem übermäßi­ gen Konsum von Ressourcen führen, ohne andererseits Wohlstand oder Lebensquali­

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4 a—c  Der schottisch-schwedische Architekt Ralph Erskine baute 1941 ein einfaches Holzhaus, dass auf nur 20 m2 alle alltäglichen Bedürfnisse für sich und seine Familie abdeckt. Mit einfachen Mitteln wurden zahlreiche praktische Lösungen äußerst funktional umgesetzt: Beispielsweise ist die Nordwand innen zusätzlich durch einen Schrank und außen durch gelagertes Holz isoliert. Indirekte Beleuchtung in der Küche wird durch die Perforation der oberen Platte erreicht [15].

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5 a—b  PopUp Dorms, Studierendenwohnheim, Wien (AT) 2015, F2 Architekten. Das mobile Studierendenwohnheim wurde mit dem Ziel errichtet, ein möglichst günstiges studentisches Wohnen in Wien zu ermöglichen und dafür ein brachliegende Grundstück für eine temporäre Bebauung zu nutzen. In jeder der 75 m2 großen Boxen ist Platz für eine Studierenden-WG mit vier Zimmern, zwei Sanitäreinheiten und einer Teeküche. Insgesamt wurden in zwei Bauabschnitten 22 Wohn­module inklusive Einrichtung in einem nahe­gelegenen Werk vorpro­duziert und innerhalb einer Woche am Standort montiert. Ein wesentlicher Unterschied zur herkömmlichen Containerbauweise ist der hohe energetische Standard und die Passivhausbauweise. Die Module sind so konzipiert, dass sie jeweils auf der Lade­ fläche eines Lkws transportiert werden können. Bereits 2021 sind die PopUp Dorms an einen neuen freien Bauplatz umgesiedelt [16].

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tät maßgeblich einzuengen. Dazu setzt das Konzept auf Wertvorstellungen hoher Lebensqualität, wie soziale Beziehungen oder Zeitwohlstand, die nicht zwangsläufig mit Konsum verbunden sind. Einschränkun­ gen von Konsum- oder Komfortansprüchen auf ein maßvolles und moderates Ausmaß stehen nicht konsumorientierten Praktiken der Lebensgestaltung gegenüber. Das Holzhaus des Architekten Ralph Erskine zeigt, wie auf einer Grundfläche von nur 20 m2 alle wesentlichen Alltagsbedürfnisse untergebracht werden können, ohne auf Komfort verzichten zu müssen (Abb. 4). Tiny-House-Konzepte greifen diese Idee neuerdings auf, sind aber nur dann tatsäch­ lich als nachhaltig zu werten, wenn damit Wohnraum reduziert und nicht zusätzlich ein Freizeitwohnsitz errichtet wird. Allein in Österreich wurden zwischen 2017 und 2020 im Durschnitt pro Tag 11,5 ha an Flächen neu in Anspruch genommen und damit bio­ logisch produktiver Boden anteilig verrin­ gert [12]. Die Zwischennutzung brachlie­ gender Grundstücke ist eine der Möglich­ keiten für einen effizienteren Umgang mit Bodenressourcen (Abb. 5). In Hinsicht auf Gebäudekonzepte bedeutet „Suffizienz“, notwendige Ressourcen, Mate­ rialien und Komfortansprüche kritisch zu hinterfragen. Dazu zählt ebenso, häufig vor­ kommende Redundanzen in technischen Systemen und in der Materialauslegung zu vermeiden. Darüber hinaus verfolgen Lowtech-Designstrategien den Ansatz der Eigenverantwortlichkeit der Nutzenden

gegenüber automatisierter Steuerung und Regelung zu bevorzugen und Handwerk sowie menschliche Arbeitskraft wieder stär­ ker in den Mittelpunkt zu rücken. Steigerung der Energienachfrage durch rückwirkende Effekte Experten und Expertinnen sprechen ­grundsätzlich von direkten und indirekten Reboundeffekten. Der direkte Reboundeffekt beschreibt die unmittelbaren Veränderun­ gen im Nutzungsverhalten aufgrund gesetz­ ter Maßnahmen oder Produkte. In der Raum­ wärmenutzung könnte dies ein deutlich höhe­ res Temperaturniveau in Innenräumen auf­ grund der energieeffizienten Bauweise sein. So belegen Untersuchungen, dass häufig nach Gebäudesanierungen mit effizienter Dämmung und Gebäudetechnik die Wohn­ komfortparameter für Raumtemperaturen um einige Grad Celsius anstiegen [13]. Ebenso wirksam werden jedoch auch indi­ rekte Reboundeffekte. Darunter versteht man eingesparte Energiekosten, die in andere Konsumgüter oder Dienstleistungen inves­ tiert werden. Im Gebäudesektor äußert sich das am deutlichsten durch mehr Wohnflä­ che je Bewohner oder beispielsweise höhe­ ren Ausgaben im Mobilitätsbereich. Trotz zunehmend energieeffizienteren Geräten und Gebäuden steigen der Energiever­ brauch und mit diesem die energiebeding­ ten CO2-Emissionen weiterhin an. Studien zeigen, dass Effizienzgewinne durch Tech­ nik nur zu 50 % oder weniger tatsächlich zum Tragen kommen [14].

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Reboundeffekte stellen somit ein wesent­ liches Argument zugunsten von Low-TechDesignlösungen dar. Tilman Santarius, Pro­ fessor für sozial-ökologische Transformation an der Technischen Universität Berlin, defi­ niert Reboundeffekte als „effizienzbedingte Nachfragesteigerung“. Er unterscheidet zwischen finanziellen, volkswirtschaftli­ chen, industriellen, motivationalen und ­Zeit-Reboundeffekten [17]. Finanzieller Reboundeffekt heißt, eingespartes Geld, das durch technologische Energieeffizienz­ steigerungen zur Verfügung steht, wird durch höhere Komfortansprüche, eine höhere Nutzungsrate oder verstärkten Kon­ sum anderer Güter und Dienstleistungen wieder kompensiert. Über die Höhe der zu erwartenden direkten und indirekten Reboundeffekte divergieren die Meinungen stark. Es werden aber in den Industrielän­ dern Werte zwischen 10 und 30 % für den direkten Rebound und weitere 5 –10 % für den indirekten Rebound verantwortlich gesehen. Volkswirtschaftliche Rebound­ effekte sind als „energieproduktionsbe­ dingte Wachstumseffekte“ zu verstehen, d. h. als Rückwirkungen aufgrund des Wirt­ schaftswachstums, das auf die Steigerung der Energieeffizienz zurückzuführen ist [18]. Zur Quantifizierung wirksamer Effekte, von Santarius kurz als „Austauschverhältnis von Kapital und Energie“ bezeichnet, liegen bis­ lang keine verlässlichen Angaben vor. Der industrielle Reboundeffekt beschreibt Nach­ wirkungen auf Basis von Produktionsstei­ gerung und grauer Energie. Die Produktion energieeffizienter Technologie erfordert an sich bereits eine zusätzliche Energie­ nachfrage, die als graue Energie zu Buche schlägt. Ebenso führen die Ausweitung der Produktion aufgrund effizienzsteigernder Maßnahmen, Investitionen in neue Produkte und Dienstleistungen durch erhöhte Profite oder aufgrund von Redesign bestehender Produkte „in Erwartung konsumtionsseiti­ ger Einkommenseffekte“ zu industriellen Reboundeffekten [19]. Das Phänomen der gesteigerten Ressourcennutzung durch eine Änderung in der Bewertung von Tech­ nologien wird als motivationaler Rebound­ effekt bezeichnet. So können beispielsweise energieeffizientere Produkte aufgrund ihres

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verbesserten gesellschaftlichen Images stärker nachgefragt werden als bisher. Und letztlich mitverantwortlich für einen Anstieg des Ressourcenverbrauchs trotz zuneh­ mend effizienterer Technologie ist der ZeitReboundeffekt. Sowohl auf der individuellen als auch auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene ermöglicht sogenannte Effizienztech­ nologie Zeitressourcen neu zu verteilen. Dies führt aber selten zu einer Ressourcen­ einsparung. Auf individueller Ebene äußert es sich häufig durch eine Verdichtung von Zeit, eine erhöhte Anzahl von Aktivitäten bei gleichbleibendem Zeitintervall und, gesamtgesellschaftlich, durch eine soziale Beschleunigung in allen Lebensbereichen, die wiederum mit erhöhter Energienach­ frage einhergeht. Grundsätzlich steigt der Energiebedarf aber auch durch die höhere Technisierung aller Lebensbereiche, wie Gebäude, Haushalt, Computer oder Handy. Lowtech-Design als wirkungsvolle Klima­ strategie Mit zunehmenden Möglichkeiten der Tech­ nik gehen steigende Erwartungen und Ansprüche an Komfort und Funktionalität einher. Klimaexpertinnen und -experten sind sich einig, dass wir einen gesamtge­ sellschaftlichen Wandel benötigen, um unsere Klimaziele noch zu erreichen. Dass dies nicht allein durch Technik gelöst wer­ den kann, wird ebenfalls bekräftigt. Folge­ wirkungen des Klimawandels sind als Resul­ tat einer Haltung zu sehen, die ausschließ­ lich auf wirtschaftliches Wachstum baut, die Maximierung von Konsum und Gewinn als vorrangig anzustrebendes Ziel prokla­ miert und Lebensqualität auf Konsum redu­ ziert. Im Bemühen nach einem tiefgreifen­ den Wandel kann Lowtech-Design einen neuen Denkrahmen eröffnen. LowtechDesign bedeutet nicht, völlig auf Technik zu verzichten. Vielmehr geht es darum, diese überlegt einzusetzen und weniger die Machbarkeit als vielmehr den Nutzen, die tatsächlichen Effekte, den sparsamen Umgang mit Ressourcen und die weiter­ reichenden Nachwirkungen mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus und die not­ wendigen Klimawandelfolgen in den Vor­ dergrund zu stellen.

Die jährlichen Klimaberichte zeigen, dass insbesondere die westlichen Industrienatio­ nen über ihre Verhältnisse leben und mehr Ressourcen verbrauchen als zur Verfügung stehen (siehe „Planen für den Bedarf“, S. 14f.). Ein politisches und gesellschaftli­ ches Umdenken und ein für die zu bewälti­ gende Klimakrise nötiger Bewusstseins­ wandel finden dennoch nur zögerlich statt. Lowtech-Design und robuste Architektur, die Qualität statt Quantität verfolgen, bie­ ten Ansätze für eine Neuausrichtung. Dazu gehört auch, menschliche Arbeitskraft gegenüber einer Maximierung von Konsum und Gewinn wieder höher zu bewerten. Ebenso aber, in Anbetracht des hohen Anteils an Gebäudebestand, Umnutzung und Sanierung vor dem Neubau eine wesentlich höhere Priorität einzuräumen als bisher.

Raumlufttemperatur [°C]

6 langfristige Trends der Wohntemperaturen im Winter in Groß­ britannien, den USA, Japan und China. Die Innenraumtemperaturen in Nordchina näher­ ten sich aufgrund des Ausbaus eines Fernwärmeheizsystems ab den 1950er-Jahren langsam jenen der USA an, während die Raumtemperaturen in Südchina, die nicht von diesem Ausbau profitieren konnten, weiterhin auf sehr niedrigem Niveau liegen.

Planen für die Nutzenden, Bedarfshinterfragung und Grundbedürfnisse im Bauen Was macht ein gutes Leben aus? Was brau­ chen wir zu einem guten Leben, ohne dies auf Kosten anderer zu führen? Nicht zuletzt durch die Einschränkungen im Zuge der Covid-19-Pandemie wurde die Wichtigkeit sozialer Beziehungen wieder stärker in den Vordergrund gerückt. Trendforscher sehen damit eine zuvor bereits existente Tendenz beschleunigt. Aber auch Veränderung, wie dem eigenen Zuhause vermehrt „Wertschät­ zung“ entgegen zu bringen, wird darauf zurückgeführt [20]. Komfort und Rauman­ sprüche richten sich nach der neuen Not­ wendigkeit, Arbeiten und Wohnen optimal 22 20 18

US Wohnbereich US Schlafzimmer

Nordchina

GB Wohnbereich

16 14 12 10

GB Schlafzimmer Japan nördliche USA 1800 1970

Südchina 1980

1990

2000 2010 Jahr 6

zu verbinden. Dabei ist aber auch eine neue Tendenz zu mehr Achtsamkeit zu beobachten. Investitionen werden weniger an Quantität, sondern stärker an qualitati­ ven Aspekten orientiert, hochwertige natür­ liche Materialien sind gefragt. Ebenso gewinnt die Verbindung mit der Natur mehr an Bedeutung. Archaische Bedürfnisse nach Wohlbefinden und Geborgenheit ­werden zunehmend deutlich. Wohnkon­ zepte als aktiver Beitrag zu Gesundheit und Wohlgefühl sind gefordert. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich Komfortansprüche und -parameter nicht nur historisch gewandelt haben, sondern auch nach kulturellen und sozialen Umge­ bungen unterschiedlich interpretiert wurden. Die Wahrnehmung von Komfort hat sich im Laufe der Geschichte weiterentwickelt und basiert auf mehreren technologischen, wirt­ schaftlichen, sozialen und kulturellen Ein­ flüssen [21]. Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff zunächst für den Raumkomfort in Verbindung mit Wärme, Belüftung und Licht verwendet. Heutzutage hängt Komfort mit körperlichem und thermischem Wohlbefin­ den zusammen. Die Zufriedenheit mit dem Raumklima und die thermische Behaglich­ keit sind das Ergebnis eines Ausgleichspro­ zesses zwischen der physischen Umgebung und den subjektiven Komforterwartungen. Individuelle Anforderungen und Wohlgefühl basieren also auf unseren Erfahrungen und sind stark soziokulturell geprägt [22]. Eine Studie zu langfristigen Trends der Innenraumtemperaturen in Großbritannien, den USA, Japan und China zeigt, welche unterschiedlichen Temperaturniveaus in den vergangenen rund 50 Jahren die Erwar­ tungen prägten (Abb. 6). Die Ergebnisse legen nahe, dass sich die unterschiedlichen länderspezifischen Wärmeerwartungen in Richtung einer neutralen Winterwohntempe­ ratur von etwa 21 °C zwar annähern, aber nach wie vor Differenzen von einigen Gra­ den auszumachen sind [23]. Der Einsatz von Technologie im Bauwesen hat neben energieeffizienten Gebäuden auch eine deutliche Steigerung des Raum­ komforts ermöglicht. Diese Entwicklung wird begleitet von anwachsenden Erwartungen nach verlässlichen und gleichmäßig anhal­

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tenden Werten im Raumklima. Die Wechsel­ wirkung zwischen technischem Ausstat­ tungsniveau und individuellen Erwartungen wurde mittlerweile in einigen empirischen Untersuchungen belegt [24], so z. B. bei der Gegenüberstellung von Klimaanlagen ver­ sus natürlicher Lüftung, die Unterschiede in der Erwartungshaltung der Nutzenden zutage brachten. Basierend auf Auswertun­ gen von Daten einer internationalen Gebäu­ dedatenbank wird deutlich, dass die Art der Klimatisierung (Klimaanlage – Klima­ anlage-Mischbetrieb – natürliche Lüftung) die Erwartungen der Benutzenden in Bezug auf ihre Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz beeinflusst. In natürlich belüfteten Gebäu­ den gingen gute thermische Bedingungen mit einer deutlich erhöhten Gesamtzufrie­ denheit am Arbeitsplatz einher und wirkten sich auch bei schlecht bewerteter Wärme­ leistung nicht negativ auf die Gesamtzufrie­ denheit aus. In vollklimatisierten Arbeits­ umgebungen hingegen korrelierten die ther­ mischen Bedingungen direkter mit einer negativen Gesamtbewertung des Arbeits­ platzes, d. h., diese wurde durch schlechte Wertung des Raumklimas zusätzlich negativ verstärkt [25]. Mit den Fortschritten der Gebäude- und der Raumklimatisierungstechnologien (Heizen, Kühlen und Lüften) ist es möglich, ohne Rücksicht auf äußere klimatische Bedin­ gungen und regionale Standortfaktoren zu bauen und beliebige Komfortstandards sicherzustellen. Diese Entwicklung geht allerdings zulasten steigender Energiever­ bräuche, die allein über Effizienztechnolo­ gie nicht auszugleichen sind. Selbst wenn langsam und nach Ländern sehr unter­ schiedliche positive Entwicklungen zu beobachten sind, wurde für 2021 der zweit­ höchste Anstieg der CO2-Emissionen seit 1990 prognostiziert [26]. Bisher ist nur wenig bekannt, wieweit Abstri­ che in den Komfortparametern und eine höhere Toleranz, beispielsweise gegenüber wechselnden Temperaturniveaus adäquat zu den Außentemperaturen, akzeptiert wer­ den würden. Umfassende Ergebnisse zur Nutzerzufriedenheit in energieeffizienten Gebäuden liegen bereits vor. Von Interesse wären jedoch auch Studien aus auf ein

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Minimum reduzierten Gebäudekonzepten, um daraus einerseits Aussagen der Nut­ zenden über ihre Mindestansprüche an Gebäude und andererseits Daten über die Adaptionsfähigkeit der Nutzenden in Abhängigkeit vom vorherrschenden Raum­ klima zu erhalten. Ebenso fehlen bislang Studien, die sich dem Thema der „eigenverantwortlichen“ Steuerung und Regelung gegenüber auto­ matisierten Systemen widmen. Wie in allen Lebensbereichen folgen auch unsere Kom­ fortvorstellungen den aus den Alltagsrou­ tinen heraus gebildeten Gewohnheiten. Diese neu zu überdenken und auch daraus folgend Grundbedürfnisse und Anforderun­ gen neu zu definieren, wäre eine weitere wichtige Forschungsfrage. Bauen im Kontext von Natur, Gesundheit und Tradition Gebäudekonzepte können heute weitge­ hend funktionalen Kriterien folgend und, abgesehen von Infrastrukturanschlussmög­ lichkeiten und einschränkenden räumlichen Umgebungsparametern, unabhängig vom jeweiligen Standort konzipiert und entwi­ ckelt werden. So wird gleichbleibende Qua­ lität, unbeeinflusst von Klima- und Umge­ bungsfaktoren, sichergestellt. Damit geht allerdings auch eine Abschottung zur umge­ benden Natur und zum Außenraum einher, die, wie vielfach kritisiert, auch negative Aus­ wirkungen auf die Gesundheit haben kann. Regeneratives Design Im Nachhaltigkeitsdiskurs wird daher zurecht zunehmend gefordert, das Bauen wieder stärker im Kontext eines gesamten Ökosystems eingebettet zu betrachten. Der Begriff des „regenerativen Designs“ gewinnt dabei als wesentliches Konzept für einen transformativen Prozess zunehmend an Auf­ merksamkeit. Regenerative Nachhaltigkeit zielt darauf ab, von der verengten Betrach­ tung bestimmter Aspekte wie Energieeffizi­ enz, nachwachsender Rohstoffe oder nach­ haltiger Technologien wegzukommen, hin zu einer gesamtsystemischen Betrachtung und zur Schaffung eines sich selbst regene­ rierenden sozialen und ökologischen Sys­ tems [27]. Die erstmalige Verwendung des

7 a — b  Biohof Achleiter, Eferding (AT) 2005, Preisack / Holzer /  Rodleitner; Begrünung: Jürgen Frantz. Die Grundsätze des Biohofs Achleitner — schonender Umgang mit der Natur, abwechs­ lungsreiche Arbeitsplätze in lebenswertem Umfeld und die Ver­ sorgung der Kunden mit gesunden Lebensmitteln und wertvollen Bioprodukten — spiegeln sich im Gesamtkonzept des Neubaus wider. Neben regionalen Baustoffen für die Baukonstruktion (Stroh, Lehm und Holz) wurden große Teile der Innenräume mittels Pflanzen klimatisiert. Das erforderliche Stroh wurde direkt auf Feldern des Biohofs oder von Betrieben aus der Region geerntet. Eine Pflanzenklimaanlage mit Hunderten Pflanzen — von Orchideen über Bromelien und verschiedensten Farnen bis hin zu Philodendren — sorgt für ein wohliges Raumklima am Arbeitsplatz und in den von Kunden frequentierten Verkaufs- und Aufenthaltsräumen.

Begriffs „regeneratives Design“ geht auf den Landschaftsarchitekten John Tillmann Lyle zurück, der 1994 ein „regeneratives Zyklusmodell“ vorstellte. Lebenswichtige Ressourcen des täglichen Lebens wie Woh­ nen, Nahrung, Wasser oder Abfall sollten in einem regenerativen Energie- und Stoff­ kreislauf gehalten werden, sodass sich selbstregenerierende Ökokreisläufe bilden, die in der Lage sind, sich in der gebauten Umwelt selbst wiederherzustellen [28]. Eine ausschließliche Konzentration auf den Ener­ gieverbrauch oder die CO2-Emissionen von Gebäuden verlagert die Umweltauswirkun­ gen der Gebäude nur von einem Sektor auf den anderen; deshalb berücksichtigen regenerative Prinzipien die gebaute Umwelt als Ganzes. Der Designprozess baut auf kontinuierlichem Lernen und Feedback auf, sodass menschliche und natürliche Sys­ teme gemeinsam zu positiven Veränderun­ gen innerhalb des Ökosystems beitragen. Im Kontext von Bauen werden Gebäude als Katalysator für positive Veränderungen innerhalb des Ökosystems wirksam. Grund­ legende Aspekte des regenerativen Designs gehen damit auch einher mit Zielen für Lowtech-Design.

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Bauen mit der Natur, biophiles Design Die heilsame Wirkung von Natur und ihre positiven Effekte auf die Psyche der Men­ schen sind unbestritten. Menschen haben auch in gebauten Umgebungen den Wunsch nach einer Verbindung zur Natur. Evolutions­ biologisch wird argumentiert, dass uns die emotionale Verbindung mit der Natur ange­ boren ist. 1984 formuliert der amerikanische Biologe Edward O. Wilson in seinem Buch „Biophilia“ die essenzielle Bedeutung unse­ rer natürlichen Affinität zum Leben – Biophi­ lie (von griech. „bios“ = Leben, „philia“ = Liebe), die Liebe zu allem Lebendigen, die uns an alle anderen lebenden Spezies bin­ det und damit die Liebe zur Natur: “We are human in good part because of the particular way we affiliate with other organisms. They are the matrix in which the human mind originated and is permanently rooted, and they offer the challenge and freedom innately sought. To the extent that each person can feel like a naturalist, the

old excitement of the untrammeled world will be regained.“ [29] Wilson sieht die Beziehung des Menschen zur Natur und deren Lebewesen als eine Matrix, in der der menschliche Geist ent­ stand und dauerhaft verwurzelt bleibt. Vor Wilsons Biophilie-Hypothese prägte bereits Erich Fromm den Begriff „Biophilie“. In Anleh­nung an Sigmund Freuds „Lebensund Todestrieb“ stellt Fromm Biophilie als Gegensatz zur „Nekrophilie“, der Liebe zu allem Toten, dar. „Die Biophilie ist die ­leidenschaftliche Liebe zum Leben und allem Lebendigen; sie ist der Wunsch, das Wachstum zu fördern, ob es sich nun um einen Menschen, eine Pflanze, eine Idee oder eine soziale Gruppe handelt.“ [30] Während Biophilie als biologisch normaler Impuls abgebildet wird, steht diesem die Nekrophilie als ein psychopathologisches Phänomen gegenüber, nach Fromm als „Folge eines gehemmten Wachstums, einer seelischen Verkrüppelung“. Mittlerweile ist Biophilie als eigenständiges Designkonzept etabliert. Die Einbringung von Naturelementen in Gebäudekonzepte, Fassaden oder in Innenräume trägt dem dringenden Wunsch nach einer Verbindung zur Natur stärker Rechnung. Die positiven psychologischen Effekte der Natur, wie Stressreduktion und gesünderes Raum­ klima, werden in den Mittelpunkt gestellt. Darüber hinaus kann Natur aber auch einen wesentlichen Beitrag zu Lowtech-Design leisten. Die Möglichkeiten reichen beispiels­ weise von der Einbeziehung umgebender Vegetation für Beschattung und Kühlung, für Fassadenbegrünung als Wärmedäm­ mung, über eine Innenraumbegrünung zum Ausgleich von Lufttrockenheit (Abb. 7) bis hin zur Nutzung mikroklimatischer Eigen­ schaften von Pflanzen und Bäumen in dich­ ter bebauten Gebieten. Luftdichtheit und Mikrobenvielfalt Mikroben sind unsichtbare Mikroorganis­ men, die in unvorstellbar großer Zahl in der Natur und in unseren Gebäuden vorkom­ men. Der Mediziner Walter Hugentobler ­verweist darauf, welche unverzichtbare Ressource sie für unsere Gesundheit dar­ stellen. Mikroben würden zu Unrecht als

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„Feindbilder“ und reine Krankheitserreger dargestellt. Ohne Bezug zur Natur und ohne den Aufbau eines kompetenten Immun- und Al­lergiesystems, d. h. ohne den Austausch mit den vielfältigen Mikroben der Umwelt, die dessen Aufbau unterstützen, sei ein gesundes Leben nicht möglich [31]. Die Konsequenzen aus immer luftdichteren Gebäuden und Verkehrsmitteln seien für die Gesundheit schwerwiegend: „Während 350 000 Jahren Evolutionsge­ schichte fand der Lernprozess unseres Immunsystems statt im direkten Austausch mit der Natur, mit den Mikroben von Luft, Gewässer, Erdreich, Tier- und Pflanzenwelt. Auch die Räume in den natürlich belüfteten Häusern waren gut vernetzt mit der Mikro­ benvielfalt der Natur. Fensterlüftung und undichte Bauweise, die Nähe zu Nutztieren, häuslicher Schmutz und natürliche Bau­ materialien ermöglichten den permanenten Kontakt mit den Mikroben der Umwelt. [...] In weniger als 200 Jahren haben Fortschritte in der Gebäudetechnik einfache Haus­ konstruktionen ersetzt durch energieeffizi­ ente, luftdicht verschlossene HIGHTECHGebäude. Mechanische Lüftungen mit Filte­ rung der Aussenluft, gesteigerte Reinlichkeit und ein naturferner Lebensstil behindern heute den Austausch mit dem Mikrobiom der Natur. In unseren ‚Gebäude-Biotopen‘ leben wir in einem permanenten Komfort­ klima, atmen gefilterte Aussenluft und sind umgeben von einem verarmten Mikroben Mix.“ [32] Luftdichte Baukonzepte, Wünsche nach einem ganzjährigen Komfortklima und durchschnittlich 3 – 5 °C höhere Heiztem­ peraturen als Folge zunehmend energie­ effizienter Bauweisen führen zu einem über­ mäßig trockenen Innenraumklima. Damit wird zwar bewusst negativen Erscheinungen wie Schimmelbildung und Bakterienwachs­ tum vorgebeugt. Infolgedessen werden aber auch für den Aufbau des Immunsys­ tems wichtige Mikroben eliminiert, während Infektionskrankheiten, Autoimmunkrank­ heiten und Allergien zunehmen [33]. Die optimale Raumluftfeuchte in Gebäuden liegt zwischen 40 und 60 %. Werte unter 40 % relativer Luftfeuchtigkeit wirken sich negativ auf die Gesundheit aus. Dieser Aspekt fin­

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det jedoch bis heute zu wenig Beachtung. Hugentobler weist aber auch der zuneh­ menden Verwendung „industrieller Pro­ dukte“ negative gesundheitliche Auswir­ kungen nach: „Während praktisch alle Naturmaterialien porös und offenporig sind, zeichnen sich industriellen Produkte aus durch Kompakt­ heit und glatte, porenlose Oberflächen. Die Naturmaterialien nehmen entsprechend ihren Sorptionsisothermen Feuchte auf und geben diese in fallender Luftfeuchtigkeit verzögert wieder ab. [...] Industrielle Materi­ alien sind bezüglich Feuchteaustausch inert und entweder trocken oder nass. [...] Kom­ pakte, porenfreie, hydrophobe und extrem glatte Kunststoffoberflächen sind wasserund schmutzfrei. Auf solchen Oberflächen können keine harmlosen Kommensalen überdauern. Multiresistente Bakterien aber stellen auf diesen Oberflächen ihren Stoff­ wechsel vorübergehend ein, werden zu ‚Persistern‘ und sind so auch mit Kulturme­ thoden nicht mehr nachweisbar. Nach ihrer Übertragung über die Luft oder direkten Kontakt nehmen sie im feuchten Milieu von Atemwegen oder Darm eines Infizierten ihren Stoffwechsel wieder auf und können eine Infektion auslösen.“ [34] Hugentobler fordert daher, Gebäude als Biotope und „gelebte Ökosysteme zu ver­ stehen, zu planen und zu unterhalten“. Der richtige Weg wäre ein sogenanntes Bioinfor­ med Design, bei dem bewusst harmlose, nützliche Mikroben gefördert und nur die gefährlichen Mikroben unterdrückt werden. Forschungen dazu, wie Innenräume gestal­ tet werden können, um das Wachstum nütz­ licher Mikroorganismen zu fördern und das

Sommer Heuvorräte/Fahrzeuge Schlafen Werkstatt/Holz Wohnen/Küche Vieh Winter

Keller

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8  Schematischer ­Längsschnitt eines Schwarzwald­hauses. Landwirtschaftliche Gebäude der frühen Neuzeit nutzen neben einer klimaangepassten Gebäudeform auch die Möglichkeiten passiver Raumtemperierung und saisonaler Grundriss­ zonierung. In den Wintermonaten wurden nur einige wenige Räume rund um die beheizte Küche und einen Kachel­ofen in der „Stube“ bewohnt. Die darüberliegenden Schlafkammern werden durch die „warme Stube“ mitbeheizt, der gefüllte Heuboden und der Stall bilden in den Wintermonaten einen zusätzlichen Wärmepuffer [37].

Wachstum der für den Menschen schädli­ chen zu hemmen, stehen allerdings noch ganz am Anfang.

Anmerkungen  [1]  Thurner 2020  [2]  Endres 2020  [3]  Santarius 2020  [4]  Hugentobler 2020  [5]  Oswalt 1994   [6] Herzog u. a. 1996  [7]  Ritter 2014  [8] Europäische Kommission 24.02.2021  [9] Europäische Kommission 11.12.2019 [10] Novy 2021 [11] Detail 5/1986 [12] umweltbundesamt.at [13] Biermayr u.  a. 2005 [14] wie Anm. 3 [15] Naboni 2018, S. 561– 567 [16] nachhaltig­ wirtschaften.at [17] wie Anm. 3 [18] wie Anm. 3 [19] wie Anm. 3, S. 16 [20] Horx-Strathern, Zukunftsinstitut 2020 [21] Brager, de Dear 2008 [22] Haselsteiner 2021; Haselsteiner u. a. 2021 [23] Luo u. a. 2016 [24] Frontczak, ­Wargocki 2011 [25] Kim, de Dear 2012 [26] IEA.org [27] Brown 2016; Haselsteiner u. a. 2021 [28] Lyle 1996 [29] Wilson 1984 [30] Fromm 1974 [31] wie Anm. 4 [32] wie Anm. 4 [33] wie Anm. 4 [34] wie Anm. 4 [35] Kuhnert 1987 [36] Hanus, Radinger, 2019, S. 6–10 [37] Hönger 2013

Tradition und Baukultur „Die Gegenwart wird durch zwei grund­ verschiedene Baugedanken beherrscht, den Baugedanken der Moderne und den Baugedanken einer wiedergeborenen Tra­ dition. Sie unterscheiden sich in der Bau­ form (ungebundener Raum oder gebunde­ ner Raum), in der Bautechnik (High-Tech oder Low-Tech) und in der Bauökologie (Autonomie von der Natur oder Einordnung in die Natur).“ [35] Mit der Moderne, dem ausgehenden 19. Jahrhundert und fortschreitenden Ent­ wicklungen der Industriellen Revolution hat sich die Gesellschaft zunehmend vom tradierten Wissen früherer Generationen entfernt. Ortspezifisches Erfahrungswissen über komplexe Zusammenhänge zwischen naturräumlichen, geologischen und klima­ tischen Gegebenheiten sind durch Fort­ schritte in der technischen Entwicklung nicht mehr im gleichen Ausmaß notwendig. Ebenso wurde handwerkliches Wissen zugunsten industrieller und serieller Pro­ duktion zunehmend in den Hintergrund gedrängt. Erst mit Fragen nach lokalen ­Klimaanpassungsstrategien fließen mikro­ klimatische oder regionale Besonderheiten wieder etwas stärker in die Diskussion ein. In alpinen Regionen Europas und weltweit hat der Holzbau zu Recht eine jahrhunder­ telange Tradition. Holz ist dort als lokale Res­ source in unmittelbarer Umgebung vorhan­ den und bewährt sich in Ländern mit alpi­ nem Klima, also mit relativ kühlen Sommern und langen, schneereichen Wintern, durch ausgezeichnete wärmedämmende Eigen­ schaften. Stein- und Massivbauweisen setz­ ten sich in diesen Regionen eher aus Man­ gel an Holz oder als Reaktion auf zahlreiche Brände durch. Dahingegen haben sich Stein- und Massivbauweisen in wärmeren und trockenen Klimazonen als geeignete Bauweisen etabliert. So unterstützen Eigen­ schaften wie die thermische Trägheit dicker Außenwände bei der Abschottung gegen Hitze oder deren Wärmespeicherfähigkeit, um nachts Räume natürlich zu erwärmen.

Historische Bauten erfüllen durch ihre teils über mehrere Jahrhunderte hinweg nach­ gewiesene Robustheit und Beständigkeit wesentliche Aspekte der Nachhaltigkeit. Darüber hinaus sind sie Träger historischer Baukultur und vermitteln Wissen im Umgang mit klimatischen und naturräumlichen Her­ ausforderungen. Tradition, Handwerk und örtlich verfügbare Materialien bildeten den Grundstock einer auf naturräumliche und ortsgebundene Gegebenheiten sensibel abgestimmten Baukultur. Ebenso wesent­ lich ist deren sorgsamer und sparsamer Umgang mit Ressourcen und Raum auf Basis grundlegender Gewohnheiten und Bedürfnisse der Menschen. Lebenszyklische Analysen zeigen, dass die Erhaltung traditioneller historischer Bauten auch einen wesentlichen Nachhaltigkeitsas­ pekt darstellt. Selbst wenn sich ihr Unterhalt erfahrungsgemäß aufwendiger und kosten­ intensiver als bei vergleichbaren Neubauten gestaltet, so erweisen sich Altbauten in der Gesamtbilanz sowohl ökologisch als auch ökonomisch betrachtet aufgrund ihrer Lang­ lebigkeit als vorteilhaft [36]. Anschaulich belegt wird diese Aussage gerne mit dem Beispiel historischer Kastenfenster. Fachge­ recht hergestellt und gepflegt können diese Jahrhunderte überdauern, ohne ihre Funk­ tionalität einzubüßen. Lowtech-Design versucht, wieder stärker an Bautradition und Baukultur unserer Vorfah­ ren anzuknüpfen. So kann handwerkliches Wissen über trennbare und konstruktive Bauteilverbindungen kreislauffähiges Bauen oder Baurecycling unterstützen. Kenntnisse in Umgang und Einsatz lokal verfügbarer Materialien tragen zu Einsparungen von Technik im Herstellungsprozess und beim Transport bei, insbesondere hinsichtlich grauer Energie, und nicht zuletzt stellt über­ liefertes und in historischer Bausubstanz gespeichertes Wissen über klimaangepass­ tes Bauen eine wertvolle Ressource zur ­Entwicklung von Klimaanpassungsstrate­ gien dar (Abb. 8).

Lowtech — Utopie oder realistische Option?

21

Das nachhaltige LowtechGebäude Edeltraud Haselsteiner

Ziel nachhaltigen Bauens ist es, ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit zueinander im Gleichgewicht umzusetzen und über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks hinweg sicherzustellen. In diesem Sinne hinterfragen nachhaltige LowtechGebäudekonzepte insbesondere den Einsatz von Informations- und Kommunika­ tionstechnologie (IKT) sowie Gebäudeautomations-Systemen als langfristig wirksamstes Mittel einer nachhaltigen Bauweise. Systemgrenzen und Technikanteil im Lebenszyklus IKT-Systeme bieten zwar Möglichkeiten zur Gebäudeoptimierung, die „Intelligenz“ liegt jedoch in der durchdachten Planung. Klaus Daniels thematisiert in seinem Buch „LowTech Light-Tech High-Tech. Bauen in der Informationsgesellschaft“ im deutschsprachigen Raum erstmals umfassend den ­Einzug der Informationstechnologie in das Bauwesen, ein wesentlicher Meilenstein in der Entwicklung sogenannter intelligenter Gebäudetechnologie: „Intelligent geplante und betriebene Häuser, zum Teil fälschlich als ‚intelligente Gebäude‘ bezeichnet, zeichnen sich nicht nur dadurch aus, daß sie ein hohes Maß an verknüpften Informations-, Kommunikations- und Gebäudeautomations-Systemen besitzen, sondern vor allem dadurch, daß sie in der Lage sind, Nutzeransprüche unter Umgehung des Einsatzes technischer Einrichtungen direkt aus der Umwelt zu bedienen.“ [1] Um Gebäude über den gesamten Lebens-

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zeitraum hinweg nicht nur zu erhalten, ­sondern auch adäquat nutzen zu können, bedarf es durchdachter und vorausschauender Planungskonzepte. Energieeffizienz im Betrieb ist genauso hoch zu bewerten wie der Verbrauch an grauer Energie oder die Recyclingfähigkeit der Materialien. Dasselbe gilt für nachhaltige Lowtech-Gebäude. Darüber hinaus stellt sich allerdings die Frage, nach welchen zeitlichen oder räumlichen Dimensionen „Lowtech“ abgegrenzt wird. Konkret ist zu klären, ob Technik nur erfasst wird, wenn sie direkt in Zusammenhang mit der Errichtung, dem Betrieb oder dem Rückbau des Gebäudes gebracht werden kann, oder ob auch jener Technikanteil einbezogen wird, der beim Herstellungs­ prozess der Baumaterialien und -komponenten anfällt. Dazu kann einerseits in der zeitlichen Dimension, entlang von Lebenszyklusphasen, oder räumlich, nach Distanz zum Gebäude, unterschieden werden. Die Einteilung nach Lebenszyklusphasen erfolgt grob in vier Phasen: Planung und Herstellung (Rohstoffe) – Errichtung, Bau und Sanierung – Nutzung, Betrieb und Erneuerung – Rückbau und Entsorgung. Je nach Lebenszyklusphase sind unterschied­ liche Technikbezüge herzustellen (Abb. 2). In der Betriebsphase gäbe es darüber ­hinaus die Möglichkeit, den Technikanteil ­vereinfacht nach räumlicher Distanz zum Gebäude zu betrachten [2]: • Technik, direkt am/im Gebäude und Grundstück (Heiz-, Lüftungsanlage, ­Kollektor etc.)

a

b

1 a—b  Klan Kosova Television Studio, Pristina (RKS) 2017, ANARCH, Astrit Nixha. Ein ehemaliges Industriegebäude in Pristina wurde für den privaten Fernsehsender TV Klan weitgehend mit natürlichen Materialien aus der Umgebung, recyceltem Abbruch­ materialien aus dem ehe­maligen Industrie­ bau oder Baumaterial aus im Krieg zerstörten Gebäuden saniert. Ziel der Sanierung war es auch, ein neues Be­­ wusst­sein für Recycling und Re-Use zu schaffen.

• Anteil Technik im Quartier nötig für das Gebäude (Energieverteiler, Zu- und Abwasser etc.) • Anteil Technik Gemeinde / Stadtebene nötig für das Gebäude (Energieversorgung, Altstoff-Entsorgung/-Recycling etc.) • Anteil Technik überregional, nötig für das Gebäude (Gewinnung Energieträger etc.)

2  Lebenszyklusphasen und Technikeinsatz (Beispiele)

1

In Hinblick auf Vergleichbarkeit und Ökobilanz sowie als Ausgangspunkt für Planungsentscheidungen stellt diese räumliche Kategorisierung jedoch wenig relevante Informationen zur Verfügung. Daher wird für die Betrachtung von Lowtech-Konzepten im Folgenden ein objektbezogener Ansatz gewählt. Erheblich ist jener Technikanteil, der sich anteilsmäßig dem Gebäude zuschreiben lässt und entweder im Gebäude selbst entsteht oder im direkten Umfeld und im Zusammenhang mit Errichtung, Nutzung und Rückbau über den gesamten Lebens­zyklus hinweg. Technikanteile in Planung und Material-/ Rohstoffherstellung Schätzungen internationaler Expertinnen und Experten zufolge sind die globalen

Emissionen von Informations- und Kommu­ nikationstechnologien (IKT) mittlerweile mit 2,1– 3,9 % zu beziffern [3]. Somit übersteigt der CO2-Fußabdruck von Computern, Servern und Internet bereits die globalen Treibhausgase durch den weltweiten Flugverkehr, der mit einem Anteil von rund 3 % (Stand 2018) unter dem Höchstwert zurückliegt. Zusätzlich steigt der Energieverbrauch von IKT pro Jahr um 9 % [4]. Ohne gezielte steuernde Maßnahmen wird es zu einem Anstieg der IKT-Emissionen kommen. Dennoch werden direkte und ­indirekte Umweltauswirkungen durch die zunehmende Nutzung digitaler Medien ständig unterschätzt. Digitale Technologien spielen seit einigen Jahrzehnten auch in der gesamten Bauplanung eine wesentliche Rolle. Sämtliche Planungsprozesse werden mittlerweile mittels CAD-Programmen, diverser Planungssoftware und elektronischer Hilfsmittel durchgeführt. Verstärkt kamen in den vergangenen Jahren die standardmäßige Anwendung von Gebäudesimulationen zur Abschätzung des thermisch-energetischen Verhaltens eines Gebäudes und der Einsatz von Building Information Modeling (BIM) für die vernetzte Planung hinzu. Ein beachtlicher Technikanteil entsteht also schon in der Konzeption und Planungsphase. Zudem ist ein weiterer gewichtiger Anteil an Technologie in der Rohstoff­ gewinnung, Materialherstellung und im Transport evident. Kriterien einer nach­ haltigen Lowtech-Bauweise sollten den Technikanteil daher stets hinterfragen und einbeziehen. Eine Möglichkeit, den Tech­

Planung und Herstellung

Bau, Errichtung, Sanierung

Nutzung, Betrieb und Erneuerung

Rückbau und Entsorgung

Planung: IT

Geräte für Aushub und Baustellen­ vorbereitung

Technik im Zusammenhang mit der Gebäudenutzung

Planung / Organisation ­Rückbau

Technik zur Gewinnung von ­Rohstoffen

Technik zu Bau, Errichtung und Einbau Geräte und Komponenten für den Gebäudebetrieb, Rege­ lung und Steuerung (Heizen, Kühlen, Lüften, Beleuchten etc.)

Technik für Rückbau und Demontage

Technik zur Herstellung von ­Baumaterial und Komponenten

Technik zur Sanierung der Bausubstanz

Geräte und Komponenten für Wartung und Instandhaltung

Technik für Verwertung, Recycling, Re-Use etc.

Transport von Rohstoffen und Materialien

Transport von Menschen, Baumaterial und Komponenten

Transport von Menschen und Gütern für Betrieb, Wartung und Instandhaltung

Transport von Reststoffen, Materialien und Kompo­ nenten 2

Das nachhaltige Lowtech-Gebäude

23

nikanteil bei der Material- und Rohstoff­ herstellung weitgehend zu reduzieren, liegt in der Verwendung von Rohstoffen oder Bauelementen aus Bestandsgebäuden (Abb. S. 6; Abb. 1, S. 23). Aspekte wie Regionalität von Baustoffen und Materialien sowie ein bewuss­terer Einsatz digitaler Technologien sollten Teil eines umfassenden Konzepts sein. Technikanteil Bau, Errichtung, Sanierung Der Technikanteil in der Bauphase ist aufgrund des zeitlich und räumlich definierten Rahmens vergleichsweise eindeutig zu erheben. Vom Aushub bis zur Fertigstellung sind sämtliche Technologien, Baustellenfahrzeuge und Geräte relevant, die nötig sind, um die Errichtung des Gebäudes vorzubereiten, das Gebäude zu bauen, Komponenten zusammen zu fügen oder Bauteile einzubauen. Darüber hinaus existiert ein beachtlicher Technikanteil, der je nach Bauweise und Vorfertigungsgrad der Bauteile in Prozessen abseits des eigentlichen Objekts anfällt. Ein wesentlicher Anteil an Technologie in der Bauphase, sowohl beim Neubau als auch bei Sanierungen, geht jedoch zulasten des gesamten Transportbereichs für Menschen und Güter. Der Abtransport von Aushubmaterial, Abrissmaterialien oder Schutt und sämtliche Rohstoffe und Materialien, die mit Lkws zur Baustelle transportiert werden, verursachen massive CO2-Emmissionen. Lange und unkoordinierte Transportwege bewirken ein hohes Verkehrsaufkommen, einhergehend mit hohen Umweltbelastungen. Pilot- und Forschungsprojekte [5] zeigen auf, dass einerseits mit einer logistisch effizienteren Baustellenorganisation und andererseits durch den Einsatz nachhaltiger Transportmöglichkeiten (z. B. Ver­ lagerung von Transporten auf die Bahn) deutliche Reduktionen des Transportbedarfs und eine umweltfreundlichere Bau­ stellen­abwicklung möglich sind, z. B. Pilotprojekt RUMBA [6]. Bei Sanierungen gilt darüber hinaus, je mehr Baustoffe direkt auf der Baustelle wiederverwendet und ­verwertet werden können, desto weniger Technik oder zusätzliche Transporte sind nötig.

24

Technikanteil Nutzung, Betrieb und Erneuerung In der Nutzungs- und Betriebsphase fällt die gesamte Gebäudetechnik ins Gewicht, die der Versorgung mit Frischluft, Wasser, Licht und Wärme (oder Kälte), der Entsorgung von Abluft, Abwasser und Abfall sowie gege­benenfalls dem Transport innerhalb des Gebäudes mit Aufzügen dient [7]. Des Weiteren ist Technik für Wartung, Service und Reparatur der gebäudetechnischen Anlagen relevant. Sicherheitstechnik wird zunehmend nicht nur für Büros oder Arbeits­ stätten ein Thema, sondern auch für den Privatbereich. Je nach Gebäudenutzung können darüber hinaus spezifische Funktionalitäten mit technischer Gebäudeausrüstung bereitgestellt und geregelt werden. Unter dem Obergriff „Smart Home“ – Entwicklungen digitaler Technologien zur automatisierten und vernetzten Regelung und Steuerung einzelner Gebäudetechnikabläufe und Geräte – nimmt insbesondere der Technikanteil bei routinemäßigen Abläufen und der Bedienung von Geräten in Wohnbereichen stark zu. Die einfache mechanisch zu bedienende Türglocke von einst ist heute eine mit Ton- und Videofunktion ausgestattete hochtechnische Türsicherungsanlage zur Zutrittskontrolle. Automa­ tische, über Sensoren gesteuerte Fensteröffnung als Alternative oder Ergänzung zu Lüftungsanlagen ersetzen herkömmliches Fensterlüften. Technische Systeme werden „intelligenter“ und übernehmen Aufgaben, die früher von Menschen wahrgenommen wurden. So ermöglicht digitalisierte Technologie unter anderem zunehmend altersgerechtes Wohnen in der gewohnten Umgebung. Ambient Assisted Living (AAL) bietet

Rohstoff­ abbau

Herstellung der Baustoffe

3  Lebenszyklusphasen

Verarbeitung

Aufbereitung /  Verwertung Nutzungsphase Verwertung extern Beseitigung

Rückbau / Abbruch 3

technische Unterstützung durch zahlreiche Funk­tionen, wie eingebauten Sensoren zur Sturzkontrolle und Wahrnehmung von Veränderungen oder digital gesteuerte Zutrittsfunktionen, die Rettungsdiensten im Notfall den Zugang ermöglichen. Der Technikanteil in der Betriebsphase wirft jedoch erneut die Frage auf, welche Systemgrenzen als Bezugspunkt für LowtechGebäude gelten. Das heißt, ob Technik nur soweit betrachtet wird, als sie direkt im und am Gebäude und dazugehörigen Grundstück verortet ist, oder räumlich ausgedehnter erfasst wird? Die Einbindung in lokale oder überregionale Ver- und Entsorgungsnetze (Strom-, Nah- oder Fernwärmenetze, im Nachbarschaftsverbund gemeinschaftlich betriebene Anlagen etc.) zeigt, dass eine dahingehende scharfe Abgrenzung schwierig ist. Grundsätzlich sollte auch über enge Systemgrenzen hinweg die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien vorrangig sein. Geht es jedoch darum, den Technikanteil zu bewerten, so erscheint eine klare räumliche Eingrenzung dahingehend sinnvoll, dass jene Technik einbezogen wird, die im Umfeld des Gebäudes erfassbar und dem Grundstück anteilsmäßig eindeutig zuzuordnen ist.

ten erarbeitet, mittels derer ein Recycling­ anteil von bis zu 95 % zu erreichen ist. Ergebnisse dieser Studie und einer breiten Analyse zum Stand der Technik bestehender Baukonstruktionen und bei Abbruch und Demontage zeigen, dass noch große Schwachstellen und Mängel in Richtung kreislauffähiger Konstruktionen und Recy­ clingfähigkeit bestehen. Voraussetzung für ein erfolgreiches Recycling oder die Wiederverwendung einzelner Bauteile oder Reststoffe ist, dass Bauweisen und Kon­ struktionen gewählt werden, die eine stoff­ liche Trennung und Demontage beim Abbruch direkt auf der Baustelle ermöglichen. Unterstützen würde dies eine umfassende Dokumentation aller Bauelemente bereits in der Errichtungsphase. Zur Bestimmung des Technikanteils in der Rückbauphase kann die Systemgrenze so gesetzt werden, dass jener Anteil der aus dem Gebäude stammenden Stoffe, der direkt mit dem Rückbau des Gebäudes am Grundstück selbst anfällt und im direkten Zusammenhang mit der Entsorgung, Verwertung oder der Zuführung zu Re- oder Upcyclingprozessen steht, betrachtet wird (Abb. 3).

Technik für Rückbau und Entsorgung Dass auch Abbruch, Demontage und Entsorgung von Gebäuden und Bauteilen einen beachtlichen Anteil an schädlichen Treibhausgasen verursachen, wird in der Kalkulation rund um Investitions- und Errichtungskosten oft vernachlässigt. Ziel sollte sein – wie es bei Ökobilanzierungen bereits erfolgt –, das Augenmerk nicht nur auf die Herstellung und den Einbau von Bauteilen zu legen, sondern den gesamten Kreislauf, von der Herstellung der einzelnen Baustoffe und Komponenten bis zur Entsorgung oder Weiterverwendung, in ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept einzubeziehen. Dabei wird bereits in der Planungs- und Konstruktionsphase entscheidend festgelegt, wieweit eine technikaufwendige Entsorgung oder Wiederaufbereitung vonnöten bzw. die Zuführung zu Re- oder Upcycling­ prozessen möglich ist. In der Studie „recy­ clingfähig konstruieren“ [8] wurden Entwurfsempfehlungen und ein Katalog von Aufbau-

Lowtech-Designstrategien als ganzheit­ licher Lösungsansatz Um den drohenden Klimakollaps in den Griff zu bekommen, ist ein radikales Um­­ denken notwendig. Eine effiziente Gebäudetechnik wird nicht allein ausreichen, um im Gebäudesektor die für die Klimaziele notwendigen Veränderungen voranzubringen. So gesehen kann Lowtech auch als Gesellschaftskritik und Kritik am vorherrschenden Wachstums- und Effizienzparadigma verstanden werden. Die kritische Haltung gegenüber Technologie ist Ausdruck eines Bewusstseins, Wachstum nicht länger an den Verbrauch von mehr Ressourcen zu koppeln, Quantität durch Qualität zu ersetzen und Bauen wieder stärker in Verbindung mit Bautradition und der Natur zu verstehen. Der Begriff Lowtech in der Architektur folgt derzeit keiner festgelegten Definition. Vielmehr werden damit die Heilsversprechen von Technologie in der Gesellschaft hinter-

Das nachhaltige Lowtech-Gebäude

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fragt und ein Experimentieren mit Alternativen durch stärkere Einbeziehung naturbasierter Lösungen, durch Verwendung natürlicher Materialien und dem Vorrang für analoge Prozesse ausgedrückt. Dabei geht es jedoch weniger um die völlige Ablehnung von Technik an sich oder deren isolierte Betrachtung, sondern um die Frage nach einer gesamtsystemischen Denkweise im Sinne der Ziele regenerativer Nachhaltigkeit. Regenerative Nachhaltigkeit strebt die Schaffung sich selbst regenerierender sozia­ler und ökologischer Systeme an. In diesem Sinne sind natur- und biobasierte Lösungen, lokale Umweltressourcen sowie soziale und kulturelle Potenziale die tra­ genden Säulen eines integrierten LowtechGesamtkonzepts. Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie, Soziales – bilden den formenden Rahmen. Da aber regionale Bau­traditionen einerseits mehr Eigenverantwortlichkeit und Selbsttätigkeit erfordern, andererseits vielfach grundlegende Komponenten von auf ­Lowtech beruhenden Gebäudekonzepten darstellen, ist die Erweiterung um die im wissenschaftlich-politischen Diskurs als vierte Säule bezeichnete „kulturelle“ oder „politisch-prozessuale“ Komponente der „Institutionen" bzw. „Partizipation" grund­ legend [9]. Abb. 4 gibt einen Überblick, welche Lowtech-Potenziale zum Erreichen von Nachhaltigkeitszielen beispielhaft beitragen können. Lowtech-Architektur zielt darauf ab, die ­Nutzung lokaler Ressourcen, natürlicher

Elemente und Wirkprinzipien zu maximieren, um übermäßigen Energie- und Ressourcenverbrauch zu vermeiden. Der kritische Blick auf die eingesetzte Technik soll dessen wirksamen Beitrag zum Gesamtsystem hinterfragen und, über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, mehr Effizienz, soziale Akzeptanz sowie Gesundheit und Wohlbefinden fördern. Basierend auf den vier Nachhaltigkeitsdimensionen lässt sich nachhaltiges Lowtech-Design demnach durch folgende grundlegende Planungsstrategien charakterisieren: • Ökologie = klima- und ressourcenschonende Bauweise, die weitgehend vorhandene Umweltressourcen (Klima, Standort und Herkunft) für den Betrieb nutzt und wesentlich zur Regeneration des Öko­ systems beiträgt • Ökonomie = suffiziente, robuste und kosteneffiziente Bauweise, die einen reduzierten Technikanteil über den gesamten Lebenszyklus (Herstellung – Betrieb – Rückbau) anstrebt • Sozial = bedürfnisangemessene und sozial gerechte Bauweise, die ein angenehmes Maß an Komfort, Versorgung und Entsorgung sicherstellt sowie gleichzeitig Gefährdungspotenziale und Nahrungs­ mittelkonkurrenz gegenüber anderen auch für zukünftige Generationen ausschließt • Partizipation / Kultur = einfache, verständ­ liche, lokal bewährte und auf Eigenver­ antwortlichkeit basierende Bauweise, die Selbstbau, selbsttätige Wartung und Pflege und die regionale Baukultur stärkt

Wirkungsebene

Nachhaltigkeits­dimension Ökologie

Ökonomie

Sozial

Kultur / Partizipation

Ökosystem

Mikroklima, ­Geologie, ­Vegetation, natürliche ­Ressourcen

Standort / Topografie

Kreislauf­ wirtschaft

natur- / biobasierte Lösungen

Umwelt / Ressourcen

Lebenszyklus, nachwachsende Rohstoffe

lokale Ressour­ cen, Robustheit

(Verteilungs-) Gerechtigkeit

Teilen, Mehrfachnutzung, Nutzungsmix

Eigenverant­ wortung

Einfachheit

Suffizienz, ­Reduktion

Baukultur, Tradition

Mensch

4

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4  Nachhaltigkeitsdimen­ sionen und mögliche Lowtech-Wirkungs­ ebenen (Beispiele)

A  ökologische Qualität ÖKOSYSTEM — Klima, Regeneration, Resilienz RESSOURCEN — Form, Energie, Kreislaufsysteme B  ökonomische Qualität ROBUSTHEIT — Lebenszykluskosten, Homogenität, Qualität EINFACHHEIT — Funktionalität, Wartung, Bedienung C  soziale Qualität SUFFIZIENZ – Bedarfsminimierung, Flächenverbrauch, Nutzungsintensität GESUNDHEIT — natürliche Rohstoffe, Material, Mensch-Natur-Beziehung 5  Lowtech-Matrix (Kurzversion)

D  Partizipation / Prozessqualität KREISLAUFFÄHIGKEIT — Nutzungsflexibilität, Rückbau, Dokumentation VERANTWORTUNG — Klimawandelanpassung, (Bau)Kultur, Gerechtigkeit

Lowtech-Matrix Im Folgenden werden die einzelnen Aspekte detaillierter betrachtet und entlang einer umfassenden Lowtech-Matrix erläutert (Abb. 5 und Abb. 8, S. 30f.). Standort, Klima und Ökosystem Lowtech-Designstrategien verfolgen einen standortbasierten Ansatz. Dabei werden lokale Umweltressourcen als Mittel oder Katalysator eines energieeffizienten und ökologischen Designansatzes gewählt. Je nach Standort können beispielsweise Wind, Sonne, Erde oder Wasser die treibenden Ressourcen eines ganzheitlichen Lösungsansatzes zur Ver- und Entsorgung darstellen oder lokal verfügbare Baustoffe die Basis für die Grundkonstruktion des Gebäudes ­liefern. Entgegen technikgetriebener Konzepte, die eine weitgehende Abschottung gegen schwer zu kalkulierende oder unstete Umwelteinflüsse anstreben, um kontinuierliche Komfortstandards zu gewährleisten, setzen Lowtech-Konzepte auf Suffizienz und Resilienz. Ziel ist es, die dynamisch-ökologische Einheit zwischen Mensch, Gebäude, Ort, Natur und Ökosystem zu nutzen und darauf aufbauend optimierte Konzepte zu entwickeln. Robustheit und Ressourcenschonung Hochwertige Baustandards und auf Basis bewährter handwerklicher Baukonstruktionen ausgeführte Baudetails sind Garant für Robustheit und eine lange Lebens- und Nutzungsdauer. Darüber hinaus können durchdachte und detailliert ausgeführte konstruktive Baudetails den Einsatz technisch aufwendiger Gebäudeausrüstung

5

reduzieren. Ein suffizienter und ressourcenschonender Umgang mit Rohstoffen und die Vermeidung von Emissionen in allen Lebenszyklusphasen zählen zu den zentralen Zielen. Das beinhaltet die Vermeidung von Transportwegen ebenso wie den Verzicht auf weiträumige Erdbewegungen und Aushub. Materialhomogenität, Maßnahmen zur Reduktion von Komplexität in den Baudetails oder die bewusste Entscheidung ein „Altern“ zuzulassen, z. B. das Vergrauen von Fassaden, sofern damit keine konstruktive Beeinträchtigung einhergeht, zeichnen ein Lowtech-Designkonzept zusätzlich aus. Energie und Versorgung Lowtech-Design setzt auf die Nutzbarmachung einfacher Wirkprinzipien und den Einsatz natürlicher erneuerbarer Umweltressourcen, um damit Gebäude effizient und basierend auf einem suffizienten Technikeinsatz zu versorgen. Eine (energie-)effiziente Bauweise und eine energetisch optimierte Form schaffen den Ausgangspunkt für einen möglichst niedrigen Bedarf an zusätzlicher Energie in der Betriebsphase. Standortfaktoren wie Mikroklima und Topografie bilden neben regional verfügbaren Energie- und Umweltpotenzialen (Sonne, Erdreich, Grundwasser, Wind, innere Wärmequellen, Jahreszeiten-/Tag-Nachtrhythmus etc.) sowie der effizienten Nutzung natürlicher Material- und Rohstoffeigenschaften die tragenden Säulen eines auf Lowtech basierenden Energiekonzepts. Darüber hinaus gilt es, mögliche Versorgungs- und Entsorgungskreisläufe im Gebäude mit der umgebenden Bebauung und dem Standort (Abwärme – Heizung / Kühlung, Kraft-Wärme-Kopplung, Regen-/

Das nachhaltige Lowtech-Gebäude

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6  Lehmpassivbürohaus, Tattendorf (AT) 2005, Architekturbüro Rein­ berg mit Roland Mein­ gast. Lehmbaustoffe sind bekannt für ihren posi­ tiven Einfluss auf das Innenraumklima. Leis­ tungsfähige Lehmputze regulieren die Luft­ feuchtigkeit und erhö­ hen fühlbar den Wohn­ komfort. Chemische Zusatzstoffe können aber selbst dieses

Naturprodukt nach ­einmaliger Verwen­ dung zu nicht mehr wiederverwertbarem Müll verwandeln. Die Anwendung von Lehm­ baustoffen auf höchs­ tem baubiologischen Niveau und ohne che­ mische Stabilisierung in Verbindung mit einer Passivbauweise wurde als Prototyp einer industriellen Fertigteil­ bauweise in Tattendorf bei Wien realisiert [10].

Abwasser – Brauchwasser etc.) sinnvoll abzustimmen. Gebäudekonzepte mit aus­ reichendem Tageslichteintrag sparen nicht nur Stromkosten im Betrieb, sondern minimieren auch den Einsatz von Beleuchtungstechnologie. Betrieb, Pflege und Wartung Eine einfache und leicht zu wartende Gebäu­ detechnik gehört zu den zentralen Aspekten von Lowtech-Architektur. Steuerung und Regelung der Anlage sollte durch die Nutzenden ohne spezifisches Fachwissen und mit geringem Wartungsaufwand möglich sein. Interdisziplinäre und integral aufeinander abgestimmte Planung trägt nicht nur zur Vermeidung von Redundanzen bei, sondern erhöht im Regelfall auch die Qualität der Ausführung. Ziel ist es, unnötige Komplexität in der Gebäudetechnik zugunsten eines benutzerfreundlichen Gesamtkonzepts zu ersetzen. Technikkonzepte für LowtechGebäude sollen auf bewähr­ten oder einfach zu bedienenden Standardkomponenten aufbauen. Eine transparente Kommunikation von Entscheidungspfaden und verständliche Informationen zur Funktionsweise ermöglichen eine höhere Akzeptanz und Mitwirkung der Nutzenden. Suffizienz und Nutzungsintensität Um Technik und graue Energie bei der Gebäudeherstellung zu minimieren, sollten nachhaltige Lowtech-Gebäude zusätzlichen Flächenverbrauch und Bodenversiegelung vermeiden und grundsätzlich vorhandene

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6

Bausubstanz nutzen. Mit Bedacht auf eine ökonomische und ressourcenschonende Bauweise ist es maßgeblich, mit LowtechDesign auf den zunehmenden Leerstand von Gebäuden zu reagieren. Neben der Nutzung vorhandener Bau­sub­stanz zählt die Reduktion der Nutzfläche auf ein bedarfs­ adäquates Maß zu den zentralen Punkten. Mehrfachnutzung von Räumen oder geteilte Infrastruktur und Ressourcen tragen wesentlich zu einer Minimierung des Flächenverbrauchs und von Gebäudetechnik bei. Die Verwendung von Baustoffen aus Recyclingprozessen oder Secondhandmaterialien aus vorhandener Bausubstanz sind ein zusätzlicher Nachhaltigkeitsaspekt. Mit einer Grundriss- und Temperaturzonierung nach temporär und permanent versorgten Bereichen kann eine suffiziente Energieversorgung unterstützt werden. Gesundheit und Wohlbefinden Graue Energie und CO2-Emissionen durch Transport lassen sich merklich durch die Verwendung lokal vorhandener und tradierter nachwachsender Rohstoffe und Mate­ rialien reduzieren. Gebäudetechnik in der Raumklimatisierung kann durch Baustoffund Materialeigenschaften minimiert werden. Darüber hinaus ist der Effekt von ­einigen ausgewählten Materialien für ein gesundes Innenraumklima inzwischen anerkannt (Abb. 6). Als gesundheitsfördernd und als positiver Beitrag zur Erhöhung der Lebensqualität wird auch die Verbesserung der Mensch-Natur-Beziehung gesehen.

7 a—b  rückbaubares Büro­ haus, Delft (NL) 2019, cepezed. Bis auf die Bodenplatte ist das Gebäude — ein Vorzei­ geprojekt für kreislauf­ fähiges Bauen — kom­ plett zerlegbar und kann an jedem beliebi­ gen Ort zur Gänze wie­ der aufgebaut oder die Teile anderweitig im Stoffkreislauf gehalten werden [11].

Anmerkungen  [1] Daniels 2000  [2] Ritter 2014, S. 17   [3] Freitag u. a. 2021  [4] The Shift Projekt  [5] Obernosterer 2021  [6]  MD-Stadtbaudi­ rektion der Stadt Wien 2004  [7] wie Abm. 2  [8]  Schneider, Böck, Mötzl 2011  [9] nachhaltigkeit.info [10] nachhaltig­ wirtschaften.at [11] Detail 6/2021

a

b

Vegetation und Bepflanzung trägt sowohl im Außen- als auch im Innenraum zur Verbesserung der natürlichen Luftfeuchte bei und minimiert den zusätz­lichen Einsatz von Geräten und Technik.

hitzung bereits heute ein Problem, das sich aber mit Begrünungsmaßnahmen wirkungsvoll abmildern ließe. In ländlichen Regionen bestimmen unvorhersehbare Wetterkapriolen immer häufiger Bedrohungsszenarien, denen wiederum durch eine entsprechend robuste und auf standortspezifische Gegebenheiten abgestimmte Bauweise entgegengewirkt werden kann. Zur sozialen Verantwortung gehört auch die kulturelle Verantwortung gegenüber Bautradition, Baukultur und tradiertem Erfahrungswissen. Darüber hinaus gilt es aber auch, die soziale Verantwortung gegenüber ökonomisch benachteiligten Regionen und kommenden Generationen wieder stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Jede Baumaßnahme ist gleichzeitig ein Eingriff in die Biodiversität des Standorts und sollte im Sinne eines verbesserten Ökosystems positive und keine negativen Effekte evozieren. Auf natürlicher Basis hergestellte Baustoffe, die vielleicht ökologisch wünschenswert, aber sozial bedenklich sind, weil sie gleichzeitig die Ernährung von Menschen gefährden, sind kritisch zu hinterfragen. LowtechDesign könnte grundlegende Aspekte des Bauens, eine Rückbesinnung auf Grund­ bedürfnisse und die Reflexion des eigenen Handels wieder stärker im gesellschaftlichen Bewusstsein verankern. Darüber hinaus kann Lowtech-Design aber auch ein Experimentierraum sein für zukunftsfähige Konzepte als positive Beiträge zu Klima­ stabilisierung und regenerativen Nachhaltigkeitszielen.

Nutzungsänderung und Rückbau Hoher Technikeinsatz und die damit einhergehenden Treibhausgase bei der Errichtung lassen sich je nach Lebens- und Nutzungsdauer des Gebäudes relativieren. In der Planungsphase werden bereits jene Entscheidungen getroffen, die für die Möglichkeiten zur Nutzungsänderung oder einen kreislauffähigen Rückbau bestimmend sind (Abb. 7). Dazu zählen offene Nutzungskonzepte, getrennt ausbaufähige Baukomponenten und Materialien, zudem eine genaue Dokumentation der eingesetzten Ressourcen und Materialien. Als nachhaltigste Konzepte gelten allerdings jene, die eine möglichst lange Nutzungsdauer des Gebäudes anstreben. Möglichkeiten zu Nachrüstung, Erweiterung oder Umbau für eine teilweise oder gänzliche Umnutzung sollten eingeplant und wesentlich stärker in der Nachhaltigkeitsbewertung berücksichtigt werden. Klimawandelanpassung, Baukultur, ­Parti­zipation und Verantwortung Zunehmend dringlicher wird es, auch im Bauwesen auf regionale Klimawandelphänomene zu reagieren und geeignete Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen. In urbanen Gebieten ist die ansteigende Über-

7

Das nachhaltige Lowtech-Gebäude

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A

ökologische Qualität

ÖKOSYSTEM — Klima, Regeneration, Resilienz standortbasierter, regenerativer und ökologischer Designansatz, Nutzung der dynamisch-ökologischen Einheit eines Standorts und der Wechselbeziehung von Mensch, Gebäude, Natur und Ökosystem für einen ganzheitlichen Lösungsansatz Klima

ganzheitlicher, ökologischer und regenerativer Designansatz auf Basis lokaler Ressourcen und Gegebenheiten, wie (Mikro-)Klimafaktoren (z. B. Sonne, Wasserflächen, Luftströmung, Vegetation), Geologie (z. B. Bodenbeschaf­ fenheit), Topografie (z. B. Gelände, Bodenoberfläche) etc.

Regeneration

Maßnahmen als positiver Beitrag zur Wiederherstellung / Verbesserung eines funktionierenden (regenerativen) Ökosystems bzw. Vermeidung von negativen Einflüssen und Eingriffen in funktionierende Umweltkreisläufe (z. B Landnutzung, Biodiversität, Vegetation, Wasser)

Resilienz

Suffizienz und Resilienz auf Basis von Klima, Standort, Geografie und vorhandener Infrastruktur (z. B. Regionalität, bauliche Dichte, Anbindung und Nutzung bestehender Infrastruktur, Einbindung in lokale Wirtschaftskreisläufe)

RESSOURCEN — Form, Energie, Kreislaufsysteme energieeffiziente und ökologische Bauweise basierend auf suffizientem Technikeinsatz, Nutzung einfacher Wirkprinzipien und naturba­ sierter Lösungen für die Versorgung mit erneuerbaren, regional verfügbaren Ressourcen, Minimierung grauer Energie und Vermeidung von CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus betrachtet Form

energetisch optimierte Form und Orientierung (z. B. Mikroklimaanpassung der Form /Oberfläche / Fassaden, Anteil Verglasung — Speichermasse) Nutzung von Klima- / Standortfaktoren zur thermischen, hygienischen und akustischen Behaglichkeit und zur natür­ lichen Belichtung

Energie

Versorgung (Heizung, Kühlung, Lüftung) basierend auf natürlichen, erneuerbaren und regional verfügbaren Energie(Umwelt-)potenzialen (Sonne, Erdreich, Grundwasser, Wind, innere Wärmequellen, Erwärmung / Kühlung durch Jahreszeiten-/Tag-Nachtrhythmus etc.), unter Berücksichtigung eines suffizienten Technikeinsatzes und optimierten energetischen Kenndaten (Heizwärmebedarf [kWh/m2a], Gebäudeheizlast [W/m2], Primärenergie­ kennzahl [kWh/m2a])

Kreislaufsysteme

Bildung und Nutzung möglicher Versorgungs- und Entsorgungskreisläufe im Gebäude unter Berücksichtigung der umgebenden Bebauung und des Standorts (Abwärme — Heizung / Kühlung, Kraft-Wärme-Kopplung, Regen- / Abwasser — Brauchwasser etc.)

B

ökonomische Qualität

ROBUSTHEIT — Lebenszykluskosten, Homogenität, Qualität robuste und auf lange Lebens- und Nutzungsdauer ausgerichtete Gesamtkonzeption, hochwertiger ökologischer und ökonomischer Baustandard mit dauerhaften (bewährten handwerklichen) Bautechniken und -konstruktionen, unter Berücksichtigung eines suffizienten Ressourcen- und Rohstoffverbrauchs mit geringen Lebenszykluskosten Lebenszykluskosten Minimierung grauer Energie und Vermeidung von CO2-Emissionen im Lebenszyklus durch kurze Transportwege, Vermeidung von Emissionen oder technischem Mehraufwand bei der Errichtung (z. B. Aushub, technischer Auf­ wand für Keller und Untergeschosse), suffizienter Ressourcen- und Materialeinsatz etc. Homogenität

Anwendung einfacher, bewährter (handwerklicher) und dauerhafter Bautechniken und -konstruktionen, einfache Baudetails und Aufbauten, Möglichkeiten zum Selbstbau und zur Vorfertigung etc. Materialhomogenität, reduzierte Komplexität in der Materialauswahl und suffizienter Materialeinsatz

Qualität

qualitätssichernde Maßnahmen zur Verlängerung der Lebens- und Nutzungsdauer von Baukomponenten mittels passiver / konstruktiver Gebäudedetails (z. B. Detaillierung Feuchteschutz, UV-Strahlung etc., Einplanen von „Altern“ und „Pflege“ der Oberflächen, konstruktive Verschattung)

EINFACHHEIT — Funktionalität, Wartung, Bedienung interdisziplinär geplantes und integral aufeinander abgestimmtes, einfaches und robustes Gebäudekonzept mit benutzerfreundlicher Steuerung und Regelung sowie einfacher Reparatur und Wartung Funktionalität

geringe Komplexität der Gebäudetechnik und Leitungsführung (z. B. Einbau ohne bautechnischen Aufwand, offene Leitungsführung)

Wartung

einfache Instandhaltung und Pflege, einfacher Austausch und Wartung einzelner Komponenten (z. B. Standard­ komponenten) ohne spezifisch technische Hilfsmittel oder Bedarf zusätzlichen Fachpersonals, Minimierung von Kosten für Wartung und Betrieb etc.

