Rekatholisierung mit und ohne System: Die Hochstifte Würzburg und Bamberg im Vergleich (ca. 1555-1700) 9783737001939, 9783847101932, 9783847001935

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Rekatholisierung mit und ohne System: Die Hochstifte Würzburg und Bamberg im Vergleich (ca. 1555-1700)
 9783737001939, 9783847101932, 9783847001935

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Hanna Brommer

Rekatholisierung mit und ohne System Die Hochstifte Würzburg und Bamberg im Vergleich (ca. 1555 – 1700)

Mit 3 Abbildungen

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0193-2 ISBN 978-3-8470-0193-5 (E-Book) Ó 2014, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI Buch Bücher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Aus einer Religion werden mehrere Konfessionen . . 2.1. Die Reformation und ihre Folgen . . . . . . . . . 2.2. Der Katholizismus und das Konzil von Trient . . 2.3. Die deutschen Bischöfe und das Konzil von Trient 2.4. Bamberg und das Tridentinum . . . . . . . . . . 2.5. Würzburg und das Tridentinum . . . . . . . . . . 2.6. Der »vorbildliche« Katholik . . . . . . . . . . . .

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3. Die Hochstifte Bamberg und Würzburg in der Frühen Neuzeit 3.1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Hochstift Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1. Grundlinien der bischöflichen Religionspolitik . . . 3.2.2. Grundlinien der hochstiftischen Verwaltung . . . . . 3.3. Hochstift Würzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1. Grundlinien der bischöflichen Religionspolitik . . . 3.3.2. Grundlinien der hochstiftischen Verwaltung . . . . . 3.4. Die lokalen Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1. Amtmann/Vogt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2. Kastner/Keller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3. Schultheiß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 1.1. Einführung und Fragestellung 1.2. Forschungsstand . . . . . . . 1.3. Quellenlage . . . . . . . . . . 1.4. Aufbau der Arbeit . . . . . .

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Inhalt

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83 83 83 85 86 88 89 93 95 96 96 97 100 103 104

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6. Gegenmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. Bittbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Verweigerung der Kommunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Die untersuchten Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Hochstift Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1. Teuschnitz mit der Filiale Marienroth . . . . . 4.1.2. Neukenroth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3. Grafengehaig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4. Rugendorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5. Forchheim mit der Filiale Pinzberg . . . . . . . 4.1.6. Neunkirchen am Brand mit der Filiale Dormitz 4.1.7. Waischenfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Hochstift Würzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1. Gerolzhofen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2. Iphofen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3. Kitzingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4. Gemünden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5. Urspringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Rekatholisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Rechtlich-politische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . 5.1.1. Religionsmandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2. Abschaffung des Prädikanten und Einsetzung eines Priesters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3. Entzug von Ämtern in der Stadt-/Dorfverwaltung . 5.1.4. Verweigerung des Begräbnisses . . . . . . . . . . . 5.1.5. Visitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Wirtschaftliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1. Geldstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2. Zwangsverkäufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3. Verbot der Allmendenutzung und Verbot der Berufsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4. Entzug des bäuerlichen Lehens . . . . . . . . . . . 5.3. Gewaltmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1. Verhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2. Vorladungen außerhalb des Heimatortes . . . . . . 5.3.3. Überfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.4. Ausweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4. Ergebnisse des 5. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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325 367 372 400 411

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419 419 419

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423 424 426 426 427 435 440 447 453 463

8. Konflikte im Alltag gemischtkonfessioneller Orte . . . . . . . . . . . .

465

9. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

475

Karte: Franken um 1500 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

489

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen- und Literatur . Ungedruckte Quellen Gedruckte Quellen . Literatur . . . . . . .

495 495 497 498

6.3. Auslaufen . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4. Tumult . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5. Klage beim Reichskammergericht . . . 6.6. Gegenmaßnahmen auswärtiger Mächte 6.7. Ergebnisse des 6. Kapitels . . . . . . .

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7. Konversion und Auswanderung . . . . . . . . . . . . . 7.1. Konversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.2. Konversion aus Sicht der bambergischen und würzburgischen Bischöfe . . . . . . . . . . . 7.1.3. Konversion aus Sicht der Untertanen . . . . . 7.2. Auswanderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2. Zeiträume und beteiligte Personen . . . . . . 7.2.3. Auswanderungsziele . . . . . . . . . . . . . . 7.2.4. Nachsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.5. Güterverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.6. Konflikte mit Zurückgebliebenen . . . . . . . 7.3. Ergebnisse des 7. Kapitels . . . . . . . . . . . . . .

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Danksagung

Die vorliegende Arbeit wurde im September 2012 als Dissertation an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eingereicht und für die Veröffentlichung geringfügig überarbeitet. Eine solche Arbeit entsteht naturgemäß nicht von allein, deshalb möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen und verschiedenen Menschen danken, die dieses Buch möglich gemacht haben. Zunächst gebührt mein Dank meinen Betreuern, Herrn Professor Volker Seresse und Herrn Professor Olaf Mörke. Herr Seresse hat es zur richtigen Zeit verstanden, mein Interesse für die Frühe Neuzeit und für religiöse Themenstellungen zu wecken und förderte beständig meinen weiteren Werdegang. Ohne ihn wäre ich einen ganz anderen Weg gegangen. Auch bei meinen Freunden möchte ich mich ganz herzlich bedanken, die diese Arbeit kritisch begleitet haben und mir stets an der richtigen Stelle Rückhalt, Zuflucht und Abschweifungen gaben. Besonders gedankt sei hier Julia Brenneisen, Benjamin van der Linde und Hauke Petersen, die auch das Korrekturlesen übernommen haben. Gottseidank hatte immer mindestens einer von uns vieren ein Büro an der Uni, sodass das gemeinsame Teetrinken stets gesichert war. Ein weiterer wichtiger Meilenstein stellt die Aufnahme in das Evangelische Studienwerk Villigst dar. Das Stipendium ermöglichte mir die sorgenfreie Konzentration auf die Doktorarbeit und auch die viel gerühmte ideelle Förderung habe ich sehr genossen. Desweiteren danke ich dem Graduiertenzentrum der Universität Kiel für die Bereitstellung des »Zeitschreibtisches«. Die Möglichkeit eines ruhigen Rückzugsortes, um in Ruhe aus dem Chaos Ordnung zu schaffen, sollte nicht unterschätzt werden. Besonders wichtig ist mir der Dank an meine Familie, die mich uneingeschränkt und in allem unterstützt hat. Sie hat es mir ermöglicht, meinen eigenen Weg zu gehen. Gemeinhin geht man davon aus, dass eine Doktorarbeit erst fertig werden kann, wenn man eine Schreibkrise, eine Nervenkrise und eine Sinnkrise

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Danksagung

durchlebt hat. Meinem Freund Dr. Markus Burger danke ich dafür, dass er mich mit großem Einfühlungsvermögen und viel Einsatz durch die ersten beiden geführt hat. Letztere kam niemals auf, weil wir uns ohne die Promotion nicht kennen gelernt hätten. Berlin, den 14. 07. 2013

1. Einleitung

1.1. Einführung und Fragestellung Betrachtet man die Verteilung der Konfessionen im Franken des 21. Jahrhunderts, ist der Befund eindeutig: Die Gebiete der ehemaligen Hochstifte Bamberg und Würzburg haben einen deutlich stärkeren katholischen Bevölkerungsanteil, die ehemals brandenburg-ansbachisch-kulmbachischen und nürnbergischen Gebiete dagegen sind größtenteils evangelisch. Legt man Karten aus dem 18. und beginnenden 19. Jahrhundert daneben, teilen noch wesentlich mehr Bewohner die Konfession ihres Landesherrn.1 So selbstverständlich, wie diese Karten es suggerieren, ist dieser Zusammenhang freilich nicht. Nachdem sich im Laufe des 16. Jahrhunderts herausgestellt hatte, dass es auf Dauer bei einer gespaltenen Kirche und mehreren Konfessionen bleiben würde, standen die Bischöfe von Bamberg und Würzburg mitnichten einer katholischen Bevölkerung gegenüber. Zum einen waren auf dem Boden der Hochstifte lutherische Gemeinden entstanden, zum anderen hatten sich konfessionelle Mischformen entwickelt. Aus diesen Tatsachen leiteten die Bischöfe einen doppelten Handlungsauftrag ab: Einerseits galt es, das lutherische Gedankengut zurückzudrängen und die Untertanen zur Ausübung des katholischen Glaubens zu bringen. Andererseits mussten innerhalb dieser katholischen Glaubensausübung Reformen durchgeführt werden. Die Beweggründe der Bischöfe waren dabei mehrschichtig. Als geistliche Landesherren fühlten sie sich für das Seelenheil ihrer Untertanen verantwortlich, das nur auf dem katholischen Weg erreicht werden konnte.2 Andererseits blieben ihre Herrschaftsgebiete politisch nur überlebensfähig, wenn ein geschlossener katholischer Untertanenverband erreicht werden konnte.3 1 Spindler, Max (Hrsg.): Bayerischer Geschichtsatlas, München, 1969, S. 28. 2 Baumgart, Peter : Konfessionalisierung und frühmoderne Staatlichkeit in Franken: Das Beispiel des Fürstbischofs Julius Echter, in: WDGB 62/63, 2001, S. 575 – 589, hier S. 578. 3 Herzig, Arno: Der Zwang zum wahren Glauben. Rekatholisierung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Göttingen, 2000, S. 49.

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Einleitung

Zunächst soll eine Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes erfolgen. In dieser Arbeit stehen die Zurückdrängung des lutherischen Gedankengutes und die äußerlich sichtbare Rückführung der Untertanen zum katholischen Glauben im Mittelpunkt. Die fränkischen Bischöfe konzentrierten sich zunächst darauf, ihre Landeskinder zur Einnahme der Kommunion (also des Herrenmahls nach katholischem Ritus) zu drängen. Damit sollte die Zugehörigkeit zur katholischen Konfession angezeigt werden. Dieser Vorgang wird als Rekatholisierung definiert. In Abweichung von bisherigen Arbeiten kommt in dieser Arbeit folglich eine verengte Definition von Rekatholisierung zum Tragen.4 Analysiert werden soll, mit welchen Mitteln und Methoden die Bischöfe diesen Vorgang durchführen konnten. Rekatholisierung kann aus drei Gründen von den Bemühungen um die katholische Reform abgetrennt werden. Erstens war die Einübung katholischer Lebensformen und Bräuche den Bemühungen um die Kommunionseinnahme in weiten Teilen nachgelagert. Einschlägige Mandate und Verordnungen, die eine Änderung in den Verhaltensweisen der Bevölkerung sowohl in ihrer Lebensführung als auch in ihrer Glaubensausübung erreichen sollten, wurden in der Mehrheit erst publiziert, nachdem die Rekatholisierung erfolgreich abgeschlossen war. Zweitens wurden diese Mandate und Verordnungen niemals mit der gleichen Intensität und den gleichen Strafen verfolgt wie die Kommunionseinnahme. Drittens war bereits die Rückführung der Untertanen zum katholischen Glauben durch den Kommunionszwang ein sehr komplexer und ausdifferenzierter Vorgang, der hier durch die Darstellung und den Vergleich der untersuchten Orte deutliche Konturen gewinnt. Besonders ersichtlich wird die Trennung in Rekatholisierung und Reform im Hochstift Bamberg. Während die Rekatholisierungspolitik bereits unter Bischof Neithart (reg. 1591 – 98) einsetzte, wurden die hauptsächlich mit Reformen betrauten Jesuiten erst 1610 in das oberfränkische Hochstift geholt. Damit standen die Mainbischöfe nicht allein da. Viele katholische Landesherren waren anfänglich mit äußerlich korrekt ausgeführtem Regelverhalten der Untertanen zufrieden.5 Erst auf lange Sicht setzten sie Maßnahmen ein, um auch eine »echte« innerliche Überzeugung zu erreichen.6 Ziel dieser Arbeit ist es folglich, zu untersuchen, wie sich die Bischöfe der beiden Mainbistümer den konfessionellen »Abweichlern« gegenüber verhielten, die in ihrem Territorium lebten und ob sie ihr Ziel eines konfessionell vereinheitlichten Territoriums erreichten. Diese Frage wird in drei Schritte unterteilt. 4 S. Kapitel 1.2 Forschungsstand. 5 Herzig, Arno: Die Rekatholisierung in deutschen Territorien im 16. und 17. Jahrhundert, in: GG 26, 2000, S. 76 – 104, hier S. 77. 6 Ebd., S. 94.

Einführung und Fragestellung

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In einem ersten Schritt muss geklärt werden, welche Maßnahmen die Bischöfe einsetzten, um die Rekatholisierung der Untertanen zu erreichen. Wie sahen diese Maßnahmen konkret aus und wie wurden sie vor Ort durchgeführt? In einem zweiten Schritt wird die Reaktion der betroffenen Untertanen in den Blick genommen. Wendeten sie Gegenmaßnahmen an? In einem dritten Schritt wird analysiert, zu welchem Abschluss die Entwicklung gekommen ist. Entschied sich die Mehrheit der Lutheraner für eine Auswanderung oder einen Konfessionswechsel? Im Folgenden wird der gewählte Ansatz verdeutlicht. Die vorliegende Arbeit will versuchen, das Wechselspiel von Maßnahmen und Gegenmaßnahmen auf lokaler Ebene konkret zu beleuchten. Dafür werden die Entwicklungen in ausgewählten Dörfern und Städten der beiden Hochstifte rekonstruiert und analysiert. Eine einseitige Orientierung an rein normativen Quellen (Verordnungen etc.) wird dabei weitestgehend vermieden. In der bisherigen Forschung wurde häufig aus der Betrachtung von Religionsmandaten einerseits und den steigenden Zahlen von Kommunionsempfängern andererseits geschlossen, dass es offenbar auf Grund der Mandate gelungen war, die Menschen zumindest äußerlich zu Katholiken zu machen.7 Ohne nähere Kenntnis der lokalen Prozesse wird gemeinhin angenommen, dass die Verhaltensnormierung der Untertanen in beiden Hochstiften überwiegend ohne Schwierigkeiten von Statten ging. Nur weil die Bischöfe etwas befohlen haben, heißt das aber nicht zwangsläufig, dass dieser Befehl vor Ort umgesetzt worden ist. Untersuchungen, ob und inwiefern die intensivierte Normgebung der Bischöfe tatsächlich zu einer Umsetzung vor Ort führte, wurden häufig gefordert,8 jedoch nur wenig in die Tat umgesetzt. Daran anknüpfend will die vorliegende Arbeit eine notwendige Detailstudie führen, in der zum einen die direkten (bzw. mangelnden) Wirkungen der bischöflichen Maßnahmen gezeigt werden sollen. Zum anderen gibt es eine zweifache Vergleichsmöglichkeit. Erstens können Orte innerhalb eines Hochstifts miteinander verglichen werden, zweitens Orte des einen Hochstiftes mit denen des anderen. Dadurch kann gezeigt werden, inwiefern sich die Mittel und Wege der benachbarten Bischöfe ähnelten bzw. unterschieden und welche Wirkung dies hatte. Bisher wurden die beiden Mainbistümer in Fragen der Religionsgeschichte kaum vergleichend betrachtet, obwohl sich dies durch Lage, strukturelle Ähnlichkeiten und gelegentliche Personalunionen anbietet. Auch auf diesem Feld betritt die vorliegende Arbeit Neuland. 7 S. Kapitel 1.2 Forschungsstand. 8 So zuletzt Staudenmaier, Johannes: Die Policeygesetzgebung des Hochstifts Bamberg während der Gegenreformation – eine quantitative Analyse, in: BHVB 145, 2009, S. 155 – 171, hier S. 171.

14

Einleitung

Nach der Erläuterung der Fragestellung werden im Weiteren der Untersuchungsraum, der Untersuchungszeitraum und die Vorgehensweise dargestellt. Die beiden Mainbistümer eignen sich als Untersuchungsraum für eine Arbeit dieser Art, da hier die unterschiedlichen Konfessionen durch die komplizierten herrschaftlichen Strukturen Frankens auf kleinstem Raum aufeinander trafen.9 Das Franken der Frühen Neuzeit wird auch als territorium non clausum bezeichnet, d. h. ein nicht geschlossenes Herrschaftsgebiet ohne klar definierte Grenzen. Dies hat verschiedene Auswirkungen: (1) Es gab nicht nur eine Grenze zwischen Territorien, sondern verschiedene Arten von Grenzen (z. B. die Grenzen der Hoch- und Niedergerichtsbarkeit, verschiedene Verwaltungseinheiten). Diese Verläufe waren keineswegs eindeutig, sondern zwischen den Nachbarn umstritten. Generell ist davon auszugehen, dass ein Teil der Konflikte zwischen den Hochstiften und den lutherischen Nachbarn nicht nur auf die Konfessionsfrage zurückging, sondern auch auf älteres Ringen um Besitz- und Herrschaftsrechte.10 (2) So gut wie alle fränkischen Mächte hatten jeweils Exund Enklaven in Gebieten der anderen fränkischen Territorialherren. (3) Innerhalb der Hochstifte lagen die bisweilen sehr kleinen Territorien von Rittern, die als Reichsunmittelbare ebenfalls selbstständige Herrschaftsgebiete besaßen. (4) Die Herrschaft war generell kleinteilig. Nicht selten waren verschiedene Herrschaftsträger mit unterschiedlichen Konfessionen innerhalb des gleichen Dorfes begütert und trugen dort auf kleinstem Raum einen Kampf um die vorherrschende Konfession aus.11 Der Untersuchungszeitraum umfasst die Jahre von 1555 bis circa 1700. Dabei wurde 1555 als Startpunkt gewählt, da im Augsburger Religionsfrieden festgelegt wurde, dass jeder Landesherr innerhalb seines Territoriums die Konfession 9 Im Folgenden nur eine Einführung in die Problematik, dazu ausführlich Kapitel 3.1. 10 Sicken, Bernhard: Würzburg, seine Territorialnachbarn, der Fränkische Reichskreis und das Reich, in: Kolb, Peter/Krenig, Ernst-Günter (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg, 1995, S. 131 – 164, hier S. 132. 11 Beim Historikertag 2010 sagte Achim Landwehr bei einem Vortrag über Grenzen zu Franken in der Frühen Neuzeit, es würde sich außer Wikipedia niemand trauen, eine Landkarte von Franken zu zeigen. Die Literatur zum Thema Herrschaftsräume in Franken ist überbordend, gute Einstiege bieten: Kraus, Andreas (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Dritter Band, erster Teilband: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Würzburg, 31996; Riedenauer, Erwin: Die fränkische Reichsritterschaft, in: Ders.: Fränkische Landesgeschichte und Historische Landeskunde. Grundsätzliches – Methodisches – Exemplarisches, hrsg. von Alfred Wendehorst, München, 2001, S. 135 – 140; Ders.: Landeshoheit. Beiträge zur Entstehung, Ausformung und Typologie eines Verfassungselements des römisch-deutschen Reiches, München, 1994; Willoweit, Dietmar: Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt: Landesobrigkeit, Herrschaftsrechte und Territorium in der Rechtswissenschaft der Neuzeit, Köln, 1975; Zimmermann, Gerd: Territoriale Staatlichkeit und politisches Verhalten, in: Roth, Elisabeth (Hrsg.): Oberfranken in der Neuzeit bis zum Ende des Alten Reiches, Bayreuth, 1984, S. 11 – 81.

Einführung und Fragestellung

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bestimmen konnte. Hier erfolgte die rechtliche Fixierung des landesherrlichen ius reformandi und damit für die Bischöfe die Möglichkeit, Maßnahmen zur Durchsetzung des Katholizismus in ihren Hochstiften zu ergreifen. Es hat sich gleichwohl gezeigt, dass aus verschiedenen Gründen (die ausführlich in Kap. 3 dargestellt werden) die gezielte Durchsetzung der katholischen Konfession in Bamberg im Wesentlichen erst mit Neithart von Thüngen (reg. 1591 – 98), in Würzburg mit Julius Echter (reg. 1573 – 1617) begann. Gemeinhin wird angenommen, dass der Westfälische Frieden eine Zäsur der landesherrlichen Religionspolitik darstellt. Viele Unklarheiten des Augsburger Religionsfriedens von 1555 wurden 1648 geregelt und präzisiert. Der Schlusspunkt der vorliegenden Untersuchung wurde dennoch in die zweite Hälfe des 17. Jahrhunderts verlängert, um zu untersuchen, ob der Westfälische Friede auch auf lokaler Ebene ein einschneidendes Datum darstellte und inwiefern sich dieses äußerst. Zur Vorgehensweise: Für die vorliegende Arbeit wurden im Hochstift Bamberg sieben Pfarrorte mit drei Filialen, also insgesamt zehn Orte ausgewählt. Im Hochstift Würzburg wurden insgesamt fünf Orte (ohne Filialen) in die Untersuchung einbezogen.12 Schon aus der Anzahl der Orte zeigt sich, dass der Schwerpunkt der Arbeit auf dem Hochstift Bamberg liegen soll. Dies hat zwei Gründe. Untersuchungen der lokalen Verhältnisse sind für das Hochstift Bamberg abseits des heimatkundlichen Schriftums selten, sodass eine Reihe von neuen Erkenntnissen zu erwarten ist. Zudem ist die Quellenlage im Hochstift Bamberg sehr viel günstiger, sodass auch in dieser Hinsicht ausführlichere Ergebnisse erzielt werden können. Bei der Auswahl der untersuchten Orte haben verschiedene Aspekte eine Rolle gespielt. Ein wichtiger Punkt ist Qualität und Quantität der vorhandenen Quellen. Zudem sollten die Kategorien »Stadt« und »Dorf« abgedeckt sein und auch für jedes Hochstift mindestens ein Ort bestimmt werden, in denen der jeweilige Bischof nicht der uneingeschränkte Inhaber aller Rechte war. Besonders wurde zudem auf die geographische Lage geachtet. Ziel war es, Orte zu wählen, die sich durch eine konfessionelle Gemengelage im Umfeld auszeichneten. Dies basierte auf der Annahme, dass die lutherische Nachbarschaft auf Orte im Hochstift ausstrahlte und zu einer Verbreitung lutherischen Gedankenguts im Hochstift führte. Unnötig erschien es, alle Orte mit ihren Filialen zu behandeln, da sich in den Quellen gezeigt hat, dass die Entwicklungen in den

12 Da Ortskenntnis nicht vorausgesetzt werden kann, werden alle Orte in Bezug auf andere Orte stets mit Angaben zur fußläufigen Entfernung angegeben. Dabei handelt es sich allerdings um den heute möglichen Fußweg, sodass diese Angaben als Näherungswerte zu verstehen sind. Im Anhang befindet sich trotz aller Vorbehalte eine Karte.

16

Einleitung

Filialen denen des Hauptortes stark ähnelten. Bei den drei hier vergleichend untersuchten Filialorten war der Verlauf hingegen deutlich abweichend. Anstatt die Geschichte eines Ortes zur Gänze auszuleuchten, wurde für diese Arbeit der Ansatz gewählt, einen Teilaspekt der Entwicklung vergleichend darzustellen, um die Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede deutlich herauszuarbeiten. Erst durch den Vergleich werden weiterreichende Aussagen zu Prozessen und Strukturen ermöglicht,13 wobei sich der Blick in vierfacher Hinsicht weiten kann: In heuristischer Sicht können durch einen Vergleich Probleme und Fragen erkannt werden, auf die man ohne den Vergleich nicht gekommen wäre. In deskriptiver Hinsicht kann durch den Vergleich der jeweilige einzelne Fall noch besser erhellt werden. In analytischer Hinsicht bringt der Vergleich Erkenntnisse, da die aufgezeigten Unterschiede erklärt werden müssen und in paradigmatischer Hinsicht ist zu erwarten, dass durch die Alternativen, die der Vergleich aufzeigt, Selbstverständliches hinterfragt wird.14 Insgesamt gibt es bei der Untersuchung der Maßnahmen und Gegenmaßnahmen sieben übergreifende Analysekategorien, die angewendet und vergleichend betrachtet werden sollen: (1) die Häufigkeit, (2) die zeitlichen Schwerpunkte, (3) das Verhältnis von Ankündigung und Umsetzung sowie das Verhalten der bischöflichen Amtsträger vor Ort, (4) die Zielgruppe bzw. die beteiligten Personen, (5) der Anlass der jeweiligen (Gegen-)Maßnahme, (6) die individuellen Begründungen und (7) die Effektivität in Hinblick auf die Kommunionseinnahme. Dies stellt den modellhaften Ablauf dar, wobei die Kategorien jeweils im Einzelfall geringfügig modifiziert wurden. Am Ende der Kapitel fünf und sechs werden zudem die Maßnahmen und Gegenmaßnahmen in Hinblick auf (1) Bandbreite, (2) Reihenfolge und (3) Kombination verglichen.

1.2. Forschungsstand Im Forschungsüberblick werden zunächst die Begrifflichkeiten geklärt und die vorliegende Arbeit in einen größeren theoretischen Rahmen eingeordnet, anschließend erfolgt eine Einführung in die fränkische Landesgeschichtsschreibung. Leopold von Ranke teilte die Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts in »Reformation« (bis 1555) und die sich daran anschließende »Gegenreformati13 Haupt, Heinz-Gerhard/Kocka, Jürgen: Historischer Vergleich: Methoden, Aufgaben, Probleme. Eine Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung, Frankfurt/Main, 1996, S. 9 – 45, hier S. 9. 14 Ebd., S. 12 ff.

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on« (1555 – 1648) ein.15 Vor Ranke wurde der Begriff »Gegenreformationen« – also im Plural – dazu gebraucht, einzelne Maßnahmen zur gewaltsamen Rückführung lutherischer Gebiete zur katholischen Konfession zu beschreiben.16 Erst Ranke und daran anschließend Moritz Ritter machten die »Gegenreformation« im Singular als Epochenbezeichnung populär.17 Diese Einteilung konnte sich aber nur langsam durchsetzen, erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde sie flächendeckend benutzt.18 Es zeigte sich jedoch, dass die Verwendung bestimmter Begriffe auch durch die Konfessionszugehörigkeit des Benutzers bestimmt wurde. Kritik am Begriff »Gegenreformation« kam seitens katholischer Historiker auf. »Gegenreformation« suggeriere, dass es sich dabei um eine reine Reaktion auf die Reformation handele. Dadurch würde die eigenständige katholische Reform, die bereits weit vor Luther eingesetzt habe, vernachlässigt und zudem zu sehr der Aspekt der Gewaltanwendung betont.19 Nachdem verschiedene Historiker den Terminus »katholische Reformation« ins Spiel brachten, plädierte Hubert Jedin für das Begriffspaar »Gegenreformation und katholische Reform«.20 Er hatte wahrgenommen, dass protestantische Historiker statt »katholischer Reformation« konsequent andere Benennungen benutzten (etwa Erneuerung der katholischen Kirche), währenddessen Katholiken den Gebrauch von »Gegenreformation« vermieden.21 Mit dem neuen Begriffspaar konnte zum einen durch den Begriff »katholische Reform« der von den Protestanten besetzte Begriff »Reformation« vermieden und die Kontinuität zum spätmittelalterlichen Katholizismus bei gleichzeitigem Auftreten neuer Elemente betont werden; zum zweiten wurde durch »Gegenreformation« weiterhin die Rückführung lutherischer Gebiete zum katholischen Glauben mit teilweise gewaltsamen Mitteln als ein Teil der Entwicklung beibehalten.22 Auch wenn parallel zu und nach Jedin andere Vor-

15 Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Berlin, 1839 – 47. 16 Elkan, Albert: Entstehung und Entwicklung des Begriffs »Gegenreformation«, in: HZ 112, 1914, S. 473 – 493, hier S. 476 f. 17 Ehrenpreis, Stefan/Lotz-Heumann, Ute: Reformation und konfessionelles Zeitalter, Darmstadt, 2002, S. 75; Ranke, Deutsche Geschichte; Ritter, Moritz: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des dreißigjährigen Krieges, 1555 – 1648. 3 Bände, Stuttgart, 1889 – 1908. 18 Elkan, Entstehung und Entwicklung, S. 487 f. 19 Jedin, Hubert: Katholische Reform und Gegenreformation, in: Glazik, Josef/Iserloh, Erwin/ Ders.: Handbuch der Kirchengeschichte. Band 4: Reformation, katholische Reform und Gegenreformation, 1967, S. 449 – 686, hier S. 449. 20 Ebd., S. 450. 21 Jedin, Hubert: Katholische Reformation oder Gegenreformation, in: Zeeden, Ernst Walter (Hrsg.): Gegenreformation, Darmstadt, 1973, S. 46 – 81, hier S. 46 f. 22 Jedin, Katholische Reform, S. 450. »Die katholische Reform ist die Selbstbesinnung der Kirche auf das katholische Lebensideal durch innere Erneuerung, die Gegenreformation ist

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schläge zur Einteilung und Benennung der Frühen Neuzeit gemacht wurden, die im Folgenden dargestellt werden sollen, bleibt das von ihm entwickelte Konzept »Katholische Reform und Gegenreformation« in der aktuellen Forschung präsent.23 Erweitert und auf Franken angepasst wurde das Konzept »Gegenreformation« von Ernst Schubert, der verschiedene Arten der »Gegenreformationen« (im Plural) erläutert, nämlich die »obrigkeitlich-patriarchalischen Gegenreformationen« (ohne Gewaltanwendung und Gewissenszwang)24 und die »territorialstaatlichen Gegenreformationen« (Ausweisung von Prädikanten und Lutheranern, die nicht katholisch werden wollten, Einsatz des weltlichen Armes etc.).25 Parallel zu Jedin entwickelte der Historiker Ernst Walter Zeeden sein Konzept der »Konfessionsbildung«, mit dem er die gleiche Zeit beschreibt wie Jedin. Dabei verstand er »Konfessionsbildung« als den Prozess der geistigen und organisatorischen Verfestigung der unterschiedlichen Bekenntnisse. Ergebnis dieses Prozesses sei, dass die verschiedenen Bekenntnisse Kirchenwesen mit klar geregelten Glaubensinhalten, eine strukturierte Organisation und einen eindeutigen Verhaltenskodex der Gläubigen ausbildeten.26 Zeeden beschrieb, dass sich die Ausbildung der Konfessionen nicht auf das rein Kirchliche beschränke, sondern auch die Sphären von Politik und Kultur der Zeit stark beeinflusse.27 Kirche und staatliche Macht wirkten dabei aufs engste zusammen.28 Dabei sei die Konfessionsbildung mit der Verfestigung der Bekenntnisse um die Mitte des 16. Jahrhunderts keineswegs zum Abschluss gekommen, sondern habe noch 100 Jahre angedauert.29 Eine weitere neue Überlegung, die Zeeden in die Diskussion einführte, war der Gedanke, dass diese Entwicklung bei allen drei Konfessionen etwa parallel verlaufen sei.30 Zeeden betonte die Gemeinsamkeiten der Konfessionen sowohl bei ihren Zielen als auch bei ihren Methoden.31 Das Konfessionsbildungskonzept Zeedens wurde von Heinz Schilling und

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die Selbstbehauptung der Kirche im Kampf gegen den Protestantismus.« (Jedin, katholische Reformation, S. 80). So entschied sich etwa Dieter Weiss dafür, sein Überblickswerk »Katholische Reform und Gegenreformation« zu nennen, obwohl er den Konfessionalisierungsbegriff nicht dezidiert ablehnt (Katholische Reform und Gegenreformation. Ein Überblick, Darmstadt, 2005, S. 15). Schubert, Ernst: Gegenreformationen in Franken, in: JffL 28, 1968, S. 275 – 307, hier S. 277. Ebd., S. 278 f. Zeeden, Ernst Walter : Grundlagen und Wege der Konfessionsbildung in Deutschland im Zeitalter der Glaubenskämpfe, in: HZ 185, 1957, S. 249 – 299, hier S. 251. Ebd., S. 249, 258. Zeeden, Ernst Walter: Zur Periodisierung und Terminologie des Zeitalters der Reformation und Gegenreformation, in: Ders.: Konfessionsbildung. Studien zur Reformation, Gegenreformation und katholischen Reform, Stuttgart, 1985, S. 60 – 66, hier S. 63. Zeeden, Grundlagen, S. 259. Ebd., S. 251, S. 286. Zeeden, Periodisierung, S. 63.

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Wolfgang Reinhard zur »Konfessionalisierung«32 erweitert. Diese These brachten die beiden Historiker unabhängig voneinander vor.33 Dabei näherten sie sich aus verschiedenen Richtungen: Schilling forschte über Territorien, die vom lutherischen zum calvinistischen Glauben wechselten, Reinhard wiederum arbeitete sich an dem von ihm kritisierten Begriff »Gegenreformation« ab.34 Reinhard stellte sich gegen die Bezeichnung »Katholische Reform und Gegenreformation« als Epochenbezeichnung, da dies für ihn eine zu starke Verengung auf die Kirchengeschichte bedeutete. Er betonte zunächst die Vorteile, die der Begriff des »konfessionellen Zeitalters« habe: Einerseits könne so die parallele Entwicklung der drei Konfessionen besser erfasst werden, andererseits böte der Begriff sowohl einen kirchen- als auch ein sozialgeschichtlichen Zugang.35 Kurze Zeit später stellte er – wie auch Heinz Schilling – seine »Theorie der Konfessionalisierung« vor.36 Grundsätzlich ist Konfessionalisierung ein Konzept zur Erklärung der in vielen Lebensbereichen eintretenden Veränderungen der Frühen Neuzeit. Es soll damit gezeigt werden können, wie sich die massiven Wandlungsprozesse kirchlich-religiöser, kultureller, staatlich-politischer sowie sozialer Art vollzogen.37 Hauptansatzpunkt ist hierbei, zu beschreiben, wie konfessionell geschlossene Großgruppen entstehen, da sich die anderen elementaren Umwälzungen der Frühen Neuzeit daran anknüpfend ausgebildet hätten.38 Die Entwicklung der Konfessionen wird in diesem Erklärungsansatz mit der Entstehung 32 Wenngleich bereits Zeeden diesen Begriff benutzt (Zeeden, Grundlagen, S. 297). 33 Reinhard, Wolfgang: Was ist katholische Konfessionalisierung?, in: Ders./Schilling, Heinz (Hrsg.): Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposium der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte, Gütersloh, 1995, S. 419 – 452, hier S. 420. 34 Ehrenpreis/Lotz-Heumann, Reformation, S. 63. Zur Problematik der »zweiten Reformation« vgl. Schilling, Heinz: Konfessionskonflikt und Staatsbildung. Eine Fallstudie über das Verhältnis von religiösem und sozialem Wandel in der Frühneuzeit am Beispiel der Grafschaft Lippe, Gütersloh, 1981; Ders.: Die »zweite Reformation« als Kategorie der Geschichtswissenschaft, in: Ders. (Hrsg.): Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland – Das Problem der »Zweiten Reformation«. Wissenschaftliches Symposium des Vereins für Reformationsgeschichte 1985, Gütersloh, 1986, S. 387 – 437. 35 Reinhard, Wolfgang: Gegenreformation als Modernisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters, in: ARG 68, 1977, S. 226 – 252, hier S. 251. 36 Reinhard, Wolfgang: Konfession und Konfessionalisierung in Europa, in: Ders. (Hrsg.): Bekenntnis und Geschichte. Die Confessio Augustana im historischen Zusammenhang, München, 1981, S. 165 – 189; ders.: Zwang zur Konfessionalisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters, in: ZHF 10, 1983, S. 257 – 277. 37 Schilling, Heinz: Die Konfessionalisierung von Kirche, Staat und Gesellschaft – Profil, Leistung, Defizite und Perspektiven eines geschichtswissenschaftlichen Paradigmas, in: Reinhard, Wolfgang/Ders. (Hrsg.): Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposion der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte 1993, Gütersloh, 1995, S. 1 – 49, hier S. 4. 38 Reinhard, Zwang, S. 262.

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des frühneuzeitlichen Staates verbunden, da das eine nicht ohne das andere funktionieren könne.39 Diese Überlegung beruht auf der Annahme, dass im frühneuzeitlichen Europa kirchliches und politisches Handeln miteinander verknüpft gewesen seien und als zwei Elemente des gleichen gesellschaftlichen Gesamtsystems gesehen werden müssten, folglich also nicht getrennt voneinander erklärt werden könnten.40 Zudem sollte mit dem neuen Konzept der Zusammenhang zwischen religiösen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen klar herausgestellt werden.41 Reinhard hat ein Modell entwickelt, wie der Prozess der »Konfessionalisierung« abläuft: (1) Wiedergewinnung klarer theoretischer Vorstellungen durch ein festes Bekenntnis mit deutlicher Abgrenzung von den anderen Bekenntnissen, (2) Verbreitung und Durchsetzung neuer Normen, (3) Propaganda und Verhinderung von Gegenpropaganda, (4) Internalisierung der neuen Ordnung durch Bildung, (5) Disziplinierung der Anhänger, (6) Anwendung von Riten, (7) Beeinflussung der Sprache.42 Diese Prozesse benötigten aber die Mithilfe der weltlichen Obrigkeiten, ohne die sie nicht durchführbar seien.43 Die weltlichen Obrigkeiten wiederum griffen in diesen Prozess ein, weil sie davon in drei Punkten profitieren könnten: (1) Verstärkung einer territorialen und nationalen 39 Ebd., S. 257. 40 Schilling, Konfessionalisierung, S. 5; Reinhard, Zwang, S. 257. 41 Schilling, Heinz: Die Konfessionalisierung im Reich. Religiöser und gesellschaftlicher Wandel in Deutschland zwischen 1555 und 1620, in: HZ 264, 1988, S. 1 – 45, hier S. 2. 42 Zum Folgenden Reinhard, Zwang, S. 263. In dem 1995 erschienenen Aufsatz »Was ist katholische Konfessionalisierung?« (S. 426 f.) entwickelte Reinhard dieses Schema in drei Punkten weiter: Einerseits schaltete er einen Unterpunkt »Ursachen« vor, nämlich religiöse Innovationen, Entstehung mehrerer Kirchen mit Absolutheitsanspruch und Konkurrenzdruck der verschiedenen Kirchen. Zum zweiten fügte er den oben dargestellten sieben Elementen ein Kapitel »Institutionen« hinzu, um deutlicher herausarbeiten zu können, welche konfessionsspezifischen Institutionen für die Durchführung der sieben Elemente zuständig waren und inwiefern sich kirchliche Organisation mit staatlicher Organisation vermischte und ergänzte. Zum dritten werden im verfeinerten Schema die oben dargestellten Formen ergänzt durch den Unterpunkt »Folgen«. Reinhard unterscheidet in intendierte Folgen (nämlich konfessionell korrektes Verhalten) und nicht intendierte Folgen (Beitrag zum Wachstum der Staatsgewalt, Beitrag zur Modernisierung; unklar bleiben für Reinhard die Folgen der Konfessionalisierung bezüglich einer emotionalen Krise Europas und der Säkularisierung). Auch wenn die Verknüpfung von Konfessionalisierung und Modernisierung für das Konzept konstitutiv ist (so Schilling, Kirche, Staat und Gesellschaft, S. 26) kann die daran anschließende Diskussion sowie die Frage, was genau überhaupt Modernisierung ist, an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden. Vgl. Reinhard, Wolfgang: Sozialdisziplinierung – Konfessionalisierung – Modernisierung. Ein historiographischer Diskurs, in: Bosˇkovska Leimgruber, Nada (Hrsg.): Die Frühe Neuzeit in der Geschichtswissenschaft. Forschungstendenzen und Forschungsergebnisse, Paderborn, 1997, S. 39 – 55; ausführlich zum Zusammenhang von Katholizismus und Modernisierung Hersche, Peter : Muße und Verschwendung, Europäische Gesellschaft und Kultur im Barockzeitalter. 2 Bände, Freiburg u. a., 2006. 43 Reinhard, Zwang, S. 267.

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Identität, (2) Kontrolle über die Kirche bei der Entwicklung der Staatsgewalt, (3) Disziplinierung und Homogenisierung der Untertanen.44 Während die weltliche landesherrliche Obrigkeit half, die kirchlichen Normen durchzusetzen, konnte sie gleichzeitig auch eigene, weltliche Themen betreffende Normen durchsetzen und dadurch die eigene Macht ausbauen. Dabei konnte die Obrigkeit die organisatorischen Möglichkeiten der jeweiligen Konfessionskirche nutzen und gleichzeitig auch eigene Maßnahmen religiös legitimieren.45 Zudem betonen Reinhard und Schilling die zeitliche Parallelität dieser Abläufe bei allen drei Konfessionen und die Verstärkung der Entwicklung durch den dadurch entstehenden Konkurrenzdruck.46 Auch das Ineinandergreifen von entstehendem Staat und entstehender Konfession verlaufe in allen drei Konfessionen parallel.47 Uneins sind sich die beiden Historiker bei dem anzusetzenden Zeitraum. Während Reinhard die Zeit der »Konfessionalisierung« von den 1520er Jahren bis zur Vertreibung der Protestanten aus Salzburg 1731 ansetzt,48 plädiert Schilling für eine deutlich kürzere Zeitperiode von den späten 1540er Jahren bis 1648.49 Zweifellos hat das Konfessionalisierungskonzept auch eine Reihe von Kritikpunkten erfahren. Allerdings sollen hier nicht alle Debatten nachgezeichnet, sondern nur die Hauptfelder aufgezeigt werden. Walter Ziegler fasst seine Kritik gegenüber dem Konzept der Konfessionalisierung in drei Punkten zusammen50 : Erstens könne man nicht von einer par44 Ebd., S. 268. Der letzte Punkt hebt auf die Verknüpfung von Konfessionalisierung mit dem im Wesentlichen von Gerhard Oestreich geprägten Begriff Sozialdisziplinierung ab. Dieser Strang des Konzeptes kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden, da es den Rahmen sprengen würde. Weiterführende Literatur bei: Oestreich, Gerhard: Strukturprobleme des europäischen Absolutismus, in: Ders.: Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, Berlin, 1969, S. 179 – 197; Prinz, Michael: Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung. Neuere Fragestellungen in der Sozialgeschichte der frühen Neuzeit, in: WestF 42, 1992, S. 1 – 25; Schilling, Heinz (Hrsg.): Kirchenzucht und Sozialdisziplinierung im frühneuzeitlichen Europa, Berlin 1994; Schulze, Winfried: Gerhard Oestreichs Begriff »Sozialdisziplinierung in der frühen Neuzeit«, in: ZHF 14, 1987, S. 265 – 302. 45 Reinhard, Zwang, S. 276. Reinhard betont, dass somit auch in den katholischen Territorien ein landesherrliches Kirchenregiment entstanden sei, da die Unabhängigkeit der katholischen Kirche von der landesherrlichen Obrigkeit nur Programm, aber in der Praxis nicht durchführbar gewesen sei (Katholische Konfessionalisierung, S. 433). 46 Reinhard, Zwang, S. 259, Ders., Katholische Konfessionalisierung, S. 428, Schilling, Konfessionalisierung, S. 6 f. 47 Reinhard, Zwang, S. 267. 48 Ebd., S. 262. 49 Schilling, Konfessionalisierung, S. 14, 28. Wenngleich Schilling durchaus der Meinung ist, dass man Konfessionialisierung bis ins 18. Jahrhundert verfolgen könne, hätten aber die irenischen und überkonfessionellen Bemühungen nach dem Westfälischen Frieden dominiert (ebd. S. 28 – 30). 50 Alle drei Punkte in: Ziegler, Walter : Typen der Konfessionalisierung in katholischen Territorien Deutschlands, in: Reinhard, Wolfgang/Schilling, Heinz (Hrsg.): Die katholische

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allelen Entwicklung aller drei Konfession sprechen, da dies die Einheit der katholischen Kirche des Mittelalters und der Neuzeit, die auf evangelischer Seite nicht gegeben sei, missachte. Zweitens ignoriere das Konzept die fundamentalen theologischen Wahrheiten der unterschiedlichen Konfessionen.51 Drittens moniert er, dass das Konfessionalisierungskonzept auf einer zu hohen Abstraktionsebene agiere und damit die realen Entwicklungsverläufe und -unterschiede durch Verallgemeinerung einebne und zwar nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der Konfessionen. Einen weiteren Kritikpunkt an dem Konzept stellt die starke Betonung des Zusammenhangs zwischen Konfession und Staatsbildung dar. Heinrich Richard Schmidt bemängelt, dass zu sehr die Sicht der Eliten nachgezeichnet und weniger das Volk mit einbezogen würde.52 Er verneint zwar nicht die Impulse von oben, meint aber, dass sich »Konfessionalisierung« viel mehr von unten her, also durch die Gemeinde, durchgesetzt habe und dies weniger an dem sich entwickelnden staatlichen Einfluss gelegen habe.53 Ähnlich wie Ziegler kritisiert er in diesem Zusammenhang auch, dass die tatsächlichen Glaubensinhalte von der Konfessionalisierungsthese ausgespart würden.54 Den Kritikpunkt der Überbetonung des Staates greifen auch Luise Schorn-Schütte55 und Peter Hersche56 auf. Daran anschließend formuliert Hersche den Vorwurf, dass von den Verfechtern der These überwiegend normative Quellen genutzt würden, die nichts darüber aussagten, was tatsächlich auf lokaler Ebene passiert sei.57 Ein weiterer großer Kritikpunkt ist die postulierte Gültigkeit der Konfessio-

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Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposion der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte 1993, Gütersloh, 1995, S. 405 – 419, hier S. 417; ders.: Kritisches zur Konfessionalisierungsthese, in: Frieß, Peer/ Kießling, Rolf (Hrsg.): Konfessionalisierung und Region, Konstanz, 1999, S. 41 – 53 passim. Dieser Vorwurf ist bis in die jüngste Zeit nicht abgeklungen. Zusammenfassend: Brady, Thomas A.: Confessionalization: The Career of a Concept, in: Headley John u. a. (Hrsg.): Confessionalization in Europe, 1555 – 1700. Essays in Honor and Memory of Bodo Nischan, Hants, 2004, S. 1 – 20, hier S. 10 f. Schmidt, Heinrich Richard: Konfessionalisierung im 16. Jahrhundert, München, 1992, S. 119. Schmidt, Heinrich Richard: Sozialdisziplinierung? Ein Plädoyer für das Ende des Etatismus in der Konfessionalisierungsforschung, in: HZ 265, 1997, S. 639 – 682, passim. Schmidt meint, dass man die Konfessionalisierung einiger Regionen sogar vollständig ohne den Staat schreiben könne (ebd., S. 661). Schmidt, Sozialdisziplinierung, S. 659. Schorn-Schütte, Luise: Konfessionalisierung als wissenschaftliches Paradigma?, in: Bahlcke, Joachim/Strohmeyer, Arno (Hrsg): Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, Stuttgart, 1999, S. 63 – 77, hier S. 66 f. Hersche, Muße und Verschwendung, S. 60. Ebd., S. 62.

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nalisierungsthese für ganz Europa.58 So zeigt Olaf Mörke, dass die These auf die Niederlande nur begrenzt angewendet werden könne.59 Fundamentalkritik kommt zudem von Winfried Schulze, der eine Überbetonung des Konfessionellen kritisiert. Er argumentiert, dass sich die Frühe Neuzeit zwar nicht konfessionsneutral erklären lasse, dass aber keine Notwendigkeit bestehe, alles von der Konfessionsbildung herzuleiten.60 Die großen programmatischen Debatten um das Konzept sind zu Beginn des neuen Jahrtausends weniger geworden. Die beständig entstehenden Studien, die die Konfessionalisierungsthese anwenden61, zeigen aber, wie fruchtbar das Konzept – wenn auch mit Abwandlungen – genutzt werden kann. Monographien und Aufsätze, die sich ausdrücklich mit Rekatholisierung beschäftigen, sind rar und benutzen einen deutlich weiter gefassten Begriff, der sich von der in dieser Untersuchung verwendeten Bedeutungszuschreibung unterscheidet. Volker Seresse trennt bei »Rekatholisierung« nicht in »Zwang« und »Anreiz«, sondern nutzt den Begriff, um alle Bemühungen der Obrigkeit zu untersuchen, die Lutheraner eines Territoriums zu Katholiken machen sollten.62 Eine Reihe von Historikern benutzt »Rekatholisierung« hingegen, um ausschließlich die Zwangsmittel zu bezeichnen. Beispielhaft innerhalb der Monographien sei hier Herzig angeführt.63 Er beschreibt »Rekatholisierung« als »die 58 Schindling, Anton: Konfessionalisierung und Grenzen von Konfessionalisierbarkeit, in: Ders./Ziegler, Anton: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung Land und Konfession 1500 – 1650. Band 7: Bilanz – Forschungsperspektiven – Register, Münster, 1997, S. 9 – 44, bes. S. 18 – 20. 59 Mörke beschreibt, dass in den Niederlanden gerade kein Zusammenhang zwischen Entwicklung der Konfessionen und des frühmodernen Staates bestand (Mörke, Olaf: Die politische Bedeutung des Konfessionellen im Deutschen Reich und in der Republik der Vereinigten Niederlande. Oder : War die Konfessionalisierung ein »Fundamentalvorgang«?, in: Asch, Ronald G./Duchardt, Heinz (Hrsg.): Der Absolutismus – ein Mythos? Strukturwandel monarchischer Herrschaft in West- und Mitteleuropa (ca. 1550 – 1700), Köln u. a., 1996, S. 125 – 164, passim). 60 Schulze, Winfried: Konfessionalisierung als Paradigma zur Erforschung des konfessionellen Zeitalters, in: Dietz, Burkhard/Ehrenpreis, Stefan (Hrsg.): Drei Konfessionen in einer Region. Beiträge zur Geschichte der Konfessionalisierung im Herzogtum Berg vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Köln, 1999, S. 15 – 30, hier S. 25. 61 Gibt man etwa bei den Jahresberichten für deutsche Geschichte den Begriff »Konfessionalisierung« ein, erscheinen allein für das Jahr 2011 48 Titel (http://jdgdb.bbaw.de/cgi-bin/jdg, Abfrage am 13. April 2012). 62 Seresse, Volker : Der Versuch zur Rekatholisierung Osnabrücks 1628 – 1633 nach der Chronik des Rudolf von Bellinckhausen. Konversion und konfessionelle Identität zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in: OM 110, 2005, S. 99 – 118. 63 Herzig, Zwang; Zimmermann, Wolfgang: Rekatholisierung, Konfessionalisierung und Ratsregiment: der Prozess des politischen und religiösen Wandels in der österreichischen Stadt Konstanz 1548 – 1637, Sigmaringen, 1994; Maier, Franz: Die bayerische Unterpfalz im Dreißigjährigen Krieg: Besetzung, Verwaltung und Rekatholisierung der rechtsrheinischen Pfalz durch Bayern 1621 – 1649, Frankfurt/Main, 1990.

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weitgehend durch Gewalt herbeigeführte Einrichtung der katholischen Konfession als allein gültige Konfession im Staat«.64 Diesen Arbeiten ist gemeinsam, dass sie nicht die Kommunionseinnahme als entscheidenden Gradmesser annehmen, sondern allgemein untersuchen, mit welchen Mitteln eine katholische Obrigkeit eine lutherische Bevölkerung zur Ausübung des katholischen Glaubens bringen wollte. Besonders deutlich wird die Nutzung des Begriffs auf diese Weise bei France Dolinar, der »politische Rekatholisierung« als »die Maßnahmen des katholischen Landesfürsten« bezeichnet, die er nutzte, um »die katholische Religionszugehörigkeit bei seinen Untertanen durchzusetzen«.65 Allerdings ist unklar, an welchen Faktoren eine so gebrauchte »Rekatholisierung« gemessen wird und ob und wie die obrigkeitliche Politik vor Ort tatsächlich wirkte. Auch einige Aufsätze benutzen Rekatholisierung auf diese Art.66 Eine Ausnahme stellt Hans Krawarik dar, der als Indikator für eine Rückführung der lutherischen Untertanen zum katholischen Glauben – von ihm Rekatholisierung genant – die Wahl der Taufnamen untersucht.67 Anna Egler und Holger Gräf beschreiben mit dem Wort »Rekatholisierung« allgemein die Konfessionspolitik katholischer Territorialherren.68 Die umfassendste Erklärung gibt Jir† Miculec, der Rekatholisierung definiert als »einen langjährigen und komplizierten Prozeß […], zu dessen Bestandteilen (neben legislativen Normen, administrativen

64 Herzig, Rekatholisierung, S. 77 Anm. 3. 65 Dolinar, France M.: Politische Rekatholisierung und katholische Reform in Innerösterreich am Beispiel des Laibacher Bischofs Tomazˇ Hren (1597/99 – 1630), in: Lorenz, Sönke (Hrsg.): Primus Truber: 1508 – 1586. Der slowenische Reformator und Württemberg, Stuttgart, 2011, S. 341 – 351, hier S. 341 f. 66 Endres, Rudolf: Rekatholisierung am Obermain unter Bischof Neithart von Thüngen, in: Baier, Helmut/Soder von Güldenstubbe, Erik (Hrsg.): »Bei dem Text des Heiligen Evangelii wollen wir bleiben«. Reformation und katholische Reform in Franken, Neustadt/Aisch, 2004, S. 283 – 290; Hofmann, Siegfried: Zur Rekatholisierung im Gericht Reichertshofen im Jahr 1619, in: SHVI 90, 1981, S. 93 – 122; Huber, Wolfgang: Markt Bibart zwischen Reformation und Rekatholisierung: Beobachtungen zur Geschichte einer evangelischen Kirchengemeinde in Franken, in: ZBKG 78, 2009, S. 35 – 47 (nicht frei von konfessioneller Polemik!); Vogtherr, Thomas: Ein neu entdeckter Heiliger im Dienste der Rekatholisierung. Die Veehrung des Bischofs Adolf von Osnabrück, in: JGNKG 102, 2004, S. 7 – 21; Ziegler, Walter : Die Rekatholisierung der Oberpfalz, in: Glaser, Hubert (Hrsg.): Wittelsbach und Bayern II/1: Um Glauben und Reich. Kurfürst Maximilian I. Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst 1573 – 1657, München, 1980, S. 436 – 47. 67 Krawarik, Hans: Zum Spannungsverhältnis Konfessionalisierung – Rekatholisierung, in: JGPrÖ 122, 2006, S. 55 – 70. 68 Gräf, Holger Th.: Interterritoriale Politik und Konfessionalisierung. Die Hessen-Kasseler Reaktionen auf die Rekatholisierung in den benachbarten geistlichen Territorien, in: ZHG 107, 2002, S. 105 – 129; gleiches gilt für die Dissertation von Egler, Anna: Die Spanier in der linksrheinischen Pfalz, 1620 – 1632: Invasion, Verwaltung, Rekatholisierung, Frankfurt/ Main, 1971.

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Maßnahmen und der gewaltsamen Bekehrung der Nichtkatholiken) auch die sukzessive Veränderung des gesellschaftlichen Bewußtseins gehörte«.69 Die vorliegende Arbeit untersucht einen Ausschnitt innerhalb der Konfessionalisierung, der in der bisherigen Forschung kaum Beachtung gefunden hat. Rekatholisierung wird hier definiert als der Prozess, der zur Einnahme der Kommunion seitens der vormals lutherischen Untertanen führte, die damit ihre formale Zugehörigkeit zum Katholizismus anzeigten. Damit grenzt sich diese Arbeit von den vorher genannten Arbeiten deutlich ab, da hier ein sehr viel präziserer Ansatz gewählt wurde. Zudem lässt sich die Einnahme der Kommunion im Gegensatz zu anderen Merkmalen der Konfessionszugehörigkeit empirisch nachweisen. Nachdem die Begrifflichkeiten klar umrissen worden sind, wird im folgenden Abschnitt die fränkische Landesgeschichtsforschung betrachtet, wobei zunächst das Hochstift Bamberg, dann das Hochstift Würzburg beleuchtet wird. Hierbei handelt es sich um einen kursorisch gehaltenen kurzen Überblick. Eine Einordnung der vorliegenden Arbeit in den Forschungskontext bzw. Erläuterung der aktuellen Literatur erfolgt jeweils an den einschlägigen Stellen innerhalb der Arbeit. Ein dem wissenschaftlichen Standard entsprechendes Handbuch konnte für das Hochstift Bamberg bisher nicht auf den Weg gebracht werden. Reich an Material, aber nicht frei von konfessioneller Polemik, ist die insgesamt siebenbändige Geschichte Bambergs von Johann Looshorn, die er zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorlegte.70 Wenn auch die Zeit der religiösen Umwälzungen als »vergleichsweise gut untersucht« charakterisiert wird,71 handelt es sich dabei fast ausschließlich um Arbeiten, die innerhalb einer bestimmten Zeitspanne das ganze Hochstift in den Blick nehmen und entsprechend normativ und allgemein arbeiten. Dieter Weiss legte im Rahmen der Reihe »Germania Sacra« die Bamberger Bischofsreihe für den hier relevanten Zeitraum vor.72 Von einer explizit 69 Mikulec, Jir†: Historische Argumentation im konfessionellen Zeitalter. Kaiser Karl IV. und die Rekatholisierung Böhmens im 17. Jahrhundert, in: Bahlcke, Joachim u. a. (Hrsg): Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Winfried Eberhard zum 65. Geburtstag, Leipzig, 2006, S. 477 – 487, hier S. 478. 70 Die für das Thema relevanten Bände sind: Looshorn, Johann: Die Geschichte des Bisthums Bamberg nach den Quellen bearbeitet: Band 4: Das Bisthum Bamberg von 1400 – 1556, Bamberg, 1900; Band 5: Das Bisthum Bamberg von 1556 – 1622, Bamberg, 1903; Band 6: Das Bisthum Bamberg von 1623 – 1729, Bamberg 1906. 71 Staudenmaier, Johannes: Hochstift und Stadt Bamberg zwischen 1500 und 1648. Ein Forschungsüberblick, in: Häberlein, Mark/Kech, Kerstin/Ders. (Hrsg.): Bamberg in der Frühen Neuzeit. Neue Beiträge zur Geschichte von Stadt und Hochstift, Bamberg, 2008, S. 19 – 31, hier S. 21. 72 Weiss, Dieter : Das exemte Bistum Bamberg 3: Die Bischofsreihe von 1522 – 1693, Berlin, 2000. Der von Erich von Guttenberg und Alfred Wendehorst erarbeitete zweite Bamberger

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normativen Seite her hat sich neuerdings Staudenmaier mit der Frage beschäftigt, auf welche Art und Weise die bambergischen Bischöfe versuchten, eine Änderung im Verhalten ihrer Untertanen – auch im religiösen Bereich – zu erreichen.73 In dem von ihm mit herausgegebenen Sammelband »Bamberg in der Frühen Neuzeit« spielen konfessionelle Themen aber praktisch keine Rolle.74 Wenig differenziert, aber mit viel Material, arbeitet Max Lingg in seiner Analyse der Visitationen des Hochstifts.75 Vor kurzem legte William Smith eine Arbeit vor, in der er den Zusammenhang der religiösen Entwicklungen mit dem Staatsbildungsprozess im Hochstift Bamberg und den Markgrafentümern vergleichend in den Blick genommen hat.76 Einen interessanten Ansatz verfolgt Richard Ninness, der sich mit der Familienverflechtung innerhalb der bambergischen Verwaltung beschäftigt und zeigen konnte, dass Konfession kein bestimmender Faktor in der Besetzung von Beamten- und Ratsstellen gewesen ist.77 Systematische Arbeiten mit dem Ziel, die Situation vor Ort ausführlich zu untersuchen, sind nur wenige vorhanden. Abseits der heimatkundlichen Literatur sticht hier besonders die Dissertation von Günter Dippold heraus, der die Rückführung von lutherischen bambergischen Untertanen von mehreren benachbarten Pfarreien beschreibt.78 Was konfessionspolitische Forschungen in Würzburg betrifft, ist vor einigen Jahren ein aufwendig gearbeitetes, weite Bereiche behandelndes Handbuch erschienen.79 Davon abgesehen ist die Situation mit der Bambergs durchaus zu vergleichen. Auf Hochstiftsebene liegt eine ganze Reihe von Untersuchungen vor.80 Neben den entsprechenden Bänden der Germania Sacra81 hat die Ge-

73 74 75 76 77 78 79

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GS-Band behandelt ausschließlich das Mittelalter (Das exemte Bistum Bamberg 2: Die Pfarreiorganisation, Berlin, 1966). Staudenmaier, Johannes: Gute Policey in Hochstift und Stadt Bamberg: Normgebung, Herrschaftspraxis und Machtbeziehungen vor dem Dreißigjährigen Krieg, Frankfurt/Main, 2012. Häberlein, Mark/Kech, Kerstin/Staudenmeier, Johannes (Hrsg.): Bamberg in der Frühen Neuzeit. Neue Beiträge zur Geschichte von Stadt und Hochstift, Bamberg, 2008. Lingg, Max: Kultur-Geschichte der Diözese Bamberg seit Beginn des siebenzehnten Jahrhunderts auf Grund der Pfarr-Visitations-Berichte. Erster Band: Das siebenzehnte Jahrhundert, Kempten, 1900. Smith, William Bradford: Reformation and the German Territorial State. Upper Franconia, 1300 – 1630, Rochester, 2008. Ninness, Richard: Between Opposition and Collaboration: Nobles, Bishops, and the German Reformations in the Prince-Bishopric of Bamberg, 1555 – 1619, Leiden, 2011. Dippold, Günter : Konfessionalisierung am Obermain: Reformation und Gegenreformation in den Pfarrsprengeln von Baunach bis Marktgraitz, Staffelstein, 1996. Kolb, Peter/Krenig, Ernst-Günter (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg, 1995; Band 4: Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Eingliederung in das Königreich Bayern, Würzburg, 1998. Schott, Josef Andreas: Reformation und Gegenreformation im Bistum Würzburg innerhalb

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schichte Würzburgs hauptsächlich in biographisch an den Bischöfen orientierten Studien ihre Bearbeitung erfahren, wobei Julius Echter im Mittelpunkt des Interesses steht.82 Neuere Detailstudien sind in erster Linie als Geschichte von Landstädten oder Pfarreien, wie sie zum Beispiel für Iphofen und Karlstadt vorliegen, erschienen.83 Eine Reihe von Aufsätzen befasst sich mit einzelnen Orten oder Landstrichen im Spiegel von Visitationsberichten.84 Generell überwiegen in der fränkischen Landesgeschichtsforschung Arbeiten zu staats-, verfassungs- und verwaltungsgeschichtlichen Aspekten der frühneuzeitlichen Geschichte. Verwundern mag das nicht, stellt Franken als territorium non clausum ein äußerst vielseitiges Feld für diese Bereiche dar. Besonders deutlich wird diese Tendenz in den bisher 38 erschienenen Bänden der

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seiner damaligen Grenzen, Würzburg, 1961; Wittstadt, Klaus/Weiß, Wolfgang: Das Bistum Würzburg. Leben und Auftrag einer Ortskirche im Wandel der Zeit. Band 3: Von der Reformation zur katholischen Reform, Strasbourg, 1999. Wendehorst, Alfred: Das Bistum Würzburg 3: Die Bischofsreihe von 1455 – 1617, Berlin, 1978, Ders.: Das Bistum Würzburg 4: Das Stift Neumünster in Würzburg, Berlin, 1989; Ders.: Das Bistum Würzburg 6: Die Benediktinerabtei und das adelige Säkularkanonikerstift St. Burkard in Würzburg, Berlin, 2001, Romberg, Winfried: Das Bistum Würzburg 7: Die Würzburger Bischöfe von 1617 bis 1684, Berlin, 2011. Aus den zahlreichen Erscheinungen seien hier beispielhaft genannt: Bauer, Christoph: Melchior Zobel von Giebelstadt, Fürstbischof von Würzburg (1544 – 1558). Diözese und Hochstift Würzburg in der Krise, Münster, 1998; Buchinger, Johann Nepomuk: Julius Echter von Mespelbrunn, Bischof von Würzburg und Herzog in Franken, Würzburg, 1843; Dürr, Otto: Philipp Adolf von Ehrenberg. Bischof von Würzburg 1623 – 1631, Quakenbrück, 1935; Giesecke, Brunnhilde: Friedrich von Wirsberg, Bischof von Würzburg und Herzog von Franken. Der Beginn der Gegenreformation im Bistum Würzburg, Würzburg, 1978; Hessdörfer, Clemens (Hrsg.): Julius Echter von Mespelbrunn. Fürstbischof von Würzburg und Herzog von Franken. Eine Festschrift, Würzburg, 1917; Merz, Johannes: Julius Echter als »Typus der Gegenreformation«, in: HJb 129, 2009, S. 65 – 82; Pölnitz, Götz von: Julius Echter von Mespelbrunn. Fürstbischof von Würzburg und Herzog von Franken (1573 – 1617), Aalen, 1973 (ND von 1934); Specker, Hans-Eugen: Die Reformtätigkeit der Würzburger Bischöfe Friedrich von Wirsberg und Julius Echter von Mespelbrunn, in: WDGB 27, 1965, S. 29 – 125. Emmert, Jürgen: Kirche und Frömmigkeit in der Würzburger Amtsstadt Karlstadt am Main vom Spätmittelalter bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, in: WDGB 72, 2010, S. 13 – 204; Endres, Josef: Iphofen. Entwicklung einer würzburgischen Landstadt von ihren Anfängen bis in die Echterzeit, Dettelbach, 2000; Kandler, Norbert: Kirchlauter. Geschichte der Pfarrei und ihres Umfeldes bis zur Barockzeit, Würzburg, 1985. Lang, Peter : Die tridentinische Reform im Landkapitel Gerolzhofen. Katholisches Leben im Spiegel der Visitationsberichte 1574 – 1619, in: WDGB 52, 1990, S. 243 – 269; Ders.; Die tridentinische Reform im Landkapitel Mergentheim bis zum Einfall der Schweden 1631, in: RJKG 1, 1982, S. 143 – 171; Markert, Emil: Ein Visitationsbericht aus Julius Echters Zeit, in: WDGB 14/15, 1952, S. 537 – 554; Meier, Johannes: Die katholische Erneuerung des Würzburger Landkapitels Karlstadt im Spiegel der Landkapitelsversammlungen und Pfarreivisitationen 1579 – 1624, in: WDGB 33, 1971, S. 51 – 125; allgemein: Specker, Hans Eugen: Nachtridentinische Visitationen im Bistum Würzburg als Quelle für die katholische Reform, in: Molitor, Hansgeorg/Zeeden, Ernst Walter (Hrsg.): Die Visitation im Dienst der kirchlichen Reform, Münster, 1967, S. 37 – 48.

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Reihe »Historischer Atlas von Bayern. Teil Franken«, die konfessionelle Entwicklungen und Probleme kaum mit einbeziehen.85 Insgesamt zeigt sich damit, dass eine Untersuchung der Rekatholisierungsprozesse auf lokaler Ebene ein Forschungsdesiderat innerhalb der fränkischen Landesgeschichtsforschung darstellt.

1.3. Quellenlage Die verschiedenen Quellen und Quellentypen, die für die vorliegende Arbeit benutzt wurden, werden im Folgenden vorgestellt. Zunächst werden die Quellen im Hochstift Bamberg beschrieben. Arbeiten, die die Konfessionalisierung im Allgemeinen oder auch einzelne Aspekte behandeln, tendieren dazu, sich hauptsächlich mit Visitationsakten zu beschäftigen. Begründet wird dies damit, dass der Forscher anhand von Visitationen die Menschen am besten erfassen könne.86 Diese Möglichkeit stand der vorliegenden Arbeit aber nur eingeschränkt zur Verfügung, da Visitationen im Hochstift Bamberg in den für diese Arbeit relevanten Jahrzehnten nur selten durchgeführt worden sind.87 Hauptsächlich zum Tragen kommen daher einerseits Pfarreiakten, andererseits die Protokolle des Geistlichen Rates. Die Pfarreiakten enthalten die Korrespondenzen der Bamberger Bischöfe mit den Herrschaftsträgern auf lokaler Ebene (Amtleute, Kastner, Priester etc.). Von besonderem Interesse sind hierbei die gelegentlich vorkommenden Schreiben der Untertanen, die sich direkt an ihren Bischof wendeten. Der Geistliche Rat war das Gremium, das für die Religionsmaßnahmen zuständig war.88 Die nahezu vollständig vorhandenen Protokolle sind so aufgebaut, dass das eingeschickte Schriftstück (des Amtmanns, Pfarrers etc.) zusammen85 Man mag an dieser Stelle einwerfen, dass die Erhellung konfessioneller Konfliktlinien auch nicht Ziel der Atlasreihe ist, der es an der Erforschung von »Besitz-, Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen des gesamten Landes vom Mittelalter bis zur neuesten Zeit« gelegen ist (http://www.kbl.badw.de/publ/hab.htm, abgerufen am 20. April 2012), allerdings erscheint es doch etwas eigenartig, anzunehmen, dass konfessionelle Konfliktlinien darauf keinerlei Einfluss genommen hätten. 86 Schmidt, Konfessionalisierung, S. 120. Aus der großen Fülle dieser Publikationen seien beispielhaft genannt: Becker, Thomas: Konfessionalisierung in Kurköln. Untersuchungen zur Durchsetzung der katholischen Reform in den Dekanaten Ahrgau und Bonn anhand von Visitationsprotokollen 1583 – 1761, Bonn, 1989; Jadatz, Heiko: Wittenberger Reformation im Leipziger Land: Dorfgemeinden im Spiegel der evangelischen Kirchenvisitationen des 16. Jahrhunderts, Leipzig, 2007; Schmidt, Sebastian: Glaube – Herrschaft – Disziplin: Konfessionalisierung und Alltagskultur in den Ämtern Siegen und Dillenburg (1538 – 1683), Paderborn, 2005. Zum Quellenwert von Visitationen s. u. 87 Inwiefern Visitationsakten überhaupt für die Fragestellung erkenntnisleitend sind, s. u. 88 Eine ausführliche Erläuterung erfolgt in Kapitel 3.

Quellenlage

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gefasst wurde, dann fand eine (kurz wiedergegebene) Beratung statt, bevor ein Beschluss gefasst wurde. In Orten mit dichter Überlieferung (z. B. Teuschnitz) kann man also aus der Kombination der Protokolle mit den Pfarreiakten die Handlungskette: (1) Beschluss im Geistlichen Rat, (2) bischöflicher Befehl, (3) (Nicht-)Umsetzung vor Ort, (4) Rückmeldung, (5) neue Beratung, (6) neuer Befehl genau nachvollziehen. Zudem konnte aus dem vorhandenen Material gefolgert werden, dass die Beschlüsse des Geistlichen Rates auch wirklich in Befehle umgesetzt und den lokalen Amtsträgern übergeben wurden, sodass auch für Orte mit weniger überlieferten Pfarreiakten zumindest die befohlenen Maßnahmen immer deutlich vor Augen stehen. Drei der untersuchten Orte klagten vor dem Reichskammergericht in Speyer. Insgesamt liegen vier Prozessakten vor, wobei drei vollständig, eine fragmentarisch überliefert ist. Die Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhundert schätzte den Erkenntniswert von Reichskammergerichtsakten sehr gering ein, da sie ausschließlich darauf abhob, dass die Prozesse mitunter sehr lange dauerten und häufig nicht zu einem Urteil kamen.89 Im Laufe des 20. Jahrhunderts gelangte man in der Forschung indes zu der Überzeugung, dass die Bedeutung des Gerichts nicht ausschließlich an Urteilen und Urteilsvollstreckungen gemessen werden könne.90 Seit Ende der 1970er Jahre sind die ca. 76.000 noch vorhandenen Reichskammergerichtsakten inventarisiert worden.91 Die Benutzung wurde durch ausführliche Findbücher sehr vereinfacht, allerdings sind für die im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München aufbewahrten Prozesse noch nicht alle Bände erschienen.92 Die Archivlage für das Hochstift Würzburg stellt sich völlig anders dar. Im Zweiten Weltkrieg wurden große Teile des Archivgutes des Staatsarchives vernichtet.93 Folglich ist die Menge der Korrespondenzen zwischen der Hochstiftsebene und der lokalen Ebene deutlich geringer, zudem liegen sie nicht gebündelt vor, sondern sind über mehrere Bestände verteilt.94 Zahlreicher

89 Ortlieb, Eva: Reichskammergericht, in: EdN, Band 10, Stuttgart, Weimar, 2009, Sp. 923 – 929, hier Sp. 924. 90 Ebd., Sp. 924 f. So sind die vier relevanten Prozesse alle ohne Urteil zu Ende gegangen, dennoch lassen sich einige Erkenntnisse daraus gewinnen. S. Kapitel 6. 91 Oestmann, Peter : Ein Zivilprozeß am Reichskammergericht. Edition einer Gerichtsakte aus dem 18. Jahrhundert, Köln u. a., 2009, S. 2. 92 Die Bände erscheinen alphabetisch nach dem Anfangsbuchstaben der Kläger, zuletzt erschien 2009 der Band »M« (Breit, Stefan (Bearb.): Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht Band 16 Nr. 6706 – 7308 (Buchstabe M), München 2009). 93 Sowohl die in der Würzburger Residenz verbliebenen Bestände als auch das ausgelagerte Archivgut brannten im Zuge einer Bombardierung größtenteils ab. 94 Die Feuerverluste können zu einem geringen Teil durch die Benutzung von Literatur von vor 1945 ausgeglichen werden, allerdings zeigt die Durchsicht der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Findbücher, wie viel hier noch zu finden gewesen wäre.

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überliefert sind indes die Visitationsakten.95 Bei deren Benutzung müssen verschiedene Aspekte beachtet werden. Grundsätzlich lassen sich bei Visitationen zwei Arten unterscheiden: In der Mittelpunktvisitation wurden die Geistlichen eines bestimmten Gebietes (z. B. eines Landkapitels) an einen Ort zusammengerufen und befragt. Dies war einfacher für die Visitatoren, hatte aber den Nachteil, die Aussagen des einzelnen Pfarrers vor Ort nicht mit den Gegebenheiten oder mit den Aussagen anderer Personen abgleichen zu können. Bei einer Visitationsreise hingegen reiste der Visitator selbst von Ort zu Ort.96 Bedacht werden muss dabei, dass zum einen der schriftliche Niederschlag von der Persönlichkeit des Visitators abhängig war.97 Es liegt der Gattung zugrunde, dass überwiegend das Negative und seltener das Ordnungsgemäße breiten Raum einnimmt.98 Andererseits konnte eine vorher angekündigte Visitation dazu führen, dass der Priester Kritikwürdiges für die Zeit des Besuches unsichtbar machte.99 Ein weiteres Problem der Visitationsakten gerade zu Beginn des Visitationswesens ist die Uneinheitlichkeit. Die Instruktionen waren noch nicht ausgeprägt, sodass häufig in jeder Pfarrei etwas anderes Auffälliges notiert wurde. Dies erschwert den Vergleich.100 Später wiederum führte die Regelmäßigkeit der Visitationen dazu, dass sich die Betroffenen darauf einstellten und im Vorfeld ihre Antworten vorbereiten konnten.101 Zudem ist unklar, was bei der Übertragung der mündlichen Antworten in die schriftliche Formulierung durch die Visitatoren verloren ging bzw. beschönigend dargestellt wurde.102 Auch die Personenkonstellation innerhalb einer Gemeinde muss bei der Interpretation der Visitationen bedacht werden. Wurden verschiedene Personen (etwa Priester, Kaplan, Bürgermeister, Schulmeister etc.) befragt, konnte die persönliche Beziehung zwischen den Personen entsprechend auf die Aussagen abfärben.103 Davon abgesehen ist nie ganz klar, ob die Befragten – bewusst oder unbewusst – wahrheitsgetreu und vollständig antworteten.104 95 Unter den Begriff Visitationsakten fallen im Allgemeinen nicht nur die tatsächlich während der Visitation entstandenen Protokolle und die darauf basierenden Berichte, sondern auch Akten der Vorbereitungen (Gesetze und Erlasse, Instruktionen für die Visitatoren etc.) und der Nachbereitung (Visitationsrechnungen, Rügen, Urteile etc.). Dazu kommen noch zahlreiche Beiakten, etwa Kirchenrechnungen, Einkommensverzeichnisse von Pfarreien, Inventarien etc. (Lang, Peter Thaddäus: Die Kirchenvisitationsakten des 16. Jahrhunderts und ihr Quellenwert, in: RJKG 6, 1987, S. 133 – 153, hier S. 135). 96 Ebd., S. 134. 97 Ebd. 98 Meier, katholische Erneuerung, S. 62. 99 Lang, Kirchenvisitationsakten, S. 134. 100 Ebd., S. 136. 101 Hersche, Muße und Verschwendung, S. 192. 102 Ebd., S. 193. 103 Lang, Kirchenvisitationsakten, S. 135. 104 Becker, Kurköln, S. xx.

Quellenlage

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Auch hinsichtlich der Fragestellung sind Visitationsakten problematisch. Auskunft über stattgefundene oder noch stattfindende Maßnahmen der Bischöfe die Rekatholisierung betreffend geben sie kaum. Zwar folgte in der Regel auf eine Visitation eine Reaktion seitens der Hochstiftleitung, diese Korrespondenz wurde aber an anderer Stelle aufbewahrt und ist entsprechend seltener überliefert. Trotz dieser Punkte ist es aber nicht möglich, auf Visitationsakten zu verzichten, da sie häufig die einzig vorliegende Quelle sind. Von besonderem Interesse für die Fragestellung der Arbeit ist die Zahl der Teilnehmer an der Osterkommunion. Allerdings sind die diesbezüglichen Angaben der Kommunikantenzahlen in den Visitationsakten (wie auch in allen anderen Übersichten) in den meisten Fällen als ein grober Richtwert zu sehen. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Es ist nicht immer klar, ob der Pfarrer alle Mitglieder der Pfarrgemeinde (also Hauptort und Filialen) meint oder nur die des Pfarrhauptortes, häufig schätzte der Pfarrer selbst (auffällig sind stark gerundete Zahlen), unklar ist mitunter auch, wie viele Verweigerer der Kommunion unauffällig verschwiegen wurden.105 Interessant ist, dass die im Würzburger Diözesanarchiv aufbewahrten Pfarreiakten im Gegensatz zu ihrem Bamberger Pendant für die gewählte Fragestellung nur sehr wenige brauchbare Informationen enthalten. Korrespondenzen aus dem Untersuchungszeitraum sind darin kaum überliefert und wenn, handeln sie zumeist von wirtschaftlichen Fragen. Viele Akten der benutzten Archive sind nicht foliert, bei anderen zeugt die durcheinander geratene und mehrfach vorhandene Nummerierung von einigen Umsortierungen. Deshalb wird zur genauen Quellenbezeichnung auf eine Seitenangabe generell verzichtet und stattdessen neben Bestand und Aktenname Absender, Adressat, Datum und, wenn vorhanden, der Titel des Schriftstückes angegeben, um jedes Schreiben eindeutig zu bezeichnen. Eine Ausnahme stellen die Protokolle des Bamberger Geistlichen Rates und die Kirchenbücher dar. Da hier häufig unter dem gleichen Datum eine Reihe von verschiedenen Dingen abgehandelt wurde, wird hier die Folierung berücksichtigt. Bei Quellenzitaten liegt der Fokus auf der Verständlichkeit. Folglich wurden die Vertauschung von »u« und »v« aufgelöst, Abkürzungen aufgehoben und gelegentlich Satzzeichen eingefügt. Die unterschiedliche Schreibweise gleicher Wörter wurde indes beibehalten. In beiden Hochstiften galt nach der Kalenderreform der neue Kalender. Die protestantischen fränkischen Territorialherren blieben aber bei der alten Zeitrechnung, so auch (zunächst) viele hochstiftische Untertanen. Zur besseren Übersicht wurden alle Schriftstücke in den neuen Kalender umgerechnet und

105 Lang, Kirchenvisitationsakten, S. 138 f.

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auf Doppeldatierungen verzichtet. Feiertage, Ostertermine etc. wurden mit Hilfe des Grotefend errechnet.106 Da in der vorliegenden Untersuchung mangels Entsprechungen auf eine Reihe von Quellenbegriffen zurückgegriffen werden muss, ist der Arbeit zudem ein Glossar beigegeben, das die wichtigsten Ausdrücke erläutert.

1.4. Aufbau der Arbeit Abschließend soll der Aufbau der Arbeit kurz präsentiert werden. In Kapitel 2 werden die Konfessionsentwicklungen im 16. Jahrhundert überblicksartig dargestellt, was zu der Frage führt, wie sich – auf rein normativer Ebene betrachtet – ein »vorbildlicher« Katholik in Bezug auf Lebensführung und Glaubensausübung zu verhalten hatte. In Kapitel 3 soll die Geschichte der beiden Hochstifte auf einer religionspolitischen und einer verwaltungstechnischen Ebene vorgestellt werden. Zudem werden die bischöflichen Akteure auf lokaler Ebene eingeführt. Im Kapitel 4 werden die untersuchten Orte vorgestellt. Herzstück der Arbeit sind die Untersuchung der Rekatholisierungsmaßnahmen und die von den Untertanen durchgeführten Gegenmaßnahmen (Kap. 5 und 6). In dem darauf folgenden Kapitel 7 soll der Frage nachgegangen werden, was genau unter einer Konversion zu verstehen ist. Außerdem wird hier gezeigt werden, welche Folgen die Entscheidung gegen eine Konversion und für eine Auswanderung hatte. Daran anschließend wird im Kapitel 8 gezeigt, welche Konflikte sich innerhalb der Bevölkerung ergaben, wenn zwei Konfessionen gemeinsam an einem Ort lebten. Die Arbeit wird durch eine Schlusssynthese im Kapitel 9 abgeschlossen. Um den Überblick über die Detailfülle zu erleichtern, sind ab Kapitel fünf am Ende eines jeden Kapitels Zusammenfassungen der erarbeiteten Erkenntnisse eingefügt worden. Bei längeren Teilkapiteln erhalten auch diese eine abschließende Zusammenfassung und einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse. Eine Zusammenschau über die Gesamtentwicklung eines jeden Ortes, auch im Vergleich zu den anderen Orten, erfolgt dann in der Schlusssynthese. Bei der Darstellung der einzelnen Orte wurde weitestgehend versucht, eine Trennung zwischen Darstellung und Analyse einzuhalten. Zunächst wird dem jeweils zu untersuchenden Phänomen in dem jeweiligen Ort chronologisch gefolgt, also ein deskriptiver Ansatz angewendet. In einem zweiten Schritt werden dann die Ereignisse in Hinblick auf die Fragestellung analysiert und interpretiert. Zum Teil wurden aber zur besseren Verständlichkeit Erklärungen bereits in den beschreibenden Teil mit aufgenommen. 106 Grotefend, Hermann: Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Hannover, 131991.

2. Aus einer Religion werden mehrere Konfessionen

Im folgenden Kapitel werden die Grundlinien der Konfessionsentwicklungen im 16. Jahrhundert knapp umrissen. Am Anfang muss entsprechend erläutert werden, was die Reformation beinhaltete und welche Auswirkungen sie hatte. Danach wird geschildert, wie es zu Beginn der Reformation um den Katholizismus stand und inwiefern das Konzil von Trient neue Impulse für den Katholizismus im Alten Reich hervorgebracht hat. Zudem wird der Frage nachgegangen, wie die fränkischen Bischöfe zum Tridentinum standen. In einem letzten Schritt soll geklärt werden, wie sich der »vorbildliche« – also allen Normen entsprechende – Katholik zum Ende des 16. Jahrhunderts zu verhalten hatte.

2.1. Die Reformation und ihre Folgen Als Martin Luther 1517 seine 95 Thesen zum Ablasshandel veröffentlichte, setzte er eine Entwicklung in Gang, die zur Spaltung der christlichen Kirche in mehrere Konfessionen führen sollte.107 Luthers Lehre beruhte auf dem Glauben, dass für das eigene Seelenheil nur die Gnade Gottes (»sola gratia«) nötig sei, an die der Christ glauben müsse (»sola fide«). Dies offenbare sich ausschließlich in der Bibel (»sola scriptura«).108 Damit lehnte Luther die Werkgerechtigkeit (also den Glauben, das gute Werke für das eigene Heil nötig sein) genauso ab, wie auch das Bußsakrament und das Priesteramt.109 Außerdem war es in Folge seiner Überzeugung auch nicht nötig, dass Gläubige gegen Geld einen Ablass erwarben, was 107 Im Folgenden sollen sowohl Luthers Lehre als auch die sich aus der Reformation ergebenen Entwicklungen im Alten Reich nur streiflichtartig beleuchtet werden. Ausführlich dazu Kaufmann, Thomas: Geschichte der Reformation, Frankfurt, 2010; Mörke, Olaf: Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung, München, 22011; Schnabel-Schüle, Helga: Die Reformation 1495 – 1555: Politik mit Theologie und Religion, Stuttgart, 2006. 108 Mörke, Reformation, S. 7 f. 109 Ebd., S. 8.

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Aus einer Religion werden mehrere Konfessionen

zur Eröffnung eines Glaubensprozesses gegen ihn führte. Die Situation wurde kaum dadurch erleichtert, dass Luther auch den Primat des Papstes ablehnte.110 Er distanzierte sich ebenfalls von der Möglichkeit, mit Hilfe eines Konzils die von ihm angeprangerten Probleme zu lösen.111 Zeitlich parallel, aber unabhängig von Luther entwickelte Huldrych Zwingli in Zürich eigene Vorstellungen von einer Kirchenreform.112 Trotz verstärkten Bemühungen konnte im Lauf der 1520er Jahre keine Übereinkunft zwischen der Position Luthers und der Zwinglis erreicht werden.113 Mit der päpstlichen Bannandrohungsbulle »Exsurge Domine« wurde Luther 1520 aufgefordert, innerhalb von 60 Tagen seine Meinung zu widerrufen.114 Auf dem Reichstag von 1521 wurde zudem durch den neu gewählten römischen König und späteren Kaiser Karl V. das so genannte Wormser Edikt ausgebracht, das die Reichsacht gegen Luther und seine Anhänger aussprach. Der Reformator, der selbst auf dem Reichstag gehört wurde, hatte sich geweigert, seine Kritik zurückzunehmen.115 Die Sache Luthers hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst mit einer anderen verbunden, nämlich dem Antagonismus zwischen dem Kaiser und den deutschen Reichsständen. Wer für Luther war, konnte sich als Reichsstand gegen den Kaiser profilieren und die Position der Stände stärken.116 In den folgenden Jahrzehnten zeigte sich, dass der Verlauf der Reformation im Deutschen Reich mit den (außer-)europäischen Verstrickungen Karls V. korrelierte.117 In den 1520er Jahren war Karl in Kriege gegen Frankreich verwickelt und nicht im Reich präsent.118 In der Folge konnten sich die lutherischen Ideen weiter ausbreiten.119 Praktisch wurde die Reformation entweder innerhalb einer (Reichs-)Stadt120 oder innerhalb eines Territoriums seitens des Landesherrn eingeführt.121 In einigen Fällen führte auch ein Bischof die Reformation ein, ohne 110 Ebd., S. 9. 111 Schnabel-Schüle, Reformation, S. 255. Auf Grund Luthers Ablehnung des Konzils müssen die Forderungen der Evangelischen Stände in den Jahrzehnten nach der Reformation als ein politisches Argument verstanden werden (ebd. S. 257). 112 Mörke, Reformation, S. 14. 113 Ebd., S. 47. Verweise auf die später in die reformierte Konfession mündenden Entwicklungsstränge erfolgen nur in aller Kürze, da diese Konfession in der vorliegenden Untersuchung keine Rolle spielt. 114 Mörke, Reformation, S. 10. 115 Schnabel-Schüle, Reformation, S. 107. 116 Ebd., S. 108. 117 Heckel, Martin: Die reichsrechtliche Bedeutung des Bekenntnisses, in: Brecht, Martin/ Schwarz, Reinhard (Hrsg.): Bekenntnis und Einheit der Kirche. Studien zum Konkordienbuch, Stuttgart, 1980, S. 57 – 88, hier S. 61. 118 Schnabel-Schüle, Reformation, S. 108. 119 Mörke, Reformation, S. 40 f. 120 Schmidt, Konfessionalisierung, S. 7. 121 Ebd., S. 9.

Die Reformation und ihre Folgen

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auf sein Amt zu verzichten, in anderen Fällen wurde das Territorium eines evangelisch gewordenen Hochstifts in ein weltliches Territorium integriert.122 Häufig wurde das Luthertum aber offiziell erst ab den 1530er Jahren eingeführt, während die Bevölkerung schon zunehmend der neuen Lehre zuneigte. Vor Ort geschah die Einführung zumeist durch eine Kirchen- und Schulvisitation, um bereits Vorhandenes zu registrieren und Altkirchliches zu korrigieren.123 Da mitunter traditionelle Formen der Glaubensausübung beibehalten wurden, war der Konfessionswechsel für Laien und manchen Pfarrer nicht immer augenscheinlich.124 Bereits auf den Reichstagen von 1529 und 1530 wurde die lutherische Bewegung als eine zusammenhängende Gruppe von Fürsten und Städten gesehen, die nicht mehr auf dem Boden der alten Kirche stand.125 Auf dem Reichstag 1530 wurde zudem die Bekenntnisschrift »Confessio Augustana« (CA) überreicht, in denen die Grundzüge des Glaubens zusammengefasst dargestellt wurden und die von den meisten evangelischen Ständen unterschrieben worden war.126 Die katholischen Reichsstände lehnten die CA indes ab, sodass es zu keiner Einigung kommen konnte.127 Die evangelischen Stände fanden sich nach dem Reichstag außerhalb der Reichsfriedensordnung wieder.128 Als Folge gründete sich 1531 der Schmalkaldische Bund als ein Zusammenschluss evangelischer Reichsstände.129 Auf Grund einer Reihe von kriegerischen Verwicklungen musste Karl V. in den 1530ern und beginnenden 1540er Jahren den deutschen reformatorischen Territorien wiederholt mit befristeten Anerkennungen entgegen kommen.130 Der Kaiser hielt sich in diesen Jahren nicht im Reich auf und brauchte zudem das Geld der evangelischen Stände, um seine Kriege zu finanzieren.131 Die Situation änderte sich grundlegend, nachdem Karl V. nach dem Sieg über Frankreich und die Osmanen wieder einen deutlich größeren Handlungsspielraum hatte.132 Es gelang ihm, im Schmalkaldischen Krieg 1547 einen Sieg über die Evangelischen zu erringen.133 Mit dem so genannten Interim von 1548 ver122 123 124 125 126 127 128 129 130 131

Ebd., S. 10. Ebd., S. 9. Weiss, Katholische Reform, S. 142 f. Schmidt, Konfessionalisierung, S. 2. Mörke, Reformation, S. 43. Ebd., S. 44. Schnabel-Schüle, Reformation, S. 178. Mörke, Reformation, S. 44. Heckel, reichsrechtliche Bedeutung, S. 64. Reinhard, Wolfgang: Reichsreform und Reformation 1495 – 1555, in: Ders (Hrsg.): Gebhardt Handbuch der Deutschen Geschichte Band 9, Stuttgart, 102001, S. 111 – 356, hier S. 331. 132 Schnabel-Schüle, Reformation, S. 202. 133 Ebd., S. 204 ff.

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Aus einer Religion werden mehrere Konfessionen

suchte Karl, die lutherische Bewegung aufzuhalten. Er ließ von einer von beiden konfessionellen Lagern beschickten Kommission einen Entwurf einer Glaubensordnung ausarbeiten, die für beide Konfessionen gelten sollte. Allerdings lehnten die katholischen Reichsstände das Interim ab.134 Dieser Zwischenlösung sollte ohnedies keine lange Lebensdauer beschieden sein.135 Anlässlich der provokanten Behandlung evangelischer Gesandter während der zweiten Periode des Konzils von Trient 1551 formierte sich im Reich Widerstand gegen ein Konzil unter der Leitung des Papstes und gegen Karl V.136 Im so genannten Fürstenkrieg 1552 musste sich Karl V. den deutschen Reichsständen schon nach wenigen Monaten geschlagen geben.137 Nachdem die Evangelischen im darauf verhandelten Passauer Vertrag (1552) bereits provisorisch anerkannt worden waren, erfolgte im Augsburger Religionsfrieden von 1555 eine dauerhafte Anerkennung.138 Zwar war der Augsburger Religionsfriede bis zur endgültigen Vergleichung der beiden Konfessionen vorerst nur als Provisorium gedacht, dieser Vergleich kam aber nie zustande, obwohl durch etliche Religionsgespräche ein gemeinsamer Nenner gefunden werden sollte.139 Als schwere Hypothek trug der Vertrag u. a., dass er die reformierte Konfession nicht mit aufnahm.140 Die seit längerem bestehenden Konflikte innerhalb der evangelischen Bewegung rissen nach dem Augsburger Religionsfrieden nicht ab. Zum einen prägte sich die reformierte Konfession weiter aus. Bereits vor dem Augsburger Religionsfrieden hatte sich gezeigt, dass die Differenzen zwischen der Schweizer und der Wittenberger Reformation nicht überwunden werden konnten.141 Beginnend mit der Kurpfalz 1563 kam es in einer Reihe von Territorien zur Einführung des reformierten Bekenntnisses.142 Zum anderen spaltete sich die lutherische Bewegung nach Luthers Tod 1546 in zwei Richtungen: die »Philippisten«, also die Anhänger Melanchthons, und die »Gnesiolutheraner«, die sich als die einzig wahren Lutherschüler verstanden.143 Während sich die Vertreter des katholischen Glaubens mit dem Abschluss 134 135 136 137 138 139 140

141 142 143

Mörke, Reformation, S. 59. Schmidt, Konfessionalisierung, S. 3. Schnabel-Schüle, Reformation, S. 209. Ebd., S. 210. Schmidt, Konfessionalisierung, S. 3. Koch, Ernst: Das konfessionelle Zeitalter – Katholizismus, Luthertum, Calvinismus (1563 – 1675), Leipzig, 2000, S. 211 f. Müller, Gerhard: Bündnis und Bekenntnis. Zum Verhältnis von Glaube und Politik im deutschen Luthertum des 16. Jahrhunderts, in: Brecht, Martin/Schwarz, Reinhard (Hrsg.): Bekenntnis und Einheit der Kirche. Studien zum Konkordienbuch, Stuttgart, 1980, S. 23 – 43, hier S. 36. Koch, Zeitalter, S. 259 f. Ebd., S. 260. Ebd., S. 213.

Der Katholizismus und das Konzil von Trient

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des Tridentinums 1563 auf eine gemeinsame Linie geeinigt hatten, schwelte die Zerrissenheit des Protestantismus weiter.144 Da nach dem Friedensvertrag von Augsburg keine direkte Kriegsgefahr für die Evangelischen bestand, zogen sich die theologischen Diskussionen weiter hin.145 Erst 1577 konnten sich die meisten der deutschen Territorien auf die Konkordienformel einigen, die von einer überregionalen Theologenkommission erarbeitet worden war. Bei der Konkordienformel, die sich als Kommentar zum Augsburgischen Bekenntnis von 1530 verstand, handelte es sich um insgesamt 13 Artikel, in denen Positionen zu den wichtigsten Glaubensinhalten formuliert wurden.146 In der Folge wurde 1580 das Konkordienbuch herausgebracht, das die wichtigsten Texte enthielt. Obwohl diejenigen Territorien, die der Konkordienformel nicht zugestimmt hatten, auch das Konkordienbuch ablehnten, entwickelte es sich zu einem der wichtigsten Merkmale der Wittenberger Reformation.147

2.2. Der Katholizismus und das Konzil von Trient Die katholische Kirche musste sich am Ende des Mittelalters einer Reihe von Vorwürfen stellen. Kritik gab es nicht nur bei dem niederen Klerus, dessen Mangel an Bildung, Sittlichkeit und Pflichteifer evident geworden war. Auch die Pfründenhäufung des Adels rief Gegenstimmen hervor.148 Bereits im 15. Jahrhundert wurde der Ruf nach Reformen laut, der sich programmatisch in der Formel »reformatio ecclesiae in capite et membris« verdichtete.149 Doch weder den Konzilien von Konstanz und Basel noch den Päpsten gelang es, längerfristige Änderungen zu erreichen.150 Gleichwohl gab es einzelne Reformbewegungen wie etwa die Devotio moderna und den Humanismus.151 Bei der Devotio moderna handelt es sich um eine aus den Niederlanden kommende religiöse Erneuerungsbewegung des 14. Jahrhunderts, die eine innerliche, persönliche Christusfrömmigkeit in Anlehnung an die Bibel propagierte.152 Der Humanismus 144 145 146 147 148 149 150 151 152

Ebd., S. 213 f. Müller, Bündnis und Bekenntnis, S. 37. Koch, Zeitalter, S. 215. Ebd., S. 216. Sicken, Bernhard: Franken, in: Brandmüller, Walter (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte. Zweiter Band: Von der Glaubensspaltung bis zur Säkularisation, St. Ottilien, 1993, S. 123 – 291, hier S. 124. Weiss, Katholische Reform, S. 18. Ebd., S. 18 f. Schmidt, Konfessionalisierung, S. 26. Ganzer, Klaus: Aspekte der katholischen Reformbewegung im 16. Jahrhundert, in: Meier, Johannes/Smolinksy, Heribert (Hrsg.): Klaus Ganzer. Kirche auf dem Weg durch die Zeit. Institutionelles Werden und theologisches Ringen. Ausgewählte Aufsätze und Vorträge, Münster, 1997, S. 181 – 211, hier S. 183.

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wiederum entstand als Erneuerung der antiken Bildung und basierte sowohl auf der Bibel als auch auf den Kirchenvätern.153 Großer Druck auf die katholische Kirche wurde im 16. Jahrhundert durch die Reformation Luthers ausgelöst. Der in der Folge entstandene Reformwille kam auf dem Konzil von Trient zum Ausdruck, wo in drei Tagungsperioden (1545 – 48, 1551 – 52, 1561 – 63) die Weichen für die katholische Zukunft gestellt wurden.154 Das Tridentinum ist in bewusster Abgrenzung zum sich verfestigenden Protestantismus zu sehen. Es war nicht als Weltkonzil gedacht, das die beiden Strömungen wieder zusammenführen sollte.155 Dies hatte zu Beginn der Reformation noch anders ausgesehen. Viele Kleriker und Laien waren lange Zeit der Ansicht gewesen, dass eine allgemeine Reform (ohne eine Kirchenspaltung) durch ein Konzil gelingen könnte.156 Bis zur tatsächlichen Eröffnung des Konzils von Trient hatte sich die Situation aber deutlich verändert: Aus einer losen lutherischen Bewegung war eine funktionierende Konfessionskirche mit formiertem Bekenntnis geworden. Entsprechend waren die Protestanten nicht bereit, sich dem Urteil der katholischen Bischöfe zu unterwerfen.157 Zudem erschien es Luther und seinen Anhängern unannehmbar, an einem Konzil unter der Leitung des Papstes, der selbst als Teil des Problems gesehen wurde, teilzunehmen.158 Das Konzil war zwar seinem Selbstverständnis nach ein Konzil aller Gläubigen, faktisch wurde es aber nur von Katholiken besucht.159 Zudem war es keine rein theologische Versammlung, sondern in vielem auch von politischen Zwängen und auswärtigen Kräften bestimmt.160 Thematisch wurden in der ersten Konzilsperiode in Abgrenzung zur reformatorischen Lehre die Glaubensgrundlagen definiert, während in der dritten Periode in erster Linie die praktische Umsetzung thematisiert wurde.161 Dabei 153 Weiss, Katholische Reform, S. 28. 154 Schmidt, Konfessionalisierung, S. 26. Das Tridentinum kann hier nur in wenigen Worten abgehandelt werden. Grundlegend dazu Jedin, Hubert: Geschichte des Konzils von Trient. 4 Bände, Freiburg u. a., 1949 – 75. Reinhard weist darauf hin, dass es von päpstlicher Seite her zwar gewünscht, aber nicht möglich gewesen sei, Reformen ohne ein Konzil durchzusetzen (Reinhard, Wolfgang: Das Konzil von Trient und die Modernisierung der Kirche. Einführung, in: Prodi, Paolo/Ders. (Hrsg.): Das Konzil von Trient und die Moderne, Berlin, 2001, S. 23 – 42, hier S. 25). 155 Schmidt, Konfessionalisierung, S. 26. 156 Repgen, Konrad: Reich und Konzil (1521 – 1566), in: Prodi, Paolo/Reinhard, Wolfgang (Hrsg.): Das Konzil von Trient und die Moderne, Berlin, 2001, S. 43 – 77, hier S. 47 f. 157 Ebd., S. 56 f. 158 Scheffczyk, Leo: Das Konzil von Trient und die Reformation. Zum Versuch eines Brückenschlags, in: Sitzungsberichte der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, 1992, München, 1993, S. 3 – 30, hier S. 4. 159 Repgen, Reich und Konzil, S. 56 f. 160 Ebd., S. 58. 161 Schmidt, Konfessionalisierung, S. 26.

Die deutschen Bischöfe und das Konzil von Trient

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entstand kein in sich geschlossenes Reformprogramm, sondern man einigte sich auf Kompromisse, um die verschiedensten Probleme pragmatisch anzugehen.162 Das Tridentinum festigte die hierarchische Struktur der römisch-katholischen Kirche mit dem Papst an der Spitze und den Bischöfen in ihren Leitungsund Aufsichtsfunktionen.163 Neben vielen anderen organisatorischen Neuerungen wurde angeordnet, dass die Bischöfe ihre Diözesen regelmäßig visitieren sollten.164 Eine wichtige Neuerung betraf die Abhaltung von Diözesansynoden.165 Einen der Kernpunkte stellte die Klerusreform dar, die zu einer Besserung der Kleriker und der Seelsorge führen sollte.166 Dies erfolgte aus der Einsicht, dass es nicht möglich sein würde, die Laien zu einem kirchlichen Leben anzuhalten, wenn kein gut ausgebildetes Personal dafür zur Verfügung stand.167 Zum Auf- und Ausbau der Pfarrausbildung sollte in jedem Hochstift ein Priesterseminar gegründet werden.168 Außerdem wurde jedem Bischof aufgetragen, nur geeignete Kandidaten zu Pfarrern zu weihen, die gut ausgebildet waren und einen tadellosen Lebenswandel hatten.169 Gleichzeitig wurden die verschiedenen Aufgaben genau definiert, die ein Priester gegenüber seiner Gemeinde zu erfüllen hatte.170 Zudem wurden die deutschen Bistümer stärker an Rom gebunden, indem ein System von Legaten und Nuntiaturen aufgebaut wurde: Römische Gesandte reisten durch das Reich und versuchten in den besuchten Diözesen nach Kräften die tridentinischen Reformen durchzuführen. In die gleiche Richtung wirkte der 1539/40 gegründete Orden der Jesuiten.171

2.3. Die deutschen Bischöfe und das Konzil von Trient Die Handlungen der deutschen katholischen Bischöfe im 16. und auch im 17. Jahrhundert stützten sich auf und orientierten sich an zwei Säulen: Den Impulsen aus Trient einerseits und den Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens andererseits. Im Folgenden soll zunächst die Konzilsrezeption kurz

162 Reinhard, Konzil von Trient, S. 28. 163 Schmidt, Konfessionalisierung, S. 27. 164 Sessio XXIV 11. November 1563, can. III (das Folgende abgedruckt in: Wolmuth, Josef (Hrsg.): Dekrete der ökumenischen Konzilien Band 3: Konzilien der Neuzeit, Paderborn u. a., 2002). 165 Sessio XXIV 11. November 1563, can. II. 166 Sessio XIV 25. November 1551, Decretum de reformatione Prooemium. 167 Specker, Reformtätigkeit, S. 68. 168 Sessio XXIII 15. Juli 1563, can. XVIII. 169 Sessio XXIV 11. November 1563, can. XVIII. 170 Specker, Reformtätigkeit, S. 69 f. 171 Schmidt, Konfessionalisierung, S. 28.

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geschildert werden, anschließend werden die einschlägigen Leitlinien des Augsburger Religionsfriedens vorgestellt. Viele deutsche Bischöfe standen dem Tridentinum, das die wenigsten von ihnen persönlich besucht hatten, nur bedingt wohlwollend gegenüber.172 Da die Vertreter der Bischöfe und Äbte in Trient keinerlei Rechte hatten, konnten die deutschen Bischöfe den Konzilsverlauf kaum beeinflussen.173 Zudem forderten die Beschlüsse des Tridentinums auch eine stärkere Unterordnung unter den Papst, was bei den Bischöfen zu geteilten Reaktionen führte.174 Nur der Trierer Erzbischof hatte 1569 die Konzilsbestimmungen in seinem Territorium verkündet. Vor allem das Schweigen des wichtigsten deutschen Bischofs, des Erzbischofs von Mainz, war ein schlechtes Zeichen für die Umsetzung der tridentinischen Beschlüsse.175 Die Zahl der Bischöfe, die das Tridentinum nicht oder nur teilweise publizierten, aber dennoch Kirchenreformen einleiteten, war sehr groß.176 Katholische Reform und Umsetzung der Bestimmungen des Tridentinums waren somit zwei unterschiedliche Prozesse, die sich nur teilweise deckten.177 Der Umsetzung des Tridentinums in der Reichskirche standen eine Reihe von Schwierigkeiten entgegen: Sowohl die Bischöfe als auch die Dom- und Stiftskapitel waren Teil einer dynastischen und sozialen Verflechtung und profitierten von der vorkonziliaren Kirche.178 Die Traditionen der Reichskirche (z. B. Beschränkung des Kapiteleintritts auf den Adel, Wahlkapitulationen, Personalunionen etc.) standen der Verwirklichung der tridentinischen Leitlinien entgegen.179 Zudem war ein deutscher Bischof im Gegensatz zum tridentinischen Ideal auch ein weltlicher Territorialherr, der sich häufig mehr als Reichsfürst denn als geistlicher Hirte verstand.180 Viele Bischöfe regierten darüber hinaus 172 Ebd. 173 Freudenberger, Theobald: Die Fürstbischöfe von Würzburg und das Konzil von Trient, Münster, 1989, S. 214. 174 Weiss, Katholische Reform, S. 141. 175 Ganzer, Klaus: Die Trienter Konzilsbeschlüsse und die päpstlichen Bemühungen um ihre Durchführung während des Pontifikats Clemens VIII. (1592 – 1605), in: Meier, Johannes/ Smolinksy, Heribert (Hrsg.): Klaus Ganzer. Kirche auf dem Weg durch die Zeit. Institutionelles Werden und theologisches Ringen. Ausgewählte Aufsätze und Vorträge, Münster, 1997, S. 519 – 537, hier S. 529. 176 Molitor, Hansgeorg: Die untridentinische Reform. Anfänge katholischer Erneuerung in der Reichskirche, in: Brandmüller, Walter/Immenkötter, Herbert/Iserloh, Erwin (Hrsg): Ecclesia Militans. Studien zur Konzilien- und Reformationsgeschichte Remigius Bäumer zum 70. Geburtstag gewidmet. Band I: Zur Konziliengeschichte, Paderborn u. a., 1988, S. 399 – 431, hier S. 418. 177 Weiss, Dieter : Bamberg im konfessionellen Zeitalter. Ein Beitrag zur Konfessionalisierungsdebatte, in: HJb 124, 2004, S. 409 – 433, hier S. 423. 178 Weiss, Katholische Reform, S. 143 f. 179 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 424. 180 Ebd., S. 425.

Die deutschen Bischöfe und das Konzil von Trient

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häufig eher gegen als mit ihren Kapiteln, die das persönliche Erstarken des Bischofs fürchteten. Ein weiteres Problem war der verbreitete Priestermangel, der kaum verbessert werden konnte, weil die Einrichtung von Ausbildungsstätten an finanziellen Schwierigkeiten scheiterte.181 Die Konzilsbestimmungen allein konnten folglich noch nicht zu einer Veränderung in deutschen Hochstiften führen. Nötig war auch der Reformwille der beteiligten Personen. Zur Unterstützung der Bischöfe wirkten hierbei besonders die erneuerten und neuen Orden, die vor Ort für die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse sorgen sollten.182 So entstanden im Laufe des 16. Jahrhunderts in vielen großen Städten des Reiches Jesuitenkollegien.183 Die rechtlichen Grundlagen zur Umsetzung der angestrebten Änderungen in katholischen Bischofsterritorien brachte der Augsburger Religionsfrieden. Dieser wurde am 25. September 1555 als Teil des Augsburger Reichsabschieds erlassen.184 In dem Vertragswerk wurde ausdrücklich bestimmt, dass kein Reichsstand einen anderen Reichsstand wegen »diser Augspurgischen confessions religion, glauben, kirchengebreuchen, ordnungen und ceremonien, so sie aufgericht oder nochmals aufrichten möchten in iren fürstentumen, landen und herrschaften« bedrängen dürfe. Umgekehrt galt dieser Bestandsschutz auch für die katholische Konfession.185 Mit dieser Regelung konnte folglich jeder Reichsstand in seinem Territorien die Konfession für sich und seine Untertanen bestimmen.186 Durch die erwähnten Gebräuche, Ordnungen und Zeremonien wurde eine Konfession eindeutig determiniert.187 Dafür setzten sich die synonym gebrauchten Begriffe ius reformandi und cuius regio eius religio durch.188 Die freie Glaubenswahl jedes Einzelnen konnte von den evangelischen Reichsständen nicht durchgesetzt werden. Allerdings erhielt der Untertan die Möglichkeit zur Auswanderung, wenn er in seiner Konfession von der des Landesherrn abwich.189

181 Weiss, Katholische Reform, S. 144. 182 Ganzer, Klaus: Das Konzil von Trient – Antrieb oder Hemmschuh für die Kirche der Neuzeit?, in: Prodi, Paolo/Reinhard, Wolfgang (Hrsg.): Das Konzil von Trient und die Moderne, Berlin, 2001, S. 125 – 146, hier S. 144. 183 Schmidt, Konfessionalisierung, S. 28. 184 Schneider, Bernd Christian: Ius reformandi. Die Entwicklung eines Staatskirchenrechts von seinen Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches, Tübingen, 2001, S. 166. 185 Walder, Ernst: Religionsvergleiche des 16. Jahrhunderts Kap. III Der Augsburger Religionsfrieden 1555, Bern, 21960, §§ 3, 4. 186 Schneider, Ius reformandi, S. 171. 187 Gotthard, Axel: Der Augsburger Religionsfrieden, Münster, 2004, S. 100. 188 Gotthard, Religionsfrieden, S. 241. Beide Formulierungen finden sich wörtlich nicht im Text des Friedens. Inwiefern das ius reformandi durchbrochen werden konnte und welche Ausnahmen es von vornherein gab, siehe ausführlich Kapitel 6.5. 189 S. Kapitel 5.3.4 und 6.5.

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2.4. Bamberg und das Tridentinum Bereits vor dem Konzil von Trient gab es in Bamberg erste Ansätze zu einer Reform der katholischen Kirche. Neben Reformbestrebungen der ansässigen Orden wurde versucht, Maßnahmen zur Besserung des weltlichen Klerus einzuleiten.190 Erfolge waren diesen Versuchen aber nicht beschieden. Häufig wurden Reformansätze durch die gegensätzliche Haltung des Domkapitels verhindert.191 Am Tridentinum nahm kein Bamberger Bischof persönlich teil. Die Einladung vom April 1545 blieb in Bamberg unbeachtet, was vermutlich daran lag, dass Bischof Weigand von Redwitz in den Jahren zuvor vergeblich Vertreter nach Mantua und Trient geschickt hatte, die unverrichteter Dinge wieder abziehen mussten, als das Konzil nicht zustande kam.192 Weigand nahm auch an der zweiten Tagungsperiode nicht teil, sondern ernannte den Bischof von Lübeck zu seinem Vertreter. Dieser verstarb allerdings, bevor er in Trient ankam.193 Im Oktober 1551 sandte der Bischof daraufhin den Domprediger Johannes Grau nach Trient.194 Dem Bischof erschien die politische Lage 1551/52 zu unsicher, um selbst sein Territorium zu verlassen.195 Weigands Nachfolger Georg Fuchs von Rügheim sagte zwar seine persönliche Teilnahme an der dritten Konzilsperiode zu, verstarb allerdings, bevor er die Reise antreten konnte.196 Sein Nachfolger Veit II. von Würtzburg besuchte das Tridentinum nicht und schickte auch keine Vertretung.197 Das Konzil von Trient hatte die Bischöfe verpflichtet, die gefassten Beschlüsse auf einer Provinzial- und Diözesansynode anzunehmen. Das erste Merkmal einer tridentinischen Reform war also die Veröffentlichung der Dekrete.198 In 190 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 422. Die kirchenpolitischen Maßnahmen, die im Laufe des 16. Jahrhunderts durchgeführt wurden, werden im Einzelnen im folgenden Kapitel 3 dargestellt. 191 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 423. 192 Weiss, Bischofsreihe, S. 129 f. 193 Ebd., S. 130. 194 Ebd., S. 131. Von dessen Aktivitäten in Trient ist indes nichts bekannt (ebd.). 195 Kist, Johannes: Bamberg und das Tridentinum, in: Schreiber, Georg (Hrsg.): Das Weltkonzil von Trient. Sein Werden und Wirken, Freiburg, 1951, S. 119 – 134, hier S. 120. 1552 begann in Franken der so genannte zweite Markgräflerkrieg. Dazu ausführlich Kapitel 3.2.1. 196 Weiss, Bischofsreihe, S. 151. 197 Ebd., S. 177 f. Die Übertragung des bischöflichen Stimmrechts auf eine andere Person war ohnedies nicht zulässig. Delegierte waren zunächst lediglich zugelassen, um die Entschuldigung und die Gründe für das persönliche Fernbleiben eines Bischofes zu übermitteln. Später durften sie auch beratend teilnehmen, aber nicht mit abstimmen (Bigelmair, Andreas: Das Konzil von Trient und das Bistum Würzburg, in: Schreiber, Georg (Hrsg.): Das Weltkonzil von Trient. Sein Werden und Wirken, Freiburg, 1951, S. 39 – 91, hier S. 66 f.). 198 Weiss, Katholische Reform, S. 140 f.

Würzburg und das Tridentinum

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Bamberg stimmte das Domkapitel zwar 1571 der Publizierung der tridentinischen Beschlüsse zu, aber es gibt keine Hinweise, dass es auch tatsächlich zu einer Veröffentlichung gekommen ist.199 Wesentliches Element der tridentinischen Reformen war in Bamberg die Gründung des Priesterseminars 1586.200 Eine Niederlassung der Jesuiten wurde 25 Jahre später gegründet. Erst dieser Orden führte z. B. die für die Seelsorge so entscheidenden Bruderschaften in Bamberg ein.201 Ein weiterer Fakt, der der Umsetzung des Tridentinums im Hochstift Bamberg entgegenstand, war das lange Fehlen eines geweihten Bischofs, denn in den Jahren 1561 – 66, 1577 – 84, 1591 – 97, 1599 – 1609, 1623 – 1637 und 1643 – 1661 gab es keinen geweihten Diözesanbischof und nur zeitweise einen Weihbischof.202 Das bedeutete, dass für die entsprechenden Handlungen (z. B. Spendung der Priesterweihen, Firmung der Gläubigen) Ersatz aus Würzburg und Eichstätt geliehen werden musste. Die Wirkung des Tridentinums muss über einen sehr langen Zeitraum von etwa 150 Jahren angesetzt werden. Entscheidende Impulse zu tridentinisch geprägten Reformen gingen etwa von den Kapuzinern aus, deren bambergische Ordensgründung erst 1711 erfolgte.203

2.5. Würzburg und das Tridentinum Wie im benachbarten Bamberg hatte es auch in Würzburg lange vor dem Tridentinum Bischöfe gegeben, die versuchten, in ihrem Herrschaftsgebiet Reformen durchzuführen, so zum Beispiel Rudolf von Scherenberg (reg. 1466 – 1495). Allerdings waren diesen Versuchen keinerlei Erfolge beschieden.204 Dies hatte im Wesentlichen drei Gründe: Die komplizierte territoriale Lage, das lähmende Konkurrenzverhältnis zwischen Bischof und Domkapitel und die mangelnde Ausbildung vor allem des niederen Klerus.205 Das Tridentinum wurde von keinem der Würzburger Bischöfe persönlich besucht. Bischof Melchior Zobel von Giebelstadt schickte 1545, einerseits ob 199 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 423. Anders Christ, der eine Verkündung der Konzilsdekrete für 1570 annimmt (Christ, Günter : Bamberg, in: Schindling, Anton/ Ziegler, Walter: Die Territorien des Reiches im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500 – 1650. Band 4: Mittleres Deutschland, Münster, 1992, S. 146 – 165, hier S. 154). 200 Kist, Bamberg, S. 126. 201 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 424. 202 Ebd., S. 425 f. 203 Ebd., S. 426. 204 Bigelmair, Konzil, S. 42 f. 205 Ebd., S. 43 f. Die Schwierigkeiten der territorialen Verflechtungen werden ausführlich im Kapitel 3.1 erläutert.

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seiner mangelnden theologischen Bildung, andererseits, weil er selbst zur gleichen Zeit am Reichstag teilnahm, einen Chorherrn von Stift Haug namens Johann Armbruster.206 Auch zur zweiten Sitzungsperiode kam der Würzburger Oberhirte nicht selbst nach Trient, sondern schickte seinen Weihbischof Georg Flach.207 Zwar hatte Bischof Melchior ursprünglich geplant, selbst am Konzil teilzunehmen, wollte aber wegen des drohenden Konfliktes mit dem Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach, Albrecht II. Alcibiades, sein Territorium nicht verlassen.208 Flach wurde zwar als Titularbischof von Salona zu den Sitzungen zugelassen, aber nicht als Vertreter des Würzburger Bischofs.209 Melchior Zobels Nachfolger, Friedrich von Wirsberg, konnte auf Grund der kriegerischen Handlungen mit dem Ritter von Grumbach210 das Stift nicht verlassen, um an der dritten Konzilsperiode teilzunehmen. Weihbischof Flach trat wegen seines Alters die Reise ebenfalls nicht an.211 In der Folge wurde Würzburg durch den Eichstätter Weihbischof Leonard Haller vertreten, der aber nur als Bischof von Philadelphia Stimmrechte hatte.212 Die Diskussionen und Ergebnisse der drei Konzilsperioden wurden aber in der Residenzstadt rezipiert, diskutiert und teilweise zur Anwendung gebracht.213 So nahm Bischof Melchior bereits 1549 die in Trient angeordnete Visitation der Domkirche und des Domkapitels vor.214 Bischof Friedrich von Wirsberg ließ einige der Dekrete bekanntmachen.215 Seine 1567 gegründete Schule war ein erster Schritt in Richtung eines tridentinischen Priesterseminars.216 Sein Nachfolger Julius Echter berief sich in seinen Verordnungen und Mandaten mehrfach auf das Tridentinum. Er veröffentlichte das tridentinische Ehemandat und fügte in seine Verordnungen gelegentlich wörtlich einzelne tridentinische Dekrete ein.217 Die Publizierung der gesamten Trienter Dekrete lässt sich zu seiner Regierungszeit aber nicht nachweisen.218

206 Freudenberger, Fürstbischöfe, S. 213 f. 207 Meier, Karlstadt, S. 55. 208 Wendehorst, Bischofsreihe, S. 123. Zum so genannten zweiten Markgräflerkrieg s. Kapitel 3.2.1 und 3.3.1. 209 Freundenberger, Fürstbischöfe, S. 215. 210 S. Kapitel 3.3.1. 211 Freundenberger, Fürstbischöfe, S. 217. 212 Wendehorst, Bischofsreihe, S. 154 f. 213 Amrhein, August: Reformationsgeschichtliche Mitteilungen aus dem Bistum Würzburg 1517 – 1573, Münster, 1923, S. 75. 214 Bigelmair, Konzil, S. 68. 215 Wendehorst, Bischofsreihe, S. 155. 216 Bigelmair, Konzil, S. 84. 217 Wendehorst, Bischofsreihe, S. 196. 218 Molitor, Untridentinische Reform, S. 419.

Der »vorbildliche« Katholik

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2.6. Der »vorbildliche« Katholik Dieses Teilkapitel widmet sich der Frage, wie sich die fränkischen Bischöfe zum Ende des 16. Jahrhunderts einen »vorbildlichen » Katholiken vorstellten. Auf Basis von Kirchenordnungen, Visitationsverzeichnissen und Anweisungen an Pfarrer soll extrahiert werden, welche Verhaltensweisen maßgeblich waren. Am ausführlichsten wird das gewünschte Verhalten der Untertanen in der Würzburger Kirchenordnung von 1589 erläutert.219 Zunächst werden die Pflichten erläutert, die ein gläubiger Katholik im Laufe eines Jahres zu erfüllen hatte, anschließend, welche Pflichten im Laufe des Lebens zu leisten waren. In einer gewöhnlichen Woche des Jahres war an den Sonn- und den eventuell auftretenden Feiertagen morgens zwischen sieben und acht Uhr (im Winter etwas später) der Gottesdienst zu besuchen. Die Menschen sollten bis zum Schluss bleiben und danach nach Hause gehen und sich nicht mit Unterhaltungen aufhalten.220 Um zwölf Uhr Mittags wurde an Sonn- und Feiertagen ein zweites Mal gepredigt, anschließend wurde die Kinderlehre gehalten, wobei der Pfarrer bei beidem gehalten war, der Gemeinde ihren Glauben zu erläutern. An Samstagen, Sonn- und Feiertagen war zudem nachmittags noch die Vesper zu besuchen.221 Neben dem Gottesdienstbesuch war im Laufe des Jahres eine ganze Reihe von Fasttagen zu beachten, wobei die Kirchenordnung genau festlegte, bei welchen Feiertagen bzw. deren Vorabenden gefastet und bei welchen nicht gefastet werden musste. Dazu kam die mehrwöchige Fastenzeit zwischen Aschermittwoch und Ostern.222 Eine weitere Pflicht des Katholiken war die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession. Zudem gab es noch weitere Feiertage, die ebenfalls mit einer Prozession geehrt wurden.223 Die Pflichten des einzelnen Gläubigen lassen sich nicht nur an der Würzburger Kirchenordnung ablesen, sondern auch an den Ermahnungen, die den Pfarrern zugingen. Auch aus den Visitationsanweisungen und -fragen aus Bamberg lässt sich ersehen, auf welche Punkte seitens des Bischofs Wert gelegt wurde.224 Dabei unterschieden sich die Erwartungen der Bamberger Bischöfe nicht von denen der Würzburger. 219 Abgedruckt bei Himmelstein, Franz Xaver: Synodicon Herbipolense. Geschichte und Statuten der im Bisthum Würzburg gehaltenen Concilien und Dioecesansynoden, Würzburg, 1855, S. 384 – 404. 220 Ebd., S. 385, 398. 221 Ebd., S. 388. 222 Ebd., S. 386 – 388. 223 Ebd., S. 398. 224 AEB Rep. I Pf.A. 569 Generalvisitationen 1603 – 1617 unter Weihbischof Dr. Friedrich Förner.

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Dem Pfarrer von Gemünden etwa wurde die Frühmesse zu seinem normalen Gehalt hinzugegeben, damit er einen Kaplan anstellen konnte. Die beiden waren gemeinsam dafür verantwortlich, dass praktisch an jedem Tag ein Gottesdienst stattfand: Der Pfarrer hatte Sonn- und Feiertags den Gottesdienst zu feiern, Beginn sollte zwischen sieben und acht Uhr morgens sein. Um ein Uhr hatte der Kaplan dann den Katechismus zu lehren. Anschließend sollte die Vesper gehalten werden. An allen Sonn- und Feiertagen sollte außerdem noch, genauso wie an den vier Quatembertagen und an den Frei- und Samstagen der Fastenzeit ein Salve gesungen werden. In einer normalen Woche sollte der Pfarrer dienstags und samstags eine Frühmesse halten, donnerstags sollte nach der Messe eine Prozession stattfinden. Der Kaplan hingegen war montags, mittwochs und freitags um sechs Uhr morgens mit einer Frühmesse betraut. Außerdem sollten die mehr als 15 Jahrestage gefeiert werden.225 Weitere Pflichten des Katholiken im Verlauf des Kirchenjahres waren der Besuch von Beichte und Kommunion. Als Termin hierfür war die Osterzeit vorgegeben.226 Da die Kommunion als entscheidendes Merkmal der Katholizität gesehen wurde, soll im Folgenden dieses Sakrament und die ihr zwingend vorausgehende Beichte genauer vorgestellt werden. Im Zuge des Tridentinums wurde das Beichtsakrament gestärkt, da jeder Kommunion das persönliche Bekenntnis der Sünden vorausgehen sollte.227 Besonders die Reformorden intensivierten die Beichte.228 Die Gläubigen sollten zudem nicht nur einmal im Jahr beichten, sondern mehrfach.229 Für das Herrenmahl galt gleichermaßen wie für die anderen Sakramente230, dass hier die Unterscheidung zur lutherischen Konfession besonders deutlich wurde.231 Zunächst zu den Begrifflichkeiten: Konfessionsübergreifend wird von Theologen der Begriff »Herrenmahl« genutzt, der in dieser Arbeit zur Anwendung kommt, wenn allgemein von diesem Sakrament die Rede ist. Im evangelischen Bereich wird überwiegend vom Abendmahl gesprochen, im katholischen von Kommunion, entsprechend werden diese beiden Begriffe in der Arbeit be225 DAW Ämterakten Nr. 33 Beschreibung kirchlicher Strukturen im Amt Gemünden, 8. Januar 1613. 226 Himmelstein, Synodicon, S. 389 – 391. 227 Weiss, Katholische Reform, S. 171. Ausführlich zur Beichte Myers, David: »Poor, Sinning Folk«. Confession and Conscience in Counter-Reformation Germany, Ithaka, 1996. 228 Weiss, Katholische Reform, S. 171. 229 StAW Miscell. 775 Instruktion, welcher Gestalt aus Befehl des Bischofs Julius der Vicarius in spritualibus etliche Pfarren, Kirchen und Schulen im Stift Würzburg visitieren soll, 1595. 230 In der katholischen Kirche gibt es insgesamt sieben Sakramente (Taufe, Firmung, Herrenmahl, Buße, Letzte Ölung, Weihe und Ehe), in der lutherischen zwei (Taufe, Herrenmahl) (Seresse, Volker : Kirche und Christentum. Grundwissen für Historiker, Paderborn, 2011, S. 42 f.). 231 Meier, Karlstadt, S. 87.

Der »vorbildliche« Katholik

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nutzt, wenn die konfessionelle Unterscheidung für den Zusammenhang und das Verständnis wichtig ist.232 Das Herrenmahl symbolisiert den Bund zwischen Christus und den Menschen und erinnert gleichzeitig an seinen Opfertod.233 War es viele Jahrhunderte üblich, dass dabei alle Gläubigen Brot und Wein empfingen, wurde letzteres ab dem 12./13. Jahrhundert unüblich.234 Zudem nahmen im Laufe des Spätmittelalters immer weniger Gläubige die Kommunion ein.235 Das Herrenmahl stellt einen deutlichen Unterscheidungspunkt zwischen den Konfessionen dar und zwar sowohl in dogmatischer Hinsicht als auch in der praktischen Ausführung: Auf katholischer Seite wird die Realpräsenz Christi betont, also die Verwandlung von Hostie und Wein in Leib und Blut Christi. Zudem wird der Opfercharakter der Kommunion hervorgehoben. Aus lutherischer Sicht ist zwar Christus ebenfalls real präsent, allerdings ist anders als bei den Katholiken nicht klar, wie diese Präsenz entsteht. Zudem wird das Herrenmahl nicht als Opfer gedeutet.236 In der praktischen Ausgestaltung unterscheidet sich das Herrenmahl zwischen den Konfessionen, da katholische Laien die Hostie erhalten, nicht aber den Wein (also »unter einerlei Gestalt« oder »sub una specie«), während lutherische Laien beides erhalten (»unter beiderlei Gestalt« oder »sub utraque specie«).237 Entsprechend legten die Bischöfe Wert darauf, dass die Priester den Gläubigen ausführlich erläuterten, worin genau die Unterschiede begründet waren.238 Auf dem Tridentinum wurde erstmals eine umfassende dogmatische Lehre von den Sakramenten und damit auch von der Kommunion formuliert. Dies geschah einerseits in Abgrenzung zur reformatorischen Lehre, zum anderen aber auch, um Missstände und Missverständnisse in den eigenen Reihen zu beheben.239 Im Folgenden werden die Pflichten dargestellt, die ein »vorbildlicher« Katholik im Laufe seines Lebens erfüllen sollte. Dies begann zunächst mit der Taufe, die so schnell als möglich durchgeführt werden sollte. Bei der anschlie232 233 234 235 236

Seresse, Kirche und Christentum, S. 46 f. Ebd., S. 47. Ebd., S. 48 f. Ebd., S. 48. Ebd., S. 49. Auf eine Erläuterung der reformierten Perspektive wird verzichtet, da diese für die vorliegende Arbeit keine Rolle spielt. 237 Seresse, Kirche und Christentum, S. 50. 238 Reifenberg, Hermann: Sakramente, Sakramentalien und Ritualien im Bistum Mainz seit dem Spätmittelalter unter besonderer Berücksichtigung der Diözesen Würzburg und Bamberg. Teilband I: Bis 1671 (Mainz-römischer Ritus), Münster, 1971, S. 307; »Julii Episcopi Statuta Ruralia pro Clero suae Dioecesis de 2. Januarii 1884« (abgedruckt in Himmelstein, Synodicon: , S. 321 – 384). 239 Ganoczy, Alexandre: Einführung in die katholische Sakramentenlehre, Darmstadt, 1979, S. 23.

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Aus einer Religion werden mehrere Konfessionen

ßenden Festivität sollte es bescheiden zugehen.240 Als Kind oder Jugendlicher stand die Firmung an.241 Wollte man heiraten, musste diese Absicht dreimal durch den Pfarrer von der Kanzel verkündet werden, bevor der Priester die Trauung durchführte. Vorausgehen mussten der Hochzeit Beichte und Kommunion.242 Mischehen waren verboten. Zudem durfte die Hochzeit nicht im Advent oder der Fastenzeit zwischen Aschermittwoch und Ostern stattfinden und auch nicht am Tag vor einem Fastentag.243 Kündigte sich ein Kind ein, war es Pflicht für die werdende Mutter, vor der Geburt noch einmal zur Beichte zu gehen und die Kommunion einzunehmen.244 Am Ende des Lebens angelangt, sollte noch einmal die Beichte abgelegt und eine letzte Kommunion eingenommen werden. Zudem sollte die letzte Ölung stattfinden.245 Darüber hinaus hatte ein guter Katholik bei einer Beerdigung mit Gesang bei der Prozession mitzugehen und die Leichenpredigt zu hören. Nach dem Tod eines Verwandten oder Freundes wurde das Totengedenken am ersten, siebten und dreißigsten Tag nach dem Tod gehalten.246 Auch sollte jeder Pfarrer in Erfahrung bringen, welche Jahrestage gestiftet worden waren; diese sollten entsprechend eingehalten werden.247

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Himmelstein, Synodicon, S. 388 – 389. Ebd., S. 389. Ebd., S. 391. Ebd., S. 392. Ebd., S. 388. Ebd., S. 393. Ebd., S. 394. Ebd., S. 395.

3. Die Hochstifte Bamberg und Würzburg in der Frühen Neuzeit

Im folgenden Kapitel werden nach einer Einführung in den zu behandelnden Untersuchungsraum und seiner Herrschaftsverhältnisse die jeweiligen Bischöfe und ihre Religionspolitik dargestellt. Dabei soll geklärt werden, wie die jeweiligen Bischöfe zur Reformation standen und inwiefern sie versuchten, diese abzuwehren. Wenn möglich, soll versucht werden, ein allgemeines Bild von der Verbreitung lutherischen Gedankengutes zu geben. In einem zweiten Schritt wird gezeigt, wie die Hochstifte verwaltet wurden und welche Institutionen mit Religionspolitik befasst waren. In einem letzten Teilkapitel werden die verschiedenen bischöflichen Amtsträger vorgestellt, die die Religionspolitik vor Ort ausführen sollten.

3.1. Einführung In Bamberg waren vor der Reformation Hochstift und Diözese nicht deckungsgleich. Ein kleiner Teil des weltlichen Territoriums stand am westlichen Rand unter würzburgischer, am östlichen Rand unter regensburgischer Diözesanhoheit, gleichzeitig hatte der Bamberger Bischof Jurisdiktionsrechte in markgräflichen, sächsischen und nürnbergischen Gebieten. Franken war ein Territorium mit geringer räumlicher Geschlossenheit. Diese zerstückelte Struktur führte dazu, dass nicht nur Bamberg eine Reihe von Exklaven in umliegenden Gebieten hatte, sondern auch viele Enklaven der benachbarten Obrigkeiten und von Rittern im eigenen Gebiet dulden musste. In einzelnen Orten konnten also die verschiedenen Rechte bei unterschiedlichen Herrschaften liegen. Dazu kam die komplizierte Lage bei Kondominaten und Mediatämtern der Dompröbste, der Domkapitel und verschiedener Klöster ; diese Faktoren hemmten in ihrer Gesamtheit die durchgreifende Ausübung der Landesherrschaft.248 248 Christ, Bamberg, S. 148. Der bambergische Besitz in Kärnten wird in der vorliegenden

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Die Hochstifte Bamberg und Würzburg in der Frühen Neuzeit

Im Zuge der Reformation ging Bamberg etwa zwei Drittel des Diözesangebietes verloren, hauptsächlich an die Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach, die Reichsstadt Nürnberg und an Reichsritter.249 Die Jurisdiktionsgewalt des Bischofs beschränkte sich nunmehr auf das Gebiet des Hochstifts.250 Auch in Würzburg war der Diözesanbereich ungleich größer als das Hochstift.251 Die bischöfliche Jurisdiktionsgewalt über Reichsstädte, adelige Herrschaften und die markgräflichen Gebiete ging im Zuge der Reformation unwiederbringlich verloren.252 Gleichermaßen galten die dargestellten Eigenheiten eines territorium non clausum für die unterfränkische Bischofsherrschaft. Würzburg musste Enklaven der großen lutherischen Nachbarn BrandenburgAnsbach-Kulmbach, dem ernestinischen Sachsen und der Reichsstadt Nürnberg dulden, gleichermaßen solche von kleineren Territorien wie Grafschaften und reichsritterschaftlichen Gebieten; hatte gleichzeitig aber auch zahlreiche Exklaven in den anderen fränkischen Gebieten.253 Die Ausübung von Herrschaft in den beiden Mainbistümern im 16. und 17. Jahrhundert war schwierig.254 Ein Untertan konnte nicht nur einem, sondern einer ganzen Reihe von Herren gegenüberstehen: Es gab den Inhaber der Centoder Fraischgerichtsbarkeit255, der den Untertan mit Schwert, Galgen, Rad und

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Untersuchung nicht berücksichtigt, da er sich in den örtlichen Verhältnissen und den herrschaftlichen Strukturen deutlich von den restlichen bambergischen Besitzungen unterscheidet. Dem fränkischen Adel war es im Verlauf des 16. Jahrhunderts gelungen, die Reichsunmittelbarkeit zu erlangen. Dazu Bauer, Christoph: Reichsritterschaft in Franken, in: Schindling, Anton/Ziegler, Walter : Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung Land und Konfession 1500 – 1650 Band 4: Mittleres Deutschland, Münster, 1992, S. 182 – 213; Hofmann, Hanns Hubert: Der Adel in Franken, in: Rössler, Helmut (Hrsg.): Deutscher Adel 1430 – 1555, Darmstadt, 1965, S. 95 – 126; Pfeiffer, Gerhard: Studien zur Geschichte der fränkischen Reichsritterschaft, in: JffL 22, 1962, S. 173 – 280. Weiss, Dieter: Reform und Modernisierung: Die Verwaltung des Bistums Bamberg in der Frühen Neuzeit, in: BHVB 134, 1998, S. 165 – 187, hier S. 167. Guth, Klaus: Die Würzburger Kirche in der Begegnung und Auseinandersetzung mit der Lehre Luthers, in: Kolb, Peter/Krenig, Ernst-Günter (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg, 1995, S. 17 – 61, hier S. 19 f. Sicken, Würzburg, S. 135. Guth, Würzburger Kirche, S. 19. Die folgenden Ausführungen gelten für beide Hochstifte gleichermaßen. Beides sind fränkische Ausdrücke für die Hochgerichtsbarkeit, wobei »Fraisch« im Ansbachischen, Bayreuthischen und Nürnbergischen üblich ist, während »Cent« (oder »Zent«) vor allem in den Hochstiften verwendet wurde (Heydenreuther, Reinhard u. a.: Vom Abbrändler zum Zengraf. Wörterbuch zur Landesgeschichte und Heimatforschung in Bayern, München, 2009, S. 75, 233; Endres, Rudolf: Staat und Gesellschaft. Zweiter Teil 1500 – 1800, in: Kraus, Andreas (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Dritter Band, Erster Teilband: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 31997, S. 702 – 782, hier S. 703 Anm. 2). Die Hochgerichtsbarkeitssprengel waren topographisch exakt voneinander abgegrenzte Bezirke. Im Gegensatz zu anderen Territorien ließ sich in

Einführung

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später auch mit Zuchthaus und Gefängnis strafen konnte.256 Zum zweiten stand er dem Landesherrn gegenüber, dem er die Erbhuldigung leisten musste und der Steuern, Wehrleistungen und Jagd- und Landesfron forderte.257 War der Landesherr unbestrittener Besitzer der höheren Vogtei, so war er die höchste Obrigkeit für den Untertan, auch wenn zwischen den beiden noch ein mediater Erbund Vogteiherr stehen konnte, der seinen Alltag bestimmte und viele Dienstleistungen einforderte. Es war aber durchaus möglich, dass der Inhaber der Landesherrschaft und der Inhaber der Obervogtei zwei unterschiedliche Personen waren, die beide den einzelnen Untertanen für eine Reihe von Diensten heranzogen.258 Vogtei bedeutete die gesamte so genannte Niedergerichtsbarkeit unter Einschluss des Zivil- und Strafrechts.259 Die Vogtei wiederum erwuchs aus der Grundherrschaft und wurde entsprechend mit dem grundherrschaftlichniedergerichtlichen Gesetzgebungs- und Verordnungsrecht verbunden.260 Der Streugut-Charakter des Grundbesitzes führte indes dazu, dass es keine klaren Vogteigrenzen gab, sondern sowohl Lücken als auch Überschneidungen.261 Als weiterer Herrschafts- und Rechtskreis trat die Dorf- und Gemeindeherrschaft hinzu, also die Jurisdiktion über Dorf, Feld und Gassen, mit der gleichermaßen die Selbstverwaltung und das Wirtschaftsleben eines Dorfes kontrolliert wurden. In Dörfern mit mehreren Grund- und Vogteiherren übte in einigen Fällen der stärkste Grund- und Vogteiherr die alleinige Dorf- und Gemeindeherrschaft aus, in anderen gemeinsam oder alternierend mit den anderen.262 Die verschiedenen dargestellten Rechts- und Herrschaftskreise waren nicht deutlich voneinander geschieden, sondern ineinander verschränkt und überschnitten sich häufig.263 Diese komplizierte Lage führte dazu, dass nach 1555 nicht immer zweifelsfrei klar war, wer befugt war, den Konfessionsstand eines Dorfes oder einer Stadt zu bestimmen.264 »Wo es kein ›Land‹ gab, konnte auch der bekannte Grundsatz

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Franken aus der Hochgerichtsbarkeit keine Landeshoheit ableiten (Endres, Staat und Gesellschaft, S. 703). Hofmann, Hanns Hubert: Adelige Herrschaft und souveräner Staat. Studien über Staat und Gesellschaft in Franken und Bayern im 18. und 19. Jahrhundert, München, 1962, S. 81. Ebd., S. 81 f. Ebd., S. 82. Gerlich, Alois/Machilek, Franz: Staat und Gesellschaft. Erster Teil: bis 1500, in: Kraus, Andreas (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Dritter Band, Erster Teilband: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München, 31997, S. 537 – 701, hier S. 542 f. Endres, Staat und Gesellschaft, S. 703. Hofmann, Michel: Die Außenbehörden des Hochstifts Bamberg und der Markgrafschaft Bayreuth, in: JffL 3, 1937, S. 52 – 96, hier S. 64. Endres, Staat und Gesellschaft, S. 705. Ebd. Die folgenden Ausführungen sind rechtlicher Natur. In der Praxis war es freilich auch möglich, die Konfession durch die größere faktische Macht unabhängig von der eigenen

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Die Hochstifte Bamberg und Würzburg in der Frühen Neuzeit

Cuius regio, eius religio nicht wirksam werden.«265 Entscheidendes Element wurde daher in Franken das Patronatsrecht über Pfarreien, dass unabhänging von territorialen Grenzen war.266 Auf Grund ihres Patronats entzogen viele fränkische Reichsritter den Bischöfen ihre Pfarrkirchen und führten die Reformation ein. In der Regel konnte ein Ritter das Luthertum aber nur dann erfolgreich in seinem Gebiet einführen, wenn er neben dem Patronat auch die Vogtei besaß, manchmal gelang dies auch bei Vogteibesitz ohne Patronat.267 Für die vorliegende Untersuchung ist die komplizierte Herrschaftslage in mehreren Orten von Relevanz.268 Im würzburgischen Urspringen etwa besaßen die dort ansässigen Ritter zwar die Vogtei, aber nicht das Patronatsrecht, während im bambergischen Grafengehaig die Ritter sowohl das eine als auch das andere innehatten. In den bambergischen Orten Dormitz und Pinzberg hatten sowohl die Reichsstadt Nürnberg als auch der Markgraf von BrandenburgKulmbach Grundbesitz, also entsprechend eigene Untertanen, auf die die Bischöfe nicht im gleichen Maße zugreifen konnten wie auf ihre eigenen Untertanen.

3.2. Hochstift Bamberg 3.2.1. Grundlinien der bischöflichen Religionspolitik Die Reformation fand in Bamberg schnell Eingang, bedingt durch die Mittellage und die Nähe zur Reichsstadt Nürnberg. Verstärkt wurden ihre Forderungen auch durch den humanistisch gestimmten Bischof Georg III. Schenk von Limpurg (reg. 1505 – 1522).269 Zudem wurden weder lutherische Bücher noch volkssprachliche Flugschriften und Karikaturen verboten, die häufig aus Nürnberg mitgebracht wurden. Anfang der 1520er Jahre wurden viele refor-

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Rechtsposition durchzusetzen. Es ist ein Ziel der Arbeit, dies für die untersuchten Orte zu leisten. Endres, Staat und Gesellschaft, S. 704. Ebd. Patronatsrecht bedeutete, dass eine Person, etwa weil sie eine Kirche erbaut hatte oder bestimmte Zahlungen geleistet hatte, den Pfarrer für dieses Gotteshaus benennen durfte (»Patronat« in: Haberkorn, Eugen/Wallach, Joseph Friedrich: Hilfswörterbuch für Historiker. Mitelalter und Neuzeit. 2 Bände, Tübingen, Basel, 92001, S. 474) Das Patronat leitete sich aus dem mittelalterlichen Eigenkirchenwesen ab (Hofmann, Hanns Hubert: Bauer und Herrschaft in Franken, in: ZAA 14, 1966, S. 1 – 29, hier S. 25). Ausführlich dazu: Sieglerschmidt, Jörg: Territorialstaat und Kirchenregiment. Studien zur Rechtsdogmatik des Kirchenpatronats im 15. und 16. Jahrhundert, 1987. Weiss, Dieter : Anspruch und Praxis von Pfarrei, Patronat und Kirchenhoheit in Franken. Diözese und Hochstift Bamberg, in: ZBLG 68/2, 2005, S. 589 – 603, hier S. 594. In Kapitel 4 wird jeder Ort in seinem herrschaftlichen Beziehungsnetz vorgestellt. Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 412.

Hochstift Bamberg

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matorische Schriften sogar direkt in der Residenzstadt gedruckt.270 Der päpstliche Nuntius Lorenzo Campeggio sah in Bamberg das Hochstift, das – hauptsächlich wegen der direkten Nachbarschaft zu Nürnberg – von allen deutschen Hochstiften am meisten von der Reformation bedroht sei.271 Auch unter Bischof Weigand von Redwitz (reg. 1522 – 1556) lassen sich lutherische Tendenzen bei Bischof und Domkapitel beobachten.272 Die Bürger der Residenzstadt und einiger Landstädte hingen den lutherischen Ideen an, sie forderten das Abendmahl unter beiderlei Gestalt und störten den katholischen Gottesdienst und die Fronleichnamsprozessionen.273 Zudem erlahmte auch zunehmend die Bau- und Stiftertätigkeit bei gleichzeitiger vielfach belegter Weigerung, kirchliche Abgaben zu zahlen.274 Auch viele Domkapitulare und andere Mitglieder des Bamberger Hofstaates fühlten sich früh zu reformatorischem Gedankengut hingezogen.275 Der Bauernkrieg entzündete sich in Bamberg an dem Gerücht, der Bischof habe sich zu reformationsfeindlichen Maßnahmen entschlossen.276 Religiöse Forderungen spielten im Verlauf des Krieges eine wichtige, wenn auch nicht die entscheidende Rolle.277 Die Bauern wendeten sich mehr gegen die Adeligen und vor allem gegen das Domkapitel, nicht gegen den Landesherrn, dessen alleiniges Regieren sie forderten.278 Der Bauernkrieg hatte indes zu einer Neubewertung der Reformation durch den Bamberger Bischof und das Domkapitel geführt und beide dazu veranlasst, aktiver dagegen vorzugehen.279 Dazu kam die Befürchtung, Rechte des Hochstifts zu verlieren.280 Nach dem Bauernkrieg war die Religiosität der Bevölkerung von einer Vermischung verschiedenster Richtungen gekennzeichnet. Täufer gab es in Bamberg nur wenige. Ab 1527 tauchen sie erstmals in den Quellen auf, vor allem in 270 Dippold, Günter : Das Bistum Bamberg vom Ausgang des Mittelalters bis ins Zeitalter von Katholischer Reform und Gegenreformation, in: Göller, Luitgar (Hrsg.): 1000 Jahre Bistum Bamberg 1007 – 2007. Unterm Sternenmantel, Petersberg, 2007, S. 215 – 227, hier S. 217. 271 Flachenecker, Helmut: Bamberg, in: Gatz, Erwin (Hrsg.): Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation, Freiburg, 2003, S. 70 – 81, hier S. 74. 272 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 412 f. 273 Christ, Bamberg, S. 150. 274 Dippold, Bistum Bamberg, S. 217. 275 Weigelt, Horst: Die frühreformatorische Bewegung in Bamberg und Johann Schwanhauser, in: BHVB 134, 1998, S. 113 – 127, hier S. 114. 276 Christ, Bamberg, S. 150. 277 Endres, Rudolf: Bauernkrieg und Untertanenschaft in Franken, in: Platz, Thomas/Eckert, Toni (Hrsg.): Ritter, Burgen und Dörfer. Mittelalterliches Leben in Franken, Forchheim, 1998, S. 91 – 109, hier S. 100. 278 Ebd., S. 101 f. 279 Weigelt, Schwanhauser, S. 121; Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 413. 280 Weiss, Bischofsreihe, S. 116.

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Die Hochstifte Bamberg und Würzburg in der Frühen Neuzeit

der Residenzstadt und im domkapitelischen Staffelstein.281 Die Osterpflichten der Katholiken wurden an kaum einem Ort eingehalten, allerdings lassen sich vereinzelt Wiederbelebungen altkirchlicher Frömmigkeitspraxis beobachten.282 In den letzten Regierungsjahren Weigand von Redwitz’ verfiel das geistliche Leben noch mehr, denn viele Pfarreien konnten nicht mit Priestern besetzt werden. Dies verstärkte sich weiter ab der Mitte des 16. Jahrhunderts. Der Pfarrklerus war im Wesentlichen bestimmt von Disziplinlosigkeit, Konkubinat u. ä. und daher kaum geeignet, für einen eindeutig katholischen Glauben einzutreten. In das Vakuum fehlender Priester auf dem Land traten zudem häufig lutherische Prädikanten ein.283 Weigand von Redwitz hatte während seiner Regierungszeit auf vielerlei wechselnde (religions)politische Konstellationen zu reagieren. Einerseits musste er zwei Kriege führen. In seine Zeit fiel neben dem Bauernkrieg auch noch der Zweite Markgräfliche Krieg (1552 – 54). Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach hatte die schwierige Lage um den Fürstenaufstand von 1552284 genutzt, um seine Position in Franken im Wesentlichen auf Kosten der Hochstifte Würzburg und Bamberg und der Reichsstadt Nürnberg auszubauen. Nach einem ersten Feldzug verlor Bamberg circa ein Drittel seines Territoriums, Würzburg und Nürnberg mussten große Summen bezahlen.285 In den folgenden Jahren kam es zu weiteren schweren Kriegshandlungen.286 Erst 1554 gelang der entscheidende Schlag gegen den Markgrafen.287 Sowohl die finanziellen Belastungen als auch die Verwüstungen dieser Jahre waren immens.288 Zudem hatte der Krieg Auswirkungen auf religiösem Gebiet. Der Markgraf hatte seine Feldzüge als Konfessionskriege deklariert289 und in den besetzten Gebieten Prädikanten eingesetzt, die Bischof Weigand anschließend wieder vertreiben ließ.290 Daneben fiel in die Regierungszeit Bischof Weigands die Entscheidung der Markgrafentümer und der Reichsstadt Nürnberg, den lutherischen Glauben in ihren Gebieten einzuführen.291 Weigand von Redwitz selbst war zwar grundsätzlich der katholischen Partei 281 282 283 284 285 286 287 288

Christ, Bamberg, S. 150. Ebd., S. 151. Ebd. S. Kapitel 2.1. Sicken, Würzburg, S. 145 f. Ebd., S. 149 f. Ebd., S. 152. Endres, Rudolf: Von der Bildung des Fränkischen Reichskreises und dem Beginn der Reformation bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555, in: Kraus, Andreas (Hrsg): Handbuch der bayerischen Geschichte. Dritter Band, erster Teilband: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München, 31997, S. 451 – 472, hier S. 471. 289 Ebd., S. 470. 290 Weiss, Bischofsreihe, S. 121. 291 Dippold, Bistum Bamberg, S. 218.

Hochstift Bamberg

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zugehörig, regierte aber sowohl mit hohen Beamten als auch mit Domherren, die mit dem Luthertum sympathisierten.292 Ein Verbot des Abendmahls unter beiderlei Gestalt in den stark von der neuen Lehre ergriffenen Ämtern ließ sich nicht durchsetzen.293 Der Nachfolger Weigands von Redwitz, Georg IV. Fuchs von Rügheim (reg. 1556 – 1561), starb bereits nach fünf Jahren und konnte in dieser Zeit keine Akzente setzen. Dies lag vor allem daran, dass sich das Hochstift nach dem Markgräfler Krieg in einer desolaten Lage befand.294 Er versuchte einige Ansätze zur Reform des Klerus, konnte damit aber keinerlei Erfolge erzielen.295 Der große Priestermangel blieb ein Problem.296 Zudem führten während seiner Regierungszeit zahlreiche adelige Familien in ihren Herrschaften die Reformation ein, obwohl ihre Territorien innerhalb des Hochstifts lagen.297 Die Ritter nutzten die Tatsache, dass der Augsburger Religionsfrieden ihnen das Recht der freien Religionswahl einräumte,298 ungeachtet der Tatsache, dass es umstritten war, ob ihnen der entsprechende Passus auch ein ius reformandi für die ritterschaftlichen Untertanen gewehrte.299 Veit II. von Würtzburg (reg. 1561 – 1577) hatte in Erfurt und Heidelberg studiert und die Priester- und Bischofsweihen erst empfangen, nachdem 1566 seine Konkubine verstorben war.300 In seiner Regierungszeit blieb der Priestermangel weiterhin groß.301 Zudem wurden Forderungen aus Rom laut, dass er sich für Reformen einsetzen sollte.302 Zu diesem Zweck erfolgte ein Besuch des päpstlichen Subdelegaten Dr. Nikolaus Elgard im Jahr 1574.303 Elgard kritisierte in erster Linie das weit verbreitete Konkubinat, das Fehlen eines Priesterseminars und die lutherischen Mitglieder der bambergischen Regierung.304 Seine 292 293 294 295 296 297

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Christ, Bamberg, S. 152. Ebd., S. 153. Ebd., S. 154. Looshorn, Bamberg V, S. 30 ff. Weiss, Bischofsreihe, S. 152. Wüst, Wolfgang: Das Konfessionalisierungsparadigma in der fränkischen Reichsritterschaft. Patriarchalische Politik und herrschaftliche Innovation, in: Baier, Helmut/Soder von Güldenstubbe, Erik: »Bei dem Text des Heiligen Evangelii wollen wir bleiben.« Reformation und katholische Reform in Franken, Neustadt/Aisch, 2004, S. 112 – 145, hier S. 125. Walder, Religionsvergleiche, § 13 »Und in sölchem frieden sollen die freien ritterschaft, welche ohn mittel der keiserlichen Majestat und uns underworfen, auch begriffen sein, also und dergestalt, das sie obbelmter beder religion halb auch von niemand vergewaltiget, betrangt, noch beschwert sollen werden«. Gotthard, Religionsfrieden, S. 242 f. Christ, Bamberg, S. 154. Looshorn, Bamberg V, S. 53. Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 414. Christ, Bamberg, S. 155. Looshorn, Bamberg V, S. 91 f.; Dippold, Bistum Bamberg, S. 219.

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Die Hochstifte Bamberg und Würzburg in der Frühen Neuzeit

Verbesserungsvorschläge wurden aber nicht in die Tat umgesetzt.305 Die Einrichtung einer höheren Schule und eines Priesterseminars war Gegenstand von Diskussionen zwischen Bischof und Domkapitel, gelangten aber nicht zur Ausführung.306 Allerdings erreichte Bischof Veit zumindest einige Erfolge: 1570 ließ er eine erste Visitation durchführen307 und ermöglichte einigen Klerikern ein Studium in Ingolstadt.308 Andere Reformbemühungen scheiterten indes am hinhaltenden Widerstand des Domkapitels,309 wobei es diesem weniger um religiöse Opposition als um die Bewahrung des eigenen Besitzes ging.310 Neben den Schwierigkeiten mit dem Kapitel trug aber auch die schwierige Finanzlage dazu bei, dass der Bischof vieles nicht verwirklichen konnte.311 Immerhin konnten bis 1572 die Schulden bei der Reichsstadt Nürnberg getilgt werden.312 Die Berufung der Jesuiten ins Hochstift 1575 blieb Episode.313 Bischof Veits Nachfolger, Johann Georg I. Zobel von Giebelstadt und Martin von Eyb, regierten beide nur jeweils drei Jahre.314 Johann Georg I. Zobel von Giebelstadt wurde am 20. August 1577 gewählt.315 Die Impulse des Domkapitels zur Gründung eines Priesterseminars nahm er nicht auf.316 Die Wahl Martins von Eyb erfolgte am 11. Oktober 1580.317 Er trat im August 1583 zurück318 und starb erst 11 Jahre später am 27. August 1594.319 Für seine kurze Regierungszeit sind kaum religionspolitische Maßnahmen überliefert. Er bemühte sich darum, Abgänger des Germanicums320 zu erhalten und Bamberger Priesterkandidaten dort unterzubringen.321 Bischof Ernst von Mengersdorf (reg. 1583 – 1591), selbst Jesuitenschüler, 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320

Christ, Bamberg, S. 155. Weiss, Bischofsreihe, S. 188 f. Die Akten dieser Visitation sind indes verloren (Weiss, Bischofsreihe, S. 191). Christ, Bamberg, S. 154 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 415. Christ, Bamberg, S. 155. Looshorn, Bamberg V, S. 71. Weiss, Bischofsreihe, S. 169. Christ, Bamberg, S. 155. Ebd. Looshorn, Bamberg V, S. 108 f. Weiss, Bischofsreihe, S. 210. Looshorn, Bamberg V, S. 130 f. Ebd., S. 147. Ebd., S. 149. Im Zuge des Trienter Konzils entstand 1552 in Rom das Collegium Germanicum als Ausbildungsstätte für katholische Kleriker aus dem Reich (Schmidt, Konfessionalisierung, S. 28). Weiterführende Literatur bei Schmidt, Peter : Das Collegium Germanicum in Rom und die Germaniker. Zur Funktion eines römischen Ausländerseminars 1552 – 1914, Tübingen, 1984. 321 Weiss, Bischofsreihe, S. 223.

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drängte auf eine zügige Durchsetzung der tridentinischen Reformen.322 Bereits am 31. Juli 1584 publizierte er eine Reformordnung für den Klerus.323 1586 wurde ein Priesterseminar, zunächst unter der Bezeichnung einer höheren Schule, eingerichtet.324 Es folgten eine Reihe von Mandaten, etwa gegen Gotteslästerer325, ein Ehemandat (1587/89) und eine neue Feiertags- und Fastenordnung. Erfolg war Mengersdorf nur teilweise beschieden, denn das Domkapitel verhinderte die vollständige Entfernung evangelischer Räte, Hofmeister und Beamter. Im Ganzen stand Mengersdorf einer starken lutherischen Minderheit gegenüber, in der Stadt Bamberg waren noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts ca. 14 % der Bürger Lutheraner, die Landbevölkerung hatten die bisherigen Reformmaßnahmen praktisch gar nicht erreicht. Zu der schwierigen Sachlage kam die angeschlagene Gesundheit des Bischofs und sein Diktum, keine Gewalt als Mittel zur Religionsdurchsetzung zu gebrauchen.326 Außerdem war der Haushalt nicht konsolidiert und die Schuldenlast immer noch hoch.327 Andererseits war es Ernst von Mengersdorf gelungen, den Priestermangel zu verringern, sodass am Ende seiner Regierungszeit nur noch acht Pfarreien unbesetzt waren. Zudem hatte ein Urteil Kaiser Rudolfs II. die Position des Bischofs gegenüber den Rittern gestärkt. Dieser hatte entschieden, dass Ritter zwar für sich selbst die Konfession frei wählen dürften, aber nicht für ihre Untertanen.328 Nach dem Tod Ernst von Mengersdorfs wählte das Domkapitel den bisherigen Dechanten und Würzburger Domprobst Neithart von Thüngen (reg. 1591 – 1598) zum neuen Bischof.329 Die Familie von Thüngen war ein fränkisches Rittergeschlecht, das zwar in seiner eigenen Herrschaft das Luthertum eingeführt hatte, aber gleichzeitig nicht wenige katholische Würdenträger hervorbrachte.330 Neithart studierte in Köln, Freiburg, Löwen und Ingolstadt, nicht zweifelsfrei belegt sind Studienaufenthalte in Frankreich und Italien.331 Nach seiner Rückkehr wurde er Domprobst in Würzburg und von Bischof Julius Echter in dessen

322 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 415. 323 Allerdings entspricht diese Ordnung kaum den tridentinischen Vorgaben, so wird etwa den Klerikern geboten, dass sie – wenn sie sich nicht von ihnen Konkubinen trennen könnten – wenigstens dafür sorgen sollten, dass diese sich ihrer gesellschaftlichen Stellung gemäß verhielten und nicht genauso wie echte Ehefrauen (Looshorn, Bamberg V, S. 163). 324 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 415. 325 Ebd. 326 Christ, Bamberg, S. 156. 327 Weiss, Bischofsreihe, S. 240 f. 328 Ebd., S. 251. 329 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 416. 330 Bauer, Christoph: Die Einführung der Reformation, die Ausgestaltung des evangelischen Kirchenwesens und die Auswirkungen der Gegenreformation im Gebiet der Herren von Thüngen, Neustadt/Aisch, 1985, S. 14. 331 Weiss, Bischofsreihe, S. 259.

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politisch-diplomatische, aber nicht kirchenpolitische Maßnahmen eingebunden.332 Die Wahl zum Bamberger Bischof erfolgte am 14. Dezember 1591.333 Neithart von Thüngen galt als schwache Persönlichkeit und löste sich auch nach der Wahl nicht von seiner Konkubine.334 Mit den harten Rekatholisierungsmaßnahmen Echters in Würzburg war er nicht einverstanden gewesen. Allerdings gab es eine Reihe von Gründen, die für eine Änderung der bisherigen Politik sprachen: die Erhaltung des Stifts Bamberg als Ganzes durch umfassende Reformen, Sicherung der bischöflichen Konfirmation in Rom und die Erlaubnis, die Würzburger Dompropstei zu behalten.335 Zudem konnte der Bischof seine Macht im Verhältnis zum Domkapitel vergrößern, wenn er sich in Fragen der Religionspolitik gegen selbiges durchsetzte.336 Die ersten zwei Jahre von Neitharts Regierung sind im Wesentlichen vom Kampf um den Besitz der Würzburger Dompropstei bestimmt.337 Papst Clemens VIII. ließ Neithard 1593 eine Instruktion überreichen, deren Dreh- und Angelpunkt die Diözesanvisitation darstellte. Entscheidende Aufgaben waren die Verbesserung der Lebensweise innerhalb des Domkapitels und die Sicherstellung eindeutig katholischer Priester im Bereich der Seelsorge.338 Bereits 1592 wurde die Ausweisung der lutherischen Prädikanten verfügt, ab 1594 ergingen Mandate an Pfarrer, Räte, Bürgermeister und andere lokale Amtsträger, die schrittweise auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt wurden; durch Zwangsmaßnahmen sollte die Rückkehr zum katholischen Glauben erreicht werden.339 1595 erfolgte eine landesweite Visitation, wobei Neithart von Thüngen im Unterschied zu seinem Würzburger Nachbarn diese nicht persönlich durchführte, sondern seine Gesandten schickte.340 Die Proteste der lutherischen Nachbarterritorien ignorierte der Bamberger Bischof dabei.341 Zunächst rechtfertigte Neithart von Thüngen seine religionspolitischen Aktivitäten vor dem Domkapitel mit dem Hinweis, nur so die römische Konfir-

332 Weiss, Dieter : Bischof an einer Zeitenwende: Neithart von Thüngen, vom Adels- zum Reformbischof, in: Baier, Helmut/Soder von Güldenstubbe, Erik (Hrsg.): »Bei dem Text des Heiligen Evangelii wollen wir bleiben«. Reformation und katholische Reform in Franken, Neustadt/Aisch, 2004, S. 270 – 282, hier S. 272. 333 Weiss, Bischofsreihe, S. 261. 334 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 416. 335 Endres, Rekatholisierung, S. 284. Die Würzburger Dompropstei galt als reichste Pfründe des gesamten Reiches (Weiss, Bischofsreihe, S. 260). 336 Smith, Reformation, S. 133. 337 Schubert, Gegenreformationen, S. 297. 338 Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 416. 339 Christ, Bamberg, S. 157. 340 Kist, Tridentinum, S. 129. 341 Smith, Reformation, S. 137.

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mation erlangen zu können.342 Im Laufe seiner Regierungszeit scheint er sich aber bewusst stärker dem katholischen Glauben zugewendet zu haben, da er sich entschied, die höheren Weihen zu empfangen.343 Die Priesterweihe erhielt er am 25. März 1596, die Bischofsweihe am 11. November 1597.344 Zudem erhielt er Unterstützung durch den Würzburger Bischof.345 Andererseits warf ihm der Domdechant und Nachfolger im Bischofsamt, Johann Philipp von Gebsattel, noch 1598 vor, dass Neithart noch immer Umgang mit seiner Konkubine habe, obwohl diese mittlerweile mit einem anderen Mann verheiratet sei.346 Ständiger Begleiter von Neitharts Regierung war die Auseinandersetzung mit dem Domkapitel. Dabei ging es nicht nur um die Umsetzung der Reformen, sondern auch um die Verteilung der Macht zwischen Bischof und Kapitel. Wortführer dieser Opposition war Johann Philipp von Gebsattel, der nach dem Tod Neitharts im Jahr 1598 selbst zum Bischof gewählt wurde.347 Als Gründe für die oppositionelle Haltung des Domkapitels kann man zwei Leittendenzen ausmachen: Einerseits eine andere Einschätzung der Gegebenheiten des Stifts (mangelnde territoriale Geschlossenheit; wirtschaftliche Schäden, die Auswanderer auslösen würden; finanzielle Abhängigkeit von der überwiegend lutherischen Ritterschaft; Argwohn der evangelischen Nachbarn), andererseits die Opposition zu den Geistlichen Räten in der Umgebung des Bischofs, die nicht dem Kapitel angehörten.348 Dazu kam noch die persönliche Feindschaft zwischen Bischof Neithard von Thüngen und Domdechant Johann Philipp von Gebsattel.349 Außerdem verschärfte sich die Situation dadurch, dass Neithart bei Problemen stets mit seinem Rücktritt drohte.350 Neitharts Spielraum war durch die Schulden des Hochstifts eingeschränkt, die unter seiner Regierung beständig wuchsen.351 Johann Philipp von Gebsattel (reg. 1599 – 1609) verhielt sich selbst nicht gemäß des tridentinischen Bischofsideals, er behielt zum Beispiel seine Konkubine.352 Zudem empfing er Zeit seines Lebens die höheren Weihen nicht.353 Er 342 343 344 345

346 347 348 349 350 351 352

Weiss, Reform und Modernisierung, S. 169. Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 416. Weiss, Bischofsreihe, S. 266 f. Sicken, Bernhard: Politische Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (1618/19 – 1642), in: Kolb, Peter/Krenig, Ernst-Günter (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg, 1995, S. 277 – 326, hier S. 279. Weiss, Bischofsreihe, S. 297. Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 416. Christ, Bamberg, S. 157. In dem sich langsam etablierenden Geistlichen Rat saßen indes immer Mitglieder des Domkapitels. Christ, Bamberg, S. 157. Weiss, Bischof an einer Zeitenwende, S. 277. Weiss, Bischofsreihe, S. 281. Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 416. Häufig wurde ihm auch der Vorwurf

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erhielt allerdings die päpstliche Bestätigung, obwohl in Rom seine Schwächen bekannt waren.354 Er führte einige Elemente seiner Vorgänger weiter (etwa Belebung von Wallfahrten und anderen Mitteln der Volksfrömmigkeit, Förderung von Klöstern), allerdings nicht mit derselben Intensität.355 Verbesserungen beim Klerus fanden unter seiner Regie nicht statt.356 Die katholischen Nachbarn in Würzburg und Bayern gingen wegen der in ihren Augen unklaren Glaubenshaltung schnell auf Distanz.357 Nachdem sie zunächst versucht hatten, Gebsattel auf eine eindeutig katholische Haltung zu verpflichten, betrieben sie nach dem Scheitern dieses Ansinnens dessen Absetzung.358 Im Gegensatz zu seinem Vorgänger regierte Gebsattel im Einklang mit dem Domkapitel. Zudem musste er von seinem Vorgänger einen immensen Schuldenberg übernehmen.359 Gebsattels Nachfolger Johann Gottfried von Aschhausen (reg. 1609 – 1622), selbst Jesuitenschüler, ging die Reformen gezielter an. Er berief 1610 die Jesuiten nach Bamberg und übergab ihnen die Aufsicht über das Gymnasium und das Priesterseminar.360 Zudem ordnete er eine Generalvisitation an, die Generalvikar Dr. Friedrich Förner 1611 durchführte und die deutlich zeigte, dass der Katholizismus nur sehr rudimentäre Wurzeln geschlagen hatte.361 Die Sakramentenspendung wurde in vielen Pfarreien vernachlässigt, manchen Priestern waren selbst Taufe und Buße unbekannt, die meisten Priester lebten im Konkubinat, viele Kirchen waren baufällig, das nötige Gerät für den Gottesdienst kaputt.362 Zur Abschaffung der Missstände bemühte sich Förner um eine Institutionalisierung der Reformmaßnahmen, indem er einerseits den Geistlichen Rat als feste Einrichtung etablierte, andererseits in Anlehnung an die alten Archidiakonalbezirke vier Landkapitel schuf, deren Dechanten das Visitationsrecht hatten.363 Aschhausen wendete eine zweigleisige Taktik an: Während er einerseits versuchte, die Volksfrömmigkeit wieder zu beleben und dabei die Sakramentenpraxis und die kirchlichen Fasten- und Abstinenzgebote verstärkte, ging

353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363

gemacht, er sei von protestantischer Gesinnung. Dies gründete sich aber vermutlich auf seine politischen Differenzen mit Julius Echter und dem bayerischen Herzog Maximilian (Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 416). Bauer, Lothar : Die Kurie und Johann Philipp von Gebsattel, Bischof von Bamberg, 1608/09, in: QFIAB 40, 1960, S. 89 – 115, hier S. 90. Bauer, Lothar : Der Informativprozess für den Bamberger Fürstbischof Johann Philipp von Gebsattel (1599 – 1609), in: JffL 21, 1961, S. 1 – 27, passim. Christ, Bamberg, S. 158. Weiss, Bischofsreihe, S. 334. Ebd., S. 314. Ebd., S. 314 f. Weiss, Bischofsreihe, S. 323. Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 417. Weiss, Reform und Modernisierung, S. 169 f. 1612 wurde Förner Weihbischof (Christ, Bamberg, S. 160). Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 417. Ebd., S. 418.

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er andererseits scharf gegen das Konkubinat vor und scheute sich nicht, Zwangsmaßnahmen bis hin zur Gewalt gegen ungehorsame Untertanen anzuwenden.364 Als Aschhausen 1617 zum Bischof von Würzburg gewählt wurde, war dies die erstmalige Personalunion der beiden Mainbistümer.365 Insgesamt betrachtet gelang es ihm nicht, die Schuldenlast des Hochstifts zu reduzieren.366 Aschhausens Nachfolger in Bamberg, Johann Georg Fuchs von Dornheim (reg. 1623 – 1633367) – genauso wie Aschhausens Nachfolger in Würzburg, Philipp Adolf von Ehrenberg, ein Neffe Julius Echters – führte dessen Religionspolitik fort. In seiner Regierungszeit berief er die Kapuziner nach Bamberg.368 1629 erhielt er vom Kaiser den Auftrag, das Restitutionsedikt im fränkischen Reichskreis durchzusetzen, allerdings konnte er nur einige ritterschaftliche Pfarreien369 zurückführen, ein Übergriff auf nürnbergische und markgräfliche Gebiete blieb Theorie.370 Eine Zwangspause innerhalb der Reformbemühungen bildeten der Dreißigjährige Krieg im Allgemeinen und die schwedische Besatzungszeit (1631 – 34) im Besonderen. Franken wurde zum Kampf- und Truppendurchzugsgebiet gleichermaßen.371 Der andauernde Kriegs- und Verteidigungszustand verursachte enorme Kosten.372 Ab Mitte Oktober 1631 besetzten die schwedischen Truppen nach und nach ganz Franken.373 Nach drei Jahren konnten kaiserliche Truppen einen Großteil davon wieder zurückerobern.374 Bischof Franz von Hatzfeld (reg. 1633 – 1642)375 versuchte trotz des Krieges, die Reformpolitik seiner Vorgänger fortzuführen.376 Für seine Regierungszeit lässt sich bedingt durch die schwedische Besatzung die höchste finanzielle Be364 365 366 367 368 369

370 371 372 373

374 375 376

Christ, Bamberg, S. 160. Dippold, Bistum Bamberg, S. 222. Weiss, Bischofsreihe, S. 376. Christ, Bamberg, S. 147. Ebd., S. 161. Im November 1629 hatte Kaiser Ferdinand II. dem Bamberger Bischof befohlen, nicht weiter ritterschaftliche Pfarreien zu rekatholisieren (AEB Rep. I Nr. 746 fol. 207r, 14. November 1629; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 508 »die generalreformation und die principalpuncten mit denen von adel betreffend«, 4. Juli 1630), ein Jahr später hob er diese Entscheidung wieder auf (Weiss, Bischofsreihe, S. 429). Christ, Bamberg, S. 161. Flachenecker, Bamberg, S. 75. Weiss, Bischofsreihe, S. 422. Endres, Rudolf: Vom Augsburger Religionsfrieden bis zum Dreißigjährigen Krieg, in: Kraus, Andreas (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Dritter Band, erster Teilband: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München, 31997, S. 473 – 495, hier S. 489. Ebd., S. 492. Hatzfeld war zunächst 1631 Bischof von Würzburg geworden (Dippold, Bistum Bamberg, S. 223). Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 418.

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lastung des ganzen Krieges fassen.377 Zudem hatte er mit einem massiven Priestermangel zu kämpfen.378 Außerdem wurde die von Bischof Franz angestrebte Rekatholisierung der Reichsritter durch den Prager Frieden von 1635 verhindert.379 Sein Nachfolger Melchior Otto Voit von Salzburg (reg. 1642 – 1653) bemühte sich ebenfalls um eine Besserung der katholischen Gesamtlage. Er sorgte für die Erweiterung des Gymnasiums zur Universität unter Leitung der Jesuiten (1647), doch konnte der Priestermangel zunächst nicht beseitigt werden, sodass Pfarreien und Filialen zusammengelegt wurden.380 Nach dem Westfälischen Frieden war die Lage des Hochstifts desolat: Die abzutragenden Kosten waren immens, viele Gebiete waren verwüstet.381 Weitere religionspolitische Aufgaben konnten entsprechend nicht in Angriff genommen werden.382 Bischof Voit von Salzburg musste zudem durch die Normaljahresregelung des Westfälischen Friedens endgültig auf die Pfarreien der Markgrafen, von Nürnberg und von den Reichsrittern verzichten.383 Die Normaljahresregelung legte fest, dass der Konfessionsstand in einem Ort in Zukunft so bleiben musste, wie er am 1. Januar 1624 gewesen war. Es war also zu einer Änderung dieser Regelung im Verhältnis zum Prager Frieden von 1635 gekommen, der als fixierendes Datum den 12. November 1627 vorgesehen hatte.384 Bischof Melchiors Nachfolger, Philipp Valentin Voit von Rieneck, (reg. 1653 – 1672) musste zunächst die Folgen des langen Krieges tragen. Allerdings gelang es ihm, einen Teil der entstandenen Schulden zu tilgen.385 Er hatte ebenfalls mit dem noch deutlichen Priestermangel zu kämpfen.386 In seine Zeit fiel eine Generalvisitation, zudem spendete er auf einer Reise durch das Hochstift zahlreiche Firmungen.387 Die Seelsorge für die Bevölkerung wurde durch eine verstärkte Fürsorge für kriegsbedingt notleidende Pfarrer verbessert.388 Unter seinem Nachfolger Peter Philipp von Dernbach (reg. 1672 – 1683) wurde weiter an der Umsetzung der katholischen Reformen gearbeitet, die noch keineswegs zum Abschluss gekommen waren. Der Wirkungskreis des Bischofs 377 378 379 380 381 382 383 384 385 386 387 388

Weiss, Bischofsreihe, S. 457. Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 418. Christ, Bamberg, S. 162. Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 418. Weiss, Bischofsreihe, S. 483 f. Ebd., S. 489. Christ, Bamberg, S. 162. Schormann, Gerhard: Dreißigjähriger Krieg 1618 – 1648, in: Reinhard, Wolfgang (Hrsg.): Gebhardt Handbuch der Deutschen Geschichte Band 10: Konfessionelles Zeitalter 1555 – 1618. Dreißigjähriger Krieg 1618 – 1648, Stuttgart, 102001, S. 207 – 279, hier S. 273. Weiss, Bischofsreihe, S. 510. Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 418. Weiss, Bischofsreihe, S. 516. Ebd., S. 518.

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bezog sich auf die Ausbildung der Priester und die geistliche Lebensführung des Klerus.389 Er erließ neue Statuten für das Priesterseminar und weitere Mandate zur Besserung der Verhaltens- und Lebensweise des Pfarrklerus.390

3.2.2. Grundlinien der hochstiftischen Verwaltung Im folgenden Unterkapitel wird in einem ersten Schritt dargestellt, welche Möglichkeiten und Befugnisse die bambergischen Bischöfe hatten, um Herrschaft auszuüben und wie sie dies taten. In einem zweiten Schritt wird gezeigt, in welche Verwaltungseinheiten das Hochstift eingeteilt wurde. Als letztes werden der Begriff des »Pfarrers« und seine Varianten näher erläutert. Der Bischof von Bamberg war gleichermaßen geistlicher wie weltlicher Herrscher.391 Die Herrschaft konnte er indes nicht allein ausüben, sondern ihm stand das Domkapitel mit weitreichenden Mitwirkungsrechten gegenüber.392 In der Praxis war die Teilhabe des Domkapitels an der Regierung immer auch abhängig von der Persönlichkeit des Bischofs und der Frage, inwieweit sich dieser an die schriftlich festgelegten Bedingungen hielt oder nicht.393 In der vorliegenden Untersuchung spielt das Domkapitel indes – und dies gilt für Würzburg gleichermaßen – nur eine sehr untergeordnete Rolle. Zum einen wurde Rekatholisierung in der Regel gegen den Willen des Domkapitels durchgesetzt und zum zweiten hatten die fränkischen Domkapitel keine oder nur wenige Untertanen in den in dieser Untersuchung ausgewählten Orten und entsprechend keinen Einfluss auf den Gang der Entwicklung. Der Bischof regierte sein Territorium unter Mitwirkung von einerseits Räten aus dem Domkapitel, darunter zumeist der Generalvikar und der Weihbischof, und andererseits von Geistlichen, die zusätzlich in den Hofrat berufen wurden.394 Zur Koordinierung der Religionspolitik entwickelte sich in Bamberg der Geistliche Rat, dessen Anfänge im Dunkeln liegen.395 Vermutlich trat er erstmals unter Bischof Veit II. (reg. 1561 – 1577) zusammen und zwar in Gestalt von Weihbischof, Generalvikar und Fiskal. Unter Bischof Ernst von Mengersdorf und Neithart von Thüngen schritt die Institutionalisierung des Geistlichen Rates weiter voran, für 1590 und 1594 lassen sich erstmals Ernennungen von Geist389 390 391 392 393 394 395

Weiss, Bamberg im konfessionellen Zeitalter, S. 419. Weiss, Bischofsreihe, S. 558. Weiss, Reform und Modernisierung, S. 165. Christ, Bamberg, S. 149. Endres, Staat und Gesellschaft, S. 710. Weiss, Reform und Modernisierung, S. 171. Ebd. S. 170 f.

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lichen Räten fassen.396 Aus der Zeit Neitharts liegt auch der älteste erhaltene Protokollband vor.397 Die Kompetenzen umfassten dabei die Leitung der Rekatholisierungsmaßnahmen, aber auch die Vergabe von geistlichen Stellen und Pfründen. Unter Bischof Johann Philipp von Gebsattel überschnitten sich die Aufgabenbereiche des Geistlichen Rates eng mit den Aufgaben des seit 1548 belegten so genannten Vikariatsgerichts, das für Ehe-, Benefizial- und Testamentsangelegenheiten zuständig war.398 1611 entwarf Weihbischof Friedrich Förner399 in Anschluss an die Generalvisitation einen genauen Aufgabenkatalog und eine Geschäftsordnung für das Gremium.400 Das Territorium des Hochstifts war in verschiedene Bezirke eingeteilt. Als Verwaltungseinheiten gab es Kasten-, Vogtei- und Forstämter sowie Guts- und Klosterverwaltungen, bei denen die Kompetenzen und Grenzen kaum voneinander zu trennen sind. Versuche zur Straffung und Rationalisierung der lokalen Verwaltung wurden mehrmals angestoßen, scheiterten aber bis zum Übergang an Bayern 1803 stets an Traditionen und überkommenen Rechten.401 Die Grundeinheit des Hochstifts in geistlicher Hinsicht war die Einteilung in Pfarreien (Parochien), also in rechtlich abgegrenzte Bezirke, für deren Seelsorge jeweils ein Pfarrer zuständig war.402 Weihbischof Förner teilte das Hochstift in Anlehnung an die alten Archidiakonalkapitel in vier Landkapitel ein, die auch Dekanate genannt werden: Kronach, Hollfeld, Eggolsheim und Scheßlitz, die Bamberger Stadtpfarreien blieben für sich. Ergänzend entwarf er entsprechende Statuten.403 Die Dekane der Landkapitel sollten ihre Dekanate zweimal im Jahr visitieren und einmal im Jahr eine Landkapitelversammlung einberufen.404 Bevor nun das Hochstift Würzburg in den Blick genommen werden soll, muss im Folgenden noch der Begriff des »Pfarrers« erläutert werden. Ein großes Problem in der vorreformatorischen Zeit war die Tatsache, dass jeder Pfründeninhaber einer anderen Person gegen Zahlung einer Gebühr an das Geistliche Fiskalat die Pflichten dieser Pfründe auftragen und auf diesem Weg mehrere

396 397 398 399 400 401 402 403 404

Ebd., S. 171. AEB Rep. I Nr. 736 Protocollum deß fürstlich bambergischen Geistlichen Rats, 1597 – 98. Weiss, Reform und Modernisierung, S. 172. Friedrich Förner hatte in Würzburg und Rom studiert. Bischof Johann Gottfried ernannte ihn 1609 zunächst zum Generalvikar, 1611 zum Weihbischof. Dieses Amt hatte er bis zu seinem Tod im Dezember 1630 inne (Weiss, Bischofsreihe, S. 605 f.). Weiss, Reform und Modernisierung., S. 173. Ebd., S. 185. Krämer, Petrus: Pfarrei. Begriff und Geschichte, in: LThK Band 8, 1999, Sp. 162 – 164, hier Sp. 162 f. Weiss, Reform und Modernisierung, S. 173 f. Zeissner, Werner : Das Bistum Bamberg in Geschichte und Gegenwart. Teil 3: Reformation, Katholische Reform, Barock und Aufklärung (1520 – 1803), Strasbourg, 1992, S. 19.

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Pfründen besitzen konnte.405 Bei den tatsächlichen Pfarrherren handelte es sich in Bamberg zumeist um Mitglieder des Domkapitels oder der bischöflichen Verwaltung, römische Kuriale, Adelige, speziell Verwandte von Patronatsherren etc.406 Ein Teil dieser Pfründeninhaber hatten die Pflichten ihrer Pfarrei einem Vertreter »in commendam«407 übertragen, d. h. der Vertreter musste dem Fiskalat eine Kommendgebühr bezahlen und konnte jährlich abberufen werden.408 Seit der Amtszeit des Generalvikars Paul Neidecker409 wurde es ebenfalls praktiziert, Pfarreien von vornherein in commendam, d. h. auf Widerruf und zeitlich befristet zu vergeben.410 Die Inhaber solcher Pfründen hießen provisores (oder deutsch »Verweser«), da die Pfründe – im Gegensatz zur collatio, der Verleihung auf Dauer – zeitlich befristet (also provisorisch) war und jederzeit durch Abberufung durch den Generalvikar enden konnte. Inhaber solcher Pfründen mussten jedes Jahr gegen eine Zahlung ihre Beauftragung erneuern lassen.411 Die Nachfolger Neideckers im Generalvikariat weiteten diese Art der Pfarreivergabe noch weiter aus.412 Unter der Regierung Johann Gottfrieds von Aschhausen (reg. in Bamberg 1609 – 22) wurde die provisorische Pfarreivergabe zur Regel.413 Offenbar hoffte die Bistumsleitung, einen Pfarrverweser dadurch leichter disziplinieren zu können. In der Praxis zeigte sich aber, dass ein Provisor, der nicht wusste, wie lange er an einem Ort bleiben würde, auch keine langfristigen Investitionen (z. B. in den Pfarrhof) tätigen wollte. Außerdem kam es häufig vor, dass Pfarrverweser ihre Kommendgebühren schlichtweg nicht bezahlten und außerdem ihrerseits sich von den Gemeindemitgliedern jede 405 Zeissner, Werner : Pfarrer auf Widerruf. Zur Rechtsstellung der Seelsorgegeistlichen des Bistums Bamberg in der Frühen Neuzeit, in: Baier, Helmut/Soder von Güldenstubbe, Erik (Hrsg.): »Bei dem Text des Heiligen Evangelii wollen wir bleiben«. Reformation und katholische Reform in Franken, Neustadt/Aisch, 2004, S. 254 – 269, hier S. 254. 406 Ebd., S. 255. 407 Zeissner weist darauf hin, dass der Begriff also gerade das Gegenteil von dem bedeutet, was er ursprünglich im Mittelalter hieß, nämlich »in commendam dare« = eine Pfründe genießen ohne die entsprechenden geistlichen Verpflichtungen (Zeissner, Pfarrer auf Widerruf, S. 255). 408 Zeissner, Pfarrer auf Widerruf, S. 255. 409 Paul Neidecker (auch Neydecker) wurde um 1485 in dem kleinen oberfränkischen Ort Waismain geboren. Bekannt ist ein Studienaufenthalt in Leipzig. Nachdem er 18 Jahre an der Kurie in Rom wirkte, kehrte er 1524 wieder zurück nach Bamberg. Die Ernennung zum Generalvikar erfolgte am 18. September 1529. Er war Inhaber zahlreicher Pfarreien, hatte Kanonikate in Bamberg und Forchheim und weitere Pfründen. Bis zu seinem Tod im Jahr 1565 war sein Vermögen so sehr angewachsen, dass er von den Bamberger Bischöfen häufig als Kreditgeber herangezogen wurde (Weiss, Bischofsreihe, S. 610 f.). 410 Zeissner, Pfarrer auf Widerruf, S. 257. 411 Ebd. Die Kommendgebühren waren an Mariae Lichtmess (2. Februar) zu zahlen, also an dem selben Tag, an dem man in Franken auch Dienstboten entließ oder neu einstellte (Zeissner, Pfarrer auf Widerruf, S. 256). 412 Zeissner, Pfarrer auf Widerruf, S. 258. 413 Ebd., S. 262.

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außergewöhnliche Leistung extra bezahlen ließen, was wiederum nicht zu einer Vergrößerung ihres Ansehens in ihrer Gemeinde führte.414 Erst der Antritt Aschhausens als Bischof von Würzburg im Jahr 1617 und seine Einsicht in die herrschenden Verhältnisse führten zu einer Änderung. So wurde die Behandlung der Geistlichen verbessert, der Begriff Provisor erhielt wieder seine ursprüngliche Bedeutung als kurzfristiger Verweser, die Begriffe »Pfarrer« und »Pfarrherr« wurden immer häufiger, wenn Geistliche für einen längeren Zeitraum vor Ort waren. Mittelfristig wurden viele Pfarreien zwar weiterhin in commendam vergeben, faktisch wurde auf das jährliche Kündigungsrecht aber zumeist verzichtet.415 In vielen Pfarreien wirkten zudem Kapläne. Ein Kaplan war ein häufig nur befristet angestellter Hilfspriester. In Pfarreien, die entweder sehr weitläufig oder sehr bevölkerungsreich waren, durfte der Pfarrer ohne Mitwirkung des Bischofs einen Kaplan, auch socius in divinis, Gesellpriester oder capellanus genannt, anstellen, musste ihn aber auch selbst besolden.416 Ein weiterer wichtiger Begriff, der mit dem des Pfarrers zusammenhängt, ist der Prädikant. So wurde in den zeitgenössischen Quellen ein evangelischer Pfarrer bezeichnet.417 Damit es in der vorliegenden Arbeit zu keinerlei Missverständnissen kommt, wird folgendermaßen verfahren: Wenn von einem Kleriker im Allgemeinen die Rede ist oder die Konfession eindeutig aus dem Zusammenhang hervorgeht, ist von »Pfarrer« die Rede. Der Begriff »Priester« hingegen verweist eindeutig auf einen Katholiken, während »Prädikant« gebraucht wird, um die Glaubenszugehörigkeit zum Luthertum klar zu akzentuieren. Innerhalb des bambergischen Klerus wird auf die Unterscheidung zwischen »Pfarrer« und »Provisor« verzichtet.

414 415 416 417

Ebd., S. 264. Ebd., S. 267. Jakob, Andreas: Das Kollegiatstift bei St. Martin in Forchheim, Bamberg, 1998, S. 351. Dieser Begriff entstand aber nicht erst im Zuge der Reformation. Bereits im 15. Jahrhundert entwickelte sich eine Gruppe professioneller Prediger mit dem Namen Prädikanten. Dabei handelte es sich um theologisch gut gebildete Weltgeistliche, die von Kirchen ausschließlich für die Predigt angestellt wurden (Seresse, Kirche und Christentum, S. 107).

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3.3. Hochstift Würzburg 3.3.1. Grundlinien der bischöflichen Religionspolitik Zu Beginn des 16. Jahrhunderts herrschte am Hof des hochgebildeten Fürstbischofs Lorenz von Bibra (reg. 1495 – 1519) eine humanistische Gesinnung vor, die für die Neuerungen der Reformation durchaus empfänglich war.418 Unter seinem Nachfolger Konrad II. von Thüngen (reg. 1519 – 1540) lassen sich um das Jahr 1520 in der Residenzstadt die ersten Anhänger der evangelischen Lehre nachweisen.419 Auch einige Stiftsherren und der Inhaber der Domprädikatur wendeten sich dem Luthertum zu.420 Zudem wurde die Kenntnis des lutherischen Gedankengutes durch eine Reihe von fränkischen Studenten erweitert, die die Universität Wittenberg besuchten.421 Vor 1525 blieb die neue Lehre überwiegend auf die Residenzstadt und auf gebildete Kreise beschränkt. Außerhalb der hochstiftischen Territorien (in Brandenburg-Ansbach, SachsenCoburg, Wertheim und Nürnberg) ging die Bevölkerung indes schnell zum lutherischen Glauben über.422 Bischof Konrad II. selbst blieb auf altkirchlichem Boden.423 Eine deutliche Negativierung in der Beurteilung der lutherischen Lehre brachte auch in Würzburg der Bauernkrieg. Der Konflikt wütete im Würzburger Territorium stark und brachte das Stift an den Rand der Säkularisation.424 Zudem sah der Würzburger Bischof den Bauernkrieg als direkte Konsequenz der Reformation an.425 Als Folge der kriegerischen Auseinandersetzung setzte er eine Reihe von neuen Ordnungen für Justiz, Verwaltung und Städte durch, die neben herrschaftlichen und fiskalischen Interessen auch dazu genutzt wurden, die katholische Lehre im Stift zu festigen und es somit gegen die lutherischen Bestrebungen der Nachbarterritorien abzugrenzen.426 Unterstützt wurde er dabei von dem Domkapitel, das in der Mehrheit die lutherische Lehre ablehnte, verschiedenen Orden und einer katholischen bürgerlichen Beamten-

418 Guth, Würzburger Kirche, S. 25. 419 Ebd., S. 26. 420 Ziegler, Walter : Würzburg, in: Schindling, Anton/Ders. (Hrsg.): Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500 – 1650. Band 4: Mittleres Deutschland, Münster, 1992, S. 98 – 126, hier S. 105. 421 Buchinger, Julius Echter, S. 6. 422 Ziegler, Würzburg, S. 106. 423 Guth, Würzburger Kirche, S. 26 f. 424 Ziegler, Würzburg, S. 110. 425 Wendehorst, Alfred: Konrad von Thüngen. Bischof von Würzburg 1519 – 1540, in: Baier, Helmut/Soder von Güldenstubbe, Erik (Hrsg.): »Bei dem Text des Heiligen Evangelii wollen wir bleiben.« Reformation und katholische Reform in Franken, Neustadt/Aisch, 2004, S. 63 – 68, hier S. 66. 426 Sicken, Würzburg, S. 131.