Bedienung

einfache, intuitive Bedienung, Handhabung, Steuerung und Regelung durch die Nutzenden oder Ermöglichung einer (automatisierten) Steuerung und Regelung durch Umweltfaktoren (z. B. Wind, Temperaturschwankungen, Lichtintensität, Luftfeuchte)

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C

soziale Qualität

SUFFIZIENZ — Bedarfsminimierung, Flächenverbrauch, Nutzungsintensität ökonomische und ressourcenschonende Größe und Ausstattung (Fläche, Raumvolumen, Innenausbau, Haustechnik, Geräte etc.), ­minimierter Flächenverbrauch und Vermeidung von zusätzlicher Bodenversiegelung (vorrangig Nutzung bestehender Bausubstanz), Erhöhung der Nutzungsintensität Bedarfsminimierung

Nutzung vorhandener Bausubstanz und Materialien (Revitalisierung, Umnutzung, Recycling, Upcycling, Verwen­ dung von Baureststoffen und Sekundärrohstoffen etc.)

Flächenverbrauch

Minimierung des Flächenverbrauchs, z. B. kompaktes und optimiertes A/V-Verhältnis

Nutzungsintensität

bedarfsangepasstes Flächennutzungs-, Grundriss- und Ausstattungskonzept (z. B. Zonierung der Grundrisse, Klima- / Temperaturzonen, permanente / temporäre Versorgung) Nutzung von Potenzialen für Mehrfachnutzung, Teilen und Erhöhung der Nutzungsintensität

GESUNDHEIT — natürliche Rohstoffe, Material, Mensch-Natur-Beziehung Auswahl und ökonomischer Einsatz lokaler, natürlicher, ökologischer, erneuerbarer, recyclingfähiger und robuster Materialien mit langer Lebensdauer und einem Beitrag für Gesundheit und Wohlbefinden natürliche Rohstoffe

(Wieder-)Verwendung lokal vorhandener nachwachsender Rohstoffe und Materialien mit hochwertigen Recy­ cling- und Kreislauffähigkeiten und minimalem Transportaufwand

Material

effiziente Nutzung vorhandener natürlicher Baustoff- und Materialeigenschaften für ein suffizientes und robus­ tes Gebäudekonzept zur Minimierung von Ressourcenverbräuchen (z. B. Wärmespeicherung, Kühlung, einfache Recyclingfähigkeit etc.), ein gesundes Innenraumklima (z. B. hygroskopische Eigenschaften) und eine lange Lebensdauer (z. B. Beständigkeit)

Mensch-NaturBeziehung

Maßnahmen zur Verbesserung der Verbindung Mensch-Natur als Beitrag zu Lebensqualität, Gesundheit und Wohlbefinden (thermische, hygienische und akustische Behaglichkeit, natürliche Belichtung, natürliche Luftfeuchte, Vegetation, begrünte Innen-, Außen- und Freiräume etc.)

D

Partizipation/Prozessqualität

KREISLAUFFÄHIGKEIT — Nutzungsflexibilität, Rückbau, Dokumentation Gebäudekonzept, Baukonstruktionen und Materialverbindungen, die einen einfachen Austausch einzelner Baukomponenten, die getrennte Verwertung, Rückbau und Recycling / Upcycling von Materialien und Baustoffen oder eine teilweise oder gänzliche Umnutzung ermöglichen Nutzungsflexibilität

offenes Nutzflächenkonzept mit maximaler Flexibilität hinsichtlich Erweiterung und Nutzungsänderung Einplanung / Mitplanung von Nachrüstung, Erweiterung oder Rückbau und Adaptierung durch einfache (nicht) bauliche Maßnahmen und geringen technischen Aufwand möglich

Rückbau

sortenrein demontierbare Bauteile und/oder Materialien mit trennbaren Verbindungsdetails, die die Möglich­ keit der weiteren Nutzung als Produkt bzw. einer sonstigen Verwertung bieten

Dokumentation

Dokumentation von eingesetzten Ressourcen, Materialien und Entscheidungspfaden im Herstellungsprozess

VERANTWORTUNG — Klimawandelanpassung, (Bau)Kultur, Gerechtigkeit verantwortungsbewusstes Gesamtkonzept als regenerativer Beitrag zum Klimawandel und zu sozialer Gerechtigkeit, Förderung und ­Weiterentwicklung baukultureller Qualität und Partizipation Klimawandel­ anpassung

Maßnahmen zur Vorkehrung von regionalen Klimawandelphänomenen, um optimal auf Umgebungsbedingun­ gen und deren Veränderungen reagieren zu können zukunftsfähige, innovative Konzepte als positiver Beitrag zur Klimastabilisierung und zu regenerativen Nachhal­ tigkeitszielen (z. B. Gebäude als Kohlenstoffspeicher)

(Bau-)Kultur

Einbeziehung / Berücksichtigung von Erfahrungswissen aus der regionalen / historischen Bautradition Förderung und Weiterentwicklung baukultureller Qualität Partizipation und Einbeziehung von Nutzenden und Betroffenen

Gerechtigkeit

(Verteilungs-) Gerechtigkeit und soziale Verantwortung, wie Vermeidung von Baustoffen mit Gefährdungs­ potenzial für Nahrungsmittelkonkurrenz, Schutz der Biodiversität etc. 8

8  Lowtech-Matrix

Das nachhaltige Lowtech-Gebäude

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Bauen mit Naturbaustoffen und lokalen Ressourcen Ein Gespräch mit Anna Heringer

Sie arbeiten bevorzugt mit Lehm und lokalen Naturbaustoffen, dabei beziehen Sie auch die örtliche Bevölkerung in den Entwicklungs- und Bauprozess mit ein. Das heißt, in Ihrer Arbeit als Architektin setzen Sie einen relativ engen Konnex zu kulturellen Werten, Material und auch lokaler Wirtschaft. Das ist richtig. Als 19-Jährige hatte ich das Glück, in Bangladesch bei einer Entwicklungsorganisation mitzuarbeiten. Dort habe ich gelernt, dass die effektivste Strategie für Resilienz ist zu sehen, welche Ressourcen es direkt vor Ort gibt und wie man das Beste daraus entwickeln kann, ohne sich von externen Faktoren abhängig zu machen. Ich schaue immer nach den lokal verfügbaren Materialien: Lehm ist immer vorhanden, dann gibt es meist auch Holz, Bambus oder Stroh etc. Und was sind die lokalen Energieressourcen? Für mich ist vor allem das Handwerk die wichtigste Energie­ ressource. Meist denken wir bei Energie­ ressourcen an Öl, wir denken an Sonne und Wind etc., aber wir selbst sind auch eine Energiequelle, jeder von uns. Wir sind eine kreative Energiequelle, und wir sind eine wachsende Energiequelle – fast 8 Milliarden. Es ist ein urmenschliches Bedürfnis, gebraucht zu werden und einer guten und sinnvollen Arbeit nachzugehen. Das Bauen ist eine sinnvolle Arbeit. Es ist auch eine schöne Arbeit, gerade mit diesen natürlichen Materialien. Wenn wir diese Ener­ giequelle nicht nutzen, dann haben wir ­vielleicht auch ein soziales Problem, die

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Arbeitslosigkeit. So gesehen ist der Mensch für mich die wichtigste Energiequelle bei allen Projekten. Zudem gibt es nicht nur das lokale Knowhow, nicht nur das lokale Handwerk, Wissen oder die Kultur, sondern auch eine globale Kreativität, das globale Wissen. Wissen und Information sollte nicht eingeschränkt sein, sollte überall abrufbar sein. Manche Dinge machen Sinn, und manche Dinge lassen sich nicht auf die lokalen Ressourcen an­­ wenden. Früher sind die Handwerksgesellen auf die Walz gegangen, das Wissen rotierte sozusagen. Und die gesammelten Erfahrungen konnten sie dann zu Hause anpassen: „Ja, den super Stein wie in Italien, den haben wir jetzt bei uns in Bayern leider nicht, aber wir können vielleicht was anderes draus machen mit dem Wissen.“ Das Schöne beim Lehm ist: Er kann total Lowtech verwendet werden, also wirklich nur mit Handwerk und ohne jeglichen Strom. Er lässt sich aber auch Hightech anwenden, denn natürlich kann man in Europa nicht mit Wasserbüffeln rotieren. Das heißt, man muss andere Methoden entwickeln. Das Material bleibt das gleiche, Lehm ist zu 100 % Erde, nur das Werkzeug ändert sich. Wie weit sehen Sie im Lehmbau auch in Europa eine große Zukunft? Arbeitskräfte sind verhältnismäßig teuer, also ein sehr wesentlicher Kostenfaktor. Ja, das ist eine Herausforderung, aber das liegt nicht am Material oder am Handwerk an sich, das ist das Problem unseres Wirt-

schaftssystems. Wenn man das Handwerk als Energieform sieht, dann ist das die wahrscheinlich am meisten besteuerte Energieform. Dabei sollte eigentlich Öl viel höher besteuert sein oder die Energie, die CO2 ausstößt. Bauen mit lokalen, natürlichen Baustoffen ist immer arbeitsintensiv, aber meistens CO2-neutral, leistet also einen Beitrag, zwei unserer dringlichsten Probleme entgegenzuwirken: dem Klimawandel und sozialer Ungerechtigkeit. Deswegen müsste es heißen: Weg mit den ­Subventionen von Materialien wie Zement, Stahl, Aluminium, Polymeren etc. und stattdessen hin zu Subventionen für natürliche Materialien. Oder man sollte zumindest eine Kostenwahrheit herstellen: Die ganze Energie und das CO2, das bei der Erzeugung des Materials oder auch in Recyclingprozessen entsteht, müsste mitberechnet wer-

den. Beton zu recyceln, gelingt nur mit Qualitätsverlust. Man muss viel Zement und Energie zuführen, um wieder eine halbwegs brauchbare Qualität zu erhalten. Deshalb ist Recycling nicht gleich Recycling. Wenn ich Lehm recycle, dann hat dieser wieder die gleiche, wenn nicht sogar eine bessere Qualität. Und das nur durch die Zugabe von Wasser. Ähnliches gilt auch für die Kostenwahrheit bei natürlichen Faserstoffen. Wenn ein Dämmmaterial, das auf Basis von Erdöl – wie die meisten der heute eingesetzten Dämmstoffe – entsteht, das billigste ist und natürliche Alternativen wie Stroh, Hanf, Schafwolle oder Schilf nicht mehr leistbar sind, dann stimmt etwas nicht. Was wären Ihre Vorschläge, um den ­Lehmbau in Europa stärker zu etablieren? Wie könnte die Produktion aussehen?

1  Stampflehmwände im ayurvedischen Zentrum, Gästehaus RoSana, Rosenheim (DE) 2021, Anna Heringer mit Martin Rauch

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Bauen mit Naturbaustoffen und lokalen Ressourcen

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2  Stampflehmwände und Lehmkaseinböden im ayurvedischen Zentrum, Gästehaus RoSana, Rosenheim (DE) 2021, Anna Heringer mit Martin Rauch

Ich könnte mir vorstellen, dass es so wie bereits in Schlins in Vorarlberg funktioniert: Dort gibt es eine lokale Lehmfabrik, die das Aushubmaterial der Region entgegennimmt und daraus große gestampfte Fertigteile produziert. Die Fertigteile werden auf der Baustelle gestapelt und dann durch Handwerk und Arbeitskraft fugenlos verarbeitet. Genauso, wie es viele lokale Zementwerke gibt, weil sich der Zement nicht so weit transportieren lässt, da er sonst stockt, müsste es auch lokale Lehmfabriken geben, zu denen das Aushubmaterial jeder Region mit geringen Transportwegen angeliefert und dann verarbeitet wird. Material gäbe es genug. Statt für die Lagerung zu zahlen, ist Lehm eine wunderbare, wertvolle Ressource, die es gratis in der Natur gibt, die kein CO2 verursacht und nicht nur gesund für die Umwelt ist, sondern auch für uns Menschen. In Europa gibt es eine große Lehmbautra­ dition: in Deutschland vor allem die Fachwerkhäuser, aber auch im Burgenland in Österreich oder in Frankreich, wo ganze Schlösser aus Stampflehm gebaut sind. Auch die Alhambra in Spanien besteht ­teilweise aus Stampflehm, es gibt jahrhundertealte Gebäude. Die Einschränkung exis­tiert also nur in unseren Köpfen, ein ­kulturelles Blackout sozusagen. Selbst höhere Gebäude mit fünf bis sechs Geschossen sind im Lehmbau durchaus machbar, und das ermöglicht schon eine sehr gute Dichte. Die Frage ist auch: Müssen unsere Gebäude überhaupt viel mehr Geschosse

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haben oder verlieren wir dann nicht sowieso einen guten Maßstab? Wo sehen Sie in Europa sonst noch Handlungsbedarf, um das Bauen mit Naturbaustoffen stärker zu etablieren? In Europa besteht großer Handlungsbedarf bei den Bauvorschriften und Normen, die sehr oft von der Baustoffindustrie beeinflusst sind. Es gibt zu viele Haftungsfragen, auch werden Ängste geschürt. Aus Angst heraus zu agieren, ist keine gute Strategie. Die Kernproblematik – das spüre ich ganz stark –, warum wir in Europa so wenig nachhaltig bauen und so wenig Naturbaustoffe einsetzen, ist wirklich die Angst. Wenn wir mehr aus Schönheit und Liebe heraus agieren, unseren Mitmenschen gegenüber, aber auch der Natur, den lokalen Bauweisen und den natürlichen Ressourcen gegenüber, dann wird ein Gebäude auf ganz natürliche Art und Weise auch nachhaltig. Schönheit ist ein sehr guter Motor zu Nachhaltigkeit. Man kann Schönheit und gute Gestaltung als Hebel benutzen, um Leute zu überzeugen und zu begeistern. Die EU diskutiert derzeit viel über Energieeffizienz, wie sehen Sie das? Ja, Energieeffizienz ist natürlich wichtig, aber man sollte das auch auf einer übergeordneten Ebene betrachten. Wir müssen wieder hin zu einer glücklichen Genügsamkeit. Was braucht es wirklich? Auch wenn wir mittlerweile in vielen Bereichen oft mehr technische Effizienz erreicht haben, wollen wir wie beispielsweise beim Wohnen viel mehr Quadratmeter – das ist der Rebound-

Das Gespräch führte Edeltraud Haselsteiner am 14. Februar 2022.

effekt. Wir haben bessere Motoren als vor 20 Jahren, aber dafür sind unsere Autos auch viel größer und schwerer geworden. Das ist genau das Gleiche beim Bauen. Hier sehe ich den wichtigsten Hebel: Man kann sich nur verkleinern, wenn man dafür den Luxus eher darin sieht, mit gesunden Materialien und mit handwerklich veredelten Oberflächen zu arbeiten. Ich glaube, die Intensität in handwerklich gestalteten Oberflächen ist spürbar, ein kleiner Raum muss sich nicht klein anfühlen. Gemeinsam mit Martin Rauch habe ich beispielsweise im Gästehaus in Rosenheim (Abb. 1– 3) relativ kleine Räume mit 14 m2, 15 m2, 16 m2 entworfen. Dort wohnen die Leute für zwei Wochen, die normalerweise große Räume gewohnt sind. Es fühlt sich aber niemand

eingesperrt, im Gegenteil. Die Räume sind vom Schnitt und von den Materialien her gut geplant, liebevoll gestaltet und handwerklich hoch veredelt, alles ist in sich ­harmonisch, da nimmt man nichts als Einschränkung wahr. Und der Lehm in seinen verschiedenen Abstufungen – also vom samtig anmutenden Lehm­putz hin zum ­wirklich archaisch erdigen Stampflehm und den Lehmkaseinböden – trägt wesentlich dazu bei. Nur im Badezimmer gibt es aus gebranntem Ton gefertigte Fliesen. Ich glaube, das ist die Richtung, die wir einschlagen müssen, und weniger, dass wir auf Hightech-Ebene das Problem in den Griff kriegen. Ein wunderbarer Abschluss. Vielen Dank für das Gespräch.

3  lokale natürliche ­Baumaterialien Holz, Weidengeflecht und Lehm im ayurvedischen Zen­trum, Gästehaus RoSana, Rosenheim (DE) 2021, Anna ­Heringer mit Martin Rauch 3

Bauen mit Naturbaustoffen und lokalen Ressourcen

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Analyse

Lowtech-Fokus: Entwurf, Konzept, System 38  Entwurfsstrategien 40   Naturbasierte Lösungen 48   Klimasensitiv Bauen 52 Lowtech-Fokus: Gebäudetechnik 56   Energiepotenziale der Umwelt 58   Suffiziente Energieplanung 68   Robuste Gebäudeplanung 72 Lowtech-Fokus: Material 78   Nachhaltige Baustoffwahl 78   Kreislauffähiges Bauen und Sanieren 86 Lowtech-Fokus: Sanierung   Umgang mit dem Bestand   Sanierungstrategien und -konzepte für Bestandsgebäude

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historisches Museum, Ningbo (CN) 2008, Amateur Architecture Studio, Wang Shu, Lu Wenyu

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Lowtech-Fokus: Entwurf, Konzept, System Edeltraud Haselsteiner

Wird auf Technik verzichtet, sind die Planen­ den stärker gefordert, alternative Lösungen zu entwickeln. Gebäudeform und -konzept in Wechselwirkung mit Klima und Standort werden zu den zentralen Herausforderun­ gen eines nachhaltigen Planungskonzepts. Christian Hönger und Roman Brunner von der Hochschule Luzern sprechen von drei räumlichen und architektonischen Strate­ gien, um den Anforderungen an Klima-, Ressourcen- und Energieaspekten – abseits von hoch entwickelter Gebäudetechnik – gerecht zu werden: dem Spar-, dem Gewinnund dem Ausweichverfahren [1]. Abhän­ gig von den klimatischen Bedingungen sind diese drei Verfahren unterschiedlich an­wend­­bar. Beim Sparverfahren geht es vorrangig darum, Wärmeverluste zu verrin­ gern. Je nach klima­tischen Bedingungen werden Oberflächen verkleinert, die Volumen von Bauteilschichten als mögliche Spei­ chermasse insgesamt „dicker“ gemacht, Gebäude in das Erdreich eingegraben oder Nutzflächen in der kälteren Jahreszeit auf das Nötigste reduziert. Das Gewinnverfah­ ren wiederum zielt darauf ab, solare Ener­ giegewinne optimal zu nutzen. Gebäude werden optimal in Richtung Sonne orien­ tiert, zusätzlich „aufgebläht“, um temporäre Räume für Übergangszeiten zu ermöglichen oder mit einer zusätzlichen Schicht „umhüllt“, um Pufferräume zu schaffen. Im dritten Ver­ fahren, dem Ausweichverfahren, bestimmen die Prinzipien des „Einschließens“, des „Durchlüftens“ und des „Wanderns“ die ­Planungen. Das heißt, durch diese drei Ver­

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fahren werden Nutzräume von einer außen liegenden zweiten Hülle als Sonnenschutz eingeschlossen, vornehmlich mittels Wind durchlüftet oder je nach Tages- und Jahres­ zeit wechselnd bewohnt [2]. Damit die Herausforderungen und Poten­ ziale des Standorts sichtbar und die Rele­ vanz der einzelnen Klimaelemente Solar­ strahlung, Temperatur, Feuchte und Wind für das Planen deutlich werden, steht am Beginn eine umfassende Klimaanalyse als Schlüsselfaktor für eine klimagerechte Archi­ tektur [3]. Zusätzlich bietet ein Blick auf tra­ ditionelle Bauweisen der jeweiligen Region wichtige Hinweise auf mögliche architekto­ nische Begegnungen mit klimatischen Ver­ hältnissen am Standort. Das mitteleuropäische Klima war lange Zeit gekennzeichnet durch relativ kühle Sommer, lange Schönwetterperioden im Herbst und kalte Winter. Gebäude sind daher traditio­ nell gut wärmedämmend ausgeführt. Dabei wurde herkömmlich Holz als natürlicher Baustoff verwendet, gegebenenfalls mit gemauerten Steinen oder aus Lehm beste­ henden Ziegelelementen ergänzt. In alpinen Regionen gab es Holz reichlich vor Ort, sodass keine langen Transportwege anfie­ len. Ebenso war es als wärmedämmendes Baumaterial durch seinen hohen Wärme­ durchgangswiderstand und niedrige Wär­ mekapazität begünstigt. Klimaveränderungen und ihre Folgen erfor­ dern zunehmend vorausschauende Überle­ gungen in Richtung Strategien zur Klimaan­ passung. Der Klimawandel hat Auswirkungen

Anmerkungen [1] Hönger u. a. 2013 [2] ebd. [3] Erber, RoßkopfNachbaur 2021; Hausladen u. a. 2012, S. 8

auf alle Weltregionen. Temperaturanstieg und Hitzetage rücken das Problem der Über­ hitzung in den Vordergrund, extreme Wetter­ ereignisse mit heftigen Regenfällen, Über­ schwemmungen oder Trockenheit werden Standard. Diese Veränderungen haben Effekte auf das Bauen von morgen und ver­ langen nach adäquatem Vorgehen. Low­ tech-Design und robuste Architektur kann mit innovativen Lösungen und umsichtigen Maßnahmen einen Beitrag gegen Klimawan­ delphänomene leisten. Naturbasierte Lösungen unterstützen den Übergang zu einem regenerativen Bauen (siehe „Naturbasierte Lösungen“, S. 48ff.). Darüber hinaus braucht es allerdings auch einen Paradigmenwechsel und eine Rück­

besinnung auf die eigentlichen Erforder­ nisse des Bauens. Im Folgenden werden Konzepte vorgestellt, die sensitiv auf Klima, Komfort- und Nutzeransprüche reagieren. Außerdem demons­trieren die Beispiele, wie Gebäude je nach Notwendigkeit „mitwach­ sen“ oder „schrump­fen“ können, um etwa in der kalten Jahreszeit weniger Räume behei­ zen zu müssen oder für den Fall, wenn die Bedürfnisse und Nutzungen sich ändern. Kreislauffähiges Bauen und Gebäude als Teil eines ökologischen Kreislaufs zu ver­ stehen sollten einen zukünftigen Standard vorwegnehmen. Schließlich zeigt die Praxis, welche Herausforderungen mit einer klima­ sensitiven Planung verknüpft sind (siehe „Klimasensitiv bauen“, S. 52ff.).

1 Denkwerkstätte, Hittisau (AT) 2020, Georg Bechter Architektur. Kreative Nutzung des Bestands. Der Architekt Georg Bechter sanierte ein altes Stallgebäude mit regionalen und nachwachsenden Rohstoffen. Genutzt wird es nun als Büro und Experimentierlabor für eigene Produkte.

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Entwurfsstrategien

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Entwurfsstrategien Edeltraud Haselsteiner

Klima- und standortoptimierte Gebäudeform „Was nicht von Anfang an einbezogen wird, lässt sich nicht nachträglich implementie­ ren. Wenn das Klima also nicht bereits Teil der frühen Entwurfsphase ist, bleiben die Einflüsse auf Faktoren wie Form und Typolo­ gie unberücksichtigt und müssen nachträg­ lich mit technischen Mitteln im oder am Gebäude kompensiert werden.“ [1] Wenn Technik sinnvoll eingesetzt werden soll, ist Klima also der maßgebende Entwurfsfaktor. Dabei ist die morphologische Gestalt des Gebäudes eine besonders bestimmende Größe.

nische Steinmauern vor den starken Win­ den auf Teneriffa geschützt. Gleichzeitig wirken diese doppelwandigen Steinmauern durch Luftkammern und Luftzirkulation kli­ maregulierend. Das Gebäude verfügt weder über eine Heizung noch über eine Klima­ anlage. Begrünte Flachdächer, Regenwas­ serrückgewinnung, Strom aus dem angren­ zenden Windpark und Baumaterial aus dem Aushub fügen sich mit weiteren Design­ lösungen zu einem nachhaltigen Gesamt­ konzept.

Bioklimatisches Gebäude auf Teneriffa Im Süden der Kanareninsel Teneriffa wur­ den insgesamt 25 bioklimatische Häuser errichtet, die unterschiedliche Möglichkeiten im Umgang mit den klimatischen Bedingun­ gen am Standort ausloten (Abb. 1). Alle Gebäude werden als Ferienhäuser nur zeit­ lich begrenzt vermietet. Das bioklimatische Haus wird durch hohe, kreisförmige vulka­

Kultur- und Tourismuszentrum in Terrasson Für die Errichtung des Kultur- und Touris­ muszentrums in Terrasson in der Dordogne kamen erstmals in der Architekturgeschichte Gabionenwände als energieabsorbierende Masse zur Anwendung. Das in ein Draht­ geflecht eingelegte unbearbeitete Gestein stammt aus einem nahegelegenen Stein­ bruch. Das Gebäudekonzept selbst beruht auf dem Prinzip eines Gewächshauses. Im Winter erwärmt die direkte Sonneneinstrah­ lung die Natursteinwand und einen Teil der

1 a–c  bioklimatisches Gebäude, Ferienhaus ITER Park, Granadilla, Teneriffa (ES) 2000, Ruiz Larrea & Asociados Lowtech: mikroklimatisch standortoptimierte Gebäudeform und -oberfläche, Einsatz regionaler Bau­ materialien und Aushub, natürliche Klimaregulierung

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2 Kultur- und Tourismuszentrum, Terrasson (FR) 1994, Ian Ritchie Architects Lowtech: hohe Wärmespeichermasse, optimierte Solargewinne, natürliche Belüftung, Kühlen mittels Wasserverdunstung 3 a–b Gewerbebau Grüne Erde Welt, Pettenbach (AT) 2018, architek­ turbüro arkade mit terrain: integral designs Lowtech: Recycling des Bestandsgebäudes, natürliche Belichtung und Belüftung über begrünte Atrien, optimierte und stand­ort­ angepasste Baukon­ struktion

Bodenplatte, im Sommer sorgt Wasser von der Natursteinwand und von umliegenden Bäumen für Verdunstungskühlung (Abb. 2). Öffnungen zwischen den Wänden und dem Glasdach erlauben dank des in dieser Region permanenten Winds eine natürliche Belüftung. Haus im Terrassenhang in Hiroshima Das Gebäudekonzept des Einfamilienhau­ ses Stone Terrace greift die Funktionsweise von Reisterrassen auf und überträgt die Vorteile von Licht, Wasser und Wind für die landwirtschaftliche Produktion auf die Archi­ tektur. Am Standort herrscht ein feuchtes subtropisches Klima mit heißen Sommern und häufigem Niederschlag selbst in den „trockenen“ Monaten. Im Sommer wird das Gebäude über natürliche Thermik gekühlt: Auf der Nordseite wird die über ein Wasser­ becken gekühlte Luft angesaugt, warme Luft kann an der Decke der Südseite ent­ weichen. Das geneigte Dach beschattet im Sommer den Innenraum und maximiert im Winter das Sonnenlicht (Abb. 4). Gewerbebau in Oberösterreich Die Architektur der handwerklichen Produk­ tionsstätte Grüne-Erde-Welt folgt dem Leit­ gedanken des Unternehmens, einem Leben und Wirtschaften in Verbundenheit mit Natur und Mensch (Abb. 3). Das Verkaufs- und Betriebs­gebäude steht auf der Grundfläche eines ehemaligen Bestandsgebäudes, um keine zusätzlichen Grünflächen zu belasten. Der gesamte Abbruchbeton wurde rezyk­ liert und im Neubau wiederverwendet. Um den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten, ist die Baukonstruktion in vielen Details optimiert. Natürliche Bau­ materialien wie regionales Holz und Schaf­

4 Einfamilienhaus STONE Terrace, Hiroshima (JP) 2008, Kazuhide Doi Architects Lowtech: klima-/ standortangepasste Architektur, Einsatz von vorhandenem Material (Steinmauerwerk) und traditioneller Bautechnik, natürliche Lüftung, Kühlung, Erwärmung

Wald

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schurwolle bestimmen das Baukonzept. Das Gebäude ist in eine 5 ha große Gar­ tenanlage mit heimischen Pflanzen und Bäumen eingebettet. 13 bepflanzte, orga­ nisch miteinander in Verbindung stehende Atrien erzeugen im Inneren ein angeneh­ mes Raumklima und sorgen für natürliche Belichtung und Belüftung. Sommersonne

Wintersonne Reisterrasse

Sicht aufs Reisfeld Steinmauer als Sichtschutz Straße

Wasserbecken

passive Entlüftung

Wassergarten

kalte Brise vom Wasser

Wohnen Innenhof 4

Entwurfsstrategien

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Grundriss- und Temperaturzonierung Durch den Einsatz von Energieeffizienztechnologien sinken die Energieverbrauchskosten. Allerdings setzte sich in der Folge auch eine gleichmäßige Temperierung gesamter Gebäu­deeinheiten als verbreitete Planungsstrategie durch, sodass sich Energieeinsparungen weitgehend wieder relativierten. Um den Technikeinsatz wiederum zu reduzieren, ist eine Zonierung entsprechend unterschiedlicher Klima- oder Temperaturniveaus oder eine an saisonal unterschiedliche klimatische Bedingungen angepasste Raumnutzung eine zielführende Strategie. Vorbilder dieser klimaangepassten Grundriss- und Temperaturzonierung findet man im autochthonen Bauen, d. h. in von naturnahen Bevölkerungsgruppen entwickelten Bautechniken. So sind etwa traditionelle Gebäudekonzepte im alpinen Raum anschauliche Beispiele für Möglichkeiten saisonaler Grundrisszonierung sowie für eine auf lokale, geologische und klimatische Gegebenheiten angepasste Architektur (Abb. 8, S. 20): Während im Sommer die gesamte Nutzfläche zur Verfügung steht, ziehen sich die Bewohnenden im Winter in einige wenige bewohnte Räume zurück. Schlafräume werden direkt über der im Winter beheizten Stube angeordnet und indirekt miterwärmt, Stall und Heuboden wirken in den Wintermonaten als zusätzliche Wärmequellen und Dämmschichten. Im sehr sparsamen Umgang mit Materialien, reduziert auf einfache handwerkliche Bautechniken und die notwendige Wirtschaftlichkeit, bieten traditionelle Bauweisen einen Fundus an möglichen Lösungen zur passiven Raumtemperierung. Moderne Konzepte einer nachhaltigen Architektur rücken diese Ideen wieder ins Bewusstsein.

Forschungszentrum in Barcelona Der Neubau des Forschungszentrums der Universität Barcelona wurde selbst zu einem Versuchsraum eines innovativen Gebäudekonzepts (Abb. 5). Die Tragstruktur bildet eine langlebige, kostenreduzierte und hinsichtlich der Menge optimierte Betonstruktur mit großer Speicherfähigkeit. Diese ist an der Fassade von einer ebenso kostengünstigen „bioklimatischen Haut“ bekleidet. Über eine automatische Steuerung werden die schräg gestellten Glaslamellen je nach Sonneneintrag variiert. Gut isolierte Holzboxen, in unterschiedlichen Größen und Formen in die Grundstruktur eingestellt, bilden die eigentlichen Arbeitsräume. Vier Innenhöfe versorgen das Gebäude mit natürlichem Tageslicht und ausreichender Durchlüftung. Das Klimamanagement basiert auf unterschiedlicher Nutzungsintensität einzelner Funktionsbereiche. Büros und Labore mit großen inter­ nen Wärmelasten sind so angeordnet, dass andere Funktionsbereiche während der Wintermonate von diesen Wärmequellen profitieren und im Sommer die Hitze abgeleitet wird. Zwischenbereiche werden ausschließlich passiv klimatisiert oder beheizt.

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Solar Decathlon Das Haus LISI war der österreichische Beitrag zum Solar-Decathlon-Wettbewerb 2013.

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5 a–c  Forschungszentrum ICTA-ICP, UAB Campus, Barcelona (ES) 2011, Harquitectes + DATAAE Lowtech: unterschied­ liche Klimazonen im Gebäude nach Funk­ tionsbereichen, bioklimatische Fassade, optimierte Tragkonstruktion, natürliche Belichtung und Durchlüftung, Nutzungsflexibilität 6  Haus LISI, Solar ­Decathlon 2013, Team Austria, TU Wien u. a. Lowtech: modulares (erweiterbares) Raum-, Konstruktions- und Haustechnikkonzept, ökonomischer Grundriss mit eingebauter Möblierung (in Wände inte­griert), nachwachsende Rohstoffe

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7 a–b Forschungsprojekt „Einfach Bauen”, Bad Aibling (DE) 2020, ­Florian Nagler Architekten; Alle drei Versuchshäuser sind soweit wie möglich einschalig gebaut – aus Dämm­ beton (links), Massivholz (Mitte) und verputztem Dämmziegel (rechts). Lowtech: reduzierte Baukonstruktion, minimierte Technikausstattung, klassische Grundrissgeometrien und 3 m hohe Räume

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Ein auf ein Minimum reduzierter Wohnbereich lässt sich auf die zweifache Größe in die angrenzenden Innenhöfe nach Norden und Süden erweitern. Verschiedene „architektonische Layer“ – von einfachen Vorhängen bis zu massiven Holzbauteilen – ermöglichen anpassungsfähige Raumkonstruktionen und ein Wechselspiel von Privatheit und Transparenz (Abb. 6). In Kombination mit einem innovativen Energie-, Lüftungs- und Wasserversorgungskonzept fügt sich das Wohnhaus zu einem qualitativ hochwertigen, nachhaltigen und leistbaren Gesamtkonzept.

wohnungen entsprechen, d. h. etwa 3 m hohe Räume mit einer Grundfläche von etwa 6 ≈ 3 m und angemessenen Fenstergrößen [3]. Diese Ergebnisse zeigen einmal mehr, dass Strategien zum nachhaltigen Bauen nicht zwingend in komplexen technischen Lösungen zu finden sind, son­dern gerade die Reduktion auf einfache Prinzipien des Bauens und Planens der Vergangenheit eine zentrale Rolle spielen kann.

Einfach bauen Lowtech im Bauen ist an Erwartungen wie Einfachheit und an ein bewusstes Bekenntnis zur Askese geknüpft. Eine Forschungsgruppe an der Technischen Universität München, unter der Leitung von Florian Nagler, hat in einem mehrjährigen Forschungsprozess untersucht, wie ein Gebäu­ ­de errichtet sein muss, das im Winter wenig Energie benötigt, sich im Sommer nicht unnötig aufheizt und auch unabhängig vom Ver­hal­ten der Nutzenden gut funktioniert [2]. Dazu wurden unterschiedliche Konstruk­ tionsvarianten verglichen und „das robuste Optimum“ gesucht. In Bad Aibling, auf einem ehemaligen Kasernen­gelände, entstanden drei Forschungshäuser mit mono­ lithischen Wandaufbauten aus Massivholz, Mauerwerk und Leichtbeton, um daraus zusätzliche Rückschlüsse auf weitere Vereinfachungen im Bauen zu erhalten (Abb. 7). Schließlich ergaben umfassende Messungen und Datenauswertungen, dass Räume, unabhängig von Materialität und Orientie­ rung, dann am besten funktionieren, wenn sie den klassischen Geometrien von Altbau-

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Haus-im-Haus-Prinzip Die Architekten Francesco Buzzi und Britta Buzzi-Huppert machten die alten steiner­ nen Ställe in der kleinen Tessiner Ortschaft durch ihre besondere Art der Sanierung wieder bewohnbar. Das Dach des Gebäudes wurde entfernt und nach dem Haus-­ im-Haus-Prinzip eine Holzkonstruktion aus vorgefertigten Elementen in den bestehenden Mauerring eingesetzt. Die Bestandsmauern aus Granitgestein dienen als Speichermasse und Schutz vor der Witterung. Sozialer Wohnungsbau mit Pufferzonen Die beiden Architekten Anne Lacaton und Jean Philippe Vassal sind bekannt für architektonische Lösungen mit einfachsten Mitteln, die gleichzeitig einen großen Mehr­wert für die Bewohnenden bringen. Um Kosten zu optimieren und dadurch leistbaren Wohnraum zu schaffen, nutzen sie bevorzugt industriell gefertigte Elemente. Zudem greifen sie gerne auf unbeheizte Pufferzonen und einfache Vorhänge zurück. Die Wintergärten vermeiden, im Sommer weit geöffnet, durch eine mögliche natürliche Belüftung Überhitzungsprobleme und schaffen im Winter eine Pufferzone. Gleichzeitig erweitern die Wintergärten durch vorgesetzte

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Konstruktionen, insbesondere bei Sanie­ rungen, die Wohnfläche und schaffen eine neue Verbindung zum Außenraum. Ein 2005 von den Architekten in Mulhouse errichteter sozialer Wohnungsbau orientiert sich an der Kon­struktion von Gewächshäusern (Abb. 8). Nur ein Teil des Gebäudes ist jeweils ge­­ dämmt und beheizbar, den anderen Teil ­bildet ein saisonal nutzbarer Wintergarten.

raumbekleidungen aus Vollholz gefertigt. Wände, Decken und Fußböden wurden mit Buchenholz, sägerauer oder geschliffener Weißtanne oder mit Weiß­tannenholzlamellen bekleidet.

Bürogebäude in Alpnach Der Verwaltungsbau in Alpnach spiegelt die Unternehmensphilosophie einer Schweizer Firma für hochwertige Holzkonstruktionen wider (Abb. 9). Angewendet wurde ein firmeneigenes Massivholzsystem aus verdübelten Brettern und einer demontierbaren, mehrgeschossigen Vollholzkonstruktion. Die Wände bestehen aus mehreren Brettschichten, die untereinander mit Buchendübeln zu einer Gesamtwandstärke von 42 cm verbunden sind. Die inneren Lagen dieses Bausystems bildet Fichtenholz geringerer Güte. Auf eine zusätzliche Wärmedämmung konnte aufgrund der Dämmwirkung und Speicher­ fähigkeit des Massivholzes verzichtet werden. Mit Ausnahme des zentralen Erschließungskerns aus Beton sind sämtliche Innen-

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8 a–b soziale Wohnungsbauten Cité Manifeste und Jardins Neppert, Mulhouse (FR) 2005/2015, Lacaton & Vassal Lowtech: einfache, industriell produzierte Standardelemente, Wohnraumerweiterung und bioklimatisches System durch vorgesetzte Wintergärten

Nutzeroptimierte Planung, Selbstbau und mitwachsende Häuser Projekte, die auf Basis einfacher Bautechniken einen hohen Eigen- und Selbstbauanteil ermöglichen, zeigen Wege alternativer Bauweisen auf. Nach einem ersten Trend zu Selbstbauinitiativen in den 1970er-Jahren gibt es im Rahmen von Baugruppenprojekten neuerlich einen Aufschwung in Richtung gemeinschaftliches Bauen. Damit der Wohn­ bau leistbar bleibt, werden Eigeninitiative, ein sparsamer Umgang mit Material und technischer Ausstattung sowie eine einfach herzustellende Bauweise vorausgesetzt. Die unkomplizierte Art der Bearbeitung prädestiniert den Baustoff Holz zum Selbstbau. ­Darüber hinaus sind aber auch tragende Grundkonstruktionen aus Beton oder Stahl zu finden, die sich ebenso in Eigen­arbeit individuell ausbauen lassen. Nutzungsoptimierte Planungen mit minimalisierten Grundflächen, Überlagerungen von

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9 a–c  Bürogebäude, Alpnach (CH) 2020, Seiler ­Linhart Architekten Lowtech: demontierbare mehrgeschossige Vollholzkonstruktion ohne Klebe- und Verbundstoffe, Massivholzwände, Buchen­holz­ dübel als Verbindungselemente der ein­zel­ nen Brettschichten

10 Wohnbau in Selbstbauinitiative, Wohnregal, Berlin (DE) 1986, Kjell Nylund, Peter Stürzebecher, Christof Puttfarke Lowtech: SelbstbauSystemhaus in Holzrahmenbauweise 10

Nutzungen, um verbaute Flächen zu begrenzen, oder auch die technische Gebäudeausstattung adäquat zur tatsächlichen Nutzung auf das Notwendigste zu reduzieren, sind Ansätze, die früher aus einer Notwendigkeit heraus entstanden, aber heute, nicht zuletzt aufgrund steigender Baukosten, wieder aktueller sind denn je. Flexibilität in der Grundrissplanung erlaubt die Anpassung an sich ändernde Lebensumstände, und in vermehrt gemeinschaftlich geplanten Wohnprojekten wird auf private Wohnfläche zugunsten von gemeinschaftlich genutzten Räumen verzichtet. Nicht zuletzt erhöhen partizipativ geplante und errichtete Projekte die Akzeptanz und die Bereitschaft auch für unkonventionelle Maßnahmen, wie etwa temporären Komfortverzicht oder einen höheren Anteil an Eigenengagement in der Wartung und Bedienung mitzutragen.

basierend auf handelsüblichen Baustoffen und Dimensionen zur Verfügung, um es ungelernten Personen zu ermöglichen, kostengünstig ihr Haus in Holzrahmenbauweise selbst zu errichten. Mit seiner Initiative wollte er besonders einkommensschwachen Gruppen die Gelegenheit bieten, Wohneigentum zu erwerben. In den frühen 1980er-Jahren entstanden in Lewisham (GB) zwei auf seinem Konzept basierende Siedlungen. Die „Segal-Methode“ wurde nachfolgend bei der Planung und dem Bau mehrerer Selbstbauprogramme in England angewendet und weiterentwickelt. Darüber hinaus verbreiteten sich auch in anderen Ländern verschiedene Formen von Selbstbauinitiativen. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1986 in Berlin wurde das sieben Stockwerke hohe „Wohnregal“ als Selbstbaukonzept umgesetzt (Abb. 10). Eine Kooperative aus Nutzenden, Facharbeitern und Architekten organisierte innerhalb eines vorgegebenen Stahlbeton-Fertigteilgerüsts den gemeinschaftlichen Ausbau von zweigeschossigen Wohnungen in Holzbauweise [4].

11 a–c Wohnbau Grundbau und Siedler, Hamburg (DE) 2013, BeL Sozietät für Architektur, Bernhardt und Leeser Lowtech: Mehrfamilienhaus im Selbstbau, kostengünstige suffiziente Bauweise

Diverse Selbstbauinitiativen: Walter Segal Der deutsche Architekt Walter Segal (1907– 1985), der 1936 nach Großbritannien auswanderte, entwarf ein Konstruktionssystem für Häuser aus vorgefertigten Leichtbauelementen. Er stellte detaillierte Baubeschreibungen, Materiallisten, Mengenangaben,

Mehrfamilienhaus im Selbstbau Selbstbauinitiativen sind bis heute praktizierte Konzepte, um auch für Familien mit geringerem Einkommen durch Eigenleistung Wohneigentum zu ermöglichen. Für das Projekt Grundbau und Siedler wurde, ähnlich wie im Projekt Wohnregal (Abb. 10), die tragende Grundkonstruktion samt Installationssträngen und Treppenhaus in einem ersten Bauabschnitt errichtet (Abb. 11). Im Anschluss an den Rohbau, den „Grundbau“, konnten die zukünftigen Bewohnenden ihre Wohnungen nach ihren individuellen Vorstellungen selbst ausbauen. Die „Siedler“

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erwarben einen kompletten Bausatz an Bauteilen und ein ausführliches Handbuch zur Umsetzung der einzelnen selbst durchführbaren Arbeitsschritte. Künstlerateliers Erlenmatt Ost in Basel In Basel entsteht auf der Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs der Deutschen Bahn ein neues Wohnquartier. Das ambitionierte Nachhaltigkeitskonzept des Neubauquartiers orientiert sich am Schweizer Prinzip der 2000-Watt-Gesellschaft. Neben Werten wie autofreie Mobilität und Begrenzung der Wohnfläche soll es auch benachteiligten Gruppen Wohnraum ermöglichen. Die vorgesehene Energiebezugsfläche von 45 m2 pro Kopf liegt um ein Fünftel unter der in Basel üblichen Fläche bei Neubauten [5]. Delego Architekten haben auf dem Grundstück Wohnateliers ohne Heizung und zu einem äußerst günstigen Mietpreis realisiert. Durch die 80 cm dicken Außenwände und einen maßvollen Fensteranteil ist es möglich, rein durch die Abwärme von Geräten und Menschen die Wohnräume zu heizen. Je Wohneinheit gibt es einen Sanitärblock und Anschluss für Strom und Wasser. Sämtliche Oberflächen bleiben roh, den Innenausbau übernehmen die Bewohner selbst (Abb. 12). Selbstbaukonzept in London Das Londoner Architekturbüro Practice Architecture realisierte ein Selbstbaukonzept basierend auf einer einfachen Holzrahmenkonstruktion und Hanfbeton. Dabei lag der Fokus insbesondere auf geringen Lebens­ zykluskosten und möglichst wenig Einsatz grauer Energie. In dem schmalen dreistöckigen Gebäude sind eine Textilwerkstatt und

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zwei Wohnungen untergebracht (Abb. 13). Die Nutzung ist flexibel veränderbar. Die robuste Konstruktion wurde so konzipiert, dass auch ungelernte Arbeitskräfte sie umsetzen können. Die Materialwahl erlaubt, dass in der Konstruktion möglichst viel Kohlenstoff gebunden wird. Darüber hinaus funktioniert das Gebäude weitgehend selbstregulierend und ist manuell gesteuert.

12 a—b Künstlerateliers und Wohnbau, Erlenmatt Ost, Basel (CH) 2019, Degelo Architekten Lowtech: Selbstausbau, kostengünstige, flexible und suffiziente Bauweise, keine Heizung

Kreislauf- und wandlungsfähiges Bauen Lowtech-Design, das den Technikanteil nicht nur in der Bau- und Errichtungsphase, sondern über den gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet, muss weitgehend kreislauf- und wandlungsfähig sein, sodass das Gebäude als Ganzes oder einzelne Bauteile möglichst fortwährend im Stoffkreislauf bleiben. Zusätzlich zur Materialwahl ist die Gestaltung der Materialverbindungen ein entscheidender Faktor. Demontierbare Verbindungen, die qualitätssichernde Ausführung der Verbindungsdetails oder auch eine genaue Baudokumentation der verbauten Materialien und Baustoffe entscheiden wesentlich über den Lebenszyklus einer Konstruktion [6]. Standardisierung, Vorfertigung oder auch Materialhomogenität unter-

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13 a—b Werkstätten und Wohnbau, Timber Weaver’s Studio, London (GB) 2017, Practice Architecture Lowtech: robustes Selbstbaukon­zept, manuelle Steuerung und Regelung, Hanf­ beton

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14  Wohnbau Resource Rows, Kopenhagen (DK) 2019, Lendager Group Lowtech: Recycling von Baumaterialien: Mauerziegel, Abfallholz und Glasfenster

Anmerkungen [1] Hönger u. a. 2013, S. 9 [2] Nagler u. a. 2018 [3] BauNetz 2021 [4] Detail 5/1986 [5] Detail 9/2020 [6] Schneider, Böck, Mötzl 2011 [7] Detail 6/2021

15 a—b Gewerbebau De Werkspoorfabriek, Utrecht (NL) 2019, Zecc Architecten Lowtech: Umnutzung und Adaptierung eines Bestandsgebäudes mit veränderbaren und modularen Einheiten, demontierbare Kon­ struktionen

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stützen diese Bemühungen. Um den „Nutzwert“ eines Gebäudes zu optimieren, d. h. einen möglichst langen Lebenszyklus zu erreichen, müssen der Wert des Gebäudes und seine Nutzbarkeit auch über die ursprüngliche Planung und Nutzungsaus­ legung hinaus gesichert sein. Dazu ist es nötig, Raum und Möglichkeiten für zukünftige Bedürfnisse vorzusehen und entsprechend wandlungsfähig zu planen. Nicht nur die bauliche Flexibilität, sondern inzwischen vielmehr noch die technischen und infrastrukturellen Möglichkeiten zur Umnutzung und Veränderbarkeit bestimmen gegenwärtig die Beständigkeit von Immo­ bilien. Wandlungsfähige und insofern „mobile Immobilien“ lassen sich über einen langen Lebenszeitraum hinweg umnutzen und anpassen. Es sind Gebäude, die mit einem Minimum an Materialaufwand und Technik dem tatsächlichen momentanen Bedarf entsprechen und jederzeit bei ge­änderten Anforderungen leicht nach­ rüstbar sind.

ein deutliches Zeichen für kreislauffähiges Bauen (Abb.  14). Damit möchte er darauf aufmerksam machen, wie sehr Architektur in der Verantwortung für ökologische Lösungen steht. Sein Fokus liegt besonders auf der Wiederverwendung von Baustoffen aus Abbruchgebäuden. Der Wohnbau im Kopenhagener Stadtteil Ørestad erhielt eine Fassade mit Ziegelblöcken aus einer aufgelassenen Brauerei, alten Schulen und Indus­trie­gebäuden. Blöcke von einer Größe von 1 x 1 m wurden aus diesen Bestandsbauten herausgesägt und in der Fassade des Neubaus vermauert. Durch weitere Maß­nahmen, wie der Verwendung von Altholz für Bodenbeläge und der Wiederverwendung von Glasfenstern, ließ sich der CO2-Fußabdruck der Baukonstruktion um 12 % gegenüber konventionellen Neubauten senken [7].

Wohnanlage in Kopenhagen Mit dem Bau der Wohnanlage Resource Rows setzte der Architekt Anders Lendager

Gewerbebau in Utrecht Neben Konzepten zur Nutzung von Bau­ materialien aus Abbruchhäusern zählt auch die Umnutzung von Bestandsgebäuden zu den Zielen kreislauffähigen Bauens. Zecc Architecten bauten mit der Werkspoor­ fabriek in Utrecht eine riesige Industriehalle zu einem Büro und Veranstaltungszentrum um (Abb. 15). Dabei blieben der indus­ trielle Charakter und die Struktur weitgehend erhalten und wurden nur dort verändert, wo es nötig war, neue funktionale Einheiten herzustellen. In den offenen Etagen definieren flexible Elemente aus Holz und Glas die einzelnen Raumabschnitte, die beliebig veränder- und adaptierbar sind. Das modulare System wird ohne Schraubund Klebeverbindungen montiert und ist dadurch 100 % kreislauf­fähig.

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Naturbasierte Lösungen Maria Wirth

Definition und Bedeutung naturbasierter Lösungen Im Kontext fortschreitender Erderwärmung und der Anpassung an deren Folgen gewinnen naturbasierte Lösungen mehr und mehr Bedeutung. Durch natürliche Prozesse wie Evapotranspiration, also die Verdunstung von Wasser insbesondere von Wasseroberflächen und aus der Pflanzenwelt, können naturbasierte Lösungen zur Kühlung des Innen- und Außenraums während Hitzepe­ rioden beitragen. Begrünungen von Bau­ werken und angrenzenden Flächen tragen durch Regenrückhaltung und Retention bzw. Versickerung zum Schutz von Gebäuden vor Schäden durch Hochwasser und Sturzfluten und damit zu deren Robustheit bei. Grüne Infrastruktur, d. h. das Netzwerk vor­ handener natürlicher und künstlich ange­ legter Grünflächen, eignet sich neben der Speicherung und Verdunstung von Wasser auch zur Konversion und Rückgewinnung von Nährstoffen [1]. Eine Begrünung kann außerdem den Energieverbrauch von Ge­­ bäuden bedeutend verringern. In der EU würde die Begrünung von 35 % der urbanen versiegelten Oberflächen deren lokale Sommertemperaturen um 2,5 – 6 °C redu­ zieren und damit Kosten für Kühlung einsparen, die sich ansonsten in den nächsten 40 Jahren aufgrund des urbanen Hitze­ inseleffekts auf etwa 221 Milliarden Euro belaufen werden [2]. Damit stellen natur­ basierte Lösungen nachhaltige Konzepte zur Siedlungs- und Stadt­entwicklung dar. Die Europäische Kommission definiert

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naturbasierte Lösungen als Lösungen, die „von Natur inspiriert und unterstützt werden, die kosteneffizient sind, gleichzeitig ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile bringen und zum Aufbau von Resilienz beitragen [...] durch lokal angepasste, ressourceneffiziente und systemische Interventionen“ [3]. Im Folgenden wird auf drei Kategorien von naturbasierten Lösungen ein­ge­ gangen: • Gebäudebegrünung • Begrünung des Gebäudestandorts • Bioengineering Gebäudebegrünungssysteme, also Systeme zur Integration von Vegetation in die Ge­­ bäudehülle, umfassen Begrünungen von Dächern und Fassaden. Die Begrünung von undurchlässigen Oberflächen wie Dächern erlaubt Regenwasserversickerung und Pflanzenwachstum [4]. Gründächer können entweder intensiv oder extensiv be­­ grünt werden. Bei einer intensiven Dach­ begrünung wird die Fläche bewässert und gedüngt und ein Bodenaufbau wie auch in der Natur verwendet, mit einer Höhe von etwa 25 cm [5]. Eine extensive Dachbegrünung hingegen wird nicht bewässert und hat mit 6 – 15 cm eine viel geringere Substrathöhe. Zur Fassadenbegrünung gehören bodengebundene Systeme etwa mit Kletterpflanzen (Selbstklimmer) oder Pflanzen unterstützt durch Rankhilfen, troggebun­ dene oder wandgebundene Systeme wie sogenannte Living Walls. Letztere werden vorgehängt und hinterlüftet an der Fassade

1  innovative Begrü­ nungsmöglichkeiten in der Stadt

Gartendach

Straßen können die Infrastruktur schützen und weitere genannte Vorteile von Begrünung bieten (Abb. 1). Bioengineering (Ingenieurbiologie) steht für den Einsatz von Vegetation bzw. „lebenden“ Materialien in Kombination mit „toten“ und anorganischen Naturmaterialien für den Bau von grüner Infrastruktur. Bioengineering kommt zur Befestigung von Flussbetten oder erosions- oder rutschgefährdeten ­Hängen und Böschungen zum Einsatz, um Hochwasser, Sedimentabfluss und Erosion zu vermeiden [7]. Beim Bioengineering werden „lebende“ Komponenten (beson­ders Weide) und „tote“ organische, z. B. Grün-

angebracht, fast immer automatisiert bewässert und mit Nährstoffen versorgt und haben dabei auch eine dämmende Wirkung für das Gebäude [6]. Begrünungen des Gebäudestandorts sind Begrünungen von gebäudeumliegenden Freiflächen sowie wassersensible Stadt­ gestaltung. Diese schließen entweder direkt an das Gebäude an oder sind als naheliegende Grünflächen möglich, die zur Verbes­ serung von urbanem Mikroklima, von Wassermanagement, Luftqualität, Lärmbelas­ tung und Biodiversität beitragen. Nachhaltige Siedlungsentwässerung (Sustainable Drainage Systems) neben Gebäuden oder

Industrie­ leichtdach

Dachbe­­grü­ nung mit Anbaufläche

Solar­ gründach Innenraum­ begrünung

Vertical Farming

Pflanzvorhänge Regen­ für Glasflächen dach Urban versicke­rungs­offene Grauwasser­ Farming Wegebefestigung aufbereitung

Reten­sions­ dach

Wartung und Pflege

Biodiversi­ tätsdach

Garten­ dach

Sport- und Spieldach

vergrößerter WurzelKletterpflanzen raum und gezielte auf Rankhilfen Wasser­einleitung fassadengebun­ Direktbegrünung dene Begrünung mit selbstklimmen­ den Kletterpflanzen 1

Naturbasierte Lösungen

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schnitt, Äste, Faschine (Reisig- oder Rutenbündel), Buschlagen, Baumstämme, Geotextilien sowie anorganische Naturmate­ rialien wie Steine zur Hangstabilisierung verwendet [8], die gleichzeitig natürliche Lebensräume und damit Ökosystemdienst­ leistungen gewährleisten (Abb. 1, S. 49). Ökosystemdienstleistungen und Ressourcenflüsse Mit fortschreitendem Klimawandel sehen sich Städte wachsenden Herausforderungen ausgesetzt. Die Intensivierung und Häufung von Starkregenereignissen führen zur Überlastung bestehender Entwässerungsnetze. Vermehrtes Auftreten von tropischen Tagen und Nächten in den gemäßigten Breitengraden und die Steigerung des urbanen Hitzeinseleffekts wirken sich spürbar auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung aus. Die Begrünung der bebauten Infrastruktur kann die Entwässerungsfunktion, Biodiversität, Grundwasserbilanz und das Mikroklima nachhaltig verbessern. In Europa ist der Energieverbrauch in Wohn- und Gewerbegebäuden für über 40 % des gesamten Energieendverbrauchs verantwortlich [9]. Diese Zahl umfasst den betrieblichen Energieverbrauch, d. h. für Heizung, Kühlung, Belüftung und sonstigen Energieverbrauch während der Nutzung

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des Gebäudes. Laut einer EU-weiten Studie könnte die Begrünung von 35 % der Oberfläche in Städten der EU den Energieverbrauch für Gebäudekühlung im Sommer um bis zu 92 TWh pro Jahr reduzieren [10]. In gemäßigten Klimazonen wirkt sich die Überhitzung in der Nacht und im Innenraum am stärksten negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung aus [11]. Für die Dämmung und Kühlung bzw. Temperierung des Innenraums erweisen sich Gebäude­ begrünungen an Dach und Fassade daher am effektivsten [12] und können außerdem ­signifikant zur Reduktion des Energieverbrauchs von Gebäuden beitragen, besonders in Hinblick auf weitere erwartete Temperatursteigerungen. Die Begrünungen der Freiräume an den Gebäudestandorten gelten als eine der wirksamsten Gegenmaßnahmen für den urbanen Hitzeinseleffekt im Außenbereich [13]. Begrünung gewährleistet die Nutzbarkeit der urbanen Freiräume selbst an besonders heißen Tagen und vermeidet damit indirekt, dass Bewohner sich in klimatisierte Gebäude und Transportmittel zurückziehen. Vorhandene Begrünungstechnologien lassen sich vielfältig einsetzen, um mehrfache Vorteile und Dienstleistungen zu bieten. Die Begrünung von 35 % der versiegelten Stadtoberfläche könnte in der EU jährlich ca. 10 km3 Regenwasser aufnehmen und damit Mischwasserüberläufe und Hoch­ wasser vermeiden und in weiterer Folge Gewässer stromabwärts schützen sowie Gebäude und Infrastruktur vor Hochwasserschäden bewahren. Begrünungssysteme erlauben aber auch, Straßenabfluss zu sam-

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2  Beispiele für die Anwendung des Schwammstadt­ konzepts in chinesi­ schen Großstädten: a Yichun Eco-City (Yichun wurde bereits 1986 zur ­ersten VersuchsÖko­stadt in China ernannt.) b Tianjin, entlang des Weijin-Flusses und der Zijinshan Road

3  Kopenhagens erstes klimaresistentes Stadt­ viertel. Die Bewohner der Straße Brygger­ vangen 12–16 haben ihren eigenen städti­ schen Garten angelegt, der mit Regenwasser bewässert wird.

4 4  Bishan-Ang Mo Kio Park, Singapur (SG) 2012, Ramboll Group

Anmerkungen   [1] Kisser u. a. 2020  [2]  Quaranta, Dorati, Pistocchi 2021  [3]  European Com­ mission 2021   [4] wie Anm. 2  [5]  Pearlmutter u. a. 2020  [6]  GRÜNSTATT­ GRAU 2021  [7]  Mickovski 2021  [8]  van Hullebusch u. a. 2021   [9] Gynther u. a. 2016 [10] wie Anm. 2 [11] Buchin 2016 [12] wie Anm. 4 [13] wie Anm. 4 [14] Wirth u. a. 2021 [15] Stadt Wien 2020 [16] Zevenbergen, Fu, Pathirana 2018 [17] State of Green 2019 [18] wie Anm. 15

meln, zu reinigen und zu einem Sammel­ becken zu führen, wo er gespeichert und zur Wiederverwendung bereitgestellt werden kann. Außerdem ist der Einsatz von Begrünungssystemen wie Pflanzenkläran­ lagen möglich, um Abwasser aus Wohn-, Gewerbe- oder Industriegebäuden aufzu­ bereiten und das Wasser sowie enthaltene Nährstoffe direkt wiederzuverwenden oder sie in der umliegenden (urbanen oder periurbanen) Landwirtschaft einzusetzen. So ließe sich etwa mit dem Haushaltsabwasser und den bio­logisch abbaubaren Küchenabfällen von 77 250 Personen der Stickstoffund Phosphordünger der gesamten Gemüseproduktion in Wien ersetzen [14]. Mit der Gemüseproduktion in Wien wird etwa ein Drittel der gesamten Gemüsenachfrage der Stadt gedeckt [15]. Naturbasierte Lösungen in Stadtplanungskonzepten Neue Stadtplanungskonzepte wie das ­Konzept der Schwammstadt („Sponge City“), Green Urbanism, resiliente Städte und blau-grüne Infrastruktur wenden Begrünungs­systeme an, um durch deren Kühlleistung und Regenwasserretention die Effekte der fortschreitenden Klima­ erwärmung abzumil­dern. Gelungene Beispiele gibt es weltweit, etwa das Schwammstadtkonzept in meh­reren Großstädten in China (Abb. 2) [16], der Bishan-Ang Mo Kio Park in Singapur (Abb. 4), Regenwas­ serinfiltrierung und -wiederverwendung in Kopenhagen (Abb. 3) [17].

Eine Erweiterung des Konzepts der blaugrünen Infrastruktur ist deren Zusammenführung mit herkömmlicher grauer Infrastruktur im Konzept blau-grün-graue Infrastruktur. Hierbei werden naturbasierte Lösungen bzw. Begrünungslösungen („blau-grün“) mit grauer Infrastruktur, also technischen Infrastrukturelementen wie gebauten Leitungen, Kanälen, Flächen etc. zusammengeführt – beispielsweise in einem System, in dem Regenwasser und Straßenabfluss in bepflanzte Bodenfilter infiltriert und so gereinigt werden, das gereinigte Wasser in Tanks gespeichert und in Leitungen abtransportiert wird. Die Integration ermöglicht eine gesteigerte Umsetzung von Gebäudebegrünungen, Begrünungen von umliegenden Freiflächen sowie Bio­ engineering-Anwendungen, da mit den ­vorhandenen Infrastrukturen gearbeitet ­werden kann. Technologische Pfadabhängigkeiten, d. h. die Trägheit der Umstellung auf neuere, verbesserte Technologien aufgrund von hohen Errichtungskosten physischer Anlagen sowie von veraltetem Knowhow und Denkweisen des Personals, können umgangen werden, wenn innovative blau-grüne Infrastruktur in vorhandene graue Infrastruktur integriert wird. Bestehende kommunale Kläranlagen (graue Infrastruktur) lassen sich um Pflanzenkläranlagen (blau-grüne Infrastruktur) erweitern, um das aufbereitete Abwasser weiter zu ­reinigen und für die Bewässerung nutzbar zu machen. Die Begrünung von bestehenden Fassaden und Dächern (blau-grüne ­Infrastruktur) kann zur Regenwasserretention beitragen und damit das kommunale Kanalsystem (graue Infrastruktur) entlasten. Dabei werden graue In­frastrukturen nicht ersetzt, sondern durch blau-grüne ergänzt, um deren Vorteile zu realisieren. Die zentrale Rolle von naturbasierten Lösungen in der Klimawandelanpassung wird zunehmend von Städten anerkannt [18] und von gezielten Fördermaßnahmen begleitet. So fördert die Stadt Wien etwa Dach- und Fassadenbegrünungen und bietet eine Beratung bei entsprechenden Planungen an. Teilweise sind Begrünungsmaßnahmen von Bauprojekten in mehreren Städten Europas bereits verpflichtend.

Naturbasierte Lösungen

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Klimasensitiv bauen Ursula Schneider

In den meisten Gebieten der Erde benötigen Menschen Energiequellen, um für sich komfortable Bedingungen mit 22 – 26 °C Raumtemperatur, einer relativen Luftfeuchtigkeit von 40 – 60 % und ausreichend Atemluft in Gebäuden herzustellen. Während dies in gemäßigten Zonen wie in Mitteleuropa – klimasensitive Gebäude vorausgesetzt – relativ kleiner Energiemengen bedarf, muss andernorts für den gleichen Komfort wesentlich mehr Energie eingesetzt werden. Das Klima beachten Ausgangsbasis jeden Entwurfs ist das am jeweiligen Standort vorhandene Klima, überproportional entscheidend ist dabei die Sonnenbahn während des Tages und Jahres (Abb. 1). Dabei zu beachten ist vor allem, dass die Sonne in Mitteleuropa nur im März und September im Osten auf und im Westen untergeht, während sie im Winter im Südosten auf- und im Südwesten untergeht und zu Mittag ca. 20° über dem Horizont steht. Im Sommer dagegen geht sie im Nord­osten auf und im Nordwesten unter und steht um die Mittagszeit mit 60° über dem Horizont. Je weiter nördlich desto schleifender und daher langsamer sinkt die flach stehende Sonne unter den Horizont. Ganz im Gegensatz zu einer äquatorialen Lage, wo die Sonne im Wesentlichen ganzjährig im Osten auf und im Westen untergeht, täglich den Bereich des Zenits erreicht und auf kürzestem Weg vertikal hinter dem Horizont verschwindet. Die Kombination von Zeitdauer der Einstrahlung, der Bewölkung, von Nebel, Dunst, Nie-

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derschlag, Wind und die daraus resultierenden Parameter Lufttemperatur und durchschnittliche Temperatur der oberflächennahen Erd-/Grundwasserschichten bilden die wesentlichen klimatischen und daher äußeren Rahmenbedingungen für den Entwurf. Im Gegensatz dazu werden die inneren Rahmenbedingungen durch die Nutzungsart und die Belegungsdichte mit Personen und Wärme bzw. Kälte abgebenden elektrischen Geräten definiert. Wohnräume, (Großraum-)Büros, Bildungsräume, Hörsäle, Labors, Fitness­räume: Je nach Menge der Personen bzw. Geräte pro m3 Rauminhalt dominieren Heizwärme- oder Kühlbedarf sowie Lüftungserfordernis und Be- oder Entfeuchtungsbedarf. Ziel eines klimasensitiven Entwurfs ist es immer, mit dem puren Gebäude so weit wie möglich nach den äußeren und inneren Rahmenbedingungen einen Grundkomfort zu schaffen und mit Technik nur das zu ergänzen, was im Gebäudeentwurf nicht geleistet werden kann. Lowtech-Strategien Im mitteleuropäischen Klima sind Antworten auf winter­liche und sommerliche – jedenfalls aber unterschiedliche – Anforderungen gefragt. Veränderliche Technologien bieten diesbezüglich Möglichkeiten, wie z. B. die eines außen liegenden Sonnenschutzes in Form eines individuell anpassbaren Raffstores anstelle eines Sonnenschutzglases (da dieses nicht zwischen Winter und Sommer differenzieren kann).

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N,0°

N,0°

0° 0° 10° 10° 20° 20° Sonnen4 21.06. 21.06.Sonnen15.07. 30° 30° höhe höhe 20 20 15.05. 40° 40° 5 19 19 15.08. 15.08. 50° 50° 15.04. 6 60° 60° 18 18 70° 70° 15.09. 15.09. 7 17 17 Uhrzeit 8Uhrzeit W,270° O,90° 16 W,270° 16 (MEZ) (MEZ) 15.03. 9 15 9 15 10 10 14 14 15.10. 15.10. 13 12 11 13 12 11 15.02. 15.11.

1  21.12. Sonnenstands­ diagramme a Berlin (DE) b Mombasa (KE)

15.11. 21.12.

S,180° a

15.01.

N,0° 4 5 6 7 8

15.07. 15.05. 15.04.

N, 0°

0° 10° 20° Sonnen30° höhe 40° Uhrzeit Uhrzeit 18 17 21.06. 18 17 21.06. 8 7 16 15 14 13 50° 12 11 1016 915 14 13 60° 15.08. 15.08. 70° 15.09. 15.09.

O,90° W,270°

15.03.

15.10. 15.11.

15.02.

21.12.

W,270°

15.10. 15.11. 21.12.

0° 10° 20° Sonnen30° höhe 40° 15.07. 50° 12 11 10 15.05. 60° 15.04. 70°

O, 90°

15.03. 15.02. 15.01.

15.01.

S,180°

Winterfall Generell versuchen Planende, den winterlichen Konditionen mit einer Gebäudehülle in Passivhausqualität zu entsprechen. So es die funktionalen und städtebaulichen Anforderungen erlauben, können Fenster gezielt zum Einbringen passiver solarer Energie und zur großzügigen Tageslichtversorgung eingesetzt werden. Dazu wird auf einen möglichst niedrigen U-Wert (Wärmedurchgangskoeffizient) und möglichst hohen τ-Wert (Lichtdurchlässigkeit) geachtet, während der g-Wert (Gesamtenergiedurchlassgrad) meistens im Mittelfeld bei 0,5 eingestellt wird, um Sommer und Winter gleichermaßen gut abdecken zu können. Ziel ist, im Winter solare Energie gewinnen zu können, aber im Sommer keine zu hohen Einträge zu verursachen. Bei Räumen mit Nutzungsanforderungen an die Blendfreiheit können zum Abschatten im Winter innere Blendschutzjalousien zum Einsatz kommen. So lässt sich bei gleichzeitiger Blendfreiheit die solare Wärme nutzen. Hinsichtlich einer hohen Ausbeute an Tageslicht über die Öffnungsflächen und einer guten Verteilung des Lichts in die Raumtiefe sind vor allem ein möglichst hoher Glasanteil im Vergleich zum Rahmen, z. B. durch ungeteilte Glasflächen und schlanke Rahmen, kein Sturz (oder nur ein niedriger) und auch raumhohe Fenster von Vorteil, zudem helle Raumoberflächen und helle Laibungen. Im Wohnbau kann im Winter gezielt die Überwärmung von Räumen durch solare Gewinne zugelassen werden, da das inten-

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S,180°

S, 180° 1

sive Sonnenlicht in der lichtarmen Jahreszeit auch einen gesundheitlichen Vorteil hat. Darüber hinaus ist für den winterlichen Wärmeschutz eine kompakte Gebäudehülle von Vorteil. Bei der Vergrößerung der Hülle aus architektonischen Gründen sind diese immer gegen den energetischen und auch den finanziellen Nachteil abzuwiegen. Eine ausreichende Speichermasse zur Aufnahme von passiven solaren Gewinnen oder Gewinnen aus anderen volatilen erneuer­ baren Energien (z. B. aus dem Abschöpfen von Windüberschussstrom und dem Einbringen zusätzlicher, über eine Wärmepumpe bereitgestellte Wärmeenergie per Bauteilaktivierung) kann das System im Winter abrunden. Eine mechanische Lüftung entspricht nicht wirklich dem Lowtech-Gedanken, ist jedoch für manche Nutzungen (Bildungs- und Veranstaltungsräume) sinnvoll oder zwingend erforderlich und vereint darüber hinaus ­weitere Qualitäten wie höheren Temperaturkomfort, höhere Luftqualität, höheren Schallschutz, die über Fensterlüftung kaum zu rea­ lisieren wären. Auch mechanische Systeme lassen sich mit weniger Aufwand realisieren, indem z. B. das Abluftnetz entfällt und die Luftmengen reduziert werden können, wenn Überströmöffnungen, eine kaskadische Luftnutzung und eine zentrale Absaugung im Geschoss zum Einsatz kommen. Kaskadische Luftnutzung bedeutet, dass Luft aus Zulufträumen in andere Bereiche überströmt, bevor sie aus Ablufträumen abgeführt wird.

Klimasensitiv bauen

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Sommerfall Zunehmend gewinnt der Sommerfall auch im mitteleuropäischen Klima nicht nur für die Planung von Bürogebäuden und Gebäuden mit hoher Personenbelegung, sondern auch für den Wohnbau an Bedeutung. Generell ist hierfür besonders auf die realen lokalen Temperaturverläufe und die Anzahl der Tropennächte zu achten (d. h. Temperatur fällt nicht unter 20 °C). Einen innerstädtischen Standort und einen begrünten Randbezirk unterscheiden im Sommer Welten. Klimasensitivität für den Sommerfall bedeutet eine Kombination aus verschiedenen Maß­ nahmen. Neben guter Wärmedämmung, hoher Verglasungsqualität und moderatem Fensteranteil ist vor allem außen lie­gender Sonnenschutz sehr wesentlich. Konstruktiver Sonnenschutz (z. B. Vordach) bietet, richtig angewendet, viele Vorteile, ist jedoch nie so wirksam wie etwa ein Außenraffstore, da er die erhebliche diffuse Strahlung nicht abhalten kann. In der Praxis hat sich das Verwenden gelochter Raffstores mit einem Lochdurchmesser vor ca. 0,7 mm und einem Lochanteil von 5 – 8 % als geeignet erwiesen. Mit der etwas schlechteren Abschattungswirkung geht der enorme Vorteil der Durchsicht und einer ausreichenden Tageslichtausbeute einher, wes­wegen mit gelochten Stores auch im vollständig geschlossenen Zustand auf eine zusätzliche künstliche Beleuchtung verzichtet werden kann. Zudem ist die Anwendung eines solchen „geschlossenen“ Sonnenschutzes nicht nur dann sinnvoll, wenn direkte Sonne auf der Fassade steht, sondern – vor allem an heißen Tagen über 29 °C – auch fast während

des gesamten Tags, unabhängig von der Himmelsrichtung. Dem thermischen Vorteil ist jedoch gegenüberzustellen, dass manche Menschen sich bei so viel Abschattung trotz möglichen Durchblicks zu sehr abgeschottet fühlen, und nicht bereit sind, den Sonnenschutz geschlossen zu halten. Vor allem für den Sommerfall ist eine hohe speicherfähige Masse im Gebäude von ­großer Bedeutung. Hierfür sind Stahlbeton­ decken ein gutes Mittel, der Verzicht auf Abhangdecken, aber auch Estriche mit Stein oder Fliesenbelägen mit einer hohen spezifischen Wärmespeicherkapazität. Dies verlangsamt tagsüber den Temperaturanstieg im Raum, während die Bauteile nachts „entladen“ werden und daher am Tag wieder Wärmeenergie aufnehmen können. Vor allem im Holzbau ist es wichtig, die speicherfähige Masse durch einen entsprechenden Ausbau zu erhöhen. Für das Funktionieren des Lowtech-Ansatzes ohne Kühlung ist die nächtliche Auskühlung des Gebäudes von fundamentaler Bedeutung. Ist diese nicht möglich, weil die nächtliche Außentemperatur nicht unter 20 °C fällt, lässt sich tagsüber auch mit den besten Maßnahmen keine Raumtemperatur unter 26 °C gewährleisten. An allen Tagen, an denen jedoch die Nachttemperatur entsprechend tief fällt, kann das Gebäude mithilfe einer Nachtlüftung wirksam abgekühlt werden. Dafür ist ein hoher Luftwechsel erforderlich, der sich üblicherweise nur durch Querlüftung realisieren lässt, bei einseitiger Fensterorientierung nur durch einen großen öffenbaren Querschnitt und eine möglichst hohe Fensterhöhe. Ein Kippen der Fenster reicht nicht aus, sondern es bedarf des

2 a – c Bürogebäude und Fachhochschule, Energybase, Wien (AT) 2008, pos architekten Lowtech: Fassade als Solargenerator, Luftbe­ feuchtung Innenraum mit Pflanzen, Beton­ kernaktivierung

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vollständigen Offenhaltens von zwei hohen Fenstern oder Fenstertüren pro Aufent­ haltsraum mit ca. 25 m2. Für windstille Nächte, in denen auch bei Querlüftung kein hoher Luftwechsel gewährleistet ­werden kann, ist die Kaminwirkung durch höhere Raumhöhe oder Abluft über Treppenhäuser oder mehrgeschossige Lufträume von Vorteil. Wichtig beim Thema Nachtlüftung ist es, die Bedienung zu gewährleisten, denn Lowtech bedeutet auch händisch. Da Nächte mit Wär­ megewittern im Sommer nicht selten sind, muss es auch eine Regen- und Sturmsicherheit geben. Zudem ist ein Einbruchsschutz zu berücksichtigen. Auch für das Thema Durchzug und das Verwehen von Papier oder anderen leichten Materialien während der Nacht ist eine „organisatorische“ Lösung zu finden. Nicht zuletzt muss der erhöhte Reinigungsaufwand beachtet werden, der durch den hohen Luftwechsel mit ungefilterter, staubtragender Außenluft entsteht. Grundsätzlich sind immer auch die inneren Wärmelasten pro m3 umbautem Raum zu berücksichtigen. Hinsichtlich einer sommerlichen Überwärmung ist es generell vorteilhaft, möglichst wenige Personen in möglichst großen und hohen Räumen unterzubringen. Dies steht aber natürlich immer auch im Konflikt mit kompakten Gebäude-/ Raumvolumina und einem suffizienten und sparsamen Flächenverbrauch. Integrative Planung, Verantwortung von Auftraggebenden und Nutzenden Für jede Planung ist die integrative Zusammenarbeit mit allen an der Fachplanung Beteiligten von Beginn an von großem Vorteil. Das Wissen über eine solide LowtechStruktur muss allerdings vor allem bei den Architektinnen und Architekten verankert sein. Mit Lowtech-Gebäuden werden oft geltende Normen nicht oder nicht vollständig eingehalten. Die notwendigen Entscheidungen dazu müssen die Auftraggebenden treffen, die beispielsweise eine dynamische Gebäude­ simulation zum Nachweis der Gleichwertigkeit des Ergebnisses beauftragen können. Die Entscheidungen z. B. in Bezug auf den Einbruchsschutz eines Gebäudes, aber vor

allem wesentliche Grundsatzentscheidungen wie etwa hinsichtlich Höhe und Häufigkeit von Überschreitungen der geforderten Raumtemperatur oder auch eine gewisse Anpassung bei der sommerlichen und ­winterlichen Bekleidung, die die späteren Nutzenden mitzutragen haben, müssen die Auftraggebenden im Vorfeld treffen. Die Planenden können lediglich die entsprechenden Lösungen vorschlagen, wenn ein Budget dafür vorgesehen wurde. Ein klimasensitives Gebäude, das Lowtech genannt werden kann, bedarf einer sinnvollen Nutzung und der aktiven Mitwirkung der Nutzenden. Am Ende liegt es in ihrer Verantwortung, ob der Blendschutz im Winter und der außen liegende Sonnenschutz im Sommer betätigt wird, ob generell Sonnenschutz im Sommer angenommen wird, ob Nachtlüftungskonzepte akzeptiert und hohe nächtliche Luftwechsel unterstützt werden (z. B. durch Beschweren von losem Papier), ob man eine Raumtemperatur von 22 °C im Winter und 26 °C im Sommer akzeptiert. Ob die Nutzenden an heißen Tagen die Fenster geschlossen halten, ob sie bereit sind, sich der Jahreszeit gemäß zu kleiden, all das liegt in ihrer Verantwortung. Obwohl der Ruf nach Lowtech-Gebäuden immer lauter wird, hat im Gegenzug nicht nur der Wille, sondern vor allem die Fähigkeit von potenziellen Nutzenden, Gebäude sensitiv und mit Eigenverantwortung zu betreiben, deutlich abgenommen. Immer häufiger existieren – vor allem aus Unverständnis – Wünsche nach Gebäuden, in denen man überall und jederzeit kontraproduktiv handeln kann und die trotzdem einen hohen Komfort bieten. Diese Anforderung wäre wiederum nur mit einem deutlich höheren, auf alle Fehl­nutzungen ausgelegten Technik­ aufwand zu realisieren, der zu einer sehr schlechten energetischen Performance führen würde. Hier gibt es einen extrem großen Bedarf an Aufklärungsarbeit und Bildung der Menschen zu nachhaltigem Handeln. Vor allem das Erlernen nachhaltiger Gebäudenutzung und physikalischer Grundlagen bereits in der Schule wäre dringend erforderlich, denn die Jugendlichen von heute sind in zehn Jahren diejenigen, die gesellschaftlich relevante Entscheidungen treffen.

Klimasensitiv bauen

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Lowtech-Fokus: Gebäudetechnik Edeltraud Haselsteiner

Lowtech-Design hat das Ziel, Gebäudetechnik zu reduzieren, um Bauten langfristig robuster zu machen. Dahinter steht nicht die Absicht, Technik per se auszuschließen, sondern kritisch deren Einsatz, z. B. mit Blick auf Lebenszykluskosten und eine gesamtheitlichere ökologische und soziale Betrachtung, zu beurteilen. Die Reduzierung von Technik gelingt beispielsweise, indem man Gebäude stärker in regenerative Kreisläufe der Umwelt einbindet und die Selbsttätigkeit der Nutzenden einbezieht. Dies bedeutet auch, mit den Potenzialen der Umwelt zu planen und sich das Angebot der Natur zunutze zu machen. Klimaelemente wie Solarstrahlung, Wind, Temperatur und Luftfeuchte einerseits sowie Umwelt-Einfluss­ faktoren wie Breitengrad, lokale und über­ regionale Windverhältnisse oder die Höhenlage eines Standorts andererseits werden im funktionalen Zusammenspiel zu den bestimmenden baulich-konstruktiven Wirkungsfaktoren. Abb. 2 zeigt beispielhaft diese Potenziale der Umwelt und ihren Einfluss auf das Bauen. Das Sonnenhaus des Sokrates (469 –397 v. Chr.) – ein 2500 Jahre altes Konzept des griechischen Philosophen – zeigte bereits, wie sich die Sonne auch ohne technischen Aufwand passiv nutzen lässt (Abb. 1). Ein N kompakter trichterförmig zur Sonne orientier5 ter Baukörper, nach Süden exponierte großflächige Fenster und 6 4 im Norden geschlossen, massive Wände und Steinböden zur Wärmespeicherung3 sowie Pufferzonen ergeben zusammen einen stimmigen Entwurf S

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praxistaug­licher Solararchitektur. Selbst den wechselnden Sonnenstand im Jahresverlauf berück­sichtigte Sokrates bereits. Das Prinzip der Solararchitektur, solare Wärme einerseits direkt zur Erwärmung zu nutzen und andererseits im Material der Gebäudehülle zu speichern, hat aufgrund zunehmend leistbarer technischer Lösungen mittels Solar- und PV-Paneelen sowie adäquaten Spei­cher­sys­ temen an Bedeutung verloren. Ähnlich wurden auch Konzepte natürlicher Belichtung, Lüftung und Kühlung durch gebäudetechnische Lösungen ersetzt. Alternativ dazu zeigen die folgenden Beispiele, wie sich seit Jahrhunderten bekanntes Wissen wiederbeleben und daraus heute neue Ansätze eines innovativen Umgangs mit den Energiepotenzialen der Umwelt umsetzen lassen.

1  Sokrates Konzept für ein Sonnenhaus 2  Potenziale der Umwelt: Nutzung und Einfluss­ faktoren auf das Bauen

1 N

1 Sonnen­ strahlung im Sommer 2 Sonnen­ strahlung im Winter 3 Terrasse, ­Vorplatz 4 Wohnraum

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5 Vorratsraum, zugleich 2 ­Pufferzone 6 massive Wände für die Wärme­ speicherung 7 Steinboden, zugleich Wär­ mespeicher

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Klimaelement

Umwelt-Einflussfaktoren

Nutzung (Beispiele)

baulich-konstruktive Wirkungsfaktoren im Kontext (Beispiele)

Solarstrahlung

Sonnenscheindauer: jährliche Gesamt­ strahlung, tägliche Mittelwerte im Tagesverlauf etc. Strahlungswerte der Direkt- und ­Dif­fusstrahlung Strahlungsmengen (für einzelne Fas­saden)

aktive und passive solare Wärme­ gewinne/solare Kühlung/Photovoltaik (Effizienz) Tageslichtversorgung

Orientierung Verschattung und ­Sonnenschutz Anteile Fenster in der Fassadenfläche Strahlungswandler, die Strahlungsenergie absorbieren (z. B. wärme­ absorbierende Jalousien, Rollos, Flächen etc.)

Wind

(mittlere Jahres-)Windgeschwindigkeit natürliche Durchlüftung (z. B. über Windrichtungsverteilung Druck- und Sogbelastung auf die Anteil Windstille Gebäudehülle) Umströmen eines Gebäudes nach Windverhältnissen und Gebäudeform Windkraftanlagen (Wandlung von Windenergie in elektrische Energie)

Gebäudeform, Gebäude­ höhe /-tiefe

(relative und absolute) Be- und Entfeuchtung der Zuluft Luftfeuchte /Niederschlag/ Taupunkttemperatur und Kondensat­ Oberflächenwasser bildung Niederschlagshäufigkeit und –mengen (z. B. durchschnittliche Jahresnieder­ schlagsmenge) Grad der Bewölkung (Temperatur in Bodennähe, verminderte Einstrahlung oder starke Auskühlung)

Niederschlagswasser für Sekundär­ nutzung: Ver- und Entsorgungskreis­ lauf (z. B. aufbereitetes Regenwasser als Brauchwasser für Sanitär oder Rei­ nigung), Gebäudekühlung (z. B. Ver­ dunstungseffekt von Wasserflächen) Versickerung (z. B. Bewässerung)

Baukonstruktion, Bau­ details, Vegetation (z. B. Außenbegrünung, Wasserflächen)

Temperatur/Luft

Minimal-/Maximaltemperaturen, ­Temperaturschwankungen im Tages-/ Jahresverlauf

Lüftungs-, Heiz- und Kühlsysteme von Gebäuden Wirksamkeit von Speichermasse oder passiver Kühlmaßnahmen (z. B. Nacht­ lüftung, Bauteilaktivierung)

Baukonstruktion, Bau­ details, Vegetation

Temperatur / Erdreich, Grundwasser, Tiefenwässer

Erdwärme, Erdreichtemperatur ­(Temperaturniveau in den höheren Schichten bestimmt durch Sonnenein­ strahlung und Wetter, in den tieferen Schichten durch den Wärmestrom aus dem Erdinneren)

Temperaturniveau im Erdreich als Wärme- oder Kältequelle: Geothermie, Erdsondenanlagen etc.

Bauform, Baudetails

gebäudenahes Mikroklima

Vegetation, Bepflanzung, Wasserflä­ chen etc. in der Gebäudeumgebung

klimaregulierende Wirkung/Tempe­ raturausgleichsfunktion von Grünund Freiflächen sowie Wasserflächen natürliche Verschattung durch Umge­ bungsvegetation

Außenbegrünung und -bepflanzung, Fassadenund Dachbegrünung geringe Versiegelung

Tageslicht

Tageslichtmengen Lichtintensität

natürliche Belichtung

Anteil Öffnungen 2

Energiepotenziale der Umwelt

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Energiepotenziale der Umwelt Edeltraud Haselsteiner

Sonnenhäuser Pierre Robert Sabady, ein ungarischer Architekt, zählt zu den Pionieren der Solararchitektur in Europa. In den 1970er-Jahren veröffentlich er in einem Artikel die „7 Grundpfeiler des Biosolarhauses“ [1]. Darin erläutert er anhand seines 1977 geplanten Einfamilienhauses, dem Biosolarhaus Hälg bei Luzern, wie Gebäude energetisch optimiert werden können und bezieht sich mit einem trapezförmigen Grundriss auf Sokrates Grundidee (siehe S. 56). Während die breitere Südseite großzügig verglast ist, bleibt die schmalere Nordseite mit den hier angeordneten Nebenräumen nahezu fensterlos. Treppenhaus, Keller und Dachstock sind im Grundriss als innen liegende Pufferzonen organisiert, während ein großzügiger, der Südfassade vorgesetzter Wintergarten eine äußere Pufferzone bzw. einen Treibhausraum darstellt (Abb. 1). Dieses Grundprinzip der Solararchitektur funktioniert unverändert bis heute und zählt zu den effizientesten Formen energiesparenden Bauens. Sonnenhäuser schneiden auch im Hinblick auf Lebenszykluskosten besser ab als vergleichbare Gebäude konventioneller Bauart und liegen beim Treibhauspotenzial unter jenen normaler Niedrigenergie- und Passivhäuser [2]. Gemeinschaftswohnprojekt bei Wien Nach der Ölkrise der 1970er-Jahre und einem massiven Anstieg der Ölpreise wurden energiesparendes Bauen und Alternativen zum Öl als Heizquelle besonders beim Bau von Einfamilienhäusern zum bestim-

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menden Thema. Georg W. Reinberg realisierte 1984 ein Gemeinschaftswohnprojekt, das die Prinzipien der Solararchitektur und Anforderungen an gesunde Baustoffe mit einer auf Mitbestimmung ausgerichteten Gemeinschaft verbindet. Die Bauform dieser auf einem schmalen langen Südhang gestaffelt angeordneten Baukörper ergab sich aus der Notwendigkeit, große Besonnungsflächen bei gleichzeitig möglichst geringer gegenseitiger Beschattung zu erreichen (Abb. 2). Die einzelnen Gebäude selbst sind in drei thermische Zonen gegliedert: Wintergärten und große Verglasungsflächen nach Süden, eine für das höchste Temperaturniveau ausgestaltete Mittelzone inklusive Sanitärkern sowie Lagerräume im Norden. Solares Direktgewinnhaus Die in den frühen 1990er-Jahren mit den Solar-Experimentalbauten in Trin von Andrea Rüedi eingeleitete Entwicklung solarer Direktgewinnhäuser (Abb. 1, S. 10) ermöglichte optimal in Richtung Sonne ausgerichtete und gestaltete Häuser in entsprechen-

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1 1 1 1

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Glas

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4 2

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1 Schnitt und Grundriss, Biosolarhaus Hälg bei Luzern (CH) 1977, Pierre Robert Sabady

1 Pufferzone Nord 2 Pufferzone Süd/Winter­ garten 3 Warmluft­Son­ nenheizdach 4 Zentralkamine 5 Wohnen 6 Essen 7 Küche 1

2 a–b Gemeinschaftswohn­ projekt, Purkersdorf bei Wien (AT) 1984, Reinberg ZT GmbH Lowtech: Solararchi­ tektur, nachhaltige Materialwahl

3 a–b Büro- und Wohnhaus, solares Direktgewinn­ haus Zweisimmen (CH) 2014, N11 Architekten Lowtech: Holzmassiv­ bau ohne Heizung 4  a­–b Wohnungsbau, Paris (FR) 2013, Babled Nouvet Reynaud Architectes Lowtech: passive Solar­ architektur, natürliche Lüftung

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der Bauweise ohne konventionelle Heizung. Der fünfgeschossige Solitärbau in Zwei­ simmen steht in der Tradition dieser Grundidee (Abb. 3). Seine Westfassade ist leicht gegen Süden abgedreht, um im Winter eine längere Sonneneinstrahlung zu erreichen. Die Massivholzbauweise in Kombination mit einer Holz-Beton-Verbunddecke und einem Stampf­lehmboden stellt die notwendige Masse zur Energiespeicherung bereit, das Treppenhaus indes dient als Pufferzone der Innenräume in Richtung Norden. Zugunsten eines gesunden Innenraumklimas wurde auf Leim und chemische Zusatzstoffe gänzlich

verzichtet. Die Vollholzwände sind verdübelt, d. h., das Gebäude ist einfach demontierbar und die Materialien lassen sich nach einem Rückbau weiterverwenden. Innere Wärmequellen reichen aus, gemeinsam ­mithilfe der Sonne das Haus das ganze Jahr über angenehm temperiert zu halten, es gibt weder Heizung noch Lüftung.

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Wohnungsbau in Paris Dass Solararchitektur mit passiven Komponenten und auf Basis einer energetisch optimierten Ausrichtung und Grundrisskonzeption auch im dicht bebauten urbanen Raum

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Energiepotenziale der Umwelt

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und selbst im sozialen Wohnungsbau funk­tio­ niert, demonstriert ein Gebäude von Babled, Nouvet und Reynaud Architekten in Paris (Abb. 4, S. 59). Die Doppelfassade mit nutzbaren Wintergärten und den dahinterliegenden Wohnräumen ist hinsichtlich Solareintrag nach Süden orientiert. Die Wintergärten fungieren als Klimapuffer, eine Faserbetonscheibe als Speicherwand gibt die durch die außen liegende Scheibe verstärkte Strah­ lungswärme zeitversetzt an die Wohnräume ab [3].

der konkreten Definition. Steht insbesondere die Langlebigkeit und Robustheit des Gesamtsystems im Fokus, so ist der Einsatz technischer Mittel vor allem im Verhältnis dazu und zum energetischen Nutzen zu sehen.

Aktive Energiefassaden Selbst wenn mit Solarthermie und Photo­ voltaik mittlerweile technisch ausgereifte und leistbare Lösungen zur Gewinnung von Solarenergie zur Verfügung stehen, gibt es immer wieder Initiativen, auch die senkrechten Fassadenflächen zur Energiegewinnung einzusetzen. Das von Rudolf Schwarzmayer entwickelte System einer aktiven Energiefassade steuert den Solareintrag über bewegliche Fassadenlamellen (Abb. 5). Diese nutzen die massiven Wände direkt als Energiespeicher und eignen sich somit auch für Sanierungen, weil man sie auf bestehende massive Bestandswände befestigen kann. Bei Energiebedarf und Sonneneinstrahlung öffnen sich die Lamellen automatisch und die Wärme dringt in die Mauer ein. Je nach Temperatur oder Witterung können die ­Fassadenbauteile neben ihrer Funktion zur Energiegewinnung gleichzeitig zur Beschattung und Kühlung eingesetzt werden. Derzeit wird ein entsprechender Gebäudeprototyp getestet und evaluiert [4]. Ähnlich wie bei anderen aktiven Energiesystemen wie Solarthermie und Photovoltaik ist die Frage nach der Zuordnung zu Lowtech eine Frage

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5

Passiv-solare Energiefassaden Aufgrund ihrer Eigenschaften auch als La­tentwärmespeicher bezeichnete Phasenoder viskositätsveränderliche Materialien besitzen die Fähigkeit im Phasenübergang, z. B. von fest zu flüssig, Wärme zu speichern, ohne sich dabei selbst zu erwärmen. Große Vorteile ergeben sich dadurch für den Leicht­bau: Die Wärmespeicherung ist mit wesentlich weniger Masse und Volumen möglich, da die Speicherfähigkeit dieser Materialien im Bereich ihres Schmelzpunkts sprungartig um ein Vielfaches ansteigt. Der Architekt Dietrich Schwarz entwickelte ein passiv-solares Fassadenbauelement mit einem integrierten Wärmespeichermodul auf Basis von Salz­hydratkristallen. Diese nehmen tagsüber Wärme auf und geben sie bei sinkender Raumtemperatur in den Innenraum als Strah­lungswärme ab. Ein davorliegendes Prismenglas reflektiert die hochstehende Sommersonne, lässt die Sonnenstrah-

5 a–b Forschungshaus Gar­ ten­atelier, aktive Ener­ giefassade Thermo­ collect, Rudolf Schwarzmayr

6 Wohnungen für Senio­ ren, Domat /Ems (CH) 2004/2015, Dietrich Schwarz

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Windturm (Malqaf) a

verbrauchte Luft

Windfänger (Badgir)

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Wohnkammer frische Luft

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7 natürliche Lüftung, Schema a  Lüftung durch Wind b  Lüftung durch Thermik c  Lüftung durch Wind und Thermik 8 „Qa�a” Empfangshalle in einem Haus mit einem Windturm ­(Malqaf) und Wind­ fänger (Badgir) 9 natürliche Durchlüf­ tung, Wasserverduns­ tung und thermische Speichermassen, die Termitenbauten in hei­ ßen Klimazonen kühlen

len jedoch bei flachem Einstrahlungswinkel passieren (Wintersonne). Angewendet wurde dieses passiv-solare Architekturkonzept unter anderem bei einem Wohnheim für Senioren in Domat-Ems (Abb. 6) und beim Neubau eines Bürogebäudes der Firma ­Marché International bei Winterthur [5].

Bei Windstille sorgt der Kamin­effekt für den nötigen Luftaustausch: Die Hitze, die tagsüber in den massiven Wandteilen gespeichert ist, wird in den Raum abgegeben und zieht nach oben ab. Dabei strömt durch Türen und Fenster gleichzeitig frische und kühle Luft nach. Unterstützt wird dieses Prinzip der natürlichen Kühlung häufig durch eine Kombination mit Wasserverdunstung. Dabei wird Luft aus dem Windturm durch einen feuchten Keller oder über wassergefüllte Becken geleitet. Das Wasser verdampft in der kühlen, aber trockenen Luft und diese wird dadurch nochmal stärker gekühlt (Abb. 8). Systeme zur natürlichen Lüftung erfordern daher in der Planung eine genaue klimatische und nutzungsspezifische Analyse, um das lokal vorherrschende Strömungsgesche­ hen zu verstehen. Per Computersimulation ist es mittlerweile möglich, den Strömungsverlauf unter verschiedenen Einflussfaktoren und deren Wirkungen zu analysieren. Natürliche Belüftung benötigt eine Antriebskraft, die Luftströme per Druck oder Sog durch ein Gebäude hindurchführt. Dazu lassen sich durch Thermik und Wind induzierte Druck­ differenzen an der Gebäudehülle nutzen. Die Stärke dieser Sogwirkung ist abhängig von der Temperaturdifferenz und der wirksamen Höhe. Daher eignen sich hohe Gebäude für ein Lüftungskonzept über thermischen Auftrieb besonders gut. Die Natur hat in ihrer Evolutionsgeschichte zahlreiche Techniken entwickelt, sich gegen Wärme und Kälte zu schützen, die auch für die Architektur nützlich sein können. Das Termitenvolk der Trinermitermes in Afrika z. B. gräbt sich in mehr als 30 m hohen Termitenhügeln hinunter zum Grundwasser

Natürliche Lüftung Eine natürliche Belüftung der Innenräume oder ein Lüften durch das Öffnen von Fenstern bringt nicht nur ökologisch und ener­ getisch positive Effekte. Vielfach wird dies auch aus Perspektive der Nutzenden als Möglichkeit für einen direkten Kontakt mit der Natur oder dem Bedürfnis nach frischer Luft eingefordert. Die natürliche Luftbewegung resultiert aus Druckunterschieden infolge von Temperaturdifferenzen. Demzufolge kann eine natürliche Lüftung entweder aufgrund von Wind oder thermischem Auftrieb erfolgen (Abb. 7). Windkräfte oder natürliche Luftbewegungen am Gebäude zur Belüftung und Kühlung der Innenräume zu nutzen, hat eine ähnlich weit zurückreichende Tradition wie jene der Solar­ architektur. Im Persischen Golf und in der Mittelmeerregion gehören Windtürme zu den Wahrzeichen klassischer Architektur. Durch die Möglichkeit, damit Räume zu kühlen, gelten sie als Vorläufer der Klimaanlagen. Die Funktionsweise basiert rein auf Thermik, konkret auf der Tatsache, dass warme Luft aufsteigt, während kalte Luft aufgrund der höheren Dichte zu Boden sinkt. Lüftungsöffnungen, die je nach Standort und Windverhältnissen unterschiedlich ausgerichtet sein kön­nen, „fangen“ die am Boden dahinstreifende oder vom Meer kommende „kühle Brise“ ein und leiten sie durch das Gebäude.

Energiepotenziale der Umwelt

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(Abb. 9, S. 61). Durch ein geschicktes ­Ventilationssystem wird die Termitenanlage durch die Wasserverdunstung und die erzeugte Verdunstungskälte natürlich gekühlt [6].

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trakt aus natürliches Tageslicht in den umliegenden Büros. Trotz automatischer Steuerung von Belüftung und Belichtung lassen sich Schiebefenster und Rollläden auch von den Mitarbeitenden je Arbeitsplatz individuell bedienen [7].

10 10 a–b Bürogebäude, Arup Campus, Solihull (GB) 2001, Arup Associates Lowtech: natürliche Belüftung und Belich­ tung, individuelle Bedienung von Fens­ tern und Verschat­ tungselementen

Bürocampus in Solihull Arup Associates, ein renommiertes Ingenieurbüro für energieeffiziente Gebäudeplanung aus Großbritannien, realisierten für einen eigenen Bürostandort in Solihull bei Birmingham ein Gebäudekonzept, in dem Belüftung und Belichtung möglichst natürlich geregelt sind (Abb. 10). Zwei Gebäudetrakte, deren Stockwerke in der mittigen Längsachse jeweils über Deckenausschnitte miteinander verbunden sind, werden über Solarkamine auf natürliche Weise mit Frischluft und Tageslicht versorgt. Über den Fensterstürzen integrierte kleine Lüftungsöffnungen und automatisch gesteuerte Klappen auf den Stirnseiten ermöglichen die Zirkulation frischer Luft. Schrägverglasungen der Dachaufbauten bilden ein großflächiges Oberlicht und begünstigen so vom Mittel-

Technische Universität Innsbruck Das Institutsgebäude der Technischen ­Universität Innsbruck, 1971 in Stahlbetonskelettbauweise errichtet, wurde im Rahmen des österreichischen Energieforschungsprogramms „Haus der Zukunft“ als Pilot­ projekt für hochenergieeffiziente Sanierung modernisiert [8]. Durch die umgesetzten Sanierungsmaßnahmen konnte der Heizwärmebedarf von 180 auf 20 kWh/m2a (nach PHPP) gesenkt werden. Neben anderen Besonderheiten ist der gewählte Weg für die Belüftung hervorzu­heben. Eigens entwickelte Prototypen von Senkklappfenstern und Überströmöffnungen bilden – in Kombination mit der mechanischen Lüftung des Gebäudekerns, motorisch gesteuerter Fensterlüftung und Überströmöffnungen in die

11 a–c Technische Universität Innsbruck, Fakultät Bau­ ingenieure, Innsbruck (AT) 2014, ATP Archi­ tekten Lowtech: innovatives Lüftungskonzept auf Basis von Senkklapp­ fenstern und Über­ strömöffnungen

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12 a–b Bürogebäude RWS, Terneuzen (NL) 2000, opMAAT Lowtech: ventilative Kühlung, Maximierung von passiven Design­ strategien, z. B. Atrium unterstützt passives Gebäudekonzept für Tageslicht und Lüftung, Dachbegrünung, Wie­ derverwendung von Material (z. B. recycel­ tes Holz für Fassaden­ verkleidung etc.)

13 a–b Büro und Verwaltungs­ gebäude Karmeliter­ hof, Graz (AT) 2011, LOVE architecture and urbanism Lowtech: natürliche Durchlüftung durch Kasten-Doppelfassade, Vermeidung sommer­ licher Überwärmung

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Gangzonen – ein nachhaltiges Belüftungskonzept (Abb. 11). Das Passivhaus Institut hat über einen Zeitraum von 40 Jahren exemplarisch die Investitions-, Wartungsund Energiekosten für die motorisch betriebenen Fenster mit jenen einer herkömmlichen Klimaanlage verglichen. Obwohl die Investitionskosten für die Fensterlösung fünfmal höher und die Wartungskosten mehr als zehnmal so hoch anzunehmen sind, fallen die Lebenszykluskosten aufgrund der eingesparten Energie um nahezu 60 % niedriger aus als die einer Klimaanlage [9]. Diese Ergebnisse zeigen, dass Lowtech-Lösungen nicht nur höhere Investitions-, sondern mitunter auch höhere Wartungskosten nach sich ziehen können, weil stark beanspruchte Bauteile häufiger getauscht werden müssen – in Summe aber trotzdem als nachhaltigere Lösung zu bewerten sind.

(Abb. 12). Zahlreiche Materialien des Gebäudes sind entweder wiederverwendete „Abfallmaterialien“, wie alte Holzpfosten für die Fassadenbekleidung und Treppen, oder aus nachwachsenden Materialien, wie Lehmziegel, Lehmputz, Zellulosedämmung aus alten Zeitungen oder Naturfarben. Das Gebäude wird natürlich belüftet und belichtet. Eine Wärmepumpe entzieht dem Kanalwasser die Wärme, um das Gebäude über Fußboden- und Wandheizungen zu beheizen. Die PV-Paneele auf dem Atrium dienen auch als Sonnenschutz. Das Ge­bäude ­verfügt über eine eigene Brauchwasserbehandlung in Form einer Pflanzenkläranlage, das gereinigte Wasser wird für die Toilettenspülung verwendet.

Bürogebäude in Terneuzen Im Jahr 2000 realisierten opMAAT Archi­ tekten in Terneuzen eines der nachhaltigsten Bürogebäude in den Niederlanden

Büro- und Verwaltungsgebäude in Graz Für die Sanierung des historischen Karme­ literklosters in Graz entwickelten LOVE Architekten eine innovative Neuinterpretation historischer Kastenfenster (Abb. 13). Die Gebäudehülle besteht aus einer Klimafassade mit raum­hohen Fensterelementen.

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Süden

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Diese haben eine festverglaste Front aus Sonnenschutzglas und einen umlaufenden Rahmen mit Lüftungsöffnungen am Fußpunkt und an den Seiten. In Kombination mit Schiebetüren, die im Inneren den eigentlichen Raumabschluss bilden, entsteht eine Zwischenzone, die als Wintergarten genutzt wird und gleichzeitig vor sommerlicher Überhitzung schützt. In der Nacht ergibt sich bei offenen Schiebetürflügeln ein natürlicher Luftaus­tausch. Der nötige Zuluftbedarf lässt sich über die Schiebetüren individuell regeln. Tageslicht Tageslicht ist nicht nur als energiesparende Maßnahme und für die Behaglichkeit in Innenräumen wichtig, es steuert auch eine Reihe von Körperfunktionen, regt den mensch­ lichen Kreislauf sowie die Vitamin-D-Produktion an und beeinflusst somit erheblich die physische und psychische Gesundheit. Einen optimalen Tageslichteintrag ermöglichen waagerecht liegende Verglasungsflächen oder Öffnungen, d. h., die Belichtung erfolgt von oben bzw. über die Decke. Die­ se Form der Belichtung ist jedoch selten, bzw. eher bei eingeschossigen Gebäuden möglich oder, wie mittlerweile häufig angewendet, bei über mehrere Geschosse ­reichenden offenen Treppenhäusern und Atrien. Historisch betrachtet wurde dieses Konzept bereits früher in dicht bebauten städtischen Gebieten in Form von Lichtschächten angewendet. Schmale, nur 1– 2 m2 große Flächen wurden über alle

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14  „Lichtfänger” nach ­Wilfried Pohl u. a. im Modell und im Gebäu­ deschnitt. Tageslicht wird über Öffnungen im Dach gleichmäßig im Gebäude verteilt.

Etagen frei gelassen, um auch in hinteren Ge­bäudetrakten die Räume zumindest ­notdürftig mit Licht und der Möglichkeit zur Durchlüftung zu versorgen. Ein Forscherteam hat diese Idee aufgegriffen und ein optimiertes Konzept von Lichtschächten in Kombination mit hochreflektierenden Mate­ rialien zur Tageslicht­optimierung mehrgeschossiger Gebäude entwickelt [10]. Die Tageslichtversorgung dieser sogenannten Lichtfänger erfolgt über Oberlichtöffnungen im Dach, verspiegelte vertikale Schächte transportieren das Licht in die Gebäudetiefe (Abb. 14). Die Tageslichtplanung ist als integraler Faktor im Gesamtkonzept eines Gebäudes zu betrachten. Um Belichtung mit Tageslicht effektiver zu nutzen, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Lichtumlenkung: • Prismatische Systeme werden häufig mit Sonnenschutzsystemen kombiniert und nutzen geometrisch-optische Phänomene der Tageslichtlenkung. Hierzu lassen sich Prismenplatten vor der Fassade, in Fassaden- oder Scheibenzwischenräumen oder im Innenraum so anbringen, dass je nach Sonnenstand die direkte Sonneneinstrahlung ausgeblendet und nur ein Teil in den Innenraum gelenkt wird. • Umlenk-/Lichtschwerter sind in der Regel als starre Systeme ausgeführt. Dazu werden in der oberen Zone der Fassade oder des Fensterbereichs lichtlenkende Lamellensysteme angebracht, um Sonneneinstrahlung oder Tageslicht von außen an die Decke der Innenräume umzulenken.

Ansätzen ökologischen Bauens. Die wesent­ lichsten Komponenten des Energiekonzepts sind eine hochdämmende Gebäudehülle aus einer Holzkonstruktion mit Zellulosedämmung und ein lang gestrecktes Atrium, das als thermische Pufferzone und zugleich als Konvektionskamin für die natürliche ­Lüftung dient (Abb. 15). Über zentral steuerbare geöffnete Lüftungsklappen in den Büros strömt Frischluft ein, die wiederum durch natürliche Konvektion über das Atrium abgeführt wird. Gleichzeitig fungiert das Atrium als effiziente Tageslichtquelle für die innen liegenden Büroräume.

15 Büro und Verwaltung, Umweltbundesamt Dessau (DE) 2005, Sauerbruch Hutton Lowtech: Tageslicht­ planung, Atrium als thermische Pufferzone und für natürliche Kon­ vektion

15

• Optische Reflektorsysteme nutzen hingegen das Reflexionsverhalten gekrümmter Flächen und das Prinzip Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel. Zu den optischen Reflektorsystemen zählen beispielsweise einfache Spiegeljalousien und lichtlenkende Lamallensysteme, aber auch die Lichtumlenkung mit Lichtschaufeln oder Heliostaten. • Holografische Systeme basieren darauf, dass dreidimensionale Beugungsgitter als dünne Filme in Verbundglas eingebettet sind, durch die das einfallende Tageslicht in eine bestimmte Richtung abgelenkt wird. Holografisch-optische Elemente haben ein breites Anwendungsfeld. Sie kommen sowohl zur Lichtlenkung und Verbesserung der Belichtung mit Tageslicht als auch zum Sonnenschutz zur Anwendung. Umweltbundesamt Dessau Der Neubau des Umweltbundesamts in Dessau demonstriert hohe energetische Ansprüche in Verbindung mit innovativen

16 Krankenhaus Akershus University Hospital, Nordbyhagen (NO) 2014, C. F. Møller Architects Lowtech: Tageslicht­ planung

16

Akershus University Hospital Gerade bei der Planung von Krankenhäusern ist ausreichendes Tageslicht für die Gesundheit von großer Bedeutung. Für das Akershus Universitätskrankenhaus in Norwegen wurde daher eine glasüberdachte „Hauptstraße“ konzipiert, die als Verteiler die verschiedenen Bereiche und Funktionen verbindet. Die lichtdurchflutete Achse vermittelt eine stadtähnliche Atmosphäre und strukturiert die verschiedenen Zugänge, Funktionen und Aufenthaltszonen (Abb. 16). Vegetation, Begrünung und Kühlung Neben Wind-, Wetter- und Sonnenschutz ist in einem Lowtech-Gebäudekonzept die bewusst gestaltete Natur ein zentraler Parameter im gesamtökologischen System von Gebäude und umgebendem Raum. Pflanzen oder Vegetation allgemein können gezielt eingesetzt werden, um den Bedarf an technischer Gebäudeausstattung für Lüftung, Kühlung oder Verschattung maßgeblich zu reduzieren. Durchdacht geplante Bepflanzung bietet Schutz vor Umwelteinflüssen wie Sonne, Regen oder Wind und filtert Schadstoffe aus der Luft. Pflanzen in Innenräumen zur Raumkonditionierung sind ein in den letzten Jahren wieder vermehrt angewendetes Funktionsprinzip. In Innenräumen erhöhen sie die Luftfeuchte und wirken im Zusam­ men­spiel mit Sonnenstrahlung und Verdunstungskühle temperaturreduzierend. Ebenso sind horizontale Grünflächen ein effi­zienter Baustein im Kreislauf von Wasser­ver- und -entsorgung: Dachbegrünungen können als Regenwasserspeicher fungieren, Oberflä-

Energiepotenziale der Umwelt

65

chenwasser kann durch Versickerung in bewachsenen Erdschichten geklärt werden und vieles mehr. Wasserflächen hingegen tragen zur natürlichen Kühlung bei. Wärmere trockene Luft, die über eine Wasserfläche strömt, nimmt Feuchtigkeit auf, die verdampft und zugleich die Luft kühlt. Grüne Fassaden wiederum bieten in urbanen Gebieten zusätzlichen Lebensraum für Vögel und Insekten und leisten einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität. Außerdem wirken sie schallreduzierend, entlasten bei Starkregen durch Wasseraufnahme die Kanalisation und haben einen deutlichen Kühlungseffekt. Dennoch fristet Fassadenbegrünung immer noch ein Schattendasein. Die Furcht vor Ungeziefer und davor, dass Pflanzen die Fassade zerstören könnten, ist weit verbreitet, aber vielfach unbegründet. Darüber hinaus lassen sich begrünte Fassaden oder Gründächer mittlerweile, selbst als vorgefertigte Systeme, einfach herstellen (siehe „Naturbasierte Lösungen“, S. 48ff.). Grundsätzlich existieren drei Prinzipien, Pflanzen in der Höhe anzusiedeln: • Bepflanzung mit Selbstklimmern, Rankoder Schlingpflanzen, die eine Höhe von 10 bis 20 m erreichen können (boden­ gebundene Pflanzsysteme) • Punktuell oder in der Fläche aufgestellte Pflanztröge, in denen Pflanzen in Substrat gesetzt sind • Kultivierung von Pflanzen, die ohne Sub­ strat lebensfähig sind (wandgebundene Pflanzsysteme) Zu Letzterem zählt das weit verbreitete Bepflanzungssystem MUR Végétal des Botaniker Patrick Blanc. Es wurde von ihm in den 1980er-Jahren konzipiert und patentiert und funktioniert nahezu ohne Erde. Die Wurzeln entfalten sich auf einer dünnen Schicht Vlies und nicht in einem Substratkörper. Die Bewässerung erfolgt mit inte­ grierten perforierten Kunststoffrohren [11]. Studierendenwohnheim in Barcelona Der Neubau eines Studierendenwohnheims bei Barcelona zielt darauf ab, sich an die geringe Dichte der Nachbarbebauung anzupassen und einen starken Bezug zur Umgebung und zur Natur herzustellen. Der

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17

17 Studentenwohnheim in Sant Cugat del Vallès, Barcelona (ES) 2011, dataAE Lowtech: Fassaden­ begrünung, suffiziente und modulare Bau­ weise

Wohnkomplex ist in Raummodulbauweise aus gedämmten Betonfertigteilmodulen errichtet. Insgesamt 62 Raummodule mit einer Grundfläche von je 5 x 11,2 m wurden im Werk vorgefertigt und auf der Baustelle durch demontierbare Stahlverbindungen zusammengefügt. Die Architekten reduzierten die ohnehin minimierte Bauweise noch weiter, indem sie auf Wand- und Bodenbeläge verzichteten, die Oberflächen wurden roh belassen. Um das Miteinander unter den Studierenden zu fördern, orientieren sich die Wohnmodule nach innen jeweils zu gemeinschaftlich genutzten Innenhöfen und Laubengängen, die als informelle Begegnungsräume fungieren. Nach außen sind die Fassaden von mit Kletterpflanzen berankten Stahlseilnetzen umkleidet (Abb. 17). Diese stellen den Übergang zur Natur her und sorgen gleichzeitig für den nötigen Sonnenund Überhitzungsschutz [12]. Magistrat der Stadt Wien Statische Untersuchungen beim Amtshaus der Wiener Wasserwerke (MA31) ergaben, dass eine Fassadenbegrünung mit direkter Lasteinbringung in die bestehende Fassade aus den 1960er-Jahren nicht möglich war. 18 Verwaltungsgebäude, Magistrat der Stadt Wien (MA31), Wien (AT) 2016, Rataplan – Architektur Lowtech: fassadenge­ bundene Begrünung mit Trögen und Kletter­ pflanzen, automatisches Bewässerungssystem über Sensoren in den Trögen, fünf Bewäs­se­ rungs­kreis­läufe 18

Anmerkungen  [1]  Sabady 1978   [2] Sölkner u. a. 2014  [3]  Detail 7–8/2014  [4]  Thermocollect  [5]  Detail Green 1/2009  [6]  Oswalt 1994  [7]  Detail 6/2002  [8]  BIGMODERN 2015  [9]  Detail Green 2/2015 [10] Pohl u. a. 2014 [11] Haselsteiner 2011 [12] Detail 4/2015 19

Als Lösung wurde eine Tragkonstruktion auf eigene Fundamente vor das Gebäude gestellt und direkt an den tragenden Stützen Pflanztröge befestigt. Die bewachsenen Rankgerüste bieten einen seitlichen Sonnenschutz. Die Tröge selbst bilden abwechselnd mit feststehenden Sonnenschutzlamellen aus Holz eine zusätzliche Verschattung (Abb. 18). Institut für Forst- und Naturforschung Die Planung des Instituts für Forst- und Naturforschung im niederländischen Wageningen basiert auf einem passiven Ener­ giekonzept mit natürlicher Belüftung. Dazu wurden zwei verglaste Atrien als innen liegende Wintergärten geplant, die im Winter die Sonneneinstrahlung aufnehmen und in den massiven Bauteilen speichern (Abb. 19). Im Sommer werden diese „Indoor-Gärten“ durch die Pflanzen und die Verdunstung aus den Wasserbassins gekühlt. Ähnlich wie bei Treibhäusern der Gemüsebauern sorgt ein System von innen liegenden Rollos im Sommer für Schutz vor zu viel Sonne und in den Wintermonaten als zusätzliche Dämmung, um Wärmeverluste zu minimieren. Elektrisch gesteuerte Klappen dienen dem Warmluftabzug und begünstigen eine inten-

20 Bürogebäude ASI Rei­ sen Headquarters, ­Natters (AT) 2019, Snøhetta Lowtech: Fassaden­ begrünung, Innen­ raumklimatisierung mit Pflanzen, natürliche Lüftung, natürliche Holzkonservierung

20

19 Institut für Forst- und Naturforschung, Wage­ ningen (NL) 1998, Behnisch & Partner Lowtech: kompakte Bauform, passive Nut­ zung der Solarenergie durch zwei verglaste Atrien, Nutzung der thermischen Trägheit der massiven Elemente,

natürliche Belüftung, Verwendung von loka­ len Materialien und natürlich haltbaren Holz­arten, Einbindung von Pflanzen und Was­ ser in den Atrien, Regen­wassernutzung, Revitalisierung eines verseuchten landwirt­ schaftlichen Gebiets

sive natürliche Belüftung. Eine Dachbegrünung auf den Gebäuderiegeln ermöglicht durch die Regenwassernutzung eine trinkwassersparende Toilettenspülung. Firmenhauptsitz bei Innsbruck Der Anbieter von Trekking- und Abenteuerreisen wollte für seinen neuen Bürostandort bei Innsbruck ein nachhaltiges Architekturkonzept mit einem langfristig nie­drigen ökologischen Fußabdruck. Das viergeschossige Gebäude mit einer Holzrahmenkonstruktion und aussteifenden Massivholzelementen besitzt eine üppig bewachsene grüne Vorhangfassade (Abb. 20). Dieser „grüne Vorhang“ dient als Blendschutz und zur Verschattung der großen Glasflächen. Gleichzeitig reduziert das durch die grüne Pufferzone geschaffene Mikroklima den Energiebedarf für die Kühlung des Gebäudes. Regenwasser vom Dach wird in einer unterirdischen Zisterne gesammelt und speist das automatische Bewässerungssystem für die Pflanzen an der Fassade und im Garten. Die Holzfassade wurde nach einer traditionellen japanischen Methode konserviert: Leicht verkohlt und damit karbonisiert ist die Fassade ohne weiteren Anstrich wasserdicht und schützt zugleich vor Insekten. Das technische Gebäudekonzept nutzt Hightech-Kompo­nen­ten für ein passives Lüftungskonzept: Sensoren, die Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit, CO2 und Wind messen, nutzen thermische Auftriebs- und Winddruckbedingungen, um Frischluft durch das Gebäude zu zirkulieren. Je nach Notwendigkeit für das Raumklima werden die Lüftungsklappen geöffnet. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach deckt einen Teil des Eigenstrombedarfs.

Energiepotenziale der Umwelt

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Suffiziente Energieplanung Helmut Schöberl

Die EU hat sich bis spätestens 2050 Klima­ neutralität verordnet, einzelne EU-Länder möchten dieses Ziel bereits früher erreichen. Im Fokus stehen Maßnahmen zur Ökologi­ sierung auch im Gebäudebereich und der Verzicht auf fossile Energieträger zur Raum­ wärmeerzeugung sowie der massive Aus­ bau erneuerbarer Energieträger und die Förderung von Energieeffizienz. Der Gebäudebereich gilt als einer der größ­ ten Energieverbraucher, gleichzeitig sind hier große Möglichkeiten für Energieeffizi­ enzmaßnahmen und für nachhaltige Ener­ gieerzeugung vorhanden. Wenn beispiels­ weise beim Energieverbrauch 1 % einge­ spart wird, muss dieses Prozent an Energie erst gar nicht produziert werden. Ein Plus­ energiegebäude stellt derzeit das Maximum an Energieeffizienz dar und hat großes Potenzial, wesentlich zum Erreichen der gesetzten Klimaziele beizutragen. Die erfolgreiche Planung eines Plusenergie­ gebäudes beginnt mit dem essenziellen Verständnis über sämtliche Energieflüsse, ihre Abhängigkeiten und Schnittstellen. Der entscheidende Schlüssel, um Suffizienz im Energiebereich zu erreichen, liegt daher im Detail. Die planerische Optimierung und das Abstimmen sämtlicher Komponenten ist ausschlaggebend und ermöglicht ebenso eine Minimierung von Gebäudetechnik und damit zudem eine Reduktion von Kosten. Energiesuffizienz ist somit nicht nur als Qua­ litätsmerkmal für den sparsamen Betrieb zu verstehen, sondern bedeutet im Allgemei­ nen den schonenden Umgang mit Ressour­

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cen. Das Vorurteil, energieeffiziente Lösun­ gen seien teurer, hält sich aber weiterhin hartnäckig. Um jedoch unabhängiger von steigenden Energiepreisen zu sein, mit Res­ sourcen nachhaltig umzugehen, zur Klima­ entlastung beizutragen und dabei auch die Betriebskosten zu senken, ist eine suffizi­ ente energie- und gebäudetechnische Pla­ nung mehr denn je von Relevanz. Dazu sind Lowtech und Hightech nicht als sich wider­ sprechende, sondern als einander ergän­ zende Konzepte zu sehen, die im Zusam­ menspiel optimierte Lösungen hervorbringen können. Am Beispiel der Sanierung eines Bürohochhauses der Technischen Univer­ sität Wien (TU Wien) wird im Folgenden gezeigt, wie sich ein erfolgreiches Gesamt­ konzept umsetzen lässt (Abb. 1). Definition Plusenergiegebäude Ein Plusenergiegebäude ist ein Gebäude, bei dem der totale Primärenergiebedarf (Gebäudebetrieb + Nutzung) sehr gering ist. Für das Gebäude wird folgende Defini­ tion für Plus­energie herangezogen [1].

1

1  Sanierung Hochhaus der TU Wien zum Plus­ energiegebäude, Wien (AT) 2014, ARGE der Architekten Hiesmayr — Gallister — Kratochwil; Schöberl & Pöll (Bau­ physik, Passivhausbera­ tung und Zertifizierung)

Primärenergiebedarf, nicht erneuerbarer Anteil [kWh/(m2 · BGF · a)]

2  Primärenergiebilanz des Bürohochhauses der TU Wien vor und nach der Sanierung

800

803

700 600 500

458

400 300 200 100 0

56 vor Sanierung

typischer Büroneubau

gesamtes Plusenergiegebäude

• Primärenergie: Der nicht erneuerbare ­Primärenergiebedarf (Gebäudebetrieb + Nutzung) ist kleiner als der am Gebäude produzierte Strom. • Standort: Erneuerbare Energie wird vor Ort produziert (innerhalb der Grenzen des Gebäudes). • Betrachtungszeitraum: 1 Jahr • Bilanzgrenze: Die oben stehende Defini­ tion beinhaltet neben Heizung, Kühlung und Lüftung auch sämtlichen Verbrauch aus der Nutzung (z. B. Bürogeräte, Server, Küchengeräte), die technische Gebäude­ ausstattung und die Beleuchtung. Die lokale Bereitstellung von Strom und Wärme dient vorrangig zur Abdeckung des eigenen Strom- und Wärmebedarfs. Im hier betrachteten Beispiel wird der nicht lokal verbrauchte Strom in den Starkstromring am Areal des Bürohochhauses gespeist sowie zur Gänze durch die Nachbargebäude der TU Wien verbraucht und nicht ins öffentliche Netz exportiert. Projektbeschreibung Das weltweit erste Plusenergie-Bürogebäude der TU Wien ist seit Sommer 2014 fertigge­ stellt. Es handelt sich um die Generalsanie­ rung eines in den 1970er-Jahren errichteten Gebäudeteils, auch „Chemiehochhaus“ genannt. Bei der Sanierung wurde nur das tragende Stahlbetonskelett übernommen. Die besondere Herausforderung war eine optimierte Tageslichtplanung und Beleuch­ tung, da das Gebäude eine sehr hohe

61 Energieerzeugung am Gebäude

Energierückgewinnung Aufzug Serverabwärmenutzung Photovoltaik Sozialräume, Teeküche weitere Geräte (z. B. Kopierer, Beamer) EDV-Arbeitsplätze Kommunikation (Telefon, Switches) restliche elektrische Komponenten Server und USV MSR (Mess-, Steuer- und Regeltechnik) Aufzug Beleuchtung Lüftung Warmwasser und Trinkwasser Kühlung und Serverkühlung Heizung 2

Gebäu­detiefe aufweist. Mittels Tageslicht­ planung wurden die Fassaden grundlegend verbessert (optimierte Fensterflächen, Höhe des Lichteinfalls) und die Wände zu den Gängen weitgehend verglast. Die Beleuch­ tung wurde nach damals neuestem Stand der Technik optimiert (110 lm/W). Das Gebäude bietet rund 350 Mitarbeiten­ den und ca. 350 Studierenden hochwertige Arbeitsplätze. Das gesamte Bauwerk hat eine Nettogrundfläche von 13 500 m2 und elf Stockwerke. Ziel des Projekts war das Errei­ chen des Plusenergiestandards primärener­ getisch und am Standort. Dies inkludiert auch die Abdeckung des Primärenergiebe­ darfs der gesamten technischen Gebäude­ ausstattung, aller Bürogeräte, Server, Küchen, Beleuchtung und Standby-Verbräu­ che durch die Photovoltaikanlage sowie die Nutzung der Ser­ver­abwärme und der Brems­ energierückgewinnung der Aufzugsanlage. Kernpunkt für das Erreichen des angestreb­ ten Plus­ener­giestandards des Gebäudes war die extreme Reduktion des Energiever­ brauchs aller Bereiche und Komponenten im Gebäude, von Wärme über Kälte bis hin zu IT-Arbeitsplatzgeräten und elektrischen Kleinkomponenten. Im Projekt wurden über 9300 Komponenten aus 280 Kategorien auf­ gelistet, optimiert und von einem begleiten­ den Forschungsteam freigegeben. Abb. 2 zeigt den Primärenergiebedarf des Büro­ hochhauses vor und nach der Sanierung, d. h. inklusive jenes Energieanteils, der für die Bereitstellung an der Systemgrenze erforderlich ist. Nach der Sanierung ist die­

Suffiziente Energieplanung

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ser Energiebedarf geringer als die eigene Energieerzeugung am Gebäude. Der Weg zum Plusenergie-Bürohochhaus Die gesamte Konzeption des Projekts wurde an maximaler Energieeffizienz, technischer Machbarkeit und Praktikabilität unter markt­ fähigen Bedingungen ausgerichtet. Um die­ ses ambitionierte Ziel zu erreichen, war die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten von großer Bedeutung. Die Projektbeteiligten aus den Planungsund Forscherteams wurden durch Fachpla­ nende und fachspezifische Berater und Beraterinnen bei der Planung und Ausfüh­ rung unterstützt, insbesondere bei der ganz­ heitlichen interdisziplinären Umsetzung der einzelnen Innovationen. In regelmäßigen Planungsbesprechungen und Workshops wurde an den technischen Möglichkeiten gearbeitet und gemeinsam Abstimmungen und Entscheidungen getroffen. Das Plusenergie-Bürogebäude wurde als hocheffizientes Gebäude ausgeführt. Dazu zählen auch die gebäudetechnischen Anla­ gen wie z.B. die Bauteilaktivierung im Fuß­ boden. Diese effiziente Fußbodentemperie­ rung im Winter sowie im Sommer ist nur dann möglich, wenn die Fassade ausrei­ chend luftdicht ist und einen sehr niedrigen Transmissionswärmeverlust aufweist. Ein außen liegender Sonnenschutz ist zur Ver­ ringerung der solaren Lasten unabdingbar. Die Gebäudehülle wurde in Passivhaus­ qualität ausgeführt, da die Ausführung als Passivhaus die Grundlage für das Errei­ chen des Plusenergiestandards darstellt. Folgende Maßnahmen wurde umgesetzt: Energieeffizienz-Maßnahmen: • verbesserte Passivhaushülle als Basis • Kernlüftung zur automatisierten Nacht­ lüftung (zur Kühlenergieeinsparung) • hochenergieeffiziente Haustechnik • LED-Deckenleuchten mit 110 lm/W • 24 V-Netz zur Energieeffizienzsteigerung und Netzteilzentralisierung • energieeffiziente Bürogeräte, Teeküchen­ geräte und Serverlösung Energieerzeugung: • Photovoltaik an Dach und Fassade • Abwärmenutzung aus Serverraum und Nutzung in Bauteilaktivierung des Gebäu­

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des (zur Abdeckung eines Großteils des Heizenergiebedarfs) • Aufzug besser als Energiebedarfsbest­ klasse A mit Energierückgewinnung und Gegengewichtsreduktion Die Energieerzeugung mittels Photovoltaik auf dem Dach und in der Fassade am Hoch­ haus erreicht insgesamt 328,4 kWp und weist eine gesamte Modulfläche von 2199 m2 auf. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach hat eine Leistung von 97,8 kWp und umfasst eine Fläche von 618 m2, die PV an der Fas­ sade erzielt eine Leistung von 230,6 kWp auf 1581 m2 und ist damit die derzeit größte gebäudeintegrierte Photovoltaikanlage Öster­reichs. Der gesamte simulierte Jahres­ ertrag ergibt 248 804 kWh/a. Die Energierückgewinnung der Aufzüge erfolgt durch einen regenerativen Antrieb. Bremst die Kabine ab, wird der Antrieb als Generator genutzt, mit dessen Hilfe die Bewe­ gungsenergie der Kabine in elektrischen Strom umgewandelt und ins Netz des Ge­­ bäudes eingespeist wird. Die Abwärmenut­ zung der Server wird in das Fußbodenheiz­ system des Hochhauses geleitet. Der Pri­ märenergiebedarf für das gesamte Gebäude mit Büronutzung beträgt 56 kWh/(m2 ∙ BGF ∙ a). Die großen Energieverbraucher im Gebäude sind alle elektrischen Verbraucher bzw. Be­­ leuchtung, Kühlung und Lüftung. Der Strom­ bedarf der EDV-Arbeitsplätze, Server, unter­ brechungsfreie Stromversorgung, Teeküchen etc. schlägt mit 29,53 kWh/(m2 ∙ BGF∙a) zu Buche. Das entspricht 44 % des gesamten Primärenergiebedarfs. Die gesamte erzeugte Endenergie durch die drei Energieerzeuger ist wie folgt: • Photovoltaik Fassade: 146 360 kWh/a • Photovoltaik Dach: 102 444 kWh/a • Abwärmenutzung Server: 36 664 kWh/a • Aufzug Energierückgewinnung: 15 971 kWh/a Der innovative Aspekt der Plusenergiesa­ nierung des Hochhauses liegt aber vor allem in der extremen Komponentenoptimie­ rung. Während weitgehend bekannt ist, dass die Energieeffizienz eines Bauwerks durch eine verbesserte Gebäudehülle gesteigert werden kann und Anlagen zur Energiepro­

a 3  Energiegewinnung durch Photovoltaikan­ lagen am Gebäude a Terrasse mit Photo­ voltaik b Treppenhaus mit fassadenintegrierter Photovoltaik c Photovoltaikanlage auf dem Dach

Anmerkungen Rosenberger u. a. [1]  2013 Passivhaus-Daten­ [2]  bank des Passiv­ haus Instituts: passivehouse-data­ base.org/#d_3995

b

duktion zur Nachhaltigkeit bei­tragen, war die allumfassende Komponentenoptimierung – inklusive der Nutzung – ein ganz neuer Suffi­ zienzansatz. Mehr als 9300 Einzelkompo­ nenten konnten in diesem Projekt optimiert und damit eine Reduktion des Primärener­ giebedarfs um 88 % erreicht werden. Konkretes Beispiel für die Notwendigkeit der Optimierung jedes noch so kleinen Energie­ verbrauchers sind die Bewegungsmelder. Im gesamten Gebäude wurden 550 neuent­ wickelte, hocheffiziente Bewegungsmelder mit Lichtsensor installiert. Handelsübliche Bewegungsmelder weisen einen StandbyVerbrauch von 0,8 bis 2 W auf. Für die Ana­ lyse wurde ein Standard-Bewegungsmel­ der mit 1,5 W Verbrauch im Standby mit dem hocheffizienten mit 0,05 W StandbyVerbrauch verglichen. Durch den Einsatz dieses leistungsfähigen Bewegungsmelders ergibt sich eine Endenergieeinsparung von 6986 kWh pro Jahr. Ein allumfassendes EDV-Konzept definierte die Standards für die Verwendung von sehr energieeffizienten Geräten und den schritt­ weisen Austausch von existierenden Gerä­ ten. Letzteres garantierte, dass damals erst kürzlich angeschaffte Geräte nur aus­ getauscht wurden, wenn sie die Effizienz­ kriterien stark überschritten. Mit all den getätigten Maßnahmen lässt sich eine jährliche CO2-Einsparung von 814 302 t erzielen. Darüber hinaus spart das Gebäude jährlich 187 kWh/m2 an Endenergie. Das mehrfach ausgezeichnete Gebäude erreichte im österreichischen Nachhaltig­ keitszertifizierungssystem klimaaktiv 1000 Punkte und damit die maximale Punktezahl. Derzeit ist das Gebäude weltweit die ein­ zige Passivhaussanierung, die vom Passiv­ haus Institut das Zertifikat „EnerPHit Pre­ mium“ erhalten hat [2].

c

3

Monitoring Mit einem umfangreichen dreijährigen Moni­ toring, begleitet und ausgewertet durch den Forschungsbereich Bauphysik der TU Wien, konnten die Planung und die Wirkungen der technischen Lösungen zur Steigerung der Energieeffizienz genau überprüft, dokumen­ tiert, nachvollzogen und verbessert werden. Das Ergebnis hat das Maßnahmenbündel bestätigt und verdeutlicht, dass Monitoring ein essenzieller Teil suffizienter Energiepla­ nung und Gebäudeoptimierung ist. Multiplizierbarkeit Etliche Großbauten sind hinsichtlich ihrer Nutzung und ihrer Bausubstanz derzeit am Ende ihrer Funktionalität und müssen saniert werden. Vor allem Großsanierungsprojekte stellen ein beträchtliches Potenzial hinsicht­ lich des Erreichens gesetzter Klimaziele dar. Das Plusenergie-Hochhaus ist dabei ein Vorbild für Energieeffizienz und Nach­ haltigkeit im Gebäudebereich. Auf Basis einer sehr energieeffizienten Gebäudehülle lässt sich durch vergleichs­ weise unaufwendige (Lowtech), aber äußerst effektive Maßnahmen wie Komponentenaus­ tausch (z. B. Bewegungsmelder) der Plus­ energiestandard an jedem beliebigen Ort realisieren. Das Projekt hat gezeigt, dass eine Reduktion des Energiebedarfs um 88 % und eine extreme Effizienzsteigerung leicht durchführbar und nicht mit enormen Mehrkosten verbunden sind, wenn die Sen­ kung des Energiebedarfs und Suffizienz­ kriterien in allen Bereichen und Komponen­ ten zur Gebäudeoptimierung einbezogen werden.

Suffiziente Energieplanung

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Robuste Gebäudeplanung Thomas Auer, Bertram von Negelein

Seit rund 25 Jahren hat die Komplexität von Gebäuden stetig zugenommen. Mit den Mög­lichkeiten der Technik ist die Fülle an Teilsystemen der einzelnen Gewerke gewach­sen, mit der Folge, dass diese nur im perfekten Zusammenspiel Behaglichkeit und Effizienz in Einklang bringen. Darüber hinaus sind damit die Baukosten gestiegen. Im Bereich des Nichtwohnungsbaus, der rund 50 % der Fläche des Neubauvolumens in Deutschland ausmacht [1], zeigen zahlreiche Publikationen, dass die vorgesehene Energieeffizienz im Betrieb im Normalfall nicht erreicht wird bzw. erst nach einer qualifizierten Einregulierungsphase erzielbar wäre. Eine mit zusätzlichem Aufwand verbundene Qualitätssicherung, beispielsweise durch ein Monitoring zur Fehlererkennung und Einregulierung, wird bei den meisten Gebäuden in der Praxis nicht durchgeführt. Der Schluss liegt nahe, dass eine Vielzahl von neuen, durchaus ambitioniert geplanten Gebäuden deutlich mehr Energie verbraucht, als es erforderlich wäre, und gleichzeitig das „Versprechen“ nach einem hohen Nutzerkomfort nicht erfüllen wird. Bei jeder Energie, die nicht aus erneuerbarer Quelle stammt, bedeutet ein Mehrverbrauch auch eine grundsätzlich vermeidbare Abgabe von CO2 an die Atmosphäre. Es ergibt sich die Frage, ob die Komplexität der Gebäude, speziell auch der Gebäudetechnik, in Bau und Betrieb gerechtfertigt und praxistauglich ist.

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Hinzu kommt der Mensch als Nutzer, der die geplanten technischen Annahmen und Maßnahmen häufig konterkariert, zumindest aber nicht unterstützt. Die Planenden sprechen in solchen Fällen oft von einem „Nutzerfehlverhalten“, wobei die Frage erlaubt sein muss, ob es sich um ein Fehlverhalten der Nutzenden oder eher um eine Fehlplanung handelt, obwohl doch postuliert wird, dass der Mensch im Mittelpunkt stehe und nicht die Technik. Wirklich intelligente Gebäude und Technik sind dazu da, die Menschen in ihren Bedürfnissen zu unterstützen, nicht umgekehrt. In Folge ist durch eine Reihe neuerer Gebäude, die nach „Lowtech-Prinzipien“ entwickelt wurden, die Frage nach einfacheren Lösungen in der Architektur und in der Haustechnik entbrannt. Dabei war die Diskussion „Hightech versus Lowtech“ bereits ein Thema der 1990er-Jahre und hat seitdem auch zu reduzierteren, natürlicheren Lösungen in der Haustechnik geführt, beispielsweise bei der Lüftung. Schon damals wurden passive Strategien, wie sie – klima­gerecht auf die jeweilige Klimazone angepasst – aus der traditionellen Bautechnik bekannt sind, exemplarisch aufgezeigt, um die Aufenthaltsqualität bei minimiertem Einsatz von Klimatechnik auch im zeitgenössischen Bauen zu optimieren. Diese passiven Techniken resultieren vor allem daher, dass vor den 1920er-Jahren eine maschinelle Kühlung von Gebäuden nicht möglich war. Auf Basis adaptiver Komfortstandards (EN 16 798) kann man demons­

1

2  Fachklassentrakt ­Schubart-Gymnasium, Aalen (DE) 2019, Liebel Architekten a die Hauptkonzeptkomponenten b Varianten zur Tageslichtversorgung und Dachformen

trieren, dass die Aufenthaltsqualität dieser vernakulären Architektur für den Großteil des Jahres durchaus komfortabel war. Die Aufrüstung mit Technik hat dazu geführt, dass viele Gebäude zwar klimatisch kondi­ tionierbar wurden, man hatte aber die Aufenthaltsqualität in Gebäuden nicht ganzheitlich verstanden. Die Erkenntnis, zwingend verbessern zu müssen, weckte zwei Denkrichtungen: Das eine Lager verfolgte eine Optimierung der Klimatechnik, das andere eine Architektur mit weniger Technik, hin zu mehr passiven Maßnahmen. Passive Strategien und passiv einsetzbare Materialien wurden in den vergangenen 20 Jahren stetig weiterentwickelt. Das von den Architekten Baumschlager Eberle selbst genutzte Bürogebäude 2226 im österreichischen Lustenau kommt nach eigenen Angaben komplett ohne Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik (HLK-Technik) aus (Abb. 1). Eine ausgeklügelte Mess-,

1  Bürogebäude, Haus 2226, Lustenau (AT) 2013, Baumschlager Eberle Architekten

Steuer- und Regeltechnik (MSR-Technik) regelt dafür die natürliche Lüftung über motorisch bewegte Fenster in Abhängigkeit von der CO2-Konzentration und der Innentemperatur in den Räumen. „Intelligent einfach“ kann viele Spielarten aufweisen. Eine zusätzliche technische Ausrüstung resultiert durch die hermetisch dichte und hochgedämmte Gebäudehülle, kombiniert mit einer optimierten Klimatechnik, letztlich im Passivhausstandard. Auf den ersten Blick erscheint ein Passivhaus erstrebenswert, benötigt es doch im Betrieb so wenig Energie und scheint damit auch in seiner CO2-Bilanz günstig zu sein. Ein Ansatz für geringe CO2-Emissionen kann jedoch auch ganz anders aussehen. So etwa geschehen im Beispiel des Fachklassentrakts des Schubart-Gymnasiums in Aalen (Abb. 2). Nach umfassender Betrachtung und Bilanzierungen konnte das Team um Liebel Architekten überzeugend argumentieren,

Variante „Calatrava”

Photovoltaik – regenerative Stromerzeugung

Nachtlüftung Lüftung Erdkanal a

Variante „Oberlicht 2”

Variante „Shed”

Variante „Kamin”

Variante „Oberlicht”

Variante „Schuppe”

Tageslicht Heizung Nahwärme b

2

Robuste Gebäudeplanung

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Druckverlust minimierte Abluftanlage

OG 5 OG 4 OG 3 OG 2 OG 1

passive Betondecke offener Oberflächenanteil 67 % dezentrale Fassadenlüftungselemente schallgedämmte Lüftung mit Volumenstrombegrenzung dezentrale Fassadenlüftungselemente zur Nachtlüftung/-auskühlung ohne Konstantvolumenstromregelung Überströmung im Flur

EG a

b

Budget in eine regenerative Energieerzeugung zu investieren statt in die zunächst gewünschte aufwendige und teure Gebäudehülle. So entstand ein ganz anderes komfortables Gebäude, mehrfach ausgezeichnet, da es mehr Energie erzeugt als es selbst verbraucht, das mit Nachweis der DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nach­ haltiges Bauen) im Jahr 2020 das Prädikat „klimapositiv“ bekam. Eher einfach macht es sich hier die Gesetzgebung in Form von Verordnungen zur Energieeinsparung und entwickelt sich zielstrebig hin zu diesem Passivhausstandard. Betrachtet man jedoch den Gebäudebestand und beispielsweise die seitens der deutschen Regierung gesteckten Klimaschutzziele in Relation zu den damit erreichbaren Sanierungsquoten, wird klar, dass es alternative Modelle dazu geben muss. „Einfach bauen“ kann hierbei sicher eine Antwort liefern, wenn auch nicht die einzige.

funktionierte jedoch häufig nicht; die Qualitätssicherung für den optimalen Gebäudebetrieb ist offensichtlich unzureichend. Oben­ drein kommt es vor, dass die Regelung Dinge vollführt, die der Nutzende gerade nicht möchte, beispielsweise bei automatisierten Verschattungen. „Einfach“ muss weniger anfällige, weniger „nervöse“ Systeme bedeuten. Einfachheit lässt sich nicht auf passive Systeme wie natürliche Lüftung reduzieren: Standort, Gebäudeform, Materialität und nicht zuletzt die Art der Nutzung sind entscheidend. Entsprechende Beispiele geben im Folgenden zwei Gebäude in der mitteleuropäischen Klimazone.