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schaft.427 Trotz dieser Maßnahmen verstärkte sich der Priestermangel zunehmend.428 Ein Mandat zur Klerusreform erließ der Bischof 1521.429 Es ist Konrad II. gleichwohl nicht gelungen, neues katholisches Leben hervorzubringen.430 Sein Nachfolger, Konrad III. von Bibra (reg. 1540 – 1544), galt als Sympathisant der lutherischen Lehre. Die Verbindungen zu Kaiser und Papst wurden unter seiner Regierung geschwächt, während die zu Hessen und evangelischen Adeligen gestärkt wurden.431 Der neue Bischof Melchior Zobel von Giebelstadt (reg. 1544 – 1558) hatte in Wittenberg und Leipzig studiert und war humanistisch geprägt. Er berief sowohl Katholiken als auch Protestanten zu Räten. Verschiedene kleinere Reformansätze wie das Abhalten einer Diözesansynode und Visitationen blieben in ihren Anfängen stecken.432 Ein Mandat zur Besserung des klerikalen Lebenswandels wurde von ihm erlassen.433 Die von ihm angestrebte Gründung einer Schule scheiterte an mangelnden finanziellen Mitteln.434 Die protestantische Lehre breitete sich in der Folge weiter aus. Neben der evangelischen Lehre entstand auch eine Reihe von Mischformen.435 Es ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass die Mehrheit der überzeugten Lutheraner in den bürgerlichen Schichten der Städte und nicht unter den Bauern zu finden war.436 427 Ziegler, Würzburg, S. 108. 428 Flachenecker, Helmut: Würzburg, in: Gatz, Erwin (Hrsg.): Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation, Freiburg, 2003, S. 831 – 841, hier S. 836. 429 Abgedruckt bei Himmelstein, Synodicon, S. 307 – 310. 430 Ziegler, Würzburg, S. 109. 431 Ebd., S. 112. 432 Meier, Karlstadt, S. 55. 433 Wendehorst, Bischofsreihe, S. 124. 434 Bigelmair, Konzil, S. 75. 435 Guth, Würzburger Kirche, S. 48. 436 Ebd., S. 49. In der älteren Forschung ging man davon aus, dass das Luthertum deutlich mehr Menschen erfasst hat. Buchinger etwa nimmt für die Zeit um 1555 an, dass etwa die Hälfte aller Hochstiftsbewohner zu Lutheranern geworden waren (Buchinger, Julius Echter, S. 31), Heppe behauptet sogar, zum Regierungsantritt Julius Echters habe die Anzahl der Protestanten im Hochstift bei etwa 2/3 gelegen (Heppe, Heinrich: Die Restauration des Katholizismus in Fulda, auf dem Eichfelde und in Würzburg, Marburg, 1850, S. 161). Die Gründe für die stärkere Verbreitung des Lutherthums in den Städten werden in der Forschung unterschiedlich erklärt. Krenig geht davon aus, dass die besser gebildeten Prädikanten eher dem Bildungsbedürfnis bürgerlicher Schichten entsprachen (Krenig, ErnstGünter : Das Hochstift Würzburg in den Jahrzehnten der Gegenreformation, in: Kolb, Peter/ Ders. (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg, 1995, S. 165 – 218, hier S. 168). Merz wiederum erklärt anhand der würzburgischen Landstädte Karlstadt, Münnerstadt und Neustadt und des fuldischen Hammelburgs, dass in den Städten verschiedene wichtige Komponenten zusammenkamen, die so auf dem Dorf nicht gegeben waren: ein dichtes Netz an persönlichen Beziehungen nach Wittenberg und Nürnberg, innerstädtisches Autonomiebestreben der Stadträte, Verbreitung der Lehre durch Kirche und Schule (Merz, Jo-

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Bei der Beurteilung des Bischofs muss einkalkuliert werden, dass Bischof Melchior wie sein Bamberger Pendant Weigand von Redwitz mit den bereits geschilderten Raubzügen des Albrecht Alcibiades zu kämpfen hatte.437 Von seinem Vorgänger hatte er eine große Schuldenlast übernommen.438 Dies wurde noch deutlich verstärkt durch die desolate finanzielle Lage, die der Krieg hinterlassen hatte, wodurch das Hochstift ein zweites Mal an den Rand der Säkularisation gebracht wurde.439 Darüber hinaus stand dem Bischof ein Domkapitel gegenüber, dass zwar an sich an der Erhaltung des Stifts interessiert war, aber weniger an Reformen, sondern mehr an der Sicherung von Stand und Lebensunterhalt.440 Nach den Schrecken des Markgräflerkrieges geriet Bischof Melchior in einen Konflikt mit dem mit Albrecht Alcibiades verbündeten Ritter Wilhelm von Grumbach.441 Im Verlauf dieses Konfliktes wurde er am 15. April 1558 von Getreuen des Ritters ermordet.442 Sein Nachfolger wurde Friedrich von Wirsberg (reg. 1558 – 1573).443 Wirsberg hatte in Ingolstadt und Tübingen studiert und als Gesandter in Wien und Rom politische Erfahrungen gesammelt.444 Die Wahlkapitulation legte ihm Maßnahmen zur Erhaltung des katholischen Glaubens im Hochstift auf (etwa Visitationen und Berufung katholischer Berater und Verwaltungsbeamte), gleichzeitig sicherte sich das Domkapitel aber in erheblichem Maße eine Teilnahme an der Regierung.445 Auch Wirsberg musste sich mit Wilhelm von Grumbach militärisch auseinandersetzen, der im Oktober 1563 sogar die Residenzstadt einnehmen konnte.446 Nachdem ihm die Restitution von Gütern, Rechtstiteln und eine Entschädigung vertraglich zugesichert wurden, verließ Grumbach die Stadt wieder. Als er sich 1567 erneut gegen das Hochstift wenden wollte, wurde die kaiserliche Acht vollstreckt; Wilhelm von Grumbach erhielt die Todesstrafe.447 1561 gründete Friedrich von Wirsberg ein Gymnasium, nachdem die Beru-

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442 443 444 445 446 447

hannes: Die Landstadt im geistlichen Territorium. Ein methodischer Beitrag zum Thema »Stadt und Reformation« am Beispiel Frankens, in: AmrhKG 46, 1994, S. 55 – 82, hier S. 73 f.). Meier, Karlstadt, S. 55. Wendehorst, Bischofsreihe, S. 121. Ziegler, Würzburg, S. 112. Krenig, Hochstift, S. 168. Ziegler, Würzburg, S. 112. Wilhelm von Grumbach war zunächst Hofmarschall unter Bischof Melchiors Vorgänger gewesen, war aber dann in den Dienst Albrecht Alcibiades’ gewechselt. Bischof Melchior ließ die fränkischen Besitzungen des Ritters konfiszieren. Zwar lief ein Verfahren am Reichskammergericht, dennoch nahm Grumbach die Dinge selbst in die Hand (Specker, Reformtätigkeit, S. 40). Meier, Karlstadt, S. 55. Ebd. Krenig, Hochstift, S. 170. Ebd., S. 171 f. Ebd., S. 172. Ebd., S. 173.

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fung der Jesuiten am Widerstand des Domkapitels und den finanziellen Voraussetzungen gescheitert war.448 Vorausgegangen war die Einsicht, dass eine eigene gute Schule zum einen die Ausbildung des Klerus verbesserte, zum anderen den Besuch von Schulen im lutherischen Ausland verhindern konnte.449 Allerdings musste die Schule 1564 wieder geschlossen werden.450 Drei Jahre später konnte sich der Würzburger Oberhirte mit den Jesuiten einigen, die in der Residenzstadt ein schnell florierendes Kolleg mit Gymnasium gründeten.451 Zudem erließ Wirsberg eine Reihe von Mandaten, die sich an den Dekreten des Tridentinums anlehnten.452 Gewaltmaßnahmen lehnte der Bischof ab.453 In der unmittelbaren Umgebung des Bischofs konnten sich lutherische Räte halten.454 Dennoch war Bischof Friedrich persönlich fromm und spendete häufig selbst die Sakramente.455 Auch Wirsbergs Regierungszeit war im Wesentlichen von der schwierigen Finanzlage gekennzeichnet, die sich besonders auf sein Verhältnis zum Domkapitel auswirkte.456 Durch massives Eingreifen desselben in die bischöfliche Regierung konnten in den letzten zehn Regierungsjahren ein Teil der Schulden abgetragen werden.457 Insgesamt betrachtet ergibt sich in der Regierungszeit Wirsbergs ein durchwachsenes Bild. In Gebieten, die vollständig hochstiftisch waren oder einem aktiven Kloster unterstanden, wurde der katholische Glaube weiterhin ausgeübt. In Gebieten, die stark von ritterschaftlichen Territorien durchsetzt waren, war er hingegen vollständig zum Erliegen gekommen.458 Nach dem Augsburger Religionsfrieden hatten viele Ritter die neue rechtliche Absicherung genutzt, um nunmehr offiziell in ihren Territorien die Lehre Luthers einzuführen.459 Insgesamt blieb die evangelische Bewegung innerhalb des Hochstifts weiterhin überwiegend auf größere Städte beschränkt, auch Mischformen

448 Baumgart, Peter : Gymnasium und Universität im Zeichen des Konfessionalismus, in: Kolb, Peter/Krenig, Ernst-Günter (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg, 1995, S. 251 – 276, hier S. 253. 449 Ebd., S. 252. 450 Ebd., S. 253. 451 Ziegler, Würzburg, S. 115. 452 Krenig, Hochstift, S. 191. 453 Ziegler, Würzburg, S. 116. 454 Wendehorst, Bischofsreihe, S. 147. 455 Ebd., S. 148 f. 456 Krenig, Hochstift, S. 175. 457 Ebd., S. 175, 189. 458 Ziegler, Würzburg, S. 113. 459 Sicken, Würzburg, S. 156.

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kamen häufig vor.460 Wirsberg war es nicht gelungen, katholische Impulse hervorzubringen.461 Wirsbergs Nachfolger Julius Echter (reg. 1573 – 1617) besuchte von 1558 – 61 das Jesuitengymnasium in Köln.462 Seine Studienzeit verbrachte der Exponent einer ritterschaftlichen Familie in den Jahren 1558 bis 1567 in Köln, Main, Löwen, Douai, Paris und Angers.463 Er wurde 1569 Domherr in Würzburg, 1571 in Bamberg.464 Bereits bei seiner Tätigkeit als Würzburger Domdekan ab 1570 zeigte sich sein Organisationstalent.465 In den ersten zehn Jahren seiner Herrschaft beschäftigte sich Bischof Julius in erster Linie mit Territorialpolitik: Entschuldung des Stifts, Straffung der Verwaltung, gesetzgeberische Tätigkeiten, Konsolidierung des Territoriums durch Erbwerbungen etc.466 Dabei gelang es ihm recht schnell, sich in jeglichen Bereichen über das Domkapitel hinwegzusetzten.467 Aber auch erste Maßnahmen zur Förderung der katholischen Konfession fielen in das erste Regierungsjahrzehnt: Gründung des Juliusspitals, Gründung des Priesterseminars 1578 (kam 1589 zum Abschluss) und 1582 Neugründung der Würzburger Universität.468 Die aktive Rückführung der Untertanen zum katholischen Glauben begann im Wesentlichen im Jahr 1585.469 Die Gründe für diese über zehnjährige Verzögerung sind vermutlich darin zu suchen, dass zunächst das Fundament für die anstehenden Maßnahmen gelegt werden sollte.470 Vermutlich wollte Echter die Finanzen des Hochstifts und seinen Zugriff darauf bessern und sicherstellen, bevor er mit seinen religionspolitischen Maßnahmen ansetzte.471 Umstritten ist gleichwohl, ob das Abrücken Kurfürst Augusts von Sachsen von der Declaratio Ferdinandea472 1582 eine entscheidende Voraussetzung für Echters Reform460 461 462 463 464 465 466 467 468 469 470 471 472

Ziegler, Würzburg, S. 114. Wendehorst, Bischofsreihe, S. 153. Koch, Zeitalter, S. 90. Krenig, Hochstift, S. 195. Koch, Zeitalter, S. 90. Krenig, Hochstift, S. 195. Ziegler, Würzburg, S. 117. Baumgart, Konfessionalisierung, S. 580. Krenig, Hochstift, S. 200. Eine erste Universitätsgründung war 1402 erfolgt, allerdings setzte der Verfall noch im ersten Jahrzehnt nach der Gründung ein (Ziegler, Würzburg, S. 103). Krenig, Hochstift, S. 201. Vereinzelt kommen Rekatholisierungsmaßnahmen schon vor 1585 vor. S. Kapitel 5. Ziegler, Würzburg, S. 119. Schubert, Gegenreformationen, S. 294 f. Bei der Declaratio Ferdinandea handelte es sich um eine Absprache zwischen dem späteren Kaiser Ferdinand I. und den protestantischen Reichsständen aus dem Jahr 1555. Die Declaratio erlaubte landsässigem Adel in geistlichen Territorien die Beibehaltung des lutherischen Bekenntnisses. Da sie aber nicht in den Reichsabschied von 1555 mit aufgenommen worden war, war ihre Gültigkeit umstritten (Lanzinner, Maximilian: Konfessionelles

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maßnahmen war.473 Wichtig war zudem, dass erste Visitationen gezeigt hatten, dass eine versuchte Veränderung der Verhältnisse ohne Strafen und Sanktionen wirkungslos geblieben war.474 Von Anfang an gebrauchte Echter seine Doppelrolle als geistlicher und weltlicher Fürst.475 Mit Unterstützung des Geistlichen Rats und der Jesuiten baute er ein umfassendes Visitationswesen auf.476 Zudem wurden flächendeckend die lutherischen Amtsträger gegen katholische ausgetauscht477 und Prädikanten durch Priester ersetzt.478 Echter stützte sich bei allen seinen Maßnahmen fest auf die Jesuiten.479 1576 befanden sich insgesamt 34 Mitglieder des Ordens in der Niederlassung Würzburg, die auch durch das Hochstift reisten und predigten.480 In den Jahren 1585/86 reiste der Bischof selbst in einige Landstädte, die bekannt für ihre lutherischen Bewohner waren.481 Dabei wurde versucht, durch Ermahnungen und Strafen die Menschen wieder zum katholischen Glauben zu führen.482 Die Reform des Klerus und des kirchlichen Lebens der Bevölkerung spiegelt sich im Wesentlichen in zwei Publikationen: Der Statuta Ruralia von 1584 und der Kirchenordnung von 1589.483 Beide Publikationen lehnten sich stark an die Dekrete des Tridentinums an.484 Die Reform des Klerus verteilte sich auf zwei Stränge: Zum einen Verbesserung der sich bereits im Dienst befindenden Priester, zum anderen die der Priesterausbildung. Ersteres wurde durch umfassende Visitationen, Mandate, aber auch eine Straffung der Verwaltungsstruktur erreicht.485 In den Statuta Ruralia wurde verfügt, das Hochstift in Landkapitel486 neu zu strukturieren, deren jeweilige Priester sich einmal im Jahr zur Kontrolle zu versammeln hatten. Zudem enthielten sie ausführliche In-

473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 483

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Zeitalter 1555 – 1648, in: Reinhard, Wolfgang (Hrsg.): Gebhardt Handbuch der Deutschen Geschichte Band 10: Konfessionelles Zeitalter 1555 – 1618. Dreißigjähriger Krieg 1618 – 1648, Stuttgart, 102001, S. 1 – 203, hier S. 64 f.). Pönitz, Echter, S. 350 f; Krenig, Hochstift, S. 200; Specker, Gegenreformationen, S. 293 f. Pölnitz, Echter, S. 354 f. Krenig, Hochstift, S. 206. Ebd., S. 201. Ziegler, Würzburg, S. 120. Schmidt, Konfessionalisierung, S. 39. Krenig, Hochstift, S. 199. Specker, Reformtätigkeit, S. 78. Krenig, Hochstift, S. 201. Ziegler, Würzburg, S. 119. Specker, Reformtätigkeit, S. 87. Abgedruckt bei Himmelstein, Synodicon: »Julii Episcopi Statuta Ruralia pro Clero suae Dioecesis de 2. Januarii 1884« (S. 321 – 384), »Bischofs Julii Satzung und Ordnung wie es bei den Pfarrer mit dem Gottesdienst und Kirchenministerien soll gehalten werden. Vom Jahre 1589« (S. 384 – 404). Specker, Reformtätigkeit, S. 89. Krenig, Hochstift, S. 202. S. Kapitel 3.3.2.

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struktionen für die täglichen Aufgaben des Pfarrklerus.487 In den folgenden Jahren ergingen Anweisungen an die Amtleute, die Pfarrer in ihrer täglichen Ausübung zu überwachen.488 Dennoch sollte die Reformierung des Klerus deutlich länger dauern als von Echter geplant. Die Mandate zur Besserung des Klerus und des Kirchenwesens waren entsprechend zahlreich.489 In der Kirchenordnung wiederum wurden alle Bereiche des kirchlichen Lebens der Pfarrer und Laien geregelt.490 Zudem versuchte Echter, spätmittelalterliche Frömmigkeitspraktiken wie Wallfahrten und Bruderschaften zu erneuern, um den Glauben weiter zu verankern.491 Zur Verbesserung der Ausbildung wurde zunächst ab 1575 die von Friedrich von Wirsberg gegründete Schule erweitert und vergrößert.492 Ergänzend dazu gründete Echter ein Priesterseminar.493 Außerdem halfen die Jesuiten mit Priestern aus.494 Gleichzeitig wurden eine Reihe von neuen Pfarreien errichtet und Kirchen renoviert oder neu gebaut.495 Echters Nachfolger wurde am 5. Oktober 1617 Johann Gottfried von Aschhausen (reg. 1617 – 1622), der auch Bischof von Bamberg war.496 Die folgenden Jahrzehnte waren direkt oder indirekt in erster Linie durch den Dreißigjährigen Krieg bestimmt. Wenn auch in den ersten Jahren keine Kriegshandlungen in Franken vorkamen, waren die Belastungen durch Truppendurchzüge und Einquartierungen drückend.497 Aschhausen bemühte sich in seiner fünfjährigen Regierungszeit in Würzburg um eine Fortführung der Echterschen Politik. Er erweiterte die Befugnisse der Jesuiten bei der Priesterausbildung.498 Zudem ergingen regelmäßige Ermahnungen an die Kleriker des Hochstifts, auf den katholischen Lebenswandel der Pfarrkinder zu achten und selbst mit gutem Vorbild voranzugehen. Das von Echter entwickelte Visitationssystem wurde von Aschhausen weitergeführt. Erst unter seiner Regierung wurde 1618 der Beichtzettel eingeführt.499 Parallel dazu führte Aschhausen katholische Frömmigkeitspraktiken wie das 40-stündige Gebet im Hochstift ein.500 Specker, Reformtätigkeit, S. 88. Ebd. Wendehorst, Bischofsreihe, S. 203 f. Specker, Reformtätigkeit, S. 89. Wendehorst, Bischofsreihe, S. 208. Specker, Reformtätigkeit, S. 79. Ebd., S. 80. Krenig, Hochstift, S. 202. Ziegler, Würzburg, S. 120. Krenig, Hochstift, S. 213. Sicken, Politische Geschichte, S. 291. Romberg, Bischöfe, S. 104. Ebd., S. 105. Der Beichtzettel diente als ein Nachweis, dass die Beichte auch wirklich abgeleistet worden war (Heydenreuter, Abbrändler, S. 30). 500 Romberg, Bischöfe, S. 108. 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498 499

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Die Handlungsmöglichkeiten von Aschhausens Nachfolger Philipp Adolf von Ehrenberg (reg. 1623 – 1631) waren durch den Krieg auch im Inneren eingeschränkt.501 Dem Bischof ist es aber gelungen, in einer Reihe von ritterschaftlichen Gütern ungeachtet der Proteste der Ritter katholische Geistliche einzusetzen.502 Er rechnete bei einem Sieg der katholischen Kriegspartei auch mit weiteren Handlungsmöglichkeiten in größeren Territorien, vor allem den markgräflichen Gebieten.503 Nach Erlass des Restitutionsediktes meldete der Bischof Anspruch auf mehr als 900 Benefizien in ganz Franken an.504 Durch die günstige militärische Lage hatte er das entsprechende Druckmittel bei der Hand, da er Einquartierungen nutzen konnte.505 Größere Umwälzungen gab es indes nicht: Die Restitutionskommission unter der Leitung des Bamberger Bischofs arbeitete langsam und hatte bis zum Sieg der Schweden bei Breitenfeld im September 1631, der die Lage grundlegend veränderte, nur wenige Ansprüche in die Tat umgesetzt.506 Dies sollte der Würzburger Oberhirte gleichwohl nicht mehr erleben. Er starb im Juli 1631.507 Bischof Philipp Adolf stärkte zur Förderung der Frömmigkeit die Bruderschaften und führte neue Feste an Marienfeiertagen ein.508 Auffällig blieb indes, dass der Bischof trotz wiederholten Einspruchs des Domkapitels weiterhin adelige lutherische Räte und andere lutherische Mitarbeiter beschäftigte.509 Sein Nachfolger Franz von Hatzfeld galt wegen seiner diplomatischen Erfahrungen als idealer Kandidat.510 Er regierte in Würzburg von 1631 – 42, in Bamberg von 1633 – 42. Bereits kurz nach seiner Wahl wurde das Stift im Oktober 1631 von den Schweden besetzt.511 Der schwedische König Gustav Adolf setzte in Würzburg als regierende Behörde das Landesregierungskollegium ein, das in erster Linie aus evangelischen Reichsrittern bestand.512 Wenn es auch den Rittern gelang, ihre gerade zuvor rekatholisierten Pfarreien wieder mit einem Prädikanten zu besetzten,513 blieb das Hochstift insgesamt gesehen katholisch.514 Die Regierungszeit der Schweden und dem von Schweden beauftragten Herzog von Weimar war ohnedies zu kurz, um einschneidende Veränderungen durch501 502 503 504 505 506 507 508 509 510 511 512 513 514

Sicken, Politische Geschichte, S. 292. Romberg, Bischöfe, S. 186 f. Sicken, Politische Geschichte, S. 293. Ebd., S. 294. Romberg, Bischöfe, S. 177 f. Sicken, Politische Geschichte, S. 296 f. Ebd., S. 297. Romberg, Bischöfe, S. 217 f. Ebd., S. 198, 213. Sicken, Politische Geschichte, S. 297. Ziegler, Würzburg, S. 121. Sicken, Politische Geschichte, S. 305. Ebd. Ziegler, Würzburg, S. 122.

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zusetzen: Mit der verlorenen Schlacht von Nördlingen am 6. September 1634 mussten die Skandinavier und ihre Anhänger ihre dominierende Stellung aufgeben.515 Nachdem Franz von Hatzfeld im Dezember 1634 nach Würzburg zurückgekehrt war, wurden seine Regierungsjahre in erster Linie durch die Not des kriegsgebeutelten Territoriums geprägt.516 Hauptproblem blieb der Transit und die Unterhaltung der kaiserlichen Truppen.517 Durch den Beitritt zum Prager Frieden verzichtete Franz von Hatzfeld auf die Erwerbungen, die seine Vorgänger im Zuge der Restitutionspolitik getätigt hatten. Der Wiederaufbau konnte nicht begonnen werden, weil der weiter laufende Krieg alle Mittel verschlang.518 Zudem war ein massiver Priestermangel entstanden, da viele der im Krieg geflüchteten Kleriker nicht zurückkehrten.519 Hatzfelds Nachfolger, Johann Philipp von Schönborn (reg. 1642 – 1673), hatte in Würzburg, Orl¦ans und Siena studiert und war ein Vertrauter seines Vorgängers.520 Er erschien als geeigneter Kandidat, da er die Friedenspolitik seines Vorgängers fortsetzen wollte und zudem bereits Organisations- und Verhandlungsgeschick bewiesen hatte.521 Er hatte neben Würzburg ab 1647 auch das Erzbistum Mainz, ab 1663 das Hochstift Worms inne.522 Die Lage des Hochstifts war zum Regierungsantritt des neuen Oberhirten sehr schwierig. Die zahlreichen Kriegszüge hatten zu einer weitreichenden Verelendung geführt.523 Daraus resultierte das großen Engagement des Bischofs in den Friedensverhandlungen.524 Trotz der widrigen Umstände versuchte Bischof Johann Philipp die katholische Reform im Hochstift weiter voranzutreiben.525 Um die Knappheit bei den Priestern zu bekämpfen, eröffnete er 1654 das Priesterseminar in Würzburg neu und vertraute die Leitung dem Bartholomiten-Orden an.526 Da während des Krieges die Pfarrausbildung zusammengebrochen war, gab es nur wenig Nachwuchs.527 Zudem hielten er oder sein Weihbischof Söllner regelmäßig

515 516 517 518 519 520

521 522 523 524 525 526 527

Sicken, Politische Geschichte, S. 310 f. Ebd., S. 313. Romberg, Bischöfe, S. 256. Sicken, Politische Geschichte, S. 314. Romberg, Bischöfe, S. 289. Jürgensmeier, Friedhelm: Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn (1642 – 1673), in: Kolb, Peter/Krenig, Ernst-Günter (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg, 1995, S. 363 – 390, hier S. 365. Ebd., S. 366. Romberg, Bischöfe, S. 317. Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn, S. 368. Romberg, Bischöfe, S. 321. Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn, S. 369. Ebd., S. 372. Romberg, Bischöfe, S. 393.

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Die Hochstifte Bamberg und Würzburg in der Frühen Neuzeit

Bistumssynoden ab, um das kirchliche und religiöse Leben zu erneuern.528 Die 1670 erschienene Kirchenordnung löste die bis dahin geltende Kirchenordnung Echters ab und regelte in erster Linie die Bereiche Gottesdienst und Sakramentenspendung neu.529

3.3.2. Grundlinien der hochstiftischen Verwaltung Im folgenden Unterkapitel wird zunächst dargestellt, welche Institutionen an der Rekatholisierung beteiligt waren. Anschließend wird die Neuordnung der geistlichen Verwaltungseinheiten des Hochstifts in den Blick genommen. Wie auch in Bamberg stand der Würzburger Bischof dem Domkapitel gegenüber. Dieses hatte sich als Mitregent im Hochstift etablieren können.530 Es bestand in erster Linie aus Söhnen aus Ritterfamilien.531 Allerdings kamen bei dem Eintritt in das Kapitel nicht nur geistliche Argumente zum Tragen. Eine Rolle spielten auch die Erhaltung von Besitz und Vermögen, der soziale Stand und die standesgemäße Versorgung.532 Wie auch in Bamberg war das Verhältnis zwischen Domkapitel und Bischof nicht festgefügt, sondern von der Persönlichkeit und der Durchsetzungsfähigkeit des Bischofs einerseits und den Begleitumständen der Regierungszeit andererseits abhängig. Dabei hatte der Bischof stets den Vorteil, dass sich das Domkapitel auf eine Position einigen musste, um stark agieren zu können.533 So gelang es Bischof Julius, seine Entscheidungen ohne die Mitwirkung des Domkapitels durchzusetzen.534 Zudem besetzte er wichtige Ämter vermehrt mit Vertrauten, die nicht aus dem Domkapitel stammten und konnte es zunehmend aus dem Finanzwesen zurückdrängen.535 Auch Echters Nachfolger Philipp Adolf von Ehrenberg und Johann Philipp von Schönborn gelang es, den Einfluss des Domkapitels während ihrer jeweiligen Regierungszeit gering zu halten.536 Bereits unter Friedrich von Wirsberg (reg. 1558 – 73) entwickelte sich ein Geistlicher Rat.537 Dieser wurde zum entscheidenden Organ der Religionsspo-

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Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn, S. 372. Romberg, Bischöfe, S. 396. Guth, Würzburger Kirche, S. 21. Ebd., S. 35. Ebd., S. 36. Pölnitz, Echter, S. 202. Baumgart, Konfessionalisierung, S. 580. Wendehorst, Bischofsreihe, S. 218. Romberg, Bischöfe, S. 198 ff.; Endres, Staat und Gesellschaft, S. 710. Willoweit, Dietmar : Gericht und Obrigkeit im Hochstift Würzburg, in: Kolb, Peter/Krenig, Ernst-Günter (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte Band 3: Vom Beginn des konfessionellen

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litik.538 Unter Bischof Julius kam es zu einer massiven Aufwertung dieser Institution: Es gab im Geistlichen Rat mindestens einmal im Monat Sitzungen zum Thema Missstände im Hochstift.539 Die Geistlichen Räte waren auch befugt, Visitationen durchzuführen, sollte der Bischof verhindert sein.540 Im Geistlichen Rat wurden die einlaufenden Berichte besprochen und darauf aufbauend die Befehle nach draußen an die Dekane, Geistlichen und Amtleute geschickt.541 Berufen wurden überwiegend Chorherren der Würzburger Stifte Neumünster, Haug und St. Burkhard.542 Feste Mitglieder waren der Generalvikar und der Fiskal, der als Verantwortlicher für Geschäfts- und Protokollführung wohl die größte Übersicht besaß.543 In der Regel bestand der Rat aus sechs oder sieben Mitgliedern.544 Zur Verwaltung war das Hochstift Würzburg in Ämter mit jeweils einer Stadt als kleinerem Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum eingeteilt.545 Grundlage der geistlichen Verwaltung war die Pfarrei.546 Zu Beginn der Reformationszeit war die Diözese Würzburg in zehn Archidiakonate und 19 Landkapitel untergliedert.547 Bischof Julius strukturierte die 11 hochstiftischen Landkapitel neu und ordnete eine jährliche Versammlung aller Kleriker eines Landkapitels an, um den Fortgang der Entwicklung kontrollieren zu können.548 Diese Versammlung sollte unter dem Vorsitz eines bischöflichen Vertreters stattfinden, der mit jedem einzelnen Pfarrer den jweiligen Stand der Gemeinde, Schule, Christenlehre, Abrechnung etc. durchging.549 In den Statuta ruralia wurde von Echter minutiös

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Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg, 1995, S. 219 – 249, hier S. 229. Meier, Karlstadt, S. 57. Im Gegensatz zu den Vikariatsprotokollen des Bamberger Geistlichen Rates, die beinahe vollständig vorliegen und eine wichtige Quelle dieser Arbeit darstellen, sind die Protokolle des Würzburger Geistlichen Rates im Zweiten Weltkrieg verbrannt. Specker, Reformtätigkeit, S. 75. Meier, Karlstadt, S. 57. Ebd., S. 58. Ebd., S. 57. Ebd., S. 58. Ein weiterer Hinweis für das Gewicht des Fiskals besteht darin, dass dieser durch den Bischof selbst ausgesucht werden konnte, während der Generalvikar ein Mitglied des Domkapitels sein musste (Specker, Reformtätigkeit, S. 76 f.). Generell lässt sich der Arbeitsbereich des Geistlichen Rats von dem des Fiskals nicht scharf voneinander abgrenzen (ebd., S. 77 f.). Meier, Karlstadt, S. 57. Endres, Rudolf: Städtelandschaften in Franken in der Frühen Neuzeit, in: Gräf, Holger/ Keller, Katrin (Hrsg.): Städtelandschaft. Städte im regionalen Kontext im Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Köln, 2004, S. 91 – 109, hier S. 93. Romberg, Bischöfe, S. 54. Bünz, Enno: »nichts dann muhe, arbeit, ellend und durftigkeit«. Über die Lage der Pfarrgeistlichkeit im Bistum Würzburg zur Zeit der Reformation, in: WDGB 62/63, 2001, S. 327 – 360, hier S. 330. Specker, Reformtätigkeit, S. 88; Pölnitz, Echter, S. 337. Pölnitz, Echter, S. 337.

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festgelegt, wer sich wann und wo zu treffen hatte und wie genau dieses Treffen ablaufen sollten.550

3.4. Die lokalen Amtsträger Im Folgenden soll gezeigt werden, welche bischöflichen Amtsträger bei der Rekatholisierung vor Ort zum Einsatz gekommen sind.

3.4.1. Amtmann/Vogt Ein Amtmann, der gelegentlich auch als Vogt bezeichnet wurde,551 verwaltete einen Bezirk, der im Zeitgebrauch als »Amt« bezeichnet wurde. Die Ämter sind ursprünglich aus der Grundherrschaft entstanden.552 Im Laufe des Mittelalters kam es zu Zusammenfassungen grundherrlicher Vogteirechte in der Hand eines beamteten Verwalters, der die Oberaufsicht führte und mit Ausnahme der Zentfälle zu Gericht saß.553 Der Streugut-Charakter des Grundbesitzes brachte es mit sich, dass die Ämter keine klaren Grenzen hatten, sondern einerseits Lücken, andererseits Überschneidungen aufwiesen.554 Die Ämter überschnitten sich außerdem manchmal, aber nicht grundsätzlich mit den Zentbezirken (Zent=Hohe Gerichtsbarkeit, auch Fraisch genannt).555 Im Gegensatz zur Vogtei war ein Zentbezirk genau umgrenzt und im Allgemeinen ohne Enklaven.556 Ein Amtmann war in der Regel ein Adeliger, da dieser auf Grund seines eigenen Besitzes Erfahrung mit der Güterverwaltung hatte. Adelige Amtmänner konnten mit Waffen und Pferden umgehen, was wichtig war für die Ausführung der Polizei und zum Schutz des Amtes gegen Eingriffe benachbarter Territorien.557 Allgemein beinhaltete das Aufgabenspektrum eines Amtmannes die Erhebung von Abgaben, Bewirtschaftung von Gütern, Verwaltung von Forsten, Wahrnehmung von gerichtlichen Kompetenzen und die bewaffnete Präsenz in 550 Himmelstein, Synodicon, S. 324 – 329. 551 Hofmann, Außenbehörden, S. 66. Ein Vogt konnte aber auch ein dem Amtmann unterstellter Beamter sein (Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch, S. 648). 552 Hofmann, Außenbehörden, S. 63. 553 Ebd., S. 63 f. 554 Ebd., S. 64; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 236. 555 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 234. 556 Riedenauer, Erwin: Karlstadt, München, 1963, S. 47. 557 Ninness, Richard: Das Hochstift Bamberg als Schwerpunkt reichsritterschaftlicher Familienvernetzung, in: Wüst, Wolfgang (Hrsg.): Geistliche Staaten in Oberdeutschland im Rahmen der Reichsverfassung, Epfendorf, 2002, S. 205 – 236, hier S. 226.

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Burgen des Hochstifts.558 Eine weitere Aufgabe des Amtmanns konnte sein, an den Sitzungen der Räte in den bischöflichen Städten teilzunehmen, zum Teil verlegte er sogar seinen Amtssitz in die Stadt.559 Bisweilen wurden mehrere Ämter unter einem Oberamtmann zusammengefasst.560 Die Stelle als Amtmann war im Adel hoch angesehen und brachte eine Reihe von Vorteilen mit sich: zusätzliche Verdienste, Einflussmöglichkeiten in der hochstiftischen Verwaltung, enger Kontakt zur Regierung und die Möglichkeit, Verwandte ebenfalls in Stellung zu bringen.561 Amtmänner waren – zumindest theoretisch – auch Träger der Konfessionalisierung, denn es gehörte zu ihren Aufgaben, den Priester zu schützen, Prädikanten gegen Priester auszutauschen, gemeinsam mit dem Priester auf die Einhaltung der Religionsmandate zu achten und ungehorsame Untertanen zu strafen.562 Entsprechend problematisch war es, wenn der Amtmann nicht katholisch war.563 Doch selbst engagierte Bischöfe wie Neithart von Thüngen beschäftigten lutherische Amtleute. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen gab es im Hochstift Bamberg eine familiäre Vernetzung innerhalb der Adelsfamilien, die mit der Reformation nicht plötzlich endete.564 Neben der Konfession spielten innerhalb dieses Netzwerkes auch andere Faktoren eine Rolle, etwa Familienund Standesbewusstsein565, aber auch Dienst- und Lehensbeziehungen.566 Bei der familiären Verflechtung muss zudem die starke Präsenz des lokalen Adels im Domkapitel beachtet werden, denn eine Aufnahme von neuen Domherren war kein rein geistlicher Ritus, sondern die Abschottung gegenüber Fremden und nicht standesgemäßen Personen spielte eine zentrale Rolle. Nach dem Tridentinum wurde im Bamberger Domkapitel das Adelsprinzip noch verstärkt.567 Die Domherren, die zum Teil aus evangelischen Familien stammten, waren häufig 558 559 560 561 562 563 564

Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 236. Ebd., S. 237. Ebd., S. 236. Ninness, Familienvernetzung, S. 227. Ebd., S. 226. Dies zeigte sich besonders in dem bambergischen Ort Teuschnitz. S. Kapitel 6.2. Ninness, Familienvernetzung, S. 207; Ders.: Opposition and Collaboration, passim. Eine vergleichbare Studie liegt für das Hochstift Würzburg nicht vor. Wie oben dargestellt, war es Echter gelungen, Protestanten praktisch vollständig aus der hochstiftischen Verwaltung zu entfernten, was nur durch den Einsatz landfremden Personals möglich wurde. Unter seinen Nachfolgern wurde diese strenge Linie nicht mehr eingehalten, weil zum einen im Laufe des Dreißigjährigen Krieges der Adel bezüglich seiner religiösen Grundüberzeugung unzuverlässiger für die Bischöfe wurde, zum zweiten war es überhaupt schwierig, z. B. gelehrte Juristen für den Hof- und Staatsdienst zu finden (Reuschling, Heinzjürgen: Die Regierung des Hochstifts Würzburg 1495 – 1642. Zentralbehörden und führende Gruppen eines geistlichen Staates, Würzburg, 1984, S. 431 ff.). 565 Ninness, Familienvernetzung, S. 207. 566 Ebd., S. 211. 567 Ebd., S. 214 f.

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nicht nur miteinander, sondern auch mit den adeligen Beamten verwandt, da der Stiftsadel das Hochstift Bamberg stark dominierte.568 Da der Bischof aus den Reihen des Domkapitels hervorging, galten die familiären Verflechtungen gleichermaßen auch für ihn.569 Zum anderen bestand das Domkapitel lange Zeit darauf, dass hohe Beamte aus der Region stammten.570 Sie betonten, dass es wichtig war, die Verhältnisse vor Ort zu kennen.571 Allerdings gab es im alteingessenen Adel nicht genügend katholische Personen, die alle Amtmannsstellen hätten besetzten können.572

3.4.2. Kastner/Keller Im Spätmittelalter bildete sich das Amt des Kastners heraus, der nach und nach auch Pflichten der Amtmänner übernahm.573 Die Aufgaben dieses bürgerlichen Verwaltungsbeamten bestanden zunächst aus der Verwaltung und Einnahme der bäuerlichen Zinsgefälle, später kamen noch Steuereinnahme und Steuerverwaltung hinzu.574 Ein Kastner überwachte die Natural- und Geldabgaben der Untertanen, führte die Rechnungsbücher und verwaltete die fürstbischöflichen Eigengüter.575 Der Name leitete sich vom Aufbewahrungsort des Getreides, dem Getreidekasten ab. Da in Würzburg das wichtigste landwirtschaftliche Produkt der Wein war, hieß der entsprechende Verwaltungsbeamte dort häufig auch Keller, die Verwaltungseinheit Kellnerei oder auch Kellerei.576 Bei der Einteilung der Kastenamtssprengel hatten ausschließlich wirtschaftliche Motive eine Rolle gespielt.577 Für den Vollzug der Aufgaben standen dem Kastner/Keller wie auch dem Amtmann Landknechte zur Verfügung.578 Im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts wurde der Kastner/Keller zusätzlich zu seinen wirtschaftlichen Funktionen auch im Rekatholisierungsprozess eingesetzt. Dafür gibt es zwei sich ergänzende Erklärungen. Einerseits waren Amt568 Ebd., S. 216 f. 569 Ebd., S. 218. 570 Ebd., S. 225. In der Wahlkapitulation war explizit festgelegt, dass das Kapitel allen Beamtenbesetzungen zustimmen musste – zumindest theoretisch (Ebd.). 571 Ebd., S. 229. 572 Ebd., S. 209. 573 Heinold-Fichtner, Krista: Die Bamberger Oberämter Kronach und Teuschnitz. Territorialgeschichtliche Untersuchungen, Erlangen, 1951, S. 155. 574 Heinold-Fichtner, Kronach und Teuschnitz, S. 155 f.; Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch, S. 330; Hofmann, Außenbehörden, S. 72. 575 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 236. 576 Hofmann, Außenbehörden, S. 71, Anm. 65. 577 Ebd., S. 72. 578 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 236.

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männer, wie oben dargestellt, häufig lutherisch und entsprechend nur bedingt geeignet, die Konfessionspolitik der Bischöfe auszuführen. Während sie aber nicht einfach ausgetauscht werden konnten, war es für die Bischöfe bei der Rekrutierung von katholischem Personal wesentlich leichter, bei nichtadeligen Beamten auf eine Besetzung mit Katholiken zu bestehen.579 Andererseits hatten Amtmännner, die katholisch waren, häufig mehrere Ämter inne und konnten auch zum Rat bestellt werden. Daraus folgte, dass sie nicht in allen Orten ihres Amtes Präsenz zeigen und die Politik ihres Bischofs ausüben konnten.580 In diesen Fällen konnte der Kastner/Keller mehr Präsenz zeigen.

3.4.3. Schultheiß Schultheißen wurden ebenfalls durch den Bischof eingesetzt. Sie vertraten die bischöfliche Obrigkeit in einer Stadt, waren aber stärker an die Bürgerschaft angebunden als der Amtmann. Der Schultheiß hatte die Entscheidungen des Rates zu kontrollieren, war Richter am Stadtgericht und die direkte Ansprechperson des Bischofs. Allerdings sind seine Aufgaben nicht eindeutig von denen des Amtmannes zu trennen, sondern überschnitten sich vielfach.581

579 Ninness, Familienvernetzung, S. 235; Riedenauer, Karlstadt, S. 55. 580 Ninness, Familienvernetzung, S. 226. 581 Endres, Iphofen, S. 137 f.

4. Die untersuchten Orte

Im folgenden Kapitel werden die untersuchten Orte vorgestellt und in ihren geographischen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen erläutert. Neben Aspekten wie Gründung, Stadterhebung, Einwohner, Wirtschaft und Verwaltung soll jeweils abschließend die kirchliche Entwicklung vor dem Untersuchungszeitraum erhellt werden. Wenn möglich, wird gezeigt, wie die Bewohner der jeweiligen Orte mit der Reformation in Berührung gekommen sind und inwiefern diese sich ausbreitete oder nicht.

4.1. Hochstift Bamberg Im Hochstift Bamberg wurden sieben Pfarrorte ausgewählt. Zusätzlich wurde in drei Fällen jeweils eine Filiale in die Untersuchung einbezogen. Insgesamt stehen also zehn Orte im Fokus. Im äußersten Norden des Hochstifts an der sächsischen Grenze lagen Teuschnitz mit dem Filialort Marienroth und Neukenroth. Im Westen des Hochstifts, von Markgräflichem Gebiet eingegrenzt, wurden Grafengehaig und Rugendorf ausgewählt. Südlich der Residenzstadt, in direkter Nachbarschaft zu nürnbergischem Territorium, wurden die Orte Forchheim mit der Filiale Pinzberg, Neunkirchen am Brand mit der Filiale Dormitz und Waischenfeld untersucht.

4.1.1. Teuschnitz mit der Filiale Marienroth Teuschnitz befand sich im nördlichsten Winkel des Hochstifts Bamberg.582 Die Erhebung zur Stadt erfolgte zwischen 1329 und 1435, Stadt- und Landesherren waren seit 1364/88 die Bischöfe von Bamberg. Teuschnitz wurde zunächst Sitz 582 Teuschnitz, in: Kayser Erich/Stoob, Heinz (Hrsg.): Bayerisches Städtebuch Teil 1, Stuttgart u. a., 1971, S. 543 – 545, hier S. 543.

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eines Amtes. Später kam ein Zentamt hinzu. Der bischöfliche Beamte besaß sowohl die hohe als auch die niedere Gerichtsbarkeit.583 Der Rat der Stadt mit zwei Bürgermeistern war vom Bischof abhängig.584 Bis ins 18. Jahrhundert gab es in Teuschnitz 128 Häuser.585 Es ist also von ca. 600 Einwohnern ausgehen.586 Die Stadt lag in einer landwirtschaftlich wenig ergiebigen Gegend.587 Der im Mittelalter noch vorliegende Erzabbau war in der Frühen Neuzeit überwiegend zum Erliegen gekommen.588 Was die kirchliche Organisation betrifft, gehörte Teuschnitz zum Archidiakonat bzw. Landkapitel Kronach.589 Die Anfänge der Teuschnitzer Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt stammten aus dem 12. Jahrhundert, dieser Bau brannte aber 1632 und 1640 vollständig ab.590 Unklar ist, wie lutherische Glaubensinhalte ihren Weg in die Stadt gefunden haben. Der Ort war von der Verkehrslage her ungünstig gelegen.591 Es kann allerdings vermutet werden, dass der Prädikant Johannes Zweidler, der zum Regierungsantritt Neitharts 1591 in Teuschnitz wirkte, der erste Pfarrer war, der lutherisch predigte und das Abendmahl in zweierlei Gestalt reichte.592 Die Teuschnitzer Bürger gaben an, dass Zweidler seit 44 Jahren (also seit 1551) lutherisch bei ihnen wirkte.593 Katholische Einrichtungen wie etwa die Frühmesse in der Teuschnitzer Kirche verfielen.594 Sehr starken Einfluss dürfte auch der Fakt ausgeübt haben, dass Teuschnitz von lutherischen Herrschaften umgeben war.595 Das Amt Teuschnitz war von drei Seiten von sächsischen und ritterschaftlichen Territorien umgeben.596 583 Ebd., S. 543 f. 584 Demattio, Helmut: Teuschnitz, in: Körner, Hans-Michael/Schmid, Alois (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Bayern II Franken, Stuttgart, 2006, S. 522 – 524, hier S. 524. 585 Kayser/Stoob, Teuschnitz, S. 543. 586 Schätzungen von Personenzahlen sind extrem schwierig, da in den Quellen häufig nur die Anzahl der Herdstätten (Haushalte) angegeben ist. Markert schätzt, dass die Einwohnerzahl bei etwa dem vier- oder fünffachen Wert der Haushalte lag (Markert, Visitationsbericht, S. 544). Aus einer Übersicht der Kitzinger Auswanderer (s. Kapitel 7.2) hat sich ebenfalls ergeben, dass man von etwa vier bis fünf Personen pro Haushalt ausgehen kann. 587 Kayser/Stoob, Teuschnitz, S. 544. 588 Heinold-Fichtner, Kronach und Teuschnitz, S. 169. 589 Kayser/Stoob, Teuschnitz, S. 545. 590 Ebd., S. 543. 591 Demattio, Teuschnitz, S. 524. 592 StABa B 49 Nr. 191/29 II »Duplicae bamberg contra die teuschnitzische undertanen«, 7. April 1600. 593 StABa B 49 Nr. 191/29 I Bürgermeister, Rat und Gemeinde von Teuschnitz an Bischof Neithart, 9. März 1595. 594 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 53v, 29. Oktober 1595. 595 StaBa Hochstift Bamberg Neuverzeichnete Akten Nr. 573 Bürgermeister, Rat und Gemeinde von Teuschnitz an Bischof Neithart, 8. Mai 1594. 596 S. Karte im Anhang

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In den Quellen zeigt sich zu Beginn der Rekatholisierungsmaßnahmen kein konfessioneller Riss in der Stadt, Bittbriefe zur Konfessionserhaltung wurden von allen unterschrieben.597 Es ist davon auszugehen, dass mehr oder weniger alle Mitglieder der Gemeinschaft Lutheraner waren. Das Filialdorf Marienroth lag ca. 5 km südwestlich von Teuschnitz. 1388 war Marienroth im Besitz des Klosters Langheim und ging wie Teuschnitz in den Besitz des Bamberger Bischofs über.598 In dem Dorf stand eine von Teuschnitz abhängige Kapelle.599

4.1.2. Neukenroth Informationen über den kleinen Ort Neukenroth, der 15 km nordöstlich von Teuschnitz liegt, sind spärlich. Neukenroth wurde 1323/27 bischöflich und gehörte zur bischöflichen Burg Rothenkirchen, die als Burghutlehen600 vergeben war.601 Die Größe des Ortes kann nur grob geschätzt werden, für das Jahr 1624 werden 72 bischöfliche Wohneinheiten angegeben,602 was auf circa 280 bis 360 Einwohner hindeutet.603 Zudem hatte die ritterschaftliche Familie von Cappel einige Untertanen im Dorf.604 Auch in Neukenroth lässt sich das Eindringen des lutherischen Gedankengutes schwer rekonstruieren. Zu Beginn des Untersuchungszeitraumes ging man in Bamberg davon aus, dass der gesamte Ort ans Luthertum verloren gegangen war, da der dortige Pfarrer offenbar seit mehreren Jahrzehnten lutherisch wirkte.605 Zudem klagte die Gemeinde am Reichskammergericht auf Beibehaltung der lutherischen Konfession.606 Genauere Zeitangaben bezüglich des Wir597 Z. B. StaBa Hochstift Bamberg Neuverzeichnete Akten Nr. 573 Bürgermeister, Rat und Gemeinde von Teuschnitz an Bischof Neithart, 8. Mai 1594; StABa B 49 Nr. 191/29 I Bürgermeister, Rat und Gemeinde von Teuschnitz an Bischof Neithart, 9. März 1595. 598 Heinold-Fichtner, Kronach und Teuschnitz, S. 107. 599 Ebd., S. 105. 600 Bei einem Burghutlehen wurde der Inhaber des Lehens dafür bezahlt (in bar oder mit Grundbesitz), dass er die entsprechende Burg hütete, also sich um sie kümmerte und der Burglehensherr (also in diesem Fall der Bischof von Bamberg) jederzeit darauf zugreifen konnte (Zeune, Joachim: Burgen und Burgenpolitik des Bistums Bamberg, in: Göller, Luitgar (Hrsg.): 1000 Jahre Bistum Bamberg 1007 – 2007. Unterm Sternenmantel. Katalog zur Ausstellung, Petersberg, 2007, S. 134 – 141, hier S. 139). 601 Heinold-Fichtner, Kronach und Teuschnitz, S. 45. 602 AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien, 1624. 603 Allerdings geht aus dem Passus nicht hervor, ob der Ort Neukenroth oder die Pfarrei inklusive der beiden Filialen gemeint ist. 604 StABa B 49 Nr. 129/03 Otto Eck, Pfarrer von Neukenroth an Geistliche Räte, 15. August 1598. 605 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 24v, 28. November 1594. 606 S. Kapitel 6.5.

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kens eines Prädikanten im Ort lassen sich nicht widerspruchsfrei ermitteln: Gegenüber Neithart gab die Gemeinde an, dass es seit etwa 1568 einen lutherischen Gottesdienst in ihrem Ort gegeben habe,607 vor dem Reichskammergericht wiederum wurde 1557 genannt.608

4.1.3. Grafengehaig Grafengehaig liegt inmitten des Frankenwaldes auf circa 600 m Höhe.609 Die Entfernung in die hohenzollerische Residenzstadt Kulmbach ist mit etwas über 20 km deutlich kürzer als nach Bamberg (ca. 83 km), zudem war die Umgebung um Grafengehaig von einer großen Dichte von Rittersitzen gekennzeichnet und von drei Seiten von Brandenburg-Kulmbach umgeben. Grafengehaig lag abseits großer Fernstraßen.610 Gegründet wurde das Dorf vermutlich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts.611 Der Ort ging im frühen 14. Jahrhundert als Burghutlehen an die Familie von der Grün.612 Von der Familie spaltete sich eine separate Stammlinie ab, die sich nach der Burg Wildenstein nannte, die die Herrschaft im Raum Grafengehaig über vier Rittergüter erlangen konnte. Somit waren die von Wildenstein auch die größten Grundherren in Grafengehaig, außerdem waren sie Dorf- und Gerichtsherren. Wenige Güter gehörten der Adelsfamilie von Guttenberg. Außer den Zentrechten, die bis zum Rezess von 1700 zwischen den von Guttenberg und dem Bischof von Bamberg strittig waren, lagen alle Herrschaftsrechte bei den beiden Adeligen.613 Im späten 18. Jahrhundert umfasste das Dorf 35 Wohneinheiten.614 Spätestens seit Ende des 14. Jahrhunderts stand in dem schwer zu erreichenden Grafengehaig eine Kapelle, die einer der beiden Vikare des etwa 10 km entfernt liegenden Stadtsteinach alle Sonn- und Feiertage zu versehen hatte.615 607 StABa B 49 Nr. 129/03 Otto Eck, Pfarrer von Neukenroth an Geistliche Räte, 5. Juni 1598. 608 BayHStA Reichskammergericht Nr. 15099 »undertheniger gegenbericht uf den 9 decembris jüngst ertheilten bericht sambt angehenger pitt neuckhenrodischen ahnwalts contra den hochwürdigen fürsten und herrn, herr neydharten, bischoffen zue bamberg et consortes«, 28. Januar 1602. 609 Rupprecht, Klaus: Reformation und Gegenreformation in Grafengehaig. Adel und Dorf contra Pfarrer und Bischof, in: Baier, Helmut/Soder von Güldenstubbe, Erik (Hrsg.): »Bei dem Text des Heiligen Evangelii wollen wir bleiben«. Reformation und katholische Reform in Franken, Neustadt/Aisch, 2004, S. 235 – 253, hier S. 236. 610 Guttenberg, Erich von/Hofmann, Hanns Hubert: Stadtsteinach, München, 1953, S. 40. 611 Rupprecht, Grafengehaig, S. 236. 612 Guttenberg/Hofmann, Stadtsteinach, S. 27. 613 Rupprecht, Grafengehaig, S. 236. 614 Guttenberg/Hofmann, Stadsteinach, S. 71. Konkrete Angaben sind zu vorherigen Zeitpunkten nur schwer möglich. 615 Rupprecht, Grafengehaig, S. 236.

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Um die geistliche Versorgung zu verbessern, stiftete Veit von Wildenstein im 15. Jahrhundert eine Frühmesse, deren Präsentationsrecht bei den von Wildenstein lag, das Bestätigungsrecht aber beim Bamberger Bischof.616 Nach Abschluss des Augsburger Religionsfriedens wandten sich die zwei adeligen Familien von Wildenstein und von Guttenberg nunmehr offiziell dem Luthertum zu und führten auch bei ihren Pfarreien die Reformation ein.617 Seit 1564 wurden auch die von Guttenberg als Mitpatronatsherren der Stiftung geführt; gleichzeitig wurde in den Jahren nach 1555 die Kapelle Grafengehaig faktisch zu einer lutherischen Pfarrei ausgebaut, auch wenn es offiziell eine von Stadtsteinach aus zu versehende Frühmesse blieb.618 Hinweise für lutherisches Gedankengut in der Gegend um Grafengehaig gibt es bereits vor 1555: Aus den Kirchen in Stadtsteinach und Kupferberg (circa 9 km von Grafengehaig entfernt) sind verbale Attacken gegen den katholischen Gottesdienst aus den 1520er Jahren bekannt, ebenso wie Handgreiflichkeiten gegen den Pfarrer im 7 km entfernten Guttenberg. Eindeutig bestimmen lässt sich die konfessionelle Situation nach dem Markgräflerkrieg. Albrecht Alcibiades führte im Amt Stadtsteinach den lutherischen Gottesdienst ein.619 Der seit 1549 in Stadtsteinach wirkende Pfarrer Johannes Bachmann verweigerte allerdings auch während der kurzzeitigen Vertreibung der markgräflichen Truppen den katholische Gottesdienst, blieb aber dennoch im Amt und starb als Pfarrer zu Stadtsteinach 1555.620 Er scheint wohl der erste lutherische Pfarrer gewesen zu sein, denn 1575 gaben die Grafengehaiger an, dass sie jetzt seit 23 Jahren die lutherische Lehre hörten.621 In den folgenden Jahren wurde – also bereits vor Regierungsantritt Neitharts – immer wieder versucht, in Grafengehaig einen Priester einzusetzen, was allerdings an der ausschließlich lutherischen Bevölkerung scheiterte.622 Die konfessionelle Lage zum Regierungsantritt Neitharts ist eindeutig zu bestimmen: Die Grafengehaiger waren nicht nur lutherisch, sondern wurden auch von ihrer lutherischen adeligen Herrschaft darin unterstützt.

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Ebd., S. 237. Ebd., S. 240 f. Ebd., S. 241. Ebd., S. 237. Ebd., S. 237 f. AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Die Gemeinde Grafengehaig an Johann Angerman, Pfarrer von Stadtsteinach, 18. September 1575. 622 S. Kapitel 5.1.2.

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4.1.4. Rugendorf Rugendorf liegt etwas mehr als 10 km von Grafengehaig entfernt. Das Dorf lag weit entfernt von der nächsten Fernstraße.623 Die Besitzverhältnisse des Rittergutes Rugendorf waren nicht so eindeutig wie im benachbarten Grafengehaig. Die Familie von Guttenberg hatte auch hier Besitz, erstmals lässt sich dieser 1316 nachweisen. Durch weitere Erwerbungen hatten sie bis ins 16. Jahrhundert einen Anteil an der Dorfherrschaft.624 Die anderen Dorfherren, mit denen die Dorfherrschaft gemeinsam ausgeübt wurde, waren das Hochstift Bamberg, die ritterschaftliche Familie von Waldenfels und das Spital Kulmbach.625 Allerdings gab es noch Untertanen weiterer adeliger Familien in Rugendorf, die aber keinen Anteil an der Dorfherrschaft hatten. Im Jahr 1624 gab es in Rugendorf 58 Wohneinheiten und einen Adelssitz,626 also in etwa 200 – 300 Einwohner. Lutherisches Gedankengut lässt sich in diesem Ort erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachweisen. In Rugendorf ist spätestens Anfang der 1550er Jahre ein Prädikant, der zuvor in Bayreuth ordiniert worden war, eingesetzt worden. Ein weiterer Prädikant namens Andreas Wolf blieb anschließend 44 Jahre im Amt bis 1602. Ihm folgte ein weiterer lutherischer Pfarrer.627 Unklar ist allerdings, wer die Prädikanten eingesetzt hatte: Während Markgraf Christian von Brandenburg-Kulmbach behauptete, es seien seine Vorfahren gewesen,628 wurde in Bamberg die Meinung vertreten, nur der Ritter von Waldenfels haben nach dem Passauischen Vertrag (also nach 1552) die Prädikanten eingesetzt und erst einige Jahre später hätten die Brandenburger diese Funktion übernommen.629 Für letzteres spricht die Tatsache, dass Rudolf von Waldenfels Aufgaben eines Landeskirchenherrn in Rugendorf übernahm.630 Es ist also davon auszugehen, dass die Rugendorfer auf Grund des langjährigen Wirkens der protestantischen Pfarrer alle lutherisch waren.

623 Guttenberg/Hofmann, Stadtsteinach, S. 40. 624 Rupprecht, Klaus: Ritterschaftliche Herrschaftswahrung in Franken. Die Geschichte der von Guttenberg im Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit, Neustadt/Aisch, 1994, S. 216. 625 Ebd., S. 216, Anm. 256. 626 AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien, 1624. 627 StABa B 49 Nr. 163-II/05 Markgraf Christian an Bischof Johann Georg, 18. April 1626. 628 Ebd. 629 AEB Rep. I Nr. 350 »Gravamina wider deren von Adel untergebene Prädikanten. Rugendorf«, 2. Oktober 1627. 630 Der Amtmann von Kupferberg beschwerte sich 1607, dass der von Waldenfels einem Untertan eine Strafe wegen eines gebrochenen Eheverlöbnis gegeben habe, obwohl seiner Meinung nach der Bischof die geistliche und weltliche Jurisdiktion in diesem Ort habe und damit das Vikariatsgericht in Bamberg zuständig sei (AEB Rep. I Nr. 738 fol. 41, 31. Mai 1607).

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4.1.5. Forchheim mit der Filiale Pinzberg Forchheim liegt etwa 25 km südlich von Bamberg. Erste Hinweise auf den Handelsplatz und den Stützpunkt Forchheim gibt es bereits seit dem Frühmittelalter.631 Die Gründung erfolgte an einem strategisch günstigen Ort am Schnittpunkt von mehreren Verkehrswegen und bot günstige Voraussetzungen für Besiedelung und Handel.632 In Forchheim kreuzte sich die Nord-Südverbindung von Erfurt nach Regensburg mit der von Würzburg weiter nach Böhmen führenden Fernstraße gen Osten.633 König Heinrich II. schenkte Forchheim dem von ihm neu gegründeten Bistum Bamberg.634 Die Stadtgründung erfolgte vermutlich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Orts- und Landesherr war der Bischof von Bamberg.635 Allerdings waren nicht alle Forchheimer auch bischöfliche Untertanen, so gab es etwa Anwesen und Lehensmänner von ritterschaftlichen und Nürnbergischen Familien innerhalb der Stadtmauern.636 Auch das Domkapitel hatte einige Untertanen in der Stadt.637 Zudem gab es einige ritterschaftliche Familien, die selbst ebenfalls in der Stadt wohnten.638 In Forchheim lebten zum Ende des 16. Jahrhunderts circa 2700 Menschen, davon hatten knapp 500 das Bürgerrecht.639 Auf Grund der Stadtgröße gab es eine ganze Reihe von Zünften und weiteren Gewerben.640 Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wurde Forchheim zu einer starken Festung ausgebaut.641 Die Stadt wurde wie die zweite Festungsstadt Kronach als Haupstadt des Stifts bezeichnet. Dies leitete sich aber lediglich von »Hauptmannstadt« (also Stadt des Kommandanten der Festung, der auch Hauptmann genannt wurde) ab, es gab in den beiden Städten keine größeren Verwaltungseinheiten.642 631 Bog, Ingomar: Forchheim, Erlangen, 1955. 632 Jacob, Kollegiatstift, S. 127. 633 Weber, Andreas: Forchheim, in: Körner, Hans-Michael/Schmid, Alois (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Bayern II Franken, Stuttgart, 2006, S. 148 – 152, hier S. 148. 634 Ebd., S. 149. 635 Forchheim, in: Kayser Erich/Stoob, Heinz (Hrsg.): Bayerisches Städtebuch Teil 1, Stuttgart u. a., 1971, S. 205 – 207, hier S. 205. 636 StABa B 49 Nr. 47/02 Kommunikantenverzeichnis Forchheim, 1594; StABa B 49 Nr. 47/04 Beschreibung der Stifts- und Pfarrkirche St. Martin und kurze Kommunikantenliste Pfarrei Forchheim, 1624. 637 Gückel, Martin: Beiträge zur Geschichte der Stadt Forchheim im 16. Jahrhundert, Bamberg, 1898, S. 19 f. 638 Ebd., S. 20. 639 Kayser/Stoob, Forchheim, S. 206. 1624 wurden 2129 »der pfarrkinder groß und klein« gezählt (StABa B 49 Nr. 47/04 Beschreibung der Stifts- und Pfarrkirche St. Martin und kurze Kommunikantenliste Pfarrei Forchheim, 1624). 640 Kayser/Stoob, Forchheim, S. 206. 641 Jacob, Kollegiatstift, S. 127. 642 Hofmann, Außenbehörden, S. 67 f. Die Stärke der Festungsstadt zeigte sich auch daran, das

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Die Martinskirche, die bereits im 10. Jahrhundert erwähnt wurde, wurde 1354 Stiftskirche und war gleichzeitig auch die Pfarrkirche.643 Das Kollegiatstift St. Martin in Forchheim wurde am 3. Februar 1354 durch Bischof Lupold von Bebenburg gegründet und war das einzige außerhalb der Stadt Bamberg liegende Chorherrenstift im Hochstift.644 Ein Kollegiatstift bezeichnet eine Gemeinschaft von Weltgeistlichen, die zwar jeweils kein Gelübde ablegten, aber dennoch bestimmte Statuten, also canones befolgen und daher Kanoniker genannt werden. Hauptaufgabe der Kanoniker war die feierliche Abhaltung von Gottes- und Chordiensten in ihrer Stiftskirche.645 Es gab insgesamt acht Kanonikate, allerdings waren bis Ende des 17. Jahrhunderts nur selten alle besetzt.646 Es gehörte nicht zu den Pflichten der Kanoniker, sich an der Seelsorge zu beteiligen.647 Dafür war der Kustos als Pfarrer von St. Martin verantwortlich. Ab 1517 wurde er dabei von zwei neu gestifteten Tagmessnern unterstützt.648 Kirchenherr über die Pfarr- und Kanonikatsstiftskirche St. Martin war der Bamberger Bischof.649 Neben der Pfarrkirche St. Martin gab es in Forchheim eine Marienkapelle aus dem 12. Jahrhundert, die Spitalkirche des Katharinenspitals und die St. Gereon Kapelle.650 1643 gab Bischof Melchior Otto sein Einverständnis für eine Niederlassung der Franziskaner, doch erst 1684 wurde der Grundstein für das spätere St. Antons-Kloster gelegt.651 Für die Jahre nach Beginn der Reformation und dem Bauernkrieg gibt es über Forchheim nur wenige gesicherte Erkenntnisse.652 Die Stiftsherren neigten der Reformation wohl nicht zu, anders allerdings die Stiftsvikare653, einige von ihnen lassen sich später als protestantische Prediger nachweisen.654 1524 verkündete der Vikar Jörg Kreutzer die neue Lehre.655 Dabei fand er besonders in unteren

643 644 645 646 647 648 649 650 651 652 653 654 655

es den Schweden im Dreißigjährigen Krieg trotz mehrmaliger Versuche nicht gelang, die Stadt einzunehmen (Kupfer, Konrad: Studien zur Geschichte Forchheims, in: Erlanger Bausteine zur fränkischen Heimatforschung 2, 1955, S. 1 – 36, hier S. 26). Jakob, Kollegiatstift, S. 129. Göller, Luitgar : Domstift und Kollegiatstifte, in: Ders. (Hrsg.): 1000 Jahre Bistum Bamberg 1007 – 2007. Unterm Sternenmantel. Katalog zur Ausstellung, Petersberg, 2007, S. 43 – 49, hier S. 47. Ebd., S. 43. Jakob, Kollegiatstift, S. 258 f. Ebd., S. 207. Ebd., S. 287. Bog, Forchheim, S. 51. Kayser/Stoob, Forchheim, S. 205 f. Göller, Luitgar : Männerklöster im Bistum Bamberg in: Ders. (Hrsg.): 1000 Jahre Bistum Bamberg 1007 – 2007. Unterm Sternenmantel. Katalog zur Ausstellung, Petersberg, 2007, S. 156 – 175, hier S. 166. Jakob, Kollegiatstift, S. 157. Vikare waren Hilfsgeistliche mit Seelsorgefunktionen (Dolezalek, Gero/Bregger, HansMartin: Vikar, in: TRE Band XXXV, 2003, S. 84 – 89, hier S. 86). Jakob, Kollegiatstift, S. 157 f. Endres, Bauernkrieg und Untertanenschaft, S. 99.

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sozialen Schichten großen Zulauf.656 Seine Predigten gaben den letzten Anstoß für einen Aufstand am Fronleichnamstag 1524, der rasch auf die Bauern der Umgebung übergriff.657 Bischof Weigand schlug den Aufstand mit Landsknechten nieder, viele der Verhafteten wurden alsbald wieder freigelassen.658 Ob der verhaftete Kreutzer jemals wieder in die Freiheit entlassen wurde, ist unbekannt.659 Kreutzers Nachfolger Johann Krauss predigte 1525 ebenfalls lutherisch in Forchheim und hatte großen Zulauf in der Stadt.660 Daraufhin ließ Bischof Weigand ihn verhaften und nach sieben Wochen Gefängnis ausweisen. Zwar gab es daraufhin keinen lutherischen Gottesmann mehr in Forchheim, doch die Nähe zu markgräflichem Gebiet ermöglichte den Stadtbewohnern, dort Predigten zu hören.661 Im Gegensatz zu anderen Landstädten ähnlicher Größe war der Ratsautonomie in Forchheim durch die Anwesenheit der adeligen und geistlichen Würdenträger Grenzen gesetzt. Entsprechend hatte der Rat deutlich weniger Möglichkeiten, die Reformation durchzusetzen als es in anderen fränkischen Orten der Fall war.662 Während der Besetzung Forchheims durch Albrecht Alcibiades im Mai 1552 wurden zwei lutherische Geistliche eingesetzt und die Bevölkerung hatte einen Eid auf die confessio augustana abzulegen.663 Nach dem Ende des Markgräflerkrieges 1554 kehrten die Kanoniker wieder nach Forchheim zurück.664 Über ihre Religiösität lassen sich nur wenige Aussagen treffen, allerdings scheinen Vernachlässigung ihrer Pflichten und mangelnde Reformbereitschaft ein wichtiges Kennzeichen gewesen zu sein.665 Das Konkubinat war weit verbreitet, erst als von Bamberg aus ab 1609 in Forchheim druckvoller die Einhaltung des Zölibats gefordert wurde, scheint eine Veränderung eingetreten zu sein. Einzelfälle gab es aber weiterhin.666 Stärkere Sympathien für die neue Lehre sind den Stiftsgeistlichen in Forchheim nicht nachzuweisen.667 Um 1600 waren immerhin sechs der Stiftsgeistlichen Germaniker.668 656 657 658 659 660 661 662 663 664 665 666 667 668

Gückel, Forchheim, S. 18. Endres, Bauernkrieg und Untertanenschaft, S. 99. Ebd., S. 100. Gückel, Forchheim, S. 25. Anders Kupfer, der davon ausgeht, dass Creutzer später Prädikant in Mögeldorf bei Nürnberg wurde (Kupfer, Konrad: Forchheim. Geschichte einer alten fränkischen Stadt, Nürnberg, 1960, S. 98). Gückel, Forchheim, S. 37. Ebd., S. 38. Merz, Landstadt, S. 76. Göller, Domstift und Kollegiatstifte, S. 47. Jakob, Kollegiatstift, S. 160. Ebd., S. 161. Ebd., S. 161 f. Ebd., S. 162 f. Ebd., S. 163.

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Die konfessionelle Verortung der Einwohner ist schwierig. Die Jahrzehnte nach dem Augsburger Religionsfrieden waren durch Priestermangel gekennzeichnet.669 In den Quellen nicht fassbar, aber durchaus möglich, erscheint die Tatsache, dass Händler und andere Durchreisende lutherisches Gedankengut in Form von Flugblättern oder Büchern mit in die Stadt brachten. Zudem wirkten Prädikanten in der direkten Nachbarschaft.670 Noch für die 1570er Jahre lassen sich größere lutherische Bevölkerungsteile nachweisen.671 Bei einer ersten Kommunikantenübersicht zu Beginn von Neitharts Rekatholisierungsmaßnahmen 1594 gaben 264 Personen an, dass sie schon immer katholisch gewesen seien, während 274 Personen im Laufe dieses Jahres durch die Einnahme der Kommunion ihre Zugehörigkeit zur katholischen Konfession anzeigten.672 Die Mehrheit der Stadtbevölkerung ist also als katholisch zu werten. Der Filialort Pinzberg liegt ca. 5 km in fußläufiger Entfernung von Forchheim. Der Ort wurde 1371 gegründet.673 In Pinzberg hatten verschiedene Territorialherren Grundbesitz. Die Einwohnerzahlen können insgesamt nicht bestimmt werden, aber die ungefähre Anzahl der Nürnberger Untertanen. 1548 wurden im »anschlag und steuer der unterthanen gütter und vermögen der hauptmannschaft pinzberg« von Seiten Nürnbergs 14 Wohneinheiten und 4 Beständner aufgeführt.674 1569 waren es immer noch 14 Einheiten, aber nur noch drei Beständner.675 In den folgenden Jahrzehnten erhöht sich die Anzahl der nach Nürnberg Steuern zahlenden Personen kontinuierlich.676 1652 zahlten insgesamt 21 Personen Steuern nach Nürnberg,677 allerdings bleibt einzuwenden, dass sie deswegen trotzdem gleichzeitig auch bambergische Lehen innehaben konnten. Für Pinzberg gibt es keine näheren Informationen über die Konfessionsverteilung im Dorf. Allerdings lässt das Vorhandensein der zahlreichen nürnbergischen Untertanen den Schluss zu, dass auch hier lutherische Tendenzen mindestens in Teilen der Bevölkerung möglicherweise vorherrschten. 669 Ebd., S. 160 f. Wie bereits dargestellt, waren die Kanoniker nicht für die Seelsorge zuständig. 670 StABa B 49 Nr. 47/02 Christoph Kueffler, Dechant von Forchheim an Bischof Neithart, 9. Oktober 1594. 671 Göller, Domstift und Kollegiatstifte, S. 47. 672 Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass nicht immer zweifelsfrei klar ist, welche Einwohner eines Ortes befragt worden sind. Es ist davon auszugehen, dass alle oder zumindest die meisten Bürger einbezogen wurden. Nicht immer klar ist hingegen, unter welchen Umständen Frauen und Gesinde befragt wurden. 673 Jakob, Kollegiatstift, S. 532. 674 StAN Rst. Nbg. Diff.akt. Nr. 584 »Anschlag und Steur der Unterthanen Gütter und Vermögen der Hauptmannschaft Pinzberg« 1548. 675 Ebd. »extract aus dem steuerbuch« 1569. 676 Ebd. »aus einem Steuer buch: Pinzberg« 1579, 1588, 1597, 1606, 1616, 1628, 1635. 677 Ebd. »aus einem Steuer buch: Pinzberg« 1652.

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4.1.6. Neunkirchen am Brand mit der Filiale Dormitz Neunkirchen am Brand, an den letzten Ausläufern der Fränkischen Schweiz gelegen, war etwa 40 km in südöstlicher Richtung von der bambergischen Residenzstadt, aber nur 12 km vom markgräflichen Erlangen entfernt und lag in unmittelbarer Nachbarschaft zu nürnbergischem Gebiet. Der Ort wurde 1295 erstmals urkundlich erwähnt, war aber vermutlich schon um 1100 angelegt worden.678 1348 lässt er sich als Forum mit besonderen Marktrechten fassen, erhielt aber niemals Stadtrechte, auch wenn er in den Quellen mitunter als Stadt bezeichnet wird.679 Der Ort war nicht sehr groß, für 1591 sind 58 Haushalte bezeugt. Da Neunkirchen ein wichtiger Marktort war, lebten hier überwiegend Händler und Handwerker mit meist nur kleinem Landbesitz.680 Neunkirchen am Brand lag ursprünglich an einer wichtigen Fernstraße in die Oberpfalz, doch verödete diese zu Beginn des 16. Jahrhunderts, da die Markgrafen es verstanden, den Verkehr durch ihr Gebiet zu leiten.681 In Neunkirchen gab es einen aus fünf Personen bestehenden inneren Rat mit zwei Bürgermeistern, aber keinen äußeren Rat, der die Gemeindeverwaltung führte. Neunkirchen war ursprünglich Amtssitz. Zwar residierte der Amtmann ab 1598 im 6 km entfernten Marloffstein, aber Verwaltung und Hochgericht blieben in Neunkirchen.682 Im Ort gab es ein Kloster, dessen Komplex sich direkt an die Pfarrkirche St. Michael anschloss. Die Heilig-Grab-Kapelle wurde 1625 abgetragen und 1628 neu erbaut.683 Neunkirchen hatte sich vermutlich im 11. Jahrhundert von der Forchheimer Mutterpfarrei getrennt und 1314 in ein Augustinerchorherrenstift umgewandelt.684 Die Pfarrei wurde dem Kloster inkorporiert.685 Die Glanzzeit des Klosters begann 1390 mit dem Beitritt zu der Reformbewegung von Raudnitz686, allerdings endete diese Phase mit Hussitenkriegen, Pest 678 Jakob, Andreas: Neunkirchen am Brand, in: Körner, Hans-Michael/Schmid, Alois (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Bayern II Franken, Stuttgart, 2006, S. 369 – 371, hier S. 369. 679 Neunkirchen am Brand, in: Kayser Erich/Stoob, Heinz (Hrsg.): Bayerisches Städtebuch Teil 1, Stuttgart u. a., 1971, S. 380 – 382, hier S. 380. Röder führt diesen Umstand auf die Tatsache zurück, dass Neunkirchen zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit einem festen Mauerring umgeben wurde (Röder, Alexander : Neunkirchen am Brand, Nürnberg, 1932, S. 10). 680 Kayser/Stoob, Neunkirchen, S. 380. 681 Röder, Neunkirchen am Brand, S. 12 f. 682 Jakob, Neunkirchen am Brand, S. 370. 683 Kayser/Stoob, Neunkirchen, S. 380. 684 Ebd., S. 381. 685 Jacob, Kollegiatstift, S. 142. 686 Raudnitz bezeichnet ursprünglich eine Burg am Elbübergang der Fernstraße von Prag in

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und Misswirtschaft zur Mitte des 15. Jahrhunderts wieder.687 Im Zuge der Reformation gingen die meisten Chorherren nach Nürnberg und traten dort zur neuen Lehre über.688 Nach dem Tod des letzten Probstes musste das Kloster 1555 aufgelöst werden, aber die Pfarrei wurde aus den eingezogenen Stiftsgütern wiederhergestellt.689 Kirchenherr wurde der Bischof von Bamberg.690 Zudem wurde ein Verwalter bestellt, der die Klostergüter beaufsichtigte.691 1626 gingen das Kloster und seine Güter an das Bamberger Klerikerseminar.692 Die Filiale Dormitz lag etwa 2 km südwestlich von Neunkirchen und hatte eine Frühmesse.693 Die Untertanenschaft in Dormitz war sehr heterogen, neben den bischöflichen gab es viele nürnbergische und markgräfliche Untertanen,694 aber auch ritterschaftliche Familien hatten dort einige Untertanen.695 Die Größe ist ebenfalls schwer einzuschätzen, für das Ende des Alten Reiches sind 51 Wohneinheiten überliefert.696 Der Konfessionsstand in Neunkirchen am Brand und Dormitz scheint nicht übereingestimmt zu haben. In Neunkirchen selbst hat sich das lutherische Gedankengut wohl nicht sehr ausgebreitet. So schrieb etwa der Pfarrer der Klosterpfarrei 1581 nach Bamberg, dass er seit 17 Jahren dezidiert katholisch predige, auf katholische Art und Weise das Herrenmahl austeile und seine Gemeindemitglieder entsprechend unterrichte. Der Pfarrer sah seine Bemühungen auch von Erfolg gekrönt, da jedes Jahr über 600 Personen (in der ganzen Pfarrei, nicht nur in dem Ort Neunkirchen) zur Kommunion kämen. Gleichzeitig be-

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das Markgrafentum Meißen. Dort stiftete der Prager Bischof Johann IV. von Draschitz 1333 die erste Kanonie der böhmischen Augustiner-Chorherren, von wo aus die Raudnitzer Reform ihren Ausgang nahm. Das Kloster in Neunkirchen verbreitete die Raudnitzer Reform in Franken und Altbayern (Machilek, Frank: Raudnitz, in: LexMA Band VII, München, 1997, Sp. 477.) Siehe auch Miekisch, Horst: Augustinerchorherrenstift Neunkirchen am Brand. Seine Geschichte und seine Bedeutung für die Verbreitung der Raudnitzer Reform, Bamberg, 2006. Miekisch, Horst: Handschriften aus der Bibliothek des ehemaligen Chorherrenstiftes Neunkirchen am Brand, in: Handschriften aus dem Augustiner-Chorherrenstift Neunkirchen am Brand. Katalog zur Ausstellung der Staatsbibliothek Bamberg vom 8. Mai bis 4. Juni 1989, Neunkirchen am Brand, 1989, S. 5 – 14, hier S. 5 f. Kayser/Stoob, Neunkirchen, S. 381. Miekisch, Handschriften, S. 6. In den Quellen ist daher auch konsequent vom »Kloster Neunkirchen« die Rede, obwohl damit nach Zusammenhang entweder die Pfarrei gemeint ist oder der Wirtschaftsbetrieb. Bog, Forchheim, S. 73. Röder, Neunkirchen am Brand, S. 73. Jakob, Neunkirchen am Brand, S. 370. Bog, Forchheim, S. 33. StABa B 49 Nr. 130-I/16 Michael Volck, Verwalter von Neunkirchen an Bischof Johann Gottfried, 5. August 1609. StAN Rst. Nbg. Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 4 Hans Winckler, Pfleger, Sebastian Schlauderspacher, Kastner des Almosenamts und Caspar Korn, Spitalmeister im neuen Spital zu Nürnberg an den Nürnberger Rat, 21. April 1561. Bog, Forchheim, S. 48.

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schwerte er sich aber auch über Ausläufer, die ins 5 km entfernte Uttenreuth zum Prädikanten gingen.697 Folglich gab es auch Menschen in Neunkirchen, die dem lutherischen Glauben anhingen. Das Vorhandensein von beiden Konfessionen am Ort bezeugte der Pfarrer auch direkt in einem Schreiben nach Bamberg: »das iederman in seiner pfarr so lutherisch so catholisch bey den angestellten procesiones fleißig sich funden«.698 Die Dormitzer oder zumindest Teile der Bevölkerung hatten ab den 1560er Jahren mehrfach versucht, einen lutherischen Pfarrer zu engagieren, diese Versuche schlugen allerdings fehl.699 Daraus lässt sich schließen, dass der lutherische Glaube dort in großen Teilen der Bevölkerung verbreitet gewesen sein muss.

4.1.7. Waischenfeld Waischenfeld ist etwa 40 km von Bamberg südöstlich in der fränkischen Schweiz gelegen und ist der dritte der drei im Süden des Hochstifts gelegenen Untersuchungsorte. Das Dorf Waischenfeld wird 1075 das erste Mal genannt und erhielt im Jahr 1315 Stadtrechte. 1348 kaufte der Bischof von Bamberg Herrschaft, Burg, Stadt und Zentgericht Waischenfeld.700 Wie häufig in Tälern der fränkischen Schweiz war auch in Waischenfeld die Landwirtschaft nicht ergiebig.701 Waischenfeld gehörte zum Landkapitel (später Dekanat) Hollfeld. Die Pfarrei wurde 1415 das erste Mal genannt. Der Pfarrei war eine Frühmesspfründe vorausgegangen. Das Besetzungsrecht hatte der Bamberger Bischof.702 Neben der Stadtpfarrkirche mit der Annenkapelle gab es noch die Stadtkapelle mit angeschlossenem Spital. Die Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer wurde um 1380 erbaut.703 Inwiefern reformatorisches Gedankengut nach Waischenfeld eingedrungen ist, muss unklar bleiben. Waischenfeld lag zwar abseits der großen Fernstraßen, war aber von allen Seiten von ritterschaftlichen Gebieten umschlossen, sodass hier eine Beeinflussung anzunehmen ist. Zur konfessionellen Einschätzung zu Beginn des Untersuchungszeitraumes liegen keine Aussagen von Waischenfel697 698 699 700

StABa B 49 Nr. 130-I/16 Pfarrer von Neunkirchen an Bischof Martin von Eyb, 27. Juni 1581. AEB Rep. I Nr. 735 fol. 29r, 10. März 1595. S. Kapitel 5.1.2. Machilek, Frank: Waischenfeld, in: Körner, Hans-Michael/Schmid, Alois (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Bayern II Franken, Stuttgart, 2006, S. 564 – 565, hier S. 564. 701 Waischenfeld, in: Kayser Erich/Stoob, Heinz (Hrsg.): Bayerisches Städtebuch Teil 1, Stuttgart u. a., 1971, S. 560 – 562, hier S. 561. 702 Kayser/Stoob, Waischenfeld, S. 561. 703 Ebd., S. 560.

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Die untersuchten Orte

der Einwohnern vor, sondern nur die des Waischenfelder Pfarrers. Die meisten Bürger hätten nach seiner Aussage nicht auf das Mandat vom 29. März 1594 reagiert.704 Zudem hatten die Waischenfelder zumindest bis 1595 einen lutherischen Schulmeister,705 der trotz eines Ausweisungsbefehls auch Anfang 1596 noch im Ort war.706

4.2. Hochstift Würzburg Im Hochstift Würzburg wurden insgesamt fünf Pfarrorte (ohne Filialen) für die Untersuchung ausgewählt. Östlich der Residenzstadt gruppieren sich Gerolzhofen, Iphofen und Kitzingen, während Gemünden und Urspringen am nordwestlichen Rand des Hochstifts lagen.

4.2.1. Gerolzhofen Gerolzhofen liegt circa 35 km von Würzburg in nordöstlicher Richtung entfernt. Der Ort wurde bereits im 8. Jahrhundert erwähnt, die Stadterhebung erfolgte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.707 Stadt- und Landesherr war der Bischof von Würzburg.708 Allerdings hatten auch andere adelige Familien Besitz in der Stadt.709 In Gerolzhofen gab es neben einigen Handwerkerzünften eine ergiebige Landwirtschaft mit Wein, Getreide und Vieh.710 Ebenfalls vorhanden waren das Brauwesen und der Salzhandel.711 Entsprechend wichtig für die nähere Umgebung wurden die Märkte in Gerolzhofen.712 In der Stadt residierten der fürstbischöfliche Oberamtmann und ein Stadtvogt.713 Der Ort war nicht nur Sitz eines Amtes, sondern auch eines Kastens und 704 StABa B 49 Nr. 211/18 Georg Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Fiskal Erhard Dentzel, 17. April 1594. 705 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 49r, 3. Oktober 1595. 706 StABa B 49 Nr. 211/18 Georg Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Generalvikar Erhard Dentzel, 5. Januar 1596. 707 Gerolzhofen, in: Kayser, Erich/Stoob, Heinz (Hrsg.): Bayerisches Städtebuch Teil 1, Stuttgart u. a., 1971, S. 216 – 218, hier S. 216. 708 Ebd., S. 218. 709 Sixt, Friedrich: Chronik der Stadt Gerolzhofen in Unterfranken. Erster Teil: Denkwürdiges von Stadt und Markung, o. O., 1892, S. 42. 710 Kayser/Stoob, Gerolzhofen, S. 218. 711 Greif, Beate: Gerolzhofen, in: Körner, Hans-Michael/Schmid, Alois (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Bayern II Franken, Stuttgart, 2006, S. 171 – 172, hier S. 172. 712 Kayser/Stoob, Gerolzhofen, S. 218. 713 Ebd., S. 217.

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einer Zent. Es gab zwei Ober- und zwei Unterbürgermeister, die aus einem zwölfköpfigen Rat gewählt wurden.714 In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lebten etwa 350 – 400 Familien in Gerolzhofen.715 Die Pfarrei Gerolzhofen wurde 1134 das erste Mal urkundlich erwähnt.716 Gerolzhofen war Hauptstadt des gleichnamigen Landkapitels.717 Neben der Pfarrkirche S. Maria de Rosario und S. Regiswindis gab es in unmittelbarer Umgebung die Friedhofskapelle St. Johann Baptist (auch Lorenzkapelle genannt, weil sie aus der Zeit Lorenz von Bibras stammt). Allerdings wurde 1542 der Friedhof wegen einer Pestepidemie vor die Stadt verlegt.718 Patronatsherr der Kirchen war der Bischof von Würzburg.719 Um 1530 fanden in Gerolzhofen lutherische Ideen Eingang unter der Führung der Kapläne.720 1538 wurde die neue Lehre von Jacob Pfeffer in der Lorenzkapelle gepredigt.721 Dieser Prädikant wirkte aber auch im lutherischen Sinne in anderen Orten des Hochstifts.722

4.2.2. Iphofen Iphofen, am Rande des Steigerwaldes gelegen, lag an der Straße von Würzburg über Kitzingen nach Nürnberg,723 und war ca. 25 km von der Residenzstadt entfernt. 1293 erhielt Iphofen von Bischof Manegold von Neuenburg Stadtrechte.724 Der Bischof hatte neben einem bereits bestehenden Dorf Iphofen der Grafen von Hohenlohe eine Stadt gleichen Namens errichten lassen, das Dorf ging später als Vorstadt in der bischöfliche Gründung auf.725 Iphofen war als südöstlicher Eckpfeiler des Hochstifts von strategischer Bedeutung, was sich 714 Ebd., S. 218. Anders Sixt, der jeweils nur einen Bürgermeister annimmt (Sixt, Gerolzhofen, S. 78). 715 Merz, Landstadt, S. 72. 716 Riedenauer, Erwin: Die Entwicklung der kirchlichen Organisation im Raum vor dem Steigerwald, in: WDGB 62/63, 2001, S. 239 – 301, S. 264. 717 Ebd., S. 240. 718 Kayser/Stoob, Gerolzhofen, S. 217. 719 StAW HV MS f. 39 Visitation des Kapitels Gerolzhofen, 1612. 720 Riedenauer, Entwicklung der kirchlichen Organisation, S. 266. 721 Kayser/Stoob, Gerolzhofen, S. 219. 722 Sixt, Friedrich: Chronik der Stadt Gerolzhofen in Unterfranken. Zweiter Teil: Darstellung des äußeren politischen Lebens wie des Entwicklungsganges der Stadt, o. O., 1892, S. 169. 723 Iphofen, in: Kayser, Erich/Stoob, Heinz (Hrsg.): Bayerisches Städtebuch Teil 1, Stuttgart u. a., 1971, S. 286 – 288, hier S. 286. 724 Ott, Martin: Iphofen, in: Körner, Hans-Michael/Schmid, Alois (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Bayern II Franken, Stuttgart, 2006, S. 250 – 251, hier S. 150. 725 Schenk, Werner : Städtische Siedlungen und Verkehr, in: Kolb, Peter/Krenig, Hans-Günter (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte Band 2: Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn des konfessionellen Zeitalters, Würzburg, 1992, S. 495 – 529, hier S. 503.

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auch in entsprechendem Mauerwerk und hohen Wehrverpflichtungen der Bürger zeigte.726 Stadt- und Landesherr in Iphofen war der Bischof von Würzburg, allerdings hatten auch die folgenden Territorialherren Besitz in Iphofen: der Johanniterund Deutschorden, die Klöster Auhausen, Birklingen, Engelthal, Heilsbronn, Himmelspforten, Holzen, Frauen- und Mönchsaurach, Schwarzach und das Juliusspital.727 Auch das pfälzische Benediktinerkloster Kastl hatte Besitz in der Stadt,728 zudem auch die Herren von Boxberg, Dettelbach, Fuchs, Grumbach, Hanau, Heßberg, Laufenholz, Pappenheim, Öttingen, Seckendorff, Seinsheim, Speckfeld, Vestenberg, Wenckheim und Zollner von Hallburg.729 Insgesamt betrachtet mussten die würzburgischen Bischöfe also mehrere begüterte evangelische Familien und Einrichtungen in Iphofen dulden. Da Bischof Konrad II. von Thüngen eine Auflistung aller Getreidevorräte und Einwohner Iphofens anordnete, ist die Einwohnerzahl zumindest an einem Zeitpunkt konkret: Am 13. Dezember 1530 lebten in der Stadt 1364 Personen.730 Im Jahr 1611 gab es rund 300 Wohnhäuser.731 Iphofen war eine wirtschaftlich prosperierende Stadt.732 In Iphofen bestand der Rat erst aus zehn, später aus zwölf Mitgliedern. Er ergänzte sich durch Kooptation: Starb ein Mitglied, wurde eine Vorschlagsliste an den Bischof gesandt, der in der Regel den ersten Namen darauf als neuen Ratsherren bestätigte.733 Iphofen war Sitz eines Zentbezirks. Im Laufe des 17. Jahrhunderts kam Iphofen zum Oberamt Kitzingen, behielt aber einen eigenen Amtsverweser, Amtsund Gegenschreiber und mehrere Kastner.734 Iphofen war Sitz eines Landkapitels.735 Die Patronatsrechte der Stadtpfarrkirche St. Veit hatten bis 1457 die Grafen von Castell inne.736 Sie übergaben es später an Bürgermeister und Rat der Stadt Iphofen.737 Im Laufe des 17. Jahr726 727 728 729 730 731 732 733 734 735 736 737

Endres, Iphofen, S. 346. Kayser/Stoob, Iphofen, S. 288. Ebd., S. 287. Ebd., S. 288. Die vielen fremden Besitzungen in Iphofen rührten in erster Linie daher, dass der Weinbau in Iphofen ein sehr lukratives Geschäft war (Brombierstäudl, Andreas: Iphofen. Eine fränkische Kleinstadt im Wandel der Jahrhundert, Iphofen, 1983, S. 177). Endres, Iphofen, S. 167. Störmer, Wilhelm: Die Gesellschaft. Lebensformen und Lebensbedingungen, in: Kolb, Peter/Krenig, Ernst-Günter : Unterfränkische Geschichte Band 2 Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn des konfessionellen Zeitalters, Würzburg, 1992, S. 405 – 470, hier S. 431. Endres, Iphofen, S. 209. Ebd., S. 141. Kayser/Stoob, Iphofen, S. 288. Riedenauer, Entwicklung der kirchlichen Organisation, S. 241. Kayser/Stoob, Iphofen, S. 287. DAW Landkapitelakten Nr. 154 Visitation des Ruralkapitels Iphofen, 3. April 1606.

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hunderts ging das Patronatsrecht allerdings an den Bischof von Würzburg über.738 Außerdem stand in Iphofen die Friedhofskapelle St. Michael und die Wallfahrtskapelle zum Heiligen Grab (auch Krebenkirche oder Kapelle zum Heiligen Leichnam genannt), die von 1329 bis 1680 einen eigenen Priester hatte.739 Dieses Gotteshaus hatte sich zu einem Wallfahrtsziel entwickelt.740 Dazu kam noch die Kirche St. Martin beim heutigen Friedhof. Diese gehörte zum Kloster Kitzingen und wurde im Laufe des 16. Jahrhunderts abgetragen, weil sie zerfallen war.741 Die Pfarrei St. Martin wurde mit der Kirche zum Heiligen Grab vereinigt, allerdings ist unklar, ob dies bereits im Mittelalter passierte oder erst unter Bischof Julius Echter.742 Phasenweise war für St. Veit und Hl. Grab nur ein Priester zuständig.743 Außerdem bestand seit dem 8. Jahrhundert die Taufkapelle St. Johannes.744 Wie genau die lutherische Lehre Eingang in die Stadt fand, muss auch in Iphofen unklar bleiben.745 Vor den Echterschen Maßnahmen war vermutlich die Mehrheit der Einwohner protestantisch.746 Allerdings war Iphofen fast vollständig von lutherischen Territorien eingeschlossen. Eine Beeinflussung ist also anzunehmen. In der näheren Umgebung lassen sich im Lauf des 16. Jahrhunderts einige Prädikanten fassen, die aus Iphofen stammten. Auch der Verkauf von lutherischen Büchern in Iphofen ist belegt.747 Der Anteil der Lutheraner an der Bevölkerung lässt sich nur annäherungsweise bestimmen: Zwischen 1582 und 1586 wurden im Zuge einer Pestwelle 86 Lutheraner beigesetzt und 46 Katholiken.748 Man kann folglich davon ausgehen, dass die Anhänger Luthers in der Stadt zahlreich und vielleicht sogar in der Überzahl gewesen sind.749

738 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 530 Spezifikation zur Ruralkapitelsvisitation (1649) sagt aus, dass der Bischof von Würzburg alle Rechte an beiden Iphöfer Pfarreien hatte. 739 Kayser/Stoob, Iphofen, S. 287. Als weitere Namen gibt Endres noch Hl. Blut an, aber auch Vorstadt- und Grabenkirche (Endres, Iphofen, S. 122). 740 Endres, Iphofen, S. 123. 741 Kayser/SToob, Iphofen, S. 287. 742 Endres, Iphofen, S. 117. Endres verweist darauf, dass noch lange Zeit getrennte Rechnungen für St. Martin und Hl. Grab ausgefertigt wurden und auch St. Martin noch als Pfarrkirche überschrieben wurde. Entsprechend werden auch in den Kommunikantenverzeichnissen gelegentlich die Kommunikanten von St. Martin statt Hl. Grab aufgeführt, obwohl es sich um dieselbe Personengruppe handelte. 743 Endres, Iphofen, S. 125. 744 Kayser/Stoob, Iphofen, S. 287. 745 Brombierstäudl, Iphofen, S. 21. 746 Ott, Iphofen, S. 250. 747 Endres, Iphofen, S. 329. 748 Ebd., S. 330. Dabei muss man beachten, dass nur die Sterbematrikel von St. Veit überliefert sind, nicht jedoch die der Hl. Blut-Pfarrei (Brombierstäudl, Iphofen. S. 22). 749 Endres, Iphofen, S. 330.

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4.2.3. Kitzingen Kitzigen, ca. 20 km westlich von Würzburg gelegen, wurde an einer verkehrsgünstigen Lage gegründet: Zum einen lag es an der Handelsstraße FrankfurtWürzburg-Nürnberg, zum anderen befand sich hier ein bedeutsamer Mainübergang.750 Dadurch konnte sich der Ort zu einem der wichtigsten Handelsplätze am Main entwickeln.751 Kitzingen war zunächst eine Gründung von Benediktinerinnen und wurde 1007 zur Bistumsgründung an Bamberg übergeben.752 Ab 1040 ist ein Dorf Kitzingen überliefert.753 Eine eigene Pfarrei ist erstmals für das 12. Jahrhundert belegt, in dieser Zeit erfolgte auch der langsame Übergang von bambergischen in würzburgischen Besitz. Zudem waren mehrere adelige Familien in Kitzingen begütert. Um 1300 erfolgte die Erhebung in den Rang einer Stadt.754 Landesherr von Kitzingen war zunächst der Bischof von Würzburg.755 Im März 1443 verpfändete das Hochstift Würzburg die Stadt an den ansbachischen Markgrafen Albrecht Achilles für 39.100 Goldgulden mit der Möglichkeit, das Pfand jederzeit über diese Summe wieder abzulösen.756 Die Würzburger Bischöfe hatten vorher durch Tausch und Kauf die ganze Stadt in ihren Besitz gebracht.757 Erst 1629 wurde Kitzingen wieder durch das Hochstift eingelöst.758 Bischof Philipp Adolf hatte bereits drei Jahre zuvor, am 14. April 1626, den Pfandvertrag gekündigt.759 Dies war ein überaus günstiger Zeitpunkt: Auf Reichsebene hatte die katholische Seite gerade die Oberhand, zum anderen war kurz zuvor Markgraf Joachim Ernst gestorben, bevor seine drei Söhne volljährig geworden waren.760 Für die Pfandablösung lassen sich verschiedene Motive ausmachen. Zunächst lag Kitzingen strategisch günstig.761 Einerseits konnte das 750 Rösing, Dirk: Kitzingen, in: Körner, Hans-Michael/Schmid, Alois (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Bayern II Franken, Stuttgart, 2006, S. 263 – 267, hier S. 263. 751 Hock, Bernd-Joachim: Kitzingen im Dreißigjährigen Krieg. Darstellung der Geschichte einer landsässigen Stadt, Tübingen, 1981, S. 18. 752 Kitzingen, in: Kayser, Erich/Stoob, Heinz (Hrsg.): Bayerisches Städtebuch Teil 1, Stuttgart u. a., 1971, S. 296 – 299, hier S. 296. 753 Rösing, Kitzingen, S. 263. 754 Ebd., S. 264. 755 Kayser/Stoob, Kitzingen, S. 298 f. 756 Zeeden, Ernst Walter : Ein landesherrliches Toleranzedikt aus dem 17. Jahrhundert. Der Gnadenbrief Johann Philipps von Schönborn für die Stadt Kitzingen (1650), in: HJb 103, 1983, S. 146 – 165, hier S.148. 757 Rösing, Kitzingen, S. 264. 758 Sicken, Politische Geschichte, S. 294. 759 Hock, Kitzingen, S. 59. 760 Schulze, Mathias/Walter, Helga: In Sachen Fürstbischof von Würzburg gegen Brandenburg-Ansbach betreffend Stadt und Burg Kitzingen, in: Mainfränk. Jahrb. Gesch. u. Kunst 36, 1984, S. 148 – 160, hier S. 151. 761 Ebd.

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hochstiftische Territorium arrondiert und andererseits ein beliebtes Ziel ausgewiesener Untertanen beseitigt werden. Zudem war die Pfandsumme vergleichsweise niedrig und Kitzingen eine wirtschaftlich prosperierende Stadt.762 Auf das ganze 16. Jahrhundert gerechnet verfügten 93 % aller steuerpflichtigen Kitzinger über Besitz und damit über eine (wenn vielleicht auch schmale) Existenzgrundlage.763 Ansbach hatte sich zunächst der Pfandeinlösung verweigert, nach einem dreijährigen Rechtsstreit urteilte der Reichshofrat764 zu Gunsten des Würzburgers.765 Da aber die Besitzverhältnisse im Jahr der Verpfändung (1443) nicht ganz klar gewesen waren, kämpfte Ansbach weiterhin um Kitzingen, obwohl es die Stadt am 20. Januar 1629 offiziell übergeben musste.766 Kitzingen hatte sich zu Beginn der Frühen Neuzeit zur größten Stadt in Brandenburg-Ansbach entwickelt.767 1590 lebten dort 652 Bürger, 1651 waren es 481.768 Für die Zeit um 1600 ist folglich von circa 3000 – 4000 Einwohnern auszugehen.769 Der Rat war unterteilt in einen inneren und einen äußeren Rat, der aus jeweils zwölf Mitgliedern bestand, aus ersterem wurden zwei Oberbürgermeister gewählt. Aus dem äußeren Rat wurde ein Unterbürgermeister gewählt.770 Die Wahl zum Ratsmitglied erfolgte durch Kooptation und war auf Lebenszeit angelegt.771 762 Hock, Kitzingen, S. 178 f. 763 B‚tori, Ingrid: Die Besitzverhältnisse der Kitzinger Bürgerschaft im 16. Jahrhundert, in: Dies./Weyrauch, Erdmann (Hrsg.): Die bürgerliche Elite der Stadt Kitzingen. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte einer landesherrlichen Stadt im 16. Jahrhundert, Stuttgart, 1982, S. 100 – 160, hier S. 105. 764 Zwischen Brandenburg und Würzburg bestand eine so genannte Austrägalvereinbarung (Schulze/Walter : Würzburg gegen Brandenburg-Ansbach, S. 152). Bei einer Austrägalvereinbarung verpflichteten sich zwei Parteien, ihre Streitfälle vor ein bestimmtes Schiedsgericht zu bringen (Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch, S. 54). Deswegen hätte Brandenburg den Reichshofrat als nicht zuständiges Gericht ablehnen können. Dies hatten sie aber versäumt (Schulze/Walter : Würzburg gegen Brandenburg-Ansbach, S. 152). 765 Zeeden, Toleranzedikt, S. 148. Das Urteil abgedruckt bei Demandt, Dieter/Rublack, HansChristoph: Stadt und Kirche in Kitzingen. Darstellung und Quellen zu Spätmittelalter und Reformation, Stuttgart, 1978, S. 171 f. 766 Zeeden, Toleranzedikt, S. 148. Siehe ausführlich Kapitel 5.1.2 767 Rechter, Gerhard: Beobachtungen zu Kitzingen am Ende der Markgrafenzeit, in: Walter, Helga (Hrsg.): »apud Kizinga monasterium«. 1250 Jahre Kitzingen am Main, Kitzingen, 1995, S. 137 – 151, hier S. 140. 768 Kayser/Stoob, Kitzingen, S. 297. 769 Bachmann, Leopold/Pfrenzinger, Alfons: Geschichte der Stadt Kitzingen von der Entstehung bis Ende des Dreißigjährigen Krieges, Kitzingen, 1929, S. 79. 770 Kayser/Stoob, Kitzingen, S. 298. 771 Weyrauch, Erdmann: Die politische Führungsschicht Kitzingens vornehmlich im 16. Jahrhundert, in: B‚tori, Ingrid/Ders. (Hrsg.): Die bürgerliche Elite der Stadt Kitzingen. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte einer landesherrlichen Stadt im 16. Jahrhundert, Stuttgart, 1982, S. 205 – 275, hier S. 223.

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Es gab drei herrschaftliche Amtsträger in der Stadt: den Oberamtmann, den Stadtvogt und den Kastner. Unter würzburgischer Herrschaft nahm der Amtmann oder Vogt an den Ratssitzungen teil und auch bei der Neuaufnahme von Bürgern musste die Zustimmung aus Würzburg eingeholt werden.772 In Kitzingen stand die aus dem Hochmittelalter stammende Stadtpfarrkirche Sankt Johannes.773 Weitere sakrale Bauten waren die Kapelle und das Spital zur heiligen Elisabeth (1344 gegründet).774 Zu Kitzingen gehörte der Vorort Etwashausen.775 Etwashausen lag auf der östlichen Mainseite.776 Dort wurde im Jahr 1474 ebenfalls eine Kirche namens Zum Heiligen Kreuz gebaut.777 Das Patronat der Stadtpfarrkirche hatte der Kitzinger Rat inne.778 Da es sich bei Kitzingen um eine recht große Gemeinde handelte, standen dem Pfarrer zwei bis drei Diakone zur Seite. Zudem wurde der Stadtteil Etwashausen auf der anderen Mainseite zu einer eigenen Pfarrei erhoben.779 Erste reformatorische Bewegungen lassen sich in Kitzingen bereits in den 1520ern ausmachen.780 1528 wurde durch Markgraf Georg offiziell das lutherische Bekenntnis eingeführt.781 Das Kloster wurde im Zuge der Reformation zunächst nicht aufgelöst, stattdessen wartete der Markgraf, bis 1544 die letzte Äbtissin verstorben war.782 Im gleichen Jahr übergaben die Markgrafen Albrecht und Georg Friedrich den evangelischen Kitzinger Bürgern das ehemalige Benediktinerinnenkloster, daraus entstand ein adeliges Damenstift.783

772 773 774 775 776 777 778 779 780 781 782 783

Kayser/Knoob, Kitzingen, S. 298. Ebd., S. 296. Ebd., S. 297. Kemmeter, Ernst: Kitzingen im Jahre 1628, in: B‚tori, Ingrid/Weyrauch, Erdmann (Hrsg.): Die bürgerliche Elite der Stadt Kitzingen. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte einer landesherrlichen Stadt im 16. Jahrhundert, Stuttgart, 1982, S. 18 – 26, hier S. 19. Rösing, Kitzingen, S. 267. Buchwald, Georg: Geschichte der evangelischen Gemeinde zu Kitzingen aus den Urkunden erzählt, Leipzig, 1898, S. 9. Kayser/Stoob, Kitzingen, S. 299. Das Patronatsrecht ging im Zuge der Rekatholisierung auf den Würzburger Bischof über (ebd.). Bachmann/Pfrenzinger, Kitzingen, S. 35. Demandt/Rublack, Stadt und Kirche in Kitzingen, passim. Ebd. S. 92. Buchwald, Kitzingen, S. 8. Kayser/Stoob, Kitzingen, S. 297. Das Kloster wurde nach der Pfandauslösung nicht mehr erneuert (ebd.).

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4.2.4. Gemünden Gemünden liegt südlich der Einmündung von Sinn und Saale in den Main784 und etwa 40 km nord-westlich von Würzburg. Der Ort war günstig gelegen an der Fernstraße von Nürnberg nach Frankfurt.785 Nach der Gründung im 13. Jahrhundert durch Graf Ludwig von Rieneck erhielt Gemünden 1319 Stadtrechte.786 Der Ort war ursprünglich gegründet worden, um das Machtstreben des Hochstifts Würzburg in diesem Raum zu begrenzen.787 Das Aufeinandertreffen territorialer Ansprüche der Würzburger Bischöfe mit adeligen Familien bestimmte die Geschichte des Ortes. 1316 gelangte die Stadt endgültig in Würzburgische Hand und wurde Amtsstadt.788 Problematisch blieb aber für die Würzburgischen Bischöfe, dass in Gemünden ihre Diözesanrechte mit denen des Erzbischofs von Mainz zusammenstießen.789 Im 16. Jahrhundert hatte Gemünden etwa 600 Einwohner.790 Wichtige Wirtschaftszeige waren der Fremdenverkehr, die Fischerei, aber auch der Weinbau.791 Der Rat der Stadt bestand aus 12 Personen, von denen zwei unter Aufsicht des fürstbischöflichen Schultheißen zum Bürgermeister gewählt wurden.792 Gemünden war Sitz eines Amtes.793 Die Stadt lag im Landkapitel Karlstadt.794 Die Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul wurde als Nachfolgerin einer noch älteren Kirche in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erbaut.795 Die Reformation fand in Gemünden Eingang mit dem Übertritt des Grafen 784 Gemünden, in: Kayser, Erich/Stoob, Heinz (Hrsg.): Bayerisches Städtebuch Teil 1, Stuttgart u. a., 1971, S. 213 – 216, hier S. 213. 785 Riedmann, Max: Gemünden und seine Geschichte, in: Die Mainlande 1, 1950, S. 53 f., 59 f., 63 f., hier S. 60. 786 Kayser/Stoob, Gemünden, S. 213. 787 Richter, Karl: Gemünden, München, 1963, S. 41. 788 Ruf, Theodor : Gemünden a. Main, in: Körner, Hans-Michael/Schmid, Alois (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Bayern II Franken, Stuttgart, 2006, S. 167 – 168, hier S. 168. Anders in StAW H V Ms q. 129 Statistische Beschreibung der alten Würzburger Ämter »schloß, statt und ambt gemünden ist mit seinen herrlichkeiten zu- und eingehörungen anno 1342 bey regierung bischof otten von wolfskeel auf absterben graf ludwig von rieneck zu rottenfels und zwar die helfe davon an das hochstift gekommen; die ander helfte aber ist erstlich auf keyser ludwig, darnach dessen söhne von diesen an brandenburg, beyern, pfaltz bey rhein und endlich anno 1506 an das stift gebracht worden«. 789 Richter, Gemünden, S. 78. Da dieser Konfliktbereich aber für die Rekatholisierung keine Rolle spielt, wird er weiterhin nicht verfolgt. 790 Schenk, Städtische Siedlungen, S. 516. 791 Kayser/Stoob, Gemünden, S. 215. 792 Richter, Gemünden, S. 141. 793 Kayser/Stoob, Gemünden, S. 215. 794 Meier, Karlstadt, S. 64. 795 Kayser/Stoob, Gemünden, S. 214.

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Philipp III. von Rieneck zum lutherischen Glauben,796 da Gemünden von drei Seiten von rieneckischem Territorium umgeben war. Allerdings fiel nach Aussterben der Familie die Grafschaft Rieneck mit wenigen Ausnahmen 1559 zurück an das Erzstift Mainz,797 das die Rekatholisierung der lutherischen Untertanen der Grafschaft durchführte.798 Patronatsherr in Gemünden war aber nicht der Bischof, sondern das Domkapitel.799

4.2.5. Urspringen Urspringen liegt knapp 30 km nordwestlich von Würzburg. Es handelte sich um ein ritterschaftliches Dorf, in dem verschiedene Herrschaftsträger begütert waren. Das Hochstift Würzburg hatte dort nur wenig grundherrlichen Besitz.800 Urspringen war seit dem 14. Jahrhundert als Mannlehen der Familie Castell in den Besitz der reichsritterschaftlichen Familie Voit von Rieneck gekommen.801 Die Voit von Rieneck übten in Urspringen die Vogtei aus und residierten auch in dem dortigen Schloss.802 1612 kaufte die adelige Familie Kottwitz von Aulenbach Urspringen den Voit von Rieneck ab.803 Die Dorfherrschaft und die Vogtei Urspringen fielen Ende des 17. Jahrhunderts wieder an die Castell zurück, weil die Kottwitz von Aulenbach ausstarben.804 Der Ort gehörte in das Landkapitel Karlstadt. Die Pfarrei Urspringen war eine ritterschaftliche Pfarrei.805 Das Würzburger Stift Neumünster hatte das Patronatsrecht.806 In der Folge konnte sich dort kein Prädikant etablieren.807 Allerdings waren zumindest einige der Dorfbewohner wie auch die Voit von Rieneck und später die Kottwitz von Aulenbach lutherisch und besuchten den Gottesdienst in benachbarten ritterschaftlichen Orten.808

796 797 798 799 800 801 802 803 804 805 806 807 808

Ebd., S. 216. Richter, Gemünden, S. 55. Ebd., S. 77. Ebd., S. 89. Störmer, Wilhelm: Urspringen, in: Körner, Hans-Michael/Schmid, Alois (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Bayern II Franken, Stuttgart, 2006, S. 550 – 551, hier S. 550. Meier, Karlstadt, S. 73. Störmer, Urspringen, S. 550. Riedenauer, Karlstadt, S. 105, Anm. 156. Störmer, Wilhelm: Marktheidenfeld, München, 1962, S. 78. Meier, Karlstadt, S. 63. DAW Landkapitelakten Nr. 183 Visitationsrelation ca. 1580. So auch Meier, Karlstadt, S. 68. S. Kapitel 5.2.1. S. Kapitel 6.3.

5. Rekatholisierungsmaßnahmen

Im Kapitel 2 wurde ausführlich dargestellt, wie sich die fränkischen Bischöfe einen katholischen Untertan vorstellten, welche Pflichten er zu erfüllen und wie seine Lebensführung auszusehen hatte. Die Realität, die sie vorfanden, sah allerdings vielfach anders aus. Elementare Glaubensinhalte und sich daraus ergebende Verhaltensweisen waren vielen Menschen nicht bekannt. Auch der Unterschied zwischen katholischem und protestantischem Glauben war in der Ausübung durch die Untertanen fließend. Einige Menschen bezeichneten sich bewusst als Protestanten, andere praktizierten protestantische Gebräuche, ohne dass es ihnen bewusst war. Der erste Schritt der bischöflichen Konfessionspolitik bestand zunächst in der äußerlichen Rückführung der Untertanen zum katholischen Glauben. Im folgenden Kapitel wird ausführlich untersucht, wie die fränkischen Bischöfe dieses Problem angingen und welche Maßnahmen sie anwendeten. Die eingesetzten Mittel lassen sich dabei in drei Kategorien unterteilen: Rechtlich-politische Maßnahmen, wirtschaftliche Maßnahmen und der Einsatz von Gewalt. Bei der Analyse der eingesetzten Maßnahmen sollen insgesamt sechs Fragekategorien zur Anwendung kommen. Untersucht werden sollen jeweils (1) die Häufigkeit, (2) die zeitlichen Schwerpunkte, (3) das Verhältnis von Ankündigung und Umsetzung und damit das Verhalten der bischöflichen Amtsträger vor Ort, (4) die Zielgruppe, (5) der Anlass der jeweiligen Maßnahme, (6) die Effektivität in Hinblick auf die Kommunionseinnahme. Dieser letzte Punkt kann in seiner ganzen Bandbreite erst am Ende des 6. Kapitels ausgeführt werden, soll in diesem Kapitel aber auch zum Tragen kommen. Am Ende jeder Maßnahme werden die Ergebnisse vergleichend dargestellt. In einigen Fällen werden auf Grund der Kürze mehrere Maßnahmen für den Vergleich zusammengefasst. In einer Zusammenschau der Ergebnisse am Ende des Kapitels werden die hier vorgestellten Maßnahmen zudem übergreifend in Hinblick auf die Punkte (1) Bandbreite, (2) Reihenfolge und (3) Kombination verglichen.

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5.1. Rechtlich-politische Maßnahmen 5.1.1. Religionsmandate809 Mandate waren ein mögliches Mittel für den Landesherrn, den eigenen Willen zu vermitteln und den Untertanen mitzuteilen, was von ihnen verlangt wurde. An dieser Stelle werden Mandate vorgestellt, die von ihren Adressaten forderten, protestantischem Gedankengut abzuschwören und sich eindeutig zum katholischen Glauben zu bekennen. Dies sollte durch die Einnahme der Kommunion deutlich gemacht werden. Dabei trat die Aufforderung zur Kommunion in zwei Formen auf: Es gab so genannte Kommunionsmandate, deren ausschließliches Ziel es war, die Einnahme derselben zu verlangen. Zudem konnte die Kommunionsaufforderung aber auch Teil eines anderen Mandates sein, etwa als Teil eines Ehemandates, in dem neben der Kommunionsaufforderung noch andere Verhaltensweisen gefordert wurden.810 Die hier vorgestellten Mandate galten jeweils für das gesamte Hochstift. Bischöfliche Anordnungen, die sich nur auf bestimmte Orte bezogen, werden im Kapitel 6.2 »Verweigerung der Kommunion« bei dem entsprechenden Ort aufgeführt.

Hochstift Bamberg Religionsmandate wurden im Hochstift Bamberg häufig eingesetzt, um die Kommunionseinnahme zu erreichen. Bereits Bischof Weigand von Redwitz forderte seine Untertanen per Mandat vom 1. März 1527 auf, sich an die Kirchenordnung zu halten und die Sakramente entsprechend nach katholischem Ritus einzunehmen.811 Bevor in Bamberg ein Kommunionsmandat erlassen wurde, publizierte Bischof Ernst von Mengersdorf 1587 ein Ehemandat, das diese Aufforderung beinhaltete. Der Bischof ordnete an, dass die Heirat von gemischtkonfessionellen Paaren nur möglich sein sollte, wenn der protestantische Partner katholisch wurde. Weigerte dieser sich, musste das Paar das Hochstift verlassen.812 So sollten gemischtkonfessio809 Ein Mandat bezeichnet im weitesten Sinne ein Gebot oder eine Verordnung. Allerdings ist die Verwendung des Begriffes nicht abzugrenzen von Edikten und Dekreten (Becker, HansJürgen: Mandat, in: HRG Band 3, Berlin, 1984, Sp. 230 – 232, hier Sp. 231). Im Folgenden werden also nicht nur diejenigen Schriftstücke Mandate genannt, die selbiges im Titel tragen, sondern auch alle anderen in die gleiche Kategorie fallenden Veröffentlichungen. 810 Die wichtigsten Mandate finden sich für Würzburg in den im Staatsarchiv aufbewahrten Libri diversarum formarum (ldf), die für alle Bischöfe überliefert sind. Für Bamberg liegen im Staatsarchiv vier Bände »Verordnungen« vor (für die Jahre 1577 – 1614). 811 Weiss, Bischofsreihe, S. 115. 812 StABa B 26c Nr. 1/III Verordnung, 12. Februar 1587.

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nelle Heiraten unterbunden werden, die möglicherweise zu einem Übertritt des katholischen Partners zum Protestantismus geführt hätten. Das Ehemandat Bischof Ernsts wurde von Bischof Neithart weiter verschärft, der anordnete, dass alle Protestanten, die in den letzten zwei Jahren im Hochstift geheiratet hatten, entweder katholisch werden sollten oder auswandern müssten.813 Die entscheidende Wende in der konfessionellen Entwicklung wurde im Hochstift Bamberg mit Bischof Neitharts Religionsmandat vom 29. März 1594 eingeleitet, durch das erstmalig alle Untertanen dazu aufgerufen wurden, sich in der folgenden Osterzeit durch Beichte und Kommunion zum katholischen Glauben zu bekennen.814 Die Pfarrer sollten schriftlich berichten, wie viele Untertanen sich zur österlichen Beichte und Kommunion eingestellt hatten.815 Offenbar war das Ergebnis insgesamt wenig zufriedenstellend, da am 17. Mai 1594 die Geistlichen im Stift erneut aufgefordert wurden, ihre Gemeindemitglieder für Pfingsten zur Einnahme der Kommunion zu bringen und auch darüber schriftlich zu berichten.816 Eine weitere Kommunionsaufforderung lässt sich im April 1596 fassen.817 Neithart ermahnte darin alle Katholiken und Neu-Katholiken nicht abzufallen, die anderen aber wurden aufgefordert, sich zügig zur Kommunion einzustellen. Wie schon in vorherigen Mandaten wurde auch in diesem auf das Seelenheil der Gläubigen rekurriert, das sie nur auf katholischem Weg erlangen könnten. Die Ausweisung als mögliche Strafe wurde nicht genannt.818 Neben dem Erlass von Mandaten war Bischof Neithart bestrebt, auch die Einhaltung derselben zu kontrollieren. Im Mai 1597 erging ein mahnendes

813 Endres, Rekatholisierung am Obermain, S. 284. 814 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 522, auch B 26c Nr. 1/IV (Verordnungen 1592 – 1599). Staudenmaier weist darauf hin, dass es sich einerseits bei diesem im Allgemeinen als Mandat bezeichnetem Schriftstück streng genommen um ein Reskript handele, um die für ein Mandat nötige Genehmigung des Domkapitels zu umgehen und andererseits dieser Befehl Bischof Neitharts keinen Hinweis auf eine Ausweisung als Konsequenz der Verweigerung enthielt (Staudenmaier, Policeygesetzgebung, S. 169). Letzteres ist allerdings in der Literatur immer wieder zu finden z. B. bei Weiss, Reform und Modernisierung, S. 169; Kist, Tridentinum, S. 128; Endres, Rekatholisierung am Obermain, S. 284. In der entsprechenden Textpassage heißt es: »dann do wider diss unser ernstlich verbot hierueber einer oder merh wer oder welcher und was standes auch dieselbigen sein werden den betretten unnd solches ubersagt wirdt ohne alle gnadt nit allein an gut sondern auch das verbrechen an leib von uns solle gestrafft werden«. 815 StABa B 26c Nr. 1/IV Bischof Neithart an alle Pfarer im Stift, 15. April 1594. 816 Ebd. Bischof Neithart an alle Pfarrer im Stift, 17. Mai 1594. 817 Ebd. Vermanungszettell zur catholischen religion, 6. April 1596. Interessant ist, dass dieses Mandat nur wenige Tage vor Ostern (14. April) ausgegangen ist. So blieb den Pfarrern kaum Zeit, ihre Gemeinde mehrfach zu ermahnen. 818 StABa B 26c Nr. 1/IV Vermanungszettell zur catholischen religion, 6. April 1596.

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Schreiben an die Pfarrer im Stift, dass sie endlich ihre Listen, wer bei Beichte und Kommunion gewesen sei, einschicken sollten.819 Auch für Neitharts letztes Regierungsjahr lässt sich ein Kommunionsmandat fassen. In diesem wurden alle Untertanen (auch Kinder und Dienstboten) dazu angehalten, nach katholischem Ritus zu beichten und das Herrenmahl einzunehmen.820 Auch unter Bischof Johann Philipp von Gebsattel wurden regelmäßig Religionsmandate, in erster Linie zur Einhaltung der jährlichen Kommunion, erlassen. So gebot er in einem Mandat vom 26. März 1599, dass die Pfarrer im Stift dafür sorgen sollten, dass alle Unkatholischen katholisch würden und zu Beichte und Kommunion kamen. Das Mandat sollte von den Pfarrern verkündet und an die Kirchentür angeschlagen werden, außerdem sollten sie Namenslisten der »Gehorsamen« und »Ungehorsamen« erstellen.821 Bischof Johann Philipp erließ auch in den folgenden Jahren fast jedes Jahr ein Mandat, das jeweils besagte, dass man sich in der Osterzeit zu Beichte und Kommunion einstellen müsse. Diese Mandate sollten mehrmals in der Kirche verkündet und auch an den Kirchentüren angeschlagen werden, damit niemand behaupten könne, er habe sie nicht gesehen oder gehört.822 Gebsattels Nachfolger, Bischof Johann Gottfried von Aschhausen, veröffentlichte häufig Kommunionsmandate und zudem Erinnerungen an dieselben.823 Diese Mandate beinhalteten meistens Strafandrohungen (etwa Ausweisung). Außerdem wurde in der Regel eine Frist gesetzt und der Pfarrer ermahnt, eine Übersicht der Kommunikanten und der Verweigerer zu überschicken. Die Häufigkeit der Mandate ist auffällig. So klagte Johann Gottfrieds Nachfolger, Bischof Johann Georg II. Fuchs von Dornheim, obwohl er »jerlich unsere beicht und communion mandate durch unsere geistliche und pfarrverwers offentlich publiciren laßen«, gebe es einerseits immer noch Protestanten im Stift 819 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 522 Befehl Neitharts vom 9. Mai 1597. Ostern war 1597 am 6. April, die Priester hatten also etwa vier Wochen Zeit gehabt. Die Kontrolle der Kommunikantenlisten war auch in der Folgezeit ein häufiges Mittel, um zu prüfen, ob die Mandate wirklich eingehalten wurden. S. Kapitel 6.2. 820 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 25v – 26r, 25. April 1598. Unklar ist, warum dies erst einige Wochen nach Ostern (22. März) passiert ist. 821 StABa B 26c Nr. 1/V »Ausschreiben an alle deß stiffts pfarrherren wegen der heiligen beicht unnd communion zue österlichen zeit«, 26. März 1599. 822 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 485 Religionsmandat Johann Philipps, 29. August 1600; StABa B 26c Nr. 1/V 13. März 1602, 11. März 1603, 26. März 1604, 26. Februar 1605; AEB Rep. I Nr. 739 fol. 143v, 20. März 1609; StABa B 26c Nr. 1/V »Ausschreiben an alle Pfarrer wegen der heiligen Beichte und Kommunion«, 28. März 1609. 823 AEB Rep. I Nr. 740 fol. 3r, 5. September 1609; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten 586, 6. September 1609; StABa B 26c Nr. 1/VI 12. März 1610, 18. März 1611, 17. März 1612, 15. Februar 1613, 18. Februar 1614; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten 586 6. März 1615; AEB Rep. I Nr. 742 fol. 290v, 26. Februar 1616.

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und andererseits immer noch Priester, die die Entwicklung hemmten, indem sie die österlichen Kommunikantenübersichten nicht einschickten.824 Gleichwohl wurde auch 1627 ein Kommunionsmandat erlassen, da eine Visitation ergeben hatte, »daß die pfarrkinder die gebottene österliche beicht und communion nit halten, sondern ein iedes seines beliebens nach solche aufschieben, wie dan tempore visitate noch ein großer anzahl geweßen, die sich noch nit eingestelt haben«.825 Noch kurz vor dem schwedischen Einmarsch in Franken erließ Bischof Johann Georg einen »generalbefehl die Reformation betreffend«.826 Darin ermahnte er alle Protestanten zum katholischen Glauben überzutreten. Der Bischof betonte, in Zukunft nicht mehr länger nachgiebig sein zu wollen und forderte die Pfarrer auf, herauszufinden, wer noch nicht katholisch sei. Diejenigen, die der Pfarrer nannte, sollten eine Frist bis Ostern erhalten, um zur Kommunion zu erscheinen. Andernfalls sollten sie ausgewisen werden. Unklar ist, wie die Gesamtsituation unter der schwedischen Besatzung 1631 – 1634 zu werten ist. Im Januar 1633 wurde im Geistlichen Rat darüber gesprochen, dass ein Beicht- und Kommunionsmandat ausgefertigt werden solle.827 Allerdings liegt dieses Mandat nicht vor und in den lokalen Quellen wird kein Bezug darauf genommen. Für die 1640er Jahre lässt sich feststellen, dass mit Hilfe von Mandaten weiter daran erinnert und mit Listen kontrolliert wurde, ob sich alle zur Kommunion einstellten, allerdings wurden viele Pfarrer gerügt, da sie keine Liste eingeschickt hatten.828 Die Kommunionsmandate wurden häufig durch Verbote des Auslaufens, also des Besuchs des lutherischen Gottesdienstes in der Umgebung, ergänzt.829 Da es beim Auslaufen nicht nur zum Besuch eines benachbarten lutherischen Gottesdienstes kam, sondern häufig dabei auch das Abendmahl in der lutherischen Kirche eingenommen wurde, war das Unterbinden dieses Phänomens wesentlich für den Erfolg der bischöflichen Politik. Bereits 1527 erließ Bischof Weigand von Redwitz ein erstes Auslaufverbot, in dem die Untertanen aufgefordert wurden, die Kommunion in ihren Heimatpfarreien einzunehmen.830 1535 wurde es wiederholt.831 Die Gefahr des Auslau824 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 530 Bischof Johann Georg an die Ruraldechanten von Hollfeld, Kronach, Scheßlitz und Eggolsheim, 30. März 1625. 825 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 631r – 631v, Juli 1627. 826 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 586 »Generalbefehl die Reformation betreffend«, 4. Februar 1631. 827 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 388v, 31. Januar 1633. 828 StABA Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 591 Geistliche Räte an die vier Ruraldechanten und den Custos von Forchheim, 13. Juni 1644. 829 Dazu ausführlich Kapitel 6.3. 830 Weiss, Bischofsreihe, S. 115.

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fens war auch Bischof Neithart durchaus bewusst, so forderte er seine Untertanen 1596 auf, dieses zu unterlassen und vor allem keine lutherischen Sakramente an Orten außerhalb der Heimatpfarrei einzunehmen. Der Bischof drohte in diesem Mandat eine Strafe an, die nicht näher spezifiziert wurde.832 Für knapp drei Jahrzehnte konnten keine weiteren Auslaufverbote auf Hochstiftsebene aufgefunden werden. Im Geistlichen Rat wurde im Juni 1625 beschlossen, dass alle hochstiftischen Untertanen, die ihre pfarrlichen Angelegenheiten nicht bei ihrem Priester, sondern bei einem Prädikanten vorbrachten, bestraft werden sollten, besonders diejenigen, die für Hochzeiten ausliefen.833 Auch im November 1627 war im Geistlichen Rat »zu berathschlagen, welcher gestalt den lutheranern, so noch im bistumb bamberg sein daß auslauffen zum predicanten« verboten werden könne.834 In der Folgezeit machte sich die schwerfällige Bamberger Verwaltung bemerkbar. Bischof Johann Georg forderte die Kastner und Vögte auf, Vorschläge zu machen, wie man das Auslaufen unterbinden könne.835 Als dann ein halbes Jahr später eine Antwort auf dieses Schreiben eintraf, berichtete der Kastner von Kronach darin nur, dass er erstens Ausläufer in seinem Einzugsbereich und zweitens Vorschläge für die Unterbindung des Auslaufens habe. Also musste ihm erst wieder aufgetragen werden, dass er diese auch einreichen möge.836 Dies geschah aber nicht. Auch in einem ausführlichen Bericht des Fiskals Daniel Pessler837 von 1629 wies dieser darauf hin, dass man »allen außlauf und besuchung der widerigen religions örter verbieten« müsse, um bei der Rekatholisierung erfolgreich zu sein.838 Zum Ende der 1620er und Beginn der 1630er Jahre war es in Bamberg trotz der für die Katholiken vorteilhaften militärischen und reichspolitischen Lage nicht möglich, das Auslaufen gänzlich zu verhindern. Dies ungeachtet der Tatsache, dass man auf Grund der Siege der kaiserlichen Truppen den protestantischen Nachbarn gegenüber im Vorteil war und sich zudem eine ganze Reihe von katholischen Truppen im Hochstift befanden, die zusätzlich zur Bekämpfung des Auslaufens eingesetzt werden konnten.839 1630 heißt es »dz sie (=die 831 Ebd., S. 117. 832 StABa B 26c Nr. 1/IV »Vermanungszettell zur catholischen religion«, 6. April 1596. 833 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 306r, 3. Juni 1625. Es ist nicht spezifiziert, was genau mit Strafe gemeint war. 834 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 690v, 26. November 1627. 835 Ebd. 836 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 35v, 4. Mai 1628. 837 Auch Bessler oder Pesler. Pessler studierte am Germanicum in Rom und war Kanoniker in St. Stephan in Bamberg. 1626 wurde er zunächst Mitglied des Geistlichen Rates, bevor er 1628 das Amt des Fiskals übernahm (Weiss, Bischofsreihe, S. 626). 838 AEB Rep. I Nr. 344 Daniel Pesslers Relation über Klöster, Pfarreien und andere kirchliche Güter, welche für die Diözese könnten wieder gewonnen werden mit Register, 1629. 839 Einzelnachweise s. Kapitel 6.3.

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Untertanen, H. B.) hiewiederumb zu den benachbarten und in den adelich schlössern auffgehaltenen predicanten gaanz dörffsweiß iung und und alt außlauffen und ihr vermeinten gottesdienst predig wie zuvor besuchen«.840 1631 erließ Bischof Johann Georg einen »generalbefehl die Reformation betreffend«, in dem unter anderem das Auslaufen verboten wurde.841 Für die Folgezeit konnten keine Auslaufverbote mehr aufgefunden werden. Hochstift Würzburg Bereits Bischof Friedrich von Wirsberg, in dessen Regierungszeit der Abschluss des Tridentinums fiel, erließ einige Religionsmandate, in denen er seine Untertanen zu einem katholischen Lebenswandel aufforderte.842 1566 veröffentlichte er ein Mandat, dass allen Untertanen die Einnahme der Kommunion auftrug.843 Spätere Mandate Wirsbergs sind nicht mehr erhalten.844 Da der Würzburger Bischof keinerlei Kontrollmaßnahmen durchführen ließ, sind die Ergebnisse dieser Bemühungen nicht bekannt.845 Wirsbergs Nachfolger Bischof Julius publizierte ebenfalls Mandate zur Einnahme der Kommunion zur österlichen Zeit so in den Jahren 1588846 und 1592.847 Zudem fielen in die Regierungszeit von Julius Echter noch etliche vom Papst ausgerufene Jubeljahre. Zu diesem Anlass forderte der geistliche Hirte seine Untertanen in den Jahren 1576, 1583, 1585 und 1617 auf, die Kommunion an mehreren Terminen im Jahr einzunehmen.848 Die Pfarrer wurden aufgefordert, das Fernbleiben der Gläubigen nach Würzburg zu melden.849 Zudem erließ Echter bereits 1583 ein Ehemandat, das die Eheleute aufforderte, vor der Trauung zu beichten und zu kommunizieren.850 In der Kirchenordnung von 1589 regelte Bischof Julius die kirchlichen Pflichten seiner Untertanen. Darin wurde festgelegt, dass der Gläubige mindestens einmal im Jahr zur österlichen Zeit zu Beichte und Kommunion zu gehen hatte.851 840 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 508 »Die generalreformation und die principalpuncten mit denen von adel betr«, 4. Juli 1630. 841 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 586 »Generalbefehl die Reformation betreffend«, 4. Februar 1631. 842 Specker, Nachtridentinische Visitationen, S. 37. 843 Krenig, Hochstift, S. 191. 844 Specker, Reformtätigkeit, S. 50. 845 Specker, Nachtridentinische Visitationen, S. 37 f. 846 Specker, Reformtätigkeit, S. 91 Anm. 31. 847 Ebd., S. 96 Anm. 75. 848 Ebd., S. 91 Anm. 36. 849 Ebd., S. 91. 850 Abgedruckt bei Specker, Reformtätigkeit, S. 110 – 112. 851 S. Kapitel 2.6.

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Interessanterweise wurde in der Kirchenordnung festgelegt, dass die nicht aus dem Hochstift stammenden Dienstboten und Handwerksgesellen zwar ermahnt, aber nicht zur Kommunion gezwungen werden sollten. Gleichzeitig wurde ihnen aber das Auslaufen verboten: »Da dann jemanden frembde Ehehalten und Handwercksgesind oder andere hette, so in unserem Stifft nit bürtig, und widerwertiger Religion weren, wirdt ein jeder Haussvatter dieselbe zur Gebühr zu ermahnen wissen, und soll denselben, da sie dieses Orts sich anderen nit begehren gleich zu halten, doch kein Auslauffen an ander Ort, oder Suchung ihrer Religion gestattet werden.«852

Die Einhaltung der Kommunionsmandate wurde durch die regelmäßig stattfindenden Visitationen vor Ort kontrolliert, bei denen jeder Untertan aufgefordert wurde, entweder durch die Kommunion seinen katholischen Glauben anzuzeigen oder auszuwandern.853 Auch Bischof Philipp Adolf erließ 1628 und 1629 ein Kommunionsmandat, das alle Untertanen zur Einnahme der selbigen aufforderte.854 Neben den Kommunionsmandaten gab es auch im Hochstift Würzburg Auslaufverbote. In der Kirchenordnung von 1589 untersagte Bischof Julius das Auslaufen und verpflichtete jeden Untertan, das Sakrament in der eigenen Pfarrei nach katholischem Ritus einzunehmen.855 Auch Bischof Franz von Hatzfeld (reg. 1631 – 42) ließ ein Auslaufverbot ausgehen.856 Zusammenfassung und Ergebnisse Religionsmandate Insgesamt betrachtet war die Häufigkeit der Kommunionsmandate in den beiden Hochstiften höchst unterschiedlich. In Bamberg war eine jährliche Veröffentlichung über weite Teile des Untersuchungszeitraums üblich. Zeitliche Schwerpunkte gibt es ab der Regierungszeit Neitharts somit nicht. In Würzburg hingegen ist das Mandat ein nur wenig gebrauchtes Mittel. Allerdings war mit der Kirchenordnung von 1589 auch ein zusammenfassendes Regelwerk erschienen, dass auf Bambergischer Seite keine Entsprechung hatte. Zudem wurde die Kommunionsaufforderung in den würzburgischen Orten zumeist bei den Visitationen vorgetragen und weniger durch die hochstiftweiten Mandate verbreitet. Die Zielgruppe ist in beiden Hochstiften diesselbe. Angesprochen waren alle Untertanen, Männer wie Frauen und Kinder im kommunionsfähigen Alter. Eine Ausnahme für auswärtige Dienstboten wie in der Würzburger Kirchenordnung gibt es hingegen in Bamberg nicht. Ein direkter Anlass für die Mandate 852 853 854 855 856

Himmelstein, Synodicon, S. 391. S. u. 5.1.5 Visitation. Romberg, Bischöfe, S. 214. Himmelstein, Synodicon, S. 390. Zeeden, Toleranzedikt, S. 149.

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lässt sich teilweise erkennen. Häufig wurden die Kommunionsmandate in den Wochen vor Ostern erlassen, waren also direkt mit dem gewünschten Termin verbunden. Die Effektivität der Mandate wird ausführlich im Kapitel 6.3 geschildert. Allerdings lassen bereits die häufigen Wiederholungen darauf schließen, dass die Durchsetzung der Mandate im Hochstift Bamberg nicht sehr hoch war. Es scheint, als würden die Mandate eher den normativen Rahmen abstecken, innerhalb dessen aber mit einer Reihe von weiteren Maßnahmen agiert werden musste, um deren Einhaltung zu erreichen. Um welche Maßnahmen es sich dabei handelt, wird nun aufgezeigt werden.

5.1.2. Abschaffung des Prädikanten und Einsetzung eines Priesters Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Rekatholisierung der Untertanen war das Vorhandensein eines Priesters in der Pfarrei. Der Pfarrer war die Schnittstelle zwischen dem Bischof und dem einzelnen Gläubigen. Ihm oblag die Abhaltung des Gottesdienstes und anderer Gebräuche und Riten. Es war also hauptsächlich seine Aufgabe, die Menschen mit katholischen Glaubensinhalten vertraut zu machen. Er konnte durch aktive Katechese und einen vorbildlichen Lebenswandel seine Gemeinde beeinflussen. Zudem konnte er über das Aussprechen von Strafen den Gläubigen direkt vermitteln, welches Verhalten von ihnen erwartet wurde. Außerdem war er einer der wichtigsten Informanten des Bischofs vor Ort, der durch Berichte und Kommunikantenübersichten zeigen musste, ob und wie die Rekatholisierung vorangekommen war und wie das religiöse Leben der bischöflichen Untertanen ablief. In einigen der untersuchten Orte wirkte aus verschiedenen Gründen ein protestantischer Pfarrer. Im Folgenden wird erörtert, wie es dazu gekommen war. Es wird darüber hinaus ausführlich darauf eingegangen, wie von Seiten der Hochstifte versucht wurde, in diesen Orten einen katholischen Pfarrer durchzusetzen und warum dies häufig, aber nicht immer gelang. Diejenigen der untersuchten Orte, die in diesem Unterkapitel nicht aufgeführt werden, hatten zu keiner Zeit einen protestantischen Pfarrer im eigenen Ort. Hochstift Bamberg Bereits 1592 verfügte Bischof Neithart die Ausweisung aller Prädikanten im Hochstift.857 Neithart erließ im Oktober 1595 ein weiteres Mandat, dass alle bis dahin noch lutherischen Pfarrer im Stift vor das Vikariatsgericht zitiert werden sollten, wo ihnen das Angebot gemacht wurde, katholisch zu werden und die 857 Christ, Bamberg, S. 157.

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Pfarrei zu behalten oder beim lutherischen Glauben zu bleiben und die Pfarrei zu verlieren.858 Teuschnitz Als Bischof Neithart 1594 seine umfassenden Rekatholisierungsbemühungen begann, wirkte in Teuschnitz bereits seit mehreren Jahrzehnten ein Prädikant namens Johann Zweidler. Vorwegnehmend sei gesagt, dass die dauerhafte Etablierung eines katholischen Pfarrers erst nach mehreren Jahren gelang. Das erwähnte Mandat von 1592, welches die Abschaffung aller lutherischen Pfarrer im Hochstift anordnete, war wirkungslos geblieben. 1594 versuchte Bischof Neithart das erste Mal, den Teuschnitzer Prädikanten gegen einen katholischen Pfarrer auszutauschen. Zu diesem Zeitpunkt war Zweidler bereits 43 Jahre in der Stadt.859 Die Teuschnitzer baten in Bamberg zunächst schriftlich um die Beibehaltung ihres Pfarrers.860 Als Bischof Neithart einen Priester namens Johann Kraus dennoch nach Teuschnitz schickte, scheiterte seine Einsetzung am Widerstand der Stadtbewohner. Der Amtmann fürchtete dabei sogar um das Leben des Priesters, denn er riet, diesem einen »ansehenlichen beistandt« zuzuordnen.861 Neithart befahl daraufhin eine nicht spezifizierte Strafe für die Stadt, die aber erlassen werden würde, wenn die Teuschnitzer sich in Zukunft einsichtig zeigten.862 Johann Kraus wurde ein zweites Mal nach Teuschnitz geschickt, gleichzeitig bot der Bischof einen wirtschaftlichen Ausgleich mit dem alten Prädikanten an.863 Zudem wurde der Amtmann angewiesen, herauszufinden, wer in der Stadt die Stimmung bezüglich der Priestereinsetzung beeinflusste und sollte dann diese Personen ermahnen, davon abzusehen.864 Der Bischof argumentierte den Teuschnitzern gegenüber sowohl aus einem geistlichen als auch aus einem 858 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 54r, 29. Oktober 1595. 859 StABa B 49 Nr. 191/29 I Bürgermeister, Rat und Gemeinde an Bischof Neithart, 9. März 1595. In einem undatierten Brief schreibt Zweidler selbst, er sei nun 25 Jahre Pfarrer in Teuschnitz, aus dem Zusammenhang ergibt sich eine Einordnung in die Regierungszeit Ernsts von Mengersdorf (reg. 1583 – 91) oder Neitharts von Thüngen (reg. 1591 – 98) (StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler an Hans Heinrich von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz, o. Dat.). 860 StaBa Hochstift Bamberg Neuverzeichnete Akten Nr. 573 Bürgermeister, Rat und Gemeinde an Bischof Neithart, 8. Mai 1594. 861 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Hans Heinrich von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Neithart, 16. Mai 1594. 862 Ebd. Bischof Neithart an Hans Heinrich von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz, 23. Mai 1594; ebd. Bischof Neithart an Bürgermeister und Rat von Teuschnitz, 23. Mai 1594. 863 Ebd. Bischof Neithart an Hans Heinrich von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz, 23. Mai 1594. 864 StABa B 49 Nr. 191/29 I Bischof Neithart an Hans Heinrich von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz, 25. Mai 1594.

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weltlichen Verständnis seines Amtes heraus. Erstens gehöre die Pfarreinsetzung nicht zu den in der Erbhuldigung bestätigten Rechten der Teuschnitzer, zweitens sei es auch bei den Protestanten nicht üblich, dass sich die Untertanen ihren Pfarrer selbst wählten. Drittens betonte Neithart die Erlangung des Seelenheils, die nur mit einem katholischen Geistlichen möglich sei und im Allgemeinen stehe es den Untertanen nicht zu, sich gegen ihre geistliche und weltliche Obrigkeit zu stellen.865 Dennoch scheiterte auch der zweite Versuch, Johann Kraus in Teuschnitz als neuen Priester einzusetzen.866 Allerdings erhielt parallel zu dem Versuch, einen Katholiken in Teuschnitz einzusetzen, auch der ursprüngliche Teuschnitzer Pfarrer Johann Zweidler die Chance, einzulenken. Er wurde nach Bamberg vor das Vikariatsgericht bestellt, wo er die Möglichkeit erhielt, seine Pfarrei zu behalten, wenn er selbst katholisch würde. Zweidler zog es vor, Protestant zu bleiben.867 Die Einsetzung des zweiten designierten Priesters für Teuschnitz scheiterte ebenfalls, allerdings nicht am Unwillen der Teuschnitzer. Bei dem Kandidaten wurde kurz vor seiner Einsetzung entdeckt, dass er aus dem Bistum Würzburg hatte fliehen müssen, weil er sich an zwei Frauen vergriffen hatte. Außerdem lag seine Konkubine in Bamberg im Kindbett.868 Auch der dritte Kandidat für das Amt des Priesters in Teuschnitz, Wolfgang Nüblich, scheiterte nach seiner Entsendung im Februar 1595869 zunächst am Widerstand der Stadtbewohner.870 Es dauerte ein halbes Jahr, bis Nüblich sich einigermaßen etablieren konnte.871 Zudem hatte er offenbar so viel Rückhalt bei den lokalen Amtsträgern, dass es ihm in kürzester Zeit gelang, gegen den Willen der Bevölkerung den lutherischen Schulmeister gegen einen katholischen auszutauschen.872 Die Gemeinde war allerdings nicht mit ihm zufrieden: Sie beschwerte sich im April 1596 darüber, dass Nüblich unqualifiziert und ungelehrt sei, dass er viele Schulden mache, dass er ob seiner Leibesfülle nur selten auf die Pfarrdörfer gehe und dass es peinlich sei, wenn Leute auf der Durchreise den

865 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Neithart an Bürgermeister und Rat von Teuschnitz, 23. Mai 1594. 866 Ebd. Johannes Kraus an Bischof Neithart undatiert. 867 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 8v, 7. Juni 1594. 868 Ebd. fol. 22v, 9. November 1594. 869 Ebd. fol. 29r, 25. Februar 1595. 870 Der Kronacher Priester, der die Einführung des neuen Teuschnitzer Gottesmanns vornehmen sollte, beschrieb nicht im Einzelnen, woran die Einführung gescheitert war. Er bat aber den Bischof, ihn nicht noch einmal nach Teuschnitz zu schicken (StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johannes Haucius, Pfarrer von Kronach an Fiskal Johannes Wolf, 20. März 1595). 871 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Hans Heinrich von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Neithart, 21. August 1595. 872 Ebd. Bürgermeister und Rat von Teuschnitz an Bischof Neithart, 22. August 1595.

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Gottesdienst eher verließen, weil Nüblich sein Amt so schlecht ausführe.873 Schwierig ist die Bewertung dieser Aussagen. Die Teuschnitzer hatten großes Interesse daran, den eingesetzten Priester in Misskredit zu bringen, da sie ihn ablehnten. Deswegen ist ihre Aussage vermutlich zu relativieren. Allerdings zeigt sich an diesem Schreiben auch, dass die Stadtbewohner immerhin gelegentlich in die eigene Kirche gingen. Während der neue katholische Pfarrer sich bemühte, in Teuschnitz Fuß zu fassen, hielt sich gleichzeitig auch noch der alte protestantische Pfarrer in der Stadt auf. Bischof Neithart ordnete daraufhin dessen Verhaftung und die Beschlagnahmung seiner Güter an.874 Hier zeigt sich nun, dass die Sadtobrigkeit es mit Neitharts Anweisungen nicht zu genau nahm. Zwar hatten Bürgermeister und Rat der Absetzung Zweidlers zugestimmt und auch seine Güter eingezogen, weil es sich aber um einen alten Mann mit einer kranken Frau handelte, hatten sie ihn gegen eine Kaution und nach Bereitstellung von Bürgen wieder freigelassen.875 Allerdings kam Zweidler drei Tage später freiwillig nach Bamberg und wurde dort verhaftet.876 Bischof Neithart warf ihm vor, dass er in Teuschnitz religiöse Handlungen nach lutherischem Ritus durchgeführt habe.877 Ihm wurde auferlegt, 200 Gulden zur Renovierung des Pfarrhofes zu bezahlen, das Land zu räumen und in der Zukunft im Hochstift keine religiöse Handlungen mehr auszuführen.878 Darüber musste er eine Urfehde schwören.879 Auch wenn Zweidler daraufhin vorübergehend Teuschnitz fernblieb,880 beklagte sich Nüblich nur wenige Monate später, dass der alte Prädikant sich immer noch in der Stadt aufhalte.881 Aus unbekannten Gründen verließ Nüblich nach etwa einem Jahr die Pfarrei in Teuschnitz wieder. Sein Nachfolger, ein Mann namens Johannes Ammon, 873 StABa B 49 Nr. 191/29 I Bürgermeister und Rat von Teuschnitz an Bischof Neithart, 20. April 1596. 874 AEB Rep. I. Nr. 735 fol. 42r, 14. August 1595. 875 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Bürgermeister und Rat von Teuschnitz an Bischof Neithart, 22. August 1595. 876 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 42v, 25. August 1595. 877 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johann Zweidler an Bischof Neithart, 30. August 1595. 878 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 44r, 2. September 1595. 879 Urfehdeschwur Zweidlers StABa B 49 Nr. 191/29 I undatiert. Ursprünglich handelte es sich bei einer Urfehde um den Eid, den die beteiligten Parteien einer Fehde nach deren Beendigung zur Friedenssicherung schwörten. Später wurde damit das Versprechen an die Obrigkeit benannt, ein bestimmtes Gebiet nicht mehr zu betreten (Haberkorn/Wallach, Hilfswörterbuch, S. 632). 880 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Wolfgang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 15. Oktober 1595. 881 StABa B 49 Nr. 191/29 I Wolfgang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 3. Januar 1596; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Wolfgang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Dentzel, 13. Februar 1596.

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konnte die Stelle im Frühsommer 1596 ohne Protest der Teuschnitzer antreten.882 Er war mittlerweile der vierte Kandidat innerhalb von zwei Jahren. Warum die Stadtbewohner von einem Protest absahen, ist unklar. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich noch niemand zum katholischen Glauben bekannt, auch hatte Bischof Neithart bis dahin nur wenige weitere Maßnahmen ergriffen, um die Teuschnitzer zur Kommunion zu bringen. Auch der Pfarrer Johannes Ammon hatte in Teuschnitz damit zu kämpfen, dass er nicht der einzige Geistliche am Ort war. Einerseits hielt sich der vertriebene Prädikant aus dem benachbarten Windheim (ca. 8 km von Teuschnitz entfernt) in der Stadt Teuschnitz auf und ging seiner Tätigkeit weiter nach. Außerdem kam regelmäßig der alte Teuschnitzer Prädikant Zweidler in die Stadt, aber er wohnte dort nicht mehr. Vor seinem Abzug hatte der alte Prädikant offenbar noch mit seiner Gemeinde ein Abendmahl gefeiert.883 Wenn auch die Teuschnitzer nicht wie in den vorherigen Jahren versuchten, die Einsetzung des Priesters zu verhindern, hatten sie sich offenbar entschieden, den neuen Priester so wenig wie möglich zu konsultieren. Ermahnungen an Zweidler, sich an seine Urfehde zu halten, verhallten ungehört.884 Entsprechend drehte sich die Eskalationsschraube: Bischof Neithart ordnete Zweidlers Verhaftung an. Außerdem sollte dieser eine weitere Geldstrafe zahlen und anschließend das Stift verlassen.885 Zweidler wurde tatsächlich verhaftet, aber wieder freigelassen, weil er angab, sich selbst mit einem Bittbrief an den Bischof wenden zu wollen.886 Vermutlich hat er dies aber nicht getan. Im Herbst 1596 sollte er erneut verhaftet werden.887 Die lokalen Beamten sollten zudem darauf achten, dass er nichts von seinen beschlagnahmten Gütern verkaufte.888 Nach nur wenigen Monaten wurde Johannes Ammon abberufen, ihm folgte Anfang 1597 ein fünfter Priester.889 Bisher waren die eingesetzten Kleriker mit der Rekatholisierung in Teuschnitz nicht recht voran gekommen. Der neue Geistliche trug den gleichen Namen wie der alte Prädikant, nämlich Johann Zweidler, und diese Namensgleichheit ist keineswegs zufällig. Der neue Priester Zweidler wurde ganz bewusst von Bischof Neithart nach Teuschnitz abgeordnet,

882 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 7. Juni 1596. 883 Ebd. 884 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 65r – 65v, 11. Juni 1596. 885 Ebd. fol. 69v, 3. Juli 1596. 886 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Hans Heinrich von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Neithart, 13. August 1596. 887 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 77v, 5. Oktober 1596. 888 Ebd. fol. 75v, 13. September 1596. 889 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 96r, Februar 1597. Dieser lässt sich spätestens für das Jahr 1608 auch als Inhaber der Teuschnitzer Frühmesse fassen (AEB Rep. I Nr. 739 fol. 53r, 20. April 1608).

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da dieser »unter selbig rebellen viel freund habe«,890 und »negsten bluets« zu dem alten Prädikanten war.891 Es handelte sich also um einen direkten Verwandten. Da der alte Prädikant mit seiner Frau und seinen Kindern sein ganzes Leben in Teuschnitz verbracht hatte,892 kann man davon ausgehen, dass auch große Teile seiner Verwandtschaft sich dort aufhielten. Mit der Einführung eines Verwandten aus der Familie Zweidler wurde von Seiten des Bischofs versucht, dem alten Prädikanten jemanden entgegenzustellen, der die Menschen und die Gegebenheiten vor Ort kannte und entsprechend auf diese eingehen konnte. Diese Maßnahme stellte sich als effektiv heraus, denn der katholische Zweidler blieb bis 1614 im Amt.893 Vermutlich hat diese Kontinuität einer Bezugsperson nicht wenig dazu beigetragen, den katholischen Glauben in diesem Ort zu verankern. Zu Beginn seiner Tätigkeit musste sich der neue katholische Pfarrer aber mit denselben Widrigkeiten auseinandersetzen wie seine Vorgänger. Sowohl der Windheimer als auch der Teuschnitzer Prädikant hielten sich regelmäßig in der Stadt auf, sodass angeordnet wurde, einen weiteren Verhaftungsversuch zu unternehmen.894 Dennoch waren die beiden Prädikanten fast das ganze Jahr 1597 immer wieder in Teuschnitz und gingen ihrer Profession nach.895 Überraschen kann dies nicht, denn der Amtmann kümmerte sich nur wenig darum, die lutherischen Prediger fern zu halten.896 Als Reaktion des Bischofs erging ein erneuter Befehl, den Prädikanten auf Grund des Verstoßes gegen seine Urfehde zu verhaften. Falls er nicht gefasst werden konnte, sollten seine Güter, die er noch in Teuschnitz hatte, beschlagnahmt werden, damit er seine Ernte nicht einholen könne.897 In der Folge kam Zweidler zwar nicht mehr persönlich in die Stadt, aber seine Güter waren nicht 890 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 88v, 26. November 1596; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Onuphrius von Bellheim an Bischof Neithart, 29. November 1596. 891 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Onuphrius von Bellheim an Bischof Neithart, 29. November 1596. 892 Ebd. Bürgermeister und Rat von Teuschnitz an Bischof Neithart, 22. August 1595. 893 StABa B 49 Nr. 191/36 Bericht des Karl Zilfelder über die Pfarrei Teuschnitz nach seinem Amtsantritt 1614. 894 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 96r, Februar 1597; ebd. fol. 106r, 20. März 1597. 895 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 28. Juli 1597, ebd. Hieronymus von Würzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Neithart, 15. November 1597. 896 Auf den Vorwurf, dass die »ausgeschafften predicanten wider einschleiffen auch offentlich handtiren« behauptete er kurzerhand »dessen hab ich keinen bevelch gehabt weß ich mich gegen ihn (= Prädikant Zweidler, H. B.) zuverhalten«. (StABa B 49 Nr. 191/29 I Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Neithart, 15. November 1597). 897 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 49r, 26. Juni 1598. Die Beschlagnahmung war bereits zuvor angeordnet, aber offensichtlich nicht konsequent durchgeführt worden, sonst hätte Zweidler keine Ernte, da er sie nicht hätte sähen können.

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beschlagnahmt worden.898 Dies änderte sich auch unter der Regierung Bischof Johann Philipps nicht. Der ehemalige Prädikant führte zwar keine religiösen Handlungen in Teuschnitz mehr aus, bestellte aber immer noch seine Felder.899 Danach reißt die Überlieferung über den alten Zweidler ab, möglicherweise war er – es wurde häufiger auf sein hohes Alter rekurriert – verstorben. Sein katholischer Namensvetter hingegen blieb fast 20 Jahre in Teuschnitz und wurde anschließend problemlos abgelöst.900 Zusammenfassend zeigt sich also, dass die für die Rekatholisierung so wichtige Absetzung und Vertreibung des lutherischen Pfarrers und die Einsetzung und Etablierung eines Priesters sich in Teuschnitz innerhalb von knapp fünf Jahren vollzog. Der zeitliche Schwerpunkt liegt entsprechend in der zweiten Hälfte der Regierungszeit Neitharts in den Jahren 1594 – 98. Es waren mehrere Anläufe nötig, bis die Auswechselung des Pfarrers gelang. Zunächst konnte kein katholischer Pfarrer installiert werden, weil sich die Bevölkerung dagegen sträubte und der zuständige Amtmann die angekündigten Befehle Neitharts nicht oder nur halbherzig umsetzte. Nach der erfolgten Einsetzung des Priesters blieb der alte Prädikant aber noch weiterhin in der Stadt, führte religiöse Handlungen aus und bestellte seine Felder. Dies war nur möglich, weil die Bevölkerung ihm half und Befehle (Verhaftung, Ausweisung, Beschlagnahmung der Güter) von der lokalen Obrigkeit (Bürgermeister und Rat, Amtmann) nicht ausgeführt wurden. Zielgruppe der Maßnahme waren alle Teuschnitzer, da es sich um eine vollständig lutherische Stadt handelte. Auch der Anlass der Maßnahme lässt sich eindeutig bestimmen: Da ein Prädikant vor Ort wirkte, musste dieser ausgetauscht werden, um die Rekatholisierung überhaupt in Gang zu setzen. Mit der dauerhaften Etablierung eines Priesters in Gestalt eines Verwandten des abgesetzten Prädikanten wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Kommunionseinnahme gemacht. Neukenroth In Neukenroth wirkte, so viel sei zu Beginn vorweggenommen, zum Amtsantritt Bischof Neitharts ebenfalls ein namentlich nicht bekannter lutherischer Prädikant, dessen Absetzung aber innerhalb weniger Monate gelang. 898 StABa B 49 Nr. 191/29 I Konrad Horchler, Schulmeister in Teuschnitz an Fiskal Johann Wolf, 31. August 1598; AEB Rep. I Nr. 736 fol. 62v, 31. August 1598. 899 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 18. April 1599. Möglicherweise kam es zu dieser Unterlassung der religiösen Handlungen, weil die Teuschnitzer bis zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich katholisch geworden waren (s. Kapitel 6.2), allerdings sind auch andere Gründe denkbar. 900 StABa B 49 Nr. 191/36 Karl Zilfelder, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Wolfgang Öttlein, 4. August 1614.

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Der Pfarrer von Neukenroth hatte viele Jahre lutherisch gewirkt, als ihm für den 2. Februar 1595 die Pfarrstelle gekündigt wurde.901 Gleichwohl teilte der Prädikant auch nach der Kündigung seiner Stelle das Abendmahl unter beiderlei Gestalt in Neukenroth aus. Er wurde nach Bamberg bestellt, wo er verhaftet werden sollte.902 Allerdings scheint der namentlich nicht genannte Prädikant dieser Aufforderung nicht Folge geleistet zu haben, denn knapp zwei Monate später – der lutherische Geistliche hatte in der Zwischenzeit weiterhin seinen Gemeindemitgliedern das Abendmahl gereicht – erging der Befehl, sein Hab und Gut zu beschlagnahmen und ihn selbst zu verhaften.903 Die Güter des Prädikanten wurden als beschlagnahmt nach Bamberg gemeldet, eine Verhaftung erfolgte indes nicht, sodass er im August 1595 ein weiteres Mal nach Bamberg vorgeladen wurde.904 Unklar ist, ob dies erfolgt ist oder nicht. Ab dem Jahresanfang 1596 lässt sich in Neukenroth ein katholischer Priester namens Johann Keutzen nachweisen, allerdings konnte dieser nicht verhindern, dass sein lutherischer Vorgänger seine eigentlich beschlagnahmten Güter nutzte. Daraufhin wurde dem Hauptmann von Kronach befohlen, den Prädikanten zu verhaften und die Beschlagnahmung der Güter auch wirklich durchzusetzen.905 Der ehemalige Neukenrother Prädikant wurde in der Tat verhaftet, unklar ist allerdings, wann. Er musste einen Schwur leisten, dass er im Hochstift Bamberg keine Kanzel mehr besteigen würde.906 Zum Ärger des neuen Priesters in Neukenroth kündigte die ritterschaftliche Familie von Würtzburg an, den alten Prädikanten in Rothenkirchen, das nur 6 km von Neukenroth entfernt lag, als neuen Prädikanten einzusetzen.907 Es lässt sich nicht nachweisen, ob diese Ankündigung in die Tat umgesetzt wurde. Unstrittig ist aber, dass in Rothenkirchen auf jeden Fall ein lutherischer Pfarrer wirkte.908 Offenbar war Keutzen bis 1607 in Neukenroth, wo er verstarb. Daraufhin bat der Neukenrother Rat darum, ihnen den Pfarrer des benachbarten katholischen

901 902 903 904 905 906

AEB Rep. I Nr. 735 fol. 24v, 28. November 1594. Ebd. fol. 32r, 28. April 1595. Ebd. fol. 37r, 12. Juni 1595. Ebd. fol. 41v, 14. August 1595. Ebd. fol. 55v, 30. Januar 1596. StABa B 49 Nr. 129/03 Johann Keutzen, Pfarrer von Neukenroth an Sebastian Schenk von Stauffenberg, Geistlicher Rat, 4. April 1601. Aus dem Schreiben geht klar hervor, dass die Verhaftung noch zu Bischof Neitharts Lebzeiten (also bis spätestens Dezember 1598) erfolgt war. 907 StABa B 49 Nr. 129/03 Johann Keutzen, Pfarrer von Neukenroth an Sebastian Schenk von Stauffenberg, Geistlicher Rat, 4. April 1601. 908 Der Ort wurde häufig von Ausläufern besucht, s. Kapitel 6.3.

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Ortes Zeyern (ca. 14 km entfernt) zuzuteilen.909 Dieser Bitte wurde stattgegeben.910 In Neukenroth stellt sich die Situation ähnlich wie in Teuschnitz dar. Bei der Absetzung des Prädikanten fällt der zeitliche Schwerpunkt in Neitharts zweite Regierungshälfte in die Jahre 1594 – 96, wobei auch in diesem Fall mehrere Versuche notwendig waren, bis der Pfarraustausch gelang. Über das Verhalten der bischöflichen Beamten vor Ort kann nur wenig ausgesagt werden, da sie in den vorhandenen Quellen kaum in Erscheinung treten. Die wenigen Schlaglichter zeigen aber, dass sie die Befehle des Bischofs nicht immer vollständig ausgeführt haben. Die Zielgruppe der Maßnahme war die ganze Gemeinde. Auch der Anlass war wie in Teuschnitz eindeutig: Da ein Prädikant vor Ort wirkte, musste dieser ausgewechselt werden, um die Rekatholisierung überhaupt beginnen zu können. Grafengehaig In Grafengehaig stellen sich die Verhältnisse anders dar als in den vorangegangenen Orten. Erstens handelte es sich um einen ritterschaftlichen Ort, in dem es keine hochstiftischen Untertanen gab. Die Bamberger Bischöfe hatten also deutlich geringere Machtbefugnisse. Zweitens ist die Zeitspanne, innerhalb der der Pfarreraustausch versucht wurde, erheblich größer. Erste Versuche erfolgten bereits in den 1560er Jahren, endgültig beendet, so viel sei an dieser Stelle bereits gesagt, wurde der Konflikt erst durch die Normaljahresregelung des Westfälischen Friedens 1648. Ein erster Versuch der Rekatholisierung erfolgte in Grafengehaig, als der Frühmesser911 Wolfgang Weber in den 1560er Jahren aufgeforderte wurde, seine Stelle katholisch zu verrichten, doch dieser weigerte sich.912 Die daraufhin erfolgte zeitweilige Vertretung Webers durch den Kaplan von Stadtsteinach913 war allerdings nicht erfolgreich, da dieser das Abendmahl wie sein Vorgänger unter beiderlei Gestalt austeilte. Dies begründete er einerseits mit dem Drängen der Gemeindemitglieder und des lokalen Adels und andererseits damit, dass ihm sein Getreide verbrannt und er deshalb auf sein Pfarrvolk und den Adel angewiesen sei.914 909 AEB Rep. I Nr. 738 fol. 93v, 19. November 1607. 910 Ebd. fol. 94r, 22. November 1607. 911 In Grafengehaig gab es zunächst nur eine Frühmesse, die sich aber de facto als lutherische Pfarrei etablieren konnte. Einzelnachweise s. Kapitel 4 und im Folgenden. 912 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johannes Hofmann, Pfarrer von Stadtsteinach an Sigmund Lorenz von Wildenstein, Amtmann von Kupferberg, 6. Juli 1598. 913 Stadtsteinach war ca. 10 km von Grafengehaig entfernt und der Hauptort der Pfarrei. 914 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johannes Hofmann, Pfarrer von Stadtsteinach an Sigmund Lorenz von Wildenstein, Amtmann von Kupferberg, 6. Juli 1598.

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Sowohl im Jahre 1575 als auch im Jahre 1581 versuchten die Bamberger Bischöfe, in Grafengehaig einen Katholiken als Frühmesser einzusetzen. Beide Mal scheiterte es daran, dass die Dorfbewohner drohten, ihre Zehnten und andere Pfarrgerechtigkeiten einzubehalten.915 Die Bevölkerung von Grafengehaig hatte bei der ersten dieser versuchten Pfarrauswechselungen deutlich zu verstehen gegeben, dass sie großen Wert auf das Abendmahl unter beiderlei Gestalt legte: »so wurden wir mit dem hochwürdigen sacrament verkurzt, derwegen gelangt an E[ure] E[minenz] unser demütig und hochvleissig bitten, die wöllen uns wider versorgen lassen, wie nun in die 23 jahr geschehen, dan wahr ist es, das in unsers gnedigen fürsten und herrn von bamberg pfarrkirchen in vill ortten ja auch bei unsern anstossenden nachparn presseckh und enchenreut, da auch wir es itzt suchen müssen, der gebrauch ist daß man das sacrament in zweyerley gestalt raichen thut«.916

Die Hochstiftsleitung musste es dabei belassen, den Frühmesser wegen verschiedener Dinge zu kritisieren: Er wolle keinen guten Rat des Stadtsteinacher Pfarrers annehmen, er nutze das Brandenburgische Taufbuch, taufe auf Deutsch, besitze keine katholischen Bücher und auch sonst sei seine Lebensführung mehr als nachlässig.917 Eine Veränderung in der Pfarrbesetzung konnte man damit gleichwohl nicht erreichen. Zudem kam es bei dem Versuch der Absetzung von 1581 durch den Bamberger Fiskal und Generalvikar Nikolaus Curtius zu einer folgenschweren Vermittlung zwischen dem Stadtsteinacher Pfarrer einerseits und dem Frühmesser und dem Grafengehaiger Pfarrvolk andererseits: Der Frühmesser sollte in Zukunft ganz offiziell alle Zeremonien in Grafengehaig, also auch Taufen, Austeilung weiterer Sakramente, Wochenpredigten etc. selbst übernehmen.918 Im Gegenzug versprachen die Dorfbewohner, ihre Gebühren nach Stadtsteinach und nach Bamberg zu geben. Dies erhob Grafengehaig zwar nicht de iure in den Rang einer eigenen Pfarrei, aber de facto war die größtmögliche Unabhängigkeit von Stadtsteinach vereinbart worden. Zudem erweiterten sich so die Zuständigkeiten der beiden adeligen Familien.919 915 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Neithart, 15. Januar 1598. 916 Ebd. Das Kirchspiel Grafengehaig an Johann Angermann, Pfarrer von Stadtsteinach, 18. September 1575. 917 Ebd. Johann Angermann, Pfarrer von Stadtsteinach an Fiskal Johann Neidecker, 20. Februar 1576. 918 Rupprecht, Herrschaftswahrung, S. 284. 919 Rupprecht, Grafengehaig, S. 247. Es war zwar nicht unüblich, dass Filialkirchen von einem eigenen Priester betreut wurden, der mit bestimmten pfarrlichen Rechten ausgestattet wurde, doch eine Ausgliederung der Filialkirche aus der Mutterkirche erfolgte dadurch nicht (Krämer, Pfarrei, Sp. 163).

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Als 1587 ein neuer lutherischer Pfarrer920 namens Joseph Kempf von den Familien von Wildenstein und von Guttenberg eingesetzt wurde, gaben gemäß der 1581 ausgehandelten Vereinbarung der Amtmann von Kupferberg und der bambergische Rat Gerhard von Luschwitz ihre Zustimmung.921 Obwohl Kempf folglich mit hochstiftischer Zustimmung ins Amt gekommen war, versuchte Bischof Neithart, diesen wieder abzusetzen und einen Katholiken in Grafengehaig ins Amt zu bringen. Nachdem Joseph Kempf bereits etliche Male ermahnt worden war, seine Stelle zu räumen, sollte er 1596 verhaftet werden und erst nach dem Schwur einer Urfehde wieder freikommen.922 Allerdings hatte der Amtmann von Kupferberg wohl keinen Erfolg, da er im folgenden Jahr eine erneute Verhaftung versuchte. Bevor er aber diese zweite Verhaftung in die Wege leiten konnte, erschienen drei Diener der von Wildenstein und von Guttenberg, um deutlich zu machen, dass es sich um deren Pfarrer handele und nicht um einen bischöflichen. Der Kupferberger Amtmann vermutete, dass die Verhaftung oder Ausweisung des Prädikanten generell schwierig werden würde, weil sich die beiden adeligen Familien sehr um ihn bemühten.923 Dies sollte sich in den nächsten Jahrzehnten durchaus bewahrheiten. Im Frühjahr 1598 wiederholte sich das bekannte Muster : Neithart befahl die Verhaftung Kempfs und die Einsetzung eines Katholiken.924 Der Kupferberger Amtmann wurde aber nicht persönlich bei Kempf vorstellig, sondern forderte ihn schriftlich auf, sein Haus und seine Stelle zu räumen. Offenbar war Kempf einer vorherigen Aufforderung, beim Amtmann zu erscheinen, nicht nachgekommen.925 Es erscheint nachvollziehbar, dass der Amtmann die Absetzung des Pfarrers nicht mit voller Kraft verfolgte, da er selbst ein Mitglied der Familie von Wildenstein war und entsprechend die Balance halten musste zwischen seiner Amtsloyalität und seiner Familienzugehörigkeit. Der Pfarrer wendete sich an die Familien von Guttenberg und Wildenstein,

920 Auf Grund der erweiterten Befugnisse des Frühmessers wird in Zukunft der Begriff Pfarrer verwendet. 921 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 »copia vertrags betreffend die aufstellung eines pasthors zu grafengehaig«, 5. Juli 1587. 922 StABa B 49 Nr. 58/07 Bischof Neithart an Sigmund Lorenz von Wildenstein, Amtmann von Kupferberg, 19. Mai 1596. 923 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Verordneter Befehlshaber des Amts Kupferberg an Bischof Neithart, 14. November 1597. 924 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Die Gemeinde Grafengehaig und alle dorthin eingepfarrten Dörfer an die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein, 29. Mai 1598. 925 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Sigmund Lorenz von Wildenstein, Amtmann von Kupferberg an Joseph Kempf, Pfarrer von Grafengehaig, 4. Mai 1598.

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die ihrerseits an den Bischof appellierten, ihren Prädikanten nicht anzutasten.926 Da aber offenbar keine Antwort erfolgte, schrieben die beiden Familien vier Wochen später erneut nach Bamberg.927 Der Tod Neitharts im Dezember 1598 brachte den Grafengehaigern zunächst eine Ruhephase. In den folgenden zwei Jahrzehnten wurde stets der Tod des Grafengehaiger Prädikanten als Anlass genommen, einen neuen Versuch zur Einsetzung eines katholischen Geistlichen zu machen. Im Juli 1600 machte der ehemalige Generalvikar Erhard Dentzel, der inzwischen Oberpfarrer von Stadtsteinach geworden war, den neuen Bischof Johann Philipp darauf aufmerksam, dass der Prädikant in Grafengehaig gestorben sei. Er empfahl, die beiden Adelsfamilien nach Bamberg kommen zu lassen, da die Vakanz eine gute Gelegenheit sei, um den Sachverhalt der Pfarreieinsetzung zu klären. Seiner Meinung nach sei Grafengehaig eine Filiale seiner Pfarrei Stadtsteinach, zudem sei die Einsetzung des Pfarrers durch die Adeligen eine Verletzung der bischöflichen Jurisdiktion.928 Die zwei Adelsfamilien lehnten es aber mehrmals ab, nach Bamberg zu kommen und setzten einen lutherischen Kulmbacher namens Pankratz Pößnecker als neuen Pfarrer ein.929 Die Ritter rechtfertigten sich vor dem Bischof damit, dass sie lediglich ihr althergebrachtes Patronatsrecht ausübten. Zudem erlaube ihnen der Augsburger Religionsfriede durchaus, einen lutherischen Pfarrer einzusetzen. Die adeligen Familien versprachen, dass der eingesetzte lutherische Kandidat wie gewöhnlich seine Gebühren nach Bamberg verrichten würde und auch weiterhin die üblichen Abgaben nach Stadtsteinach bezahlen wollte.930 In den folgenden Jahren gab es immer wieder Streit um bezahlte oder nicht bezahlte Abgaben, außerdem um die Frage, ob die Grafengehaiger Gotteshausrechnung unter Anwesenheit eines Stadtsteinacher Pfarrers abgehört werden

926 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Neithart, 2. Mai 1598. 927 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Neithart, 30. Mai 1598. Eine genaue Analyse der Argumente der beiden Adelsfamilien s. u. Kapitel 6.6. 928 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Erhard Dentzel, Pfarrer von Stadtsteinach an Bischof Johann Philipp, nach dem 4. Juli 1600 (ohne genaues Datum). 929 Ebd. Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Johann Philipp, 15. Juli 1600; ebd. Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Johann Philipp, 19. August 1600; ebd. Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Johann Philipp, 5. Oktober 1600. Der neue Prädikant wurde schnell integriert, nur wenige Monate nach seiner Einsetzung heiratete er die Tochter des Prädikanten des benachbarten Ortes Guttenberg (ca. 7 km entfernt) (LAELKB Nr. 341 – 1 Guttenberg, 25. November 1600). 930 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Johann Philipp, 5. Oktober 1600.

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musste oder nicht.931 Das Wirken des Prädikanten ließ sich aber nicht verhindern.932 1616 informierte der Stadtsteinacher Kastner Johann Frankenberger Bischof Johann Gottfried über den Tod des Grafengehaiger Pfarrers und betonte, dass man nun – da der Ort eine Filiale von Stadtsteinach sei, in der bischöflichen Jurisdiktion liege und zudem auch einen Zehnt nach Stadtsteinach gebe – versuchen könnte, einen Katholiken einzusetzen, dafür bedürfe es aber eines Befehls an den Amtmann.933 Die Argumente waren also nicht neu und bereits etliche Male zum Einsatz gekommen. Der Versuch schlug fehl, aber auch der neu eingesetzte lutherische Pfarrer gab weiterhin seine seine jährliche Steuer und seine Gebühren nach Bamberg.934 Die Gründe für den Fehlversuch sind nicht völlig klar. Am wahrscheinlichsten ist, dass der nötige Befehl an den Amtmann niemals ausgestellt wurde. Das Muster wiederholte sich 1621.935 Wie gehabt zahlte der Prädikant Gebühren nach Bamberg,936 wie auch seine Gemeinde ihren Zehnten nach Stadtsteinach gab.937 Ein abweichendes Muster trat erst 1625 auf, als der Bamberger Bischof Johann Georg vor dem Hintergrund der Kriegsereignisse vorgehen konnte. Durch die Siege der kaiserlich-katholischen Truppen war er in einer deutlich stärkeren 931 AEB Rep. I Nr. 741 fol. 78v, 24. Januar 1613; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Bischof Johann Gottfried, 29. März 1616; ebd. Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Bischof Johann Gottfried 9. April 1617. 932 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Relation die Frühmesse von Grafengehaig betreffend mit Zusammenfassung der einschlägigen Schreiben; AEB Rep. I Nr. 741 fol. 78v, 24. Januar 1613; ebd. fol. 91v, 21. Februar 1613. 933 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Bischof Johann Gottfried 29. März 1616. Allerdings musste Frankenberger dies in einem Schreiben vom gleichen Tag wieder zurücknehmen, der Pfarrer war zwar schwer erkrankt, aber noch nicht tot. 934 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Bamberger Statthalter, Kanzler und Räte, 22. August 1619. Nach der Wahl zum Würzburger Bischof hielt Johann Gottfried sich vermehrt dort auf (s. Kapitel 3.2.1 und 3.3.1). 935 AEB Rep. I Nr. 744 fol. 269v, 18. März 1621; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Sebastian Lang, Vogt von Marktleugast an Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach, 3. April 1621. 936 Mindestens kurios erscheint an dieser Stelle eine Episode, die viel über die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der gemischtkonfessionellen Nachbarschaft um Grafengehaig aussagt: Der Kastner von Stadtsteinach überschickte im Oktober 1624 die Steuer, die der Grafengehaiger gegeben hatte; seine Kommendgebühr wollte dieser aber erst zahlen, wenn er aus Bamberg auch einen Nachweis bekommen hatte, dass er der Inhaber der Pfarstelle sei, denn dies sei nicht nur bei seinen Vorgängern so gewesen, er habe sich auch bei den katholischen Geistlichen in seiner Umgebung erkundigt, die ihm geraten hätten, erst zu bezahlen, wenn er das Dokument habe. (StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Fiskal Wolfgang Öttlein, 5. Oktober 1624). 937 AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien, 1624 »pfarr greffengehey«; StABa B 49 Nr. 181/36 »resolutio punctorum paroeciam stainacensem concernentium«, 28. Februar 1624; AEB Rep. I Nr. 745 fol. 206r, 13. September 1624.

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Position als vorher. Zudem hatte der Bamberger Bischof 1624 ein kaiserliches Mandat an die Ritter erwirken können, die der katholischen Kirche entzogenen Pfarreien zurückzugeben.938 Im April 1625 nahmen die von Guttenberg und Wildenstein einen neuen Prädikanten in Grafengehaig an.939 Zwei Monate später ordnete Bischof Johann Georg Fuchs von Dornheim dessen Verhaftung an. Eine Freilassung sollte nur erfolgen, wenn dieser zustimmte, das Stift zu verlassen, außerdem sollten die beiden Adelsfamilien einen Katholiken einsetzen.940 Der Prädikant namens David Pitterlein wurde zeitnah gefangen genommen. In der Haft schwor er, seine Stelle sofort aufzugeben.941 Dennoch bezweifelte der Stadtsteinacher Kastner, dass dieser sich daran halten würde, ebenso bezweifelte er, dass die Ritterfamilien nun einen Katholiken einsetzten.942 Der Bischof forderte die beiden Adelsfamilien auf, innerhalb von acht Tagen einen Katholiken für die Stelle zu benennen. Er betonte, er mache ihnen ihr Besetzungsrecht nicht streitig, er fühle sich aber in seiner geistlichen Jurisdiktion eingeschränkt, wenn er jemanden bestätigen müsse, der ihm unannehmbar erscheine. Deswegen könne er keinen Protestanten bestätigen.943 Einen Katholiken lehnten die beiden Familien aber ab und präsentierten erneut David Pitterlein in Bamberg.944 Zur Stärkung ihrer Position zogen sie die folgenden sechs Argumente heran: (1) Der Bischof habe ihr Patronatsrecht grundsätzlich anerkannt. (2) In Grafengehaig werde schon immer die lutherische Konfession ausgeübt und dies sei in Bamberg durch Bestätigung der Präsentation akzeptiert worden. (3) Sie seien selbst lutherisch und könnten so ihre Untertanen nicht in eine andere Konfession drängen, zudem würde dies das Gewissen der Untertanen beschweren. (4) Der Bischof habe selbst kaum Untertanen in dieser Pfarrei,945 also würde fast niemand Geld an den Pfarrer für die Ausführungen pfarrlicher Handlungen geben. Deswegen könne der Priester seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. (5) Gemäß dem Augsburger Religionsfrieden dürften sie einen Prädikanten annehmen. (6) Es gebe mehrere Beispiele dieser Kon-

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Wüst, Reichsritterschaft, S. 137. AEB Rep. I Nr. 745 fol. 279r, April 1625. Ebd. fol. 305v, 3. Juni 1625. AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Revers von David Pitterlein, Prädikant in Grafengehaig, 21. Juni 1625. StABa B 49 Nr. 181/36 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Fiskal Wolfgang Öttlein, 30. Juni 1625. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Bischof Johann Georg an die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein, 5. Juli 1625. Ebd. Georg Claus von Wildenstein, Ernst von Wildenstein, Wolf Wilhelm von Guttenberg und Wilhelm von Guttenberg an Bischof Johann Georg, 7. Juli 1625. Im Ort Grafengehaig selbst hatte der Bischof überhaupt keine Untertanen, aber einige in den zur Pfarrei gehörigen kleineren Dörfern.

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stellation, bei denen jemand dieselben Rechte hätte wie der Bischof an Grafengehaig und bei denen der Prädikant akzeptiert worden sei.946 Da die Ritter ihre Weigerung aufrecht erhielten, eskalierte die Lage in zwei aufeinander folgenden Phasen. In der ersten Phase wurde in Grafengehaig ein katholischer Gottesdienst durch den Pfarrer von Kupferberg durchgeführt, der von 30 Musketieren geschützt wurde. Nach deren Abzug wurde am selben Ort ein lutherischer Gottesdienst durchgeführt.947 In einer zweiten Phase steigerte der Bischof den Einsatz von Gewaltmitteln, um den Pfarrerwechsel zu erreichen. Zunächst forderte der Vogt von Marktleugast erneut vor Ort in Grafengehaig und trotz Protesten des Wildensteiner Schreibers den Pfarrer auf, das Pfarrhaus zu räumen und die vorhandenen Pfarrgüter nicht anzurühren.948 Da der Lutheraner aber weiter predigte und auch die Pfarreinkünfte nutzte949, wurde er im Herbst 1625 mit Gewalt aus dem Pfarrhaus entfernt. Sein katholischer Nachfolger wurde der vorherige Kaplan von Kronach, Johannes Örtel.950 Örtel konnte sich die folgenden Jahre in Grafengehaig nur halten, weil er von den weltlichen bischöflichen Beamten geschützt und auch unterstützt wurde. Zudem wurde schnell klar, dass die Einsetzung des Priesters nicht das eigentlich Schwierige an der Unternehmung gewesen war. Als erstes neues Problem zeigte sich, dass die von Wildenstein in der kurzen Zeit zwischen Ausweisung des alten und Einsetzung des neuen Pfarrers den Kirchenornat aus der Kirche entfernt hatten, außerdem auch Dokumente, Geld und Lebensmittel, sogar den Hausrat.951 Während der Einsetzung hatte bereits der Schreiber der von Wildenstein protestiert und verlauten lassen, da die Adelsfamilie den neuen Priester nicht eingesetzt habe, sehe sie sich auch nicht in der Pflicht, ihn mit Geld und Nah-

946 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Georg Claus von Wildenstein, Ernst von Wildenstein, Wolf Wilhelm von Guttenberg und Wilhelm von Guttenberg an Bischof Johann Georg, 7. Juli 1625. 947 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 319r, 17. Juli 1625. 948 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Sebastian Lang, Vogt von Marktleugast an Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach, 23. Juli 1625. 949 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 331r, 4. August 1625; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Fiskal Wolfgang Öttlein, 24. September 1624. 950 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Bischof Johann Georg an Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach, 6. Oktober 1625; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Bischof Johann Georg an Johannes Örtel, Kaplan in Kronach, 6. Oktober 1625; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Bischof Johann Georg, 13. Oktober 1625. 951 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Bischof Johann Georg, 13. Oktober 1625; Ebd. Sebastian Lang, Vogt von Marktleugast an Fiskal Wolfgang Öttlein, 13. Oktober 1625.

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rungsmitteln auszustatten.952 Zudem verboten die Adelsfamilien ihren Untertanen, den Priester zur Seelsorge anzurufen oder in die Kirche zu gehen.953 Der abgeschaffte Prädikant Pitterlein hatte indes Aufnahme auf dem Schloss zu Schlopp954 gefunden, wo er weiterhin Gottesdienst hielt, den auch die Grafengehaiger besuchten.955 Auch die Tatsache, dass der Vogt dem Priester zwei Bewaffnete mitgeben sollte, illustriert die aufgeladene Situation.956 Diese Vorsichtsmaßnahme wurde nicht zu Unrecht getroffen, nur wenige Tage nach der Einsetzung Örtels kam es offenbar zu einem von Ernst von Wildenstein angeordneten nächtlichen Überfall, der in einem Schusswechsel mündete. Es gelang dem Priester aber auf eine nicht näher bekannte Art, den Vogt zu alarmieren, der mit Bürgern aus Marktleugast anrückte und drei Grafengehaiger verhaftete.957 Die drei Verhafteten gaben an, dass sie auf Anweisung Ernst von Wildensteins gehandelt hätten.958 Auch wenn gewaltsame Überfälle auf den Priester die Ausnahme blieben, musste sich Örtel doch die nächsten Jahre mit den Mühen der Sterblichen plagen. Die von Wildenstein und von Guttenberg nutzten die Tatsache, dass der Priester wirtschaftlich von ihnen und ihren Untertanen abhängig war. Sie verboten zum Beispiel ihren Untertanen, dem Pfarrer die nötigen Kühe zu geben, ohne die er aber seine Felder nicht bestellen konnte.959 Häufig bat Örtel in den sechs Jahren in Grafengehaig in Bamberg um mehr Geld und Nahrungsmittel, zudem fehlten Teile der Kirchenausstattung, was ihm das Abhalten der Zeremonien erschwerte. Wiederholt gab er in Bamberg an, dass er bedroht und verhöhnt würde und er Angst um sein Leben habe.960 Zudem hielten sich die 952 Ebd. Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Bischof Johann Georg, 13. Oktober 1625. 953 Ebd. Sebastian Lang, Vogt von Marktleugast an Fiskal Wolfgang Öttlein, 13. Oktober 1625. 954 Das Schloss Schlopp wurde von der Familie von Wildenstein bewohnt und lag knapp 3 km von Grafengehaig entfernt. Zu Schlopp als Auslaufziel s. Kapitel 6.3. 955 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Extrakt aus einem Brief des Priesters Johannes Örtel an Johann Frankenberger, Kastner zu Stadtsteinach, 1625 (ohne genaues Datum). 956 Ebd. Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Bischof Johann Georg, 13. Oktober 1625. 957 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 366r, Oktober 1625. Unklar ist, ob und wenn ja, inwiefern eine Übertreibung der Situation seitens des Priesters angenommen werden muss. 958 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Fiskal Wolfgang Öttlein, 20. Oktober 1625. Nicht überliefert ist, ob und wie die drei gestraft wurden. 959 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Fiskal Wolfgang Öttlein, 25. Februar 1626. 960 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 370r – 370v, 30. Oktober 1625; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Fiskal Wolfgang Öttlein, 25. November 1625; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Johann Frankenberger, Kastner von

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Untertanen an das Verbot ihrer Herrschaft und kamen nicht in den katholischen Gottesdienst.961 Örtel wurde Opfer der ungeklärten Zuständigkeiten zwischen den Adelsfamilien und dem Bamberger Bischof. Auf eine seiner Beschwerden, dass er zu wenig zum Leben habe, antwortete der Bischof, da die von Wildenstein und Guttenberg das Patronat in Grafengehaig haben, seien auch diese beiden Familien für eine ausreichende Entlohnung zuständig und nicht er.962 Die beiden Adelsfamilien weigerten sich allerdings, ihn ausreichend zu entlohnen. Deswegen bemühte sich Örtel, die Stelle in Grafengehaig wieder zu verlassen und sich auf sein Beneficium in Kronach zurückzuziehen. Die Guttenberg und Wildenstein wurden aufgefordert einen neuen Katholiken für die Stelle zu benennen.963 Vermutlich ignorierten sie diese Aufforderung, denn Örtel blieb in Grafengehaig.964 Der Priester versuchte beständig, seine wirtschaftliche Lage zu verbessern, doch über das Einkommen der Pfarrei konnte er nur wenig herausfinden, da die Adelsfamilien sich weigerten, die entsprechenden Dokumente herauszugeben.965 Die Verweigerungshaltung der Grafengehaiger hatte für den Priester ebenfalls wirtschaftliche Konsequenzen: Er hatte keine Gotteshauspfleger, folglich auch niemanden, der darauf achtete, dass Zinsen und Schulden gezahlt wurden.966 Auch wurde von Bischof Johann Georg zuweilen angeordnet, man solle den von den Adelsfamilien entfernten Kirchenornat zurückholen,967 jedoch schlugen diese Versuche fehl. Noch fünf Jahre nach der Einsetzung Örtels beschwerte sich

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Stadtsteinach an Fiskal Wolfgang Öttlein, 6. Januar 1626; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Fiskal Wolfgang Öttlein, 21. Juli 1626; AEB Rep. I Nr. 745 fol. 524r, 5. Oktober 1626; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 »Provisor zu Grafengehaig Gravamina«, 20. Mai 1627; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Fiskal Wolfgang Öttlein, 10. Januar 1628; ebd. Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Geistliche Räte, 13. Mai 1628; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Geistliche Räte, 17. Juli 1628; StABa B 49 Nr. 95-I/01 »capitulum rurale chronacense 1a july anno 1629 in chronach celebratu«; AEB Rep. I Pf.A. Nr. 197 Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Geistliche Räte, 21. Februar 1630. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Fiskal Wolfgang Öttlein, 21. Juli 1626. AEB Rep. I Nr. 745 fol. 522r, 5. Oktober 1626. Ebd. fol. 508r, 17. September 1626. AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Bischof Johann Georg an Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig, 28. Januar 1627. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten 548 Sebastian Lang, Vogt zu Marktleugast: »Verzeichnis des Einkommens der Pfarrei oder Frühmess Grafengehaig«, 8. Oktober 1626. Ebd. Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Geistliche Räte, 15. Mai 1627. Örtel gab an, dass mit den nicht zurückgezahlten Schulden der Prädikant in Schlopp bezahlt würde, allerdings lässt sich das nicht nachweisen. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Bischof Johann Georg an Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach, 26. Mai 1627.