Was bedeutet „einfach“? Hochentwickelte passive Strategien, vor allem für das Gebäudeklima und die Tageslichtnutzung haben seit über 20 Jahren Einfluss auf die Entwicklung von Architektur. Dabei ging es weniger um Fragen der Form, als vielmehr darum, diese Themen inhaltlich als relevant in der Architektur zu etablieren. Passive Maßnahmen, z. B. an der Gebäudehülle selbst und in Bezug auf die Anlagentechnik, sollten meist optimal gesteuert sein, also durch komplexe Regelungssysteme kontrolliert. Die notwendige Einregulierung

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3 3+4 Bundesgeschäftsstelle des Deutschen ­Alpenvereins (DAV), München (DE) 2021, ELEMENT A. Architekten, hiendl_schineis architektenpartnerschaft a Exponierte Betondecken dienen als Speichermasse und sorgen im Sommer für eine Nachtauskühlung. b Prinzipdarstellung Lüftungskonzept

Projektbeispiel DAV-Bundesgeschäftsstelle Für die Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins (DAV) in München (siehe Projektbeispiel, S. 140ff.) hat der Bau-

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5 a–b  Lüftungselemente im Brüstungsbereich, Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins (DAV), München (DE) 2021, ELEMENT A. Architekten, hiendl_ schineis architektenpartnerschaft

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herr ein bestehendes Gebäude erworben und es ressourcenschonend revitalisieren und aufstocken lassen. Das Konzept beruht auf dem Wunsch nach Nachhaltigkeit und verantwortbarem Umgang mit der Umwelt. Von außen betrachtet bleibt verborgen, dass der Betonkern des Altbaus fast vollständig erhalten wurde. Ein Neubau hätte durch Mehrverbrauch an Ressourcen den ökologischen Fußabdruck deutlich vergrößert. Die beiden hinzugefügten Stockwerke sind in Holzbauweise ausgeführt. Von Anfang an war für das Konzept ein Lowtech-Ansatz gefragt (Abb. 4). Holz, Glas und Begrünung kennzeichnen die neue Gebäudehülle. Die großen Fensterfronten kommen in vielen Bereichen ohne außen liegenden Sonnenschutz aus, nachdem mit Simulationen für jedes relevante Fensterelement die Verschattung durch Umgebungsbebauung und Begrünung untersucht wurde. Das natürliche Lüftungskonzept bietet trotz hoher Schallemissionswerte der nahen Autobahn und hoher Winddruckschwankungen aufgrund der nahe gelegenen Hochhäuser sehr guten akustischen und thermischen Komfort. Die Lösung ist ein neuer Ansatz für den Brüstungsaufbau, der konsequent in allen Bürobereichen eingesetzt wurde (Abb. 3 und 5). Ein Lüftungselement transportiert die Außenluft unabhängig von der Druckdifferenz schallgedämmt mit gleichbleibendem Volumenstrom ins Gebäude­ innere. Üblicherweise wird das Element über dem Fenster montiert, was bei kühle-

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ren Außentemperaturen im voralpinen München zu Zugerscheinungen führen kann. Die gefundene Lowtech-Lösung verzichtet auf den Einsatz von Hilfsenergie und elek­ trischen Regel- und Steuerelementen. Stattdessen machten sich die Planenden phy­ sikalische Grundlagen zunutze und gestal­ teten so ein sehr robustes System: Die Lüftungselemente sind bodennah in die Fassade eingebaut, aber so, dass im „Havariefall“, sprich beim Ausfall des Heizsystems, die kalte Außenluft am Konvektor vorbeiströmt. Dadurch wird ein Einfrieren des Konvektors vermieden, und es kann auf eine Frostsicherung verzichtet werden. Im Regelbetrieb sorgt der thermische Auftrieb des Konvektorschachts für die Nachströmung von Außenluft und bodennaher Raumluft. Die so erwärmte frische Zuluft ­verhindert Zugerscheinungen und Fußkälte. Die Abluft wird zentral in Schächten gesammelt und über Abluftventilatoren über das Dach abgeführt. Die Funktion wurde mit Strömungssimulationen verifiziert und auch an einem 1:1-Mockup mit Rauchversuchen erfolgreich überprüft. Die exponierten Geschossdecken unter­ stützen die Strategie der Auskühlung der Räume über Nacht im Sommer. In Hitze­ perioden sorgen Deckenventilatoren für erhöhte Luftbewegung und Nutzerkomfort. Auf eine Klimaanlage und eine maschinelle Kühlung wurde verzichtet. Aktiv, aber nicht konventionell gekühlt wird lediglich der Elektro- und IT-Bereich: Zwei Kältemaschinen arbeiten mit dem Kältemittel Wasser.

Robuste Gebäudeplanung

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Das ist günstig, effizient, ungiftig, nicht brennbar, ohne Ozonabbaupotenzial und hat ein Treibhauspotenzial von null. Im ­Winter wird die Abwärme ins Heizsystem ein­gespeist. Darüber hinaus bezieht das Gebäude Fernwärme. Projektbeispiel Alnatura Die Biomarktkette Alnatura hat in Darmstadt auf dem Areal der ehemaligen Kelley Barracks eine Fläche von rund 50 000 m2 für ihren neuen Firmensitz auserwählt (siehe Projektbeispiel, S. 152ff.). Herzstück auf dem Alnatura Campus ist mit rund 500 Arbeitsplätzen das in Europa derzeit größte Bürogebäude mit Stampflehmfassade. Die dreistöckige Bürowelt gliedert sich in die Bereiche Büro, Konferenz und Restaurant. Neben dem Anspruch an ein gutes Raumklima wird besonders auf Einfachheit im Sinne von Robustheit Wert gelegt: mehr Qualität durch Reduktion. Bereits bei der Planung wurde darauf geachtet, dass passive Maßnahmen den Aufwand für technische Anlagen möglichst gering halten. Auch die graue Energie des Neubaus wurde evaluiert, d. h. die Energiemengen ermittelt, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung der Baustoffe nötig sind, und ressourcenschonende Lösungen für die Bauteile gewählt. Ergebnis ist ein hochleistungsfähiges, energieeffizientes Gebäude mit optimiertem Innenkomfort aus recycelbaren bzw. natür­ lichen Materialien wie dem Tragwerk des Satteldachs aus Holz und den Lehmfassaden (Abb. 6). Die Fundamente, das Untergeschoss, die Kerne und die Geschossdecken sind aus Stahlbeton. Die thermische Masse der Geschossdecken leistet einen signifikanten Beitrag für den sommerlichen Wärmeschutz, wobei die massiven Lehmwände – gemeinsam mit der Holzkonstruktion des Dachs – eine passive Feuchteregulierung bewirken. Die Fenster in den Lehmfassaden werden außen liegend verschattet. Ost- und Westfassade sind vollverglast und versorgen – zusammen mit dem nordorientierten Oberlicht – das Atrium mit seinen hellen Oberflächen optimal mit Tageslicht. Der Lauf der Sonne wurde in der Raumaufteilung berück-

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sichtigt, um im gesamten Gebäude so gut wie möglich den natürlichen Lichteinfall auszunutzen. Das Kunstlicht wird abhängig von Nutzung und Tageslicht geregelt. Die fassadennahen Bereiche werden natürlich belüftet. Aufgrund der Gebäudetiefe gibt es eine maschinelle Zuluft für die inneren Bereiche, wobei ein Erdkanal die Frischluft vorkonditioniert, die dann über Quellluftauslässe in den vier Treppenhauskernen in die Bürobereiche eintritt. Die Nutzenden können die Fenster öffnen. Steuerbare Öffnungen im Dach des Atriums dienen der Durchund Ablüftung. Das System ist mit CO2-Sensoren ausgestattet. Gekühlt werden die Räume im Sommer, indem Nachtluftspülung die thermische Masse herunterkühlt. Zudem ist ein radia­ tives System als Wandheizung und -kühlung in die raumzugewandten Seiten der Lehmwände integriert. Mit Wärme und Kälte versorgt sich das Gebäude geothermisch über Erdsonden; Photovoltaik auf dem Dach erzeugt elektrische Energie (Abb. 7).

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6 a–c  Stampflehmfassade, Alnatura-Bürogebäude, Darmstadt (DE) 2019, haas cook zemmrich, Studio2050

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exponierte thermische Masse mit integrierten Akustikelementen

PV-Kollektor

innen liegender Sonnen- und Blendschutz Oberlicht, hocheffiziente DreifachWärmedämmung verglasung, zu öffnen tageslichtabhängige Kunstlichtsteuerung

Wandheizung/ -kühlung

7 Energiekonzept, Alnatura-Bürogebäude, Darmstadt (DE) 2019, haas cook zemmrich Studio2050

Anmerkung  [1] Statistisches Bundesamt 2021

außen liegender, beweglicher Sonnenschutz Dreifachverglasung opake Fassade, gedämmt Fensterlüftung helle Oberflächen Tageslichtreflektion helle Außenflächen/ Tageslichtreflektion

Wärmebedarf (z.B. Küche etc.) Gaskessel

Heizung + Kühlung: Abwärme Wärme- GeoKüche pumpe thermie

Luftauslass an den Kernen

Heizung des Bürobereichs: interne WandErdLasten heizung kanal

Fazit „Einfach Bauen“, „Lowtech“ und „Robustheit“ sind Begriffe, die aus verschiedenen Gründen wieder stärker die Diskussion um eine intelligenter gemachte Architektur bestimmen. Gleichzeitig ist die Frage nach dem Unterschied zum Diskurs der 1990erJahre zu stellen, der zu Disziplinen und Begriffen wie KlimaEngineering, KlimaDesign und klimagerechte Architektur geführt hat. Dies wurde häufig in Gebäude mit hohem Glasanteil und „intelligenten“ Fassaden übersetzt. Neu ist eine stärkere Fokussierung auf die Materialität im Sinne einer Lebenszyklusbetrachtung und damit die Frage nach der klimatischen Leistungs­ fähigkeit von Baustoffen im Zusammenwirken mit Entscheidungen, die die Form des Gebäudes betreffen. Diese Entwicklung ist im Hinblick auf Aufenthaltsqualität, Energieverbrauch, graue Emissionen und Rückbau sehr zu begrüßen und letztlich auch ökonomisch realisierbar. Stampflehmgebäude werden gern auf die dicken Wände reduziert. Tatsächlich ist das Zusammenspiel von Geometrie – vor allem Aspekte wie Raumhöhe (gutes Tageslicht bei reduziertem Fensterflächenanteil) – und Materialität – exponierte thermisch und hygrisch wirksame Gebäudemasse – von signifikanter Bedeutung. „Einfach“ impliziert eindeutig etwas anderes als nur weniger Technik. Vielmehr führt Einfachheit zu einer

Erdkanal als Komfortlüftung und Bypass mit Lüfter und Heizregister 7

anderen, bewussteren Materialwahl, die wiederum funktionale und formale Konsequenzen nach sich zieht. Es entstehen andere, neue Typologien. Oft nimmt das „Neue“ zwar Anleihen bei der vernakulären Architektur und doch kommt man bei der häufig gestellten Frage, ob nachhaltige Architektur auch einen eigenständigen formalen Ausdruck zu entwickeln vermag, einen Schritt weiter. Relevanter ist jedoch, dass nachhaltige Architektur facettenreicher und zunehmend zum „Stand der Technik“ wird. Dies zeigt sich beim Umgang mit dem Bestand, wofür das DAV-Gebäude (S. 74ff.)steht. In diesem Kontext führt der heutige Diskurs über die „Hightech versus Lowtech“-Be­ trachtungen der 1990er-Jahre hinaus bzw. es scheint die frühere Utopie der Ganz­heit­ lichkeit in der Realität angekommen zu sein. Die Projekte demonstrieren, dass das Thema das Potenzial hat, mehr zu sein als nur eine Mode­erscheinung. Ein Bürogebäude wie das von Alnatura schafft die Verbindung vom „exo­tischen“ Leuchtturmprojekt zur realitätsnahen Bauaufgabe und zeigt, wie bewusst geplante Nachhaltigkeit die gebaute Umwelt tatsächlich verändern kann. Wurden in den 1990er-Jahren die Grundlagen des KlimaEngineering und einer klimagerechten Archi­ tektur entwickelt, leistet die Besinnung auf Einfachheit und Robustheit im Bauen und in der Haustechnik heute womöglich die Eta­blierung eines KlimaEngineering 2.0.

Robuste Gebäudeplanung

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Lowtech-Fokus: Material Nachhaltige Baustoffwahl Edeltraud Haselsteiner

Das Bauwesen zählt weltweit zu den ressourcenintensivsten Sektoren. In Deutschland gehen beispielsweise rund 90 % aller eingesetzten mineralischen Rohstoffe in die Baustofferzeugung [1]. Insbesondere bei der Her­stellung von Zement und Beton werden große Mengen an CO2 emittiert. Etwa 8 % der Treibhausgasemissionen weltweit sind auf die Zementherstellung zurückzuführen [2]. Eine Wiederverwendung von Baumaterialien findet nur in geringem Ausmaß statt. Verbundbaustoffe erschweren eine sortenreine Trennung, im besten Fall werden Bauabfälle minderwertig im Straßenbau wiederverwendet. In den vergangenen Jahren haben sich zunehmend natürliche Baustoffe wie Lehm, Holz oder Stroh als Baumaterialien etabliert. Natürliche Material- und Rohstoffeigenschaften können konstruktiv, z. B. zur Tragfähigkeit, oder auch funktional zur (Wärme-) Speicherung, Klimatisierung etc. zum Einsatz kommen. Mit Naturbaustoffen, die ohne industrielle Verarbeitung entsprechend ihrer natürlichen Eigenschaften verbaut werden, lässt sich der ökologische Fußabdruck minimieren. Aber auch Innenraumklima und Wohlbefinden lassen sich durch die regulierenden Eigenschaften von Naturbaustoffen positiv beeinflussen. Darüber hinaus stellen bereits über Jahrhunderte bestehende historische Holz-, Stein- oder Lehmbauten ihre Robustheit und Beständigkeit unter Beweis. Materialien bestimmen durch ihre physika­ lischen Eigenschaften entscheidend die energetische Qualität von Gebäuden. Bau-

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stoffe, die den Wärmefluss minimieren, ermöglichen eine deutliche Reduktion des Energiebedarfs und der nötigen Betriebsenergie. Herstellung, Instandhaltung oder Rückbau des Materials binden graue Energie. Letztlich werden in der Nutzungsphase durch Instandhaltung und Pflege energe­ tische Prozesse ausgelöst, die über die Lebensdauer betrachtet auch erhebliche energetische und ökologische Auswirkungen haben [3]. Die folgenden Beispiele geben einen kleinen Einblick in die Vielfalt von Anwendungsmöglichkeiten natürlicher Materialien. Dabei zeigt sich, dass es nicht nur wichtig ist, die Materialien entsprechend ihrer Eigenschaften möglichst naturbelassen einzusetzen, sondern auch langfristig die Kreislauffähigkeit von Konstruktionen im Blick zu haben und Recycling oder Wiederverwendung am Ende der Lebensdauer einzuplanen. Bereits jetzt ist es möglich, Gebäude zu einem hohen Prozentsatz aus recyceltem Material herzustellen. Bauwirtschaft und das Baugeschehen allgemein als Teil einer umfassenden Kreislaufstrategie zu sehen, wie unter „Kreis­ lauffähiges Bauen und Sanieren” (S. 86ff.) aufgezeigt, ist das Gebot der Stunde. Naturbaustoffe und nachwachsende Biomaterialien Unterschiedliche Materialeigenschaften wie die feuchtigkeitsregulierende Wirkweise von Lehm, sehr gute wärmedämmende Eigenschaften von Holz oder die Witterungsbeständigkeit und einfache Verfügbarkeit von

a 1 a– b Büro- und Veranstaltungsgebäude Kulturkraftwerk oh456, Thalgau (AT) 2014, sps-architekten Lowtech: Lehmspeicherheizung, Einsatz natürlicher Materialien (z. B. Lüftungsauslässe aus Zirbenholz, Stampf­ lehmwände, Schindelfassade, Massivholz­ boden) und handwerk­ licher Techniken, suffizientes Gebäudegesamtkonzept, hoher Gebäudestandard (Plus­energiegebäude) mit energieautarker Versorgung

2 a–c Verwaltungsgebäude Grünes Zentrum Immenstadt (DE) 2016, f64 architekten Lowtech: regionale nachwachsende Baustoffe (Holz), demontierbare Verbindungen, Lehmbauwand als Speichermasse und zur Regulierung der Luftfeuchtigkeit, Nachtund Fensterlüftung, Tageslichtplanung

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Naturstein machten diese Naturbaustoffe zu bevorzugten Baumaterialien historischer lokaler Baukultur. Pflanzliche Rohstoffe wie Stroh, Schilf, Flachs, Hanf etc., die je nach Klimafaktoren und Bewirtschaftung land­ wirtschaftlicher Flächen zur Verfügung standen, komplettierten die traditionellen Bauweisen z. B. als Dämmmaterial oder Dachbedeckung. Alle diese Baustoffe sind in der Natur nach wie vor vorhanden oder können mit einfachen Mitteln auch heute wieder kultiviert werden. Insbesondere Materialien wie Holz oder Lehm gibt es nahezu überall und sie sind so, wie sie in der Natur vorkommen, unmittelbar einsatzbereit. Gepaart mit einer Rückbesinnung auf handwerkliche Techniken entstehen auf der Basis verschiedener lokal vorhandener Naturbaustoffe neue Gebäudekonzepte mit einer erheblichen Einsparung an grauer Energie und für eine nachhaltige und ressourcenschonende Zukunft. Den in den vorangegangenen Kapiteln bereits beschriebenen Beispielen aus verschiedenen Naturbaustoffen folgen hier exemplarisch zwei Holzbauten.

Das Gebäude steht am Standort eines ehemaligen Sägewerks. Die nötige Energie für die dort ansässigen Unternehmen liefern ein Kleinwasserkraftwerk und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Als Pilotprojekt im Rahmen des österreichischen Energieforschungsprogramms „Haus der Zukunft“ sollte das Gebäude darüber hinaus zukunftsweisende Wege für ökologisch nachhaltiges Bauen aufzeigen und als Prototyp für die Erprobung neuer Komponenten, aber auch alter Handwerkstechniken dienen [4]. Die Grundstruktur bilden unbewehrte Stampf­ betonwände und Brettsperrholzplatten. Holz dominiert auch die weitere Gebäudegestaltung: Lüftungsauslässe aus Zirbenholz, eine Schindelfassade und Massivholzböden demonstrieren die breiten Anwendungsmöglichkeiten dieses Baustoffs. Beheizt wird das Gebäude mittels einer Lehmspeicherheizung (Abb. 1).

Büro- und Veranstaltungsgebäude Das Kulturkraftwerk oh456 bietet auf drei Ebenen Platz für Einzel- und Gemeinschafts­ büros sowie für ein Veranstaltungszentrum.

Verwaltungsgebäude in Immenstadt Die Bauaufgabe, ein Verwaltungsgebäude zu planen, in dem Einrichtungen der Forst-, Holz- und Landwirtschaft ihre Kompetenzen bündeln, legte Holz als primären Baustoff nahe (Abb. 2). Es kam als vielgestaltiger Baustoff sowohl ästhetisch, wirtschaftlich als auch konstruktiv zum Einsatz. Die leichte Schrägstellung der Fassade erfüllt neben der plastischen Wirkung vor allem die Funktion eines konstruktiven Holzschutzes. Großer Wert wurde darauf gelegt, mit lokalen Firmen und vor Ort vorhandenen Materialien zu arbeiten. Innenwände und Decken sind daher mit heimischen Holzarten bekleidet. Eine 40 cm starke Wand aus Stampflehm bringt ausgleichende Speichermasse in das Gebäude ein und wirkt regulierend auf die Luftfeuchtigkeit. Zentrale Bereiche und

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Flure werden von oben über das Atrium belichtet und belüftet. In den Büros zeigen optische und akustische Signale an, wenn Fenster zu öffnen sind.

Alltagsmaterialien oder Abfallprodukten gelungene neue Architektur entstehen kann.

Recyclingmaterialien Um graue Energie im Herstellungsprozess weitgehend zu reduzieren, sollte die Weiterverwendung und Umnutzung bestehender Gebäude immer Vorrang haben vor dem gänzlichen Abriss eines Gebäudes oder dem Errichten eines Ersatzneubaus. Wird ein Bauwerk dennoch abgetragen, ist es möglich, auf der Baustelle anfallende Baumaterialien als solche wiederzuverwenden. Um den Anteil der zu entsorgenden Reststoffe möglichst gering zu halten, ist eine vorausschauende Planung bezüglich des gesamten Rückbaus und Recyclings der verwendeten Baumaterialien und Baustoffe ein wesentlicher Planungsaspekt. Folgende Faktoren begünstigen oder erschweren eine Wiederverwendung oder ein Baustoff­ recycling: •  Homogenität der verwendeten Materialien • Materialwahl/-vielfalt • Trennbarkeit und Verbindungsdetails ­zwischen Baustoffen und Materialien • Material-/Baustoffkennzeichnung und Dokumentation Die Möglichkeiten zur Wiederverwendung einzelner Baustoffe haben sich nicht zuletzt auch durch technische Fortschritte in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Bauschutt, der bislang eher minderwertig im Straßenbau zum Einsatz kam, lässt sich durch verbesserte Recyclingprozesse mittlerweile für die Baustoffherstellung von rezykliertem Beton wiederverwenden. Die folgenden Beispiele zeigen, wie aus Abbruch-,

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Gemeindezentrum in London Hub 67 ist ein Gemeindezentrum für eine temporäre Nutzung von drei bis fünf Jahren. Das Gebäude ist als Gemeinschaftsprojekt in Zusammenarbeit mit der örtlichen Gemeinde und unter Beteiligung der lokalen Bevölkerung entstanden. Durch die aktive Einbindung der Bürgerinnen und Bürger gelang es nicht nur, ein bewusstseinsbildendes Vorzeigeprojekt in Sachen Wiederverwertung von Ressourcen zu kreieren, sondern gleichzeitig ein verbindendes Identifikations­ objekt für die örtliche Gemeinde zu schaffen. Das Gebäude ist zu 80 % aus recyceltem Material von den Olympischen und Paralympischen Spielen 2012 in London gebaut (Abb. 3). Neun aus Stahlrahmen und Sperrholz gefertigte ehemalige Umkleidekabinen der Sportlerinnen und Sportler wurden neu zusammengefügt und als Stahlkonstruktion miteinander verbunden. Die Boxen sind zusätzlich gedämmt und mit einer Belüftung ausgestattet. Darüber hinaus finden sich im Gebäude zahlreiche ­wiederverwendete oder von der lokalen Bevölkerung gestaltete Elemente. Die Fassade besteht zum Teil aus Zäunen des Olympiageländes und recycelten Alumi­ niumplatten, örtliche Künstler und eine Schülergruppe entwarfen und fertigten die diversen Leuchten [5]. Drei soziale Unternehmen in Wien magdas hotel, magdas kitchen und VinziRast-mittendrin sind soziale Unternehmen in Wien, bei denen die Idee der Wiederverwendung verschiedener Materialien und der Partizipation der künftigen Bewohnenden

3 a–b  Gemeindezen­trum Hub 67, London (GB) 2014, LYN Atelier Lowtech: Bauen mit Recyclingmaterialien, 80 % der verwendeten Materialien von Bauten der Olympischen Spiele 2012

4 soziale Unternehmen a–b magdas kitchen, Wien (AT) 2019, ATP c–d magdas hotel, Wien (AT) 2015, AllesWirdGut Lowtech: Wiederverwendung von Alltagsmüll

zum Programm wurde (Abb. 4). VinziRastmittendrin ist ein von Studierenden initiiertes Wohn- und Beschäftigungsprojekt für ehemals obdachlose Menschen. Ein großer Teil der Umbauarbeiten erfolgte gemeinsam mit den Betroffenen, Studierenden und weiteren Freiwilligen, die heute zum Teil auch darin wohnen. Das Haus wurde überwiegend mit Sach- und Materialspenden eingerichtet. Materialien, die sonst im Müll landen, wie Obst- und Gemüsekisten, recycelte Kaf­ feesäcke oder sogar Türklinken, die als Taschenhaken entlang der Bar dienen, sind im Rahmen der begrenzten finanziellen Mittel maximal eingesetzt. magdas hotel und magdas kitchen sind beides Sozialunternehmen der Caritas Wien. magdas hotel bietet Unterkünfte für geflüchtete Menschen, in magdas kitchen wird Essen für Seniorenheime und Kindergärten zubereitet. Bei beiden Projekten wurde der Innenausbau mit Abbruch und Re-UseMaterialien gestaltet. Mit Lampen aus einem abgerissenen Bürogebäude, ehemaligen Deckenplatten oder Parkettböden als Wandschmuck und Bekleidung wurden Räume geschaffen, in denen nicht nur für die Materialien, sondern auch für Menschen mit schwerer Vergangenheit wieder ein neues Leben entstehen sollen.

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Bauen mit Masse Bauen mit (Speicher-)Masse wurde in traditionellen Bauweisen angewendet, um ohne technische Mittel Räume natürlich zu klimatisieren. Das Prinzip beruht auf speicherwirksamer Masse von Bauteilen. Bei Wärmeeinstrahlung wird Wärme in Massivbau­ teilen gespeichert und führt zu einer Erhöhung der Oberflächentemperatur. Je nach Raumluft- und Oberflächentemperatur kommt es zu einem Wärmeübergang zwi­ schen Oberfläche und Raumluft. Bei niedri­ geren Raumtemperaturen wird den Oberflächen Wärme entzogen und wieder an die Raumluft abgegeben. Der Einsatz von Gebäudemasse als Wärme­ speicher ist vor allem in Zusammenhang mit passiven Solarhauskonzepten relevant. Rea­ lisierte Beispiele zeigen, dass mit zuneh­ mender Verbesserung der Baumaterialien und einem optimalen Zusammenspiel zwi­ schen Sonneneinstrahlung, speicherfähiger Baumasse und optimierter architektonischer Form inzwischen Gebäude ohne konventionelles Heizsystem auskommen. Mittels Computersimulation und einschlägigen Rechenprogrammen lassen sich das Spei­ cher­verhalten der Baumassen und die zu erwartenden Raumtemperaturen über den Tages-/Jahresverlauf schon in der Pla­ nungs­phase mit guter Genauigkeit berechnen (siehe Projektbeispiel, S. 136ff.). Die große Herausforderung liegt in der Verbesserung der thermischen Eigenschaften von Masse ohne Zuwachs an Menge. Dazu haben sich zwei Strategien etabliert: die thermische Aktivierung von Bauteilen und die Simulierung der Speicherfähigkeit von Masse mittels Phase-Change-Materialien (PCM). Phasen- oder viskositätsveränder­ liche Materialien können durch Einwirkung von Temperatur, elektrischer Spannung oder magnetischen Feldern ihren Aggre­ gatzustand reversibel verändern und dabei Wärme aufnehmen oder abgeben. Paraffine oder Salzhydrate beispielsweise beginnen an einem festgelegten Temperaturpunkt ihrer Umgebung Wärme zu entziehen und nach dem Phasenwechsel wieder abzugeben (siehe „Passiv-solare Energiefassaden”, S. 60f.) [6].

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Nachhaltige Baustoffwahl

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Die zweite Strategie, die Bauteilaktivierung, hat die Funktion, die thermischen Eigenschaften von Masse zu verstärken, ohne mehr Masse einsetzen zu müssen. Vorbilder reichen zurück bis zu den Hypokaustensystemen und mit warmer Luft temperierten Bau­ teilen in römischen Bädern. Darüber hinaus finden sich in traditionellen Bauweisen im arabischen und afrikanischen Raum bzw. in Gebieten mit vorherrschend heißem und trockenem Klima sowie sehr großen Tag-NachtTemperaturdifferenzen Beispiele dafür, wie Wärme in massiven Decken, Wand- und Bodenbauteilen zwischengespeichert und zeitversetzt durch die kühlere Nachtluft abge­ führt werden kann. Der moderne Holzbau macht sich dies zum Prinzip beim sommerlichen Wärmeschutz: Speicherfähigkeit durch oberflächennahe Schichten (Speichermasse) in Kombination mit gesicherter Wärmeabfuhr (kühlungswirksamer Luftwechsel). In gegenwärtigen Systemen der Bauteilaktivierung wird zudem durch Trägermedien, z. B. Luft oder Wasser, das Speichervermögen der Baumasse erhöht und überwiegend durch Strahlung über die aktivierten Flächen abgegeben. Bauteilaktivierung wird sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen von Räumen eingesetzt [7].

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einheimischem Valser Quarzit im ganzen Schulhaus vergrößert. Die Deckenuntersicht wurde als Absorptionsfläche durch eine Betonrippenkonstruktion ausgedehnt. Großformatige Fensteröffnungen mit nach oben sowie nach Süden bzw. Westen mit 45 ° abgeschrägten Laibungen unterstützen einen optimalen Lichteinfall und die passivsolare Energienutzung. In den Klassenräumen ermöglicht ein steuerbares UmlenkLamellensystem an der Innenseite der Fens­ter die Umlenkung des Tageslichts in die Raumtiefe und die Einführung der Wärmestrahlung in die Rippendecke [8].

5 a– b Schulanlage Vella GR, Lumnezia, Vella (CH) 1997, Valentin Bearth & Andrea Deplazes Lowtech: reduzierte Heiz- und Gebäudetechnik (keine konventionelle Heizung): passivsolares Energiekonzept, Optimierung der speicherwirksamen Masse durch Materialwahl und Gestaltung

Schulanlage in Vella Für den Neubau der Schulanlage in Vella wurde ein passiv-solares Energiekonzept gewählt (Abb. 5). Dabei besitzt der Neubau weder eine konventionelle Heizung noch Sonnenkollektoren. Lediglich eine Quellluft­ anlage und ein Wärmetauschgerät bilden ein ergän­zendes Haustechniksystem. Die Massivbauweise in Beton sorgt für ein gutes Speichermedium. Zusätzlich wird der Speichereffekt durch den Steinplattenboden aus

Bürogebäude in Lustenau Im 2013 fertiggestellten Haus 2226 in Lustenau von Baumschlager Eberle Architekten wird Raumwärme ohne konventionelles Heiz­ system allein aus inneren energetischen Quellen und speicherfähiger Masse generiert (Abb. 6). Dicke Außenwände, massive Böden und Decken als Speichermasse sorgen dafür, dass möglichst wenig Wärme durch die Wände diffundiert. Die 80 cm dicken, massiven Außenwände sind aus han­delsüblichen doppelschalig verlegten Hoch­lochziegeln – ohne Dämmung – errich­ tet. In Kombination mit einer natürlichen Lüftung (CO2-sensorgesteuertes 2226 Operating System, siehe Projektbeispiel, S. 138),

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6 a– b Bürogebäude, Haus 2226, Lustenau (AT) 2013, Baumschlager Eberle Architekten Lowtech: keine Heizung: Raumwärme aus inneren energetischen Quellen und in speicherfähiger Masse gebunden, CO2-sensorgesteuerte natürliche Fensterlüftung, kompakte Gebäudeform mit optimierten Fassadenöffnungen und natürlicher Verschattung

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7 a–c Einfamilienhaus, Lehmhaus Rauch, Schlins (AT) 2008, Boltshauser Architekten, Martin Rauch Lowtech: ökologische Bauweise und Materialwahl, Wiederverwerten von Aushubmaterial, rezyklierbares, natur­ belassenes unbehandeltes Material, Dokumentation der eingesetzten Materialien

einer kompakten Gebäudeform mit optimierten Fassadenöffnungen, natürlicher Verschattung, einfacher Konstruktion und Bauweise mit konventionellen ökologischen Baumaterialien (Ziegel, Holz), Tageslicht, suffizienter Gebäudeausstattung und Nutzungsflexibilität zählt es als Leitprojekt einer zeitgemäßen Lowtech-Bauweise.

setzt: Die Lehmhäuser wurden zunächst aus selbst geformten Lehmziegeln und Lehm­mörtel errichtet. Danach wurde der Bau als Ganzes „gekocht“, um die Festigkeit von Ziegeln zu erreichen. Bei diesem Fertigungsschritt wurde der Innenraum der Bauten mit anderen Lehmziegeln oder weiteren Keramikprodukten (z. B. Fliesen) gefüllt und wie ein Brennofen verwendet.

8 a–c Kinderheim Volontariat Home for Home­less Children, Pondicherry (IN) 2012, Anupama Kundoo Lowtech: „gebackener“ Lehmbau

Lehmhaus in Vorarlberg Lehm entsteht bei der Verwitterung (Zerfall) von Gesteinsschichten infolge geologischer Vorgänge und Erosionseinflüssen, z. B. von Wasser, Frost, Wind und Temperaturwechsel. Lehm ist überall vorhanden und nutzbar, die Verarbeitung hingegen sehr zeitintensiv. Inzwischen ermöglichen Lehmfertigteile bei größeren Projekten auch eine rationalisierte Bauweise. Das Lehmhaus Rauch ist in massiver Stampflehmbauweise gefertigt (Abb. 7). Dazu wurde das gesamte Aushubmaterial zunächst gesiebt und dann in Form von gestampftem Lehm für tragende und vorgefertigte Wände, Fußböden und Ent­wäs­se­ rungsabdichtungen wiederverwen­det. Die Lehmwände blieben außen und innen weitgehend unbehandelt. Das Gebäu­de gilt als erfolgreiches Experiment und Vorzeigeprojekt für den innovativen Lehmbau. Kinderheim aus Lehmziegeln Volontariat ist eine NGO, die soziale Projekte unterstützt und initiiert. Das Projekt im indischen Pondicherry zielt darauf ab, kostengünstige und umweltschonende Wohnlösungen für obdachlose Kinder bereitzustellen. Diese Heime sind für 15 Kinder und fünf Pflegeeltern geplant. Entstanden ist ein Prototyp aus „gebackenem“ Lehm (Abb. 8). Die Technologie wurde von Ray Meeker und Golden Bridge Pottery entwickelt und von der Architektin Anupama Kundoo umge-

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Innovative Baumaterialien Weltweit haben Pioniere der Architektur experimentelle Bauten mit alternativen Bau­ materialien erprobt. So wird Bambus zunehmend als leistungsstarkes Baumaterial wiederentdeckt, aber auch Konstruktionen aus Papier oder Karton wurden bereits realisiert. Der Architekt Shigeru Ban entwickelt seit Mitte der 1980er-Jahren verschiedene Bausysteme aus Papierröhren. Dabei werden die kostengünstig aus Altpapier hergestellten Röhren als konstruktives Element eingesetzt und zu einem einfachen Bausystem zusammengefügt. Der Architekt Wang Shu verarbeitet gemeinsam mit seiner Frau, der Architektin Lu Wenyu (Amateur Architecture Studio) in seinen Bauten bevorzugt recycelte Baumaterialien. So wurde das Historische Museum Ningbo aus dem Abbruch traditioneller chinesischer Gebäude im regionalen Umfeld errichtet (siehe Abb. S. 36). Eine ebenso innovative Entwicklung zeichnet sich auf Basis von Biomaterialien ab. Sogenannte selbstwachsende Biomaterialien fußen auf dem Wachstum von Mikroorganismen (z. B. Bakterien oder Pilze), die in einem geeigneten Nährstoffmaterial ihr Wachstum entfalten. Dadurch wird das Ausgangsmaterial so verändert, dass ein neues Material entsteht. Neben den geeigneten Nährstoffen – sonst üblicherweise Abfallprodukte – ist einzig eine bestimmte Feuchtigkeit und Temperatur über einen vorgegebenen Zeitraum einzuhalten. Sie wachsen standortunabhängig bzw. können lokal dort kultiviert werden, wo sie auch zum Einsatz kommen, sodass lange Transportwege entfallen. Darüber hinaus sind es vorwiegend organische Materialien, die während ihrer Wachstums­ phase CO2 absorbieren. Zudem ist von Vorteil, dass diese Materialien nach der Verwendung einfach wieder kompostierbar sind oder sich in einem neuen Zyklus wiederverwenden lassen. Obwohl die Entwicklung in diesem Sektor noch vergleichsweise jung ist, gibt es inzwischen einige Produkte auf dem besten Weg zur Marktreife. Notunterkünfte aus Papierrohren Nach dem Erdbeben in Kobe entwickelte Shigeru Ban 1995 einfache und kosten­güns­ tige Häuser als Notunterkünfte. Die Materia-

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9 Notunterkünfte, Paper Log Houses, Kobe (JP) 1995, Shigeru Ban Lowtech: einfach und kostengünstig bauen mit vorhanden und gespendeten Materialien (Bierkisten, Kartonröhren etc.), Ressourceneffizienz, Rückbau und Rezyklierbarkeit

lien stammen weitgehend aus diversen Rest­ stoffen und gespendeten Materialien. Das Fundament bilden mit Sandsäcken befüllte Bierkisten. Die Wände sind aus Papierrohren mit 4 mm Stärke und einem Durchmesser von 106 mm sowie einem Zeltmaterial für das Dach gefertigt (Abb. 9). Zur Dämmung wird zwischen den Papierrohren der Wände ein wasserdichtes Schwammband mit Klebstoff auf der Rückseite eingelegt. Die Material­ kosten liegen unter 2000 US-Dollar für eine 52-m2-Einheit. Die Einheiten lassen sich einfach und rasch durch Laien auf- und wieder abbauen und sind komplett recyclingfähig. Haus aus Seetang Mit dem Entwurf von Vandkunsten Architects wurde eine lokale Bautradition wiederbelebt. Seetang dürfte auf der Insel Læsø bereits im 18. Jahrhundert als Dachdeckung verwendet worden sein. Diese Bautradition entstand aus Mangel an Holz oder Stroh, da beides für andere Zwecke benötigt wurde. Seetang ist in den Küstengewässern reichlich vorhanden. Die Architekten verwendeten Seetang als Dachdeckung, als Fassadenbekleidung und als Dämmung (Abb. 10). Für die Umsetzung dieses außergewöhnlichen Konzepts war an vielen Stellen Handarbeit nötig. So wurde für die Dachdeckung das Material manuell in

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10 Einfamilienhaus, Modern Seaweed House, Læsø Island, (DK) 2013, Architectural studio Tegnestuen Vandkunsten Lowtech: kostengünstiges Bauen, innovative und experimentelle Anwendung günstiger regionaler Baustoffe, Wiederbelebung lokaler Bautradition

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b 11 a–b MoMA Pavilion PS1, New York (US) 2014, The Living, David ­Benjamin 12 a–b Gebäudemodule Tecla 3D Habitat, Ravenna (IT) 2021, Mario ­Cucinella Architects, Wasp Lowtech: in 3D-Druck hergestellter Lehmbau

Anmerkungen  [1]  Pichlmeier 2019  [2] energiezukunft.eu   [3] Hegger u. a. 2007  [4]  nachhaltigwirtschaften.at  [5]  Detail 3/2016  [6]  Haselsteiner 2011   [7] Zement + Beton 2016  [8]  Luchsinger 1998  [9]  Detail Green 1/2014 [10] Detail 6/2015

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gestrickte Schafwollnetze gestopft und mit langen Leinen an Lärchenholzlatten auf der Außenseite des Dachs befestigt. Das Projekt wurde vom dänischen Institut für Mee­­­resbiologie wissenschaftlich begleitet, um mehr über die physikalischen Eigenschaften der Pflanze zu erfahren. Wissen zur Verarbeitung des Materials wurde von der Bevölkerung erfragt [9]. „Selbstwachsende“ Biomaterialien Das eigentlich auf Verpackungsmaterialien spezialisiertes Unternehmen Ecovative hat eine Methode umgesetzt, um Kunststoffe durch ein auf einem Pilz basierenden Material zu ersetzen. Die ursprüngliche Intention lag darin, ein alternatives Material zu den kon­ven­tionellen Dämmstoffen auf Basis von Erdöl zu entwickeln. Hergestellt wird das innovative Material aus landwirtschaftlichen Abfällen, wie etwa Maisstroh oder anderen Ernteresten, und dem sogenannten Myzel, dem im Boden vorhandenen Geflecht von Pil­zen. Das Myzel wirkt dabei wie ein sich selbst produzierender Klebstoff, der ver­schie­ dene Materialien binden kann. Um die Materialstabilität zu demonstrieren, entstand ein kleines Demo-Haus. Dort wurde innerhalb einer Holzkonstruktion mittels des Myzels eine feste Dämmschicht kultiviert. Die Stabilität der so produzierten Dämmschicht reichte aus, um das Gebäude ohne zusätzlich aussteifende Konstruktionen zu bauen. 2014 wurde für eine Ausstellung im Museum of Modern Art (MoMA) in New York ein eigener Pilzziegel entwickelt, mit dem der Architekt David Benjamin (The Living) eine begehbare Turmskulptur errichten ließ (Abb. 11). Der Vorteil: Pilze sind einfach zu kultivieren und die in einem Lowtech-Verfahren hergestellten Pilzsteine gänzlich kompostierbar [10].

Lehmgebäude aus dem 3D-Drucker Innovationen gibt es nicht nur im Bereich der Materialien, auch neue Technologien wie der 3D-Druck zeigen Alternativen auf, wie sich Naturbau- oder Reststoffe ökonomisch verarbeiten lassen. Der Architekt Mario Cucinella und 3D-Druckspezialist Wasp haben gemein­ sam den Protoypen eines ökologischen Gebäudes entwickelt, das mit Ton in 3D gedruckt wird. Das Gebäude Tecla wurde unter Verwendung von Lehm aus einem nah gelegenen Flussbett gebaut und konstruiert. Die beiden miteinander verbundenen kuppelförmigen Volumen bestehen aus 350 gestapelten Schichten 3D-gedruckten Tons. Nach Entwicklerangaben lassen sich durch den Einsatz dieser Technologie Gebäudemodule innerhalb von 200 Stunden bauen, während sie durchschnittlich 6 kW Energie für den Bau einer Einheit verbrauchen und so gut wie kein Bauabfall anfällt. Die ca. 60 m2 großen Einheiten mit einer Raumhöhe von 4,2 m umfassen Küche, Wohn- und Schlaf­ bereich und sind über ein rundes Ober­licht im Dach belichtet (Abb. 12). Gaia, ein ebenfalls von Wasp mit ähnlicher Technologie errichtetes Gebäude, besteht aus natürlichen Abfallmaterialien aus der Reisproduktion, zu 25 % aus Aushub, 40 % aus Reisstroh und zu 25 % aus Reisschalen.

a

b

12

Nachhaltige Baustoffwahl

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Kreislauffähiges Bauen und Sanieren Johannes Kisser, Gaetano Bertino

Obwohl nach Abbruch- oder Umbauarbeiten bereits rund die Hälfte der Baumaterialien recycelt werden, verursacht die Baubranche über ein Drittel des gesamten Abfalls in der Europäischen Union (EU) und ist damit der größte Abfallproduzent. Städte und Siedlungen sind Zentren wirtschaftlicher Aktivität, verbrauchen dafür aber auch immense Mengen an Wasser, Nährstoffen und Materialien, die über kurz oder lang zu Abwasser und Müll werden. Anstatt Ressourcensenken darzustellen, könnten Gebäude, Städte und Siedlungen als Quellen für Sekundärmaterialien, als Ressourcendrehscheiben innerhalb der Kreislaufwirtschaft fungieren. Ein wichtiger Aspekt der Kreislaufwirtschaft sind die in Siedlungsnähe immer omnipräsenten Sekundärressourcen, die sich grob in zwei Kreisläufe gliedern lassen: technische und biologische. Technische Kreisläufe umfassen Ressourcen, die mehrmals genutzt werden können oder im Gebäude als Rohstoffbestände oder -vorräte gespeichert werden. Biologische Kreisläufe umfassen Ressourcen, die biologisch abbaubar oder für biologische Prozesse notwendig sind. Sie werden kontinuierlich in dem Ge­­ bäude verstoffwechselt. Die technischen und biologischen Kreis­läufe unterscheiden sich durch unterschiedliche Lösungsansätze, um diese Kreisläufe zu schließen. Doch kreislauffähiges Bauen geht weit über die Nutzung von Sekundärmaterialien hinaus. Systemisch kreislauffähige Gebäude werden bereits im Design modular, adaptierbar, multifunktional und rückbaufähig

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entworfen. Lösungsansätze für kreislauffähiges Bauen orientieren sich an grundlegenden Prinzipien, die • Abfall als Wertstoff (Nährstoff) ansehen • verwenden, was lokal vorhanden ist („use what is there“) • Diversität nutzen • mehrfache Verwendung und multifunktionale Nutzung zum Prinzip haben • Stadtquartiere oder Siedlungen als Ökosysteme betrachten Naturbasierte Lösungen können zum Einsatz kommen (siehe S. 48ff.), um aus den großen Mengen an Abwasser und biologisch abbaubaren Abfällen, die in Gebäuden täglich anfallen, sauberes Wasser und Nährstoffe zu gewinnen und sie in die umliegende (Lebensmittel-)Produktion zurückzuführen. Gebäudebegrünung kann mit all seinen weiteren Vorteilen dabei eine Schlüsselrolle übernehmen. Dieses Kapitel behandelt verschiedene Lösungsansätze für kreislauffähiges Bauen, von der Nutzung von Sekundärmaterialien über systemische kreislauffähige Architektur bis hin zu Hindernissen und Chancen sowie den rechtlichen Rahmenbedingungen und Zertifizierungen, um damit zu klimaresilienten Städten und Siedlungen beizutragen. Robuste Architektur und Kreislaufwirtschaft Robuste Architektur steht im Folgenden für den Einsatz qualitativ hochwertiger Materialien sowie deren kluge Anwendung in einem Gebäude oder einer Infrastruktur. Dabei

stehen Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Vorfertigung sowie Modularität bzw. Adaptierbarkeit im Vordergrund. Qualität der Materialien bedeutet Vermeidung toxischer Inhaltsstoffe, Verwendung von Monomaterialien (also eine Mischung unterschiedlicher Materialien zu vermeiden) bzw. unterschiedliche Materialien gut trennbar zu machen und rückbaubarer Verbau der Materialien an sich. Das Prinzip der Einfachheit und Robustheit der Materialien hilft, Kosten zu sparen, Anwendungsmöglichkeiten zu steigern und Materialwerte zu erhalten. Gleichzeitig bedeutet robuste Architektur auch, systemimmanente Resilienz zu schaffen. Diese wird einerseits durch die Flexi­ bilität und Modularität der einzusetzenden Baustoffe und andererseits auch durch ­Suffizienz und Autarkie erreicht. Der erste Ansatz hinterfragt technische Kreisläufe in Gebäuden, der zweite die möglichen biologischen Kreisläufe. Den Grundprinzipien von Cradle to Cradle (von der Wiege zur Wiege) folgend, dem Ursprung der modernen Kreislaufwirtschaft, sind Gebäude in der Lage, ähnliche Funktionen zu erfüllen wie Bäume. Sie können Lebensraum für unterschiedliche Arten schaffen und zugleich weitere Dienstleistungen erledigen wie das Reinigen von Luft oder Wasser. Naturbasierte Lösungen sind dabei das Mittel der Wahl, wobei sich die multiplen Vorteile von Pflanzen bzw. begrünten Wänden oder Dächern auf Gebäuden nutzen lassen.

rückgewonnenes Material Str uk tu r Hü lle

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Ressourcenanlage

n

1  Lebensdauer (in Jah­ ren) verschiedener Komponenten eines Gebäudes

60–300

15–60

7–30

n 3–7

Nutzung

0–5

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Jahre Demontage

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Kreislauffähiges Bauen und Sanieren Kreislaufwirtschaft im Gebäudesektor wird oft mit Neubau assoziiert. Dabei gibt es sehr viele Gebäude im Bestand, die in einer „Renovierungswelle“ zu sanieren sind (siehe geplante Strategie des Europäischen Green Deals, S. 13). Das heißt, dass wir in Zukunft noch deutlich mehr Fokus auf Renovierungen setzen sollten, damit die ambitionierten Klimaziele erreicht werden können. Grundlagen Kreislaufwirtschaft im Bauwesen lässt sich als ein Weg zum Erreichen nachhaltiger Entwicklungsziele definieren, der auf Geschäfts­ modellen basiert, die einfach gesagt darauf abzielen, ehemalige Abfälle in Wertstoffe zu verwandeln. Die Schlüssel dazu sind kreislauffähiges Design [1], Wiederverwendung, Recycling und Rückgewinnung von Materialien [2] bei der Produktion, dem Bau und der Nutzung von Gebäuden [3]. Der Übergang hin zu einer Kreislaufwirtschaft hängt auch davon ab, wie wertvolle Materialien wiederverwendet werden können, um sie in den Kreislauf zurückzuführen. Um ein Gebäude zu demontieren oder abzureißen, braucht man große Maschinen wie Bagger, Kräne mit Abrissbirnen und andere schwere Geräte [4]. Der Einbau der Materialien entscheidet letztlich darüber, wie eine Rückgewinnung (ökonomisch) möglich ist. Lebensdauer Im Allgemeinen verbergen sich alle Kom­ ponenten unter bzw. hinter einer sauberen Oberfläche. Fußböden werden oft aus Beton hergestellt – entweder vor Ort gegossen oder als Fertigelemente, die vor Ort wieder mit einer Schicht aus frischem Beton verbunden sind. Derartige Bauweisen müssen am Ende der Nutzung notwendigerweise zerstört werden und lassen sich nicht demontieren [5]. Oft sind die Materialien fest miteinander verklebt und erschweren den Rückbau, eine Wiederverwendung und das Recycling [6]. Diese Art und Weise, Gebäude zu errichten, muss sich deshalb ändern. Nasse Baumethoden wie das Gießen von Beton auf der Baustelle und die Verwendung von Nass­

Kreislauffähiges Bauen und Sanieren

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abdichtungen sind weitgehend zu vermeiden [7]. Denn es ist möglich, Bauteile so zu konstruieren, dass sie sich so wieder zerlegen lassen, wie sie zusammengesetzt worden sind [8]. Während der Nutzungsphase werden Ge­­ bäude renoviert, repariert und gewartet. Die lineare Wirtschaft hat am Ende des Lebenszyklus nur drei Optionen für die Abfallbewirtschaftung nach dem Abriss von Gebäuden: Recycling, Rückgewinnung des energetischen Werts der organischen Materialien durch Verbrennung und Deponierung der ausrangierten Produkte [9]. Bei allen Optionen geht ein großer Teil des Werts, der in die Herstellung von Produkten und Bauteilen eingebracht wurde, verloren. Werterhalt Qualitativ hochwertige Materialien, die als ganze Bauteile rückbaubar und somit wiederverwendbar sind, behalten einen höheren Restwert nach einem Lebenszyklus [10]. Auch ist die Abschreibung eines kreislauf­ fähigen Gebäudes über eine längere Zeitspanne möglich (Abb. 2). Neben der Einsparung von Entsorgungskosten der Materialien und den lokalen sozioökonomischen sowie weiteren Vorteilen gegenüber der Um­­ welt lässt sich dieser Werterhalt demnach auch buchhalterisch festhalten. Gemeinsam mit passenden Geschäftsmodellen kann die Erhaltung eines Vermögenswerts wesentlich dazu beitragen, weitere Interessensgruppen durch Vorteile der Kreislaufwirtschaft anzusprechen [11]. Dieser Wert kann über einen Gebäude-Materialpass erfasst und festgehalten werden, wie etwa in der Plattform Madaster, in der die einzelnen Materialien aufgelistet werden [12]. Dazu gibt es schon zahlreiche Beispiele von Gebäuden in den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz, wie etwa das Gebäude der Triodos Bank in Driebergen-Rijsenburg oder das Circl in Amsterdam, die auf diese Weise errichtet wurden [13]. In derartigen kreislauffähigen Projekten ist eine Kombination mit dem Building Circularity Passport (Gebäude-Materialpass), der eine Art Profil des Gebäudes und dessen Eigenschaften aufzeigt [14], und einer Zertifizierung nach Wahl eine interessante Möglichkeit.

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Rückbau, Wiederverwendung und Recycling Eine wichtige Rolle bei der Kreislaufwirtschaft von Gebäuden spielt der sogenannte Rückbau, der als „umgekehrtes Bauen“ ­verstanden wird, d. h. die Fähigkeit, das Gebäude Teil für Teil abzubauen, ohne es zu beschädigen, in der Erwartung, den Wert durch Wiederverwendung in verschiedenen Kontexten wieder zu erhalten [15] – als Alternative zum klassischen Abriss, der ­tendenziell ein willkürlicher sowie zerstöre­ rischer Prozess ist. Ein Abriss erfolgt zwar schneller, es entstehen dafür erhebliche Abfallmengen und alle damit einhergehenden negativen Begleiterscheinungen wie z. B. CO2-Emissionen, Wertverlust oder zusätz­liche Kosten für die Deponierung. Bau- und Abbruchabfälle, die nicht auf Deponien entsorgt werden, machen etwa 20 – 40 % des gesamten Abfallstroms aus (90 % des Abfallstroms entstehen beim Abbruch, nur 10 % bei Bodenaushub und Bau) [16]. Zudem ermöglicht der Rückbau im Vergleich zu herkömmlichen Abbruchverfahren ein wesentlich höheres Maß an Wiederverwendung und Recycling von Mate­rialien: Bis zu 25 % des Materials eines herkömmlichen Wohngebäudes können pro­blem­los wiederverwendet werden, während sich bis zu 70 % des Materials recyceln lassen [17]. Bei einem geordneten Rückbau landet deutlich weniger Material auf Deponien, es müssen weniger neue Ressourcen gewonnen werden; außerdem ist es im Vergleich zum Abriss ein saubereres und nachhaltigeres Verfahren, bei dem weniger Schadstoffe in die Atmosphäre und die Gewässer gelangen [18]. Nach der Demontage können Gebäudekomponenten in neuen Kontexten und Lebenszyklen wiederverwendet werden [19]. Allerdings müssen sie vor ihrer neuen Anwendung ein quantifiziertes und zertifiziertes Qualitätsniveau erreichen, um die Sicherheit während des Baus und der Nutzung zu gewährleisten. Infolge einer ambitionierten Umweltpolitik und der Verbesserung der Abfallbehandlungstechniken ist die Bauindustrie heute mit der Verfügbarkeit von sekundären Recyclingmaterialien konfrontiert, die sich als regional verfügbare Alternativen zu Primär-

Gebäudeverfall Renovierung

2  Vergleich Gebäude­ abschreibungen: a linear b kreislauffähig

Wert

Wert

konventionell

kreislauffähig Gebäudeverfall Renovierung Renovierung

Renovierung

Zeit

a

Entsorgungskosten

rohstoffen eignen würden [20]. Es eröffnen sich neue digitale Märkte und Plattformen für Sekundärmaterialien, die eine bessere Entscheidungsfindung während des gesam­ ten Lebenszyklus eines Gebäudes ermöglichen und dem Kerngedanken folgen, dass Materialien auf einem offen gehandelten Materialmarkt wiedergewonnen, wiederverwendet oder recycelt werden sollen. Herausforderungen und Chancen Die Herausforderungen und Chancen lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Wirtschaft und Politik. Wirtschaft, Materialqualität und Bildung Die wichtigsten wirtschaftlichen Hindernisse betreffen die Qualitätskontrolle von Abfällen und die Verzögerung bei der Datengenerierung aus der Evaluierung umgesetzter Konzepte der Kreislaufwirtschaft in verschiedenen Lebenszyklusphasen [21]. Herausforderungen, die die Verwendung von Recyclingmaterialien in neuen Produkten beeinflussen, sind häufig ihre unzureichende Qualität und die Diskontinuität des Angebots. Sekundärmaterialien müssen für eine erfolgreiche Markteinführung zumindest alle erforderlichen Produktanforderungen erfüllen [22]. Es ist nachvollziehbar, dass die Marktakzeptanz von Produkten, die unter Verwendung von Abfällen als Ausgangsmaterial hergestellt werden, nur dann gewährleistet ist, wenn die Produktionskosten niedriger sind als bei neuen Materialien. Dieser theoretische Preisvorteil wird allerdings durch hohe Personalkosten in Indus­ trieländern erschwert, während Primärroh-

Zeit

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2

stoffe nach wie vor mit externalisierten Kosten (also ohne Kostenwahrheit) verkauft werden können [23]. Die neue Herangehensweise stellt sich für Planende häufig als Hürde dar [24]. Bei Verwendung von Sekundärbaustoffen muss sich der Entwurf dementsprechend an vorhandenen Materialien ausrichten. Das Wissen zu Qualität und Vorkommen der bestehenden Materialien ist Voraussetzung. Dabei spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle, schon allein um zu wissen, wann und wo welche Materialien vorhanden sein werden [25]. Dazu ist anzunehmen, dass weitere technologische Innovationen und vor allem neue Geschäftsmodelle die Verwendung von Sekundärrohstoffen weiter stärken [26]. Politische Rahmenbedingungen Aktuelle Gesetzeslagen unterstützen die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen bislang nur bedingt. Strategien wie die „Renovation Wave“ [27], die als Teil des EU Green Deals entwickelt wurden, beschreiben eine Reihe von geplanten konkreteren Aktionen, die zwischen 2020 und 2024 platziert wurden oder werden sollen [28]. Eine dieser Maßnahmen ist die Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ [29], die eine nachhaltige und inklusive Form des Zusammenlebens mit passenden Gebäuden stärken soll. Die EU-Taxonomieverordnung [30] sieht Investitionen nur mit Erreichen von bestimmten damit einhergehenden Umweltzielen vor zu folgenden Bereichen: • Klimaschutz • Anpassung an den Klimawandel

Kreislauffähiges Bauen und Sanieren

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3

3  upgecycelter Schiffs­ container als Gäste­ haus, San Antonio, Texas (US) 2010, Poteet Architects Lowtech: innovative Verwendung von Mate­ rialien (z. B. recycelte Telefonmasten oder Lager für HLKK-Anla­

gen aus recycelten Limonadenflaschen, die in Stahlrahmen ein­ gesetzt wurden), Außenbeleuchtung aus Teilen eines Traktor­ scheibenpflugs, Kom­ post-Toilette, Dachgar­ tenbewässerung mit Duschabwasser

Dabei werden auch für Renovierung oder Neubau von Gebäuden passende Maßnahmen gefordert, siehe übersichtliche Auflistung z. B. im EU Taxonomy Compass [31]. Die österreichische Recycling-Baustoffverordnung [32] war ein Vorstoß auf österreichischer Ebene zum fachkundigen Rückbau von größeren Gebäuden und den Qualitätsanforderungen an das Recycling von Baustoffen. Auf EU-Ebene müssen ansonsten die Materialien aus dem Abriss von Gebäuden durch die Abfallendeverordnung laufen [33]. Dazu wurden nicht bindende Richtlinien und Best-Practice-Vorgehensweisen beschrieben [34]. Für die Erschließung von sekundären Ressourcenströmen und die Wiederverwendung am Bau sind Normen, Erfahrungen und Leitlinien wichtig für die Gewährleistung der Qualität. Außerdem ist die erweiterte Produ-

zentenverantwortung (Extended Producer Responsibility, EPR) in der Baubranche noch nicht verpflichtend und zugehörige Standards [35] noch nicht auf Bauprodukte mit langer Lebensdauer anwendbar. Das bedeutet, dass die Rollen und Verantwortlichkeiten der verschiedenen Akteure noch nicht völlig geklärt sind. Darüber hinaus wird aufgrund fehlender Datenflüsse entlang der Wertschöpfungskette das Vertrauen in die Qualität der wiederzuverwendenden oder recycelten Materialien beeinträchtigt. Der Mangel an verfügbaren Unterlagen über die Herkunft der Ressourcen kann Zweifel an der Qualität aufkommen lassen. Dieses Problem beeinträchtigt die Chance auf eine CE-Kennzeichnung (Erklärung des Herstellers oder des Produktvertreibers, dass das Produkt allen EU-weiten Anforderungen an Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz erfüllt), da der Geltungsbereich der harmonisierten Produktnormen abfallbezogene Materialien nicht mitabdeckt. Die Zertifizierung ist ein Mittel, um sicherzustellen, dass die Produkte den gesetzlichen Normen entsprechen. Daher kann sie als ein wichtiger Schritt für eine erfolgreiche Markteinführung von

4

5

• nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung • Schutz und Wiederherstellung der biolo­ gischen Vielfalt

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4  Wohnhaus De Gouver­ neur, ­Rotterdam (NL) 2006, Architectuur MAKEN Lowtech: Ziegel aus recycelten Industrie­ abfällen (Keramik, Glas, Ton), schmales Gebäude mit ca. 4,5 m Breite (vier Stockwerke hoch) 5  Collage House, Mumbai (IN) 2015, S+PS Architects Lowtech: Fassade aus Türen und Fenstern von abgerissenen Gebäuden, Verwen­ dung weiterer Materi­ alien (u. a. 100-jährige Steinsäulen, Böden und Balken alter Häu­ ser, Stoffreste, Schla­ cken und alter geschnittener Stein)

6 gugler*-Gebäude, bei Melk (AT) 2000/2017, a links: Druckerei mit Büro und Verwal­ tung, Ablinger, ­Vedral & Partner; rechts: Erweiterung Medienhaus, pos architekten b Innenbereich des Druckereigebäudes mit Wänden aus Stampflehm Anmerkungen   [1] Rios Cruz, Grau 2019   [2] Zhang u. a. 2020  [3]  Rahla, Mateus, Bragança 2021  [4]  Elias-Özkan 2002   [5] Kanters, Jouri 2018   [6] Chini, Buck 2014   [7] Bertino u. a. 2021  [8]  Generalova, Gene­ ralov, Kuznetsova 2016   [9] Hart u. a. 2019 [10] Bertino u. a. 2019 [11] Acharya, Boyd, Finch 2020 [12] Madaster 2022 [13] Jackson, ­Livingston 2001 [14] Changelab! 2020 [15] wie Anm. 7 [16] Bohne, Wærner 2014 [17] Akinade u. a. 2015 [18] Minunno u. a. 2020 [19] wie Anm. 7 [20] Pedersen Zari 2014 [21] wie Anm. 9 [22] Gepts u. a. 2019 [23] te Dorsthorst, Kowalczyk 2002 [24] wie Anm. 6 [25] Carra, Magdani 2017 [26] Sánchez Cordero, Gómez Melgar, Andújar Márquez, 2020 [27] EU-Kommission 2020 [28] EU-Kommission Annex 14.10.2020 [29] New European Bauhaus 2022 [30] Verordnung (EU) 2020/852 [31] EU Taxonomy Compass 2022 [32]  BGBl. II Nr. 290/2016 [33] Richtlinie 2008/98/EG [34] Environment 2022 [35] ISO 14  025:2006 [36] wie Anm. 26

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Sekundärmaterialien im Bausektor angesehen werden [36]. Beispiele Abb. 3–6 zeigen in unterschiedlichen Projekten die Wiederverwendung verschie­ dener Materialien und Bauelemente. Der Stammsitz eines Medienhauses in der Nähe von Melk ist das erste Cradle to Cradle-­ inspirierte Plusenergiegebäude in Österreich, das über eine Holzkonstruktion mit null Emissionen, null Energie und null Abfall verfügt (Abb. 6). Es wurde im österreichischen Nachhaltigkeitszertifikat Total Quality Assessment (TQB) mit 900 von 1000 mög­ lichen Punkten zertifiziert und besteht zu 96 % aus wiederverwertbaren Materialien, wovon 43 % des gesamten Rohmaterials recycelt sind. Die Wände wurden mit Papier­ abfällen isoliert, während die Außenfassade aus Lärchenholz und Aluminiumdruckplatten besteht, die im Digitaldruck im Medienhaus zum Einsatz kamen. Die Fundamente wurden aus recyceltem Beton hergestellt, die Parkflächen aus recyceltem Asphalt. Abb. 6 b zeigt das ältere Druckereigebäude mit Wänden aus Stampflehm und einer Gebäudekühlung über die Wände mit hauseigenem Brunnenwasser. Dank eigener Photovoltaikanlage mit 148 kWp, Abwärmeeinspeisung in die Heizung, Druckmaschine und Raumkühlung mit Grundwasserbrunnen und trotz eigener Stromtankstelle für Gäste verbraucht das Plusenergiehaus weniger Energie als es selbst produziert. Die Fassadendämmung besteht zu 100 % aus Recy­ clingglasplatten. 28,5 % der Dachfläche sind begrünt, die Dachdämmung erfolgte mittels Mineraldämmplatten aus natürlichen Rohstoffen und der Fenstereinbau mit Schaf-

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schurwolle anstelle von PU-Schaum. Auf dem Gelände befinden sich rund 17 000 m2 gestaltete Grünfläche mit Artenvielfalt für Mensch und Natur: Dazu gehören Biotop, Vogelschutz- und Benjeshecke (Totholz­ hecken), Nistkästen für Turmfalken am Gebäude, Kräuter- und Gemüsegarten sowie das Hochbeet für das Mitarbeitendenrestaurant. Ausblick Es besteht großer Bedarf, die Kreislaufwirtschaft im Gebäudebereich zu etablieren. Aktuelle Strategien in diesem Bereich (z. B. Green Deal, EU-Taxonomie, Kreislaufwirtschaftsaktionspläne) zeigen Wege, Gebäude nachhaltiger zu planen und auch zu bewirtschaften. Mit der Intention, bis 2050 als ganzer Kontinent klimaneutral zu werden, sind inkrementelle Innovationen (also die schrittweise, linear verlaufende Verbesserung von Vorhandenem im Gegensatz zu radikalen, disruptiven Erneuerungen) nicht mehr ausreichend. Dazu ist CO2 in jeglicher Form in Gebäuden langfristig zu speichern, sei es als biogene Ressourcen oder graue Energie. Um den Weg zu beschleunigen und Vertrauen zu schaffen, ist der erste Schritt zahlreiche Vorzeige- und Leuchtturmprojekte zu lancieren, bis sie zu Mainstreamprojekten werden. Dabei ist auch die öffentliche Hand gefragt, diese Grundprin­zipien in Ausschreibungen zu verankern. Die verfügbaren nachhaltigen Finanzierungstools werden immer mehr, doch es bedarf weiterer Aufklärung und Unterstützung für Projektträger, um diese voll aus­zuschöpfen. Mögliche Finanzierungswege dieser Kreislaufwirtschaft sind aktuell beispielsweise für Österreich auf kreislaufwirtschaft.at ver­öffentlicht.

Kreislauffähiges Bauen und Sanieren

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Lowtech-Fokus: Sanierung Umgang mit dem Bestand Edeltraud Haselsteiner

Eine Studie aus Deutschland analysiert die Entwicklung des Wohnungsleerstands und prognostiziert allein für Deutschland einen Zuwachs der Leerstände von insgesamt 1,4 Mio. Wohnungen im Jahr 2016 auf knapp 3 Mio. Wohnungen im Jahr 2030 [1]. Selbst wenn es regional große Unterschiede gibt und Wachstums- und Schrumpfungs­regionen kaum vergleichbare Entwicklungen durchmachen, sind die Zahlen in Anbetracht des anhaltenden Wohnungsbedarfs enorm. Es ist ­anzunehmen, dass Leerstände von Büro­ immobilien, Dienstleistungs- und Be­­ triebsgebäuden noch deutlich höher liegen. Aus ökologischer Sicht sollte die effiziente Bewirtschaftung des Gebäudebestands und dessen Modernisierung prioritär behandelt und auch dem Thema Lowtech-Sanierung größerer Vorrang gegenüber Neu­ baukonzepten eingeräumt werden. Inno­ vationen und Ideen für Lowtech-Maßnahmen in der Sanierung sind allerdings nach wie vor unterrepräsentiert. Zudem stellt sich eine energieeffiziente Sanierung meist als wesentlich komplexer dar als ein Neubau. Um einfache Lösungen und Maßnahmen zur Standardverbesserung sowie Lowtech-Strategien zur Revitalisierung und Umnutzung zu entwickeln, braucht dieses Thema noch wesentlich mehr Aufmerk­ samkeit. Sanierung und Erhaltung des Gebäude­bestands leisten einen maßgeb­ lichen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele.

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Traditionelle Bauweisen, Handwerk und Denkmalschutz Ortsbild- und Denkmalschutz mit den Anforderungen einer energetisch zeitgemäßen Sanierung in einem Entwurf zu vereinen, stellt besondere Herausforderungen an die Planung und Umsetzung. Denkmal­ geschützte Gebäude, deren energetischer Zustand mittels konventioneller Außendämm­ maßnahmen nicht zu verbessern ist, erfordern innovative Konzepte, die einerseits den historischen Bestand berücksichtigen, aber gleichzeitig zeitgemäßen Komfort in den Innenräumen bieten. Die Beispiele im Folgenden zeigen, dass auch ohne hohen technischen Aufwand behutsame Sanierungen in Verbindung mit einer deutlichen Verbesserung der thermischen Qualität gelingen. In allen Projekten sind großer Respekt gegenüber dem Bestand und die Weiterführung handwerklicher Qualitäten ein zentraler Aspekt bei Planung und Umsetzung. Mit dieser Rückbesinnung auf handwerkliche Ausführung bekommt auch der Faktor Zeit einen neuen Stellenwert: Nicht die ökonomisch kurzeitige Betrachtung des Bauvorhabens, sondern dessen ästhetische Be­­ schaffenheit, die intensive Auseinandersetzung mit dem Objekt und dem Ort und ein langfristiger Erhalt stehen im Vordergrund (siehe Interview, S. 32ff.). Gasthof und Seminarzentrum in Sulz Der Freihof Sulz in Vorarlberg, ein ehemaliger Landgasthof, wurde um die 1900er-­ Jahrhundert­wende errichtet. Der Kern des

1 a–b  Gasthof und Seminarzentrum Freihof Sulz, Sulz (AT) 2006, Beate Nadler-Kopf Lowtech: regenerative und nachwachsende Rohstoffe, schadstoff­ ar­me Bauprodukte, behut­same Sanierung eines Bestandsgebäudes

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Hotel in Bayrischzell Der Tannerhof, ein seit Beginn des 20. Jahrhunderts als Sanatorium für Naturheilkunde geführtes Hotel und Gesundheitsressort, wurde 2011 von Florian Nagler Architekten mit Hauptaugenmerk auf den denkmalgeschützten Charakter saniert und erweitert. Alle Ergänzungen aus den 1950er-Jahren wurden entfernt und ein dem ursprünglichen Charakter näheres Erscheinungsbild wiederhergestellt. Die Architekten übernahmen bewährte Konstruktionsweisen aus dem historischen Gebäude und führten sie im Neubau fort. Oberhalb des Haupthauses gelegen entstanden vier neue „Hüttentürme“, die als besondere Rückzugsräume dienen. In den auf einer Grundfläche von 6,60 ≈ 6,60 m errichteten Hütten sind mit Rücksicht auf einen ressourcenschonenden Flächenverbrauch die Funktionen in der Höhe übereinandergestapelt (Abb. 2).

2 a–c  Hotel und Gesundheitsresort Tannerhof, Bayrischzell (DE) 2011, Florian Nagler Architekten Lowtech: traditionelle Bautechniken wiederverwendet, ressourcenschonender Flächenverbrauch

Gebäudes geht auf das Jahr 1796 zurück. Zum Zeitpunkt der Sanierung im Jahr 2006 waren alle Räumlichkeiten und Einrichtungen groß­teils im originalen Zustand von ca. 1900 erhal­ten. Diese einmalige Ausgangssituation ist Basis einer behutsamen Sanierung, die bestimmt wird durch den Einsatz ökologischer Baumaterialien (Holz, Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, genereller Verzicht auf Kunststoffe, Einsatz schadstoffarmer Bauprodukte wie lösungsmittel- und weichmacherarme Farben, Anstriche und Lacke etc.), die Nutzung und Weiterentwicklung zukunftsträchtiger alter Bautechniken und die Energieversorgung durch erneuerbare Energien (Abb. 1). Ziel der Sanierung war es zu zeigen, dass sich Denkmalschutz und energiesparendes ökologisches Sanieren ideal ergänzen. Alte Bautechniken wurden auf ein zeitgemäßes Niveau (Schalldämmung, regulierte Raumklima-Luftfeuchte, Wärmedämmung, geringer Wartungsaufwand, Farbigkeit und Haptik) weiterent­ wickelt. Die nötige Heizenergie stammt aus einer Biomasse-Contracting-Heizung und einer Solaranlage sowie aus der Abwärme des historischen Backofens. Alle Sanierungsschritte wurden umfas­send dokumentiert und stehen als Planungshilfe zur Unterstützung für alle Baubeteiligten zur Verfügung [2].

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Wohnhaus in Soglio In alpinen Gebieten liegen mit dem Rückgang der Landwirtschaft ursprünglich landwirtschaftlich genutzte Wirtschaftsgebäude zunehmend brach. Etwa 10 ≈ 10 m große Scheunen und Ställe mit Steindächern, Eckpfeilern aus Naturstein und Füllungen aus Rundhölzern gehören beispielsweise zum

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Umgang mit dem Bestand

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typischen Erscheinungsbild vieler Bergdörfer in Graubünden [3]. Der Archi­tekt Armando Ruinelli hat eines dieser Häuser, einen ungenutzten Stall, in ein Ferienhaus umgewandelt (Abb. 3). Dabei blieben die wesentlichen historischen Bauelemente aus Holz und Stein erhalten und wurden behutsam mit naturbelassenen Stampfbetonelementen ergänzt. Eichenholz für Decke und Einbaumöbel, ebenfalls naturbelassen sägerau und unbehandelt eingesetzt, vermitteln in Verbindung mit Beton und Stahl und einer perfekten handwerklichen Bearbeitung aller Materialien ein stimmiges Zusammentreffen von Alt und Neu.

setzt. Die Innovation des Projekts liegt in der Kombination aus Erhaltung einer schützenswerten denkmalgeschützten Bausub­stanz und dem Ausschöpfen der heutigen energietechnischen Möglichkeiten: Die thermische Qualität wurde im Obergeschoss im Bereich des Fachwerks durch eine Innendämmung (16 cm Flachs), im Westen durch den vorgesetzten Glasverbindungstrakt und im Untergeschoss durch begleitende Bauteiltemperierungen verbessert. Die historischen Kastenfenster wurden durch Nachbauten mit einer außen liegenden Einfachverglasung und innen liegenden Wärmeschutzverglasungen ersetzt. Besonders inte­ressant am Sanierungskonzept ist die Nutzung des Erschließungstrakts als Pufferzone und Energiespeicher: Durch verschiedene Lüftungskreisläufe wird die warme Luft ins Haus gebracht und im Sommer im Steinspeicher gespeichert. Im Winter wird der Steinspeicher durch Öffnen der Fenster und Türen und die natürliche Strömung belüftet und Wärme teilweise rückgewonnen (Abb. 4) [4].

Wohngebäude in Silz Das Haus Zeggele zählt zu den ältesten Gebäuden der Tiroler Gemeinde Silz. Es wurde in zwei Bauabschnitten erbaut, der Kern des Gebäudes stammt aus dem 14. Jahrhundert. Das Haus stand seit längerer Zeit leer und musste einer Generalsanierung unterzogen werden. Im Rahmen des österreichischen Energieforschungsprogramms „Haus der Zukunft“ wurde am Beispiel des Gebäudes erstmals ein energietechnisches Gesamtkonzept in Abstimmung mit den Vorgaben des Denkmal- und Ortsbildschutzes und der Bausubstanz umgeHeizbetrieb: natürliche Strömung durch Öffnen der Fenster und Türen im Erdund Obergeschoss, Wärmerückgewinnung durch Zwangsbelüftung des Steinspeichers

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Steinspeicher im Fundament

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3 a–c Wohnhaus/Ferienhaus, Soglio (CH) 2012, Ruinelli Associati Architetti Lowtech: Verwendung leer stehender Bausubstanz, ressourcenschonender Flächenverbrauch

Lowtech-Komponenten zur Bauoptimierung Alltagsbauten der klassischen Moderne und insbesondere der Nachkriegsmoderne erlangen erst langsam den Respekt und den ihnen zustehenden Schutz. Im Umgang mit

vorgesetzter Glasverbindungstrakt

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4 a–b Wohngebäude, Haus Zeggele, Silz (AT) 2007, Peter Knapp Lowtech: Verbesserung der thermischen Qualität in Verbindung mit Denkmalschutzvorgaben, optimierte Kastenfenster, Lüftungskonzept basierend auf Stein­speicher

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5 a–c Revitalisierung eines sozialen Wohnungsbaus, Tour Bois le Prêtre, Paris (FR) 2011, Frédéric Druot Architecture, Lacaton & Vassal Lowtech: LowtechSanie­rungsstrategie, Wintergärten als Klimapuffer und Wohnraum­ erweiterung, Tageslichtkonzept

authentischen Materialien sind diese Bauten in der Sanierung meist weniger stringent zu behandeln als ihre historischen Vorgängerbauten. Ihre architektonische Formensprache zu erhalten, gehört dennoch zu einer der wichtigsten Aufgaben bei der Sanierung. Gleichzeitig sind gerade Bauten aus dieser Periode wenig energieeffizient und umfassend sanierungsbedürftig. Maja Lorbek und Gerhild Stosch entwickelten dazu das Konzept „Architekturhistorisch differenzierte, energetische Sanierung“ (ADE-Sanierung), ein Sanierungskonzept und ein Maßnahmenkatalog, bei dem entscheidende Bauteile für die Formensprache der frühen 1960er-Jahre belassen werden, aber ande­ ­re Bauteile durch einen höheren Energiestandard einen energetischen Ausgleich herstellen [5]. Anhand einer Fallstudie der ­Freiluftschule in Wien Floridsdorf – zwischen 1959 und 1961 nach den Plänen von ­Wilhelm Schütte erbaut und einzigartiges Beispiel einer verspäteten Realisierung der Schulbautypologie nach Ideen des Neuen Bauens und der klassischen Moderne – wie­ sen sie nach, dass mit diesem bauteilbezogenen Konzept eine Reduzierung der Energiekennzahl auf 41 kWh/m2a möglich ist und man dennoch auf Denkmalschutzkriterien bzw. auf den architektonischen Charakter des Gebäudes Rücksicht nehmen kann. Das Konzept der bauteilbezogenen Sanierung wurde in einem „Katalog der Modernisierungen“ weiterentwickelt und eine Sammlung von Maßnahmen und Baumodulen für eine Fassaden- und Freiflächenmodernisierung bei Geschosswohnbauten der 1950erund 1960er-Jahre zusammengestellt [6]. Die Sanierung der Gebäudehülle gehört zu den wichtigsten Sanierungsmaßnahmen. Allerdings geht die herkömmliche Methode

der energetischen Fassadensanierung mit einer dicken Schicht eines Wärmedämmverbundsystems, insbesondere bei der Sanierung von Bauten aus diesem Zeitraum, auch mit gestalterischen und bauphysikalischen Problemen einher [7]. Alternativ dazu kann unter anderem das Hinzufügen einer zusätzlichen Gebäudehülle eine einfache, aber thermisch effiziente Maßnahme darstellen. Sozialer Wohnungsbau in Paris Der in den frühen 1960er-Jahren entlang der Ringstraße von Paris erbaute Wohnhoch­ hausblock mit 16 Stockwerken und 96 Wohnungen sollte zunächst abgerissen werden. Erst nach Befragungen der Bewohnenden und nach umfangreichen Recherchen, mit denen die Architekten Frédéric Druot, Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal belegen konnten, dass eine Sanierung dieses in die Jahre gekommenen sozialen Wohnungsbaus befürwortet werden kann und dass die Umbaukosten der vorhandenen Bausub­ stanz deutlich unter jenen für Abriss und Neubau liegen würden, zog man eine Revitalisierung in Betracht. Die Architekten entwickelten ein Sanierungskonzept, bei dem die aus kleinen Fenstern bestehende Fassade entfernt und durch eine vorgelagerte, selbstragende Konstruktion mit großen Öffnungen, Wintergärten und durchlaufenden Balkonen ersetzt wurde (Abb. 5). Durch die Wintergärten gewinnen die Wohnungen an Fläche, sie bekommen mehr Tageslicht und gleichzeitig entstehen Pufferräume, die auch eine thermische Verbesserung bringen. Die vorgesetzten Fassadenbauteile wurden mit vorgefertigten Elementen ausgeführt, sodass die Bewohner während der Bauarbeiten in den Wohnungen bleiben konnten.

Umgang mit dem Bestand

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6 Umbau einer Stallung zu einem Zweifamilienhaus, Bergün (CH) 1997, Daniele Marques und Bruno Zurkirchen Lowtech: Nutzung vorhandener lokaler Bausubstanz, einfache vorfabrizierte Baukon­ struktion

Sozialer Wohnbau in Mannheim Eine innovative Sanierungsstrategie für einen in die Jahre gekommen Wohnbau aus den 1950er-Jahren entwickelte die Technische Universität Darmstadt. Der Wohnbau wurde in der Nachkriegszeit mit Ziegelsplitt- oder Schüttbeton errichtet (Abb. 7). Diese Mate­ rialien sind aus statischer Sicht zwar problematisch, eignen sich aufgrund ihrer Eigenschaften aber hervorragend als Speichermasse für die Energiegewinnung. Daraus entstand die Idee einer klimaaktiven Fassade. Wohnungen wurden zusammengelegt und zugehörige Balkone verglast, die nun als Energiegärten zu fungieren. Mit Poly­car­ bonatplatten wurde eine zweite transluzente Hülle installiert, die als Klimapuffer funktioniert. Solar erwärmte Luft wird gesammelt und über das Dach verteilt. Im Keller wurden in ehemaligen Abstellräumen Steine aufgeschichtet, die warme Luft speichern und so durch Aufnahme und Abziehen warmer Luft gegebenenfalls zur Kühlung im Sommer beitragen. Bei einem potenziellen zukünftigen Rückbau lassen sich die Polycarbonatplatten, anders als ein Wärmedämmverbundsystem, einfach demontieren. Umnutzung und Nachverdichtung Die Auseinandersetzung mit brachliegenden Wirtschafts- oder Betriebsgebäuden in peripheren oder ländlichen Lagen bedarf einer ähnlichen Dringlichkeit wie jene um leer stehende oder nur selten genutzte Gebäude in zentralen und urbanen Gebieten. Gelungene Beispiele zeigen, dass oft die angeblich fehlende Flexibilität gegenüber neuen Nutzungen oder die Komplexität der Bauauf­ gabe vorgeschoben sind und sich mit innovativen Ideen jenseits ideologischer Barrieren durchaus lösen lassen.

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Umbau einer Stallung in Bergün In Bergün, einem Gebirgsdorf in Graubünden, setzten die Architekten Daniele Marques und Bruno Zurkirchen ein sehr konsequent ausgeführtes Sanierungsprojekt mit einem Haus-im-Haus-Konzept um (Abb. 6). In die erhalten gebliebene Bruchsteinfassade eines ehemaligen Stallgebäudes ist ein vorfabrizierter Holzkubus eingeschoben. Dieses neue Bauvolumen wird vom Bestands­ gebäude gleichsam umschlossen und fügt sich in das unregelmäßig geöffnete Massivmauerwerk des alten Gebäudes ein. Der Neubau wurde in Niedrigenergiebauweise ausgeführt und bezieht auch energetisch die alte Bausubstanz des Bruchsteinmauerwerks mit ein.

Klimakonzept im Winter

7 a–c sozialer Wohnungsbau, Revitalisierung Wohnhaus, Mannheim (DE) 2012, TU Darmstadt, Günter Pfeifer, Annette Rudolph-Cleff Lowtech: LowtechSanierungsstrategie mit passiven Technologien und klimaaktiven Fassadenelementen

Klimakonzept im Sommer

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8 Kirche St. Elisabeth, Umnutzung zu Büround Eventflächen, Aachen (DE) 2017, digitalHUB Aachen / ­ Landmarken 9  Kirche St. Sebastian, Umnutzung zur Kin­der­ tagesstätte, Münster (DE) 2013, Bolles+ Wilson 10  Pfarrkirche St. Bonifatius, Umnutzung zum Verlagshaus, Münster (DE) 2005, agn Niederberghaus & Partner 11  Kloster und Kloster­ kirche St. Alfons, Um­­ nutzung zum Büro­ gebäude, Aachen (DE) 2008, Kaiser Schweitzer Architekten und Glashaus Architekten 12  Herz-Jesu-Kirche, Um­­ nutzung zum Wohn­ gebäude, Mönchengladbach (DE) 2011, B15 Architekten

Anmerkungen [1] BBSR und Waltersbacher, Neubrand, Schürt 2020 [2] nachhaltigwirtschaften.at [3] Detail 12/2012 [4] nachhaltigwirtschaften.at [5] Lorbek, Stosch 2003 [6] Lorbek, Stosch u. a. 2005 [7] Hülsmeier, Petzinka In: Detail 6/2001 [8] Bathen 2022 [9] Detail 5/2014

Umnutzung leer stehender Sakralbauten Einer Studie für Nordrhein-Westfalen zufolge rechnen Experten damit, dass es aufgrund des Rückgangs an Gottesdienstbesuchern langfristig zu einem Leerstand von 25 bis 30 % der Kirchengebäude kommen wird [8]. Nun werden vielerorts über Zwischennutzungskonzepte neue Möglichkeiten erprobt. Ein Beispiel für eine gelungene Zwischennutzung ist das Hotel Total in Aachen. Über einen Zeitraum von 15 Monaten wurden die Räume zuerst adaptiert und danach in einer dreimonatigen Nutzungsphase als „Raum für Kunst, Kultur und Leben“ aktiv betrieben. Im Anschluss an diese Zwischennutzung konnte die ehemalige Kirche zur digitalChurch, einem digitalHub mit Co-WorkingArbeitsplätzen dauerhaft umgewandelt werden und bietet seither ein breites Angebot an Büro-, Konferenz- und Meetingräumen sowie Eventflächen (Abb. 8). Die Diskussion und auch die Realisierung von Umnutzungskonzepten zur Verwendung liturgisch nicht mehr benötigter Kirchen reicht selbst in Deutschland wesentlich länger zurück [9]. Die Pfarrkirche St. Bonifatius in Münster wurde 2005 von den Architekten agn Niederberghaus & Partner zu einem Verlagshaus umgebaut (Abb. 10), die Klosterkirche St. Alfons in Aachen 2008 von den Architekten Kaiser Schweitzer und Glashaus zum Bürogebäude umgestaltet (Abb. 11), die Kirche St. Sebastian in Münster 2013 von Bolles-Wilson sogar als Kindertagesstätte adaptiert (Abb. 9). Die Herz-Jesu-Kirche in Mönchengladbach, 2011 von B 15 Architekten umgebaut, wird als Wohngebäude genutzt (Abb. 12). In anderen europäischen Ländern ist man diesbezüglich bereits weiter. In England etwa, wo die Umnutzung von Sakralbauten für Wohnzwecke bereits wesentlich früher einsetzte, ließen die auf Revitalisierung und Nutzung vorhandener Räume spezialisierten Architekten von SUPRBLK Studio eine aus dem Jahr 1866 im neugotischen Stil errichtete Kapelle in London in eine gemütliche Ferienwohnung umbauen.

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Umgang mit dem Bestand

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Sanierungsstrategien und -konzepte für Bestandsgebäude Andrea Klinge, Eike Roswag-Klinge

Trotz vielfältiger Initiativen und einer strengeren Gesetzgebung in den meisten EULändern lässt sich in den letzten Jahren zunehmend beobachten, dass Gebäude nach immer kürzerer Lebensdauer abgerissen werden. Dies betrifft nicht nur Bauten aus den 1950er- und 1960er-Jahren, auch Bauwerke jüngeren Datums, oftmals nur wenige Jahre im Betrieb, werden zerstört, um Raum für etwas Neues, vermeintlich Besseres zu schaffen. Abfallzahlen, die dem Bausektor in Deutschland zuzuordnen sind, belegen dies in besorgniserregender Weise (218,8 Mio. t Bau- und Abbruchabfälle im Jahr 2018) [1]. Als Gründe werden oft die angestrebte Energieeffizienz oder auch die Wirtschaftlichkeit genannt, die mit einer Sanierung nicht zu erreichen bzw. zu finanzieren wären. Doch was bewirkt man mit einer solchen Herangehensweise? Entstehen wirklich Neubauten, die langfristig eine Verbesserung bringen und wieder für Jahrhunderte in der Nutzung bleiben oder strapazieren wir die Inanspruchnahme von Ressourcen unnötigerweise und generieren weiterhin Abfälle, für die uns schlicht die Deponieflächen fehlen? Es besteht Einigkeit darüber, dass ein Ansatz, der nur in der Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit begründet ist, viel zu kurz greift. Was fehlt, ist eine ganzheitliche Betrachtung des Bestands, die sowohl die gewachsenen Strukturen der Nutzenden achtet als auch die architektonischen, ökologischen und soziokulturellen Werte von Bestandsgebäuden erfasst und die planeta-

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ren Grenzen anerkennt, innerhalb derer wir leben und agieren. Geeignete Sanierungsstrategien, die den Bestand kreativ weiterdenken und transformieren sind gefragt, wenn wir als Gesellschaft die Pariser Klimaziele einhalten wollen, um nachfolgenden Generationen, aber auch der unsrigen eine lebenswerte Umwelt zu erhalten. Dabei geht es konkret um Ansätze, die den Bestand wertschätzen und seine Nutzenden respektieren, ihn einfach und ökologisch um- und weiterbauen und robust für zukünftige Anfor­ derungen und Lebensbedingungen gestalten. Hier kommen zirkuläre Lowtech-Konzepte zum Tragen, die auf die Nutzung von CO2-senkenden, emissionsarmen Baustoffen in kreislaufgerechter Bauweise setzen, gewohnte Standards hinterfragen und aus den Fehlern lernen. Letzteres bezieht sich vor allem auf das von vielen Fachleuten identifizierte Performance Gap, also die Diskrepanz zwischen dem gemessenen Energieverbrauch in der Nutzungsphase und dem berechneten in der Planungsphase, das sich durch das Nutzerverhalten in Kombination mit komplexen Technikkonzepten einstellt [2]. Lowtech-Bausystem Lowtech ist das Motto der Stunde. Doch was versteht man eigentlich darunter und löst es wirklich die Herausforderungen im Umgang mit dem Bestand? Um die europäischen Energieeffizienzziele einzuhalten, sind unsere Gebäude nicht nur immer luftdichter geworden, auch der Grad der Tech-

1  Sanierung Bürgerhaus, Wismar (DE) 2014, ­Ziegert I Roswag I Seiler Architekten Ingenieure a Zustand vor der Sanierung b Zustand nach der Sanierung

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nisierung und die Komplexität der Systeme, vor allem in Bezug auf die Lüftungstechnik, hat stetig zugenommen. Lowtech hingegen setzt auf passive Strategien, um auf aktive Gebäudetechnik verzichten zu können. Lowtech-Bausysteme basieren auf einer klimaangepassten Architektur sowie dem Einsatz von hygroskopischen, emissionsarmen Naturbaustoffen wie Holz, Lehm, Stroh oder anderen natürlichen Fasern, die in besonderer Weise in der Lage sind, Feuchtigkeit aus der Raumluft aufzunehmen und an diese wieder abzugeben. Diese können als nachwachsende Ressourcen oder auch als wiederverwendete Baustoffe bzw. Bauteile zum Einsatz kommen. In Kombination mit einer diffusionsoffenen, hochgedämmten Gebäudehülle, einem angemessenen Glasanteil und einer natürlichen Belüftung wirken sich diese Baustoffe positiv auf das Raumklima aus und können dieses steuern. Ein angemessener Glasanteil (je nach Himmelsrichtung zwischen 40 und 60 %) ist dabei von zentraler Bedeutung, da er zwischen erwünschten Wärmegewinnen im Winter, unerwünschten solaren Einträgen im Sommer sowie einer ganzjährig optimierten Tageslichtnutzung vermittelt. Kostenintensive und fehleranfällige Lüftungstechnik kann so signifikant reduziert bzw. komplett vermieden werden. Lehm und Naturfasern wirken sich durch die hohe spezifische Wärmekapazität zudem positiv auf den sommerlichen Wärmeschutz aus. Lehm ist darüber hinaus in der Lage, Schadstoffe aus der Raumluft aufzunehmen, was den Einsatz

von Lüftungstechnik weiter reduziert. Dieses Konzept lässt sich auf Neubauten, aber auch auf die Sanierung von Bestandsgebäuden anwenden, wenn letztere über eine dampfdiffusionsoffene Gebäudehülle mit entsprechendem Glasanteil sowie ein ausreichendes Luftvolumen verfügen. Der gezielte Einsatz von Naturbaustoffen als Mittel zur Technikreduktion macht Gebäude nicht nur robuster, sondern spart am Ende auch Kosten, da sich Sanierungszyklen von Gebäudetechnik nicht nur sehr viel kürzer, sondern auch sehr viel teurer gestalten. Die Nutzung lokaler Ressourcen, ob aus rege­ nerativen Quellen oder als Re-Use-Bauteile, schont endliche Rohstoffe und reduziert CO2-bedingte Transportemissionen. Holzund Lehmbaustoffe zeichnen sich zudem in besonderer Weise für das kreislaufgerechte Bauen aus. Als intrinsisch zirkulärer Baustoff lässt sich Lehm unendlich oft wiederverwenden bzw. ist zu 100 % recyclingfähig und benötigt für die Aufbereitung kaum Energie. Holz ist ein klimapositiver Baustoff, d. h. er speichert mehr CO2 als seine Gewinnung und Verarbeitung zum einsatzfähigen Produkt freisetzt. Zudem ermöglicht Holz trockene Verbindungen und lässt sich aufgrund seines verhältnismäßig geringen Eigengewichts sehr viel einfacher reversibel fügen als beispielsweise Stahlbeton oder Mauerziegel. Das direkte Wiederverwendungs­ potenzial ist somit ungleich höher. Anhand von Projektbeispielen wird im Folgenden erläutert, wie das Konzept in unterschied­ lichen Kontexten Anwendung finden kann.

Sanierungsstrategien und -konzepte für Bestandsgebäude

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Bürgerhaus in Wismar — KfW Effizienzhaus 85 im Denkmal Die historische Altstadt der Hansestadt Wismar in Deutschland gehört seit 2002 zum Unesco-Welterbe. Die Lübsche Straße, erstmals 1260 erwähnt, ist überwiegend durch Giebelhäuser geprägt und heute eine der zentralen Wohn- und Geschäftsstraßen der Altstadt. Ziel der Sanierung des Bürgerhauses waren die Restaurierung des Zustands um 1930 und die Wiedernutzbarmachung als Wohngebäude mit vier Wohnungen. Schwerpunkte dabei lagen auf dem dauerhaften Erhalt der Substanz und der denkmal- und material­gerechten Wiederherstellung der Fassaden sowie der inneren Struktur. Im Rahmen der energetischen Sanierung wurden die oberste Geschossdecke und die neue Bodenplatte gedämmt und das gesamte Gebäude mit einer Innendämmung zum Standard eines KfW-Effizienzhaus-85 ertüchtigt. Der Energieverbrauch ist damit rein rechnerisch auf 85 % des vom Gebäude­ energiegesetz (GeG) vorgeschriebenen Jahresprimärenergiebedarfs begrenzt. Die Grundrisse entwickelten ZRS Architekten Ingenieure in Anlehnung an die Raumaufteilung von 1860 und optimierten sie im Hinblick auf die schwierigen Lichtverhältnisse aufgrund der Gebäudetiefe. Das Erdgeschoss des sanierten Haupthauses wird durch einen für Wismar typischen Mittelflur geteilt, der zwei sepa­rate Wohneinheiten sowie die Kem­la­den­woh­nung (zweigeschossiger Hof­an­bau eines Dielenhauses) und den Hof erschließt. Im Obergeschoss des Haupthauses wurde eine großzügige Wohnung ausgebaut, die über die histori-

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sche Treppe erschlossen wird. Alle aus denkmalpflege­rischer Sicht prägenden Elemente, zahlreiche Fenster, Innenfenster, ­Laibungsbekleidungen, Sockel­leisten, Innentüren und Böden wurden nach Möglichkeit restauriert und als Originalbauteile wiederverwendet. Ein neues bodentiefes Fenster in der Südfassade mit vorgehängtem Austritt verbessert den Bezug zum Außenraum und erlaubt eine optimierte Belichtung. Der zweigeschossige Kemladen, der zu Baubeginn zu großen Teilen verschüttet und nicht zugänglich war, wurde als separate Wohnung abgetrennt, unter archäologischer Baubegleitung entkernt und erhielt eine neue Treppe zur internen Verbindung der Geschosse. Der geöffnete Dachraum erweitert nun optisch mit mehr Luftvolumen das ehemals sehr niedrige Obergeschoss. Die Wohnräume im Erdgeschoss wurden zu einer großzügigen Wohnküche zusammengefasst. Neue Öffnungen nach Süden verbinden diese über eine Terrasse mit dem neu angelegten Garten. So konnte die historische Ostfassade mit barocken Befunden unverändert erhalten werden. Vorrangiger Aspekt bei der Wahl der Rekon­ s­truktionsmaßnahmen war, unter Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Belange den hohen energetischen Standard mit traditionellen, möglichst ökologischen Baustoffen zu erreichen. Zur Ertüch­ tigung der Gründung wurden die inneren Fachwerkwände in Zusammenhang mit der Sanierung der unteren Wandbereiche mit einer Flachgründung auf einer neuen Stahlbetonbodenplatte nachgegründet. Schadhafte Ausfachungen wurden mit Lehmstei-

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2 a–c  Sanierung Bürgerhaus, Wismar (DE) 2014, ­Ziegert I Roswag I Seiler Architekten Ingenieure

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3  Torfremise, Schechen (DE) 2015, Z ­ iegert I ­Roswag I Seiler Architek­ ten Ingenieure

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nen neu aufgemauert. Die Horizontalabdichtung in den Mauerwerkswänden ließ man komplett neu herstellen. Aufgrund der hohen Salzgehalte wurden denkmalpflegerisch wertvolle Wandflächen mit relevanten Farbfassungen mittels Zellulosekompressen entsalzt. Bei Wandflächen mit weniger ­wertvollen Putzflächen kamen in mehreren Arbeitsgängen Lehmopferputze zur Entsalzung zum Einsatz. Das Dach des Kemladens wurde nach historischem Vorbild mit Biberschwanzziegeln neu eingedeckt. Bei der Sanierung der Fassaden versuchten die Planenden, die historischen Putze nach Möglichkeit zu erhalten. Die Farbgestaltung wurde anhand von Farbbefunden rekonstruiert. Die Dämmung der Straßenfassade des Haupthauses und der Kemladenfassaden erfolgte mit Holz­ faserplatten bzw. mit Silikatplatten in den feuchten Bereichen. Der in den 1990er-Jahren unsachgemäß sanierte Fachwerkgiebel des Haupthauses wurde mit Holzweich­ faserplatten beplankt, die Gefache (im Fachwerkbau durch Balken begrenzte Felder) wurden rückgebaut und anstelle des Mauer­ werks mit Zellulose ausgeblasen. Das Dach des Kemladens erhielt eine Zwischensparrendämmung aus Zellulose, ebenso die Holzbalkendecke über dem Obergeschoss im Haupthaus. Die historischen Kastenfenster ließen die Planer aufarbeiten und ertüchtigen, während die Einfachverglasungen mit einer zweiten, inneren Isolierglasebene versehen wurden. Die neuen Holzfenster verfügen über eine Dreifachverglasung.

Die Wände im Obergeschoss erhielten Wandflächenheizungen. Das Erdgeschoss wird über eine Fußbodenheizung beheizt. Die Wärmeerzeugung erfolgt über ein Mikro-Blockheizkraftwerk (BHKW). Durch die umfangreichen Dämmmaßnahmen und die behutsame Ertüchtigung der Fenster erreichte man einen KfW-EffizienzhausStandard mit einem Jahres-Primärenergiebedarf von ca. 30 kWh/m2. Die diffusions­ offene Bauweise im Zusammenspiel mit den sorptionsfähigen Lehmputzoberflächen sorgten für eine natürliche Regulierung des Raumklimas. So konnte trotz luftdichter Ausführung der Gebäudehülle auf eine Lüftungsanlage verzichtet werden. Wohnen und Arbeiten in der Torfremise, Schechen Die historische Torfremise, ursprünglich zum Trocknen von Torf errichtet, stand auf dem alten Spinnereigelände in Kolbermoor im bayerischen Alpenvorland und wurde dort als Weidenlager genutzt (siehe Pro­ jektbeispiel, S. 158ff.). Als im Jahr 2006 ein Investor das weitgehend brachliegende Areal übernahm, sollte der historische, zweigeschossige Holzbau weichen. Der Korbflechtermeister und Zimmermann Emmanuel Heringer sowie die Schmiedemeisterin Stefanie Heringer erkannten den Wert des Gebäudes und haben in Zusammenarbeit mit ZRS Architekten Ingenieure die vom Abbruch und thermischer Verwertung bedrohte Torfremise in Kolbermoor rückgebaut, durchrepariert und an einem

Sanierungsstrategien und -konzepte für Bestandsgebäude

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neuen Standort originalgetreu in reversibler Bauweise wiedererrichtet (Abb. 5). Historische Zimmermannsverbindungen sowie die ambitionierte Bauherrschaft ermöglichten dieses heute eher ungewöhnliche Vorhaben. Beschädigte Bauteile ließen sich mithilfe traditioneller Holzverbindungen reparieren. Lediglich die Gründung wurde durch die Errichtung einer Bodenplatte an die neuen Nutzungsanforderungen angepasst. Um die Remise zum Wohnen und als Werkstatt nutzen zu können, wurde die Lattenfassade durch eine hochgedämmte Gebäudehülle ergänzt. Das zu integrierende zwei­ geschossige Wohn- und Werkstattgebäude fügt sich als Haus-im-Haus-Konzept sensibel in die historische Tragstruktur ein und respektiert den Bestand. Es ist von den tragenden Achsen der Remise deutlich lesbar abgesetzt und ermöglicht so deren weit­ gehenden Erhalt. Auf der Süd- und Westseite entsteht so ein Zwischenraum, der die Dimensionen des historischen Gebäudes in Längs- und Querrichtung erlebbar macht und vom Schattenspiel der historischen, vertikalen Lattung geprägt ist. Nach Osten schiebt sich der weiß verputzte Körper vor die historische Konstruktion. Im Norden schließt ein Lagerbereich für Weiden und andere Flechtmaterialien an den Kubus an und führt so die historische Nutzungsform fort. Der Neubau setzt auf Lowtech und damit auf hygroskopische Naturbaustoffe wie Holz, Lehm und Holzfasern, um trotz hochluftdichter Gebäudehülle auf Lüftungstechnik verzichten zu können. Die Außen- und Innenwände wurden in Holzständerbauweise in die alte Struktur integriert und mit

Holzfaserplatten bekleidet. Diese Entscheidung vereinfachte die Entwicklung der Anschlüsse zwischen historischem Tragwerk und Neubau deutlich. Die hochgedämmten Außenwände sind mit Zellulose ausgeblasen, die Innenwände mit Lehmsteinen ausgefacht. Beide Wandsysteme sind mit Lehmputzen verputzt sowie mit Lehmdünnlagenbeschichtungen veredelt. Aufgrund des Schutzes der Außenwände über große Dachüberstände und den Versatz zur historischen Lattenfassade wurde der Einsatz von Lehmedelputz auch auf der Außenseite der Wände möglich. Die geseiften Fuß­ böden aus Tannenholz und das geölte Tragwerk sind bewusst offenporig veredelt, um auch diese Bauteile sorptionsfähig (feuchte­ auf- und -abgabefähig) zu halten. Angemessen große Verglasungen öffnen die Grundrisse in Richtung der historischen Türöffnungen und lösen ausgewogen die herausfordernde Belichtungssituation, die das Haus-im-Haus-Konzept mit sich bringt. Sie vermitteln zwischen einer ganzjährig ausgerichteten Tageslichtoptimierung und unerwünschten solaren Einträgen im Sommer. Die Grundrisse im Erdgeschoss orientieren sich mit bodentiefen Öffnungen nach Osten und sind über eine Terrasse mit dem Garten verbunden. Ein außen liegender Vorhang verschattet die großzügige Fensterfläche und sorgt auch im Sommer für angenehme Temperaturen. Der zentrale Wohnbereich im Obergeschoss orientiert sich über eine große Verglasung nach Süden und wird zudem über eine Firstverglasung belichtet. Die Fenster des Neubaus sind so angeordnet, dass eine Querlüftung und eine Nachtauskühlung möglich sind. Durch die Lage der Bäder an

4 a–d  Abbau, Wiederaufbau und Ergänzung, Torf­ remise, Schechen (DE) 2015, Ziegert I Roswag I Seiler Architekten Inge­ nieure

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2. robuste Holzstruktur 1. natürliche Ressourcen

3. Demontage verlassen (2006)

Einlagerung (2006)

Kolbermoor

90 m3 Holz 6. Nutzung

4. Wiederaufbau

neues Leben für alte Struktur (2015)

Wiederverwendung der alten Struktur (2012)

5. Umnutzung

5  Erhalt durch Umzug und Wiederaufbau des Gebäudes, Torf­remise, Schechen (DE) 2015, ­Ziegert I Roswag I Seiler Architekten Ingenieure

Schechen 15 km

Integration Niedrigenergiehaus

Schechen

Lager und Werkstatt

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der Außenwand können auch diese natürlich belüftet werden. Die Wärmeerzeugung erfolgt regenerativ über eine zentrale Stückholzheizung und einen thermischen Solarkollektor. Die Energieeinsparverordnung 2009 (EnEV) konnte um 30 % unterschritten und damit der ­Primärenergiebedarf auf 18,3 kWh/m2a begrenzt werden. Entstanden ist ein natürlich belüftetes Niedrigenergiehaus, das regenerativ betrieben wird. Das Entwurfskonzept wurde gemeinsam mit der Bauherrschaft entwickelt und weit­ gehend im Selbstbau umgesetzt. Sanierung des Berliner Tierparkgebäudes Der Tierpark Berlin-Friedrichsfelde eröffnete 1955 in Konkurrenz zum Zoologischen Garten Westberlins auf dem Gelände des ehemaligen Schlossparks Friedrichsfelde und ist heute der größte Landschaftstierpark Europas. Nach der Wiedervereinigung begannen die beiden Berliner Zoos mit ihren jeweiligen Besonderheiten und Stärken zu kooperieren. Schäden an der Fassade des Verwaltungsgebäudes in Friedrichsfelde bewirkten Zug­ erscheinungen, Überhitzung im Sommer sowie Strahlungskälte im Winter und mach-

ten die Nutzung des Gebäudes unmöglich. Daher stand der DDR-Skelettbau aus den 1960er-Jahren für einige Jahre leer. 2017 entschloss sich der Tierpark, das dreigeschossige Gebäude zu sanieren. Den Schwerpunkt der Maßnahmen bildeten die energetische Sanierung der Gebäudehülle sowie die gebäudetechnischen Anlagen. Im Innenbereich wurden die Sanitärbereiche erneuert, der bauzeitliche Innenausbau aber so weit es realisierbar erschien bewahrt. Die Maßnahmen hatten zum Ziel, behutsam mit dem Bestand umzugehen und möglichst viel von der vorhandenen Bausubstanz im Sinne des kreislaufgerechten Bauens, und damit die im Bestand enthaltene graue Energie, zu erhalten. Die Konzeption des Hauses – das Tragwerk in Skelettbauweise, die Trennung von Bauteilen unterschiedlicher Lebensdauer sowie reversible Bauteilverbindungen – ermöglichten eine solche Herangehensweise. Die Sanierungsmaßnahmen erfolgten weitgehend klimaneutral mit CO2-speichernden Naturbaustoffen. Die nicht lastabtragende Außenwand, in den 1960er-Jahren als innovative, vorgefertigte Sandwichelemente aus Paneelen und vorgehängten Zementfaserplatten realisiert,

Sanierungsstrategien und -konzepte für Bestandsgebäude

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CO 2-Äquivalent in 50 Jahren [t]

Berechnung ohne die Phase C3 mit thermischer Verwertung 1100

Berechnung inkl. der Phase C3 mit thermischer Verwertung 1006,58

900 700 500 355,86

300 100 26,39 0

Szenario 1: Teilabriss + Sanierung

Szenario 2: Teilabriss + Sanierung (konventionell)

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konnte rückgebaut werden, ohne in die Statik des Hauses eingreifen zu müssen. Die neue Wandkonstruktion, als vorgefertigte, hochgedämmte Holztafelbauelemente konzipiert, greift das Raster der Verankerungspunkte der Bestandsfassade auf und ist reversibel mit dem Tragwerk verbunden. Zukünftige Nutzungsänderungen sowie Sanierungszyklen lassen sich so relativ ­einfach durchführen. Die Hinterlüftungsebene sowie die vertikale Ausrichtung der lasierten Lärchenholzschalung verlängern die Lebens­dauer des Bauteils im Vergleich zu Wärmedämmverbundsystemen. Durch die Nut-und-Federschalung konnte zudem auf witterungsresistente Fassadenbahnen und damit auf Kunststoffe in der Konstruktion verzichtet werden. Das geringere Eigengewicht der neuen Wandkonstruktion er­­ laubte die Umsetzung der Maßnahme ohne einen Nachweis der gesamten Gebäude­ statik. Das Gebäude verfügt zudem über Last­reserven, wodurch sich Potenzial zur Aufstockung ergibt. So könnten in leichter Holzbauweise auf der bestehenden Grundfläche des Hauses noch weitere Nutzungsflächen geschaffen werden. Im Inneren kamen vorrangig Instandsetzungsmaßnahmen zur Anwendung, um die Räumlichkeiten wieder nutzbar zu machen. Der für die Bauzeit typische Innenausbau, wie furnierte Innenausbauten der Direktion und Gipskassetten-Akustikdecken, aber auch einfache Holzeinbauschränke, konnten weitgehend erhalten werden. Während die Sanitärbereiche zu sanieren waren,

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reichten bei den Wand- und Decken­ oberflächen einfache Renovierungsmaß­ nahmen aus. Die Bodenbeläge mussten aufgrund von PAK-Belastung (Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe) größ­ tenteils erneuert werden. Die Kapselung der Teerpappen mittels Isolierfolien ermöglichte es jedoch, die Schadstoffe sicher im Gebäude zu belassen und weder knapper werdende Deponieräume noch die Umwelt damit zu belasten. Die Raumstrukturen wurden mit kleineren Eingriffen an den heutigen Bedarf des Tierparks angepasst, um Büround Besprechungsräume sowie Funktionsräume wie Archiv und Lager aufnehmen zu können. Der Brandschutz wurde gemäß heutiger Anforderungen ertüchtigt. Die Modernisierung der Gebäudetechnik beinhaltete den vollständigen Tausch der Heizungs-, Sanitär-, Lüftungs- und Elektro­ installationen. Durch den Einsatz hygroskopischer Baustoffe und diffusionsoffener Aufbauten in den Außenwänden konnte trotz einer hochluftdichten Gebäudehülle weit­ gehend auf Lüftungstechnik verzichtet werden. Lediglich die WC-Kerne wurden mit einer mechanischen Belüftung mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Durch verhältnismäßig geringe Eingriffe in die bestehende Bausubstanz konnte das Verwaltungsgebäude zu seiner ursprüng­ lichen Nutzung zurückgeführt werden. Das Treibhauspotenzial (Maßzahl für den potenziellen Beitrag zum Treibhauseffekt) ließ sich für die gesamten Sanierungsmaßnahmen auf unter 30 t CO2-Äquivalent in 50 Jah-

Szenario 3: Komplettabriss + Neubau (konventionell) 7 6  Sanierung der Außen­ fassade, Verwaltungs­ gebäude des Tierparks Berlin-Friedrichsfelde (DE) 2019, ZRS Archi­ tekten Ingenieure (Phase C3 = Abfall­ behandlung im Öko­ bilanzmodul C „Ent­ sorgung” nach DIN EN 15 978) 7  Treibhauspotenzial (GWP), Berechnung für drei Szenarien, Verwaltungsgebäude des Tierparks BerlinFriedrichsfelde (DE) 2019, ZRS Architekten Ingenieure

Anmerkungen  Wilke 2013 [1]  Auer, Franke 2020, [2]  S. 40–52; Klinge 2020, S. 82–97

ren reduzieren. Das sind ca. 980 t CO2Äquivalent weniger als ein Ersatzneubau in konventioneller Bauweise emittiert hätte.

8  Sanierungsstrategie, Verwaltungsgebäude des Tierparks BerlinFriedrichsfelde (DE) 2019, ZRS Architekten Ingenieure

Fazit Die Projekte veranschaulichen auf unterschiedliche Art und Weise, dass durch geeignete Transformationsprozesse der Gebäudebestand weitergebaut und weitgehend klimaneutral an moderne Anforderungen angepasst und betrieben werden kann. Das Projekt in Wismar zeigt, dass notwendige Maßnahmen zur Sanierung der Grundstruktur, sogenannte Sowieso-Maßnahmen, in Kombination mit energetischen Maßnahmen oftmals sehr hohe energetische Standards auch in der Denkmalpflege ermög­ lichen, ohne Schäden an der historischen Bausubstanz zu verursachen bzw. diese vielmehr zu schützen. Bei der Integration des Remisen-Neubaus in die historische Holzkonstruktion tragen

1960 DDR-Systembau

Vorfertigung/Aufarbeitung/ Wiederverwertung (Zurück)gewonnenes Holz wird zu vorgefertigten Fassadenelementen — oder auch zu lastabtragenden Bauteilen — weiterverarbeitet.

Materialressource Bauteile — aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt — speichern während ihres Wachstums Tonnen an CO2.

2018 ressourcenschonender Erhalt Durch Erhalt der flexiblen bauzeitlichen Skelettstruktur wurde ein beachtlicher Teil an Ressourcen geschont und die charakteristischen Innenausbauten vor ihrer Zerstörung bewahrt.

die Wahl der hygroskopischen Materialien, die Konzeption der Aufbauten, der angemessene Glasanteil sowie die Nachtaus­ kühlung maßgeblich zu einem komfortablen und gesunden Raumklima bei. So kann trotz höchstem energetischem Standard und ­luftdichter Ausführung der Gebäudehülle auf eine Lüftungsanlage verzichtet werden. Zudem zeigt die Fortschreibung und Um­­ nutzung des historischen Gebäudes die Zukunftsfähigkeit historischer Holzbauten und das Kreislaufpotenzial reversibler Kon­ struktionen. Selbiges gilt auch für die Sanierung des Berliner Tierparkgebäudes, die demons­ triert, dass auch moderne Konstruktionen Kreislaufpotenzial aufweisen und mit geeigneten Lowtech-Konzepten unter Verwendung von CO2-speichernden Baustoffen oder wiederverwendeten Bauteilen annähernd klimaneutral ertüchtigt und an heutige Anforderungen angepasst werden können. 2059 potenzielle neue Nutzung Sortenreine Materialien und reversiblen Verbindungen ermöglichen einen einfache Auf- und Abbau und damit die Wieder- und Weiterverwendung von Bauteilen aus Holz.

Rückbau und Wiederaufbau Die Elementbauweise ist einfach rückbaubar und kann anderorts wieder aufgebaut werden.

2018 Recycling, Re-Using, Refurbishing Der Demontage der ursprünglichen Fassaden folgt eine sortenreine Trennung der Materialien und, wo möglich, das Recycling der Rohstoffe.

2019 neues Erscheinungsbild Durch den minimalen Eingriff in die vorhandene Bausubstanz wurde das Gebäude zu seiner alten Nutzung zurückgeführt und erhielt ein neues Erscheinungsbild trotz Wahrung des Fassadencharakters

2019 Aufbau und Nachrüstung Die Elementbauweise mit reversibel ausgeführten Verbindungen erlaubt diverse (Um-)Nutzungskonzepte und eine unkomplizierte Nachrüstung.

Sanierungsstrategien und -konzepte für Bestandsgebäude

8

105

106

Bewertung

Lowtech im Kontext internationaler Gebäudebewertungssysteme und Standards   Lowtech-Kriterien als Aspekte in Nachhaltigkeitsstandards   Lowtech-Matrix: korrespondierende Kriterien bei BREEAM, LEED und DGNB    Lowtech und Ziele regenerativer und nachhaltiger Entwicklung  Lowtech-Kriterien im Vergleich mit dem Ratingsystem LBC und 17 SDGs für Nachhaltige Entwicklung der UN

108 109 110 115

Gebäudebewertung und Lebenszykluskostenbetrachtung   Zielwerte und Kriterien für Lowtech-Gebäude   Haus des Lernens   Zusammenfassung 

118 118 120 123

115

Haus Rauch, Schlins (AT) 2008, Roger Boltshauser und Martin Rauch (Lehmbau: LehmTonErde Baukunst)

107

Lowtech im Kontext internationaler Gebäudebewertungssysteme und Standards Edeltraud Haselsteiner

Die Eindämmung des Klimawandels ver­ langt dringende eine Reduzierung von Emissionen in allen wirtschaftlichen Sekto­ ren. Der Bausektor ist weltweit zu einem Drittel für Treibhausgasemissionen verant­ wortlich [1]. Um eine Energiewende her­ beizuführen, werden insbesondere für den Gebäudeneubau wirksamere Maßnah­ men gefordert. Zudem ist eine deutliche Erhöhung der Sanierungsrate von derzeit EU-weit lediglich 1 % unabdingbar. Low­ tech-Design definiert dazu per se keinen Anspruch auf ein nachhaltigeres oder ener­ gieeffizienteres Gebäudekonzept. Vielmehr drückt es einen kritischen Blick aus gegen­ über Wachstums- und Effizienzparadigmen in Zusammenhang mit technologischen Ent­ wicklungen und stellt deren Wirksamkeit als langfristig vermeintlich einziges Mittel gegen die Klimakrise infrage. Dahinter steht die Überzeugung, dass es einer umfassen­ deren und gesamtsystemischeren Betrach­ tung bedarf, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. LowtechDesign und regenerative Nachhaltigkeit wenden ihren Blick von der engen Betrach­ tung von Einzelaspekten wie Energieeffi­ zienz, nachwachsende Materialien oder nachhaltige Technologie hin in Richtung der Schaffung eines sich selbst regene­rie­ren­ den sozialen und ökologischen Systems [2]. Dazu zählt auch, Menschen als Handelnde und Gestaltende ihrer Umwelt und ihre Beziehung zur Natur verstärkt einzube­ ziehen.

108

Die Kritik richtet sich aber auch maßgeb­ lich gegen Kostensteigerungen im Bausek­ tor, die sich vorwiegend den zunehmenden Anforderungen an die Technischen Gebäu­ deausrüstung (TGA) zurechnen lassen [3]. Effizienzkriterien, die als Basis zur Bewer­ tung für Förderungen herangezogen wer­ den, treiben nicht nur die Anforderungen an die Gebäudetechnik, sondern auch die Preisspirale zunehmend nach oben. Hohen ­Inves­titionskosten stehen zwar geringe Ener­ gieverbrauchskosten gegenüber, diese ­verleiten aber auch umgekehrt zu höheren ­Verbräuchen (Reboundeffekt). Hinzu kommt, dass die Nutzbarkeit der gebäudetechni­ schen Komponenten zunehmend die Bestän­ digkeit von Immobilien bestimmt. Während die Bausubstanz in Form des Rohbaus einen Lebens­zyklus von 50 Jahren und mehr über­ dauern würde, sind es beim technischen Ausbau nur ca. zehn Jahre und bei Informa­ tions- und Kommunikationstechnologie über­ haupt nur etwa fünf Jahre Lebensdauer [4]. Als Folge sind entweder hohe Kosten für Wartung und Instandhaltung vorhersehbar, oder – wie es leider häufiger passiert – eine deutliche Reduzierung der durchschnittli­ chen Nutzungsdauer von Gebäuden und eine weitere Zunahme der bereits zahlrei­ chen Leerstände in bestimmten Regionen. Nachhaltigkeitszertifikaten wird ein hoher Stellenwert bei der Umsetzung innovativer Gebäudekonzepte eingeräumt [5]. Ein Blick in die Literatur zeigt, dass weltweit inzwischen mehr als 600 unterschiedliche

Gebäude- und Materialzertifikate in Anwen­ dung sind [6]. Neben gängigen internatio­ nalen Bewertungstools wie dem britischen Zertifizierungssystem BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method), dem Zertifizierungs­ system LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) des U. S. Green ­Building Council oder dem Siegel der DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V.) kommen vermehrt nationale oder institutionelle Bewertungsschemen hinzu. Mit Letzteren sollen insbesondere nationale Regularien oder institutionelle Stra­ tegien und Intentionen in der Zielverfolgung unterstützt werden. Darüber hinaus existie­ ren aber mittlerweile auch mehrere alterna­ tive Ratingsysteme, die die soziale Dimen­ sion der Nachhaltigkeit und Aspekte wie Gesundheit und Wohlergehen oder gesell­ schaftliche Verantwortung stärker ins Zen­ trum stellen [7]. Während sogenannte Green-Building-Zertifikate (BREEAM, LEED, DGNB, Green Star etc.) den Fokus im nach­ haltigen Bauen auf Umweltdaten und hier

im Besonderen auf die Energieperformance der Bauten legen [8], sind andere Rating­ systeme wie Living Building Challenge (LBC), One plant Living, WELL oder Cradle to Cradle (C2C) stärker um regenerative Prinzipien in der gebauten Umwelt bemüht. Einschränkend ist jedoch selbst hier anzu­ führen, dass Gebäudezertifikate in erster Linie Marketingeffekte für die Bau- und Immobilienbranche bedienen. Ihr Ziel liegt in der quantitativen und qualitativen Bewer­ tung und im Benchmark. Lowtech-Kriterien als Aspekte in Nach­ haltigkeitsstandards Im Kapitel „Das nachhaltige LowtechGebäude“ (S. 22ff.) wurde eine Matrix ent­ wickelt (Abb. 8, S. 30f.), die umfassend unterschiedliche Lowtech-Designstrategien als Basis eines auf nachhaltigen Prinzipien beruhenden Gesamtkonzepts widerspiegelt. Abb. 2, S. 110ff. stellt diese Anforderungen drei häufig angewendeten Green Building Zertifikaten (BREEAM, LEED, DGNB) gegen­ über und zieht einen Vergleich.

1  nach dem Cradle to Cradle-Konzept entworfen, Forschungsinstitut in Wageningen (NL) 2010, Claus en Kaan Architecten

Lowtech im Kontext internationaler Gebäudebewertungssysteme und Standards

1

109

Lowtech-Matrix: korrespondierende Kriterien bei BREEAM, LEED und DGNB Lowtech-Matrix — Kriterien

korrespondierende Kriterien in den Gebäudebewertungen bei BREEAM (DE 2018 / Wohnbau), LEED (v4.1, 2021) und DGNB (v2018 / Neubau)

A  ökologische Qualität ÖKOSYSTEM — Klima, Regeneration, Resilienz standortbasierter, regenerativer und ökologischer Designansatz, Nutzung der dynamisch-ökologischen Einheit eines Standorts und der Wechselbeziehung von Mensch, Gebäude, Natur und Ökosystem für einen ganzheitlichen Lösungsansatz Klima

ganzheitlicher, ökologischer und regenerativer Designansatz auf Basis lokaler Ressourcen und Gegebenheiten, wie (Mikro-)Klimafaktoren (z. B. Sonne, Wasserflächen, Luftströmung, Vegetation) Geologie (z. B. Bodenbeschaffenheit), Topografie (z. B. Gelände, Bodenoberfläche) etc.

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: k. A.

Regeneration Maßnahmen als positiver Beitrag zur Wiederher­ stellung / Verbesserung eines funktionierenden (regenerativen) Ökosystems bzw. Vermeidung von negativen Einflüssen und Eingriffen in funktionierende Umweltkreisläufe (z. B Landnutzung, Bio­ diversität, Vegetation, Wasser)

BREEAM: Landnutzung und Ökologie (8,68 %) • Grundstücksauswahl • ökologischer Wert des Grundstücks und Schutz der ökologischen Werte • Minimierung der Auswirkungen auf die bestehende Standort­ ökologie • Verbesserung der Standortökologie • langfristige Auswirkungen auf die Biodiversität LEED: nachhaltige Standorte / Grundstücksqualität (9,1 %) • Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Bautätigkeiten 1) • Standortentwicklung /-bewertung • Lebensraum schützen oder wiederherstellen • Freiraum • Regenwassermanagement • Wärmeinselreduktion • Verringerung der Lichtverschmutzung DGNB: ökologische Qualität (22,5 %) • Ökobilanz des Gebäudes • Risiken für die lokale Umwelt • verantwortungsbewusste Ressourcengewinnung • Trinkwasserbedarf und Abwasseraufkommen • Flächeninanspruchnahme • Biodiversität am Standort

Resilienz

BREEAM: Transport (7,5 %) • Zugänglichkeit zum öffentlichen Nahverkehr • Nähe zu relevanten Einrichtungen • alternative Verkehrsmittel • maximale Parkplatzkapazität • Mobilitätskonzept • Heimarbeitsplatz LEED: Standort und Verkehr (14,6 %) • Nachbarschaftsentwicklung • sensibler Bodenschutz • Standort mit hoher Priorität (z. B. historische Orte, Brach­flächen­ sanierung) • umgebende Dichte und Nutzungsmischung Zugang zu Qualitätstransit (z. B. öffentlicher Nahverkehr) • Fahrradeinrichtungen • reduzierter Fußabdruck beim Parken • Elektrofahrzeuge DGNB: Standortqualität (5 %) • Mikrostandort • Ausstrahlung und Einfluss auf das Quartier • Verkehrsanbindung • Nähe zu nutzungsrelevanten Objekten und Einrichtungen

110

Suffizienz und Resilienz auf Basis von Klima, Standort, Geografie und vorhandener Infrastruktur (z. B. Regionalität, bauliche Dichte, Anbindung und ­Nutzung bestehender Infrastruktur, Einbindung in lokale Wirtschaftskreisläufe)

RESSOURCEN — Form, Energie, Kreislaufsysteme energieeffiziente und ökologische Bauweise basierend auf suffizientem Technikeinsatz, Nutzung einfacher Wirkprinzipien und naturbasierter Lösungen für die Versorgung mit erneuerbaren, regional verfügbaren Ressourcen, Minimierung grauer Energie und Vermeidung von CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus betrachtet Form

energetisch optimierte Form und Orientierung (z. B. Mikroklimaanpassung der Form / Oberfläche / Fassaden, Anteil Verglasung – Speichermasse) Nutzung von Klima- / Standortfaktoren zur thermischen, hygienischen und akustischen Behaglichkeit und zur natürlichen Belichtung

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: k. A.

Energie

Versorgung (Heizung, Kühlung, Lüftung) basierend auf natürlichen, erneuerbaren und regional verfügbaren Energie(Umwelt-)potenzialen (Sonne, Erdreich, Grundwasser, Wind, innere Wärmequellen, Erwärmung/Kühlung durch Jahreszeiten- / TagNachtrhythmus etc.), unter Berücksichtigung eines suffizienten Technikeinsatzes und optimierten ­energetischen Kenndaten (Heizwärmebedarf ­ [kWh/m2a], Gebäudeheizlast [W/m2], Primär­ energiekennzahl [kWh/m2a])

BREEAM: Energie (17,03 %) • Reduktion des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen • Überwachung des Energieverbrauchs • Außenbeleuchtung • kohlenstoffarme Planung • energieeffiziente Kühl- und Kältelager • energieeffiziente Beförderungssysteme • energieeffiziente Laborsysteme • energieeffiziente Ausstattungen • Trockenraum für Wäsche LEED: Energie und globale Umweltwirkungen (30 %) • grundlegende Inbetriebnahme und Überprüfung 1) • Mindestenergieleistung 1) • Energiemessung auf Gebäudeebene 1) • grundlegendes Kältemittelmanagement 1) • verbesserte Inbetriebnahme • Energieleistung optimieren • erweiterte Energiemessung • Demand-Response • erneuerbare Energieerzeugung • verbessertes Kältemittelmanagement DGNB: technische Qualität (22,5 %) • Schallschutz • Qualität der Gebäudehülle • Einsatz und Integration von Gebäudetechnik • Reinigungsfreundlichkeit des Baukörpers • Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit • Immissionsschutz • Mobilitätsinfrastruktur

Kreislaufsysteme

Bildung und Nutzung möglicher Versorgungs- und Entsorgungskreisläufe im Gebäude, unter Berücksichtigung der umgebenden Bebauung und des Standorts (Abwärme — Heizung / Kühlung, KraftWärme-Kopplung, Regen-/Abwasser — Brauchwasser etc.)

BREEAM: Wasser (11,58 %) • Wasser • Wasserverbrauch • Wassermonitoring • Erkennen und Vermeiden von Wasserleckagen • wassersparende Ausstattung LEED: Wassereffizienz (10 %) • Reduzierung des Wasserverbrauchs im Freien 1) • Reduzierung des Wasserverbrauchs in Innenräumen 1) • Wasserzähler auf Gebäudeebene 1) • Reduzierung des Wasserverbrauchs im Freien Reduzierung des Wasserverbrauchs in Innenräumen • Kühlturmwassernutzung • Wasserzähler DGNB: Trinkwasserbedarf und Abwasseraufkommen (ökologische Qualität)

 1) 

2

Voraussetzung / Muss-Kriterien

Lowtech im Kontext internationaler Gebäudebewertungssysteme und Standards

111

B  ökonomische Qualität ROBUSTHEIT — Lebenszykluskosten, Homogenität, Qualität robuste und auf lange Lebens- und Nutzungsdauer ausgerichtete Gesamtkonzeption, hochwertiger ökologischer und ökonomischer Baustandard mit dauerhaften (bewährten handwerklichen) Bautechniken und -konstruktionen, unter Berücksichtigung eines suffizienten Ressourcen- und Rohstoffverbrauchs mit geringen Lebenszykluskosten Lebens­ zykluskosten

Minimierung grauer Energie und Vermeidung von CO2-Emissionen im Lebenszyklus durch kurze Transportwege, Vermeidung von Emissionen oder tech­nischem Mehraufwand bei der Errichtung (z. B. Aushub, technischer Aufwand für Keller und Untergeschosse), suffizienter Ressourcen und Material­­ einsatz etc.

BREEAM: Material (15,44 %) • Auswirkungen auf den Lebenszyklus • Landschaftsbau und Befestigung der Grenzen • verantwortungsvolle Materialbeschaffung • Dämmung • Planung für Dauerhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit • Materialeffizienz LEED: Verringerung der Auswirkungen auf den Gebäudelebenszyklus 1) (Material und Ressourcen) DGNB: ökonomische Qualität (22,5 %) • gebäudebezogene Kosten im Lebenszyklus • Flexibilität und Umnutzungsfähigkeit • Marktfähigkeit

Homogenität Anwendung einfacher, bewährter (handwerklicher) und dauerhafter Bautechniken und -konstruktionen, einfache Baudetails und Aufbauten, Möglichkeiten zum Selbstbau und zur Vorfertigung etc. Materialhomogenität, reduzierte Komplexität in der Materialauswahl und suffizienter Materialeinsatz

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: k. A.

Qualität

BREEAM: Management (10,61 %) • Projektbeschreibung und Planung • Lebenszykluskosten und Lebensdauerplanung • verantwortungsvolle Baupraxis • Inbetriebnahmemanagement und Übergabe • Nachbetreuung LEED: integrativer Planungsprozess (0,9 %) DGNB: Prozessqualität (12,5 %) • Qualität der Projektvorbereitung • Sicherung der Nachhaltigkeitsaspekte in Ausschreibung und Vergabe • Dokumentation für eine nachhaltige Bewirtschaftung • Verfahren zur städtebaulichen und gestalterischen Konzeption • Baustelle / Bauprozess • Qualitätssicherung der Bauausführung • geordnete Inbetriebnahme • Nutzerkommunikation • FM-gerechte Planung

qualitätssichernde Maßnahmen zur Verlängerung der Lebens- und Nutzungsdauer von Baukomponenten mittels passiver/konstruktiver Gebäudedetails (z. B. Detaillierung Feuchteschutz, UV-Strahlung etc., Einplanen von „Altern“ und „Pflege“ der Oberflächen, konstruktive Verschattung)

EINFACHHEIT — Funktionalität, Wartung, Bedienung interdisziplinär geplantes und integral aufeinander abgestimmtes, einfaches und robustes Gebäudekonzept mit benutzerfreundlicher Steuerung und Regelung sowie einfacher Reparatur und Wartung Funktionalität geringe Komplexität der Gebäudetechnik und Leitungsführung (z. B. Einbau ohne bautechnischen Aufwand, offene Leitungsführung)

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: k. A.

Wartung

einfache Instandhaltung und Pflege, Austausch und Wartung einzelner Komponenten (z. B. Standardkomponenten) ohne spezifisch technische Hilfsmittel oder Bedarf zusätzlichen Fach­personals, Minimierung von Kosten für Wartung und Betrieb etc.

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: Reinigungsfreundlichkeit des Baukörpers (technische Qualität)

Bedienung

einfache, intuitive Bedienung, Handhabung, Steuerung und Regelung durch die Nutzenden oder Ermöglichen einer (automatisierten) Steuerung und Regelung durch Umweltfaktoren (z. B. Wind, Temperaturschwankungen, Lichtintensität, Luftfeuchte)

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: Einflussnahme der Nutzenden (soziokulturelle und funk­ tionale Qualität); Nutzerkommunikation (Prozessqualität)

112

C  soziale Qualität SUFFIZIENZ — Bedarfsminimierung, Flächenverbrauch, Nutzungsintensität ökonomische und ressourcenschonende Größe und Ausstattung (Fläche, Raumvolumen, Innenausbau, Haustechnik, Geräte etc.), minimierter Flächenverbrauch und Vermeidung von zusätzlicher Bodenversiegelung (vorrangig Nutzung bestehender Bausubstanz), Erhöhung der Nutzungsintensität Bedarfs­ minimierung

Nutzung vorhandener Bausubstanz und Materialien (Revitalisierung, Umnutzung, Recycling, Upcycling, Verwendung von Baureststoffen und Sekundärrohstoffen etc.)

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: k. A.

Flächen­ verbrauch

Minimierung des Flächenverbrauchs, z. B. kompaktes und optimiertes A / V-Verhältnis

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: Flächeninanspruchnahme (ökologische Qualität)

Nutzungs­ intensität

bedarfsangepasstes Flächennutzungs-, Grundrissund Ausstattungskonzept (z. B. Zonierung der Grundrisse, Klima- / Temperaturzonen, permanente/ temporäre Versorgung) Nutzung von Potenzialen für Mehrfachnutzung, Teilen und Erhöhung der Nutzungsintensität

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: k. A.

GESUNDHEIT — natürliche Rohstoffe, Material, Mensch-Natur-Beziehung Auswahl und ökonomischer Einsatz lokaler, natürlicher, ökologischer, erneuerbarer, recyclingfähiger und robuster Materialien mit langer Lebensdauer und einem Beitrag für Gesundheit und Wohlbefinden natürliche Rohstoffe

(Wieder-)Verwendung lokal vorhandener nachwachsender Rohstoffe und Materialien mit hochwertigen Recycling- und Kreislauffähigkeiten und minimalem Transportaufwand

BREEAM: verantwortungsvolle Materialbeschaffung (Material) LEED: Material und Ressourcen (11,8 %) • Lagerung und Sammlung von Wertstoffen 1) • Bau- und Abbruchabfallmanagementplanung 1) • Verringerung der Auswirkungen auf den Gebäudelebenszyklus 1) • Offenlegung und Optimierung von Bauprodukten — Umwelt­ produktdeklarationen • Offenlegung und Optimierung von Bauprodukten — Beschaffung von Rohstoffen • Offenlegung und Optimierung von Bauprodukten — Material­ inhaltsstoffe • Bau- und Abbruchabfallentsorgung DGNB: Ökobilanz des Gebäudes (ökologische Qualität)

Material

effiziente Nutzung vorhandener natürlicher Baustoffund Materialeigenschaften für ein suffizientes und robustes Gebäudekonzept zur Minimierung von Ressourcenverbräuchen (z. B. Wärmespeicherung, Kühlung, einfache Recyclingfähigkeit etc.) ein gesundes Innenraumklima (z. B. hygroskopische Eigenschaften) und eine lange Lebensdauer (z. B. Beständigkeit)

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: k. A.

MenschNatur-­ Beziehung

Maßnahmen zur Verbesserung der Verbindung Mensch-Natur als Beitrag zu Lebensqualität, Gesundheit und Wohlbefinden (thermische, hygienische und akustische Behaglichkeit, natür­liche Belichtung, natürliche Luftfeuchte, Vegetation, begrünte Innen-, Außen- und Freiräume etc.)

BREEAM: Gesundheit und Wohlbefinden (18,16 %) • visueller Komfort • Innenraumluftqualität • thermischer Komfort • Bau- und Raumakustik • Zugänglichkeit • Naturgefahren • private Freiräume • Wasserqualität LEED: Innenraum(luft-)qualität und Komfort (14,5 %) • Mindestleistung der Innenluftqualität 1) • Tabakrauchkontrolle in der Umgebung 1) • verbesserte Strategien für die Luftqualität in Innenräumen • schadstoffarme Materialien • Managementplan für die Luftqualität im Bauwesen • Bewertung der Raumluftqualität • thermischer Komfort • Innenbeleuchtung • Tageslicht • Qualitätsansichten • akustische Leistung

1) 

2

Voraussetzung / Muss-Kriterien

Lowtech im Kontext internationaler Gebäudebewertungssysteme und Standards

113

DGNB: soziokulturelle und funktionale Qualität / Komfort (22,5 %) • thermischer Komfort • Innenraumluftqualität • akustischer Komfort • visueller Komfort • Einflussnahme des Nutzers • Aufenthaltsqualitäten innen und außen • Sicherheit • Barrierefreiheit D  Partizipation / Prozessqualität KREISLAUFFÄHIGKEIT — Nutzungsflexibilität, Rückbau, Dokumentation Gebäudekonzept, Baukonstruktionen und Materialverbindungen, die einen einfachen Austausch einzelner Baukomponenten, die getrennte Verwertung, Rückbau und Recycling / Upcycling von Materialien und Baustoffen oder eine teilweise oder gänzliche Umnutzung ermöglichen Nutzungs­ flexibilitä

offenes Nutzflächenkonzept mit maximaler Flexibilität hinsichtlich Erweiterung und Nutzungsänderung; Einplanung/Mitplanung von Nachrüstung, Erweiterung oder Rückbau und Adaptierung durch einfache (nicht) bauliche Maßnahmen und geringen technischen Aufwand möglich

BREEAM: spekulativer Ausbau; funktionale Anpassungsfähigkeit (Abfall) LEED: k. A. DGNB: Flexibilität und Umnutzungsfähigkeit (ökonomische Qualität)

Rückbau

sortenrein demontierbare Bauteile und /oder Mate­ rialien mit trennbaren Verbindungsdetails, die die Möglichkeit der weiteren Nutzung als Produkt bzw. einer sonstigen Verwertung bieten

BREEAM: Abfall (3,86 %) • Bauabfallwirtschaft • recycelte Zuschlagstoffe • Betriebsabfälle • spekulativer Ausbau • Anpassung an den Klimawandel • funktionale Anpassungsfähigkeit LEED: Lagerung und Sammlung von Wertstoffen 1) Bau- und Abbruchabfallmanagementplanung 1) (Material und ­Ressourcen) DGNB: Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit (technische Qualität)

Dokumen­ tation

Dokumentation von eingesetzten Ressourcen, ­Materialien und Entscheidungspfaden im Herstellungsprozess

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: k. A.

VERANTWORTUNG — Klimawandelanpassung, (Bau)Kultur, Gerechtigkeit verantwortungsbewusstes Gesamtkonzept als regenerativer Beitrag zum Klimawandel und sozialer Gerechtigkeit, Förderung und ­Weiterentwicklung baukultureller Qualität und Partizipation Klimawandel­ Maßnahmen zur Vorkehrung von regionalen Klimawandelphänomenen, um optimal auf Umgebungsanpassung bedingungen und deren Veränderungen reagieren zu können zukunftsfähige, innovative Konzepte als positiver ­Beitrag zur Klimastabilisierung und zu regenerativen Nachhaltigkeitszielen (z. B. Gebäude als Kohlenstoffspeicher)

BREEAM: Umwelt (7,13 %) • Auswirkungen durch Kältemittel • NOx-Emissionen • Abfluss von Oberflächenwasser • Reduktion der nächtlichen Lichtverschmutzung • Immissionsschutz BREEAM: Innovation; Anpassung an den Klimawandel (Abfall) LEED: Innovation (5,5 %) LEED: regionale Prioritäten (3,6 %) DGNB: k. A.

(Bau-)Kultur

BREEAM: k. A. LEED: Standort mit hoher Priorität (z. B. historische Orte, Brach­ flächensanierung) (Standort und Verkehr — infrastrukturelle ­Einbindung des Standorts) DGNB: k. A.

Einbeziehung / Berücksichtigung von Erfahrungs­ wissen aus der regionalen / historischen Bautradition Förderung und Weiterentwicklung baukultureller Qualität Partizipation und Einbeziehung von Nutzenden und Betroffenen

Gerechtigkeit (Verteilungs-) Gerechtigkeit und soziale Verantwortung, wie Vermeidung von Baustoffen mit Gefährdungspotenzial für Nahrungsmittelkonkurrenz, Schutz der Biodiversität etc. 1) 

Voraussetzung / Muss-Kriterien

114

BREEAM: k. A. LEED: k. A. DGNB: k. A. 2

2 Lowtech-Matrix: korrespondierende Kriterien bei BREEAM, LEED und DGNB 3 Lowtech-Kriterien im Vergleich mit dem Ratingsystem LBC und 17 SDGs für Nachhaltige Entwicklung der UN

Die vergleichende Übersicht (Abb. 2, S. 110ff.) zeigt, dass besonders kennzeich­ nende Kriterien für ein Lowtech-Konzept, wie beispielsweise Robustheit, Einfachheit, Suffizienz, stand­­ort- und klima­angepasste Form sowie die Nutzung von Baustoff- und Material­eigen­schaften als funktionale Kom­ ponenten im Gebäude­konzept, in keinem der dargestellten Green-Building-Zertifikate wiederzufinden sind. Ebenso finden Aspekte der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung sowie in die Zukunft orientierte Maßnahmen zur Kli­ mawandelanpassung wenig oder gar keine Beachtung.

Lowtech und Ziele regenerativer und nachhaltiger Entwicklung Ein Vergleich der Lowtech-Kriterien mit dem aus den USA stammenden Ratingsystem Living Building Challenge (LBC), das für sich in Anspruch nimmt, deutlich ambitio­ niertere und regenerative Nachhaltigkeits­ ziele zu verfolgen, legt offen, dass hier zwar wesentlich mehr der ausgewiesenen Krite­ rien wiederzufinden sind, aber die Forde­ rungen nach Bedarfsminimierung und Ein­ fachheit ebenso fehlen. Zuletzt zeigt Abb. 3 eine Gegenüberstellung der Lowtech-Krite­ rien mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (UN).

Lowtech-Kriterien im Vergleich mit dem Ratingsystem LBC und 17 SDGs für Nachhaltige Entwicklung der UN Lowtech-Matrix — Kriterien

korrespondierende Kriterien in der Gebäude­ bewertung LBC (Living Building Challenge 4.0, International Living Future Institute, June 2019)

korrespondierende Kriterien in den 17 SDGs für nachhaltige Entwicklung der UN

ÖKOSYSTEM — Klima, Regeneration, Resilienz

ORT: Wiederherstellung einer gesunden Beziehung zwischen Natur, Ort und Gemeinschaft • Ökologie des Orts • urbane Landwirtschaft • Austausch von Lebensräumen • Leben im menschlichen Maßstab

11. NACHHALTIGE STÄDTE UND GEMEINDEN: Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten 14. LEBEN UNTER WASSER: Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen 15. LEBEN AN LAND: Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, ­Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation beenden und umkehren und dem Verlust der ­biologischen Vielfalt ein Ende setzen

RESSOURCEN — Form, Energie, Kreislaufsysteme

WASSER: Schaffung von Entwicklungen, die innerhalb des Wasserhaushalts eines bestimmten Orts und ­Klimas funktionieren •  verantwortungsvolle Wassernutzung •  netto positives Wasser ENERGIE: auf nachwachsende Rohstoffe setzen •  Energie- und CO2-Reduzierung •  netto positive Energie

6. SAUBERES WASSER UND SANITÄREINRICHTUNGEN: Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten 7. BEZAHLBARE UND SAUBERE ENERGIE: Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern

A  ökologische Qualität

B  ökonomische Qualität ROBUSTHEIT — Lebens­ MATERIALIEN: Bauen mit Produkten, die im Lauf zykluskosten, Homogenität, der Zeit für alle Arten sicher sind Qualität •  verantwortungsvolle Materialien •  rote Liste •  verantwortungsvolle Beschaffung •  Living Economy Sourcing •  netto positiver Abfall

8. MENSCHENWÜRDIGE ARBEIT UND WIRTSCHAFTSWACHSTUM: dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschen­ würdige Arbeit für alle fördern 9. INDUSTRIE, INNOVATION UND INFRASTRUKTUR: eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen

EINFACHHEIT — Funktionalität, Wartung, Bedienung

4. HOCHWERTIGE BILDUNG: inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern 3

Lowtech im Kontext internationaler Gebäudebewertungssysteme und Standards

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C  soziale Qualität SUFFIZIENZ — Bedarfs­ minimierung, Flächenverbrauch, Nutzungsintensität GESUNDHEIT — natürliche Rohstoffe, Material, Mensch-Natur-Beziehung

12. NACHHALTIGER KONSUM UND PRODUKTION: nachhaltige Konsum- und Produktions­ muster sicherstellen GESUNDHEIT & GLÜCK: Umgebungen fördern, die die körperliche und psychische Gesundheit und das Wohlbefinden optimieren •  gesundes Raumklima •  gesunde Innenleistung •  Zugang zur Natur

3. GESUNDHEIT UND WOHLERGEHEN: ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern

D Partizipation/Prozessqualität KREISLAUFFÄHIGKEIT — Nutzungsflexibilität, ­Rückbau, Dokumentation

MATERIALIEN: Bauen mit Produkten, die im Lauf der Zeit für alle Arten sicher sind •  verantwortungsvolle Materialien •  rote Liste •  verantwortungsvolle Beschaffung •  Living Economy Sourcing •  netto positiver Abfall

GERECHTIGKEIT: Unterstützung einer gerechten Welt VERANTWORTUNG — Klima­wandelanpassung, •  allgemeiner Zugang (Bau-)Kultur, Gerechtigkeit •  Inklusion ÄSTHETIK: Wir feiern Design, das den menschlichen Geist erhebt •  Ästhetik und Biophilie •  Bildung und Inspiration

SAUBERES WASSER UND SANITÄREINRICHTUNGEN: Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten

1. KEINE ARMUT: Armut in allen ihren Formen und überall beenden 2. KEIN HUNGER: den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern 5. GESCHLECHTERGLEICHHEIT: Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und ­Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen 10. WENIGER UNGLEICHHEITEN: Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern 13. MASSNAHMEN ZUM UMWELTSCHUTZ: umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des ­Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen 16. FRIEDEN, GERECHTIGKEIT UND STARKE ­INSTITUTIONEN: friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen 17. PARTNERSCHAFTEN ZUR ERREICHUNG DER ZIELE: Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen 3

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3 Lowtech-Kriterien im Vergleich mit dem Ratingsystem LBC und 17 SDGs für Nachhaltige Entwicklung der UN 4  Lehmhaus, Falkensee (DE) 2019, Gereon Legge

Zusammenfassend zeigt die Analyse, dass – neben der im Kapitel „Gebäudebewer­ tung und Lebenszykluskostenbetrachtung" (S. 118ff.) vorgestellten Methode – auch die ausgearbeitete Lowtech-Matrix als Gradmesser für eine Bewertung heran­ gezogen werden bzw. insbesondere als ergänzendes Raster für eine Nachhaltig­

keitsbewertung hilfreich sein kann. Die Gewichtung einzelner Aspekte richtet sich dabei nach den spezifischen Heraus­ forderungen der Bauaufgabe und deren sozialer und gesellschaftlicher Einbet­ tung. Diese kann entsprechend dyna­ misch veränderbar definiert und gestaltet werden.