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der Vogt von Marktleugast, dass der Kirchenornat immer noch nicht zurückgegeben worden sei.968 Die Klagen Örtels, dass die Grafengehaiger nach Schlopp zu ihrem alten Prädikanten zum Gottesdienst gingen und ihm damit seine Gebühren und Gerechtigkeiten entzogen,969 verhallten in Bamberg ungehört. Im September 1627 bat Örtel erneut darum, Grafengehaig verlassen und sich auf sein Beneficium in Kronach zurückziehen zu dürfen, aber diese Bitte wurde ihm verweigert.970 Weitere Versetzungsgesuche 1629 und 1630 wurden ihm gleichfalls abgeschlagen.971 Eine Ausnahme machten die Grafengehaiger aber bei dem Boykott des Priesters: Er führte Beerdigungen durch.972 Dies ließ sich nicht vermeiden. Zudem wäre es für den Prädikanten wohl zu gefährlich gewesen, seine Zuflucht in Schlopp zu verlassen. Auch wenn die Grafengehaiger die Dienste des Priesters für die Bestattung der Toten in Anspruch nahmen, lief dies nicht ohne Konflikte ab. Die Dorfbewohner beschwerten sich, dass der Priester die Gebühren für eine Beerdigung verdoppelt habe, den Schulmeister als Ersatz schickte, wenn man zu wenig gab und sich keine Mühe bei den Begräbnissen gäbe.973 Örtel seinerseits gab an, dass er weniger Gebühren verlange als sein lutherischer Vorgänger.974 Örtel selbst scheint sich aber nicht oder zumindest nicht immer als vorbildlicher Priester verhalten zu haben. Im Februar 1630 musste er nach Bamberg kommen, nachdem der Kastner von Stadtsteinach und der Vogt von Marktleugast seinen Lebenswandel als ärgerlich und unchristlich gemeldet hatten.975 Er verblieb einige Tage in Haft und wurde dann ermahnt, sich in Zukunft ordentlich zu verhalten und vor allem seine Konkubine abzuschaffen.976 Er selbst rechtfertigte sich damit, dass sein Verhalten den schwierigen Umständen der letzten Jahre geschuldet sei, gleichwohl versprach er, sich in Zukunft tugendhaft zu benehmen.977 Dennoch gab im Herbst 1630 der Kastner von Stadtsteinach zu bedenken, dass man unbedingt einen neuen Priester brauche, wenn die Pfarrei rekatholisiert werden solle. Im Geistlichen Rat wurde daraufhin beschlossen, die Pfarrei 968 969 970 971 972 973 974 975 976 977

Ebd. Andreas Wich, Vogt von Marktleugast an Geistliche Räte, 5. August 1630. Ebd. Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Fiskal Wolfgang Öttlein, 10. Januar 1628. AEB Rep. I Nr. 745 fol. 650r, 7. September 1627. AEB Rep. I Nr. 746 fol. 158r, 17. Mai 1629; ebd. fol. 281r, 8. August 1630. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Die ganze Gemeinde von Grafengehaig an Wolf Wilhelm und Hans Christoph von Guttenberg und Ernst von Wildenstein, 2. Juni 1628. Ebd. Ebd. Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig und Sebastian Lang, Vogt von Marktleugast an Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach, 25. Juli 1628. AEB Rep. I Nr. 746 fol. 235r – 235v, 14. Februar 1630. Ebd. fol. 240v, 23. Februar 1630. AEB Rep. I Pf.A. Nr. 197 Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Geistliche Räte, 21. Februar 1630.

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zügig umzubesetzen unter der Voraussetzung, dass überhaupt ein anderer Priester aufzutreiben wäre.978 Im Oktober 1630 konnte der Nachfolger Örtels, Johann Weigand, eingesetzt werden. Dies geschah ohne die Mitsprache der Patronatsherren.979 Allerdings spürte auch Weigand schnell, dass die formelle Einsetzung noch nicht die schwierigste Aufgabe gewesen war. Bereits im Januar 1631, etwa zwei Monate nach seiner Einsetzung, suchte er das erste Mal darum an, ihm entweder mehr Geld zu geben oder ihn gleich zu versetzen.980 Diese Bitte wiederholte er im Jahresverlauf mehrfach.981 Außerdem beklagte er sich wie sein Vorgänger darüber, dass seine Gemeinde ihn mitnichten als Pfarrer annehme und ihn stattdessen mit Beschimpfungen begegnete.982 Unklar ist, wie die pfarrliche Entwicklung während des Dreißigjährigen Kriegs zu beurteilen ist. Bischof Franz gab 1636 in einem Brief an seine Statthalter zu bedenken, dass Grafengehaig 1624 rekatholisiert worden sei und deswegen beim katholischen Glauben gehalten werden könne,983 bis zum Ende des Dreißijährigen Krieges wurde Grafengehaig offiziell wohl von einem Priester versorgt.984 Allerdings beklagte sich im August 1636 der Priester der nahegelegenen Orte Enchenreuth (ca. 11 km von Grafengehaig entfernt) und Presseck (ca. 4 km entfernt), dass Angehörige seiner Pfarreien an den Feiertagen nach dem alten Kalender zu dem Prädikanten von Grafengehaig ausliefen. Er vermutete, dass es in seiner Pfarrei keine Ausübung der katholischen Konfession geben könne, so lange er einen lutherischen Pfarrer in der direkten Nachbarschaft habe.985 Es hat also mindestens inoffiziell ab 1636 wieder einen lutherischen Gottesdienst in Grafengehaig gegeben. Diese Vermutung wird durch die

978 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 289r, 10. September 1630. 979 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Vergleich zwischen Johannes Örtel, abberufener Pfarrer von Grafengehaig und Johann Weigand, neuer Pfarrer von Grafengehaig vor dem Bamberger Vikariatsgericht, 25. Oktober 1630. 980 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 315r, 16. Januar 1631. 981 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johann Weigand, Pfarrer von Grafengehaig an Fiskal Philipp Pessler, 7. März 1631; ebd. Johann Weigand, Pfarrer von Grafengehaig an Geistliche Räte, 6. April. 1631. 982 Ebd. Johann Weigand, Pfarrer von Grafengehaig an Fiskal Philipp Pessler, 4. August 1631. 983 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Bischof Franz an Statthalter in Bamberg, 16. Juni 1636. Im Prager Frieden war 1635 als Stichtag der 12. November 1627 verabredet worden, d. h. Grafengehaig hätte, da das Dorf zu diesem Zeitpunkt nicht protestantisch war, auch in Zukunft katholisch bleiben müssen (Schormann, Dreißigjähriger Krieg, S. 257 f.). Unklar ist, warum Bischof Franz 1624 statt richtigerweise 1625 angab. 984 Rupprecht, Grafengehaig, S. 252. 985 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 585 Johann Oratz, Pfarrer von Enchenreuth und Presseck an Christoph Bätzendörffer, Geistlicher Rat, 16. August 1636.

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Tatsache erhärtet, dass sich auch 1638 ein benachbarter Priester darüber beklagte, dass Teile seiner Gemeinde nach Grafengehaig ausliefen.986 Die nächsten Jahre können auf Grund der schlechten Quellenlage nur schlaglichtartig beleuchtet werden: 1643 forderte Bischof Melchior Otto Ernst von Wildenstein auf, die Pfarrei Grafengehaig katholisch zu besetzen und den Prädikanten vor Ort abzuziehen. Er begründete dies mit dem Hinweis, Grafengehaig sei einerseits eine Filiale nach Stadtsteinach, andererseits sei der Ort weit vor 1627 mit einem Priester besetzt gewesen.987 Ein Jahr später war Grafengehaig aber immer noch ohne Priester.988 Nach dem Westfälischen Frieden konnten die Patronatsherren auf einen lutherischen Geistlichen bestehen, da der erste Priester erst nach dem Normaljahr eingesetzt worden war. Versuche, einen Katholiken einzusetzen, gab es nach 1648 nicht mehr.989 Allerdings musste der Prädikant weiterhin seine Gebühren nach Bamberg entrichten.990 Insgesamt betrachtet hat sich gezeigt, dass zwischen den 1560er und den 1620er Jahren die Einsetzung eines Priesters mindestens einmal pro Jahrzehnt versucht worden ist. In den meisten Fällen geschah dies nach dem Tod des lutherischen Geistlichen. Offensichtlich erschien es den Bamberger Bischöfen einfacher, eine vakante Stelle mit einem Katholiken zu besetzten als einen bereits vorhandenen Prädikanten zu vertreiben. Einen zeitlichen Schwerpunkt setzte Neithart in den Jahren 1596 – 98. Die Voraussetzungen waren indes ungünstig, da die Bamberger Bischöfe keine eigenen Untertanen in dem ritterschaftlichen Pfarrdorf besaßen, folglich keine Vogtei ausübten und zudem auch das Patronatsrecht nicht innehatten. Entsprechend gelang der Pfarraustausch erst 1625. Einerseits war jetzt die politische Gesamtlage günstig: Katholische Truppen waren bisher siegreich gewesen, zudem waren genügend katholische Soldaten vor Ort stationiert, die entsprechend eingesetzt werden konnten. Andererseits war mit Bischof Johann Georg offensichtlich ein Mann an die Regierung gekommen, der bereit war, diese Vorteile auch entsprechend zu nutzen. Wird die Frage des Verhältnisses von Ankündigung und Durchsetzungen betrachtet, lässt sich konstatieren, dass in den allermeisten Fällen die Einsetzung eines Priesters zwar gefordert und angekündigt, aber in der Regel nicht durchgeführt wurde. Dies lag sicherlich phasenweise auch an dem zuständigen 986 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Anton Schmidt, Pfarrer von Zeyern an Geistliche Räte, 17. Januar 1638; ebd. Anton Schmidt, Pfarrer von Zeyern an den Geistlichen Verwalter Niclaus Reiblein, 6. Februar 1638. 987 Ebd. Bischof Melchior Otto an Ernst von Wildenstein, 28. April 1643. 988 StABa B 49 Nr. 181/33 Fragepunkte zur Pfarreivisitation, 1644. 989 Lediglich der Tod des alten Prädikanten wurde noch weiterhin nach Bamberg gemeldet: AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Amtmann von Kupferberg und Kastner von Stadtsteinach an Bischof Philipp Valentin, 1. März 1663; ebd. Michael Reuter, Verwalter zu Heinersreuth an die Geistlichen Räte, 20. Juli 1697. 990 Zeissner, Bistum Bamberg, S. 29.

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Amtmann, der aus der gleichen Familie stammte wie die Grafengehaiger Patronatsherren und damit in der schwierigen Lage war, sowohl seiner Familie als auch seinem Arbeitgeber gegenüber loyal sein zu müssen. In der Folge war deutlich zu erkennen, dass die Ausführung der Rekatholisierungsmaßnahmen auf den Kastner des nahe gelegenen Ortes Stadtsteinach übertragen wurde. Allerdings konnte auch dieser erst agieren, als er bedingt durch den Dreißigjährigen Krieg die Kräfte der vor Ort stationierten Soldaten nutzen konnte. Die Zielgruppe der Maßnahme lässt sich deutlich definieren: Sie sprach alle Einwohner des Ortes an. Jeder sollte in Zukunft bei dem katholischen Pfarrer die pfarrlichen Handlungen durchführen lassen. Bei Anlass und Effektivität der Maßnahme ergeben sich interessante Gesichtspunkte. Der Anlass des Pfarraustausches war eindeutig: Rekatholisierung konnte nicht funktionieren, wenn der Geistliche vor Ort nicht katholisch war, also musste ein Austausch stattfinden. Als effektiv stellte sich diese Maßnahme aber dennoch nicht heraus. Es zeigte sich schnell, dass durch die Einsetzung des Katholiken allein nichts erreicht worden war, da der Priester kaum Handlungsspielraum hatte. Durch die wirtschaftliche Abhängigkeit des Pfarrers von den Dorfbewohnern und den adeligen Patronatsherren und dem Boykott durch die Bevölkerung konnte der anwesende Priester nur wenig für die Rekatholisierung tun. Es zeigt sich also deutlich, dass die Einsetzung eines Priesters nötig, aber für sich genommen noch nicht wirkmächtig genug war, um in Grafengehaig die Rekatholisierung zu erreichen. Rugendorf In Rugendorf hatten sowohl katholische als auch protestantische Herrschaftsträger Grundbesitz, die jeweils versuchten, ihre Konfession durchzusetzten, wobei sich die Zusammensetzung der Herrschaftsträger im Laufe des Untersuchungszeitraumes änderte. Im Ganzen betrachtet gelang es dem Bamberger Bischof hier ähnlich wie in Grafengehaig, seine Position nur während einiger Kriegsjahre durchzusetzen. Die ritterschaftliche Familie von Waldenfels hatte in Rugendorf bereits vor dem Augsburger Religionsfrieden ein lutherisches Kirchenwesen errichtet.991 1596 beschwerte sich der Pfarrer des nahe gelegenen Ortes Stadtsteinach (ca. 6 km von Rugendorf entfernt) bei Generalvikar Erhard Dentzel, dass es in Rugendorf keinen katholischen Geistlichen gebe, obwohl der Abt des Klosters Banz das Patronatsrecht für diese Pfarrei habe.992 Aus Bamberg folgte daraufhin aber keinerlei Reaktion.993 991 StABa B 49 Nr. 163-II/05 Markgraf Christian an Bischof Johann Georg, 8. Mai 1626. 992 StABa B 49 Nr. 181/27 Wolfgang Lang, Pfarrer von Stadtsteinach an Generalvikar Erhard Dentzel, 19. Februar 1596.

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Der Prädikant blieb bis in die 1620er Jahre unberührt von Absetzungsversuchen.994 Eine einschneidende Änderung der Verhältnisse erfolgte allerdings im Jahr 1623: Die von Waldenfels trugen ihren Anteil am Dorf dem Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach zu Lehen auf.995 Nach dem Eintreten des Markgrafen in die Dorfherrschaft zahlte der Prädikant die Abgaben, die er bisher nach Bamberg gegeben hatte, nach Kulmbach.996 1626 beschwerte sich der Bamberger Bischof zum ersten Mal, dass der Markgraf die Gotteshausrechnung in Rugendorf hatte kontrollieren lassen.997 Dieser Konfliktpunkt sollte die Rugendorfer noch auf Jahrzehnte begleiten. Obwohl in den folgenden beiden Jahren immer wieder Eingaben von den lokalen Beamten wegen der Eingriffe des Markgrafen in Rugendorf nach Bamberg gerichtet wurden, entschied man sich in der Residenzstadt gegen Maßnahmen in dem Dorf.998 Von der bambergischen Seite aus gab es drei Argumente, warum der Markgraf sich aus der Religionspolitik vor Ort herauszuhalten hätte: Erstens habe der Abt von Banz das ius praesentandi. Zweitens könne sich der Prädikant nur halten, weil er von den lokalen Ritterfamilien geschützt würde. Drittens könne der Hinweis des Markgrafen, dass Rugendorf eine Filiale von Seibelsdorf gewesen sei, damit unterlaufen werden, dass der Markgraf selbst den Zugriff auf eine Reihe von Pfarreien verwehrte, die früher Filialen von bambergischen Pfarreien gewesen waren.999 Aus diesen Argumenten folgten aber zunächst keine Taten. Der Amtmann von Kupferberg riet zudem, statt eines Pfarraustausches die Bamberger Untertanen des Dorfes in den katholischen Gottesdienst in das

993 Ebd. Womöglich war der Status der Pfarrei Rugendorf nicht eindeutig geklärt Der Kastner von Stadtsteinach berichtete 1623, Rugendorf sei zwar vor 150 Jahren eine Filiale des markgräflichen Seibelsdorf gewesen, aber dann abgetrennt worden. Der Bamberger Bischof befand aber »man kann uf seinen bloßen bericht nit allein gehen«. Allerdings scheinen keine weiteren Nachforschungen veranlasst worden zu sein (AEB Rep. I Nr. 745 fol. 56v, 2. Juli 1623). 994 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 49v, 23. Juni 1623; StABa B 49 Nr. 181/36 resolutio punctorum paroeciam stainacensem concernentium, 28. Februar 1624. 995 AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien, 1624; AEB Rep. I Nr. 745 fol. 75r, 7. September 1623; LAELKB Superintendentur Kulmbach Nr. 361 Von Waldenfels an Matthäus Heffner, Superintendent von Kulmbach, 1. Februar 1626. Der Lehensauftrag der von Waldenfals war keinesfalls singulär. Auch andere fränkische Ritterfamilien trugen ihren Besitz dem Markgrafen zu Lehen auf (Weiss, Bischofsreihen, S. 427). Durch die Anlehung an einen starken Partner sollte der Zugriff Dritter verhindert werden. (Bauer, Thüngen, S. 4). 996 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 130r, 12. Januar 1624. 997 StABa B 49 Nr. 163-II/05 Geistliche Räte an Bischof Johann Georg, 2. März 1626. 998 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 524r, 5. Oktober 1626; ebd. fol. 667r, 1. Oktober 1627. 999 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 667r, 1. Oktober 1627; AEB Rep. 350 »Gravamina wider deren von Adel untergebene Prädikanten fol. 10r Rugendorf«, 2. Oktober 1627.

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3 km entfernte Wartenfels zu schicken.1000 Dem Beamten vor Ort erschien folglich ein Austausch des Pfarrers äußerst schwierig.1001 Erst 1628 wendete sich der Bischof an den Banzer Abt mit der Aufforderung, einen Priester für Rugendorf zu benennen. Dazu war der Abt zwar grundsätzlich bereit, bat aber seinerseits in Bamberg um einen Priester für diese Stelle, da er selbst keinen zur Verfügung stellen könnte. Der Geistliche Rat kam dieser Bitte aber nicht nach mit der Begründung »man bedörffe der prießter selbsten«.1002 In der Folge blieb die Frage der Rugendorfer Pfarreinsetzung weiter offen. An dieser Stelle soll zur Veranschaulichung auf eine allgemeine Instruktion Bischof Johann Georgs hingewiesen werden, in der dezidiert erklärt wurde, wie bei der Restitution adeliger Pfarreien vorzugehen sei:1003 Die bischöfliche Kommission sollte am Tag vor der geplanten Einsetzung des Priesters in der Nachbarschaft der betroffenen Pfarrei übernachten und sich mit dem dortigen Priester besprechen. Da man Widerstand erwartete, sollte stets eine Garnison bereitstehen. Die Kirche war im Morgengrauen zu besetzen, sodass der Prädikant sie nicht mehr betreten könne. Dann sollte der örtliche Adelige oder ein Vertreter angefordert werden, der darauf hinzuweisen sei, dass der Bischof von Bamberg als Landesherr und auf kaiserlichen Befehl hin die zu Unrecht okkupierte Pfarrei jetzt restituieren und sie dem katholischen Glauben zuführen würde. Zu diesem Zweck sollte ein Priester anwesend sein, außerdem war der Prädikant auszuweisen und alle Papiere, Schlüssel etc. vorher zu übergeben. Wenn der Adelige nicht gehorchte, sollte die Kirche mit Gewalt aufgebrochen und anschließend zum katholischen Gottesdienst geläutet werden. Der Prädikant müsse innerhalb von acht Tagen die Diözese verlassen, während die Kirchendiener und Schulmeister sich entscheiden könnten, ob sie fortziehen oder konvertieren wollten. Dann könnten sie ihre Ämter behalten. Den Pfarrangehörigen sollte auf dem Kirchhof beschieden werden, dass sie den katholischen Glauben anzunehmen hätten. Sie müssten zur nächsten österlichen Zeit beichten und die Kommunion einnehmen oder auswandern. Sollte sich die örtliche Bevölkerung weigern, war mit Einquartierungen zu antworten. Die Kommission hatte weiterzuziehen, aber einige Soldaten zum Schutz des Priesters zurückzulassen.1004 1000 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 667r, 1. Oktober 1627. 1001 Es waren keine Angaben zu finden, in welchem Mengenverhältnis die Untertanen der verschiedenen Herrschaften zueinander standen, aber aus dem defensiven Verhalten der Bamberger Bischöfe ist zu schließen, dass ihre Untertanen in der Unterzahl waren. 1002 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 38r, 8. Mai 1628. 1003 Das folgende in StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 508 Instruktion Johann Georgs, wie die Kommission bei der Restitution von adeligen Pfarreien vorgehen soll, undatiert. 1004 Unklar ist, inwiefern diese Idealvorstellung des Bischofs in der Realität zur Anwendung

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Die Siuation in Rugendorf änderte sich 1629 grundlegend. In diesem Jahr kaufte das Hochstift das Rittergut Rugendorf.1005 Im gleichen Jahr gelang es dem Bischof, in dem Dorf einen katholischen Geistlichen einzusetzten.1006 Der Abt von Banz hatte nach mehrmaligem Insistieren von Johann Georg einen seiner Konventualen als Priester präsentiert.1007 Unklar ist, ob die Einsetzung des Priesters in direktem Zusammenhang mit dem Kauf steht, aber es ist anzunehmen, da sich durch die Erweiterung des Grundbesitzes auch die Machtbasis im Ort zu Gunsten des Bischofs verschoben hatte. Der Markgraf reagierte zunächst mit einem Beschwerdeschreiben nach Bamberg,1008 doch kämpften beide Seiten auch vor Ort um die Rugendorfer Pfarrbesetzung: »Castner zu Stattstainach berichtet wie der marggrevische castner zu Kulmbach neben noch 4 berittenen nacher Rugendorff kommen das für die neu eingenommene kirchen daselbst vorgelegte schloss herunder lassen schlagen und ein anders vorlegen, welches er bambergische castner wieder sobalden hinweg schlagen lassen, und die kirchen dem pfarrern wieder geöffnet«.1009

Während man von Seiten Bambergs dem Kastner von Stadtsteinach auftrug, weiterhin alles zu tun, um den katholischen Priester dort zu schützen und zudem ein Schreiben an den Markgrafen plante1010, hatte man in Kulmbach ein ganz handfestes Problem, um in dem Konflikt rechtliche Argumente vorzubringen: In der markgräflichen Kanzlei waren die Urkunden und Akten Rugendorf betreffend verloren gegangen.1011 In der Folgezeit wurde zwar das Leben des Priesters von den bischöflichen Beamten beschützt,1012 aber sein Alltag gestaltete sich schwierig. Der neue Priester klagte, dass er nicht alle Abgaben und Gebühren erhielt, die er erhalten sollte.1013 Auf Unterstützung aus Bamberg konnte sich der neue Priester nicht verlassen. Als er mehrere Bitten an den Bischof richtete, unter anderem wegen eines zusätzlichen Geldbetrags für die Renovierung seines baufälligen Pfarrhauses, wurde er darauf verwiesen, sich an seinen Patronatsherrn, den Prälaten

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kam. Einige Elemente der Instruktion konnten für Grafengehaig gezeigt werden, für Rugendorf aber nicht. Guttenberg/Hofmann, Stadtsteinach, S. 37. AEB Rep. I Nr. 344 Daniel Pesslers Relation über Klöster, Pfarreien und andere kirchliche Güter, welche für die Diözese könnten wieder gewonnen werden, 1629. AEB Rep. I Nr. 746 fol. 168v, 10. Juni 1629. Ebd. fol. 173v, 24. Juni 1629. AEB Rep. I Nr. 746 fol. 175r, 28. Juni 1629. Ebd. StABa GHAP Nr. 2580 »Memorial die Pfarr Rugendorf betreffend«, 1. Juli 1629. StABA GHAP Nr. 9211 Johann Richter, vertriebener Prädikant aus Rugendorf an Markgraf Christian, 10. März 1630. AEB Rep. I Nr. 746 fol. 264v, 13. Mai 1630.

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von Banz, zu wenden.1014 Weitere Nachrichten für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges fehlen. Die Bestimmungen des Westfälischen Friedens griffen auch in Rugendorf. Da der Ort erst nach 1624 rekatholisiert worden war, galt nach der Normaljahresregelung dort wieder das protestantische Bekenntnis. Im Februar 1650 schlossen Markgraf Christian und Bischof Melchior Otto einen entsprechenden Vertrag: In Rugendorf wurde in Zukunft die lutherische Konfession ausgeübt. Der Bischof von Bamberg hatte den lutherischen Pfarrer dem Markgrafen und dem Konsistorium in Kulmbach zu präsentieren.1015 Formal blieb Rugendorf der Geistlichen Verwaltung in Bamberg zugeordnet, was der Prädikant durch Zahlung eines Guldens als Kommendgebühr an das Fiskalat anzeigte.1016 Die Pfarrei gehörte aber gleichzeitig in die Superintendentur Kulmbach.1017 Auch wenn Bamberg in der Folge versuchte, Rugendorf aus dem markgräflichen Konsistorium zu lösen, gelang dies nicht.1018 Der Rugendorfer Pfarrer lässt sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Teilnehmer an Synoden der Superintendentur Kulmbach nachweisen.1019 Der erste Prädikant nach dem Krieg wurde ein Mann namens Matthäus Adelius, der im März 1650 ernannt wurde.1020 Adelius holte sich am 9. Juli 1650 seine Papiere in Bamberg ab und wurde noch einmal ermahnt, die Katholiken in seiner neuen Pfarrei nicht zu bedrängen.1021 Obwohl mit dem Westfälischen Frieden und dem Vertrag zwischen Brandenburg-Kulmbach-Bayreuth und Bamberg die Leitlinien geklärt waren, gab es durchaus strittige Punkte bei Einzelheiten. 1624 war kein Ornat und Messgewandt1022 vorhanden gewesen und es war unklar, wer für den Ankauf dieser Dinge zuständig war.1023 Ein weiterer Streitpunkt war das Einkommen des 1014 1015 1016 1017 1018 1019 1020 1021

1022 1023

Ebd. fol. 289r, 10. September 1630. StABa A 85 L 347 Nr. 1672. Zeissner, Pfarrer auf Widerruf, S. 262. Guttenberg/Hofmann, Stadsteinach, S. 37 f. Ebd., S. 61. LAELKB Pf. A. Nr. 22 Wirsberg »consignatio der bey capitularium anno 1680 sub superintendente dr. wolfgang erhardi«. StABa B 49 Nr. 163-II/16 Geistliche Räte an Andreas Castner, Pfarrer von Wartenfels und Rugendorf, 30. März 1650. AEB Rep. I Nr. 750 fol. 125r, 9. Juni 1650. Offenbar ging man in Bamberg davon aus, dass die vorangegangenen Jahre mit einem katholischen Priester in Rugendorf dazu geführt hatten, dass es eine Reihe von Katholiken in Rugendorf gab, die dies auch bleiben wollten. Zu diesem Themenkomplex s. ausführlich Kapitel 6.2 und 9. In der Frühen Neuzeit war es durchaus üblich, dass Lutheraner verschiedene Gerätschaften und Gewänder nutzten, die sie von den Katholiken übernommen hatten (Zeeden, Grundlagen, S. 277). StABa B 49 Nr. 163-II/16 Geistliche Räte an Andreas Castner, Pfarrer von Wartenfels und Rugendorf, 30. März 1650.

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Pfarrers: Der Priester, der seine Stelle verlor, bat darum, dass man seinen ausstehenden Lohn, auch in Hinblick auf Pfarräcker und Wiesen, im Auge behalten solle.1024 Der bisherige Priester von Rugendorf war gleichzeitig auch Priester im ca. 3 km entfernt liegenden Ort Wartenfels,1025 d. h. er wohnte weiterhin in der direkten Nachbarschaft und hätte so seine Landwirtschaft weiter betreiben können. Da die Pfarrbesetzung nun nicht mehr verändert werden konnte, bemühte man sich von Seiten Bambergs und Kulmbachs, in anderen Bereichen und auf anderen Ebenen weiteren Anspruch auf Pfarreirechte geltend zu machen. Am augenscheinlichsten wurde dies bei der Frage, wer den Termin für die Rechnungslegung der Kirche bestimmen durfte. Nur wenige Monate nach Abschluss des Vertrages zwischen den fränkischen Hohenzollern und dem Bamberger Bischof nahm der Verwalter des Rittergutes Rugendorf als Vertreter des Bischofs als Dorf- und Gemeindeherr im Sommer 1650 an der Kontrolle der Rugendorfer Gotteshausrechnung teil, obwohl er dies nicht mit der Hochstiftsleitung abgesprochen hatte. Er gab an, dass die Kulmbacher einen recht kurzfristigen Termin genannt hatten und deshalb keine Zeit gewesen sei, das Datum mit Bamberg abzustimmen.1026 Zu Beginn des Jahres 1652 wechselte der Verwalter der Rittergüter von Losau, Rugendorf und Wartenfels. Anfang März dieses Jahres trug der neue Verwalter dem Prädikanten in Rugendorf auf, seine Rechnung fertig zu machen. Dieser wies ihn jedoch darauf hin, dass er in dieser Hinsicht keine Befehle von einem Vertreter des Hochstifts annehme, dies sei Aufgabe des markgräflichen Konsistoriums.1027 Kurz darauf bekam der neue Verwalter ein Schreiben aus Kulmbach, in dem der Termin für die Abrechnung auf den 8. April festgelegt wurde.1028 Parallel dazu beschwerte sich Markgraf Christian in Bamberg darüber, dass der Verwalter von Rugendorf seine Kompetenzen überschreite.1029 In Bamberg wiederum wurde das einseitige Festsetzen des Termins als Problem eingeschätzt, da dies als Übergehung des Bischofs und als abträglich für die bischöfliche Jurisdiktion bewertet wurde.1030 Zudem sei – wie die Bamberger 1024 StABa B 49 Nr. 163-II/15 Andreas Castner, Pfarrer von Wartenfels und Rugendorf an Nicolaus Reiblein, geistlicher Ratsschreiber, 20. Mai 1650. 1025 StABa B 49 Nr. 163-II/15 Andreas Castner, Pfarrers von Wartenfels an Generalvikar Johannes Murmann und Geistliche Räte, 7. Juli 1650. 1026 StABa B 163-II/05 Verwalter von Rugendorf an Fiskal Georg Bessler, 8. August 1650. 1027 Ebd. Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf an Bischof Melchior Otto, 1. März 1652. Genauso hätten, so der Pfarrer, die markgräflichen Vertreter auch den Vorrang beim Beisitzen und dem Unterschreiben der Gotteshausrechnung. 1028 StABa B 49 Nr. 163-II/05 Christoph Althofen, Superintendent von Kulmbach an Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf, 23. März 1652. 1029 Ebd. Markgraf Christian an Bischof Melchior Otto, 30. März 1652. 1030 Ebd. Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf an Bischof Melchior Otto, 2. April 1652; Ebd.

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argumentierten – weder im Vergleich von 1650 festgelegt, dass die Kulmbacher allein den Termin festlegen dürften, noch sei es 1624 so gewesen.1031 Tatsächlich ist in dem Vertrag zwischen den beiden fränkischen Mächten die Terminfrage mehr oder weniger ausgespart. Es heißt lediglich, dass die Rechnung im Beisein der Beamten des Markgrafen und des Bischofs und aller Pfarrkinder abgehört werden solle. Wie man allerdings zu dem Termin gelangte, wird nicht aufgeführt, weder explizit noch implizit.1032 Um die bischöflichen Rechte zu bewahren, wurde dem Verwalter aufgetragen, den Termin zu verhindern.1033 Problematisch war nun aber, dass der vorherige Verwalter 1650 an der Rechnungslegung teilgenommen hatte, obwohl in diesem Jahr der Termin ebenfalls einseitig von Kulmbach festgelegt worden war.1034 Der neue Verwalter schrieb nach Kulmbach, da er noch keine konkreten Instruktionen aus Bamberg habe und der Termin bedenklich nahe sei, solle man die Rechnungslegung nach hinten verschieben.1035 Die Kulmbacher gingen auf die Terminaufschiebung aber nicht ein und beharrten auf dem 8. April.1036 Schwierig für den Verwalter stellte sich nun dar, dass die schriftlichen Überlieferungen, die nachweisen sollten, wie es üblich gewesen war, nicht greifbar waren. Er konnte weder eine alte Gotteshausrechnung auftreiben noch eine Dorfordnung.1037 Bischof Melchior Otto ordnete an, sich nicht auf den Termin einzulassen. Falls die Rechnungslegung dennoch stattfand, sollte der Verwalter aus Protest und als Hinweis auf die bischöflichen Rechte fernbleiben.1038 Die Abhörung lief also folgendermaßen ab: Der Verwalter trug die Bedenken des Bischofs vor, bat um eine Aufschiebung des Termins und entfernte sich unter Protest, da die anderen Anwesenden dies ablehnten. Bevor er sich entfernte, drohte er den anwesenden

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Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf an Johann Christoph Gögendorfer, Geistlicher Rat, 3. April 1652. Ebd. Bischof Melchior Otto an Johann Beyer,Verwalter von Rugendorf, 6. April 1652. StABa A 85 L 347 Nr. 1672; LAELKB Superintendentur Kulmbach Nr. 361 »copia vergleichs zwischen bamberg und brandenburg die pfarr Rugendorff, Haußen und die filial Döbra betreffend«, 7. Februar 1650. StABa B 49 Nr. 163-II/05 Melchior Beyer, Verwalter von Rugendorf an Bischof Melchior Otto, 2. April 1652. Ebd. Bischof Melchior Otto an Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf, 6. April 1652. Ebd. Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf an Christoph Althofen, Superintendent von Kulmbach, 24. März 1652. Ebd. Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf an Bischof Melchior Otto, 2. April 1652. Ebd. Johann Bayer, Verwalter von Rugendorf an Kanzleisekretär Schnappaust, 3. April 1652. Denkbar ist sowohl ein Kriegsverlust als auch das bewusste Vorenthalten der Papiere. Der Verwalter hatte sich wegen der Dorfordnung auch an den Mit-Dorfherrn Georg Christoph zu Guttenberg gewandt, doch dieser sagte (oder behauptete), dass er seine Dorfordnung nicht finden könne. StABa B 49 Nr. 163-II/05 Bischof Melchior Otto an Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf, 6. April 1652.

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bambergischen Untertanen mit dem Verlust ihrer Lehen, wenn sie selbst an der Rechnungslegung teilnehmen würden.1039 Der Bamberger Bischof wendete sich zudem selbst an den Markgrafen. Er beschwerte sich darüber, dass die Kulmbacher den Termin allein festgelegt hatten und darüber, dass der Superintendent von Kulmbach die Rechnung als erstes unterschrieben hatte. Der Bischof wies den Markgrafen darauf hin, dass in dem Vergleich von 1650 ausgemacht worden wäre, dass die Gotteshausrechnung gemeinsam abzuhören sei. Und er pochte darauf, dass der Termin in Zukunft gemeinsam verabredet würde.1040 Dies geschah allerdings im Wissen, wie sein Nachfolger Philipp Valentin einräumen musste, dass »in dem recehs […] nicht austrücklich versehen daß beede fursten bamberg und culmbach sich mit einander eines gewiesen tags sollen vergleichen«.1041 Es verwundert also nicht, dass der Vorgang 1654 wieder nach dem gleichen Muster ablief. Die Kulmbacher legten einen Termin für die Kontrolle der Rechnung fest, ohne ihn vorher mit Bamberg abgesprochen zu haben.1042 Bischof Philipp Valentin entschied sich aber für eine andere Taktik als sein Vorgänger Melchior Otto: Zwar versuchte er, mit einem Schreiben den Termin zu verzögern und so eine Absprache zu erzwingen, sollten sich die Kulmbacher aber nicht darauf einlassen, wurde der Verwalter angewiesen, im Namen des Bischofs als Mit-Dorfherr an der Rechnungslegung teilzunehmen und diese auch zu unterschreiben. Außerdem sollte er protestieren und darauf bestehen, dass in Zukunft der Termin nicht einseitig in Kulmbach festgelegt wurde.1043 Zudem entschloss sich der Bischof zu einem weiteren Beschwerdebrief.1044 Weitere Querelen um die Rechnungslegung sind nicht überliefert. Es ist also unklar, ob in Zukunft der Termin gemeinsam verabredet wurde oder ob sich die Bamberger stillschweigend darin fügten, dass das Datum in Kulmbach festgelegt wurde. Rugendorf stellt sich zur Gänze anders dar als die anderen bisher untersuchten Orte. Die Herrschaftslage war schwierig, da verschieden konfessionelle Territorialherren die Dorfherrschaft gemeinsam ausübten. Der Austausch des Pfarrers wurde bis 1629 nie ernsthaft versucht, selbst unter Bischof Neithart lassen sich keinerlei Bemühungen in diese Richtung fassen. Dieses Zögern war vermutlich durch die Gemengelage bestimmt. Erst bei Bischof Johann Georg kamen verschiedene Faktoren zusammen: Einerseits war die gesamtpolitische Lage durch die militärischen Erfolge der Katholischen günstig, auf lokaler Ebene konnte der Bischof seine Machtbasis durch den Kauf des Rittergutes vergrößern. 1039 1040 1041 1042 1043 1044

Ebd. Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf an Bischof Melchior Otto, 9. April 1652. Ebd. Bischof Melchior Otto an Markgraf Christian, 8. Oktober 1652. Ebd. Bischof Philipp Valentin an Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf, 27. März 1654. Ebd. Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf an Bischof Philipp Valentin, 20. März 1654. Ebd. Bischof Philipp Valentin an Johann Beyer, Verwalter von Rugendorf, 27. März 1654. Ebd. Bischof Philipp Valentin an Markgraf Christian, 28. März 1654.

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In der Folge gelang der Pfarraustausch ohne Schwierigkeiten. Eine Differenz von Ankündigung der Maßnahme und ihrer Durchführung ergibt sich in diesem Fall also nicht. Was Anlass und Zielgruppe der Maßnahme betrifft, sind beide wie im Falle Grafengehaigs mehr als deutlich: Betroffen waren alle Einwohner des Dorfes. Zudem gab es einen direkten Anlass für den Austausch des Pfarrers, da vor Ort ein Prädikant wirkte. Die Effektivität der Maßnahme kann indes bezweifelt werden. Bereits nach wenigen Jahren musste der Priester seinen Posten wieder räumen. Inwiefern innerhalb dieser wenigen Jahre eine Rückführung einiger Untertanen zum katholischen Glauben stattgefunden hat, wird ausführlich in Kapitel 6.2 dargestellt. Deutlich ist zudem geworden, dass nach 1648, als eine Rekatholisierung aller Rugendorfer nicht mehr möglich war, die konfessionellen Konflikte nicht endeten, sondern auf eine andere Ebene (besonders der Kontrolle der Gotteshausrechnung) verlagert wurden. Neunkirchen am Brand mit Dormitz Während sich in Neunkirchen am Brand im gesamten Untersuchungszeitraum kein protestantischer Pfarrer etablierte, versuchte die dazugehörige Filiale Dormitz in den 1560er und 1570er Jahren zweimal, sich selbst einen Prädikanten zu geben. Allerdings schlugen beide Versuche fehl. Dormitz war ein gemischtherrschaftlicher Ort. Im Januar 1561 wendeten sich die nürnbergischen Untertanen im Dorf an den Nürnberger Rat, denn der neue Pfarrer von Neunkirchen weigerte sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger, für Gottesdienste, Hochzeiten, Taufen, Herrenmahl etc. nach Dormitz zu kommen, obwohl die Dormitzer ihm dafür einen Zehnten in Höhe von 30 Gulden zu zahlen hatten.1045 Der Nürnberger Rat schickte daraufhin ein Beschwerdeschreiben nach Bamberg.1046 Darin argumentierten sie, dass in Dormitz schon immer ein eigener Pfarrer gewesen und folglich die Pfarrei Dormitz nicht der Klosterpfarrei Neunkirchen inkorporiert sei.1047 In Bamberg wiederum war man überzeugt, immer schon von Neunkirchen aus einen Frühmesser nach Dormitz geschickt zu haben, der folgende Aufgaben hatte: Austeilen des Herrenmahls, Krankenbesuche, Einhaltung bestimmter Feiertage, Messe und Predigt; explizit ausgenommen von seiner Tätigkeit waren Hochzeiten und Taufen, wobei letztere 1045 StAN Rst. Nbg. Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 4 Zwei Dormitzer für alle Nürnbergischen Untertanen in Dormitz an Nürnberger Rat, 22. Januar 1561. 1046 StAN Rst. Nbg. Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 4 Rat von Nürnberg an Bischof Veit, 13. Mai; ebd. Rat von Nürnberg an Bischof Veit, 21. Juni 1561. 1047 StAN Rst. Nbg Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 2 »ratschlag in sachen der von dormitz […] iren pfarrer und hirten doselbst belangend«, 21. Juli 1561; StAN Rst. Nbg Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 4 Hans Winckler, Pfleger, Sebastian Schlauderspacher, Kastner des Almosenamts und Caspar Korn, Spitalmeister am neuen Spital zu Nürnberg, 21. April 1561.

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in Notfällen erlaubt waren. Im Gegenzug hatte der Frühmesser eine gewisse Summe und Naturalien zu bekommen.1048 Die Dormitzer, die Untertanen der Reichsstadt Nürnberg waren, baten ihre Lehensherren um Fürsprache beim Bamberger Amtmann in Schelmberg, der für Neunkirchen zuständig war und gaben an, dass sich die markgräflichen Untertanen in gleicher Sache an ihren Herrn gewendet hatten.1049 Zwar überschickten die Nürnberger die Supplikation ihrer Untertanen auch, aber die Dormitzer hatten in der Zwischenzeit schon selbst gehandelt: Sie behielten den Zehnten und stellten einen Prädikanten ein, der allerdings innerhalb kurzer Zeit vom Amtmann wieder entfernt wurde.1050 Begründet wurde diese Abschaffung allerdings nicht mit der Konfession des Prädikanten, sondern mit der Tatsache, dass Dormitz eine Filiale der Pfarrei Neunkirchen sei und sich die Dormitzer weder selbst einen Pfarrer geben noch Neunkirchen den Zehnten entziehen dürften.1051 Allerdings blieben die Nürnberger nicht untätig und beschlossen ein weiteres Schreiben nach Bamberg.1052 Zunächst wollten sie sich aber beim markgräflichen Amtmann informieren, wie es wegen der markgräflichen Untertanen in Dormitz gehalten wurde.1053 Es ist unklar, was dabei herauskam. Zwar entschieden sich die Nürnberger, die Sache weiter zu verfolgen,1054 allerdings endet die Korrespondenz im Sommer 1561. Die Präsenz eines Prädikanten in Dormitz blieb Episode. Zwölf Jahre später versuchten die Dormitzer erneut, einen evangelischen 1048 StAN Rst. Nbg Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 4 Verwalter von Neunkirchen und Amtmann von Schelmberg an Bischof Veit, 17. August 1561. 1049 StAN Rst. Nbg Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 4 Zwei Dormitzer für alle Nürnbergischen Untertanen in Dormitz an Nürnberger Rat, 22. Januar 1561. 1050 StAN Rst. Nbg Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 4 Philipp von Streitberg, Amtmann von Schelmberg an Nürnberger Rat, 2. April 1561; StABa B 46b Nr. 4245 Statthalter und Räte von Bamberg an Philipp von Streitberg, Amtmann von Schelmberg, 24. März 1561; ebd. Bischof Veit an Bürgermeister und Rat von Nürnberg, 18. Mai 1561; ebd. Bischof Veit an Bürgermeister und Rat von Nürnberg, 25. Juni 1561. Ein Dokument Nürnberger Provenienz wiederum erweckt den Eindruck, dass der Pfarrer an sich noch vor Ort war, aber keine religiösen Handlungen mehr ausführte. Im konkreten Fall wurde beschrieben, dass er drei Schwangeren das Abendmahl verweigerte mit dem Hinweis, der Amtmann von Schelmberg habe es ihm verboten. (StAN Rst. Nbg. Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 4 Gotfried Schmiel, Nürnberger Abgeordneter an Nürnberger Rat, 29. Juli 1561.) 1051 StAN Rst. Nbg. Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 4 Philipp von Streitberg, Amtmann von Schelmberg an Rat von Nürnberg, 2. April 1561; StABa B 46 Nr. 4245 Bischof Veit an Bürgermeister und Rat von Nürnberg, 18. Mai 1561. 1052 Dieses wurde am 2. August abgeschickt. Die Argumente veränderten sich zu den vorhergehenden Schreiben nicht. (StAN Rst. Nbg. Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 4 Rat von Nürnberg an Bischof Veit, 2. August 1561). 1053 StAN Rst. Nbg. Ratskanzlei B-Laden 4 Nr. 4 Ratsverlass vom 26. Juli 1561. 1054 Ebd. Ratsverlass vom 23. August 1561.

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Pfarrer in ihrem Dorf einzusetzen. Dabei gingen sie ähnlich vor wie beim ersten Versuch. 1573 beschwerten sich die Nürnberger Untertanen von Dormitz, dass sie nicht mehr von Neunkirchen aus mit einem Frühmesser versorgt würden, trotzdem aber das Einkommen des Frühmessers bezahlen sollten.1055 Als man sich von Nürnberg aus an den Amtmann im markgräflichen Baiersdorf (ca. 11 km von Dormitz entfernt) wendete, um zu hören, ob sich auch die markgräflichen Untertanen von Dormitz beschwert hatten, antwortete dieser, dass die Dormitzer »gern solch einkommen zu sich bringen und allsdann undereinander vergleichen wollen, damit sie einen evangelischen prediger bekhommen«.1056 Allerdings äußerte der Amtmann Bedenken, da er nicht glaubte, dass dies von Seiten des Hochstifts geduldet werden würde. Die Dormitzer ließen ihren Plan wieder fallen.1057 Auch der zweite Versuch, einen protestantischen Pfarrer einzusetzen, war gescheitert. Dormitz wurde weiterhin von Neunkirchen aus versorgt, erst 1612 wurde im Geistlichen Rat beschlossen, dass Dormitz einen eigenen katholischen Pfarrer bekommen sollte.1058 Dies scheint aber nicht in die Tat umgesetzt worden zu sein, denn auch in den Folgejahren und -jahrzehnten berichtete ausschließlich der Pfarrer von Neunkirchen über Dormitz.1059 Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Dormitz hatte als Filialort der Klosterpfarrei Neunkirchen am Brand ohnehin keinen eigenen Pfarrer, sondern nur einen Frühmesser. Zweimal versuchten die protestantischen Dorfbewohner, Fakten zu schaffen und selbst einen Prädikanten einzusetzen. Dies scheiterte aber am Eingreifen des bischöflichen Amtmanns wie auch am mangelnden Einsatz der nürnbergischen und markgräflichen Herrschaft. Eine de facto-Erhebung zur Pfarrei, wie sie in Grafengehaig gelang, konnte hier nicht durchgesetzt werden. Die Gründe müssen in der herrschaftlichen Struktur gesucht werden. In Dormitz waren verschiedene Territorialmächte begütert, auch der Bischof selbst, während es in Grafengehaig einen geschlossenen ritterschaftlichen Untertanenverband gegeben hat und zudem zwei ritterschaftliche Familien, die bestrebt waren, ein lutherisches Kirchenwesen zu errichten. Die Einmischung Nürnbergs und Kulmbachs in Dormitz war hingegen gering. Von Seiten Bambergs war zwar geplant, in Dormitz einen eigenen Priester einzusetzen, aber auch dies wurde nicht in die Tat umgesetzt. Es handelt sich in Dormitz also weniger um einen gezielten Pfarraustausch seitens der Obrigkeit,

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StAN Rst. Nbg. Diff.akt. Nr. 562 »Dormitz«, 1573. Ebd. Ebd. AEB Rep. I Nr. 741 fol. 71v, 13. Dezember 1612. Gründe für diese Entscheidung werden keine genannt. 1059 Einzelnachweise s. Kapitel 6.2.

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als vielmehr die punktuelle Verhinderung, den Prädikanten überhaupt erst einzusetzen. Hochstift Würzburg Im Hochstift Würzburg sorgte im Wesentlichen Bischof Julius Echter (reg. 1573 – 1617) für den Austausch von lutherischen gegen katholische Pfarrer. Dies fällt für die vorliegende Untersuchung aber nicht ins Gewicht, da in den untersuchten Orten Gerolzhofen, Iphofen und Urspringen sich zu keiner Zeit ein Prädikant etablieren konnte, in Gemünden nur während der schwedischen Besatzungszeit (1631 – 34).1060 Gänzlich anders zeigte sich die Situation in Kitzingen, das erst 1629 an das Hochstift kam. Kitzingen Durch die Verpfändungen und Wiedereinlösungen war die herrschaftliche Lage in Kitzingen uneindeutig. 1528 war in Kitzingen durch die markgräflichen Stadtherren die Reformation eingeführt worden, nach der Pfandablösung durch Würzburg wurde ab 1629 rekatholisiert. Es sei bereits erwähnt, dass nach dem Westfälischen Frieden den noch verbliebenen protestantischen Kitzingern ein Gottesdienst ihrer Konfession in der Stadt erlaubt wurde. Als es dem Hochstift Würzburg 1629 gelang, das verpfändete Kitzingen wieder einzulösen, wurden als erste Maßnahme die dort wirkenden Prädikanten vertrieben.1061 In der Stadt hatte es neben dem Pfarrer der Stadtpfarrkirche noch jeweils einen für das Spital und einen für die Kirche in Etwashausen gegeben, zudem zwei Diakone.1062 Die Vertreibung fand innerhalb von wenigen Tagen statt, die evangelischen Pfarrer wurden vom Ansbacher Konsistorium auf andere Pfarreien in der Umgebung umverteilt.1063 Nachdem am 10. Januar 1629 die 1060 Höfling, Georg: Historisch-topographisch-statistische Notitzen über das Städtchen Gemünden in Unterfranken, Würzburg, 1838, S. 52. Da in den gesichteten Quellen über diese Person nichts überliefert ist, und zudem keinerlei Folgen (s. Kapitel 6.2) deutlich wurden, wird im Folgenden nicht weiter darauf eingegangen. 1061 Sicken, Politische Geschichte, S. 294. Kitzingen war im 15. Jahrhundert an die fränkischen Hohenzollern verpfändet worden, dazu ausführlich Kap. 4 und unten. 1062 Buchwald, Evangelische Gemeinde, S. 111. 1063 Dietwar, Bartholomäus: Leben eines evangelischen Pfarrers im früheren markgräflichen Amte Kitzingen von 1592 – 1670 von ihm selbst erzählt, hrsg. und erläutert von Volkmar Wirth, Kitzingen, 1887, S. 50. Für einen anderen Ort im Amt Kitzingen berichtete Dietwar plastisch, wie man sich die Vertreibung der Pfarrer wohl überall vorzustellen hat: »Am Sonntage Invocavit, den 22. Hornung (=22. Februar, H. B.), überfiel der bischöfliche Keller von Marktbibart mit 50 Musketieren die Kirche in Brühl. Sein Büttel nötigte mit aufgezogenem Hahnen (=also mit vorgehaltener Waffe, H. B.) den Pfarrer Johann Keiner, von der Kanzel herabzusteigen. Sie ließen ihm nicht einmal so viel Zeit, daß er den Chorund Kirchenrock ausziehen konnte, sondern führten ihn in seinem Ornate mit bewaffneter

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Huldigung des Würzburger Bischofs stattgefunden und der Bischof selbst eine Messe gelesen hatte, ließ er bereits am darauf folgenden Tag einen ersten katholischen Gottesdienst in der Stadt durchführen.1064 Für Kitzingen und Etwashausen wurde jeweils ein Priester eingesetzt.1065 Zur Unterstützung der Priester wurden Kapuziner in Kitzingen angesiedelt.1066 Diese sollten die Weltgeistlichen bei Predigt und Beichte unterstützen, sie kümmerten sich aber auch um Krankenpflege und lasen Messen.1067 Allerdings agierte der Würzburger Bischof auch mit den Möglichkeiten eines weltlichen Territorialherrn, indem er 50 Soldaten in der Stadt stationierte.1068 Der Besuch des katholischen Gottesdienstes wurde durch die Bewaffneten kontrolliert und wenn nötig auch erzwungen.1069 Während des Gottesdienstes bewachten die Soldaten die Kirchentüren, sodass niemand den Gottesdienst vorzeitig verlassen konnte.1070 Außerdem wollte der Bischof von Anfang an dafür sorgen, dass die ehemaligen Prädikanten nicht, wenn sie sich wegen eigener Angelegenheiten in der Stadt aufhielten, heimlich pfarrliche Handlungen durchführten. Wenn ein Prädikant in die Stadt kam, wurde ihm ein Soldat zur Seite gestellt, der ihn überwachte.1071 Als im Oktober 1631 der schwedische König Gustav II. Adolf das Hochstift eroberte, setzte er in Kitzingen auf Wunsch der Bevölkerung wieder einen lutherischen Pfarrer ein.1072 Die Priester waren zu diesem Zeitpunkt bereits geflohen.1073 Eine Reihe von Exulanten kehrte daraufhin aus dem Exil zurück.1074 In

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Hand nach Marktbibart. Dort wurde er im Wirtshause mit einer Kette an den Tisch geschlossen […]. Den 4. März ist er nach Ausstellung eines Reverses, sich seines Kirchenamtes zu Brühl zu enthalten, und nach Erlegung von 25 Gulden wieder entlassen worden.« (ebd., S. 53). Dietwar, Leben eines evangelischen Pfarrers, S. 50. Bachmann/Pfrenzinger, Kitzingen, S. 35. Baumann, Herbert: Die katholische Reform in Kitzingen – Kapuziner und Ursulinen, in: Walter, Helga: »apud Kizinga monasterium« 1250 Jahre Kitzingen am Main, Kitzingen, 1995, S. 153 – 168, hier S. 157. Die Kapuziner kamen bereits 1629 in die Stadt, am 13. Mai 1631 wurde der Grundstein für ihr Kloster gelegt. Nach der Schwedenzeit kehrten mit Franz von Hatzfeld auch die Kapuziner wieder zurück ins Hochstift und auch nach Kitzingen. Das Kloster war für 30 Mönche konzipiert worden und damit vergleichsweise groß (ebd. S. 157 f.). Ebd., S. 159. Hock, Kitzingen, S. 64. Ebd., S. 65. Buchwald, Evangelische Gemeinde, S. 113. Bachmann/Pfrenzinger, Kitzingen, S. 94. Zeeden, Toleranzedikt, S. 149; Hock, Kitzingen, S. 87. StAW Hist. Saal VII 43 Berichte der Ämter Rottenstein, Iphofen, Mellrichstadt, Frauenroth, Mainberg, Homburg an der Wern, Kitzingen, Lauda, Volkach, Gerbrunn, Prösselsheim, Schönrain, Königshofen, Stadtschwarzach, Gemeinfeld an die königlich schwedische Regierung in Würzburg über die Geistlichen in den einzelnen Orten, deren Einnahmen, den Zustand der Kirchen und Pfarrhäuser, die erledigten geistlichen Stiftungen, 1632, 1633.

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der Stadt wirkte zunächst der bisherige Pfarrer von Schweinfurt, nach kurzer Zeit kehrte der vorherige Kitzinger Pfarrer Salomon Codomann aus dem Exil zurück.1075 Es verwundert nicht, dass die Kitzinger sich einen protestantischen Pfarrer wünschten. Die katholischen Pfarrer hatten kaum zwei Jahre gewirkt und sich zudem nur mit der Hilfe von Soldaten halten können. Nach der Schlacht bei Nördlingen nahmen die kaiserlichen Truppen Besitz von Kitzingen. Der kaiserliche Truppenführer Piccolomini erlaubte die öffentliche Ausübung beider Konfessionen.1076 Die erste katholische Messe wurde am 8. Oktober 1634 in der Klosterkirche in Kitzingen gehalten.1077 Als der Würzburgische Bischof Franz von Hatzfeld 1635 in sein Territorium zurückkehrte, besetzte er alle Kirchenund weltlichen Ämter nur mit Katholiken und wies die evangelischen Prädikanten aus.1078 Die protestantischen Pfarrer mussten die Stadt im März 1635 ein zweites Mal verlassen.1079 Die Johannespfarrkirche, in der gerade vier Jahre lutherischer Gottesdienst stattgefunden hatte, wurde ein zweites Mal (wie schon 1631) katholisch geweiht. Die Gewährung der lutherischen Konfession seitens der kaiserlichen Besatzer erklärte der Würzburger Bischof für nichtig, da er keine Einwilligung dazu gegeben habe.1080 Vermutlich auf Grund des Priestermangels wurde für Kitzingen und Etwashausen nur eine Person statt zweien eingesetzt.1081 Nach dem Tod Franz von Hatzfelds wählte dessen Nachfolger, Bischof Johann Philipp von Schönborn einen ausgleichenderen Weg, um mit den Protestanten in der Stadt umzugehen. Per Dekret vom 5. Mai 1647 erlaubte er den lutherischen Kitzingern das Auslaufen in einige ansbachische Pfarreien, im Fall von Bettlägrigkeit durfte ein Prädikant in die Stadt kommen, um das Abendmahl im Haus der entsprechenden Person auszuteilen.1082 Damit zeigte der neue Bischof zweifelsohne erhebliches Entgegenkommen.1083 1074 Hock, Kitzingen, S. 86. Insgesamt hatten über 1.000 Menschen die Stadt verlassen, anstatt sich zum katholischen Glauben einzustellen. Dazu ausführlich Kapitel 7.2. 1075 Bachmann/Pfrenzinger, Kitzingen, S. 35. Codomann musste 1635 Kitzingen erneut verlassen (ebd.). 1076 Zeeden, Toleranzedikt, S. 149. 1077 Dietwar : Leben eines evangelischen Pfarrers, S. 87. 1078 Zeeden, Toleranzedikt, S. 149. 1079 Dietwar, Leben eines evangelischen Pfarrers, S. 95. 1080 Weber, Heinrich: Kitzingen und sein Umland im konfessionellen Zeitalter, in: Die Mainlande 20, 1969, S. 5 – 7, 9 – 11, 13 – 16, 19 – 20, 24, hier S. 24. 1081 Bachmann/Pfrenzinger, Kitzingen, S. 35. 1082 Zeeden, Toleranzedikt, S. 149 f. 1083 Ebd., S. 149. Hock geht davon aus, dass dieses Dekret auf eine persönliche Begegnung des Würzburger Bischofs mit dem schwedischen General Wrangel zurückgeht (Hock, Kitzingen, S. 127), allerdings ist die Überlieferungslage zu diesem Treffen sehr dünn. Generell mag die Anwesenheit der schwedischen Truppen in Franken und speziell in Kitzingen 1647 und 1648 dazu beigeitragen haben.

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Der Westfälische Friede stellte Bischof Johann Philipp in Bezug auf Kitzingen vor eine komplizierte Situation. Einerseits legte die Normaljahresregelung das Jahr 1624 als verbindlich fest1084, was für Kitzingen die erneute Einführung des evangelischen Kirchenwesens bedeutet hätte. Andererseits nahm das Vertragswerk eingelösten Pfandbesitz explizit von dieser Regelung aus, wenn auch mit dem Hinweis, dass andersgläubige Untertanen weder zur Annahme der anderen Konfession noch zur Auswanderung gezwungen werden durften.1085 Die Gretchenfrage war folglich: War Kitzingen eine ausschließliche Pfandeinlösung oder nicht? Die Frage stellte sich, weil Kitzingen nicht in einem Stück verpfändet worden war, sondern in mehreren. Im Laufe des 14. Jahrhunderts war Kitzingen in drei Teile geteilt worden und diese kamen zu unterschiedlichen Zeiten in den Besitz des Hochstifts.1086 Zwei Drittel davon waren unstrittig, als Begründung für die Unklarheit über das verbleibende Drittel gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Nach einer Lesart argumentierten die fränkischen Hohenzollern, dass einer dieser drei an Würzburg verpfändeten Teile rechtzeitig durch sie selbst wieder ausgelöst worden sei.1087 Als eine zweite Erklärung findet sich, dass einer der drei Teile als Reichslehen an einen hohenlohischen Grafen ausgegeben worden sei, der es aber an den Würzburger Bischof verpfändet hatte. Die Hohenzollern überredeten daraufhin ihren Schwager, König Wenzel, diesen Anteil als erledigtes Lehen einzuziehen und ihnen zu übergeben.1088 Aus dieser Lehensübertragung folgerten sie den Anspruch auf Kitzingen (zumindest 3/8 davon). Die Angelegenheit war bereits im 15. Jahrhundert strittig, trat aber zunächst in den Hintergrund, als die Würzburger Bischöfe in mehreren Etappen ganz Kitzingen wiederum an die Brandenburger verpfändeten.1089 Bei der Wiedereinlösung Kitzingens durch das Hochstift 1629 war die brandenburgi1084 Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. Vollständiger lateinischer Text mit Übersetzung der wichtigeren Teile und Regesten bearb. von Konrad Müller, Bern, 21966, Art. V §§ 31, 32. 1085 IPO (=Instrumentum Pacis Osnabrugense) Art. V § 27. 1086 Hock, Kitzingen, S. 24 f. 1087 Ebd., S. 26. Noch anders Buchwald, der annimmt, dass Würzburg von vornherein nicht in den Besitz ganz Kitzingens gekommen sei, das Problem aber daher herrühre, dass unabhängig davon die Würzburger bei der Verpfändung an Ansbach durchsetzen konnten, dass auch in Zukunft alle Kitzinger dem Bischof zu huldigen hatten (Buchwald, evangelische Gemeinde, S. 108). Tatsächlich huldigten alle Kitzinger bis einschließlich der 1620er Jahre dem Würzburger Bischof (Baumann, Kapuziner und Ursulinen, S. 157). In der neueren Forschung wird dies indes lediglich als »äußerlich-formale Demonstration des Wiedereinlösungsrechtes« des Würzburger Stadtherrn gedeutet (Weyrauch, Die politische Führungsschicht, S. 220). 1088 Schulze/Walter, Würzburg gegen Brandenburg-Ansbach, S. 149. Allerdings urteilte daraufhin eine Schiedskommission, dass dieser Vorgang unrecht gewesen sei. Das Hochstift trat wieder in seine Rechte als Pfandherr ein und kaufte 1406 dieses Drittel der Stadt. Dieses Urteil wurde aber von Brandenburg nicht anerkannt (Ebd. S. 157). 1089 Schulze/Walter, Würzburg gegen Brandenburg-Ansbach, S. 150.

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sche Argumentation nicht durchgedrungen.1090 Im Westfälischen Frieden wurde festgelegt, dass sich die Hohenzollern mit dem Würzburger Bischof innerhalb von zwei Jahren zu einigen hatten.1091 Diese Frist nützte dem Markgrafen jedoch nichts, der angerufene Reichshofrat urteilte zu Würzburgs Gunsten1092 und die Ansprüche Kitzingens auf die Normaljahresregelung waren gescheitert.1093 Bischof Johann Philipp entschied sich dennoch für den ausgleichenden Weg und ließ die evangelischen Kitzinger bei ihrem Bekenntnis bleiben.1094 Warum der würzburgische Bischof diesen Weg eingeschlagen hat, ist nicht ganz klar. Der Charakter des Fürsten dürfte eine Rolle gespielt haben. Vermutlich lag es es aber auch an den besonderen Umständen der Zeit um und nach dem Dreißigjährigen Krieg.1095 Im Zuge des Westfälischen Friedens war es zu einer Neuordnung gekommen, die religiöse Minderheiten schützte, zum anderen war es sicher auch eine Frage der Förderung der Kitzinger Wirtschaft.1096 Im Jahr 1650 waren die Lutheraner in Kitzingen auf etwa 54 Familien angewachsen.1097 Vier von ihnen wurden ausgewählt, bei ihrem Bischof um die öf1090 S. o. Kapitel 4. 1091 IPO Art. IV § 23: »Controversia, quae vertitur inter episcopos respective Bambergensem et Herbipolensem ac marchiones Brandenburgicos Culmbachi et Onoltzbachi de castro, oppido, praefectura et monasterio Kitzingen in Franconia ad Moenum, aut amicabili compositione aut summario iuris processu terminetur intra biennium sub poena perdendae praetensionis imponenda tergiversanti; interim dictis dominis marchionibus restituatur nihilominus fortalitium Wilzburg in eum statum, qui tempore traditionis descriptus fuit, ex conventione et promisso«. (Bamberg wird hier erwähnt, da das von den Hohenzollern aufgelöste Kloster in Kitzingen ursprünglich ein Lehen des Hochstifts Bamberg gewesen war (Schulze/Walter: Würzburg gegen Brandenburg-Ansbach, S. 156). 1092 Dies war insofern eine besondere Enttäuschung, da die Brandenburger selbst den Reichshofrat angerufen hatten (Schulze/Walter, Würzburg gegen Brandenburg-Ansbach, S. 157). 1093 Zeeden, Toleranzedikt, S. 151. Die Würzburger hatten es verstanden, einen Prozess vor dem Reichskammergericht zu verhindern (Hock, Kitzingen, S. 133). Brandenburg kämpfte allerdings weiterhin um zumindest einen Teil von Kitzingen. Direkt im Anschluss an den verlorenen Prozess erschien die Schrift »Wohlgegründte Außfuhr- unnd Ableinung der von dem Stifft Würzburg dem Fürstlichen Haus Brandenburg Culm- und Onolzbach zur ungebur beygemessenen tergiverlation und darauff am kayserlichen Reichshofrath den 16. (26.) Octobris letzthin wider Brandenburg ab im pari numero Assessorum utriusque Religionis, ubel außgefallenen höchstbeschwerlichen Urtheil annexa Deductione Nullitatum et Petitione, den brandenburgischen ein Dritt- und Sechzehenden Theil an Burg Statt und Ampt sampt dem ganzen Closter Kitzingen und deren Pertinentien betreffend« (DAW Pfarrei-Akten Kitzingen Karton 2). 1094 Zeeden, Toleranzedikt, S. 157. 1095 Ebd., S. 158. 1096 Ebd., S. 158 f. 1097 Hock, Kitzingen, S. 129, auch Buchwald, evangelische Gemeinde, S. 135. Hock nimmt für das Jahr 1643 insgesamt 300 Bürger für Kitzingen an, der Anteil der Protestanten war also grob geschätzt immer noch beträchtlich, wenn man bedenkt, dass über 1.000 Personen aus der Stadt ausgewandert waren (Hock, Kitzingen, S. 122).

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fentliche Ausübung ihrer Konfession zu bitten.1098 Die Kitzinger Gesandten sprachen zunächst in Mainz1099 vor. Dort wurde ihnen gesagt, sie sollten sich auf der Marienveste in Würzburg einfinden.1100 Am 16. Dezember 1650 trafen sich in der Würzburger Festung die Abgesandten aus Kitzingen mit den beiden mainzischen und würzburgischen Räten Johann Jacob Laßer und Johann Wilhelm Fabricius von Gloesheim und dem Domkapitular Heinrich von Kinsberg.1101 Die Kitzinger baten darum »daß ihnen daß exercitium augustanae confessionis in der kirchen in Etwaßhausen in der vorstatt mit den darzu gehörigen actibus als predigen thauffen das abentmahl ihrer religion gemeß raichen hochzeit einsegnen begrebnußen zu begleiten organisten und cantorem auch ire speeßn und costen zu halten zue gelaßen werten mögen«.

Zwar durften die Kitzinger zu diesem Zeitpunkt bereits auslaufen, dennoch war es deutlich zweckmäßiger, einen Gottesdienst in der eigenen Stadt zu haben. Die abgeordneten Kommissare der Mainstadt boten an, auch dem katholischen Pfarrer Gebühren zu zahlen, zudem überließen sie dem Bischof die Wahl, woher ihr Prädikant kommen sollte (z. B. Sachsen oder Nürnberg). Außerdem boten sie an, die Kirche in Etwashausen mit den Katholiken zu teilen. Der daraufhin ausgestellte so genannte »gnadenbrieff« wurde am nächsten Tag übergeben. Es ist also davon ausgehen, dass er grundsätzlich schon vorbereitet und nicht erst in Folge dieses Treffens erstellt worden war.1102 In diesem Brief bestätigte Bischof Johann Philipp im Wesentlichen alles, was die Gesandten am vorherigen Tag vorgetragen hatten.1103 Ihnen wurde die Ausübung ihrer Konfession in der Kirche in Etwashausen zugesprochen mit der Auflage, sie mit den Katholiken zu teilen. Ebenso musste für einen finanziellen Ausgleich mit dem katholischen Pfarrer gesorgt werden. Der Prädikant durfte von den Kitzingern frei gewählt werden, allerdings mit zwei Einschränkungen. Erstens durfte er nicht aus dem Markgräflichen stammen1104 und zweitens musste sich der Pfarrer der »augspurgischen confession wie solche im jahr 1530 zu augspurch übergeben wordten undt deren anhangdten concordiae buch bequehmen undt gemeß bezeigen«. Ein calvinistischer Pfarrer wurde damit ausgeschlossen. 1098 Buchwald, evangelische Gemeinde, S. 135. 1099 Der würzburgische Bischof war 1647 auch zum Erzbischof von Mainz gewählt worden (Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn, S. 366). 1100 Zeeden, Toleranzedikt, S. 152. 1101 Zum Folgenden: StAW ldf 43 »Prothocollum über deß kitzingen lutherischen praedicantens einführung, de dato würzburg den 26 decemb. 1650«. 1102 Zeeden, Toleranzedikt, S. 153. 1103 Zum Folgenden: StAW ldf 43 »tenor des gnadenbrieffs«, 17. Dezember 1650. 1104 Vermutlich befürchtete man Loyalitätskonflikte in den zahlreichen (auch nicht-religiös bedingten) Streitigkeiten zwischen Würzburg und den Markgrafen (Zeeden, Toleranzedikt, S. 154). Der erste Pfarrer stammte aus dem Sächsischen (Buchwald, evangelische Gemeinde, S. 136).

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Außerdem betonte der Bischof zwei Punkte, die die Kitzinger nicht in die Beratung eingebracht hatten. Zum einen sollten sie sich »alles fernern außlauffens und religions exercitien in der nachbarschafft eußern (=enthalten, H. B.) und ahn und bey ihrem vorgestelten pfarr herr halten«, zum zweiten mussten sie sich in Zukunft an den neuen Kalender halten.1105 Am Neujahrsmorgen 1651 wurde die erste lutherische Predigt in der Kirche zu Etwashausen gehalten.1106 Bereits im Laufe desselben Jahres war die lutherische Gemeinde so groß geworden, dass der Bischof einen zweiten lutherischen Pfarrer genehmigte.1107 20 Jahre später stellten die Protestanten etwa ein Drittel der Stadtbewohner.1108 Es ist davon auszugehen, dass eine ganze Reihe von rekatholisierten Kitzingern wiederum lutherisch wurde, als die Bedingungen es zuließen. Gleichzeitig wurden den Lutheranern auch wieder Möglichkeiten in der Stadtverwaltung eröffnet. Es wurde festgelegt, das zwei Drittel der 24 Ratssitze mit Katholiken und ein Drittel mit Lutheraner zu besetzten seien.1109 Insgesamt betrachtet konnte in Kitzingen der Austausch des Pfarrers erst gelingen, nachdem die Pfandherrschaft wieder eingelöst worden war. Zeitliche Schwerpunkte in der Durchführung der Maßnahme waren die Jahre 1629 und 1635. Es gab in diesem Fall keine Differenz zwischen der Ankündigung der Maßnahme und der tatsächlichen Durchführung. Die Absetzung der lutherischen Pfarrer und Diakone erfolgte mit militärischer Gewalt, die durch die Stationierung von Truppen gewährleistet war. Anlass und Zielgruppe lassen sich hier wie in den vorangegangenen Fällen eindeutig definieren: Der Pfarraustausch war nötig geworden, weil Rekatholisierung ohne Priester nicht funktionieren konnte. Es waren alle Einwohner der Stadt von dieser Maßnahme betroffen. Die Effektivität muss jedoch bereits an dieser Stelle bezweifelt werden. Insgesamt gab es nur 1629 – 31 und 1635 – 47 den Zwang, den katholischen Gottesdienst zu besuchen und dort die Kommunion einzunehmen. Während der Schwedenzeit und nach dem Westfälischen Frieden wurde den Kitzinger Protestanten ein protestantischer Gottesdienst in bzw. außerhalb der Stadt gewährt. Es bleibt festzuhalten, dass die Beibehaltung des lutherischen Gottesdienstes in der Stadt nicht durch den Westfälischen Frieden 1105 Einige Wochen später wurde noch dezidiert besprochen, wie konkret die Wirtschaft und Gebühren der Pfarrer zu teilen waren (ldf 43 Bll. 723 – 35, 8. Januar 1651). 1106 Dietwar, Leben eines evangelischen Pfarrers, S. 132. 1107 Zeeden, Toleranzedikt, S. 160. 1108 DAW Landkapitelakten Nr. 84 »summarische relation der beschehenen localvisitation des capituls dettelbach«, 25. August 1672. 1109 So übereinstimmend Weber, Kitzingen, S. 123 und Ruland, A.: Die Beschwerden der protestantischen Bürgerschaft der unterfränkischen Stadt Kitzingen im Lichte der Geschichte, Würzburg, 1858, S. 23. Anders Hock, Kitzingen, S. 130 und 134, der davon ausgeht, dass noch bis 1684 alle Ratsstellen von Katholiken besetzt worden seien.

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hätte erzwungen werden können, sondern auf der persönlichen Entscheidung des Würzburger Bischofs basierte. Zusammenfassung und Ergebnisse Abschaffung des Prädikanten und Einsetzung eines Priesters Im Folgenden werden die Orte Teuschnitz, Neukenroth, Grafengehaig, Rugendorf, Dormitz1110 und Kitzingen anhand der erarbeiteten Analysekategorien verglichen: (1) Häufigkeit, (2) zeitliche Schwerpunkte, (3) Verhältnis von Ankündigung und Umsetzung sowie Verhalten der bischöflichen Amtsträger vor Ort, (4) Zielgruppe, (5) Anlass der jeweiligen Maßnahme und (6) Effektivität in Hinblick auf die Kommunionseinnahme. (1) Was die Häufigkeit der Maßnahme betrifft, lassen sich die Orte in zwei Gruppen einteilen. In der einen Gruppe wurde der Wechsel des Pfarrers nur einmal und zwar erfolgreich versucht (Rugendorf, Kitzingen). In den anderen Orten wurde der Austausch mehrfach probiert, gelang aber erst nach einigen Monaten wie in Neukenroth, nach mehreren Jahren wie in Teuschnitz oder erst nach Jahrzehnten wie in Grafengehaig. (2) Zeitliche Schwerpunkte lassen sich klar erkennen. Der Austausch der Pfarrer in Teuschnitz und Neukenroth fallen in die Phase der Rekatholisierungspolitik Bischof Neitharts in den 1590er Jahren, Kitzingen und Rugendorf in die für die Katholiken kriegsbedingt günstige Zeit der 1620er Jahre. Grafengehaig lässt sich zwar in die beiden Schwerpunkte einordnen, allerdings bleibt unklar, warum dort schon ab den 1560er Jahren versucht wurde, den protestantischen Pfarrer abzuschaffen. (3) Das Verhältnis von Ankündigung und Umsetzung korreliert deutlich mit der Frage nach der Häufigkeit der Maßnahme. Sollte der Ankündigung auch der tatsächliche Wechsel im Pfarramt folgen, hat sich die Kombination von zwei Dingen als besonders erfolgsversprechend herausgestellt: (a) Herrschaftsrechte und (b) Militär. In den untersuchten Orten zeigt sich, dass man mit militärischem Einsatz fehlende Herrschaftsrechte kompensieren bzw. den Prozess deutlich beschleunigen konnte. In Kitzingen war zwar der Bischof nach der Pfandablösung zweifellos der Landesherr, allerdings konnte er nur mit Hilfe von Soldaten so schnell für den Pfarrwechsel sorgen. In Grafengehaig wiederum war der Bischof niemals im Besitz der nötigen Rechte, eine Pfarreinsetzung funktionierte nur, solange der Pfarrer militärisch geschützt wurde. Hatte der Bischof zwar die passenden Herrschaftsrechte, wie im Fall von Teuschnitz, aber keine Soldaten zur Hand, sondern nur die zum Teil nicht verlässliche lokale Obrigkeit, konnte sich die Pfarreinsetzung über Jahre hinziehen. War der örtliche Amt1110 Dormitz fällt insofern heraus, weil dort die örtliche Bevölkerung versuchte, einen Prädikanten einzusetzen, was aber nicht gelang.

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mann zudem entweder Lutheraner (wie in Teuschnitz) oder ein Mitglied der ritterschaftlichen Familie, um dessen Pfarrei es ging (wie in Grafengehaig) führte das zu einer zusätzlichen Schwächung der bischöflichen Autorität und wirkte sich entsprechend auf die Pfarreinsetzung aus. In Grafengehaig lässt sich auf Grund dieser Tatsache deutlich erkennen, wie die Aufgaben des Amtmannes bezüglich der Rekatholisierung, besonders der Schutz des Priesters, auf den Kastner übergingen. Die Fragen nach (4) Zielgruppe und (5) Anlass der Maßnahme sind eindeutig zu beantworten: Anlass war das Fehlen eines Priesters und das Wirken eines Prädikanten, Zielgruppe waren alle Mitglieder der jeweiligen Pfarrei. (6) Was die Effektivität in Hinblick auf die Kommunionseinnahme betrifft, sind hier bereits einige Anmerkungen möglich, wobei generell diese Frage erst am Ende des 6. Kapitels beantwortet werden kann. Auch wenn es die Bischöfe geschafft hatten, den jeweiligen Prädikanten zu vertreiben, ergaben sich weitere Schwierigkeiten. In Teuschnitz und Neukenroth hat sich gezeigt, dass es ohne den Einsatz des Militärs, nur angewiesen auf die lokale Obrigkeit, kaum möglich war, die abgeschafften Prädikanten davon abzuhalten, sich weiterhin an ihrer alten Wirkungsstätte aufzuhalten und bei ihrem ehemaligen Pfarrvolk weiterhin religiöse Handlungen vorzunehmen. In Orten mit Militäreinsatz (Grafengehaig, Kitzingen) konnte dies gelingen.1111 Zudem musste in zwei Orten (Grafengehaig, Rugendorf) der Priester nach dem Westfälischen Frieden wieder einem Prädikanten weichen, sodass davon auszugehen ist, dass hier in den wenigen Kriegsjahren kaum eine nachhaltige Rekatholisierung erreicht werden konnte. Gleiches gilt für Kitzingen, wo der Würzburger Bischof ab 1650 einen lutherischen Gottesdienst erlaubte.

5.1.3. Entzug von Ämtern in der Stadt-/Dorfverwaltung Eine Möglichkeit, um eine Konversion einzelner Personen bzw. einzelner Familien zu erreichen, war der Entzug der gesellschaftlich-politischen Position. Zudem konnte der Entzug eines Amtes als Druck- und Drohmittel eingesetzt werden. Dabei waren zwei unterschiedliche Wege möglich: Zum einen konnte der Bischof die Auswechslung eines Funktionsträgers anordnen. Zum anderen mussten neue Mitglieder der Stadtverwaltungen, speziell Ratsmitglieder, durch den Bischof bestätigt werden. Hier konnte der Landesherr durch die Verweigerung dieser Bestätigung ebenfalls explizit die Zusammensetzung der Stadtverwaltung beeinflussen. Im Folgenden werden Fälle dargestellt, in denen Mit1111 Inwiefern die Einwohner dies aber durch Auslaufen kompensierten s. Kapitel 6.3.

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glieder der Stadt- bzw. Dorfverwaltung ausgetauscht wurden, weil sie aus Sicht der Bischöfe die Rekatholisierung verzögerten bzw. abwehrten. Hochstift Bamberg Teuschnitz und Marienroth Explizit ausgetauscht wurde in Teuschnitz niemand, allerdings wurde es angedacht. Im Filialort Marienroth verloren dörfliche Funktionsträger ihre Ämter. Zu Beginn der Rekatholisierungsmaßnahmen war die gesamte städtische Oberschicht von Teuschnitz (Bürgermeister, Ratsmitglieder, Stadtschreiber) lutherisch.1112 Damit gab sie aus Sicht des Priesters ein besonders schlechtes Beispiel für die restliche Bevölkerung ab. Er war sich aber sicher, dass »zu fortpflanzung unserer heyligen religion ein ersamer rath gar woll, ohn alles widersperren mit gutten catholischen leutten besetzt werden« könnte.1113 Er schlug also nicht vor, besondere Mühe gegenüber den Honoratioren an den Tag zu legen, sondern einen Wechsel innerhalb der Besetzung. Dieser Vorschlag war auch insofern bezeichnend für die Einschätzung des Priesters, da es zu diesem Zeitpunkt in Teuschnitz keine Katholiken gab, die man hätte stattdessen einsetzen können. Entsprechend wurde dieser Vorschlag auch nicht weiter verfolgt.1114 Den Wendepunkt innerhalb der konfessionellen Zuordnung der Mitglieder der Stadtverwaltung stellt die Gefangennahme von sechs Ratsherren in Bamberg im Sommer 1596 dar, die in der Haft zwangsweise zur Annahme der katholischen Konfession gebracht wurden.1115 In Folge dieses Ereignisses nahmen die meisten anderen Ratsherren ebenfalls den katholischen Glauben an.1116 Vermutlich war die Angst vor einer ähnlichen Prozedur, so wie sie die sechs erlebt hatten, zu groß. Am 17. Februar 1598 wurde im Geistlichen Rat beschlossen, dass in Teuschnitz niemand mehr, der nicht katholisch war, zu öffentlichen Ämtern zugelassen werden dürfe.1117 Zu diesem Zeitpunkt waren noch vier Ratsmitglieder ausständig, d. h. noch nicht bei der Kommunion gewesen. Der Befehl war also 1112 AEB Rep. I Nr. 735 48v, 3. Oktober 1595. 1113 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Wolfang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 15. Oktober 1595. 1114 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 7. Juni 1596. 1115 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 70r – 71r, 19. August 1596; ebd. fol. 71v – 73v, 20. August 1596. S. Kapitel 5.3.1. 1116 StABa B 49 Nr. 191/29 I Kommunikantenverzeichnis der Pfarrei Teuschnitz von Johannes Ammon, 9. September 1596. 1117 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 20r, 17. Februar 1598.

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durchaus notwendig, wurde aber vor Ort zunächst nicht umgesetzt. Drei der vier Männer stellten sich erst im Mai 1598 ein. Der vierte, der Weißgerber Matthes Henning, entschied sich für die Auswanderung.1118 Im eingepfarrten Dorf Marienroth kam es darüber hinausgehend zu einem bewussten Austausch von Funktionsträgern: Der Schultheiß Georg Reichold wurde auf Anordnung von Bischof Johann Gottfried 1609 durch einen Katholiken ersetzt.1119 Neukenroth In Neukenroth wurde der Schultheiß 1598 gegen einen Katholiken ausgetauscht.1120 Allerdings wurde er zwar aus seinem Amt, nicht aber aus dem Dorf entfernt. Er konnte weiterhin in Neukenroth wohnen bleiben und blieb zudem lutherisch.1121 Forchheim In Forchheim wurde einem als besonders hartnäckig empfundenen protestantischen Ratsmitglied der Verlust aller städtischen Ämter angedroht. Da das Forchheimer Ratsmitglied Michael Sembler an seiner Zugehörigkeit zum protestantischen Glauben festhielt, ordnete Bischof Neithart im Dezember 1595 an, dass Sembler seine Ratsmitgliedschaft, weitere Ämter und seine Vormundschaften aufgeben müsse. Zudem bekam er eine Frist bis zum 2. Februar, um entweder zur Kommunion zu erscheinen oder seine Angelegenheiten für die Auswanderung zur regeln. Bereits vorher war ihm die Ausweisung und der Verlust seines Bürgerrechtes angedroht worden, allerdings war es bei dieser Drohung geblieben.1122 Offenbar ging es darum, die Drohung weiter zu verstärken, sodass man die erste Drohung um eine weitere Dimension – den Verlust von allen (Ehren-)Ämtern hinzufügte. In den Akten findet sich kein Hinweis darüber, wofür Sembler sich entschied. Vermutlich konvertierte er aber, denn als

1118 StABa B 49 Nr. 191/29 I Amtmann, Bürgermeister, Richter, Pfarrer und Stadtschreiber an Bischof Neithart, 18. Mai 1598; ebd. Matthes Henning an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 5. Mai 1598. 1119 StABa B 49 Nr. 191/29 II Niklas Georg, Richter von Teuschnitz an Bischof Johann Gottfried, 30. Oktober 1609. 1120 StABa B 49 Nr. 129/03 Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach an Bischof Neithart, 20. November 1598. 1121 StABa B 49 Nr. 129/03 Schultheiß, Richter, Gerichtsschöffen, ganze Gemeinde und Einwohner (ausgenommen wenige Einzelne) von Neukenroth an Bischof Johann Philipp, 6. September 1599. 1122 StABa B 49 Nr. 47/02 Bischof Neithart an Dechant, Kastner, Forstmeister, Bürgermeister und Rat von Forchheim, 30. Dezember 1595.

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im Januar 1596 17 Forchheimer Lutheraner nach Bamberg bestellt wurden, war er nicht darunter.1123 Hochstift Würzburg Gerolzhofen Auch in Gerolzhofen wurde versucht, durch gezielte Einflussnahme den Rat zu rekatholisieren. Dies war in erster Linie überhaupt möglich, weil die bischöflich eingesetzten Amtmänner und Vögte die Ratsherren bestätigen mussten.1124 Damit unterschied sich Gerolzhofen von anderen Orten, in denen der Bischof selbst die Räte bestätigte und daher die Kandidaten nicht persönlich kannte und entsprechend einschätzen konnte. Durch das Vorhandensein der Zwischeninstanz war in Gerolzhofen eine einfachere Kontrolle möglich. Bereits 1580 trug der bischöfliche Visitator dem Pfarrer und Stadtvogt auf, bei den zwei freigewordenen Ratsposten »aufs catholische bedacht zu sein« und nur Katholiken als neue Räte anzunehmen.1125 Allerdings stellte sich zu diesem Zeitpunkt noch das Problem, dass es kaum adäquaten katholischen Ersatz gab: »Und wissen der Pfarrherr und Ich noch zur Zeit kein qualifizierte Chatholische Personn, auß ursachen, daß die anzahll der Chatholischen gantz gering«.1126 In der Folge konnten keine weiteren Versuche, direkten Einfluss auf die Wahl der Ratsmitglieder zu nehmen, festgestellt werden. Stattdessen konzentrierten sich die Rekatholisierungsmaßnahmen auf die gesamte Gerolzhofener Oberschicht. Iphofen Bereits Friedrich von Wirsberg versuchte 1559, die Besetzung des Rates in Hinblick auf die konfessionelle Zugehörigkeit zu beeinflussen. Nachdem ihm eine Liste mit den Kandidaten für freigewordene Ratssitze übergeben worden war, wollte er darüber informiert werden, welche dieser möglichen neuen Ratsherren katholisch seien und welche nicht. Es ist davon auszugehen, dass sich auch Lutheraner auf der Liste befanden, da die Iphöfer Obrigkeit darauf nicht konkret antwortete, sondern angab, dass alle Kandidaten zur Kirche gingen und sie darüber hinausgehend nicht wissen könnten, welchem Glauben jemand im

1123 1124 1125 1126

StABa B 49 Nr. 47/02 Befragung von Untertanen, 2.–4. Januar 1596. Sixt, Gerolzhofen, S. 78. DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationrelation, 2. September 1580. DAW Pfarrei-Akten Gerolzhofen Kasten 1 Vogt von Gerolzhofen an Bischof Julius, 2. November 1580.

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Inneren anhing.1127 Bischof Friedrich verfolgte die Sache danach wohl nicht weiter. Im Jahr 1583 beklagte sich der Iphöfer Priester über die lutherischen Ratsherren, die selbst ausliefen und auf Grund ihrer Vorbildfunktion damit das Auslaufen der anderen Bürger förderten. Er schlug vor, zumindest einige davon zu ersetzen: »es thutt derohalben kein gutt zu iphoven man stoss dan etliche personen auss dem rath und entsetzt dieselbige aller ehrn zu einem schrecken der andern«.1128 Zum Ende des Jahres 1583 baten Priester und Kaplan darum, dass wenigstens zwei Ratsherren, nämlich die als besonders ungehorsam ausgemachten Andreas Pfaff und Bonifacius Frobonius1129 ausgetauscht würden.1130 Zudem empfahl die Iphöfer Geistlichkeit noch den Austausch des lutherischen Bürgermeisters Michael Bayer und des Stadtschreibers.1131 Die Beschwerde hatte allerdings keine Konsequenzen, obwohl Bürgermeister und Rat weiterhin protestantisch blieben und die Befehle des katholischen Schultheißen ignorierten.1132 Bis zum Jahre 1590 stellten sich die Ratsherren entweder ein oder wanderten aus. Trotzdem wurde der Iphöfer Pfarrer aufgefordert, Vorschläge zu unterbreiten, welche Ratsmitglieder besser ausgetauscht würden.1133 Offenbar traute man zumindest einigen nominellen Katholiken im Rat nicht. Es gibt keinerlei Belege, ob der Priester daraufhin Vorschläge einreichte oder nicht. Zusammenfassung und Ergebnisse Entzug von Ämtern in der Stadt-/Dorfverwaltung Was die Häufigkeit der Maßnahme betrifft, kam der Austausch von städtischen und dörflichen Amtsträgern selten vor. Von Bischöfen befohlener Austausch von Ratsmitgliedern, Bürgermeistern, Stadtschreibern etc. wurde in sehr geringer Zahl festgestellt. Dies ist insofern verwunderlich, da in vielen Orten, besonders den Städten (Teuschnitz, Gerolzhofen, Iphofen) große Teile der Stadtverwaltung bekennende Lutheraner waren und zudem häufig von den örtlichen Pfarrern auf den Vorbildcharakter der Ratsmitglieder rekurriert wurde.1134 1127 Endres, Iphofen, S. 344. 1128 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 18. April 1583. 1129 Der Lutheraner Magister Bonifacius Frobonius war 1564 nach Iphofen gekommen, um die Leitung der städtischen Lateinschule zu übernehmen (Endres, Iphofen, S. 341). 1130 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 10. Dezember 1583. Frobonius verstarb im Jahr 1584 an der Pest (Brombierstäudl, Iphofen, S. 22). 1131 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 10. Dezember 1583. 1132 Ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 11. Juli 1585. 1133 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 528 Visitation im Kapitel Iphofen, Dezember 1590. 1134 Einzelnachweise s. Kapitel 6.2.

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Zeitliche Schwerpunkte zu ermitteln scheint ob des geringen Vorkommens nicht zielführend zu sein. Aufschlussreicher ist hingegen die Frage nach dem Verhältnis von Ankündigung und Durchführung. In Teuschnitz zeigte sich, dass die Katholizität der Beamten sehr viel häufiger postuliert wurde, als es der Realität entsprach. Auch im würzburgischen Iphofen rückte Bischof Friedrich von der anfänglich intendierten Katholizität der Ratsmitglieder wieder ab. Die Zielgruppe der Maßnahme waren die jeweiligen Oberschichten der behandelten Orte, also diejenigen Bevölkerungsgruppen, die die Mitglieder der Dorf- bzw. der Stadtverwaltung stellten. Ein direkter Anlass für das tatsächlich erfolgte Austauschen der wenigen Beispiele konnte nicht aufgefunden werden. Die Effektivität der Maßnahme ist schwierig einzuschätzen, da sie nicht ausgeprägt zur Anwendung kam. Gerade in den würzburgischen Städten löste sich das Problem der lutherischen städtischen Amtsträger von selbst, da große Teile der Ratsmitglieder auswanderten und ihre Stellen anschließend von Katholiken besetzt werden konnten.1135

5.1.4. Verweigerung des Begräbnisses Der Tod stellt nach christlichem Verständnis den Übergang vom irdischen Leben zum ewigen Heil oder der ewigen Verdammnis dar.1136 Das Begräbnis des Verstorbenen stellte bis weit in die Neuzeit ein gemeinschaftliches und öffentliches Ereignis dar, das besonders im katholischen Raum von einer Reihe ritualisierter Frömmigkeitspraktiken begleitet wurde.1137 Entsprechend versuchten die fränkischen Bischöfe, eine Hinwendung der Protestanten zum Katholizismus zu erreichen, in dem sie ihnen im Fall der Verweigerung der Konversion das Begräbnis verwehrten. Hochstift Bamberg Die Maßnahme, das christliche Begräbnis zu verweigern, wurde in Bamberg nur selten angedroht und noch seltener durchgeführt. Teuschnitz mit Marienroth Im Februar 1601 ordnete Bischof Johann Philipp an, dass Lutheraner, wenn sie starben, vor der Mauer des Friedhofes oder, wenn dies nicht ging, bei den un1135 In Kitzingen, um nur ein Beispiel zu nennen, wanderten von 24 Ratsmitgliedern 18 aus (s. Kapitel 7.2). 1136 Seresse, Kirche und Christentum, S. 246. 1137 Ebd., S. 249 f.

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getauften Kindern begraben würden. Es handelte sich bei dem neuen Platz um ungeweihte Erde und zudem sollten dabei auch keinerlei Zeremonien wie zum Beispiel Läuten der Glocken und Gesänge durchgeführt werden.1138 Die meisten Teuschnitzer hatten sich zum diesem Zeitpunkt bereits zur katholischen Konfession eingestellt, aber nicht die Bewohner des Filialdorfes Marienroth.1139 Bei ihnen wirkte das Druckmittel indes nicht, weil die Marienrother ihre lutherischen Toten daraufhin in ihrem eigenen Dorf in ungeweihter Erde begruben.1140 Nicht beantwortet werden kann die Frage, ob die Marienrother einen Prädikanten aus einem lutherischen Nachbarort hinzuzogen, um die Beerdigung durchzuführen. Forchheim mit Pinzberg In Forchheim kam die Verweigerung des Begräbnisses als Maßnahme nicht vor, aber in dem Filialdorf Pinzberg. Dort gab es im Jahr 1611 einen Fall, in dem einem nürnbergischen Lutheraner das Begräbnis zunächst verweigert wurde. Die Nürnberger Räte hielten diese Verweigerung für Unrecht, da Bischof Johann Gottfried zugesagt hätte, dass nürnbergische Lutheraner ihre Toten auf bambergischen Gebiet begraben dürften und zudem die Nürnberger es Katholiken in ihrem Gebiet auch erlaubten, ihre Toten nach katholischem Ritus zu begraben.1141 Diesen Punkt zweifelten die zuständigen Forchheimer Kanoniker aber an und argumentierten zudem, dass sie keinerlei Verständnis dafür hätten, dass jemand sein ganzes Leben von den Katholiken geschieden sein wolle und im Tod plötzlich nicht mehr.1142 Inwiefern den Nürnberger Untertanen das Begräbnis tatsächlich verboten wurde, konnte auf Grund der unzureichenden Quellenlage nicht nachgeprüft werden. Hochstift Würzburg Im Hochstift Würzburg wurde die Verweigerung des Begräbnisses als Mittel, um jemanden noch zu seinen Lebzeiten zum katholischen Glauben zu bringen, durchaus eingesetzt.

1138 StABa B 49 Nr. 191/29 II Bischof Johann Philipp an Niklas Georg, Richter von Teuschnitz, 15. Februar 1601. 1139 S. Kapitel 6.2. 1140 StABa B 49 Nr. 191/29 II Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 27. Juni 1602. 1141 StABa B 49 Nr. 47/30 Rat von Nürnberg an bambergische Räte, 30. Mai 1611. 1142 Ebd. Dechant und Kapitel von Forchheim an Rat von Nürnberg, 7. Juni 1611.

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Gerolzhofen Die Verweigerung des Begräbnisses wurde in Gerolzhofen bereits unter Bischof Friedrich von Wirsberg angestrebt, aber erst unter Bischof Julius Echter umfassend durchgeführt. Noch in seinem letzten Regierungsjahr 1573 versuchte Bischof Friedrich, den lutherischen Gerolzhofenern das Begräbnis auf dem städtischen Friedhof zu verweigern. Offenbar hatte der Würzburger Bischof seine Visitatoren entsprechend instruiert, denn die Gerolzhofener Stadtobrigkeit beklagte sich darüber, dass diese verkündet hatten »ob iemants [von] den confessionisten (=Protestanten, H. B.) solte versterben das weder der pfarher noch annder geistlichen personen mit den procesion noch andern alten hergebrachten christenlichen ceremonien nit gern oder gebraucht, darzu auch den verstorbenen nit solten geleittet werden«.1143

Von Seiten der Gerolzhofener wehrte man sich einerseits auf einer religiösemotionalen, andererseits auf einer rechtlichen Ebene dagegen. Sie argumentierten, dass ein christlicher und getaufter Mensch nicht ohne christliche Zeremonien »gleich dem abgegangenen viech« begraben werden könnte. Auf der rechtlichen Seite folgten zwei Punkte: Erstens müsse man befürchten, dass die durch Hungersnot und andere Krisen ohnehin schon schwelende allgemeine Zwietracht sich zu weiteren Zerrüttungen erweitern und zu Aufständen führen könnte. Zweitens erinnerten die Gerolz-hofener ihren Landesherren daran, dass er ihnen sowohl bei der Erbhuldigung als auch bei den beiden Landtagen von 1566 und 1567 zugesagt habe »mit dem begrebnuß mit allen andern ceremonien als von alters herkommen zwischen beeden seidten der catholischen und confessionisten gleichnis zuhalten, auch uns darüber brieff und sigil gegeben«.1144 In der Tat schickte der bischöfliche Vogt der Stadt drei Wochen später den entsprechenden Auszug aus den Landtagsakten, der besagte, dass die Protestanten mit den gleichen Zeremonien und Würden zu begraben seien wie die Katholiken.1145 Daraufhin hatte entweder Wirsberg nachgegeben oder das Thema wurde durch seinen Tod und die Bischofsneuwahl Anfang Dezember 1573 überlagert. Es ist davon auszugehen, dass die Begräbnisse wieder für beide Konfessionen abgehalten wurden, denn 1580 wurde seitens eines Visitators erneut angeordnet, dass der Priester in Zukunft keine Protestanten mehr bestatten

1143 StAW Ger Gerolzh. 217 Vogt, Rat und Bürgermeister von Gerolzhofen an Bischof Friedrich, 21. Oktober 1573. 1144 Ebd. 1145 Ebd. Peter Eisner, Vogt von Gerolzhofen an den würzburgischen Rat und Sekretär Conradt, 10. November 1673.

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dürfe und auch die Glocken für Protestanten nicht geläutet werden sollten.1146 Offensichtlich haben sich die Gerolzhofener Priester auch daran gehalten.1147 Diejenigen Stadtbewohner, die an lutherischen Begräbnissen eines Gerolzhofeners außerhalb der Stadt teilnahmen, wurden zudem mit mehreren Tagen Gefängnis bestraft.1148 Iphofen In der Regierungszeit Julius Echters kam es auch in Iphofen zu Konflikten wegen des Begräbnisses von Lutheranern in der Stadt. Aus unbekannten Gründen war dort 1583 durch den würzburgischen Fiskal Urban Rinnisfeld eine Zwischenlösung angeordnet worden. Lutheraner wurden auf dem katholischen Friedhof bestattet, es wurde auch geläutet, aber der Priester selbst nahm daran nicht teil, sondern schickte den Schulmeister und einen Jungen, der ein Kreuz zu tragen hatte.1149 Damit war die Stadtobrigkeit aber nicht zufrieden und verlangte noch im gleichen Jahr von dem örtlichen Priester, das Begräbnis der lutherischen Toten auch in Zukunft genauso zu halten, wie es ihrer Meinung nach auch an anderen Orten im Hochstift getan würde.1150 Dies hieß praktisch, dass sie auch weiterhin das gleiche Begräbnis für Katholiken und Lutheraner forderten. Damit hatten sie Erfolg. Die Lutheraner wurden weiterhin auf dem katholischen Friedhof beigesetzt.1151 Zudem erhielten sie Glockengeläut, Gesang und eine Begräbniszeremonie, die der Priester durchführte.1152 In den darauf folgenden Jahren verlangte Bischof Julius wiederholt, dass dieser Brauch aufhören müsse.1153 Augenscheinlich konnte er sich damit durchsetzten, denn im beginnenden 17. Jahrhundert wurden Lutheraner ohne Zeremonien neben dem Kirchhof begraben.1154 1146 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationrelation, 2. September 1580. Gegenmaßnahmen der Gerolzhofener gegen diese Praxis wie zuvor bei Wirsberg sind nicht überliefert. 1147 DAW Pfarrei-Akten Gerolzhofen Kasten 1 Vogt von Gerolzhofen an Bischof Julius, 2. November 1580; DAW Landkapitelakten Nr. 136 Visitationsrelation, 1583. 1148 DAW Pfarrei-Akten Gerolzhofen Kasten 1 Hans Hillprandt, Wilhelm Müller, Steffen Graff und Claus Müller, Bürger zu Gerolzhofen an Bischof Julius, 14. Dezember 1584. 1149 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 18. April 1583. 1150 Ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 10. Dezember 1583. 1151 Ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 18. August 1584. 1152 Brombierstäudl, Iphofen, S. 22. 1153 Ebd.; Endres, Iphofen, S. 349. 1154 Brombierstäudl, Iphofen, S. 23. In erster Linie war das Verbot des Begräbnisses ein Druckmittel, um Lutheraner zur Konversion zu bringen. Unklar ist, inwiefern eine Entweihung des Friedhofes durch die Beisetzung von Lutheranern ebenfalls eine Rolle für Echter spielte.

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Urspringen In Urspringen traf der Anspruch Echters, den Protestanten das Begräbnis zu verbieten, auf den Unwillen der dortigen ritterschaftlichen Herrschaft. In diesem Dorf erlaubte die adelige Herrschaft, dass die Lutheraner mit den üblichen Zeremonien auf dem katholischen Friedhof des Ortes begraben wurden. Von Seiten der Hochstiftsleitung wurde dem Priester Caspar Eysner 1580 beschieden, dass er in Fragen des Begräbnisses nicht seiner Herrschaft folgen dürfe, sondern das Begräbnis der Lutheraner verweigern müsse.1155 Offenbar haben sich weder Eysner noch seine Nachfolger an diese Anweisungen gehalten, denn etliche Jahrzehnte später beklagten die Visitatoren zweimal (1620 und 1636), dass die Lutheraner gemeinsam mit den Katholiken auf dem katholischen Friedhof begraben würden und dieser dadurch entweiht worden sei.1156 Keine Aussage machen die Visitationsberichte zu der Frage, ob bei den Lutheranern auch die gleichen Zeremonien durchgeführt wurden oder nicht. Über die Gründe der Priester, ihrem Bischof den Gehorsam zu verweigern, lässt sich ob der geringen Daten nur spekulieren. Einerseits ist es denkbar, dass die Priester den Rittern gegenüber wirtschaftlich abhängig waren und sich entsprechend (offiziell oder inoffiziell) nach deren Befehlen richten mussten. Auch denkbar wäre, dass den Priestern gar nicht bewusst war, dass es sich bei der Verweigerung des Begräbnisses um eine Rekatholisierungsmaßnahme handelte und ihr entsprechend gar keine Bedeutung beimaßen. Auch möglich ist, dass der Druck durch das direkte soziale Umfeld in dem kleinen Dorf so groß war, dass der Priester sich diesem nicht entziehen konnte und weiterhin bei allen Menschen die übliche Beerdigung durchführte.

Kitzingen Nach der Übernahme Kitzingens 1629/30 war nur noch ein kleiner Rest von Protestanten in der Stadt verblieben.1157 Diesen wurde das kirchliche Begräbnis verwehrt. Sie wurden ohne Zeremonien, »sine lux et crux (sic!)« außerhalb des Friedhofs begraben.1158 1155 DAW Landkapitelakten Nr. 183 Visitationsrelation, ca. 1580. 1156 DAW Landkapitelakten Nr. 187 »Visitatio Capituli Carolstatt«, 1. September 1620; DAW Landkapitelakten Nr. 192 »relatio de capitulo rurali carolstadt«, 1636. 1157 S. Kapitel 6.2 und 7.2. 1158 StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«.

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Zusammenfassung und Ergebnisse Verweigerung des Begräbnisses Insgesamt betrachtet sind die Unterschiede in der Anwendung dieser Maßnahme bei den beiden betrachteten Hochstiften beträchtlich. Was die Häufigkeit betrifft, fällt zunächst auf, dass in den untersuchten Orten des Hochstifts Bamberg die Androhung der Verweigerung eines Begräbnisses recht selten vorkam. Ausgeführt wurde diese Maßnahme noch seltener. Dies mutet insofern eigenartig an, als dass viele Geistliche auf dem Land der Meinung waren, dass die Verweigerung des Begräbnisses eine der wenigen Möglichkeiten sei, das Pfarrvolk von den lutherischen Ideen abzubringen.1159 Entsprechend lassen sich keine zeitlichen Schwerpunkte aufzeigen. Betrachtet man Häufigkeit und zeitliche Schwerpunkte im Hochstift Würzburg, weicht das Ergebnis deutlich ab. Dort war dieses Mittel gängige Praxis. In drei der fünf untersuchten Orte setzte sich Bischof Julius massiv dafür ein, eine gemeinsame letzte Ruhestätte von Protestanten und Katholiken zu verhindern. Erstere wurden in ungeweihter Erde ohne die gängigen Zeremonien bestattet. Auffällig ist, dass diese Maßnahme in Gerolzhofen, Iphofen und Urspringen bereits zu Beginn der 1580er Jahre umgesetzt wurde, also bereits bevor die systematische Rekatholisierung Mitte der 1580er begann. Bischof Julius’ späterer Nachfolger, Bischof Philipp Adolf von Ehrenberg, wendete diese Methode 1629/30 ebenfalls an, als er die Pfandschaft Kitzingen einlöste und sofort mit der Rekatholisierung der Stadt begann. Die Frage nach dem Verhältnis von Ankündigung und tatsächlicher Durchführung lässt sich für Bamberg kaum beantworten. In der Summe wurde das Begräbnis tatsächlich nur im Teuschnitzer Filialort Marienroth auch faktisch verweigert, obwohl es gelegentlich auch in anderen Orten zur Androhung gekommen ist. In Würzburg wiederum wurde diese Maßnahme bereits von Friedrich von Wirsberg (reg. 1558 – 1573) angedroht, allerdings gelang ihm – vermutlich hauptsächlich bedingt durch seinen Tod – vor Ort keine Durchsetzung. Sein Nachfolger Julius Echter (reg. 1573 – 1617) wiederum ließ zwar in Iphofen und Gerolzhofen seine Maßnahme rigide durchsetzten, im kleinen Urspringen gelang dies aber nicht. Dort folgten der Androhung keine Taten. Die Gründe für die mangelnde Umsetzung sind nicht eindeutig zu bestimmen, mögliche Motive sind die ablehnende Haltung der örtlichen ritterlichen Familie und der soziale Druck der Dorfgemeinschaft auf den Priester. Zielgruppe und Anlass lassen sich bei dieser Maßnahme einfach bestimmen. Die Maßnahme, die ein bis dahin stattgefundenes gleichberechtiges Begräbnis der Lutheraner verhindern sollte, betraf alle Mitglieder der jeweiligen Gemeinde.

1159 AEB Rep. 343 Stand der Pfarreien, 1624.

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5.1.5. Visitation Bei einer Visitation handelte es sich im Allgemeinen um ein Kontrollinstrument, um die Pfarreien eines Bistums auf Mängel aller Art (Person des Pfarrers, Amtsführung, Kirchengebäude und -zubehör etc.) hin zu überprüfen.1160 Grundsätzlich lassen sich bei Visitationen zwei Arten unterscheiden: In der Mittelpunktvisitation wurden die Geistlichen eines bestimmten Gebietes (z. B. eines Landkapitels) an einen Ort zusammengerufen und befragt. Bei einer Visitationsreise hingegen reiste der Visitator selbst von Ort zu Ort.1161 Obwohl es schon seit der frühen Kirche die Pflicht der Bischöfe war, ihre Bistümer regelmäßig zu inspizieren, hielt man sich nicht sehr häufig daran.1162 Auf dem Tridentinum wurde versucht, diesen Missstand zu beheben. Die Konzilsteilnehmer einigten sich darauf, dass jede Diözese durch ihren Bischof oder einen bischöflichen Vertreter jedes Jahr, bei weitläufigen Territorien alle zwei Jahre visitiert werden sollten.1163 Erreicht werden sollte einerseits die Gemeinsamkeit des Glaubensbekenntnisses aller Untertanen in einer Diözese, andererseits aber auch die Gleichförmigkeit der Glaubensausübung.1164 Durch Regulierung, Bestrafung und vor allem durch die Regelmäßigkeit konnte die Visitation also zu einem effizienten Mittel werden.1165 Eine Visitation war indes nicht nur eine Pflicht der Bischöfe, sondern auch ein Recht.1166 Während einer solchen Reise konnte der Landesherr in seinem Territorium Präsenz zeigen und die bischöfliche Macht mit einem persönlichen Eindruck auf seine Untertanen stärken.1167 Allerdings kam es bei den Visitationen der Frühen Neuzeit zu einer Bedeutungsverschiebung: Neben dem Klerus und den kirchlichen Besitztümern rückten jetzt auch die Seelsorge, die Auslegung der Lehre und das Verhalten des Volkes in den Vordergrund.1168 In den untersuchten Hochstiften wurde die Visitation auf unterschiedliche Art und Weise eingesetzt. 1160 1161 1162 1163 1164 1165 1166 1167 1168

Seresse, Kirche und Christentum, S. 146. Lang, Kirchenvisitationsakten, S. 134. Seresse, Kirche und Christentum, S. 146 f. Nubola, Cecilia: Visitationen zwischen Kirchen und Staaten im 16. und 17. Jahrhundert, in: Prodi, Paolo/Reinhard, Wolfgang: Das Konzil von Trient und die Moderne, München, 2001, S. 299 – 323, hier S. 299. Lang, Peter Thaddäus/Zeeden, Ernst Walter : Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Kirche und Visitation. Beiträge zur Erforschung des frühneuzeitlichen Visitationswesens in Europa, S. 9 – 20, hier S. 15. Turchini, Angelo: Die Visitation als Mittel zur Regierung des Territoriums, in: Prodi, Paolo/Reinhard, Wolfgang: Das Konzil von Trient und die Moderne, München, 2001, S. 261 – 298, hier S. 262. Ebd., S. 263. Nubola, Visitationen, S. 300. Meier, Karlstadt, S. 58.

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In Würzburg differenzierte sich das Visitationssystem unter Bischof Julius Echter zunehmend aus, es diente nicht nur zur Bestandsaufnahme, sondern war gleichzeitig sowohl Mittel als auch Kontrollmittel der Rekatholisierung. In Bamberg hingegen wurde die Visitation lange Zeit nur als eine Möglichkeit der Bestandsaufnahme interpretiert und weniger als Maßnahme, um eine Veränderung im Verhalten des Volkes zu erreichen. Dort blieb die Generalvisitation wie in vielen anderen Diözesen des Alten Reiches ein außerordentliches Ereignis.1169 Im Folgenden wird zunächst dargestellt, inwiefern das Visitationssystem funktionierte. In den einzelnen Orten wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die Visitation auf die Rekatholisierung hatte und inwiefern sich die Entwicklungen unterschieden. Hochstift Bamberg Im Hochstift Bamberg kam es nicht zu der Ausbildung der Visitation als regelmäßiges Kontrollinstrument. Im Folgenden soll deshalb kurz dargestellt werden, wann und unter welchen Umständen es zu Visitationen kam. Eine erste nachtridentinische Visitation von einzelnen Pfarreien fand in Bamberg 1575 durch den päpstlichen Delegaten Nikolaus Elgard statt, die die Mängel bei der Glaubensausübung bei Pfarrern und Pfarrvolk offenlegte.1170 Bischof Ernst von Mengersdorf (reg. 1583 – 91) fasste ebenfalls den Plan, eine Generalvisitation durchzuführen.1171 Allerdings wollte er in Hinblick auf seine schwache Gesundheit die Visitation nicht persönlich durchführen.1172 Offensichtlich kam dieser Plan aber nicht mehr zur Ausführung. Bischof Neithart richtete, nachdem er von der römischen Kurie dazu aufgefordert war, eine Kommission zur Visitation des Hochstifts ein, wobei er sich an Würzburg orientierte.1173 Ab Ende des Jahres 1595 durchreisten bischöfliche Kommissare – Neithart visitierte im Gegensatz zu Julius nicht persönlich – Teile des Territoriums, um in den besuchten Orten die Menschen aufzufordern, sich entweder zum katholischen Glauben zu bekennen oder das Stift zu verlassen. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf die örtlichen Beamten, Bürger1169 Ebd. 1170 Brandmüller, Walter : Die kirchlich-religiöse Entwicklung von der Mitte des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: Kraus, Andreas (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Dritter Band, Erster Teilband: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München, 31997, S. 783 – 877, hier S. 849. Elgard hielt sich vom 17. August bis zum 20. September 1575 im Hochstift Bamberg auf (Zeissner, Bistum Bamberg, S. 14). Unklar ist, welche Pfarreien er visitierte. 1171 Weiss, Bischofsreihe, S. 248. 1172 Kist, Bamberg, S. 127. 1173 Weiss, Bischofsreihe, S. 289 f.

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meister und Ratsmitglieder.1174 In den folgenden Regierungsjahren Neitharts kam es zu weiteren, lokalen Visitationen.1175 Auch Neitharts Nachfolger Bischof Johann Philipp nutzte das Entsenden von Kommissaren in die bischöflichen Pfarreien als ein Mittel der Rekatholisierung. Im Spätsommer 1600 schickte er seinen Weihbischof Johann Ertlin1176 und den Domprediger Martin Thum auf eine Reise durch das Stift. Den Visitatoren gab er eine konkrete Instruktion an die Hand, wie sie sich zu verhalten hatten.1177 Jeweils vor Ort sollten die beiden herausfinden, wer noch protestantisch war. Diese Personen mussten dann vor den bischöflichen Gesandten erscheinen und wurden ermahnt, sich in Zukunft zum katholischen Glauben zu bekennen. Besonderer Fokus sollte dabei auf zwei Gruppen liegen: (1) Diejenigen, die schon einmal zugesagt hatten, sich einzustellen und es dann nicht gemacht hatten. (2) Diejenigen, die sich schon einmal eingestellt hatten, aber dann nicht dabei geblieben, also nur ein einziges Mal bei Beichte und Kommunion waren. Letzere nämlich, so glaubte Johann Philipp, brachten mit ihrem »Ungehorsam« die Rekatholisierung als Ganzes ins Wanken. Die Kommissare hatten die Order, mit Hilfe der örtlichen Beamten diejenigen, die wieder lutherisch geworden waren und dies im schlimmsten Fall auch noch durch Auslaufen bekräftigten, zu strafen: »diejenige so wie anfangs gemelt, sich einmahl eingestellt, aber wiederumb zurückgangen, und zu dem wiederwertigen religions verwandten praedicanten, auß ihren ordentlichen pfarren gelauffen und gewichen, alßbalden durch gefencknus oder in andere weg zu gebuhrlicher straff nehmen lassen«.1178

Die anderen, die es bis jetzt angekündigt hatten, aber sich dennoch nicht eingestellt hatten, sollten noch einmal ermahnt werden, diesem jetzt nachzukommen. Die Kommissare sollten einen Termin festlegen, bis zu dem sich die Menschen erklären mussten, wofür sie sich entschieden hatten. Sollten sie weder das eine noch das andere tun, wurden Verhaftungen und andere Strafen fällig. Die Termine sollten sich die örtlichen Beamten notieren und dann die Bestra-

1174 Dippold, Bistum Bamberg, S. 220 f. 1175 Weiss, Bischofsreihe, S. 291. 1176 Johann Ertlin (geb. um 1545) wurde nach Studien in Dillingen und Ingolstadt 1576 Chorherr und Pfarrer in St. Martin in der Stadt Bamberg und vier Jahre später Weihbischof. Er war für seine vorbildliche Lebensweise bekannt und bemühte sich um die Durchsetzung des Tridentinums. Er war Weihbischof unter insgesamt vier Bischöfen bis zu seinem Tod im Jahr 1607. (Kist, Johannes: Ertlin, Johann in: NDB Band 4, Berlin, 1959, S. 635). 1177 Für das Folgende StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 485 Religionsmandat Bischof Johann Philipps, 29. August 1600. 1178 Ebd.

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fung vornehmen, falls nötig; wenn die Beamten dieses nicht taten, sollten sie selbst bestraft werden. Diese Verfahrensweise für Visitationen, die Bischof Johann Philipp wie seine Vorgänger durchführen ließ, barg aber von Anfang an eine Gefahr in sich: Die Gesandten hielten sich immer nur einige Tage vor Ort auf, die weiteren Entwicklungen mussten den örtlichen Beamten überlassen werden. In Würzburg konnte die Verlässlichkeit der örtlichen Amtsträger deutlich verbessert werden, indem die Visitationen regelmäßig stattfanden und damit eine Kontrolle ausgeübt wurde. In Bamberg wiederum blieb die Visitation ein außergewöhnliches Ereignis. Eine das ganze Hochstift umfassende Generalvisitation leitete Bischof Johann Gottfried im Jahr 1611 in die Wege, die von seinem Weihbischof Friedrich Förner durchgeführt wurde.1179 Dabei handelte es sich um die erste Generalvisitation seit 80 Jahren, bei der alle Pfarreien und Filialen des Hochstifts besucht werden sollten.1180 Da die Visitation zeigte, wie wenig katholisches Gedankengut in der Bevölkerung und zum Teil auch bei den Pfarrern selbst verankert war, veranlasste Weihbischof Förner bei Bischof Johann Gottfried eine Umstrukturierung der Landkapitel (auch Dekanate oder Ruralkapitel genannt) und entwarf einen Fragenkatalog, der in Zukunft von den Dechanten (auch Dekane genannt, also den Vorstehern der Landkapitel) zweimal im Jahr bei ihren Pfarrern abgefragt werden sollte.1181 In den Folgejahren kam es immer wieder zur Abhaltungen von Mittelpunktsvisitationen der einzelnen Landkapitel.1182 Visitationsreisen von bischöflichen Gesandten durch das Hochstift können nur vereinzelt erfasst werden. Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges war eine Visitationsreise zudem mit erheblichen Gefahren verbunden. Deswegen entschied sich Bischof Johann Georg für einen anderen Weg: 1627/28 schickte er an alle Pfarreien des Hochstifts einen Fragenkatalog bezüglich des Verhaltens der Untertanen, den jeder 1179 Brandmüller, kirchlich-religiöse Entwicklung, S. 852; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 586 »bevelch an die beambten uffm landt wegen der angestelten visitation in rebus spiritualibus«, 11. Mai 1611. 1180 Weiss, Bischofsreihe, S. 382. Die theoretisch angestrebte Visitation aller Pfarreien der Diözese war natürlich in der Praxis nicht durchzusetzen. Ob aber das gesamte Hochstift besucht worden ist, ist schwierig zu beurteilen, da die Akten nicht vollständig überliefert worden sind. Zuweilen kann man aus den kryptischen Aufzeichnungen des Visitators schließen, dass er selbst vermutlich nicht vor Ort gewesen ist. Fehlt eine Pfarrei oder eine Filiale aber ganz, ist unklar, ob sie nicht besucht worden ist oder ob die Akten fehlen. 1181 Weiss, Bischofsreihe, S. 383 f. 1182 AEB Rep. I Nr. 340 Capitula ruralia synodus puncta Visitationum, 1613 – 1617; StABa B 49 Nr. 95-I/01 Defectus emendandi in Capitulo rurali cronacensi, 19. Juli 1627; AEB Rep. I Nr. 745 fol. 631r – 631v, Juli 1627.

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Pfarrer ausführlich beantworten sollte.1183 Gleichzeitig versuchte er, dass Mittel der Landkapitelsvisitation weiter auszubauen. Er schickte seinen Dekanen eine Liste von 88 Punkten, von denen sich auch einige Fragen mit dem Vorhandensein von lutherischem Gedankengut beschäftigen.1184 Im weiteren Verlauf des Dreißigjährigen Krieges fanden keine größeren Visitationen mehr statt. Erst 1658 wurde von Bischof Philipp Valentin wieder eine Visitation angeordnet.1185 Teuschnitz Im Herbst 1595 schickte Bischof Neithart Weihbischof Johannes Ertlin und Generalvikar Erhard Dentzel1186 nach Teuschnitz.1187 Eine Reihe von Personen versprachen den beiden zwar, sich zügig zur Kommunion einzustellen, hielten sich aber nicht an dieses Versprechen.1188 Im März 1601 kündigten sich die Gesandten von Bischof Johann Philipp bei Johann Zweidler in Teuschnitz an.1189 Allerdings sind von diesem Besuch keine Akten überliefert. Bei der großen Visitation von 1611 wurde Teuschnitz ebenfalls besucht.1190 Die Visitation zeigte deutlich, dass die Teuschnitzer (bis auf die Dienstboten) alle formal katholisch geworden waren und einigermaßen regelmäßig zur Kommunion gingen,1191 aber dass es mit der Verinnerlichung des katholischen Glaubens noch nicht weit vorangekommen war. Zwar wurde Pfarrer Johann Zweidler als untadelig bewertet, aber die Bevölkerung hielt sich kaum an den katholischen Verhaltenskodex. Die Informationen über die Filiale Marienroth sind – im Gegensatz zu der Beschreibung des Hauptortes – sehr spärlich (aufgeführt wurde nur der Name der Kapelle und der drei Altäre, Informationen zu den Gemeindemitgliedern 1183 Weiss, Bischofsreihe, S. 427 f. Aus insgesamt 77 Pfarreien sind die Antworten überliefert: AEB Rep. I 343 fol. 305 – 331. 1184 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 5106 Katalog mit 88 Punkten, die die Ruraldekane bei ihren Visitationen zu beachten haben, undatiert, um 1630. 1185 Weiss, Bischofsreihe, S. 516. 1186 Erhard Dentzel wurde um 1561 in Forchheim geboren. Er studierte am Germanicum in Rom. Zurück in Bamberg wurde er zunächst Oberpfarrer in Stadtsteinach (bei Grafengehaig), bevor Bischof Ernst ihn 1589 zum Generalvikar ernannte. Bischof Neithart übernahm ihn von seinem Vorgänger, Bischof Johann Philipp indes nicht. Dentzel blieb aber Professor am Bamberger Priesterseminar und starb 1609 als Pfarrer von Stadtsteinach (Weiss, Bischofsreihe, S. 616). 1187 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 48v, 3. Oktober 1595. 1188 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 7. Juni 1596. 1189 StABa B 49 Nr. 191/29 II Bambergische abgeordnete Kommissare an Johann Zweidler, Pfarrer von Bamberg, 29. März 1601. 1190 Zum Folgenden AEB Rep. I Pf.A. 569 Generalvisitationen 1603 – 1617 unter Weihbischof Dr. Friedrich Förner, Pfarrei Teuschnitz. 1191 S. dazu ausführlich Kapitel 6.2.

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gibt es keine), sodass man davon ausgehen kann, dass der Ort bei der Visitation von 1611 nicht besucht worden ist. Neukenroth Ein Besuch der Kommissare Neitharts hat in Neukenroth offenbar nicht stattgefunden. In der Generalvisitation von 1611 wurde auch Neukenroth besucht.1192 Bezüglich der hier untersuchten Thematik ist vor allem relevant, dass der Pfarrer in der Befragung angab, dass von den circa 400 Einwohnern bisher nur circa 200 zur Kommunion gekommen waren. Eine Liste mit ihren Namen sollte nach Bamberg geschickt werden.1193 Grafengehaig Grafengehaig wurde in der Generalvisitation von 1611 vermutlich nicht besucht. Der Visitator notierte lediglich, dass der Pfarrer von Stadtsteinach dort nur ein einziges Mal im Jahr einen Gottesdienst halte, die restliche Zeit wirke ein von den Adelsfamilien eingesetzter Prädikant.1194 Forchheim Forchheim wurde ebenfalls 1611 von den bischöflichen Gesandten besucht, allerdings liegen zu der Stadt nur einige Notizen vor. Für die Filiale Pinzberg ist nichts überliefert.1195 Neunkirchen am Brand mit Dormitz 1611 waren die Visitatoren auch in Neunkirchen am Brand. Dormitz wurde entweder nicht besucht oder die Überlieferung fehlt.1196 Waischenfeld Für Waischenfeld sind Informationen über die Gesandtschaft, die sich 1595 unter der Leitung des Weihbischofs Johann Ertlin dort aufgehalten hat, vorhanden. Die Gruppe hielt sich insgesamt vier Tage in dem Ort auf, nahm an einem Gottesdienst teil und führte Befragungen bei den protestantischen Untertanen durch, die mehrheitlich versprachen, die katholische Konfession anzunehmen: »zu weischenfeld alda wir ein anzal gemeiner ungehorsamer burger auch den hallben theil des rats uncatholisch befunden in allem nit mehr als 6 1192 AEB Rep. I Pf.A. 569 Generalvisitationen 1603 – 1617 unter Weihbischof Dr. Friedrich Förner Pfarrei Neukenroth. 1193 S. dazu ausführlich Kapitel 6.2. 1194 AEB Rep. I Pf.A. 569 Generalvisitationen 1603 – 1617 unter Weihbischof Dr. Friedrich Förner, Frühmesse Grafengehaig. 1195 Ebd. Pfarrei Forchheim. 1196 Ebd. Pfarrei Neunkirchen.

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personen (darumb der 2 verhoffentlich noch einstellen mögen) ungehorsam hinderlassen«.1197 Außerdem hatten die Kommissare die Beamten vor Ort befragt, die offensichtlich auch nicht alle katholisch waren. Diese versprachen, sich teils bis Weihnachten, teils bis Kathedra Petri (22. Februar) zu erklären.1198 Unklar bleibt, mit welchen Mitteln die Kommissare vorgingen. Es ist nicht überliefert, dass die bischöflichen Abgeordneten Strafen und Drohungen zur Forcierung der Antwort einsetzten. Allerdings handelte es sich bei den Waischenfeldern um bloße Absichtserklärungen, denn etliche Wochen nach dem Besuch der Gesandten beklagte sich der Pfarrer, dass von denen, die zugesagt hatten, sich einzustellen, die allerwenigsten auch tatsächlich gekommen seien.1199 Als man die Menschen befragte, warum sie sich nicht eingestellt hatten, antworteten sie – so übermittelte es zumindest der Pfarrer – »sie haben nit vermeint das ein solcher ernst darhinder wehre«.1200 Für die Visitation von 1611 sind für Waischenfeld keine Quellen überliefert, allerdings gab es dort 1615 eine Visitation des Ruralkapitels.1201 Hochstift Würzburg In Würzburg wurden die Visitationen anfänglich ebenfalls dazu eingesetzt, um eine Bestandsaufnahme zu liefern. Jedoch führte die straffe Organisation und die regelmäßige Durchführung schnell dazu, dass man durch Visitationen die bischöflichen Reformmaßnahmen einsetzen, durchsetzen und kontrollieren konnte.1202 Damit wurde die Visitation selbst ein Mittel der Rekatholisierung. Eine Visitation stand dabei wiederum nicht für sich, sondern war ein Teil einer Kette: Der Visitator kontrollierte, ordnete Verbesserungen zum Teil schon vor Ort an, verfasste einen Bericht und der Bischof handelte mit einem Schreiben an Keller, Schultheißen und Amtleute. Im folgenden Jahr wurde erneut kontrolliert, häufig mit den Unterlagen des Vorjahres, um die Entwicklung zu verdeutlichen. War der Zyklus einmal durchlaufen, begann er wieder von vorne. Zudem waren Visitationen ein Mittel, lutherische Verwaltungsbeamte in

1197 StABa B 49 Nr. 211/18 Weihbischof Johannes Ertlin an Bischof Neithart, Dezember 1595. 1198 Ebd. 1199 Ebd. Georg Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Generalvikar Erhard Dentzel, 5. Januar 1596. 1200 Ebd. Georg Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Generalvikar Erhard Dentzel, 17. Februar 1596. 1201 AEB Rep. I Pf.A. 569 Generalvisitationen 1603 – 1617 unter Weihbischof Dr. Friedrich Förner, Visitation vom 15. Dezember 1615. 1202 Meier, Karlstadt, S. 52.

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den Dörfern und Städten zu erkennen und entweder zur Konversion zu bringen oder abzusetzen.1203 Vereinzelt gab es erste Visitationen unter Bischof Melchior Zobel von Giebelstadt (reg. 1544 – 58).1204 Sein Nachfolger Friedrich von Wirsberg ließ ebenfalls Visitationen durchführen, wobei er einige Orte selbst besuchte.1205 Erst Julius Echter setzte dieses vom Tridentinum vorgeschriebene Mittel regelmäßig ein.1206 Echter konnte sich bei der Durchführung der Visitation zum einen auf sein Organisationstalent stützen, zum zweiten widersprach das Instrument nicht der Wahlkapitulation, sodass er auch keine Hindernisse seitens des Domkapitels zu fürchten hatte.1207 Grundlage der Visitation wurde die Einteilung des würzburgischen Territoriums in Landkapitel.1208 Ab etwa 1575 reisten Mitglieder des Geistlichen Rates jedes Jahr durch das Hochstift und besuchten die Versammlungen der Landkapitel.1209 Hier mussten sich alle Pfarrer des jeweiligen Gebietes einfinden.1210 Häufig waren auch Jesuiten an den Visitationen beteiligt.1211 Nachdem sich erste Erfolge einstellten, wurde ab etwa 1580 nach und nach der jeweilige Dekan eines Landkapitels für die Abhaltung der Visitation herangezogen.1212 Das Prozedere der Würzburgischen Visitationen wurde durch die Statuta Ruralia von 1584, der Kirchenordnung von 1589 und einige Mandate zu speziellen Fragen geregelt.1213 Die Dekane hatten ihre Visitationsberichte an den Geistlichen Rat in Würzburg zu senden, der auf dieser Grundlage innerhalb weniger Tage eine Zusammenfassung mit den wichtigsten Punkten anfertigte.1214 Der Bischof wiederum verfasste Instruktionen für die nächstfolgende Visitation, worauf besonders geachtet werden sollte.1215 Zudem veranlasste er auf dieser Basis die nötigen Schreiben zur Abstellung der Mängel an Amtleute und Geistliche.1216 Die Geschwindigkeit des ganzen Vorgangs war ohne Zweifel beachtlich, wie ein Beispiel aus Gerolzhofen zeigt: Am 28. Juli 1598 wurde die

1203 1204 1205 1206 1207 1208 1209 1210 1211 1212 1213 1214 1215 1216

Koch, Zeitalter, 92. Krenig, Hochstift, S. 168. Die Akten sind verloren gegangen. Bigelmair, Konzil, S. 79. Meier, Karlstadt, S. 57. Specker, Nachtridentinische Visitationen, S. 38 f. Ebd., S. 40. Meier, Karlstadt, S. 57. Specker, Nachtridentinische Visitationen, S. 40. Wendehorst, Bischofsreihe, S. 199. Meier, Karlstadt, S. 57. Ebd., S. 52 Anm. 3. Specker, Nachtridentinische Visitationen, S. 44 f. Specker, Reformtätigkeit, S. 96, Anm. 77. Specker, Nachtridentinische Visitationen, S. 45.

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Pfarrei visitiert,1217 genau drei Wochen später verließ bereits das Schreiben Echters die Kanzlei, dass die in der Visitation beschriebenen Missstände anmahnte.1218 1593 ordnete Bischof Julius Echter an, in Zukunft zweimal im Jahr visitieren zu lassen. Hierbei hatten die Dekane nicht nur die Kapitelsversammlungen zu leiten, sondern auch die Pfarreien vor Ort zu besuchen.1219 Dadurch konnten die Aussagen des Pfarrers zumindest etwas kontrolliert werden, außerdem die Gegebenheiten besichtigt und weitere Personen in die Befragung mit einbezogen werden.1220 Unklar ist, inwiefern neben den Landkapitelsvisitationen durch die Dekane auch gelegentlich immer noch bischöfliche Kommissare visitierten. Zumindest für 1595 ist eine solche Instruktion überliefert.1221 Über die Jahre lässt sich beobachten, wie die Visitationen immer spezieller wurden. Waren zu Beginn viele Fragen recht allgemein gehalten, wurden sie immer konkreter.1222 Sie umfassten in etwa die Bereiche (1) Beschreibung der Pfarreien (rechtliche Verteilung, Einkünfte), (2) Pfarrer (Lebensweise, Tätigkeit), (3) baulicher Zustand von Kirche und kirchlichen Gebäuden und Zubehör im kirchlichen Innenraum, (4) Verhalten der Gemeinde.1223 Das System Echters verlief – und das zeigen die Visitationsakten sehr deutlich – »von außen nach innen und vom Groben zum Feinen«.1224 Die Visitationsberichte zeigten deutlich, dass zunächst die rein formale Zugehörigkeit zur katholischen Konfession im Fokus stand. War dies geschafft, konnte man sich der Verinnerlichung des Glaubens widmen. Zum Ende der Echterschen Herrschaft zeigt sich, wie die Visitationen zunehmend schematischer wurden.1225 1217 DAW Landkapitelakten Nr. 138 »Mengel der geistlichen im capitul gerolzhofen 28. july 1598«. 1218 DAW Ämterakten Nr. 34 Bischof Julius an Pfarrer und Amtsverweser in Gerolzhofen, 17. August 1598. 1219 Specker, Nachtridentinische Visitationen, S. 45. 1220 Meier, Karlstadt, S. 60. 1221 StAW Misc. 775 Instruktion, welcher Gestalt aus Befehl des Bischofs Julius der Vicarius in spritualibus etliche Pfarren, Kirchen und Schulen im Stift Würzburg visitieren soll, 25. Februar 1595. Der Weihbischof hatte dem Pfarrer insgesamt 85 Fragen zu stellen, die die Sphären Seelsorge, Kirche, Schule und Pfarrhaus(-halt) betrafen, außerdem waren elf Fragen an die Schultheißen und Heiligenpfleger zu richten. Außerdem sollten Pfarrer und Gemeinde bezüglich der folgenden Themenfelder ermahnt werden: Taufe, Firmung, Beichte, Ehe, Wiederherstellung bestimmter Kirchengebräuche, Einhaltung der Fastentage, Ermahnung der Jugendlichen, zur Ausbildung an katholische Orte zu gehen, Konkubinat, Bücher. Die Instruktion ist sehr präzise, es wird genau beschrieben, wer in welcher Reihenfolge mit wem in welchen Räumlichkeiten zu sprechen hatte. 1222 Specker, Nachtridentinische Visitationen, S. 40 f. 1223 Ebd., S. 41 f. 1224 Lang, Gerolzhofen, S. 265. 1225 Meier, Karlstadt, S. 58. Dies zeigt sich auch augenscheinlich an der äußeren Form der

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Zusätzlich zu den regulären Visitationen der bischöflichen Kommissare und der Dekane der Landkapitel unternahm Julius Echter selbst zwischen 1585 und 1587 eine Visitationsreise durch etliche besonders lutherisch geprägte Städte seines Hochstifts.1226 Dabei besuchte er die meisten Landstädte seines Territoriums.1227 Dies war höchst ungewöhnlich, die meisten deutschen Bischöfe widmeten sich nicht persönlich und aktiv der Visitationstätigkeit.1228 Echter erwartete, durch sein Auftreten als Landesherr die Menschen zum katholischen Glauben zurückführen zu können.1229 Da dies aber nur wenig nützte, ging er schnell dazu über, bei seinen Besuchen die Ausweisung als Konsequenz für die Lutheraner aufzuzeigen.1230 Die Wirkung dieser Reise zeigte sich deutlich in den Kommunikantenzahlen. Darauf wird ausführlich in Kapitel 6.2 eingegangen. Johann Buchinger schildert den Verlauf von Echters Besuch in Münnerstadt, das Prozedere fand vermutlich in allen besuchten Orten so oder ähnlich statt.1231 Die Münnerstädter Bürger wurden alle zusammen vorgeladen und ermahnt, den katholischen Glauben anzunehmen. Anschließend wurden sie einzeln befragt, ob sie zu Beichte und Kommunion kommen wollten oder nicht. Wer sich entschied, lutherisch zu bleiben, musste innerhalb von vier Wochen das Hochstift verlassen. Wer eine Konversion vorzog, musste sofort nach der Zusage in die Kirche gehen und die Beichte ablegen. Leider überliefert Buchinger nicht, wann die Kommunion eingenommen wurde. Gerolzhofen Da sich in Gerolzhofen wegen der großen Zahl von Lutheranern die Lage besonders schwierig für die katholische Sache darstellte, wurden hier die Visitationen des Landkapitels um 1580 nicht auf die Dekane übertragen, sondern verblieben weiterhin bei den bischöflichen Gesandten.1232 Allerdings scheinen

1226

1227 1228 1229 1230 1231

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Visitationsprotokolle. Sind es am Anfang vollständig handgeschriebene Seiten, werden später vorgedruckte Bücher üblich, in die die Antworten eingetragen wurden. Meier, Karlstadt, S. 58 f. Echters Visitationsreise wurde hauptsächlich im Geistlichen Rat geplant und besprochen, dessen Akten im Zweiten Weltkrieg verbrannt sind (Specker, Reformtätigkeit, S. 74). Die Visitation durch Echter wird in einigen Monographien des 19. Jahrhunderts geschildert: Buchinger, Julius Echter ; Heppe, Restauration, Pölnitz, Julius Echter. Wendehorst, Bischofsreihe, S. 197. Nubola, Visitationen, S. 300. Pölnitz, Echter, S. 355. Ebd., S. 358 f. Zum Folgenden: Buchinger, Julius Echter, S. 176 f. Da die Akten dieser Visitationsreise verloren gegangen sind, ist eine Überprüfung nicht möglich. Allerdings decken sich die Schilderungen des katholischen Buchingers im Großen und Ganzen mit der Beschreibung des evangelischen Theologieprofessors Heppe über den Besuch Echters in Gerolzhofen (s. u.). Es scheint daher möglich, die Schilderungen als einigermaßen realistisch einzuordnen. Specker, Nachtridentinische Visitationen, S. 43.

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die Dekane spätestens 1584 auch selbst visitiert zu haben, wenn auch nicht zur Zufriedenheit des Bischofs. So wurde der Dekan des Landkapitels Gerolzhofen, Daniel Stauber, der gleichzeitig auch Pfarrer in Gerolzhofen war, im Jahr 1586 durch den Bischof gerügt, dass er seine Visitationsrelation nicht ordentlich geführt habe. Dieser entschuldigte sich damit, dass er keine Vorlage gehabt und es genauso gemacht habe, wie zwei Jahre zuvor.1233 Offenbar war der Ablauf der Visitation zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig eingeübt worden. Die Visitationen, die zeitlich vor dem persönlichen Besuch Bischof Julius’ in Gerolzhofen 1586 lagen, beinhalteten nur wenige Fragen zu dem Verhalten der Gemeindemitglieder. Häufig wurde die Anzahl der Kommunikanten notiert, auch die der Lutheraner und Ausläufer, allerdings konzentrierten sich die Fragen im Wesentlichen auf die Bereiche Pfarrer (Lebensführung, Amtsführung), Zustand und Ausstattung der Kirche und wirtschaftliche Verhältnisse der Pfarrei.1234 Da Gerolzhofen als eine Stadt mit einem großen lutherischen Bevölkerungsanteil bekannt war, besuchte Julius Echter auf seinen Visitationsreisen 1585 – 87 auch Gerolzhofen persönlich. Echter kam am 2. März 1586 in die Stadt und lud 17 Ratsmitglieder und Bürger zu sich, denen er mitteilte, dass alle auswandern müssten, die bis zum kommenden Osterfest (6. April) nicht zum katholischen Glauben übergetreten waren. Sie erhielten also eine Frist von vier Wochen. Einige der protestantischen Bürger versuchten mit dem Hinweis auf ihre Loyalität als Untertanen und der Beschwerung ihrer Gewissen diese Entscheidung abzuwehren.1235 Echter ließ sich davon nicht überzeugen. Abschließend wurde der Amtsverwalter von Gerolzhofen dazu aufgefordert, diese Anordnungen auch einzuhalten.1236 Der Würzburgische Bischof machte bei dieser Gelegenheit noch einmal deutlich, dass er Abweichungen im Glauben als Ungehorsam und Illoyalität der Untertanen auffasste, die er nicht dulden könne.1237 Die Visitationen, die dem Besuch des Bischofs folgten, beschäftigten sich ausführlicher mit dem Verhalten der Gemeinde. Allerdings sind diese Angaben für die vorliegende Arbeit von geringer Relevanz, da im Zuge des Bischofsbesuchs die Gerolzhofener Lutheraner entweder auswanderten oder konvertierten. Regelmäßig überliefert sind die Gerolzhofener Visitationen erst ab 1589.1238 1233 DAW Landkapitelakten Nr. 136 Daniel Stauber, Pfarer von Gerolzhofen und Dekan des Landkapitels an Fiskal Urban Rinnisfeld, 9. November 1586. 1234 DAW Landkapitelakten Nr. 137 Visitationsrelation 1574; DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelationen von 1578, 1579, 1580, 1583, 1584. Zum Auslaufen s. Kapitel 6.3. 1235 Heppe, Restauration, S. 166. 1236 Ebd., S. 167. Einige Gerolzhofener entschieden sich für die Auswanderung, dazu ausführlich Kapitel 7.2. 1237 Pölnitz, Echter, S. 361. 1238 DAW Landkapitelakten Nr. 138 – 143.

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Augenfällig wird die Entwicklung vor allem an den Kommunikantenzahlen: Waren es in den Jahren 1578 – 80 zwischen (natürlich vom Priester geschätzt und gerundet) 300 und 550 Kommunikanten,1239 hatte sich die Zahl im Jahr 1589 auf 800 erhöht,1240 wobei bedacht werden muss, dass etwa 300 Personen in der Zwischenzeit die Stadt verlassen hatten.1241 Eine Visitation aus dem Jahr 1612 zeigt deutlich an, wie sehr sich die Gewichte innerhalb weniger Jahrzehnte verschoben hatten.1242 Während der Abschnitt zu Leben und Arbeit des Pfarrers kurz und die Fragen zu den Gemeindemitgliedern noch kürzer gehalten sind, widmen sich weite und ausführliche Teile der Befragungen der Kirchenausstattung, aufgeführt werden die Kategorien »sacristia«, »altaria«, »templum« und »ornat«. Zum Schluss werden noch kurz die Bücher, die Schule, das Pfarrhaus, der Friedhof und das Beinhaus abgehandelt. Offenbar war Echter mit der Lebens- und Amtsführung des Priesters und zumindest mit der formalen Katholizität der Gerolzhofener so zufrieden, dass nun die Ausstattung und die Gebäude in den Blick genommen werden konnten. Iphofen Weder aus der Anfangszeit Bischof Julius’, noch aus der Regierungszeit seiner Vorgänger sind Visitationsprotokolle aus Iphofen überliefert. Unklar ist auch, ob Julius Echter auf seiner eigenen Visitationsreise nach Iphofen kam oder nicht. Es liegen keinerlei Akten vor, aber da auch Iphofen eine Landstadt war und zudem als eine Stadt mit einem hohen lutherischen Bevölkerungsanteil bekannt war, ist es sehr wahrscheinlich. Es gab zumindest anfänglich offenbar Schwierigkeiten mit der Organisation der Pfarrvisitationen, da sich der örtliche Priester, der auch Dekan des Landkapitels war, 1583 erkundigte, ob er noch visitieren solle, weil er diesbezüglich keinen Befehl erhalten habe.1243 Gemünden Für das Landkapitel Karlstadt, zu dem Gemünden gehörte, liegt ein ausführlicher Bericht aus dem Jahr 1579 vor, der weniger die Missstände als vielmehr das 1239 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelation, 28. August 1578; ebd. Visitationsrelation, August 1579; ebd. Capitulum Rurale in Gerolzhofen, 25. August 1580. 1240 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Capitulum Geroltzhoven. 1. August 1589. 1241 StAWAdm. f. 417/8383 »verzeichnis aller derjenigen welche von gerolzhoven aus an andere ort und wohin ein jeder gezogen, auch was sie vom (15)86 bis im (15)91 jahr zu gerolzhoven verkaufft und dann wievil und was sie noch und ein jeder insonderheit alda zuverkauffen«. Zur Auswanderung ausführlich Kapitel 7.2. 1242 Zum Folgenden StAW HV MS f. 39 Visitation des Kapitels Gerolzhofen, 1612. 1243 AEB Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphfofen und Dekan des Landkapitels an Fiskal Urban Rinnisfeld, 18. April 1583.

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Prozedere der Visitation aufzeigt.1244 In diesem Fall handelte es sich eine Mittelpunktvisitation, d. h. alle Geistlichen des Landkapitels kamen in einem Ort, in diesem Fall in Karlstadt, zusammen und wurden durch die Würzburger Abgesandten Dr. Joachim Typotius1245 und Dr. Urban Rinnisfeld1246 befragt. Die Kommissare kamen im Laufe des späten Nachmittags und frühen Abends in Karlstadt an und nahmen ihr Quartier im Haus des Schultheißen. Nach ihrer Ankunft trafen sie die bereits wartenden Priester in der Kirche zur Feier der Vesper, anschließend erfolgte eine Belehrung der Priester über die fürstbischöflichen Mandate und ihre Aufgaben (Abhaltung der Gottesdienste, Ausführung der Amtspflichten, Verteilung der Sakramente). Dem folgte der Besuch eines örtlichen Wirtshauses, allerdings mit dem Hinweis »aldo beschaidenheyt gehalten worden«. Am nächsten Morgen wurde erneut ein Gottesdienst gehalten und die Priester beichteten. Vor der Befragung der Priester anhand der mitgebrachten Instruktion mussten noch drei der Geistlichen die professio fidei tridentina leisten, die das bisher nicht getan hatten. Zum Schluss folgte noch eine weitere Ermahnung, sich ordentlich und pflichtbewusst zu verhalten, vor allem die Konkubinen abzuschaffen und vor Abreise die Rechnung im Wirtshaus zu bezahlen. Gemünden gehörte zu den Orten, die Julius Echter 1585/86 auf seiner Visitationsreise persönlich aufsuchte.1247 Er kam bereits 1585 in die Stadt, die die erste Station auf seiner Reise war.1248 Da die dazugehörigen Akten im Zweiten Weltkrieg verbrannt sind, sind keinerlei Aussagen zum Verlauf des Besuchs möglich. Urspringen Obwohl Urspringen eine ritterschaftliche Pfarrei war, fanden hier Visitationen durch das Hochstift statt. Meier geht für den Ort davon aus, dass auf Grund der ritterschaftlichen Herrschaft die Visitation der Pfarrei zwar stattfinden konnte, aber immer mit Schwierigkeiten verbunden gewesen sei.1249 Tatsächlich ergibt aber der Vergleich mit der hochstiftischen Stadt Gemünden1250 (ca. 20 km ent1244 Zum Folgenden: DAW Landkapitelakten Nr. 182 »relatio ex capitulo rurali anno 1579«. 1245 Typotius war Kanoniker im Stift Neumünster und Mitglied des Geistlichen Rats (Meier, Karlstadt, S. 104 Anm. 1). 1246 Rinnisfeld war als Fiskal ebenfalls Mitglied des Geistlichen Rates (Meier, Karlstadt, S. 104 Anm. 2) 1247 Meier, Karlstadt, S. 93. 1248 Höfling, Gemünden, S. 87. 1249 Meier, Karlstadt, S. 71. 1250 Da beide Orte im Landkapitel Karlstadt lagen, fällt der Vergleich entsprechend ins Auge. Der ebenfalls im Landkapitel Karlstadt gelegene Rittersitz der von Wenkheim zeigt beispielhaft, wie es den Visitatoren auch gehen konnte, nämlich, dass der Pfarrer zur Kapitelsversammlung unentschuldigt fehlte (DAW Landkapitelakten Nr. 182 »Relation dessen

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fernt und im gleichen Landkapitel gelegen), dass Urspringen mit gleicher Frequenz besucht wurde und auch die Textmenge zeigt, dass offenbar keine Schwierigkeiten vor Ort bestanden, Informationen einzusammeln. Die erste fassbare Visitation in Urspringen fand im Jahre 1579 statt. Auf der bereits im Abschnitt Gemünden geschilderten Mittelpunktvisitation, die die Würzburger Gesandten Joachim Typotius und Urban Rennisfeld in Karlstadt abhielten, wurde auch der Pfarrer von Urspringen befragt.1251 Bei dieser Gelegenheit legte der Urspringener Pfarrer Caspar Eysner die Professio fidei ab, was er bisher noch nicht getan hatte. Die Visitationen sind in Urspringen für das das endende 16. und das gesamte 17. Jahrhundert nahezu vollständig überliefert.1252 Für die so wichtigen 1580er Jahre ergeben sich auf Grund der Aktenverluste allerdings keine Erkenntnisse aus den Visitationen. Zusammenfassung und Ergebnisse Visitation Die Häufigkeit der Visitationen war in den zwei Hochstiften völlig unterschiedlich. In Bamberg wurde diese Maßnahme in erster Linie zur Informationsbeschafftung benutzt, was dazu führte, dass sie unregelmäßig vorkam. Zeitliche Schwerpunkte ergaben sich dabei nicht. Als herausragend ist die Generalvisitation Bischof Johann Gottfrieds im Jahr 1611 zu sehen, die erstmals seit mehreren Jahrzehnten das ganze Hochstift in den Blick nahm. In Würzburg wiederum wurde das Visitationssystem unter Bischof Julius systematisiert und flächendeckend ausgebaut. Auf ihrem Höhepunkt in den 1590er Jahren fand sie zweimal jährlich, manchmal sogar dreimal, statt. Dadurch wurde die Visitation zur Rekatholisierungsmaßnahme, mit der massive Verhaltensänderungen hervorgebracht werden konnten. Die Rolle der lokalen Beamten bei der Visitation ist fällt kaum ins Gewicht. Die Visitationskommissionen wurden in beiden Hochstiften mit Klerikern aus dem direkten Umfeld des Bischofs besetzt, in der Regel handelte es sich um Mitglieder des Geistlichen Rates. Bei Visitationen des Landkapitels organisierte der zuständige Dekan die Versammlung ohne größere Hilfe der weltlichen Beamten. Die Zielgruppe der Visitation war ohne Frage die ganze Gemeinde des jeweils so uff jungst gehalttener rural capittel carlstat der 24. und 25. augusti anno 1579«) oder, dass der Ritter den Visitatoren mitteilte, dass dies die letzte Visitation gewesen sei, weil man danach keine mehr zulassen würde (DAW Landkapitelakten Nr. 182 Visitationsrelation, 1596). Tatsächlich wurde Wenkheim in den Folgejahren entweder von vornherein nicht besucht oder die Visitatoren von den Adeligen abgewiesen, wie die weitere Durchsicht der Landkapitelakte Nr. 182 zeigte). 1251 Zum folgenden DAW Landkapitelakten Nr. 182 »relatio ex capituli rurali Carolstat«, 24./ 25. August 1579. 1252 DAW Landkapitelakten Nr. 182 – 202.

Rechtlich-politische Maßnahmen

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untersuchten Ortes. Ein direkter Anlass für den Beginn der Visitationen ließ sich in keinem Fall ausmachen. Die Effektivität von Visitationen bezüglich der Rekatholisierung zeigte sich in Bamberg kaum, in Würzburg hingegen sehr deutlich. Im Hochstift Bamberg bildete sich die Visitation nur bedingt aus und blieb ein außerordentliches Ereignis. Daraus resultierte, dass die von den Visitatoren ins Werk gesetzten Entwicklungen häufig nur für die Dauer ihres Aufenthaltes anhielten. Das Hauptproblem bestand darin, dass die bischöflichen Kommissare nicht kontrollieren konnten, ob diejenigen Personen, die eine Konversion zugesichert hatten, diese auch tatsächlich durchführten. Im Gegenteil zeigt die Berichterstattung seitens des lokalen bischöflichen Personals, dass die Zusagen, die die Bewohner der besuchten Orte den Visitatoren gegeben hatten, in der Regel nicht eingehalten wurden. Als Mittel zur Rekatholisierung hat die Visitation in Bamberg nur sehr bedingt beigetragen. In Würzburg wurde die Visitation hingegen nicht nur zum Aufzeigen der vorhandenen Zustände eingesetzt, sondern auch als Mittel, diese zu verändern. Dies geschah im Wesentlichen durch zwei Dinge: Zum einen durch die konsequente Regelmäßigkeit und die Häufigkeit der Besuche. So konnte es einem Pfarrer in den 1590er Jahren durchaus passieren, dass er innerhalb eines Jahres bis zu drei Mal Besuch von einem Visitator bekam bzw. zur Landkapitelversammlung anreisen musste. Der zweite wichtige Punkt bestand darin, dass die Visitation in ein stringentes Verwaltungssystem eingebunden war und die gewonnen Informationen weiter verarbeitet wurden. Betrachtet man das Mittel der Visitation in Hinblick auf die gewählte Fragestellung, ist sie durchaus als effektives Mittel einzuschätzen. Zwar war der größte Effekt für die Rekatholisierung der persönliche Besuch Bischof Julius Echters in den Jahren 1585/86 (Gerolzhofen, Gemünden, vermutlich auch Iphofen), der nicht Teil der regulären Visitationen war. Allerdings konnte dieser Besuch so nur funktionieren, weil einerseits durch vorherige Visitationen ermittelt worden war, in welchen Orten der Anteil der lutherischen Bevölkerung besonders hoch war und andererseits durch nachfolgende Visitationen dafür gesorgt wurde, dass es nicht erneut zu der Ausbildung einer lutherischen Gemeinschaft kam. Hinzu kommt ein zweiter Punkt. Im Hochstift Bamberg konnten sich die lokalen Beamten bei der Umsetzung der Richtlinien im Allgemeinen und bei den Ermahnungen der Visitatoren im Speziellen eine gewisse Nachlässigkeit erlauben, da sie wussten, dass ihre Tätigkeit so schnell nicht kontrolliert werden würde. In Würzburg war dies durch die häufigen Visitationen nicht der Fall. Jeder Beamte konnte sicher sein, dass mindestens einmal, wenn nicht gar öfter, eine Kontrolle stattfinden würde. Wenn man sich also fragt, warum die Fristen Echters bezüglich Konversion oder Emigration im Großen und Ganzen eingehalten wurden, obwohl sich Echter selbst nur wenige Tage in den besuchten

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Rekatholisierungsmaßnahmen

Orten aufhielt, ist die Antwort bei den häufigen und regelmäßigen Visitationen zu suchen. Hier etablierte sich also ein erfolgreiches Modell, dass in einer Wechselwirkung funktionierte: Einerseits brauchte es ein besonderes Ereignis wie den Besuch des Bischofs, zum anderen aber die weniger spektakulären, aber ganz regelmäßigen Visitationen.

5.2. Wirtschaftliche Maßnahmen Bisher wurden die rechtlich-politischen Maßnahmen geschildert. Die Bamberger Bischöfe versuchten, ihre Untertanen auch durch Maßnahmen im wirtschaftlichen Bereich zu einer Konversion zum katholischen Glauben zu bringen. Den Lutheranern wurde verdeutlicht, dass eine Beibehaltung ihres Glaubens zu einer wirtschaftlichen Schädigung ihrer Person führen würde. Im Hochstift Würzburg kamen wirtschaftliche Maßnahmen nicht vor. Da es sich um ein kurzes Kapitel handelt, erfolgen keine Zusammenfassungen der Unterkapitel. Am Ende des Kapitels 5.2. werden die Ergebnisse präsentiert.

5.2.1. Geldstrafen Die Maßnahme der Geldstrafe kam in einigen der Orte vor. In vielen Fällen ist es allerdings schwierig nachzuweisen, ob die Strafen tatsächlich gezahlt worden sind oder ob es bei der Drohung geblieben ist. Teuschnitz In Teuschnitz hielten sich im Sommer 1598 noch zwei Männer auf, die im Gegensatz zu den anderen Stadtbewohnern die Einnahme der Kommunion weiterhin verweigerten. Daraufhin wurde nicht nur ihre Verhaftung angeordnet, sondern auch eine Geldstrafe von jeweils 100 Gulden.1253 Neukenroth In Neukenroth wurde die erste Geldstrafe offenbar im Frühsommer 1598 verhängt: Der Vogt von Fürttenberg, der für Neukenroth zuständig war, und der Priester von Neukenroth bestraften jeden Neukenrother mit fünf Gulden, der sich weigerte, vor den beiden zu erscheinen, um den Einstellungsbefehl zu 1253 StABa Hochstift Würzburg Neuverz. Akten Nr. 573 Johann Zweidler, Pfarrer, Niclaus Georg, Richter, Heinrich Schwarz und Hanns Lieb, Bürgermeister, Hans Fuchs, Stadtschreiber von Teuschnitz an Bischof Neithart, 23. Juni 1598; ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 22. Juni 1598.

Wirtschaftliche Maßnahmen

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hören.1254 Außerdem kam es vor, eine Geldstrafe zu verhängen bzw. damit zu drohen, wenn Neukenrother einen bestimmten Termin, zu dem sie zur Kommunion erscheinen sollten, verstreichen ließen. So wurde etwa dem Dorfbewohner Hans Ritter eine Strafe von 50 Gulden auferlegt für den Fall, dass er der Kommunionsaufforderung bis St. Jacobi (25. Juli) nicht nachkam.1255 Im Jahr 1623 beschwerten sich neun Neukenrother, dass sie von den Kronacher Beamten Geldstrafen zwischen 10 und 30 Gulden erhalten hatten, obwohl sie sich genauso wie über hundert weitere Personen in diesem Jahr nicht zu Ostern zu Beichte und Kommunion eingestellt hatten; die Strafe wurde in eine Wachsstrafe1256 für die Kirche umgewandelt.1257 Unklar ist allerdings, wie viele dieser Personen als Lutheraner zu werten sind (was sie durch Auslaufen deutlich machten) und wie viele bereits zu einem vorherigen Zeitpunkt bei der Kommunion gewesen waren. Die wenigen Daten, die für Neukenroth überliefert sind, zeigen, dass die Höhe der Geldstrafe ein willkürlicher Akt war und völlig unterschiedlich ausfallen konnte. Forchheim mit Pinzberg In Forchheim ließ sich nur in einem Fall eine Geldstrafe nachweisen. Der lutherische Bürger Michel Knab bekam 1630 eine Strafe von 50 Reichstalern, weil er sich zum wiederholten Male nicht eingestellt hatte. Bis dahin hatte er sich bereits seit etwa 30 Jahren in der Stadt aufgehalten. Allerdings hat er diese Strafe nachweislich nicht gezahlt, obwohl Zwangsmittel und Arrest im Falle einer Zahlungsverweigerung angedroht wurden.1258 In der Forchheimer Filiale Pinzberg wurde den lutherischen Untertanen 1611 von Bischof Johann Gottfried gedroht, dass jeder, der sich nicht innerhalb von acht Tagen zur katholischen Konfession bekannte, 20 Gulden zu bezahlten hatte.1259

1254 StABa B 49 Nr. 129/03 Otto Eck, Pfarrer von Neukenroth an Geistlichen Rat, 5. Juni 1598. 1255 Ebd. cathalogus oder verzaignuß uff waß weeg sich die neuckenröder wegen der religion erklert haben (inliegend in ebd. Otto Eck, Pfarrer von Neukenroth an Geistlichen Rat, 5. Juni 1598). 1256 Dabei handelte es sich um eine Wachs-Abgabe an eine geistliche Institution zur Herstellung von Kerzen für den liturgischen Gebrauch (Heydenreuter u. a., Abbrändler, S. 224). 1257 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 52v, 23. Juni 1623. 1258 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 264v, 27. Mai 1630; StABa B 49 Nr. 47/09 Geistliche Räte an Wolf Christoph Gebsattel, Kastner von Forchheim, 21. Oktober 1630. 1259 StABa B 49 Nr. 47/30 Nürnberger Rat an bambergische Räte, 9. Juni 1611.

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5.2.2. Zwangsverkäufe Eine weitere Maßnahme, um die Einnahme der Kommunion zu erzwingen, war die Androhung eines Zwangsverkaufs. Weigerte sich eine Person, zu konvertieren bzw. weigerte sie sich, überhaupt eine Entscheidung zwischen Konversion oder Auswanderung zu treffen, wurde in einigen wenigen Fällen ein Zwangsverkauf der Güter angedroht. Neukenroth Um die als besonders renitent beurteilten Funktionsträger Richter und Schultheiß aus Neukenroth zu einem Entschluss bezüglich Einstellung oder Auswanderung zu bringen, wurde im Oktober 1598 von Bischof Neithart befohlen, dass die beiden noch eine allerletzte Chance erhielten, sich zu entscheiden. Für den Weigerungsfall wurde angeordnet, dass ihre Güter auf der Kanzel angeboten und verkauft werden sollten.1260 Für die Güter des Richters wurde tatsächlich öffentlich ein Angebot verlesen. Allerdings ist unklar, ob der Zwangsverkauf auch wirklich stattgefunden hat, denn der Richter bat daraufhin darum, ihm noch ein letztes Mal Aufschub zu gewähren. Er wollte das Land verlassen und den Besitz seinen Kindern überschreiben, die katholisch werden wollten.1261 Neunkirchen mit Dormitz In Neunkirchen selbst gab es keine wirtschaftlichen Maßnahmen, aber in dem Filialdorf Dormitz. Dort drohte der Verwalter von Neunkirchen einem Mann namens Georg Kern 1630 neben der Verhaftung noch den Zwangsverkauf seiner Güter zu dem Preis an, wie er in der Steuer veranschlagt war ; daraufhin schwor dieser gegen seinen Willen dem lutherischen Glauben ab.1262 Ein weiterer Mann namens Hans Behaimb berichtete im gleichen Jahr in einer Zeugenbefragung, die der Nürnberger Rat anlässlich eines Überfalls auf Dormitz hatte durchführen lassen, dass allen, die im Zuge dieses Überfalls verhaftet worden waren, angedroht wurde, dass ihre Güter zwangsverkauft würden, wenn sie sich nicht zur katholischen Konfession einstellen sollten.1263

1260 StABa B 49 Nr. 129/03 Bischof Neithart an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 13. Oktober 1598. 1261 Ebd. Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach an Bischof Neithart, 20. November 1598. 1262 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Offenes Notariatsinstrument, 19. August 1630. 1263 Ebd. Zu diesem Überfall ausführlich Kapitel 5.3.3.

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5.2.3. Verbot der Allmendenutzung und Verbot der Berufsausübung Bevor untersucht wird, inwiefern das Verbot der Allmendenutzung als Maßnahme zur Rekatholisierung zum Einsatz kam, erfolgen zunächst einige einleitende Worte zur bäuerlichen Gesellschaft im Allgemeinen und zur Allmende im Speziellen, damit die Konsequenzen dieser Maßnahme deutlich werden. Dörfer und kleinere Städte bestanden im 16. Jahrhundert im Wesentlichen aus drei sozialen Gruppen und waren keineswegs einheitlich: Haussassen (Bauern und Köbler oder Söldner), Hintersassen mit Beständnern (=Tagelöhner) und Ehehalten (=Mägde und Knechte), Beisassen (Dorfhandwerker, Pfarrer, Küster, Schulmeister etc.). Bauern waren zumeist Erbpächter oder Zinsbauern, vereinzelt gab es noch freieigenen Besitz. Köbler (die in Franken auch Söldner oder Seldner genannt werden) waren Zinsbauern mit wenig Grundbesitz und Viehbestand. Der Hof eines Bauern konnte ganz unterschiedliche Größen aufweisen, auf Grund der ständigen Erbteilungen gab es nur wenige ganze Höfe, die meisten waren bis hin zu Sechzehntelhöfen geteilt und damit nur mit einer schwachen Wirtschaftskraft ausgestattet.1264 Nicht nur die breite unterbäuerische Schicht, auch die vielen aufgeteilten Bauernhöfe und Seldengüter, die kaum mehr als das Existenzminimum erwirtschaften konnten, wurden entscheidend getroffen, wenn Grund- und Landesherren neue Forderungen hatten oder Nutzungsrechte am Gemeinbesitz einschränkten.1265 Der Unterschied zwischen Dorf und Stadt war hierbei eher graduell als grundsätzlich.1266 Der dörfliche oder städtische Allgemeinbesitz wird Allmende (in den Quellen »gemeiner Nutzen«) genannt und bezeichnet Liegenschaften, die sich im Gemeindebesitz befanden und entsprechend von allen Mitgliedern der Gemeinde benutzt werden durften.1267 Teuschnitz mit Marienroth Im Herbst 1597 befahl Bischof Neithart dem Amtmann und dem Priester von Teuschnitz, den Druck auf die Protestanten zu verstärken. Um dies zu erreichen, sollten sie damit drohen, dass ihnen die Allmende gesperrt würde.1268 Dies wäre für eine Reihe von Einwohnern ein schwerer Einschnitt in die Versorgung ge1264 Endres, Bauernkrieg und Untertanenschaft, S. 93. 1265 Ebd., S. 94. 1266 Fries-Knoblach, Janine: Die Bauern und die Bewirtschaftung der Felder im Mittelalter, in: Platz, Thomas/Eckert, Toni (Hrsg.): Ritter, Burgen und Dörfer. Mittelalterliches Leben in Franken, Forchheim, 1998, S. 191 – 224, hier S. 193. 1267 Sachers, Erich: Allmende, in: HRG Band 1, Berlin, 1971, Sp. 108 – 120, hier Sp. 110. Ob der Landesherr überhaupt dazu befugt war, die Allmende zu sperren, ist auch Gegenstand eines Reichskammergerichtsprozesses. S. Kapitel 6.5. 1268 StABa B 49 Nr. 191/29 I Bischof Neithart an Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz, 29. November 1597.

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wesen. In dem zu Teuschnitz gehörenden Dorf Hirschfeld wurden den Einwohnern tatsächlich die Wasser- und Weiderechte gesperrt, wobei bei Übertretung dieses Verbotes eine Strafe von 100 Gulden zu zahlen war.1269 In den untersuchten Orten Teuschnitz und Marienroth wurde dieser Befehl vor Ort aber nicht durchgeführt. Forchheim In Forchheim lassen sich einige Fälle nachweisen, bei denen Lutheranern die Ausübung ihres Berufes verboten wurde. Da der Apotheker Martin Haindke auch nach mehreren Befehlen noch lutherisch blieb, ordnete Bischof Neithart an, dass ihm die Ausübung seines Gewerbes verboten werden sollte. Zudem bekam er eine Frist von vier Wochen, um zum katholischen Glauben überzutreten oder sich zur Auswanderung bereit zu machen. Es war ihm bereits zuvor mit Ausweisung und dem Verlust seines Bürgerrechts gedroht worden, aber dies wurde bis dahin nicht in die Tat umgesetzt.1270 Nachweislich wurde dem Apotheker tatsächlich sein Gewerbe gesperrt. Daraufhin bat er darum, ihm die Ausübung wieder zu erlauben. Er erhoffte sich aber gleichzeitig noch eine Verlängerung der Frist bis zum folgenden Ostertermin, um sich, wie er angab, weiter mit dem katholischen Glauben beschäftigen zu können.1271 Weiteren nicht näher bekannt gewordenen Lutheranern wurde im Laufe des Sommers 1596 ebenfalls die Ausübung ihres Gewerbes verboten.1272 Dormitz In Dormitz wurde den Nürnbergischen Untertanen »wun und weide« gesperrt, da sie sich im Laufe des Jahres 1630 nicht zur katholischen Konfession einstellen wollten.1273 Bei »wun und weide« handelte es sich um das Recht der Futtergewinnung und der Weidenutzung der Gemeinwiesen.1274 Im Gegensatz zu diesen Maßnahmen, die eine ganze Gruppe der Gemeinde betraf, wurde die Nutzung des Gemeinbesitzes auch einem einzelnen Untertanen namens Hans Behaimb verboten, nachdem dieser den Einstellungsbefehl ignoriert hatte.1275 Im Gegensatz zu den Einwohnern der Teuschnitzischen Dörfer, die sich gegen die Sperrung der Allmende mit einem Prozess am Reichskammergericht zur Wehr 1269 BayHStA Reichskammergericht Nr. 496 Quadrangel 3. 1270 StABa B 49 Nr. 47/02 Bischof Neithart an Dechant, Kastner, Forstmeister, Bürgermeister und Rat von Forchheim, 30. Dezember 1595. 1271 Ebd. Christoph Kueffler, Dechant von Forchheim an Bischof Neithart, 25. Januar 1596 mit inliegender Supplikation des Apothekers. 1272 Ebd. Georg Nueding, Kastner von Forchheim an Bischof Neithart, 4. Juni 1596. 1273 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Johann Wolf Löscher, Nürnbergischer Syndicus an Bischof Johann Georg, 3. August 1630; ebd. Offenes Notariatsinstrument, 19. August 1630. 1274 Wun(n), in: Heydenreuter u. a., Abbrändler, S. 231. 1275 Ebd. Offenes Notariatsinstrument, 19. August 1630.

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setzten, lassen sich in Dormitz keinerlei Abwehrmaßnahmen zeigen. Möglicherweise war es ob der Kriegslage auch gar nicht möglich, diese Sperrung auf Dauer aufrecht zu erhalten. Zudem änderte sich die Gesamtlage, als kurz darauf die schwedischen Soldaten im Stift einmarschierten.

5.2.4. Entzug des bäuerlichen Lehens Eine weitere Möglichkeit, die angedacht wurde, um Druck auf die Lutheraner auszuüben, war die Androhung des Lehensentzugs. Das Lehnsrecht war bereits zum Ende des Mittelalters zu einer leeren Form geworden: Das Ritterlehen führte de facto zu keinerlei ideeller oder materieller Verpflichtung mehr.1276 Das bäuerliche Lehen war, da überwiegend die Erbzinsleihe1277 in Franken üblich war, ein Anhängsel der Grundherrschaft, »ein Besetzungsrecht, dem kaum ein Entsetzungsrecht gegenüberstand«.1278 Das Lehen war also zum Begriff für das reine Obereigentum geworden.1279 Dies änderte aber nichts an der Tatsache, dass der Vorschlag des Lehensentzugs als Strafe für einen protestantischen Bauern von Zeit zu Zeit aufgebracht wurde, es gibt aber keine Hinweise darauf, dass er jemals in die Tat umgesetzt worden ist. Forchheim mit Pinzberg Der Lehensentzug spielte in Forchheim keine Rolle, wurde aber gelegentlich für Pinzberger Bauern ins Spiel gebracht. Eine Reihe von lutherischen Pinzbergern besaß offenbar gleichermaßen Lehen von Nürnbergern und auch vom Hochstift. Der Zentrichter von Forchheim drohte diesen Personen im Herbst 1613 an, dass ihnen ihre bambergischen Lehen entzogen würden, sollten sie sich nicht zum katholischen Glauben einstellen.1280 Damit wäre ihnen vermutlich die Lebensgrundlage entzogen worden. Der Forchheimer Kustos Leonard Müllich machte den Fiskal Wolfgang Öttlein 1627 gegenüber deutlich, dass die Pinzberger Protestanten von den Nürnbergern vom katholischen Glauben abgehalten würden. Er empfahl also den Entzug des Bamberger Lehens: 1276 Hofmann, Adelige Herrschaft, S. 53 f. 1277 Gefördert durch die Knappheit der bäuerlichen Arbeitskräfte im Spätmittelalter herrschte in Franken die so genannte Erbzinsleihe (ius hereditarium) vor. Die bäuerlichen Hintersassen besaßen zwar kein volles Eigentumsrecht, aber ein vererbbares dingliches Nutzungsrecht (Gerlich/Machilek, Staat und Gesellschaft, S. 693 f). 1278 Hofmann, Adelige Herrschaft, S. 54. 1279 Ebd. 1280 StABa B 46b Nr. 3586 Johan Schmid, Nürnberger Syndikus an Statthalter und Geistliche Räte in Bamberg, 23. Oktober 1613.

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»wüste ich keinen andern vorschlag dan das ihnen würde auferlegt ihre bambergische lehen zu verkauffen (wofern kein vertrag vorhanden darauf sich gemeiniglich die nürnberger referiren) und sich allein auf ihren nürnbergischen lehen zu ernehren welches ihnen doch unmöglich«.1281

Neunkirchen mit Dormitz In Dormitz wurde Bischof Neithart im Sommer 1594 über ein Paar informiert, das zu seiner Hochzeit in eine benachbarte lutherische Pfarrei auslaufen wollte.1282 Da es sich um Nürnberger Untertanen handelte, fehlten Neithart die nötigen rechtlichen Befugnisse, um dies zu verhindern. Deswegen drohte er dem Paar mit dem Verlust der bambergischen Lehen und Güter.1283 Zusammenfassung und Ergebnisse Wirtschaftliche Maßnahmen Im Hochstift Bamberg wurde versucht, durch die Androhung von wirtschaftlichem Schaden einzelne Personen oder seltener ganze Personengruppen zu einer Konversion zu bringen. Allerdings kamen diese Maßnahmen eher sporadisch zum Ausdruck. Eine Häufung ergibt sich allerdings in den Jahren von Bischof Neitharts Rekatholisierung in der zweiten Hälfte der 1590er Jahre, in den ersten Regierungsjahren Bischof Johann Gottfrieds um 1611 und dann wieder um 1630, als Bischof Johann Georg auch gegen fremdherrschaftliche Untertanen vorging. Allerdings blieb es meistens bei der Drohung, ohne dass es zur tatsächlichen Ausführung gekommen wäre. In einigen Fällen, besonders bei den Geldstrafen, lässt sich eine mögliche Durchführung schlichtweg nicht nachweisen. Ein direkter Anlass für eine wirtschaftliche Strafe ließ sich in einigen Fällen zeigen: Wurde eine bestimmte Frist verpasst, zu der sich eine Person zur Kommunion hätte einfinden sollen, wurde dies mit einer entsprechenden Strafe geahndet. Im Ganzen betracht waren wirtschaftliche Maßnahmen eher ineffektiv. Sie wurden nicht flächendeckend und systematisch eingesetzt, sondern willkürlich. Vermutlich kamen sie zu selten vor, um eine durchschlagende Wirkung zu entfalten, sondern ergaben sich wohl eher aus der Situation heraus.

5.3. Gewaltmaßnahmen Im Folgenden soll die dritte Maßnahmengruppe analysiert werden: die Gewaltmaßnahmen. Damit sind alle Mittel gemeint, die eine physische Beein1281 StABa B 49 Nr. 47/30 Johannes Müllich, Kustos von Forchheim an Fiskal Wolfgang Öttlein, 19. Februar 1627. 1282 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Bischof Neithart an Verwalter von Neunkirchen, 4. Juni 1594. 1283 Ebd.

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trächtigung des Untertans bewirkten oder ihn stark in seinem Alltag einschränkten. In unterschiedlichen Ausdifferenzierungen wurde Gewalt in beiden Hochstiften eingesetzt. Im Augsburger Religionsfrieden wurde Gewaltanwendung zur Durchsetzung einer Konfession zwischen Kaiser und Reichsständen einerseits sowie innerhalb der Reichsstände andererseits verboten. Für das Verhältnis zwischen Landesherr und Untertan galt dies aber nicht.1284

5.3.1. Verhaftung Verhaftung bedeutete konkret, dass ein einzelner Untertan oder eine Gruppe von Personen von einem bischöflichen Amtsträger arrestiert und anschließend für mehrere Tage oder Wochen festgehalten wurde. Im Folgenden wird untersucht, ob und wie eine Verhaftung als Mittel zur Rekatholisierung genutzt worden ist. Hochstift Bamberg Teuschnitz Die Verhaftung als Mittel zur Konversionserzwingung war eine in Teuschnitz häufig vorkommende Maßnahme. Zur ersten Verhaftung von Lutheranern kam es im Sommer 1596. Bei der Gruppe handelte es sich um sechs Ratsmitglieder, den Stadtschreiber und Niclas Zweidler, den Sohn des ehemaligen Teuschnitzer Prädikanten. Letzterer hatte vor allem den Unmut Bischof Neitharts auf sich gezogen, weil er in der lutherischen Nachbarschaft geheiratet hatte und zudem – so glaubte man zumindest in der Residenzstadt – andere Paare dazu motiviert hatte, dasselbe zu tun.1285 Die lokalen Beamten kamen mit diesem Fall nicht in Berührung. Die acht Personen wurden nach Bamberg bestellt und dort verhaftet. Sie kamen erst frei, als sie erklärten konvertieren zu wollen. Beichte und Kommunion hatten sie vor Ort in Bamberg abzuleisten.1286 Bischf Neithart wollte so sichergehen, dass es nicht zu Versprechungen kam, die später nicht eingehalten wurden. Ein weiteres Beispiel illustriert deutlich, dass Bischof Neithart versuchte, diejenigen Personen, die die bischöflichen Amtsträger als »Rädelsführer« identifiziert hatten, außerhalb von Teuschnitz zu verhaften. Onuphrius von Bellheim, der im Herbst 1596 in Teuschnitz als Interimsamtmann wirkte, schlug vor, die vermeintlichen Anführer der Protestanten auf einem Markt in Kronach (circa 20 km entfernt von Teuschnitz) zu verhaften, falls sie sich weigerten, nach 1284 Repgen, Reich und Konzil, S. 61. 1285 Einzelnachweise s. Kapitel 6.3. 1286 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 71v, 20. August 1596.

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Bamberg zu kommen. Er befürchtete, dass es bei einer Verhaftung direkt in Teuschnitz zu einem Tumult kommen würde, dem er keinen Einhalt gebieten konnte: »wie aber E[uer] f[ürstlicher] G[naden] dieselben zur stöll pringen und iren verdientten lhon geben möchten, wußte ich jedoch […] kain ander mittel, dan dz nach bamberg bey ainen benantten gelt straff, oder verlußt hab und guettern citirt wurden, im phal nit erscheinens, und die forcht verdienter straff sy abhaltten möchte, so ißt den 21. november am alten martinstag markht zu kronach, dahin die förnembsten gelangen werden, alda kinden (=könnten) sy unvermerkht, naheinander uf dz schloß gefordert, daselbsten verwahrt und hinah (=hinterher) zu bamberg oder kronach zum gehorsamn gehaltten werden, dan alhie nach inen zugreiffen, bin ich der zeit zu schwach«.1287

Diesem Vorschlag stimmte Neithart zu.1288 Bei den zu Verhaftenden handelte es sich neben einigen Männern auch um zwei Frauen, beides Töchter des ehemaligen Prädikanten Zweidler.1289 Es gelang den Kronacher Beamten nicht, die Verhaftungen durchzuführen.1290 Anfang Juni 1598 ordnete Neithart an, dass zwei Männer namens Hans Brunner und Hans Rephuhn verhaftet werden sollten, die zu den letzten gehörten, die noch nicht katholisch geworden waren.1291 Sie sollten in Gewahrsam bleiben, bis sie fest zugesagt hatten, zu konvertieren oder das Land zu verlassen.1292 Die Verhaftung Brunners und Rephuhns wurde auch durchgeführt, allerdings ist nicht klar, ob bischöfliche Amtsträger direkt daran beteiligt waren oder ob dies durch Bürgermeister und Rat durchgeführt wurde.1293 Außerdem erhielten die beiden Männer noch eine Strafe von 100 Gulden pro Person.1294 Allerdings wurden sie innerhalb weniger Tage wieder freigelassen, weil sie vorgaben, dass sie entweder zur Kommunion kommen (falls ihnen die Geldstrafe erlassen würde) oder abziehen wollten.1295 Neithart wollte sich auf diesen Handel nicht einlassen. Es erging erneut ein Befehl, die beiden zu verhaften und 1287 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Onuphfrius von Bellheim an Bischof Neithart, 10. November 1596. 1288 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 83v, 15. November 1596. 1289 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 »verzeichnuß der fürnembsten redelsfierer wie ufwigler«, 23. November 1596. 1290 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 84v, 26. November 1596. 1291 Im Frühsommer 1598 hatten sich weite Teile der Stadtbevölkerung zur Kommunion begeben, dazu ausführlich Kapitel 6.2. 1292 StABa B 49 Nr. 191/29 I Bischof Neithart an Pfarrer, Amtmann, Bürgermeister und Richter von Teuschnitz, 3. Juni 1598. 1293 StABa Hochstift Würzburg Neuverz. Akten Nr. 573 Johann Zweidler, Pfarrer, Niclaus Georg, Richter, Heinrich Schwarz und Hanns Lieb, Bürgermeister, Hans Fuchs, Stadtschreiber von Teuschnitz an Bischof Neithart, 23. Juni 1598. 1294 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 22. Juni 1598. 1295 Ebd. Johann Zweidler, Heinrich Schwarz und Hans Lieb, Bürgermeister, Hans Fuchs, Stadtschreiber von Teuschnitz an Bischof Neithart, 23. Juni 1598.

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sie nach Kronach zu bringen, wo sie auch verbleiben sollten.1296 Anscheinend hatte Neithart mehr Vertrauen zu den Kronachern als zu den Bekannten und Nachbarn der »Abweichler«, die seine Befehle bezüglich der Verhaftung nur halbherzig ausführten. Tatsächlich mussten die beiden Männer über vier Wochen in Kronach im Turm verbringen.1297 Unter Neitharts Nachfolger Johann Philipp lassen sich keine Verhaftungen nachweisen. Erst dessen Nachfolger Johann Gottfried wendete diese Maßnahme an. Zumindest in einem Fall wurde ein Mann aus der Haft entlassen, weil er angab, sich nun doch der katholischen Konfession zuzuwenden. Bischof Johann Gottfried mahnte seine Beamten vor Ort an, darauf zu achten, ob er diesem Versprechen auch wirklich folgte. Allerdings ließ sich nicht weiter nachverfolgen, wie sich der Mann anschließend verhielt.1298 Anders zeigte sich die Situation im Pfarrdorf Marienroth. Dort lassen sich die ersten Verhaftungen erst im Sommer 1598 zeigen. Am 10. August 1598 meldeten Amtmann, Priester und Richter nach Bamberg, dass die Marienrother protestantisch blieben, weil sie eine Klage am Reichskammergericht eingereicht hatten und warten wollten, bis ihr Bote aus Speyer wieder zurückgekommen war.1299 Um den Widerstand der Dorfbewohner zu brechen, ordnete Neithart an, dass die Einwohner verhaftet werden sollten. Als die Marienrother anlässlich eines nicht genannten Grundes nach Teuschnitz gekommen waren, wurde ihnen bei einer Strafe von 200 Gulden verboten, die Stadt wieder zu verlassen.1300 Unklar ist allerdings, ob hier wirklich alle Einwohner festgehalten wurden.1301 Diese Verhaftung des ganzen Dorfes wurde Teil einer weiteren Klage, die die Marienrother am Reichskammergericht einreichten. Sie gaben an, dass sie volle drei Wochen in der Stadt Teuschnitz festgehalten worden seien; danach habe man sie nach Kronach gebracht und eine weitere Woche festgehalten. Nach dieser massiven Gewalteinwirkung stimmten sie zu, katholisch zu werden.1302 1296 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 49r, 26. Juni 1598. 1297 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach an Bischof Neithart, 7. Juli 1598; ebd. Hans Brunner und Hans Rephuhn an Bischof Neithart, ohne Datum, nur 1598. 1298 AEB Rep. I Nr. 740 fol. 23r, 5. Dezember 1609. 1299 StABa B 49 Nr. 191/29 I Hieronymus von Würzburg, Amtmann, Niklas Georg, Richter und Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 10. August 1598. Die Reichskammergerichtsprozesse werden ausführlich im Kapitel 6.5 dargestellt. 1300 StABa B 49 Nr. 191/29 I Hieronymus von Würzburg, Amtmann, Niklas Georg, Richter und Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart 10. August 1598. 1301 In einer Kommunikantenübersicht von 1610 werden für Marienroth insgesamt 108 Personen geführt (AEB Rep. I Pf. A. 570 »specification und verzeichnis aller pfarkinder in ihrer fürstlichen gnaden pfarr teuschnitz«, 1610). Geht man davon aus, dass dies die gesamte Anzahl der Einwohner ist (also inklusive Frauen, Kindern und Dienstboten), wäre es durchaus möglich, alle Hausväter des kleinen Dorfes in Teuschnitz festzuhalten. 1302 BayHStA Reichskammergericht Nr. 496 Quadrangel 3.

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Zwei Punkte erscheinen an dieser Maßnahme besonders auffällig: Erstens war das Festhalten der Marienrother Dorfbewohner nur möglich, weil sie von Teuschnitzern durchgeführt wurde, die noch kurz zuvor selbst die Kommunion verweigert hatten. Zweitens wurden die Marienrother von den Teuschnitzern festgehalten, während sie gleichzeitig gemeinsam in Speyer gegen den Bamberger Bischof klagten. Zwei weitere Marienrother wurden im Herbst 1598 verhaftet, weil sie sich nicht eingestellt hatten. Allerdings kamen sie wieder frei, weil der Hauptmann von Kronach keine genauen Instruktionen bekommen hatte, wie lange er sie einbehalten sollte.1303 Unter Neitharts Nachfolger Bischof Johann Philipp lassen sich für Marienroth im Gegensatz zu Teuschnitz Verhaftungen mit konfessionellem Hintergrund aufzeigen. Die zwei Marienrother Hans Lieb und Hans Rudolf waren im Jahr 1599 für 37 Tage in Kronach in Haft.1304 Auch der darauf folgende Bischof Johann Gottfried hatte Erfolg mit Verhaftungen, denn sechs Marienrother legten im November 1609 Beichte und Kommunion ab, da sie auf anderem Weg nicht aus der Haft gekommen wären.1305 Verhaftungen waren insgesamt betrachtet eine Rekatholisierungsmaßnahme, die in Teuschnitz und Marienroth nur in wenigen Fällen zur Anwendung kam. Ein zeitlicher Schwerpunkt ergibt sich deutlich in den letzten Regierungsjahren Neitharts (ca. 1596 – 98). Unter seinen Nachfolgern wurde dieses Mittel noch seltener angewendet. Die Rolle der lokalen Beamten war bei dieser Maßnahme von großer Wichtigkeit. Eine Verhaftung konnte nicht stattfinden, wenn der entsprechende Beamte sich nicht darum kümmerte oder die Verhafteten zügig wieder freiließ. In Teuschnitz lässt sich entsprechend beobachten, dass die Verhaftungen räumlich verlegt wurden: Teilweise wurden die Betroffenen direkt nach Bamberg bestellt, teilweise wurden die Verhafteten in Kronach im Turm verwahrt anstatt direkt in Teuschnitz. Die Zielgruppe lässt sich bei dieser Maßnahme einschränken: Betroffen war in erster Linie die männliche Bevölkerung. Nur in einem Fall sollten auch Frauen verhaftet werden, wobei dies nicht gelang. Der direkte Anlass war in den meisten Fällen eine mehrfache Weigerung, die Kommunion einzunehmen. Besonders deutlich manifestierte sich dies bei der Verhaftung aller Marienrother, da sich 1303 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach an Bischof Neithart, 18. November 1598; ebd. »verzaichniß waß die verhafften zu teuschnitz alhie bekandt und außgesagt«, 9. November 1598. 1304 StABa B 49 Nr. 191/29 I Verzeichnis, was diejenigen, die der Kastner und Stadtvogt von Kronach in Verhaft genommen haben, in fünf Wochen und zwei Tagen verzehrt haben, 26. April 1599. 1305 AEB Rep. I Nr. 740 fol. 18r, 13. November 1609.

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bis dahin das gesamte Dorf nicht eingestellt hatte. Unklar ist allerdings, wie häufig die Untertanen eine Frist verstreichen lassen konnten, bis die Haftstrafe eingesetzt wurde. Gelegentlich wurde die Haft mit anderen Strafen, wie etwa der Geldstrafe, kombiniert. Die Effektivität betreffend war die Haftstrafe ein erfolgversprechendes Mittel, besonders da ihre Dauer nicht festgelegt war. Die Haftlänge konnte nur eine Nacht betragen oder auch mehrere Wochen andauern. Zwar gab es Fälle, in denen Protestanten mehrere Wochen im Gefängnis aushielten, doch insgesamt nahmen alle Festgenommenen unter dem Druck, nicht mehr frei zu kommen, die Kommunion ein. Als besonders effizient stellte sich dabei heraus, wenn die Kommunion noch in der Haft eingenommen wurde, sodass keine Gelegenheit bestand, das Konversionsversprechen zu geben und anschließend nicht einzuhalten. Neukenroth Im Sommer 1598 sollten in Neukenroth einige Personen verhaftet werden, von denen der Bischof glaubte, dass sie andere zum Verbleib bei der lutherischen Konfession aufforderten.1306 Zwar konnte der Hauptmann von Kronach sechs Personen habhaft werden, aber die vor allem gesuchten Richter und Schultheiß, die als »Rädelsführer« galten, waren nicht dabei.1307 Ein Schlaglicht auf die angespannte Situation werfen die Flüche, die der Amtmann in seinem Bericht wiedergab und die er wohl zu hören bekommen hatte: »ihr catholischen seit alle des teuffels vermeint uns auch dahin zu bringen, seidt auch erger dan die turckhen. Dan derselbige niembt uns nur dz leben aber ihr catholische schelmen bringt uns umb sell und leib«.1308 Am nächsten Tag wurden noch zwei weitere Personen verhaftet, die nach Kronach gekommen waren, um die Freilassung der ersten sechs zu fordern. Von den ursprünglichen sechs ließ sich einer zu Beichte und Kommunion bringen.1309 Es lässt sich aus den gesichteten Quellen nicht zweifelsfrei nachweisen, ob die Kommunion noch in der Haft eingenommen wurde und wenn nicht, ob dies zu einem späteren Zeitpunkt geschah. Die anderen Verhafteten wurden noch für knapp zwei Wochen in Kronach einbehalten und durften erst gehen, nachdem sie dort Beichte und Kommunion abgeleistet hatten.1310 Zudem wurde ihre Freilassung an Bedingungen geknüpft: Sie schworen bei dem Verlust ihrer Hab und Güter, dass sie in Zukunft katholisch 1306 StABa B 49 Nr. 129/03 Bischof Neithart an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmannn von Kronach, 31. August 1598. 1307 Ebd. Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach an Bischof Neithart, 21. September 1598. 1308 Ebd. 1309 Ebd. 1310 Ebd. »auslaßung der verhaftten zu neickenroth«, 1. Oktober 1598.