Anmerkungen [1] Global Status Report 2017 [2] Brown u. a. 2018; Cole 2012; Reed 2007 [3] Endres 2020 [4] Daniels 2000 [5] Haselsteiner u.  a. 2021 [6] Reed u. a. 2009; SBi GXN 2018 [7] Forsberg, de Souza 2021 [8] SBi GXN 2018; Berardi 2012

4

Lowtech im Kontext internationaler Gebäudebewertungssysteme und Standards

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Gebäudebewertung und Lebens­zyklusbetrachtung Bernhard Lipp, Ute Muñoz-Czerny, Thomas Zelger

Um Lowtech- und Hightech-Lösungen bewerten und optimieren sowie robuste und richtungsstabile Lowtech-Gebäude im Neubau- und Revitalisierungsbereich entwickeln zu können, ist die Formulierung dieser Tech­niken und Praktiken als soziotechnische Systeme bzw. als soziale Praktiken im Umgang mit Techniken oder Gebäuden hilfreich. Im Wesentlichen geht es darum, Aufwände wissenschaftlich korrekt sowohl in technischen als auch in sozialen (und kommunikativen) Teilsystemen zu erheben und in Gesamtsystemen mit unterschiedlichem „Technikanteil“ hinsichtlich der Qualitäten thermischer Komfort, Zufriedenheit der Nutzenden, Lebenszykluskosten und Klimaverträglichkeit vergleichbar zu machen. In vielen Fällen ist Hightech durch intelligente Planung, bedachte Materialwahl, eine solide technische Grundversorgung und deren sinnvolle Anwendung kompensierbar. Gebäude sind langfristige Güter, und insbesondere Lowtech-Gebäude sind stärker an die lokalen Klimabedingungen gekoppelt: Lowtech-Konzepte sollten bereits heute ­Vorkehrungen enthalten, die bei der künftig erwartbaren Erwärmung (laut Klimaprognose DWD) hochwertigen thermischen Komfort ohne großen Betriebs- und persönlichen Kompensa­tions­aufwand sicherstellen. Lowtech-Konzepte bevorzugen daher einerseits Techniken mit wenig Instandsetzungsund Wartungsaufwand, die gegebenenfalls träger reagieren als Hightech-Lösungen mit hoher Facility-Management-Intensität und schneller Regelbarkeit. Andererseits wer-

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den die Nutzenden durch Elemente wie Planungspartizipation, Verständlichkeit und Aneignungsfähigkeit von Gebäudetechnikkonzepten sowie durch stärkere Eigen­ verantwortung intensiver einbezogen und näher an die von ihnen genutzten Gebäude herangeführt. Durch die „ehrliche“ Einbeziehung der Nutzenden lassen sich komplizierte Regelungssysteme und damit ver­ bundene Gebäudetechnologien vermeiden oder deutlich reduzieren, allerdings erhöht sich der direkte Handlungsaufwand für die Nutzenden. Durch ihr Einbeziehen können Komfortgrenzen aufgeweitet und das subjektive Zufriedenheitsgefühl erhöht ­werden. Lowtech-Konzepte verschieben im Vergleich zu konventionellen Ansätzen und HightechKonzepten Kosten aus der Betriebs- und Wartungsphase in die Errichtungs- und Sanierungsphase. Das stärkere Einbeziehen der Nutzenden senkt durch Komfort­ aufweitung und technischen Regelungs­ aufwand zusätzlich die laufenden Kosten. Zielwerte und Kriterien für LowtechGebäude In einem aktuell laufenden Forschungsprojekt des Österreichischen Instituts für Bauen und Ökologie gemeinsam mit der FH Technikum Wien und dem Wohnbund:consult, beauftragt vom deutschen Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR), wurden eine Bewertungsmatrix entwickelt und für zukunftsfähige Lowtech-Konzepte Zielwerte erarbeitet.

Aus einer umfangreichen Literaturrecherche lassen sich folgende Thesen zur Abhängigkeit zwischen Lowtech-Konzepten und Verhalten der Nutzenden aufstellen: • Lowtech-Gebäude können die gleiche Zufriedenheit der Nutzenden erreichen wie Hightech-Gebäude (jedoch nicht den gleichen Komfort). • Eine größere Interaktionsmöglichkeit bedeutet gleichzeitig höhere Zufriedenheit. • Die Erwartungen an die Innenraumbedingungen in einem Lowtech-Gebäude sind andere als in einem Hightech-Gebäude. Auf dieser Grundlage sowie basierend auf dem adaptiven Komfortmodell und der Diskussion zu klimaverträglichen Energieversorgungskonzepten wurde ein kompaktes Bewertungsset für Lowtech-Gebäude entwickelt, das folgende Haupt- und Subkriterien zum Aufwand für die Herstellung bzw. Sanierung von Gebäuden enthält: • Gebäudetechnik: Aufwand für Herstellung, Wartung, Instandsetzung, Komplexitätsgrad, Fremdenergie für Maßnahmen (z. B. Hilfsenergie für Ventilatoren, Pumpen, Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik) • Bautechnik: Aufwand Herstellung und Instandsetzung • Nutzende „aktiv“: Aufwand für die Nutzenden für Regelung etc., Komplexitätsgrad für die Bedienung Neben dem Aufwand werden die folgenden Qualitäten bewertet:

• Abweichung von den Komfortgrenzen und einer guten Raumluftqualität • Energiebedarf, Klimabelastung Auf der Grundlage von technischen Bewertungen, der Recherche zu Lowtech-Konzepten und den Befragungen wird die folgende Gesamtbewertung für nachhaltige Lowtech-Gebäude vorgeschlagen: Musskriterien: (100 % = Hightech-Gebäude) • Kriterium Gebäudetechnik ≤ 20 %: Geringer Aufwand für Gebäudetechnik in der Herstellung, Wartung und Instandsetzung, ein geringer Komplexitätsgrad und eine robuste Gebäudetechnik sind die Voraussetzung für Lowtech-Gebäude. • Niedrige /r Energiebedarf / Klimabelastung ≤ 20 %: Lowtech-Gebäude sind nur dann zukunfts­fähig, wenn sie zu 100 % mit erneuerbaren Energieträgern versorgt werden können bzw. klimaneutral sind. Sollkriterien: • Abweichung von nach EN 16798-1 ­definierten Komfortgrenzen ≤ 40 %: Wenn die Nutzenden gut informiert sind und ein Lowtech-Gebäude erwarten, sind die Komfortgrenzen andere als in HightechGebäuden mit Vollklimatisierung. • Aufwand Nutzende „aktiv“ ≤ 80 % (kein Aufwand = 0 %, alles manuell = 100 %): Die Betei­ligung der Nutzenden ist in LowtechGebäuden meist stärker gefragt. Diese müssen „gut informiert“ sein, um das Poten­zial des Gebäudes hinsichtlich Kom­

Gebäudebewertung und Lebenszyklusbetrachtung

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Gebäudetechnik [%]

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Lowtech Hightech Altbau Gründerzeit

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fort und Energiebedarf ausschöpfen zu können. Eine professionelle Begleitung ist bei Bezug des Gebäudes, aber auch wäh­ rend des Betriebs notwendig, eine Abstim­ mung mit dem Arbeitsschutz etc. sinnvoll. Kriterien informativ: • Aufwand für die Bautechnik: Dieser wird informativ angegeben. Es gibt keine Einschränkung für eine positive Einstufung eines Bauwerks als Lowtech-Gebäude. Dies ist vor allem der meist langen Nutzungsdauer und dem geringen Wartungsaufwand baulicher Komponenten im Vergleich zu gebäudetechnischen Komponenten geschuldet. Abb. 1 zeigt die Ergebnisse und Zielwerte für drei typische Gebäude. Beim Festlegen der Grenzwerte wurde auf eine Differenzierung hinsichtlich der Rahmenbedingungen Gebäudetiefen, Belegungsdichten und Grund­riss­ge­stal­tung verzichtet. Dies gilt auch für den Einfluss des lokalen Klimas (Stadtzentrum, Land und Klimazone) auf den Komfort bzw. auf die erneuerbare Versorgung. Diese Rahmenbedingungen müssen in die Gewichtung der Einzelkriterien inte­griert werden, sofern sie nicht „auto­ matisch“ in der Detailbewertung erfasst sind (z. B. geht in die Komfortbewertung nach dem adaptiven Modell die gleitende Außenlufttem­peratur in die Bewertung ein, d. h. an wärme­ren Standorten sind höher empfundene Tem­peraturen für das Erreichen einer Qualitätsklasse akzeptabel). Typi-

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sche Ergeb­nisse werden nachfolgend anhand eines Fallbeispiels diskutiert und robuste Lowtech-Konzepte formuliert. Haus des Lernens Das Haus des Lernens wurde im Jahr 2018 in St. Pölten als Schulungs- und Beratungszentrum der GESA (Gemeinnützige Gesellschaft für Entsorgung, Sanierung und Ausbildung) errichtet. Das dreigeschossige Ge­­ bäude ohne Unterkellerung im Passivhausstandard verfügt über eine Bruttogeschossfläche von 1485 m2 mit Büro-, Beratungs-, Seminar- sowie Sozialräumen. Die GESA als gemeinnütziger, sozialökonomischer Betrieb unterstützt beschäftigungslose Personen durch Beratung, Qualifizierung und angeleitete Beschäftigung bei der Re-Integration in den Arbeitsmarkt. Das Haus des Lernens ist in mehrfacher Hinsicht ein nachhaltiges Gebäude: Durch die Integration beschäftigungsloser Menschen in den Bauprozess konnten Personen für den Ar­­beitsmarkt qualifiziert werden. Gleichzeitig werden durch den Einsatz ökologischer Materialien und die Wahl eines optimalen Gebäudekonzepts die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt so gering wie möglich gehalten. Das Nachhaltigkeitskonzept beinhaltet den reduzierten Energieverbrauch, den bauökologischen Materialaspekt sowie die flexible Nutzbarkeit des Gebäudes. Materialität Bei der Auswahl der Materialien wurde auf Trennbarkeit, Wiederverwendbarkeit bzw.

1 Das Rechteck der Projektvariante muss innerhalb des MussZiel-Quadrats liegen und sollte sich auch innerhalb des Soll-ZielQuaders befinden. Die Grenzen zum Aufwand „Nutzende aktiv” werden gebäudespezifisch festgelegt.

2 Haus des Lernens, Schulungs- und Beratungszentrum der GESA, St. Pölten (AT) 2018, MAGK architekten aichholzer I klein a Holzwerkstatt b Erschließung c–d Einbau der Stroh ballendämmung e–f Wandheizung auf der Baustelle / während der Bauphase

a

b

Recyclingfähigkeit und Regionalität geachtet. Der Innenausbau erfolgte im Selbstbau mit Beschäftigten des Programms der GESA in Kooperation mit einem Unternehmen (Abb. 2). Die Primärkonstruktion besteht aus Holz. Im Inneren bilden Brettsperrholzelemente (CLT – Cross Laminated Timber) den steifen Kern des Gebäudes. Eine Skelettkonstruktion überspannt die Querachse, wodurch die Flexibilität für eine mögliche Umgruppierung und Umnutzung erreicht wird. Die strohballengedämmten Holzständerwände sind

innenseitig mit Lehm verputzt. Die Außenhülle ist in den unteren Geschossen außenseitig mit einem diffusionsoffenen Putzsystem überzogen und im Dachgeschoss mit einer Lärchenschalung versehen. In den Büroräumen wurde die Skelettkon­struktion vollständig sichtbar belassen, die Brettsperrholz-Wände und -Decken bleiben damit großteils sichtbar. In der Dachkon­ struktion kamen ebenfalls Strohballen als Wärmedämmung zum Einsatz. Die verwendeten Baustoffe aller beteiligten Gewerke stammen aus einem Umkreis von

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Gebäudetechnik [%]

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Lowtech Hightech Haus des Lernens Sollgrenzen Mussgrenzen

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Kühlen

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Heizen (mit WW)

anderen gleich­volumigen Bauvorhaben im unteren Bereich. Haustechnik Den sehr geringen Heizenergiebedarf deckt eine Grundwasser-Wärmepumpe. Die Wärmeabgabe erfolgt über Niedertemperaturheizflächen (in Wand und Fußboden). Eine kon­trollierte Raumlüftung mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung minimiert die Lüftungsverluste. Das Gebäude verfügt über zwei zentrale passivhaustaugliche Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung und automatischem Bypass. Die Aufenthaltsräume mit stark schwankender Belegung (Sozial- und Schulungsräume) sind mit variablen Volumenstromreglern ausgestattet, die über CO2-Sensoren in den entsprechenden Räumen angesteuert werden. Damit ist es möglich, den gleitenden Stundenmittelwert des CO2-Gehalts in der Lowtech Readiness Indicator (LowTRI) [%]

ca. 200 km. Die Brettsperrholz- und Brettschichtholz-Elemente wurden just-in-time von der Produktionsstätte auf die Baustelle geliefert. Die Dachelemente wurden bereits in der Zimmerei mit Strohdämmung versehen, um eine rasche und witterungs­unab­ hängige Montage zu gewährleisten. Nur der Einbau der Außenwandelemente erfolgte „unbefüllt“, da die Dämmarbeiten einen Teil des Ausbildungsprogramms der GESA darstellen. Insgesamt bestehen 55 % der eingesetzten Baustoffe aus erneuerbaren Materialien, 38 % aus wiederverwendbaren oder rezyklierbaren und 8 % aus nicht regenerier- oder rezyklierbaren Materialien. Obwohl im Vorfeld eine archäologische Erkundung und eine Baugrunduntersuchung nach Kriegs­ relikten aufgrund der Bahnhofsnähe durchgeführt werden musste, liegt der Kosten­ aufwand für dieses Projekt im Vergleich zu

3  Bewertung Haus des Lernens mittels Lowtech Readiness Indicator (LowTRI — „Lowtech-Bereitschafts­ indikator”)

100 80 60 40 20 0 -20 -40 -60 -80

-100 Lüften b

4  Haus des Lernens. Geringe Werte beim Lowtech Readiness Indicator (LowTRI), dem „Lowtech-Bereit­ schafts­indikator”, sind günstige Bewertungen im Sinne des LowtechAnsatzes: Es wird ein Weni­ger an technischem Aufwand, Kli­ma­ belastung und Abweichung von angenehmen Komfort­be­din­gun­ gen angestrebt. a Energiedienstleistungen im Vergleich b Aufteilung der Energiedienstleistungen

Heizen (mit WW)

Kühlen

Gesamt

Abweichung Komfortgrenzen Energiebedarf/ Klimabelastung Nuzende aktiv Bautechnik Gebäudetechnik 4

Raumluft unterhalb von 1000 ppm zu halten. Für die Büroräume wurde für die Betriebszeiten ein annähernd konstanter Volumenstrom vorgesehen, der an die mittlere Personenbelegung angepasst wurde. Außerhalb der Betriebszeiten wird die Anlage auf minimaler Lüftungsstufe betrieben. Das Lüftungssystem für die Schulungswerkstätten wird bedarfsabhängig betrieben und außerhalb der Betriebszeiten ausgeschaltet. Für die Nutzenden besteht die Möglichkeit, über Fenster zu lüften, die außen liegende Verschattung ist über Schaltflächen in den Räumen steuerbar. Bewertung Bei der Bewertung von Lowtech-Gebäuden sind die vorhandenen Rahmenbedingungen wie Klimazone, Gebäudeausrichtung, lokale Energieressourcen, Grundrissgestaltung und Fensteröffnungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus muss das Potenzial der Einbindung der Nutzenden in den Planungsprozess und während der Betriebsphase in die Bewertung mit einfließen. Durch die raumweise CO2-Regelung der oberen Geschosse ergibt sich ein verhältnismäßig hoher Technisierungsaufwand im Bereich Lüftung. Der Grenzwert im Bereich Energiebedarf/Klimabelastung könnte mit-

hilfe einer Photovoltaikanlage auf dem Dach mit einer Nennleistung von ca. 25 kWp unterschritten werden. Die Verkabelung wurde bereits vorgesehen, aus Budgetgründen konnte die Anlage bisher nicht umgesetzt werden (Abb. 3 und 4). Zusammenfassung „Das“ Lowtech-Gebäude gibt es ebenso wenig wie „das“ Hightech-Gebäude. Vielmehr können einzelne Maßnahmen als ­Lowtech bezeichnet werden. Dadurch ist bei einer Bewertung hinsichtlich Low- oder Hightech die Erhebung einer Vielzahl von Daten und Parametern sowie deren Zuordnung erforderlich, was eine Bewertung sehr komplex machen kann. Zwei wesentliche Aspekte lassen sich jedoch hervorheben: • Die verbaute Technik muss so robust und langlebig wie möglich sein. • Die Einbeziehung der Nutzenden ist essen­ziell. Sollen ähnliche Akzeptanz­ niveaus mit einem geringeren Haustech­ nik­anteil erreicht werden und die Zufriedenheit der Nutzenden zumindest gleich hoch sein, muss in eine integrative, stand­ ort­bezo­gene Planung (im Idealfall unter Einbindung der Nutzenden) und eine reduzierte, aber robuste, einfach zu be­dienende Technikausstattung investiert werden.

5 Fassade mit Haupteingang, Haus des Lernens, Schulungs- und Beratungszentrum der GESA, St. Pölten (AT) 2018, MAGK architekten aichholzer I klein

5

Gebäudebewertung und Lebenszyklusbetrachtung

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Best Practice

Lowtech-Fokus: Entwurf, Konzept, System Wohnhaus in Trallong, Großbritannien — Feilden Fowles126 Landwirtschaftliches Zentrum in Salez, Schweiz — Andy Senn Architektur130 Lowtech-Fokus: Gebäudetechnik Wohnanlage in Dornbirn, Österreich — Baumschlager Eberle Architekten136 Verwaltungsgebäude in München, Deutschland — ELEMENT A. Architekten,   hiendl_schineis architektenpartnerschaft 140 Lowtech-Fokus: Material Informationszentrum in Böheimkirchen, Österreich — Architekten Scheicher146   Ökologische und energieeffiziente Baukonzepte: Strohballen für eine nachhaltige Architektur — Robert Wimmer 150 Hauptverwaltung in Darmstadt, Deutschland — haas cook zemmrich Studio2050152 Lowtech-Fokus: Sanierung Wohnhaus mit Werkstatt in Schechen, Deutschland — Ziegert I Roswag I   Seiler Architekten mit Guntram Jankowski158 Umbau eines Flarzhauses in Bauma, Schweiz — Oecofakta Saikal Zhunushova 164 Lowtech-Fokus: Gesamtkonzept Hörsaal- und Verwaltungsgebäude in Landshut, Deutschland — pos architekten168 Stadtteilzentrum in London, Großbritannien — Mae Architects172

Stadtteilzentrum Sands End Arts and Community Centre, London (GB) 2020, Mae Architects

Sämtliche Projektinformationen stammen — sofern nicht anders angegeben — von den a ­ ufgeführten Architekturbüros oder weiteren Planungsbeteiligten. Die Bewertung der Lowtech-Kategorien erfolgte nach einem Punktesystem auf Basis der im Buch dargestellten Lowtech-Matrix (siehe „Das nachhaltige Lowtech-Gebäude“, S. 22ff. und „Lowtech-Matrix“, S. 27ff.). Die Punktevergabe erfolgte durch die Herausgeberin in Abstimmung mit dem Verlag und den jeweiligen Architekturbüros. Erfüllt ein Projekt die Kriterien einer Lowtech-Kategorie vollumfänglich, erhält es fünf Punkte auf der Skala, bei Eins erfüllt das Projekt die Kriterien dieser Kategorie kaum.

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Zwischen Tradition und Lowtech Wohnhaus in Trallong, Großbritannien

Wie ein wohlgeformter Bauklotz liegt dieses geometrisch akkurate Haus ohne nennenswerte Vor- und Rücksprünge auf einem einsamen Grundstück am Rand des Brecon-Beacons-Nationalparks in Südwales. Als traditionelles Langhaus konzipiert und mit beeindruckender Präzision im Detail umgesetzt, steht es beispielhaft für nachhaltige Wohnarchitektur. Es kombiniert die Nutzung passiver Sonneneinstrahlung, den Einsatz von natürlichen Materialien aus der Region und eine traditionelle Bauform.

Text: Steffi Lenzen

Konzept Das Wohnhaus Ty Pren – was soviel bedeutet wie Haus aus Holz – liegt in einem Naturschutzgebiet an der Grenze zum BreconBeacons-Nationalpark in Wales. Dieser ­sensible Kontext erforderte einen geschickten Entwurfsansatz, um die örtliche Genehmigungsbehörde zufriedenzustellen und gleichzeitig eine Architektur voranzutreiben, die als nachhaltiges Vorzeigeprojekt gelten sollte. Entstanden ist ein an der traditionell vorherrschenden Bauform orientiertes, zweigeschossiges Langhaus ohne Dachüberstände. Die Gebäudeausrichtung und die Fassadengestaltung richten sich nach den

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Himmelsrichtungen. Die mit Lärchenholz bekleidete lange Südfassade enthält viele Öffnungen und erlaubt Ausblicke in die ­Weiten von Pen Y Fan, während Schiefer das Dach und die exponierte, weitgehend geschlossene Nordfassade vor dem rauen Wetter schützt. Im Inneren setzt sich dieses Entwurfsprinzip logisch fort. Eine lineare Spange auf der nördlichen Seite nimmt sämtliche Versorgungseinrichtungen, Lagerräume sowie Badezimmer, Treppe und Speisekammer auf. Im Süden reihen sich Aufenthaltsräume wie Küche, Wohnzimmer, Essbereich und Arbeits-/Schlafräume aneinander. Eine offene Galerie

Architektur: Feilden Fowles Bauherr: Gavin Hogg Tragwerksplanung: Momentum Structural Engineers

Lageplan Maßstab 1:3000

­ erbindet Ober- und Untergeschoss räumv lich miteinander, nur die flexibel nutzbaren Räume im Obergeschoss sind abgetrennt. Konstruktion und Material Das nicht unterkellerte Gebäude gründet auf einem Fundament aus Stahlbeton. Das Tragwerk besteht aus selbsttragenden und wärmegedämmten Paneelen, sogenannten SIPs (Structural Insulated Panels), die mit speziellen Verbindungssystemen aus Holz-Stegträgern an die Geschoss­ decken anschließen. Um einen geringen U-Wert in den Wänden zu erreichen, wurde innenseitig eine Sekundärdämmung aus Schafwollmischung angebracht. Die Verwendung von SIPs in Verbindung mit Fenstern mit Doppelisolierverglasung garantiert eine äußerst luftdichte Gebäudehülle und sehr geringe Wärmeverluste. Oberstes Ziel beim Materialeinsatz waren lokale, schadstofffreie und ressourcen­ schonende Baustoffe. Die horizontale Lärchenholzbekleidung für die Süd-, Westund Ostfassaden ist in ihrer Funktion als Regenschutz als Opferschicht geplant. Das Holz stammt von einem etwa 3 km entfernten Grundstück der Bauherrn. Acht Lärchenbäume wurden anschließend vor Ort gepflanzt, um die Bekleidung nach ihrer voraussichtlichen Lebensdauer in 25 Jahren ersetzen zu können. Die Nordfassade und das Dach sind mit recyceltem walisischem Schiefer bekleidet. Der Fußboden im Inneren besteht aus Kalkstein und walisischen Eichendielen. Die Trennwände der Versor-

gungsräume im Norden sind aus Birkensperrholz aus nachhaltigem Anbau. Überall wurden Putze und Farben auf Kalkbasis aus Ty-Mawr-Kalk verwendet. Lowtech Das Wohnhaus Ty Pren ist konsequent nach den Prinzipien solarer Bauweise konzipiert. Der kompakte Baukörper ist 20 m lang und 6 m tief und bildet eine geschlossene Box, die sich nur nach Süden hin großzügig öffnet. Tiefe Fensterlaibungen und manuell bedienbare Schiebeläden verhindern hier übermäßige Sonneneinstrahlung im Sommer, während wenige kleine Nordfenster bündig in der Fassade sitzen und somit dort einen ungehinderten Tageslichteinfall erlauben. Im Süden versprechen die großen VerÖkosystem 5 Verantwortung

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Ressourcen

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Wohnhaus in Trallong (GB)

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glasungsflächen viel natürliches Tageslicht und hohe solare Wärmegewinne im Winter. Die offene Grundrissstruktur und die geringe Raumtiefe erlauben außerdem eine optimale Querlüftung im gesamten Gebäude. Der Grundriss bietet maximale Flexibilität. Notwendige Räume sind barrierefrei zugänglich und garantieren so eine Nutzung mit sich ändernden Anforderungen über Generationen hinweg. Die Baukonstruktion und die Materialverbindungen wurden mit dem Ziel der einfachen Austauschbarkeit einzelner Gebäudekomponenten sowie der kompletten Rückbaubarkeit und getrennten Verwertung oder Wiederverwendung am Ende der Nutzungsdauer konzipiert. Einfach trennbare Verbindungsdetails und eine gute Baudokumen­ tation gehören demnach zum Planungsstandard.

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Bewusst gewählte lokale Materialien wie der recycelte walisischer Schiefer, heimische 4 2 a 5 Holzarten, Kalkstein sowie Kalkputze und -farben unterstützen im Lowtech-Sinn eine langlebige traditionelle Bauweise. 5 Die hauseigenen Solarkollektoren versorgen das gesamte Haus mit Warmwasser. Im Wohnbereich gibt es einen holzbefeu­ erten Kaminofen, der die angrenzenden Bereiche effizient direkt beheizt und zu­­ gleich Warmwasser für einen in der Nordwand untergebrachten Pufferspeicher liefert. ­Dieser bedient die Fußbodenheizung, die zusätzlich zum Ofen im gesamten Haus für Wärme sorgt und zudem überschüssiges Warmwasser aus den Solarkollektoren aufnehmen kann. Ein mechanisches Lüftungs-Wärmerückgewinnungssystem garantiert in den Wintermonaten eine effiziente Belüftung aller Räume.

Schnitt • Grundrisse Maßstab 1:250 a 3 1 Eingang 2 Wohnen 3 Büro / Schlafen 4 Essküche 5 Terrasse 6 Speisekammer 7 Luftraum 8 Schlafen

Vertikalschnitt Maßstab 1:20

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  9 Dachdeckung Schiefer 20 mm Lattung 25/50 mm Konterlattung 50/50 mm Dampfbremse Deckenelement vorgefertigt bestehend aus: OSB-Platte 15 mm Wärmedämmung 112 mm OSB-Platte 15 mm Stöße des Elements verklebt Wärmedämmung Schaf-­ wolle 100 mm Gipskarton 12,5 mm 10 Dachrinne innen liegend 11 Schalung Lärche sägerau 24/46 mm Pfosten Lärche 50/100 mm Fassadenbahn diffusionsoffen Außenwandelement vorgefertigt bestehend aus: OSB-Platte 15 mm Wärmedämmung 112 mm OSB-Platte 15 mm

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Stöße des Elements verklebt Wärmedämmung Schafwolle 80 mm (Installationsebene) Lattung 25/50 mm Gipskarton 12,5 mm 12 Bodenbelag Dielen Eiche 25 mm Hohlraumboden bestehend aus: OSB-Platte 25 mm Stegträger Holz 250 mm Hohlraumdämmung 100 mm Gipskarton 15 mm 13 Fenster: Zweifachverglasung in Rahmen Holz/Aluminium U = 1,6 W/m2K 14 Fußbodenbelag Kalksandsteinplatten 40 mm im Mörtelbett Heizestrich 100 mm Trennlage Trittschalldämmung Hartschaum mit beidseitiger Aluminium-­ Deckschicht 80 mm Bodenplatte Stahlbeton 200 mm Dichtungsbahn Sauberkeitsschicht 100 mm 15 Sockel umlaufend Betonstein 150/220 mm

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Wohnhaus in Trallong (GB)

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Lowtech auf ganzer Linie Landwirtschaftliches Zentrum in Salez, Schweiz

Das Landwirtschaftliche Zentrum in Salez bei St. Gallen setzt Zeichen in gelungener Architektur und Nachhaltigkeit: Der Holzhybridbau nutzt die Materialeigenschaften von Beton, Laub- und Nadelholz durch deren spezifischen Einsatz. Natürliche Belichtung und Belüftung sowie Holzschnitzelheizung, Strom aus eigener Photovoltaikanlage und konstruktiver Holz- und Sonnenschutz runden das ganzheitliche Lowtech-Konzept ab.

Text: Steffi Lenzen

Konzept In den Rheinauen im Schweizer Kanton St. Gallen erstreckt sich vor einer imposanten Bergkulisse am Rand des Örtchens Salez der Neubau für die Erweiterung eines landwirtschaftlichen Schulungszentrums. Traditionell wird hier bereits seit den 1970-Jahren der Nachwuchs für landwirtschaftliche Berufe ausgebildet. Ergänzt werden sollten Räume für den Schulungsbetrieb, für das Internat sowie eine neue Mensa. Der neue L-förmige Riegel aus Holz ergänzt die bestehenden Gebäude für Verwaltung und Werkstätten so, dass mittig zwischen Alt- und Neubau ein großzügiger Hof entsteht. Konstruktion und Material Aufgrund der wenig tragfähigen Bodenverhältnisse ist das Gebäude auf Stahlbetonpfählen gegründet, Untergeschoss und Bodenplatte bestehen ebenfalls aus Stahl-

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beton. Darauf fügt sich ein klar strukturierter, unaufgeregter Holzbau wie selbstverständlich in die Umgebung ein. An der Schnittstelle zwischen dem Flügel der Unterrichtsräume und dem Internatstrakt sowie am Kopf des langen Hauptriegels befinden sich die Zugänge zum Neubau. Der lange zweigeschossige Bereich mit Unterrichtsräumen für die landwirtschaftliche Berufsbildung besteht aus einer reinen Skelettkonstruktion aus Fichtenbrettschichtholz im Raster von 2,14 m. Dies ermöglicht große Spannweiten der Deckenbalken und langfristig eine hohe Flexibilität. Die Decken, Holz-Beton-Verbundkonstruktionen aus einer Dreischichtplatte mit Aufbeton, garantieren die notwendige Steifigkeit bei Deckenspannweiten von bis zu 8,50 m. Außerdem unterstützt die hohe Masse die Schallschutzanforderungen und dient als thermische Speichermasse gegen Überhitzung. Am südlichen Ende dieses Flügels befindet sich ein großer offener Bereich für die Mensa, der sich räumlich nur über die Tragstützen zum Mittelgang abgrenzt. Bei Bedarf lassen sich die Türen der gegenüberliegenden Aula großflächig öffnen, was eine Quer­ nutzung über die gesamte Gebäudebreite erlaubt. Der kürzere dreigeschossige Internatsflügel in Elementbauweise aus Brettsperrholztafeln beherbergt 28 Doppelzimmer. Holz-BetonVerbunddecken sorgen auch hier für die nötige Aussteifung, die notwendige Speichermasse und einen guten Schallschutz. Zudem sind aufgrund des Schallschutzes

Architektur: Andy Senn Architektur Bauherr: Kanton St. Gallen Tragwerksplanung: merz kley partner HLS-Planung: Richard Widmer, Hans Schär Elektroplanung: Bölle & Partner Bauphysik, Energie­ planung: Lenum Landschaftsarchitektur: Mettler

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die tragenden Wände zwischen den ZimWäldern stammt. Große stehende Fenstermern zweischalig ausgeführt und ebenso formate bis zu einer Höhe von 2,80 m sorwie die Decken über eine Fuge getrennt. gen für eine optimale Belichtung und geben 16 beim Betreten 4des Gebäudes Blicke 6 6 Laubengänge dienen als konstruktiver SonRich8 nen- und Witterungsschutz für die Fassatung Süden auf das weitläufige Rheintal frei. Darüber verlaufen durchgehende Fensterden. Die Wind und Wetter ausgesetzten Bereiche bestehen aus Laubholz, alle andebänder von 1,25 m Höhe, die im Sommer, 16 6 wenn die unteren Fenster 16 zum Sonnenren Teile der Tragkonstruktion 6aus Nadelholz, das weitgehend aus den umliegenden schutz mit Schiebeläden verschlossen sind,

Lageplan Maßstab 1:4000 Schnitte Maßstab 1:750

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9 Grundrisse Maßstab 1:750

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  1 Eingang / Windfang   2 Mensa   3 Terrasse   4 Aufenthalt   5 Lehrküche   6 Unterrichtsraum   7 Fitness   8 Internat Zweierzimmer   9 Hausmeister wohnung 10 Erste-Hilfe-Raum 11 Garderobe 12 Anlieferung 13 Küche 14 Essensausgabe 15 Aula 16 Gruppenraum

1. Obergeschoss

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17 Vertikalschnitt Schultrakt Maßstab 1:20 17 Dachaufbau: extensive Dachbegrünung Substrat 40 mm Flitervlies, Dränmatte, Bitumenbahn 2≈ 4 mm Wärmedämmung Steinwolle 30 mm Bitumenbahn 2≈ 4 mm, Brettsperrholz 180 mm Wärmedämmung Steinwolle 160 mm Dampfbremse, Brettsperrholz 140 mm 18 Festverglasung Weißtanne mit Dreifachisolierverglasung 19 Klappe zur manuellen Belüftung 20 Insektenschutzgitter 21 Träger Brettschichtholz 180/200 mm 22 Holzfenster Weißtanne mit ­Dreifachisolierverglasung 23 Bodenaufbau Schultrakt: Spachtelung Kasein 5 mm Estrich 70 mm, Trennlage PE-Folie Trittschalldämmung Steinwolle 20 mm Ausgleichsdämmung 35 mm Holz-Beton-Verbunddecke: Stahlbeton 100 mm Flachdecke Brettsperrholz dreilagig Fichte 60 mm 24 Akustikdecke: Lattung Weißtanne unbehandelt 18 mm auf Abstand verlegt Vlies schwarz, Träger Fichte 60/150 mm dazwischen Akustikdämmung Steinwolle 30 mm 25 Handlauf Eiche 50/100 mm 26 Dielen Eiche 120/80 mm Kantholz Eiche 40/100 mm Auflager Polymer, Träger Eiche 100/160 mm

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Landwirtschaftliches Zentrum in Salez (CH)

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dennoch einen ungehinderten Tageslichteinfall garantieren. Lowtech Dank intelligenter Planung und Einbeziehung der Nutzenden kommt das Gebäude mit einem Minimum an Technik aus. Nur Wäscherei und die Gastroküche benötigen eine mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Für die manuell bedienbare Regulierung von Lüftung, Beleuchtung und Kühlung in allen anderen Bereichen sind die Nutzenden im Wesentlichen selbst verantwortlich. Ein gut durchdachtes Konzept zur Querlüftung erleichtert jedoch den natürlichen Zufluss von Frischluft über Klappen unterhalb der Oberlichtbänder und die Ableitung verbrauchter warmer Luft über Ökosystem 5 Verantwortung

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Ressourcen

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Kreislauffähigkeit

Robustheit

Gesundheit

Einfachheit Suffizienz

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Öffnungsklappen im oberen Bereich unter der Decke. Diese leiten in einen dauerhaft offenen, aber überdachten Klimatauschraum, der mittig über die gesamte Länge des Hauptriegels verläuft. Dadurch spielt die Witterung keine Rolle und die dort angeordneten verglasten Lüftungsklappen können jederzeit geöffnet werden. Die Raumhöhe von 4,40 m unterstützt zudem eine gute Luftzirkulation. Diese Querlüftungsmöglichkeiten gibt es in den Klassenzimmern beider Geschosse und den gemeinschaftlich genutzten Räumen. Natürliches Tageslicht gelangt durch großzügige Öffnungen in entsprechender Ausrichtung und die darüber angeordneten Oberlichtbänder in die Räume, während Wärme durch konstruktiven Sonnenschutz in mehreren Schichten draußen gehalten werden soll. Eine gestaffelte Reihung von Beschattungsmaßnahmen durch Laubbäume vor dem Gebäude, tiefe Laubengänge und manuell bedienbare Schiebeläden direkt vor den unteren Fensterbereichen verhilft im Sommer zu hohem Sonnenschutz, während im Winter die tief stehende Sonne durchaus Einlass ins Gebäude findet. Eine eigene Photovoltaikanlage deckt den Strombedarf weitgehend ab. Wärmeenergie kommt aus der lokalen Holzschnitzelanlage. Heizleitungen, -körper oder die Handkurbeln zur Bedienung der Lüftungsöffnungen sind einfach bedienbar und konsequent auf Putz ausgeführt, die freie Zugänglichkeit für Wartung und Austausch ist somit zuverlässig garantiert.

Anmerkung Einzelne Informationen stammen über die Angaben aus dem Architekturbüro hinaus aus der Publikation „Landwirtschaftliches Zentrum St. ­Gallen in Salez“, herausgegeben vom Baudepartement des Kantons St. Gallen, Hochbauamt St. G ­ allen.

1

Vertikalschnitt Maßstab 1:20

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1 Dachverglasung mit Lüftungsöffnung VSG 2≈ 8 mm in Klemmprofil Aluminium 2 Dachaufbau: extensive Dachbegrünung Substrat 40 mm, Filtervlies, Dränmatte Abdichtung Bitumenbahn 2≈ 4 mm Wärmedämmung Steinwolle im Gefälle 360 –250 mm Wärmedämmung Steinwolle 160 mm Dampfbremse Brettsperrholz 60 mm 3 Schalung Weißtanne sägerau 90/20 mm Lattung 25/60 mm Konterlattung 50/50 mm Unterspannbahn Wärmedämmung Mineralwolle 70 mm Brettsperrholz 160 mm 4 Lamelle Fichte 25/200 mm 5 Kippfenster Weißtanne mit Dreifachisolierverglasung 6 Abdichtung Bitumenbahn 2≈ 4 mm Wärmedämmung Steinwolle im Gefälle 30 – 80 mm Wärmedämmung Steinwolle 100 mm Dampfbremse Brettsperrholz 100 mm

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Landwirtschaftliches Zentrum in Salez (CH)

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2226 – Dauerhaftigkeit statt Technik Wohnanlage in Dornbirn, Österreich

Dornbirn im österreichischen Vorarlberg ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt für innovative Architektur und neue Impulse beim Bauen. Da wundert es nicht, dass die im nahen Lustenau ansässigen Architekten den Versuch gewagt haben, ihr erprobtes radikales Energiekonzept aus dem Haus 2226 auf den Wohnungsbau zu übertragen. Das mittlerweile als eigenes System gehandelte „Konzept 2226“ bezeichnet eine Bauweise, die ein von den meisten Menschen als angenehm empfundenes Temperaturspektrum von 22 bis 26 °C ohne herkömmliches Heizsystem nur über Baumasse, interne Wärmequellen und einer eigenen Software sicherstellt. Text: Steffi Lenzen

Konzept Der zweigeschossige Wohnungsbau mit acht Wohneinheiten liegt am nordöstlichen Stadtrand von Dornbirn. Der gemischten Bebauungstypologie vor Ort begegnet das Mehrfamilienhaus mit einer reduzierten ­Formensprache. Der klaren orthogonalen Geometrie folgend, staffeln sich die drei Baukörper leicht versetzt den Hang hinauf. Die Erschließung der Dreizimmerwohnungen erfolgt über klassische Zweispänner, die Ausrichtung der Wohnungen in OstWest-Richtung erlaubt eine optimale Tageslichtnutzung. In den Hang integriert befindet sich die zugehörige Tiefgarage. Konstruktion und Material Die verbauten Materialien sowie die Baukon­ struktion sind auf Langlebigkeit und Speicherkapazitäten ausgelegt. Bewusst wurden Leichtkonstruktionen vermieden. Die Hauptspeichermasse liegt in den Geschoss­ decken aus Stahlbeton, der ansonsten nur für die Tiefgarage verbaut wurde. 90 % der gesamten Baumasse bestehen aus gedämmtem Ziegel und in geringen Anteilen aus Holz und Glas für die tief liegenden Fensteröffnungen. Die rund 50 cm dicken Ziegelaußenwände des Gebäudes sind außenseitig mit Kalkputz versehen. Dieser ist diffusionsoffen und wirkt fungizid, was eine ungehinderte Dampfdiffusion garantiert und zugleich Pilzbefall der Fassaden verhindert. Die Luftfeuchtigkeit in den Innenräumen bewegt sich durch eine automatisierte Lüftungssteuerung zwischen erstre-

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benswerten 40 und 60 %. Alle Werkstoffe stammen aus der Region, sie sind meist rückbaubar und recyclingfähig konstruiert, auf den Einsatz von Verbundmaterialien wurde weitgehend verzichtet und der Einsatz industrieller Produkte auf ein Minimum reduziert.

Architektur: Baumschlager Eberle Architekten Bauherr: Graf Immobilien Tragwerksplanung: Mader & Flatz Bauphysik: T.A.U.

Lowtech Die Grundidee des „Konzepts 2226“ liegt in einem weitgehenden Verzicht auf Technik zur Klimatisierung. Erstmals wird dieses Prinzip aus dem Bürobau nun auf ein Wohngebäude übertragen, das damit ohne herkömmliche Heizung, Kühlung und Lüftung auskommt. Auch hier sollen der Wärme­ eintrag der Bewohnenden und der im Haus genutzten Geräte im Zusammenspiel mit Ökosystem 5 Verantwortung

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Ressourcen

3 2 1

Kreislauffähigkeit

Robustheit

Gesundheit

Einfachheit Suffizienz

Lageplan Maßstab 1:3000

Wohnanlage in Dornbirn (AT)

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Schnitte • Grundrisse Maßstab 1:400

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1 Eingang 2 Arbeits- / Kinder­ zimmer 3 Schlafen 4 Abstellraum 5 Kochen / Essen / Wohnen

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Beleuchtung im privaten Wohnbereich deuthohen Speichermassen, einem ausgewoge5 nen Fensteranteil und automatisch gesteulich geringer ausfällt als in einem ganztags belegten erten Lüftungsflügeln zu dem gewünschten a Büro- oder Nutzbau. Die erwirtTemperaturspektrum von 22 bis 26 °C fühschaftete1Energie der Photovoltaikanlage 1 a wird jedoch nicht ins öffentliche Stromnetz ren. Eine einfach bedienbare Software, das 2 3 in der Tiefgarage in eingespeist, sondern 2226 Operating System, steuert den Wärme­ einem kühlschrankgroßen Gerät für den haushalt, die Luftfeuchtigkeit und den CO 2 b hauseigenen Bedarf gespeichert. So beiGehalt der Innenraumluft über automati4 sierte Lüftungsklappen. Diese lassen sich spielsweise für Infrarotpaneele, die in den 5 bei Bedarf auch von Hand öffnen. Zimmern individuell für zusätzliche Wärme Grundsätzlich nehmen die Speicherkapazisorgen. Dadurch verfügt das Gebäude über eine Art „ökologische Rückversicherung“. täten der Konstruktion die internen Wärmea a Gesamtenergiebedarf für den Betrieb Der gewinne auf und sorgen über den Tages1 1 des Gebäudes – und entsprechend der verlauf für eine ausgeglichene StrahlungsRessourcenbedarf – lässt sich durch diese wärme. Anders als beim Bürogebäude 2 32226 b mit einer effizienBauweise in Verbindung gibt es in diesem Fall zusätzlich eine Photob voltaikanlage auf dem Dach zur Warmwasten Steuerung der Energieströme auf ein 4 Minimum reduzieren, was sich wirtschaftlich seraufbereitung und zur Gebäudetempe­ durchaus bemerkbar macht. Zudem entfallen rierung, da der Wärmeeintrag durch5 MenWartungskosten für technische Hardware. schen, Computer oder sonstige Geräte und a 138

b

b

Vertikalschnitt Maßstab 1:20 6 Abdichtung Bitumenbahn zweilagig Wärmedämmung PUR 2≈ 100 mm Gefälledämmung EPS 150 –180 mm Dampfsperre Elementdecke: Ortbeton 180 mm Stahlbetonfertigteil vorgespannt 60 mm Spachtelung Kalkputz 5 mm 7 Ziegel U-Schale mit Beton ausgegossen und bewehrt 365/250 mm 8 Spachtelung Kalkputz 3 mm

Grundputz außen Kalkzement 7 mm Mauerwerk 490 mm Grundputz innen Kalkzement 15 mm Kalkputz gelöscht 5 mm   9 Parkettboden Eiche 10 mm Zementestrich 60 mm Schüttung zementgebunden 100 mm Ortbetondecke 180 mm Elementdecke vorgespannt 60 mm Spachtelung Kalkputz 5 mm 10 Fenster: Dreifachverglasung in Holzrahmen U = 0,6 W/m2K 11 Fensterbank Aluminium

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8

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Wohnanlage in Dornbirn (AT)

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Revitalisierung auf höchstem Niveau Verwaltungsgebäude in München, Deutschland

Für den Deutschen Alpenverein (DAV) erwacht ein in die Jahre gekommenes Verwaltungsgebäude zu neuem Leben. Ressourcenschonend revitalisiert und um zwei Geschosse aufgestockt, trotzt der neue HolzHybridbau mitten in der Münchner Parkstadt Schwabing der eintönigen Büroarchitektur der Umgebung. Konsequentes Lowtech-Design und ein intelligentes Lüftungskonzept haben es möglich gemacht.

Text: Steffi Lenzen

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Architektur: ELEMENT A. Archi­ tekten (Lph 3– 8), hiendl_schineis architektenpartnerschaft (Lph 1–2) Bauherr: Deutscher Alpenverein Tragwerksplanung: Karlheinz Kovacs (Massivbau) Merz Kley Partner (Holzbau) Energieberatung: transsolar Energie­ technik Landschaftsarchitektur: t17 Landschaftsarchitekten

Lageplan Maßstab 1:5000

Konzept Ganz im Norden Münchens, verkehrsgünstig zwischen dem Mittleren Ring und der Autobahn A9 befindet sich das sogenannte Haus der Berge, eine grüne Oase in der ansonsten recht eintönigen Bürotristesse der Parkstadt Schwabing. Das ehemals viergeschossige Verwaltungsgebäude mit Tiefgarage des Langenscheidt Verlags wurde Anfang der 1970er- und 1980er-Jahre in zwei Bauabschnitten von Kurt Ackermann und Partner errichtet. Die geplante Nutzung als Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins mit einem entsprechend umfassenden Raumprogramm erschien zunächst unrealistisch. Gelungen ist die Generalsanierung mit konsequentem Lowtech-Konzept durch eine intelligente Erweiterung aus Holz bzw. in Holz-Hybridbauweise und mit einem aus­ geklügelten Lüftungskonzept. Konstruktion und Material Von außen kaum erkennbar, versteckt sich die Betonstruktur des Altbaus hinter der ­einladenden Fassade der neuen DAVGeschäftsstelle. Der besondere Umgang mit dem Bestand und die ressourcenschonende Revitalisierung reduzieren in der Bilanz den ökologischen Fußabdruck dieses Gebäudes enorm. Die Aufstockung um zwei Vollgeschosse erfolgt in Holzbauweise. Durch die materialimmanenten Eigenschaften halten sich die statischen Zusatzlasten und die graue Energie in Grenzen, denn Holz gilt als nachhaltiger Baustoff, da es

langfristig CO2 in der Kon­struktion bindet. Auch die Erschließungskerne in den beiden ergänzten Geschossen sind in Holzbauweise ausgeführt. Das Erdgeschoss wurde zudem auf der Westseite um einen neuen Konferenzsaal erweitert. Das gesamte Gebäude erhielt im Zuge der Revitalisierung rundum eine neue PfostenRiegel-Fassade aus Holz mit Betonung der Vertikalen und großen Verglasungen, die eine Tageslichtnutzung im Inneren gewährleisten. In vielen Bereichen ist aufgrund der Verschattung durch die umliegenden Gebäude kein außen liegender Sonnenschutz nötig, nur punktuell bedarf es manuell bedienbarer textiler Sonnenschutzrollos, die in grün-gelb gehalten bei Sonnenschein farbliche Akzente setzen. Auf den Längsseiten gibt es über fünf Geschosse eine ca. 1,5 m tiefe, vorgesetzte Holzstruktur, an der die ehemalige Gebäudekubatur ablesbar bleibt. Diese ist mit Pflanzkästen bestückt und begrünt nach und nach. Zudem dient sie als konstruktiver Sonnenschutz für die Beschattung sowie zur Wartung und Reinigung der Fassade. Zur Erschließung wurde das Gebäude im Norden um ein Atrium mit einem über alle Geschosse reichenden, offenen Treppenhaus erweitert. Holz, Glas und Grün in Form von Pflanzen bestimmen die Architektur des Gebäudes – nicht nur an der Fassade, sondern auch im Innenraum: Die holzummantelten Lüftungselemente im Brüstungsbereich, eingestellte Raummodule und Möbel aus Holz sowie

Verwaltungsgebäude in München (DE)

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1 Empfang /Atrium 2 Poststelle 3 Foyer 4 Bürozone 5 Lager

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Schnitte • Grundrisse Maßstab 1:750

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  6 Konferenz- / Veranstaltungsraum   7 Luftraum   8 Teeküche   9 Einzelbüro 10 Besprechungsraum 11 Gruppenbüro 12 Dachterrasse

8 Dachgeschoss

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Verwaltungsgebäude in München (DE)

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leichte Holz-Glastrennwände, die im Raster der bestehenden Betonstruktur an die Fassade anschließen, sorgen für eine helle, ­einladende Atmosphäre. Die Betondecken im Altbau sowie die Holz-Beton-Verbund­ decken in den erweiterten Geschossen ­wurden offen belassen Die Leitungsführung erfolgt weitgehend Aufputz, was zur Wartung eine freie Zugänglichkeit garantiert. Lowtech Gefordert war ein natürliches Lüftungskonzept, das trotz hoher Schallschutzanfor­ derungen durch die Lärmemissionen des umgebenden Straßenverkehrs und hoher Winddruckschwankungen an exponiertem Standort einen optimalen akustischen und thermischen Komfort bietet. Die modulare Art des Innenausbaus erlaubt eine langfristig flexible Raumnutzung. Die passive Kühlung erfolgt durch eine intelligente Idee der Fachingenieure, die ein in Serie produziertes Lüftungselement umplanten und anstelle einer elektrischen Regelung und Steuerung auf bewährte physikalische Zusammenhänge setzten. Die dezentral gesteuerten, schallgedämmten Lüftungselemente sind konsequent in allen Büros bodennah als Brüstungselemente in die Fassade eingebaut, wodurch sich unangenehme Zugerscheinungen ­vermeiden lassen. Im Regelbetrieb wird Außenluft und bodennahe Raumluft durch den thermischen Auftrieb des Konvektorschachts angesaugt und sorgt für erwärmte Frischluftzufuhr. Die Abluft gelangt durch Überströmung in die Kernzone, wo sie zen­ tral in zwei Schächten gesammelt und über Abluftventilatoren über das Dach abgeführt

144

wird. Auch im Winter wird die kalte Außenluft über den thermischen Auftrieb durch den Konvektor geführt. Sollte die Heizleistung des Konvektors aufgrund eines technischen Defekts jedoch einmal versagen, strömt die kalte Außenluft zuverlässig unterhalb des Konvektors vorbei, damit dieser nicht einfriert. Die unbekleideten Betondecken dienen als Speichermasse und erlauben eine optimale Nachtauskühlung. Fest installierte Deckenventilatoren unterstützen bei Bedarf die Luftbewegung und erhöhen den thermischen Komfort im Sommer. Das gesamte Gebäude kommt demnach ohne aktive mechanische Lüftung und Kühlung aus. Lediglich der Elektro- und IT-Bereich bedarf einer zusätz­ lichen Kühlung in Form von zwei Kältemaschinen, die jedoch mit dem umweltfreund­ lichen Kältemittel Wasser arbeiten. Die Abwärme dieser Maschinen wird im Winter zudem zum Heizen genutzt.

Anmerkung Siehe „Robuste Gebäude­planung”, S. 74ff.

Ökosystem 5 Verantwortung

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Ressourcen

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Kreislauffähigkeit

Robustheit

Gesundheit

Einfachheit Suffizienz

1 Vertikalschnitt Maßstab 1:20

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  1 extensive Dachbegrünung, Substrat 100 mm Filtervlies, Dränmatte 20 mm Abdichtung Bitumenbahn Wärmedämmung EPS im Gefälle 250–120 mm Wärmedämmung EPS 100 mm Dampfsperre, Decke Stahlbeton 120 mm   2 Abdeckung Zinkblech   3 Sonnenschutzlamellen Lärche 160/30 mm   4 Fassadenstütze Brettschichtholz Lärche 160/160 mm   5 Stahlträger mit Brandschutzbekleidung aus Massivholz 30 mm   6 Teppich 6 mm, Doppelbodenplatte 34 mm Aufständerung Doppelboden/Luftraum 86 mm Holz-Beton-Verbunddecke: Stahlbeton 120 mm Träger Brettschichtholz 245/280 mm   7 Fenster: Dreifachisolierverglasung in Holzrahmen, U = 0,7 W/m2K   8 Abdeckung Mehrschichtplatte Fichte 30 mm   9 Lüftungselement zur Frischluftzufuhr mit ­integrierter Schalldämmung 10 Pfosten-Riegel-Fassade: Stahlblech pulverbeschichtet mit Schlitzen für Frischluftzufuhr 2 mm, Hinterlüftung 45 mm Windpapier diffusionsoffen, Wärmedämmung Mineralwolle 180 mm, Dämmung 25 mm Stahlbeton (Bestand) 140 mm 11 Abdeckung Mehrschichtplatte Fichte 19 mm Konvektor, Faserplatte zementgebunden 15 mm Unterkon­struktion Stahlblech verzinkt fi 50/50 mm 12 Teppich 6 mm, Doppelbodenplatte 34 mm Aufständerung Doppelboden/Luftraum 86 mm Decke Stahlbeton (Bestand) 200 mm

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Verwaltungsgebäude in München (DE)

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Lowtech als Designprinzip Informationszentrum in Böheimkirchen, Österreich

Das S-House im niederösterreichischen Böheimkirchen ist Teil eines Forschungs- und Technologieprogramms mit dem Titel „Haus der Zukunft“ des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Ziel dieses Programms ist die Demonstration, wie nachhaltiges Bauen von Wohn- und Bürogebäuden gelingen kann. Und zwar am besten durch die Realisierung richtungsweisender Projekte. Das S-House dient als Informationszentrum für nachhaltiges Bauen.

Text: Steffi Lenzen

Konzept Mitten in einem Garten gelegen, nimmt das Gebäude Rücksicht auf den erhaltenswerten Baumbestand alter Obstsorten. Die Ausrichtung orientiert sich gemäß der solaren Bauweise streng an den Himmelrichtungen mit einer eher geschlossenen Fassadenseite im Norden und großen gläsernen Öffnungen nach Süden. Auf der Ostseite gibt es unter dem weit auskragenden Dach einen offenen Terrassenbereich. Um die Kriterien für ein sogenanntes Faktor-10-Haus zu erfüllen, wurden ambitionierte Nachhaltigkeitsziele verfolgt. So kamen ausschließlich regionale und schadstofffreie Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zum Ein-

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satz. Gleichzeitig wurde die Baukonstruktion im Sinne der Rückbau- und Recycling­ fähigkeit von Anfang an für die End-ofLife-Phase konzipiert. Zur erfolgreichen Um­set­zung trug ein integraler Prozess bei. Alle beteiligten Firmen wurden von Beginn an einbezogen, um ökologische und funk­ tionale Lösungen unter Abwägung von Alternativen gemeinsam zu entwickeln. Konstruktion und Material Das sogenannte S-House ist als kompakter, rot gestrichener Holzkubus zwischen eine aufgeständerte Boden- und eine auskragende Dachplatte eingeschoben. Leicht geneigte Pendelstützen tragen das Dach

Architektur: Architekten Scheicher Bauherr: Technische Universität Wien, GrAT (Gruppe angepasste Techno­ logie) Tragwerksplanung: JR Consult Holzbau: Florian Hager Energieberatung: Robert Wimmer

Schnitte • Grundrisse Maßstab 1:400 1 Eingangsbereich 2 Technik 3 Aufenthaltsbereich 4 Foyer  / Ausstellungsraum 5 Arbeitsplätze 6 Teeküche 7 Büro 8 Besprechungsraum

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Informationszentrum in Böheimkirchen (AT)

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und erhöhen die Stabilität gegen seitlich einwirkende Kräfte. Die Bodenplatte ist auf Punktfundamenten aufgelagert und schwebt etwa 30 cm über dem Grund. Daher gibt es keinen Aushub, weniger versiegelte Fläche und einen geringeren Ressourcenverbrauch als bei einer Gründung mit Untergeschoss, denn der Bedarf an Beton verringert sich enorm. Der Wandaufbau besteht innenseitig aus lastabtragenden Brettsperrholzplatten mit einer 50 cm starken Dämmstoffschicht aus Strohballen, die aufgrund ihrer hohen Dämmwirkung sogar den Passivhausstandard ermöglichen. Ein außenseitig aufgebrachter Lehmputz auf der Dämmung sorgt für den nötigen Brandschutz, und auch die Schallschutzwerte der so konzipierten, hoch­ effizienten Außenwände liegen über den Anforderungen der Norm. Um eine Rückbaubarkeit zu garantieren, wurden spezielle Schrauben aus Biokunststoff entwickelt und im Spritzgussverfahren hergestellt. Sie erlauben zudem eine wärmebrückenfreie Montage an der Konterlattung der hinterlüfteten Fassade. Die Form dieser Schrauben wurde nach bionischen Kriterien bis zum Erreichen der besten Festigkeitswerte bei geringstem Materialverbrauch optimiert. Die Schrauben lassen sich demontieren und weiterverwenden bzw. wie die Strohballen nach der Nutzungsdauer problemlos wieder in den biologischen Kreislauf rückführen. Lowtech Neben einer kompakten Gebäudegeometrie und der optimalen Gebäudeausrichtung zur

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passiven Solarenergienutzung wurde das Regelungskonzept mit minimalem Materialaufwand aus nachwachsenden Rohstoffen realisiert. Das Haustechniksystem basiert auf Luft als einzigem Wärmeleitmedium, und kurze Leitungswege halten Transportverluste dauerhaft gering. Die kontrollierte Be- und Entlüftung erfolgt mittels Erdwärmetauscher und über Lüftungskanäle aus Holz. Zur Warmwasserbereitung gibt es Solarkollektoren auf dem Dach, zur Abdeckung von Heizlastspitzen einen in das Wärme- und Luftverteilungssystem integrierten passiv­ haustauglichen Biomasse-Speicherofen. In den Dachauskragungen befinden sich Glas­ einsätze, die einen natürlichen Tageslichteinfall erlauben, aber im Sommer zu viel direkte Sonneneinstrahlung verhindern.

a Die kontrollierte Beund Entlüftung des Gebäudes erfolgt über Lüftungsrohre aus Holz. Die Zuluftkanäle bestehen aus Zirbenholz. b Wandscheiben aus Brettsperrholz mit Verbindungen aus Buchenholzdübeln ermöglichen eine metallfreie Wandkonstruktion. c Eigens für dieses Gebäude entwickelte Schrauben aus Biokunststoff fixieren die Strohballen. d Die gesamte Gebäudehülle ist mit Strohballen gedämmt.

Ökosystem 5 Verantwortung

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Ressourcen

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Kreislauffähigkeit

Robustheit

Gesundheit

Einfachheit Suffizienz

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Vertikalschnitt  Maßstab 1:20   1 extensive Dachbegrünung Substrat, Filtervlies Dränmatte 40 mm Abdichtung Kautschuck wurzelfest 1,3 mm Brettsperrholz Fichte 110 mm   2 Dachverglasung VSG 2≈ 8 mm in Klemmprofil Aluminium   3 Abdeckblech Aluminium pulver­ beschichtet   4 Pendelstütze Lärche | 120/120 mm in der Mitte kreuzförmig | 180/180 mm, mit Nuten an allen vier Ecken   5 Hartfaserplatte Fichte gewachst 30 mm, Lehmputz 20 mm Wärmedämmung Strohballen 500 mm Brettsperrholz Fichte 110 mm   6 Fenster: Zweifachverglasung in Lärchenholzrahmen, U = 0,79 W/m2K   7 Schalung Fichte sägerau 20 mm Lattung 50/120 mm mit Schraube aus Biokunststoff an Strohballen befestigt Lehmputz mit Jute armiert 20 mm Wärmedämmung Strohballen 500 mm Brettsperrholz Fichte 110 mm   8 Bodenbelag Vollholzdielen Douglasie 30 mm mit Holzdübeln befestigt an Lattung 50/80 mm dazwischen ­Schüttung Strohpellets, Trennlage Trittschalldämmung 20 mm Brettsperrholz Fichte 110 mm   9 Bodenbelag Naturstein 60/30 mm im Splittbett gebunden mit Kalkkasein­ kleber 40 mm, Trennlage Trittschalldämmung 20 mm Brettsperrholz Fichte 110 mm Wärmedämmung Strohballen 500 cm Brettsperrholz Fichte 80 mm 10 Dielen Esche thermisch behandelt 30 mm Träger Vollholz 2≈ 80/80 mm

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Informationszentrum in Böheimkirchen (AT)

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Ökologische und energieeffiziente Baukonzepte: Strohballen für eine nachhaltige Architektur

Text: Robert Wimmer, GrAT (Gruppe Angepasste Technologie, Wien)

Ein relativ großer Anteil des Energie- und Ressourcenverbrauchs entfällt auf den Gebäudesektor. Nachwachsende Rohstoffe bieten in dieser Hinsicht ein wesentliches Verbesserungspotenzial. Außerdem tragen sie dazu bei, schwer zu entsorgende Bau­ abfälle zu reduzieren. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, Materialien zu verwenden, die leicht recycel- bzw. entsorgbar sind. Die Verwendung regionaler, erneuerbarer Ressourcen für Dämmmaterialien und andere Baustoffe bietet außerdem eine nachhaltige Lösung, um Klimaschutzziele zu erreichen. Materialien wie Stroh, Schilf, Hanf, Flachs und Holz nehmen während des Wachstums CO2 auf und dienen bei der Verwendung als Baumaterial als CO2-Speicher. Der Energiebedarf zur Herstellung ist meist gering, und nach der Nutzungsdauer können sie in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt werden. Der niedrige Primärenergiegehalt erhöht die Energieeffizienz ca. um den Faktor 10.

dass die Strohwand in allen umweltrelevanten Berechnungskriterien um bis zu einem Faktor 10 besser abschneidet. Im Rahmen des österreichischen Projekts Stroh-Cert wurden Strohballen als zertifizierter Dämmstoff behördlich anerkannt, und es wurden eine durchgängige Logistik von der Ernte über die Ballenpressung bis zur Lagerung sowie ein Konzept für das Qualitätsmanagement für die gleichbleibend hohe Güte der Strohballen entwickelt. Als saisonales landwirtschaftliches Produkt kann Stroh bzw. der Strohballen, ähnlich wie andere nachwachsende Rohstoffe, nur innerhalb einer kurzen Zeitspanne von Ende Juni bis Ende August erzeugt werden. Als Dämmstoff wird es jedoch über das ganze Jahr hinweg benötigt. Daher sind entsprechende Lagerkapazitäten notwendig. Derzeit wird aufgrund fehlender Anreize, Strohballen zu produzieren, das meiste Stroh nach der Getreideernte auf dem Feld belassen. Mit der Entwicklung eines Logistik­

1 a–b Zertifizierung der Strohballen

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Strohballen eignen sich daher als Bausteine nachhaltiger Architektur. Im Gegensatz zu konventionellen Dämmstoffen können sie CO2 speichern und leisten somit einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz. Wesentliche Eigenschaften von Strohballen sind die hohe Dämmwirkung (λ-Wert 0,045 W/m2K), die schlechte Brennbarkeit (Brennbarkeitsklasse E) und der geringe Ressourcen- und Energiebedarf bei der Herstellung. Der ­Vergleich einer Strohwandkonstruktion mit einem konventionellen Wandaufbau zeigt,

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2 LIFE Cycle Habitation, Böheimkirchen (AT) 2014, Architekten Scheicher Lowtech: Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen (Stroh, Holz, Lehm), hoher Gebäudestandard ­(Plusenergiegebäude) mit energieautarker Versorgung, rezyklierbares, naturbelassenes unbehandeltes Material

modells für Strohballen können vorhandene Kapazitäten für Transport, Lagerung und Verarbeitung genutzt werden, Arbeitsplätze auch außerhalb des landwirtschaftlichen Sektors gesichert und wichtige regionalwirtschaftliche Impulse gesetzt werden. Architektinnen, Architekten und Planende können sich mit dem genormten Dämmprodukt eine Position am Markt für nachhaltige Gebäude sichern. Aufgrund der Regelungen und Standards im Bausektor (Passivhaus- oder Niedrigenergiestandard, obligatorischer Energieausweis etc.) kommt der Wärmedämmung eine besondere Bedeutung zu. Angesichts der Versorgungsengpässe bei fossilen ­Rohstoffen und des zunehmenden Klima­ bewusstseins haben regionale nachwachsende Rohstoffe Vorteile wie z. B. Versorgungssicherheit und Ressourceneffizienz – was sich schließlich in den Kosten positiv niederschlägt. Die in Österreich bereits erfolgte behördliche Zertifizierung von Strohballen als Dämmstoff gewährleistet die Verfügbarkeit von Ballen in gleichbleibend hoher Qualität und sichert die Marktakzeptanz. Ein verstärkter Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen ist als wesentliche Strategie für nachhaltiges Wirtschaften unbestritten. Gerade im Baubereich lassen sich durch einen intelligenten Materialeinsatz Synergien zwischen optimaler Funktionalität und der Vermeidung von Umwelt- und Entsorgungsproblemen realisieren. Das Ziel ist, den Bedürfnissen der Nutzenden optimal zu entsprechen, ohne künftigen Generationen eine Nachnutzung aufzuzwingen oder Entsorgungsprobleme zu hinterlassen. Die industrielle Vorfertigung von Gebäudeteilen ermöglicht auch Klein- und Mittel­ unternehmen, im internationalen Wettbewerb zu bestehen. So wird nicht nur die Produktion wirtschaftlicher, sondern es kann eine gleichbleibende Qualität der Produkte garantiert und effektiv überprüft werden. Die industrielle Vorfertigung von Gebäudeteilen und Funktionsmodulen führt zu bestmöglicher Ressourceneffizienz und exakter Planbarkeit von Produktionsprozessen sowie kurzer Bauzeit vor Ort. Standardisierung und Vorfertigung bedeuten dabei nicht, dass

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ein Haus dem anderen gleicht. Im Gegenteil: Durch eine effiziente Serienfertigung einzelner Komponenten wie beispielsweise des Haustechniksystems werden Ressourcen frei, um auf Kundenwünsche eingehen zu können und eine individuelle Gestaltung z. B. der Fassade zu ermöglichen. Mit dem S-House wurde das Faktor-10Konzept im Baubereich (Reduzierung des Ressourcenverbrauchs auf ein Zehntel der gegenwärtigen Werte) umgesetzt und den Kriterien nachhaltigen Bauens entsprochen. Das weiterführende Projekt LIFE Cycle Habitation (Abb. 2), das mit Unterstützung des Förderprogramms LIFE+ der Europäischen Union realisiert wurde, setzt auf ein innovatives Gebäudekonzept aus regional verfügbaren, hochenergieeffizienten nachwachsenden Rohstoffen in modularer Vorfertigung. Es wurden verschiedene Strohballenbau Technologien (lasttragende und vorgefertigte, nicht lasttragende Module) sowie ein hochinnovatives Energieversorgungssystem umgesetzt. Die Gebäudekonzepte werden mithilfe dynamischer Simulationen optimiert, um den Wärmebedarf der Wohneinheiten zu reduzieren, aber auch um die sommerliche Überhitzung zu minimieren und so den ­thermischen Komfort der Bewohnenden zu erhöhen. Im Rahmen von Aktionen wie Probewohnen werden die neuen Konzepte erlebbar gemacht, um das Energieversorgungssystem in Anwendung zu testen und zu optimieren.

Strohballen für eine nachhaltige Architektur

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Mehrwert durch Lehm Hauptverwaltung in Darmstadt, Deutschland

Umweltnah, ressourcenschonend, einladend und mit optimalen Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden sollte der neue Firmensitz des ökologischen Lebensmittelherstellers Alnatura in Darmstadt werden. Das Ergebnis beweist, wie lohnenswert es sein kann, sich hohe Ziele zu stecken: Unter Einsatz natürlicher und ressourcenschonender Materialien ist ein Bürogebäude mit weitgehend natürlicher Belüftung und Belich­ tung, einem geringen Energieverbrauch und optimiertem Raumkomfort entstanden. So sieht gebaute und gelebte Nachhaltigkeit aus. Text: Steffi Lenzen

Konzept Der neue Unternehmenssitz des ökologischen Lebensmittelherstellers Alnatura ist das Herzstück des 55 000 m2 großen Campus auf dem ehemaligen Kasernengelände der amerikanischen Streitkräfte im Südwesten von Darmstadt. Angrenzend an einen großen Kiefernwald gibt es auf dem Firmengelände Nutz- und Schulgärten sowie einen

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öffentlichen Kindergarten. Oberstes Ziel für den Neubau der Hauptverwaltung war die Schaffung eines rundum ressourcenschonenden Gebäudes mit einer hohen Arbeitsqualität für die etwa 500 Mitarbeitenden, das eine Verbindung zur Natur herstellt und weitgehend vorhandene Ressourcen nutzt. Das dreigeschossige Gebäude lädt mit ­seiner kompakten Geometrie durch gleich-

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Lageplan Maßstab 1:5000

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1 Hauptverwaltungs­ gebäude 2 Teich 3 Weingarten 4 Pachtgärten 5 Kindergarten 6 Parkplatz Architektur: haas cook zemmrich Studio2050 Bauherr: Campus 360 Tragwerksplanung: Knippers Helbig Lehmbau: Lehm Ton Erde Baukunst Energieberatung: transsolar Energie­ technik Landschaftsarchi­tektur: Ramboll Studio Dreiseitl

Anmerkung Einzelne Informationen stammen über die Angaben aus dem Architekturbüro hinaus aus der Publikation „Gewerbebauten in Lehm und Holz – Mehr­ wert durch Material“, herausgegeben von der Deutschen Bun­ desstiftung Umwelt.