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blieben, keinen Tumult anzettelten und auch nichts mehr in Hinblick auf den laufenden Prozess in Speyer1311 unternähmen, außerdem mussten sie noch 100 Gulden als Bürgschaft stellen.1312 In der Folgezeit gelang es aber weiterhin nicht, Schultheiß und Richter von Neukenroth zu verhaften.1313 Unter Neitharts Nachfolgern lassen sich in Neukenroth keine Verhaftungen mehr nachweisen, um eine Konversion zu erzwingen. Allerdings ist unklar, ob dies nicht versucht worden ist. Der Neukenrother Priester war zumindest der Ansicht, dass man seiner noch deutlich von Lutheranern durchsetzten Gemeinde nur mit Verhaftungen der entsprechenden Personen beikommen könne.1314 In Neukenroth kamen Verhaftungen also nur unter Bischof Neithart vor und auch unter ihm nur im letzten Jahr seiner Regierung. Auch in diesem Fall geschah die Verhaftung anlässlich einer mehrfachen Verweigerung der Kommunionseinnahme und stellte sich als sehr effektiv heraus, da die Verhafteten erst nach Ablegung der Kommunion wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Es verwundert also nicht, dass der Neukenrother Priester häufigere Verhaftungen verlangt. Unklar ist, warum dies nicht in die Tat umgesetzt worden ist. Neunkirchen am Brand und Dormitz In Neunkirchen am Brand kann keine religiös bedingten Verhaftung nachgewiesen werden. Anders sieht es in Dormitz aus. Dort finden sich Verhaftungen ab dem Jahr 1629. Der Verwalter von Neunkirchen hatte einen markgräflichen Untertan aus der Pfarrei Dormitz auf bischöflichen Befehl hin verhaften lassen, weil dieser nicht zu Beichte und Kommunion erscheinen wollte. Allerdings musste er ihn bald darauf wieder freilassen, weil der markgräfliche Richter im benachbarten Bayersdorf einen Bamberger Untertan verhaften ließ und diesen erst wieder freilassen wollte, wenn der markgräfliche Untertan ebenfalls auf freien Fuß gesetzt würde.1315 Im Juli 1630 ordnete Bischof Johann Georg Verhaftungen von Lutheranern in Dormitz an.1316 In der Folge wurde bei einem nächtlichen Überfall ein Dorfbewohner von den bischöflichen Reitern mitgenommen.1317 Der Bischof hatte al1311 Auch Neukenroth hatte eine Klage beim Reichskammergericht eingereicht, s. Kapitel 6.5. 1312 StABa B 49 Nr. 129/03 »auslaßung der verhafften zu neickenroth«, 1. Oktober 1598. 1313 Ebd. Bischof Neithart an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 23. September 1598. 1314 Ebd. Johann Keutzer, Pfarrer von Neukenroth an Fiskal Johann Schöner, 14. Juni 1601. 1315 StABa B 49 Nr. 47/30 Johann Lederer, Kastner zu Forchheim an Hieronymus von Würtzburg, Domdechant zu Bamberg, 26. Juni 1629. 1316 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Bischof Johann Georg an Karl Pessler, Pfarrer und Paulus Lechner, Verwalter von Neunkirchen, 24. Juli 1630. 1317 Ebd. Karl Pessler, Pfarrer von Neunkirchen an Generalvikar Philipp Pessler, 20. Juli 1630.

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lerdings nicht explizit befohlen, die Verhaftung mit einem Überfall zu kombinieren, sondern für den konkreten Ablauf keinerlei Instruktionen erlassen.1318 Einige Tage später wurden erneut einige Dormitzer verhaftet.1319 Da daraufhin der Nürnberger Rat protestierte, hat es sich dabei vermutlich zumindest teilweise um Nürnberger Untertanen gehandelt. Der Bischof trug Verwalter und Pfarrer von Neunkirchen auf, die Männer ungeachtet der Nürnberger Proteste in Haft zu lassen, zwar im »milden arrest« und zudem »wol instruiert« durch den Pfarrer, aber sie sollten erst freigelassen werden, wenn sie gebeichtet und die Kommunion eingenommen hatten. Auf gleiche Art und Weise sollten auch die anderen noch ausstehenden Untertanen der Nürnberger und anderer adeligen Familien zum katholischen Glauben gebracht werden, wobei die Proteste der Nürnberger seitens Bamberg ignoriert wurden.1320 Die Haft hatte ganz offensichtlich einen Effekt. Einer der Inhaftierten schwor nach sieben Tagen, katholisch zu werden und dabei zu bleiben. Dennoch hatte er die Verwüstung seines Hauses durch Soldaten zu beklagen.1321 Dies sei ihm aber gleichgültig, »wenn er nur wieder zu seinem vorigen glauben gelangen sollte«.1322 Ein weiterer Verhafteter namens Fritz Ketschter wurde von den Musketieren nach Neunkirchen gebracht und wurde nur deswegen katholisch, weil er sonst nicht mehr aus der Haft entlassen worden wäre.1323 Die Dormitzer konnten sich auch nicht dadurch schützen, zeitweilig nicht nach Hause zu kommen. In einer späteren Befragung der verhafteten Nürnberger Untertanen in Dormitz durch einen Nürnberger Notar gab der Untertan Stephan Fuchs an, dass er sich acht Tage versteckt hätte, aber in dieser Zeit sei seine Frau so lange traktiert worden, bis sie krank geworden sei.1324 Ein zweiter Mann namens Georg Kern war ebenfalls weggelaufen, aber ihm wurde übermittelt, dass er 50 Reichstaler Strafe zahlen müsse, wenn er nicht nach Neunkirchen käme. Dort wurde ihm angedroht, dass er verhaftet und seine Güter zwangsverkauft würden, daraufhin hatte er gegen seinen Willen dem lutherischen Glauben abgeschworen. Ein dritter Mann namens Hans Fink hatte sich sogar zwei Wochen versteckt. Daraufhin wurde seine Frau verhaftet und ihr angedroht, dass sie in der Haft bleiben würde und eine Geldstrafe von 50 Reichstalern bekäme, wenn ihr Mann sie nicht auslöste. Ihr Mann fand sich 1318 Ebd. Bischof Johann Georg an Karl Pessler, Pfarrer und Paulus Lechner, Verwalter von Neunkirchen, 24. Juli 1630. 1319 Ebd. Johann Wolf Löscher, Syndikus der Stadt Nürnberg an Bischof Johann Georg, 2. August 1630. 1320 Ebd. Bischof Johann Georg an Karl Pessler, Pfarrer und Paulus Lechner, Verwalter von Neunkirchen, 24. Juli 1630. 1321 Ebd. Offenes Notariatsinstrument, 19. August 1630. 1322 Ebd. 1323 Ebd. 1324 Für das Folgende: StABa B 49 Nr. 130-I/16 Offenes Notariatsinstrument, 19. August 1630.

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daraufhin in Neunkirchen ein und wechselte unter einigen Drohungen die Konfession. Verhaftungen gab es in Dormitz insgesamt gesehen nur in den Jahren 1629/ 30. Auffällig ist dabei, dass die lokalen Beamten von Soldaten unterstützt wurden. Damit sollte vermutlich ein größerer Druck erzeugt werden, die Kommunion einzunehmen. Was die Zielgruppe der Maßnahme betrifft, ist auffällig, dass sie auch auf fremdherrschaftliche Untertanen angewendet wurde. Die Verhaftungen waren aus Sicht Bischof Johann Georgs effektiv, da alle Verhafteten zum katholischen Glauben übertraten, aus Angst, sonst nicht mehr freizukommen. Waischenfeld In Waischenfeld ist die Verhaftung als Rekatholisierungsmaßnahme nur in einem Fall überliefert. Im September 1596 wurden drei Waischenfelder wegen ihres lutherischen Glaubens verhaftet. Allerdings ist unklar, wie man seitens der bischöflichen Verwaltung auf sie aufmerksam geworden war, da sie bis zu diesem Zeitpunkt auf keiner Liste von »Ungehorsamen« erschienen waren.1325 Die drei Männer versprachen, dass sie katholisch werden wollten. Daraufhin wurden sie freigelassen mit der Ermahnung, dass sie innerhalb von drei Monaten ausziehen müssten, falls sie ihr Versprechen brechen würden.1326 Hochstift Würzburg Gerolzhofen In Gerolzhofen lässt sich insgesamt nur ein einziger Fall von einer Verhaftungen auf Grund von konfessioneller Abweichung fassen. Eine Gerolzhofenerin weigerte sich mehrere Jahre, ihren lutherischen Glauben aufzugeben. 1594 wurde sie deswegen für eine gewisse Zeit in einen Turm gesperrt. Allerdings führte dies zu keinem Erfolg, sie weigerte sich auch weiterhin zu konvertieren.1327 Diese Episode wirft allerdings mehr Fragen als Antworten auf: Unklar ist, warum sie aus der Haft entlassen wurde, obwohl sie bei ihrer Weigerung blieb. Außerdem ist unklar, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt die Kommunion einnahm.

1325 AEB Rep. I 735 fol. 74v, 13. September 1596. Die zwei überlieferten Listen mit »Ungehorsamen« in StABa B 49 Nr. 211/18 jeweils inliegend in Schreiben des Pfarrers, Amtmanns und Kastners von Waischenfeld an Bischof Neithart, 28. Mai 1596 und Schreiben des Kastners von Waischenfeld an Generalvikar Erhard Dentzel, 25. Juli 1596. 1326 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 74v, 13. September 1596. 1327 DAW Landkapitelakten Nr. 138 »Defectus reperti in celebratione capituli Geroltzhoven«, 1594.

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Kitzingen Auch in Kitzingen konnte ein Vorfall ermittelt werden, bei dem eine Verhaftung als Mittel zur Rekatholisierung eingesetzt wurde. Ein Mann musste zwei Wochen in einem Turm verbringen, weil er seine Ehefrau aufgefordert hatte, nicht zur katholischen Konfession überzutreten.1328

Zusammenfassung und Ergebnisse Verhaftung Die Verhaftung als Mittel der Rekatholisierung wurde im Hochstift Bamberg nicht flächendeckend eingesetzt. Insgesamt ließen sich 13 tatsächlich erfolgte Verhaftungen als Rekatholisierungsmaßnahme nachweisen, wobei sich zwei zeitliche Schwerpunkte ergeben: In den letzten Regierungsjahren Neitharts (ca. 1596 – 98) und in der Regierungszeit Johann Georgs 1629/30. In Würzburg hingegen kam die Verhaftung nur in absoluten Ausnahmefällen vor. Insgesamt zeigten sich in den Quellen nur zwei Fälle. Dies ist vor allem mit der rigiden Ausweisungspolitik Würzburgs (s. Kapitel 5.3.4) zu begründen, die Lutheranern nicht wie in Bamberg die Möglichkeit ließ, die Kommunion über einen längeren Zeitraum zu verweigern. Die Rolle der lokalen Beamten war bei der Verhaftung elementar. Sie hatten es in der Hand, wie effektiv eine Verhaftung versucht wurde und ob der Verhaftete tatsächlich längere Zeit eingesperrt blieb. In Teuschnitz und Marienroth zeigt sich eine deutliche Tendenz, die Verhaftungen auszulagern, sie fanden in der Mehrheit im nahen größeren Ort Kronach oder in Bamberg statt. Somit konnten die Bischöfe nicht nur unzuverlässiges Personal vor Ort umgehen, sondern gleichzeitig auch das Ausbrechen eines Tumultes anlässlich einer Verhaftung umgehen. Interessant ist zudem, dass im Zuge des Dreißigjährigen Krieges Soldaten dazu geholt wurden, wenn Verhaftungen stattfanden. Vermutlich sollte dies den Druck und den Eindruck der drohenden Gefahr erhöhen. Was die Zielgruppe dieser Maßnahme betrifft, haben sich zwei Erkenntnisse ergeben: Im Wesentlichen waren von Verhaftungen Männer betroffen. Verhaftungen von Frauen blieben die Ausnahme. Zweitens wurden unter Bischof Neithart Verhaftungen nur für hochstiftische Untertanen nachgewiesen, während Bischof Johann Georg dieses Mittel auch auf die fremdherrschaftlichen Untertanen ausdehnte. Dies ist mit der für die katholischen Kräfte günstigen Gesamtlage um die Jahre 1629/30 zu begründen, in denen er auf den potentiellen 1328 StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«.

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Widerstand der anderen fränkischen Territorialmächte keine Rücksicht nehmen musste. Der direkte Anlass einer Haftstrafe war die mehrfach verweigerte Kommunion. Es wurde kein Fall vorgefunden, in dem sie direkt bei der ersten Verweigerung angewendet worden ist. Die Verhaftung, deren Beendigung in der Regel an die Einnahme der Kommunion noch in der Haft geknüpft war, hat sich als sehr effektives Mittel herausgestellt. In beinahe allen Fällen führte die Haft früher oder später zur Konversion.

5.3.2. Vorladungen außerhalb des Heimatortes Wenn es darum ging, die Menschen vor die Wahl zu stellen, sich entweder eindeutig zur katholischen Konfession zu bekennen oder emigrieren zu müssen, geschah dies zumeist in ihrem jeweiligen Heimatort. Die Politik des Bischofs wurde dabei durch den örtlichen Pfarrer und einen oder mehrere örtliche Beamte (Amtmann, Kastner etc.) ausgeführt. Führte dies nicht zum gewünschten Ergebnis, bestand die Möglichkeit, die protestantischen Untertanen an einen anderen Ort, bevorzugt in die Residenzstadt, zu bestellen. Der Betroffene musste daraufhin die Reise auf sich nehmen. Hochstift Bamberg Teuschnitz mit Marienroth Das erste Mal lässt sich diese Maßnahme im Sommer 1596 fassen, als acht Personen, die man als »Rädelsführer« ausgemacht zu haben glaubte, ins 20 km entfernt liegende Kronach kommen sollten; dabei handelt es sich um die Ratsmitglieder Michael Fielder, Fritz Schnapauf, Hans Rephuhn, Heinrich Schwartz, Hans Lieb, Erhard Weiß, den Stadtschreiber Johann Heinsen und Niclas Zweidler, der Sohn des ehemaligen Prädikanten.1329 In Kronach angekommen, erhielten die Männer eine letzte Frist. Ließen sie diese verstreichen, wurde ihnen angedroht, nach Bamberg gehen zu müssen.1330 Da sie die Frist nicht einhielten, mussten sie im 75 km entfernten Bamberg erscheinen.1331 Wie bereits im vorherigen Kapitel geschildert, führte dieser Bambergaufenthalt zu ihrer Konversion. Gleiches galt für ein weiteres protestantisches Ratsmitglied namens Mat1329 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 69v, 3. Juli 1596. 1330 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Michael Fiedler, Fiedrich Schnappauf, Hans Rephuhn, Hans Lieb, Heinrich Schwarz und Erhardt Weiß an Bischof Neithart, ohne Datum. 1331 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 70r, 19. August 1596.

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thes Henning. Er musste zunächst nach Kronach kommen, dann im September 1596 wegen seiner Verweigerung nach Bamberg.1332 Auch weitere namentlich nicht bekannte ungehorsame Teuschnitzer wurden nach Kronach bestellt.1333 In Teuschnitz zeigte sich, dass das Überweisen der »Abweichler« an einen anderen Ort zumindest teilweise auf örtliche Initiative hin geschah. Einerseits wurde diese Maßnahme explizit von dem Priester vorgeschlagen, weil dieser nicht wusste, wie er sonst eine Rekatholisierung erreichen sollte.1334 Auch der Interimsamtmann Onuphrius von Bellheim kam nach einem Ortsbesuch zu dem Ergebnis, dass in Teuschnitz nur mit zwei Maßnahmen etwas zu erreichen sei: (1) Die Vorladung der als Rädelsführer identifizierten Personen nach Bamberg bei gleichzeitiger Androhung, dass sie im Fall eines Nichterscheinens ihre Güter verlören. (2) Die Verhaftung dieser Personen außerhalb von Teuschnitz in Kronach.1335 Auch in Marienroth kamen Vorladungen nach Bamberg vor. Bischof Neithart ließ den Schultheißen des Pfarrdorfes vor den Teuschnitzer Richter und Amtmann laden und dort vor die Wahl stellen, sich entweder einzustellen oder nach Bamberg kommen zu müssen.1336 Allerdings hat sich eine eventuell stattgefundene Reise nach Bamberg in den Quellen nicht niedergeschlagen. Die Vorladung außerhalb des Heimatortes kam in Teuschnitz und Marienroth also generell nur unter der Regierung Neitharts in der zweiten Hälfte der 1590er Jahre vor. Als Orte kamen dabei sowohl die Festungsstadt Kronach als auch die Residenzstadt in Frage. Betroffen waren von dieser Maßnahme ausschließlich Männer. Bis auf eine Ausnahme waren zudem ausschließlich Funktionsträger der Stadt- und Dorfverwaltung mit der Vorladung außerhalb des Heimatortes konfrontiert. Ein direkter Anlass für diese bischöfliche Maßnahme bestand insofern, als dass sowohl der Teuschnitzer Pfarrer als auch der von Neithart geschickte Interimsamtmann diese Maßnahme anregten. Mögliche Gründe hierfür sind die Verstärkung des Druckes auf die dörflichen und städtischen Funktionsträger. Eine Reise nach Bamberg war aufwendiger, als beim örtlichen Priester zu erscheinen, zudem konnte in Bamberg die entsprechende Person durch das ihr unbekannte Umfeld eingeschüchtert werden. Dabei konnte vermieden werden, 1332 StABa B 49 Nr. 191/29 I Kommunikantenverzeichnis der Pfarrei Teuschnitz von Johannes Ammon, 9. September 1596. 1333 Ebd. Adam Greitzus, Kastner von Kronach an Bischof Neithart, 18. Juni 1597. 1334 Ebd. Kommunikantenverzeichsnis der Pfarrei Teuschnitz von Johannes Ammon, 9. September 1596. 1335 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Onuphrius von Bellheim an Bischof Neithart, 10. November 1596. 1336 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 522 Bischof Neithart an Johannes Ammon, Pfarrer und Niclas Georg, Richter von Teuschnitz, 14. September 1596.

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dass sich mehrere Leute, vielleicht sogar der ganze Ort, zusammenfanden und gemeinsam Widerstand leisteten. Außerdem wurde der städtische und dörfliche Zusammenhalt durch diese Maßnahme unterlaufen, da die Vorgeladenenen allein oder in kleinen Gruppen erscheinen mussten. Die Effektivität der Vorladung außerhalb des Heimatortes war gegeben, wenn sie mit einer dort stattfindenden Haft kombiniert wurde, in der die Kommunion eingenommen werden musste. Geschah dies nicht, bestand die Gefahr, dass etwas versprochen wurde, was nach der Rückkehr in die Heimat nicht eingehalten wurde. Forchheim In Forchheim wurden erstmals im Dezember 1595 lutherische Untertanen ins 25 km entfernte Bamberg bestellt.1337 Einige erschienen aber nicht mit dem Hinweis, einer von ihnen sei zu krank gewesen; Neithart forderte daraufhin den Kastner auf, Erkundigungen einzuziehen, ob das stimme.1338 Die Vorladung nach Bamberg scheint aber Wirkung gezeigt zu haben, da vier der Befragten bei der bischöflichen Audienz um Bedenkzeit baten und fünf versprachen, katholisch zu werden; keiner von ihnen mochte im Angesicht seines Landesherrn darum bitten, bei seiner Konfession bleiben zu dürfen.1339 Allerdings ist unklar, ob es später auch zu einer tatsächlichen Einnahme der Kommunion kam. Zudem wurden einzelne ritterschaftliche Untertanen, die in Forchheim wohnten, im Februar 1596 damit bedroht, nach Bamberg kommen zu müssen, allerdings wurden zunächst einige Fristen eingeräumt, in der die Einstellung in Forchheim noch möglich war.1340 Für Juli 1596 bestellte Neithart zwei weitere Forchheimer, zwei Männer namens Michel Knab und Hans Wagentrutz, nach Bamberg, um sie von der katholischen Konfession zu überzeugen.1341 Auch in Forchheim kamen Vorladungen außerhalb des Heimatortes nur unter Bischof Neithart vor. Betroffen waren nur Männer, allerdings konnte es jeden treffen, nicht nur, wie im Fall Teuschnitz die Mitglieder der Stadtverwaltung. Die Vorladung wurde anlässlich mehrerer verstrichener Fristen ausgesprochen. Die Effektivität der Maßnahme ist insofern schwierig zu beurteilen, da zwar die

1337 StABa B 49 Nr. 47/02 Bischof Neithart an Dechant, Kastner, Forstmeister, Bürgermeister und Rat von Forchheim, 30. Dezember 1595. 1338 Ebd. Bischof Neithart an Christoph Kueffler, Dechant von Forchheim, 3. Januar 1596; ebd. Bischof Neithart an Georg Nueding, Kastner von Forchheim, 4. Januar 1596. 1339 StABa B 49 Nr. 47/02 Bischof Neithart befragt Forchheimer Untertanen, 2.–4. Januar 1596. 1340 Ebd. Bischof Neithart an Georg Nueding, Kastner und Christoph Kueffler, Dechant von Forchheim, 8. Februar 1596. 1341 StABa B 49 Nr. 47/02 Bischof Neithart an Bürgermeister, Rat und Schultheiß von Forchheim, 16. Juli 1596.

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Betroffenen in der Regel versprachen, nun katholisch zu werden, allerdings lässt sich nicht feststellen, ob dies auch tatsächlich durchgeführt worden ist. Waischenfeld Im Oktober 1595 wurde dem lutherischen Schulmeister von Waischenfeld befohlen, ins 36 km entfernte Bamberg zu kommen, wo ihm seine Absetzung mitgeteilt werden sollte.1342 Dies ist allerdings aus unbekannten Gründen nicht erfolgt.1343 Insgesamt wurde der lutherische Schulmeister zweimal nach Bamberg bestellt, aber beide Male erschien er nicht.1344 Auch für andere Waischenfelder wurde Anfang Februar 1596 der Gang in die Residenzstadt verfügt, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Personen nicht zur österlichen Kommunion kommen würden.1345 Stringent durchgeführt wurde dies freilich nicht. Als sich herausstellte, dass zu Ostern des Jahres nicht alle zu dem Altarsakrament erschienen waren, sollten Pfarrer und Kastner erneut selbst versuchen, diese zur katholischen Konfession zu bringen und sie erst dann nach Bamberg schicken.1346 Nachdem bei einer Befragung vom Mai 1596 herausgekommen war, dass es in Waischenfeld noch zehn Protestanten gab, wurde Anfang Juli erneut beschlossen, dass jeweils zwei zusammen nach Bamberg geschickt werden sollten, wo sie vor den Geistlichen Räten und dem Weihbischof Ertlin erscheinen sollten.1347 Nach einer weiteren Befragung Ende Juli gab es nur noch acht protestantische Männer.1348 Diese versprachen, am 27. Juli nach Bamberg zu kommen.1349 Allerdings ist unklar, ob sie es taten. Auch in Waischenfeld kam das Mittel der Vorladung außerhalb des Heimatortes nur unter Bischof Neithart vor. Im Gegensatz zu den anderen Orten verblieb es aber in diesem Ort bei der Drohung damit, tatsächlich durchgeführt wurde die Maßnahme nicht. Allerdings traten dabei zwei unterschiedliche Fälle auf: Einerseits wurde von der betroffenen Person der Befehl ignoriert und die Beamten vor Ort erzwangen auch keine Durchführung. Andererseits wurde von 1342 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 49r, 3. Oktober 1595. 1343 StABa B 49 Nr. 211/18 Georg, Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Generalvikar Erhard Dentzel, 5. Januar 1596. 1344 Ebd. Verzeichnis der Ungehorsamen, inliegend in: Pfarrer, Amtmann und Kastner von Waischenfeld an Bischof Neithart, 28. Mai 1596. 1345 StABa B 49 Nr. 211/18 Bischof Neithart an Georg Wolffart, Pfarrer und Wolf Christoph von Gebsattel, Amtmann von Waischenfeld, 1. Februar 1596. 1346 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 61v, 25. April 1596. 1347 Ebd. fol. 66r, 3. Juli 1596. 1348 StABa B 49 Nr. 211/18 Hans Heimberich, Kastner von Waischenfeld an Generalvikar Erhard Dentzel, 25. Juli 1596. Unklar ist allerdings, warum eine zweite Befragung durchgeführt wurde, anstatt wie befohlen die »Ungehorsamen« nach Bamberg zu schicken. 1349 StABa B 49 Nr. 211/18 Hans Heimberich, Kastner von Waischenfeld an Generalvikar Erhard Dentzel, 25. Juli 1596.

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Seiten Neitharts selbst nicht auf Durchführung des Befehls bestanden, sondern stattdessen wurden andere Maßnahmen befohlen. In Waischenfeld waren von dieser Maßnahme ausschließlich Männer betroffen. Die Effektivität der Maßnahme war ob der mangelnden Durchsetzung gering. Zusammenfassung und Ergebnisse Vorladungen außerhalb des Heimatortes Die Maßnahme, einen oder mehrere Ungehorsame in einen Ort außerhalb des Heimatortes vorzuladen, kam nur im Hochstift Bamberg vor. Dort konnte sie insgesamt 13 Mal nachgewiesen werden. Sie wurde also in etwa genauso häufig eingesetzt wie die Verhaftung. Es gab insofern nur einen zeitlichen Schwerpunkt, als dass sie ausschließlich unter Bischof Neithart (reg. 1591 – 98) zur Anwendung gebracht wurde. Insgesamt ist es schwierig einzuschätzen, ob diese Maßnahme eher als Drohmittel eingesetzt wurde oder ob die Reise tatsächlich angetreten werden musste. In einigen Fällen konnte nicht nachgewiesen werden, ob der Vorladung gefolgt wurde. In anderen Fällen ist es definitiv bei der Androhung geblieben. Dies lag aber nicht nur an der Tatsache, dass die Beamten vor Ort die Ausführung der Maßnahme verschleppten, sondern auch daran, dass Neithart selbst nicht in allen Fällen auf die Durchführung bestand. Was die Zielgruppe betrifft, konnte die Maßnahme ausschließlich für Männer, nicht aber für Frauen nachgewiesen werden. Die Vorladung in einen anderen, fremden Ort war einerseits effektiv. Vermutlich wurde sie zur Einschüchterung und zur Herauslösung aus der Dorfbzw. Stadtgemeinschaft eingesetzt, da die entsprechenden Personen einzeln oder in kleinen Gruppen bestellt wurden. Häufig kam es zu einem Konversionversprechen. Allerdings liegen auch die Nachteile auf der Hand. Es musste vor Ort nachkontrolliert werden, ob der Vorgeladene sich auch tatsächlich zu Beichte und Kommunion eingefunden hatte, zudem mussten die Besuche der »Abweichler« in Bamberg aufwendig koordiniert werden. Effektiver wurde die Maßnahme durch die Kombination mit einer Verhaftung.

5.3.3. Überfälle In einigen Fällen entschieden sich Bischöfe, den Willen eines ganzen Ortes mit einem Überfall, zumeist in der Nacht, zu brechen. Mitunter ging diese Maßnahme Hand in Hand mit Verhaftungen.

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Hochstift Bamberg Neukenroth In Neukenroth lässt sich ein solcher Überfall für den September 1598 belegen. Eine Gruppe von Männern aus Kronach kam in der Nacht nach Neukenroth. Dabei wurden die Einwohner gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und es wurde einiger Schaden angerichtet. Manche Neukenrother wurden verprügelt, andere mitgenommen. Die Dorfbewohner empfanden diese Aktion als tiefen Einschnitt und beschrieben ihn als eine Aktion »als ob sie dieb und mörder zu suchen gehabt«.1350 Allerdings war dies keine effektive Methode. Die Dorfbewohner blieben auch weiterhin beim lutherischen Glauben.1351 Grafengehaig Die Bewohner von Grafengehaig wurden im Sommer 1628 dreimal durch den Vogt von Marktleugast überfallen, der mit 50 Musketieren des Nachts in das Dorf kam.1352 Die Pfarrer von Grafengehaig und dem benachbarten Zeyern (ca. 17 km von Grafengehaig entfernt) hatten wiederholt um diese Maßnahme gebeten. Die nächtlichen Überfälle sollten als Reaktion auf häufiges Feiertagsbrechen und wiederholtes Auslaufen verstanden werden. Der Grafengehaiger Priester war überzeugt, dass gewalttätige Mittel wie nächtliche Überfälle nötig seien, um den Lutheranern den katholischen Glauben beizubringen.1353 Allerdings stellte sich diese Taktik als wenig effektiv heraus, weil die Grafengehaiger auch weiterhin nicht zur Kommunion kamen.1354 Neunkirchen am Brand mit Dormitz Während sich für Neunkirchen keine Überfälle in den Quellen fanden, kam ein solcher im Filialort Dormitz vor. Im Juli 1630 ritt der Verwalter von Neunkirchen mit vier Leuten nach Dormitz. Allerdings war es noch zu früh am Abend, sodass

1350 StABa B 49 Nr. 129/03 Dorfgemeinschaft Neukenroth an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 18. September 1598. 1351 S. Kapitel 6.2. 1352 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Die ganze Gemeinde von Grafengehaig an Wolf Wilhelm und Hans Christoph von Guttenberg und Ernst von Wildenstein, 2. Juni 1628. 1353 Ebd. Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig und Sebastian Lang, Vogt von Marktleugast an Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach, 25. Juli 1628. Man darf bei der Einschätzung dieser Aussage nicht vergessen, dass der Grafengehaiger Priester seit Jahren am Rande des Existenzminimums lebte und auch für die kommende Zeit keine Besserung zu hoffen war. Die Bekehrung der Grafengehaiger war für ihn auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Vgl. Kapitel 5.1.2. 1354 S. Kapitel 6.2.

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der Trupp gesehen wurde. Die Dorfbewohner flüchteten, sodass die Bischöflichen nur eine Person antrafen.1355 Interessant ist, dass dieser Überfall nicht direkt aus Bamberg befohlen worden war. Zunächst war der Neunkirchner Pfarrer von Weihbischof Förner und Fiskal Pessler aufgefordert worden, die Rekatholisierungsmaßnahmen von den eigenen Untertanen auf die nürnbergischen und adeligen Untertanen auszuweiten. Dafür hatte es in Neunkirchen Ostermandate gegeben und der Priester hatte die betroffenen Dormitzer Bauern zweimal zur Einstellung aufgefordert. Da sich diese aber auf Geheiß ihrer Herrschaft nicht eingestellt hatten, beschlossen Pfarrer und Verwalter von Neunkirchen den Überfall.1356 Zusammenfassung und Ergebnisse Überfälle Das Überfallen eines Dorfes (Städte wurden nicht überfallen) war eine selten vorkommende Maßnahme, die nur im Hochstift Bamberg eingesetzt wurde. Zeitlich konzentriert sie sich auf zwei Kernphasen: Einerseits im letzten Lebensjahr Bischof Neitharts 1598 und zweitens in der für die Katholischen äußerst günstigen Lage um 1629/30. Die Rolle der lokalen Beamten ist bei der zweiten Serie um 1629/30 insofern bemerkenswert, als dass die Überfälle so nicht explizit aus Bamberg angeordnet waren, sondern aus Eigeninitiative und veranlasst durch die jeweiligen Priester durchgeführt wurden. Bei der Bewertung dieses Umstandes muss mit einbezogen werden, dass die lutherischen Menschen für die Priester auch ein wirtschaftliches Problem darstellten, da sie ihm keine Gebühren zahlten und ihm keine Lebensmittel gaben. Insofern mag es nicht überraschen, dass die Priester in den schwierigen Kriegszeiten zu drastischeren Mitteln griffen. Bei einem nächtlichen Überfall sollte die lutherische Bevölkerung demoralisiert und somit zu einer Hinwendung zum katholischen Glauben gebracht werden. Es hat sich aber gezeigt, dass in keinem der untersuchten Fälle dieses Ergebnis erreicht worden ist.

5.3.4. Ausweisung In Würzburg und Bamberg interpretierte man den Augsburger Religionsfrieden dahingehend, dass die »Ungehorsamen«, also die Anhänger der protestantischen Konfession, ausgewiesen werden durften bzw. sie grundsätzlich vor die Wahl gestellt werden konnten, ob sie entweder auswandern oder die katholische 1355 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Karl Pessler, Pfarrer von Neunkirchen an Fiskal Philipp Pessler, 20. Juli 1630. 1356 Ebd.

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Konfession annehmen wollten. Die Bischöfe gelangten zu der Überzeugung, dass sie unter keinen Umständen einen protestantischen Gläubigen in ihren Territorien dulden mussten.1357

Hochstift Bamberg Die Ausweisung als mögliche Konsequenz einer konfessionellen Nonkonformität trat im Hochstift Bamberg bereits 1587 auf. Bischof Ernst von Mengersdorf bestimmte in einem Mandat, dass bei gemischten Ehen der protestantische Partner die katholische Konfession annehmen müsse oder das Paar das Hochstift zu verlassen habe. Diese Formulierung nahm sein Nachfolger Neithart ebenfalls in sein Ehemandat auf.1358 Nicht beantwortet werden kann die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Androhung von Ausweisung als Konsequenz für konfessionelle Abweichung in die Kommunionsmandate Neitharts Eingang fand. Die in den gesichteten Quellen vorgefundenen Mandate weisen diese Drohung nicht auf.1359 Da allerdings eine Reihe von Ausweisungsandrohungen an die einzelnen Orte ausgegeben wurde, erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass dieses Element keinen Eingang in die hochstiftweit ausgebrachten Mandate gefunden haben könnte. Gleiches gilt für Neitharts Nachfolger, Bischof Johann Philipp. Auch wenn sich in den einschlägigen Akten keine Mandate fanden, die eine explizite Ausweisungsandrohung beinhalteten, erscheint es ob seiner Handlungen wahrscheinlich, dass eine solche existierte. Unter Bischof Johann Gottfried wurde die Androhung von Ausweisung fester Bestandteil der Kommunionsmandate, was seine Nachfolger gleichermaßen aufnahmen.1360 Teuschnitz mit Marienroth Im Vikariatsprotokoll vom 1. März 1596 findet sich die erste Androhung einer Ausweisung, die explizit für Teuschnitz ausgesprochen wurde. Niclas Zweidler, 1357 Diese Meinung erwächst aus einer katholischen Deutung des Augsburger Religionsfriedens. Kurz gefasst waren es besonders zwei Artikel des Friedens, die zu dieser Überzeugung führten: Einerseits wurde der Religionsbann des Landesherrn betont, also die Tatsache, dass der Landesherr allein die Konfession innerhalb seines Territoriums bestimmen könne. Zweitens beinhaltete der Frieden zwar eine Auswanderungsmöglichkeit für einen abweichenden Untertan, allerdings ging aus der Formulierung nicht eindeutig hervor, ob der andersgläubige Untertan auswandern konnte oder auswandern musste. Dazu ausführlich Kapitel 6.5. Um eine Dopplung zu vermeiden, erschien es sinnvoller, Erklärungen, die den Augsburger Religionsfrieden betreffen, konzentriert im Zusammenhang mit den Reichskammergerichtsprozessen darzustellen. 1358 S. Kapitel 5.1.1. 1359 Einzelnachweise s. Kapitel 1.1. 1360 Einzelnachweise s. Kapitel 1.1.

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der Sohn des ehemaligen Prädikanten, sollte sich bei dem Amtmann einfinden und ermahnt werden, weil er gegen das Ehemandat verstoßen hatte.1361 Außerdem sollte der Amtmann ihn vor die Wahl stellen, entweder bis Ostern (14. April) die Kommunion einzunehmen oder ohne weitere Frist auszuwandern.1362 Allerdings ist der Amtmann entweder dem Befehl als Ganzes nicht nachgekommen oder er hat Zweidler die Drohung zwar vorgetragen, aber sich nicht um die Durchführung gekümmert. Zweidler ist auch in der Folgezeit noch als Einwohner von Teuschnitz nachzuweisen.1363 Nur wenige Monate später im Juni 1596 erließ Neithart ein Ehemandat. Er ordnete an, dass sich alle Heiratswilligen vor der Trauung zur katholischen Konfession einstellen müssten oder ausgewiesen würden.1364 Eine Verlesung des Mandates in Teuschnitz ist nicht belegt, erscheint aber wahrscheinlich. Allerdings lässt sich keinerlei Nachweis finden, dass jemand auf Grund dieses Mandates tatsächlich aus Teuschnitz ausgewiesen wurde und die Stadt verlassen hat. Unabhängig vom Ehemandat wurde aber im Sommer 1596 möglicherweise eine Ausweisung tatsächlich durchgeführt. Im Juni dieses Jahres wurde im Geistlichen Rat beschlossen, den als besonders »hartnäckig« empfundenen Teuschnitzer Stadtschreiber auszuweisen.1365 Anfang August, also nur wenige Wochen später, berichtete der Pfarrer Johannes Ammon, dass der Ausgewiesene die Stadt tatsächlich verlassen habe.1366 Der Stadtschreiber gehörte allerdings auch zu den acht Personen, die Ende August des gleichen Jahres in Bamberg persönlich zu erscheinen hatten und dort in der Haft konvertierten.1367 Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass der Stadtschreiber Teuschnitz nicht auf Dauer verlassen hatte. Im Herbst 1596 war die Stelle des Teuschnitzer Amtmannes vakant. Der alte war verstorben und der neue noch nicht in seine Aufgaben eingeführt. Als Interimsverwalter und zur Stärkung der katholischen Position – der bisherige Amtmann war Lutheraner gewesen – schickte Neithart einen bischöflichen

1361 Er hatte die Kommunionsaufforderung des Ehemandats umgangen, indem er im benachbarten lutherischen Rothenkirchen geheiratet hatte. Das ritterschaftliche Rothenkirchen lag knapp 8 km von Teuschnitz entfernt. Ausführlich dazu und mit Einzelnachweisen s. Kapitel 6.2 und 6.3. 1362 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 57v, 1. März 1596. 1363 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 7. Juni 1596. 1364 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 65r – 65v, 11. Juni 1596. 1365 Ebd. 1366 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 6. August 1596. 1367 S. Kapitel 5.3.1.

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Gesandten namens Onuphrius von Bellheim1368 in die Stadt. Von Bellheim drohte während seines mehrwöchigen Aufenthaltes in Teuschnitz den Protestanten mit der Ausweisung, allerdings konnte er damit keinen Effekt erreichen.1369 Von Bellheim hatte aber nicht in eigener Person die Ausweisung angedroht, sondern diese Aufgabe zunächst an die Viertelmeister1370 delegieren wollen. Allerdings waren von diesen zwei auswärts auf einer Hochzeit und der dritte krank. Folglich konnte nur der vierte die Botschaft an sein Stadtviertel weitergeben. Parallel dazu schickte von Bellheim auch den Stadtknecht herum. Dieser ging von Haus zu Haus und drohte jedem damit, dass er seine Güter verlöre, wenn er sich nicht einstellte. Wir haben es hier also mit zwei verschiedenen Drohungen, nämlich Ausweisung einerseits, Verlust der Güter andererseits, zu tun, die parallel zueinander ausgesprochen worden sind. Um der Drohung mehr Gewicht zu verleihen, wollte von Bellheim die Stadtbewohner auch persönlich darauf hinweisen, dass sie katholisch werden oder auswandern müssten. Dabei wollte er mit den Menschen nach Vierteln getrennt nacheinander sprechen. Soweit kam es aber nicht mehr. Die Gemeinde stünde, wie er nach Bamberg berichtete, kurz vor einem Aufruhr. Um kein Risiko einzugehen, brach von Bellheim den Versuch ab und empfahl, diejenigen Personen, die er als »Aufrührer« erkannt zu haben glaubte, auswärts getrennt voneinander zu verhaften und sich erst dann mit der ganzen Gemeinde zu beschäftigen. Zu einer faktischen Ausweisung kam es also auch in diesem Fall nicht. Allerdings wurde mit diesem Vorfall eine neue Ebene der Ausweisungsandrohung erreicht. Hier wurde zum ersten Mal einer ganzen Gemeinde und nicht nur wie bisher einzelnen Personen die Ausweisung angedroht. Noch vor Jahresablauf 1596 erneuerte Neithart seine Drohung, dass die Einwohner der Stadt innerhalb von drei Monaten eine Entscheidung zu treffen hatten und die Ausweisung befürchten müssten: »dan do das (=die Einnahme der Kommunion, H. B.) nit geschehen oder wer der auch war so nit volgen solltt denselben gedenckhen i[hre] f[ürstlichen] g[naden] für iren underthon lenger nicht zu halten sonder neben verkauffung des seinigen und aus-

1368 (Johann) Onuphrius von Bellheim (auch Pelheim) lässt sich unter Bischof Johann Gottfried als Hofmarschall fassen (Weiss, Bischofsreihe, S. 362). Unklar ist, welche Position (en) er unter Bischof Neithart bekleidet hat. 1369 Die folgende Schilderung in StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Onuphrius von Bellheim an Bischof Neithart, 29. November 1596. 1370 Das Viertel war die seit dem 13. Jahrhundert übliche Einteilung einer Stadt in vier Teile ursprünglich zu allgemeinen Verwaltungszwecken sowie Kriegs- und Wachtzwecken, später auch für Polizei, Steuererhebung und Wahlen. Ein Viertelmeister war entsprechend der Vorsteher eines Viertels und wurde von diesem gewählt (Heydenreuter u. a., Abbrändler, S. 221; Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch, S. 642).

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schaffung seiner persohn auch in andere weeg zu verdienter straff unnachleßlich und gewißlich nemen zu lassen«.1371

Auf lokaler Ebene lässt sich nicht feststellen, ob diese Aufforderung überhaupt an die Gemeinde weitergegeben worden ist. Zudem gibt es in den Quellen keinerlei Hinweise darauf, dass auf Grund dieser (verstrichenen) Frist jemand die Stadt verlassen hat. Im November 1597 befahl Bischof Neithart ein weiteres Mal, die Protestanten zum Amtmann zu bestellen und sie erneut mit der Wahl Einnahme der Kommunion oder Ausweisung zu konfrontieren. Als Frist wurde acht Tage genannt und die Strafe um eine »leibsstrafe« erweitert. Offenbar wurde der Befehl auch vom Amtmann vorgetragen. Einige Teuschnitzer erklärten daraufhin, sich einstellen zu wollen bzw. wegzuziehen. Diejenigen, die versprochen hatten, fortzuziehen, versuchten später aber, die Frist zu verlängern. Sie brachten das Argument vor, dass es unmöglich sei, innerhalb von acht Tagen alles für einen Auszug zu regeln. Amtmann und Priester lehnten dies mit dem Hinweis ab, sie hätten schon die ganze vorherige Zeit immer wieder Aufschub bekommen. Allerdings zog weder jemand nach acht Tagen aus, noch stellte sich jemand ein. Stattdessen reagierten die Teuschnitzer Bewohner mit einer massiven Gegenmaßnahme auf den Druck von oben. Es kam zu einer Verabredung mit den umliegenden Dörfern, einen Tumult zu beginnen, sollte jemand mit Gewalt ausgewiesen werden.1372 Möglicherweise entschieden sich die Teuschnitzer Beamten in diesem Moment bewusst gegen die Durchführung der Ausweisung, weil sie einen Tumult vermeiden wollten. Bischof Neithart hingegen versuchte weiterhin von Bamberg aus, noch mehr Druck zu machen. Amtmann und Priester sollten weiterhin insistieren und täglich mit der Ausweisung drohen. Für den Fall, dass das nicht funktionierte, wurden Verhaftungen und Sperrung der Gemeindewiesen angeordnet.1373 Während in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt werden konnte, dass sowohl Verhaftungen als auch Vorladungen außerhalb des Heimatortes zumindest in Teilen durchgesetzt wurde, fehlen sowohl Hinweise auf eine beständige Konfrontation der Teuschnitzer mit der Ausweisungsdrohung als auch – bis auf wenige Ausnahmen – Nachweise einer tatsächlich erfolgten Ausweisung: Ein Mann namens Matthes Henning verließ die Stadt und ließ sich in Sachsen nieder. Im Mai 1598 bat dieser Henning, noch einmal für vier Wochen nach Teuschnitz 1371 StABa B 49 Nr. 191/29 I Bischof Neithart an Amtmann, Richter und Pfarrer von Teuschnitz (?), 20. Dezember 1596. 1372 StABa B 49 Nr. 191/29 I Hieronymus von Würtzburg, Amtmann und Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 15. November 1597. 1373 StABa B 49 Nr. 191/08 Bischof Neithart an Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz, 29. November 1597.

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kommen zu dürfen, um wirtschaftliche Angelegenheiten zu klären.1374 Anscheinend nutzte er die Erlaubnis für eine Wiederaufnahme seines Haushaltes in der Stadt, da angeordnet wurde, ihn zu verhaften, sollte er sich nicht sofort zur Kommunion einstellen.1375 Allerdings war es Henning gelungen, sich durch einen erneuten Auszug diesem Befehl zu entziehen.1376 Seine Güter konnte er noch mindestens zwei Jahre behalten.1377 Möglicherweise gab es noch eine zweite durchgeführte Ausweisung aus der Stadt. Ein Mann namens Melchior Jungcuntz musste auf Grund seiner abweichenden Glaubenshaltung mitsamt seiner Frau und dem sechs Wochen alten Kind auswandern. Allerdings kam dieser 1599 nach Neitharts Tod wieder zurück, auch sein Haus hatte er noch nicht verkauft. Er wurde verhaftet und erst wieder freigelassen, als er versprach, entweder katholisch zu werden oder ein zweites Mal auszuwandern, wobei er dieses Mal alle Güter verkaufen sollte.1378 Aus dem Zusammenhang ergibt sich aber nicht zweifelsfrei, ob die Stadt, das Amt oder die Pfarrei Teuschnitz gemeint ist. Im Frühsommer 1598, also nur wenige Monate vor Neitharts Tod, stellte sich ein Großteil der Teuschnitzer zu Beichte und Kommunion ein.1379 Nach diesem Wendepunkt gab es von Seiten Neitharts und seinen Nachfolgern noch Ausweisungsandrohungen gegen einzelne Personen, etwa gegenüber dem Ratsmitglied Hans Rephuhn und dem Wirt Hans Brunner1380 sowie den Töchtern des ehemaligen Prädikanten Zweidler.1381 Vermutlich haben noch einige wenige Personen die Stadt während des letzten Regierungsjahres von Bischof Neithart tatsächlich verlassen. Zumindest beschwerte sich im Mai 1599 der Teuschnitzer Bürgermeister darüber, dass diejenigen Bürger, die die Stadt wegen ihrer Konfession verlassen hatten, in die direkte Umgebung gezogen seien und weiterhin versuchten, ihre Geschäfte in der Stadt durchzuführen: »nun sind auß der statt nit mehr als fünff burger causa religionis gewichen die sich damals unter frembe herschafft begeben, aber derselben einß tails schleichenn itzo bey unns mit weib und kindern wiederumb ein und treiben […] ihr gewerb und handie1374 StABa B 49 Nr. 191/29 I Matthes Henning an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 15. Mai 1598. 1375 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 46v, 15. Juni 1598. 1376 StABa Neuverz. Akten Nr. 573 Pfarrer, Richter, Bürgermeister und Stadtschreiber von Teuschnitz an Bischof Neithart, 23. Juni 1598. 1377 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 18. Februar 1600. 1378 BArch AR 1, Misc./540 fol. 330r – 330v. 1379 S. Kapitel 6.2. 1380 StABa B 49 Nr. 191/29 I Bischof Neithart an Pfarrer, Amtmann, Bürgermeister und Richter von Teuschnitz, 3. Juni 1598; StABa B 49 Nr. 191/29 II Hieronymus von Würtzburg, Amtman von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 24. April 1600. 1381 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 62v, 31. August 1598.

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rung wie zuvoren seindt aber nitt bedacht sich noch einzustellen vill weniger auß der statt wiederumb zuweichen«.1382

Lässt man die Jahre 1594 – 98, also die Zeit der massiven Rekatholisierung in Teuschnitz, in Hinblick auf Ausweisung Revue passieren, sind zwei Erkenntnissen wichtig: (1) Die Drohung wurde nicht in den leeren Raum hineingesprochen, sondern beruhte auf vorherigen Informationen durch Priester und weltliche Beamte. Diese berichteten von besonders renitenten einzelnen Bewohnern oder der ganzen Gemeinde und Neithart ließ ihnen daraufhin einen Befehl zukommen, dass sie mit der Ausweisung drohen sollten.1383 (2) Obwohl diese häufig angedroht worden ist, lässt sie sich insgesamt nur in ganz wenigen Fällen nachweisen, in denen sie auch tatsächlich erfolgt ist. Ausweisungsandrohungen kamen auch unter Neitharts Nachfolgern vor. Als sich 1601 bischöfliche Kommissare in Teuschnitz aufhielten, drohten sie denjenigen, die sich nicht zur Kommunion einstellten, ebenfalls die Ausweisung an.1384 Im Herbst 1609 schickte Bischof Johann Gottfried einen Befehl nach Teuschnitz, dass zwei namentlich bekannte Protestanten namens Michael Sauerwein und Endres Hainla vier Wochen Zeit erhielten, sich entweder einzustellen oder auszuwandern. Zogen sie nicht ab, waren sie zu verhaften und sollten erst freikommen, wenn sie eine Auswanderung innerhalb von zwei Wochen versprachen.1385 Einer von ihnen, Michael Sauerwein, gab dem Druck nach und konvertierte. Über den Verbleib der zweiten Person ist nichts bekannt.1386 Außerdem drohte Johann Gottfried allen denjenigen die Ausweisung an, die am Reichskammergerichtsprozess gegen ihn beteiligt waren.1387 Auch hier kann nicht nachgewiesen werden, inwiefern man sich vor Ort um diesen Befehl kümmerte. Allerdings verlief der Prozess bald im Sande, sodass es vermutlich schlichtweg nicht mehr nötig war, dies durchzusetzen.1388 Im Folgenden sollen noch die Umstände des Filialdorfes Marienroth untersucht werden. Ausweisungsandrohungen gab es nicht nur in der Stadt Teuschnitz selbst, auch gegen die Bauern in Marienroth wurde dieses Mittel ein1382 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Richter und Bürgermeister von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 23. Mai 1599. 1383 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 28. Juli 1597. 1384 StABa B 49 Nr. 191/29 II Bambergische Kommissare an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 29. März 1601. 1385 Ebd. Bischof Johann Gottfried an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 19. Oktober 1609. 1386 Einzelnachweise s. Kapitel 6.2. 1387 StABa B 49 Nr. 191/29 II Bischof Johann Gottfried an Johann Zweidler, Pfarrer und Niclas Georg, Richter von Teuschnitz, 19. Okotber 1609. 1388 Zu den Reichskammergerichtsprozessen s. Kapitel 6.5.

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gesetzt. Dies ließ sich allerdings nicht unter Bischof Neithart nachweisen, sondern erst unter seinem Nachfolger. Bischof Johann Philipp räumte den Marienrothern im Jahr 1600 vier Wochen Zeit ein, um zur Kommunion zu kommen bzw. um ihre Häuser zu verlassen.1389 Allerdings kümmerte sich der Amtmann ganz offensichtlich nicht um die Durchsetzung dieses Befehls. Noch 1606 wurden die Marienrother ermahnt, dass sie sich innerhalb von vier Wochen zur Kommunion einfinden oder emigrieren müssten.1390 Insgesamt betrachtet fällt auf, dass in Teuschnitz und Marienroth die Ausweisung als mögliche Strafe der Kommunionsverweigerung häufig zum Einsatz gekommen ist. Einen zeitlichen Schwerpunkt bilden hierbei die letzten Regierungsjahre Neitharts 1596 – 98. Unter seinen Nachfolgern kamen zwar gelegentliche Verweise auf die Ausweisung als Strafe für die Kommunionsverweigerung vor, allerdings nicht in dieser Intensität. Eine tatsächlich durchgeführte Ausweisung ließ sich nur unter Neithart, nicht unter seinen Nachfolgern fassen. Das Verhältnis von Androhung und Durchführung der Maßnahme ist hierbei bereits angeklungen. Die Ausweisung wurde sehr häufig, geradezu standardisiert angedroht, aber höchst selten auch tatsächlich durchgeführt. Dies ist in erster Linie mit dem mangelnden Einsatz der lokalen Beamten zu begründen, besonders der lutherischen Amtleute. Sie führten die befohlenen Ausweisungen nicht durch und gaben zum Teil die Drohungen nicht an die Gemeinde weiter. Dies führte dazu, dass die Ausweisung als Druckmittel nicht die volle intendierte abschreckende Wirkung entwickelte. Die Zielgruppe ist weit gefasst, Ausweisungsandrohungen gab es Männern genauso gegenüber wie Frauen. Einen direkten Anlass gab es indes nicht. Generell war die Ausweisung eine Reaktion auf häufige Kommunionsverweigerung, allerdings ist nicht klar geworden, warum gerade zu dem gewählten Zeitpunkt die Auswanderung als Mittel herangezogen wurde. Neukenroth In Neukenroth setzte die Reihe der Einzelausweisungsandrohungen erst im Frühsommer 1598 ein. Zwei Männer namens Hans Ritter und Hans Pörtzelt der Ältere wurden vor die Wahl gestellt, bis zu einem bestimmten Termin die Kommunion einzunehmen oder andernfalls auszuwandern. Beide Männer haben dies aber ignorieren können.1391 1389 StABa B 49 Nr. 191/29 II Bischof Johann Philipp an Johann Zweidler, Pfarrer und Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz, 18. Mai 1600. 1390 Ebd. Generalvikar Johann Schöner an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 20. Mai 1606. 1391 StABa B 49 Nr. 129/03 »cathalogus oder verzaignuß uff waß weeg sich die neuckenröder wegen der religion erklert haben« (inliegend in ebd. Otto Eck, Pfarrer von Neukenroth an Geistlichen Rat, 5. Juni 1598).

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Nachdem die ersten Versuche, die Menschen ohne Drohungen von Gewalt zur Kommunionseinnahme zu bringen, fehlgeschlagen waren, erging für Neukenroth der Befehl an den Hauptmann von Kronach, dass dieser allen Protestanten auferlegen sollte, sich innerhalb kurzer Zeit entweder zu Beichte und Kommunion zu begeben oder auszuwandern.1392 Dieser Befehl wurde drei Monate später noch einmal wiederholt.1393 Es gibt keine Hinweise, dass auf Grund dieser Befehle tatsächlich Ausweisungen vorgekommen wären. Im Oktober des gleichen Jahres galt die nächste Ausweisungsandrohung speziell dem Richter und dem mittlerweile abgesetzten Schultheiß. Beide sollte der Hauptmann von Kronach auffordern, innerhalb von acht Tagen zu emigrieren oder sich zur katholischen Konfession zu bekennen. Verschärft wurde die Drohung dadurch, dass im Fall einer Entscheidungsverweigerung ihre Güter auf der Kanzel angeboten und die beiden dann mit Gewalt ausgewiesen werden sollten.1394 Während der Regierungszeit Johann Philipps wurde die Ausweisung seitens des Bischofs speziell für Neukenroth nur ein einziges Mal erwogen. 1599 erhielten alle Protestanten die Auflage, sich bis Michaelis (29. September) zur Kommunion einzufinden oder auszuwandern.1395 Sie erhielten damit eine Frist von vier Wochen. Weitere Ausweisungsbefehle, die explizit für Neukenroth ausgesprochen wurden, liegen nicht vor. Zusammenfassend hat sich gezeigt, dass die Ausweisung als Konsequenz für konfessionelles Abweichen sowohl von Bischof Neithart als auch seinem Nachfolger Johann Philipp in den Jahren 1598/99 einige Male in Aussicht gestellt wurde. Allerdings gibt es keine Hinweise, dass den Drohungen jemals die faktische Durchführung gefolgt wäre, obwohl Teile der Dorfbewohner die Kommunion noch länger verweigerten, wie in Kapitel 6.2 gezeigt wird. Es handelte sich also um eine scheinbar wenig effektive Maßnahme. Verantwortlich hierfür ist die Kombination aus dem ineffizienten Verhalten der lokalen Beamten und dem mangelnden Druck aus Bamberg. Grafengehaig In Grafengehaig wurden die spezifisch auf diesen Ort gemünzten Ausweisungsbefehle erst ab 1629 genutzt.1396 Im August dieses Jahres wurden die Ein1392 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 43r, 9. Juni 1598. 1393 StABa B 49 Nr. 129/03 Bischof Neithart an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 31. August 1598. 1394 Ebd. Bischof Neithart an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 13. Oktober 1598. 1395 Ebd. Schultheiß, Richter, Gerichtsschöffen, ganze Gemeinde und Einwohner an Bischof Johann Philipp, 27. August 1599. 1396 Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass die jährlich zu Ostern er-

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wohner des Dorfes aufgefordert, sich zum nächsten Michaelistag (29. September) einzustellen oder wegzuziehen.1397 Dieser Drohung war bereits das fast fünfjährige Wirken eines Priesters im Ort vorangegangen. Der Zusammenhang mit der politischen Großwetterlage, die auf Grund der Siege der kaiserlichkatholischen Truppen und des Restitutionsedikts für die Katholischen günstig war, ist unverkennbar. Erst durch die gesamtpolitische Lage konnte der Bamberger Bischof es riskieren, in einem ritterschaftlichen Ort, in dem er selbst keine eigenen Untertanen hatte, eine Ausweisung anzudrohen. Von welchen Beamten der Befehl vor Ort vorgetragen wurde, ist nicht bekannt. Die Grafengehaiger entschieden sich aber kollektiv, da sie ob der Kriegslage den Rückhalt ihrer lutherischen Herrschaft verloren hatten, statt der Auswanderung die Kommunion einzunehmen. Allerdings konnte sie dies noch bis zum Februar des Folgejahres hinauszögern.1398 Rugendorf In Rugendorf ist der Verlauf dem in Grafengehaig ähnlich. Erst im Sommer 1629, nachdem Bischof Johann Georg erfolgreich einen katholischen Pfarrer einsetzen konnte,1399 wurden die Untertanen aufgefordert, entweder katholisch zu werden oder auszuwandern. Einige baten daraufhin um eine Verlängerung der Frist, andere gaben von vornherein an, dass sie lieber ihren Besitz unbebaut lassen und abziehen wollten anstatt eine andere Konfession anzunehmen.1400 Weitere Drohungen spezifisch für Rugendorf erfolgten nicht. Forchheim mit Pinzberg In Forchheim gab es eine Reihe von Ausweisungsandrohungen für einzelne Personen. Allerdings ist selten nachzuweisen, wer konkret dafür vor Ort zuständig war, da ob der Größe der Stadt eine Reihe von bischöflichen Amtsträgern dafür in Frage kam. Es kann in diesem Fall nicht sicher davon ausgegangen werden, dass diejenigen, die die Berichte nach Bamberg schrieben, auch dieselben Personen waren, die die Anweisungen aus Bamberg ausführten. Erste Ausweisungen kamen in Forchheim bereits 1594 vor. Im Laufe dieses

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scheinenden Kommunionsmandate ab Bischof Johann Gottfried (reg. 1609 – 1622) standardisiert die Ausweisung als Konsequenz von abweichendem Verhalten enthalten. Da es sich allerdings gezeigt hat, dass diese an alle Pfarreien des Hochstifts gehenden Mandate kaum oder nur wenig Wirkung vor Ort hatten, werden in diesem Kapitel die für jeden Ort spezifisch ausgehenden Befehle bearbeitet. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Pfarrkinder der Pfarrei Grafengehaig an Bischof Johann Georg, 2. Oktober 1629. Dazu ausführlich Kapitel 6.2. AEB Rep. I Nr. 746 fol. 186v – 178r, 26. August 1629. Zur Einsetzung des Priesters s. Kapitel 5.2.1. AEB Rep. I Nr. 746 fol. 186v – 178r, 26. August 1629.

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Jahres schrieben einige Forchheimer Bürger einen Bittbrief an Bischof Neithart, sie wollten bei ihrer lutherischen Konfession bleiben.1401 Offenbar erfolgte aber seitens Neithart keine Reaktion auf die Supplikation. Vier der Supplikanten blieben lutherisch und wanderten noch im gleichen Jahr nach Ungarn aus.1402 Die genaueren Umstände der Auswanderung sind aber völlig unbekannt. Im April 1595 lassen sich weitere Ausweisungsdrohungen in den Quellen fassen. Zwei Knechte gaben dem Kastner gegenüber an, dass sie lieber auswanderten als katholisch zu werden.1403 Im Sommer des gleichen Jahres mussten sich die bischöflichen Diener in der Stadt entweder zur Kommunion einfinden oder auswandern. Praktisch betraf dieser Befehl allerdings nur den fürstbischöflichen Zeugmeister, da dieser protestantisch bleiben wollte.1404 Vermutlich ist die Androhung von Ausweisung beständig aufrecht erhalten worden, da auch im Dezember 1595 ein Mann seine Güter verkaufen wollte, um auszuwandern und sich zudem der Forchheimer Dechant über einen Mann beschwerte, der weder katholisch wurde, noch verkaufte.1405 Eine spezifische Ausweisungsandrohung wurde Ende 1595 für das Ratsmitglied Sembler und den Apotheker ausgesprochen, diesen beiden wurde noch eine Frist bis Lichtmess (2. Februar) gewährt, also etwa einen Monat. Interessant ist, dass die anderen namentlich bekannten Protestanten nicht diese Drohung erhielten, sondern nach Bamberg bestellt wurden.1406 Bei zwei Forchheimern ist tatsächlich versucht worden, die Ausweisung auch umzusetzen. Zur Jahreswende 1595/96 wurden die Männer namens Hans Nerk und Peter Forster ausgewiesen.1407 Der Kastner wurde ermahnt, darauf zu achten, dass sich Peter Forster nach Lichtmess (2. Februar) nicht mehr in Forchheim aufhielt und auch keine Güter mehr dort hatte.1408 Forster erhielt also eine Frist von etwa einem Monat, um seine Angelegenheiten zu regeln. Hans Nerk wiederum hatte versprochen, zwischen Ostern (14. April) und Pfingsten (2. Juni) fortzuziehen, betrieb aber zum Ärger einiger Mitbürger weiterhin sein Gewerbe in der Stadt, obwohl einigen anderen lutherischen 1401 StABa B 49 Nr. 47/02 Georg Nueding, Kastner von Forchheim an Bischof Neithart, 23. September 1594. 1402 Ebd. 1403 Ebd. Georg Muding, Kastner von Forchheim an Bischof Neithart, 12. April 1595. 1404 Ebd. Georg Muding, Kastner und Hans Lenker, Forstmeister von Forchheim an Bischof Neithart, 4. August 1595. 1405 Ebd. »verzeichnus wz sich die uncatholischen burger zu vorcheim den 23 decembris anno 95 erclärt«. 1406 Ebd. Bischof Neithart an Dechant, Kastner, Forstmeister, Bürgermeister und Rat von Forchheim, 30. Dezember 1595. 1407 Ebd. Unterlagen zur Befragung der Forchheimer Lutheraner, 2.–4. Januar 1596. 1408 Ebd. Bischof Neithart an Georg Muding, Kastner von Forchheim, 11. Januar 1596. Unklar ist, warum er bei Hans Nerk nicht auch darauf achten sollte.

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Bürgern das Ausüben ihres Gewerbes untersagt worden war.1409 Bei Hans Nerk wählte Bischof Neithart einen anderen Weg, um ihn aus der Stadt zu bringen, denn der Kastner in Forchheim wurde angewiesen, er sollte »fleißige achtung geben, ob er (=Hans Nerk, H. B.) sich in politicis vergriffe damit er etwa straff und ausschaffung verdiente«.1410 Offensichtlich war Neithart zumindest in diesem Fall nicht bereit, jemanden rein aus religiösen Gründen ausweisen zu lassen. Nach einer Lücke von gut zehn Jahren lassen sich weitere Ausweisungsdrohungen erst wieder unter Bischof Johann Gottfried im Jahr 1611 fassen. Alle, die sich im letzten Jahr nicht zur Kommunion eingestellt hatten, erhielten fünf Wochen Zeit, sich entweder dazu einzufinden oder ihre Auswanderung vorzubereiten.1411 Weitere individuelle Drohungen kamen in Forchheim kaum noch vor. Ein Mann namens Michel Knab war schon seit den 1590er Jahren als Lutheraner bekannt.1412 Ihm wurde häufiger die Ausweisung angedroht, zum letzten Mal im Herbst 1629 mit einer Frist von zwei Monaten.1413 Statt die Drohung nach Ablauf der Zeit in die Tat umzusetzen, wurde seine Frist noch einmal verlängert.1414 Erst im Oktober 1630 verließ er die Stadt und ging ins ritterschaftliche etwa 8 km entfernt liegende Pretzfeld.1415 Zuletzt soll noch kurz die Situation in Pinzberg beschrieben werden. Eine explizite Ausweisungsdrohung wurde bis auf eine Ausnahme niemals ausgesprochen. Eine einmalige Androhung von Ausweisung einzelner Pinzberger liegt nur für den Herbst 1624 vor.1416 Die Ausweisung als Rekatholisierungsmaßnahme kam in Forchheim in der Regierungszeit Bischof Neitharts häufiger vor, seine Nachfolger gebrauchten dieses Mittel kaum. In Pinzberg kam es bis auf eine Ausnahme überhaupt nicht vor. Auch in Forchheim wurde die Ausweisung wesentlich häufiger angedroht als sie tatsächlich durchgeführt wurde. Die häufige Wiederholung zeigt, dass es sich um ein wenig effektives Mittel handelte.

1409 Ebd. Georg Muding, Kastner von Forchheim an Bischof Neithart, 4. Juni 1596. 1410 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 65r – 65v, 11. Juni 1596; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 522 Bischof Neithart an Kastner, Bürgermeister und Rat von Forchheim, 16. Juli 1596. 1411 AEB Rep. I Nr. 740 fol. 131r, 21. April 1611. 1412 StABa B 49 Nr. 47/02 »Inquisition von wegen derjennigen so uff vilfelltig guttlichs ermahnen sich nit catholisch wolen einstellen und an heutt dato sonntag den 6 octobris anno 1594 wider erclert worauff sie beharrenn«. 1413 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 187v, 3. September 1629. 1414 Ebd. fol. 228r, 21. Januar 1630. 1415 Ebd. fol. 294v, 14. Oktober 1630. 1416 AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien Pinzberg, 1624.

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Neunkirchen am Brand und Dormitz Neithart ließ 1595 den Protestanten in der Pfarrei Neunkirchen die Ausweisung androhen, dies betraf folglich den Markt und die dazugehörigen Dörfer gleichermaßen.1417 Während unter Johann Philipp nichts dergleichen geschah, befahl Johann Gottfried dem Neunkirchener Georg Silber, sich innerhalb von vier Wochen einzustellen oder auszuziehen.1418 1644 wurde der Frau des Klostermüllers, die lutherisch bleiben wollte, angedroht, dass sie fortziehen müsse, wenn sie bei ihrer Meinung bliebe, unabhängig von dem Umstand, dass ihr Mann katholisch war.1419 Von dieser Frau war schon seit mindestens einem Jahr bekannt, dass sie Lutheranerin war.1420 Für Dormitz fanden sich weder spezielle Ausweisungsbefehle, noch Hinweise auf tatsächlich erfolgte Ausweisungen. Da Neunkirchen insgesamt nur wenig lutherische Strömungen aufwies, verwundert es nicht, dass für diesen Ort nur wenige Drohungen von Ausweisungen und überhaupt keine Ausführungen überliefert sind. Es blieb bei einer sporadischen Anwendung dieses Mittels. Waischenfeld Für Waischenfeld haben sich kaum ortsspezifische Androhungen von Ausweisung niedergeschlagen, aber in einer Befragung vom Mai 1596 gaben dennoch drei von zehn Personen an, dass sie lieber verkauften wollten als katholisch zu werden.1421 Im September 1596 wurden drei Männer aus der Haft entlassen, weil sie versprachen, jetzt doch katholisch zu werden. Ihnen wurde aber angedroht, dass sie auswandern müssten, wenn sie sich nicht daran halten würden. Als Frist bekamen sie drei Monate.1422 Zwei Jahre später im Juni 1598 legte der Priester von Waischenfeld zwei alten Frauen und einem Mann auf, das Stift innerhalb von vier Wochen zu verlassen,

1417 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Fiskal Johann Wolf an Simon Korau, Verwalter von Neunkirchen, 3. August 1595. 1418 Ebd. Simon Korau, Verwalter von Neunkirchen an Bischof Johann Gottfried, 1. September 1609. 1419 StABa B49 Nr 130-I/01 »Resignation der im Ambt Neunkirchen eingepfartten aber noch lutherischen Untertanen von Joannes Pehler Provisor in Neunkirchen und Hans Philip Öhler«, 17. März 1644. 1420 StABa B 49 Nr. 130-I/02 »Verzeichnis der Lutheraner und Ungehorsamen« um Ostern 1643. 1421 StABa B 49 Nr. 211/18 »Verzeichnis der Ungehorsamen«, inliegend in: Pfarrer, Amtmann und Kastner von Waischenfeld an Bischof Neithart, 28. Mai 1596. 1422 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 74v, 13. September 1596.

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da er überzeugt war, dass diese drei Personen niemals zur Kommunion kommen würden.1423 Im Oktober 1598 scheint es nur noch einen einzigen Lutheraner in Waischenfeld namens Hans Erhard gegeben zu haben. Diesem sollte durch den Amtmann von Waischenfeld befohlen werden, dass er entweder konvertieren oder auswandern müsse. Die Frist sollte der Amtmann nach eigenem Ermessen setzen.1424 Insgesamt betrachtet kamen Anweisungsandrohungen in Waischenfeld vor, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Drohungen, die ausschließlich von Bischof Neithart ausgesprochen wurden, auch tatsächlich durchgeführt wurden. Hochstift Würzburg In Würzburg war die Ausweisung ein häufig angewandtes Mittel, um die Lutheraner aus dem Stift zu entfernen.1425 Wie in Kapitel 5.1.1, dargestellt kamen jährliche Kommunionsmandate, die zur Kommunion aufforderten und die Ausweisung androhten, in Würzburg nur sehr sporadisch vor. Bei den Visitationen hingegen gehörte es zum Standard, dass die visitierten Menschen aufgefordert wurden, entweder den katholischen Glauben anzunehmen oder auszuwandern.1426 Gerolzhofen Gerolzhofen wurde, wie einige andere als überwiegend lutherisch geltende Landstädte auch, im Jahr 1586 persönlich von Julius Echter besucht. Nach einer Messe empfing Echter die Bürger zum Gespräch, in dem er versuchte, sie zur Aufgabe des lutherischen Bekenntnisses zu bringen. Gedroht wurde von ihm mit der Ausweisung und einer Zahlung von einer 2 %igen Nachsteuer.1427 Die Einnahme der Kommunion musste bis zum Osterfest des gleichen Jahres erfolgt sein.1428 In der direkten Folge des Echter-Besuches verließen über 66 Familien die Stadt, während gleichzeitig die Kommunikantenzahlen deutlich stiegen.1429 1423 StABa B 49 Nr. 211/18 Georg Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Fiskal Johann Wolf, 16. Juni 1598. 1424 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 537 Bischof Neithart an Amtmann von Waischenfeld, 8. Oktober 1598. 1425 Damit handelte Bischof Julius wohl nicht ganz im Sinne des Domkapitels, dass wohl weniger harte Maßnahmen bevorzugt hätte: »wie dann ohne zweyfel die untertanen und arme leuth ohne ainig hartten process vil eher wurden zugewinnen und zu der catholischen religion zupringen sein. (StAW WDKP 43, 23. Juli 1587). Zu den mitunter schwierigen Verhältnissen zwischen den Bischöfen und ihren Domkapiteln s. Kapitel 3. 1426 Wendehorst, Bischofsreihe, S. 198 f. 1427 Krenig, Hochstift, S. 201. 1428 Pölnitz, Julius Echter S. 361.

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Die Ausweisung wurde also nur ein einziges Mal wirklich angedroht, nämlich im Jahr 1586 durch Julius Echter persönlich. Ausweisungsandrohungen, die bereits vorher von Visitatoren ausgespochen wurden, erscheinen möglich, sind aber nicht überliefert. Es blieb nicht bei einer Drohung, sondern die Maßnahme wurde in die Tat umgesetzt. Die Rolle der lokalen Beamten kann dabei ob des Quellenmangels nicht näher beleuchtet werden, allerdings erscheint sehr wichtig, dass sie wussten, dass sie regelmäßig durch Visitationen kontrolliert werden würden. Ein direkter Anlass der Maßnahme lässt sich insofern fassen, als dass der Besuch Echters genutzt werden sollte, um die Lutheraner zu vertreiben bzw. sie zur Konversion zu bringen. Betrachtet man die Zahl der Auswanderer des gleichen Jahres und die Kommunionsempfänger der folgenden Jahre, wird deutlich, wie effektiv diese Maßnahme wirkte. Iphofen In Iphofen wurde ebenfalls von den herumreisenden Visitationskommissionen mit der Ausweisung gedroht, wenn die lutherischen Untertanen den katholischen Glauben nicht annehmen wollten.1430 Unklar ist allerdings, ob Echter 1585/ 86 persönlich in die Stadt kam, was aber ob ihrer Größe und der großen lutherischen Bevölkerung sehr wahrscheinlich ist. Ab diesem Zeitpunkt stiegen die Kommunionsempfänger, tatsächlich fassen lassen sich etwa ein Dutzend Auswanderer.1431 Auffällig in Iphofen ist, dass in den Folgejahren keine Ausweisungen mehr angedroht worden sind, obwohl der Obrigkeit einige Lutheraner bekannt waren.1432 Kitzingen Als Kitzingen 1629 durch Pfandablösung wieder an das Hochstift Würzburg kam, wurden alle Einwohner der Stadt aufgefordert, katholisch zu werden oder auszuwandern.1433 Zunächst wurde das 1628 ausgesprochene einschlägige Mandat (s. o. Kapitel 5.1.1) auf Kitzingen übertragen. Bereits im Februar 1629 stellte Bischof Philipp Adolf die Kitzinger vor die Wahl, binnen Monatsfrist auszuwandern, wenn sie nicht die Kommunion einnehmen würden.1434 Da die Stadtbewohner bis Oktober 1629 weder das eine noch das andere taten, forderte 1429 1430 1431 1432

S. Kapitel 6.2. und 7.2. Endres, Iphofen, S. 350. S. Kapitel 7. AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Bischof Julius an Keller von Iphofen, 19. Oktober 1599. Zuvor war dem Bischof mitgeteilt worden, dass noch etwa 200 Personen ausständig waren (AEB Rep. I Pf. A. Nr. 528 »Designatio was sich anno (15)99 inn gehaltenen capittel zu iphofen fur defect und mangl befunden«). 1433 Sicken, Politische Geschichte, S. 294. 1434 Weber, Kitzingen und sein Umland, S. 20.

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der Würzburger Bischof sie erneut dazu auf. Als Termin nannte er Weihnachten.1435 Damit erhielten sie eine Frist von vier bis acht Wochen. Wer weder auswanderte, noch konvertierte, dem wurde zudem die Konfiskation aller Güter angedroht.1436 Dies hat aber offensichtlich nicht zu einem vollständigen Erfolg geführt, da im Februar 1630 diese Drohung wiederholt wurde, dieses Mal mit einer Frist von zwei Wochen.1437 In den zwei Jahren 1629 und 1630 verließen insgesamt knapp 1.100 Menschen die Stadt.1438 Da für den Bischof die Stadt im Juni 1630 als katholisch galt, scheint die Auswanderungswelle bis dahin beendet gewesen zu sein.1439 Nach den Jahren der schwedischen Besatzung nahm Bischof Franz von Hatzfeld 1635 Kitzingen wieder in Besitz. Er tauschte zwar den Pfarrer aus und verbot das Auslaufen, forderte aber niemanden mehr zur Auswanderung auf. Möglicherweise wollte er in der ohnehin schon schwer kriegsgebeutelten Stadt nicht noch weitere Steuerzahler verlieren.1440 Die Auswanderungsdrohung kam in Kitzingen erst ab 1629, also nach der Pfandeinlösung vor. Da die Drohung mehrmals wiederholt wurde, gelang die Umsetzung zunächst nicht vollständig, bis zum Juni 1630 hatten aber über 1.000 Personen die Stadt verlassen, sodass von einer sehr effektiven Maßnahme gesprochen werden kann. Es ist davon auszugehen, dass die lokalen Beamten bei der Durchführung dieser Maßnahme Hilfe von den vor Ort stationierten Soldaten erhielten. Gemünden In Gemünden wurden offenbar bereits 1560 sieben Männer wegen ihres lutherischen Glaubens aus der Stadt gewiesen.1441 Die näheren Umstände sind allerdings nicht bekannt. Gemünden gehörte zu den Städten, die Julius Echter auf seiner Reise 1585/86 besuchte, was für einen hohen Anteil an Lutheranern spricht. Der Bischof stellte jeden Einwohner des Ortes vor die Wahl, entweder auszuwandern oder sich zum katholischen Glauben einzustellen.1442 Tatsächlich nachweisen lässt sich in den Quellen aber nur eine einzige Person, die auswanderte.1443 1435 1436 1437 1438 1439 1440 1441 1442 1443

Hock, Kitzingen, S. 66. Weber, Kitzingen und sein Umland, S. 24. Buchwald, Evangelische Gemeinde, S. 112. Dazu ausführlich Kapitel 7.2. Buchwald, Evangelische Gemeinde, S. 113. Hock, Kitzingen, S. 106 f. Amrhein, Mitteilungen, S. 97. Kayser/Stoob, Gemünden, S. 216. StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnus derjeningen underthanen denen im stifft wurtzburg wieder altherkommen von ihren hinterlassenen guetern nachsteuer abgetrungen worden und noch erfordert werde«, 1589.

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Die Ausweisung wurde also auch im Fall Gemünden augenscheinlich nur beim Besuch Echters 1585 angedroht. Drohungen durch Visitatoren erscheinen aber möglich. Tatsächlich durchgeführt wurde sie nur bei einer Person, während die restlichen Gemünder sich in der Folge der Drohung zur Kommunion einstellten. Urspringen Für Urspringen sind weder Ausweisungsandrohungen noch Ausweisungen überliefert. Zusammenfassung und Ergebnisse Ausweisung Es hat sich gezeigt, dass sich der Einsatz der Maßnahme Ausweisung in den beiden Hochstiften deutlich voneinander unterscheidet. Betrachtet man zunächst die Häufigkeit, fällt auf, dass in den Bambergischen Orten die Ausweisung als Strafandrohung für Lutheraner häufig zur Anwendung kam. In den würzburgischen Orten wiederum kam sie nur wenig vor, wobei die Drohung innerhalb kürzester Zeit umgesetzt wurde. Auch die zeitlichen Schwerpunkte unterscheiden sich. Im Hochstift Bamberg benutzte hauptsächlich Bischof Neithart (reg. 1591 – 98) das Instrument der Ausweisung, nach ihm erst wieder Johann Gottfried (reg. 1609 – 22) und das nicht häufig. Die nächste Welle der Ausweisungsandrohungen lässt sich in der für die Katholiken gesamtpolitisch günstigen Lage um 1629 fassen. In Würzburg wiederum wurde die Maßnahme Ausweisung hauptsächlich von Julius Echter persönlich auf seiner Visitationsreise in den Jahren 1585/86 eingesetzt. Wenn es auch möglich erscheint, dass bereits vor diesem Besuch durch Visitatoren die Ausweisung als Konsequenz eines vom Landesherrn abweichenden Glaubens angedroht wurde, ist doch sehr auffällig, dass erst nach dem Besuch Echters die Auswanderung einsetzte bzw. die Zahl der Kommunikanten signifikant anstieg. Die Phase um 1629 wurde nach der Pfandablösung auch in Kitzingen für eine Rekatholisierung durch Ausweisung genutzt. Wird das Verhältnis von Ankündigung und tatsächlicher Durchführung und die Rolle der lokalen Beamten betrachtet, konzentrieren sich die Unterschiede zwischen den beiden Hochstiften auf drei Punkte: (1) In Bamberg diente die Ausweisung hauptsächlich als Drohkulisse. Tatsächlich durchgeführte Ausweisungen lassen sich nur sehr wenige nachweisen. In einigen Fällen lassen die Überlieferungslücken keine klare Aussage zu, ob die Ausweisung nur angedroht oder auch tatsächlich durchgeführt worden ist. Allerdings gibt es so viele Beispiele einer reinen Androhung ohne Durchführung, dass es unwahrscheinlich erscheint, für die offenen Fälle von einer durchgeführten Ausweisung auszugehen. Die Ursache dieser Verschleppung lag in erster Linie darin, dass auf der Ebene der lokalen Beamten nur wenig Druck auf die Bevölkerung ausgeübt

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worden ist. Zudem konnte wie im Fall Teuschnitz eine engagierte Gemeinde dafür sorgen, dass die örtlichen Amtsträger zwecks Vermeidung von Tumulten von der Durchführung einer Ausweisung absahen. In Würzburg hingegen war die Ausweisung mitnichten ein bloßes Mittel der Drohung, sondern eine häufig genutzte Möglichkeit, Fakten zu schaffen. Besonders der persönliche Besuch Julius Echters in einigen Städten seines Hochstifts führte zu Ausweisungen aus diesen Orten, die tatsächlich durchgeführt worden sind. Auch nach der Übernahme der Stadt Kitzingen wurde die Ausweisung innerhalb weniger Monate umgesetzt. Im diesem Fall konnte der Würzburger Bischof seinen Forderungen durch Soldaten größten Nachdruck verleihen. (2) Im Hochstift Bamberg wurde die Ausweisung nur indirekt durch den Bischof angedroht, da er diese Maßnahme auf seine lokalen Amtsträger delegierte. Die Episode in Teuschnitz um den bischöflichen Gesandten Onuphrius von Bellheim zeigt zudem, dass auch dann wenig direkte Interaktion zwischen bischöflichen Gesandten und der Bevölkerung stattfand, wenn diese sich vor Ort aufhielten. In Würzburg hingegen umging Bischof Julius dies, indem er selbst vor Ort die Ausweisung androhte. Auch die Visitationskommissionen, die in der Regel mit Mitgliedern des Geistlichen Rates besetzt waren, drohten selbst vor Ort die Ausweisung an. Dadurch konnte nicht nur verhindert werden, dass bischöfliche Befehle auf der Ebene der lokalen Amtsträger ergebnislos versickerten, sondern auch mit entsprechendem Zubehör und Zeremonien ein stärkerer Eindruck bei den Untertanen hinterlassen werden. (3) Durch regelmäßige Visitationen wurde in Würzburg dafür gesorgt, dass die bischöflichen Befehle vor Ort auch wirklich ausgeführt worden sind, während auf bambergischer Seite dieses Kontrollinstrument fehlte. Betrachtet man Anlass und Zielgruppe dieser Maßnahme, unterscheiden sich die beiden Hochstifte kaum. Betroffen waren alle protestantischen Untertanen, unabhängig von sozialer und wirtschaftlicher Position und Geschlecht. Ein konkreter Anlass lässt sich in Bamberg nicht finden. Generell war die Ausweisung eine Reaktion auf eine (mehrfach) verweigerte Kommunion, aber warum sie zu dem jeweiligen Zeitpunkt ausgesprochen wurde, bleibt unklar. In Würzburg wiederum war die Ausweisung direkt mit dem persönlichen Besuch des Bischofs oder seiner Gesandten in den jeweiligen Orten verbunden. Die Ausweisung scheint in den untersuchten bambergischen Orten eine wenig effektive Maßnahme gewesen zu sein, da kaum Menschen auswandern mussten, während gleichzeitig die Kommunikantenzahlen nicht stiegen. In Würzburg wiederum ist ein deutlicher Zusammenhang zu sehen zwischen der erzwungenen Auswanderung einerseits und der deutlichen Steigerung der Kommunikantenzahlen andererseits.

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5.4. Ergebnisse des 5. Kapitels Im Folgenden sollen die Ergebnisse des fünften Kapitels vergleichend dargestellt werden. Zunächst wird gezeigt, welche Maßnahmen überhaupt zum Einsatz kamen. Daran anschließend werden die bereits im Einzelnen untersuchen sechs Analysekategorien zum Tragen kommen: (1) Häufigkeit, (2) zeitliche Schwerpunkte, (3) Verhältnis von Ankündigung und Durchführung und Rolle der lokalen Beamten, (4) Zielgruppe, (5) Anlass, (6) Effektivität in Hinblick auf die Kommunionseinnahme. Abschließend werden maßnahmenübergreifend die drei Punkte (1) Bandbreite, (2) Reihenfolge und (3) Kombination verglichen. Betrachtet man die Maßnahmen, die die Bischöfe von Bamberg einsetzten, fällt die Bandbreite auf: Es gab insgesamt fünf rechtlich-politische Maßnahmen, vier Maßnahmen, die die Unkatholischen wirtschaftlich benachteiligen sollten und es gab vier verschiedene Gewaltmaßnahmen. In Würzburg hingegen sind zwar die gleichen fünf rechtlich-politischen Maßnahmen zu finden, aber keinerlei wirtschaftliche Maßnahmen. Bei den Gewaltmaßnahmen kamen insgesamt nur zwei zum Einsatz. (1) Was die Häufigkeit einzelner Maßnahmen betrifft, unterscheiden sich die Hochstifte in den meisten Fällen, d. h. was in Bamberg häufig zur Anwendung gebracht wurde, kam in Würzburg eher nicht zum Einsatz und vice versa. In Würzburg dominierte deutlich die Visitation vor allen anderen Maßnahmen, während in Bamberg in Abstufung jede der 13 Maßnahmen zum Einsatz kam, wobei die wirtschaftlichen deutlich am wenigsten angebracht wurden. Am häufigsten wurde das Mittel der Ausweisungsandrohung benutzt, um eine Kommunionseinnahme zu erreichen. (2) Die Entwicklungen in den untersuchten Orten lassen sich in Phasen einteilen. Im Hochstift Bamberg gab es vor Bischof Neithart (reg. 1591 – 98) nur wenige Versuche, zu rekatholisieren (Ehemandat Ernst von Mengersdorfs, versuchter Pfarreraustausch in Grafengehaig). Nachdem Neithart sich ab 1594 dafür entschied, die Rückführung seines Hochstifts zur katholischen Konfession anzugehen, kann man für die Folgejahre bis zu seinem Tod 1598 an allen untersuchten Orten deutliche Maßnahmen sehen. Sein Nachfolger Bischof Johann Philipp wurde hingegen häufig für seine vermeintlich nachlässige Religionspolitik kritisiert.1444 Vordergründig muss diesem Urteil für die untersuchten Orte zugestimmt werden: In den Jahren 1599 – 1609 fanden sich in den Quellen kaum Maßnahmen. Sieht man genauer hin, stellt sich der Befund indes anders dar. Die besonders »hartnäckigen« Teuschnitzer waren bereits unter Neithart formal katholisch geworden, in Neunkirchen am Brand und Waischenfeld war das Lutherthum an sich nicht sehr verbreitet gewesen. In Grafengehaig, Ru1444 Dazu Kapitel 3.

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gendorf, Pinzberg und Dormitz lagen die rechtlich-politischen Verhältnisse wiederum ungünstig für den Bischof, weil er dort überwiegend mit Untertanen anderer Territorialherren konfrontiert war. Selbst Neithart hatte es generell in gemischten Gebieten bei Ermahnungen belassen, aber so gut wie keine Maßnahmen gegen fremdherrschaftliche Untertanen durchgeführt.1445 Im Teuschnitzer Filialort Marienroth wiederum versuchte Johann Philipp durchaus, etwas zu erreichen. Für Bischof Johann Gottfried von Aschhausen gilt diese Wertung gleichermaßen. Zwar kam bei der Generalvisitation von 1611 für die untersuchten Orte heraus, dass der katholische Glaube nicht von der Bevölkerung verinnerlicht worden war, aber sie waren entweder längst formal katholisch oder auf Grund fehlender Herrschaftsrechte und geteilten Dorfherrschaften schwierig zu rekatholisieren. Davon abgesehen war der Bischof durch seine häufige Abwesenheit (Engagement in der Reichspolitik, durch Personalunion bedingte häufige Aufenthalte in Würzburg) auch nicht dazu prädestiniert, aktive Rekatholisierungspolitik zu betreiben. Seine Maßnahmen beschränkten sich in den untersuchten Orten im Wesentlichen auf die Jahre 1609 – 11 und wurden nicht mit voller Kraft durchgeführt. Die Orte mit fremden Untertanen konnte erst Bischof Johann Georg (reg. 1623 – 33) in Angriff nehmen, der durch die reichspolitische Lage und vor allem durch die Soldaten, auf die er unterstützend zurückgreifen konnte, eine Rekatholisierung in diesen Orten durchführen konnte. In der Graphik am Ende dieses Kapitels werden die zeitlichen Phasen verdeutlicht. Dargestellt sind die Maßnahmen der Bischöfe in Relation zu ihrer erstmaligen Durchführung. Die blauen Punkte zeigen, dass in allen hochstiftischen Orten bereits Bischof Neithart die Mehrheit der Maßnahmen durchführte. In den gemischtherrschaftlichen Orten wiederum kam es erst unter Johann Gottfried (grüne Punkte) und Johann Georg (orange Punkte) zu Rekatholisierungsmaßnahmen. Zudem zeigt das Schaubild sehr deutlich, dass in den bambergischen Orten deutlich mehr Maßnahmen zur Anwendung kamen als im benachbarten Hochstift. Die zeitlichen Schwerpunkte in den untersuchten Würzburger Orten verteilen sich anders. Kernzeiten der Maßnahmen waren die Jahre 1585/86 und 1629/ 30, wobei die Situation in Kitzingen durch die Pfandeinlösung einen Sonderfall darstellt. Dies lässt sich in der Graphik deutlich erkennen. Die Dominanz der roten Punkte spiegelt die umfassenden Maßnahmen Julius Echters, während die ausschließlich für Kitzingen vorkommenden gelben Punkte anzeigen, dass dort Bischof Philipp Adolf alle zur Rekatholisierung nötigen Maßnahmen durchführte.

1445 Endres, Rekatholisierung am Obermain, S. 287.

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(3) Im Hochstift Bamberg fällt bei der Frage nach dem Verhältnis von Ankündigung und Durchführung der Rekatholisierungsmaßnahmen und der Rolle der lokalen Beamten auf, dass es in einigen Fällen nicht zur Ausführung der angedrohten Strafen gekommen ist, sondern es bei der Drohung verblieb. Dafür konnten zwei Gründe ausgemacht werden: Einerseits versickerten Befehle auf der Ebene der lokalen Beamten. Dies zeigte sich besonders in Teuschnitz und Marienroth, wo eine Reihe von lutherischen Amtleuten wirkte. Andererseits war aber offenbar auch von vornherein nicht immer an eine Durchführung gedacht. Häufig wurden von Seiten der Bischöfe Strafandrohungen mehrfach wiederholt und Fristen verlängert, anstatt ihre Durchführung anzumahnen. Offenbar glaubten die Bischöfe, dass auch die Drohungen allein einen Effekt haben würden. In Würzburg wiederum fällt auf, dass sich die Ankündigungen und Ausführungen der Maßnahmen im Wesentlichen entsprechen. Am deutlichsten zeigt sich dies bei den Ausweisungen, die vor allem in Gerolzhofen und Kitzingen zu einem größeren Menschenverlust geführt haben. In erster Linie wurde auf die regelmäßige Visitation zurückgegriffen, um sicher zu gehen, dass die befohlenen Maßnahmen auch wirklich durchgeführt wurden. Dadurch konnten zudem die lokalen Beamten vor Ort kontrolliert und zum Teil auch umgangen werden. (4) Im Großen und Ganzen war die Zielgruppe der Maßnahmen in den beiden Hochstiften gleich: Es galt, alle Lutheraner zur Konversion oder Auswanderung zu bringen. Bei einigen wenigen Maßnahmen fällt allerdings in Bamberg eine Einschränkung auf den männlichen Teil der Bevölkerung auf. (5) Ein direkter Anlass der Maßnahmen konnte in den wenigsten Fällen festgestellt werden. Generell war eine Maßnahme ein Versuch, die bis dahin verweigerte Kommunion zu erreichen. Im konkreten Fall war aber selten zu erkennen, warum eine bestimmte Maßnahme zu genau dem Zeitpunkt eingesetzt wurde, zu dem sie eingesetzt wurde. (6) Die Effektivität der Maßnahmen muss im weiteren Verlauf der Untersuchung geklärt werden. Allerdings hat sich bereits bis zu diesem Zeitpunkt gezeigt, dass sich einige Maßnahmen als effektiver herausgestellt haben als andere. In Würzburg war dies besonders die Ausweisung. Einmal angedroht, führte sie nicht nur zu der tatsächlichen Auswanderung von Teilen der Bevölkerung, sondern auch zu einer signifikanten Steigerung der Kommunikantenzahlen. Im Bamberg wiederum scheint auf den ersten Blick die Verhaftung am effektivsten gewesen zu sein, bei der der Einzelne erst wieder freigelassen wurde, wenn er in der Haft konvertiert war. Allerdings wurde dieses Mittel wenig eingesetzt. Vergleicht man maßnahmenübergreifend die Bandbreite, Reihenfolge und Kombination der Rekatholisierungsmaßnahmen, fällt zunächst auf, dass in Bamberg deutlich mehr Maßnahmen und zudem in einer höheren Frequenz zum

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Einsatz gekommen sind als in Würzburg. Dort wurde der Lutheraner zügig vor die Wahl Konversion oder Auswanderung gestellt, zumeist persönlich durch den anwesenden Bischof. Zwar kamen vorher noch wenige andere Mittel zum Einsatz (etwa Verbot des Begräbnisses von Lutheranern), doch gelang es Bischof Julius durch die Kombination des persönlichen Eindrucks und einer wirksamen Kontrolle durch die Visitatoren, eine formale Einstellung oder eine schnelle Auswanderung der Lutheraner zu erreichen. Sein Neffe und späterer Nachfolger Philipp Adolf von Ehrenberg konnte in Kitzingen ähnlich handeln, da er die volle Macht des Militärs vor Ort hatte. Innerhalb von einem guten Jahr war Kitzingen eine katholische Stadt geworden. Mit dem Einsatz von Soldaten wurde es dem Bischof möglich, die erlassenen Befehle effektiv zu kontrollieren und zur Durchführung zu bringen. Die Analyse hat zudem gezeigt, dass in Bamberg Reihenfolge und Kombination der Maßnahmen nicht festgelegt waren. Im Quervergleich ist deutlich zu erkennen, dass in den bambergischen Orten die Ausweisung keineswegs am Ende der Maßnahmenkette angesiedelt war, sondern als eine Möglichkeit unter anderen in Kombination mit anderen Mitteln auftrat. Während in der Maßnahmenfolge in Würzburg eine deutliche Verschärfung von Mittel zu Mittel mit der Ausweisung als Endpunkt zu erkennen ist, gab es in Bamberg keine klar gegliederten Eskalationsstufen, sondern vielmehr Spiralen, die in jedem Ort anders verliefen. Möglich wäre, an dieser Stelle zu argumentieren, dass sich die Bamberger Bischöfe individuell je nach Lage des Falles die effektivsten Mittel herausgesucht haben. Die konsequente Kombination von Methoden, die sich teils als effektiv und teils als ineffektiv herausgestellt haben, führt jedoch viel eher zu der Annahme, dass hier kein System vorherrschend war, sondern dass mehr oder weniger spontan befohlen wurde, was gerade als geeignet schien. In den Würzburger Orten wiederum ist die Kombination der verschiedenen Maßnahmen deutlich geringer. Zudem fällt auf, dass es in Würzburg bezüglich der Reihenfolge eine klare Eskalationslinie gab: Zunächst gab es einige kleinere Maßnahmen, dann kam die Frage Konversion oder Auswanderung. In den meisten Fällen ging die Entwicklung nicht über diese Frage hinaus. Zudem ist interessant, dass die Bamberger die erfolgsversprechendste Maßnahme aus Würzburg (Visitation mit persönlichem Besuch des Bischofs) gerade nicht anwendeten: Die Visitation blieb eine Ausnahme, zudem reisten die Bischöfe nicht selbst in eigener Person durch das Land. An Unkenntnis hat dies zweifellos nicht gelegen: Die Bamberger Bischöfe lehnten sich – mit der Ausnahme Johann Philipps – an Echter an. Bischof Johann Gottfried wurde nicht ohne Grund dessen Nachfolger, Bischof Neithart war als Würzburger Domprobst selbst in der Echterschen Verwaltung tätig gewesen. Auch die strukturellen Hindernisse können diese deutlichen Unterschiede nicht vollständig er-

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Rekatholisierungsmaßnahmen

klären. Wenn die Gegebenheiten in den beiden Mainbistümern natürlich nicht identisch waren, waren sie doch ähnlich genug, um das Würzburger System in Bamberg adaptieren zu können. Ein wichtiger Faktor war zweifellos die jeweils unterschiedliche Regierungsdauer. Während in Würzburg die Regierungsdauern eher lang sind, herausragend hier sicher die 43-jährige Regierung Echters, wechselten die Bamberger Bischöfe deutlich häufiger. Ein weiteres wichtiges Element ist das jeweilige Loyalitäts- und Beziehungsnetz1446 der Bischöfe, das auf verschiedenen Ebenen wirkte und nur schwer rekonstruiert werden kann. Zudem kommt man nicht umhin, die unterschiedlichen Entwicklungsverläufe der Maßnahmen auch in den unterschiedlichen Persönlichkeiten und Fähigkeiten der Bischöfe zu vermuten. Gerade bei Neithart von Thüngen ist wohl davon auszugehen, dass er eine andere Vorstellung von Rekatholisierung hatte als Bischof Julius Echter.

1446 Diese Verflechtung in verschiedene Beziehungen, die die Ausübung von Herrschaft erschwerte, betont Schlumbohm (Schlumbohm, Jürgen: Gesetze, die nicht durchgesetzt werden – ein Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates?, in: GG 23, 1997, S. 647 – 663, S. hier S. 656).

Abb. 1: Erstmaliges Auftreten der jeweiligen Rekatholisierungsmaßnahme

6. Gegenmaßnahmen

Im vorherigen Kapitel wurde ausführlich dargestellt, mit welchen Maßnahmen die fränkischen Bischöfe versuchten, ihre Untertanen zur Einnahme der Kommunion zu bewegen. Dass es seitens der Untertanen Versuche gab, sich dagegen zu wehren, ist bereits an verschiedenen Stellen angeklungen. Im Folgenden soll nun systematisch erläutert werden, welcher Gegenmaßnahmen die von Rekatholisierung betroffenen Untertanen sich bedienten. Die Analysekategorien, die dabei verglichen werden sollen, orientieren sich an sieben Punkten: (1) Zeitpunkt und Häufigkeit, (2) direkter Auslöser, (3) beteiligte Personen, (4) individuelle Begründungen, (5) Rolle der örtlichen Beamten, (6) Reaktion der Bischöfe, (7) Einfluss auf den Gang der Rekatholisierung. Da die Gegenmaßnahmen von ihrer Art her sehr unterschiedlich sind, können nicht bei jeder Gegenmaßnahme alle Punkte beantwortet werden. Bei einzelnen Gegenmaßnahmen war es nötig, eine weitere Kategorie hinzuzufügen, dies wird im entsprechenden Unterkapitel erläutert.

6.1. Bittbriefe Die erste und einfachste Gegenmaßnahme gegen bischöfliche Politik war die Abfassung eines Bittbriefes (Supplikation). Als einzelner Untertan oder als Untertanengruppe wendete man sich schriftlich an seinen Landesherrn, legte die Sachlage aus der eigenen Sicht dar und bat um Beibehaltung des bisherigen Zustandes.

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Gegenmaßnahmen

Hochstift Bamberg Teuschnitz Die erste Rekatholisierungsmaßnahme in Teuschnitz bestand in der Abschaffung des lutherischen Pfarrers.1447 Die Teuschnitzer baten daraufhin im Mai 1594 bei Bischof Neithart darum, ihren Pfarrer behalten zu dürfen und nannten dafür sechs Argumente:1448 (1) Bischof Neithart habe es in der Erbhuldigung zugesagt, dass sie ihren Pfarrer behalten dürften. (2) Neitharts Vorgänger hätten den Pfarrer in seinem Amt gelassen. (3) Die Teuschnitzer säßen direkt an der Grenze zu evangelischen Gebieten und sie müssten schon »viell honn spott und verachtung« wegen der Kalenderumstellung hören und würden sie jetzt noch die Konfession wechseln, müssten sie von den vier lutherischen Herrschaften, an die sie grenzten, noch mehr Schmach ertragen. (4) Der Pfarrer habe niemals etwas gepredigt oder gesagt, was gegen den Sinn des Bischofs sei. (5) Eine Konfessionsänderung ihrerseits würde dazu führen, dass sich die Dörfer, die in das Amt Teuschnitz gehörten, von ihnen abwendeten und andere Kirchen besuchten. (6) Es laste schwer auf ihren Gewissen, wenn sie von ihrem lutherischen Glauben abstehen müssten. Eine zweite Supplikation verfassten Bürgermeister, Rat und Gemeinde am 9. März 1595. Auch dieses Mal begründeten sie mit einem beinahe identischen Text die Bitte um den Erhalt des lutherischen Pfarrers einerseits damit, dass sie schon ihr ganzes Leben lutherisch gewesen seien und auch Neitharts Vorgänger ihnen zugesichert hätten, dass Johann Zweidler für den Rest seines Lebens diese Pfarrei behalten dürfe, andererseits, dass sie von lutherischen Territorien und Menschen umgeben seien und ein Konfessionswechsel zu vielen Schwierigkeiten führen würde.1449 Bittbriefe kamen in Teuschnitz insgesamt betrachtet nur zu Beginn von Neitharts Rekatholisierungsmaßnahmen vor und zwar zweimal. Direkter Anlass war die anstehende Auswechselung ihres Prädikanten gegen einen Priester. Die Briefe stammten von der gesamten Gemeinde. Diese versuchte, sowohl rechtlich, als auch in Hinblick auf ihr Gewissen zu argumentieren. In beiden Fällen konnten die Bittbriefe ihren Zweck nicht erfüllen. In Teuschnitz wurde auf Dauer ein katholischer Pfarrer eingesetzt.1450

1447 S. o. Kapitel 5.1.2. 1448 Zum Folgenden StABa Hochstift Bamberg Neuverzeichnete Akten Nr. 573 Bürgermeister, Rat und Gemeinde von Teuschnitz an Bischof Neithart, 8. Mai 1594. 1449 StABa B 49 Nr. 191/29 I Bürgermeister, Rat und Gemeinde von Teuschnitz an Bischof Neithart, 9. März 1595. 1450 Einzelnachweise s. Kapitel 5.1.2.

Bittbriefe

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Neukenroth Den Neukenrothern war im Sommer 1599 durch den neuen Bischof Johann Philipp geboten worden, entweder zur Kommunion zu erscheinen oder auszuwandern. Dabei handelte es sich um die erste Aufforderung dieser Art durch den neuen Bischof, allerdings hatte auch Neithart die Neukenrother wiederholt zu dieser Wahl aufgerufen.1451 Die Neukenrother schrieben als Reaktion auf die Aufforderung jeweils einen Bittbrief im September und Dezember 1599 an Johann Philipp. Im ersten Fall reagierten sie damit unmittelbar auf eine vierwöchtige Frist, die ihnen für Konversion oder Auswanderung gesetzt worden war, im zweiten Fall lässt sich kein unmittelbarer Anlass erkennen.1452 In beiden Briefen nutzten sie eine recht ähnliche Argumentationsfolge: (1) Sie seien seit ihrer Kindheit im lutherischen Glauben aufgewachsen und erzogen worden. (2) Sie seien umgeben von lutherischen Herrschaften und hätten täglich Verkehr mit Lutheranern (Rittern, Sachsen, Markgräflichen). (3) Sie seien arme Leute und wirtschaftlich von lutherischen Herrschaften abhängig: Sie seien sowohl in Sachsen als auch in verschiedenen ritterschaftlichen Orten mit großen Schulden behaftet und müssten hohe Zinsen zahlen. Sie müssten alles Holz in Sachsen und bei verschiedenen Rittern kaufen, weil die bischöflichen Wälder und Gehölze zu weit entfernt seien und Wein in ihrer Gegend nicht gut wachse. Wenn diese auf ihren Zahlungen bestünden, weil sie die Konfession wechselten, könnten sie diese nicht bedienen, denn sie hätten zudem auch keine Käufer für ihre Waren außer eben in jenen genannten Herrschaften. (4) Außerdem würden sie, wenn sie auszögen, alle wegziehen und es bliebe in der Folge niemand, der ihnen ihre Güter abkaufen könnte. Sie betonten, dass sie als Untertanen loyal und gehorsam sein wollten. Sie boten sogar an, den Gottesdienst des katholischen Pfarrers zu besuchen.1453 Trotz der vorgebrachten wirtschaftlichen Gründe und dem Verweis auf ihr Gewissen blieb die Supplikation erfolglos, denn Johann Philipp forderte sie auch weiterhin auf, sich zur katholischen Konfession einzustellen oder auszuwandern.1454 In Neukenroth gab es insgesamt zwei Versuche, mit Bittbriefen eine Änderung der bischöflichen Politik zu erreichen, wobei beide in das erste Jahr der Regierung Johann Philipps fallen. Als direkter Anlass lässt sich in einem Fall eine Fristsetzung für die Kommunionseinnahme nachweisen. Die Argumentation der 1451 Einzelnachweise s. Kapitel 5.3.4. 1452 StABa B 49 Nr. 129/03 Schultheiß, Richter, Gerichtsschöffen, ganze Gemeinde und Einwohner an Bischof Johann Philipp, 27. August 1599; ebd. Gemeinde von Neukenroth an Bischof Johann Philipp 9. Dezember 1599. 1453 Ebd. Schultheiß, Richter, Gerichtsschöffen, ganze Gemeinde und Einwohner an Bischof Johann Philipp, 27. August 1599. 1454 S. u. Kapitel 6.2.

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Gegenmaßnahmen

ganzen Gemeinde erfolgte auf verschiedenen Ebenen. Neben dem Verweis auf das eigene Gewissen wird vor allem die wirtschaftliche Abhängigkeit von ihrem lutherischem Umfeld betont. Allerdings führten die Supplikationen zu keinem Erfolg. Auffällig ist bei den Neukenrothern, dass sie sogar anboten, den Gottesdienst des katholischen Pfarrers zu besuchen. Dafür gibt es drei mögliche Gründe, die sich durchaus überlagert haben könnten: Einerseits wollten die Neukenrother damit guten Willen zeigen, zweitens scheint dies ein Versuch gewesen zu sein, Zeit zu gewinnen. Drittens ist es auch denkbar, dass sie den Unterschied der Konfession in erster Linie am Herrenmahl festmachten, sodass der Besuch des katholischen Gottesdienstes ohne Einnahme der Kommunion nicht als Widerspruch zur eigenen Überzeugung eingeschätzt wurde. Grafengehaig Der Bittbrief wurde von den Grafengehaigern mehrmals erfolgreich als Gegenmaßnahme zu Rekatholisierungsbestrebungen eingesetzt. Als im Laufe des Jahres 1575 das Abendmahl in Grafengehaig verboten wurde, schrieben die Grafengehaiger im September dieses Jahres einen Bittbrief an den Pfarrer von Stadtsteinach, damit dies wieder rückgängig gemacht würde.1455 Wie bereits geschildert, musste der lutherische Gottesdienst in Grafengehaig wieder eingeführt werden.1456 Auch unter Neithart behalfen sich die Dorfbewohner mit Bittbriefen. Als bekannt wurde, dass Neithart einen Katholiken als Pfarrer einsetzen wollte, wendeten sie sich im Dezember 1597 an ihre Herrschaft, die von Wildenstein und Guttenberg, und baten um Schutz ihrer Konfession, drohten aber gleichzeitig auch damit, falls sie dieses nicht täten, keine Fron- und andere Dienste mehr zu leisten.1457 Diese Supplik hatte insofern Erfolg, als dass die Adelsgeschlechter innerhalb einer Woche selbst nach Bamberg schrieben.1458 Allerdings änderte dies nichts daran, dass im Frühjahr 1598 dennoch befohlen wurde, den Prädikanten in Grafengehaig gegen einen Priester auszutauschen. Daraufhin schrieben die Dorfbewohner erneut einen Brief an ihre Herrschaft. Sie wollten nicht mit Gewalt zur katholischen Konfession gebracht werden, weil das ihr Gewissen belaste und sie bei der »allein seeligmachenden erkhannten und bekanten reinen lehr und lieben evangely und bekantnus auspurgischer confession auch rechten unverstummelten gebrauch der heiligen 1455 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Die Gemeinde Grafengehaig an Johann Angermann, Pfarrer von Stadtsteinach, 18. September 1575. 1456 S. o. Kapitel 5.1.2. 1457 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Die Gemeinde Grafengehaig und die dorthin eingepfarrten Dörfern an die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein, 30. Dezember 1597. 1458 Ebd. Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Neithart, 15. Januar 1598.

Bittbriefe

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hochwurdigen sacramenten« bleiben wollten.1459 Sie baten ihre adeligen Herren erneut um Schutz und versuchten damit zu überzeugen, dass dieser Schutz nicht nur ihnen zuliebe gewehrt werden sollte, sondern auch der Stärkung der lutherischen Kirche an sich diene und die beiden adeligen Familien »bei allen hohen unnd niedrigs standts der auspurgischen confession zugethanen umb solches christlichen werckhs willen hochlich geruhment und geprießen werden« würden.1460 Die Grafengehaiger wiederholten die Argumente aus dem vorherigen Brief, drohten mit Verweigerung der Fron- und anderen Dienste, entschuldigten sich aber gleichzeitig auch, dass man ihnen das nicht als Ungehorsam auslegen dürfe, denn »in solchen sachen das gewissen unnd des menschen seeligkeit betreffendt, [ist] gott mehr dann den menschen zu gehorchen«.1461 Die schützende Hand der Herrschaft und der Tod Neitharts führten auch in diesem Fall dazu, dass die Einsetzung des Priesters verhindert werden konnte. Als die Grafengehaiger im August 1629 aufgefordert wurden, innerhalb der nächsten Wochen entweder zur Kommunion zu erscheinen oder auszuwandern, wendeten sie sich mit einem Bittbrief an den Bamberger Bischof Johann Georg. Dabei brachten sie zwei Argumente vor: (1) Sie seien seit ihrer Jugend in der lutherischen Konfession aufgezogen worden und daher wäre es für sie sehr schwer »der catholischen religion in welcher wir noch nicht genugsamb informiert, in so kurzer zeit beyzufallen«. (2) Zudem sei es ihnen gleichzeitig unmöglich, in so kurzer Zeit ihre Güter zu verkaufen. Wenn der Bischof auf seinem Befehl bestehe, würden sie, da sie ohnedies schon mit schweren Kriegskontributionen belastet seien, verarmen. Deswegen baten sie den Bischof um eine Bedenkzeit, in der sie sich auch über den katholischen Glauben informieren wollten. Sie seien auch bereit, schon jetzt in die Kirche zu kommen.1462 Der mittlerweile dort wirkende Priester Örtel wiederum riet in Bamberg dringend davon ab, auf diese Bitten einzugehen: Er wirke schließlich schon seit mehreren Jahren in diesem Ort und nicht seit wenigen Wochen und habe konsequent Kirche und Kinderlehre zu halten versucht (wenn auch erfolglos). Er vermutete, da bisher auch niemand zur Kommunion gekommen war, dass auch diese Bitte um weiteren Aufschub der Entscheidung nur als Taktieren zu verstehen sei. Er wiederum empfahl, die Überbringer der Supplikation zu verhaften und einzubehalten, bis sie katholisch werden wollten, dann würden die anderen vielleicht 1459 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Die Gemeinde Grafengehaig und alle dorthin eingepfarrten Dörfer an die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein, 29. Mai 1598. 1460 Ebd. 1461 Ebd. 1462 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Gemeinde Grafengehaig an Bischof Johann Georg, 22. September 1629.

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Gegenmaßnahmen

auch nachziehen.1463 Der Bischof lehnte in der Folge die Bitte um Fristverlängerung ab.1464 In Grafengehaig schrieb die gesamte Gemeinde insgesamt vier Bittbriefe. Dabei wendete sie sich an ihre adelige Herrschaft und nur einmal an den Bamberger Bischof. Ein direkter Anlass ließ sich in allen Fällen zeigen. In den ersten drei Fällen ging es um die Erhaltung des lutherischen Gottesdienstes im Ort, im letzten Fall um ihre eigene anstehende Konversion. Die Grafengehaiger argumentierten einerseits mit ihrem Gewissen, andererseits drohten sie aber auch damit, dass sie ihren Pflichten (z. B. Frondienste) nicht mehr nachkommen wollten. Es hat sich gezeigt, dass eine Supplik an die adeligen Herren zur Erhaltung des Pfarrers durchaus Erfolgsaussichten hatte. Dies ist allerdings nicht verwunderlich, da die von Wildenstein und von Guttenberg den lutherischen Pfarrer selbst eingesetzt hatten und entsprechend daran interessiert waren, ihn zu behalten. Die Supplikation an den Bamberger Bischof zur Erhaltung des lutherischen Glaubens in ihrem Dorf hat sich allerdings als nutzlos herausgestellt. Forchheim Im Laufe des Jahres 1594 schrieben einige Forchheimer Bürger einen Bittbrief an Bischof Neithart, sie wollten bei ihrer lutherischen Konfession bleiben.1465 Da sich zu diesem Zeitpunkt sonst keine Maßnahmen in Forchheim fassen lassen, war dies vermutlich eine Reaktion auf das Religionsmandat vom 29. März 1594.1466 Offenbar erfolgte aber seitens Neithart keine Reaktion auf die Supplikation. Vier der Supplikanten blieben lutherisch, wanderten aber noch im gleichen Jahr nach Ungarn aus, fünf weitere kamen im Laufe des Sommers 1594 zur Kommunion. Nur noch fünf der Supplikanten waren im September des Jahres noch lutherisch, wobei einer davon bereit war, katholisch zu werden, wenn der Bischof ihm im Gegenzug das Bürgerrecht verleihen würde.1467

1463 Ebd. Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Fiskal Daniel Pessler, 24. September 1629. 1464 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 197r, 27. September 1629. 1465 StABa B 49 Nr. 47/02 Georg Muding, Kastner von Forchheim an Bischof Neithart, 23. September 1594. 1466 Zu dem Mandat s. Kapitel 5.1.1. 1467 StABa B 49 Nr. 47/02 Georg Muding, Kastner von Forchheim an Bischof Neithart, 23. September 1594.

Bittbriefe

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Hochstift Würzburg Gerolzhofen Für Gerolzhofen lässt sich eine Bittschrift im Herbst 1573 fassen. Bürgermeister und Rat schrieben an ihren Bischof anlässlich dessen Versuchs, den Lutheranern das Begräbnis auf dem städtischen Friedhof zu verbieten. Die Gerolzhofener baten darum, sie einerseits bei dem Abendmahl sub utraque zu lassen, zum anderen, den Protestanten nicht das Begräbnis zu verweigern.1468 Dabei argumentierten sie zum einen theologisch. Man könne in der Heiligen Schrift nachlesen, dass dies richtig sei. Zudem nähmen sie bereits dreißig Jahre das Abendmahl ein. Zum anderen hoben sie auf einer rechtlichen Ebene auf den Augsburger Religionsfrieden ab, der den protestantischen Glauben anerkenne. Friedrich von Wirsberg verstarb kurze Zeit darauf, sodass unklar bleiben muss, ob die Supplikation etwas bewirkt hatte. Iphofen Für Iphofen ist kein Bittbrief überliefert, aber aus anderen Schreiben lässt sich schließen, dass im Jahr 1604 eine Witwe und ihr Schwiegersohn eine Supplikation an Julius Echter richteten. Sie baten darum, dass er sie trotz ihrer protestantischen Konfession in Iphofen wohnen lasse. Die beiden waren vorher wiederholt aufgefordert worden, auszuwandern oder sich zur katholischen Konfession einzustellen. Echter lehnte das Gesuch ab.1469 Kitzingen Für Kitzingen liegt ein einziger Bittbrief der evangelischen Räte und Bürger an Bischof Franz von Hatzfeld von 1635 vor. Nachdem Kitzingen 1629 wieder an das Hochstift gekommen war, war es rekatholisiert worden, was während der schwedischen Besatzung teilweise rückgängig gemacht wurde. Nach einer kurzen Übergangszeit unter kaiserlichen Truppen, in der auch die Ausübung des lutherischen Bekenntnisses erlaubt war, ging Bischof Franz ab 1635 wie sein Vorgänger dazu über, rekatholisierende Maßnahmen durchzuführen.1470 Die Kitzinger baten nun schriftlich um das »freye offene exercitium religionis« in der Kirche in Etwashausen auf der anderen Mainseite, nachdem eine mündliche und eine vorausgehende schriftliche Bitte zu keiner Reaktion geführt hatten. Sie brachten drei Punkte vor, wobei sie einerseits rechtlich und wirtschaftlich argumentieren, andererseits an die Milde des Bischofs appellierten. Auf einer 1468 Das folgende in StAW Ger Gerolzh. 217 Vogt, Rat und Bürgermeister von Gerolzhofen an Bischof Wirsberg, 21. Oktober 1573. 1469 AEB Rep. I Nr. 264 Valentin Pfaff, Keller von Iphofen an Bischof Julius, 28. Dezember 1604. 1470 S. Kapitel 5.

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Gegenmaßnahmen

rechtlichen Ebene zeigten sie auf, dass der Kaiser die Stadt Kitzingen unter Protektion genommen habe und ihnen eine freie Religionsausübung gegen finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung (die sie geliefert hätten) versprochen habe. Zum zweiten sei die Gewährung ihrer Bitte auch im Sinne des Bischofs angesichts der dezimierten und geschwächten Bevölkerung. Damit deuteten die Supplikanten einerseits an, dass sie unter Umständen auswandern würden, andererseits aber auch, dass eine Lockerung des Konfessionsverbotes zu einer Rückwanderung von Exilanten führen könnte. Auf einer anderen Ebene appellierten die lutherischen Kitzinger an die Milde und Weisheit des Bischofs, da er sich für den Frieden einsetze. Sie betonten, dass sie trotz der konfessionellen Abweichung gehorsame und treue Untertanen seien.1471 Auch wenn Franz von Hatzfeld dieser Bitte nicht nachkam, zwang er dennoch die Lutheraner nicht zur Auswanderung, sondern gestattete ihnen damit, in aller Stille in der Stadt zu verbleiben.1472 Zusammenfassung und Ergebnisse Bittbriefe Die Zusammenschau zeigt, dass sowohl in einigen Bamberger als auch in einigen Würzburger Orten versucht wurde, durch Bittbriefe an den jeweiligen Bischof an den alten Verhältnissen festzuhalten. Allerdings kam dies nicht häufig vor. Zeitliche Schwerpunkte lassen sich nicht setzen, die Supplikationen verteilen sich über den gesamten Untersuchungszeitraum. In den meisten Fällen ließ sich ein direkter Anlass (etwa die anstehende Auswechselung des Pfarrers) zeigen. Die Bittbriefe wurden in der Regel von der ganzen Gemeinde eines Ortes geschrieben, ein Bittbrief einer Einzelperson liegt nur in einem Fall vor. Fragt man nach der Effektivität des Bittbriefes, hat sich gezeigt, dass es sich um eine wenig effektive Gegenmaßnahme handelte, die die Bischöfe in der Regel nicht von ihrer Politik abhalten konnte. Eine Ausnahme stellen die Bittbriefe der Grafengehaiger dar, die in ihren adeligen Herren starke Fürsprecher hatten und dadurch die Einsetzung eines Priesters längere Zeit verhindern konnten.

6.2. Verweigerung der Kommunion Die größtmögliche Verweigerungshaltung gegen die Rekatholisierung war die einfache oder mehrfache Verweigerung der Kommunion. Wie in Kapitel 2.6 ausführlich dargestellt, unterschied sich das Herrenmahl in den verschiedenen 1471 StAW Gebr Amt II FG 971 Evangelische Räte und Bürger der Stadt Kitzingen an Bischof Franz, o. Dat. Eingangsvermerk der Kanzlei 13. April 1635. 1472 Hock, Kitzingen, S. 106 f. Es zeigte sich aber, dass seine Auslaufverbote immer wieder gebrochen wurden (s. Kapitel 6.3).

Verweigerung der Kommunion

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Konfessionen deutlich voneinander, sowohl bei der Bedeutung als auch bei der äußerlichen Durchführung. Anhand des Herrenmahls war also die Konfession, der sich das Individuum zugehörig fühlte, eindeutig zu unterscheiden. Auf Grund dieser Tatsache ist es geboten, das Verhalten der Untertanen in Bezug auf die Einnahme der geforderten Kommunion näher zu beleuchten. Die Untersuchung erfolgt entlang der folgenden sieben Analyseelemente: (1) Zeitpunkt der Verweigerung und Häufigkeit, (2) direkter Auslöser, (3) beteiligte Personen, (4) individuelle Begründung der Verweigerung, (5) Rolle der örtlichen Beamten und des Pfarrers, (6) Reaktion aus der Residenzstadt und (7) Effektivität der Gegenmaßnahme. Hochstift Bamberg Teuschnitz mit Marienroth In Teuschnitz gelang es Bischof Neithart bis zum Ende seiner Regierungszeit 1598, dass sich der größte Teil der Bevölkerung zur Kommunion einstellte. Doch bis dahin war es beständiger Kampf zwischen Obrigkeiten und Untertanen. Im Filialort Marienroth dauerte es indes etwa 20 Jahre länger, um die Untertanen vom lutherischen Glauben abzubringen. Erstmalig wurden alle bambergischen Untertanen mit dem Religionsmandat vom 29. März 1594 dazu aufgerufen, in der folgenden Osterzeit sich durch Beichte und Kommunion nach katholischem Ritus zum katholischen Glauben zu bekennen.1473 Knapp drei Wochen später kam die Aufforderung, dass alle Pfarrer des Hochstifts schriftlich berichten sollten, wie viele Untertanen zur österlichen Beichte und Kommunion gekommen waren.1474 Offenbar war Neithart mit dem Ergebnis wenig zufrieden, da er am 17. Mai 1594 die Pfarrer im Stift aufforderte, ihr Pfarrvolk zum Pfingsttermin erneut zur Kommunion aufzufordern und auch darüber schriftlich zu berichten.1475 Zu diesem Zeitpunkt wirkte in Teuschnitz ein lutherischer Prädikant, sodass die Aufrufe ungehört verhallten. Nach der Einsetzung eines Priesters im Jahr 1595 mochten die Teuschnitzer diesem in manchen Dingen folgen, bei der Einnahme der Kommunion waren sie fest entschlossen, sich zu verweigern. So berichtete der Teuschnitzer Priester im Oktober 1595: »das wir sontags den 27 tag augusti nechstverschienen festum venerabile corporis christi celebrirt und haben dabey vier herrrn deß raths den himmel getragen, der richter und der erste burgermeister sindt neben mir und dem hochwürdigen sacrament 1473 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 522, auch B 26c Nr. 1/IV (Verordnungen 1592 – 1599). 1474 StABa B 26c Nr. 1/IV Bischof Neithart an die Pfarrer im Stift, 15. April 1594. 1475 Ebd. Bischof Neithart an alle Pfarrer im Stift, 17. Mai 1594.

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Gegenmaßnahmen

hergangen, andere deß raths und die bezunfftigten handtwerckher seindt mit ihren gebuerlichen kertzen und sonsten meniglich alhie mit gutter andacht beygewohnt, nidergeknitt und nachgevolgt, und sich in anderm außer der communion sub utraqu specie willig und gehorsam angelaßen«.1476

Das Wechselspiel von Einstellungsbefehlen und Verweigerung der Kommunion durch die Teuschnitzer sollte die nächsten Jahre weiterhin dominieren. Die bischöflichen Bemühungen konzentrierten sich im Laufe des Jahres 1596 zunächst auf insgesamt sieben Männer, die gemeinsam mit ihren Frauen das Ehemandat gebrochen hatten. Niclas Zweidler, der Sohn des ehemaligen Prädikanten, hatte im Dezember 1595 bekannt gegeben, sich im lutherischen Rothenkirchen (ca. 7 km von Teuschnitz entfernt) trauen zu lassen.1477 Dies wurde von dem mittlerweile eingesetzten katholischen Pfarrer Nüblich nach Bamberg berichtet. Mit der Hochzeit in Rothenkirchen wollte Zweidler dass Ehemandat umgehen, das die Einnahme der Kommunion vor der Heirat vorsah. Zudem versuchte er weitere Paare zu überreden, mit ihm zusammen in Rothenkirchen oder in Langenau (ca. 12 km von Teuschnitz entfernt) die Trauung vollziehen zu lassen.1478 Zwar wurde Nüblich durch Generalvikar Dentzel schriftlich darauf hingewiesen, dass er auf Einhaltung des Ehemandats dringen sollte, aber dies ist ihm nicht gelungen. Die Trauung Zweidlers fand in Rothenkirchen statt.1479 Zwei Wochen später erhielt der Amtmann als Reaktion auf Zweidlers Ungehorsam den Befehl, dass er den jungen Zweidler darauf hinweisen sollte, dass dieser gegen das Ehemandat verstoßen habe. Von einer Strafe ist keine Rede. Außerdem solle der Amtmann ihm auferlegen, dass er bis zum nächsten Osterfest (14. April) die Kommunion einzunehmen hatte. Falls nicht, sollte ihm auferlegt werden, nach Ostern ohne weiteren Aufschub aus dem Stift fortzuziehen.1480 Allerdings zeigen die weiteren Entwicklungen, dass Zweidler mitnichten katholisch geworden war oder die Stadt verlassen hatte. Dies verwundert nicht. Der Amtmann von Teuschnitz, Hans Heinrich von Würtzburg, war selbst Lutheraner, darüber hinaus gehörte das Auslauf-Ziel Rothenkirchen in den Besitz seiner Familie.1481 Neben Zweidler hatten noch sechs weitere Männer das Ehemandat ignoriert. Diese sechs hatten sich zum Teil bei dem Prädikanten in Rothenkirchen und zum 1476 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Wolfgang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 15. Oktober 1595. 1477 StABa B 49 Nr. 191/29 I Wolfgang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 3. Januar 1596. 1478 Ebd. 1479 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Wolfgang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 13. Februar 1596. 1480 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 57v, 1. März 1596. 1481 StABa Hochstift Bamberg Neuverzeichnete Akten Nr. 573 Wolfgang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 13. Februar 1596.

Verweigerung der Kommunion

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Teil von dem alten Prädikanten Zweidler trauen lassen. Allen war zuvor durch die Geistlichen Räte mehrmals aufgetragen worden, dass sie zur katholischen Konfession übertreten sollten, doch hatten sie dieser Aufforderung nicht Folge geleistet.1482 Zwar hatten sie es einige Male versprochen, aber tatsächlich durchgeführt hat es keiner von ihnen. Besonders Niclas Zweidler stellte sich als besonders »hartnäckig« heraus, was bei dem Sohn des langjährigen Prädikanten nicht verwundern mag. In der ersten Jahreshälfte 1596 hatte Zweidler zweimal angeboten, zur Kommunion zu kommen und war diesem Versprechen nicht nachgekommen. Kurz vor Pfingsten hatte der Teuschnitzer Priester gemeinsam mit Amtmann und Richter ihn und die anderen sechs Männer ein weiteres Mal ermahnt, ihrem Versprechen Folge zu leisten. Sie konnten damit aber keine Wirkung erzielen: »dieweiln sie aber noch keinen ernst vermerckhen haben wir bey ihnen nit allein nichts erhaltten sonder er zweydler hat uberdiß alles mit großer verachtung und spott seine mitconsortten dahin verhetzt und angeraitzet, als sich keiner solle einstellen, und zu fernerm auffschub und ungehorsam sie angewießen«.1483

Zweidler erhielt möglicherweise von dem im Frühsommer 1596 neu eingesetzten Priester Johannes Ammon eine Strafe für sein Verhalten, allerdings blieb der Priester hier unkonkret.1484 Die anderen sechs wiederum wurden offenbar nicht gestraft.1485 Zudem gab es weitere Paare, die sich nicht trauen ließen, weil sie sich nicht zu Beichte und Kommunion einstellen wollten, sich aber nicht mit einer Hochzeit in der Nachbarschaft behalfen. Da der im Februar 1597 eingesetzte neue Priester einige der Paare nach ihren Motiven befragte, lassen sich in diesem Fall konkrete Gründe für die Verweigerung der Kommunion benennen. So konstatierte ein Mann namens Sebastian Wolf, dass er nicht katholisch beichten und die Kommunion einnehmen wolle, denn »er hab eine seel, die wölle er fur sich bewahren«.1486 Ein anderer namens Stefan Matthes gab einen häufig genannten Grund

1482 Ebd. Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 7. Juni 1596. Vermutlich rekurrierte Ammon auf den Besuch der bischöflichen Gesandten bei der Visitation im Herbst 1595. Ein Besuch der betroffenen Männer in Bamberg vor dem Geistlichen Rat hat sich in den Quellen nicht niedergeschlagen. 1483 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 7. Juni 1596. 1484 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 7. Juni 1596. 1485 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Kunegundt Hoffmann aus Teuschnitz an Bischof Neithart, 18. Juli 1596. 1486 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, o. Dat.

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an, nämlich, dass er mit dem lutherischen Glauben aufgewachsen sei und auch dabei bleiben wolle.1487 Bischof Neithart reagierte auf diese Situation mit der Betonung des Ehemandats. Diejenigen, die sich weigerten, vor der Trauung ihre Zugehörigkeit zum katholischen Glauben anzuzeigen, sollten vom Kronacher Hauptmann ausgewiesen werden.1488 Eine direkte Wirkung dieses Befehls ließ sich jedoch nicht feststellen. Die Einhaltung des Ehemandats blieb auch weiterhin ein Problem: Zwar wurden immer wieder Paare ermahnt, sich endlich trauen zu lassen und vorher zu Beichte und Kommunion zu kommen, dies konnte aber das ganze Jahr 1597 ohne Konsequenzen ignoriert werden.1489 Im Jahr 1596 hatte sich der Bischof auf die Einhaltung des Ehemandates konzentriert, obwohl die anderen Stadtbewohner in Teuschnitz die Kommunionsmandate nicht einhielten.1490 In zwei Fällen hatten bischöfliche Amtsträger versucht, auf die Einhaltung der Mandate zu drängen. Einerseits fokussierte sich die bischöfliche Verwaltung auf den Stadtschreiber. Dieser hatte zugesagt, bis Ostern (14. April) 1596 katholisch zu werden, doch im Juni des gleichen Jahres war er immer noch Protestant und übte seinen Beruf noch aus.1491 Zum zweiten hatten die bischöflichen Kommissare, die anlässlich einer Visitation 1595 Teuschnitz besuchten, sechs namentlich bekannten lutherischen Ratsmitgliedern aufgetragen, bis zu Weihnachten des gleichen Jahres katholisch zu werden. Daraufhin erbaten die Männer einen Aufschub bis Ostern, den sie erhielten und in der Folge verstreichen ließen.1492 Der Priester Johannes Ammon reagierte auf diesen Zustand im Sommer 1596 mit der Benennung einzelner Personen als »Rädelsführer«, die er dafür verantwortlich machte, dass die ganze Gemeinde lutherisch blieb.1493 Er erwirkte in Bamberg den Befehl, dass acht von ihm benannten Männern aus Teuschnitz befohlen wurde, sich in der Festungsstadt Kronach einzufinden. Dabei handelte es sich neben den bereits bekannten Personen Niclas Zweidler und dem Stadtschreiber Johann Heinsen um die sechs Ratsmitglieder, die bereits im Herbst 1595 als Protestanten aufgefallen waren. Sollte es weitere Schwierigkeiten mit 1487 Ebd. 1488 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 65r – 65v, 11. Juni 1596. 1489 StABa B 49 Nr. 191/29 I Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Neithart, 15. November 1597. 1490 Ebd. Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 7. Juni 1596; AEB Rep. I Nr. 735 fol. 65r – 65v, 11. Juni 1596. 1491 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 7. Juni 1596. 1492 Ebd. Michael Fiedler, Friedrich Schnappauf, Hans Rephuhn, Hans Lieb, Heinrich Schwartz und Erhard Weiß an Bischof Neithart, ohne Datum. 1493 Ebd. Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 6. August 1596.

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diesen acht Personen geben, sollten sie sich wiederum in Bamberg einfinden.1494 Der Hauptmann von Kronach, der mit dieser Angelegenheit betraut worden war, gab jedoch an, dass er Niclas Zweidler nicht in Kronach angetroffen habe.1495 Die sechs Ratsmitglieder wiederum wurden in Kronach erneut aufgefordert, bis zum Tag Mariä Geburt (8. September) zur Beichte und Kommunion zu erscheinen, andererseits müssten sie nach Bamberg kommen.1496 Über den Verbleib des Stadtschreibers gibt es keine Aussagen. Bischof Neithart entschied sich indes, gar nicht erst abzuwarten, wie sich die Männer entschieden. Er lud sie noch vor Ablauf der Frist nach Bamberg vor die Geistlichen Räte.1497 Da sie die Frage, ob sie die Kommunion einnehmen wollten, nicht bejahten – zum Teil baten sie um weiteren Aufschub, zum Teil erklärten sie »sie wollen nit catholisch werden sondern die zeit ihres lebens lutherisch bleiben« – blieben sie in Haft und wurden erst entlassen, als alle konvertiert hatten. Das hieß praktisch, dass Beichte und Kommunion in Bamberg in der Haft stattfanden.1498 Zweidler erhielt explizit wegen des Bruchs des Ehemandats eine Strafe von mehreren Tagen Haft.1499 An dieser Stelle soll bereits auf einen wichtigen Punkt hingewiesen werden: Die Verweigerung der bischöflichen Einstellungsbefehle war offenbar über einen gewissen Zeitraum möglich, konnte aber nicht unendlich ausgeweitet werden. Unklar bleibt allerdings, warum sich die Männer aus Teuschnitz dafür entschieden, in eigener Person nach Bamberg zu kommen. Druck von Seiten des Teuschnitzer Amtmannes, die Reise nach Bamberg anzutreten, erscheint ob seines sonstigen Verhaltens eher unwahrscheinlich. Die Reaktion der betroffenen Männer auf die erzwungene Konversion ist nicht bei allen gleich. Die sechs Ratsmitglieder traten im Folgenden nicht mehr als Kommunionsverweigerer in Erscheinung. Niclas Zweidler begriff diese erzwungene Konversion zunächst nicht als bindend.1500 Allerdings wird er in den 1494 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 69v, 3. Juli 1596. 1495 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach an Bischof Neithart, 9. August 1596. Offenbar hatte der Kronacher Hauptmann Niclas Zweidler aber bei einer anderen Gelegenheit verhaftet, da sein Schwiegervater um dessen Freilassung bat (StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Hans Funk, Bürger und Ratsmitglied von Teuschnitz an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, o. Dat.). 1496 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Michael Fiedler, Friedrich Schnappauf, Hans Rephuhn, Hans Lieb, Heinrich Schwartz und Erhard Weiß an Bischof Neithart, o. Dat. 1497 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 70r, 19. August 1596. 1498 Ebd. fol. 70r – 71r, 19. August 1596, Zitat fol. 70r ; ebd. fol. 71v – 73v, 20. August 1596. 1499 Ebd. fol. 70v, 19. August 1596. 1500 Der Teuschnitzer Schulmeister Konrad Horchler zitiert Niclas Zweidler mit den Worten »er (=also Zweidler, H. B.) sey verschiener zeit neben denen deß raths im collegio zu bamberg gezwungen worden kein mensch soll ihn mehr dazu vermögen« (StABa B 49

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folgenden Jahren nicht explizit als Kommunionsverweigerer in den Kommunikantenlisten geführt. In den Reihen der städtischen Amtsträger bröckelte im Sommer 1596 nach dieser Strafaktion die breite Front der Rekatholisierungsgegner. Die Unterbürgermeister, vier weitere Ratsmitglieder und der Stadtknecht erschienen kurz darauf zu Beichte und Kommunion.1501 Das Ratsmitglied Matthes Henning weigerte sich allerdings weiterhin, die Kommunion einzunehmen. Er wurde mehrfach von dem Richter und dem Priester ermahnt. Außerdem wurde er nach Kronach bestellt. Diesen Befehl konnte er ohne Konsequenzen ignorieren. Die Aufforderung des Priesters und des Richters, dass er nach Bamberg kommen solle, hatte er bis zum September 1596 ebenfalls missachtet.1502 Auf seinen Fall wurde seitens Bamberg und der lokalen Beamten große Aufmerksamkeit gelegt. Am 13. September 1596 wurde der Befehl ausgesprochen, dass Henning verhaftet werden solle, bis Bischof Neithart entschieden hatte, wie er zu behandeln war.1503 Der Verhaftung konnte er sich aber zunächst entziehen, da es bei dem Versuch seiner Verhaftung zu einem Tumult1504 in der Stadt kam, dem der Richter nichts entgegen zu setzen vermochte.1505 Henning blieb weiterhin dabei, dass er weder katholisch werden noch auswandern müsse, sondern als Lutheraner in Teuschnitz leben dürfe.1506 Auffällig ist, dass der Widerstand Hennings in eine Zeit fiel, in der der Posten des Amtmannes vakant war.1507 Die anderen Ratsmitglieder wiederum waren, wenn sie auch in der Mehrheit bereits formal katholisch waren, offenbar nicht bereit, einen der ihren zu einer Kommunion zu zwingen bzw. für eine Ausweisung zu sorgen. Mit der Strafaktion in der Residenzstadt begann in Teuschnitz eine »heiße Phase«: In den Jahren Herbst 1596 bis Frühsommer 1598 wurden die Einstellungsbefehle in Teuschnitz häufig durch unterschiedliche Amtsträger wiederholt, zudem immer wieder gezielte Maßnahme gegen einzelne Personen

1501 1502 1503 1504 1505 1506 1507

Nr. 191/29 I Konrad Horchler, Schulmeister von Teuschnitz an Fiskal Johann Wolf und den Geistlichen Rat, 23. Juni 1598). StABa B 49 Nr. 191/29 I Kommunikantenverzeichnis der Pfarrei Teuschnitz von Johannes Ammon, 9. September 1596. Nicht bekannt ist, wie viele Ratsmitglieder der Teuschnitzer Rat insgesamt hatte. StABa B 49 Nr. 191/29 I Kommunikantenverzeichnis der Pfarrei Teuschnitz von Johannes Ammon, 9. September 1596. AEB Rep. I Nr. 735 fol. 75v, 13. September 1596. Zur Definition des Begriffes Tumult und dessen Verlauf s. Kapitel 6.4. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johannes Ammon, Pfarrer und Niclas Georg, Richter von Teuschnitz an Bischof Neithart, 1. Oktober 1596. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 »einfeltiger furschlag wie das ambt theuschnitz zur catholischen religion khönde angewißeen und gebracht werden« (von Johannes Ammon, Pfarrer in Teuschnitz), 4. Oktober 1596. Ebd.

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durchgeführt. Im Folgenden sollen die einzelnen Elemente dieser Entwicklung geschildert werden. Ende September 1596 sollten die vier Teuschnitzer Viertelmeister verhaftet werden, die bereits zweimal versprochen hatten, katholisch zu werden, doch auch dieses scheiterte wie die Verhaftung von Matthes Henning an einem einsetztenden Tumult.1508 Im Herbst 1596 wurde der bischöfliche Rat Onuphrius von Bellheim nach Teuschnitz abgeordnet, um auf die Teuschnitzer Untertanen einzuwirken und die vakante Stelle des Amtmannes interimsweise auszufüllen.1509 Nur wenige Tage nach seiner Ankunft am 5. November berichtete er nach Bamberg, dass er vergeblich versucht habe, die Gemeinde und die Viertelmeister zur Kommunion zu bewegen, stattdessen sei ein Tumult ausgebrochen.1510 Die große Mehrheit der Teuschnitzer war bisher nicht zum katholischen Glauben übergetreten.1511 Mittlerweile ignorierten die Einwohner von Teuschnitz also schon mehr als zweieinhalb Jahre die bischöflichen Aufforderungen. Neithart trug seinem Gesandten daraufhin auf, er solle die Protestanten noch ein weiteres Mal vorladen, sie ermahnen und, wenn nötig, strafen, wobei diese Strafen nicht näher spezifiziert werden.1512 Außerdem sollte er versuchen, durch geheime Mund-zu-Mund-Propaganda den Anteil der Katholiken unauffällig zu steigern.1513 Zu diesem Zeitpunkt war in Teuschnitz bereits mehrere Male damit gedroht worden, Protestanten auszuweisen.1514 Auffällig ist, dass diese Tatsache überhaupt keinen Effekt auf das Verhalten der Teuschnitzer gehabt zu haben scheint. Zudem realisierten die Teuschnitzer, dass die bischöflichen Beamten zu schwach waren, um gegen einen Tumult anzukommen.1515 Von Bellheim berichtete am 29. November 1596 ein weiteres Mal, dass er die lutherischen Teuschnitzer vorgeladen und ihnen angedroht habe, dass sie mit einer Ausweisung zu rechnen hätten, wenn sie weiterhin ihrer Konfession an1508 Ebd. Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz und Niclas Georg, Richter von Teuschnitz an Bischof Neithart, 1. Oktober 1596. 1509 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 77v, 5. Oktober 1596. 1510 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Onuphrius von Bellheim an Bischof Neithart, 10. November 1596. 1511 Ebd. 1512 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 83v, 15. November 1596. In Teuschnitz gab es 128 Haushalte (s. Kapitel 4.1.1). Geht man davon aus, dass bei den Maßnahmen in der Regel der Haushaltsvorstand antreten musste und zudem von der Gesamtsumme einige Personen als Katholiken (etwa die meisten Ratsmitglieder) abgezogen werden können, erscheint es durchaus möglich, dass man »alle« Protestanten gleichzeitig oder auch einzeln vorladen konnte. 1513 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Bischof Neithart an Onuphrius von Bellheim, 16. November 1596. 1514 S. Kapitel 5.3.4. 1515 S. Kapitel 6.4.

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hingen. Diese Drohung führte zu keinem Ergebnis. Von Bellheim glaubte sogar, dass die Teuschnitzer heimlich von einer auswärtigen Macht unterstützt würden, weil er sich sonst ihre konstante Verweigerung, den katholischen Glauben anzunehmen, nicht erklären konnte.1516 In diesem Zusammenhang äußerte von Bellheim auch, dass es durchaus problematisch sei, wenn Leute nach Bamberg zitiert würden und dies einfach ignorieren könnten, ohne dass Konsequenzen aufträten.1517 Schon die Analyse der Maßnahmen hatte gezeigt, dass ein Großteil der Ineffektivität bei der Rekatholisierung daher rührte, dass die bischöflichen Befehle bei den örtlichen Beamten versickerten und gleichzeitig aus Bamberg zu wenig Druck gemacht wurde, damit die örtlichen Amtsträger sich um die Befehle kümmerten. Die Aussage des bischöflichen Gesandten macht deutlich, dass diese Tatsache sich nicht allein aus der Retrospektive ergibt, sondern den Zeitgenossen durchaus bewusst war. Obwohl von Bellheim Bischof Neithart eindrücklich auf das verheerende Signal hinwies, das von nicht ausgeführten Drohungen ausging, veränderte sich auch in der Folge nichts an dieser Praxis. Der nächste Schritt in der langen Reihe von Einstellungsbefehlen und Verweigerung derselben ist ein Mandat Bischof Neitharts vom 20. Dezember 1596: Er wies nachdrücklich auf das ihm anvertraute Seelenheil hin, das alle seine Untertanen erreichen sollten. Er ermahnte alle Lutheraner, innerhalb der nächsten drei Monate zum katholischen Glauben (angezeigt durch Beichte und Kommunion) zu wechseln, andernfalls würde er für die Ausweisung sorgen.1518 Der Teuschnitzer Pfarrer kam der Aufforderung nach Einsendung einer Kommunikantenübersicht nicht nach.1519 Die weitere Entwicklung zeigte allerdings, dass sich wenige bis gar keine Personen auf Grund dieser Aufforderung zum katholischen Glauben einfanden. Die ersten Monate des Jahres 1597 blieben in Teuschnitz ruhig. Erst im Juni dieses Jahres setzte Bischof Neithart weitere Maßnahmen ins Werk: Er schickte den Kastner von Kronach während der Abwesenheit des Kronacher Hauptmanns nach Teuschnitz, um die dortigen Bewohner zu ermahnen, zur Kom-

1516 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Onuphrius von Bellheim an Bischof Neithart, 29. November 1596. Es wäre durchaus nicht ungewöhnlich, auswärtige Hilfe anzufordern, vgl. etwa die Eingriffe des Sachsen-Coburger Herzogs Johann Casimir bei der Rekatholisierung der bambergischen Pfarreien Marktgraitz und Marktzeuln (Dippold, Konfessionalisierung, S. 185 – 189). Entsprechende Nachforschungen im Staatsarchiv Coburg lieferten indes keine Hinweise darauf. Auch für unterstützende Maßnahmen seitens Brandenburg-Kulmbachs konnten im Staatsarchiv Bamberg keine Hinweise aufgefunden werden. 1517 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Onuphrius von Bellheim an Bischof Neithart, 29. November 1596. 1518 StABa B 49 Nr. 191/29 I Schreiben Bischof Neitharts vom 20. Dezember 1596. 1519 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 522 Verordnung vom 9. Mai 1597.

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munion zu kommen.1520 Eigentlich hatten die Teuschnitzer nach Kronach kommen sollen und nicht umgekehrt, doch waren sie mit einer Reihe von Begründungen (andere Pflichten, Befehl zu kurzfristig etc.) diesem Befehl nicht nachgekommen.1521 In Teuschnitz selbst war der Amtmann ebenfalls abwesend.1522 Die Kronacher Beamten konnten aber nichts ausrichten. Da es zu einem Tumult kam, mussten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Sie appellierten an Neithart, wie wichtig es ob der Signalwirkung sei, dass die Beteiligten bestraft würden, denn sonst wäre nichts mehr zu hoffen für Teuschnitz.1523 Neithart allerdings befahl, dass zunächst nur der alte Schulmeister ergriffen werden sollte, den er als Anführer auszumachen glaubte; dieser sollte befragt werden, wer seine »Mitkomplizen« seien.1524 Dann erst sollten nach und nach die anderen »Rädelsführer« ebenfalls in Haft kommen.1525 Der Effekt dieser Maßnahme hielt sich in Grenzen: Die Teuschnitzer weigerten sich weiterhin, die Kommunion einzunehmen.1526 Im November 1597 erhielt der Amtmann erneut einen Befehl aus Bamberg, die konfessionellen Abweichler zur Kommunion zu ermahnen. Wenn sich die Stadtbewohner weigerten, sollte ihnen mit der Androhung von körperlicher Züchtigung auferlegt werden, innerhalb von acht Tagen fortzuziehen.1527 Daraufhin erklärte eine Gruppe, sich einzustellen, die andere, auswandern zu wollen: »darauf sich ettliche erklerrett auch hantt gebendt angelobt innerhalb 8 tagen zu der christlichen catholischen religion gehorsam sich einzustellen hergegen aber ettliche iedoch diß mehrer teils sich erbottenn und angelobt nach bemeltter zeitt als innerhalb 8 tagen aus euer fürstlichen gnaden stifft sich zu begeben«.1528 1520 StABa B 49 Nr. 191/29 I Adam Greitzus, Kastner von Kronach an Bischof Neithart, 18. Juni 1597. 1521 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Bambergische Untertanen und Bürger zu Teuschnitz an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 13. Juni 1597. 1522 StABa B 49 Nr. 191/29 I Adam Greitzus, Kastner von Kronach an Bischof Neithart, 18. Juni 1597. Der Teuschnitzer Amtmann entschuldigte sich damit, dass er in einer Vormundschaftsangelegenheit nach Rothenkirchen gehen musste (StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Neithart, 18. Juni 1597). 1523 StABa B 49 Nr. 191/29 I Adam Greitzus, Kastner von Kronach an Bischof Neithart, 18. Juni 1597. 1524 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 118v, 21. Juni 1597. 1525 StABa B 49 Nr. 191/29 I Bischof Neithart an Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz und Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 22. Juni 1597. 1526 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 28. Juli 1597. 1527 Ebd. Hieronymus von Würtzburg, Amtmann und Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 15. November 1597. 1528 Ebd.

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Diese Aufforderung scheint vor Ort von den Menschen als gravierender eingeschätzt worden zu sein als die vorherigen, da dies der einzige Befehl zur Kommunionseinnahme ist, der in der Reichskammergerichtsklage explizit genannt wird.1529 Bei dieser Gelegenheit zeigte sich, wie die Teuschnitzer auch in scheinbar ausweglosen Situationen Aufschub erreichen konnten: Diejenigen, die nach acht Tagen auswandern wollten, baten beim Amtmann darum – weil acht Tage zu kurz seien, um wegzuziehen – dass er die Frist verlängern möge. Darauf wollten Amtmann und Priester sich zwar eigentlich nicht einlassen, da schließlich schon seit sehr viel längerer Zeit klar gewesen sei, dass die Entscheidung Konversion oder Emigration irgendwann getroffen werden musste. Dennoch erlaubten sie den Betroffenen, innerhalb von einer Woche eine Supplikation abzufassen.1530 Dieser Aufschub hatte freilich genau die entgegengesetzte Wirkung des ursprünglich Intendierten, da die Teuschnitzer die gewonnen Tage nutzten, um gemeinsam mit den umliegenden Dörfern einen Tumult zu organisieren für den Fall, dass der bischöfliche Befehl umgesetzt werden würde: »nun mehro nitt allein dieselben (=die, die zugesagt hatten, fortzuziehen, H. B.) sondern auch dijenigen so innerhalb 8 tagen sich einzustellen zugesagt mit den dorffschafften von neuem eine conspiration und pund gemacht sich nit einzustellen auch nit fortzuzihen, sondern do einer oder mehr aus ihnen gefenglich eingezogen wurde denselben aus E[uer] F[ürstlicher] G[naden] fronfesten im ambtshaus mit einem gewalt widerum nit alein zunehmen sondern auch beede knecht als statt und landknecht ganz und gar dodt zuschlagen«.1531

Bischof Neithart war offenbar nicht länger gewillt, die Kommunionsverweigerung der Teuschnitzer weiter zu dulden und verschärfte die Drohungen. Zwei Wochen später, also Ende November, übermittelte Neithart weitere Befehle, wie die Verweigerer zu behandeln waren: Amtmann und Priester sollten alle, die bereits im Verlauf der letzten Jahre das Versprechen gegeben hatten, katholisch zu werden, täglich an ihre Zusage erinnern, besonders die Ratsmitglieder. Bei Verweigerung war die Ausweisung auszusprechen. Wer sich weigerte, in der Folge zu emigrieren, sollte in Haft genommen werden. Außerdem sollte darüber hinaus allen Protestanten angedroht werden, dass Neithart ihnen die Allmende sperren würde, wenn sie weiterhin protestantisch blieben.1532 Es gibt keine Hinweise darauf, wie der Amtmann diese Befehle ausgeführt hat. Zum Osterfest des folgenden Jahres (22. März 1598) zeigte sich jedenfalls, dass 1529 BayHStA Reichskammergericht Nr. 496 Quadrangel 3. S. Kapitel 6.5. 1530 StABa B 49 191/29 I Hieronymus von Würtzburg, Amtmann und Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 15. November 1597. 1531 Ebd. 1532 StABa B 49 Nr. 191/08 Bischof Neithart an Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz, 29. November 1597; StABa B 49 Nr. 191/29 I Bischof Neithart an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 29. November 1597.

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die Maßnahmen des vorangegangenen Winters bisher nicht erfolgreich gewesen waren. Vielleicht hofften die Teuschnitzer auf Speyer, wo sie im Laufe dieses Jahres Klage gegen Bischof Neithart einreichten.1533 Am 2. April befahl Bischof Neithart, dass alle Protestanten, besonders die noch protestantischen Ratsherren, zu Pfingsten (10. Mai) die Kommunion einnehmen müssten.1534 Tatsächlich erschienen zu diesem Termin 30 Teuschnitzer.1535 Parallel dazu erließ Neithart ein weiteres hochstiftweit ausgehendes Mandat, das alle Protestanten zur Annahme des katholischen Glaubens aufforderte. Pfarrer Zweidler sollte zudem von den Übertretern des Mandats aufschreiben, was »derselben tauff- und zunamen was ihre handthierung und von jedem zuhoffen«.1536 Die auf Pfingsten folgenden zwei Maiwochen entwickelten sich zum entscheidenden Wendepunkt in Teuschnitz. Vier Tage nach dem Pfingstsonntag meldete Zweidler nach Bamberg, dass auch die anderen Bürger versprochen hatten, sich am darauf folgenden Sonntag zur Kommunion zu begeben: »alhier so viell dero noch hinterstellig und bishero im ungehorsam verharret bey verlierung ihrer haab und guetter mit handtgebenden treuen promittiert das sie uff nechstkunfftigen sontag trinitatis (17. Mai, H. B.) sich gewisslich gehorsam wöllen einstellen«.1537 Bis auf zwei Personen nahmen alle männlichen Teuschnitzer die Kommunion an diesem Sonntag ein.1538 Wenn man die bisher untersuchten Jahre noch einmal Revue passieren lässt, kann man zwei Phasen unterscheiden: In den Jahren 1594 – 96 ging es in Teuschnitz vor allem um die Durchsetzung des Ehemandates. Dieses gelang aber nicht umfassend. Ab der zweiten Jahreshälfte 1596 begannen die Maßnahmen, die alle Stadtbewohner betrafen und die über zwei Jahre verstärkt wurden. Nach einer langen Reihe von Verweigerungen kamen die allermeisten Teuschnitzer Bürger (aber nicht die Frauen und nicht das Dienstpersonal) im Mai 1598 erstmals zur Kommunion. Ein beständiges Motiv der vier Jahre war zudem die Klage der Neu-Katholiken, dass sie von den anderen verspottet würden.1539 Auffällig ist zudem, dass 1533 S. u. Kapitel 6.5. 1534 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 25r, 2. April 1598. 1535 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 14. Mai 1598. 1536 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 522 Religionsmandat Bischof Neitharts, 4. Mai 1598. 1537 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 14. Mai 1598. 1538 StABa B 49 Nr. 191/29 I Amtmann, Bürgermeister, Richter, Pfarrer und Stadtschreiber von Teuschnitz an Bischof Neithard, 18. Mai 1598. 1539 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Konrad Thimblich, Bürger zu Teuschnitz an Bischof Neithart, 1596 (ohne genaues Datum); ebd. Kunegundt Hoffmann an

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Konvertiten der ersten Stunde das Gefühl hatten, benachteiligt zu sein, da sie sehen konnten, dass der »Ungehorsam« der anderen nicht geahndet wurde.1540 Entsprechend wurde ein häufiges Argument bei der Verfolgung der letzten Protestanten, dass zu befürchten sei, dass andere (nämlich solche, die erst kurz zuvor den Glauben gewechselt hatten) wieder rückfällig werden könnten, weil sie sähen, dass es ginge.1541 Dieses Argument blieb über die Jahre konstant. Generell waren die Frauen ausdauernder in der Verweigerung der Kommunion. Offenbar ging die bischöfliche Verwaltung stillschweigend davon aus, dass sich die Frauen automatisch zum katholischen Glauben einfanden, wenn ihre Männer dazu bereit waren.1542 Speziell in Teuschnitz waren gemeinsam mit den Männern erst 37 Frauen zur Kommunion gekommen.1543 Möglicherweise beruhte dieses Verhalten auf einer innerfamiliären Absprache zur Rettung der lutherischen Existenz der Familie.1544 In den nächsten Jahren hatte der Teuschnitzer Priester mit drei Personengruppen zu kämpfen, die lutherisch blieben: Frauen, Dienstboten und einzelne Männer. Im Folgenden werden in erster Linie die einzelnen noch lutherischen Männer dargestellt werden. Über das Verhalten der Frauen und Dienstboten ist in der Folgezeit kaum etwas überliefert worden. Gelegentlich wird aber deutlich, dass die Dienstboten auch weiterhin ein Problem darstellten. Sie blieben häufig lutherisch und gegen Maßnahmen umempfänglich, weil sie in ihren Dienstverhältnissen hin- und her wechselten. Da Teuschnitz in der Nähe vieler lutherischer Orte lag, ließ sich unmöglich verhindern, dass die Dienstboten sowohl in katholischen und als auch in evangelischen Orten in den Dienst traten.1545 Da Neithart überzeugt war, nun die männliche Bevölkerung in Teuschnitz rekatholisiert zu haben, erging Mitte Juni 1598 der Befehl, dass sich der Pfarrer

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Bischof Neithart, 18. Juli 1596; StABa B 49 Nr. 191/29 I Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Neithart, 15. November 1597. Unklar muss bleiben, inwiefern dieser Vorwurf, der auch in anderen Orten häufig vorkam, dazu genutzt wurde, selbst wieder vom katholischen Glauben zum Luthertum zu wechseln. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Wolfgang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 13. Februar 1596. So hatten wohl einige Stadtbewohner über das Auslaufen von Niclas Zweidler geäußert: »wenn man des pfarherrs son also thu hin gehen lassen und thu in nicht straffen, so wollns widerumb lutherisch werden.« (StABa B 49 Nr. 191/29 I Adam Graitzus, Kastner von Kronach an Bischof Neithart, 18. Juni 1597). StABa B 49 Nr. 191/29 I Pfarrer, Richter und Stadtschreiber von Teuschnitz an Bischof Neithart, 5. Juni 1598. Dippold, Konfessionalisierung, S. 363. StABa B 49 Nr. 191/29 I Pfarrer, Richter und Stadtschreiber von Teuschnitz an Bischof Neithart, 5. Juni 1598. So Herzig für Frauen in südwestdeutschen weltlichen Territorien. Dies könnte auch für Franken gelten. (Herzig, Zwang, S. 167). AEB Rep. I Pf.A. 569 Generalvisitationen 1603 – 1617 unter Weihbischof Dr. Friedrich Förner.

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und die Beamten vor Ort mehr auf die Frauen konzentrieren sollten.1546 Unklar bleibt, mit welchen Mitteln der Priester vorgehen sollte. Er selbst regte an, dass alle Ratsmitglieder mit 100 Gulden bestraft werden sollten, deren Frauen nicht zu Weihnachten 1598 zu Beichte und Kommunion kamen.1547 In diesem Fall wäre also kein direkter Druck auf die Frauen ausgeübt worden, sondern auf die Männer. Zu Beginn des Jahres 1600 erging auch unter dem neuen Bischof Johann Philipp der Befehl »fürnemblich aber die weibs personen« endlich zur katholischen Konfession zu bringen.1548 Was die letzten männlichen Protestanten betrifft, ist unklar, ob der Sohn des ehemaligen Prädikanten, Niklas Zweidler, bei Beichte und Kommunion war. Einerseits meldete der Schulmeister Konrad Horchler, dass er es nicht gewesen sei,1549 andererseits wurde Zweidler Mitte Mai von dem Priester nicht als »unkatholisch« aufgeführt. Da die beiden miteinander verwandt waren und sich folglich persönlich kannten, wäre eine Abwesenheit Niclas Zweidlers aufgefallen. Nach dem Maiumschwung berichteten die lokalen Beamten von fünf ungehorsamen Männern, von denen zwei namentlich bekannt waren: der Wirt Hans Brunner und das Ratsmitglied Hans Repuhn. Diese beiden stellten sich im Mai 1598 nicht zur katholischen Konfession ein.1550 Bei den beiden Männern lässt sich der Kreislauf von Kommunionssaufforderung, Kommunionsverweigerung und anschließender Strafe mit erneuter Aufforderung noch eine Weile verfolgen. Brunner wurde noch im Mai 1598 eine Strafe von 200 Gulden auferlegt, weil er nicht vor den bischöflichen Beamten erscheinen wollte und obwohl er angekündigt hatte, dass er abziehen würde, setzte er dies nicht in die Tat um.1551 Ob er tatsächlich zahlte, geht aus den Quellen nicht hervor. Ähnlich gestaltete es sich bei Hans Rephuhn, er erhielt im Mai 1598 eine Geldstrafe, aber weigerte sich, diese zu zahlen oder sich statt dessen in Haft nehmen zu lassen.1552 Interessant ist die Frage, woher diese beiden Männer die Stärke nahmen, den bischöflichen Maßnahmen und dem zunehmenden Gemeinschaftszwang so lange stand zu halten. Bei Hans Rephuhn rührte sein Durchhaltevermögen möglicherweise von 1546 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 46v, 15. Juni 1598. 1547 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Johann Wolf, 5. Dezember 1598. Es gibt keinerlei Hinweise, dass dieser Vorschlag in die Tat umgesetzt wurde. 1548 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 537 Bischof Johann Philipp an Johann Zweidler, Pfarrer und Hiernoymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz, 28. Januar 1600. 1549 StABa B 49 Nr. 191/29 I Konrad Horchler, Schulmeister von Teuschnitz an Fiskal Johann Wolf, 23. Juni 1598. 1550 Ebd. Amtmann, Bürgermeister, Richter, Pfarrer und Stadtschreiber an Bischof Neithart, 18. Mai 1598. 1551 Ebd. 1552 Ebd.

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seiner Familienbindung: Er war der Schwiegersohn des ehemaligen lutherischen Prädikanten Zweidlers.1553 Dass ihr Widerstand möglich war, illustriert deutlich, dass der Teuschnitzer Amtmann nicht mit vollem Einsatz gegen sie vorging. Im Juni 1598 befahl Neithart, sie zu verhaften und erst nach einer Entscheidung für die Kommunion oder Emigration freizulassen: »auch ihrer keinen nit von statten lassen bis sie zugesagt und gnugsam verbürgt haben in kurzer zeit die ihr ihnen ernennen werdet unser stifft zu raumen oder aber gepurenden gehorsamb wie andere zu leisten«.1554 Offensichtlich blieb immer die Möglichkeit, auch nach langem Widerstand immer noch zur katholischen Konfession übertreten zu können. Die beiden Männer wurden verhaftet, aber nach wenigen Tagen wieder freigelassen. Sie hatten versprochen, innerhalb weniger Tage zur Kommunion zu kommen, aber unter der Bedingung, dass man ihnen ihre Geldstrafe erlassen würde. Andernfalls wollten sie das Stift verlassen.1555 Der Bamberger Bischof war offensichtlich nicht überzeugt, dass dieses Versprechen eingehalten würde, denn binnen weniger Tage erging der Befehl, dass die beiden erneut verhaftet und nach Kronach gebracht werden sollten. Der Hauptmann von Kronach wiederum wurde explizit darauf hingewiesen, die beiden in Haft zu behalten.1556 Der Arrest dauerte insgesamt vier Wochen. Dann erst boten die beiden an, für die Freilassung die Kommunion einzunehmen. Der Hauptmann von Kronach unterstützte dieses Ansuchen und erinnerte seinerseits an ihre widrigen Haftbedingungen.1557 Sie wurden freigelassen mit der Auflage, innerhalb von vier Wochen mit ihrer Familie die Kommunion einzunehmen.1558 Auffällig erscheint an dieser Stelle, dass Beichte und Kommunion nicht direkt in der Haft erfolgten. Vermutlich war es wichtiger, dass die beiden, die als »renitente Ungehorsame« bekannt waren, sich für alle Gemeindemitglieder sichtbar in ihrer eigenen Gemeinde zum katholischen Glauben bekannten. Als zusätzliche Motivation sollte den beiden die Strafe von jeweils 100 Gulden erlassen werden, sobald der Konfessionswechsel erfolgt war.1559 Hans Rephuhn kam innerhalb der Frist zur Kommunion, Hans Brunner wiederum gab vor, nach

1553 Ebd. Pfarrer, Richter und Stadtschreiber von Teuschnitz an Bischof Neithart, 5. Juni 1598. 1554 Ebd. Bischof Neithart an Pfarrer, Amtmann, Bürgermeister und Richter von Teuschnitz, 3. Juni 1598. 1555 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Pfarrer, Bürgermeister und Stadtschreiber an Bischof Neithart, 23. Juni 1598. 1556 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 49r, 26. Juni 1598. 1557 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach an Bischof Neithart, 7. Juli 1598; ebd. Hans Brunner und Hans Rephuhn an Bischof Neithart, 1598 (ohne genaues Datum). 1558 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 57r – 57v, 17. Juli 1598. 1559 Ebd.

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Bamberg gehen zu wollen, weil er in Teuschnitz nicht kommunizieren wolle.1560 Rephuhns Frau (also die Tochter des ehemaligen Prädikanten) hatte sich aber immer noch nicht zum katholischen Glauben bereit gefunden, ihre beiden Schwestern auch nicht. Daher, so der Priester, wäre es besser gewesen, den Ehemann in Haft zu lassen.1561 Die Entscheidung der beiden Männer hatte offensichtlich auf dem Druck der Verhältnisse beruht. In der Folgezeit überlegten sie, ob sie nicht doch noch auswandern sollten.1562 Zu Ostern 1600 hatten sie sich nicht zu Beichte und Kommunion eingefunden, worauf ihnen der Amtmann eine Frist von vier Wochen einräumte, dies nachzuholen oder auszuwandern.1563 Die Spur Brunners verliert sich in der Folge. Hans Rephuhn kam gemeinsam mit seiner Frau im Jahr 1602 zu Beichte und Kommunion, eine vorausgegangene Geldstrafe von 50 Gulden wurde ihm daraufhin erlassen und es war anscheinend, wie der Fiskal bemerkte »ex saulo paulus worden«.1564 Betrachtet man die Episode um die beiden Teuschnitzer Männer Brunner und Rephuhn, lassen sich vier wichtige Erkenntnisse ableiten. Zum einen war es für Einzelpersonen schwierig geworden, den bischöflichen Rekatholisierungsmaßnahmen stand zu halten. Der Druck auf die beiden wurde konstant aufrecht erhalten. Die zweite wichtige Erkenntnis besteht darin, dass die Auswahl zwischen Konversion und Emigration praktisch uneingeschränkt gültig blieb. Die beiden Männer kamen nie an den Punkt, an dem sie ausgewiesen wurden mit der Begründung, dass sie niemals zu Katholiken würden. Zudem zeigte sich drittens wieder, dass der bischöfliche Druck durch das Verhalten der örtlichen Beamten abgeschwächt wurde. Da es offenbar vor Ort nicht möglich war, die beiden länger in Haft zu behalten, wurde der Hauptmann von Kronach eingeschaltet. Der vierte wichtige Punkt betrifft die Gültigkeit der Kommunion für die Zukunft. Die beiden Männer zogen aus einer einmalig eingenommen Kommunion nicht den Schluss, dass es sich um eine bindende Zeremonie gehandelt habe, die ihren Konfessionsstand für die Zukunft festgeschrieben hatte. Trotz der Kommunion überlegten sie weiterhin, ob sie doch noch ausziehen sollten, im folgenden Jahr ließen sie die Kommunion aus. Was den letzten Punkt betrifft, unterschied sich die Einstellung der beiden Männer offenbar nicht von der der anderen Teuschnitzer. Nach Neitharts Tod 1560 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Johann Wolf, 19. August 1598. 1561 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Johann Wolf, 23. August 1598. 1562 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 18. Februar 1600. 1563 StABa B 49 Nr. 191/29 II Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 24. April 1600. 1564 Ebd. Fiskal Michael Speth an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 19. Juni 1602.

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zeigte sich in Teuschnitz, dass viele Einwohner, die 1598 zur Kommunion gekommen waren, dieses weder als endgültig verstanden hatten noch als jährliche Pflicht. Im April 1599 erschienen viele Teuschnitzer nicht zur Osterkommunion.1565 Insgesamt kamen nur 21 Personen zur Kommunion. Außerdem vermutete der Priester, dass die Ratsherren zwar formal katholisch geworden waren, aber dennoch nicht vollständig den lutherischen Ideen abgeschworen hatten.1566 Trotz eingehender Kommunionsaufforderungen seitens des neuen Bischofs Johann Philipp war in Teuschnitz auch bis zum Michaelstag (29. September) in diesem Jahr keine weiteren Personen zu Beichte und Kommunion erschienen.1567 Bischof Johann Philipp forderte daraufhin jeden Untertan in Teuschnitz auf, zur Kommunion zu erscheinen. Dafür setzte er eine Frist von 14 Tagen, sollte diese nicht eingehalten werden, wollte er benachrichtigt werden, um entsprechende Strafen in die Wege leiten zu können.1568 In der Folge kamen zu Ostern 1600 sowohl viele Teuschnitzer Bürger als auch deren Frauen zur Kommunion.1569 Bis die jährliche Einnahme der Kommunion in der Osterzeit als etabliert gelten konnte, vergingen noch einige Jahre. 1602 waren nicht alle zur Kommunion erschienen. Gleichwohl äußerte sich der Priester zufrieden über die Menge der Gottesdienstbesucher.1570 Auch im folgenden Jahr kamen nicht alle zur österlichen Kommunion, trotz Ermahnungen und Strafandrohungen.1571 Allerdings machte der Priester in seinen Briefen stets deutlich, dass es sich bei diesen Menschen nicht mehr um Lutheraner handelte, sondern um formale Katholiken, die grundsätzlich schon mindestens einmal bei der Kommunion gewesen seien. Daraus lässt sich schließen, dass sich bis dahin kein Verständnis dafür entwickelt hatte, dass es sich bei der Kommunion um eine jährliche Pflicht handelte. Drei Jahre später 1606 wird deutlich, dass es sich hier nicht um eine lineare, sondern eine spiralförmige Entwicklung handelte. In diesem Jahr kam nur, wie der Priester angab, ein Zehntel der Gemeindemitglieder zur Kommunion. Dabei bot er selbst eine Reihe von Gründen an: Der neue Kalender war noch nicht 1565 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 18. April 1599. 1566 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 15. Mai 1599. 1567 StABa B 49 Nr. 191/29 II Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 10. Oktober 1599. 1568 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 537 Bischof Johann Philipp an Johann Zweidler, Pfarrer und Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz, 28. Januar 1600. 1569 StABa B 49 Nr. 191/29 I Pfarrer, Richter und Bürgermeister von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 5. April 1600. 1570 StABa B 49 Nr. 191/29 II Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 27. Juni 1602. 1571 Ebd. Generalvikar Christoph Schlüsselfelder an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 24. Mai 1603.

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verinnerlicht worden und es habe keinen Osterbefehl gegeben, der die Untertanen an die Kommunion erinnert hätte. Von Rat, Bürgermeister, Schultheiss, Dorf- und Heiligenmeister seien insgesamt nur zwei Personen gekommen; der Pfarrer forderte einen Befehl, dass er sie ermahnen dürfe und dass diejenigen, die zwei oder drei Jahre nicht bei der Kommunion waren, nach Bamberg vor das Vikariatsgericht zitiert würden, damit ein abschreckendes Exempel statuiert werden könnte.1572 Der verlangte Befehl1573 scheint seine Wirkung entfaltet zu haben, denn bis zum Frühsommer des gleichen Jahres gingen insgesamt 406 Personen1574 zur Kommunion.1575 Auch der neugewählte Bischof Johann Gottfried (reg. 1609 – 22) musste sich mit einigen Kommunionsverweigerern in Teuschnitz beschäftigen. Zwar waren in seinem Antrittsjahr 1609 die meisten Teuschnitzer bei Beichte und Kommunion gewesen, aber einige zeigten sich noch »rebellisch und ketzerisch«,1576 dies wollte der neue Bischof von Anfang an strafen. Zweidler sollte ein neues Kommunionsmandat erhalten und die Mandatsübertreter nach Bamberg melden.1577 Johann Gottfried fokussierte sich wie Neithart gezielt auf die einzelnen Personen, die ihm als »Ungehorsame« gemeldet wurden. Die namentlich bekannten Protestanten Michael Sauerwein und Endres Hainla erhielten eine Frist von vier Wochen zur Kommunionseinnahme oder Auswanderung. Falls sie nicht abziehen wollten, sollten sie in Haft kommen und erst wieder freigelassen werden, wenn sie verbürgten, dass sie innerhalb von 14 Tagen abzögen.1578 Im Gegensatz zu Neithart war bei Johann Gottfried also die Möglichkeit der Konversion nicht zeitlich unbegrenzt gegeben. Nur wenige Wochen darauf ging Sauerwein zur Kommunion, während Hainla zusagte, innerhalb von vier Wochen abzuziehen. Der Priester bilanzierte zufrieden den Stand der Rekatholisierung: »also dz nun mehro alhier in der statt undt pfarr teuschnitz niemandt mehr als ein plindter mensch mit nahmen andreß hainla zu teuschnitz, welcher in vier wochen wegk zu ziehen zugesagt und die andern in gedachtem dorff sümmerroda (=Marienroth, H. B.) in irthum

1572 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Johann Schöner, 26. März 1606. 1573 Ebd. Bischof Johann Philipp an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 6. Mai 1606. 1574 Es geht allerdings aus dem Zusammenhang nicht deutlich hervor, ob Zweidler nur die Stadt Teuschnitz meint oder die Pfarrei Teuschnitz inklusive der Filialen. 1575 StABa B 49 Nr. 191/29 II Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Johann Schöner, 4. Juni 1606. 1576 Ebd. Kanzler Karl Vasoldt an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 5. September 1609. 1577 Ebd. 1578 Ebd. Bischof Johann Gottfried an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 19. Oktober 1609.

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stecken«.1579 Der Widerstand gegen den Katholizismus hatte sich vollständig von der Stadt auf das Pfarrdorf verlagert. In den Folgejahren stiegen die Kommunikantenzahlen beständig an.1580 Für 1611 werden für die Stadt Teuschnitz 396 Personen aufgeführt, die zwischen Sonntag laetare (29. März) und Sonntag misericordia (5. Mai) bei der Kommunion gewesen waren.1581 16 weitere gaben an, diese am darauf folgenden Sonntag einnehmen zu wollen, vier werden explizit als Lutheraner geführt.1582 Zweidler wurde angewiesen, die vier entsprechend dem Kommunionsmandat zu behandeln.1583 Nachdem die vier 1612 noch immer als Lutheraner geführt wurden,1584 kommen sie in den Quellen nicht mehr vor, haben sich also entweder angepasst oder sind ausgewandert. Beklagt wurden aber die zahlreichen Dienstboten, die weiterhin lutherisch blieben und gegen die man quasi machtlos war, weil sie sich vor allem durch eine hohe Fluktuation auswiesen und ständig zwischen den nahen lutherischen Orten und den katholischen in ihren Dienstverhältnissen wechselten.1585 Wenn auch in den Folgejahren die Kommunion an Ostern fest im Bewusstsein der Menschen verankert war, blieben andere katholische Bräuche weiterhin außen vor. Der neue Priester Karl Zilfelder monierte, dass Beichte und Kommunion sowohl bei Schwangeren als auch kurz vor dem Tod nicht häufig in Gebrauch seien.1586 Daneben hatte er beobachtet, dass Teuschnitzer Einwohner bei ihren lutherischen Nachbarn in der Adventszeit zum Fleischessen und auch auf lutherische Hochzeiten gingen und folgerte daraus, dass sie »der catholischen religion gantz nit wahr genommen und wo man nit anders uber den gebotten der christlichen kirchen werde halten, so werde daß luderthumb baldt widerumb einreissen«.1587 1579 StABa B 49 Nr. 191/29 II Johann Zweidler, Pfarrer und Hans Georg, Richter von Teuschnitz an Bischof Johann Gottfried, 11. November 1609. 1580 Deswegen werden sie im Folgenden auch nicht mehr umfangreich verfolgt. Als Verweigerungsgrund der Kommunion wird in den folgenden Jahren nur selten das abweichende Bekenntnis angegeben, sondern es werden individuelle Hindernisse wie dringend zu erledigende Aufgaben, die Furcht vor einer Kirchenstrafe (etwa bei einer Heirat innerhalb des nahen Familienkreises oder auf Grund einer anderen kirchlich sanktionierten Tat) etc. vorgebracht. 1581 StABa B 49 Nr. 191/01 »Register der communicanten in der pfar teuschnitz anno 1611«. 1582 Ebd, 1583 AEB Rep. I Nr. 741 fol. 30r, Mai 1612. 1584 Ebd. 1585 AEB Rep. I Pf.A. 569 Generalvisitationen 1603 – 1617 unter Weihbischof Dr. Friedrich Förner. 1586 AEB Rep. I Nr. 742 fol. 272r, Dezember 1615. 1587 Ebd. fol. 143v, 18. Dezember 1614; Ebd. fol. 272r, Dezember 1615. Ein Katholik hingegen hatte die Wochen vor Weihnachten genauso wie die Wochen vor Ostern zu fasten (Brückner, Annemarie: Advent, in: LThK, Band 1, Freiburg, 1993, Sp. 171 – 173; Bieritz,

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Zudem feierten viele Teuschnitzer die alten Weihnachtsfeiertage und arbeiteten an Weihnachten nach dem neuen Kalender.1588 Auch wenn die Rekatholisierung einigermaßen geglückt schien: Vollständig konnte man den Einfluss der Teuschnitz von allen Seiten umgebenden lutherischen Nachbarn nicht ausblenden. Auch in den Folgejahren rissen die Klagen über die Missachtung katholischer Vorschriften nicht ab. Als Beispiele seien genannt das Brechen der Feiertagsruhe und der Fastgebote, die Unzucht unter dem Gesinde, Fluchen, Spielen, Feiern und nachlässiger Gottesdienstbesuch; außerdem wurden Jugendliche weiterhin für ihre Lehre an lutherische Orte geschickt.1589 Die Einhaltung der Osterkommunion wurde indes nicht mehr in Frage gestellt. Für das Jahr 1624 führte Zilfelder für die Pfarrei Teuschnitz 961 Kommunikanten und 502 Kinder auf.1590 Die Kommunikantenverzeichnisse bis 1700 zeigen bis auf wenige zumeist durch Einheiratung bedingte Ausnahmen keine Kommunionsverweigerer.1591 Im Folgenden soll die Entwicklung im Pfarrdorf Marienroth aufgezeigt werden. Anschließend erfolgt eine vergleichende Darstellung beider Orte anhand des benutzten Analyserasters. Über das kleine Pfarrdorf Marienroth, etwa 5 km von Teuschnitz enfernt und auf einer Höhe von 650 m gelegen, lassen sich nur einige Streiflichter darstellen. Zunächst scheint das Dörfchen ob der geographischen Gegebenheiten vernachlässigt worden zu sein. Bereits 1596 beklagten sich Bürgermeister und Rat der Stadt Teuschnitz, dass der neu eingesetzte Pfarrer »vom leib ein schwer person« sei und deswegen und ob der Weitläufigkeit der Pfarrei sehr selten in die Dörfer ginge.1592

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Karl-Heinrich: Das Kirchenjahr. Feste, Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegenwart, München, 62001, S. 203 f.). StABa B 49 Nr. 191/29 II Karl Zilfelder, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Wolfgang Öttlein, 5. Januar 1616. AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien fol. 314r Teuschnitz, 1624. Ebd. Als Lutheraner sind explizit aufgeführt eine Bürgerstochter, die in Rothenkirchen diente und ein Bürgersohn mit seiner Frau. Dies blieb ohne Konsequenzen, allerdings verschwanden die drei Personen in den Folgejahren von der Liste. StABa B 49 Nr. 95 I/01 »capitulum rurale chronacense 1a july anno 1629 in chronach celebratu«; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 591 »Designatio confitentium trium parochiarum teuschnitz tschirn et nordhalben«, 1644; StABa B 49 Nr. 95 I/01 »etzliche puncta welche bei vergangener visitation deß cronacher capituls observiert worden«, Juli 1654; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 596 Kommunikantenverzeichnis der Pfarrei Teuschnitz, Ostern 1663; StABa B 49 Nr. 191/01 Johann Teyber, Pfarrer von Teuschnitz über seine Kommunikanten, 1666; ebd. »communicantes parochiae teuschnicensis pro anno 1669«; ebd. Kommunikantenverzeichnisse für die Jahre 1673 – 1679, 1682, 1683, 1685 – 1687, 1690, 1699. StABa B 49 Nr. 191/29 I Bürgermeister und Rat von Teuschnitz an Bischof Neithart, 20. April 1596. Auch wenn es natürlich allgemein darum ging, den neu eingesetzten Priester in Misskredit zu bringen, erscheint der Vorwurf ob der geographischen Gegebenheiten durchaus realistisch.

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Gegenmaßnahmen

Grundsätzlich galten alle Maßnahmen, die sich auf die Stadt Teuschnitz bezogen, auch für die Filialen. Allerdings ist in den seltensten Fällen nachzuvollziehen, ob diese in Marienroth zur Ausführung gekommen sind. Maßnahmen, die sich konkret auf das Dorf bezogen, scheinen nur sporadisch vorgekommen zu sein. Bischof Neithart bestellte im September 1596 den Marienrother Schultheißen vor den Teuschnitzer Richter, wo er vor die Wahl gestellt werden sollte, entweder die Kommunion einzunehmen oder nach Bamberg kommen zu müssen.1593 Allerdings ließ dieser die Aufforderung verstreichen.1594 Bischof Neithart bestellte ihn daraufhin nach Bamberg.1595 Aus den Quellen geht aber nicht hervor, ob eine solche Reise stattgefunden hat. Erst im Sommer 1598 wurde erneut gegen die Marienrother Lutheraner vorgegangen. Die Dorfbewohner hatten gemeinsam mit Teuschnitz und anderen Filialdörfern eine Klage beim Reichskammergericht eingereicht, um die lutherische Konfession beibehalten zu können.1596 Entsprechend wollten sie sich nicht einstellen, solange der Prozess lief. Als Maßnahme gegen dieses Verhalten ordnete Bischof Neithart an, dass die gesamten Einwohner Marienroths in der Stadt Teuschnitz festgehalten wurden.1597 Da die Einnahme der Kommunion die einzige Möglichkeit war, sich aus der insgesamt vierwöchigen Haft zu befreien, ergaben sich die Marienrother zwangsweise in ihr Schicksal.1598 Allerdings empfanden sie dies nicht als bindend und hofften in den folgenden Jahren darauf, dass sie per Gerichtsurteil wieder ihren lutherischen Glauben ausüben durften.1599 Zu Ostern 1602 stellte sich in Marienroth trotz Verlesung eines Kommunionsmandats von der Kanzel und weiteren mündlichen Aufforderungen niemand ein; einige Personen besuchten stattdessen den lutherischen Ostergottesdienst

1593 StABa B 49 Nr. 191/29 I Bischof Neithart an Johann Zweidler, Pfarrer und Niclas Georg, Richter von Teuschnitz, 1. September 1596. 1594 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Niclas Georg, Richter von Teuschnitz an Bischof Neithart, 1. Oktober 1596. 1595 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 522 Bischof Neithart an Johann Zweidler, Pfarrer und Niclas Georg, Richter von Teuschnitz, 14. September 1596. 1596 S. u. Kapitel 6.5. 1597 StABa B 49 Nr. 191/29 I Amtmann, Richter und Pfarrer von Teuschnitz an Neithart, 10. August 1598. S. Kapitel 5.3.1 und Kapitel 6.5. 1598 BayHStA Reichskammergerich 496 Quadrangel 3; StABa B 49 Nr. 191/29 I Hieronymus von Würtzburg, Amtmann und Niclas Georg, Richter von Teuschnitz an Bischof Neithart, 16. September 1598. 1599 StABa B 49 Nr. 227/13 Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz und Johannes Amschler, Pfarrer von Windheim an Bischof Johann Philipp, 15. September 1601; StABa B 49 Nr. 191/ 29 I Niclas Georg, Richter von Teuschnitz an Statthalter und Räte, 22. April 1602. Mehrmals gaben die Marienrother an, sie kämen nicht zur Kommunion, da sie gehört hätten, dass in Speyer zu ihren Gunsten geurteilt worden wäre. (Einzelnachweise s. Kapitel 6.5).

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in Rothenkirchen.1600 Die Stimmung kulminierte in der Ankündigung des Marienrothers Peter Rephuhn, dass er sich dort lutherisch trauen lassen würde.1601 Daraufhin ordnete Generalvikar Schöner an, dass die Marienrother noch einmal vor Pfarrer und Richter von Teuschnitz erscheinen sollten, wo ihnen ein weiteres Mal erklärt werden sollte, dass sie ein Versprechen gegeben hätten, sich einzustellen, an das sie sich halten müssten; falls sie sich immer noch weigerten, sollte dies wieder nach Bamberg gemeldet werden.1602 Mindestens bis zum darauf folgenden Juni konnten die Marienrother dies weiter hinauszögern.1603 Die Glaubenszugehörigkeit der Marienrother änderte sich auch in den folgenden Jahren nur wenig, besonders verbreitet war das Luthertum bei Frauen und Dienstboten.1604 Als Reaktion darauf sollte Zweidler weiter ermahnen und die Namen nach Bamberg melden.1605 Diese Maßnahme führte aber nicht zu dem gewünschten Erfolg. Noch im Juni 1606 wollten weite Teile der Marienrother nicht katholisch werden.1606 Die Hoffnungen der Dorfbewohner ruhten auf dem Prozess in Speyer, was bei Generalvikar Schöner aber keinerlei Befürchtungen auslöste. Eingedenk der Einwohner des Bamberger Dorfes Döringstadt, die ihr ganzes Geld in Speyer gelassen, dort nichts erreicht und sich doch in der Mehrheit eingestellt hatten, bemerkte er »so war gott gott ist, so war werden sie zu speyer nichts erhallten«.1607 Interessant ist zudem, dass Bischof Johann Philipp bei Einhaltung des Ehemandats nicht so streng war wie sein Vorgänger Neithart. Es lassen sich mehrere Fälle fassen, bei denen er jeweils einem katholischen Mann aus Marienroth erlaubte, eine protestantische Frau zu heiraten, falls gewisse Bedingungen eingehalten würden: In einem Fall sollte die Frau zwei Bürgen und 50 Taler stellen und sich bis zum der Hochzeit folgenden Osterfest einstellen, in einem zweiten Fall wurde es dem Bräutigam übertragen, dafür zu sorgen, dass sich seine 1600 StABa B 49 Nr. 191/29 I Niclas Georg, Richter von Teuschnitz an Statthalter und Räte, 22. April 1602. 1601 Ebd. Dies wurde ihm durch den Teuschnitzer Priester verwiesen. Als er es dennoch durchführte, wurde er verhaftet und erhielt zudem eine Strafe von 50 Gulden (StABa B 49 Nr. 191/57 Bischof Johann Philipp an Niclas Georg, Richter von Teuschnitz, 23. Mai 1602). 1602 StABa B 49 Nr. 191/29 II Generalvikar Johann Schöner an Johnn Zweidler, Pfarrer und Niclas Georg, Richter von Teuschnitz, 26. April 1602. 1603 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 27. Juni 1602. 1604 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Johann Schöner, 18. Januar 1605. 1605 Ebd. Generalvikar Johann Schöner an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 21. Januar 1605. 1606 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Johann Schöner, 4. Juni 1606. 1607 Ebd. Generalvikar Johann Schöner an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 20. Mai 1606. Zu Döringstadt Dippold, Konfessionalisierung, passim.

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Gegenmaßnahmen

Ehefrau innerhalb von drei Monaten zum katholischen Glauben einfand.1608 Die Konversionen der Frauen fanden nicht statt.1609 Unter Bischof Johann Gottfried (reg. 1609 – 22) änderte sich die schwierige Situation in Marienroth zunächst nicht. Zweidler stellte ihm gegenüber im September 1609 klar, dass er das Kommunionsmandat nicht zur Ausführung gelangen lassen könnte, denn die Bewohner aller Teuschnitzer Dörfer hätten sich zusammengetan, sodass eine Einzelbefragung der Menschen nicht möglich gewesen sei.1610 Daraufhin wurde der Marienrother Schultheiß im September 1609 nach Teuschnitz bestellt und ihm bei Strafe von 100 Gulden verboten, die Gemeinde zu versammeln.1611 Im Herbst 1609 stellte Zweidler ernüchternd fest, dass es nur drei Katholiken in Marienroth gebe, das restliche Dorf sei immer noch protestantisch.1612 Daraufhin versuchte es der neue Bischof mit dem Mittel der Verhaftung, wodurch sechs Marienrother zur Kommunion gebracht wurden.1613 Gleichwohl muss es auch Katholiken im Dorf gegeben haben. Als einige der Teuschnitzer Amtsdörfer im Jahr 1609 versuchten, die Reichskammergerichtsprozesse wieder voranzubringen, beteiligte sich Marienroth nicht mehr.1614 Zudem hat der Druck der Maßnahmen offenbar gewirkt. 1610 gab Zweidler in einem Verzeichnis für Marienroth 75 Katholiken an, die in der österlichen Zeit bei Beichte und Kommunion gewesen seien, »Ungehorsame« waren 33 Personen.1615 Ein Jahr später meldete er 108 Personen, die dem Beicht- und Kommunionmandat nachgekommen seien, neun Personen, die versprochen hätten, dies am folgenden Sonntag nachzuholen und drei, die die Kommunion verweigern wollten.1616 Bis zum Ende des Jahres 1610 war in Marienroth jeder bei der Kommunion gewesen.1617 1608 StABa B 49 Nr. 191/29 II Generalvikar Johann Schöner an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 21. Januar 1605, ebd. Bischof Johann Philipp an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 11. November 1605. 1609 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Johann Schöner, 26. März 1606. 1610 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Gottfried, 11. September 1609. 1611 Ebd. Kanzler Karl Vasoldt an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 5. September 1609. 1612 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer und Hans Georg, Richter von Teuschnitz an Bischof Johann Gottfried, 11. November 1609. 1613 AEB Rep. I Nr. 740 fol. 18r, 13. November 1609. 1614 S. Kapitel 6.5. 1615 AEB Rep. I Pf.A. 570 »specification und verzeichnis aller pfarkinder in ihrer fürstlichen gnaden pfarr teuschnitz«, 1610 (ohne genaues Datum). 1616 StABa B 49 Nr. 191/01 »register der communicanten in der pfar teuschnitz anno 1611«. Von den drei Protestanten heißt es über Georg Bötz und seine Frau, dass sie zwar in Marienroth wohnen, aber Untertanen des lutherischen Ritters Christoph von Würtzburg seien; der dritte habe sich innerhalb der engen Verwandtschaft verheiratet und musste also folglich eine Kirchenstrafe fürchten.

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Dies war aber augenscheinlich nur eine Momentaufnahme, denn im Februar 1613 berichtete Zweidler nach Bamberg »wie schwerlich die parochiani wintheim und teuschnitz vonn den lutterischen kirchen abzuhaltten«.1618 Aus dem folgenden Schriftverkehr geht hervor, dass mit »Pfarrei Teuschnitz« nur die Einwohner von Marienroth gemeint waren. Gleichwohl kamen 1613 in Marienroth insgesamt 49 Kinder und Dienstboten in die Kinderlehre,1619 sodass hier ein wichtiger Grundstein für die zukünftige Katholizität gelegt werden konnte. Allerdings änderte dies nichts daran, dass die Dorfbewohner auch weiterhin zum lutherischen Gottesdienst nach Rothenkirchen gingen1620 und der neue Priester Karl Zilfelder Anfang Januar 1615 befürchtete »wo ich ihnen dan nichts widerstunde ist zue besorgen sie wurden widerumb ad luderanismum gerathen«.1621 In den zwei Folgejahren änderte sich nichts an diesem verwirrenden Bild.1622 Die Klagen über auslaufende Marienrother hörten nach 1617 schlagartig auf. In den einschlägigen Kommunikantenverzeichnissen der nächsten Jahre wurden für Marienroth keine Kommunionsverweigerer mehr geführt.1623 1644 gab es in Marienroth 76 Kommunikanten und keine Protestanten.1624 Dies änderte sich bis 1700 nicht mehr.1625 Insgesamt betrachtet bleibt die Lage in Marienroth unübersichtlich. Im Jahr 1598 mussten die meisten Dorfbewohner die Kommunion einnehmen, da sie sonst nicht aus der Haft freigekommen wären. Allerdings zeigte sich in den Folgejahren, dass die meisten von ihnen dies nicht als bindend verstanden hatten. Sie blieben der österlichen Kommunion fern, liefen aus und hofften darauf, dass das Reichskammergericht zu ihren Gunsten urteilte. In der Regie1617 AEB Rep. I Nr. 740 fol. 181v – 182r, November 1611. 1618 AEB Rep. I Nr. 741 fol. 90r, 21. Februar 1613. 1619 StABa B 49 Nr. 191/29 II »examen so in der kinderlehr der pfar teuschnitz von herrn Johann Zweidlern pfarhern doselbsten anno 1613 gehalten worden«. 1620 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Wolfgang Öttlein, 22. April 1613; AEB Rep. I Nr. 742 fol. 57v, 28. November 1613. 1621 StABa B 49 Nr. 191/29 II Karl Zilfelder, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Wolfgang Öttlein, 10. Januar 1615. 1622 AEB Rep. I Nr. 743 fol. 44r, 28. Juli 1616; ebd. fol. 202v, 19. Juli 1617. 1623 AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien fol. 314r Teuschnitz, StABa B 49 Nr. 95 I/01 »Defectus emendandi in Capitulo rurali cronacensi anno (19. Juli) 1627«; ebd. »capitulum rurale chronacense 1a july anno 1629«. 1624 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 591 »designatio confitentium trium parochiarum teuschnitz tschirn et nordhalben«, 1644. 1625 Ebd.; StABa B 49 Nr. 95 I/01 »etzliche puncta welche bei vergangener visitation deß cronacher capituls observiert worden«, Juli 1654; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 596 Kommunikantenverzeichnis der Pfarrei Teuschnitz, Ostern 1663; StABa B 49 Nr. 191/01 Johann Teyber, Pfarrer von Teuschnitz über seine Kommunikanten, 1666; ebd. »communicantes parochiae teuschnicensis pro anno 1669«; ebd. Kommunikantenverzeichnisse für die Jahre 1673 – 1677, 1679, 1682, 1683, 1685 – 1687, 1690, 1699.

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rungszeit Johann Gottfrieds stieg die Anzahl der Katholiken im Dorf spürbar, dies hängt vermutlich auch damit zusammen, dass der Prozess in Speyer im Sande verlief und von dieser Seite nichts mehr zu hoffen war. Zunächst behalfen sich Teile des Dorfes noch mit Auslaufen, doch ab 1617 lässt sich dieses Phänomen nicht mehr nachweisen. Die Bewertung der Einwohner des Dorfes als Kryptoprotestanten ist nicht zutreffend. Als Kryptoprotestanten werden Menschen definiert, die entgegen den Befehlen ihres Landesherren, aber auch entgegen der Ratschläge von evangelischen Theologen äußerlich am katholischen Kirchenleben teilnahmen, während sie gleichzeitig ihre innerliche protestantische Einstellung durch das Lesen von Bibeltexten und Erbauungsliteratur und das Singen von evangelischen Liedern in kleinen Zirkeln pflegten.1626 Hierbei handelt es sich nicht um ein rein protestantisches Phänomen, auch Fälle von Kryptokatholizismus sind bekannt.1627 Außerhalb des Auslaufens, welches zudem nach einigen Jahren aufhörte, können für die Marienrother keine weiteren Elemente des Kryptoprotestantismus erfasst werden. Werden Teuschnitz und Marienroth gemeinsam betrachtet, ergeben sich eine Reihe von Erkenntnissen. Als Bischof Neithart 1594 seine Rekatholisierungspolitik mit dem Kommunionsmandat vom 29. März begann, wirkte in Teuschnitz ein lutherischer Pfarrer, die Menschen waren Lutheraner. Ab Einsetzung des Priesters 1595 verweigerten die Teuschnitzer drei Jahre konsequent die Einnahme der Kommunion. Im Frühsommer 1598 gaben die meisten der Stadtbewohner nach. Für Marienroth hingegen ergibt sich kein klares Bild. Auch die Dorfbewohner mussten zwar im Sommer 1598 geschlossen zur Kommunion erscheinen, um eine Haftstrafe zu beenden, doch werden Lutheraner, die die Kommunion verweigerten, noch bis 1617 gezählt. Dies ist vermutlich mit der schwierigen geographischen Lage und der geringen Größe des Dorfes zu erklären. Im Ganzen hat sich gezeigt, dass die Durchführung der Maßnahmen in Marienroth nicht so stark ausgeprägt war wie im Hauptort der Pfarrei. Ein direkter Auslöser für die Gegenmaßnahme Kommunionverweigerung lässt sich in den persönlichen Aufforderungen der Untertanen durch den örtlichen Pfarrer, Richter und Amtmann feststellen. Ein direkter Zusammenhang zwischen hochstiftweit ausgegangenen Mandaten und dem Verhalten vor Ort

1626 Herzig, Zwang, S. 177, der dieses Phänomen für österreichische Gebiete beschreibt (ebd. S. 177 – 212). 1627 Schunka, Alexander : Konfessionelle Liminalität. Kryptokatholiken im lutherischen Territorialstaat des 17. Jahrhunderts, in: Bahlcke, Joachim/Bendel, Rainer (Hrsg.): Migration und kirchliche Praxis. Das religiöse Leben frühneuzeitlicher Glaubensflüchtlinge in alltagsgeschichtlicher Perspektive, Köln u. a., 2008, S. 113 – 131 passim, der Krypthokatholizismus in Kursachsen des 17. Jahrhunderts beschreibt.

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lässt sich hingegen meistens nicht feststellen. Eine direkte nachdrückliche Aufforderung vor Ort brachte erst die Wirkung hervor. Eine Einschränkung im Personenkreis ließ sich nicht beobachten. Sowohl in Teuschnitz als auch in Marienroth wurde die Kommunion von allen Betroffenen verweigert, unabhängig von Geschlecht und sozialer Stellung. Es ist aufgefallen, dass sowohl Frauen als auch Dienstboten, also Angehörige unterer sozialer Schichten die Kommunion länger hinauszögerten als die Männer. Persönliche Begründungen für die Verweigerung lagen in Teuschnitz kaum vor. Gelegentlich wurde auf das beschwerte Gewissen hingewiesen. Die Aufgabe der örtlichen Beamten und des Pfarrers war es, die Kommunion einzufordern und wirksam zu kontrollieren. Auffällig ist hierbei, dass sowohl in Teuschnitz als auch in Marienroth der Kommunionsbefehl über weite Strecken missachtet werden konnte. Hierbei fiel besonders die Nachlässigkeit der örtlichen Amtmänner ins Gewicht. Die häufigen Strafandrohungen wurden nur gelegentlich ausgeführt, sodass es den Menschen möglich war, nicht auf die Kommunionsaufforderungen zu reagieren. Der Pfarrer wiederum war auf die weltlichen Beamten angewiesen und konnte allein nichts erreichen. Die bischöfliche Reaktion auf die Verweigerung war in den beiden Orten ähnlich. In den ersten zwei Jahren gelang es Neithart zwar, den Prädikanten in Teuschnitz durch einen Katholiken zu ersetzen, aber es wurde bis auf wenige Ausnahmen nur auf Individuen und kleine Gruppen (Ehemandatsbrecher, sechs Ratsherren etc.) eingewirkt. Im Spätsommer 1596 begann Neithart, seine Politik auf die gesamte Stadt auszuweiten. Den Aufforderungen, sich zur katholischen Konfession einzustellen, wurden durch die Androhung von Ausweisung und Haftstrafen mehr Nachdruck verschafft, ab Herbst 1597 kamen wirtschaftliche Maßnahmen (Androhung von Sperrung der Allmende) hinzu. In Marienroth wiederum wurde erst 1598 wirklich mit massiven Drohungen, die speziell auf das kleine Dorf gemünzt waren, gearbeitet. Neitharts Nachfolger folgten ihm indes auf seinem Weg und verstärkten die Maßnahmen weiter. Die Effektivität der Gegenmaßnahme ist eindeutig. Mit der Verweigerung der Kommunion konnten die Teuschnitzer und Marienrother die Rekatholisierung aufschieben, aber sie konnten sie auf lange Sicht gesehen nicht verhindern. Nicht vollständig geklärt werden kann, warum sich ausgerechnet im Mai 1598 die meisten Männer der Stadt für die Einnahme der Kommunion entschieden. Vermutlich war der Druck der verschiedenen Maßnahmen zu groß geworden. Auch möglich wäre indes, dass sie versuchten, auf Zeit zu spielen, um den Prozess am Reichskammergericht abzuwarten. Sowohl in Teuschnitz als auch in Marienroth, in letzerem phasenverschoben um etwa zehn Jahre, dauerte es noch ein Jahrzehnt, bis die regelmäßige Einnahme der Kommunion zur Osterzeit verinnerlicht worden war. Somit veränderte sich der Problembereich der Bamberger Bischöfe. Zunächst mussten sie

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Gegenmaßnahmen

ihren Untertanen zur erstmaligen Einnahme der Kommunion bringen. Danach musste diesen beigebracht werden, dass dies eine für die Zukunft bindende Handlung war, die zudem jedes Jahr aufs Neue durchgeführt werden musste. Auffällig ist hierbei das bischöfliche Argument, dass grundsätzlich alle verbleibenden Lutheraner rekatholisiert werden müssten, weil sonst die anderen rückfällig würden, wenn sie sähen, dass dies möglich war. Hier wird deutlich, dass es auch den Zeitgenossen bewusst war, dass eine erste Einnahme der Kommunion zwar eine formelle Zusage zum katholischen Glauben war, aber im täglichen Leben gar nichts zu bedeuten brauchte. Während weite Teile der bischöflichen Rekatholisierungspolitik zunächst auf die Einnahme der Kommunion abzielten, musste anschließend auch das katholische Bewusstsein aufgebaut und gestärkt werden. Neukenroth Insgesamt betrachtet stellt sich die Entwicklung in Neukenroth im Verhältnis zu Teuschnitz phasenverschoben dar. Bischof Neithart begann erst 1598, stärkeren Druck auszuüben. Unter seinen Nachfolgern dauerte es bis in die 1620er Jahre, bis Neukenroth ein überwiegend katholischer Ort war. Über die ersten drei Jahre der Rekatholisierungspolitik Neitharts gibt es es aus Neukenroth kaum Nachrichten. Bekannt ist, dass ab Anfang 1596 ein katholischer Pfarrer dort wirkte. Die erste in den Quellen fassbare Frist zur Kommunionseinnahme war St. Jacobi (25. Juli) 1598 und wurde von dem örtlichen Pfarrer und dem Vogt von Fürttenberg gesetzt. Allerdings geht aus dem Zusammenhang hervor, dass die Dorfbewohner schon zu einem vorherigen Zeitpunkt befragt worden waren, ob sie katholisch werden oder emigrieren wollten.1628 Offenbar war dies nicht erfolgreich, da weitere Befragungen notwendig wurden. Vogt und Priester überlieferten die Bedenken der Neukenrother bezüglich der Annahme des katholischen Glaubens. Die Dorfbewohner baten um eine Verlängerung der Frist und führten folgende Argumente an: (1) Ihr Gebiet grenze hauptsächlich an lutherische Gebiete. (2) Sie hätten seit dreißig Jahren einen lutherischen Prediger gehabt und erst in den letzten drei Jahren einen Priester. Damit implizierten sie, dass ihnen die Zeit zu kurz war, um sich in Ruhe zu bedenken. Generell seien sie mit ihrem Priester zufrieden und deswegen seien sie der Ansicht, dass sie sich langfristig auch alle zur Kommunion einfinden würden. Zudem kämen sie jetzt schon zu ihm in den Gottesdienst und hielten auch ihre Kinder dazu an.1629 Es lässt sich folgern, dass es sich bei letzterem um eine taktische Aussage 1628 StABa B 49 Nr. 129/03 Otto Eck, Pfarrer von Neukenroth und Gallus Mayer, Vogt von Fürttenberg an Geistliche Räte, 5. Juni 1598. 1629 Ebd.

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handelte, um die Frist weiter zu verlängern. Die Neukenrother konnten darauf hoffen, dass ihre Klage in Speyer ihre Lage verbesserte. Außerdem hatten sie auch die letzten Jahre dem Rekatholisierungsdruck widerstehen können. Es bestand die Möglichkeit, dass Bischof Neithart bald starb und sein Nachfolger weniger rigide vorging. Mit ihrer Bitten hatten die Neukenrother ohnedies keinen Erfolg, Neithart lehnte eine Verlängerung der Entscheidungsfrist über St. Jacobi (25. Juli) hinaus ab.1630 Befragt von Pfarrer und Vogt hatten insgesamt 30 Männer um Bedenkzeit gebeten, davon 13 Ratsmitglieder. Sechs Männer lehnten es ab, zum katholischen Glauben zu wechseln, von denen zwei versprachen auszuwandern. Die Glaubenszugehörigkeit der Neukenrother drückte sich in erster Linie auch dadurch aus, dass von diesen sechs Personen drei gar nicht erst zur Befragung erschienen waren und nur durch andere mitteilen ließen, dass sie lutherisch bleiben wollten.1631 Daraufhin erging der Befehl an den Hauptmann von Kronach, dass dieser allen protestantischen Neukenrothern auferlegen sollte, innerhalb kurzer Zeit entweder den katholischen Glauben anzunehmen oder auszuwandern.1632 Allerdings versuchten die Neukenrother auch diesen Befehl zu umgehen. Sie wandten sich an Hans Veit von Würtzburg, den Hauptmann von Kronach, und argumentierten, dass sie nicht, wie gefordert, nach Kronach kommen könnten. Einerseits argumentieren sie rechtlich. Sie gehörten nicht in die Hauptmannschaft Kronach, sondern ins Amt Fürttenberg. Andererseits hätten sie von ihren Nachbarn (vermutlich den Teuschnitzern) erfahren, dass die Knechte in Kronach »unbarmhertzig und unchristlich« mit ihnen umgegangen seien und dieser Gefahr wollten sie sich nicht aussetzen. Sollte der Hauptmann aber auf ihrem Erscheinen in Kronach bestehen, verlangten sie eine Zusicherung für freien Zuund Abzug.1633 Offenbar hatten die Neukenrother Kenntnis davon, dass eine Vorladung in andere Orte leicht in eine Verhaftung münden konnte. Unabhängig von der unnachgiebigen Haltung der Neukenrother war deren Priester Otto Eck dennoch optimistisch. Vier Paare wollten sich nicht trauen lassen, aber

1630 Ebd. Bischof Neithart an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 13. Juni 1598. 1631 Ebd. »cathalogus oder verzaignuß uff waß weeg sich die neuckenröder wegen der religion erklert haben«, 5. Juni 1598. 1632 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 43r, 9. Juni. Eine konkrete Frist wurde dabei nicht genannt. 1633 StABa B 49 Nr. 129/03 Gemeinde Neukenroth an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 24. Juli 1598.

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»das ander pfarvolgk sonsten anlangent, ob sie wol uf irer vertreitten meinung hart halten, zweifelt mir nit, wen neben meinen offtern und vleisigen vermanen, auch der obrigkeit ernst gegen inen angewendt wurdt, sie sollten ohne große mühe der catholischen religion zutreten«.1634

Als Reaktion auf die Weigerung der Neukenrother, nach Kronach zu kommen, befahl Bischof Neithart dem dortigen Hauptmann, vier oder fünf Neukenrother verhaften zu lassen. Einerseits wollte er auf diese Art erfahren, wer unter den Neukenrother die anderen »aufwiegelte«, andererseits setzte er auf einen Droheffekt: »hauptmann zu cronach soll bestallung machen daß er die vornembsten 4 oder 5 beim kopf bekommen und die im schloss verwahrt halte bis sie aussagen wer ihre verreitzer, auch verburget sich einzustellen oder davon zu ziehen und zuverkauffen«.1635 Innerhalb der folgenden zwei Wochen wurden daraufhin etliche Dorfbewohner verhaftet.1636 Allerdings änderte dies nichts am Verhalten der Neukenrother, sodass Neithart dem Kronacher befahl: »also die welche uff dein erfordern und ietzo letstes erinnern ohn fernern uffschub nit gehorsam [sein] wolten, hinter uns fürderlich hinweg schaffest, den andern gehorsamen aber ihren zufallen nach gelegenheit hülfliche hand pietest«.1637 In seinen letzten Lebensmonaten konzentrierte sich Bischof Neithart in Neukenroth auf den dortigen Richter und den Schultheißen. Im Oktober 1598 sollten beide nach Kronach kommen. Dort sollten sie eine Frist von acht Tagen bekommen, sich entweder zur Kommunion einzufinden oder auszuwandern. Im Falle einer Verweigerung der Entscheidung bzw. falls sie gar nicht erst erschienen, sollten ihre Güter auf der Kanzel feilgeboten und dann verkauft, die beiden selbst durch gebührliche (nicht näher genannte) Mittel aus dem Ort entfernt werden.1638 Über den Schultheißen erfährt man im Folgenden allerdings nur noch, dass er gegen einen Katholiken ausgetauscht wurde, aber nicht, ob er sich eingestellt hat und wie der Austausch vor sich ging.1639 Der Richter wiederum verweigerte weiterhin die Kommunion, bat aber darum, seine Güter nicht zwangsweise zu verkaufen. Er selbst wolle fortziehen und die Besitztümer an seine Kinder weitergeben, die bereit seien, katholisch zu werden.1640 Auch bei ihm ist unbekannt, ob er tatsächlich auswanderte. Auch der ehemalige Schulmeister von Neukenroth geriet in den Fokus der Obrigkeit, als er sich im 1634 1635 1636 1637

Ebd. Otto Eck, Pfarrer von Neukenroth an Geistlichen Rat, 15. August 1598. AEB Rep. I Nr. 736 fol. 58v, 16. August 1598. Ebd. fol. 63r, 31. August 1598. StABa B 49 Nr. 129/03 Bischof Neithart an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 31. August 1598. 1638 Ebd. Bischof Neithart an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 13. Oktober 1598. 1639 Ebd. Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach an Bischof Neithart, 20. November 1598. 1640 Ebd.

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Spätherbst 1598 nach etlichen verstrichenen Kommunionsfristen weigerte, in Kronach zu erscheinen.1641 Betrachtet man die Regierungszeit Neitharts, ergibt sich ein uneindeutiger Befund. Die Maßnahmen in Neukenroth begannen erst sehr spät und waren streckenweise auf Richter und Schultheißen konzentriert. Maßnahmen, die das ganze Dorf betrafen, waren weniger zahlreich und nur lückenhaft. Zudem lebten einige ritterschaftliche Untertanen von Hans Paul von der Cappel, die lutherisch waren, ebenfalls mit im Dorf.1642 Da diese Menschen in den Korrespondenzen praktisch nicht vorkommen, wurden sie entweder ignoriert oder genauso behandelt wie die bischöflichen. Korrespondenz von und mit diesem Ritter liegt nicht vor. Als Bischof Johann Philipp die Regierung übernahm, war Neukenroth noch kein rekatholisiertes Dorf. Während seiner Amtszeit gingen die Aufforderungen zur Einnahme der Kommunion weiter. Im April 1599 fragte der Hauptmann von Kronach nach, wie er diejenigen strafen solle, die dieser Aufforderung bisher nicht nachgekommen waren.1643 Aus zwei Bittbriefen der Neukenrother vom September und Dezember dieses Jahres geht zudem hervor, dass bis auf einige wenige, die unter Zwang versprochen hatten, katholisch zu bleiben,1644 alle lutherisch waren.1645 Johann Philipp wartete zunächst die Huldigung der Neukenrother ab, dann forderte er alle Dorfbewohner auf, bis Michaelis (29. September) eine Entscheidung zwischen Konfessionsübertritt oder Auswanderung zu treffen.1646 Diese Frist ließen die Neukenrother verstreichen und wandten sich erst im Dezember mit einem weiteren Bittbrief an den Bamberger Bischof.1647 Folglich waren die Dorfbewohner das gesamte Jahr 1599 zwar von der Einstellung bedroht, faktisch hatte es aber immer noch Möglichkeiten gegeben, diese abzuwenden. Erst Ende Januar 1600 übermittelte Johann Philipp erneut den Befehl an den Hauptmann von Kronach, alle Protestanten in Neukenroth (explizit ausgenommen werden nur der (neue) katholische Schultheiß und der katholische

1641 1642 1643 1644

Ebd. Ebd. Otto Eck, Pfarrer von Neukenroth an Geistlichen Rat, 15. August 1598. Ebd. »extract aus des hern hauptmans zu cronach schreiben«, 13. April 1599. Vermutlich handelte es sich hierbei um diejenigen, die das Versprechen abgeben mussten, um aus der Haft freizukommen. 1645 StABa B 49 Nr. 129/03 Schultheiß, Richter, Gerichtsschöffen, ganze Gemeinde und Einwohner (bis auf die oben erklärten Ausnahmen) an Bischof Johann Philipp, 27. August 1599; ebd. Gemeinde von Neukenroth an Bischof Johann Philipp, 9. Dezember 1599. 1646 Ebd. Schultheiß, Richter Gerichtsschöffen, ganze Gemeinde und Einwohner (bis auf die oben erklärten Ausnahmen) an Bischof Johann Philipp, 27. August 1599. 1647 Ebd. Gemeinde von Neukenroth an Bischof Johann Philipp, 9. Dezember 1599.

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Gegenmaßnahmen

Gotteshauspfleger) vorzuladen und sie vor die Wahl zu stellen, entweder einen Glaubenswechsel vorzunehmen oder auszuwandern.1648 Es war für die Dorfbewohner offensichtlich möglich, auch diesen Termin zu ignorieren. Der Neukenrother Pfarrer beschwerte sich im Mai 1601, dass die Bewohner des Dorfes Ostern (22. April) nicht zu Beichte und Kommunion gekommen seien mit der Begründung, sie hätten arbeiten müssen. Zudem schickten sie ihre Kinder immer noch in die nahe gelegenen lutherischen Schulen.1649 Die Mitglieder der Gemeinde versprachen zwar, stattdessen zu Pfingsten (10. Juni) die Kommunion einzunehmen1650, auch diesen Termin ließen sie verstreichen. Als Reaktion darauf schlug der örtliche Pfarrer vor, die nächste Frist auf Fronleichnam (21. Juni), also nur wenige Tage später, zu setzten.1651 Die Quellen schweigen für die nächsten zehn Jahre bis auf wenige Ausnahmen. Es zeigt sich, dass zumindest die Ratsmehrheit mittlerweile katholisch geworden sein muss, denn der Rat bat in Bamberg nach dem Tod des Priesters um einen neuen.1652 Die Bevölkerung war gleichzeitig zumindest in Teilen lutherisch. Im September 1609 erreichte den Pfarrer von Neukenroth der Befehl des neuen Bischofs, dass alle Protestanten von der Kanzel aus nachdrücklich ermahnt werden sollten, zur katholischen Konfession überzutreten.1653 Eine Übersicht vom Januar 1610 verdeutlicht die Situation. Als Lutheraner werden zehn Paare, acht Ehefrauen, alles Gesinde und alle unverheirateten Personen geführt. Ein Großteil davon lief aus und missachtete damit die mannigfaltigen Beicht- und Kommunionsmandate.1654 Das Auslaufen macht deutlich, dass es sich bei diesen Personen wirklich um Lutheraner handelte und nicht um solche, die aus anderen Gründen Beichte und Kommunion nicht einnehmen wollten. Diese Entwicklung ließ sich auch im folgenden Jahr nicht umkehren, wofür der Priester im Wesentlichen zwei Dinge verantwortlich machte, nämlich

1648 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 537 Bischof Johann Philipp an Pfarrer und Hauptmann von Kronach, 28. Januar 1600. 1649 StABa B 49 Nr. 129/03 Johann Keutzer, Pfarrer von Neukenroth an Fiskal Johann Schöner, 16. Mai 1601. 1650 Ebd. 1651 Ebd. Johann Keutzer, Pfarrer von Neukenroth an Fiskal Johann Schöner, 14. Juni 1601. 1652 AEB Rep. I Nr. 738 fol. 93v, 19. November 1607; Ebd. fol. 94r, 22. November 1607. 1653 StABa B 49 Nr. 129/03 Michael Uhler, Pfarrer von Kronach und Hans Georg Schilling, Kastner von Kronach an die Pfarrer von Neukenroth, Posseck und Northalben, 11. September 1609. 1654 StABa B 49 Nr. 129/03 Erhard Amend, Pfarrer von Neukenroth an Pfarrer und Kastner in Kronach, 4. Januar 1610; ebd. »verzeichnus der jenigen persohnen so sich zu der allein seeligmachenden catholischen religion nicht einstellen wollen«.

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einerseits die ungenügenden Strafen und andererseits das nicht abzustellende Auslaufen.1655 Auch für 1618 liegt eine Kommunikantenübersicht vor. Da der Priester von der Pfarrei Neukenroth sprach, handelt es sich höchstwahrscheinlich um die Kommunionsempfänger in Neukenroth und den beiden Filialen. 170 Personen (Männer, Frauen und auch Kinder) waren Ostern zu Beichte und Kommunion erschienen, in der Kategorie »nachvolgende seindt wol der religion haben sich aber ietzt oster nicht eingestelt« finden sich drei Paare. Ein weiteres Paar wird unter dem Punkt »haben sich niemals eingestellt« geführt.1656 Nicht befriedigend geklärt werden kann, warum 1610 außer den Hausvorständen kaum Katholiken in Neukenroth lebten und acht Jahre später keine Lutheraner mehr aufgeführt werden. Rekatholisierungsmaßnahmen gab es in diesen Jahren (außer Mandaten, die für das gesamte Hochstift erlassen wurden) vermutlich nicht in Neukenroth. In den Pfarreiakten liegt nichts vor, auch schweigen die Vikariatsprotokolle, die für diese Jahre vollständig vorhanden sind, darüber. Eine mögliche Deutung ist, dass es sich um zwei komplementäre Übersichten handelt, d. h. 1610 wurden nur die Protestanten aufgeführt (die Zahl der Katholiken wurde nicht genannt), während 1618 die Kategorie »Lutheraner« von vornherein nicht aufgeführt wurde. Für diese Deutung spricht zudem, dass 1618 ausschließlich Ehepaare mit ihren Kindern bzw. einige wenige Frauen ohne Mann, aber mit Kindern aufgeführt sind, aber überhaupt keine männlichen Einzelpersonen. Auf der Liste von 1610 hatte es sich beinahe ausschließlich um Frauen, Dienstboten und ledige Personen gehandelt. Andererseits ist zu vermuten, dass die konfessionelle Lage in Neukenroth in diesen Jahren so verwirrend war, dass eine klare Einteilung in Katholiken einerseits und Protestanten andererseits der Sache nicht gerecht werden würde. Wie im Folgenden dargestellt wird, war der Pfarrer selbst nicht fest in der katholischen Lehre verankert und daher wenig geeignet, eine klare katholische Linie vorzugeben. Bei Ruralkapiteltagen und im Geistlichen Rat wurde moniert, dass der Neukenrother Pfarrer zu wenig Kinderlehre betriebe1657 und eine Konkubine habe.1658 Zudem sei er nachlässig mit der Seelsorge1659 und lasse den

1655 StABa B 49 Nr. 129/03 Erhard Amend, Pfarrer von Neukenroth an Generalvikar Friedrich Förner, 20. November 1611. 1656 Ebd. Kommunikantenverzeichnis der Osterzeit 1618. 1657 AEB Rep. I Nr. 741 fol. 67r, 15. November 1612; AEB Rep. I Nr. 340 »capitula ruralia anno 1616 den 19. September«. 1658 AEB Rep. I Nr. 742 fol. 2v, 18. April 1613; ebd. fol. 91r, 10. April 1614; AEB Rep. I Nr. 340 »capitula ruralia anno 1616 den 19. September«; StABa B 49 Nr. 129/03 Karl Zilfelder, Pfarrer von Teuschnitz und Ruraldechant an Generalvikar Friedrich Förner, 27. März 1618. 1659 AEB Rep. I Nr. 742 fol. 184v, 19. März 1615.

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Gegenmaßnahmen

Schulmeister den lutherischen Katechismus benutzen.1660 Kritisch berichtete der Ruraldechant Karl Zilfelder am 27. März 1618 über ihn: »vermeine auch nicht das derselbige herr qualificiert sei, solche leut zue convertieren«.1661 Dennoch wurde in Bamberg beschlossen, ob seines Alters den Pfarrer zunächst noch auf seiner Stelle zu belassen.1662 Zwei Jahre später im Jahr 1620 beschwerte sich der Ruraldechant erneut in Bamberg über den Neukenrother Pfarrer, den er vergeblich zu überreden suchte, seine Stelle aufzugeben: »wie nottwendig die pfarr zu neukhenrodt wieder mit einem qualificirten priester müß bestellt werden wan albereit die pfarrkinder hinauß an lutherische ort lauffen und mittlerweil dieselbigen, nit wiederumb zu recht zu bringen und ob er wohl dem ietz anwesendten provisorn gerathen einen sacellanum anzunehmen oder die pfarr auf ein jahrlich pension zu resigniren, so sey ihm doch daran keins gefällig. Wölle eher mit seiner concubin in ellent herumb ziehen dan sie zu verlaßen«.1663

Auch wenn man sich in Bamberg offenbar zum Handeln entschlossen hatte und einen zweiten Priester nach Neukenroth schickte, änderte dies zunächst nichts an der Gesamtsituation, wie der Ruraldechant berichtete: »diejenigen so sich neulich zur religion eingestellt wiederumb nach rotenkirchen lauffen und ein solch verwirrung unter den pfarrkindern, das sie hie nit wießen was sie glauben und solchen kam allein daher daß der alte pfarrherr nit weichen wollen, sein concubin den hinauff verordneten caplan schändt und schmähe«.1664

Schließlich wurden die Beschwerden so zahlreich, dass der Bischof 1621 den Kaplan aus dem 30 km entfernten Ort Waismain, Andreas Faber, als neuen Priester nach Neukenroth abordnete.1665 Dieser berichtete nach seiner Einsetzung, dass der alte Priester jetzt »halb luterisch« bei seiner Konkubine wohne.1666 Ein interessantes Streiflicht wirft noch die Tatsache auf, dass die Tochter des abgesetzten Neukenrother Priesters nach Rothenkirchen heiratete »da sie dan albereit apostasirt« sei.1667 1623 beschwerten sich neun Personen aus Neukenroth in Bamberg, dass sie von den Kronacher Beamten Geldstrafen in Höhe von 10 bis 30 Gulden für das Auslassen der Kommunion bekommen hätten, obwohl insgesamt 119 Personen nicht gekommen seien. Die Strafe wurde kurzerhand in eine Wachsstrafe für die 1660 AEB Rep. I Nr. 340 »capitula ruralia synodus puncta visitationum Landkapitel Kronach«, 18. August 1615. 1661 StABa B 49 Nr. 129/03 Karl Zilfelder, Pfarrer von Teuschnitz und Ruraldechant an Weihbischof und Generalvikar Friedrich Förner, 27. März 1618. 1662 AEB Rep. I Nr. 743 fol. 294r, 29. März 1618. 1663 AEB Rep. I Nr. 744 fol. 215r, 10. September 1620. 1664 AEB Rep. I Nr. 744 fol. 255, 11. Februar 1621. 1665 Ebd. 1666 Ebd. fol. 359v, 8. März 1622. 1667 Ebd. fol. 390r 9. Juni 1622.

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Kirche umgewandelt, weitere Schritte wurden aber nicht eingeleitet.1668 1624 wurden noch Ausläufer gezählt. Vor allem unter den ritterschaftlichen Untertanen gab es eine Reihe von Lutheranern.1669 Dennoch sind es im Jahr 1629 bereits 389 Kommunikanten, wenn auch nicht alle Einwohner. Unabhängig davon waren aber bei allen Pfarrkindern die lutherischen Bücher noch »seer in usu«.1670 Insgesamt betrachtet stiegen die Kommunikantenzahlen ab dem Ende der 1620er Jahre kontinuierlich. Außer dem jährlichen Kommunionsmandat aus Bamberg lassen sich keine weiteren Rekatholisierungsmaßnahmen fassen. Möglicherweise wurden diese von den Beamten verlässlich in die Tat umgesetzt. Man kann also nur mutmaßen, dass durch den Einsatz eines besser ausgebildeten Priesters ein zusätzlicher Effekt erzielt worden ist. Vielleicht erschien den Menschen aber auch das Auslaufen in Kriegszeiten zu gefährlich. Definitiv beantworten lässt sich die Frage, warum in den 1620er Jahren ein Umschwung stattgefunden hat, nicht. Es zeigt sich in den Folgejahrzehnten aber deutlich, dass das lutherische Gedankengut in den 1630er und 1640er Jahren nicht vollständig aus Neukenroth verschwunden war. Zum einen bat der Priester im September 1630 um die Verlängerung seiner Erlaubnis, Häretiker (also in diesem Fall Lutheraner) von ihrer Häresie lossprechen zu dürfen.1671 Zudem wurde der »Generalbefehl die Reformation betreffend« (1631) – ein umfassender Religionsbefehl des Bischofs – auch nach Neukenroth geschickt: Alle Untertanen in der Pfarrei seien zum katholischen Glauben zu weisen, zudem wurde das Auslaufen verboten; wer sich bis zum kommenden Ostern nicht zu Beichte und Kommunion einfand, müsse seine Güter verkaufen und fortziehen.1672 1642 beklagte sich der Ruraldechant von Kronach darüber, dass die lutherischen Neigungen in Neukenroth noch sehr stark seien und es einige Ausläufer gebe.1673 In der Kommunikantenübersicht von 1644 wurden noch einige Lutheraner geführt.1674 Wie stark aber die katholische Konfession schon sein musste, zeigt die Tatsache, dass sich gleichzeitig die Gemeinde beim Geistlichen

1668 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 52v, 23. Juni 1623. 1669 AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien 1624. 1670 StABa B 49 Nr. 95-I/01 »capitulum rurale chronacense 1a july anno 1629 in chronach celebratu« 1671 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 288v, 10. September 1630. 1672 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 586 »Generalbefehl die Reformation betreffend«, 4. Februar 1631. 1673 StABa B 49 Nr. 129/04 Dechant von Kronach an Generalvikar und Geistliche Räte, 23. Januar 1642. 1674 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 591 »designatio communicantium pro tempore paschatis in parochia neickenrothensi anni currentis 1644«.

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Rat beschwerte, dass sie sich weder einen eigenen Priester leisten könnten noch aus der Nachbarschaft mitversorgt werden dürften.1675 Weitere Nachrichten zur Verweigerung der Kommunion sind aus Neukenroth ebenso wenig erhalten wie Kommunikantenverzeichnisse. Es muss abschließend also ungeklärt bleiben, ob aus Neukenroth ein vollständig rekatholisierter Ort geworden ist. Betrachtet man die Entwicklung Neukenroths, fällt ein abschließendes Urteil schwer. Was Zeitpunkt und Häufigkeit der Kommunionsverweigerung betrifft, zeigt sich, dass es Bischof Neithart nicht gelungen war, das Dorf zu rekatholisieren. Auch seinen Nachfolgern gelang es nicht, eine vollständig katholische Einwohnerschaft herzustellen. Ab Ende der 1620er Jahre stieg zwar die Anzahl der Kommunikanten, aber da ab den späten 1640er Jahren die Überlieferung fehlt, kann man nicht beurteilen, wie sich die Lage vor Ort weiter entwickelte. Direkte Auslöser für die Verweigerung der Kommunion ließen sich nur bedingt finden. In einigen Fällen war dies eine Reaktion auf direkte Aufforderungen seitens bischöflicher Amtsträger. An der Verweigerung der Kommunion beteiligten sich in Neukenroth alle Bevölkerungsschichten. Ein Unterschied zwischen Männern und Frauen kann kaum ausgemacht werden. Betrachtet man die beiden Kommunikantenlisten von 1610 und 1618, fällt auf, dass das Luthertum vor allem unter ledigen Personen und dem Gesinde verbreitet war, die per se für bischöfliche Rekatholisierungsmaßnahmen weniger empfänglich waren als Bürger und Bauern, die einen Besitz vorwiesen und Angst haben mussten, diesen zu verlieren.1676 Persönliche Begründungen liegen für Neukenroth nicht vor. Die Rolle der örtlichen Beamten und des Pfarrers ist schwierig zu beurteilen. Im Gegensatz zu Teuschnitz war der Sitz des Amtmannes nicht im Ort, sondern im circa 11 km entfernten Kronach. Überhaupt waren die bischöflichen Beamten in Neukenroth auffällig abwesend und griffen nur wenig ein. Dazu wirkte in Neukenroth über lange Jahre ein Priester, der von seinem Lebens- und Amtsverständnis her nur wenig zur Durchsetzung des Katholizismus beitrug, zudem wurden ihm lutherische Neigungen nachgesagt. Mit der Einführung eines neuen Priesters im Jahr 1621 stiegen die Kommunikantenzahlen. Die Reaktion von Seiten der Bischöfe ist eher gering. Außer den allgemeinen Mandaten wurde in Neukenroth nur wenig getan, um die Einnahme der Kommunion zu erzwingen. Vermutlich war der Ort einfach zu klein und zu sehr an der Peripherie gelegen, als dass er für große Aufmerksamkeit sorgen konnte. Inwiefern die Kommunionsverweigerung, die in Neukenroth wie noch zu 1675 StABa B 49 Nr. 129/04 Schultheiß, Bürgmeister, Rat und Gemeinde von Neukenroth an Geistliche Räte, 11. März 1642. 1676 Schindling, Grenzen von Konfessionalisierbarkeit, S. 32.

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zeigen sein wird, stets in Verbindung mit dem Auslaufen auftrat, den Gang der Rekatholisierung beeinflusst, kann nicht umfassend beurteilt werden. Deutlich wurde, dass eine Verzögerung der Rekatholisierung bis in die 1620er Jahre möglich war. Grafengehaig In dem ritterschaftlichen Ort hat sich die Bevölkerung in der ohnehin nur kurzen Zeit, in der ein Priester dort wirkte (1625 – 31), nur ein einziges Mal zwangsweise zur Kommunion einstellen müssen. Grundsätzlich sollten die Grafengehaiger mit der Einsetzung eines Priesters die jährliche Kommunion einnehmen und damit ihren Konfessionswechsel anzeigen. Da sie dies aber verweigerten, wurden ab Mai 1629 im Geistlichen Rat Maßnahmen angeordnet, um der Aufforderung eine größere Durchschlagskraft zu verleihen.1677 Die Dorfbewohner sollten sich zu einem nicht näher genannten Termin einfinden und bei einer Weigerung nach Bamberg gebracht werden. Allerdings war dies nicht erfolgreich, denn am 7. Juli 1629 schickte Johann Georg erneut einen Befehl. Die Frist wurde dieses Mal auf Mariä Himmelfahrt (15. August) festgesetzt,1678 also fünf Wochen später. Jedoch erschienen die Grafengehaiger nicht bei dem Verwalter des 7 km entfernt liegenden Gutes in Elbersreuth, der ihnen den Befehl verkünden sollte. Sie gaben an, Ernst von Wildenstein habe es ihnen nicht erlaubt.1679 Daraus folgte kein neuer Befehl, sondern es wurde dem Verwalter aufgetragen, dem ursprünglich erteilten mehr Nachdruck zu verleihen.1680 Der Verwalter sollte diejenigen Personen, die ihm besonders auffielen, herausgreifen und nach Bamberg schicken.1681 Der Verwalter trug den Grafengehaigern wenige Tage später den Befehl vor, diesmal mit dem Termin Michaelis (29. September). Die Grafengehaiger baten daraufhin bei Bischof Johann Georg um eine Verlängerung der Frist.1682 Dieses Anliegen wurde abgewiesen1683, was die Grafengehaiger aber nicht davon abhielt, die Kommunion trotzdem zu verweigern. Anfang 1630 spitzte sich die Situation in Grafengehaig weiter zu. Der Kastner von Stadtsteinach und der Vogt von Marktleugast meldeten im Februar 1630, dass sie in den Pfarreien Presseck und Grafengehaig über 200 Personen dazu 1677 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 158r, 17. Mai 1629. 1678 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 585 Bischof Johann Georg an Verwalter zu Elbersreuth, 7. Juli 1629. 1679 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 181r, 31. Juli 1629. 1680 Ebd. 1681 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 585 Bischof Johann Georg an Vogt von Marktleugast, 3. August 1629. 1682 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Gemeinde Grafengehaig an Bischof Johann Georg, 2. Oktober 1629. 1683 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 197r, 27. September 1629.

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Gegenmaßnahmen

gebracht hätten, sich einzustellen.1684 Vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges war es in der Gegend um Grafengehaig zu einem deutlichen Vorteil der Bischöflichen gekommen: Das wildensteinische Rittergut Elbersreuth (knapp 8 km nördlich von Grafengehaig gelegen) stand unter bischöflicher Verwaltung, das Rittergut Guttenberg (etwa 8 km südlich gelegen) wurde unter kaiserlicher Kommission geführt, viele weitere evangelische Adelige standen ob ihres Einsatzes auf der evangelischen Seite kurz vor der Enteignung, sodass die Untertanen nicht auf den Rückhalt ihrer Herrschaft bauen konnten und die Kommunion nicht mehr länger verweigern konnten.1685 Das Verhalten der Grafengehaiger zeigte aber deutlich, was sie von der erzwungenen Einnahme der Kommunion hielten: Sie liefen weiterhin massenhaft aus.1686 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es dem 1625 eingesetzten Priester schwer fiel, in Grafengehaig die katholische Konfession durchzusetzen. Einerseits konnte er sich von vornherein nur mit Hilfe von Bewaffneten halten. Zum anderen konnte er nur wenig gegen seine Gemeindemitglieder durchsetzen, da er wirtschaftlich von ihnen und von deren adeliger Herrschaft abhängig war. Die Einnahme der Kommunion konnte unter diesen Umständen seit Einsetzung des Priesters konsequent verweigert werden. Erst das deutlichen Erstarken der bischöflichen Kräfte auf Grund der Kriegslage führte dazu, dass sie diese Haltung aufgeben mussten. Die Grafengehaiger verweigerten geschlossen die Kommunion. Individuelle Begründungen sind nicht überliefert. Es zeigt sich, dass die Dorfbewohner mit ihrer Verweigerungshaltung den Gang der Rekatholisierung unterbrochen haben. Selbst im direkten Anschluss an die erzwungene Einnahme liefen sie weiterhin aus und zeigten damit an, dass sie sich zwar äußerem Druck gebeugt hatten, dies aber nicht ihre innere Haltung beeinflusst hatte. Rugendorf In Rugendorf beschränkte sich die Zeit, in der aktiv versucht wurde, die Bewohner zur Kommunion zu bringen, auf die wenigen Jahre zwischen 1629 und 1648. In dem Dorf wurde erst ab 1629 versucht, die Untertanen zum katholischen Glauben zu bringen, nachdem es dem Bamberger Bischof gelungen war, dort einen Priester einzusetzen.1687 Alle nach Rugendorf gepfarrten Menschen sollten sich bis Mariä Himmelfahrt (15. August) zum katholischen Glauben einstellen.1688 Die Betroffenen baten teilweise um Verlängerung der Bedenkzeit bis 1684 1685 1686 1687 1688

Ebd. fol. 235v, 14. Februar 1630. Rupprecht, Grafengehaig, S. 252. S. Kapitel 6.3. S. Kapitel 5.1.2. AEB Rep. I Nr. 746 fol. 186v – 187r, 26. August 1629.

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Michaelis (29. September) und Martini (11. November), andere gaben an, dass sie lieber wegziehen wollten, bevor sie konvertieren müssten.1689 Der Bedenkzeit wurde aber nicht stattgegeben.1690 Bereits im Oktober desselben Jahres konnte der Verwalter der Rittergüter Rugendorf und Losau melden, dass alle bambergischen Untertanen zur Kommunion gekommen wären, aber nur wenige der adeligen Untertanen.1691 Die bambergischen Rugendorfer beklagten sich in der Folge, dass sie von den anderen im Dorf verhöhnt und verspottet würden und sie fragten sich »warumb sie von erßten einen anfang machen wolten zum teuffell zuezuefahren vorgeworffen werden«.1692 1629 war für die katholischen Landesherren im Alten Reich ein günstiger Zeitpunkt, um ihre Pläne umzusetzen. Zum einen waren sie in der militärisch dominierenden Position, zum anderen stützte das Restitutionsedikt ihre Gebietsansprüche gegenüber den Protestanten. Vor diesem Hintergrund konnte Bischof Johann Georg im Dezember 1629 befehlen, auch bei den adeligen und markgräflichen Untertanen Druck zu machen: »ernstlich fortzufahren, so wohl dero gnaden alß deren vom adell (wer sie auch seyen) und nürnberg uf bambergisch territorio absque ulteriori mora et dilatione zue unserer catholischen religion anzuehalten«.1693 Die Situation wurde für die bambergische Verwaltung dadurch erschwert, dass es für die Pfarreien Rugendorf und das etwa 3 km entfernt liegende Wartenfels nur einen Priester gab. Der Kastner von Stadtsteinach befürchtete, dass die gemeinsame Betreuung der Pfarreien sich nicht gut auf die Gesamtsituation auswirken würde. Er hielt es nicht für förderlich, dass die neuen Katholiken in Rugendorf eine leere Kirche vorfänden, wenn sie zum Gottesdienst kämen, weil der Priester sich gerade in Wartenfels aufhielt.1694 Ein weiteres Indiz dafür, dass die katholische Sache in Rugendorf auf wackeligen Beinen stand, ist die Tatsache, dass der »Generalbefehl die Reformation betreffend« (4. Februar 1631), der alle noch ungehorsamen Untertanen zur Kommunionseinnahme aufforderte und das Auslaufen verbot, auch nach Rugendorf geschickt wurde.1695 Dies wäre nicht der Fall gewesen, wenn es keine Protestanten mehr in dem Ort gegeben hätte. Einen eigenen Priester hat Rugendorf in den Folgejahren nicht bekommen 1689 1690 1691 1692 1693

Ebd. fol. 187r, 26. August 1629. Ebd. fol. 186v – 178r, 26. August 1629. Ebd. fol. 198r, 18. Oktober 1629. Ebd. fol. 186v – 178r, 26. August 1629. Ebd. fol. 220r, 20. Dezember 1629. In Rugendorf gab es keine Untertanen aus Nürnberg. Der Passus rührt daher, dass sich dieser Absatz auch noch auf andere Orte bezieht. 1694 StABa B 49 Nr. 181/36 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Geistliche Räte, 3. September 1630. 1695 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 586 »Generalbefehl die Reformation betreffend«, 4. Februar 1631.

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Gegenmaßnahmen

und auch die Glaubenswechsel der bambergischen Untertanen waren nicht von Dauer gewesen: Die österliche Kommunion im Jahr 1637 wurde in Rugendorf von fast niemandem eingenommen »sondern der meiste theil weiln kein ernst mitt ihnen gebraucht wird in ihrem ungehorsam verblieben«.1696 Dafür machte der Priester den Verwalter von Losau verantwortlich, dem er nachlässiges Handeln vorwarf, vor allem, weil er den Untertanen das Auslaufen nicht untersagte.1697 Was die adeligen und markgräflichen Untertanen betrifft, blieb deren Status weiterhin unklar. Im März 1638 fragte der Pfarrer von Rugendorf und Wartenfels in Bamberg nach, wie er sich gegenüber den eingepfarrten adeligen und markgräflichen Untertanen bezüglich des kommenden Osterfestes (4. April) verhalten solle und ob Zwangsmittel anzuwenden waren, wenn sie die Kommunion verweigerten.1698 Nach dem Dreißigjährigen Krieg galt in Rugendorf ohnedies die Normaljahresregelung. Bamberg und Brandenburg-Kulmbach einigten sich im Vertrag von 1650 darauf, dass in Rugendorf in der Zukunft immer ein lutherischer Pfarrer eingesetzt werden musste.1699 Allerdings sollten die bambergischen Untertanen in den katholischen Gottesdienst in Wartenfels gehen. Es mehrten sich jedoch nach 1650 die Beschwerden des Wartenfelser Priesters, dass die betroffenen Rugendorfer dies verweigerten und in den lutherischen Gottesdienst in die örtliche Kirche gingen.1700 Allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass jemand mit den Maßnahmen, die die Bamberger Bischöfe vor dem Dreißigjährigen Krieg angewendet hatten, zum katholischen Glauben gezwungen wurde. Insgesamt betrachtet stellt sich die Situation in Rugendorf ähnlich der in Grafengehaig dar. Erst 1629 konnte ein katholischer Pfarrer eingesetzt und die bambergischen Untertanen zur Annahme des katholischen Glaubens gezwungen werden. Die adeligen und markgräflichen Untertanen konnten aber erfolgreich Widerstand leisten. Direkter Auslöser der Kommunionsverweigerung ist folglich die Einsetzung des katholischen Pfarrers im Ort. Bei der Kommunionsverweigerung haben sich alle Einwohner ohne Unterschied beteiligt. Individuelle Begründungen liegen für Rugendorf nicht vor. Die örtlichen Beamten 1696 StABa B 49 Nr. 163-I/03 Johannes Dietz, Pfarrer von Rugendorf und Wartenfels an Generalvikar David Murmann, 5. November 1637. 1697 Ebd. Zum Auslaufen s. Kapitel 6.5. 1698 StABa B 49 Nr. 163-I/03 Johannes Dietz, Pfarrer von Rugendorf und Wartenfels an Generalvikar David Murmann, 7. März 1638. 1699 S. Kapitel 5.1.2. 1700 StABa B 49 Nr. 163-II/15 Andreas Castner, Pfarrer von Wartenfels an Generalvikar David Murmann und Geistliche Räte, 7. Juli 1650; ebd. Andreas Castner, Pfarrers von Wartenfels an Bischof Melchior Otto, 2. November 1650; AEB Rep. I Nr. 751 fol. 129r, 26. August 1655.

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scheinen nicht massiv eingegriffen zu haben. Ein besonderes Engagement der Bamberger Bischöfe ließ sich – bedingt durch die gesamtpolitische Lage – ebenfalls nicht erkennen. Der Gang der Rekatholisierung wurde in Rugendorf durch die Normaljahresregelung des Westfälischen Friedens beendet. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Gläubigen und der Beibehaltung des lutherischen Glaubens besteht also nur bedingt. Forchheim mit Pinzberg Im Gegensatz zu den drei vorherigen Orten begann im Forchheim das Wechselspiel von Maßnahmen und Gegenmaßnahmen bereits im ersten Jahr von Bischof Neitharts Rekatholisierungspolitik. Da Forchheim von vornherein ein überwiegend katholischer Ort war, war die bischöfliche Politik weniger gravierend. Die Filiale Pinzberg zeichnete sich, so viel sei an dieser Stelle schon vorweg genommen, vor allem durch seine konfessionelle Gemengelage aus, die im Wesentlichen durch die gemischtherrschaftliche Untertanenschaft zu Stande kam. Als Neithart 1594 mit der Rekatholisierung begann, waren Bürgermeister und Rat von Anfang an Teil des Systems: Sie luden Protestanten vor und ermahnten diese, einen Glaubenswechsel durchzuführen.1701 Nur ein einziges Ratsmitglied, Michael Sembler, lässt sich als Lutheraner fassen.1702 Hier zeigt sich ein erster gewichtiger Unterschied. In den bisher untersuchten Orten waren die städtischen und dörflichen Führungsschichten stets lutherisch gewesen. Nachdem im März 1594 Neitharts erstes Kommunionsmandat erlassen worden war, sollten erstmals im Herbst des gleichen Jahres die protestantischen Forchheimer vor Bürgermeister, Kastner und Rat bestellt werden. Dort sollten sie noch einmal ermahnt werden. Bei dieser Vorladung verwiesen zudem auch Dechant und Prediger von Sankt Martin wiederholt auf das Seelenheil, das nur durch den katholischen Weg erreicht werden könne.1703 Aus dem Kontext geht aber hervor, dass eine Vorladung von Lutheranern, wenn sie auch hier zum ersten Mal fassbar ist, bereits mehrmals stattgefunden hatte.1704 Bei einer aus dem Jahr 1594 überlieferten Kommunikantenübersicht zeigt 1701 StABa B 49 Nr. 47/02 Kastner, Bürgermeister und Rat von Forchheim an Bischof Neithart, 9. Oktober 1594. 1702 Ebd. Kommunikantenverzeichnis Forchheim, 1594; ebd. »Inquisition von wegen derjennigen so uff vilfelltig guttlichs ermanen sich nit catholisch wolen einstellen und an heutt dato sonntag den 6 octobris anno 1594 wider erclert worauff sie beharrenn«; ebd. »verzeichnus wz sich die uncatholischen burger zu vorcheim den 23 decembris anno 95 erclärt«. 1703 Ebd. Kastner, Bürgermeister und Rat von Forchheim an Bischof Neithart, 9. Oktober 1594. 1704 Ebd. Christoph Kueffler, Dechant von Forchheim an Bischof Neithart, 9. Oktober 1594.

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Gegenmaßnahmen

sich, dass Forchheim insgesamt ein katholischer Ort war.1705 264 Personen fielen unter die Kategorie »schon immer katholisch gewesen«, wobei auffällig ist, dass sich nur knapp zwei Dutzend Frauen in dieser Liste befinden, sodass offensichtlich jeweils immer nur der Hausvorstand gezählt wurde. Bemerkenswert ist, wie differenziert das Verzeichnis die anderen Gruppen unterteilt. Die nächste Kategorie lautete »nochfolgende personen haben auf vleisiger horung der predig ihren gehabtten irthumb freywillig verschworen unnd vor ein oder weniger jarn sich zum schos der heilig christlich catholischen kirchen bekhertt« und zählt 13 Männer, drei davon mit Ehefrauen und vier weitere Frauen auf. Eine weitere Gruppe auf der Liste sind diejenigen, die durch das Ehemandat zur katholischen Konfession gebracht worden sind, 118 Personen, davon 52 Frauen. Es folgen diejenigen, die sich auf Ermahnen in diesem Jahr entweder zu Ostern (10. April), Pfingsten (29. Mai), Sonntag Trinitatis (5. Juni) oder Fronleichnam (9. Juni) eingestellt hatten: 136 Personen, davon 50 Frauen, die allermeisten entweder als Ehefrau oder Witwe tituliert. Es folgen diejenigen, die zugesagt hatten, sich einzustellen, es aber bis zum Zeitpunkt der Abfassung der Liste im Juli nicht gemacht hatten, nämlich 7 Männer, 5 Ehefrauen anderer Männer und eine einzelne Frau. Anschließend wurden noch diejenigen aufgeführt, die in ihrem »irthub verharrn«, nämlich 30 Männer, aber keine einzige Frau. Davon baten vier um eine Fristverlängerung und zwar zwischen 14 Tagen und drei Monaten. Begründet wurde diese Haltung nur in einem einzigen Fall, einer begehrte konkret »2 gestalt«, also das Abendmahl nach lutherischem Ritus. Weiterhin lutherisch bleiben wollten Lehensmänner einer ritterschaftlichen Familie, deren lutherische Lehensherren ihnen einen Glaubenswechsel mit der Drohung des Lehensverlusts verboten hatten. Da in Forchheim zum Ende des 16. Jahrhunderts knapp 500 Bürger wohnten,1706 waren folglich die meisten davon katholisch. In Forchheim ist es möglich, konkretere Einblicke in die Motive derjenigen zu erhalten, die länger lutherisch blieben. Eine ausführliche Kommunikantenliste aus dem Oktober 1594 führt nicht nur Namen, sondern auch Begründungen auf.1707 Bis auf zwei Namen deckt sich diese Übersicht mit den Protestanten der ersten Liste vom Juli 1594. Zudem ist die Übersicht vom Oktober um 20 Namen länger, anscheinend waren im Juli nicht alle befragt worden. Zuerst eine Personenübersicht: Insgesamt wurden 41 Personen befragt. Ohne Angaben von Gründen erklären in dieser Übersicht acht Personen, dass sie jetzt 1705 Für das Folgende: StABa B 49 Nr. 47/02 Kommunikantenverzeichnis Forchheim, 1594 (inliegend in ebd. Kaplan von Forchheim an Generalvikar Erhard Dentzel, 13. Juli 1594). 1706 Kayser/Stoob, Forchheim, S. 206. 1707 Das Folgende StABa B 49 Nr. 47/02 »Inquisition von wegen derjennigen so uff vilfelltig guttlichs ermanen sich nit catholisch wolen einstellen und an heutt dato sonntag den 6. octobris anno 1594 wider erclert worauff sie beharren«.

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die Kommunion einnehmen wollten, allerdings geben nicht alle einen Termin dafür an. Es ist zudem unklar, ob sie dabei geblieben sind. Zehn weitere werden als unentschlossen geführt, etwas über 231708 als lutherisch, die auch weiterhin die Kommunion verweigern wollten. Was die Motive betrifft, lassen sich für die Unentschlossenen zwei Gründe aufzeigen: Zum einen handelt es sich dabei um Ehefrauen, die angaben, sich so verhalten zu wollen, wie es ihre Männer tun würden, die dazugehörigen Männer stehen teils mit Zu- teils mit Absagen auf der Liste. Zum anderen gaben einige Unentschlossene Unklarheiten über ihre wirtschaftliche Situation an, sodass sie nicht wissen könnten, ob sie überhaupt in Forchheim bleiben würden. Bei den Protestanten gaben nicht alle eine Begründung ab, doch aus dem Gesagten lassen sich einige Motive extrahieren. Eine erste Gruppe brachte wirtschaftliche Gründe vor: So berief sich ein Lehnsmann der Adelsfamilie Truchseß von Pommersfelden darauf, dass diese ihm angedroht hätten, dass er das Lehen verkaufen müsste, wenn er katholisch würde. Auch andere Lehensleute der Truchsessen blieben wohl aus diesem Grund weiterhin lutherisch, auch wenn sie ihn nicht explizit erwähnten. Ein weiterer Mann namens Michel Knab wollte seinen Übertritt davon abhängig machen, ob er weiterhin in Forchheim seinen Dienst verrichten würde oder anderswo. Ähnliches galt bei dem Hofschmied Melchior Werner, der angab, er würde katholisch werden, wenn man ihm das Bürgerrecht verliehe und er in Forchheim genug Geld verdienen könne. Der Zeugmeister namens Sebastian Keihbrun war gar nicht erst erschienen, hatte aber über den Kastner ausrichten lassen, wenn der Bischof ihn weiterhin so schlecht bezahle, werde er nicht katholisch und bleibe auch nicht in Forchheim. Eine zweite Gruppe von Personen brachte theologische Gründe vor. Häufiger wurde genannt, dass man, wie etwa die Frau des Bürgers Konrad Kling, im lutherischen Glauben aufgezogen worden sei, also wolle sie auch dabei bleiben, zudem müsse sie nach ihrem Tod vor Gott Rechenschaft ablegen und könne daher nicht von ihrem Glauben abstehen. In diesem Sinne argumentiert auch ein Mann namens Paulus Eckstein, der sagt, »er sey der religion die vor 1500jharn gewest und es werde das sacrament under beeder gestalt zu wienn in österreich zu prag in behaim gereicht«. Interessant ist auch, dass ein Mann namens Klaus Ross einen anderen bambergischen Ort als Rechtfertigung anführte: »beruffet sich uf den pfarrherr zu deuschnitz (=Teuschnitz, H. B.). Der raich das sacrament under zweyerlei gestalt«. Auffällig ist auch die Meinung des Steinmetzes Niclas Müller, der angab, er sei in der heiligen Dreifaltigkeit getauft und damit ein Christ, das müsse dem Bischof doch genügen. Die elementare Bedeutung des 1708 Die ungenaue Zahl ergibt sich aus der Tatsache, dass ein Mann sowohl für seine Frau als auch für sein Gesinde die Kommunion ablehnte, aber keine Angaben über die Größe seines Haushalts machte.

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Abendmahls betonte der Zimmermann Paulus Keud, der zu Protokoll gab, er gehe gern zu Kirche in Forchheim, aber »außerhalb zweyer gestalt gedenckt er nit zu communicirn wolt ine ehr den kopff lassen abhauen«. Der Forchheimer Dechant fasste die Meinung der Befragten in seinem Bericht so zusammen, dass die Untertanen »euer fürstlicher gnaden nur mit dem leib und gut verpflichtet [seien] aber mit ihren glauben und geissten sthen sie frey«.1709 Ein Mann begründet seinen Glauben ganz individuell: Er habe seinem Vater auf dem Totenbett versprochen, bei der lutherischen Konfession zu bleiben, auch wenn ihn das an den Bettelstab bringen würde. Zudem kam es einige Male vor, dass einige ihre konfessionellen Zugehörigkeit damit begründeten, dass schon die Eltern lutherisch gewesen waren. Die Mehrheit der Befragten betonte also weniger die wirtschaftlichen Nachteile als vielmehr die Last ihres Gewissens, das einen Übertritt nicht zuließ. Daraufhin versuchte es der Dechant des Martinsstift mit einer Unterweisung. Er erklärte, dass die Erlangung des Heils nur auf katholischem Weg möglich sei, zudem bot er ihnen religiösen Unterricht an: »do einer oder der ander noch in einen oder mehr artickeln catholischer lehr zweifelhaftig werre, der solle one scheue zu ime dechant oder predig khommen von denen es mit aller sanftmütigkeit sollte underricht und underwiesen werden«.1710 In Forchheim sind also diejenigen, die die Kommunion verweigerten, von Anfang an in der Unterzahl. Wie gerade erläutert galten in der relativ großen Stadt im Herbst 1594 noch etwas über 23 Personen als Lutheraner.1711 Die tatsächliche Zahl der Lutheraner kann aber davon abweichen, weil nicht sicher ist, ob alle Personen von der Befragung erfasst worden waren. Schon die Liste von Juli und Oktober zeigt eine Differenz von 20 Personen, die vermutlich darauf zurückgeht, dass die bischöflichen Amtsträger in einer so großen Stadt wie Forchheim nicht vollständig den Überblick behalten konnten. Zudem schwankte die Zahl, weil einige Personen zwar einen Glaubenswechsel versprochen hatten, dieses Versprechen aber nicht erfüllten. Die Forchheimer Geistlichkeit kam daraufhin im Oktober 1594 zu der Ansicht, dass man mit Ermahnungen allein nicht weit kommen würde und man zu anderen Mitteln greifen müsste. Zudem war den lokalen Geistlichen durchaus bewusst, dass die einmalige Kommunionseinnahme der Neu-Katholiken nicht bedeute, dass man sich ihrer sicher sein konnte. Zudem bestand die Gefahr eines »Rückfalls«, solange es noch Lutheraner in der Stadt gab, die zeigten, dass eine Einnahme der Kommunion nicht 1709 StABa B 49 Nr. 47/02 Christoph Kueffler, Dechant von Forchheim an Bischof Neithart, 9. Oktober 1594. 1710 Ebd. 1711 Ebd. »Inquisition von wegen derjennigen so uff vilfelltig guttlichs ermanen sich nit catholisch wolen einstellen und an heutt dato sonntag den 6 octobris anno 1594 wider erclert worauff sie beharren«.

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unbedingt notwendig war.1712 Aus Bamberg erfolgte daraufhin aber keine Reaktion. Auch eine erneute Klage des Dechanten Mitte Februar 1595, der befürchtete, dass die Anwesenheit der verbliebenen Lutheraner, die sich mit Spott offenbar nicht zurückhielten, zu einem Umschwung bei den Neu-Katholiken führen würde, wurde aus Bamberg nicht beantwortet. Der Dechant hatte sich erstaunt gezeigt, dass sowohl die fürstlichen Befehle als auch die erwarteten fürstlichen Kommissare bisher nicht eingetroffen waren.1713 Jetzt reagierte man in Bamberg schneller. Zwei Tage später wurde beschlossen, Kommissare abzuschicken, die im Laufe des März’ in Forchheim eintrafen.1714 Allerdings beließen es die bischöflichen Kommissare bei Ermahnungen und reisten nach einigen Tagen weiter.1715 Für den Dezember 1595 ist eine weitere Liste von Lutheranern überliefert.1716 17 Namen sind identisch mit denen auf der Liste vom Oktober 1594.1717 Die Ursachen der Glaubenszugehörigkeit und die daraus folgenden Erkenntnisse sind der vorherigen Liste sehr ähnlich:1718 Viele begründeten ihre Wahl gar nicht, einige mit wirtschaftlichen Aspekten, etwa Abhängigkeiten von lutherischen Lehensherren, andere argumentierten dezidiert theologisch. Paulus Eckstein etwa gab an, er sei »seinem furgeben nach durchaus catholisch alein in articulo communionis sub utraque will er sich nicht weisen und zum gehorsam der christlichen kirch bringen laßen. will (…) ein prister suchen inner oder außerhalb des stieffts der ime beide gestalt reiche«. Zudem wurde ein Ehepaar mit dem Hinweis aufgeführt, dass sich einige Tage zuvor im 5 km entfernten Ort Hausen das Abendmahl hatte reichen lassen. Es scheint wenig überraschend, dass sich die Zahl der festgestellten Lutheraner im Jahr 1595 nur minimal verändert hatte, denn außer Drohungen, die nicht in die Tat umgesetzt wurden, scheint es in Forchheim keinerlei andere Maßnahmen gegeben zu haben. Im Januar 1596 bestellte Neithart einige Lutheraner nach Bamberg, um sie selbst zum katholischen Glauben zu bringen. Es hätten 17 Personen befragt 1712 Ebd. Christoph Kueffler, Dechant von Forchheim an Bischof Neithart, 9. Oktober 1594. 1713 Ebd. Christoph Kueffler, Dechant von Forchheim an Bischof Neithart, 13. Februar 1595. 1714 AEB Rep. I Nr. 735 27v, 15. Februar 1595; StABa B 49 Nr. 47/02 Bischof Neithart an Georg Muding, Kastner von Forchheim, 4. April 1595. 1715 StABa B 49 Nr. 47/02 Bischof Neithard an Georg Muding, Kastner von Forchheim 4. April 1595. 1716 Ebd. »verzeichnus wz sich die uncatholischen burger zu vorcheim den 23 decembris anno 95 erclärt«. 1717 Ebd. »Inquisition von wegen derjennigen so uff vilfelltig guttlichs ermanen sich nit catholisch wolen einstellen und an heutt dato sonntag den 6 octobris anno 1594 wider erclert worauff sie beharren«. Auf Grund der Tatsache, dass die Menschen nicht nur mit Namen, sondern auch mit Beruf und/oder anderen Informationen aufgeführt sind, erscheint die Annahme, dass es sich jeweils um die selben Personen handelt, durchaus berechtigt. 1718 Zum Folgenden StABa B 49 Nr. 47/02 »verzeichnus wz sich die uncatholischen burger zu vorcheim den 23 decembris anno 95 erclärt«.

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werden sollen, aber es erschienen nur neun. Von den befragten Männern sagten fünf zu, sich bis Lichtmess (2. Februar) oder bis Ostern (14. April) einzustellen, vier andere erhielten eine Bedenkzeit von einigen Tagen.1719 Auf Grund der geringen Menge der Lutheraner bezogen sich die Maßnahmen in Forchheim auf einige wenige Einzelpersonen. Zum besseren Verständnis wird im Folgenden nicht chronologisch verfahren, sondern beispielhaft einigen Personen bei ihrer Rückführung zum katholischen Glauben gefolgt. Zunächst sollte der bischöfliche Forstmeister Hans Lenker zum katholischen Glauben gebracht werden. Einerseits wollte Neithart keine lutherischen Amtsträger dulden, zudem machte es einen schlechten Eindruck auf die Untertanen, wenn sogar diese nicht katholisch waren. Zu der oben ausführlich dargestellten Befragung vom 6. Oktober 1594 war Lenker trotz Vorladung nicht erschienen.1720 Im April sollte er noch einmal ermahnt werden.1721 Der Kastner bestellte daraufhin den Forstmeister heimlich und allein ein. Er schlug ihm sogar vor, sich mit ihm gemeinsam am Pfingstsamstag (28. Mai) zur Beichte und am Pfingstsonntag (29. Mai) zur Kommunion einzufinden. Lenker war diesem Plan nicht abgeneigt, bat aber um eine Fristverlängerung bis nach dem Rechnungs- und Straftag mit dem Oberforstmeister, was der Kastner selbst befürwortete.1722 Der Forstmeister bot an, dass er nach dem Rechnungstag nach Bamberg kommen wolle, um persönlich mit dem Bischof zu sprechen.1723 Offenbar scheint er sich dann auch tatsächlich innerhalb der folgenden vier Wochen eingefunden zu haben, denn Mitte Mai beteiligte er sich bereits an Rekatholisierungsmaßnahmen.1724 Prekär war für den Bamberger Bischof die Tatsache, dass im Sommer 1595 auch sein Zeugmeister in Forchheim wegen seines Gewissens nicht die Konfession wechseln wollte und und angab »er konne es gewißens halbenn nit thun sondern wolle ehe und lieber tod sein dan mit ein unreuigen und beschwerden gewißen leben«.1725 Er war zur Verkündigung eines an ihn gerichteten Einstellungsbefehls gar nicht erst erschienen. Dieser konnte ihm erst nahegebracht werden, als Kastner und Forstmeister ihn wegen einer anderen Sache bestellten. Da er ein großes Ansehen genoss, gab er innerhalb der Stadtgemeinschaft aus bischöflicher Sicht ein besonders schlechtes Beispiel ab.1726 Zudem hätte die 1719 Ebd. Befragung von Untertanen, 2.–4. Januar 1596. 1720 Ebd. »Inquisition von wegen derjennigen so uff vilfelltig guttlichs ermanen sich nit catholisch wolen einstellen und an heutt dato sonntag den 6 octobris anno 1594 wider erclert worauff sie beharrenn«. 1721 Ebd. Bischof Neithart an Georg Muding, Kastner von Forchheim, 4. April 1595. 1722 Ebd. Georg Muding, Kastner von Forchheim an Bischof Neithart, 12. April 1595. 1723 Ebd. 1724 Ebd. Dechant, Kastner und Forstmeister von Forchheim an Bischof Neithart, 10. Mai 1595. 1725 Ebd. Kastner und Forstmeister von Forchheim an Bischof Neithart, 4. August 1595. 1726 Ebd.

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Tatsache, dass man ihm die Berufung auf sein Gewissen erlaubte, dazu führen können, dass sich andere dieser Begründung anschlossen. Auch einem Mann namens Michel Knab sollte Anfang Januar 1596 noch einmal befohlen werden, endlich eine Entscheidung zu treffen.1727 Allerdings hatte er bis zum darauf folgenden Juni immer noch keine Kommunion eingenommen, konnte sich aber weiterhin in Forchheim aufhalten.1728 Daraufhin entschloss sich Bischof Neithart, ihn in die Residenzstadt kommen zu lassen, andernfalls sollte er verhaftet werden.1729 Der gewünschte Glaubenswechsel wurde im Laufe des Jahres 1597 durchgeführt.1730 Allerdings scheint Knab nur aus der Not heraus und nur einmalig zur Kommunion gekommen zu sein. In den Übersichten von 15941731 und 15951732 war Knab als Diener der adeligen Familie der Stiebar von und zu Buttenheim geführt. In einer Kommunikantenübersicht von 1615 gab es einen Lutheraner gleichen Namens, der angab, seit 36 Jahren der Kastner der Stiebar in Forchheim zu sein.1733 Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um die gleiche Person handelt. Der stiebarische Kastner Michel Knab bat 1615 darum, ihn bei der lutherischen Konfession zu lassen, einerseits wegen seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von der lutherischen Adelsfamilie, auf deren Freihof er wohnte, andererseits seien seine Frau und seine Kinder katholisch. Diese Bitte wurde ihm abgeschlagen.1734 Für das Jahr 1624 lässt sich ein Michel Knab, Vogt der Stiebar fassen, der in Forchheim wohnte und lutherisch war.1735 Es handelt sich vermutlich immer noch um die gleiche Person. 1628 wurde der Druck auf Michel Knab erhöht, er sollte sich bis spätestens Pfingsten (11. Juni) für die Kommunionseinnahme oder für eine Emigration entscheiden.1736 Ein Bittgesuch der Stiebar, ihn bei der lutherischen Konfession zu lassen, wurde von Bischof Johann Georg abgelehnt.1737 Im Jahr darauf befand sich Michel Knab aber immer noch in Forchheim, im September 1629 wurde er auf1727 Ebd. Bischof Neithart an Georg Muding, Kastner von Forchheim, 11. Januar 1596. 1728 Ebd. Georg Muding, Kastner von Forchheim an Bischof Neithart, 4. Juni 1596. 1729 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 69r, 3. Juli 1596; ebd. fol. 71v, 20. August 1596. Die Sache verzögerte sich aber, weil der Kastner von Forchheim nicht anwesend war und ein neuer Brief an den Dechanten geschrieben werden musste (ebd. fol. 75r, 13. September 1596). 1730 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 116r, 16. Mai 1597. 1731 StABa B 49 Nr. 47/02 »Inquisition von wegen derjennigen so uff vilfelltig guttlichs ermanen sich nit catholisch wolen einstellen und an heutt dato sonntag den 6 octobris anno 1594 wider erclert worauff sie beharren«. 1732 Ebd. »verzeichnus wz sich die uncatholischen burger zu vorchheim den 23 octobris anno 95 erclart«. 1733 AEB Rep. I Nr. 742 fol. 222v, 31. Juli 1615; ebd. fol. 224, 26. August 1615. 1734 Ebd. fol. 224, 26. August 1615. 1735 StABa B 49 Nr. 47/04 Beschreibung der Stifts- und Pfarrkirche St. Martin und kurze Kommunikantenliste Pfarrei Forchheim, 1624. 1736 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 42r, 16. Mai 1628. 1737 Ebd. fol. 47r, 22. Mai 1628.

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gefordert, innerhalb von sechs Wochen zur Kommunion zu kommen oder das Stift zu verlassen.1738 Die Frist ließ dieser verstreichen und seine Herrschaft bat noch einmal für ihren nun mittlerweile 74jährigen Vogt. Daraufhin wurde die Frist bis Lichtmess (2. Februar) 1630 verlängert.1739 Da sich Knab aber bis April 1630 immer noch nicht eingestellt hatte, sollten ihm 50 Reichstaler Strafe abgenommen werden.1740 Der Mann mobilisierte daraufhin noch einmal die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte: Sowohl seine Herrschaft als auch der Markgraf von Brandenburg baten darum, ihn bei seinem lutherischen Glauben zu lassen.1741 Von der bischöflichen Seite wurde aber auf die Strafe von 50 Reichstalern gepocht, außerdem sei er der Stadt zu verweisen.1742 Tatsächlich hielt Knab sich im Herbst des Jahres in Pretzfeld auf.1743 Die Geldstrafe ist aber wohl nicht gezahlt worden, denn im Oktober wurde dem Forchheimer Kastner aufgetragen, sich darum zu kümmern, die Strafe bis spätestens zum Martinstag (11. November) einzutreiben, wenn nötig mit Zwangsmitteln und Arrest.1744 Hier bricht die Überlieferung ab. Das Beispiel des Michel Knab zeigt, dass es für ein einzelne Person möglich war, sich auch für einen sehr langen Zeitraum als Lutheraner in einer katholischen Stadt aufhalten zu können. Ohne seine besondere Stellung – als Untertan einer Adelsfamilie mit Freihof in der Stadt – wäre dies aber vielleicht nicht möglich gewesen. Im Folgenden soll die Perspektive auf Einzelpersonen wieder verlassen und erneut die gesamte Stadt in den Blick genommen werden. Im Kommunikantenverzeichnis von 1611 zeigt sich, dass 1724 Personen in der Osterzeit bei der Kommunion waren, vier davon waren gerade erst katholisch geworden, wobei 441 Personen davon nicht in der Stadt wohnten, aber zur Pfarrei Forchheim gehörten. Als Lutheraner werden drei Personen aufgeführt (Michel Knab, Hans Knab und die Frau des Zeugmeisters). Diese drei bekamen eine Frist von fünf Wochen. Hielten sie sie nicht ein, sollte die Ausweisung vollzogen werden.1745 In den 1610er und 1620er Jahre stellten sich für die Bamberger Bischöfe zwei unterschiedliche Probleme: Zum einen mussten die immer noch vorhandenen wenigen Lutheraner zum Glaubensübertritt gedrängt werden, zum anderen 1738 1739 1740 1741 1742 1743 1744 1745

Ebd. fol. 187v, 3. September 1629. Ebd. fol. 211r, 22. November 1629; ebd. fol. 228r, 21. Januar 1630. Ebd. fol. 256r, 12. April 1630. Ebd. fol. 269r, 10. Juni 1630; ebd. fol. 281v, 8. August 1630; ebd. fol. 289r, 10. September 1630. Ebd. fol. 264v, 27. Mai 1630. Ebd. fol. 294v, 14. Oktober 1630. Pretzfeld lag etwa 10 km von Forchheim entfernt und gehörte ebenfalls in den Besitz der Familie Stiebar von Buttenheim. StABa B 49 Nr. 47/09 Geistlich Räte an Wolf Christoph Gebsattel, Kastner von Forchheim, 21. Oktober 1630. AEB Rep. I Nr. 740 fol. 131r, 21. April 1611.

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musste den Neu-Katholiken beigebracht werden, die Kommunion jährlich einzunehmen. Von den Geistlichen vor Ort war dabei nur wenig Unterstützung zu erwarten. Der 1615 neu eingeführte Dechant rügte eine Reihe von Verhaltensweisen der anwesenden Chorherren, u. a. dass manche immer noch eine Konkubine hatten.1746 Die Forchheimer Einwohner beklagten sich 1619 zudem selbst über den schlechten Gottesdienst und darüber, dass viele Kanoniker und Benefizieninhaber nicht in der Stadt residierten.1747 Der neue Bischof Johann Georg stellte auf seiner Huldigungsreise 1623 in Forchheim fest, dass sich diese Missstände nicht gebessert hatten.1748 Bis 1624 war die Zahl der Teilnehmer bei der Kommunion auf 2093 Personen angestiegen. Unter dem Dienstpersonal hingegen war das Lutherthum weit verbreitet: »ehehalten und dienstbotten deren viel alhir seind kan man bis dato noch nicht antreiben das sie sich zur catholischen religion einstellen«.1749 Anders verhält es sich, wenn die Kommunikantenübersicht von 1627 herangezogen wird. Sie zeigt, dass zwischen Annunciatio Marie (25. März) und Fronleichnam (3. Juni) 1924 Personen bei der Kommunion gewesen waren. In der Kategorie »illi sunt lutherani« werden 93 Personen aufgeführt.1750 Einige werden mit Beruf angegeben, zumeist handelte es sich um Handwerker. Vertretene Berufsgruppen sind Bäcker, Fischer und Büttner, aber auch ein Apotheker und ein Bauer.1751 Einige werden nur namentlich aufgeführt, dabei handelt es sich vermutlich um die schon erwähnten Dienstboten. Dazu kamen noch einige Lehnsleute von Nürnberger Familien, die angaben, dass ihre Herrschaft einen Glaubenswechsel verboten habe.1752 Mitglieder ritterschaftlicher Familien, die Besitz in der Stadt hatten, wurden in dieser Liste nicht genannt. Es ist völlig unklar, wie sich die große Menge vor allem der lutherischen Handwerker erklären lässt. Möglicherweise waren dies umherziehende Gesellen. Der Kustos kommentierte die Liste, dass er mit gutem Willen und Ermahnungen nichts gewinnen könne und fragte in Bamberg nach, wie er sich jetzt verhalten solle.1753 Vielleicht auf Grund dieses Befundes kam im Herbst 1627 der Bamberger Fiskal Wolfgang Öttlein1754 nach Forchheim, um sich ein Bild von der Lage zu

1746 1747 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754

AEB Rep. I Nr. 742 fol. 166r, 5. Februar 1615. AEB Rep. I Nr. 744 fol. 58r, 24. Juni 1619. AEB Rep. I Nr. 745 fol. 95r, 2. November 1623. StABa B 49 Nr. 47/04 Beschreibung der Stifts- und Pfarrkirche St. Martin und kurze Kommunikantenliste Pfarrei Forchheim, 1624. StABa B 49 Nr. 47/30 »Verzeichnis der Katholischen und Ungehorsamen«, 17. Juni 1627. Ebd. AEB Rep. I Nr. 745 fol. 656r, 12. September 1627. StABa B 49 Nr. 47/30 Kustos Müllich an Fiskal Wolfgang Öttlein, 12. Juni 1627. Öttlein war Doktor der Theologie und stammte selbst aus dem Hochstift Bamberg. 1608 erhielt er die Priesterweihe. Öttlein war ein enger Mitarbeiter von Weihbischof Förner und

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machen. Sein Urteil fiel für den Forchheimer Klerus und die bischöflichen Beamten nicht positiv aus.1755 Bedacht werden muss bei seiner Bewertung gleichwohl, dass er von seiner Position aus die strengsten Maßstäbe an die Forchheimer anlegte. Seiner Meinung war es nicht überraschend, dass es noch Lutheraner in der Stadt gab, da sowohl die Geistlichen als auch die weltlichen Beamten sich nicht um die Beicht- und Kommunionsmandate kümmerten, weder in der Verkündigung noch in der Ausführung. Zudem werde die Beichte häufig als Massenveranstaltung mit mehr als zehn Personen pro Stunde abgehalten. Daraus kann man wohl folgern, dass es kaum möglich war, eine persönliche Beziehung zu einem Geistlichen aufzubauen und eine entsprechende Beichte abzulegen.1756 Weitere Kritikpunkte waren der Zustand der baufälligen Pfarrkirche, die schlechte Predigt, die Vernachlässigung der anderen Sakramente und die mangelnde Verkündigung und Überprüfung der Fast- und Feiertagsgebote. Entsetzt war der Fiskal über die vielen Lutheraner und Ausläufer in Forchheim, musste aber zugeben, dass die anwesenden Stiftsherren auf Grund ihres Lebenswandels auch keine Vorbilder abgaben. Der Fiskal lud während seiner Anwesenheit in Forchheim fünf lutherische Personen vor, von denen aber nur drei erschienen, die versprachen, katholisch zu werden.1757 Ein weiteres Problem stellten die Nürnberger Lehnsleute in der Stadt dar. Zwar konstatierte der geistliche Rat in Bamberg »man finde von den nürnbergischen patricys nichts in den reichsabschiedten daß ihre lehenleut so under catholischen fürsten schutz wohnen die catholische religion sollen frey haben«1758. In der Praxis war es den Nürnbergern aber offensichtlich gelungen, ihren Glauben zu behalten. Da sie in keiner vorherigen Übersicht weder explizit noch implizit auftauchten, hatten die Forchheimer Beamten deren Anwesenheit offensichtlich nicht in Bamberg gemeldet. Bezeichnend ist das Urteil des Fiskals bezüglich der mangelnden Fähigkeit der Gemeindemitglieder, die Unterschiede der beiden Konfessionen zu benennen: »die pfarrkinder seindt in etlichen glaubensarticuln unerfahrn, sonderlich in denen, so zwischen den catholischen und uncatholischen strittig seindt, daß es ratsamb wer offtmals darvon zu predigen alß vom fegfeuer anruffung der heiligen und der verdienst der heiligen«.1759 Die Präsenz des Fiskals und die von ihm angeordneten Maßnahmen waren möglicherweise wirksam, da die Zahl der Lutheraner in der Kommunikanten-

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organisierte die Generalvisitation von 1611 mit. 1613 ernannte ihn Bischof Johann Gottfried zum Geistlichen Rat, 1616 zum Fiskal (Weiss, Bischofsreihe, S. 625 f.). AEB Rep. I Nr. 745 fol. 654v – 658v, 12. September 1627. Ebd. fol. 655r – 655v, 12. September 1627. Ebd. fol. 655v, 12. September 1627. Ebd. fol. 656r, 12. September 1627. Ebd. fol. 658v, 12. September 1627.

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übersicht im Jahr darauf, also 1628, wieder deutlich fiel.1760 Allerdings schweigen die Quellen darüber, was der Fiskal konkret anordnete und wer mit der Ausführung betraut wurde. Außerdem machen andere Faktoren die Deutung der Kommunikantenübersicht schwierig. Aus der Liste geht nicht eindeutig hervor, ob die Menschen weiterhin ausliefen oder nicht. Außerdem ist nicht klar, ob diese Liste auch das Dienstpersonal umfasst oder nur Bürger. Auch über die Nürnberger Lehnsleute werden keine Aussagen mehr gemacht. Zumindest letztere waren aber zu diesem Zeitpunkt in der Stadt.1761 Möglicherweise wurden für die Kommunikantenliste von 1628 die möglichen Lutheraner bewusst nicht gefragt, um Kritik aus Bamberg zu vermeiden. Vielleicht hatten sich die Lutheraner aber auch besser verbergen können oder waren auf Grund ihrer handwerklichen Wanderschaft weiter gezogen. Offenbar war der Bischof in Bamberg überzeugt, dass es auch in den Folgejahren noch Lutheraner in Forchheim gab. 1644 wurde der Forchheimer Kustos dafür gerügt, dass er noch keine Osterkommunikantenliste geschickt habe, sodass der geistliche Rat in der Residenzstadt nicht wissen konnte, wer Ostern an der Kommunion teilgenommen hatte und wer noch lutherisch war.1762 Einige Lutheraner konnten sich in Forchheim wohl über den Westfälischen Frieden hinaus halten. 1660 befahl Bischof Philipp Valentins den lutherischen Forchheimern, dass sie sich bis spätestens Lichtmess (2. Februar), also innerhalb von zwei Monaten »in unser glaubensarticuln vleißig underichten hergegen zu der wiederigen religionslehr auszulauffen sich keines wegs gelüsten lassen also weeder auch ihre kinder in die lutherische kinderlehr und schul zu schicken also ohne einigen weitere aufhalt zu unser waren catholischen religion einstellen sollen«.1763

Die Kommunikantenverzeichnisse, die ab 1672 in dichter Folge überliefert sind, zeigen ein eindeutiges Bild: Unter den Forchheimern gab es praktisch keine Lutheraner mehr und die regelmäßige jährliche Einnahme der Kommunion funktionierte.1764 Einzige Ausnahme waren die in Forchheim stationierten Sol1760 StABa B 49 Nr. 47/30 »summarisches verzeichnuß aller pfarrverweser in der statt und ambts vorchheim mir ents underschriebenen eingehendigkte specificationes die ungehorsamen in religion sachen betreffente dießes 1628 jahres« 1761 StAN Reichsstadt Nürnberg Ratskanzlei B-Laden 65 Nr. 11 »Konsultation auf unterschiedliche Fälle, die der Religion halben bedrückten Untertanen betreffend«, 1629. 1762 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 591 Geistlich Räte an die vier Ruraldechanten und den Kustos von Forchheim, 13. Juni 1644. 1763 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 4361 Bischof Philipp Valentin an Pfarrer von Neunkirchen, Pretzfeld, Ebermannstadt, Leutenbach, Attelsdorf, Amtmann in Maloffstein und Schultheiß in Forchheim, 7. Dezember 1660. 1764 StABa B 49 Nr. 47/01 Kommunikantenverzeichnisse für die Jahre 1672, 1674, 1675, 1677, 1681, 1682, 1684, 1691, 1694; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 596 Kommunikantenübersicht Forchheim, 1675.

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daten, deren lutherischer Glaube keinerlei Maßnahmen nach sich zog. 1681 waren über 500 Soldaten nicht katholisch.1765 Im Folgenden werden die Verhältnisse im Filialort Pinzberg dargestellt. Daran schließt sich eine vergleichende Gesamtbetrachtung der beiden Orte an. Bereits im Jahr 1594 beklagte sich ein Nürnberger Untertan aus Pinzberg beim Nürnberger Rat, dass er auf Grund des Religionsmandats Bischof Neitharts zur katholischen Konfession wechseln sollte; allerdings gab es keine konkreten Maßnahmen vor Ort zur Durchsetzung des Mandates.1766 Erst 15 Jahre später verkündete der Pfarrer von der Pinzberger Kanzel, dass sich alle Lutheraner innerhalb von acht Tagen zu Beichte und Kommunion einstellen müssten.1767 Die Strafe für die Kommunionsverweigerung betrug 20 Gulden.1768 In der Folge wendeten sich die Nürnberger Untertanen des Dorfes an den Nürnberger Rat. Dieser wiederum schrieb an Bischof Johann Gottfried und argumentierte, dass es schon seit 50 Jahren üblich sei, die Pinzberger in Religionsdingen nicht zu bedrängen.1769 Generell stellte sich die Lage in Pinzberg kompliziert dar. Während die Nürnberger Untertanen in Pinzberg um Schutz vor der Rekatholisierung baten, verlangten einige (vielleicht alle) Bamberger Untertanen in Pinzberg parallel dazu einen eigenen katholischen Pfarrer. Ursprünglich hatten die Pinzberger bereits im Mittelalter eine Vikarie am St. Martinsstift in Forchheim gestiftet, deren Inhaber an allen Sonn- und Feiertagen (mit wenigen Ausnahmen) in Pinzberg eine Messe zelebrieren sollte.1770 Allerdings wurde die Messe von Forchheim aus schlecht bestellt und der Geistliche kam nur alle drei Wochen.1771 Weitere Beschwerdepunkte der katholischen Pinzberger waren die langen Wartezeiten auf den Priester, der ständige Wechsel der Priester und der beschwerliche Weg nach Forchheim für Schwangere und Kranke.1772 Grundsätzlich änderte sich aber nichts an der Situation. Auf Grund der schlechten Bezahlung wurden die Pinzberger auch in den nächsten Jahrzehnten nur unregelmäßig von 1765 StABa B 49 Nr. 47/01 Kommunikantenverzeichnis, 19. Mai 1681. Im Kommunikantenverzeichnis von 1684 heißt es über die Soldaten, sie »seint meistens lutherisch« (ebd., 16. Mai 1684). 1766 StAN Rst. Nbg. Diff.akt. Nr. 562 »Erstlich das Religion werckh. Alls das die in bambergischer Obrigkeit gesessne Nurmbergische undterthanen zur päbstischen Religion getrungen werden wollen«, 1594. 1767 Dies stand wohl nicht im direkten Zusammenhang mit dem Kommunionsmandat des Bischofs, denn dieses war vor Ostern ausgegangen (StABa B 26c Nr. 1/VI 18. März 1611). 1768 StABa B 49 Nr. 47/30 Rat der Stadt Nürnberg an Bambergische Räte, 30. Mai 1611. 1769 Ebd. 1770 Jakob, Kollegiatstift, S. 343. Die Urkunde datiert vom 2. Februar 1371. 1771 AEB Rep. I Nr. 740 fol. 142r, 3. Juni 1611. 1772 StABa B 49 Nr. 47/30 Schreiben der Gemeinden Pinzberg, Gosberg, Dobenreuth und Elsenberg (undatiert, inliegend in ebd. Dekan und Kapitel von Forchheim an Weihbischof Friedrich Förner, 16. Juli 1611).

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Forchheim aus versehen.1773 Es kann nicht beurteilt werden, ob die Bamberger Pinzberger immer schon katholisch waren oder ob sie im Zuge der Rekatholisierungspolitik dem lutherischen Glauben abschworen. Die weitere Entwicklung in Pinzberg nährt den Verdacht, dass ohnehin nicht alle Bamberger katholisch waren. Aus dem Zusammentreffen im Jahr 1611, d. h. einerseits Pinzberger, die um Schutz vor Rekatholisierung baten, andererseits Pinzberger, die einen besser qualifizierten katholischen Priester verlangten, lässt sich folgern, dass in dem kleinen Filialort beide Konfessionen nebeneinander existierten. Es gibt keinerlei Hinweise in den Quellen, dass dies für die Bewohner ein Problem gewesen ist. 1613 beschwerten sich die Nürnberger erneut, dass ihre Untertanen bedrängt würden.1774 Tatsächlich zur Kommunion gekommen sind die Nürnberger Untertanen aber vermutlich nicht. 1624 waren immer noch weite Teile der Dorfbewohner, auch Bamberger Untertanen, lutherisch. In Bamberg war man unzufrieden, dass dem Dechanten von Forchheim dieser Umstand bekannt war, er aber nichts dagegen getan hatte.1775 Bischof Johann Georg konzentrierte sich in Pinzberg zunächst auf seine eigenen Untertanen. Am 1. November 1624 wurden die Bambergischen Pinzberger zu einer Befragung vorgeladen. Einige gaben an, katholisch werden zu wollen, andere wollten wegziehen.1776 Es mag Zufall sein, aber vielleicht kann es auch als gezielte Maßnahme begriffen werden, dass in den folgenden Jahren in Pinzberg Einquartierungen durchgeführt wurden. Auffällig ist aber, dass der Forchheimer Schultheiß den Nürnbergern im Dorf verbot, sich an ihre Herrschaft um Hilfe zu wenden.1777 Für die folgenden Jahre kann die konfessionelle Verteilung nicht verdeutlich werden. Dies liegt in erster Linie daran, dass nur noch Kommunikantenübersichten überliefert sind, aber kein weiteres Schriftgut. In einer Übersicht von 1627 wurden als Lutheraner siebzehn Nürnbergische Untertanen aufgeführt.1778 Dabei handelte es sich vermutlich um alle Nürnberger, die in dem Dorf lebten.1779 1773 Jakob, Kollegiatstift, S. 347. 1774 StABa B 46b Nr. 3586 Johan Schmid, Syndikus der Stadt Nürnberg an Statthalter und Geistliche Räte von Bamberg, 23. Oktober 1613. 1775 AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien fol. 216r Forchheim, 1624. 1776 Ebd. fol. 260r Pinzberg, 1624. 1777 StAN Rst. Nbg. Briefb. d. Inneren Rates Nr. 246 Nürnberger Rat an Bischof Johann Georg, 26. Juli 1627. Offenbar haben die Pinzberger das Verbot des Schultheißen ignoriert und sich trotzdem an den Nürnberger Rat gewendet. 1778 StABa B 49 Nr. 47/30 Liste der »Ungehorsamen«, ohne Datum, inliegend in Johannes Müllich, Kustos von Forchheim an Fiskal Wolfgang Öttlein, 15. September 1627. 1779 1569 gab es in Pinzberg 14 nürnbergische Wohneinheiten und drei Beständner, 1652 zahlten insgesamt 21 Personen Steuern nach Nürnberg (StAN Rst. Nbg. Diff.akt. Nr. 584 »extract aus dem … steuerbuch«, 1569; »aus einem Steuer buch: Pinzberg«, 1652. ). Die

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Unklar ist allerdings, wie im Verhältnis dazu die Kommunikantenübersicht des Folgejahres zu deuten ist, in der immer noch 17 Personen als lutherisch geführt werden, aber nur fünf haben den Zusatz »nürnbergisch«.1780 Vielleicht war der Zusatz »nürnbergisch« bei den anderen vergessen worden, vielleicht war man sich vor Ort unsicher, welcher Untertan wohin gehörte. Zudem gab es durchaus auch Personen, die sowohl bambergischen als auch nürnbergischen Besitz innehatten. In einer undatierten, aber vermutlich aus dem Jahre 1629 stammenden Liste sind noch sieben Personen als Lutheraner geführt, drei davon nürnbergisch.1781 Für die folgenden Jahrzehnte liegen keine Übersichten vor. Erst für 1675 kann ausgesagt werden, dass es in Pinzberg 363 Kommunikanten gab.1782 Eine genaue Aufzeichnung der Herrschaftszugehörigkeit fehlt in dieser Liste. Im Vergleich zwischen Forchheim und Pinzberg fallen deutliche Unterschiede ins Auge. Als Bischof Neithart 1594 seine Rekatholisierungspolitik begann, stand er in Forchheim einer überwiegend katholischer Bevölkerung gegenüber, auch die Stadtverwaltung war katholisch. Es zeigte sich dort deutlich, dass die lutherischen Gedanken nicht allzu viel Raum hatten, sich auszubreiten. Zwar waren lutherische Bücher und Flugblätter auf Grund von Größe und Lage der Stadt zu bekommen, allerdings kam es im Gegensatz zu den bisher untersuchten Orten zu keinerlei Institutionalisierung der lutherischen Konfession. Sowohl Bischof Neithart als auch seine Nachfolger konnten daher ihre Maßnahmen gezielt auf einzelne Luthernaner konzentrieren. In Pinzberg wiederum war die Situation durch das Zusammentreffen mehrerer Territorialherren in einem Dorf schwierig. Über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg scheint es dort zwei Konfessionen gegeben zu haben. Was Zeitpunkt und Häufigkeit der Kommunionsverweigerung betrifft, lassen sich für Forchheim im Wesentlichen die Jahre 1594 – 96 und die Zeit um 1627 fassen. In Pinzberg wiederum scheint die Verweigerung der Kommunion im gesamten Untersuchungszeitraum möglich gewesen zu sein. Die direkten Auslöser, soweit sie fassbar gemacht werden konnten, unterscheiden sich ebenfalls. In Forchheim wurden die Religionsmandate Neitharts, die für das gesamte Hochstift ausgebracht wurden, direkt umgesetzt, sodass Nürnberger Besitzungen hatten sich also nur unwesentlich über das Jahrhundert verändert. 1780 StABa B 49 Nr. 47/30 »summarisches verzeichnuß aller pfarrverweser in der statt und ambts vorchheim mir ents underschriebenen eingehendigkte specificationes die ungehorsamen in religion sachen betreffente dießes 1628 jahres«. 1781 Ebd. Verzeichnis der »Ungehorsamen« von Ägidius Feuer, Vicar in Forchheim und Pfarrer in Pinzberg, o. Dat. 1782 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 596 »specification deren im collegiat stiefft s martini in vorcheimb pro tempore residirenten chorherrn österlichen communicanten neu bekehrten armen heussern und deren sich der zeit in selbiger befindtenten personen«, 16. August 1675.

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bereits ohne weitere Maßnahmen, die spezifisch für diesen Ort durchgeführt wurde, die Kommunionsverweigerung als Gegenmaßnahme zu werten ist. Die Pinzberger wiederum reagierten mit ihrer Verweigerung auf eine direkte Aufforderung durch den örtlichen Geistlichen. Die beteiligten Personen beschränken sich in Forchheim auf einen relativ kleinen Kreis, da es von vornherein nur wenige Protestanten in der Stadt gab. Die Mitglieder der Stadtverwaltung gehörten bis auf eine Ausnahme nicht dazu. Unter den Dienstboten kamen Protestanten häufig vor. In Pinzberg wiederum konnte keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis vorgefunden werden. In Forchheim liegt der seltene Fall vor, dass Kommunionsverweigerer individuelle Gründe vorbrachten, warum sie beim lutherischen Glauben bleiben wollten. Es wurden zum einen wirtschaftliche Gründe genannt, zumeist die Abhängigkeit von einem lutherischen Lehensherrn oder Arbeitgeber. Zum zweiten wurde theologisch argumentiert, dass man es vor seinem Gewissen und vor Gott nicht verantworten könnte, die Konfession zu wechseln. Bei der Befragung der Forchheimer Lutheraner wurden zudem vor allem zwei Aspekte deutlich: Einerseits der hohe Wert des Abendmahls, andererseits die Tatsache, dass außerhalb der Abendmahlsfrage kein ausgeprägtes Verständnis für die konfessionellen Unterschiede vorhanden war. Daraus kann die These abgeleitet werden, dass es ein vertretbarer Kompromiss war, den katholischen Gotttesdienst grundsätzlich das Jahr über zu besuchen, solange nur das Herrenmahl nach lutherischem Ritus vollzogen wurde. Das örtliche bischöfliche Personal trat in Forchheim nur wenig in Erscheinung. Dies mag in erster Linie daran liegen, dass groß angelegte Rekatholisierungsmaßnahmen nicht nötig waren. In Pinzberg wiederum sorgte vermutlich die gemischtherrschaftliche Situation dafür, dass die bischöflichen Amtsträger nur bedingt in Erscheinung traten. Neunkirchen am Brand und Dormitz Der Markt Neunkirchen am Brand war aus Sicht der bischöflichen Verwaltung ein einfacher Fall, da die Bevölkerung schon zu Beginn des Untersuchungszeitraumes überwiegend katholisch war. Der Filialort Dormitz ist in erster Linie durch seine Unübersichtlichkeit gekennzeichnet: Hier gab es Untertanen, die zu Bamberg, Nürnberg, Kulmbach oder ritterschaftlichen Familien gehörten. Entsprechend schwierig gestaltete sich die flächendeckende Durchsetzung der katholischen Konfession. Während der Regierungszeit Neitharts gab es offenbar keine Probleme mit Lutheranern in Neunkirchen am Brand. Befehle und Maßnahmen bezüglich der Kommunionseinnahme gegen Einzelpersonen oder kleine Gruppen lassen sich für diese Zeit gar nicht fassen. Allerdings gab es wohl trotzdem einige »Ab-

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weichler«, denn im April 1598 wurde im Geistlichen Rat auch über Lutheraner in Neunkirchen gesprochen.1783 Unklar ist, ob und welche Maßnahmen daraufhin durchgeführt wurden, doch 1601 meldeten Pfarrer und Verwalter von Neunkirchen, dass die ganze Pfarrei uneingeschränkt katholisch sei. Einzige Ausnahme seien zwei Männer, deren Motive für das Fernbleiben von der Kommunion nicht durch eine abweichende Konfession begründet waren.1784 1609 gab es in Neunkirchen am Brand sechs Lutheraner. Ihnen wurde befohlen, sich innerhalb eines Monats zur Kommunion einzufinden oder auszuwandern.1785 Auffällig ist, dass zwar der Hauptort der Pfarrei katholisch war, aber die umliegenden Dörfer eine größtenteils lutherische Bevölkerung aufwiesen.1786 Dieser Zustand sollte sich in den folgenden Jahren nicht mehr ändern. Häufig wurde beklagt, dass die eingepfarrten Dörfer sich nicht zur katholischen Konfession begeben wollten,1787 im Hauptort hingegen beklagte sich der Priester über eine Reihe von Schwierigkeiten (z. B. geringer Gottesdienstbesuch1788), aber nicht über den mangelnden Kommunionswillen.1789 Ab 1643 lassen sich gelegentlich Lutheraner in Neunkirchen am Brand fassen. Ein Klosterbauer und die Klostermüllerin wurden als »beide luderisch« nach Bamberg gemeldet.1790 Da die Müllerin nicht von ihrem Glauben abstehen wollte, wurde ihr angedroht, die Mühle verlassen zu müssen, ungeachtet der Tatsache, dass ihr Mann katholisch war. Der Klosterbauer wiederum hatte zumindest auch klare wirtschaftliche Interessen, denn er willigte ein, katholisch zu werden, falls

1783 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 27r, 25. April 1598. 1784 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Johannes Brand, Pfarrer und Michael Wolck, Verwalter von Neunkirchen an Bischof Johann Philipp, 11. Oktober 1601. Was die beiden Männer betrifft, wollte sich der eine nur einstellen, wenn der Verwalter seine Ansprüche gegenüber einem Bauern durchsetzen könnte, der andere nur, wenn der Verwalter einen Streit mit einem Nachbarn um einen Brunnen schlichten könnte. 1785 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Michel Wolck,Verwalter von Neunkirchen an Bischof Johann Gottfried, 1. September 1609. 1786 Ebd. »verzeichnus derjenigen so in der pfarr neunkirchen sesshaft und theils der catholischen religion noch nicht zuegethan theils ein zeitlang nicht gebeicht«, 1. September 1609. 1787 So berichtete der Neunkirchner Priester, dass zu der Synode der Filialen viele nicht erschienen seien und »seyen fast vil luteraner uberall undermengt also daß er nit wisse wer catholisch und lutherisch« (AEB Rep. I Nr. 742 fol. 274v, Dezember 1615). Zudem gab es vereinzelt Beschwerden, dass der Prädikant aus dem 5 km entfernten Uttenreuth von Zeit zu Zeit in die Pfarreidörfer kam und seine Dienste dort verrichtete (AEB Rep. I Nr. 745 fol. 305r, 1. Juni 1625). 1788 AEB Rep. I Nr. 340 »Capitula ruralia synodus puncta visitationum, 27. September 1616«; ebd. 1617. 1789 AEB Rep. I Nr. 741 fol. 66r, 15. November 1612; AEB Rep. I Nr. 742 fol. 218r, 18. Juli 1615; AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien, 1624. 1790 StABa B 49 Nr. 130-I/02 Verzeichnis der Lutheraner um Ostern 1643.

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das Kloster ihn auch weiterhin beschäftigen würde.1791 1652 standen im Markt Neunkirchen 106 Kommunionsempfängern drei Lutheraner gegenüber.1792 Drei Jahre später hatte sich die Zahl der Lutheraner auf vier erhöht.1793 Allerdings sollten sie auf Dauer nicht geduldet werden, Bischof Philipp Valentin wies den örtlichen Priester an, diese Personen im katholischen Glauben zu unterrichten, ihnen das Auslaufen zu verbieten und ihnen eine Frist von zwei Monaten zu setzen, sich zu entscheiden.1794 Bis 1672 gibt es in den Kommunikantenverzeichnissen keine Lutheraner, auch anschließend traten sie nur noch in geringen Mengen (zwischen sechs und elf Personen) auf.1795 Zur Illustrierung der Situation in den Neunkirchner Dörfern soll im Folgenden die Filiale Dormitz untersucht werden. In der Kommunikantenübersicht von 1609 wird ein Ehepaar explizit als lutherisch bezeichnet, ein zweites schickte den Sohn zu einem lutherischen Prädikanten in die Schule.1796 Offensichtlich handelte es sich dabei um bambergische Untertanen, die der anderen Territorialherren wurden in dieses Verzeichnis explizit nicht aufgenommen. Wie die tatsächliche Konfessionsverteilung in Dormitz aussah, muss also ungewiss bleiben. Im März und noch ein zweites Mal im April 1610 meldete der Verwalter von Neunkirchen in die Residenzstadt, dass die fremdherrschaftlichen Untertanen in Dormitz nicht nur Fleisch an Fasttagen essen würden und an Feiertagen tanzten und spielten. Sie ließen sich auch gelegentlich den Prädikanten aus dem 10 km entfernten nürnbergischen Ort Stöckach kommen, damit er Kinder taufte und ihnen ihr Abendmahl reichte.1797 Sie verweigerten entsprechend alle die Kommunion. Von Bamberg aus wurde befohlen, dass die fremden Prädikanten verhaftet werden sollten, wenn man sie auf bambergischem Gebiet antraf.1798

1791 StABa B 49 Nr. 130-I/01 »resignation der im Ambt Neunkirchen eingepfarrten aber noch lutherischen Untertanen von Joannes Pehler Provisor in Neunkirchen und Hans Philip Öhler«, 17. März 1644. 1792 StABa B 49 Nr. 130-I/02 Designatio für Ostern 1652. 1793 Ebd. Kommunikantenverzeichnis, Ostern 1654. 1794 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 4361 Bischof Philipp Valentin an Pfarrer von Neunkirchen, 7. Dezember 1660. 1795 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 596 »designatio aller gehorsamen beichtkinder der pfar neunkirchen am brand«, 18. März-8. Mai 1663; StABa B 49 Nr. 130-I/02 Kommunikantenverzeichnis, 1664; ebd. Kommunikantenverzeichnis, 1672; ebd. Kommunikantenverzeichnis, 1684; ebd. Kommunikantenverzeichnis, 1685; ebd. Kommunikantenverzeichnis, 1687; ebd. Kommunikantenverzeichnis, 1688. 1796 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Michael Wolck, Verwalter von Neunkirchen an Bischof Johann Gottfried, 1. September 1609. 1797 AEB Rep. I Nr. 740 fol. 44r, 12. März 1610; StABa B 49 Nr. 130-I/16 Michael Wolck, Verwalter von Neunkirchen an Kanzleiregistrator und Profiskal Peter Zweytler, 18. April 1610. 1798 AEB Rep. I Nr. 740 fol. 53r, 22. April. 1610.

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Strafen für die fremdherrschaftlichen Dormitzer wurden nicht angeordnet. Von einer Verhaftung des Prädikanten ist ebenfalls nichts bekannt. Die Situation war der in Pinzberg durchaus vergleichbar : Während die Nürnberger in Dormitz lutherisch waren, baten alle oder zumindest einige Bamberger Untertanen 1613 in Dormitz darum, einen eigenen Priester zu bekommen, da man nicht damit zufrieden war, als Filiale von Neunkirchen am Brand aus versehen zu werden.1799 1618 berichtete der neue Priester von Neunkirchen, Jacob Paschalis, dass der Prädikant aus dem 3 km entfernten markgräflichen Uttenreuth häufig in seine Pfarrei hineinkomme, um pfarrliche Akte zu vollziehen, besonders davon betroffen sei der Filialort Dormitz.1800 Für 1624 lässt sich feststellen, dass eine Frau kurz vor ihrem Tod das Abendmahl durch den Prädikanten von Uttenreuth erhielt. Außerdem wurden fünf weitere Lutheraner in der Pfarrei gezählt.1801 Auch in den folgenden Jahren zeigte sich die konfessionelle Vielfalt in Dormitz. Der katholische Schulmeister aus Dormitz hielt zwar katholischen Schulunterricht. Als ehemaliger Prädikant unterrichte er gleichzeitig aber auch Kinder in der lutherischen Lehre.1802 Auch die Klagen über den Uttenreuther Prädikanten in Dormitz rissen nicht ab. Der Klosterverwalter konnte drei Personen benennen, die der Uttenreuther Prädikant in Dormitz kurz vor ihrem Tod mit dem Abendmahl versorgt hatte.1803 Dem Vorschlag des Verwalters, den Prädikanten verhaften zu lassen, wurde in Bamberg aber nicht stattgegeben.1804 Intensiviert wurde die Rekatholisierung in Dormitz erst zum Ende der 1620er Jahre, als die militärische Stärke der Katholiken und das Restitutionsedikt sich positiv auf die Durchsetzungskraft des Bischofs auswirkten. 1629 ließ der Klosterverwalter einen markgräflichen Untertan, der in der Pfarrei Dormitz wohnte, verhaften, da dieser nicht zur Kommunion kommen wollte. Die Lage eskalierte, denn der brandenburgische Richter im 11 km entfernten Baiersdorf ließ einen bambergischen Untertanen verhaften und erst dann wieder frei, als der Dormitzer gleichfalls wieder auf freiem Fuß war.1805 1799 AEB Rep. I Nr. 741 fol. 75v, 17. Januar 1613. 1800 AEB Rep. I Nr. 743 fol. 362v, 13. September 1618. 1801 AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien, 1624. Unklar ist indes, ob nur die Bamberger Untertanen befragt wurden oder alle. Die folgenden Episoden erwecken aber eher den Eindruck, als wären nur die Bamberger Untertanen gemeint. 1802 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 281v, April 1625. 1803 StABa B 49 Nr. 130-I/16 »Gramavina gegen die Praedikanten in Cunreuth und Uttenreuth von P. Lechner«, 24. November 1627. Die markgräflichen Orte Kunreuth und Uttenreuth lagen 11 bzw. 4 km entfernt. 1804 StABa B 49 Nr. 130-I/16 »Gramavina gegen die Praedikanten in Cunreuth und Uttenreuth von P. Lechner«, 24. November 1627. 1805 StABa B 49 Nr. 47/30 Johann Lederer, Kastner von Forchheim an Domdechant Hieronymus von Würtzburg, 26. Juni 1629.

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Die jetzt einsetzenden Maßnahmen bezogen sich auf alle, also auch die fremdherrschaftlichen Untertanen. In der ersten Jahreshälfte 1630 wurden alle Dormitzer zweimal aufgefordert, sich zu Beichte und Kommunion einzustellen.1806 Da sich diese aber weigerten – die anderen Lehensherrn hatten ihnen dies verboten – ritt der Neunkirchner Verwalter mit vier Männern nach Dormitz und verhaftete eine Person.1807 Nach dieser Aktion war der Pfarrer überzeugt, dass die Rückführung zum katholischen Glauben gelänge: »sobalden die bauren vernommen (gleich wie sie albereit verheisen) das sie bey ihrer luteranimo nit erhalten konnen wurden sie sich balt sambt und sonders zur waren religion bequemen«.1808 Der Nürnberger Rat schickte zwar den Stadtsyndikus, um seine Rechte zu wahren und den gefangenen Bauern wieder in die Freiheit zu bringen,1809 dies gelang allerdings nicht und der Verhaftete musste dem Konfessionswechsel zustimmen, um aus der Haft zu kommen.1810 Zudem lässt sich eine abschreckende Wirkung auf die anderen nicht-hochstiftischen Untertanen erkennen, denn der Neunkirchener Priester musste in der folgenden Zeit so viele Beichten abnehmen, dass er in Bamberg um einen weiteren Priester bat: »wie vil nuenbergische und edelmännische underthanen ungeachtet burgermeister und rath zu nürnberg wieder ihne (=den Neunkirchener Pfarrer, H. B.) und verwaldern daselbst zu underschiedlich maln vermeinthlich protestiren laßen, in seiner pfarr sich zur catholischen religion einzustellen begeren, bittet umb ein coadiutor ex patribus societatis jesu.«1811

Dieser Bitte kam man in Bamberg nach und schickte einen Geistlichen.1812 In der Kommunikantenübersicht von 1643 wurde für Dormitz ein lutherisches Ehepaar angegeben, allerdings ist nicht klar, ob nur die bambergischen Untertanen befragt worden sind.1813 1652 standen den 30 Dormitzer Kommunionsempfängern vier lutherische Personen entgegen, alles Nürnberger.1814 Die Zahl der Lutheraner in Dormitz stieg in den folgenden Jahren, 1654 waren es sechs nürnbergische und ein markgräflicher.1815 Auch in den Folgejahren konnte keine vollständige Katholizität im Ort erreicht werden. 1672 waren es 94 Katholiken und 14 Lutheranern,1816 1684 112 Katholiken, zehn nürnbergische oder 1806 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Karl Pessler, Pfarrer von Neunkirchen an Fiskal Philipp Pessler, 20. Juli 1630. 1807 Ebd. 1808 Ebd. 1809 Ebd. 1810 Ebd. Offenes Notariatsinstrument, 19. August 1630. 1811 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 283r, 19. August 1630. 1812 Ebd. 1813 StABa B 49 Nr. 130-I/02 Verzeichnis der Lutheraner um Ostern 1643. 1814 Ebd. Designatio für Ostern 1652. 1815 Ebd. Kommunikantenverzeichnis, Ostern 1654. 1816 Ebd. Kommunikantenverzeichnis, 1672.

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markgräfliche Lutheraner und elf lutherische Dienstboten.1817 Diese Zahlen änderten sich in den folgenden Jahren kaum.1818 Insgesamt gesehen hat sich in Neunkirchen am Brand gezeigt, dass der Ort schon zu Beginn von Neitharts Rekatholisierungsmaßnahmen ein ganz überwiegend katholischer Ort gewesen ist. Im Gegensatz zu den Pfarrdörfen, in denen die Kommunikantenverzeichnisse für das gesamte 17. Jahrhundert Lutheraner angeben, setzte sich lutherisches Gedankengut im Hauptort der Pfarrei nicht durch. Entsprechend war die Verweigerungshaltung gegen die Einnahme der Kommunion kaum ausgeprägt. In Dormitz ähnelte die Situation der in Pinzberg. Der Bischof stand neben seinen Untertanen noch den Untertanen der Reichsstadt Nürnberg, adeliger Familien und des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach gegenüber. Diese Lage bestimmte deutlich sowohl Zeitpunkt als auch Häufigkeit der Kommunionsverweigerung. Vermutlich auf Grund der herrschaftlichen Gemengelage versuchte Bischof Neithart nicht, in Dormitz zu rekatholisieren. Erst ab 1611 wurde die Verweigerung der Kommunion in Bamberg überhaupt in Ansätzen angegangen. Allerdings erfolgte in den 1610er und 1620er Jahren kaum weitere Reaktionen darauf. Die tatsächliche Durchführung der Rekatholisierung wurde erst in der für die Katholiken günstigen Lage ab 1629 versucht. Dabei kam vor allem den Überfällen seitens des Verwalters von Neunkirchen eine wichtige Rolle zu, die der örtliche Beamte selbstständig ohne direkten bischöflichen Befehl durchführte.1819 Was den Gang der Rekatholisierung betrifft, gelang eine vollständige Rückführung des Dorfes nicht. Waischenfeld In Waischenfeld trafen Bischof Neitharts Rekatholisieriungsmaßnahmen ingesamt betrachtet auf wenig Widerstand, da der Anteil der Lutheraner an der Stadtbevölkerung nicht sehr groß war. Nach seiner Regierungszeit mussten sich seine Nachfolger nur noch mit vereinzelt auftretenden Lutheranern beschäftigen. In Waischenfeld wurde das Religionsmandat vom 29. März 1594 von Teilen der Bevölkerung ignoriert, der Pfarrer berichtete nach Bamberg »woll bey den burgern wenig gefruchten aber etliche bauern haben sich als gehorsame zue catholischen kirchen erkennet«.1820 Eine Reaktion aus Bamberg ist daraufhin nicht erfolgt. Als im Dezember 1595 der Bamberger Weihbischof Ertlin auf seiner Visita1817 1818 1819 1820

Ebd. Kommunikantenverzeichnis, 1684. Ebd. Kommunikantenverzeichnisse, 1685, 1687, 1688. S. Kapitel 5.3.3. StABa B 49 Nr. 211/18 Georg Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Fiskal Tobias Hentschel, 17. April 1594.

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tionsreise nach Waischenfeld kam, versprachen ihm alle Protestanten (inklusive des halben Rates) bis auf sechs Personen, dass sie zur Kommunion kommen würden.1821 Allerdings hielt sich niemand an diese Zusage. Dies war besonders bei Schulmeister, Bürgermeister und den Ratsangehörigen ein Problem, da diese eine Vorbildfunktion ausübten.1822 Die Konfession des Schulmeister war zudem heikel, weil er, obwohl er nicht zur Kommunion gekommen war, trotzdem dem Priester bei bestimmten Zeremonien assistierte: »wie mir dan vorhin diejenigen furwerffen was sie sich einsteln söllen es sey mein schulmeister lutherisch der doch alle tag vor [dem] altar stehe und meiner suppen genieß«.1823 Neithart beließ es aber zunächst bei Ermahnungen und Aufschub bis zum nächsten Osterfest (14. April). Nur die dann noch »Ungehorsamen« sollten nach Bamberg geschickt werden.1824 Der Pfarrer führte diesen Befehl auch aus, wobei alle Waischenfelder zusagten, sich bis spätestens Ostern einzustellen. Schwierig erschien dem Pfarrer aber der weitere Umgang mit dem Stadtschreiber und dem Schulmeister, vor allem weil sich ersterer wegen seines beschwerten Gewissens (im Falle eines Glaubenswechsels) beklagte. Der Waischenfelder Pfarrer sah in Hinblick auf diese beiden Personen die Gefahr, dass es nur wenige einflussreiche Menschen brauchte, um die ganze Gemeinde vom katholischen Glauben fernzuhalten: »wie man sage ein lutherischer pfarher verfurt ein gantze gemein ein lutherischer statschreiber ein gantzen rath ein schulmeister ein gantze schul«.1825 Deswegen empfahl er, wegen dieser beiden Männer besondere Maßnahmen zu ergreifen.1826 Eine direkte Reaktion auf diese Vorschläge lässt sich in den Quellen aber nicht nachweisen. Zudem ließen trotz des Versprechens eine Reihe von Waischenfeldern die Osterfrist verstreichen. Pfarrer und Kastner sollten dies anmahnen und mit einer Vorladung nach Bamberg drohen, wenn vor Ort nichts erreicht werden konnte.1827 Die Bilanz dieser Befragung fiel für den Priester und die bischöflichen Beamten durchaus positiv aus, weil die Mehrheit der Befragten zusagte, sich zur Kommunion zu begeben: »haben under inen 21 hausgesesner mans und 5 weibspersonen befunden die zum theil willig zum theil uff langwirig zugeprachte zeit und underredung eingewilliget und mit 1821 Ebd. Weihbischof Johann Ertlin an Bischof Neithart, 13. Dezember 1595. 1822 Ebd. Georg Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Generalvikar Erhard Dentzel, l5. Januar 1596. 1823 Ebd. 1824 Ebd. Bischof Neithart an Georg Wolffart, Pfarrer und Wolff Christoph von Gebsattel, Amtmann von Waischenfeld, 1. Februar 1596. 1825 Ebd. Georg Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Generalvikar Erhard Dentzel, 17. Februar 1596. 1826 Ebd. 1827 AEB Rep. I Nr. 735 fol. 61v, 25. April 1596.

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handen zugesagt sich uff das ietzt nahendte hailige pfingstfest (2. Juni) einzustellen […] sunsten aber befindten wir noch acht burger und zween weiber welche nach lauth zuligenter verzaichnus uff ihren halstarigkeit vorsetzlich und ohne grunde beharren bey denen wir aber vilfeltige bemüehung jezo sowoln mehrmals beschen nichts zuerheben gewüßt«.1828

Die acht Männer (über die soziale Stellung der beiden Frauen kann keine Aussage getroffen werden) sind verschiedenen sozialen Schichten zuzuordnen. Es handelte sich dabei einerseits um den Bürgermeister und ein Ratmitsglied, auch um den Stadtschreiber und den Schulmeister. Andererseits waren drei Handwerker darunter, nämlich ein Bader, ein Schneider und ein Schmid, aber auch ein Tagelöhner.1829 Grundlos, wie es die Priester und Beamten darstellten, verweigerten die zehn Personen die Kommunion aber nicht. Aus dem beiliegenden Verzeichnis zeigen sich – auch wenn nicht alle zehn Personen eine Erklärung geben – verschiedene Motive:1830 Sie führten an, dass es sich um eine Beschwerung des Gewissens handele, die sie nicht ertragen könnten. Auch das Traditionsargument, dass man schon das ganze Leben lutherisch sei, wurde vorgetragen. Eine Frau knüpfte ihren Übertritt konkret an Bedingungen, sie wolle nur von ihrem lutherischen Glauben abstehen, wenn Gott ihre Krankheit heile. Zudem erklärten einige, dass sie zur Kommunion kämen, wenn es die anderen auch täten. Die Waischenfelder Beamten beließen es zunächst bei einer Ermahnung und führten Ende Juli erneut eine Befragung durch, bei der sich herausstellte, dass von den acht Männern sieben nicht zur Kommunion gekommen waren, außerdem war ein weiterer dazu gekommen, der dies ebenfalls nicht mehr tun wollte. Diese acht versprachen, sich am folgenden Samstag in Bamberg einzufinden.1831 Allerdings ist unbekannt, ob sie es taten. Zusätzlich zu diesen gab es eine Reihe von Personen, die nicht namentlich aufgeführt werden, die schon versprochen hatten, zur Kommunion zu kommen, sich aber nicht daran gehalten hatten. Diesen drohte der Kastner Verhaftungen an, worauf sich sechs von ihnen bereit erklärten, den Ritus am folgenden Sonntag durchzuführen. Der Kastner wusste nicht, wie er mit den anderen verfahren sollte. Er befürchtete, dass eine Verweigerung der Kommunion ohne Strafe dazu führen würde, dass

1828 StABa B 49 Nr. 211/18 Pfarrer, Amtmann und Kastner von Waischenfeld an Bischof Neithart, 28. Mai 1596. 1829 Ebd. Verzeichnis der »Ungehorsamen«, inliegend in: ebd. Pfarrer, Amtmann und Kastner von Waischenfeld an Bischof Neithart, 28. Mai 1596. 1830 Zum Folgenden StABa B 49 Nr. 211/18 Verzeichnis der »Ungehorsamen«, inliegend in: ebd. Pfarrer von Waischenfeld, Amtmann und Kastner an Bischof Neithart, 28. Mai 1596. 1831 StABa B 49 Nr. 211/18 Hans Haimberich, Kastner von Waischenfeld an Generalvikar Erhard Dentzel, 25. Juli 1596.

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andere wieder zurück zum Luthertum wechselten oder ihrem Kommunionsversprechen nicht nachkamen.1832 Im September 1596 wurden drei nicht namentlich genannte lutherische Männer wegen ihrer bisherigen Verweigerung der Kommunion verhaftet und nur freigelassen, weil sie versprachen, sie doch durchzuführen.1833 Im Mai 1597 gab es immer noch einige wenige Lutheraner in der Stadt. In Bamberg wurde angeordnet, dass der Pfarrer sie ermahnen und an den Bischof eine Namensliste überschicken sollte.1834 Insgesamt vier der befragten Personen sagten zu, am darauf folgenden Sonntag zur Kommunion zu kommen, zwei Männer und zwei Frauen.1835 Tatsächlich kam aber nur eine Person.1836 Drei weiteren Personen hatte der Pfarrer auferlegt, innerhalb eines Monats das Land zu verlassen, »weiln bei inen kein hofnung«.1837 Im Oktober 1598 gab es anscheinend nur noch einen einzigen Lutheraner namens Hans Erhart in der Stadt.1838 Bei diesem handelte es sich um den Vogt der Adelsfamilie von Eyb.1839 Dieser wurde vor die Wahl gestellt, katholisch zu werden oder auszuwandern.1840 1612 galt Waischenfeld als vollständig katholischer Ort.1841 Ab 1614 liegen konkrete Zahlen vor. In der Pfarrei Waischenfeld (also in der Stadt und den 23 dazugehörigen Dörfern) hatten in diesem Jahr 1614 929 Personen die Beichte abgeleistet und die Kommunion eingenommen. Dazu kamen 206 unmündige Kinder, die für die Kommunion zu jung waren. Als lutherisch gab der Priester 24 Personen an, davon besaßen die meisten ein adeliges Lehen in einem der Dörfer, außerdem einen calvinistischen Dienstboten.1842 Einige der angeführten Lutheraner lebten als Dienstboten und Mägde in der Stadt Waischenfeld.1843 In den Folgejahren beschwerte sich der Waischenfelder Pfarrer hauptsächlich über die mangelnde Einhaltung der Feier- und Fastentage. Protestanten gab er

1832 1833 1834 1835 1836 1837 1838 1839 1840 1841 1842 1843

Ebd. AEB Rep. I Nr. 735 fol. 74v, 13. September 1596. Ebd. fol. 112v – 113r, 9. Mai 1597. StABa B 49 Nr. 211/18 Georg Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Fiskal Johann Wolf, 16. Juni 1598. Ebd. Verzeichnis der Lutheraner in Waischenfeld, 21. Juni 1598. Ebd. Georg Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Fiskal Johann Wolf, 16. Juni 1598. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 537 Bischof Neithart an Amtmann von Waischenfeld, 8. Oktober 1598. AEB Rep. I Nr. 736 fol. 66r, 2. Oktober 1598. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 537 Bischof Neithart an Amtmann von Waischenfeld, 8. Oktober 1598. AEB Rep. I Nr. 741 fol. 43r, 5. Juli 1612. AEB Rep. I Nr. 340 »capitula ruralia synodus puncta Visitationum: Synodi parochialis anno 1614«. AEB Rep. I Pf. A. 570 »Pfarr Synod im Kapitel Hollfeld«, 16. und 23. November 1614.

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Gegenmaßnahmen

nicht an.1844 Stattdessen ergab sich 1627 das umgekehrte Problem, dass der örtliche Priester allein nicht in der Lage war, in der Osterzeit alle Beichten hören zu können. Er hatte die Beichtzeit schon bis Pfingsten (23. Mai) ausgeweitet und trotzdem konnte in Ermangelung eines Hilfspriesters und ohne Hilfe des Nachbarpriesters nicht jeder zum Abhören der Beichte zu ihm kommen.1845 In den Folgejahren gab der Pfarrer für Waischenfeld stets einige wenige Lutheraner an, die wenigsten davon lebten in der Stadt selbst.1846 Zudem zog ihre Anwesenheit keinerlei Konsequenzen nach sich. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges schwankte die Zahl der vorhandenen Lutheraner, die geschlossen die Kommunion verweigerten, in Waischenfeld leicht. Personen »so (der) wideriger religion seindt« waren 1653 der Amtmann des adeligen Dietrich von Streitberg und der größte Teil seiner Haushaltung, ein Bürger namens Michael Händell und zwei Dienstleute.1847 1662 waren indes alle Einwohner katholisch.1848 Betrachtet man die Entwicklung in Waischenfeld, fällt auf, dass die Verweigerung der Kommunion unter Bischof Neithart nur selten vorkam, in den Folgejahren noch seltener. Das Vorherrschen des katholischen Glaubens lag möglicherweise auch an der Kontinuität in der Pfarrbesetzung. Georg Wolffart, der in den Quellen im April 1594 erstmals als Pfarrer von Waischenfeld auftritt,1849 lässt sich bis 1627 fassen.1850 Der Kreis der Kommunionsverweigerer war gering. In den 1590er Jahren gehörten zu ihm Teile der Stadtverwaltung, wobei unklar ist, ob diese auswanderten oder sich anpassten. Zudem zeigte sich in Waischenfeld wie so häufig, dass Dienstboten flexibel zwischen den unterschiedlich konfessionellen Orten hin und her wechselten und entsprechend wenig von den Maßnahmen erfasst wurden.

1844 AEB Rep. I Nr. 340 »Capitula ruralia synodus puncta Visitationum Ruralkapitel Hollfeld«, 18. September 1616; AEB Rep. I Nr. 745 fol. 98v, 9. November 1623. 1845 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 498 »Designatio confitentium et communicantium parochialis ecclesiae st. joannis baptistae in weisenfeld anno salutis 1627«. 1846 Ebd. »summarischer bericht derer so anno 1627 zu oster im capitul holfelt gebeichtet und komuniziert«; ebd. »Designatio confitentium et communicantium parochialis ecclesiae st. joannis baptistae in weisenfeld anno salutis 1627«; StABa B 49 Nr. 81-I/23 »anno Christi 1629 tempore paschatis in capituli ruralis holfeldensis parochys subscriptis«; StABa B 49 Nr. 211/18 »designatio confitentium et communicantium parochiae weischenfeldensis nec non nanckendorffensis pro tempore paschatis anno 1640«. 1847 StABa B 49 Nr. 211/18 Verzeichnis der »Gehorsamen und Ungehorsamen«, 8. Mai 1653. 1848 StABa B 49 Nr. 211/05 Verzeichnis der »Gehorsamen und Ungehorsamen«, 22. Mai 1662. 1849 StABa B 49 Nr. 211/18 Georg Wolffart, Pfarrer von Waischenfeld an Fiskal Tobias Henschel, 17. April 1594. Es ist weder bekannt, wann Wollfart in die Pfarrei kam, noch, wann er sie wieder verließ. 1850 StABa B 49 Nr. 81-I/24 »Visitatio capituli holfeldensis anno 1627«.

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Hochstift Würzburg Gerolzhofen Gerolzhofen war zu Beginn des Untersuchungszeitraumes eine konfessionell gemischte Stadt. In der Vorausschau soll bereits gesagt werden, dass zwar die meisten Lutheraner 1586 auswanderten oder zur Kommunion kamen, doch lassen sich auch danach vereinzelt Kommunionsverweigerer nachweisen. Unter Bischof Friedrich von Wirsberg verweigerten Teile des Rats und die Bürgermeister 1573 die geforderte Einnahme der Kommunion. Sie argumentierten dabei sowohl theologisch mit Bezug auf die Bibel als auch rechtlich mit Bezug auf den Augsburger Religionsfrieden: »[…] wir unns zum theil das hochwürdigen sacramentes darumben in beiderlei gestalt des brots und weins gebrauchen, wieweil in göttlichen schrifften und sonderlich im heiligen appostel paulo austruckerlicher steet und vermeldt wurdt, das es also von unserem herrn undt seligmacher jesu christi, eingesetzt und dergleichen zuhalten und zue empfahen bepfollen auch dasselbig auf dem gehaltenen reichstag zu augsburg und in dem darauff ervolgten religion frieden von kayserlicher maiestät chhurfürsten und fürsten bewilligt und zugelaßen worden«.1851

Zudem argumentierten sie, dass die Vorgänger Wirsbergs ihnen und ihren Eltern schon seit mehr als dreißig Jahren die Einnahme des Abendmahls erlaubt hätten. Auch habe ihnen Wirsberg bei der Erbhuldigung und bei den beiden Landtagen von 1566 und 1567 zugesagt, die Ausübung des Abendmahls zu erlauben.1852 Sie versprachen gleichzeitig, in den katholischen Gottesdienst zu kommen und sich an anderen katholischen Bräuchen zu beteiligen. Sie gaben an »sonsten in euer fürstlicher gnaden religion und ceremonien außgenommen den puncten des hochwürdigen sacraments« sich fügen zu wollen.1853 Im ersten Jahrzehnt von Echters Regierung blieb es bei der teilweisen Verweigerung der Kommunion in der Stadt. Für das Jahr 1578 gab der Gerolzhofener Priester an, er habe 400 Kommunikanten gehabt.1854 Große Teile gerade der wohlhabenden Stadtbevölkerung waren lutherisch.1855 Gerolzhofen hatte zu dieser Zeit in etwa 350 – 400 Bürger,1856 also etwa zwischen 1400 und 2000 Ein1851 StAW Ger Gerolzh. 217 Vogt, Rat und Bürgermeister von Gerolzhofen an Bischof Friedrich, 21. Oktober 1573. 1852 Ebd. Der Stadtvogt schickte auf bischöflichen Befehl hin einige Wochen später die entsprechenden Landtagsakten. 1853 StAW Ger Gerolzh. 217 Vogt, Rat und Bürgermeister von Gerolzhofen an Bischof Friedrich, 21. Oktober 1573. 1854 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelation, 28. August 1578. 1855 Ebd. »bericht uff die furstehende mengel der pfarr halber im capitel gerolzhofen november 1578«. 1856 Merz, Landstadt, S. 72.

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wohner insgesamt. Auch wenn es sich bei den 400 Kommunionsempfängern um eine geschätzte bzw. gerundete Zahl handelte, zeigt sich doch daran, dass Gerolzhofen keine ausschließlich von Lutheranern bevölkerte Stadt war.1857 In den Folgejahren blieb es ungefähr bei diesem Wert: Für 1579 gab der örtliche Priester 300, für 1580 550 Empfänger der Kommunion an.1858 Die lutherische Konfessionszugehörigkeit und damit die Kommunionsverweigerung der Mitglieder der Stadtverwaltung änderte sich in den Folgejahren nicht.1859 Auch die Tatsache, dass sie 1580 bei der Visitation persönlich zur Konversion aufgefordert wurden, auch in Hinblick auf ihre Vorbildfunktion, führten zu keinem Konfessionswechsel.1860 Nachdem Echter, wie in den vorherigen Kapiteln ausführlich beschrieben, in Gerolzhofen aktiv Rekatholisierungspolitik betrieben hatte, schnellten die Zahlen der Kommunionsempfänger signifikant nach oben. Den einschneidenden Wendepunkt stellte dabei das Jahr 1586 dar, in dem Julius Echter persönlich nach Gerozhofen reiste. Kommunikantenzahlen liegen erst ab 1589 regelmäßig vor. In diesem Jahr gab der Priester 800 Kommunikanten an.1861 Zu diesem Zeitpunkt waren ca. 200 – 300 Personen wegen ihres Glaubens aus der Stadt ausgewandert.1862 Dennoch lassen sich nach der großen Auswanderungswelle von 1586 immer wieder einzelne Lutheraner in der Stadt erfassen. Im Folgenden werden die Kommunionsempfänger, deren Anzahl in den folgenden Jahren kontinuierlich stieg, im Wechselspiel mit einzeln fassbaren Verweigerern dargestellt, die lutherisch blieben. Eines bleibt allerdings auffällig. Der Visitator gab für das Jahr 1589 800 Kommunikanten und für das Jahr 1608 1377 an.1863 Folgerichtig hätte es in den 20 Jahren etwa 600 Personen gegeben, die erst nach und nach zur Kommunion gekommen wären. Diese Zahl lässt sich nicht vollständig durch Bevölkerungswachstum und Zuzug erklären. Vermutlich

1857 Die Tatsache, dass der Gerolzhofener Priester für das Jahr 1579 550 Kommunikanten angab, für das Jahr 1580 aber nur 300, obwohl in diesen Jahren nichts für oder gegen die Rekatholisierung durchgeführt wurde, ist ebenfalls ein starker Hinweis darauf, dass diese ohnehin zu »glatten« Zahlen nur ein Näherungswert darstellen. (DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelation von 1579; ebd. »Capitulum Rurale in Gerolzhoven celebrato 25. augusti anno (15)80«). 1858 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelation, 28. August 1578; ebd. Visitationsrelation, August 1579; ebd. Capitulum Rurale in Gerolzhofen, 25. August 1580. 1859 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelation, 2. September 1580; DAW Landkapitelakten Nr. 136 Visitationsrelation, 1583. 1860 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelation, 2. September 1580. 1861 Ebd. »Capitulum Geroltzhoven 1. August anno (15)89«. 1862 S. Kapitel 7.2. 1863 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelation, 1608. Lang, Gerolzhofen, S. 260 schätzt, dass in diesem Jahr erstmals 100 % der Gerolzhofener die Kommunion einnahmen.

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gelang es also auch noch weiteren Lutheranern, die Kommunion für eine gewisse Zeit zu verweigern. Für die Jahre 1589/90 lassen sich zwei Lutheraner in Gerolzhofen fassen. Es handelte sich um zwei Bürger namens Hans Schultheiß und Hans Rhiel, die darauf abhoben, dass sie auch ein markgräfliches Lehen hatten und deswegen nicht katholisch werden könnten.1864 Hans Schultheiß gab an, dass er sich persönlich an Bischof Julius wenden wollte. Wenn dieser beim Markgrafen erreichen könnte, dass er nach Einnahme der Kommunion seine markgräflichen Güter behalten dürfte, dann würde er dies tun.1865 Schultheiß ist ein Beispiel dafür, wie schwierig es für die Untertanen war, wenn sie Güter verschiedener Herrschaften innehatten. Der Mann hatte sich selbst an die markgräflichen Räte in Kitzingen gewendet, seine Situation geschildert und dort um Schutz gebeten.1866 Zuvor war ihm mitgeteilt worden, dass er seine markgräflichen Lehen verlieren würde, wenn er sich zur katholischen Konfession einstellte.1867 Allerdings hatte der Markgraf in Gerolzhofen keine Rechte inne, die es ihm erlaubten hätten, den Mann auch faktisch zu schützen. Folglich musste er sich dem Druck durch die bischöflichen Beamten in Gerolzhofen beugen.1868 1592 monierte der Visitator, dass es drei Frauen, zwölf ältere Menschen, etliche junge und viele Knechte und Mägde in Gerolzhofen gebe, die lutherisch seien und die Kommunion verweigerten. Auch lutherische Bücher wurden noch benutzt, auch bei denjenigen, die sich bereits eingestellt hatten.1869 Generell war in Gerolzhofen wie auch in vielen bambergischen Orten der Zugriff auf Knechte und Mägde gering, denn sie verfügten über keinen nennenswerten Besitz, den sie erhalten wollten und waren sehr mobil.1870 Unklar ist, welche Maßnahmen der Visitator daraufhin anordnete, aber sie zeigten bis zum folgenden Jahr Wirkung. 1594 waren nur »ettliche wenige ehalten noch nicht catholisch«, außerdem noch zwei lutherische Frauen.1871 Allerdings stellt sich hier die Frage, wie viele Dienstboten verschwiegen bzw. übersehen wurden. Vermutlich gab es sie aber 1864 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelation, 26. Juli 1589; ebd. »Capitulum Geroltzhoven«, 1. August 1589; DAW Landkapitelakten Nr. 138 »Capitula rurale geroltzhoven«, 27. Juli 1590. 1865 DAW Landkapitelakten Nr. 138 »Capitula rurale geroltzhoven«, 27. Juli 1590. 1866 StAW Adm. f. 417/8383 »verzeichnis etlicher aus dem stifft wurzburg der religion halben vertriebenen underthanen beschwernuß, die sie zu kitzingen den brandenburgischen abgeordneten rhäten furbracht den 15/16 juny anno (15)90«. 1867 Ebd. Beilage zum Schreiben von Bürgermeister und Rat von Gerolzhofen an Bischof Echter, 8. Juni 1591. 1868 Ebd. 1869 DAW Landkapitelakten Nr. 83 Visitation durch den bischöflichen Gesandten Schweickhardt, 7. Dezember 1592. 1870 Lang, Gerolzhofen, S. 261. 1871 DAW Landkapitelakten Nr. 138 »Defectus reperti in celebratione capituli Geroltzhoven anno 1594«.

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auch in den Folgejahren, da Bischof Julius 1598 anordnete, bei dieser Personengruppe besonders darauf zu achten, dass sie in den Katechismusunterricht kämen.1872 Im gleichen Jahr beklagte sich der Gerolzhofener Priester über zwei Söhne von zwei Gerolzhofener Bürgern, die lutherisch waren.1873 Bischof Julius befahl daraufhin dem Amtmann, diese beiden zu ermahnen, dass sie katholisch werden müssten, wenn sie in Gerolzhofen bleiben wollten.1874 Einer der beiden Bürgersöhne und zwei Frauen, möglicherweise immer noch diejenigen, die bereits 1594 aufgefallen waren, stellten sich auch im Jahr 1600 nicht zur Kommunion ein, sondern liefen zu Prädikanten aus.1875 Sie wurden zwar häufig ermahnt,1876 andere Maßnahmen lassen sich aber nicht ermitteln. 1605 meldete der Visitator einen lutherischen Apotheker, der mit dem Argument die Kommunion verweigerte, er wisse nicht, wie lange er in Gerolzhofen bleiben würde.1877 1607 wurden wiederum zwei Frauen genannt.1878 1629 war auf Grund der militärischen Übermacht der katholisch-kaiserlichen Heere im Reich die Lage günstig, katholische Ansprüche durchzusetzen. Dennoch wurden für diese Zeit wieder Lutheraner in der Stadt Gerolzhofen gemeldet: »seindt viel lutterische handtwercksgesellen des orts wie dann michael badthenstein wirtt dollfueß genannt ein köchin hat welche lutherana«.1879 Zwei davon wurden als Ausläufer identifiziert.1880 Es ist zu vermuten, dass den Handwerksgesellen das Herumziehen in Zeiten des Krieges zu gefährlich war und sie große Städte aufsuchten, um genügend Kunden für ihre Fertigkeiten zu finden. Zudem scheint es aber auch unter den Einheimischen noch große Sympathien für die lutherische Lehre gegeben zu haben. Die vom Würzburger Bischof 1631 angeordneten Hausdurchsuchungen ergaben eine ganze Reihe von 1872 DAW Ämterakten Nr. 34 Bischof Julius an Pfarrer und Amtsverweser von Gerolzhofen, 17. August 1598. Dies konnte allerdings nur funktionieren, wenn überhaupt KatechismusUnterricht gehalten wurde. 1612 war dies aber nicht der Fall (StAW HV MS f. 39 Visitation des Kapitels Gerolzhofen, 1612). 1873 DAW Landkapitelakten Nr. 138 »mengel der geistlichen im capitul gerolzhofen«, 28. Juli 1598. 1874 DAW Ämterakten Nr. 34 Bischof Julius an Pfarrer und Amtsverweser von Gerolzhofen, 17. August 1598. 1875 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelation, 1600. Die zwei Frauen waren auch 1602 noch in der Stadt (Ebd. »visitatio capituli gerozhoven 30. july 1602 celebrati«), dann verschwinden sie aus den Akten. 1876 DAW Landkapitelakten Nr. 138 »visitatio capituli gerolzhofen 30 july anno 1602 celebrati«. 1877 Ebd. »Visitatio capituli geroltzhoven den 27 july anno 1605«. 1878 Ebd. 138 »visitatio gerolzhoven 31 july 1607«. 1879 DAW Landkapitelakten Nr. 140 »lutherische untertanen im capittel geroltzhoven julio 1629«. 1880 Ebd.

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lutherischen Bibeln und anderen Büchern, die von der Obrigkeit verbrannt wurden.1881 Zudem lässt bereits die Tatsache, dass überhaupt Hausdurchsuchungen angeordnet wurden, darauf schließen, dass bei den Gerolzhofenern Sympathien für die Lehren des Protestantismus vermutet wurden. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges gab es für lange Zeit keine Lutheraner mehr in Gerolzhofen. Wenn auch die Frage nach (auslaufenden) Lutheranern Standard bei der Visitation blieb, wurde diese in Gerolzhofen häufig mit nein beantwortet.1882 Zum Ende des 16. Jahrhunderts gab es in Gerolzhofen etwa 300 Haushalte,1883 mit, wie es 1699 heißt »unica acatholica in parochia«.1884 Zusammengefasst ergibt sich für Gerolzhofen das folgende Bild: Gerolzhofen war zu Beginn des Untersuchungszeitraumes eine gemischt-konfessionelle Stadt. Was Zeitpunkt und Häufigkeit der Kommunionsverweigerung betrifft, ist die Lage in der Regierungszeit Wirsbergs (reg. 1558 – 73) eindeutig: Weite Teile der Bevölkerung kamen dauerhaft nicht zur Kommunion. Erste Rekatholisierungsversuche unter Bischof Friedrich von Wirsberg scheiterten. Auch in den ersten zehn Regierungsjahren von Julius Echter wurden die Kommunionsaufforderungen der Visitatoren weitestgehend ignoriert. Erst dem Bischof selbst gelang es, nach seinem Besuch 1586 die überwiegende Mehrheit der Lutheraner ausweisen zu lassen bzw. zur Kommunion zu bringen. In den Folgejahren gab es in den Visitationen immer wieder einzelne Lutheraner, die zum Teil über mehrere Jahre die Einnahme der Kommunion verweigerten. Von einer vollständig katholischen Stadt kann man erst nach dem Dreißigjährigen Krieg sprechen. Unklar ist allerdings, ob es auch nach dem Westfälischen Frieden weiterhin lutherisches Dienstpersonal gab, das nicht in die offiziellen Statistiken aufgenommen wurde. Als direkter Auslöser für die Verweigerungshaltung konnte neben Mandaten in erster Linie die Aufforderungen der Visitatoren gezeigt werden. Der Kreis der beteiligten Personen war bis 1586 nicht beschränkt. Die verbleibenden Lutheraner sind zu wenige, als dass sie sich kategorisieren ließen. Auffällig blieb die Menge der lutherischen Dienstboten. Individuelle Begründungen liegen nicht vor. Die Mitglieder der Stadtverwaltung brachten in einem Fall einen direkten Bezug auf das lutherische Schriftprinzip vor, dass ihnen in der katholischen Kirche nicht gegeben schien. Weitere wichtige Erkenntnis ist die Tatsache, dass auch von Gerolzhofener Protestanten das Abendmahl als wichtigstes Element 1881 Sixt, Gerolzhofen, S. 175. 1882 Gefragt wurde »Parochiani an omnes Catholici, et si qui Lutherani, quot? An habeant coexercitium, vel quo excurrant?« (DAW Landkapitelakten Nr. 141 »Interrogatoria in visitatione locali parochiarum capituli geroltzhoviani«, 4. September 1671). 1883 StAW HV MS q. 99 Verzeichnis der Ämter des Hochstifts Würzburg mit Angabe der Untertanenzahl, 1695. 1884 DAW Landkapitelakten Nr. 143 Visitationsrelation, 1699.

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des eigenen Glaubens betont wurde. Dies stand nicht im Gegensatz zu Besuchen des katholischen Gottesdienstes. Die Rolle der örtlichen Beamten kann nicht beleuchtet werden. Dies liegt in erster Linie am Verlust der Korrespondenz zwischen den Bischöfen und den Beamten. Entsprechend können auch die Reaktionen der jeweiligen Bischöfe nicht dargestellt werden. Insgesamt betrachtet konnten die Gerolzhofener mit der Verweigerung der Kommunion die Rekatholisierung eine gewisse Zeit hinauszögern, mussten sich aber in den Jahren nach 1586 dem unbedingten Willen und dem effizienten Kontrollsystem Echters beugen. Iphofen Vor Julius Echters Rekatholisierungspolitik war die Iphöfer Bevölkerung überwiegend, aber nicht ausschließlich lutherisch. Nach dem Wendepunkt 1586 stieg zwar der Anteil der Katholiken konstant an, doch konnten die Lutheraner niemals vollständig aus der Stadt entfernt werden. Für die Jahre vor 1586 liegen keinerlei Kommunikantenzahlen für Iphofen vor. Allerdings kann die Anzahl der Lutheraner geschätzt werden. Im Jahr 1580 gab es etwa 1300 Einwohner.1885 Diese unterteilten sich in etwa 300 Bürger1886, die übrigen entfielen auf Ehefrauen, ledige Personen, Gesinde und unmündige Kinder. Während einer kleineren Pestepidemie starben in der Stadt in den Jahren 1582 – 86 laut Pfarrmatrikel 132 Personen. Davon waren 86 Lutheraner und 46 Katholiken.1887 Überträgt man dieses Verhältnisses von etwa 2:1 auf die Einwohnerzahl, kann man grob geschätzt davon ausgehen, dass 1580 etwa 800 – 900 Lutheraner in der Stadt lebten. Unter den lutherischen Toten der Pestjahre war eine Reihe von einflussreichen Personen.1888 Gestützt wird die Annahme, dass es viele Lutheraner in der Stadt gab, von der Tatsache, dass die Iphöfer Priester sich in den 1580er Jahren wiederholt über Ausläufer beklagten.1889 Außerdem kam es vor, dass Bürger sich einen Prädikanten aus den umliegenden Orten (in erster Linie aus den ritterschaftlichen Orten Markt Einersheim, Fröhstöckheim und Rödelsee, die jeweils ca. 3 – 4 km entfernt lagen) nach den Märkten oder ohne Anlass zum Abendessen einluden und bei dieser Gelegenheit das Abendmahl empfingen.1890 Es blieb dem Iphöfer Priester verborgen, wie viele Lutheraner im Rat saßen, 1885 1886 1887 1888 1889 1890

Endres, Iphofen, S. 170. Störmer, Gesellschaft, S. 431. Endres, Iphofen, S. 330. Ebd. S. Kapitel 6.3. AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 10. Dezember 1583.

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aber er hielt sie für die einflussreichsten und wohlhabendsten.1891 Der neue katholische Schultheiß indes berichtete 1585 nach Würzburg, alle Ratsmitglieder seien Lutheraner.1892 Zudem waren auch der Stadtschreiber und einer der Bürgermeister namens Michael Bayer lutherisch.1893 Dies war nach Ansicht des Schultheißen besonders ungünstig, weil es ein schlechtes Vorbild lieferte und sich die anderen Bürger darauf berufen konnten.1894 Allerdings scheint das Luthertum auch bei den Dienstboten, Knechten und Mägden verbreitet gewesen zu sein.1895 Für Pfarrer und Kaplan von Iphofen führte das Übergewicht der Protestanten in der Stadt in ein Dilemma: Einerseits wollten sie die Rekatholisierung vorantreiben, andererseits fürchteten sie um ihr eigenes Leben, was sie in ihrem Aktionsradius entsprechend einschränkte.1896 Diese Angst scheint verständlich, wenn man bedenkt, wie massiv sich die Stadtverwaltung gegen bischöfliche Maßnahmen wehrte: Zwar hatte der Schultheiß im Frühsommer 1585 den Stadtknecht aufgefordert, von Haus zu Haus zu gehen und aus jedem Haushalt mindestens eine Person für eine Wallfahrt in einen benachbarten Ort einzufordern, doch unterließ der Stadtknecht dies, nachdem ein Ratsherr es ihm verboten hatte.1897 Zudem konnte einer der Iphöfer Bürgermeister kraft seiner Autorität katholische Feiertage verbieten und stattdessen anordnen, normal zur Arbeit zu gehen.1898 Der Priester schlug daraufhin vor »dz der burgermeister umb so vill pfund wachs in das gottshauß wurde gestrafft, so vill er burger hatt vom gottesdienst abgehaltten«.1899 Reaktionen aus Würzburg scheinen aber nicht erfolgt zu sein. Um zumindest die Ratsmitglieder zur Einnahme der Kommunion zu bringen, schlug der Schultheiß vor, sich auf die vier oder fünf einflussreichsten Personen

1891 Ebd. »Gravamina parochi in iphofen«, 31. Oktober 1583. 1892 Ebd. Elias Steinbrecher, Keller und Schultheiß von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 10. Dezember 1585. 1893 Ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 10. Dezember 1583. 1894 Ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 18. April 1583. Dies änderte sich in den folgenden Jahren nicht (ebd. Elias Steinbrecher, Keller und Schultheiß von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 10. Dezember 1585). 1895 Dabei war es üblich, dass Ratsherren gemeinsam mit ihrem Gesinde ausliefen (AEB Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 10. Dezember 1583). 1896 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 18. April 1583; ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 10. Dezember 1583. Unklar ist, inwiefern mit diesem Argument eigene Untätigkeit gerechtfertigt werden sollte. 1897 Ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 6. Juni 1585. 1898 Ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 11. Juli 1585. 1899 Ebd.

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zu konzentrieren und ihnen reichlich »forcht« einzujagen.1900 Zu diesen vieren oder fünfen sollte der Bürgermeister gehören, die Ratsherren Endreß Pfaff und Johann Rathen und der Stadtschreiber, denn »so der stadtschreiber fiele, wurden 100 lutherische fallen und 100 catholische aufstehen«.1901 Die Entwicklung um das entscheidende Jahr 1586 herum kann nicht abschließend geklärt werden, da nur sehr wenige Angaben vorliegen. Vermutlich besuchte Julius Echter bei seiner Visitationsreise 1586 auch Iphofen.1902 Im April dieses Jahres verließen einige Auswanderer die Stadt, weil sie die Kommunion dauerhaft verweigert hatten.1903 Im Verlauf des Jahres wanderten weitere Menschen aus.1904 Die erste überlieferte Kommunikantenübersicht vom Mai 1586 gab für die Stadt insgesamt 497 Kommunikanten an.1905 Geht man wie oben dargestellt von etwa 300 Bürgern und 1300 Einwohnern aus, zeigt dies, dass nicht alle die Kommunion eingenommen hatten. Ende des Jahres 1586 lebten mehrere lutherische Ratsmitglieder mit ihren Familien immer noch in Iphofen.1906 Ausgehend von den anderen untersuchten Orten erscheint die Annahme wahrscheinlich, dass sich in erster Linie die Haushaltsvorstände, teilweise mit ihren Ehefrauen, eingestellt hatten, während die Unverheirateten und die Dienstboten die Kommunion verweigerten. Unklar bleibt, wie hoch der Anteil der unmündigen Kinder, die nicht zur Kommunion zugelassen wurden, war. Diese Deutung wird durch die Entwicklung der folgenden Jahre gestützt. Die Kommunikantenzahlen im Jahr 1588 stiegen nur leicht: 543 Personen kamen Ostern zur Kommunion, zu Pfingsten noch einmal 80 Personen.1907 Gleichzeitig meldete aber der Pfarrer von St. Veit, dass zwar die Iphöfer Bürger katholisch seien,1908 Dienstboten, Knechte und Mägde dagegen bei ihrem lutherischen Glauben blieben. Der Geistliche glaubte nicht, dass diese Personengruppe von der katholischen Konfession überzeugt werden könnte. Außerdem war das lutherische Gedankengut auch bei denen nicht verschwunden, die sich offiziell zur Kommunion eingefunden hatten. Kinder wurden weiterhin an lutherische Orte 1900 Ebd. Elias Steinbrecher, Keller und Schultheiß von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 10. Dezember 1585. 1901 Ebd. 1902 S. Kapitel 5.1.5. 1903 Brombierstäudl, Iphofen. S. 22. 1904 Einzelnachweise s. Kapitel 7.2. 1905 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 528 »relatio peccatorum in capitulo rurali iphofen«, 5.–7. Mai 1586. 1906 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 12. November 1586. 1907 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 528 Protokoll der Kapitelsversammlung, 1588. 1908 Als Lutheraner (außer dem Gesinde und denen, die an anderen Orten im Dienst waren) explizit angegeben wurde nur eine Witwe namens Schumann. (Dies galt auch für das folgende Jahr: AEB Rep. I Pf. A. Nr. 528 Relation der Kapitelsvisitation, 1591).

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zur Lehre oder in die Schule geschickt, Eltern kümmerten sich nicht darum, ob ihre Kinder und Dienstboten in Kinderlehre und Kirche gingen, auch die lutherischen Bücher waren in der Bevölkerung offenbar noch weit verbreitet. Die Ratsherren, die sich eingestellt hatten, fielen als besonders nachlässig auf.1909 Zudem war Bischof Julius nicht von der Ernsthaftigkeit ihres Glaubenswechsels überheugt, da der Priester aufgefordert wurde, Vorschläge für Neubesetzungen zu machen, obwohl keine Stellen frei waren.1910 Die Zahl der Katholiken stieg aber nicht nur dadurch, dass bereits eingesessene Iphöfer dazu kamen, sondern auch durch den Zuzug von außen. Der Würzburger Bischof hatte bereits 1585 angeordnet, dass keine lutherischen Neubürger mehr in der Stadt aufgenommen werden durften.1911 Zudem hatte man von Seiten der Stadtverwaltung die nötige Summe zur Erlangung des Bürgerrechts gesenkt, um die Auswanderer auszugleichen. Für das Jahr 1590 ist von etwa 1525 Einwohnern auszugehen.1912 Hindernisse bei der vollständigen Rekatholisierung der Stadt stellten auch die Angestellten fremder Herrschaften dar. Besonders deutlich wurde dies bei den Besitzungen des ehemaligen pfälzischen Benediktinerklosters Kastl. Das Kloster wurde nach dem Übertritt Ottheinrichs von der Pfalz zum Calvinismus 1563 aufgehoben.1913 Die Frau des pfälzischen Bergmeisters1914 ließ sich in den 1590er Jahren vor ihrem Tod durch den Prädikanten des 4 km entfernten ritterschaftlichen Fröhstockheim das Abendmahl spenden. Das Haus des pfälzischen Kastners galt wie der Wenkheimer Hof, der von Johann Moritz von Wenkheim, dem Sohn des vorherigen Amtmanns bewohnt wurde, als Treffpunkt der Lutheraner.1915 Als Reaktion darauf ordnete Bischof Julius an, den Prädikanten zu verhaften, 1909 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 528 »Capitulum Iphoven«, 1590; ebd. Relation der Kapitelsvisitation, 1595; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Bischof Julius an Keller, Bürgermeister und Rat von Iphofen, 28. Juni 1597. 1910 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 528 Visitation im Kapitel Iphofen, Dezember 1590. 1911 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 6. Juni 1585; ebd. Elias Steinbrecher, Keller und Schultheiß von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 6. Juni 1585. Dies scheiterte aber zunächst noch, wie Steinbrecher berichtete, an den überwiegend lutherischen Ratsmitgliedern. 1912 Endres, Iphofen, S. 170. 1913 Haering, Stephan: Kastl, in: LThK Band 5, Freiburg, 1997, Sp. 1287 – 1288, hier Sp. 1287. Im Zuge der Rekatholisierung der Pfalz im Dreißigjährigen Krieg ging es 1636 in den Besitz der Jesuiten über (ebd.). 1914 Ein Bergmeister war für Weinberge zuständig. »Pfälzisch« ergibt sich der Tatsache, dass der Hof dem Kloster Kastl in der Pfalz gehörte, dieser Hof wurde Kastler Hof oder eben auch Pfälzischer Hof genannt. (Endres, Iphofen, S. 66). Aus gleichem Grund gab es auch einen »pfälzischen Kastner«, also eine Person, die für die wirtschaftliche Verwaltung des Klosterhofes zuständig war. 1915 Endres, Iphofen, S. 329.

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Gegenmaßnahmen

sollte man ihn noch einmal in Iphofen antreffen.1916 Ein direktes Eingreifen gegen den fremden Untertan war offensichtlich nicht möglich. In den Folgejahren kam es punktuell vor, dass ein benachbarter Prädikant in Krankheitsfällen in die Stadt hineingerufen wurde.1917 Eine Verhaftung ist gleichwohl nicht überliefert. Neben den fremden Untertanen, die zahlenmäßig nicht spezifiziert werden können, war auch die zweite große Gruppe der Lutheraner, das Gesinde, weiterhin präsent in der Stadt, obwohl sie sich hartnäckig weigerte, die katholische Konfession anzunehmen.1918 Auf Grund dessen befahl Bischof Julius im Juni 1597, dass alle, die noch lutherisch waren, massiv zum Glaubenswechsel aufgefordert werden sollten. Die Namen der »Ausständigen« sollten nach Würzburg berichtet werden.1919 Auffällig ist, dass keinerlei spezielle Strafen oder eine Ausweisung angedroht wurden. Auch in den zwei letzten Jahren des 16. Jahrhunderts konnte die vollständige Rekatholisierung der Stadt nicht erreicht werden. 1598 fehlten noch um die 400, 1599 um die 200 Personen, die sich nicht zu Beichte und Kommunion eingestellt hatten.1920 Echter reagierte zwar mit Strafandrohungen, darunter befand sich aber nicht die Ausweisung.1921 Es ist also davon auszugehen, dass es sich dabei in erster Linie um Menschen handelte, die grundsätzlich bereits einmal bei der Kommunion gewesen waren, aber nicht jährlich hingingen. Die Beurteilung ist insofern schwierig, da in Iphofen zwei unterschiedliche Zählarten angewendet wurden. In den ersten Jahren zählte man die Kommunionsempfänger, in den folgenden die Ausständigen. Um die Jahrhundertwende lässt sich noch ein lutherisches Ratsmitglied fassen, der seine Kinder an lutherische Orte zum Studium schickte und der einen anderen Ratsherren auf dem Totenbett dazu überreden konnte, wieder Protestant zu werden und nach einem Prädikanten zu verlangen.1922 Im neuen Jahrhundert konnten sich wieder Protestanten in Iphofen ansiedeln.1923 Dies könnte auch daran gelegen haben, dass der Rat den Befehl Echters, 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923

AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Bischof Julius an Schultheiß von Iphofen, 24. Mai 1593. Ebd. Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 23. November 1595. AEB Rep. I Pf. A. Nr. 528 Relation der Kapitelsvisitation, 1595. AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Bischof Julius an Schultheiß, Bürgermeister und Rat von Iphofen, 28. Juni 1597. AEB Rep. I Pf. A. Nr. 528 Versammlung des Ruralkapitels, 16./17. April 1598; ebd. »Designatio was sich anno (15)99 inn gehaltenen capittel zu iphofen fur defect und mangl befunden«. AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Bischof Julius an Valentin Pfaff, Keller von Iphofen, 19. Oktober 1599. DAW Landkapitelakten Nr. 154 Fragment eines Visitationsprotokolls des fürstbischöflichen Kommissars über das Kapitel Iphofen, o. Dat. Vermutlich Anfang des 17. Jahrhunderts. Brombierstäudl, Iphofen, S. 23.

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als Neubürger keine Lutheraner aufzunehmen, so auslegte, dass sie allen Neubürgern (also auch den lutherischen) zwar auftrugen, katholisch zu werden, aber das Bürgerrecht wegen der Konfession offenbar nicht verweigert wurde.1924 Dies hieß gleichwohl nicht, dass keiner der Neubürger seiner Konversionspflicht nachkam.1925 Bei der Kapitelsvisitation des gleichen Jahres wurden 900 Kommunikanten angegeben. Ein Schreiner wurde explizit als lutherisch aufgezählt, außerdem die Gruppe der Dienstboten.1926 Für das folgende Jahr gab der Priester sogar 1000 Kommunionsempfänger an.1927 Dennoch war zumindest ein Mitglied des Rats zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch protestantisch.1928 In den Folgejahren wurden bei den Kommunikanten immer nur geringe Zahlen von Protestanten angegeben. 1602 verweigerte ein Ehepaar explizit die Kommunion, weil beide Ehepartner lutherisch waren.1929 1603 und 1604 traf dies für drei Personen zu.1930 Auch anderen der Obrigkeit namentlich bekannten Lutheranern war es möglich, sich weiterhin in Iphofen aufzuhalten und auf Dauer die Kommunion zu verweigern. Eine Witwe und ihr Schwiegersohn wurden zwar mehrmals durch Pfarrer und Keller verwarnt, blieben aber in der Stadt, obwohl sie angaben, sie würden ins etwa 4 km entfernte Rödelsee auswandern, wenn sie nicht bleiben dürften.1931 Möglicherweise handelte es sich hierbei um dieselbe Frau, die bereits 1590 und 1591 als Lutheranerin in den Verzeichnissen aufgeführt wurde. Die Witwe Schuhmann blieb lutherisch und in Iphofen bis zu ihrem Tod am 31. Dezember 1605.1932 Ein lutherisches Begräbnis auf dem Iphöfer Friedhof, um das ihr Schwiegersohn gebeten hatte,1933 lehnte Julius Echter ab.1934 1606 beschwerte sich der Keller über einen weiteren lutherischen Bürger in der Stadt. Zudem blieben die Schwiergertochter des letzten Amtmannes, Rosina 1924 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Keller, Bürgermeister und Rat von Iphofen an Bischof Julius, 8. August 1597. 1925 Ebd. Valentin Pfaff, Keller von Iphofen an Bischof Julius, 20. März 1600. 1926 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 528 »Designatio was sich anno 1600 inn gehaltenen capittel zu iphofen fur defect und mangl befunden«. 1927 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 529 Visitation, 17. Mai 1601. 1928 DAW Landkapitelakten Nr. 154 Fragment eines Visitationsprotokolls des fürstbischöflichen Kommissars über das Kapitel Iphofen, o. Dat. Vermutlich Anfang des 17. Jahrhunderts. 1929 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 529 Visitation, 30. April 1602. 1930 Ebd. Visitation, 1603; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Bischof Julius an Valentin Pfaff, Keller von Iphofen, 12. Oktober 1604. 1931 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Valentin Pfaff, Keller von Iphofen an Bischof Julius, 28. Dezember 1604. 1932 Ebd. Valentin Pfaff, Keller und Matthäus Emericus, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 1. Januar 1606. 1933 Ebd. Johann Baumann, Bürger von Iphofen an Bischof Julius, 1. Januar 1606. 1934 Ebd. Bischof Julius an Matthäus Emericus, Pfarrer von Iphofen, 2. Januar 1606.

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Gegenmaßnahmen

von Wenkheim, und ihr Gesinde weiterhin lutherisch.1935 Auf die Edelfrau war offenbar kein Zugriff seitens der bischöflichen Obrigkeit möglich. Der Iphöfer Bürger wiederum sollte seitens Pfarrer und Keller ermahnt werden.1936 Pfarrer und Keller waren in dieser Hinsicht erfolgreich, denn im Visitationsbericht von 1606 wurde er explizit als Neu-Katholik aufgeführt, der in diesem Jahr zum ersten Mal die Kommunion eingenommen hatte.1937 Für das Jahr 1609 waren der Obrigkeit neben den Bewohnern des Wenkheimischen Hofes noch zwei Hirten mit ihren Ehefrauen bekannt, ein weiteres Paar und eine alleinstehende Frau, die wegen ihrer Konfession nicht zur Kommunion gingen.1938 Betrachtet man zusammenfassend die 1610er und beginnenden 1620er Jahre, wurde 1613 das erste Mal gemeldet, dass alle Iphöfer – mit Ausnahme der zwei Häuser von Wenkheim und des pfälzischen Kastlhofs – katholisch seien.1939 Daran änderte sich bis 1623 nichts. Gegen die Bewohner dieser beiden Häuser konnten oder wollten die Bischöfe offenbar nicht vorgehen. Abwesende Personen bei Beichte und Kommunion pendelten zwischen zwei und 50, wobei deutlich gemacht wurde, dass es sich dabei um formale Katholiken handelte, die nur im jeweiligen Jahr nicht bei der Kommunion gewesen waren.1940 Vom Gesinde ist in den Übersichten grundsätzlich keine Rede. Die Nachrichten für die restliche Zeit des Dreißigjährigen Krieges sind sehr sporadisch. In der Visitation von 1624 stellte es sich heraus, dass Arbeiter und Tagelöhner aus Iphofen in lutherische Gottesdienste ausliefen.1941 Der Priester in Iphofen floh nicht vor den heranrückenden Schweden im Dreißigjährigen Krieg, sondern blieb in seiner Gemeinde.1942 Für die Zeit nach dem Westfälischen Frieden zeigte sich zunächst, dass es nach wie vor lutherische Dienstboten in der Stadt gab. In der Ruralkapitelsvisitation von 1649 heißt es »plerique famuli et famulae sunt lutherani«. Außerdem siedelten sich auch lutherische Bürger in der Stadt an.1943 Vermutlich ging es in erster Linie darum, die Verluste an Menschen wieder auszugleichen und die 1935 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Bischof Julius an Valentin Pfaff, Keller von Iphofen, 2. Juni 1605; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 529 Visitation, 1605. 1936 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Bischof Julius an Valentin Pfaff, Keller von Iphofen, 2. Juni 1605. 1937 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 529 »geistliche mengel im capitel iphoven den 30 marti anno 1606« 1938 Ebd. Kapitelsvisitation, 19. April 1609. 1939 Ebd. »geistliche mengel im capitel iphoven den 30 marti anno 1613«. 1940 Ebd. »geistliche mengel im capitel iphoven den 30 marti anno 1613«; DAW Landkapitelakten Nr. 154 Visitation, 28. April 1614; ebd. Visitation, 1617; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 529 »Visitatio capituli iphoven anno 1618 17 may«; ebd. »Visitatio capituli iphofen anno 1619 16 may«; ebd. »Visitatio capituli iphofen anno 1620«; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 530 »Visitatio Capituli Ruralis in Iphofen«, 11. Mai 1623. 1941 DAW Landkapitelakten Nr. 154 »Visitationspuncte«, 7. Mai 1624. 1942 Deinert, Christa: Die schwedische Epoche in Franken von 1631 – 1635, Würzburg, 1966, S. 125. 1943 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 530 Spezifikation des Ruralkapitels, 1649.

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Stadt wieder zu bevölkern. Dennoch drückte der Visitator des Jahres 1650 seinen Unmut über diese Entwicklung aus: »vil lutherische in dieser pfar, werden nit besser sonder ärger. Herr amptmann wil andeuten man sei anfangs fro gewesen das man nur leuth gehabt die man angenommen. Wiß doch nit ob sie sich alda schon einkaufft haben«.1944 Die Lutheraner blieben im Jahr 1652 und verweigerten die Kommunion.1945 Im folgenden Jahr aber waren außer dem Gesinde keine Lutheraner mehr am Ort.1946 Maßnahmen zur Rekatholisierung haben wohl nicht stattgefunden, vor allem, wenn man die tolerante Haltung des Fürstbischofs gegenüber Kitzingen bedenkt.1947 Wahrscheinlicher erscheint, dass sich die Zuwanderer entweder im Glauben an ihre neue Umgebung anpassten oder aber weiterzogen in das beinahe an der Stadtgrenze beginnende markgräfliche Territorium. Betrachtet man die verbleibenden Jahre bis 1700, fällt auf, dass Iphofen ein an sich katholischer Ort war, in dem gelegentlich Lutheraner lebten.1948 Maßnahmen, um die bekannten Protestanten zum katholischen Glauben zu bringen, gab es keine. In der Zusammenschau zeigt sich, dass vor den Rekatholisierungsmaßnahmen Julius Echters das Verhältnis von Lutheranern und Katholiken in der Stadt bei ungefähr 2:1 lag, d. h. die Lutheraner waren in der Überzahl. Bei der Pestepidemie der Jahre 1582 – 86 starben viele einflussreiche Protestanten. Möglicherweise hat dieser Fakt mit dazu geführt, dass in Iphofen der Widerstand gegen die Rekatholisierung nicht so stark ausfiel und die Zahl der Auswanderer gering blieb. Bis zum Jahr 1586 verweigerten praktisch alle anwesenden Lutheraner die Kommunion, danach nur noch sehr wenige Personen in sporadischen Abständen. Bei den beteiligten Personen sind zwei Dinge auffällig. Eine Reihe von einzelnen Lutheranern konnte sich zum Teil für Jahrzehnte weiterhin in der Stadt aufhalten. Offenbar war sie groß genug, dass eine flächendeckende Kontrolle immer noch Schlupflöcher aufwies. Zweitens steht Iphofen noch stärker als die anderen Orte für eine Stadt, in der die Dienstboten, die Knechte und Mägde lutherisch waren. Von Seiten der Obrigkeit war man dieser Gruppe gegenüber praktisch machtlos. Eine weitere kleine Gruppe, die ebenfalls das 1944 Ebd. »Relatio Capituli Iphofen«, 10. Mai 1650. 1945 Ebd. »Responsio ad puncta examinis parochorum in visitatione locali ruralis capituli iphovensis«, 1652. 1946 Ebd. »Relationes in visitatione locali capituli ruralis iphovensis collectae 1653«. 1947 Dort hatte Bischof Johann Philipp 1650 den lutherischen Gottesdienst erlaubt. S. Kapitel 5.1.2. 1948 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 530 Kapitelsvisitation, 7. Mai 1658; DAW Landkapitelakten Nr. 155 »capitulum in iphoven«, 6. Mai 1659; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 530 »Visitatio Capituli ruralis iphoven«, 1663; ebd. »Visitatio Capituli ruralis iphoven«, 1666; DAW Landkapitelakten Nr. 155 »capitulum iphoven«, 17. April 1668; ebd. »relatio visitationes reverendi ruralis capituli iphoviensis«, 1671; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 530 Visitation, 23. April 1687; ebd. Lokalvisitation, 1697.

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Gegenmaßnahmen

lutherische Gedankengut am Leben hielt, waren die Häuser der Familie von Wenkheim und des Klosters Kastl. In diesen Fällen konnte der Bischof nur bedingt zugreifen, da diese sich nicht in seinem Besitz befanden. Bei der Reaktion aus der Residenzstadt ist auffällig, dass nach dem großen Übertritt 1586 in den folgenden 30 Jahren der Echterschen Regierung nur wenig Energie darauf verwendet wurde, auch die letzten fehlenden Lutheraner noch von ihrer Verweigerungshaltung abzubringen. Kitzingen In Kitzingen beschränkte sich die Rekatholisierung insgesamt auf wenige Jahre. Sie begann mit dem Rückfall der Stadt an das Hochstift im Jahr 1629 und endete 1647 mit der Erlaubnis, auslaufen zu dürfen. Unterbrochen wurde sie zudem von den Jahren der schwedischen Besatzung (1631 – 34). In Kitzingen war der Auslöser der Kommunionsverweigerung erst ab Januar 1629 gegeben, als die Stadt auf Grund der Pfandablösung von BrandenburgKulmbach zurück an das Hochstift Würzburg kam. In einer ersten Befragung der Untertanen im Rathaus (20. Januar 1629) gaben alle Befragten bis auf zwei Ausnahmen an, dass sie sich nicht zum katholischen Glauben einfinden wollten.1949 Ein Teil der Befragten wanderte im Laufe des Jahres aus.1950 Der andere Teil wanderte nicht aus, sondern blieb in der Stadt und ignorierte die Aufforderungen zur Einnahme der Kommunion. Der Würzburger Bischof beklagte sich im Oktober 1629, dass einige Kitzinger sich bisher weder zur Kommunion eingestellt hatten, noch ausgewandert waren.1951 Als Reaktion darauf verlängerte er die Frist bis Weihnachten des gleichen Jahres und forderte alle Kitzinger auf, bis dahin katholisch zu werden oder auszuwandern.1952 Damit konnte aber nicht erreicht werden, dass sich alle protestantischen Kitzinger in eine Entscheidung fügten. Im Februar 1630 bestellte Bischof Johann Philipp entsprechend diejenigen Kitzinger auf das Rathaus, die im ersten Jahr unter würzburgischer Herrschaft als Kommunionsverweigerer aufgefallen 1949 Buchwald, evangelische Gemeinde, S. 112. Da die Menschen einzeln befragt worden sind, kann man ob der hohen Einwohnerzahl Kitzingens davon ausgehen, dass es sich dabei um die Haushaltsvorstände gehandelt hat. 1950 Da die vorhandene Auswanderer-Übersicht (StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«) nicht zwischen den beiden Jahren differenziert, muss unklar bleiben, wie sich die Auswanderungswellen auf diese beiden Jahre verteilen. 1951 Hock, Kitzingen, S. 65. 1952 Ebd., S. 66.

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waren. Sie erhielten eine Frist von zwei Wochen, um entweder auszuwandern oder zur Kommunion zu erscheinen.1953 Betrachtet man abschließend die beiden Jahre 1629/30, lässt sich konstatieren, dass eine vollständige Rekatholisierung der Stadt nicht gelang. Von den ca. 2.800 Bewohnern waren knapp 1.100 ausgewandert.1954 Zwar galt dem Würzburger Bischof die Stadt ab Juni 1630 als katholisch.1955 Dennoch waren zwölf bekannte protestantische Familien in der Stadt verblieben, die auch weiterhin die Kommunion verweigerten.1956 Zudem zeigte sich in der Folge, dass das lutherische Gedankengut auch bei denjenigen, die ihre Verweigerungshaltung aufgegeben hatten, noch vorhanden war. Es wurden weiterhin bei Festivitäten wie Hochzeiten lutherische Lieder gesungen und bei Hausdurchsuchungen fanden die bischöflichen Beamten trotz vorheriger öffentlicher Verbrennung lutherischer Schriften immer wieder protestantische Publikationen.1957 Außerdem liefen die Kitzinger massiv aus.1958 Bischof Philipp Adolf gelang es trotz der Präsenz von Soldaten in der Stadt nicht, diese Vorgänge zu verhindern. Allerdings war seine Regierungszeit in Kitzingen von kurzer Dauer, da die Stadt 1631 von schwedischen Truppen besetzt wurde. Nachdem der mittlerweile gewählte Bischof Franz von Hatzfeld die Stadt wieder in seinen Besitz genommen hatte, änderten sich die Zeiten für Kommunionsverweigerer leicht zum Besseren: Der Bischof verbot den lutherischen Gottesdienst in der Stadt wieder und stellte das Auslaufen unter Strafe, aber es musste sich niemand zwischen einem Glaubenswechsel und einer Auswanderung entscheiden.1959 Nach dem Dreißigjährigen Krieg entspannte sich die Lage zusehends für die in der Stadt lebenden Lutheraner. Johann Philipp von Schönborn erlaubte ihnen den Besuch des lutherischen Gottesdienstes, sodass das Verweigern der Kommunion nicht länger nötig war. Daraufhin wechselten 26 Haushaltsvorstände wieder zurück zum lutherischen Glauben.1960 Im ersten Jahr des Gnadenbriefes (1650) lebten bereits wieder etwa 54 lutherische Familien in Kitzingen.1961 1953 1954 1955 1956

1957 1958 1959 1960

Buchwald, Evangelische Gemeinde, S. 112. Einzelnachweise s. Kapitel 7.2. Buchwald, Evangelische Gemeinde, S. 113. StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«. Buchwald, Evangelische Gemeinde, S. 113. S. Kapitel 6.3. Hock, Kitzingen, S. 106 f. StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und

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Gegenmaßnahmen

Insgesamt betrachtet ergeben sich die folgenden Erkenntnisse aus den kurzen Jahren der Kitzinger Rekatholisierung. Was den Zeitpunkt und die Häufigkeit der Kommunionsverweigerung betrifft, lassen sich drei Phasen ausmachen. In der ersten Phase 1629/30 wurde durch Bischof Johann Philipp mit Mitteln der Gewalt eine Rückführung aller zum katholischen Glauben angestrebt. Dies gelang aber nicht vollständig. Einige Familien blieben protestantisch. Es war auch nach der Auswanderungswelle 1629/30 möglich, die Kommunion zu verweigern, wenn man sich ansonsten unauffällig verhielt. Das Verhalten der NeuKatholiken zeigte zudem deutlich, dass es sich um einen rein äußerlichen Glaubenswechsel gehandelt hatte. Lutherische Bücher blieben präsent, lutherische Bräuche (etwa einschlägiges Liedgut) wurden weiterhin gepflegt und auch das Auslaufen zeigte, dass die in der Stadt Verbliebenen sich eingestellt hatten, um dem direkten Druck zu entgehen. In einer zweiten Phase ab 1635 verbot der mittlerweile gewählte Bischof Franz jeglichen Besuch der lutherischen Gottesdienste, zwang aber seine Untertanen nicht mehr länger zur Auwanderung. Die Lutheraner konnten also, sofern sie sich unauffällig verhielten, legal in der Stadt bleiben. In einer dritten Phase, die 1647 begann, erlaubte der nächste Würzburger Bischof, Johann Philipp von Schönborn, wiederum den Protestanten auch den legalen Gottesdienstbesuch, zunächst außerhalb, ab 1650 auch innerhalb der Stadt. Die Tatsache, dass 26 Haushaltsvorstände (vermutlich gemeinsam mit ihrer Familien) diese Regelung nutzten, um wieder protestantisch zu werden, unterstützt die Schlussfolgerung, dass die Konversionen um 1630 rein formal gewesen waren. In Kitzingen lässt sich mit der Pfandeinnahme der Stadt durch das Hochstift Würzburg ein direkter Auslöser der Kommunionsverweigerung ausmachen. Bei den beteiligten Personen gab es keinerlei Einschränkungen. Individuelle Begründungen liegen nicht vor. Die beteiligten Beamten treten in den Quellen nur sehr bedingt hervor. Deutlich wurde, dass sie für ihre Arbeit auf die Hilfe der Soldaten zurückgreifen mussten. Gemünden Die Rekatholisierung in Gemünden verlief insgesamt aus Sicht der Hochstiftsleitung ohne Schwierigkeiten. Obwohl sich viele Lutheraner dort aufhielten, gelang die vollständige Rekatholisierung innerhalb weniger Jahre. anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«. 1961 Zeeden, Toleranzedikt, S. 158.

Verweigerung der Kommunion

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In Gemünden sind erste Zahlen bezüglich Kommunionsempfängern und -verweigerern aus dem Jahr 1579 überliefert. Der Priester des Ortes gab an, dass er in diesem Jahr 400 Kommunikanten gehabt habe. Gleichzeitig beschwerte er sich über Ausläufer.1962 Da Gemünden zu dieser Zeit etwa 600 Einwohner hatte,1963 scheint die Menge an Katholiken im Verhältnis zu den ansässigen Lutheranern deutlich größer gewesen zu sein oder der Priester bezog sich auf die gesamte Pfarrei inklusive der Filialen. In Würzburg wurde die Situation als kritisch eingeschätzt, da Gemünden 1585 die erste Station auf Julius Echters persönlicher Reise durch die Städte mit vielen lutherischen Einwohnern war.1964 Den direkten Effekt dieser Maßnahme kann man nicht in Zahlen messen, die Visitationsakten setzen erst wieder 1596 ein. Wenn auch dort nichts darüber ausgesagt wird, ob sich noch Lutheraner in der Pfarrei befanden, lässt sich doch schließen, dass die Gemündener eine Vorstellung davon hatten, was sie von ihrem Pfarrer erwarteten. Sie beklagten sich über die schlechte Predigt, die Unerfahrenheit in religiösen Zeremonien und auffälliges Verhalten (exzessive Wirtshausbesuche, Schlägereien). Dazu käme mangelndes Pflichtbewusstsein. Häufig gäbe es keine Predigt, keine Vesper und der Katechismus würde zwar vorgelesen, aber nicht erklärt. Außerdem habe der Pfarrer massive Schulden.1965 Offenbar waren sogar Berichte nach Würzburg gedrungen, der Pfarrer sei gar nicht katholisch, zudem scheint er lutherische Verwandtschaft gehabt zu haben.1966 Der Priester wiederum vertrat die gegenteilige Ansicht und klagte über seine Gemeindemitglieder, dass sie nur selten in den Gottesdienst kämen.1967 Zudem seien lutherische Bücher noch vorhanden.1968 Zur Jahrhundertwende sind Kommunikantenzahlen überliefert. Es zeigte sich, dass zwar die meisten Stadtbewohner katholisch geworden waren, es gab aber noch einige Protestanten, die die Kommunion weiterhin verweigerten. Diese boten an, sie einzunehmen,1969 was sie bis zum folgenden Jahr aber nicht taten. Hierbei konnten sie sich die Tatsache zu Nutze machen, dass der Pfarrer neu war und seine Gemeindemitglieder entsprechend noch nicht gut kannte.1970

1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970

DAW Landkapitelakten Nr. 182 »relatio ex capitulo rurali Carolstat anno 1579«. Schenk, Städtische Siedlungen, S. 516. Meier, Karlstadt, S. 93. DAW Landkapitelakten Nr. 182 Visitationsrelation 1596. DAW Pfarrei-Akten, Gemünden, Kasten 1 Würzburgische Räte an Schultheiß von Gemünden 27. Mai 1594. DAW Ämterakten Nr. 48 Geistliche Mängel im Amt Karlstadt 17. Oktober 1598. DAW Pfarrei-Akten, Gemünden, Kasten 1, Würzburgische Räte an Pfarrer, Vogt und Rat von Gemünden 21. Juli 1594. DAW Landkapitelakten Nr. 182 Visitation des Kapitels Karlstadt durch den Dekan, 1600. Ebd. Visitationsrelation, 1601.

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Gegenmaßnahmen

1603 kamen alle Stadtbewohner zur Kommunion.1971 Im Jahr darauf fehlten nur die Kranken.1972 In den folgenden Jahrzehnten hatten die Pfarrer nur wenig zu klagen, was Beichte und Kommunion betraf. Vereinzelt gab es Personen, die nicht jedes Jahr dazu kamen. Diese brachten immer Gründe vor, die nicht mit einem möglichen lutherischen Glauben verbunden werden können.1973 Lutherische Bürger kamen mit ganz wenigen Ausnahmen nicht mehr vor. Eine Änderung trat erst 1627 ein. Der adelige Vogt der Stadt und seine Frau waren lutherisch und gingen auf ihren eigenen Besitzungen in den lutherische Gottesdienst.1974 Dies sollte sich in den folgenden Jahren nicht ändern.1975. Die Rekatholisierung war in dem Ort schon so weit abgeschlossen, dass diese Besetzung keinen Einfluss auf den Glauben der Gemünder nahm. Unklar ist, wie es sich in Gemünden bezüglich der lutherischen Dienstboten verhält. 1603/04 hatte der Priester gemeldet, dass alle Gemündener katholisch seien. Es drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass der Pfarrer damit die Gemündener Bürger und vermutlich auch noch ihre Familienangehörigen meinte, nicht aber das Gesinde. Auch nach der Jahrhundertwende tat der Schultheiß nichts dagegen, wenn lutherische Dienstboten eine Stelle in der Stadt annahmen.1976 Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen: Erstens gab es 1604 Lutheraner in Gemünden, die aber nicht in der Übersicht genannt wurden. Zweitens kann man daraus folgern, dass es vielleicht auch in den vorherigen Jahrzehnten lutherisches Gesinde gegeben hat, was ebenfalls nicht den Weg in die Kommunikantenübersicht gefunden hat. Der Pfarrer meldete nach Würzburg, es werde in der Stadt als Skandal empfunden, dass der Schultheiß weiterhin zuließe, dass lutherische Dienstbo1971 Ebd. »Inquisitio sive visitatio in capitulo carolstadiano 1603«. 1972 DAW Landkapitelakten Nr. 184 »relatio visitationis capituli ruralis carlstadiensis anni praesentis MDCIV«. 1973 Ebd. »Visitatio Capituli Carolstatt celebrati 29 augusti anno 1610«; DAW Landkapitelakten Nr. 185 »relatio de Visitatione Capituli Carolstadiensis anno MDCXIII«; DAW Ämterakten Nr. 44 Beschreibung kirchlicher Strukturen in den Ämtern Homburg an der Wern und Gemünden, ca. 1614. Für die folgenden Jahre sind die Visitationsakten in den Landkapitelakten Nr. 186 – 202 für das 17. Jahrhundert ausführlich vorhanden, Lutheraner kommen darin nicht mehr vor, Ausläufer ebensowenig. 1974 DAW Landkapitelakten Nr. 189 »Visitatio Capituli Ruralis Carlstadt dimidiata anno domini 1627 mensis augusti 31«. 1975 DAW Landkapitelakten Nr. 191 Visitatio localis im Ruralkapitel Karlstadt, Juli und August 1630. 1976 DAW Landkapitelakten Nr. 184 »relatio visitationis capituli ruralis carlstadiensis anni praesentis MDCIV«. Echter hatte in seiner Kirchenordnung von 1589 (s. Kapitel 2.6) explizit angegeben, dass gegen fremde Dienstboten kein Zwang bezüglich der Kommunionseinnahme ausgeübt werden dürfe. Allerdings geht aus den Gemünder Quellen nicht zweifelsfrei hervor, ob es sich um Fremde oder Einheimische handelte.