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wertige große Zugänge an den beiden Kopfseiten zum Betreten ein. Im Inneren offenbart sich sogleich die entwurfsbestimmende Offenheit und Großzügigkeit. Über die gesamte Gebäudelänge von rund 95 m erstreckt sich ein Atrium, das bis unter das Dach reicht und über Oberlichter mit Tageslicht durchflutet wird. Die Arbeitsbereiche der einzelnen Abtei­ lungen und die Konferenzräume liegen an den Längsseiten und sind über zentrale Treppen sowie offene, nach oben zurückspringende Galerien erreichbar. Nur ganz vereinzelt wurden Zonen – etwa für Besprechungen – durch verglaste Trennwände fest abgetrennt. Grundsätzlich besteht das Gebäude aus einem einzigen Großraum, der sich flexibel mit akustisch wirksamen Vorhängen organisieren und bespielen lässt. Die Räumlichkeiten sollen mit ihren formlosen Aufenthaltsmöglichkeiten eine offene Kommunikation über Abteilungsgrenzen hinweg unterstützen. Die vorrangigen Materialien Holz, Lehm und unbehandelter Beton tragen zusammen mit dem Tageslichtkonzept zu einer natürlichen, freundlichen Atmosphäre bei.

gen an das Raumklima. Die eingesetzten Materialien Holz, Lehm und Beton erwiesen sich als gut vertretbare Kombination auch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit. Die Konstruktion besteht aus einem klassischen Stahlbetonskelett und vier ausstei­ fenden Sanitär- und Treppenhauskernen auf einem Untergeschoss aus Stahlbeton. 69 cm dicke, selbsttragende Fassadenscheiben aus Stampflehm bilden im Wechsel mit verglasten Pfosten-Riegel-Flächen die Längswände, während die Stirnseiten komplett als Pfosten-Riegel-Fassaden konzipiert sind. Außenwirksam treten die Lehmfassaden in Erscheinung, die eine 17 cm starke Schicht aus recyceltem Schaumglasschotter als zusätzliche Kerndämmung ­zwischen den Lehmschichten und eine integrierte Wandheizung besitzen. An sechs Punkten der Fassade sind die Lehmwände

Konstruktion und Material Der Tragwerksentwurf geht auf eine akademische Untersuchung verschiedener Kon­ struktionsvarianten zum ressourcenschonenden Bauen zurück. Dabei spielten Kriterien wie Energie für Transport, Herstellung und Demontage eine wesentliche Rolle, ebenso Recyclingfähigkeit und Anforderun-

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1 Empfang 2 Großraumbüro 3 Konferenz- / Besprechungsraum 4 Pausenraum 5 Restaurant 6 Küche 7 Luftraum

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1. Obergeschoss

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jeweils rückverankert an den Geschoss­ decken und2 den Randbalken der Dach­ 2 4 konstruktion. 3 Um die Ökobilanz des Lehms nicht zu belasten, sollte er aus der Region stammen. In diesem Fall kam er aus dem unerschöpf­ lichen Aushubmaterial der rund 160 km ­entfernten Großbaustelle Stuttgart 21, eine Distanz, die durchaus noch Optimierungspotenzial aufweist. Das prägnante Dachtragwerk wird durch das von Ost nach West durchlaufende Oberlichtband in zwei Hälften geteilt, die statisch unabhängig voneinander funktionieren. Brettschichtholzträger lagern auf jeweils zwei Stützen auf und werden oberseitig durch OSB-Platten schubfest ver­ bunden. Das Gebäude besitzt trotz der offenen Raumstruktur und den unbekleideten

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Decken und Wänden eine angenehme Raumakustik. Dazu leisten die Lehmwände 5 6 5 mit ihrer offenen Oberflächenstruktur einen großen Beitrag. In die rohen Betondecken wurden zudem in regelmäßigen Abständen a recyclebare Schaumbeton-Absorberstreifen eingelegt, die aber die Funktion der Speicherfähigkeit nicht beeinträchtigen. Darüber hinaus besitzt das enorme Dach unterseitig eine schallwirksame Holzlamellenbekleidung ebenso wie die Fensterlaibungen. Die vier Treppenhaus- und Sanitärkerne sind mit mikroperforierten Bekleidungen ummantelt. Lowtech Um das Ziel eines ressourcenschonenden Gebäudes zu erreichen, wurde ein Haustechnik- und Energiekonzept entwickelt, das mit minimalem Verbrauch unter Einsatz

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  1 Stehfalzdeckung Aluminiumblech 1 mm Schalung 160/24 mm, H ­ interlüftung 80 mm Unterspannbahn diffusionsoffen, Schalung 25 mm, Kantholz 80/280 mm, ­dazwischen Wärme­ dämmung ­Mineralwolle 280 mm, Dampfbremse Brandschutzplatte mineralisch gebunden 18 mm Schalldämmung Mineralwolle 100 mm Vollholzleiste Fichte 57/18 mm   2 Kastenrinne Aluminiumblech   3 Fertigteil Stampflehm 380 mm Wärmedämmung Mineralwolle 250 + 100 mm Dampfbremse, Träger Brettschichtholz 140 mm   4 Ankerplatte Stahlprofil feuer­verzinkt ∑ 330/140/12 mm   5 Verfugung Lehmmörtel 15 mm   6 Balken Dämmbeton, Bewehrungsstahl B500 B Längs- und ­Bügelbewehrung Ø je 8 mm   7 Wärmedämmung ­Schaumglas 30 mm   8 Trasskalkschicht   9 Fertigteil aus Stampflehm 380 mm + Wärme­ dämmung Schaumglasschotter 170 mm + Stampf­lehm mit integrierter Wandheizung 140 mm 10 Geogitter Kunststoff 11 Teppichboden 6,5 mm Hohlraumboden Kalziumsulfatplatte 38 mm Akustikvlies 1,5 mm Luftzwischenraum 152,5 mm Decke Stahlbeton 300 mm 12 Dichtschlämme mineralisch 13 Fertigteil Dämmbeton 80 mm Unterkonstruktion Aluminiumblechwinkel ­Edelstahlprofil 200/100/10 mm, 100 mm breit Bekleidung Alu­miniumblech, Geotextil filter­ stabil, Dränageelement Noppenbahn Abdichtung Bitumenbahn Sockel­element Fertigteil Leichtbeton 560 mm 14 Geotextil filterstabil, Dränage­element Noppen­ bahn, Wärmedämmung Schaumglas 140 mm Abdichtung Bitumenbahn Außenwand Stahlbeton 350 mm 15 Kabelkanal Brandschutzplatte mineralisch gebunden 18 mm 16 Akustikpaneel Weißtanne ­ geschlitzt, lasiert 33 mm 17 Regenfallrohr t 125 mm 18 Lehmverfüllung 19 Wärmedämmung Mineralwolle

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natürlicher Materialien maximale Leistung für Heizung, Kühlung, Lüftung und Belichtung gewährleistet. Dies gelingt durch verschiedene Faktoren. Zunächst spielt die Ausrichtung des Gebäudes eine wesentliche Rolle. Das durch­ laufende Oberlicht in Ost-West-Richtung erlaubt eine zuverlässige Tageslichtnutzung durch konstant einfallendes Nordlicht, ohne ungewollte solare Wärmegewinne zu erzeugen. Die Belüftung erfolgt weitgehend über Erdkanäle im Untergeschoss, die Luft am nahe gelegenen Waldrand ansaugen, durch die gespeicherte Erdwärme vortemperieren und über Quellluftauslässe an den vier Betonkernen an die Innenräume weitergeben. So wird der Umstand positiv genutzt, dass die im Erdreich gespeicherte Durchschnittstemperatur des Orts im Sommer kühlt und im Winter wärmt. Abluft entweicht durch den natürlichen thermischen Luftauftrieb über automatisch gesteuerte Öffnungen des Oberlichtbands im Dach. Durch die vorkonditionierte Zuluft ist der zusätzliche Heiz- und Kühlbedarf des Gebäudes minimal. Nur bei seltenen Wetterlagen müssen Ventilatoren in den Erdkanälen zugeschaltet werden, um den Kamineffekt anzukurbeln, diese werden jedoch hausintern von einer Photovoltaikanlage auf der südlichen Dachfläche betrieben. Die Fenster lassen sich bei Bedarf auch individuell öffnen, um jederzeit Frischluft­ zufuhr in den Büros zu ermöglichen. Das zen­trale Atrium garantiert eine ausreichende Luftabfuhr und unterstützt auf natürlichem

Weg diese Art der Querlüftung. Einen wesentlichen Beitrag zu einem stabilen Temperaturniveau im Gebäude leisten die Lehmwände. Zusammen mit den Beton­ decken sorgen sie für eine enorme Speichermasse und selbst an heißen Sommer­ tagen reicht die Verdunstungskühlung des Lehms in den extra hohen Räumen aus, um eine Überhitzung auch ohne mechanische Kühlgeräte zu vermeiden. Im Winter sorgen Heizschlangen in den Lehmwänden für effiziente zusätzliche Wärmestrahlung. Diese sind in die Lehmwände eingestampft und werden mit Warmwasser aus regenerativen Quellen wie den Geo­ thermiesonden und aus der Rückgewinnung von Abwärme aus der Küchentechnik gespeist. Ökosystem 5 Verantwortung

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Neue Nutzung in alter Struktur Wohnhaus mit Werkstatt in Schechen, Deutschland

Werterhalt durch Umzug: Die alte Torfremise aus Kolbermoor dient heute in neuer Nachbarschaft im 15 km entfernten Schechen als Wohnhaus, Werkstatt und Lager. Komplett aus den Naturbaustoffen Holz und Lehm errichtet und erweitert, fügt sie sich harmonisch in das ehemalige Bahnhofsgelände ein. Durch den respektvollen Umgang mit dem Bestand und dem umgebenden Naturraum gelingt eine beeindruckende Raumqualität.

Text: Steffi Lenzen

Konzept Schechen ist eine 1200-Seelen-Gemeinde in Oberbayern, rund 50 km südöstlich von München gelegen. Direkt neben dem sanierten alten Bahnhofsgebäude befindet sich eine ehemalige Torfremise, die als Werkstatt mit Atelier und zwei Wohneinheiten an diesem Ort zu neuer Nutzung gefunden hat. Die Remise befand sich ursprünglich als Teil einer alten Baumwollspinnerei im 15 km entfernten Kolbermoor. Als jedoch Investorenpläne den Abriss der Remise vor-

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sahen, erwarb der Bauherr zusammen mit seiner Frau kurzerhand den vermeintlich wertlosen Schober, den der Flechtwerkgestalter zuvor bereits als perfektes Lager für sein Material genutzt hatte. Zusammen mit einigen Zimmerleuten baute er die Remise schließlich Stück für Stück auseinander und lagerte die Teile während der Suche nach einem passenden Grundstück für die geplante Weiternutzung als Werkstatt und Lager ein. Oberstes Ziel bei der Suche war, für das Projekt keine neuen Flächen auf der

Architektur: Ziegert I Roswag I Seiler Architekten mit Guntram Jankowski Bauherr: Stefanie und Emmanuel Heringer Tragwerksplanung: Ziegert I Seiler Ingenieure Lehmbau: Ziegert I Seiler Ingenieure

Lageplan Maßstab 1:2000 Anmerkung Quelle auch: https://www.faz.net/ aktuell/wirtschaft/­ wohnen/bauen/neuehaeuser/neue-haeusernaechster-halt-alte-torf­ remise-15037439.html

grünen Wiese zu versiegeln. Daher erschien die Nutzung einer Brachfläche in Schechen direkt neben dem ehemaligen Bahnhof ideal, denn hier wollte die Gemeinde nach dem Erwerb des Grundstücks von der Deutschen Bahn im Dorfkern nachverdichten und ein Mischnutzungskonzept von Wohnen und Arbeiten umsetzen. Die Idee der Revitalisierung eines alten Stadels passte ideal zu diesem Vorhaben. Aufgrund der enormen Grundfläche der alten Remise von 365 m2 entstand ein Konzept, das über die ursprüngliche Idee einer Werkstatt mit Lagerflächen hinausging und zudem ein eingestelltes Wohnhaus mit zwei Einheiten vorsah. Heute fügt sich die alte Remise perfekt in die bestehende Umgebung neben dem ehemaligem Bahnhofsgebäude und einem weiteren Betriebsgebäude der Bahn ein. Dieses Holzhaus beherbergt – anders als ursprünglich geplant – nun die Werkstatt des Korbflechters und ist so im Hinblick auf den entstehenden Maschinenlärm ideal abgegrenzt zum Wohnbereich. Auch der vorgefundene Naturraum wurde bei der Umsetzung des Bauvorhabens weitgehend geschützt und auf den bestehenden Baumbestand Rücksicht genommen. Konstruktion und Material Der originalgetreue Wiederaufbau der historischen Remise erfolgte auf einer neuen Bodenplatte. Alle geschädigten Teile des Bestands sind repariert und in Handwerksarbeit ersetzt

worden, zu ergänzende Bauteile bestehen aus den traditionellen und natürlichen Baustoffen Holz und Lehm. Dies ermöglicht eine diffusionsoffene Bauweise, die zusammen mit der freien, manuellen Lüftung eine natürliche Regulierung des Raumklimas garantiert und trotz höchstem energetischen Standard und luftdichter Ausführung einen Betrieb ohne Lüftungsanlage zulässt. Der Neubau des Wohntrakts ist als eigenes beheiztes Volumen in die offene, historische Hülle eingestellt. Er sitzt asymmetrisch versetzt zur alten tragenden Stadelhülle und schiebt sich an der Ostseite aus der Struktur heraus. Dadurch entsteht auf der Südund Westseite ein Zwischenraum, der die historische Tragstruktur des Holzskeletts aus Stützen, Kopfbändern und Querbalken Ökosystem 5 Verantwortung

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Anmerkung Siehe „Sanierungsstrategien und -konzepte für Bestandsgebäude”, S. 98ff.

1 Bestand vor der Demontage a Fundamente b historischer Holzbau 2 Wiedererrichtung am neuen Standort c neue Gründung und Bodenplatte d neues Gelände e Wiedererrichtung historischer Holzbau 3 Integration Niedrigenergiehaus f Aufdopplung Dach U-Wert: 0,15 W/m2K g Außenwand U-Wert: 0,13 W/m2K h Holzfenster Dreifachverglasung U-Wert: 1,0 W/m2K i Boden U-Wert: 0,1 W/m2K j Warmwasserkollektor k Schichtenspeicher l Stückholzheizung m Flächenheizung zur Wärmeverteilung

ablesbar werden lässt. Hier sind die beeindruckenden Dimensionen des Stadels von 27,50 m Länge und 4,20 m hohen Innen­ räumen im Erdgeschoss direkt erlebbar. Außerdem bietet die Holzlattenfassade des alten Stadels einen natürlichen konstruktiven Sonnenschutz sowie ein lebendiges Lichtund Schattenspiel auf dem hellen Lehmputz des Neubaus. Die Außenwände des hochgedämmten und beheizten Wohntrakts bestehen aus einer diffusionsoffenen Holzständerbauweise, die mit einer Holzfaserdämmung ausgefacht und mit weißem Lehmedelputz versehen wurde. Letzterer eignet sich aufgrund eines ausreichenden Witterungsschutzes durch Dachüberstände und die Haus-im-HausBauweise auch für die Außenwände des Neubaus. Die Böden sind aus geseiftem Tannenholz.

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Lowtech Durch die Revitalisierung einer Brachfläche sowie die Weiternutzung der alten Stadelstruktur und dem damit verbundenen Wert­ erhalt der Bausubstanz erfüllt dieses Projekt bereits relevante Aspekte der LowtechKriterien. Neben dem Einsatz natürlicher ressourcenschonender Materialien spielen Belichtung und Wärmeerzeugung eine wesentliche Rolle im Entwurfskonzept. Nach Süden und Osten gibt es große Fensteröffnungen, zudem gezielt geplante Dachfenster und eine lange Firstverglasung. Die Öffnungen orientieren sich an den Himmelsrichtungen und den historischen Türöffnungen

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der Remise. Auch im Dach schiebt sich der Neubau ein wenig aus dem alten Stadeldach heraus, die Konturen von Alt und Neu lassen sich auch hier von außen sofort ablesen. Alle Bäder sind außen liegend und so natürlich belichtet und belüftet. Die Wärmeerzeugung erfolgt regenerativ mit einer zentralen Stückholzheizung und Solarthermie. Ein Wandheizungssystem sorgt für ein angenehmes Raumklima.

Durch den bewussten Einsatz der natürlichen Baustoffe Holz, Zellulose und Lehm entstand ein hochgedämmtes, ausschließlich regenerativ betriebenes Niedrigener­ giehaus. Sorptionsfähigkeit und Diffusionsoffenheit der Bauteile sorgen für eine natürliche Regulierung des Raumklimas. Dies ermöglicht höchsten energetischen Standard und eine luftdichte Ausführung ohne Lüftungsanlage.

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Schnitt • Grundrisse Maßstab 1:400   1 Wohnen / Essen   2 Schlafen   3 Technik   4 Werkstatt   5 Lager   6 Luftraum   7 Galerie   8 Wohnen / Essen   9 Schlafen 10 Büro

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13 Vertikalschnitt Maßstab 1:20 11 Ziegeldeckung Dachlattung 60/40 mm Konterlattung 100/40 mm Holzfaserplatte diffusionsoffen 60 mm Sparren 160/240 mm dazwischen Wärmedämmung Holzfaser 240 mm OSB-Platte Stöße luftdicht verklebt 22 mm Gipsfaserplatte 12,5 mm 12 Außenputz Lehmdünnlagenbeschichtung auf Lehmoberputz 15 mm Holzfaserplatte 60 mm Ständerkonstruktion Vollholz 60/240 mm dazwischen Wärmedämmung Holzfaser 240 mm Holzfaserplatte 40 mm Innenputz Lehm mit integrierter Wandheizung 40 mm 13 Holzbalken Bestand 220/180 mm 14 Bodenbelag Dielen Tanne geseift 29 mm Trittschalldämmung Holzfaserplatte 22 mm OSB-Platte 18 mm Holzbalken Bestand 220/180 mm, dazwischen Splittschüttung 115 mm, OSB-Platte 18 mm Holzfaserplatte 50 mm Gipsfaserplatte 12,5 mm 15 Fenster: Dreifachverglasung in Holzrahmen U = 1,0 W/m2K 16 Lattung Bestand 50/50 mm 17 Holzbalken Bestand 150/130 mm 18 Dielen Bestand 250/20 mm 19 Bodenbelag Dielen Tanne geseift 20 mm Lagerhölzer 60/60 mm, dazwischen Lehmbauplatten mit integrierter Fußbodenheizung OSB-Platte 35 mm Holzkonstruktion aufgeständert 120/60 mm, dazwischen Wärmedämmung Zellulose 636 mm Abdichtung Bitumenbahn Bodenplatte Stahlbeton 260 mm 20 Sockel Stahlbeton 200/220 mm

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Flarz heute Umbau eines Flarzhauses in Bauma, Schweiz

Mit einem intelligenten Gesamtkonzept gelingt in Bauma im Zürcher Oberland die Sanierung eines historischen Flarzhauses, das ganz im Sinne der Tradition mit viel Eigenleistung umgebaut wurde, ohne technisches Lüftungs- und Heizsystem auskommt und zugleich höchste Ansprüche an die Innenraumqualität erfüllt. Der neue Kaminofen gilt mit seiner zentralen Lage für die bewohnende Familie als Herz des Hauses.

Text: Steffi Lenzen

Konzept Die Bauweise der sogenannten Flarzhäuser entwickelte sich aus der intelligenten Umge­ hung bestehender Bauvorschriften durch die Bewohner des Zürcher Oberlands. Weniger betuchten Leuten war es dort frü­ her nicht erlaubt, sich in einer Gemeinde niederzulassen. Jedoch durften die Söhne bereits ansässiger Familien ein bestehen­

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des Haus teilen oder daran anbauen. So entstanden aus Einzelhäusern durch giebel­ seitigen Anbau häufig Reihenhäuser. Flarze sind meist zweigeschossige Holzbau­ ten in Bohlenständerbauweise mit eher flach geneigten Dächern, niedrigen Geschoss­ höhen und langen Fensterbändern. Küche, Kamin und Wasseranschluss gab es ur­­ sprünglich meist nicht. Diese einfache Bau­

Schnitte • Grundrisse Maßstab 1:200 1 Tenne 2 Kochen / Essen 3 Wohnen 4 Arbeiten 5 Schlafen 6 Kammer 7 Luftraum

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weise konnten Handwerker im Eigenbau leisten, sie war dementsprechend kosten­ günstig umsetzbar. Arbeiten und Wohnen fand oft unter einem Dach statt. Das Flarzhaus in Bauma stammt etwa aus dem Jahr 1832. Es gehört zu den einge­ tragenen historischen Kulturobjekten der Gemeinde, und bei der Sanierung sollte der Charakter des Hauses erhalten bleiben. Die Architektin machte sich die ursprüngliche Einfachheit zum Entwurfsprinzip. Größte Herausforderungen waren die bestehende Statik sowie Anforderungen an den Brandund Schallschutz zu den benachbarten Wohneinheiten, da diese ursprünglich nur durch eine einfache Wand voneinander getrennt waren.

Architektur: Oecofakta Saikal Zhunushova Bauphysik: BWS Bauphysik Denkmalpflege: Heinz Pantli

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Trotz der geringen Breite des Hauses von rund 6,75 m teilte sich der Innenbereich über die gesamte Länge von 11 m ursprüng­ lich durch Holzriegelwände mit einer Aus­ fachung aus Stroh und Lehm in einen Wohn- und einen Wirtschaftsbereich. Diese Trennung bleibt auch nach der Sanierung weitgehend erhalten, die Wände erhalten lediglich einen neuen Lehmputz. Im Ober­ geschoss orientiert sich der Grundriss mit der Zimmereinteilung an diesen historischen Vorgaben, während die Ausfachungen im Erdgeschoss zugunsten einer großzügigen Raumwirkung geöffnet werden. Durch den Höhenversprung und die sichtbar belasse­ nen Holzstützen bleibt die historische Struk­ tur jedoch nach wie vor präsent.

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Konstruktion und Material Die eingesetzten Baustoffe beschränken sich weitgehend auf Holz, Lehm und Natur­ stein. Viele Arbeiten konnten in Eigenleis­ tung durchgeführt werden. Um den Brand­ schutz zu den Nachbarn zu gewährleisten, wurden die beiden Längswände mit einer Innendämmung aus Zellulose versehen und mit Gipskartonfaserplatten bekleidet. Grundund Feinputz aus Lehm sorgen dank ihrer feuchteregulierenden Eigenschaften für ein angenehmes Raumklima. Die Böden in der Küche und im Wohnzim­ mer des Erdgeschosses bestehen aus 23 mm dicken Massivholzdielen aus geseif­ ter Lärche, Schiefersteine auf dem Boden im ehemaligen Wirtschaftsbereich dienen zudem als Speichermasse und insbeson­ Ökosystem 5 Verantwortung

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dere im Winter als passiver Kollektor. Die Böden im Obergeschoss sind aus 10 cm dickem Brettschicht- und sämtliche Schwellen aus langlebigem Eichenholz. Lowtech Das Flarzhaus funktioniert ohne komplizier­ tes technisches Lüftungs- und Heizsystem. Um einen möglichst hohen Anteil Passiv­ energie durch die Sonne zu generieren, öff­ net sich das Haus großflächig nach Süden und erlaubt im Winter uneingeschränkte Sonneneinstrahlung, um Wärme aus der tief stehenden Sonne zu generieren. Gleichzei­ tig hält das große Vordach bei hochstehen­ der Sonne im Sommer die Einstrahlung ab und schützt vor Überhitzung. Im Zentrum des Grundrisses befindet sich ein großer, hocheffizienter Kaminofen aus Naturstein, der das gesamte Haus beheizt, wenn an den wenigen nebligen Tagen des Jahres in Bauma die passiven Solargewinne nicht ausreichen. Intelligent angeordnete dicke Schiefersteine im Erdgeschoss bieten einen ausreichend hohen Anteil an Spei­ chermasse. Die Verglasung wurde durch hochleistungs­ fähige Isolierglasfenster ersetzt und zum Teil ein wenig vergrößert sowie sämtliche Tore und Türen verglast, um ausreichend Tageslicht in die zum Teil mehr als 10 m ­tiefen Räume zu bringen. Zudem erhält das Dach neun flächenbündige Dachfenster, um eine optimale Tageslichtnutzung zu gewährleisten, ohne den Charakter des Hauses durch Gauben zu verändern.

Umbau eines Flarzhauses in Bauma (CH)

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Tradition neu interpretiert Hörsaal- und Verwaltungsgebäude in Landshut, Deutschland

Das neue Hörsaal- und Verwaltungsgebäude für das Campuserweiterungsgebiet der Hochschule Landshut ging als Siegerentwurf aus einem zweistufigen offenen Architektenwettbewerb hervor. In Form eines dreigeschossigen kompakten Kubus nimmt es mit seiner roten Keramikfassade Bezug auf die besondere Backsteinarchitektur einiger historischer Gebäude in Landshut. Es funktioniert in weiten Teilen ohne mechanische Lüftung.

Text: Steffi Lenzen

Konzept Der Hochschulcampus liegt rund 4 km nordöstlich vom Landshuter Stadtzentrum entfernt in der Nähe eines Isar-Stausees. Aufgrund unerwartet hoher Studierendenzahlen in den vergangenen Jahren wird der Campus aktuell erweitert. Das Hörsaal- und Verwaltungsgebäude stellt den „Eingang“

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zur geplanten Campuserweiterung der Hochschule dar. Kürzlich ist auch das benachbarte Mensagebäude fertiggeworden, sodass das Ensemble aus Hörsaal-/ Verwaltungsbau und Mensa nun dem Anspruch eines neuen „Eingangstors“ zum Landshuter Campus gerecht wird. Der kompakte dreigeschossige Kubus

Architektur: pos architekten Bauherr: Freistaat Bayern, Staatliches Bauamt Landshut Tragwerksplanung: ISP Scholz Bauphysik: Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie

aa Lageplan Maßstab 1:2500 Schnitte • Grundrisse Maßstab 1:600   1 Hörsaal- und Verwaltungsgebäude   2 Mensa   3 Bibliothek   4 Fakultätsgebäude   5 Foyer   6 Seminarraum   7 Hörsaal 1   8 Hörsaal 2   9 Büro Präsident 10 Büro 11 Büro Kanzler 12 Teeküche 13 Besprechungsraum 14 Aufenthaltsbereich 15 Dachterrasse 16 Luftraum

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des Hörsaalgebäudes ist mit einer Passivhaushülle konzipiert. Ein Foyer verbindet mit einem durchgehenden Luftraum alle Gebäudebereiche. Nutzungsflexibilität wird hier großgeschrieben – die beiden im Erdgeschoss angeordneten Hörsäle können durch mobile Trennwände geteilt oder mit den dort befindlichen fünf Seminarräumen bei Bedarf über das Foyer zu einer großen Veranstaltungsfläche zusammengeschlossen werden, beispielsweise für Messen oder Symposien. Weniger öffentliche Bereiche für Büros und Besprechungsräume befinden sich im ersten und zweiten Obergeschoss. Nach innen löst sich die Kompaktheit des Kubus auf, ein Luftraum über die drei Geschosse verbindet alle Gebäudebereiche und gewährleistet Tageslichteinfall. Ein offenes Erschließungskonzept mit Galerien über die drei Ebenen verleiht den Verkehrsflächen hohe Aufenthaltsqualität und lädt zum Verweilen und zum ungezwungenen Austausch ein. Im zweiten Obergeschoss befindet sich ein begrüntes Atrium auf dem Dach des Hörsaals. Dieses sorgt für Tageslicht nicht nur in den oberen Büroräumen, sondern sichert zudem dank einer intelligenten Anordnung von Luft- und Lichtschächten selbst im Winter die natürliche Belichtung aller Räume und Verkehrsflächen bis hinunter ins Erdgeschoss. Konstruktion und Material Das Gebäude ist als klassischer Stahlbetonbau mit Teilunterkellerung konzipiert. Die

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Hörsaal- und Verwaltungsgebäude in Landshut (DE)

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Horizontalschnitt • Vertikalschnitt Maßstab 1:20 1 Photovoltaikmodul 2 Kies 60 mm, Schutzvlies, Abdichtung PE-Folie Wärmedämmung EPS im Gefälle 340 mm im Mittel, Dampfsperre Decke Stahlbeton 300 mm Gipsspachtelung 2 mm 3 Sonnenschutzlamellen verschiebbar 4 Fenster: Dreifachisolierverglasung in Rahmen Holz/Aluminium, U = 0,9 W/m2K 5 Keramik-Fassadenelement profiliert 40 mm Unterkonstruktion Aluminium ¡ 20/60 mm Hinterlüftung 80 mm Windpapier diffusionsoffen Wärmedämmung Steinwolle 200 mm Stahlbeton 220 mm Installationsebene 102 mm

Fassade besteht in Anlehnung an historische Landshuter Backsteinarchitektur aus vorgehängten Keramikelementen. Diese sind im Anschluss an die Nutzungsdauer einfach rückbaubar und komplett recy­ clingfähig. Einzelne Bauteile, wie ein außen liegender Treppenturm oder der Anschluss im ersten Obergeschoss an einen Bestandsbau, sind aus Stahl und ebenfalls sortenrein recyclingfähig. Da das Baufeld nahe der Isar in einer Flurmulde liegt, erfolgte eine Baugrundverbesserung mittels Rütteltopfsäulen. Dieses Verfahren ermöglicht eine Gründung ohne Bodenentnahme.

Anmerkung Einzelne Informationen stammen über die Angaben des Architekturbüros hinaus aus dem Tagungsband des IBO (Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH) zum Wiener Kongress für zukunftsfähiges Bauen 2015.

Lowtech Der Entwurf sieht eine kompakte Kubatur vor mit einer Fassade, die den Passiv­ hausstandard erfüllt. Durch die intelligente Gesamtkonzeption kommt das Gebäude weitgehend ohne mechanische Lüftung und Kühlung aus. Hohe Räume, große Speichermassen und ein außen liegender Sonnenschutz verhindern eine Überhitzung im Sommer. Das dreigeschossige Eingangs­ foyer spielt im Zusammenhang mit dem ­eingeschnittenen Dachgarten im zweiten Obergeschoss eine zentrale Rolle für die Kühlung des Gebäudes und funktioniert als eine Art Lüftungskamin für die angrenzenden Bereiche. Die gezielte Anordnung der Öffnungen, der außen liegende Sonnenschutz und die sturm- und einbruchsicheren Lüftungs- und Verschattungsmöglichkeiten der Bürofens-

Unterkonstruktion Stahlblech verzinkt fi 15/15 mm, Gipskarton 12,5 mm   6 Parkett 25 mm, Heiz-/ Kühlestrich 60 mm Trennlage, Trittschalldämmung 25 mm Dämmschüttung zementgebunden 45 mm Decke Stahlbeton 300 mm Gipsspachtelung 2 mm   7 Pfosten-Riegel-Fassade Aluminium mit Dreifachisolierverglasung   8 Zwischendecke Windfang Paneel Aluminium gedämmt 70 mm   9 Gussasphalt geschliffen 35 mm Heiz-/Kühlestrich 90 mm Trittschalldämmung 25 mm, Dampfsperre Wärmedämmung 160 mm Dämmschüttung zementgebunden 40 mm Stahlbetonplatte 300 mm 10 Gitterrost Edelstahl 30/10 mm in Edelstahlwanne

ter und im Foyer halten die Wärme draußen und machen eine Kühlung und mechanische Lüftung obsolet. Große Glasfassadenanteile im Eingangsbereich liegen im Sinne des konstruktiven Sonnenschutzes zurückversetzt und werden so durch das Ober­ geschoss beschattet. Lediglich die beiden Hörsäle und die Seminarräume im Erdgeschoss besitzen aufgrund der phasenweise hohen Belegungsdichte eine mechanische Be- und Entlüftung mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung und eine adiabate Kühlung. Der Energiebedarf wird zum Teil aus der eigenen Photovoltaikanlage auf dem Dach gedeckt. Primärenergetisch ist sogar ein Plusenergiestandard darstellbar, wenn die Dachfläche vollständig mit Photovoltaik belegt wird. Ökosystem 5 Verantwortung

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Hörsaal- und Verwaltungsgebäude in Landshut (DE)

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Neutrale Räume für die Gemeinschaft Stadtteilzentrum in London, Großbritannien

Völlig harmonisch fügt sich das neue Nachbarschaftszentrum in seine historische Umgebung im Londoner South Park ein. Auf dem Gelände befand sich einst die größte familiengeführte Gärtnerei Europas. In Anlehnung an die ehemaligen Gewächshäuser folgt das Gebäudeensemble einer schlichten Kubatur. In seiner Materialität nimmt es Bezug auf die den Park umgebende viktorianische Ziegelmauer und setzt sich damit zugleich unterordnend ab von dem erhaltenen alten Parkwärterhaus, das den Mittelpunkt des neuen Zentrums bildet. Text: Steffi Lenzen

Konzept Lange stand das ehemalige Parkwärter­ häuschen in der nordwestlichen Ecke des South Park im Londoner Stadtteil Hammer­ smith and Fulham leer, denn schon seit ­vielen Jahrzehnten bewacht hier niemand mehr die etwa 8 ha große Grünanlage. Der Park hat eine lange Geschichte. Bevor er 1903 in der heutigen Form als öffentlicher Naherholungsraum eröffnet wurde, dienten die Ländereien etwa seit Mitte des 19. Jahr­ hunderts großflächig als Gärtnerei und zum Obstanbau. Das heutige Nachbarschafts­ zentrum nimmt mit seiner schlichten Archi­ tektur Bezug auf die damals dort befindlichen Gewächshäuser. In lockerer Anordnung

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gruppieren sich die langen Gebäu­de­riegel mit bündigen Pultdächern um das restau­ rierte alte Wärterhaus hinter den bis heute existierenden Begrenzungsmauern der Parkanlage aus Ziegel. Die ehrgeizige Vor­ gabe der Stadtverwaltung bestand darin, Gemeinschaftseinrichtungen zu schaffen, die die soziale Integration innerhalb der Gemeinde fördern. Neben einem Café befinden sich in den neuen Gebäuden nutzungsneutrale Räume für soziale und pädagogische Veranstal­ tungen, Feierlichkeiten und Events sowie entsprechende Sanitäranlagen. Der Altbau wurde entkernt, und so ist auch dieser Teil des Ensembles flexibel nutzbar. Durch ein großes verschließbares Stahltor in der alten Parkmauer gelangt man auf das Gelände und wird automatisch in die Lobby geleitet, die die beiden Gebäude­ riegel über Eck miteinander verbindet. Auf­ grund der intelligenten Gebäudeanordnung auf dem Grundstück ergibt sich eine logi­ sche Abfolge von Höfen, Plätzen und Räu­ men, die Struktur und Landschaft eng mitei­ nander verwebt.

1 Kreislauffähigkeit

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Konstruktion und Material Die einzelnen Gebäuderiegel sind in Holz­ rahmenbauweise aus Brettsperrholz konzi­ piert, die sich mit einem steilen Pultdach zur Straßenseite öffnen und an den Fassaden mit hellen, cremefarbenen Ziegeln bekleidet sind. Diese Ziegel wurden von einem nieder­ ländischen Unternehmen extra für dieses Projekt entwickelt. Sie sind ein Recycling­

Architektur: Mae Architects Bauherr: London Borough of Hammersmith and Fulham Council Tragwerksplanung: Elliot Wood Gebäudetechnik: Max Fordham Landschaftsarchitektur: J & L Gibbons

Lageplan Maßstab 1:2500

Stadtteilzentrum in London (GB)

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Schnitte • Grundriss Maßstab 1:500

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  1 Lobby   2 Cafe   3 Küche   4 Veranstaltungssaal   5 Lager   6 Teeküche   7 Technikraum   8 Umkleide   9 Gemeinschaftsraum 10 kleiner Mehrzweckraum 11 großer Mehrzweckraum 12 Garderobe 13 Altbau

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produkt undb bestehen aus gemahlenem mineralischem Bauschutt und Lehm. Um 7 die Fundamente auf ein 7 Minimum zu redu­ 8 in zieren, wurde die leichte Holzstruktur Zusammenarbeit mit den Statikern so effizi­ ent wie möglich geplant. Deshalb ist die Bodenplatte nur 175 mm dick. Die einfache Rückbaubarkeit und Wiederverwendung am Ende der Nutzungsdauer spielte im gesam­ ten Entwurfs- und Umsetzungsprozess eine entscheidende Rolle. So wurden fast immer demontierbare Steck- und Schraubverbin­ dungen eingesetzt. Die großen, über die gesamte Länge der Räume laufenden Fensterbänder Richtung Straße sind als Pfosten-Riegel-Konstruktion konzipiert. Sie besitzen zur Nordwestseite

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im oberen Bereich zu öffnende Oberlichter und reichen ab Fassadenmitte bis unter den Pultfirst.8Ihre Brüstungshöhe liegt weit über den bestehenden viktorianischen Umfas­ sungsmauern und erinnert von außen an das Auge eines Persikops. So ist das neue Nachbarschaftszentrum trotz Ummauerung schon aus der Ferne zu erkennen, gleich­ zeitig garantiert die hohe Anordnung der Fensterbänder einen natürlichen Tageslicht­ einfall in die dahinterliegenden Räume. Holz bestimmt die Materialität im Inneren. Wäh­ rend die Dachkonstruktion mit Trägern und Platten aus Brettsperrholz unbehandelt ver­ blieben ist, setzen grün lasierte Wände und Schiebeelemente sowie die dunklen Fens­ terrahmen farbliche Akzente.

Stadtteilzentrum in London (GB)

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Lowtech Das Gebäudeensemble mit seinen hoch­ gedämmten Fassaden und Zweifachisolier­ verglasungen wurde nach Passivhausprinzi­ pien konzipiert. So ist ein Heizkessel für den gesamten Betrieb der Fußbodenheizung ausreichend. Mehr als 35 % des Baumateri­ als bestehen aus recycelten Materialien – allen voran die cremefarbenen Fassaden­ ziegel. Da diese Ziegel in der Herstellung sehr teuer sind, wurden sie hochkant ver­ mauert, um Material zu sparen. Die hohen Räume lassen eine gute Luftzirku­lation zu. Zudem erlaubt die intelligente Anordnung

der Fenster eine natürlich Querlüftung durch die Frischluftzufuhr im unteren Fassaden­ bereich über die hofseitig gelegenen boden­ gleichen Fenster und die Entlüftung über zu öffnende Oberlichter in den Fensterbändern zur Straßenseite. Diese Oberlichter werden mechanisch betrieben und sorgen für eine passive natürliche Belüftung. Im Sommer lassen sie sich zur Nachtauskühlung kom­ plett öffnen. Die westseitig ausgerichteten Fassaden besitzen außen liegende Sonnen­ schutzlamellen aus Douglasienholz. Eine optimierte Tageslichtnutzung gehörte zu den vorrangigen Zielen des Konzepts. 1

Vertikalschnitte Maßstab 1:20 1 Photovoltaikmodul 992/1650/35 mm Unterkonstruktion Aluminium 50 mm Dachdeckung Wellplatte Faserzement 6 mm geschraubt mit selbstbohrenden Schrauben mit Dichtelement, Lattung 40/65 mm Konterlattung 40/40 mm Unterdachbahn diffusionsoffen Wärmedämmung Holzfaser 150 mm Dampfsperre, Brettsperrholz Fichte 100 mm Unterkonstruktion/Hinterlüftung 30 mm Akustik-Deckenelement bestehend aus Dämmung Mineralwolle 18 mm und Holzfaserplatte 25 mm 2 Mauerwerk Recyclingziegel 210/100/65 mm mit Mauerwerksankern gesichert Hinterlüftung 75 mm Wärmedämmung Steinwolle 2≈ 100 mm Dampfbremse, Brettsperrholz Fichte 100 mm

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  3 Sturzelement Betonwerkstein 335/245 mm   4 Aufbau Schwingboden: Bodenbelag Holzdielen 22 mm Lattung 48/45 mm, Elastikpad 15 mm Estrich mit integrierter Fußbodenheizung 85 mm Wärmedämmung Hartschaum mit beidseitiger Aluminium-Deckschicht 2≈ 100 mm Dichtungsbahn Bodenplatte Stahlbeton 200 mm   5 Entwässerungsrinne   6 Schalung Douglasie 22/210 mm Lattung 55/55 mm Unterspannbahn diffusionsoffen Spanplatte 35 mm Dämmung Holzfaser 150 mm Träger Brettschichtholz Fichte 160/320 mm   7 Lamelle Douglasie 50/280 mm   8 Fenster: Zweifachverglasung in Aluminiumrahmen   9 Dichtungsbahn 1,5 mm Wärmedämmung Holzfaser 150 mm Dampfsperre, Spanplatte 12 mm Lattung 50/90 mm im Gefälle auf Lattung 50/38 mm Brettsperrholz Fichte 100 mm 10 Wandelement Brettsperrholz Fichte 160 mm 11 Bodenbelag Linoleum 2,5 mm Estrich 85 mm Wärmedämmung Hartschaum mit beidseitiger Aluminium-Deckschicht 285 mm Dichtungsbahn Stahlbeton 200 mm

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Strategien

Strategien für Planung und Entwurf 180   Stadt- und Raumplanung — Lowtech beginnt bei der Baulandwidmung180   Lowtech-Parameter und Entwurfskriterien182   Lowtech in Ausschreibung und Umsetzung 190   Regenerative Designstrategien für eine klimapositive Zukunft  191

Verwaltungsgebäude, Magistrat der Stadt Wien (MA31), Wien (AT) 2016, Rataplan – Architektur

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Strategien für Planung und Entwurf Edeltraud Haselsteiner

Stadt- und Raumplanung — Lowtech beginnt bei der Baulandwidmung Lowtech-Konzepte im Bauen zu ermöglichen, beginnt bei der Baulandwidmung. Raum­planung bedeutet auch Energieplanung. Vorreitermodelle gibt es dazu etwa in der Schweiz. Dort gewährleisten Energie­ (richt-)pläne bereits im Vorfeld eine räumlich infrastrukturelle Analyse. Es werden detailliert für einzelne Stadteile und Kommunen unter anderem lokal verfügbare Wärmeangebote für erneuerbare Energie (z. B. Potenziale an Abwärme, Geothermie, Solarenergie und Biomasse) erhoben und daraus Vorgaben für die Bebauung abgeleitet. Solche Energie(richt-)pläne eignen sich dazu, Potenziale und die effiziente Nutzung von Umweltressourcen für Lowtech-Gebäude aufzuzeigen. Für Lowtech-Gebäude gilt die Berücksichtigung des Standorts, des naturräumlichen Kon­texts bis hin zu mikroklimatischen Einflussfaktoren und folglich das daraus ab­­ zuleitende Optimierungspotenzial für die gesamte Palette der Gebäudeversorgung und -entsorgung als Voraussetzung. Ohne genaue Analyse des Standorts und der lokalen Umweltressourcen ist ein LowtechGebäudekonzept nicht denkbar. Im herkömmlichen Planungsprozess fehlen für diese Analyse jedoch sowohl instrumentell methodische als auch finanzielle Mittel. Klimatische Umgebungsbedingungen und deren Zusammenwirken mit fertiggestellten oder geplanten Bauwerken sind gegenwärtig mittels Softwaremodellen relativ wirklich-

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keitstreu nachzubilden und zu simulieren, diese werden aber insbesondere aus Kostengründen wenig genutzt. Lowtech-Konzepte reichen allerdings über die Berücksichtigung der klimatischen Bedingungen hinaus. Lokale Ressourcen, zu denen sowohl vor Ort vorhandene Materialien, als auch lokales Wissen und Kompetenzen zählen, sind nur im engen Abstimmungsprozess mit Menschen und Analysen am Standort möglich. Kurze Transportwege und Gebäude, die in Übereinstimmung mit lokaler Bautradition und somit den lokalen Ressourcen und dem örtlichen Erfahrungswissen entsprechend angelegt bzw. errichtet werden, sind Kennzeichen einer nachhaltigen Bauweise, die für Lowtech-Design im Besonderen gelten. Als energiesparendste und nachhaltigste Bauweise sticht die Solararchitektur eindeutig hervor [1]. Die direkte Nutzung solarer Einstrahlung über transparente Bauteile und die Speicherung auftretender Wärme in den Wänden und Decken der Innenräume, um sie später zur Erwärmung zu nutzen, gehört zu den Pionierleistungen energiesparender Architektur. Beispiele zeigen, dass gut funktionierende Solararchitektur selbst ohne konventionelles Heizsystem über das gesamte Jahr hinweg ausreichenden Innenraumkomfort bieten kann [2]. Vorausgesetzt werden lediglich ein Standort und eine Baulandwidmung, die diese optimierte Bauweise zulassen, wobei bei kluger Planung diese Möglichkeit sogar im dicht bebauten urbanen Gebiet gegeben ist. Bei-

1 a–b Wohnanlage, Kolding (DK) 1998, 3XNielsen

2 a–b Ideen eines Wabenhauses, um Flächenverbrauch zu minimieren, Axel Stelter, Hannover (DE) 1974

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spiele verdichteter Wohnbausiedlungen, die flächensparendes Bauen mit maximaler Nutzung solarer Energie verbinden, zeigen, dass auch beides in Kombination umsetzbar ist (Abb. 1). Dagegen verbrauchen Einfamilienhäuser nicht nur für sich selbst viel Fläche, sie ziehen auch überdimensionale notwendige Folgeinfrastrukturen wie Straßen und diverse Versorgungs- und Entsorgungsleitungen nach sich und damit zusätzliche Bodenversiegelung. Um eine höhere Akzeptanz für den verdichteten Wohnungsbau zu erreichen und dennoch auf die Qualitäten eines Einfamilienhauses nicht verzichten zu müssen, wurden unterschiedliche Ideen entwickelt. Axel Stelter beschreibt 1974 erstmals seine Überlegungen zu einem Wabenelement-Hausbausystem (Abb. 2). Er zeigt in einem Modell die Möglichkeiten übereinander gestapelter und in Serienproduktion aus Beton hergestellter Raummodule. Bei der Montage werden diese mit Stahlschrauben verbunden und abgedichtet. Im fertig ausgebauten Zustand und mit jeweils eigenen

Zugängen zu den einzelnen Einheiten sollen sie den Bewohnern das Gefühl vermitteln, ein „eigenes Haus“ zu bewohnen. Der Architekt Peter Haimerl entwickelte aktuell ein ähnliches Konzept eines Wabenhauses, mit dem Ziel, als Alternative zum Einfamilienhaus mehr Wohnqualität als herkömmliche mehrgeschossige Wohnbauten zu bieten. Das Gebäude besteht aus einzelnen Waben, von denen sich mehrere auch zu größeren Clustern verbinden und gemeinschaftlich nutzen lassen. Passende Möbel dazu werden aufgrund der ungewöhnlichen Raumkubaturen im 3D-Drucker hergestellt. Das Projekt wird 2022 in München fertiggestellt und zählt als reiner Betonbau eher zur Kategorie der Hightech-Architektur, aber an einer Alternative aus recycelten Baustoffen wird gearbeitet. Neben Einschränkungen wie dem Raumverlust oder den eigens angefertigenden Möbeln ist die Idee, attraktive Modelle im mehrgeschossigen Wohnbau zu entwickeln, um experimentelles oder alternatives Wohnen zu ermöglichen, dennoch positiv zu sehen. Zum Ziel von Low-

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Strategien für Planung und Entwurf

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tech-Design, Bodenversiegelung nicht nur zu minimieren, sondern mit jeder Baumaßnahme einen regenerativen Ausgleich im Ökosystem zu bewirken, steht jede weitere Zersiedelung in Form von Einfamilienhaussiedlungen in großem Widerspruch. Umso wichtiger und vorrangig ist die Aktivierung und Nutzung des Gebäudebestands. Zahlreiche Landgemeinden kämpfen mit Leerständen in den Orts- oder Stadtzentren. Geschäfts-, Wohn- und Produktionsflächen in zentralen Innenstadtlagen liegen brach, während im Umland neues Bauland umgewidmet wird. Sowohl Bedenken wegen aufwendiger und kostenintensiver Sanierungen von alter Bausubstanz als auch hohe Anforderungen hinsichtlich zeitgemäßer Baustandards erschweren – neben ohnehin komplexen Eigentümerstrukturen – oftmals zusätzlich die Entwicklung bestehender Bauressourcen. Selbstbauinitiativen und engagierte Gruppen, die für ihre Nutzung einfache Adaptierungen vornehmen und Räume kostengünstig ohne hohe Ansprüche an Nutzungskomfort und mit innovativen Ideen sanieren, wären eine niederschwellige Alternative, um zumindest temporäre Nutzung zu verwirklichen (Abb. 3). In urbanen Gebieten sind es insbesondere die Erdgeschosszonen, für die LowtechSanierungs- und Umnutzungskonzepte zur Innenstadt- oder Dorfkernbelebung und als Strategie gegen Leerstand und Zersiedelung eingesetzt werden können. Lowtech-Parameter und Entwurfskriterien „Wie wenig ist genug?“ Diese Frage war der Leitgedanke einer Vorbereitungsstudie für den Erweiterungsbau des Bundesministeriums für Umwelt in Berlin. Elisabeth Endres, Architektin und Lehrende für passive Strategien an der Schnittstelle von Architektur und technischen Systemen, hat im Vorfeld für einen Architekturwettbewerb Entscheidungsunterlagen und Parameter entwickelt, um ein „komponentenarmes und minimal über Steuerungstechnik betriebenes Gebäude“ zu gestalten [3]. Vorgaben betreffen die Gebäudehülle ebenso wie das gebäudetechnische Konzept. Für die Fassade sollen entsprechende Materialien zum Einsatz kommen und Fensterflächenanteil sowie

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Orientierung so gewählt werden, dass die Gefahr einer Überhitzung minimiert wird. Auf einen gesteuerten und motorisch betriebenen Sonnenschutz ist zu verzichten. Flächenheizung und -kühlung sind getrennt von der konstruktiven Struktur und möglichst ganzjährig und unabhängig von Außentemperaturen und Nutzern zu steuern. Die Belüftung erfolgt mit Ausnahme von Räumen mit hoher Belegungsdichte – Plenarsaal und Konferenzraum – auf natürliche Art. Die Umsetzung des zugunsten des Architekturbüros C.F. Møller entschiedenen Wettbewerbs ist noch im Gang. Vorgeschlagen wurde ein mehrgeschossiger Holzbau mit fassadenintegrierten Solarpaneelen, verglasten Atrien, Dachgärten und eine in Grünräume eingebettete verästelte Gebäudestruktur (Abb. 4). Noch konsequenter umgesetzt wurde die Frage nach „Wie wenig ist genug?“ beim Umbau eines von Egon Eiermann in den 1930er-Jahren erweiterten Industriebaus in der Kleinstadt Apolda in Thüringen (Abb. 3). Apolda galt seit Beginn des 18. Jahrhunderts bis zur deutschen Wiedervereinigung als wichtiger Industriestandort. Heute stehen die meisten dieser Produktionshallen leer. Für die Aneignung und Nutzung wurde

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3 a–b Egon-Eiermann-Bau, Apolda (DE) 1939/2018, IBA Thüringen (Projektleitung: Katja Fischer)

4 Entwurfsskizzen, Erweiterungsbau für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), ­Berlin (DE), im Bau, C.F. Møller

in Abstimmung mit der IBA Thüringen ein ungewöhnlich einfaches Raum-in-Raum Konzept realisiert. Man platzierte in die ­riesige Halle kleine Gewächshäuser und „Boxen“, die sich je nach Bedarf individuell mit Infrarotstrahlern beheizen lassen. Im Großraum sorgen Strahlplatten an der Decke für Mindesttemperaturen von 15 °C. Die Boxen lassen sich im Selbstbau herstellen. Sie sind eine kostengünstige Ausbauvariante und darüber hinaus einfach wieder rückbau- und wiederverwendbar. Eine Parameterstudie zur Frage, ob und wie eine energieeffiziente Optimierung von Bürogebäuden mit passiven Maßnahmen – wie thermische Masse, hoher Dämmstandard, reduzierter Fensterflächenanteil, optimierte und kontrolliert natürliche Lüftung – ohne aktive Systeme für Beheizung, Kühlung und Lüftung sowie ohne Komfortverlust umgesetzt werden kann, liefert interessante Aussagen hinsichtlich „Robustheit“: Bei einem Verzicht auf sämtliche technische Komponenten in der Haus- und in der ­Fassadentechnik kann entsprechend der geltenden Normen der gewohnte Innenraumkomfort nicht über das gesamte Jahr durchgängig sichergestellt werden. Dennoch weist bereits der Einsatz einfacher Technologien und einzelner Komponenten (z. B. außen liegender Sonnenschutz, maschinelle Lüftung, Bauteilaktivierung) ein deutliches Optimierungspotenzial auf. Eine wichtige Erkenntnis liegt auch darin, dass das winterliche Klima beim heutigen Entwicklungsstand der Gebäudehülle nur mehr eine untergeordnete Rolle einnimmt, hingegen der über die Gestaltung und pas-

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sive Maßnahmen beeinflussbare sommerliche Wärmeschutz wesentlich stärker zum Tragen kommt [4]. Die Parameter Orientierung und Verglasungsart haben den größten Einfluss auf den sommerlichen Wärmeschutz, gefolgt vom Einfluss der thermischen Masse und, erst an vierter Stelle, vom Fensterflächenanteil. Hinsichtlich Einfluss auf den Energiebedarf aber liegen Fensterflächenanteil und Orientierung weit vor den übrigen Parametern [5]. Elisabeth Endres zieht aus ihren Studien Bilanz zur Frage „Wie wenig ist genug?“: „Die Vereinfachung der technischen Ausrüstung der Gebäude, eine Umstellung auf eine effektive Verteilung in Erstellung, Betrieb und Rückbau von regenerativ erzeugtem Strom in Arealnetzen, Änderungen hinsichtlich der Bezugsgrößen von ­Flächen auf die Bevölkerung als Pro-KopfEinheit sowie die Betrachtung gesamter Stoffkreisläufe bedürfen grundlegender Änderungen in Vorschriften, Normen und Gesetzen. Es wird nicht ausreichen, vereinzelt Verschärfungen vorzunehmen. Vielmehr ist es die Aufgabe der nächsten Jahre, ein radikales Umdenken in der Gesellschaft zu erreichen, gewohnte Prinzipien vollständig zu überdenken und die bestehende Normen- und Gesetzeslage zu vereinfachen. Nicht zuletzt liegt in der Beant­wortung der Frage ‚Wie wenig ist genug?‘ in Bezug auf die Normung und Gesetzgebung der Schlüssel zur ganzheitlichen Betrachtung und zum damit verbundenen Erfolg, die Strukturen entsprechend den Anforderungen der zukünftigen Gesellschaft anzupassen und zu gestalten.“ [6]

Strategien für Planung und Entwurf

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Parameter für robuste Architektur und Lowtech-Design Die Analyse realisierter Beispiele zeigt, dass viele Lösungen für einen reduzierten Technikeinsatz nicht erst neu erforscht werden müssen, oftmals reicht ein Blick zurück in die Anfangsjahre energiesparenden ­Bauens, bevor sich KlimaEngineering und KlimaDesign und technische Lösungen zur Gebäudeeffizienz verbreitet haben (siehe „Robuste Gebäudeplanung“, S. 72ff.). Erfahrungswissen zu passiven Strategien der Klimaregulierung ist insbesondere aber aus traditionellen Bautechniken oder autoch­ thonen Bauweisen bekannt. Eine Studie, die auf Basis einer Literaturanalyse dem Beitrag autochthoner Bauten zum klimagerechten Bauen nachgeht, kommt zu dem Schluss, dass diese nicht nur durch „einen schonenden Umgang mit Ressourcen“, sondern auch „durch die sensible Eingliederung in den geographischen und topographischen Kontext“ wertvolle und nachahmenswerte Erfahrungen liefern [7]. Die Aufarbeitung und wissenschaftliche Analyse dazu ist jedoch insbesondere im deutschsprachigen Raum noch unterrepräsentiert und entsprechend lückenhaft. Sehr wohl ist in der historischen Entwicklung aber auch wiederkehrend eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema einer klimaangepassten Bauweise zu beobachten. In der Diskussion um „Licht, Luft und Sonne“ und Formen „Neuen Bauens“ in den 1920er-Jahren setzte sich der Architekt ­Alexander Klein sehr früh mit der Frage auseinander, wie gute Besonnung, Belichtung und Belüftung im Wohnungsbau ermöglicht werden können. Dabei plädierte er für Gebäu­de­typen, die wirtschaftliche Ansprüche, aber gleichfalls gebäudeklimatische Anforderungen berücksichtigen. Die Ergebnisse seiner zahlreichen Besonnungs- und Belüftungsanalysen sowie seine Vorschläge zur pas­siven Klimaregulierung wären, aktualisiert durch heutige Mittel der Gebäude­ simulierung und aktuelle Klimadaten, eine spannende Grundlage für Lowtech-Design. Anhand von Beispielen legte er dar, wie etwa ein dreigeschossiges Wohngebäude für eine in Nord-Süd-Richtung orientierte Zeilenbebauung in unterschiedlichen Klima-

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zonen und Standorten ausgeführt sein müsste, um optimal auf die jeweils klimatischen Bedingungen zu reagieren (Abb. 5). Klein zeigt damit auch auf, dass eine gute Fassadengestaltung nicht nur aufgrund gestalterischer Aspekte, sondern aus klimatischen Anforderungen heraus zu entwickeln ist. [8] Ein wesentliches Kriterium für erfolgreiches Lowtech-Design ist die „integrale Planung“. In der Entwurfsphase werden grundlegende Entscheidungen hinsichtlich Gebäudeform, Orientierung, Grundrisstypologie und Öffnungsverhalten und daraus wirksame Faktoren bezüglich Ressourcen und Energieoptimierung festgelegt. Damit geraten im sonst üblichen Planungsablauf die allerdings erst nach dem architektonischen Entwurf erfolgenden Arbeitsschritte der Haustechnik in Konflikt. Gebäudetechnik- oder Energiefachleute können damit den Entwurf nur mehr reaktiv „gebäudetechnisch“ optimieren, nicht aber aktiv das Gesamtkonzept ener­getischer Anforderungen mitgestalten. Lowtech-Design erfordert auch in dieser Richtung ein Umdenken hin zu integraler und interdisziplinärer Planung bereits in der frühen Entwurfsphase. Abb. 6 listet die verschiedenen Potenziale für robuste Architektur und Lowtech-Design auf und verweist auf die entsprechenden Kapitel im Buch. Grundriss

Ostfassade

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Studien von Alexander Klein zu einem Wohngebäude und — je nach Klima — passiven Mitteln zur Anpassung (Grund­­riss- und Fassadengestaltung, Größe der Öffnungen, Raumhöhe), um ein ange­ neh­mes Innenraumklima zu erzeugen. Die unter­schiedlichen Standorte sind: a Haifa b Tel Aviv c Berlin d Oslo

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6 Potenziale für robuste Architektur und ­Lowtech-Design Planungsindikatoren

Lowtech-Kriterien (siehe Matrix S. 30f.)

robustes Design / Lowtech (Beispiele)

Standort und Form

ÖKOSYSTEM — Klima, Regeneration, Resilienz RESSOURCEN — Form, Energie, Kreislaufsysteme SUFFIZIENZ — Bedarfsminimierung, Flächenverbrauch, Nutzungsinten­ sität VERANTWORTUNG — Klimawandel­ anpassung, (Bau-)Kultur, Gerech­ tigkeit

• Geometrie des Baukörpers (siehe „Klima- und standortoptimierte Gebäudeform”, S. 40f.) • Orientierung zur maximalen Nutzung natürlicher Umweltressourcen (siehe „Sonnenhäuser”, S. 58ff.) • Gebäudeform zur Nutzung mikroklimatischer Gegebenheiten (siehe „Natürliche Lüftung”, S. 61ff.) • Ausrichtung und Orientierung in Abstimmung mit der natürlichen Umgebung (siehe „Vegetation, Begrünung und Kühlung”, S. 65ff.; „Naturbasierte Lösungen”, S. 48ff.) • geringe Bodenversiegelung (siehe „Umnutzung und Nachverdichtung”, S. 96f.; „Sanierungsstrategien und -konzepte für Bestands­gebäude”, S. 98ff.) • Vermeidung grauer Energie durch minimierten Aushub

Gebäudehülle

ROBUSTHEIT — Lebenszykluskosten, • speicherfähige (thermische) Masse (siehe „Bauen mit Masse”, S. 81ff.; Homogenität, Qualität „Klima- und standortoptimierte Gebäudeform”, S. 40f.; „Grundriss- und Temperaturzonierung”, S. 42f.) • Sonnenschutz, konstruktive Designstrategien (siehe „Klimasensitiv bauen”, S. 52ff.; „Einfach bauen”, S. 43f.; „Vegetation, Begrünung und Kühlung”, S. 65ff.) • solare Wärmegewinne (siehe „Sonnenhäuser”, S. 58ff.) • Tageslicht (siehe „Tageslicht”, S. 64f.)

Konstruktion

ROBUSTHEIT — Lebenszykluskosten, • robuste und kreislauffähige Baukonstruktion (siehe „Kreislauf- und Homogenität, Qualität wandlungsfähiges Bauen”, S. 46f.; „Traditionelle Bauweisen, Handwerk KREISLAUFFÄHIGKEIT — Nutzungsund Denkmalschutz”, S. 92ff.; „Lowtech-Komponenten zur Bauoptimieflexibilität, Rückbau, Dokumentation rung”, S. 94ff.) • Konstruktionsdetails (siehe „Einfach bauen”, S. 43f.; „Nutzeroptimierte Planung, Selbstbau und mitwachsende Häuser”, S. 44ff.) • passive Design- und Konstruktionsstrategien (siehe „Lowtech-Fokus: Entwurf, Konzept, System”, S. 38ff.; „Vegetation, Begrünung und Kühlung”, S. 65ff.)

Grundriss

SUFFIZIENZ — Bedarfsminimierung, Flächenverbrauch, Nutzungsinten­ sität

Material

ROBUSTHEIT — Lebenszykluskosten, • naturbelassene Materialien, Materialeigenschaften etc. (siehe „LowtechHomogenität, Qualität Fokus: Material”, S. 78ff.) GESUNDHEIT — natürliche Rohstoffe, • lokale Materialien, Vermeidung grauer Energie und Transporte (siehe Material, Mensch-Natur-Beziehung „Lowtech-Fokus: Material”, S. 78ff.)

System

ÖKOSYSTEM — Klima, Regeneration, • einfache Wirkprinzipien und suffiziente Auslegung der Systeme (siehe Resilienz „Fokus Gebäudetechnik”, S. 56ff.; „Einfach bauen”, S. 43f.; „Ökotech, RESSOURCEN — Form, Energie, Lowtech, Hightech”, S.9ff.; „Suffiziente Energieplanung”, S. 68ff.; Kreislaufsysteme „Robuste Gebäudeplanung", S. 72ff.; „Klima­sensitiv bauen”, S. 52ff.) EINFACHHEIT — Funktionalität, • Nutzung von Umgebungsbedingungen und Materialeigenschaften für Wartung, Bedienung einen effizienten Betrieb (siehe „Kreislauf- und wandlungsfähiges KREISLAUFFÄHIGKEIT — Nutzungs­ Bauen”, S. 46f.; „Sonnenhäuser”, S. 58ff., „Natürliche Lüftung”, S. 61ff.; flexibilität, Rückbau, Dokumentation „Vegetation, Begrünung und Kühlung”, S. 65ff.; „Lowtech-Fokus: Material”, S. 78ff.)

• Nutzungszonierung nach Temperaturbedarf (siehe „Grundriss- und Temperaturzonierung”, S. 42f.) • Mehrfachnutzung und Nutzungsflexibilität (siehe „Nutzeroptimierte Planung, Selbstbau und mitwachsende Häuser”, S. 44ff.; „Kreislauf- und wandlungsfähiges Bauen”, S. 46f.; „Umnutzung und Nachverdichtung”, S. 96f.)

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Strategien für Planung und Entwurf

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Elemente passiver Klimaregulierung Lowtech-Design setzt auf den direkten Nutzen von Umweltpotenzialen und damit auf möglichst passive Klimaregulierung. Damit das gelingt, sind grundlegende planerische Aspekte zu bedenken. Standort und Gebäudeform Das Gebäudekonzept unterliegt je nach Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klimaregion sehr unterschiedlichen Anforderungen. Während in der mitteleuropäischen Kontinentalklimazone der Wärmeschutz für die Wintermonate die Planungsstrategien prägt, sind Gebäude in mediterranen Klimazonen auf ein notwendiges Abschotten gegen Hitze und auf eine ausreichende Durchlüftung im Sommer ausgerichtet. Auf mikro­ klimatischer Ebene wirken sich Höhenlage, Windexposition, Häufigkeit von Nebel, Strahlungsangebot und Topografie auf das energetische Verhalten eines Gebäudes aus [9]. Mit der Wahl des Standorts werden bereits grundlegende Entscheidungspfade für das energetische Konzept vorgezeichnet. Eine klimasensitive Planung der Gebäudeform optimiert den Energiebedarf wesentlich (siehe „Klimasensitiv bauen“, S. 52ff.). Solar­strahlung für passive Energie- und Wärmegewinne, die Berücksichtigung der Windver­hältnisse als Basis eines natürlichen Lüftungskonzepts sowie deren Zusammen­ wirken mit Umgebungsvegetation, Grün-, Frei- und Wasserflächen als Elemente natürlicher Kühlung und Luftfeuchte sind umwelt­ effiziente Potenziale passiver Klimaregu­ lierung. Lowtech-Design ist gekennzeichnet durch natur- und biobasierte Kreisläufe bei der Gebäu­dever- und -entsorgung. Zugleich sind regenerative Maßnahmen als Ausgleich für bau­liche Eingriffe und als Beitrag zur Verbesserung des Ökosystems ein wesent­ liches Nach­haltigkeitsziel. Die Aufwertung der Mensch-Natur-Beziehung und das Schaffen von Möglichkeiten, die unberührte Natur direkt zu erleben, zählen ebenfalls zum ökologischen Ansatz von Lowtech-Design. Gebäudehülle Die Minimierung der Gebäudeoberfläche durch eine kompakte Gebäudeform kann

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bereits wesentlich zur Energieeffizienz ­beitragen. Je mehr Außenflächen ein Gebäude hat, desto größer auch der ­mögliche Transmissionswärmeverlust. ­Baukörper mit geringer Gebäudetiefe ermöglichen mehr Tageslichteintrag und begünstigen die natürliche Durch­ lüftung. Die Gebäudehülle ist einerseits ein maß­ geblicher Energiespeicher (thermische Masse) und andererseits Fläche für Wärmeund Energiegewinnung (transparente ­Flächen). Demnach sollten die einzelnen ­Fassaden je nach Standortgegebenheiten und Orientierung unterschiedlich gestaltet sein. Passive Maßnahmen der ­Temperierung, um Energie zu gewinnen oder einzusparen, wie transparente Bauteile, konstruktiver Sonnenschutz, natür­ liche Lüftung und Beschattung, sind ­essenzielle Bestandteile einer robusten Gebäudekonzeption. Gliederung, anteilige Anordnung und Ausrichtung von ­Speichermasse, Fensterflächenanteil und transparenten Flächen regulieren den Wärme­eintrag und schützt vor Überhitzung. Unterschiedliche Einstrahlwinkel der Sonne zwischen Sommer- und Winterhalbjahr in mitteleuropäischen Breiten­ graden lassen einen baulich-konstruk­ tiven Sonnenschutz einfach realisieren. Wie die verschiedenen Beispiele in Teil B – Analyse (siehe S. 37ff.) zeigen, sind aber selbst einfache Maßnahmen wie Vorhän­ ­ge dann ausreichend, wenn in der Planung die Gefahr der Überhitzung bereits berücksichtig wurde. Konstruktion Die in Bezug zum Standort gewählte Abfolge von massiven Bauteilen zur Wärmespeicherung und transparenten Flächen zur pas­ siven Solarenergienutzung bestimmt die wesentliche Grundkonstruktion eines auf Lowtech-Design beruhenden Gebäudekonzepts. Je nach Bauweise – Massiv-, Leichtoder Hybridbau – kann die Funktion des thermischen Speichers von Außen- und Innenwänden, Fußböden oder von Decken übernommen werden. Um die Wirkung einer Deckenoberfläche als Speichermasse zu verstärken und zur passiven Temperierung

auszudehnen, ist es möglich, die Absorp­ tionsfläche über ausgebildete Hohlräume, wie beispielsweise Rippen- oder Waben­ kon­struktionen zusätzlich zu vergrößern (Abb. 5 b, S. 82). Da wärmere Luft aufsteigt, beeinflusst auch die Raumhöhe den Wärmefluss. Hohe Räume eignen sich, um in tropischen oder subtro­pischen Klimazonen die warme Luft nach oben zu befördern. In Klimata mit höherem Heizbedarf gilt hingegen der umgekehrte Fall, d. h., die Gefahr von Wärmeverlusten durch hohe Räume, ist zu bedenken [10]. Konstruktive Baudetails und deren Aus­ führungsqualität bestimmen vielfach die Robustheit eines Gebäudes, aber auch die Möglichkeiten zur sortenreinen Trennung und Wiederverwendung einzelner Bauteile im Fall eines notwendig gewordenen Rückbaus. Ein sparsamer Umgang mit Ressourcen leitet darüber hinaus dazu an, Baukon­ struktionen nicht über-, sondern angemessen zu dimensionieren.

7 (auf S. 188/189) Funktionsprinzipien zur Nutzung für LowtechDesignstrategien

Grundriss Neben der Fassade kommt dem Grundriss und der funktionalen Gliederung im Inneren eine wichtige Funktion für passives Klima­ design zu. Grundrisszonierungen nach tages- und jahreszeitlichen Schwankungen ermöglichen ein schlankes Haustechnik­ konzept bzw. sogar den teilweisen Verzicht oder die Beschränkung auf die Beheizung mit einer manuell bedienbaren Wärmequelle. Außerdem sollten alle Räume natürlich zu belichten und zu belüften sein. Je nach Nutzung kommen unterschiedliche Anforderungen an Licht, Wärme und Tageslicht zum Tragen. Die Definition von Kern­ zonen, Pufferzonen und nach jahreszeitlicher Eignung genutzten Räume erlaubt unterschiedliche Temperaturniveaus entsprechend der Notwendigkeit. Durch Atrien lassen sich selbst tiefer liegende Gebäudeflächen mit natürlichem Tageslicht versorgen und natürliche Lüftungskonzepte ausführen. Eine bedarfsangepasste Grundrissplanung kann durch flexible Gestaltung oder Überlagerung von Nutzungen zusätzlich intensiviert werden. Flexible Grundrisse erlauben durch ihre Anpassungsfähigkeit die Nutzung über Genera­tionen hinweg.

Material Mit der Auswahl von Materialien nach ihren Lebenszykluskosten wird gleichzeitig der Anteil an grauer Energie mitberücksichtigt. Natürliche Materialien aus der Region wie Holz, Lehm oder pflanzliche Fasern benö­ tigen über den Lebenszyklus betrachtet erheblich geringere Energiemengen [11]. Das Vermeiden langer Transportwege durch die bevorzugte Auswahl regional verfüg­ barer Materialien, die Wiederverwendung bestehender Bausubstanz und recycelter Materialien sowie die Verwendung robuster und langlebiger Materialien erhöht den ­ökologischen Mehrwert. Positive Material­ eigenschaften und Einflüsse auf das Innenraumklima wie etwa hygroskopische Effekte von Lehm kommen zudem nur durch eine naturbelassene Oberfläche zur Wirkung. Weitere Aspekte sind eine möglichst homogene und ressourcenschonende sowie schadstofffreie Materialwahl, trennbare Materialverbindungen und ein auf den Bedarf reduzierter Materialeinsatz. System Die Anforderungen an das gebäudetechnische System lassen sich mit Einfachheit als primäres Ziel am besten charakterisieren. In einem auf Basis von Lowtech-Design­ prinzipien geplanten Gebäude ist davon auszugehen, dass durch die an den Standort angepasste Form und die Anwendung passiver klimaregulierender Maßnahmen gebäudetechnische Anlagen auf ein Minimum, etwa die Versorgung mit Strom und Wasser, reduziert sind. Hinzu kommt der Anspruch einer einfachen und benutzerfreundlichen Bedienung, Wartung und Instandhaltung. Unterstützt wird diese Anforderung durch eine möglichst offen zugängliche Leitungsführung und den Einbau von Standardkomponenten, die auch ohne Hinzuziehung von Fachpersonal einfach auszuwechseln sind. Zudem zählt die Regelung durch die Nutzenden zur wesentlichen Charakteristik eines konsequenten Lowtech-Designkonzepts – sei es durch Öffnen der Fenster zum Lüften oder zum Beheizen von Einzelöfen zur zusätzlichen Erwärmung in der kühleren Jahreszeit.