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ten, Knechte und Mägde in der Stadt zum Dienst angenommen werden würden.1977 Allerdings musste irgendjemand diese Dienstboten zum Dienst angenommen haben, sodass die Aussage des Priesters zumindest in Teilen zurückgewiesen werden muss. Die Klagen über lutherische Dienstboten rissen auch in den Folgejahren nicht ab.1978 Während der Besatzungszeit der Schweden wirkte weiterhin ein Priester in Gemünden.1979 Obwohl die Bedingungen günstig waren, versuchten die Bewohner nicht, einen Prädikanten einzusetzen. In der Gesamtschau ergibt sich bezüglich des Zeitpunkts der Kommunionsverweigerung eine Konzentration auf die Zeit vor dem persönlichen Besuch Echters 1585. Das Resultat von Echters Besuch lässt sich nicht in Kommunikantenzahlen messen. Die Klagen der Gemünder über Amts- und Lebensführung ihres Priesters zeigt aber, dass sie von ihm die Ausübung von katholischen Zeremonien und Bräuche erwarteten. Lutheraner gab es, so zeigen die 1600 einsetzenden Kommunikantenzahlen, unter den Gemündener Bürgern mit Ausnahme des adeligen Vogtes in den Jahren 1627 – 30 nicht mehr. Lutherisches Dienstpersonal ließ sich jedoch nachweisen. Im Vergleich mit den bisher untersuchten Würzburger Orten zeigen sich in Gemünden deutliche Abweichungen. Es gab praktisch keine Auswanderer und bereits um die Jahrhundertwende kamen alle Einwohner der Stadt zu Beichte und Kommunion. Vergleicht man das im Westen des Hochstifts gelegene Gemünden mit den ca. 60 km entfernt liegenden Orten Gerolzhofen und Iphofen, fällt auf, dass die gleichen Maßnahmen zur Anwendung gekommen sind. Die Umstände wiederum lagen für die Gemündener Protestanten deutlich ungünstiger. Das protestantische Territorium der Grafen von Rieneck, dass Gemünden von drei Seiten umschloss, war bereits 1559 nach dem Aussterben der Familie an das Erzstift Mainz gefallen, das aktive Rekatholisierungspolitik betrieb.1980 Die nahe gelegene lutherische Herrschaft der von Thüngen machte sich in Gemünden nicht bemerkbar.1981 So konnte sich in Gemünden offenbar kein lutherisches Leben entwickeln, das stark genug war, die Rekatholisierungsbemühungen der Würzburger Bischöfe 1977 DAW Landkapitelakten Nr. 184 »relatio visitationis capituli ruralis carolstadiensis anni praesentis MDCIV«. 1978 Ebd. »Visitatio capituli carolstatt«, 29. August 1606; DAW Landkapitelakten Nr. 185 »relatio de Visitatione Capituli Carolstadiensis anno MDCXIII«. 1979 Käsbauer, Anton: 500 Jahre gotische Pfarrkische St. Peter und Paul in Gemünden, Gemünden, o. J., S. 23. 1980 Richter, Gemünden, S. 55. 1981 Zwei lutherische Pfarreien der Familie von Thüngen, Höllrich und Wolfsmünster, lagen weniger als 10 km von Gemünden entfernt (Bauer, Thüngen, S. 42). Die zwei genannten Pfarreien wurden im Jahr 1628 rekatholisiert (ebd, S. 54 – 60). Die Möglichkeit des Auslaufens war also bis dahin grundsätzlich gegeben.

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Gegenmaßnahmen

zumindest teilweise zu überstehen und zu unterlaufen. Die Möglichkeit, sich seines eigenen Glaubens zu versichern, die das Auslaufen bot, war in Gemünden zudem deutlich eingeschränkt. Ähnlich gestaltete es sich bei der Auswanderung. Potentielle Auswanderer mag abgeschreckt haben, dass es nur sehr wenige lutherische Ziele in der direkten Umgebung gegeben hat. Urspringen Bevor im Folgenden die Kommunionsverweigerer des Ortes untersucht werden, sei noch einmal auf die besondere Ausgangsposition der Pfarrei verwiesen. Obwohl Urspringen eine ritterschaftliche Pfarrei war und die lutherischen Voit von Rieneck1982 die Vogtei im Ort innehatten, gab es in Urspringen einen katholischen Pfarrer. Es findet sich kein Hinweis, dass jemals versucht worden ist, einen Prädikanten einzusetzen. Eine mögliche Begründung hierfür ist in der Tatsache zu suchen, dass das Patronatsrecht der Kirche beim Würzburger Stift Neumünster lag.1983 Generell war die Einführung der Reformation in ritterschaftlichen Herrschaften selten erfolgreich, wenn eine adelige Familie zwar die Vogtei innehatte, aber nicht das Patronatsrecht.1984 Im hier vorliegenden Fall führte diese Kombination dazu, dass die Adeligen nur wenig Einfluss auf die Konfession des Geistlichen nehmen konnten, aber die Würzburger Bischöfe wiederum nur bedingt Möglichkeiten hatten, auch den weltlichen Arm der Verwaltung für die Rekatholisierung in den Dienst zu nehmen. Dies mündete zum Beispiel darin, dass die Kirchenordnung und die Mandate vor Ort nicht veröffentlicht wurden.1985 Zudem unterstützten die Voit von Rieneck ihren Priester nicht bei seinen alltäglichen Schwierigkeiten und Problemen. Dieser beklagte sich regelmäßig, dass die Kirche in einem schlechten Zustand sei, dass er Kelch und Messgewandt in seinem Haus aufbewahren müsse, weil die Kirche dafür nicht geeignet sei, und dass die Ausstattung der Kirche so schlecht sei, dass er sich regelmäßig in der Umgebung Dinge borgen müsse, um einen ordentlichen Gottesdienst zu feiern. Zudem hatte der Pfarrer den alten Kalender zu halten.1986 Erst 1609 renovierten die Ritter Kirchen- und Schulgebäude, die 1982 Hanns Christoph Voit von Rieneck zu Urspringen war 1581 sogar in einem Ausschuss, der Bischof Julius die Bedenken der fränkischen Ritterschaft in Religionssachen vortrug (Buchinger, Julius Echter, S. 289). 1983 DAW Landkapitelakten Nr. 183 Visitationsrelation, ca. 1580. So auch Meier, Karlstadt, S. 68. 1984 Neumaier, Helmut: Hardheim contra Würzburg. Religionsfrieden und reichsritterschaftliche Herrschaft in Franken – eine Fallstudie, in: BlfwLG 98, 1998, S. 30 – 48, hier S. 44. 1985 DAW Ämterakten Nr. 79 »relatio der visitationspuncte die pfarr und kirche ursprungen sambt seiner drey filialkirchen als birckenfeld roden und zimmer betreffend«, 1613; DAW Landkapitelakten Nr. 187 »Visitatio Capituli Carolstatt«, 1. September 1620. 1986 DAW Landkapitelakten Nr. 182 Visitationsrelation, 1596; ebd. »visitatio des rural capitelo

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Klagen über fehlendes Zubehör rissen aber nicht ab.1987 Auch der lutherische Schulmeister, der dem Pfarrer gelegentlich Verdruss bereitete, wurde über die Jahre nicht ausgetauscht, auch wurde er nicht katholisch, obwohl er regelmäßig angab, dies tun zu wollen.1988 Nach dem Besitzerwechsel an die ritterschaftliche Familie Kottwitz von Aulenbach im Jahr 1612 änderte sich zunächst nichts. Der Priester, der mittlerweile ebenfalls gewechselt hatte, wiederholte anfänglich verschiedene Klagen: Kirchengebäude und Ausstattung seien schlecht, der Schulmeister lutherisch und der alte Kalender müsse auch eingehalten werden.1989 Allerdings verschwanden die Vorwürfe des alten Kalenders1990 und des lutherischen Schulmeisters1991 innerhalb von drei Jahren aus den Visitationsakten. Offensichtlich führten die Kottwitz von Aulenbach mit der Zeit auch bauliche Maßnahmen an der Kirche

1987 1988

1989

1990 1991

in carlstatt«, 1600; ebd. Visitationsrelation, 1601; DAW Ämterakten Nr. 48 »defect und geistliche mengel des ampts carlstatt«, 1602; DAW Landkapitelakten Nr. 184 »visitatio capituli Carolstatt«, 27. August 1607; ebd. »Visitatio capituli carolstatt«, 1. September 1609. Der Pfarrer hatte zwar in Urspringen selbst den alten Kalender zu halten, nicht jedoch in den Filialen. Es mutet recht skurril an, wenn man sich vorstellt, dass Festtage, Jahrestage etc. vom gleichen Pfarrer in nur wenig auseinander liegenden Orten jeweils zweimal um zehn Tage versetzt gefeiert wurden. DAW Ämterakten Nr. 79 »relation herrn doctorn christopheri raben den 16, 17 und 18 november 1609 beschehenen uber etliche geistliche mängel welche er in verrichte local visitation befunden«. DAW Landkapitelakten Nr. 182 Visitationsrelation, 1596; ebd. »visitatio des rural capitelo in carlstatt«, 1600; ebd. Visitationsrelation, 1601; DAW Ämterakten Nr. 48 »defect und geistliche mengel des ampts carlstatt«, 1602; DAW Landkapitelakten Nr. 182 »inquisitio sive visitatio in capitulo carolstadiano«, 1603; DAW Landkapitelakten Nr. 184 »Visitatio capituli carolstatt«, 31. August 1604; ebd. »Visitatio capituli Carolstatt«, 27. August 1607; DAW Ämterakten Nr. 79 »relation herrn doctorn christopheri raben den 16, 17 und 18 november 1609 beschehenen uber etliche geistliche mängel welche er in verrichte local visitation befunden«; DAW Landkapitelakten Nr. 184 »Visitatio Capituli Carolstatt celebrati 29 augusti anno 1610«; DAW Landkapitelakten Nr. 185 Geistliche Mängel im Ruralkapitel Karlstadt, 1612. Interessant ist, dass der Priester häufig angab, mit dem Schulmeister trotz dessen abweichender Konfession zufrieden zu sein, da dieser sehr fleißig und pflichtbewusst sei und keinen Anlass zu Ärger gebe. DAW Landkapitelakten Nr. 185 Visitationsrelation, 1613, DAW Ämterakten Nr. 79 »relatio der visitationspuncte die pfarr und kirche ursprungen sambt seine drey filialkirchen als birckenfelt roden und zimmer betreffend«, 1613. In diesem Jahr heißt es sogar, dass auch die lutherischen Feiertage gehalten wurden. Unklar ist, ob dies vorher schon der Fall gewesen ist, aber nie notiert wurde oder ob die neuen Besitzer dies einführten. DAW Landkapitelakten Nr. 186 »Visitatio Capituli in Carlstat den 26. Augusti anno 1614«; ebd. »relatio de visitatione capituli carolstadiensis in aestate anno MDCXV«; DAW Ämterakten Nr. 79 Visitationsrelation, 1618. Letzte Nennung im Jahr 1614 (DAW Landkapitelakten Nr. 186 »relatio de Visitatione Capituli Carolstadiensis anno MDCXIV«). Letzte Nennung im Jahr 1615 (DAW Landkapitelakten Nr. 186 »Relatio de visitatione capituli carolstadiensis in aestate anno MDCXV«).

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Gegenmaßnahmen

durch und erweiterten die Ausstattung.1992 Allerdings kamen diese Beschwerden nach dem Westfälischen Frieden wieder auf: Der Priester rügte die schlechte Kirchenausstattung, die Familie von Kottwitz argumentierte, dass das Neumünsterstift als Patronatsherr dafür zuständig sei.1993 Wie wirkte sich diese eher ungünstige Ausgangsposition für den Priester auf die Rekatholisierung aus? Im ersten überlieferten Visitationsbericht von 1579 gab der Priester an, dass er insgesamt 400 Kommunikanten habe und nur 8 Ungehorsame.1994 In einem Visitationsbericht von circa 1580 wurde aber bemängelt, dass die konfessionelle Haltung des Priesters nicht eindeutig sei. Beichte und Kommunion seien bei ihm unordentlich und durcheinander und er wisse gar nicht, wie die Zeremonien genau abzuhalten seien.1995 Daraus folgt, dass die eindeutige Zuordnung der Gemeindemitglieder zur katholischen oder lutherischen Konfession nicht unbedingt geeignet war, die Realität zu beschreiben. Zudem ist anzunehmen, dass der Priester entweder die als Lutheraner erkennbaren Mitglieder seiner Gemeinde verschwieg oder ihm selbst der Unterschied nicht bewusst war. Der Visitationsbericht von 1580 wies explizit darauf hin, dass es die adelige Herrschaft zulassen würde, dass es viele Lutheraner in der Pfarrei gebe.1996 Es ist also von deutlich mehr als acht Kommunionsverweigerern auszugehen. Ebenso abträglich für die Rekatholisierung war die Tatsache, dass der Pfarrer insgesamt vier Kirchen zu versehen hatte.1997 Die Visitationsberichte setzen erst wieder im Jahr 1596 ein. Seitens der Herrschaft wurde ein lutherischer Schulmeister in Urspringen geduldet.1998 Bei den Pfarrvolk scheint der lutherische Glaube aber nicht verbreitet gewesen zu 1992 DAW Landkapitelakten Nr. 187 »Relatio de visitatione Capituli carolstadiensis anno MDCXIX«. 1993 DAW Landkapitelakten Nr. 193 »Visitatio capituli carolstadiensis pro anno 1649«; DAW Landkapitelakten Nr. 194 »Visitatio«, 1655. Interessant ist, dass sich die Kritik am Schulmeister auf eine andere Ebene verschoben hatte. Er war zwar nicht mehr lutherisch, aber »der schulmeister des junckern diener, versaumpt offt die schul« (DAW Landkapitelakten Nr. 193 »Visitatio capituli carolstadiensis pro anno 1649«). 1994 DAW Landkapitelakten Nr. 182 »relatio ex capituli rurali Carolstat«, 24./25. August 1579. Auch hier muss noch einmal mit Nachdruck auf Lang (Kirchenvisitationsakten, S. 138 f.) verwiesen werden, der davon ausgeht, dass die Kommunikantenzahlen aus mehreren Gründen als sehr grob zu verstehen sind: Erstens zählte der Pfarrei meistens nicht, sondern schätzte, was ja auch deutlich an den glatten Zahlen zu erkennen ist. Unklar ist zumeist auch, ob Hauptort und Filialen gemeint sind oder nur der Hauptort, außerdem geht Lang davon aus, dass viele Verweigerer der Kommunion auch einfach verschwiegen wurden. 1995 DAW Landkapitelakten Nr. 183 Visitationsrelation, ca. 1580. 1996 Ebd. 1997 Ebd. Die Filiale Roden lag fußläufig etwa 3,5 km westlich, die Filiale Birkenfeld 6 km südlich von Urspringen. Die Filiale Zimmern (mittlerweile ein Stadtteil von Marktheidenfeld) befand sich circa 9 km südwestlich von Urspringen. 1998 DAW Landkapitelakten Nr. 182 Visitationsrelation, 1596.

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sein, da im Jahr 1600 – laut Bericht des Priesters – alle bei der Kommunion waren.1999 Allerdings war der Priester in diesem Jahr auch der Dekan des Landkapitels. Er entschied also, was überhaupt nach Würzburg berichtet wurde und was nicht. Da in den Visitationsberichten der Folgejahre aber immer wieder Lutheraner in seiner Pfarrei explizit aufgeführt wurden, die die Kommunion nicht einnehmen wollten, hat er diese wohl entweder verschwiegen oder es waren Menschen, die zu einem vorherigen Zeitpunkt schon einmal bei der Kommunion gewesen waren, dies aber nicht als bindend begriffen hatten. 1604 meldete der Pfarrer 130 Kommunikanten, aber der Schreiber und einige Bauern seien lutherisch, auch der Schulmeister und seine Frau. Da aber bei einigen dieser Personen die Kinder und auch das Gesinde katholisch seien, sei er guter Dinge, dass bald alle katholisch sein würden.2000 Drei Jahre später im Jahr 1607 gab der Pfarrer 160 Katholiken an, die bei ihm gebeichtet und die Kommunion eingenommen hatten. Es fehlten noch ein halbes Dutzend Personen.2001 Eine völlige Katholizität sollte auch in der Folgezeit nicht erreicht werden, allerdings gab der Pfarrer beständig an, dass es nur noch die Alten seien, die dem lutherischen Glauben anhingen, die Kinder würden bereits katholisch erzogen werden.2002 Bei einer Visitation vor Ort im Jahr 1609 stellte der Würzburger Gesandte allerdings fest, dass dies nicht ganz richtig war, da er neben den alten Menschen zwei weitere Haushalte und vor allem auch das Schlossgesinde als lutherisch identifizierte, dem die Voit von Rieneck naturgemäß nichts entgegen setzten.2003 Die Zahl der Kommunikanten gaben Pfarrer und Visitator ebenfalls unterschiedlich an: Ersterer sprach von 173 Personen, letzterer nur von 153.2004 Für die folgenden Jahre ist die Zahl der Kommunikanten in Urspringen schwierig auszumachen, da nur Zahlen für die ganze Pfarrei inklusive der Filialen genannt werden.2005 Als Urspringen 1612 von der ebenfalls lutherischen 1999 Ebd. »visitatio des rural capitelo in carlstatt«, 1600; DAW Ämterakten Nr. 48 »defect und geistliche mengel des ampts carlstatt«, 1602; DAW Landkapitelakten Nr. 182 »inquisitio sive visitatio in capitulo carolstadiano«, 1603. 2000 DAW Landkapitelakten Nr. 184 Visitation des Landkapitels Karlstadt, 27. August 1604. Der große Unterschied zu dem Wert von 1579 (400 Kommunikanten) ist vermutlich auch damit zu erklären, dass in dem einen Fall möglicherweise die ganze Pfarrei gemeint war, in dem anderen Fall nur der Ort Urspringen. 2001 DAW Landkapitelakten Nr. 184 »Visitatio capituli Carolstatt«, 27. August 1607. 2002 Ebd. »Visitationspuncte des würdigen ruralcapitels carolstadt«, 1609. 2003 DAW Ämterakten Nr. 79 »relation herrn doctorn christopheri raben den 16, 17 und 18 november 1609 beschehenen uber etliche geistliche mängel welche er in verrichte local visitation befunden«. 2004 DAW Landkapitelakten Nr. 184 »Visitatio capituli carolstadt«, 1. September 1609; DAW Ämterakten Nr. 79 »relation herrn doctorn christopheri raben den 16, 17 und 18 november 1609 beschehenen uber etliche geistliche mängel welche er in verrichte local visitation befunden«. 2005 Nämlich für 1610 888 Kommunikanten und für 1613 700 Kommunikanten (DAW Land-

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Gegenmaßnahmen

Familie Kottwitz von Aulenbach gekauft wurde, änderte sich zunächst nichts.2006 Mit Erlaubnis der neuen Herrschaft blieben auch weiterhin einige Lutheraner in dem Ort.2007 Schwierig einzuschätzen ist die Aussage des Pfarrers in der Landkapitelsvisitation von 1614, dass noch etwa 60 Personen Lutheraner seien,2008 also deutlich mehr als bisher angegeben wurden. Verschiedene Deutungsmöglichkeiten bieten sich an: (1) Eine Option ist die Annahme, dass sich die Mehrzahl der Lutheraner nicht in Urspringen selbst, sondern in den Filialen befand. Diese hatten bisher möglicherweise mit Duldung der Herrschaft die Kommunion verweigern können. In der Regel gingen die Pfarrer nicht sehr häufig in die Filialen, auch zeigt die Durchsicht der gesamten Visitationsprotokolle, dass die so genannte »nachfolg«, also der Besuch der Filialbewohner in dem Hauptort, wenn dort Gottesdienst war und umgekehrt, bis weit ins 17. Jahrhundert hinein nicht durchgesetzt werden konnte. Die Kommunionsverweigerung in einer Filiale fiel also insgesamt weniger auf als in dem Hauptort der Pfarrei. (2) Zweitens wäre es möglich, dass der neue Priester (1612 hatte es in Urspringen einen Pfarrerwechsel gegeben2009) eine bessere Ausbildung bekommen hatte als der vorherige und deswegen die Sachlage entsprechend strenger beurteilte. Vielleicht aus Unkenntnis, vielleicht aus Unwillen, wäre es möglich, dass der alte Pfarrer die große Menge an Lutheranern in seinem Dorf unterschlagen hatte, um keine Strafe zu riskieren. (3) Drittens wäre es denkbar, dass der neue Priester die Lutheraner in der Menge übertrieb, um anschließend zeigen zu können, wie zügig er seine lutherischen Gemeindemitglieder zum »wahren Glauben« führen konnte. Für die Jahre 1618 und 1619 nannte der Priester jeweils 30 Lutheraner.2010 Gleichzeitig gab er an, dass sich die Teilnahme an Gottesdienst und Kinderlehre verbesserte.2011 Auffällig ist, dass zur gleichen Zeit, in der der Pfarrer sich offenbar verstärkt um seine Gemeinde kümmerte, zum ersten Mal Auslaufen in den Quellen seinen Niederschlag fand. Für die Jahre 1619 – 1621 gab Priester Hartmann Lindner an, dass er zwischen 20 und 30 Ausläufer identifiziert

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2007 2008 2009 2010 2011

kapitelakten Nr. 184 »Visitatio Capituli Carolstatt celebrati 29 augusti anno 1610«; DAW Landkapitelakten Nr. 185 »Relatio de Visitatione Capituli Carolstadiensis anno MDCXIII«). Die Kottwitz von Aulenbach gehörten zu denjenigen Familien, die wie etwa auch die von Thüngen, ihre Kinder in konfessioneller Hinsicht entsprechend des geplanten Berufsweges erziehen ließen. Einige Mitglieder der Familie wurden Domherren in Würzburg (Pölnitz, Echter, S. 380). DAW Landkapitelakten Nr. 185 Visitationsrelation Karlstadt, 1613. DAW Landkapitelakten Nr. 186 »Visitatio Capituli in Carlstat den 26. Augusti anno 1614«. DAW Landkapitelakten Nr. 185 Geistliche Mängel im Ruralkapitel Karlstadt, 1612. DAW Ämterakten Nr. 79 Visitationsrelation, 1618; DAW Landkapitelakten Nr. 187 »Relatio de visitatione Capituli carolstadiensis anno MDCXIX«. DAW Landkapitelakten Nr. 187 »Relatio de visitatione Capituli carolstadiensis anno MDCXIX«.

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habe.2012 Diese Personengruppe verweigerte mutmaßlich die Kommunion. 1624 waren es aber nur noch 15 Personen und für 1625 notierte der Visitator »omnes sunt nunc catholici«.2013 Über die Gründe für diesen Umschwung kann nur spekuliert werden. Einerseits wirkte sicher nach, dass die älteren Lutheraner starben, während ihre Kinder bereits katholisch erzogen wurden. Andererseits bot die Großwetterlage dem Würzburger Bischof mehr Möglichkeiten, Druck auf die fränkischen Ritter auszuüben, vielleicht drohte er sogar mit Einquartierungen oder führte diese sogar durch. In den Visitationsprotokollen der folgenden Jahre tauchten indes keine Lutheraner auf.2014 Die einzige Ausnahme stellte die ritterschaftliche Familie selbst dar, die weiterhin lutherisch blieb und den Gottesdienst nicht in ihrem eigenen Ort besuchte.2015 Allerdings muss es noch Lutheraner gegeben haben, die nicht in der Übersicht auftauchten, da sich auch 1636 der Visitator darüber beschwerte, dass die Lutheraner gemeinsam mit den Katholiken auf dem katholischen Friedhof begraben wurden und dadurch Friedhof und Kirche entweiht worden seien.2016 Nach dem Westfälischen Frieden blieb Urspringen ein katholischer Ort. In den Visitationsverzeichnissen hieß es regelmäßig, dass alle Einwohner bei Beichte und Kommunion gewesen seien. Die Zahlen schwankten zwischen 105 und 200 Kommunikanten.2017 Allerdings scheinen sich doch zum Ende des Jahrhunderts wieder Lutheraner in Urspringen angesiedelt zu haben. 1694 wurde in den Visitationsberichten darauf hingewiesen, dass es Lutheraner gebe,

2012 Ebd.; ebd. »Visitatio Capituli Carolstatt«, 1. September 1620; DAW Landkapitelakten Nr. 188 »Relatio de Visitatione Capituli carolstadiani anno MDCXXI«. S. auch Kapitel 6.3. 2013 DAW Landkapitelakten Nr. 188 »Visitatio Capituli Ruralis in Carlstadt«, 1624; ebd. »Visitatio Capituli Ruralis in Carlstadt«, 1625. 2014 DAW Landkapitelakten Nr. 189 »Visitatio capituli ruralis carlstadt«, 31. August 1627; DAW Landkapitelakten Nr. 190 »Visitatio Capituli Ruralis in Carlstadt«, 1628; DAW Landkapitelakten Nr. 191 »Visitatio localis. Ruralis capituli carolstadt«, Juli/August 1630; DAW Landkapitelakten Nr. 192 Visitationsrelation, 1631. 2015 DAW Landkapitelakten Nr. 191 »Visitatio localis. Ruralis capituli carolstadt«, Juli/August 1630; DAW Landkapitelakten Nr. 192 Visitationsrelation, 1631. 2016 DAW Landkapitelakten Nr. 192 »Relatio de capitulo rurali carolstadt«, 1636. 2017 DAW Landkapitelakten Nr. 193 »Visitatio capituli carolstadiensis pro anno 1649«; DAW Landkapitelakten Nr. 194 »Visitatio capituli carolstadiensis pro anno 1652«; ebd. »Visitatio des ruralcapitels carolstadt pro anno 1653«, ebd. »Visitatio Capituli Carolstadiensis pro anno 1654«; ebd. »Visitatio«, 1655; DAW Landkapitelakten Nr. 195 Visitationsrelation, 1656; ebd. Visitationsrelation, 1657; ebd. »Visitatio capituli carolstadiani«, 1658; ebd. »Visitatio capituli carolstadiensis pro anno 1659«; ebd. »Visitatio capituli carolstadiensis«, 1660; DAW Landkapitelakten Nr. 196 Visitationsrelation, 1662; ebd. »Visitatio capituli carolstadiani anno 1665«. Hier sind nur Visitationen aufgeführt, bei denen explizit die Kommunikantenzahl erfragt worden ist.

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Gegenmaßnahmen

die ins 5 km entfernte Billinghausen in den Gottesdienst gingen. 1696 wurde ein Lutheraner im Visitationsverzeichnis aufgeführt.2018 Die Situation in Urspringen war insgesamt gesehen unübersichtlich, sodass Zeitpunkt und Häufigkeit der Kommunionsverweigerung nicht stringent verfolgt werden können. Aus drei Gründen war die Ausgangslage für die Rekatholisierung in Urspringen aus katholischer Sicht nicht sehr günstig: (1) Der Priester wurde von den lutherischen Dorfherren nicht unterstützt. (2) Der Priester selbst war nicht sicher in der Konfessionsunterscheidung und Ausübung der Zeremonien. (3) Der Priester war für insgesamt vier Kirchen zuständig. Der direkten Zusammenhang der Situation vor Ort mit dem Beginn von Bischof Julius’ Rekatholisierungspolitik lässt sich nicht nachvollziehen. Zur Jahrhundertwende meldete der Priester in seiner Funktion als Dekan des Landkapitels eine vollständig katholische Gemeinde. Diese Aussage ist insofern wenig glaubwürdig, da für die 1610er Jahre die Angaben der Lutheraner zwischen 30 und 60 schwankten. Daraufhin verstärkte der Priester seine Bemühungen, in der Folge schlug sich verstärkt das Auslaufen aus der eigenen Pfarrei in lutherische Gottesdienste in den Quellen nieder. Dies hatte vermutlich bereits zuvor stattgefunden, war von den Priestern aber entweder ignoriert oder nicht bemerkt worden. Ab 1625 bis einschließlich 1694 meldeten die Kommunikantenverzeichnisse bei Urspringen einen vollständigen katholischen Ort mit Ausnahme der ortsansässigen Adelsfamilie, die lutherisch blieb. Die Kritik am gemeinsamen Begräbnis legt aber nahe, dass es auch weiterhin Lutheraner gab, die nicht in die Verzeichnisse mit aufgenommen worden sind. Bei der Personengruppe der Kommunionsverweigerer scheint es sich in erster Linie, aber nicht ausschließlich, um einerseits ältere Menschen gehandelt zu haben und andererseits um Personen, die bei der lutherischen Adelsfamilie im Dienst standen. Persönliche Begründungen liegen nicht vor. Auf die örtlichen Beamten konnte Bischof Julius Echter nur bedingt zugreifen, da in Urspringen keine hochstiftischen Untertanen lebten und entsprechende Rechte nicht vorlagen. Vor diesem Hintergrund ist es eher verwunderlich, dass es dort nicht viel mehr Lutheraner gegeben hat. Auch die Tatsache, dass die ortsansässigen adeligen Familien, zunächst die Voit von Rieneck, später die Kottwitz von Aulenbach lutherische Familien waren, die lutherische Untertanen zumindest begrenzt duldeten, hatte kaum Auswirkungen. Daraus folgt, dass sich das lutherische Gedankengut von Anfang an nicht sehr gefestigt hatte. Die Einsetzung eines Prädikanten vor Ort war nie versucht worden. Auch mögliche 2018 DAW Landkapitelakten Nr. 201 Visitationsrelation, 1694; DAW Landkapitelakten Nr. 202 Visitationsrelation, 1696.

Verweigerung der Kommunion

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Auslaufziele gab es in der näheren Umgebung nicht viele, sodass auch über diesen Weg der lutherische Glauben nur wenig bestärkt hätte werden können. Zusammenfassung und Ergebnisse Verweigerung der Kommunion Die Ergebnisse dieses Unterkapitels werden im Folgenden entlang der Analysekategorien dargestellt, also: (1) Zeitpunkt der Verweigerung und Häufigkeit, (2) direkter Auslöser, (3) beteiligte Personen, (4) Begründung der Verweigerung, (5) Rolle der örtlichen Beamten und des Pfarrers, (6) Reaktion aus der Residenzstadt und (7) Effektivität der Gegenmaßnahme und ihr Einfluss auf den Gang der Rekatholisierung. Pro Analysepunkt werden die Ergebnisse aus Bamberg und Würzburg dargestellt und miteinander verglichen. (1) Betrachtet man die zeitliche Dimension, fällt zunächst auf, dass sich Kommunionsverweigerung im gesamten untersuchten Zeitraum fassen lässt, allerdings mit unterschiedlicher Intensität. Dabei lassen sich zwei Gruppen von Orten feststellen. In der ersten Gruppe gibt es bei der Verweigerung der Kommunion einen einschneidenden Bruch. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde die Verweigerungshaltung aufgegeben. Bei der zweiten Gruppe erstreckte sich die Verweigerungshaltung über einen längeren Zeitraum. Zur ersten Gruppe zählen im Hochstift Bamberg Teuschnitz und Grafengehaig. Bei beiden Orten kann man einen relativ präzisen Zeitpunkt nennen, zu dem mehr oder weniger die ganze Gemeinde zur Kommunion kam. Bei Teuschnitz fällt dieser Zeitpunkt in den Mai 1598, bei Grafengehaig in den Februar 1630. Die Gründe sind jedoch sehr verschieden. Bei Teuschnitz wirkten eine ganze Reihe von verschiedenen bischöflichen Maßnahmen zusammen, während die Grafengehaiger ob der reichspolitischen Lage den Schutz ihrer lutherischen Adelsfamilien verloren hatten. Im Hochstift Würzburg zählen zu dieser Gruppe die Orte Gerolzhofen, Iphofen, Gemünden und Kitzingen. Bei den ersten drei der genannten Orte lässt sich eindeutig der Besuch Bischof Julius Echters 1585 bzw. 1586 als Wendemarke ausmachen. Verweigerten vorher noch eine ganze Reihe von Menschen die Konversion, stieg ab diesem Zeitpunkt die zumindest formale Zustimmung zum katholischen Glauben abrupt an und steigerte sich in den folgenden Jahren noch weiter. Kitzingen stellt bedingt durch die Pfandablösung einen Sonderfall dar. Doch auch hier lässt sich deutlich beobachten, wie durch Einsatz des Militärs innerhalb von etwa 18 Monaten eine weitreichende Rekatholisierung bei gleichzeitiger Zurückdrängung der Kommunionsverweigerer erreicht werden konnte. Die Orte der zweiten Gruppe wiesen keinen konkreten Wendepunkt auf. Dabei muss aber deutlich differenziert werden. Einige der untersuchten Orte (Neunkirchen am Brand, Waischenfeld, Forchheim) wiesen von Anfang an nur

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wenig Affinität zum lutherischen Glauben auf. Die Verweigerung der Kommunion wurde nur von wenigen Personen durchgeführt. Anders hingegen zeigte sich die Situation in den bambergischen Orten Pinzberg, Dormitz und mit Abstrichen in Rugendorf und in dem würzburgischen Ort Urspringen. Hier waren die Bedingungen für die jeweiligen Bischöfe wesentlich ungünstiger. Sie waren nicht alleinige Herren im Dorf, sondern es gab noch eine Reihe von anderen Untertanen, die lutherische Herren hatten. In Pinzberg und Dormitz führte dies zu einer deutlichen zeitlichen Verzögerung bei den Maßnahmen. Erst in den ersten Jahren der Regierung Bischof Johann Gottfrieds (reg. 1609 – 22) lassen sich Rekatholisierungsmaßnahmen fassen. Gleichzeitig erstreckten sich die Maßnahmen nur in Einschränkungen auf die Untertanen anderer Territorialherren im Ort. In Rugendorf begannen die Rekatholisierungsmaßnahmen nicht vor 1629, als es gelang, einen Priester einzusetzen. In Urspringen wurde die Echtersche Rekatholisierungspolitik durch die Gleichgültigkeit der ritterschaftlichen Herrschaft abgeschwächt. Die Maßnahmen wurden (außer in Rugendorf) über zwei Jahrzehnte in deutlich schwächerer Form durchgeführt und konnten dennoch, auch unter besten Bedingungen, etwa in den Jahren 1629 – 31, nicht zu einer Rekatholisierung aller auch der nicht-hochstiftischen Untertanen führen. Nicht in dieses Schema passen hingegen die zwei bambergischen Orte Marienroth und Neukenroth. Obwohl die Bischöfe hier die uneingeschränkten Landesherren waren, wurden die Bewohner nicht so sehr unter Druck gesetzt, dass sie ihre Verweigerungshaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen aufgaben. In diesen beiden Orten wurde die Gruppe der Lutheraner nach und nach kleiner. Einerseits gingen Menschen nach längerer Weigerung doch noch zur Kommunion, andererseits ist anzunehmen, dass ältere Lutheraner mit der Zeit verstarben, während die jüngere Generation bereits katholisch aufwuchs. (2) Was den Auslöser der Kommunionsverweigerung betrifft, ist die wichtigste Erkenntnis, dass häufig kein direkter Zusammenhang besteht zwischen der letztendlich stattfindenden Einnahme der Kommunion und den Kommunionsmandaten, die für das gesamte Hochstift erlassen wurden. Ging es vor Ort darum, die Untertanen zu der allerersten Einnahme der Kommunion und damit der Konversion zu bringen, waren andere Maßnahmen gefordert: Mehrfache Aufforderungen seitens des Bischofs jeweils für einen spezifischen Ort, verschiedene Strafandrohungen (Haft, Geldstrafen, Ausweisung etc.) oder auch der persönliche Besuch des Bischofs. Betrachtet man entsprechend die Maßnahmen, die dazu geführt haben, dass die Position des Kommunionsverweigerers aufgegeben worden ist, fällt auf, dass von Seiten der Mainbischöfe nicht versucht wurde, ohne Einsatz von Zwangsmitteln eine Rückführung zur katholischen Konfession zu erreichen. Die Einnahme der erstmaligen Kommunion, mit der

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die Konversion verbindlich anzuzeigen war, wurde in den meisten der untersuchten Orten durch Druck und scharfe Kontrolle erreicht. (3) Was die Gruppe der Personen betrifft, die die Kommunion verweigerte, sind verschiedene Einteilungen möglich. Betrachtet man die Kommunionsverweigerer unter dem Aspekt der sozialen Stellung innerhalb der Gesellschaft, fällt einerseits auf, dass in der Hälfte der untersuchten Orte mit Stadtrechten (nämlich in Teuschnitz, Gerolzhofen, Iphofen, Kitzingen) die Mitglieder der Stadtverwaltung die Kommunion verweigerten. Andererseits waren besonders die unteren Schichten, die Dienstboten, Knechte und Mägde sehr aktive Kommunionsverweigerer. Für die Gruppe der Dienstboten galt generell, dass sie eine gewisse Grenze der Konfessionalisierbarkeit darstellten, weil sie die angewandten Maßnahmen zweifellos anders wahrnahmen als besitzende Bürger und Bauern.2019 Sie hatten nur wenig oder gar keinen Besitz und waren sehr mobil. Betrachtet man die Gruppe der Verweigerer unter einem verfassungsrechtlichen Standpunkt, fällt auf, dass vor allem diejenigen länger Widerstand leisteten, die keine Untertanen des Hochstifts waren, sondern anderer lutherischer Herrschaften. Unklar ist indes, wie sich die Kommunionsverweigerer in der Frage des Geschlechts zuordnen lassen. Bei den Befragungen wurden in der Regel nur die Haushaltsvorstände einbezogen. Kam dieser zur Kommunion, gingen die bischöflichen Amtsträger davon aus, dass auch die anderen Mitglieder des Haushaltes dies taten.2020 Im Fall von Teuschnitz hat sich gezeigt, dass dies gerade nicht der Fall war. Zudem waren in einigen Fällen (s. Kapitel 6.3.) die Frauen deutlich aktiver beim Auslaufen als Männer. Für eine allgemein gültige Aussage ist aber die Datengrundlage zu gering. (4) Individuelle Begründungen für Kommunionsverweigerung bzw. für den Entschluss, doch die Kommunion einzunehmen, fanden sich in den Quellen nur selten. Allgemein ist davon auszugehen, dass die Kommunionsverweigerer Lutheraner waren, die ihren Glauben weiterhin behalten wollten. Ihre Glaubenszugehörigkeit manifestierte sich in diversen Reaktionen auf die Kommunionsaufforderungen: Bittbriefe, Auslaufen, Klagen vor dem Reichskammergericht und Auswanderung. Durch die Überlieferung einiger ausführlicher Befragungen von Kommunionsverweigeren lassen sich die Gründe weiter differenzieren: Neben theologischen Gründen (beschwertes Gewissen im Falle der Konversion und die tiefe Überzeugung, dass das Seelenheil nur durch ein Abendmahl sub utraque erreicht werden kann) kamen auch wirtschaftliche Gründe zum Tragen, etwa die Abhängigkeit von protestantischen Arbeitgebern oder Besitz von bäuerlichen 2019 Schindling, Grenzen von Konfessionalisierbarkeit, S. 32. 2020 So auch Dippold, Konfessionalisierung, S. 363, für die von ihm untersuchten bambergischen Pfarreien.

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Gegenmaßnahmen

Lehen protestantischer Herrscher. Im Falle des Forchheimers Hans Lenker ist umgekehrt davon auszugehen, dass er konvertierte, um seine Stellung als bischöflicher Forstmeister zu behalten. (5) und (6) Die beiden Analysekategorien Verhalten der örtlichen Beamten und Reaktion aus der Residenzstadt sollen hier gemeinsam betrachtet werden, da sie direkt miteinander verknüpft sind. Für die Orte im Hochstift Bamberg fällt auf, was sich schon im Kapitel 5 deutlich abgezeichnet hat: Auf der Ebene der örtlichen Beamten war man nur begrenzt bemüht, die bischöflichen Kommunionsaufforderungen durchzusetzen. Häufig wurde nach Bamberg berichtet, dass sich trotz Aufforderungen niemand oder nicht alle eingestellt hätten. Die regelmäßige Reaktion aus Bamberg war daraufhin, dass die entsprechenden Untertanen noch ein weiteres Mal aufgefordert werden sollten, die Kommunion einzunehmen. Es war das Normale und nicht die Ausnahme, dass lutherische Untertanen die gesetzte Frist verstreichen lassen konnten. Der örtliche Beamte meldete dies nach Bamberg, wo eine neue Frist angeordnet wurde. Diese Spirale zog sich in manchen Orten über Jahre (z. B. Teuschnitz), in anderen Orten über Jahrzehnte (z. B. Neukenroth) hin. Entsprechend machtlos war der örtliche Priester. Er hatte selbst keine Möglichkeiten, eine Strafe durchzusetzen. Wenn er keine oder nur wenig Unterstützung von den Beamten bekam, war er den Kommunionsverweigerern gegenüber nur begrenzt handlungsfähig. Die Haltung der örtlichen Beamten war allerdings völlig unterschiedlich motiviert. In Teuschnitz etwa war der für die Maßnahmen zuständige Amtmann selbst Lutheraner und folgerichtig eher nachlässig bei der Verfolgung seiner Glaubensverwandten. In Orten mit gemischten Herrschaften wie Rugendorf, Pinzberg und Dormitz bzw. in Grafengehaig, wo der Bischof überhaupt keine eigenen Untertanen hatte, fehlten den Beamten schlichtweg die Befugnisse. Für alle Fälle gilt jedoch, dass die Beamten nicht regelmäßig kontrolliert wurden. In der Residenzstadt wurde kein funktionierendes System zur Aufsicht der Beamten auf dem Land entwickelt. Betrachtet man das Hochstift Würzburg, stellt sich die Situation zunächst ähnlich dar. Rekatholisierungsversuche unter Bischof Friedrich von Wirsberg konnten vor Ort erfolgreich abgewehrt werden. In Gerolzhofen war es sogar der bischöfliche Beamte selbst, der Dokumente in die Residenzstadt schickte, um zu beweisen, dass es erlaubt sei, auch Lutheraner auf dem Friedhof zu begraben. Das Problem änderte sich aber grundlegend mit dem Visitationssystem Julius Echters. Wie bereits geschildert, konnten mit den regelmäßigen Visitationen die örtlichen Beamten kontrolliert werden. Außerdem war der Würzburger Bischof nicht darauf angewiesen, dass die weltlichen Beamten ihm alles berichteten und vor Ort seine Maßnahmen durchsetzen, weil seine Visitatoren regelmäßig Bericht erstatteten und selbst vor Ort dafür sorgten, dass die bischöflichen Anordnungen auch umgesetzt wurden.

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(7) Bezüglich der Effektivität der Kommunionsverweigerung in Hinblick auf den Gang der Rekatholisierung zeigt sich, dass eine umfassende und vollständige Rekatholisierung der untersuchten Orte nicht oder zumindest nicht dauerhaft zu erreichen war. Zunächst einmal ließ sich bis zu einem gewissen Punkt die Rekatholisierung durch die Kommunionsverweigerung verhindern. Mit der Zeit stellten sich die allermeisten Bewohner eines Ortes mindestens einmal zur Kommunion ein. In allen Fällen gelang es den Bischöfen aber nicht, das Auftreten von Lutheranern und lutherischen Dienstboten zur Gänze zu verhindern. Die Verflechtungen innerhalb der fränkischen Gemengelage (wirtschaftliche Beziehungen, familiäre Bindungen, dörfliche und städtische Traditionen etc.) reichte zu deutlich über die Konfessionen hinweg, als dass eine dauerhafte und vollständige Abschottung hätte gelingen können.

6.3. Auslaufen Im Folgenden soll zunächst erläutert werden, worum es sich bei dem Phänomen Auslaufen überhaupt handelt. Um zu illustrieren, dass dieses Phänomen nicht nur in Franken vorkam, werden anschließend einige außerfränkische Beispiele kurz präsentiert. In einem letzten Punkt dieser Kapitel- einleitung wird dargestellt, warum Auslaufen für die gewählte Fragestellung wichtig ist und anhand welcher Kategorien die Untersuchung abläuft. Mit dem Begriff Auslaufen wird der Besuch eines anderskonfessionellen Gottesdienstes außerhalb des eigenen Territoriums bezeichnet, der entsprechend von der Obrigkeit nicht gewünscht bzw. häufig verboten wurde. Beim Auslaufen handelt es sich nicht um ein genuin fränkisches Phänomen, sondern es fand überall statt, wo die strukturellen Gegebenheiten – also eine Gemengelage unterschiedlicher Konfessionen auf engem Raum – es möglich machten. Dieses Phänomen trat sehr häufig auf. Die teilweise uneindeutigen Herrschaftsverhältnisse in Südwestdeutschland etwa begünstigten das Auslaufen. So liefen Trierer Bürger in den 1560ern aus ihrer Stadt aus, um das Abendmahl unter beiderlei Gestalt einzunehmen. Der Magistrat der Stadt drohte mit schneller Ausweisung, wenn die betroffenen fünf Bürger nicht innerhalb von wenigen Wochen zur Kommunion kommen würden. Sie weigerten sich aber. Interessant ist, dass der Trierer Erzbischof zu Gunsten der Ausläufer eingriff – er fürchtete sowohl wirtschaftlichen Schaden durch den Wegzug als auch die umliegenden protestantischen Nachbarn – und stattdessen auf eine ausführliche Untersuchung und Unterweisung seitens der Jesuiten setzte, um die Ausläufer

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zum »wahren Glauben« zurückzuführen.2021 Ausläufer in den 1580er Jahren gab es auch im Gebiet der Speyerer Bischöfe.2022 Auch im Gebiet der Mainzer Erzbischöfe lassen sich Fälle von Auslaufen fassen. Die Grafschaft Rieneck, die 1559 an Mainz fiel, war erst einige Jahre zuvor durch den letzten Grafen der Reformation zugeführt worden.2023 In einigen Teilen der ehemaligen Rienecker Herrschaft begannen die Erzbischöfe zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Rekatholisierung und trafen auf eine evangelische Bevölkerung, die sich dem Druck durch Auslaufen entzog.2024 Häufiges Auslaufen kann auch bei Bauern in Oberösterreich beobachtet werden.2025 Zudem war Auslaufen ein Phänomen, dass in den konfessionell durchmischten osteuropäischen Territorien vorkam. Um den von der Rekatholisierung betroffenen Schlesiern den Besuch an lutherischen Gottesdiensten und die Teilnahme am Abendmahl zu ermöglichen, wurden entlang der schlesisch-polnischen Grenze eigene Kirchen errichtet.2026 Auch im böhmisch-sächsisch-oberlausitzischen Grenzgebiet war das Auslaufen der lutherischen Böhmen als Konsequenz der habsburgischen Rekatholisierungspolitik üblich.2027 Dort endete das sonntägliche Auslaufen erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als der Druck auf die Gläubigen zu groß geworden war.2028 Auslaufen war nicht immer das Auslaufen von Lutheranern aus katholischen Pfarreien, sondern in alle Richtungen möglich. In den Quellen fassbar ist das 2021 Ehrenpreis Stefan/Ruthmann, Bernhard: Jus Reformandi – Jus Emigrandi. Reichsrecht, Konfession und Ehre in Religionsstreitigkeiten des späten 16. Jahrhunderts, in: Weinzierl, Michael (Hrsg.): Individualisierung, Rationalisierung, Säkularisierung. Neue Wege der Religionsgeschichte, München, 1997, S. 65 – 97, hier S. 76. Der sich daraus entwickelnde Reichskammergerichtsprozess ausführlich bei Ruthmann, Bernhard: Die Religionsprozesse am Reichskammergericht (1555 – 1648). Eine Analyse anhand ausgewählter Prozesse, Köln, u.a, 1996, passim. 2022 Warmbrunn, Paul: Konfessionalisierung im Spiegel der Visitationsprotokolle, in: JbWLG 19, 1993, 333 – 362, hier S. 350. 2023 Fischer, Roman: Das Untermaingebiet und der Spessart, in: Kolb, Peter/Krenig ErnstGünter (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte. Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg, 1995, S. 393 – 452, hier S. 416 f., 421. 2024 Ebd., S. 423 f. 2025 Herzig, Zwang, S. 169. 2026 Deventer, Jörg: Nicht in die Ferne – nicht in die Fremde? Konfessionsmigration im schlesisch-polnischen Grenzraum im 17. Jahrhundert, in: Bahlcke, Joachim (Hrsg.): Glaubensflüchtlinge. Ursachen, Formen und Auswirkungen frühneuzeitlicher Konfessionsmigration in Europa, Berlin, 2008, S. 95 – 118, hier S. 105. 2027 Wäntig, Wulf: Der Taufbrunnen jenseits der Grenze. Alltagserfahrung, kirchliche Praxis und religiöse Flucht im böhmisch-sächsisch-oberlausitzischen Grenzraum des 17. Jahrhunderts, in: Bahlcke, Joachim/Bendel, Rainer (Hrsg.): Migration und kirchliche Praxis. Das religiöse Leben frühneuzeitlicher Glaubensflüchtlinge in alltagsgeschichtlicher Perspektive, Köln u. a., 2008, S. 203 – 222, hier S. 218 f. 2028 Ebd. S. 220.

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Auslaufen von Bewohnern reformierter Territorien in katholische Kirchen,2029 aber auch das Auslaufen von Menschen in lutherischen Gebieten, die in katholische Gebiete zum Gottesdienst gingen.2030 Auslaufen aus einem katholischen Gebiet in reformierte Kirchen zeigte sich, nachdem der Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg (1614 – 1653) zum Katholizismus übertrat und anlässlich seiner rigiden Rekatholisierungspolitik sich die Bevölkerung mit Auslaufen behalf.2031 Auslaufen stellt für diese Arbeit einen elementaren Aspekt dar, denn wer auslief, lebte seinen lutherischen Glauben und stellte sich damit gegen die bischöfliche Rekatholisierungspolitik. Während das Verweigern der Kommunion in vielen Fällen ein eher passiver Vorgang war – man tat etwas nicht – war das Auslaufen hingegen eine sehr aktive Gegenmaßnahme, bei der sich die Menschen bewusst für ihren lutherischen Glauben und gegen die Annahme der katholischen Konfession entschieden. Die untersuchten Orte sollen anhand der folgenden Kategorien analysiert und verglichen werden: (1) Zeitpunkt des Auslaufens, (2) direkter Auslöser, (3) handelnde Personen, (4) Zielorte, (5) individuelle Begründungen der Ausläufer, (6) Verhalten der örtlichen Beamten und des Priesters, (7) Reaktionen aus den Residenzstädten und konkrete Maßnahmen, Auslaufen zu verhindern, (8) Einfluss auf den Gang der Rekatholisierung.

Hochstift Bamberg Interessant ist, dass man im benachbarten Territorium von BrandenburgKulmbach zunächst nicht auf Ausläufer aus dem Hochstift eingestellt war. In einer »vermanung an die ministros ecclesiarum« des Kulmbacher Superintendenten von 1558 heißt es, dass die Sakramente an Fremde in der Pfarrei nicht ausgeteilt werden sollten, wenn nicht eine Erlaubnis des Heimatpfarrers vorläge.2032 Vermutlich war bei der Formulierung nur daran gedacht worden, dass alle markgräflichen Untertanen das Abendmahl in ihrer jeweiligen Heimatpfarrei einnehmen sollten. Teuschnitz mit Marienroth Das Auslaufen lässt sich insgesamt gesehen in Teuschnitz nur für die Jahre 1595 – 97 in den Quellen fassen. Anders sieht es im Filialdorf Marienroth aus: Dort setzte es 1602 ein und lässt sich bis 1617 beinahe durchgehend nachweisen. 2029 2030 2031 2032

Koch, Zeitalter, S. 307. Zeeden, Grundlagen, S. 276. Herzig, Rekatholisierung, S. 86. LAELKB Markgräfliches Konsistorium Bayreuth Nr. 1.

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Gegenmaßnahmen

Das erste Mal konkret fassen lässt sich das Auslaufen in Teuschnitz im Winter 1595/96. Niclas Zweidler, der Sohn des ehemaligen Prädikanten, kündigte an, dass er sich in den kommenden Tagen in Rothenkirchen2033 trauen lassen wolle und überredete andere Paare, es ihm gleichzutun.2034 In diesem Fall handelte es sich also nicht um den Besuch eines »normalen« Gottesdienstes, sondern um die gezielte Inanspruchnahme einer bestimmten pfarrlichen Handlung, nämlich der Trauung. Der Teuschnitzer Priester Nüblich wusste offensichtlich nicht, was er tun sollte, weil er Angst hatte, dass Zweidler auf diese Art und Weise noch weitere Paare zum Auslaufen überreden würde: »sofern man inn (=Zweidler, H. B.) nicht wehren würdt so wollen die jungen eheleuth alle hinaus laufen und anderst sich lassen ehelichen und coppulirn«.2035 Als Reaktion darauf wurde er aufgefordert, auf der Einhaltung des Bamberger Ehemandats zu bestehen, aber darin war ihm offensichtlich kein Erfolg beschieden, denn die lutherische Trauung fand wenige Tage später statt.2036 In der ersten Jahreshälfte von 1596 wurden weitere Trauungen von Bewohnern der Stadt Teuschnitz in der lutherischen Kirche von Rothenkirchen durchgeführt.2037 Im Jahr darauf wurde der Amtmann von Teuschnitz gerügt, weil er niemanden am Auslaufen hindertete: »den ungehorsamen an sonn und feiertagen hauffenweisse hinaus zu den verfurischen predicanten zulauffen verstat wirtt«.2038 Der Amtmann schlug daraufhin vor, ihm einen Befehl zu geben, dass an Sonn- und Feiertagen die Tore zur Verhinderung des Auslaufens geschlossen bleiben sollten.2039 Dieser Befehl wurde niemals ausgesprochen. Die Haltung des Amtmanns war aber trotz dieses Vorschlages zu Gunsten der Ausläufer. Im November 1597 rechtfertigte er sich damit, dass er keinen Befehl gehabt hätte, wie er mit Ausläufern umzugehen habe. Deswegen habe er sich auch nicht weiter

2033 Rothenkirchen lag knapp 8 km von Teuschnitz und 2 km von Marienroth entfernt. Im Spätmittelalter kamen Dorf und Schloss Rothenkirchen in den Besitz der Familie von Würtzburg (Heinold-Fichtner, Kronach und Teuschnitz, S. 92). Der Ort war relativ klein (ebd. S. 93), hatte aber seit dem 14. Jahrhundert eine Pfarrkirche (ebd. S. 37). Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Schloss zerstört, da sich die Familie von Würtzburg Bernhard von Weimar angeschlossen hatte. 1667 musste Hans Veit von Würtzburg wegen großer Schulden Rothenkirchen an den Bischof von Bamberg verkaufen (ebd. S. 93). 2034 StABa B 49 Nr. 191/29 I Wolfgang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 3. Januar 1596. 2035 Ebd. 2036 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Wolfgang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 13. Februar 1596. 2037 Ebd. Wolfgang Nüblich, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 7. Juni 1596. 2038 StABa B 49 Nr. 191/29 I Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Neithart, 15. November 1597. 2039 Ebd.

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darum gekümmert.2040 Wie bereits in Kapitel 5 dargestellt, hatte aber Bischof Neithart durchaus Auslaufverbote erlassen. Nachdem sich in Teuschnitz die überwiegende Mehrheit der Stadtbewohner im Mai 1598 gemeinsam zur Einnahme der Kommunion eingestellt hatte, versiegen die Nachrichten über das Auslaufen. Anders hingegen verhielt es sich im Teuschnitzer Filialort Marienroth. Dort lässt sich das Auslaufen zeitversetzt über einen längeren Zeitraum verfolgen. Erstmalig erfassen lässt sich das Auslaufen in Marienroth im April 1602.2041 Da Bischof Johann Philipp gerade abwesend war, ordnete Generalvikar Schöner an, dass die Marienrother ein weiteres Mal ermahnt werden sollten, sich zur Kommunion einzustellen. Auf das Auslaufen ging Schöner nicht ein und ordnete entsprechend auch keine Maßnahmen dagegen an.2042 In der weiteren Regierungszeit Bischof Johann Philipps schlug sich Auslaufen nicht mehr schriftlich nieder. Der Teuschnitzer Priester Zweidler berichtete erst 1613 wieder von auslaufenden Marienrothern.2043 Allerdings ist wohl davon auszugehen, dass es auch in der Zwischenzeit betrieben wurde, aber dem Priester verborgen geblieben war. Die Marienrother gingen in diesem Jahr anlässlich des Ostersonntages nach altem Kalender in die Kirche nach Rothenkirchen.2044 Zweidler war unsicher, wie er sich verhalten sollte. Zum einen stellte sich die Frage, wie er mit denjenigen umgehen sollte, die das Auslaufen abstritten. Außerdem wusste er nicht genau, wie er seine Informanten verbergen sollte. Offenbar mussten diese Angst haben, im Dorf unter Druck zu geraten. Der Geistliche selbst schlug als Reaktion vor, die von ihm identifizierten Ausläufer heimlich nach Bamberg zu bestellen und zu befragen. Anschließend sollten sie als abschreckendes Beispiel hart bestraft werden.2045 Allerdings wurde diese Angelegenheit nicht im Geistlichen Rat besprochen und es erfolgte keinerlei Reaktion aus Bamberg. Dies ist möglicherweise mit der Abwesenheit des Bischofs zu begründen. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Bischof Johann Gottfried nicht in seiner Residenz auf. Er befand sich auf einer Romreise, von der er erst im Juni 1613 zurückkehrte.2046 Zweidler berichtete im November 1613 über die Marienrother nach Bamberg: 2040 Ebd. 2041 Ebd. Niclas Georg, Richter von Teuschnitz an Statthalter und Räte, 22. April 1602. 2042 StABa B 49 Nr. 191/29 II Generalvikar Johann Schöner an Johann Zweidler, Pfarrer und Niclas Georg, Richter von Teuschnitz, 26. April 1602. 2043 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Wolfgang Öttlein, 22. April 1613; ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Gottfried, 19. November 1613. 2044 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Wolfgang Öttlein, 22. April 1613. 2045 Ebd. 2046 Dippold, Konfessionalisierung am Obermain, S. 179.

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»welche ich (…) himit offentlich anklage, daß sie sich wol catholisch nenen, aber auser sechs person alle daß heilige sacrament der firmung verlacht, undt sonn und feyertäge in ihrer ordentlichen pfarr zu teuschnitz den gottesdienst nicht besuchen, sondern jung undt altt nach rotenkirchen, do e[uer] f[ürstlicher] g[naden] undt alle catholischen geschendt und geschmehet werden lauffen«.2047

Zweidler bat in Bamberg um Maßnahmen gegen das Auslaufen und schlug selbst zwei Mittel vor: (1) Eine Strafe von einem Pfund Wachs pro Person für einen Besuch des Gottesdienstes in Rothenkirchen. (2) Eine Anordnung, dass aus jedem Haushalt zu jedem Sonn- und Feiertag mindestens eine Person in den Gottesdienst kommen müsse. Zweidler befürchtete, dass man andernfalls das lutherische Gedankengut in Marienroth nicht zurückdrängen könnte: »damit sie von mir in der catholischen religion uff der cantzel recht könten unterwiesen werden, welches sonsten wahn sie die luterische predigt continue hören nicht geschehen kahn«.2048 Dieses Mal reagierte man im Geistlichen Rat auf die Beschwerde.2049 Nur wenige Tage nach Eingang von Zweidlers Schreiben erging der Befehl, dass jeder Ausläufer mit 10 Gulden bestraft werden sollte. Außerdem sollte an jedem Feiertag mindestens eine Person pro Haushalt in den Gottesdienst nach Teuschnitz kommen, sonst war eine Strafe von einem Pfund Wachs für die Kirche zu verlangen.2050 Tatsächlich gibt es aber keine Belege dafür, dass diese Strafen jemals verhängt worden sind. Auch Zweidlers Nachfolger Karl Zilfelder, der im Sommer 1614 seine Stelle in Teuschnitz antrat, beklagte sich über Ausläufer.2051 Er hatte im Zuge der Weihnachtsfeiertage darauf achten sollen, ob die Marienrother ausliefen. Gemeinsam mit dem Schultheißen hatte er den Dorfbewohnern das Auslaufen am Weihnachtsfeiertag nach altem Kalender verboten, was die Menschen aber nicht davon abhielt. Die ihm bekannten Lutheraner bestellte Zilfelder vor sich und teilte ihnen mit, dass sie damit ein Verbot übertreten hatten. Vermutlich war es durch zwei Tatsachen möglich geworden, die Ausläufer namentlich zu erfassen. Zum einen gab es mittlerweile vor Ort einen katholischen Dorfschultheißen.2052 Dadurch konnte man Informationen direkt aus dem Dorf erhalten. Zum anderen hatte sich der Teuschnitzer Priester selbst an den Weihnachtstagen nach altem 2047 StABa B 49 Nr. 191/29 II Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Gottfried, 19. November 1613. 2048 Ebd. 2049 Möglicherweise lag dies daran, dass Bischof Johann Gottfried wieder in Bamberg war (Dippold, Konfessionalisierung am Obermain, S. 179). 2050 AEB Rep. I Nr. 742 fol. 57v, 28. November 1613. 2051 Der folgende Bericht aus: StABa B 49 Nr. 191/29 II Karl Zilfelder, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Wolfgang Öttlein, 10. Januar 1615. 2052 S. Kapitel 5.1.3.

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Kalender nach Marienroth begeben und offensichtlich Ausläufer erkannt. Die Marienrother ignorierten die erneute Ermahnung des Priesters und gingen auch an den Folgetagen nach Rothenkirchen. Der Priester bestellte sie daraufhin ein zweites Mal und ließ einige der Ausläufer mit Gewalt verhaften. Daraufhin brach aber ein Tumult in dem kleinen Dorf aus. Zilfelder wusste nicht, wie er sich weiterhin in dieser Sache verhalten sollte und bat deswegen in Bamberg um Befehle, wie er die Marienrother in Zukunft vom Auslaufen abhalten könnte.2053 Allerdings folgten als Reaktion aus Bamberg keine neuen Befehle, sondern eine Aufforderung, eigene Vorschläge einzureichen.2054 Für die folgenden zwei Jahre bis 1617 sind zwar Klagen über Ausläufer überliefert,2055 aber keine Anordnungen aus Bamberg, wie dieses zu verhindern sei. Vermutlich wurden die Ausläufer aber weniger, da die Kommunikantenübersichten dieser Jahre zeigten, dass die Teilnehmerzahl stieg.2056 Dass sich die Marienrother durch das Auslaufen zumindest der Pfarrei Rothenkirchen zugehörig fühlten, hatte auch ganz praktische Konsequenzen. In einem Fall war eine Marienrotherin vor der Hochzeit schwanger geworden, woraufhin der Prädikant von Rothenkirchen eine Strafe aussprach, obwohl die Frau in die Pfarrei Teuschnitz gehörte.2057 Betrachtet man insgesamt die Situation in Teuschnitz und Marienroth, gab es Gemeinsamkeiten und Unterschiede. In der Stadt kam Auslaufen nur in den 1590er Jahren vor. Für die Marienrother lässt es sich zwar erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts fassen, hat aber vermutlich schon vorher stattgefunden. Nach 1617 sind keine Fälle mehr überliefert. Einen direkten Anlass für das Auslaufen in den beiden Orten ließ sich nicht in den Quellen fassen, anzunehmen ist aber die Auswechslung des lutherischen Teuschnitzer Pfarrers gegen einen katholischen. Bei den handelnden Personen zeigen sich keine Einschränkungen. Individuelle Begründungen liegen nicht vor. Betrachtet man die Rolle der Beamten, war die Ausgangslage zur Bekämpfung der Ausläufer für den Pfarrer nicht günstig. Die Amtmänner von Teuschnitz waren selbst lutherisch. Zudem mussten ihnen die Ausläufer zwangsläufig bekannt seien, da sie selbst ebenfalls in die Kirche von Rothenkirchen gingen.2058 Trotz diverser Befehle bemühten sie sich nicht, dies zu verhindern. Für die bambergischen Bischöfe war es nicht einfach, dass Auslaufen zu 2053 StABa B 49 Nr. 191/29 II Karl Zilfelder, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Wolfgang Öttlein, 10. Januar 1615. 2054 AEB Rep. I Nr. 742 fol. 156r, 22. Januar 1615. 2055 AEB Rep. I Nr. 743 fol. 44r, 28. Juli 1616; ebd. fol. 202v, 19. Juli 1617. 2056 Einzelnachweise s. Kapitel 6.2. 2057 StABa B 49 Nr. 191/39 Karl Zilfelder, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Wolfgang Öttlein, 23. Oktober 1615. 2058 AEB Rep. I Nr. 743 fol. 44r, 28. Juli 1616; ebd. fol. 202v, 19. Juli 1617.

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unterbinden. Neben dem lutherischen Amtmann kamen zwei weitere Hindernisse hinzu, nämlich die örtlichen Gegebenheiten und die Kalenderproblematik. In Teuschnitz hätte es die Möglichkeit gegeben, die Tore an Sonntagen zu verschließen, was aber nicht durchgeführt wurde. In Marienroth war diese Möglichkeit ohnedies nicht gegeben. Marienroth war ein kleines Dorf und hatte keine Mauern und keine Tore. Zudem hatte es keine eigene Kirche, sondern der Gottesdienst war in Teuschnitz zu besuchen. In Marienroth selbst stand nur eine kleine, von Teuschnitz abhängige Kapelle.2059 Der Ort musste also an Sonn- und Feiertagen in jedem Fall verlassen werden. Es war in der Folge kaum zu kontrollieren, ob jemand von Marienroth in Richtung Teuschnitz oder in Richtung Rothenkirchen aufbrach. Davon abgesehen hielten die Marienrother am alten Kalender fest, d. h. lutherische Feiertage, die nicht auf einen Sonntag fielen, waren für die Katholiken ein normaler Arbeitstag. Dadurch konnte jeder Einwohner unauffällig das Dorf verlassen. Interessant ist im Dorf Marienroth, dass der Priester um die Sicherheit derer fürchtete, die ihm die Ausläufer angezeigt hatten. Offenbar waren die evangelischen Bewohner einflussreich genug, um sozialen Druck aufzubauen, gleichwohl aber nicht stark genug, um das Melden der Ausläufer insgesamt zu verhindern. Ein weiteres Problem stellte die abwartende Haltung von Bischof und in dessen Abwesenheit des Geistlichen Rates dar. Auch bei der letzten Beschwerde Zilfelders vom Sommer 1617 über Ausläufer beschloss man in der Residenzstadt, sich nicht selbst dieses Problems anzunehmen, sondern es in die weltliche Ratsstube zu geben.2060 Die Akten des weltlichen Rates sind verloren gegangen. Auffällig ist allerdings, dass nach dem Juli 1617 keine Klagen mehr über das Auslaufen erfolgten. Man kann also nur spekulieren, warum das Auslaufen plötzlich aufhörte. Vielleicht hatte Bischof Johann Gottfried mit Gewalt durchgegriffen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Lutheraner nach und nach ausstarben und die nachwachsende Generation im katholischen Glauben erzogen wurde. Nicht ausgeschlossen werden darf auch, dass das Auslaufen weiterhin praktiziert wurde, aber sich nicht mehr in der schriftlichen Überlieferung niederschlug. Was den Einfluss auf den Gang der Rekaholisierung betrifft, war das Auslaufen sowohl in der Stadt als auch auf dem Dorf eine Möglichkeit, die Kommunion hinauszuzögern, aber nicht auf lange Sicht. In Marienroth zeigte sich noch ein weiteres Phänomen. Der ganze Ort hatte sich im August 1598 zur Kommunion einstellen müssen, um eine durchgeführte Haftstrafe zu been-

2059 Heinold-Fichtner, Kronach und Teuschnitz, S. 105. 2060 AEB Rep. I Nr. 743 fol. 202v, 19. Juli 1617.

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den.2061 Damit galt er als katholisch. Dies hielt sie aber nicht davon ab, diese als gewaltsam empfundene Konversion als nicht bindend zu begreifen und in den Folgejahren das Abendmahl in der Nachbarschaft einzunehmen. Daraus folgt, dass die steigenden Kommunikantenzahlen der 1610er Jahre nicht zwangsläufig bedeuten müssen, dass auch das Auslaufen weniger wurde. Möglicherweise nahmen einige der Marienrother das Herrenmahl sowohl in Teuschnitz als auch in Rothenkirchen ein. Einmal, um dem bischöflichen Druck zu entgehen, das andere Mal, um ihrem Gewissen gerecht zu werden. Neukenroth In Neukenroth wurde das Auslaufen zu einer jahrzehntelang genutzten Möglichkeit, die Rekatholisierung zu verhindern. Das Phänomen lässt sich für die Zeit zwischen 1610 und 1642 nachweisen. In dem Dorf lässt sich Auslaufen erstmals 1610 fassen. Der Neukenrother Priester Erhard Ament schickte eine Liste von protestantischen Personen, auf der er vermerkte: »haben derselben weiber underdeßen an lutherischen orten gebeichtet, es mögen auch wol der gleichen persohnen mehr sein, allein diese seindt mihr angemeldet worden. […] von jungen gesiendt und unverehelichten persohnen hat sich in dieser gantzen pfarr noch zur zeit nicht ein einziges eingestelt, sondern haben also ihren lauff zu den lutherischen örtten, werde auch schwerlich, wo man nicht andere mittel gebraucht, darvon abgetrieben werden sindemal die alten noch nicht darvon laßen ob sie gleich catholischer religion sein wollen«.2062

Aus Bamberg erfolgten keine Maßnahmen und Befehle, sodass das Auslaufen auch für den Rest des Jahres 1611 nicht aufgehört hat.2063 Im Mai 1611 brach Bischof Johann Gottfried zu einer längeren Reise auf, die ihn nach Stationen in Kärnten, Nürnberg, Würzburg, Frankfurt und Rom erst wieder im Juni 1613 zurück nach Bamberg führte.2064 Seine Statthalter waren vermutlich zu sehr mit der parallel dazu ablaufenden Generalvisitation beschäftigt oder dachten, dass die abgeordneten Kommissare dies vor Ort klären könnten. Eine Konsequenz, die aus dem Ignorieren der Ausläufer seitens der Obrigkeit folgte, bestand darin, dass diejenigen, die eigentlich schon bei der Kommunion gewesen waren, sich wieder von der katholischen Konfession abwendeten. Sie begründeten dies damit, dass angesichts der tolerierten Ausläufer offenbar keine Notwendigkeit bestehe, katholisch zu bleiben. Aus diesem Grund machte der 2061 S. Kapitel 5.3.1 und 6.2. 2062 StABa B 49 Nr. 129/03 »verzeichnuß derjenigen persohnen so sich zu der allein seeligmachenden catholischen religion nicht einstellen wollen«, 4. Januar 1610. 2063 Ebd. Erhard Amend, Pfarrer von Neukenroth an Generalvikar Friedrich Förner, 20. November 1611. 2064 Dippold, Konfessionalisierung am Obermain, S. 179.

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Neukenrother Priester für die Tatsache, dass er noch lutherische Menschen in seiner Pfarrei hatte, im Wesentlichen zwei Dinge verantwortlich: Das Auslaufen und das Fehlen von schärferen Mitteln.2065 Im Jahr 1620 beschwerte sich der Teuschnitzer Pfarrer in seiner Eigenschaft als Ruraldechant darüber, dass der Priester in Neukenroth das Auslaufen seiner Gemeindemitglieder nicht verhinderte. Er betonte, dass sie nicht zu der katholischen Konfession zu bringen seien, solange man das Auslaufen toleriere.2066 Aus Bamberg erfolgte keinerlei Reaktion. Vor Ort führte indes die Ignoranz gegenüber den Ausläufern dazu, dass einige der bereits katholisch gewordenen Neukenrother auch wieder ins lutherische Rothenkirchen ausliefen.2067 Auch 1624 und 1629 wurden der Obrigkeit Ausläufer bekannt.2068 Entsprechend wurde der »Generalbefehl die Reformation betreffend« von 1631, der das Auslaufen noch einmal explizit verboten hat, auch nach Neukenroth geschickt.2069 Bevorzugter Auslaufort der Neukenrother war Rothenkirchen gewesen. Dort konnte Bischof Johann Georg bis 1625 mit Waffengewalt einen Priester einsetzen.2070 Da Auslaufen auch nach diesem Zeitpunkt überliefert ist, mussten also noch andere Orte möglich sein. Diese werden aber nicht genannt. In den folgenden Jahren des Dreißigjährigen Krieges zeigt sich, dass noch immer beide Konfessionen in Neukenroth vertreten waren. Einerseits beklagte sich der Dechant von Kronach 1642 darüber, dass es Ausläufer in Neukenroth gebe. Dies führte er auf die starken lutherischen Neigungen der Bevölkerung zurück.2071 In der Kommunikantenübersicht von 1644 wurden noch einige Lutheraner geführt.2072 Etwa zur selben Zeit klagte die Gemeinde Neukenroth indes darüber, dass sie keinen eigenen Priester finanzieren könnten und wegen eines kürzlich erfolgten Befehls des Bischofs der Priester von Rothenkirchen sie nicht mehr mitbetreuen dürfe.2073 Weitere Nachrichten über Ausläufer sind für Neukenroth nicht überliefert. Auslaufen ließ sich insgesamt betrachtet in Neukenroth für die Jahre 1610 – 2065 StABa B 49 Nr. 129/03 Erhard Amend, Pfarrer von Neukenroth an Generalvikar Friedrich Förner, 20. November 1611. 2066 AEB Rep. I Nr. 744 fol. 215r, 10. September 1620. 2067 Ebd. fol. 255, 11. Februar 1621. 2068 AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien, 1624; StABa B 49 Nr. 95-I/01 »capitulum rurale chronacense 1a july anno 1629 in chronach celebratu«. 2069 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 586 »Generalbefehl die Reformation betreffend«, 4. Februar 1631. 2070 Zeissner, Bistum Bamberg, S. 22. 2071 StABa B 49 Nr. 129/04 Dechant von Kronach an Generalvikar Johannes Murmann und Geistliche Räte, 23. Januar 1642. 2072 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 591 »designatio communicantium pro tempore paschatis in parochia neickenrothensi anni currentis 1644«. 2073 StABa B 49 Nr. 129/04 Schultheiß, Bürgmeister, Rat und Pfarrspiel von Neukenroth an Geistliche Räte, 11. März 1642.

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1644 nachweisen. Vermutlich hat es vorher und hinterher ebenfalls stattgefunden. Ein direkter Auslöser lässt sich in den Quellen nicht nachweisen. Es ist aber wahrscheinlich, dass der Beginn mit der Einsetzung des katholischen Pfarrers 1595 zusammenfällt. Bezüglich der handelnden Personen gibt eine Kommunikantenübersicht von 1610 Auskunft. Ausläufer waren in erster Linie Frauen, ledige Personen und Dienstboten. Unklar ist allerdings, ob dies in den folgenden Jahrzehnten gleichbleibend war. Zielort der Neukenrother Ausläufer war in erster Linie Rothenkirchen. Es ist unbekannt, welche Orte nach der Rekatholisierung der dortigen Pfarrei angesteuert wurden. Individuelle Begründungen von Ausläufern liegen nicht vor. Was das Verhalten der lokalen Beamten und des Priesters betrifft, hat sich gezeigt, dass der Priester darauf angewiesen war, dass ihm andere Personen die Ausläufer meldeten. Er selbst konnte sich zu der Zeit, in der er selbst Gottesdienst halten sollte, nicht am Rande des Dorfes aufstellen und aufpassen, ob Ausläufer vorbeikamen. Diese Möglichkeit war ihm nur an solchen Tagen möglich, die auf Grund der Kalenderproblematik nur für die Lutheraner, nicht aber für die Katholiken ein Feiertag waren. Offenbar versuchten aber weder die Neukenrother Geistlichen noch die bischöflichen Beamten durch gezieltes Bewachen bestimmter Wege, Ausläufer aufzuspüren. Insgesamt betrachtet konnte der Geistliche allein das Auslaufen nicht verhindern. Er brauchte dafür die Hilfe von anderen, weltlichen Beamten. Ohne weltliche Beamte konnte er die Ausläufer kaum erkennen und vor allem nicht bestrafen. Die Reaktion aus der Residenzstadt war nicht besonders ausgeprägt. Dies ist vermutlich mit der häufigen Abwesenheit Johann Gottfrieds zu begründen, in dessen Regierungszeit (1609 – 22) die Hochphase des Auslaufens fiel. Mit dem Auslaufen war es durchaus möglich, eine gewisse Zeit starken Einfluss auf den Gang der Rekatholisierung zu nehmen. Der Besuch des lutherischen Gottesdienstes in der Nachbarschaft war für die Dorfbewohner wichtig, um ihre Glaubensüberzeugung zu stärken und sich den bischöflichen Maßnahmen entgegen zu stellen. Zudem zeigt sich am Beispiel Neukenroth deutlich, dass das stärkste Motiv für das Auslaufen die Einnahme des Abendmahls darstellte, während andere Zeremonien durchaus in der eigenen katholischen Kirche besucht werden konnten: »seint hir viel in dieser pfarr, die vor 3 oder 4 jharn mit müh zur catholischen religion gebracht worden itzund aber mehr geneigt zur lutherischen kirchen zu rottenkirchen. suegen (sic. wohl suchen, H. B.) die communion allda caetera tamen zu neickenrodt«.2074 Wie in Marienroth zeigte sich auch in Neukenroth, dass die einmalige Einnahme der Kommunion von der Bevölkerung nicht zwangsläufig als bindend begriffen wurde. In dem untersuchten Ort kam es häufig vor, dass die Menschen 2074 AEB Rep. I Nr. 343 Stand der Pfarreien, 1624.

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die Kommunion einnahmen und anschließend wieder den lutherischen Gottesdienst aufsuchten. Es handelt sich also nicht um eine linear ablaufende Entwicklung, sondern um eine Pendelbewegung. Es wurde in diesem Unterkapitel einmal mehr deutlich, dass es gerechtfertigt ist, von einem formalen Katholizismus zu sprechen, der sich deutlich von einer tatsächlichen Durchdringung mit dem Glauben, die sich erst über einen deutlich längeren Zeitraum mit anderen Mitteln als Gewalt erreichen lässt, unterscheidet. Grafengehaig Für Grafengehaig lässt sich Auslaufen nur während zwei kurzer Phasen in den Jahren 1575 und 1625 – 31 beobachten. Als 1575 in Grafengehaig zum ersten Mal versucht wurde, wieder den katholischem Ritus einzuführen, liefen die Grafengehaiger zur Einnahme des Abendmahls nach Presseck und Enchenreuth aus.2075 Zudem hatte der Pfarrer von Stadtsteinach dem Frühmesser in Grafengehaig untersagt, dort auf Deutsch zu taufen. Daran hielt sich dieser zwar, taufte aber weiterhin im Enchenreuth auf Deutsch, worauf auch die Grafengehaiger ihre Kinder in den Nachbarort zur Taufe brachten.2076 Unter Bischof Neithart machten die Gragengehaiger von Anfang an deutlich, dass sie im Falle einer Zwangskonversion nicht dauerhaft katholisch bleiben würden, sondern weiterhin ihren lutherischen Gottesdienst inklusive der Sakramente an anderen Orten besuchen würden.2077 Da Bischof Neithart wie im Kapitel 5.1.2 dargestellt, keinen katholischen Pfarrer einsetzen konnte, trat dieser Fall aber nicht ein. Auch in den folgenden knapp drei Jahrzehnten glückte trotz mehrmaliger Versuche der Bischöfen die Auswechselung des Pfarrers nicht, sodass sich auch die Frage des Auslaufens nicht stellte.2078 Erst Bischof Johann Georg gelang es 1625, einen Katholiken als Pfarrer zu installieren. Der abgesetzte Prädikant verließ aber das Hochstift nicht, sondern fand in unmittelbarer Umgebung bei seinem Patronatsherr Ernst von Wildenstein im Schloss Schlopp Unterschlupf. Dort hielt er auch weiterhin lutherischen Gottesdienst. Die Grafengehaiger gingen ab diesem Zeitpunkt die drei Kilo-

2075 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Gemeinde Grafengehaig an Johann Angermann, Pfarrer von Stadtsteinach, 18. September 1575. Die Entfernung von Grafengehaig nach Presseck beträgt zu Fuß etwa 5 km, nach Enchenreuth circa 10 km. 2076 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Johann Angermann, Pfarrer von Stadtsteinach an Fiskal Johann Neidecker, 20. Februar 1576. 2077 Ebd. Die Gemeinde Grafengehaig und die dorthin eingepfarrten Dörfern an die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein, 30. Dezember 1597. 2078 S. Kapitel 5.1.2.

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menter von ihrem Dorf nach Schlopp anstatt in den katholischen Gottesdienst vor Ort.2079 Schlopp war zwar mit Abstand das häufigste, aber nicht das einzige Ziel der Grafengehaiger Ausläufer. In einem Fall ließ ein Grafengehaiger sein Kind im circa 12 km entfernten markgräflichen Helmbrecht taufen. Der Priester hatte daraufhin den Vogt von Marktleugast veranlassen wollen, diesen Mann zu verhaften und nach Bamberg bringen zu lassen. Der Vogt äußerte aber Bedenken, dies ohne einen konkreten Befehl auszuführen.2080 Da sich dieser Fall in den sonst sehr ausführlichen Vikariatsprotokollen nicht niedergeschlagen hat, wurde er wohl nicht weiter verfolgt. Die Klagen Pfarrer Örtels, dass seine ganze Gemeinde an Sonn- und Feiertagen nach Schlopp in die Schlosskirche ihrer Herrschaft und zu ihrem alten Prädikanten David Pitterling gingen, häuften sich in den Folgejahren. Auch zu Beginn des Jahres 1628 berichtete er davon nach Bamberg. Er bat darum, dass alle, die sich im Schloss Schlopp zum lutherischen Gottesdienst einfänden, deswegen verhaftet würden.2081 Allerdings wurde dieser Vorschlag in Bamberg nicht weiter verfolgt. Im Sommer des gleichen Jahres gelang es Örtel, den Befehl für eine Strafaktion gegen die ungehorsamen Grafengehaiger zu erwirken. Der Vogt von Marktleugast fiel mit 30 bis 402082 Musketieren in Grafengehaig ein.2083 Zuvor war der Vogt schon mehrfach nach Grafengehaig gekommen und hatte die Menschen ermahnt, das Auslaufen zu unterlassen.2084 Wie sich zeigte, war aber auch mit dieser deutlichen Gewalteinwirkung auf Dauer nichts zu erreichen. Pitterling predigte weiterhin im Schloss zu Schlopp. Wenn in Grafengehaig die Kirchenglocken für den Gottesdienstbesuch läuteten, stand derweil das dortige Gotteshaus leer.2085 Als Reaktion darauf wurde aus Bamberg angeordnet, die Landstraße von bewaffneten Männern bewachen zu lassen. Zudem wurden (nicht näher spezifizierte) Strafen für Ausläufer befoh2079 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Extrakt aus einem Brief Johannes Örtels, Pfarrer von Grafengehaig an Johann Frankenberger, Kastner zu Stadtsteinach, 1625. 2080 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johannes Örtel, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Wolfgang Öttlein, 21. Juli 1626. 2081 Ebd. Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Fiskal Wolfgang Öttlein, 10. Januar 1628. 2082 Die Grafengehaiger sprachen von 50 Personen (StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Die Ganze Gemeinde von Grafengehaig an Wolf Wilhelm und Hans Christoph von und zu Guttenberg und Ernst von Wildenstein, 12. Juni 1628). 2083 Ebd. Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig und Sebastian Lang, Vogt von Marktleugast an Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach, 25. Juli 1628. 2084 Ebd. 2085 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 585 Jacobus Degen, Pfarrer von Presseck, Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig und Verwalter von Elbersreuth an Bischof Johann Georg, 19. April 1629.

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len.2086 Von der Durchführung von Strafen hat sich indes nichts in den Quellen niedergeschlagen. Das Überwachen der Landstraßen hat das Auslaufen nicht unterbinden können.2087 Anscheinend gab es genügend verborgene Wege in das ritterliche Schloss. Zusätzlich erschwerte das Verhalten der Adelsfamilien das Unterbinden des Auslaufens. Ernst von Wildenstein hatte anscheinend gedroht, dass er jede Person, die den katholischen Gottesdienst besuchte, erschießen würde.2088 Auch wenn unklar ist, ob von Wildenstein die Drohung so wörtlich ausgesprochen hatte, trug sein Verhalten sicher wenig dazu bei, den katholischen Gottesdienst zu fördern, zudem konnte dies seitens der Grafengehaiger als Grund für das Fernbleiben vom Gottesdienst vorgebracht werden.2089 Bischof Johann Georg ordnete an, dieses Problem dem weltlichen Rat zu übergeben. Da diese Akten verloren sind, muss im Dunkeln bleiben, was dort konkret besprochen wurde.2090 Im Mai 1629 wurde angeordnet, die beiden Prediger auf Schlopp (neben dem ehemaligen Grafengehaiger Prädikanten hielt dort auch der Hauslehrer der Kinder der dortigen Adelsfamilie Gottesdienst) durch den Verwalter des Rittergutes Elbersreuth verhaften zu lassen.2091 Zwei Monate später wurde der Hauslehrer der von Wildensteins tatsächlich verhaftet.2092 Der Vogt von Marktleugast hatte sich mit etlichen Musketieren nach Grafengehaig begeben, weil er zwei Männer festnehmen sollte, die sich unflätig gegen den Priester gezeigt hatten. Dies gelang dem Vogt zwar nicht, er hatte aber nach seiner Darstellung den gesuchten lutherischen Lehrer im Grafengehaiger Wirtshaus angetroffen, was ihm die Möglichkeit bot, den Gesuchten zu verhaften.2093 Über Marktleugast wurde er nach Bamberg gebracht, wo er ein paar Tage in Haft blieb und schließlich Urfehde schwören musste: Er verpflichtete sich, Schlopp und das ganze Stift Bamberg zu verlassen und weder im Schloss noch irgendwo anders in der Diözese (!) jemals wieder als Prädikant zu wirken.2094 Unter den Zwängen des Dreißigjährigen Krieges, die auch ihre Herrschaft getroffen hatten, blieb den Grafengehaigern Anfang 1630 keine andere Wahl, als 2086 2087 2088 2089 2090 2091 2092 2093

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. AEB Rep. I Nr. 746 fol. 148r – 148v, 26. April 1629. AEB Rep. I Nr. 746 fol. 158r, 17. Mai 1629. Ebd. fol. 181v, 31. Juli 1629. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig und Andreas Wich, Vogt von Marktleugast an Bischof Johann Georg, 30. Juli 1629. 2094 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 184r, 9. August 1629; AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Urfehde vom 13. August 1629. Da sonst in den Quellen in der Regel vom »Stift« die Rede ist, liegt die Vermutung nahe, dass die zu dem Zeitpunkt außerordentlich günstige Lage der Katholiken die Hoffnung näherte, den eigenen Geltungsbereich wieder auf die gesamte Diözese (die weite Teile des markgräflichen und nürnbergischen Gebietes umfasste) auszudehnen.

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zur Kommunion zu gehen.2095 Diese Tat war aber ganz offensichtlich der Gewalt geschuldet und wurde zudem von den Grafengehaigern nicht als bindend verstanden. In der Zeit direkt nach ihrer Kommunion liefen sie bereits wieder aus.2096 Geändert hatte sich aber das Ziel. Waren die Dorfbewohner die ersten fünf Jahre ins Schloss der von Wildenstein gegangen, war jetzt die Schlosskirche der anderen Patronatsfamilie, der von Guttenberg, das Ziel. Obwohl das nahe gelegene Rittergut Guttenberg (circa 7 km von Grafengehaig entfernt) unter kaiserlicher Kommission geführt wurde2097, konnte dort offenbar ein lutherischer Gottesdienst gefeiert werden, den die Grafengehaiger an fast allen Sonnund Feiertagen heimlich besuchten. Der zuständige bischöfliche Beamte, der Vogt von Marktleugast, meldete diese Tatsache nach Bamberg, weil er die Gefahr sah, dass die Duldung des Auslaufens zu noch mehr Ungehorsam seitens der Untertanen führen würde.2098 Als Reaktion darauf erhielt er den Befehl, alle Ausläufer zu verhaften.2099 Dies geschah aber nicht, worauf der Vogt einen erneuten Haftbefehl aus Bamberg erhielt.2100 Allerdings gibt es auch dieses Mal keine Hinweise darauf, dass auch nur eine Person wegen Auslaufens gefangen genommen worden wäre. Wie sich die Lage während der schwedischen Besatzungszeit (1631 – 34) darstellte, ist nicht bekannt. Nach Abzug der Schweden gab es in Grafengehaig wieder einen lutherischen Prädikanten.2101 Auslaufen war also nicht mehr nötig. Grafengehaig wurde im Gegenteil Ziel von Ausläufern aus den benachbarten Orten Enchenreuth, Presseck und Zeyern.2102 Betrachtet man die gesamte Entwicklung des Auslaufens in Grafengehaig, lässt sich zunächst der Zeitpunkt klar darstellen. Auslaufen kam nur in den Jahren 1625 – 31 vor. Der direkte Anlass für dieses Verhalten war die Abschaffung des Prädikanten und die Einsetzung eines katholischen Geistlichen. Bezüglich des handelnden Personenkreises hat sich eindeutig gezeigt, dass alle Gemeindemitglieder in den lutherischen Gottesdienst gingen. Die Zielorte waren hierbei die Schlosskirchen ihrer ritterschaftlichen Herren. In seltenen Fällen wurden

2095 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 235v, 14. Februar 1630; Rupprecht, Grafengehaig, S. 252. 2096 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Andreas Wich, Vogt von Marktleugast an die Geistlichen Räte, 5. August 1630. 2097 Rupprecht, Grafengehaig, S. 252. 2098 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Andreas Wich, Vogt von Marktleugast an die Geistlichen Räte, 5. August 1630. 2099 AEB Rep. I Nr. 746 fol. 282v, 8. August 1630. 2100 Ebd. fol. 300r, 4. Oktober 1630. 2101 S. Kapitel 5.1.2. 2102 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 585 Johann Oratz, Pfarrer von Enchenreuth und Presseck an den geistlichen Rat Bätzendörffer, 16. August 1636; ebd. Anton Schmidt, Pfarrer von Zeyern an Geistliche Räte, 17. Januar 1638.

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Orte im Markgräflichen besucht. Individuelle Begründungen für das Auslaufen liegen nicht vor. Der Einsatz der bischöflichen Beamten war in Grafengehaig insofern schwierig, da es keine Beamten im Ort gab. Die von außerhalb Kommenden (der Vogt aus dem 5 km entfernten Marktleugast und der Verwalter des 7 km entfernten Rittergutes Elbersreuth) hatten ohne die Zustimmung des Adels nur wenig Möglichkeiten, etwas durchzusetzen. Ihre Position verstärkte sich durch die Möglichkeit, Soldaten einzusetzen, erheblich. Dennoch konnte trotz diverser Maßnahmen (Haftbefehle, Bewachen der Landstraßen) das Auslaufen nicht verhindert werden. Mit dem Auslaufen konnten die Grafengehaiger die Durchführung der Rekatholisierung unterbrechen. Singulär ist in diesem Ort, dass das Auslaufen schon bei den Versuchen, einen katholischen Pfarrer einzusetzen, bereits im Vorfeld angekündigt und als Druckmittel eingesetzt wurde. Da die adelige Herrschaft ebenfalls dem lutherischen Glauben anhing, war sie bereit, ihre Untertanen dabei zu schützen. Rugendorf Obwohl bereits 1629 ein Priester in Rugendorf eingesetzt worden war,2103 lässt sich nur für die Jahre 1637/38 in den Quellen Auslaufen fassen. Im Jahr 1637 waren nur wenige Personen bei der Kommunion gewesen.2104 Der Pfarrer von Rugendorf machte dafür den Verwalter der Rittergüter Rugendorf und Losau verantwortlich, weil dieser das Auslaufen ins markgräfliche Seibelsdorf, das fußläufig nur etwa 4 km entfernt lag, nicht strafte. Auslaufen fand sowohl an Sonntagen als auch an Feiertagen statt. Zudem beschrieb der Rugendorfer Geistliche die Situation sehr bildlich: Die Ausläufer kämen am Schloss von Losau, in dem der Verwalter wohnte, sogar direkt vorbei, aber würden dennoch nicht von diesem aufgehalten.2105 Dies war aber sicherlich eine Übertreibung. Da Auslaufen verboten war, waren die Rugendorfer sicher nicht so leichtsinnig, auch lag Losau nicht direkt zwischen Rugendorf und Seibelsdorf, sondern weiter östlich. Da der Priester von den weltlichen Beamten nicht unterstützt wurde, wendete er sich an den Generalvikar und bat darum, etwas in die Wege zu leiten, um das Auslaufen zu verhindern.2106 Allerdings scheint der Pfarrer von Rugendorf den erhofften Befehl nicht bekommen zu haben, da er im März 1638 wenige Wochen vor Ostern (4. April) noch ein zweites Mal um einen Befehl für den Verwalter bat, 2103 S. o. Kapitel 5.1.2. 2104 StABa B 49 Nr. 163-I/03 Johannes Dietz, Pfarrer von Rugendorf und Wartenfels an Generalvikar Johannes Murmann, 5. November 1637. 2105 Ebd. 2106 Ebd.

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damit dieser das Auslaufen verbieten und das Einnehmen der Kommunion in Rugendorf erzwingen könnte.2107 Allerdings verließ der gewünschte Befehl die bambergische Kanzlei erst am 12. April, also zu spät für das Osterfest des gleichen Jahres.2108 Für die Folgejahre sind keine Nachrichten zum Auslaufen überliefert. Da nach Ende des Dreißigjährigen Krieges die Normaljahresregelung in Rugendorf griff und wieder ein lutherischer Gottesdienst eingeführt wurde, konnten die Bewohner für die Zukunft auf das Auslaufen verzichten. Insgesamt betrachtet ließ sich Auslaufen in Rugendorf nur in den Jahren 1637/38 fassen. Dies mag zunächst verwundern, da in dem Ort nach jahrzehntelangem lutherischen Gottesdienst 1629 ein Priester eingesetzt worden war. Es ist zu bedenken, dass die Kriegslage in Franken in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges das Auslaufen nicht begünstigte, da man überall umherstreifende Truppen fürchten musste. Grundsätzlich ist zu vermuten, dass Auslaufen außerdem ohne die Kenntnis des Priesters vorkam. Über handelnde Personen kann keine Aussage getroffen werden. Zielort war das nur wenige Kilometer entfernt liegende markgräfliche Seibelsdorf. Individuelle Begründungen liegen nicht vor. Von Seiten des Priesters wurde der verantwortliche bischöfliche Beamte als nachlässig charakterisiert, allerdings ist zu vermuten, dass dieser ob des Krieges auch noch andere Aufgaben hatte. Forchheim mit Pinzberg In Forchheim gab es generell nur sehr wenige Protestanten. Entsprechend lassen sich Ausläufer nur sporadisch fassen. In der Filiale Pinzberg fanden sich in den Quellen keine Ausläufer. In der Stadt lässt sich Auslaufen erstmals für Weihnachten (alten Kalenders) 1594 fassen. Einige Forchheimer gingen ins 6 km entfernte markgräfliche Hausen in den Gottesdienst. Zum Teil handelte es sich dabei um Menschen, die zuvor die Kommunion eingenommen hatten.2109 2107 Ebd. Johannes Dietz, Pfarrer von Rugendorf an Generalvikar Johannes Murmann, 7. März 1638. 2108 Ebd. Geistliche Räte und Statthalter an Michael Wolfram, Verwalter von Rugendorf und Losau, 12. April 1638. 2109 StABa B 49 Nr. 47/02 Christoph Kueffler, Dechant von Forchheim an Bischof Neithart, 13. Februar 1595. Wie wenig bekannt in der Forschung das Auslaufen von Forchheimern ist, illustriert der folgende Auszug aus einem 1998 erschienenen Buch über das Kollegiatstift St. Martin in Forchheim: »Eigenartigerweise spielt das einzige Mal, wo sich die im historischen Kern allerdings in mehr als einer Hinsicht unwahrscheinliche Sage des Stifts angenommen hat, in jenen Jahren. Demnach soll sich unter Bischof Neithart von Thüngen (1591 – 98) ein Stiftsherr und Kustos von St. Martin an den Sonntagen auf die Landstraße nach Baiersdorf gestellt haben, um die Forchheimer, die dort den lutherischen Gottesdienst besuchen wollten, mit der Peitsche zurückzutreiben. Tatsächlich scheint aber das

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Auch in den folgenden Jahren waren Ausläufer in Einzelfällen anzutreffen. In einer Befragung vom Dezember 1595 konnten zwei Ausläufer namentlich festgemacht werden, die nach Hausen gegangen waren und dort das Abendmahl eingenommen hatten.2110 Im Laufe der 1590er Jahren liefen noch andere Forchheimer aus, um an den Ostertagen das Abendmahl in einer lutherischen Kirche einzunehmen.2111 In den folgenden 20 Jahren zeigten sich keine Anzeichen für Ausläufer. Erst 1624 trat es wieder auf. Der Vogt einer lokalen Adelsfamilie und eine ledige Forchheimerin nahmen das Abendmahl in Baiersdorf oder in anderen nicht genannten lutherischen Orten ein.2112 In den Pfarrmatrikeln des etwa 8 km entfernten markgräflichen Ortes Baiersdorf gibt es in den 1620er Jahren insgesamt drei Forchheimer, die für Taufe und Hochzeit ausliefen.2113 Als 1627 der Bamberger Fiskal Öttlein sich selbst ein Bild der Lage in Forchheim machte, stellte er auch eine Reihe von Ausläufern fest. Es gibt verschiedene Deutungsmöglichkeiten der Frage, warum in den zwei Jahrzehnten vorher die Lutheraner in der Stadt nicht aufgefallen waren, aber der Fiskal hier ein sehr düsteres Bild zeichnet. Zu dieser Frage sei auf die Diskussion im Kapitel 6.2 verwiesen. Der Fiskal kritisierte, »die geistlichen zu vorcheimb haben biß dato ihre pfarrkinder auch insonderheit die bambergischen deren man kan mechtig sein, hauffenweiß lassen nacher cunreuth2114 zum predicanten lauffen, die pfarrliche gerechtigkeit lassen entziehen, die vermainte sacramenta, tauf, hochzeit und die sepultura alda suchen, welches dem predicanten zu cunreuth für bekand angenommen, die fremte schäfflein in ihrem unglauben gesterckt, und also der gaistlichen zu vorchaim darzu gespottet, daß sie also unwachsamb und unvorsichtig sein«.2115

Es wurde den Forchheimer Geistlichen aufgetragen, das Auslaufen nach Kunreuth in Zukunft zu unterbinden. Zudem sollte in Bamberg selbst ebenfalls

2110 2111 2112 2113 2114 2115

Leben im Stift in dieser Zeit seinen gewohnten Lauf genommen zu haben«. (Jakob, Kollegiatstift, S. 163). StABa B 49 Nr. 47/02 »verzeichnus wz sich die uncatholischen burger zu vorcheim den 23 decembris anno 95 erclärt«. Ebd. Verzeichnis von »Gehorsamen und Ungehorsamen«, o. Dat. StABa B 49 Nr. 47/04 Beschreibung der Stifts- und Pfarrkirche St. Martin und kurze Kommunikantenliste Pfarrei Forchheim, 1624. Pfarrarchiv Baiersdorf Kirchenbuch 2, Blatt 44, Blatt 110, Blatt 114. Kunreuth war eine ritterschaftliche Pfarrei, die der adeligen Familie von Eggloffstein gehörte (Bog, Forchheim, S. 43). Der Ort liegt circa 8 km von Forchheim entfernt. AEB Rep. I Nr. 745 fol. 656v, 12. September 1627. Unklar ist, ob der Fiskal sich auf die Stadt Forchheim oder die Pfarrei Forchheim mit den dazugehörigen Dörfern bezieht. Die Pfarrmatrikel von Kunreuth existieren nicht mehr, sodass die Aussage nicht überprüft werden konnte.

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weiter darüber diskutiert werden, was man für Mittel ergreifen könnte.2116 Weitere Nachrichten über das Auslaufen in Forchheim liegen nicht vor. In der Forchheimer Filiale Pinzberg ließen sich in den Quellen überhaupt keine Ausläufer fassen. Betrachtet man Forchheim in der Gesamtentwicklung, überrascht es nicht, dass Ausläufer nur selten auftraten. Das Luthertum war in der Stadt nie stark vertreten gewesen, sodass nur wenig Bedarf bestand. Entsprechend gibt es nur zwei kleine Schwerpunkte, nämlich während der 1590er und zum Ende der 1620er Jahre. Es wurden sowohl markgräfliche als auch ritterschaftliche Pfarreien aufgesucht. Auf Grund der geringen Anzahl von Ausläufern wurde nur selten versucht, es zu verhindern. So wurde zum Beispiel nicht befohlen, die Tore an den Sonntagen geschlossen zu halten. Mit dem Auslaufen konnte die Rekatholisierung zunächst verzögert werden. Es hat sich erneut gezeigt, dass sich auch Menschen des Auslaufens bedienten, die zuvor die Kommunion eingenommen hatten und entsprechend nach Lesart der Bischöfe als katholisch galten. Auf Dauer konnte die Rekatholisierung damit aber nicht verhindert werden. Neunkirchen am Brand mit Dormitz Insgesamt gesehen ist Auslaufen ein Phänomen, dass in Neunkirchen nur wenig und über die Jahrzehnte verteilt vorkommt. Im Filialort Dormitz kommen nach wenigen Ausnahmen ab 1640 regelmäßig Ausläufer vor. In Neunkirchen traten bereits 1581 Ausläufer in Erscheinung, allerdings gibt es keine Hinweise darauf, ob diese Ausläufer konstant blieben.2117 Der Pfarrer von Neunkirchen beklagte sich darüber, dass es in der Nachbarschaft Prädikanten auf markgräflichem und nürnbergischen Gebiet gebe. Besonders der Prädikant von Uttenreuth2118, ein ehemaliger Mönch, unterstehe sich »ohne scheue etliche leutt im markt neunkirchen und nahend herumb gelegenen dörffer (…) zu grossen ergernuß und zuruttung der catholischen einfeltigen christen mit seiner zwey gestaltigen vermainten sacrament zu providirn und zu versehen«.2119 Die Situation verschärfte sich dadurch, dass die benachbarten Prädikanten versuchten, das Luthertum über den Umweg der Taufpaten weiter zu verbreiten. Die Einwohner von Neunkirchen liefen nicht nur zur Taufe ihrer Kinder aus, sondern mussten auch lutherische Taufpaten oder solche, die es werden wollten, 2116 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 656v, 12. September 1627. 2117 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Pfarrer von Neunkirchen an Bischof Martin von Eyb, 27. Juni 1581. 2118 Das markgräfliche Uttenreuth lag circa 5 km von Neunkirchen am Brand entfernt. 2119 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Pfarrer von Neunkirchen an Bischof Martin, 27. Juni 1581.

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stellen.2120 Für den Pfarrer von Neunkirchen war dies ein zweifaches Problem. Zum einen fürchtete er um das Seelenheil seines Pfarrvolkes, zum anderen gingen ihm dadurch Gebühren verloren.2121 Eine Antwort aus Bamberg bzw. Gegenmaßnahmen zur Verhinderung des Auslaufens sind in den Quellen dieser Zeit nicht fassbar. Erst zu Beginn der Herrschaft Bischof Johann Gottfrieds 1609 lässt sich Auslaufen wieder fassen, aber nicht im Markt Neunkirchen direkt, sondern in einigen dazugehörigen Dörfern.2122 In Dormitz stellte sich die Gesamtsituation anders dar. Die ersten Ausläufer treten 1594 auf. Die Kinder zweier nürnbergischer Untertanen in Dormitz hatten sich verlobt. Die Trauung sollte im 4 km entfernten Uttenreuth bei dem dortigen Prädikanten stattfinden, die Feier aber in Dormitz.2123 Das Auslaufen der nürnbergischen Untertanen konnte Neithart trotz vorheriger Ankündigung des Vorgangs nicht unterbinden. Einerseits hatte er keine weltlichen Befugnisse über sie. Andererseits wollte er den Nürnberger Rat ohnedies nicht gegen sich aufbringen, weil es zahlreiche Nürnberger Untertanen in der Pfarrei Neunkirchen gab, die katholisch waren und er befürchten musste, dass die Nürnberger diese in Zukunft vom katholischen Glauben abhalten könnten. Die einzige Möglichkeit bestand darin, die Verlobten noch einmal zu ermahnen, sich zu Beichte und Kommunion einzustellen. Außerdem sollte kontrolliert werden, ob die Verlobten oder die Eltern bischöfliche Lehen hätten, zu deren Verkauf man sie hätte zwingen können.2124 In den Quellen lassen sich für die nächsten 40 Jahre keine weiteren Hinweise auf Auslaufen finden. Die Pfarrmatrikeln aus dem markgräflichen Ort Uttenreuth sind ab 1636 überliefert. Sie zeigen auf, dass einige Personen aus Dormitz regelmäßig in den dortigen Gottesdienst kamen. Zwar lassen sich darin keine Dormitzer finden, die zur Taufe ausliefen. Aber solche, die den Weihnachtsgottesdienst besuchten.2125 Zudem gab es eine Reihe von regelmäßigen materiellen Unterstützungen an das benachbarte Gotteshaus. Es ist entsprechend zu vermuten, dass diese Menschesn auch in das entsprechende Gotteshaus gingen, wenn sie ihm materielle Dinge zukommen ließen. In den Jahrzehnten nach 1640 bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes gab es immer wieder Geldspenden (z. B. für eine deutsche Bibel und Kerzen, für die neue Orgel, aber auch explizit für den

2120 Ebd. 2121 Ebd. 2122 Ebd. Michael Wolck, Verwalter von Neunkirchen an Bischof Johann Gottfried, 22. November 1609. 2123 Ebd. Bischof Neithart an Simon Korau, Verwalter von Neunkirchen, 4. Juni 1594. 2124 Ebd. 2125 LAELKB Pfarrmatrikel Uttenreuth Nr. 342 – 1 25. Dezember 1658.

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Abendmahlswein2126), zudem kamen Spenden von Oblaten und Kerzen vor.2127 Nicht unüblich war auch, dass Dormitzer als Taufpaten an Taufen in Uttenreuth teilnahmen.2128 Insgesamt betrachtet stellt sich die Situation in Neunkirchen am Brand recht eindeutig dar : Das lutherische Gedankengut war hier nur wenig verbreitet, entsprechend selten ließ sich das Auslaufen beobachten. Anders stellte sich die Sache im Filialort Dormitz dar. Regelmäßes Auslaufen ins benachbarte Uttenreuth beweisen die dortigen Kirchenbücher ab 1640. Was die handelnden Personen betrifft, lässt sich aus den Quellen nicht herleiten, ob es sich dabei nur um Nürnberger Untertanen handelt, es liegt aber nahe. Die bischöflichen Beamten versuchten nicht, dieses zu verhindern. Hochstift Würzburg Gerolzhofen Da es in Gerolzhofen selbst keinen Prädikanten gab, musste man als Gerolzhofener Protestant entweder auslaufen oder den Prädikanten zu sich in die Stadt hinein bitten. Vorausschauend sei schon gesagt, dass nachdem im Laufe des Jahres 1586 die überwiegende Mehrheit der Gerolzhofener entweder katholisch geworden war oder die Stadt verlassen hatte, Auslaufen nur noch sehr sporadisch vorkam. Die ersten Klagen über das Auslaufen und das Wirken der umliegenden Prädikanten in der Stadt traten erstmals im Jahr 1574 auf. Der Gerolzhofener Priester schlug vor, an die adeligen Herren der Umgebung zu schreiben, in deren Pfarreien die Gerolzhofener gingen, ein Mandat an den Gerolzhofener Rat ausgehen zu lassen und außerdem die Ausläufer zu ermahnen, davon abzustehen.2129 Die Klagen über das Auslaufen bleiben aber in der Folgezeit.2130 Im Jahr 1575 hatte der Priester etwa die Hälfte der Gerolzhofener als Ausläufer nach Würzburg gemeldet und zudem angegeben, sie würden mit Gewalt die Tore öffnen, wenn sie sie verschlossen vorfänden.2131 Die Gerolzhofener gründeten 2126 Ebd. Blatt 61, 1663. 2127 Ebd. Bl. 8, 13, 14, 28, 33, 34, 39, 41, 42, 43, 45, 47, 48, 52, 54, 57, 60, 61; Nr. 342 – 2 Bl. 5, 6, 20, 22, 23, 24, 25, 26, 29, 40, 41, 42, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 56, 59, 61, 63, 84, 85. 2128 LAELKB Uttenreuth Nr. 342 – 1 Bl. 112 (1646), 120 (1652), 125 (1655). 2129 DAW Pfarrei-Akten Gerolzhofen Kasten 1 Pfarrer von Iphofen an Geistliche Räte, 2. Juni 1574. 2130 DAW Pfarrei-Akten Gerolzhofen Kasten 1 Pfarrer von Iphofen an Fiskal Denzer, 30. Mai 1575; DAW Landkapitelakten Nr. 138 »Capitulum Rurale in Gerolzhofen celebrato 25. augusti anno (15)80«, DAW Pfarrei-Akten Gerolzhofen Kasten 1 Bischof Julius an Vogt von Gerolzhofen, 15. Januar 1584. 2131 DAW Pfarrei-Akten Gerolzhofen Kasten 1 Pfarrer von Iphofen an Fiskal Denzer, 30. Mai 1575.

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sogar eine Bruderschaft, in der sich Ausläufer zusammenschlossen.2132 Dennoch erfolgte zunächst keine Reaktion aus Würzburg. Die Ausläufer steuerten mehrere Orte in der Umgebung an und baten auch deren Prädikanten in die Stadt: Bimbach2133 (circa 6 km entfernt), Zeilitzheim2134 (circa 10 km entfernt), Obereuerheim2135 (circa 13 km entfernt), Krautheim (circa 5 km entfernt), Eichfeld (circa 9 km entfernt)2136 und Traustatt2137 (circa 7 km).2138 Der Visitator forderte im Herbst 1580 als erstes Mittel zur Unterbindung des Auslaufens den Vogt auf, einen Prädikanten, wenn er ihn beim Reichen der Sakramente antreffe, in den Turm zu bringen und dies sofort nach Würzburg zu berichten.2139 Insgesamt war das Auslaufen im ganzen Ruralkapitel Gerolzhofen so verbreitet, dass der Visitator vorschlug, dass jeder Ausläufer, dessen man habhaft werden konnte, entweder mit fünf Gulden oder fünf Wochen Turm gestraft werden sollte.2140 Allerdings gibt es keinen Hinweis darauf, dass diese Idee in die Tat umgesetzt worden ist. 1583 berichtete der Gerolzhofener Priester erneut von Ausläufern.2141 Entsprechend wurde auch im Folgejahr bei der Visitation sehr konkret danach gefragt, ob es Ausläufer gebe, ob Schüler an lutherische Schulen geschickt würden und ob Prädikanten in die Stadt hinein gerufen worden seien.2142 Of2132 DAW Landkapitelakten Nr. 138 »Capitulum Rurale in Gerolzhofen celebrato 25. augusti anno (15)80«. Die bei Riedenauer geäußerte Angabe, dass wegen der Verlegung des Friedhofes vor die Stadt die ursprüngliche Friedhofskapelle frei geworden sei und dort von 1542 bis 1586 lutherischer Gottesdienst stattgefunden hätte, ließ sich nicht nachweisen (Riedenauer, Entwicklung der kirchlichen Organisation, S. 267, Anm. 113). 2133 Der ritterschaftliche Ort wurde 1566 offiziell dem Luthertum zugeführt. Er konnte 1630 kurzzeitig rekatholisiert werden, dies musste aber wieder rückgängig gemacht werden (Riedenauer, Entwicklung der kirchlichen Organisation, S. 274). 2134 Zeilitzheim, mittlerweile Teil des Ortes Kolitzheim, wurde 1530 lutherisch (Riedenauer, Entwicklung der kirchlichen Organisation, S. 259). 2135 Obereuerheim war Sitz der ritterschaftlichen Familie von Bibra und war schon 1530 evangelisch geworden. Nach dem Heimfall an das Hochstift Würzburg im Jahr 1603 wurde der Ort rekatholisiert (Riedenauer, Entwicklung der kirchlichen Organisation, S. 282). 2136 Eichfeld wurde, nachdem das Dorf in den alleinigen Besitz der Grafen von Castell übergegangen war, 1555 lutherisch (Riedenauer, Entwicklung der kirchlichen Organisation, S. 263). 2137 Traustatt war ebenfalls ein ritterschaftlicher Ort (Riedenauer, Erwin: Entwicklung und Rolle des ritterschaftlichen Adels, in: Kolb, Peter/Krenig, Ernst-Günter (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg, 1995, S. 81 – 130, hier S. 104). 2138 DAW Landkapitelakten Nr. 138 »Capitulum Rurale in Gerolzhofen celebrato 25. augusti anno (15)80«; ebd. Visitationsrelation, 2. September 1580. 2139 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationrelation, 2. September 1580. 2140 Ebd. »Capitulum Rurale in Gerolzhofen celebrato 25. augusti anno (15)80«. 2141 DAW Landkapitelakten Nr. 136 Visitationsrelation, 1583. 2142 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelation, 1584.

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fenbar konnte der Visitator aber keine genauen Informationen darüber erhalten, da er nur notierte, dass »multi« ausliefen.2143 Offenbar konnte oder wollte ihm niemand die gewünschten Informationen geben. Als Reaktion auf das Auslaufen ordnete Bischof Julius Echter in Gerolzhofen an, ihm eine Liste der Namen der Ausläufer zu schicken.2144 Der Befehl stellte die Beamten vor Ort vor Schwierigkeiten. Eine Namensliste ist nicht überliefert, vermutlich wurde sie nie geschrieben, da die Torwächter sich weigerten, Namen aufzuschreiben. Auch das Versperren der Tore blieb wenig erfolgreich, weil die Menschen hinaus drängten, wenn die Tore geöffnet wurden, um jemanden von draußen einzulassen.2145 Obwohl der Vogt bereits 1584 darauf hinwies, dass dem Auslaufen an Feiertagen ohnedies nicht beizukommen war, weil die Lutheraner sich an den alten Kalender hielten,2146 ordnete Bischof Julius in der Folge an, dass die Tore an Sonn- und Feiertagen komplett geschlossen blieben.2147 Dieser Befehl brachte für die Gerolzhofener eine Reihe von Schwierigkeiten mit sich. In einer Beschwerde an Julius Echter führten die zehn »Rottenmeister«2148 im Namen der ganzen Bürgerschaft sowohl religiöse, rechtliche als auch wirtschaftliche Gründe an, warum die Anordnung wieder rückgängig gemacht werden sollte.2149 Was die religiösen Gründe betrifft, argumentierten sie, dass es erstens immer schon Auslaufen gegeben habe, aber jetzt kämen sehr viele Menschen zur katholischen Kommunion in Gerolzhofen, so dass das Verschließen der Tore zum Verhindern des Auslaufens nicht mehr länger nötig wäre. Außerdem waren die Rottenmeister der Meinung, dass man die Leute durch das Verschließen der Tore ohnedies nicht von ihrem Glauben abbringen könne. Zudem habe Echter ihnen versprochen, sie nicht in Religionsdingen zu bedrängen: »die leuth nit gar von 2143 Ebd. 2144 DAW Pfarrei-Akten Gerolzhofen Kasten 1 Bischof Julius an Vogt von Gerolzhofen, 15. Januar 1584. 2145 DAW Pfarrei-Akten Gerolzhofen Kasten 1 Vogt von Gerolzhofen an Bischof Julius, 14. Dezember 1584. 2146 Ebd. 2147 StAW G. 14914 Die zehn Rottenmeister von Gerolzhofen an Veit Schweickhardt, Amtsverwalter in Gerolzhofen, Bürgermeister und Rat, 28. April 1585. Aus der inneren Stadt führten in Gerolzhofen zwei Tore (Sixt, Gerolzhofen, S. 44). Zudem wurde Gerolzhofen von einer äußeren Mauer umschlossen, die insgesamt drei Tore aufwies. Ein viertes Tor wurde vermutlich erst unter Bischof Gottfried (reg. 1617 – 1622) angelegt (Sixt, Gerolzhofen, S. 50 f.). 2148 Bei einer »Rotte« handelt es sich um eine nicht ganz klare verwaltungstechnische Einteilung eines Ortes. Mögliche Bedeutungen von »Rotte« sind Abteilung, Dorfviertel, Unterabteilung eines Gerichtssprengels, aber auch kleinster Landsknechtsverband (Heydenreuther, Abbrändler, S. 182). 2149 Zum Folgenden StAW G. 14914 Die zehn Rottenmeister von Gerolzhofen an Veit Schweickhardt, Amtsverwalter in Gerolzhofen, Bürgermeister und Rat, 28. April 1585. Der Brief wurde an Julius Echter weitergeleitet.

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der religion und des hern christi abendmal (wie dan hochermelter unser genedig furst und herr sich genediglichen erclert) tringen will«. Außerdem führe das Versperren der Tore auch zum umgekehrten Fall, nämlich, dass Menschen von außerhalb in den katholischen Gottesdienst kommen wollten, dies dann aber nicht könnten. Auf einer rechtlich-wirtschaftlichen Ebene brachten die zehn Rottenmeister vor, dass das Verschließen der Tore der Stadt schade und zudem die Handlung Echters auch den alten Gewohnheiten und Rechten entgegenstehe, die er in der Erbhuldigung und auf Landtagen bestätigt habe. Wirtschaftlich betrachtet werden insgesamt vier Berufsgruppen aufgezählt, denen die verschlossenen Tore schadeten: Die ärmeren Leute in der Stadt, die jetzt im Frühling ihr Vieh auf die Wiesen vor der Stadt treiben müssen, müssten mit hohen Kosten an den Sonntagen ihre Tiere im Stall halten und füttern. Die Krämer und Handwerker könnten die Stadt nicht verlassen, um ihre Waren in den Märkten an anderen Orten anzubieten, auch diejeningen, die auf den Dörfern Lebensmittel kauften, um sie in Gerolzhofen wieder zu verkaufen, könnten durch die neue Regelung nicht arbeiten. Das Verschließen der Tore schade auch den Winzern, denn diese hätten das ganze Jahr viel Arbeit mit der Weinherstellung und würden jetzt auf ihrer Produktion sitzen bleiben, weil die Weinfuhrleute immer an Sonntag Vormittagen kämen, um den Wein abzuholen. In letzter Zeit seien sie aber wieder fortgefahren, weil sie auf das Öffnen der Tore nach dem Gottesdienst hätten warten müssen. Als letztes werden noch die Wirte aufgeführt, die Gäste verlören, wenn diese die Stadt nicht verlassen könnten, wenn sie wollten. Zudem sei die Regelung auch zu Echters eigenem Nachteil, weil er selbst weniger Einnahmen (Zoll, Steuern) erhielte, wenn sich insgesamt die wirtschaftliche Kraft der Stadt verringerte. Echter änderte auf diese Beschwerde hin seine Befehle graduell. Auf die verschiedenen Ebenen der Gerolzhofener Argumentation ging er kaum ein und ordnete an, dass in Zukunft vor dem sonntäglichen Gottesdienst die Tore für genau eine Stunde geöffnet werden durften. Gleichzeitig wies er seinen Amtsverwalter in der Stadt scharf an, bei den Krämern, Handwerkern und Bauern, die die Stadt sonntags verließen, darauf zu achten, ob nicht doch jemand die neue Regelung zum Auslaufen nutze. Diese Personen sollten sowohl »an leib und gut« gestraft werden.2150 Außerdem forderte er seinen Amtsverwalter auf, jeden einzelnen der Rottenmeister im Geheimen zu befragen, wer genau diese Beschwerde vorgeschlagen und vorangetrieben habe.2151 Der Besuch Echters 1586 und der daraus resultierende starke Anstieg der 2150 StAW G. 14914 Bischof Julius an Veit Schweikhardt, Amtsverwalter zu Gerolzhofen, 10. Mai 1585. 2151 Ebd.

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Kommunionseinnahme bzw. Auswanderung stellten einen Bruch in der Auslaufentwicklung dar. Erst im beginnenden 17. Jahrhundert trat es vereinzelt wieder auf. So gab es im Jahr 1600 zwei lutherische Frauen und den Sohn eines Gerolzhofener Bürgers, die zum Abendmahl ausliefen.2152 Spezielle Maßnahmen dagegen (außer den immer ausgesprochenen Ermahnungen) lassen sich indes keine feststellen. Im Jahr 1629, als sich eine Reihe von lutherischen Handwerksgesellen in Gerolzhofen aufhielten, lassen sich auch wieder Ausläufer fassen. Zwei Dienstknechte, ein Lehrjunge und eine Dienstmagd gingen zum Abendmahl ins nahe gelegene Zeilitzheim. Offenbar wurden die Ausläufer an den Toren immer noch aufgeschrieben, da die vier namentlich genannt werden konnten.2153 Betrachtet man Gerolzhofen im gesamten Untersuchungszeitraum, lässt sich in Hinblick auf Zeitpunkt und Häufigkeit feststellen, dass das Auslaufen zunächst weit verbreitet war. Große Teile der Stadt waren Lutheraner und Auslaufen war die einzige Möglichkeit, an lutherischen Gottesdiensten teilzunehmen. Nach dem Wendejahr 1586 war Auslaufen praktisch obsolet geworden, da es kaum noch Lutheraner in der Stadt gegeben hat. In den folgenden Jahrzehnten traten nur vereinzelt Lutheraner auf, die einen fremden Gottesdienst besuchten. Einen direkten Auslöser für das Auslaufen gab es nicht. Bei den handelnden Personen gab es bis 1586 keinerlei Einschränkungen, danach wird es so selten, dass keine Klassifizierungen möglich sind. Bei den Zielorten handelt es sich ausschließlich um ritterschaftliche Pfarreien. Individuelle Begründungen liegen nicht vor. Julius Echter versuchte, das Auslaufen zu unterbinden, indem er das Öffnen der Tore an Sonn- und Feiertagen verbot. Diese Methode war aber aus zwei Gründen nur bedingt effektiv. Zum einen konnte damit zwar das Auslaufen an Sonntagen verhindert werden, nicht jedoch das Auslaufen an Feiertagen. Da sich die Lutheraner in der Regel an den alten Kalender hielten, fielen deren Feiertage auf für Katholiken gewöhnliche Arbeitstage, an denen die Tore geöffnet waren. Zum zweiten zeigen die örtlichen Proteste, dass mit dieser Maßnahme die Stadt als regionales Handelszentrum in ihrem Wirtschaftsraum behindert wurde. Letzterem stimmte Echter offensichtlich zu, da er die Regel lockerte. Mit dem Auslaufen konnten die Gerolzhofener zunächst ihre Rekatholisierung aufschieben, aber nicht über den einschneidenden Bruch von 1586 hinaus. Aus der Argumentation der zehn Rottenmeister lässt sich zudem die These ableiten, dass sich die Menschen durchaus darüber bewusst waren, dass sie mit Gewalt zu einer anderen als ihrer eigenen Konfession gedrängt werden sollten 2152 DAW Landkapitelakten Nr. 138 Visitationsrelation, 1600. 2153 DAW Landkapitelakten Nr. 140 »lutherische untertanen im capittel geroltzhoven julio 1629«.

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und dass dies kein effektives Mittel war, um auch eine innerliche Hinwendung zu dieser anderen Konfession zu erreichen. Iphofen In Iphofen beschränkte sich das Auslaufen der Bürger auf die Jahre vor 1586. Bei den Dienstboten lässt es sich indes auch in den folgenden Jahrzehnten nachweisen. Auslaufen ist für die Stadt Iphofen erstmals im Jahr 1583 überliefert, allerdings ist ähnlich wie bei Gerolzhofen davon ausgehen, dass auch in den Jahrzehnten vorher das Auslaufen üblich war, da Iphofen einen großen lutherischen Bevölkerungsanteil hatte. Ein besonderes Problem für den Iphöfer Pfarrer stellte die Tatsache dar, dass auch einige Ratsherren ausliefen, die damit ihrer Meinung nach weitere Bürger dazu verführten.2154 Zudem war offensichtlich schon zu einem vorherigen Zeitpunkt durch Bischof Julius angeordnet worden, dass die Stadttore zur Unterbindung des Auslaufens an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten seien, doch dieser Befehl wurde vor Ort ignoriert.2155 Zunächst war der Befehl, die Tore verschlossen zu halten, zwar ausgeführt worden, aber der Ratsherr Bonifacius Frobonius hatte die Öffnung der Tore2156 verlangt und sich damit durchsetzen können.2157 Der bischöfliche Schultheiß unterstützte den Geistlichen nicht.2158 Das Auslaufen blieb in der Folge ein Problem.2159 Dabei war das Auslaufen keine Verlegenheitslösung, sondern wurde regelmäßig an Sonn- und Feiertagen durchgeführt.2160 Ziele von Ausläufern wurden die etwa 4 km entfernt gelegenen ritterschaftlichen Orte Fröhstöckheim2161 und Markt Einersheim, außerdem das markgräfliche Mainbernhaim (etwa 3 km entfernt).2162 2154 AEB Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 18. April 1583. 2155 Ebd. 2156 In Iphofen gab es ursprünglich vier Tore, wovon eines um 1600 zugemauert wurde (Güssow, Irmgard: Stadtanlage und Stadtbild von Iphofen, o. O., 1956, S. 17 f.). 2157 AEB Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 10. Dezember 1583. Da keine weiteren Schriftstücke zu dieser Frage vorliegen, ist eine Überprüfung schwierig. Allerdings erscheint es durchaus möglich, dass sich die Torwächter ihrer Stadtobrigkeit mehr verbunden fühlten als ihrem Landesherrn, wenn zudem klar war, dass man auch keine Strafe durch den bischöflichen Schultheiß zu befürchten hatte. 2158 AEB Pf. A. Nr. 264 Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 18. April 1583. 2159 Ebd. »Gravamina parochi in iphofen«, 31. Oktober 1583; Ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 10. Dezember 1583. 2160 Ebd. »Gravamina parochi in iphofen«, 31. Oktober 1583. 2161 Ebd.

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Zumindest bis zu Beginn des Jahres 1585 gab es keinerlei Reaktionen aus der Residenzstadt. Erst dann bestellte Bischof Julius den Iphöfer Ratsherr Georg Schirmer und den Stadtschreiber nach Würzburg, um wegen des Auslaufens eine Rüge auszusprechen. In einem darauf folgenden Rechtfertigungsbrief argumentierte die Iphöfer Stadtverwaltung aber ähnlich wie die Gerolzhofener : Ausläufer gäbe es zwar, aber nur in sehr geringer Zahl. Außerdem hätten sie die Tore an Sonn- und Feiertagen für eine Weile geschlossen gehalten, dies hätte aber zu wirtschaftlichem Schaden geführt, wie auch Handwerker kein Gesinde fänden, wenn dies nicht an Sonn- und Feiertagen die Stadt verlassen könnte.2163 Es ist nicht überprüfbar, inwiefern es sich bei dieser Aussage um vorgeschobene Gründe handelte oder nicht. Jedoch musste Iphofen in der Tat, wie die Stadtverwaltung angab, die Konkurrenz seitens der prosperierenden Stadt Kitzingen fürchten,2164 die circa 10 km entfernt im Territorium des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach lag. Zudem wurde im Laufe des Jahres 1585 deutlich, dass die Iphöfer Lutheraner die Kalenderproblematik zum Auslaufen nutzten. Da in der Stadt selbst mittlerweile der neue Kalender galt, konnten sie an ihren Feiertage bei offenen Toren in lutherische Gottesdienste in der Umgebung gehen. Nach dem neuen Kalender handelte es sich dabei ja um normale Arbeitstage.2165 Die Situation wurde in diesem Jahr aus zwei Gründen noch angespannter. Zum einen hatte der neue katholische bischöfliche Schultheiß zwar mittlerweile erneut angeordnet, die Tore an Sonn- und Feiertagen verschlossen zu halten, aber der Rat ignorierte diesen Befehl. Zum zweiten hatte der Iphöfer Bürgermeister offenbar angeordnet, den Festtag des Heiligen Kilian2166 (8. Juli) nicht zu feiern, sondern gemäß dem alten Kalender zu arbeiten.2167 Zudem stellte sich auch in Iphofen die Frage, wie man die Namen der Ausläufer in Erfahrung bringen konnte. Die Torwächter weigerten sich trotz Aufforderung durch den Schultheiß, die Namen der Ausläufer aufzuschreiben.2168 Auf dieses Problem ging Bischof Julius aber nicht ein, sondern befahl, die Ausläufer mit einer nicht näher erläuterten Strafe zu belegen.2169 Es verwundert

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Ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 10. Dezember 1583. Ebd. Bürgermeister und Rat der Stadt Iphofen an Bischof Julius, 9. März 1585. Ebd. Ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 6. Juni 1585. Kilian war ein irischer Missionar, der 689 den Märtyrertod erlitt. Er war einer der ersten Missionare im Würzburger Raum und wurde 752 Diözesanheiliger (Flachenecker, Bistum Würzburg, S. 831). 2167 AEB Pf. A. Nr. 264 Johannes Herteigreif, Pfarrer von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 11. Juli 1585. 2168 Ebd. Johannes Hertengreif, Pfarrer von Iphofen an Bischof Julius, 6. Juni 1585. 2169 Ebd. Bischof Julius an Bürgermeister und Rat von Iphofen, 18. Juni 1585.

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ob der Bedingungen vor Ort aber nicht, dass auch zum Ende des Jahres immer noch Ausläufer in Iphofen vorkamen.2170 Nachdem auch in Iphofen für das Jahr 1586 ein Bruch konstatiert werden kann, lassen sich für etwa zehn Jahre keine Ausläufer mehr fassen. Obwohl die Stadtbürger 1586 mehr oder weniger alle katholisch geworden oder ausgewandert waren, blieben die Dienstboten lutherisch. Ab Mitte der 1590er Jahre liefen sie an den Feiertagen, zum Beispiel an Weihnachten, in die lutherische Umgebung aus, um protestantische Gottesdienste zu besuchen.2171 Unklar ist, ob auch für die dazwischen liegenden zehn Jahre Auslaufen angenommen werden kann. Auch 1600 klagten die Iphöfer Kleriker über auslaufende Dienstboten, Knechte und Mägde.2172 Maßnahmen dagegen sind nicht überliefert, allerdings hörten auch die Klagen darüber auf. Einzig ein kurzer Hinweis bei einer Visitation im Jahr 1624 muss als das Auslaufen von Gesinde und Tagelöhnern gedeutet werden.2173 Insgesamt betrachtet kann für Iphofen ein ähnlicher Verlauf wie in Gerolzhofen ausgemacht werden. Was Zeitpunkt und Häufigkeit betrifft, setzten im Jahr 1580 die Klagen des Geistlichen über das Auslaufen ein. Es ist allerdings davon auszugehen, dass bereits vorher das Auslaufen weit verbreitet war, aber die Priester und Beamten nicht darauf geachtet hatten bzw. nicht in dieser Hinsicht aus Würzburg instruiert worden waren. Das Jahr 1586 macht sich auch in der Ausläuferbilanz deutlich. Nach diesem Jahr kommen sie nur noch selten vor. Hierbei stechen vor allem die Dienstboten hervor. Einen direkten Auslöser für den Beginn des Auslaufens gab es auch in Iphofen nicht. Bei den auslaufenden Personen gab es an sich keine Einschränkungen auf bestimmte Bevölkerungskreise, auffällig ist allerdings das massive Auslaufen einiger Mitglieder der Stadtverwaltung. Dies war für den Iphöfer Geistlichen besonders problematisch. Zum einen nahmen diese für die restliche Gemeinde eine Vorbildfunktion ein, an dem sich die Gemeinde orientierte. Zum anderen konnten die Mitglieder des Rates die Maßnahmen zur Verhinderung des Auslaufens kraft ihrer Autorität unterwandern. Bischof Julius Echter hatte zwar angeordnet, die Stadttore an Sonn- und Feiertagen zwecks Verhinderung des Auslaufens geschlossen zu halten. Dies wurde vor Ort aber nur für eine kurze Zeit umgesetzt. Auffälligster Unterschied zu Gerolzhofen ist hierbei, dass die Gerolzhofener fragten, ob sie die Tore wieder öffnen dürften, während die 2170 Ebd. Elias Steinbrecher, Keller und Schultheiß von Iphofen an Fiskal Urban Rinnisfeld, 10. Dezember 1585. 2171 AEB Rep. I Nr. 528 Relation der Kapitelsvisitation, 1595. 2172 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 528 »Designatio was sich anno 1600 inn gehaltenen capittel zu iphofen fur defect und mangl befunden«. 2173 DAW Landkapitelakten Nr. 154 »Visitationspuncte«, 7. Mai 1624: »Ibi multi operarii lutheram conducunt demos, tempi paschatias excurrunt ad praedicantes«.

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Iphöfer dies eigenmächtig entschieden. Vermutlich glaubten sich die Lutheraner mit der Ratsmehrheit und einem lutherischen Schultheißen auf der sicheren Seite. Auch der Amtsantritt eines neuen katholischen Schultheißen konnte zunächst nichts an der Gesamtsituation ändern. Die Zielorte der Iphöfer waren sowohl ritterschaftliche als auch markgräfliche Pfarreien. Individuelle Begründungen liegen nicht vor. Mit dem Auslaufen konnten die Iphöfer in der Regel die Rekatholisierung zunächst hinausschieben, aber nicht über das Jahr 1586 hinaus. Kitzingen In Kitzingen beschränkt sich die Untersuchung der Ausläufer auf wenige Jahre. Dabei kann man zwei Phasen unterscheiden. (1) Von der Einnahme der Stadt bis zum Einmarsch der Schweden (1629 – 1631), (2) Von der zweiten Einnahme des Stifts durch das Hochstift bis zur offiziellen Erlaubnis des lutherischen Gottesdienstbesuchs (1634/35 – 1647/50). Nach dem Rückfall an das Hochstift Würzburg 1629 wurde Kitzingen mit Einsatz von Gewalt rekatholisiert.2174 Die seit einem Jahrhundert lutherische Bevölkerung versuchte, wenn sie nicht auswanderte, dem Druck mit Auslaufen zu begegnen. Die erste Beschwerde hierüber richtete Bischof Philipp Adolf bereits am 18. März 1629 an Bürgermeister und Rat der Stadt, also nur wenige Wochen nach der Pfandablösung.2175 Das Auslaufen wurde hart geahndet: Strafe waren entweder ein Gulden oder Arrest.2176 Möglicherweise wurde auch eine verstärkte Einquartierung als Strafe für das Auslaufen erteilt.2177 Nach Einnahme der Stadt hatte Bischof Philipp Adolf eine Garnison von 50 Soldaten in der Stadt stationiert, die u. a. die Aufgabe hatte, an allen Toren der Stadt die Ausläufer zu notieren, die nicht den katholischen Gottesdienst besuchten.2178 Da es insgesamt nur vier Tore gab, durch die man Kitzingen betreten und verlassen konnte,2179 war das Bewachen flächendeckend möglich. Aufgeschrieben wurde man entweder beim Verlassen der Stadt oder beim Hineinkommen.2180 2174 2175 2176 2177

S. Kapitel 4 und 5.1.2. Bachmann/Pfrenzinger, Kitzingen, S. 93. Hock, Kitzingen, S. 65. Der Stadtvogt Haldenberger fragte bei Bischof Philipp Adolf nach, ob er die ihm bekannt gewordenen auslaufenden Ratsherren mit mehr Soldaten belegen sollte, allerdings ist keine Antwort überliefert (StAW H V MS f.* 28 Bericht des fürstbischöflich-würzburgischen Stadtvogts Haldenberger zu Kitzingen an den Fürstbischof Philipp Adolf zu Ehrenberg über die Verweigerung mehrerer Bürger, die katholische Kirche zu besuchen, 11. Januar 1630). 2178 Buchwald, Evangelische Gemeinde, S. 111 f. 2179 Kemmeter, Kitzingen, S. 20. 2180 StAW H V MS f.* 28 Bericht des fürstbischöflich-würzburgischen Stadtvogts Haldenberger zu Kitzingen an den Fürstbischof Philipp Adolf zu Ehrenberg über die Verweigerung mehrerer Bürger, die katholische Kirche zu besuchen, 11. Januar 1630.

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Im Januar 1630 lud der Stadtvogt 35 Personen vor, die am 4. Januar 1630, also Weihnachten nach altem Kalender, an den Toren aufgeschrieben wurden, weil sie die Stadt verlassen hatten. Von den anwesenden Personen gaben 26 zu, tatsächlich in einem lutherischen Gottesdienst gewesen zu sein, neun weitere sagten aus, sie seien aus anderen Gründen (Verwandtenbesuche, Geschäfte etc.) hinausgegangen.2181 Von den Ausläufern brachten die meisten, falls sie Gründe angaben, keine theologischen Motive vor. Die Menschen gaben an, in den lutherischen Gottesdienst gegangen zu sein, weil so viele andere gingen oder weil sie sonst keine anderen Pläne gehabt hätten. Vielleicht hofften die Ausläufer aber auch, dass sie durch dieses Verhalten einer Strafe entgehen konnten. In wenigen Fällen erkennt man dagegen eindeutig, dass die schwierige Lage der Protestanten reflektiert wurde: So antwortete etwa das Ratsmitglied Johann Steinmetz (der noch im gleichen Jahr auswandern sollte), dass er in den lutherischen Gottesdienst gegangen sei, weil er dem lutherischen Glauben anhänge und hoffte, dies auch weiterhin tun zu können. Ein anderer Mann hatte sich bereits damit abgefunden, dass er auf Grund seines Glaubens die Stadt verlassen musste: »erasmus redel ist sambt seiner frauwe zue hohefeld (=Hohenfeld, H. B.) in der kirchen geweßen, er habe nun mehr verkauft, hab deswegen kein scheu getragen«. Ähnlich argumentierte auch eine andere Frau. Sie war ausgelaufen »weiln es ein so hohes fest und sie nit begerte zu bleiben«. Bei einem Befragten lässt sich die Tendenz erkennen, seine Mit-Ausläufer nicht weiter zu belasten. Hans Kurtzmann sagte aus, er sei zwar in Hohenfeld beim Gottesdienst gewesen, habe aber keine weiteren Bürger aus Kitzingen gesehen, obwohl mehrere andere Befragte ebenfalls Hohenfeld als Zielort angaben. Ungewöhnlich mutet die Aussage eines Mannes an, der wie auch seine Frau aufgeschrieben worden war. Er behauptete, dass sie beide unabhängig voneinander zu verschiedenen Orten ausgelaufen seien und sich erst wieder auf der Brücke nach Kitzingen wiedergetroffen hätten, als sie beide notiert wurden. Zudem lässt sich auch nicht deutlich erkennen (dafür ist die Anzahl der Befragten zu gering), ob eine Korrelation zwischen Auslaufen und Auswandern besteht. Einige der Ausläufer wanderten später aus, andere nicht. Solche, die zugaben, dass sie ausliefen, wanderten später nicht aus, währenddessen andere, die nicht wegen des lutherischen Gottesdiestes die Stadt verlassen hatten, später trotzdem auswanderten.2182 2181 Das Folgende wird referiert aus: StAW H V MS f.* 28 Bericht des fürstbischöflich-würzburgischen Stadtvogts Haldenberger zu Kitzingen an den Fürstbischof Philipp Adolf zu Ehrenberg über die Verweigerung mehrerer Bürger, die katholische Kirche zu besuchen, 11. Januar 1630. 2182 StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und

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Die Zielorte der Ausläufer lagen fast alle im Markgräflichen, in Klammern wird die fußläufige Entfernung von Kitzingen angegeben: Hohenfeld (3 km), Sickershausen (knapp 4 km), Marktsteft (knapp 7 km), Michelfeld (6 km). Im Laufe der 1640er Jahre kamen noch Mainbernheim (knapp 7 km) und das ritterschaftliche Marktbreit (9 km) hinzu.2183 Nach der schwedischen Besatzungszeit 1631 – 34 erließ Bischof Franz von Hatzfeld 1635 erneut ein Auslaufverbot.2184 Jeder, der beim Auslaufen angetroffen wurde, sollte mit der Zahlung eines Reichstalers bestraft werden.2185 Gelegentlich wurden sogar Soldaten von Kitzingen aus nach Sickershausen und Mainbernheim geschickt, um zu sehen, ob bischöfliche Untertanen dort in den Gottesdienst gingen.2186 Vermutlich fand Auslaufen statt, da Bischof Franz im darauf folgenden Jahr das Auslaufverbot erneuerte.2187 Doch auch dieses Verbot führte nicht zum gewünschten Erfolg.2188 Aus den Quellen lassen sich schlaglichtartig die Zustände um die Weihnachtsfeiertage nach altem Kalender 1641 rekonstruieren, wobei diese Ereignisse sich vermutlich auf die gesamten Jahre zwischen 1635 und 1647 übertragen lassen. Der Kitzinger Priester beklagte sich im Dezember 1641 bei den Geistlichen Räten, dass die Geldstrafen für das Auslaufen häufig nicht gezahlt würden, da die entsprechenden Personen beim Amtmann um Erlassung baten und diese auch gewährt wurde.2189 Dies sei für ihn nur schwer verständlich, da Kirchenzubehör (z. B. die Paramente) fehlte, der damit gekauft werden könnte. Zudem hatte der Priester beobachtet, dass Gesinde, Dienstboten und andere Arbeiter häufig ausliefen und zwar »ohne alle scheu und forcht«. Eine Anzeige bei dem bischöflichen Amtmann hatte aber zu nichts geführt, da man nach Meinung des Amtmannes von diesem Personenkreis, da sie nichts besäßen, die Strafe ohnehin nicht einkassieren könne. Zudem beschrieb der Priester das Auslaufen, so wie er es beobachtet haben wollte: Unter der Führung eines gewissen Rittmeisters Münster (zu Pferd), von dem der Priester sich ohnedies bedroht fühlte, und

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beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«. StAW Gebr. Amt II FG 980 Simon Leutwein, Pfarrer von Kitzingen an Geistliche Räte, 3. Januar 1642. Hock, Kitzingen, S. 106. Ebd., S. 114. Wirth, Volkmar : Laurentius Zapff, in: BlfbKG 3, 1887, S. 39 – 47, hier S. 45. Unklar ist allerdings, woher die fremden Soldaten wissen sollten, wie die Kitzinger im Einzelnen aussahen. Dietwar : Leben eines evangelischen Pfarrers, S. 102. Ebd., S. 104. Zum Folgenden: StAW Gebr Amt II FG 980 Simon Leutwein, Pfarrer von Kitzingen an Geistliche Räte, 31. Dezember 1641.

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eines weiteren Mannes namens Doktor Caiser2190 (in einer Kutsche) versammelten sich 50 – 100 Personen und liefen gemeinsam zur Predigt nach Sickershausen. Da keine Reaktion erfolgte, richtete er sich wenige Tage später erneut an den Geistlichen Rat, da Auslaufen erneut vorgekommen war : »die statt ist gewesen den alten christag gleich einer einöde oder ausgestorbenen statt, dann menniglich klein undt groß jung und alt rathsperson und gemeine burger alle hinnauß nacher sickershausen, meinbernheim und marktbreidt mit solcher freyheit und frechheit geloffen, das alle catholischen darob obstupiren2191«.2192

Die Ursache für die Sorglosigkeit der Protestanten sah der Priester in der Tatsache, dass die beiden Stadtknechte es abgelehnt hatten, Namen zu notieren. Argumentiert hatten sie mit Angst um ihr Leben, da ihnen die Ausläufer gedroht hätten.2193 In Unkenntnis der Namen konnten die Ausläufer in der Folge nicht gestraft werden. Am zweiten Weihnachtstag wurde zwar versucht, das Auslaufen durch das Sperren der Tore zu verhindern, obwohl bereits »die brucken voller leuth gestanden nit anders als were der ander pfingstag und wurden die vischer gegeneinander turnieren«, aber anscheinend war es den Kitzingern gelungen, die Stadt auf anderen Wegen zu verlassen.2194 Auf Grund der Beschwerde des Priesters wendete sich der Bischof an seine Beamten vor Ort und forderte eine Erklärung der Situation. Amtmann und Stadtvogt bezeugten daraufhin zwar das Vorhandensein von Ausläufern, stellten die Gesamtsituation gleichwohl völlig anders dar als der Priester.2195 Zum einen hielt der Priester an allen Sonn- und 2190 Dr. Christoph Caiser war 1629/30 nach Marktbreit ausgewandert und war offensichtlich zur Zeit der Schweden wieder zurückgekehrt (StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«). 2191 Vermutlich von obstare = entgegenstreben, im Widerspruch stehen. 2192 StAW Gebr. Amt II FG 980 Pfarrer von Kitzingen Leutwein an Geistliche Räte, 3. Januar 1642. 2193 Ebd. 2194 Ebd. 2195 Zum Folgenden StAW Gebr. Amt II FG 980 Stadtvogt und Amtmann von Kitzingen an Bischof Franz, 26. Januar 1642. In diesem Schreiben zeigt sich auch, dass Stadtverwaltung und Priester generell nicht sehr gut miteinander auskamen, was sicher die Gesamtentwicklung beeinflusste. Bezüglich der Bedrohung des Pfarrers durch den Rittmeisters Münster sagten die beiden aus, dass sie Zeugen (auch katholische) befragt und die Situation harmlos vorgefunden hätten. Zudem sei der Priester selbst nicht der fleißigste, so habe er bisher zum Beispiel kein Register der Kinder angelegt, sodass man nicht wissen könne, wer zur Kinderlehre kommen sollte.

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Feiertagen auch Gottesdienst auf der anderen Mainseite in Etwashausen, das vor den Toren lag.2196 Sie konnten also nicht kontrollieren, ob die Kitzinger nach Etwashausen gingen oder von da aus weiter zu einem lutherischen Gottesdienst. Zum zweiten kam die bereits bekannte Kalenderproblematik ins Spiel. Da die lutherischen Feiertage häufig auf katholische Arbeitstage fielen, war es nicht möglich, zu kontrollieren, ob Kitzinger die Stadt verließen, um ihre Felder und Weinberge zu bestellen oder ob sie einen lutherischen Feiertagsgottesdienst in der Umgebung besuchten. Auch bei der sozialen Stellung der Ausläufer waren Priester und Stadtverwaltung unterschiedlicher Ansicht. Während der Priester behauptete, dass neben Gesinde und Arbeitern auch Ratsherren ausliefen,2197 handelte es sich laut Stadtvogt und Amtmann überwiegend um Dienstboten.2198 Fest steht zumindest, dass es nach 1635 grundsätzlich lutherische Ratsherren in Kitzingen gab.2199 Amtmann und Stadtvogt kamen zu dem Schluss, dass es ihnen schlichtweg nicht möglich sei, das Auslaufen abzustellen. Dies hinderte Bischof Franz jedoch nicht daran, Auslaufverbote in der Folgezeit zu wiederholen.2200 1647 wurde das Auslaufverbot durch Bischof Johann Philipp von Schönborn aufgehoben, die Untertanen durften von da an ohne Strafe in fremde Gottesdienste gehen.2201 Diese Möglichkeit konnten die Kitzinger bis zum Gnadenbrief von 1650 nutzen, danach erhielten sie einen eigenen Gottesdienst in der Stadt selbst.2202 Als Auslaufziele brachte der Würzburger Bischof die markgräflichen Orte in der näheren Umgebung ins Gespräch, explizit Sickershausen.2203 Somit wurden ursprünglich verbotene Orte zu offiziellen Gottesdienst-Orten. Im Gnadenbrief selbst wurde das Auslaufen wieder explizit verboten.2204 Vermutlich handelte es sich hierbei aber um eine rein wirtschaftlich motivierte Maßnahme, um die anfallenden Gebühren in der Stadt zu behalten. Werden die Ausläufer im gesamten Untersuchungszeitraum in den Blick 2196 Laut der Kitzinger Chronik des Friedrich Bernbeck war Etwashausen Mitte des 16. Jahrhunderts nicht ummauert und nicht umzäunt, woraus folgt, dass man den es leicht verlassen konnte. Von Ummauerungsarbeiten in Etwashausen im weiteren Verlauf ist nichts bekannt. (Kitzinger Chronik des Friedrich Bernbeck 745 – 1565, hrsg. und mit sachlichen Erläuterungen versehen von Leopold Buchmann, Kitzingen, 1899, S. 9). 2197 StAW Gebr Amt II FG 980 Simon Leutwein, Pfarrer von Kitzingen an Geistliche Räte, 31. Dezember 1642; ebd. Simon Leutwein, Pfarrer von Kitzingen an Geistliche Räte, 3. Januar 1642. 2198 Ebd. Amtmann und Stadtvogt von Kitzingen an Bischof Franz, 26. Januar 1642. 2199 Bachmann/Pfrenzinger, Kitzingen, S. 115. 2200 Buchwald, Evangelische Gemeinde, S. 131 f.; Dietwar : Leben eines evangelischen Pfarrers, S. 108. 2201 Buchwald, Evangelische Gemeinde, S. 132. 2202 S. Kapitel 5.1.2. 2203 Buchwald, evangelische Gemeinde, S. 134. 2204 StAW ldf 43 »tenor des gnadenbrieffs«, 17. Dezember 1650.

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genommen, lassen sich mehrere wichtige Erkenntnisse aufzeigen. Auslaufen war eine häufig genutzte Möglichkeit, um einen lutherischen Gottesdienst zu besuchen. Es kam in beiden Phasen, in denen das Auslaufen verboten war (1629 – 31; 1635 – 1647), vor. Einen direkten Auslöser stellte die Pfandeinlösung der Stadt durch das Hochstift Würzburg und der sofortige Austausch der lutherischen gegen katholische Geistliche dar. Was die handelnden Personen betrifft, waren die Ausläufer in allen sozialen Schichten zu finden. Sowohl Dienstboten als auch Ratsherren bedienten sich des Auslaufens, um einen lutherischen Gottesdienst zu hören. Auf Grund dieser Tatsache lässt sich auch etwas zum Rekatholisierungsgrad der Stadt in der Zeit nach der schwedischen Besatzung sagen. Bischof Franz von Hatzfeld war bekannt, dass es Lutheraner in seiner Stadt gab. Einige Familien waren seit 1629 dort verblieben, andere waren während der Schwedenzeit wieder zurückgekommen. Der Bischof verbot zwar das Auslaufen, aber drohte nicht mehr mit Ausweisung. Allerdings zeigen die Ereignisse um die Weihnachtsfeiertage 1641, dass es Protestanten gelungen war, Positionen im Rat zu erlangen. Auch wenn der Priester in Teilen seiner Beschreibung vermutlich übertrieb, ist doch davon auszugehen, dass ihm die Ratsherren persönlich bekannt waren und er sie entsprechend unter den Ausläufern identifiziert hatte. Dies zeigt, dass bereits Bischof Franz und nicht erst nach ihm Bischof Johann Philipp davon abgerückt war, die Stadt vollständig zu rekatholisieren bzw. die Lutheraner aus dem öffentlichen Leben zu entfernen. Die Zielorte befanden sich in einem zehn-Kilomter-Radius, wobei deutlich häufiger markgräfliche als ritterschaftliche Pfarreien angesteuert wurden. Individuelle Begründungen liegen für Kitzingen bedingt vor, da in einem Fall Ausläufer vorgeladen wurden. Allerdings begründeten die wenigsten ihr Auslaufen mit ihrem lutherischen Glauben, wobei diese Taktik vermutlich gewählt wurde, um eine Strafe zu verhindern. Was das Verhalten der örtlichen Beamten und die Versuche, das Auslaufen zu verhindern, betrifft, zeigt sich in Kitzingen, dass es dafür keinen Standard gab. Auf die auftretende Kalenderproblematik bei geschlossenen Stadttoren wurde bereits mehrfach hingewiesen. Zudem musste das Aufschreiben derjenigen, die zu einschlägigen Zeiten die Stadt verließen, ebenfalls nicht dazu führen, das Auslaufen zu unterbinden. Diese Methode basierte auf der Voraussetzung, dass ein oder mehrere zuverlässige Torwächter die Namen der Aus- und Einkommenden notierten. Dabei lassen sich aus Sicht des Bischofs zwei Problemfelder ausmachen. Wurden für diese Aufgabe Leute eingesetzt, die selbst aus Kitzingen stammten, bestand die Gefahr, dass diese aus Loyalität zu ihren Mitbürgern oder weil sie bedroht wurden, ihre Aufgabe nicht ordentlich erfüllten. Stellte man aber fremde Soldaten an die Tore, umging man zwar dieses Problem, allerdings ergab

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sich ein anderes: Die Soldaten kannten die Namen der Aus- und Eingehenden kaum und konnten deshalb auch nicht zuverlässig arbeiten. Zudem lässt sich in Kitzingen deutlich erkennen, dass selbst das namentliche Bekanntwerden bei Ausläufern nicht zwangsläufig zu Konsequenzen führte. Den bischöflichen Beamten vor Ort war durchaus bewusst, dass man jemandem, der nichts besaß, auch keine Strafe abnehmen konnte. In der Folge gab es also gerade für ärmere Ausläufer überhaupt keine Notwendigkeit, damit aufzuhören. Mit dem Auslaufen konnten die Kitzinger durchaus Einfluss auf den Gang der Rekatholisierung nehmen. Das Auslaufen nach der massenhaften Auswanderung von 1629/30 zeigt, dass mit den Auswanderern das lutherische Leben die Stadt nicht verlassen hatte. Auch wenn sich nach der schwedischen Besetzung eine Reihe von lutherischen Auswanderern wieder in der Stadt aufhielten, erscheint es doch ob er Menge der Ausläufer wahrscheinlich, dass sich unter diesen auch solche Personen befanden, die sich zur katholischen Kommunion eingestellt hatten. Hier zeigt sich einmal mehr, dass eine einmal eingenommene Kommunion keine Entscheidung fürs Leben sein musste. Gemünden In Gemünden lässt sich Auslaufen für die Zeit vor dem Besuch Bischof Julius Echters 1585 fassen, danach nicht mehr. Bereits im ersten Visitationsbericht, der von Gemünden vorliegt (1579), kam der örtliche Pfarrer auf Ausläufer zu sprechen.2205 Zielorte werden keine genannt. Der Priester war gegen das Auslaufen aber machtlos, da die lokalen bischöflichen Amtsträger ihn nicht unterstützten. Der Schultheiß der Stadt war selbst Lutheraner und Ausläufer,2206 folglich wenig prädestiniert dafür, gegen diese Gruppe von Personen vorzugehen. Der Amtmann wiederum – über seine konfessionelle Zuordnung ist nichts bekannt – wollte niemanden gegen sein Gewissen eine Konfession aufzwingen.2207 In den Folgejahren wurde über Ausläufer nicht mehr berichtet. Nach dem Bruch von 1585 war die Frage vermutlich ohnedies obsolet geworden. Nach der Jahrhundertwende beklagte sich der Pfarrer von Gemünden zwar, dass es noch lutherisches Gesinde in der Stadt gebe2208, allerdings lässt sich Auslaufen in den Quellen nicht für die Stadt Gemünden fassen. In den Filialen hingegen wurde es bisweilen beklagt.2209 Auslaufen kam insgesamt gesehen nur sehr wenig in Gemünden vor und nur vor 1585. Vor diesem Bruch war die Verhinderung nicht möglich, weil die bi2205 2206 2207 2208 2209

Meier, Karlstadt, S. 107. Ebd. DAW Landkapitelakten Nr. 182 »relatio ex capitulo rurali Carolstat anno 1579«. S. Kapitel 6.2. DAW Landkapitelakten Nr. 184 »relatione de visitatione capituli carolstadiensis«, 1608.

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schöflichen Beamten diesbezüglichen Befehlen nicht nachkamen und der Priester allein nichts dagegen tun konnte. Auch Reaktionen aus Würzburg sind keine bekannt. Urspringen In Urspringen schlug sich das Auslaufen nur in den Jahren 1619 – 21 in den Quellen nieder. Obwohl es in Urspringen bedingt durch die geteilte Herrschaftsstruktur (katholischer Pfarrer, aber ritterschaftliche Pfarrei einer lutherischen Familie) die gesamte Regierungszeit Echters hindurch Lutheraner in dem Ort gab, taucht das Auslaufen erstmals 1619 in den Quellen auf. Etwa 30 Personen waren in diesem Jahr in das ritterschaftliche Billinghausen (knapp 6 km entfernt) in den Gottesdienst gegangen. Da der Priester insgesamt vier Kirchen zu versorgen hatte, konnte er nicht unterscheiden, ob jemand, der den Ort verließ, in die Filialen gehen wollte oder zu den lutherischen Nachbarn.2210 Auch in den zwei folgenden Jahren hörte der Besuch des lutherischen Gottesdienstes nicht auf, wobei die Menschen offenbar mit dem Wissen und der Erlaubnis ihrer Herrschaft ausliefen.2211 Bereits 1625 heißt es für Urspringen »omnes sunt nunc catholici« und von Auslaufen ist keine Rede mehr.2212 Falls es anschließend noch Ausläufer gab, blieben sie dem Priester verborgen. Zudem machte die allgemeine Kriegslage längere Wege in den Gottesdienst nicht einfacher. Es muss aber noch Lutheraner gegeben haben, da noch 1636 das gemeinsame Begräbnis von Katholiken und Lutheranern auf dem örtlichen Friedhof moniert wurde.2213 Zum Ende des 17. Jahrhunderts gab es in Urspringen wieder einige wenige Lutheraner, die ihren Gottesdienst in Billingshausen besuchten, dies zog aber keine Folgen mehr nach sich.2214 Bedenkt man die gesamte Entwicklung in Urspringen, erscheint es wahrscheinlich, dass das Auslaufen häufiger vorkam als in den Jahren 1619 – 21, in denen es sich in den Akten niederschlug. Einen direkten Auslöser scheint es nicht gegeben zu haben. Individuelle Begründungen liegen nicht vor. Was die örtlichen Beamten und die Möglichkeiten, das Auslaufen zu verhindern, betrifft, waren die Voraussetzungen für die Bischöflichen ungünstig. 2210 DAW Landkapitelakten Nr. 187 »Relatio de visitatione Capituli carolstadiensis anno MDCXIX«. 2211 Ebd. »Visitatio Capituli Carolstatt«, 1. September 1620; DAW Landkapitelakten Nr. 188 »Relatio de Visitatione Capituli carolstadiani anno MDCXXI«. 2212 DAW Landkapitelakten Nr. 188 »Visitatio Capituli Ruralis in Carlstadt«, 1625. 2213 DAW Landkapitelakten Nr. 192 »Relatio de capitulo rurali carolstadt«, 1636. 2214 DAW Landkapitelakten Nr. 201 Visitationsrelation, 1694; DAW Landkapitelakten Nr. 202 Visitationsrelation, 1696.

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Die ritterschaftliche Herrschaft war selbst lutherisch und engagierte sich nicht bei der Rekatholisierung. Möglicherweise förderten sie das Auslaufen, da nur auf diese Art und Weise den eigenen Untertanen ein lutherischer Gottesdienstbesuch ermöglicht werden konnte. Die Ritter hatten zudem die Vogtei inne, sodass der Pfarrer keinerlei Hilfe der weltlichen Beamten einfordern konnte, etwa zum Bewachen der Straßen. Der Priester hatte neben der Hauptkirche noch drei Filialen zu versorgen. Verließ man an Sonntagen den Ort, war nicht ersichtlich, ob man wie angeordnet den Gottesdienst in der entsprechenden Filiale besuchte oder ob man in einen lutherischen Gottesdienst ging. Zudem war die Pfarrei mit den Filialen relativ groß. Der Pfarrer hatte mehrfach Kommunikantenzahlen von über 800 Personen angegeben. Selbst wenn dies nur ein grober Richtwert ist, erscheint es doch unwahrscheinlich, dass er die Gemeindemitglieder alle persönlich kannte und bei so vielen Leuten zielsicher gesehen hätte, dass davon 30 fehlten. Von einem zweiten Priester oder einem Kaplan, mit dem diese Menge hätte bewältigt werden können, ist niemals die Rede gewesen. Im Dunkeln bleibt allerdings, wie der Priester in den Jahren 1619 – 21 von den Ausläufern erfahren hatte. Es gibt keine bekannten Reaktionen aus der Residenzstadt zum Auslaufen. Es bleibt unklar, ob es von allein, möglicherweise ob der Kriegslage, die die Landstraßen unsicher machte, aufhörte. Zusammenfassung und Ergebnisse Auslaufen Im Vorfeld sei noch einmal an die acht Analysekategorien erinnert: (1) Zeitpunkt und Häufigkeit des Auslaufens, (2) direkter Auslöser, (3) handelnde Personen, (4) Zielorte, (5) individuelle Begründungen der Ausläufer, (6) Verhalten der örtlichen Beamten und des Priesters, (7) Reaktionen aus den Residenzstädten und konkrete Maßnahmen, Auslaufen zu verhindern, (8) Einfluss auf den Gang der Rekatholisierung. (1) Auslaufen kommt in insgesamt sieben von zehn untersuchten bambergischen Orten vor, wobei Schwerpunktsetzungen kaum möglich sind, weil sich das Auslaufen auf den gesamten Untersuchungszeitraum verteilt. Was das Hochstift Würzburg betrifft, gibt es in allen fünf Orten Ausläufer. Die Eingrenzung in Phasen ist für die Würzburger Orte teilweise möglich. Für die Landstädte Gerolzhofen, Iphofen und Gemünden zeigt sich deutlich der Einschnitt, den Echters Reise 1585/86 hinterlassen hat. Vorher kam Auslaufen sehr häufig vor, hinterher nur noch sporadisch. In Kitzingen verteilen sich Ausläufer auf die Jahre 1629 – 31 und 1635 – 47, in Urspringen schlägt es sich nur in den Jahren 1619 – 21 nieder. In der Summe war Auslaufen ein Vorgang, der in den untersuchten bambergischen Orten wesentlich häufiger auftrat. Generell ist zu vermuten, dass Auslaufen häufiger vorkam, als es in den Quellen fassbar ist. Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass der örtliche Priester nicht bemerkte, dass er Ausläufer in seiner Gemeinde hatte. Wenn er neu war

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und noch nicht alle Einwohner kannte, wenn der Ort sehr groß war und er keinen Hilfspriester hatte und wenn er mehrere Filialen zu versehen hatte, waren dies alles Umstände, die das Auslaufen für die Gemeindemitglieder vereinfachten. Das Vorhandensein von vielen Filialen war für Ausläufer besonders vorteilhaft, weil die Pfarrkinder für den regulären katholischen Gottesdienst ohnehin die Stadt oder das Dorf verlassen mussten und der Priester, wenn er jemanden im Gottesdienst vermisste, nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob diese Person ausgelaufen war oder nur den Weg in die Filiale gescheut hatte. (2) Das zweite Analyseelement betrifft den direkten Auslöser des Auslaufens. Genereller Grund war zweifellos der Wunsch, den lutherischen Glauben auszuüben. Ein direkter Zusammenhang zwischen einzelnen bischöflichen Maßnahmen und einem verstärkten Auftreten von Auslaufen konnte im Hochstift Bamberg nur in einem Fall nachgewiesen werden, nämlich in Grafengehaig. Dort setzte es zeitgleich mit der Einsetzung des katholischen Pfarrers im Jahr 1625 ein. Generell erscheint es aber sinnvoll, auch für die anderen bambergischen Orte, bei denen der Pfarrer ausgetauscht wurde (Rugendorf, Teuschnitz, Marienroth, Neukenroth), dies als Auslöser des Auslaufens anzunehmen, auch wenn sich dies nicht direkt in den Quellen widerspiegelt. Im Hochstift Würzburg zeigt sich der Zusammenhang von Auslaufen und dem Austausch des Pfarrers deutlich in Kitzingen. In den anderen Orten lässt sich hingegen kein direkter Auslöser aufzeigen. Sieht man vom Austausch des Pfarrers ab, gibt es insgesamt keinen direkten Zusammenhang zwischen einem Anstieg der Ausläufer einerseits und sich verstärkenden bischöflichen Maßnahmen andererseits. Umgekehrt wiederum zeigt sich in den untersuchten Würzburger Orten aber deutlich der direkte Zusammenhang zwischen Echters Besuch und dem Abfall der Ausläuferzahlen. (3) Die handelnden Personen sind kaum einzugrenzen. In den meisten bambergischen Orten wurde bei den Ausläufern nicht differenziert, entweder handelte es sich um den ganzen Ort (wie etwa Grafengehaig) oder um kleine Gruppen, die nicht näher spezifiziert werden. Im letzteren Fall liegt die mangelnde Konkretheit auch in der Tatsache begründet, dass Beamte und Priester oft selbst nicht genau wussten, wer überhaupt auslief. War es in einem Ort so weit gekommen, dass sich praktisch alle Bürger eingestellt hatten, kam es immer noch häufig zu Schwierigkeiten mit Frauen und Dienstboten. Bei ersterem nahmen die bischöflichen Amtsträger wohl an, dass die Ehemänner auf Dauer für die Einstellung ihrer Frauen sorgen würden, bei letzteren wurde allgemein weniger Mühe auf Rekatholisierung verwendet als bei den Bürgern und Bauern. Unklar ist, wie der Personenkreis der fremdherrschaftlichen Untertanen in Orten mit gemischten Herrschaftsverhältnissen zu bewerten ist. In Dormitz und Pinzberg tauchen die Untertanen von Nürnberg und Brandenburg-Kulmbach fast gar nicht als Ausläufer in den Quellen auf. Es ist aber eher zu vermuten, dass

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sie zwar ausliefen, dies von den lokalen Beamten aber nicht aufgeschrieben worden ist. Dafür gibt es verschiedene Gründe: (1) Die bambergischen Bischöfe dehnten ihre Rekatholisierungspolitik lange Zeit bewusst nicht auf fremde Untertanen aus. Es war sonst zu befürchten, dass die Nürnberger und die Markgrafen die hochstiftischen Untertanen, die auf deren Gebieten lebten, vom katholischen Glauben abhalten würden. (2) Die bischöflichen lokalen Beamten hatten auf die fremdherrlichen Untertanen geringere rechtliche Zugriffsmöglichkeiten. Entsprechend fühlten sie sich auch nicht für diese zuständig. Auch in den Würzburger Orten werden die Ausläufer häufig nicht konkret benannt. Zwei Gruppen stechen indes heraus. Gerade in der ersten Hälfte der 1580er Jahre wird das Auslaufen der Ratsherren stärker hervorgehoben. Dafür liegen im Wesentlichen zwei Gründe vor. Zum einen waren die Mitglieder der Stadtverwaltung dem Priester persönlich bekannt, sodass er ihr Fehlen im Gottesdienst bemerkte. Zudem stellten sie ob ihres Vorbildcharakters ein Problem dar, da sich die restliche Gemeinde an ihren orientierte. Entsprechend häufiger wurde ihr Auslaufen in Würzburg oder bei Visitationen angegeben. Die zweite Gruppe stellt das Dienstpersonal dar, dass auch nach dem Bruch von 1585/86 immer wieder beim Auslaufen beobachtet werden konnte. Diese Gruppe von Menschen war mobil und hatte kaum etwas zu verlieren, sodass Auslaufverbote und -strafen sie nicht schreckten. Im Vergleich zeigt sich also, dass in beiden Hochstiften Angehörige von unteren Schichten deutlich häufiger ausliefen als andere. Die in Bamberger Orten häufig vorgefundenen auslaufenden Frauen gab es in den Würzburger Orten nicht. (4) Die Zielorte der Ausläufer lagen in allen Fällen in der direkten Umgebung in (mit einer einzigen Ausnahme) maximal 10 km Entfernung. Es wurde kein Unterschied gemacht, ob die besuchten Pfarreien ritterschaftlich, nürnbergisch oder markgräflich waren. Neben der Geographie spielten vermutlich familiäre, freundschaftliche und geschäftliche Verbindungen eine Rolle. Bei nicht-hochstiftischen Untertanen lässt sich nicht durchgehend eine Tendenz zu den Orten ihrer eigenen Herrschaft zeigen. Die Grafengehaiger gingen zwar in die Schlosskirchen ihrer ritterschaftlichen Herrschaften, die nürnbergischen Dormitzer aber durchaus auch in markgräfliches Gebiet und die Kitzinger Ausläufer gingen nicht nur in markgräfliche Kirchen, sondern auch in nahe gelegene ritterschaftliche Orte. (5) Individuelle Begründungen des Auslaufens konnten sowohl für die bambergischen als auch die würzburgischen Orte kaum aufgezeigt werden. Generell ging es darum, den lutherischen Glauben auszuüben. Differenzierungen sind aber insofern möglich, als dass in einigen Fällen präzise Angaben über bestimmte Feiertage und besuchte Zeremonien gemacht werden. Bevorzugte Ausläufertage waren Ostern und Weihnachten. Bei Weih-

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nachten kam den Ausläufern die Problematik der doppelten Datierung zugute, da die Weihnachtsfeiertage nach altem Kalender auf gewöhnliche Wochentage des neuen Kalenders fielen und das Verlassen der Stadt keinerlei Aufmerksamkeit erregte. Andererseits hatten die hohen christlichen Feiertage den Nachteil, dass sie von Seiten der Obrigkeit als Ausläufertage antizipiert werden konnten wie im Fall des Teuschnitzer Priesters, der an den alten Weihnachtstagen des Jahres 1614 nach Marienroth ging und Ausläufer notieren konnte. Was die Zeremonien betrifft, hat sich gezeigt, dass die Ausläufer in erster Linie zum Abendmahl gingen. Die elementare Bedeutung des Abendmahls wird dadurch unterstrichen, dass es auswärts nach lutherischem Ritus eingenommen wurde, sogar wenn man sonst die Gottesdienste in der eigenen katholischen Kirche besuchte. Nicht eindeutig zu beantworten ist die Frage, inwiefern die Einnahme der Kommunion als bindende Konfessionsentscheidung für die Zukunft verstanden wurde. Die Bamberger Ausläufer beantworteten diese Frage negativ. In Marienroth, Grafengehaig, möglicherweise auch in Neukenroth kam es zu massivem Auslaufen, nachdem die Bewohner der jeweiligen Orte vorher zur Kommunion gekommen waren. Hier zeigt sich zumindest in Ansätzen ein Bewusstsein dafür, dass Glaube eine innere Überzeugung sein musste und nicht durch obrigkeitliche Maßnahmen erzwungen werden konnte. Diese Annahme kann für die Würzburger Orte in einzelnen Fällen (vor allem in Kitzingen) vermutet, aber nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. (6) Die bambergischen örtlichen Beamten und Priester taten nur wenig, um das Auslaufen zu verhindern. Dies hatte verschiedene Gründe. In gemischtherrschaftlichen Orten waren ihre Eingriffsmöglichkeiten grundsätzlich begrenzt. In anderen Fällen waren die bischöflichen Amtsträger selbst lutherisch und griffen deswegen nicht ein. Insgesamt fehlte zudem die Kontrolle der Beamten durch die Zentrale. In Würzburg zeigten sich die örtlichen Beamten zunächst (vor 1585/86) auch wenig bemüht, das Auslaufen zu verhindern. In Gemünden etwa war der bischöfliche Schultheiß selbst Ausläufer, der örtliche Amtmann wollte niemanden mit einem schlechten Gewissen belasten. In der Folgezeit fehlt häufig das Quellenmaterial, um diese Frage abschließend zu klären. Im Angesicht der ständigen Kontrolle der Beamten durch die Visitatoren einerseits und dem konsequenten Austausch von lutherischen Beamten andererseits ist davon auszugehen, dass sie die Politik ihres Bischofs auch ausführten. Ein herausstechender Fall ist Kitzingen, wo die örtlichen Beamten sich des Auslaufens zwar bewusst waren, aber es aus praktischen Gründen nicht verhindern konnten oder wollten. Diese Einstellung ist aber zumindest teilweise auch der langanhaltenden Kriegslage geschuldet. Den Priestern waren grundsätzlich nur wenig Möglichkeiten gegeben, das

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Auslaufen zu verhindern. Sie konnten Strafen nur aussprechen, aber ihren Vollzug nicht erzwingen und sie hatten allein nicht die Kapazitäten, Ausläufer ausfindig zu machen. Für den Priester war das Auslaufen dabei ein doppelter Verlust. Zum einen fürchtete er um das Seelenheil seiner ihm anvertrauten Pfarrkinder, zum anderen war es für ihn auch ein großer wirtschaftlicher Schaden, da ihm Gebühren verloren gingen. (7) Die fränkischen Bischöfe versuchten mit verschiedenen Maßnahmen das Auslaufen zu verhindern. Wie in Kapitel 5.1.1 dargestellt, erließen die Bamberger Bischöfe wiederholt Mandate gegen das Auslaufen, die für das ganze Hochstift galten, die aber genauso wie die hochstiftweit ergangenen Kommunionsmandate kaum etwas bewirkten. In einigen Fällen wurden Geld- und Haftstrafen (Neukenroth, Grafengehaig) angedroht. Konkrete Maßnahmen, die Namen herauszufinden, wurden von der Hochstiftsleitung nur selten angeordnet. Konkrete Maßnahmen der lokalen Beamten und der Priester, die Namen der Ausläufer herauszufinden, gab es ebenfalls so gut wie gar nicht. In Einzelfällen wurde es zwar wie in Grafengehaig mit Bewachung der Landstraßen versucht, es gelang aber nicht. Meistens jedoch sollten die Ausläufer vor die Entscheidung Auswanderung oder Glaubenswechsel gestellt werden. Die Reaktion der würzburgischen Bischöfe auf das Auslaufen war hingegen deutlich von Handlungswillen geprägt. Bischof Julius ordnete an, die Tore an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten, zudem sollten alle namentlich aufgeschrieben werden, die die Orte zu einschlägigen Zeiten verließen. Sein späterer Nachfolger Bischof Philipp Adolf steigerte diese Methode in Kitzingen noch, indem er eine 50 Mann starke Truppe in der Stadt zurückließ, die neben der Torbewachung auch mit Waffengewalt dafür sorgen sollte, dass die Einwohner nicht ausliefen, sondern den katholischen Gottesdienst besuchten. Auf Grund wirtschaftlicher Bedenken musste indes das Verschließen der Tore gelockert werden. Zudem führte dieses Mittel aus rein praktischen Gründen nicht unbedingt zum Erfolg, da sich drei Probleme ergaben: (1) Der Bischof war darauf angewiesen, dass diese Anordnung vor Ort auch befolgt wurde. Dies war aber nicht immer der Fall. In Iphofen beschloss die Stadtobrigkeit, diese Maßnahme nicht durchzuführen, in Kitzingen gaben die Torwächter an, sie seien bedroht worden und würden deswegen niemanden aufschreiben. Fremdes Personal (also etwa Soldaten) wiederum kannte die Einwohner nicht, sodass es möglich war, innerhalb einer größeren Gruppe unbemerkt die Stadt zu verlassen. (2) Die Lutheraner hielten sich beim Auslaufen an den alten Kalender. Sonntage blieben zwar auch nach der Kalenderumstellung Sonntage, aber die beweglichen Feiertage (z. B. Weihnachten) fielen für die Lutheraner auf normale Arbeitstage der Katholiken. Wenn eine Gruppe von Menschen einen Ort verließ, konnten die Torwächter nicht wissen, ob diese Menschen zu ihrer Arbeit gingen oder in einen lutherischen Gottesdienst oder möglicherweise beides. (3) Han-

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delte es sich um eine Pfarrei mit mehreren Filialen, war es für die Gemeindemitglieder nötig, an allen Sonn- und Feiertagen, an denen der Gottesdienst in einer der Filialen gefeiert wurde, die Stadt zu verlassen. Es war also nicht möglich zu kontrollieren, ob die entsprechenden Personen mit in die Filiale gingen oder in einen lutherischen Gottesdienst. Im Vergleich unterscheidet sich die Reaktion der Bischöfe von Bamberg und Würzburg signifikant. In Bamberg ergriffen sie nur wenige Maßnahmen, um das Auslaufen zu verhindern. Maßnahmen, um gezielt die Namen der Ausläufer herauszufinden, gab es nur selten. Die Frage, wie Ausläufer überhaupt erkannt wurden, muss in vielen Fällen offen bleiben. Unklar ist, warum das Verschließen der Tore, wie es etwa im bambergischen Ort Lichenfels von Neithart angeordnet wurde, in den hier untersuchten Orten nicht zur Anwendung kam.2215 Generell wollten die Bamberger das Problem lösen, indem die Ausläufer auf lange Sicht zur Annahme des katholischen Glaubens oder zur Emigration gebracht werden sollten. Allerdings wurde bereits im vorherigen Unterkapitel gezeigt, dass dies ohne entsprechenden Einsatz nicht funktionieren konnte. In Würzburg hingegen wurden aktive Maßnahmen gegen das Auslaufen getroffen. Mit diesen konnte das Problem aber auch nicht gelöst werden. (8) Auf lange Sicht ließ sich Auslaufen nur durch Rekatholisierung oder Ausweisung verhindern. Aus Sicht der Untertanen hieß das, dass mit Auslaufen zunächst die Rekatholisierung verhindert werden bzw. wenn schon einmal die Einnahme der Kommunion erfolgt war, rückgängig gemacht werden konnte. Auf Dauer war dies aber zumeist nicht der Fall. In Würzburg sorgte Bischof Julius dafür, dass seine Untertanen in der Mehrheit entweder zur Kommunion kamen oder auswanderten, sodass dadurch das Auslaufen insgesamt weitestgehend verhindert wurde. Eine Ausnahme stellte hingegen Kitzingen dar, wo das Auslaufen den Bewohnern half, bei ihrem Glauben zu bleiben, bis sie ihn wieder offiziell ausüben durften. In den bambergischen Orten war in den meisten Fällen die Rekatholisierung durch Auslaufen verzögert worden, doch konnte sie dadurch nicht verhindert werden. Auch hier gilt, dass in Orten, die nach dem Westfälischen Frieden lutherisch blieben wie etwa Grafengehaig, das Auslaufen den Protestanten half, bei ihrem Glauben zu bleiben. Im Grunde genommen wollten also die Mainbischöfe das Problem des Auslaufens auf genau die gleiche Art und Weise lösen. Gelungen ist es zunächst aber nur den Würzburgern, da diese mit mehr System zu Werke gingen, Maßnahmen auch wirklich durchgeführt und anschließend durch die Visitation auch wirksam kontrolliert wurden. In den Würzburger Orten arbeiteten unter Aufsicht der 2215 Zagel, Georg: Die Gegenreformation im Bisthum Bamberg unter Fürstbischof Neithart von Thüngen 1591 – 98, Bayreuth, 1900, S. 63.

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Visitatoren die Priester mit den bischöflichen Beamten zusammen, was in Bamberg über weite Phasen nicht gelang.

6.4. Tumult Eine Möglichkeit, Rekatholisierungsmaßnahmen zumindest vorübergehend zu verhindern, war der Tumult.2216 Während eines Tumultes kam es in einem Dorf oder einer Stadt zu einem Menschenauflauf und möglicherweise auch zu Gewalteinwirkungen. Diese Gegenmaßnahme gegen die bischöfliche Politik kam nur in Teuschnitz vor. Die Teuschnitzer Tumulte werden entlang der in der Kapiteleinleitung dargestellten sieben Analysekategorien untersucht. Hochstift Bamberg Teuschnitz In Teuschnitz versuchten die Stadtbewohner, gemeinsam mit den Dorfbewohner in den umliegenden Orten, insgesamt drei Mal die Einnahme der Kommunion durch einen Tumult zu verhindern. Dies geschah in der Zeit zwischen September 1596 und Juni 1597. Im September 1596 kam es in Teuschnitz zu einem Tumult, als Pfarrer und Richter versuchten, die vier Viertelmeister der Stadt zu verhaften.2217 Einer davon, ein Mann namens Claus Boner, erschien nicht zu seiner Vorladung. Daraufhin schickten Richter und Pfarrer den Stadt- und den Landknecht, um ihn zu holen. Als Reaktion darauf versuchte offenbar Boners Bruder, dies durch das Entfachen eines Tumultes zu verhindern, indem er mit bewaffneten Männern durch die Straßen der Stadt zog.2218 Die Teuschnitzer haben sich offenbar zunächst vor dem Rathaus versammelt und sind dann zum Haus des Priesters gezogen.2219 Konkrete Forderungen wurden während des Tumultes keine formuliert.

2216 Eine präzise Definition von »Tumult«, welches als Quellenbegriff verwendet wird, gibt es in der Geschichtswissenschaft nicht. Bei Grimm wird Tumult definiert als Unruhe, Unordnung, Aufstand gegen die Obrigkeit, meist von Tätlichkeiten begleitete Erhebung, Aufruhr, Auflauf, Empörung, öffentliche Unruhe (Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 22, München, 1991, Sp. 1772. 2217 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz und Niclas Georg, Richter von Teuschnitz an Bischof Neithart, 1. Oktober 1596. 2218 Ebd. 2219 Ebd. »einfeltiger furschlag wie das ambt theuschnitz zur catholischen religion khönde

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Nur wenige Wochen später kam der bischöfliche Abgesandte Onuphrius von Bellheim nach Teuschnitz, um die vakante Stelle des Amtmanns zu besetzen. Unklar ist, ob der September-Tumult ein konkreter Anlass war, um ihn abzuordnen oder ob ganz allgemein das schlechte Fortkommen der Rekatholisierungspolitik und die Vakanz der Amtmannsstelle die Gründe darstellten. Auch von Bellheim konnte sich nicht gegen die Stadtgemeinschaft durchsetzen. Er hatte die Gemeinde nach Vierteln getrennt zum Rathaus bestellt. Die Teuschnitzer kamen aber alle zusammen, sowohl Männer, als auch Frauen. Von Bellheim versuchte ihnen zu erklären, dass er sie einzeln befragen wollte, ob sie katholisch werden wollten oder nicht, aber seine Worte gingen im Tumult unter. Mit Verhaftungen konnte er der Menschenmenge naturgemäß auch nicht drohen.2220 Dies hätte er allein nicht durchsetzen können. Bürgermeister und Rat, die nicht am Tumult beteiligt waren, erklärten später, dass sie sich ebenfalls nicht in der Lage gesehen hatten, der aufgebrachten Menschenmenge etwas entgegen zu setzen.2221 Konkrete Forderungen wurden auch in diesem Fall nicht formuliert.2222 Der nächste Tumult fand im Frühsommer 1597 statt. Bischof Neithart hatte zwei Beamte aus dem etwa 20 km entfernten Kronach, dem nächstgrößeren Verwaltungszentrum, nach Teuschnitz beordert, um bei der Bürgerschaft die Einnahme der Kommunion anzumahnen.2223 Zu diesem Zweck wollten sie die Hausvorstände aufs Rathaus bestellen, aber sie stellten schnell fest, dass auch Söhne und Knechte mitgebracht wurden und sie der Masse nicht Herr werden konnten. Den beiden Kronachern gelang es daraufhin nicht, die Menschenansammlung wieder aufzulösen. Es entwickelte sich ein Tumult, dem sie nach eigenen Angaben nur knapp mit dem Leben entgingen: »alls wir aber zue thur hinaus gewessen undt sie hauffens weiß bis mit 200 man mit grossen geschrey hernach gevolgt und mit steinen als wans schneitt uff uns geworffen«.2224 Besonders die Frauen brachten sich offenbar in die Konflikthandlung ein: »die weibspersonen deren eins teils in dem negsten tumult allerley kriegswaffenn zu wege getragen und sich viell halstarriger frecher und muttwilliger dann etliche manspersonen erwisen«.2225 Die Teuschnitzer wiederum argumentierten später,

2220 2221 2222 2223 2224 2225

angewißen und gebracht werden« (von Johannes Ammon, Pfarrer in Teuschnitz), 4. Oktober 1596. Ebd. Onuphrius von Bellheim an Bischof Neithart, 10. November 1596. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Bürgermeister und Rat von Teuschnitz an Bischof Neithart, 3. Dezember 1596. Ebd. Onuphrius von Bellheim an Bischof Neithart, 10. November 1596. StABa B 49 Nr. 191/29 I Adam Greitzus, Kastner von Kronach an Bischof Neithart, 18. Juni 1597. Dieser Tumult wurde auch bei de Reichskammergerichtsprozessen angeführt, die anderen nicht (s. Kapitel 6.5). StABa B 49 Nr. 191/29 I Adam Greitzus, Kastner von Kronach an Bischof Neithart, 18. Juni 1597. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Niclaus Georg, Richter, Friedrich

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dass die Kronacher Beamten den Tumult selbst ausgelöst hätten, indem sich erst provozierend über die lutherische Konfession geäußert und anschließend, als ihnen deswegen einige Bewohner hinterher kamen, zuerst geschossen hätten.2226 Die große Menge der beteiligten Personen erklärten sich die bischöflichen Beamten damit, dass die Teuschnitzer schon im Vorfeld von ihrer Ankunft erfahren hätten und ein Bündnis mit den Amtsdörfern eingegangen seien.2227 Dies ist durchaus möglich, da der Amtmann über den Besuch der Kronacher Beamten informiert wurde und diese Information an die Bewohner der Stadt weitergegeben hatte.2228 Beide Männer betonten, dass es wichtig sei, diejenigen zu strafen, die diesen Aufstand angezettelt hatten, weil sonst mit keinerlei Erfolgen in Teuschnitz zu rechnen sei.2229 Der Bischof befahl aber zunächst nur, dass der alte Schulmeister, der als Drahtzieher galt, verhaftet und intensiv nach seinen Komplizen befragt werden sollte. Diese sollten daran anschließend einer nach dem anderen verhaftet und auf die Festung nach Kronach gebracht werden.2230 Während des Tumultes war der Amtmann nicht anwesend. Er entschuldigte sich mit dringenden Familienangelegenheiten, die ihn ins 8 km entfernte Rothenkirchen geführt hätten.2231 Offenbar waren aber Bürgermeister und Ratsmitglieder auf der »katholischen Seite« im Einsatz gewesen. Vier von ihnen verweigerten aber für die Zukunft aus Angst vor Gewalteinwirkung diese Aufgabe.2232 Als weitere Reaktion beauftragte Bischof Neithart den Amtmann von Teuschnitz und den Hauptmann von Kronach, dass sie beide gemeinsam gegen die Protestanten in Teuschnitz vorgingen.2233 In der Ahndung des Tumults ging es aber nur langsam voran. Wochenlang passierte nichts bezüglich der Strafver-

2226 2227 2228 2229 2230 2231 2232 2233

Schnapauf, Hans Rechten Bürgermeister, Hans Thule, Stadtschreiber an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 22. Juni 1597. BayHStA Reichskammergericht 12474 Quadrangel 7. StABa B 49 Nr. 191/29 I Adam Greitzus, Kastner von Kronach an Bischof Neithart, 18. Juni 1597. StABA Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Neithart, 18. Juni 1597. StABa B 49 Nr. 191/29 I Adam Greitzus, Kastner von Kronach an Bischof Neithart, 18. Juni 1597. Ebd. Bischof Neithart an Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz und Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 22. Juni 1597. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz an Bischof Neithart, 18. Juni 1597. Ebd. Niclaus Georg, Richter, Friedrich Schnapauf, Hans Rechten Bürgermeister, Hans Thule, Stadtschreiber von Teuschnitz an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 22. Juni 1597. StABa B 49 Nr. 191/29 I Bischof Neithart an Hieronymus von Würtzburg, Amtmann von Teuschnitz und Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 22. Juni 1597.

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folgung.2234 Zwar hatte der Priester die Verhaftung von vier Männern erwirkt, aber der Amtmann von Teuschnitz hatte sich mit dem Verweis auf einen angeblich fehlenden Befehl geweigert, diese vier nach Bamberg zu bringen. Deswegen wurden sie wieder frei gelassen.2235 Erst nach mehreren Monaten kam man am 17. Oktober 1597 im Geistlichen Rat zu dem Schluss, dass man Onuphrius von Bellheim ein zweites Mal nach Teuschnitz schicken wollte. Vor Ort sollte er gemeinsam mit dem Amtmann die Organisatoren des Tumultes verhaften und nach Kronach bringen.2236 Erst im Februar 1598, also ein gutes Dreivierteljahr später, wurden die »Rädelsführer« tatsächlich verhaftet, nach Bamberg gebracht und bestraft.2237 Das Verhalten der bischöflichen Beamten zum Ende des Jahres 1597 zeigte, dass sie sich der Gefahr eines weiteren Tumults bewusst waren. Im November 1597 erhielt der Amtmann einen erneuten Befehl aus Bamberg, dass er die Protestanten vorladen sollte, um sie zu ermahnen. Wenn sie dies nicht täten, sollte ihnen auferlegt werden, innerhalb von acht Tagen fortzuziehen.2238 Da dieser Befehl auch für die Amtsdörfer galt, wurden dort zunächst die Schultheißen einbestellt und dann der Landsknecht in die Dörfer geschickt, wo er den bischöflichen Befehl verkündete, indem er von Tür zu Tür ging. Dies war eine Vorsichtsmaßnahme, damit die Dorfbewohner nicht alle gleichzeitig in die Stadt Teuschnitz hineinkamen und möglicherweise ein neuer Tumult ausbrach: »do dieselben sembtlich herein nach teuschnitz gefordert wurden sie möchten etwan mitt gewaptner hantt kommen und eine solche meuterei wie eure fürstliche Gnaden abgeordneten herrn commissary vor verschiener zeit begegnet widerum erwecken«.2239 Allerdings ist weder jemand nach acht Tagen abgezogen, noch zur Kommunion gekommen. Stattdessen wurde zwischen Stadt und den Dörfern eine Verabredung getroffen, dass im Falle einer Verhaftung ein Tumult herbeigeführt werden sollte.2240 Da der Amtmann in der direkten Folge die Kommunion nicht erzwang, kam es dazu nicht. Insgesamt betrachtet ergeben sich aus diesen Episoden verschiedene Erkenntnisse. Was Zeitpunkt und Häufigkeit betrifft lässt sich sagen, dass es der 2234 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 15. Juli 1597. 2235 Ebd. Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Generalvikar Erhard Dentzel, 28. Juli 1597. 2236 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 2v, 17. Oktober 1597. 2237 Ebd. fol. 20r, 17. Februar 1598. Allerdings wurde im Geistlichen Rat nicht besprochen, worin konkret diese Strafe bestanden hatte. 2238 StABa B 49 Nr. 191/29 I Hieronymus von Würtzburg, Amtmann und Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Neithart, 15. November 1597. 2239 Ebd. 2240 Ebd.

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Teuschnitzer Bevölkerung in dem guten halben Jahr zwischen September 1596 und Juni 1597 insgesamt drei Mal gelang, einen Tumult herbeizuführen. Der Anlass war dabei jedes Mal der gleiche: Die Teuschnitzer wurden als gesamte Gemeinde oder einzelne Personen direkt vor Ort durch bischöfliches Personal aufgefordert, katholisch zu werden und dies durch die Einnahme der Kommunion anzuzeigen. Die beteiligten Personen waren bei allen drei Gelegenheiten in etwa dieselben. Auf Seiten der bischöflichen Obrigkeit standen im ersten Fall Priester und Richter von Teuschnitz, im zweiten Fall ein direkter Gesandter aus Bamberg, im dritten Fall Beamte aus Kronach. Der lutherische Amtmann von Teuschnitz war jedes Mal nicht vor Ort. Ob es sich dabei um einen Zufall handelt, muss offen bleiben. Allerdings ist es auffällig, dass Neithart, als er die Kronacher Beamten schickte, nicht auf den Hauptmann baute, sondern den Kastner mit dieser Aufgabe betraute. Der Hauptmann war, genauso wie der Teuschnitzer Amtmann, ein Exponent der lutherischen Adelsfamilie von Würtzburg. Bürgermeister und Rat waren zu diesem Zeitpunkt bereits in der Mehrheit katholisch geworden. Dennoch taten sie nichts, um die Tumulte zu verhindern. Dieses Verhalten der Bürgermeister und Räte ist leicht zu erklären. Auch wenn sie sich mittlerweile formal zur Konfession des Bischofs gewendet hatten, wollten sie sicher nicht gegen Freunde und Nachbarn kämpfen. Zudem konnten sie nicht, wie die Kronacher oder Onuphrius von Bellheim, nach dem Einsatz den Ort wieder verlassen. Engagierten sie sich auf bischöflicher Seite, mussten sie ob der lutherischen Übermacht in der Stadt ernsthaft Übergriffe befürchten. Individuelle Begründungen liegen nicht vor. Auch spezifische Forderungen wurden von den Teuschnitzern nicht vorgebracht. Generell ging es ihnen um den Erhalt der lutherischen Konfession. Sie wollten aber durch einen Tumult nichts Konkretes, z. B. die erneute Einsetzung eines Prädikanten in der Stadt, durchsetzen. Was die örtlichen Beamten betrifft, ist in erster Linie auffällig, dass der Amtmann stets abwesend war. Die auswärtigen bischöflichen Beamten konnten allein nichts gegen den Ausbruch des Tumultes tun. Die Reaktion aus Bamberg mag verwundern. Bei den ersten beiden Tumulten scheint es keine direkten Reaktionen gegeben zu haben. Beim dritten wurden einige Teuschnitzer erst mit einer Verspätung von mehr als einem halben Jahr gestraft. Dies war zum Teil allerdings auch dadurch begründet, dass der Amtmann nicht gewillt war, lutherische Glaubensgenossen nach Bamberg zu bringen, obwohl sie bereits verhaftet waren. Für die Bevölkerung muss der Eindruck entstanden sein, dass man mit einem Tumult die Rekatholisierung verhindern oder zumindest aufschieben konnte, ohne eine Strafe zu befürchten. In allen drei Fällen hatten sie mit dem Tumult die direkte Forderung nach der Kommunionseinnahme verhindern können.

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Gegenmaßnahmen

Abschließend stellt sich die Frage, ob es sich wirklich um geplante Tumulte gehandelt hat. Von Seiten der obrigkeitlichen Amtsträge wurde es so dargestellt. Die Teuschnitzer waren hingegen überzeugt, dass zumindest in einem Fall die Kronacher Beamten selbst durch ihr provozierendes Verhalten den Tumult ausgelöst hatten. Allerdings wäre es genauso denkbar, dass sich in spontaner Reaktion auf die drohende Einstellung auch eine Gruppendynamik entwickelte, die jeweils zu einer Eskalation führte. Auch denkbar wäre, dass die bischöflichen Beamten jeweils die Intensität des Tumultes übertrieben, um damit zu rechtfertigen, dass sie an ihrer Aufgabe – nämlich der Erzwingung der Kommunionseinnahme der Untertanen – gescheitert waren. Die Erweiterung eines Tumultes zum Bürger- oder Bauernkrieg, wie er etwa in Oberösterreich 1626 ausbrach,2241 kam hier nicht vor. Die Tumulte blieben stets punktuell.

6.5. Klage beim Reichskammergericht Eine weitere Gegenmaßnahme, die insgesamt drei der untersuchten Orte (Teuschnitz, Marienroth, Neukenroth) anwendeten, war die Klage vor dem Reichskammergericht. Zuerst erfolgt eine allgemeine Einführung zu Religionsprozessen am Reichskammergericht. Danach werden die vier Prozesse in ihrem Verlauf dargestellt, wobei sich die Analyse an den Kategorien (1) Zeitpunkt, (2) direkter Auslöser, (3) beteiligte Personen, (4) individuelle Begründungen, (5) Rolle der örtlichen Beamten, (6) Reaktion der Bischöfe und (7) Einfluss auf den Gang der Rekatholisierung orientiert. Einführung Das Reichskammergericht war neben dem Reichshofrat das höchste Gericht des Heiligen Römischen Reiches. Es wurde auf dem Reichstag von 1495 vom nachmaligen Kaiser Maximilian I. und den Reichsständen als ständiges Reichsgericht eingesetzt und wurde von ihnen gemeinsam besetzt und finanziert.2242 Die ersten Jahrzehnte waren durch zahlreiche Ortswechsel (Frankfurt/ Main, Worms, Nürnberg, Regensburg, Augsburg, Esslingen) gekennzeichnet; in Speyer (ab 1527) blieb das Gericht bis 1688, bevor es im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekrieges nach Wetzlar kam.2243 Erste Gerichtsordnungen, die das anzuwendende Verfahren regelten, entstanden bereits in den Jahren 1495 und 1521,2244 entscheidend ist gleichwohl die 2241 2242 2243 2244

Herzig, Zwang, S. 169. Ortlieb, Reichskammergericht, Sp. 923. Ebd., Sp. 924. Ebd.

Klage beim Reichskammergericht

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Prozessordnung von 1555, die gemeinsam mit dem Religionsfrieden verabschiedet wurde.2245 Dort wurde auch festgelegt, dass es in Zukunft katholische und protestantische Assessoren geben sollte.2246 Gerichtsverfahren vor dem Reichskammergericht nennt man Kameralprozesse.2247 Der Kameralprozess konnte zwei Formen annehmen: Erstens das ordentliche Verfahren, bei dem die Prokuratoren nach der förmlichen Ankündigung der Prozessabsicht (»litis contestatio«) in einer festgelegten Reihenfolge ihre Schriftsätze einreichten, auf deren Grundlage dann entschieden wurde.2248 Vor Gericht wurden die Parteien von so genannten Prokuratoren, also speziell zugelassenen Anwälten, vertreten; Advokaten hingegen waren zwar in der Rechtsberatung und im Abfassen der Schriftsätze tätig, durften aber selbst nicht vor Gericht erscheinen.2249 Allerdings kam es nicht häufig zu einem Urteil, in den meisten Fällen betrieben die Parteien ihr Verfahren nicht weiter, was dann zu einer Einstellung des Prozesses ohne Urteil führte.2250 Zweitens konnte bei akuter Gefahrenlage in einem (außerordentlichen) Mandatsprozess ein Mandat sofort und ohne Anhörung der Gegenpartei erlassen werden.2251 Dabei ist zu beachten, dass ein Mandat nicht über die Sache an sich entschied, sondern nur den aktuellen Besitzstand festschreiben sollte, bzw. eine bereits erfolgte Veränderung wieder rückgängig machte, damit nicht – vielleicht sogar irreparabel – etwas durchgesetzt wurde, solange der Prozess noch nicht zu einem Abschluss gekommen war. Der Zweck dieser Regelung war in erster Linie der Schutz des Geschädigten, vor allem gegenüber politisch mächtigeren Streitgegnern.2252 Allerdings muss zwischen zwei verschiedenen Mandaten unterschieden werden: mandata sine clausula, bei denen der Beklagte kaum etwas zu seinen Gunsten einwenden konnte und mandata cum clausula, die dem Beklagten einige Möglichkeiten zur Abwehr des ausgesprochenen Mandates einräumten. Bei einem Mandat cum clausula konnte der Beklagte gegen das Mandat an sich innerhalb 2245 Oestmann, Peter : Kameralprozess, in: EdN Band 6, Stuttgart, Weimar, 2007, Sp. 300. Die erneute Reformierung der Prozessordnung von 1654 spielt für den hier vorliegenden Sachverhalt keine Rolle mehr. 2246 Heckel, Martin: Die Religionsprozesse des Reichskammergerichts im konfessionell gespaltenen Reichskirchenrecht, in: ZRG KA 77, 1991, S. 283 – 350, hier S. 298. 2247 Oestmann, Kameralprozess, Sp. 300. 2248 Ebd., Sp. 300 f. In einem ordentlichen Verfahren sieht die Gerichtsordnung von 1555 zwölf reguläre Termine vor, dazu kommen noch mögliche Termine für Einreden. (Dickmann, Bettina: Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495 bis 1555, Köln, Wien, 1981, S. 106). 2249 Ortlieb, Reichskammergericht, Sp. 928. 2250 Ebd., Sp. 927. 2251 Oestmann, Kameralprozess, Sp. 300 f. 2252 Rabe, Horst: Der Augsburger Religionsfrieden und das Reichskammergericht 1555 – 1600, in: Ders./Molitor, Hansgeorg/Rublack, Christian: Festgabe für Ernst Walter Zeeden. Zum 60. Geburtstag am 14. Mai 1576, Münster, 1976, S. 260 – 280, hier S. 266.

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einer gewissen Zeit Widerspruch einlegen, bei sine clausula nur gegen die aufgeführte Strafe.2253 Ein Mandat wirkte also zwar vorläufig, aber rasch und konnte auch bei (vermeintlichen) Verletzungen des Religionsfriedens erwirkt werden.2254 Das Reichskammergericht konnte sowohl in erster Instanz (»Zitationsprozess«) als auch als Appellationsinstanz angerufen werden.2255 Bei Prozessen von Untertanen gegen ihre Obrigkeit war das Reichskammergericht bereits in erster Instanz zuständig.2256 Für Religionsprozesse, also Prozesse, die im Zusammenhang mit Glaubensfragen standen,2257 gilt generell, dass das Reichskammergericht bemüht war, religiöse Fragen so gut es ging auszuklammern und nach Möglichkeit den Klagegegenstand als ein weltliches Problem zu interpretieren.2258 Die Worte »Religion« und »Religionsstreit« fallen auch höchst selten in so bezeichneten Religionsprozessen.2259 Da in Religionsprozessen zumeist mehrere sowohl geistliche als auch weltliche Dinge verhandelt wurden, wurden die Entscheidungen vielfach ausschließlich über die weltlichen Klagepunkte getroffen.2260 Zudem mussten die Senate, die in Religionsfragen entschieden, paritätisch, also jeweils zur Hälfte mit evangelischen und katholischen Assessoren, besetzt sein.2261 Dies führte zwar einerseits zu einer größeren Akzeptanz der Anordnungen und Urteile, konnte aber auch dazu führen, dass eine Patt-Situation entstand, wenn die beteiligten Assessoren entlang der konfessionellen Trennlinie votierten.2262 In diesem Fall wurden solange weitere Senate hinzugezogen, bis sich entweder ein einzelner Assessor überzeugen ließ, anders zu entscheiden oder der Prozess konnte zu keinem Urteil kommen.2263 Im bambergischen Untersuchungsgebiet entschieden sich die drei Orte Teuschnitz, Marienroth und Neukenroth für eine Klage beim Reichskammergericht.

2253 2254 2255 2256 2257 2258 2259 2260 2261 2262 2263

Hinz, Manfred: Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Berlin, 1966, S. 5 f. Rabe, Reichskammergericht, S. 267. Oestmann, Kameralprozess, Sp. 300. Laufs, Adolf: Reichskammergericht, in: HRG Band 4, Berlin, 1990, Sp. 655 – 662, hier Sp. 659. Dazu ausführlich: Ruthmann, Religionsprozesse. Heckel, Martin: Die Reformationsprozesse im Spannungsfeld des Reichskirchensystems, in: Diestelkamp, Bernhard (Hrsg.): Die politische Funktion des Reichskammergerichts, Köln u. a., 1993, S. 9 – 40, hier S. 36 f. Heckel, Reichskirchenrecht, S. 319. Ebd., S. 346. Gotthard, Augsburger Religionsfrieden, S. 406. Ebd., S. 407. Ruthmann, Religionsprozesse, S. 11 f.

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Teuschnitz mit Marienroth Auch wenn in den anderen Kapiteln dieser Arbeit Teuschnitz und die Filiale Marienroth jeweils separat untersucht werden, kann diese Trennung für die Reichskammgerichtsprozesse nicht eingehalten werden. Insgesamt liefen drei verschiedene Prozesse ab: In einem ersten Prozess klagten die Bürgerschaft der Stadt Teuschnitz und die zehn Dörfer des Amtes Teuschnitz, also auch Marienroth, gegen Bischof Neithart, den Amtmann Hieronymus von Würtzburg und den Richter Niclas Georg. In zwei einigermaßen parallel ablaufenden weiteren Prozessen klagten zum einen Schultheiß, Gericht und Gemeinde der zehn im Amt Teuschnitz gelegenen Dörfer (also auch Marienroth) und dann noch einmal die Gemeinden der zehn teuschnitzischen Dörfer ; in beiden Fällen führt die Prozessvollmacht aber auch fünf Bürger aus der Stadt Teuschnitz auf, allerdings nicht wie im ersten Prozess die gesamte Bürgerschaft. Eine nahtlose Trennung in Teuschnitz einerseits und Marienroth andererseits in der Prozessauswertung ist also nicht möglich. Das gleiche Problem gilt für die Chronologie. Für die Analyse sei also der folgende Kunstgriff erlaubt, um die ohnedies schwierige Lage nicht weiter zu verkomplizieren: Die in Speyer eingereichten Schriften werden zunächst pro Prozess, also getrennt voneinander und nacheinander dargestellt und analysiert. Im ersten Prozess2264 der Teuschnitzer Bürgerschaft und den Teuschnitzer Dorfschaften2265 wurde die im August 1598 angefertigte Citatio2266 in der Gerichtssitzung vom 30. Oktober 1598 vorgetragen.2267 Die Vorbereitungen müssen vor Ort aber bereits länger im Gang gewesen sein, da bereits in der ersten Jahreshälfte jemand nach Speyer geschickt worden war.2268 Die Teuschnitzer brachten eine ganze Reihe von Beschwerden vor:2269 a) Abschaffung des evangelischen Kirchenpersonals und Einsetzung von Katholiken, b) Vorladung von Ratsmitgliedern nach Bamberg und deren Zwang zur Konversion durch Haft, c) Gewalttätige Aktionen des Landsknechts gegen Konversions-unwillige Teuschnitzer, d) Konversionsaufforderung mit einer Frist bis zum 7. oder 8. November 1597 bzw. einwöchige Auswanderungsfrist, e) Sperrung der Gemeindegerechtigkeiten (Wiesen, Holz), f) nicht weiter spe2264 Die Prozessvollmacht führt fünf Teuschnitzer Bürger und aus den zehn Amtsdörfern die Schultheißen und ein bis drei weitere Personen auf, die jeweils für den ganzen Ort sprechen (BayHStA Reichskammergericht Nr. 496 Quadrangel 7). 2265 Es beteiligten sich alle zehn Dörfer des Amtes Teuschnitz, wobei nur fünf davon auch in die Pfarrei Teuschnitz gehörten, die anderen fünf in die Pfarrei Windheim. 2266 BayHStA Reichskammergericht Nr. 496, Quadrangel 1. 2267 Ebd. Spezialprotokoll. 2268 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Johann Wolf 11. Juni 1598. Zu diesem Zeitpunkt war nach Aussage des Priesters bereits mehfach jemand aus Teuschnitz oder den Dörfern in Speyer gewesen. 2269 Für das Folgende: BayHStA Reichskammergericht Nr. 496 Quadrangel 1.

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zifierte »neuerungen und gewalthtätigkeiten«. Ziel der Klage war die Beibehaltung der protestantischen Konfessionsausübung in der Stadt Teuschnitz. Auch wenn dies wörtlich nicht in der Klageschrift genannt wird, steht es explizit in der Prozessvollmacht für den Prokurator.2270 Es werden verschiedene Gründe genannt, warum diese Maßnahmen seitens der Fürstbischöfe Unrecht seien: a) Die Teuschnitzer seien schon ihr ganzes Leben lang und schon vor dem Augsburger Religionsfrieden evangelisch gewesen, die kürzlich durchgeführte Neuerung ausgenommen. b) Alle vorherigen Bischöfe hätten sie bei ihrer offen und unverdeckt ausgeführten lutherischen Konfession gelassen. c) Bei der Huldigung habe Neithart – wie auch seine Vorgänger – zugesagt, sie bei ihren alten Gerechtigkeiten und auch bei ihrer Konfessionsausübung zu lassen. d) Es sei gegen den Religionsfrieden, dass jemand, unabhängig davon, welchem Stand er angehöre, gegen seinen Willen und gegen sein Gewissen zu einer Konfession gedrängt werde.2271 Auffällig ist, dass die Teuschnitzer nicht versuchten, einen Mandatsprozess zu erreichen, sondern ein ordentliches Zitationsverfahren in die Wege leiteten. Da ein Mandatsprozess sich durch eine beschleunigte Verfahrensweise auszeichnete, die durch Begrenzung der Vertagungsmöglichkeiten, Fristenverkürzung und das Verbot von weitläufigen Schriften erreicht wurde, versuchten die meisten Kläger, auf diesem Weg zu ihrem Recht zu kommen.2272 Die von den Teuschnitzern aufgeführten Klagepunkte entsprechen den Maßnahmen der Bischöfe zur Rekatholisierung und sind in Kapitel fünf dargestellt worden. Im Folgenden soll ausführlich beleuchtet werden, auf welche Rechtsnormen sich die Teuschnitzer bezogen. Insgesamt brachten die Teuschnitzer zwei verschiedene Rechtsbereiche vor, nämlich erstens die »alten Gerechtigkeiten« und zweitens den Augsburger Religionsfrieden. Was die »alten Gerechtigkeiten« betraf, stellte sich der Teuschnitzer Argumentationsstrang so dar : Da sie schon seit mehreren Jahrzehnten einen lutherischen Pfarrer hatten, bezeichneten sie diesen Zustand als Gewohnheit, als eine Gerechtigkeit, die ihnen zustände. Verstärkt wurde diese Deutung dadurch, dass alle Vorgänger Neitharts von dem lutherischen Pfarrer gewusst und ihnen aber trotzdem in der Huldigung versprochen hätten, sie bei ihren althergebrachten Gerechtigkeiten zu lassen. Indem also das Vorhandensein des Prädikanten von den Teuschnitzern als Teil der althergebrachten Gerechtigkeiten dargestellt wurde, bei denen sie zu lassen alle bisherigen Bischöfe versprochen hatten, sei es Unrecht von Neithart gewesen, diesen abzuschaffen. In einem zweiten Argumentationsstrang bezogen sich die Teuschnitzer auf 2270 Ebd. Quadrangel 7. 2271 Ebd. Quadrangel 1. 2272 Hinz, Mandatsprozess, S. 7.

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den Augsburger Religionsfrieden. Bevor die konkreten Passagen erläutert werden, soll zum besseren Verständnis noch über ein Grundsatzproblem des 16. Jahrhunderts referiert werden, nämlich die Frage, wie der Augsburger Religionsfrieden zu interpretieren war. Die Ausgangslage zu Beginn der Verhandlungen um den Frieden war denkbar ungünstig. Da man sich in theologischen Fragen trotz allen Bemühungen nicht einigen konnte, musste also eine politischjuristische Lösung gefunden werden, mit der man in Zukunft für Frieden sorgen konnte.2273 Die Frage nach der religiösen Wahrheit blieb ungeklärt und »in der Schwebe«.2274 Da aber zwangsläufig eine Regelung an ihre Grenzen stößt, wenn die Grundprobleme nicht geklärt sind, verlegte man sich bei der Formulierung des Augsburger Religionsfriedens auf das Dissimulieren, also das Schaffen von Kompromissen durch bewusst mehrdeutige Formulierungen.2275 Neben der Verschleierung von Konflikten wollten sich die Reichsstände beider Konfessionen durch offene Formulierungen zukünftigen Interpretationsspielraum zu eigenen Gunsten sichern.2276 Die beiden Konfessionsparteien benutzten zwar dieselbe Rechtssprache und -begriffe, meinten aber völlig unterschiedliche Dinge damit.2277 Martin Heckel unterscheidet deshalb auch drei unterschiedliche Rechtsarten, die im Augsburger Religionsfrieden angewendet wurden: Erstens das unkonfessionelle Recht, das auf einer Landfriedensebene gegenseitigen Schutz der Konfessionen versprach. Zweitens das doppelkonfessionelle Recht, also diejenigen Passagen, die entlang der konfessionellen Trennlinie mit unterschiedlichen Bedeutungen gefüllt wurden. Drittens das einseitig entschiedene konfessionelle Recht, also die Durchsetzung von Elementen zu Gunsten nur einer Konfession.2278 Eine klare Abgrenzung der drei Säulen ist nicht in allen Fällen möglich, es kommt zu Überschneidungen und Verwicklungen.2279 Es ist von elementarer Wichtigkeit zu bedenken, dass es sich bei der jeweiligen konfessionellen Auslegung des Textes nicht um eine richtige und um eine falsche handelte, sondern beide Interpretationen auf ihre Art legitim waren.2280 Im vorliegenden konkreten Fall beklagten sich die Teuschnitzer darüber, dass sie entgegen ihres eigenen Gewissens zur katholischen Konfession gedrängt werden sollten, was ihrer Meinung einen Bruch der Friedensbestimmungen 2273 2274 2275 2276 2277 2278 2279 2280

Heckel, Martin: Deutschland im konfessionellen Zeitalter, Göttingen, 1983, S. 39. Ebd., S. 45. Ebd., S. 44. Heckel, Martin: Zu den Anfängen der Religionsfreiheit im Konfessionellen Zeitalter, in: Ascheri, Mario u. a. (Hrsg.): »Ins Wasser geworfen und Ozeane durchquert«. Festschrift für Knut Wolfgang Nörr, Köln u. a., 2003, S. 349 – 401, hier S. 355. Heckel, Reichskirchenrecht, S. 313 f. Heckel, Martin: Autonomia und Pacis Compositio. Der Augsburger Religionsfriede in der Deutung der Gegenreformation, in: ZRG KA 45, 1959, S. 141 – 248, hier S. 194 ff. Ebd., S. 196. Ruthmann, Religionsprozesse, S. 11.

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Gegenmaßnahmen

darstellte. Der Text von 1555 ist in dieser Hinsicht aber nicht so klar, wie es der Teuschnitzer Prokurator Grünberg suggerierte. Zunächst einmal bestimmt der Augsburger Religionsfrieden grundsätzlich, dass kein Reichsstand einen anderen Reichsstand wegen »diser Augspurgischen confessions religion, glauben, kirchengebreuchen, ordnungen und ceremonien, so sie aufgericht oder nochmals aufrichten möchten in iren fürstentumen, landen und herrschaften« bedrängen darf. Umgekehrt gilt dieser Bestandsschutz auch für die katholische Konfession.2281 Mit dieser Regelung konnte folglich jeder Reichsstand in seinem Territorium die Konfession bestimmen, dennn diese wurde durch Gebräuche, Ordnungen und Zeremonien eindeutig festgeschrieben.2282 Deutlich schwieriger war aber die Frage, ob man anderskonfessionelle Untertanen im eigenen Territorium dulden musste oder nicht. Bereits seit den 1530er Jahren gehörte es zu den Forderungen der evangelischen Landesfürsten, jedem Untertan die Konfessionsentscheidung selbst zu überlassen –unter der Voraussetzung, dass sich der anderskonfessionelle Untertan unauffällig verhielt.2283 Von katholischer Seite wurde dagegen ins Feld geführt, dass nicht so sehr das Gewissen des Einzelnen ein Problem sei, sondern vielmehr das bedrängte Gewissen des Landesherrn, der seine anvertrauten Landeskinder bei der »falschen« Konfession wisse, zudem deuteten sie die Konfessionswahl des Einzelnen als Minderung obrigkeitlicher Rechte.2284 Außerdem war die Übertragung der Konfessionswahl auf das Individuum auch deshalb nicht erwünscht, weil man fürchtete, dass die Attraktivität des Luthertums zu einem großen Verlust an Katholiken führen würde.2285 Gleichwohl drängten einige evangelische Stände auch bei den Verhandlungen 1555 auf die individuelle Konfessionsentscheidung, konnten sich damit aber nicht durchsetzen.2286 Die beiden oben angesprochenen Paragraphen 3 und 4 wurden so formuliert, dass man auf keinem Weg eine individuelle Gewissensentscheidung einzelner Untertanen deduzieren konnte, allerdings boten andere Paragraphen durchaus die Möglichkeit dazu.2287 Ein möglicher Ansatzpunkt dafür war, sich wie die Teuschnitzer auf den Auswanderungsparagraphen zu beziehen. Anderskonfessionelle Untertanen erhielten hierin das Recht, ihre Heimat unbedrängt zu verlassen, um in ein Territorium ihrer eigenen Konfession zu gehen.2288 Dieses Recht war zwischen

2281 2282 2283 2284 2285 2286 2287 2288

Walder, Religionsvergleiche, §§ 3, 4. Gotthard, Religionsfrieden, S. 100. Ebd., S. 102. Ebd., S. 103 Ebd., S. 100. Ebd., S. 103 f. Ebd., S. 107. Walder, Religionsvergleiche § 11.

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den Konfessionen unstrittig.2289 Allerdings führte die dissimulierende Formulierung2290 dazu, dass die Interpretationten von Katholiken und Protestanten stark voneinander abwichen. In der protestantischen Lesart konnte ein anderskonfessioneller Untertan auswandern, wenn er wollte; von einer Notwendigkeit – vorausgesetzt, er praktizierte seinen Glauben nicht öffentlich – ist aber keine Rede.2291 Deshalb ist bei Protestanten auch von einem beneficium die Rede.2292 Und deshalb konnte der Teuschnitzer Anwalt argumentieren, dass es gegen den Frieden sei, dass seine Mandanten in ihren Gewissen bedrängt würden. Von katholischer Seite aus wurde die Auswanderung wiederum als Pflicht angesehen und zwar als eine Pflicht jeden Untertans, der in Glaubensdingen von seinem Landesherrn abwich.2293 Somit wurde von katholischer Seite her das Auswanderungsrecht zu einem Ausweisungsrecht des Landesherrn.2294 Bezog man sich als Untertan auf den Auswanderungsparagraphen, barg dies aber zwei Schwierigkeiten. Zum einen gab es das bereits erläuterte Problem der unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten. Zum zweiten war es 1559 am Reichskammergericht zu einer Grundsatzentscheidung gekommen: Grundsätzlich wurden nur solche Klagen angenommen, die die Auswanderungsumstände betrafen, nicht aber die Frage nach der Deutung des Auswanderungsparagraphen an sich.2295 Der Teuschnitzer Prokurator betonte daher im Schlussteil auch noch einmal, dass man seinen Mandanten nur eine Woche Frist zum Auswandern eingeräumt habe, was viel zu kurz sei, um alle Angelegenheiten zu regeln. Nicht erwähnt wird freilich, dass bereits seit 1596 die Ausweisungsandrohung zum regelmäßigen Repertoire der bischöflichen Beamten gehörte, die in Teuschnitz mit Rekatholisierungsmaßnahmen betraut waren.2296 In der gleichen Gerichtssitzung vom 30. Oktober 1598 übergab Prokurator Grünberg auch den Libellus articulatus, der in 59 Punkten erläutert, worauf die

2289 Gotthard, Religionsfrieden, S. 118. 2290 »Wo aber unsere, auch der churfursten, fürsten und stende undertonen, der alten religion oder Augspurgischen confession anhengig, von sölcher irer religion wegen auß unsern, auch der churfursten, fürsten und stende des heiligen reichs landen, fürstentumben, stetten oder flecken mit iren weib und kindern an andere ort ziehen und sich nider tun wölten, denen sol solcher ab- und zuzuck, auch verkaufung irer haab und güter gegen zimblichen billichem abtrag der leibaigenschaft und nachstewer, wie es jedes orts von alters anhero ublichen herpracht und gehalten worden ist, unverhindert meniglichs zugelassen und bewilligt, auch an iren ehrn und pflichten allerding unentgolten sein […].« Walder, Religionsvergleiche § 11. 2291 Gotthard, Religionsfrieden, S. 244. 2292 Ruthmann, Religionsprozesse, S. 31. 2293 Ehrenpreis/Ruthmann, Jus Reformandi, S. 70 f. 2294 Ebd., S. 72. 2295 Ebd., S. 77. 2296 S. Kapitel 5.3.4.

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Kläger klagten.2297 Ziel der Klage war es, die Ausübung des öffentlichen lutherischen Religionsexercitiums zu erreichen. Sollte dies nicht möglich sein, sollte wenigstens die private Ausübung desselben erlaubt werden. Im Wesentlichen lassen sich diese Punkte in zwei Felder aufteilen: Die Aufzählung der Klagen und der Rechtspositionen, warum die Klagen statthaft waren. Beides ist aus der Citatio bereits bekannt und wird deshalb hier kursorisch behandelt: Unter die Klagen fallen die Beschwerden, dass mit unlauteren Mitteln ein Glaubensübertritt erreicht werden sollte. Aufgezählt wurden Einsatz von Gewalt, Geldstrafen, Sperrung der gemeinsamen Nutzungsrechte, Verhaftungen sowie der Austausch des Pfarrers. Auch die angeführten Rechtspositionen wurden bereits ausführlich erläutert: Neithart verstoße gegen den Augsburger Religionsfrieden und die »alten Gerechtigkeiten«. Die Antwort seitens Bambergs wurde nicht mehr zu Lebzeiten Neitharts verfasst, erst Bischof Johann Philipp ließ durch den Prokurator Andreas Pfeffer2298 seine Darstellung der Dinge am 26. September 1601 am Reichskammergericht einreichen.2299 Darin entwickelte Pfeffer in 56 Punkten die Bamberger Gegenposition.2300 Zur besseren Verständlichkeit werden im Folgenden zunächst die Antworten zu den Teuschnitzer Klagepunkten erläutert, dann in einem zweiten Schritt die eigenen Einwände des Bischofs dargestellt. Zu den Teuschnitzer Klagen: Die Gewaltvorwürfe der Teuschnitzer wurden in der Antwort Pfeffers weitestgehend ignoriert und nur in einem Nebensatz wurde erwähnt, dass die Behauptung, es würde ein Zwang ausgeübt werden, nicht stimme. Zur Absetzung des Teuschnitzer Pfarrers Johann Zweidler argumentierte Johann Philipp, dass dieser als Priester ins Amt gekommen sei und nur »heimblich, et tempore tumultum bellicorum2301 oder in vielfalttig verenderungen undt todtsfellen der regierenden fürsten und bischoffen« in der Lage war, sich selbstständig, ohne Auftrag aus Bamberg, zum protestantischen Gottesdienst zu entschließen. 2297 BayHStA Reichskammergericht Nr. 496 Prozessprotokoll. Das folgende BayHStA Reichskammergericht Nr. 496 Quadrangel 3. 2298 Pfeffer vertrat sowohl den Bamberger Bischof als auch die mitangeklagten Hieronymus von Würtzburg und Niclas Georg (Amtmann und Richter von Teuschnitz). Alle Vollmachten in: BayHStA Reichskammergericht Nr. 496 Quadrangel 4 und 5. 2299 Der zu Jahresbeginn 1599 neugewählte Johann Philipp wurde von einem Kanzleimitarbeiter darauf aufmerksam gemacht, dass es noch mehrere in Speyer anhängige Prozesse gäbe, bei denen man eigentlich an der Reihe wäre zu antworten, er würde aber davon abraten, da die Teuschnitzer bei der Huldigung gerade Gehorsam gelobt hätten (was auch Gehorsam in Religionsdingen einschließe) und eine Beantwortung in Speyer würde der Sache wieder unnötig Auftrieb geben (StABa B 49 Nr. 191/29 I Stephan Amandus an Bischof Johann Philipp, o. Dat.). 2300 Das Folgende in: BayHStA Reichskammergericht Nr. 496 Quadrangel 6. 2301 Anspielung auf den Markgräfler Krieg von 1552 – 54.

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Was den Bezug auf den Augsburger Religionsfrieden betrifft, wurde dieser in Bamberg naturgemäß auf katholische Art und Weise ausgedeutet. Betont wurde das bischöfliche ius reformandi, das der Frieden den Landesherren gewähre. Zudem wurde angeführt, dass jeder, der nicht katholisch werden wollte, die Möglichkeit hatte, auszuwandern, somit also dem Augsburger Religionsfrieden genüge getan wurde. Außerdem betonte Johann Philipp, dass die Auswanderer ohne Nachsteuer abziehen dürften, bzw. das viele Auswanderer ihre Güter noch im Stift hätten und sie genügend Zeit hätten, diese zu verkaufen. Hinzu komme, dass die Klagenden nicht nur dieses eine Mal, sondern auch in den Jahren vorher mehrfach aufgefordert worden seien, entweder katholisch zu werden oder auszuwandern. Johann Philipp führte zudem die Huldigung ins Feld, bei der die Teuschnitzer versprochen hätten, sich in geistlichen und weltlichen Dingen gehorsam zu zeigen, woran sie sich jetzt aber nicht hielten. Außerdem gab Johann Philipp zu bedenken, die Teuschnitzer hätten ohne Gewalteinwirkung zugestimmt, katholisch zu werden. Unklar ist allerdings, ob er dies aus der Huldigung ableitete oder noch ein anderweitiges nicht überliefertes Versprechen vorlag. Vielleicht bezog er sich auch darauf, dass sich im Mai 1598 die Teuschnitzer und im August 1598 die Marienrother alle die Kommunion eingenommen hatten und damit die Konversion angezeigt wurde. Neben der Beantwortung der Teuschnitzer Klagepunkte wurde in der Bamberger Antwort noch ein eigener Akzent gesetzt: Eine Klage von Untertanen gegen ihre eigene Obrigkeit über einzelne Punkte des Augsburger Religionsfriedens am Reichskammergericht sei grundsätzlich nicht zulässig und da es unstrittig sei, dass die Teuschnitzer in allen weltlichen und geistlichen Belangen Untertan des Bamberger Bischofs sind, sei die Klage an sich nicht zulässig. Tatsächlich waren Klagen von Untertanen gegen ihre Obrigkeit in der Gerichtsordnung von 1495 ursprünglich nicht vorgesehen.2302 Im Zuge des Bauernkrieges kam es aber dennoch zu ersten Prozessen zwischen diesen beiden Parteien.2303 In den Jahren nach dem Bauernkrieg kam es losgelöst vom Kriegsgeschehen zu weiteren Prozessen zwischen Untertanen und deren Obrigkeit, für die das Reichskammergericht de jure keine Kompetenzen hatte.2304 Auf dem Reichstag von 1548 wurde daraufhin die Reichskammergerichtsordnung so umgeschrieben, dass die de facto längst ausgeführte Prozessmöglichkeit

2302 Troßbach, Werner : »Gar herrlichen […] zu lesen bei dem Zasio.« Die Einbeziehung von Prozessen bäuerlicher Untertanen gegen ihre Obrigkeit in die Kameraljudikatur, in: Battenberg, Friedrich/Schildt, Bernd (Hrsg.): Das Reichskammergericht im Spiegel seiner Prozessakten. Bilanz und Perspektiven der Forschung, Köln u. a. 2010, S. 63 – 91, hier S. 65 f. 2303 Ebd., S. 67. 2304 Ebd., S. 70.

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Gegenmaßnahmen

von Untertanen gegen ihre eigene Obrigkeit auch de jure beschlossen wurde.2305 Auf dem Reichstag von 1555 wurde diese Regelung noch erweitert, indem den Untertanen die Durchführung eines Mandatsprozesses zugestanden wurde. Auch dies wurde in der Praxis längst durchgeführt.2306 Ein weiterer eigenständiger Argumentationspunkt Bischof Johann Philipps war, dass sich die Stadt Teuschnitz längst aus dem Prozess zurückgezogen habe und nur noch die Dorfschaften die Klage weiter verfolgten.2307 Dies wertete er offenbar als Zustimmung der Stadtbewohner zu seiner Religionspolitik. Bischof Johann Philipps Anwalt forderte also, die Citation zurückzunehmen. Offenbar war sich Bischof Johann Philipp aber nicht sicher, dass die Teuschnitzer in Speyer unterliegen würden, da das Konzept eines Hilfegesuchs an den Kaiser vorliegt.2308 Er schilderte die Lage, dass sich einige seiner Dörfer für eine Klage zusammengetan hätten, und zwar »allein zu diesem intent, dz mir alda ein ieden bey seinem sectischen glaubens wahn nach inhallt der neue erdichten freystellung unverhindert verharren zu laßen.« Deshalb bat der Bischof den Kaiser, zu seinen Gunsten in Speyer zu intervenieren. Unklar ist allerdings, ob dieses Schreiben jemals abgeschickt worden ist. Eine Antwort des Kaisers ist nicht überliefert. In der Gerichtsaudienz vom 15. Januar 16032309 reichte der Teuschnitzische Prokurator Grünberg eine Replik ein, in der er forderte, die Eingabe des Gegenanwalts zu verwerfen und zudem schnell zu einer Lösung zu kommen, da es seinen Mandaten um »seel, leib und guth« gehe und sie beständig bedrängt würden.2310 Erst weit über ein Jahr später, in der Audienz am 20. Juni 16042311 reichte Pfeffer die Duplik ein.2312 Die nächsten Jahre ruhte der Prozess. Dies lag nicht am Gericht, sondern an 2305 Ebd., S. 74. 2306 Ebd., S. 77. 2307 Tatsächlich existiert ein Schreiben von Bürgermeister, Rat und Viertelmeister der Stadt Teuschnitz an Bischof Neithart vom 8. Oktober 1598 (StABa B 49 Nr. 191/29 I), in dem sich die Mitglieder der Stadtverwaltung von der Klage in Speyer distanzieren und angeben, es habe keinen »consens und bewilligung« dazu gegeben. In der zweiten Klage wurde von Seiten der teuschnitzischen Dörfer angegeben, dass dieses Schreiben der Teuschnitzer Stadtverwaltung unter Zwang entstanden sei (BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Quadrangel 7). 2308 Zum Folgenden StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 525 Bischof von Bamberg an den nicht namentlich genannten Kaiser, vermutlich Rudolf II o. Dat. Im Staatsarchiv Bamberg wurde dieses Schreiben Neithart (reg. 1591 – 98) zugeschrieben, doch geht klar aus dem Inhalt des Dokuments hervor, dass es in die Reigerungszeit von Johann Philipp einzuordnen ist. 2309 BayHStA, Reichskammergericht Nr. 496 Prozessprotokoll. 2310 Ebd. Quadrangel 8. 2311 Ebd. Prozessprotokoll. 2312 Ebd. Quadrangel 9.

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der Tatsache, dass es weitgehend in der Hand der Parteien lag, wann der Prozess weitergeführt wurde.2313 In diesem Fall hatten die Kläger keine weiteren Schriften eingereicht. Generell galt für das Reichskammergerichtsverfahren, dass die Parteien vor Gericht verhandelten, aber nicht, dass das Gericht mit den Parteien verhandelte.2314 Erst im Jahre 1609 kam wieder Bewegung in das Verfahren. Die Teuschnitzer Amtsdörfer beschlossen in einer Versammlung in Rothenkirchen, den Prozess weiterzuführen.2315 Der Teuschnitzer Prokurator Grünberg war mittlerweile verstorben. Der neue Prokurator, Dr. Konrad Fabri, erwirkte, dass die Citation erneut nach Bamberg geschickt wurde, wo sie im Dezember 1609 ankam.2316 Die Vollmacht, die Fabri autorisierte, den Prozess zu führen, zeigt allerdings, dass sich die Zusammensetzung der Kläger im Verhältnis zu Beginn des Prozesses deutlich verändert hatte: Aufgeführt sind Schultheiß, Vorsteher und Gemeinde der Dörfer Windheim, Hirschfeld, Steinbach, Buchbach, Kehlbach, Reitsch und Wolfersdorf. Die fünf zuerst genannten Dörfer gehörten alle nicht in die Pfarrei Teuschnitz, sondern in die Nachbarpfarrei Windheim. Neu dabei waren Wolfersdorf und Reitsch, beides Filialen der Pfarrei Neukenroth.2317 Die Stadt Teuschnitz und die fünf Amtsdörfer, die in die Pfarrei Teuschnitz gehörten (also Marienroth, Wickendorf, Hasslach, Reichenbach und Rapolltengrün) waren aus dem Prozess ausgeschieden. Weitere Schriftstücke wurden nicht eingereicht. In Speyer versuchte der bambergische Prokurator lediglich noch herauszufinden, welche Personen für den Prozess seitens der Teuschnitzer verantwortlich waren.2318 Im Folgenden wird der zweite, etwa zeitgleich ablaufende Prozess geschildert. Dieser war von anderer Art, da es sich dabei um einen Mandatsprozess2319 2313 Ruthmann, Religionsprozesse, S. 12 Anm. 35. 2314 Dickmann, Kameralprozess, S. 127. 2315 StABa B 49 Nr. 191/29 II Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Bischof Johann Gottfried, 11. September 1609. 2316 BayHStA, Reichskammergericht Nr. 496 Prozessprotokoll. Bis dahin war auch der ursprüngliche bambergische Prokurator verstorben und stattdessen Dr. Johann Friedrich Haug eingesetzt (Ebd.). Die Citation selbst ist nur eine Ankündigung, dass der Prozess nun weitergeführt werden sollte, enthält aber inhaltlich nichts Neues (StABa B 49 Nr. 191/29 II Citatio ad reassumendum teuschnitz contra bamberg, 27. September 1609). 2317 BayHStA, Reichskammergericht Nr. 496 Quadrangel 11. 2318 Ebd. Prozessprotokoll. Mehrjährige Prozesstätigkeiten endeten häufig unvermittelt und überraschend, weil weitere Prozessschritte unterblieben (Ruthmann, Religionsprozesse, S. 276). Eine zur Sicherheit unternommene Überprüfung der Urteile im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde brachte dann auch wie erwartet bei keinem der drei Teuschnitzer Prozesse ein Ergebnis. 2319 Die Teuschnitzer waren nicht die einzigen bambergischen Untertanen, die aus einer gleichen oder ähnlichen Situation heraus in Speyer klagten und bei denen es zu einem ganz ähnlichen Prozessverlauf und zum Einsatz der gleichen Prokuratoren kam. Vgl. die Klagen der Orte Döringstadt, Marktgraitz und Marktzeuln (Dippold, Konfessionalisierung,

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Gegenmaßnahmen

handelte. Das Mandat wurde im August 1598 in Speyer ausgestellt.2320 In der Hauptsache ging es um acht Einwohner des Dorfes Wickendorf2321, die Bischof Neithart bei einem Überfall am 8. Juli 1598 verhaften ließ und deren sofortige Freilassung erwirkt werden sollte.Weitere Klagepunkte, die das Mandat noch aufführte, waren Gewaltanwendungen wie Verhaftungen und Festhalten aller Einwohner Marienroths in Teuschnitz (s. Kapitel 5.3.1) und die Sperrung der Hirschfelder Gemeindewiesen. Hier gilt wie im ersten Prozess, dass die Klagepunkte nur Symptome der Rekatholisierung betrafen, aber insgesamt die Beibehaltung der lutherischen Konfession in den beteiligten Orten das Prozessziel für die Kläger darstellte.2322 Als Grund für die gewalttätigen obrigkeitlichen Eingriffe wurde seitens der Kläger die Ausübung der protestantischen Konfession in den betroffenen Dörfern angegeben. Der Bamberger Bischof wurde durch ein Mandat aufgefordert, die verhafteten Wickendorfer frei zu lassen, die Gemeinde Marienroth aus Teuschnitz gehen zu lassen, sowie eine Entschädigung für die gesperrten Wiesen zu bezahlen. Die Beibehaltung der Konfessionsausübung war nicht Teil der Aufforderung an den Bamberger Bischof. Kläger waren die Schultheißen und jeweils ein bis drei weitere Personen der zehn Dörfer im Amt Teuschnitz und fünf Bürger aus der Stadt Teuschnitz, die »für sich und die gemeine Bürgerschaft« klagten. Beauftragt wurde wie zuvor Johann Jacob Grünberg.2323 Der beklagte Bischof Neithart beauftragte Dr. Andreas Pfeffer.2324 Da das Mandat »cum clausula« ausgesprochen wurde, gewährte es dem Bamberger Bischof die Möglichkeit, sich zu wehren. In der Audienz am 30. Oktober 1598 lieferte Pfeffer seine Gegenrede ein, in der er die Position Neitharts dargestellte: Das Schriftstück erklärt in insgesamt zehn Argumentationsschritten, dass es sich beim Streitgegenstand nicht um ein Konfessionsproblem handele.2325 Es gehe vielmehr darum, dass Neithart seine Untertanen wegen ihres Ungehorsams und ihrer Auflehnung gegen die Obrigkeit habe strafen lassen. Ganz im Sinne der katholischen Auslegung des Augsburger Re-

2320 2321 2322 2323

2324 2325

S. 306 – 315), Waismain (Ruthmann, Religionsprozesse, S. 286 Anm. 786), Burgstall und Trappenroth (Zagel, Gegenreformation, S. 68 f.). Für das Folgende: BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Quadrangel 1. Wickendorf lag etwa 3 km von Teuschnitz entfernt und gehörte sowohl in das Amt als auch in die Pfarrei Teuschnitz. BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Quadrangel 7. Ebd. Quadrangel 6. Unklar ist, wie der Status der Stadt Teuschnitz zu bewerten ist. In dem oben bereits von Johann Gottfried im ersten Prozess angeführten Schreiben vom 8. Oktober 1598 hatten sich Bürgermeister, Rat und Viertelmeister von der speyerischen Sache distanziert, während die Prozessvollmacht auf den 16. August 1599 datiert ist. Entweder hatte man sich in der Stadt Teuschnitz umentschieden oder die fünf Männer vertraten die Bürgerschaft ohne Bewilligung ihrer Stadtobrigkeit oder gaben einfach nur an, sie würden die Bürgerschaft vertreten. BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Quadrangel 2. Zum Folgenden: BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Quadrangel 3.

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ligionsfriedens betonte Neithart seinen Religionsbann und wies darauf hin, dass er den Klägern bereits seit mehreren Jahren die Wahlmöglichkeit zwischen Konversion oder Auswanderung bei Erlassung der Nachsteuer gelassen habe, genau so, wie der Augsburger Religionsfriede es vorsehe. Das Problem bestehe darin, dass die Teuschnitzer darauf beharrten, dass sie – ganz nach evangelischer Lesart des Friedens – weder auswandern noch konvertieren müssten. Die Gewaltmaßnahmen seien daher nicht als Reaktion auf den protestantischen Glauben der Untertanen zu werten, sondern allein als Maßnahme gegen den offensichtlichen Ungehorsam der Untertanen, die zu keiner Entscheidung kamen und weder das eine noch das andere taten. Verstärkt wurde dieses Argument durch die Beschreibung eines Tumultes, der im Juni 1597 in Teuschnitz stattgefunden hatte, folglich die Untertanen also nicht nur ungehorsam seien, sondern auch noch Aufstände durchführten.2326 Weil es sich aus der Sicht Neitharts um »pflicht vergessene rebellisch aufrührisch underthanen« handele, verlangte der bambergische Prokurator Pfeffer, das Mandat aufzuheben. Gleichwohl beharrte der Teuschnitzer Prokurator Grünberg darauf, dass es sich um »ein religions und gewyssens und nit profan sach« handele.2327 Auch diesen Prozess erbte Bischof Johann Philipp von seinem Vorgänger und bestellte ebenfalls Dr. Andreas Pfeffer zum Prokurator.2328 Zunächst waren wieder die Teuschnitzer an der Reihe. Grünberg trug seine Replik in der Audienz am 26. April 1599 vor.2329 Zur besseren Verständlichkeit werden auch hier zunächst die Klagen vorgestellt und in einem zweiten Schritt erläutert, auf welche rechtlichen Grundlagen sich der Prokurator bezog. Die Klagen sind schon aus dem Vorherigen bekannt: Verhaftung zur Erzwingung des Glaubensübertritts2330, Festhaltung der Marienrother, Überfall auf das Dorf Wickenroth mit Verhaftungen, Einsatz von Gewalt und Sperrung des gemeinen Nutzens (Wiesen) der Hirschfelder2331. Zum Tumult gab Grünberg an, 2326 Als Beweis legte Neithart den Bericht der Kronacher Beamten bei, die bei dem Versuch, die Teuschnitzer zur Einstellung zu bringen, in eben jenen Tumult gerieten (StABa B49 Nr. 191/29 I Adam Greitzus, Kastner von Kronach an Bischof Neithart, 18. Juni 1597, auch BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Quadrangel 4). S. Kapitel 6.4. 2327 BayHStA Reichskammergericht Nr. 12474 Prozessprotokoll. 2328 Ebd. Quadrangel 10. 2329 Das folgende: Ebd. Quadrangel 7. 2330 Als Beweis liegt ein Verzeichnis bei »wz die arme von castnern und stattvogt zue cronach eingezogene underthonen bei mir Hanß Loder in 5 wochen und 2 tag verzehrt haben« (BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Quadrangel 9). 2331 Als Beweis liegt ein Schreiben des Teuschnitzer Priesters an Schultheiß und Dorfvorsteher von Hirschfeld vor: »aus befelch unsers gnedigen fürsten und hern, auch hern amptmans zu teuschnitz soltu (=sollst Du, H. B.) schultheß ungehindert die gemein wißen ihren theil abmehen laßen, diejenigen, die sich zu der catholischen und allein selig machenden religion heten auß völlichem gehorsam eingestelt, auch die sich einzustellen zugesagt […] anderen deinen nachbauren anmelden welcher sich uff kunfftigen sontag einzustellen in

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Gegenmaßnahmen

dass dieser nicht von den Teuschnitzern geplant worden sei, sondern die bischöflichen Beamten diesen selbst provoziert hätten. Was die rechtlichen Hintergründe betrifft, wurde der Prozess von Grünberg im Gegensatz zur bambergischen Seite ausschließlich als Religionsprozess eingeschätzt und alle Eingriffe als Reaktion auf das protestantische Bekenntnis der Kläger gedeutet. Grünberg ging ausführlich darauf ein, dass die Auswanderung im Augsburger Religionsfrieden als Möglichkeit, nicht aber als Pflicht gedacht sei und folglich seine Mandanten keine Auswahl zwischen Konversion oder Emigration treffen müssten. Laut Augsburger Religionsfrieden habe der Bischof kein Recht, seine Untertanen zur katholischen Konfession zu drängen, wenn sie sich grundsätzlich loyal und unauffällig verhielten. Folglich seien die Teuschnitzer also nicht ungehorsam, sondern verhielten sich so, wie es das Reichsrecht vorsehe. Eine Strafe, weil sie sich weder für Auswanderung noch für Konversion entschieden hatte, konnte es nach evangelischem Verständnis des Friedens gar nicht geben, weil man sich nicht zu entscheiden brauchte. Zudem behauptete Grünberg, dass es schlichtweg nicht wahr sei, dass der Bischof schon seit mehreren Jahren auf Konversion oder Auswanderung gedrängt habe, was allerdings nicht den Fakten entsprach. Als neues Element bringt Grünberg die Suspendierung der geistlichen Jurisdiktion ein, auf Grund derer man die Aufforderung zu Emigration oder Konversion (wenn es sie denn gegeben hätte, wie Grünberg betonte) sowieso hätte ignorieren können. Im Zuge der sich ausbreitenden Reformation war es für die evangelischen Landesherren wichtig gewesen, dass die Bischöfe des Reiches nicht weiterhin in ihren nunmehr evangelischen Territorien die geistliche Jurisdiktion ausübten, denn dies hätte den Ausbau eines evangelischen Kirchenwesens massiv stören können.2332 Nach längerer Diskussion einigte man sich 1555 in Augsburg schließlich darauf, die geistliche Jurisdiktion in den der Reformation zuneigenden Territorien auszusetzen.2333 Zwischen den Konfessionsparteien umstritten war allerdings, ob die Geistliche Jurisdiktion auch über einzelne Personen suspendiert war oder nicht. Die Protestanten stellten nach 1555 die These auf, dass die geistliche Jurisdiktion über alle Protestanten im ganzen Reich (also auch über solche, die auf katholischem Boden lebten) erlowillens daß er auch zum gemeinen theil zugelassen werden soll«. (BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Quadrangel 8, auch StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Schultheiß und Vorsteher der Gemeinde Hirschfeld, 4. August 1598). 2332 Gotthard, Augsburger Religionsfrieden, S. 112. 2333 »die geistlich jurisdiction […] wider der Augspurgischen confessions religion, glauben, bestellung der ministerien, kirchengepreuchen, ordnungen und cerimonien, so sie ufgericht oder ufrichten möchten, biß zu endlicher vergleichung der religion nit exercirt, gepraucht oder geübt werden […] und also hierauf, wie obgemelt, biß zu endlicher christlicher vergleichung der religion die geistliche jurisdiction ruhen eingestelt und suspendirt sein und pleiben« (Walder, Religionsvergleiche § 8).

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schen sei. Dem stimmten Katholiken nicht zu.2334 Auch evangelische Assessoren des Reichskammergerichts neigten dazu, einer Aufhebung der geistlichen Jurisdiktion über Protestanten, die in katholischen Gebieten wohnten, zuzustimmen, während katholische Assessoren dies selbstredend ablehnten.2335 Der Teuschnitzische Anwalt brachte hier also einen Punkt ein, der im konfessionell paritätischen Senat vermutlich zu einem Patt führen würde. Bis zum nächsten Schriftsatz verging in etwa ein Jahr, Dr. Pfeffer hatte sich mehr Zeit erbeten, da es in Bamberg zu einem Bischofswechsel gekommen war und sein Klient sich erst in die Materie einarbeiten müsse.2336 In seiner Duplik vom April 16002337 trug er noch einmal die Punkte der Bambergischen Seite vor,2338 wobei Pfeffer alles, was Grünberg vorgebracht hatte, verneinte. In Bezug auf die Klagen der Teuschnitzer betonte er, dass der abgesetzte Pfarrer Johann Zweidler explizit als katholischer Pfarrer nach Teuschnitz geschickt worden war und nur durch die Wirren des Markgräfler Krieges hatte lutherisch predigen können. Die Konfession sei also von Anfang an auf verbotenem Weg eingeführt worden. Zudem wies er noch einmal darauf hin, dass die Teuschnitzer mehrfach zu Konversion oder Emigration aufgefordert worden waren. Auch die Schuld der bischöflichen Beamten am Tumult wies er zurück und erläuterte zudem, dass es sich bei den gesperrten Wiesen in Hirschfeld nicht um dörflichen Gemeinbesitz, sondern um hochstiftischen Besitz handele, welcher den Hirschfeldern bis dato überlassen worden war, sodass der Bischof also auch jederzeit die Nutzung wieder entziehen könne. Zudem rekurrierte Pfeffer auf die Erbhuldigung, bei der die Untertanen Gehorsam geleistet hätten und diesen aber nun nicht leisteten. Die Argumentation des Gegenanwalts bezüglich der Suspension der geistlichen Jurisdiktion bestritt er naturgemäß entlang der konfessionellen Deutungslinie. Gleiches gilt für seine Beurteilung des Auswanderungsrechts. Pfeffer betonte die Tatsache, dass es sich um eine Pflicht des Untertanen handelte, auszuwandern, wenn er die Konfession seines Landesherrn nicht teilen wolle. Ein Bleiberecht des Abweichlers, solange sich dieser nur still verhielt, wurde in der katholischen Interpretation abgelehnt. Folglich – so forderte Pfeffer – müsse das Mandat kassiert werden. Der zweite Prozess endete nicht nur relativ abrupt, sondern auch weitgehend 2334 Heckel, Autonomia, S. 205. 2335 Gotthard, Augsburger Religionsfrieden, S. 411 f. 2336 BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Prozessprotokoll. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 ließ eine dreimalige Verschiebung von Terminen auf Antrag zu (Dickmann, Kameralprozess, S. 108). 2337 Das Prozessprotokoll gibt als Audienztag den 8. April an, das Dokument ist aber auf den 7. April datiert (BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Prozessprotokoll und Quadrangel 12). 2338 Für das Folgende BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Quadrangel 12.

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ungeklärt. Der Teuschnitzische Prokurator Grünberg übergab in der Gerichtsaudienz vom 3. September 1600 einen schriftlichen Schlussrezess.2339 Offenbar erging daraufhin aber aus unbekannter Ursache keine Weisung durch das Gericht. Am 6. Februar 1601 erneuerte Grünberg daher sein Anliegen noch einmal.2340 Ein Urteil erging aber weiterhin nicht. Da sich auf lokaler Ebene nichts niedergeschlagen hat, wurde das Mandat vermutlich kassiert. Im November 1601 wurde der im Folgenden dargestellte dritte Prozess der Teuschnitzer mit dem Bamberger Bischof eröffnet. Auch in diesem Fall handelte es sich um einen Mandatsprozess.2341 Anlass war die Verhaftung dreier Einwohner des Dorfes Hirschfeld.2342 Die Männer hatten die Gemeindewiesen abgemäht, obwohl sie nicht katholisch geworden waren und angeordnet worden war, Protestanten von der Allmende auszuschließen. Sie wurden daraufhin verhaftet und in einen Turm gesperrt. Zudem wurde ein nächtlicher Überfall auf Hirschfeld durchgeführt, um einen Mann namens Kaspar Reinhold zu finden.2343 Mit einem Mandat de relaxandis captivis – ebenfalls cum clausula – sollte die Freilassung dieser Personen bewirkt werden. Bei den Klägern handelte es sich um exakt dieselbe Gruppe wie im zweiten Prozess: Schultheißen und ein bis drei weitere Personen aus den zehn teuschnitzischen Amtsdörfern sowie fünf Bürger aus der Stadt Teuschnitz für sich und ihre Bürgerschaft.2344 Vermutlich klagten alle Dörfer zusammen, obwohl der Klageinhalt streng genommen nur Hirschfeld betraf, weil man dadurch Ressourcen bündeln konnte. Ein Reichskammergerichtsprozess verursachte naturgemäß hohe Kosten. Zudem mussten die Menschen befürchten, dass alle Maßnahmen, die in einem der Dörfer angewendet wurden, auch in den anderen Orten zum Einsatz kommen könnten. Außerdem galt für alle Dörfer dasselbe Grundroblem: Sie führten den Prozess nicht nur zur Befreiung der verhafteten Personen, sondern auch zur Beibehaltung ihres Bekenntnisses.2345 Die Prokuratoren waren dieselben wie in den anderen Prozessen, Bischof Johann Philipp beauftragte Dr. Pfeffer,2346 die Teuschnitzer Grünberg.2347 In der Gerichtsaudienz vom 16. März 1602 trug der Bamberger Prokurator

2339 2340 2341 2342 2343 2344 2345 2346 2347

Ebd. Quadrangel 13 und Prozessprotokoll. Ebd. Prozessprotokoll. Für das Folgende: BayHStA Reichskammergericht Nr. 12748 Quadrangel 1. Ebd. Hirschfeld lag etwa 6 km von Teuschnitz entfernt. Es gehörte zwar in das Amt Teuschnitz, aber nicht in die Pfarrei Teuschnitz, sondern in die Pfarrei Windheim. Dabei handelte es sich um den Schultheiß von Hirschfeld, der den Prozess mit initiiert hatte (BayHStA Reichskammergericht 12748 Quadrangel 5). BayHStA Reichskammergericht Nr. 12748 Quadrangel 5. Ebd. Ebd. Quadrangel 3. Ebd. Quadrangel 5.

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Pfeffer die erste Erwiderung des Bamberger Bischofs gegen das Mandat vor:2348 Der Prokurator brachte dabei ausschließlich Punkte vor, die bereits in den vorherigen Argumentationen dargestellt worden sind. Zum Anlass des Mandats (die Freilassung der Gefangenen) bemerkte Pfeffer, dass dies längst obsolet geworden sei. Nachdem die drei Männer eine Woche im Turm und dann drei weitere Wochen im Teuschnitzer Rathaus festgehalten worden waren, hätten sie eine Supplik an den Bamberger Bischof geschrieben, in der sie darum baten, dass man sie freilassen und ihnen bis zum darauf folgenden Pfingsten Zeit geben solle, sich zwischen Konversion oder Emigration zu entscheiden. Der Bischof entließ sie daraufhin, als Termin wurde aber Lichtmess (2. Februar) angesetzt.2349 Damit sah Pfeffer das Mandat als hinfällig an. Was die anderen Klagen der Hirschfelder betraf, sah der Prokurator keine Verbindung mit dem ausgebrachten Mandat, da sich dieses ausschließlich auf die Freilassung der Gefangenen bezöge. Zur Unterfütterung hob er auf den reichsrechtlich garantieren Religionsbann des Bamberger Bischofs ab und wies erneut darauf hin, dass der Religionsfrieden beachtet worden sei, da den Klägern jederzeit eine Auswanderung mit genügend Zeit zur Regelung ihrer Angelegenheiten möglich gewesen sei. Die Haftstrafe der drei Hirschfelder wurde erneut nicht als Strafe für ihre Konfession erklärt, sondern als Strafe für ihren Ungehorsam, da die Verhafteten bekannt gegeben hätten »sie gedechten weder catholisch zu werden noch das stiefft zuräumen und also offentlich rebelliert«. In den Jahren 1603 – 1608 wurde der Prozess nicht weiter verfolgt, erst 1610 kam es – wie beim ersten Prozess – zu einer Wiederaufnahme, allerdings mit deutlich abgewandelter Besetzung: Auf Klägerseite standen nun die Schultheißen und Vorsteher der Dorfgemeinden Hirschfeld, Steinbach, Buchbach und Kehlbach, die alle in die Pfarrei Windheim gehörten, außerdem die zur Pfarrei Neukenroth gehörenden Dörfer Reitsch und Wolfersdorf. Die fünf Bürger der Stadt Teuschnitz waren ebenfalls aus dem Prozess ausgeschieden wie die Dörfer, die in die Pfarrei Teuschnitz gehörten. Auf Grund des Todes des Prokurators Grünberg wurde Dr. Konrad Fabri engagiert.2350 Auf der Seite des Beklagten stand nun Bischof Johann Gottfried, der wiederum nach dem Tod des Prokurators Pfeffer Dr. Johann Friedrich Haug seine Vertretung in Speyer anvertraute.2351 Im Januar 1610 erhielt Bischof Johann Gottfried eine förmliche Mitteilung, dass der Prozess wieder aufgenommen worden war.2352 Darüber hinaus 2348 Zum Folgenden: Ebd. Quadrangel 4. 2349 Die – zumindest theorisch – schnelle Wirkung eines Mandates war also nicht immer gegeben! 2350 BayHStA Reichskammergericht Nr. 12748 Quadrangel 7. 2351 Ebd. Quadrangel 8. 2352 Ebd. »copia citationis ad reassumendum in sachen teuschnitz contra bambergk mandati de relaxandis captivis s. cla. 16. marty anno 1602 eingefuhrt vom 24. january anno 1610«

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erfolgte aber nichts mehr, es wurden keine weiteren Eingaben vor Gericht gemacht.2353 Nachdem nun die drei Prozesse in ihrem Verlauf dargestellt wurden, muss noch auf eine Unklarheit eingegangen werden. Die drei Prozessakten sind, so kann man dem jeweiligen Prozessprotokoll entnehmen, vollständig überliefert. Allerdings hat sich im Bundesarchiv Berlin ein »Protokollbuch in Supplikations(Extrajudicial-) Sachen«2354 erhalten, das ein Mandat aufführt, dass in keinem der drei Prozesse vorkommt.2355 Aus diesem Grund soll dieses Mandat an dieser Stelle separat geschildert werden. In diesem Protokollbuch befindet sich eine Abschrift des Teuschnitzer Prokurators Grünberg, der laut dem Schriftstück im September 1599 um ein Mandat poenali de non molestando für die zehn teuschnitzischen Dörfer bat.2356 Das Mandat sollte also bewirken, dass die Bewohner der zehn Dörfer in Zukunft nicht gewaltsam bedrängt würden. Als Gründe aufgeführt wurden die Absetzung des evangelischen Pfarrers Johann Zweidler, zudem führte Grünberg die unrechte Behandlung von zwei Personen auf: Dem Teuschnitzer Melchior Jungcuntz (unklar ist, ob an dieser Stelle Teuschnitz im Sinne von Stadt, Amt oder Pfarrei gemeint war) sei mitsamt seiner Frau und ihrem sechs Wochen alten Säugling befohlen worden, auszuziehen. Jungcuntz sei daraufhin fortgezogen, habe aber seine Güter in Teuschnitz zurückgelassen. Als er zu Pfingsten 1599 nach ihnen sehen wollte, sei er von dem Teuschnitzer Richter Niclas Georg aufgegriffen und ermahnt worden, innerhalb von wenigen Wochen zu verkaufen oder katholisch zu werden. Da er weder das eine noch das andere tat, sei er verhaftet und erst wieder freigelassen worden, als er verbürgte, bis Michaelis (29. September) zur Kommunion zu kommen oder seine Auswanderung vorzubereiten. Bei einem zweiten namentlich nicht genannten Mann habe der Priester in Teuschnitz die Trauung verweigert, solange dieser nicht bei ihm gebeichtet und die Kommunion eingenommen hätte. Als Argumente für seine Position brachte Grünberg einschlägige Passagen des Augsburger Religionsfriedens vor und betonte zudem die althergebrachten Gerechtigkeiten der Teuschnitzer. Bezüglich der alten Gewohnheiten ging

2353

2354 2355 2356

(Quadrangulierung fehlt). Unklar ist, ob es sich bei dem »s. cla.« (sine clausula) um ein Versehen handelt. Das ursprüngliche Mandat wurde cum clausula ausgesprochen. Warum zwei der Prozesse in den Jahren 1609/10 wieder aufgenommen wurden, aber nach der bloßen Ankündigung keine weiteren Schriften mehr eingereicht worden sind, ist unklar. Es steht zu vermuten, dass Bischof Johann Gottfried vor Ort Fakten schuf. Da aber bei der Wiederaufnahme der Prozesse nur Orte beteiligt waren, die nicht Teil dieser Untersuchung sind, wurde der Frage nicht weiter nachgegangen. Es handelt sich hierbei um das Protokollbuch des Reichskammergerichtsassessors Dr. Adam Mörder (Rabe, Reichskammergericht, S. 268). BArch AR 1, Misc./540. Zum Folgenden: BArch AR 1, Misc./540 fol. 330r – 330v.

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Grünberg davon aus, dass die Ausübung der Konfession Teil der althergebrachten Gerechtigkeiten war. Diese war dann seiner Logik folgend bei der Huldigung durch die Bamberger Bischöfe bestätigt worden. Bezüglich des Augsburger Religionsfriedens argumentierte er mit zwei unterschiedlichen Punkten. Einerseits rekurrierte er darauf, dass der Bischof von Bamberg keine geistlichen Jurisdiktionsbefugnisse über einen protestantischen Untertan habe. Andererseits argumentierte Grünberg, selbst wenn seine Mandanten ausziehen müssten (was sie nach evangelischer Lesart des Friedens nicht mussten), könnten sie dies gar nicht, weil sie, wenn alle im Dorf auswanderten, niemanden finden könnten, der ihnen ihre Güter abkaufte: »ihnen doch zu verkaufen, weil kein mensch der inen ichtwas abkauft, vorhanden, unmuglich«. Wenn sie in der Folge kein Geld hätten, fänden sie keine andere Obrigkeit, die sie aufnähme, sondern sie wären gezwungen »in elend mit betteln sambt iren weib und kindern umzuziehen«. Der Gerichtsassessor Mörder notierte dazu, dass das Mandat bereits dreimal mit paria vota bewertet worden war, die Eingabe also zu einem Patt im Senat geführt hatte. Im vierten Anlauf hatte sich aber offenbar ein Assessor umstimmen lassen, denn Mörder notierte: »Ist den supplicanten das gebetene mandat, ohngeachtet sie der religion auspurgischer confession seind zugethan, so bei ihren haimbwesen und gütern ruig und unbetrübt zu lassen erkentth«. Ginge man davon aus, dass das Gericht dieses Mandat wirklich erlassen hätte, stellte es zweifellos eine außergewöhnliche Begebenheit dar. Es hätte bewirkt, dass ein katholischer Landesherr eine Gruppe von Lutheranern in seinem Territorium hätte dulden müssen, obwohl der Religionsfrieden dies nicht explizit festlegte.2357 Horst Rabe sieht darin eine »Auslegung, die das 1555 festgelegte grundsätzliche Konfessionsbestimmungsrecht des Landesherrn bemerkenswert einschränkte.«2358 Stefan Ehrenpreis und Bernhard Ruthmann urteilen: »Hier wurde als einmaliger Ausnahmefall die Konsequenz des materiellen Absturzes der Betroffenen höher gewertet als die konfessionelle Einheitlichkeit des Territoriums, wie es der Bischof von Bamberg wünschte«2359. Allerdings muss auf Grund von drei Tatsachen bezweifelt werden, dass das Mandat wirklich erlassen wurde. Erstens fand dieses Mandat keinerlei Niederschlag in den vollständigen Prozessakten. Zweitens wurde in der Korrespondenz zwischen dem Bischof und der lokaler Obrigkeit niemals auf dieses spezielle Mandat Bezug genommen, obwohl die Gerichtsprozesse dort breiten Raum 2357 Die Möglichkeit, dies implizit aus verschiedenen Passagen zu folgern, etwa dem Auswanderungsparagraphen, wurde bereits ausführlich dargestellt. 2358 Rabe, Reichskammergericht, S. 268 f. 2359 Ehrenpreis/Ruthmann, Jus Reformandi, S. 84, auch Ruthmann, Religionsprozesse, S. 286, 290. Ruthmann hält dieses Mandat zudem für sine clausula ausgesprochen, was aus dem Text aber nicht hervorgeht (Ruthmann, Religionsprozesse, S. 286 Anm. 786).

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Gegenmaßnahmen

einnehmen. Drittens erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass die Kläger ein so außergewöhnliches Mandat erwirken konnten, aber es selbst nicht gegen die Rekatholisierungsmaßnahmen ins Feld führten. Es sind keinerlei Schreiben der Teuschnitzer überliefert, die Bezug auf dieses Mandat nehmen. Auch berichten örtliche Beamte niemals davon, dass sich Einwohner der Dörfer der Rekatholisierung in den Weg gestellt hätten und gleichzeitig mit diesem Mandat argumentierten. Rabe selbst räumt ein, dass die Kennzeichnung der Voten durch den Assessor Adam Mörder auch die Interpretation paria vota zuließe, schätzte aber das »erkenth« als eindeutiges Zeichen dafür ein, dass das Mandat erlassen worden ist. Das Fehlen in den lokalen Quellen deutet aber doch eher auf paria vota hin. Betrachtet man die drei Prozesse insgesamt, fällt zunächst die zeitliche Konzentrierung auf. Alle drei werden zwischen 1598 und 1601 begonnen. Zwei von dreien werden 1609/10 erneut eröffnet. Bei den beiden Mandatsprozessen ist ein direkter Anlass vorhanden. Es waren Menschen verhaftet worden, deren Freilassung erwirkt werden sollte. Die beteiligten Personen waren bei den drei Prozessen ähnlich bis identisch. Es waren zunächst Vertreter der Stadt Teuschnitz als auch der zehn Dörfer. Sowohl die Teuschnitzer als auch die Marienrother scheiden im Lauf der Zeit aus dem Kreis der Kläger aus. Individuelle Begründungen liegen nicht vor. Auf das Verhalten der örtlichen Beamten hatte der Prozessverlauf keinerlei Einfluss. Auch eine direkt damit zusammenhängende Reaktion aus der Residenzstadt lässt sich nicht erkennen. Interessant ist im Folgenden die Frage, inwiefern mit den Gerichtsprozessen Einfluss auf den Gang der Rekatholisierung genommen werden konnte. Als der Gerichtsbote Burkhard Brydtschedel am 1. September 1598 die Citation in der Bamberger Kanzlei abgab2360, hatte die Wirklichkeit die Klageschrift bereits eingeholt. Im Mai 1598, als die Verhandlung in Speyer bereits vorbereitet wurde, hatten sich so gut wie alle Bürger der Stadt zur Kommunion eingestellt.2361 Es erscheint also folgerichtig, dass die Stadtobrigkeit in einem Schreiben vom 8. Oktober 1598 klarstellte, dass sie an der Speyerischen Sache nicht mehr beteiligt sei.2362 Auch wenn sich im folgenden Jahr 1599 im Teuschnitzer Rat noch lutherische Tendenzen ausmachen ließen, verebbten diese schnell. In Marienroth stellte sich die Lage völlig anders dar. Hier bildete das Jahr 1598 keine Zäsur. Zwar nahmen im August dieses Jahres alle Marienrother auf Grund einer mehrwöchigen Haftstrafe die Kommunion ein, allerdings zeigte es sich in

2360 BayHStA Reichskammergericht Nr. 496 Quadrangel 1. 2361 Einzelnachweise s. Kapitel 6.2. 2362 BayHStA Reichskammergericht Nr. 12747 Quadrangel 5.

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den Folgejahrzehnten, dass die Dorfbewohner dies nicht als bindend verstanden hatten.2363 Die erste Kommunion der Marienrother im Sommer 1598 konnte nur erzwungen werden, weil, wie im Kapitel 5.3.1 dargestellt, die Dorfbewohner in der Stadt Teuschnitz drei Wochen festgehalten wurden. Zwei Punkte erscheinen an dieser Maßnahme interessant: Erstens war die Stadtobrigkeit in Teuschnitz bereit, ihre ehemaligen Glaubensverwandten drei Wochen festzuhalten. Zweitens wurden die Marienrother von den Teuschnitzern festgehalten, während sie gerade gemeinsam in Speyer klagten. Der Prozess war in seiner ursprünglichen Ausrichtung im Grunde genommen schon überholt, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte. Unabhängig von einer tatsächlichen Entscheidung des Gerichtes stärkte die Klage zunächst aber den Widerstandswillen der Kläger aus Marienroth. Bei Befragungen bezüglich Konversion oder Auswanderung wurde angegeben, sich nicht einstellen zu wollen, bevor der Bote vom Reichskammergericht nicht zurück sei.2364 Ähnlich wirkten sich Gerüchte aus, die jemand aus Speyer gehört haben wollte.2365 Auf lange Sicht konnte aber mit den Klagen die Rekatholisierung nicht aufgehalten werden. Betrachtet man die Folgejahre, gab es in Marienroth unter Bischof Johann Philipp einige Maßnahmen zur Rekatholisierung, die aber nur sporadisch eingesetzt wurden. Beobachten ließen sich Verhaftungen (1599), das Verbot der Beerdigung von Lutheranern auf dem Friedhof (1601) und die Androhung von Ausweisung (1600, 1606). Für die Jahre 1603 – 05 und 1607 – 08 ließen sich überhaupt keine bischöflichen Maßnahmen ermitteln.2366 In den Jahren nach dem Regierungsantritt Johann Gottfrieds wurde die Intensität der Maßnahmen (wie im Kapitel 5 dargestellt), um einen Glaubensübertrit der Teuschnitzer Amtsdörfer zu erzwingen, erhöht. Es gab Ausweisungsandrohungen gegen diejenigen, die den Prozess in Speyer führten, Verhaftungen, Austausch der Schultheißen und in einigen Dörfern (aber nicht in Marienroth) nächtliche Überfälle.2367 Vergleicht man nun den Prozessverlauf mit dem Handlungsverlauf vor Ort, zeigt sich in zwei Feldern eine deutliche zeitliche Korrelation. Zum einen lässt 2363 Einzelnachweise s. Kapitel 6.2. 2364 StABa B 49 Nr. 191/29 I Hieronymus von Würtzburg Amtmann und Niclas Georg, Richter von Teuschnitz an Bischof Neithart, 16. September 1598; StABa B 49 Nr. 227/13 Johannes Ammon, Pfarrer von Teuschnitz und Johannes Amschler, Pfarrer von Windheim an Bischof Johann Philipp, 15. September 1601. 2365 StABa B 49 Nr. 227/13 Johannes Ammon, Pfarrer zu Teuschnitz und Johannes Amschler, Pfarrer zu Windheim an Bischof Johann Philipp, 15. September 1601. 2366 Einzelnachweise s. Kapitel 5. 2367 StABa B 49 Nr. 191/29 II Johann Zweidler, Pfarrer und Hans Georg, Richter von Teuschnitz an Bischof Johann Gottfried, 11. November 1609.

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sich feststellen, dass sich die Jahre, in denen die Prozesse in Speyer ruhten (im ersten Prozess zwischen 1605 und 1608, im dritten Prozess zwischen 1603 und 1609) mit einer Zeit der relativen Ruhe vor Ort decken. Vermutlich verfolgte man den teuren Prozess nicht weiter, weil der Druck nachgelassen hatte. Zweitens zeigt sich auffällig, wie die Wiederaufnahmen der Prozesse in die beginnende Zeit der verstärkten Maßnahmen unter dem neuen Bischof Johann Gottfried fielen. Der Druck auf die noch vorhandenen Lutheraner in den zehn Amtsdörfern wurde deutlich stärker, sodass die Möglichkeiten, die das Reichskammergericht bot, wieder genutzt werden mussten. Es erklärt sich zudem, dass bei der Wiederaufnahme der Prozesse in den Jahren 1609/10 weder die Stadt Teuschnitz als Ganzes (wie im ersten Prozess), noch fünf Teuschnitzer Bürger, die für sich und für ihre Bürgerschaft sprechen wollten (wie in den anderen beiden Prozessen) Teil der Klägergruppe waren. In der Stadt war das lutherische Gedankengut weitgehend verschwunden, Lutheraner gab es abgesehen von Dienstboten keine mehr. Entsprechend gab es auch kein Interesse an den Reichskammergerichtsprozessen. Nicht ganz deutlich wurde, warum Marienroth 1609/10 nicht mehr mitklagte. Noch 1606 hofften die Marienrother auf ihren Prozess und darauf, dass sie doch lutherisch bleiben könnten.2368 In der Folgezeit nach 1606 hatte sich die Konfessionsverteilung innerhalb des Ortes aber doch deutlich verschoben, obwohl kaum bischöfliche Maßnahmen durchgeführt wurden. Im Jahr 1610 (für 1609 liegt keine Übersicht vor) wurden 75 Katholiken gezählt, die in der österlichen Zeit bei Beichte und Kommunion gewesen waren. Die Protestanten stellten 33 Personen.2369 Die Katholiken waren also bereits mehr als doppelt so viele. Ein weiterer möglicher Grund für das Ausscheiden aus dieser Gruppe könnte der Austausch des Marienrother Schultheißen sein. Die Prozessvollmachten der wieder aufgenommenen Prozesse (ohne Marienroth) datieren auf den 29. September 1609.2370 Am 30. Oktober des gleichen Jahres berichtete Zweidler nach Bamberg, dass der Marienrother Schultheiß gegen einen Katholiken ausgetauscht worden sei.2371 Da nicht bekannt ist, wie viel Zeit zwischen Austausch und dem Bericht vergangen ist, ist es durchaus möglich, dass es bereits der neue katholische Amtsinhaber war, der die Beteiligung an der Klage abgelehnt hat. Nicht unterschätzt werden darf auch die Tatsache, dass der Prozess in Speyer 2368 Ebd. Weihbischof Johann Schöner an Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz, 20. Mai 1606. 2369 AEB Rep. I Pf.A. 570 »specification und verzeichnis aller pfarkinder in i f gn pfarr teuschnitz«, 1610. 2370 BayHStA Reichskammergericht Nr. 496 Quadrangel 11; BayHStA Reichskammergericht Nr. 12748 Quadrangel 7. 2371 StABa B 49 Nr. 191/29 II Hans Georg, Richter von Teuschnitz an Bischof Johann Gottfried, 30. Oktober 1609.

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eine kostenaufwendige Angelegenheit war.2372 Schon im Jahr 1598 hatten die Bauern in den Dörfern mit den Kosten des Gerichts zu kämpfen.2373 Zudem boten der Schultheiß und einige Einwohner von Marienroth bereits im Juni 1601 an, katholisch zu werden, wenn sie von ihrem Beitragskosten für Speyer befreit werden würden.2374 Johann Philipp wies seine Beamten vor Ort an, sich auf diesen Handel einzulassen.2375 Allerdings ist nicht überliefert, ob er tatsächlich durchgeführt wurde.

Neukenroth Die Quellenlage stellt sich bei dem Reichskammergerichtsprozess der Neukenrother ungleich schlechter dar als bei den Teuschnitzern. Neben dem Mandatsersuchen und einem persönlichen kurzen Schreiben Neitharts an das Reichskammergericht liegt nur der Gegenbericht des Neukenrothischen Anwalts vom 28. Januar 1602 vor, der ursprüngliche Bericht der Hochstiftsleitung, der am 9. Dezember 1601 in Speyer einging, ist nicht überliefert.2376 Es scheint, als wäre die Idee einer Klage beim Reichskammergericht bei den Neukenrothern erst aufgekommen, als sie gemerkt hatten, dass ihre Nachbarn in Teuschnitz damit möglicherweise Erfolg haben würden.2377 Die Rekatholisierungsmaßnahmen in Neukenroth wurden bereits ausführlich dargestellt.2378 Der direkte Anlass für das Mandatsersuchen war ein nächtlicher Überfall auf das Dorf, bei denen sich die vom Bischof entsandten Männer aus Kronach benommen hätten »als ob sie dieb und mörder zu suchen gehabt«.2379 Bei diesem Einsatz entstand nicht nur Sachschaden, sondern es wurden auch sechs Männer verhaftet.2380 Am nächsten Tag kam es zur Gefangennahme von zwei weiteren Personen, die als Boten der Neukenrother nach Kronach gekommen waren, um die Freilassung der ursprünglichen sechs zu fordern.2381 Neithart ordnete an, die 2372 Die Kosten teilten sich auf in Gerichtskosten (in erster Linie Kanzleigebühren) und Anwaltsgebühren (Dickmann, Kameralprozess, S. 184 f.). 2373 StABa B 49 Nr. 191/29 I Johann Zweidler, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Johann Wolf, 23. August 1598. 2374 StABa B 49 Nr. 191/29 II Bischof Johann Philipp an Johann Zweidler, Pfarrer und Niklas Georg, Richter von Teuschnitz, 16. Juni 1601. 2375 Ebd. 2376 Ebenso fehlt das Prozessprotokoll. 2377 StABa B 49 Nr. 129/03 Dorfgemeinschaft Neukenroth an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 18. September 1598. 2378 Siehe Kapitel 5. 2379 StABa B 49 Nr. 129/03 Dorfgemeinschaft Neukenroth an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 18. September 1598. 2380 Ebd. 2381 Ebd. Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach an Bischof Neithart, 21. September 1598.

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Gefangenen in der Haft zu lassen. Außerdem sollte der Schultheiß arrestiert werden, den man bisher nicht hatte fangen können.2382 In dieser Situation baten die Neukenrother am Reichskammergericht in Speyer um ein Mandat.2383 Sie gaben an, dass Bischof Neithart sie mit Gewalt zur katholischen Religion drängte. Der Kulminationspunkt stelle der bereits geschilderte nächtliche Überfall und die Gefangenennahme der Neukenrother dar. Sie beklagten dabei die Verletzung unterschiedlicher Rechtsnormen. Einerseits führten sie auf, dass Neitharts Handlungen gegen alles geistliche und weltliche Recht und auch gegen den Religionsfrieden verstießen. Es wird nicht genau spezifiziert, auf welche Passagen des Religionsfriedens sich der Prokurator bezog. Er argumentierte, dass die Neukenrother bei der Wahl zwischen Konversion und Auswanderung viel zu wenig Zeit für letztere bekommen hätten, zum anderen, dass die Neukenrother schon sehr lange evangelisch seien und sich aber unauffällig und loyal verhalten hätten. Wie bereits dargestellt, hatte eine Klage bezüglich der Frage, ob der abweichende Untertan überhaupt auswandern müsse, kaum Erfolgschancen, weil die Gefahr eines Patts im Senat groß war. Wesentlich besser stand es, wenn Untertanen auf schwierige Auswanderungsumstände (z. B. zu kurze Fristen) klagten. Damit konnte Zeit gewonnen werden, um entweder die Auswanderung wirklich vorzubereiten oder um zu hoffen, dass sich das Problem vor Ort doch noch anders lösen ließ und man die Auswanderung ganz vermeiden konnte. Eine zweite Argumentationslinie, die die Neukenrother ins Feld führten, betraf die »alten Gerechtigkeiten« des Dorfes. Die Kläger argumentierten, dass Bischof Neithart ihnen diese bei der Huldigung zugesagt hätte. Die Neukenrother gingen davon aus, dass die Ausübung des lutherischen Bekenntnisses zu einem Teil ihrer »alten Gerechtigkeiten« geworden war und Neithart also sein Versprechen mit der Rekatholisierung brach. In einem dritten Punkt argumentierten die Neukenrother, dass auch die Teuschnitzer ein Mandat erhalten hätten und die Situation sich gleich darstellte, sie also auch eines erhalten müssten. Sie forderten, dass die Gefangenen freigelassen und sie nicht länger Opfer von Gewaltmaßnahmen würden. Implizit forderten sie damit natürlich auch, dass sie bei ihrer Konfession bleiben könnten, ohne auswandern zu müssen. Die Situation war der in Teuschnitz tatsächlich recht ähnlich: In beiden Orten hatten bis in die 1590er Jahre lutherische Pfarrer gewirkt und die Menschen waren seit Jahrzehnten lutherischen Glaubens. Zudem war Neithart mit den gleichen 2382 Ebd. Bischof Neithart an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 23. September 1598. 2383 Das folgende aus: StABa B 49 Nr. 129/03 »copia supplicationis pro mandate sine vel in eventum cum clausum de relaxandis captivis et citatione ad decendum«, 27. September 1598.

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Maßnahmen zur Rekatholisierung geschritten. Dennoch entschied das Gericht im Fall Neukenroth anders und brachte kein Mandat aus, sondern forderte zunächst einen Gegenbericht von Bischof Neithart an. Von Neithart selbst ist ein kurzes Schreiben überliefert, in dem er seine Position skizzierte2384 : Er habe sich entsprechend seiner Funktion als Reichsstand ganz im Sinne des Augsburger Religionsfriedens verhalten und seine Untertanen vor die Wahl Konversion oder Emigration gestellt. Die Verhaftungen seien als Strafe für Ungehorsam und Rebellion zu sehen, nicht für die Ausübung des lutherischen Glaubens. Zudem habe er den Neukenrothern bei der Huldigung zwar die »alten gewohnheiten und privilegien« zugesichert, aber dies schließe die freie Konfessionswahl bzw. die Ausübung des protestantischen Bekenntnisses nicht ein. Der ursprüngliche Mandatsgrund – also die Freilassung der Verhafteten – klärte sich zumindest zum Teil selbst, denn fünf von acht Männern entschieden sich dafür, sich zu Beichte und Kommunion einzustellen und wurden daraufhin freigelassen.2385 Dennoch muss das Mandatsbestreben oder ein anderer Prozess in den Jahren zwischen 1598 und 1601 geführt worden sein, denn Neitharts Nachfolger Bischof Johann Philipp reichte am 9. Dezember 1601 in Speyer ein weiteres (nicht überliefertes) Schreiben ein, auf das der Neukenrother Prokurator antwortete. In seinem Bericht für das Reichskammergericht hatte der Bamberger Prokurator den gleichen Weg wie gegen Teuschnitz beschritten und angeführt, dass es sich in Neukenroth keineswegs um Maßnahmen gegen die Konfession an sich handele, sondern dass Neithart, wie es ihm erlaubt sei, die Konfession festgelegt und entsprechend seinen Untertanen die Wahl zwischen Konversion und Emigration eingeräumt hätte.2386 Da sich die Neukenrother aber weder für das eine noch für das andere entschieden hätten, seien sie ungehorsam und dafür könnten sie durchaus gestraft werden. Der Neukenrother Prokurator argumentierte dagegen, dass ein Untertan, der alle seine Schuldigkeiten tue (Zahlung der Schatzung und Steuern, Leistung der Frondienste etc.) und nur in der Konfession abweiche, nicht als ungehorsam 2384 Für das folgende: StABa B 49 Nr. 129/03 Bischof Neithart an das Reichskammergericht, o. Dat. 2385 StABa B 49 Nr. 129/03 »auslaßung der verhafften zu neickenroth«, 1. Oktober 1598. Sie mussten bei Verlust von allem Hab und Gut und einer Bürgschaft von 100 Gulden schwören, in Zukunft katholisch zu bleiben, sich im Dorf ruhig zu verhalten und sich nicht an der Klage zu beteiligen. 2386 Alles folgende aus: BayHStA Reichskammergericht Nr. 15099 »undertheniger gegenbericht uf den 9 decembris jüngst ertheilten bericht sambt angehenger pitt neuckhenrodischen ahnwalts contra den hochwürdigen fürsten und herrn, herr neydharten, bischoffen zue bamberg et consortes« vom 28. Januar 1602. Da in der Schrift keine rechtlichen Argumente vorkommen, die nicht auch schon in Teuschnitz vorgekommen sind, kann im Folgenden auf ausführliche Erläuterungen verzichtet werden.

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bezeichnet werden könne. Den Fall, wie ihn der Bischof beschreibe, nämlich dass die Untertanen nicht wegen der Konfession, sondern wegen ihres Ungehorsams (Verweigerung der Entscheidung Emigration oder Konversion) bestraft würden, konnte es nach evangelischer Lesart des Religionsfriedens nicht geben, weil ein Untertan sich per se nicht zwischen diesen zwei Dingen zu entscheiden brauchte. Selbst wenn es so wäre, betonte der Jurist, sei eine Auswanderung mit vorherigen Verkauf der Güter in Neukenroth auch nicht möglich, »weil niemand vorhanden, dem sies mochten verkhauffen«. Ein weiterer Streitpunkt war die Frage, was genau bei der Erbhuldigung von Seiten des Bischofs versprochen worden war. Der Bamberger Anwalt hatte vorgebracht, dass es keine Bestätigung der evangelischen Konfession bei der Erbhuldigung gegeben habe. Der Neukenrother Prokurator bestritt dies naturgemäß. Er führte an, dass die sechs Vorgänger Neitharts seine Mandanten bei der Ausübung ihrer lutherischen Konfession wissentlich freie Hand gelassen hätten. Und dies, obwohl in der Huldigung nicht explizit von der lutherischen Konfession die Rede gewesen sei, sondern nur von ihren hergebrachten Freiheiten und Gerechtigkeiten, woraus der Prokurator ableitete, dass die freie Ausübung der augsburgischen Konfession unter die hergebrachten Freiheiten und Gerechtigkeiten zu rechnen sei. Zudem sei der Neukenrother lutherische Pfarrer – wie andere evangelische Pfarrer im Hochstift – auch von Neithart zunächst geduldet und anerkannt worden.2387 Weitere Prozessschriften liegen nicht vor. Dies kann zweierlei Gründe haben. Einerseits ist ein Überlieferungsverlust möglich, andererseits wurde der Prozess möglicherweise von den beteiligten Parteien nicht weiter vorangetrieben. Es ließen sich für die Jahre 1602 – 09 keinerlei Maßnahmen für Neukenroth in den Quellen fassen, was dafür spräche, dass der Geld und Kräfte bindende Prozess nicht weiter verfolgt wurde. Entsprechend ist es auch schwierig nachzuvollziehen, ob das verlangte Mandat schließlich erging oder nicht. Wenn es erging, hat es auf lokaler Ebene keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Nimmt man den gesamten Prozess in den Blick, fällt zunächst der Zeitpunkt auf: Handlungen haben offenbar nur zwischen 1598 und 1602 stattgefunden. Der direkte Auslöser für das Mandatsbegehren war die Verhaftung von acht Neukenrothern, die damit befreit werden sollte. Beteiligt war vermutlich das ganze Dorf. Finanziert wurde der Prozess durch eine Anlage, die auf jedes Haus gemacht worden war.2388 Individuelle Begründungen liegen nicht vor. Das Man-

2387 Wie im Kapitel 5.1.2 dargestellt, wurde der Pfarrer 1596, also etwa fünf Jahre nach Neitharts Regierungsantritt gegen einen Katholiken ausgetauscht. 2388 StABa B 49 Nr. 129/03 Adam Hains, Stadtvogt von Kronach an Hans Veit von Würtzburg, Hauptmann von Kronach, 8. Oktober 1598.

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datsbegehren hatte weder Auswirkungen auf das Verhalten der lokalen Beamten noch auf das der Bischöfe. Gleichfalls ist zweifelhaft, ob der Gang der Rekatholisierung mit dem Prozess beeinflusst werden konnte. In der Zeit zwischen dem Mandatsersuchen und dem Bericht vom Dezember 1601 hat es in Neukenroth nur wenige Maßnahmen zur Rekatholisierung gegeben. Noch von Neithart wurde der Neukenrother Schultheiß gegen einen Katholiken ausgetauscht, unter Johann Philipp konnten neben den hochstiftweiten Mandaten insgesamt zwei explizite Einstellungsaufforderungen für Neukenroth gefunden werden, doch machen die Beschwerden des Priesters deutlich, dass diese Befehle vor Ort ignoriert wurden.2389 Dass aber die Rekatholisierung dennoch vorangekommen war, zeigte sich insofern, als dass Neukenroth sich 1609/10 im Gegensatz zu den in die Pfarrei gehörenden Dörfern Reitsch und Wolfersdorf nicht der Klage der Teuschnitzer Dörfer anschloss,2390 auch wenn der Druck unter Johann Gottfried auf die Protestanten größer wurde. Der Neukenrother Rat war zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig katholisch geworden, hatte also kein Interesse an einem Prozess.2391 Von Seiten der Protestanten im Ort hatte man sich zu dieser Zeit zudem auf eine andere Gegenmaßnahme verlegt. Zumindest scheint es doch ein auffälliger Zufall zu sein, dass erstmals 1610 in Neukenroth Ausläufer in den Quellen auftreten.2392 Zusammenfassung und Ergebnisse Klagen vor dem Reichskammergericht In den untersuchten Orten Teuschnitz und Marienroth wurde insgesamt dreimal mit Hilfe einer Klage versucht, die Rekatholisierung aufzuhalten. In Neukenroth gab es mindestens einmal die Bestrebung, mit Hilfe eines Reichskammergerichtsmandates dem Bischof etwas entgegen zu setzen. Alle vier Prozesse liefen in etwa im gleichen Zeitraum ab, nämlich zwischen 1598 und 1604. Eine Wiederaufnahme der Prozesse in den Jahren 1609/10 scheiterte. In drei von vier Fällen gab es einen direkten Anlass für die Prozesse. Arrestierte Einwohner sollten aus der Haft befreit werden. Zunächst war in allen drei Orten Teuschnitz, Marienroth und Neukenroth die 2389 Einzelnachweise s. Kapitel 5. 2390 Auch eine Überprüfung der Urteile im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde brachte kein Ergebnis. 2391 Nach dem Tod des Neukenrother Priesters 1607 bat der Rat von Neukenroth um einen neuen Priester (AEB Rep. I Nr. 738 fol. 93v, 19. November 1607). 2392 Einzelnachweise s. Kapitel 6.3. Dem Urteil Dieter Weiss’ (Bischof an einer Zeitenwende, S. 276), dass Teuschnitz und Neukenroth zunächst ihre Rekatholisierung mit einer Klage aufschieben konnten und schließlich der Prozess erst entschieden wurde, als die beiden Gemeinden zum katholischen Glauben zurückgekehrt waren, ist in zweierlei Hinsicht nicht zuzustimmen: Erstens gilt dieses Urteil nicht für Neukenroth, wie das deutliche Auslaufen zeigt und zweitens wurden die Prozesse ohnedies nicht entschieden, sondern nicht weiter verfolgt.

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ganze Gemeinde an den Prozessen beteiligt. Die Teuschnitzer zogen sich nach und nach als Kläger zurück, 1609/10 ist weder Teuschnitz noch Marienroth im Lager der Kläger. Individuelle Begründungen liegen in keinem Fall vor. Sowohl die örtlichen Beamten als auch die bambergischen Bischöfe ließen sich durch die vier Prozesse in ihrem Verhalten nicht beeinflussen. Dies lag in erster Linie daran, dass mit den Prozessen der Gang der Rekatholisierung nur wenig beeinflusst werden konnte. Es gab keine effektiv arbeitenden Institutionen, die bei einer laufenden Verhandlung dafür sorgten, dass sich die Verhältnisse vor Ort nicht änderten. Die Bamberger Bischöfe schufen auf lokaler Ebene Fakten, sodass die Gerichtsverhandlung der Wirklichkeit hinterherhinkte und folgerichtig ergebnislos blieb. Die Teuschnitzer waren bereits alle bei der Kommunion gewesen, als die erste Verhandlung stattfand. In Marienroth und Neukenroth hatte die Rekatholisierung bereits zu einem konfessionellen Riss geführt, sodass nicht mehr das jeweilige ganze Dorf hinter der Klage stand. Entsprechend wurde sie auch nicht mit den nötigen Kräften durchgeführt. Eine Klage in Speyer war eine kostspielige Angelegenheit, die die Unterstützung aller benötigte. Unklar muss die Frage bleiben, warum die Teuschnitzer Männer im Mai 1598 zur Kommunion kamen, während gleichzeitig in Speyer ihre Klage vorbereitet wurde. Möglicherweise war der Druck vor Ort zu groß geworden, sodass dies nicht mehr länger hinausgezögert werden konnte. Andererseits wäre es auch möglich, dass sie sich gerade einstellten, um dem direkten Druck auszuweichen, dies aber im Bewusstsein, dass es keine bindende Entscheidung war, sondern nur ein Interimszustand bis zur Entscheidung in Speyer. Da vor dem Reichskammergericht aber in der Folge keine Änderung der Zustände erreicht werden konnte, verblieben sie bei dem katholischen Bekenntnis.

6.6. Gegenmaßnahmen auswärtiger Mächte Gemäß der Natur eines territorium non clausum gab es auch in Orten der beiden Hochstifte Bamberg und Würzburg Untertanen anderer fränkischer Territorialherren, die der protestantischen Konfession anhingen. Mit der beginnenden Rekatholisierung reagierten diese benachbarten lutherischen Mächte zunächst überwiegend pragmatisch. Sie wiesen ihre Untertanen an, nicht mehr in die nach einem Pfarreraustausch nunmehr katholischen Kirchen ihres Heimatortes zu gehen, sondern in markgräfliche und sächsische benachbarte Pfarreien, um weiterhin einem lutherischen Gottesdienst folgen zu können.2393 Allerdings war dies mit zunehmendem Druck nicht mehr so einfach möglich. 2393 AEB Rep. I Nr. 736 fol. 64r, 31. August 1598.

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Im folgenden Unterkapitel soll untersucht werden, ob und inwiefern Rekatholisierungspolitik auch bei den Untertanen anderer Herren durchgeführt wurde und vor allem, inwieweit diese eingriffen oder nicht eingriffen, um ihren Untertanen auch weiterhin das lutherische Bekenntnis zu ermöglichen. Hochstift Bamberg Grafengehaig Grafengehaig war ein ritterschaftlicher Ort, in dem der Bischof von Bamberg überhaupt keine eigenen Untertanen hatte. Innerhalb des Untersuchungszeitraumes versuchten die beiden ritterschaftlichen Familien von Wildenstein und von Guttenberg ihre Untertanen in zwei Phasen vor der Rekatholisierung zu schützen, nämlich in den Jahren 1597 – 98 und 1625 – 29. Die Ritterfamilien von Guttenberg und von Wildenstein benutzten zunächst das Mittel der schriftlichen Eingaben. Die adeligen Herren der Grafengehaiger wendeten sich Ende 1597 an Bischof Neithart, um die Einsetzung eines Katholiken als Pfarrer zu verhindern.2394 Dabei brachten sie fünf Argumente vor: (1) Die Einsetzung eines Katholiken sei schon zweimal (1575 und 1581) am Widerstand der Grafengehaiger gescheitert, die ihre Zehnten und andere Pfarrgerechtigkeiten zurückgehalten hatten. (2) In dem Vertrag von 15872395 sei explizit ein lutherischer Frühmesser für Grafengehaig eingesetzt worden, was durch den Kupferberger Amtmann und den bambergischen Rat von Lüschwitz bestätigt worden sei. (3) Der Bischof habe selbst gar keine Untertanen in dem Dorf. (4) Die Grafengehaiger seien bereit, an den katholischen Pfarrer von Stadtsteinach Gebühren zu bezahlen, wenn in ihrem Ort der lutherische Gottesdienst beibehalten würde. (5) Sie selbst seien verpflichtet ihre Untertanen zu schützen und würden dieses im Falle eines versuchten Pfarrer-Austauschs auch tun. Bischof Neithart wies daraufhin seine weltlichen Räte an, herauszufinden, ob der erwähnte Vertrag überhaupt existierte und in der Kanzlei vorliege und ob es nicht vielleicht doch bambergische Untertanen in Grafengehaig gebe.2396 Im weiteren wurde die Pfarreinsetzung zunächst zurückgestellt. Im Mai 1598 schrieben die beiden Familien erneut einen Brief nach Bamberg, 2394 Das Folgende in AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Neithart, 15. Januar 1598. 2395 Durch diesen Vertrag wurde Grafengehaig de facto in den Status einer Pfarrei erhoben, weil dem Frühmesser erlaubt wurde, alle Zeremonien durchzuführen. Dazu ausführlich Kapitel 5.1.2. 2396 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Neithart, 15. Januar 1598. Auf der Außenadresse wurden die Anweisungen notiert. Aus den folgenden Handlungen lässt sich allerdings ableiten, dass sich die Position des Bischofs nicht verbessert hatte.

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Gegenmaßnahmen

ihrerseits auf eine erneute Eingabe ihrer Untertanen reagierend. Sie wiesen ein zweites Mal daraufhin, dass der Frühmesser auf rechtlich einwandfreie Weise ins Amt gekommen sei. Neu sind die folgenden Argumente: (1) Eine Auswechslung des Pfarrers würde zu Feindseligkeiten führen. (2) Der Frühmesser habe mit viel Mühe sein Haus und sein kleines Feld über den Winter gebracht und müsste samt Frau und Kindern in Armut leben. (3) Der Kommend des Frühmessers sei vom 3. Februar und deshalb dürfe er, wenn überhaupt, frühestens ein Jahr nach diesem Termin abgesetzt werden. (4) Die Frühmesse sei ein Lehen ihrer Familien, von ihren Eltern gestiftet, was auch daran zu erkennen sei, dass der Frühmesser eine Fastnachtshenne geben müsse.2397 Da diesem Brief aber offensichtlich keine Reaktion gefolgt war, wendete man sich vier Wochen später erneut nach Bamberg. In diesem Schreiben wurden die Argumente der beiden vorherigen Briefe miteinander verknüpft.2398 In den folgenden Jahrzehnten wurde der Pfarreraustausch nicht erfolgreich betrieben. Dies konnte erst unter den Voraussetzungen des Dreißigjährigen Krieges geschehen.2399 Als die Einsetzung eines Priesters im Jahr 1625 nicht mehr zu verhindern war, erschwerten die beiden Adelsfamilien vor Ort dem Pfarrer die Ausübung seiner Tätigkeit, indem sie alles von Wert vor seiner Einsetzung aus Kirche und Pfarrhaus entfernten, ihn nicht mit Naturalien oder Bezahlung unterstützten und auch ihre Untertanen anwiesen, seine Dienste nicht in Anspruch zu nehmen. Zudem versuchten es die von Wildenstein mit einem gewaltsamen nächtlichen Überfall.2400 Etwa gleichzeitig wendeten sich die Wildensteiner an Markgraf Christian von Brandenburg-Kulmbach, der daraufhin seinerseits bei dem Bamberger Bischof darauf drang, den Konflikt friedlich zu lösen.2401 Der Markgraf konnte indes nichts erreichen.2402 In den Jahren von 1625 – 29 sorgten die zwei Adelsfamilien nicht nur dafür, dass ihre Untertanen die Kirche in Grafengehaig nicht besuchten, sondern zu ihnen nach Schloss Schlopp in einem lutherischen Gottesdienst kamen.2403 Sie wendeten auch weitere Sanktionen an:2404 Sie verboten den Gotteshauspflegern, 2397 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Neithart, 12. Mai 1598 . 2398 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Die Adelsgeschlechter Guttenberg und Wildenstein an Bischof Neithart, 30. Mai 1598. 2399 S. Kapitel 5.1.2. 2400 AEB Rep. I Nr. 745 fol. 366r, Oktober 1625; StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach an Fiskal Wolfgang Öttlein, 20. Oktober 1625. S. auch Kapitel 5.1.2. 2401 StABa GHAP 9173 Markgraf Christian an Bischof Johann Georg, 28. Oktober 1625. 2402 Ebd. Bischof Johann Georg an Markgraf Christian, 20. Dezember 1625. 2403 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Fiskal Wolfgang Öttlein, 10. Januar 1628. 2404 Das Folgende in AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 »Provisor von Grafengehaig Gravamina«, 20. Mai 1627; AEB Rep. I Nr. 745 fol. 605v, Mai 1627.

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die kirchlichen Schulden einzutreiben und ihren Bauern, ihre Schulden beim Gotteshaus zu bezahlen. Unabhängig davon fehlte dem Priester Örtel ohnedies der Überblick über die kirchlichen Finanzen, da ihm keinerlei Aufzeichnungen vorgelegt wurden. Zudem boykottierten die Gemeindemitglieder die neuen Feiertage und wurden außerdem bewusst von den von Wildenstein bestellt, an den katholischen Feiertagen (nach neuem Kalender) ihre Fronarbeit zu leisten. Die baufällige Kirche wurde nicht repariert. Ernst von Wildenstein entzog zudem dem Priester einen Fischteich. Entsprechend wässerten die Untertanen auf adeligen Befehl hin die Pfarrwiesen nicht und leisteten dem Priester gegenüber weder den Pfarrzins und noch ihre Fronarbeit, sodass die Felder des Priesters unbebaut blieben. Johann Örtel gab in Bamberg an, dass es nur eine Möglichkeit gebe, um Abhilfe zu schaffen. Sowohl der Edelmann Ernst von Wildenstein als auch alle anderen, die sich in seinem Schloss aufhielten, müssten verhaftet werden.2405 Allerdings mochte sich der Bischof – zumindest zu diesem Zeitpunkt – offensichtlich nicht darauf einlassen. Der Vorschlag wurde in Bamberg ignoriert. 1628 versuchten die bischöflichen Beamten, wenigstens teilweise die wirtschaftliche Lage des Priesters zu verbessern. Der Vogt von Marktleugast erstellte ein Verzeichnis der Schulden des Gotteshauses Grafengehaig. Allerdings blieb es unvollständig, da nur wenige Personen ihre Schulden bezifferten. Die allermeisten konnten zwar namentlich, aber nicht mit der Summe aufgeführt werden und das ursprüngliche Register verblieb unerreichbar für den Priester in den Händen Wolf Wilhelms von Guttenberg.2406 Die wirtschaftlichen Sanktionen der Adelsfamilie konnte auch mit Gewalt gegen die Grafengehaiger Dorfbewohner nicht kompensiert werden. Einige der Grafengehaiger wurden im Juli 1628 gewaltsam nach Marktleugast gebracht und sollten erst wieder freigelassen werden, wenn sie ihren Teil zur Besserung der Kirche beigetragen hatten. Die Dorfbewohner verweigerten dies aber.2407 Die Mahnungen an die Bauern, ihre Gebühren zu bezahlen, rissen nicht ab.2408 Offenbar zeigte sich aber der militärische Vorteil der Katholischen im Reich auch lokal in Grafengehaig, denn im Herbst 1628 baten die beiden Adelsfamilien bei Bischof Johann Georg, dass die Drohung, allen Bauern, die ihre Schulden nicht innerhalb kürzester Zeit bezahlt hatten, die Kühe zu nehmen, nicht in die Tat umgesetzt würde. Sie argumentierten damit, dass die Grafengehaiger bereits 2405 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 548 Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig an Fiskal Wolfgang Öttlein, 10. Januar 1628. 2406 Ebd. Verzeichnis der Schulden des Gotteshaus Grafengehaig, 10. Mai 1628. 2407 Ebd. Johannes Örtel, Pfarrer von Grafengehaig und Sebastian Lang, Vogt von Marktleugast an Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach, 25. Juli 1628. 2408 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 197 Bischof Johann Georg an Johann Frankenberger, Kastner von Stadtsteinach, 3. Oktober 1628.

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schwer mit Kriegskontributionen belastet worden seien und außerdem eine Renovierung von Kirche und Pfarrhaus noch nicht nötig sei. Außerdem wurden Vogt und Priester von ihnen bezichtigt, 150 Gulden unterschlagen zu haben.2409 Es ist keine Antwort aus Bamberg überliefert. Da sich die Grafengehaiger aber erst im Februar 1630 zur Kommunion einstellten, dem Druck also noch über ein Jahr standhalten konnten, blieb es wohl bei den Drohungen. In der Zusammenschau ergibt sich also, dass die adeligen Familien, in deren Herrschaft Grafengehaig gehörte, in zwei Phasen intervenierten. In den Jahren 1597 – 98 traten sie mit mehreren Schreiben in Erscheinung und versuchten zudem, die Hilfe des Markgrafen zu mobilisieren. In einer zweiten Phase in den Jahren 1625 – 29 bemühten sie sich, mit wirtschaftlichen Sanktionen dem katholischen Pfarrer zu schaden. In allen Fällen versuchten die Adelsfamilien, dem ganzen Dorf (also nicht einzelnen Personen) zu helfen. Aus Bamberg kamen nur wenige Reaktionen auf dieses Verhalten. Die örtlichen Beamten unterstützten den geschädigten Priester ebenfalls nur wenig. Einzelne Aktionen zur Verbesserung der Situation wie etwa das Zusammenstellen des Schuldenregisters des Gotteshauses scheiterten. Den ritterschaftlichen Familien war es zumindest teilweise gelungen, die Rekatholisierung zu verhindern. Die Einsetzung des Priesters in den 1590er Jahren scheiterte wohl eher nicht an den ritterlichen Schreiben, sondern weil Neithart generell davon absah, bei gemischtherrschaftlichen und ritterschaftlichen Orten eine harte Rekatholisierungspolitik durchzuführen. Anders verhielt es sich unter seinem späteren Nachfolger Johann Georg (reg. 1623 – 1633). Die wirtschaftlichen Sanktionen schränkten den Grafengehaiger Priester sehr ein, sodass er wohl kaum die nötigen Maßnahmen ergreifen konnte, um die Dorfbewohner zur katholischen Konfession zu zwingen. Zudem konnten die Ritter durch ihren Einsatz das Durchhaltevermögen ihrer Untertanen stärken. Wie sich im Kapitel 6.2. gezeigt hat, mussten sich diese erst im Februar 1630 zur Kommunion begeben, als sie auf Grund des Kriegsverlaufes den Rückhalt ihrer Herrschaft verloren hatten. Rugendorf Rugendorf war ein gemischtherrschaftliches Dorf mit mehreren Besitzern. Einer davon, die ritterschaftliche Familie von Waldenfels, trug 1623 ihren Teil an Dorfund Kirchenherrschaft dem Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach zu Lehen auf. In der Folge versuchte Markgraf Christian von Brandenburg-Kulmbach, das lutherische Dorf zu schützen. Im September 1623 wurde in Bamberg bekannt, dass die Familie von Wal2409 Ebd. Ernst von Wildenstein und Hans Christoph von Guttenberg an Bischof Johann Georg, 29. Oktober 1628.

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denfels sich zum Schutz ihrer Kirche in Rugendorf an den Markgrafen gewendet hatte. Die Lehensübertragung war durch den Anschlag des markgräflichen Wappens an Kirche und Kirchtüre symbolisiert worden.2410 Damit unterstrich der Markgraf seine Meinung, dass es sich bei Rugendorf um eine Filiale der markgräflichen Pfarrei Seibelsdorf (etwa 4 km entfernt von Rugendorf) handele.2411 Die Betonung der Filialzugehörigkeit war aber nicht nur eine Stärkung der markgräflichen Position, sondern stellte zugleich ein Risiko dar. Auch von bambergischer Seite aus konnte argumentiert werden, dass bestimmte markgräfliche Pfarreien Filialen von bambergischen Pfarreien seien.2412 Auch wenn in der Folge die lokalen Beamten gegenüber dem Bamberger Bischof wiederholt auf die starke Präsenz des Markgrafen hinwiesen und darauf, dass es jetzt wichtig sei, als Mitdorfherr die eigene Rechtsposition zu stärken, wurden zunächst keinerlei Maßnahmen angeordnet.2413 Stattdessen wurde der Konflikt um Rugendorf schriftlich zwischen den Territorialfürsten ausgetragen. Der Brandenburger argumentierte ausschließlich mit der Filialzugehörigkeit Rugendorfs zur Pfarrei Seibelsdorf.2414 Die bambergischen geistlichen Räte führten dagegen an, dass Rugendorf schon seit mehr als hundert Jahren von der Pfarrei Seibelsdorf getrennt sei (eine ursprüngliche Filialzugehörigkeit wurde nicht bestritten), Rugendorf in der hohen und niederen Obrigkeit des Bischofs liege und zudem der Ritter von Waldenfels gar keine Berechtigung gehabt hätte, in diesem Ort das Lutherthum ausüben zu lassen.2415 Markgraf Christian entgegnete dies in vier Punkten: (1) Bereits im Jahr des Augsburger Religionsfriedens habe in Rugendorf ein Pfarrer gewirkt, der in Bayreuth ordiniert worden war. Dieser sei von Markgraf Albrecht konfirmiert und eingewiesen worden und habe bis 1602 in Rugendorf gewirkt. Sein Nachfolger sei gleichermaßen ins Amt gekommen. (2) Als Beweis für die Zugehörigkeit der Rugendorfer Kirche hänge das brandenburgische Wappen dort. (3) Alle bisherigen Änderungen der Konfession im Hochstift hätten Rugendorf nicht betroffen. (4) Kirchenrecht sei im Augsburger Religionsfrieden eindeutig von weltlicher Obrigkeit und Lehenrecht getrennt worden, zudem sei die geistliche Jurisdiktion der Bischöfe 1555 ausdrücklich suspendiert worden.2416 Das Schreiben des Markgrafen blieb allerdings Episode. 1629 vergrößerte das Hochstift Bamberg durch Kauf seinen Anteil an der Dorf- und Gemeindeherr2410 2411 2412 2413 2414 2415 2416

AEB Rep. I Nr. 745 fol. 75r, 7. September 1623. Ebd. fol. 130r, 12. Januar 1624. AEB Rep. 343 Stand der Pfarreien, 1624. AEB Rep. I Nr. 745 fol. 117v, 3. Dezember 1623; ebd. fol. 130r, 12. Januar 1624. StABa B 49 Nr. 163-II/05 Geistliche Räte an Bischof Johann Georg, 2. März 1626. Ebd. Ebd. Markgraf Christian von Brandenburg-Kulmbach an Bischof Johann Georg, 28. April 1626.

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schaft und stärkte dadurch die eigene Machtposition. Dies und der Zusammenhang mit der günstigen Kriegslage führten zu der Einsetzung eines Priesters. Von Seiten des Markgrafen gab es keine Versuche, dies zu unterbinden. Nach dem Westfälischen Frieden zeigte sich die Opposition der beiden fränkischen Mächte wieder deutlich in Rugendorf, als es um die Frage ging, ob in Rugendorf die Normaljahresregelung griff oder nicht.2417 Durchsetzen konnte sich der Markgraf, sodass im Vertrag von 1650 festgelegt wurde, dass in Rugendorf in Zukunft ein lutherischer Pfarrer einzusetzen war. Insgesamt betrachtet gab es in Rugendorf Eingriffe von zwei verschiedenen externen Territorialmächten. In einem ersten Schritt trug ein ritterschaftlicher Mitdorfherr seinen Teil an der Dorfherrschaft einer deutlich stärkeren Macht (dem Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach) zu Lehen auf. Dies war eine nicht ungewöhnliche Maßnahme von Rittern, um das Machtstreben des Hochstifts abzuwehren und die lutherische Konfession zu schützen.2418 Der neue Dorfherr Markgraf Christian versuchte den Gang der Rekatholisiserung wiederum mit Protestschreiben aufzuhalten. Die Aktivitäten bezogen sich auf die Jahre 1623 – 29. Damit reagierten die Ritter und der Hohenzoller auf die erstarkende katholische Position. Ein direkter Auslöser lässt sich nicht nachweisen. An dem Eingriff der fremden Territorialherren waren die Rugendorfer selbst nicht beteiligt. Es fällt auf, dass die lokalen Beamten schon in den 1620er Jahren bemerkten, dass in Folge der Lehensübertragung der Protestantismus gestützt wurde und dass Maßnahmen nötig wären, um dies zu unterbinden. Aus Bamberg erfolgte aber über mehrere Jahre keine direkte Reaktion, die dem Problem auf lokaler Ebene abhelfen sollte. Diese Gegenmaßnahme der auswärtigen Territorialherren gegen Rekatholisierung war zunächst erfolgreich, da im Verlauf der 1620er Jahre (anders als in Grafengehaig) keine Versuche von Bischof Johann Georg unternommen wurden, um den Pfarrer gegen einen Priester auszutauschen. Auf Dauer konnte allerdings auch der Markgraf nichts tun, da im Fall Rugendorf zwei Faktoren zusammenkamen, die die Position des Hochstifts deutlich verbesserten. Zum einen die Kriegserfolge der katholischen Partei, zum anderen aber der Kauf weiterer Teile des Dorfes. Allerdings gibt es erstens keinerlei Hinweise darauf, dass die markgräflichen Untertanen in Rugendorf sich jemals zur Kommunion einfanden und zweitens zeigte sich, dass nach 1650 auch die bambergischen Untertanen in größerer Anzahl wieder Protestanten wurden.

2417 Dazu ausführlich Kapitel 5.1.2. 2418 Bauer, Thüngen, S. 4.

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Pinzberg In dem Dorf Pinzberg, das von Forchheim aus mit einem Frühmesser versorgt wurde, lebten neben hochstiftischen auch Nürnberger Untertanen. Insgesamt zweimal, 1611 und 1613, versuchte der Rat der Reichsstadt, diese vor Rekatholisierungsmaßnahmen zu schützen. Als ersten Eingriff fremder Terrtorialherren lässt sich in Pinzberg im Jahr 1611 ein Schreiben des Nürnberger Rates fassen. Der Rat beschwerte sich darüber, dass der Pinzberger Frühmesser bei den Nürnberger Untertanen von Tür zu Tür gegangen war und sie zur Einnahme der Kommunion aufgefordert hatte.2419 Nürnberg argumentierte dabei auf einer rechtlichen Ebene.2420 Dieser Vorgang sei gegen den Religionsfrieden, da kein Stand einen anderen Stand oder dessen Untertanen in Religionsdingen bedrängen dürfe. Außerdem verstieß Johann Gottfried in der Nürnberger Sichtweise gegen den Forchheimer Vertrag. Dieser beeinhaltete aus reichsstädtischer Perspektive, dass Bamberg und Nürnberg die jeweils anderen Untertanen in Religionsdingen nicht bedrängen dürften. Außerdem sei darin die Gleichbehandlung aller Untertanen festgelegt worden. Da die sachsen-coburgischen lutherischen Untertanen im Norden des Hochstiftsgebiets geduldet würden, müssten die Nürnberger entsprechend auch geduldet werden. Außerdem verstoße Bischof Johann Gottfried drittens gegen Gewohnheitsrecht, denn die Pinzberger gingen schon seit 50 Jahren zu einem Prädikanten. Unklar ist, inwiefern diese Gegenmaßnahmen, die streng genommen nur die nürnbergischen Pinzberger schützen sollten, auch auf die bambergischen wirkten. Zumindest ein Teil der hochstiftischen Einwohner des Dorfes war zu diesem Zeitpunkt bereits katholisch.2421 Dechant und Kapitel von Forchheim, die für den Frühmesser von Pinzberg verantwortlich waren, rechtfertigten sich schriftlich gegen die Anschuldigung. Sie bestritten nicht, dass sie die Handlung des Frühmessers veranlasst hatten. Dies sei auf auf Anweisung des Bischofs geschehen, da das Hochstift für die pfarrliche Versorgung des Dorfes zuständig sei.2422 Es ist kaum verwunderlich, dass die Forchheimer der Ansicht waren, alle Verträge einzuhalten.2423 Auf lokaler Ebene fanden für die nächsten zwei Jahre keine weiteren Rekatholisierungsmaßnahmen mehr statt. Im Oktober 1613 erfuhr der Nürnberger Rat, dass seine Untertanen ein StABa B 49 Nr. 47/30 Nürnberger Rat an bambergische Räte, 30. Mai 1611. Zum Folgenden ebd. Dazu ausführlich Kapitel 6.2. StABa B 49 Nr. 47/30 Dechant und Kapitel von Forchheim an Rat der Stadt Nürnberg, 7. Juni 1611. 2423 Ebd. 2419 2420 2421 2422

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weiteres Mal aufgefordert worden waren, sich zur katholischen Konfession einzustellen. Ihnen war angedroht worden, sonst ihre bambergischen Lehen verkaufen zu müssen.2424 Daraufhin beschwerte sich die Reichsstadt erneut in Bamberg. Johann Schmid, Syndikus der Stadt Nürnberg, warnte in seinem Schreiben vom 23. Oktober 1613 die Statthalter und geistlichen Räte in Bamberg vor Rekatholisierungsmaßnahmen, da diese die bestehenden Verträge verletzen würden.2425 Die Nürnberger verlangten, dass es bei dem bisherigen Modus vivendi blieb.2426 Es erfolgte keine Antwort auf dieses Schreiben. Dies liegt vermutlich daran, dass bis in die 1620er Jahre hinein keine weiteren Rekatholisierungsmaßnahmen in dem Dorf durchgeführt wurden. Insgesamt betrachtet gab es in Pinzberg zweimal den Versuch (1611 und 1613) auch die Nürnberger Untertanen zu rekatholisieren. In beiden Fällen wehrte sich der Rat der Reichsstadt mit schriftlichen Eingaben dagegen, in denen er auf die aus seiner Sicht mannigfaltigen Rechtsverletzungen (Verletzung des Augsburger Religionsfriedens, des Forchheimer Vertrags und des Gewohnheitsrechts) hinwies. In beiden Fällen gab es einen direkten Anlass. Die Nürnberger Untertanen waren unter Strafandrohung zum Glaubenswechsel aufgefordert worden. In der Zeit nach den Schreiben wurden sie nicht weiter bedrängt. Möglicherweise hatten die eher halbherzigen Rekatholisierungsversuche und deren schnelle Unterlassung in Pinzberg aber einen anderen Grund als das Engagement des Nürnberger Rates. In den Jahren 1611 – 1613 hielt sich Bischof Johann Gottfried nur höchst selten in seiner Residenzstadt auf. Der Bischof besuchte die bambergischen Besitzungen in Kärnten, nahm aktiv an der Reichspolitik teil (Besuch des Kurfürstentages in Nürnberg, der Kaiserwahl in Frankfurt, des Regensburger Reichstages) und führte eine Romreise durch.2427 Es ist also davon auszugehen, dass einerseits die Rekatholisierungspolitik von dem starken Willen des Bischofs getragen wurde, der dann zwangsläufig fehlte, wenn er selbst nicht vor Ort war. Zum anderen ist aber auch unklar, wie weitreichend die Vollmachten waren, die der Bischof vor seiner Abreise erteilt hatte. Es ist davon auszugehen, dass die geistlichen Räte keinen größeren Konflikt mit der mächtigen Reichsstadt riskieren wollten, wenn sie sich nicht sicher sein konnten, ob Bischof Johann Gottfried diesem zustimmte.

2424 StABa B 46b Nr. 3586 Johann Schmid, Syndikus von Nürnberg an bambergischen Statthalter und geistliche Räte, 23. Oktober 1613. 2425 Ebd. 2426 Ebd. 2427 Dippold, Konfessionalisierung am Obermain, S. 179.

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Dormitz In Dormitz wurde bis in das Jahr 1630 nie ernsthaft versucht, die Untertanen der Nürnberger im Ort zu rekatholisieren. Folglich wurde ein Eingreifen des Rates erst in diesem Jahr nötig. Nachdem im Juli 1630 Pfarrer und Verwalter von Neunkirchen am Brand die Nürnberger Untertanen in Dormitz masssiv bedrängten hatten, katholisch zu werden (dabei war es zu Verhaftungen gekommen), schickte der Nürnberger Rat den Syndikus Wolfgang Löscher nach Bamberg.2428 Dieser war zunächst nach Neunkirchen gekommen, doch der Klosterverwalter schickte ihn weiter in die Residenzstadt, da nur dort die Freilassung der Verhafteten erwirkt werden konnte.2429 Der Syndikus beschwerte sich wenige Tage später im Namen der Stadt Nürnberg bei Bischof Johann Georg über die Gewalt, Verhaftungen und Sperrung der Allmende der nürnbergischen Untertanen in Dormitz.2430 Dabei führte er drei Argumente an. Dies sei gegen den Augsburger Religionsfrieden, gegen den Forchheimer Vertrag und gegen die Erklärung, die der Bischof kürzlich mündlich und schriftlich bezüglich der Pfarrei Lonnerstadt gegeben habe.2431 Außerdem wendete der Syndikus ein, dass die ganze Angelegenheit zwecks Zeitgewinn von der Bamberger Obrigkeit verschleppt worden sei und währenddessen die Untertanen »von der evangelischen religion ab- und zue der catholischen zutretten wider ihr gewissen gezwungen worden«.2432 Der Bischof argumentierte dagegen, er würde keine bestehenden Verträge verletzen. Außerdem sei es geltendes Recht, dass jemand, der in seiner bischöflichen Pfarrei lebe, rekatholisiert werden dürfe. Auch seien diese Menschen zwar den Nürnberger lehenbar, doch handele es sich dabei um Afterlehen, die die Nürnberger wiederum von Bischof und Stift empfingen. Diese Lehensuntertätigkeit könnte also nicht als Begründung für die Beibehaltung der lutherischen Konfession dienen.2433 Die Nürnberger ließen eine Befragung der verhafteten Dormitzer anstellen,2434 nachdem diese wieder aus der Haft entlassen worden waren. Alle sagten 2428 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Karl Pesler, Pfarrer von Neunkirchen an Fiskal Philipp Pessler, 20. Juli 1630; ebd. Bürgermeister und Rat der Stadt Nürnberg an Bischof Johann Georg, 9. Juli 1630. 2429 Ebd. Karl Pesler, Pfarrer von Neunkirchen an Fiskal Philipp Pessler, 20. Juli 1630. 2430 Ebd. Johann Wolf Löscher, Syndikus der Stadt Nürnberg an Bischof Johann Georg, 23. Juli 1630. 2431 Ebd. Unklar ist, was der Hinweis auf den etwa 30 km entfernt liegenden Ort Lonnerstadt bedeutet. 2432 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Johann Wolf Löscher, Syndikus der Stadt Nürnberg an Bischof Johann Georg, 23. Juli 1630. 2433 Ebd. Bischof Johann Georgs an Nürnberger Rat, 24. Juli 1630. 2434 S. Kapitel 6.3.1.

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aus, wegen der angewendeten Gewalt zum katholischen Glauben konvertiert zu sein.2435 Die Ergebnisse der Befragung schickte der Nürnberger Rat nach Bamberg, um die Unrechtmäßigkeit der Handlungen zu beweisen und forderte erneut die Abstellung solcher Maßnahmen.2436 Die Ratsmitglieder verwiesen auf den Augsburger Religionsfrieden und den Forchheimer Vertrag und brachten zudem noch das Argument, dass sie sicher die Verträge richtig verstünden, denn sonst hätten schon Johann Georgs Vorgänger anders gehandelt, anstatt die Verträge genauso wie die Nürnberger zu deuten und entsprechend einzuhalten.2437 Insgesamt betrachtet versuchte der Rat der Stadt Nürnberg nur einmal im Jahr 1630 die Rekatholisierung der eigenen Untertanen zu verhindern. Direkter Auslöser war ein Überfall der Untertanen durch Bamberger Beamte und Soldaten, bei denen einige Personen verhaftet und dadurch zur Annahme des katholischen Glaubens gezwungen wurden. Die örtlichen Beamten wurden durch dieses Eingreifen nicht beeinflusst. Auch die Reaktion in Bamberg war begrenzt. Beide Parteien argumentierten mit den gleichen Rechtsnormen, die aber unterschiedlich ausgelegt wurden. Tatsächlich war die Rechtslage nicht das Entscheidende. Die Sache wurde dadurch geklärt, dass die katholische Seite und damit der Bamberger Bischof de facto die größere Macht vor Ort darstellte. Entsprechend konnten die Nürnberger mit ihren rechtlichen Eingaben nichts erreichen. Zusammenfassung und Ergebnisse Einsatz auswärtiger Mächte Das Eingreifen von auswärtigen Territorialmächten ließ sich insgesamt in vier Orten nachweisen, die alle ins Hochstift Bamberg gehörten: Grafengehaig, Rugendorf, Pinzberg und Dormitz. In den meisten Fällen war die Intervention friedlicher Natur und bestand in schriftlichen (bzw. im Fall von Dormitz mündlich vorgetragenen) Eingaben. Eine Ausnahme stellt Grafengehaig dar, wo die örtliche Ritterfamilie dem Priester wirtschaftlich schadete, um ihre Untertanen zu unterstützen. Dabei haben sich mehrere zeitliche Phasen gezeigt: In Grafengehaig und Pinzberg wurde bereits in den Jahren 1597/98 bzw. 1611/13 ein Eingreifen der fremden Territorialherren nötig. Rugendorf und Dormitz wurden besonders in den Jahren 1623 – 30 auffällig. In den meisten Fällen konnten direkte Auslöser aufgezeigt werden. Diese bestanden in dem Austausch des Pfarrers, der direkten Aufforderung, die katholische Konfession anzunehmen bei gleichzeitiger Strafandrohung und der 2435 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Offenes Notariatsinstrument, 9. August 1630. 2436 Ebd. Bürgermeister und Rat der Stadt Nürnberg an Bischof Johann Georg, 3. September 1630. 2437 Ebd.

Ergebnisse des 6. Kapitels

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Verhaftung von Untertanen einschließlich erzwungenem Glaubenswechsel. Auffällig ist, dass die Untertanen vor Ort in der Regel nicht in die Gegenmaßnahmen der fremden Territorialherren mit einbezogen worden sind, sondern eine direkte Kommunikation auf territorialer Ebene stattfand. Individuelle Begründungen für diese Gegenmaßnahme liegen nicht vor. Die örtlichen Beamten und auch die Bamberger Bischöfe reagierten in der Regel gelassen oder überhaupt nicht auf die Intervention der Ritter, des Markgrafen oder des Nürnberger Rates. Die Interventionen führten in keinem Fall zum Erfolg. Die Gründe unterscheiden sich aber deutlich voneinander. Im Fall Pinzberg führte nicht die Eingabe der Nürnberger, sondern in erster Linie die Abwesenheit des Bamberger Bischofs dazu, dass sich seine Stellvertreter nur halbherzig sowohl bei der Rekatholisierungspolitik als auch im Konflikt mit den Nürnbergern engagierten. In den drei anderen Fällen wiederum war die Position des Bischofs auf Grund der reichspolitischen Lage so stark, dass er de facto keine Rücksicht auf die rechtlichen Eingaben der anderen Territorialherren nehmen musste. Selbst wenn er zweifelsfrei im Unrecht gewesen wäre, hätte Bischof Johann Georg in den entscheidenden Jahren 1625 – 1631 keinerlei Konsequenzen fürchten müssen. Wider Erwarten haben sich Interventionen von fremden Territorialherren in den Hochstiften nur in den untersuchten bambergischen Orten nachweisen lassen. In Iphofen und vor allem im ritterschaftlichen Urspringen ließen sich keinerlei aktive Einsprüche gegen die Rekatholisierungspolitik der Bischöfe zeigen.

6.7. Ergebnisse des 6. Kapitels Im Folgenden sollen die Ergebnisse des sechsten Kapitels zusammengefasst werden. Zunächst wird aufgezeigt, welche Gegenmaßnahmen es überhaupt gab. Im Anschluss werden die Ergebnisse entlang der für alle Gegenmaßnahmen untersuchten Analysekategorien (1) Zeitpunkt und Häufigkeit, (2) direkter Auslöser, (3) beteiligte Personen, (4) individuelle Begründungen, (5) Rolle der örtlichen Beamten, (6) Reaktion der Bischöfe, (7) Einfluss auf den Gang der Rekatholisierung vergleichend dargestellt. In einem dritten Schritt werden übergreifende Aussagen zu Bandbreite, Reihenfolge und Kombination der Gegenmaßnahmen getroffen. Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, wie sich die auftretenden Unterschiede zwischen den Orten und zwischen den Hochstiften erklären lassen. Im gewählten Untersuchungszeitraum lassen sich insgesamt sechs Gegenmaßnahmen fassen, die eingesetzt wurden, um die Rekatholisierungspolitik der Mainbischöfe abzuwehren. Die Untertanen versuchten es mit Bittbriefen, mit der

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Gegenmaßnahmen

Verweigerung der Kommunion, mit Auslaufen, mit Klagen vor dem Reichskammergericht und mit Tumulten. Zusätzlich dazu versuchten andere fränkische Territoralherren, die Untertanen in den untersuchten Orten hatten, diese zu schützen. (1) Was Zeitpunkt und Häufigkeit betrifft, fällt auf, dass eine Verweigerungshaltung bei der Kommunion und das Auslaufen, also der Besuch eines lutherischen Gottesdienstes außerhalb des eigenen Territoriums, in praktisch allen Orten vorkam.2438 Bittbriefe kamen in sieben von 15 Orten vor (Teuschnitz, Neukenroth, Grafengehaig, Forchheim, Gerolzhofen, Iphofen und Kitzingen). Die Protestform Tumult gab es nur in Teuschnitz, während bei dem Reichskammergericht insgesamt drei Orte (Teuschnitz, Marienroth, Neukenroth) klagten. Fremde Territorialmächte engagierten sich im Hochstift Bamberg in allen vier Orten, in denen fremdherrschaftliche Untertanen vorkamen (Grafengehaig, Rugendorf, Pinzberg, Dormitz). Im würzburgischen Urspringen konnten keine aktiven Gegenmaßnahmen der örtlichen Ritterfamilie nachgewiesen werden. In beiden Hochstiften lassen sich Phasen aufzeigen, in denen Gegenmaßnahmen verstärkt auftraten. Diese entsprechen den Phasen der Maßnahmen, wie sie in Kapitel fünf dargestellt wurden. Im Hochstift Bamberg fällt die erste Hochphase in die zweite Hälfte von Bischof Neitharts Regierung, also 1594 – 98. Einen kleineren Höhepunkt der Gegenmaßnahmen zeigen die ersten beiden Regierungsjahre Bischof Johann Gottfrieds 1609/10. Insgesamt gesehen verliefen die Gegenmaßnahmen der restlichen Regierungszeit Johann Gottfrieds eher schwach. Dies erklärt sich damit, dass der Bischof häufig abwesend war (lange Reisen in den Jahren 1611 – 13, ab 1617 regelmäßiger längerer Aufenthalt in Würzburg nach der Wahl zum dortigen Bischof) und seine Stellvertreter nicht im gleichen Maße versuchten, in den bisher noch nicht rekatholisierten Orten entsprechende Politik zu machen. Die nächste Hochphase stellen die Kriegsjahre 1623 – 31 dar, die durch verstärktes Auslaufen, häufiges Verweigern der Kommunion und Eingreifen fremder Territorialherren gekennzeichnet ist (Grafengehaig, Rugendorf, Dormitz). Das Hochstift Würzburg begann mit der Rekatholisierung in etwa zehn Jahre eher als der östliche Nachbar. Entsprechend lassen sich in den untersuchten Orten (außer Kitzingen) Gegenmaßnahmen in erster Linie bis in die Jahre 1585/1586 fassen, wobei die persönliche Rundreise des Bischofs in diesen beiden Jahren einen deutlichen Bruch darstellt. Danach kamen Kommunionsverweigerung und Auslaufen nur noch in Einzelfällen und sporadisch vor. Eine Ausnahme bildete hier die Gruppe der Dienstboten, die zu allen Zeiten als Ausläufer auftraten. Nach der Einnahme von Kitzingen waren die Jahre ohne lutherischen Gottesdienst (1629 – 31 und 1635 – 50) von der auslaufenden Bevölkerung geprägt. 2438 Einzig für Pinzberg konnte zwar kein Auslaufen in den Quellen nachgewiesen werden, es ist aber sehr wahrscheinlich, dass es dennoch stattfand.

Ergebnisse des 6. Kapitels

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In der Graphik am Ende dieses Kapitels sind die Gegenmaßnahmen der Untertanen in Relation zu ihrem erstmaligen Auftreten dargestellt. Die hier beschriebenen Phasen lassen sich deutlich erkennen. In Bamberg zeigen die blauen Punkte an, wo bereits unter Neithart versucht wurde, der Rekatholisierungspolitik etwas entgegen zu setzten, während die grünen (Bischof Johann Gottfried) und orangen (Bischof Johann Georg) Punkte zeigen, dass hier erst deutlich später Gegenmaßnahmen versucht wurden. Im Hochstift Würzburg zeigen die dominierenden roten Punkte (Bischof Julius Echter) an, dass bereits unter Echter die meisten Gegenmaßnahmen ins Feld geführt wurden, während die gelben Punkte die Phasenverschobenheit in Kitzingen verdeutlichen. (2) Die generelle Ursache für alle Gegenmaßnahmen liegt auf der Hand: Die Beibehaltung des lutherischen Bekenntnisses. Ein direkter Anlass für eine bestimmte Gegenmaßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt lässt sich in einigen, aber nicht in allen Fällen aufzeigen. Grundsätzlich zeigt sich nur eine geringe Korrelation zwischen Mandaten, die für das ganze Hochstift ausgingen, und einem verstärkten Auftritt von Gegenmaßnahmen. In Würzburg erschien zudem die Kirchenordnung, die u. a. die jährliche Einnahme der Kommunion vorsah, erst 1589. Zu diesem Zeitpunkt war bereits vor Ort dafür gesorgt worden, dass die Menschen entweder zur Kommunion kamen oder ausgewandert waren. In den meisten Fällen führte erst eine konkrete Forcierung vor Ort zu einem Abwehrverhalten. Am häufigsten ergab sich hierbei eine Verweigerung der Kommunion nach direkter Kommunions-Aufforderung durch die örtlichen Pfarrer oder Beamten. In denjenigen Orten, die vor den Rekatholisierungsmaßnahmen einen eigenen lutherischen Pfarrer gehabt hatten, zeigt sich teilweise ein Zusammenhang zwischen dem Austausch des Pfarrers und dem Auftreten der Gegenmaßnahme. Deutlich zu erkennen ist dies in Grafengehaig und Kitzingen. Das Auslaufen begann unmittelbar nach der Einsetzung des katholischen Pfarrers im Ort. Diese Wechselwirkung konnte für die anderen Orte mit einem Pfarrwechsel nicht nachgewiesen werden, erscheint aber sehr wahrscheinlich. Bei den drei Reichskammergerichtsprozessen konnte der direkte Auslöser nicht eindeutig bestimmt werden. Es scheint so, als hätten sich die Maßnahmen Bischof Neitharts immer weiter addiert, bis schließlich dem Druck nicht mehr anders Stand gehalten werden konnte. Kam es dazu, dass fremdherrschaftliche Territorialherren versuchten, die Rekatholisierungspolitik zu beeinflussen, lag in den allermeisten Fällen ein direkter Anlass (Aufforderung der Untertanen zum Glaubenswechsel bei gleichzeitiger Strafandrohung; Verhaftung) vor. (3) Bei den beteiligten Personen öffnet sich ein weites Feld. In den meisten Fällen war der Kreis der Personen nicht beschränkt, sondern geradezu, wie etwa bei den teuren Reichskammergerichtsprozessen, notwendig. Beim Auslaufen

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Gegenmaßnahmen

konnte verstärkt das Engagement der Mitglieder der Stadtverwaltung einerseits, in anderen Fällen das der Frauen andererseits gezeigt werden. Frauen verweigerten tendenziell auch häufiger die Kommunion als die Männer. Generell übten Angehörige der unteren sozialen Schichten häufiger Gegenmaßnahmen, vor allem Auslaufen und Verweigerung der Kommunion, aus. Sie waren auf Grund ihrer Flexibilität und des kaum vorhandenen Besitzes kaum von möglichen Strafen betroffen. (4) Individuelle Begründungen liegen in den wenigsten Fällen vor. Wenn doch, wurden sowohl theologische als auch wirtschaftliche Argumente vorgebracht. Breiten Raum nehmen das beschwerte Gewissen und die Betonung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt ein. Hierbei zeigten sich zwei verschiedene Strömungen. Einige Lutheraner waren bereit, Zeremonien wie die Taufe, aber auch den Gottesdienstbesuch nach katholischem Ritus zu vollziehen, solange sie das Abendmahl nach lutherischem Brauch einnehmen konnten. Bei einer zweiten Gruppe nahmen Lutheraner zwar die Kommunion ein, was aber nicht dazu führte, dass sich die entsprechenden Personen an den katholischen Glauben gebunden fühlten. Das Auslaufen zeigt sich deutlich, dass sie sich weiterhin dem lutherischen Glauben zugehörig fühlten und die Einnahme der Kommunion nur eine für sie bedeutungslose Reaktion auf verstärkten Druck darstellte. Bei den wirtschaftlichen Gründen lagen in der Regel Abhängigkeiten von protestantischen Arbeitgebern, Lehensherren etc. vor. (5) Die Rolle der örtlichen Beamten unterscheidet sich in den beiden Hochstiften sehr. Im Hochstift Bamberg zeigt sich, dass sie nur begrenzt engagiert waren. Befehle des Bischofs wurden nur halbherzig ausgeführt. Häufig wurde zwar verkündet, dass die Einnahme der Kommunion anstand und das Auslaufen verboten war, aber diesen Befehlen wurde nicht immer der nötige Nachdruck verliehen. Dies führte dazu, dass die Untertanen zum Teil für Jahre oder gar Jahrzehnte ausliefen und die Kommunion verweigerten. Bittbriefe, Reichskammergerichtsprozesse und die Intervention fremder Territorialherren hatten so gut wie keinen Einfluss auf das Verhalten der örtlichen Beamten. Über das Verhalten der Würzburger Beamten sind nur wenige Aussagen möglich, da überwiegend Visitationsberichte vorliegen, aus denen sich ihr Verhalten nur sehr bedingt erschließen lässt. Auffällig ist allerdings, dass es in den untersuchten Orten einen signifikanten Bruch gab, nach dem die Gegenmaßnahmen nur noch sehr vereinzelt auftraten. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die örtlichen Beamten ihre Arbeit gemacht haben, wie sie sollten. (6) Was die Reaktion der fränkischen Bischöfe betrifft, zeigt sich deutlich, dass in Würzburg sehr viel konsequenter regiert wurde als in Bamberg. Bischof Neithart reagierte höchst unterschiedlich auf die Gegenmaßnahmen seiner Untertanen. Alle Gegenmaßnahmen außer der Kommunionsverweigerung hatten auf sein

Ergebnisse des 6. Kapitels

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Verhalten nur wenig Einfluss. Ernsthafte Versuche etwa, das Auslaufen zu verhindern, gab es in seiner Regierungszeit nicht. Die Verweigerung der Kommunion wiederum führte in Teuschnitz dazu, dass Neithart massiven Druck aufbaute und die Maßnahmen verstärkte. In Marienroth und Neukenroth lässt sich dies aber nicht zeigen, dort legte er eine weitaus passivere Haltung an den Tag, möglicherweise waren die Städte des Hochstifts zunächst wichtiger als die kleineren Dörfer. In den gemischtherrschaftlichen Orten wiederum führte die Verweigerung der Kommunion erst in den 1620er Jahren zu einem verstärkten Einsatz von bischöflichen Maßnahmen, als Bischof Johann Georg nicht mehr gezwungen war, Rücksicht zu nehmen. Die dazwischenliegenden Bischöfe Johann Philipp und Johann Gottfried engagierten sich aus verschiedenen Gründen kaum in den untersuchten Orten. Die Würzburger Bischöfe verfolgten eine sehr viel systematischere Politik. Nachdem Julius Echter Mitte der 1580er Jahre seine Rekatholisierungspolitik begonnen hatte, waren Gegenmaßnahmen praktisch nicht mehr möglich. Für Kitzingen wurde ein ähnlich kompromissloses Verhalten versucht, was aber nicht gelang. (7) Betrachtet man den Einfluss der Gegenmaßnahmen auf den Gang der Rekatholisierung, ist das Ergebnis eindeutig. In keinem Fall war es möglich, mit Gegenmaßnahmen, weder von Untertanen, noch von fremden Territorialmächten, die Rekatholisierung zu verhindern. In den drei Fällen, in denen auch am Ende des Untersuchungszeitraumes lutherischer Gottesdienst gehalten wurde, war dies anders begründet: In Rugendorf und Grafengehaig begannen die Rektholisierungsmaßnahmen erst 1629 (Rugendorf) bzw. 1625 (Grafengehaig), also nach dem Normaljahr, als die politische und militärische Großwetterlage es dem Bamberger Bischof ermöglichte, auf die fremdherrschaftlichen Rechte keine Rücksicht mehr nehmen zu müssen. Dies wurde entsprechend nach dem Westfälischen Frieden wieder rückgängig gemacht. In Kitzingen wurde ein lutherischer Gottesdienst neben dem katholischen eingeführt, weil der Würzburger Bischof dies ausdrücklich erlaubte. Anders hingegen fällt die Frage nach der Verzögerung aus. Mit Ausnahme der Bittbriefe führten alle Gegenmaßnahmen immer zu einem temporären Aufschub der Rekatholisierung bzw. untergruben deren Wirkung. Allerdings muss hier stark zwischen Würzburger und Bamberger Orten differenziert werden. In den Würzburger Orten endeten (mit Ausnahme Kitzingens) die Gegenmaßnahmen mit dem persönlichen Besuchs Echters 1585/86, in dessen Folge die meisten Lutheraner auswanderten oder zur Kommunion kamen. In den Bamberger Orten konnte die Rekatholisierung auf Jahre, zum Teil sogar auf Jahrzehnte abgewehrt werden. Besonders schwierig für die Bischöfe waren hierfür diejenigen Untertanen, die eine einmalige Kommunion nicht mit einer Konversion zum katholischen Glauben gleichsetzten und stattdessen weiter ausliefen.

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Gegenmaßnahmen

Bei Bandbreite, Reihenfolge und Kombination der Gegenmaßnahmen lassen sich die untersuchten Orte in drei Gruppen einteilen. In der ersten Gruppe (Teuschnitz, Marienroth und Neukenroth) war der Widerstand gegen die Rekatholisierung am deutlichsten zu spüren. Hier kamen alle untersuchten Gegenmaßnahmen (außer Intervention durch andere Mächte) vor. In einer zweiten Gruppe, bestehend aus Grafengehaig, Rugendorf, Dormitz und mit Abstrichen Pinzberg, kamen weniger Gegenmaßnahmen vor. In der dritten Gruppe (Forchheim, Neunkirchen am Brand, Waischenfeld, Gerolzhofen, Iphofen, Kitzingen, Gemünden, Urspringen) konnten nur die Verweigerung der Kommunion und das Auslaufen als Abwehr der Rekatholisierung nachgewiesen werden. Die Reihenfolge und Kombination war generell nicht festgelegt. Zudem kommen nicht alle Gegenmaßnahmen bei dem gleichen Bischof vor, sondern teilweise erst verschoben. Es gibt mehrere Gründe für den unterschiedlichen Verlauf der Gegenmaßnahmen. Die Orte der ersten Gruppen mit starken Gegenmaßnahmen (Teuschnitz, Marienroth, Neukenroth) hatten vor der Rekatholisierung seit mehreren Jahrzehnten nicht nur dem lutherischen Glauben angehangen, sondern auch einen eigenen Pfarrer in ihrem Ort gehabt. Entsprechend heftig war ihre Gegenreaktion. Die Orte der zweiten Gruppe (Grafengehaig, Rugendorf, Dormitz, mit Abstrichen Pinzberg) zeigten deshalb einen weniger starken Verlauf, weil sich die Rekatholisierungspolitik auf deutlich kürzere zeitliche Phasen erstreckte und zudem eine fremdherrliche schützende Macht abmildernd wirkte. Bei der dritten Gruppe mit wenigen Gegenmaßnahmen (Forchheim, Neunkirchen am Brand, Waischenfeld, Gerolzhofen, Iphofen, Kitzingen, Gemünden, Urspringen) muss bei den Gründen stärker differenziert werden. Einerseits war die Abwehrreaktion nicht stark ausgeprägt, weil das lutherische Gedankengut an sich nicht verbreitet war (Forchheim, Neunkirchen am Brand, Waischenfeld). Bei den Würzburger Orten andererseits war das Luthertum zwar an sich stärker verbreitet, aber es hatte sich kein eigener lutherischer Pfarrer (außer in Kitzingen) etablieren können. Zudem hat die Untersuchung deutlich gemacht, dass eine Abwehrreaktion von Seiten der Bevölkerung nicht möglich war. Durch das straffe Visitationssystem wurden nicht nur die Menschen selbst, sondern auch die örtlichen Beamten, die unabdingbar für die Durchführung der Maßnahmen und für die Abwehr der Gegenmaßnahmen zuständig waren, so stark kontrolliert, dass eine Verschleppung der bischöflichen Befehle durch die lokalen Beamten wie in Bamberg nicht möglich war. Zudem waren nach der Auswanderungswelle von 1586 bzw. 1629/30 in Kitzingen die überwiegende Mehrheit der Protestanten aus den Orten verschwunden und damit auch die Träger der Gegenmaßnahmen. Als dritter wichtiger Punkt kommt hinzu, dass Bischof Julius in den untersuchten Orten, wenn vorhanden, die lutherischen lokalen Beamten zügig gegen Katholiken austauschte, was in Bamberg nicht der Fall war.

Abb. 2: Erstmaliges Auftreten der jeweiligen Gegenmaßnahme

7. Konversion und Auswanderung

In den Kapiteln 5 und 6 wurden die bischöflichen Maßnahmen und die Gegenmaßnahmen der Untertanen herausgearbeitet. Durch erstere sollte der Übertritt zum katholischen Glauben erreicht, durch letztere verhindert werden. Jeder Untertan musste für sich selbst die Frage beantworten, ob und inwieweit er dem Druck standhalten konnte oder nicht. Konversion und Emigration stellen also das Ziel und den Endpunkt der Entwicklung dar. Im Kapitel sieben soll der Frage nachgegangen werden, was diese Entscheidung im Einzelnen bedeutete und mit sich brachte. Im ersten Teilkapitel zur Konversion wird dieses Phänomen zunächst auf einer allgemeinen Ebene betrachtet. In einem zweiten und dritten Punkt wird jeweils die Sicht der fränkischen Bischöfe und der Untertanen auf Konversion erläutert. Dabei wird im Wesentlichen auf die Ergebnisse der beiden vorherigen Kapitel zurückgegriffen und diese systematisierend erläutert.2439 Das zweite Teilkapitel Auswanderung ist deutlich umfangreicher, da die Auswanderung bisher noch nicht in dieser Arbeit untersucht wurde. Da das Kapitel insgesamt nicht sehr lang ist, wurde auf eine Präsentation der Ergebnisse der jeweiligen Unterkapitel verzichtet.

7.1. Konversion 7.1.1. Einführung In den eineinhalb Jahrtausenden vor der Reformation war mit Konversion die Bekehrung vom Polytheismus zum monotheistischen Christentum gemeint.2440 2439 Entsprechend wird auf Fußnoten überwiegend verzichtet, Einzelnachweise in den Kapiteln 5 und 6. 2440 Mennecke-Haustein, Ute: Konversionen, in: Reinhard, Wolfgang/Schilling, Heinz (Hrsg.): Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposium der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte, Gütersloh, Münster, 1995, S. 242 – 257, hier S. 242. Konversionen, die nicht-christliche

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Im Laufe des Mittelalters bezog sich der Begriff auch auf die Bekehrung von Anhängern häretisch-schismatischer Gruppen zum katholischen Glauben.2441 Voraussetzungen für eine innerchristliche Konversion waren erst in der nachreformatorischen Zeit gegeben, als sich die unterschiedlichen Bekenntnisse herausgebildet und verfestigt hatten.2442 In der Frühen Neuzeit war der Begriff der Konversion doppelt belegt: Einerseits konnte er ganz allgemein eine Veränderung der religiösen Zugehörigkeit bezeichnen. Andererseits war er von Seiten der Evangelischen negativ konnotiert und bedeutete den Übertritt vom evangelischen zum katholischen Glauben.2443 Bis heute existiert keine allgemein gültige und gleichzeitig präzise Definition des Begriffs.2444 Ein weiteres Problem für die Frühneuzeitforschung stellt sich, wenn ein Bezug zur Religionssoziologie versucht wird: Diese geht davon aus, dass bei einer Konversion im weitesten Sinne ein autonomes Individuum eine bewusste Glaubensentscheidung vollzieht.2445 Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Annahmen für die Frühe Neuzeit gegeben sind.2446 Es ist daher notwendig, für die hier untersuchte Epoche den Begriff Konversion in zweifacher Weise mit Inhalt zu füllen, nämlich einerseits mit Bekehrung (also der tatsächlichen Änderung der persönlichen Glaubensauffassung), andererseits mit Konfessionswechsel (also dem formalen Anzeigen einer Änderung der Glaubensauffassung).2447 Generell musste eine Konversion nicht zwangsläufig einer Änderung der persönlichen Religiosität entsprechen, durchaus konnten auch finanzielle,

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Religionen einschließen, werden im Folgenden ausgeklammert, da sie nicht zielführend für die gewählte Fragestellung sind. Mennecke-Haustein, Konversionen, S. 242. Lotz-Heumann, Ute/Mißfelder, Jan-Friedrich/Pohlig, Matthias: Konversion und Konfession in der Frühen Neuzeit: Systematische Fragestellungen, in: Dies. (Hrsg.): Konversion und Konfession in der Frühen Neuzeit, Gütersloh, 2007, S. 11 – 32, hier S. 13. Ebd., S. 18. Zu diesem Ergebnis kommen Lotz-Heumann/Mißfelder/Pohlig, Konversion, S. 18 – 21, auf Grund der Durchsicht der einschlägigen theologischen Lexika. Der Begriff des Konvertiten wurde erst seit dem späten 18. Jahrhundert benutzt (Deventer, Jörg: Konversion und Konvertiten im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Stand und Perspektiven der Forschung, in: Aschkenas Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 15, 2005, S. 257 – 270, hier S. 258). Lotz-Heumann/Mißfelder/Pohlig, Konversion, S. 21. Ebd., S. 21 f. Ebd., S. 22. Eine andere Möglichkeit wäre, wie es Nicole Grochowina tut, den Begriff Konversion für die Gruppe von Menschen zu reservieren, die ihren Glaubensübertritt ausführlich schriftlich verarbeiteten, während der nicht publizistisch verarbeitete Glaubenswechsel von Gemeinden, Gruppen in Territorien oder in den Städten von ihr als »Bekehrung« bezeichnet wird (Grochowina, Nicole: Bekehrungen und Indifferenz in Ostfriesland im 16. Jahrhundert, in: Lotz-Heumann, Ute/Mißfelder, Jan-Friedrich/Pohlig, Matthias (Hrsg.): Konversion und Konfession in der Frühen Neuzeit, Gütersloh, 2007, S. 243 – 270, hier S. 245).

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wirtschaftliche und politische Motive eine Rolle spielen.2448 Gründe für eine Konversion sind in biographischen Ereignissen und Erfahrungen, aber auch in äußeren Zwängen zu suchen.2449 Erst seit dem späteren 17. Jahrhundert rückte immer mehr die persönliche Konversion auf Grund einer subjektiven Glaubensauffassung in den Vordergrund.2450 Generell gilt, dass die Umstände und Hintergründe einer Konversion niemals vollständig ergründet werden können, da dafür die empirische Vielfalt von verschiedenen Motiven, Verbindungen, Struktur- und Sachzwängen zu groß ist.2451 Die Konversionsforschung hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen Aufschwung erfahren.2452 Auffällig ist, dass in neueren Arbeiten der Begriff der (innerchristlichen) Konversion nicht oder nur selten mit den in dieser Arbeit geschilderten Zwangskonversionen verbunden wird. Im Wesentlichen werden zwei Gruppen von Menschen betrachtet: Erstens geht es um den Glaubenswechsel von Gelehrten, Adeligen und Fürsten.2453 Zweitens werden Menschen 2448 Lotz-Heumann/Mißfelder/Pohlig, Konversion, S. 15. 2449 Siebenhüner, Kim: Glaubenswechsel in der Frühen Neuzeit. Chancen und Tendenzen einer historischen Konversionsforschung, in: ZhF 34, 2007, S. 243 – 272, hier S. 265. 2450 Lotz-Heumann/Mißfelder/Pohlig, Konversion, S. 15 f. Entsprechend rücken die von Konvertiten publizierten Konversionsschriften in den Fokus der Forschung, so etwa Carl, Gesine: Catholic-Lutheran-Catholic: Strategies of Justification and Conceptions of the Self in the Conversion Narratives of Johannes Ferdinand Franz Weinberger (1687 – 90), in: MHJ 12, 2009, S. 327 – 353; Lozar, Angelika/Schaser, Angelika: Die Rückkehr zum »wahren Glauben«. Konversionen im 17. Jahrhundert, in: Frühneuzeit-Info 13, 2002, S. 65 – 74; Hindmarsh analysiert die Berichte von Konvertiten hauptsächlich aus evangelischen Erneuerungsbewegungen im englischsprachigen Raum: Hindmarsh, Bruce: The Evangelical Conversion Narrative. Spiritual Autobiography in Early Modern England, Oxford, 2005. 2451 Deventer, Jörg: »Zu Rom übergehen«. Konversion als Entscheidungshandlung und Handlungsstrategie – Ein Versuch, in: Leeb, Rudolf/Pils, Susanne/Winkelbauer, Thomas (Hrsg.): Staatsmacht und Seelenheil. Gegenreformation und Geheimprotestantismus in der Habsburgermonarchie, Wien, München, 2007, S. 168 – 180, hier S. 171. 2452 Ebd., passim; Lotz-Heumann/Mißfelder/Pohlig, Konversion, passim. Augenscheinlich ist auch das Interesse der Forschung an Konversionen zum Katholizismus im Frühneuzeitlichen Frankreich, z. B. Horowski, Leonhard: Konversion und dynastische Strenge: Turenne und das Ende des französischen Hochadelscalvinismus, in: Lotz-Heumann/Mißfelder/Pohlig, Konversion, S. 171 – 211; Luria, Keith: The Power of Conscience? Conversion and Confessional Boundary Building in Early-Modern France, in: Dixon, Scott/Freist, Dagmar/Greengrass, Mark (Hrsg.): Living with religious diversity in Early-Modern Europe, Farnham, 2009, S. 109 – 125; Mißfelder, Jan-Friedrich: Zum König konvertieren. Zur politischen Funktion von Konversionsberichten im Frankreich des frühen 17. Jahrhunderts, in: Lotz-Heumann/Ders./Pohlig, Konversion, S. 147 – 169. 2453 Siebenhüner konstatiert dies hauptsächlich für die ältere Literatur (Glaubenswechsel, S. 245), grundlegend dazu Christ, Günter : Fürst, Dynastie, Territorium und Konfession. Beobachtungen zu Fürstenkonversionen des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts, in: Saeculum 24, 1973, S. 367 – 387. Allerdings hat sich dies auch in der neueren Forschung nicht geändert. Aus der Reihe der vielen aktuellen Beispiele sei genannt: Blaschke, Karlheinz: Der Konfessionswechsel des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. und seine Folgen, in: Gumnior, Klaus (Hrsg.): Sachsen und Polen zwischen 1697

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erforscht, die sich auf Grund ihres mehrere Konfessionen beinhaltenden Umfelds frei für die oder andere Konfession entschieden.2454 Letzteres wird mit dem Begriff Indifferenz umschrieben. Indifferenz im 16. Jahrhundert heißt, dass der Einzelne sich auf dem »Markt der Sinnstiftungen«, der sowohl von den zwei anerkannten Konfessionen als auch von anderen Gruppen bereitgestellt wurde, umsah und dies unter Umständen in sein Glaubensverständnis integrierte.2455 Mit diesem Phänomen wird also nicht umschrieben, dass es den Einzelnen nicht kümmerte, was er für einen Glauben hatte, sondern, dass er verschiedene Glaubensrichtungen als gleichwertig anerkannte und keinerlei Bewusstsein für den Absolutheitsanspruch der einzelnen Konfessionen aufwies.2456 Damit stellt Indifferenz »die Negation, die Verweigerung all dessen, was die Bemühungen um Konfessionalisierung gerade erreichen wollten« dar.2457 Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde im Alten Reich auf beiden Seiten der Konfessionen versucht, den Umgang mit Konvertiten zu institutionalisieren und zu formalisieren, um in erster Linie die Glaubensgesinnung zu prüfen und nicht-religiös motivierte Übertritte auszuschließen. Allerdings kann auf Grund der fehlenden Forschung hierüber nur wenig Allgemeines ausgesagt werden.2458

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und 1765: Beiträge der wissenschaftlichen Konferenz vom 26. bis 28. Juni 1997 in Dresden, Dresden, 1998, S. 210 – 222; Mader, Eric Oliver : Die Konversion Wolfgang Wilhelms von Pfalz-Neuburg: Zur Rolle von politischem und religiös-theologischem Denken für seinen Übertritt zum Katholizismus, in: Lotz-Heumann/Mißfelder /Pohlig (Hrsg.): Konversion, S. 107 – 146; Mennecke-Haustein: Ute: Conversio ad Ecclesiam: der Weg des Friedrich Staphylus zurück zur vortridentinischen katholischen Kirche, Gütersloh, 2003; Dies. Konversionen; Peper, Ines: Konversionen im Umkreis des Wiener Hofes um 1700, Wien, München, 2010; Stillig, Jürgen: Konversion, Karriere und Elitenkultur. Profile kirchlicher Konvertitenführsorge: Ludolf Klencke und Barthold Nihus, in: Niewöhner, Friedrich/ Rädle, Fidel (Hrsg.): Konversionen im Mittelalter und der Frühneuzeit, Hildesheim u. a., 1999, S. 85 – 132; Winkelbauer, Thomas: Fürst und Fürstendiener. Gundakar von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters, Wien, München, 1999. Ausführliche Literatur zu den Ländern der Habsburgermonarchie bei Deventer, Rom, S. 171 Anm. 18. Grochowina, Bekehrungen passim; Kooi, Christine: Conversion in a Multiconfessional Society : The Dutch Republic, in: Lotz-Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hrsg.): Konversion, S. 271 – 285; Volkland, Frauke: Konfession, Konversion und soziales Drama. Ein Plädoyer für die Ablösung des Paradigmas der »konfessionellen Identität«, in: Greyerz, Kaspar von u. a. (Hrsg.): Interkonfessionalität – Transkonfessionalität – binnenkonfessionelle Pluralität. Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, Gütersloh, 2003, S. 91 – 104; Wickersham, Jane: Results of the Reformation: Ritual, Doctrine und Religious Conversion, in: The Seventheenth Century 18, 2003, S. 266 – 289. Grochowina, Bekehrungen, S. 249. Ebd., S. 250. Mulsow, Martin: Mehrfachkonversion, politische Religion und Opportunismus im 17. Jahrhundert. Ein Plädoyer für eine Indifferentismusforschung, in: Greyerz, Kaspar von u. a. (Hrsg.): Interkonfessionalität – Transkonfessionalität – binnenkonfessionelle Pluralität. Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, Gütersloh, 2003, S. 132 – 150, hier S. 134. Siebenhüner, Glaubenswechsel, S. 256.

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7.1.2. Konversion aus Sicht der bambergischen und würzburgischen Bischöfe Die Untersuchung der Rekatholisierungspolitik der bambergischen und würzburgischen Bischöfe hat deutlich gezeigt, dass eine Konversion durch die Einnahme der Kommunion und nach vorheriger Beichte bei einem Priester anzuzeigen war. Hatte man als Stadt- oder Dorfbewohner an diesem Ritus teilgenommen, war der Form genüge getan. Ob diese Konversion wirklich aus dem Innersten kam – was bezweifelt werden darf – oder ob sie äußerlichen Zwängen geschuldet war, spielte hierbei keine Rolle. Auffällig ist zudem, dass nicht versucht wurde, die Untertanen zunächst mit ausführlichen Unterweisungen mit dem katholischen Glauben und den katholischen Riten bekannt zu machen. Diese Bemühungen waren zwar vorhanden, dem Einsatz um die Einnahme der Kommunion aber eindeutig untergeordnet bzw. nachgelagert. Begründet sind diese beiden Beobachtungen in erster Linie durch strukturelle Schwierigkeiten. Die Jahre der beginnenden Rekatholisierung waren gekennzeichnet durch Priestermangel einerseits und schlecht ausgebildete Priester andererseits. Die Verbesserung und Katholisierung der Lebensführung der Menschen in den untersuchten Orten musste in erster Linie durch den Einfluss der dort wirkenden Priester erreicht werden und konnte folglich erst in Angriff genommen werden, als genügend gut ausgebildete Priester vorhanden waren. Hinzu kommt, dass das Herrenmahl einen der strittigsten Punkte zwischen Protestanten und Katholiken darstellte. Damit war die Einnahme der Kommunion gut geeignet, in einer von konfessionellen Mischformen geprägten Zeit eine eindeutige Konfessionszugehörigkeit anzuzeigen. Zum anderen war die Einnahme der Kommunion relativ leicht zu kontrollieren.2459 Zudem ist aufgefallen, dass die Bischöfe den konfessionellen »Abweichlern« praktisch immer die Möglichkeit einer Konversion einräumten. Dies geschah auch in den Fällen, in denen wiederholt die Aufforderung zur Kommunion ignoriert wurde und auch bei solchen, die nach Einnahme der Kommunion anschließend wieder zu einem Prädikanten ausgelaufen waren. Ebenso wurde die Wahlmöglichkeit Emigration oder Konversion bis zum letzten Moment aufrecht erhalten. Nur in seltenen Fällen wurden Einzelpersonen ausgewiesen mit dem Hinweis, eine Hinwendung zum katholischen Glauben werde nicht mehr erfolgen und entsprechend sollte es für sie keine Wahlmöglichkeit mehr geben. Außerdem war es zu jeder Zeit möglich, aus der Emigration zurückzukommen und doch noch katholisch zu werden.2460 2459 Die in vielen Territorien zur besseren Kontrolle ausgegebenen Beichtzettel ließen sich für die untersuchten Orte nicht nachweisen. 2460 Einzelnachweise s. Kapitel 7.2.

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Da aus der Regierungszeit Bischof Johann Philipps (reg. 1599 – 1609) eine Instruktion für Gesandte überliefert ist, lassen sich in diesem Fall noch differenziertere Aussagen treffen. Die Gesandten wurden aufgefordert, die verbleibenden Protestanten im ganzen Hochstift vor die Wahl der Konversion oder Emigration zu stellen. Diejenigen, die bisher versprochen hatten, zu konvertieren, es aber nicht getan hatten, sollten ermahnt werden, endlich ihr Versprechen zu erfüllen. Diejenigen aber, die sich zur Kommunion eingestellt hatten, aber diese nur einmal eingenommen hatten und möglicherweise danach wieder wegen des Abendmahls zum Prädikanten gegangen waren, sollten sofort bestraft werden.2461 Es wird deutlich: Die »Rückfälligen« sollten gleich bestraft werden, die Saumseligen erhielten noch eine Bedenkzeit. Offenbar war also eine bereits vollzogene katholische Konversion und ein anschließender »Rückfall« in den Augen von Johann Philipp deutlich gravierender als ein bisheriges Ignorieren des katholischen Ritus’. Sein späterer Nachfolger Johann Georg (reg. 1623 – 33) wich in dieser Frage deutlich ab. Die Grafengehaiger hatten nur ein einziges Mal auf Grund direkter Gewalteinwirkung die Kommunion eingenommen. Obwohl sie die folgenden Monate weiter konsequent zu allen Sonn- und Feiertagen ausliefen, galten sie dem Bischof trotzdem als katholisch. Seine Maßnahmen ordnete er an, damit sie nicht »rückfällig« wurden. Dies geschah, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt längst wieder in den lutherischen Gottesdienst gingen und das Abendmahl einnahmen, also längst »rückfällig« geworden waren. Es zeigt sich, dass für diesen Bischof eine Kommunion eine dauerhafte Konversion zum Katholizismus bedeutete, die durch folgende Handlungen nicht mehr so einfach rückgängig gemacht werden konnte.

7.1.3. Konversion aus Sicht der Untertanen Wie auch für die Bischöfe war für die Untertanen das Herrenmahl der entscheidende Faktor, der als konstitutiv für die Glaubenszugehörigkeit interpretiert wurde. Allerdings war ein Bewusstsein für den Absolutheitsanspruch der jeweiligen Konfession nicht ausgeprägt, Mischformen überlebten die ersten Wellen der Rekatholisierungspolitik. In etlichen Fällen (z. B. Neukenroth, Teuschnitz, Gerolzhofen) waren die Untertanen bereit, gewisse katholische Riten und Bräuche (etwa Gottesdienstbesuche) durchzuführen, so lange sie nur das Herrenmahl nach lutherischem Ritus einnehmen konnten. Dieses Angebot war für die Bischöfe allerdings inakzeptabel. Die Gegebenheiten kamen den Unter2461 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 485 Religionsmandat Bischof Johann Philipps, 29. August 1600.

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tanen in dieser Frage aber entgegen: Lutherische Gottesdienste waren von keinem der untersuchten Orte weit entfernt. Zum zweiten war das Abendmahl nicht auf den Ostertermin beschränkt wie die Kommunion bei den Katholiken, sodass es deutlich mehr Gelegenheiten für die Teilnahme am Abendmahl gab.2462 Für einige der Bischöfe war die einmalige Einnahme der Kommunion genug, um für alle Zeiten die Zugehörigkeit zum katholischen Glauben bewiesen zu haben. Aus Sicht der Untertanen stellte sich dies aber deutlich anders dar. In einigen Fällen wurde die Kommunion als etwas empfunden, das man einmal erledigte und dann nicht mehr zu tun brauchte. Offenbar war die Einnahme eine direkte Reaktion auf zu stark gewordenen Druck, die aber nichts für die Zukunft bedeutete. Zudem wurde eine einmalige Kommunion auch nicht immer als Konversion begriffen. Die Zusammenschau aus den Kommunionsübersichten und den Ausläufern hat gezeigt, dass in einigen Fällen auch nach der Einnahme der Kommunion weiterhin ein lutherischer Gottesdienst aufgesucht und das Abendmahl eingenommen wurde. Der Aussage, dass die katholische Kirche im Verhältnis zu ihrem protestantischen Pendant die Übereinstimmung von formalen Bekenntnis und tatsächlicher Glaubensüberzeugung weniger Bedeutung beimaß,2463 ist für die fränkischen Bischöfe unbedingt zuzustimmen. Anhand der Kommunionslisten im Abgleich mit den Ausläufern lässt sich deutlich erkennen, dass jemand auch dann noch als Katholik galt, wenn sein gesamtes Verhalten (insbesondere die Einnahme des Abendmahls bei Prädikanten) dagegen sprach. Zudem wurde auch noch Jahrzehnte nach dem äußerlich angezeigten Glaubenswechsel über die mangelnde Verinnerlichung der katholischen Werte und Riten geklagt.2464

2462 Die Kirchenbücher der Pfarreien Kulmbach und Gräfenberg geben für das Abendmahl regelmäßig unter anderem die folgenden Tage an: Weihnachten, Neujahrstag, Lichtmess (2. Februar), Palmsonntag (Sonntag vor Ostern), Quasimodogeniti (erster Sonntag nach Ostern), Pfingsten, Trinitatis (1. Sonntag nach Pfingsten). (LAELKB Kirchenbücher Gräfenberg und Kulmbach). Gräfenberg liegt im Süden Oberfrankens ca. 10 km von Neunkirchen am Brand entfernt. Kulmbach im östlichen Teil Oberfrankens liegt etwa 12 km von Rugendorf und 19 km von Grafengehaig entfernt. 2463 Lotz-Heumann/Mißfelder/Pohlig, Konversion, S. 29. 2464 Einige Beispiele sind mangelnder Gottesdienstbesuch, Brechen der Fasten- und Feiertagsgebote, Einhaltung des alten Kalenders, Aberglaube, Ablehung der letzten Ölung (AEB Rep. I Nr. 742 fol. 143v, 18. Dezember 1614; ebd. fol. 272r, Dezember 1615; StABa B 49 Nr. 191/29 II Karl Zilfelder, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Wolfgang Öttlein, 28. Mai 1615; ebd. Karl Zilfelder, Pfarrer von Teuschnitz an Fiskal Wolfgang Öttlein, 5. Januar 1616; Lang, Gerolzhofen, passim; Specker, Reformtätigkeit, S. 100.

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7.2. Auswanderung 7.2.1. Einführung Auswanderung ist ein vielschichtiges Thema, das zu allen Zeiten in allen Regionen eine Rolle gesielt hat.2465 Entsprechend ist die Erforschung dieses Phänomens zahlreich und breit gestreut.2466 Dabei kommen zwei Perspektiven zum Tragen: Die der Zurückbleibenden und die der Auswanderer bzw. Einwanderer.2467 Die Ursachen sind äußerst facettenreich, sie können ökonomischer oder ökologischer, sozialer, kultureller, religiöser und politischer Natur sein.2468 Im Fordergrund der vorliegenden Untersuchung steht die Migration aus Glaubensgründen, die (im innerchristlichen Bereich) bis auf wenige Ausnahmen ein Phänomen des 16. und 17. Jahrhunderts sind.2469 Auslöser dieser Wanderungsbewegung war die Tatsache, dass katholische, lutherische und calvinistische Landesherren einen jeweils konfessionell geschlossenen Untertanenverband anstrebten in der Annahme, sozialer Frieden korreliere mit der Konfessionseinheit des Territoriums.2470 Die zumeist mit Gewalt durchgeführte Vertreibung ist in erster Linie von katholischen Territorialherren durchgeführt worden, allerdings gibt es auch Beispiele aus den anderen Konfessionen.2471 Ein derzeit 2465 Bade, Klaus J.: Historische Migrationsforschung, in: Ders. (Hrsg.): Migration in der europäischen Geschichte seit dem späten Mittelalter. Vorträge auf dem Deutschen Historikertag in Halle a. d. Saale, 11. September 2002, Osnabrück, 2002, S. 21 – 44, hier S. 21. In der neueren Forschung wird häufig der Begriff »Migration« zu Gunsten der »Auswanderung« genutzt, der offener gestaltet werden kann (Hoerder, Dirk: Geschichte der deutschen Migration. Vom Mittelalter bis heute, München, 2010, S. 11) Da aber in der vorliegenden Untersuchung der Fokus des Abzugs von Lutheranern in eine neue Heimat liegt, wird entsprechend »Auswanderung« verwendet. 2466 Bade, Klaus J.: Einführung: Migration in der europäischen Geschichte seit dem späten Mittelalter, in: Ders. (Hrsg.): Migration in der europäischen Geschichte seit dem späten Mittelalter. Vorträge auf dem Deutschen Historikertag in Halle a. d. Saale, 11. September 2002, Osnabrück, 2002, S. 7 – 20, hier S. 7. 2467 Hoerder, Geschichte, S. 10. 2468 Bade, Migrationsforschung, S. 21. 2469 Schilling, Heinz: Die frühneuzeitliche Konfessionsmigration, in: Bade, Klaus J. (Hrsg.): Migration in der europäischen Geschichte seit dem späten Mittelalter. Vorträge auf dem Deutschen Historikertag in Halle a. d. Saale, 11. September 2002, Osnabrück, 2002, S. 67 – 89, hier S. 68. Die Forschung zu diesem Themenbereich ist groß, als Beispiele seien hier genannt Bahlcke, Joachim/Bendel, Rainer (Hrsg.): Migration und kirchliche Praxis. Das religöse Leben frühneuzeitlicher Glaubensflüchtlinge in alltagsgeschichtlicher Perspektive, Köln u. a., 2008; Böhm, Manuela u. a. (Hrsg.): Hugenotten zwischen Migration und Integration. Neue Forschungen zum Refuge in Berlin und Brandenburg, Berlin, 2005; Haver, Charlotte E.: Von Salzburg nach Amerika. Mobilität und Kultur einer Gruppe religöser Emigranten im 18. Jahrhundert, Paderborn u. a., 2011. 2470 Schilling, Konfessionsmigration, S. 68 f. 2471 Ebd., S. 69.

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noch wenig in den Blick genommenes Forschungsfeld ist die erzwungene Auswanderung von Katholiken in Randzonen Europas, etwa Schweden, England und den Niederlanden.2472 Insgesamt muss davon ausgegangen werden, dass die religöse Verfolgung eine gleichwohl wichtige, aber nicht die ausschließliche Ursache dieser Migration war.2473 Die Bischöfe von Bamberg und Würzburg stellten ihre Untertanen vor die Wahl, entweder die katholische Konfession anzunehmen oder aber ihren lutherischen Glauben zu behalten und in ein lutherisches Territorium auszuwandern. Im Augsburger Religionsfrieden von 1555 war denjenigen Untertanen mit einem abweichenden Glaubensbekenntnis die Möglichkeit zur Auswanderung eingeräumt worden. Die hochstiftischen Obrigkeiten interpretierten den einschlägigen Paragraphen in der Gestalt, dass ihnen als Landesherrn auch die Möglichkeit gegeben worden war, andersgläubige Untertanen auszuweisen.2474 Im folgenden Kapitel soll untersucht werden, was passierte, wenn sich Untertanen tatsächlich für eine Auswanderung entschieden hatten. Dabei muss das Analyseraster teilweise von den bisher untersuchten Punkten abweichen. Im ersten Unterkapitel werden wie bisher (1) Zeiträume und (2) beteiligte Personen untersucht. Als neue Kategorien kommen hinzu (3) Auswanderungsziele, (4) Nachsteuer, (5) Güterverkauf, (6) Konflikte mit den Zurückgebliebenen. Generell wird der Fokus des Kapitels 7.2. auf dem Hochstift Würzburg liegen. Auswanderungen kamen zwar grundsätzlich auch im Hochstift Bamberg vor, konnten aber in den untersuchten Orten kaum nachgewiesen werden.

7.2.2. Zeiträume und beteiligte Personen In Bamberg kamen Auswanderungen während der Regierungszeit Neitharts in den 1590er Jahren vor, auch zu Beginn der Regierungszeit Johann Gottfrieds 1609. Abgesehen von dem Sonderfall Kitzingen (große Auswanderungswelle in den Jahren 1629/30) war die Auswanderung von Lutheranern im Hochstift Würzburg ein Phänomen der 1580er Jahre. Sie setzte unmittelbar nach der 2472 Braun, Bettina: Katholische Konfessionsmigration im Europa der Frühen Neuzeit – Stand und Perspektiven der Forschung, in: Jürgens, Henning/Weller, Thomas (Hrsg.): Religion und Mobilität. Zum Verhältnis von raumbezogener Mobilität und religiöser Identitätsbildung im frühneuzeitlichen Europa, Göttingen, 2010, S. 75 – 112 passim. 2473 Jürgens, Henning/Weller, Thomas: Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Religion und Mobilität. Zum Verhältnis von raumbezogener Mobilität und religiöser Identitätsbildung im frühneuzeitlichen Europa, Göttingen, 2010, S. 1 – 12, hier S. 3. 2474 Einzelnachweise und ausführliche Besprechung dieses Sachverhalts s. Kapitel 6.5. Es soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass es nicht eine richtige und eine falsche Auslegung des Auswanderungsparagraphen gibt, sondern beide Lesarten hinreichend begründet werden können.

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Rundreise Julius Echters durch sein Hochstift in den Jahren 1585/86 ein und war innerhalb von wenigen Monaten abgeschlossen. Schwierigkeiten zwischen Ausgewanderten und den Bischöfen einerseits und den Ausgewanderten und den Zurückgebliebenen andererseits zogen sich aber weitaus länger hin. Betrachtet man den Untersuchungsraum im Verhältnis zum restlichen Reich, fällt auf, wie früh es in Franken zu konfessionell bedingter Auswanderung kam. So verließen die meisten Protestanten in Inner- und Oberösterreich nach verschärften Edikten 1628 ihre Heimat.2475 Auch die nord- und nordwestdeutschen geistlichen Herrschaften stellten ihre Untertanen erst in den ersten zwanzig Jahren des 17. Jahrhunderts vor die Wahl Emigration oder Konversion.2476 In Schlesien wurden Protestanten auch noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vertrieben.2477 Ein spätes Beispiel stellen die protestantischen Auswanderer aus Salzburg dar, bei der 1731/32 über 20.000 Menschen die alte Heimat verließen.2478 Hochstift Bamberg Teuschnitz Eine genaue Mengenangabe für die Auswanderer aus Teuschnitz ist sehr schwierig. Es gibt keine Übersichten oder andere Listen. Es ist aber davon auszugehen, dass in den Jahren 1598/99 einige wenige Auswanderer die Stadt verließen.2479 Über ihre soziale Stellung kann nichts ausgesagt werden. Forchheim Im Laufe des Jahres 1594 schrieben ein Dutzend Forchheimer Bürger einen Bittbrief an Bischof Neithart, sie wollten bei ihrer lutherischen Konfession bleiben.2480 Da Neithart nicht darauf reagierte, blieben vier der Supplikanten lutherisch und wanderten noch im gleichen Jahr nach Ungarn aus.2481 Die Umstände und spezifischen Hintergründe bleiben aber völlig im Dunkeln.

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Herzig, Zwang, S. 155. Ebd., S. 158. Ebd., S. 157. Ebd. S. 177. StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 573 Niklas Georg, Richter und Bürgermeister von Teuschnitz an Bischof Johann Philipp, 23. Mai 1599. 2480 StABa B 49 Nr. 47/02 Georg Muding, Kastner von Forchheim an Bischof Neithart, 23. September 1594. 2481 Ebd.

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Hochstift Würzburg Gerolzhofen Die Auswanderungen von überwiegend besitzenden Handwerkern setzten in Gerolzhofen nach dem persönlichen Besuch Bischof Julius Echters 1586 ein, in dessen Verlauf er seine Untertanen vor die Wahl Konversion oder Emigration gestellt hatte. Für die Stadt liegt eine Übersicht aller Auswanderer aus dem Jahr 1591 vor.2482 Sie führt etwas über 66 Personen auf, die ausgewandert waren. Eine konkrete Zahl ist nicht möglich, da in zwei Fällen nicht Personen, sondern die Erben von zwei Personen angegeben wurden und unklar ist, um wie viele Personen es sich dabei handelte.2483 In drei Fällen wurde explizit angegeben, dass die Auswanderung nicht aus religiösen Gründen erfolgte.2484 Nimmt man pro Haushalt im Durchschnitt vier bis fünf Personen an,2485 kann man davon ausgehen, dass insgesamt ca. 250 – 350 Personen ausgewandert sind. Rechnet man für Gerolzhofen eine Einwohnerzahl von etwa 350 – 400 Familien und damit von circa 1400 – 2000 Einwohnern, beträgt der Anteil der Auswanderer circa 15 – 20 %. Bei den meisten Auswanderern hat es sich nicht um arme Menschen gehandelt.2486 Nur bei zweien erfolgte der Zusatz »hat nichts zu verkauffen gehabt«.2487 Genaue Angaben macht die Liste über die wirtschaftliche Situation nur in wenigen Fällen. In mindestens zwölf Fällen besaßen die Auswanderer ein Haus

2482 Für alle folgenden Zahlen, Orte und Besitzangaben: StAW Adm. f. 417/8383 »verzeichnis aller derjenigen welche von gerolzhoven aus an andere ort und wohin ein jeder gezogen, auch was sie vom (15)86 bis im (15)91 jahr zu gerolzhoven verkaufft und dann wievil und was sie noch und ein jeder insonderheit alda zuverkauffen«. Da in der Regel jeweils der Name eines Mannes angegeben ist (Ausnahmen sind eine Witwe und in zwei Fällen die Erben eines Mannes), ist davon auszugehen, dass zumeist von einer Familie oder einem Haushalt die Rede ist. 2483 Gerolzhofen war nicht die einzige Landstadt im Stift, die durch die Rekatholisierung einen Einwohnerverlust verkraften musste. Aus Dettelbach (17 km von Würzburg entfernt) wanderten 70 Familien aus, aus Karlstadt (26 km von Würzburg entfernt) 80 Familien, aus Münnerstadt (58 km von Würzburg entfernt) sogar mehr als 80 Familien. (Wendehorst, Bischofsreihe, S. 197 f.). 2484 Heppe, Restauration, S. 168 geht von insgesamt 66 Bürgern aus. Anders Sixt, der aus einer Akte des Gerolzhofener Rates zitiert, es seien insgesamt 72 Bürger (teilweise mit Familie) und drei Hausgenossen ausgewandert (Gerolzhofen, S. 171). Merz wiederum geht von 80 Familien aus (Landstadt, S. 72). 2485 Der Faktor ergibt sich aus einer Liste von Auswanderern der Stadt Kitzingen, s. dort. 2486 Dass die Auswanderer überwiegend aus den Führungsschichten stammten, belegte Merz auch für die mit Gerolzhofen vergleichbaren würzburgischen Landstädte Karlstadt, Münnerstadt und Neustadt/Saale (Landstadt, S. 72 f). 2487 Einige ausgewanderte Familien waren so wohlhabend, dass sie ein Vermögen von mehr als 100.000 Gulden mit aus der Stadt nahmen (Sixt, Gerolzhofen, S. 171).