Strategien für Planung und Entwurf

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Baukomponenten und Potenziale

Funktionsprinzip

WÄRMEGEWINNE •  interne Wärmegewinne

Mensch, Licht, Geräte

•  passiv-solare Wärmegewinne

solare Direkteinstrahlung

solar aktivierte Bauteile

aktivierte Bauteile

zeitverzögerte Wärmeabgabe Kollektorfassade (Trombe-Wand, Luftkollektor, Fensterkollektor)

Solarkamin

Winter

Sommer

solare Pufferräume / Wintergarten

WÄRMESPEICHERUNG (Bauteile mit hoher Wärmespeicherkapazität / thermische Masse) • Massivbauteile (Wände, Decken, Fußböden) • Oberflächenbeschichtungen • Oberflächenvergrößerung

aktivierte Bauteile

zeitverzögerte Wärmeabgabe KÜHLUNG •  Verdunstungskühlung

Umgebungsvegetation

• Fassaden-, Innenraum-, Dach­begrünung • begrünte Überdachungen oder Bodenflächen

Wasserflächen, Brunnen oder ­Wassersprayer

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•  Nachtkühlung

Temperaturdifferenzen in Verbindung mit Speichermasse Nacht

Tag natürliche Querlüftung

Süd

Nord

thermische Effekte (Atrien, Kamineffekt)

Windtürme

(mechanisch/manuell öffenbare) Lüftungsflügel (z. B. Senkklappfenster)

SONNENSCHUTZ

Vegetation

konstruktiver Sonnen- / Wetterschutz vertikal (horizontal)

Pergolen

bewegliche Sonnenschutzelemente: Jalousien, Markisen, Fensterläden, Vorhänge, Rollos etc.

LUFTFEUCHTIGKEIT

• hygroskopische Materialien • Wasserflächen • Bepflanzung

BELEUCHTUNG /  TAGESLICHT

• tageslichtoptimierte Grundriss­planung • Fensterflächen • Atrien

7

Strategien für Planung und Entwurf

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8

Baukomponenten und Umweltpotenziale für Lowtech-Designstrategien Es wurden in der bisherigen Analyse zahlreiche Baukomponenten identifiziert, die ein Lowtech-Designkonzept unterstützen (siehe „Analyse”, S. 37ff.). Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zeigt Abb. 7 (S. 188f.) die wichtigsten Komponenten zusammengefassend aufgelistet und mit Funktionsprinzipien grafisch erläutert. Lowtech in Ausschreibung und Umsetzung Der Vergleich zwischen Lowtech-Kriterien und bewerteten Aspekten in Nachhaltigkeitszertifikaten lässt auch den Schluss zu, welche Punkte in der bisherigen Planungspraxis noch wenig beachtet werden (siehe „Bewertung”, S. 107ff.). Wird definitiv eine Lowtech-Bauweise gewünscht, so ist es wichtig, diese Punkte auch in der Ausschreibung entsprechend detailliert darzustellen und in der Bewertung von Angeboten zu berücksichtigen. Die Lowtech-Matrix (siehe S. 30f.) kann als Entscheidungsgrundlage dienen, um die Ziele zu präzisieren und entsprechende Schwerpunkte zu setzen. Ebenso können übergeordnete Ziele definiert und konkrete Vorschläge und Lösungsideen gefordert werden, wie diese Ziele, unter anderem mit geringstem Einsatz an Technik, zu erreichen sind. Ein vereinfachtes und auf signifikante Punkte reduziertes Anforderungsprofil sollte dennoch die wesentlichen ökologischen, ökonomischen, sozialen und partizipativen Kriterien berücksichtigen.

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8 Die Fassaden sind weitgehend verglast, erinnern jedoch mit ihrem Brisesoleil aus Holz an den Vorgängerbau. Umbau einer Scheune zur Bibliothek, Kressbronn (DE) 2018, Steimle Architekten

Zu den wichtigsten Punkten zählen: • standortbasierter und in Wechselwirkung mit der Umgebung optimierter ökologischer und ressourcenschonender Designansatz (lokale Ressourcen, Lebenszykluskosten, Minimierung graue Energie etc.) • reduziertes und auf den notwendigen Bedarf ausgerichtetes Gesamtkonzept (Konstruktionen, Materialien, Flächenbedarf, thermischer Komfort etc.) • einfache, möglichst robuste, auf passiven Komponenten, erneuerbaren Energien und natürlichen Kreislaufsystemen aufbauende, vorwiegend manuell zu bedienende Funktionsweisen (Heizung, Kühlung, Lüftung, Tageslicht) • hoher Qualitätsstandard in Hinblick auf Robustheit, Dauerhaftigkeit und Wiederverwendbarkeit aller Baukomponenten und Bautechniken • verantwortungsbewusste und in Hinblick auf Kreislauffähigkeit, Gesundheit und lange Nutzungsdauer gestaltete Auswahl sowie Einsatz von Materialien und Ressourcen (naturbelassene Materialien, Materialeigenschaften etc.) • partizipatives, auf Eigen- bzw. sozialer Verantwortung und regenerativen Nachhaltigkeitszielen aufbauendes Leitkonzept Lowtech-Design steht in seinem Anspruch nach Einfachheit mitunter im Widerspruch zu anerkannten Regeln der Technik, Normen oder Richtlinien. Dieser Punkt sollte im Vorfeld genau geprüft und gegebenenfalls unvereinbare Formulierungen in Vorbemer-

9 Sanierung eines Mehr­ fa­mi­lien­hauses, Casa di Luce, Bisceglie (IT) 2016, Pedone Working Studio. Solare Gewächshäuser und die geknickte Geo­ metrie der Fassade begünstigen Solareinstrahlung und vermeiden gleichzeitig Überhitzung im Sommer. Die innovative Anwendung von Hanfbeton und Tuffstein für Außenund Trennwände unterstützen ein optimiertes Innenraumklima.

Anmerkungen   [1] Sölkner u. a. 2014  [2]  Rüdi, Watter, Schürch 2016  [3]  Endres 2020  [4]  Endres 2019   [5] Endres 2017, S. 60   [6] wie Anm. 3, S. 80  [7]  Krause, Leistner, Mehra 2020, S. 184 –195   [8] Oswalt 1994, S. 55  [9]  ebd. [10] ebd. [11] Erber, RoßkopfNachbaur 2021 [12] ebd. [13] Brown u. a. 2018

9

kungen von Ausschreibungsunterlagen angepasst werden [12]. Je besser das Zusammenwirken und die Kommunikation unter den einzelnen Gewerken – oder auch mit den zukünftigen Nutzenden – in der Planung und Bauphase gelingt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Umsetzung der Ziele eines auf Lowtech-Prinzipien geplanten Gebäudekonzepts auch in der Realisierung Erfolg hat. Regenerative Designstrategien für eine klimapositive Zukunft Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, auch Brundtland-Kommission genannt, formulierte 1987 in ihrem Bericht jene bis heute breit anerkannte Definition der nachhaltigen Entwicklung: Nachhaltig ist eine Entwicklung, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“. In der Realität sind unsere wirtschaft­ liche Entwicklung und die Bauwirtschaft im Besonderen nur unzureichend an einer längerfristigen Regenerierung eines funktionierenden Ökosystems ausgerichtet. Der Bausektor trägt mit einem Anteil von 40 % bei Energie, Wasser, Kohlenstoff und Abfall in hohem Maß zum Klimawandel bei. Trotz Einigung auf verbindliche Klimaschutzziele und wiederholten Beteuerungen, mit mehr Nachdruck schädliche Einflüsse auf den Klimawandel zu minimieren, bleiben die tatsächlichen Fortschritte äußerst bescheiden.

Ein Paradigmenwechsel im Bauen erfordert demnach auch einen umfassenderen Nachhaltigkeitsansatz, der weniger den engen Fokus auf die „Energie-Performance“ eines Gebäudes ins Zentrum setzt, sondern aktiv dazu beiträgt, die Umwelt zu regenerieren und zu verbessern. Dazu wurden Ziele einer restaurativen und regenerativen Nachhaltigkeit definiert: „Restaurative Nachhaltigkeit“ zielt auf die Regenerierung eines sozial und ökologisch ausgewogenen und gesunden Ökosystems ab. Dies bedeutet in der Praxis, die Fähigkeit der gebauten Umwelt zu nutzen, um durch ihren Einfluss positiv auf Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität einzuwirken. Wesentlicher Eckpunkt ist dabei, die Verbindung der Menschen mit der Natur zu stärken. „Regenerative Nachhaltigkeit“ erweitert diese Forderung dahingehend, dass durch den regenerativen Designprozess nicht nur ausgewogene Ökosysteme erhalten werden, sondern darüber hinaus eine Verbesserung der Lebensqualität für biotische (lebende) und abiotische (chemische) Komponenten der Umwelt stattfindet. Regenerative Gebäude ergeben sich aus einem gesamtsystemischen Denkansatz zwischen physisch gebauter und natürlicher Umgebung, wie Ort, Wasser, Material, Energie, Pflanzen, Mikroben, Menschen und Kultur [13]. Viele der in diesem Buch dargestellten Beispiele zeigen, dass Lowtech-Design wesentlich stärker als herkömmliche energieeffi­ ziente Architektur, einem „regenerativen“ Designansatz folgt. Hinzu kommt die Idee, das Bauen vom Wachstums- und Effizienzparadigma abzukoppeln und entlang einer Kreislaufwirtschaft auszurichten, die die lokale Ebene stark einbezieht. Orte, Menschen, Ökologie und Kultur als Basis für den Entwurf, die Priorisierung menschlichen Handelns, Gesundheit und Verantwortungsbewusstsein gegenüber künftigen Genera­ tionen sowie das Ziel, mit dem lokalen wirtschaftlichen und natürlichen Ökosystem im Einklang zu stehen, schafft viele Voraussetzungen für eine klimapositive Zukunft.

Strategien für Planung und Entwurf

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Bildnachweis Allen, die durch Überlassung ihrer Bildvor­ lagen, durch Erteilung von Reproduktions­ erlaubnis und durch Auskünfte am Zustande­ kommen des Buches mitgeholfen haben, sagen Herausgeberin, Autorinnen, Autoren und Verlag aufrichtigen Dank. Sämtliche Zeichnungen in diesem Werk sind eigens angefertigt. Trotz inten­siver Bemühungen konnten wir einige Urheber der Abbildun­ gen nicht ermitteln, die Urheberrechte sind aber gewahrt. Wir bitten um dementspre­ chende Nachricht.

A EINFÜHRUNG S. 6  Philippe Samyn + Partners Lowtech — Utopie oder realistische Option? 1 aus: Rüedi, Andrea; Schürch, Peter; ­Watter, Jörg: Solararchitektur – Häuser mit solarem Direktgewinn. Zürich 2016, S. 23; www.faktor.ch/fachbuchreihe 2 a Susanne Völlm 2 b Susanne Völlm 3 a aus Detail 6/1992, S. 579 3 b aus Detail 6/1992, S. 580 4 a Matti Östilling / Lindman photography 4 b Åke E:son  Lindman / Lindman photo­ graphy 4 c Åke E:son  Lindman / Lindman photo­ graphy 5 a home4students/Barbara Mair 5 b Daniel Hawelka Fotografie 6 eigene Darstellung nach Luo, Maohui u. a.: The dynamics of thermal comfort expectations: The problem, challenge and impication. In: Building and Environ­ ment. Bd. 95, 2016, S. 322–329 doi:10.1016/j.buildenv.2015.07.015 7 a agsn 7 b agsn 8 eigene Darstellung nach Schnitzer, Ulrich; Meckes, Franz (Hrsg.): Schwarzwaldhäuser von gestern für die Landwirtschaft von morgen. Arbeitsheft des Landesdenkmal­ amts Baden-Württemberg. Stuttgart 1989 Das nachhaltige Lowtech-Gebäude 1 a Artan HOXHA 1 b Valdrin XHEMAJ 2 Edeltraud Haselsteiner 3 Edeltraud Haselsteiner 4 Edeltraud Haselsteiner 5 Edeltraud Haselsteiner 6 Peter Kytlica 7 a Lucas van der Wee 7 b Lucas van der Wee 8 Edeltraud Haselsteiner Bauen mit Naturbaustoffen und lokalen Ressourcen 1 GABRICAL / Gabrijela Obert 2 GABRICAL / Gabrijela Obert 3 GABRICAL / Gabrijela Obert

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B ANALYSE S. 36  Iwan Baan Lowtech-Fokus: Entwurf, Konzept, System 1 Kurt Hoerbst Entwurfsstrategien 1 a Ruiz Larrea y Asociados 1 b Ruiz Larrea y Asociados 1 c Ruiz Larrea y Asociados 2 ritchie*studio 3 a Grüne Erde GmbH 3 b Grüne Erde GmbH 4 eigene Darstellung nach Kazuhide Doi Architects 5 a Adrià Goula 5 b Adrià Goula 5 c Adrià Goula 6 www.solardecathlon.at 7 a Jakob Schoof 7 b Sebastian Schels / Pk. Odessa 8 a Philippe Ruault 8 b Philippe Ruault 9 a Rasmus Norlander 9 b Rasmus Norlander 9 c Rasmus Norlander 10 W. Koenig 11 a BeL Sozietät für Architektur 11 b Götz Wrage 11 c Veit Landwehr 12 a Barbara Bühler 12 b Barbara Bühler 13 a David Grandorge 13 b David Grandorge 14 Rasmus Hjortshoj 15 a Stijn Peolstra 15 b Stijn Peolstra Naturbasierte Lösungen 1 Robert Six rb6 2 a caitao /123RF.com 2 b syrnx / Alamy Stock Photo 3 TagTomat / Mads Boserup Lauritsen 4 Ramboll Studio Dreiseitl Singapore Klimasensitiv bauen 1 a eigene Darstellung nach www.stadtklimastuttgart.de, Sonnenstandsberechnung 1 b eigene Darstellung nach www.stadtklimastuttgart.de, Sonnenstandsberechnung 2 a Hertha Hurnaus 2 b Rauhs / WWFF 2 c Rauhs / WWFF Lowtech-Fokus: Gebäudetechnik 1 eigene Darstellung nach https://www. arkd.at/wp-content/uploads/2017/10/ solar.pdf 2 Edeltraud Haselsteiner Energiepotenziale der Umwelt 1 aus Sabady, Pierre Robert: BiosolarArchitektur. In: Werk — Archithese. Zeit­ schrift und Schriftenreihe für Architektur und Kunst. Band 65, 1978, Heft 19–20: Bilanz 78, S. 18 2 a eigene Darstellung nach https://rein­

berg.net/projekt/purkersdorf-winter­ gasse-53-wohnprojekt/#&gid=2&pid=2 2 b eigene Darstellung nach https://rein­ berg.net/projekt/purkersdorf-winter­ gasse-53-wohnprojekt/#&gid=2&pid=2 3 a by martin loosli, ch-lenk i.s. 3 b by martin loosli, ch-lenk i.s. 4 a Clément Guillaume 4 b Clément Guillaume 5 a Thermocollect 5 b Thermocollect 6 Gaston Wicky 7 a–c aus Hegger, Manfred u. a.: Energie Atlas. Nachhaltige Architektur. München 2007, S. 100, Abb. B 4.88 8 Darstellung nach Steele, James: An Architecture of People. The complete Works of Hassan Fathy. London 1997, S. 176 9 eigene Darstellung nach Oswalt, Philipp: Wohltemperierte Architektur: Neue Techniken des energiesparenden ­Bauens. Heidelberg 1994 10 a Peter Cook / View 10 b Arup Associates 11 a ATP / Thomas Jantscher 11 b ATP / Thomas Jantscher 11 c Passivhaus Institut 12 a atelier GROENBLAUW 12 b atelier GROENBLAUW 13 a Jasmin Schuller 13 b Jasmin Schuller 14 eigene Darstellung nach Pohl, Wilfried u. a.: Entwicklung eines „Lichtfängers“ für tageslichttransparente, hochenergieeffizi­ ente, mehrgeschossige Gebäude. End­ bericht. Berichte aus Energie- und Umweltforschung 22/2014. Wien 2013, S. 21 15 Paul Raftery / view / artur 16 Jørgen True 17 Adrià Goula 18 RATAPLAN 19 Christian Kandzia 20 Christian Flatscher Suffiziente Energieplanung 1 Schöberl & Pöll GmbH 2 TU Wien, Forschungsbereich Bauphysik, bearbeitet von Schöberl & Poll GmbH 3 a Schöberl & Pöll GmbH 3 b Schöberl & Pöll GmbH 3 c Schöberl & Pöll GmbH Robuste Gebäudeplanung 1 Jakob Schoof 2 a nach Transsolar Energietechnik GmbH 2 b Transsolar Energietechnik GmbH 3 a Sebastian Schels, Markus Lanz /  Pk. Odessa 3 b nach Transsolar Energietechnik GmbH 4 Sebastian Schels, Markus Lanz /  Pk. Odessa 5 a Sebastian Schels, Markus Lanz /  Pk. Odessa 5 b Sebastian Schels, Markus Lanz /  Pk. Odessa

6 a 6 b 6 c 7

Transsolar Energietechnik GmbH Transsolar Energietechnik GmbH Transsolar Energietechnik GmbH nach Transsolar Energietechnik GmbH

Lowtech-Fokus: Material Nachhaltige Baustoffwahl 1 a Kurt Hoerbst 1 b Kurt Hoerbst 2 a Nicolas Felder 2 b Nicolas Felder 2 c Rainer Retzlaff 3 a Jill Tate 3 b Jill Tate 4 a ATP / Florian Schaller 4 b ATP / Florian Schaller 4 c AllesWirdGut Architektur / Guilherme Silva Da Rosa 4 d AllesWirdGut Architektur / Guilherme Silva Da Rosa 5 a Ralph Feiner / feinerfotografie 5 b Ralph Feiner / feinerfotografie 6 a Eduard Hueber 6 b Eduard Hueber 7 a Beat Bühler 7 b Beat Bühler 7 c Beat Bühler 8 a Javier Callejas 8 b Andreas Herzog 8 c Alka Hingorani 9 Hiroyuki Hirai 10 Helene Hoyer Mikkelsen 11 a BarkowPhoto 11 b Ray Wang 12 a WASP 12 b WASP Kreislauffähiges Bauen und Sanieren 1 alchemia-nova nach Darstellung von Arup und anderen 2 a, b  alchemia-nova, nach Prinzipien Madaster, Building Circularity Passport, Drees & Sommer 3 Chris Cooper 4 Ossip van Duivenbode 5 PHOTOGRAPHIX — Sebastian Zachariah 6 a gugler* Rupert Pessl 6 b gugler* Rupert Pessl Lowtech-Fokus: Sanierung Umgang mit dem Bestand 1 a Lukas Schaller 1 b Lukas Schaller 2 a Stefan Müller-Naumann 2 b Stefan Müller-Naumann 2 c Stefan Müller-Naumann 3 a Ruinelli Associati Architetti 3 b Ruinelli Associati Architetti 3 c Ruinelli Associati Architetti 4 a eigene Darstellung nach Heiß, Daniel; Walser, Silvia; Ortler, Alexandra: Haus Zeggele in Silz. Energietechnische Sanierung eines historisch erhaltenswerten Wohngebäudes. Berichte aus Energieund Umweltforschung 6/2009. Hrsg. von BMVIT. Wien 2008 4 b Energie Tirol

5 a 5 b 5 c 6 7 a 7 b 7 c 8 9 10 11 12

Frédéric Druot Architecture Frédéric Druot Architecture Frédéric Druot Architecture Ignacio Martinez aus Detail green 1/2015, S. 52 Claudius Pfeifer Claudius Pfeifer digitalHub Aachen e. V. Markus Hauschild Christian Richters Hans Jürgen Landes Hans Jürgen Landes

Sanierungsstrategien und -konzepte für Bestandsgebäude 1 a ZRS Architekten Ingenieure 1 b Mila Hacke 2 a ZRS Architekten Ingenieure 2 b ZRS Architekten Ingenieure 2 c ZRS Architekten Ingenieure 3 Malte Fuchs 4 a Emmanuel Heringer 4 b Malte Fuchs 4 c Ziegert I Roswag I Seiler Architekten ­Ingenieure 4 d Ziegert I Roswag I Seiler Architekten ­Ingenieure 5 Ziegert I Roswag I Seiler Architekten ­Ingenieure 6 ZRS Architekten Ingenieure 7 ZRS Architekten Ingenieure 8 ZRS Architekten Ingenieure C BEWERTUNG S. 106  Beat Bühler Lowtech im Kontext internationaler Gebäudebewertungssysteme und Standards 1 Christian Richters 2 Edeltraud Haselsteiner 3 Edeltraud Haselsteiner 4 Gui Rebelo Gebäudebewertung und Lebenszyklusbetrachtung 1 Thomas Zelger, Ute Muñoz-Czerny, Bernhard Lipp 2 a Rupert Steiner 2 b Rupert Steiner 2 c © MAGK 2 d © MAGK 2 e E. Schwarzmüller 2 f E. Schwarzmüller 3 Thomas Zelger, Ute Muñoz-Czerny, Bernhard Lipp 4 Thomas Zelger, Ute Muñoz-Czerny, Bernhard Lipp 5 Rupert Steiner D  BEST PRACTICE S. 124  Rory Gardiner S. 126, 127  David Grandorge S. 128 oben, Mitte  Feilden Fowles S. 129  David Grandorge S. 131—135  Seraina Wirz S. 137—139  René Dürr S. 140—145  Sebastian Schels, Markus Lanz / Pk. Odessa

S. 146 —149  Architekten Scheicher S. 150 links, rechts  GrAT — Gruppe Angepasste Technologie S. 151  Architekten Scheicher S. 152  Brigida González S. 153  Brigida González S. 154  © Vitra, Foto: Eduardo Perez S. 155  Brigida González S. 157 oben  Roland Halbe S. 157 Mitte oben  Marc Doradzillo S. 157 Mitte unten  Emmanuel Dorsaz / Lehm Ton Erde Baukunst GmbH S. 157 unten  Emmanuel Dorsaz / Lehm Ton Erde Baukunst GmbH S. 158—159  Malte Fuchs S. 160 oben  Stefanie Heringer S. 160 unten  Ziegert I Roswag I Seiler Architekten ­Ingenieure S. 161 oben links  Ziegert I Roswag I Seiler Architekten ­Ingenieure S. 161 oben Mitte  Emmanuel Heringer S. 161 oben rechts  Emmanuel Heringer S. 161, Abb. 1–3 Ziegert I Roswag I Seiler Architekten ­Ingenieure S. 162  Malte Fuchs S. 163 Ziegert I Roswag I Seiler Architekten Ingenieure S. 164  Philipp Stäheli S. 166 links, rechts  Saikal Zhunushova S. 167 oben links  Philipp Stäheli S. 167 Mitte links  Saikal Zhunushova S. 167 oben rechts  Philipp Stäheli S. 167 unten  Philipp Stäheli S. 168—171  Peter Litvai S. 173  Rory Gardiner S. 174 alle  Mae Architects S. 175—177  Rory Gardiner E STRATEGIEN S. 178  Anna Stöcher Strategien für Planung und Entwurf 1 a Ivar Mjell 1 b aus Detail 6/2002, S. 758

2 a aus Detail 6/1974, S. 1051

2 b aus Detail 6/1974, S. 1051 3 a IBA Thüringen, Foto: Thomas Müller 3 b IBA Thüringen, Foto: Thomas Müller 4 C. F. Møller Architects 5 a–d  aus Klein, Alexander: Der Einfluss des Klimas auf die organische Gestaltung von Grundriß und Ansicht. In: Journal of the Association of Engineers & Archi­ tects, Bd. 5, Nr. Feb./März, 1942. zitiert in Oswalt, Philipp: Wohltemperierte Architektur. Neue Techniken des energiesparenden Bauens. Heidelberg 1994, S. 55 6 Edeltraud Haselsteiner 7 Edeltraud Haselsteiner; eigene Darstellung nach Manzano-Agugliaro, Francisco u. a.: Review of bioclimatic architecture strategies for achieving thermal comfort. In: Renewable and Sustainable Energy Reviews, Vol. 49, Sep. 2015, S. 736—755, doi: 10, 1016/j.rser.2015.04.095 8 Brigida González 9 Sergio Camplone

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Quellen VORWORT  [1]  Illich 1978 Illich, Ivan: Energie und Gerechtigkeit. In: Fortschrittsmythen. Hamburg 1978, S. 73–112  [2]  Rosa 2016 Rosa, Hartmut: Resonanz. Eine Soziolo­ gie der Weltbeziehung. Berlin 2016 A EINFÜHRUNG Lowtech — Utopie oder realistische Option?  [1]  Thurner 2020 Thurner, Stefan: Die Zerbrechlichkeit der Welt: Kollaps oder Wende. Wir haben es in der Hand. Wien 2020  [2]  Endres 2020 Endres, Elisabeth: Hightech versus ­Lowtech oder einfach nur robust?. In: Lowtech im Gebäudebereich: Fach­ symposium TU Berlin 17.05.2019. Bun­ desinstitut für Bau-, Stadt- und Raum­ forschung. Hrsg. vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Stand Januar 2020. Bonn 2020, S. 74 – 81  [3]  Santarius 2020 Santarius, Tilman: Die Folgen technik­ zentrierter Effizienzstrategien. In: Low­ tech im Gebäudebereich. Fachsympo­ sium TU Berlin 17.05.2019. Hrsg. vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Bonn 2020, S. 12–23  [4]  Hugentobler 2020 Hugentobler, Walter J.: Gesundheitliche Aspekte von Gebäudetechnik und Archi­ tektur. In: Lowtech im Gebäudebereich: Fachsymposium TU Berlin 17.05.2019. Hrsg. vom Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung. Stand Januar 2020. Bonn 2020, S. 24 –39  [5]  Oswalt 1994 Oswalt, Philipp: Wohltemperierte Archi­ tektur. Neue Techniken des energie­ sparenden Bauens. Heidelberg 1994   [6] Herzog u. a. 1996 Herzog, Thomas (Hrsg.); Kaiser, Norbert; Volz, Michael: Solar energy in architec­ ture and urban planning. Munich / New York 1996  [7]  Ritter 2014 Ritter, Voker: Vorstudie Nachhaltiges Low Tech Gebäude. Internationale Bodensee Konferenz (IBK) 2014   [8] Europäische Komission 24.02.2021 Europäische Komission: Eine klimaresi­ liente Zukunft aufbauen — eine neue ­EU-Strategie für die Anpassung an den Klimawandel. Pressemitteilung. Brüssel 24.02.2021 https://ec.europa.eu/commission/press­ corner/detail/de/ip_21_663 (letzter Zugriff 25.11.2021).   [9] Europäische Komission 11.12.2019 Europäische Komission: Der europäische Grüne Deal. Pressemitteilung. Brüssel 11.12.2019 https://ec.europa.eu/com­ mission/presscorner/detail/de/ ip_19_6691 (letzter Zugriff 25.11.2021)

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[10] Novy 2021 Novy, Andreas: Radiokolleg — Mangel und Überfluss. Österr. Radiobeitrag Ö1 01.12.2021 [11] Detail 5/1986 „Wohnregal“. Internationale Bauausstel­ lung Berlin im Rahmen des Programmes Experimenteller Wohnungs- und Städte­ bau. In: Detail 5/1986, S. 459–465 [12] umweltbundesamt.at Umweltbundesamt: Flächeninanspruch­ nahme. Wien 2020 www.umweltbundesamt.at/umweltthe­ men/boden/flaecheninanspruchnahme (letzter Zugriff 03.03.2022) [13] Biermayr u.  a. 2005 Biermayr, Peter; Schriefl, Ernst; Baumann, Bernhard u. a.: Maßnahmen zur Mini­ mierung von Reboundeffekten bei der Sanierung von Wohngebäuden (MARESI). Wien 2005 www.hausderzukunft.at/results.html/ id2791?active= (letzter Zugriff 26.07.2022) [14] wie Anm. 3 [15] Naboni 2018 Naboni, Emanuele: The Regenerative Sustainable Design of Modernist Nordic Houses. A Qualitative and Quantitative Comparison with Contemporary Cases. In: PLEA 2018: Smart and Healthy Within the Two-degree Limit: Proceedings of the 34th International Conference on Passive and Low Energy Architecture. Hong Kong 10.–12. Dezember 2018, S. 561–567 [16] nachhaltigwirtschaften.at Passivhaus goes Pop-up. https://nachhaltigwirtschaften.at/de/ hdz/news/2015/20151003-passivhausgoes-pop-up.php (letzter Zugriff 03.03.2022) [17] wie Anm. 3 [18] wie Anm. 3 [19] wie Anm. 3, S. 16 [20] Horx-Strathern, Zukunftsinstitut 2020 Horx-Strathern, Oona; Zukunftsinstitut (Hrsg.): Home Report 2021. Zukunft des Wohnens und Bauens. Frankfurt am Main 2020 [21] Brager, de Dear 2008 Brager, Gail S.; de Dear, Richard J.: His­ torical and Cultural Influences on Com­ fort Expectations. In: Cole, Raymond J.; Lorch, Richard: Buildings, Culture and Environment. Informing Local and Glo­ bal Practices. Hoboken 2008, S. 177–201 doi: 10.1002/9780470759066.ch11 [22] Haselsteiner 2021 Haselsteiner, Edeltraud: Gender Mat­ ters! Thermal Comfort and Individual Perception of Indoor Environmental Quality: A Literature Review. In: Andreucci, Maria Beatrice u. a. (Hrsg.): Rethinking Sustainability Towards a Regenerative Economy. Cham 2021, S. 169–200 doi: 10.1007/978-3-030-71819-0_9

Haselsteiner u. a. 2021 Haselsteiner, Edeltraud; Ferreira Silva, Marielle; Kordej-De Villa, Željka: Climatic, Cultural, Behavioural and Technical Influ­ ences on the Indoor Environment Quality and Their Relevance for a Regenerative Future. In: Andreucci, Maria Beatrice u. a. (Hrsg.): Rethinking Sus­tainability Towards a Regenerative ­Economy. Cham 2021, S. 201– 214 doi: 10.1007/978-3-030-71819-0_10 [23] Luo u. a. 2016 Luo, Maohui u. a.: The dynamics of ther­ mal comfort expectations: The problem, challenge and impication. In: Building and Environment, 95/2016, S. 322–329 doi: 10.1016/j.buildenv.2015.07.015 [24] Frontczak, Wargocki 2011 Frontczak, Monika; Wargocki, Pawel: Literature survey on how different factors influence human comfort in indoor envi­ ronments. In: Building and Environment, Bd. 46, Nr. 4, Apr. 2011, S. 922–937 doi: 10.1016/j.buildenv.2010.10.021 [25] Kim, de Dear 2012 Kim, Jungsoo; de Dear, Richard: Impact of different building ventilation modes on occupant expectations of the main IEQ factors. In: Building and Environ­ ment, Bd. 57, Nov. 2012, S. 184–193 doi: 10.1016/j.buildenv.2012.05.003 [26] iea.org World Energy Outlook 2021 www.iea.org/reports/world-energy-­ outlook-2021 (letzter Zugriff 6.12.2021) [27] Brown 2016 Brown, Martin: FutuREstorative: Working Towards a New Sustainability. London 2016 Haselsteiner u. a. 2021 Haselsteiner, Edeltraud u. a.: Drivers and Barriers Leading to a Successful Paradigm Shift toward Regenerative Neighborhoods. In: Sustainability, Bd. 13, Nr. 9, Art. Nr. 9, Jan. 2021 doi: 10.3390/su13095179 [28] Lyle 1996 Lyle, John Tillman: Regenerative Design for Sustainable Development. Hoboken 1996 [29] Wilson 1984 Wilson, Edward O.: Biophilia. Cambridge 1984 [30] Fromm 1974 Fromm, Erich: Anatomie der mensch­ lichen Destruktivität. Stuttgart 1974 [31] wie Anm. 4 [32] wie Anm. 4 [33] wie Anm. 4 [34] wie Anm. 4 [35] Kuhnert 1987 Kuhnert, Nikolaus: Moderne und Tradi­ tion. In: Arch+. Bd. 88,1987, S. 30 www.archplus.net/home/archiv/ausgabe/ 46,88,1,0.html (letzter Zugriff 26.07.2022) [36] Hanus, Radinger 2019 Hanus, Christian; Radinger, Gregor:

Denkmalpflege als Grundlage umweltund klimagerechten Bauens? In: Denk­ malpflege in Niederösterreich, Bd. 61, 2019, S. 6–10 [37] Hönger 2013 Hönger, Christian u. a.: Das Klima als ­Entwurfsfaktor. Architektur und Energie. Überarb. und erg. Neuaufl. Luzern 2013

Planung Umsetzung. Konstanz: Im Auf­ trag der Plattform Klimaschutz und Ener­ gie / Kommission Umwelt der Interna­ tionalen Bodensee-Konferenz IBK, 2021 Hausladen u. a., 2012, S. 8 Hausladen, Gerhard; Liedl, Petra; Saldanha, Michael: Klimagerecht Bauen: Ein Handbuch. Basel 2012

Das nachhaltige Lowtech-Gebäude  [1]  Daniels 2000 Daniels, Klaus: Low-Tech — Light-Tech — High-Tech. Building in the Information Age. 1. korr. Nachdruck. Basel u. a. 2000, S. 9   [2] Ritter 2014, S. 17 (wie Anm. 7, in Low­ tech – Utopie oder realistische Option?)   [3] Freitag u. a. 2021 Freitag, Charlotte u. a.: The real climate and transformative impact of ICT: A ­critique of estimates, trends, and regu­ lations. In: Patterns, Bd. 2, Nr. 9, 2021 doi: 10.1016/j.patter.2021.100340   [4] The Shift Projekt. https://theshiftproject.org/en/article/ unsustainable-use-online-video/ (letzter Zugriff 15.12.2021)  [5]  Obernosterer 2021 Obernosterer, Richard u. a.: Die CO2 ­neutrale Baustelle. Ein Beitrag zum Kli­ maschutz der österreichischen Bauwirt­ schaft. Berichte aus Energie-und Umwelt­ forschung 36/2021. BMK, Wien, 36, 2021 https://nachhaltigwirtschaften.at/resour­ ces/sdz_pdf/schriftenreihe-2021-37-co2neutrale-baustelle.pdf   [6] MD-Stadtbaudirektion Stadt Wien 2004 MD-Stadtbaudirektion der Stadt Wien. Richtlinen für eine umweltfreundliche Baustellenabwicklung — RUMBA. Leit­ faden Teil 1-3. Magistrat der Stadt Wien. Wien 2004   [7] wie Anm. 2   [8] Schneider, Böck, Mötzl 2011 Schneider, Ursula; Böck, Margit; Mötzl, Hildegund: recyclingfähig konstruieren. Hrsg. vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie. Wien 2011  [9]  nachhaltigkeit.info Lexikon der Nachhaltigkeit. www.nachhaltigkeit.info/artikel/nach­ haltigkeitsdreieck_1395.htm (letzter Zugriff 26.07.2022). [10] nachhaltig­wirtschaften.at Lehm — Passiv Bürohaus Tattendorf. https://nachhaltigwirtschaften.at/de/ hdz/projekte/lehm-passiv-buerohaustattendorf.php (zugegriffen 03.03.2022) [11] Detail 6/2021 Rückbaubares Bürohaus in Delft, cepezed. In: Detail 6/2021, S. 74–81

Entwurfsstrategien   [1] Hönger u. a. 2013, S. 9 (wie Anm. 1 in Lowtech-Fokus Entwurf, Konzept, System)   [2] Nagler u. a. 2018 Nagler, Florian u. a.: Einfach Bauen, 2018. https://mediatum.ub.tum.de/ 1482035 (letzter Zugriff 18.02.2022)  [3] BauNetz 2021 Holz, Beton oder Ziegel? — Drei For­ schungshäuser von Florian Nagler ­Architekten in Bad Aibling. In: BauNetz, 26.03.2021 www.baunetz.de/meldungen/Meldun­ gen-Drei_Forschungshaeuser_von_­ Florian_Nagler_Architekten_in_Bad_ Aibling_7563859.html (letzter Zugriff 18.02.2022)   [4] Detail 5/1986 „Wohnregal“. Internationale Bauausstel­ lung Berlin im Rahmen des Programmes ‚Experimenteller Wohnungs- und Städte­ bau‘. In: Detail 5/1986, S. 459– 465  [5] Detail 9/2020 Schoof, Jakob: Areal Erlenmatt Ost in Basel. In: Detail 9/ 2020, S. 34–51   [6] Schneider, Böck, Mötzl 2011 Schneider, Ursula; Böck, Margit; Mötzl, Hildegund: recyclingfähig konstruieren. Hrsg. vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie. Wien 2011  [7] Detail 6/2021 Schoof, Jakob: Ziegelpatchwork für den Klimaschutz: Resource Rows in Kopen­ hagen. In: Detail 6/2021, S. 60–64

B ANALYSE Lowtech-Fokus: Entwurf, Konzept, System   [1] Hönger u. a. 2013 Hönger, Christian; Brunner, Roman; Menti, Urs-Peter; Wieser, Christoph: Das Klima als Entwurfsfaktor: Architektur und Energie. Luzern 2013, S. 9  [2]  ebd.   [3] Erber und Roßkopf-Nachbaur 2021 Erber, Sabine; Roßkopf-Nachbaur, ­Thomas: Low-Tech Gebäude. Prozess

Naturbasierte Lösungen   [1] Kisser u. a. 2020 Kisser, Johannes u. a.: A review of naturebased solutions for resource recovery in cities. In: Blue-Green Systems 2/2020, S. 138–172, doi: 10.2166/bgs.2020.930   [2] Quaranta, Dorati, Pistocchi 2021 Quaranta, Emanuele; Dorati, Chiara; Pistocchi, Alberto: Water, energy and cli­ mate benefits of urban greening throug­ hout Europe under different climatic scenarios. In: Scientific Reports 11/2021. Art.-Nr.12163   [3] European Commission, 2021. The EU and nature-based solutions. NatureBased Solutions. https://ec.europa.eu/ info/research-and-innovation/researcharea/environment/nature-based-solu­ tions_en (letzter Zugriff 13.12.2021)  [4] wie Anm.2  [5] Pearlmutter 2020 Pearlmutter, David u. a.: Enhancing the circular economy with nature-based solutions in the built urban environment: green building materials, systems and sites. In: Blue-Green Systems 2, 2020, S. 46–72; doi: 10.3390/ w1322315310.2166/bgs.2019.928

 [6] GRÜNSTATTGRAU 2021. Technik. ­Fassadenbegrünung. https://gruenstattgrau.at/urban-gree­ ning/technik/#fassadenbegruenung (letzter Zugriff 14.12.2021)  [7] Mickovski 2021 Mickovski, Slobodan B.: Re-Thinking Soil Bioengineering to Address Climate Change Challenges. In: Sustainability 13, 2021. Art.-Nr. 3338. doi: 10.3390/su13063338   [8] van Hullebusch u. a. 2021 van Hullebusch, Eric D. u. a.: NatureBased Units as Building Blocks for Resource Recovery Systems in Cities. In: Water 13, 2021. Art.-Nr. 3153. doi: 10.3390/w13223153   [9] Gynther u. a. 2016 Gynther, Lea; Lapillone, Bruno; Pollier, Karine: Energy Efficiency Trends and Policies in the Household and Tertiary Sectors. An Analysis Based on the ODYSSEE and MURE Databases. Juni 2015 [10] wie Anm. 2 [11] Buchin 2016 Buchin, Oliver u. a.: Evaluation of the health-risk reduction potential of coun­ termeasures to urban heat islands. In: Energy and Buildings 114/2016, S. 27–37 doi: 10.1016/j.enbuild.2015.06.038 [12]  wie Anm. 4 [13] wie Anm. 4 [14] Wirth u. a. 2021 Wirth, Maria u. a.: Potential Nutrient Conversion Using Nature-Based Solu­ tions in Cities and Utilization Concepts to Create Circular Urban Food Systems. In: Circular Economy and Sustainability 1/2021, S. 1147–1164 doi: 10.1007/s43615-021-00081-6 [15] Stadt Wien 2020 Stadt Wien (Hrsg.): Fassadenbegrünung. Antworten auf die häufigsten Fragen. Wien 2020; www.wien.gv.at/umwelt­ schutz/raum/pdf/fassadenbegruenungantworten.pdf (letzter Zugriff 14.12.2021) [16] Zevenbergen, Fu, Pathirana 2018 Zevenbergen, Chris; Fu, Dafang; Pathi­ rana, Assela: Transitioning to Sponge Cities: Challenges and Opportunities to Address Urban Water Problems in China. In: Water 10 (9), 2018, S. 1230 doi: 10.3390/w10091230 [17] State of Green 2019 State of Green: 12 Examples of ClimateResilient City Solutions. 14.02.2017 2019 updated on 6/27/2019?, https://stateofgreen.com/en/partners/ state-of-green/news/12-examples-of-­ climate-resilient-city-solutions/ (letzter Zugriff 02.03.2022) [18] wie Anm. 15 Lowtech-Fokus: Gebäudetechnik Energiepotenziale der Umwelt  [1] Sabady 1978 Sabady, Pierre Robert: Biosolar-Archi­ tektur. In: Werk — Archithese : Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur und Kunst, Bd. 65, Nr. 19–20/1978, S. 18–20

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  [2] Sölkner u. a. 2014 Sölkner, Petra Johanna u. a.: Innovative Gebäudekonzepte im ökologischen und ökonomischen Vergleich über den Lebenszyklus. Schriftenreihe Berichte aus Energie- und Umweltforschung 51/2014, Wien 2014 (letzter Zugriff 29.11.2021) https://nachhaltigwirtschaften.at/ resources/hdz_pdf/berichte/endbe­ richt_1451_innovative_gebaeude­ konzepte.pdf?m=1469660917&  [3]  Detail 7-8/2014 Wohnungsbau in Paris. In: Detail 7-8/2014, S. 722–725   [4] Thermocollect — Aktive Energiefassade mit direkter Nutzung der Sonnenstrah­ lung zur Raumheizung. https://nach­ haltigwirtschaften.at/de/hdz/projekte/ thermocollect-aktive-energiefassademit-direkter-nutzung-der-sonnenstrah­ lung-zur-raumheizung.php (letzter Zugriff 08.03.2022)   [5] Detail Green 1/2009 Haupsitz der Marché-Restaurants. ­Nullenergiearchitektur in der Schweiz. In: Detail Green 1/2009, S. 34–39  [6]  Oswalt 1994 Oswalt, Philipp: Wohltemperierte Architektur. Neue Techniken des energie­sparenden Bauens. Heidel­ berg 1994  [7]  Detail 6/2002 Bürogebäude in Solihull. In: Detail 6/2002, S. 772–776  [8]  BIGMODERN 2015 BIGMODERN — Demonstrationsprojekt Universität Innsbruck, Fakultät für Bau­ ingenieurwesen — Bauliche Umsetzung. https://nachhaltigwirtschaften.at/de/ hdz/projekte/bigmodern-subprojekt9-demonstrationsprojekt-universitaetinnsbruck-fakultaet-fuer-bauingenieur­ wesen-bauliche-umsetzung.php (letzter Zugriff 09.03.2022)   [9] Detail Green 2/2015 Sanierung zweier Fakultätsgebäude in Innsbruck. In: Detail Green 2/2015, S. 44–51 [10] Pohl u. a. 2014 Pohl, Wilfried u. a.: Entwicklung eines „Lichtfängers“ für tageslichttransparente, hochenergieeffiziente, mehrgeschoßige Gebäude. Berichte aus Energie- und Umweltforschung Nr. 22/2014, BMVIT. Wien 2014 http://www.hausderzukunft.at/results. html/id7611 (letzter Zugriff 26.07.2022) [11] Haselsteiner 2011 Haselsteiner, Edeltraud: plusFASSADEN. Internationaler Know-how- und Wissen­ stransfer über „intelligente Fassaden­ systeme“. Bd. 50. bmvit, Wien 2011 https://nachhaltigwirtschaften.at/de/ hdz/projekte/plusfassaden-internatio­ naler-know-how-und-wissenstransferueber-intelligente-fassadensystemefuer-oesterreichische-akteurinnen-undkompetenztraegerinnen.php [12] Detail 4/2015 Studentenwohnheim in Sant Cugat del Vallès. In: Detail 4/2015, S. 316–321

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Suffiziente Energieplanung   [1] Rosenberger u. a. 2013 Rosenberger, Robert u. a.: Entwicklung des ersten rechtssicheren Nachweisver­ fahrens für Plusenergiegebäude durch komplette Überarbeitung der ÖNOR­ MEN (No. 6), Berichte aus Energie- und Umweltforschung. bmvit, Wien 2013  [2] Passivhaus-Datenbank des Passivhaus Instituts Passivhaus Institut GmbH: https://passivehouse-database.org/ #d_3995; (letzter Zugriff 02.05.2022) Robuste Gebäudeplanung   [1] Statistisches Bundesamt 2021 Statistisches Bundesamt (Destatis): Bauen und Wohnen. Baugenehmigungen /Bau­ fertigstellungen von Nichtwohngebäuden (Neubau). Wiesbaden 2021, https://www. destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unter­ nehmen/Bauen/Publikationen/Down­ loads-Bautaetigkeit/baugenehmigungenneubau-pdf-5311105.pdf?__blob=public ationFileFileblob=publicationFile Lowtech-Fokus: Material Nachhaltige Baustoffwahl  [1] Pichlmeier 2019 Pichlmeier,Franziska: Ressourceneffi­ zienz im Bauwesen, VDI Zentrum Res­ sourceneffizienz. Berlin 2019  [2]  www.energiezukunft.eu CO2-Emissionen im Bausektor: Zement­ produktion kann klimafreundlicher wer­ den. In: energiezukunft. Das Portal für Erneuerbare Energien und die bürger­ nahe Energiewende, am 07.09.2021 www.energiezukunft.eu/bauen/zement­ produktion-kann-klimafreundlicher-­ werden/ (letzter Zugriff 16.03.2022)   [3] Hegger u. a. 2007 Hegger, Manfred u. a.: Energie Atlas. Nachhaltige Architektur. München 2007  [4] nachhaltigwirtschaften.at „oh 456 — Energieautarkes PlusenergieDienstleistungsgebäude oh456“. https://nachhaltigwirtschaften.at/de/ hdz/projekte/oh-456-energieautarkesplusenergie-dienstleistunsgebaeudeoh456.php (letzter Zugriff 16.03.2022)  [5] Detail 3/2016 Gemeindezentrum in London. In: Detail 3/2016, S. 132—134  [6] Haselsteiner 2011 Haselsteiner, Edeltraud: plusFASSADEN. Internationaler Know-how- und Wissens­ transfer über „intelligente Fassaden­ systeme“ für österreichische AkteurInnen und KompetenzträgerInnen. Bd. 50/2011. Hrsg. vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). Wien 2011 https://nachhaltigwirtschaften.at/de/hdz/ projekte/plusfassaden-internationalerknow-how-und-wissenstransfer-ueberintelligente-fassadensysteme-fuer-­ oesterreichische-akteurinnen-und-kom­ petenztraegerinnen.php   [7] Zement + Beton 2016 Zement + Beton Handels- u. Werbeges. m.H, Energiespeicher Beton. Thermische Bauteilaktivierung. bmvit, VZÖ, Wien 2016

 [8] Luchsinger 1998 Luchsinger, Christoph: High-Tech als Low-Tech: Schulanlage Vella GR. In: Werk, Bauen + Wohnen, Bd. 85, 1-2/1998, S. 30–36   [9] Detail Green 1/2014 Ferienhaus auf Laeso. Ressourcen des Meeres. In: Detail Green 1/2014, S. 38–45 [10] Detail 6/2015 Pavillon MoMA PS1 in New York. In: Detail 6/2015, S. 571–573 Kreislauffähiges Bauen und Sanieren   [1] Rios Cruz, Grau 2019 Rios Cruz, Fernanda; Grau, David: 2019. Circular Economy in the Built Environ­ ment: Designing, Deconstructing, and Leasing Reusable Products. S. 338–343 doi: 10.1016/B978-0-12-8035818.11494-8   [2] Zhang u.a. 2020 Zhang, Chunbo u. a.: Upgrading con­ struction and demolition waste manage­ ment from downcycling to recycling in the Netherlands. In: Journal of Cleaner Production 266, 2020, Art.-Nr. 121718 doi: 10.1016/j.jclepro.2020.121718   [3] Rahla, Mateus, Bragança 2021 Rahla, Kamel Mohamed; Mateus, Ricardo; Bragança, Luís: Selection Crite­ ria for Building Materials and Compo­ nents in Line with the Circular Economy Principles in the Built Environment – A Review of Current Trends. In: Infrastruc­ tures 6 (4)/2021, S. 49 doi: 10.3390/infrastructures6040049  [4] Elias-Özkan 2002 Elias-Özkan, Soofia Tahira: An Overview of Demolition, Recovery, Reuse and Recycling practices in Turkey. In: Design for Deconstruction and Materials Reuse – CIB Publication 272, 2002   [5] Kanters, Jouri 2018 Kanters, Jouri: Design for Deconstruc­ tion in the Design Process: State of the Art. In Buildings 8 (11)/2018, S. 150 doi: 10.3390/buildings8110150   [6] Chini, Buck 2014 Chini, Abdol; Buck, Ryan: Barriers for Deconstruction and Reuse/Recycling of Construction Materials in USA. In: CIB Publication 397/2014   [7] Bertino u. a. 2021 Bertino, Gaetano u. a.: Fundamentals of Building Deconstruction as a Circular Economy Strategy for the Reuse of Con­ struction Materials. In: Applied Sciences Nr. 3, 11/ 2021, S. 31 doi: 10.3390/app11030939   [8] Generalova, Generalov, Kuznetsova 2016 Generalova, Elena M.; Generalov, Viktor P.; Kuznetsova, Anna A.: Modular Build­ ings in Modern Construction. In Procedia Engineering 153, 2016, S. 167–172 doi: 10.1016/j.proeng.2016.08.098   [9] Hart u. a. 2019 Hart, Jim u. a.: Barriers and drivers in a circular economy: the case of the built environment. In: Procedia CIRP 80, 2019, S. 619–624 doi: 10.1016/j.procir.2018.12.015

[10] Bertino u. a. 2019 Bertino, Gaetano u. a.: Framework ­Conditions and Strategies for Pop-Up Environments in Urban Planning. In: ­Sustainability 11 (24), 2019, S. 30 doi: 10.3390/su11247204 [11] Acharya, Boyd, Finch 2020 Acharya, Devni; Boyd, Richard; Finch, Olivia: From Principles to Practices: ­Realising the value of circular economy in real estate. ARUP, Ellen MacArthur Foundation 2020 [12] Madaster 2022 Madaster: Home — Madaster. https://madaster.com/ (letzter Zugriff 02.03.2022) [13] Jackson, Livingston 2001 Jackson, Mark; Livingston, Dennis: ­Building A Deconstruction Company: A Training Guide For Facilitators and Entrepreneurs. Washington, DC, Insti­ tute For Local Self-Reliance. 2001 [14] Changelab! 2020 CHANGELAB!: Building Circularity Passport – CHANGELAB! Karlsruhe 2020 http://changelab.exchange/buildingcircularity-passport/ (letzter Zugriff 02.03.2022) [15] wie Anm. 7 [16]  Bohne, Wærner 2014 Bohne, Rolf André; Wærner, Eirik: Barri­ ers for Deconstruction and Reuse/Recy­ cling of Construction Materials in Norway. CIB Publication 397, 2014, S. 89–107 [17] Akinade u. a. 2015 Akinade, Olugbenga O. u. a.: Waste minimisation through deconstruction: A BIM based Deconstructability Assess­ ment Score (BIM-DAS). In: Resources, Conservation and Recycling, 105, 2015, S. 167–176 doi: 10.1016/j.resconrec.2015.10.018 [18] Minunno u. a. 2020 Minunno, Roberto u. a.: Exploring envi­ ronmental benefits of reuse and recycle practices: A circular economy case study of a modular building. In: Resour­ ces, Conservation and Recycling, 160, 2020, S. 104855 doi: 10.1016/j.resconrec.2020.104855 [19] wie Anm. 7 [20] Pedersen Zari 2014 Pedersen Zari, Maibritt: Overcoming the Barriers to Deconstruction and Materials Reuse in New Zealand. In: Proceedings Deconstruction and Materials Reuse Conference, Gainsville, Florida, USA 2014 [21] wie Anm. 9 [22] Gepts u. a. 2019 Gepts, Bieke u. a.: Existing databases as means to explore the potential of the building stock as material bank. In: IOP Conference Series: Earth and Environ­ mental Science 225, 2019 doi: 10.1088/1755-1315/225/1/012002 [23] te Dorsthorst, Kowalczyk 2002 te Dorsthorst, Bart, J.H.; Kowalczyk, Ton: Design for recycling. In: Design for Deconstruction and Materials Reuse – CIB Publication 272, 2002 [24] wie Anm. 6

[25] Carra, Magdani 2017 Carra, Guglielmo; Magdani, Nitesh: ­Circular Business Models for the Built Environment. ARUP, BAM, 2017 [26] Sánchez Cordero; Gómez Melgar; Andújar Márquez 2020 Sánchez Cordero, Antonio; Gómez ­Melgar, Sergio; Andújar Márquez, José Manuel: Green Building Rating Systems and the New Framework Level(s): A ­Critical Review of Sustainability Certifica­ tion within Europe. In: Energies 13 (1), 2020, S. 66, doi: 10.3390/en13010066 [27] Europäische Kommission https://ec.europa.eu/energy/sites/ener/ files/eu_renovation_wave_strategy.pdf [28] Europäische Kommission: Annex to the Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Eco­nomic and Social Committee and the Committee of the Regions: A Renovation Wave for Europe — greening our buildings, crea­ ting jobs, improving lives. COM(2020) 662 final. Brüssel, 14.10.2020 https://ec.europa.eu/energy/sites/ener/ files/renovation_wave_strategy_-_ annex.pdf [29] New European Bauhaus 2022 New European Bauhaus: New European Bauhaus: beautiful, sustainable, together. 2022; https://europa.eu/ new-european-bauhaus/index_en (letzter Zugriff 02.03.2022) [30] Verordnung (EU) 2020/852 Verordnung (EU) 2020/852 des Europäi­ schen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Ver­ ordnung (EU) 2019/2088 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/ EN/TXT/?uri=CELEX:32020R0852 [31] EU Taxonomy Compass 2022 Europäische Kommission 2022: EU Taxo­ nomy Compass. https://ec.europa.eu/ sustainable-finance-taxonomy/tool/ index_en.htm (letzter Zugriff 02.03.2022) [32] BGBl. II Nr. 290/2016 https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/ II/2016/290 [33] Richtlinie 2008/98/EG Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien https://eur-lex.europa.eu/legal-content/ EN/TXT/?uri=CELEX:020 08L0098-20180705 [34] Environment 2022 Environment: Construction and demoli­ tion waste. 2022 https://ec.europa.eu/environment/ topics/waste-and-recycling/constructionand-demolition-waste_en, (letzter Zugriff 02.03.2022) [35] ISO 14  025:2006 Environmental labels and declarations — Type III environmental declarations — Principles and procedures [36] wie Anm. 26

Lowtech-Fokus: Sanierung Umgang mit dem Bestand  [1] BBSR und Waltersbacher, Neubrand, Schürt 2020 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raum­ forschung (BBSR) im Bundesamt für Bau­ wesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.), Waltersbacher, Matthias; Neubrand, Eva; Schürt, Alexander: Künftige Woh­ nungsleerstände in Deutschland: regio­ nale Besonderheiten und Auswirkungen (Stand Oktober 2019). Bonn 2020  [2] nachhaltigwirtschaften.at Sanierung ökologischer Freihof Sulz. https://nachhaltigwirtschaften.at/de/ hdz/projekte/sanierung-oekologischerfreihof-sulz.php (letzter Zugriff 25.03.2022).  [3] Detail 12/2012 Wohnhaus in Soglio. In: Detail 12/2012, S. 1412–1416  [4] nachhaltigwirtschaften.at Haus Zeggele in Silz. https://nachhaltig­ wirtschaften.at/de/hdz/projekte/hauszeggele-in-silz.php (letzter Zugriff 25.03.2022)   [5] Lorbek, Stosch 2003 Lorbek, Maja; Stosch, Gerhild: Architek­ turhistorisch differenzierte, energetische Sanierung. Berichte aus Energie- und Umweltforschung 28/2003. Hrsg. v. bmvit. Wien 2003; https://nachhaltig­ wirtschaften.at/resources/hdz_pdf/end­ bericht_stosch.pdf (letzter Zugriff 03.05.2022)   [6] Lorbek, Stosch u. a. 2005 Lorbek, Maja; Stosch, Gerhild u. a.: Kata­ log der Modernisierung. Berichte aus Energie- und Umweltforschung 15/2005 Hrsg. v. bmvit. Wien 2005 https://nachhaltigwirtschaften.at/resour­ ces/hdz_pdf/endbericht_modernisie­ rung_id3512.pdf?m=1646386494& (letzter Zugriff 03.05.2022)   [7] Hülsmeier, Petzinka In: Detail 6/2001 Hülsmeier, Frank; Petzinka, Karl-Heinz: Sanierung der Gebäudehülle. In: Detail 6/2001, S. 1084–1094  [8] Bathen 2022 Bathen, Anette: Kreative und gemein­ schaftliche Kirchenumnutzungen | Urbane Produktion.ruhr“. am 11. Januar 2022 https://urbaneproduktion.ruhr/kreativeund-gemeinschaftliche-kirchenumnut­ zungen/ (letzter Zugriff 25.03.2022)  [9] Detail 5/2014 Fisch, Rainer: Kirchenumnutzung — sakral profan suboptimal. In: Detail 5/2014, S. 398–404 Sanierungsstrategien  [1] Wilke 2013 Wilke, Sibylle: Bauabfälle. Umweltbun­ desamt. Dessau-Roßlau 2013. www.umweltbundesamt.de/daten/res­ sourcen-abfall/verwertung-entsorgungausgewaehlter-abfallarten/bauabfaelle (letzter Zugriff 17.02.2021)   [2] Auer, Franke 2020 Auer, Thomas; Franke, Laura: Robuste Architektur. In: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.), Low-

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tech im Gebäudebereich: Fachsympo­ sium TU Berlin 17.05.2019, Schriften­ reihe Zukunft Bauen: Forschung für die Praxis. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Bonn 2020, S. 40–52 Klinge 2020 Klinge, Andrea: Weniger Technik — mehr Gesundheit. In: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.): Low­ tech im Gebäudebereich: Fachsympo­ sium TU Berlin 17.05.2019, Schriften­ reihe Zukunft Bauen: Forschung für die Praxis. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Bonn 2020, S. 82–97 C BEWERTUNG Lowtech im Kontext internationaler Gebäude­ bewertungssysteme und Standards [1] Global Status Report 2017 UN Environment and International Energy Agency: Towards a zero-emission, efficient, and resilient buildings and con­ struction sector. Global Status Report 2017; www.worldgbc.org/news-media/ global-status-report-2017 (letzter Zugriff 02.02.2021) [2] Brown u. a. 2018 Brown, Martin u. a.: Sustainability, Resto­ rative to Regenerative. An exploration in progressing a paradigm shift in built environment thinking, from sustainability to restorative sustainability and on to regenerative sustainability. Hrsg. v. COST Action CA16114 RESTORE, Wien 2018. www.eurestore.eu/wp-content/ uploads/2018/ 05/RESTORE_booklet_ print_END.pdf (letzter Zugriff 01.05.2021) Cole 2012 Cole, Raymond J.: Regenerative design and development: current theory and practice. In: Building Research & Infor­ mation, Bd. 40, Nr. 1, 2012, S. 1–6 doi:10.1080/09613218.2012.617516 Reed 2007 Reed, Bill: Shifting from ‘sustainability’ to regeneration. In: Building Research & Infor­ mation Bd. 35, Nr. 6, 2007, S. 674–680 doi: 10.1080/09613210701475753 [3] Endres 2020 Endres, Elisabeth: Hightech versus Low­ tech oder einfach nur robust?. In: Low­ tech im Gebäudebereich: Fachsympo­ sium TU Berlin 17.05.2019. Bundesinsti­ tut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Hrsg. vom Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung. Stand Jan. 2020. Bonn 2020, S. 74–81 [4] Daniels 2000 Daniels, Klaus: Low-Tech — Light-Tech — High-Tech. Building in the Information Age. 1. korr. Aufl.. Basel u. a. 2000, S. 218 [5] Haselsteiner u. a. 2021 Haselsteiner, Edeltraud u. a.: Drivers and Barriers Leading to a Successful Paradigm Shift toward Regenerative Neighborhoods. In: Sustainability, Bd. 13, Nr. 9, 2021, Art.-Nr. 9, doi: 10.3390/su13095179 [6] Reed u. a. 2009 Reed, Richard u. a.: An International Comparison of International Sustainable Building Tools. European Real Estate Society (ERES), eres2009_331, Jan. 2009.

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 https://ideas.repec.org/p/arz/wpaper/ eres2009_331.html (letzter Zugriff 02.03.2021) SBi, GXN 2018 Statens Byggeforskningsinstitut (SBi); GXN (Hrsg.): Guide to sustainable build­ ing certifications. Kopenhagen 2018   [7] Forsberg, de Souza 2021 Forsberg, Mara; de Souza, Clarice Bleil: Implementing Regenerative Standards in Politically Green Nordic Social Welfare States: Can Sweden Adopt the Living Building Challenge? In: Sustainability. Bd. 13, Nr. 2, 2021, Art.-Nr. 2, doi: 10.3390/su13020738   [8] SBi, GXN 2018 (siehe Anm. 6) Berardi 2012 Berardi, Umberto: Sustainability Assess­ ment in the Construction Sector: Rating Systems and Rated Buildings. In: Sustai­ nable Development, Bd. 20, Nr. 6, 2012, S. 411–424 doi: https://doi.org/10.1002/sd.532 E STRATEGIEN   [1] Sölkner u. a. 2014 Sölkner, Petra Johanna u. a.: Innovative Gebäudekonzepte im ökologischen und ökonomischen Vergleich über den Lebens­zyklus. Schriftenreihe Berichte aus Energie- und Umweltforschung 51/2014, Wien 2014 (letzter Zugriff 29.11.2021) https://nachhaltigwirtschaf­ ten.at/resources/hdz_pdf/berichte/end­ bericht_1451_innovative_gebaeude­ konzepte.pdf?m=1469660917&   [2] Rüdi, Watter, Schürch 2016 Rüdi, Andrea; Watter, Jörg; Schürch, Peter: Solararchitektur: Häuser mit sola­ rem Direktgewinn. Zürich 2016  [3] Endres 2020 Endres, Elisabeth: Hightech versus Low­ tech oder einfach nur robust? In: Low­ tech im Gebäudebereich: Fachsympo­ sium TU Berlin 17.05.2019, 1. Auflage, Stand Januar 2020., Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Hrsg. Bonn: Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung, 2020, S. 74–81  [4] Endres 2019 Endres, Elisabeth: Parameters to Design Low-Tech Strategies. Vortrag auf der Powerskin Conference. Delft Jan. 2019 http://pure.tudelft.nl/ws/files/69585347 /679_3_679_3_10_20190325. pdf#page=289 (letzter Zugriff 30.09.2021)  [5] Endres 2017 Endres, Elisabeth: Parameterstudie LowTech Bürogebäude. Technische Univer­ sität München. Lehrstuhl für Gebäude­ technologie und klimagerechtes Bauen. München 2017, S. 60 https://docplayer.org/165733295-Para­ meterstudie-low-tech-buerogebaeude. html (letzter Zugriff 30.09.2021)   [6] wie Anm. 3, S. 80   [7] Krause, Leistner, Mehra 2020 Krause, Pia; Leistner, Philip; Mehra, Schew-Ram: Einsatz und Auswirkung von Vegetation bei autochthonen Bau­ ten. In: Bauphysik 4/2020, S. 184–195 doi: 10.1002/bapi.202000015

 [8] Oswalt 1994 Oswalt, Philipp: Wohltemperierte Archi­ tektur. Neue Techniken des energiespa­ renden Bauens. Heidelberg 1994, S. 55  [9] ebd. [10] ebd. [11] Erber, Roßkopf-Nachbaur 2021 Erber, Sabine; Roßkopf-Nachbaur, Thomas: Low-Tech Gebäude. Prozess Planung Umsetzung. Im Auftrag der Plattform Klimaschutz und Energie / Kommission Umwelt der Internationalen Bodensee-Konferenz IBK, Konstanz 2021 [12] ebd. [13] Brown u. a. 2018 Brown, Martin u. a.: Sustainability, Restorative to Regenerative. An explora­ tion in progressing a paradigm shift in built environment thinking, from staina­ bility to restorative sustainability and on to regenerative sustainability. COST Action CA16114 RESTORE. Wien 2018

Autorinnen und Autoren Edeltraud Haselsteiner

Edeltraud Haselsteiner studierte Architektur an der TU Wien und promovierte im Fach Architekturtheorie. Sie ist Projektleiterin, ­Forscherin, Ausstellungskuratorin und Archi­ tekturjournalistin im Bereich nachhaltige Architektur, Stadtplanung und Mobilität. ­Sie ist Gründerin des Forschungsinstitut ­URBANITY, das gleichermaßen Fragen zu Gender, Partizipation, Architekturgeschichte und -theorie und Kunst aufgreift.

Thomas Auer

Thomas Auer ist Professor für Gebäudetech­ nologie und klimagerechtes Bauen an der TU München und in der Geschäftsleitung von Transsolar. Er arbeitet mit namhaften Archi­ tekturbüros weltweit an preisgekrönten Pro­ jekten, die sich durch innovatives Design und integrale Energiekonzepte auszeichnen. In der Forschung beschäftigt er sich mit Res­ sourcenverbrauch, Aufenthaltsqualität und Robustheit. Er ist Mitglied der Akademie der Künste und im Konvent der Bundesstiftung Baukultur.

Gaetano Bertino

Gaetano Bertino ist studierter Bauingenieur und Architekt mit Spezialisierung auf forensi­ sches Ingenieurwesen. Derzeit ist er als Pro­ jektmanager bei alchemia-nova tätig und absolviert sein Doktorat an der Universität für Bodenkultur in Wien zum Thema zirkuläre Lösungen für nachhaltige Architektur.

Anna Heringer

Für Anna Heringer ist Architektur ein Werk­ zeug, um Lebensbedingungen zu verbes­ sern. Ihre Bauten u.a. in Bangladesh, Ghana, Österreich und Deutschland stehen für eine globale Strategie für Nachhaltigkeit, die auf der Nutzung lokaler Ressourcen basiert. Sie lehrte und lehrt u. a. an der Harvard Univer­ sity, der ETH Zürich sowie der Kunstuniversi­ tät Linz und ist Preisträgerin u.a. des New European Bauhaus Awards, des Obel Awards und des Aga Khan Awards for Architecture.

Johannes Kisser

Johannes Kisser studierte technische Chemie. Er begann 1998 in der Abfallwirtschaft und widmete sich schon bald Kreislaufwirtschafts­ lösungen. Er ist Initiator vieler Projekte, Gut­ achter, Berater und Dozent. Nach vielen ­Jahren als CEO wurde er 2019 technischer Direktor der alchemia-nova-Gruppe. Sein star­ ker Systemansatz verbindet Innovation mit Naturinspiration und sozialer Transformation.

Andrea Klinge

Andrea Klinge ist Professorin für Zirkuläres Bauen an der HABG in Basel. Ihr Lehr- und Forschungsschwerpunkt liegt auf dem kreis­

laufgerechten Lowtech-Bauen auf Basis natürlicher Baustoffe. Andrea Klinge arbei­ tete mehr als zehn Jahre in verschiedenen Architekturbüros in London, Rom und Berlin bevor sie 2013 bei ZRS Architekten die For­ schungsabteilung etablierte.

bäudebegrünung. Im Rahmen ihrer regen Tätigkeit als Lehrende und Vortragende ver­ mittelt sie ihre Werte einer zukunftsfähigen Architektur.

Helmut Schöberl

Steffi Lenzen studierte Architektur an der RWTH Aachen University und in Paris. Sie war einige Jahre als Architektin tätig, bevor sie 2001 ein Volontariat bei DETAIL absolvierte und seither dort als Redakteurin arbeitet. Seit 2019 ist sie Teamleiterin der Buchredaktion. Das Bauen mit Holz und Themen rund um die Nachhaltigkeit gehören zu ihren beson­ deren Interessen.

Helmut Schöberl ist seit mehr als 25 Jahren in der Bauphysik tätig. Schöberl & Pöll GmbH gehört zu den großen Bauphysik-Büros in Österreich, das seit über 20 Jahren mit zahl­ reichen Passivhausprojekten Pionierarbeit leistet. Helmut Schöberl ist aktiv in Fachnor­ menausschüssen des Österreichischen Nor­ mungsinstituts und erhielt neben zahlreichen Auszeichnungen drei Staatspreise, eine der höchsten Auszeichnungen der Republik Österreich.

Bernhard Lipp

Bertram von Negelein

Steffi Lenzen

Bernhard Lipp hat an der TU Wien Techni­ sche Physik studiert. Er ist Geschäftsfüh­ rer des Österreichischen Instituts für Bauen und Ökologie (IBO) und Gründungs­ mitglied der ÖGNB sowie Mitglied des ­klimaaktiv-Leitungsgremiums. Er betreibt Behaglichkeits- und Stressforschung und entwickelt Qualitätssicherungskonzepte für Gebäude und Ökokriterien für die ­Wohnbauförderung.

Ute Muñoz-Czerny

Ute Muñoz-Czerny ist Architektin und Anthro­ pologin. Sie forscht im Bereich Innenraum­ luftqualität, NutzerInnenkomfort und Ener­ gieeffizienz. 2013 absolvierte sie eine Ausbil­ dung zur Fachkraft Lehm (Handwerkskammer Koblenz). Ute Muñoz-Czerny ist qualifiziert für die Ausstellung von Gebäudezertifizie­ rungen (klimaaktiv, ÖGNB).

Eike Roswag-Klinge

Eike Roswag-Klinge ist Professor an der TU Berlin und leitet dort seit 2017 das ­Natural Building Lab. Er ist Gründungs­ mitglied von ZRS Architekten Ingenieure in Berlin (2003). Seit mehr als 20 Jahren ­realisiert er mit Gemeinschaften unter­ schiedlicher kultureller und klimatischer ­Hintergründe zukunftsfähige, klima- und ressour­cen­­orientierte Architektur auf Basis natürlicher Rohstoffe.

Ursula Schneider

Ursula Schneider leitet seit 2000 das Büro POS architekten. Seit über 30 Jahren liegt ihr Fokus auf der ökologischen und klimasensiti­ ven Architektur. Ab 2001 verstärkte sie ihre Tätigkeit im Bereich der innovativen und angewandten Bauforschung und des Consul­ tings in den Themenbereichen Passivhaus, Tageslichtarchitektur, Plusenergiestandard, CO2-neutrales Bauen, Cradle to Cradle, Kreislauffähigkeit, Nutzerkomfort und Ge­­

Bertram von Negelein ist Diplom-Biologe und Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit von Transsolar.

Robert Wimmer

Robert Wimmer studierte Maschinenbau und Verfahrenstechnik an der TU Graz und der TU Wien und promovierte zum Thema „FlexFuzzy Logic Expert System, ein integrativer Ansatz zur Bewertung von technischen Sys­ temlösungen aus dem Gesichtspunkt nach­ haltiger Entwicklung." Er ist Leiter des wis­ senschaftlichen Forschungsvereins GrAT – Gruppe Angepasste Technologie. Robert Wimmer koordiniert (inter)nationale Entwick­ lungs- und Demons­trationsprojekte mit dem Schwerpunkt Systemlösungen für nachhal­ tige Entwicklung durch angepasste Techno­ logien. Darüber hinaus berät er Unterneh­ men und Behörden und lehrt an verschiede­ nen Universitäten.

Maria Wirth

Maria Wirth studierte Environmental Techno­ logy & International Affairs an der TU Wien. Derzeit ist sie Projektmanagerin und Resear­ cherin bei alchemia-nova, spezialisiert auf den Einsatz von naturbasierten Lösungen für verbessertes urbanes Wassermanagement sowie kreislauffähige Ernährungssysteme.

Thomas Zelger

Thomas Zelger ist seit 2016 Stiftungsprofes­ sor für energieeffiziente und nutzerInnen­ freundliche Gebäude und Quartiere an der FH Technikum Wien. Zuvor war er über 20 Jahre in Forschung und Praxis im Bereich Passivhausbau, Plusenergiebauweise, Bau­ ökologie, Komfortforschung und Bauphysik am Österreichischen Institut für Bauen und Ökologie (IBO) tätig.Thomas Zelger publi­ ziert zu den Themen Komfort, Bauökologie, Plusenergiequartiere und ökologische Passiv­ hausbauteilkataloge.

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