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in Gerolzhofen.2488 In einigen Fällen werden die Berufe mit angegeben, wobei nur Handwerker vorkommen: Schuster, Kannengießer, Buchbinder, Bäcker, Schneider, Maurer, Kürschner, Metzger, Müller, Schreiner, Schneider und Sattler ; ein Winzer wird erwähnt. Zudem waren unter den Auswanderern vier Mitglieder des Rates.2489 In einem Fall wollte ein Auswanderer wieder zurückkehren. Ein Mann namens Hans Stiller, der ins benachbarte Hirschfeld gezogen war, bat darum, dass man ihn nach einer Konversion wieder in Gerolzhofen aufnehme. Dieser Bitte wurde stattgegeben unter der Voraussetzung, dass die Konversion auch tatsächlich erfolgt war.2490 Insgesamt zeigt sich für Gerolzhofen, dass die Auswanderung in einem relativ kurzen Zeitraum (im Jahr 1586) erfolgte. Zudem stammte die Mehrheit der Auswanderer aus der vermögenden Schicht, teilweise waren es auch Mitglieder der Stadtverwaltung. Etwa 15 – 20 % der Gerolzhofener wanderten aus. Die Rückkehr nach Gerolzhofen im Falle einer später erfolgten Konversion war möglich. Iphofen In Iphofen wanderten in der ersten Jahreshälfte 1586 einige Personen aus, die aus der wohlhabenden Schicht stammten. Die genaue Zahl der Auswanderer lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Eine ursprünglich vorhandene Liste ist verloren gegangen.2491 Insgesamt lässt sich die Auswanderung von 21 Bürgern rekonstruieren.2492 Zwei Auswanderer kehrten 2488 Zwölf Personen gaben an, sie hätten alles verkauft bis auf das Haus. Viele Auswanderer hatten zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts verkauft. Da die vorliegende Übersicht in diesem Fall den Besitz nicht detailliert beschreibt, ist unklar, ob es sich dabei um Hausbesitzer handelte oder nicht. 2489 Sixt, Gerolzhofen, S. 171. 2490 StAW Geistl. Sachen 3082 Bischof Julius an Vogt von Gerolzhofen 6. August 1588. 2491 Der Keller und Schultheiß von Iphofen, Georg Schirmer, berichtete am 1. Februar 1592 nach Würzburg, dass er sowohl der Kanzlei als auch der Kammer jeweils eine solche Übersicht hatte zukommen lassen, deswegen führe er in diesem Schreiben nur noch die Besitzveränderungen bei den Auswanderern auf, die sich seitdem ergeben hatten (StAW Adm. f. 417/8383 Georg Schirmer, Keller und Schultheiß von Iphofen an Bischof Julius). Die ursprünglichen Listen waren nicht aufzufinden. 2492 StAW Geistliche Sachen 3069 »Verzeichnus derjenigen underthanen denen im stifft wurtzburg wieder altherkommen von ihren hinterlassenen guetern nachsteuer abgetrungen worden und noch erfordert werde«, 1589, 1594; StAW Adm. f. 417/8383 »verzeichnis etlicher aus dem stifft wurzburg der religion halben vertriebenen underthanen beschwernuß, die sie zu kitzingen den brandenburgischen abgeordneten rhäten furgebracht«, 15./16. Juni 1590; ebd. Georg Schirmer, Keller und Schultheiß von Iphofen an Bischof Julius, 1. Februar 1592; StAN Fm Ansbach Religionsakten Tom. XLI »ettliche deren zu Iphoven vertriebene jetzt Bürger zu Mainbernheim beschwerungen«, 13. Februar 1589; ebd. »Verzeichnus derjenigen Personen, so auß dem Stifft Würzburg sich gehn

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im Sommer 1586 wieder zurück, konvertierten und erhielten ihr Bürgerrecht zurück.2493 Die abwandernden Protestanten waren teilweise begütert gewesen, während die neu aufgenommen Iphöfer, die zur Kompensation der Abgezogenen aufgenommen wurden, eher wenig besaßen, sodass sich die Sozialstruktur des Ortes nachhaltig hin zu einer Vergrößerung der sozial schwächeren Schichten entwickelte. Zudem nahm das Betteln zu.2494 Kitzingen Als Kitzingen 1629 durch Pfandablösung wieder an das Hochstift kam, wurden alle Einwohner der Stadt aufgefordert sich einzustellen oder auszuwandern.2495 Daraufhin verließen über 1.068 Personen die Stadt. Insgesamt haben 208 Familien und damit 1.068 Personen die Stadt verlassen.2496 Den Auswanderern standen 366 Haushaltsvorstände und circa 1.700 Personen gegenüber, die sich für eine Konversion entschieden.2497 Die zur reichen Oberschicht zählenden Bürger wohnten vor 1629 überwiegend in der inneren Stadt, während weniger Begüterte sich überwiegend in den beiden anderen Vierteln aufhielten.2498 Betrachtet man die Verteilung der Auswanderer auf die drei Stadtviertel, ergibt sich eine deutliche Überzahl der reichen Bevölkerung: Aus der inneren Stadt waren es 111 Haushalte mit 629 Personen, während sich 85 Haushalte mit circa 500 Personen für eine Konversion entschieden. In

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Kitzingen begeben, und wie es bisher mit erbauung ihrer im Stifft wurzburg hinderlassenen gutter gehallten worden«, o. Dat.; Brombierstäudl, Iphofen. S. 22; Endres, Iphofen, S. 351; Schubert, Gegenreformationen, S. 303. Endres, Iphofen, S. 354. Ebd., S. 353. Sicken, Politische Geschichte, S. 294. StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«. Die genauen Zahlen ergeben sich aus der Tatsache, dass sowohl Haushaltsvorstände der Auswanderer als auch die mit-auswandernden Personen aufgeführt werden, vgl. Teilabdruck der Akte bei Buchwald, evangelische Gemeinde, S. 115 – 126. Anders Hock (Kitzingen, S. 68 f.), der von rund 240 Familien und über 1.100 Menschen ausgeht. Die Zahl der Haushaltsvorstände der Zurückgebliebenen ist in der Akte präzise angegeben, während die Anzahl der insgesamt in Kitzingen zurückgebliebenen Personen geschätzt wurde: In der überwiegend von wohlhabenden Menschen bevölkerten Innenstadt wanderten 111 Familien mit insgesamt 629 Personen aus, in den beiden anderen Vierteln wanderten zusammen 97 Familien mit insgesamt 439 Personen aus. Daraus wurde die jeweilige Durchschnittsgröße eines Haushaltes in den einzelnen Stadtvierteln errechnet und anschließend auf die Haushalte der Zurückgebliebenen (Innenstadt: 85; 1. und 2. Viertel: 281) übertragen. Hock, Kitzingen, S. 36; Bator†, Besitzverhältnisse, S. 158.

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den beiden ärmeren Stadtvierteln zusammen entschieden sich 97 Familien mit insgesamt 439 Menschen für einen Auszug, während 281 Haushalte mit ungefähr 1200 Personen in der Stadt verblieben. In zwei Fällen berichtet die Übersicht davon, dass jemand auswanderte und ob der hohen Kosten doch wieder zurückkam und die Konversion vollzog. Unter den Kitzinger Auswanderern befanden sich viele Personen, die in der Stadtverwaltung beschäftigt waren: Oberamtmann2499 Conrad Zorn, Kastner Georg Ludwig Bayer, Zentgraf2500 Johann Georg Hupp, Vogt Daniel Manstetten, Stadtschreiber Paul Rücklein, Stadtknecht Hans Reinhard, der brandenburgische Kanzler Philip Eiselein und 18 der 24 Ratsherren.2501 Dazu kommen Händler und Handwerker. Insgesamt liegen über 45 unterschiedliche Berufsbezeichnungen vor.2502 Vergleicht man die abgewanderten Berufsgruppen mit Steuerlisten aus den Jahren 1566 und 1615, ist zu vermuten, dass manche Berufsgruppen vermutlich vollständig aus Kitzingen verschwanden,2503 darunter ele2499 Der Oberamtmann, meistens ein Adeliger, vertrat die Rechte und Interessen des Markgrafen und kontrollierte die anderen Amtsträger (Weyrauch, Politische Führungsschicht, S. 221). 2500 Während eigentlich der Vogt für die Rechtspflege und Rechtsprechung zuständig war, fielen in den Verantwortungsbereich des Zentgrafen ausschließlich die schweren Verbrechen (Weyrauch, Politische Führungsschicht, S. 221). 2501 StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«. Bei den Ratsherren handelte es sich um zehn Mitglieder des Inneren Rates, sieben Mitglieder des Äußeren Rates und ein nicht näher bezeichnetes weiteres Ratsmitglied. Anders Hock, Kitzingen, S. 67, der von 20 ausgewanderten Ratsherren ausgeht. 2502 Genannt werden (in Klammern die Anzahl der Personen, wenn es mehr als eine Nennung gab): Apotheker (2), Arzt (2), Barbier (2), Bäcker (4), Beutler (=Beutel-Hersteller), Bildhauer, Buchbinder, Büttner (3), Dachdecker, Drechsler, Eisenkrämer (2), Gastwirte (3), Gewürzkrämer, Goldschmied (2), Häffner (=Töpfer), Händler (2), Huther (=Hutmacher)), Hutstaffierer, Juristen (2), Kannengießer, Kirchenpersonal (neben den zwei Diakonen, dem Klosterpfarrer und dem Dekan noch Kantor, Kirchenpfleger (2), Organist und ein Kirchner), Lebkuchner, Lederhändler (3), Leinwandstuchkrämer, Maurer, Metzger (2), Musikant (3), Messerschmied (3), Nestler (=Schnürriemen- und Schnürsenkelmacher), Sattler, Schneider (8), Schreiner (2), Schulpersonal (Rektor, Konrektor, Schulmeister (2)), Schuster (3), Seckler (3), Spengler, Tuchmacher, Tuchscherer (3), Uhrenmacher, Wagner, Weißgerber, Visierer (Visierer waren eine Art Sachverständiger für die Begutachtung und Taxierung von Erbschafts- und Verkaufssachen, (Weyrauch, politische Führungsschicht, S. 224)), Zimmermann. 2503 Legt man die Übersicht bei Weyrauch (Weyrauch, Erdmann: Zur sozialen und wirtschaftlichen Situation Kitzingens im 16. Jahrhundert, in: B‚tori, Ingrid/Ders. (Hrsg.): Die bürgerliche Elite der Stadt Kitzingen. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte einer landesherrlichen Stadt im 16. Jahrhundert, Stuttgart, 1982, S. 27 – 91, hier S. 47 f) zu Grunde und geht davon aus, dass sich die Mengenverhältnisse nicht grundsätzlich von den

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mentare Berufe wie Ärzte und Apotheker. Trotz des florierenden Weinhandels wurde in Kitzingen das meiste Geld mit dem Handwerk verdient.2504 Über den Zeitpunkt der Auswanderung wiederum lassen sich nur wenige Angaben machen. Die Übersicht der Auswanderer spricht von 1629/30. Einige Personen, die später auswanderten, lassen sich sich noch Anfang Januar 1630 in Kitzingen fassen.2505 Nach Einmarsch der Schweden kehrten einige Auswanderer wieder nach Kitzingen zurück2506 und forderten ihren Besitz und ihre Unkosten, die sie wegen des Abziehens hatten, wieder zurück.2507 Nach dem schwedischen Intermezzo tauschte Bischof Franz von Hatzfeld den evangelischen Prediger gegen einen Priester aus, verbot das Auslaufen, wies die Evangelischen in der Stadt aber nicht aus. Hatzfelds Nachfolger Johann Philipp erlaubte ab 1647 den Besuch des evangelischen Gottesdienstes in einigen markgräflichen Orten in der Umgebung.2508 Im Jahr 1649 rief er sogar zur Einwanderung nach Kitzingen auf bei gleichzeitiger Versicherung der Religionsfreiheit für Lutheraner.2509 Diese Politik führte dazu, dass einige Auswanderer wieder nach Kitzingen zurückkehrten.2510 Bei der starken Auswanderungswelle von 1629/30 kam es auch zu Trennungen innerhalb von Familien. Insgesamt sind sechs Fälle bekannt. In drei Fällen verließ die Ehefrau mit Kindern die Stadt, während der Ehemann katholisch in Kitzingen zurückblieb. In drei weiteren Fällen wanderte der Mann mit anderen Mitgliedern des Haushaltes aus, während die Ehefrau (vielleicht mit Teilen des

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Werten von 1566 und 1615 unterscheiden, fehlten nach der Auswanderungswelle von 1629/30 vollständig die Gold- und Messerschmiede, Kannengießer, Uhrmacher, Hutstepper, Beutler, Ärzte, Apotheker, Visierer, Eisenkrämer, Lederhändler und Nestler. Da diese Übersicht unvollständig bleiben musste (so Weyrauch, S. 49) sind u. U. noch weitere Berufsgruppen betroffen. Bator†, Besitzverhältnisse, S. 160 StAW H V MS f.* 28 Bericht des fürstbischöflich-würzburgischen Stadtvogts Haldenberger zu Kitzingen an den Fürstbischof Philipp Adolf zu Ehrenberg über die Verweigerung mehrerer Bürger, die katholische Kirche zu besuchen, 11. Januar 1630. Zum Beispiel der vorherige Stadtschreiber Paul Rücklein, der dieses Amt auch unter den Schweden ausführte (Bator†, Ingrid/Weyrauch, Erdmann: Prosopographie der bürgerlichen Elite Kitzingens, in: Dies. (Hrsg.): Die bürgerliche Elite der Stadt Kitzingen. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte einer landesherrlichen Stadt im 16. Jahrhundert, Stuttgart, 1982, S. 315 – 879, hier S. 635). Deinert, Schwedische, S. 112. Zeeden, Toleranzedikt, S. 149 f. Ebd, S. 157. Hock, Kitzingen, S. 70; StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«.

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Haushaltes2511) zurückblieb.2512 In diesen Fällen waren die Auswanderungsorte Mainbernheim, Prichsenstadt, Gochsheim, Marktstefft und Sickershausen. Bei Mainbernhaim, Marktsteft und Sickershausen (4 – 7 km entfernt) wäre es denkbar, dass diese Regelung getroffen worden ist, damit der Besitz nicht verkauft werden musste und von einem Ehepartner weiterhin verwaltet werden konnte. Bei Prichsenstadt (20 km) und Gochsheim (38 km) will dieses Argument auf Grund der größeren Entfernung nicht mehr im gleichen Maße verfangen. Betrachtet man also die Entwicklung der Auswanderung in Kitzingen im Ganzen, sind die augenfälligsten Tatsachen, dass erstens eine sehr große Menge von Menschen auswanderte und zweitens überwiegend die wohlhabenden Familien. Beides verwundert nicht. Kitzingen hatte 100 Jahre ein institutionalisiertes Luthertum in der Stadt gehabt. Auch die soziale Schichtung der Auswanderer ist wenig überraschend. Eine Auswanderung war eine große finanzielle Belastung, bei der nicht nur durch Nachsteuer Vermögen verloren ging. Die Tatsache, dass in der Auswanderer-Übersicht keine Berufe vorkamen, die mit Landwirtschaft und Weinbau zusammenhängen, weist zusätzlich darauf hin, dass die einfachen Arbeiter und Bauern sich gegen eine Auswanderung entschieden bzw. entscheiden mussten.2513 Daraus kann die These abgeleitet werden, dass eine Entscheidung für oder gegen eine Auswanderung nicht nur von der inneren religiösen Einstellung bestimmt wurde, sondern auch wirtschaftliche Elemente stark berücksichtigt werden mussten. Durch die Auswanderung wurde die wirtschaftliche Kraft Kitzingens deutlich geschwächt.2514 Die Toleranzpolitik Bischof Johann Philipps von Schönborn ist daher mindestens teilweise auch von wirtschaftlichen Argumenten bestimmt. Wenn er nach dem Dreißigjährigen Krieg den Weinbau revitalisieren und die

2511 Da die Mitglieder des Haushaltes nur bei den Auswanderern, nicht jedoch bei den Zurückbleibenden angegeben ist, kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob nicht ein Teil der Familie oder des Gesindes ebenfalls in Kitzingen zurückblieb. In einem Fall wird explitzit angegeben, dass der Ehemann mit zwei Kindern auswanderte, während die Frau mit einem weiteren Kind zurückblieb. 2512 StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«. 2513 Allerdings muss man davon ausgehen, dass ein Teil der Weinbergsarbeit durch Auswärtige erledigt wurde, die nur in der Saison nach Kitzingen kamen (B‚tori, Besitzverhältnisse, S. 106 f.). 2514 Hock, Kitzingen, S. 69.

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Steuerkraft der Stadt heben wollte, hatte er keine andere Wahl, als auch Lutheranern den Zuzug bei gleichzeitiger Glaubensausübung zu erlauben.2515 Gemünden Da in Gemünden nur ein einziger Auswanderer in den gesichteten Quellen fassbar ist, ist eine Aussage schwierig.2516 In der Literatur finden sich verschiedene Angaben über die Menge der Gemündener, die nicht konvertieren wollten und stattdessen die Auswanderung vorzogen. Die Anzahl geht von »zwei«2517 über »einige«2518 bis hin zu »viele«2519 Auswanderer.

7.2.3. Auswanderungsziele Im Folgenden soll beleuchtet werden, in welche Orte die Auswanderer gingen und wie weit diese von der alten Heimat entfernt waren. Hochstift Bamberg Forchheim Die näheren Umstände von vier Forchheimer Auswanderern sind nicht bekannt, als ihr geplantes Ziel wurde aber Ungarn genannt.2520

2515 Zeeden, Toleranzedikt, S. 158 f. 2516 StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnus derjeningen underthanen denen im stifft wurtzburg wieder altherkommen von ihren hinterlassenen guetern nachsteuer abgetrungen worden und noch erfordert werde«, 1589. 2517 Schott, Josef: Rezension von Schübel, Alfred, Das Evangelium in Mainfranken, in: WDGB 22, 1960, S. 135 – 141, hier S. 141. 2518 Stoob/Kayser, Gemünden, S. 216. 2519 Riedmann kann in seinem erst 1950 aus seinem Nachlass publizierten, aber vor 1945 entstandenen Aufsatz »Gemünden und seine Geschichte« die Namen von sieben Männern nennen, wobei aus der Formulierung hervorgeht, dass es noch mehr gewesen sein müssen. Möglicherweise gab es also vor dem Kriegsverlust genauere Akten zu Gemünden, vielleicht im Zusammenhang mit der Visitationsreise Julius Echters 1585/86. Bekanntlich ging alles, was diese Reise betrifft, verloren. Da Riedmann aber seine Quellen nicht benennt, konnte dies nicht überprüft werden (Riedmann, Gemünden, S. 60). 2520 StABa B 49 Nr. 47/02 Georg Muding, Kastner von Forchheim an Bischof Neithart 23. September 1594.

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Hochstift Würzburg Gerolzhofen Die Auswanderer der Stadt Gerolzhofen entschieden sich bei ihrer Auswanderung für Ziele in der unmittelbaren Umgebung.2521 Ein knappes Drittel, also 21 Familien2522, entschied sich für das 10 km entfernt gelegene markgräfliche Prichsenstadt.2523 Die Auswanderung aus Gerolzhofen hatte eine starke Wirkung auf die neue Heimat. Die dortige Bevölkerung wuchs durch den Zuzug um mehr als ein Viertel.2524 Zudem veränderte sich die dortige Struktur deutlich, da es sich bei den Auswanderern überwiegend um Handwerker, hauptsächlich aus der Leder- und Textilbranche handelte.2525 Da der Prichsenstädter Markt zu klein war, mussten zwangsläufig weiterhin die Märkte in Gerolzhofen aufgesucht werden.2526 In der neuen Heimat konnten viele Gerolzhofener ihren sozialen und wirtschaftlichen Status wiedererlangen bzw. ausbauen. Sie stellten Räte und Bürgermeister2527 und erwarben Immobilien.2528 Die anderen zwei Drittel der Gerolzhofener Auswanderer verteilen sich auf eine Reihe von Orten. Fünf Familien entschieden sich für die circa 21 km entfernte Reichsstadt Schweinfurt.2529 Schweinfurt wurde aber nicht nur Ziel von Auswanderern aus Gerolzhofen. In den Jahren zwischen 1585 und 1609 wuchs die Schweinfurter Stadtbevölkerung hauptsächlich bedingt durch Zuzug um ca. 40 %.2530 Die Auswanderer bedeuteten für die Stadt einen wirtschaftlichen 2521 Alle folgenden Auswanderungsorte und Zahlen in StAW Adm. f. 417/8383 »verzeichnis aller derjenigen welche von gerolzhoven aus an andere ort und wohin ein jeder gezogen, auch was sie vom (15)86 bis im (15)91 jahr zu gerolzhoven verkaufft und dann wievil und was sie noch und ein jeder insonderheit alda zuverkauffen«. 2522 Es werden 20 Personen und eine Erbengemeinschaft aufgeführt. Wöppel geht von 29 Bürgern aus, von denen eine Person nach einem Jahr wieder nach Gerolzhofen zurückkehrte (Wöppel, Gerhard: Prichsenstadt. Entwicklung und Struktur einer Kleinstadt in Franken, Würzburg, 1968, S. 153 ff.). 2523 In Prichsenstadt hatte Markgraf Georg 1528 offiziell die Reformation eingeführt (Wöppel, Prichsenstadt, S. 137). 2524 Wöppel, Prichsenstadt, S. 153. 2525 Ebd., S. 153 f. 2526 Ebd., S. 154. Zu den sich daraus ergebenden Problemen des häufigen Umgangs der Auswanderer mit ihren ehemaligen Nachbarn in der Stadt Gerolzhofen s. Kapitel 7.2.6. 2527 Wöppel, Prichsenstadt, S. 156. 2528 Ebd., S. 185 f. 2529 Böhm geht von 13 – 16 Personen aus (Böhm, Wilhelm: Die Freie Reichsstadt Schweinfurt und die evangelischen Glaubensflüchtlinge im Zeitalter der Gegenreformation, in: Petersen, Kathi/Strauß, Johannes (Hrsg.): Streiflichter auf die Kirchengeschichte in Schweinfurt, Schweinfurt, 1992, S. 89 – 111, hier S. 109). 2530 Müller, Uwe: Schweinfurt in der Epoche des Konfessionalismus, in: Kolb, Peter/Krenig, Ernst-Günter (Hrsg.): Unterfränkische Geschichte Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg, 1995, S. 483 – 516, hier S. 493.

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Schub, da sie häufig ein großes Vermögen mit in die Stadt brachten. Zudem wurden die Exulanten schnell integriert, was zum Beispiel die große Anzahl von Exulanten in verschiedenen Ebenen der Ratshierarchie anzeigt.2531 Dem wirtschaftlichen Schaden von Gerolzhofen, den die Auswanderung bedingte, begegnete Julius Echter ab 1587 mit einer Handelssperre gegen Schweinfurt, die das Wirtschaftsleben und die Lebensmittelversorgung der Stadt massiv bedrohte.2532 Erst 1594 konnte Schweinfurt die Aufhebung des Embargos durch ein Reichskammergerichtsmandat erreichen.2533 Weitere Zielorte einzelner Auswanderer waren das markgräfliche Kitzingen (27 km von Gerolzhofen entfernt) und das ins Amt Kitzingen gehörende Mainstockheim (25 km entfernt). Ähnlich wie bei Schweinfurt kann man auch bei Kitzingen davon ausgehen, dass die Neulinge sich (zumindest teilweise) auf höchster Ebene in die Gesellschaft integrieren konnten. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und zu Beginn des 17. Jahrhunderts stieg die Menge derjenigen Ratsmitglieder, die selbst eingewandert waren bzw. eingewanderte Eltern hatten, massiv an.2534 Ebenso Ziel von Auswanderern wurden die markgräflichen Orte Kleinlangheim (18 km2535) und Mainbernhaim (27 km) und das sächsische Königsberg (28 km). Zudem kamen Auswanderer in nahe gelegenen ritterschaftlichen Territorien unter, so in Bimbach (7 km), Traustatt (7 km), Zeilitzheim (10 km), Kirchschönbach (12 km) und Hirschfeld (15 km). Auch boten Orte, die in das Herrschaftsgebiet der Grafen von Castell2536 fielen, ein Ziel, so Wiesentheid (13 km), Krautheim (6 km), Rüdenhausen (16 km) und Abtswind (ca. 16 km). Das entfernteste Ziel eines Auswanderers war die Reichsstadt Windsheim (51 km). Nicht immer war die drohende Rekatholisierung mit der Auswanderung abgewendet, da eine Reihe von den genannten Orten zu einem späteren Zeitpunkt (etwa durch Pfandeinlösung oder Verkauf) in katholische Hände kam und entsprechender Politik anheim fiel, darunter fallen Kitzingen und das ins Amt 2531 2532 2533 2534

Ebd., S. 498. Ebd., S. 498 f. Ebd., S. 499. Weyrauch, Politische Führungsschicht, S. 239. Einige der Einwanderer verließen 1629 Kitzingen, um ein zweites Mal der Rekatholisierung zu entgehen (B‚tori/Weyrauch, Prosopographie, S. 576). 2535 In Klammern ist jeweils die Entfernung vom Ausgangsort angegeben. 2536 Graf Wolfgang von Castell war unter dem Einfluss seiner vier humanistisch gebildeten Söhne überzeugt worden, in seiner Grafschaft das Luthertum zunächst zuzulassen. Im Jahr 1559 wurde offiziell eine lutherische Kirchenordnung eingeführt (Engel, Wilhelm: Haus und Herrschaft Castell in der fränkischen Geschichte, in: Castell. Beiträge zu Kultur und Geschichte von Haus und Herrschaft hrsg. von der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Würzburg, 1952, S. 1 – 18, hier S. 9).

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Kitzingen gehörende Mainstockheim, Traustatt2537, Wiesentheid2538 und Krautheim2539. Die ritterschaftlichen Orte Hirschfeld2540 und Zeilitzheim2541 wurden 1629 rekatholisiert. Insgesamt wanderten die Gerolzhofener in Orte der näheren Umgebung aus. Die allermeisten Ziele lagen in einem 30 km-Radius um Gerolzhofen. Dafür lassen sich mehrere Gründe ausmachen. Viele Gerolzhofener hatten noch Besitz wie Felder und Gärten im Stadtgebiet, die weiterhin bestellt werden mussten.2542 Daher war ein relativ kurzer Weg dorthin nötig. Zudem kannten die Auswanderer durch die kurzen Distanzen die neue Umgebung schon, hatten vermutlich Freunde, Familie oder geschäftliche Verbindungen in der neuen Heimat. Dies alles bot die Möglichkeit, das eigene Vermögen und das Prestige zu halten und wieder eine hohe soziale Position zu erreichen. Außerdem konnte vor Ort die Lage sondiert werden, bevor der eigentliche Auszug stattfinden würde. Auch konnten durch einen kurzen Weg die Kosten für den Umzug geringer gehalten werden. Iphofen In einigen Fällen kann man ausgezogene Iphöfer in anderen Orten nachweisen. Auswanderungsziele waren die markgräflichen Orte Prichsenstadt (17 km), Mainbernheim (3 km), Marktsteft (10 km)2543 und auch Kitzingen (10 km).2544 Eine Person ging ins ca. 10 km entfernte markgräfliche Obernbreit.2545 Weiterer Zielort war das in die ritterschaftliche Herrschaft der von Seinsheim gehördene Marktbreit (11 km).2546 Die Auswanderer blieben also wie die Gerolzhofener durchweg in der unmittelbaren Umgebung. 2537 Der Ort kam 1616 an einen Neffen Julius Echters und wurde von diesem rekatholisiert (Riedenauer, Entwicklung der kirchlichen Organisation, S. 281 f.). 2538 Der 1627 eingesetzte Priester wurde nach dem Westfälischen Frieden nicht mehr entfernt (Riedenauer, Entwicklung der kirchlichen Organisation, S. 298). 2539 In einer Übersicht der noch lutherischen Pfarreien aus dem Jahr 1629 taucht Krautheim zumindest nicht auf (StAW Misc. 1157 Akten betreffend die Durchführung des Restitutionsedikts, Juni 1629). 2540 Wirth, Laurentius Zapff, S. 21. 2541 Ebd., S. 23. 2542 Zu den sich daraus ergebenden Konflikten mit den Zurückgebliebenen s. Kapitel 7.2.6. 2543 StAW Geistliche Sachen 3069 »Verzeichnus derjenigen underthanen denen im stifft wurtzburg wieder altherkommen von ihren hinterlassenen guetern nachsteuer abgetrungen worden und noch erfordert werde«, 1589, 1594; StAW Adm. f. 417/8383 »verzeichnis etlicher aus dem stifft wurzburg der religion halben vertriebenen underthanen beschwernuß, die sie zu kitzingen den brandenburgischen abgeordneten rhäten furgebracht«, 15./16. Juni 1590. 2544 Brombierstäudl, Iphofen. S. 22. 2545 StAW Adm. f. 417/8383 Georg Schirmer, Keller und Schultheiß von Iphofen an Bischof Julius, 1. Februar 1592. 2546 Endres, Iphofen, S. 351.

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Kitzingen Auch die Kitzinger Auswanderer blieben bei der Auswahl ihrer Zielorte größtenteils in der näheren Umgebung. Die überwiegende Mehrheit der 1.068 auswanderungswilligen Kitzinger zog in brandenburg-ansbachisches Gebiet, also zu dem Landesherrn, dem sie selbst bis vor kurzem noch untertan gewesen waren.2547 Die folgenden Orte lagen alle im markgräflichen Gebiet: 53 Familien (25 %) aller Kitzinger gingen ins sieben Kilometer entfernte Mainbernheim. Weitere Ziele waren Marktstefft (12 Familien, ca. 6 %, 7 km), Ansbach (10 Familien, ca 5 %, 64 km), Segnitz (8 Familien, ca. 4 %, 8 km). Prichsenstadt (5 Familien, knapp 3 %, 20 km). Markgräfliche Ziele für jeweils 1 – 4 Familien waren Uffenheim (26 km), Sickershausen (ca. 4 km), Unterickelsheim (15 km), Kleinlangheim (12 km), Neustadt an der Aisch (42 km), Neuhof an der Zenn (55 km), Obernbreit (11 km), Heilsbronn (75 km), Feuchtwangen (73 km), Hohentrüdingen (105 km), Schernau (12 km) und Hohenfeld (4 km). Bei den Reichsstädten war der häufigste Zielort Schweinfurt, das 46 Familien (ca. 22 %) zur neuen Heimat wurde (Entfernung von Kitzingen 40 km). Weitere Reichsstädte, die jeweils 1 – 4 Familien aufnahmen, waren Windsheim (39 km), Rothenburg ob der Tauber (45 km) und das freie Reichsdorf Gochsheim (38 km). Ebenfalls ein beliebtes Ziel war der 9 km entfernte Ort Marktbreit, der in die ritterschaftliche Herrschaft der von Seinsheim gehörte. Etwa 20 Familien (circa 10 %) fanden dort Zuflucht, eine weitere Familie ging in das seinsheimische Kaltensondheim (6 km entfernt). Für jeweils ein bis vier Familien waren die folgenden Orte das Ziel: Die sächsischen Orte Meiningen (108 km), Königsberg (55 km), Ostheim vor der Rhön (90 km) und Schleusingen (110 km); das zur Grafschaft Castell gehörende Gerbrunn (15 km); das 42 km entfernte Niederwern, das im Besitz der adeligen Familie von Münster war ; Wertheim (55 km) entfernt; Sommerhausen (11 km) und Winterhausen (12 km), die in die Herrschaft der Schenken von Limpurg gehörten und das ritterschaftliche Albertshausen (18 km).2548 Der Befund ist eindeutig: Circa 47 % (97 Familien) zogen in einen Ort innerhalb eines 10 km-Radius’, 8 % (16 Familien) wanderten in einen Ort aus, der 2547 Für das Folgende: StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«. 2548 Nicht zugeordnet werden konnten die Orte Biebrich und Gerlachfingen, die jeweils zum Ziel einer Familie wurden.

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zwischen 10- und 20 km entfernt lag. Auswanderungen in Orte über 100 km blieben die absolute Ausnahme (3 Fälle). Es überrascht nicht, dass die meisten Kitzinger sich für Ziele im markgräflichen Territorium entschieden haben. Auch nicht-markgräfliche Zielorte lagen überwiegend in der Nachbarschaft. Auf die Vorteile dieser Wahl wurde bereits im Abschnitt Gerolzhofen hingewiesen. Bei den Orten in unmittelbarer Umgebung scheint die Nähe ausschlaggebend gewesen zu sein. Die angesteuerten Reichsstädte boten vermutlich Verdienstmöglichkeiten für die Zukunft. Bei den Auswanderern in die markgräfliche Residenzstadt Ansbach handelte es sich überwiegend um gut gebildetes Verwaltungspersonal (drei Doktoren der Rechtwissenschaften, der ehemalige Dekan und der ehemalige Stadtschreiber). Sie hofften vermutlich, dort ein gutes Auskommen zu finden, hatten vielleicht schon während ihrer bisherigen Arbeit Verbindungen geknüpft. In einigen wenigen Fällen wurden weit entfernte Orte angesteuert. In einem Fall (Schleusingen) bestand bereits eine Familienbeziehung: Eine Witwe zog zu ihrer Tochter. Manche potentielle Zielorte bemühten sich aktiv um Auswanderer, vielleicht, weil sie auf die Finanzkraft der Auswanderer hofften.2549 Auch überrascht es nicht, dass so viele verschiedene Ziele ausgesucht wurden. Neben den familiären und geschäftlichen Verbindungen, die die Kitzinger als Bewohner einer Handelsstadt hatten, kam eine praktische Überlegung hinzu: Die Auswanderer waren sehr zahlreich, sodass die Gefahr bestand, bei nur wenigen Zielen eine Überlastung herbeizuführen. Für die Exulanten war es notwendig, einen Ort zu finden, in dem sie auch weiterhin ihr Auskommen finden würden.

7.2.4. Nachsteuer Eine Auswanderung war ein teures Unternehmen. Dabei fielen die Steuern, die an den Landesherrn des zu verlassenden Territoriums gezahlt werden mussten, erheblich ins Gewicht. Damit sollte der zukünftige Steuerausfall kompensiert werden. Im folgenden Kapitel soll untersucht werden, ob es einheitliche Regelungen gab oder ob diese Gebühren, die Nachsteuer genannt werden, vor Ort individuell ausgehandelt wurden.

2549 StABa GHAP Nr. 2732 Kastner von Neutstadt/Aisch an Markgraf Christian, 9. Februar 1630.

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Hochstift Bamberg Für das Hochstift Bamberg kann keine allgemein gültige Aussage getroffen werden, da die vorgefundenen Angaben widersprüchlich sind. Da in den untersuchten Orten zudem praktisch keine Auswanderer fassbar gemacht werden konnten, gibt es dort keine Hinweise, wie es vor Ort tatsächlich geregelt wurde. Im Folgenden können folglich nur einige Schlaglichter dargestellt werden. Im Jahr 1570 berichtete der Schultheiß von Forchheim auf eine Aufforderung des Bischofs hin, dass eine Nachsteuer bei einem Auszug grundsätzlich üblich sei.2550 1607 wurde zwischen der Reichsstadt Nürnberg und dem Hochstift Bamberg in einem Vertrag geregelt, wie es zukünfig mit der Nachsteuer sein sollte. Aus Sicht der Nürnberger war auf bestimmte Güter eine Nachsteuer von 10 % fällig, auf andere keine.2551 Von den bambergischen Bischöfen wurde hingegen bei verschiedenen Gelegenheiten angegeben, dass sie bei religiös bedingter Auswanderung auf die Nachsteuer gänzlich verzichteten.2552 Unklar ist, inwiefern diese Aussage der Realität entsprach. Offenbar haben sich an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert etliche bambergische Auswanderer beschwert, dass in unterschiedlichen Ämtern bei der Auswanderung ins Markgräfliche von den bischöflichen Beamten 16 % Nachsteuer genommen worden sei.2553 Hochstift Würzburg In Würzburg stellte sich die Problematik anders dar. Die Nachsteuer musste auch bei religiös bedingter Auswanderung bezahlt werden. ihre Höhe wiederum ist aber schwierig zu bestimmen. In der Forschung liest man widersprüchliche Angaben. Die Quellen zeigen wiederholt Streitigkeiten um die Höhe auf, die bei den untersuchten Orten dargestellt werden. Einigkeit herrscht in der Frage, dass die Nachsteuer zur Zeit Julius Echters mindestens 2 % betragen hat, einige Historiker kommen allerdings zu einem 2550 StABA B 46b Nr. 3543 Georg Groß’ genannt Pfersfelder, Schultheiß von Forchheim an Bischof Veit, 18. März 1570. 2551 StAN Rst. Nbg. Ratskanlzei C – Laden S II L 79 Nr. 11 »Umständlicher Bericht wegen des mit der benachbarter Herrschaften getroffenen Vergleichs der Nachsteuer halben zusammen getragen von Johann Dretzel«, 1705. Die Sicht der Bamberger ist nicht überliefert. 2552 Dies wurde mehrere Male in den Reichskammergerichtsprozessen gegen Teuschnitz und Marienroth vorgebracht (Einzelnachweise s. Kapitel 6.5); auch StAC Lokat D Nr. 1327 Bischof Johann Gottfried an Herzog Johann Casimir zu Sachsen, 8. August 1614. Der Bischof betonte in diesem Schreiben, dass sowohl er als auch seine Vorgänger bei konfessionell bedingter Auswanderung stets auf die Nachsteuer verzichtet hätten. 2553 StABa GHAP Nr. 4708 Markgräfliche Verordnung bezüglich der Nachsteuer gegen das Hochstift Bamberg und andere Grenznachbarn, 10. Juli 1600 (beglaubigte Abschrift von 1793).

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höheren Wert.2554 Um die Diskussionen um die Nachsteuer bei Auswanderern ins markgräfliche Territorium grundsätzlich auszuräumen, trafen sich am 14. September 1595 Abgesandte beider Mächte in Kitzingen, konnten aber zu keiner Einigung kommen.2555 Die Markgräflichen präsentierten bei dieser Gelegenheit zwei »freyungsbrieff« von 1434 und 1436, aus denen ihrer Meinung nach hervorging, dass eine Nachsteuer zwischen Würzburg und BrandenburgAnsbach-Kulmbach nicht üblich sei. Die Bischöflichen blieben indes bei ihrer Argumentation, dass eine Nachsteuer immer schon bezahlt worden sei und aus den Schriftstücken keine allgemeine Freiheit gefolgert werden könne. Zudem schlossen die würzburgischen Vertreter aus der Tatsache, dass die beiden Briefe in Kitzingen aufbewahrt wurden, dass die Briefe sowieso nur, wenn überhaupt, für Zu- und Abwanderung nach und aus Kitzingen galten. Man konnte sich bei diesem Treffen nach längerer Diskussion und unterschiedlichsten Vorschlägen nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen. Offensichtlich ist es danach nicht mehr zu Verhandlungen über die Nachsteuer gekommen.2556 Mit der Reichsstadt Schweinfurt einigte sich Bischof Julius 1607 auf eine Nachsteuer von 2 %.2557 Gerolzhofen In Gerolzhofen gab es Schwierigkeiten, weil die Stadtobrigkeit eine Nachsteuer von 2 % einforderte, aber die Auswanderer diese nicht bezahlen wollten. Die Gerolzhofener Obrigkeit forderte 2 % Nachsteuer von den Auswanderern mit der Begründung, es sei immer schon üblich gewesen, dass von 100 Gulden zwei als Nachsteuer gegeben würden.2558 Die Ausgewanderten aus Gerolzhofen 2554 Meyer-Erlach (Meyer-Erlach, Georg: Nachsteuerbezahler in Würzburg 1572 – 1700, München, 1941, S. 3.) kam nach seiner Untersuchung der Würzburger Steuerbücher zwischen 1572 und 1700 zu dem Ergebnis, dass überall im Hochstift bei Abzug eine Nachsteuer von 2 % zu zahlen sei. Weber (Weber, Kitzingen und sein Umland, S. 15) geht hingegen von 10 % aus. Brombierstäudl (Iphofen. S. 22) und Endres (Iphofen, S. 359) geben an, dass die von Schubert (Gegenreformationen, S. 294) Echter zugeschriebene Erhöhung der Nachsteuer von einem auf zwei Prozent schon unter seinen zwei Vorgängern üblich gewesen sei. Böhm (Schweinfurt, S. 98) geht davon aus, dass die Abgabe zunächst 2 % betragen habe, aber erhöht wurde, als die wirtschaftlichen Schäden für das Hochstift abzusehen waren. S. auch im Folgenden bei den einzelnen Orten. 2555 Für das Folgende: StAW ldf 36 »vertrag zwischen wirtzburg und brandenburg wegen nachsteuer aus wirtzburg, nachher kitzingen, im auszug heyrathen und erbfällen zu kitzingen«, 14. September 1595. 2556 Da die Libri diversarum formarum (ldf), die vollständig vorliegen, Kopien von allen wichtigen Verträgen und Verhandlungen enthalten, erscheint es unwahrscheinlich, dass es zu einer Absprache gekommen ist, die dort nicht notiert wurde. Es ist indes bezeichnend, dass Würzburg mit dem katholischen Erzbistum Mainz 1593 verabredete, den Untertanen wechselseitig die Nachsteuer zu erlassen (Buchinger, Julius Echter, S. 93 f). 2557 Buchinger, Julius Echter, S. 121. 2558 StAW Geistliche Sachen 3082 »warhaffte und gründlichs ableinung eines erbarn rats der fl gn statt gerolzhofen der erdichten falschen und neidischen ubergebenen beschwer-

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wiederum waren der Meinung, dass sie keine Abgabe bezahlen müssten. Sie argumentierten einerseits damit, dass der Augsburger Religionsfrieden eine schnelle Auswanderung nicht vorsehe und sie daher nicht verpflichtet seien, sofort eine Nachsteuer zu bezahlen. Andererseits gaben sie an, dass sie alle ihre Güter nicht durch Kauf, sondern durch Erbschaften erhalten hatten und da bei jedem neuen Erbvorgang ein Handlohn2559 hatte gezahlt werden müssen, sei damit die Nachsteuer schon reichlich abgegolten.2560 Die Auswanderer selbst hatten ob der Nachsteuerforderung teilweise den Eindruck, dass ihre Ausweisung nicht allein wegen der Konfessionsentscheidung durchgeführt worden war, sondern auch, um an der Nachsteuer Geld zu verdienen: »gleich wie dieselb (=der Bischof, H. B.) den vertriebenen personen wenig achten und ihrer halb gehrn entledigt sein wollen, also auch ihres geldts billich nitt begehrn sollten, dann sonsten do i[hre] f[ürstliche] g[naden] uf dieser und anderer beschwehrnußen beharren auch der iren unbilliche ufflagen nitt abschaffen sollte, kondte anderst nitt geschlossen werden, dann das dies ausschaffen nit allein umb der religion sondern auch umb gelts willen der cammer zu steuer furgangen wehre«.2561

Andere Auswanderer aus Gerolzhofen gaben an, grundsätzlich bereit zu sein, eine Nachsteuer zu bezahlen. Sie beschwerten sich aber über die Höhe der Summe, die sie dem Vogt hatten geben müssen.2562 Insgesamt betrachtet überlagerten sich in Gerolzhofen zwei Konflikte. Es ging einerseits um die Frage, ob eine Nachsteuer grundsätzlich gezahlt werden musste und andererseits um die Frage, wie hoch diese sein sollte. Aus den Quellen geht deutlich hervor, dass die Nachsteuer bei Abzug gezahlt wurde und die Beschwerden anschließend geführt wurden. Da die Klagen der Gerolzhofener

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nußpunten der ausgezogenen jezunder under dem marggraffthumb brandenburg wohnende«, o. Dat. Der Handlohn, auch Laudemium genannt, war eine Gebühr, die bei einem Besitzwechsel an den Grundherren gezahlt werden musste. Während bei einem Erbfall naturgemäß nur der Erbe die Gebühr zahlte, wurde die Summe bei einem Verkauf auf beide beteiligten Parteien aufgeteilt (Heydenreuter u. a., Abbrändler, S. 131; Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch, S. 383). StAW Adm. f. 417/8383 »briechsenstatter beschwernuß puncten so aus gerolzhofen gezogen juni«, 1590. Ebd. Gleichwohl handelt es sich hier um kein tragfähiges Argument, da dem Hochstift auf lange Sicht – trotz Nachsteuer – die Kapitalstärke der Auswanderer verloren ging. StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnis derjenigen underthanen denen im stifft würzburg ettliche güetter zum theil ohne ir wissen zum theil wider iren willen inn ganz geringen wehrt abgeschaft worden deren sie wider begern sambt billichen abtrags der nuzung oder inen deswegen ander gebührliche vergleichung zu thun«, 1589, 1594; ebd. »Verzeichnus derjenigen underthanen denen im stifft wurtzburg wieder altherkommen von ihren hinterlassenen guetern nachsteuer abgetrungen worden und noch erfordert werde«, 1594.

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Mitte der 1590er Jahre abbrechen, ist unklar, ob es jemals zu Rückzahlungen gekommen ist. Iphofen Bei den Iphöfer Auswanderern drehte sich die Frage der Nachsteuer ebenfalls um zwei verschiedene Punkte: Die einen waren der Meinung, dass sie zuviel bezahlt hätten bzw. zahlen sollten, die anderen waren der Meinung, dass eine Nachsteuer insgesamt nicht üblich sei. Ein Mann namens Johann Gebhardt, der nach Prichsenstadt ging, beschwerte sich darüber, dass er insgesamt 13 % Nachsteuer hätte zahlen müssen.2563 Anderen Auswanderern war eine Nachsteuer von 10 % abgefordert worden.2564 Der Iphöfer Keller und Schultheiß Schirmer verlangte diese hohe Summe offenbar aber nicht im fürstbischöflichen Auftrag, da Bischof Julius von ihm eine Rechtfertigung darüber verlangte.2565 Diejenigen Iphöfer, die nach Mainbernheim gegangen waren, hofften darauf, überhaupt keine Nachsteuer zahlen zu müssen und brachten dafür drei Argumente vor : (1) Sie seien nicht freiwillig ausgewandert, sondern aus Zwang. (2) In Mainbernheim sei keine Nachsteuer üblich, diejenigen Mainbernheimer, die nach Iphofen gezogen waren, hätten nie etwas bezahlen müssen. (3) Viele Vermögenswerte der Iphöfer stammten ursprünglich aus dem markgräflichen Mainbernheim und seien durch Erbe überhaupt erst nach Iphofen gekommen.2566 Es ist nicht belegt, ob sie damit einen Nachlass oder eine Aussetzung der Nachsteuer erreichen konnten. Kitzingen Die Kitzinger mussten bei ihrem Abzug unabhängig von ihrer Zielwahl eine Nachsteuer bezahlen. Bekannt sind in erster Linie Nachsteuerkonflikte bei Auswanderern, die ins Markgräfliche gingen. Die Auswanderer argumentierten, dies sei vorher nicht üblich gewesen. Von Seiten der Würzburger wurde diesem Einwand mit dem Argument begegnet, dass früher bei einer Auswanderung von Kitzingen ins

2563 Ebd. »Verzeichnus derjenigen underthanen denen im stifft wurtzburg wieder altherkommen von ihren hinterlassenen guetern nachsteuer abgetrungen worden und noch erfordert werde«, 1589, 1594. 2564 Brombierstäudl, Iphofen, S. 23. 2565 Endres, Iphofen, S. 359. 2566 StAW Geistliche Sachen 3069 »Verzeichnus derjenigen underthanen denen im stifft wurtzburg wieder altherkommen von ihren hinterlassenen guetern nachsteuer abgetrungen worden und noch erfordert werde«, 1589, 1594.

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Markgräfliche das Territorium nicht verlassen worden sei, während nun von einem Territorium ins andere gewechselt würde.2567 In Einzelfällen gab es Bemühungen, eine Nachsteuerbefreiung zu erreichen. Der Kastner von Neustadt an der Aisch teilte Markgraf Christian mit, es gebe »schein und urkundt (…) welche bezeugten, daß neuenstadt gegen dem bistumb wirzburg der nachsteuer frei were«.2568 Da dem Markgrafen diese speziellen Verträge aber nicht bekannt waren, ließ er sie in seinem Archiv suchen.2569 Das Ergebnis ist unbekannt. Insgesamt sind Konflikte zur Nachsteuer aus Kitzingen kaum bekannt. Im Folgenden werden zur Illustrierung zwei Einzelfälle geschildert. Im ersten Fall hatte eine Frau, die nach Schweinfurt ausgewandert war, die verlangte Nachsteuer nicht gezahlt.2570 Als sie nach ihrer Auswanderung geschäftlich für einige Tage in Kitzingen war, wurde ihr dort eingenommenes Bargeld beschlagnahmt, bis sie die ausstehende Forderung bezahlt hatte.2571 Die Frau musste für verkaufte Güter, für die sie 1.000 Gulden erhalten hatte, 50 Gulden, also 5 %, bezahlen.2572 Wie kompliziert die Frage der Nachsteuer war, zeigt der zweite Fall. Der Kitzinger Apotheker Leonhard Stöberlein war 1629/30 nach Mainbernheim ausgewandert,2573 zwei Töchter von ihm blieben aber zunächst in der Stadt und verheirateten sich 1641 und 1643 nach Rothenburg ob der Tauber. Anlässlich der Ehe nahmen sie große Teile ihres väterlichen Erbes mit in die neue evangelische Heimat, aber nicht alles.2574 Erst 1652 forderte der Kitzinger Kastner Melchior Beyer eine Nachsteuer für dieses Erbe.2575 Um sicherzugehen, dass diese auch 2567 StABa GHAP Nr. 2732 Kastner von Neustadt/Aisch an Markgraf Christian, 9. Februar 1630. 2568 Ebd. 2569 Ebd. Markgraf Christian an Registratoren auf der Plassenburg in Kulmbach, 19. Feburar 1630. 2570 StAW Gebr Amt II FG 932 Stadtvogt, Bürgermeister und Rat von Kitzingen an Bischof Philip Adolf, 28. Juni 1631. 2571 Ebd.; ebd. Bischof Philipp Adolf an Stadtvogt, Bürgermeister und Rat von Kitzingen, 1. Juli 1631. 2572 Ebd. Stadtvogt, Bürgermeister und Rat von Kitzingen an Bischof Philip Adolf, 28. Juni 1631. 2573 StAW H V MS q. 245 »Verzeichnis derjenigen burger und wittwen welche anno 1629 und anno 1630 wegen der wahren evangelischen religion aus kitzingen hinweg gezogen in der damaligen würzburger verfolgung, item welche evangelisch da verstorben seynd und beständig blieben und wie sie mit namen geheißen haben und was sie gewesen seyn, wie auch diejenigen, die in bemelder stadt abgefallen und päbstisch blieben seyn, ingleichen was sichs sonsten dabei zugetragen hat«. 2574 StAW Gebr Amt II FG 944 Christoph Metzler, Bürger von Rothenburg an Melchior Beyer, Kastner von Kitzingen, 5. März 1652; ebd. Christoph Metzler und Andreas König, Bürger von Rothenburg an Bürgermeister und Rat von Rothenburg, o. Dat. 2575 Ebd. Melchior Beyer, Kastner von Kitzingen an Bischof Johann Philipp, 30. April 1652.

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gezahlt würde, beschlagnahmte er den noch verbleibenden Besitz der beiden Frauen in Kitzingen.2576 Die Ehemänner der ehemaligen Kitzingerinnen argumentierten daraufhin, dass zwischen Kitzingen und Rothenburg keine Nachsteuer üblich sei und zählten auch eine Reihe von Beispielen dafür auf.2577 Zudem schickten sie notariell beglaubigte Kopien von Briefen, aus denen hervorgehen sollte, dass der damalige Kitzinger Stadtvogt und auch Bürgermeister und Rat bei den Auswanderungen keine Nachsteuer gefordert hätten.2578 Außerdem gaben die beiden Ehemänner an, dass sie im März 1651 eine Abrechnung mit den Kitzinger Behörden gemacht hätten bezüglich »allerley extra- und ordinari kriegs- und andere anlagen, die sowohl imetiate ihrer churfürstlichen2579 als auch dero stadtsteuerstuben concerniert«, diese Abrechnung sei unterschrieben worden im Beisein des Kastners und bei dieser Gelegenheit habe er von der Nachsteuer nichts gesagt.2580 Der Kastner argumentierte dem gegenüber, dass schon unter seinem Vorgänger eine Nachsteuer zwischen Rothenburg und Kitzingen üblich gewesen sei. Deswegen habe er den noch verbleibenden Besitz der beiden Frauen beschlagnahmen lassen und eine Nachsteuerforderung ausgestellt.2581 Um die Liste mit Personen, die die Stadt nachsteuerfrei verlassen hätten, zu entkräften, brachte er drei Argumente vor : Einen Fall sah er schlichtweg als falsch an. Die Nachsteuer sei entgegen der Liste gezahlt worden. Andere hätten die Stadt heimlich verlassen und drittens seien auch Menschen ausgewandert, die nichts zu versteuern gehabt hätten.2582 Zudem habe der Kastner nicht gewusst, dass er eine Nachsteuer einzufordern hätte, bis ihn der Stadtvogt darauf hingewiesen habe.2583 Von seinem Amtsvorgänger hatte der Kastner auch die Summe erfahren, die er verlangen sollte: Von 100 Gulden sollten zehn als Nachsteuer ein2576 Ebd. Christoph Metzler, Bürger von Rothenburg an Werner Schenk zu Staufenberg, Oberamtmann von Kitzingen, 22. Juli 1652. 2577 Ebd. Christoph Metzler, Bürger von Rothenburg an Melchior Beyer, Kastner von Kitzingen, 5. März 1652. Metzler erläuterte, dass es nur einen einzigen Fall von tatsächlich gezahlter Nachsteuer gebe und dies sei in den Jahren 1629/30 passiert. Die Beispiele einer Auswanderung von Kitzingen nach Rothenburg und umgekehrt, bei denen keine Nachsteuer gezahlt wurde, stammen sowohl von vor als auch von nach 1629/30. 2578 StAW Gebr Amt II FG 944 Extrakt aus einem Schreiben des Kitzinger Stadtvogts Samuel Mann und Kitzinger Rats und Bürgermeister, 5. Juni 1624. 2579 Der Würzburger Bischof Johann Philipp von Schönborn war gleichzeitig Erzbischof von Mainz und damit einer der Kurfürsten, s. Kapitel 3.2.1. 2580 StAW Gebr Amt II FG 944 Christoph Metzler und Andreas König, Bürger von Rothenburg an Bürgermeister und Rat von Rothenburg, o. Dat. 2581 Warum sein Vorgänger nicht selbst die Nachsteuer verlangt hatte, als die beiden Frauen Kitzingen verließen, bleibt indes im Dunkeln. 2582 StAW Gebr Amt II FG 944 Melchior Beyer, Kastner von Kitzingen an Bischof Johann Philipp, 30. April 1652. 2583 Ebd. Amtmann, Kastner, Bürgermeister und Rat von Kitzingen an Bischof Johann Philipp, 23. Juli 1652.

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behalten werden.2584 Es ist nicht bekannt, wie der Fall ausgegangen ist. Nachdem der Rothenburger Bürger Metzler sich persönlich an Bischof Johann Philipp gewandt hatte,2585 bricht die Überlieferung ab. Betrachtet man die Nachsteuerforderungen in Kitzingen, werden verschiedene Eckpunkte deutlich: Zunächst wurde aufgezeigt, dass eine Nachsteuer grundsätzlich gezahlt werden musste, obwohl es von Seiten des Markgrafen Versuche gab, dies zu verhindern. Außerdem ist klar geworden, dass es offenbar keine eindeutige, allgemein gültige und bekannte Regelung gab, sondern viel von den Beamten vor Ort abhing. Gemünden Auch in Gemünden verlief die Zahlung der Nachsteuer nicht völlig konfliktfrei. Ein Mann, der aus Karlstadt nach Kitzingen gezogen war, aber auch Güter in Gemünden hatte, beschwerte sich, dass man ihm drei statt der seiner Meinung nach üblichen zwei Prozent Nachsteuer beim Verkauf seiner Gemünder Güter abgezogen hatte.2586 Die Stadtverwaltung argumentierte daraufhin, dass die ältesten Männer der Stadt erklärt hätten, es sei von jeher üblich, dass von 100 Gulden drei als Nachsteuer einbehalten würden. Zwei davon gingen an den Bischof, der dritte gehöre der Stadt selbst.2587 Dies erklärt allerdings nicht, warum einem weiteren Auswanderer aus Gemünden von 100 Gulden fünf Prozent Nachsteuer abgefordert worden waren.2588

7.2.5. Güterverkauf Im folgenden Kapitel soll der Güterverkauf der Auswanderer untersucht werden. Wurden sie gedrängt, alle ihre Güter schnell zu verkaufen? Konnten sie diese Gebote umgehen?

2584 Ebd. David Wollenberger, ehemaliger Kastner von Kitzingen an Melchior Beyer, Kastner von Kitzingen, 28. Februar 1652. 2585 Ebd. Christoph Metzler, Bürger von Rothenburg an Bischof Johann Philipp, 14. September 1652. 2586 StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnus derjeningen underthanen denen im stifft wurtzburg wieder altherkommen von ihren hinterlassenen guetern nachsteuer abgetrungen worden und noch erfordert werde«, 1589, 1594. 2587 StAW Geistliche Sachen 3078 Schultheiß, Bürgermeister und Rat von Gemünden an Bischof Julius, 28. November 1595. 2588 StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnus derjeningen underthanen denen im stifft wurtzburg wieder altherkommen von ihren hinterlassenen guetern nachsteuer abgetrungen worden und noch erfordert werde«, 1589, 1594.

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Bamberg Bischof Neithart hatte angeordnet, dass Auswanderer ihre Güter im Stift nicht behalten dürften. Wer fortzog, sollte alles verkaufen, was er an Besitz hatte.2589 Die Gegebenheiten der fränkischen Herrschaftsgebiete führten aber dazu, dass Auswanderer in der unmittelbaren Umgebung ihrer alten Wohnorte blieben und ihre Güter von dort aus bestellten, anstatt sie zu verkaufen.2590 Zu den untersuchten Orten sind keine Aussagen möglich. Dort wanderten ohnehin kaum Untertanen aus. Über den Verkauf ihrer Güter finden sich in den Quellen keine Angaben. Würzburg Gerolzhofen Die Gerolzhofener Exulanten erhielten nach ihrem Abzug die Erlaubnis, ihre Güter noch einige Zeit zu behalten. Insgesamt betrachtet sollte es mehr zehn Jahre dauern, bis alles verkauft war. Bischof Julius hatte den Gerolzhofenern, die auswandern wollten, nur eine Frist von vier Wochen gelassen, gewährte ihnen aber, dass sie ihre Güter vorläuftig behalten durften. Voraussetzung war, dass sie Katholiken dafür bezahlten, diese zu bestellen.2591 Eine Bestandsaufnahme aus dem Jahr 1591 durch den Gerolzhofener Vogt zeigte aber, dass das Provisorium bereits mehrere Jahre gehalten hatte.2592 Für den hohen Anteil an noch nicht verkauften Gütern machte der Vogt eine Reihe von Gründen verantwortlich: Den um ein Drittel zu hohen Preis, den die Ausgewanderten forderten und ihren Hohn und Spott, der alle möglichen Käufer vertrieb, selbst nachdem der Vogt die Güter mehrmals hintereinander von der Kanzel hatte anbieten lassen. Zudem hatte es wohl die einmalige Erlaubnis gegeben, dass die Gerolzhofener ihre Ernte in ihre neuen Wohnorte bringen durften. Dies hatte aber dazu geführt, dass die Exulanten dies jedes Jahr seit der Abwanderung getan hätten und daraus resultierend in Gerolzhofen Lebensmittel fehlten. Außerdem war es den Ausgewanderten offenbar möglich, sich wöchentlich, teilweise sogar täglich in ihren Häusern aufzuhalten mit dem Argument, sie zahlten auch Steuern, also dürften sie dies auch tun. Der Vogt selbst äußerte den Vorschlag, dass man ihnen ihre Häuser abschließen und die Schlüssel beschlagnahmen sollte. Zudem müsse man die Bauern und 2589 StABa Hochstift Bamberg Neuverz. Akten Nr. 537 Bischof Neithart an Kastner von Veldenstein, 8. Oktober 1598. 2590 Dippold, Bistum Bamberg, S. 221. 2591 Heppe, Restauration, S. 168 f. 2592 Für das folgende: StAW Adm. f. 417/8383 Konrad Widman, Vogt von Gerolzhofen an den würzburgischen Sekretär, 13. Dezember 1591.

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Weinarbeiter anweisen, die Güter der Ausgewanderten erst nach den Gütern der Gerolzhofener zu bebauen. Zudem müsse es verboten werden, dass die Ausgewanderten den Bauern und Weinarbeitern mehr Lohn zahlten als die Gerolzhofener, so wie es jetzt gerade geschehe. Ein zusätzliches Problem stelle dar, dass die Ausgezogenen ihr Gesinde behielten, das weiterhin in ihren Häusern wohnte. Auch dies müsse verboten werden, um eine dauerhafte Festsetzung der Exulanten in Gerolzhofen zu verhindern, die dadurch weiterhin in ihren Häusern wohnen könnten. Der Vogt schickte 1591 eine genaue Auflistung, welche Exulanten ihre Güter verkauft hatten.2593 Die Bilanz: Von den über 66 aufgezählten Personen2594 wurden nur 26 mit dem Hinweis geführt, dass sie alles verkauft hatten. Zwei hatten nichts zu verkaufen gehabt. Alle anderen hatten noch mindestens teilweise ihre Güter in Gerolzhofen, manche sogar noch alles. Einige waren mit dem Zusatz »will nit verkauffen« versehen. Über zwei Personen heißt es »dißer will nichts verkauffen bauet sein feldt von hauß aus steck fast alle tag alhie«. Zwei Jahre später hatten eine Reihe von Exil-Gerolzhofenern ihre Güter immer noch nicht verkauft, woraufhin sich die Stadtbewohner ein härteres Durchgreifen ihres Landesherrn wünschten. Der Bischof sollte befehlen, die Häuser der Ausgewanderten in der Stadt zu sperren, die ihnen als Ausgangspunkt für ihre Geschäfte dienten, außerdem sollte ihnen der Güterverkauf bei Strafe befohlen werden.2595 Es lässt sich nicht nachvollziehen, ob diese Bitten erfüllt wurden, aber am Ende mussten die Gerolzhofener schließlich alle verkaufen.2596 Eine Möglichkeit, die Güter zu behalten, war eine Trennung von Eheleuten. In einem Fall wanderte ein Ratsmitglied aus, seine Frau indes blieb katholisch und behielt die Güter in Gerolzhofen für die nächsten acht Jahre bis zu ihrem Tod.2597 Allerdings ist die Datenlage zu gering, um aussagen zu können, ob es sich hierbei um eine gezielte Absprache zwischen dem Ehepaar handelte oder ob die konfessionelle Differenz zu der Trennung führte. Insgesamt betrachtet lässt sich feststellen, dass die Auswanderer ihre Güter noch etwa zehn Jahre nach ihrem Auszug behielten, obwohl Bischof Julius ihnen den weiteren Besitz nur für einige wenige Monate bis zur nächsten Ernte zu2593 Ebd. »verzeichnis aller derjenigen welche von gerolzhoven aus an andere ort und wohin ein jeder gezogen, auch was sie vom (15)86 bis im (15)91 jahr zu gerolzhoven verkaufft und dann wievil und was sie noch und ein jeder insonderheit alda zuverkauffen«. 2594 Eine exakte Zahl ist nicht möglich, da in zwei Fällen pauschal angegeben wurde, dass es sich um die Erben einer Person handelte. 2595 StAW Geistliche Sachen 3082 Amtmann, Bürgermeister, Rat und Bürgerschaft von Gerolzhofen an Bischof Julius, 18. Juli 1593. 2596 Wöppel, Prichsenstadt, S. 155. (Leider fehlt eine zeitliche genaue Angabe!). 2597 DAW Landkapitelakten Nr. 138 »Defectus reperti in celebratione capituli Geroltzhoven anno 1594«.

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gesagt hatte. Das Bestellen der Felder blieb weiterhin möglich, da die meisten Gerolzhofener in der Nachbarschaft untergekommen waren. Entsprechend bestand keine Notwendigkeit, sich mit dem Verkauf zu eilen. Zudem wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Handwerker und Händler ohnedies häufig in die Stadt kommen mussten, da Gerolzhofen der größte Ort im Umland war. Dies erleichterte das Behalten des Besitzes noch weiter. Wieso die Obrigkeit nicht stärker durchgriff, ist unklar. Auch geht aus den Quellen nicht hervor, auf welche Art und Weise die Exulanten am Ende gezwungen werden konnten, ihre Güter zu verkaufen. Iphofen In Iphofen stellte sich die Lage ähnlich wie in Gerolzhofen dar : Die Auswanderer durften offiziell ihre Güter noch einige Monate nach dem Abzug behalten, sie machten aber etliche Jahre daraus. Die Iphofener Exulanten durften zunächst ihren Besitz noch behalten.2598 Julius Echter hatte ihnen die Erlaubnis gegeben, ihre Güter im Jahr 1586 weiter zu nutzen, sicherlich auch eingedenk an die zu erzielenden Steuern und Gebühren, die sich aus der Ernte ergeben würde.2599 Erst am 16. Juni 1587 erging der Befehl, dass alle Exulanten, die bis dahin noch Güter in Iphofen besaßen, sie nun verkaufen müssten. Andernfalls sollte ein Zwangsverkauf eingeleitet werden.2600 Zudem sollte jeder, der nicht innerhalb des Jahres 1587 verkaufte, doppelt mit der Steuer belegt werden. Außerdem verbot Echter den Exulanten den weiteren Zugang und die Nutzung der Güter.2601 Gleichzeitig hatten die Exil-Iphöfer aber trotzdem Steuern und Fron zu leisten, obwohl sie ihre Güter nicht nutzten und ihre Ernte nicht einbrachten.2602 Sie versuchten mit Hilfe des brandenburgischen Markgrafen, Echter zu einer neuerlichen Erlaubnis der Ernte zu bewegen.2603 Eine weitere Maßnahme bestand darin, dass Bischof Julius mehrmals anordnete, dass die Iphöfer keine Exulanten über Nacht in ihren Häusern beherbergen sollten, um diese zum Verkauf von ihren Gütern zu bringen.2604 Offenbar waren einige Stadtbewohner bereit gewesen, ihre ehemaligen Nachbarn aufzunehmen, um ihnen die Bebauung ihrer Güter zu ermöglichen. Die Tatsache, dass Brombierstäudl, Iphofen, S. 23. Endres, Iphofen, S. 353 f. Brombierstäudl, Iphofen, S. 23. Endres, Iphofen, S. 354. Der Iphöfer Schultheiß hatte offenbar schon Ende Dezember 1586 die Häuser der Exulanten beschlagnahmt und ihnen die weitere Nutzung verboten (ebd.). 2602 StAN Fm Ansbach, Religionsakten Tom. XLI »Etzliche deren zu Iphoven vertribene jetzt bürger zue Mainbernheim beschwerungen«, 1589. 2603 Ebd. »Aus Iphofen der Religion augsburgischer Confession halber verabschiedte, ietzt Bürger zu Mainbernhaim« an Markgraf Georg Friedrich, 14. August und 14. September 1588. 2604 Endres, Iphofen, S. 354. 2598 2599 2600 2601

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der Befehl mehrmals wiederholt worden ist, spricht dafür, dass er vor Ort nicht oder zumindest nicht vollständig eingehalten wurde. Diejenigen Iphöfer, die nach Mainbernheim gezogen waren, beklagten sich in der Folge darüber, dass der Iphöfer Schultheiß versuchte, ihre Güter ohne ihr Einverständnis zu verkaufen.2605 Überliefert ist zumindest ein Fall, bei dem die Würzburger tatsächlich zu dem Mittel des Zwangsverkaufs griffen. Der Schultheiß hatte die Güter eines Ausgewanderten namens Kaspar Keller ohne dessen Wissen schätzen lassen und diese an einen Bader verkauft. Allerdings konnte der ursprüngliche Besitzer auf unbekannte Art und Weise seinen Besitz wieder an sich bringen.2606 Trotz der massiven Strafandrohungen konnte die Obrigkeit aber nicht erreichen, dass sich die Exulanten von ihren Besitzungen fern hielten.2607 Dies lag vermutlich daran, dass niemand weiter entfernte Orte zum Ziel gewählt hatte. Zwar drohte Echter wiederholt Verhaftungen an, falls Exulanten auf ihren Gütern angetroffen wurden, aber es gibt keinerlei Hinweise, dass diese auch durchgeführt wurden.2608 Zudem zeigte ein Fall, wie sich familiäre Verflechtungen auswirken konnten. Der Stadtschreiber Paulus Nußhold hatte keine Käufer gefunden, sodass Iphöfer Beamte den Preis für seine Güter festlegten und Bischof Julius selbst die Güter aufkaufen wollte. Der Verkauf kam aber nicht zustande, weil sich der katholische Schultheiß und Keller Georg Schirmer um diese Güter kümmerte. Bei ihm handelte es sich um den Schwager des Stadtschreibers.2609 Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Güter noch verkauft werden mussten. Es zeigt sich, dass die meisten Auswanderer ihre Güter bis mindestens 1589 behielten.2610 In zwei Fällen konnte der Verkauf der Güter bis mindestens in das Jahr 1592 verzögert werden.2611 2605 StAN Fm Ansbach, Religionsakten Tom. XLI »ettliche deren zu Iphoven vertriebene jetzt Bürger zu Mainbernheim beschwerungen«, 13. Februar 1589. 2606 StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnis derjenigen underthanen, denen im stifft würzburg ettliche güetter zum theil ohne ir wissen zum theil wider iren willen inn ganz geringen wehrt abgeschafft worden deren sie wider begern sambt billichen abtrags der nuzung oder inen deswegen ander gebürliche vergleichung zu thun«, 1594. 2607 Endres, Iphofen, S. 355. 2608 Ebd., S. 358. 2609 Ebd., S. 358 f. 2610 StAN Fm Ansbach, Religionsakten Tom. XLI Vogt, Bürgermeister und Rat von Mainbernheim an den brandenburgischen Rat Endres Wusman, 15. September 1588; In StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnis derjenigen underthanen, denen im stifft würzburg ettliche güetter zum theil ohne ir wissen zum theil wider iren willen inn ganz geringen wehrt abgeschafft worden deren sie wider begern sambt billichen abtrags der nuzung oder inen deswegen ander gebürliche vergleichung zu thun«, 1589, 1594, geben fast alle Ausgezogenen an, dass sie weiterhin in Würzburg Türkensteuer zahlen müssten, obwohl sie diese bereits dem Markgrafen gezahlt hätten. Eine Veranlagung zu einer Steuer war nur

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Insgesamt betrachtet gelang es den Exil-Iphöfern, ihren Besitz noch für einige Jahre zu behalten, obwohl sie nur die Erlaubnis für ein einziges Jahr bekommen hatten. Offenbar waren von der Hochstiftsleitung einige Zwangsmaßnahmen angeordnet worden, um den Verkauf zu beschleunigen. Aber diese wurden vor Ort nicht flächendeckend und sofort durchgesetzt. In einem Fall ist der Grund offensichtlich: Ein Mann bestellte die Güter seines ausgewanderten Schwagers, was besonders delikat war, da er als Schultheiß und Keller für die Ausführung der Rekatholisierungsmaßnahmen verantwortlich war. Dennoch waren die familiären Verflechtungen offensichtlich stärker als die konfessionelle Trennung. Es ist folglich davon auszugehen, dass viele ihre Güter aus ähnlichen Gründen behalten konnten: Weil sie familiäre, freundschaftliche und nachbarliche Bindungen hatten, die durch die Auswanderung nicht abgeschnitten wurden. Kitzingen In Kitzingen kam es nicht dazu, dass die Auswanderer lange Jahre ihren Besitz behalten konnten. Das Restitutionsedikt sah vor, dass Häuser und andere Güter sofort verkauft werden sollten, die Preise wurden von dem in Kitzingen stationierten Würzburger Regiment festgelegt. Häufig fiel die Kaufsumme entsprechend der Umstände gering aus und wurde zumeist mit (angeblichen) Steuerrückständen oder anderen Gebühren verrechnet, sodass es durchaus vorkommen konnte, dass der Verkäufer etwas draufzahlen musste.2612 Offenbar wurde dies aber nicht durchgehend ausgeführt, denn es ließen sich auch Fälle nachweisen, in denen es nicht so gehandhabt wurde. Eine nach Schweinfurt ausgewanderte Frau konnte ihre Güter zunächst behalten und verkaufte diese erst im Juli 1631.2613 Zudem ist eine Supplik des vertriebenen Kitzinger Pfarrers Salomon Codomann überliefert. Dieser hatte die Stadt sehr schnell verlassen müssen. Erst zwei Jahre später bat er darum, da er ob dieser Eile keinen Käufer gefunden habe, dass er seine Güter behalten und jemanden zum Bestellen der Güter anstellen dürfe.2614 In den ersten beiden Jahren nach seiner Auswanderung war der Besitz also offenbar kein Problem gewesen. Außerdem

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möglich, wenn auch Güter in dem entsprechenden Territorium vorlagen. Allerdings sind Teile der Beschwerden von 1589, andere von 1594, ohne dass sie eindeutig zuzuordnen sind. Möglicherweise konnten also die Auswanderer ihre Güter sogar bis 1594 behalten. StAW Adm. f. 417/8383 Georg Schirmer, Keller und Schultheiß von Iphofen an Bischof Julius, 1. Februar 1592. Sowohl Endres Pfaff (jetzt Mainbernheim) und Georg Rauppradt (jetzt Obernbreit) hatten ihre Güter in Iphofen noch. Hock, Kitzingen, S. 69. StAW Gebr Amt II FG 932 Stadtvogt, Bürgermeister und Rat der Stadt Kitzingen an Bischof Philip Adolf, 28. Juni 1631. Ebd. Salomon Codoman an Bischof Johann Philipp, 2. September 1631.

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ist zumindest ein Fall bekannt, in dem ein Auswanderer bzw. seine Erben einige Güter in Kitzingen bis nach dem Dreißigjährigen Krieg behielten.2615 Grundsätzlich wurde in Kitzingen anders verfahren als in Gerolzhofen und Iphofen. Auf Grund der militärischen Lage war es für den Bischof deutlich einfacher, Druck auf die Ausgewanderten auszuüben. Zeitlich begrenzte Nutzungen der Güter waren nicht erlaubt. Dennoch gelang es einzelnen Personen, ihre Güter zunächst zu behalten. Gemünden In Gemünden hatten die Auswanderer anscheinend keine Gelegenheit zu verkaufen, da Bischof Julius ihre Güter beschlagnahmen ließ.2616

7.2.6. Konflikte mit Zurückgebliebenen Im Hochstift Bamberg ließen sich keine Probleme zwischen Auswanderern und denjenigen nachweisen, die sich gegen eine Emigration entschieden hatten. Im Hochstift Würzburg wiederum ergaben sich nach dem Abzug eine Reihe von Schwierigkeiten und Problemen. Im Folgenden soll beschrieben werden, welche Konflikte entstanden und mit welchen Mitteln diese gelöst werden sollte. Gerolzhofen Für die ersten zehn Jahre nach dem Auszug von 1586 lassen sich in Gerolzhofen Schwierigkeiten zwischen Ausgewanderten und Zurückgebliebenen zeigen. Diese kreisten im Wesentlichen um zwei Bereiche: wirtschaftliche Belange und (vermeintliche) Beleidigungen von Personen. Zunächst werden im Folgenden sieben wirtschaftliche Streitpunkte dargestellt. Dabei werden nach Möglichkeit bei jedem Punkt die kontrastierenden Meinungen der beteiligten Parteien gespiegelt. Erstens stellten die Ausgewanderten grundsätzlich in Frage, dass sie überhaupt ihre Güter verkaufen müssten. Ihrer Meinung nach gebe es kein Gesetz und keinen Brauch, der es Fremden verböte, Güter in Gerolzhofen zu besitzen. Zudem gebe es eine Reihe von Gütern in der Stadt, die fremden, gleichwohl katholischen, Menschen gehörten und diese würden nicht bedrängt zu verkaufen.2617 Diesem Argument stimmte die Gerolzhofener Obrigkeit grundsätzlich zu, gab aber an, dass nur diejenigen zum Verkaufen gedrängt worden seien, 2615 StAW Gebr Amt II FG 944 Christoph Metzler und Andreas König, Bürger von Rothenburg an Bürgermeister und Rat der Stadt Rothenburg, o. Dat. 2616 Riedmann, Gemünden, S. 60 ohne Nennung der Quelle. 2617 StAW Adm. f. 417/8383 »briechsenstatter beschwernuß puncten so aus gerolzhofen gezogen juni 1590«.

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die vorher durch schlechtes Verhalten und Spott aufgefallen wären.2618 Überliefert sind Beschimpfungen wie »teuffelskinder«, »bapstlicher hund« und ähnliches.2619 Zudem befürchtete die Stadtobrigkeit, dass die Ausgewanderten und deren Erben nicht verkauften, wenn kein Druck angewendet würde.2620 Als ein weiteres Argument dafür, warum Exulanten zum Verkauf aufgefordert würden, führten die Gerolzhofener an, dass es für sie von großem Nachteil sei, dass die Exil-Gerolzhofener die Ernte, die sie auf Gerolzhofener Territorium einfuhren, ins Markgräfliche brachten, da dadurch die Lebensmittel verknappt würden.2621 Das zweite große Problem stellte die Findung eines angemessenen Preises für die Güter dar. Die Ausgewanderten beklagten sich darüber, dass der Wert ihrer Güter von der Obrigkeit bestimmt würde auf der Basis dessen, wie sie in der Steuer veranlagt waren. Dabei würden zu niedrige Preise ermittelt.2622 Es lag in der Natur der Sache, dass die Gerolzhofener gerade das Gegenteil für richtig hielten: Die Ausgewanderten hätten viel zu hohe Preis angegeben, um extra keine Käufer zu finden, deswegen sei ihre Methode die einzige Möglichkeit, um realistische Preise zu ermitteln.2623 Offenbar hatte die städtische Obrigkeit zu2618 Ebd. »Undertheniger wahrhafftiger gegenbericht vogts burgermeisters und rahts zu gerolzhoven uff die vermeintte richtige gravamina so etlich wegen der religion von gerolzhoven nach briestatt (=Prichsenstatt, H. B.) gezogene herrn marggraffen ubergeben laßen«, 8. Juni 1591. 2619 StAW Geistliche Sachen 3082 »der gerolzhovner ableinung uber die erdichte und eingebene gravamina der ausgezogenen item des raths und gantzer burgerschaft daselbsten wegen beschwernus«, o. Dat. 2620 StAWAdm. f. 417/8383 »Undertheniger wahrhafftiger gegenbericht vogts burgermeisters und rahts zu gerolzhoven uff die vermeintte richtige gravamina so etlich wegen der religion von gerolzhoven nach briestatt (=Prichsenstatt, H. B.) gezogene herrn marggraffen ubergeben laßen«, 8. Juni 1591. 2621 StAW Geistliche Sachen 3082 »Memoriale wegen der ausgezogenen güeter zue gerolzhofen«, o. Dat. 2622 StAW Adm. f. 417/8383 »briechsenstatter beschwernuß puncten so aus gerolzhofen gezogen juni 1590«. Der in den Quellen häufig genannte Begriff, dass die Güter »geschätzt« würden, leitet sich von dem so genannten »Schatz« ab. Dies meint im allgemeinen Steuer, meist die so genannte Bede. Die Bede wurde regelmäßig von Bürgern und Bauern an den Landesherrn gezahlt. Eingezogen wurde sie von der jeweiligen Gemeinde (Haberkern/ Wallach, Hilfswörterbuch, S. 65, S. 551). In Franken konnte Bede aber auch etwas anderes heißen, nämlich einerseits eine Steuer aller Mitglieder der Gemeinde für die gemeinsamen örtlichen Aufgaben, andererseits eine städtische Steuer auf Haus, Grundbesitz und Gewerbeeinnahmen (Heydenreuter u. a., Abbrändler, S. 29). 2623 Ebd. »Undertheniger wahrhafftiger gegenbericht vogts burgermeisters und rahts zu gerolzhoven uff die vermeintte richtige gravamina so etlich wegen der religion von gerolzhoven nach briestatt (=Prichsenstatt, H. B.) gezogene herrn marggraffen ubergeben laßen«, 8. Juni 1591; StAW Geistliche Sachen 3082 »warhaffte und gründlichs ableinung eines erbarn rats der fl gn statt gerolzhofen der erdichten falschen und neidischen ubergebenen beschwernußpuncten der ausgezogenen jezunder under dem marggraffthumb brandenburg wohnende«, o. Dat.

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nächst keinen Erfolg damit. Im Jahr 1596 hatten Teile der Auswanderer immer noch Güter in der Stadt.2624 Zwei Auswanderer wurden gleichwohl gezwungen, ihre Güter zum von der Stadt festgelegten Preis zu verkaufen, obwohl sie diesen für zu niedrig hielten.2625 Zudem scheint diese Praxis nicht in allen Fällen von Bischof Julius als rechtens eingeschätzt worden zu sein. In einem Fall kassierte er die Schätzung und machte den Zwangsverkauf wieder rückgängig.2626 Da dem Bischof die Auswanderung der Protestanten sehr wichtig war, ist dies ein sehr bemerkenswerter Vorgang. Die Gerolzhofener Obrigkeit warf den Exulanten zudem vor, dass diese ihre Güter bewusst nicht an kapitalstarke und vertrauenserweckende Personen verkauften. Stattdessen suchten sie ärmere Menschen aus, machten mit ihnen einen viel zu hohen Preis aus und hofften, dass die Stadtverwaltung für die Zahlung einspränge.2627 Der dritte Punkt drehte sich um die Frage, ob und wie die Güter der Exulanten, die noch nicht verkauft waren, zu bestellen seien. Bischof Julius hatte den Auswanderern zunächst erlaubt, ihre Güter vorläufig zu behalten und von anderen, katholischen Menschen bearbeiten zu lassen.2628 Die Emigranten beklagten sich sich zum einen darüber, dass die Erlaubnis, Beständner2629 anzunehmen, zurückgenommen wurde.2630 Gleichwohl scheint dieses Verbot aber nicht stringent verfolgt worden zu sein. Die Exulanten beklagten sich nämlich 2624 StAW Geistliche Sachen 3082 Amtmann, Bürgermeister, Rat und Bürgerschaft von Gerolzhofen an Bischof Julius, 18. Juli 1593; Ebd. Bürgermeister und Rat von Gerolzhofen an Bischof Julius, 16. Januar 1596. 2625 StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnis derjenigen underthanen denen im stifft würzburg ettliche güetter zum theil ohne ir wissen zum theil wider iren willen inn ganz geringen wehrt abgeschaft worden deren sie wider begern sambt billichen abtrags der nuzung oder inen deswegen ander gebührliche vergleichung zu thun«, 1589. 2626 StAW Geistliche Sachen 3082 »der gerolzhovner ableinung uber die erdichte und eingebene gravamina der ausgezogenen item des raths und gantzer burgerschaft daselbsten wegen beschwernus«, o. Dat. Da sich aus dem Schriftstück kein genaues Datum ableiten lässt, muss unklar bleiben, ob es sich um einen einmaligen Fall gehandelt hat oder ob danach generell die Praxis des zwangsweise angesetzten Preises aufhörte. 2627 StAW Geistliche Sachen 3082 »warhaffte und gründlichs ableinung eines erbarn rats der fl gn statt gerolzhofen der erdichten falschen und neidischen ubergebenen beschwernußpuncten der ausgezogenen jezunder under dem marggraffthumb brandenburg wohnende«, o. Dat. 2628 Heppe, Restauration, S. 168 f. 2629 Ein Beständner ist ein vertraglich beschränkter Inhaber eines bäuerlichen Leihegutes oder eines Nutzungsrechtes, wobei der Verpächter in der Regel jährlich kündigen kann (Heydenreuter, Abbrändler, S. 32). 2630 StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnis derjenigen underthanen denen im stifft würzburg ettliche güetter zum theil ohne ir wissen zum theil wider iren willen inn ganz geringen wehrt abgeschaft worden deren sie wider begern sambt billichen abtrags der nuzung oder inen deswegen ander gebührliche vergleichung zu thun«, 1589; StAWAdm. f. 417/8383 »briechsenstatter beschwernuß puncten so aus gerolzhofen gezogen juni 1590«.

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andererseits darüber, dass die angenommenen Beständner und Tagelöhner ihre Arbeit nicht gut machten.2631 Die Gerolzhofener verfochten in diesem Punkt die gegenteilige Meinung. Einerseits sei den Ausgezogenen niemals verwehrt worden, ihre Güter durch Tagelöhner für einige Zeit bestellen zu lassen, andererseits habe man ihnen danach auf Befehl des Bischofs hin verboten, diese Zeit mit Hilfe von Beständnern auf mehrere Jahre auszudehnen.2632 Ein Exulant etwa habe mit einem Beständner einen Vertrag auf drei Jahre machen wollen. Dies zeige deutlich, dass er gar nicht im Sinn gehabt hätte, zügig die Güter zu verkaufen und deswegen sei es verboten worden.2633 Gleichzeitig gaben die Gerolzhofener an, dass auch ihre eigenen Güter von Tagelöhnern nicht gut bestellt würden und dies kein Problem der Auswanderer allein sei.2634 Im Laufe der 1590er Jahre klagten die Gerolzhofener weiterhin, dass die Exulanten ihre Güter durch Bauern aus der Umgebung bestellen ließen und sich einen Vorteil dadurch verschafften, dass sie diesen mehr bezahlten als es üblich sei.2635 Ein viertes Problem stellte die Düngung der Güter dar. Die Ausgewanderten beklagten sich darüber, dass ihnen das Düngen ihrer Güter verboten worden war. Aus ihrer Sicht war dies aus zwei Gründen nicht rechtens. Einerseits konnten sie vier Personen aufführen, die weiterhin ihre Felder düngen durften. Diese vier Personen waren nicht aus religiösen Gründen ausgewandert.2636 Zweitens gaben sie an, dass ihnen vor dem Abzug die Erlaubnis zur weiteren Düngung erteilt worden sei.2637 Die Gerolzhofener argumentieren dagegen, dass 2631 StAW Adm. f. 417/8383 »briechsenstatter beschwernuß puncten so aus gerolzhofen gezogen juni 1590«. 2632 Ebd. »Undertheniger wahrhafftiger gegenbericht vogts burgermeisters und rahts zu gerolzhoven uff die vermeintte richtige gravamina so etlich wegen der religion von gerolzhoven nach briestatt (=Prichsenstatt, H. B.) gezogene herrn marggraffen ubergeben laßen«, 8. Juni 1591. 2633 StAW Geistliche Sachen 3082 »warhaffte und gründlichs ableinung eines erbarn rats der fl gn statt gerolzhofen der erdichten falschen und neidischen ubergebenen beschwernußpuncten der ausgezogenen jezunder under dem marggraffthumb brandenburg wohnende«, o. Dat. 2634 StAWAdm. f. 417/8383 »Undertheniger wahrhafftiger gegenbericht vogts burgermeisters und rahts zu gerolzhoven uff die vermeintte richtige gravamina so etlich wegen der religion von gerolzhoven nach briestatt (=Prichsenstatt, H. B.) gezogene herrn marggraffen ubergeben laßen«, 8. Juni 1591. 2635 StAW Geistliche Sachen 3082 Amtmann, Bürgermeister, Rat und Bürgerschaft von Gerolzhofen an Bischof Julius, 18. Juli 1593; ebd. »warhaffte und gründlichs ableinung eines erbarn rats der fl gn statt gerolzhofen der erdichten falschen und neidischen ubergebenen beschwernußpuncten der ausgezogenen jezunder under dem marggraffthumb brandenburg wohnende«, o. Dat. 2636 StAW Adm. f. 417/8383 »briechsenstatter beschwernuß puncten so aus gerolzhofen gezogen juni 1590«. 2637 StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnis derjenigen underthanen denen im stifft

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in ihrer Stadt generell Fremden das Düngen von Gütern verboten sei, da sonst nicht genug für sie selbst vorhanden sei.2638 Was die vier Personen betraf, seien dies anders gelagerte Fälle. Außerdem, so betonten sie, nur weil sie das Düngen am Anfang erlaubt hätten, hieße das nicht, dass es auf immer erlaubt bliebe.2639 Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Gerolzhofener sich ebenfalls darüber beklagten, dass die Exulanten teilweise ihre Güter mehrere Jahre nicht mehr gedüngt hätten und von ihnen im Fall des Verkaufs viel Arbeit in den ausgelaugten Boden investiert werden müsste.2640 Zum fünften beklagten sich die Fortgezogenen, dass einige ihre Güter und Waren unter ihrer Meinung nach fadenscheinigen Gründen beschlagnahmt worden seien.2641 Die angeführten Beweise, dass dies nicht rechtens sei, hielten die Gerolzhofener im Gegenzug für »erdichtet«2642 oder führten Gegenbeweise ins Feld.2643 Das sechste Problem stellte die Bede dar. Da die Bede direkt der Stadt zugute kam, ist es nicht überraschend, dass die Gerolzhofener Obrigkeit versuchte, diese Steuer von den Ausgewanderten einzufordern. Diese beklagten sich darüber, dass sie nicht nur Bede für Güter zahlen müssten, die sie noch besaßen (was sie gern tun wollten), sondern, dass sie auch Zahlungsaufforderungen für

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würzburg ettliche güetter zum theil ohne ir wissen zum theil wider iren willen inn ganz geringen wehrt abgeschaft worden deren sie wider begern sambt billichen abtrags der nuzung oder inen deswegen ander gebührliche vergleichung zu thun«, 1589. StAWAdm. f. 417/8383 »Undertheniger wahrhafftiger gegenbericht vogts burgermeisters und rahts zu gerolzhoven uff die vermeintte richtige gravamina so etlich wegen der religion von gerolzhoven nach briestatt (=Prichsenstatt, H. B.) gezogene herrn marggraffen ubergeben laßen«, 8. Juni 1591. StAW Geistliche Sachen 3082 »warhaffte und gründlichs ableinung eines erbarn rats der fl gn statt gerolzhofen der erdichten falschen und neidischen ubergebenen beschwernußpuncten der ausgezogenen jezunder under dem marggraffthumb brandenburg wohnende«, o. Dat. Ebd. »der gerolzhovner ableinung uber die erdichte und eingebene gravamina der ausgezogenen item des raths und gantzer burgerschaft daselbsten wegen beschwernus«, o. Dat. StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnis derjenigen underthanen denen im stifft würzburg ettliche güetter zum theil ohne ir wissen zum theil wider iren willen inn ganz geringen wehrt abgeschaft worden deren sie wider begern sambt billichen abtrags der nuzung oder inen deswegen ander gebührliche vergleichung zu thun«, 1589, 1594, StAW Adm. f. 417/8383 »briechsenstatter beschwernuß puncten so aus gerolzhofen gezogen juni 1590«. Ebd. »Undertheniger wahrhafftiger gegenbericht vogts burgermeisters und rahts zu gerolzhoven uff die vermeintte richtige gravamina so etlich wegen der religion von gerolzhoven nach briestatt (=Prichsenstatt, H. B.) gezogene herrn marggraffen ubergeben laßen«, 8. Juni 1591. StAW Geistliche Sachen 3082 »warhaffte und gründlichs ableinung eines erbarn rats der fl gn statt gerolzhofen der erdichten falschen und neidischen ubergebenen beschwernußpuncten der ausgezogenen jezunder under dem marggraffthumb brandenburg wohnende«, o. Dat.

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Güter erhielten, die sie bereits verkauft hätten.2644 Zudem sollten die Exulanten offenbar eine höhere Steuer für ihre Güter bezahlen als vor der Auswanderung.2645 Die Gerolzhofener bestritten nicht, dass sie von den Auswanderern eine höhere Steuer forderten, sondern argumentierten damit, dass das Verlangen einer höheren Bede von Auswärtigen immer schon Brauch in der Stadt gewesen sei.2646 Außerdem gaben sie an, dass man an den von den Exulanten geforderten hohen Preisen für die Güter erkennen könnte (da Wert und Bede zusammenhängen), dass die Exulanten während ihrer Zeit in Gerolzhofen zu wenig Bede bezahlt hätten.2647 Die Zahlung der Bede für bereits verkaufte Güter ergebe sich indes daraus, dass die meisten Güter nicht auf einmal bezahlt würden, sondern nach und nach über Zinsen und Abschläge. Für diese Zinsen und Abschläge müsse die Steuer gezahlt werden.2648 Beklagten die Exulanten die zu hohe Steuer, beschwerten sich gleichermaßen die Gerolzhofener darüber, dass die Exulanten die Steuern nicht bezahlten.2649 Das siebte große wirtschaftliche Konfliktfeld betraf die Amtshilfe durch die Gerolzhofener Obrigkeit in Fällen, in denen Geld (aus einem Kauf oder einer Verleihung) nicht gezahlt wurde. Die Ausgezogenen beklagten sich, dass sie nicht in dem gleichen Maß diese Hilfe bekämen wie die Gerolzhofener.2650 Als ein Beispiel führten sie auf, dass sie selbst zwar schnell ihre Schulden zahlen sollten, aber das ihnen nicht geholfen wurde, die Schulden, die andere bei ihnen hatten,

2644 StAW Adm. f. 417/8383 »briechsenstatter beschwernuß puncten so aus gerolzhofen gezogen juni 1590«. 2645 StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnis derjenigen underthanen denen im stifft würzburg ettliche güetter zum theil ohne ir wissen zum theil wider iren willen inn ganz geringen wehrt abgeschaft worden deren sie wider begern sambt billichen abtrags der nuzung oder inen deswegen ander gebührliche vergleichung zu thun«, 1589, 1594; StAW Adm. f. 417/8383 »briechsenstatter beschwernuß puncten so aus gerolzhofen gezogen juni 1590«. 2646 Ebd. »Undertheniger wahrhafftiger gegenbericht vogts burgermeisters und rahts zu gerolzhoven uff die vermeintte richtige gravamina so etlich wegen der religion von gerolzhoven nach briestatt (=Prichsenstatt, H. B.) gezogene herrn marggraffen ubergeben laßen«, 8. Juni 1591. 2647 StAW Geistliche Sachen 3082 »warhaffte und gründlichs ableinung eines erbarn rats der fl gn statt gerolzhofen der erdichten falschen und neidischen ubergebenen beschwernußpuncten der ausgezogenen jezunder under dem marggraffthumb brandenburg wohnende«, o. Dat. 2648 StAWAdm. f. 417/8383 »Undertheniger wahrhafftiger gegenbericht vogts burgermeisters und rahts zu gerolzhoven uff die vermeintte richtige gravamina so etlich wegen der religion von gerolzhoven nach briestatt (=Prichsenstatt, H. B.) gezogene herrn marggraffen ubergeben laßen«, 8. Juni 1591. 2649 StAW Geistliche Sachen 3082 Bürgermeister und Rat von Gerolzhofen an Bischof Julius, 16. Januar 1596. 2650 StAW Adm. f. 417/8383 »briechsenstatter beschwernuß puncten so aus gerolzhofen gezogen juni 1590«.

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einzutreiben.2651 Im Gegenzug führten die Gerolzhofener zehn Fälle auf, in denen sie schnelle Amtshilfe erteilt hätten, auch zum Nachteil ihrer eigenen Bürger und begründeten, warum sie die geforderte Amtshilfe in einigen Fällen nicht leisten könnten.2652 Der zweite große Problemkomplex betrifft den persönlichen Umgang der Ausgezogenen mit den Zurückgebliebenen, der von gegenseitigem Misstrauen geprägt war. Im Oktober 1586 wurden auf Grund von Beleidigungsvorwürfen gegen Exulanten in einem Verhör in Gerolzhofen insgesamt 159 Menschen befragt, von denen 70 eine Aussage zu Protokoll gaben.2653 Die Vorwürfe, die sich auf Zusammenstöße zwischen Auswanderern und Gerolzhofener bezogen, kreisten um die folgenden Punkte: (1) Einige Auswanderer verkauften in Gerolzhofen Waren, als ob sie immer noch dort wohnten. (2) Der Auswanderer Hans Herlheimer2654 und andere hätten einige Gerolzhofener beleidigt. Zitiert wurde Herlheimer mit verschiedenen Aussagen: Er wünsche, er könne sich einen Krieg kaufen (um gegen Gerolzhofen vorzugehen), er wolle am liebsten die Stadt abbrennen und er beschimpfe diejenigen, die eine Konversion der Auswanderung vorgezogen hatten als Schelme. Auffällig ist bei der Befragung, dass nur etwa ein Drittel der Zeugen persönlich von diesen Beleidigungen berichten konnten, während die anderen von jemand anderem gehört hatten, dass diese Worte gefallen sein sollten. Insgesamt geht aus dem Verhör aber vor allem hervor, dass die Exil-Gerolzhofener sich ständig in der Stadt aufhielten, dort ihre Waren verkauften und im Wirtshaus und anderswo viele Kontakte mit Zurückgebliebenen hatten. Im Januar 1596 lässt sich die letzte Beschwerde der Gerolzhofener Stadtobrigkeit fassen.2655 Unklar ist allerdings, ob sich die Probleme von allein gelöst hatten, weil nach und nach alle Güter verkauft wurden und damit ein wesentlicher Streitpunkt wegfiel oder ob die Überlieferung abreißt. Hält man die Klage 2651 StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnis derjenigen underthanen denen im stifft würzburg ettliche güetter zum theil ohne ir wissen zum theil wider iren willen inn ganz geringen wehrt abgeschaft worden deren sie wider begern sambt billichen abtrags der nuzung oder inen deswegen ander gebührliche vergleichung zu thun«, 1589; StAWAdm. f. 417/8383 »briechsenstatter beschwernuß puncten so aus gerolzhofen gezogen juni 1590«. 2652 StAW Geistliche Sachen 3082 »warhaffte und gründlichs ableinung eines erbarn rats der fl gn statt gerolzhofen der erdichten falschen und neidischen ubergebenen beschwernußpunten der ausgezogenen jezunder un der dem marggraffthumb brandenburg wohnende«, o. Dat. 2653 Zum Folgenden StAW Geistliche Sachen 3082 »extract aus dem verhor zu gerolzhofen furgangen den 6 octobris anno 86 hannsen herlheim becken betrefend«. Die anderen 89 Personen sagten aus, dass sie von nichts wüssten. 2654 Herlheimer war Bäcker und offensichtlich vermögend genug, um in Prichsenstadt ein Haus zu erwerben (Wöppel, Prichsenstadt, S. 359). 2655 StAW Geistliche Sachen 3082 Bürgermeister und Rat von Gerolzhofen an Bischof Julius, 16. Januar 1596.

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der Gerolzhofener aus etwa der Mitte der 1590er Jahre, die Auswanderer hätten noch Güter im Wert von mehreren tausend Gulden, für einigermaßen realistisch, ist wohl eher von einem Verlust der Quellen auszugehen.2656 Auf lange Sicht hat aber offenbar doch ein vollständiger Verkauf aller Güter stattgefunden.2657 Auf der territorialen Ebene versuchten Bischof Julius und Markgraf Georg Friedrich von Ansbach-Kulmbach2658 auf verschiedene Art und Weise, zu einer Lösung des Problems zu kommen. In den Jahren 1586/87 wendete sich der Würzburger Bischof mehrmals persönlich an den Markgrafen. Da Echter die Lösung aller Probleme im Verkauf der Güter sah, forderte er den Markgrafen nachdrücklich auf, seine neuen Untertanen dazu zu bringen.2659 Als sich im September 1595 würzburgische und brandenburgische Gesandte in Kitzingen trafen, um über Nachsteuerprobleme zu sprechen, kamen auch die Schwierigkeiten der Exulanten mit den Gerolzhofenern zur Sprache. Allerdings hatten die Würzburger für diesen Punkt keine Instruktionen erhalten – oder gaben zumindest vor, keine zu haben – so dass zwar die Klage der Kulmbacher ins Protokoll aufgenommen, aber nicht über Lösungen verhandelt wurde.2660 Danach ist es zu keinem weiterem Versuch zwischen Bischof und Markgraf mehr gekommen, das Problem grundsätzlich anzugehen.2661 Generell wird deutlich, dass die Stimmung zwischen den Gerolzhofenern und den Exil-Gerolzhofenern keineswegs von Freundschaft und guter Nachbarschaft geprägt war, wobei unklar ist, wie viele Beziehungen und Geschäfte weiterhin reibungslos liefen und deswegen keinen Niederschlag in den Quellen gefunden haben. Da Gerolzhofen bis in die 1580er Jahre eine gemischt-konfessionelle Stadt war, ist infolgedessen keine Aussage darüber möglich, wie sich die drei Gruppen Exulanten – Konvertiten – ursprüngliche Katholiken zueinander verhielten und wer die treibenden Kräfte in den Konflikten waren. Die Beleidigungsaffäre um den Bäcker Herlheimer scheint indes darauf hinzudeuten, dass die Schwierig2656 Ebd. »der gerolzhovner ableinung uber die erdichte und eingebene gravamina der ausgezogenen item des raths und gantzer burgerschaft daselbsten wegen beschwernus«, o. Dat. 2657 Wöppel, Prichsenstadt, S. 155. 2658 Georg Friedrich regierte in Brandenburg-Ansbach ab 1556, in Kulmbach ab 1557 bis zum Jahr 1603 (Rudersdorf, Manfred: Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach/ Bayreuth, in: Schindling, Anton/Ziegler, Walter (Hrsg.): Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500 – 1650. Band 1: Der Südosten, Münster, 1989, S. 10 – 30, hier S. 11). 2659 StAW Geistl. Sachen Nr. 3069 Bischof Julius an Markgraf Georg Friedrich, 1587. 2660 StAW ldf 36 »vertrag zwischen wirtzburg und brandenburg wegen nachsteuer aus wirtzburg, nachher kitzingen, im auszug heyrathen und erbfällen zu kitzingen«, 14. September 1595. 2661 Da in den vollständig vorliegenden Libri diversarum formarum (ldf) alle wichtigen Verträge und Protokolle in Kopie vorliegen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass eine Absprache zustande gekommen oder nur versucht worden ist.

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keiten hauptsächlich zwischen den Exulanten und den Konvertiten ausgetragen wurden. Die strukturellen Begebenheiten begünstigten die Konflikte. Die meisten Auswanderer waren ins nur 10 km entfernte markgräfliche Prichsenstadt gezogen. Sie waren also nicht weit weg und konnten jeden Tag nach Gerolzhofen kommen. Es gab folglich für diese Gruppe keinen Grund, die eigenen Güter zu verkaufen, vor allem, wenn sie den Preis als zu niedrig einschätzten. Da die Auswanderer alle im Jahr 1586 gehen mussten, ist es wahrscheinlich, dass es bei einem gleichzeitigem Verkauf aller Güter zu einem Überangebot gekommen wäre, das zu schlechteren Preisen geführt hätte. Daraus ergibt sich, wo für die Zurückgebliebenen der Vorteil lag: Sie konnten in den Fällen, in denen ein schneller Verkauf tatsächlich erreicht werden konnte, billige Felder und Gärten erwerben. Es lag also durchaus im Interesse der zurückgebliebenen Gerolzhofener, den Zugang zu den Gütern der Exulanten zu beschränken, um sie so schnell wie möglich zum Verkauf zu drängen. Unklar bleibt indessen, warum manche Exulanten sich gegen die zwangsweise Festlegung des Güterwertes und den schnellen Verkauf wehren konnten, andere nicht. Verschiedene Gründe sind möglich. Neben dem schlichten Zufall erscheinen besonders schützende bzw. fehlende Familien- und Freundschaftsbindungen als Erklärung sinnvoll. Zudem fällt auf, dass die hier dargestellten Konflikte mit den Zurückgebliebenen im Wesentlichen von den Prichsenstädter Exulanten ausgetragen wurden. Diese konnten als größere Gruppe stärker agieren und sie hatten mit dem Markgrafen einen mächtigeren neuen Landesherrn als Unterstützung als etwa die einzelnen Familien, die in kleinere ritterschaftliche Gebiete gegangen waren. In den Konflikten wurde deutlich, wie sehr das Wirtschaftsleben der Region um Gerolzhofen miteinander verwoben und auf diese Stadt konzentriert war. Die Exulanten mussten mangels Alternativen zwangsläufig die Märkte in ihrer alten Heimat besuchen. Das Konfliktpotential wurde dadurch zusätzlich erhöht, da sich die Exulanten und Zurückgebliebenen ständig begegneten. Inwiefern parallel dazu der friedliche und produktive Umgang der Ausgezogenen mit den Zurückgebliebenen ablief, muss Spekulation bleiben. Iphofen In Iphofen scheint es ebenfalls Streitigkeiten zwischen Exulanten und Zurückgebliebenen gegeben zu haben. Da die Quellen aber recht knapp sind, können im Folgenden nur Streiflichter aufgezeigt werden. Die ersten Konflikte traten bereits direkt im Umfeld des Güterverkaufes auf. Da die Exulanten 1586 unter großem Handlungszwang standen, ihre Güter

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verkaufen zu müssen, nutzten Zurückbleibende dies, indem sie einen getätigten Güterverkauf nicht bezahlten.2662 Außerdem hatte es Konflikte in Zusammenhang mit der Weinlese gegeben, die 1586 seitens der Ausgewanderten noch durchgeführt werden durfte. Die Exulanten beklagten sich, da sie ihren Most sofort aus Iphofen bringen mussten, dass die Gebühren des Ausfuhrzolls und der angeheuerten Arbeiter viel zu hoch gewesen seien und dass die städtischen Beamten nichts dagegen getan hätten.2663 Der ehemalige Iphöfer Hans Gebhardt beklagte, dass man ihm in seiner alten Heimatstadt keine Amtshilfe bei der Eintreibung von Schulden geleistet habe.2664 Grundsätzlich waren Probleme zwischen Exulanten und Zurückgebliebenen der Obrigkeit bekannt. Im Dezember 1589 erkundigte sich Bischof Julius, ob es immer noch Schwierigkeiten mit den Ausgewanderten gebe.2665 In Iphofen stellte sich die Situation grundsätzlich anders dar als im knapp 30 km entfernten Gerolzhofen. Die Gruppe der Auswanderer war deutlich kleiner und konnte entsprechend nicht so stark agieren. Zudem konnten keine Zielorte festgestellt werden, die größere Gruppen von Exulanten aufnahmen und aus denen der Widerstand gegen den Verkaufszwang gesteuert werden konnte. Kitzingen In Kitzingen konnten Konflikte zwischen Ausgezogenen und Zurückgebliebenen nur in einem Fall nachgewiesen werden. Eine im Jahr 1630 nach Schweinfurt ausgewanderte Frau hatte im folgenden Jahr für 1.000 Gulden Bargeld Güter in Kitzingen verkauft.2666 Dieses Geld wurde ihr von der Kitzinger Obrigkeit aus zweierlei Gründen beschlagnahmt:2667 Zum einen hatte sie die fällige Nachsteuer nicht bezahlt. Dies holte sie aber zügig nach. Zum anderen kam etwas gänzlich anders Gelagertes hinzu. Ein anderer nach Schweinfurt ausgewanderter Kitzinger hatte seinen drei Nichten und Neffen, die in Kitzingen bleiben mussten, ihren Anteil an den Krämerwaren des verstorbenen Vaters abgekauft, dieses Geld aber nicht vollständig bezahlt. Obwohl diese Sache in keiner Weise mit der Frau zusammenhing, beschied man ihr, dass die Kitzinger Stadtverwaltung deswegen das Geld behalten würde. Sie selbst sollte sich den fehlenden Geldbetrag bei dem entsprechenden Mann in 2662 Endres, Iphofen, S. 354. 2663 Ebd., S. 358. 2664 StAW Geistliche Sachen 3069 »verzeichnis derjenigen underthanen, denen im stifft würzburg ettliche güetter zum theil ohne ir wissen zum theil wider iren willen inn ganz geringen wehrt abgeschafft worden deren sie wider begern sambt billichen abtrags der nuzung oder inen deswegen ander gebürliche vergleichung zu thun«, 1594. 2665 AEB Rep. I Pf. A. Nr. 264 Bischof Julius’ (?) an Dekan von Iphofen, 16. Dezember 1589. 2666 StAW Gebr Amt II FG 932 Stadtvogt, Bürgermeister und Rat von Kitzingen an Bischof Philipp Adolf, 28. Juni 1631. 2667 Das Folgende ebd.

Ergebnisse des 7. Kapitels

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Schweinfurt zurückholen. Bischof Philipp Adolf von Ehrenberg ordnete indes an, der Frau das Geld wieder zurückzugeben.2668 Anhand dieses Beispieles hat sich deutlich gezeigt, dass Schwierigkeiten zwischen Exulanten und Zurückgebliebenen durchaus von der örtlichen Obrigkeit für eigene Zwecke genutzt werden konnten. Außerdem wurde deutlich, dass der Bischof nicht bedingungslos hinter seinen nunmehr katholischen Untertanen stand, wenn es um die Belange von Exulanten ging.

7.3. Ergebnisse des 7. Kapitels Die aktuelle Konversionsforschung beschäftigt sich überwiegend mit zwei Teilbereichen: Fürsten-, Adels- und Gelehrtenkonversionen einerseits, freiwillige Konversionen in einem plurireligiösen Umfeld andererseits. Beide Strömungen lassen sich aber nur bedingt mit der vorliegenden Untersuchung verknüpfen. In diesem Zusammenhang geht es um den Glaubenswechsel größerer Gruppen, ganzer Stadt- oder Dorfgemeinden, wobei der Glaubenswechsel gerade nicht auf einer gewissen Freiwilligkeit basierte, sondern im Wesentlichen durch obrigkeitlichen Druck zustande gekommen ist. Auch die in der Literatur mit Konversion verknüpften Maßnahmen wie Einübung zentraler Frömmigkeitspraktiken, Belehrung und Unterweisung2669 kamen in den in dieser Arbeit untersuchten Fällen erst nachgelagert zum Einsatz und nicht im Vorfeld, um die Konversion einzuleiten. Bei der Analyse der Emigration wurden die Analysekategorien (1) Zeiträume, (2) beteiligte Personen, (3) Auswanderungsziele, (4) Nachsteuer, (5) Güterverkauf und (6) Konflikte mit den Zurückgebliebenen angelegt. Entsprechend könnens sechs Erkenntnisse präsentiert werden. (1) Für das Hochstift Bamberg wurden in den untersuchten Orten bis auf wenige Einzelfälle praktisch keine Auswanderungen nachgewiesen. In denen des Hochstifts Würzburg erfolgte die Auswanderung als direkte Reaktion auf den Bischofsbesuch 1585/86 (Gerolzhofen, Gemünden, Iphofen) bzw. auf die Religionsmaßnahmen im direkten Anschluss an die Pfandauslösung 1629 (Kitzingen). Die Mengenverhältnisse waren dabei höchst unterschiedlich. Während in Gemünden und Iphofen nur eine kleine Gruppe von Personen ihre Heimat verließ, waren es in Gerolzhofen ca. 250 – 350 Menschen. In Kitzingen verließen mit 1.068 Personen ca. 40 % der Stadtbevölkerung ihren Wohnort. (2) Dabei hat sich gezeigt, dass die Auswanderer in der überwiegenden 2668 StAW Gebr Amt II FG 932 Bischof Philipp Adolf an Stadtvogt, Bürgermeister und Rat von Kitzingen, 1. Juli 1631. 2669 Siebenhüner, Glaubenswechsel, S. 257.

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Mehrheit höheren sozialen Schichten zugeordnet werden können. Sie waren in der Regel reich oder zumindest wohlhabend und übten nicht selten vor der Auswanderung ein politisches Amt aus. In einigen Fällen ließ sich zeigen, dass der wirtschaftliche und soziale Status in der neuen Heimat schnell wieder erreicht werden konnte. (3) Bei den Auswanderungszielen hat sich eine deutliche Präferenz für Orte in der unmittelbaren Umgebung gezeigt. Etwa die Hälfte der Auswanderer kamen in Orten innerhalb eines zehn-Kilometer-Radius unter, die meisten verließen einen 30 km-Radius nicht. Auswanderungen von mehr als 100 Kilometern waren die Ausnahme. (4) Die Konflikte um die Nachsteuer kreisten um zwei verschiedene Fälle. Einerseits war umstritten, ob sie überhaupt gezahlt werden musste oder nicht. Zweitens war ihre Höhe nicht eindeutig festgelegt. Es konnte kein allgemein gültiger Wert ermittelt werden. Während in der Literatur häufig von einer Nachsteuer von 2 % zu lesen ist, hat sich in den untersuchten Orten gezeigt, dass auch höhere Werte von bis zu 13 % vorkommen konnten. Grundsätzlich war die Nachsteuer eine territoriale Steuer. Es hat sich aber gezeigt, dass auch die Städte selbst teilweise versuchten, eine Nachsteuer einzufordern. (5) Generell sollten die Auswanderer ihre gesamten Güter zeitnah verkaufen. In zwei Fällen (Gerolzhofen, Iphofen) wurde eine zeitlich begrenzte Nutzung erlaubt. Es konnte allerdings gezeigt werden, dass diese Regelung vor Ort von Seiten der Auswanderer umgangen wurde und einige Güter nachweislich mehr als zehn Jahre im Besitz von Exulanten blieben. Dies wurde vor allem durch die geringe Entfernung der Zielorte möglich. Die Exulanten wohnten in der unmittelbaren Nachbarschaft und konnten ohne größere Schwierigkeiten die Bearbeitung ihrer Felder und Gärten organisieren. (6) Vor allem in Gerolzhofen, weniger in den anderen Orten, hat sich gezeigt, dass es eine breite Spanne von Konfliktfeldern mit den Zurückgebliebenen gab. Dies betraf zum einen wirtschaftliche Probleme (z. B. Preisgestaltung beim Güterverkauf, Zugang zu den noch nicht verkauften Gütern), zum anderen den persönlichen Umgang miteinander. Da die Auswanderer in der Mehrheit in der direkten Umgebung blieben, rissen die wirtschaftlichen Beziehungen trotz der konfessionellen Heterogenität nicht ab. Gerolzhofen etwa war ein wichtiger Marktort für die Umgebung, der von Händlern und Handwerkern nicht ausgelassen werden konnte. In den Quellen führt dies zu einer verstärkten Wiedergabe von Spannungen. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass eine Reihe von harmonischen Beziehungen sowohl im privaten als auch im wirtschaftlichen Bereich auch über die Emigration hinweg anhielt, sich dies aber nicht in den vorhandenen Quellen spiegelt.

8. Konflikte im Alltag gemischtkonfessioneller Orte

In einigen der untersuchten Orte war es im Laufe des 16. Jahrhunderts zu einer Koexistenz beider Konfessionen gekommen. Dies lag in erster Linie an den Herrschaftsverhältnissen vor Ort. Sowohl in Rugendorf als auch in Dormitz gab es neben den bambergischen Untertanen auch solche des Markgrafen, der Reichsstadt Nürnberg und verschiedener Ritter. Dies führte dazu, dass es in diesen Orten sowohl katholische als auch lutherische Einwohner gab. In Kitzingen wiederum erlaubte der Würzburger Bischof Johann Philipp von Schönborn nach dem Westfälischen Frieden aus verschiedenen Gründen das lutherische Glaubensexercitium. Im folgenden Kapitel soll beleuchtet werden, ob sich die Anwesenheit unterschiedlicher Konfessionen im Alltag bemerkbar machte und wenn ja, wie das Leben der Menschen dadurch beeinflusst wurde. Hochstift Bamberg Rugendorf In Rugendorf waren hauptsächlich der Markgraf von Brandenburg-Kulmbach und der Bischof von Bamberg begütert. Nachdem ab 1629 die bambergischen Untertanen teilweise rekatholisiert worden waren, musste gemäß der Normaljahresregelung nach dem Westfälischen Frieden wieder ein Prädikant eingesetzt werden. Das Vorhandensein von zwei Konfessionen im Dorf führte davon ausgehend zu Schwierigkeiten, die einerseits den Umgang der Obrigkeiten mit den Dorfbewohnern betrafen (Besuch der verschiedenen Gottesdienste, Einhaltung des neuen Kalenders und Einhaltung der Feiertage, gemischt-konfessionelle Ehen), andererseits das Verhältnis des neuen Prädikanten mit dem benachbarten Priester zum Gegenstand hatten. Nach dem Westfälischen Frieden lebten in Rugendorf offiziell die Anhänger zweier Konfessionen nebeneinander.2670 Allerdings lief das Zusammenleben 2670 S. Kapitel 5.1.2. Der Markgraf von Brandenburg-Kulmbach und der Bischof von Bamberg

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dennoch nicht so ab, wie es von markgräflichen und bambergischen Obrigkeiten gewünscht wurde. Größtes Ärgernis war, dass die bambergischen Untertanen, die durch die Rekatholisierungsmaßnahmen ab 1629 wieder katholisch – zumindest äußerlich – geworden waren und dies auch bleiben sollten, reihenweise wieder den lutherischen Gottesdienst in Rugendorf besuchten.2671 Ein zweites großes Problem für die bambergische Obrigkeit war die Einhaltung der Feiertage, da die beiden Konfessionen einerseits zum Teil unterschiedliche Feiertage hatten und anderseits die evangelischen (markgräflichen und adeligen) Rugendorfer auch den alten Kalender hielten, während die Katholiken bereits den neuen benutzen sollten, es aber nicht taten.2672 Der Pfarrer von Wartenfels und der Verwalter von Rugendorf berichteten im November 1650, dass »nit allein albereith der mehrertheil bambergischen underthanen zue rugendorf und losau zu der wiederwertigen lutherischen religion getretten sondern auch sich neben beeden eingepfarten dörfern zettlitz und ehesberg so gar vermeßentlich understehen keinen einzigen catholischen feyertag (ungeacht sie alle uf bambergischen territorio sesshaft) mehr zuhalden«.2673

Beide Probleme wurden zwar nach Bamberg gemeldet, führten aber zu keinerlei Handlungsanweisung für die bischöflichen Beamten vor Ort. Bischof Melchior Otto wendete sich stattdessen schriftlich an den Markgrafen Christian, um eine Änderung der Situation zu erreichen. Er müsse, so der Tenor des Schreibens, zwar die Protestanten in Rugendorf dulden, aber nicht, dass durch Arbeiten der katholische Feiertag »entheyliget« und die Katholiken im Dorf »in ihren Gottesdienst nit ohne geringe ergernuß turbirt« würden.2674 In seiner Antwort pochte der Markgraf wiederum darauf, dass die Lutheraner in Rugendorf nicht länger mit der Einhaltung der katholischen Feiertage bedrängt werden dürften, dies sei gegen den Westfälischen Frieden und gegen den Vertrag von 1650.2675 Tatsächlich beinhaltete der Vertrag von 1650 aber überhaupt keine

2671 2672 2673 2674 2675

hatten sich vertraglich darauf geeinigt, dass in Rugendorf ein lutherischer Gottesdienst abgehalten wurde und die katholischen bambergischen Untertanen des Dorfes ins 3 km entfernte Wartenfels in den katholischen Gottesdienst gehen sollten. StABa B 49 Nr. 163-II/15 Andreas Castner, Pfarrer von Wartenfels, an Generalvikar David Murmann und Geistliche Räte, 7. Juli 1650. Ebd. Es gibt auf der lokalen Ebene keinerlei Hinweise darauf, dass der bemerkenswerte Vorschlag des Geistlichen Rates, alle lutherischen und alle katholischen Feiertage zu halten, umgesetzt worden ist (AEB Rep. I Nr. 750 fol. 140r, 6. Oktober 1650). StABa B 49 Nr. 163-II/15 Andreas Castner, Pfarrer von Wartenfels und Verwalter von Rugendorf an Bischof Melchior Otto, 2. November 1650. LAELKB Superintendentur Kulmbach Nr. 361 Schreiben Bischof Melchior Ottos, 22. Dezember 1651. Ebd. Markgraf Christian an Bischof Melchior Otto, 27. Januar 1652.

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Hinweise zu der Frage der Feiertagsregelung.2676 Die schriftliche Interaktion führte insgesamt zu keinerlei Veränderung der Verhältnisse vor Ort. Im Frühjahr 1652 kam ein neuer Verwalter der bambergischen Güter Losau, Rugendorf und Wartenfels ins Amt. Er erhielt gleichermaßen keine Anweisungen aus der Residenzstadt, wie die Kalender- und Feiertagsprobleme zu lösen seien. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger handelte er daraufhin eigenständig und drohte den bambergischen Untertanen an, dass sie alle wieder katholisch werden müssten, was zu einer erneuten Beschwerde des Markgrafen führte.2677 Die Eingabe des Markgrafen ist insofern bemerkenswert, weil er sich für die bambergischen, also aus seiner Sicht fremden, Untertanen einsetzte. Zudem ging der neue Verwalter bei der Feiertagseinhaltung strenger vor als sein Vorgänger. Er beschlagnahmte ohne Befehl aus Bamberg die Ochsen eines markgräflichen Rugendorfers namens Lienhard Merckel, weil dieser an einem katholischen Feiertage gearbeitet hatte.2678 Der Markgraf beauftragte daraufhin nicht nur Hauptmann, Kastner und Stadtvogt von Kulmbach, beim Bamberger Bischof persönlich vorstellig zu werden und dafür zu sorgen, dass der Untertan seine Ochsen zurückerhielt, sondern ordnete auch an, dass die bambergischen Untertanen, die im markgräflichen Territorium wohnten, gleichermaßen bedrängt werden sollten, falls das Eigentum des Bauern nicht ausgelöst werden konnte.2679 Zudem erging eine Anordnung an den Superintendenten und den Kastner von Kulmbach, die Rugendorfer durch den Pfarrer und – wenn nötig – durch den Vogt weiterhin ermahnen zu lassen, ausschließlich die lutherischen Feiertage und nach dem alten Kalender zu halten.2680 Für die fremdherrschaftlichen Rugendorfer war die Situation allerdings schwierig. Arbeiteten sie an katholischen Feiertagen, strafte sie der bambergische Verwalter.2681 Arbeiteten sie an katholischen Feiertagen nicht, wurden sie von ihrer Herrschaft dafür gestraft.2682 Selbst ein Streitgespräch zwischen Kulmbacher Räten und geistlichen Bamberger Räten in Bamberg im April 1652 konnte keine dauerhafte Lösung hervorbringen.2683 Das Problem der Feiertagseinhaltung blieb in den folgenden 2676 2677 2678 2679 2680 2681 2682 2683

StABa A 85 L 347 Nr. 1672. StABa B 49 Nr. 163-II/05 Markgraf Christian an Bischof Melchior Otto, 20. März 1652. StABa GHAP Nr. 4881 Kastner von Baiersdorf an Markgraf Christian 24. März 1652. Ebd. Markgraf Christian an Hauptmann, Kastner und Stadtvogt von Kulmbach, 24. März 1652. LAELKB Superintendentur Kulmbach Nr. 361 Markgraf Christian an Superintendenten und Kastner von Kulmbach, 10. März 1652. StABa B 49 Nr. 163-II/05 Johann Bayer, Verwalter von Rugendorf an Bischof Melchior Otto, 9. April 1652. StABa B 49 Nr. 163-II/18 Johann Bayer, Verwalter von Rugendorf an Bischof Melchior Otto, 31. Mai 1652. LAELKB Superintendentur Kulmbach Nr. 361 »Copia unterthenigst erstatteter Relation

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Jahrzehnten genauso ein Problem wie der Abfall der bambergischen Rugendorfer vom katholischen Glauben.2684 Zur Veranschaulichung der schwierigen Situation im Dorf soll an dieser Stelle der Fall eines Mannes namens Peter Limmer geschildert werden. Limmer hatte 1649 in Rugendorf einen Bauernhof in bischöflicher Herrschaft gekauft.2685 Er war katholisch und wurde deswegen von seinen neuen Nachbarn in Rugendorf offenbar schlecht aufgenommen. Seine Beschwerden darüber beantwortete der Verwalter aber damit, dass er die Konfession des Bischofs haben müsse, weil er sich in dessen Herrschaftsgebiet angesiedelt habe. Der Aufforderung des Verwalters, die Namen derjenigen zu nennen, die ihn verspotteten, kam Limmer nicht nach.2686 Im Gegensatz zu den Anweisungen des Verwalters trat Limmer nach einiger Zeit zum lutherischen Glauben über und ging in Rugendorf in den Gottesdienst. Auf Nachfrage behauptete er, von Anfeindungen im Dorf nichts zu wissen. Als Grund für seine Konversion gab er an, dass er die Kirche in seinem eigenen Ort besuchen wollte, anstatt den Weg nach Wartenfels zu machen.2687 Weil der Verwalter dies aber nicht glauben wollte, verhaftete er Limmer und brachte ihn nach Wartenfels, um die Namen derer zu erfahren, die ihn (vermeintlich) »abspenstig« gemacht hatten.2688 Bischof Philipp Valentin verlangte zudem, dass die Ehefrau und deren Schwester getrennt vom Ehemann unter Aufsicht von zwei unparteiischen Zeugen befragt würden, um herauszufinden, ob ihr Mann bzw. Schwager sie zur Konversion gezwungen habe oder nicht. Sollte ersteres der Fall sein, sollte Limmer ausgewiesen werden.2689 Der Haftaufenthalt2690 zeigte offenbar eine abschreckende Wirkung, denn in der Befragung gab Limmer an, dass er vor etwa 36 Jahren lutherisch getauft wurde, allerdings mit 11 Jahren katholisch geworden sei. Er sagte aus, seine Nachbarn hätten ihn wegen seiner Konfession beschimpft, namentlich nennen wollte er aber nur Endres Schmidt, Hauptmann genannt, der gesagt haben soll, dass sie jetzt alle zu ihrer Kirche stehen müssten. Außerdem gab er an, der Rugendorfer

2684 2685 2686 2687 2688 2689 2690

Herrn Christians Marggraffen zu Brandenburg von Herrn Hofraths Director Georg Rittershaußen seiner Verrichtung zu Bamberg und das disputat der neuen feyertag betr.«, 5. April 1655. AEB Rep. I Nr. 751 fol. 129r, 26. August 1655; StABa B 46b Nr. 3586 »Geistliche Gravamina des Bistumbs bamberg so zu dero 1683 reichsversamlung uf regenspurg dem wohlabgeordnete zu communiciren seind«. StABa B 49 Nr. 163-II/19 Johann Bayer, Verwalter von Rugendorf an Bischof Philipp Valentin, 12. Mai 1653. Ebd. Ebd. Ebd. StABa B 49 Nr. 163-II/19 Bischof Philipp Valentin an Johann Bayer, Verwalter von Rugendorf, 23. Mai 1653. Offenbar wurde er für eine Nacht in Haft behalten und am nächsten Tag wieder freigelassen (StABa B 46a Nr. 751 Markgraf Christian an Bischof Valentin, 21. Oktober 1653).

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Prädikant habe »fast alle son undt feyertag sie ermahnt wer noch catolisch were solte abfallen undt luderisch werden«.2691 Seine Frau gab zu Protokoll, zwar lutherisch getauft, aber seit ihrer Jugend katholisch gewesen zu sein, außerdem sei sie nur konvertiert, weil ihr Mann es gewollt habe.2692 Die Schwester der Ehefrau sagte aus, immer noch katholisch zu sein und die Konversion ihrer Schwester nicht nachgemacht zu haben, weil sie noch nicht wisse, wo sie später arbeiten werde.2693 Bischof Philipp Valentin ordnete daraufhin an, dass Limmer entweder wieder katholisch werden müsse oder gemäß der Regelung des Westfälischen Friedens drei Jahre Zeit habe, um fortzuziehen.2694 Auch Markgraf Christian ließ wegen des Falls Peter Limmer eine Befragung durchführen, die aber zu einem anderen Ergebnis kam. Aus der markgräflichen Sicht hatten Limmer und seine Frau sich freiwillig zum lutherischen Glauben bekannt, nur der als notorische Unruhestifter bekannte Verwalter habe dies nicht glauben wollen, Limmer verhaftet und erst wieder freigelassen, als er gegen 20 Gulden verbürgt hatte, dass er wieder katholisch werden würde.2695 Der tatsächliche Verlauf kann nicht mehr zweifelsfrei nachgezeichnet werden, allerdings zeigt der Vorfall, wie konfliktgeladen die Stimmung in Rugendorf war. Zudem wird deutlich, dass auch mehrfach durchgeführte Konversionen nicht unüblich waren. Ein weiteres Problem für die Obrigkeiten stellten die gemischtkonfessionellen Eheschließungen dar, die sich ob der Gemengelage nicht vermeiden ließen. 1679 erging eine Weisung des Konsistoriums in Kulmbach, dass die Pfarrer in Grenzgebieten darauf achten sollten, dass nicht so viele gemischte Ehen zustande kamen. Offenbar war es in der Vergangenheit häufiger vorgekommen, dass sich markgräfliche Lutheraner mit bambergischen Katholiken verheirateten und zum Katholizismus konvertiert waren. Damit würden sie, wie von Seiten der Kulmbacher argumentiert wurde, mehr Gewicht auf ihre zeitliche Freude als auf ihre ewige Seligkeit legen. Eltern sollten zudem ermahnt werden, ihren Kinder gemischt-konfessionelle Ehen, die zur Aufgabe des lutherischen Glaubens führten, zu verbieten.2696 Das zweite große Problemfeld in Rugendorf betraf das Verhältnis des Prädikanten zu dem benachbarten Priester in Wartenfels. In Bamberg hatte man das 2691 StABa B 49 Nr. 163-II/19 »Aussage Peter Limmers zu Rugendorf wegen seines Abfalls«, 20. Juni 1653. 2692 Ebd. »Aussage der Frau Peter Limmers zu Rugendorf wegen ihres Abfalls«, 20. Juni 1653. 2693 Ebd. »Aussage der Schwägerin Peter Limmers«, 20. Juni 1653. 2694 StABa B 46a Nr. 751 Bischof Philipp Valentin an Johann Bayer, Verwalter von Rugendorf, 18. August 1653. 2695 Ebd. Markgraf Christian an Bischof Valentin, 21. Oktober 1653. 2696 LAELKB Pf.A. Möhrendorf Nr. 23 »zwei fürstliche Reskripta des bayreuthischen Konsistoriums«, 17. Februar 1679.

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Gefühl, dass der Rugendorfer Prädikant versuchte, Katholiken zur Konversion zu überreden und sie damit dem Priester in Wartenfels »abspenstig« zu machen. Deswegen ordnete der Bamberger Bischof mehrere Maßnahmen dagegen an. Dem Prädikanten sollte ein Teil seines Einkommens beschlagnahmt werden,2697 außerdem richtete er einen Beschwerdebrief an Markgraf Christian.2698 Ein weiterer Konfliktpunkt stellte die Frage dar, ob der katholische Pfarrer von Wartenfels nach Rugendorf kommen durfte, um kranken Katholiken die Kommunion auszuteilen oder nicht. Anscheinend war diese Frage nicht offiziell verhandelt worden, sondern von dem guten oder weniger guten Auskommen der beiden Pfarrer von Wartenfels und Rugendorf abhängig2699 und entsprechend nicht immer möglich.2700 Insgesamt betrachtet konnte am Untersuchungsort Rugendorf gezeigt werden, dass mit den Regelungen des Westfälischen Friedens zwar das »große Ganze« geklärt worden war, aber der Alltag dennoch eine Reihe von Schwierigkeiten mit sich brachte. Auf lokaler Ebene gab es offensichtlich Feinheiten, die erhebliches Konfliktpotential aufboten. Zudem zeigten sich in Rugendorf die besonderen Bedingungen des territorium non clausum, in dem alles in beide Richtungen möglich war. Die bambergischen Bischöfe hatten lutherische markgräfliche Untertanen auf ihrem Territorium genauso wie der Markgraf katholische bambergische Untertanen in seinem Territorium hatte. Jede Maßnahme konnte also mit der entsprechenden Gegenmaßnahme beantwortet werden, was die Gesamtsituation weiter verkomplizierte. Zudem konnten in Fragen wie der Feiertagsgestaltung beide Territorialherren nachvollziehbare Argumente ins Feld führen. Der Bamberger konnte auf seine landesherrlichen Befugnisse verweisen, der Markgraf auf den Schutz der Protestanten und ihrer Bräuche. Vermutlich gab es aus diesem Grund kein stringentes Vorgehen vor Ort, weil die rechtliche Lage nicht eindeutig geklärt war. Eine weitere Tatsache ist auffällig: Bereits vier Wochen nach Einsetzung des Prädikanten im Jahr 1650 berichtete der Priester von Wartenfels, dass die bambergischen, eigentlich katholischen Rugendorfer reihenweise wieder in den lutherischen Gottesdienst gingen und dort vermutlich auch das Abendmahl einnahmen. Dies macht deutlich, wie schwach ausgeprägt der Rugendorfer Katholizismus war. In Rugendorf war, wie auch in Grafengehaig, das Luthertum sehr viel ausgeprägter als in den meisten anderen untersuchten bambergischen 2697 StABa B 46a Nr. 751 Bischof Philipp Valentin an Johann Bayer, Verwalter von Rugendorf, 18. August 1653. 2698 Ebd. Markgraf Christian an Bischof Philipp Valentin, 21. Oktober 1653. 2699 StABa B 46a Nr. 757 Markgraf Christian Ernst an Bischof Lothar Franz, 19. Juli 1698.; ebd. Johannes Seidler, Pfarrer von Wartenfels an Bischof Lothar Franz, 13. September 1698. 2700 Ebd. Johannes Seidler, Pfarrer von Wartenfels an Bischof Lothar Franz, 13. September 1698.

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Orten auf Grund der Tatsache, dass es dort mehr als 30 Jahre länger praktiziert wurde und entsprechende Wurzeln schlagen konnte. In diesen beiden Orten war der katholische Glaube erst in den 1620er Jahren eingeführt worden und konnte nach der schwedischen Besatzung 1631 – 34 durch die Kriegsbedingungen nicht gestärkt werden. Als letzter Punkt soll noch darauf hingewiesen werden, dass sich am Fallbeispiel Peter Limmer einmal mehr zeigt, wie flexibel Dienstboten mit ihrem Glauben umgingen. Da die Schwägerin noch nicht wusste, wo sie später in den Dienst gehen würde, wollte sie sich noch nicht auf eine Konfession festlegen. Dormitz Bei dem Neunkirchener Filialort Dormitz handelte es sich ebenfalls um ein gemischtherrschaftliches Dorf. Die Konflikte, die sich bis in die 1620er Jahre fassen lassen, erstrecken sich auf die Elemente Einhaltung der Fest- und Fasttage und die Teilnahme an bischöflich angeordneten 24-stündigen Gebeten. Der Verwalter von Neunkirchen beschwerte sich im August 1609 darüber, dass viele Untertanen anderer Herrschaften in Dormitz an katholischen Feiertagen und an Sonntagen auf ihren Feldern arbeiteten. Die katholischen Untertanen beriefen sich in der Folge darauf und fragten sich, warum sie selbst dies nicht tun dürften.2701 Unklar ist der bisherige Umgang mit diesem Problem. Der Verwalter deutete einerseits an, dass die fremdherrschaftlichen Untertanen für eine längere Zeit nicht für das Brechen der Feiertags- und Sonntagsruhe gestraft worden seien, andererseits war er der Meinung, dass eine Strafe von drei Pfund Wachs für dieses Vergehen üblich sei.2702 Zudem monierte der Verwalter, dass die meisten Einwohner in Dormitz, also auch die bambergischen Untertanen, an Fasttagen Fleisch essen würden und in den Wirtshäusern dieses auch an den Fasttagen zubereitet werde.2703 Die Beschwerde des Verwalters fand in Bamberg kein Gehör, sodass er sich Ende November des gleichen Jahres wegen dieser Frage noch einmal nach Bamberg wendete.2704 Dieses Mal ordnete der Bischof an, dass alle Feier- und Fasttagsbrecher in Zukunft gestraft würden, wenn nötig mit Gefängnisstrafe. Sie sollten erst wieder freigelassen werden, wenn sie gelobten, die katholischen Fast- und

2701 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Michael Volck, Verwalter von Neunkirchen an Bischof Johann Gottfried, 5. August 1609. 2702 Ebd. 2703 Ebd. 2704 Ebd. Michael Volck, Verwalter von Neunkirchen an Bischof Johann Gottfried, 24. November 1609.

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Feiertage zu halten. Dieser Befehl sollte unabhängig davon, wessen Herrschaft der Untertan war, zur Anwendung gebracht werden.2705 Die verschärften Regeln schienen aber nichts zu nützen. Die fremdherrschaftlichen Untertanen in Dormitz aßen weiterhin Fleisch an Fasttagen, zudem tanzten und spielten sie an katholischen Feiertagen.2706 1619 beklagte sich der Verwalter von Neunkirchen erneut, dass die adeligen, nürnbergischen und markgräflichen Untertanen die Fast- und Feiertagsgebote brachen.2707 Offenbar hatte sich in den vergangenen zehn Jahren nichts an dieser Verhaltensweise geändert. Im Geistlichen Rat wurde 1619 ein Gedanke entwickelt, wie man die Übertreter der Feiertagsmandate strafen könnte: »weil die feiertag mehr ein politisch als ein geistlichs werckh sey, also soll er (=der Verwalter, H. B.) all die ienige so dies mandatt ubertretten, sie seien wes herrschaft sie wollen zur gebührlichen straff nehmen«.2708 Diese Regel ließ sich allerdings auf das Fleischessen an Fasttagen nicht übertragen, sodass die fremdherrschaftlichen Dormitzer lediglich dazu aufgefordert werden sollten, ihren Konsum nicht öffentlich auszuüben: »wan sie nit unser religion sein, könne man ihnen dz fleischessen nit verpietten doch soll es ihnen undersagt werden das sie solches nit offentlich thuen, welche aber unsrer religion sein dieselben können durch ihren pfarherrn darzu verwahnt werden«.2709 In den folgenden Jahren änderte sich jedoch trotz der verschärften Feiertagsregel nichts. Der Verwalter strafte bei Übertretungen, woraufhin sich die anderen Territorialherren in Bamberg darüber beschwerten. Als Reaktion darauf nahm der Bischof seinen Verwalter in Schutz und der Kreislauf begann von vorn.2710 Ein weiteres Konfliktfeld ergab sich in Dormitz, als Bischof Johann Gottfried ein 24-stündiges Gebet anordnete. Am Mittwoch vor Maria Himmelfahrt (15. August) 1609 war daraufhin der Nürnberger Syndicus persönlich in den Ort gekommen und hatte jedem Nürnberger Untertan bei einer Strafe von 100 Gulden verboten, an diesem Gebet teilzunehmen.2711 2705 Ebd. Bischof Johann Gottfried an Michael Volck, Verwalter von Neunkirchen, 29. November 1609. 2706 AEB Rep. I Nr. 740 fol. 44r, 12. März 1610; StABa B 49 Nr. 130-I/16 Michael Volck, Verwalter von Neunkirchen an Profiskal Peter Zweytler, 18. April 1610. 2707 AEB Rep. I Nr. 743 fol. 414v, 28. Februar 1619. 2708 Ebd. 2709 Ebd. 2710 AEB Rep. I Nr. 744 fol. 264r, 11. März 1621; ebd. fol. 284r, 27. Mai 1621; StABa B 49 Nr. 130-I/16 Geistliche Räte an Verwalter von Neunkirchen 7. Juni 1621; AEB Rep. I Nr. 745 fol. 511v, 25. September 1626. 2711 StABa B 49 Nr. 130-I/16 Michael Volck, Verwalter von Neunkirchen an Bischof Johann Gottfried, 1. September 1609.

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Insgesamt betrachtet zeigt sich in Dormitz, dass Bischof Johann Gottfried im Gegensatz zu seinem Nachfolger den lutherischen Glauben der fremdherrschaftlichen Untertanen und die Rechte der fremden Territorialherren respektierte. Sein Nachfolger Johann Georg konnte im Zuge der starken katholischen Lage in den 1620er Jahren diese Tatsache ignorieren und aktive Rekatholisierungspolitik auch gegenüber den fremdherrschaftlichen Untertanen betreiben. Für die bambergische Verwaltung war das gemischtherrschaftliche Dorf, solange sie die Rechte der anderen akzeptierten, ein schwieriger Fall, da die fremdherrschaftlichen Untertanen Dinge tun durften, die man den eigenen mühselig verbieten wollte. Für die bambergischen Untertanen muss es schwer verständlich gewesen sein, warum ihre Nachbarn und Bekannten mehr Freiheiten hatten, die ihnen selbst nicht erlaubt waren. Entsprechend verringert wurde die Bereitschaft, sich an den katholischen Glauben zu gewöhnen.

Hochstift Würzburg Kitzingen Nach der Wiedereinführung des lutherischen Gottesdienstes in Kitzingen im Jahr 1650 wurde dezidiert darauf geachtet, dass es keinerlei Schwierigkeiten auf Grund der Kalenderproblematik geben sollte. Im Gnadenbrief von 1650 heißt es, dass die Lutheraner in Zukunft »auch umb verhütung allerhandt unordtnungen einen als den catholischen calender allein observiren undt gebrauchen« müssen.2712 Keine Angaben liegen bezüglich der Frage vor, wie die lutherischen Untertanen sich an katholischen Feiertagen zu verhalten hatten und ob sie ihre eigenen Feiertage halten durften. Zusammenfassung und Ergebnisse Konflikte im Alltag gemischtkonfessioneller Orte Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Lage in gemischtherrschaftlichen Orten, wie sie in Franken häufig vorkamen, vermehrt zu spezifischen Schwierigkeiten führte und zwar einerseits wie in Dormitz während der Rekatholisierung und andererseits wie in Rugendorf nach der versuchten Rekatholisierung, als die großen Linien durch Verträge zwar geklärt waren, aber der Alltag sich noch einspielen musste. In Dormitz hat sich gezeigt, dass es für die bambergische Obrigkeit schwierig war, rekatholisierende Maßnahmen und auch katholische Verhaltensnormen durchzusetzen, wenn ein Teil der Bevölkerung auf Grund der grundherrlichen Zugehörigkeit sich nicht an diese Regeln halten musste. Rugendorf wiederum ist ein Beispiel dafür, wie zwei unterschiedliche Kalender zu Konflikten führen 2712 StAW ldf 43 »tenor des gnadenbrieffs«, 17. Dezember 1650.

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konnten. Auffällig ist zudem, dass die unterschiedliche Kalendernutzung in Rugendorf nur zu Konflikten zwischen Untertanen und Obrigkeit geführt hat, während denkbare Schwierigkeiten zwischen Untertanen, z. B. bei Fristen wegen Geldverleihungen oder Pachtzahlungen, nicht auftraten. Es ist also davon auszugehen, dass vor Ort von allen Rugendorfern der alte Kalender genutzt wurde. Für den Forchheimer Filialort Pinzberg, der ebenfalls herrschaftlich durchmischt war, ließen sich keinerlei Nachweise auf Alltagsschwierigkeiten finden.

9. Schlussbetrachtung

Im Folgenden soll es zu einer Gesamtschau der Ergebnisse kommen. Bevor die Analysen der vorangegangenen Kapitel noch einmal zusammengefasst werden, sollen die Ereignisse jedes Ortes zunächst kurz in ihrem Verlauf dargestellt werden. Zunächst werden die bambergischen Orte beleuchtet. Als Bischof Neithart (reg. 1591 – 98) 1594 seine Rekatholisierungsmaßnahmen begann, wirkte in Teuschnitz und dem dazugehörigen Filialort Marienroth bereits seit mehreren Jahrzehnten ein Prädikant. Dieser konnte 1595 ausgetauscht werden. Die folgenden drei Jahre waren in Teuschnitz von starken Kämpfen geprägt: Der Bamberger Bischof versuchte die Bewohner mit einer Reihe von Maßnahmen zur katholischen Konfession zu bringen, am auffälligsten stachen hierbei Geldund Haftstrafen, die Vorladung einzelner Personen oder kleiner Gruppen nach Bamberg und die Androhung von Ausweisung hervor. Die Teuschnitzer versuchten die Rekatholisierung durch Auslaufen und Verweigerung der Kommunion zu verhindern, wendeten sich aber auch mit Bittschriften an den Bischof, führten mehrfach Tumulte herbei und klagten vor dem Reichskammergericht. Im Mai 1598 kam ein Großteil der männlichen Teuschnitzer zur Kommunion. Die Spur der überwiegend lutherischen Frauen verlor sich schnell in den Quellen. Allerdings konnte die lokale Obrigkeit nicht verhindern, dass in den folgenden Jahrzehnten immer wieder lutherische Dienstboten in Teuschnitz eine Anstellung fanden. Im Teuschnitzer Filialort Marienroth erstreckte sich die Rekatholisierung über einen längeren Zeitraum. Obwohl Bischof Neithart das ganze Dorf 1598 durch eine vierwöchige Haft zur Kommunion gebracht hatte, leisteten Teile der Marienrother Bevölkerung weiterhin Widerstand mit Verweigerung der jährlichen Osterkommunion, Auslaufen und insgesamt drei Klagen vor dem Reichskammergericht. Da das Auslaufen ab 1617 in den Quellen nicht mehr vorkam und gleichzeitig die Kommunikantenzahlen stiegen, ist auch in diesem Ort von einer erfolgreichen Rekatholisierung auszugehen. In Neukenroth war zu Neitharts Regierungszeit ebenfalls der lutherische

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Schlussbetrachtung

Glaube vorherrschend. Maßnahmen wie Haft- und Geldstrafen und ein nächtlicher Überfall hatten aber zum Glaubenswechsel einzelner Dorfbewohner geführt. Zudem war der lutherische Pfarrer bereits 1595 gegen einen Katholiken ausgetauscht worden. Die Neukenrother reagierten mit der Verweigerung der Kommunion, mit Auslaufen und strebten ebenfalls einen Prozess in Speyer an. Im quellenarmen ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts scheint es aber zu einer Veränderung gekommen zu sein, da zumindest der überwiegende Teil der Hausvorstände und ihrer Ehefrauen 1611 als katholisch geführt wurden. Gesinde und Unverheiratete blieben darüber hinaus lutherisch. Auslaufen blieb in den 1610er Jahren ein konstant beobachtbares Phänomen. Dennoch wuchs gleichzeitig die Anzahl der Katholiken beständig. Auch während des Dreißigjährigen Krieges lassen sich Ausläufer fassen. Am Ende des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren waren die Lutheraner in Neukenroth ausschließlich unter den Mägden und Knechten zu finden. In Grafengehaig und Rugendorf stellte sich die Situation völlig anders dar. Grafengehaig war ein rein ritterschaftliches Dorf, in dem die bambergischen Bischöfe keine Untertanen hatten, während sie sich in Rugendorf die Dorfherrschaft mit dem Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach und ritterschaftlichen Herren teilen mussten. Diese Situation führte dazu, dass die Rekatholisierung erst in der zweiten Hälfte der 1620er Jahre mit dem Austausch des jeweiligen Pfarrers gegen einen Katholiken eingeleitet werden konnte, als die für die Katholiken günstige Kriegslage eine Konfrontation mit den Nachbarn für den Bamberger Bischof als ein nur kleines Risiko scheinen ließ. Die Bevölkerung wehrte sich in beiden Orten mit Verweigerung der Kommunion und mit Auslaufen gegen die drohende Rekatholisierung. In Grafengehaig wirkte bereits in den 1630er Jahren nach Abzug der Schweden wieder ein Prädikant, in Rugendorf schlossen der Markgraf von Brandenburg-Kulmbach und der Bischof von Bamberg in Folge der Normaljahresregelung einen Vertrag, dass in Rugendorf ein lutherischer Pfarrer einzusetzen war. In den südlichen Orten des Hochstifts Bamberg, in Forchheim, Neunkirchen am Brand und Waischenfeld hatte sich das lutherische Gedankengut von Anfang an nicht sehr stark ausgebreitet. Dies ist insofern verwunderlich, dass die Orte in direkter markgräflicher und nürnbergischer Umgebung lagen. Die Anzahl der Lutheraner war gegenüber den von Anfang an katholischen Gemeindemitgliedern gering und die Kommunikantenzahlen bereits unter Neitharts Regierung hoch. Entsprechend ließen sich auch nur wenige Maßnahmen und Gegenmaßnahmen in diesen drei Orten fassen. Im Laufe der 1610er und 1620er Jahre zeigte sich aber, dass eine Reihe von Dienstboten, Knechten und Mägden unabhängig von den durchgeführten Maßnahmen ihren lutherischen Glauben behielt. Eine Reaktion auf diesen Befund erfolgte nur in Forchheim, das in der Folge 1627 durch den Bamberger Fiskal visitiert worden ist. Da im Anschluss an diesen

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Besuch keine Rekatholisierungsmaßnahmen nachgewiesen werden konnte, ist aber zu vermuten, dass die lutherischen Dienstboten nicht rekatholisiert, sondern nicht mehr in der Statistik geführt wurden. In der Forchheimer Filiale Pinzberg und der Neunkirchener Filiale Dormitz war die Gesamtsituation vor allem durch die Tatsache gekennzeichnet, dass dort Untertanen verschiedener fränkischer Territorialherren lebten. Die Rekatholisierungsmaßnahmen blieben mit Rücksicht auf diese Situation in den genannten Orten zunächst auf einem niedrigeren Level und wurden – wenn überhaupt – nur vereinzelt befohlen. Erst Bischof Johann Georg (reg. 1623 – 1631) gewann durch die Erfolge der Katholischen im Dreißigjährigen Krieg entstandene günstige Lage einen breiteren Handlungsspielraum. Diesen nutzte er, um druckvollere Maßnahmen gegen die hochstiftischen und vor allem auch gegen die fremdherrschaftlichen Untertanen, einzusetzen. Es gab Versuche der anderen im Dorf begüterten Territorialherren, vor allem des Nürnberger Rates, die Politik des Bischofs zu unterbinden. Dies geschah in der Regel in Form von schriftlichen Eingaben oder der Entsendung des Syndikus’. Allerdings führten diese Interventionen in keinem Fall zu einer Rücknahme der bischöflichen Rekatholisierungsmaßnahmen. Anders hingegen verlief die Entwicklung in den würzburgischen Orten. In den drei Landstädten Gerolzhofen, Iphofen und Gemünden konnte nachgewiesen werden, dass zu Beginn des Untersuchungszeitraumes eine große Anzahl der Bewohner lutherischen Glaubens war und regelmäßig die protestantischen Gottesdienste im Umland besuchten. Für Gerolzhofen und Iphofen ließ sich darüber hinaus zeigen, dass auch die Stadtverwaltung, die Bürgermeister und die Räte dem neuen Glauben anhingen. Im Gegensatz zu den bambergischen Gemeinden mit großer lutherischer Bevölkerung kam es in diesen Orten aber nicht zu der Einsetzung eines Prädikanten. Der örtliche Pfarrer war katholisch. Ein deutlicher Wendepunkt ist in diesen drei Orten in den Jahren 1585/86 auszumachen, wobei für Gerolzhofen und Gemünden der persönliche Besuch Bischof Julius’ überliefert ist, für Iphofen kann er als sicher angenommen werden. Ab diesem Jahr stiegen die Kommunikantenzahlen deutlich an, die Lutheraner verschwanden, ausgenommen die Dienstboten, fast völlig aus den Städten. Die bestimmenden Maßnahmen in diesen drei Orten waren dabei die Ausweisung in Kombination mit regelmäßigen Visitationen, denen die Bewohner kaum Gegenmaßnahmen entgegensetzten. Signifikanter Unterschied innerhalb dieser Gruppe ist allerdings, dass in Gerolzhofen ca. 250 – 350 Personen auswanderten, während für Gemünden und Iphofen nur sehr wenige Auswanderer nachweisbar sind. Die Entwicklung der Stadt Kitzingen weist einen signifikant abweichenden Verlauf auf. Im 15. Jahrhundert wurde sie von den Würzburger Bischöfen an die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach verpfändet, die dort 1528 die Refor-

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mation einführten. 1629 löste Bischof Philipp Adolf (reg. 1623 – 31) den Ort wieder aus. Die Rekatholisierung wurde folglich genau 101 Jahre nach der offiziellen Einführung der Reformation durchgeführt. Die wesentlichen bischöflichen Maßnahmen, die dort zur Anwendung kamen, waren der Austausch des protestantischen Kirchenpersonals gegen einen katholischen Pfarrer und die Ausweisung. Außerdem konnte von Seiten der örtlichen Beamten auf die in der Stadt stationierten Soldaten zurückgegriffen werden, um den Druck zu verstärkten. Knapp die Hälfte der Einwohner wanderte daraufhin aus. Die Zurückgebliebenen wendeten als Gegenmaßnahme verstärkt das Auslaufen an. Nachdem Bischof Johann Philipp den Kitzinger Protestanten bereits 1647 das Auslaufen erlaubt hatte, gewährte er ihnen nach dem Westfälischen Frieden die Ausübung des lutherischen Glaubensbekenntnis in der Stadt. Zu diesem Zweck wurde ab Januar 1650 ein Prädikant eingesetzt. In Urspringen unterschied sich die Gesamtsituation von den anderen würzburgischen Orten, da der Ort im Besitz einer lutherischen ritterschaftlichen Familie war, die aber die Rekatholisierung nicht verhinderte. Die Einsetzung eines Prädikanten war von ihnen nicht versucht worden. Als Grund für diese Tatsache ist das fehlende Patronatsrecht der adeligen Familie zu vermuten, das in den Händen des Würzburger Stift Haug lag. Da für die 1580er Jahre kaum Quellen vorliegen, kann nicht eingeschätzt werden, inwiefern Ausweisungen als Maßnahme angewendet wurden. Der Besuch Urspringens im Zuge der Visitationen darf aber vorausgesetzt werden. Entsprechend ist unklar, ob in dem Dorf der Wendepunkt genauso konkret datiert werden kann wie in den anderen drei Orten. Auffällig in Urspringen ist allerdings das Auslaufen, was auch in den 1610er und beginnenden 1620er Jahren noch vorkam. Insgesamt betrachtet lässt sich konstatieren, dass in zwölf von 15 Orten eine Rekatholisierung gelang. Eine Ausnahme stellten Grafengehaig, Rugendorf und Kitzingen dar. Gleichwohl gab es stets lutherische Dienstboten, auf deren Rekatholisierung die Bischöfe verzichteten. Nachdem die behandelten Orte in ihrem Verlauf kurz vorgestellt wurden, soll nun die in der Einleitung dargestellte Fragestellung resümierend aufgegriffen werden. Thema der Arbeit ist die so genannte Rekatholisierung, also die Rückführung der lutherischen Untertanen der fränkischen Mainbischöfe zur katholischen Konfession, was durch die Einnahme der Kommunion angezeigt werden sollte. Zu diesem Zweck sollte in einem ersten Schritt gefragt werden, mit welchen Maßnahmen die fränkischen Bischöfe diesen Zustand bei ihren Untertanen erreichen wollten, wobei diese Frage untrennbar mit der Frage nach den lokalen Obrigkeiten verbunden ist. Inwiefern wurden die bischöflichen Befehle überhaupt vor Ort umgesetzt? In einem zweiten Schritt wiederum sollte der Blick auf die Untertanen gerichtet werden. Versuchten sie, mit Gegenmaßnahmen die Rekatholisierung zu verhindern oder zu verzögern? Konnte dies ge-

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lingen? In einem dritten Schritt sollte die Frage beantwortet werden, ob sich die von Maßnahmen betroffenen Untertanen für eine Konversion oder eine Emigration entschieden haben. Entlang dieser drei Schritte werden im Folgenden die Ergebnisse der Untersuchung präsentiert. Was den ersten Schritt betrifft, lassen sich für die zehn untersuchten Orte im Hochstift Bamberg insgesamt 15 verschiedene Rekatholisierungsmaßnahmen fassen, die sich in drei Gruppen einteilen lassen. Unter die Kategorie rechtlichpolitische Maßnahmen fallen neben Religionsmandaten auch die Abschaffung des lutherischen Pfarrers und die Einsetzung eines Katholiken, der Entzug von Ämtern in der Stadt- oder Dorfverwaltung, die Verweigerung des Begräbnisses und die Visitation. In eine zweite Gruppe der wirtschaftlichen Maßnahmen fallen Geldstrafen, Zwangsverkäufe, Verbote der Allmende-Nutzung und Verbote der Berufsausübung und der Entzug des bäuerlichen Lehens. In einer dritten Kategorie der Gewaltmaßnahmen befinden sich die Verhaftung, die Vorladungen einzelner Personen oder Gruppen außerhalb ihres Heimatortes, nächtliche Überfälle und die Ausweisungen. Die vergleichende Analyse hat hierbei gezeigt, dass Reihenfolge und Kombination der Maßnahmen nicht festgelegt waren, sondern von Ort zu Ort variierten. Zudem wurden zu allen Zeiten sowohl Maßnahmen angewendet, die sich in der Vergangenheit als effektiv herausgestellt hatten als auch Maßnahmen, die sich als ineffektiv erwiesen hatten. Weiterhin fiel auf, dass eine Reihe von Maßnahmen zwar angedroht, aber nicht durchgeführt wurde. Dies kann im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückgeführt werden: Einerseits mangelte es den Beamten vor Ort an Durchsetzungswillen oder -vermögen, andererseits wurde von Seiten der Bischöfe nur bedingt auf die Durchführung gedrungen.2713 2713 Das Hochstift Bamberg reiht sich bezüglich seiner Religionspolitik nahtlos in eine Zeit des Vollzugsdefizits in verschiedenen Bereichen der Gesetzgebung ein, das Schlumbohm für die Frühe Neuzeit ausführlich beschreibt (Gesetze, passim.). In der vorliegenden Untersuchung hat sich deutlich gezeigt, dass es zwar teilweise zur Durchführung von Mandaten und Befehlen kam, aber nicht zu einer systematischen Durchsetzung. Diese wurde von Seiten der Bischöfe auch nicht forciert. Damit greift Schlumbohm einen Punkt auf, der die Kritiker der Konfessionalisierung bereits seit längerem beschäftigt. Allerdings ist der Erklärungsansatz ein völlig anderer. Während die Gegner der Konfessionalisierung die etatistische Perspektive kritisieren und die verschiedenen Gründe aufarbeiten, warum der jeweilige Landesherr Normen durchsetzen wollte, es aber nicht gelang, kommt Schlumbohm zu dem Ergebnis, dass die Durchsetzung der Norm von vornherein weniger wichtig war als das Aussprechen derselben. Bereits mit dem Setzen einer Norm zeige der jeweilige Landesherr – so Schlumbohm – an, dass er als gute und christliche Obrigkeit handelte. Der Ansatz Schlumbohms wird insofern von der vorliegenden Untersuchung gestützt, da der mangelnde Vollzug den Bischöfen bekannt war und sie trotzdem nichts dagegen taten, obwohl ihnen durch den Nachbarn in Würzburg die Alternative aufgezeigt wurde. Diese Diskussion kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden, dazu Landwehr, Achim: »Normdurchsetzung« in der Frühen Neuzeit? Kritik eines Begriffs, in: ZfG 48, 2000, S. 146 – 162.

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Auffällig zeigte sich in Bamberg auch, dass lutherische Amtmänner vor Ort nicht ausgetauscht wurden, was die Rekatholisierung deutlich hemmte. Es ist möglich, mehrere Hochphasen der Rekatholisierungsmaßnahmen auszumachen: Die letzten Jahre der Regierung unter Neithart von Thüngen 1594 – 98, die ersten Jahre der Regierung Johann Gottfrieds von Aschhausen 1609 – 11 und die Zeit 1625 – 31 unter Johann Georg Fuchs’ von Dornheim. Diese Phasen ergeben sich aus der Tatsache, dass Bischof Neithart erst in seiner zweiten Regierungshälfte aktiv mit der Rekatholisierung begann und hierbei die hochstiftischen Orte beinahe alle rekatholisieren konnte. Während seine Nachfolger Johann Philipp und Johann Gottfried sich nicht oder nur bedingt an die gemischtherrschaftlichen Orte wagten, um keine Konflikte mit den Territorialnachbarn zu riskieren, ermöglichte Johann Georg die günstige Kriegslage einen größeren Aktionsradius. Für das Hochstift Würzburg lassen sich insgesamt sieben unterschiedliche Rekatholisierungsmaßnahmen fassen. In der Gruppe der politisch-rechtlichen Maßnahmen kamen Religionsmandate, die Abschaffung des lutherischen und die Einsetzung eines katholischen Pfarrers, Entzug von Ämtern in der Stadtverwaltung, Verweigerung des Begräbnisses und Visitation vor. Wirtschaftliche Maßnahmen gab es in den untersuchten Orten des Hochstifts Würzburg nicht. Bei den Gewaltmaßnahmen dominierte die Ausweisung, wobei gelegentlich auch Verhaftungen vorkamen. Die vergleichende Analyse hat gezeigt, dass nicht nur die Bandbreite deutlich kleiner war als in den bambergischen Orten, auch die Reihenfolge war festgelegt. Nach kurzen Versuchen, mit rechtlich-politischen Maßnahmen eine Rekatholisierung zu erreichen, erfolgte schnell die Ausweisung. Da diese nicht nur angedroht, sondern auch konsequent durchgeführt wurde, war eine Kombination mit anderen Maßnahmen nicht mehr erforderlich. Kontrolliert wurde dieses System durch ein straff organisiertes Visitationswesen, das sowohl die Gemeindemitglieder, als auch die örtlichen Beamten beaufsichtigte. Lutherische bischöfliche Beamte wurden gegen Katholiken ausgetauscht. Zeitlich ist die Rekatholisierung im Vergleich zu Bamberg etwa zehn Jahre früher zu verorten. Bis 1585/86 war es auch in den würzburgischen Orten möglich, als Lutheraner zu leben, danach nicht mehr. Eine Ausnahme stellt Kitzingen dar, da die Stadt erst 1629 an das Hochstift kam. Hier wurde bereits wenige Tage nach der Pfandauslösung mit Rekatholisierungsmaßnahmen begonnen. Die entscheidenden Unterschiede zwischen den bambergischen und den würzburgischen Maßnahmen lassen sich auf drei Antagonismen verdichten: (1) Während es in Würzburg eine klare Eskalationslinie gab, wurden in Bamberg individuell verlaufende Spiralen eingesetzt. Es hat sich in der Untersuchung deutlich gezeigt, dass es in Bamberg eine große Bandbreite der Maßnahmen

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ohne festgelegte Reihenfolge gegeben hat. Verschiedene Mittel wurden zu verschiedenen Zeiten eingesetzt. Dabei stieg der Druck nicht konsequent an, sondern stärkere und schwächere Phasen alternierten.2714 In Würzburg wiederum war die Bandbreite der Maßnahmen geringer und deren Reihenfolge festgelegt, wobei sich der Druck konstant erhöhte. (2) In Würzburg wurde ein straff organisiertes Visitationssystem eingeführt, gleichzeitig kam es in Bamberg nur sehr sporadisch zu Visitationen. (3) In Würzburg wurde viel erreicht, weil die Bischöfe sich persönlich in die untersuchten Orte begaben und dort Präsenz zeigten (1585/86 Reise Julius Echters; 1629 Besuch Philipp Adolfs in Kitzingen). In Bamberg hingegen gingen die Bischöfe in keinem Fall persönlich auf Visitationsreise. Auf Grund dieser Befunde ist davon auszugehen, dass in Bamberg keinerlei System vorlag, auf welche Art und Weise die Rekatholisierung flächendeckend durchgeführt werden sollte. Dies zeigt sich besonders deutlich im Vergleich zu dem benachbarten Hochstift Würzburg, wo ein klares System sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung der Rekatholisierung zu erkennen ist. Für den unterschiedlichen Verlauf in den beiden Hochstiften können mehrere Gründe benannt werden. Die divergierenden Entwicklungen waren zum Teil struktureller Natur. Die unterschiedlichen Beziehungen und Loyalitäten sowohl der Bischöfe als auch der bischöflichen Beamten, die die Politik und deren Ausführung beeinflussten, können kaum rekonstruiert werden. Die Gründe für ein starkes oder weniger starkes Engagement müssen aber auch in der Persönlichkeit des jeweiligen Bischofs und dessen individueller Vorstellung von Rekatholisierung vermutet werden. Zudem kam in Würzburg gerade bei Julius Echter eine sehr lange Regierungszeit hinzu. Als er die Rekatholisierung begann, war er bereits mehr als zehn Jahre im Amt und kannte die Schwierigkeiten und Gepflogenheiten, während in Bamberg die Bischöfe häufig wechselten und kaum diese umfassende Erfahrung mit einbringen konnten. Ein weiterer Faktor, der die Rekatholisierung beeinflusste, waren politische Verpflichtungen und Verflechtungen der Bischöfe außerhalb ihres Hochstifts. Bei dem Bamberger Johann 2714 Bei der Untersuchung der Rekatholisierung in den Habsburgerländern kam Deventer zu dem Ergebnis, dass sich die landesherrlichen Maßnahmen durch Individualisierung und Ausdifferenzierung kennzeichneten. Individualisierung meint den Übergang von kollektiv durchgeführten Glaubensinformationen an zentralen Orten (Rathäuser, Kirchen) hin zu Einzelgesprächen. Ausdifferenzierung meint, dass es ein immer breiter werdendes Spektrum von Maßnahmen gab, um auf die jeweils individuellen Situationen vor Ort einzugehen (Deventer, Rom, S. 175 f.). Dieser Befund ließ sich für die bambergischen Orte teilweise nachweisen. Individualisierung kam in Form von persönlichen Ermahnungen der Pfarrer und bischöflichen Amtsträger häufig vor. Eine Ausdifferenzierung kam insofern vor, als dass sich es ein breites Spektrum von Maßnahmen entwickelte, ein individuelles effektives Vorgehen vor Ort wurde dabei aber, wie ausführlich gezeigt wurde, gerade nicht erreicht.

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Gottfried zeigte sich deutlich, um ein Beispiel zu nennen, dass seine langen Abwesenheiten, die auf sein Engagement in der Reichspolitik zurückgingen, zu einem deutlich geringeren Engagement in der Rekatholisierungspolitik führten. Auch die Personalunion mit Würzburg und der entsprechend häufige Aufenthalt des Bischofs dort äußerten sich in einem verstärkten Rückgang der Rekatholisierungsmaßnahmen in den untersuchten bambergischen Orten. Im zweiten Schritt der Fragestellung dieser Arbeit sollte geklärt werden, welche Gegenmaßnahmen die betroffenen Untertanen gegen die Rekatholisierung anwendeten. In den bambergischen Orten zeigten sich insgesamt sechs Gegenmaßnahmen, nämlich Bittbriefe, Verweigerung der Kommunion, Auslaufen (der Besuch eines lutherischen Gottesdienstes außerhalb des eigenen Territoriums), Tumult, Klage vor dem Reichskammergericht und der Einsatz von auswärtigen Mächten in gemischtherrschaftlichen Orten. In den untersuchten Orten des Hochstifts Würzburg kamen indes nur die ersten drei dieser Gegenmaßnahmen vor. Betrachtet man die Häufung der Gegenmaßnahmen, ergeben sich daraus drei Gruppen von Orten: (1) Eine Gruppe mit vielen Gegenmaßnahmen (Teuschnitz, Marienroth, Neukenroth), (2) eine Gruppe mittlerer Stärke (Grafengehaig, Rugendorf, Dormitz, mit Abstrichen Pinzberg) und (3) eine Gruppe mit nur wenigen Gegenmaßnahmen (Forchheim, Neunkirchen am Brand, Waischenfeld, Gerolzhofen, Iphofen, Kitzingen, Gemünden, Urspringen). Die zeitlichen Phasen entsprechen dabei in allen Orten in etwa den Phasen der Maßnahmen, d. h. die Hochphasen der bischöflichen Rekatholisierungspolitik korrelierten in der Regel mit einem verstärkten Auftreten von Gegenmaßnahmen. Die Orte der ersten Gruppe waren Orte mit einer geschlossenen lutherischen Bevölkerung, entsprechend heftig fiel der Widerstand aus. Die Orte der Mittelgruppe sind ausschließlich gemischtherrschaftliche Orte, in denen die Rekatholisierungsmaßnahmen nicht im gleichen Maße angewendet wurden wie in den anderen Orten, entsprechend weniger stark waren die Gegenmaßnahmen. In der dritten Gruppe muss deutlich differenziert werden. Bei den bambergischen Orten Forchheim, Neunkirchen am Brand und Waischenfeld fanden sich von Anfang an nur geringe Hinweise auf lutherisches Gedankengut, sodass von einer geringen lutherischen Bevölkerung auszugehen ist. Die Einwohner der Würzburger Orte hingegen wiesen zwar breite lutherische Bevölkerungsschichten auf, waren aber mit einer schnellen und effektiven Rekatholisierung konfrontiert, sodass häufig die Gelegenheit für massive Gegenmaßnahmen fehlte und zudem die ständige Kontrolle des Pfarrvolks und auch der ausführenden Beamten durch die Visitation diese ohnedies nur sehr bedingt zugelassen hätte.2715 Ins-

2715 Die Auswertung der Ergebnisse zeigt deutlich, dass die Unterscheidung »Stadt«/»Dorf«,

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gesamt betrachtet war es möglich, mit Gegenmaßnahmen die Rekatholisierung hinauszuzögern, eine Verhinderung war aber nicht möglich.2716 Im dritten Schritt der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung sollte untersucht werden, ob sich die fränkischen Lutheraner für einen Glaubenswechsel oder eine Auswanderung entschieden. Am Ende einer MaßnahmenGegenmaßnahmen-Kette stand für den einzelnen Untertan entweder eine dauerhafte Konversion oder eine Auswanderung. Es hat sich gezeigt, dass die Bischöfe eine klare Vorstellung von Konversion hatten: Der einzelne Untertan hatte die Beichte abzulegen und anschließend die Kommunion einzunehmen. Dies sollte bevorzugt zu Ostern stattfinden, allerdings waren auch andere Feiertage möglich. Inwiefern dieses äußerliche Anzeigen der Zugehörigkeit zum katholischen Glauben eine innere Glaubensauffassung widerspiegelte, war zunächst nebensächlich und erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte relevant. In der Bevölkerung wurde die einmalige Einnahme der Kommunion allerdings nicht als gleichermaßen bindend angesehen. In einigen Fällen konnte nachgewiesen werden, dass die Bevölkerung auch nach der Einnahme der Kommunion zu lutherischen Pfarrern und zum Abendmahl auslief, sie also mitnichten eine dauerhafte Verpflichtung aus der Kommunion ableitete. Zudem folgte nicht in allen Fällen aus der einmaligen Einnahme eine wie von der Obrigkeit gewünschte jährliche Einnahme der Kommunion in der Osterzeit. Bei der Analyse des Emigrationsverhaltens hat sich gezeigt, dass Auswanderung in den untersuchten bambergischen Orten praktisch nicht vorkam. In den Würzburger Orten zeigen sich deutliche Unterschiede. Während für Iphofen, Gemünden und Urspringen nur wenige bzw. gar keine Auswanderer bekannt sind, waren es für Gerolzhofen schätzungsweise bis zu 350 Personen. In Kitzingen wiederum wanderten etwa 1.100 Personen und damit fast die Hälfte der Stadtbewohner aus. Generell fiel auf, dass die Auswanderer zumeist den höheren sozialen Schichten zuzuordnen und in der Regel reich oder wohlhabend waren. Die Auswanderungsziele lagen in der Regel in der direkten Umgebung, was zu einer Reihe von Konflikten mit den Zurückgebliebenen geführt hat. Warum sich der Einzelne für einen Glaubenswechsel oder eine Auswanderung entschied, kann nicht vollständig geklärt werden, allerdings ist es auffällig, dass deutlich mehr Menschen katholisch wurden als auswanderten. Dafür wurden drei Gründe herausgearbeitet. Erstens war die Entscheidung für eine Auswanderung nicht nur von religiösen Gesichtspunkten bestimmt. Wirtschaftliche, aber auch soziale und familiäre Gründe konnten eine Rolle spielten. Eine Auswanderung bedeutete den Verlust von ererbten und lange bebauten die in der Einleitung als eine von mehreren Auswahlkritierien für die Untersuchungsorte dargestellt wurde, in der vorliegenden Untersuchung keinen Erklärungsansatz bietet. 2716 Zu diesem Ergebnis kommt auch Dippold für andere bambergische Orte (Dippold, Konfessionalisierung, S. 247).

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Schlussbetrachtung

Gütern, des sozialen Status’ und persönlicher Bindungen. Zum zweiten muss berücksichtigt werden, welche Maßnahmen vor der Ausweisung bereits durchgeführt worden waren, die vor Ort zu einem starken Druck geführt hatten: Viele Untertanen hatten zum Beispiel eine Haftstrafe hinnehmen müssen, die sie nur durch eine Kommunion wieder beenden konnten. Andere hatten hohe Geldstrafen zu zahlen oder waren mit einem Verbot der Ausübung ihres Amtes oder ihres Berufes oder der Nutzung der Allmende konfrontiert. Es ist davon auszugehen, dass die Menschen es vorzogen, zur Kommunion zu gehen, bevor sie ihre Existenzgrundlage (zum Beispiel Verlust der Ernte wegen längerer Haft) verloren. Auch das häufige Drohen mit der Ausweisung führte zu einer schwierigen Situation, in der nie klar war, ob die nächste Drohung nicht vielleicht doch durchgeführt würde und dann keine Zeit mehr bliebe, alle Angelegenheiten zu regeln. In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass der Druck zu stark war, als dass noch die Kraft für die Auswanderung hätte gefunden werden können. Ein dritter Grund erscheint möglich. Die Ausdifferenzierung der Konfessionen war ein langsamer Prozess, der das gesamte 16. Jahrhundert in Anspruch nahm. Die Unterschiede zwischen den Konfessionen mussten sich erst entwickeln, gerade im protestantischen Lager wurde lange gerungen, was die elementaren Glaubensinhalte der Konfession sein sollten. Es stellt sich also die Frage, ob es vor Ort überhaupt sinnvoll ist, für das 16. Jahrhundert in »katholisch« und »protestantisch« zu unterscheiden.2717 Mischformen waren weit verbreitet und in der Bevölkerung wurde häufig nicht zwischen den eigenen Glaubensverwandten und den anderen unterschieden. Dies manifestiert sich beispielhaft in der Klage der Würzburger und Bamberger Bischöfe über häufige Mischehen2718, in der häufigen Anstellung von katholischen und lutherischen Gesinde gleichermaßen und der in Adelsfamilien gängigen Praxis, Söhne in unterschiedlichen Konfessionen erziehen zu lassen, je nachdem, welche berufliche Laufbahn vorgesehen war. Die faktische Unterscheidung bezog sich zumeist ausschließlich auf das Herrenmahl. Auslaufen zum Abendmahl war weit verbreitet, bei anderen kirchlichen Handlungen (Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen) hingegen wurde in den meisten Fällen der heimische katholische 2717 Walther verneint dies (Walther, Gerrit: Abt Balthasars Mission. Politische Mentalitäten, Gegenreformation und eine Adelsverschwörung im Hochstift Fulda, Göttingen, 2002, S. 20). Ähnlich Schunka, der mit dem Konzept der »konfessionellen Liminalität« die Tatsache beschreibt, dass die Zugehörigkeit des Einzelnen zu Bekenntnisgemeinschaften als ein »sowohl-als-auch« einzuschätzen ist, also keine scharfe Trennung zwischen katholisch und evangelisch möglich wird. Im Alltag bewegten sich die Menschen dabei zwischen den Konfessionen und handelten dieses Mischverhältnis beständig neu aus (Schunka, konfessionelle Liminalität, S. 116). 2718 Schubert, Gegenreformationen, S. 287.

Schlussbetrachtung

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Pfarrer aufgesucht. Nicht selten wurde von den von Rekatholisierung betroffenen Menschen argumentiert, sie wollten gern alles einhalten, was von ihnen verlangt würde, Ausnahme sollte aber stets das Abendmahl sein, das sie auch weiterhin unter beiderlei Gestalt einnehmen wollten. Der noch nicht abgeschlossene Prozess der Konfessionsausprägung machte sich auch bei der Rekatholisierung bemerkbar. Diejenigen Untertanen, die bereits in den 1580er Jahren (Würzburg) bzw. 1590er Jahren (Bamberg) rekatholisiert wurden, reagierten zwar stark auf den auf sie ausgeübten Druck, waren aber auch unsicher, was genau die Unterschiede zwischen den Konfessionen ausmachte.2719 Neben dem deutlich unterscheidbaren Herrenmahl wurden selten genuin protestantische oder katholische Argumente vorgebracht bzw. abgewehrt. Damit ließe sich vor allem erklären, warum Menschen, die die finanziellen Möglichkeiten für eine Auswanderung hatten, es trotzdem nicht taten. Diejenigen Orte, die erst einige Jahrzehnte später rekatholisiert wurden (Grafengehaig, Rugendorf und Kitzingen) wiesen einen signifikant anderen Verlauf bei der Verweigerung der Kommunion, beim Auslaufen und beim Auswandern auf. Die Einwohner der drei genannten Orte zeigten sich deutlich stärker verwurzelt im Luthertum: Die Grafengehaiger, die ohnedies massiv ausgelaufen waren, erhielten mit Hilfe ihrer ritterschaftlichen Herrschaft noch in den 1630er Jahren wieder einen lutherischen Gottesdienst. Die rekatholisierten Rugendorfer nahmen nach 1650, als sie wieder einen lutherischen Gottesdienst im Dorf hatten, reihenweise wieder den lutherischen Glauben an und in Kitzingen wanderte als Reaktion auf die Rekatholisierung fast die Hälfte der Stadtbewohner aus, während die anderen sich häufig mit Auslaufen behalfen. Im Kapitel 7.1.1 wurde die Zweiteilung des Begriffs Konversion in die Unterkategorien Bekehrung (Änderung der persönlichen Glaubensauffassung) und Konfessionswechsel (Formales Anzeigen einer Änderung der Glaubensauffassung) vorgestellt.2720 Diese Doppeldeutigkeit hat sich für die Untersuchung als fruchtbar erwiesen. Wichtig war für die fränkischen Bischöfe das formale Anzeigen eines Konfessionswechsels. Die tatsächliche Änderung der persönlichen Glaubensauffassung blieb zunächst zweitrangig. Primär wurden die Zwangsmittel eingesetzt, erst nach dem formalen Konfessionswechsel wurde verstärkt Wert darauf gelegt, die neuen Glaubensinhalte zu verinnerlichen und die Riten und Zeremonien einzuüben. An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Trennung von Rekatholisierung und katholischer Reform gerechtfertigt ist. Insgesamt gesehen liefen in den Hochstiften zwei verschiedene Prozesse ab: Einerseits Rückführung (bzw. Ausweisung) der Lutheraner, ande2719 Dazu Herzig, hauptsächlich für die habsburgischen Ländern: Herzig, Rekatholisierung, S. 94 f. 2720 Lotz-Heumann/Mißfelder/Pohlig, Konversion, S. 22.

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Schlussbetrachtung

rerseits Stärkung der Katholizität (verbesserte Priesterausbildung und damit auch der Pfarrseelsorge, Stärkung des Brauchtums, Durchsetzung eines spezifisch katholischen Verhaltenskodex’). Diese beiden Entwicklungen liefen nicht parallel ab, sondern nacheinander (wobei es Überlappungspunkte gab).2721 Die Rekatholisierung gelang in vielen Orten innerhalb weniger Jahre. Es hat sich deutlich gezeigt, dass die Kommunikantenzahlen schnell anstiegen. In denjenigen Orten, die auch nach 1648 katholisch blieben, war die Rekatholisierung bereits weit vor 1648 abgeschlossen. Die Zeit der katholischen Reform erstreckte sich hingegen in Franken bis weit in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts.2722 Als im Hochstift Würzburg 1589 die Kirchenordnung erschien, die das geistliche Leben der Untertanen regelte, war die Rekatholisierung bereits vollzogen. Auch konnte in den untersuchten würzburgischen Orten keinerlei reformerischer Einfluss der Jesuiten in den entscheidenden Jahren 1585/86 gezeigt werden. In Bamberg begann ihr Wirken ohnedies erst 1610. Auf die bis dahin bereits rekatholisierten Orte konnten sie – falls überhaupt – also erst verspätet wirken, in den anderen ließ sich ihr Einfluss überhaupt nicht fassen. Zudem waren für die Einnahme der Kommunion, das hat die vorliegende Untersuchung deutlich gezeigt, in erster Linie Zwangsmaßnahmen nötig. Für die Verinnerlichung des Glaubens wiederum wurden gut ausgebildete Priester gebraucht. Die Gründungen von Priesterseminaren und Universitäten erfolgten parallel zur Rekatholisierung in den untersuchten Orten oder sogar später, wenn diese längst stattgefunden hatte. Entsprechend konnte kein Zusammenhang zwischen dem plötzlichen Anstieg der Kommunikantenzahlen und den langfristigen Veränderungen der priesterlichen Lebens- und Arbeitsweise gezeigt werden. Auf lange Sicht gesehen wurde in beiden Hochstiften ein weitgehend geschlossener überzeugt-katholischer Untertanenverband erreicht, obwohl Maßnahmen und Gegenmaßnahmen völlig unterschiedlicher Art und in völlig unterschiedlichen Verläufen zum Einsatz kamen. Hier bietet sich die Hypothese an, dass nach der Rekatholisierung die Wirkung der katholischen Reformen eingesetzt hatte: Missstände wurden verbessert, katholische Bräuche intensiviert und dadurch internalisiert. Die nachwachsenden Generationen kamen nicht mehr in dem gleichen Maße mit dem Luthertum in Kontakt wie ihre Vorfahren und wurden von Anfang an im katholischen Umfeld erzogen. Da der Aspekt der 2721 Diese Entwicklung lässt sich nicht nur für Würzburg und Bamberg konstatieren, sondern zeigt sich auch unter Bischof Dietrich von Fürstenberg in Paderborn und Ferdinand von Bayern, der (Erz)bischof in Köln, Münster, Lüttich, Hildesheim und später auch in Paderborn wurde (Herzig, Zwang, S. 51). 2722 Tagungsbericht Das Konfessionalisierungsparadigma – Leistungen, Probleme, Grenzen. XX. Bayreuther Historisches Kolloquium 22. 05. 2008 – 24. 05. 2008, Bayreuth. In: H-Soz-uKult 31. 07. 2008 (abgerufen am 30. 07. 2010). Der angekündigte Tagungsband ist noch nicht erschienen.

Schlussbetrachtung

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katholischen Reform aber nicht Teil dieser Untersuchung war, muss es bei dieser Hypothese bleiben. Insgesamt betrachtet hat die vorliegende Studie auf zwei Feldern Neuland betreten und Lücken in der Forschung gefüllt. Erstens konnte gezeigt werden, mit welchen Maßnahmen die fränkischen Bischöfe versuchten, ihre Landeskinder zur formalen Annahme des katholischen Glaubens zu bewegen und mit welchen Gegenmaßnahmen die lutherischen Untertanen dies zu verhindern suchten. Zweitens konnte durch einen breit angelegten Vergleich verdeutlicht werden, dass sich dieser Vorgang in den Hochstiften Bamberg und Würzburg merklich voneinander unterschied. Während Rekatholisierung in Bamberg unsystematisch geschah (in den zehn untersuchten Orten wurden zu unterschiedlichen Zeiten die unterschiedlichsten Maßnahmen ohne erkennbare Reihenfolge angewendet), zeigte sich in Würzburg ein klares System (klare Maßnahmenreihenfolge und -kombination mit wirksamer Kontrolle).

Karte: Franken um 1500

Abb. 3: Franken um 1500 (aus: Spindler, Max: Bayerischer Geschichtsatlas, München, 1969).

Glossar

Abendmahl Abhören der Gotteshausrechnung Allmende Auslaufen Bede Beständner Einstellung/Einstellen Fastnachtshuhn, -henne Kaplan Kinderlehre Komment Kommunion Mess(n)er Patronat Prädikant Priester Quatember

Schatzung Urfehde

Herrenmahl nach protestantischem Verständnis Kontrolle der Ein- und Ausgaben einer Kirche Land im Besitz von Gemeinden zur gemeinsamen Nutzung; meistens Weideland oder Wälder Der Besuch eines anders-konfessionellen Gottesdienstes außerhalb des eigenen Territoriums (städtische) Abgabe; Steuer auf Haus, Grundbesitz und Gewerbeeinnahmen Pächter, vertraglich beschränkter Inhaber eines bäuerlichen Leihegutes, Amtes oder Nutzungsrechtes Einnahme der Kommunion mit vorhergehender Beichte Huhn oder Henne, das oder die zu Fastnacht als Anerkennung der Grundherrschaft übergeben wird Hilfspriester Katechismusunterricht Gebühr, die ein Priester einmal im Jahr an den Bischof zu zahlen hatte Herrenmahl nach katholischem Verständnis Inhaber einer Messpfründe, d. h. der Inhaber hatte zu festgelegten Zeiten in einer Kirche eine Messe zu lesen Vorschlagsrecht des Kirchenherren bei der Besetzung der geistlichen Pfründe, insbesondere der Pfarrstelle Protestantischer Pfarrer Katholischer Pfarrer Kirchliche Fastenzeiten am Beginn der vier Jahreszeiten: Mittwoch bis Samstag jeweils nach dem 1. Fastensonntag (Invokavit), Pfingsten, dem 14. September und dem 13. Dezember Außerordentliche Steuer, Geldfestsetzung Ursprünglich der Eid, den die beteiligten Parteien einer

492

Wun und Weide

Glossar

Fehde nach deren Beendigung zur Friedenssicherung schwörten. Später das Versprechen an die Obrigkeit, ein bestimmtes Gebiet nicht mehr zu betreten Recht der Nutzung der Gemeinwiesen zur Futtergewinnung und als Weide

Abkürzungsverzeichnis

AmrhKG ARG ASW BHVB BlfbKG BlfwLG EdN (F) fol. GG HJb HRG HZ JbWLG LexMA JffL JGNKG JGPrÖ LThK Mainfränk. Jahrb. Gesch. u. Kunst MHJ NDB OM QFIAB r Rep. RJKG

Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte Archiv für Reformationsgeschichte Archiv für Stadt und Bezirksamt Schweinfurt Berichte des historischen Vereins Bamberg Blätter für bayerische Kirchengeschichte Blätter für württembergische Landesgeschichte Enzyklopädie der Neuzeit Filiale Folio Geschichte und Gesellschaft Historisches Jahrbuch Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Historische Zeitschrift Jahrbuch für Württemberger Landesgeschichte Lexikon des Mittelalters Jahrbuch für fränkische Landesforschung Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich Lexikon für Theologie und Kirche Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst The Medieval History Journal Neue deutsche Biographie Osnabrücker Mitteilungen Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken recto (Vorderseite) Repertorium Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte

494 SHVI TRE v WDGB WestF ZAA ZBKG ZBLG ZfG ZHF ZHG ZRG KA

Abkürzungsverzeichnis

Sammelblatt des historischen Vereins Ingolstadt Theologische Realenzyklopädie verso (Rückseite) Würzburger Diözesangeschichtsblätter Westfälische Forschungen Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zeitschrift für historische Forschung Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung

Die Abkürzungen der Bestände- und Aktennamen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst.

Quellen- und Literatur

Ungedruckte Quellen Archiv der Erzdiözese Bamberg (AEB) Rep. I Bände Nr. 340, 343, 344, 350, 735 – 738, 740 – 746, 750 Rep. I Pfarrakten (Pf. A.) Nr. 197, 264, 528 – 530, 569, 570 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStA) Reichskammergericht Nr. 496, 12747, 12748, 15099 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (BArch) AR 1 Reichskammergericht Urteilsbücher (Datenbank), Misc./540 Diözesanarchiv Würzburg (DAW) Ämterakten Nr. 33, 34, 44, 48, 79 Landkapitelakten Nr. 83, 84, 136 – 143, 154, 155, 182 – 202 Pfarrei-Akten Gemünden Kasten 1, Gerolzhofen Kasten 1, Kitzingen Kasten 2 Landeskirchliches Archiv der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern (LAELKB) Markgräfliches Konsistorium Bayreuth Nr. 1 Pfarrakten (Pf. A.) Nr. 22 Wirsberg, Nr. 23 Möhrendorf Pfarrmatrikel Ermreuth, Gräfenberg, Guttenberg, Kulmbach, Uttenreuth

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Quellen- und Literatur

Superintendentur Kulmbach Nr. 361 Pfarrarchiv Baiersdorf Kirchenbuch 1 Kirchenbuch 2 Staatsarchiv Bamberg (StABa) A 85 (Urkunden der fürstlich bambergischen Einigungen, Bündnisse und Staatsverträge) L 347 Nr. 1672 B 26c (Gesetze, Verordnungen) Nr. 1/III, 1/IV, 1/V, 1/VI B 46a (Bamberger Differenzakten, 1. Reihe: Differenzen mit Brandenburg, Oberpfalz und Sachsen) Nr. 751, 757 B 46b (Bamberger Differenzakten, 2. Reihe: Differenzen mit Nürnberg) Nr. 3543, 3586, 4245 B 49 (Pfarreiakten) Nr. 42, 47/01, 47/02, 47/04, 47/09, 47/30, 58/07, 81-I/23, 81-I/24, 95-I/01, 129/03, 129/04, 130-I/01, 130-I/02, 130-I/16, 163-I/03, 163-II/05, 163-II/15, 163-II/16, 163-II/18, 163-II/19, 181/27, 181/33, 181/36, 191/01, 191/08, 191/29 I, 191/29 II, 191/36, 191/39, 191/57, 211/05, 211/18, 227/13 Geheimes Hausarchiv Plassenburg (GHAP) Nr. 2580, 2732, 4708, 4881, 9173, 9211 Hochstift Bamberg Neuverzeichnete Akten Nr. 485, 498, 508, 522, 530, 537, 548, 569, 573, 585, 586, 591, 596, 4361, 5106 Staatsarchiv Coburg (StAC) Lokat D Nr. 1327 Staatsarchiv Nürnberg (StAN) Fürstentum Ansbach Religionsakten (Fm Ansbach Religionsakten) Tomus XLI Reichsstadt Nürnberg Briefbücher des Inneren Rates (Rst. Nbg. Briefb. d. Inneren Rates) Nr. 246 Reichsstadt Nürnberg Differentialakten (Rst. Nbg. Diff.akt.) Nr. 562, 584 Reichsstadt Nürnberg Ratskanzlei (Rst. Nbg. Ratskanzlei) B-Laden 4 Nr. 2, B-Laden 4 Nr. 4, B-Laden 65 Nr. 11, C – Laden S II L 79 Nr. 11 Staatsarchiv Würzburg (StAW) Administrationssachen (Adm.) f. 417/8383

Gedruckte Quellen

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Akten des Gebrechenamts (Gebr Amt) II FG 611, II FG 932, II FG 944, II FG 971, II FG 980, Archivaliensammlung des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg (H V) MS f.* 28, MS f. 39, MS N. 13, MS o. 16, MS q. 99, MS q. 129, MS q. 245 Göbel-Akten (G-Akten) 14914 Geistliche Sachen 3069, 3078, 3082 Gericht (Ger) Gerolzh 217 Historica, Saal (Hist. Saal) VII 43 Libri diversarum formarum (ldf) 36, 43 Miscellanea (Misc.) 775, 1157 Würzburger Domkapitelsprotokolle (WDKP) 43

Gedruckte Quellen Dietwar, Bartholomäus: Leben eines evangelischen Pfarrers im früheren markgräflichen Amte Kitzingen von 1592 – 1670 von ihm selbst erzählt, hrsg. und erläutert von Volkmar Wirth, Kitzingen, 1887. Himmelstein, Franz Xaver: Synodicon Herbipolense. Geschichte und Statuten der im Bisthum Würzburg gehaltenen Concilien und Dioecesansynoden, Würzburg, 1855. Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. Vollständiger lateinischer Text mit Übersetzung der wichtigeren Teile und Regesten, bearb. von Konrad Müller, Bern, 21966. Kitzinger Chronik des Friedrich Bernbeck 745 – 1565, hrsg. und mit sachlichen Erläuterungen versehen von Leopold Buchmann, Kitzingen, 1899. Walder, Ernst: Religionsvergleiche des 16. Jahrhunderts, Bern, 21960. Wolmuth, Josef (Hrsg.): Dekrete der ökumenischen Konzilien Band 3: Konzilien der Neuzeit, Paderborn u. a., 2002.

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Quellen- und Literatur

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